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ZEITSCHRIFT
FÜR
KIRCHENGESCHICHTE,
m.
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ZEITSCHRIFT
FÜR
KmCHENGESCmCHTE.
m.
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V
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ZEITSCHEIFT
FÜB
KIRCHENGESCHICHTE
IN VERBINDUNG HIT
D. W. GASSy D.E BEÜTEB und D. A. BITSOHL
HBRAUSGE6EBEN VON
D. THEODOR BRIE6EIL
m. Band.
eOTHA.
FRIEDRICH ANDREAS PERTHES.
1879.
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Inhalt.
Erstes Heft
(Ausgegeben den 31. December 1878.)
Seite
üntersuchmigen and Essays:
1. W, BomematM, Das Tanfsymbol Justin's des Mär-
tyreS 1
2. M. ^/cm, Zwingli und Landgraf Philipp (erster Artikel) 28
3. W.^Qass, Die Stellung des apostolischen Symbols vor
zweihundert Jahren und jetzt 63
Kritische üebersiehten:
Die dogmengeschichtlichen Arbeiten aus den Jahren 1875
bis 1877 von W. Möller (zweiter Artikel) 93
Analekten:
1. S, Löwenfdd, Zur G-eschichte des päpstlichen Archivs
imllittelalter 139
2. O, Hertel, Anmerkung zur Geschichte Columba*s . . 145
> 3. V. ßdwdUe, Actenstücke zur deutschen Reformations-
geschichte:
I. Dreizehn Depeschen Contarini's aus Regensburg
an den Cardinal Famese (1541) 150
4. Th. ^rieger, H. Baumgarten's Bitte, Joh. Sleidan be-
I, treflfend 185
5. A, ^xrfMck, Zur Statistik der griechisch-russischen
\ Kirche 188
6. Miscellen von E. Nestle, Ad. Merx und Th, Brieger 194
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VI INHALT.
Zweites Heft.
(Ausgegeben den 31. März 1879.)
Seite
Untersuchungen und Essays:
1. H. ^mann, Studie über Maxinulian's I. Plan einer
deutschen Kirchenreform im Jahre 1510 199
2. M. Lem, Zwingli und Landgraf Philipp (zweiter Artikel) 220
Kritische Uebersichten:
Die kirchlich - archäologischen Arbeiten aus den Jahren
1875 bis 1878 von V. Schultze (erste Hälfte)' .... 275
Analekten:
1. /. K. S^demann, Erläuterungen zu den Epistolis Be-
formatorum in Bd. U 301
2. Th. Brieger, Nachwort zu den von V. Schultze mitge-
teilten Depeschen Contarini's 308
3. Ein Brief Bucer's an Melanchthon (1544), mitgeteilt von
Friedr, ^de 312
4. Ä. HamacJCy Ueber den Verfasser und den Zweck der
Proptetia Malachiae de summis pontificibus (1590) . 315
5. Miscellen von C. Krafft 325
Drittes Heft.
(Ausgegeben den 30. Juni 1879.)
Untersuchungen und Essays:
1. W. Qass, Zur Symbolik der griechischen Kirche . . 329
2. A, 'Hcurnaclc , Das Muratorische Fragment und die
Entatehung einer Sammlung apostolisch -katholischer
Schriften 358
3. 2%. lAndn^r, Papst Urban VI. (erste Hälfte) ... 409
4. M. £em, Zwingli und Landgraf Philipp (dritter, Schluss-
Artfiel) 429
Erltische Uebersichten:
Die kirchlich -archäologischen Arbeiten aus den Jahren
1875 bis 1878 von V, Schultze (zweite Hälfte) ... 464
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INHALT. Vn
Seit«
Analekten:
1. A, t>. Druffel, Nachträgliche Bemerkimgen über den
Angofltmer Johann Hoffineister 485
2. Th. Brieger, Zur Correspondenz Contarim's während
seineT deutschen Legation. MitteUungen aus Becca-
de]li*8 Monumenti 492
Viertes Heft.
(Ausgegeben den 30. November 1879.)
üntersuelmiigeii und Essays:
Th. lAndner, Papst Urban VI. (zweite Hälfte) .... 525
Kritisclie üebersiehten:
Die kirchengeschichtlichen Arbeiten der letzten Jahre:
Gleschichte der Reformation in der Schweiz von
E. StaeheUn 547
Analekten:
1. Th.Briegery Zu Eusebius H. E. VIII ;
L Eusebius* Disposition im 8. Buche der Kirchen-
geschichte 586
2. Ä, gamack, Das Muratorische Fragment 595
8. Th. Solde, Zum V. Lateranconcil 599
4. F. ^shnltze, Actenstücke zur deutschen Keformations-
gesdCichte:
n. Fünfzehn Depeschen aus Begensburg vom 10. März
bis 26. Juni 1541 609
in. Depeschen aus Wien, Hagenau, Bastatt, Utrecht,
Worms aus den Jahren 1539—1545 642
5. W. Mcmrenbrei^^er, Morone's Bericht über das Triden-
tinerTJoncil 653
ß. WiB Celle Yon V. Schuitze 659
Register:
I. Verzeichnis der abgedruckten Quellenstücke .... 661
n. Verzeichnis der besprochenen Schriften 664
HL Sach- und Namenregister 669
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Das Taufsymbol Justin's des Märtyrers.
Von
W. Bomemanii.
Die unangezweifelten Schriften Justin's des Märtyrers,
die beiden Apologien und der Dialogus cum Tryphone, ent-
halten so zahlreiche Anklänge an das sogenannte Symbolum
Apostolicum, dass eine Untersuchung, ob und wie weit diese
Anklänge eine ältere Form jenes Symbols und ein firüheres
Stadium seiner Bildung repräsentiren, wohl gerechtfertigt er-
scheint; und das imisomehr, da grade die Zeit Justin's die
Ghrenze büdet, bis zu welcher das Apostolicum auf Grund
deutUcher Spuren rückwärts verfolgt werden kann. Zwei
verschiedene Richtungen der christlichen Verteidigung dar-
stellend; dienen die erhaltenen Justinischen Schriften vielfach
sich gegenseitig zur Ergänzimg; auch entstammen sie einer
Zeit, in welcher die christliche Theologie, noch im Anfangs-
stadium ihrer Entwicklung stehend und aus dem christlichen
Gemeindeglauben allmählich emporsteigend, ihren besten In-
halt der Glaubensüberlieferung entnahm und sowohl an die
einfachsten Gedanken und Tatsachen der christUchen Ge-
meindelehre, als an den Wortschatz und den Sprachgebrauch
der litui^ischen und symbolischen Formeln anknüpfte. Endlich
stand der Philosoph und Märtyrer noch nicht, wie seine Nach-
folger auf dem Gebiet der Apologetik, unter dem Einfluss
der Arcandisciplin, sondern durfte auch wichtige, später den
Nichtchristen verheimHchte, innere Verhältnisse des Gemeinde-
ZeiWehr. f. K.-G. lli, 1. 1
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lebens in seinen Schriften frei berühren. Dank diesen ver-
schiedenen Umständen liegt uns für die Untersuchung der
oben angeregten Frage ein ebenso brauchbares wie reich-
haltiges Material vor. Von diesem werden hier vor allem
diejenigen Stellen zu berücksichtigen sein, welche religiöse,
an das Apostolicum anklingende Aussagen als officielle Teile
des christlichen Gt)ttesdienstes und Gemeindelebens oder als
Inhalt christlichen Bekennens direct bezeichnen; ab zweite
Klasse kommen dann die bei Justin sehr häufigen Stellen
in Betracht, welche, freier formulirt, mehr den Charakter
einer regula fidei, ein mehr oder weniger polemisches oder
theologisches Gepräge tragen, und welche, je nach ihrer
Stellimg und der Zahl der Glieder, die sie, dem Apostolicum
entsprechend, im Zusammenhang wiedergebe unter einander
an Wert verschieden sind ; schliesslich werden die einzelnen,
durch die Schriften verstreuten, solennen und liturgischen
Ausdrücke, welche einem Gliede unseres Bekenntnisses ent-
sprechen, zum Vergleich herangezogen werden müssen.
Wollte man allein nadi dem Dialogus cum Tryphone
unsere Frage behanddb; so könnte es auf den ersten Blick
unwahrscheinlich erscheinen, dass eine derartige Dreiteilung,
wie sie in den Artikebi des Apostolicums vorliegt, Justin
überhaupt bduumt gewesen sei. Denn abgesehen von dem
einen, nicht grade schwerwiegenden Worte Dial. 36: xal
m^KQlyitOi aitoi^ to Jtrfvfia ro ayioy f ano nQoawnov xov
Tun^og 7] ano xov iiiov wird neben Gott, dem Schöpfer und
Erhalter, und Jesus Christus, Gottes Sohn, hier an keiner
Stelle der heilige G^t in einer jener Dreiteilung analogen
V^bindung erwähnt. Allein ausser dem Umstände, dass der
Dialogus überhaupt seinem Charakter nach eine wissen-
schaftliche Auseinandersetzung mit dem Judentum ist,
währ^id die dogmatische Vorstellung vom heiligen Gfeist
noch sehr unklar und den Juden kaum anstössig und der
Ausbau dieser Lehre der Zukunft vorbehalten war, wird vor
allem der Zweck des G^präches beachtet werden müssen,
welches eine bestimmte Anzahl von Vorwürfen gegen das
Christentum, besonders gegen die Person und Bedeutung
Christi widerl^en sollte (für den zweiten Artikel demnach
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DAS TAUFSYHBOL JüSTIK'B DBS MÄBTTREBS. 8
uns von t>e6onderem Werte sdn wird), nicht aber eine volle
Darstdlung christlicher Lehre und christlichen Gottesdi^istes
SU geben bestimmt war. In der Tat beweist denn auch die
weit mehr mit der Praxis des CSiristentums zusanmienhängende
grössere Apologie in ihren wichtigsten Partien, dass zur Zeit
Justin's die Gemeinde symbolische Formulirungen in der an
den Tauf befehl sich anschliessenden, dreiteiligen Form kannte
und gebrauchte. Durch die Schilderung des Taufritus (Ap.
I, 61) und des Abendmahls (Ap. I, 65 u. 67), sowie durch
das dem Vorwurf der ad-eSttig entgegengestdUte Bekenntnis
(Ap. ly 6 u. 13) wird dies zwdfellos. Es heisst:
Ap. I, 61: in 6y6jbiaTog yaQ rov noTQog rtSy oXaty xal
inmoTOv d^ew xal rov awviJQog rfjtwy ^Itjaov XqiojoZ nuil nvii-
funog aylfiv to Iv tcü viaxi toxi Xovxqw noiovvrai . . .
, . . iy Tf^ viari tnoyo/ial^eTcu . . . to rov naxQog rtSy
oXmy Tcal dfonovov S'eov oyo^a . . . xai in oyo/narog Si ^Itjoov
XQtOTWy TW aTavQO>d'(yTog inl Tloytiov niXarov^ xal in 6yd-
fiarog ny&sfjiaxog wyiov, o Sta xwy nQO(prjTwy nQoexr^^ty ra
xara roy ^Ir^aovy nayja^ o (pwu^ojueyog Xovtvai,
Ap. I, 66 : TW naTQi Ttay okwy ita tov oyofiotxog rov vlov
Kol TOV nyevfiaxog tov ayiov ayanifjuui.
Ap. I, 67: Toy noitjTrjy Twy n&yTioy dia tov vlov avTOV
^[fjaov XQtoTov xal ita nytvuarog tov ayiov . . .
Ap. I, 6 : xal OjbioXoyoviniy rcSr roiovTWy yofitl^o/niycay &iwp
a&eoi tlyai, aXX^ oixi rov aXtj&iOTaTOV xai JiaTQvg dixatoavytjg xal
awf^oüvyrig xal rtiy aXXcDy OQiTwy ayentfiixrov t« xaxlag d-eov '
aX^ ixityor t« xal xoy naq avTov vtoy iX&oyTa xai iiSa^ayTa
rßog Tovray xal Toy T(oy aXXwy tnofjiiywy xal l^Ofxoiovfifycoy
ayadwy ayy{X(ay üTQaTioy, nyfVfÄO, ti to nQOtprjTocoy ofßofu&a
xal nQoaxvyotiiziy. . . .
Ap. I, 13: ad^eoi (xiy ovy wg ovx iafjLiy, tov dtjfuovgyoy
Tovie TOV nayTog Oißofityoi . . . ., Tlg aü}(pQ0y(3y oifx ofioXoytj'
an; Toy StdaaxaXdy Tt TOVTtöy yeyofuyoy rjbity xal dg tovto
ytyyfj&iyTa hjüovy XqtOToy y Toy aravQcad-ivTa inl IloyTlov
TliXiroVy TSV yeyo/niyov iy ^lovSala \nl XQ^^oig Tißt^lov Kai-
aoQog intTQonov^ vioy avTOv tov oyTwg d-eov uaSiyxig xal iy
iwxiqtf X^^^ ^oyTtgy nyfv/bia t« nQOtptjrncoy iy T^hrj toI^h Sri
' fuxa Xo^'ov Ttfitöfxeyy anoStC^o^uv,
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4 BORNEMANN^
DasB in c. 6 das Engelheer sich in das Bekenntnis
eindrängt, beruht auf apologetischen Tendenzen; und wir be-
sitzen somit in den angeführten Worten den Beweis, dass
sowohl bei dem mehr lehrhaften Bekenntnis (c. 6 u. 13),
wie im Gottesdienst bei der Abendmahlsliturgie (c. 66
u. 67) und ebenso bei der Taufe (c. 61) der Gfrundstock
des apostolischen Symbolums vorhanden und im Ge-
brauche war.
Die Verwendung des Bekenntnisses zu Vater, Sohn und
Geist bei der Taufe ist nun nach der ganzen Vorgeschichte
und Geschichte unseres Symbolum Apostolicum ein ausser-
ordentlich wichtiges Moment; und bei Justin wird besonders
zu fragen sein, ob die symbolische Taufformel Ap. I, 61 nicht
vielleicht nur eine Abkürzung einer ausfuhrlichen symbo-
lischen Formulirung darstelle. Man dürfte auf den ersten
Anschein hin geneigt sein, diese Frage zu verneinen: fiir den
ersten Artikel wird auch jede Erweiterung ausdrücklich mit
den Worten avro tovto fxovov InikiyovvoQ xrX. ausgeschlossen,
und fiir den dritten Artikel ist, wie wir später sehen werden,
das Bekenntnis vom heiligen Geist zu Justin's Zeit höchst
wahrscheinlich das einzige Glied. Für den zweiten Artikel
dagegen wird die Frage bejaht werden müssen. Zunächst
nämlich wird man zugeben, dass es in Justin's Aufgabe und
Zweck nicht liegen konnte, die volle Taufliturgie hier an-
ziifuhren, dass er vielmehr diese, ebenso wie c. 66 u. 67 die
Abendmahlsliturgie, nur in einer abgekürzten, die Hauptsache
berührenden Form wiederzugeben brauchte, um so eher, als
er das etwa aus dem zweiten Artikel Ausgelassene schon mehr-
fach in den früheren Capiteln erwähnt und bewiesen hatte.
Femer macht es die eben erwähnte ausdrückliche Bemerkung,
dass zum ersten Artikel nichts anderes hinzugefiigt werde,
sehr wahrscheinlich, dass die übrigen Teile der Formel unter
Umständen erweitert wurden; imd eine Vergleichung der
beiden c. 61 gegebenen Formeln zeigt, dass in der zweiten
Formel sich sowohl zimi zweiten {%ov axavQvad-^yTog inl Hoytiov
TliXarov), wie zum dritten Artikel (8 dia rcSy nQOfpfjrwy nQo^
txTjQvlie Ttt xavä roy ^Itjaovy narra) Zusätze finden. Es liegt
also wahrscheinlich in beiden Fällen eine Abkürzung des
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DAS TAÜPSYMBOL JüSTIN'S DES MÄRTYRERS. 5
Symbols, wenigstens des zweiten Artikels vor; und eine an-
dere Bemerkung ist geeignet, mis hier weiter zu fuhren.
Es findet sich nämlich bei Justin an mehreren Orten eine
kurze Formel, die beim Exorcismus angewandt wurde, und
deren Wortlaut fast überall genau tibereinstimmt. So:
Ap. n, 6: inOQxli^oyjig xajä rov ovofiaxog ^Irjaov Xqi-
OTOv, rov aravQfod'lpTog Inl Rayrlov ILkarov.
Dial. 30 : ilSoQx^l^of^eya xara rov oro/najog ^Ifjoov XqtorWj
rov aravQüid'iyTog inl norrlav ILXaroVf tov yiro^iyov imTQO'
nav rrjg ^lovSaiag.
Dial. 76: xal yvr ^/ueTc, ol nuTTtvoytfg inl roy arav^io-
d^ivra inl Tlovrlov UiXajov ^Itjaovy xvQtor TjfuSy rä Saifioyia ndyra
xal nviVfiora noyfjQa H^o^xi^orTtg vnoraüao/itya rj^ty (X^jbiey.
VgL Dial. 49 : , To! aravQCDd-iyri XQi<n(pf oy xal rä Sai-
fwyta q^giaaei.
Diese kurze Beschwörungsformel, die neben dem vollen
Namen des Herrn nur den Ejreuzestod unter Pontius Pilatus
als die significanteste Tatsache der Heilsgeschichte enthält,
ist jedoch nur die Abkürzung einer längeren, fast den gan-
zen zweiten Artikel unseres Apostolicums wiedergebenden
Formel, die Justin selbst Dial. 85 mitteilt:
Dial. 85: xara yag tov oyo/narog avTOv rovrov rov viov
TOV d^ov xal nQfOTOTOxov naarjg xtlaicog xal Sia naQ&iyov
yeyytld-iyrog xal Tta&rjTOv ytyoiJiiyov ayd-QWnov xal oravQwd'iyTOg
im Iloyxlov Ilikajov vno rov Xaov v/näy xal ano&ayoyjog xal
ayaorayrog ix yixQwy xal ayaßarrog elg roy ovQayoy, nay äai-
fioyioy i^OQXil^6f4tyoy yixarai xal vnotaaaercu.
Nun findet sich aber die obige kurze symbolische Zu-
sammenfassung des vollen Namens Jesu Christi und seines
Kreuzestodes unter Pontius Pilatus trotz der zahlreichen son-
stigen Anklänge in den Justinischen Schriften, abgesehen von
den genannten, den Exorcismus behandelnden Stellen, nur
noch zweimal: zunächst in der kurzen Bekenntnisform Ap.
I, 13 und dann eben bei der Taufformel Ap. I, 61, überall
fest wörtlich übereinstimmend. Sind nun die Formeln Ap. H, 6,
Dial. 30 u. 76 nur Abküi^sungen der DiaL 85 mitgeteilten,
und stinmien sie andrerseits, und zwar allein, genau mit den
für den Taufritus überlieferten symbolischen Worten über-
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6 BORNEMAKN;
ein^ BO liegt es nahe^ in dem Ap. I, 61 gegebenen Tauf-
symbol ebenfalls eine Abkürzung und in jener erweiterten
Formel Dial. 85 eine, der Hauptsache nach mit dem zweiten
Artikel des Taufsymbols identische, symbolische Formel zu
sehen. Damit wäre wahrscheinlich gemacht, dass zu Justins
Zeit ein dem Apostolicum in seinen wesentlichen Grundzügen
entsprechendes Symbol in den christÜchen Gemeinden bereits
bekannt und gebräuchlich war. Inwieweit jene Dial. 85
g^ebene Formel in diesem Symbol enthalten war — auch
sie hat ja Zusätze wie das vno rov Xaov vfxwv und erscheint
nicht vollständig — , wird unten zu behandeln sein; vorerst
werden wir dem arsten Artikel nachzuforschen haben.
Hier zeigt sich uns zunächst die auffallende Erschei-
nung, dass die solennen Ausdrücke für Gott, den Vater
und Schöpfer, welche etwa in einer symbolischen Formel
ihre Stelle finden konnten, in den Apologien einerseits und
dem Dialogus andrerseits, obwohl in jeder der beiden Schrif-
ten mehr denn je zwanzig Varianten solcher Ausdrücke
sich finden, fest gar nicht mit einander übereinstimmen. Von
sämmtlichen 46 liturgischen Bezeichnungen Gottes ist nur
eine einzige — o Ticer^p Tioy oXmv (Ap. I, 63. 63. 65. Dial.
56. 61. 76. 95. 105. 114. 115) oder o i:mv oXcjy nav^Q
(Dial. 58), o narTcay naxriQ (Ap. U, 6) imd erweitert o nartiQ
Twy oXwr d-fog (DiaL 76. 108) und o narvjQ rcHy nayxmv &i6g
(Ap. I, 45) — den erhaltenen Justinischen Schriften gemein-
schaftlich. Eine so weitgehende Verschiedenheit der Aus-
drucksweise in den Schriften Eines Mannes trotz der zahl-
reichen Anwendung wird gewiss in dem verschiedenen Cha-
rakter tmd Zweck der Schriften einen wichtigen Erklärungs-
grund finden; und sicher dürfen deshalb vereinzelte Aus-
drücke, wie 0 drj^iovQyog tovSb tov navrog Ap. I, 13 und
0 avQtmog xol oA wv d^fog xai yiyytjriOQ anayvwy Ap. I, 13,
und femer einzelne Redeweisen, welche durch die Polemik
gegen*Marcion hervorgerufen wurd^i, wie o Stj/Liiov^og Ap.
I, 26, 0 dfjfxtw^og o nayjwy d-iog Ap. I, 68, o nottjaag d^og
Ap. I, 58, 0 SrjiÄiovQyog et factor et nutritor noster (= o Stjint-
ovqyog xaJ noirjTfjg xal TQoq)evg tjftciy), Syntagma c. Marc,
ap. Iren. IV, 11, 2 und unus Dens, qui et hunc mundum
Digiti
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DAS TAÜPSYMBOL JUSTIN'S DES MÄRTYRERS. 7
fecit et nos plasmavit et omnia continet et admiuistrat (= ilg
dto^ 0 j6yii rhy niofiov notraag xtd fjf4äg nXaaag xai ja nayja
awixfay xAl Sioixwy) Synt. c. Marc. 8^, Iren. IV, 11, 2,
för unsere Frage völlig unberücksidbtigt bleiben. Allein
andrerseits scheint auch der zeitliche Unterschied der Schrif-
ten und vor allem das Wanderleben Justin's zur Erklärung
jener Verschiedenheit sich als willkommene Stütze darzu-
bieten. Wenn das Wort naytoxQdjWQy das ja firühzeitig in dem
alten, kürzeren römischen Symbol stand, in den Apologien
ungeachtet der passenden und naheliegenden G^l^enheit gar
nicht, im Dialogus dagegen sechs Mal (16. 38. 83. 96. 139.
142) und an nicht unwichtigen Stellen vorkommt, so dürften
die Entwicklung der Zeit und die Veränderung des Aufent-
halts Justin's, womit ja der Einfluss einer andern Gemeinde
und ihrer Bekenntnisformel verbunden war, möglicherweise
als Factoren'mit zu veranschlagen sein.
Wenn nun trotz der sonst durchgehend verschiedenen
Ausdrucksweise der eine Ausdruck o najfjQ rwy oXwy (bzw.
n&yvwy) durch die verschiedenen Schriften zahlreich und an
bedeutungsvollen Stellen bezeugt ist, so wird uns dies ein
Zeichen sein, dass er gerade fOr unsere Untersuchung von
Wichtigkeit ist Und in der Tat finden wir, wenn wir uns
zu der vor allem massgebenden Stelle, der doppelten Wieder-
holung der Taufformel Ap. 61 wenden, jenen Ausdruck als
einen Teil dieser Formel Dadurch gewinnt die an sich
schon wichtige Formel und ihr Ausdruck o narijQ rwy oXwy
xai SionifTijg &i6g ftir uns noch grössere Bedeutung, [und es
verlohnt sich, an der Hand dieser Formel die bei Justm ge-
bräuchlichen solennen Bezeichnungen Gottes ein Mal zu mu-
stern. Ihr grösserer Teil lässt sich danach in folgende Ta-
belle zusammenstellen:
L
0 TunijQ Tioy oXwy xal Sianortjg d-^g. Ap. I, 61. 61. 44.
0 TunijQ n&yxwv xai ätOTWTtjg &i6g, Ap. I, 12. 33. 40. 46.
0 Seaniifig n&y%iay xaX naxr^ d-fog. Ap. I, 36.
n.
a) 0 najTjQ xai SicnirTjg ttSy SXkfy, DiaL 140.
b) 0 &üg xai ;iot^ räy Slwy, DiaL 68. 74. 114. 138.
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c) 0 narfjQ rwr navTiay &e6g. Ap. I, 45.
0 TiarriQ twv oXwv d-eog. Dial. 76. 108.
d) 0 nartiQ twp olwr. Ap. I, 63. 63. 65. Dial. 56. 61. 75.
95. 105. 114. 115.
0 Tiüv okmy naTTQ. Dial. 58-
0 navTWv naTTQ. Ap. 11, 6.
ni.
a) 0 nayjwv äeanol^cjy S-eog» Ap. I, 14.
0 Seano^wy, Ap. I, 44.
b) 0 xvQtog nayrwy narrjQ. Dial. 32.
c) 0 notrjTfjg rcoy oXcoy d^tog xal narrjQ. Dial. 7. 56.
0 Ttatrjg avrov xal ruiy oXwy nottjTTjg xal xvgiog xal d-tog,
Dial. 67.
d) o nartiQ xal noirjTijg rwy oXioy. Dial. 117.
0 narijQ xal notTjrrg rwy anayjwy, Dial. 60.
0 noiTfWfg TWy oXwy xal naTtjQ, Dial. 60.
e) o nayjoxQarwQ naTrjQ. Dial. 139.
f) 0 Tioy oXcoy nairjQ xal StjfuovQyog. Ap. I, 63.
o narrg xal Stjf^iOVQyog nayrwy. Ap. II, 10.
d-tog o nartjQ navxmy xal drjf.uovQy6g, Ap. I. 8.
g) 0 OQQfjTog narrjQ xal xvgiog rcSy ohoy. Dial. 127.
0 aQQrftog naTtjg xal xvgtog rwy nayrwy, Dial. 127. 127.
h) 0 nariiQ xal ßaaiktvg rwy ovQayoiy, Ap. II, 2.
i) 0 narrjQ o xal rovg ovQayoifg xal rr^y yvf noirjoag, Dial. 74.
Die erste Klasse dieser Tabelle enthält die Stellen, wo
der Ausdruck der Taufformel, sei es in voller Genauig-
keit, sei es in einfacher Umstellung oder mit unbedeutender
Aenderung {nayrwy statt oXwy) vorkommt; in der zweiten
Klasse sind diejenigen Stellen zusammengestellt, welche Teile
jenes Ausdrucks der Taufformel repräsentiren', in der dritten
diejenigen, welche solche Teile mit andern Bezeichnungen
Gottes verbinden. Sehen wir die verschiedenen Klassen auf
ihre Bedeutung fiir unsre Untersuchung an, so vereinigt grade
die erste Klasse acht Stellen von grosser Wichtigkeit. Ne-
ben den beiden Stellen aus der Schilderung des Taufritus
Ap. I, 61 finden wir drei Stellen Ap. I, 12. 32. 46, welche
in der Form einer regula fidei den Anfang des zweiten Ar-
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DAS TAÜFSTMBOL JUSTIN 8 DES MAETYBEBS. 9
tikels darstellen und statt vlbg avrov, wie es im vollstän-
digen Symbol heissen würde, den wegfeilenden ersten Artikel
durch viog (oder ähnliche Worte) rov natQog nivrcjy xal dea-
norov d-eov ersetzen. Ap. I, 40 hat denselben Ausdruck bei
Behandlung der Austreibung der Dämonen, — in einem Zu-
sammenhange also, der uns oben schon wichtig erschien.
Auch Ap. I, 36 u. 44 sind bedeutungsvoll, da hier die
Aussagen des heiligen Geistes cog ano ngoadnov des Vaters
imd die (og ano nQoawnov Christi geschieden werden. Auch
in der zweiten Klasse sind eine ganze Reihe von Stellen als
bedeutungsvoll hervorzuheben: vor allem Dial. 133 (rovg
niarevovTag J«' avrov tm d-e(p xal nargl rwy oXwyjy daneben
wegen ihres Zusammenhanges mit dem Gemeindegottesdienste
Ap. I, 65 imd Dial. 74, imd wegen ihrer Verbindimg mit
Gliedern des zweiten Artikels Ap. I, 45. 63. 63; 11, 6.
Dial. 61. 63. 75. 76. 95. 105. 108. 115 u. 140. Aus letz-
terem Grunde dürften aus der dritten Klapse, welche sonst
nur einzeln vorkommende Ausdrücke und mehr gelegentliche
Verbindungen enthält, noch Dial. 7, 32 u. 117 besonders
zu nennen sein. Das Ergebnis dieses Ueberblicks ist dem-
nach, dass der Ausdruck der Taufformel, der sich schon
durch seine solenne Fülle empfiehlt, auch dadurch gerecht-
fertigt wird, dass die Bezeichnungen Gottes, je mein* sie sich
ihm nähern, um so zahlreicher an wichtigen Stellen sich auf-
weisen lassen ; je mehr sie sich aber von ihm entfernen, um
so vereinzelter und in weniger wichtigem Zusammenhange
vorkommen.
So würden wir jenen Ausdruck des Taufritus als den
wahrscheinlichen ersten Teil des Symbols annehmen können,
wenn nicht der Umstand, dass bis jetzt noch eine ganze
Reihe von Bezeichnungen Gottes unberücksichtigt bleiben musste,
Veranlassung gäbe, einen, an der ihrer Form nach wichtigen
Stelle Dial. 16 vorkommenden Ausdruck xal rvy rovg iXnl-
^ovrag In airoy (seil. X^iatoy) xal roy nlfiipayra avToy nayjO"
xgoTOQa xal noiTjr^y rwy oXcoy d^ioy auf seine eventuelle
Zugehörigkeit zum Symbol zu prüfen. Ordnen wir die hier-
hergehörenden Ausdrücke, von denen nur wenige (s. oben
in, c, d, e) auch oben schon benutzt sind, nach dem obi-
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10 BOKNEMAliN,
Princip, SO ergiebt sich folgende Tabelle, die alle noch nicht
beriickflichtigten Bezeichnungen Gottes umfasst:
n.
6 nayroxQarü)^ xal noitprijg taiy oXaty d-tog. Dial. 16.
o noifjrijg rwr oXwy xtü nayroxQOJWQ d-iog. Dial. 38.
IL
a) 0 nayxoxqaTiüQ &e6g. Dial. 83. 96. 142.
b) 0 noif]Tfjg rcjy oXwy &i6g. Dial. 34. 116. 50. 55. 56 (fünf
Mal). 57. 58. 60 (drei Mal).
0 näyTdoy notfjTtjg d-fog. Ap. I, 20.
c) 0 noi^ijg jtSy notyrcDy. Ap. I, 67.
0 notfjrrjg rcoy oX(oy. Dial. 35. 48. 50. 56 (drei Mal).
60. 84.
m.
a) 0 nayTOXQdrcoQ nari^Q. Dial. 139.
b) 0 noifjTTjg rtüy oXwy &eog xdt naxr\Q. Dial. 7. 56.
0 naTTfQ avTov xal Twy oXwy nottjrrjg xui xvQtog xou &(6g,
Dial. 67.
c) 0 nartjQ xai noiffrijg rwy oXwy, Dial. 117.
0 narr^Q xal notijrrjg rwy anayrwy, Dial. 60.
0 notffTTjg rwy oXwy xal narrQ, Dial. 60.
d) 0 d-eog o ndyra noujaag. Dial. 102.
0 T« ndyra noirjcag d-eog» Dial. 66.
e) 0 noifjr^g rotJJ« rov nayrog d-tog. Ap. I, 26.
0 d-eog 0 rovro not^aag ro näy, Dial. 68.
0 noifjGag xal Siara^ag to(^€ ro nay. Dial. 11.
f) 0 notfjrrjg rovn oipayov xaJ rr^g Yfjg, Dial. 74.
0 Ttotfjrtjg rwy ovgaytwy xal ytji'ywy anayrwy d'aog. Ap.
I, 68.
Neben der oben genannten Stdle Dial. 16 sind von allen
diesen Dial. 83 (inl roy Tiayrox^droga d-nty Si* avrov Tuaxtv-
uy), Dial. 34 (Sta ^Ifjaov rov aravQwd-iyrog iniyyoyng roy
Tioifirrjy rwy oXwy d-^dy)^ Dial. 116 {niartvoyng dg roy
noifjrtjy rwy oXwy S-eSy), dann wegen Verknüpftmg mit GHie-
dem des zweiten Artikels Dial. 7 u. 74 und als zusammen-
hängend mit gottesdienstlichen Formen Ap. I, 67 und Dial.
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DAS TAUFSYMBOL JU8TIN*S DES MÄRTYEERS. 11
117 wichtig ZU nennen. Der in dieser Tabelle zu Grande
liegende Ausdruck scheint deshalb besonders wert, berück-
sichtigt zu werden, weil er sich in seinem Wortlaut (napro-
xQaTODQ — notrf^iig rtSy oXcov) sehr nahe an die uns bekannten
Entwicklungsformen des Apostolicums anschliesst, jedenfalls
angleich näher als der Ausdruck der Taufformel; auch ist
das besonders häuiSge Vorkommen AesnoirjT^g rwy oXwy {^eog)
in Justin's Schriften auf den ersten Anschein hin von grossem
Gkrwicht. Gleichwohl wird man den letzteren Punkt nicht
besonders betonen dürfen, da die meisten der hierher ge-
hörigen Stellen schon nach ihrer Beschaffenheit für imsere
BVage ziemlich indifferent sind; imd auch in der ersteren
Phrase wird man so lange nichts mehr als die Ansätze zu
späteren Formen oder die Spuren eines einzelnen andern
Gemeindesymbols sehen dürfen, als nicht auch andere Gründe
veranlassen, in jenem Ausdruck ein Stück des Justinischen
Taufsymbols zu erkennen. Dieses ist aber nicht der Fall;
denn zunächst ist derselbe als ganzer imd fast ebenso seine
einzelnen Teile nur im Dialogus nachweisbar, während der
oben aufgewiesene Ausdruck der Taufformel sich ausser den
Stellen der Apologien bis auf das eine, leicht ergänzbare
Wort d^6g auch ein Mal im Dialogus (140) findet und in
seinen Hauptteilen ebensowohl durch den Dialogus wie durch
die Apologien belegt wird. Sodann ist das numerische
Verfiältnis dem Ausdruck der Taufformel entschieden weit
günstiger als dem andern; und vor allem zeugen die wich-
tigen und massgebenden Stellen in weit grösserer Zahl fiir
den ersteren als fiir den letzteren. So ist es denn möglich,
dass wir in dem zweiten Ausdruck o navroxQarcoQ xal notri-
rrjg rwv oX(oy d-eog den ersten Artikel eines zweiten Q^meinde-
bekenntnisses vor uns haben, von dem Justin später und
nicht so stark wie von jenem ersteren beeinflusst war, —
eine Spur des Taufsymbols etwa der ephesinischen oder einer
andern Gemeinde, in der Justin sich längere Zeit aufhielt.
Jedenfalls verdient bei unserer Untersuchung der Aus-
druck der Taufformel Ap. I, 61 den Vorzug. Diesen wer-
den wir mit noch weit grösserer Sicherheit als den ersten
Teil dnes dem Justin mutmasslich bekannten Symbols
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12 BORNEMANN,
ansehen können, und das Resultat des ersten Teils wäre
demnach :
nianvo^ey tig (inl) roy naHga tfSy oXwy xai Seanorrjy
d-eoy.
Betreffs des zweiten Artikels ist oben versucht,
wahrscheinlich zu machen, dass die von Justin bei der Be-
handlung des Taufiituß Ap. I, 61 mitgeteilte Formel nur
die Abkürzung einer im gottesdienstlichen Gebrauche befind-
lichen ausgefiihrteren sei, wie sie in dem oben wiedergegebenen
Passus Dial. 85 vorliege. Neben dieser bei unserer Unter-
suchung somit äusserst wichtigen Stelle sind von den ausser-
ordentlich zahlreichen Anklängen grade an den zweiten Ar-
tikel, die sich in den Apologien wie im Dialogus jinden,
wegen ihrer Ausführlichkeit noch folgende, allerdings mehr
als regulae fidei an ein Symbol sich anschliessende, ganz
besonders hervorzuheben:
Ap. I, 21: ra di xal roy Xoyoy, o iari nQwroy ylyytjfxa
Tov d-fovj avtv intfit^lug (f&axety r^f^ag yeyeyytjad-ai j lijaovy
XQiatoy, Toy ätduaxaXoy rjfiviyj xai rovroy axavQwd-lyta xai
anod-ayoyja xai ayaoravTa ayektjXv&^yai dg roy ovgayoy.
Ap. I, 31 : h drj raig rwy 7iQ0(pr}T(j!)y ßlßXoig ivgofiey
nQOXfjQvaaofAfyoy naQayiyofxiyoy, y%yy(!if.iiyoy dia naQ&iyov^ xai
aydQoififyoy, xai d^fQantvoyxa näoay y6aoy xai naoay /LiaXaxiay
xai viXQOvg ayfydQoyxa xai (p&oyovf4(yoy xai ayyoov^eyoy xai
ajavQOVfÄeyoy ^Itjaovy, roy rjf.ihfQoy Xgioroyy xai ano&y^axoyru
xai avtyttQOfifyoy xai ilg oiqayovg aytQXO^eyoy, xai vioy d-eov
oyxa xai xexXtjfUyoy,
Ap. I, 42: 0 xa&* i^^ag äi ^Ttjaovg X^iarog aravQwd-ilg
xai ano&aywy ay^artj xai IßuaiXevaey aytXdwy dg ovQayoy,
Ap. I, 46: xar« rijy rov nar qog nayru)y xai diOTwrov
d-eov ßovXfjy dia naQd^iyov ay&gwnog unexvtj&ij xai ^Itjaovg in-
oyo^aa&7], xai aravQW&dg xai ano&aywy ayf(nri xai ayeXrjXv&fy
dg ovgayby.
Dial. 126: Tlg S^ larly ovrog^ og xai na&rjrog ....
xixXTprai . . . xai vlog &eov, d lyytoxfire . . . ., ovx äy ißXa-
(Tq^tj^Hie dg avroy 7]di] xai naQaytyoiiiyoy xai ytyyri&lyra xaX
na&oyra xai avaßayxa dg xoy ovQayoy ' og xai naXty naglfnai,
Dial. 132: roy ^Iriaovy^ oy xai rfietg iniyywfjuy XQiaxoy
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DAS TAUFSTMBOL JUSTIN'S DES MÄRTTREBS. 13
vtoy &e(Wj OTttvpw&iyra xal ayaorayra xal aytXrjXvd-OTa dg
rovg ovQoyovg xal n&kiy JiOQayeyTjaofdiyoy XQiT7]y nayjwy anXwg
ay&g(on(oy fiixQ^Q avTOv jidafx.
Beachten wir vor aUem diese sieben angefiihrten
Stellen^ welche den zweiten Artikel am vollständigsten wie-
dergeben, so ergiebt sich zunächst fiir die Form dieses Teils
des dem Justin mutmasslich bekannten Symbols, dass das-
selbe der Hauptsache nach nicht in Relativsätzen, sondern
in appositioneller Participialconstruction die heilsgeschicht-
lichen Tatsachen aneinanderreiht, ähnlich wie wir es in
morgenländischen Symbolen, z. B. bei CyriUus von Jerusa-
lem, in der antiochenischen Kirche, in den apostoUschen Con-
stitutionen, bei Pseudo-Athanasius, in der Earche zu Salamis
aufCypem finden.^) Es wird nun unsere Aufgabe sein, die
Justinischen Anklänge an den zweiten Artikel auf Grund der
einzelnen Glieder zu untersuchen; doch wird grade hier die
Mannigfaltigkeit der Ausdrucksweise die Annahme ganz be-
sonders nahe legen, dass die damals in den christlichen Ge-
meinden gebräucUichen Symbole in Bezug auf kleine Aen-
derungen, Zusätze und Auslassungen mannigfach unter ein-
ander verschieden waren, und dass auch jedes einzelne von
ihnen noch keineswegs eine bis ins Kleinste hinein stereotype
Form besass, so dass bei unserer Untersuchung in manchen
Punkten nur ein gewisser Grad von Wahrscheinhchkeit wird
erreicht werden können.
Was den Namen des Herrn und die nächsten, dem-
selben angehängten, appositioneilen Bezeichnungen anlangt,
öo ist schon von vornherein anzunehmen — und dies be-
stätigt sich auch an allen hier massgebenden Orten der Ju-
stinischen Schriften — , dass im Symbol der volle Name
gebräuchlich war, und zwar, da dieser in der Stellung Xqi-
OTog ^Ifjaovg bei Justin überhaupt nur ein Mal (Dial. 35)
vorkommt, wahrscheinlich in der sonst stets sich findenden
Aufeinanderfolge *Itjaovg XQiaxdg. Doch wird dies nur eine
Wahrscheinlichkeit bleiben, weil die Abschreiber der Hand-
1) Vgl. Hahn, Bibliothek der Symbole und Glaubensregeln der
alten Kh-che, 2. Aufl. (Breslau 1877), §§ 62—69.
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14 BORNEMANK;
scliriften eich grade hierbei leicht willkürliche Stellungs-
änderungen erlauben konnten. Während nun Justin mehr-
fach im bewussten G^ensatz g^en die Juden und ihren
etwa noch erwarteten Meseias ^Irjüovg o X^iarog (Ap. I, 31.
63. 63. DiaL 113. 117) oder *Triootg b tj/xhtQog Xgiarog (Ap.
I, 31. Dial. 62) oder o rjiLthepog *Ifjaovg Kgiarig (Dial. 68)
sagt; weisen die henrorragendsten Stellen ^ an d^ien keine
weitere Apposition den Namen begleitet, 'Itjtrovg X^iarog auf,
so dass also X^anog bereits völlig Appellativum geworden
i8t(Ap.I, 5. 13. 42. 61; ü, 6. 8. Dial. 11. 30. 35. 52. 86.
116-, daneben vgl. Ap. I, 25. 34. 35. 63. Dial. 24. 30. 113.
116). Ebenso haben ^Irjawg X^unog die noch wichtigeren
Stellen, welche dem Namen eine symbolmässige Apposition
hinzuftLgen.
Bei den beiden nächstliegenden appositioneilen Zusätzen,
xvQiog und awtrj^y tritt wieder die schon erwähnte Verschieden-
heit der Ausdrucksweise in den Apologien und demDialogus
hervor. Die Apologien haben nirgends in derartigem Zu-
sammenhange den Zusatz xifgiog, dagegen sowohl bei der
einen Nennung der TauflFormel (Ap. I, 61. o aantj^ fjfnwy
*Ifjaovg Xgi(n6g\ als bei der Schilderung des Abendmahles
(Ap. I, 66: ^Ifjaovg Xgiorog b atarriQ ^fniSy) und des Gottes-
dienstes (Ap. I, 67: ^Ifjaovg XgiüTog b ^fiiveQog awri^g) und
bei Anflihrung eines Herrenwortes (Ap. I, 33 : o acarrQ r.fioiv
^Jriawg X^tarbg) den Ausdruck awTrfQ. Andrwsoits kommt
im Dialogus an den bezeichnenden Stellen, abgesehen von
einer einzigen, wo es vor einem Herrenworte o tjfihtQog kv-
Qiog xal aantjQ ^Irjaovg X^iaxog (Dial. 93) heisst, nur ein Mal
(Dial. 18) acoTTiQ, sonst aber stets xv^iog vor. So: o tJ/u^
regog xvQiog *Ifjaovg X^iaxog Dial. 32. 47. 49. 112 (vgl o
TifjibtQog KVQiog Dial. 49. 82. 115); o KVQiog tj/ntuy 'Itjaovg
XjpioTOff Dial. 50. 53. 58. und ^Trjawg Xpiarbg b xvQiog r^ftdoy
Dial. 41. 41. 140 (vgl. xvQiog b XgtaTog Dial. 32. 128. u.
0 ^Ii]oovg KVQtog rjfiwy DiaL 76. 113). Darunter ist der sym-
bolische Zusammenhang sehr wichtig bei Dial. 32 (vgl. 33).
41. 49 u. 76 (während Dial. 47. 49. 82. 112 u. 140 Herren-
worte eingeführt werden), so dass sowohl die Zahl als der
Wert der Stellen — bei der zweiten, für uns wichtigeren
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DAS TAÜF8YMB0L JTOTIK'S DES MÄBTYKEE8. 15
N^mxmg der 'Riuflformel Ap. I, 61 fehlt a^nrig — dem xv^iog
bei unserer Frage günstiger ersdieint ab dem aam^g: wird
doch a«eh grade im Dialogus dem Tryphon gegenüber leb-
haft dafUr eingetreten^ dass Christus die Bezeichnung xv^ioc
zu ftLhren berechtigt sei. Wahrscheinlich ist dann dies o
xv^tog fjfUtegog oder o ytv^iog fjfitöy dem ^IfjüovgXQiatog vor-
zusetzen.
Eine Apposition ^ welche keines&lls in dem eventuellen
Symbol gefehlt hat, ist vlog d-Bov, vlog to€ &e(w, &iov vlog
oder vlog aitov. Wir finden dieselbe ungemein häufig bei
Justin, sei es in gradezu an das Symbol anklingenden Stellen
(vlog &hov 'Irjaovg X^iarig DifiJ. 23 ; vlog avtov ^Jfjoovg Xqimog
Ap. I, 67; vlhg toS d-tov Xgtaxog Dial. 43; o X^wtog tov &€ov
vlog Dial. 45; X^arog vlog tov narpoc rcSi' oXwy Dial. 116;
0 XQunbg eSc vlog &tov Dial. 118; X^tarog vlog d-eov Dial. 132;
X^unog t4o^ avtov Ap. I, 58. Dial. 7; vlog tov &€o€ Dial.
85. 117; tov d'iov tnog Dial. 126; o vlog avtov Ap. I, 6.
Mal 127 und mit weiterer Umschreibung Ap. I, 13. 23.
31), sei es beiläu% als Attribut oder Ersatz t^ den Namen
des Herrn (vlog O^ov X^tatog Dial. 100; ^Itjüovg o vlog tov
^toi DiaL 116; vlog &€o{; Ap. I, 30. 40. Dial. 100. 108.
126; vioc tov &tov Ap. I, 60. 63; o t;fo^ avtov Dial. 105),
sei es endlich in lehrhafter Auseinandersetzung und als Ge-
genstand der Diq>utation (Ap. I, 12. 22. 30. 32. 63. DiaL
48 u. oft). Nun finden sich an manchen Stellen, die un-
zweifelhaft den Charakter einer regula fidei tragen, auch
andre Bezeichnungen ^fUr den Herrn; so SiSdaxaXog (Ap. I,
13. 21. Dial. 108; v^. Ap. I, 6. 12. 19. 32; H, 8), Xiyog
(Ap. I, 6. 21. 23. 32. 63. DiaL 105; vgL Ap. I, 12. 22. 33.
63; n, 13), anooToXog (Ap. I, 63; vgL I, 12) und Simfiig
(Ap. I, 32; VgL I, 33; H, 10); allein alle diese Benennungen
dürften mdir lehrhafte und erklärende Zusätze des Theologen
Justin als wirkhche Teile des Symbols darstellen. Wich-
tiger erscheint die Frage, ob nicht der oben erprobte Aus-
druck vlog tov d-tov (bzw. iAog avtov) von einem Adjectiv
näher bestimmt war. Das Wort ngcotoyorog, das sich nur
Ap. I, 58 findet, feilt fi^ilich füglich für unsere Untersuchung
fort Mit fioyoyerrjg hat es vielleicht eine ähnliche Bewandtnis,
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16 BOBNEliAKNy
wie wir sie oben bei TtavToxgaxiüQ vermuteten; denn wäh-
rend sich dies Wort in den Apologien gar nicht, im Dia-
logus nur ein einziges Mal (105) findet, und zwar, wenn
auch im Zusammenhang einer regula fidei, so doch durch
die Exegese eines alttestamentlichen Citates unmittelbar her-
vorgerufen, ist uns andererseits von Irenäus (IV, 11, 2) eine
Stelle aus dem Syntagma Justin's contra Marcionem erhalten,
welche, eine regula fidei darstellend, die Bezeichnung uni-
genitus = /noyoyeyTJg aufweist. Weit wahrscheinUcher ist schon,
dass n^wTOToxog als Zusatz im Symbol Justin's vorhanden
war. Denn sowohl Dial. 85, eine oben von uns als sehr
wichtig erkannte Stelle, wie die ähnlich wichtige Dial. 116
haben dies Wort; überhaupt kommt es häufiger (Ap. I, 23.
33. 46. 53. 63. Dial. 84. 85. 100. 116.. 125. 138) bei Justin
vor, und zwar ziemlich gleichmässig in den Apologien und
im Dialogus, so dass es, falls es nicht wirklich ein Teil des
Symbols war, jedenfalls besonders gern von Justin seinen
regulis fidei zugesetzt wurde. Gleichwohl wird man hier
stets nur einen gewissen Grad von Wahrscheinlichkeit er-
reichen können, da die begleitenden Worte (n^cüioroxog nuaijg
xriaecog, twv ohoy xiia/naTWy, rioy nuyiwy noifjf4aT(üy] tiqwto-
Toxog vlog, ngcoroToxoy rixvoy) sehr verschiedenartig sind; in-
des haben die meisten Stellen (Ap. I, 23. 33. 46. 53. 63.
Dial. 100. 116) den Genitiv d^iov oder den Dativ d^am neben
TiQunoxoxog.
Für die Gebiui: des Herrn hat die oben von uns als
hervorragend wichtig bezeichnete und deshalb hier als Leit-
stern dienende Stelle Dial. 85 die Glieder : xal diä naQ&ivov
yeyyfjd-iyTog xal na&tjrov ytyo^iyov ayd-Qwnov] imd in der Tat
rechtfertigen sich grade diese Ausdrücke vor allen andern,
wenn wir die sämmtlichen, so ausserordentlich zahlreichen
Stellen bei Justin vergleichen, welche sich auf die Mensch-
werdung Christi beziehen. Zunächst ergicbt sich nänJich
eine ganze Reihe kleiner Erweitenmgen, welche die Foimel
Dial. 85 bei diesem Gliede nicht aufweist, als augenblicklich
und wiUkürlich von Justin an den verschiedensten Stellen
hinzugefugte, mehr dogmatische Zusätze. So: liytv imfii^iag
Ap. I, 21; naga rr^y xotyi^y ylyemy Ap. I, 22; dix« ctfiOQviug
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DAS TAUFSYMBOL JUSTIN'S DES MÄRTYRERS. 17
Dial. 2Z] ov l'§ ayd^Qümivov anlQfAaTogTAdl. 76; avm^ty DisX,
63. 64. Femer : vmQ rj^fSy Ap. 1, 50 ; vniQ rov ay&Qümelov yiyovg
Ap. I; 63 ; vmQ awjfjQlag jcjy niatevoyrwy avraf Ap. I; 63 ; inig
rioy ntGTivoyrioy ay&Qfinwy Ap.TL, 6 ; <^/' ^i"«^ Ap. ü, 13. Ebenso
der Zusatz zu 6tä t^^ nuQd-iyov ano tov anlQfxax og *Iaxwß xrX.
Ap. I, 32 ; ano yiyovg ^AßQuafx Dial. 23 und Aehnliches (Dial.
43. 45. 100). Auch der Name Maria, der sich überhaupt nur
zwei Mal (Dial. 11 3 u. 120) findet, war nicht in dem eventuellen
Symbole Justin's. Nur in Einem Punkte dürfte es zweifelhaft
sein, ob nicht die Formel Dial. 85 verkürzt sei. Es findet
sich nämlich an zahlreichen, hier zu beachtenden Stellen zu
den obigen Worten die Bemerkung „gemäss dem Willen
Gottes". Freilich würden vereinzelte Ausdrücke wie xfi ßovXfj
avTW Ap. I, 32, ^ta ävyu/niwg d-eov Ap. I, 32, Siu d-iXtjfiarog
d-eov Ap. I, 63, Ix &eXfj^aTog &eov Dial. 63, ano rov nargog
d-tkifOH Dial. 61, vgl. 128, imd ano rov nax^og dvyaf,iH xcel
ßavXjj Dial. 100 an imd für sich hier wegen ihrer Verschie-
denheit übergangen werden können; allein als Synonjona
verstärken sie den Wert, den der oft wiederkehrende Zusatz
xara Tf\y xov naxQog (oder d-tov) ßovXtjy (Ap. I, 46. 63; II, 6.
Dial. 23. 48. 63. 75. 76. 87. vgl. 127) für unsere Unter-
suchung hat Es ist immerhin wahrscheinlich, dass dieser
Zusatz in der Stelle Dial. 85 bei der freien Wiedergabe des
Symbols zuföllig übergangen ist. Dagegen erscheinen einige
Participien, die sich hie und da ftlr yeyytj&iyra und ay&gwnoy
als Eirsatz oder als Zusatz zu ihnen finden, der festen Form
des Symbols nicht angehört zu haben; so (patyofifyoy Dial. 76 ;
natSioy yiydfxtyoy Dial. 67, vgl. 34; nQOtk&oyxaTyisX. 100; naga-
ytyofieyoy Ap. I, 31. Dial. 126; anoxvtjd^iig Ap. II, 6, vgl.
I, 32. 46 ; und aoQxonotrjd^Ug Ap. I, 32. 66. Dial. 45. 84. 100.
Aber auch positiv wird der Ausdruck von Dial. 85 be-
stätigt. So finden sich beide Ausdrücke yeyytjd-ryai und
ayd-Qianoy yiyia&ai zusanunen noch Dial. 48. 68. u. 101, und
zusammengezogen in ay&Qomoy yiyyrjd-tjyai Dial. 48. 63. 75.
87. 100. 127. Femer findet sich jeder einzelne der beiden
Ausdrücke häufig; so einerseits yeyyrjd-iyra Ap. I, 13. Dial.
23. 43. 57. 126; ytyeyyrjfidyoy Disl. 63; yeyyci^fyoy Af. I, 31
(vgl. auch ytyyfj&rjyat vnffjiHyt Ap. I, 22. Dial. 45. 50. 61. 63.
Zeitsehr. f. K.-G. m, 1. 2
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J8 ßcmifEHA^ns,
$6. 76. 88. 128; ytytyy^a^ai Ap. I, 21, 22\ ofM Tif yet^yfj-
&rimi Dial. 78. 88. 102, 106). Ebenso andrerseits: w^qü).
nog yivofjiiyog Ap. I, 23. 42. 50. 53. 63. 63. DiaL 38. 64.
76. 105. 125; vgl. xo &v&Qwnoy yivia&ui DiaL 67. 100; a¥^
&Qü)noy ytyoviyai Dial. 100; uyd^gwnog yiyoye Ap. I, 32;
n, 6. 13. Desgleichen kommt der Zusatz nu&rjrSg mehr-
fach vor, auch sonst ein häufiges Beiwort des historischen
Christus: Dial. 34. 36.36. 39. 52. 85. 100; auchDial. 68. 74. 76.
89. 110. 111. 1?6 (vgl. ofiOiMu^q Dial. 48. 57). Endlich recht-
fertigt sich auch das dia naQ&eyov, welches sich, während uno
nag&eyov (Dial. 43. 66) und ix nag&^yov (Dial. 66, vgl. ^x ya-
axQog Dial. 76) sehr selten ist, ausseroi-dentlich oft findet
(Ap. I, 31. 32. 33. 46. 63. Dial. 23. 43. 45. 50. 57. 63.
66. 75. 85. 87. 100. 100. 100. 101. 105. 113. 120. 127).
Verfolgen wir das Symbol weiter, so dürfen wir die
ein Mal (Ap. I, 31) sich findende Fortsetzung aySgovfityoy
'dal d-tQantvoyxa nuauy voaoy xat nuaay fAaXax/uy xou yixgovg
aytyilQOvra xai q^StoyovfAfyoy xal ayyoov^iyoy ohne weiteres über-
gehen. Dagegen entsteht die Frage, ob na&oyra in das
Symbol gehört. Nach Dial. 126 erscheint dies als sehr wahr-
scheinlich; indes ist dies die einzige Stelle, wo des Lei-
dens in dieser straflFen, symbolniässigen Form Erwähnung ge-
tan wird; denn Ap. I, ^0. 63 und Dial. 67. 68, wo das
Leiden allerdings im Gedankenzusanmienhange des Symbols
gepannt wird, sin^ sehr freie regulae fidei. Ausserdem kommt
Tiad-iiy^ kna&iy^ ninov&^y , na&og etc. noch Ap. I, 32. Dial.
30. 31. 40. 40. 41. 53. 89. 90. 95. 95. 101. 105. 106. 117 vor,
aber stets in so freier und willkürlicher Weise, dass sdion
die verschiedene Art der Erwähnung den Gedanken, es sei
ein Glied des Symbols gewesen, zu widerlegen scheint. Be-
sonders wichtig aber erscheint hierbei noch, dass das Leiden
zugleich mit der Kreuzigung imd dem Sterben nur Dial.
51. 76 u. 100 genannt ißt, d. h. nur bei Reproduction von
Luk. 9, 22 (bzw. Mark. 8, 31). So steht denn auch DiaJ.
126 m der sonst symbolmässigen Formel, die nu&oyja auf-
weist, weder azavQüid^fyxa noch icnod^aydyia\ und alles dies
entscheidet gegen eine Einschiebung de^ nad^oyja oder we-
nigstens so, dass, falls na&oyra zuweUen in dem Symbol ge-
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DAS TAÜFSYMBOL JüSTIN'S DES MÄBTYRERS. 19
braucht wurde, dann atavQw&ivTa xai anoduyoyra jedes Mal
ausfiel.
Dadurch wird wiederum die Vorzüglichkeit der oben
von uns als besonders wertvoll anerkannten Stelle Dial. 85
bestätigt; denn dieselbe hat na&oyiog nicht, dagegen xui
axavQiot^iviog im llovilov ILXaiov vnb lov kaov vfiwv xui
anod-uvoyrog. Grade diese gemeinsame Erwähnung dieser
beiden Tatsachen innerhalb der symbolischen Aufzählung
wird uns aber auch sonst an hervorragenden Orten geboten ;
so Ap. I, 21. 42. 46 (?). Dial. 95 (x«i <nuvQ(ad^ivxa xai uno-
d-ayoyxa). Ap. I, 31. Dial. 71 (x«i aTavQ(n)f.uyov xai ano-
&yriaxoyT(t). Dial. 63. 90 (xai aravgiod-TJvai xal ano&aytty).
Dial. 67 (xal yag to ano&aytXy aruvgtüd^^yva) und Dial. 74
(joy xal ^txa to axav(}ü)d-^yai ano^yfjaxoyxa). Wenn ausser-
dem der Tod allein nur selten (xal anot/aydy^ Ap. I, 63;
vgl. Dial. 97) erwähnt wird, so findet sich die Erwähnung
der Kreuzigung um so häufiger. So wird, teils im Gedanken-
zusammenhange der symbolischen Heilstatsachen, teils als
Attribut für den Namen Christi, teils endlich als Ersatz für
denselben, gefimden: o axavQcod'i/g Dial. 71. 73; xov axavQUh-
aivxog Ap. I, 61; II, 6. Dial. 11. 11. 30. 34. 85. 96. 106.
110. 112. 117. 131; TftJ axavQW&iyxi Dial. 49; xoy axav^to-
^ivxa Ap. I, 13. 32. Dial. 36. 38. 46. 76. 116. 132; xov
icftavQOVfi^yov Dial. 53. 96; xoy iaxav^ovfifyoy Dial. 91. 93.
137; femer in hierhergehörigem Zusammenhange axavQto-
^yai Ap. I, 60. Dial. 38. 50. 86. 107. 107. 100; taxavQVüa^ai
Dial. 39 1).
Wenn sich mm einerseits das iy ^Iov8a(a Ap. I, 32, das
vno xov Xa&v vfiSy Dial. 85 und die Apposition zum Namen
des Pilatus xov ytyoi.Uyov xxX. Ap. I, 13. DiaL 30 von
selbst als freie Zusätze Jusiin's zu erkennen geben, so wird
andrersrits das inl Tloyxhv UiXaxov beizubehalten sein , da
e&j wie wir oben sahen, grade an den für unsere Frage her-
vorragend bedeutsamen Stellen vorkommt.
1) Sonst wird die Kreuzigung erwähnt Ap. I, 22. 35. 35. 41. 42.
53. 67. Dial. 10. 17. 32. 53. 72. 76. 88. 89. 89. 97. 97. 97. 99. 101.
103. 104. 105. 106. 125. 141.
2*
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20
Dass das Begräbnis Jesu kein besonderes Glied in
dem in Frage stehenden Symbol bildete, folgt schon daraus,
dass die Erwähnung desselben Dial. 118 (rov ^anreod-ai /liX-
Xoyvog xal uyiaiaa&ai Kgiarov) die einzige ihrer Art und
noch dazu durch die Exegese von Jes. 57, 2 hervorge-
rufen ist.
Für die Auferstehimg bietet Dial. 85 das Glied: x(m
uyuGxuvxog ix yixQcSy^ welches sich ebenfalls in jeder Hin-
sicht rechtfertigt. Denn uyacfjtjyai (bzw. uyiavaa&ai) ist das-
jenige Wort, welches die meisten wie auch die wichtigsten
Stellen bieten, während Ausdrücke wie ayeyugofieyoy Ap. I, 31,
ayeyiQiiy Dial. 106, iyty^Q&at Dial. 108 vereinzelt sind. So
findet sich ayaorag in den verschiedenen Casus: Ap. I, 21.
50. 63. Dial. 17. 41. 63. 73. 85. 108. 132. 138; femer ayhvTj
Ap. I, 42. 46. 67. Dial. 36. 53. 85. 97 ; ayiaTaad-üUy ayaarijyai,
ayaoTfjaaiy uyaairmo&ai Ap. I, 45. Dial. 32. 51. 100. 106.
107. 108. 118, uyaoT^an Dial. 95. Fast überall steht dabei
auch ix ytxQwy (Ap. I, 45. 67. Dial. 17. 32. 36. 53. 85. 85.
85. 100. 106. 108), bzw. ix T<üy yexgwy Dial. 106, sehr selten
unb ytxQwy (Dial. 41. 138) oder (ayuaiaaig) ano rcjy yexguiy
Dial. 82. 108. Die Worte t/J ^i^ jwy aaßßajuiv Dial. 41
können hier unberücksichtigt bleiben, imd ebenso t^ '^qI'^TI
fj^^Qa (Dial. 51. 76. 97. 100. 107), welches fast überall nur
im Zusanmtienhang von Stellen des Alten oder Neuen Testa-
mentes hinzutritt.
Auch die Himmelfahrt wird Dial. 85 genannt: xüu aya-
ftaytog eig tov ovQuyoy] und wiederum findet dieser Ausdruck
durch die übrigen Stellen seine Bestätigung. Denn die Aus-
sage, „dass der Vater Christum hinaufgeführt habe" (äyayiTy
ifg Toy ovQuyoy Ap. I, 45; ttyayoyva ano Trjg yijg Dial. 32),
steht ebenso vereinzelt da wie das nuhy tlg jovg avrovg t6-
novg ayiiyai Dial. 64 imd das ayeXr^tp&tj Dial. 32 ; auch Aus-
drücke wie ano lijg yijg Dial. 32 und aig to vxpog Dial. 39
ergeben sich als einmaUge und zulällige. Dagegen kommen
uyiQx^o&ai und ayaßalyuv in ihren verschiedenen Formen
häufig vor, letzteres besonders im Participium ayaßag (Dial.
17. 36. 39. 85. 126); ayißaiyty Dial. 36; äyußfßr^xiyai Dial.
38, und immer, falls dieses hinzugefugt Mord, mit dg vor
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DAS TAUPSYMBOL JüSTIN'S DES MÄRTYRERS. 21
ovQuyoy, Ersteres findet sich als avtQxif-i^yog Ap. I, 31. 50.
Dial. 34; ay%k&wy Ap. I, 42; avtXtikv&oxa Dial. 132; avekri'
Xv&ty Ap. I, 46. DiaJ. 63 ; uyijX&ey DiaJ. 85 und ayiXtjXv&^yai
Ap. I, 21. Dial. 39. 108. Während elg ovQayovg nur zwei
Mal Ap. I, 31. Dial. 132 steht, findet sich efg roy ovQaydy
Ap. I, 21. 45. Dial. 17. 32. 36. 38. 39. 63. 85. 85. 126
(vgl. Dial. 39 avO^tvoig dg roy oigaySy)] dg ovQavoy Ap. I,
42. 46. 50. DiaL 34. 108 (vgl. Ap. I, 26. Dial. 87 ayiXtvaig
äg oi'Qayoy und Dial. 82 ayoiog dg ovQayoy). So ist der
Ausdruck von Dial. 85 xal ayaßayjog dg xoy oigayoy auch
hier der bestbezeugte.
Mit dem Bekenntnis der Himmelfahrt schliesst die Dial. 85
mitgeteilte Formel, und es dtiri'te mindestens sehr zweifelhaft
sein, ob noch ein oder mehrere Glieder zur Vervollständigung
derselben herangezogen werden können. Jedenfalls darf das
„Sitzen zur Rechten" nicht als ein solches Glied betrachtet
werden, da es sich nur zwei Mal (Dial. 32 u. 36), und hier
als Bestandteil des alttestamentlichen Citates Ps. 110 findet.
Eher mag die Aussage der ewigen Königsherrschaft (bzw.
auch des ewigen Priestertums) Christi, welche Dial. 39 und
74 am Ende des zweiten Artikels zu fordern scheinen, und
die sich auch ausserdem ziemlich häufig findet (Ap. I, 42.
Dial. 34. 36. 42. 46. 70. 73. 76. 96. 118), als eine dem Sym-
bol angebörige aiizusehen sein; doch nur vielleicht, da sie
unter dem verschiedensten Wortlaut vorkommt, in einer be-
stimmten stereotypen Form die Ausdrucksweise Justin's keines-
wegs bestimmt zu haben und vielmehr erst den Ansatz zu
einer derartigen symbolischen Aufstellung darzubieten scheint.
Einen weit berechtigteren Anspruch auf Berücksichtigimg
darf dagegen das Bekenntnis der Parusie erheben, welche
jedenüedls zur Zeit Justin's eines der hervorragendsten Lehr-
stacke (nagovaia, vgl. Dial. 34. 40. 45. 54. 59. 110. 110.
111. 118; iySol^og naQovaia Dial. 31. 35. 49. 121) und Gegen-
stand der gespanntesten Erwartung (ngogäoxäy Ap. I, 32.
DiaL 52. 52. 120) war, und sehr oft in Justin's Schriften in
den Vordergrund tritt. Besonders scheinen für unsere Frage
DiaL 126. 132 und daneben Ap. I, 50. DiaL 34. 38 u. 39
wichtig. Das stereotype Wort hierfür ist (abgesehen von
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22
einem einmaligen eXivoticu Dial. 49, femer von naXiy naQimai
DiaL 14. 110. 124. 126, vgl. 120 und yi^rixai Kai. 110)
TioQaylyyioS'at, Dasselbe findet sich in nakiy jiuQayeyiiaofievoy
Ap. I; 32. Dial. 52. 52. 132; na^ayeyofityoy Ap. I, 52; nahy
noQayiyofuyog Dial. 34; naXiy na^ayerrjaerui Ap, I, 50; ndXiy
7iaQayey7joead^at Ap. I, 52. Dial. 86; nugay/yacrd-ai Ap. I, 51.
Dial. 38. 39. 49. Femer tritt ziemlich, beständig eine Er-
weiterung wie fina Sogrjq (Ap. I, 50. 51. 52. DiaL 34. 39.
70. 110) oder iy ^oirj (Ap. I, 52. Dial. 14. 49), JVtfogo^
(Dial. 36. 49. 86. HO) oder iyäol^wg (Dial. 83) hinzu, wäh-
rend 15 ovQay(x;y (Ap. I, 51. Dial. 49), ano TfZy ovQaywy
(Dial. HO), im rijg yrjg (Dial. 38), Inayo) rwy yeqühSy (Dial.
14. 120), ifKfUQTig (Dial. 110) und ^«t« xr^g ayytkixiig avxotj
üTQajiag (Ap. I, 52) sich mehr als beiläufige, fireie und will-
kürliche Zusätze kundgeben. Möglich, wenn auch nicht wahr-
scheinlich, ist schliessUch, dass der Scliluss des zweiten Ar-
tikels xQiTTiy nayrtoy oty&gdnwy lautete; vgl. besonders DiaL
132. Doch sind die Stellen bei Justin, welche an diesen
Schluss anklingen würden (Ap. I, 53. Dial. 36. 46. 49. 118.
124. 132), verhältnismässig selten und an Wortlaut sehr
von einander verschieden. Ueberhaupt wird grade der Schluss
des zweiten Artikels für unsere Frage am schwersten zu be-
stimmen sein.
Unser Resultat wäre also hier: „xat dg Toy xvpioy rj^aiy
^Jfjdovy XpiGToyy roy nQtororoxoy avrov vioy xoy (xara X7]y xov
naxQog ßovXr/y) äta naQ&iyov yeyyr^&^yxa xat nad"t]Xoy yeyofuyoy
ayd^Qtonoy xul cxavQwd-iyxa in\ Iloyxiov TItkaxov xal uno&a-
yoyxa xai ayuaxdyia ix ytxgwy xal ayaßayxa eig xoy ovgayoy
xul naXiy faxa äo'^Tjg nagayeyrjaofteyoy (xgixi^y nayxwy ayd"^-
nwyy
Bei dem dritten Artikel werden wir für unsere Frage
nur das Bekenntnis zum heiligen Geist zu berücksichtigen
haben. Denn alle andern, im dritten Artikel des späteren
ApostoUcum sich findenden Bekenntnisglieder werden nur
selten, beiläufig und ohne stereotype Formel erwähnt (vgl.
ixxXijaia Dial. 63. 116; ßanxiOfAa DiaL 14. 19. 43; mfiGig
afiUQXiwy Ap. I, 61. Dial. 44. 54. 95. 111. 116. 141; aya-
öxamg Dial. 45. 80. 81. 113. 117 u. s. w.; ausserdem vgL
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DAS TAÜFSYMBOL JUSTIN'S DES MÄRTYRERS. 23
Disdi 44. 45. 46. 67. 69. 117. 141). WährCTid ro d-ftov
Tzyevfta (Ap. I, 32. Diai. 7. 9) mid ro &eToy ayiov n^gjTjjtxoy
nvevfta (Ap. I, 32) sehen ist, wird oft genannt: to ayiov
nrwpM (DW. 4. 7. 25. 29. 33. 34. 36. 54. 55. 56. 74. 74.
78. 84. 8a 114. 124), oder nrevina ayiar (Ap. I, 61), oder
To nvfvfia %o ayior (Ap. I, 65. 67. Dial. 36, 37. 52. 61. 73.
87. 88. 124); femer ro nQO(prjTtxoy nrn/au (Ap. I, 31. 33.
38. 39. 40. 46. 41. 42. 44. 47. 48. 51. 53. 59. 60. 63. 63.
63. DiaL 38. 43. 43. 49. 53. 55. 77. 84. 91. 139), oder ro
nytviLta ro nQoiftfrixov (Ap. I, 6. 13). In besonders solennen
SteUen scheinen beide Attribute, ayioy und nQotptjtacoy, zu-
sammengesetzt zu sein, wie es Ap. I, 44. 53. Dial. 32. 56
vorkonunt, und auch durch die erweiterte Taufformel Ap. I,
61 (t6 nyev/xa aytoy, o ^lat xdy ngotprjtwy ngoexfjQv^i t« xara
Toy ^Ifjoavy nuyia) bestätigt wird.
Endlich sei noch bemerkt, dass im äprachgebraaich des
Justin moTtveiy sehr oft mit dem Dativ und ziemlich gleich
oft mit ini (Dial. 16. 46. 47. 47. 47. 47. 52. 53. 69. 76. 83.
91. 94. 110. 116. 116. 121. 139) und mit eiV (Diöll 26.30.
35. 40. 40. 42. 63. 70. 89. 95. 100. 101. 108. 122. 131. 136)
verbxmden wird. Das mutmassliche Symbol würde demnach
lauten *):
y^niOTiVOfAty rf? (Mi) roy naifga tlüv oXwy xui deanoitjy
xa) dg {int) %oy xvQioy r^fnidy ^Irjaovy X^taioy^ tby ngwii-
joxoy (tvTOv vioy^ toy (xaju rijy rov naxQog ßovXijy) ätu nug-
d^lyov yeyyTj&iyV'a xul nadijroy ytyopityoy ay^omoy xui avav-
gfad'fyru tni Iloyxlov HtXuTOv xal uno&ayoytu xai ayaoTuyiu
1) Zur Vergleichung folge hier das alte römische S3rmbol uach
Caspari (Ungedruckte . . . Quellen z. Gesch. des Taufsymbols u. s.w.,
Bd. m [1875], S. 3 f.):
„nunevto kiq d-edy narega nayxoxgatoga'
Ktti si^ XQiorov Itiaovy, vlov avtov roy f^uyoyeyrf, tuv xvgtoy rjfttüv
toy yfyyji^ivxii ix nysv/jtKtoi dylov xal Magfag r^j nag^ivov^ rov iTii
üoftiov JJikärov arnv^tad^vfn xxä ictffipTu^ ifi jgitfi rifjtigif. ayatnavra
ix y€xgidyj uyaßdvta Biq^xov^ ovgayovg^ X((d-nfiSvov iy ffe^i^ rov nargoq^
S'Sty ^g)[$tai xglyai C^tag xai 'ffxgovg-
Kai sig nyivfAa Ityioyy dyCay ixxXijciay, aipeaiv afiagtiiav j cagxoq
dydcTa€tiß.*^
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24 BORNEMANN;
^x yfXQwy iuju avaßayxa dg top ovQayby xai f4na do'§ijf naXiy
nuQayfyfjoofieyoy (xQ/rr^y nayrioy ayd-gtintoy) *
xai eig (inl) rb ayioy Ti^ofptjTixby nyev^a.^^
Vergleichen wir schliesslich unser Resultat mit den uns
in Hahns „Bibliothek der Symbole" (2. Aufl.) vorliegenden
Symbolen, so zeigt sich ein erheblicher Unterschied von den
meisten orientalischen imd occidentalischen Bekenntnissen
hauptsächlich darin, dass wir die Worte nayroxQartoQ imd
fÄoyoyiyfjg als solche bezeichnen zu müssen glaubten, welche
nicht dem Justinischen Symbole angehörten ; doch haben wir
oben bereits über diese, auch bei Justin sich findenden Aus-
drücke eine Vermutung aufgestellt. Uebrigens zeigt das von
ims gewonnene Bekenntnis mit abendländischen Symbol-
formen verhältnismässig wenig, mit orientalischen dagegen in
einigen Hauptpunkten Verwandtschaft:
1) Die polysyndetische Participialconstruction des zweiten
Artikels ist, wie ich oben schon zeigte, den meisten morgen-
ländischen Symbolen eigentünüich, während die abendlän-
dischen der Mehrzahl nach den zweiten Artikel asyndetisch
in Relativsätzen geben.
2) Die von mir als wahrscheinlich angenommene Stel-
lung 0 xvQiog tjfiwy ^Jfjoovg X^tcnog findet sich im Gegensatz
zu der meist occidentalischen XQiarog ^Iijaovg b xt;()fo^ if/ufoy
fast überall in den morgenländischen Symbolformen. Vgl.
§§ 9. 61—70. 75—80. 83. 85. 86. 89. 90. 95. 99. 100. 115.
116. 118. 121. 123. 144. 145. 148. 150.
3) Der Zusatz ^na äo^tjgy bzw. iy do^ ist orientalisch ;
vgl. §§ 1. 2 (Irenäus); 13 (Greg. Naz.); 62 (Cyrill. Hie-
rosoL); 64 (Constitt apost); 66 (Pseudo-Athanas.) ; 67 (Sa-
lamis auf Cypem); 68 (Epiphanius) ; 70 (armen. Symb.);
75. 76 (constantin. Symbb.); 85 (dritte antiochen. F'ormel);
94 (nicenische Formel); 95 (formel von Seleucia); 96
(constantin. Formel vom Jahre 360); 115 (Lucian d. M.)
und 145 (die Schrift tj xaxa fifgog n(<nig).
4) Die Nichterwähnung des Begräbnisses findet sich nur
bei morgenländischen Symbolen; vgl. §§ 1. 2 (Irenäus);
8 (Presbyter von Smyma); 84. 85 (antiochen. Symbb.);
115 (Lucian d. M.); 116 (Euseb. von Cäs.); 118 (Arius);
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25
119 (Äthan.); 125 (Germinius von Sinnium); 141 (CyrilL
von Alex.); 144 (Charisius); 145 (^ xaru fi^Qog nlartg)]
146 (Pseudo-Gregor. Thaumat) u. s. w.
Allein unser Bekenntnis hat noch andere, in den be-
kannten Symbolen verhältnismässig seltene und deshalb auf-
fallige Eigentümlichkeiten, welche uns für das Ursprungs-
gebiet eines so gestalteten Symbols rfoch engere Grenzen an-
zugeben geeignet sind:
1) Der Ausdruck narriQ rcSr oXior. Dieser findet sich
in keinem der uns bekannten Symbole; wohl aber hat eine
antiochenische Formel (§ 84) &tog o twv oXwy.
2) nganoroxog kommt in Symbolformen vor: bei den
Constitt. aposi (§ 10 u. 64), in antiochenischen Formeln
(63 u. 82), im Sardicense (87), bei den Nestorianem (69),
Lucian d. M. (115) und Eusebius von Cäsarea (116).
3) Der Zusatz xara rr^y rov naxQog ßovX'^y oder dem
Aehnliches findet sich: in den Constitt. apost. (§ 64), einer
antiochen. Formel (84), zwei Formeln von Sirmium (90 u. 93),
der Formel von Nice (94), einer Formel von Constantin. (96);
bei Lucian d. M. (115) und Basilius d. Gr. (I2l).
4) Das (nad^Toy) yeyo^eyoy ay&gmnoy weisen auf: die
Constitt. apost. (§ 10), das Symbol der Nestorianer (69),
von Constantinopel (79), Lucian d. M. (115), Pseudo-Gregor.
Thaumat (146) und die Schrift !j mrä fi^Qog nlaug (145);
vgl. irayd^pumrjaayTa in den Symbb. von Sardica (87), An-
tiochien (89), Sirmium (90. 91) und bei Cyrill. Alex. (l4l)
und Charisius (144).
5) Das Fehlen des Namens der Maria bei dm nugd^iyov
ist zu constatiren: bei Lrenäus (§ 1. 2), Origenes (9), Lucian
d. M. (115), BasiUuB d. G. (121), Cyrill. Alex. (141), Cha-
risius (144), Pseudo-Gregor. Thaumat. (146), in der Schrift
jy xara fjiiQog niarig (145) und den Symbb. von Antiochien
(82. 83. 84. 85. 86. 89), Philippopolis (88), Sirmium (90)
und Seleuda (95).
6) Die Nennimg der ewigen Königsherrschaft Christi
am Ende des zweiten Artikels, über deren Zugehörigkeit
zum Justimschen Symbol wir zu keinem entschiedenen Urteil
kamen, findet sich: bei Cyrill. Hierosol. (62), Pseudo-Athanas.
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2fi BORNEMANN,
(66), Epiphanius (GS), m den Constitt apoet. (64) und den
Symbb. von Salamis auf Cypeni (67), Arracmien (7a), Con-
stantmopel (75. 76), Aatiochia (84. 86. 8»), PhilippopoMs
(88) und Sinnram (90>
7) Die Tatsache, dass das. Bekenntnis zxxm heiligen
Gteißt allein den dritten Artikel ausmacht, beobachten wir:
bei Lucian d. M. (115),^ Euseb. von Cäs. (116), Athanasius
(119), Adamantiuß(l25), und in den ^mbb. von Antiochien
(84. 85. 86. 89), PhflippopoKs (88) und Smimmi (90).
8) Im Gegensatz zum AbendJande und mehreren morgen-
ländischen Symbolen^ die na&oyra, avavQ<x)^iyxu und ano&a^
Moyva verbinden, haben avavQM&fvra yuu anod^voyza allein:
die Constitt. apost. (64), Athanasius (119), Charisius (144)
und die Symbb. von Alexandrien (65) und Sirmium (93) ; da-
gegen steht nad-ovra allein bei Lucian. d. M. (115), Euseb.
von Cäs. (116), Arius (118), in den Constitt. apost (10)
und den Symbb. von Antiochien (84. 85) und Seleucia (95).
Ausser diesen Hauptpunkten erhalten wir einen weiteren
Hinweis selbst durch einzehie Ausdrücke, die wir bei Justin
fanden, aber in die Hauptform des Symbols au£sunehmen
Bedenken trugen, nämlich:
1) noijjTTjg Tüiy oXior findet sich ausser bei Augustin und
Pseudo- Augustin (§ 30 u. 3l) nur noch bei Luoitm d. M.
(115) und in den Symbb. von Antiochia (84. 86. 89), Philip-
popolis (88) und Sirmimn (90).
2) ngoeX&oyra hat auch Greg. Naz. (§ 13).
3) naQayfyojiuyoy steht in den Symbb. von Sirmium (93),
Nice (94) und Constantinopel (96).
4) aaQx(ad-iig (= dem Justin. aaQxonoitj^ig) findet sich
bei Iren. (§ l), den Nestorianem (69), Charisius (144) und
in den Symbb. von Antiochien (62) und Philippopolis (88).
Beachten wir nun das Entstehimgs- und Geltungsgebiet
derjenigen Symbole, welche ihre Verwandtschaft mit der von
\ms gewonnenen Formel dadurch documentiren, dass sie grade
die auffallendsten Eigentümlichkeiten in grösserer oder ge-
ringerer Zahl mit demselben gemeinsam haben, so werden
wir jedenfalls das östliche Küstenland des Mittelmeeres als
Heimat unserer Justinisohen Symbolform bezeichnen dürfen.
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DAS TAUFSYMBOL JUSTIN'S DES MÄRTYRERS. 27
Mögen auch unter jenen verwandten Symbolen einige alexan-
drinische^ kleinasiatische und spätere constantinopolitanische
sich befinden^ — die stärkste Verwandtschaft mit unserm Er-
gebnis zeigen doch die zahlreichen Symbole, welche ims aus
der Provinz Syrien, speciell aus der antiochenischen Gegend
überliefert sind; denn die Bekenntnisformeln verschiedener
antiochenischer Synoden (84. 85. 89) und die auf diese zu-
rückgehenden Formeln der Synode von Philippopolis (88)
und der ersten sirmischen (90), sowie die Bekenntnisse Lu-
cian's des Märtyrers (115) und des Charisius (144), also
zweier (?) antiochenischer Presbyter, kommen imserer oben
au%estellten Symbolform am nächsten. Da wir aber wissen,
däss Justin's Heimat Flavia Neapolis in Samarien, also im
weiteren Sinne die römische Provinz Syrien war, so dürfte
jenes Verwandtschaftsverhältnis grade dei* syrischen Symbole
mit dem von uns abgeleiteten, mutmasslich den Werken
Justin's zu Grunde liegenden fiir die Wahrscheinlichkeit un-
seres Ergebnisses, wenigstens in einer Hinsicht, eine Stütze
bieten. Jedenfalls ist jenes Taufsymbol nicht das römische
gewesen. Es geht also aus unserer Untersuchung hervor,
dass ein Archetypus Gxr die orientalischen Taufsymbole mit
einiger Sicherheit bis über die Mitte des 2. Jahrhunderts
hinauf zurückverfolgt werden kann ^).
1) Diese Abhandlung ist geschrieben worden, bevor das Werk von
M. V. Engelhardt (Das Christentum Justm's des Märtyrers, Er-
langen 1878) erschienen war. Der Verfasser hat an verschiedenen
Stellen (z. B. S. 176 f.) symbolartige Formeln bei Jastin constatirt;
eme nähere Untersuchung derselben lag ausserhalb seines Planes. So
darf sieh diese kleine Studie zur Ergänzung anbieten. Eine lieber-
sieht über aUe auf das Symbol bezüglichen Stellen bei den Autoren
der zwei ersten Jahrhunderte hat Harnack in der Abhandlung: „Vetu-
stissimum ecclesiae Romanae symbolum etc." (PP. App. Opp. fasc. I, 2^
pp. 115—142) gegeben.
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ZwJn^li und Landgraf Philipp.
Von
Dr. Max Lenz in Marburg.
I.
In der reichen Correspondenz , die uns grade über die
drei letzten Jahre in dem Leben Ulrich Zwingli's so beson-
ders tiefgehenden Aufschluss gewährt, haben schon lange vor
andern diejenigen Briefe die Aufmerksamkeit der Forscher er-
regt, die er mit Philipp dem Grossmütigen gewechselt hat. Es
sind bisher deren 17 (7 von ihm selbst, 10 von dem Land-
grafen) bekannt geworden. Dazu müssen wir noch 4 Briefe
des Herzogs Ulrich von Würtemberg an Zwingli zählen, der
ja in diesen Jahi^en als Verbannter bei seinem Freunde lebte :
sie gehören wesentlich zu jener Correspondenz, können wohl
als Stück derselben betrachtet werden. Wälirend von den
Briefen des Reformators an den Herzog noch nichts zutage
getreten ist, sind die an den Landgrafen aus dem hessischen
Archiv längst gedruckt : 4 wurden schon in den „Monumenta
Hassiaca" von Kuchenbecker veröflFentlicht ; die drei andern
brachte Neudecker in seinen „Urkimden aus der Reformations-
zeif ^ Sie finden sich mit denen Ulrich's und Philipp's, die
wohl zumeist — die Herausgeber geben leider den Fundort
nicht immer an — aus der Simmler'schen Sanunlung auf der
Wasserbibliothek zu Zürich stammen, in dem achten Bande
der Q^sammtausgabe seiner Werke von Schuler und Schult-
hess, dem zweiten seiner Correspondenz, vereinigt *).
0 S. Opp. Vin, Register s. v. „Hassiae Landgrafius Phi-
lippus" u. „Wirtembergenßis Diix Ulficus" (S. 689. 695). Ich
kürze, da ich nur den einen Band zu citiren habe, fortan so ab: Opp.
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ZWmGU UND LANDGRAF PHILIPP. 29
Das Interesse, welches diese Correspondenz erregen muss,
ist erklärlich. Es haftet nicht bloss an den Schreibern, son-
dern auch an dem Stoff. Fassen wir nur die Zeit ins Auge,
aus der die Briefe stammen: in dem Leben Ulrich Zwing-
li's kennen wir keine, die für ihn so reich an spannenden
Momenten, bedeutenden Entwürfen, grossen Hoffnungen
imd noch grösseren Enttäuschungen gewesen ist; in keiner
Periode seines Lebens hat der Landgraf mehr im Vorder-
grunde der Ereignisse gestanden, treten uns die Eigenschaften,
die ihn der nationalen Erinnerung wert machen, jugendlich
frohes Erfassen und treues Festhalten der religiösen Idee,
lebhaftes imd tiefes Empfinden und frisches^ keckes Wagen,
anziehender und liebenswürdiger entgegen. Es ist der Mo-
ment, in dem sich die beiden Richtungen, welche der refor-
matorische Geist der Zeit, und das hiess noch der unserer Nation,
erweckt hatte, und die politischen Bildungen, die mit ihm
durchdrungen oder von ihm ins Leben gerufen waren, ganz
nahe berührten, um dann auf immer auseinanderzuweichen;
und es sind diese beiden Männer, deren Ruhm imd Schick-
sal es war, die Idee, beide Strömungen in ein Bett zu leiten,
ebendamals zu fassen, zu erhoffen und scheitern zu sehen.
Es sind die Jahre, die fiir ZwingU's Werk imd, wie man zu
sagen pflegt, für die Entwickelung des gesammten Protestan-
tismus die Entscheidung gebracht haben : das Jahr des Mar-
burger Gespräches, des Augsburger Reichstages und der
Schlacht bei Kappel.
Vor dem zweiten Speirer Reichstage wissen wir von
keinem Briefwechsel zwischen dem Fürsten und dem Refor-
mator, und es lässt sich nachweisen, dass sie vorher in keinem
Verkehr gestanden haben *). Der Landgraf hat den ersten
1) Denn der Brief Zwingli's Tom 7. Mai 1529 ist lateinisch ge-
schrieben, weil, wie er selbst erklärt, der Landgi*af seinen Dialekt
vielleicht nicht Tcrstehe: „£t qnodlatine te compello, non alia causa
factum esse sclas, quam quod helvetica lingua paulo alienior est a
vestra/* Nun kannte Philipp aber überhaupt kein Latein, man sieht
also, wie völlig fremd beide noch zu einander standen. Zwingli ent-
schuldigt sich deshalb in dem nächsten Brief, der, wohl auf die durch
den Boten mündlich überbrachte Bitte des Fürsten, wie alle folgenden,
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30 LE3Ȋ,
Brief gesdbrieben: am 22. April 1529 in Sjpeier. Es ist das
Schreiben, in dem er Zwingli gegenüber zuerst den Gedan-
ken des AuB^eidies beider Bekenntnisformen durch ein Ge-
spräch angeregt hat: „Dann auf diesem Reichstage die
Papisten zur Erhaltung ihres verkehrlichen Lebens und Wan-
dels sich anders nicht zu behelfen wissen, dann dass wir, die
dem reinen lautem Wort Gottes anhangen, unter einander
selbst unsers Glaubens nicht eines Verstandes seien, sonst
wäre den Dingen leichtlich zu raten, dass das Bubenwerk ein
Mal verändert würde ^**). Der letzte Brief Philipp's ist aus
Wenfriede vom 30. September 1531 datirt: das sind 11 Tage
vor dcrni Tode des Reformators; vielleicht hat dieser die
guten Vertröstungen, die das Schreiben brachte, gar nicht mehr
gelesen*).
Form und Inhalt rechtfertigen das Interesse, mit dem
man solche Briefe in die Hand nehmen muss. Doch ist in
beiden vor und nach dem Marburger Gespräch ein Unter-
schied zu beobachten. Die sieben Briefe aus dem Sommer
1529 sind sehr viel formeller gehalten als die, welche nach
dem Besuch ZwingÜ's in Marburg fallen. Die des Land-
grafen in jener 2ieit stammen mit Ausnahme einer Nachschrift
aus der Kanzlei ; die Concepte, welche erhalten sind, hat der
Secretär Heinrich Lersener geschrieben^). Es sind die Ein-
deutsch geschrieben ist: „Ü. G. sieht nun wol, warum ich vor la-
tiuisch geschriben, das ich ein schlechter hofoian und cantzler bin.
Trag onch etwas sorg, so wir zemen komen, wurde man unser sprach
nit verstehen [ausgestr. : könde]. Dcsshalb villicht von nöten sin wirt,
das wir latinisch mit einander handlind. Doch was gelegen sin wirt,
sol uns ouch gevallen.*' Nach dem Orig. im Marb. Archiv; m dem Heft
„Das Coiloquium zu Marburg betr. Schreiben und Handlungen de an.
1529".
1) Opp. 288.
«) Opp. 647.
3) Nur die Nachschrift zu dem Brief aus FriedewaJd vom 1. Juli
1529 (Opp. 289, an falscher Stelle) ist von Phflipp's Hand. Das Orig.
imZüricherStaatsarchiT ist undatirt; aber der Datirungsort, der
hinzugesetzt ist, verrät, dass es ein Postscript zu dem genannten
Briefe ist. Ich lasse den Zettel, da er das Einzige ist, was von den
Briefen Philipp's bisher im Original gefunden wurde, und der Abdruck
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ZWINGU UND LANDGRAF PHnjPP. 31
kduBgssdireiben zu dem Marburger CoQoqnium. Wohl deutet
der Landgraf achon diurauf hin; dass er Zwingli's Anwesen-
Fehler hat, noch ein Mal ganz folgen, nach einer Copie, die ich der
gütigen Bereitwilligkeit des Herrn Dr. Strickler in Zürich ver-
danke: „Weiter, lieber Hulrich Tzwingel, so wirt mir angezei[g]t, wie
dass die evangelischen Oerter in der Eitgnoschaft in krigsrüstung
sein fiollen, und dass ville[ilcht daruf stehe, dass [es] zum angriff
kome, and Weiterung drauss volge. So nu dem so wer, und dass es
uff euer selten et[wa8?] grosses wirdet steets besorget, so wer mein rat
dass ein kleiner anstaut gemacht würde und weiter hülf gesucht werde ;
dan warlich, Verachtung bringt nachteil; es ist aber bei mir nit [in]
tzweifel, so ir uff euer part ein klein[en] verzug erleiden könntet, es
möcht euch zu vikm (soferr anders widerstant da ist) nützen. Den
verstendigen ist gut predigen. Nembt mein dorrechtig bedenken im
besten getrüUch von mir an, und will üch hiemit gott dem hem in
seinen schütz nach seinem willen bevolen haben. Ir wer[det] sust
mein meinung in andern meinen briefen vememen. Datum Fride-
walt, von me]B[er] handt. Philips L. Z. Hessen etc. Ist euch und
den euem, so sie es anders vor notturftig ansehen, etwas umb dise
sach, wie mein brief meldt, hieoben [angelegen?], so wer[de]t ir üch
wol zum besten [zu] schicken wissen." — Hierauf antwortete Zwingli im
nächsten Brief, vom 14. Juli, gegen Ende, so: „Es habend sich die
Heimlichen, denen ich den zedel anzeigt" (deshalb also ist er im Ar-
chiv erhalten), „entschlossen, ü. gnaden die artickel und puncten des
fiidens z%. 2» schicken. Die sol aber wüssen, das der Amman von
Glaris als der vordrist under den schidlüten den Ferdinaudischen pundt
nit allein harusgeben, simder den in unseren ougen mit einem messer
zerhowen und zerstochen. Das ich euch selbs mit disen ougen gsehen.
Also hatt uns gott mit siner gnad gefuert und bewart, das twedre
syt die andren an einigem man nyn verwundt [ausgestrichen: hab]
hatt. Imm «ye lob inn d* ewigheyt. Nun hnete sich förhin welcher
wcUe, denn wir werdend, so es gott heisst, nit eim jeden gsitzen, der
mit uns schimpfen wöltc. (rott welle ü. g. sampt allem volck be-
waren. Amen. Ü. G. sieht nun wol" etc. (Nach dem Original a. a. 0.) —
Mit gleicher Genugtuung hatte Zwingli Über den Kappeier Frieden
schon am 30. Juni an Konrad Sam in Ulm beriehtet: „Wir habend
einen friden heimgebracht, der uns gar erlich ist, als ich hoff, denn wir
uff blutvergiessen nit uszogen, und habend denocht unsere widerwer-
tigen gar ein nassen beltz heim gebracht. Vorus so die ferdinandisch
vereinung in angesicht unser ougen vom Amman von Glaris am XXVI.
tag Junii um die 11. vormittag in unserem leger mit eim bymesser
zerhowen und vemütet worden ist. Das ouch ich mit minen ougen
gesehen hab." U. s. w. (Opp. 311.)
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32 LENZ,
heit auch noch aus andern Ursachen wünsche, als das Re-
ligionsgespräch zu halten, in dem vierten Briefe, aus Mel-
sungen vom 21. August, in dem er die Einladung noch ein
Mal dringend wiederholt: „umb vorangezeigter, auch vil
meher Ursachen, die sich über feit nit schreiben lassen". Sonst
aber ist in diesen ersten Briefen kaum von etwas anderm
die Rede als von dem Gespräch, dem Zusammenkunftsorte,
von Reisezeit und Reiseweg und dem Geleite, das ZwingU
auf der weiten, nicht ungeföhrlichen Fahrt beschützen werde.
Dies ist seit Marburg anders geworden. Von den Ver-
gleichsverhandlungen ist nur noch wenig die Rede, umsomehr
von der Politik, und zwar, wie wir sehen werden, von Poli-
tik im grossen Stil. Der Ton ist von beiden Seiten der
vertraulichste und herzlichste. „Lieber ZwingU", „Lieber
Meister Ulrich", so beginnen jetzt alle Briefe des Landgrafen;
„Lieber Meister Ulrich, wo es Euch wol gienge, hört ich
geiTi " ^). Auch der Herzog von Würtemberg spricht ihn so
an: „Lieber Meister Ulrich", „Lieber und guter Freund";
den Brief vom 11. April 1531 unterschreibt er: „Euer gu-
ter Freund Ulrich Herzog zu Würtemberg"*). Und nicht
viel anders Zwingli zu seinem fürstlichen Correspondenten :
„Gnädiger Herr", „Gnädigster, liebster Herr"^). „Gnädiger,
liebster Herr", so schliesst er den ersten Brief nach der Heim-
kehr aus Marburg, „dass ich so kintlich und fry zu ü. g.
schiyb, macht, das ich mich zu gott versieh, er habe ü. g.
zu grossen Dingen erweit, die ich wol gedenken, aber nit
reden darff. Es müss aber ye der katzen die schell
angebenckt werden. Was aber ich mit min ringen
diensten zu eer gottes, zu oflBaung der warheyt, zu gutem ge-
meiner christenheyt, zft ufoung uwer und aller frommen
mit gott vermag, ist zu aller zyt bereyt. Gott mit ü. g.
Geben 2. tags Novembers 1529."*)
0 25. Januar 1531. Opp. 575.
2) Opp. 594.
8) „Gnädiger lieber Herr und Vatter" schon in dem zweiten Brief,
14. Juli 1529 (Opp. 322).
*) Nach dem Original im Marb. A., a. a. 0. Die gesperrt ge-
druckten Worte hat Zwingli unterstrichen.
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ZWINGLI UND LANDGRAF PHILIPP. 33
„Ich hoffe auch durch göttliche Vorsehung '', schreibt
Philipp in dem nächsten Brief, am 25. Januar 1530, „dem
Pharao soll eine Feder entfallen und ihm das begegnen, das
er sich gar nicht versieht, denn alle Sachen schicken sich
zum bessern. Gott ist wunderbarlich. Er macht mir Freunde
[so 1. st Friede] und deren mehr denn einen, da ich nie
[so 1. st mir] Denkens auf gehabt habe. Die Zeit bringt
Rosen. Lasst diesen Artikel den Pharao betreffend im Ge-
heim bei Euch bleiben, bis die Zeit kommt." *) Bald schrei-
ben beide nicht anders als zwei Freunde. Die Briefe sind
alle eigenhändig, auch die Philipp's,-der nur ganz vertrau-
liche Briefe selbst zu schreiben pflegte, und inmaer zu des
Adressaten „eigenen Händen". Sogar die Adressen hat der
Fürst, wie man sieht, zum Teil selbst geschrieben: „Meinem
guten Freund Meister Ulrich Zwingli zu eigenen Händen"*),
oder gar mit Weglassung des Namens: „Meinem guten Freimd
zu eigenen Händen"'). Einer der schönsten Briefe Zwing-
li's an den fürstlichen Freund ist der vom 22. Juli 1530, in
dem er ihn zur Standhaftigkeit gegenüber dem Drohen der
Pfaffen und dem Kleinmut Melanchthon's und der Sachsen
aufinahnt: „Gnad und frid von gott Gnädiger herr, wir
sagend gott danck, das er den Landgrafen der maass sterckt,
das er die warheyt imverzagt bekennet. Ich flieg euch üch
ze wüssen, das uns gantz und gar wil ansehen, das alle
handlung des Kaisers nur ein schin sye, dann die pfaffen,
die inn gfangen flierend, mögend nit erlyden, das man uf
sye. Hierumm, frommer diener des höchsten herren imd min
gnädiger herr, lassend üch gheinen weg bewegen, weder mit
tröwen noch verheissen. Ir werdend sehen, das der bläst
1) Die wohl zweifeliosen Conjecturen stammen von Herrn Dr.
Strickler, der die Freundlichkeit hatte, emige der Briefe Philipp's
mit den Copien in der Simnüer'schen Sammlimg zu collationiren. Lei-
der sind die Briefe so, wie sie gedruckt sind, zwei Mal verderbt, zu-
erst durch Simmler, der die Originale nicht lesen konnte, und dann
durch die Herausgeber, die wie die meisten andern, so auch diese Co-
pien schlecht abgeschrieben haben. — „Die Zeit bringt Rosen": der
Wahlspruch Eberlin's von Günzburg!
») Opp. 426.
») Opp. 505.
Zeitsehr. t K.-G. lU, 1. 3
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afi^j; vergon \^ z/^ nüt wenden, und ip die ^:vngh^yt imm
himel vpr gott iin^ ^W. u^erwel^^ und uff ei;*den, die.
wyl die weit sta^ gebi^isien wir^, welct^?: jetas bey der war-
heyt styff stat. Es ist puch alle e^r der. gebui^ und hei:-
licheyt ^ein, ja nüijzid gegeiji der eer, da man in himel und
erden bekennen und loben wirt, das ir der einig und der
erste sind uss allen fii;rsten, der on hinder sich sehen dqn
pflüg hebt Hallt an, frommer acher man [Ackerma^n], haltt
an! Es gat nur wol/'^)
Es hätte lY^hl der Mj^hi;iui;ig kaum bedui:ft. Der Land-
graf antwortete ipach der Heimkehr vom Reichstage nicht
weniger inan^afi; imd vertrauensvoll: Er habe seinen Leuten
u). Augsburg befohlen, hart bei der Wahrheit zu bleiben,
in die Verd|utK^mi,uig der Zwingliscten niemals einzuwiUigen:
„Aber was [Ub<er das?] soll ich, sagen, PhiUppus Melanch-
thpn g^het zurück, wie ^j; ^ebs, und ißt ein schedlicher
Mann dei^ ^Ivangelio Chrjsti npu^t; siner bJUi^ikeyt, dann er
ist in9 yerg^J^f^n kommen, kau nit uff hören, und vU lüt hen-
ke^ an W'^, ^ soll aber mych nit sein [hin^^^?], ob Gott
lyilL" 7,Sje]^et ?iji"> iruft er dem j^ßform^tof zu, „stet vest
by der warheyt x^r^il^ seit ke^fe, es t;at kein upt" Und zum
Sphlus^: >;Seyt Qo^t bevolen und bitt Gott ftU: mich, und
8chry);)t aJjient^ialben an di,e Güduiass Christi durch d^n druck,
d^s sy beständig sye^^id in der Tyarheit und sich nit mit
^y^tWö^^it nocfe Qßwa^t verfuren lassen,, und das ^y ge-
d,encken an, da? ^pi^chwort; Memento n^ori. Min handt"*)
Djie bie^" cf/tr.siv gedruckten Worte stehen in dejn Ori-
giii^ und de^ $in>nUer'3cJ|fLen Abschrift nicht Statt dessen ent-
boten di^jselb^n Sig^ d^e wi fi^st s^mtUcJic^n Briefen Zwing-
li's und Philipp's wie in denen Ulrich's von Würtemberg seit
dem Februar 1530 wiederkehren und das absichtliche Halb-
1) Ein Citat aus Ey. Luc. 9, Der Brief nach demOrig. des Hess.
Archives zuerst bei Neudecker a. a. 0. S. 151, danach in Opp. 483.
Ich wiederhole die erste Hälfte ganz, weil der Abdruck Neudeckers
durch falsche Interpunction, Lesefehler und Verstümmlungen (die beiden
letzten, grade d^ Haupt-Sätze sind einfach weggelassen) ganz imbrauch-
bar ist.
2) Opp. 505. „Min handt", dass soll heissen: es bedarf meiner
Unterschrift nicht, wie im Brief vom 10. März 1530 (Opp. 427).
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Sehlftssel
som
SriefWeohsel des Landgrafen Philipp mit Zwingli.
^ tarnt ^ J6f^jt}m^ tmnbt
Anmerkongen:
1) Von Phüipp'« Hand.
8) Das Zeichen ist aus dem Petschaft Zwingli's genommen,
dess«! Siegel so aussieht: "^^
3) Zeichen (1) aus dem unten (S. 38 f.) mitgeteilten Briefe
vom 38. April 1531.
4) Zeichen (S) ans dem genannten Briefe.
„j,.edby Google
ZWmGLI UND LANDGRAF PHILIPP. 35
dunkel, welches uns schon in dem Briefe des Landgrafen
vom 25. Januar entgegentrat, zur völligen Undurchdringlich-
keit verdichtet haben. Dieser Schleier, der so bisher über
jenen Schreiben, den interessantesten vielleicht des ganzen
Briefwechsels Zwingli's, lag und ihre Benutzung fast unmöglich
machte, kann jetzt gelüftet werden durch die Entdeckung
des Chifferschlüssels, die mir, allerdings an einem Ort, wo er
nicht vermutet werden konnte (unter Braunschweiger Acten
aus den vierziger Jahren), in dem Marburger Archiv ge-
glückt ist Ich teile ihn auf nebenstehender Tafel mit^).
1) Die Sigel auf der Tafel Opp. 668 sind ganz schlecht wieder-
gegeben; manche sind da kaum wiederzuerkennen: so ist das 5.
Zeichen in dem fälschlich als Nachschrift zu dem Brief Ulrich's von
Würtemberg vom 15. Februar 1530 abgedruckten Fragment (Opp.
412; [5] XXn) jedenfalls das Zeichen fürDeutschland, nicht, wie
man nach dem Stich der Tafel auch deuten könnte, Italien. Das
Zeichen 3 in diesem Fragment ist gleich dem 11. in dem Briefe Phi-
lipp^s vom 10. März 1530, kein anderes als das für den Kurfürsten
von Sa^chsen. Zeichen 3 in des Herzogs von Würtemberg Brief vom
11. April 1531 findet sich, wie man sieht, in dem originalen Sigel-
schlüssel gar nicht: es ist ohne Zweifel dafür das Zeichen Basel zu
setzen. Das 5. Zeichen desselben Schreibens ist jedenfalls das Zei-
chen für König Ferdinandus, gleich dem 7. im Brief vom
10. März 1530 ([7] XXXFV).
Dieser Schlüssel giebt nun den Sigeln in den bisher gedruckten
Briefen folgende Auflösung*):
Opp. 534 Philipp an Zwingli. OhneOrt, den 14. Febr. 1530**).—
1 \yürtemberg. 2 Venedig. 3 Tirol. 4 Zürich. 5 Basel. 6 Bern.
7 Graubündner. 8 König von pänemark.
*) Die Zahlen sind von den Heraasgebem znr Erleichteraug des Druckes
statt der Sigeln in den Text gesetzt. Ihre Aoflösnng soll die Tafel zu S.
668 geben. — Ich stelle gleich die chronologische Ordnung her, die in der
Ausgabe zum Teil verwirrt ist.
**)Yon den Herausgebern unter dem 10. October 1580 mitgeteilt: ,fDat.Mont.
nach Dionysii'^ Im Original wird gestanden haben: „Dat. Montag (st.
Mont. nach)Valentini 1530.'* Das ist der 14. Februar. — Es ist der erste
Brief mit Sigeln. Philipp sandte mit ihm den Chifferschlflssel: „Und
wenn Ihr mir schreibet, so schreibet mir also durch die Zeichen in meine
eigene Hand. Ich schicke Euch auch hiermit solche Zeichen eingeschlossen
zu." Schon diese Worte nötigen, den Brief an den Anfang der Geheim-
correspondenz zu setzen. Der Tag l&sst sich aber ganz sicher feststellen
durch den Brief Herzog Ulrich*8 an den Reformator Tom 15. Februar
(„Geben in Eil zu Kassel Dienstag nach Talent. 1530'*), dessen Anfang
3*
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36 LENZ,
Neben dem CliifferscIiIUssel fand ich noch zwei neue
Briefe Zwingli's an den Landgrafen liegen, die daher gleich-
faUs hier ihre erste Steile finden mögen.
Opp. 668 (Regest 431). Zwingli au Philipp. 0. 0., den 9. März
1530. — Erste Lücke: Bern. Zweite Lücke: Basel. Dritte
Lücke: Herzog von Würtemberg.
Opp. 426. Philipp an Zwingli. 0. 0., den 10. März 1530.—
1 Basel. 2 Herzog von Würtemberg. 3 Zürich. 4 Bern. 5
Frankreich. 6 Venedig. 7 Ferdinand. 8 Graubündner. 9 Land-
graf. 10 König von Dänemark. 11 Kurfürst von Sachsen.
12 Zwingli. 13 Twiel.
Opp. 480. Zwingli an Philipp. 0. 0., den 13. Juli 1530.—
1 Bern. 2 Frankreich. 3 Zürich. 4 Herzog von Preussen.
5 Kaiser.
Opp. 483 (s. o. S. 33) Zwingli an Philipp. 0. 0., den 22. Juli
1530. — 1 Landgraf. 2 Kaiser. 3 Bern. 4 Zürich. 5 Basel.
6 Würtemberg. 7 Frankreich.
Opp. 487. Zwingli anPhilipp. Zürich, den 2. August 1530. —
1 Landgraf. 2 Zürich. 3 Bern. 4 Basel. 5 Kaiser. 6 Wür-
temberg.
Opp. 505. Philipp an Zwingli. 0. 0., den 4. September 1530. —
1 Zürich. 2 Landgraf. 3 Würtemberg. 4 Basel. Z. 4 von
unten fehlt hinter „als nämlich" das Sigel für Ferdinand.
Opp. 575. Philipp an Zwingli. Gudenberg, den 25. Januar 153 1 . —
1 Würtemberg.
Opp. 585. Ulrich von Würtemberg anZwingli. Kassel, den
3. März 1531. — 1 Landgraf. 2 Frankreich. 3 Zürich. 4 Wür-
temberg. 5 Ferdinand.
Opp. 594. Ulrich von Würtemberg an Zwingli. 0. 0., den
11. April 1531. — 1 Zürich. 2 Landgraf. 3 Basel. 4 Wür-
temberg.
so lautet: „Liober Meister Ulrich. Ihr werdet Euch ans meines Vetters
des Landgrafen Schreiben und Zuschickong etlicher Zeichen wol wisRon
ZQ richten." Zivingli erwähnt den Brief mit directem Betng auf eine
Stelle, die ihn sehr aufgebracht hat, in zwei andern Briefen, an Jacob
Sturm vom 27. und 28. Februar und an Konrad Zwick in Constanzrom l.MArz
1530. In demersteren bestimmt er auch den Empfangstag: „Hessus in-
tra quatriduum literas ad me dedit, in quibus miratur, cur tarn dif-
ficiles noR exhibeamus in jungenda civitate cum Ulma, Lindoia, Nemminga
et ceteris. Equidoro vehementer admiratus sum haue quaerimoniam nsque
ad hnnc diem (27. Februar), quo literas accepi ex Ulma'* (tou Sam, den
22. Febr. geschrieben, gedr. Opp. 418) otc. Damit y^l, die betr. Worte
in dem Brief Philipp*s an Zwingli (Opp. 535) und in dem des letzteren
an Konrad Zwick ?om 1. März (Opp. 428).
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ZWINGU UND LANDGRAF PHILIPP. 37
Zwingli an Landgraf Philipp.
Ohne Ort*), den 11. Februar 1531.
Synem gnädigen Herren zu eigner hand.
Qnad und frid von gott bevor. Frommer, ersamer wyser
etc. Landgraf, Ich hab jetz lange zyt üwer handlangen
nützid vemomen des Herzogs von Würtemberg halb, imd ist
doch not, wo ir etwas von sinetwegen handien wellt, das ir
stattlich gegen Zürich, Bern, Basel handlind, imd vorus gegen
Zürich und Bern. Es sieht mich aber an, man habe ze
vil vorcht, imd das von des Kaisers wegen. Es war besser,
die sach wurde angehebt, die wil er noch ze gegen und aber
Ferdinandus noch nit uf komen noch imwidersprechlich yn-
gesetzt. Dann so man lang harret, wirt Ferdinandus be-
vestnet imd die Welt abvellig. Noch wtissend ir bas den
Sachen ze tun. Zürich hat in den verstand mit frolocken
bewilliget Ich schryb hie by hertzog Ulrichen; wellind den
brief uberantwurten. Es stat sinethalb vast günsüich hie
oben bym gemeinen man. Gott bewar üch zfi aller zyt.
Das bfich de Providentia Dei an herr lantgrafen vom
Zwingli geschriben ist jetz durch Leo Jud vertütschet und
wirt uff die mess gen Franckfurt kumen. Geben XI. tags
Februarii 1531.
Üwer etc.
Zwingli.
Opp. 413. Ulrich von Würtemberg an Zwingli. Undatlrtes
Fragment. Nachschrift. Frühling oder Sommer 1531*). —
1 Landgraf. 2 Kaiser. 3 Kurfürst von Sachsen. 4 Frank-
reich. 5 Deutschland.
*) Von den Herausgebern als Postscript zu Herzog Ulncbs Brief vom 15. Fe>
broar 1580 abgedruckt. Die Zeit l&sst sich nicht mit Sicherheit an-
geben. Der Brief, zu dem das Fragment die Nachschrift war, ist noch
nicht wiedergefunden. Die Verhandlungen Albrecht's von Mainz und Lud-
wig^ von der Pfalz als Vermittler zwischen dem Kaiser und . den Prote-
stanten, auf die hingedeutet wird, w&hrten etwa vom Mai bis zum August
1531, vielleicht noch l&nger. Mit Frankreich stand Zwingli durch dessen
Vertreter bei den Eidgenossen wfthrend dieser ganzen Zeit in erneuter
Verbindung.
1) Vom 12. Febmar haben wir ein Schreiben Zwingli's an die
Strassburger Prediger aus Zürich (Opp. 579.) Die Sigel habe ich
gleich aufgelöst; es sind die cwrsiv gedruckten Worte.
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38 LENZ,
Zwingli an Landgraf Philipp.
Zürich, den 28. April 1531^).
Synem lieben und guten Fründt zu eygnen handen.
Gnad und iftid von Gott. Lieber und guter friind. Ir
werdend die antwurt von Zürich in summa wol vememen,
die in den zweyen puneten etat: Man werde des Kaisers
und Ferdinandus sach jetz mal berfiwen lassen; zumm an-
dren: imd so man dieselben üeben [ergänze: welle], welle
man das selbig nit on rat unt trachtung des Landgrafen tun.
Demnach empfehlen mir die, so nit die geringisten sind,
üch anzezeigen, das es by uns gantz verschniwen ist, dem
Herzog von, Wurtemherg zu verhelfFen, und sähind hohes
und nidi*en Standes gemn, das die sach überhin war, könnend
euch wol erkennen, das sy ims zu frid und krieg in unse-
ren landen dienstlich wurde sin.
Über das zeig ich üch guter meinung an, da« mich für
gut ansähe, wo man Geld haben möcht, da mit man zur
sach gefiiert möcht werden, nit zu mietry, simder allein ufF
einen sold imd zug, das wurd alle sach ufrichten, imd daz
Zürich, Berrh^ Basel uflF die ard ze ziehen gewisen [so], da
man Würtemberg möchte hilflich sin. Wäre euch in ander
weg gut. Nun hab ich bey Frankreich min kleinfueg wer-
ben geton und antwurt empfangen, man welle mich lassen
wüssen, doch hab ich sidhar ghein antwurt empfangen. Es
hat euch Frankreichs bott geraten, Würtemberg solle selb
zumm König von Frankreich schicken; vernimm aber hie
neben, das es unfruchtbar sye etwas malen gewesen.
Man soll sich wol ummsehen des Türken halb, dann es
ist gwüss niitzid denn fablen, nun müss (der Kastellan von
Musso) etwar an dem bock angon, eintweders an den Kö-
nig von Dänemark oder an den Woyda oder an den Land-
grafefij oder zu warten, ob der Herzog von Wurtemherg nach
dem sinen ti'achten, oder wider Zürich, Bem^ Basel und
1) Das Jahr, das in dem Brief nicht angegeben ist, lehrt dessen
Inhalt, denn der Brief der Greheimeh von Zürich, auf den Zwingli hin-
weist, ist von demselben Tage und geidruckt Eidgen. Abschiede lY.
Ib, S. 966, 8.
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ZWINGLI UND LANÖGRAF PHILIPP. 3t)
andbne [ergänze etwa: «nzegön]. Gott bewar üch wider alle
sine fyendt. Geben 28. tags ApriKs. Icli einbüt tnin arme
dienst dem Rereog von Würteniberg zu aller zyt Sust sind
wir^ gott hab lob^ gantz unverzagt
Ewdr etc.
williger uxöiertailiger
Ztvingli.
(1)* bedüt die christliclien stett, die in unserem burg-
rechten sind, afle mit einander.
(2)* bedtit strassburg: der zyffer bedörfferid wir nocti
ze not: was ir Gelds halber vermeinend ze hoBfen, mögt ir
micli wüBsen lassen.
Diese beiden Briefe machen nun die Coirrespohdenz
keinesw^ vollständ^.
Der Landgraf erwähnt in den Briefen vom 14. Febtuar
und 10. März 1530 zwei Schreiben Zwingli's an ihn, in de^
ersten und dem vom 26. Januar auch zwei an Ulrich von
Würtemberg , die wir nicht besitzen ^). Ih dem Briefe
Zwingli's an Jakob Sturm vom 27. und 28. Februar 1530
bittet er den Freund, seinen Einfluss bei den Kleinmütigen
in den Reichsstädten zu Gunsten der guten Sache aufzu-
bieten : „ Commemorate (nämlich g^en Bürgertnedster Besserer
von Uhn und seine Anhänger), quomodo vobis magis ac
magis allubescat amicitia nostra, et cetera quaeso (so Ues
statt des unsinnigen quae si) vos docere pergere, sus Mi-
nervam. Ad PHncipem nostrum Landgraftum idem scribo,
quapropter eas literas primo quoque tempore ad illum dato" *).
* 8. 0. die Tafel (Anm. 3 u. 4).
1) Opp. 405. 406. 426. 534. Der S. 405 (Schreiben vom 25. Ja-
nuar) erwähnte Brief an den Landgrafen ist wohl der vom 2. Novem-
her 1529 (Opp. 666). Wenigstens passt die Antwort, die Philipp
giebt, sehr wohl auf deisseh Inhalt : „ Lieber Meister Ulrich. Ich habe
Etter Schreiben ifrohl verstanden, und es ist vor uns nicht weniger,
Luther und Melanchthon haben zu viel gethan, dass sie solche Tren-
nung anrichten ^^ u. s. w.
«) Opp. 423.
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40 LENZ,
Auch dies Schreiben fehlt, die Antwort aber haben wir in
dem Briefchen Phüipp's vom 15. März ^). Um dieselbe Zeit
hatte Zwingli die Absicht, dem Landgrafen sein Gutachten
über ein Bündnis mit Frankreich, das berühmte consilium
Gallicum, zu schicken, änderte sie aber in der Erwägjpng,
dass der Landgraf bei seiner Unkenntnis des Latein dann
das Geheimnis anderen verraten müsse. Er schreibt dies
am 12. März an den Züricher Stadtschreiber Werner Beyel,
seinen vertrautesten Freund*), fugt aber hinzu: „Sed ne
quid optimo Principi desit, simmiam brevi complexus sum
in hac epistola, quam hie accipis" *). Beyel war damals in
Basel bei den Verhandlungen über die Aulhahme des Land-
grafen in das schweizerische Burgrecht tätig. Er sollte den
Brief also jedenfalls an die he^ssischen Gesandten Sigmund
von Boyneburg und Georg von Kolmatsch zur Weiterbeför-
derung an ihren Herrn übergeben. Am 30. Mai schreibt
Jakob Sturm Zwingli'n aus Augsburg: „Salutem. Recepi
literas tuas alterasque ad Cattum curavi per nuntium tuum ut
reciperet" *). Vier Tage davor, am 26. d. M., erwähnt
Zwingli in einem Brief an Ambrosius Blaurer diesen Boten:
„Proficiscitur hie tabellio Augustam ad Cattum et Argen-
toratenses" ^); er wird auch Schreiben der Züricher Stadt-
herren mitgenommen haben. Am 23. Juli schreiben Capito
und Bucer aus Augsburg an Zwingli: „Salutat te comes
noster (Sturm), qui (so zu lesen statt quid) praeter haec,
1) Opp. 444. Der Brief Philipp's vom 10. März ist es also noch
nicht.
*) lieber Beyel vgl. ausser der Corr. Zwingli's Eidg. Absch. IV,
Ib, passim.
8) Opp. 432. In dem Brief vom 10. März erwähnt Philipp schon
des französichen Ratschlages: „So aber die Sache, da Ihr den Rat-
schlag auf gemacht habt, betreffen Frankreich, oder Venediger dereinst
vor sich ginge .... wollte der Landgraf willig sein." Zwingli hatte
ihm also in dem fehlenden Brief, auf den hier geantwortet wird, die
Abfassung, vielleicht auch die Absicht, das consilium zu übersenden,
gemeldet.
*) Opp. 458.
«) Opp. 457.
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ZWINGU UND LANDGRAF PHILIPP. 41
quod scriberet, nihil habuii Catto literas heri reddidit, re-
spondebitur ftisius proximo nuntio" ^): jedenfalls wohl ein
Schreiben Zwingli's und nicht etwa eins der Züricher Ge-
heimen. Der Brief vom 22. kann es aber noch nicht,
der vom 13. d. M. nicht mehr sein, da der schwerlich zehn
Tage von Zürich bis Augsburg gelaufen ist. Am 14. October
meldet Bucer aus Basel: „Salutem in Domino. Literas tuas
et quas simul misisti accepi hac vespera circa quintam.
Dedi nuntio salarium batzios Constantienses 16 J, mea enim
caussa missus est. Literae Catti cras ibunt Argentoratum " *) :
das sind natürlich Briefe an den Hessen*, auch sie könnten
zur Not von dem Züricher Rat herrühren, sehr viel wahr-
scheinlicher aber von Zwrngli selbst. Alle diese Briefe sind
noch verborgen oder verloren.
Wie man sieht, gingen sie stets über Strassburg, und
zwar ist Jakob Sturm der Vermittler dieser geheimnisvollen
CüiTespondenz gewesen. Wahrscheinlich war er auch im
Besitz der Chiffer; wenigstens haben wir Briefe von ihm,
die „suo (p amico carissimo" adressirt und „tuus \fj" unter-
zeichnet sind ^). Die Briefe an Ulrich gingen, zum Teil
wenigstens, über den Hohentwiel *). Von den Briefen des
Landgrafen vermissen wir mit Sicherheit nur einen, der am
3. März 1531 abgegangen ist: Ulrich von Wüiiemberg
deutet in seinem Schreiben von jenem Tage darauf hin ^).
Aber wer darf sagen, dass damit alle verlorenen Briefe
nachgewiesen sind? Die Vertrautheit des Verkehrs, die
Mannigfaltigkeit und Wichtigkeit der stets sich verschieben-
den politischen Ideen und Aufgaben lassen viel eher eine
weit reichere Correspondenz vermuten. Man muss doch eine
1) Opp. 485.
«) Opp. 536.
») Aus Augsburg, 31. Mai und 28. Juni (Opp. 458. 465).
*) Phüipp an Zwingli, den 10. März 1530 (Opp. 427): „Es hat
mich auch der Herzog von Würtemberg gebeten, so Zwingli ihm
schreiben wolle, dass er's mit verborgenen Worten thue durch diese
Zeichen ; er habe auch Twiet bestellt , dass man soll daselbst Briefe
annehmen und zurecht schicken.^*
*) Opp. 585.
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42 XiENZ,
zufeammenhäiigende Kette, in der Bridf um Brief, Aniwott
um Antwort ging, eine wirkliehe Correspondenz annehmen
können. Von dieser fehlen in dem Zeitraum vom 2.Noveml)er
1529, wo ZwingH den Briefwedisd nach der HelmkeJir aus
Marburg \Vieder äufiiahm^), bis -zum 1&. MSrz 1530 wohl
nur die, "welche wir eben vemiisst hftben. Von dieSeto Tage
bis zum 4. September ist die Briefreihe des Utaidgi*afen
unterbrochen. In dem Briefe vom letzteren Tä^e entschul-
<Rgt er sein langes Schweigen. Dass er damit aber bis zum
iö. März 27arückgreifen will, ist gar nicht zu glauben. Es
ist die Antwort auf Zwingli's Brief vom 3. August, in dem
dieser um schnellen Bescheid bittet, den er innerhalb acht
Tagen erwartet: „Uwer Gnad findt den, der die brief hinab
fertiget, 8 tag ze Frankftirt, ist ein bfichtrucker." Philipp
will also um Verzeihimg bitten, dass er jenem Buchdrucker
die Antwort nicht mitgegeben habe. Diese Bezeichnung eines
drei- bis vierwöchentlichen Schweigens als einer langen Pause
lässt uns erkennen, in wie kurzen Zwischenräiunen die Briefe
gewechselt sein müssen: wemgstens in dieser Zeit, ivährend
des Reichstages von Augsburg. UnA in der Tat sind die
Briefe Zwingli's, die seit dem fehlenden vom Mai bis zu dem
vom 4. September erhalten sind, am 13., am 22. Juli und am
3. August, zwischen den beiden letzteren DaJten aber noch
einer, der fehlt, geschrieben worden, so dass älöo Zwingli
von acht zu acht Tagen einen Brief abgesandt hat. Man
braucht nicht anzunehmen, dass der Landgraf weniger oft
geantwortet habe, denn ihn gingen die iMnge, die ZwmgK'n
am Herzen lagen, ebenso nahe an, und er gab sich ihnen
mit eben solchem Feuereifer hin: „respondebitur ftisius
proximo nuntio", schreiben Capito und Bucer am 23. Juli *).
Die Lebhaftigkeit des Verkehrs bezeugen die Aeusserung
1) Möglich , dass dieser Brief schon die Antwort auf einen ver-
lorenen des Landgrafen war. Die Worte zu Anfang könnteh darauf
hindeuten: „Demnach danke ich ü. gnaden hoch des friintllchen em-
bietens mir geton, wo ich min ort imd stand wegi*en wöltiB, und des
ernstes, den üwer g. gebrucht in heimsenden unser." Doch darf ttian
sie wohl lieber auf ein mündliches Anerbieten in Marbtü*g beliehen.
«) Opp. 485.
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ZWINGU UND LANISgRAF PHILIPP. 43
Sturüi'ß in dem BHefe vom 19. Juni an Zwingli: „Si quid
in his consilii habes, rogo communices vel mihi vel Catto.
Quanquam^ si ad me miseris; facile Catto commune faciam " ^),
und die Bitte von jenem an Philipp am 22. Juli: „Was
not wirt sin ze schryben, empfehlend es herr Jakob Sturm,
der hatt alle stund botschaft ze fertigen"*).
Freilich, es waren dies Wochen, die eine Steigerung des
brieflichen Verkehrs erklärlich machen: die Verhandlimgen
des Reichstages zu Augsburg imd des Bürgert^es von Zürich,
auf dem die Schweizer Städte zum zweiten Mal über die
Aufnahme Hessens in ihr Burgrecht berieten. Es musste
dem Reformator ebenso sehr daran liegen, den Landgrafen
von den Lutheranern mit ihrer Schwäche g^n die Kaiser-
lichen und ihrer Schroffheit gegen die freiere Richtung abzu-
ziehen oder fernzuhalten, als es diesem seine Stellung zu den
Sachsen und seine politischen Pläne, die Interessen imd die
Religion wünschenswert machten, das BCrndnis mit den
Schweizern endUch abzuschliessen. Ebenso erklären sich die
zahlreichen BHefe im Januar, Februar und März 1530 durch
die Verhandlungen mit den Venezianern, den Franzosen, und
durch den ersten Versuch, auf dem Tage zu Basel das
Burgrecht mit Hessen zum Abschluss zu bringen. Aber
auch aus den Herbstmonaten des Jahres, in denen Bucer
seinen Concordatseifer bewies und die Unterhandlungen über
das hessische Bargrecht endlich zum Abschluss gelangten,
wie aus der ganzen folgenden Zeit könnten wir kaum weniger
ßriefe erwarten. Denn die Ziele, welche der Landgraf und
der Reformator zu Marburg ins Auge fassten, haben sich
wohl verschoben, sind aber nie aufgegeben worden, so wenig
wie die Hoffnungen und die innige Vertrautheit zwischen
beiden Freunden sich verringerte, bis der Tod des ehien sie
zerriss. Was uns aus den zwölf Monaten vom Ende des
Augsburger Reichstages bis zu der Schlacht bei Kappel von
dem Briefwechsel Philipp's des Grossmütigen und Ulrich
Zwingli's erhalten ist, sind jedenfalls nur die geringen Reste
1) Opp. 467, unten.
2) Opp. 484.
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44 LENZ,
einer Correspondenz, deren Verlust wir um der Lücken willen,
die er in der Erkenntnis der idealen Ziele dieser hochstreben-
den Männer zurücklässt, schmerzlich beklagen müssen.
n.
Wenn wir nun den Umfang dieses Briefwechsels zu
bestimmen und auch die erhaltenen zu lesen im Stande sind,
so können wir die letzteren darum noch nicht erklären.
Und selbst, wenn die Lücken ausgelullt wären, so würden
ims doch die Briefe allein von ihrem Inhalt nur wenig ent-
hüllen. Sie wären nur Fragmente für die Geschichte eines
Bundes der Freundscliaft und der Politik, welcher in seiner
Intinütät, in der Vielseitigkeit und der Höhe seiner Ziele
noch niemals zu einem klaren Bilde zusammengefaßt ist.
Ihren Hintergrund bilden die beiden grossen Ideen- und
Interessensphären, in deren Mittelpunkt diese Männer stehen,
für den Landgrafen das Verhältnis zu Kursachsen und der
niederdeutschen Politik, die Freundschaft mit dem vertriebenen
Herzoge' von Würtemberg und dadurch mitbedingt die Hin-
neigung zu den oberländischen Städten, fiir Zwingli seine
Stellung in Ziüich, seine reformatorischen Absichten in der
Schweiz, und überhaupt seine weitgreifenden kirchlich und
politisch communalen Refonngedanken. Dafür, wie diese
beiden Kreise in jenen Jahren durch den Druck von aussen
imd die innere Verwandtschaft sich nahe kamen und nach
Vereinigung strebten, muss die Geheimcorrespondenz der
beiden Männer, welche mit persönlichem Interesse imd per-
sönlichster Ueberzeugung, einander gleich in dem Eifer ihres
Bemühens und der Freudigkeit ihres Vertrauens, die Ver-
wirklichung solcher Ideen versuchten, die Quintessenz, der
psychologische Schlüssel sein: aber wir können diesen nicht
gebrauchen, ein Urteil über die Träger solcher Ideen nicht
wagen, bevor wir von deren Umfang und Inhalt, den An-
stalten imd Mitteln zu ihrer Realisining, und den Schranken,
die ihnen die feindlichen Kräfte im Innern imd von aussen
setzten, eine annähernd richtige Vorstellung besitzen. Den
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ZWmGLI UND T.ANDGRAP PHILIPP. 46
Verkehr beider Männer lückenlos herzustellen, dürften wu*
freilich niemals hoflfen, auch wenn wir sämmtliche Briefe,
Instructionen, Entwürfe und Protokolle vor uns hätten, die
von u-gend einer Seite Licht darauf werfen könnten. Das
Beste ist mündlich abgemacht worden, auf den Versamm-
lungen von Basel und Zürich, in dem Zusammenleben Philipp's
mit den Strassburgem zu Augsburg, vor allem aber während
der denkwürdigen Tage zu Marburg, in denen, was wir jetzt
nur dürftig erraten können, die Freundschaft geschlossen
und wohl alle die Pläne durchsprechen sind, welche den Inhalt
der Briefe und Verhandlimgen bis zur Schlacht bei Kappel
bilden.
Obschon mm sogar das vorhandene Material lange noch
nicht vollständig beisammen ist, so mag dennoch eine kurze
Skizze dieses Freundschaftsbundes auf Grund der gedruckten
Correspondenzen , besonders der ausgezeichneten Publikation
der Eidgenössischen Abschiede *), sowie einiger neuer Quellen
aus dem hessischen Archive zum besseren Verständnis des
Erhaltenen gewagt werden.
Es ist der Briefwechsel eines Reformatoren und eines
reformirenden Füröten, begonnen — denn von den formellen
Briefen aus dem Sommer 1629 können wir absehen — nach
jenen weltgeschichtlichen Tagen zu Marburg, wo die Ver-
einigung der beiden evangeüschen Bekenntnisse erstrebt und
aufgegeben wurde: aber ihr Inhalt ist, wenn wir das Wort
nur in seiner dogmatischen Bedeutung fassen, mit nichten
reformatorisch. Von dem dogmatischen Zwiespalt ist kaum
in einem anderen als in den ersten beiden Briefen nach
Marburg die Rede *). Wenn Zwingli sich später noch über
die sächsischen Gegner erregt, so geschieht das nur, sobald
er einen politischen Nachteil daher furchtet. Im übrigen
1) Die Eidgeaössjschen Abschiede aus dem 2ieitraume von 1529 bis
1532. Bearbeitet von Johannes Strick 1er. Der amtlichen Ab-
Bchiedesammlung Bd. 4, Abth. Ib. (Ich kürze fortan ab: E. A.)
*) Unter veränderten Verhältnissen kommt Philipp wieder in dem
Brief vom 25. Januar 1531 (Opp. 575) darauf zurück. S. u.
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46 1^2^,
kn\lpft sijCh die Correspondenz an die Interessen der Politik.
HJer aber richten sich die bedanken auf die gess^nmte Lage
der Welt: auf Venedig und Dänemark^ Frankreich und die
Tvirkenkrjege, U^garp^, Jkigland, Ferdinand, Böhmen, vor
allem auf die Welt^emchaftsgelüste des Kaisers. Die nahen
un4 die weitesten Ziele werden neben; einander ins Auge
gefasst: das hessisch-schweizerische Bündnis und die Rück-
führung Herzog Ulrich's in sein Land, die Hineinziehung des
ganzen Norden Deutschlands in das Burgrecht und in seine
Bekenntnisfonn, Verhandlungen mit Venedig, mit Dänemark,
mit Frankreich, ein Q^d der ganzen nicht^bsbiurgischen
Welt, getragen von dem Grundgedanken des EvangeUum
imd des Gegensatzes gegen die spanisch-habsburgische Welt-
macht: nicht, um nur die religiöse Ueberzeugung gegen die
gewaltsame Unterjochung zu verteidigen; diese G^anken
zielen weiter, greifen höher: man siehtf die Gtefahr unmittelbar
über dem Haupte imd will ihr unmittelbar begegnen: Karl
ist von Barcelona a^fgebl'oc^len5 Italien unterwirft sich ihm;
im Glänze der eben erworbenen ^Äi^rilP'one, als ^ndling
Roms erscheint er mit seinen spanischen imd itaüenischen
Heeren vor den Alpen, bereit, die Freiheit imd Religion
Deutschlands zu unterdrücken, die Monarchie zu errichten:
man wird ilm gar nicht hineinlassen ! Was hat Deutschland
mit Rom, was mit dem römischen Kaiser zu schafifen? Man
wird ihm die Pässe oder wenigstens die Städte des Ober-
landes verschUessen, Venedig g^en ihn aufrufen, in Tirol
einbrechen, Würtemberg einnehmen, Frankreich imd Däne-
mark in das Burgrecht ziehen : ein Bund von der Adria bis
zum Belt und zum Ocean soll die Welt aus der Umklam-
merung des Habsburgers erretten.
Wer hat diese Gedanken zuerst gefasst? War es
Zwingh oder Philipp? Und wer hat den grösseren Einfluss
ausgeübt? Oder haben beide mit gleichem Eifer und gleich
radical diese aus allen Bahnen weichenden Pläne betrieben?
Verfolgen wir die eben angedeuteten Absichten in dem
Briefwechsel, so sehen wir den Landgrafen sie ganz so hitzig
wie den älteren Freund vertreten. Wenn dieser Venedigs
und Frankreichs Aufnahme betreibt, so scfilägt jener die
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ZWINGLI UND i;*A]!inj)GRAP PHILIPP. 47
lDtanei];i^k^ vor. Auch erblicken vir. %\ l^w^^ Vorschlage
ZwingU's kl^mü% gegei[^^b^, ^e dap dieser deijm auch
ihm, sowie den Freunden in der Schweif iii^d im Ob^ij'lande
rückhaltlos bezeugt hat: ^,Pib Pattor^m p;ipicipe'^, schreibt
er dem firanzösischen Gesang», „ sie intelJige: Juvenis quidem
^%y puta 25^ natus apanos, se^ super hanc ^tatem prudens,
^iagnajnimu3, ^t constans ; apu^d Ulum possumus fere quicquid,
yokouus"^). Nur einer von jei;ieu Gedanken fehlte dem
Landgi;af*^V? ^^ yi^kpehr eine Empfindung hatte er inehr
als Zwingli: ^e für ]^ai^r und Jleich. Piese hat Philipp
— un4 da^ is^^ ihm undj des^ deutschen ^frotestantisipus ver-
^er][>lich ge;\<ror^en — n^epaals verleugi;]^et. Er wi^ s^ne
schmalk^ldischeiii ]^tverw«^^^ten, iflü A^i^nahm^ vielleicht
einiger Ober^^^r, IjLaben stets die Zugehörigkeit zum Reiche
als eine per^^i^^^^te YerpjBticbt^mg g^gen clw Kaiser gefühlt.
Sogai^ in ^^^r f^ijitikaiseirUchßten Perio<J^9, seines Licbens hat
er das ati^eapro^Jli^en, ebei^^ in einejn Brieff an Zwingli, aiii
4. Sept^bipr 1,530, n^ ^er ^^inftl^ehr aus Augsburg:
„Den: keyaejc w^ wp^ fi^um^, wenn andere Leuije ^häten (?)
ßh naüQ^ijlich J^^dif^ndius un^ andere ^^ ^).
Von Zwingt haben wir grade aus der Zeit di^seif Pläne
Aus^prii9]t:^e, di^ uns das völlige Erloschensein des R^ichs-
b^riff^ in ^lm o^nbaren. So iß, einem Bifief f\n Konrad
Sara in pim, der hierin fthnlicjhi dach^q: „Gratiam et pacem
a Peo. ^eti^ti^ nimc, proh d-olpir, fi;Tictum studioruw vestrorum.
Hunc Caesairem e^p^tastis, hunc recipite, qui hau,d d,ubie
non tantopere coleret ecclesiam, nisi sub hujus praetextu
Uber^a^ iirbiuip inh^ret. Adperite igitur oculos, npn tantum
quaeritur po^tifici rpinanp^ quantuiju priv^tis hominib^s, i^m,
me fel^it iMiimiis meus. Dudum vpritus ftii, 8ub defp^^ione
£c<;^le8ia6 quaeri ^rbi\TO oppre^ionem ac Ubertatis ademptio-
nem. Sie^ s^rdo fi^b^^«^^l n^urro, non tibi, se^ vesüi^ti populo,
qui Romanum L e. peregjrinum ^mper^iw adep f}i\perst^tiose
colit, ut nesciat, an ulla unquam gens tarn stulta fuerit, ut
tyrannum capiti suo imposuerit eumque longe petitum (weit
1) Opp. 4ia
2) ^p. 505. S. o. S. 316 Anm.
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48 LENZ,
hergeholt). Quid enim Germaniae cum Roma? Cum ne
sacerdotes quidem romani illum in urbem ac teeta reeipiant.
Expende hune rithmum:
Papsttum und Kaisertum
Die sind beide von Rom.** ^)
Und fast noch radicaler in einem seiner merkwürdigsten
Sclireiben, das er unter dem Druck der Augsburger August-
unterhandlungen, am 18. d. M., an Sam imd Simbert von
Memmingen sandte, in der Absicht, durch sie den Kleinmut
ihrer Mitbürger gegen die leeren Drohungen der Pfaflfen auf-
zurichten. Er zählt die Gründe auf, die sie den Ihrigen
vorhalten sollen, darunter als letzten: „Deinde si sensim
coeperitis personam Romano imperio detrahere, quomodo
stultum sit hoc imperium agnoscere, quod isthic non agno-
scitur, unde nomen habet Perinde ac si nunc Pannones
Sophum Persiae Dominmn, si regno pelleretur, suum Sophum
facerent, hac lege, quod Persiae aliquando Sophus fuisset,
ipsi autem Persae jam longe feliciores essent, si hac tyran-
nide liberati aliis hanc Aten et noxam misissent. Sic est
Romanum imperium. Id autem, quod subiudico, non pro
publica contione, sed in loco fieri oporteret. Nimis amantes estis
rei romanae. Quid Germaniae cum Roma? Sed haec oportet
post longum tempus sperare, si pergimus sero sapere Phryges."
Es ist vielleicht in dem gesammten Ideenkreise Zwingli's
das Ausserordentlichste, dass er auch nach dieser Richtung
mit dem Mittelalter so völlig gebrochen hat Das war der
„andere Geist", dem Martin Luther, der niemals aufhörte,
für seinen Kaiser „Carolus, das edel Blut" ein Gefühl herz-
licher Verehrung zu hegen, so fremd gegenüberstand. Das
rationale Moment in der Weltanschauung des schweizerischen
Reformators offenbart sich ganz besonders durch solche poli-
tischen Vorstellungen in einer Zeit, wo ein ihm wie wenig
andere ähnlich denkender Mann, Johann Sleidanus, ein in
1) Undatirt. Opp. 388. Nach einer Notiz Simmler's setzt eine
alte Aufschrift den Brief ins Jahr 1529. Mörikofer (Ulrich Zwingli
II, 299) giebt das jedenfalls richtige Datum, 26. Sept. 1530. Er fügt
in der Uebersetzung noch einige sehr bemerkenswerte Sätze hinzu, die
in den Werken nicht gedruckt sind, leider ohne seine Quelle anzugeben.
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2WINQLI UND LANDGRAF PHILIPP. 49
dem ganzen Abendlande berühmt gewordenes Buch über die
vier Monarchien geschrieben hat. Nm* fasse man jenes Wort
nicht in dem Sinne etwa von Nüchternheit, Qefiihlsleiöre oder
doch nur formaler Verstandesklärung. Es war Freisein von
der Romantik, ein Sicherheben auch über die poUtische
Mystik des Mittelalters, ein „anderer Geist *^ als der in
Luther lebte, aber es war ebenso Ki'aft imd Lebensfulle,
Empfindung, Bedürftiis, Leidenschaft, Ideal: der Glaube, für
den sein Träger gelebt hat und in den Tod gegangen ist,
dem er in schmerzlicher Resignation nur eine spät« Erfüllung
verheissen mochte: „Sed haec opoi*tet post longum tempus
sperare, si pergimus sero sapere Phryges."
Wer hat mm von den beiden — um zu der Frage,
die wii' eben verliessen, zurückzukehren — in diesen hohen
politischen Phantasien die Initiative und Fühinmg gehabt?
Es ist kein Zweifel, der Reformator. Es sind die Gedanken,
die wir ihn in seinen Briefen imd Sendschreiben seit der
Zusammenkunft in Marburg aller Orten vertreten, anregen,
ausbreiten sehen. Philipp hat sich durch den hohen Ideen-
flug des Freundes gewinnen, hinreissen lassen. Zwei Naturen,
die einander gleichen in der jugendUchen Frische ihres
Wagens imd Empfindens; aber der ältere ist zugleich der
Genialere; der jüngere ist ihm gefolgt.
Die Idee der Vereinigung beider Bekenntnisse, die unter
dem Druck des Speirer Reichstages entstand, ging freilich
von Philipp aus. So begierig Zwingli den Vorschlag auf-
nahm, hatte er doch noch manche Bedenken, die erst durch
die eifrigen Vorstellimgen und Anerbietungen des Fürsten
imd der Strassburger überwunden wurden. Auch hat der
Landgraf, wie wir vorhin sahen, schon bestimmte politische
Absichten mit der Einladung verknüpft ^). Das eine Inter-
esse, welches bis zu seiner Befriedigung in allen seinen politischen
EntSchliessungen ausserordentlich mitgewii'kt hat, erkennen
wir bereits jetzt: in dem Credenzbrief, mit dem der Ritter
1) S. o. S. 31f. In Basel und Strassburg wusste man ebenfalls, dass
es in Marburg auch auf politische Verhandlungen abgesehen sei. Des-
halb giengeu die Ratsboten mit den Prädikauten.
ZeiUckr. f. K.-G. III, l. 4
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50 LENZ,
Johann von Fuchsstein im Auftrage, als Kanzler Herzog
Ulrich's bei Zwingli in den ersten Augusttagen erschien.
Schon also ward die Restitution Ulrich's von den beiden
Fürsten in Verbindung mit den Schweizer Plänen gebracht ^).
Aber jene Unionsbestrebungen waren anfangs doch noch
mit der km'sächsiachen Regierung zusammen ins Auge gefasst
worden : auch deren Interessen sollten befriedigt werden, wie
man die religiösen Ideen beider Kreise zur Einigung zu
bmigen hoffte. Dasjenige aber, was in Marburg beschlossen
wm'de, trat grade unter dem entgegengesetzten Druck in
die Welt: es geschah unter dem Einfluss des Mislingens
der zu Speier angestrebten Vereinigung; es griff daher nicht
bloss viel weiter, sondern zielte auch nach einer wesentUch
1) Der Credenzbrief aus Kassel, den 27. Juli (Opp. 328.) Der Antrag
ging zunächst auf die Aufiiahme des Hohentwiels in das Burgrecht mit
Zürich, Bern und Basel. Zwei Verhaudlungstage in Zürich, den 17.
und 26. August. E. A. S. 326ff. 340f. Mit Ulrich von Würtem-
berg stand Zwingli seit langem in Verbindung, und oluie Zweifel ist
der Landgraf durch die persönlichen Vorstellungen seines Freimdes
mitbestimmt worden, Zwingli zu dem GesprUch einzuladen, lieber die
fi-üheren Beziehungen Zwingli's zu Herzog Ulrich geben Aufschluss:
Opp. VII, 412. Herzog Ulrich Zwingli 3. 10. 1525. Credenz für seinen
Secretär Hans Kommesser. — Opp. VIII, 27. Oec. Zw., Basel, 11. Febr.
1527: „Dux Wirtembergensis noster, qui apud Landgrafium Hassiae
agit, litteris ad me datis te salutare nominatim jussit. Intellexi ex
ministro, quod nostri quotidie memores sint, sed Landgrafius adhuc
haeret in re Eucharistiae. Alioquin fertur esse evangelii promovendi
ferventissimus princeps. Ante paucos menses misit tua et mea ad
Lutherum et solicitavit, ut contra nos scriberet. Quod si negligeret,
futurum, ut ejus scripta posthac non esset lecturus " u. s. w. (vgl. auch
Cap. Zw. 28. Febr., Oec. Zw. 28. April, Oec. Zw. 18. Aug., Cap. Zw. 21.
Sept. 1527: Opp. 31. 51. 84. 94. 95). — Opp. 35. H. Üb. Zw. Marburg,
3. April 1527. — Opp. 43. Frumentarius (Kommesser) Zw. Marburg, 4.
April 1527. — Opp. 79. Oec. Zw. Basel, 14. JuH 1527 : „Dux Wirtember-
gensis et te et me salutc» impertiit litteris, quas secrctarius Kormnesser
ad me dedit" u. s. w. — Hierhin gehören auch die Bemühungen Phi-
lipp's imd Ulrich's im Jahre 1528, Oec. zu einem Colloquium zu be-
wegen '^vgl. Opp. 143. 146. 160. 161. 164). — Ein Brief Kornmesser's
an Zwingli noch aus Kassel vom 14. August 1529. Opp. 346. —
Auf die meisten dieser Stellen hat mich Herr Professor Brieger
aufmerksam gemacht.
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ZWmGLI UND LANDGRAF PHIIJPP. 51
anderen Eichtung; es bedeutete zunächst ein Abziehen Philipp's
von den sächsischen Interessen imd Ideen, und schon des-
halb ist es psychologisch erklärlicher, Zwingli für den gei-
stigen Urheber zu halten.
Zum Glück lehren die Dokumente dasselbe.
• Wir müssen den Zweck im Auge behalten, den das
Bündnis gegen den Kaiser erfüllen sollte, das Motiv, welches
zum Zusammenschluss aller nichthabsburgischen Staaten und
zum unmittelbaren Losschlagen antrieb. Zwingli hat es seit
Marburg unermüdlich wiederholt: es war die Furcht vor
den tyrannischen Absichten des nahenden Kaisers gegen das
Evangelium und die Freiheit der deutschen Nation.
In einem seiner merkwürdigsten Briefe, dem vom 1. März
1530 an Konrad Zwick, wo er über die Nachlässigkeit und
den E[leinmut der schwäbischen Städte klagt, hat er es aus-
gesprochen, wann ihm diese Ge£ahr zum ersten Mal bewusst
geworden sei: „Non enim vident boni atque innocentes ho-
mines, Caesarem nunc ante omnia cavere, ne quemquam
[so L statt quanquam] ofifendat, si enim fieri potest, ut citra
metum venientem onmes recipiant. Qui ubi extra periculum
in Germaniam advenerit, dii boni, quae dissidia, quas turbas,
quae mala, quas clades sub specie restituendi Romani Imperii
instaurandaeque Religionis christianae dabit! Corruptos esse
oportet aut socordes, qui ad hunc modum oscitant, qui non
allaborant, ut auxilia e^ opes sie comparent, ut Caesar videat,
se nequicquam tentare, Romanam fidem restituere, urbes
Uberas capere, Helvetios in ordinem cogere: id enim ante
dimidium annum de arcanis ejus atque Ferdi-
nandi consiliis verissime rescivimus. In quibus
arcanis forme sie continebatur: ,prae Helvetüs et Hberis urbi-
bus principes ac omnem nobilitatem consistere nequu'e, proinde
ineundam esse rationem, qua utrique in ordinem cogantur:
Helvetii sie etc.' Longimi esset, hoc nunc seribere. ,At
urbes hoc modo : seorsim adgrediundae erunt, alia hodie, alia
cras, et sie una post aliam, donec subigantur: deinde arma
eis erunt adimenda, thesauri, machinae, opes etc.'^' *)
1) Opp. 429.
4*
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52 LENZ,
Ein halbes Jahr vorher , das ist die Marburger Reise !
In der Tat finden wir den Reformator in der Corre-
spondenz der vergangenen Jahre niemals Besorgnisse dieser
Art äussern. Der Kaiser ist in Spanien, durch seine wechsel-
vollen, gefährlichen Klriege gegen die rivalisirenden Mächte
gehemmt; die Speirer Beschlüsse von 1526 sichern die Fort-
schritte des Evangehums. Selbst der Abschied des zweiten
Speirer Reiclistages wirkt auf die CoiTCspondenz nach dieser
Richtung noch nicht ein. Die erste etwas ängstlich klingende
Nachricht über den Kaiser finden wir in einem Brief Bucer's
an Zwingli vom 6. August, durch den seine Bedenken gegen
die Reiße überwunden werden sollten: „De Caesaris in Ita-
liam adventu nunquam narrata sunt tam ceiia'^ *). Die
nächste schreibt Zwingli seinen Herren in Zürich aus Strass-
burg am Tage der Ankunft, den 6. September: „Wüssend
ouch, dass es gewüss geben wirt, dass der Keiser in Italien
hingefaren sye, und dass sich der Küng uss Frankrych
Meilands verzigen hab etc., damit im syne kind widrum
werdend" ^). Wenige Tage später, am 11. September, schickt
er denselben als Zeitung die Abschiedsrede, welche der Kaiser
in Barcelona vor der Ueberfahrt gehalten haben sollte. Noch
möchte er an ihrer Echtheit zweifeln: „die wir doch ein
Dicht eines Papisten schäzen, wiewol sich zuversehen, dass
solches das Vornehmen des Kaisers sei, imd die Papisten
solches nicht haben mögen verhalten, denn sie ist aus dem
Latin ius Deutsche kehrt"*).
Sechs Tage darauf aber sind ihm schon alle Zweifel
geschwunden. Am 17. September, dem letzten der elf Tage,
die er imd seine Reisegelahrten gleich anfangs in Strassbm-g
zu bleiben besclüossen hatten *) — am 18t«u sind sie weg-
1) Opp. 341.
8) Getreu nach dem Orig. E. A. S. 380. Opp. 363.
3) Opp. 364.
4) In dem Brief vom 6. September schreibt er dies schon: „Gnad
etc. Demnach wüssend, dass unser Eidgnossen und christliclien mit-
burger von Basel ims mit eim schiff und schifflüten in irem kosten
demiass versehen, dass wir sechsten t^s dis monats in XIII stun-
den von Basel gen Strassburg irisch und gesund komen, gott hab
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ZWINGLI UND LANDGRAF PHILIPP. 53
geritten, — hat er zugleich im Namen seines Mitverordneten,
des Zürcher Ratsherrn Uhich Fimk, an seine „Geheimen"
den Brief geschrieben, der den Umschwimg seiner Stimmung
bezeugt, imd der w^en seiner ungemeinen Wichtigkeit hier
grösstenteils noch einmal eine Stelle finden möge'). „Gnad
und frid von Gott", so beginnt es. „Ersam wys gnädig
günstig lieb herren, wir schickend üch hie ein abgschrift
eines ratschlags, der furgenomen ist zuo der zyt, [da] Fer-
dinandus noch nit küng in Bohem gewesen ; der ist ims von
getrüwen lüten byhendig gemacht, und kumpt uss der rechten
kunst kamer, als wir üch, ob got wil, muntlich wol berich-
ten wellend. Darzuo habend -war tütseh imd latinische rat-
schl^, die sidhar furgenomen sind, ouch gesehen, die alle
uff die meinung lutend, desshalb nit not gewesen, die alle
ze abschriben; ouch dorft ichs nit anmuoten; dann diser
ward mir mit grosser forcht abzeschryben [bewilligt?]. Und
zum lotsten sollend ir wüssen, dass der Bapst den friden
zwtischend dem Küng und Keiser darimi angetragen, dass im
der Keiser widrum helfen sol und in restituieren in sin rych
und grechtigheit. Und das hat der Keiser verheissen. Dess-
halb die gschrift nit ytel ist, die üch vor von mir zuogeschicki
Es sind ouch die Venediger, die Schwyzer und herr Ruprecht
von Arberg in dem bericht usgeschlossen. Und ist ein star-
ker won, der küng von Frankrych werde vom Keiser zuo
einer reis erfordret wider die glöubigen im tütschen land,
und werde im darum die summ der zwanzig tusent krönen
nachgelassen. Darum gn. lieb herren, habend sorg, die wyl
der zuofal des gemeinen mannes unser ist. Dann der bäp-
stisch huf und der pfaffenkeiser gond streng uff dem ratschlag
hinus. Ouch ist in eim jüngeren ratschlag mit usgetruckten
werten gestanden, das sy die stett nit eins mals, sunder eine
allein angryfen wellind imd die andren vertrösten und uf-
ziehen , sam sy gedenken söUind , man werde sy nit an-
gryfen etc. Mögend ir durch Costenz wol berichten lassen,
lob. Da werdend wir uff XI tag still ligen und dem-
nach hinfaren aber im namengottes. Wüssendouch" u. s. w. Am
Rande : „Da.s underzogen (hier gesperrt Gedruckte) ist guot unangezeigt."
1) Nach dem Or. E. A. S. 380. Opp. 367.
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54 LENZ,
damit die guoten lüt gwarsam sygind 5 dann der Keiser wird
nüts dess weniger die band verbrennen. Gott wirt uns nit
verlassen. War nit bös, ob man die Venediger trösten imd
ansprechen möcht, damit sy dess tapfrer widerston, damit
der Keiser in Italia usgemacht, dass er über das birg nit
möcht fliegen (so!). Mich aber sieht die sach genzlich an,
dass der Bapst den Keiser in Italien gelüedret hab, dass er
im den eertrunk imd Sant Johanns segcn welle mit einander
geben ; dann sust gloub ich nit, dass man dem Küng ein so
schwere bericht hette mögen abgwünnen, er wüsse denn me
weder nun das ein (?). Merkend ouch im ratschlag uff das
wort „abgerichf, dass unser Eidgnossen abgericht sind,
on zwyfel durchs gelt zum zwytracht. Und dass zuo letst
nit wir von Zürich allein, als die luterischen, sunder ein
ganze Eidgnoschaft zuo verdilggen von inen den Kei-
serischen fürgenomen wirt, dess halb nit imfruchtbar sin
wirt, ob ir erstlich mit \msem Eidgnossen imd christlichen
mitb[urgem] vom handel redend und demnach die sach wyter
komen lassend zuo biderben lüten, doch unvermeldet, wannen
es üch köme; dann es gwüss und sicher ist, was man uns
hierin angezeigt hat."
Das ist der urkundliche Beweis. Die arcana consilia,
die Zwingli in dem Briefe an Kom'ad Zwick als die
Quelle seiner Furcht vor dem Kaiser nennt, sind jener Rat-
schlag aus der rechten Kimstkammer, der ihm in Strassbiu'g
zukam. Er ist gedruckt, imd seine Bedeutung wird noch
weiter zutage treten ^).
1) E. A. S. 419. Er lautet also:
1. Diewil ursprünglich die Lutherisch mateiy am fürnemsten
in den stetten geüebt und ufgeuomen, darus dann die ufrüer by den
puren allenthalben geflossen , so ist die straf f iirzenemen : etlich der
vordersten und jetzigen regierenden uss den stetten zuo erfordern
und anzuonemen, wie dann etlich ufzeichnet, und ihnen vemiög des
edicts etc. ire recht ze thuon , wie dann deren in allen , schier dhein
usgenommen, gefunden werdent.
2. Item, darzuo die stett an gelt und in ander weg hertiklich
ZUG strafen, mit abwerfung irer weer, entnemung des geschützes und
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ZWINGU UND LANDGRAF PHILIPP. 55
Es ist nötig, jenen Septembertagen in Ötrassburg die
Stellung wiederzugeben , die sie in dem Leben Zwingli's be-
anspruchen dürfen. Er ist in Marburg als ein anderer an-
gekommen, als er von Zürich •ausgeritten ist. War er schon
vorher eifiig, den gesinnungsverwandten Landgrafen kennen
,zu lernen, den Gegnern gegenüberzutreten, vielleicht seinen
Ideen auch im Norden Deutschlands Eingang zu verschaffen,
mit welcher Begier musste er jetzt nach Hessen eilen, mm
er die imgeheure Gefahr herankommen sah, die, wenn sie
inen houptlüt zuo setzen luid zuo verordnen, das» sy on wissen nichts
fürzuonemen oder zuo handien habent.
3. Item, ob glych etlich darunder, so \pmieintent, sich mit der
lutherischen handlung nit sonderlich vertieft ze haben, so sind sy uss
andren gründen, als der monopolien, wie dann Augsburg, und andren
stucken, wie n und n gethan, anzegrifen.
4. Item, sy wol ze berupfen, darmit sy nit meister werdint , wie
bisshar imderstanden, und eine nach der andren.
5. Item die stett und ir kouflüt uf dem land beschedigen zuo
lassen und allenthalben durch die finger ze sechen.
6. Item, nachdem bishar die Schwizer die Schädlichesten sind
aller natürlichen oberkeit, fürsten und ritterschaft gewesen; diewyl
sy jetzund under inen selbs uneinig und zum teil durch Bapst und
F. Dt. (Ferdinandt?) und pimd (seil, schwäbischen) abgericht,dass8y
den Zürchem und andern iren luterschen anhängem ganz widerwärtig, ist
die recht zyt, in den schelmen ze howen und die selben schädlichsten
puren und erbfind aller fürsten und ritterschaft gar umb zuo keren
(hierzu vgl. oben den Brief Zwingli's vom 17. Sept.).
7. Zu welchem dann und ouch vorab zuo gänzlicher ustilgung
der lutherischen sect all fürsten, geistlich und weltlich, besonder
bäpstliche heUgkeit uss Vermögens hilf und Frankrich und Lothringen
besonder wie vor das best und ir vermögen darstrecken sÖllent, dar-
durch gearbeit werden soll, den küng von Frankrich bim Keiscr zu
ledigen, ab ungezwyfelt beschechen wirt.
8. Und SÖllent , wie vorgemelt, die stett usgemergelt werden imd
unwerlich gemacht, damit sy nit über nacht wider mit den puren
oder landsknechten ufinor machen.
9. Und den landsknechten ouch verbotte, sonder, wie andern
puren, by lyb und guot dhein wer noch hämisch mer gelassen, noch
hinfür verkouft werden.
10. Also mag die ordenlich oberkeit, ouch der alt harbracht
gotsdienst hüben, imd fürsten, ritterschaft oder reisigen, wie recht
ist, regieren und uflouf verhüeten.
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56 LENZ,
sich auch gegen die Gesammtheit richtete, doch immer zuerst
seiner Schöpfung Vernichtung drohte! Wir verstehen, welche
Empfindimg des Schreckens diese Bürger imd Prädicanten,
Vertreter von drei deutschen, -noch nicht vereinigten und in
sich gespaltenen Städten, ergreifen musste, wenn sie die
letzten Weltereignisse mit jenen Urkunden zusammenhielten.
Am 29. Juni war zu Barcelona der Friede zwischen Papst
und Kaiser geschlossen worden: in dem Friedensvertrage
erklärt sich Karl bereit, der verpestenden Krankheit der
neuen Meinungen ein Ziel zu setzen, wenn es mit Güte nicht
gehen wolle, so mit Gewalt, „ er wie sein Bruder der König
von Ungarn und Böhmen, mit ihrer ganzen Macht, um das
Unrecht, das Christo zugefugt worden, nach Kräften zu
rächen". Am 19. Juli hatte Clemens VII. die Verhand-
lungen mit England abgebrochen. Zehn Tage darauf war
zu Cambrai der Friede zwischen den beiden grossen Conti-
nentalmächten zustande gekommen : „pour extirper los heresies
qui pullulent en la Chrestiennetö et que TEsglise soit rever^e
et honor^e ainsy qu^il appertient pour le salut de nos ames ",
wie es in der Vollmacht Franz des Ersten heisst ^). Jetzt
hatte Zwingli die Urkunden in der Hand, die ihm den Zweck
dieser Friedensschlüsse ofienbarten. Es giebt in der gesamm-
ten Correspondenz des Reformators vielleicht keinen Brief,
der an Wichtigkeit dem vom 17. September 1529 gleich-
käme. Dies Blatt bildet eine Scheidewand zwischen zwei
Abschnitten seines Lebens. Früher kaum über die Schweiz
hinausgreifend, nimmt seine Politik seit Strassburg, \md nicht
erst nach Marburg, den „ europäischen Schwimg und Flug ",
den nun fast alle seine Briefe wie die Acten des von ihm
geleiteten Staates bezeugen. Zugleich sehen wir ihn aber
im Moment die Gefahr, me die Mittel, sie abzulenken, mit
aller Schärfe und Kühnheit ins Auge fassen : der Kaiser will
die Reichsstädte imd Eidgenossen trennen, unterwerfen, ver-
nichten: so werden die Bedrohten sich zusammentim und
ihm den Eintritt in Deutschland verwehren. Auch weiss er
schon die Wege dazu näher anzugeben, so wie er es später
1) Ranke, D. G. HI, 92.
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ZWINGLI UND LANDGRAF PHILIPP. 57
ausgeführt hat: die schwäbischen Städte wird Constanz her-
beibringen, man wird mit den Venedigem anknüpfen müssen.
Nichts liegt ihm femer als Kleinmut: „dann der Keiscr wird
nüts dess weniger die band verbrennen. Gott wirt uns nit
verlassen."
Nur von dem Landgrafen ist in dem Briefe noch nicht
die Rede. Sollte Zwingli noch nicht daran gedacht haben,
ihn in das Bündnis zu ziehen? Ohne Zweifel, ihn an erster
Stelle. Jetzt konnte derselbe die Absichten wahr machen,
die er schon in den Einladungsbriefen ausgesprochen hatte.
Aber es mochte dem Reformator nicht geraten scheinen,
seinen Stadtherm solche Eröffiaungen zu machen, bevor er,
dem die Gesinnung Philipp's doch noch nicht so vertraut
wai', sichere Zusagen von ihm besass.
Diese hat er in Marburg erhalten.
Wir sind nicht so glücklich, über die politischen Ver-
handlungen, die in den Marburger Tagen gepflogen sind, so
viele Briefe und Protokolle wie über das theologische Ge-
spräch zu besitzen. Und doch sind jene fiir die Geschichte
des deutschen Protestantismus kaum von geringerer Wichtig-
keit gewesen imd von den Beteiligten kaum weniger wert
gehalten worden.
Nur ein Document ist uns bisher von diesen Mar-
biirger Gesprächen erhalten. Es ist der Entwiuf des hes-
sischen Burgrechtes ^), der „Marburger Handel", auf dessen
Förderung später der Landgraf in seinen Briefen an
Zwingli drängt*), das „Hassiciun negotium" oder „land-
1) Gedr. nach der Handschrift Funk's E. A. S. 384 (aus dem
Staatsarchiv Zürich.)
«) Ph. Zw. 25. Januar 1530 fOpp. 405) und 14. Febr. 1530 (Opp.
535.) Man bezog die Stellen bisher falschlich auf die Vergleichs-
handlung mit den Lutheranern. Den Irrtum hätte schon der Wunsch
des Landgrafen in dem zweiten Brief, auch Dänemark in den „Mar-
burgischen Handel ^^ zu bringen, verhüten können.
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58 LENZ,
grafische Ding", wie es in den Schweizer Acten bezeichnet
Avird ').
Ein Aotenstück von ganz besonderer Bedeutung. Denn
vergleichen wir es niit der Urkimde, die zu Schmalkalden
im December 1530 als der Entwurf einer ;, christlichen Ver-
ständnis" vereinbart und auf der zweiten Versfimmlung, am
5. März 1530 in Form des Abschiedes gebracht, die schmal-
kaldische Bundesurkunde geworden ist , so bemerken wir,
dass es derselben als die Grundlage gedient hat: die Zuge-
hörigkeit zum Reiche imd der Gehorsam gegen den Kaiser
ist in dem zweiten Document schärfer betont, der defensive
Charakter des Vereins geflissentlicher hervorgehoben, sonst
aber sind mit khnnen Aenderungen Motive imd Vertrags-
artikel aus dem hessisch - schweizerischen Burgrecht liinüber-
genommen worden. Welcli^ eine eigentümliche Verknüpfung:
der Urheber einer Bundesurkunde, welche die Trennung der
lutherischen von der schweizerischen Reformation besiegelt
hat, vielleicht Zwingli selbst!
Oder wer hat das hessische Burgrecht verfasst? Was
uns vorliegt, ist ein Entwurf von der Hand des Züricher
Ratsboten Ulrich Funk, ohne Tag und Ort. In den eid-
genössischen Acten wird der Vertrag als der durch den
Landgrafen gestellte, von Marbiu^ überbrachte bezeiclmet *).
Doch könnten darum Zwingli und seine Freunde ja wohl
daran mitgearbeitet haben. Entscheiden lässt sich die Frage
nicht, bevor wir die Exemplare aus der hessischen Kanzlei
oder überhaupt die ersten Entwürfe besitzen. Vielleicht aber
lassen sich diese noch weiter zurück verfolgen. Wie man
weiss, schlössen am 22. April 1529, drei Tage nach der
Protestation in Speier, Landgraf Philipp und der Kiu^irst
von Sachsen eine „sonderHch geheime Verständnis" mit den
Städten Nürnberg, Ulm und Stra^isburg gegen einen Angriff
um des göttlichen Wortes willen. Möglich , dass schon
») Eidgen. Absch. S. 419. Auch der „ Markburgische abscheid " :
Eidgen. Absch. S. 574.
«) E. A. S. 416 f Abschied von Aarau 1529, 31. October. S. 523,
Note zu b (von Zwingli^s Hand).
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ZWINGU UND LANDGRAF PHILIPP. 69
jenem Versuch diese oder ähnliche Artikel zugrunde gelegt
wurden.
So hat also Landgraf Philipp am Ende doch den An-
stoss zu den weltumfassenden Entwürfen g^ben, die wir
vorhin Zwingli zuschreiben zu müssen glaubten ? Uebersehen
wir nicht den Unterschied, der zwischen diesen und dem
Inhalte des Burgrechtes obwaltet. Letzteres konnte sehr wohl
die Unterlage für den Schmalkaldischen Bimdesvertrag ab-
geben, denn auch in ihm ist der defensive Charakter, die
Treue gegen Kaiser und Reich betont worden: „Es sol ouch
solcher christenlicher verstand keiserlicher Majestät oder keim
stand des helgen Rychs oder sunst jemands zuowider, sonder
allein zuo erhaltung göttlicher warheit und fridens im helgen
Rieh und zuo entschüttung unbillichs gewalts fürgenomen
werden." Wie weit aber bleibt dieser Satz hinter den
Gedanken, die Zwingli seit Strassburg verfolgte, zurück!
Wir wissen nicht, ob damals Sachsen in diese Verhandlungen
hineingezogen ist Nicht einmal den Zeitpunkt, ob sie vor
oder nach der Katastrophe des Gespräches geführt wurden,
können wir bestimmen ^). Das jedoch dürfen wir behaupten :
1) [Awmerhmg des Herausgebers.] In diesem Zusammenhang ist
vieUeicht der Hinweis auf einen noch ungedruckten Brief Philipp*s an
den Kurfürsten Johann nicht unerwünscht, aus dem wir schliessen
dürfen, dass Zwingli gleich am Tage seiner Ankunft in Marburg
(29. Sept.) dem Landgrafen, was er in Strassburg in Erfahrung ge-
bracht, mitgeteilt hat, und dass Philipp nicht säumte, dem Kurfürsten
Andentungen von der grossen den Evangelischen drohenden Gefahr zu
geben. Eben von diesem Tage („Martburgk mitwochen vf Michaelis")
ist der Brief Philipp^s, die Antwort auf ein soeben eingegangenes
eigenhändiges Schreiben des Kurfürsten mit der Aufforderung an den
Landgrafen , bei ihm und Markgraf Georg am nächsten Sonntag
(3. Oct.) in Schleiz zu erscheinen: unter Anerkennung der Wichtig-
keit und Dringlichkeit der dort zu beratschlagenden Sache bittet
Philipp sein Ausbleiben mit der Tlieologen-Zusammenkunft in Mar-
burg zu entschuldigen. „So aber E. L?*, heisst es dann weiter,
.«wissen wollen, was mich vor warnunge ankommen seint,
»o magk E. L. einen zu mir schicken; so will [1.: viel] mir dann
gebaren will, das wil ich anzeigen." Er erklärt sich weiter bereit
zu einer persönlichen Unterredung bei dem Kurfürsten etwa um
Simonis und Judä (28. Oct.) zu erscheinen, ,,wie ich dan halt, es will,
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60 LENZ,
die Entschlüsse, die in Zwingli auf der Reise gereift waren,
haben die Kurfurstischen sicher nicht erfahren. Mit dem
Landgrafen aber hat er sie besprochen, und gewiss um so
lebhafter, je mehr die Hofiiiung auf die religiöse Einigung
verschwand. Wie vei*traut die beiden in jenen Tagen ver-
kehrt haben, lehren ims ihre Briefe, deren fortan so intimer
Gedankenaustausch anders gar nicht zu verstehen wäre.
Zwingli hat dem Landgrafen die Strassburgcr Entdeckimgen
mitgeteilt, die schweizerischen und oberdeutschen Verhältnisse,
geschildert, seine offensiven Pläne gegen dfe habsburgische
Weltmacht offenbart und ihn mit dem kriegerischen Eifer
erfüllt, der in ihm selbst lebendig war: das dürften wir
schliessen, auch ohne die urkundlichen Beweise dafür in
Händen zu haben: schon aus den Aufgaben, die sie, wie
wir ihnen nachrechnen können, in Marburg neben dem
hessischen Burgrecht als die zwei nächsten Ziele ins Auge
gefasst haben ^ den Abschluss nämlich des Burgrechtes mit
dem Hohentwiel seitens der Städte Zürich und Constanz imd
die Verbindung mit Venedig. Denn an diese Absichten
musste sich alles weitere knüpfen: an die Oeffiiung des
Hohentwiels der Gedanke einer Restitution Herzog Ulrich's,
und das war der Krieg gegen Ferdinand ; an die Verbindung
mit Venedig der Plan einer Sperrung der Alpen, und das
hiess der Krieg gegen den Kaiser ^).
Ja noch ganz andere Factoren haben sie in ilu'e Com-
binationen aufgenommen. Alle Fürsten des Nordens, die
dem Evangelium und ihm befreundet wären, hoffie Philipp
in das grosse Bündnis hineinzubringen: Dänemjirk, Geldern,
Lüneburg , Mecklenburg , Braunschweig , Zweienbrücken,
Brandenburg, Friesland imd andere mehr. ^) Sie malten
dj hohe notturflPt erheischen." Endlich: „wie E. L. vnd ich viis zu
ein Zuuorsehen haben sollen, so Key. Mt. vnns des Evangelhimhs
halb vnd was dem anhangt vberziehen wolt." (Concept im Marb.
Archiv: „Allerhand Religions- und Christliche Verständnissachen de
anno 1529 und 30.")
1) Der Brief vom 17. Sept. stellt das doch wohl grade als Zweck
der Verbindung mit Venedig hin.
8) Diese Mitteilungen über das Grespräch entnehme ich den Mo-
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ZWINGU UND LANDGRAF PHILIPP. 61
sich aus, wie nach dem Abschluss des Strassburger und
hessischen Burgrechtes alles ein Werk und ein Wille sein
werde vom Meer herauf bis in die Schweiz, dass der Kaiser
dann am Rhein nirgends einen Stützpunkt haben, und kein
IleiT, wie mächtig er sei, den Zuzug werde verhindern kön-
tiven in der Instruction der Züricher Gesandten vom 28. October 1529
zum Tage von Aaran (E. A. S. 420, Nr. 4) : „ Zuodem hat ouch gedachter
Landgraf diser dingen halb heimlichen verstand mit dem küuig uss Denn-
mark, Herzog von Geldern, von Lünenburg, Mechlenburg, Brunschwj'g,
Zweieubruck, Brandenburg, Friesland und andern, die all evangeb'scher
leer und die mit im zuo schirmen besinnt und bedacht. Wenn dann
die sach mit Strassburg beschlossen und der verstand mit im, dem
Landgrafen, gemacht, wäre es dann alles ein sach, ein liilf, ein will vom
meer beruf bis an unsere land, dass der Keiser am Rhyn niena kein ufent-
halt hau, ouch kein herr, wie mächtig joch der wäre, uns die hilf ab-
uemen mocht, wie ouch der Landgraf das selbs zuo unser botschaft
geredt, Äenn Strassburg mit uns daran, so syge im nit anders*), dann
ob er schon unser nächster nachbur sige; dann so dick und vil das
not , er uns' zuo hilf kommen , darvor im kein herr syn noch ime das
geweren mög."
Eine andere EUndeutung auf die Unterredung giebt Zwingli selbst
in einer Notiz, die er vielleicht im Januar 1530 über die Vorteile
des zu schliessenden Bündnisses aufgezeichnet hat (E. A. S. 532) : „ Hess
hat nach der (die?) vereinung me von unsertwegen gstellt weder von sinet-
wegen. Er hat ouch fem im krieg uns zuogesprochen etc. Es habend
ouch ussere stett fem unseren herren trostlich zuogesprochen, darum
dass sy wol ermessen kondent, wenn es uns umgangen, an uien ouch
wäre. Also soltend wir ouch denken etc. Hess hat sich verwegen,
uns ze hilf komen in unseren landen, wo er frid haben mag, und ver-
sieht sich wenig hilf zuo uns. Unsere meinung im sacrament wachst
durch in uf im nider land. Item Herzog Jörg von Sachsen ist sein
Schweher. Herzog Hans sin verpündter. Herzog von Lünenburg,
von Brunswick, Düringen, Zweybrugg; Bischoff von Mentz sin ver-
standiger etc." — Eine Andeutung über die politischen Abmachungen
in Marburg giebt auch Bullinger, Ref.-Gesch., herausg. von Hot-
tiuger und Vögeli, H, 236: „Zwingli hatt besonders vnd vil red
gehallten mit dem Landtgrauen, insonders von dem Burgrächten, in
welches der fürst hemach kummen : ouch mitt dem herzog von Wirten-
berg, wie er wider in sin Land kummen möge."
•) Am Fu88 der Seite notirt Beyel in kleiner Schrift: „V« pferd, ge-
schtttz, profiand, pfalzgraf (jedenfalls verschrieben für landtgraf) selbs
bc{?lcltet.'-
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62 LENZ, ZWINGU UND LANDGRAF PHILIPP.
nen. Sei erst Strassburg; erklärte der Landgraf; im Burg-
recht, so würde es ihm nicht anders sein, als ob er selbst
den Schweizern der nächste Nachbar wäre. Dann würde
er kommen, „so dick und viel" das Not täte; kein Fürst
solle ihm das zu wehren wagen. An der Spitze von 5000
Reitern, mit Geschütz und Proviant wolle er erscheinen.
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Die StelloDg des apostoliseheo Symbols vor
zweihundert Jahren und jetzt.
Von
Dr. W. Gass.
Während in Deutschland über den Fortbestand des
apostolischen Symbols nach entgegengesetzten Kichtungen ver-
handelt wird, widmen gelehrte Engländer den drei Glaubens-
formeln der alten Kirche ein sorgfiütiges Studium imd geben
uns Deutschen, was lange nicht geschehen ist, Gelegenheit,
durch Teilnahme an ihren Untersuchungen unsere eigenen
Kenntnisse zu bereichem ^). Die Forschungen von Swainson
und Omimaney sind grossenteils handschriftUcher Art und
gehen weit über das Mass dessen hinaus, was als gelehrtes
Material in unseren deutschen Lehrbüchern dargeboten zu
werden pflegt. Das sogenannte Athanasianische Symbol ver-
setzt Swainson erst in die Zeit nach Karl dem Grossen, er
erklärt es für eine absichtHche Fälschung imd ist schliessUch
der Meinung, dass dieses trockene, definirende dogmatische
1) Swainson, The Nicene and the Apostels* Creed, London 1875.
Ommaney, The Athanajsian Creed, London 1875. Dazu femer F. J. A.
Hort, On the Constantinopolitan Creed and other Eastem Creeds of
the fourth Century, Cambr. and Lond. 1876. — Eines näheren Eingehens
hierauf sowie des Hinweises auf das gnmdlegende Werk Caspari's:
„Ungedruckt«, unbeachtete und wenig beachtete Quellen zur Ge-
schichte des Taufsymbols und der Glaubensregel" (Christiania 1866
bis 1875, 3 Bände) und auf den vorzüglich orientirenden Artikel
H a r n a c k's über das apost. Symb. (in der 2. Aufl. der Real-Encykl.)
bedarf es für die Leser dieser Zeitschrift nicht; vgl. oben Bd. II, S. 111.
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64 OASS;
Gerippe endlich aus der öffenüiehen Verkündigung gestrichen
werden müsse, für welche es keinen Nutzen mehr habe. Auf
englischer Seite wird die jüngste, auf deutscher die älteste
und einfachste Formel dieser Art angefochten; damit ist die
ungleiche lehrhafte und Uturgische Stellung der beiden Ejr-
chen zum alten Bekenntnis deutUch genug ausgesprochen.
Deutsche Aufsätze, Artikel und grössere Abhandlungen
über das Apostolicum — wir gebrauchen diesen Namen,
weil er der herkömmliche ist — sind in den letzten Jahren
zu einer beti'ächtUchen Anzalil angelaufen. Soweit sie mir
bekannt geworden, haben niu' wenige einen gelehrten Zweck,
indem sie auf dessen Entstehungsgeschichte im ganzen oder
in einzelnen Punkten eingehen ; die meisten dienen den prak-
tischen Anforderungen der Gegenwart; es sind Betrachtimgen,
in denen der Inhalt der einzelnen Artikel im Verhältnis teils
zum Neuen Testament, teils zu dem neueren Glaubensbewusst-
sein erwogen, das Recht des Ganzen also entweder bean-
standet oder aufrecht erhalten und verteidigt wird. Jeder
Schriftsteller urteilt aus sich heraus und zugleich im Namen
eines Bmchteils der Gemeinde. Im RückbUck auf die kirch-
liche Vergangenheit begegnen sich beide Paiiieien, und
liier wird ein ruhigerer Austausch möglich, nachdem die zu-
gehörige historische Erkenntnis wenigstens im grossen Ge-
meingut geworden ist. Mehr als anderthalb Jalirtausende
sind vergangen, seit die Glaubensregel der abendländi-
sclien und morgenländischen Kirche erwuchs, weit mehr als
tausend Jalu'e, seit sie nach längerer Unbestimmtheit des
Textes im Abendland als ein Schriftstück der Apostel selber
in die Ueberheferung eintrat, um dann fast unverändert von
einem Zeitalter zum andern foiigefiilui; zu werden. Wie
wenig anderes stellt sie uns die religiöse Tradition als ein
ununterbrochenes Continuum dar; nur an den Abstand der
Zeiten, nicht der Confessionen werden wir durch die Syra-
bolformel gemahnt. Daher sclieint es genügend, wenn bei
der historischen Untersuchung des Bekenntnisses nur der Aus-
gangspimkt und der Endpimkt, nur das erste Stadium der
Entstehung und das letzte, in welchem wir leben, in Ver-
gleich gestellt wird, indem man anninunt, dass das Dazwischen-
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DIE STELLUNG DES APOSTOLISCHEN SYMBOLS. 65
liegende wirkungslos vorübergegangen sei. Der Dogmen-
historiker wird sich jedoch darauf nicht beschränken können;
vielmehr ist er genötigt, noch einen dritten und der Gegen-
wart näher liegenden Zeitpunkt hervorzuheben. Allerdings
ist das Apostolicum als ein biblischer und chiistHcher Glau-
bensausdruck ohne Schwierigkeit in die protestantische Kirche
übergegangen, aber schon im folgenden Jahrhundert trat es
in eine Lage wie niemals vorher. Der evangeUsch-
confessionelle Geist hatte den vom Altertum her überlieferten
weit überwachsen; es wurde als Verkürzung, ja als Herab-
setzung angesehen, in die Schranken der alten Norm gebannt
zu werden. Daraus ergab sich eine Kritik der altkirchlichen
Bekenntnisformel, die zwar mit dem herrschenden Dogmatis-
mus eng zusammenhing, doch aber etwas Protestantisches in sich
trug und eben darum nicht vergessen werden darf. Es ist der
Zweck der folgenden Blätter, an die damaligen Verhandlungen
zu erinnern und sie zugleich für das gegenwärtige Interesse
zu verwerten; und gern möchte ich mich mit den Lesern
dieser Zeitschrift verständigen, nicht als ob ich glaubte^ dass
dadurch allein schon eine letzte Entscheidung erzielt wird,
denn diese wird sich keiner auf solchem Wege abnötigen
lassen, wohl aber in der festen Ueberzeugung, dass jedes
Urteil oberflächlich und unfertig bleibt, so lange es sich nicht
auch der historischen Prüfung unterziehen will, die ihm die
protestantische Glaubensentwicklimg auferlegt.
Es scheint nötig, dabei etwas weiter auszuholen; doch ist
das Verfahren der Reformatoren in dieser Sache mit Wenigem
erklärt Der Evangelismus der Reformation wollte zugleich
eine wiederhergestellte echte und apostolische Kirchlichkeit
sein; daher suchte er im Altertum seinen Anschluss, und der
Glaube war bereit, dessen vornehmste Urkimden und Zeug-
nisse sich als fortdauernd gültig anzueignen. Ohne Anstand
wurde das antike Bekenntnis als eine bibUsch begründete
Zusanunenfassxmg dessen, was durch Offenbarung dem Glau-
ben gegenständlich geworden sei, auf den neuen Boden herüber-
genommen, und der Zweifel der Socinianer und Antitrinitarier
g^n das Nicänum hat diese Anerkennung weit eher be-
festigt als erschüttert Zu feineren dogmatischen Vergleichungen
Zeitoebr. f. K.-6. Ur, 1. 5
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66 0A8ft;
fehlte nicht allem jede MusBe und Unbefangenheit und jeder
Anteil von Seiten der yolkatünUiohen Frömmigkeit , sondern
sie würden von derjenigen reformatorischon Kritik; an wel*
eher damals alles gelegen war, abgelenkt haben. In grossen
Unternehmungen wird es niemals möglich sein, ganz im-
gleichartige Geistestätigkeiten, theoretische und praktische,
deren eine den Erfolg der andern su stören drohen, mit
gleicher Energie zu betreiben. Wenn demgemäss auch die
Epoche der ersten Concilien mit grosser Pietät beurteilt wurde:
SU sollte damit i^war kein Grundsatz ausgebrochen, wohl
aber eine wichtige Hülfskraft gewonnen sedn, imd der alt-
kirchliche Hintei^grund diente als Waffe zur Bekämpfung der
jüngeren Tradition und des Papisraus sanunt seinen Verderb-
nissen. Denn alle Zeitalter gleichmässig nach einem biblischen
Massstabe abzuschätzen, konnte noch nicht in der Ab»cht
der Keformatoren liegen, und hätten sie dasu Anstalt gemacht:
so würde ihnen die Kathdicität des Altertums, welche grade
dem Eonmniasnus als unanfechtbare Tatsache entgegengestellt
werden sollte, selbst wieder zweifelhaft geworden sein. Die
religiösen und wisaensohaftUchen Geisteskräfte der Refor-
mation verteilten sich unter drei Richtungen : die conservative,
die kritische und die produotive oder reproductive, welche
letztere nach und nach in den Charakter der Neuheit eintrat
Was im besonderen die drei Symbola betrifft, so macht
Luther bekanntlich wenig Umstände mit ihnen; ohne auf die
iur uns leicht erkennbaren inneren Differenzen eingehen zu
\)roUen, stellt er sie ein£Eich einander gleich, mit dem einzigen
Unterschied, dass die äätze des ältesten von den beiden
anderen „stärker ausgestrichen^' werden ^). G^egentlich
nennt er das ApostoUcum das „allerfeinste, das kurz und
richtig die Artikel des Glaubens gar fein fasset und auch
den Kindern und Albernen leichtlich zu lernen ist" *); ander-
wärts hat er grade dasjenige, was uns heute an dem Atha-
1) „Die drei Symbole oder Bekenntnis des Glaubens Christi in
den Kirchen eintrechtigllch gebraucht" (Wittenberg 1536). S. die
übrige Literatur bei KöUner, Symbolik, Bd. I, S. 1.
«) Köllner a. a. O., S. 28.
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DDE STELLUNG DES APOSTOLISCHEN SYMBOLS. 67
nasianiim «astÖBS^ ist; \mä was neuerlich der Englands einem
nackten Knochengerüste vergleicht, ausdrücklich gerühmt,
nämlich die logische Kunstgestalt, in welcher die gemeinsamen
und die unterscheidenden Prädicate der Trinität neben und
unter einander auftreten, um sich zu einem Ganzen des christ-
lichen GottesbegrifiGa b?u einig^i *); er beachtet nicht, dass
dieses Schriftstück den katholischen Glauben nur befehls-
massig und unter Androhung des Verlustes der Seligkeit,
nicht m^ in Bekenntnisform vorträgt. Die lutherischen
Confessionen verhalten sich ungleich. Die Augustana lässt, was
gewiss nicht zuföUig gescbeh^i, das Quicunque unerwähnt und
begnügt sich, für den Gottesbegriff im ersten Artikel das
Nicänum, für die Offenbarung Christi im dritten das Apostoli-
cum, und ebenfalls nicht wörtlich, sondern in freier Um-
schreibung zu benutzen. Für die beiden Katechismen war
dieses letztere schon aus pädagogischen Gründen allein
brauchbar. In den Schmalkaldischen Artikdn wird zu An-
fiemg des ersten Teils auf die Aussagen des Apostolicums und
des Atiiaaäasianums einfach v^wiesen. Die Concordienfbrmd
strebte auch in dies^ Beziehung nach kirchlicher Correctheit,
durch sie wurden daher alle drei Form^ als ökumenische
dem ganzen Lehrkörper vorangestellt, das Athanasianum aber
in d^ Meinung, dass es zur Bestreitung der Arianer be-
stimmt gewes^ *).
In der entsprechenden reformirten Literatur tritt uns
diese Gleichstellung schon früher vor Augen. Zwingli be-
ginnt seine Fidei ratio mit der Anerkennung des Nicänums
und des Athanasischen Decrets, um dann in gewandter Bede,
ohne wesentlichen Abzug und ohne üebertreibung den In-
halt des Dogmas zusammenzufassen ; kein anderer hat sich
dabei einer so angemessenen Ausdrucksweise bedient ^). Die
1) „Es ist also gefesset, dass ich nicht weiss, ob seit der Apostel
Zeit in der Kirche des Neuen Testaments etwas Wichtigeres und
Herrlicheres geschrieben worden sei." Dehler, Symbolik, S. 52.
*) Prooem. der £pit. und der Sol. ded. § 2. Vgl. auch die Couf.
Sazon. in Heppe's Sammlung S. 413.
s) Niemeyer, Collect, confessionnm, p. 17; dazu p. 38 die Ex-
posltio fidei.
5*
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68 GASS,
reformirte Neigung, das Wesen der Gottheit zu definiren,
begünstigte eine Anlehnung an die altkirchliche Sprache; daher
heisst es Conf. Belg., art. 9: „Recipimus itaque libenter hie
tria illa symbola, nempe Ap. Nie. et Ath. et quaecunque de
hoc dogmate juxta illorum symb. sententiam statuerunt" ; femer
Art. XXXIX, art 8 : „ S. tria, Nie. Athanasii et quod vulgo
apostolonun appellatur, onrnino recipienda", und ebenso Conf.
Bohem., ari 3 : „Fides catholica et Nicaenae qmodi aliarumque
cum hac idem consensus, decreta et sanctiones Athanasiique
confessio seu symbolum aperte testantur" etc. Andere Con-
fessionsschriften legen nur das ApostoUcum zum (xrunde,
welches ausserdem in den Katechismen seine feste Stelle ein-
ninmit ^).
Auf römischer Seite fand in dieser Beziehung kein
Widerspruch statt. Zwar im Tridentinimi wird nur das ver-
vollständigte Nieänische Symbol als ökumenisches Synodal-
bekenntnis ausdrücklich genehmigt; spätere Ausgaben aber
stellen mit ihm auch die beiden anderen Formeln an die
Spitze der Decrete, woraus erhellt, dass die abendländischen
Confessionen sich in der Bestätigung derselben Lehmormen
begegneten. Gegenseitige Beschuldigungen der UnchristUch-
keit waren damit streng genommen abgeschnitten; denn ein
Symbol, welches mit so gebieterischer Strenge wie das
S. Quicunque den christlichen Glauben Satz fiir Satz vorzu-
schreiben sich erlaubt, kann unmöglich ausser seinem eigenen
Wortlaut noch andere Heilsbedingungen als unentbehrlich
gelten lassen, wenn es nicht selber hinfalh'g werden will.
Dennoch ist allbekannt, dass die Stellung der Protestanten
zum römischen Katholidsmus durch diese durchaus conserva-
tiven Erklärungen nicht verbessert worden ist; die römische
Kirche hat die Verurteilung der Protestaiiten darum, weil
sie sich aufrichtig als die Altgläubigen imd Altkatholischen
bezeugten, keineswegs zurückgezogen, und sie behauptete
stets, dass diese Abtrünnigen kein Recht haben, sich einer
Auctorität zu bedienen, die gar nicht ihr Eigentum sei und
nur in Verbindung mit dem römischen Gehorsam ihren Wei-t
1) Niemeyer 1. c, p. 127. 365. 425. 434. 827. 789
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DIB STELLUNG DES APOSTOUSCHEN SYMBOLS. 69
behalte. Das kirchliche Grundprincip, nicht der blosse In-
halt sollte den Ausschlag geben.
Dessenungeachtet war doch so viel erreicht, dass sich
Protestanten und Katholiken mit der Auslegung und histo-
rischen Erläuterung der genannten Urkunden gleicherweise
und wie auf einem gemeinsamen Arbeitsfelde beschäftigten.
Grelehrte Untersuchungen haben sehr häufig unter der Decke
der Auctorität ihren Anfang genommen; der herrschende
Standpunkt gestattete sie, so lange er selber unangetastet
blieb. Man forschte also jetzt genauer nach der Herkimft
der drei Texte und deren Wert imd Abzweckung im ein-
zelnen, wobei sich die protestantische . Ansicht zunächst noch
von der abendländischen Annahme abhängig zeigte. Das
Apostolicum galt vor der Hand als ein in der ganzen Kirche
zu Recht bestehendes, weil man nicht wusste und lange Zeit
nicht wissen wollte, dass es die orientalische Kirche in solcher
Form gar nicht aufgenommen hat. Dagegen wurde die Sage
von einer apostolischen Abfassung desselben ziemlich fiüh
durchschaut; schon Laurentius Valla hatte sie bestritten, der
Zweifel ging auf Erasmus imd Calvin über und führte zu
einer offenen Verwerftmg der Rufinischen Behauptung, be-
sonders nachdem J. G. Vossius 1642 ein gründliches histo-
risches Verständnis erst erschlossen hatte *). Schon die Be-
zeichnung: „symbolum, quod"vulgo apostolorum appellatur^',
beweist, dass man diesen Namen wohl durch den Inhalt,
nicht durch die Art der Entstehung rechtfertigen wollte.
Der Zusatz „filioque" im Nicänum wurde als selbstverständlich
angesehen, ohne dass man sich um die Bedeutung des Grund-
textes, der ihn nicht kennt, auch nur Gedanken gemacht
hätte; und ebenso dauerte es noch lange genug, ehe einge-
räumt wurde, dass die dritte Formel den Namen des Atha-
nasius mit Unrecht fiihrt, da sie weit späteren imd lateinischen
Ursprungs ist*).
1) „Dissertationes tres de tribos symboUs, Apostolico, Athana-
siano et Constantinopolitano** (Amst. 1642).
*) Dan. Waterland, A critical history of the Athanasian Creed
(Cambridge 1724). Köllner, S 58. 54.
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70 GASS,
Wir berühren diese Data, um die gelehrte Seite des
Gegenstandes von der religiösen Bedeutung und kirdblich^oi
Stellung; welche uns hauptsächlich beschäfüigt; von vornherein
auszuscheiden. Damit rücken wir unserem Thema näher.
Das X6. Jahrhundert hat die Reformation^ das folgende, vom
Ende des vorigen an gerechnet, die Confession geschaffen
und zum Abschluss gebracht Die römische Kirche hatte
sich in exclusiver hierarchischer Schroffheit erneuert; die
lutherische stützte sich auf die Vollkommenheit ihres Lehr-
begri£b, die reformirte auf die Vorzüge ihrer Zucht und
Gemeindeordnung. Wer das Betragen der verselbständigten
evangelischen Eirdienabteilungen ins Auge fasst, wird wahr-
nehmen, in welchem Grade ihr Particularismus grade aus
den erst hinzugetretenen Lehrbestimmungen seine Nahrung
schöpfte. Hatten die Refoimatoren ihre Anhänglichkeit an
das Gemeinsame imd Alte bezeugt: so bewegte sich die
Confessiionstheologie vorzugsweise auf den neu erschlossenen
Gebieten des evangelischen Bewusstseins; sie schätzte vor
allem, was ihr selber erst die volle Ausprägung gegeben
hatte, imd dies glich teils einer dogmatischen Folgerung und
Steigerung, teils betraf es die Erneuerung des chrisüichen
Princips selber. Von jener Art war die Christologie und
Sacramentslehre, von dieser die gesammte Heilslehre mit den
grossen Gedanken der Rechifortigung, Heiligung, &wählung.
Hier war jeder Sdiritt mit genauen Definitionen besetzt, jeder
Posten mit Angriflfe- und Verteidigungswaffen befestigt. Je
schärfer die systematische Gestaltung, desto stärker das con-
fessionelle Selbstgefühl, welchem sie Ausdruck gab, aber
auch, wie wir hinzusetzen müssen, desto steife die Recht-
haberei, die sich an dem Genüsse dieses Sonderbesitzes sättigte,
desto eifr^er die Verdammungslust, die durch dessen Ver-
teid^ung in Uebung erhalten wurde. Lutheraner und Refor-
mirte, die ersteren jedoch weit unbedingter, gaben ihren)
Lehrgebäude den vollen Wert der Selbständigkeit, als ruhe
es auf sich allein, unvermittelt durch historische Vorstufen.
Die Confession wurde zur Religion, und zwar jede für sich;
denn dass sie nur Abteilimgen eines grösseren Ganzen seien
und mit anderen kirchlichen Zweigen dieselbe Wurzeln
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DIE STELLUNG DES APOSTOLISCHEN SYMBOLS. 71
haben, wurde vergesseoi. Der amsondemde tind abschliessende
Verstand siegte , die Vernunft, weldie ein Gttnzes fordert,
erlag, noch mehr die Liebe. Hauptsachen kann es nul* geben,
so lange Nebendinge statuirt werden, und so hat denn auch
das System eines Hütten und Genossen noch einige offene
Fragen dem persönlichen Dafürhalten überlassen müssen.
Wie vQßsi über die Fortpflan25ung der Selen denkt, dav<m
soll die Seligkeit nicht aU^Ingen, sonst aber von den sub*
tUsten dogmatischen Folgesätzen; denn weitaus das Hebte
ist fundamental, weil erst durdi die Vollzähligkeit der
Artikel die christliche Wahrheit yerbürgt wird. Ein einziger
veränderter Satz — und nur der Geübte versteht ihn —
fiihrt aus dem Glauben in den Unglauben und in die Häresie
imd reicht hin, um des christlichen firudemamens verlustig
zu machen. Es giebt keine theologische Bildung iK)ch kirch-
liche Treue mehr, welche nicht jede Abweichung dieser Art
mit defensiver und offensiver Schlagfertigkeit zu benutzen
weiss.
Wer wollte leugnen, das8 die Confessionen sich scharf-
sinnig und kraftvoll entwickelt und als Mächte geherrscht
haben; aber ihr Si^ war dennoch kein vollständiger. Und
es war keine Willkür noch auch lediglich eine pietätsvolle
Wiederaufiiahme des Melanchthonischen Geistes, n^, es war
dne Hennsuchung des Evangelituns, wenn mitten unter dem
bitteren Hass und dem unaufhörlichen Geräusch der Polemik
wied«* Frieden sstimmen Gehör verlangten. Unter den
Unionisten jener Z^eit gab es auch schwache Naturen wie
Duräns und der jüngere Calizt ; die Mehrzahl aber unterschied
flieh vorteilhaft von den Fachgenoss^i gewöhnlichen Schlages.
Ihre Bestrafungen waren kirchlich, rdigiös und wissenschaft-
lich beredit^ sittlich sogar geboten; die Schwierigkeit lag
nur in der Art der Geltendmachung, welche du^ch die vor*
handenen Umstände mehr oder minder bestimmt wurde
Grade die jüngeren Dogmen reformatorischen Ursprungs
hatten den heftigsten Zank hervorgerufen, grade sie forderten
imd verhiessen die höchste biblische Evidenz, welche aber
durch die anhaftenden Schwierigkeiten der Auffassung und
durch den Absolutismus der Begriffe und Distinctionen wieder
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72 GASS,
verdunkelt oder doch verleidet wurde. Im engeren Kreise hatte
die Concordienformel eine Einigung mehr verfugt als hervor-
gebracht ; eine Schule Luther's machte sich selber zur Kirche
und besass dennoch nicht die Kraft, den Einfluss Luther's
völlig in ihre Schranken zu bannen, — dies alles auf Grund
von richterlichen Urteilen gegen Osiandristen, Flacianer, Syner-
gisten, und unter Anfeindungen der Kryptiker und Ke^otiker.
Der Abschluss der Confessionen nährte die gegenseitige
Feindschaft und war dennoch nicht stark genug, um die
häuslichen Zwistigkeiten zu ersparen.
Wer nun aber alle diese Erfahrungen unbefengenen
Herzens und mit gereifter Erkenntnis auf sich wirken liess,
gelangte leicht zu dem Gedanken, dass der ConfessionaUsmus
sich eben dadurch überboten habe , weil er sich allzu leiden-
schaftlich den neueren dogmatischen Productionen
überlassen imd allzu stolz über eine alte unverlorene
Gewissheit erhoben habe, dass also der Friede nur kommen
könne mit der wohl verstandenen Genügsamkeit eines ein-
facheren Glaubensbandes. So entstand das Progranmi des
damaligen Unionismus und Synkretismus, es bheb
sich ähnlich in der Aufforderung zur Rückkehr von den
untaugUchen, weil an sich disputabeln, misslichen, vielleicht
nur ersonnenen Neuerungen zu einem leichteren Einverständ-
nis, von der Concordienformel zur Augsburgischen Confession
imd von dieser zu den Gnmdlagen der noch imgeteilten
Kirche. Selbst Katholiken konnten von dieser Anweisung
Gebrauch machen. So verwies Georg Cassander auf die apo-
stolische Tradition und deren kurzen Inbegriff, so Antonius
de Dominis auf die ursprüngliche christliche Republik imd
deren Bindemittel *). Auf protestantischer Seite waren diese
Mahnungen schon 1570 zu Sendomir laut geworden; sie
wurden zu Leipzig 1631 aufgenommen, von Duräus, dessen
Rede nirgends recht durchschlagen wollte, und von Pareus, der
1) Er erklärte: „Cum omnibus, quamdiu in essentialibus nostrae
fidei articulis et symbolis antiquae Christi ecclesiae convenlmus, per-
petuo communicare sum paratus." Vgl. Henke, G. Callxt, Bd. I,
S. 345.
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DIE STELLUNG DES APOSTOUSCHEN SYMBOLS. 73
die Aogastana zum Grunde legte, mit mehreren Modificationen
wiederholt Der Bedeutendste in dieser Reihe wird immer
Georg Calixt bleiben, schon weil er als Lutheraner
seine Stellung am meisten gefährdete, aber auch weil er ein
selbständiger Forscher und so zu sagen ein friedfertiger Strei-
ter, kein blosser Anwalt des Friedens war.
Ziehen wir von den Leistungen dieses Mannes das eigent-
lich gelehrte und widsenschafdiche Verdienst ab, welches der
Zukunft unzweifelhafte Früchte gebracht: so kommt sein
principieller Antrag auf das eben Erwähnte hinaus. Er sagte
gradezu, dass auf dem eingeschlagenen Wege der Zustand
der Theologie Gefahr laufe heillos zu werden, dass die Kirche
an Tugend und Liebe und an sicherer Erkenntnis verarme
und mit ihrem Vorhaben, die Seligkeit sicherzustellen, nur
Unseligkeit anstifte, dass es dringend nötig sei, zu einer
Vergangenheit zurückzublicken, welche mit geringeren
dogmatischen Forderungen eine grosse Kirchengemeinschaft
zusammengehalten habe, weil sie es verstanden, durch ein-
fache und darum einhellige Ergebnisse der Lehre ihr bibli-
sches Princip wahr zu machen. Auf der Grundlage des
alt^i Symbols sollen die getrennten Kirchen sich die Hand
reichen ; endlich sollen sie ihrer gemeinsamen Heimat wieder
inne werden; auf diesem Boden allein werden sich Parteien
als christliche wiedererkennen, und der Erfolg kann nur
eine Annäherung und Versöhnung sein, welche sie in den
Stand setzt, streitige Glaubenssätze wenn nicht zu beseitigen,
doch weit glimpflicher zu beurteilen. Und diese Ermahnung
richtet sich sogar an die Katholiken, und nur der Papismus
mit seinen Erfindungen bleibt als trügliches Menschenwerk
ausserhalb jeder möglichen Vereinbarung stehen.
Calixt's Anträge, mehrfech wiederholt und ausfuhrhch
b^ründet, kleideten sich jedoch in eine fiir seine Leser höchst
aufiällige Form. Er sprach von Tradition und Consens der
Kirchenväter, er wagte es, zwischen Katholicismus und Ro-
manismus dergestalt zu scheiden, dass nur der letztere un-
bedingt zurückgewiesen werden müsse, während jener immer
noch die wichtigsten Anknüpfungspunkte biete. Die Folge
war Argwohn imd Misverständnis. Es war nicht seine Ab-
Digiti
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74 GASfi,
sicht^ die Schriftnorm herabzusetzen; indem er die Tradition
als Hül&prineip neben sie steUte, denn eben diese sollte ja
beweisen, welche biblisch b^;ründete iänstimmigkeit in den
I&tuptsacben schon in den ersten Jahrhanderten erreicht
worden sei Er wollte sein eigenes LuÜierttmi nicht weg-
werfen, wenn er in ihm zwar nicht die unverbesserliche, aber
doch die relativ reinste Darstdlung der christlichen Lehre
anerkannte. Auch ging seine Meinung nicht dahin, dass
alles, was in den drei Typen des alten Bekenntnisses nkiht
enthalten sei, deshalb zum Geringfiigigen oder gar zum Gleich-
gültigen herabsinke; es sollte nur die zweite Stelle der Wich-
tigkeit einnehmen, damit über dieses Nichtfundam^itale eine
ruhigere, die Möglichkeit der Einigung offen lassende Dis-
cussion Raum gewinne ; Abstufungen sollten an die Stelle der
feindlichen Gegensätze treten, oder feinere Eiidärungen sich
anschliessen, welche dann die Gemeinde, wenn sie sich nur
im Besitze des Wesentlichen wisse, ruhig der Theologie als
solcher anheimstellen werde. Die via regia zur Eintracht fitsst
sich demgemäss in wenige Sätze zusammen. Die ahe Kirche
besass wirklich den wahren chrisdicben Glauben und hat ihn
in den drei ökumenischen Symbolen einstimmig niedergel^.
Ihr Inhalt ist kurz und fasslich und schliesst das ünchristliche
aus; durch die Zutaten der q)äterenBekenutniBSchrü%en könn^i
sie umso weniger entwertet werden, da diese letcteren man-
ches darbieten, was über Wahrscheinliches nicht hinausgeht
Einigen sich nun die IdrchHchen Parteien über die funda-
mentale Dignität jenes Aken und Gemeinsamen: so werden
sie nicht allein den verlorenen Frieden wiedergewinnen, son-
dern auch der Theologie die Freiheit gewähren, deren sie
zur Untersuclmng aller Nebenlehren bedarf^).
Calixt überragte seine lutherischen Fachgenossen, die
gleichzeitigen wenigstens, weitaus an Wissenschaft wie an
1) Vgl. die ausführlichen Belege bei Henke, Bd. I, S. 441 ff.
472. 507. 528; TI, 1. S. 99 ff. ; II, 2. S. 215. Gegen Weller sagt Calixt:
„Quo latius se diflFunduut recentiores (in libris suarum confessionum),
eo facilius in ejusmodi tractatibus inveiuri poterit, qaod probabilita-
tem non excedat^ etc.
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DIE STELLUNG DES APOSTOLISCHEN SYMBOLS. 75
Gesiimtmg) die meisten woU auch an reiiD^ Frömmigkeit,
warum musste er ihnen so völlig unteriieg^i ? Scheiterte er
mit seinen Synkretismus lediglich an der Ungunst der Zeiten
und an der Herssenshärtigkeit der Menschen? Wir glauben
es nicht. Er verlangte zuviel. Hätte er nur die Protestan-
ten; die ja an dem gleichen Ufer wohnen^ ins Auge gefasst;
hätte er femer seinem consensus Patrum einen grund-
züglichen consensus Reformatorum zur Seite gestellt und
demgemäss seine Vorschläge formulirt: vielleicht würde er
mehr ^reicht haben ^ vielleicht auch nicht; gewiss aber
wurde die Opposition dadurch sehr erleichtert, dass er
auch die E^atholiken auf die altsymbolische Grundlage ver-
wies, wodurch er den Schein erweckte, als müsse das ge-
meinschaftliche Bettungsmittel aus der Not und Zwietracht
eben nur in dem Wiedergewinn eines vorreformatori-
schen Standpunkts gesucht werden. Von dem weit aus-
fiihrlicheren reformatorischen Lehrsystem liess sich also
schliessen, dass es jenem christlichen Zwecke eher hinderlich
sei. Dazu kam noch der besondere Umstand, dass nach der
herrschenden Gewohnhdt der für notwendig erachtete Glau-
bensinhalt sofort als eigentliche Liehre gedacht und mit dem»
Zusatz ad salutem ausgestattet wurde. Auch Calixt keimte
nicht umhin, das alte Symbol, welches er mehr als alles
andeore hervorheben wollte, in seiner ganzen Schärfe als ein
necessarium ad salutexn hinzustellen; anderes, wovon die
Seligkeit nicht abhängen sollte, sank damit auf eine zweite
Stufe herab, und sogleich folgerten die Gegner, dass daran
nach Calixt's Meinung nicht vid gelegen sei, da es kehae
Beziehung zur christlichen Beseligung habe, dass es ohne
Ge£ahr mit anderen Vorstellungen vertauscht werden kcmne ;
und war dies einmal ausgesprochen, so lagen alle Anklagen
des Neutralismus, Samaritanismus und der Religionsmengerei
bei der Hand sammt allen Consequenzmachereien, zu welchen
schon der Name Synkretismus verleitete. Nur Johann Mu-
säus, indem er die Helmstädter gegen ungerechte Vorwürfe
in Schutz nahm, schaltete zugleich den guten Gedanken ein,
dass es neben jenem unbedingten und religiös verstandenen
necessarium ad salutem noch eine andere Notwendigkeit geb^
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76 GAftS,
nämlich eine doctrinale Schätzung von Lehransichten^ welche
die Kirche sich angeeignet; und die sie selbst dann noch zu
wahren verpflichtet sei, wenn eingeräumt werde, dass man
mit dergleichen Satzungen noch nicht den Himmel verdienen
oder verscherzen könne ^).
Confessioneller Hass imd orthodoxe Starrheit haben den
Stimmführem der Wittenbei^r und Leipziger Schule die
Feder gefuhrt; aber es darf nicht vergessen werden, dass in
diesen unlauteren Motiven auch ein ernstliches Bedenken
mitwirkte. Ich finde es in der Veränderung des Schwer-
punkts, welcher durch Calixf s Propositionen, wenn auch nur
zu dem Zweck der Versöhnung, von dem schwierigen imd
viel zu weit getriebenen neueren Dissensus auf den einfacheren
und leicht zu pflegenden antiken Consensus zurückgetragen
werden sollte. Die Kategorien von Alt und Neu, so allgemein
hingestellt, reichten nicht aus, um die Sachlage klar zu
machen ; auch dem Alten konnte ein Veraltetes anhaften, das
Neue konnte dadurch an Bedeutimg gewinnen, dass es die
Erneuerung eines Ursprilnglichen in sich trug. Indem CaUxt
auf die alten Symbole das entscheidende Gewicht legte imd
zugleich in der Festhaltung ihres ganzen Wortlautes — denn
hier übte er keine Kritik — seinen Gegnern zur Seite trat,
„schätzte er die Bedeutung der Reformation zu gering und
konnte nun den Vorwurf der Gleichgültigkeit gegen diese
eine Wahrheit nicht recht ablehnen". So sagt Henke mit
Recht*); wir setzen hinzu, dass Calixt zwar nach wie vor
ein sehr guter Protestant blieb, dass aber seine Ratschläge,
hätten sie Verbreitung gefunden, eine Ablenkung von dem-
jenigen herbeigeführt haben würden, worin die herrschende
Theologie und KirchUchkeit ihre Schärfe, aber auch ihre
reformatorische Selbstbefnedigimg gesucht hatte. Zwei Mächte
treten wider einander auf, der Unionismus will dem Con-
fessionalismus Halt gebieten, dieser protestirt gegen jeden
1) S. meine Geschichte der protestantischen Dogmatik, Bd. U,
S. 206 ff.
8) Henke a. a. 0., Bd. II, 2. S. 225. Vgl. dazu meine eigenen
früheren Bemerkungen a. a. 0., Bd. II, S. 195.
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DIE STELLUNG DES APOSTOLISCHEN SYMBOLS. 77
FriedensschlusS; aber er bewegt sich doch noch innerhalb
der im vorigen Jahrhundert empfangenen Lebenstriebe.
Damit war eine innere Wendung gegeben, wenngleich
nur eine mittelbare. Indem das Neue imd Reformatorische
sich sträubt, dem Antiken imtergeordnet zu werden, wird es
zugleich in seiner eigenen Bahn festgehalten, um ferneren
Entwicklungen entgegenzugehen. Der Historiker wird oft
genug zu Betrachtungen hingeleitet, die dem selbstbeteiligten
und mitempfindenden Zeitgenossen fernliegen, er darf imd
muss von diesem naturgemässen Vorteil Gtebrauch machen.
Wer dem kirchlichen und wissenschaftlichen Protestantismus
auf seinem Lebenswege nachgeht, wird erkennen, dass dessen
Stationen nicht einfach einander ablösen, dass sie sich viel-
mehr vor ihrem wirklichen Eintritt innerlich vorbereiten.
Noch ehe es offen zu Tage kommt, ist eine Wasserscheide
zweier Bewegungen erreicht Dem Synkretismus gegenüber
blieben nur die feindseligen Wittenberger imd Leipziger in
der Minorität, im Qtmzen behielt der beiderseitige kirchliche
Standpunkt durchaus die Oberhand, und damit war die
Stetigkeit der Fortentwicklung gewahrt. Der confessionelle
Lehrtjpus sollte länger fortbestehen, sich noch weiter aus-
leben, zunächst aber von anderer Seite erweicht und geprüft
werden. Schon der Pietismus verlängerte und vertiefte den
Process, ohne ihn eigentlich abzubrechen; denn er liess zwar
das Dogma an seiner Stelle, machte aber doch den bedeutungs-
vollen Uebergang von dem Glauben auf die Gläubigkeit und
Frömmigkeit, sofern sie auf den Willen wirkt, wodurch jenes
ganze necessarium ad salutem eine andere Deutung erhielt.
Aber diese Seitenbetrachtung muss diesmal auf sich be-
ruhen. Es ist Zeit, die Streitfrage selber genauer zu erörtern.
Von den drei Glaubensformeln der noch ungetrennten Kirche
hatte Calixt behauptet, dass sie alles christlich Notwendige
umfassen, und im ApostoUcum werde es in einer allgemein
fasslichen Weise vorgetragen. Dieses letztere trat in die
Mitte des Schauplatzes als das unzweifelhafte und ausreichende
Band aller christlich zu nennenden Parteien ; darauf gemein-
schaftlich zu bestehen ist genügt). Nein, lautete die rasch
1) Callxti Responsum maledicis theologorom Mogantinorum yih-
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78 GASS^
entschiedene Antwort der Mehrheit^ e s ist nicht genüge und
für die eifrigen Lutheraner war dies fast so viel^ als würde
ihnen zugemutet^ von dem weitiänftigen Material des Con-
cordienbuchs abzulassen und sich nur an die kurzen als
ökumenisch TorangesteUten Sätsse zu halten^ von jenem Vie-
len abzulenken auf dieses Wenige. Der Streit darüber
fällt in die Jahre 1648 tmd folgende^ und die Enigegnung^i
eines Hülsemann^ Dannhauer^ Calov^ Musäus und^ Quenstedt
grenzen teilweise an Geringschät^mng des alten Bekenntnisses.
Es wäre völlig verkehrt, sagt Hük^nanU; wollten wir den
Gewinn des christlichen Heils lediglich auf diese einzige
Formel gründen; dadurch würden wir uns mit den Remon-
stranten auf gleiche Linie stdüen, welche sich grade ebenso
verpflichten imd alle Bekenner des wörtlich genommenen
ApostoUcums für fronmie Christen erklären. Auch ist die
klare und unzweifelhafte Oflenbarung aUes von Gott Mit-
geteilten weder die adäquate noch die einzige Ur-
sach e, welche bewirkt, dass jener G^enstand ein zur Er-
langung des Heils notwendiger Glaubensartikel sei, — womit
Hülsemann offenbar sagen will, dass das Verhältnis des
gläubigen Subjects zu dieser Anerkennung nicht wenige
dabei in Rechnung komme ^).
diciis oppositum, § 35: „S. apost. continet summam totius doctrinae
apostolicae cuivis adulto et rationis compoti ad salutem necessariae.^^
Item § 42: „Qui nihil aliud sciverint vel intelligant quam solum fidei
capita, prout populari et simplici illo modo ac sensu in s. expressa,
haec ipsa üs satis esse ad salutem." Desselben Widerlegung Weller^s
A. 3: „Credenda comprehendontur symbolo apost. simplicissime qui-
dem, et prout cuivis homini adulto ad salutem sufficiunt." — Die drei
S. cath. ap. ecclesiae wurden von Calixt 1649 herausgegeben.
1) Hülsemann, Dialysis apol. problematis Calixtiui (Ldps. 1649),
p. 62: „Solam apprehensionem et ratihabitationem articulorum in
8. ap. secundum illum sensum contentomm, in quo sensu concordant
omues, quotquot Christian] nuncupantur, sufficere ad salutem con-
sequendam, non obstantibus opinionibus et conceptibus meutls circa
quaevis alia objecta ex communi Christianorum cousensu non pateÜEicta
secimdum literam laudati s., tarn ineptum et falsum est quam quod
falsissimum. Hoc impraesentiarum affirmo: Ciaram et evidentem re-
velationem cujuscunque rei divinitus patefactae neque adaeqnatam
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DIE STELLUNG DES APO&TOUSCHEN SYMBOLS. 79
Aelmlich Dannhauer; indem er b^ftterkt; dass dieses
Symbol von jedermann in seinem Sinne verstanden werde.
W^ aeiiäifer noch imd nicht ohne Anklang an die Sprache
eines modernen EritikerB hat aioh Calov in seinem Sjstema
geg^i diese Snfficiaoiz verwahrt Wie kann jenes Bek^mtnis^
wenn es dach von Tertullian^ Irenäus^ Origenes, Rufin un-
gleich referirt wird, um dann durch eine ^^ Fabel'' den Na-
men apostolisch au gewinnen, wenn es erst durch Verschär-
fiing der Concilien dwn Dogma gerecht geword^i; wenn
St^tsse des Chriotenglaubens von grösster Wichtigkeit gänzlich
ausserhalb seines Wortlauts liegen — • wie kann es den
Charakter apostoliioher VoUkonunenheit besitzen! — Denn
die Lehren von der Gnade, vom Werke der Erlösung
und von den Wirkungen des Glaubens lassen sich nicht als
blosse Vorfa«egi*iffe oder Folgerungen ansehen, sondern sie
sollen dem Glauben gegwständlich werden, damit er die
allein richtige und iruchtbringende subjective Stellimg zu
ihnen einndune. Scmst würde sich aiush nicht erklären lassen,
dass sich an dieselbe kvu'se Bekonntoisgrundlage so ent-
gegengesetzte und unvereinbare Biohtungen haben anBchliess^i
können, was i^oht geschehen wäre, wenn das ä}rmbol selb^
die nötige Sicherheit gewährte ^). In seinem dogmatischen
cauBam esse quae fiieit, ut objeetum iUud sit aiticfilas ad salutem
eonscquendam OTeditu neoessarlns ete. — Habenlur a Remonstrantibu»
pro piis Deum timentibus fratribus et cobaeredtbus yitae aetemae
etiam bi, qui trinitatis mjsteriTim aon hnpugnant solum, sed etiam blas-
phemiis sauciaut, protestantur tarnen et jurant, ae ap. lymbok» ad literam
et secondum literalem sensuoa totos inbaerere atque hoc unum in no-
bis iodigne ferre, quod requlsita et notas veri CbristiaQi requiramu»
plores, quam boc s. expressae sUQt.^^ Anderwärts erklärt HiUaemaiiii,
jetzt noch mit dem apostoliscben Symbolum ausreicben wollen, sei,
wie wenn man einen Mann durch die Nabelschntu* oder mit Milcb er-
nähren wolle. Henke, Bd. ü, 1, S. 20^.
1) Calov's Systema (conf. I, c. 2, quaest. 16) liegt mir nicht vor,
und ich muss mich an meiae früheren Auszüge (Gesch. der protest.
Dogm., Bd. n, 8. 191 ff.) halten. Auch Hülsemann^s und Mosäu»'
Schriften sind mir von anderwärts zugeschickt wcHrden. Der hiesigen
Bibliothek fehlen viele wichtigste Werke der althitberischen Literatur
und Polemik, was natürlich der neuerea Verwaltung nicht zum Vor-
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80 GASS,
Compendium verwirft Calov nicht allein die Theopneustie
dieses angeblich apostolischen Symboltextes ^ sondern er fug^
hinzu^ dass es den ersten Jahrhunderten unbekannt gewesen
und nicht für einen adäquaten ; d. h. alles Notwendige und
nur solches luniassenden Inbegriff des Glaubens ausge-
geben werden dürfe *) ; damit war also eingeräumt, dass auch
etwas nicht Notwendiges in ihm enthalten sei, — fiir einen
Mann wie Calov inuner eine starke Behauptung.
Der achtungswerte Johann Musäus sucht in seiner ;, Ein-
leitung" in das innere öefiige der Formel und das gegen-
seitige Verhältnis ihrer Bestandteile einzudringen. Er ver-
schmäht sogar die Künste der Scholastiker nicht, welche
zwölf bis vierzehn Artikel unterschieden hatten, um dann
neben dem Gesagten möglichst viel Nichtgesagtes in diesen
Rahmen einzupressen. Wie steht es aber mit der S uf fi-
elen z? Quaestio est haec nostra inprimis aetate valde
controversa; sie muss in doppeltem Sinne verneint werden.
Zunächst sind^die Worte der Formel so kurz', dass, solange
nicht andere biblische oder kirchliche Erkenntnisse hinzu-
treten, auch häretische Meinungen der Sabellianer, Samo-
satener, Photinianer und Nestorianer sich imter dieser Decke
als gut christlich einfuhren lassen *). Andrerseits werden
wurf gereichen kann, aber darum Erwähnung verdient, weU es be-
weist, dass in jener Zeit das audiatur et' altera pars selbst bibliothe-
karisch verhindert worden ist.
1) Calov ii Theol. posit. (Francof. et Witteb. 1690), §27, p.l2:
„S. ap. dicitur, quod materialiter et quantum ad sententiam dogmata
vere apostolica complectitur, quae materialiter in scrlpturis apostolorum
continentur; etsi formaliter et quoad totam texturam non sit ab apo-
stolis profectum adeoque integrum minime sit &e6nysv<noyy imo et
prioribus seculis ignotum fuerit, neque pro adaequata epitome
credendorum, ea tum omnia tum sola continente, quae creditu
uecessaria sunt, haberi queat." Vid. Calov. Syncretism. Calixt. postu-
lat. 1, p. 1.
8) Joh. Musaei Introd. in theol. (Jenae 1678), c. 3, p. 178:
„ — quia plerosque titulo tenus saltem vel verbis ita paucis coutinet,
ut nisi aliunde ex scripturis vel ex publica ecclesiae doctrina sensum
genuinum quis cognitmn habeat vel inde accersat et suppleat, sab
integumento verborum tam pancorum pugnantes froutibus adversis
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DIE STELLUNG DES APOSTOLISCHEN SYMBOLS. 81
wichtige Lehrstücke vermisst; es fehlt die Erbsünde, ohne
welche auch die Notwendigkeit der Gnade nicht mehr er-
hellt, noch auch Pekgianer und Semipelagianer femgehalten
werden können, sodann der Artikel vom genugtuenden Ver-
dienst Christi und dessen universellem Wert, so dass auch
Socinianer an der Unterschrift nicht gehindert sind, femer
von der Wiedergeburt, Busse, Rechtfertigung imd Heiligung.
Denn Gemeinschaft der Heiligen, Kirche imd Sündenver-
gebung bieten für diesen Mangel so wenig Ersatz, dass auch
an dieser Stelle die Pelagianische Ansicht zugelassen erscheint.
Daher umfasst das Apostolicum nur die wichtigeren Lehr-
stücke und auch diese in so kurzer Fassung, dass der echte
Sinn mehr angedeutet als ausdrückhch wiedergegeben wird.
Genau genommen ist Musäus der Meinimg, dass der christ-
liche Glaube auch als Lehr ganzes schon damals in seiner
Vollständigkeit vorhanden gewesen, denn sonst könnte er nicht
sagen, dass die hier fehlenden Stücke schon vorausgesetzt seien.
Li die Idee einer successiven Entfaltung aus dem christUchen
Princip, welcher zufolge eine Seite nach der andern für das
Bewusstsein der Gemeinschaft erst erschlossen wird und bis
zu der Schärfe einer Lehrbestimmung vordringt, hat er sich
nicht hineingedacht
Zuletzt werden diese Gründe von Quenstedt mit der
ihm eigenen Gelassenheit zusammengefasst. Das alte Bekennt-
nis, heisst es hier, mag den Christen vom Heiden imter-
scheiden, aber keineswegs von den Häretikern, welche sich
unter vielerlei Namen imd sehr zuversichtUch dessen bedient
haben. Für einfache Christen, die nichts anderes kennen,
mag es genügen, nicht so fiir entwickelte, auch nicht zur
Belehrung papistischer Laien, deren Gemüter schon mit der
baereses occultari facile possint." Ibid. p. 183: „Dicendum ergo, in
8. ^p. non contineri omnes plane articulos fidei, sed potiores saltem,
qni finem hominis ultimom, beatitudinem aetemam scilicet et ejus
prineipia ac media principalia concemunt, eaque verbis ita paucis
attingi, ut genuinum illorum sensum velut notum ex scripturis et pu-
blica ecclesiae catholicae doctriua praesupponant potius vei inde ac-
cerseudom rellnquaut, quam significanter exprimant.**
Zeitachr. f. K.-G. 111, 1. 6
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82 QASS,
Vorstellung von der Verdienstlichkdt der guten Werke, von
der Interoesaion der Maria und der kirchlichen Genug-
tuung für zeitliche Strafen erflillt sind ^).
Unter solchen Umständen war es ganz consequent, dass
in dem von den Wittenbergem geschmiedeten Consensus
repetitus fidei vere Lutheranae die von Calixt und Genossen
behauptete fondamentale Hinlänglichkeit des Apostolicums
in erster Reibe zu dessen fundamentalen Irrtümern gezählt
wurde *).
Es war also wirkUcb eine Kritik des alten Bekennt-
nisses, zu welcher Calixt die streng confessionellen Lehrer
herausforderte, eine stolze Erhebung über die kirchlich^i
OTOixHa Tov xoufiov. Der Anspruch auf VoUkommaiheit wird
der Formel unumwunden abgesprochen, wdi sie zahlreiche
Lücken lässt^ deren Aufzählimg an den Gang der Dogmen-
geschichte erinnert; nur dem ersten populären Bedür&is der
Uneingeweihten soll sie entsprechen. Ausser dieser mate-
riellen UnvoUständigkeit, welche Hochwichtiges vermissen lässt,
wird dann femer gerügt, dass in dem Symbol dasjenige gar
nicht hervortrete, was den Inhalt erst zur Glaubenssache er-
hebt, nämlich die religiöse Aneignung und subjective Ver-
wertung. Zwar deutet, was wir nicht vergessen wollen, der
Zusatz „Vergebung der Sünden '^ allerdings auf den sittlichen
Endzweck der christlichen Religion ^), aber alle andern Be-
standteile werden nur als Momente eines göttlichen Seins
1) Quenstedt, Theol. didact. polem. I, c. II, sect. 2, quaesti.
*) Consensus repet., art. 1, punct. 3. Vielleicht denkt der Leser
bei dieser Grelegenbeit auch an den durch Lessing angeregten, von
Delbrück, Saek, Nitzsch, Dimiel a. a. erneuerten Streit über das An-
sehen der heiligen Schrift und deren Verhältnis zur Glaubensregel.
Doch betraf dieser eigentlich nur das Verständnis des Schriftprincips
und war rein wissenschaftlicher Art, ohne die kirchliche Stellung des
Symbols zu berühren.
9) Ich erinnere hier an Melanchthon, welcher im 4. Artikel seiner
Variata und bei Erwähnung des Apostolicums das Credo renüssionem
peccatorum geflissentlich betont, indem er hinzufügt: „Et ad himc
articulum reliqui de historia Christi referri debent. Nam id beneficium
est flnis historiae^* etc.
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DIE STELLUNG DES APOSTOUSCHEN SYMBOLS. 83
oder G^sdiehend hingestellt; die Notwendigkeit ihrer religiösen
Wirksamkeit und Inkraftsetzung als ein necessariiun ad sa-
lutem bleibt anausge8fMX>chen. Wir haben denmach zwei
Gbünde vor uns, den einen von der rein materiellen Unzu-
länglichkeit, und diesen konnten auch die Katholiken gebrau-
chen, obgleich sie vermöge ihres Traditionsprincips behaupten
mussten, dass in dem kurzen Inbegriff schon die ganze Lehre
enthalten sei, sobald sie nur durch den kirchlichen Unterricht
herausgezogen und verdeutlicht werde, wie es etwa im römi-
schen Katechismus geschehen ist ^). Der andere Grund da-
g^en hflngt mit dem protestantischen Bewusstsein zusammen;
sdion die Augsburgische Confession erkennt ihn an, indem
sie im 20. Artikel von der blossen notitia historiae zum effectus
historiae vordringt; aber näher betrachtet, regt dieses Argu-
ment Eürwägungen an, die über den damals gewöhnlichen
Gesichtskreis hinausföhren. Wenn es einmal feststeht, dass
Data der Offenbarung, die vermöge ihrer factischen Be-
schaffenheit mitteilender Art sind, sich also zunächst dem
Wissen imd Fürwahrhalten darbieten, dadurch erst ihren
vollen Wert erhalten, dass sie als Mächte in den religiösen Geist
angenommen werden : dann tritt nach und nach ein anderer
1) Bellarmin sagt (vgL QueoBtedt 1. c.) in seiner Beantwortung
Cassander^s: „Symbolum uniun est, et non in verbis, sed in sensu est
fides. Non ergo habemus idem symbolum, si in expUcatione dissi-
demus. Praeterea si snfficeret, verba symboli vecipere, nulli fere ve-
tenim haereticomm jure damnati fuissent. Kam Ariani, Novatiani,
Nestoriani et alli fere omnes verba symboli ap. recipiebant, sed quia
in sensu dissensio erat, ideo damnati et ab ecclesiae catholica ejecti
fdenmt." In der Tat verhält es sich ganz anders; nicht wegen fal-
scher Erklärung des Apostolicums siud jene Häretiker verdammt wor-
den, sondern weil eine neue in ihm gar nicht vorgesehene Lehr-
bestimmnng hinzugetreten war, von welcher nunmehr die Rechtgläubig-
keit abhängen sollte. Doch begegnet uns selbst auf protestantischem
Boden das Beispiel einer jüngeren Bekenntnisschrift , welche sich als
rechtmässige Interpretation und Weiterbildung über die ältere stellt.
In der Concordienformel wird angenonmien, dass Lutheraner, welche
ihr nicht zustimmen wollen, auch die Augsburgische Confession
nicht Terstanden haben, weil sie eben nicht den rechten Sensus mit-
brachten.
6*
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84 GA8S,
Massstab fiir die Bekenntnisbildung in Ejraft; und es muss
untersucht werden ; ob diese Data auch die beabsichtigte
Wirkung wirklich und gleichmässig, sei es überhaupt oder
für ein bestimmtes Zeitalter, ausüben und nicht vielmehr in
einer ungleichen Beziehung zu ihr stehen.
Und dies ist die Stelle, welche über Berge und Täler
hinweg den Pfad in das Innere der neueren Theologie
bezeichnet ; bei diesem Uebergang muss auch der Unterschied
der Zeiten oflFenbar werden. Es ist überraschend, sogar be-
klemmend, grade von einem einzelnen Punkte aus den Ab-
stand zweier Jahrhunderte zu ermessen; aber es 'ist doch
Pflicht, sich ihn klar zu machen, denn wer sich über die
Entfernung täuscht, dem können auch die verbindenden Fä-
den und leitenden Kräfte unversehens aus der Hand gleiten.
Niemand wird noch behaupten, dass die neuere Theologie
nur durch kritische EingriflFe und rationalistische Abzüge
ihre Neuheit bekundet, wir wissen alle, dass sie auch eine
andere Schätzung des llateriellen und des Dynamischen, des
Historischen und Ideellen in ihren gegenseitigen Verhältnissen,
kurz eine veränderte Oekonomie, Proportion und Aufeinander-
folge der öeistestätigkeiten in Gang gebracht hat. Der Ein-
zelne vermag sich diesen Einflüssen gradweise zu entziehen,
in der Tat aber werden alle von ihnen berührt Die alt-
protestantischen Lehrer, deren wir vorhin gedacht, rechneten
in ihrer Systematik eigentlich nur mit drei Factoren : mit der
Norm, die sich dann wieder in eine biblische und kirchlich-
symbolische teilte, mit dem Inhalt der Lehrsätze und mit
deren Form. Von der Norm aus wurde sofort die Reihe der
Artikel gefunden, und sie waren schon da; hatten sie dann
ihre regelrechte Ordnung und technische Ausfuhrung er-
langt, so war alles fertig. Zwar sprachen die Alten viel von
Fundamentalien, aber sie sahen in ihnen die Dogmen selber;
zwar stellten sie die Prolegomena voran, welche aber weit
mehr vorschreibender als vorbereitender Art waren, und nur
Calixt hatte das löbliche Streben, von allgemeineren Gesichts-
punkten auszugehen. Wir Neueren müssen anders zu Werke
gehen; statt aus der Quelle in das System zu springen, nö-
tigt uns das im Leben der Literatur und Wissenschaft unter
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DIE STELLUNG DES APOSTOLISCHEN SYMBOLS. 85
uns vereinbarte Denkgesetz zu einer verweilenden Umschau,
wir suchen ein Allgemeineres und Wesenhaftes, von welchem
aus die Gestaltung des Inhalts erst unternommen werden
soll. Damit hängt zusammen, dass wir nicht mehr zählen
wollen, wie die Alten gezählt und summirt haben; an die
Stelle tritt ein Wägen ^) , weil nur dadurch die öeistigkeit
des Gegenstandes im Unterschied von stofflichen Verhältnissen
bewiesen wird, weil also auch nur ein kräfldg ergriflfener
Mittelpunkt den Wert einzelner Bestimmimgen bezeugt. Darum
kann ^ uns niemals befiriedigen, einen Glaubensstoff durch
siebzehn Jahrhunderte zu solcher Ausdehnimg anwachsen
zu sehen; nicht der Umfang noch die Vielteiligkeit verbürgt
die Vollkommenheit, weil wir den Gegenstand nicht mehr
nach quantitativen Massen beurteilen, noch der Ansicht sind,
dass mit der Masse auch die Kraft sich steigert oder die stoff-
liche Verkürzung und Vereinfachung auch dynamisch einem
Abnehmen gleichkommt. Auch die Bekenntnisse sind kleinen
Systemen ähnlich, aber sie wirken nicht mehr dadurch, dass
sie den Eindruck machen, an eine fest bestimmte Zahl von
Lehrartikeln gebunden zu sein.
Das Bisherige haben wir im Anschluss an den damaligen
Kampf der Confessionalisten gegen die Unionisten imd Syn-
kretisten ausfuhren wollen, welche letzteren sich durch Rück-
gang auf das alte Bekenntnis und Unterschätzung der refor-
matorischen Zutaten einen katholisirenden Anstrich
gaben ; und vielleicht verdient es als kleine dogmenhistorische
Studie schon für sich Beachtung. Es liegt aber in meiner
Absicht, schliesslich noch auf die jetzige Stellung des Apo-
stolicums einen Blick zu werfen, wobei ich mich jeder spe-
ciellen Polemik enthalte, weil diese dem Zweck unserer Zeit-
schrift nicht entsprechen würde. Im allgemeinen liegen
aus Gründen, die wir als bekannt voraussetzen, die gegen-
wärtigen Verhältnisse ganz entgegengesetzt. Vor zwei Jahrhun-
derten nahm die kirchliche Mehrheit den grössten Anstoss daran,
1) Selbst die Varianten unserer Bibeltexte werden von uns nicht
mehr rein numerisch, wie vor Zeiten, sondern nach dem Werte der
Zeugen beurteUt.
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86 GASS^
dass ihr zugemutet wurde, sich auf die wenigen Aussagen
des alten Symbols zu beschränken, die nur einen allgemein
christlichen Charakter bezeugen, ohne Bürgschaft für die
protestantische GlaubenseigentümUchkeit; diese Formel, fürch-
tete man, wenn fiir sich gelassen, würde nach wie vor zum
Deckmantel für eindringende häretische Meinungen benutzt
werden. Jetzt dagegen erscheint dasselbe Bekenntnis vielen
schon als zu starke Forderung, zu exclusiv und beengend
für die Gewissen einer Gemeinschaft, welche, wie immer
durch innere G^ensätze getrennt, doch darin zusanunenhält,
dass alle ihre Mitglieder Zugang begehren zu dem, Trost des
Evangeliums und zu den Segnungen der Anbetung im Gbist
und in der Wahrheit, wobei also hauptsächlich die öffent-
liche und litui^che Anwendung der Formel in Betracht
gezogen wird. Vor Zeiten bezog sich der Streit auf die
Hinlänglichkeit, jetzt betrifil er die Haltbarkeit und nicht
weniger die Angemessenheit derselben; firüher war es die
freier urteilende Partei, jetzt sind es die strenger Gesinnten,
die sich an das Symbol anklammem. Wir wollen, indem
wir dies aussprechen, nur der nackten tatsächlichen Wahr-
heit die Ehre geben. Es gewinnt iJso ganz das Ansehen,
dass wir nach einer solchen Umkehrung der BedürfiiiBse
und Auftassungen überhaupt nicht mehr in der Lage sind,
einen fruchtbaren Vergleich zu ziehen, sondern dass nur
übrig bleibt, jedes Zeitalter fiir sich und seinen eigenen Geist
einstehen zu lassen. Diese Folgerung räume ich jedoch nicht
ein, glaube vielmehr, dass die Büokbeziehung auf die längst
vergangenen Verhandlungen noch etwas Lehrreiches abwirft^
was selbst auf die gegenwärtigen^ ihnen höchst unähnlichen
Anwendimg erleidet.
Sehen wir von denen ab, die keine andere Auskunft
wissen als die einer völligen Verbanifiung des Sym,bols aus
dem gottesdiens^ichen Gebrauch : so lässt sich dasselbe doppelt
beurteilen, zunächst nach seiner allgemeinen religiösen
und kirchlichen Bedeutung. Dies Bekenntnis ist ein
religiöses und christliches, weil es die drei Namen des Gt)ttes-
reichs zusammenfasst und in seiner Mitte Christus als den
alleinigen Heilsgrund aufrichtet; kirchlich wertvoll aber wird
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DIE STELLUNG DES APOSTOUSCHEN SYBIBOLS. 87
es dadurch 9 dass es, während die beiden anderen Pormehi
in W^all kamen, in seiner historischen Einfachheit stehen
geblieben ist und den abendländischen Cultus bis auf die
G^enwart begleitet hat. Was zu seiner Erhaltung beitrug,
war nicht allein die volkstümliche G-ewöhnung und die An-
hänglichkeit auf Seiten eines bedeutenden Teils der Gemeinden,
sondern überhaupt das Recht der Continuität, wel-
ches an dieser einzigen Stelle einen Ausdruck suchte. Und
diese pietätsvolle Anerkennung ist denn auch hundert- und
tausendfach nicht nur geübt, sondern auch offen ausge-
sprochen worden, ich meine von solchwi, welche, indem sie
das Symbol als das ehrwürdigste Zeugnis altkirchlicher Ueber-
liefenmg ansahen, darum doch nicht an alle Zeilen dieses
Textes gebunden sein wollten. Die Würde des Ganzen half
über die streitig gewordenen Punkte hinweg. Dieser Zustand
war und ist, wie die Lage der g^enwärtigen Kirche über-
haupt, ein unvollkonmiener; aber die ihm anhaftende Un-
klarheit und Zweideutigkeit Hess sich doch dadurch überwinden,
dass das zugehörige liturgische Schema, innerhalb dessen das
Bekeaontnis vorgetragen werden soll, eine Fassung erhielt,
welche geeignet war, jenem al^meineren Verständnis offen
^itgegenzukommen. Bekanntlich ist ein solcher Versuch
neuerUch durch die letzte badische Generalsynode gemacht
worden, man darf hinzusetzen, mit Glück; denn die hier be-
schlossene Einrahmung oder Vorfilhrung des Apostolicums
hat auch anderweitig Zustimmung gefunden, und wer sie
deshalb bei Seite schieben will, weil sie auf eine „refe-
rirende^* Form hinauslaufe, der will eben nicht bedenken,
dass der Vortrag einw Liturgie ernster xmd wärmer gemeint
ist imd anders aufgenommen wird als das Referat eines S^ei-
tnngsartikels. Unseres Wissens haben bei dieser Vereinbarung
zwei Ghünde wesentlich miigewirkt; der eine, dass es sich
nicht geziemen will, ein Bekenntnis abzuschaffen, ehe auch
nur die Aussicht entsteht, ein anderes fiir uns befriedigen-
deres an die Stelle treten zu lassen, der andere, dass über-
haupt in Angelegenheiten der kirchlichen Gemeinschaft der
blosse Progiesaismus niemals ausreichen wird, um eine innere
Schwierigkeit zu überwinden.
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88 OASS,
Bei dieser freieren Auffassung lässt sich also ein fried-
liches Ergebnis hoffen, nicht so bei der andern, die wir noch
zu beleuchten haben, und welcher entgegenzutreten wahrlich
kein Streit mit den Wolken ist — ich meine die rein dog-
matische und vorschriftliche. Durch sie wird die
Aufinerksamkeit auf das ganze Detail der Formel hingerichtet
und damit die biblische B^ritik herausgefordert, deren Be-
denken bekannt genug sind, und die zu dem Oftgesagten
kaum etwas nachzutragen hat. Die einfache Berufung auf
die unterliegenden Schriflstellen gentigt nicht, wenn diese
Belege, wie in unserem Falle zugegeben werden muss, weder
die gleiche Stärke haben, noch sich auf derselben Linie neu-
testamentlicher Glaubensbildung befinden. Die Höllenfahrt
Christi wird fiir jeden Unbefangenen nur durch eine einzige
Schriftstelle (iPetr. 3, 19), durch diese aber unzulänglich
unterstützt. Die Auferstehung des Fleisches (t^ auQxog)
vertauscht den biblisch gewöhnlichen Ausdruck (rcSy vh-
xQMy) mit einem anderen und sinnlicheren. Der übernatür-
lichen Geburt Christi fehlt, von der Unsicherheit der evan-
gelischen Nachrichten abgesehen, das apostolische Zeugnis
der Briefe. Nicht ohne Grund ist in alter und neuer Zeit
auch die Aufnahme der „ katholischen Kirche " in den dritten
Artikel beanstandet worden, weil die Kirche als solche nach
protestantischer Anschauimg kein Gegenstand des Bekennt-
nisses ist ^). Man kann darauf antworten, dass dies auch
nicht die Meinung sei; wenn nämlich das Bekenntnis des
heiligen Geistes voransteht: so empfängt eben dadurch schon
die katholische Kirche eine untergeordnete Stellung, sie wird
nicht selber zum Glaubensobject erhoben, sondern sucht ihre
Anerkennung darin, dass sie sich auf das Lebensprincip des
Geistes gründet Dann wäre in dieser Aufeinanderfolge ein
1) Schon die Alten haben die Schwierigkeit empfunden, daher
die mehrfach erörterte Frage, ob und wie das ecclesiam mit dem voran-
gegangenen m zu verbinden sei. Doch liegt dergleichen wie auch die
Hypothesen über die Bedeutung der communio sanctorum ausserhalb
unseres Bereiches. Vgl. Oehler a. a. 0. S. 47. Krauss, Das Dogma
von der unsichtbaren Kirche, S. 46.
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DIE STELLUNG DES APOSTOLISCHEN SYMBOLS. 89
Selbstvertrauen oder, wenn man so sagen darf, ein Selbstglanbe
ausgesprochen, zu welchem sich die kirchliche Gemeinschaft
berechtigt findet, indem sie sich unter die Macht des Geistes
stellt Aber auch bei dieser .Auffassung bleibt immer gewiss,
dass die „katholische Kirche" kein neutestamentlicher Begriff
ist, noch auch den weit fundamentaleren Namen des Gottes-
reiches zu ersetzen vermag.
Hiermit ergeben sich Momente, welche nur sehr ungleich-
massig auf der Grundlage eines biblischen Consensus ruhen.
Auch die Vorstellung der leiblichen Himmelfahrt gehört hier-
her. Die Ausfüllung des zweiten und dritten Artikels ist weder
die einzige, noch darf sie irgend die vollkommenste genannt
werden, welche sich aus der Quelle des Neuen Testaments
schöpfen lässt; aber sie erklärt sich auch nicht aus ihr
allein. Wer die Composition in allen ihren Teilen ver-
stehen will, wird genötigt sein, über den neutestamentlichen
Standpunkt einen Schritt hinauszutim in die nächstfolgenden
Jahrhunderte; in dieser Epoche, während welcher das Symbol
seine bestimmtere Ausprägung erhielt, findet es auch erst
seine vollständige Erklärung. In dieser Zeit nötigte der
Kampf mit den gnostischen Parteien dazu, die historische
Realität der Erscheinung des Herrn, welche das Leben der
Gemeinschaft bis zum Kele der letzten Entscheidung und
der Vollendung begleiten soll, mit einer Mehrheit von
Momenten zu bekräftigen; nicht der Wirkende und Lehrende,
nur der Geborene, der Geopferte, der Auferstandene imd
Wiederkommende wird bekannt und verherrlicht. Damals
befand sich die Kirche auf dem Wege, als vielumfassendes,
innerlich geordnetes und nach aussen bestimmt abgegrenztes
Ganze sich darzustellen, sie gab sich daher in diesem Zu-
sammenhang selber das Prädicat der Heiligkeit und Katholi-
citäi Damals war die Auferstehung des Fleisches nicht wie
später eine magere Theorie oder eine Einkleidungsform für
den Glauben an Unsterblichkeit und Vergeltung, sie war
vielmehr eine lebendige Ueberzeugung, von welcher alle er-
griffen wurden, ein unentbehrlicher Ausdruck des Schöpfer-
und Gottesglaubens, ein wichtiger Unterscheidimgssatz im
Verhältnis zur Philosophie, ein Bestandteil der gesammten
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90 GASS,
Lebensanschaunng; auch die sichtbare Wiederkunft des Herrn
stand mit ihr in enger Verbindung, anfänglich sogar ftur
viele der Chiliasmus ; unter uns kann sie nicht mehr dieselbe
Stellung einnehmen. Es wird femer darüber gestritten, wel-
cher Umstand die Aufnahme der Höllenfahrt Christi ver-
anlasst habe, und für imseren Zweck kann dies vollständig
auf sich beruhen; gewiss war die Vorstellung in jener Zieit
eine sehr verbreitete, und sie wurde hochgehalten, weil sich
in der Annahme einer Wirksamkeit Christi im Reiche der
Abgeschiedenen auch der Sieg des Evangeliums innerhalb
der Menschheit veranschaulichen Hess. Unter uns besteht
das gleiche ideale Interesse noch fort, aber es fordert andere
Mittel, um befriedigt zu werden, nachdem die sinnliche Vor-
stellung selber längst dahingefallen ist. Und endlich, um
noch einen Schritt weiterzugehen — wer erinnert sich nicht,
dass Augustin Betrachtungen auf Betrachtungen gehäuft hat,
welche lediglich das Wunder der Geburt Christi zum Gegen-
stand haben, als sei in ihr das ganze Mysterium der Oflfen-
barung beschlossen. Die gegenwärtige Kirche und Theologie
— ich meine die ganze, nicht ein Stück derselben — ist
ausser Stande, ihr Interesse an dieser Frage zu gleicher Höhe
zu steigern.
Es war nötig, diese Einzelnheiten hervorzuheben, damit
whelle, dass das Apostolicum seiner speciellen Ausföhrung
nach Zutaten enthält, welche auf die historische BiHungs-
und Befestigungszeit des Ganzen deutlich genug hinweisen.
Es ist eben ein altkirchliches, in welchem sich neben
dem allgemeinen zugleich ein besonderes und geschichdicb
bedingtes religiöses Bedürfnis zu erkennen giebt, nicht ein
idealer Ausdruck dessen, was über dem Wechsel der 5!eit-
alter schwebt. Und das war es denn auch, was die alt-
protestantischen Dogmatiker zwar nicht sagtfen, aber doch
als Mangd oder Einseitigkeit empfxmden haben müssen, und
was in ihren damaligen Entgegnungen mitsprach ; darum eben
wollten sie nicht einräumen, dass das Bekenntnis ein a^
quater Ausdruck des Glaubens sei. Die Hülsemaim, Quen-
stedt, Musäus, die wir vorhin zu Ctehör brachten, haben
nirgends positiv getadelt; beeweifek oder auch nur etwas
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J>£e STBLI.UWG DES APOSTOLISCHEN SYMBOIiS. 91
hinweggewünscht; und nur Calov, übrigens der am wenigsten
nachahmungswerte; wagt es anzudeuten , dass nicht alles in
das Symbol EingeiUgte auf gleicher Linie der Notwendigkeit
liege. Allein sie fanden, wie schon gesagt , ihren eigenen
Glaubens- und Lehrbedarf höchst imvollständig in der Formel
niedergelegt; ihnen wäre es am liebsten gewesen, wemi die
ganze Reihe der Artikel, welche in den grösseren pro-
testantischen Bekenntnisschriflen bearbeitet worden, wie Erb-
sünde, Rechtfertigung, Versöhnung, Heiligung nebst den
Verschärfungen der Christologie in das Symbol hätte einge-
schüttet werden können, und dann würden sie auch zufrieden
gewesen sein. Darin können wir ihnen nicht folgen, schon
darum nicht, weil wir wissen, dass jede derartige Ueber-
ladung die natürliche Einfachheit eines liturgischen Bekennt-
nisses zerstören muss. Aber sie fühlten doch richtig, wenn
sie von der Ueberzeugung ausgingen, dass auch ihr eigenes
neueres Zeitalter ein Recht der Bezeugung mitbringt, dass
also eine Befriedigung erst dann eintreten würde, wenn sich
mit dem Stanmi des Ueberlieferten ein bedeutungsvoller Zug
des reformatorischen religiösen imd sittlichen Geisteslebens
verflechten liesse. Li diesem Sinne haben wir ihnen bei-
zustimmen. Sollte in einer für uns unbestimmbaren Zukunft
es dahin kommen, dass der Entwurf eines neuen Gemeinde-
bekenntnisses geboten erscheint: dann würde eine Anforde-
rung dieser Art sich unweigerlich geltend machen; auch der
eigene lebendige Geist der Gemeinschaft müsste seinen ge-
staltenden und benennenden Beitrag liefern, so gut als das
kirchliche Altertum sich nicht enthalten hat, seiner besonderen
Vorliebe Ausdruck zu geben.
Das sind die Beherzigungen, welche meines Erachtens
einer eigentlich dogmatischen Fassimg und Pression des
Apostolicums entgegengehalten werden müssen. Denn diese
würde, für sich gelassen, zu dem Gedanken treiben, dass
das protestantische Christentum überhaupt und für immer
an diese Formel gebunden sei, dass es mit ihr stehe
und falle.
Der Leser wird bemerkt haben, dass im Vorstehenden
nicht etwanige praktische Massregeln, sondern nur Auf-
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92 ÖASS, DIE STELLUNG DES APOSTOLISCHEN SYBfBOLS.
fassungen des Gegenstandes, diese aber in dogmenhistori-
schem Zusanmienhang besprochen werden sollten. Möge
die Abhandlung denen einen Dienst leisten, welche geneigt
und gewohnt sind, bei der Untersuchung kirchlicher Tages-
firagen auch die historische Erinnerung zu Rate zu ziehen.
[Heidelberg, im April 1878.]
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Kritische Uebersicht
Aber die dogmen^esebicbtlicben Arbeilen
aus den Jahren 1875 — 1877.
Von
Prof. D. Hoeller in Kiel.
II.
Zur Dogmeogeschichte des Mittelalters').
3. Zur arabisohon nnd Jfldisoheii Religionsphllo-
sophie.
W. Spitta, Zur Geschichte Abul-Hasan al-As'ari's. Leipzig 1876,
Hinrichs. (Vm, 147 S. in gr. 8^)
Fr. Dieterioi, Die Philosophie der Araber im 10. Jahrhundert. Ein-
leitung tmd Makrokosmos. Leip2dg 1876, Hmrichs. (VU, 227 S.
in gr. 8<».)
— — , Die Katuranschauung und Naturphilosophie der Araber im
lö. Jahrhundert (Die Philosophie der Araber, 5. Tl.). 2. [Titel-]Au8g.
Leipzig [1861] 1876, Hinrichs. (XVI, 216 S. in gr. 8«.)
— — , Aristotelismus und Platonismus im 10. Jahrhundert n. Chr.
bei den Arabern. (In : Verhandlungen der 29. Versammlung deutscher
Philologen und Schulmänner. Leipzig 1875. S. 89 — ^96.)
— — , Die Theologie des Aristoteles, nach einem auf der Philo-
logen-Versammlung zu Tübingen gehaltenen Vortrage. (In : Zeitschr.
d. DMG., Bd. XXXI, S. 117—126.)
8. I«aiidauery Die Psychologie des Ibn Sinä. (In: Ztschr. d. DMG.,
Bd. XXIX, S. 335—418.)
Averroes, Philosophie und Theologie. Aus dem Arabischen übers.
von M. J. Müller. München 1875, Franz. (122 S. in gr. 4».)
MerX| Die Religionsphilosophie des Averroes (In : Philos. Monatshefte
XI, 145—165.)
») Vgl. Bd. II, S. 418—449 dieser Zeitschrift.
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94 KBITISCHE f BERSICHTEN. MOELLEB,
M. Joel» Beiträge zur Geschichte der Philosophie. 2 Bde. BreslaO)
H. Skutsch. (100, 48, 105 und 83 S.; IV u. 83; XI u. 76, 74, 54 S.
m 8«.)
M. Maler, Vorlesungen über die jüdischen Philosophen des Mittel-
alters. 1. Abth., enthaltend eine Darstellung der Systeme Saadia's,
Bachjah's, Ihn GabiroPs, Jehuda Halevi's und Ihn Esra^s. Wien 1876,
Winter. (VIÜ, 128 S. in gr. 8«.)
D. Kaufinann, Geschichte der Attributenlehre in der jüdischen Reli-
gionsphilosophie des Mittelalters von Saadja bis Maimüni. Gotha
1877, Perthes. (XIV, 528 S. in gr. 8«.)
D. Rosin, Die Ethik des Blaimonides. (In : Jahresbericht des jüdlsch-
theol. Seminars Prsenkerscher Stiftung. Breslau 1876, Jungfer's
Buchdr. [Skutsch]. S. 1—150 m gr. 8«.)
Als mitconstituirende Factoren für die zur Blüte ent-
wickelte Scholastik kommen arabische und jüdische Philo-
sophie hier in Betracht Für erstere nenne ich Spitta's
Darstellimg jenes Mannes, welcher im 10. Jahrhundert der
vornehmste Vertreter der Reaction der Orthodoxie gegen die
rationalisirende Richtimg der Mutaziliten war, nachdem er
selbst sich von letzterer abgewendet liatte. Eine Liste seiner
Werke und einige Texte sind beigefügt '). Sodann sind
Dieterici's Arbeiten zu nennen; die an erster Stelle ange-
führte bildet die erste Hälfte des ersten, allgemeinen Teils
der Philosophie der Araber im 10. Jahrhundert nach Christus
(aus den Schriften der lautem Brüder), während die seit
1865 unter besonderen Titeln erschienenen sich dazu als die
verschiedenen Abteilimgen des zweiten, speciellen Teils ver-
halten. Sie repräsentiren uns das nach Dieterici in der zweiten
Hälfte des 10. Jahrhunderts in einer Art von Encyklopädie
zusammengefasste und zugleich unter mystisch - speculative
Gesichtspunkte gebrachte Wissen aus den Kreisen jener so-
genannten lautem Brüder. Der jüngst erschienene Teil (Ein-
leitung, Makrokosmus), welchem der Mikrokosmos bald folgen
soll, giebt nach etwas weit ausgreifenden orientirenden Rück-
blicken auf Judentum und Christentum, Gnosis, Manichäismus
imd Entwicklimg christlicher Speculation einerseits, auf die
innere Entwicklung des Islam andrerseits, eine Darstellung
1^ Vgl. Laudauer' s Auz. üi d. öött. Gel. Anz. 1878, Stück 12.
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DIE DOGMEKGESCHICHTLICHBN ABBBITEN 1875-1877. 95
der GrundJinien der hier vertretenen Weltanschjuiüng; in
welcher die aristotdÜschen Elemente stark mit neuplatonischen
und pythagoreiacbeu versetzt sind. Man wird die Bedeutung
dies^ Erscheinung, welche in der Tat ein wichtiges Glied in
der Kette der von der neuplatonischen Theosophie aus sich
erstreckenden Wirkungen bildet, darum nicht geringer schätzen
dürfen, weil man sich durch A. Springer *) daran erinnern
läsat, dass diese mystisch-speculative Bichtung der geheimen
Brüderschaft allerdings nicht als „die Philosophie^' der Mus-
lim angesdiien werden darf. Eine interessante Ei^änzung
des hier Gegebenen und in dem oben an dritter Stelle ge-
nannten Vortrag in engeren Grenzen Behandelten giebt der
an vierter Stelle genannte Vortrag über die sogenannte „Theo-
logie des Aristoteles", jene zuerst in Rom 1617 gedruckte,
aber den Scholastikern bereits bekannte Schrift, welche in
ähnlicher Weise Aristotelisches mit Neuplatonischem ver-
schmilzt Dieterici charakterisirt dieselbe und bezeichnet sie
als den etwa hundert Jahre älteren Vorgänger des erweiterten
Systems der lautem Brüder — nach der^eigenen Angabe
des Buches, dass ein Christ Näima aus Emesa dieses von
Porphyrius dem Tyrier erklärte Buch des Aristoteles aus
dem Ghriechischen ins Arabische für Al-Kindi übertragen
habe (vgl. dazu schon Haneberg, Sitzimgsber. der MüncL
Akademie 1862, I, 1 — 12). „In einer bestimmten Reihen-
folge, in der Theolc^e des Aristoteles, den Schriften der lau-
tem &üder und den Schriften des Maimonides, hat ein byzan-
tinischer Christ, haben edle Muslim im Osten und ein über
sein Jahrhundert weit hervorragender Jude in Spanien daran
gearbeitet, diese Grundanschauung von der Harmonie des
Alls stets wach zu halten." — Landauer veröffentlicht nach
einer Leidener und einer Mailänder Handschrift mit Zuhülfe-
nahme der alten lateinischen Uebersetzung von Andreas AI-
paguB (Ven. 1646) imd dem betreffenden Abschnitt in dem
Kusari des Jehuda Halewi eine psychologische Schrift Avi-
1) Ztschr. d. DMG., Bd. XXX, S. 330—335. Vgl. noch Literar.
Centralbl. 1877, S. 373 f.; Steiner in der Jenaer Lit.-Zeitung 1876,
S. 697f. und Landauer in d. Gdtt. GeL Anz. 1878, Nr. 1.
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96 KBITISCHE ÜBERSICHTEN. MOELLEB,
cenna's im arabischen Text (S. 339—372) und in deutscher,
mit Anmerkungen versehener Uebersetzung (S. 373 — 418).
£r sieht darin eine Jugendschrift des Philosophen (s. die ein-
leitenden Bemerkungen S. 335 — 339). Den Abschnitt des
Kusari hat er als eine wörtliche Excerpirung unserer Schrift
erkannt, und zwar giebt Jehuda Halewi die hier reprodu-
cirten Erörterungen als Ansicht der Philosophen schlechthin
wieder. Die Untersuchungen über die Selenkräfte im Ein-
zelnen schliessen sich sehr eng an Aristoteles an. Weiterhin
aber enthält die Schrift wichtige Beiträge für die einfluss-
reiche Lehre vom actuellen und potentiellen Verstand (S. 409 f.),
fiir die Auffassung des Verhältnisses des Geistes zum uni-
versellen Verstand, der mystischen Erleuchtung u. s. w. —
Sehr dankenswert ist es, dass M. J. Müller uns die reh-
gionsphilosophischen Abhandlungen des Averroes (unter dem
Titel Philosophie und Theologie) in deutscher Uebersetzung
gegeben hat, welche die Bestimmung des Verhältnisses von
Religion, bzw. Theologie, und Philosophie eigentümlich illu-
striren. Es sini die beiden Schriften: Harmonie der ReH-
gion und Philosophie, und eine Art philosophische Dogmatik
(„Hinwegziehen des Schleiers von den Methoden der Beweise
über die Glaubenssätze der Religion und Bekanntgebung der
verführerischen Bedenklichkeiten und der in die Irre ftihren-
den Neuerungen, welche durch die [allegorische] Interpre-
tation in dieselbe eingetreten sind"). Auch diese Schrift;en
des Averroes sind durchzogen von Polemik gegen Abu Ha-
mid d. i. Ghazzäli, gegen dessen Destructio philosophiae
Averroes seine Destructio destructionis richtete. Er tadelt an
ihm, der die negativen, skeptischen Resultate der Philosophie
hervorgehoben, um in der gläubigen Unterwerfung imter die
religiöse Autorität umsomehr zur Befiiedigung zu kommen,
besonders dies, dass er, wie allerdings schon viele vor ihm
(die Motazila), die heilsame, strenge Scheidung zwischen den
Wissenden und der Menge preisgegeben, speculative Fragen
nicht in der der Menge imzugänglichen Form strenger De-
monstration behandelt habe, sondern in Schriften allgemein
zugänglicher Form (nämlich der poetischen, rhetorischen oder
dialektischen). „Da überschwemmte der Giessbach die Städte.
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DIE DOGM£NO£SCHICHTUCH£N ABBEITEN 1875-1877. 97
Nämlich er teilte die ganze Philosophie und die Ansichten
der Philosophen; so weit ihn sein Verstand führte; der grossen
Menge mit/^ Man muss die Religion in ihrem äussern Wort-
laut festhalten und den Menschen der grossen Menge nichts
von der Vereinigung der Religion und der Philosophie sagen.
Denn dieses ausdrücklich mitteilen heisst ihnen die Resultate
der Philosophie mitteilen ; ohne dass sie eine Demonstration
dafiir haben. Nachdem aber die Mitteilung einmal geschehen;
muss allerdings gezeigt werden; dass die Religion nicht im
OegeuBBiz zur Philosophie steht; noch diese zu jener. Zu
diesem Zwecke sucht die erstgenannte Abhandlung Recht
und Pflicht der dazu Befähigten zur philosophischen Specu-
lation vermittelst einer charakteristischen Exegese ^) aus dem
Koran selbst abzuleiten; sie kann nicht zum Widerspruch
gegen den Inhalt des Religionsgesetzes fUhren; bei anschei-
nendem Widerspruch ist am äusserlichen Wortlaut ,; Inter-
pretation'^ (allegorische Ausl^ung) zu üben. Wie weit diese
zu gehen habc; wird vorsichtig angedeutet; umsomehr aber
betont; dass dies nur Sache der speculativen Philosophie;
nicht der Menge ist. Wenn Averroes am Schlüsse der ersten
Abhandlung in Betreff der verschiedenen Methoden des Für-
wahrhaltens drei Klassen unterscheidet; nämlich 1) die bloss
der rhetorischen Ueberredung Fähigen; 2) die Leute der dia-
lektischen Interpretation (beweisende Dogmatiker; welche vom
Positiven ausgehend dasselbe auf logisch-dialektischem Wege
verteidigen; bzw. begründen) , 3) Leute der evidenten Inter-
pretation und Demonstration; die rein speculativen Philo-
sophen; so tritt er selbst in der zweiten grösseren Abhand-
lung offenbar auf jenen mittleren Standpunkt; um, ohne dass
hier die Philosophie ihr letztes Wort spricht *); durch be-
1) S. darüber Merx a. a. C, S. 155.
s) Wenn Reuter in seiner Skizze der negativen Tendenz der
arabischen Phüosophie (Gesch. d. Aufkl. II, 43 — 53) hervorhebt, wie die
Anerkennung der nicht anzutastenden^ositiven Religion und die Rück-
sicht auf die Menge der Unmündigen bei Ihn Tofail und Averroes die
unbeschränkte Freiheit des Philosophen in seiner die positive Reli-
gion auflösenden Specuiation zur Kehrseite habe, so würde doch damit
eine Anerkennung des Wahrheitsgehaltes in der Religion bei aller
Zeittcbr. t K -0. 111, 1. 7
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98 KBITISCHE ÜBEBSICHTEN. MOEIAjER,
sonnene Erwägung und vorsichtige Abgrenzung eine von irre-
Idtendem Beweisverfahren möglichst gereinigte, den Kern
der muhamedanischen ReUgionalehre festhaltende mittlere Eiv
keuQtnis zu gewinnen. Die Ausfuhrung enthält eine Reihe
interessanter Erörterungen nher die Existenz Gk)ttes (die
Ueberzeugung davon ist nicht auf blosse Autorität zu grün-
den, auch nicht auf dem mystischen W^e der Ssufis zu
gewinnen, obgleich die Abtödtung der Begierde eine notwen-
dige Bedingung rechter Öpecidation ist, sondeni mittelst
rationeller Argumentation) ; Einheit imd Eigenschaften Gottes;
„Kenntnis der Freiheit Gottes von UnvoUkommenheit" (d. i.
Unkörperlichkeit und Unräumlichkeit Gottes; hier vorsichtige
Erörterungen, weil anerkannt wird, dass die religiöse An-
schauung von beiden nicht völlig loskommen könne); end-
lich Kenntnis der Handlungen Gt>tte8, nämlich Hervorbringong
der Welt, Sendung der Propheten, Prädestination und Rat-
schluss Gottes, Unrecht und Gerechtigkeit (gegen die Ascha-
riten, welche im Interesse der absoluten Determination be-
haupten, dass von Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit nur
nach Massgabe des positiven rdigiösen Gesetzes die Bede
sein könne, nicht vom Standpunkte des Absoluten); endlich
Eschatologie. Aus den zahlreichen Erörterungen sei hervor-
gehoben, dass der Verfaßser wiederholt Beweisarten fiir das
Dasein Gottes, welche zur Kategorie des kosmologischen Argu-
ments gehören, als nicht zmn 2Uele führend verwirft und da-
g^en mit Nachdruck auf die teleologische Betrachtimgsweise
des jAysikotheologischen Arguments als religiös einleuchtend
sich zmnickzieht. In dem Zusatz Ö. 119 — 122 rechtfertigt
Averroes sich hinsichtlich der den Philosophen zum Vorwiuf
gemachten Behauptung, Gott wisse die paiücularia nicht:
allerdings wisse er sie nicht mit einem hervorgebrachten
(durch das Entstehen der Einzeldinge causirten) Wiss^i^ da
Gott die Ursache von ihnen, nicht seinerseits in seinem Wissen
von ihnen bedingt sei. Die Merx'sche Abhandlung weist
auf die Zeitlage hin, von *der Averroes persönlich berührt
philosophischen Unhaltbarkeit ihrer Vorstellungsformeii noch nicht
schlechthin ausgeschlossen sein.
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DI£ D0eH£KO£SCHlCHTLtCH£K A£B£IT£N 1875—1877. 99
und in semer vorsichtigen Haltung bestimmt anscheint; charak-
terisirt den Standpunkt und weist nicht ohne Grund auf den
wirklichen Mangel eines tieferen Verständnisses vom Wesen
der Religion bei Averroes hin.
Die Beiträge Joel's zur Geschichte der [jüdischen]
Philosophie, welche jetzt gesammelt ausg^eben werden, sind
sämmtlich früher erschienen. Zwei (über Philo) stehen zur
patristisch^i Dogmengeschichte, die bekaimten Abhandlungen
über Maimonides, Albertus des Grossen Verhältnis zu Mai-
monides, über Levi ben Gerson, Ibn Gabirol, Saadias zur
scholastischen in Beziehimg und sind trotz der Neigung des
Verfassars, die Verdienste der Juden in eine übertriebene Be-
leuchtung zu stellen, von anerkanntem Werte ^).
Die E i s 1 e r' sehen Vorlesungen bilden die erste Abteilung
zu der bereits 1870 erschienenen Abhandlung über Moses Mai-
nM)nides als der zweiten; mit der „bald zu erscheinenden'' (sie!)
dritten (zur Philosophie des Mittelalters nach M. Maimonides)
hofit der Verfesser das Werk zu Ende zu bringen. Höhere
wissenschaftliche Ansprüche darf man an diese Vorlesungen,
auch abgesehen von ihrem oft recht schlechten Deutsch, nicht
machen; indessen geben sie in ihren Referaten aus den Werken
Saadja's, Bachja's, Grabirors, Jehuda Halewi's und IbnEsra's
(besonders über seine Berührung mit Gabirol in Commentaren
tmd kleinen Schriften) immerhin einen bequemen UeberbUck;
der mächtige Einfluss, welchen Gabirol's Föns vitae auf die
Scholastik des 13. Jahrhunderts gehabt hat, veranlasst den
Verfasser zu der lächerUchen Uebertreibung, jenes Buch habe
„den Grund zur mittelalterlichen Scholastik gelegt". Von
bei weitem höherem wissenschaftlichen Werte ist das um-
fengreiche Werk von Kaufmann; das liegt auch für den
auf der Hand, der, wie Referent, die sprachlichen Aufstel-
lungen des Verfassers imd mithin seine Auffassung im Ein-
zelnen nicht zu controUiren vermag. Das Werk ist eine
überaus reiche und dankenswerte Fundgrube auch für eine
Menge von einzelnen Fragen imd Problemen. Da Streif-
1) Die übrigen Abhandlungen bezieben sieb auf Neueres (Spinoza,
Mendelssohn u. s. w.)
7*
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100 KRITISCHE ÜBERSICHTEN. MOELLER,
lichter auf das ganze Gebiet arabischer und jüdischer Philo-
sophie fallen , so war der Index unentbehrlich; derselbe ist
nun auch hinsichtlich der Personennamen sehr vollständig,
hinsichtlich der in Frage kommenden Materien dürfte er bei
der Fülle der Untersuchungen etwas mehr ins Einzelne gehen.
Mit besonderer Sorgfalt verfolgt der Verfasser die illustriren-
den Parallelen aus der arabischen Philosophie. Natürlich
nötigt die Geschichte der Attributenlehre, auf den Gottes-
begriff überhaupt einzugehen imd dabei allgemeinere Fragen
zu berülu*en. Saadja's religionsphilosophische Stellung ist
dui'ch die Füi'st'sche, aus dem Hebräischen Tibbons geschöpfte
Uebersetzung des Hauptwerkes Emunoth grösserem Kreise
zugänglich; Eautinann bringt aber, obwohl er nur an we-
nigen Stellen den nur handschriftUch vorhandenen arabischen
Grundtext heranziehen konnte, mehrfache Berichtigung und
vielfache Erläuterung. In der Beurteilung der Attributen-
lehre Saadja's, welche bereits im Anschluss an die Mutazila
die Tendenz, den Qt)ttesbegriff von allen endÜchen Bestim-
mimgen zu befreien, bis zur Zurücknahme aller Attiibute in
die göttliche Einheit verfolgt, bemüht sich m. E. Kaufmann
vergeblich , S. 28 f. einen wirklichen Untei'schied zwischen
Saadja's Aufstellungen und den analogen der christlichen
Väter zu finden. Saadja folgt auch darin den Mutazila,
dass der Schluss der Attributenlehre in Bekämpfung der
christlichen Dreieinigkeit ausgeht, welche als Hypostasinmg
der Attribute *) gefasst wird (S. 37 ff.). Beachtenswert ist
auch die Stelle über die verschiedenen christlichen Ansichten
1) Wenn dabei Saadja (S. 41 f.), wie auch Schahrastani, eine Trini-
tätslelu*e voraussetzt, welche sich auf die Dreiheit von Wesen, Wissen
und Leben gründet, so ist das doch nicht so singulär, wie es zunächst
scheint. Es geht zurück auf die herrschende Vorstellung, dass der
Logos des Vaters Vernunft und Weisheit ist, ohne welche er nicht
wissend und weise wäre; daran konnte sich leicht eine ähnliche Ver-
wertung des solennen Prädicats des Geistes (ro xvQioy , tu C<oo7ioioV
Nicaeno-Const.) schliessen, obgleich dabei ursprünglich nicht sowohl an
das immanente trinitÄrische Leben, als an das Prineip des wiederge-
borenen Lebens gedacht ward (^Basil. de sp. s., c. 24 (§ 56] ; vgl. c. 15
[§ 36], c. V* [§ 2*2]). Vgl. übrigens die Dreiheit yovc, Xnyoc, Cw»f im
Bfkeuiituis des Jacob Baradaeus bei Coruill {a. o. II, i3^).
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DIE DOOMENGESCHICHTT.TCHEN ARBEITEN 1875-1877. 101
von den Naturen Christi, S. 48 ff, die aber von Kaufinann
nicht ganz richtig auf die verschiedenen kirchlichen Parteien
bezogen werden *). Für Bachja, dessen Namen der Verfasser
auf Saadja folgen lässt, begnügt er sich damit, auf seine
frühere Darstellung (Sitzungsberichte der phil.-hist. Klasse der
k. Akad. d. W. zu Wien, Bd. LXXVH, S. 257 — 280) zu
verweisen. Bei Sal. Ibn Gabirol (S. 93—115) bemüht sich
der Verfasser nachzuweisen, dass er nicht, wie gemeiniglich
angenommen, den Willen als mittlerische Hypostase zwischen
die erste Substanz als Ursache und die Zweiheit ihrer Wir-
kung (Stoff imd Form) einschiebe, noch auch, wo er ihn mit
der Weisheit identificirt, ihn als wirklich unterschiedenes
Attribut im Sinne einer realistischen Eigenschaftslehre ange-
sehen wissen wolle. Die Beweisführung scheint mir zu über-
sehen, dass bei den beherrschenden neuplatonischen Grund-
gedanken die Unterscheidung des für sich seienden, abstract
einheitlich gefassten Gottes und Gottes nach der Seite seiner
Aeusserung und Wirksamkeit in der Welt (=Wille) eben not-
wendig zu einer schillernden Vorstellung fuhrt, welche zwi-
schen der einer von Gott unterschiedenen Hypostase und
der einer mit Gott wesentlich identischen, formenden Kraft
schwankt, und dass in ähnlicher Weise auch jede reale
Unterschiedenheit eines Attributes von Gott geleugnet wird,
und der Philosoph doch nicht umhin kann, in Gott selbst
ein Begründetsein jener Duplicität anzunehmen, welche in
allem Geschaffenen erscheint. Im Uebrigen scheint allerdings
die Polemik des Verfassers namentlich gegen Joel, welcher
im Föns vitae nichts als ein Lehrbuch der neuplatonischen Philo-
sophie sehe und die Aussagen Gabirol's zu sehr nach Plotin
messe, nicht unberechtigt *). Sehr dankenswert ist die darauf
folgende Darstellung der Lehre Jehuda Halewi's. Hier weist
>) P. Bloch, Glauben und Wissen; Samllah^s religiousphilo-
sophisches Buch, aus dem Hebr. übersetzt, (im Jüdischen Literatur-
blatt 1878) ist mir nicht zugänglich gewesen.
«) Frank 1 in seiner Recension Kaufmannes (Ztschr. d. DMG.,
Bd. XXXII, S. 213 — 221) erkennt an, dass K. in einigen nicht
unwesentlichen Punkten die Unabhängigkeit (rabirors von Plotin nach-
weise.
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102 KRITISCHE CbERSICHTEN. MOELLER,
Kaufinami (S. 117 — 140) nach, dass der Standpunkt Halewi's,
der des positiven Offenbanings- und Traditionsglaubens, wel-
cher die Anmassung der Philosophie zurückweist und ihre
Zersetzimg der religiösen Wahrheit durch Hinweisung auf
die eigene Zwiespältigkeit und Unsicherheit ihrer Beweise
scharf bekämpft^ aber vom sichern Boden des Glaubens aus
die Dienstleistung philosophischen Denkens zur Rechtfertigung
des Glaubens selbst beansprucht, nicht nur der Stellung
Ghazzali's wesentiich analog sei, sondern directen Einfluss
von dessen Schriften verrate. Hierfür macht er unter vielem
anderen auch geltend das Zusammentreffen in den drei
Punkten, welche in der Destructio philosophiae Ghazzalis als
die eigentlichen Hauptketzereien der Philosophen hervorge-
hoben werden: Ewigkeit der Welt, Gottes Unkenntnis der
E^inzeldinge und speculative Verflüchtigung der Lehre von
Lohn und Strafe im Jenseits (vgl. das Gedicht S. 129); die
besonders von Gh:iltz (Gresch. der Juden VT, 138) behaup-
tete Originalität Halewi's lässt also der Verfasser in dieser
Beziehung nicht gelten, was ihn nicht hindert, die Verdienste
Halewi's im übrigen hoch anzuschlagen. Kaufmann rühmt
die klare Erkenntnis Halewi's darin, dass wir auf specula-
tivem Wege zu wirklichen Aussagen über Gottes Wesen
nicht kommen; Halewi unterscheidet Attribute der Tätigkeit,
relative — richtiger Attribute der Relation — und n^ative
Attribute, lässt aber das Wesen Gottes selbst von diesen
allen nicht berührt werden und will dadurch die so sehr
perhorrescirte Verendlichung des Absoluten durch eine Mehr-
heit von unterschiedenen Bestimmungen vermieden sehen.
Er zuerst räimie mit den die Früheren (Saadja, Bachja) in so
grosse Schwierigkeiten verwickelndenWesensattributen völlig
auf und zeige die wahre Einsicht in das Wesen der n^a-
tiven Attribute, auf deren Wert auch die positiv ausgedrückten
Attribute (wie lebend. Einer etc.) reducirt werden. Ich ver-
mag in der Verfolgung dieser Richtung ein so besonderes
Zeugnis hervorragender Gedankenkraft, wie sie Kaufinann
rühmt, nicht recht zu erkennen. Im Grunde wiederholt sich
in der Auffassung der sogen, negativen Attribute nur die
alte neuplatonisch-areopagitische Weisheit, welche das Abso-
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DIE TX)OMENaESCHICHTLICHEN ARBEITEN 1875-1877. 103
lute in ßciner Ueberachwänglichkeit über alle Bejaliimg und
Verneinung hinaushebt Dabei verßihrt überdies Halewi, wie
Kaufinann anerkennt, keineswegs consequent. Das Schwer-
gewicht liegt nun aber auf der den Vemunftschlüssen gegen-
übergestellten offenbarungsmässigen Gotteserkenntnis als eineir
^r&hnmgsinässigen (auf dem aussen und innem Sinn be-
ruhenden). Hier sind die Erklärung des höchsten Gottes-
namens (twr) als des durch Offenbarung gegebenen Eigen-
nam^is des Offenbarungsgottes in seiner wunderwirkenden
Allmacht, die Theorie von der Kette der Offenbaruugsträger,
von den g^chaffenen Lichterseheinungen als den Medien der
äusseren Gottesoffenbarung, von den inneren Wahrnehmungen
der Propheten vermittelst des inneren Sinnes, aus deren bei
ihnen allen übereinstimmenden Bildern ihr Verstand das
Wesen dessen erschliesst, was ihnen geoffenbart werden
soll, von grossem Interesse; nur der prophetischen (auf Er-
fahrung und Anschauung ruhenden) Gotteserkenntnis eignet
j^ie lebendige Ueberzeugungskraft, aus der Liebesglut und
freudige Opferwilligkeit hervorgehen *). Sehr dankenswert
ist auch die ausfiihrliehe Behandlung der Lehre Joseph Ihn
Zaddik's (S. 25^ — 337), zu dessen von Jellinek herausge-
gebenem Sefer Olam Hakaton der Verfasser neue CoUationen
verschiedener Handschriften benützt hat Wir verweisen auf
die entwickelte principielle Stellung des unter den neuplato-
nisehen UeberÜeferungen der lauteren Brüder stehenden Ver-
&wer8 g^^nüber der ihm als Halbheit erscheinenden philo-
sophirenden Theologie des Earäers AI Basir (S. 265—276,
woBU S. 336 Anmerk. zu verglichen, wo eine Aeusserung
dies Maimonides über die philosc^hische Stellimg Tbn Zad-
dik's nach G^igw's Vorgange geg^i ein weit verbreitetes Mis-
verständnis sichergestellt wird) ; auf die Bekämpfung der Lehre,
dasB Gott mit einem geschaffiönen Willen wolle, imd die Be-
*) Die in der Tai höchst anziehende Persönlichkeit dieses jüdischen
Beligionsphilosophen hat Kaufinann in einem besonderen Schriftchen
geschildert: „Jehuda Halewi; Versuch einer Charakteristik" (Breslau
1877, Schlettcr'sche Buchhandlung 48 S. in 8*). Eia wenig übcr-
schwänglich und doch das Eigentümliche wenigstens des Dichters für
dm NicftiHEeitner nicht gnMfe tief ersehliessend.
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104 KRITISCHE ÜBERSICHTEN. MOELLER,
mühungen (S. 303 — 311) in der Annahme des mit Gottes
Wesen identischen Willens der Unveränderlichkeit Gottes
nicht zu nahe zu treten; auf die Ausschliessung alles Nach-
denkens und Ueberlegens von der göttlichen Schöpfertätig-
keit (S. 319), welche Ihn Zaddik nach des Verfiissers An-
nahme aus der sogenannten Theologie des Aristoteles aufge-
nommen habe, u. a. m. In Betreff des Abraham Ibn
Daud (dessen Darstellung nun S. 339 — 360 folgt) hatte der
Verfasser schon fiiiher (S. 241 — 252) bemerkt, dass das auf-
fallige Schweigen desselben über den ihm ohne Zweifel be-
kannten Kusari des Jehuda Halewi die erate Reaction des
Aristotelismus im Judentum gegen die von Ghazzali ausge-
gangene, von Jehuda Halewi entwickelte Denkweise bezeichne.
In der Erörterung seiner Gotteslehre scheint manche Stelle
der Uebersetzung des Emunah ramah von Simson Weil Be-
richtigung zu empfangen. Die Arbeit des Verfassers gipfelt
nun in der mit besonderer Vorliebe ausgeführten Darstellung
der betreffenden Lehre des Mai mo nid es. Vom Begriff der
Einheit (und Einfachheit) Gottes wird hier mit grossem Nach-
druck gegen jede positive Prädication Gottes vorg^angen,
die Einsicht in die Erhabenheit Gottes über alle Erkenntnis
und die Unerkennbarkeit seines Wesens ist die wahre Gottes-
erkenntnis. Weder Definitionen, noch Teile von Definitionen
(dem Wesen inhärirende Attribute), noch Qualitätsbestimmungen,
noch wirkliche Relationen können von Gott ausgesagt wer-
den; lediglich indem man Gott seine Tätigkeiten beilegt,
kann man zu positiven Aussagen über ihn konunen, bei denen
man aber sich bewusst bleiben muss, dass diese Aussag^i
mit dem Wesen Gottes nichts zu tun haben, imd die Ver-
schiedenheit der Tätigkeiten nicht aus inneren Unterschieden
im Wesen des Urhebers hervorgeht Unter den Zurück-
weisungen verschiedener Einwände hebe ich die charakte-
ristische Erörterung über die dreizehn Eigenschaften (Mid-
doth) der Stelle Exod. 34, 6. 7 und die vorausg^angene
Erzählung hervor, welche darauf hinausläufl, dass alle diese
Eigenschaften auf Tätigkeitsattribute reducirt werden (S. 402
bis 414). Als allgemeiner Kanon zur Beurteilung aller Gott
beizulegenden Attribute gilt der vierfEUjhe: 1) alle Körper-
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DIE DOGMENGESCHICHTLICHEN ARBEITEN 1875-1877. 105
Hchkeit ist von Gott auszuschliessen (aber jede Aufhebung
von Gottes Einheit [Einfachheit] fiihrt zur Verkörperung,
S. 373 f.), 2) desgl. alle Affection und Veränderung; 3) keine
blosse PotentiaUtät ist von ihm auszusagen (Gott ist reine
Actualität), 4) desgl. keine Aehnlichkeit mit einem Geschöpf.
Auch wo nominell letzteres unvermeidlich ist, handelt sich's
bloss um eine Namengleichheit sachlich disparater Dinge (so
wenn wir Gott Dasein zuschreiben, s. S. 422). Natürlich,
flüchtet nun auch Maimonides zu den n^ativen Eigenschaf-
ten, auf deren Wert auch alle positiven Aussagen, zu denen
der Glaube sich genötigt sieht (soweit sie nicht Tätigkeits-
aussagen sind), zu reduciren sind. Dies geschieht nicht ohne
Sophistik, gegen welche Kaufmann (S. 477 f.) seinen Philo-
sophen vergeblich in Schutz zu nehmen sucht, wie am
stärksten die Ai^umentation des Maimonides (S. 455f.) zeigt,
dass man sich wirklich durch fortgesetzte Negation dem Be-
griff eines Dinges nähere, — eine Argumentation, welche ernst-
lich auf Gott bezogen den positiven Begriff vielmehr voraus-
setzt, der durch fortgesetzte Negation nur specificirt wird,
nicht emsthch genommen aber, wie von Kaufmann (S. 456.
476) geschieht, kein tertium comparationis mehr bietet.
Der fiir diesen ganzen Standpunkt geeignetste Ausdruck ist
der häufig wiederkehrende: Gott ist gleich sehr über die ihm
scheinbar beigelegte Vollkommenheit wie über die von ihm
abgewehrte UnvoUkommenheit erhaben. Bezeichnend für den
intellectualistischen Standpunkt des Maimonides, dem die Stufe
der Gottesnähe genau dem Grade der Gotteserkenntnis ent-
spricht, ist es mm, dass er nach Obigem die Grade der Gottes-
erkenntnis nur zu messen weiss nach dem Masse des ge-
wonnenen Fortschrittes im Negiren positiver Bestimmungen
(S. 440f.)i). — Mit der Ethik des Maimonides beschäftigt
sich die fleissige Arbeit Rosin's *), deren Einleitung auf das
Verhältnis zu den arabischen und jüdischen Vorgängern so-
1) Vgl. noch dleRec. von Simonsen in d. Theol. Lit.-Ztg. 1878,
Nr. 4.
«) Vgl. dazu Kaufmann i. d. Ztschr. d. DMG., Bd. XXX, S. 359
bis 366. Lit. Centralbl. 1876, Nr. 19.
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106 KRITISCHE ÜBERSICHTEN. MOEUiER,
wie auf rlie allp;€meine Stellung des Maimonides zu der
Frage nach dem Verhältnis der wissenschaflliehen Erkennt-
nis zu der heterogenen religiösen Ueberlieferung eingeht
Der erste Teil handelt von der allgeineinen Ethik, be-
spricht die Eingliederung der Ethik als Wissenschaft von
der Selbstleitung in die praktische Philosophie, ihr Princip
in der Kategorie von Gut und Böse und ihr Verhältnis zur
Offenbarungslehre. Während im Gebiete des Notw^idigen
die Kategorie Wahr und Falsch herrscht und den Inhalt
der Vemunfterkenntnis bildet» herrscht im Gebiete der Frei-
hat die Kategorie Gtit und Böse, welche nur Sache des
Meinens und Annehmens (der subjectiven Entscheidung,
Aol^aCiiy) ist. Vor dem Sündenfalle besass der Mensch natür-
lichen Verstand und Vemunftbegriffe, aber die sittlichen Be-
griffe Gut und Böse waren ihm unbekannt Erst bei der
Uebertretung des göttlichen Gebotes, als er den Gelüsten der
Einbildungskraft und den Eingebungen seiner sinnlichen Be-
gierde folgte, erfuhr er die Gk-enze des sittlich Eriaubten
und sank herab zur Beachtung und Erkenntnis der Kate-
gorie des Guten und Bösen, welche fiir Gott und fUr jedes
reine Vemunftwesen gar nicht gilt. In der Erörterung des
Verhältnisses der Ethik zur Oflfenbarungslehre tritt das ganz
Ungenügende in der Verbindung der religiösen Gesichtspunkte
mit den philosophisch-ethischen aufi&llig zu Tage. Nach der
Darstellung Eosin's hat Maimonides in dem Mischna-Com-
mentar imterschieden : l) Gt3setze für den Einzelnen, welche
sein Verhältnis zu Qt)tt allein betreffen, und deren Erfiillung
zum ewigen Leben fiihrt, und 2) Gesetze zum Besten des
menschlichen Zusamraenlebons (was dir nicht Heb ist, tue
dem andern nicht), welche schon hier ihren Lohn mit sich
bringen. Später (More Neb.) teile er die Lehren der Offen-
barung überhaupt in theoretische und praktische, Lehren der
Wahrheit und der SittBdikeit: die Mosaische Lehre enthalte
zum geistigen Wohle ihrer Bekenner metaphysische Wahr-
heiten (teils ausdrücklich, teils in bildlichen Andeutungen),
sie regle aber auch um des leiblichen Wohles willen das Zu-
sammenleben durch Vorschriften sowohl fiir die Handlungen
als für den Charakter, um der Rechtlosigkeit zu wehren und
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DIE DOOMSWtEÖCHICHTLICHEN ARBEITEN 1875-1877. 107
das Zusammenleben heilsam zu machen. Man vergleiche da-
mit, wie weiterhin in der anthropologisch -philosophischen
Grundlegung, wo auf die Aristotelische Gnmdlage und ihre
Modijfication durch arabische Philosophie eingegangen wird,
die Beziehung der einzelnen Selenkräfte zum sittlichen Leben
sich stellt Maimonides, jjer übrigens die Aristotelische Unter-
scheidung der ethischen und dianoetischen Tug^fiden festhält,
stellt als zweifelhaft dar, ob die Wurzel des vorschrifts-
widrigen und vorschriftsmässigen Handelns bloss im Empfin-
dungs- und Begehrungsvermögen zu suchen sei, oder auch
im Denkvermögen; entscheidet sich aber doch fiir letzteres
und findet das in letzterem wurzelnde sittlich qualificirfce
Handeln, das aUerdings nicht eigentlich Handlung sei, im
Glauben einer wahren oder Irr-Lehre. Hier findet Rosin die
Grundlage für die von Maimonides in die Halachah einge-
führte Mitzählung von Glaubenssätzen als Gesetzen der Thora
(S. 56 Anm.). Die nachdrücklichen Bemühungen des Mai-
monides, die menschliche Freiheit zu wahren und mit dem
Begrifi^ der göttlichen Allwissenheit auszugleichen, finden dann
sorgfältige Darstellimg. Von besonderem Interesse dürfte
weiter die Erörterung über das tugendhafte Verhalten als
Einhalten der rechten Mitte sein, insofern hier das Aristo-
telische Princip zwar entschieden zu Grunde gelegt, aber von
ganz anderen Gesichtspunkten durchsetzt wird, nämlich von
dem Platonischen der Entsinnlichimg (S. 857), wiewohl Mai-
monides die Askese nur als therapeutisch, nicht als an sich
wertvoll gelten lässt. Endlich sind beachtenswert die Mit-
teüungen über das höchste Gut, die höchste Lust des Men-
schen in der Erkenntnis der Wahrheit Die geistige Voll-
kommenheit, bestehend im Besitz der dianoetischen Tugenden,
steht über der ethischen Vollkommenheit. Der reine Intel-
lectualismus wird, wie dem ethischen Lebensinhalt, so auch
dem religiösen gegenüber festgehalten und die Wendung aus
dem Rationellen ins Mystische abgewdirt — die Glückseligkeit
besteht in der Gotteserkenntnis, die auf dem Wege selbstän-
digen Denkens gewonnen wird — ; indessen auf dem höchsten
Punkte liegt letztere doch, wie die schöne Entwickelimg
S. 118 f. zeigt, sehr nahe. Auf S. 120 — 123 giebt Eosin
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108 KRITISCHE ÜBERSICHTEN. MOELLER,
eine Uebersicht über die ethische Terminologie des Maimo-
nides. Der zweite Teil (S. 123—150) behandelt „die Ethik
im besonderen". Der Verfasser meint die ethischen Aus-
fuhrungen hinsichtlich der Ansehauimgen von der indivi-
duellen Sittlichkeit und der sittlichen Gemeinschaft; er giebt
eine Bltmienlese^ welche manches Anziehende enthält Ganz
hat auch der sonst sehr besonnene Verfasser der Versuchung
nicht widerstanden, in dem grossen jüdischen Denker schon die
Vorausnahme späterer philosophischer Erkenntnisse entdecken
zu wollen. Dem Maimonides soll (S. 40 ff.) schon nicht ganz
entgangen sein, was in der Ethik als wesentlichen Factor
eingeführt zu haben als ein Verdienst Schleiermacher's ge-
rühmt werde, nämlich die ethische Bedeutung der Eigen-
tümlichkeit des menschlichen Einzelwesens; allein in dem
vom Verfasser Beigebrachten liegt auch nicht das Allermin-
deste, was eine Erinnerung an Schleiermacher rechtfertigt.
4. Zur Dogmencosohiohte der Soholastik seit Be-
ginn des 13. Jahrhunderts.
Fr. NitsBoh, Die Ursachen des Umschwungs und Aufschwungs der
Scholastik im 13. Jahrhundert. (In d. Jahrb. f. protest. Theol. II,
1876, S. 532—560.)
M. Schneid, Aristoteles in der Scholastik. Ein Beitrag ziu* Geschichte
der Philosophie im Mittelalter. Eichstädt 1875, Krüll. (170 S. in
gr. 8°.)
W. Bedepenning, Ueber den Einfluss der Aristotel. Ethik anf die
Moral des Thomas von Aquino. Groslar (Jena, Deistung) 1875. (31 S.
in gr. 8«».)
El. Werner, Der Entwickelungsgang der mittelalterlichen Philosophie
von Alcuin bis Albertus Magnus. Wien, Gerold's S. Aus: Denk-
schriften der k. Akad. d. W. 1875/6. (82 S. Imp.4.)
— — , Die Psychologie und Erkenutnislehre des Johannes Bonaven-
tura. Wien, Gerold's S. Aus: Sitzungsber. der k. Akad. d. W. 1876.
(70 S. Lex.-8.)
— — , Die Psychologie und Erkenntnislehre des Johannes Duns Kcotus,
Wien, Gerold's S. Aus: Denkschr.der k. Akad. d.W. 1877. (96 S.
Imp.-4.)
A. Jimdt, Histoure du pantht^isme populaire au moyen-äge et au sei-
zi^me si^cle (suivi de pi^ces inedites concemant les fr^res du libre
esprit, maiti-e Eckhart, les übertins spirituels). Paris 1875, Sandoz
et Fischbacher. (310 S. in gr. 8*^.)
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DIE DOGMENGESCaaiCHTUCHEN AEBEITEN 1876-1877. 109
W. Preger, Beiträge zur Geschichte der Waldesier im Mittelalter
(Abh. der k. bayer. Akad. d. W.). München 1875, Franz. (72 S. in
Nie Thoemes, Divi Thomae Aquinatis opera et praecepta quid valeant
ad res ecclesiasticas, politicas, sociales. Comm. lit. et crit. Pars I*.
Berol. 1875, Puttkammer et Mühlbrecht. (4 BL, 150 S. in gr. 8".)
P. Tsohackert, Peter von Ailli (Petrus de AUiaco). Zur Geschichte
des grossen abendländischen Schisma und der Reformconcilien
von Pisa imd Constanz. Anhang: Petri de Alliaco anecdotorum
partes selectae. Gotha 1877, P. A. Perthes. (XVI, 382 u. 53 S. in
gr. 8«.)
Kohler, Die Staatslehre der Vorreformatoren. (In d. Jahrb. f. deutsche
Theologie XIX, 1874, S. 853—392; XX, 1875, S. 83—127.)
F. X. liinsenmann, Konrad Summenhart. Ein Culturbild aus den An-
fangen der Universität Tübingen. Tübingen 1877, Fues. (90 S. in
gr. 8«.)
G. Flitt, Jodokus Trutfetter von £isenach, der Lehrer Luther's, in
seinem Wirken geschildert. Erlangen 1876, Deichert. (60 S. in gr. 8").
Zur allgemeinen Charakteristik des geistigen Besitzstandes
der Zeit hat Liliencron einen anziehenden Beitrag gelie-
fert *). In reinlichen Umrissen giebt Nitzsch (s. o.) Rechen-
schaft über die Ursachen des Umschwunges der Scholastik im
13. Jahrhundert, indem er den neuen Zufluss von Bildungs-
mitteln (der ganze Aristoteles, die arabische und jüdische
Philosophie), die dadurch auf dem Gebiete der Philosophie her-
vorgerufenen Wirkimgen (allmählich eintretendes Uebergewicht
des Aristoteles) imd die Umgestaltung der Theologie in den
engen Grenzen einer Abhandlung vielseitig und umfassend
skizzirt, endlich das Verhältnis der so umgewandelten Scho-
lastik des 13. Jahrhunderts zu der des 12. abwägt. Gegen-
über dieser besonnenen Aufstellung macht Schneid's Arbeit
(s. o.) den Eindruck einer befangenen Parteischrift, obwohl
1) R. V. Lilicnpron, Ueber den Inhalt der allgemeinen Bil-
dung in der Zeit der Scholastik. Festrede, geh. in der öfientlicheu
Sitzung der k. bayer. Akad. d. W. zu München 'München 1876, Franz;
47 S. in gr. 4*). Unbekannt i.st mir geblieben die verwandte Arbf^it:
Boutaric, Vincent de Beauvais et la connaissance de Tantiquit^
cksstque au XIII* si^le (Paris 1875, Palmi^; 55 p. 8®). [Extrait de
la Revue des questious historiques.]
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110 KBITISOHE ܻERSICHTEN. MOELLER^
die fleissigen Zusammenstellungen ihr eine gewisse Brauch-
barkeit verleihen. Die scholastische (thomistische) Theologie
soll gegen den Vorwurf in Schutz genommen werden, dass
sie durch den Aristotelismus und ^eciell den arabischen
Aiistotelismus (Averroismus) „ corrumpirt " sei. Der Verfasser
meint; die Scholastiker des 13. Jahrhunderts seien nicht so-
wohl durch die positive Anziehungskraft; des Aristoteles zu
dessen eifrigem Studium gekommen , als weil sie in der all-
gemeinen Begeisterung für den corrupten arabischen Aristo-
teles eine grosse Gefahr für die Kirche erkannt und; imi diese
Gefahr abzuwenden, zur Bekämpfung des falschen Aristoteles
den wahren studirt hätten, den sie freilich auch als fiir die
ihnen obliegende Aufgabe der Systematisirung der christ-
lichen Wahrheit besonders geeignet erkannt hätten. Der Ver-
fasser erörtert (II. Abschnitt, S. 57 ff.) den Gebrauch, den
die Scholastiker von Aristoteles machen, hebt hervor, dass
sie im Unterschied von der arabischen Philosophie den wahren
und imver&lschten Aristoteles in der lateinischen Uebersetzung
aus dem Urtexte besassen, dass sie in ihren Erklänmgen ob-
jectiv zu Werke gingen, so dass wir in ihren Commentaren
die Lehren des grossen Meisters „im grossen und ganzen voll-
ständig und imentstellt besitzen ^^, dass aber die Scholastiker
den Aristoteles nicht nur in solchen Punkten corrigiren, die
mit dem Glauben unverträglich sind, sondern auch in vielen
andern, endlich auch, dass sie Fortbildner und Vervoll-
konunner der Aristotelischen Philosophie seien. Die Nach-
weisungen über den letzten Punkt (S. 96 ff.) zeigen zwar,
wie die ganze Arbeit, eine recht äusserUche Betrachtungs-
weise (z. B.: die Scholastiker haben durch Aufriahme der
vier Cardinaltugenden die Aristotelische Ethik „completirt",
S. 144), dürften aber doch den brauchbarsten Teil des Buches
bilden. Der Verfasser kommt freilich zu dem fiir seine Ten-
denz mager ausfallenden Resultate, dass die Scholastiker die
Aristotelische Lehre „nicht einfach abgeschrieben und ohne
alle Weiterbildung und Entwickelung aufgenommen haben",
was doch auch wohl niemand behauptet Dagegen bleiben
die tieferen Fragen über das Verhältnis der philosophischen
Voraussetzungen zu den christlichen Gnmdanschauungen un-
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DIE DOOMENGESCmCHTUCHEN AIfcBEITEN 187&~1877. 111
berührt Ib letzterer Beziehung lenkt Redepenning (s. o.)
sdne Untersuchung auf einen bestinnnten Punkt ^ die Moral
dee ThomaB Ton Aquino. Der Verfasser^ in seiner Beurteilung
der Aristotelischen Ethik bednflusst von Walter (;;Die Lehre
Yon der praktisdien Vernunft in der griechischen Philosophie^^;
Jena 1874); skizzirt die bekanntlich sehr weitgehende Ab-
hängigkeit des Aquinaten in der Ethik und ihren psycho-
logischen Voraussetzungen von Aristoteles. Der eigentliehe
Schwerpunkt aber li^ ihm in der Aufweisung der inneren
Widersprüche; in welche Thomas eben dadareh mit christ-
lichen Postulaten gerate; und in der nicht zu beanstanden-
den Nachweisung; dass Thomas in der Verknüpfung christ-
licher Ideen mit Aristotelischen Sätzen es zu einer einheit-
lichen Tugendlehre nicht gebracht habe. Wenn er dabei
(S. 24) hervoAebt: ;;in ganz besonders schwer wiegender
Weise haben die Aristotelischen Philosopheme aui' Thomas'
Auffassung des Guten und Bösen im Zusanunenhang mit
seiner Lehre von Gott eingewirkt", so ist meines Erachtens
übersehen; dass die hier in Betracht konmienden G^ichts-
punkte ihre Einwirkung nicht erst der scholastischen Com-
bination christlicher Lehre mit Aristoteles verdanken; son-
dern bereits in der überwiegend platonischen Theologie der
Väter wurzeln. Umfassendere Einblicke in die Entwickelung
der christlichen Ethik von der patristischen Grundl^ung aus
bis in die ent<ete {Scholastik des 13. Jahrhunderts eröfihet
mit besonderer Beziehung auf Vincentius Bellov.; sowie das
ihm fiUschlich zugeschriebene Speculum morale Gass in
den gehaltreichen Artikeln in dies^ Zeitschriffc (I; 366 — 396;
n, 332—365. 510—536); auf welche es hier nur der Ver-
weisung bedarf. — K. Werner's oben angeiuhrte Arbeiten
münden ebenfalls auf dem Gebiete der entwickelten Scho-
lastik des 13. Jahrhunderts ein und berühren die Fragen
nach dem Einfluss der pliilosophischen Entwickelung auf
theologische Lehren. Die erste Abhandlung bildet dazu die
Brücke; indem sie den Entwickelungsgang der Psychologie
von Alcuin bis Albertus M. verfolgt, hierbei auch auf minder
Bekanntes in dankenswerten Referaten eingeht (z. B. Wilh.
v. Thierry, Isaak v. Stella u. a.) und zidetzt die Anthro-
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112 KRITISCHE ÜBERSICHTEN. MOELLER;
pologie Alexander's von Haies und Albert's behandelt^ wobei
sowohl der Umstand^ dass in beiden bereits der Gegensatz
der Franciskaner und Dominikaner sich fonmrt, als der an-
dere in Betracht kommt^ dass Alexander doch nur erst mit
einem Fusse auf dem neuen ^ durch den imifassenden Ein-
fluss der Aristotelischen Studien geschaffenen Boden steht, mit
dem andern noch auf dem der Platoniker und Mystiker des
12. Jahrhunderts, In der Abhandlung über Psychologie und
Erkenntnislehre des Joh. Bonaventura sind die wichtigsten
zugleich auch theologisch bedeutsamsten Punkte die Lehre
vom göttlichen Ebenbilde und der centralen Stellimg, welche
dem Menschen vermöge seiner LeibUchkeit zukonunt (der
Mensch imago expressior verglichen mit den rein geistigen
Wesen; S. 109 ff.); femer die Ansicht von der allgemeinen
Materie als auch Selensubstrat (materia prima) und von der
vierfachen Stufe der Materialität (S. 114 ff.). Aus der Vor-
stellung von der materia prima leitet Werner es ab, dass es
dem Bonaventura nicht besonders gelinge; die Selbständigkeit
der einzelnen Menschenselen gegen die von Averroes be-
hauptete reale Elinheit derselben metaphysisch zu begründen.
Weiterhin ist hervorzuheben, was über die Bedeutung der
Synderesis bei Bonaventura imd ihr Verhältnis zur con-
scientia beigebracht wird, sowie die Vergleichung mit dem
Sprachgebrauch des Thomas (S. 128 ff.), endHch die Er-
wägungen über die Art, in welcher die scholastische Arbeit
hier ausläuft in die mystische Richtung. Verdienstlich ist
auch die auf die allgemeinsten Voraussetzungen zurückgehende
und durch Beziehungen auf die Gbsammtrichtung der sco-
tistischen Lehre instructive Abhandlung desselben Verfassers
über Psychologie und Erkenntnislehre des Joh. Duns Scotus,
aus welcher für die Dogmengeschichte hervorgehoben werden
möge die gelegentliche Beleuchtung, welche der Gottes-
be^dff (S. 366 f ), die Behandlimg der Tiinitätslehre mit Be-
ziehung auf Augustin u. a. (S. 388 ff. 434 f.), die Vorstellung
von den Engeln und ihrem Verhältnis zimi Menschenwesen
(S. 355 f 359. 379) und die vom Ziel der Seligkeit (S. 39;^ f.)
von den psychologischen imd erkenntnistheoretischen Vpr-
aussetzmigen aus finden. Dem Ganzen, welches durchzogen
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DIE DOGMENGESCHICHTUCHEN ARBEITEN 1876-1877. 118
ißt von Vergleichungen mit Thomas imd von einer sach-
lichen Kritik von sehr subjectivemWert, möchten wir knappere
ZufiammenfasBung und mehr Einfachheit imd Klarheit im
Ausdruck wünschen ^).
Für das Zuströmen der neuen Ideen imd ihre znim Teil
zersetzenden Wirkungen im 13. Jahrhundert bietet der zweite
Band von Reuter' s Geschichte der religiösen Aufklärung
im Mittelalter *) reiches Material, woraus als dogmenhistorisch
besonders wertvoll die sehr sorg<ige Untersuchung über die
Averroisten in Frankreich hervorgehoben werden muss (8. 136
biß 173), welche unter dem Schilde des Satzes von der
doppelten Wahrheit ihre Emancipation von der Theologie zu
vollziehen suchen. Aus den Sätzen der Versammlung von
1277 (unter Stephan Tempier), welche Reuter einer sorg-
fältigen Kritik unterzieht, stellt er sowohl die allgemeine
Opposition des Averroistischen Rationalismus, die principielle
Bekämpfung der „irrationalen Basis" des „culturfeindlichen**
C^iristentums, die Herabsetzung desselben auf die Stufe der
übrigen Religionen dar, als auch in gedrängter Zusammen-
ßtellxmg die Bekämpfung der einzelnen dogmatischen Lehren^
8o der vom Anfang der Welt, von der Schöpfung, der Teleo-
logie (im Sinne eines naturalistischen Rationalismus und Mo-
nismus), der Menschenschöpftmg (für Urzeugung), der spe-
ciellen Vorsehung (hier auch die viel ventilirte Frage über
das Erkennen der particularia durch Gott), des Endes der
Dinge, der Auferstehimg imd individuellen Fortdauer. Ueber
Amalrich von Bona hat P reger den Artikel in der neuen Auf-
lage der Real-Encyklopädie geliefert, womit die Bemerkungen
Reuter's über ihn und die Amalricianer (11, 218 — 235), über
die Secte der Brüder des Geistes (ebd. 240 — 249), sowie über
die Orthbarier (ebd. 235 — 240) zusammenzuhalten sind*).
1) €kui2 an der Peripherie für uns liegt deaselben Verfassers Ab-
handlung: „Die Sprachlogik des Joh. Duns Scotus". Wien, Gerold's 8.
(Aus den Sitzungsber. der k. Akad. d. W. 1877; 85 S. in gr. 8«.)
«) 8. o. Bd. n, 8.434. 441 flf. ; vgl. die Besprechungen von Ritschi,
Stnd. u. Krit. 1876, 8.541— 559, von mir in der Theol. Lit.-Ztg. 1878,
Kr. 14, und von Prutz, National-Ztg. 1878, Nr. 109.
») Der Artikel C. 8chmidt's über die Brüder des freien Geistes
ZeitMhi. f. K.-G. HI, 1. 8
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114 KRITISCHE ÜBERSICHTEN. MOELLER,
Alle diese Erscheinungen finden auch ihre Besprechung in
dem Werke von Jundt, auf dessen Gesammtauffassung-
unten (bei der Mystik und bei den sectirerischen Erschei-
nungen der Reformationszeit) zurückzukommen sein wird.
Der einleitende'Ueberblick, welcher bei dem Areopagiten und
bei Scotus Erigena verweilt, befördert doch eine schiefe Auf-
fassung; weim er einen zweifachen Einfluss imterscheidet, den
die classisch-heidnische Cultur auf die kirchliche Entwicke-
lung ausgeübt habe, nämlich den der dialektischen Formen
der alten Philosophie, welche im Mittelalter zur Entstehung
der Scholastik fuhren, und den gewisser philosophischer Ideen,
der griechischen Metaphysik, welche im Mittelalter von Ge-
schlecht zu Geschlecht fortgepflanzt neben mehreren gross-
artigen philosophischen Systemen eine lange Reihe in sich
verwandter populärer Secten hervoi^bracht habe, welche
bemüht seien, die praktischen Consequenzen dieses traditio-
nellen Pantheismus, den sie mit dem Christentum zusammen-
werfen, zu verwirklichen. Hier ist viel zu schematisch ver-
fahren, als stände die Scholastik nicht auch auf dem Boden
jener griechischen Metaphysik. In der Darstellung von David
von Dinanto imd Amalrich bringt Jundt wesentlich Neues
nicht bei; er schliesst daran (S. 31 — 34) die Vermischimg
Waldesischer und Amalricianischer Sätze bei Stephan von Belle-
ville (Borbone) imd(nach flüchtiger Berührung der Averroisten)
die OrtUbarier. Obwohl Jundt weiterhin bereits viel mit Pre-
ger (Gesch. der deutschen Mystik, Bd. I) sich auseinander-
setzt, hat er hier noch nicht Notiz genommen von Preger's
Mitteilungen über die Quelle des sogenannten Pseudo-Rainerus
(wozu aber jetzt Reuter, Aufklär. II, 375 zu vergleichen ist),
(ebendas. U, 628 f.), ist, abgesehen von einer (ungenauen) Literaturangabe
und der Auslassung des Satzes über den Zusammenhang Eckhart*s mit
der Secte, wörtlicher Abdruck aus der ersten Auflage. Preger ist
weder citirt noch benutzt. Blosse Abdrücke sind auch desselben Ver-
fassers Artikel über die Apostelbrüder (I, 561 f.) und über Arnold von
Brescia (I, 693—^96); hier ist neuere Literatur beigefügt, aber der
dabei genannte Giesebrecht ist in keiner Weise zur Berichtigung be-
nutzt, daher auch von der durch ihn herangezogenen Quelle keine
Notiz gegeben wird.
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DIE DOGMENGESCHICHTLICHEN ARBEITEN 1875-1877. 115
Bondem hält sich einfach an GKeseler. Er leitet übrigens^
obwohl er die Unterschiede nicht verkennt, die OrtUbarier
wohl viel zu direct von den Amalricianem ab. Den David
von Dinanto lässt er noch vor 1209 gestorben sein, was durch
Preger (Myst. I, 186 f.) berichtigt ist ^). In dem Abschnitt
über die Brüder und Schwestern des freien Geistes schiebt
Jundt eine umfassende Erörterung über Meister Eckhart ein
(s. u.), um dann auf ihre weitere Geschichte zu kommen
und die analogen Erscheinungen bis zum Ausgang des Mittel-
alters anzuschliessen. — Es sei hier auch gleich auf die Be-
urteilung des Eatharertums bei Reuter (II, 38 — 43) hinge-
wiesen; Reuter tritt dafür ein, dass die stark aufklärerische
Doctrin (die rationalisirende Umdeutung des Offenbarungs-
Inhaltes) und die entschiedene Opposition gegen die Autorität
nicht sowohl das ursprüngUche treibende Motiv sind als das
Product, die inneren Motive vielmehr in den praktischen Ten-
denzen liegen, für welche das wenig originelle Theoretische
nur die theosophische Rechtfertigung sein solle. Auf die Ge-
schichte der Waldenser („ Waldesier ") hat Preger (s. o.)
neues Licht fallen lassen, welches auch für die dogmenhisto-
rische Beurteilung forderlich ist, indem er uns das Zusammen-
treten jener lombardischen Armen, in denen die Lehren Ar-
nold's von Brescia und der Pataria fortleben, mit den Armen
von Lyon und ihre Transactionen auf der Versammlung zu
Bergamo 1218 enthüllt*).
An Skizzen von einzelnen Scholastikern liefern uns die
beiden ersten Bände der Theologischen Real-Encyklopädie zu-
nächst die des Alexander Alesius, auf Rettberg's Grund-
lage von Fr. Nitzsch nach dem heutigen Stande der For-
schung berichtigend und ergänzend bearbeitet, imd die des
Albertus Magnus von demselben, an welcher dieselben
Vorzüge zu erkennen sind wie am Artikel Abälard ^). Gass
1) wie Jundt jetzt selbst in der Beal-£ncykl. im Art. David
V. Din. anführt.
») Vgl. die Besprechungen von Heriog in d. Theol. Lit.-Ztg.
.1876, Nr. 9; Guerike, Zeitschr. f. luth. Theol. 1877, Hft. 1; Liter.
Centralbl. 1876, Nr. 19; Jenaer Lit.-Ztg. 1876, Nr. 37.
5) Von Sighardt's Werk über Albert ist 1876 eine englische
8*
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116 KRITISCHE tBERSICnTEN. UOELLER,
hat den Artikel Bonaventura einer sorgfilltigenDurcharbei-
tung unterzogen und giebt manche Beriditigong und Er-
gänzimg. An Stelle Hagenbach'ß ißt für Bradwardina
Lechler getreten, wesentlich berichtigend. Irreleiten kann es
nur, wenn Lechler, der für die Entwickelung der Grund-
anschauungen Bradwardina's aus Raumrticksichten auf seine
Uebersetzung von Dixon erschienen. — Es sei mir gestattet, hier einiges
aus der Theol. Beal-Encyklopädie nachzuholen, was oben im zweiten
. Abschnitt der mittelaherlicheu Dogmengeschichte hätte angeführt wer-
den müssen. J. L. Jacobi hat seinen Artikel Bernhard v. Clairv.
sorgfiiltig revidirt und durch einige, an Umfang geringe, für die Cha-
rakteristik aber nicht imwesentliche Zusätze vervollständigt. Aus
seiner Literatiu-angabe ersehe ich, dass es sich bei dem oben (II, 448,
Anm. 3) angeführten englischen Werke über Bernhard nicht um eine
neue Erscheinung handelt. Dass Jacobi an Stelle des Kling'ächsn
Artikels über Anselm v. Cant. einen solchen geliefert hat, ist ein Gre-
winn an Vollständigkeit und Genauigkeit. Desselben Gelehrten Ar-
tikel über Berengar hat gegen den Schluss hin eine Erweiterung
erhalten, welche sich hinsichtlich Berengar's principieller Stellung mit
Beuter auseinandersetzt und die Ausdehnung, welche letzterer der
aufklärerischen Tendenz Berengar^s giebt, zu beschränken suclU:.
W agen mann' s Artikel über Alger von Lüttich ist in der neuen
Auflage nur etwas zusammengezogen, der C. Schmidt' s über A 1 a n u s
(ab Insulis) mit Ausnahme einer Literaturangabe unverändert gebliebeu.
Er reproducirt also die Ansicht, zu welcher er sich durch RavaisBon,
Rapport sur les biblioth^ues de l'Ouest de la Friüice (Paris 1841 ),
p. 157 schon in den Strassburger Beiträgen (I, 100) hatte bestimmen
lassen, wonach die Summa quadiipartita gegen die Häretiker nicht
dem „grösstenteils in England lebenden" Alanus ab Insulis (dem Ver-
fasser des Anticlaudianus , der Schrift De arte cath. fidei u. m. a.),
auch nicht dem seiner Meinung nach von diesem zu unterscheidenden
- Bischof von Auzerre, sondern einem Magister Alanus de Podio ange-
hören solle. Wie es sich nun auch mit den in der Tat sehr dunkeln
Personalien, die von der Hist. littdr. de la France, T. XVI schwerlich
schon ganz aufs Reine gebracht sind, verhalten mag, jene Ansicht
gegen welche schon Giese 1er (K.-G. 11,2. S. 558 der 4. Aufl.) Wider-
spruch erhoben, steht doch grade in der Hauptsache, der Annahme
eines andern Ver^Eissers für die Smnma quadrip. c. haevet. als für den
Anticlaudianus und De arte cath. f., auf ganz schwachen Füssen gegen-
über einem so alten Zeugnis wie dem des Alberlous Monaoh. von Trois
Fontaines (Mon. Genn. XXIII, 881, vgl. auch Otto Fris. Contin.
Sanblasian. ib. XX, 326). — Bernhard von Chartree hat leider in der
Eucyklopädie einen eigenen Artikel nicht erhalten»]
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DIE DOGMENGESCHICHTLICHEN AKBEITEN 1875-1877. 117
anziehende Skizze (Wiclif I, 234 ff.) verweisen muss, es ganz
unzutreffend nennt, wenn man das System Bradwardina's al»
Prädestinatiamsmus bezeichne. J^ie Skizze zeigt freilich^
dass damit nicht geleugnet werden soll, dass dem Augustir
nismus Eäradwardina's die Prädestinationslehre wesentlich sei^
sondern nur, dass seine Anschauungen grade vom Gesichte-
pimkt dieser Lehre aus vorzugsweise bestimmt seien. — Aus
d^Qi an Beiträgen für die Geschichte der Auseinand^:*setzung
der Theologie und PhilosoiJiie, der theologischen Principien-
Idre und Apologetik reichem zweiten Band von Keuter
ist hier noch hinzuweisen auf den Abschnitt über Wilhelm' s
vonAuvergne religionsphilosophische Erörterungen über die
verschiedenen Religionen, in denen das Bestreben allgemeine
Gesichtspunkte zu gewinnen, denen auch das Christentimi zu
Bubsumiren ist, mit dem Interesse, die Positivität der Offen-
barungsreligion zu erhalten, collidirt (11, 107 ff.). Femer
muss ßeuter's Untersuchung über den Standpunkt Roger
Bacon's (ebd. S. 67 — 85), welche in eine interessante Ver~
gleichung mit Abälard ausgeht, als eine wahrhafi:e Bereiche-
rung imserer Literatur über diese merkwürdige Erscheinung
bezeichnet werden *) ; endlich nenne ich noch die Abschnitte
über RaymundusLullus und seine beiden anspruchsvollen
Methoden der Apologetik (ebd. S. 94 ff. 1 14 ff), woraus nament-
Kch hervorgehoben zu werden vw^ent die Schilderung der
Bemühungen, auch für das Historische der Dogmen eine ra-
tionelle Begründung zu gewinnen. — Thoemes' Schrift über
Thomas Aquin's Staatslehre, kirchenpolitische und sociale
Ideen (als B^liner Dissertation schon 1874 erschienen, im
Bochhandd mit dem obigen Titel aber 1875) sei hier nur
ita Vorübei^hen nodi erwähnt, namentiÜch wegen der ge-
nauen Untersuchung der Quellen, die hier in Betracht kommen,
^ Schrift De regimine princip., welche nur bis 11, c. 4
1) Fronmüller'» Artikel über Boger Bacon in der Beal-Ency-
Uopadie irt leider ledi^ch eine etwas verkürzte Wiedergabe dea uu-
bedentendea und heute YöUig veralteten Artikel« der ersten Auflage.
nicht nur die sonstige neuere Literatur ist gäiudich unbenutzt, son*
dem auch das bereits 1859 durch Brower herausgegebene Opus
ttftium existart für den Verfasser noch nicht!
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118 KRITISCHE ÜBERSICHTEN. MOELLER,
von Thomas selbst ausgearbeitet sei, während die weitere
Ausführung von Ptolemäus von Lucca herrührt (so auf Grund
der älteren Untersuchungen gegen K Werner), und des Com-
mentars zur Politik des Aristoteles, der nur bis etwa zur
Hälfte des dritten Buches dem Thomas selbst gehört (die
Fortsetzung dem Petrus de Alveira) *).
Nachdem Tschacke rt bereits in seiner Inaugural-
Dissertation *) sich mit Ailli's Lehre von der l^irche beschäf-
tigt, dann in mehreren Abhandlungen Untersuchungen ange-
stellt über einige einschlagende Schriften •), hat er uns in
dem obigen Werke eine höchst schätzbare Monographie über
den merkwürdigen Mann geliefert *). Von diesem Werke ist
1) Vgl. die Besprechungen von Knittel, Tüb. Theol. Quartal-
sclirift LVni, 828—333, und Michelis im Theol. LiteraturbL,
Bonn 1875, S. 322—325. — Der Aufsatz Thomas von Aquin in Sy-
beTs Hist. Zeitschr. XXXTTT, 342—359, eine Skizze, welche an-
knüpfend an die Schriften von Baumann (die Staatslehre des h. Thom.)
und Thoemes, auf Grund eines recht oberflächlichen Einblicks in Thomas*
Weltanschauung überhaupt, auch auf seine Bestimmimg des Verhält-
nisses von Staat und Kirche zu sprechen kommt, ist ohne Bedeutung.
*) Petrus Alliacenus Card. Camerac. de ecclesia quid docuerit
et quid pro ea praestiterit ex fontibus aperitur. Part. 1. Vratisl. 1876.
(35 S. in gr. 8^)
*) „ Der Cardinal P. v. Ailli und die beiden ihm zugeschriebenen
Schriften De difficultate reformationis in concilio generali und Monita
de necessitate reformationis ecclesiae in capite et membris*^ (in den
Jahrb. f deutsche Theol. XX, 273—310). Beide von v. d. Hardt
unter Ailli's Namen gedruckte Schriften gehören ihm nicht, vertreten
emen anderen kirchenpolitischen Standpunkt. Hinsichtlich der zweiten
hatte schon Hardt, hinsichtlich beider dann Schwab auf Dietrich von
Niem hingewiesen. Vgl. auch Sauerland, Das Leben des Dietrich
von Nieheim (Göttingen 1875), S. 74 f., und M. Lenz, Drei Trac-
tate aus dem Schriftencyclus des Const. Concils untersucht (Marburg
1876, Elwert; IH, 98 S. in gr. 8*^), der ausser den beiden genannten
Schriften auch die von Schwab dem Andreas von Randulph zuge*
schriebene De modis uniendi ac ref. eccl. in concilio generali för Die-
trich von Niem vindicirt. — Weiter hat Tschackert in dieser Zeitschr.
(I, 149 — 156) die Uuechtheit zweier theologisch -politischer Tractate
unter Ailli's Namen nachgewiesen, dagegen ebenda (I, 450 — 462; den
unter Zabarella^s Namen gehenden Tractatus agendorum in concilio
generali für Ailli in Anspruch genonmaen.
^) Vgl. auch seinen Artikel Ailli in der Real-EIncTklopädie, der
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DIE DOGMENGESCHICHTLICHEN ARBEITEN 1875-1877. 119
nicht nur der sechste Abschnitt (Ailli's wissenschaftUcher Stand-
punkty S. 303 — 335), sowie der siebente (Schlusscharakte-
ristik, S. 336 — 367) dogmenhistorisch wichtig, sondern auch
die sorgfältige Erörterung der kirchlichen Anschauungen
Ailli's in den verschiedenen Stadien seines Lebens. So ent-
wickelt das zweite Kapitel des ersten Abschnittes (S. 16 — 46)
auf Grund von Ailli's Habilitationsschriften und verwandten
Tractaten dessen Lehre von der Kirche ums Jahr 1380
und ihr Verhältnis zu den Vorgängern (bes. Occam) ; spätere
Partien analysiren seine Anschauungen um die Zeit des Pi-
saner Concils (S. 138f. 148—150. 157ff. 192), wozu dann
besonders der Abschnitt über AiUi's Schrift von der kirch-
^chen Gewalt (S. 247 ff.) kommt. Diese Abschnitte zeigen
treffend, wie AiUi's moderirte, hier zum ersten Male genauer
bestimmte Reformgesinnung, welche übrigens praktischen Er-
wägungen des Earchenpolitikers leicht einen modificirenden
fanfluss auf die Theorie gestattet, zwar mit ihren concilia-
ristischen Gesichtspunkten von der papalistischen Theorie ge-
schieden bleibt, aber trotz ihres Zurückstrebens über den
irrenden Petrus zu dem lebendigen Christus, über das ka-
nonische Recht zur hL Schrift als zu den Fundamenten ftir
die Gemeinschaft der Gläubigen den mittelalterlichen Earchen-
b^riff doch nicht wirklich zu durchbrechen vermag, wie der
Begriff des eing^ossenen Glaubens, der wesentlich durch die sa-
eramentale Wirksamkeit der hierarchischen empirischen Earche
übermittelt gedacht wird, bestätigt. Neben diesen Punkten
verdienen hervorgehoben zu werden die Bemerkungen des
Ver&ssers über die Hinwendung des alternden Ailli zur ro-
manischen Mystik (S. 174. 326 f.), über AiUi's Auftreten als
orthodoxer Kirchenmann gegen Hus (S. 227. 235), wie
g^en den freigeisterischen Carmeliter W. von Hildenissem
(S. 167; vgl Jundt a. a. O., S. 112), seine Verteidigung
der Franciskaner-Lehre von der unbefleckten Empfängnis
Hariä (S. 71 f.). Ueberall hebt Tschackert mit grossem Nach-
druck das Verhängnisvolle des NominaUsmus Ailli's hervor.
hier an Stelle des Artikels von C. Schmidt in der ersten Auflage
getreten ist.
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120 KRITISCHE ttBEESICHTEN. MOELLER,
80 besonders auch in der Ethik „die völlige theoretische
Zersetzung des sittlichen Bewusstseins " (S. 321 — 325). Wenn
der Verfiftsser mit vollem Bechte darauf hinweist, dass desr
Nominalismus an sich wohl kritisch befreiend imd auflösend'
wirke, aber nicht positiv reformatorisch, dass seiner Skepei»
naturgemäss nichts näher liegt als die Zurückziehung unter
die Autorität der Kirche, wenn femer auch zuzugestehen ist^
dass auch der Versuch dieser Nominalisten, auf dem Wege
mystischer Contemplation den Uebei^ang vom philosophischen
Erkennen zum kirchhchen Q-lauben zu finden, es doch zu
einer wirkUchen Einheit der drei Factoren ihres geistigen
Lebens nicht bringe, so dürfte der Verfasse doch in Stellen
wie S. 64. 137 dem Nominalismus ein wenig zu viel auf*-
bürden. Sehr dankenswert ist das sorg^tige Verzeichni»
der Werke Ailli's und die handschriftlichen Mitt^ungen im
Anhang ^). Mit dem Kirchen - und Staatsbegriff der kirch-
lichen Reformpartei beschäftigt sich auch K. Köhler in der
Fortsetzung seines Au&atzes: Die Staatslehre der Vorrefor-
matoren, worin er der kirchlichen Reformpartei die Ideen
Wicliff's und Hussens gegenüberstellt; dort findet er zwar
Bekämpfung des curialistischen Absolutismus, Anerkennung
der Barche als eines lebendigen .Organismus imd der relativ-
selbständigen Aufgabe und Berechtigung der weltlichen Ge-
walt, aber ohne principielle Aufgabe des kathoUschen Kirchen-
begri& und der Anschauung von der Unterordnung der
weltlichen unter die geistUche Gewalt, hier Auflösung de»
Kirchenbegrifis in den der unsichtbaren Gemeinschaft der
Prädestinirten und infolge dessen derartige Beschränkung der
Elirche auf das innerUche, geistige Gebiet, dass das Schwer-
gewicht auf den christiichen Staat dergestalt Mit, dass hier
vom religiösen Standpunkt aus eine starke Berührung mit
dem Stwidpunkt der politischen TerritoriaUsten (Marsilius etc.)
stattfinde: ;;Die Kirche würde als Institution im Staate unter-
gegangen, der Staat die Functionen der Kirche in sich auf-v
genommen haben". Für die Scholastik des ausgehenden
1) Vgl. die Recension von Zoepffel in d. Theol. Lit-Ztg. 1878,
Nr. 3.
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DIE DOGMENGESCJUCHTUCHEN ABBEITEN 1875-1877. 121
Mittelalters ist noch zu nennen die anziehende Monographie
von Linsenmann über Summenhart zu Tübingen, dessen
Bedeutung freilich mehr auf anderen Gebieten als dem dog-
matischen liegt; endlich die sorg<ige kleine , aber manche
Aufhellung bringende Monographie Plitf s über Jodocus
Trutfetter, welche, der Natur der Sache nach, mehr den.
Philosophen als den Theologen zu schildöTi vermag ^).
S. Zur dentscheii; Mystik.
Sevelationes Gtertrudianae ac Meohtüdianae . . . opus ad Codicum
fidem nunc primum integre editum Solesmensium 0. S. B. mona-
chorum cura et opera. I. Sanctoe Gertrudis Magnae virginis ordinis
St. Benedicti Legatus divinae pietatis. Accedunt eiusdem Exer-
citia spiritualla. II. Sanetae Mechtildis virginis ordinis St. Bene-
dicti liber specialis gratiae. Accedit Sororis Mechtildis eiusdem
ordinis Lux divinitatis. Pictavü et Parisiis 1875. 1877, H. Oudin.
- (LXXIV, 730 u. XVI, 750 S. in gr. 8^)
JUtdeutsche Predigten und Gebete aus Handschriften. Gesammelt
und zur Herausgabe vorbereitet von W. Wackernagel. Mit Ab-
handlungen und einem Anhang. Basel 1876, Schweighäuser. (XI,
611 S. in gr. 8^)
A. 'Wagner, Ueber den Mönch von Heilsbronn. (Quellen und For-
schungen zur Sprach- und Culturgeschichte der germanischen
Völker, herausg. von Ten Brink, W. Scherer und ^. Steinmejer.
XV.) Strassburg u. London 1876, K. Trübner. (92 S. in gr. 8**.)
Ijütolf, üeber den Prozess und die Unterwerfung Meister Eckhart's.^
(In der Theol. Quartalschr., 57. Jahrg., S. 578—603.)
^jramiuel, Meister Eckhart. (Ln Beweis des Glaubens 1875, S. 449
bis 455. 51&-^38.)
JPr. H. S. Denifle, Der Gottesfreund im Oberland und Nikolaus von
Basel. Eine kritische Studie. (In den Histor.-polit. Blättern 1875,
S. 18— 138. 9a-122. 245—266. 340—354.)
— — , Das Leben der Margaretha von Kentzingen. Ein Beitrag zur
Geschichte des Gottesfreundes im Oberland. (In der Ztschr. für
deutsch. Altertum und deutsche Lit. t. E. Steinmeyer. N. F., VII. Bd.,
S. 478-491.)
I<ütolf, Der Gottesfi^und im Oberland. (Im Jahrb. f. schweizer.
Gesch. I. Zürich, Hohr 1876. S. 1—46.)
— — , Besuch eines Cardinais beim G^ttesfr^und im Oberland. (In:
d. Theol. Quartalschr. LVIH, 580—592.)
1) S. meine Anzeige in d. Theol. Lit.-Ztg. 1876, Nr. 9.
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122 KRITISCHE ÜBERSICHTEN. MOELLER;
Ül'icolaus von Basel, Bericht Ton der Bekehrung Tauler's. Herausg.
von C. Schmidt, Strassburg 1875. Schmidt's Univ.-B. (64 S. in
gr. 8^)
Pr. H. S. Denifle, Zu Seuse's ursprünglichem Briefbuche. (In der
Ztschr. f d. Altertum und d. Literatur von Steinmeyer. N. F.,
Vn. Bd., S. 846—371.)
UV. Preger, Die Briefbücher Susos. (Ebd. N. F., Vm. Bd., S.373
bis 415. Vgl. Anzeiger f. d. A. von dems. I, 261—263.)
Die Schriften des seL Heinrich Seuse aus dem Predigerorden,
nach den ältesten Handschriften in jetziger Schriftsprache vollstän-
dig herausgegeben von P. Fr. Heinr. Seuse Denifle, aus dem-
selben Orden. I. Bd.: Deutsche Schriften, 1. Abt.: Seuse's Exem-
plar. München 1876, Lit. Inst. v. M. Huttier. (IV, 224 S. in 8^)
H. Nobbe, Johannes Tauler von Strassburg als deutscher Volks-
prediger dargestellt. (In d. Zeitschr. f. luth. Theol. u. Kirche 1876,
S. 637—663.)
P. H. 8. Denifle, Das Buch von geistlicher Armut, bisher bekannt als
Joh. Tauler's Nachfolgung des armen Lebens Christi. Unter Zu-
grundlegung der ältesten der bis jetzt bekannten Handschriften zum
ersten Male vollständig herausgegeben. München 1877, Lit. Inst.
V. Dr. M. Huttier. (LIH, 212 S. in gr. 8^)
^Hirsche, Brüder des gemeinsamen Lebens. (In der Real-£ncyklopädle.
2. Aufl. n, 658—760.)
B. Kettlewell, M. A., The authorship of the De Imitatione Christi with
many interesting particulars about the book. Containing Photo-
graphie engravings of the „de imitatione*^ written by Thomas a
Kempis, 1441, and of two other Mss. London, Oxford and Cam-
bridge 1877, Rivingtons. (XXIU, 504 S. in gr. 8^)
The imitation of Christ : four books. By Thomas a Kempis. Trans-
lated from the latm by Vic. W. Benham, B. D. Leipzig 1877,
B. Tauchnitz. (288 S. m gr. 16*.) (Collection of british authors,
Vol. 1680.)
Nachdem Preger (Mystik I, 13 — 27) doch wohl
6twa8 zu rasch und summarisch über sämmtliche der heil.
Hildegard zugeschriebene Schriften den Stab gebrochen,
hat in den Historisch- poUtischen Blättern ein Ritter fiir sie
Beine Lanze in wenig geschickter Weise eingelegt, ebenso
erregt als breitspurig *). Weder die Mitteilimgen über die
Eibinger (ehemals Ruppertsberger) Handschriften (jetzt in
1) Die Werke der hl. Hildegardis imd ihr neuester Kritiker.
Hist.-poUt. Blätter, Bd. LXXVI (1876, 2), S. 604—628. 6Ö9--689.
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DIE DOGMENGESCHICHTLICHEN ARBEITEN 1875—1877. 123
der Landesbibliothek zu Wiesbaden); noch die viel zu all-
gemeinen Bemerkungen über die vita, über das Sprachliche,
sowie die sonstigen Raisonnements entscheiden etwas in den
hier vorliegenden Fragen literarischer Kritik, von denen doch
zuzugestehen sein wird, dass sie durch die gewichtigen Bedenken
Pr^er's noch nicht endgültig aufe Keine gebracht sind. Die
stattliche Publication der Väter von Solesmes, welche damit
den Fusstapfen Pitra's nachfolgen zu wollen scheinen ^), lie-
fert uns die mystischen Schriften jener sächsischen Nonnen
vom Ausgange des 13. Jahrhunderts, auf welche neuerlich
von mehi*eren Seiten sich die Aufinerksamkeit gelenkt hat
(vgl Preger, Mystik I, 70 ff.). Der erste Band enthält das
sogenannte Gtertrudenbuch, das, bisher unter dem Titel: In-
sinuationes divinae pietatis bekannt, hier nach dem band-
achriftlich gerechtfertigten Titel als Legatus divinae pietatis
(eigentlich Legatus memorialis abundantiae divinae pietatis)
bezeichnet ist Während die bisherigen Ausgaben alle auf
die Lansperg-Loher'sche 1536 zurückgehen, diese aber nur
eine verstümmelte Handschrift des lateinischen Originals be-
nutzt und das erste Buch durch Rückübersetzung aus dem
deutschen ergänzt hatte, benutzten die nunmehrigen Heraus-
geber eine vollständige Wiener Handschrift (lat. no. 4224),
geschrieben 1490 von einem Benedictiner zu Donauwörth.
Die Schrift ist in ftinf Bücher geteilt und hat am Schluss
das Kapitel, welches die früheren Herausgeber nach Lans-
perg's Vorgang ans Ende des 4. Buches gestellt haben: De
missa quam Domnus Jesus personaliter decantavit in coelo
cuidam vii^ini adhuc existenti in corpore nomine Trutta. Da-
neben ist noch ein Mainzer Codex benutzt, der aber im
4. Buche abbricht. Angehängt sind die derselben G^ertrud
zugeschriebenen exercitia spiritualia, „opusculum ex varüs
editionibus, quae nobis praesto ftierunt, diligenter recognitum".
Die Praefatio dieses Bandes verbreitet sich über die Gre-
schichte des Klosters Helfta (soviel ich sehe, ohne neues Ma-
terial) und die Person der von der Aebtissin Gertrud von
1) Nach dem dem n. Bande Torgedruckten Briefe Pias* IX. ist als
Haupteditor P. Ludw. Paquelin anzusehen.
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124 KRITISCHE ÜBERSICHTEN. MOELLER,
Hackeborn bekanntlich zu unterscheidenden Seherin Schwester
Gertrud. Abweichend von Preger, der hier noch nicht be-
nutat ist, wird angenommen, letztere sei bereits 1302 gestorben;
Preger aber scheint mir richtiger zu schliessen, dass sie bis
um 1310 gelebt haben müsse ^). Der zweite Band enthält:
l) das sogenannte Mechtildenbuch, d. h. die von der heiL
Mechtild von Hackebom (Schwester der Aebtissin Gertrud) har-
rührenden OflFenbarungen nebst den Mitteilungen über sie, wel-
ches als speculum ^iritualis gratiae. Über gratiae spiritualis^
Buch geistlicher Gnaden mehrfach gedruckt ist (vgl Preger
I, 79 ; Böhmer, Matelda, im Jahrb. d. Deutsch. Dante-Ges. III,
134 ff.), hier aber nach der Autorität des besonders benutzten
Wolfenbüttler Codex als Über specialis gratiae bezeichnet
wird ; die Herausgeber schliessen sich eng an diese Handschrift
von 1370 an (neben der sie noch eine Leipziger und eine St
Geller benutzen), welche die ältere und vollständigere Text-
ge^lt repräsentirt ; ein Stück (V, 27 — 29) ist aber ent-
nommen aus der Vened. Ausgabe von 1522. Das 6. Buch
des Wolfenbüttler Codex (de extremis beatae virg. sororis
Meehtildis de Helpede), welches dieser allein bietet (andere
gar nicht oder nur sehr zusammengezogen), lassen die Heraus*
geber willkürlicherweise als siebentes drucken, indem sie
als sechstes daB in diesem Codex den Schluss bildende Buch
De laudabili vita et morte dominae Getrudis sororis suae
voranstellen, welches in den wenigen Handschriften, in denen
es sich sonst noch findet, auf das 5. Buch folgt, übrigens
sich so mit den entsprechenden Teilen des Gertrudenbuches
berührt, „ut ab eodem auctore conscripta deprehendantur'*.
In der Praefatio wird auch von der Person dieser MechtOd
gehandelt, welche hier wie von Böhmer (a. a. 0.) mit der
Sangmeisterin identificirt wird, während Preger (a. a. O. S. 83 ff.)
fidch dagegen erklärt Ohne ein Urteil wagen zu könn^
1) Vom Gertradenbuch ist auf Grund der obigen Ausgabe auch
eine Uebersetzung erschienen : Gertrud der Grossen, der Heiligen, Ge-
sandter der göttlichen Liebe. Ans dem Lateinischen, nach der Aus-
gabe der Benedict von Solesmes, von Ffr. J.Welssbrod. Fünf Bücher.
Freiburg i./Br. 1876, Herder. (Xm, 410 u. XV, 428 S. in 8*.)
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DIE DOGMENGESCHICHTLIGHEN ARBEITEN 1875—1877. 125
«bemerke ich nur, dass die Instanzen 1 und 3 bei Preger
(S. 84 f.) sich aUerdings durch den Text der neuen Ausgabe
ÄU erledigen scheinen; da hiemach das vom Ende der Mech-
(tild Erzählte sich ebenso innig mit den entsprechenden
Stücken des öertrudenbuchs b^ührt, als es hinsichtlich des
über die Aebtissin Gertrud Gesagten der FaU ist. 2) Hieran
schliesst sich nun mit einer eigenen Einleitung die Schrift der
^uideren (älteren) Mechtild, der Beguine von Magdeburg,
-welche die letzten zwölf Jahre ihres Lebens im Kloster zu
Helfta lebte. Die von Gall Morel 1869 deutsch edirte au-
fziehende Schrift: „Das fliessende Licht der Gottheit'^ (Ueber-
tragung des ursprtingUch niederdeutsch geschriebenen Buches
ins Oberdeutsche durch Heinrich von Nördlingen um 1344)
erscheint hier in lateinischer Sprache nach den Baseler Hand-
•schriften in der Gestalt, welche auf den geistlichen Freund
der Mechtild, Br. Heinrich von Halle, bzw. nach der An-
nahme der Herausgeber auf den von diesem noch zu imter-
^cheidenden Uebersetzer imd Verfesser des Prologs, zurück-
zufuhren ist. Die Offenbarungen sind hier in eine vom
^leutschen Text völlig abweichende Sachordnung gebracht,
überall hat sich der Uebersetzer manche Freiheit genommen,
so dass auch die Herausgeber anerkennen müssen, daas
die edle Einfalt, der wahre Sinn, die Kraft und Hoheit der
Schwester Mechtild hier minder treu bewahrt seien als im
deutschen Exemplar. Der Wei*t aber liegt, worauf schon
Preger hingewiesen, in den geschichtlichen Notizen. Hier sei
auch der nordischen Prophetin Birgitta gedacht, deren
Skizze in der Real-Encyklopädie der Uebersetzer des Hamme-
rioh'schen Buches, AI. Michelsen, geliefert hat — Die
tMonographie von A. Wagner über den Mönch von
Beilsbronn setzt sich mit dem Herausgeber der diesem
zugeschriebenen Schriften (Merzdorf, 1870) auseinander. Auf
Grund sprachlicher Untersuchungen kommt er zu dem Er-
^bnis, dass dem Mönch von Heilsbronn, dem Verfasser des
Buches von den sechs Namen des Fronleichnam, wohl das
Buch der sieben Grade zuzuschreiben sei, dass aber weder
die Tochter Syon noch der heil. Alexius demselben Verfasser
.gehören, letztere beide auch wieder von zwei verschiedenen
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126 KRITISCHE ÜBERSICHTEN. MOELLER,
Ver&ssem herrühren. In der Besprechung des Fronleichnam
(S. 36 — 43) zeigt er, dass die vom Verfasser ausgesprochene
Absicht; „ein ganz puchlein von der mirme" schreiben zu
wollen, was man auf die Tochter Syon gedeutet hat, sich
auch auf die sieben Grade beziehen lasse; eine Verglei-
chxmg der „sieben Grade" mit dem prosaischen Tractat
„Die siben Staphein des Gebetes" bei Pfeiffer (I, 387
bis 397, vgl. Preger I, 283) fuhrt den Verfasser zu dem Re-
sultate, dass beide von einander unabhängig, auf eine ge-
meinsame Grundlage zurückgehen ^). Sehr dankenswert ist
die hübsche Charakteristik des Mönchs, der sich in den An-
schauungen der voreckhartischen Mystik bewegt, unter dem
stärksten Einfluss von Bernhard steht, aber auch von Richard
von St. Victor und Bonaventura empßlngt (S. 52 — 67). In
zwiefacher Beziehung verdient die Veröffentlichimg der
„Altdeutschen Predigten und Gebete", welche Wilhelm
'WackernageTs Namen trägt, an welcher aber sowohl
Weinhold (der philologische Abschnitt S. 446 — 516) als der
Herausgeber Rieger verdienstvollen Anteil haben, den Dank
des Kirchen- und Dogmenhistorikers. Einmal ist hoch will-
kommen die Abhandlung über die altdeutsche Predigt, aus
welcher der von Wackemagel mit besonderer Liebe ent-
worfene Abschnitt über den grossen Volksprediger Berthold
von Regensburg ^) ausgezeichnet zu werden verdient Die
1) Nicht zwar allen philologischen Aufstellungen Wagner's , wohl
aber dem ohen angeführten kritischen Resultate desselben und dem
gegen Merzdorf geführten Beweise, dass die betreffenden Schriften ur-
sprünglich nicht im baierischen Dialekt geschrieben seien, wie sie in
dem von Merzdorf zu Grunde gelegten Heidelberger Codex erscheinen,
sondern im mitteldeutschen (mit wenigen baierischen Elementen xmter-
mischten), stimmt D e n i f 1 e bei in seiner Besprechung der Schrift, im
Anzeiger für deutsch. Altert, und d. Lit. von Steinmeyer, Bd. 11 (Berlin
1876), S. 300—313. Anders urteilt noch Birlinger, Alemannia III^
205 — 235, der einen alemannisch-elsässischen Text zu den „ 6 Namen
des Fronleichnam" mitteilt als den ältesten und besten aller bis jetzt
bekannten; er lehne sich genau an den rein baierischen bei Merzdorf
an. Vgl. übrigens noch Wagner's weitere Collationen in d. Ztschr.
f. deutsch. Altertum, N. F. Vm, 92 ff.
2) Vgl. Stromberger, Berthold von Regensburg, der grösste
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DIE DOGMENGESCHICHTUCHEN AKBEITEN 1875—1877. 127
uns hier zunächst interessirende Partie über die Predigt unter
dem Einfluss der deutschen Mystik, welche Wackemagel
weniger sympathisch war, hat Rieger aus vertrauter Bekannt-
schaft und mit feinem Verständnis gearbeitet (S. 376 — 439).
Sodann aber kommt bei dem genannten Werke vor allem
das hier mitgeteilte Quellenmaterial in Betracht. Es gehören
Herher die Stücke XLVI— XLIX und Lni-^LYH, emer
anonymen, mit Abweichungen in sechs Handschriften vor-
liegenden Sammlimg, einem im 14. Jahrhimdert weit beliebten
imd verbreiteten Handbuch klösterlicher Erbauung, entnom-
men (hierzu im Anhang S. 522 — 544). Femer unter Eck-
hartes Namen die Nr. LIX — LXI, wozu noch die mit Stücken
derPfeiflfer'schen Sammlung sich deckenden, anonymen Stücke
kommen (LXV zusammengearbeitet aus Pf XHI imd LXXV;
LXVl = Pf LXXXV, und das Stück S. 272 ff. = Pf. XVH).
An Eckhart schliesst sich „der von Stemgassen", von wel-
chem LXnf zwei Predigten mitgeteilt sind, die sich auch
in der Baseler Ausgabe des Tauler finden (woraus Rieger
im Anhang, S. 544, die erheblichen Ergänzungen mitteilt).
Wie Stemgassen an Eckhart, so schliesst sich an Tauler
ein dem Namen nach imbekannter Prediger, von dem sich
im ganzen 39 an eine weibliche Klostergemeinschaft gerich-
tete Predigten in zwei Handschriften zu Samen (früher
Engelberg) erhalten haben. Der Verfasser ist nach Rieger
unter den Engelberger Mönchen zu suchen , denen die Sei-
sorge in dem Frauenkloster oblag. Er teilt mit Tauler „ die
Volksredner des deutschen Mittelalters. Gütersloh 1877, Bertelsmann.
(XVI, 224 S. in 8**.) Der Verfasser macht in einer Art Blumenlese
Mitteilungen aus Berthold's Predigten unter den allgemeinsten dog-
matischen Rubriken und schickt einiges über sein Leben und seine
Predigt unter mehrfachem Anschluss an Wackemagel voran. Siehe
meine Anzeige in der Theol. Literaturzeitung 1878, Nr. 13, und die
Wagenmann' s in den Jahrb. für deutsche Theologie 1878, S. 142 ff.
Vgl. noch J. Strobl, Ueber eine Sammlung lateinischer Predigten
Berthold's von Regensburg, in d. Sitzimgsberichten der Wiener Akademie
d. W. phil.-hist. Classe, LXXXTV. Bd. (1876), S. 87—128, und W. Ge-
rn oll, Fragmente * der Predigten BerthokVs von Regensburg, in der
Ztschr. f. deutsche Philologie von Höpfhcr und Zacher, Bd. VI (1875),
S. 466. 470.
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128 KBITISCHE ÜBERBICHTEN. MOELLER,
aus Eckhart's Schule stammende metaphysische Grundlage,
sowie den Aufbau asketischer Methode sammt den Knnst-
-ausdrücken" imd berührt sich mit ihm aufs engste in der
Verelirung der Gottesfreunde, „ohne welche die Elirehe
nicht eine Stunde bestehen möchte". Aus dieser Sammlung
sind entnommen LXIII — ^LXX, wozu noch die interessanten
Auszüge im Anhang (S. 583 — 598) kommen. Hier auch noch
-eine Predigt Tauler's aus einer Baseler Handschrift, vergehe»
mit dem Text des Baseler Drucks von 1522 (Ö. 54f. — 552),
-und eine Suso's, verglichen mit dem sprachlich erneuten Drucke
bei Diepenbrock (S. 552—561) ^).
Zur Eckhart'schen Mystik hegen auch sonst neue Mate-
riaUen vor, so bei Birlinger (a. a. O. UI [1875], S. 15 — 45)
aus einer Pergamenthandschrift des 14. Jahrhunderts Stücke
in alemannisch-elsässischer Sprache, welche denen bei Pfeiffer
n, 448 ff. 451 entsprechen, aber mit Auslassungen imd Zu-
sätzen und einem grossen bei Pfeiffer S. 474, 30 sich ein-
schaltendem Stücke (S. 32, 1 — 44. 33). Desgleichen giebt
F. Bach ein „Bruchstück aus Meister Eckhart"*) und
Jundt im Anhang seines oben angeführten Werks (S. 231
bis 280) nicht weniger als 19 Nummern als Sermons et
pifeces diverses de maltre Eckhart, leider ohne jede andere
Rechenschaft über die Handschriften als die Notiz, daAS
Nr. 19 („dis lerte m. Eckh.", eine kurze Gebetsformel) einer
Handschrift des 14. und die übrigen Nummern alle einer aus der
Mitte des 15. Jahi*hundei*ts, deren Text an mehreren Stellen cor-
nmipirt erscheine, entnommen seien, imd dass beide mit einigen
anderen Handschriften, aus denen Jundt noch anzuftihrende
Mitteilungen macht, einer Privatsammlung angehören. "Wie
viele von diesen Stücken wii*klich Eckhart zum Verfasser
haben, wii'd erst der Untersuchung bedüi'fen, ivie denn über-
haupt die Erinnerung Denifle's in seiner Einleitung zum Buch
1) Vgl. die Besprechungen des reichhaltigen Werkes von Sehön-
bach in der Zeit sehr. f. deutsche Philologie von Höpfher u. 2iacher,
Vn. Bd. (1876), S. 466 — 479; von Wagenmann in d. Jahrb. »für
deutsche Theologie 1878, S. 142—147; vonG. Baur in d. Theol. Lit.-
Ztg. 1878, Nr. 1.
2) In der Germania, N. ß., 8. Jahrgang, S. 223—226.
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DIE DOGMENGESCHICHTLICHEN ARBEITEN 1875-1877. 129
von der geistlichen Armut über die Unsicherheit inbetreff
der Autoren der einzehien mystischen Schriften, über die
grosse Zahl der Vertreter deutscher Mystik im 14. Jahrhun-
dert und über die Voreiligkeit, jeden speculativen Tractat
sofort auf Eckhart zurückführen zu wollen, sehr am Platze
ist. Mit den weiteren Bemerkungen Denifle's auch über
Stücke der Pfeiffer'schen Sammlung ist auch Rieger (a. a. O.
S. 404 f) zu vergleichen. Was die Stücke bei Jundt be-
triffi, so hat Nr. 1 (Ausl^ung des Vaterunser) wenig speci-
fisch-mystisches und lehnt sich an die herkömmliche kirchliche
Auslegung an, jedoch mit warmer Innigkeit ^). Nr. 2 („ain guot
klosterleer imd colatze") ist bemerkenswert durch die War-
nung, die Lehre nicht ausserhalb des Klosters kommen zu
lassen, die Neigung kirchliche Werke herabzusetzen und die
Seitenblicke auf die Seltenheit rechter Priester*). Nr. 3 („Daz
send gar hoch fragen und materien'^ gehört in die Gattung
des Über propositionum bei Pfeiffer 11, 629 ff., wie denn
nach Mitteilung Jundt's in der Handschrift auf das Mitge-
teilte eine ganze Anzahl von Stücken, die wir bei Pfeiffer
haben, folgen. Auch Nr. 4 („schoen fragen") rechnet Jundt
dahin, obwohl ihm nicht entgeht, dass es etwas anderen Cha-
rakter trägt als Nr. 3, worin der Verfasser den Autoritäten
(Dionys. Areop., Maximus, Augustin) folgt, während Nr. 4 keine
Autoritäten nennt. Betreffe der übrigen Nummern hebe ich
nur noch hervor, dass Nr. 6 („Osee der Prophet'^ = Pf 11,
638, 23 — 40, aber mit einer Fortsetzung, Nr. 7 und 8 zu-
sammengehören und eine starke Variante zu Pf 11, 30
(sermo 6) bilden, Nr. 9 auf S. 260 starke Berührung mit
Pf 33, 1 ff. zeigt, wie auch der Schluss von Nr. 13 (S. 274)
mit Pf 318, if zusammentriffi. In dem Abschnitt, welcher
dem Leben und der Mystik Eckharfs gewidmet ist (S. 57
1) Dagegen führt uns die „mystische Auslegung des Vaterunsers",
von welcher uns Schönbach in der Ztschr. für deutsches Altertum,
N. F., VI. Bd., S. 71 — 78, anziehende Bruchstücke mitteilt, viel ent-
schiedener in den Vorstellungskreis der Eckhart'schen Mystik.
t) Wann rechter priester, ir ist nit vil zwyschen Fasel und Mentz
und Koeln, also wann ich wolt, ich wolt sy tragen uf meiner hant.
S. 238.
Zeitaehr. t K.-G. UI, 1. ^ r^ 1
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130 KRITISCHE ÜBESSICHTBN. MOELLfiB^
bis ^3), setzt sich Jundt vielfach mit Preger attBeinander;
indem er zum Teil seine früheren AufsteUungai (in dem
Essai sur le mysticisme specuktif de maitre £. Strassb.
1872) g^en Preger's abweichende Ansichten festhält So
nimmt er gegen Preger's Versuch, Eekhart fiir einen Sachsen
zu ^klären, ihn wieder für Strassburg in Anspruch in der
langen Anmerkung S, 57 — 69, welche in der Tat manches
Beachtenswerte mithält Das letzte Wort wird hier freilich,
wenn nicht noch unzweifelhafte geschichtliche Zeugnisse sich
finden, den Sprachkimdigen gelassen werden müssen, voraus-
gesetzt, dass es erst gdiimgen sein wird, die Eckhart'schen
Texte so zu sichten, dass Echtes und Unechtes, Ursprüng-
liches und Ueberarbeitetes mit einiger Sicherheit sich über-
sehen lässt Weiter bekämpft er (S. 76 — 86 Anm.) nicht
ohne Grund den Versuch Preger's, drei Perioden der Ent-
wicklung Eckhart's in dessöi Schrifien nachzuweisen. In der
Darstellung legt Jundt das Hauptgewidit auf die specutativ-
pantheistische Seite mit Zurückstellung der kirchlich-positiven,
daher er auch (&. 90 — 92) gegen Pr^er's Behauptung am
^,Pantlieismus^^ Eckhards festhält. Es hängt damit zusam-
men, dass in der allgemeinen Auffassung von Eckhart's
Staxidpunkt Jundt zwar die Berührungen mit der Meta-
physik der Brüder des freien Geistes betont, darüber aber
imgebürlich in Schatten stellt das breite Fundament allge-
mein kkchUcher theologischer Ueberlieferung, auf welchem
er steht^ und, was freilich auch Preger trifft, die intinaen
Beziehungen zur Lehre des Thomajs von Aquin^). Auch
Lütolf in der Abhandlung über den Prozess Eckhart's
(s. o.) richtet sich gegen Preger's Aufstellungen ^ nämlioh
gegen dessen Behauptungen^ dass in der von M. E. am
13. Februar 1327 abgegdbenen feierlichen Erklärung (bei
Pr. .S. 475) ein „Widerruf" nicht gefunden werden könne
(Pr. S. 361 f.), dass Johann XXIL zunächst in der Sache
Eckhart' 6 gezögert, weil er während seiner Spannung mit
1) Vgl. hierzu die Bemerkuiigou des Recenseuteu Preger*s im
Lit. Ceutraibl. 1875, Nr. 1^1, sowie l)eiiitle*B iu der obeu augefUkrteu
Selirift S. I
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DIE DOeMENOraCHICHTUCHEN AKBiaXiaJ 1875-1877. 131
den Franoiskanem alle Ursache gehabt habe^ die Domini-
kaner zu schonen^ dann aber^ als da8 Verhältnis zu den
Francidkanem sich günstiger gestaltet habe, eben um ihret-
willen die bisher gegen den Dominikaner Eckhart geübte
NachBicht habe aufgeben müss^i; endlich gegen die Ansicht
Preger's, dass das Vorgeben der Bulle von 1629, Eckhart
habe vor seinem Ende hinreichend widerrufen, eine unred-
liche Ausbeutung jener Eckhart'schen Erklärung enthalte.
Es scheint mir aber nicht, als wenn die von einem anderen
Standpunkt der Beurteilung ausgehenden Gegenbemerkungen
Lütolf 8 die Auffitösung Preger's zu erschüttern vermöchten ^).
Ausser den oben genannten Stücken teilt Jundt zur mysti-
schen literatur noch zwei sehr interessante Tractate mit
(S. 211 — 230), welche in der von ihm dem 14. Jahrhundert
zugewiesenen Handschrift dem Ruoleman Merswin zugeschrie-
ben werden mit der Hinweisung darauf, dass dieser „liebe
Stifter" es „vor grosser grundeloser demuetikeit" geliebt
habe, seine Autorschaft zu verstecken. Der erste Tractat,
das „ baner buechlin ", enthält eine interessante Warnung vor
der falschen mystischen Speculation der freien Geister unter
Lucifer's Banner, welche sagen, wer noch zu leiden und
sterben habe, sei noch ein grober Mensch, noch ,>voll Bilde",
welche fragen: kehrst du dich noch an Tinte und Perga-
ment (die Schrift)? und sagen, man solle der Natur genug
tun, in welcher Weise die Natur werde angestossen, auf
dass der Geist ungehindert möge aufgehen. Der zweite
Tractat hat insofern eine verwandte Tendenz, als er Mis-
Inraoch der mystischen Speculation ftirchtet imd somit den
Meister Eckhart von einem frommen Priester gestraft werden
lässt, dass er seine ki^me und hohe Lehre vor dem groben
Volke laut werden lasse*). —
1) Zu Eekhart vgl. noch Krummel im Beweis des Glaubens,
1875, S. 449 — 455. 515 — 536, und die Besprechung des Preger'schen
Boches von Langen im Bonner Lit.-Blatt 1875, S. 175 — 179, mid von
Weizsäcker in der Theol. Lit.-Ztg. 1876, Nr. 19. — Mehlhorn,
Die Strasßb. Mystiker, in der Protest, Kmjhenztg. 1877, Nr. 89.
2) £s heisst in dem Inhaltsverzeichnis der Handschrift: „Item
das buoch von den drycn durchbrüchen, und von eime gnodenrichen
gelerten pfaffen der meister Eckeharteu den grossen lerer stroffete omb
9*
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132 KKITISCHE ÜBERSICHTEN. MOELLER;
Von verschiedenen Seiten her ist in den letzten Jahren
die durch K. Schmidts verdienstvolle Arbeiten zu ziemlich
allgemeiner Anerkennung (auch bei katholischen Schriflstel-
lem) gelangte Annahme stark angefochten, dass der grosse
Unbekannte, der Gottesfreund im Oberlande, welcher auf
Tauler so entscheidenden christlichen Einfluss gewann, mit
dem in Wien als Ketzer verbrannten Nicolaus von Basel eine
Person seL Auf Grund dieser Annahme hat Schmidt noch
1875 keinen Anstand genommen, jenen Bericht von der Bekeh-
rung Tauler's unter dem Namen des Nicolaus von Basel heraus-
zugeben. Doch hatte bereits 1869 Preger (Zeitschr. f. histor.
Theol. 1869, S. 137 ff.) sehr gewichtige Bedenken hiegegen
geltend gemacht, welche, soviel ich sehe, in der Tat dazu
nötigen, jene Combination aufeugeben. Diese sind nun weiter
verfolgt und wesentlich verstärkt durch die oben genannten
Aufsätze von Denifle und Lütolf Ersterer macht in den
Historisch-politischen Blättern geltend, dass, während Nicolaus
von Basel vor dem Pisaner Concil, also vor 1 409 verbrannt
ist, der grosse Gottesfreund noch nach 1419 in hohem Alter
gelebt haben muss; femer sucht er zu zeigen, dass die
Lehre des Gottesfreundes mit den 16 bekannten Sätzen des
grössten Schülers des Nicolaus, Martin von Mainz, keines-
wegs übereinstimme. Die äusseren Data ruhen auf dem Leben
der Margaretha von Kentzingen, auf welches (nämlich auf die
latein. Uebersetzimg bei Pez, Biblioth. ascetica VIII, 4008q.)
sich bereits Preger stützte, imd das nun Denifle im voll-
ständigen deutschen Texte veröffentlicht hat. Margaretha
ist auf den Rat des von ihr aufgesuchten Gottesfreundes in
das soeben vom Frauenkloster Schönensteinbach im Elsass
aus reformirte Booster Unterlinden in Colmar (Basler Bis-
sine behende hohe lere die er pflag zuo tuonde vor dem gemeinen
groben volke, mid eteliche andere guote materie die Ruolman Merswin
selber schreip, und si ouch vermüschete mit einen inbrunstygen hitzigen
zuogeleiten minne worten." Die Handschrift, aus welcher Jundt diese
beiden Tractate mitteilt, stammt ohne Zweifel von den Strassburger
Johannitern. Vgl. die Anführung aus dem Inhaltsverzeichnis der Hand-
schrift bei Jundt, p. 211 („der liebe Stifter") mit den Urkunden bei
C. Schmidt, Die Gottesfreunde, S. 34 ff.
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DIE DOGMENGESCHICHTLICHEN ARBEITEN 1875-1877. 133
tum) eingetreten. Die St. Galler Handschrift, welche Denifle
benutzt („dz bfich der reformacio der clöster prediger
Ordens" — die benutzte Abschrift trägt die Jahreszahl 1474,
weist aber auf das Original von 1468 zurück), gab ihm mit
dem Leben der Margaretha zugleich die Data über die Re-
formationen der Dominikanerklöster. Danach begann die
Reform der weiblichen Dominikanerklöster mit der Besitz-
nahme des ehemaligen Augustinerklosters Schönonsteinbach
durch Schwestern des Predigerordens, imd von hier aus ge-
schah die Reformation des Boosters Unterlinden im Jahre
1419. Die Lebensbeschreibung macht selbst darauf auftnerk-
sara, man solle sich nicht daran stossen, dass der Gottes-
freund , Rulman Merswins Geselle, der aus Tauler einen seli-
gen Menschen gemacht habe, so viel später noch solle ge-
lebt haben, denn er sei weit über 100 Jahre alt geworden.
Lütolf triSt mit diesen Nachweisungen zusammen und giebt
überdies Aui^hluss über die Localität. Den Ort, wohin
sich der Gottesfreund mit seinen vier Genossen („die fünf
Mannen") seit 1375 zurückgezogen, findet auch er im Kanton
Luzern, aber nicht, wie Schmidt annahm, im Herrgottswalde
am Pilatusberge, sondern weiter ab von der Stadt Luzern,
in einem Seitentale des fkitlebuchs, auf der Brüderalp am
Schimberg, fiir welche Stelle die Existenz von sechs vor
1470 gestorbenen Brüdern auch aus dem Entlebucher Jahr-
zeitbuch feststehe. Urkundlich nachweisbare Beziehungen
einer schon etwas älteren, dem Schimberg benachbarten Brüder-
schaft (auf der Hofstatt am Wittenbach) zu Strassburger
Kreisen (bereits 1367) erklären auch, wie der mit Strass-
bui^ eng verbundene Gottesfreimd grade in dieses ent-
l^ene Alptal den Weg finden konnte, wo er seit 1380 als
eigentlicher Recluse lebte. Für seine Auflassung der Oert-
lichkeit findet LütoU noch eine interessante ^Bestätigung in
einer archivalischen Notiz über Reisekosten eines Cardinais,
der (1421) auch „die Brüder im Schimberg" besuchte. Lü-
tolf weist überdies auf den historischen Zusammenhang hin,
der sich so für Nicolaus von der Flue ergebe. Er, „mit
welchem die Richtiuig der Gottesfreimde in der inneren Schweiz
ihren Höhepunkt imd Abschluss fand", lebte damab schon
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134 KRITISCHE ÜBERSICHTEN. ftOBLLElt,
in dem nur durch eine nicht sehr hohe Gebirgskette vom
EnÜebuch getrennten anstoftsenden Lande Obw«dden. —
Gehen wir von dem Freunde Gottes, zu Tauler
über, so beg^net uns hier wieder Denifle mit einer
Arbeit, welche uns gleichfalls zumutet, eine allgemein ver-
breitete Ansicht aufzugeben. Indem er uns nämlich auf
Grund besondöps einer Leipziger Handschrift (unter Zu-
ziehimg mehrerer anderer) einen wesentlich gereinigten und
hergestellten Text des Buches giebt, welches imter dem
Titd Nachfolgimg des armen Lebens Christi vielfach als das
vorzüglichste, als Hauptwerk Tauler's gerühmt wird, nimmt
er uns zugleich den bisherigen guten Glauben daran, dass
das Buch wirklich von Tauler herrühre. In der Tat scheinen
mir seine Gründe diesen Glauben sehr zu erschüttern, der,
was wohl zu beachten ist, gar nicht auf handschriftlichen oder
ander^i äusseren Zeugnissen ruht, sondern auf blosser Ver-
mutung des Herausgebers, Danid Sudermann (1621), aller-
dings schon nach Vorgang des Petrus von Nymwegen, wel-
cher in der Kölner Ausgabe von 1643 in der Tauler zuge-
schriebenen „medulla animae", einer Compilation aus ver-
schiedenen Autoren, auch einige Stücke aus dem Buche
abgedruckt hat. Die Nachweiwmgen Denifle's, dass der
Standpunkt des Verfassers, seine überspannte Lehre von der
Armut als unumgänglichen Erfordernisses der Vollkommen-
heit für alle Menschen, die daraus gezogenen Consequenzen^
die ihn freilich zu inneren Widersprüchen verleiten, denselben
ebenso wie der Stil deutlich von Tautar unterscheiden, wnd,
wie ich meine, von bedeutendem Q-ewicht *). Der wirkliche
Verf., „jedenfalls ein Gottesfreund (S. 112, 27 ff.) und darum
vielleicht für immer verborgen ", sei viel eher unter den mo-
derirten Anhängern der Lehre der Fratricdlen als unter den
Dominikanern zu suchen. Die Zeit bestimmt sich danach, dass
Eckhart einerseits vorausgesetzt wird (Polemik gegen ihn 3, 21)^
andrerseits der 1392 gestorbene Franciskaner-Provincial
1) Vgl. die Besprechung von Lins en mann in d. Theol. Quar-
talschrift 1878, S. 173—179, und die meinige in der Theol. Lit.-Ztg.
1878, Nr. 22.
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DIE DOGMENGBJSCHKarrUCHEW ARBfiarrE» 1875-1877. 135
Marcuß von Lindau in seinein Buche von den zehn Geboten
das Buch stark benutzt Als deutschen Volksprediger führt
Nobbe uns Tauler eben auf Grund seiner Predigten vor. —
Die oben angeföhrten das Briefbuch Suso's betreflFend^i
Verhandlungen zwischen Denifle, der überdies (s. o.) be-
gonnen hat, die Werke Suso's nadi den ältesten Handschriften^
aber in jetziger Schriftsprache herauszugeben, und P reger
vermag ich nur zu r^istriren, ohne mir selbst ein Urteil er-
lauben EU können. Denifle weist nach, dase die vierzehn
Briefe, von welchen Preger in seiner Ausgabe (Leipzig 1867)
nach der Pafnerhandschrift der Münchener Staatsbibliothek
(Nr. 819) annahm, dass sie vor ihm noch nirgends gedruckt
aei^i, sich bis auf einen schon bei Daniel Sudermann,
Gnldene Sendtbrieff (1622), finden. Wenn Preger meinte,
das ursprüngliche ungekürzte Brietbuch Suso's, welches seine
geistliche Tochter, die Nagel, zusammengestellt habe, habe
sid neben dem von Suso selbst g^en Ende seines Lebens
als vierten Teil sdueier Werke zusammengestellten „verkürz-
ten" BriefbücUein nicht erhalten, und die vierzehn Kiefe
hatten ursprün^idi mit den zwölf d^ Ausgabe von 1482
zusammen das Gfekürzte ausgemacht, dem Herausgeber dieser
Ausgabe (Fabri) habe Seuse's Original (das gekürzte) vor-
gdegen, aus welchem abw einige Lagen (mit jenen vierzehn
Briefen) abhanden gekommen seien, so stellt Denifle d^n
entg^en, dass der äusserst fehlerhafte Druck von 1482 nicht
nach Suso's Original, sondern nach ein^ 8pä4»n sehr fehler-
haften Abschrift gemacht sei, dass das gekürzte Briefbueh
aber nie mehr Briefe enühaM^i habe als jene zwölf des Druckes
vxm 1482, dass in dem Ood. theol. phil. 40, Nr. 67 der
königtiehen öffißnflichen Bi]^oihek zu Stuttgart, in wel-
chem auch jene vierzehn Briefe, in der Tat ein Exemplar
des Briefbuchs in seiner ursprüngUchen Gestalt, uns eriialten
sei, neben welchem der von Preger benutzte Münchener Co-
dex sich als ein Conglomerat aus Briefen des ursprünglichen
und des gekürzten Brief buches erweise. In sdnen Eni^gnungen
hdt Preger daran fest, dass das m^rüngliche Brief buch schwer-
lich erhalten sei, bindet namentlich in der von Denifle dafür
gehaltenen Sammlung der Stuttgarter Handschrift Spuren der
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136 KRITISCHE ÜBERSICHTEN. MOELLER,
Redaction und Kürzung; erkennt aber jetzt in der von ihm
benutzten Münchener Handschrift auch eine Zusammen-
fugung aus einem älteren und neueren Briefbuch, von denen
die ältere Redaction (öuso selbst) durch die Stuttgarter
Handschrift; das „neue Briefbuch" durch die Strassburger
Handschrift repräsentirt werde. — In dem freilich über alle
Proportion hinausgehenden; an sich aber sehr willkommenen
Artikel der Real-Encyklopädie über die Brüder des gemein-
samen Lebens hat Hirsche das Verdienst; uns die in Deutsch-
land zu wenig bekannten Forschungen der Holländer, ins-
besondere MolFs und Acquoi's, nahezubringen und aus
ihnen mit der Selbständigkeit eines durch seine eigenen
Specialforschimgen auf diesem Gebiete durchaus Berufenen
zu schöpfen. Wir heben im einzelnen heraus die Hinwei-
sungen auf die innigen Beziehungen Gerhard Groot's zu Ruys-
broek und den Einfluss des letztem auf ihn und die fratres
devoti nach der mystischen imd ethischen Seite, Gerhardts
Predigten gegen die Ketzer des freien Geistes (S. 684), die
Aufzählung und Besprechung seiner Werke (S. 690 ff.).
Florentius wird (S.703f.) nach den von Nolte herausgegebenen
und anderen asketischen Schriften, in denen der praktische
Asket (der homo bonae voluntatis) mehr hervortritt als der
contemplative Mystiker (der homo devotus), charakterisirt
Bei Gerhard Zerbold von Zütphen verdient die Besprechung
seiner Schrift „De libris teutonicalibus " Beachtung; sodann
sind dankenswert die Mitteilungen über die beiden Hauptver-
treter der mystischen Richtung, Hendrik Mande (S. 720
bis 729, besonders S. 727 f. von dem Tractat über das
schauende Leben und seinen nahen Berührungen mit Thomas
a Kempis) und Gerlach Peters, der als „alter Thomas'^
bezeichnet wird, und über dessen breviloquium, sowie über
das von Poiret, Terstegen imd anderen hochgeschätzte soli-
loquium wichtige Mitteilungen gemacht werden. Für beide
Schriften benutzt Hirsche eine sehr alte und wertvolle Hand-
schrift (Wolfenbüttel), deren Druck er in Aussicht stellt.
Gelegentlich bemerke ich noch, dass der Verfasser das ge-
meiniglich über die Verdienste der Brüder um Schulunter-
richt Gesagte insofern wesentlich einschränkt, als er zwar
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DIE DOGMENGESCHICHTUCHEN ARBEITEN 1876-1877. 137
die grossen Verdienste derselben um religiöse Jugenderziehung
(durch Unterstützung und Aufnahme von Schülern), sowie
die Beziehungen von Humanisten zu den Kreisen der Brüder
anerkennt^ aber die häufige Annahme einer von ihnen aus-
gehenden verbesserten Methode des Unterrichts bestreitet.
Der alten Streitfrage über die Autorschaft des Buches von
der Nachfolge Christi ist das ausfuhrliche imd unnötig breit
angelegte Buch von Kettlcwell gewidmet, welcher sich
für Thomas entscheidet. Man kann daraus die Kenntnis der
Controverse über die verschiedenen Prätendenten schöpfen,
eine wesentliche Weiterfuhrung der Sache aber findet man
bei dem Verfasser, der sich vorzüglich an Malous' verdienst-
liche Recherches anschliesst imd von Hirsche nur die Ausgabe
mit ilirer Praefatio, nicht aber die Prolegomcna kennt, nicht.
Dankenswert aber sind die beigegebenen Verzeichnisse der
in England vorhandenen Handschriften und älteren lateini-
schen Ausgaben (vor 1600), sowie der verschiedenen Aus-
gaben englischer Uebersetzung bis 1700, auch die photo-
graphischen Manuscriptproben. Es fehlt noch immer nicht
an Leuten, welche sich von Gregory's Argumenten für den
fabelhaften Abt Gersen als Verfasser der Imitatio gewinnen
lassen; soBenham in der Vorrede seiner (englischen) Aus-
gabe (London, Macmillan), welche auch in der Tauchnitz-
Collection (s. o.) erschienen ist Nach dem Titel eines mir
nicht zu Gesichte gekonmienen Buches muss ich annehmen,
das8 in Frankreich auch die Gersonisten noch nicht aus-
sterben wollen. ^) Grotc's Besprechung der Prolegomcna
von Hirsche *) will, nicht ohne Grund, die Ausdehnung, welche
1) J. Dar che, Cl^ de rimitation de J^sus- Christ. Gereon et
ses advereaires. Paris 1875, Thorin. (XXIV, 363 S. in 8°.) — Vgl
noch Loth, L'auteur de rimitation, in d. Revue des questions histo-
riqucs 1877, Oct., p. 485 — 502. Vgl. auch meine Besprechung von
KettlewelFs Buch in d. Theol. Lit.-Ztg. 1878, Nr. 5, sowie Academy
XII, 1877, S. 464. Unbekannt sind mir geblieben die Aufsätze: Della
controversa Gerseniaua in der Civiltk cattol., S. 9, vol. V, qu. 590. 591 ;
vol. VI, qu. 595, und das Buch von C. Mella, Della controveraia Ger-
seniaua (Prato, Giacchetti) ; vgl Civ. catt. 9, 615, p. 320.
*) Thomas von Kempen, mit Bezug auf die neuen Untersuchungen
Hirsche's, m d. Ztschr. f. luth. Theologie und Kirche 1876, S. 224—246.
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138 KRITISCHE ÜBERSICHTEN.
Hirsche dem Reim bei Thomas giebt, beachränken und ^ubt
die auffallende Bezeichnung des Buches als Musica ecclesia-
stica (bei dem Chronisten Adrian But) durch die Annahme
erklären zu können, das Buch sei wahrscheinlich bei den
Brüdern der gemeinsamen Andacht zugrunde gel^ und
psalmodirend recitirt worden; er will daher die Interpunc-
tionen, auf welche Hirsche so viel Aufmerksamkeit verwendet
hat, nicht nur, wie dieser, mit musikalischen Zeichen ver-
glichen wissen, sondern gradezu lür solche erklären.
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ANALEKTEN.
1.
Zur eescbicbte des papstlicben Archivs im
Mittelalter.
% Von
Dr. S* LSwenfeld in Berlin.
Es ist allgemein bekannt, dass der Zutritt zn den Schätzen
des Yaticanischen Archivs nur dem jedesmaligen Papste, dem Car-
dinal-Staatssecretär und dem Archivpräfecten gestattet ist ^). Die
Nachteile, die aus einer solchen Absperrung Ton der eigentlichen
Quelle mittelalterlicher Geschichte der Wissenschaft sowohl wie
der Sache der Kirche erwachsen, sind grade in unserem Jahrhun-
dert so oft und so eindringlich geschildert worden, dass es tö-
richt wäre, noch ein Wort darüber zu verlieren. Wahr ist, dass
die Kirche, ebenso wie jeder staatliche Verband, gute Gründe hat,
einen Teil ihrer Papiere dem Auge der Oeffentlichkeit zu ent-
ziehen ; wahr ist femer, dass man in einigen wenigen Fällen von
jener den Zutritt hindernden Bestimmung abgewichen ist: aber die
gewahrte Freiheit war doch immer nur so kärglich zugemessen, dass
man aus allem Lobe und Danke, welche man den Vorständen des
Archivs spendete, den Miston der Klage über ungerechtfertigte Zu-
rückhaltung und Abschliessung deutlich heraushören konnte. Man
lese nur, unter welch erschwerenden Umstanden Pertz, Palackj
und Dudik eine Anzahl Begesten-Bände durchgesehen haben. In
das eigentliche Archivlocal kamen sie überhaupt nicht; die ein-
1) Vgl Gachard, Arohives du Vatican. BnudleB 1674.
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140 ANALEKTEN.
zelnen Bände wurden ihnen auf Wunsch im Arbeitszimmer des da-
maligen Präfecten vorgelegt und „unter dessen Aufsicht" durch-
gesehen ^). Kann doch selbst Böhmer nicht ein Wort des Un-
muts unterdrücken über die Hindemisse, die dem Forscher am päpst-
lichen Hofe begegnen % — Und wenn Monsign. Marino Marini,
der Neffe des berühmten Graetano Marini, nicht so liebenswürdig
gewesen wäre, wie er es wirklich war? üio genannten Männer
sind seines Lobes voll, und ihm gebürt ein grosser Anteil an den
Leistimgen jener drei.
Bei solchen Erwägungen wird man jeden mit offenen Armen
empfangen, der, wenn ich so sagen soll, als Berichterstatter aus
dem Innern des Archivs kommt und ein wenig den Schleier lüf-
tet, der über das Heiligtum gebreitet ist.
Vor zwei Jahren erschien in Christiania eine Brochüre des
damals bereits verstorbenen Historikers Munch unter dem Titel:
„Aufschlüsse über das päpstliche Archiv und seinen Inhalt, vor-
nehmlich über die Register und ihre Einrichtung; welche Ausbeute
ist für die Geschichte des Nordens und speciell Norwegens daraus
zu gewinnen?" Veröffentlicht ward die Schrift durch den auch
bei uns wohlbekannten Professor Gustav Storm^).
Schon das mit Absicht dunkel gehaltene Vorwort des Heraus-
gebers musste die Neugierde des Lesers reizen. Es lautet im Aus-
zuge etwa so: „Die vorliegende Abhandlung verfasste P. A. Munch
im Jahre 1860 während seines Aufenthalts in Bom und sandte
sie von dort an die Akademie der Wissenschaften zu Christiania.
Nach seiner Bückkehr deponirte er sie im Beichsarchiv mit der
Bestimmung, die Arbeit dürfe nicht veröffentlicht werden, so lange
der Präfect des Vaticanischen Archivs, Pater Theiner, am Le-
ben sei. Nach dessen Tode (1874) wurde mir das Manuscript zur
Herausgabe anvertraut." Munch war nämlich während seines zwei-
ten römischen Aufenthaltes, am 25. Mai 1863, also elf Jahre vor
dem Tode seines Gönners und Freundes Theiner gestorben.
Aus den in Anführungszeichen gesetzten Zeilen geht offenbar
hervor, dass Theiner durch die Veröffentlichung der Munch'schen
Schrift in irgend einer Weise compromittirt worden wäre. Dies
1) VgL auch Blume. Iter Italicum IH, 26 sqq.
*) Janssen, Job. Fr. Böhmer I, 211 und 223. — Posse, der
Herausgeber der Analecta Vaticana (1878), ist nicht ins Archiv hineinge-
kommen. Ich bemerke das hier ausdrücklich, da seine praefstio in Be-
treff dieses Punktes leicbt zu Irrtümern verleiten kann. (S. die Recension
in der Jenaer Lit.-Zeitung S. 642.)
3) P. A. Munch, Oplysninger om det pavelige Archiv og dets
Indhold, fomemmelig Begesteme og disses Indretning samt om det Ud-
bytte, heraf er at heute for Nordens og isaer Norges Historie, udgivet
af Dr. Gustav Storm. Christiania 1876.
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LÖWENFELD, ZUR GESCHICHTE DES PÄPSTL. ABCmva 141
führt zu der Vennutung, dass der päpstliche Archivar dem nor-
wegischen Gelehrten die Benutzung des Archivs ohne Erlaubnis
Pius' IX. oder, wenn mit Erlaubnis, doch in freierer Weise, als
es sonst Hblich war, gestattet hat ^).
Die Munch'sche Schrift hat über die Grenzen der nordischen
Beiche hinaus nicht die Beachtung gefunden, die sie in so hohem
Masse verdient, und die Schuld daran trägt offenbar die allgemeine
Unkenntnis des Dänischen. Widerstrebt es mir nun, als üeber-
setzer derselben, selbst auf sie hinzuweisen, so kann ich mich doch
dem umsoweniger entziehen, als ich in der deutschen Ausgabe ^
von eigenen Bemerkungen Abstand nehmen werde und aus diesem
Grunde mich genötigt sehe, einige abweichende Ansichten an die-
ser Stelle darzulegen. Ein kurzer Hinweis auf den übrigen In-
halt möge als nicht unwichtige Ergänzung zu dem jüngst erschie-
nenen Buche von Woker^) gestattet sein.
Zunächst construirt Munch auf aprioristischem Wege den Be-
stand der päpstlichen Archivalien; die beiden Teilo, in welche
sich dieselben zerlegen lasisen, sind Originale und Copien, Bezeich-
nungen, die fast zusammenfallen mit „ eingegangenen '* und „ab-
gegangenen" Sachen. Die Belege, mit denen der Verfasser seine
Behauptung unterstützt, sind durchweg der skandinavischen Geschichte
entnommen. Eine Hauptrolle unter den Originalen spielen die Bechen-
schaftsberichte, welche die päpstlichen Nuntien, die Einsammler des
Peterspfennigs und der verschiedenen Zehnten, zum Teil aus der
Fremde heimgesandt, zum Teil nach ihrer Rückkehr bei der Curie
eingereicht haben. Eine firühere Fublication Munch's beschäftigt
sich speciell mit diesem Gegenstände *); wir besitzen meines Wissens
fOr unser Land nichts derartiges, und doch wären grade diese
Tage- und Bechnungsbücher im Stande, einen klaren Einblick in die
1) Vgl. hierzu, was Böhmer über Theiner sagt. Janssen III, 223.
2) Sie wird im 4. Bande der Archivalischen Zeitschrift (herausgeg.
von Fr. v. Loher) erscheinen.
8) „Das kirchliche Finanzwesen der Päpste. Ein Beitrag zur Ge-
schichte des Papsttums/' NördUngen 1878.
«) „Pavelige Nuntiers Regnskabs- og Dagböger, forte under Tiende-
Opkraevningen i Norden 1282—1334." Christiania 1864. — Dass Woker
dieses Buch nicht benutzt hat, ist sehr zu bedauern. Bei der geringen
Kenntnis (vielleicht gradezu Unkenntnis), welche wir von dem Werte
mittelalterlicher Münzen sowohl wie Gegenstände haben, sind solch' um-
fassende Rechnungslegungen päpstlicher CoUecteure allein geeignet, uns
über die Preisverhältnisse jener Zeit aufzuklären. Für den grössten Teil
der Angaben, die Woker macht, fehlt uns jedes Verständnis, und ich glaube,
auch dem Verfasser selbst. Denn wenn S. 25 die Mark Silber mit 5,
S. 39 u. 40 mit 4, S. 49 mit 3 (]k)ldgulden berechnet wird, so be-
weist das eben — trotz der verschiedenen Länder, auf welche sich die
Ansätze beziehen — zur Genüge, wie sehr wir hier im Dunklen tappen. —
leb benutze die Gelegenheit, um zu Kap. III einiges hinzuzufügen. Unter
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142 AKALEKTBN.
wirtschaftlichan Verbfiltnisse des mitteklterliclien DeutBchlands zu
gewähren. — Die Abteilug der Oopien fflifart den Verüisser auf
die eigentlichen Begister der Päpste. Er bespricht hier die Grund-
äätze, nach denen die Auswahl der zu copirenden Briele stattfand
— es wurden bekanntlich nicht alle registrirt — , geht auf die
Organisation der Kanxlei, auf die Teilung der Briefe in commu-
nes und secretae (oder ad legendum) und endlich auf die Frag«
ein, ob die Regesten auf Grundlage der Concepte oder der ferti-
gen Originale entstanden sind. Die angedeuteten AusflUirungen be-
ruheuy wie Manch scilbat angiebt, zum grossen Teil auf Delisle*s
Memoire sur les actes d'Innocent lU, aber die Angaben des fran-
zösischen Gelehrten werden nachgeprüft und bei dem Material, das
Manch zn Gebote stand, über die Zeit Innocenz' ni. hinaus erwei-
tert. — Ganz selbständig dagegen sind die Bemerkungen über die
von Johann XXII. in die Begistrations- und Taxverhältnisse ein-
geführten Beformen ; beachtenswert ist hierbei, dass die Zahlen über
jedem Briefe, welche die Gebüren für Expedition and Eintragung
ins Register angeben, in einer ganz eigenen, sonst ungebräuchlichen
= xxxxx
Weise geschrieben wurden, also z. B. 12 = X, 100 = xxxXX
d.h. 5(10-f-10), 64=^V^ d. h. 3(10 + 6 + 3).
XXX
Eine scharfe Abfertigung (S. 26) erfahii Dudik, der im
zweiten Bande seines Iter Romanum den Nachweis za liefern sacht,
dass die Regestenbände bedeutend jünger als die Originalbriefe und
häufig sogar erst nach der Zeit des betreffenden Papstes entstan-
den seien. Munch hat hier nicht genügend betont, dass man einen
Unterschied machen muss zwischen der Zeit yor und der Zeit nach
Johann XXII. Denn während wir für jene Zeit nur Pergament-
register haben, treten seit Johann neben diesen noch Papierbände
auf. Für den ersten Zeitraum halten sich die Gründe, die Dudik
wie Munch fCü: ihre Ansichten geltend machen, die Wage, und nur
den Ausgaben mit echtem Texte fehlt der Nachdruck von A 14, der je-
doch nur den lateinischen Text giebt, gedruckt: Sylvae-ducis apud Ste-
phanum du Mont MDCCVI (in der Berl. Bibl.). Merkwürdig ist, dass
Woker, der alle ihm „bekannt gewordenen" (nicht bloss zu Gesicht ge-
kommenen) Ausgaben zusammenstellt, die in der Praefatio (und pag. 90)
der niederländischen Ausgabe genannten Drudce übersehen hat Es sind
dies: 1) Rom 1514. Taiae Gancellariae Apoetolicae per Marcellum Silber
alias Franck, Romae in Campo Florae anno MDXllll, die XVILL Nov.
impressae. 2) 1515 Köln: apud Grosuinum Colinium. 3) 1523 ibidem.
Dazu kommt: 4) Die oben erwähnte Ausgabe von 1706 (hier steht auch
die Geschichte von dem Ratsheim zu Heizogenbusch , die Woker S. 67
aus Gibbings entlehnt zu haben scheint). 5) Lauingae 1600, in Tom. II,
p. 825 der Lectdones memorabiles et reconditae von Johannes Wolüus, „Taxae
sacrae poenitentiariae , ex libro qui inscribitur Grauamina opposita ad-
versus synodi Tridentinae restitutionem ", also zur Klasse B gehörend.
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LÖWENFELD, ZUR GEfiGmCHTfi DES PAPSTL. ARCHIVS. 143
eitte auf Autopsie beruhende Nacbprflftmg der beiderseitigen Be-
hauptungen kann zu einer hSnUicheidung führen. Anders steht es
mit der Zeit nach Johann XXII. Hier hat Dudik Becht mit seiner
Behauptung, dasa die Bände^ die er benutzt hat, jünger seien als
die P^te, ¥on denen sie ausgegangen. Aber er ist, wie viele
seiner Vorgänger, in den Irrtum yerfallen, die Pergamentregister
als die einzig authentische Quelle zu betrachte, — ein Irrtum,
der entweder auf mangelhaftor Yergleichung oder darauf beruht,
dasa man Yon der Existenz der Papierbücher keine Kenntnis hatte.
Dass auch Ihidik ein Anhänger dieser falschen Ansicht ist, geht
daraus hervor, dass er, soviel ich sehe, nur die Pergamentbände
be^rückaichtigt, und zweitens, dass er ans den Worten „correctum
cum papiro'* (am Ende jeder Pergamentlage) den Schluss zieht, die
Briefe seien „unmittelbar aus dem Original -Concept'* geschöpft
(Dudik S. 72). Wir werden bald sehen, was man unter diesem
,, Papier" zu verstehen hat
Mun<^ widmet nun dem YerhältniBse der Papier- und Per-
gamentregister zu einander — selbstverständlich wo beide für die
gleiche Zeit noch vorhanden sind — eine eingehendere Untersu-
chung. Hatte man bisher angenommen (auch Dudik?), dass nur
die letzteren fQr den Geschichtsforscher von Wert seien, so kommt
Munch zu einem diametral entgegengesetzten Resultat, das er in
die Worte zusammenfasst: Für die Jahre, über welche uns Pa-
piorbände Au&chluss geben, können wir die pergamentnen sehr gut
entbehren (S. 33). Die gleichzeitige Benutzung mehrerer Bände,
welche ihm gestattet war, büdet ein nicht zu unterschätzendes Mo-
uMnt bei einer Frage, die nur auf dem Wege der Yergleichung
zu beantworten ist. Schon der Umstand, dass die Papierregister (A)
bei weitem reichhaltiger sind als die pergamentnen (B) — und
wir haben keinen Grund, in diese Nachricht Munch's auch nur
den leisesten Zweifel zu setzen — , genügt, um die Haltlosigkeit
der traditionellen Ansicht zu zeigen; denn alle Forscher (vgl.
Ficker, Beitr. z. U.-UII, 35; Delisle, M^. s. 1. a. dlnn. HI,
10; Dudik U, 73; Munch passim) sind darüber einig, dass die
Begesten nur nach den Originalen (nicht nach den Ooncepten) ge-
fertigt seien; wie aber verträgt sich dies mit der Behauptung, dass
A jünger sei als B, oder mit andern Worten, dass A aus B ab-
geleitet sei? Die übrigen, S. 30 ff. angeführten Argumente erhe-
ben die Munch'sche Hypothese über jeden Zweifel. Jetzt erklärt
sich auch das oben erwähnte „eorreotum cum pa^iro", es heisst nichts
anderes als: das auf Pergament Geschriebene ist nach seiner Vor-
lage im Papierregister corrigirt worden. — Die Consequenzen, die
sich aus der Priorität von A ergeben, sind ungemein wichtige. Wem
es in Zukunft vergönnt sein sollte, das päpstliche Archiv zu be-
nutzen, wird vor allem an die Papierregister sich wenden müssen.
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144 ANALEKTEN.
Misglückt dagegen scheint mir der Versuch des Verfassers,
die Anzahl der Bände, welche Briefcopien und Snpplikanszfige ent-
halten, festzustellen (S. 74). Zum Unglück hat sich in die Wahr-
scheinlichkeitsrechnung, welche, offen gestanden, nur zu wenig
Wahrscheinlichkeit besitzt, ein kleiner, mechanischer Bechenfeh-
1er eingeschlichen. 4.64 ist nicht 246, sondern 256, und
die Summe der Bände steigt somit auf 736. „Rechnet man
hierzu'', sagt Munch (S. 74), „die Cameralsachen ^), so steigt die
Zahl der Bände vermutlich auf 1000.'^ Tausend Bände also im
päpstlichen Archiv för die Zeit von 1198 — 1860, d. h. fQr
662 Jahre. Unmöglich! Fertz s^ ausdrücklich, dass für die
Zeit bis Fius V. (1566) 2017 Regestenbände vorhanden seien, und
selbst diese Angabe wird von Dudik berichtigt, der die Zahl auf
ca. 3000 erhöht (a. a. 0. U, 74). Es ist £afit unerklärlich, wie
Munch dazu kam, den numerischen Bestand des Archivs — und
zwar eines Archivs, das so viele Schicksale erlebt hat, wie das
päpstliche — auf diesem Wege feststellen zu wollen. Der Recen-
sent des Buches in Zamke's Liter. Centr.- Blatt neigt zwar der
Ansicht Munch's zu und meint, Pertz und Dudik hätten die „Lücken "
nicht beachtet. Aber die fortlaufenden Zahlen, auf welche die ge-
nannten Forscher sich stützen, stammen, wie ich meine, von den
Ordnern des Archivs im 17. und 18. Jahrhundert (vgl. Munch,
S. 58), und dass seit dieser Zeit Lücken eingetreten seien, da-
für liegt nicht der mindeste Anhalt vor. Selbst der durch Na-
poleon veranlasste Transport der Archivalien nach Paris (1810)
ist ohne Einfluss auf den factischen Bestand desselben geblieben ^).
Die Entscheidung dieser Frage liegt einzig und allein in den Hän-
den der Curie.
Einer Berichtigung bedürfen femer die Angaben über die Ge-
hälter des Capellans, des Penitentiarius und der Secretäre (S. 10,
Note unten). Die Resultate, die Munch giebt, können unmöglich
die richtigen sein; aber ich lasse es dahingestellt, ob Schreib-
oder Rechenfehler die Schuld daran tragen. Ein Beispiel wird
genügen.
• Der Kapellan erhält: am 1. Tage — Flor. 11 sol. 4 den.,
» 2 ° „ 1 w 2 „ 4 „
»3 „ 1 w 15 „ 4 „
4*®*^ 2 6 4^
» * n ^ V " j» * I»
und so fort bis zum 56***°, d. h. nach Ablauf von acht Wochen
laut Angabe des Textes: 31 flor. 7 sol. Aus den vier ersten
Gliedern erfahrt man: 1) dass das Gehalt progressionsweise und
zwar in arithmetischer Progression um 13 sol. täglich stieg, und
») Vgl. darüber Munch, S. 9.
2) Gachard 1. c.
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LÖWENFELD, ZUR GESCHICHTE DES PÄPSTL. ARCHIVS. 145
2) dass 1 flor. = 22 sol. ist. Setzen wir diese Werte in die be-
kannte Formel x= a+(n — l)d, so ist x = ll} + (5^ — 1)
13 = 11 J + 715 = 726 J sol. = 33 flor. — sol. 4 den. Ebenso
empföngt der Penitentiar am 56. Tage (nach meiner Berechnung)
24 flor. 18 sol. und ein Secretar 11 flor. 16 sol. 7 den.
Was die von Munch offen gelassene Frage (S. 69) über die
Bedeutung der Initiale betrifft, mit welcher die Päpste die einge-
laufenen Bittschriften oder vielmehr deren Auszüge in Begesten-
form (Munch, p. 63 ff.) zu unterzeichnen pflegten, so genügt es, auf
eine Stelle in der Roma nova von Sprenger (Frankfurt 1660,
p. 41) hinzuweisen, in der es heisst: „Ubi papa signat, vel refertur
ad gratiam, vel ad justitiam; si ad gratiam, tunc hoc usurpat: Fiat
ut petitur, annotata prima litera sui nominis proprii, ut verbi gratia
pro Alexandre VII F. i. e. Fabius. In justitia mutat fiat in placet,
jnxta eandem annotationem sui nominis.^'
Noch manche Einzelheit des Buches M wird sich von kundi-
gerer Seite berichtigen lassen; aber dadurch wird der Wert des
Ganzen nicht im mindesten angetastet So lange die Verhältnisse
in der Verwaltung und Benutzung des Vaticanischen Archivs sich
nicht ändern, wird die Munch'sche Abhandlung einen höchst schätzens-
werten und in seiner Art vielleicht einzigen Beitrag zur päpst-
lichen Diplomatik bilden.
2.
AomerkuDg zur Geschichte Columba^s.
Von
Dr. G. Hertel in Magdeburg.
Heber die Ankunft des irischen Missionars Columba im Fran-
ken reiche gehen die Ansichten noch immer auseinander. Ich habe
1) Leider hat sich eine Anzahl sinnentstellender Druckfehler teils in
den dänischen, teils in den lateinischen Text eingeschlichen ; von den schlimm-
sten Yerbessere ich hier nur folgende : S. 3, Z. 16 statt Indberetnlnger lies
Indhetalinger. — S. 18, N. 1 statt Forbindelsestegn lies Forh^elses-
tegn, — S. 24, Z. 10 statt Afsendelsen lies Beseglingen. — S. 28, Z. 5
statt 8. T. lies s. A, (samme Aar), Aber die Universität St. Andrew ist
nicht 1451, sondern 1411 gegründet. — S. 53, Z. 24 statt bis lies his. —
S. 61, N. 2 ist zu streichen. — S. 64 N. statt nostri lies nosti. — S. 74,
ZelUchr. t K.-O. III, 1. 10
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116 ANALEKTEN.
in meinem Anfisatze : y,Üeber des heiligen Colmnba Leben und Schrif-
ten, besonders über seine Klosterregel" ^) nachzuweisen gesucht,
dass er 590 nach Gallien gekommen sei, und dieser Ansicht ist
Meyer von Knonau^) beigetreten, während die BoUandisten
(AA. SS. Oci 16) seine Ankunft schon früher (585) ansetzen.
Dagegen hat Ebrard in seiner ,, Tatsächlichen Berichtigung"^
seine Ansicht aufrecht erhalten, dass die Ankunft desselben 594
zu setzen sei.
Den wichtigsten Beweis würde eine Stelle aus Columba's „Epi-
stola ad patres synodi cujusdam " ^) liefern, wenn wir die Synode
genau bestimmen und den Brief datiren könnten. Die Stelle lau-
tet: „Sicut usque nunc licuit nobis inter vos yixisse duodecim an-
nos." Die Reihenfolge der Briefe, wie sie in der Bibl. pp. mai.
abgedruckt sind, ist ganz willkürlich, so dass sich hieraus kein
Schluss ziehen lässt. Nach der von mir aufgestellten Ordnung ^)
behält er allerdings die zweite Stelle, aber das Jahr seiner Ab-
fassung geht daraus nicht herror. Wohl aber habe ich nachge-
wiesen ^, dass er vor Gregorys des Grossen Tode (t 604) abge-
fasst sein muss, woraus sich schon ergiebt, dass Columba nicht
erst 594 nach Gallien gekommen sein kann. Es fragt sich aber
nun, ob die so ganz allgemein bezeichnete Synode, die in die Ter-
schiedensten Jahre gesetzt ist, nicht genauer bestimmt werden kann,
so dass die darin enthaltene Zeitangabe einen bestimmteren Wert
erhält. Die Sache scheint so hoffnungslos nicht zu sein, wenn man
die verschiedenen Angaben der Quellen zusammennimmt.
Der betreffende Brief Columba*s handelt nämlich nicht bloss
über die von der römischen Kirche abweichende Feier des Oster-
festes, welche jener befolgte und welche man ihm zum Vorwurf
machte, sondern der erste Teil betrifft andere Misbräuche in der
Kirche, welche abgeschafft werden sollten; erst am Schluss ist vom
Osterstreite die Bede. Daraus schon geht hervor, dass eine all-
gemeine Beratung stattfinden sollte. Demnach muss man erwar-
Z. 26 statt Begestböger lies Begnskdbsböger, — S. 63 ist durch
übereinstimmenden Irrtum des Setzers und Corrcctors das Concept des
päpstlichen Briefes nicht, wie eigentlich beabsichtigt war, in der ursprüng-
lichen, das Verfahren des gewissenhaften Concipienten zeigenden Form
wiedergegeben.
1) Zeitschr. f. d. histor. Theol. 1875, S. 396 ff.
2) Allgem. Deutsche Biographie IV (1876), S. 424.
») Zeitschr. f. d. histor. Theol. 1875, 8. 500. Die Stelle bei Orde-
ricus Vitaüs (nicht, wie Ebrard will, vita des Ordericus) beweist nichts,
da dieser erst viel später schrieb und seine Worte auch anders zu deu-
ten sind.
*) Bibl. pp. max. XII, p. 25.
')
6) a. a. 0. 8. 424.
6) Ebenda S. 404,
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HERTEL, ANMERKUHG ZUR GESCHICHTE COLUMBA'S. 147
teD, auchanderswo Angaben Über jene Synode zu finden. — Doch giebt
ims zunächst der Brief noch einen Namen, allerdings in so allgemeiner
mid nnbestimmter Weise, dass wir zn seiner Verwertung für unsere
Frage noch andere Schriften heranziehen müssen. Die Stelle ist:
„sieutsancto fratri vestro Arigio brevi libello scribere praesumpsi''.
Diesen Arigius kennen wir nicht, denn der Lehrer des Attala
kann es nicht sein. Wohl aber muss es ein einflussreicher, an der
Spitze der Gregenpartei stehender Mann gewesen sein, weil grade
an ihn Colnmba eine Verteidigung seiner abweichenden Osterfeier
richten wollte. Einen solchen Mann finden wir in dem von Fre-
degar öfter genannten Aridius, Bischof von Lyon, der das willigste
Werkzeug der Brunhilde war ^). Da nun die Ausgabe der Bibl.
pp. max. sehr fehlerhaft ist, da sich ferner für Attala*s Lehrer
ebenfalls der Name Aridius findet, so ist wohl anzunehmen, dass
der in Columbas Briefe genannte Arigius und der Bischof Aridius
Ton Lyon eine und dieselbe Person ist Denn wenn Aridius eine
80 hohe Stellung inne hatte, wie die eines Bischofs von Lyon, der
Hauptstadt des burgundischen Reiches, war, so ist es gewiss na-
turlich, dass dieser auch einer burgundischen Sjrnode präsidirte und
die Verhandlungen derselben leitete; und deshalb wird er auch
die Verteidigungsschrift des Columba entgegengenommen haben.
Seine Stellung, die er zu der in Burgund allmächtigen Brunhild
inne hatte, macht die Uebertragung eines solchen Amtes noch er-
klärlicher : denn da diese Frau Geistlichkeit wie Laien ganz nach
ihrem Qefiillen zu lenken suchte, so musste ihr das um so eher
gelingen, wenn das Haupt der Kleriker ihr ganz ergeben war und
seinen Einfluss für sie geltend machte. Und Brunhild hatte in der
Tat ein grosses Interesse an den Verhandlungen dieser Synode, wo
es sich um Columbas abweichende Osterfeier handelte, wenn dies
auch nicht der eigentliche Grund war, weshalb sie ein Einschreiten
gegen denselben wünschte. Sie war vielmehr deshalb gegen Co-
lumba erbittert, weil dieser zu ihrem Enkel, dem König Theode-
rich IL, in naher Beziehung stand und als strenger Sittenrichter
denselben zu einem geordneten, sittlichen Lebenswandel zu bekehren
sachte. Weil dadurch aber ihr Einfluss auf den König vollständig
gebrochen, ihre Macht vernichtet werden musste, so war ihr sehr
viel daran gelegen, Columba loszuwerden. Dies gelang ihr aber
am besten, und ohne dass die Gehüssigkeit dafür auf sie fiel, wenn
m ein Verdammungsurteil über seine klösterlichen und kirchlichen
Gebräuche herbeiführte. Ihr Spiel war also schon gewonnen, wenn
ein ihr ganz ergebener Mann zum Bichter über Columba gesetzt
wurde. Ausserdem war auch das Verhältnis zwischen Theoderich
und Columba schon ziemlich gelockert, da dieser- sich geweigert
1) Fredeg. 32. Vita Romarici 3 bei Mab! Hon, Act. SS. 11.
10*
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148 ANALEKTElf.
hatte, dio unehelichen Söhne desselben zu segnen, so dass von
dieser Seite auch kein Einspruch gegen ein verdammendes Urteil
zu erwarten war. Columba sah ein solches voraus und gab daher
seine Verteidigung schriftlich ab, denn es ist wohl nicht anzu-
nehmen, dass er sonst vor einer kleinen Reise zurückgeschreckt
sein würde, wo es sich für ihn um so wichtige Dinge handelte.
Eine Synode nun, auf welcher es sich um solche Dinge han-
delte, ist die im Jahre 603 abgehaltene Synode zu Cabillonum
(Chälons s. Saöne), wie aus Fredegar's Bericht (c. 24) hervorgeht.
Dass Columba, obgleich ihn Fredegar weder nennt, noch Jonas der
Synode Erwähnung tut, doch in Beziehung zu ihr stand, ist mir
unzweifelhaft. Fredegar nämlich erzählt, dass auf Brunhilde's und
Aridius' Betrieb dort der Bischof Desiderius von Vienne abgesetzt
und auf eine Insel verbannt worden sei. Derselbe kehrt dann 607
zurück, wird aber bald darauf auf Brunhilde*s Befehl, wozu ihr
Aridius geraten hatte, gesteinigt. Von Desiderius erzahlt femer
seine Vita c. 7 ^), dass auf seinen Bat Theoderich sich entschlossen
habe, zu heiraten und seine Kebsweiber, von denen er mehrere
Söhne hatte '), zu entlassen; dadurch aber habe er sich den Zorn
des Königs zugezogen. Theoderich heiratet auch in der Tat die
Tochter des Westgothenkönigs Witterich, Ermenberta, die er durch
Aridius aus Spanien holen lässt. Aber wiederum grade dieser
machte hier bald seinen bösen Einfiiuss geltend und wusste im
Bunde mit Brunhilde und des Königs Schwester Theudelana dem
jungen König seine Gemahlin so verhasst zu machen, dass er sie
schon nach einem Jahre mit Zurückbehaltung ihrer Mitgift nach
Hause zurückschickte. Oflfenbar hängt Desiderius' Märtyrertod mit
dieser schmählichen Auflösung der Ehe zusammen, denn beide Er-
eignisse fallen in dasselbe Jahr.
Da nun Jonas in gleicher Weise von Columba erzählt, dass
dieser wie Desiderius dem Könige Vorwürfe über seinen unsitUichen
Lebenswandel gemacht und ihn zu einer rechtmässigen Heirat zu
bereden gesucht habe, so lässt sich das Bestehen einer engeren
Beziehung zwischen Desiderius und Columba nicht von der Hand
weisen. Beide mussten aus dem gleichen Grunde der Königin Brun-
hild verhakst sein, beide musste sie loszuwerden suchen, da beide
ihren Einfluss zu brechen versuchten. Wenn in den Berichten nun
Desiderius in den Vordergrund tritt, so ist das aus seinem tra-
gischen Schicksal erklärlich, welches ja so bequem Stoff zu dessen
Verherrlichung lieferte. Bei Columba tritt mehr der vorgebliche
Grund seiner Verurteilung in den Vordergrund, besonders da die-
selbe bei weitem nicht so üble Folgen liatte als bei Desiderius.
1) Bolland Mai. 23.
2) Sie waren geboren 602, 603, 604.
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149
Auch er ward ja schon gewissermassen verbannt, als er strenge
anf den Verkehr in seinen Klöstern beschränkt wurde, wo er sich
noch den ärgerlichsten Chicanen von Seiten der Königin ausge-
setzt sah. Als dann später den Desiderius das Schicksal erreichte,
da war auch für Columba das urteil gesprochen, dass er weichen
musste. Dass ihn nicht ein gleich hartes Loos traf, verdankt er
wohl hauptsächlich dem Umstände, dass das Volk entschieden für
die ungerecht bestraften Männer Partei nahm und gegen das
königliche Haus sehr erbittert war, besonders als am Grabe des
Desiderius Wunder geschahen, wodurch seine Unschuld und des
Königs Verbrechen deutlich erwiesen wurden. Deshalb musste es
sehr gewagt erscheinen, noch einen beim Volke beliebten Geist-
lichen zu tödten, was bei Columba nur mit Anwendung von Ge-
walt geschehen konnte, da er in seinen sehr zahlreichen Mönchen
eine nicht zu verachtende und jederzeit bereite Schutzwache hatte.
Deshalb begnügte sich der König bei ihm mit der Verbannung.
Diesen Zusammenhang der Schicksale beider Männer bestä-
tigen zwei Stellen des Jonas, die erst in diesem Sinne recht zu ver-
stehen sind. Vita Col. c. 54 sagt er mitten zwischen den Lebens-
schilderungen seines Heiligen: „In derselben Zeit wüteten Theo-
derich und Brunhild nicht nur gegen Columba, sondern auch gegen
Desiderius, den sie den Märtyrertod erleiden Hessen." Dass Jonas
diese Bemerkung ganz unvermittelt und scheinbar ohne Zusammen-
hang mit dem Leben Columba's einschiebt, muss umsomehr auf-
fallen, je strenger er sich sonst an seinen Stoff hält und Neben-
personen und Nebendinge ausser Acht lässt, wenn sie nicht mit
seinem Heiligen besonders in Verbindung stehen. Wie kommt
Jonas dazu, grade diese eine Schandtat Brunhilde's zu erzählen, da
er doch sonst diesen Stoff nicht berührt? Offenbar weil Desi-
derius und Columba in derselben Lage sich befanden, weil ihre
Schicksale eng mit einander verbunden waren. Dass Jonas nichts
Näheres über Desiderius bringt, dass er vor allem die in Chälons
verhängte Verbannung mit Stillschweigen übergeht, kann nicht auf-
fallen, wenn man bedenkt, wie ängstlich er jede Erwähnung des
Osterstreites vermeidet. Diese hätte er nicht umgehen können,
wenn er sich weiter über die Schicksale des Desiderius ausgelassen
hätte. — Die andere Stelle ist Vita Col. c. 33. Als nämlich
Theoderich einst bei einem Besuche in Luxeuil hart mit Columba
an einander geriet, sagte er: „Martyrii coronam me tibi iUaturum
speras : non esse me tantae dementiae scias, ut hoc tantum per-
petrem scelus"; sonderbare und dunkle Worte, die erst ein rechtes
Verständnis geben, wenn man dabei das Schicksal des Desiderius
und die aus demselben entstandenen Folgen im Auge hat.
Fasst man alles dies zusammen, die Angaben der Quellen,
die inneren Verhältnisse und die verschiedenen Zeitangaben, so ist
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150 ANALEKTEN.
es mehr als wahrscheinlich, dass jene Synode, an die Colomba
seinen Brief richtete, die im Jahre 603 abgehaltene Synode ist,
von der wir sonst nichts wissen, als was Fredegar nns darüber
berichtet Möglich war es ja anch, dass der Ort für Abhaltung
der Synode noch nicht ganz feststand, als Oolumba diesen Brief
schrieb und ihn znr Verlesung auf der Versammlung einem zu
derselben berufenen Bischöfe, vielleicht dem Aridins selbst, über-
sandte.
Wenn die Sache aber sich so verhält, so bestätigt dieser
Brief auf das beste die auf andern Quellenangaben beruhende
Festsetzung von Columba's Ankunft in Gallien im Jahre 590 ^).
3.
Actenstflcke zor deHtscb«n Refarmations-
geschichte.
Ans dem Archiv in Neapel zun ersten Male mitgeteilt
von
Ylctor Schwitze in Göttingen.
I.
I>reizelm Depeschen Contarmi's aus Begenshurg an
den Cardinal Famese (1541)^).
No. 1 (Eogensburg, 13. März 1641).
Contarini an Farnese.
lo scrissi da lanzuot, luoco delli Duchi di Bavera, alli Vlfl
deir instante, come per le lettero delli Nuntii io mi era inter-
tenuto li, sin ch* io havessi altro adviso da loro, et che alla Dieta
1) Edgar LGning, Gesch. des deutschen Eirchenrechts II (Strass-
bnrg 1878) , S. 415, Aum. 1 Rcheint sich mehr der Ansicht der Bollan-
disten zuzuwenden, dass Columba schon 585 nach Gallien gokomraen
sei. Möglich wäre dies, wenn man die Worte jenes Briefes so auffasstc,
dass Colnmba von seinem Aufenthalt in Austrasien spräche, die vorher
auf der Reise verbrachten Jahre aber nicht mitrechnete. Es ist wohl an-
zunehmen, dass er erst einige Zeit umherzog, da er ja zunächst kein
bestimmtes Ziel hatte und erst dann sich niederliess, als er einen be-
sonders günstigen Platz gefunden hatte.
*) Die nachstehend veröffentlichten Docnmente wurden von mir auf
dem Grande Archivio in Neapel aufgefanden, und zwar in der Abteilung
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SCHÜLTZE, ACTENSTÜCKE ZUÄ REF.- GESCHICHTE I. 151
in Batbbona non ora gianto ancor alcuno elettoro et pochi Prin-
dpi, le qoali mie lettere, per esser State date ad un familiär del
YescoYo di Modena, il qnale andava a Milano, penso, che saranno
rose a V. S. E™* piü tardo di queste altre.
La sera medesma io hebbi lettere dalli Nuntii, per le quali
mi significavano, che io procedessi oltra et che il venerdl a sera
alli XI io allogiaria füora della terra in nn Monasterio di Cer-
tosini et il sabbato poi, che fa hieri, io farei Tintrata; et cosi fa
fatto.
Hieri alli Xu dopo pranso soa Mt^ mi mandö a levar dal
Monasterio Mens, di Prato con il vesc^ di Aras, figliolo di Mens.
di Grandvella, et Mens. Agrigentino, firatello del Marchese di
Terranova, et molti altri Gentilhomeni.
Fnora del Monasterio trovai il B. et 111. yesc^ Saltzburgense,
fratello delli Duchi di Bavera, et V Arcivesc*^ Bremense, frat^llo
del Dnca di Bronsvich, li quali etiam mi accopipagnamo.
Alla porta mi dette a basar la croce il vesc^ di Brixino, loco-
tenente del Be di Bomani in qaesta Dieta, perchd il vesc^^ della
terra era indisposto ^).
Poi sotto il Baldachine füi accompagnato alla chiesa maggior,
doye si fece la ceremonia. A me parve veder aasai populo et piü
riyerenza di qnella, che mi credea ritrovare, bench^ la Cittk sia
Catholica.
La Ces^ M^ non mi venne al incontrar, perch^ disse Mens,
di Grandvella al Nuncio Poggio, non esser solito, li Lnperatori,
dopoch^ sono ^ronati, cavalcare incontro a legati, n^ alli elettori,
aUi quali, quando veranno, disse, che non voleva cavalcare per
der sogenanuten Carte Famesiane, welche reiche schriftliche Sammlung
8. Z. mit der Faniese'schen Hinterlassenschaffc nach Neapel gekommen
ist. Die grosse Unordnung, in welcher sich die in viele hundert
Ballen zerstreuten Papiere befinden, und das Fehlen eines Verzeichnisses
mögen die vielfachen Lücken in der Beihe der hier zum Abdruck ge-
brachten Depeschen entschuldigen.
1) Die Bichtigstellung dieser ungenauen Angabe erfolgt in einer
besonderen Depesche vom 16. März: „Ne altro ho che scriverle, senon
correger neUa mia lettera quel luoco,-ove le scrivo, che *1 vesc» di Brixino
nella mia entrata mi dette la croce alla porta, per esser 11 vescovo di
Batisbona indisposto; ho dipoi meglio inteso questo et saputo, che il
vescovo di Batisbona era presente anche esso con il piviale alla porta a
recevermi; ma, per farmi piü honore, volsero, che il vesc© di Brixino,
11 quäle h locotenente del Be di Bomani nel contado die Toroli, etiam a
questa Dieta facesse esso questa ceremonia, come persona di piü grado
et per piü honor della sede Apostolica. Inteso questo, non ho voluto
tacerlo a V. S. B™», perch^ sappia la verita d* ogni minutia et tanto
piü conosca il buon animo di questi S". — Di quattro giomi prima,
ch' io arrivassi qui, il vesc. di Capodistria era partito per andar alla sua
chiesa. Et a V. S. fi"» di nuovo humil*« mi racc^o" u. s. w.
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152 ANALEKTEN.
incontrarli! Onde, se incontrasso me, essi lo haveriano molto a
male. Siecht dall* incontrata di sua M^^ in fuora, V intrata fa
bella et honorevole.
AUa Certosa io recevei le lettere di V. S. En»*di III dell'
instante.
Che li progressi miei siano landati da N. S., a me ^ stato
di singolare piacere, et sna S^ pu6 esser corta, che saranno
sempre fideli, amorevoli et diligentia qnanto si extenderanno le
picciole forze mie. La lettera dolli '/\' 500 m. luisi priuli non
r ha mandata per qnesto spaccio, ma per il primo, scrive, che
me la mandarä.
Ho inteso il caso del S^^ Ascanio Colonna, veramente molto
strano et imprudente.
Hoggi depo pranso son stato alla visitatione et audientia della
imtä Ces*, sicome essa ha dato l'ordine, perchö domane si parte
et va a caccia nel paese delli Duchi di Bavera, et gik il Duca
ludovico e partito per far preparatione della caccia.
Sua M^ mandö a levarmi di casa Mens, di prato et li pre-
detti vescovi et molti altri Gentilhomeni et Sig", oltra li doi
Nuntii, che erano in mia comps^nia; et cos) andai a quella, la
quäl mi venne incontro sin' alla scala et li humanissamente mi
raccolse.
Intrati in camera et postoci a sedere, io sopra una sedia
appresso sua Mt^, ambedoi li Nuntii sopra una panca un poco
piü discosto, io li dissi:
Sire, prima mi congratulo con v. M^, vedendola in buona con-
valescentia depo la noia delle gotte (il che io dissi, perch^ invero
mi parve pallido et non con la solita sua habitudine), mi con-
gratulo, dico, in nome di N. S. et del K™^ Car'® famese, di
Madama, sua figliola, et del S®*" Ottavio suo genere, et poi per
nome publico di tutta la chr^, la qualo, constituta in cosl
grandi travagli, ha sommo bisogno, della bontä, Religione et
sapientia di v. M**^ et per5 tutti si debbono allegrar della sua
buona yaletudine.
Poi suggiunsi: N. S., al quäle vanno sommamente a coore
queste discordie di Germania, sl per la salute deir anime loro, la
quäle a lei h commessa da Dio, sl etiam perch^, essendo in questa
Natione il principal vigore della Chr*^ contra Infideli, grandis-
simo danno h a tutti li altri christiani la debolezza, nella quäle
queste discordie la pongono, havendo inteso, che v. M^ per la
bontä et religion sua haveva postposti molti negocii soi im-
portanti nelli soi Segni di Spagna et con gran travaglio si era
condotta qui in Germania et qui haveva inditto questa Dieta
Imperiale, acciö si trovasse qualche remedio a queste discordie
et si riducesse questa Natione alla unita della chiesa di Christo,
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SCHCLTZE, ACTENSTÜCKE ZUR REF.- GESCHICHTE I. 153
mi haveva destinato legato sno, essendo etiam cos) ricercato da sua
M*a Ces»:
Et beiich5 io mi conoscea esser molto inferiore di quello,
che si ricercaya in questa impresa, perch^ era d* ingegno tenne
et di dottrina men che mediocro, per il che dovea esser post-
posto a molti altri E™> Car^» homeni ex'"^ nientedimeno pon-
sava, che sua S*^ per due canse si fusse mosso a darmi questo
carico:
L' nna perch^ giä molti anni havea conosciuto in me nn
smnmo desiderio, che si togliessero queste discordie et la chiesa
si reducessc alla pristina sua unitä, onde sua B°® ha sperato,
che Dio, autore d' ogni bene, sicomo mi ha dato questo dosiderio,
mi daria etiam le forze di exequirlo:
L' altra causa, che ha mosso sua B"«, h stato V amor, che
sua M^ mi porta et la somma mia antiqua reverentia di molti
anni verso lei, onde sua B°o si e mossa a dare a me questa
impresa, alla quäle, beuche io conoscesso, fusse grandissima et
dificillima, io era poru venuto con buon animo, confidatomi prima
nella bontk divina, la Providentia della quäle mai non manca al
benedetto suo populo, et poi nella bontä, religione sapientia, quali
io sempre havea conosciuto in lei, la quäle, eisende discesa da
Principi Christian^» et religiosissimi, li quali perö havea superato
et con la grandezza delP Impero et con la gloria et vittorie,
credeva certo, che li superasse etiam nella Religione et pietä
verso Dio et verso l'unitä della santa sua Chiesa.
Suggiunsi poi: per tanto, Sire, io son venuto con buon
animo a questa impresa nö mancarö punto di coadjutar v. M**,
per rimover queste discordie et redur questa Natione a unione
et concordia. Stande pero ferme le cose della Religione et della
Sede Ap<^, la quäle h annexa alle cose essontiali: (Et qui mi
allargai un poco de unitate ecclesie, che non poteva esser senza
un capo, oltra molti luochi deir evangelio, ma passando perö via
et senza scandolo).
Questa h la substantia di quelle, che io dissi, et quasi le
formali parole.
Sua M^ mi rispose benignissimamente a tutti li capi et
prima a quelle della sua valetudine; ringratio sua S*^ et tutte
V. S"ö.
Poi disse, che non mancaria punto al beneficio della chiesa,
della Religione et di sua S*^ et della sede Ap<^, sperand«, che
etiam N. S. non mancaria in qualche cosa, che si possa far per
il ben della pace.
Disse poi qualche amorevoli parole della persona mia.
Et in ultimo suggiunsc, che mi admoniva esser necessario,
che tutti parlassimo ad un modo et non variassimo nno dall' altro,
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154 ANAI^KTEN.
se volevanw redur il oegocio a buon porto. lo replicai landando
in universale ogni parto della sna risposta, come sapientissima
et religiosissima.
N^ mi parve di appuntarmi in quelia parte della concessione,
la quäle aspettava da N. S. per questa prima audientia, ma ap-
puBtai nella parte ultima, ciö h che parlassimo tutti ad un modo,
et 11 dissi:
Sire, hayendo 11 N. S. 11 medesmo fine et non diverse et
coincidendo le attioni nostre insieme, non potremo mal parlar
Bonon ad un modo, ciö h che ne dittera la ragione; et cosl fu
fatto fine a questa parte.
Pol vedendo, che era per partirsi domane et vedendo, quanto
importava al caso del S^^ Ascanio il dififerir, ancorach^ Mons.
Poggio prima V havesse negociato et ben ridotto, non mi parve,
per darli efficacia maggiore, di passarlo con silentio etil dissi:
Sire, ancorche io conosca, esser importuno per la prima
audientia fastidir piü v. U.^, pur dovendosi essa partir et im-
portando la dilatione, prenderö questo poco di baldanza con leL
Et qui li narrai il caso del S^"^ Ascanio et quanto sna S**
ragionevolmente non potea far di non risentirsi et fame pro-
visione, et quanto etiam conveniva a sua M^ far lo istesso,
insistendo in tutte quelli parti, che toccö V. S. R™» nella sua
prudentissima lettera, le quali non replico, per non fori! tedio.
Sua M*^ mi rispose, che giä doi giomi V freute del S^^ As-
canio li havea parlato et dato un memoriale, al quäle essa havea
risposto che il S^^ Ascanio faceva molto male et cose di suo
dispiacere, con altre parole di risentimento in simil proposito, et
che il Marchese di Aguilar li havea scritto, ma non havea letto
le lottere et che essa faria con il S^^ Ascanio opera, che satis-
facesse all' honore di sua B^\
Et ^) air incontro supplicava sua S*^, che li perdonasse, per-
chö con li loro subditi li Principi non sogliono usar tutto quello,
che possono. Io li risposi, che non havea altra commissione,
ma che credea, che sua B^® per rispetto di sua M^, purchö
fiisse satisfatto all' honor suo, li usaria dementia. Et qui dissi,
quanto era Interesse di tutti li Principi il dimostrar, che li dis-
piaceva la inobedientia delli subditi verso il sao S«"®.
Sua M*^ mi suggiunse, che credea, che il S^^ Ascanio si
fasse mosso per certe sententie, che ha havuto contra di se in
certe cause sue private.
Io li risposi, che questa causa era peggior doli' insnlto fatto,
perchö questo saria torre la justitia dalli Stati et era cosa hor-
1) Im Original wendet eine hinweisende Hand am Rande des Be-
richtes die Aufmerksamkeit des Lesenden auf diese Worte des Kaisers.
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SCHÜLTZE, ACTENSTÜCKE ZUR KEP.- GESCHICHTE I. 155
renda, che un snbdito, perohö havesse haYuto sententie contra
di se dalli judici di justitia, dovesse levarsi contra 11 suo S'^,
Sna M** disse, ch' io diceva il vero, et V accnsö grandemente,
suggiungendo , che il p*^ S^^ Ascanio havea ricercato favor da
lei in qneste sne cause, et che essa 11 havea risposto, che in
coee di jostitia, quando nn suo amico havesse havnto controversia
con nn sno inemico, non si saria impacciato, tanto mono non si
voleva impacciar in qnesta controversia, nella qnalo etiam 11 ad-
versarii del S^^ Ascanio erano soi amici.
Pur ^) mi replicö, che sua B"»® li perdonasse, perch^ faria,
che il p*o S<*' satisfacesse a sua B^®.
Et io li risposi il medesmo, che non havea in ciö parola,
ma, parlando da me, che credea, sua S*^ per amor di sua M*^
esser per usar dementia ogni volta, che fiisse satisfatto all'
honor suo.
Mons. di Modena poi presentö il suo Breve, accompagnan-
dolo con accomodatissime parole.
Sua M*^ si dolse della partita di Mons. Poggio, usando
parole certamente amorevolissime et honoratissime , poi accettö
allegramente et con optime parole il R. Vesc® di Modena, et
cosl prendemmo licentia da sua M*^, la qualc mi accompagnö
sin' alla porta dell' anticamera et voleva venir piü oltre, ma
restö per la continua resistentia, che io li feci.
II B^o Vesc« di Modena ha accettato questo peso per obedir
N. S., al cui servitio ö deditissimo, ma gli h parso gran carico
nö haveria voluto, che li fusse stato imposto; pur obedirä, con-
tentandosi del voler di sua S^ per hora.
Ambedui certamente sono qui in questa Dieta necessarissimi
et, se non fusse, che debbo et voglio deferir il tutto alla sa-
pientia di sua B°ö, la quäl conosce il tutto benissimo, io havrei
usato presuntione di retener Mons. Poggio et darne adviso a sua
S*^ et aspettar la risposta, perchö questa h commune opinione
et maxime di Mens, di Modena, che la presentia di Mons. Poggio
fusse molto necessaria alli presenti negocii.
Non *) voglio lasciar di dir a V. S. ß™», come mi ha detto
r orator della S"*, che per via di Venetia ci sono advisi, qual-
mente per questo anno il Turco non h per far impresa contra la
ehr**, essende occupato verso il Sophi.
Questo modesimo adviso h venuto alla M*^ Ces*, et h una
buona nova per molti rispetti et specialmente per il negocio
della Eeligione, che si ha da trattrar in queste parti.
Io con molta diligentia ho letto Tlnstruttione mandatami da
0 Am Bande dasselbe hinweisende Zeichen wie oben,
s) Am Rande markirt.
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156 ANALEKTEN.
V. S. R"** et secondo la commissione di quella V ho tenuta et
tengo appresso di me senza haverla lasciata yeder a persona,
nö alli Nuncii di N. S. nö al mio secretario medesmo, ma re-
stando qui al maneggio di questi negocii Mons. di Modena, per-
sona tanto prudente, ben qualificata et buon servitore di N. S.,
dubito, che non pensi, ch' io per superbia o qualche altro ri-
spetto non la voglia communicar con lui.
Et per5 sarei di parer (piacendo porö cosl a N. S. et a
V. S. K"^») di conferirli il tutto; pur sinche da lei non habbi
risposta, non farö cosa alcuna, ma aspetterö sua commissione
sopra ciö.
Non occorrendomi altro, farö fine, basaudo u, s. w.
Di Ratisbona alli XIII di Marzo 1541.
Retenuta sin' alli XIIII et mandato (non havendo miglior
commodita) per un Corriore, che parte per fiorenza.
Sua M** h gih. partita
D. V. R™a et Hl'"» S.
Humilis servitor G. Car'»^
Contarenus legatus.
Rta *) alli XXVI.
No. 2 (Regensburg, 16. März 1541).
Contarini an Farnese.
L' ultime mio fumo dolli XV. ^) , le quali iusieme con altre
precedenti, scritte dopo il mio giunger qui in Ratisbona, saranno
con queste replicate, alle quali, accioch^ sua S*'^ et V. S. R'"**
intenda ben tutti li progressi di questo negocio intricatissimo, li
aggiungerö quest' altre.
Giunto che fui qui ragionando con il vesc^ di Modena delli
principi Catholici, mi fu detto da lui, clie li Duchi di Bavera et
quel di Brunsvich orano Catholici non per zelo della fede, ma
per esser capi di quosta parte, et che corcavano la quiete per
augmentar lo cose loro.
Questa fu la informatione di Modena, avanti che facessi
r intrata in questa citt^.
Dopoi il Duca Vilhelmo di Bavera mi mandö a visitare da
tre soi primarii et Intimi conscglicri, li quali dopo le prime Visi-
tation! et convenienti parole fatte da ambcdoi mi cliiescro au-
dientia secreta; onde, remossi tutti ch' erano presenti, mi dissero,
1) „Ricovuta".
s) Dieses Schreiben war bis jetzt in der Sammlung nicht anfzufinden.
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SCHÜLTZE, ACTENSTÜCKE ZUK REP.-GESCHICHTE I. 157
che, essendo li loro principi buoni Catholici, yolevano etiam com-
mnnicar meco liberamente.
Et ^) qui comminciarono a referir' il processo delle cose
lnth°^ et lo augmento loro, attribaendo la causa alla grande in-
dulgentia dell' Imperatore, imo piutosto attribuendo la cau&a a
negligentia che ad indulgentia et alle pratiche et snasioni di
Grandvella, intermiscendo qualche parola, che fuase corrotto da
qaesti lutherani.
Poi vennero a quel, che si dovesse far in questa Dieta , et
dissero, che ad uno di tre modi si poteva procedere:
Overo continnando il colloquio comminciato,
Over per via di Concilio generale,
Over fortificando la lega Cath<^ et sforzando li adversarii.
n primo modo, di proceder nel colloquio principiato, non li
pareva a proposito, perch^ era per esser longhissimo et che non
si potesse expedir, senon era da attender ad un delli altri doi
modi; et quando il 2^ del Concilio non si potesse haver, ch' era
necessario redursi al 3^ della forza. Questa fu in somma la
loro expositione.
10 li risposi prima laudando sommamente la christiana mente
delli loro principi, la quäl h notissima a s. S^^ et tutti li Car'i,
della quäle si tenea et si tenerä perpetua memoria; n^ io era
venuto a questa impresa con buon euere, senon per la confidentia,
che havea, depo Dio, nella bontä di Cesare et di questi ecc°**
Duchi.
Li ringratiai etiam di questa communicatione, sopra la quäle
discorrendo dissi, quanto al primo modo del colloquio, che qnelli
repudiavano per la lunghezza, che si haria potuto far provisione,
facendo, che con poche parole venissero alle strette et se pur
malamente accettavano quel, ch' io gli diceva sopra questo articulo,
ancorch^ non sapessero, che rispondere, perö mi parve all' ultimo
risolversi dicendo, ch' io non sapeva ancora, che ordine daria Cesare
in questa Dieta, ma che subito io lo sapessi, lo communicaria con
sue ex^^, accid procedessimo in tutto communicatis consilüs.
11 che li dissi per lasciarli ben satisfatti et non meli alienar,
oltra che spero assai prevalermi di loro.
Imperoch^ ^), quando Cesare Yolesse tender a via non buona,
potrö molto yalermi deir autoritä loro et altri Cath«>.
Quando veramente Cesare volesse continuar il colloquio con
modo conyeniente, credo, non mi sarä difficile acquetar costoro
con ponerli ayanti la ignominia, che saria a s. M*^'* et a loro,
sc si diyulgasse, che la concordia fusse stata disturbata da noi
Cath*^^ et che s. S*^ volesse por V armi in Germania, aggiungendoli,
1) Am Rande luarkirt.
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158 ANALEKTEN.
che meglio sarä aspettar, cb' il progrcsso del colloqaio la rompa,
onde ad ognüno possa parere, che non noi, ma li adversarii siano
causa dell* inconTenienti futnri.
Per queste ragioni son procednto a quesio modo, perchö a
me par, che depo Thonor di Dio et la Bel^ione doTiamo hayer
r Qchio alla conservatione delli amici.
Ma certamente il negociar co« qnesti cmryelli e dificillimo
et ben ho bisogno dell' adjuto di Dio, nel quäle spero, che non
mi mancarä. Hoggi poi ^ ritornato uno delli p^^ CoHsiglieri et
mi ha detto, che li soi Sig" hanno inteso, come Cesare voleva
far il Duca Federico Palatino con alcnni altri dottori capo nella
trattatione di questa Dieta, il che essi non yogliono per alcun
modo patir, perchö esso h lutherano, permettendo, che nel suo
stato si Viva al modo lutheranesmo ; onde, se costui sia posto in
quel luoco, e^i montaranno a eavallo et si partiranno.
Questo mi disse in presentia di Mens, di Modena (dal qnale
io prima haveYa inteso il medesmo) et mi soggionse, che cid
voleva far intendere a Mens, di Grand vella.
10 volsi, che Mens, di Modena gli rispondesse per la conii-
dentia, che hanno in sna S'>^, sicome Y. S. intender^ da Ini,
per altri discorsi, che gli hanno communicati.
11 p*<> Mens, con destre parole oercö di placarlo et tandem
ci risolvessimo , che andasse da Mens, di Grandvella et gli par-
lasse per modo di advertimento amorevole, non exasperandolo
in modo alcuno; et cosl ci fermassimo.
Poi mi disse, che il Pighio havea composta un* opera de
peccato originali, la quale era stata letta da un* homo dotto,
ch' h V Ekhio, ancorch^ non Io nominasse, et mi dette scrittura,
nella quale taxa forsi XX locbi come erronei.
Questo *) libro non si darä fuori et costarä a noi di primo
LX** scudi, come V. S. int^nderi per lottere del Vesc«» di
Modena.
Consideri mo V. S. K"»» et N. S. et ponderi, con quali
cervelli havemo a fere, et sono porö tutti Cath<^i et sono accor-
dati in quelle articolo de peccato originali et costui giä li ha
fatto un* opera contra. Dio ci adjuti, che iu lui solo certamente
dovemo sperare.
Onde N. S. et V. S. R"»* con tutti facciano buone orationi
che qui si sono fatte alcune processioni per la concordia.
Da Ratisbona alli XVI di Miirzo 1541.
Humil. Sor G. Car^'s
Contarenus legatus.
Rta alli XXVI.
1) Am Rande marltirt.
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SCHULTZE; ACTENStCCKE ZUR REP.-GESCHTCHTE I. 169
ZD^leich mit diesem Berichte ging die oben S. 161, Anm, 1
mitgeteiHe Depesdie nach Born ab.
No. 3 (Begensbitrg, 18. März 1641).
Contarini an Farnese.
Mous. di Grandvella, dapoi ch' io son gionto qui, doi voite
h stato a visitarmi: la prima fu per cerimonia ot si passo con
parole universali; la 2», che fu hieri, sua S"* fu a visitarmi,
et ragionassimo molto insieme del presente negocio, nel quäle
ci ritroTiamo.
Et perch^ saria molto tedioso et a me ü scrivere et a V.
S. R^^ il leggerO) quando gli volessi narrare ordinatamente il
tuttOy maximamente, che fiimo dette molte parole per ceremonia,
tocherö solo le parti essentiali.
Esso adonque mi disse in somma, che il negocio della Beli-
gione, quando non si li faccia provisione in questa Dieta, era
per andar alla ruina. Imperoch^ questo viver licentioso, intro-
dotto da questi luth"^, era plausibile alli popnli non solamente
in Germania, ma in Italia, in Erancia et altri paesi; et ^) qui,
parlando di Erancia, mi affermö di saputa, ch* ivi era una grande
infottione.
Poi mi discorse, che nelli Cath^^ qni in Germania, ancorch^
qualcuno hayesse buon zelo, la maggior parte perö si movea per
sno interesse et passioni particolari.
Nelli luth°^ etiam mi disse esser molte dissensioni, sl per
la diversita delle opinioni fira loro, come perche in molti luochi
li popnli, vedendo, che questa licentia di viver senza obligo alla
confessione, ha prodotti molti vitii et sceleratezze abominande,
sono giä satiL
Et ^) che nelle Cittadi libere dalli loro . presidenti li sono
poste diverse angherie per mantenersi in questa nova Beligione
et con questo pretesto tiranneggiano li popnli, onde essi stanno
con sospetti et li popnli malcontenti di loro.
Mi disse etiam, che li dottori et theologi loro stanno in
timor grande, vedendo che il perseverar cos! li porta gran peri-
colo et il volersi ritrattare e etiam molto pericoloso, temendo,
che li popnli, come sedutti et ingannati da loro, non si li le-
vassero contra et li tagliassero in pezzi.
Et perö che hanno molto desiderato la venuta mia qui.
^) Am Rande markirt.
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160 ANALEKTEN.
parendoli di poter ceder con maggior excusatione , che se ce-
dessero a]r Echio et altri dottori della Natione Germana, delli
quali essi eono stati sempre emuli et sempre li hanno contra-
detto.
Ig li risposiy ringratiando molto sua S*^'^ di questa amore-
Yole Gommunicatione, la quäle mi era stata gratissima, con altre
simili parole convenienti, oflferendomi etc. Entrassimo ^) poi a ragio-
nare delle difPerentie, che sono fra noi, cio^ fra cath^* et luth°' , delle
quali alcune erano essentiali, nelle quali non si poteva. far alcuna
alteratione et altre non cos! essentiali, ma importantissune, per5
essende recepte giä tanti anni dalla chiesa universale, delle quali
diceva santo Aug°^ nel libro ad inqmsitiones Januarii, che do-
Yemo creder esser state imposte dalli Apostoli.
Discorressimo circa le prime, nelle. quali sua S^'^ toccö un
punto nel sacramento, nel quäle luthi*^ dicevano esser veramente
et realmente, ma negavano la transubstantiatione del pane, il
quäle articolo (disse esse) si poteva remetter al Conc^ universale.
lo a questo punto li dissi, che, quantunche sapessi, luthero
nel principio haver detto questa positione, pur non se ne faccendo
mentione nelF Apologia, pensava, che fusse mntato, aggiungen-
doli, che questo era articolo essentialissimo et certissimo, nh il
Concilio potria terminare il contrario di esso.
Nö li volsi dir, che in quel Conc<> famosissimo sotto Inno-
centio tertio, dove fumo forsi 800 Vescovi insiemi con li Patri-
archi Constantinopolitano et Alexandrino, era giä stato determi-
nato, per riserbarmi ad un' altra fiata, quando di questo si par-
lara in particolare, dove si dirrä questo et altro.
Sua S^^^ stette quieta n^ mi fece replica. Poi ragionassimo
in universale di quelli, che non sono essentiali, ma cosl univor-
sali in tutta la chiesa, nelli quali, dissi, quanto peiicolo era far
mutatione senza gran circumspettatione , per non far un altro
Schisma over' hora, over depo qualch' anno.
Et qui li narrai deir aggiunta fatta al simbolo di quella
parola ex filio, dovo parla della procossione del spirito santo,
come molte decine d* anni, dapoich^ fu fatta, dette occasione del
Schisma fra Greci et Latin!, che fu la causa della ruina della
Grecia et di tutto quelle Imperio;
Et perö che non consigliaria mai, che N. S. et insieme con
tutti li Cath^> prendesse questo carico, non ponondolo pero in
desperatione.
Sua S"*^ rimase ben satisfatta et che io diceva il vero, con
cludendo, che si remetteria overo ad un Concilio universale o a
sua S^, che la praticasse con Cesare.
1) Am Rande markirt.
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SCHÜLTZE^ ACTENSTÜCKE ZUB REF.- GESCHICHTE I. 161
Lo ricercai de primatu Pontificis quello, che dicevano.
Mi rispose, che non facevano difficnltä, imo che dicevano,
noi retornaremo sotto li Vescovi et li Vescoyi sotto il Pontefice.
Non mi parve perö all' hora piü penetrare in questo articolo ;
etiam di dimandarli, se confessiariano , che qnesto primato fusse
de jure divino, non si mancarä a tempo et luogo.
La dimandai etiam della restitutione delli beni delle chiese.
Mi rispose, queste terre, dicono, che li hanno spese in
canse pie.
Dissi io qoiy lasciamo star V intrate spese ; io parle delli beni
stabili, possessioni et altri simili.
Mi rispose, non si haverä difficnltä, senon con il Duca di
Wirtemberg, ma bisogna gnadagnare qnelli, che si possono per
adeeso; poi si andrä gnadagnando di giomo in giomo.
Li ricordai etiam del modo, nel qnale procederanno.
Mi rispose ^), che tutto, quello conferiranno , mi sarä por-
tato come a presidente, ne si farä punto senza me, offerendosi com-
municar etiam lui il tutto meco.
Li ^) toccai una perola della deputatione del Duca Fcderico
Palatino, della quäle li Duchi di Bavera non erano satisfatti.
Mi rispose, che il carico del Duca Federico non era in
negocii della fede n^ del stato, ma solamente era referendario a
Cesare et alla Dieta di cause particolari, al quäle erano stati
dati agginuti doi dottori.
Questa ^ la somma del ragionamento fatto, et cosl sua S^'^^
prese gratissima licentia, et io lo honorai, quanto si conveniva.
Questa mattina ho referito il tutta al B. Yescovo di Modena
et rho pregato, che facci intender a questi S" die Bavera Y of-
ficio, ch' io ho fatto, et la risposta datami circa la deputatione del
Duca Federico Palatino.
Hoggi son stati a visitarmi li Nuntii del Duca die Bnms-
vich et mi hanno parkte nel modo di quelli di Bavera, non
perö cosl ardentemente ne repudiando il progresso del CoUoquio.
Io li ho risposto con grande amorevolezza, et essi si sono
partiti ben satisfatti, sicome a me parve.
Et non havendo per hora altro da dire, a V. S. B™* humil-
mente baso la mano.
Da Batisbona alli XVUI. di Marzo 1541.
Hümilis Servitor G. Car^'»
Contarenus legatus.
B*» alli m di Aprile.
1) Am Bande markirt.
Zeitechr. f. K.-Q. IH, 1. U
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162 ANALEKTEN.
No. 4 (ßegensburg, 20. März 1541).
Contarini an Farnese.
Per le qui alligate di XVHI. V. S. BP»* vedrä, quanto fa
ragionato fra Mons. di Grandvella et me.
Dipoi ini furno rese le lettre sue di VII. IX. et XI. con li
loro dupp*^^ tutte iusieme il dl medesmo delli XVni.
Per le quali intesi il progresso del S<»* Ascanio et quanto
N. S. mi commette, che io operi.
Son certissimo, che, quando V. S. ß"^ haverä ricemte le mio
di XIIII et XV, mandate per la posta di Trente, et 1© di XVII,
date al Corriere fiorentino, quella vedrä, che ö stato giä sufö-
cientemente proveduto al tutto.
Sua M^ si ritrovava fuori a caccia et ö ritomata quel giomo
istesso delli 18. al tardi. Io per exequire, quanto mi era comman-
dato, dimandai di visitar sua M^ per mezzo del Nuncio Pog^o,
et cosi mi fu statuita V hora per hoggi depo pranso.
II ^) p*° Nuncio ue parlö prima con Mons. di örand?ella
et mi adverti per suo nome, che della materia del S^»"* Ascanio
non bisognava, che facessi caldo officio con sua M**, perchö era
stato proYisto et fiitto piü di quelle, che ne era stato detto.
Hoggi alle XXI höre sua M*^ mando Mons. di Prato con
la solita compagnia a levarmi di casa, et cos) andai o visitarla.
Essa mi venne incontro sin* al capo della scala come V altra volta,
con grau dimostratratione di honorarmi.
Entrati et assettati con 11 Rdi Nuncii Poggio et Modena
mi rallegrai di veder sua 'M.^ con assai miglior cera di quella,
che havea avanti la caccia.
Et qui divisassimo un buon pezzo circa il Castello, do?e era
stato, et di diverse cose impertinent! a negocii.
Inter loquendum a buon proposito io li dissi delle lettere,
ricevute da Roma, ©t che le cose del S^^^ Ascanio peggioravano;
purchd, sapendo V opera fatta per sua M^, ch' io speravo, che
prenderebbono altra forma, destramente ricordandoli perö, oh' era
buon a replicare, per dar maggior vigore.
Sua M^^ rispose, che replicaria per il medesmo Corriere et
che simil*® sperava, che sua S^ etiam essa usaria verso il S^^
Ascanio gentüezza.
Io li risposi, che sapevo, V autoritä di sua W^ con N. S.
esser molto grande.
Non si venne dal canto suo ad alcuna particularita di quelle,
che mi scrive V. S. R™*^, nö a me parve di toccarle.
Notai, che, parlando del corriere venuto, sua M^ disse, che
1) Am Rande markirt.
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SCHÜLTZE, ACTENSTÜCKE ZUR REF.- GESCHICHTE I. 163
era stato spacciato per la Marchesa di Pescara, della quäle par-
lando disse, che era troppo savia per donna.
Poi entrassimo in ragionamento di questa Dieta et di questi
Principi et qaella mi disse,
Che lantgrayio verrä,
Et il Marchese di Brandeburg.
Di Saxonia disse etiam, che verrebbe,
Del Conte Palatino disse, che, ancorche si excusava per esser
infermo et vecchio, pur verria.
Di Treveri disse etiam, che verrebbe.
Di Colonia disse, che credeva^ non füsse per venire, ma che
poco era V importantia della sua absentia.
Del Maguntino disse, che credeva, che verrebbe, ancorch^ si
dicesse, che era indisposto, et di esso poi fh ragionato nn
pezzo; sua M^ disse, che era timidissimo et molto credulo, ma
bnono.
Aggiunse ^) sua M^^, che questi Grermani dicevano di Borna
ot di qualch bona reformatione.
lo li risposi delli ordini boni dati per N. S. et che li vescovi
anderiano alle loro Diocesi, ma non era possibile far ogni cosa
ad nn tratto.
Li toccai di Oar^^ promessi da sna B"^, tanto qualificati
et m^K
Qui sua M^ si appuntö et mi rispose, sorridendo: sua S^
ne ha fatti tanti, che non h da maravegliarsi, che qualchuno sia
notabile, et mi dimandö, quali Cardinali erano.
10 li risposi quel, che era il vero, che non lo sapevo.
11 Nuntio Poggio disse: sonno LIX, erano LXIIII; sono morti
cinque, restano UX.
Fu poi detto delli Cardinali francesi, et sua M^ disse: in
Corte die Francia li Car^» vanno come qui li Clerici.
Questo d, quanto fn detto degno della notitia di N. S. et
di V. S. R™* ; essende stato giä un bon pezzo di tempo, io presi
licentia da sua M^.
Bingratio V. S. E^^ deir adviso mandatomi et spero in Dio,
che non si farä male alcuno, se ben non si facesse bene.
Et a qnella humilmente mi racc^^ ^^ g, ^.
Di Batisbona alli XX di Marzo 1541.
Di V. B>na et Ill°»a s.
Humilis Servitor G. CarJi»
Contarenus legatus.
B*» alli m. di Aprile.
i) Am Rande markirt.
11"
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164 ANALEKTEN.
No. 5 (Eegensburg, 30. März 1541).
Contarini an Farnese.
Sicome io scrissi a V. S. R™» per V ultime mie tenute fin'
alli XXVI del presente, landgravio d' Assio entro il giorno se-
gnente, cioe la Domenica alli XXVn in queeta Citta con forsi du-
cento cinquanta cavalli armati et altre pompe secondo 11 costmne
Germanico.
Philippo Melanchthone era prima vennto con 11 Conte di
Anolt, venuto qui in loco del Dnca di Saxonia.
Fu pol 11 lantgravio il lunedl segnente alP audientia della
Ces^ M^, della qusJe non ho sino a qui inteso cosa alcuna par-
ticolare, senonch^ Tlmperatore 11 fece pochissima dimostrattione di
honore n^ si mosse piü d' un passo n^ fece cenno di levarseli la
beretta, 11 che fu notato da tutti.
Li particolari circa il p*<> lantgravio et altri, li qnali Mens,
di Modena ha communicato al B^^ Nnncio Vesc^ di Modena, esso
per sue lottere significaria a V. S. U^^, et perö io, per non te-
diarla, non li replicarö, lassando tntto il carrico di questo a sna
S»"^*, sapendo, che farä 1' officio a pleno.
Hier mattina famo a me (essende presente il R^^ Nuncio)
tre conseglieri delli Duchi di Baviera et depo le parole generali
deir affettione delli loro Principi alla Religione et alla Sede
Apostolica, per la quäl erano per poner le facculta, Io stato et
la vita, mi dissero, che era ben di advertir nel principio di questa
Dieta: imperoche da mal principio soguita mal fine, et improbamo
molto il Colloquio principiato, dicondo, che nella Dieta di Augnsta
era stato fatto il medesmo Colloquio, et fu data la confessione da
luth^S la quäle fu reprobata in molti et molti articoli, et cosl
fu fatto 11 Recesso.
Peroch^ qui bisognava consultar del modo di mandar ad exe-
cutione quel Recesso et di sforzar luth^i ad obedirlo.
Pol mi lessero la scrittura circa la consideratione di qnesta
Dieta, la copia della quäle sarä a questa alligata.
Io li risposi con amorevolissime parole, laudando sonunamente
la religione, prudentia et constantia delli loro 111"" Principi, della
quäle ne haveranno il premio da Dio et perpetua memoria della
Sede apostolica.
Quanto alla propositione 11 risposi, che ancorch' io volessi ben
considerar et pensare in cosa di si grande importantla, prima
ch' io li rispondessi resolutamente, pur non restaria di dir quello,
ch' io giudicava et mi occorreva,
Laudai prima sommamente il fermarsi nel recesso di Augusta,
sicome loro S''^® mi ricordavano. Ma quanto a contradir et obviar
al colloquio ordinato nella Dieta di Hagenoa et giä principiato in
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SCHULTZE, ACTENSTÜCKE ZUR REF.- GESCHICHTE I. 165
Wormatia con buon principio (dal quäle, ancorchö forsi non riu-
scir^ pur tutti li christiani hanno conceputa bona sporanza), era
cosa da esser ben avertita et di grandissima importantia, perche
pareria, che N. S*"® mi havesse mandato qui di indiistria per dis-
tnrbar la concordia et per poner la guerra in Germania. Pareria
etiam apresso li populi, che noi Catbolici difßdassimo della nostra
causa, fuggendo la luce.
Poi li soggionsi, che, facciasi quäl Colloquio si voglia, prima
10 era per lassar mille vite, che ceder uno punto alla veritä.
Dissi etiam, che essendo questi lutherani perversi et osti-
nati, Gome essi dicevauo, et io credea, nel colloquio istesso, ab-
breviandolo et non permettendo, che si andasse per ambages, si
scopreria la pertinacia loro nelli errori, et a questo modo senza
scandalo si poneria fine al Colloquio.
Essi replicamo (oxcludendo pur il Colloquio) dicendo, che era
tempo gittato yia et che bisognava proseguir il Eecesso di Au-
gusta. Pumo nitro citroque dette da noi diverse cose in eandem
sententiam.
Io, per non exasperarli, mi risolsi di veder la scrittura con
il R^^ Nuncio et considerarla et poi li faria risposta; et cosl si
partimo. Et dipoi mi mandamo in scriptis certe ragioni alle
istesso proposito, la copia delle quali sar^ medesimamente qui
alligata.
Io con il R^^ Nuncio insieme veduta et considerata la scrip-
tura, nella quäle si dice una sola parola del Colloquio, ma tutta
e posta nel Recesso di Aagusta, io mi risolsi con il parer del
Nuncio di farli la risposta, che qui sotto V. S. R™* vedrä. Et
cosl questa mattina feci chiamar a me li pt^ Conseglieri, essendo
presente il Nuncio, et li dissi, che hayevamo veduto insieme la
scrittura datami da sue S^^, la somma della quäle era il non
receder, ma insister nel Recesso di Augusta con certe particola-
ritä delli voti delli elettori, ut in ea re, et che sommamente lo-
dava la bonth et prudentia delli Hl™» loro Principi, perchö
questo studio et diligentia, che pongano, non puö proceder senon
da animo zelantissimo della religione et prudentissimo.
Quanto alla propositione contenuta in detta scrittura 11 ris-
posi, che delle particolaritä delli voti delli elettori, non essendo
io prattico del costume delle Diete, che in tutto mi reportava
alle loro Ex*»«.
Ma quanto spettava al fermarsi sopra il Recesso di Augusta
ot non dar loco all' astutia de' luth°i, li quali cercano di far
qoel Recesso irito, io sommamente laudava la propositione di
sue S"ö. Imperochö, sicome mi parova officio di Christiane V
usar humanitä verso di loro, n^ darli causa di exasperarli, cosl
ancora mi pareva, debito nostro esser di non abandonar le nostre
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166 ANALEKTEN.
fortezze, ma di star saldo in esse et peroche, qnando Mons. di
GrandveUa over V Imperator mi parlassero del modo della Dieta,
io DOD mancaria far sopra questo punto ogni buon officio et cos)
credeva, loro S*"^® esser per far nella Dieta.
Soggionsi poi, che a me parea m^lio aspettar V occasione,
che mi fasse parlato, ch* esser io il primo a proporrlo, acciö non
paia, che non da me parli, ma spinto da altri.
Mi udirno volontieri et rimasero ben satisfatti, et il piü
vecchio di loro, il quak h il tutto appresso li p*i Principi, per
quanto mi riferisce il B^ Nuncio, inter loquendum disse : fermate
quel Eecesso, poi si potra far coUoquio o come parerä meglio.
Onde mi par, che siano tolti giuso da quella prima opinione
di perturbare il coUoquio, la quäl saria perniciosissima et di per-
petua infamia della Sede Ap<^, come di quella, che procuri di
poner V armi in mano delli christiani fra loro et che sia nemica
d' ogni concordia et bene de' christiani.
Inter loquendum otiam dissero, che scriveriano all' Ekhio,
che venga.
In veritä, Mons. E™^ non ci h homo, overo sono molti
pochi, che servino Dio di hon cuore.
Questi Duchi die Bavera, vedendo, che il lantgravio sia fatto
grande et cos! il Duca di Saxonia et expilano molte citta, essendo
capi di Lutherani, cosl vorriano essi farsi grandi con V arme,
essendo capi Catholici, et, non havendo un quatrino, pensano di
far la guerra con li denari di N. S"^® et delli Clerici di Ger-
mania.
Veda mo V. S. BJ^^ a che Camino andiamo.
Dio per sua bonta li ponga la mano, che certo qui in Ger-
mania io vedo poco di bono ne mi merayeglio, che li populi siano
in questa confusione, essendo nelli capi seculari et ecclesiastici
et nelli Beligiosi quelle conditioni, ch' io vedo, nee alia. Sa ben
V. S. R"^ di quanta importantia sia la socretezza in queste ma-
terie, max« volendo io parlar schietto et explicarli le cose, come
rintendo.
Di Ratlsbona il penult^ di Marzo 1541.
Humilis Servitor G. Car^»«
Contarenus legatus.
E^ Eome (Datum fehlt).
Nr. 6 (Eegensburg, 3. April 1541).
Contarini an Farnese.
L' ultime mie, le quali saranno a queste alligate, fumo delli
XXX del passato. Dipoi all' ultimo giunse qui il E°^^ Magan-
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SCHÜLTZE, ACTENSTÜCKE ZUR KEP.-GESCHICnTE I. 167
tmo elottore et venne all* improvista la mattina per tempo, il
qaale, subito giimto, maiidö tre soi conseglieri a farmi intender
la sua venuta, offerendosi etc., come si suol far da buoni Prin-
(äpi CathoHci et buoni figlioli della Sede Ap<^. lo li corrisposi
oon amorevoliseime et honoreyoli purole.
Dopo pranso V istesso giorno andö a visitare la M^^ Ces^,
dalla qaale fa boE vedato et honorato.
n giorno seguenie a d\ primo dl questo dopo pranso venno
a visitarmi. lo Y honorai, sicome si conyiene. Pur ancorche fussi
nell' habitatione mia^ cosl consegliato dal R^^ Mutinense, dopo una
mod«6ta reaistentia presi il looo superiore.
Sua S. Ill»a prima per il BA^ D. Julio Pflug, suo Canonico,
mi fece bonorevolissime et amorovolissime parole, in expormi la
devotionc sua verso la Religione et la sede Ap<^, sicome h obli-
gate; disse etiam verso di me qualche parola amoreyole.
lo li risposi con quella aifettione et miglior modo, ch* io
seppi, ma, per esser ceremonie, io non staro rcpUcarle.
Poi sua S. R"^** mi parlö essa et ragionando meco moströ
molto di dubitare deir exito di queeto Convento et mi dimandö,
s* io haveva commissione di concedere alli Protestanti qualche
cosa.
Io li risposi, che N. S*"®, non sapendo quelle, che siano per
domandare, non mi havea possuto dar commissione oltra, che,
lassando le cose della fode, le quali non si possano immutare,
queir altro pertinenti alli riti et simili materie, essende g'ik tanto
inveterate di anni et recevute da tutta la chiesa, non si posse-
vano alterare, senon con gran maturita et gran consiglio, per non
dar occasione overo hora o fra qualch anno a qualunque maggior
disordine et schisma.
Disse poi S. R°'^ che mandarä nn suo a conferir meco,
et cosi partL
Io, non essende stato commodo a sua S. Ill*"^ che hieri la
visitassi» hoggi dopo pranso sono stato da lei molto honorato et
ben yeduto; havemo ragionato un pezzo insieme.
In conclusione sua S. 111°^^ ha pochissima speranza, imo mi
ha detto inter loquendum: ,erit, erit dies non pacis, sed majoris
discordiae '. Et recercandolo io, donde procedea, che Cesare havea,
buona speranza, mi rispose, che sua M^* pensava di ridurre il
lantgravio.
Questo h in somma quelle, ch' io potei ritrare da sua S.
R™*, dalla quäle poi presi licentia.
li Conseglieri delli Duchi die Bavera fumo hieri meco dopo
pranso et mi communicamo, come la mattina li soi Principi
erano stati con la M^ Ces* et in italiano per interprete li
haveaüo propesto il modo dell' incomminciare della Dieta con lo
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168 ANALEKTEN.
stabilimento p^ del Becesso di Angosta et li haveyano data la
scrittura, la quäle dettero a me et sarä, come per V altre scrivo,
a queate alligata.
Sna M^ li risposo molto amorevolmente , per quanto mi
dissero, et ringratiö li loro Principi landandoli, di quanto haveano
excogitato del dar principio alla Dieta, diccendoli, che etiam loi
era intrato in questo medesmo ponsiero. Poi li rimisse a Mona,
di Grand vella, con il quäle conferissero tutto il loro discorso.
Si partirno ben satisfatti da Cesarea la mattina.
Et dopo pranso mandarono loro conseglieri, cioe quelli tre,
a Mons. die Grand vella, con il quäle mi dissero haver fatto
r istesso discorso et molto haveano ragionato con lui, il quäle
laudava il consiglio delli Duchi, ma pero lo intricava, sl che non
erano partiti da lui satisfatti.
lo ringratiai essi et li Principi della communicatione amore-
vole et li dissi, che a me non era stata fatta ancora parola, per5
non li poteva dir cosa alcuna et che, quanto me ne fusse par-
lato, io farei buon officio. Poi destramente li soggionsi, che,
fatto questo fundamento di fermaro il Becesso di Augusta, nel
modo di procedere era da usaro ogni gentilezza, accioch^ tutti
conoscessero, che il disturbo non procede da noi Cath<^i, ma dalli
Protestanti.
Mons. di Modena h venuto a ritrovarmi questa sera, scri-
vendo io queste lettere, et mi ha detto, che ritomava da Mons.
di Grandvella, conferendo meco il tutto, quanto gli era stato detto
dal p*<> Mons., come sarä a pieno per sue lettere scritte a V. S.
Rma. perö ad esse mi riporto.
Io cercarö in queste controversie fra questi Duchi et Mons.
di Grandvella di procedere molto parco et mi place, che non
mi habbiano communicato cosa alcuna, perch^ non si pu^ avanzar
nulla, ma ben si sta a pericolo di perdere assai. Dio per sua
bontä lo guidi lui.
Tutto hoggi et hieri fu fama, che la Dieta fasse per in-
comminciare domani, ma h resoluto, che non s' incommincia, sicome
Mons. di Modena piü particolarmente scriverä a V. S. W^\ la
quäle non restaro di pregare prima, che come mio buon padrone
et protettore operi, che li donari della provisione et delle spese
per questa legatione siano pagato, acciö a tempo io li possa ha-
vere qui, perchö ella sa beno, che per me non ho il modo di
spendere et vivere su *1 credito. Gih, siamo in Aprile, che h il
terzo mese; havrei caro, mi fasse mandata la provisione per Mag-
gie et Giugno almeno, perch^ non potremo esser prima in Italia,
non che a Boma. Dipoi prego V. S. B™*, che impetri da N.
S"^®, ch' io possa restare al mio Vescovato il mese di Luglio et
Agosto, perch^ il venir a Boma in quella stagione h pemicioso,
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SCHCLTZE, ACTENSTÜCKE ZUR REF.- GESCHICHTE I. 169
come che essa sa, et yisitar il mio Yescovato a me e nocessaiio.
Di questo desideraria la resolntione hora, perch^ revocaria ]a mia
famiglia, che ho lassato a Roma, la qnal con minor spesa staria
qnesto tempo nelle nostre parti che a Roma.
n Rmo Polo, al quäle scrivo, ne parlara a V. S. R"^» et
quella a lui sarä contenta far intendere la resolutione di sua
B°®, quam nohis Dens diu 8erYet incolumem.
A V. S. R°»*, quanto piü posso, humilmente mi raccom-
mando.
Da Raüshona all! III di Aprile 1541.
Humilis Servitor G. Car^^^
ContarenUs legatus.
Rta Borne (ohne Datum).
No. 7 (Regenshurg, 5. April 1541).
Contarini an Farnese.
Hiersera a notte, ritrovandosi presente il R™® Nuncio, venne
il R^<> Vescovo Atrehatense, figliolo di Mons. di Grandvella, con
un secretario et mi disse, che, essendo impedito suo padro da
certo catarro, si excusaya meco, che non ora venuto esso in per-
sona; perö havea mandato lui a mostrarmi la forma della pro-
positione, la quäle sua M^^ era per far nella Dieta, la quäl
voleva principiare hoggi alli cinque con la Messa dol spirito
S*^, ut moris est.
lo ringratiai molto il Patre et il figliolo di questo officio.
Poi mi fece leger la scrittura, la quäle era in lingua francese,
uDia a parte a parte mi fu interpretata dal Vescovo in Italiano.
La continentia in somma di essa d, che prima la M^ Ces^
rende ragione di tutte lo suo attioni depo V ultima Dieta fatta
in Ratishona sino alla convocatione di presente Dieta, inserendo
tatte le opere sue, le quali erano state improse contra Infideli
et in divertire V invasione del Turco dalla Germania, come V.
S. R"^ yedrä per la copia di essa, che sarä con queste.
Interpone etiam mentione di me honorevole ; poi in ult^ viene
alla propositione, la quäle contiene duo parti.
La prima pertiene alla Religione.
La 2^ alla defensione contra Turchi, sicome quella vedrä..
Nella parte pertinente alla Religione faceva mentione del
Becesso di Augusta, ma molto breve et poco piena.
In ultimo poi diceva, che la relatione fusse fatta da quelli
dotti theologi, ut in ea, alla M^^ Ces^ et alli Stati delF Im-
perio, n^ di me si faceva alcuna mentione.
Dipoich^ hebbe fomito di leggere la scrittura, io li dissi
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170 ANALEKTEN.
(premesse prima alcnne amorevoli parolo) che, parlando co» bal-
dezza et confidenza, io gli direi il mio parero, et dissili ch' io
baveva notato dae parti in essa, nella qnale non mi satrsfacova.
La prima era la commemoratione del Recesso di AngiiBta,
dovo h un grandissimo fondamento nosiro, ]a qnal pareva a me
poco piena et molto tenae.
L' altra parte, dove non mi satisfaceva, era, che nella rela-
tione, la qaale era per farsi, non si faceva alcuna mentione di
me, il che era inginsto, imperochö il gindicio delle cose della
Religione non apertiene a laici nh allo stato delF Imperio, ma a
N. B^^ et alli soi representanti , taiito piü, ch' io ero stato con
instantia ricercato dall Mt» Cosarea.
Dipoi che a me parea grande indignith di N. S^^ et di sua
Mt^, -che, essende qui in persona, havosse respetto di nominare
il Legate Pontificio.
Poi dissi, che nel Becesso di Hagenea et nella indittione
della Dieta si fa mentione, che la relationo si faccia a Cesare,
al Legato et alli Stati deir Imperio.
Mi risposo Mens, die Aras, che V eflfetto sarebbe, come io
d«sideraya, perch^ mi saria communicato il tutto, ma si bavea
respetto di non exasperare qnesti Protestant, maximamento, che
di sopra si era fatta honorevole mentione di me. Quanto all*
altra parte, pertinente alla mentione del Recesso di Augnsta, non
si fermo molto, dicendo, che si poträ farla piü piena.
Io li replicai, che laudava il proceder con Protestant! hnma-
namento et con ogni charitk, ma non giä, che la paasasse in viltst,
perch^ qnesto modo li faria piü insolent! n^ era degno di sna
M^^; insieme s! deye procedere hnmanamente, ma senrar perö le
convenienti grayitä et dignitk Li replicai le ragioni dette di
sopra del Recesso d! Hagenoa et la Indittione della Dieta. II
vesc<> air ult<> disse, che referiria il tutto a suo Padre, et cos\
si partl da me.
Dopo nn terzo d' hora, nel principio della notte, ritomü a
mo, essendo partito il Vesc^ di Modena, et mi disse haver fatto
la relatione a suo Padre, il quäl subito havea mandato il secre-
tario con la scrittura al Duca Frederico Palatino, il quäle era
il Capo del consiglio, per farli intender la mia risposta.
Questa mattina per tempo per mezzo del B^** Nuncio feci
intender al yescovo di Aras, che mi saria grato Y intendere la
resolutione, che si era presa circa quelle, ch' io 1! havea detto.
Subito il pto Vesc^ venne a me, disse, che il Duca con quell!
del Consiglio erano stati insieme et che quanto alla mentione
del Recesso di Angusta in todesco era fatta ampla mentione.
Siehe stetti securo, che era ben provisto.
Quanto alla 2^ parte della mentione del legato neUa rela-
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SCHÜLTZE, ACTENSTÜCKE ZUR REF.- GESCHICHTE I, 171
tione, che ad efisl päreva, che bastasse qnella prima mentione
et che si pretermetteva a bnon fine, per non exasperar li Pro-
testant!, li quali dicevano, che il Papa g\\ li havoa condennati
et per6 non poteva essor suo giudice, imo che certo erano per
esser condennati da saa S^^.
lo li risposi con resentimento et con efficacia, replicandoli
prima le ragioni giä dette di sopra et che la M^^ Oes^ mi havea
chiamato qni et che si fiäceva injnstitia et che si fäceva nna
^an viltä-
Tandem li dissi: Mons. io sono homo ingenno ot libero,
perö vi parlar<^ liberamente: h stato promesso a N. S""® et alli
sei Nuncii, che Y aatoritä et dignitä di soa S*^ ot della Sode
Ap^ sarä senza dubio piü presto angmentata che in pnnto fat-
toli preiudicio alcuno: hora vedo, che haveto rospetto a nominare
un sno l^ato per non exasperar Protestant! : non so, quanta
speranza possiamo havor di qnesta conservatione et che pegno
ne habbiamo.
AU' ultimo poi io conclusi, ch' io per me me haveria fatto
nna formica ne cercava mia gloria alcana, ma ben sapeva certo,
che N. S*"® rostaria poco satisfatto, et cos^ feci fine.
Lui, vedendomi un poco riscaldato, mi rispose, che faria la
relatione a sno padre, et si parü.
Io mandai a chiamar il S^' Nnncio et li ragionai, qnanto
era passato, et con lui presi consiglio, che parlassimo alla Ces*
M^, avanti che si andava alla Messa, et cosl, chiesta audientia,
andassimo a piedi, per esser solo la strada a mezzo tra ]a stanza
di sna M** et la mia.
Ginnti et intromossi dalla M** soa, prima li dissi, cho pre-
gava Iddio, che mandasse il suo S^ spirito, del qnale dovoyamo
odir la messa, che intrasse nel core di tutti noi et di Protestant!,
accio si devenisse ad una bona nnione. La ringratiai poi delia
commnnicatione fattami della scrittura et li toccai quelle due
parti con le ragioni dette di sopra.
Soa M^, come prima informata, depo le prime amorovoli
parole mi rispose quanto alla prima di Becesso di Angusta, che
r havea veduta et che stava hone, ma erano cücuni, che anda-
vano per aUra via, et accennö li JDuchi di Bavera a mio ju-
dicio. Quanto alla seconda disse qnel medesimo, che havea detto
il Vesc^ di Aras, soggiongendo , che qnesti Protestant! erano
come animali fieri, i! quali bisognava domesticare a poco a poco,
sinch^ si 1! ponesse il freno.
Io pur modestamente 1! replicai le ragioni sopradette et
della conservatione della dignit^ et del Becesso di Hagenoa.
Tandem sua M*^ si risolse di mandar a dir a Mons. di Grand-
vella, che acconciasse la scrittura a mio modo.
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172 ANALEKTEN.
Poi sua M^ volse, ch' io andasse alla chiesa ad aspettarla
li, perch^ in questi atti gli elettori vogliono esser appresso
sua M^.
Disso etiam, che havea a far certi negocii con li elettori
et accettar certe protestationi sopra le differentie tra il Duca di
Brunsvich et il lantgravio.
Et cosl mi partl et andai alla chiesa maggiore, accompag-
nato da alcuni vescovi. Li ritrovai il U^^ Moguntino alla porta,
il quäle mi accompagnö sino all' altar grande con gran reverentia
alla Sede Ap^. Jnvero merita laude grande et memoria ap-
presso N. S'®, perchö non in punto alcuno manca di dimostrarli
ogni observantia. Sua S. R™» ritorno incontro air Imperatore;
a me fu portata una honorevole sedia, ben omata et in loco
honorevole.
Venne depo nn pezzo di tempo sna M^ con tutti li altri
Principi. Io feci la confessione con il vesc^ a dextris et detti
la benedittione publica alF altare» ancorch^ facessi intender al
vesc^ di questa terra celebrante, che lui la desse.
Neir offertorio sua M*^, credo, per il medesmo rispetto
delli elettori, mi havea mandato a dir, che io non andasse a
oflFerire, perche non era consueto. Et cosl restando io, il R™*^
Maguntino con li altri si fermö n^ mal volse andare, s' io prima
non andava. II che vedendo sua M^, mi mandö a dir, ch' io
andassi, et cosl andai.
Et ^) h cosa notabile questa et non piü usata, che li elettori
habbino voluto, che il Legate vada all' offertorio nella messa loro,
quasi come participe nella Dieta. H che non h senon di honor
grande et autoritä della Sede Ap<».
L' Arcivesc^ Bremense dette V evangelio et la pace a Cesare
et dipoi la dette a me solo depo sua M^, siecht certo posso
dir d' esser stato molto honorato.
H R^<> Vesc^ di Aras tomö a me, avanti la Messa in-
comminciasse , et mi disse, che suo Padre, Mens, di Grandvella
era stato in persona, senza haver rispetto de! catarro, a ritrovare
il Duca Federico et li altri consiglieri, et che si era acconciata
quella parte a mio modo.
Sua M*% finita la Messa, volse, ch' io restassi in chiesa, et
essa andö nel loco della Dieta con tutti li Principi, che qui sono,
dove prima fumo fatte certe poche parole per il Duca Federico.
Poi fu letta la scrittura, nella quäle, come ho inteso da piü vie,
et V. S. R°i* vedrä per quella, se dice, che la relatione si facci
a sua M^ et al Legate et alli altri stati.
Domani a sette höre di quella si darä copia a chi di quelli
1) Am Rande markirt.
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SCHTJLTZE, ACTENSTÜCKE ZUR REF.- GESCmCHTE I. 173
della Diota la yoxtIl. Quello, che ha negociato ü K^** Nuncio,
esso scrive a V. S. R™*, perö mi riporto alle sue lettere. Baso
il s^o piede u. s. w.
Da Batisbona alli cinqne di Aprile 1541.
Humilis Servitor G. Car'»»
Contarenus Legatus.
ß*a ßome (ohne Datum).
No. 8 (Regonsburg, 7. April 1641) ^).
Contarmi an Farnese.
Questa mattina per tempo si parü qni un corrior fiorentino,
per il quäle ho scritto pienamente a V. S. R"»» tutti gli successi
occorsi fin' a quesV hora, et, partendosi questa sera il Cap"^
Maddonato, per lui mando il dupplicato di quello ho scritto, salvo
che dela proposta della Ces^ M^^ fatta nella Dieta, la quäl non
posso replicare per queste, non havendo potuto per la brevita
del tempo haverne altra copia che quella ho mandata a V. S.
ßma in todesco et in latino: ma penso in ogni modo, che quelle
lettere verranne a bon recapito et lei la vedrä per quelle. Ho
dnpplicate queste per non mancar di diligentia in quello, ch' io
posso.
Et perchö per Y altre mie non ho scritto a V. S. B™* et
Ilima la receputa dele sue deUi XXV. capitata qui al p° di
Aprile, lo feccio per questa.
£t cerco a non lassar, che il Pighio metta per hora fora
ü suo libro, prima ho scritto a V. S. B*»*, come si li era
provisto.
Et a lei humilt® mi racc^° u. s. w.
Di Ratisbona alli YII di Aprile 1541.
Multo mi congratulo con V. S. R"^* della legatione di
Avignone. Prego il nostro S^^ Dio, che lassi godorla in grazia
sua et prosperitä.
Humilis Servitor G. Car^»«
Contarenus legatus.
Rta Bome (ohne Datum).
1) Eine nur wenige Zeilen umfassende Depesche Contarini's vom
6. Apiil ist hier nicht zum Abdruck gebracht worden, weil sie nur un-
wichtige geschäftliche Notizen enthält.
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174 ANALEKTEN.
No. 9 (Kegeiißburg, April 1541).
Contarini an Farnese.
Per r nltime mie di cinqBe et di sette del pöte V. 8. B,^^
haverä inteso, quanto sin* ad hora e occorso degno di sua no-
titia, con le quali mandai la propositiono fatta nella Dieta dalla
Ces^ M^ et li significai la difQcultä, che si hebbe per far ag-
gionger qnelle parole, nelle quali si £a mentione di me nella
relatione, che si ha da fare, la translatione della qoale io non
vidi se non depo fatto il plico nh in tutto mi satisfa. Pur, non
potendosi piü di quello si pu5, potemo passarla cosl. Quello che
poi e seguito V. S. R™* vedrä qui sotto.
Ma avanti che altro scrivo, li dlrö alcuna cosa per non li
parer negligente et oblivioso di quello, che mi commise N. S"^®,
et so, che sua S^ sommamente desidera, n^ io meno di altri,
cioö, di procurar la pace tra la M** Ces» et il Ee Christian™®,
dalla quäle come da primo fondamento dopende il ben della
Chr^, sicome dalla discordia loro ne nasce la ruina.
Essende adonque memore di far ogni buon officio, non nü
h parso di haver occasione opportuna in questo principio della
Dieta, perchö hayendo costoro havuto sospitione, che dal canto
nostro siano posti impedimenti alla concordia, facilmente quando
si fosse entrato per noi in questa pace, haverimo possuto entrar
nell* istessa et in maggiore sospitione, onde tntti li disturbi«
proceduti dalli Duchi di Bavera et altri, haveriano attribuiti a
noi come antori di quelli.
AI negocio etiam del S^' Ascanio procnrato da N. S. si
haveria dato qualche impedimento, ponendo in nn medesimo
tempo quest* altra prattica, della quäle per6 non si pnö far buona
riuscita.
Aspettando donque miglior occasione, sono andato intertenuto
sin' hora, che ultimamente parlai con la Cee^ M^, sicome qui
sotto li dirö appresso.
Hora per tomar, dove io la^ciai, dico, che dapoi, che Cesare
face la propositione, questi Signori sono stati in consulta per la
risposta, Protestanti da per se et Catholici da per se, sicome
volevano U Duchi di Bavera.
Protestanti prima fecero risposta a sua M^, nella quäle si
risolvevano di poter consentire overo dissentire da coloro, li
quali fussero proposti da lei. Dipoi non si satisfacendo Cesare,
in tutto et per tutto rimessero V arbitrio in soa M*^.
Catholici fecero prima la risposta, copia della quäle sara
a questa annexa, nella quäle dicevano, che nella deputatiene
non si facesse da Cesare cosa alcuna senza consiglio, saputa et
Yolunta delli Principi et consiglieri della Dieta. Et che non
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SCHÜLTZE, ACTENSTÖCKE ZÜE REF.- GESCmCHTE I. 176
poievano rispondere quanto alla materia del Turco, se prima non
si tenninaya queeta controversia della Keligione.
Sua M^ Ces^ non si saüsfece et li mandö a meglio con-
suitare.
A?anti la resolutione loro (de qua infira) il martedi s^, hoggi
terzo gioino, avanti che Cesare si ritirasse di caea sua perö,
donde non h partito, mi parve esser a proposto ?isitarlo, et cos)
dopo pranBo uidai a sua M^, accompagn^ da Mons. di Prato
et dal B. Nuncio di Modena.
Intiati a sua M^ il Nuncio et io fiiasimo amorevolmeute
raccolti, et assettati dopo le prime parole ceremoniose, si entrö
a ragionaro del pnte negocio et della risposta di questi Principi.
Sua Mt^ disse, 11 Protestant! si hanno risposto et si hanno
nmesso in tutto in me. Li Oatholiet ancora non si sono resoluti,
benchä ie Terre franche Catholiche si sono appostate da loro et
etiam esse si hanno rimesse in me.
£t chiedendo io^ se fm& M^ era per deputar Theologi overo
altri (il che dissi, perche qualchuno haveva detto al B. Nuncio,
che Cesare yoleva deputar Principi), mi rispose: deputaro Theo-
logL Vorria ileputar etiam qualche altro come neutrale, il qualo
li contenesse insieme nel conlerimento, che fanno, ma Principi
non mi place, perche se volessi deputar U Catholici, queili altri
vorriano, che si deputasse delli loro; et volendo deputar Principi
di ambedue le parti, fiacilmente yerriano alle man! tra loro. Perö
non so; pensarö et il tutto communicarö con voi. £t queste pa-
role inter loquendum me le replicö due volte.
Poi entrassimo a ragionar delle cose de' Turchi. Sua Mt^
moströ di non esser senza gran sospitione, che il Turco faccia
impresa contra christiani quest* anno, perch^ giä era riposato et
hayea notato, che suole procedere, come hora fa, cio5, che prima
si dice, che farä impresa, dipoi questa fama si raffredisce, tan-
dem poi fa la impresa, onde se dubita, che etiam quest* anno
non faccia 11 medesmo.
Bagionassüno della militia loro et delle forze. Qui sua M^
disse: le forze delli Turchi sono le nostre discordie; se noi fus-
simo concordi, non sariano grandi.
Io qui hayendo questa occasione dissi: Sire, dapoi che h
cosl, come dice V. M**, et h invero cosl, quando spera V. M^^,
che si fiäccia questa coucordia?
Mi rispose: da me non ha mancato; ho fatto quel ch* io
debbo, et piti di quello ch' io debbo. Ma in altri non si yede
bnona intentione, ne si yuole concordia fiaterna, ma mando, cio^
esser padrone et commandare. Perö bisogna, che Dio li muti
il euere.
Io qui modestamente li dissi: Sappiate certo V. M^, che
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176 ANALEKTEN.
tutta la christianit^ non aspetta miglior nnova di questa ne li
potria venir nuoya, la quäl si udisse con piü allegrezza di
questa.
Disse sua M^: Dio lo faccia; et cosl s* intrö in altro ra-
gionamento.
Mons. di Modena, il quäle era piü commodo alla luce et
La miglior vista di me, dopoich^ fussimo partiti, mi disse > che
sua M^ parlando della pace et dicendo le parole di sopra scritte,
s* impallidl tutta et tutta si commosse.
Intrassimo in ragionamento della miseria di questa Provincia,
doye non ci h piü alcuna religione, extinti li divini officij nö
piü quasi segno di vera christianitä, et a bon proposito dicendo
io, che, se Dio non desse grazia, che hora si facesse qualche
bon principio , essende commodo a sua M^, che la sua presentia
importaria molto alla executione et al fare, che nelli populi giä
desviati s* inducesse la Beligione.
Sua M^^ disse , che non era possibile, n^ dimoströ di haver
puhto di tal pensiero.
Quanto alla sua armata, disse, che non sapeva ancora la
resolutione, se andaria verso levante, perch^ 11 Principe li hayeva
avisata la sua opinione, la quäle era differente dall' opinione di
sua M^, onde li havea rescritto et aspetava risposta, et pen^
che non sapeva.
A me non parve dommandarli le ragioni et le particolarita,
che saria stato immodesto, per5 presi licentia.
Hieri pol che fu il Mercore questi Principi Catholici si
sono resoluti in remettersi a sua (M*») ^)
No. 10 (Regensburg, 24. Juni 1541).
Contarini an Farnese. ^)
L* ultune mie, le quali seranno a queste alligate, non fn-
rono aspettate da uno, che parü di qui aJli XX. per Napoli, pero
seranno con queste. Alli XXI. al levar del sole giunse qui la
M^ del Re dei Bomani, il quäle smontö alla stanza della M^
Ces^ et, abbracciatisi insieme, andö alla sua stanza di dentro via
per un ponte, il quäle cong^unge una stanza coli* altra. All*
hora poi di pranso giunse il corriero con le lottere di V. S. B™*
1) Der Schluss dieser Depesche war bisher nicht aufzufinden. Aus
dem Inhalt scheint sich zu ergeben, dass sie etwa Gründonnerstag,
14. April geschrieben ist.
*) Die Adresse dieser und der drei folgenden Depeschen (No. 10 bis
13) findet sich nicht angegeben, doch ergiebt sich aus dem Inhalte, dass
dieselben ebenfalls an Farnese gerichtet sind.
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SCHÜLTZE, ACTENSTÜCKE ZUR REF.-GESCHICHTE I. 177
di Xnn., tenute alli XV., le quali farono lette dal E^<> Nuncio
et 'da me et vedute diligentemente et con grau piacere per la
sapientissima risolutione fatta da N. S'^^ sl circa la lega catho-
lica» come circa ü concilio. Parve a noi importono chieder quel
giomo audientia daUa M^ Ces^ essende ritirata col Ser°^o Be
dei Bomani; ende la sera la dimandassimo per il giomo segnente,
che fn boggi terzo giomo. S. M^ depo pranso si escnsö di non
potermi ndir, dicendo perö, che pensava di saper quelle, ch' io
hayeYO da dirle; hieri parimente si escusö, repetendo V istesse
parole.
Fn perö 8. M^ occupata con il Be dei Bomani in alcune
differenze di precedentia, le quali hanno insieme alcuni di questi
PrincipL Hoggi depo pranso siamo stato a S. M^ Ces^, alla
quäle io feci la espositione commessami per lettere di Y. S. B^"*
della protesta prima delP animo di N. &^ in tutte le cose, dove
fasse Interesse della religione christiana, poi discesi a queste lega
catholica et, per non tediarla con molte parole procedendo secondo
r instmttione, che Y. S. B"^^ mi 6k per sue lettere, li dissi, che
S. S^^ mi hayeya mandato V instmmento authentico della L^a
et le police per ^. V- ^)
Poi entrai nelle cose de* negotii della religione et in huona
parte fatto il discorso prudentissimo, il quäle nelle lettere di Y.
8. B™^ si contiene, le esposi la risolutione di N. S^^ fatta in
consistorio di levare la suspensione dei concilio, giä fatto a re-
qnisitione di 8. M^ et dei Be dei Bomani, et di celebrarlo
quanto piü presto si possa, se perö a S. M^ non occorresse
qualch' altro rimedio, il quäle satisfacesse al bisogno in ogni
parte senza il concilio. 8. M^ mi rispose quanto alla lega catho-
lica, che li piaceva, che N. 8'^ havesse mandato U ^. V* ^^
che fasse risoluto in questa lega, ma che bene seria stato meg-
lio, se questo si fasse fatto nel principio, et disse, che detta Lega
non era risoluta, perch^ non Toleva entrare in lega con Principi,
che Io ponessero in guerra etiam contra sua voglia, 11 quali, con
pretexto di difendere la religione, hanno intentione molto diversa.
Et qui si estese molto narrando li modi, che tengono superbi
prima, ma questo ci disse si potria comportare, ma varii con di-
mostratione di mala intentione. Quanto alla proposta dei concilio,
disse, che li piaceva veder la prontezza di N. 8"^« in celebrarlo
et che lui molto V baTeva richiesto da Papa demente et da 8.
8^, ma che li pareva doversi prima aspettare la risolutione della
Dieta, perch^ crede?a, che essi Principi Io dimanderiano. Io
replicai a 8. M^, quanto alla lega catholica, che, se prima non
se n' haveva parlato, la colpa non era di N. 8^«, ma mia, im-
^) S. Laemmer, Mon. Tat. n. ccxxi, p. 377.
ZeiUehnft f. K.-0. Ilf, 1. 12
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178 JLNALEKTEN.
jperoch^y come altre Yolte io gli bayeya detto, avanti la partenza
mia da Borna io mi Tolsi chiarir con 3. S^ di queeta Lega^et
da essa hebbi amplissima commisBione, ma tennto qni al colloqoio
oon speranza di far concordia oon questi protestanti non mi parve,
f^e a proposito parlare die Lega catbolica per non poner dis-
tnrbo alla concordia. S. M^^ rispose, ch' io haveyo fatto bene,
come anche altre volte mi hayeva risposto. Segoitai poi et gli
dissi, che landayo la sapienza di S. M^^ in non lassarsi condnrre
alla guerra, ma che a me pareya il remedio esser prontiBsimo,
hayendo qui in absentia sna il Be dei Bomani, il quäle per la
degnitä, per il stato et ogni altra ragione hayrä la bri^ia in
mano nh sarä guidata da altri, ma essi seri la gnida d' altmL
Dissi etiam, che landayo la destrezza et hnmanitä usata da 8»
M^ yerso questi protestanti, ma ben mi pareya etiam, che fasse
a proposito dall' altra parte stare sopra la ripntatione et far le
proyisioni debite, acciö non s' innalzassero tanto.
8. W^ *) ri^osCy che questi Prindpi, nominando U Ducht
di Baviera, quali dicono, san cath^, saranno cause et innat-^
tfore li Protestantin perchdy quando vedrä ü proceder loro non
con bona intentione, che essa farä altera provisione, accennandOf
imo qtiosi expressamente signifieando^ che prenderä appunta-
mento con Protestantin
Io li repUcm, che motte voUe U Principi savii con destreeza
si servono etiam di queUi, che non han/no cosi bona interUione,
ma ch' io credevo certissimo, che questi Principi Bavari U
sariano fideUssimi et öbsequentissimi y sopra che ü Nuncio fece
honissimo officio, per rimover da S. If*^, questa mala mpressione.
Beplicö 8. Jf*^, che hora con t effetto Io vedria et ne
lassö irresduti circa la condusione di questa Uga cath^.
Qaanto poi al Concilio, io li dissi, che a me pareya molto
megliOy che la sospensione d' esso prima fasse rimossa da S.
S*^, che richiesta da questi Principi, sl perchö piü si seryaya
la degnitä et auttoritä della sede apostolica, alla quäle appar*
tiene il conyocare il Concilio, sl etiam perch^ si dimostraya alla
Germania et tutti i christiani quella buona intentione , che S. S^
ne ha, facendo da lei et non a requisitione d* altri.
Dissi etiam, che qnesti Principi piü facilmente si risolyeriano
al Concilio, yedendolo gik intimato da S. B°®. Mi rispose S.
M^^ che a lei pareya esser pericolo grande, quando si proponga,
prima ch* essi Io ricerchino, di non indurli a ricercare un con-
cilio qui in Germania oyero un concilio nationale come sempre
hanno desiderato. Io gli replicai, che per concilio nationale non
si poteya trattare die cose della f)9de, le quali appartengono a
1) Im Original chiffrirt.
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SCHULTZE, ACTENSTÜCKE ZUR REF.-GESCHICHTE I. 179
tatta la chiesa universal. Quanto al concilio in €rermania, dissi
sapere, che altre volte S. M^ con grand™« ragioni V haveva
disxtaso. A questo punto rkpose S. M^^, che essa era dell' is-
tessa opiiüone et che perö 11 pareva meglio, che si aspetasse la
lisoiutioiie della Dieta et ehe costoro lo richiedessero , perch^
allora bi publicheria la rkolutione di N. S^® et quando questi
Principi rieercassero concilio in Germania, essa torrebbe questo
carieo di opponersi, che il Concilio non si facesse in Germania.
Yedendo io, che S. M^^ andava a Camino di dilatione, le dissi^
che S. S^^ giä havera fatta questa risolutione in consistorio.
JSt ^) destramente li toecai di communioarla al Magun-
Uno; £L W^ stette alquanio sopra di se et disse, come ü Ma-
guntino lo saperä, lo aaperä meza la corte, oltra cii io t ho
so^^o, perckh giä quaranta dl per li cath^ detti di sopra mi
^ stato fatio richiesta di questo concilio et so ^ che li Duchi di
Baviera hanno mandato uno a Borna, ende potria esser, ehe la
venisse da hro. II Nuntio disse, che quel messe era andato
per cose private *).
S, M^^ rispose: sotto le cose private molte volte si trat-
tano le putUche.
Et tandem poi si riaolse di voler ragioitame et consultare
col Be dei Bomani et poi mi daria risposta. lo modestamente
li risposi, che havevo in commissione di rispaceiare in diligentia
ü eorriero venato. Disse S. M^: fra doi giorni, et tandem poi
disse, Inned) mi daria risposta. Qnesto ^, qnanto havemo potato
haTor; a noi parve incivilitä il non accettare qnesto termine et
oosl aspetteremo sino a luned]^; ma acciö K Si*^ non stia molto.
ia espettatione, havemo deliberato di espedir queste nostre per
staffetta et ritener il eorriero , sin ch* habbiamo la risp^ risolnta
da Oesure per espedirla poi.
Et a V. S. R°**, non havendo per hora altro da dirle^
hmnilmente mi racc^^ u. s. w.
Di Batisbona alli XXIV di giugno 1541.
Hnmilis Servitor G. Car"»
Ck)Mtarenus legatus.
1) Chüfrirt.
*) Daßs der Nuntius diese Behauptung wider besseres Wissen ge-
tan, geht ans dnem Briefe ebendesselben vom 6. April hervor: „öli
Dnchi di Bavera mandano un Gkntir homo a posta a N. S^; et a me
hanno detto mandarlo solo per haver la resolutione della croce, sopra
che hanno voluto una mia lettera racc^^o a N. S., ma ho inteso, lo
mandano ancor per dltra cattsa et tnaxime per gli presenti trattati
äi Germania, perchfe hanno alti concetti et sono desiderosi di cose
nove" u. 8. w. Das vollständige Schreiben folgt später.
12*
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180 ANALEKTEN.
No. 11 (Regensburg, 19. Jnli 1541).
Contarini an Farnese.
Dopo r ultime mie di XVTI. a qneste annexe li stati dell*
Imperio hanno fra loro consnltato circa le risposte fiatte per la
Oes^ M^ et per me nel negocio della Beligione, desiderando
alcuni di loro, che li punti, nelli quali si sonno accordaü li coUo-
cutori di ambe le parti, siano approvati, presa occasione dalla
scrittura della M*^ Ces», nella quäle pare, che dica, V opinione
mia esser V istessa, bench^ sia in tutto contraria.
Sono stati infra loro et ancora sono in controversia dal
delU elettori, cio^ il Maguntinense et Treverense; non TOgUono,
«he sia approvata cosa alcuna iuxta la mia risposta.
n Palatino, Brandenbnrgense et Coloniense vogliono, che
sino al Conc<^ non si pongano in controversia, ma siano ap-
provati.
Nel stato inferiore (per quäle intendo) la maggior parto
sente con il Maguntino et Treverense.
Alcuni perö sono con li tre elettori.
Mi farono a parlare li agenti del R™<> Maguntino et Tre-
yerense et mi explicamo questa diversitä, ch* era fra loro,
dependente in gran parte dalla scrittura di Cesare et dalla inter-
pretatione della mia scrittura fatta da S. Mt^.
lo li risposi, che la mia risposta era chiarissima et consul-
tata dal B"^^ Maguntino, li Duchi di Bayera et altri Cath<^^ et
<;he oltre la scrittura palam ad ognuno io havevo detto Y opini-
one et resolutione mia, ma che, se li pareva, che bisognasse, che
io facessi altra scrittura per la maggior dichiaratione, io la farei
volontieri.
Et respondendomi loro, che saria buono, io li dissi, fiatela
Yoi et consultatela , voi et poi portatemela, ch* io la sotto-
scriverö.
Mi ringratiarno et mi portamo poi la scrittura fatta per
loro, la quäle io sottoscrissi.
La mattina sequente, cio^ hieri, ritomamo et volsero, che
si scancellasse una linea di quella, che mi haTevano data, et
me la riportamo. Io fui contento et sottoscrissi la 2^, rihavuta
la prima. La copia con il verso scancellato mando a queste
annexa.
Hieri dopo pranso questi Eever^^ et HI^ Yescovi mi man-
darono alcuni loro nuntii et communi nomine mi ringratiarno
della exortatione charitativa et santa, ch* io gli havea fatta, la
quäle si sforzariano di mandar ad esecutione.
Mi dettero poi la risposta loro in scriptis, la quäle sarä con
queste.
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SCHÜLTZE, ACTENSTÜCKE ZÜK REF. -GESCHICHTE I. 181
lo HÖH 11 potei fare altra risposta, percbd si partirono avanti,
che la legesse, ma continuamente ragionando con loro particolar-
mente li ho fatto intendere, che la dilatione del conc^ h pro-
ceduta non da N. S., ma dall' Imp'®, dal Be dei Bomani et dal
fie di francia. Di celebrarlo etiam in Germania, li ho fatto in-
tender esser impossibile n^ cessarö di replicarlo a tempo et
luoco.
La risposta sopradetta non contiene altro che il conc^, si-
come V. S. E»"» vedrä.
I Protestant! hanno ancora essi dato la sna risposta alla
mia scrittora, la qoale non contiene altro che querele contra di
me, come medesmamente Y. S. E°>^ vedr^
La partita di sna M^ (sicome anche ho scritto per le altre)
sarii alli XXYI.
Mi dnbbito, che non si farä recesso avanti la partita di S.
M*^, la quäle perö mi ha promesso et hieri replicato al Eev^<^
Nnncio, che non si farä cosa alcnna senza participatione mia.
lo sono in dnbio, se meglio sarä, ch* io mi parta avanti,
che si faccia il recesso.
Io me ne anderö per la Tia diritta in Ispruk et Brixina et
de li mi inviarö per Cividale per visitare il mio grege, doye
desideraria poter fermarmi qualche giomo et per tanto in detto
Inogo aspettarö lottere di Y. S. B^^S che mi commettano, qnanto
ha^rö de fare.
Ho inteso, come il Yesc<^ di Brandenbarg, il qoale ^ con-
secrato Yescovo et chiamasi Mattheo, publicamente ha preso
moglie et üatto le nozze, cosa di molto scandalo et gran yittu-
perio.
Pare ad alcnni di questi S" Yescovi, che qni sono, che
costui si doyesse priyar del Yescoyado.
Io r ho advisato a Y. S. B™», perchö lo conferisca a N. S.,
alla coi S^ baso humil^ il s™<> piede et a quella, qnanto piü
posso, mi racc^o. Che nostro S^« Die la conseryi Inngo tempo
et felice. Di Batisbona alli XIX di Luglio 1541.
(Ohne Unterschrift)
No. 12 (Begensbnrg, 22. Jnli 1541).
Contarini an Farnese.
li nltime mie a Y. S. B"»» fnmo di 17. et 19. di qnesto
mandate per la yia della posta di Trento et ponendole salye
non repUcherö oltre; qneste le seranno portate per nn gentilhomo
di Don Franc^ da Este, il qoale yiene in diligentia. Alli XX. per
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182 ANALEKTEN.
Don MaiÜBo Alonso hebbi le sue di X. con il dapp^<> di VTI.
et hieri, che farno li XXI., giunse Mona. Verallo con quellt dl
YII. S. Sig^^& h giunta sana et con bnona ciera; qaesta mattixia
^ stato viBitare il Ser°^^ Ee de' Bomani et dopo pranso insieme
<5on Mens, di Modena et meoo alla Ces* Mt^, sicome V. S. Eo»
intenderk per sne lettere. Hoggi, sicome ho detto, dopo pnuiso
siamo stati tutti tre alla M^^ Ces^, ove io ho molto laadato S.
M^ per parte di N. S^ della bnona yolnntä sna circa la cele-
bratione del Concilio et dettoli, come S. S*^, per dare presta
expedittione a questo, hareva giä scritto a Venetia per il loco
di Vioenza et che aspettava risposta. S. M^ mi rispose, che
questi Germani voriano, che il Concilio si celebrasse in GermaiÜA.
Io H dissi, che qnesto non si poteva fare, sicome altre volte S.
M*^ haveva ragionato con N. S"^® et maxime, che io pensayo certo,
che Sua 8^ vi si troveria in persona, la quäle, oltre li altii
rispetti, per V etä non seria per far qaesto viaggio, sl che Wso-
gnava farlo in Italia. Io parlai poi a Soa M^ circa le oose
della Religione, pregandola, che non comportasse, che qui si
facesse tolerantia alcuna, ma ogni cosa fasse rimessa al Ooncüie,
sicome prima molte Tolte si era ragionato. Qaella mi rispose,
che si faria, qnanto Noi Toleyamo, et moströ di dirlo con alquanto
di sdegno. Gli domandai poi del recesso della Dieta, cio^, se m.
faria avanti la partita di 8. M^^ o dopo. Mi disse, che si foria,
prima che partisse, et che la sua partita seria alli XXVI. ^
questo per la volta di Monaco di Baviera. Venni poi a parlare
della lega catholica. S. M^ mi disse, che vi entreria, ma in
modo, che altri non potesse mettere in guerra per suoi disegni
particolari, et disse, che anche li Yescovi di Germania non era&o
•d* accordo sopra questo et che havera da parlare con loro. 81
<5he in ciö non si fece risolutione alcuna. Io eshortai p(n 8.
M^^, che volesse far chiamar a se li Consuli di questa terra et
farli una severa ammonitione, accioch^ dopo la partita nostra la
terra non diventasse publicamente Lutherana, come facilmente
potria intervenire, il che seria di grand^*^ pregiudicio. Mi li-
spose, che Io faria per ogni modo. Poi in ultimo li esposi la
richiesta honestissima, che V. 8. B™* far per netare il campo
a quelli dui S"**, pregando Sua Mt^ a farli provisione; quella mi
promise di farlo, sicome le scriverä Mona. Verallo, il quäle si
troYö presente et ha il carico di soUecitar questo.
Facendosi il recesso della Dieta, come dice sua Mt^, io mi
metterö a Camino per Italia et alla volta di Cividale, sicome per
r ultimo mie scrissi a V. 8. B"*, se giä non mi yenisse altra
<5ommissione da N. 8*"®. Penso, sicome per altre mie scrissi
a V. 8. B"», quella mi habbia fatto proyedere di danari, di ^he
4i nuoyo la supplico, non essende ftitto.
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SCHULTZE; ACTENSTÜCKE ZÜE REF. -GESCHICHTE I. 188
St in sna buona gratia homil^ mi racc^^. Che N. S^^ Dio
sempre sia con lei et conseryi S. S^ Inngissimto. Batisbona
22. Juln 1541.
Humili« Servitor G. Car^«
Contarenus Legatus.
B^ alli 3. di Agosto la sera.
No. 13 (ßegensburg, 26. Juli 1541).
Contarini an Farnese.
Alli XXII. di questo scrissi a V. S. K™» et V avisai di quanto
era suecesso sino a qnell giomo et della giunta di Mens. Verallo.
Dipoi la Ces* M*^ per il recesso della Dieta ha produtto
tma scrittnra alli stati, della qnale ne mando copia con qnesta
a Y. S. K™». Nella detta scrittura (oome quella vedrä) si fit
mentione oltra 0 Conc<^ universale d' un Conc<> nationale et
ancorch^ s. M^ mi havesse promesso, che circa la Beligione
non faria cosa alcuna senza mia saputa, pur di detta scrittura
non mi ha communicato oltre, et benchd io V habbi piü yolte
fatta domandar, non me V hanno per5 mal data, ma di quella
mi h stato fatta copia per altra via.
Et vedendo io con questi B^^ Nuncii, quella parte del dme^
nationale non satisfaccendoci per modo alcuno, a noi parve, che
fnsse da riscalirsi per ogni modo.
Et cos\ non potendo andar alla Ces* M**, io gli scrissi
una poliza del tenore, che V. S. B""* vedrä qui anneu.
8. M^ la lesse et mi fece dire, che faria risposta, la quäle
anche non ha fatto. Dipoi mi parve anche necessario, che con
la Dieta si facesse il medesmo officio; et cosl io scrissi la scrit-
tura, che y. S. B"^ vedrä, la quäle mandai al B°^^ Maguntino,
come ad Archicancelliero dell* Imperio, et modestamente fü pre-
fiontata coram testibus et notario ad un suo consegliero et secr^,
talch^ non ci fu offesa alcuna.
Et s. S. B°»* r accettö et produsse alla Dieta.
Et dipoi li stati mi hanno fatto risposta sopra ci5 del te-
nore, che V. S. B™* vedrä. Hoggi con tutti di questi B^^
^unMi sono stato a visitare il Ser"*^ Be del Bomani per prender
licentia et intender da s. M^ alcuna cosa circa la resolutione
del recesso di questa Dieta, il quäle tutta via si tratta.
S. M^^ ne ha detto, che anche non ^ concluso, ma che
si farä un Becesso, il quäle sarä di poca satisfattione a tutti et
a N. S. et a s. M^^ et alli protestanti et altri; cosl sono le
cose intricate. Et non potendo noi intender meglio il particolari
non passö piü oltre.
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184 ANALEKTEN.
Queeto h stato, quanto sin* al dl d' hoggi, che siamo alli
XXVI., habbiamo negociato, di ch' ho voluto avisare V. S. ß™\
alla quäle humil*® mi racc^^. Che N. S. dio la conserri.
Di Ratisbona alli XXVI di lnglio 1541.
[Daran scUiesst sich gleich das Folgende:}
Non voglio lassare di dire a V. S. E™*, sicome V echio ei h
posto COD gran vehementia a dir male di qnel libro, sopra U quäle
si l fatto il Golloquio, et accusa il Groppero come autore di quelle
et li ha scritto contra molte annotationi di poco momento perö,
come poi mostrarö a V. S. B.^^, non altrimente, che se fusse an
Melanchthone, cosa certe scandalosa et d* accender piü fuoco.
lo ho Yisto il Groppero per questo di mala Toglia et molto
in Cholera; tuttavia non ho mancato far tutti li buoni officii per
mitigarlo et farlo star quieto, perchd in Yeritä h persona di grande
autoritk, precipue in quelle parfi di Colonia, et non saria senza
gran danno a farselo inimico, oltra che a giudicio mio h un
homo di molta bontä.
Et cosl r ho pacificato al meglio, che ho sapnto, et per
renmneratione delle sue üatighe et tenercelo benivolo, cosl con-
segliato con Mens, di Modena, li ho donato ^. 200., U quali
gli ho fatti accettare con una grandissima fatiga depo molti et
molti giomi. Li detti /^. 200. Mens, di Modena me li ha dati.
Partendosi Cesare Venerdl (come si dice), che sia alli XXIX.^
io non starö molto a partire, se si ferma il recesso.
Et ancorchö per altre mie habbi scritto a V. S. B™*, ch' io
Tolessi andare a Cividale, pur ho mutato senteutia, che piü &
proposito mi par seguire la Ces^ M^ sino in Lombardia, non ha-
yendo altro adviso da N. S. et di novo a V. S. B™^ baso la mano»
Humilis Seryitor G. Car^"
Contarenus legatus.
B^ alli 9. di Agosto la sera.
Bemerkt werden mag noch, dass die von mir zum Abdruck
gebrachten Äctenstücke mir nicht in den Originalen vorgelegen
haben; aber die hier unedergegebenen Copien des Archivs zu Neapel
sind so peinlich genau, dass nicht nur die Chiffren (ich habe
dieselben durch die beigegebene Auflösung ersetzt) und die Baten
des Empfangs aufgenommen sind, sondern auch die den Origi-
ncUen (wahrscheinlich doch in der Kanzlei Farnes^ s) beigefügten
Bandhinweisungen wiederholt sind *).
1) Anmerknag der Bedaction. Ein Nachwort, welches ich zu den
Torstehenden Depeschen zu geben beabsichtigte, muss wegen Raummangel
bis zum nächsten Hefte verschoben werden. Brieger.
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BRIEGER, BAUMGAKTEN'S BITTE, J. SLEIDAN BETR. 185>
4.
U. Baumgarten's Bitte, Job. SIeidan betreffend.
Von
Th. Brieger in Marburg.
Seit Jahren durften wir hoffen, von Herrn Professor Baum-
garten in Strassburg ein ausführliches Lebensbild Joh. Sleidan'a
zu erhalten, und mit nicht geringer und berechtigter Spannung
sahen die Freunde der Beformationsgeschichte dieser Arbeit ent-
gegen: handelte es sich doch nicht bloss um den ersten, hoch-
Terdienten und hochgefeierten Geschichtschreiber der Beformation,
sondern zugleich um einen der wenigen protestantischen Staats-
manner des 16. Jahrhunderts. Leider haben uns die letzten
Monate eine Enttäuschung gebracht, wenigstens jene Hoffnung in
weite Feme gerückt. In einer kleinen Schrift „Über Sleidan's
Leben und Briefwechsel" ^) giebt Baumgarten Bechenschaft von
seinen bisherigen Nachforschungen in Botreff Sleidan^s, welche^
wiewohl keineswegs erfolglos, ihn doch zu der Überzeugung ge-
führt, in der schon yor Jahren gewonnenen bestärkt haben, dass
„eine wirkliche Biograj^hie, ein irgendwie zusammenhängendes
Lebensbild, bei der gegenwärtigen Beschaffenheit des
Materials nicht möglich ist'^
Bei der Wertlosigkeit der gedruckten Biographien Sleidan*s,
b^ der Spärlichkeit von Aufischlüssen über sein Leben in den
eigenen Werken des Mannes sieht sich der Forscher fast aus-
schliesslich auf handschriftliches Material, insbesondere auf den
Briefwechsel Sleidan's angewiesen. „Aber Briefe Sleidan^s sind
überall eine grosse Seltenheit und Briefe an Sieidan eine noch
grössere'* (S. 5). Dass seine Correspondenz „eine ebenso aus-
gedehnte, als innerlich bedeutende gewesen ist, steht ausser
Frage; leider ebenso, dass ihre Auffindung den grössten Schwie-
rigkeiten begegnet Vorzüglich deshalb, weil Sleidan's Correspon-
denz ganz überwiegend eine politische war und seine Bestrebungen
teils wirklich zu den herrschenden Gewalten, unter denen er lebte,
in einem zur Vorsicht mahnenden Widerspruche standen, teils
seiner reizbaren Natur die Verhältnisse wenigstens so bedenklich
erschienen, dass er es sehr oft nötig fand sich in dichtes Ge-
1) Herm. Baamgarten, Über Sleidan's Leben und Briefwechsel.
Hit einem Facsimile. Strassburg, Trübner, 1878. (2 Bl. u. 118 S.
gr. 8^)
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186 AKALEKTEN.
heimnis zu hüllen. Nor etwa die Hälfte seiner bisher aufge-
fundenen Briefe trägt seine Tolle, oder doch andeutende Unter-
schrift; die übrigen sind anonym. Dieselbe Bedenklichkeit der
Lage oder Aengsfclichkeit Sleidan*s scheint Um zn grosser Vorsicht
mit den an ihn gerichteten Briefen veranlasst zu haben: nur
ganz wenige derselben sind bis jetzt ans Licht gekommen, die
meisten im Concept, einzelne, die er andern mitgeteilt haben
wird, un Original." (S. 8 f.)
Unter diesen Umständen kann man sich nicht wundem,
wenn es Herrn Prof^ Baumgarten ungeachtet seiner jahrelangen,
mit gleich grossem Eifer und Geschick betriebenen Nachfor«
schungen, ungeachtet der Unterstützung durch eine Reihe pri-
vatim aufgeforderter Gelehrten, nicht gelungen ist, diese Corre-
spondenz in dem für den Biographen erforderlichen Umfinnge ans
Licht zu ziehen; vielmehr werden wir die Ausbeute, die ihjn ge-
glückt ist, immer noch als eine verhältnismässig reiche bezeichnefi
dürfen. Es sind doch keineswegs „recht dürftige" Bruchstücke,
wie der Sammler selbst sie nennt, sondern höchst erfreuliche,
belangreiche. Aber freilich darf Baumgarten mit Recht klagen,
dass die „geringfügige Zahl bisher gefundener Briefe" „sich mit
auf^liger Ungleichheit auf das Leben Sleidan^s verteilt". „Bis
zum Jahre 1544 einschliesslich haben wir nur acht Briefe . . .;
plötzlich bringt dann das Jahr 1545 mit 47 Briefen hellstes
Licht, welches sich auch auf den Anfang des nächsten Jahres
1546 ein wenig ausbreitet. Aber mit dem Beginn des Schmal-
kaldischen Krieges tritt tiefes Schweigen ein; aus dieser ganzen
grossen Krisis der deutschen und reformatorischen Dinge, welche
Sleidan*s und aller seiner Freunde Leben und Streben in der
Wurzel traf, haben wir nur zwei Briefe. Und dieses Schweigen
dauert bis zum November 1551. Vom Februar 1547 bis Oc-
tober 1551 haben wir nur fünf Briefe ^). Erst die Sendung nadi
Trient bietet wieder reichliche Aufschlüsse und die dann begin-
nende Correspondenz mit England setzt sie fort. Die Jahre 1558
und 1554 sind abermals durch nur acht Briefe dürftig beleuchtet^
während wir aus den beiden letzten Lebensjahren 31 besitzen*^
(S. 44 f.).
Es ist nicht dieses Ortes darauf hinzuweisen, wie helles und
zum Teil überraschendes Licht diese Correspondenz -Bruchstücke
auf einzelne Lebenslagen Sleidan*s verbreiten, wie viele bisher
landläufige irrige Angaben schon jetzt sich berichtigen lassen*):
Baumgarten hat wenigstens in einer Skizze die wichtigsten tat-
1) Zu diesen fünf Briefen sind später zwei weitere in diesen Zeit-
raum fallende gekommen; s. S. 81.
s) S. meine Anzeige in Schüre r*8 TheoL Literatur-Zeitung 1879.
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BRIEGER, BAÜMGARTEN'S BITTE, J. SLEIDAN BETR. 187
sächlichen Besoltate seiner bisherigen Studien kurz zasanunen-
gestellt (S. 45—107). Eben diese Skizze, wekhe nns Sleidan,
den Politiker nnd den Geschichtschreiber, den Chnsten und den
Menschen, nnstreitig näher rückt, zeigt am besten, wie grossen
Oewinn die VenroUständigung seiner Correspondenz uns bringen
mfisste, und ist die beste Bechtfertigung für die Bitte, mit
welcher Baumgarten seine Schrift schliesst und die auch au
ihrem Teile weiter zu yerbreiten der Zweck dieser Zeilen ist.
£s ist die Bitte unseres Sleidan-Forschers, ihm „von Briefen von
nnd an Sleidan, Yon handschriftlichen Bemerkungen über ihn, kurz
Yon allem, was geeignet sein kann, unsere Kenntnis yon ihm zu
erweitern, gefälligst Notiz zq geben oder es in geeigneter Weise
zu publiciren" (S. 109). Welche Briefe Baumgarten bereits be-
kannt geworden sind, ersieht man aus der sorgfältigen, chrono-
logisch geordneten üebersicht S. 9 — 44, in welcher Anfang und
Ende jedes Briefes, sowie der Fundort angegeben sind: wir
finden hier gegen 160 Stücke yerzeichnet, unter ihnen einige
80 bisher nicht gedruckte (aus dem Strassburger Thomasarchiy
und Stadtarehiy, den Arehi?en zu Marburg und Weimar, den
Bibliotheken zu Basel und Gotha, ZQrlch und Zofingen, der Wiener
Hofbibliotiiek und Pariser Kationalbibliothek , dem Becord Office,
Brii Mus. u. s. w.). Um die Auffindung fernerer Briefe (zumal
der anonymen) zu erleichtem, ist der Schrift das Facsimile des
Bruchstückes eines Briefes hinzag^gt.
Möge der Aufi-uf Baumgarten's überall geneigtes Gehör finden 1
Möge, wer in der Lage ist, das Werk durch Nachforschungen zu för-
dern, sich nicht durch die Möglichkeit ihrer Erfolglosigkeit ab-
schrecken lassen. Die Hoffnung auf weitere bedeutende Funde
ist durchaus nicht ausgeschlossen. Selbst für den Fall, dass der
Nachlass Sleidan's zu Grunde gegangen sein sollte ^) , so birgt
doch so manche selbst der kleinen deutschen Bibliotheken Sam-
melbände yon Autographen des 16. Jahrhunderts, in denen die
anonymen Briefe Sleidan^s bisher leicht übersehen sein können.
Fünf solcher Sammelbände mit Stücken der gesuchten Corre-
spondenz befanden sich in der Bibliothek des ülmer Patriciers
Baymund Krafft, die nach 1753 yericauft wurde*); des-
1) S. darüber Baumgarten, S. 107.
') Über die hierher gehörigen „Tomi autographarum epistolarum ''
der Krafft'schcn Bibliothek ist ausser demjenigen, was Baumgarten
8. 108 f. beibringt, J. G. Sch^lhorn zu vergleichen in seinen „Memora-
biha Bibliothecae perilhistris Domini Baymundi de Erafit" (Amoen. litt.,
T. ni), p. 115 sqq. Er spricht hier yon yier Briefbänden, welche aus
^ Bibliothek SpizeTs stammt» („Quatuer honun yoluminum inter
MSSta Spizeliana jam meminit Meelführerus in Access, ad Almeloye-
nium, p. 64. llösqq.'O, damals aber (1725) KrafPt gehörten, und
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188 ANALEKTEN.
gleichen war Beyschlag in Schwäbisch -Hall im Besitz tob
Sleidanbriefen. Längst sind beide Samminngen verschollen (s. B.
8. 108 f.)* Anch die vier Qnartbände mit Collectaneen zu Slei-
dan*s Leben nnd Abschriften seiner Briefe ans dem Nachlasse
des dnrch seine classische Ausgabe der Commentare Sleidan*s so
verdienten Christian Carl Am Ende (t 1799), der sich
Jahrzehnte hindurch mit dem Gedanken einer Biographie dieses
seines Lieblings getragen hat, sind bisher nicht zu entdecken
gewesen (s. S. 3). Aber den vereinten Anstrengungen Vieler
mag auch in diesem Falle gelingen, was dem Einzelnen bisher
nicht glückte.
Zur Statistik der griechisch-russischen Kirche.
Statistische Nachrichten, erhoben aus dem Rechenschaftsbericht
des Oberprocureurs des Heil. Synod vom Jahre 1876.
Hitgeteilt aus der Zeitschrift
„üpaBOCjaBHoe OÖosptme** 1878 April, S. 727 f.
von
A. Harnack.
Dem Auszuge ans dem Bechenschaftsbericht des Oberprocnrenrs
des heil. Sjnod über die dem Bessort der russischen orthodoxen
Confession zugehörigen Angelegenheiten vom Jahr 1876 sind aus-
fOhrliche Nachrichten beigegeben, welche unter anderem folgende
Data enthalten:
Im Jahre 1875 bestanden in sämmtlichen Eparchien, mit
Ausschluss des Exarcbats Gmsien, der Alexandro - Newsky'schen
nnd Potschigewsk-Uspensky'schen Lawra ^), über die kein Bericht
zählt die meisten Brie&chreiber (gegen 200) mit Namen auf, darunter
auch Job. Sleidan (Melanchthon war hier allein mit 124 Originalbriefen
yertreten); dazu erwähnt Schelhom S. 11 7 f. noch einen fünften Band
mit Briefen von Tezet, Butzer, Luther und anderen BrieÜBchreibem , zu
denen nach dem Häberl in' sehen Katalog (S. 70) auch hier Sleidan
gehörte.
!)• Kloster ersten Banges.
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HARNACK^ ZUR STATISTIK DER GRIECH.-RÜSS. KIRCHE. 189
Torgelegen hat, — 56 erzbischöfliche Häuser und 380
Mönchsklöster (darunter 169 ausseretatmässig). Nach dem
Etat sollen in denselben 4269 Mönche leben, in der Tat aber
waren in den etat- und ausseretatmässigen Klöstern zusammen
10512 Mönche (darunter 4621 dienende BrQder). — Nonnen-
klöster bestanden mit Ausschluss der Eparchien Pensa, Po-
dolien, Tomsk und .des Exarchats Grusien 147 (darunter 40 ausser-
etatmässig). In denselben sollen nach dem Etat 2476 Nonnen
kben, es befänden sich jedoch in Wirklichkeit in den etat- und
ausseretatmässigen Klöstern zusammen 14574 Nonnen (darunter
10771 dienende Schwestern). — In sämmtlichen Eparchien be-
standen im Jahre 1875 an Kathedralen: 57 Episkopalkirchen,
562 städtische Hauptkirchen (darunter 43 kirchspiellose), 3 Mi-
litär- und 3 Marinekathedralen, zusammen 625; an Kirchen:
933 an Mönchs- und Nonnenklöstern, 30026 Pfarrkirchen, 453
Earchspielkirchen, 39 Hofkirchen, 626 Kirchen an Kronsanstalten,
345 Hauskirchen, 4644 pfarrlose oder Yicariats -Kirchen, 1714
Friedhofiskirchen; dem Ressort der Hauptgeistliohen der Armee
und der Flotten gehörten zu: 93 unbewegliche und 238 be-
wegliche; — von altgläubigen Kirchen: 227 Pfarrkirchen; —
im ganzen 39338; ausserdem 13594 Kapellen und Bethäuser.
In sämmtlichen Eparchien sollte im Jahre 1875 die Zahl
der Geistlichen an den Kathedralen und Hauptkirchen etat-
mässig betragen: 1 Oberpriester (Protopreswiter), 1 Hauptpriester,
9 Priester (Preswiteri), 881 Protoiörejen, 37238 Geistliche^),
6980 Diakone und 53963 Küster; in der Tat jedoch existirten
1 Oberpriester, 1 Hauptpriester, 1315 Protoiörejen, 36527 Geist-
liche, 6987 Diakone und 53971 Küster: im ganzen 98802 Per-
sonen Weltgeistliche; ausserdem wurden 8388 Personen infolge
Yon Altersschwäche und Krankheit entlassen. Aus den Berichten
f&r das Jahr 1876 ist zu ersehen, dass im Laufe dieses Jahres
in sämmtlichen Eparchien an Kirchen gebaut wurden: 12
Klosterkirchen (9 steinerne und 3 hölzerne), 275 Pfarr- und
Nebenkirchen (142 aus Steinen und 133 aus Holz), 13 Kirchen
an Kronsanstalten (9 aus Steinen und 4 aus Holz), 9 Haus-
kirchen (3 aus Steinen und 6 aus Holz), 14 Friedhofiskirchen
(5 aus Steinen und 9 aus Holz), im ganzen 323 Kirchen (168
aus Steinen und 155 aus Holz); femer: 170 Kapellen und Bet-
häuser (17 aus Steinen und 153 aus Holz).
In demselben Jahr betrug die Zahl der Krankenhäuser
m sämmtlichen Eparchien, ausser den Eparchien Woronesch,
Irkutsk und Tobolsk, über welche keine Berichte eingeliefert
worden sind, a) bei Klöstern: auf Krons- und Klosterkosten 59
1) Gewöhnliche Geistliche oder Popen.
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190 AKALEKTEN.
fOr 774 Mann, auf Kosten von Prlyatpersonen und Yereinen 9
für 87 Mann; b) an Kirchen: auf Krons- und Kirchenkosten 2
für 42 Mann, auf Kosten von Privatpersonen und 'Gesellschaften
17 für 289 Mann, zusammen 87 KrankenhospitäJer ffir 1192
Mann. — Die Zahl der Armenhäuser betrug a) bei Klöstern:
38 Armenhäuser fOr 589 Mann auf Krons- und Klosterkosten
unterhalten, 8 Armenhäuser fdr 223 Mann auf Privat- und Ge-
sellschaftskosten unterhalten; b) an Kirchen: 140 Armenhäuser
fiSüc 1734 Mann auf Krons- und Klosterkosten unterhalten, 419
Armenhäuser für 4217 Mann auf Privat- und G^sellschaftskosten
unterhalten; zusammen 605 Armenhäuser für 6763 Mann.
Die Zahl der der orthodox-russischen Kirche
Angehörenden betrag im Jahr 1875 in sämmtlichen Epar-
chien mit Ausschluss der Bparchien Kamtschatka, Tobolsk,
Jakutsk und des Exarchats Grusien, des Armee- und Marine-
ressorts und des Bezirks der kaukasischen Armee: männlidien
Geschlechts 28,215097, weiblichen Geschlechts 29,486563, zu-
sammen 57,701660 Selen.
Geboren wurden im Laufe desselben Jahres in sämmt-
lichen Eparchien, ausser den Eparchien Irkutsk, Kamtschatka
und Kiew und des Exarchats Grusien, 1,656658 Personen männ-
lichen Geschlechts, 1,588155 Personen weiblichen Geschlechts;
zusammen 3,244673 Selen.
Ehen gingen 1,203004 Personen ein.
Gestorben sind 1,141324 Personen männlichen Geschlechts,
1,074885 Personen weiblichen Geschlechts; zusammen 2,216209
Personen. Unter diesen erreichten ein Alter von 100 bis 105
Jahren 177 Personen (99 M. und 78 Fr.), das Alter von 105
bis 110 Jahren 54 Personen (26 M. und 28 Fr.), das Alter von
110 bis 115 Jahren 21 Personen (13 M. nnd 8 Fr.), das Alter
von 115 bis 120 Jahren 6 Personen (2 M. und 4 Fr.), das
Alter von 120 bis 125 Jahren 4 Personen (3 M. und 1 Pr.)j
zusammen erreichten ein Alter von über 100 Jahren 262 Per-
sonen, darunter 143 Männer und 119 Frauen.
Im Jahre 1876 wurden in die russisch - orthodoxe Kirche
aufgenommen a) von Andersgläubigen christücher Confessionen:
Komische Katholiken 1192, Griechisch-Ünirte 516, Armenier 8,
Protestanten 688, zusammen 2404 Personen; b) aus dem Baskoi
(Bezeichnung der verschiedenen Sekten der russischen Kirche)
2539 (1498 vollständig aufgenommen, 1041 mit Beibehaltung
des altgläubigen Kanons); c) von nichtchristlichen Völkern: Juden
450, Mohamedaner 219, Heiden 6728, zusammen 7397; die Zahl
sämmtlicher in diesem Jahre zur russischen Kirche Bekehrter
12340 Personen.
In demselben Jahre wurden Ehen aufgelöst: wegen neuer
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HARNACK, ZUR STATISTIK DEB GKIECH.-RUSS. KIRCHE. 191
Vwrheirttung bei Lebzeiten eines der beiden Gatten 29, infolge
SU naher Yerwandtsehaft der ehelich Verbundenen 2, wegen Un-
filhigkeit zn ehelicher Gemeinschaft 15, ehebrnchshalber 80, in-
folge unbekannten Aufenthalts eines der beiden Gatten 650, und
infolge Yerurteilnng zu Festungsarbeiten und Verbannung eines
der beiden Gatten 247; zusammen 1023 Ehen.
Hinsichtlich des Bildungszustandes der Geistlich-
keit im Jahre 1876 enthalten die Beilagen zu dem Rechen-
schaftsbericht des Oberprocureurs folgende Nachrichten: In sämmt-
lichen Eparchien bestanden 4 Akademien, 53 Seminarien^
186 Schulanstalten, zusammen 243 Lehranstalten. Die Zahl
der Vorsteher und Lehrer an denselben betrug: an den Aka-
demien 131, an den Seminarien 888 und an den Schulen 1623^
zusammen 2642; die Zahl der Lernenden: in den Akademien
566, in den Seminarien 12401 und in den Schulen 27855, zu-
sammen 40842 (darunter 15655, welche Unterstützungen genossen^
und 25062 auf eigene Eechnung).
Von den Zöglingen der Seminarien und geistlichen Schulen
erlernten 265 die Sprachen derjenigen Premdvölker, welche in
Bossland ansässig sind, nämlich: die tatarische 47, die mongo-
lisch-buijatlsche 44, die kalmykische 33, die Sprache der Tschere-
missen 49, die der Syijanen 11, die finnische 8, die esthnische
40, die lettische 37 und die karelische Sprache 6.
In 11 weiblichen, dem geistlichen Ressort zugehörigen
Schulen, die unter dem Allerhöchsten Schutze Sr. Kaiserl.
Majestät stehen, betrug die Zahl der Schülerinnen: a) der auf^
Kronskosten Lernenden 294 und b) der Pensionärinnen 668, zu-
sammen 962. lieber die Zahl der Kirchenschulen in den
Eparchien Jenissey und Turkestan gingen keine Nachrichten ein,
ebensowenig über die Zahl der dieselben besuchenden Schüler.
In allen übrigen Eparchien betrug die Zahl der Kirchen- und
Klosterschulen 6811, die der Schüler 170461, die der Schüle-
rinnen 26730, zusammen 197191.
Die Gesammtzahl der Bibliotheken sämmtlicher Epar-
chien, die Eparchie L-kutsk, über die keine Nachricht einging,
ausgenommen, betrug im Jahre 1876: a) an den Kirchen
15078 und bei Kirchenaufsehem (Blagotschinny) *) 692 , zu-
sammen 15770; im Verlaufe dieses Jahres wurden noch neu
gegründet: a) an Kirchen 224 und b) bei Kirchenaufsehem (Blago-
tschinny) 11.
Der Umsatz der von der Oekonomiedirection des heil. Synod
verwalteten Gelder und Capitalien vom Jahre 1876 war folgen-
1) Eine geistliche Person, unter deren Beaufsichtigung mehrere
Kirchen stehen.
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192
ANALEKTEN.
-der. Am 1. Januar 1876 war als Ueberschuss yorbanden:
a) geistliches Lehrcapital 22,025900 B. 98 E., b) Druckerei-
gelder 313201 B. 77^ K., c) Capitalien der Geistlichkeit des
Westbezirks 2,338555 R. 77^ K., d) Capitalien zur Verwendung
für Gehaltszulage an die höhere Geistlichkeit 285806 R. 14 K^
e) Capitalien zu einmaliger Unterstützung der stAdtischen und
Land -Geistlichkeit 105499 R. 57^- K. Summa: 25,068973 B,
24iK.
Im Laufe des Jahres 1876 wurden eingenommen und
verausgabt:
a.) geistliches Lehrcapital. .
b) Druckereigelder ....
c) Capitelien der Geistlichkeit
des Westbezirks ....
d) Capitalien zar Verwendung
zu Gehaltszulagen für die
höhere Geistlichkeit . .
e) Capitalien zu einmaliger
Unterstützung der städti-
schen u. Land-Geistlichkeit
Einnahme.
Rubel. Kop.
2,028443 9di
379242 611^
260142 42
16566 2
56995 95^
Ausgabe.
Bubel. Kop.
1,719984 26
405449 3
179807 29
17737 26
54022 43t
Summa: 2,741391 — i 2,377000 26^-
Am 1. Januar 1877 war folgender Ueberschuss vorhanden:
a) geistliches Lehrcapital 22,334369 B. 72|^ K., b) Druckerei-
gelder 286995 B. 36 K., c) Capitalien der Geistlichkeit des
Westbezirks 2,418890 B. 90 J^ K., d) Capitalien für Gehälter-
zulage an die höhere Geistlichkeit 284634 B. 90 K., e) Capi-
talien zu einmaliger Unterstützung städtischer und Land-Geistlich-
keit 108473 B. 9} K. Summa 25,433363 B. 98^ K.
Ferner restirten am 1. Januar 1876 folgende Summen: a) aus
den an den Kirchen errichteten Opferbüchsen gesammelte und
dem heil. Synod zur Verfügung dargebrachte Gelder 419329 B.
84 J K.; b) an zum Besten russisch-orthodoxer Klöster und Buss-_
länds Pfarrkirchen eingegangenen Summen 19407 B. 30| K.;
c) an zum Besten verschiedener Institutionen im Auslande ein-
gegangenen Geldern 229923 B. 27f K.; d) wandernde ^) Sum-
men, verschiedenen Ortschaften und Personen gehörig, 647633 B.
56 J: K.; Summa 26,385267 B. 23| K.
1) Aus einer Kirche in die aodere?
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HARNACK, ZUR STATISTIK DER GRIECH.-RüSS. KIRCHE. 193
Eingenommen und yeraasgabt wurden im Laufe des Jahres
1876:
Einnahme.
Babel. Kop.
Ausgabe.
BabeL Kop.
69675 80 62038 17^
a) aus den an den Kirchen errich-
teten Opferbüchsen gesammelte u.
dem heil. Synod zur Verfügung
dargebrachte Gelder ....
b) zum Besten russisch- orthodoxer
Klöster und P^Eurrkirchen Buss-
lands eingegangene Summen. . 14713 344 8043 52
c) zum Besten verschiedener Institu-
tionen im Auslande eingegangene
Gelder 71340 30^ 57206 19
d) wandernde Summen verschiedener
Ortschaften, nur Personen ge-
hörig 279202 6 201343 58i
Summa: 424831 51 318631 46|
Der Gesammtrest betrug am 1. Jan. 1876: 26,385267 B.
23f K.; die im Verlaufe desselben Jahres hinzugekommenen Ein-
nahmen 3,166222 B. 51| K., die Ausgaben 2,695631 B. 73| K.,
so dass am 1. Jan. 1877 sich ein üeberschuss von 26,855858 B.
If K. herausstellte.
Aus dem Beichsschatz waren im Jahre 1876 verausgabt
worden: in dem Bessert des Moskauer Synodalcomptoirs (17368 B.)
und zum Unterhalt der Geistlichkeit an 17958 Kirchen 5,535803 B.
33 K., femer fftr den Prior der Kirche in Nizza 2500 B., zur
Erhaltung der Kirche in der Stadt Pau 1200 B., zum Unterhalt
der Geistlichkeit in den Mher zu Bussland gehörenden Kolo-
nien Nordamerika's 52380 B., für die Kirche und deren Priester
in Prag 6500 B., und zur Verteilung je nach dem Ermessen des
heil. Synod 1459 B. 67 K.; zusammen 5,699843 B.
Von den Geldern der Hülfscomit^s für mittellose
Geistliche war — die Eparchien Wolynien, Kaukasien, Minsk,
Orenburg, Pskow, Biga, Tomsk, Ufa und Cherson, über welche
keine Berichte eingeliefert wurden, ausgenommen — am 1. Januar
1875 ein Üeberschuss von 60250 B. 4 K. in baarem Gelde und
3,203097 B. 60i^ K. in Wertpapieren vorhanden. Im Laufe
des Jahres 1875 kam durch weitere Einnahmen dazu, durch
Collecten in den einzelnen Eparchien: haar 683411 B, 78^ K.
und in Wertpapieren 457085 B. 90| K. Summa: baar 743661 B.
82| K. und in Wertpapieren 3,660183 B. bO^ K. Im Jahre
1875 wurden verausgabt an baarem Gelde: 680333 B. 73^ K.
und in Wertpapieren 408971 B. 33f K. Im Jahre 1876 war
Zettschr. f. E.-O. III, 1. 13
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194 ANALEKTEN.
ein XJeberschuss vorhanden von 63135 B. S^ E. in baaren Gel-
dern nnd 3,251411 B. 16} E. in Wertpapieren.
Aus den Eparchien Wolynien nnd Tomsk und dem Exarchat
Grnsien gingen yom Jahre 1876 keine Berichte ein über die
freiwilligen Beiträge, die von den Pfarrcomit^s eingesammelt
wurden, und aus der Eparchie Jakutsk überhaupt keine Berichte
über die Pfarrcomitös. In allen übrigen Eparchien wurden im
Anfang des Jahres 1876 gezählt 10637 Comit^s, im Verlaufe
desselben Jahres wurden neu errichtet 329; zusammen: 10966.
Dieselben spendeten zur Erhaltung nnd Ausbesserung der Kirchen
1,256932 B. 36| K., für Eirchspielsschulen und Wohltätigkeits-
anstalten in den Eirchspielen 170816 B.. bl E., zum Unterhalt
des Elerus 101658 B. 78^ E.; zusammen: 1,529407 E. 21 K.
An Opferspenden in die Eirche kam im Jahre 1876
ein: an Sammlungen in Opferbüchsen 2,249259 B. 49 K., an
Elingbeutelsammlungen 3,741039 B. 78^ E., an Einkünften aus
den Eirchengütem 1,428845 B. 12 E., zu Eirchenbauten und
andern Zwecken 3,609075 B. 69 J E., zum Besten des Grabes
Christi 10049 B. 41f E., zum Besten der russ. - orthodoxen
Eirchen und Schulen des Westbezirks 19013 B. 57^ K., zur
Constituirung der russisch -orthodoxen Confession im Kaukasus
20143 B. 99|: E., zur Verbreitung der Bechtgläubigkeit unter
den Heiden 27352 B. 23| E., zur Unterstützung der Geistlich-
keit 316931 B. 32 E., für Verunglückte bei verschiedenen Ge-
legenheiten 48403 B. 76^ E., zur Besserung der Lage der in
Palästina lebenden Bechtgläubigen 30222 B. 5| E. Summa:
11,500336 B. 44 E.
6.
Miscellen.
1. Zur Altersbestlmmang der Doctrina Addael.
In den ersten zehn Zeilen der von Phillips herausgegebenen
Doctrine of Addai findet sich eine, soweit mir bekannt, bis
jetzt allgemein übersehene Notiz, welche uns erlaubt, den Zeit-
punkt, vor welchem dieses Schriftstück nicht verfasst sein kann,
sehr genau zu bestimmen: es ist dies die Angabe, dass Abgar
seine Gesandten in die Stadt geschickt habe „welche genannt
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MISCELLEN. 196
wird Eleuthoropolis, auf aramäisch aber Beth-Öubrin".
Nach allem, was wir wissen, fahrt BatroyaßQa des Ptolemäus,
Betogabri der Peutinger'schen Tafel, BryaßQiq des Josephus
(so nach Rufin B. J. IV, 8, 1) den Namen Elouthoropolis
erst seit Septimius Severus, der im Jahr 202 in Palästina war
und verschiedenen Städten Privilegien und Indemnitäten zukommen
llessy auf Münzen aus dem achten und neunten Begierungsjahr
dieses Kaisers, welche seiner Gemahlin Julia Domna zugeeignet
sind; vgl. Robinson, Palästina IT, 676. Vor dem Anfang des
dritten Jahrhunderts kann also dies Schriftstück nicht entstanden
sein. — Die citirte Stelle hat aber noch eine zweite Bedeutung.
Als Robinson a. a. 0. aus topographischen Gründen das alte
Betogabra, das heutige Beit-Gibrin, und Eleuthoropolis identi-
ficirte, musste er bedauern, dass der kleine Ring, welcher sie in
der Kette historischer Beweise verbinden mochte, eine einzige
Zeile auf den Blättern der Geschichte, unglücklicherweise ausge-
fallen oder seitdem verloren gegangen sei (a. a. 0., S. 675):
hier, Zeile 7 und 8 auf Seite 1 der Doctrine of Addai
(Zeile 14 und 15 die Ueberschrift mitgerechnet), haben wir das
älteste und ausdrücklichste historische Zeugnis far ihre Identität.
Tübingen. E. Nestle.
2. Wie Terstand Thomas Ton Aqnino die Stelle:
„super hanc petram aedlflcabo eccleslam meam"?
Bei der Erörterung der Frage, ob in der Entwicklung der
Prophetio zeitlich ein Fortschritt zu erkennen ist (Summa II, 2,
Vol. 5, p. 95 der Ausgabe Lugduni Sumptibus Anisson et Posuel
MDCCI), erklärt Thomas: Die Prophetie ist geordnet worden,
damit wir zur Erkenntnis der göttlichen Wahrheit geführt wor-
den und durch dieselbe sowohl in unserm Glauben wie in unserm
Leben uns leiten lassen.
Der Glaube besteht vornehmlich in zwei Stücken, in der
wahren Gotteserkenntnis und in dem Mysterium der Incamation
Christi; betrachtet man die Prophetie mit Rücksicht auf das erstero,
die wahre Gotteserkenntnis, so hat sie drei Stufen, nämlich: ante
legem, sub lege und sub gratia.
Vor dem Gesetz waren die Patriarchen nach Ps. 104, 15: In
prophetis mois nolite malignari, was auf Abraham und Isaak geht,
Propheten. Unter dem Gesetz wurde die prophetische Offenbarung
über die wahre Gotteserkenntnis besser gemacht, die sich jetzt
von einer Familie auf ein Volk ausdehnen sollte. Unter der
Zeit der Gnade wurde von Gottes eigenem Sohne (Matth. 28, 19)
13*
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196 ANALEKTEN.
das Geheimnis der Trinität offenbart Eücksichtlich der Gottes-
erkenntnis ist immer die erste Offenbarung in jeder Periode die
grösste, die an Abraham überragt die an die übrigen Patriarchen,
die an Moses ist höher als die an die übrigen Propheten, deren
Grundlage sie ist. Ita etiam in tempore Gratiae super revelatione
facta Apostolis de fide unitatis et trinitatis fundatur tota fides
ecclesiae, secundum illud (Matth. 16, 18) super hanc petram,
scilicet confessionis tnae, aedificabo ecclesiam
meam.
Thomas vertritt hier klar und entschieden die Auffassung,
welche unter dem Felsen nicht Petrus oder seine Nachfolger
versteht, sondern das Bekenntnis selbst.
Der Best der Stelle geht uns hier nichts an, doch fügen
wir zur Vervollständigung bei, dass Thomas, wie er sich oben
mit den Bundestheologon der Coccejanischen Richtung berührt, so
am Schlüsse mit der Lehre von der zunehmend klareren Enthüllung
des Messianismus zusammentrifft. Er sagt nämlich über die Offen-
barung des Mysteriums der Incamation, dass es deutlich sei, dass,
«je niUier man Christus stand, sei es vor ihm, sei es nach ihm,
um so voller dies Mysterium erkannt wurde. So nimmt die vor-
christliche Prophetie an Klarheit über den Messias zu, das nach-
apostolische Zeitalter wieder ab.
Die praktischen Anweisungen der Propheten über die Lebens-
führung zeigen keine Abnahme oder Zunahme an Sicherheit und
Klarheit
Was uns im Augenblicke interessirt, ist nur die Interpreta-
tion, welche derDoctorAngelicus, dessen Autographen in den letzten
Jahren eifrig nachgeforscht ist, von der Felsenstelle giebt, von
der wir in der Zeitschrift für katholische Theologie n, 210 so-
eben wieder den bekannten Gebrauch gemacht finden, diesmal
aber auf Grund protestantischer Autoritäten, Zeller, Lipsius, Hil-
genfeld, Hesse. Habe Zeller gesagt, die Tatsache von Petri Auf-
enthalt in Bom sei, wenn bewährt, für die katholische Lehre vor-
teilhaft, und Lipsius gemeint, dass Petrus, wenn er in Bom ge-
wesen sei, sicher nicht als Privatmann dort gewesen sei — so
habe Hilgenfeld die Tatsache seiner Anwesenheit verteidigt, ohne
darum freilich die Schlüsse der katholischen Theologen zu ziehen,
denen er sich durch wunderliche Windungen entziehe. Aber mehr
noch, Hesse stellt das entweder oder entschieden, sei die Stelle
authentisch, so folge Primat und was man sonst will, aber die
Stelle sei eine unechte Einschaltung. Diese Position ist den ka-
tholischen Theologen ganz angenehm, die Worte stehen eben da,
und zur Annahme einer Einschaltung werden sie sich nicht ver-
stehen wollen. Endlich wird dann der Altkatkolik Lutterbeck
noch durch Hilgenfeld's Kritik, die sich der Schreiber des Auf-
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BnSCELLEN. 197
Satzes aneignet, abgetan, der im Anschlüsse an eine protestantische
Auslegung unter dem Felsen Christus verstehen will.
Nun der Altkatholik kann sich die Gesellschaft des Thomas
gefallen lassen, die Deutung, dass der Felsen das Bekenntnis von
Christi Messianitat ist, und die, dass der Felsen Christus ist,
fallen materiell zusammen. Vgl. dazu die nähern Erklärungen
des Thomas in seiner „Catena aurea'' (Herbipoli 1704) S. 183
und in seinem Commentare zu Matthaeus (Opp. Venedig 1744)
ra, p. 219.
Heidelberg, den 19. December 1878.
Merx.
3. Zn Lnther's Romreise (1^11/12).
Die in dieser Zeitschrift (II, 460 — 470) von Kolde mit
Hülfe neuen Materials behandelte Frage nach der Zeit der Rom-
reise Luther's ist jüngst von B. Buddensieg (Stud. u. Krit. *
1879, S. 335 — 346) aufe neue erörtert worden. Der Verfasser
glaubt das Ergebnis Kolde*s (dass Luther's Beise nach Born in
den Winter 1511/12 falle), dessen Untersuchung „eine annähernde
Evidenz" nicht biete, auf anderem Wege, der sich zugleich durch
seine EinfiEu^hheit empfehle, „nahezu bis zur Gewissheit" erheben
zu können. Buddensieg macht nämlich darauf aufmerksam, dass
Papst Julius IL im Winter 1510/11 gar nicht in Bom gewesen
ist, wohl aber im darauffolgenden Winter (beides geht auch aus
der neuesten, trefflichen Monographie von Moritz Brosch
hervor: „Papst Julius H. und die Gründung des Kirchenstaates"
[Gotha, F. A. Perthes, 1878], S. 209 — 225. 234 flf.): da nun
Luther in Bom den Papst gesehen habe, werde damit allem
Schwanken in Bezug auf die Bomreise ein Ende gemacht.
Der (bedanke, von dieser Seite her die Frage zu lösen,
ist beachtenswert In der Tat würde das Schwanken ein Ende
haben, sobald aus Luther's Briefen oder eigenen Schriften un-
zweifelhaft dargetan wird, dass er den Papst selbst gesehen
hat — was als sehr wohl möglich, ja sehr wahrscheinlich zu
betrachten ist, felis Luther wirklich im Winter 1511/12 in Bom
gewesen. Allein einen Beweis dafür hat Buddensieg
nicht erbracht: weder durch die angeführte Stelle aus
Mathesius' Predigten, noch durch die Citate aus den Tisch-
reden (von denen übrigens auf alle Fälle nur das erste von
Belang sein würde). Dass die beiläufige Erzählung des Mathesius
kein Grewicht verdient, bedarf ebensowenig eines Nachweises wie,
dass wir uns auf die Tischreden, so lange sie nicht nach ihren
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198 ANALEKTEN.
Ursprüngen kritisch untersucht und gesichtet sind, für Fragen
wie die vorliegende nicht berufen dürfen.
Für noch weniger glücklich halte ich freilich die Bezug-
nahme auf Gregorovius (Gesch. d. St. Rom VTII, 2. Aufl.,
S. 75 f., vgl. Buddensieg S. 337 f. 339. 342). Denn bei diesem
„genialen Goschichtschreibor des mittelalterlichen Rom" ist bei
seinen zahlreichen feuilletonistiscbon Zwischenbemerkungen die
Frage nach den Quellen des Verfassers eine unstatthafte.
Marburg.
Brieger,
Druclc von Friodr. Andr. Portbos in Gotha.
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iStudie Aber MaximiliaD^s L Plan einer dentscheo
Kirchenreform im Jahre 1510.
Von
Professor H. ülmann in Greife wald.
Am 29. Juni 1510 schrieb Kaiser Maximilian I. in
seinem sehr eigentümlichen Französisch^ eigenhändig an seine
Tochter MargarethC; Gouvernante der Niederlande: „Le mau-
dit preter pape pour nulle chose du monde peult souvrir
que nous alions en armes pour notre coron imperial k Rome,
accompaignä des Frangoes; car il creint d'y estre chapiträ
de nous deos, veu ses grans piechi^s et abusions que ly et
ses pr^d^cesseurs ont feit et fönt joumelement et aussy aucuns
cardinauls iesquels crindont tourtous le reformation, coumbien
yl ount tort de nous et sur sela je ser^ bientost d'opinion
de mettre le chose du Toison d'or en pratike" ^). Der Zorn
des Kaisers galt der treulosen Politik des Papstes Julius 11.,
der in kühner Schwenkung von der Ende 1508 geschlosse-
nen Liga gegen Venedig zum Bündnis mit letztgenannter
Macht gelangt war. Nach längeren, schwierigen Verband-
Ixmgen hatte Julius am 24. Februar 1510 den über Venedig
verhängten Bann gelöst. Seitdem war sein Bestreben dahin
gerichtet gewesen, auch England und das deutsche Reich
von Frankreichs Seite zu sich herüberzuziehen. Beides war
mislungen. England hatte seine Beziehungen mit Frank-
reich noch fester geknüpft und auch Maximilian zeigte sich
trotz mancher Bedenklichkeiten entschlossen, dem zu Cam-
bray eingeschlagenen Weg auch weiter zu folgen. Auch
1) Le Qlay, Correspondance de Maxim, et de Marguerite I, 294.
ZeiUehr. t K.-Q. III, S. 14
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200 ÜLMANN,
nach jenem Brief an Margarethe hatte er Angrifie abge-
schlagen, welche päpstlicherseits auf seine Vertragstreue ge-
macht worden waren. Der stolze Priester, der in seinem
Wappen die Eiche filhrte, ward durch dieses doppelte Fehl-
schlagen nicht beirrt Fester wie je war er entschlossen,
jetzt im Bunde mit Venedig die Franzosen aus Italien zu
vertreiben, obwohl auch die Belehnung Ferdinands von Ara-
gon mit Neapel mehr Aussiebten als wirksame Unterstützung
gewährte \md obwohl die teuer erkaufte Hülfe der Eidgenos-
sen diesmal mehr Aehnlichkeit mit einer blossen Demonstration
hatte. Wenngleich leidend, rafflte sich bekanntlich gerade
damals der greise Papst zur energischsten Entfaltung seiner
Kraft auf Ehe es zu dem ausserordentlichen, auch kalt urtei-
lenden Politikern der damaligen Zeit höchst aufi&Uigen Vorgang
kam, dass der Oberhirt der Christenheit, voller Ungeduld
seine Generale vorwärts zu treiben und zu überwachen, in
eigner Person ins Feld zog, war der Ejieg gegen ihn auch
schon auf einem anderen Gebiete eröffiiet worden. König
Ludwig XII. von Frankreich, dem die Macht nicht gefehlt
hätte, mit Waffengewalt den Papst nach Rom zurückzu-
werfen, ja ihm, mit Hülfe- der leicht zu gewinnenden Barone,
den Aufenthalt auch dort immöglich zu machen, zog es vor,
ihn auf seinem eigentlichen Gebiete zu bekämpfen *). Einem
nach Tours zusiunmenberufenen und am 16. September er-
öffiieten französischen Nationalconcil wurde die Frage vor-
gelegt, ob gewaltsamer Widerstand gegen die päpstlichen
Uebergriffe zu rechtfertigen sei. Es liegt nicht in meinem
Plan, hier auf die Verhandlimgen jener Synode einzugehen.
Genug, dass sie dem König die gewünschte Waffe der Obe-
dienzentziehung zu Gebote stellte imd sogar die Bitte an den-
selben richtete, den Papst um Beruftmg eines allgemeinen
Concils und Beendigung des Ejiegs zu ersuchen. Wolle der
Papst das nicht, „qu'il voeulle commetre en France ung Pro-
cureur ayant puissance de pouvoir au salut des ames des
subjects de Royaume de France", weil man des Kriegs hal-
1) Brosch, Papst Jiüius H., S. 208.
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MAXnaUAN'S KIBCHBNBEFORMPLAN 1510. 201
ber nur mit Sohwiarigkeiten zn ihm gelangen könnte.
FallB der Papst das Concil nicht wolle^ so möge der König
gemeinflam mit dem Kaiser und den anderen Fürsten ein
solches einberufen ^).
Es war fSftst derselbe Moment, in welchem Julius 11.
bereits in Bologna angelangt war (22. September), nur noch
Kampf gegen Frankreich im Sinn, derselbe Moment, in dem
sieh herausstellte, dass Ainf Cardinäle, die Sache des Papstes
preisgebend, statt diesem von Rom nach Bologna zu folgen,
in das französische Mailand sich begeben hatten. Dass ein
Charakter wie Julius U. lieber das Aeusserste ertragen würde,
ab jetzt noch zurückzuweichen, durfte für sicher gelten.
Dass die der Liga getreuen Elemente dem Abfall gegenüber
sich um so fester aneinanderzuschliess^i das Bedürfiüs
fiihlten, führte, zu dem G^edanken einer persönlichen Zusammen-
kunft des E^aisers mit dem König yon Frankreich auf bur-
gundischem Boden. Maximilian hat diesen an&nglich leb-
haft erfassten Plan bald wieder fallen lassen, angeblich aus
finanziellen und ceremoniellen Rücksichten. Dagegen stand
es schon sdt Ende Juni fest, dass sein vertrautester und
politisoh befiüiigtester Ratgeber, Matthäus Lang, Bischof
von Ghirk, zur Befestigung des beiderseitigen Elnvemehm^EM
sich an den französischen Hof begeben sollte. Derselbe
traf auch grade in dem ereignisschweren Augenblick da^
selbst ein, wo das Interesse Frankreichs auf die in Tours
zu £Etösenden Beschlüsse sich coneentrirte '). Ueber aUes,
was daaelbet sich vorbereitete, hatten die Berichte seines ge-
treuen Andreas da Burgo den Kaiser auf dem Laufenden
erhalten; doch ist nicht nachweisbar, dass die Gedanken,
welche um Mitte September bei ihm reiften, den Anstoss
erhalten haben von Frankreich her. Sehr vieles spricht flir
einen Ideenaustausch beider Monarchen; dennoch bleibt bis
1) So berichtet am 1. Oetober Jean Gavlier an Margarethe.
(Lettres de Louis Xu, n, 46 sq.) Jene Beschlüsse nach ihm am
Sonnahend, also am 28. S^»tember geflEMst.
>) Am 25. September war er in Orleans. Le Glaj, N^ociations
d^L entre la France et rAutriche I, d&9, s. 351 und 361.
14*
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202 ÜLMANN,
auf weiteres die Möglichkeit, dass verwandte Umstände ana-
loge Erscheinungen hervorgerufen haben. —
Maximilian gedachte trotz der päpstlichen Schwenkung
keinen seiner Ansprüche an das gehasste Venedig aufzugeben.
Hierin lag jetzt und noch lange das hauptsächlichste Hinder-
nis seiner Verständigung mit der mit dem Lagunenstaate
ausgesöhnten Curie. Deshalb sandte er in dem Augenblick,
in welchem, dem oben angeführten Brief an Margarethe zu-
folge, er als Ritter des goldnen Vliesses der Kirche gegen
ihren obersten Vertreter zu Hülfe zu kommen sich brüstete,
einen Agenten nach Bosnien und Adrianopel, um den Ghx)B8-
herm der Osmanen zum Angriff auf das venetianische Dal-
matien aufzufordern ^). Dem Papst selbst suchte er durch
diplomatische Einwirkung die Unterstützung der Eidgenossen
abzustricken; hauptsächlich aber wollte auch er den Kampf
auf das Gebiet innerkirchlicher Fragen verlegen, wie unter
unzweifelhaftem Druck des königlichen Willens eben der
französische Klerus.
Maximilian war nicht so geartet, dass ihm die Frage
der Reformation ausschliesslich als Kampfinittel erschie-
nen wäre. Wie er überhaupt geistigen Interessen aller Art
lebhafter und ausdauernder, als es sonst ihm eigen war, sich
hingab, so haben Fragen des Glaubens nicht minder als
solche der Ejrchenorganisation ihn wiederholt angelegentlich
beschäftigt. Wenn in letzter Beziehung neuerdings mit Vor-
liebe sein bizarr erscheinender Einfall vom Jahre 1511, selbst
den Stuhl Petri zu besteigen, die Gelehrten beunruhigt hat,
so darf andrerseits an jene Besprechungen erinnert werden,
welche der Kaiser über Abstellung kirchlicher Schäden in den
Jahren 1503 und 1504 bereits mit zwei so hervorragenden Vor-
kämpfern einer Besserung wie Geiler von Kaisersberg *) und
1) Am 1. Juni 1510. Brosch a. a. 0., S. 198 und 347f.; s. 293.
Beiläufig hebe ich hervor, dass der Kaiser dasselbe Dahnatien dar-
nach im Lauf eines Jahres erst Ungarn, dann Spanien, dann wieder
Ungarn anbietet.
*) L. Dacheux, Un reformateur catholique . . . Jean Geiler de
Kaysersberg (1876), p. 497. P. von Wisko watof f , Jacob Wimphelmg,
3. 139. Vgl. Böhrich, Geschichte der Reformation im Elsass, S. 69.
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MAXIMILIANS KIKCHENREFORMPLAN 1510. 203
Jacob Wimpheling gepflogen hatte. Für seine dogma-
tischen Liebhabereien sprechen jene acht Fragen über die
Notwendigkeit und Natur des Glaubens, über Seligwerdung
ausserhalb der christlichen Kirche u. a. m., deren Beant-
wortung er im Jahre 1508 zu Boppard dem gelehrten Abt
Trithem unter der charakteristischen, freilich nicht innegehal-
tenen Bedingung auflegte, den Beweis auf dem Weg der Natur
(d. h. der natürlichen Logik) und nicht des Glaubens zu er-
bringen ^). Weiter auf diese und andre femer zurückliegende
Momente einzugehen, ist nicht meine Absicht. Das Gesagte
soll nur zeigen, dass innere Ueberzeugung von der Notwen-
digkeit kirchlicher Reform nicht fehlte, als Maximilian im
Sommer 1510 diesen Fragen wieder einmal näher trat, dies-
mal allerdings in hervorragendem Masse bestimmt durch die
politische GesammÜage. Ich denke, dass grade das letztere
durch die neuen Aufklärungen, die ich zu geben in der
Lage bin, noch deutlicher werden wird. Im Juni, wie wir
im Eingang gesehen, hatte Max über eine Reformation ge-
sprochen, welche der Papst und ein Teil der Cardinäle von
ihm und Ludwig XII. befürchteten. Fast zwei Monate, aus
denen wir über die Auf- und Abbewegung des kaiserlichen
Ideengangs leider nichts erfahren, vergehen, bis aus dem auf-
blitzenden Gedanken ein fertiger Plan wurde. Musste der
Kaiser die Erfahrung machen, dass unter den in seiner Um-
gebung weilenden Ratgebern keiner der Schwierigkeit einer
solchen Aufgabe gewachsen war? Er verfiel, vielleicht an-
geregt durch seinen Secretär Jacob Spiegel, darauf, dessen
Oheim, den ihm längst vertrauten Jacob Wimpheling, mit
einem Gutachten über die Frage zu betrauen, wie die Re-
form anzugreifen sei. Die bisherige Tätigkeit des berühmten
Humanisten, welche ich als bekannt voraussetze, lässt diesen
hohen Vertrauensbeweis begreiflich erscheinen. Am 18. Sep-
tember 1510 sandte ') Maximilian, von Ueberlingen aus, den
^) Joannis Tritemil .... Liber octo quaestionnm ad MaximU.
Caesarem (Ausgabe yon 1550), Bl. Iff. S. Hege wisch, beschichte
Manmilian's I., H, 178.
*) Diese Vollmacht und die Mehrzahl der im Folgenden benutz-
ten Actenstücke hat bekanntlich zuerst Spiegel selbst 1520 heraus-
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204 UIMASN,
oben genAnnten Secretär Spiegel an Wimpheling mit der
pragmatischen Sanction der franzöeischen Könige und ein^n
nicht näher bezeichneten mündlichen Auftrags defisen Aus-
ftihrung von Wimpheling's Tüchtigkeit und Treue erwartet
würde. Darauf dass Wimpheling auch unerfordert in solchen
Dingen Beweise seines Interesses g^eben^ wird die Zu-
versicht gegründet^ dass er sich auch der ihm jetzt zuge-
muteten Au%abe nicht versagen würde. Dieser Brief traf
den Adressaten in Heidelberg, von wo er sich, vermutlich
auf Wunsch des darin beglaubigten Cbsandten, nach Strass-
bürg verfögte, um von ihm laut der ihm erteilten Instruction
das Nähere zu vernehmen. Diese bisher vermisste Instruc-
tion des E^aisers für Spiegel^ d. d. Ueberlingen, 18. Septem-
ber 1510; besagt folgendes^): Maximilian sei längst ent-
schlossen gewesen, nach Beendigung seiner kriegerischen
Aufgaben zum besten des römischen Reichs und besonders
der deutschen Nation gewisse Bestimmungen (sanctiones et
instituta) zu erlassen. Da er aber jetzt, insofern immer aus
einem Krieg ein anderer erwachse, die Hoffiiung verlor^i
habe ruhige Zeiten zu erleben, erscheine es ihm unwürdig,
länger zu zögern, um nach dem Beispiel andrer Völker ein-
zurichten provisiones et edicta, damit Deutschland, seit vielen
Jahren gewohnt, Gelder und Kräfte nach Rom hinzugeben
(spargere), endlich einmal wieder die alte Freihdt erlange
und nach heilsamen Regeln und Bestimmungen lebe. Dazu
verlange er den Rat Wimpheling's, der in grossen und klei-
nen Schriften dem Reich und Kaiserhaus Ehre erzeigt und
bereits zu dem jetzt erstrebten Ziel die B^lrsten eingeladen
hätte. Ihn (Max) habe er neulich ermahnt, eine gute Ord-
nung zu machen, für Eintracht au sorgen, einen Reichs-
schätz zu begründen (aerarium conunune, quod haotenus
gegeben (s. Wiskowatoff, Wimpheling, S. 180. 184f.) Ueber das
Verhältnis dieser Publication zu den Drucken bei Riegger, Goldast,
Freher etc., sowie der vollständigeren Abschrift, welche ich aus Spa-
latin's Nachlass im Emestinischen Gesammt- Archiv in Weimar ge-
funden habe, bitte ich den „Anhang" zu vergleichen. Ueber Spiegel
vgl. Aschbaoh, Geschichte der Wiener Universität ü, 807.
^) Emestiniflohes Gbsammt* Arohiv in Weimar, s. den Anhang.
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MAXTMTTiIAN'S KIRCHENREFORMPLAN 1510. 206
privaäim exüt)^ die Annaten und sonstigen Erpressungen^ die
täglich von Born aus geschähen, aufiiuheben. Ihm, dem
Kaiser, sage dieser Ratschlag umsomehr zu, als die listiger-
weise aus Deutschland entführten Summen von der päpst-
Heilen Curie verwendet würden „in nostri odium, contemptum,
exterminium^^ Das verlangte Gutachten soll noch speciell
über drd Fragen Auskunft geben. Erstens über die Kniffe
der Curtisanen und die besten Mittel diese imwirksam zu
machen; dann über Abstellung der Annaten, eine Aufgabe,
fiir deren Lösung ihm noch besonders die kaiserliche Muni-
ficenz in Aussicht gestellt wird. Endlich soll Spiegel seitens
des Kaisers vortragen: „nos cogitare de instituendo nato et
perpetuo in Germania legato, ad quem in ipsa Germania
querelae et causae ecclesiasticae devolverentur^^. Der Kaiser
wolle wissen, quo jure diese Einrichtung getroffen werden
könnte und welche Rechte dem Legaten zustehen würden
(quidue ei de jure debeatur), auch, welche Vorteile Deutschland
daraxu zu erwarten hätte. Das Schriftstück schliesst mit den
Worten: „Mdius etenim inducemus, ut causae in patriis nostris
ventilentur, quia celerius expedientur et ipsae impensae
remanebunt in patriis.^'
Es springt zunächst in die Augen, dass es vorzugsweise
die politischen Gesichtspunkte sind, welche bestimmend auf
Max eingewirkt haben. Ihn ^bittert vor allem, dass die
Curie aus Deutschlands kirchlichen Einkünften Wafifen
schmieden darf gegen Deutschlands Herrscher; dann scheint
doch die Analogie mit dem, was eben in Frankrdch sich
vorbereitete, nicht abzuweisen. Nach dem Beispiel fremder
Völker will der E^aiser Schutzwehren errichten gegen rö-
mische Uebergriffe, zu diesem Behuf wird als Material die
französische sanctio pragmatica mit übersandt. Dass ein
Exemplar derselben durch einen glücklichen Zufall im kaiser-
lichen Besitz sich vorgeftmden, dürfte schwerlich anzunehmen
sein, und wird dem noch unwahrscheinlicher dünken, der
Einblick gewonnen hat in den Zustand des kaiserlichen
Archivwesens und weiss, wie oft selbst Actenstücke, die der
Geschäftsgang in die Kanzlei geftihrt haben musste, nirgends
aufzutreiben waren, wenn die kaiserlichen Räte ihrer be-
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206 ihjiAlNN;
durften. Abgesehen von den in der Einleitung erörterten
Gbeichtspunkten, möchte ich grade auch im Besitz der sanctio
pragmatica einen tatsächlichen Beleg erkennen fUr den in
dieser Frage zwischen Deutschland und Frankreich statt*
gehabten Ideenaustausch. Fast komisch wirkt es, wie fem
der zu Rat gezogene Humanist Wimpheling grade diesem
Gesichtspunkt der auswärtigen Politik steht. Er übernimmt
den Auftrag; bei welchem es ihm offenbar nicht recht geheuer
war, hauptsächlich; wie er selbst sagt, um seinem Neffen die
kaiserliche Gunst und seiner Vaterstadt Schlettstadt den
kaiserlichen Schutz gegen etwaige französische Angriffe zu
verdienen. Ihn beschäftigt nur der Gedanke einer Besserung
der kirchlichen Zustände, und wenn wir ihn in seinen Rat-
schlägen sehr vorsichtig; ja auffallend zurückhaltend erfin-
den; so mag zur Erklärung der Hinweis auf die scheue
Sorge dienen; mit der im Jahre 1508 Abt Tritthem seine
Rechtgläubigkeit verklausulirt hat^); sowie die Erfahrung;
dass soeben erst die kirchlichen Wächter der reinen Lehre
in Deutschland sich Reuchlin gegenüber recht unsanft in
Erinnerung gebracht hatten *). Am 1. November ist das
Begleitschreiben ausgestellt; mit welchem Wimpheling sein
Gutachten an den Kaiser absandte. Welche Bestandteile
dasselbe umfasstC; habe ich im Anhang anschaulich zu
machen versucht Ich fasse kurz aus allen die Quintessenz
der Ansichten unseres Gelehrten zusammen; ohne, was ander-
wärts zur Genüge geschehen; eine ausfiihrlichere Wiedei^be
zu unternehmen. Nur auf seine Beantwortung der letzten;
bisher ganz ausser Betracht gebliebenen Frage ; die Maxi-
milian's Instruction anregt; ist hier specieller einzugehen.
Die Beschränkimg, mit der Wimpheling in seinem Be-
1) a. a. 0., Blatt 65 f. Autboris protestatio ad Caesarem.
>) Aus dem Umstand, dass Punkt 3 des Wimpbeling*schen Gut-
achtens über die Curtisanen des Beucblin'scben Handels gedenkt,
will Wiskowatoff, S. 188, Anm. 1 entnebmen, dass dies Gutachten
kein Bestandteil des vom Kaiser 1610 erforderten gewesen sein könne,
da der Handel Reucblin*s mit den Dominikanern erst 1511 begonnen
bätte. Dieser Irrtum widerlegt sieb durch die Darstellung Geige r's,
J. Beucblin, S. 217. 220. 226.
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MAXIMHilAN'S KmCRENREFORMPLAN 1510. 207
gleitschreiben dem kaiserlichen Wunsch entsprechen zu wollen
erklärt, die Klausel nämlich ^^ soweit es mit Gott und ohne
Gewissensverletzung möglich ist*', weissagt wenig Gutes. In
der Tat hätte man am kaiserlichen Hof von dem alten
Gegner kirchlicher Misbräuche wohl mehr erwarten dürfen,
als die Wiederholung und speciellere Begründimg einer Reihe
oft gehörter und bisher tauben Ohren gepredigter Klagen,
sowie, was unerfreulicher war, eine mit der dem Manne
neuen Verantwortlichkeit seiner Worte gewachsene Enthalt-
samkeit in der Meinungsäusserung grade über die ent-
scheidenden Fragen. Von der Einführung der pragmatischen
Sanction rät Wimpheling ab: er hält die concordata der
deutschen Fürsten bei gewissenhafterer Beobachtimg fiir aus-
reichend *), sonderbar genug gegenüber dem Inhalt der auch
von ihm wieder hervorgesuchten decem gravamina nationis
germanicae, die grade gegen den fortwährenden Bruch der
mit der Curie geschlossenen Concordate in herbster Weise
sich auflehnen. Durch und durch eingeweiht zeigt sich der
Verfasser weiter in die Schliche der Curtisanen und die
zahllosen der Kirche, dem Glauben, der Wissenschaft, Ein-
zelnen dadurch zugefügten Schädigungen und Beschimpftm-
gen. Sein Rat beschränkt sich auch hier darauf, den Papst,
dessen guter Wille vorausgesetzt wird, anzugehen, einiger-
massen Zügel und Mass jenen Unverschämten aufzulegen,
ganz ebenso, wie er zur Abstellung der gravamina, deren
Höhepunkt die Annaten bildeten, auch nichts Besseres vorzu-
schlagen weiss, als die Bitte an den heiligen Vater, milder
mit seinen „deutschen Söhnen'' zu verfahren. Himmelweit
waren doch in diesem Augenblick Max und Wimpheling
auseinander: solche Ratschläge konnten dem Kaiser, der darauf
brannte, mit seinen Reformen den Papst empfindUch zu
treffen, wenig frommen. Hält es doch obendrein in seiner
Angst, dass Max sich zuweit fortreissen lassen möge, der
1) Nur hält er es für zolässig, in Frankreich in Erfahrung zu
hringen, welche Glewalt nach dortigem Recht dem Papst bei Yer-
leihung kirchlicher Beneficien zustehe, und darnach im römischen
Beich ein moderamen eintreten zu lassen.
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208 tTLITANN,
getreue Eckart fiir erforderlich, in eindruckflyollster Form au
warnen. Ja keinen Schritt in solche Sache tun, bis der
E^iser weiss, dass nicht Furcht vor päpstlichen Censuren
die drei geistlichen KurMrsten von seinem Wege scheidet!
Auch die Befürchtung, dass die Bettelmönche gegen ihn das
Volk erregen möchten, dass der Papst den Kurfürsten die
Wahl eines neuen Königs anbefehlen und die benachbarten
Nationen gegen die kaiserlichen Erblande aufhetzen könnte,
wird dem Monarchen nicht erspart. Aber hören wir erst
seine Antwort auf die lotete der kaiserlichen Fragen. Es
handelt sich in derselben, wie wir uns erinnern, allgemein
genommen um eine ähnliche Massregel, wie die der Bestel-
lung eines nationaJ^i procureur des dmes, welche im gleichen
Augenblick der französische Klerus in Tours seinem König
vorschlug. Der hauptsächlichste Unterschied ist, dass der
französische Klerus wohl eine vorlibei^ehende Einrichtung,
dass aber Max mit seinem legatus natus et perpetuus eine
dauernde Aenderung des kirchlichen Organismus, eine Art
nationaler Selbständigkeit der deutschen Kirche im Sinne
hatte. Was hat nun Wimpheling zu diesem originellsten
Gredanken der kaiserlichen Instruction gesagt? Hören wir
ihn selbst *): „De legato nato et primate seu Patriarcha con-
sulantur jurium periti: licet enim audierim Archiepiscopum
Saltzburgensem esse legatum natum Germaniae et archiepis-
copum Magdeburgensem esse primatem seu patrieu*cham. Timeo
^utem summum Pontificem contra nos prescripsisse, quia Pri-
vilegium per non usum perditur. Incidit mihi quod in glo-
riose quondam conventu principum in Wormatia legi de
hac materia elegantem orationem cujusdam doctoris et no-
bilis, quem dicebant esse de familia ducum Saxoniae et ons
1) Emestinisches G^esamnit- Archiv zu Weimar, s. Anhang al. 8.
Die Originalität des Gedankens ist natürlich in beschränktem Sinn • zu
fassen. Die Geschichte insbesondere Deutschlands liess analoge Pläne
öfters auftauchen. Man denke nur an den in der 2ieit des Kaisers
Friedrich I. in Deutschland In unbekannten Kreisen entstandenen
Gedanken, den Erzbischof von Trier zum Haupt dner deutschen
Nationalkirche zu machen.
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MAXIMILIAN'S KIBCHENBEFORMPLAN 1510. 209
(? unleserliches Wort^ vielleichi hat dominus oder eine Ab-
kürzung dafür gestanden) y Henricus de Binow ^) dicebat
mihi nomen aut cognomen suum esse Hermannus Grien,
credo hodie ejus orationis exemplum inveniri posse apud
quendam vicariiim summae ecolesiae Spirensis Geoi^um
Bejser de Amberga."
Also mit einer rein historischen Reminisoenz an Befug-
nisse der Erzbischöfe yon Salzburg und Magdebuig, die
er obendrein selbst ftir rerjährt ^) ansieht^ wälzt Wimpheling
die unbequeme Entscheidung von sich ab. Einerseits schiebt
er dieselbe auf den breiten Rücken arbeitsamer juristischer
Räte, andrerseits deckt er seinen unrühmlichen Rückzug, in-
dem er auf die ihrer Form wegen ihn einst ansprechende
Rede eines vielleicht schon Verstorbenen hinweist, welche
er ftir damals Lebende und mit dem Gang der jüngsten
Geschichte Vertraute wohl ausreichend deutlich, soweit seine
unbestimmt gewordene fkinnerung reichte, signalisirt. Also
nichts als seitliche Bedenklichkeit und keine Spur des
freien G^tes, aus dem allein grosse Entschlüsse geboren
werden. Das Urteil, welches scharfer Feindeswitz später
über Hütten sich erlaubte: er belle wohl, aber er beisse nicht,
kann es Wimpheling von sich abwehren? Würdigt man
den kaiserlichen Plan als Gbmzes, erkennt man in ihm ein
Product der in all^i Erlassen der Nation, auch einem Teil
1) Hemrich von Bunan, der Steltzner genannt, ein bekannter Rat
FriedrichB des Weisen von Sachsen. S. Friedrichs des Weisen Zeit-
geschichte von Spalatin inSpalatin's Histor. Nachlass, heransgegeben
von Neudecker und Preller, S. 34 u. a. 0.
*) Das ist die Bedentang von prescribere = französisch prdscrire.
Zur Sache handelt es sich nm Salzburgs Legatenwürde für Noricum
und Magdeburgs Primat in Germanien, Ansprüche, die bekanntlich
ihren prägnantesten Ausdruck in den bekannten Sessionsstreitigkeiten
beider im Fürstenoolleg des Reichstags Ende des 15. Jahrhunderts ge-
funden haben. Vgl. Palm, lieber den Primat des Erzstiftes Magde-
burg (Forschungen zur deutschen Geschichte, Bd. XVII, S. 260 E).
Üeber die Entstehung des Magdeburger Primats i. J. 1370 auf Grund
emer früher gefälschten päpstlichen Urkunde, s. ebendas. S. 245. Der
Magdeburger Titel selbst ward übrigens in Wimpheling's Tagen noch
fleissig gebraucht.
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210 TTIAfANK^
der Geistlichkeit vorhandenen und nach Aasdruck ringenden
Stimmung und Str^miung^ so muss man sagen ^ dass ein
grosser Moment Wimpheling kraftlos^ der Aufgabe nicht ge-
wachsen^ getroffen hat Wenn je, so musste damals das
Project einer Lockerung der kirchlichen Abhängigkeit
Deutschlands von Rom durch Bestellung eines legatus per-
petuus doch wenigstens discutabel erschien. Nichts berech-
tigt hinter dem Plan Maximilian's mehr, etwa ein Schisma,
erkennen zu wollen. Schon die Wahl des Ausdrucks legatus
natus et perpetuus beweist es, dass es sich um eme dauernde,
oi^anisatorisch festzustellende Uebertragung gewisser von
päpstlichen Behörden in Rom geübter und gemisbrauditer
Befugnisse auf einen in Deutschland residirenden Stellvertreter,
wohl einen deutschen Prälaten, handelte. Wenn bei der
ersten Einrichtung vielleicht auch, wie die Dinge lagen,
von einer Mitwirkung des Papstes hätte abgesehen werden
müssen — so lag in dem Plan nicht notwendig die Loa-
lösung einer Nationalkirche aus der Gesammtkirche. Was
Luther 1618 zu Augsburg, wie Waltz soeben gezeigt
(Histor. Zeitschrift, Neue Folge V, 247), von der reichs-
ständischen Opposition m sich aufiiahm, die Unterschei-
dung zwischen der römischen Kirche und der römischen
Curie, das hatte jene Opposition auch nicht erst 1518 aus
den Fingern gesogen. Besass der Gedanke einer deutschen
Legation in perpetuum die von Max ihm zugetraute Kraft,
nicht nur Heilung zu spenden, sondern auch die Menschen
an diese Art der Heiltmg glauben zu machen, so hätte sich
damals mit der herkömmlichen Zähigkeit der römischen
Curie wohl rechnen lassen, so gut wie Friedrich 11. für
Prcussen hinsichtlich seines katholischen Vicars das voraus-
setzen durfte *). Es ist hier nicht der Ort, wenn es über-
haupt der Historie ziemte, die günstigen Falls mögliche
Perspective zu verfolgen: mögUch freilich nur, wenn kluge
Energie unverrückt das Ziel im Auge behielt. So dient
denn allerdings die wenig verlässliche Denkungsart des
1) Mommsen, i. d. Preussischen Jahrbüchern XXXIX, 152.
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MAXmiLUN'S KIRCHENREFORMPLAN 1510. 211
Kaisers, dessen hastiges Springen von einem Plan zum an*
dem leicht einen alku eifirigen Ratgeber rachsüchtiger Ver-
folgmig gerdzter Machthaber preisgeben konnte, Wimpheling
zur Entsdiuldigung. Od^ irre ich mich vielleicht? Ist im
obigen CStat der Rede des ,,Hermannus Qrien'^ vielleicht
mehr verborgen, als die Worte zu besagen scheinen? Wird
dem Kaiser aus Vorsicht in versteckterer, den Verfasser des
Gkttachtens weniger eompromittirender Weise die WaflFe ge-
boten, deren er bedurfte? Nicht so leicht, wie vermutlich
den 2jeitg6nossen Wimpheling's, wird es heute in die eigent-
liche Bedeutung jenes Cätats einzudringen. Dass von dem
berühmt^i Wormser Reichstag von 1496, und nicht etwa
von den Tagen von 1497 oder 1509 die Rede sein muss,
ergiebt schon die Bezeichnung conventus principimi gloriosus.
Aber ein „Hermannus Qrien^^ war nirgends au&utreiben.
Der Umstand, dass Wimpheling den Namen nur gesprächs-
weise von dem kurfürstlich sächsischen Rat Heinrich von Bii-
nau erfahren, sowie die Beobachtimg, dass seine Erinnerung
an die ganze Sache offenbar nicht mehr allzu klar ist, liess
die Annahme einer unabsichtlichen Entstellung des Namens zu-
lässig erscheinen. Man darf mit voller Sicherheit be-
haupten, dass kein anderer gemeint ist, als der in den Jahren
1495 — 1497 mit Reuchlin im Briefwechsel stehende Johann
Wolf von Hermansgrün ^). Dieser voigtländische Edle
hatte, wie wir aus einem Schreiben Reuchlin's erfahren, seine
Studien in Rom gemacht unter dem berühmten Pomponius
Latus, hatte dann eine Fahrt unternommen, die ihn bis Pa-
lästina führte '). Dieser Mann nun, der hohe Bildung mit
^) Joannes ex Lapis Hermansgrün schreibt er sieb selbst. Ent-
spricht das ex Lupis unserm Wolf, oder ist es nur eine dem Klang
entsprechende Latinisimng, welche damals die Sitte unter den Huma-
nisten bekanntlich forderte, unseres Lippold =s Luppold? S. die fol-
gende Anmerkung.
*) Aus diesem Umstand möchte ich die Identität des gleich vor-
zuführenden Wormser Redners mit dem voigtländischen Ritter Lip-
pold von Hermansgrün, der 1493 mit dem Kurfürsten Friedrich Yon
Sachsen zum heiligen Lande zog, annehmen. (Spalatin*s Nachlass,
herausgegeben von Neudecker und Preller, S. 90, s. 87.) Dafür spricht
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212 CLMANN;
Welter£Eihrang paarte ; war 1496 Gesandter des EnsfaiBohofii
Ernst Yon Magdeburg auf dem WormBer Reichatage ^). Sein
Herr war bekanntlich der Bruder Friedriob's des Weisen,
80 dass ihn Wimpheling's Erinnerung nicht mit Unredit snr
familia dueum Saxoniae rechnete. Beuchlin begrüsst ihn
als Magdeburgischen Reichstagsgesandten grade seiner viet-
seitigen Bildung halber mit fast jubehider Befriedigung. Nur
ein zufälliger Umstand verhindorte es, dass beide sich in
Worms, wo auch Beuchlin im Gefolge des neuen Herzogs
Eiberhard von Würtemberg zeitweise sich befand^ persönlich
nicht näher traten. Daför correspondirten sie grade wäh-
rend des Reichstages um so eifriger und auch in späterer
Zeit, im Jahre 1497, wo H^mansgrün in diplomatischer
Eigenschaft sich in Prag aufhielt, hat er des G^eistes-
yerwandten in Schwaben brieflich gedacht *). Die im Jahre
1496 gewechselten Schreiben zeigen Hermansgr&n als einen
patriotischen Q^t, den die Kot des Vaterlandes so ergriff,
dass er erst durch schmerzliche Er&hrungen inne werden
musste, wie andere, weniger hoch denkend, den Reichstag
zum Tunmielplatz ihrer privaten Abneigungen und egoistischen
Bestrebungen machten. Nach heissen, oft vergeblich erschei'-
nenden Bemühungen, konnte er endhoh „von schwerster
Furcht ^^ befreit, melden, dass man nun doch nicht ergebnis-
los auseinandergehen würde. Jetzt erst schrieb er dem
Freunde; vorher hatte ihn Ekel, wie er sagt, «-&ss1; nicht
nur über den Worms^ Tag etwas au schrnben, sondern
auch nur sich zu erinnern, was in so langer Zeit geschehen
auch die vertraute Stellung, in der wir unseren Hermansgrön sonst
Friedrich gegenüber beobachten können. Ueber Pomponius Latus
B. Burckardt, Cultur der BenaisBanee, 8. Aufl., I, 819.
1) Senckenbergische Sammlung von ungedmckt- und raren
Schriften (Frankfurt 1751, I, 125; Beichstagsverzeichnis von 1495).
Vom Reichstag ward ihm neben anderen eine Verhandlung mit der
Stadt Frankfurt aufgetragen. Datt, De pace publica, p. 888 >>.
«) Clarorum virorum epistolae (Zürich 1568), Bl. 21 ff. Hieraus bei
Müller, Reichstagstbeater unter Max I, 551 ff. und die Renchlin'schen
Briefe bei L. Geiger, J. Reuchlin's Briefwechsel. 1875 ^Literar.
Verein in Stuttgart, Public. 12G), S. 48ff.
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MAXIMILIAN'S KIBGHEBTBEFORMPLAN 1510. 213
Bai Aber anaaer den unumgänglichen Notizen üW seine
Berührung mit Eberhmrd von Wiirtemberg keine Erwähnui^
seiner Rolle inmitten der Versammlung^ kein Wort über
eine von ihm gehaltene Bede. Und doch hat WimpheUng
sein Gbdäditnis nicht get&uscht Unter den Handschriften
der Münchener Hof bibliothek befindet sich ^) unter der Jahres-
zahl 1497 ein Friedrich von Sachsen gewidmetes ^^Somnium ^'
unseres Magdeburgischen Diplomaten ^ welches eine Rede
Kaiser Friedrieh's H. an die Reichsstände fingirt Der
Augenschein überzeugte mich sofort; dass die Schrift das
Datum 1495 trügt Die Hersteller des Verzeichnisses sind
nur durch die querliegende Fünf irregeleitet worden^ welche
dem Kenner archivalischer Quellen jener Zeit wohl bekannt
ist Auch der Inhalt ergiebt mit Sicheiiieit dasselbe Jahr.
Nun dient diese interessante Denkschrift des Joaimes ex
Lupis Hermansgrün ausschliesslich dem Zwecke^ die deutschen
Stände aufisurütteln aus ihrer TraumseHgkeit; und sie auf
die nach des Verfassers Ueberzeugung dem deutschen Reich
tödÜiche Gefahr hinzuweisen^ welche das Vorgehen Karl's Vlil.
von Frankreich in Italien mit sich ftihre. Die Widmung
an Friedrich den Weisen ist vom 23. März 1495 und der
Inhalt repräsentirt etwa die allgemeine Lage vom Ende
Januar 1495: Karl den Achten ausgesöhnt mit dem Papst
Alexander VI. und im Begriff sich auf Neapel zu stürzen.
Dem Ver£Eu»er schwebt die Gefahr vor, dass der Papst
„Tel motu vel beneficio^' gewonnen^ unter irgend einem Vor-
wand dem Franzosen die Kaiserkrone auf's Haupt setzen
und ganz sich der französischen PoUtik dienstbar machen
kdnnte. Sobald nun^ lässt der Verfasser den Kaiser Fried-
rich n. seinen Deutschen Eurufen; diese Voraussetzung sich
1) Cod. kt. 924. Ich bemerke, dass loh durch die Notiz Geige r's
(Briefvrechsel Reuchlin*s, 3. 43, Adhl 1), in München befinde sich eine
„politische Schrift^* Hermansgrün^s, auf obige meinen Stadien in mehr-
ßicher Beziehung forderliche Handschrift aufmerksam wurde. Durch
die Güte der Mtinchener Bibliothekverwaltung konnte ich dieselbe hier
in Greifswald benutzen. Ich fasse mich über Hermansgrün so kurz,
als der Zweck erlaubt, da ich seine Schrift an einem anderen Orte
herauszugeben gedenke.
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214 ULMANN,
erftült: ^^videte ne ob iniquitatem facti obedientia ad tempus
e medio tollenda atque in locum pape patriarcba vobis consti-
tuenduB erit^'. Es wird weiter darauf hingewiesen, wie
nötig es im Falle eines solchen Beschlusses sei, den Klerus
fest im Zügel zu halten, und nicht minder mit Polen, Böhmen
und Ungarn Unterhandlungen anzuknüpfen, um sich über
das Voi^hen des Papstes zu beklagen, fiir welches Deutsch-
land demnächst auf einem allgemeinen Concil Rechenschaft
verlangen würde. Ein Bündnis mit jenen Staaten auf be-
stimmte Zeit wird gefordert, damit nicht der Papst durch
Excommunication der Deutschen „simplicitatem barbarorum '^
gegen jene in Flammen zu setzen im Stande sei
Dies in der Kürze der kirchenpolitische Inhalt der im
wesentlichen gegen Frankreich gerichteten Arbeit. Obwohl
dieselbe in Magdeburg gefertigt imd wohl dem weisen Fried-
rich bei seinem Abgang zum Reichstag oder in Worms selbst
überreicht ist, entspringt aus der Natiu* des Ganzen die
Wahrscheinlichkeit, dass sie in der Reichsyersammlung selbst
auf die eine oder andere Weise zur Kenntnis weiterer Kreise
gebracht ist. Da hat sie auch Wimpheling gelesen ^) und
dem Grundgedanken entsprechend richtig als Rede aufge-
fasst. Vom Inhalt hatte lediglich der Vorschlag: eventuelle
Einsetzung eines deutschen Patriarchen in seinem Gedächt-
nis gehaftet Deshalb richtet er des Kaisers Aufinerksam-
keit auf dies längst historisch gewordene Actenstück, jeden-
falls ohne mit diesem Hinweis seinem generellen Vorschlag
Abbruch tun zu wollen, die Rechtskundigen zu befragen.
Ohne ihm Unrecht zu tun, darf man jenes Citat als einen
blossen Verlegenheitsbehelf bezeichnen. Weil er Maximi-
lian's Fragen nach der Tunlichkeit, Rechtmässigkeit und
Competenz eines ständigen L^aten nicht beantworten wollte,
nannte er einen Anderen, welcher einstens unter total ver-
schiedenen Verhältnissen (indem letzterer einen Kampf auf
Tod und Leben um die Reichskrone mit Frankreich, des
Kaisers jetzigem Verbündeten und Gesinnungsgenossen, weis-
sagte) einen ähnlichen Gedanken empfohlen hatte.
») „legi" sagt ja Wimpheling.
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MAXIMILIAN'S KIECHENREPORMPLAN 1510. 215
Und der Kaiser? Hat er jene Schrift erst lesen müssen,
um die Ueberzeugung zu gewinnen, dass daraus ftir ihn
nichts zu holen sei, oder hat er sich gar nicht die Mühe
gegeben, eines Exemplars habhaft zu werden ? Es lässt sich
nur sagen, dass er die empfohlene Leetüre sicher dem ge-
lehrten Ratgeber nicht verdankt haben würde. Mir ist keine
publicistische oder überhaupt Uterarische Leistung jener Zeit
bekannt, die mit so schonungsloser, zum Teil nachweislich
ungerechter Verachtung das Tun und Lassen Maximilian's
kritisirt hätte, als jene fingirte Rede seines erlauchten Vor-
gängers Friedrich's 11.
Auch aus den Massregeln Maximilian's lässt sich keiner-
lei Anhaltepunkt fiir die eine oder andere der obigen Mög-
Uchkeiten oder selbst für den Eindruck des Wimpheling'schen
Ghitachtens gewinnen; denn nichts ist von solchen bekannt
Für mich wenigstens unterliegt es keinem Zweifel, dass jenes
den Anscheia eines kaiserlichen Erlasses annehmende Acten-
Btück, welches in den Drucken der Gravamina dem nicht
von Wimpheling stammenden Appendix vorangeht*), nicht
aus der kaiserlichen Kanzlei stammt Jede formelle Be-
glaubigung fehlt Ohne Zeitangabe (denn die im Riegger-
schen Abdruck m Parenthese gesetzte 1510 stammt vom
Herausgeber), ohne Ort, denn das „ex Oeniponte" der Drucke
hat die bessere Spalatin'sche Abschrift nicht (s. Anhang 11),
bietet es auch sonst keinerlei Merkmale kanzleimässiger
Authentie. Da es nun inhaltlich genau den zahmen Winken
Wimpheling's entspricht, unter ausdrücklicher Berufung auf
die von ihm in den Vordergrund gestellten concordata prin-
eipum, da es, wie auch die Spalatin^sche Handschrift zeigt,
einen integrirenden Bestandteil des Wimpheling'schen Gut-
achtens bildete, muss man es als Versuch unseres Huma-
nisten betrachten, einen Entwurf der Reform, wie er sich
dieselbe ausftihrbar dachte, dem Kaiser darzubieten. Das
Actenstück sollte eine Abhülfe sein der fühlbarsten Schäden
in seiner oberrheinischen Nachbarschaft. Mit Maximilian,
das wiederhole ich, hat dieser liitwurf nichts zu tun. Der
1) Z. B. Freher-Struve, S. 683.
ZeitMhr. t K.^. m, t. 15
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216 CLMAKN;
Eauier scheint in der Tat rasch Ton seiner Absicht zurück-
gekommen zu san. Es lässt sich zur Zeit noch nicht sagen^
ob das Verhalten seines Vertrauensmannes die Zuversicht
des Gelingens in ihm erschütterte oder ob beim Empfang
des Ghitachtens sein Auge bereits ein Bild der politischen
öesammtlage er£asst hatte ^ dessen Bestandteile sich in gams
anderer Weise zum Ganzen fögten; als sechs bis acht Wochen
vorh^. Am 17. November 1510, viel früher war ihm das
vom erst^i desselben Monats datirte Gutachten kaum zuge-
kommen, emeuert^i seine Abgesandten zu ffiois die Verträge
mit Ludwig Xu. von Frankreich, auf Grund deren neben
Spanien auch der P^st erneut zur Mitwirkung an den
vertragsmässigen Zielen aufgefordert wurde: widrigenfsdk
ward von beiden Potentaten bestimmt die BeruAmg eines
allgemeinen Reformconcils in Aussicht genommen. Der
Kaiser lebte und webte in dieser neuen Wendimg der Dinge.
An demselben 31. December 1510, an dem er die schwere Ei^
krankung seiner Gemahlin melden musste, schrieb er im ge-
heimen an seine Tochter Margare&e: „Nous sommes en pra-
ticque et espoir que le pape se remettera en nostredite
lighe et nous fera aussi ayde et assistence^^ (Le Glay, Cor-
respondanoe I, ^63). Schon am 7. December wusste man
am französischen Hof in Blois, dass der Kaiser eifrig mit
dem Papst verhandle (Le Glay, Ndgodations I, 372). Wo
blieb da die bescheidene Hoffiiung dner Kirchenreform im
nationalen ^nn? Weder die zu erneuernde Freundschaft
mit Julius n. noch andernfalls das allg^neine Concil konnten
einer solchen frK)mmen. Wie rasch Maximilian völlig abkam
von der Idee ^nes Nationallegaten, als Haupt der deutschen
Kirche, zeigt neben anderem recht schlagend der Einfall
des folgenden Jahres, die päpstliche Tiara, das Symbol da*
geistlichen Weltherrschaft, sich selbst aufs Haupt setzen zu
lassen.
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maytmhjan's EIRCHENREFORMPLAN 1510. 217
Anhang.
Jenes im September 1610 seiteas des Kaisers von Wim«
pheling erforderte Gutachten, welches seiner Natur gemäss vor-
erst nicht für die Oeffentlichkeit bestimmt sein konnte, hat
Dicht uninteressante Schicksale gehabt, und ist bisher nicht ein-
mal vollständig bekannt gewesen. In den nächsten Jahren hat
sich Wimpheling nicht ohne Stolz seiner Arbeit erinnert. Noch
in dem Lebensabriss, den er in seiner Expurgatio contra detrac-
tores im November 1512 zusamaiengestellt hat, spricht er von
dem kaiserlicherseits ihm gewordenen Befehl, Heidelberg zu ver-
lassen „[ut] negotium quod olim adDei gloriam Germaniae-
que decns in lucem prodibit, ex voto Caesar. Majest.
absolvam^ ^). Diese hoffiiungsfreudige Stimmung hat nicht allzu
hinge vorgehalten. Wenigstens musste der mehrgenannte Ne£fe
Jacob Spiegel das Manuscript vor dem eigenen Verfasser retten,
der es den Flammen opfern wollte, nach der sicherlich richtigen
Vermutung WiskowatofTs (S. 184) aus Abneigung gegen die über
seine üeberzeugungen hinausgehende Richtung, welche inzwischen
die refonnatorische Bewegung eingeschlagen hatte. Dagegen
smd die weiteren Schlüsse WiskowatofTs, die er ebendaselbst aus
dem Widerstreit zwischen Onkel und Neffen zieht, hinsichtlich
der Gomposition des Ganzen nicht zutreffend. Fast alle die
Stücke, die, als bei anderer Gelegenheit von Wimpheling gefertigt,
von Wiskowatoff nicht als zu jenem Gutachten gehörig betrachtet
werden, sind dessen Bestandteile gewesen, ebenso freilich die
von Spiegel ausgelassenen avisamenta. Der Kürze wegen ver-
weise ich zum Beweis auf das unten zu gebende Schema der
wehoarisehen Handschrift Ausser der Spiegersohen Ausgabe ^
kommen für unsere Kenntnis bisher eine teilweise Abschrift des
Ulrich Zasius ') in Betracht, sowie die von Wiskowatoff als be-
sondere Schrift Wimpheling*s angesehenen Gravamina nationis
germanicae ^)- Daraus finden sich dann die Act^ zerstückt und
^) Riegger: Amoenitates liter. Priburg. HI, 426.
'} Medulla pragmaticae Banctionis und astutiae Curtisanomm.
^] Avisamenta ad Caes. Maj.
*j Auch bei Riegger, Aiioen. lit. Frib. als zwei besondere
Schriften unter No. 85 und 86 aufgezählt. Mit Recht rügt übrigens
Wigkowatoff 8. 196 die herkönunliche, noch von Strauss geteilte
Aasicht, dass der bekmmte Druck der Gravamina aus dem Jahre 1518
stamme. Das im alten Druck, sowie in den Ausgaben z. B. Freher-
Struve n, 684 stehende 1518 bezeichnet nur den Reichstag von Augs-
burg, auf dem Bischof Erluurd von Lüttich eine daselbst citirte Ein-
gabe gemacht. Auf den Druck selbst bezieht sich nur der Schluss-
▼ermcnrk: Ad incrementum Germanlae et dei gloriam,' Selestadii im-
pressom m ofücina Schüreriana. (Exemplar in meinem Besitz.)
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218
nirgends vollßtändig gedmckt bei Biegger a. a. 0. III9 483 ff.;
Goldast: Gonstitnt imper. n, 123; Freher-Strnve: Script,
rer. Germ, ü, 677; auch bei Georgii: Imperatornm imperii-
que principmn ac procemm totinsque nationis Germanicae Gra-
yamina adyers. sedem Bomanam, p. 272 sq. Die ganze Frage nmi
nach der Zusammensetzung dieses Gutachtens und der Zusammen-
gehörigkeit seiner Teile wird eine andere durch Auffindung einer
vollständigen Abschrift des gesammten Schriftwechsels. Ich fand
dasselbe im Emesi Gesammt- Archiv zu Weimar: Beg. 0. p. 75
FF. 3. Es ist ein kleines Heft aus Spalatin's Nachlass. Es
enthält ausser den sonst bekannten Stücken die bisher vermisste
kaiserliche Instruction und die Antwort Wimpheling's auf die
wichtigste der in derselben gestellten Fragen. Hier ein Schema:
1) Credenz für Spiegel: Ueberlingen, 10. September 1510
(gedruckt mit dem Datum des 18. September).
2) Instruction für denselben: üeberlingen, 18. September
1510. S. den Inhalt derselben oben. Ich wiederhole hier nur,
dass Max in derselben ausser über die pragmatische Sanction
ausdrücklich Wimpheling's Meinung verlangt über:
a) die Kniffe der Curtisanen.
b) Abstellung der Annaten.
c) Einsetzung eines legatus natus et perpetuus.
3) Wimpheling's Antwort auf das kaiserliche Schreiben,
Strassburg, 1. November 1510 (gedruckt).
4) Die bekannten Stücke über die pragmatische Sanction
und die Annaten bis zu den Worten: Haec quoad pragmaticam
sanctionem.
5) Additio ex Piatina (gedruckt).
6) De actionibus et astutüs Curtisanorum (gedruckt, doch
mit manchen kleinen Abweichungen des Biegger*schen Textes).
7) Unmittelbar an die Schlussworte des vorangehenden Ab-
schnittes schliessen sich: Gravamina nationis Germanicae et sacri
Bom. Imp. decem; remedia contra gravamina; remedium pro civi-
tatibus imperii; avisamenta ad Caesaream M^jestatem; conclusio
et exhortatio, nur mit kleinen stilistischen Abweichungen von
den Drucken ^).
8) Folgt nach kleinem Absatz die in der obigen Darstellung
mitgeteilte Antwort Wimpheling's: De legato nato et primate —
Georgius Beyser de Amberga.
9) Epistola Pauli Malleoli archipresbyt. Andelotensis . . .
Ex Andelo kalend. Decembris 1511. (Derselbe Brief der bis-
^) Nur vermisst man in der conlusio den Satz: et jus patrona-
tus — ordinariis meusibus conservet.
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MAXrMHJAN'S KIRCHENREFOBMPLAN 1510. 219
her in den Drucken unter dem Namen eines B. Baesteriscus
steht, auch ohne Ortsnamen im Datum.)
10) Seren. Bom. Caes. Maximiliano Jac. Wymph. Selesta-
diensis sacrae paginae licentiatus. Wie in den Drucken, wo
der Correspondent aber nur durch Jacobus Begius familiaris an-
gedeutet ist ^}.
1 1) Maximil. imp. von Summum eccies. pastorem — poenam
accepturus. Wie in den Drucken, doch ohne das: Ex Oeniponte
am Schluss und ohne das allein ¥on Biegger in Parenthese ge-
setzte 1510.
Damit schliesst die fiUmdschrift, also ohne die im Appendix
enthaltenen Wiederholungen und ohne die Erwähnung der erst
1518 von Eberhard von Lüttich gemachten Eingabe an den
Beichstag.
^) C^rgii a. a. 0. macht S. 272 daraus einen eigenen J. Begius.
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J
Zwingli and Landgraf Philipp.
Von
Dr. Max Lenz in Marburg.
m.
Ungesäumt gingen die Schweizer nach der Heimkehr
daran, was mit dem Landgrafen verabredet war, ins Werk
zu setzen.
Es galt jetzt Bern, das in Marburg weder durch Theo-
logen noch Ratsherren vertreten gewesen war, zu ge-
winnen *).
Ende October trat, von Basel berufen, zu Aarau ein
Bürgertag der drei Städte Zürich, Bern uiid Basel zusam-
men *). Auf der Tagesordnimg stand zimächst das Burg-
1) Am 24. Oct. schrieben die Züricher Geheimen an Bern über
den Erfolg der Vergleichsverhandlungen. Eidgen. Absch. S. 417 f.
Der ausführliche Bericht ist eine neue Quelle zu der Geschichte des
Marburger Gesprächs imd um so wertvoller , als er direct auf Zwingli
zurückgeführt werden kann : „ ... als es aber ein betrettener rat uff
Martin Luthers syten was, dann sy darvor zuo Wittemberg etlich tag
darüber beratschlaget und einmündig ze blyben bedacht und verfasst,
wundent sy sich (spricht M. Huldrych) als ein al im gras und fielent
von einer meinung in die anderen, also was sy erst geredt, gerad
wider im fuossstapfen sich sölichs nit geredt haben verlougnetend "
(in dem ersten Gespräch, Freitag, den 1. October, wo Zwingli mit Me-
lanchthon, Luther mit Oekolampad, je zwei in einem besondem Zim-
mer, disputirten).
«) Der Abschied vom 31. October. Eidgen. Absch., Nr. 212,
S. 416. Ueber den Aaraner Tag berichtet Zwingli dem Landgrafen
in dem Briefe vom 2. November (Opp. 667). Das „gemeine Mandat"
der 13 Orte gegen Schimpf- und Schmähreden, auf das er hier hin-
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ZWmQU UND LANDGRAF PHILIPP. 221
recht mit Straasburg^ über das schon un Sommer eifrig ver-
handelt war. Man wollte hierin zum Abschluss kommen^
bevor die Verhandlungen über Hessen au%enommen würden.
Dennoch schien es geraten ^ auch diese Sache bei Zeiten
„anzuzetteki" und nichts zu versäumen, „weil das der gan-
zen deutschen Nation zu Trost dienen möge^^ Daher wur-
den die Bemer Qesandten in das G^eimniB gezogen. Die
von Zürich — es waren der Bürgermeister Diethelm Böist
und Zwingli's Reisegefährte Ulrich Funk — teilten ihnen
zuerst die Anschläge mit, die ^^aus der rechten Eunstkam-
mer^^ herrührten und mit den ^^allerheimlichsten Heimlich-
keiten, mit den allersubtilsten Geschwindigkeiten^' erworben
wären; darauf die Marburger Bündnisartikel; dann legten
sie ihnen die Motive dar, die den Vertrag wünschenswert
machten: die Verpflichtung, „biderben Christenleuten, welche
anderswo um der Wahrheit willen vergewaltigt oder unter-
drückt werden", zuhülfe zu kommen, die eigene Ge&hr,
wenn der ELaiser mit einem mächtigen Heere in Deutschland
einCedlen, sich am Rheine in der Mitte seiner Bischöfe,
P£Ek^n und aller seiner Anhänger lagern und von hier aus
eine Stadt nach der andern bezwingen würde, die Intrigen
und Werbungen -der Feinde in Oberdeutschland, ihre Spi^el-
feohterei mit den Türkenrüstungen, und die Sicherung von
Aea A^n bis an das Meer, die aus dem Bündnisse mit
Hessen erwachsen müsse ^).
Für die venetianische Unterhandlung hatte der Land-
weist, ward auf dem Tage zu Baden (5. Oc tober f.) beschlossen.
Eidgen. Absch., Nr. 199 z (S. 392, gedr. 8. 395). Es ist das so-
genannte ,, allgemeine Landesverbot", das als gedrucktes Plakat am
15. October 1529 ausging. Ein Abdruck schon bei Bullinger, Eef.-
Geach., Bd. ü, S. 816 (vgl. Eidgen. Absch. S. 397). — Gegen die
Beisläuferei nach Venedig, die Zwingli ebenfalls erwähnt, riehtet sich
eb Paragraph des Abschiedes von Frauenfeld 1529, 28. October f.
Eidgen. Absch. Nr. 209, b (S. 406).
1) Eidgen. Absch. S. 419 f. Hier an der Bpitze der Ratschlag
„ans der rechten Kunstkammer ^^ Die ganze Instruction atm^ «n-
widerspreehlieh Zwingli's Geist. Sie ist die Ausführung der Gedan-
ken, die er in Strassburg gefasst und in Marburg mit dem Land-
gia&n durohsprochen hat
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222 LENZ;
graf Zwingli noch keine Vollmacht gegeben. Trotzdem
brachte dieser in Philipp's Namen auch jenen Handel in
Fluss. In der Instruction ist es der letzte Artikel: „Es
will euch herren Landgrafen imd uns für guot und fast
nutzlich ansecheU; unser praktik und kundschaft by den
Venedigeren in unser aller gemeinem kosten ze machen und
uns ein geltU daran nit beduren ze lassen, damit die Ve-
nediger sich des Keisers zuo erweren dest handlicher , wir
allweg siner anschlagen vergwisst und, by guoter zyt uns
wissen darnach ze richten, gewamet wurdint/*^ ^)
Doch sollten sich die Dijage nicht so rasch entwickeln
als Zwingli imd seine Freunde »gehofft hatten. Die Bemer
Hessen sich weder durch die Gefahren noch durch die Hoff-
nungen, die ihnen die Züricher vorhielten, aus ihrer Zurück-
haltung aufschrecken. Die hessischen Vorschläge nahmen
sie zur Berichterstattung an ihre Geheimen entgegen; weiter
sollte dieser Handel überhaupt noch nicht ausgebracht wer-
den. Auch die Sendung nach Venedig kam in den Ab-
schied. Die Hauptaufgabe des Tages ward aber nicht ge-
löst. Die Bemer Stadtherren hatten das Strassburger Burg-
recht noch gar nicht ihren Gemeinden in Stadt imd Land
vorgelegt, deren Billigung sie sich vorbehalten. So musste
ein neuer Tag angesagt werden. Die Verhandlungen haben
sich noch wochenlang hingezogen. Erst Ende December
kam man in Basel nach zwölftägiger Beratung zum Ziele.
Am 1. Januar traf hier von Strassburg die Einwilligung in
die^ Bedingungen ein, welche für die Aufnahme der Stadt
in das Bui^recht aufgestellt waren. Am nächsten Tage
reisten die Boten rheinabwärts, um in der neuen Bürger-
stadt selbst ihr Burgrecht zu beschwören *).
t) Eidgen. Absch. S. 421. In dem Brief vom 2. November (Opp.
667) spricht er dariiber so: „Ob mir (so zu lesen st. wir) üwer gna-
den den credenz nit geben, hab ich dennocht anzeigt, was der Ve-
nediger halb by uns geredt wardt. Hoff, werde einen furgang haben."
Kein Wort der Erklärung oder Entschuldigung wegen der Ueber-
tretung! Man sieht, wie berechtigt Zwingli zu der Aeusserung über
den Landgrafen gegen die französischen Gesandten war ; „ Apud illum
possumus fere quicquid volumus" (Opp. 418; s. o. S. 47).
s) Elina ganze Reihe Acten über die Verhandlungen von Aarau
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ZWINGLI UND LANDGRAF PHILIPP. 223
Auch die Verhandlungen über das Hohentwieler Burg-
recht waren wieder aufgenommen. Von Ukich'ß Seite führte
sie jetzt Eberhard von Reischach ; der Kanzler Johann von
Fuchsstein hielt sich um Strassburg im Elsass auf. Es
ward im November ein Tag der beiden beteiligten Städte
abgehalten; aber auch hier fanden sich Bedenken und
Schwierigkeiten, die den Abschluss verzögerten. Sie zu
heben, war jedenfalls Jacob Gh^ms bestimmt, den Herzog
Ulrich am 27. December aus Cassel mit einer Vollmacht an
Zwingli absandte. Die Verhandlungen wurden danach
parallel mit denen über das hessische Burgrecht gefUhrt
und lassen sich bis in den April des nächsten Jahres ver-
folgen, ohne dass man damit einen rechten Abschluss er-
reicht hätte. Wie sie geendigt, lässt das vorliegende Ma-
terial nicht mehr erkennen *).
Während die Versammlung in Basel tagte, finden wir
einen andern Züricher Diplomaten in Venedig. Es war der
junge Professor Collinus, Rudolf Ambühel, der theologische
Beirat Zwingli's in Marburg und einer der Vertrautesten
seiner Gedanken. Daheim docirte er die griechische Sprache,
jetzt stand er vor den „Geheimen" der Lagunenstadt, um
sie zum Eintritt in das evangelische Bündnis einzuladen.
Wie die Aufnahme Venedigs in sein Bündnis, vielleicht
selbst in das Burgrecht, Zwingli's erster und eigenster Ge-
danke war, so gehen die wenigen Actenstücke, die erhalten
sind, auch direct auf ihn zui'ück. Der Entwurf der Voll-
macht, den Collinus im Namen des Züricher Geheimen Rats
mitnahm, liegt uns vor; er ist ganz von Zwingli's Hand.
Collinus hat die Rede aufgezeichnet, die er vor dem vene-
tianischen Senat gehalten hatte; auch sie lehrt ims, dass der
Schüler nur die Worte wiederholt hat, die ihm der Meister
bis Basel s. Eidgen. Absch. Nr. 240 (S. 475 ff.). Sehr dringend und
sehr erregt über die egoistische Zurückhaltung der Schweizer lauten
die Briefe der Strassburger Freunde an Zwingli vom 14. und 15.
December (Opp. 382 ff.). Am 24. d. M. beglückwünscht Bucer Zwingli
aber schon zu dem Erfolge (Opp. 385).
1) S. Zw. Ph. 2. Nov. 1529 und die folgenden Briefe alle. Eidgen.
Abßch. S. 426 ff. 564 (Note f.). 570 ff.
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224 LENK,
in den Mond gelegt hat Wir kennen diese Opanken; es
sind keine andern, als die Zwingli seit den Tagen in Strass-
bui^ unermüdlich wiederholt hat: Die Freiheit der „beiden
löblichen Commünen Venedig und der Eidgenossenschaft^
ist in Gle&hr, durch den Kaiser, der, wie seine Vorfisthren,
die Monarchie errichten will, unterdrückt zu werden, daher
müssen beide sich zum Bunde zusammentun; so schrieb
Zwingli am 12., und so sprach CoUinus am 28. December
im yenetianischen Senat ^).
Wir erraten die Empfindung, welche die politischen
Phantasien des deutschen Professors in den stolzen und kla-
gen Herren von Venedig hervorrufen mussten. Aber ihm
sdbst ihren Spott über eine Allianz mit seinem Bauemvolk
zum besten der allgemeinen Weltfreiheit ins G^cht zu
sagen, dazu waren die stolzen Herren doch wieder zu klug.
Sie erkundigten sich sehr genau nach den Städten, die in
dem christlichen Burgrecht wären, welche Orte sich feindlich,
welche sich neutral hielten, und der Kanzler schrieb die
1) Die Vollmacht Eidgen. Absch. S. 489. Der Eingang: „Consol et
probuleutae senatus popullque Tigiuini." Nach einer Erinnerung an die
Freundschaft Venedigs gegen Zürich : „ Hinc fit , ut cum res humanae
hoc nostro saeculo mire habeant ac varie jactentur, restrae reipublicae
ac boni Status perinde ac nostranun rerum cura nos tangat. Experti
enim sumus quam invisa sit regibus ac tyrannis populorum ac urblom
libertas" u. s. w. Die „Handlung vor dem Herzog imd Rat zuo Ve-
nedig, am 28. tag Decembris 1530" s. Eidgen. Absch. S. 487 f. Aus
der Rede AmbüheFs: „ . . . Und die wyl diser Keiser mächtiger ist
an lüt imd guot denn vil siner vorderen, dorzuo er jez kürzlich uss
siner gewonlicher residenz Hispanien in Italiam mit heres kraft gezogen
ist, on zwifel understande, die selbigen Italiam under sich ae brin-
gen, dann er sy voriiar lange zyt mit schweren kriegen beschwert
imd verbergt hat, dorum ist zuo besorgen, solche sine zuokunft oder
gegenwirtikeit möchte mit der zyt dem loblichen regimeint von Ve-
nedig zuo nachteil, schaden imd krieg dienen und desglychen ouch
hernach in mittler zyt dem loblichen regiment und commun der
Eidgnoschaft ; dann die zwei loblichen commünen Venedig und Eid-
gnoschaft von altem bar allzyt für andre lüt und lande von den Kei-
seren vil hasses und anrennens eriitten band ; dann die Keiser beg^rent
monarchiam; so sind dise zwei commune byspil der ganzen weit,
lobliche fryheit und gemein burgeriiche recht zuo erhalten und be-
schirmen " u. s. w.,^die eigenhändige Airfaeiehnung des Gesandteo.
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ZWINQLI ÜKD LANDGRAF PHILIPP. 225
Namen auf ^). Der Doge — ,,ihre Majestät '', wie ihn Col-
linus anredete; der in den Regeln seiner griechischen Ghnun-
matik beschlagener sein mochte als in denen des venetia-
nischen Ceremoniels — antwortete sehr höflich und ver-
bindlidi; versprach alles Beste ^ ;yin allen Gbfärden und
Nöten helfen zu wollen, mit Leib und Gut, mit Boiegs-
kuten, mit Proviant, mit Gut und Q^ld". Als ihn dann
aber der akademische Diplomat über die tyrannischen Ab-
sichten des Kaisers aushorchen wollte, wusste seine Sele
von nichts Argem. Im Gegenteil, der Kaiser habe mit ihnen
soeben Frieden geschlossen und in dem Vertrage ausdrück-
lich erklärt, er wolle Frieden machen in der ganzen Chri-
stenheit unter allen Fürsten und Herren, Landen und
Leuten.
Was war das Ende dieser Mission? Statt der Bündnis-
urkunde brachte der Professor seinen Herren ein Trinkgdd
heim*).
Herzog Ulrich hatte Eecht, wenn er den 14. Februar
an Zwingli schrieb, „die Handlung mit den Venedigem sei
übel v^wdit worden"*). Indes, wie die Dinge lagen,
konnte CoUinus kaum eine andere Antwort erwarten. Fünf
Tage vor seiner Audienz, am 23. December, hatten sich die
Venezianer dem allgemeinen Frieden mit dem Kaiser an-
geschlossen. Aus Feinden waren sie dadurch Verbündete
EarFs geworden. Die Vorschläge Zwingli's waren zu spät
gekommen; weim sie etwas früher gebracht wären, hatte
man in Venedig geäussert, würde der Friede schwerlich
geschlossen sein. Schlimmer aber war, was daraus folgte.
Ambühel hatte seine Anerbietungen als eiu tiefes Geheimnis
1) Merkwürdig aber war die Aufnahme der Credenz: „Die Cre-
denz könnt man weder lesen noch verstan; dann sy ganz und gar
felsch und zum aller verkertisten geschriben was; doch gab ich sy
euo verstan, dass sy zefnden warent."
*) „Damach muosst ich nemen von dem Herzogen XXV krönen,
Welche ich genomep hab von im mit der oriüterong, dass ichs meinen
H^ren wollt -überantworten.^* Ehrengeschenke an fremde Gesandte
waren allerdings in Venedig Sitte, aber 25 Kronen sind dafür ein
wenig.
8) Opp. 412.
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226 LENZ;
vorgetragen; ängstlich und dringend hatte er um die Wahrung
desselben gebeten. In dem Interesse der Herren von Ve-
nedig lag aber eben die Geheimhaltung nicht. Welch eine
gute Gelegenheit für sie, ihre Friedfertigkeit vor dem E^aiser
und aller Welt zu documentiren! Bald war denn auch der
Handel diesseits und jenseits der Alpen ruchbar. Im April
sprach man davon schon in Speier, am badischen Hofe, in
Strassburg. Und Zwingli hatte den Aerger, sich das Ge-
hemmis von seinem dortigen Freunde Capito, der nicht ein-
geweiht war, mit allen Einzelnheiten berichten lassen zu
müssen ').
Indes solche Miserfolge vermochten nicht, seinen Eifer
und seine Hoflftiimgen abzukühlen. Er tröstete sich mit
den guten Versprechungen und dem Gerede der Venetianer,
dass Collinus mit seinen Anträgen leider nur zu spät gekommen
sei, und fuhr fort, auch diesen Factor in seine politischen Com-
binationen hineinzuziehen. Sein Gesandter hatte in Venedig
einen Hauptmann gesprochen, der um die Anschläge Earl's zu
wissen voi^b imd Mitteilungen machte, die Zwingli's Be-
fürchtungen völlig entsprachen. Es sei die Absicht des Kai-
sers, alle Stände des Reiches, Freunde und Feinde, gegen
einander zu verhetzen, imi dann, wenn alles in Verwirrung,
mit Heeresmacht zu erscheinen, den Friedensvermittler zu
spielen, mit guten, aber falschen Worten die Herren und
Stände zu betören. Denn er sei parteiisch, wolle in allem
nur das Papsttum, besonders aber die eigene Macht auf-
richten. Der Oastellan von Musso solle auf die Grau-
bündner, die Bischöfe von Constanz und Strassburg und
der Abt von S. Gallen auf ihre Städte, die fünf Orte auf
Zürich gehetzt werden. Herzog Georg von Sachsen werde
seinen Vetter überfallen, dessen Kurhut ihm dafiir bestimmt
sei; gegen den hessischen Landgrafen würden die Bischöfe
am Rhein angestiftet werden. So hoffe Karl alle Stände des
1) Cap. Zw., 22. April 1630 (Opp. 446): „Sic opinor, Veneti
suum commodam aliorum incommodo et perfidiam adversus Caesarem
fidem videri volunt, dum parum ex fide et sinceritate simpliciter agen-
tibu8 occurrant." Solche Indiscretionen gehörten zu den beliebtesten
Praktiken damaliger Diplomatie.
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ZWINGLI UND LANDGRAF PHILIPP. 227
RdioheB gegen einander zu verwirren und schliesslich unter
sich S5U bringen.
Der Hauptmann hatte aber dem Gesandten auch die
Qegenstösse angedeutet; durch die man die feindlichen Ab-
sichten des Kaisers pariren könnte. In einem Memorial von
Zwingli's Hand7 das neben einem Resum^ über die Ge-
sandtschaft AmbüheFs jene Mitteilungen enthält *), lesen wir
zum Schluss: „Dem Keiser den anschlag ze brechen wäre
gaot y dass man im Tirol ynnäme (also rat der gedacht hopt-
man); müesste er den zuog zuo siner not bruchen. Das
vermeint gedachter hoptman ze tuen mit gottes hilf mit
8000 tütscher Knechten ^ mit der Venediger gschütz imd
pferd, und die Pündt ouch einsmals ynfallen. Darzuo wurd
euch Herzog von Wirtemberg helfen, so er einen zug in
sin land ze tuen fiimäme.'^ Das sind die Gedanken, auf
die der Landgraf am 14. Februar antwortet: „Bedanke
mich der neuen Zeitimg. Wie Ihr mir aber schreibet, be-
treffend dass die Venediger mit Tirol au&ubnngen seien,
auch daneben schreibet, belangend zu handeln in des Her-
zogs von Würtemberg Sache, wann die Blümlein hervor-
stehen (stechen?), war wol eine gute Meinung, wenn man
wüsste, was endlich und gewisslich die Venetianer und auch
Zürich, Bern und Basel dabei thim wollten, denn wahr-
lich, ich wollte gern allen Fleiss und Kosten thun zu meinem
Theil, wenn ich auch sonst Vertröstung, die gewiss wäre,
hätte, wiewol etwas Hoffiiimg hie auch vor Augen." *)
Damit ist uns der Inhalt der Briefe an Landgraf Phi-
lipp und Herzog Ulrich bekannt, die wir vorhin an dieser
Stelle vermissten: es waren der Bericht über die venetiani-
sche Unterhandlung und die Zeitungen und Vorschläge des
Hauptmanns. Wir wissen, dass Zwingli längst die glei-
chen Gedanken bewegten; hier aber wurden sie ihm von
fremder Seite entgegengetragen, und um so eifriger gedachte
er nun sie zu verfolgen. So machte er alsbald dem Land-
1) Eidgen. Absch. S. 489. Ueberschrift : „Was von Venedig kom-
men in Bnmma."
2) Opp. 634.
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228 LEN2,
grafen den Vorschlag, ,,wenii die Blümlem hervorstach«!",
das grosse Unternehmen zu wagen, und wie gerne dieser
darauf einzugehen bereit war, zeigt seine Antwort Indes
machte er doch mit Recht auf die notwendigen Vorbedin-
gungen aufinerksam: erst öewissheit darüber zu haben, was
von Venedig, und wenn nicht von Bern und Basel, so doch
von Zürich und den Grauen Bünden zu erwarten sei.
Zwingli möge ihm darüber seine Meinung schreiben. Vor
allem müsse aber die marburgische Handlung, sein Burg-
recht, zum Abschluss kommen. Er knüpfte daran den Vor-
schlag, d^i König von Dänemark in das Burgrecht ein-
zuschliessen, „dann er ist gut evangelisdi und kann viel
nuzen s^^^ Es sei nämUch Kundschaft gekommen, dass
man ihn überziehen wolle: „Wäre wol gut, so mit dem
König von Dänemark angefangen, dass denn droben etwas
angefangen würde, auf dass dieser desto besser Luft hätte."
Wirklich hat Philipp in denselb^^i Tagen einen Brief an
d^i König von Dänemark gerichtet, der ihm die drohenden
Gefahren kimdtun und eine nähere Verbindung anbahnen
sollte. Diesen fand ich noch nicht, die Antwort König
Friedrich's ab^, aus öottorp vom 25. Februar, bewahrt
im Original das Marburger Archiv. Nach dem, was Phi-
lipp über sie in dem nächsten Brief an Zwingli, den
10. März, schrieb, scheint sie ihn recht erbaut zu haben.
„Wollte Gott", heisst es da, „dass der Kurfürst von Sachsen
des Königs von Dänemark Sinn und Herz hätte." Jedoch
gesteht er ein, dass aus der Sache, die gegen den König
„vorhanden gewesen", diesmal nichts geworden sei ^).
Und lesen wir die Antwort König Friedrich's selbst, so
müssen wir bekennen, dass sie nicht vid günstiger lautete
als die des Dogen an CoUinus. Der Landgraf hatte ihm
von den Knechten geschrieben, die sich um Amhem sam-
melten, mehrere Tausend stark; dass Severyn Norby beim
Kaiser wäre und zwei Schiflfe zur Expedition gerüstet würden ;
1) Opp. 427. Am Tage vorher hatte der Landgraf den Brief
vom 25. Februar erwidert. Concept im Marb. A.; kurz und ohne
neue Anträge: er bittet um Kundschaft und verspricht dasselbe.
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ZWINQU UND LANDGRAF PHILIPP. &29
dafls Graf Felix von Werdeaberg um Strapsbuig ein Heer
von 4- bis 6000 Eaiechten zusammenbringe. Der König
dankt ihm nun filr sein^ti Fleiss und sein freundliches Er-
biete, kann aber melden; dass d^ Elnechte im Gddrischen
nicht mehr als 1200 sei^a, da die übrigen sich verlaufen
haben; die 2 Schiflfe aber können nicht viel schaffen. Zum
Schluss veri^richt er allerdings Hülfe ^ falls der Landgraf
überzogen werde , und hofft von diesen das Gleiche. Das
war ganz dieselbe Antwort, die Collinus in Venedig erhalten
hatte. Nun mag wohl König Friedrich die seine ehrlicher
gemeint haben als der Doge von Venedig; aber in dem
Weltbunde, den Philipp imd Zwingli zusammenbringen
wollten^ konnte auch er offenbar keine Stelle finden.
In denselben Wochen erfüllten die Sele Zwingli's aber
noch weit verwegenere Gedanken.
Von allen Seiten kamen damals die beängstigenden
Nachrichten zusammen. Italien lag dem Kaiser zu Füssen;
nur Florenz leistete ihm noch Widerstand. Mit dem Papst
war er im engsten Bunde; am 24. Februar krönte ihn dieser
in Bologna mit der Krone des römischen Beiches: entsprach
das nicht alles aufs genaueste den Gedanken, die ia den
Ratschlägen aus der rechten Kunstkammer entwickelt waren?
Was konnte der Bund mit dem Papste, der Friede mit den
itahenißchen Staaten anders bedeuten als die Vorbereitung
zu äem Zuge gegen die deutsche Religion und Freiheit?
Nun stand dieser bevor; im Frühling musste Karl kommen.
Schon gährte es überall in der Nachbarschaft: Felix von
Werdenberg brachte am Oberrhein ein Heer zusammen, man
sprach von 20,000 Bjiechten. Ringsum rührten sich die
feindlichen Adelsgeschlechter, vor allen andern Marx Sittich
von Ems imd sein Schwager, der Castellan von Musso, welche
die Zugänge von Tirol und dexi italienischen Seen in die
Grauen Bünde eröfihen konnten; unablässig kamen und
gbgen die Hauptleute, Kundschafter und Sendboten der
katholisdien Partei. Vom Norden her wurden die Anschläge
auf Dänemark gemeldet. Ganz seltsame Dinge schrieb msm
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230 LENZ;
von Strassburg: es hiess^ Frankreich und der Herzog von
Lothringen gingen mit einem Angriff auf die Stadt um,
schon erhebe sich im Lothringischen eine Rüstung, und
zwar ein grosser reisiger Zug; auch seien Hauptleute be-
stellt für 3000 Knechte ^). Li Nancy sollte eine Versamm-
limg päpsüicher Fürsten tagen, während ein anderer Con-
gress der Feinde in Turin vereinigt war: kaiserliche, fran-
zösische, eidgenössische imd savoyische Gesandten, hiess es,
Sassen dort zusammen, „alles zuo niedertruck des evan-
gelii" *). Ganz sicher schien es, dass der Herzog von Sa-
voyen einen Angriff plante. Dazu im eigenen Lager überall
Kleinmut und Zwiespalt: in Bern die alte Zauder- und
Sonderungs-PoUtik, in Zürich selbst Gegner des neuen
Geistes noch in allen Ständen; die Wiedertäuferei trotz er-
barmungsloser Strenge immer noch nicht unterdrückt; Lrun-
gen, Eifersüchtelei, Hass und Leidenschaften in allen Bereisen.
In den schwäbischen Reichsstädten war die Partei des Ulmer
Bürgermeisters Besserer am Ruder, der die eigene Verzagt-
heit imd particularistische Gesinnung gegenüber dem Land-
grafen hinter Klagen über egoistische Zurückhaltung der
Schweizer zu verstecken suchte: hier immer die Gefahr des
Hinüberschwankens zu den Nümbergem und den Sachsen.
Auf diese reclmete man kaum mehr: erfuhr man doch im
Februar, dass sie eine Sicherung vom Kaiser hätten, sofern
sie der ZwingU'schen Ketzerei, „als sy es nennen", nicht
anhangen wollten, dass Nürnberg neulich zwei Gesandte
zimi Kaiser geschickt habe *). Zu alledem die drohendste
1) Kundschaft aus Strassburg, 12. Febr. 1530, verhandelt auf
dem Bürgertage in Baden, 14. Febr. f Eidgen. Absch. Nr. 274 d
(S. 552).
«) Aus emem Programm Zw.*s (Januar oder Februar 1530).
Eidgen. Absch. S. 506. Ueberschrift : „Anbringen", Artikel 2. Auch
dies Document trägt an der Spitze den Hinweis auf den Ratschlag
aus der rechten Kunstkammer. Stete Wiederholung der alten Ge-
danken. Den Verftisser charakterisiren die Vorschläge, die er hier
macht, wie wenig anderes.
8) Kundschaft aus Strassburg (Eidgen. Absch. S. 553): „Item
Sachsen und Nüerenberg sollen ein sichenuig vom Keiser haben, so-
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ZWINGU UND LAKDORAF PHILIPP. 231
Gefahr in der nächsten Nähe: der unversöhnliche Hass der
besiegten und zurückgedrängten Waldstädte und die immer
offenen Wunden in den gemeinen Vogteien. Die Briefe des
Seformators aus diesen Tagen an seine Freimde im Ober-
lande und der Schweiz, besonders die an Sturm, Eonrad
Zwick und Sam, atmen eine fieberhafte Erregung. Noch
immer ist er erfüllt von den Gedanken des „Ratschlages
aus der rechten Eunstkammer^^, überzeugt, dass der Eaiser,
„mit der einen Hand das Brot bietend, in der andern den
Stein verbergend", jenes Programm ausfuhren werde, sowie
er Deutschland betreten habe. „Nimm den Fall, was Gott
verhüten möge", schreibt er an Eonrad Zwick, „dass der
Eaiser über das Gebirge komme und Eemptän besetze, wo-
hin werden sich die andern Keichsstädte wenden als an die
Ghiade des Elaisers? Ich furchte, sie werden auch dann poch
sagen, wir seien ja durch den Rhein geschützt." *) Er er-
mahnt den Freimd, die Schwaben aus ihrem Schlummer zu
reissen. „Nam alias sub religionis titulo peribit üs publica
libertas. Non est fidendum tyrannorum amicitiae, De-
mosthenes ut monuit, tyrannis nihil aeque exosum esse at-
qua Tr/y Twy noXtfav iXtv^iglar.^^ ^)
In dieser Stinmiung nun trat Zwingli mit einem Plane
ans Licht, der durch die Weite seines Horizontes und die
Luftigkeit seiner Basis alle früheren hinter sich liess. In
dem Eampf g^en die Pensionirer, gegen die Verbindung
der Eidgenossen mit Frankreich war er zu seiner Bedeu-
tung, seine Lehre zur Herrschaft in seinem Städtebund
gelangt: jetzt plante er nichts Gbringeres als ein neues frun-
zösisches Bündnis.
ferr sy zwinglischer ketzery, als sys nennen, nit anhangend. Item
Nüerenberg hat näwUcher tag N. Haller, ist des probsts von Walt-
kilchs secretarins gewesen, und Lienharten Stockamer, mit dem einen
engen, ist etwan an des Keisers regiment secritarius gewesen, bot-
schafts wyss zum Keiser geschickt; wer weiss, was uss solchen din-
gen werden wil; darumb ernstlich zu wachen ist."
1) Zürich, 1. März 1530. Opp. 429.
*) Es schwebt ihm hier vielleicht Olynth. I, 6 vor: Kai oXatg
anunoy, oifjuu, tats noXitefaif ^ tvQarvCg, crAAo»; r« xw ZfAoqov x^9*^y
Mx^tifiv.
ZaitsehT. t K.-G. m, J. 16
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232 LENZ,
Der Gedanke ist so ausserordentlich, dass es sich lohnen
wird, seiner Entstehung und der Auffassung, die er in
Zwingli annahm, nachzugehen.
Trotz der Drohungen gegen die Ketzereien in dem
neuen Friedensvertrage mit dem Kaiser dachte natürlich
der König von Frankreich nicht daran, mit den Eüdgenos-
sen zu brechen. Seine finanziellen Verpflichtungen machten
es sogar nötig oder gaben wenigstens den erwünschten An-
lass, die alten Verbindungen zu erneuern. Schon im Herbat
liess er durch seinen Gesandten Boisrigault den Eidgenossen
erklären, dass sie in dem Frieden als seine vornehmsten
Freimde eingeschlossen wären und gewisslich auf Bezahlung
seiner Schulden rechnen könnten; er bat nur, damit eine
Zeit lang Geduld haben zu wollen *). Ende Januar kam
ein zweiter Botschafter, der „G^neralmeister" Lambert
Maigret *). Im Februar hielt dieser auf einem Tage der
13 Orte zu Basel einen Vortrag, in dem er jene Zusicherun-
gen wiederholte, mehr aber noch auf Frieden und Einigung
unter den Eidgenossen drang ®). Damals nun hatte sich
Zwingli schon in Verhandlimgen mit den Franzosen ein-
gelassen. Die ersten Annäherungsversuche scheinen aller-
dings von den letzteren gemacht zu sein, durch zwei eid-
genössische Hauptleute in französischen Diensten, die am
18. Januar Zwingli zu einer Besprechung mit Boisrigault in
Bremgarten oder Meilingen über eine Verbindimg zwischen
Frankreich und Zürich einluden *). Auch zeigte sich Zwingli an-
fangs gegen die Anträge ziemlich spröde. Zweimal, so schreibt
er am 27. Februar Jakob Sturm, habe er dem Unterhändler
das Verlangen, ihm seinen Bündnisentwurf anzuvertrauen, ab-
geschlagen, erst das dritte Mal ihn bewilligt *). Indessen, wenn
1) Auf dem Tage zu Frauenfeld 1529, 28. Oct. f Eidgen. Abseh.
Nr. 209a (S. 406. 412).
8) Brief Boisrigault's, Freiburg, 15. Jan. 1530 (Eidgen.
Absch. S. 527 p).
3) Eidgen. Abseh. Nr. 273 s (S. 549).
4) Opp. 397. Der „Herr Ton Poragen" ist Boisrigault. Bul-
linger (11, 401) nennt ihn „h. porragö". So etwa wird auch wohl
in jenem Brief gestanden haben.
^) ^PP- ^^^- Anfangs hat er dem Boten einen kürzeren Ent-
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ZWINGLI UND LANDGRAF PHILIPP. 233
die Gesandten ihn um Mitteilung seines consilimn Gbllicum
bitten konnten; so muss er ihnen die Existenz desselben
oflfenbart haben , denn es war das ein Gteheimnis, welches
er nur den vertrautesten Freunden entdeckt hat. Er ist
also auf die Vorschläge der französischen Gesandten mit Be-
gierde eingegangen, um sie sofort in das System seiner po-
litischen Ideen aufzunehmen. Ende Januar oder in den
ersten Tagen des Februar muss er die Urkunde ausgear-
beitet haben, die das Bündnis mit Frankreich in seiner
Auffassung begründete. Auch diesmal blieb das Geheimnis
nicht lange verborgen. Es wussten wieder zu viele darum.
In Zürich alle Geheimen, die es gelesen und gebilligt hat-
ten. Sie mögen es für sich behalten haben, aber die Fran-
zosen hatten kein Interesse davon zu schweigen. Am
14. Februar fragt Berthold Haller aus Solothum bei dem
Freunde an, ob an dem Gerüchte etwas Wahres sei, das er
von Tremp und dieser von Peter von Werd vernommen
habe^ man wolle neue Freundschaft mit den Franzosen
sdüiessen. Er mag es gar nicht glauben: das würde ja
heissen allen Pensionirem Tür und Tor öffiien; danken
wir vielmehr Gott, dass er ims endlich von dieser Plage
befreit hat! Er weist auf das Aergemis hin, das aUe From-
men und das Evangeliimi davon haben würden. Zwingli
solle antworten, den üngrund des Gerüchtes aufdecken:
„Omnia igitur boni consulito, et me quoque, ceteros item
cordatissunos certiores reddito, nam ille ab Werd suis in
aurem susurrat, te innumeras et maximas habere practicas
prae manibus^'^). Nicht so ängstlich, aber nüchterner sah
Oekolampad die Pläne an. „De Gallis", schrieb er etwas
später, „mihi parva spes est. Quavis enim ratione potius
wurf oder Auszug mitgegeben. Vgl. Maigret Zw. 16. Febr. (Opp.
413), die Antwort auf einen Brief, der fehlt. Maigret Zw. 21. Febr.
(Opp. 415) : „ Scripta tua ac (ad?) nonnullarum rerumsignificationem quae
mihi satiB obscura videbantur, a latore praesentium accepi"; und das
consU. selbst, S. 417, 7 tmd S. 418: „Habes summam, quam pro-
ndsi, perinde atque superiorem tumultuosa opera perscriptam, quia
profectio vetuit diutius immorari." Wohin ist Zw. gereist?
0 Opp. 411.
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234 LENZ,
quam Evangelii praetextu conciliari posse videntur. Utinam
sapereni" ^)
Zwingli erwog ohne Zweifel ebenso wohl das Bedenk-
liche, was eine Erneuerung der französischen Verträge grade
von seiner Seite haben musste, als er die Absichten der
Franzosen durchschaute, welche nichts als die starken Arme
der Schweizer gewinnen und deshalb nicht die Evangelisirung,
sondern nur den Frieden unter den Eidgenossen befördern
wollten. Weim er trotzdem jene Bedenken überwand, so
berechtigte ihn dazu die völlig neue Auffassung, die er dem
Bundesgedanken gab. Wenn er aber dabei die Interessen
Frankreichs so völlig übersehen konnte, so ist das freilich
nur wieder ein neuer Beweis, wie weit ihn seine idealen
Gedanken über die nüchterne Wirklichkeit emportrugen.
Denn das unterscheidet diese Urkunde von allen frühe-
ren Verträgen der Eidgenossen mit der französischen Krone,
dass sie nicht mehr einen Mietsvertrag, sondern ein Staaten-
bündnis begründen will *). Nicht anders wollte Zwingli sie
aufgenommen wissen. So schreibt er an Oekolampad den
12. März unter dem Bürgertage zu Basel, auf dem über
das hessische Burgrecht verhandelt ward: StoU und Beyel
(die Ratsboten Zürichs) würden ihm sein consilium de rebus
Galileis mitteilen. Er solle es fleissig lesen : „ sunt enim multa,
quae satis cavent corruptionem largitionemque regis" *). Der
Staat Zwingli's reicht dem Staate Franz' I. die Hand, oder
vielmehr — wenn wir die Urkunde selbst lesen, die so ge-
fasst ist, als ob sie von dem Könige käme — Franz schlägt
dem von Zwingli geleiteten Staatswesen ein Bündnis vor.
Den Zweck des Entwurfes drückt der Reformator in dem
Brief an Sturm vom 27. Februar treffend aus, indem er ihn
ein consiliimi de frangenda aut minuenda potestate Caesaris
nennt: wiederum also der Grundgedanke, der ihn seit dem
Herbst so rastlos beschäftigte.
Es weiss die Welt, so spricht der König im Eingange,
1) Opp. 412.
*) Hier hat Mörikofer einmal das Richtige gesehen (11, !
*) ^PP- »Si NN communicabunt tibi" etc. Die Namen erfahrt
man aus Eidgen. Absch. Nr. 283 (S. 562).
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ZWINGLI UND LANDGRAF PHILIPP. 235
dass keine Fürsten oder Völker in den vergangenen Jahr-
hunderten der Gewalt und Tyrannei des römischen Reiches
tapferer widerstanden haben als die allerchnstlichsten Könige
der Franzosen und das Volk der Schweizer. Damit haben
sie ihre und auch anderer Freiheit bisher bewahrt Darin
nicht zu ermatten ist ihre Pflicht, auf dass nicht das Wort
der Schrift gegen sie angewandt werden möge: Degeneres
filii. Es schmerzt den König der trotzige Abfall der 5 Orte
von den Städten christHchen Burgrechtes, nicht weniger ab
ob, was Qt)tt verhüten wolle, seine zwei eigenen Söhne in
Zwiespalt lebten. Da aber das alte Bündnis deshalb nicht
gewahrt werden kann, so will er doch mit den Städten des
christlichen Burgrechts und den Gemeinden, die diesen
nicht feindlich sind, als Glarus, Solothum, Appenzell und
Toggenburg, ein neues schliessen. Dies soll aber nicht,
wie das fiühere, der helvetischen Freiheit gefährlich und
dem Gesetze Gt)ttes in keinem Punkte zuwider sein. Daher
sollen die neuen Bundesartikel, die er volwjhlägt, erst von
den Lehrern der heiligen Schrift und evangelischen Dienern
des göttlichen Wortes in der Schweiz geprüft werden. Denn
nichts liegt dem Könige mehr am Herzen, als dass die Reinheit
des Evangelium makellos bewahrt bleibe. Daher bittet er um
G^hör für die folgenden Artikel ^): Das Königreich Frank-
reich und die obengenannten Städte und Gemeinden schlies-
sen auf 15 oder 20 Jahre einen Bund, dessen oberstes Ziel
beiderseits die Verteidigung der christlichen Religion ist
Und so werden sie in wechselseitiger Freundschaft und
Treue einander halten, als ob sie ein Volk seien, eine Ge-
meinde, ein Staat, so, dass jeder für das Wohl des andern
sorge, wie für das seine. Sie werden einander helfen, wo
^ gilt, die Annahme oder Erhaltimg des Evangelium Christi
zu verteidigen, mag der Angriff direct oder indirect erfol-
1) „Quapropter regem, cum articulos proposuerit, eos sub-
jecturom censurae sanctarum literarum doctis et verbi Dei apud Hel-
vetios ministm evangelicis. Nihil enim aeque esse in votis cbristianiB-
simi regis atque ut evangelü puritas illibata permaneat, et utraque
pars, videlicet regnum Francia et Helvetiormn populus, cum reliquis
urbibus, salva sit ac tuta. Proinde o^pat (!) ut audiatur/* (Opp. 417.)
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236 LENZ;
gen, in jedem Falle, sowie überhaupt gegen jeden Versuch
ungerechter Vergewaltigung. Will dagegen die eine Partei
für eine firüher erlittene Unbill Vei^eltung fordern, so soU
die andere nur dann helfen, wenn sie die Grerechtigkeit der
Forderung erkannt hat. Das Schweizer Heer, das dem König
zuzieht, wird er besolden. Werden aber die Schweizer an-
gegriffen, oder beschliessen beide Parteien den Krieg, so
wird der König Geschütz, Proviant und Reiterei schicken.
Ausserdem wird er jeder Stadt jährliche Pensionen zahlen ^).
„Et in summa'', setzt Zwingli hinzu, „generalis clausula
adponatur: ut utraque pars alteram sie servet, colat ac
tueatur atque seipsam. Id autem adversus quoscimque."
Freilich, die gewöhnlichen Vorbehalte sollen bleiben, aber
niemand ausgenommen werden, wo es sich um den Glau-
ben handelt, „quia non est dubium, christianissimum regem
hactenus nullum foedus propter fidem cum quoquam inüsse".
„Nos vero", schliesst er mit unverkennbarer Pointe, „in
fidei negotio etsi excipiamus verbis, attamen ea exceptio non
pertinet ad fidei exceptionem, nam in ea re mutuimi ferimus
auxilium contra quoscunque." *)
Am 22. Februar ritt Collinus mit diesem Entwurf von
Zürich aus. Von den Gesandten, hoflfte Zwingli, werde er
direct an den Hof zum Könige geschickt werden *). Nach
acht Tagen war seine Mission beendigt. Am 27. Februar
wusste Zwingli noch nichts von der Antwort der Gesandten,
an demselben Tage ward sie geschrieben. Was Boisrigault,
ein katholischer Bischof, in seinem ungelenken Latein ent-
gegnete, war der helle Spott: „Nimc non respondeo rebus
üs, quarum tuae literae acutissimo stilo memorantur, adeoque
forsitan cerebro meo imbecillo vix eas comprehendere sit pos-
^) ^PP- ^1*^» '^ • » Praeter ista dabit christianissimus rex quotannis
tantum aut tantum cuique urbi etc. Ut etiam prius exposuimus."
8) Es folgen einige Notizen über Strassburg, Constanz, die
Reichsstädte, den Landgrafen und Herzog Ulrich, die zum Teil die
geheimsten Wünsche Zwingli's offenbaren. Vgl. u.
») Zw. Jk. St. 27. und 28. Febr. (S. 422): „Jam septimus dies
est, postquam CoUinus noster cum eo consilio ad legatos proficiscitur,
et nondum scio, an ad regem ipsum sint libellum com tabellione mis-
suri (das soll doch Collinus sein?) necne."
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ZWINGU IT^D r^ANDGRAF PHILIPP. 237
siblle. Nihilommus^ quantum spectat ad ea^ quae attiugunt
aive attingere possimt ad [nicht et] sanctum Verbxim, volun-
tatem divinam et salutem animarum christians^um^ hactenus
intellexi te difBcilem scribendo mihi ostendisse^ non tantum
modo propter imperitiam linguae latinae^ sed et ignorantiae
divini verbi causa. Quarum utrarumque te assero me in-
dignom existimare/^ Von einer mündlichen Unterredung
hoffi er die Verständigung, die die Briefe nicht geben könn-
ten. ,,Inprimis interea fac, te oratimi volo, quod pax ubi-
cunque interteneatur nihilque novitatis subrepat" Und zum
Schluss nochmal die ausdrückliche Versicherung, dass er das
consilium wirklich gelesen habe imd seine Wichtigkeit ihm
einleuchte. Weniger verletzend und oflFener schrieb Maigret:
Vor Auslösung seiner Söhne, die noch als Geisel von Karl
zurückbehalten wurden, könne der König die Verhandlung
nicht au&ehmen ^).
Zum dritten Mal warfen die Weltbundsgedanken Zwingli's
und seines fürstlichen Freimdes, kaum ausgesprochen, zurück-
gewiesen worden.
IV.
Während sie aber so nach unerreichbaren Zielen streb-
ten, war das Nächste und Nötigste, die Vorbedingung für
alles Weitere, noch inuner nicht erreicht: der Abschluss des
hessischen Burgrechtes. Und dass dies sogar in jenen Monaten
allgemeiner Spannung und Sorge nicht geschah, ist wohl
der stärkste Beweis für die Unbesieglichkeit der Interessen,
die sich diesen weltumspannenden Ideen entgegensetzten.
Denn Zwingli stand in der Schweiz mit seinen Befürchtun-
gen keineswegs allein. Die Acten der Burgrechtstage aus
den Wintermonaten 1530 lehren, wie tief und allgemein die
Besorgnis vor den feindlichen Absichten des Kaisers ver-
breitet war. Der Abschied des Züricher Tages vom 10. Ja-
nuar, für den der Reformator mit eigener Hand ein Pro-
1) Opp. 421 f.
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238 LENZ;
gramm entworfen hat, trägt an der Spitze den Hinweis auf
den Ratschlag „aus der rechten Kunstkammer" ^). Die be-
ängstigenden ISTachrichten, von denen die Correspondenz
Zwingli's erfüllt ist, wurden auch in den Versammlungen
discutirt. Es wurde beschlossen, die Rüstungen zu vervoll-
ständigen ^ Kundschafter nach allen Seiten auszusenden, be-
sonders gegen die inneren Feinde, Wiedertäufer und Katho-
liken, mit Ernst vorzugehen *). Auch tauchen die kühneren
Gedanken, obschon in milderer Form, in diesen Acten auf.
In der Märzversammlung zu Basel kam man überein, eine
Botschaft zu den Graubündnem zu senden, die diese er-
mahnen sollte, „kraft der bestehenden Bünde" weder dem
Kaiser noch sonst jemand Durchpass flir Truppen zu be-
willigen. Zürich ward aufgefordert, den König von Frank-
reich durch „geschickte Personen" auf die G^fehr, die ihm
sein gegenevangelischer Bund mit dem Kaiser bring:en würde,
aufinerksam zu machen und ihn auszuforschen, was man
sich von ihm im Falle eines Ueberzuges durch den B^aiser
zu versehen habe. Man hatte die Absicht, wenn aus Frank-
reich guter Bescheid käme, die Herzöge von Savoyen imd
Lothringen mit denselben Fragen anzugehen. „G^enket
auch des Herzogtums Würtemberg", heisst es am Ende des
Abschiedes, den die Tagboten heimbrachten *).
Eben hier in Basel ward nun auch wieder über das
Burgrecht mit Hessen und dem Hohentwiel beraten. Nach
den Beschlüssen einer Vorversammhing in Zürich, 31. Ja-
nuar, hatte Philipp durch Strassburg die Einladimg zu einem
Burgrechtstage in Basel am 26. März erhalten, mit dem Be-
merken, er könne den Termin auch um 14 Tage zurück-
setzen ^). Am. 1. März hatte der Landgraf seine Gesandten,
Sigmund von Boyneburg imd G^org Kolmatsch, abgeord-
net^), am 13. erhielten sie schon in Basel ihren Abschied
1) Eidgen. Absch. S. 506.
«) Eidgen. Absch. Nr. 252 (S. 503). 257 (S. 516). 263 (S. 531'
273 (S. 546). 274 (S. 552).
«) Eidgen. Absch. Nr. 283 (S. 562). 309 (S. 625).
4) Eidgen. Absch. Nr. 263 (S. 531 f.).
^) Orig. der Instruction im Marb. Archiv.
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ZWINGLI UND LANDGRAF PHILIPP. 239
über Twid, zwei Tage darauf den über das hessische Bnrg-
recht *). Beides Tyohl nicht so, wie Philipp erwartet hatte.
Seine Anträge entsprachen der Stimmung seiner Correspon-
denz mit Zwingli. Der Bündnisentwurf, den die Instruc-
tion der Gesandten enthält, ist eine wörtliche Wiederholung
der Marburger Artikel, nur dass einige Punkte fester prä-
dsirt sind. Der erste Vertragsartikel lautete bisher: „Erst-
lich, dass alle oder der merteil der oberkeiten, so bisshar
das wort gottes by inen verkünden lassen, sich mit und
gegen einander trüwlich imd von herzen meinen und fiirdren
und vor schaden warnen sölten." Die Unbestimmtheit dieser
Fassung war jetzt aufgehoben durch die Worte „sich mit
und gegen einander in ein christlichen Verstände und
Einigunge begeben", die hinter „verkünden lassen" einge-
schoben sind. Dazu war der positive Vorschlag gegenseitiger
Hülfsleistung gefugt: der Landgraf versprach seine Reisigen
zu senden; er hoflfte dafür „nach seiner Gelegenheit" Haupt-
leute und Knechte in der Eidgenossenschaft bestellen zu
dürfen. In drei Wochen sollten sich die Städte entschliessen,
ob sie den Verstand annehmen wollten oder nicht. Es hat
ein halbes Jahr gewährt, bis der Abschluss, und auch dann
noch ohne Bern, erreicht worden ist
Die „Verstrickung einer benampten Mass oder Hilf"
wjftrd in Basel von vornherein zurückgewiesen. Selbst die
Züricher Instruction hatte sich dagegen erklärt*). In dem
Abschied ward die EnÜ^enheit Hessens dagegen geltend
gemacht, sowie, dass dadurch den 5 Orten Anlass geboten
würde, auch ihren Gönnern Knechte zulaufen zu lassen.
Ein Artikel der hessischen Instruction schlug vor: wenn
je die Untertanen eines Teiles des göttlichen Wortes we-
gen abfUUig und ungehorsam gemacht würden, dass die
andern Teile ihm verhelfen sollten, dieselben wieder zum
G^orsam zu bringen. Philipp hatte sich dadurch zur In-
1) Eidgen. Absch. Nr. 286 f. (S. 570 ff.).
*) Eidgen. Absch. S. 574. 1. „ Dass allein ein gemeiner verstand
ufgericht werde, on Verstrickung einer benampten mass oder hilf,
sonder uff forme wie in dem Markburgischen und Strassburgischen
abscheid vergriffen, und uss nachfolgenden Ursachen" u. s. w.
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240 LENZ,
tervention in allen Fragen der inneren schweizerischen Politik
verpflichtet. Indes die Eidgenossen selbst wünschten diese
Bereitwilligkeit gar nicht: in dem Abschiede liessen sie auch
diesen Artikel weg, allerdings „in keiner andern Meinung",
als dass er, wie man besorge, von den Gemeinden „un-
gleich" gedeutet imd damit dieser Vei^stand mehr gehindert
als gefördert würde. Die endgültige Antwort ward auf den
1. Mai verschoben, denn schon war man überzeugt, dass
der Kaiser vor dem Verhör der Parteien auf dem Reichs-
tage den Krieg nicht beginnen werde ^).
Innerhalb der festgesetzten Frist erklärten darauf Zürich,
Constanz, Basel und Strassburg sich zur Annahme des Ver-
trages mit den Abänderungen des Baseler Abschiedes bereit
Bern aber schrieb ab *). Auf den Tagen von Baden und
Basel im Mai und Juni ward von neuem verhandelt *). Der
Baseler ward zu keinem anderen Zwecke berufen. Berns
Gesandter erklärte dort, seine Herren wollten bei ihrer ge-
gebenen Antwort bleiben; er habe daher nicht mitzuraten,
sondern nur anzuhören imd besondere Begegnisse heimzu-
bringen. Zürich, Basel imd Strassburg, die mit vertreten
waren, entschlossen sich jetzt zu einem neuen, dringenden
Mahnschreiben an die säumige Bundesgenossin. Sie legten
demselben ein Amendement bei, das durch eine Abänderung
des zweiten Paragraphen dem Bundesentwurf' jede ofiensive
Spitze nahm. Vergleichen wir diese neue Fassung mit dem
analogen Artikel in der Schmalkaldener Bundesurkunde, der,
wie gesagt, fast allein von dem Marburger Vertrage ab-
1) Zur Milderung ward dann allerdings hinzugefügt: weil diese
Verständnis vermöge, dass alle Teile „einander treulich meinen"
imd jeder die Sache des andern sich wie die eigene angelegen sein
lassen solle, so sei es die Ansicht der Botschaften, dass im eintre-
tenden Falle ihre Oberen sich hierin untadelhaft verhalten und leisten
werden, was allen Teilen zugute dienen möge; deshalb wollen sie
nichts abgeschlagen, sondern ihren Herren nur ofiene Hand behalten
haben.
8) Eidgen. Absch. S. 644.
3) Eidgen. Absch. Nr. 322. Baden, 1530, 16. Mai f., y (S. 642.
644). Nr. 337. Basel, 1530, 16. Juni (S. 674 ff.)-
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ZWINGLI UND LANDGRAF PHILIPP. 241
weicht, so bemerken wir jetzt eine fast wörtliche Ueberein-
stimmung. Der defensive Charakter, der die Schmalkaldi-
schen von den Marburger Artikehi unterscheidet, ist also
nicht erst im December 1630 von den Sachsen, sondern
schon am 16. Juni in Basel von den Schweizern geschaffen
worden, und zwar grade von der Parteigruppe unter ihnen, die
noch am eifrigsten für ein energisches Vorgehen und für ein
Zusammenhalten mit dem protestantischen Norden gesinnt war.
Ein Brief Jakob Sturm's an Zwingli aus Augsburg,
in dem er über die bedrohliche Haltung der Kaiserlichen
und die bedrängte Lage der zwinglisch Gesinnten auf dem
Reichstage berichtete, ward für die Geheimen in Zürich der
Anlass, am 25. Juni noch ein Mal ein ernstes Mahnschreiben
an die Bemer zu richten, in dem wir den Geist, wahr-
scheinlich auch die Hand des Reformators selbst erkennen
können. „Und ist deshalb", so schliesst der lange Brief,
,, unser gar fründlich bitt und ermanung an üch, . . . (dass)
ir allweg trostlich und handlich sin und nit einer jeden
süessen Vertröstung, darunder zun zyten vil bitters vergra-
ben, gelouben geben, sundem üch wolbetrachtlich umbsechen
imd aller dingen handfest imd unerschrocken sin, euch üch
nützit abertröuwen lassen und allweg so guot vertruwen in
uns setzen wellint, als ir uns euch mit der hilf gotts allzyt
ufrecht, trüw und gerecht und imser unverdrossene hilf in
üwem selbs bänden haben sollen, der ungezwyfelten zuover-
sicht, der stark gott imsers heils allzyt zuo erhaltung unser
Ijh, Seelen, eeren und guots gnädiklich unser walten und sine
armen glöubigen nach sinem warhaften zuosagen wol erhal-
ten und nit in die bluotdürstigen händ irer fygenden geben,
sunder uss dem meer der trüebseligkeit zu sicherem gstaden
anleiten werd, Amen." *) Vom Tage darauf ist der Brief
1) £idgeii. Absch. S. 676, 4. Der Herausgeber bemerkt, dass
dem Original die Copie eines Schreibens an Zwingli, dd. 20. Jimi,
beiliegt (S. 678), hat dasselbe aber nicht mitgeteilt. Es ist auch
schon gedruckt, und wir kennen den Verfesser, da es, wie eine Ver-
gleichung mit dem Briefe der Züricher Geheimen an Bern zweifellos
macht, kein anderer ist als der Doppelbrief Jakob Sturm's an Zwingli
aas Augsburg vom 19. und 20. Juni 1530 (Opp. 465), adressirt g> suo
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242 LENZ,
Berns an Basel, in dem es seinen Beschluss aufrecht erhielt.
Es verschanzte sich hinter dem Widerwillen seiner Gemein-
den „in Stadt und Land", fugte übrigens die tröstliche Ver-
sicherung hinzu, „dass man, wenn der Fürst von Hessen
des Gotteswortes wegen überzogen oder mit Gewalt ange-
gefochten würde, sich gegen denselben so freundlich erzeigen
wolle, wie man sich getraue, gegen Gott und der Welt
Glimpf und Fug zu haben" ^).
So kam es zu einer Sonderung unter den Burgrechts-
städten. Auf dem Tage, den die Züricher Herren zum
21. Juli in ihre Stadt beriefen, erhielten sie von Basel und
Strassburg die Vollmacht, den Vertrag mit den am 16. Juni
genehmigten Abänderungen zu prüfen imd ihn darauf zu-
sanunen mit den beiden andern Städten, nach Einholung
ihrer Zustimmung, dem Landgrafen zur Annahme vorzu-
legen *). Diese Beschlüsse meldet Zwingli an Philipp in
dem Brief vom 22. Juli *). Am dreissigsten bewilligten der
grosse imd kleine Rat seiner Stadt den so geänderten Ver-
trag, in der Erwägung, dass er „zur Wolfahrt und Stärke
aller gutherzigen Christen imd dagegen zur Abschreckimg
aller Feinde der Wahrheit" dienen werde*).
Doch hat es noch Monate gedauert, bis die Verhand-
lungen zum endlichen Abschluss kamen. Die Baseler mach-
ten im October noch einen Versuch auf die Gewinnung
Berns, der ebenfalls so vergeblich ablief, wie die früheren ^).
Erst im November ward in einer Versammlimg, an der
auch hessische Gesandte teilnahmen, wieder zu Basel, das
Burgrecht zwischen dem' Landgrafen imd den Städten
Zürich, Basel und Strassburg mit den Abschwächimgen, die
amlco carissimo, unterzeichnet tuus ip (die falsche Datirung der
2. Hälfte, Opp. 469, auf den 28., statt den 20. Juni, die ich oben
S. 41, 3 noch wiederholt habe, lässt sich schon aus dem Inhalt selbst
verbessern).
1) Eidgen. Absch. S. 676.
«) Eidgen. Absch. Nr. 353 (S. 705).
8) Opp. 483.
*) Eidgen. Absch. S. 711.
6) Eidgen. Absch. S. 805 v.
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ZWmGLI UND LANDGRAF PHILIPP. 243
ihm die Schweizer am 16. Juni gegeben hatten ^ in Form
des Abschiedes gebracht *).
Wie vöUig aber hatte sich seitdem die Lage der Welt
verwandelt! Zwischen den Tagen zu Basel im März und im
November liegen die langen Monate des Augsburger Reichs-
Wem hatten die Ereignisse Recht gegeben?
Waren die Befiirchtrmgen Zwingli's vor den reactionären
Gelüsten des Kaisers leere Träumereien und Hirngespinste
gewesen?
Vergegenwärtigen wir uns in raschen Zügen das BUd
dieser weltbewegenden Ereignisse.
Der Weltbrand, dessen Aufleuchten seine und seiner
Freunde Phantasie schon auf allen Punkten hatte sehen
wollen, war nicht entstanden, so wie die Weltbundsgedan-
ken, kaum an den Tag gebracht, verflogen waren. Nie-
mand hatte versucht KatI die Alpen zu sperren. Aus dem
Einbruch in Tirol war so wenig geworden wie aus dem
Bündnis mit Venedig. Im Würtembergischen war alles still
geblieben. Herzog Ulrich sass noch bei seinem Freunde zu
Cassel in der Verbannung. Franz I. hatte den Frieden von
Cambrai gehalten; sein ganzes Bestreben war gewesen, die
Söhne wieder zu erlangen; im Sommer war es geschehen.
Die Kleinen an den Ghrenzen und im Innern , die Todfeinde,
Herren und Bauern, der Castellan von Musso, Marx Sittich
von Ems, Eck von Reischach, Werdenberg, der St. Galler
Abt, die Fünförtischen und alle die andern, waren still ge-
blieben. Nur zwischen Savoyen und Genf war das Wetter
losgebrochen. Da hatte wenige Wochen vor dem Baseler
Tage Bern die Energie entwickelt, die es an anderen Orten
1) Eidgen. Absch. Nr. 431 (S. 837). Der Vertrag ist abgedruckt
in den Beilagen Nr. 16, S. 1514, dat. Basel, 18. November. Zwei Ver-
sehen lassen sich hier aus der Schmalkaldener Bundesurkunde verbessern :
Art. V lies zwei Mal ganz st. acht (S. 1515, Z. 3 u. 2 v. u.), und
Art. VI warem st. merem (S. 1516, Z. 6). Weshalb fehlt Constanz
in der Urkunde?
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244 JJESZ,
80 schmerzlich vermissen Kess; ein Eri^szug von wenigen
Tagen hatte das Evangelium an die G^e8tade des Genfer
Sees getragen, war das Ereignis geworden, das in der Ge-
schichte des Protestantismus eine Epoche bildet, in dem die
Uebertragung des protestantischen Gedankens in die roma-
nische Welt ihren Ursprung hat. In Deutschland aber hatte
kein Fürst dem Kaiser sein Land, keine Stadt die Tore
verschlossen. Im März malt Zwingli es sich noch als etwas
ganz FürchterUches, kaum Auszudenkendes aus, dass der
Kaiser ein Städtchen, wie Kempten, besetzen und damit
nördlich der Alpen festen Fuss fassen könne. In denselben
Tagen ward Karl's Ausschreiben zum Reichstage bekannt:
friedeatmende Zusicherungen, gütige, gnadenvolle Verheissun-
gen, „die Zwietracht hinzulegen, vergangene Irrsal imserm
Heiland zu ergeben, und femer eines jeden Gutdünken,
Opinion und Meinimg in Liebe zu hören, zu erwägen, zu
einer christlichen Wahrheit zu bringen, alles abzutun, was
zu beiden Seiten nicht recht ausgelegt worden"^). Und
Augsburg, vielleicht die reichste und mächtigste deutsche
Stadt, der Knotenpunkt der Alpenstrassen^ der Schlüssel zu
dem Oberlande, hatte nicht gezögert, sich zur Aufoahme
des Kaisers anzuschicken, so wenig wie die Stände säumten,
der Ladung zu gehorchen. Von allen Seiten waren sie zu-
sammengeströmt, um ihrem Herren zu huldigen. Dann war
der Klaiser selbst gekommen; am 15. Juni war er, von einer
Versammlung deutscher Fürsten und Stände umgeben, wie
sie das Reich seit den Tagen Maximilian's so zahlreich imd
glänzend nicht wieder gesehen hatte, in die Lieblingsstadt
seines Ghx)ssvaters eingeritten.
Es kamen die Wochen, in denen die schweizerisch G^
sinnten sich von den Lutheranern imd den Kaiserlichen
gleich schroff abgewiesen sahen; wo Melanchthon imd seine
Anhänger gegen sie um so härter und verletzender auf-
traten, je nachgiebiger und schwäcUicher sie sich gegen die
Katholischen erwiesen. An Zwingli gelangten die Briefe
Sturm's, Bucer's, Capito's mit den bitteren Klagen über die
») Ranke, D. G. Ges. W. ID, 164.
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ZWINGLI UND LANDGRAF PHILIPP. 245
furores Lutheranomm und den begeisterten Lobpreisungen
des Landgrafen^ des candidus Hessus^ der allein in dem
allgemeinen Abfall sie und die Wahrheit nicht verleugne ^).
Der Eefonnator selbst hat, wie wir sahen, damals ununter-
brochen mit dem Fürsten correspondirt In dieser Zeit ruft
er ihm das herrliche Wort zu: „Hallt an, frommer Acker-
mann, hallt an! Es gat nur wol/^
Merkwürdig aber (jene Worte schon bestätigen es):
trotz der beklemmenden Situation ist Zwingli im Sommer
weit entfernt von den Besorgnissen, die ihn im Frühjahr
erfüllten. Nicht als ob er in seinem früheren Urteil über
den EBiser einen Irrtum erkannt hätte: „Ich fueg euch üch
ze wüssen, das uns gantz und gar wil ansehen, das alle
handlung des Kaisers nur ein schin sye, dann die pfaffen,
die inn gfangen frierend, mögend nit erlyden, das man uf
sye." Nach wie vor ist er überzeugt, dass Karl das Evan-
gelium ausrotten und die Monarchie errichten will. Das
gutmütige Vertrauen, das der Landgraf zu ihm hat, ist ihm
fremd. Aber er furchtet ihn nicht mehr. Er hat eingesehen.
1) Opp. 452. 453. 457. 458. 465. Jak. Sturm, Zw. Augsburg,
19. Juni (Opp. 467) : „ Nemo nostras agit partes praeter Cattum, isque
nomiisi tectis consilüs, non propalam. Nobis occluduntur et aures et aditus
onmes ita ut nihü possimus." Undatirter Brief Bucer's, in dem er
seine Ankunft (23. Juni) und die Capito's (««Ve.) meldet; (Opp. 472):
„Nihü potest fingi Lutheranorum in nos odio implacabilius, nihil aeque
atrox et dirum. De reliquis non est quod scribam. Unus Cattus est, qui
idoneum videatur gloriae Christi Organum. Is animose et religiöse
fidem suam coufitetur et confessus cum Caesari ipsi tum alüs." Zum
Schlnss: „Bene vale, et ora Demn, ut tantum nobis £Ei.yeat, quantum
Caesar Pontifici, imo impium id esset petere, nam oporteret ipsum
totius orbis gubemacula nobis concedere." In dem nächsten Brief
(9. Juli) ist seine Stimmung schon eine andere (Opp. 474): „Caesari
res cordi est plus quam dici potest nee uUa re alia atque religione in-
citari videtur.^^ Und weiterhin sogar: „Sic certe Caesarem animatum
nemo dubitat, quin cupiat dementissime omnia perficere, sed ut in
suum locum restituat dignitatem ecclesiae et ceremonias, alioqui
vitam, nedum regna cessurus citius, quam ut hie suo ut sibi videtur
officio desit. Dolendum est, optimi principis, ut omnia abunde in-
dicant , animum sie praestringi obnoxiumque esse istis hominibus , qui
nihil minus quam ejus salutem et dignitatem quaerere videntur."
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246 LENZ,
dass seine Macht nicht so gross ist, als sie in der Feme er-
schien. „Als mich des Kaisers sach ansieht", schreibt er
dem Fürsten am 13. Juli, „darff in niemand fUrchten weder
wer will"; und am 3. August: „Nun dunckt mich, das
gar nützid ze furchten sye, dann wahrHch, wahrUch, lasst
der Kaiser die Kugel an, sy wirt im ze verr louffen."
„Die Pfeffen wollen den Biieg gar nicht", schreibt er fünf
Tage darauf an Sam in Ulm und Simbert in Memmingen,
„denn sie wissen, dass der ihre Besitzungen am meisten
treffen würde. Sie rechnen aber auf unsere Verzagtheit und
Entzweiung und hoffen, dass wir vor den blossen Drohun-
gen des Kaisers zu Kreuze kriechen werden. Hierzu suchen
sie diesen aufzustacheln. Sobald wir aber standhaft auf der
Wahrheit bestehen, werden sie alsbald zurückweichen, da
sie eben wissen, dass der Krieg vor anderen ihnen ver-
derblich sein würde. Sola igitur constantia solvetur hie
nodus." ^)
Keinesw^ aber erschien dem Reformator damals Stand-
haftigkeit gleichbedeutend mit Einmütigkeit der Protestanten.
Das unterscheidet ihn von den Strassburgem. Wie heftig
sich auch Bucer in den Briefen aus Strassburg und Augs-
burg gegen Zwingli über die furores Lutheranorum aus-
lassen mochte, so wünschte er doch nichts sehnlicher, als
mit ihnen vereint zu sein. ZwingU aber verschärfte ge-
flissentlich grade in diesen Tagen der Krisis die Differenz
mit den Wittenbergem, nicht bloss durch die „Verantwor-
timg" seiner Lehre an den Kaiser, in der er den Unter-
schied von den Wittenbergem auf das bestimmteste hervorhebt,
sondern mehr noch durch den Druck seiner Marbui^er Pre-
digt über die Vorsehimg mit der Widmung an den Land-
grafen, in der er diesen gradezu als seinen Anhänger recla-
mirt, und durch das öffentliche Ausschreiben, das er am
27. August den Schmähimgen entgegenstellte, mit denen
Eck seine Verantwortung an den Kaiser erwidert hatte.
Niemand war darüber unglücklicher als der schmiegsame
Bucer. Am 18. September machte er in einem Briefe aus
0 Opp. 480. 48a. 487. 492 f.
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ZWIN6U UND LANDGRAF PHILIPP. 247
Augsburg *) dem Freunde die bittersten Vorwürfe, der, auch
wo ihm der Anlass fehle, die Lutheraner reize und ver-
letze: „Negant Sacramenta conferre gratiam, etsi in con-
tentione afiSnia huic errori loquantur, et tu illos cum pa-
pistis conjunxisti in responsione ad convitia Eccii. Item
plus quam odiose procidisti illos et in praefatione ad prin-
cipem Cattorum. Quem insignem et immortalitate dignum
librum hand debueras in&usta hac prae&fione invidiosum
reddere." Bucer's Meinung ist vielmehr: je besser unsere
Sache, desto mehr müssen wir uns herablassen, wenn wir
damit die Verirrten auf den rechten Weg zurückfuhren
können.
Vergessen wir jedoch nicht; wann dieser Brief geschrie-
ben ist: „Quamlibet^^, so b^innt er, „miris artibus Satan
conjungere hactenus conatus sit, quos oportet esse dis-
junctissimos, nempe filios lucis et tenebrarum, nondum tamen
successit Imo nunquam adhuc tantum inter se disjuncti
fiiere, legato Pontificis iyrannidis restitutionem a Caesare
Bononiae jurejurando promissam, ut ferunt, urgente impro-
bius quam antehac unquam. Gratia Christo, qui suos vel
invitos e mundo seligit, imo eripit" Die VermitÜungsver-
suche einzelner Fürsten, die Unterhandlungen des Kaisers
selbst waren gescheitert; sie hatten nur die Unversöhnlich-
keit der feindlichen Principien an den Tag gebracht Schon
sahen sich die Kurfürstlichen selbst bedroht: am 7. Sep-
tember war ihnen mit den andern das Concil angekündigt
worden, mit dem Zusatz, „dass sie sich mittler 2ieit dem
Kaiser, den Ständen und der gemeinen christlichen Kirche
gleichförmig würden zu halten haben". An ihren Protesta-
tionen hatte der E^aiser ein „merkliches Misfallen gehabt".
„Qewalt", so schrieb er danach an seinen Gesandten in
Rom, „wäre jetzt, was die meiste Frucht bringen würde." *)
Als Bucer jenen Brief schrieb, war er im Begriff, zu Luther
nach Coburg zu reiten. Am 22. ward der Abschied be-
kannt, der auch die sächsische Partei vor die Alternative
1) Opp. 515.
t) Ranke, D. G. m, 200ff.
Zeitsehr. f. K.-G. lU, i. 17
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24B UEÜJZ,
des WiAenirfß oder des Krieges stdlte. Am 23. veriieeeen
Kurfiöröt Johooin und der Herzog von Lüneburg Augsburg.
Das war die Summe dieser £k^eignis0e: die Einladung
zum Reichstage hatte die Befürchtungen Zwingli's Lügen
gestraft, der AbscWed rechtfertigte sie vollkommen. Im
Frühling sciiien man dem Nationalconcil entgegenzugehen^
im Herbst sah man den Glaubenskrieg vor Augen.
V.
Bemerken wir, welchen Umschwung diese Wendnng in
der Politik des Kaisers bd seanen Gtegnem hervorbrinigeti
miisste.
Seit dem Augsburger AbscWede war die protestantiscbe
Parteibew^ung in «iner neuen KrL^. Es waren die Mo-
nate, in denen Buoer zwischen den feindlichai Lagern so
unermüdlich hin und her handelte, mn seinen AbendmiJJs-
begriff als die höh^^ Einheit oder vielmehr als den bisher
nur durch unnütB aufgewirbelten Staub verdunkeHoi, ge-
meinsamen Kern der sü^itigen Lehameinungen plausibel zu
machen: die do^natische Wiederspiegelung der politisch»!
Verhandlungen, welche da noch einmal eine Zusammen-
fessimg der gesammten protestantischen Kräfte anstrdbt^i.
Wieder, wie vor ein^n Jahre, sehen wir die getrennten ver-
wandten Kreise sich anziehen, Verdnigimg suchen. Aber
die Attraction geschieht jetzt von der anderen Sdite. Nicbt
Zwingli war es diesmal, der die Hand zur Versöhmmg bot.
Die Position, die er im Sommer so schroff gencnuxnen, Ver-
liese er nicht & liess jetzt die Dinge an sich kommen; er
war der Mistrauische, schliesi^ch der Ablehnende. Lutlier
schrieb nadi der Coburger Unterredung einem Freund, und
man merkt, welche Freude es ihm machte: „Es ist Hofihui^,
dass die Saeramentirer, wenigstens die Strassbui^er, sich
mit uns aussöhnen ; denn Bucer wurde abgeschickt, um mit
mir darüber in Coburg vertraulich zu verhandeln, und wenn
das, was er sagt, nicht täuscht (ich habe ihn ermahnt,
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ZWINGLI UND LANDGRAF PHILIPP. 249
oflfen ZU eein), so ist die Hoffnung nicht gering." Zwingli
aber protestirte wenig später gegen diese „jämmerlich er-
fochtene Enigung", die nicht bestehen möchte. ,,öott ist
alt", ruft er aus, „aber nicht krank, hat uns noch Kraft und
Rats genug."
Welche Wandlung sdt einem J^ühre, ja wenigen Wochen,
seit der Zeit, wo Melanchtbon über die Verantwortungs-
schrift Zwin^'s an den Kaiser urteilte, ihr Verfasser scheine
närrisch geworden zu sein! Im Sept^nber schon hiess er
selbst bei seinen besten Freunden kindischer als ein Kind,
der, wie kein anderer, auf dem Reichstage dem Evangolium
geschadet habe.
Die Rechtgläubigkeit der Sachsen (wenn wir ihr Fest-
halten an ihrem AbendmahlsbegrifF so bezeichnen wollen)
stand, dagegen können wir gamicht die Augen verschliessen,
in einer ganz bestimmten Wechselwirkung mit ihrem Ver-
hältnis zum Kaiser. Je sicherer sie sich vor der katho-
lischen Reaction fühlten, um so lutherischer traten sie auf,
je lutherischer, desto abgeneigter, die Reinheit des Evange-
lium mit Gewalttaten zu beflecken, je defensiver, desto sub-
misser gegen Kaiser Karl, je submisser gegen den Kaiser,
desto schroffer g^n die Zwinglianer. Unter dem Druck
des Speirer Abschiedes hatten Sachsen und Hessen den
Gedanken eines evangelischen Qesammtbündnisses gefasst:
die Gefahr, die durch den von Augsburg drohte, brachte
dieselbe Combination zuwege. Im Herbst 1529 hatten die
sächsischen imd nümbergischen Theologen jede bewaff-
nete Verteidigung des Glaubens als dem Evangelium wider-
sprechend bezeichnet: ein Jahr darauf liessen sie ihre Be-
denklichkeiten vor den Einwendungen der Juristen mit einer
bei ihnen sonst seltenen Bereitwilligkeit fallen. Haben sie
sich wii'klich nur der besseren Interpretirung der heiligen
Texte gebeugt? Oder sind ihre Deutungsversuche durch den
Wechsel der politischen Verhältnisse modificirt worden?
Kann das Zurückweichen der Sachsen von den Speirer
Beschlüssen im Herbst 1529 in der Tat ebenso gross ge-
nannt werden, als es politisch unklug war? Oder werden wir
etwa sagen müssen, dass es weder gross noch klug gewesen ist?
17*
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250 LENZ,
Man weiss von Verhandlungen, die zwischen den Habs-
burgem und dem Eurförsten Johann seit dem Somm^ 1529
bis zum Reichstage von Augsburg gefuhrt wurden, doch hat
man den Schleier, der über ihnen li^t, noch nicht gelüftet
Gewiss, das religiöse Moment ist der Qrundtrieb in den
protestantischen Parteibildungen : aber je weiter wir den Gte-
danken von uns weisen, die in der Reformation wirkenden
Kräfte in eine Reihe von Interessenfragen auflösen zu wollen,
je überzeugter wir als die wahrhaft treibenden die idealen
Momente bezeichnen, umsomehr sind wir verpflichtet, jedes
von ^aussen wirkende Motiv, das auf die religiöse Stellung
und Ueberzeugung der Protestanten eingewirkt haben könnte,
au&usuchen und bis in seine letzten Spuren zu verfolgen.
Wohl am 13. October, unmittelbar nach dem rauhen
Abschiede, der den Yierstädten gegeben war, fragte Graf
Albrecht von Mansfeld, das Haupt der sächsischen Gesandt-
schaft, die den Kurfürsten nach seiner Abreise vertrat, ohne
Auftrag seines Fürsten allerdings („als von ihm selbst^'),
bei den Botschaftern „etlicher Fürsten^', wie es heisst, an,
ob nicht das, was zu Schmalkalden mislungen, nochmal in
Yerhandlimg genonmien werden könne ^). Er femd das
1) Alles Folgende nach der Instruction Conrad Zwick's, der am
24. October vor den Züricher Geheimen ab Gesandter seiner Stadt
über diesen Antrag referirte. — In der Correspondenz der sächsischen
Gesandten mit dem Kurfürsten bei Förstemann, Urkundenb. z. d.
G. d. RT. zu Augsburg, ist nur eine Werbung der Strassburger Bot-
schafter an die Sachsen yom 18. October abgedruckt, in der wesent-
lich Yon der Beilegung des Sacramentsstreites die Rede ist (11, 726;
an den Kurfürsten von seinen Räten übersandt den 14. October, ebd.
S. 763). Am 14. October verliess Albrecht von Mansfeld den Reichstag
(ebd. S. 762). Vgl. die Briefe Mansfeld's und der andern Gesandten an
Kurfürst Johann, ebd. S. 661. 707. 762. — Keim, Schwäbische Re-
formationsgesch. , S. 243 ff. , hat diese Vorgänge auf Grund guter und
mannig^Eu^her Acten berichtet, doch sehr viel kürzer, als es der Be-
richt Zwick*s gestattet. Nach ihm wäre der erste Anstoss von den
Strassburgem ausgegangen, die Acten in den £. A. bezeichnen aber
aufs bestimmteste Mansfeld als den Urheber. Ich schliesse mich dem
sehr genauen Referate Zwick^s an.
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ZWINGLI UND LANDGRAF PHILIPP. 251
frenndlicbBte Entgegenkommen: es lasse sich zwar immer
noch ansehen 9 war die Antwort^ dass zwischen ihnen und
ihren Anhängern auf der einen und dem Kurftirsten und
seinen Mitverwandten auf der andern Seite einige ^^ Schweiz
ung'^ obwalte; doch wisse man^ dass ihre Herren und An-
dere immer bereit und willig gewesen wären, dem Kurfürsten
und seinem Anhange nach Vermögen gute Freundschaft
zu beweisen. Ohne bezügliche Befehle zu haben, konnten
sie doch der Hoffiiung Ausdruck geben, dass ihre Herren
in einer solchen Angelegenheit es an nichts fehlen lassen
würden. Diese Eröffiiung ward von den sächsischen Räten
„gar freundliche^ angenommen und bei allem Vorbehalt
g^en dnen „Verspruch" der Meinung Ausdruck gegeben,
dass die christliche und brüderliche Treue g^enseitige Hülfe
zur Pflicht mache, weil die Verfolgung aus gleichen Ur-
sachen geschähe und alle träfe. Danach ging man auf eine
nähere Beratung ein. Der Kurfürst müsse in Dänemark,
Preussen, Lübeck, Hamburg, Lüneburg u. s. w., die von
Nürnberg und Ulm mit den Städten ihrer „Landesart",
Strassburg mit seinen Verwandten, „als den Eidgenossen
und denen, so in dem Burgrecht bei einander wären" ^),
unterhandeln, wie eine Vereinigung gemacht werden könnte
und wessen sich jeder Teil von dem anderen getrösten
dürfte. Sobald man hierüber im Reinen sei, müsse von
wenigen Personen eine gelegene Malstatt, lun Frankftirt oder
Nürnberg, gewählt, und mit Vollmacht der Herren und
Oberen die Sache beschlossen werden. Die Fürsten würden
die Reiter werben, die Städte jenen mit Fussvolk aushelfen.
Ghraf Albrecht stellte in Aussicht, mit 3000 Gulden, welche
die Städte erlegen möchten, 2000 Pferde zu gewinnen, die
Jahr und Tag auf seinen Befehl warten und im Notfall zu
einem bescheidenen Solde dienen würden, wie und wo man
sie brauchte. Er glaubte den Städten versprechen zu kön-
nen, dass er den Kurftirsten zu ähnlichen Zusicherungen be-
wegen werde. Man sprach sich darüber aus, wie sehr der
Fortgang solcher Unterhandlimgen allen Christen ziu: Stärkung
1) Keim nennt noch eine ganze Anzahl anderer Stände, a. a. 0. S. 244.
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252 hmz,
gereichen; den Widerwärtigen „etwelchen*' Schrecken ein-
flössen und vielleicht zur Folge haben werde, dass sie ,, desto
eher nichts Unfriedliches anfingen, weshalb solches nicht
verachtet oder aufgeschoben werden sollte". Denn — so
kühn waren diese Gedanken — wenn irgend einer der
protestirenden Stände überzogen würde, so müssten alle an-
deren gleichzeitig aufbrechen und jeder den nächsten Feind
angreifen; es möchte schwierig sein, in der Eile ohne Ge-
fahr und Schaden an den Ort zu kommen, wo ein Ueberfall
geschähe, wohl aber könnte man den Nächsten angreifen
und mit der Einnahme seines Landes weiter fahren, so daes
der Feind erschreckt und zum Verzicht auf Angriff oder
Belagerung gezwimgen würde. „Wie aber ein sdbher Plan
ausgeführt werden soUte, wäre notwendig zuvor wohl au
beraten." Man sah femer flir gut an, dass die Bürgerstädte
in der Schweiz von den „Wallisem imd anderen Eid-
genossen " eine offene Antwort verlangten, waa sie von ihnen
zu erwarten hätten, falls sie von dem E^aiser oder jemand
anders des Glaubens halber auf den Reichsabschied hin mit
der Acht oder anderswie angefochten würden; doch muss
eine solche An&age sowohl bei den G^neinden als vor den
Räten gestellt imd dabei angezeigt werden, dass die Büi^er-
städte nicht im Siime hätten, jemand zu einem Glaube oder
anderen Ceremonien zu zwingen, sondern als Eidgenossen
in allen AnHegen Leib und Gut zu den anderen Orten zu
setzen, in der Hoffiiung, dass dies von denselben auch ge-
schehe. Fände man hierin guten Willen, so wäre man dann
in der Unterhandlung desto sicherer; wenn aber eine ab-
schlägige oder sonst „usserliche" Antwort fiele, so müsste
man sich weiter danach richten.
Obschon nun bis zum Ausbruch des Krieges vielleicbl
noch geraume Zeit verfliessen und zum Abschluss des Ver-
ständnisses Gelegenheit sein könnte, so hielt man es demi-och
für geboten, ohne Aufschub Kriegsleute anzuwerben, die
Ilauptleute und alle Aemter zu bestellen, Kri^räte zu
verordnen, fiir Artillerie und anderen Bedarf Vorsoi^e zu
treffen, ganz in gleicher Weise, als ob man jede Stunde auf-
brechen mü^te; damit jeder; sob^ der Widerpart sich
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ZWINGU UND LANDGRAF PHILIPP. ^53
regen oder etwas anfiuagen würde^ den gefassten Beschlüssen
geaiäsB handdn und den Feind ^ ehe er etwas erreichen
oder »ch sammeki könnte; anzugreifen yermöchte. Die
Bürgeret^te sollten ferner; sobald der Beichsabschied mit
Stiafouaidaten und Aehtserklärungen verkündigt würde;
durch einen offenen Druck ihr Verhalten gegen den Kaiser
rocht&rtigien und nachweisen; dass diese Anfechtung des
G&tteswortes und des wahren Qlaubens wegen geschähe; z^-
gldch aber von allen Nachbarn , den Herraa und Städten,
eine bestivnnte Erklärung fordern; ob dies^ben dieser Acht
und dei^enigen; die deren Execution unternähmen; anhangen;
ihnen Vorschub und Durchpass gewähren würden. Endlich
ward auch der Fall in3 Auge ge£ässt; dass die Gegner die
Action nicht mit Eri^; sondern mit dem Kammergericht
gegen dnzelne Städte einleiten würden. Dann müssten alle;
die den cbristUchen Glauben und das Evangelium b^ennen^
sich derselben Stadt aimehmen und- dem Fiscal, dem Kam-
mergericht; dem ^charegiment; auch dem Kaiser schreijden
und ankündigen; dass sie mit aller Alacht für jene Stadt
einstehen wollten; wenn sie des Glaubexis oder kirchlicher
Dinge wegen geschädigt würde ^).
So begaamen die Unterhandlungen; die am 31. Decem-
ber 1530 ihren ersten Abschhiss fanden; in dem Sinne einer
GresMumtverbinduDg der evangelischen Partei, mit derselben
TendeaZ; die z;u Speier ausgesprochen; dann aber von den
Sachsen au%egel,>en worden war. Jetzt ging aus ihrer Mitte
der Versuch hervor; die zerrissenen Fäden wieder anzu-
knüpfen. Es waren nicht die ausschweifenden Gedanken
eines Bundes mit Frankieich imd Venedig; eines Offensiv-
krieges; einer Absperrung Deutschlands gegen die katho-
lische Welisnonarcbie, wohl aber eine Zusammen&ssung der
1) Au9 denBelben Tagen (c. 15. October) besitaen wir einen
Bandesentwurf von der gegnerischen Seite, ,, Ratschlag der verord-
neten Rat, wie sich die Ro. kai. Mt. und die gehorsamen Chur, Für-
sten und stead Ains uber^ugs des glaubens halben aneinander verbin-
den sollen^' (Forstemann, S. 788), der ziemlich analoge Bestim-
mungen enthält, so wie später der Nürnberger Bund eine Nachbildung
des Schmalkaldischen war.
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254 LENZ;
gesammten germanischen protestantischen Welt und der
Wille entschlossenster gemeinsamer Verteidigung. Es war
der Gkdanke; den Zwingli in Marburg Ruhend erstrebt
hatte, nur kam derselbe jetzt von der gegnerischen Seite; nur
hatte er nicht mehr die Führung. Wie wird er sich jetzt
dem Plane gegenüber verhalten?
Wie die Strassburger Prädikanten die dogmatische^ so
vermittelten die Strassburger Stadtherren die politische Eini-
gung. Jakob Sturm und sein Mitgesandter Matthis Pfiurer *)
überschickten die Vorschläge am 15. October an ihre Stadt;
von dort gingen sie über Basel nach Zürich. Von Constanz
kam hierher mit denselben Instructionen Conrad Zwick. Als
er grade im geheim^i Rat Vortrag hielt; am 24. October,
langten die Mitteilungen aus Strassburg an, darin auch der
rauhe Abschied des Reichstages selbst. Zürich säumte nicht
mit den erforderlichen Schritten. Nach Bern ordnete es
eine eigene Gesandtschaft deshalb ab; der Sihlherr Rudolf
StoU und mit ihm fiir Constanz Conrad Zwick ritten dorthin.
Die andern Bürgerstädte wurden schriftlich zu einem Bürger-
tage auf den 11. November nach Basel einberufen. In dem
Einladungsschreiben an Constanz erklären die Geheimen,
ein ;;S0 herrliches, tröstliches und wichtiges" Unternehmen
gerne unterstützen zu wollen: Constanz möge daher sehen;
auch die schwäbischen Städte zu gewinnen, deren Einschluss
der Ghraf von Mansfeld ja auch vorgeschlagen habe. In
dem Briefe an Strassburg nennen sie sich dem Verständnis
„nicht abgeneigt". Die Schreiben an die andern Städte
betonen nur die Notwendigkeit, wegen des Mansfeldischen
Antrages und der bösen Anschläge und geschwinden Läuft;e
„sich etwas stattlich; wäsenlich und wolbetrachtlich mit
einander zu underreden <' •). Auch Bern nahm den Antrag
ganz freundlich auf, der ihnen fiir ihre Personen und „zuo
fiirderung der eer gottes und erhaltimg sins h. worts" dien-
^) In dem Abdruck des genannten VorschlageB bei Förste-
rn an n, S. 726, ist dafür merkwürdigerweise (jedenfalls ein Versehen
des Oopisten) der Name „Jacob Pfaff" eingesetzt.
2) Eidgen. Absch. Nr. 412 (S. 816 f.).
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ZWINGLI UND LjANDGRAP PHILIPP. 255
lieh ZU sein scheine. Doch tinterliessen die Herren nicht
hinzuzusetzen: ^^doch mit lutem gedingen, dass ir nützid
in unserm namen besliessend noch zuosagend, sonders allein
von mittlen redend^ mit fUrhalt; wo es thuonlich, an meren
gwalt gelangen zu lassen: dann wir uns gar nüt vertiefet
wellen haben, und dise inlassung uns genzhch unvergriffen-
lieh sin, biss uff gefallen mereren gewalts ^* ^).
Auch Landgraf PhiKpp hatte am 19. October mit dge-
nem Boten ein neues Schreiben an die Geheimen von Zürich
gesandt, in dem er von dem rauhen Abschied Meldung tat,
seine Rüstungen imd Htilfsbereitwilligkeit zusagte und die
befreundete Stadt zu Gleichem aufforderte. Die Herren
unterliessen darauf nicht, wie bereitwillig sie ins Burgrecht
treten würden, zu bezeugen, aber den Wimsch Philipp's,
schon vor dem Baseler Tage ihre Zustimmimg zu erhalten,
wiesen auch sie zurück *).
Zur bestimmten Zeit kamen die Städteboten in Basel zu-
sammen. Auch hessische Gesandte waren erschienen. In we-
nigen Tagen hatte man sich geeinigt: vom 17. November ist der
Abschied. Das ist fast das Datum des hessischen Burgrechtes:
der Tag von Basel, auf dem sich die Schweizer über den
Mansfeldischen Antrag zum Eintritt in den Schmalkaldischen
1) Eidgen. Absch. S. 822 f. (28. October 1530).
*) Der Brief Philipp's wird erwähnt in dem Antwortschreiben
der Züricher, dessen Orig. im M. A.: „Dass wir gänzlich hoffend,
sölHcher christenlicher Verstand und dameben mit Gottes Hilf soviel
Weg and AGttlen, Stärk, Hilf und Trosts fanden werden, das auch
die porten der Hellen nit darwider mögint.'* Nachträglich faad ich
noch einen neuen Brief des Landgrafen an Zwingli erwähnt, in einem
Briefe an die Dreizehner von Strassburg, aus Friedewald, 30. Sep-
tember 1530, in dem er seine Einwilligung in die Veränderung der
Bundesartikel erklärt: „Wiewohl wir nun in solcher Aenderung Be-
schwerung tragen, idoch, dweil wir'numehr so weit uns mit euch und
den andern eingelassen haben, wollen wir zu Zertrennung solcher vor-
habenden Verständnuss nit Ursach geben." In Betreff des Briefes an
Zwingli bittet er am Schluss: „Wir begehren auch gnädiglich, ihr
wollet diessen inliegenden Brief dem Zwinglin zuschicken, doran thut
ihr uns zu GefetUen."
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256 LENZ;
Bund schlüssig maclien soUten^ ist also dersdbe, auf d«n
die Verhandlongen über das hessische Burgrecbt endlich
ihren Abachluss eriangten. Jetzt verstehen wir^ weshalb dies
Actenstück mit der Schmalkaldisehen Bundesurkuade so
wörtHch übereinstimint : es ist eben nichts anderes als ein
Stück der Vorvedbandlungen^ die zum Schmalkald ischen
Bunde führten.
Und da ist es nun von hoh^n Interesse, zu beobachten^
wie sich die Bürgerstädte jetzt, da er ihnen von der säch-
sischen Seite entgegengetragen wurde, zu dem Vorschlage
stellten, den sie selbst formulirt hatten und dessen Verbiad-
lichkeit för ihr Verhältnis zu Hessen sie grade auf diesem
Tage bewilligten.
Der Kurfürst hatte zu einer Versammlung in Schmal-
kalden auf den 28. November eingeladen, teife wegen einer
Verständigung über das Sacrament, teil» auch, wie es in
dem Ausschreiben ausdrücklich hiess, wegen der Unterhand-
lung über eine Verbindung, die der Graf von Mansfeld mit
den Gesandten von Strassbijurg in Augsbujrg angeknüpft
habe *). Es war also nicht mehr viel Zeit zu verlieren, imd
von Strassburg hatte sich Jakob Sturm daher schon auf den
Weg gemacht Die hessischen Gesandten trugen nun als
Wunsch ihres Herrn vor, dass die drei Städte Zürich, Bern
und Basel ebenfalls ihre Botschaften senden möchten, dran-
gen aber damit nicht durch. Bern hielt sich auch in dieser
Frage ganz bei Seite. Die beiden andern Städte und mit
ihnen Constanz betrauten Strassbui'g mit ihrer Vertretimg.
Auch Jakob Sturm war nui; zur Beratung und Heivd-
bringung der Beschlüsse bevoUmächtigt. Den Schweizern
aber ging selbst dies zu weit. Sie setzten noch den Zusatz
durch, dass man, solcrn über eine Vereinbarung mit dem
Kurfuisten und anderen Herren imterhandelt werden könnte,
nur einen kurzen, einlachen „Vergriff" machen und nicht
viel darein „streuen" woUte, indem dies allen Teilen aur
Erweisung der einander schuldigen christlichen Treue viel
^) Dies und das Folgende nach dem Abschi/e^ von Qas^l) 16. No-
vember f. 1530. Eidgen. ' Absch. S. 837 S.
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ZWmGLI UND liAOTGBAF PHILIPP. 257
mehr nütaen würde als die AuMchtung grosser Briefe
und Si^eL Die landgräflichen G^sandt^i brachten femer
wiederum die Emladung Frankreichs zum Eintritt in die
Vereinigung m Vorschlag. Auch hiegegen erklärten sich
die St^tC; indem sie auf die papistische Haltung des Königs
seit seiner Verbindimg mit des Kaisers Schwester hinwiesen.
£in dritter Punkt der hessischen Instruction betraf den
Sacramentstreit : da Luther und Bucer sammt ihren Anhän-
gern darüber einig geworden seien^ möchten die Prädikanten
allenthalben angewiesen werden, gleichförmig zu predigen.
Die Antwort war: üb^ diese Verständigung seien die christ-
lichen Städte noch keinesw^s im Reinen; es sei ihnen davon
keine Nachricht zugegangen, sie woUten aber den Personen,
„denen es zuoständig^% den Handel zur ferneren Begut-
achtung übergeben; eine bestimmte Antwort zu geben sei
ihnen augenblicklich nicht möglich.
Die Haltung, welche wir hier die Schweizer gegenüber
dem evangelischen Gesammtbündnis einnehmen sehen, ent-
spricht also recht wenig der Begeistenmg, mit der ZwingU
den Qedanken in dem vergangenen Jahre begrüsst hatte.
Aber vielleicht war dies nur eine Folge des Particulaxiömus
Berns und seiner Anhänger, gegen den Zwingli so unauf-
hörlich xmd so vergeblich sich abmühte: wie stand er selbst
zu den Baader Verhandlungen? An die Gesandten seiner
Stadt in Basel, den Bürgermeister Röist und Werner Beyel,
den Stadtschreiber, hat er am 20. November den Brief ge-
schrieben, indem er sich g^en die „Musselei^^ Bucers und
seine „jämmerlich erfochtene Einigung ^^ erklärt ^). Es ist
ein officielles Schreiben, von ihm verfasst, von seinen Col-
legen Heinrich Engelhard und Leo Jud mitunterzeichnet,
ein Blatt, das in der Entwicklung des Reformators eine ähn-
liche Bedeutung beanspruchen darf, wie jener Brief aus
Strassburg auf der Marburger ßeise: „Vertröstet sonsten
unsere lieben Herren imd Burger von Strassburg mit andern
Sachen weder mit dieser jämmerlich erfochtenen Einigung,
die nicht bestehen möchte. Gott ist alt, aber nicht krank,
1) Opp. 550.
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258 t£SZ,
hat uns noch Kraft und Rats genug ^^. Gaben die Schweizer
die Sacramentslehre in der Bucer'schen Fassung zu, so
fehlte ihnen moralisch jeder Grund, den Bund mit Sachsen
abzulehnen, den sie in demselben Augenblick in der wört-
lich gleichen Fassung mit Hessen bewilligten. Dann sah
also ZwJngli sein Ideal erfüllt. In der Tat schreibt er:
„Aber von der Einigung und Händeln wegen, so vor Augen
sind, geben wir zu, dass Buzer seine Schrift, sofern Ihr
daran auch sein möget, mag an den Fürsten von Lüneburg
lassen ausgehen, damit andere Sachen zu besserem Ruhm ^)
mögen geflihrt werden." So^eich jedoch setzt er hinzu:
„Wo aber sich jemand klagen wird, die Wahrheit sei ihm
verfinstert, oder uns zeihen, wir haben die verlassen, wollen
wir die Hand offen haben uns zu erläutern und bei der
Wahrheit zu bleiben, unangesehen obgleich die ganze Welt
uns beschuldigen [so gedruckt], sam wir Friedens uns nicht
fleissigen, denn wir sehen, dass diese finstere Angst aus
Fürwiz kommt. Gott, der ims je imd je geftihrt, wird uns
weiter bringen." Er verweigert deshalb nicht das Bünd-
nis: „denn wir dessen gesinnet, dass wir mit diesem Span
mit ihnen gemeines Glaubens halben Freundschaft und Einig-
keit wol könnten hab^i, als wol als wir jetzt päpstisch und
lutherisch mit einander wider die Türken zögen, denn die
Einigung würde gemacht zu Schirm Leuten, Landen, gemeiner
Gerechtigkeit imd der Summ des Glaubens etc., deren wir
einig sind. So aber sie das nicht wollen thim, sehen wir
wol, dass Fürwiz und Misstrauen da wäre, so wird auch
nicht noth sein, dass man sie für die Wahrheit setze."
Gewiss, das religiöse Element, die ideale Kraft, das
Lebensprincip, auf das sich alles Denken und Handeln des
Reformators im Innersten zurückbezieht und gründet, tritt
in diesem Momente der flntscheidung rein, von anderen
Beziehungen losgelöst, zu Tage. Es geht ihm wider das Ge-
wissen, es ist ihm eine moralische Unmöglichkeit, das zu
verdimkeln, zu verwischen, was er bis dahin als Wahrheit
empftmden und gelehrt hat. Seine Person wenigstens soll
1) So lese ich st. „zu bessern Ruhen '^
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ZWINGU UND LANDGRAF PHILIPP. 259
frei stdi^i. Hier ist aein Princip, das er sich nicht entreissen
lassen kann» Grade indem er das Bündnis trotz dieser
Differenz annehmen will; bezengt er dies, wie denn auch
Luther einmal erklärt hat, das sei ihm im Ghninde das
Liebste.
Dennoch dürf(^ wir nicht ausseracht lassen ; dass
Zwingli mit Preisgebung seines Pnncipes auf Ghdanken ver-
zichtet haben würde, deren Verwirklichimg er stets mit be-
sonderem Eifer angestrebt hatte.
In Marbuig hatte er zuerst — man vergisst das nur zu
leicht — von Luther nicht Duldung , sondern Annahme
seines Sacramentbegriffes verlangt Danach erst hatte er den
Gegner um ;, brüderliche Liebe", Anerkennimg der religiösen
Gemeinschaft gebeten. Als ihm auch diese verweigert war,
hatte er gehofil, trotz Luther mit seiner AufßEtösung in Nord-
deutschland durchzudringen ^). Von Sachsen her waren ihm
Zuschriften in seinem Sinne geworden. Ostfriesland sah er
1) S. z. B. den Bericht Zürichs an Bern über das Marburger
Gespräch vom 24. Oetober 1529: „Doch sind sy jüngst nach aller
Handlung, wiewol kein artikel spännig gewesen, denn allein des
sacraments des lybs und hluots Jesu Christi, eins worden und haben
sich verglycht, wie ir in hie bygelegtem trückli haben zuo yememen,
der durch dennocht so tu geschafft, dass der Landgraf in all sinem
land erloubt hat, unser meinung zuo predigen, weliches aher vomaher
zum höchsten verhotten gewesen. Ist man wol guter zuoversicht, ire
nachburen,. die Sachsen, und ander anstossende land oueh nit lang
mer heben werdint; dann das volk allenthalben unser meinung be-
sinnt und bedacht." (£. A., S. 418.) Femer die früher (S. 61, A.) an-
geführte Notiz Zwingli*s über den Landgrafen : „Unsere meinung im sacra-
ment wachst durch in uf im nider land." YgL auch den sehr sieges-
gewissen Brief, den er am Tage nach seiner Heimkehr nach Zürich,
den 20. Oetober, an Yadian schrieb (Opp. 370) : „Ita ut jam princeps
ipse nobiscum sentiat, quamvis palam erga quosdam principes dis-
simulet. Aulici Hassii ferme omnes deciscunt a Luthero. Ipse per-
misit libros nostros innozie legi posse. Episcopos, qui nostrae sunt
sententiae, posthac non moyeri officio patietur." Zum Schluss auch
Über die politischen Erfolge: „Arbitror enim alia quoque nos attulisse,
quae pro religionis praesidio et adyersus monarchiam Caesaris fisuitura
sint (?;, quae vobis quoque, sed cum tempus postulabit, exponenda
erunt."
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260 tJ^Z,
schon 9h seine ßrobenmg an und war auss^ sich, als die
Sachsen hier ihre Kirchftnform mit Gewalt durchsetzten *).
Hessen schien ihm nicht minder sicher bu sein '). Gane
Oberdeutschland femer hatte sich bisher entschieden eu seiner
Auffassung bekannt. Jetzt sah er alle diese Errungenschaften
fallen^ das Luthertum bis an den Rhdn; bis an sein^i un-
mittelbaren Wirkungskreis vordringen.
Ja schon regten sich in diesem selbst die dissidirenden
Meinungen. Constanz und Basel schwankten hin und her.
Oekolampad war einen Augenblick im Begriff, sich offisn liir
die ötrassburger zu erkllU'en. Am 19. November lud er
Zwingli mit dringenden Worten dazu ein: ^^Salutem in
Christo. Valde solliciti sunt legati Argentoratensium, qui
huc missi, ne te dif&cilior^n reddas in recipiendis bis, quae
ad concordiam cum Luthero attineni Equidem nee per-
suasione ulla opus apud te esse arbitror, ubi ubi et vmtatis
J) S. den Brief an Philipp vom 9. März 1530 (Opp. 669).
8) Wie hochgespannt in der Tat die Hoffiiungen der Zwinglianer
im Sommer 1629 waren, geht aus keinem Document deutlicher her-
vor als aus dem Briefe Bucer's an Zwingli vom 30. Juni (Opp. 311),
der weniger hekannt ist, als er es verdient: „Gradas Domini.
Observande Zwingli. Vehementer gaudemus pacem restitutam, etsi
meruissent quidam severiora, sed evehit nostra Christus dejectione (?).
f^pes est n\mc pactum (das Burgrecht mit Strassburg) viam pulchre
munitam fore. Christus magnifice ubique simm gloriam revelat. Est
quidam modo (?) hie , qui fortissime apud Danos , Suedos et Leivonios
Lutheri magicam sententiam oppugnavit nee minus feüciter. Ipse
Danorum rex et multi ex ecclesiarum ministris et proceribua cum
omni fere plebe servatorem jam in dextris patris adorant. Filius regis
cum quibusdam obstitit et Pomeranum ascivit et hunc firatrem, eo
quod laicus est, ut vocant, regno expulit. Supersunt autem plurimi recte
veritatem edocti. Dedit his diebus quidam ad me literas ex Magno*
polensium ducatu, civitate Wismariensi, vere in Domino doctus, qui
palam Christi gloriam a pane vindicat. In Frisia orientali, regione
ampla, in qua plurimi fratres sunt purissime Christum praedicantes,
pridem impanatio explosa est. Scribit Carolstadius , utinam prudentia
et lenitate christiano digna. Narrant tarnen fratres eum mire Lutheri
persecutione promovisse (?) et admodum ardere in negotio Domini.
Haec habui, quae jam tibi scribenda putavi." Vom Landgrafen war
Zwingli gradezu eingeladen worden, die hessische Kirche zu organi-
sireu. Vgl. den Brief vom 2. November 1529 (Opp. 666).
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ZWINGU UND l-ÄÄDGBAP PHILIPP. 261
et ottrittftia jushis fuerit rei^ectUB. Utriusqfue Buooras mea
sententut obseryanÜBsilnciB est^^ ^) Es folgt «ine Barlegmi^
des äacramentbegriffes^ wie Bufcer selbst sie m(^ «jodets
gestdlt baben würde. Wenige Tage darauf aber ist der
Baseler Refomuytor wie umgewandelt. Er hatte jetast den
«otsdKideoftdeii Brief Zwi&gli's geleseB, der auch für ihn be-
stimmt WUT; sowie "sein letztes Gutachten über den Sacra-
meatbegntifl Am 2^. Nevember sohiokte er ihm mit seiner
Antwort einen Brief Bucer's: ^^Salutem in Christo. Dilecte
frater! Literas adjectas mittit o akwn^xoXa&tog. Quid velint,
videris tu." Noch setzt er ein ,, utinam perquam faustum ali-
quid" hinzu. Sofort aber folgt: ^Redditae autem et mihi
sunt tttae super conoürdia Ijuäieri, nee imprudens videtur
cODSiUum *). Nihil tarnen de ea re scripsi Aigentoratum; eo
quod legati, ubi tabeBio venit, jam abierant, et interim nullus
occurrit, neque tu praeceperas. Prodeat igitur Buceri peri-
culo^ tametsi; nisi onmia fallant, Lutherus eam minus appro-
babit; ^uam nos.^^ Dann kam von Zwingli die Erlaubnis^
das Ghftacht^i den Sü*assbui^m zu übersenden ^). Vom
3. December ist die Erwiderung Oekolampads, durch die
Zwingli gewiss mehr befriedigt worden ist als Bucer durch
den Brief, den er deshalb von Oekolampad erhielt: „Salutem
in Christo. Bucero meutern tuam in concordia cum Luth^ro
scripsi diHgenter, mi frater. Remitto tibi tuas literas, quae
reponantur dignas, nemo enim satis caute lubricas illas an-
guillas constringet. "
Ich möchte sagen: die dogmatischen Ansichten vibriren
in dem VerhlUitnis der politischen Schwingungen,
Sehr klar tritt dies in Schaffhaos^a an den Tag, das
noch stärker zwischen den sächsischen und den schweizerischen
Begriffen hin und her schwankte. Vertreter der sächsischen
Richtung war hier der Prädikant Benedict Burgauer, gegen
den Erasmus Ritter die Zwingli'sche Richtung verfocht. Der
i) Opp. 546: oft iCitirte S&tze, um die MittelstelluDg des Schrei-
bers zo chaiakterisiTeii. Die folgenden Briefe übersah man dabei.
«) Opp. 552.
^) Der Brief fehlt; dass er aber geschrieben, lehren die Anfangs-
Worte in Oekolampad's nächstem Brief.
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262 LENZ;
Magistrat gab vor; seine Bürgerschaft und er selbst belüden
sich nicht mit den Händebi und lebten im übrigen in
Friede und Eintracht ^). Die Herren beriefen sich auf die
Bestimmung des Burgrechtes^ dass jede Obrigkeit in Sadien
des Glaubens und ewiger Seligkeit so handeln und sich
halten sollC; als sie sich getraue, gegen Qtoü und mit heiliger
Schrift zu verantworten, da ja der Glaube und Seligkeit
der Selen eine freie, unverdiente Gbade und Qtahe von Qtott
1) In der VerantwortungsBchrift an die Bürgerstädte: ,,Na sig
war, dass unser predicanten in dem voranzaigten artikel etwas zwi-
spältig und nit glichmässig predigind, wie dann anderschwo euch
beschechenmöcht; sy predigind aber, wie und was ej wellind, so be-
ladind wir und unser burgerschaft uns dess nit, sonder neme ein
jeder darus, das in bedanke das best sin; wir äigind ouch von den
gnaden gotts diser zit woU mit enandem ains nnd wüssind von kainer
zwitracbt, unruow noch unainigkait nüts zuo sagen. Und dann der
vesper halben lassind wir unser pfa£Pen, damit die doch ouch etwas
thüegind, latinisch psalmen und anders nünts, denn was dem gotts-
wort anhangt, singen, wie dann die an etlichen orten ouch tütsch
gesungen werden ; davon gebint wir inen sonderlich nünts und nemind
inen ouch nünts, deshalb das um kainer zitlichen belonung, geniessens
noch ainiches ab oder nfgangs wUlen bescheche. Dwü nu, wie vor
angeregt, unser grosser Rat uns zuo handien gwalt geben, .sind wir
bishar neben andern unsem ehaften gschäften daröb gsessen und wei^
den hinfür aber darüber sitzen für und für, der predicanten, ouch
der vesper halben und in ander weg, guoter hofiiung, was dem gotts-
wort und Evangelium glichformig, ab wir das bishar ouch gethan,
dessglich was inen unsem lieben Aidgnossen und christenlichen mit-
bürgern angnem und gefällig, so vü uns möglich ist, [ze] handien. Wir
haben ouch das christenlich burgrecht bishar unsers tails gehalten
und dem zuowider nützid fürgenommen, sonder disem nachbeschribnen
artikel nit ungmäss gehandelt, welcher also lutet: Und fiimemlich
diewü der gloub und Seligkeit der seelen ain frige unverdiente gnad
imd gab von gott ist und in jemands gezwang noch vermögen [nit]
stat, etc. (folgt wörtlich). Daruf, so mögend wir wol liden, man
besehe ander artikel ouch aigentlich und wol und ermesse dann, an
wem mangel erschinen, wo, wie und an welchem ort dem burgrecht
von uns oder andern unsem christenlichen mitburgem sige glebt oder
nit. Und bitten daruf unser 1. £. u. eh. M. samt und sonders mit ernst
fründlich, sy wellen dis unser antwurt für guot annemen (und) uns
allweg in trüwer befelch haben, so wellen wir uns glicher wis als
getrüw lieb Aidgnossen und mitburger ouch gebürlich halten, erzaigen
und bewisen." Eidgen. Absch. S. 786 h, 1.
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ZWIKGLI UND LANDGRAF PHILIPP. 263
sei und in Jemands Zwang noch Vermögen nicht stehe: Ent-
schuldigungen^ hinter denen sich natürlich die entschiedene
Hinneigung zu der lutherischen Auffassung versteckte ^). Es
geschah dies in den kritischen Wochen des Reichstages, wo die
Schwächlinge noch zu glauben schienen, die Gefahr von sich
auf die Zwinglianer ablenken zu können. Die Sache kam
im August vor die Bürgerversamndung in Zürich *). Wie
brauste diese aber gegen die toleranten Schafihausener auf!
Zwingli entwarf mit eigener Hand im Namen seiner Züricher
Mitprädicanten eine Supplication an die Burgrechtsboten:
;; Fromme vest etc. heb herren, üwer ersam wysheit mag
ring erwegen, was Übels und unrats zuo diser zit, dero
alle ding so gefarUch stond, under den christlichen Stetten
entston möchte, wo sy in der leer nit eintrechtig; es mag
ouch das christliche burgrecht zweyerlei leer nit erlyden."
Die Boten sollen ihre „ Heben ^^ Eidgenossen und Mitbürger
von Schaff hausen „darzuo vermögen, dass sy uns gedachten
Benedicten stellen und darzuo halten, dass er bericht eint-
weders von uns empfahe oder uns gebe ; dann wir in hierin
der unwarheit und unrechter leer leider müessend schuldigen,
über dass er sich vil eins andren hat lassen zuo Bern mer-
ken". Natürlich geschieht dies Ansuchen in aller Demut:
„DemiietikUch bittende, ir wellind dise unsre anmuotung im
besten ufhemen. Dann wir zuo eintrechtigheit der Stetten
geneigt solches ansinnend und sust uss gheiner andren ur-
sacL Habend ouch lang gewartet, ob er sich endren und
bessren weite; so aber das nit wil sin, not uns die anligende
notdurft der einigheit, söUchs anzebringen."
Die Beschlüsse ergingen in dem Sinne, wie ZwingH
1) Ln Frühjahr war Erasmus wegen seiner heftigen Ausfälle auf
der Kanzel zu einer hohen Geldhasse und im Kichtzahlungsfalle zur
Verweisung aus der Stadt verurteilt worden. £r appellirte an Zwingli
(Opp. 420), und die Sache kam auf der Märzversammlung in Basel
zur Sprache. Der Abschied lautete zu seinen Gunsten, „da die Pre-
digty wie zu vermuten, aus göttlichem Eifer geschehen sei". (Eidgen.
Absch. S. 564 d. 567, Note zu d.)
2) Eidgen. Absch. Nr. 368. Zürich, 1530, 19. August, f. h (S.
734).
Zeitachr. f. K.-0. UI, 8. 18
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264 LENZ,
wollte: SchaflBiausen ward au%efordert, da die dortige Pre-
digt und Meinung des Sacraments sowie andere mehr ;, päpst-
liche" Ceremonien ,, unserem christenlichen verstand und
burkrechten ungemäss und mit bewärter heiliger geschrift nit
zuo verantwurtend", den abtrünnigen Prädieanten zum Ver-
hör vor die „Schrifterfahrenen " zu stellen. Keine Stadt war
diesmal eifriger als Bern : in der Instruction für seine Boten
hatte es vorgeschlagen, überhaupt keine Botschaften mehr
zu der renitenten Stadt zu schicken, sondern ihr kurzweg
zu schreiben, sie solle schlechthin alles päpstliche „Plunder-
werk " abtun oder es mit der Schrift bewähren ^).
Sehr natüi'lich, dass im Herbst unter dem Druck der
Concordatsverhandlungen diese Aspii^tionen von neuem auf-
tauchten. Zu Aarau in den letzten Tagen des September,
in Baden am 20. October und eben zu Basel selbst im No-
vember wurde daiüber verhandelt. In Baden hatte der
Bürgermeister Peyer von Schaffhausen berichtet, dass alle
Ceremonien, die Vesper, Bilder und anderes vom grossen und
kleinen Rat abgetan seien ; in dem Handel des Prädieanten Bur-
gauer würden seine Oberen binnen kurzem die Gelehrten zu
dem Verhör berufen *). Dies war dann aber nicht geschehen.
In Basel erschien der Schaffhausener Botschafter ohne In-
struction über diesen Punkt. In dem Abschied ward solches
scharf gerügt und jenem „ernstlich" befohlen, seinen Herren
anzuzeigen, dass bis Si Andreas (30. November) dem ge-
tanen Versprechen nachgelebt und das Nötige nach Zürich
geschrieben werden solle; man ei-warte, dass Schafi^hausen
sich halte wie die anderen Städte des christlichen Burgrechtes
und den Prädieanten wegweise, sofern er auf seiner Meinung
beharre.
Wir haben noch einige Briefe, die Erasmus Ritter aus
Schaffhausen über seinen Gegner an Zwingli schrieb. Da
erfahren wir die Parteischattirung innerhalb der Stadt: die
Regierenden, die Geheimen, begünstigten die lutherische Auf-
fassung, während der Ghrosse Rat in der Mehrheit offenbar
1) Eidgen. Absch. S. 737.
«) Eidgeu. Absch. Nr. 410 c, d (S. 811).
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ZWINGU UND LANDGRAF PHILIPP. 265
KU der schweizerischen Form neigte: also dieselbe Partei-
gruppirung, die in Zürich bestanden, bevor Zwingli den
Oeheimen Rat nach seinen B^riffen umgestaltet hatte ^).
Auch Oekolampad erwähnt den Schaffhausener Handel
in dem Brief vom 3. December: „Scaphusanae ecclesiae
torbatori operae pretium foret frennm imponi, ne sua licentia
etiam aliis molestior sit. Quod si etiam nos illi committe-
mnr [zum Verhör], non detrectabimus. Omne tibi in nos
jus est, quantimi per magistratum nostrum licet, evocandi
etiam quolibet" Man spricht so gerne von der „milden", der
„evangelischen" Gesinnung Oekolampads: eine der Phrasen,
1) Opp. 420. 560. 583. Besonders aber Opp. 496, ein undatirter
Brief, in dem Erasmns Zwinglin die Häresien Borgauer^s und des
„Senates" denuncirt. Als Ketzereien des Prädicanten werden seine
lutherischen Meinungen angegeben, besonders die vom Abendmahl:
„1. Articulus Sacramenti: quem nunc publice (post fratemam ad-
monitionem fratrum, qui apud S. Gallum sunt, deinde post publicam
dlsputationem Bemae) tueri conatur in hunc usque diem. Anno 1528,
dominica vocem jucunditatis omnes, qui est pro significat inter-
pretantur, Wiclephistas vocavit, atque verbo simpliciter credendum
adhortatus est. . . . Dominica tertia post Pentecosten eodem anno
clamavit: Hoc est, Hoc est, oportet, ut verba sie maneant; non dixit
Christus, Hoc significat, sed, hoc est: multis et inauditis calumnüs
nos incusans, nos Deum velle mendacem facere. Eandem sententiam
etc.** Als 3. Punkt: „Anno 1528 in die Jacobi dixit: si ego crede-
rem, Christum tantum juzta oamem passum, haereticus essem.
Ipsissima ea verba, quae Lutherus in libro confessionis arrianice con-
fitetur" ... „5. Eodem die (29. Juni 1528) dixit, idola in conven-
tionibus publicis non esse prohibita. Illud quoque anno 1530 in die
ascensionis asseruit cum infinitis convitiis, ut, qui aliter sentiant,
Suermeri sint." Und nun recapitulirend : „Haec omnia sunt adeo
contra Scripturam, ut civitas illa christiana pati omuiuo non possit.
Hoc notandum: £r hat ein Verschreiben [ung?] um sein Pfrund,
doch sofern er predigt, was er mit Gottes Wort kann verantworten."
Es folgen die Häresien, quae ad senatum pertinent, 6 Punkte. Hier
kommen die localen Interessen zum Vorschein, die sich imter der
Hülle der Dogmen verbargen; z. B.: „5. Omnes adversarios papistas
fovent, nam hie tamquam ad Asylum confugiunt [das sind die «Ver-
triebenen von Bothweil^ von denen in den Eidgen. Absch. viel die
Rede ist, stets in Verbindung mit jenen dogmatischen Differenzen].
6. De monasterio Paradiso etc. et [?] uihilominos ostendont, se male
vellc verbo."
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266 LENZ;
die sich; ohne dass dabei eigentlich etwas Rechtes gedacht
wird, noch immer von Buch zu Buch schleppen. Der Ghund
ist wohl die Mittelstellung, die der Baseler Reformator mit
dem Baseler Staate einnahm. Dieser „milde" Mann betrieb
damals die Wiedereinführung eines gemeinen Bannes in dem
ganzen Bereiche des Burgrechtes: sein eigenster Gbdanke,
den er, der frühere Mönch, mit Leidenschaft, wiewohl ver-
geblich, verfocht. Man mag dies noch als Beweis seiner
„evangelischen" Gesinnung auffassen, wie er selbst es in
den Motiven seines Antrages auf dem Büi^rtage zu Aarau
getan hat, im Gegensatz nämlich zu der oft gehörten Klage
des Volkes, die bürgerUche Obrigkeit „welle die lüt mit
gewalt fromm machen"^). Die Art aber, wie er sonst über
die Methode der Evangelisirung dachte, kann jedenfalls nicht
unter jenen Begriff subsummirt werden. Jubelnd schreibt
er am 23. Juni dieses Jahres an Zwingli: „Salutem in
Chiisto. Mi frater. Imitati simt tandem nostri hie exemplum
vestrum et e minori majorique senatu omnes cedere jus-
serunt, qui vel verbo Dei adversantur vel nobiscum in coena
Domini communicare hactenus noluerunt, futurumque est,
ut omnia officia a summis usque ad minima sie lustrentur
tam in civitate quam in rure. Deinde etiam censura eccle-
siastica instituatur, quae excommunicationis loco erit, imo
excommunicatio omnium, qui inemendabili vita aut doc-
trina ecclesiam nostram coinquinant. Aspiret Christus
felicibus ceptb. Puigata enim domo Domini ab inqui-
natoribus illis per Christum satis fortes erimus adversus
mundi minas. Si enim Dominus pro nobis, quis contra
nos?"«)
Wirklich, Milde in dem Sinne der heutigen Gtslassen-
heit gegen religiöse Differenzen kannten diese Männer nicht.
Ihre Toleranz begann, wo ihre Macht aufhörte. Sie kämpf-
ten nicht um Duldimg, sondern um die Herrschaft ihrer
Idee. Ihre Gedanken giogen bis zur Umgestaltung der Welt,
zunächst aber der Kreise, in denen sie wirkten. Wo sie
1) Eidgen. Absch. Nr. 395, Aarau, 27. Sept. 1530 (S. 784, 1. 787).
55) Opp. 470.
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ZWINGLI UND LANDGRAF PHILIPP. 267
den Sieg erlangten, da nutzten sie ihn voll aus: die Wie-
dertäufer, „söliches unchristenliches vych", wurden rück-
sichtslos unterdrückt, an Gut und Leben bestraft ^), über-
haupt jede Differenz in Dogma und Ceremonien ausgemerzt;
ihr christliches Burgrecht konnte „zweierlei Lehr nicht er-
leiden'^. Denn sie kämpften gegen Feinde ringsimi, überall
um ihre Existenz.
Konnte aber Zwingli, der in Schafl^hausen die leiseste
Hinneigung zu den lutherischen Begriffen vmterdrückte, die
nach Wittenberg schielende Auffassung der Strassbtu'ger, ihre
,, lutherischen Gesuche und Abwege" in demselben Augen-
blicke für sein Herrschaftsgebiet zimi Gesetze erheben? Zu-
mal da er auch jetzt noch keineswegs die Hoffiiung auf-
g^eben hatte, selbst ausserhalb der Eidgenossenschaft den
Sieg zu erringen. Li dem oft genannten Briefe spricht er
dies unmittelbar nach den Worten über die Notwendigkeit,
der Wahrheit treu zu bleiben, aus: „Ihr wisset, liebe Her-
ren 2), dass dieses alles nur ein Schirm des Luther's ist und
nicht der Wahrheit, denn so wir's je besehen, so ist der
Mehrteil aller Christen unsers Sinnes, und wird sich das von
Tag zu Tag erfinden." Und dann kommen Worte, die
noch weiter blicken lassen: „Da^ Augsburg jetzt also steht,
kommt aus denen, die unsers Sinnes sind, und nicht aus
den Lutherischen."
Augsburg war damals im Begriff, „seine Religion zu
ändern", und die Leiter der Bewegung gehörten zu der
sdiweizerischen Richtung. Wir erkennen: in seinen Hoff-
nungen auf den Norden getäuscht, glaubte der Reformator
das Oberland wenigstens mit seinem Geiste durchdringen zu
können, denn teils war es schon sein Gebiet, teils war der
Boden zur Aussaat aufs beste vorbereitet Seit dem Antrage
des Grafen von Mansfeld aber hatte die sächsische Politik
auch diese Stellung angegriffen, und wie gefahrlich sie wer-
^) Jene schmähende Bezeichnung enthält der 2. § in dem Ba-
dener Abschied vom 17. November 1530 (Eidgen. Absch. S. 842 b).
Die Edicte gegen die Täufer wie gegen jede innere Dissidenz sind
stets um so härter, je grosser die Gefahr von aussen ist.
«) So L 8t. „lieber Herr". Opp. 551, letzte Reihe,
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268 hENZ,
den konnte^ bewies der Abfall Strassburgs^ das Schwanken
von Basel und Constanz^ und die widerspenstige Haltung
Schaffhausens. So sind diese Concordatsverhandlungen ein
Ringen y Macht gegen Macht Wenn Zwingli im Halbst
1529 ausgezogen war^ den Norden Deutschlands für seine
Bekenntnisform zu erobern , so hatte er jetzt das Oberland,
ja sein eigenstes Arbeitsfeld gegen die Lutherisirung zu ver-
teidigen.
Mit der Reformirung der schwäbischen Städte ver-
knüpften sich für ihn aber noch andere, gfuiz besondere Ab-
sichten.
Wir begegneten voi4iin bei seinen ausschweifenden Plä-
nen vor des Kaisers Ankunft zwei Lieblingsideen; die in
seiner Weltanschauung untrennbar verbunden waren: Frei-
heit und Evangelium. Es sind ihm die Mächte des Lichtes,
deren Vorkämpfer er sein will gegen die finsteren Gewalten,
Papsttum und Monarchie, die „beide von Rom", ebenso eng
verschwistert und aufeinander angewiesen sind wie jene.
Da er diese Gedanken in den heiligen Schriften wieder
sucht, erscheinen ihm als ihre Verteidiger die Propheten
des alten Bundes, unter ihnen vor allen Jeremias; seine huma-
nistischen Studien hingegen^ bringen ihm das Bild des Vor-
kämpfers der hellenischeai Freiheit gegen den makedonischen
Tyrannen vor die Sele, Demosthenes. Indem sich ihm aber
das Andenken jener Helden des kirchlichen und des clas-
sischen Altertums erneuert, so ist das doch ftir ihn kein
blosses Erinnern oder Vergleichen, vielmehr vnrd er — und
das ist der Geist der Renaissance, der nicht studiren, son-
dern erwecken will — die Gedanken, jRir die jene Grosseai
gelebt und gelitten haben, sei es eiiialt^i, sei es wieder ins
Leben rufen, reformiren. Ein Tyrannenfeind wie De-
mosthenes, ein Führer des Volkes Gbttes zu sein wie Jere-
mias, das erscheint ihm als die Au%abe des Predigers. In
dieser Stimmung hat er den Commentar zu jenem Propheten
geschrieben. Die Zueignung desselben, die er dem schwan-
kenden Strassburg in den Tagen der zweiten Schmalkaldner
Versammlung, im März 1531, widmete, entwirft mit diesen
Zügen sein Idealbild eines Prädicanten, und gleich einem
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ZWINGLI UND LANDGRAF PHILIPP. 269
Propheten des alten Bundes hat er in dem Gedächtnis seines
treuesten Schülers fortgelebt ^). Wie in der Idee, so sind
auch in der Wirklichkeit die Reformversuche ZwingU's, die
politischen und die kirchUchen; untrennbar in einander ver-
wachsen.
ZwingU stutzte sich, wie man weiss, zur Durchfuhrung
seiner Gedanken besonders auf die dem Regiment zunächst
stehenden Schichten des Bürgertums. Der Kampf gegen
die vornehmen Stadtherren war der Beginn seiner Befor-
mstion, ihre Unterwerfung der seiner Herrschaft gewesen. Frei-
lich ist er hierin niemals so weit gekommen, als sein Wille
war. Noch im Sommer 1530 hielt er eine Predigt, in der
er sehr heftig, wie er pflegte, über die feindliche Haltung
der vornehmen Geschlechter Klage fiihrte und behauptete,
an allem und jedem Ruin, der irgendwo Städte oder Völker
getroffen habe, sei der Adel schuld gewesen. Er glaubte es
^) Besonders mei^würdig sind auch nach dieser Richtung seine
Auslassungen in dem Brief an Sam und Simbert vom 18. August
1530 (Opp. 492): „Gratiam et pacem a Domino. Quod, charissimi
fratres, aliqua trepidatio vestros subit, admirari nolite. Pars enim
in fide re vera etiam num (nunc) est, pars rerum humanarum imperita,
pars vero a veritate non modo aliena, sed etiam abhorrens. Hinc novi
nihil fit, si consilia capiuntur interdum non satis firma, si a coeptis
pedes referuntur, si cum hoste quoque colluditur; nam in tanta in-
genionun ac sensuum diversitate nasci uniforme ac solidum consilium
qui potent? Venmi tametsi humanum corpus ab ossibus, nervis,
costis, deindc a cute, came, venis ac sanguine consideremus, jam et
huic metui remedium inveniemus. Est pondus camis, cutis ac san-
guinis longe majus quam nerrorum et ossium, sed nihilo secius pon-
dere ac mole sua nihil sunt, nisi herum robore veluti fulcris ac sta-
minibus erigantur et ferantur; sed neque ista fiilciunt aut surregunt,
nisi spiritu universa animentur, ut sie primum sit animus, secundum
ossa et nervi, postremum caro et sanguis in humano corpore. Ad
hunc modum res nunc habent. Teneri in fide homines inezperti et
irreligiosi imbeciUis caro sunt, nihil quam voluptates et iners ocium
adpetentes. Vere pü tum prophetae [d. h. die Prädicanten] tum po-
puläres homines , etsi pauci sunt, veri tamen ac integri sint dato , jam
non aliter tam imbecille corpus sustinebunt ac fulcient, quam ossa et
nervi cameam istam massam. Tunc autem et ii validi ac vivaces
enmt, si spiritu Dei animentur. Eat nunc et Evangelio metnat,- qui
hoe pacto videat ecclesiam esse instmctam." U. s. w.
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270 LENZ,
mit der Geschichte Athens, Karthagos, Roms und zuletzt noch
der Ungarn beweisen zu können *). Fast der ganze Adel,
schrieb er damals an die Bemer Prädicianten Haller und
Megander, sei gegen sein Werk, während die Leute vom
Lande meistens zu ihm hielten ').
Dennoch war Zwingli mit nichten ein Demagoge, weit
mehr, wenn wir überhaupt so allgemeine Formulirungen auf
diese vielgestaltigen und particularen Verhältnisse anwenden
dürfen, wie Calvin, Aristokrat. „Venmi ipse in hoc non
sum", schreibt er an Ambrosius Blaurer, der selbst einem alten
Patrizierhause von Constanz entstammte, „utextinctam nobi-
litatem cupiam, sed emendatam, atque, quod ad rem christia-
nam pertinet, in ordinem conductam". Er bekämpfte nur
die Interessengemeinschaft der Konstafel mit der alten Kirche.
Sobald er diese gebrochen, den Rat der Geheimen nach
seinem Sinne imigestaltet hatte, stützte er sich am aller-
liebsten, wohl mit üebergehung des grossen Rates, auf seine
„Probuleuten". Sie beheiTschte er und durch sie den Staat
Aehnlich, nicht gleich, denn die Verschiedenheit der
localen Momente bedingte überall besondere Spielarten in
der Entwicklung, waren aber die Parteiverhältnisse in den an-
deren Städten der Schweiz und des Oberlandes gestaltet.
Bei Basel und Schaffhausen bemerkten wir es. In Augs-
burg war es nicht anders. Die Briefe Zwingli's an die
Oberländer Freunde, Sam in Ulm, Simbert Schenk in Mem-
mingen, setzen überall dasselbe Verhältnis voraus. Mit
Vorliebe betont er grade in diesen Schreiben die Ver-
wandtschaft, wie ihrer religiösen, so ihrer politischen In-
teressen. Die conservativere Strömung, mochte sie päpst-
lich oder nur lutherisch gefilrbt sein, beherrschte die Mehr-
heit der alten regierenden Geschlechter, die nach Einfluss
ringende Bewegungspartei kämpfl;e fiir die schweizerische
Auffiissimg. Gab Zwingli jetzt den lutherischen Begriff, wenn
auch in der Abschwächung der Strassburger, zu, so verleug-
nete er also die „Mehrheit", die in den schwäbischen Städten
•i) An Blaurer, 6. Sept. 1530. Opp. 507.
8) 6. Juni 1530. Opp. 461.
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ZWINGLI UND LANDGRAF PHILIPP. 271
die Reformation eben in seinem Sinne durehsetzen wollte.
Für seine Person hätte er den Difteleien Bucer's vielleicht
zustimmen können ^ aber die Rücksieht auf die Volksklasse^
die ihn stützte und in seinem Abendmahlsbegriff das Eigen-
tümliche seiner Lehre sah, hielt ihn davon zurück. In
dem Absagebrief an die Strassburger Prädicanten vom
12. Februar 1531 hat er dies als die Summe seiner Er-
wägungen ausgesprochen; „Ferro equidem possem, Bucere,
scriptum tuum vulgari, quod ad me attinet, sed simul dico,
quod ad me attinet, libro nullo esse opus. Quibus ergo
eduntur ista? Vulgo. Quem nos custodire debemus, ne
alicunde falsam opinionem hauriat, taceo, quod ei offixtias
ob oculos spargamus. Summa summarum: perstamus per-
petuo, neque aliter credas me unquam sensurum, etiamsi
orbis diversum sentiat, quam et nunc et antea sensimus.
Parce hac in re labori et chartae." *) Hätte er nicht Bes-
serer und seinen Freunden zum Siege verhelfen, nicht jen-
seits des Rheins unterstützen müssen, was er diesseits scho-
nungslos bekämpfte? Unmöglich wäre der Rückschlag auf
seinen engsten Wirkungskreis ausgeblieben, während die
Unterstützung der Bewegungspartei seiner Schöpfung zu
beiden Seiten des Bodensees einen festen Rückhalt versprach.
Ausbreitung seines Bekenntnisses war Ausbreitung seiner
Macht Sein Sieg organisirte die Reichsstädte in den For-
nien der Schweizer Gemeinwesen. Er Hess ihn hoffen, sein
Bui^recht, vielleicht die Eidgenossenschaft selbst über den
Bodensee, zu den Schwaben zu tragen.
Denn das ist einer seiner Lieblingsgedanken gewesen,
seitdem er Zürich beherrscht hat
Zunächst war es seine Absicht, die Reichsstädte in das
Burgrecht zu bringen. Im Juli und August 1529, zur selben
Zeit mit den Verhandlungen wegen der Einnahme Strass-
bui^ und des Hohentwiel, ist darüber, unter dem Eindruck
des Speirer Abschiedes und des ersten Cappeler Frieden,
vielfach beraten worden *). Deshalb war Zwingli später,
1) Opp. 681.
s) EidgeiL Absch. S. 304 ff.
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279 USSZ,
im Frühjahr 1680, über den Bürgermeister von Ulm, Bern-
hard Besserer, so erbittert, weil dieser gegenüber Philipp
grade in Bezug auf j«3en Lieblingsgedanken die Schweizer
der Lauheit angeklagt hatte, die doch — meinte der Refor-
mator — ganz allein auf seiner und seiner Anhänger Seite
zu finden wäre *). Die Wahrheit war übrigens, dass aller-
dings nicht Zürich und Zyringli, wohl aber die Bemer von
Anfang an der Verbindung mit den Schwaben abgeneigt
waren.
Das weitere Ziel flir Zwingli war aber die Ausbreitung
der Eidgenossenschaft in dem Reiche selbst Wenigstens den
Bodensee und die Pässe, die von Norden in das Rheintal
führten, hoffie er schweizerisch zu machen. Und es ist
natüriich, dass er diesen Gedanken um so lebhafter betrieb,
je schrofier die Differenz mit den Lutheranern und je grösser
daher die Gefehr war, isoHrt zu werden. So schreibt er am
5. April 1531 an den Freund Vadian, der ihm von St
Gallen aus Lindau, Isnj und Memmingen gewinnen sollte:
die evangelischen Fürsten seien zu entfernt — vor einem
Jahre waren ihm Paris imd Venedig nahe genug gewesen — ,
die Städte dos christlichen Burgrechtes dagegen eignen sich
bei ihrer Nähe und der Leichtigkeit gegenseitiger Unter-
stützung vorzüglich, um lange Freundschaft zu schliessen.
,^Id quod ego jam non uno anno ago, duco et traho, sed
parum proficio, sunt enim supiniores quidem (nicht quidam)
quam par est Vollem igitur, ut christianam civitatcm am-
birent, imo peterent, et si non Isna, Memminga, saltem Lin-
doia, imo ut non tantum christianam civitatem, sed etiam
arctiorem amicitiam nobiscum jimgerent" *)
Mit Constanz betrieb man längst solche Verhandlungen.
Zuerst begegnen wir ihnen Anfang Juni 1530. Sie wurden
so geheim als möglich gehalten; ein Tag fand gar nicht
statt; nur die Geheimen handelten, und bloss brieflich.
Bcm zeigte sich anfangs solchen Plänen wohlgeneigt: es
würde der Eidgenossenschaft grossen Schaden bringen,
1) Vgl. 0. S. 36.:;39.
0 Opp. 593.
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ZWINÖU UND LANDGRAF PHILIPP. 273
schrieb es an Zürich, wenn Constanz „abgeschränzt^' werde,
den grössten Nutzen dagegen die Auflichtung eines ^, ewigen
Verstandes und Verwandtnußs". Indessen stiessen sich damals
die Verhandlungen an d^n Verlangen der Constanzer, zu
einem „Ort" und „nit by den mindsten" gemacht zu wer-
den und das Landgericht mitsampt dem Thurgau zu er-
halten ^). Das geschah also in der Zeit, wo die Dinge in
Augsburg eine für die Schweiz so bedenkliche Waldung zu
nehmen begannen.
Und sehr wohl lässt sich hiermit zusammenhalten, dass
wieder in dem Abschied vom 16. November die gleich^ti
Gedanken zutage treten.
Es ward in Basel auch über den „rauhen und schar-
fen" Abschied geredet, den der Kaiser den 4 Städten
Strassburg, Constanz, Lindau und Memmingen gegeben
habe. Da diese Städte „des Sacraments halben den gleichen
Glauben" wie die Städte des christlichen Burgrechts be-
sitzen, so wird beschlossen, sich ernstlich zu beraten, ob
ihnen in dem wahrscheinlichen Falle eines Angriffes seitens
des Kaisers Hülfe geleistet werden solle. Die von Constanz
erhalten den Auftrag, sich bis zum nächsten Tage bei den
umliegenden Städten, 'als Ulm, Lindau, Kempten, Ravens-
burg und Isny, im Vertrauen z\x erkundigen, ob dieselben
dem Burgrecht sich anhängig zu machen geneigt seien, wo-
von ja schon früher die Rede gewesen. Man hofft, dass
sie dabei sich am besten befinden werden *).
Während also den hessischen Gesandten mit Bezug auf
die sächsischen Anträge erklärt wird, man sei über das Con-
cordat zwischen Bucer imd Luther noch keineswegs im Reinen,
so erkennt man in Bucer's eigenstem Werke, ia der Tetra-
politana „des Sacraments halben den gleichen Glauben"!
Wir verstehen aber jetzt die scheinbar so incongruenten
Beschlüsse dieser denkwürdigen Versanmilimg. Sie fliessen
alle aus derselben Politik. Es handelte sich darmn, gegen-
über den sächsischen und ihnen verwandten Aspirationen
1) Eidgen. Absch. S. 671 f.
») Eidgen. Absch. S. 839.
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274 LENZ, ZWINGU UND LANDGRAF PHILIPP.
Stellung zu behalten. Das konnte geschehen, wenn die Bündnis-
gedanken nicht grade abgelehnt, aber die dogmatischen
Differenzen aufrecht erhalten wurden. Man wollte, „wie die
Päpstischen und Lutherischen wider den Türken'^, Partei
neben Partei die gemeinsamen Ideen gegen die andringende
Eeaction verteidigen. Denn man konnte wohl den Kampf
in dem eigenen Lager aufschieben, nicht aber auf den Sieg
verzichten. Deshalb war es erwünscht, durch die Bui^-
rechte innerhalb des protestantischen Gesammtverbandes die
eigene Position zu verstärken und mit den Städten womög-
lich eine noch engere Verbindung herzustellen. Daher konnte
man eine Bündnisurkimde mit Hessen unterzeichnen, die
man, sobald Sachsen hinein wollte, für eine ganz imnütze
„Aufiichtung grosser Briefe und Siegel" erklärte. So ver-
stehen wir, weshalb das hessische Burgrecht, das die Ge-
fahren im Frühjahr und Sommer nicht hatten zusammen-
schmieden können, jetzt im Herbst in einer dem Kaiser
gegenüber bei weitem gesicherteren Situation zu Stande ge-
kommen ist.
(Schluss folgt.)
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Kritische Uebersicht
über die kirchlich-archäologischen Arbeiten
aus den Jahren 1875 — 1878.
Von
Lic. Yictor Schnitze in Leipzig.
I.
Q. B. de BoBBi» La Koma sotterranea cristiana, tomo III o. Roma
1877. (XXrV, 751 S. und 52 Taf. in fol.)
F. X. Kraus, Boma sotterranea, zweite, neu durchgesehene und ver-
mehrte Aufl. Freiburg i. B. 1879, Herder. (XXX, 636 S. u. 12
chronaolith. Taf., 2 Karten u. 92 Holzschn. in gr. 80.)
P. Ra^. Garmeoi S. J., Storia dell* arte eristiana, vol. Uio. Prato
1876. (197 S. u. 203 Taf.) Vol. IV o, 1877. (124 S. u. 294 Taf. in fol.)
Denu Salazaro» Studj sui monumenti dell* Italia meridionale dal IV^
al Xnio secolo. Napoli 1871 ff. (Fase». I— XVI, in gr. fol.)i|
M« Martigny, Dictionnaire des antiquitds chr^tiennes. Nouv. ^tiou.
Paris 1877. (830 S. mit 675 Holzschn. in 40.)
H. Otte, Archäologisches Wörterbuch, deutsch, lat., franz. und eng-
lisch. Zweite erweiterte Aufl. Leipzig 1877. (488 S. mit 285 Holz-
schnitten in 80.)
W. Smith n. Cheetam, Dictionary of Christian antiquities. Lond.
1875, L Bd. (898 S. in gr. 80.)
CiL Gallier» Nouveaux m^langes d'arch^ologie. D^coratiou d'^lises.
Paris 1875. (XVI, 294 S. in fol.)
Die kirchlich-archäologische Forschung der Gegenwart,
soweit dieselbe hier in Betracht zu ziehen ist^ zeigt sich fast
in ihrem ganzen Umfange von den Arbeiten und Anschauim-
gen de Rossi's abhängig. Besonders das grossartig ange-
legte Werk ^^La Roma sotterranea eristiana^' hat den ein-
schläglichen Studien in umfassender Weise Material und
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276 KRITISCHE ÜBERSICHTEN. 8CHULTZE;
Resultate zugefiihrt Der erste Band (v. J. 1864) behandelt
hauptsächlich einleitende Fragen und berührt nur kurz den
Katakombencomplex von S. Callisto, dessen Darstellung den
ganzen zweiten Band (v. J. 1867) in Anspruch nimmt Der
dritte Band ^), die beiden früheren an Umfiing bedeutend
überholend; bringt mit der Darstellung der übrigen unter-
irdischen Teile dieses Hauptcoemeteriums d. h. der Area der
h. Soteris, des Arenariums des Büppolytus und einiger an-
derer Regionen diese Au%abe zum Abschlüsse (S. 1 — 392).
Daran knüpft der Verfasser Untersuchungen über das mit
S. Callisto verbundene Coemeterium sub dio imd über das
System solcher Anlagen überhaupt (S. 393 — 409). Nachdem
bereits Le Blant (Inscript. chröt. de la Gbiule 1856, I,
51 ff.) eine gleichartige kleine Anlage bei Vienne flüchtig
berührt hatte, ist erst in jüngster Zeit durch die Entdeckung
eines umfangreichen Friedhofes bei Porto Gruaro (Julia Con-
cordia) in Oberitalien *) die Forschung auf diese Species alt-
christUcher Begräbnisstätten auftnerksamgemacht worden, deren
Einrichtung nun der Verfasser zum ersten Male im einzelnen
imd klar darlegt. Diese Ausfiihrungen gehören zu den besten
Partien des Buches, können aber nicht als abschliessend be-
trachtet werden, da das bis jetzt vorliegende Material relativ
dürftig ist. Höchst dankenswert ist auch die Sammlung und
Erklärung der fUr die einzelnen Teile und Utensilien der
Coemeterien gebräuchlichen termini technici der alten Kirche
(S. 409 — 477). Die Ableitung des Wortes catacumba
von cata (xaia) und cubare, cumba also = caia accu-
bitoria (= ad coemeteria), welche der Verfasser sich an-
eignet (S. 427), ist der nach dem Vorgange von Du Gange
fast allgemein recipirten Ableitung von cata (xara) und
1) Vgl. Revue des queat. bist. 1877, S. 529 ff. Christi. Kunstbl.
1878, S. 154—157.
2) Vgl. Bullett. di corrisp. archeol. 1873, S. 58—63; 1874, S. 18
bis 47; 1875, S. 104—125; 1876, S. 86—88. BuUett. di archeoL crist.
1874, S. 133 ff. u. Taf. IX. Revue archdol. 1875, XXIX, 340—346;
1876, XXXI, 332—336, und verschiedentlich im „Archivio Veneto"
1873—1876. Die Inschriften finden sich grösstenteils im Corp. Inscript.
lat. V, 2; vgl. auch die Einleitung p. 1058 sqq.
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DIB KIBOHL. ABCHAOLO0IB 1875--1878. 277
cumha = xvfißog („Einsenkung, Höhlung'') vorzuzidien,
wenn auch die Etymologie des Wortes mit Sicherheit sich
kaum noch feststellen lässi Dagegen dürften die Aus-
fährungen über die Veraammlungen in den Elatakomben und
über die Sepidcralriten (S. 478 — 507) mannigfach zu recti-
ficiren sein. Es liegt dies zum Teil an der unkritischen
AuBwahl und Benutzung der Quellen^ sowie an dem Bestre-
ben, Riten nachweisbar jüngeren Ursprunges mögUchst zurück-
zutragen. Auch die von de Rossi schon früher aufgestellte
und in diesem Bande der R. S. von neuem entwickelte
Hypothese von dem legalen Charakter der altchristlichen
Coemeterien; welcher u. A. auch Aub6 (Persäc. de T^glise
p. 250 aq.), Loening (Geschichte des deutschen Eirchen-
rechts I, 201 flF.) und Kraus (Roma sotter. S. 49 ff.) zuge-
stimmt haben, ist nicht haltbar, da die dafür angezogenen
epigraphischen Monumente ausnahmslos der constantinischen
und nachconstantinischen Zeit angehören, und ein solches
rechtliches Verhältnis auf Seiten des römischen Staates eine
contradictio in adjecto sein würde. — Die Verwaltung imd
Einrichtimg des altchristUchen B^räbniswesens, die bis dahin
noch durchaus dunkel lag, hat der Verfasser hauptsächlich mit
inschriftlichen Hülfsmitteln vortrefflich beleuchtet und be-
sonders über das CoUegium der Fossoren interessante Auf-
schlüsse gegeben (S. 614—533). Als vollständig gelöst ist
freilich diese Aufgabe noch nicht zu betrachten '). — Die
zahlreichen verschiedenartigen Gegenstände, die in den Eata-
kombengallerien oder in den Gräbern selbst in alter und
neuer Zeit gefunden wurden, und die der Verfasser sorgföltig
verzeichnet hat (S. 580 — 625), eröfihen einen interessanten
fänblick in das private und sociale Leben der ältesten rö-
mischen Christengemeinde und erweisen sich ab eine wich-
1) In dem Artikel von F. H. Jacobson: „Begräbnis bei den
Christen", in der neuen Auflage der Real-Encykl. für protest. Theol.
und Kirche 1878, II, 214—217 wird die altchristliche Zeit gar nicht
berÜcksicbtigt; aber auch die späteren Perioden sind ungenügend
behandelt. Dankenswert ist der Artikel Ton Büetschi: „Begräbnis
bei den Hebräern", ebend. S. 217—220.
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278 KBITISCHB CBEBSICHTEN. SGHULTZE^
tige und reiche Quelle zur Erkenntnis desselben. Mehr
als es geschehen ist; hätten indes die heidnischen Paral-
lelen aufgezeigt und zur Erklärung benutzt werden sollen.
Denn es ist in der Tat auJBSedlend; wie intensiv und
ursprünglich die antiken Sepulcralsitten durch die ganze
altchristliche Epoche und teilweise über dieselbe hinaus sich
erhalten haben. So sind auch die von Boldetti (CSmiterj
dei S. S. Martui S. 519) in Eiitakombengräbem gefundenen
Eierschalen nicht mit Raoul-Rochette (Troisiime möm.
p. 252 sq.) als Ueberbleibsel der angeblich hier gefeierten
Agapen anzusehen ^ noch mit dem Verfasser (S. 621) als
Behälter von irgendwelchen (welchen?) flüssigen Stoffen^ wie
schon Lupi vermutet hatte, zu erklären, sondern in dersel-
ben sepiücral-symbolischen Bedeutung zu fassen, in welcher
dieselben in der heidnischen Volkssitte in die Ghilber einge-
schlossen zu werden pflegten (vgl. Bachofen, Qräbersymb.,
S. 40 ff.). In Beziehung auf die vielberufene BVage nach
dem Inhalte der sog. BlutampuUen vertritt de Rossi die
traditionelle römische Ansicht und trägt kein Bedenken, die
Berichte von Laiiducci und Marangoni, welche in diesen
Gefässen noch flüssiges Blut gesehen haben wollen, als Beweise
heranzuziehen (S. 616 ff.). Im übrigen bezieht er sich auf
das dem Werke beigegebene Protokoll einer von Michele
Stefano de Rossi geleiteten chemischen und mikroskopi-
schen Untersuchimg des Inhaltes eines im Jahre 1872 in S.
Satumino entdeckten Fläschchens, die mit dem Resultate ab-
schliesst^ dass das fragliche Gefäss in der Tat Blutreste enthalte
(S. 707 — 717). Referent ist nicht in der Lage, über dieses
Gutachten ein Urteil abgeben zU können; die Frage in dem
Stadium, in welchem sie jetzt sich befindet, gehört vor das
Tribunal der Chemiker. Doch sei bemerkt, dass über der
Geschichte der Auffindung jener Ampulle ein gewisses Dun-
kel schwebt, und dass auch Kraus (Roma sott. S. 515)
durch jene Analyse nicht vollkommen überzeugt zu sein
scheint. Eine neue, gründliche Untersuchung der Sache
wäre wünschenswert. — Auch in der Frage, ob unter
den in den Katakombengräbem verschiedentlich gefunde-
nen Instrumenten Marterwerkzeuge zu erkennen seien,
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DIE KIRCHL. ARCHÄOLOGIE 1875-1878. 279
schliesst sich der Verfasser den älteren Darstellern der ,, Roma
sotterranea" an (S. 621 — 623). Aber einerseits sind die zur
Stütze dieser Behauptung herangezogenen schriftlichen Quellen
zu jung; um etwas beweisen zu können ^ andrerseits wird
durch die vielfach zu beobachtende antike VolkssittC; den
Todten Werkzeuge und Gegenstände gleicher Art in das
Grab zu legen^ die Erklärung dieses Tatbestandes in andere
Richtung gewiesen. Die Angaben femer, nach welchen in
verschiedenen Fällen Schädel mit eingetriebenen Nägeln
beobachtet sein sollen, sind höchst unzuverlässig. Auch macht
der Verfasser selbst einen Fall namhaft, dass in einem heid-
nischen Grabe in dem Schädel einer Frau ein durch zu-
fällige äussere Umstände eingedrungener Bronzestilus (Haar-
nadel) gefunden wurde (S. 623). So wird man sich
der Behauptung gegenüber, dass die alte Kirche die Sitte
geübt habe, den Märtyrern die Marterinstrumente in das
Grab mitzugeben, vorerst abweisend zu verhalten haben. —
Den Schlussteil des Buches bildet die Darstellung des Coe-
meteriums der Generosa an der Via Portuense aus den ersten
Decennien des 4. Jahrhunderts (S. 647 — 697), das an sich
wenig wichtig ist, aber über die Stellungnahme des sieg-
reichen Christentums zu den Resten heidnischen Cultus und
heidnischer Monumente in interessanter Weise Aufschluss
giebt ^). Trotzdem nämlich die genannte Katakombe bei
nnd unter dem Haine der Arvalbrüder angelegt ist, hat man
dennoch keines der zahlreichen Monumente des Heiligtums
der wohl zur Zeit der Gordiane aufgehobenen Bruderschaft
zu coemeterialen Bauten verwandt (vgl. dazu Symmachi
Kelationes ed. Meyer [Leipzig 1872], p. 28 sq.). Erst nach dem
4. Jahrhundert begann die Verwüstung und Ausbeutung des
Haines (S. 695f.).
Wie der erste und der zweite Band der R. S. ist auch
der vorliegende ungemein anregend und reich an Neuem und
Vortrefflichem; das Epigraphische ist mit gewohnter Meister-
schaft behandelt. Zu bedauern aber ist, dass auch dies Mal
1) Vgl. auch G. Henzen, Acta firatrum Arvalium (Berol. 1874),
p. XV sq.
ZeiUchr. t E.-Q. lU. 8. 19
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280 KRITISCHE ÜBERSICHTEN. SCHÜLTZE,
der Druck kirchlicher Voreiiagenommenh^t die Untersuchungen
des Verfassers vielfach beeinflusst und die Resultate bestimmt
hat; es tritt dies besonders lib. IIT, cap. XIV. XV hervor. — Auf
einzelne Teile des Buches kommt Referent weiter unten zurück.
Der naheliegende Gedanke, die in verschiedenen Publi-
cationen niedergelegten Forschungen de Rossi's über die
altchristlichen Monumente, insbesondere über die römischen
Coemeterien, in verkürzter Form zu einer einheitUchen , für
weitere Ki*eise bestimmten Schrift zu verarbeiten, wurde
durch die englischen Gelehrten J. S. Northcote und
W. R. Brownlow zur Ausfuhrung gebracht. Die „Roma
sotterranea" derselben erschien im J. 1869 in London und
wurde bald darauf durch Allard in das Französische über-
setzt (Paris 1872). In die deutsche Literatur fiihrte F. X.
Kraus das Buch ein (Freibui^ 1873), jedoch mit wesentlichen
Umgestaltungen imd vielfachen Zusätzen. Die seitdem erfolg-
ten neuen Entdeckungen, besonders diQ im 3. Bande der R. S.
niedergelegten, veranlassten den Herausgeber zu der vor-
liegenden mannigfach vermehrten, hübsch ausgestatteten
neuen Ausgabe. Da es sich indes um ein fast durchgängig
referirendes Buch handelt, so glaubte ich darauf verzichten
zu dürfen, den Lihalt desselben hier zu besprechen. Die
vom Herausgeber selbst hinzugefügten Teile, z. B. der Ab-
schnitt über die altchristliche Epigraphik (S. 431 — 485),
heben sich von den dem englischen Werke entnonmienen
Partien sehr vorteilhaft ab imd lassen bedauern, dass der
Herausgeber nicht gänzUch auf jenes verzichtet hat Im eJl-
gemeinen aber empfängt man bei der Leetüre dieser Schrift
den Eindruck, dass die christliche Archäologie zwar über
ein reiches Material verfugt, dass aber die nicht sowohl
durch de Rossi als durch die Interpreten des 17. Jahrhunderts
bestimmte übliche Art imd Weise, die Au%abe zu begreifen
und zur Lösung zu fuhren, unrichtig sei.
Die„Storia deU' arte cristiana" des Pater Garrucci *),
welche bestimmt ist, die Geschichte und das Wesen der
christlichen Kunst von ihren Anfängen bis zima 8. Jahrhundert
») Vgl. Repertor. f. Kunstwissensch. 1876, S. 127—131.
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DIE KiHCHL. ABCBlOLOGlE 1875-1878. 281
ZU illnstriren, erscheint in Lieferungen seit 1873. Der
2. Band umfasst die örabgemäMe; der ä. Band die nicht-
coemeterialen Bilder, besonders die Bilderhandschriften und die
Gbldgläser. Den einzebien Tafeln ist eine kurze Erklärung
beigefügt, daneben bringt der noch im Erscheinen begriffene
1. Band eine Geschichte und Einzelcharakteristik der christ-
lichen Kunst innerhalb der angilbenen Zeitgrenzen. Der
4. Band bdiandelt die Mosaiken, der ö. Band, von wdchem
erst einige Lieferungen voriiegen, die Sculptui'en. — Das
Werk wird der archäologischen Forschung als bequemes Com-
pendium willkommen sein, obgleich der Text nur einen
untergeordneten Wert hat, und die in hohem Grade idea-
lisirten Abbildungen den Gebrauch für stilistische Unter-
suchungen wenigstens ausschliessen. — Der gleiche Vor-
wurf ungenauer Wiedergabe der Monumente triffi zum Teil
das Prachtwei'k Salazaro's, welches als eine Fortsetzung
der „Mitteiak. Baudenkmale UnteritaHens" von W. Schulz
(Dresden 1860) anzusehen ist. Der Text ist knapp, zu-
weilen von zweifelhaftem Wert. Der Abschnitt über die
altehristliche Kunst (l. Helt) ist völlig unbrauchbar.
Eine neue Auflage von Martigny's Dictionnaire (die
1. Aufl. V. J. 1864) war schon seit einiger Zeit in Aussicht
gestellt und in der Tat durch die jüngsten Forschungen un-
umgänglich nötig gemacht. Der Verfasser, der in der Vorred«
im voraus alles revocirt, was in seinem Buche dem kirch-
lichen Dogma widerstreiten könne, ist fast durchgängig rein
compilatorisch ver&hren und hat es unterlasse den gegeben
nen Stoff wissenschaftlich zu verarbeiten imd auf eine mög-
lichst knappe Form zu bringen, was doch für ein solches
Buch wesentlich ist. — Einzelne Unrichtigkeiten begegnen
häufig *)•, aus den Märtjrreract^i wird unbedenklich bewiesen.
i) Z. B. Ist die S. 623 mitgeteilte Gemme nicht christlich, son-
dem ein Ifithrasmonament (ygl. Lajard, Gölte de Mithra, pl. XVI,
7a); die nach Yermiglioli (Iscriz. Perug. II, 452) citirte Märtyrer-
inschdft („plumbatis caesos'^) ist längst als eine Fälschung erwiesen;
ähnlich steht es nm das Pisaner Epitaph. S. 381. — „Bestitutus^*
(^8. 513) findet sich auch als heidnischer Name, worüber die Ltdiöes
des C. I. L. zu vergleichen.
19*
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282 KBITISCHE ÜBERSICEHTEN. SCHULTZE,
Die Zeichnungen genügen im allgemeinen; zuweilen aber
sind dieselben vollständige Karrikaturen der Originale (bes.
S. 790, 268, 407). Gbnz anders stellt sich das archäolo-
gische Wörterbuch von Otte dar, welches ebenfalls, an
Seiten- imd Bilderzahl bedeutend veimehrt, in neuer Auflage
vorliegt Der hübsch ausgestattete Band rechtfertigt in vol-
lem Masse die hohen Erwartungen, welche man jedem Werke
des verdienstvollen Verfassers entgegenträgt. Dass einzdne
Definitionen nicht genau oder gradezu unrichtig sind, und eine
Reihe von Wörtern fehlt, tut dem Werte des Buches direct
keinen Abbruch; wir dürfen diese Mängel wohl bald in
einem Supplementheftchen oder in einer neuen Auflage be-
seitigt sehen. — Da« englische Lieferungswerk von Smith
undCheetam^) zeichnet sich, soweit dasselbe Referent vor-
liegt, durch Gediegenheit des Inhaltes und echt wissenschaft-
liches Verfahren vor ähnlichen Lexika vorteilhaft aus *). —
Cahier hat seinem verdienstvollen Sammelwerke, von
welchem bereits 7 Bände erschienen sind (Paris 1847 ff);
einen weiteren, die Decoration der Kirchen behandelnden Band
hinzugeftigt Der Text ist kurz und nicht selten, besonders
unter AbtIg. UI (Sarcophages divers), zu rectificiren; der
eigentliche Wert des Werkes Hegt in den vortrefflichen
Abbildungen. Besonders dankenswert erscheint mir Abtlg. V:
„mobilier eccl^siastique".
1) Vgl. Repert. f Kunstwissensch. 1876, S. 417 ff.
*) Das illufltrirte archäologische Wörterbuch von A. Müller und
0. Mothes (Lpz. u. Brl. 1877. 1878, 1002 S. mit 1520 TextabbUd.
in gr. 40) ist ein wohl ausgestattetes und gut anleitendes Werk, an
das man freilich den Massstab strenger Wissenschaftlichkeit nicht
legen darf. Auch das vortreffliche „Dictionary of Christian Biograpfay^
Liiterature, Sects and Doctrines** von W. Smith und H. Wace
(Lond. 1877 vol. I, A— D, 914 S. in gr. 80) ist hier zu nennen, wenn '
auch in demselben gemäss dem Zwecke des Werkes das Archäo-
logische nur eine nebensächliche Berücksichtigung erfahrt. — Eine
übersichtliche, hauptsächlich an Kraus anschliessende Darstellung und
Charakteristik altchristlicher Monumente findet sich bei Th. Har-
nack, Praktische Theologie (Erlangen 1877), L Bd., S. 304—339.
Grimouard de St. Laurent, Guide de Tart chr^tien (Paris 1875),
vol. VI, sowie E. Reusen* s Elements d'arch^logie chr^tienne (Lou-
vain 1875), t. U, waren mir nicht zugänglich.
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DIE KUtCHL. ARCHÄOLOGIE 1875-1878. 283
II.
Q. B, de Botcd» Musaici cristiani e saggi dei pavimenti delle chiese
di Roma anteriori al secolo XV.o. Roma 1873. (FascO. I— VI, in fol.)
IL Gkumooi, Storia dell' arte cristiana, vol. IV o.
^ug, Müntz, Notes sur les mosaiques chr^. de Tltalie. Revue ar-
eh^l. 1874, S. 172—177 (Sainte-Prax^de de Rome) ; 1875, S. 224 bis
230. 273—284 (Sainte - Constance de Rome); 1876, S. 400—413;
1877, S. 32—46 (les pavements historife); S. 145—162 (l'oratoire
du I^pe Jean IQ).
J. P. Biohter, Die Mosaiken von Ravenna. Wien 1878. (186 S. u. 4
Taf. gr. 8».)
JC Martlgiiy» Mosaique chr^enne tronv^e aSens. (Gazette arch^l.
1877, S. 189-196, pl. XXXI-XXXH.)
Den Mosaiken christlicher Kirchen wird in neuerer Zeit
wiederum ein lebhaftes Studium zugewandt. Seit Ciampi-
ni's „Vetera Monimenta^^ (Romae 1690. 1699) war bis in
die neueste Zeit auf diesem Gebiet nur vereinzelt und unge-
nügend gearbeitet worden. An der Spitze der neueren
Publicationen steht der 4. Band der „Storia dell' arte cristiana"
Garrucci's, der die oben bezeichneten Mängel der übrigen
Bände teilt — Die Auüsätze von Müntz sind leicht ge-
schrieben und beruhen nicht auf tieferem Studium der be-
sproch^ien Mosaiken. Vor dem Irrtume, in den Gewölbe-
mosaiken von S. Costanza christliche Symbole und Zeichen zu
finden^ würde den Verfasser der Vergleich mit antiken Orna-
menten bewahrt haben. Das Schaf mit mulctra ist zwar
eine specifisch christliche Darstellung, gehört aber auch dem
ursprünglichen Werke nicht an, sondern der späteren Restau-
ration, wie es denn auch gar nicht in das Ensemble der
Mosaiken passi Wenn also auch an dem christlichen Ur-
sprünge des Gebäudes selbst nicht zu zweifeln ist, so be-
weisen andrerseits die bildlichen Darstellimgen, dass die
christliche Kunst damals noch keine eigenen Mosaicisten be-
sass und sich heidnischer Meister bedienen musste. Denn
die Motive sind dem bacchischen Bilderkreise entnommen,
wie auch in den Deckengemälden der Katakomben von
S. Gennaro dei Poveri in Neapel. Der Versuch, die Mo-
saiken des Rin^ewölbes und diejenigen der Conchen des-
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284 KRITISCHE ÜBERSICHTEN. SCHÜIiTaB,
selben Gebäudes als gleichzeitig zu erweisen, sollte nach den
Bemerkungen Schnaase's (Gesch. d. bild. Künste III, 567;
vgl. auch Burkhard, Cicerone, 2. Aufl., S. 730) mcht mehr
gemacht werden. Die Frage darf als entschieden angesehen
werden, wie sehr auch noch die Ansichten über das ge-
nauere Alter der Conchenmosaiken auseinandergehen. —
Die musivischen Monumente von Kavenna, ungleich wich-
tiger als die römischen, haben in jüngster Zeit mehrfache
Bearbeitungen erfahren. Rud. Rahn (Jahrbb. flir Kuikst-
wis^ntschaft: von Zahn [Leipzig 18^]; S. 163—182. 273
bis 321), Crowe und Cavalcaselle (Geschichte der
italienischen Malerei, deutsche Originalausgabe, Band I^
S. 18 ff.) und Garrucci haben dem jüngsten Darsteller
dieser Monumente, J. P. Richter, tüchtige Vorarbeiten ge-
liefeirt, deren Resultate sich derselbe vielfach angeeignet und
mit eigenen gründlichen Studien verknüpft hat. Die Schrift
Richler's ist jedenfalls das Beste, was wir über diesen Gegen-
stand besitzen ; leider tritt das Archäologische durchaus vor
dem Kunsthistorischen zurück, während doch diese Mo-
saiken besonders in archäologischer Beziehung höchst in-
teressant imd wichtig sind. In eiioem Schlusskapitel bespricht
der Verfasser die kunsthistorische Bedeutung der raven-
natischen Mosaiken, indem er die bereits von Crowe und
Cavalcaselle (S 17f.) au%estellte Behauptung, dass die
altchrisäiche Mosaikkunst direct auf griechische Vorbilder zu-
rückgegriffen habe, weiter ausführt Referent kann dieser An-
sicht nicht beistimmen; der Unterschied zwischen der Kata-
kombenmalerei und den musivischen Werken ist nicht so
sehrofl^ vrie es der oberflächlichoi Beürachtung erscheint, und
der Ver&sser kurzweg behauptet (S. 117). Der naheli^ende
Vergleich mit den Darstellungen der Goldgläser ist nicht
gemacht worden, während dieselben z. B. fiir die Prozessions-
^ruppen interessante Parallelmi bieten. So würde auch wohl
die Behauptung weggefallen sein, dass der „gute Hirts^' im
Mausoleum der Galla Placidia „so ganz aus d^n ZuaammcB-
hange der firüheren Entwicklung^' herausfalle (S. 117), wo-
gegen zu vgl Garrucci, Vetri antichi, Ä. Aufl., tav. VI, 3 ^).
Die auch von dem Ver&sser aufgenommene beliebte Meinung,
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DBB KIHCHL. ARCHÄOLOGIE 1875-1878. 285
dass die Darstellung eine» aus einer Vase hervorwachsenden
Weinstockes in S. Pretestato in Rom eine sacramentale Be-
deutung habe (S. 19), wird dadurch ausgeschlossen, dass die
sehr alte Decoration dieser Grabkammer sich genau an heid-
nische Muster hält, ja wahrscheinlich gar nicht christlichen
Ursprunges ist. Denn die Figui- des guten Hirten (Kraus,
Roma sott., S. 91) ist bestimmt eine spätere, von der ur-
sprünglichen Malerei leicht zu unterscheidende Zutat. — In
der von de Rossi geleiteten Publication römischer Mosaiken
ist der Hanptwert auf die in der Tat vortrefflich ausgeführ-
ten Tafeln gelegt; der beseitende Text — italienisch und
französich — beschränkt sich auf Mitteilung des Notwen-
digsten *). — Das von Martigny behandelte, in Sens auf-
gefundene Mosaikfragment scheint einem Baptisterium des
7. Jahrhunderts angehört zu haben und bietet nichts Be-
sonderes.
m.
I«e Blant, Les larmes de la pri^re. (Gazette arch^l. 1875, S. 73 — 83,
pl. XIX.)
, Sur un sarcopbage chr^t. portantjl^image des Dioscures. (Ebend.
1878, S. 1—6.)
P. Minasi, Le sarcophage de Sainte-Quittcric. (Revue de Tart chr^t.
1876, S. 77—106.)
Heren de VillefoBse, Sarcophage chr^t. deSyracuse. (Gaz. archM.
1877, S. 157-168, pl. XXV.) »)
Le Blant, La vierge au ciel. (Revue arch^ol. 1877, S. 353—359, pl.
xxni u. XXIV.)
Grünouard de Saint-Laurent, Etüde sur une s^rie d'anclens sarco-
phages. (Revue de rartchr^t. 1876, S. 146—161; H, S. 435—457.)
1) Der Aufsatz von B. Lewis: „The antiquities of Ravenna" im
Arehaeological Journal 1875, p. 417—431 ist weder selbständig noch
wissenschaftlich.
«) S. Theol. Lit.-Ztg. 1876, S. 81 ff.
s) Zu vgl. auch Cavallari im Bull, della conun. die antich. di
Sicilia 1872, S. 22—27. Carini, ebend., S. 27—33. Matranga in
der Rivista Europea, Nov. u. Dec. 1872; di Giovanni im] Giomale
di Sidlia, 5. Nov. 1872.
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286 KBinSCHE ÜBERSICHTEN. SCHULTZ^,
De BoBBi, L'insigne piatto vitreo di Podgoritza. (Bull, di archeol.
crist. 1877, S. 77—85; vgl. 1874, S. 153ff.)
, Insigne vetro, sul quäle h efifigiato il battesimo d' una fiEuiciulla.
rBull. di archeol. crist. 1876, S 7—15. 53—58, tav. I.)
N. Kondakoff, Les sculptures de la porte de Sainte-Sabine k Romc.
(Revue arch^l. 1877, XXXHI, S. 361—372.)
De BoBBi, I sarcofagi marmorei sculti e figurati sotterra e sopra
terra. (Roma sott. HI, 440—454.) i)
Die gallischen Sarkophagreliefs sind fiir die archäolo-
gische und die kunsthistorische Forschung darum von grosser
Bedeutung^ weil siC; aus einer relativ selbständigen^ von Rom
nur in geringem Grade beeinflussten Kunstschule hervorge-
gangen ^ eine ganze Reihe höchst eigentümlicher und sonst
durch keine Parallele belegter Sujets aufweisen. Erst in
neuerer Zeit hat man diese Tatsache zu würdigen angefangen^
xmd während man sich noch bis vor kurzem mit den unge-
nügenden Zeichnimgen Millin's (Voyage au midi de la
France) zu behelfen hatte, Uegt jetzt schon eine Reihe dieser
Monimiente in trefflichen Abbildungen vor. — Auf einem
von Le Blant publicirteU; aus Arles stammenden Sarko-
phagrelief erscheint als Hauptscene ein thronender Christas^
zu welchem sich zwei männliche Personen , das Gesicht mit
einem Tuche bedeckend, stürmisch hinbewegen. Zwei wei-
tere Personen liegen zu den Füssen Jesu ausgestreckt. Der
Verfasser erkennt hier „larmes de prifere" und nimmt davon
Veranlassimg, über das Weinen im heidnischen und christ-
lichen Altertume eingehend zu handeln. In Wirklichkeit
aber stellt die Scene einen Adorationsact dar, bei welchem
das Gesicht verhüllt wurde. Richtig dagegen hat derselbe
Gelehrte ein anderes, ebenfalls arelatisches Relief au%efa8st,
welches die bisherige Interpretation nicht zu begreifen wusste,
indem er die auf demselben dargestellten Dioskuren als ein
in den christlichen Bilderkreis übemonunenes antik-sepulcrales
Element^), in der Bedeutung als Repräsentanten von Tag
1) Vgl. dazu Kraus, Roma sott., S. 347—374.
8) Ein von de Rossi im Bull, di archeol. crist. 1876, tav. IV
(vgl. S. 27 — 30. 153flF.) publicirter Sarkophag, der in einem in der
Umgebung Roms entdeckten christlichen Privatcubiculum , etwa des
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DIE KIRCHL. ARCHÄOLOGIE 1875-1878. 287
und Nacht, Tod und Leben constatirt. — Eines der wich-
tigsten Sculpturmonumente Galliens hat der Jesuit Minasi
zum Gegenstande eines längeren Commentars gemacht, einen
Sarkophag in der Kirche Sainte-Quitterie in Aire (Döp. des
Landes). Besonders das Mittelrelief scheint Referent darum von
einzigartiger Bedeutung zu sein, weil es die der Darstellung
des guten Hirten zu Grunde liegende Idee, welche immer
noch unrichtig gefasst wird, deutlich entfaltet. Dem Verfasser
ist indes diese Bedeutung der Gruppe verborgen geblie-
ben; derselbe geht aus den Bahnen des traditionellen Ver-
fiahrens nicht heraus, es kommt ihm in erster Linie darauf
an, die den „guten Hirten^' begleitenden Frauen als Maria
und als die Personification der Kirche :5U erweisen. Aehn-
Uch Garrucci (t. V, p. 11)^). — Die Auffindung eines
figurirten Sarkophags in der Kiitakombe S. Giovanni in
Syrakus i. J. 1872 durch Cavallari hat entschieden, dass
die sicilianische altchristliche Kunst durchaus durch die rö-
mische bestimmt ist, ein Verhältnis, für welches ausserdem
einige rohe Reliefs in der Ejypte der Kathedrale von Pa-
lermo Beispiele sind. An sich bietet der syrakusanische
Sarkophag nichts Besonderes, nur eine Doppelscene des
Deckels ist vollkommen neu*). Matranga, Carini, di
Giovanni haben ganz verschiedene Erklärungen. Höron
de Villefosse wagt nicht, etwas Bestimmtes zu behaupten,
deutet aber an, dass sich die eine Hälfte der Doppelscene
auf ein Ereignis aus dem Leben der Maria beziehen könne,
eine Vermutung, die Le Blant zu der bestimmten Behaup-
tung erhoben hat, dass die Gruppe Maria darstelle, welche auf
vierten Jahrhunderts, gefanden wurde, ist in gleicher Weise durch
symbolisch -mythologische Reb'efdarstellungen charakteristisch. Zu
vgl. auch die merkwürdigen Reliefs einer alexandrinischen christlichen
LÄmpe, worüber Referent im „Christlichen Kunstblatt" 187», S. 81—84.
0 Einige weitere galb'sche Reliefs finden sich in dem oben er-
wähnten Werke Cahier^s, Abtlg. III, „Sarkophages divers" mit kur-
zem Commentar mitgeteilt.
*) Relief: eine thronende Matrone in Redeactus, umgeben von vier
weiblichen Gestalten. Dieser Gruppe wird von links eine Jungfrau
durch zwei andere Jungfrauen zugeführt.
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KRITISCHE ÜBERSICHTEN. SCHULTS5E,
ihrem Throne die zu ihr geführte Adelfia (das ist nach dem
Epitaph der Name dOT in dem Sarkophage Beigesetzten) em-
p^kngt. Er stützt sich hierbei auf ein Relief' des Campo
Santo in Pisa, aber dieses ist gar nicht christücli, wie schon
Lasinio (Raccoltk dei sarcof. u. s. w. S. 14) richtig ge-
sehen und Dütschke (Die antiken Biidw. des Campo santo
in Pisa, Leipzig 1874) neuerdings bestätigt hat So wenig
Referent den bisherigen Erklärungsversuchen zustimmen kann,
ist er selbst in der Lage, jetzt schon über den Inhalt dieser
so rätselhaft scheinenden Gruppe sich bestimmt ausspredien
zu können. — Allen Erklärem ist übrigens entgangen, dass
Sarkophagkörper und -deckcl ursprünglich nicht zusammen-
g^törten und aus den Händen zweier Künstfer hervorge-
gangen sind.
Die Reliefdarstdhingen des i. J. 1838 bei den Restau-
rationsarbeiten in der Basilika des Apostels Paulus vor Rom
aufgefundenen, jetzt im Lateranmuseum befindlichen christ-
lichen Sarkophags aus dem Anfange des &. Jahrhunderts
werden seit Marchi, der dieselben zuerst beschrieb, von
katholischen Forschem mit Vorliebe betont und interpretirt.
Didron (Annales archM XXIV, S. 266 flF.); de Rossi
(Bull. 1865, S. 68 sqq.), Martigny (Dict. S. 717), Gar-
rucci (Storia I, 46 ff.) haben in diesem Sinne das Monu-
ment behandelt *). Von gleichem Gesichtspunkte aus be-
trachtet Grimouard de Saint-Laurent dasselbe, con-
centrirt jedoch seine Untersuchungen vorwiegend auf die
drei Schlussscenen der unteren Reliefreihe, welche ihm den
Primat des Petrus in besonderer Weise iUustriren, wie auch
schon Marchi seine Verwundenmg darüber ausgesprochen
hatte, dass trotz dieser Darstellungen so viele Häretiker in
der Verneinung des petrinischen Primats verharren könnten
(Civiltk catt. VIIl, 574). Referent bemerkt jetzt hier nur,
dass es sich in Wirklichkeit um die Verleugnung Petri
und um zwei Scenen aus dem Leben des Mose handelt.
Aber bekanntlich identificiren die katholischen Archäologen
i) Vgl. auch die deutsche Roma sott. S. 3Ö4--3Ö7, wo die Re-
liefs mit Aoschluss an de Rossi besprochen sind.
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QI£ KIRCHL. AACHÄOLOeiE 1875^1878. 289
auf Grund dreier Monumente des 5. Jahrhundert»; auf wel-
chen Petrus an Stelle des Mose das Quell^iwunder vollzieht,
Moae mit Petrus und sdehen daraus fiir die älteste christ-
liche Zeit dogmatische Folgerungen. Dasselbe unwissen-
schaftliche Verfahren hat neuerdings wiederum auch de
Rossi bei der Erklärung einer aus Podgoritza stammenden
Giasschale mit rohen OrafiStoscdiehnungen befolgt. Dieselbe
zeigt neben der Darstellimg des mosaischen Quellwunders
die Inacfarift: Petrus virga perquodset (percussit),
fontis ciperunt quorrere (coep. currere). Da aber
diese Worte an Num. 20, 11 anklingen, und die Patene
ausserdem über den Figuren Adam's imd Eva's die Namen
hat: ABRAM ET FIFVAM (Evam), so handelt es sich wahr-
scheinlich nur um einen Irrtum des Schreibenden. Wenn
nicht, so darf man jedenfalls aus vereinzelten Monumenten
des 5. Jahrhunderts keinen Schluss auf das zweite und
dritte Jahrhundert in der Weise machen, wie hier und sonst
geschieht *).
Ueber das Alter der bekannten Holzreliefs an der Tür
der Basilika der heiligen Sabina auf dem Aventin konnten
biß in die jüngste Zeit danmi die abweichendsten Vermutun-
gen ausgesprochen werden, weil in diesem interessanten Bilder-
cykhis neben Sculpturen altchristlichen Charakters entschie-
den miitelalterUche Typen zur Verwendung gekommen sind.
So entschied sich, von letzteren ausgehend, nach dem Vor-
gange von Agincourt, Schnaase (Greschichte der bilden-
den Künste VII, 251) für das 11. — 13. Jahrhimdert, wäh-
rend Crowe und Cavalcaselle (Geschichte der ital.
Malerei I, 49 f) die Reliefs dem 6. Jahrhimdert zuwiesen.
Diesel divergirenden Meinungen gegenüber hat Konda-
koff aus einer Analyse der einzehien Bildergruppen selbst
imd an der Hand historischer Zeugnisse den Nachweis ge-
Uefert, dass die Sculpturen als ein Werk des 5. Jahrhunderts
*) Charakteristisch für solche von dogmatischer Tendenz ge-
leitete Interpretationen ist der Aufsatz von Cartier, L'^glise et les
vienx eatholiques d^apr^s une peinture des Catacombes (Revue do Fart
chr^t. 1875, II, 995— 39&), der von Unrichtigkeiten strotzt.
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290 KRITISCHE ÜBERSICHTEN. SCHÜLT2X,
ZU betrachten seien, da^ aber verschiedentlich, zuletzt noch
am Anfange dieses Jahrhunderts, restaurirt worden ist. Referent
kann diesen Ausführungen nur zustimmen und erachtet durch
dieselben diese Frage ftir definitiv gdöst.
Bei den Nivellirungsarbeiten, welche im Jahre 1875 die
römische Eisenbahngesellschaft auf dem sog. Monte ddla
Giustizia in der Nähe der Diocietiansthermen ausfähren liess,
wurde u. a. das Fragment einer Glasschale mit einer nicht un-
interessanten, concav ausgearbeiteten Taufdarstellung entdeckt,
zu welchem eine Graffitozeichnung auf einem Fpitaphe in
Aquileja eine ziemlich genaue Parallele bildet In beiden
Fällen handelt es sich um die Taufe eines ungef&hr zwölf-
jährigen Mädchens, imd zwar wird dieselbe durch Infusion
vollzogen in der Weise, wie Ennodius (Epigr. II, 149 ed.
Sismondi) beschreibt, während die Fresken des dritten und
des zweiten Jahrhunderts übereinstimmend die Taufe per
immersionem zeigen. Beiden Darstellungen ist femer eine
dem Taufacte assistirende Figur, auf dem römischen Monu-
mente eine weibliche, auf dem anderen eine männliche, eigen,
die beide durch einen Nimbus ausgezeichnet sind. De
Rossi, welcher diese Personen in beiden Fällen für männ-
liche und zwar für Kleriker hält, die die Taufe vollziehen^
vermutet, dass der Nimbus, der in der altchristlichen Kunst,
abgesehen von den Kaiserbildnissen, lebenden Personen nie
gegeben wurde, hier durch die göttliche Autorität, mit wel-
cher der Taufende das Sacrament vollzieht, motivirt werde
(S. 9f). Aber diese Hypothese setzt eine an sich unwahr-
scheinliche Reflexion voraus und lässt imerklärt, dass in an-
deren Taufdarstellungen der Nimbus fehlt OflFenbar aber
sind auch die bezeichneten Personen bei dem Taufacte nicht
beteiligt, insofern die Handauflegimg, also auch wohl die
Taufe, nicht durch diese, sondern durch eine zweite Person
vollzogen dargestellt wird. Dieselben werden denmach als
ideale Begleitpersonen, als Heilige, zu fassen sein, die dem
Täuflinge irgendwie nahe standen, oder denen dieser sich bei
der Taufe angelobte. So erklärt sich auch die Anwendung
des Nimbus, imd es wird dadurch das Monument zugleich
zeitlich mit Sicherheit bestimmt, als ein Werk nämlich der
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XHE KIBCHL. ARCSIÄOLOCm 1875—1878. 291
sweiien Hälfte des 5. Jahrhunderts. De Rossi dagegen
weist dasselbe dem Ende des vierten oder dem Anfange des
flinften Jahrhunderts zu (S. 16). Die dem Fragmente bei-
gelugte Inschrift MIRAX ALB A(na) teilt der Verfasser so,
dass er das erste Wort als den Namen des taufenden ElerikerS;
das zweite als denjenigen des Täuflings (S. 9^ 13f) fasst
Aber da der Name Mirax höchst selten und im Occidente
gar nicht nachzuweisen ist; so möchte Referent lieber beide
Worte zusammen&ssen und MIRAX als corrumpirt aus /netQoij
pudla ansehen, also „mirax Albana = Albcma pueUa^'. So
trifft man in lateinischen Märtyreracten derselben Zeit das
Wort tecnon (t/xvok).
Die kurze Abhandlung desselben Gelehrten im 3. Bande
der R. S. über die altchristlichen Sarkophage ist im allge-
meinen eine Recapitulation und Zusammenfassimg früherer
Ausführungen des Verfassers, besonders im 2. Bande der R ö.
Der auch hier b^^nenden Umdeutung der antiken, sepul-
cral-symbolischen Darstellung des Odysseus und der Sirenen
(S. 445) in christlichem Sinne mit Berufung auf Maximus
von Turin (Homil. 1 de cruce Christi) imd die Philosophu-
mena VII, 1 (ed. Cruice, p. 335) ist schon darum nicht zu-
zustimmen, weil die altchristlichen Bildwerke überhaupt nie
den Zweck der Paränese verfolgen. Auffallend ist, dass die
christliche Sarkophagbildnerei erst aus der Zeit Constantin's
des Grossen datirt. Der Grund ist schwerlich in der ge-
drückten äusseren Lage des Christentums vor dieser Zeit
zu suchen, wie der Ver^usser annimmt (S. 447).
IV.
AemüiuB Hübner, InBcriptionee Britanniae christianae. Berol. Lond.
1876. (XXn, 101 S. in gr. 4^)
l8i<L Carini, Trenta tre nuove iscrizioni delle Catacombe dl Siracusa.
Palenno 1875. (14 S. in 8^) Estratto dall* Archivio Storico
Siciliauo.
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292 KRITISCHE (TBEK^GHTEN. SCHULTEE,
iBid. Onrixü, Nnove iscriziom greefae delle Catacombe di Siracma.
Palermo 1876, (22 S. in 8«.) Estratto daU' „ Archiv. Stor. SidL" i)
F. Piper, Zwei Inschriften Oonstantin's des Grossen an seinem Triumph-
bogen in Rom imd in der vaticanischen Basilica. (Stud. u. Krit
1875, S. 60—110.)
G. B. de RoBsi, Scoperte in Africa. (Bull. 1875, S. 162—175; 1876,
S. 59—65; 1877, S. 97—117; 1878, S. 7—37.)
— — , D' una mutila epigrafe di strano senso rinvenuta nel tor-
rione destro della Porta Flaminia. (Bull, della Comm. archeol. com-
munale di Roma 1877, S. 241—24«.)
O. Marruechi, Di una rarissima epigrafe crist. di magistrato muni-
cipale. (Cronichetta mensuale di Roma, Aprile 1878.)
G. B. de Bossi, II pavimento di S. Maria in Castello diCometo-Tarquinia.
(Bull, di archeol. crist. 1875, S. 85—131, vgl. 1874 S. 81—118.)
A. Allmer et A. de Terrebasse, Inscriptions antiques et du moyeu-
äge de Vienne. Paris 1875 (gr. 8", 6 voll.)
C. Gregorutti, Le antiche lapidi di Aquileja. Trieste 1877. (XVIII
u. 284 S. in 4*.)
G. B. de Rossi, II Museo epigrafico cristiano Pio-Lateranense. (BulL
di archeol. crist. 1^76, 8. 120—144; 1877 8. 1-42.)
J. Ritter, De composidouc titulorum christ. sepulersdiimi in Corpore
inscript. graec. edit (Jahresbericht des Joachimtharschen Gynm.
in Berlin, 1877 8. 1—44.)
F. Piper, Zur Geschichte der Kirchenväter aus epigraphischen Quellen.
(In dieser Zeitschrift I, 203—263.)
— — , Ueber den kirchengeschichtlichen Gewinn aus Inschriften,
vornehmlich des christl. Altertums. (Jahrbb. f. d. Theol. 1876,
8. 37—103.)
Die vortreffliche Sammlung altbritischa* ohrisdicber In-
schriften (5. — 10. JahrL); welche Hübner als Teil des
Corpus Inscriptt latt. hergestellt hat, erschliesst ein bis dahin
so gut wie unbekanntes epigraphisches Gebiet von höchst
eigentümlichem Charakter. Das Verhältnis unmittelbaren An-
schlusses an die antike Inschriftenform; welches die altchrist-
lichen epigraphischen Monumente fast durchgängig aufweisen,
stellt sich hier als ein vollkommener Bruch mit dem Alten
oder vielmehr als eine entschiedene Abweisung desselben dar.
i) Vgl. auch desselben Verfassers „Iscriziom rinvenute nelle Cata-
combe di Siracusa". Palermo 1873. Estratto dall' Archiv. Stör. Sicil.
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BIS KIHCHL. ABCHÄOLOGIB 1675-1878. 293
Schon die äussere Q^stalt der Grabsteine; welche mdstens
die Form roher, längUcher Steinblöoke haben, noch mehr
aber die barbarische Sprache und die Schrifkcharakt^*e
zeigen eine Entwicklung, die sich zwar von römischen Ein-
flüssen nicht gänzlich hat frei halten können, aber wesent-
lich aus landestümlicher Sitte hervorgewachsen ist Daher
die vielfiichen Schwierigkeiten, welche mit der Entzifferung
veAnüpft sind, die aber der Verfiasser zum grössten Teil mit
Scharfsinn gelöst hat Einen directen Wert haben die In-
schriften, die mit dem 5. Jahrhundert anzuheben scheinen,
freilich nur fiir die locale kirchenbistorische Forschung, aber
grade für diese scheinen sie Refer^it ein nicht unwichtiges
Quellenmaterial zu bilden. Der Sammlung sind ausser einem
Nachtrage Supplemente zu desselben Veiiassers „Inscriptiones
Hispaniae chrislianae ^^ (Berol. 1871) beigegeben. — Die vor
einigen Jahren seitens der Staatsregierung unter der Ldtung
Cavallari's in der Katakombe S. Giovanni bei Syrakus
iintemommenen Ausgrabungen haben zur Entdeckung von
c. 60 grösstenteils griechischen Inschriften gefuhrt, welche
Carini fast sämmtlich im „Archivio storico Siciliano^^ un-
mittelbar nach der Auffindung veröffentlicht hat. Die In-
schriften erweisen weitwhin die Unrichtigkeit d^ von den
einheimischen Archäologen vertretenen Meinung,' dass die
genannten Katakomben d^n zweiten oA&r gar dem erst^i
Jahrhundert angehören, insofern keines der f^itaphien über
die Grenze des vierten Jahrhunderts zurückgeht. Die Mehr-
zahl gehört im Gegenteil der zweiten Hälfte des vierten und
den ersten Decennien des ftinften Jahrhunderts an. Eigen-
tümlich ist den Inschriften die häufige Betonung des Eigen-
tumsrechtes auf das betr. Grab, sowie die luxuriöse Anwen-
dung des Monogramms Christi in seiner Verbindung mit
A — G). Merkwürdig und Referent nicht ganz klar ist die Er-
wähnung eines Grabeskaufes HAPA JHC EKKAH \\ CIAC
NIKÜNOC (1875 n. IV). Da auch in n. XÜ ein Nikon
als Verkäufer eines Grabes erscheint, so bezeichnet wohl
ixxXrjaia hier das dem Nikon unterstellte FossorencoUegium,
welches in einem bestimmten Teile des Coemeteriums das
Verkaufsrecht ausübte; ähnliche Verhältnisse lagen wenigstens
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294 KBITISCHE ÜBERSICHTEN. SCHULTZE,
in jener Zeit in Rom vor. Die Bezeichnung JOYAH
XPH2TIANH (1876 n. HI) hat wohl nur einen religiösen
Sinn, vgl. n. III. VI (1876), und setzt nicht, wie Carini
will, eine christliche Sklavin voraus. — Eine correcte Aus-
gabe der syrakusanischen Inschriften, besonders der in der
Katakombe S. Giovanni vielfach zu beobachtenden Graffiti
und Dipinti, die grösstenteils noch nicht entziffert und
publicirt sind, wäre sehr wünschenswert Die Publication Ca-
rini's ist vielfach fehlerhaft imd ungenau; die beig^ebenen
kurzen Erläuterungen sind ganz wertlos.
In der Inschrift des Constantinsbogens ist die Erklärung
des Ausdrucks INSTINCTV DIVINITATIS (Z. 3) schon
seit dem vorigen Jahrhundert controvers. Im allgemeinen
waren die römischen Archäologen der Meinung, dass die
Worte eine heidnisch lautende Phrase, nach Borghesi NVTV
10 VIS 0 ' M ' , ersetzt hätten und demnach als christliches
Bekenntnis Constantin's zu betraehten seien. Diese Annahme
wurde indes, als i. J. 1862 eine auf Anordnung der fran-
zösischen Regierung imtemommene Abformung des Monu-
mentes Gelegenheit gab. Original und Abdruck genau zu
prüfen, von de Rossi (Bull, di archeol. crist 1863, S. 57)
u. A. für irrig erklärt und die Originalität des IN-
STINCTV DIVINITATIS constatirt i). Ueber den Sinn
und die Tendenz der Worte teilten sich jedoch die Ansichten.
Piper, welcher seit de Rossi dieselben zuerst wieder einer
gründlichen Untersuchung imterzogen hat, gelangt zu dem
Resultate, dass sie der Ausdruck des individuellen religiö-
sen Bewusstseins des Kaisers seien, der die Ueberzeugung
gehabt habe, „dass er in seiner Sendung zur Wiederherstel-
lung des römischen Reiches nicht allein unter dem Schutze,
sondern auch unter der Einwirkung und Eingebung Gt)tte8
1) Referent persönlich ist freilich davon überzeugt, dass in den
Worten instinctu divinitatis eine nachträgliche Correctur vor-
liege, insofern dieselben an beiden Fronten in einer von den übrigen
Teüen der Inschrift aufiallend abweichenden Weise zusammengeschoben
und unregelmässig gestellt sind, gesteht aber zu, dass sich diese An-
nahme nicht erweisen lässt. Indes ist zu beachten, dass ein heid-
nischer Senat Monument und Inschrift errichtet hat.
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DIE KIRCHL. ARCHÄOLOGIE 1876-1878. 295
stehe'' (S. 94); eine Erklärung, welche unter den vorhan-
denen in der Tat am meisten Wahrscheinlichkeit für sich
hat Andrerseits aber lässt sich in der unbestimmten Fassung
der Worte eine schonende Concession an das heidnische
Born nicht verkennen. — Die von demselben Gelehrten
commentirte, bei dem Abbruch der alten Peterskirche ver-
schwundene Inschrift des Triumphbogens der Basilika (S. 98
bis 110) würde interessant sein, wenn Z. 1 und 2 wirkhch
eine Beziehung auf die triumphirende „christUche Welt*'
nähmen, wie der Verfetsser behauptet und zu erweisen sucht
Aber die Gleichsetzung von mundus und Eorche oder Christen-
tum ist im constantinischen Zeitalter undenkbar. Die In-
schrift ist schwerlich mehr als eine Glorificirung der mit
Constantin's Herrschaft anhebenden Kegierungsepoche, welche
als durch die Hülfe Christi erwirkt -voi^stellt wird.
Zahlreiche römische Inschrift;en finden sich in dem oben
besprochenen 3. Bande der Roma sotterr. de Rossi's mit-
geteilt imd commentirt. Zu den früher von ihm au%efun-
denen Epitaphien römischer Bischöfe hat der Verfasser die
Grabschrift des Cajus hinzuiUgen können, nachdem er deren
Restitution in scharfsinniger Weise vollzogen (S. 114 — 120) *).
Der Grund, dass dieser Bischof getrennt von seinen in der
1) Dieselbe lautet nach dieser ohne Zweifel richtigen Restitation:
lAioY emcK
KAT
nPO'IKAA'MAmN
Damit wiid zugleich die mit den älteren Quellen in Widerspruch
stehende Angabe des Katalogs von Middlehill, nach welcher Cajus
den Märt3nrertod erlitten haben soll, als unrichtig erwiesen. Wenn
dem gegenüber der Verfasser (S. 118 f.) den officiellen Märtyrertitel des
Cajus dadurch zu retten sucht, dass er denselben durch Verfolgungs-
leiden allgemeiner Art begründet sein lässt, so ist dies eine Conjectur
zweifelhaften Wertes. — Das angebliche Epitaph des Bischofs Linus,
welches de Rossi wiedergefonden zu haben glaubt (Bull, dl archeol.
crist. 1864, p. 50), lässt auch Kraus (Roma sott. S. 69, Anm. 2;
S. 632) jetzt fallen, nachdem er in der ersten Auflage seines Werkes
dasselbe für kirchenhistorisch höchst bedeutsam erklärt hatte (1873,
ä. 68). Die Unechtheit desselben hat der Referent in den Jahrbb.
f. Protest Theol. 1878, S. 486—491 zu erweisen gesucht.
Zeitschr. f. K.-G. HI, 2. 20
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296 KRITISCHE ÜBERSICHTEN. SCTIULTZE,
sog. Papgdnypte bestatteten Vorgängern beigesetzt wnrde,
lässt sich kaum noch mit Sicherheit aufzeigen. Die Annahme
de Rossi's, dass sich CajuB diese Grabstätte bestimmt habe^
weil er einst, wie der Liber pontificalis berichtet, während
der diocletianischen Verfolgung in diesem Teile des Coeme-
teriums Schutz gesucht und gefunden habe, ist dadurch aus-
geschlossen, dass die diocletianische Verfolgung in Wirklich-
keit erst sieben Jahre nach dem Tode des Cajus ausbrach
(vgl. Lipsius, Chronol, S. 241). Vielleicht war der ohnehin
beschränkte Raum der Papstkrypte bereits vollständig occu-
pirt, und ebenso die anstoseenden Gallerien nicht mehr frei.
Der Titulus bestätigt übrigens die Depositionsangabe der
„Depositio episcoporum" imd des Catalogus Felicianus sowie
der jüngeren Recension des Liber pontificalis. — Als epi-
gi'aphische Quelle fUr die Sklavenfrage innerhalb der alt-
christlichen Ku'che ist ein S. 139 mitgeteiltes Epitaph be-
merkenswert, in welchem liberti einer vornehmen Christin
genannt werden, ebenso S. 318 ein Titulus, welchen Frei-
gelassene ihrem früheren Herrn setzen *). Auch die In-
schrift S. 357: IN FACE NON DIGNA (= immerens) ,|
PER! (= periit) VRSA u. s. w. ist durch die darin sich
ausprägende heidnische Auffassung des Todes merkwürdig.
Ueberhaupt ist besonders dieser Band der „Roma sott.*'
lehrreich dafür, wie bedeutsam die epigraphischen Quellen
für die Erkenntnis altchristlicher Sitten, Institute und Ge-
schichte sind, was auch Piper mit besonderer Bezugnahme
auf die kirchenhistorische Forschung an einer Reihe von
anschaulichen Beispielen erwiesen hat *). Dies bestätigen
i) Besonders aber sei auf die im Ballett. 1874, p. 30 — 67 von
de Rossi mitgeteüten und commentirten Monumente als auf intei^
essante lUustrationen zu den Untersuchungen Overbeck's aufmeH^sam
gemacht. Vgl. auch Le Lefort, Les Colliers et les buUes des es-
claves fugitifs aux demiers si^cles de l'empire romain (Revue arch^ol.
187Ö, XXIX, 102—109).
*) Vgl. auch die vortreffliche Abhandlung „Des noms de bap-
teme" von J, Coblet (Revue de l'art chrdt. 1876, II, Iff.), welche
für die ältere 2Jeit ihr Material fast ausschliesslich aus den Inschriften
entnimmt. Die christliche Sitte, dem Todteu eucharistisches Brot
in das Grab mitzugeben, findet Le Blant (^Revue de l'art chrdt. 1875,
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DIB KIEOIL. ARCHÄOLOGIE 1875^187& 297
wdteiiiin die zahlmchen epigraphisohen Funde; welche von
der nordafirikamBchen KüBte^ speciell aus Algi^^ in jüngster
Zeit verschiedentlich gemeldet wurden und die, obgleich sie
aiisnahmsloB der constantinischen oder nachconstantinischi^
Zeit angehör^Gi, in hohem Qrad lehrreich sind. De Rossi;
der in der Lage war^ diese Monumente zuerst zu publiciren,
hat diesdben in ein^ Reihe von Aufsätzen eingehend be-
sprochen. Referent verweist be8ond»*s auf die Interpretation d^
seltsamen Combination ^^flamen perpetuus christia-
nus" auf einem Epitaphe v. J. 526 (626?) a. a. O. 1878,
S. 31 ff. Die Bezeichnung der diocletianischen Verfolgungs-
zeit als ;ydies turificationis^^ auf einer axideren Inschrift
(a. a. O. 1875, S. 163) ist gleichfalls bemerkenswert. Der
in naher Aussicht stdiende achte Band des Corpus ii[i8mptt.
latt.^ welche u. a. die airikanischen Inschriften um&sst^
wird uns ohne Zweifei weiteres wichtiges epigraphisches
Quellenmaterial ersohliessen und eine genauere Einsacht in
die Verhältnisse des ainkanischen Eirchenwesens in der Zeit
vor der vandalischen Occupation ermöglichen ^). — O. Mar-
rucchi hat ^ne Inschrift des 4. Jahrhunderts publioirt, die
durch die auf christliehen Epitaphien höchst seltene Erwäh-
nung einer Municipalwürde, eines ,, quattuorvir quinquennaUs ^,
nicht unwiditig ist. Dio Provenienz aus Temi madit der
VerfEtöser ^aubhaft. — Weit interessanter freilich sdlieint ein
erst kürdich von Mommsen richt^ gelesenes, aber bis an
einem gewissen Grade noch rätselhaftes Inschriftenfiragment
der Porta Flaminia in Rom zu sein, in welchem die Worte
vorkommen: „Filia mea inter fedeles fidelis fuit,
inter al[ie]no6 pagana fuif De Rossi, welcher das
f^itaph zu restituiren versucht hat, meint, dass es sich um
die Gh*abschrift einer mit einem Heiden verheirateten Christin
n, 26—31) durch einen gallischen Tituhis: CHMSTVS HIC EST
bezeugt; aber in Wirklichkeit handelt es sich wohl nur darum, auf
Christus als Grabesschützer lunzuweisen, wozu zu vgl. C. I. G. IV,
n. 9288.
1) Eine kurze übersichtliche Angabe der antiken Monumente der
Provinz Algier, mit Einschluss der christlichen, giebt Louis Piesäe
im der Revue de Tart chrA. 1876, II, 324—344.
20*
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298 KEITISCHE ÜBERSICHTEN. SCHÜLTZE,
handele; deren christlicher Vater durch die angegebenen
Worte die Darbringung von Todtenspenden auf diesem Grabe
habe verhüten wollen. Aber ein solches Motiv ist nicht
wahrscheixilich; es wird überhaupt kaum möglich sein, das
besondere Verhältnis, welches die seltsamen Worte an-
deuten, klar zu erkennen. Jedenfalls aber weist die In-
schrift auf ein eigentümliches synkretistisches Verhältnis hin.
Der Ausdruck „alieni" hat, worauf de Rossi aufinerksam
macht, eine instructive Parallele bei TertulL Ad ux. ü, 6:
„Moratur Dei ancilla cum Laribus alienis.^^ Die Inschrift
gehört wohl wegen des Wortes „pagani" eher der Mitte
als dem Anfange des 4. Jahrhunderts an, wie de Kossi an-
nimmt. — Für das nicht selten zu beobachtende Schicksal
profaner und christhcher Inschriften, als Pflastermaterial ver-
wandt zu werden, bietet die Kirche S. Maria in Cometo-
Tarquinia ein charakteristisches Beispiel, insofern dieselbe
ein aus c. 150 zersägten Inschriften componirtes opus
alexandrinum aufweist. De Rossi hat einen Teil dieser
Epitaphien, die übrigens, soweit sich sehen lässt, sämmtheb
diesseits des 3. Jahrhunderts hegen, veröflfentUcht und erklärt
Wichtiger als diese Ausftihrungen des Verfiwsers erscheint
Referent die dem Aufsatze angeftigte Abhandlung über die
römischen Marmorarii des 11. — 13. Jahrhunderts (S. 110 bis
131). — Das umfemgreiche Inschrifl^nwerk von Allmer
und Terrebasse bringt für die mittelalterUche Geschichte
vielfach neues Quellenmaterial, während die mitgeteilten alt-
christUchen Inschriften bereits durch frühere PubUcationen
bekannt sind. — Die teilweise zum ersten Mal pubhcirten
christhchen Epitaphien, welche sich in dem vortrefflichen
Inschriftenwerke Gregorutti's finden, scheinen über das
4. Jahrhundert nicht zurückzureichen. Charakteristiscb ist
denselben die häufige Anwendung des Wortes „fidelis''
(nn. 640. 706. 729. 816. 853. 870), welches sonst im all-
gemeinen selten begegnet und, wie es scheint, erst seit der
zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts in der christhchen Epi-
graphik aufgekommen ist. Bemerkenswert sind femer n. 664
durch die Zeitangabe: DIAE LVNIS (= die lunae), so-
wie n. 653 und n. 741 durch Graffitozeichnungen. S. auch
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DIE KmCHL. ARCHÄOLOÖIE 1875-1878. 299
n. 745, wo der Glaube des Verstorbenen an Gott betont
Tvird. Einen Commentar zu den Inschriften hat der Ver-
fasser nicht beigefügt ^).
Von seiner eigenen, in jeder Beziehung musterhaften
Schöpfung, der epigraphischen Sammlung dös Lateran-
museums, hat de ßossi in einer Reihe von Aufsätzen im
Bull, di archeol. crist. eine anschauliche Beschreibung ge-
geben *). Die Entwicklungsgeschichte und Formulirung der
griechischen Epitaphien des 4. Bandes des Corpus Inscripti
graecc. ist von Ritter*) in verdienstvoller Weise zum ersten
Male beleuchtet imd klar gelegt, während über die In-
schriften lateinischer Zunge *) nach dieser Seite hin seit
langer Zeit gesicherte Resultate vorliegen ^). Es wäre übrigens
wünschenswert gewesen, dass sich der Verfasser nicht damit
begnügt hätte, die gegebenen Formeln einfach zu summiren,
sondern dieselben auch zeitlich zu fixiren und zu zerlegen
>) Die c. 40 christlichen Inschriften (mit Einschluss der Frag-
mente), welche sich unter den Iscrizioni antiche VerceUesi (Torino
1875 n. CXVI — CLV) des P. Bruzza finden, beginnen mit dem Jahre
434 imd bieten nichts Besonderes. — Das fleissige und wohl ausge-
stattete Sammelwerk von V. Forcella, Iscrizioni delle Chiese e d' altri
edificil di Roma dal sec. XI fino ai giomi nostri (Vol. I — IX Roma
1869—1877 in gr. 4®) enthält besonders für die römische Stadt-
geschichte reiches imd interessantes Material.
2) Ausserdem sei auf eine interessante kurze Abhandlung des-
selben Gelehrten über Grabinschriften von Bischöfen der alten Kirche
im Bull, crist p. 85 — 94 besonders aufinerksam gemacht.
a) Vgl. Theol. Lit.-Ztg. 1877, S. 500f.
*) Eine übersichtliche Darstellung der altohristlichen Epigraphik,
aber mit fast ausschliesslicher Berücksichtigung abendländischer In-
schriften, giebt Kraus in der Roma sott. S. 431—485.
6) Eline Anzahl griechischer Inschriften teilen auch mit L. Heuzy
und H. Daumet, Mission arch^ologique de MacMoine (Paris 1876;
Xm, 470 S., 34 Taf., 8 Kart, in gr. 4«»), s. das Verzeichnis S. 467. —
Die im Bulletin de correspond. helldnique der Ecole fran-
^wse d'Ath^nes 1877, p. 393 — 408 publicirten christlichen Tituli von
Attika sind grösstenteils schon aus Kumanudis, ^Jtjuerjg iniyQaq}ai
hitvfißun, iv ^J^i^vaig 1871 bekannt. Ausserdem sei hier auf fol-
gende Inschriftenwerke verwiesen: Inscriptiones Urbis Romae latinae
(vol. VI, 1 des Corp. Inscriptt. lat.), colleg. G. Henzen, J. B. de
Bossi, ed. £. Bormanu, G. Henzen, Berol. 1878 (873 S., 3925 n.);
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300 KRITISCHE ÜBERSICHTEN.
gesucht hätte, waa den Wert seiner Arbeit bedeutend erhöht
haben würde.
CorpuB Inseriptt. graec. Indices continens, comp. H. Bohl, Berol.
1877 (167 S.); Inscriptiones Atticae aetatis, quae est inter Euclldis
annum et Augusti tempora. Pars prior decreta continens, ed. U. K ö hier ,
Berol. 1877 (429 S.); Inscriptiones Atticae aetatis romanae, eA
G. Dittenberger, Pars prior, BeroL 1878 (522 S.).
(Schluss folgt.)
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ANALEKTEN.
1.
Erl&uteningen
zu den im IL Bande dieser Zeitsohrift S. 119ff. mitgeteilten
EpiBtoliB Beformatomm.
Von
Dr. theol. J. E. Seidemann, Fast. em. in Dresden.
Bei dem reichen und willkommenen, weil so wertvollen In-
halte der eben bezeichneten Briefe n. s. w. kann ich nicht um-
hin, Freude und Dank über die Mitteilung derselben hier auszu-
tiprechen, zugleich aber einige wenige Nachweisungen, die sonst
vermisst werden dürften, zu weiterer Verwertung des Gegebenen
anzufügen.
8. 119. Die Verbrennung der Bücher Lnther's in Merse-
burg geschah Mittwoch, 28. Januar 1521. Meine Erläuterungen
zur Beformationsgeschichte S. 11.
S. 123. Schart in Eilenburg; er war im Jahre 1525
Diener bei Sebastian und Friedrich Von Jessen, des Kurfürsten
Söhnen. Meine Erläuterungen S. 37. Schlegers Vita Spalat, p.
229. de Wette VI, 693. — Thilo Den. Burkhardt, Dr. Martin
Luther*s Briefwechsel, S. 36. Script, publ. propos. I, 142 ; VI,
Dd. 7. Bindseil, Colloquia lat I, 299. Ein Gedichtchen
des Sibutus Daripinus (d. L aus Tannroda in Thüringen) an ihn
vom Jahre 1507 bei Freytag, Adparatus II, 983. Knaake,
Scheurrs Briefbuch II, 94.
S. 129. Karlstadt*s Kaplan. Vgl. meinen Münzer S. 121.
(ErL V, 277 f. 279. 281.)
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302 ANALEKTEN.
S. 132. üeber Lucas Kranach^s Apotheke und Druckerei
in Wittenberg, vgl. de Wette II, 357; VI, 611. Scbuchardt I,
165; III, 72—75. 67—72. — Lutber's Brief bei de Wette H,
445 an eine Klosterjungfrau von Adel vom 14. December 1523
wäre also an diese Anna Spiegel.
8. 133. Luther liest über Hoseas, Joel und Arnos. Spal.
ap. Menck. n, 639 f.; Köstlin I, 617. 803.
S. 138. Isabella starb Donnerstags I.Mai 1539 bei Ge-
burt eines todten Knaben (nino) in Toledo; de Wette VI, 519 f. —
üeber den Maler SebastianAdam vgl. die beiden AuMtze im „ An-
zeiger Für Kunde Der Deutschen Vorzeit". Neue Folge. Ein-
undzwanzigster Jahrgang. 1874. No. 6, Juni. Sp. 179 — 181 und
1875. No. 1, Sp. 12 ff.; No. 2, Sp. 40 f. Er war vermutlich
aus Linz gebürtig und er ist der mit S monogrammirende Maler
bei Schuchard I, 163; III, 275. 277 f.
S. 141. Vgl. de Wette V, 304. Ging Luther damals wirk-
lich nach Pretzsch ? Niedner*s Zeitschrift für die histor. Theologie
1860, S. 660.
S. 161 f. Paul Knod. de Wette lü, 174; VI, 672 im
Begister fehlend. Spal. bei Menke II, 647. Tentzel-Cyprian,
Histor. Beriebt, Th. 2, S. 376. Album p. 74. 182. Script publ.
propos. n, Cc. 4^. Manlii Libellns medicus p. 40. Corp.
Bef. m, 1106; IV, 139; VI, 22. 32 sq. Neue Mitteüungen aus
dem Gebiet historisch - antiquarischer Forschungen, 1857. Bd. IX,
S. 128. 132. — „Vita aulica. Herr Paul knath dirit mihi
aliquando Do er noch war ein knab in der Cantorey gewessen,
hat er einen alten pfaffen am hoff gefragtt wie doch so groser
hohmut vnter dem Adel zu hof were. Bespondit Sacrificulus wie
fragstu so nerrisch. Es ist kein Edelman der den Baum was
guntt den burgern oder auch den fuersten. Imö sie guntten inen
vntereinander selbst nicht guts vndt ist war den es sein drej
erley Teufel hausteuffel, hofftenffel, vnndt kirchendeuffel die letzten
sein Die ergsten wan es dahin kompt dz kein Priester dem an-
dern nichts gan, vndt dz siech einer lest duncken gelerter sein
denn die andern Jeckel meint er sej gelerter den phüippus
Grickel meint er sej gelerter denn ich so gehets denn.'' Excerpta
haec omnia in Mensa ex ore D. Ma: Lutherj. Anno Dni. 1. 5. 4. 0
Blatt 102^ und Hirzel's Msc. der Tischreden Blatt 139^
S. 163: „Sicut ipse Amsdorff etiam fuit moechus habebat
consuetudinem cum Coniuge sui Diaconi Magdeburgae." So er-
zählte Melanchthon seinem Schützling Johann Ferinarins [Album
p. 282] laut Msc. Dresdens. B. 193, 4^. Libellvs Arcano-
rum Abrahami Bucholzeri [Album p. 237], Blatt 4, Vgl.
Corpus Bef. XXIV, 471.
S. 164: „Sed vidna plus pecuniae expetens nunc profectura
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SEIDEMANN, ERLÄUTERUNGEN. 303
est ad Mansfelf Ziun Ankauf Wachsdorfs; vgl. zur Sache
Niednefs Zeitschrift fftr die historische Theologie 1860, S. 548.
S. 166. Der „oeconomus" ist M. Valentin Trntiger. Seine
Witwe hiess Elisabeth, seine Tochter Hagne. Script, publ. prop.
I, 425^. — „Ambrosius" ist Eenter (denn der üniversitäts-
schösser M. Ambrosius Bernd starb 1541, vgl. „Zur Familien-
geschichte LntherV^ Sächsisches Kirchen- nnd Schulblatt. Leip-
zig, 1857; No. 11, Sp. 82 f.), t 14. Juli 1564. Script, publ.
prop. VI, Q. 3»>. Corpus ßef. I, 934; HI, 584 sq. Albu^ p. 101.
186. Burkhard S. 57. Bindseil Coli. lat. I, 208. K. Krafft,
Briefe und Documente. Elberfeld [Januar 1876]. S. 74 f. Neue
Mitteilungen etc. (Halle 1836), Bd. ü, S. 651. Sein Haus lag
am Markte neben Lucas Eranach*s Hause. Luther sagto: „Denn
ich gleub dz in einem hause wie M. Ambrosius hauss ist, boy
hundert personen gewonet haben, wie den noch hier hauswirt
siech durfFen in einer stneben da mir einen tiesch ein setzen,
mit weih vnndt kindt behelffen ynndt schlaffen''. Excerpta haec
ouinia in Mensa u. s. w. Blatt 80^ unter der üeberschrift Jndaca.
Cod. Chart. Goth. no. 402 Farrago etc. f. 403»». Vgl. S. 150.
S. 168. Sabbatho post Chiliani ist der 9. Juli 1547.
S. 171. Quaestor universitatis seit 1546 war Vincentius
Hase, t 24. December 1561. Script, publ. prop. V, Bl. B 8^;
I 5, P 8. Grohmann's Annalen der Universität zu Wittenberg I, 88.
S. 172: „episcopumTridentinnm legatum Imperator is rever-
sum a pontifice". Christoph von Madruzzi. Vgl. Mamerani Catal.
Familie Totivs p. 5. Seckend. m, 404. 596. 662. Wiede-
mann's Eck 'S. 637. von Soden, Beiträge zur Reformationsge-
schichte, S. 475 — 478; von Langenn*s Moritz I, 235. Mohnike*s
Sastrow I, 380. 358 f. Ueber seinen Bruder Nicolaus von Ma-
druzzi, Imperatoris Capitaneus summus, Baro in Aul et ßrentoni,
vgL Mamerani Catalogus Omnium Generalium u. s. w. (Colouiae
1550), p. 34. 37. Catal. Pamil. Tot, p. 3. 9. 50. (Vnlpius)
Curiositäten II, 127. Corpus Ref. VI, 572. M. Job. Gottlob
Walter „Ergantzte und verbesserte Nachrichten von den Letzten
Geschichten des seligen D. Luthers, des Ersten Theils Dritter
Abschnitt" (Jena 1753). F. Gregorovius, Gesch. der Stadt Rom im
Mittelalter Vin, 229 nach Raynald ad A. 1546 n. 33. Er
schreibt den Namen Madrucci. v. Druffel, Herkules vonFerrara,
S. 11. — — „neptem ex sorore" ist Dorothea, Tochter König
Christiems 11., geb. 1520, verheiratet 1532 mit dem Pfalzer Kur-
fürsten Friedrich IL— M.Sebastian Steu de. deWetteV,391f.;
VI, 623. Fortgesetzte Sammlung 1730 S. 630.
S. 174. Der Brief an Glatius ist abgedruckt im Littera-
rischen Wochenblatt II, 145, aber ohne Tag.
S. 184. Lasius, auch Fortgesetzte Sammlung 1740 S. 549.
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304 AKALEKTEN.
8. 298f. Ueber Alexins Naboth Tgl. Albnm p. 192:
Alexins Nabotb Calensis 17. October 1541, und p. 211: Valen-
tinus Nebotb Kalensis. Gratis inscripti. Anfang 1644. Kahnis,
Zeitschrift für die historische Theologie 1874, S. 129. 139.
Botermonds Fortsetenng zu Jöcher, Band Y, 333: Propositiones
theol. de lege et evangelio. (Witt 1660), 4. Corpus Bef: XXIV,
749: Naboth ille, qui erat in familia Lutheri; vgl. Tischreden
XII, § 23 ed. Förstemann n, 106. Sächsisches Kirchen- und
Scholbla^ 1872. No. 37. Sp. 296. In der Bibliotheca Lepsiana
zu Naumburg befindet sich ein Consistorialzengnis v. J. 1555
des Inhalts, dass gegen Trauung des M. Kaspar Beutzer und der
Jungfrau Magdalena Melanthon [getraut mit Peucer, Mon-
tag 2. Juni 1550; Bindseil, Melanchthonb Epistolae, p. 559]
nichts einzuwenden und die Einrede des M. Alexius Nabot,
dass die Jungfrau Magdalena früher vom Yater ihm ver-
sprochen worden, unbegründet sei; derselbe sei yielmehr früher
von M. Philipp Melanthon mit glimpflicher Antwort, die
er zu jeder Zeit für abschlägig hätte vermerken können, ab*
gewiesen worden. Fünfter Jahresbericht des Wittenberger Ver-
eins Für Heimathkunde Des Kurkreises. 1861. 4. S. 3. Auch
Friedrich Staphylus hätte Magdalenen gern zur Frau gehabt, aber
Melanthon verweigerte sie ihm, vgl. Strobers Camerarii Vita
Melanchth. (Halae 1777), p. 128. — Von ihm sind femer ge-
druckt vorhanden: 1) Ein BChOner Trost, | den betrübten
Christen, in die- | ser erschrecklichen zeit, Aus dem XLI.
Cap. I Esaie. u. s. w. Wlttemberg. | IXl. 2). XLVI. | 24 Quart-
blatt. Das auf der Leipziger Universitätsbibliothek, Pred. u. Erb.-
Lit.313, befindliche Exemplar schenkte Naboth seinem alten Patron
Caspar von Kockeritz. 2) Vom Unterschied des Gesetzes u. s. w.
für die deutsche Kirche. Wittenberg 1548. In München. Eine
Stelle daraus bei DöUinger, Die Beformation II, 417.
S. 624f. Die Echtheit dieses Breve wird sich nachweisen
lassen. Kolde, Die deutsche Augustiner-Congregation , S. 41 1 f. ;
vgl. oben U, 472 ff.
S. 626. Vgl. Ignacio Ciampi, Lutero a Boma, in der Nuova
Antologia di scieuze, lottere ed arti. Anno XIII. 2 serie. Vol. 8,
Fase. 6. Märzheft 1878. Er stimmt fttr 1511. Vgl. oben S. 197.
S. 628. Franz Hipler, Nikolaus Kopemikus und Martin
Luther (Braunsberg 1868), 8. 55. 73. Johann Dantiscus
war 1523 bei Luther in Wittenberg, dorn guten Gesellen [Erl.
LVIII, S. 103 § 631, Tischred. VII, § 110, F. 1, 381. Boon
compauion; a good fellow, a boonfellow.], „der funkelnde
Augen hat wie ein Besessener und schnöde Beden über
Pabst und Fürsten führt". Bei dem „far le flehe", dem Glauben
der Italiener an „gettatori" und das „male deir occhio" ist die
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SEIDEMANN, ERLÄUTERUNGEN. 305
AeussernDg Cajeton's nicht nneben; Ygl. Schnorr's von Carolafeld
„Archiv Für Literaturgeschichte" 1874. IV, 3f. Auch ist
Bindseil m, 154 nicht ein späterer Zusatz, sondern nur (wie
E. B. so Vieles von Aurifaber) „secretirt und ignorirt"^). —
Ich schalte hier einen, so viel ich weiss, unbekannten Brief des
Myconius vom Dienstag 30. November 1529 an Luther aus der
alten Abschrift in Msc. Dresd. C. 342 (früher in Valentin Löscher's
Besitze, das Original hatte Georg von Eunheim), 4^^ Blatt 17f.
ein. „Olarissimo & fidelissimo prophetae Dominj ad Germanos
Domino Martino Luthero in Christo patri. — Gratiam et pacem
per Christum & Deo patre nostro. Vt aliquando. Beverende mi
Domine Luthere, tuis iussis, uti debeo, obtemperem et me exol-
vam debito, Mitto ad te Johannis Ilten^ Minorite historiam, non
quidem totam, sed minutas quasdam particulas quantulas ex vitulis
monachis et scriptorum iUius reliqu^s carceris expiscari et corra-
dere licuit. Ex omnibus verö monumentis k libris illius, quorum fuit
ingens copia & haud dubie adhuc aliqui ä monacliis, qui illos
olim occultarunt, dum perderent, 8ervante8(ur), non nisi haec frag-
menta nancisci potui. Et id certe non sine magna diligentia et
arte. Miro enim studio Monachi isti huius et aliorum Christi
martyrum & monumenta obstruunt et occultant, ne de hac terra
clament ad Dominum, sed frustra sumunt hanc operam, cum iam
venturus sit qui omnem omnium iustorum sanguinem qui effusus
est super terram ab imp^s requisitnrus est. Fuit Iltenius olim
apud Livonios quibus praedicavit, ut angelum se audisse putarint
quotquot concessum fuit, illum videre et audire. Verum ex hoc
libro, loGO eo quem chartula imposita signavi, folia quidem dis-
cerpserunt Monachi, ubi ut ex priori folio quod adhuc est reli-
quum, vir ille suam historiam et martyria descripserat. luter
reliqua verö mihi prologus libri huius videtur esse non mall cor-
dis testimonium, quanquam de lustificationis saluberrima atque
necessaria doctrina vollem ipsum vel scripsisse vel scisse certiora.
Bomam aliquoties interpretatur A.pocalypticam illam meretricem,
& desiturum illnd regnum circa annum Christi 1514, ut est in
1) Die beiden Exemplare der Colloquia, Meditationes u. s. w. — Msc.
Dresd. A 91, 2 Tomi in folio, und Msc. Guelpherbyt. (Extr. 72), zwei
Tomi 1569 mit 236 Folioblättern, die Bindseil nicht kannte — , nach
deren Wortlaute Bebenstock alles lateinisch wiedergab, sind viel ur-
sprünglicher und der Bindseirschen Ausgabe weit vorzuziehen. Die
Wolfenbättier Bibliothek besitzt femer einen Thesavrvs Memorabi-
liunj vom Jahre 1556 in Vi^ (inartblättern , 878. Heimst., der in zier-
licher Niederschrift; in 168 Nammem auf 79 Blättern deutsche, Dog-
matisches enthaltende Tischreden, fast nur Bekanntes, gewährt, von denen
einzelnes anders und besser gefasst ist, wovon meine, ihrem Abschlüsse
nahe Ausgabe der ursprünglichen Tischreden Rechenschaft ab-
legen wird. Die Stelle steht A 92 f. 282^ Guelph. II f. 7»>.
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306 ANALEKTEN.
illlüs rotnlis cernere. Supra modnm aegro tulit animo distin-
ctlonem illam quam monachi primom excogitarunt: Christianos alios
esse religiosos alios seculares: ubi vult nailam prorsus religionem
salutarem esse, nisi unam Christianam, sine qua Monachi extra
salutem sunt. De Mohametarum sivc Turcarum regno, trinmphis
et gladijs in Europam nsque propagandis, ut sie Eoropensium con-
summata malitia et impietas dignas poenas det, quae senserit, &
in rotnlis & alibi in hoc libro frequenter disserit. Deinde de
Christianorum reformatorum regno deqne anti-Christi Tjrannide
& regno Christi hie in terra atque de mundi fine circa annum
Christi 1661 et quod ultra nihil nnraerot computus libri coelestis,
quid senserit et quibus probarit scripturis, tu facilius quam ego
conijcies. Ego enim puto, illum non admodum verisimilia scri-
bere. Verum hoc unum non possum non mirarj, quod Bomae
statuit finem circa annnm mundi 1514. Et Turcae regnum ab
anno Christi 600 usque ad illius annnm 1570 in Europam etiam
extendit: in qua re non video quid mentiatur*). Verum tu spi-
ritu Christi qui in te est scies, quis fuerit ille spiritus qui haec
sugessit & congessit. Rogo autem, mi Rev. Luthere, ut libmm
hunc Iltenij lectum remittas. Dedi enim fidem Monacho, me hunc
diligentor servatnrum et, si iubeat, etiam remissurum. Cura, ne
me ille possit arguere mendacij, cuius certo criminis me puderet
vehementer. Quando verö Papistarum furor non cessat contra
Christum, velim spiritum in te & alijs non cessare iUorum ar-
guere peccata, qnanquam iam peccent adeö, ut nulla spes sit,
haec crimina & horrendum peccatum blasphemiao vnquam remitti:
tamen iam ubique morienti in cruce Christo: puto non indignnm
fore, si cum centurione clamemus : Christum indigna pati ac instum
esse. Vt vos in clamando adiuvarem. Scripsi hos tres qnater-
niones quos Ilteni historiae praemisi, tantum in hoc ut videas,
me libenter velle tecum confiteri Christi innocentiam et perditi-
onem illorum furori comminari, quod cito dabunt domino horren-
das poenas, huic et domino ultionem. Caeterum si alind tibi
videatur magis expedire, utere ijs chartis pro tergendis naribns
aut augendo igne. Novi hie nihil dicitur, nisi quod Caesarem
1) Die Weissagung GRAPS, d. i. Oninia redibunt ad pristinom
ßtatum, soll von Hüten sein; laut UN. 1706, S .313: M. C. quadratum
LX. quoqae duplicatum Graps peribit k Hass Wicklefque redibit Vgl.
Bindseil, Coli. lat. III, 331 und meine Bonicrkung bei Burkhanlt S. 166.
Sie heisst aber in Albini Schneebergischer Chronica, Msc. Dresd. L. 6.
No. 68: „Post m Simplex c quadratum Ix dnplicatum Dam v transibit
Hussitamm secta peribit Grips consurget, fides cristiana resarget. Doch
auch M c qaadratum Ixvij binatum Graps consurget, fides Romana re-
surget, Et quae redibit wicklefica ista secta peribit Hoc deus si velit,
totum in foribos erit. Gmnia redibunt ad pristinum statam. — Ueber
Hilten Corpus Ref. IV, 780 f.; XXIV, 64.; XX VII. 627. de Wette VI, 563.
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SEIDEMA17N; ERLÄUTEBUNGEN. 307
ainnt valde Christo molestum fierj. Sed scis quid mercedis re-
tnlerint potentiores hostes eins. Hie haiid dubio, quando in hunc
lapidem impingit, ut vas figuli similiter confringetar. Confidite,
ego vici mundum Die woll mehr, grosser, weisser, stercker, zorniger
ist, weil teuffei, hell, Tnrcke, Pabst, König, Bischoff, alle Yolcker
ihr Kriegsverwanter sein qnanto magis Caesarem vici vici. Gra-
tia Christi te servet Ecclesiae suae Amen. Saluta sociam illam
omnis calamitatis tuae Eethen von Bora. Gothe 1529 f. pij
Andreae. T. Fridericus Miconius.
Zur Sache vgl. de Wette III, Ö14f. 523. Erl. XXV, 325.
Köbtlin I, 39. 777 (wo zu Eisenach zu vgl. ist Spal. bei Menke
U, 605). Portgesetzte Sammlung 1744, S. 31 7 f. Hess Löscher
aus dem jetzigen Msc. Dresd. C. 342 Bl. 2 den Brief Spalatins
an Luther, worin erwähnt wird „Comerus Denccendorfensis Va-
riscus'' als vom Jahre 1520 abdrucken, Burkhardt S. 36. Der
Briefschreiber unterzeichnet sich aber deutlioli als Comerius Dem-
dorfianus Parochus, auch muss der Brief vom Jahre 1529 sein.
Ob Domdorf bei Domburg, oder bei Laucha, oder bei Vach?
S. 628 f. „Denn zum Ersten, so hatte er in frischem Ge-
dächtniss die Acta des Beichstages zu Worms Anno 21, da die
Bekenntniss des Evangelii von Luthero vor allen Ständen des
römischen Beichs gethan, dabei er gestanden, und hat sie oftmals
tlber seinem Tisch mit sonderlicher Freude und herzlichem Froh-
locken erzählet, wie sie gedmckt sind, und setzt das hinzu,
BO im Gedruckten nicht stehet: da der Doctor sein Bekennt-
niss sittig und demtithig getban, ist er von Eck und des Pabsts
Legaten hart angescbnaubet worden; da der Doctor aber vemahm,
dass sie nicht Glenüge daran hatten, sprach er: Das Evangelium,
so ich meinem Deutschen, meinem lieben Vaterlande gepredigt
und offenbart, ist nicht mein, sondem meines HEBEN Jesu Christi
und lass das S. Peter verantworten, der spricht Actonun lÖ
(Y. 43): Von diesem Jesu zeugen alle Propheten, dass wir in
seinem Namen Vergebung der Sünden erlangen. — Das ist ein
herrlicher, theurer Spruch, den er dlesmals gelemet und als ein
sonderlich geistliches Kleinod geachtet und ofk wiederholet hat."
Franciscus Bhade's von Grim Leichpredigt auf den kurfürstlichen
Marschall Dietrich von Starschedel auf Mutzschen vom 8. No-
vember 1561. Sächsisches Kirchen- und Schulblatt 1672. No. 37.
Sp. 294. — Immer und immer wieder ist zu verweisen auf das
Luthem so sehr geläufige Hie st o. Apostelg. 25, 10. S. Ambrosius
Tischreden XXI, § 1; LVH, § 5; IX, § 2 (= Dietrichs Collecta
Blatt 143^; Obenanders Thesavrvs, Blatt 245»). Ericeus, Sylwla
p. 149^ de Wette IV, 169. Erl. XVII, 103; XXIV, 58. 211;
XXV, 236; XXXI, 233. Obenander Blatt 123». Büchmann,
Geflügelte Worte. Aufi. 11. S. 382.
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308 ANALEKTEN.
2.
Fachwort zh deo von V. Schutze mit^teiUeii
Depeschen Gontarinr&
Von
Th. Brleger.
Den oben S. 150 — 184 mitgeteilten Depeschen Contarini's ')
glaubte die Redaction nicht erst erläuternde oder auf ihren
Wert im einzelnen hinweisende Anmerkungen hinzufügen zu
mfissen, überzeugt, dass diese Actenstücke auch ohne derartige
Zutaten als ein nicht unwichtiger, ja zum Teil hochinteressanter
Beitrag zur Geschichte jenes merkwürdigen Jahres 1541 will-
kommen sein würden. Die Depeschen sind meines Wissens bis-
her sämmtiich unbekannt. Nur wenige von ihnen hatPallavi-
cini benutzt, so die vom 5. April (17, 13, 6) •) und die vom
14. April«) (IV, 13, 5*), vgl. obenS. 175 f.; femer IV, 13, 2
und IV, 14, 1), endlich, wie aus einer Vergleichuüg von IV,
13, 6 (Anfang) mit Zeitschrift S. 165f. hervorgeht, auch die
Depesche vom 30. März, obgleich er sie nicht ausdrücklich citirt:
spärliche Mitteilungen, welche dön Wunsch nach seiner Vorlage
nur desto lebhafter auftauchen Hessen.
Zu bedauern bleibt allerdings, dass es Herrn Dr. Schnitze
1) Der freandlichen Mitteilnng von DruffeTs verdanke ich fol-
gende Verbesserungen : S. 164, Z. IG v. o. 1. : Maguneia statt Modena.
S. 165, Z. 21 V. u 1. nach quäle: non, S. 169, Z. 3 v. u. L: viäeUcet
stett ut. S. 171, Z. 18 V. 0. l: me ne.
^) Fälschlich ist sie ad marginem auch zu IV, 13, 5 notirt. In
§ 6 lässt sich jetzt in einer Kleinigkeit Pallavicini berichtigen, indem
das bekannte Wort über die Protestanten („Scusö il Granvela questo si-
lenzio, dicendo che s'havea da trattare con aniraali irragione\'oli e fieri;
e pero conveniva d'accomodaiü all' insania loro per mansuefarli ") nicht
GranveUa, sondern in doch etwas anderer Fassung dem Kaiser angehört
(s. oben S. 171).
8) Das von Schnitze (oben S. 176, A. 1) vermutete Datum, der
14. April, schon ans dem Inhalt mit Sicherheit sich ergebend, wird zum
UeberHa86 noch bestätigt durch PallaviciHi IV, 14, 1 ; vgl. auch die De-
pesche Morone^s vom gleichen Tage bei Lämmer, Mon. Vat., p. 369 sqq. und
(las Corp. ßef. IV, 157-166.
*) Nor durch ein Versehen ist von Pallavicini hier Hezug genommen
auf eine Depesche vom 5. ApriL
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BRIEGER, ZU DEN DEPESCHEN CONTARINfS. 309
nicht m^lich gewesen ist, die Reihe dieser Depeschen zu yer-
▼oUständigen: von Mitte April bis zum 23. Juni nicht eine
einzige Depesche! und auch dann wieder eine grosse Lücke bis
znm 19. Juli. Grade für diejenigen Wochen, aus denen die
Berichte des päpstlichen Legaten für uns Ton dem spannendsten
Interesse sein würden, die Zeit des Colloquiums (27. April bis
25. Mai) und der darauffolgenden Verhandlungen über das sog.
Toleranzproject, sind die Depeschen noch nicht aufgefunden —
was umsomehr zu bedauern ist, als auch der für das Wormser
Gespräch so reichlich fliessende Strom von Depeschen des Nun-
tius Morone in Lämmer's Monumenta Yaticana für den Regens-
burger Reichstag fast ganz versiegt ^). Wie häufig z. B. im
Mai Oontarini nach Hause berichtet hat, ersehen wir ans ein
paar beiläufigen Notizen, welche Depeschen vom 3., 4., 9., 11.,
12., 13., 16., 16!*), vom 23. und 24.*), endlich vom 29.
und 30. Mai *) erwähnen. Von allen diesen ist noch keine zum
Vorschein gekommen. Wir kennen überhaupt ausser den
in dieser.Zeitscfarift veröffentlichten nur zwei amt-
liche Berichte Contarini's an den Vicekanzler Alessandro
Famese: diejenigen vom 28. und 30. April (bei Quirini,
Ep. Poli ni, p. CCLin — CCLVI), beide von ausserordentlichem
Werte **). Allenfalls kann hieher noch ein dritter Brief an
Famese gerechnet werden (vom 22. Juni), welcher der Ver-
teidigung des zu Regensburg vereinbarten Artikels von der Recht-
fertigung gewidmet ist ®). -— Noch weniger glücklich sind wir leider
1) Lämmer bietet uns für die Zeit der Anwesenheit Oontarini's
in Regensburg (12. März bis Ende Juli) nur vier Berichte Morone's:
vom 14. April, 2. Jnni, 14. Jnni, 27. Juli (s. dazu unten S. 311,
A. 2). — Diese Lücke wird einigerraa«8pn durch die 2. Reihe von „ Acten-
stücken" Victor Schultzens ausgefüllt werden, welche u. a. acht De-
peschen Morone's aus dem März und April und sieben andere Kegens-
burger Briefe (von Girolamo Negro, einem Begleiter Contarini's, imd
Bernardo Santio, dem Bischof von Aquila) bringen wird, bis auf einen,
der von Ende Juni, sämmtlich aus dem April.
2) S. Nicolo Ardinghelli (im Namen Famese^s) an Oontarini, Rom
29. Mai, bei Quirini, Epist. Reg. Foli III (Brixiae 1748), p. CCXXXI;
vgl. auch Pallavicini IV, 13, 9; 14, 5. 6. 11. 12. 14 und Bembo an Oon-
tarini, Rom 27. Mai.
«) S. Pallavicini IV, 14, 11. 13.
*) S. Nicolo Ardingh^ (im Namen Farnese's) an Oontarini, Rom
15. Juni, bei Quirini, p. OOXL.
*») Eine andere, der erhaltenen voraufgehende Depesche vom 18.
April, welche sich ober den Fortgang des Oolloquiums verbreitete (s.
1. c, p. CCLIII), ist noch nicht aufgefunden.
») Zuerst von Flacius 15G3 in seiner Schrift „de voce et re fidei*'
mitgeteilt, von mir wieder abgedruckt in den „Studien und Kritiken''
1872, 8. 144—150 (vgl. dazu meine Ausführungen ebend. S. 129-137);
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310 ANALEKTEN.
mit den gewiss ebenfalls zahlreichen^) Depeschen Farne se*s
an Contarini; denn von diesen sind nnr zwei bisher an*s Licht
gekommen, die zu den wichtigsten Actenstücken des Jahres 1541
gehören: die beiden im Namen Famese's von seinem damaligen
Secretär Ardinghelli geschriebenen vom 2 9. Mai nnd 15. Jnni
(Qairini, Ep. Pol. UI, p. CCXXXI— CCXL und CCXL bis
CCXLIX «).
Ist nnn aus dem Briefwechsel zwischen dem Legaten und
seinem Vorgesetzten ausser dem Aufgeführten nichts bekannt,
so sehen wir uns umsomehr auf die übrige Correspondenz
Contarini*s während seiner deutschen Legation hin-
gewiesen. Was von derselben bisher allgemein zugänglich ist,
befindet sich fast ausnahmslos in der von dem Cardinal Qui-
rl ni veranstalteten Sammlung der Briefe Pole*s. Ich gebe hier
eine chronologisch geordnete Uebersicht über • diese Correspondenz,
deren einzelne Stücke freilich von sehr verschiedenem Werte sind.
März 14: Contarini an den Cardinal Aleander: Quir. III,
p. CCXXVsq.
„ „ Contarini an den Cardinal Pole: III, 16 sq.
„ 22: „ „ „ „ Cervini: p. CCXXVI.
„ „ „ „ Pole: m, 19.
April 6: „ „ „ m, 20 sq.
„ 11: Pole an Contarini, d. Rom: HI, 17 — 19 u. 85.
„ 22: „ „ „ „ „ m, 22—24.
„ 29: Contarini an Cervini: p. CCXXVII.
Mai 12: „ „ „ p. CCXXVni.
„ 17: Ercole Gonzaga (Card, dl Mantova) an Contarini,
d. Loces: p. CCLXXVIH— CCLXXXHI.
„ „ Pole an Contarini, d. Capranica: III, 25 (Ant-
wort auf einen Brief vom 3. Mai.)
der Brief ist übrigens nicht, wie ich früher annahm (S. 130, A. 4), die
Antwort auf einen verloren gegangenen Brief Farnese's vom 9. Juni,
sondern, wie aus der Depesche Contarini's vom 24. Juni jetzt deutlich
hervorgeht (s. o. S. 176), die Entgegnung auf die in Rom lautgewordcnon
Klagen, welche die uns erhaltene Depesche Farnese's vom 15. Jnni
erwähnt.
1) Contarini erwähnt solche vom 3., 7., 9., 11., 25. März, 16. April,
15. Jnni, 7. und 10. Juli. Famese selbst bezieht sich am 29. Mai noch
auf eine vom 11. Mai. Das sind natürlich nur ein paar zufällig er-
haltene Daten.
^) Die zweite auch bei Lämmer, Mon. Vat., p. 376 sqq. , aber
unter falschem Titel, fehlerhaft und mit einer Lücke; in einer zum Teil un-
genauen lateinischen Uebersetzung und mit einigen Fortlassungen steht sie
auch bei Raynaldus 1541, n. 20—24 und bei Le Plat III, 118—128.
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BRIEGEK, ZU DEN DEPESCHEN CONTAßlNl'a 311
Mai 21 : Lnigi P ri nl i an Ladoyico Beccadelli (Secretär Con-
tarini's in Begensburg): Fragment bei Quir. IQ,
p. XLVI— XLIX 1).
„ 25: Contarini's Epistola de Justificatione.
„ 28: Ceryini an Contarini (d. Rom): p. CCXXVUI.
„ 30: Contarini an Cervini: p. CCXXIX.
Juni 9: „ „ „ p. CCXXXL
„ 14: Ceryini an Contarini (d. Bom): p. CCXXX.
Juli 16: Pole an Contarini, d. Capranica, IQ, 26 — 30 (Ant-
wort auf einen Brief vom 20. Juni).
Aug. 22: Pole an Contarini, d. Capranica, Fragment bei Pal-
layicini IV, 15, 14.
Sept 1: Pole an Contarini, d. Capranica: Quir. HI, 30 sq.
Nimmt man endlich ausser den schon erwähnten vier De-
peschen Morone's bei Lämmer die von Baynaldus ganz oder
im Auszuge mitgeteilten Briefe aus Begensburg ^ hinzu, so hat
1) Quirini giebt freilich kein Datum an; dasselbe emebt sich aber
mit Sicherheit ans einem (später zu erwähnenden) Briefe Bembo^s vom
21. Mai. — Es ist jener Brief Prinli's, von dem Bänke (Päpste I, 108)
bemerkt, er könne es Qnirini nicht vergeben, dass er ihn nicht vollstän-
dig mitgeteilt habe.
>) Hieher gehören besonders folgende Schriftstücke: der Brief des
Episcopns Aqnilanus (nach Garns, Series £p. p. 851 Bemardus
Sanctins, von 1538—1553) an Farnese nnd Cervini, ßatisb. VI. (?XVI.?)
kal. Jon. (1541, n. 7. 11); der Brief eines Anonvmns vom 7/8. Jnni
(n. 25), welchen man nicht hätte Contarini znschreiben sollen, er stammt
vielmehr aus dem diesem feindlichen Kreise Eck's (s. auch Ranke I,
110); Tind endlich die Briefe des Internuntius Claudius an Farnese,
meist im Auszuge und indirecter Bede mitgeteilt: 1) n. 3: Begensburg
4. März; 2) n. 4: Begensburg 3. April; 3) n. 7: Begensburg 6. April;
4) n. 18: Begensburg 29. Mai; 5) n. 19: Begensburg 2. Juni. — Hier
mag auch ein, so viel ich sehe, noch von Niemand bemerkter Irrtum des
Baynaldus aufgedeckt werden. Wer ist der Internuntius Clau-
dius? Baynaldus rühmt ihn als „arcanorum Principum particeps'' (n. 3),*
als „rerum gerendarum peritia clarissimus '^ (n. 4) und macht aus den
wertvollen Briefen desselben mit Vorliebe Mitteilungen. Wir sind sehr
genau unterrichtet über die zahlreichen Nuntien, welche im Jahre 1541
zu Worms oder auch in Begensburg sich zu schaffen gemacht haben:
Tommaso Campegg i, Giovanni Morone, Giovanni Po ggio, Giovanni
V er alle, desgleichen über andere römische Agenten wie den Bischof von
Aquila und Pier Paolo Vergerio, wie endlich über die aus Bom zur Begleitung
teils Camp^gi's teils Contarini's mitgegebenen theologischen Batgeber und
Secretäre; Tommaso Badia, Scoto, Adamo Fumano, Trifone Benzi, Giro-
lamo Negri, Filippo Gheri, Ludovico Beccadelli u. A. Aber ein Inter-
nuntius Claudius ist mir in allen Depeschen und Briefen dieser Zeit
nirgends begegnet, und er war für mich eine ganz rätselhafte Person,
bis ich entdeckte, dass sich unter ihm niemand anderes als der Nuntius
Morone (seit Mitte März bei Karl V. beglaubigt) verbirgt. Man ver-
gleiche den Brief des Internuntius Claudius vom 4. März mit der De-
Zeitadir. f. K..G. UI, 9. 21
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312 ANALEaCTEN.
maü das gosammte römische Briefinaterial ^) beisammen — mit
Aüsnahtae desnngemeiti reichhaltigen Briefwechsels,
welchen nns ein italienisches, in Deutschland sehr sel-
tenes und für Contarini noch gar nicht verwertetes
Werk bietet, lieber diese so gut wie unbekannten Schätze
beabsichtige ich im nächsten Hefte ausführlichere Mitteilungen za
geben.
EiB Brief Bocer's an MelaBchthon«
(9. September 1544.)
Mitgeteilt
von
Fr. Linde,
Decan zu Neustadt a. Aiseh.
S. D. Nihil prope bis aliquot mensibus nunciatur aut scri-
bitur aut äxüstit, quod non singularem quändam significationem
pesche Morone's von demselben Datum bei Lämmer, Mon. Yat., p. 367 sqq.
und man wird sehen, dass von Raynaldus die erste Hälfte dieser Morone-
Depesche fast T^drtHch reproducirt ist; desgleichen ist der Brief des
Claudius vom 2. Juni nur eine in indirecter Rede wiedeigegebene , hin
und wieder etwas freie und umschreibehde , aber häufig ganz wörtliche
lateinische Uebersetzung der Depesche Morotie's vom 2. Juni bei Lämmer ^
p. 372 sq.; ebenso zeigt endlich ein Vergleich der Mitteilungen aus dem
Briefe des Claudius vom 3. April, dass die grössere Hälfte desselben ein
Auszug ist aus dei* Depesche Morone's vom 3. April, welche Yietor
Schnitze demnächst in aieser Zeitschrift veröffentlichen wird, während
Baynaldus den Schlnss (n. 4) anderswoher genommen hat (vielleicht aus
einem noch nicht aufgefundenen Briefe Motone's vom 6. April; bis auf
einen Punkt findet sich übrigens alles zerstreut in früheren Briefen Mo-
rone's). — Auf diese Weise gewinnen wir demnach bei Baynaldus nooh
einige weitere Depeschen Morone's, wenngleich nur in freier Wiedergabe:
das Fragment derjenigen vom 6. April (n. 7) und die vom 29. Mai
(n. 18), letztere von um so grösserem Belang, als sie bei dem sonstigen
Mangel von Briefeil aus dieser Zeit die einzigen Nachrichten bietet über
die Stellung des Legaten zu dem Toleranzvorschlag vor Empfang der
Weisungen aus Rom. — Wie Rayualdus dazu gekonmien sein mag, an
die Stefle deö berühmten Giovanni Morone, der schon 1542 durch den
Purpur ausgezeichnet wurde, einen obscuren Internuntius Claudius zu
setzet! , das vermag ich allerdings nicht zu erklären. Oder sollte die
Wahl des Pseudonym Absicht sein? Die kann ich mir in diesem Falle
vollends nicht bei Räynaldus denkeu.
1) Die einen Bestandteil der Regensburger Acten bildenden amt-
lichen Schriftstücke Contarini's, die man tiberall (auch im Corp. Ref. IV)
findet, übergehe ich.
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LINDE, EIN BRIEF BüCER's. 313
ingerat irae dininaa in üos et acceldratitis desolationis. Dominnfi
sustmeat et conseruet se inaocantes. iSidie quam tuas literad
Miüehiitg atiulisset, vir tno et optimi cninsqne yiri amore ac
studio dignisB., Amb. Blaurems particulam epistolae cuinsdam ad
Prechtum ex vestra schola scriptae miserat, eadem quae scripsisti
de Amsdorfio et Lüthero conünemotantdm. Quid vero gratius
hi nostri facere queant Coloniensibus viperis? 0 charum Deo
Cd. senem, quem ita utrinque exercere et probare iustituerit.
Afficitttit m6 ista vt par est, sed coufldo tarnen Christum et [in
posterum ^)] nostrae inocentiae non deftitu[rum. Scripsi Luth]ero
et Pomerano, sed tuutti esto iudioium, lectis exemplis literarum,
an conueniat has meas literas exhiberi. Religio milü merito est,
omittere, quae tideaütur posse istis scandalis moderarl Sed
quis sciat quid apud hos tempestiuum sit? Pie tu et sapienter
facis, qui aliomm intemperiem tua lenitate et patientia pergis
▼iücere. Haec tua ratio rincendi Ecclesiis Christi maxima sane
mala hactenus auertit rel imminuit, idem dabit Dominus et in
praesenti perturbatione. Placet tamen monitum esse Pontanum.
Nee habeo certe quid praeterea faciendum existimem, hoc quidem
tempore, quo tautis in periculis Ecclesiae Christi yersantur yndi-
que. Est et nobis in iussu [?], yt de formula reformationis ge-
neralis [a]liquid scribamus. Verum dum consideramus^ [quam] *)
rariss. sit qui veram Ecclesiarum reformationem ferre possit, ne-
dum expetat, tum etiam quam egre audiant se mutuo, non dico
sententüs congruant, qui ex animo velint Ecclesias restitutas, ita
languemus, et ab hoc labore animi nostri refugiunt^ vt nihil ad-
hnc conscribere coeperunus. Quodeo focilius nobis indulsimus, quod ')
sciamus tos ea allaturos, vt, si obtineant, nostris commentis non
sit opus, sin, et nostra frustra ingerantur. Tamen, quia ita
nostri volunt, aliquid in genere delineabimus. Dominus Jesus,
Caput Ecclesiae j tpse sua membra reconoinnabit et süo reget
agitabitque spiritum ^), cum id visum ei fuerit Optimus et sua-
uiss. Milichius inter caetera et de Josephi Hungari stultitia
narrävit Improbissime ille mihi instabat, et causam obtendebat
conatum suum et Studium componendi contentiones suorum de hac
causa. Bgerrime patiebar a me hoc scriptum extorqueri, tamen
1) Lacke; am unteren Bande det beiden ersten Blätter ist nämlich
ein Stück abgerissen, wodurch auf der ersten, zweiten und vierten Seite
der Text Lücken erhalten hat, die sich jedoch mit einer Ausnahme un-
schwer ergänzen lassen.
«) S. oben.
)) So wäre der Regel nach die sehr deutlich geschriebene Abkürzung
aufzulösen; doch wird wohl cum zu lesen sein.
*) Lies apiritu.
21*
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314 ANALEKTEN.
cessi flagitanti nimium acriter. Inde si qnid turbae extitit, mone
vt id putes sedandom, faciam quod insseris.
De Yocatione D. Alberti nostri, viri sane, qualem nobis
commendasti, yere docti et pü, perplacet ex multis causis, qnas
Gognosces. Tarnen boneste missio a Colon, petenda est, apnd
quem propter vitae conditionem, quam meditatur, non tarn com-
mode esse poterit, idoneus alioqui maxime ad moderandas Eo
clesias inferioris partis dioeceseos, vbi bene intelligi potest.
[TJalet enim concionandi munere. Sed . . . ^) met [?] adiutorium,
cuius cansa Pomerania locum magis idoneum dabit.
De Jo. Schleidano municipe Stormii nostri rogo, ea, quae
D. Milicbius narrabit, tibi sint cordi. Caetera eidem D. Milicbio
commisi omnia, quo, vt par est, nos egregie oblectamur, yiro vere
pio, doctiss. et humaniss. Gratulamur omnes tibi hnius conuictum
et oramus Dominum, vt alios istic omnes huius similes faciat.
Amen. Yale in Cbristo fortiss. Compensabit istas tibi erumnas
et angores pater noster caelestis sempitemis gaudüs. Salutem
tibi adscribi petunt Gerbelius et caeteri. Hedio absens idem
commisit. Argent. 9. Septemb. 1544.
M. Bucerus
tnus quantns
est.
Aufschrift (auf dem 4. Blatte):
Clariss. viro D.
Philippe Melant.
totius piae et bonae
eruditionis antistiti
patrono et amico
summo.
Vorstehender Brief stammt aus der Kirchenbibliothek zu
Neustadt a. Aisch (Bayern), über deren übrige reformations-
geschichtliche Briefe die Zeitschrift in einem der nächsten Hefte
Nachricht nebst weiteren Mitteilungen bringen wird. Da der Herr
Decan Linde die Güte hatte, mir neben seiner Abschrift auch
das Original dieses Briefes zur Einsicht vorzulegen, kann ich für
die Bichtigkeit des hier gegebenen Abdruckes um so eher ein-
stehen, alsMaxLenz, bekanntlich mit der Herausgabe des Brief-
wechsels des Landgrafen Philipp mit Bucer beschäftigt und da-
her mit der oft schwierigen Hand Bucer's sehr vertraut, bei der
Entzifferung einiger minder leicht lesbarer Stellen bereitwillige
Hülfe leistete.
üeber die Situation, in welcher der Brief geschrieben ist.
1) Der erste Teil dieses Wortes ist weggefallen (s. o).
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HARNACK, PROPH. MALACHIAE DE SUMMIS PONTIFICIBÜS. 315
vergleiche man Varrentrapp, Hermann von Wied und sein
Refonnationsversnch in Köln (Leipzig 1878), bes. S. 229 — 231
(nnd 218). In der hier im Vordergründe stehenden Angelegen-
heit (s. über dieselbe auch Köstlin, Luther II, 570 ff. und
Spiegel, Hardenberg, S. 50 f.) wandte sich Bucer auch an Land-
graf Philipp, der seinerseits an Brück schrieb (s. den Brief
Corp. Eef. V, 501 f.; vgl. auch p. 522). — Heber die Eeise
Milich's nach Strassburg und den ihm von Melanchthon mit-
gegebenen Brief an Bucer s. C. ß. V, 461. 462. 476, bes. Me-
lanchthon an Bucer, 28. August, p. 474. — Josephus Hungarus
wird auch von Melanchthon erwähnt: an Veit Dietrich, 11. August
1544, C. ß. V, 461; vgl. p. 475. — Ueber den Plan, Harden-
berg nach Pommern (an die Universität Greifswald) zu senden,
s. den Brief Melanchthon's vom 21. August 1544; C- ß. V, 468;
Spiegel, Hardenberg (Brem. Jahrbuch IV), 1869, S. 45f. 52.
B r i e g e r.
4.
Heber den Verfasser und den Zweck der Prophetia
Malachiae de sommis pontiflcibos (1590).
Von
Adolf Hamack.
In einem lehrreichen Au&atze in den „Studien und Kri-
tiken" 1857, S. 555 — 573 hat Weingarten den Nachweis zu
führen versucht, dass Wien, der in seinem „Lignum Vitae"
(Venet 1595, T. I, p. 307—311) die Weissagungen des Mala-
chias (t 1148) über die Päpste zuerst bekannt gemacht hat,
selbst ihr Verfasser und Interpret gewesen sei. Hase (K-Gesch.,
10. Aufl., S. 479) u. A. haben die Hypothese für sehr wahr-
scheinlich erklärt. Eine erneute Untersuchung hat mich zu einem
anderen ßesultate gefQhrt. Dasselbe stimmt wesentlich überein
mit dem des Jesuiten Men§trier (ßefutation des proph^ties
faussement attribu^es ä S. M., Paris 1689). Eine Begründung
für seine Ansicht hat aber Menötrier nicht gegeben; wenigstens
habe ich eine solche in der von Chr. Wagner veranstalteten
deutschen Ausgabe (ß. P. Claudii Francisci Men§trier S. J.
Gründliche Widerlegung der von Amoldo Wien für des irlän-
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316 ANALEKTEN.
dischen Bischofs MaJachiü Arbeit ausgegebenen und fast ¥on je-
dermann dafür angenommenen Propliezeihung n. s. w., Leipzig
1691), die mir allein und erst nachträglich zugänglich gewesen
ist, yergebens gesucht^).
Die Gründe, welche Weingarten fü^ die von ihm aufgestellte
Hypothese angeführt hat, sind in Kürze folgende: 1) Der Ver-
fasser der Prophetie hat aus derselben Quelle geschöpft, welche
Wion in den auf die Papstgeschichte bezüglichen Abschnitten
seines Werkes fast ausschliesslich benutzt hat — aus der Epit.
pontif. Bom. des Onufrio Panvinio (Venet. 1557). 2) Wion be-
hauptet, die Erklärungen zu den 74 ersten Papstdevisen (von
Cölestin IL bis Urban VII.)« welche er den Sprüchen selbst bei-
gedruckt hat, stammten von dem Dominicaner Alphons Chacou
(Ciacconius t 1599). Ciacconius aber könne der Verfasser dieser
Interpretationen nicht sein; denn erstlich nenne dieser in seiner
Papstgeschichte (Rom 1601) zwar den Malach ias öfters, gedenke
aber niemals einer von ihm herrührenden Weissagung; sodann
fänden sich bei ihm alle die groben Fehler und Irrtümer nicht,
welche der Verfasser der Prophetie und ihrer Erklärung sich hat
zu Schulden kommen lassen. Mithin hat sich Wion fälschlicher-
weise auf Chacon als den Interpreten berufen, und es wird so-
mit wahrscheinlich, dass er selbst der Interpret ist Ist aber
die Erklärung in ihrer gedrungenm Kürz^ offenbar der Weis-
sagung selbst ähnlich, die sie überdies Spruph für Spruch leicht
und sicher deutet, so ist anzynehmen, dass sie zu derselben Zeit
mit dieser verfasst ist, ja sie muss dem Propheten selbst zuge-
schrieben werden. Dann fallt der stärkste Verdacht auf Wion
als Verfasser und Interpreten der ganzen Weissagung. Zu die-
sem Resultate fügt sich wohl, dass Wion, von Geburt zwar ein
Niederländer, doch in Italien heimisch gewesen ist, dass er, wie
sein Werk ausweißt, in der Papstg^sphichte und der Wappenkunde
nicht unbewandert war, dass er ein leichtgläubiger, seii\em Or^on
und dem Papste blind ergebener M^^, ein Gelehrter ohne Kritik
gewesen ist, dass er die alten apokalyptischen Schriften aus <^er
Zeit des Joachim und der Spiritualen studirt hat u. s. w. End-
lich weist Weingarten auch auf den üblen ßuf hin, in welchem
grade ioi Benedictinerorden im 16. und 17. Jfahrhun^ert ge-
schichtlicher Fälschungen wegen gestanden hat, und auf die Tat-
^) Anmerk%m§ der Medactüm, Es ist dem Herausgeber wie dem
H^im Verfasser sehr wo^ bekannt, dass es auch in neuerer Zeit
nicht an solchen fehlt, welche an dem Ergebnis Mcnetrier's fest-
halten (ich verweise nur auf Scholl, RE. VIII, [1857] S. 749 und Döl-
linger. Der Weiroagungsglaulw und das Prophetentum in der christ-
lichen Zeit. Histor. Taachonbuch V, 1 [1871] a 265 f). Doch fehlte es
bishw aw wner genügenden Begründung der Ansicht Men^trier's.
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mam
HARNACK, PROPH. MAL^CHIAE DE SÜMMIS PONTIFICIBÜS. 3J7
saohe, dass vor Wio&y soAfoit bekannt, niemand eine Malachias-
Weissagung über die Päpste auch nur genannt babe, während
doch Wien den Abdruck der Prophetie mit den Worten einleite,
(derselbe sei von vielen gewünscht worden.
Soweit der Kritiker. Aber wnrin bestand der Zweck der
Fälschung? „Das Urteil über diese Prophetie kann nur dahin
lauten, da^s sie ein lusus ingenii, und zwar eines sehr mittel-
n)äasigen sei." Also eine Fälschung zum Scherz, ein tendenzloser
Betrug. Auch ein solcher ist in der kirchlichen Literatur-
geschichte nicht unerhört. Aber wir werden Bedenken tragen,
ihn einem Manne zu supponiren, den Weingarten selbst ganz zu-
treffend also charakterisirt hat: „Alles verwandte er zu einer
Verherrlichung der Kirche und des MOnchtums, nach seinen Wer-
ken ein Mann nicht ohne Gelehrsamkeit, aber ohne Kritik, voll
glänbiger Annahmen und Vorurteile, ein im Gehorsam der Hie-
rarchie erzogener Mönch.'' Ein Mann wie Wien, der es sich
auf nahezu 200 Quartseiten hat sauer werden lassen, den albernen
Einfall zu beweisen, iasa Constantin der Grosse, der heilige Be-
nedict und das Haus Habsburg aus der römischen Familie der
Anicier stamme, ist zunächst dem Verdachte nicht ausgesetzt^ dass
er zum Scherz falsche. Hat er alles zur Verherrlichung der
Kirche und speciell des Papsttums und seines Ordens verwandt —
wie soll er ei^e Weissagung erdichtet haben, in welcher weder
jenes noch dieser verherrlicht wird, die absolut zwecklos wäre
und auch nicht weiter von ihrem Verfasser ausgebeutet, ja nicht
einmal gepriesen worden ist? Als hmts ingenii wären Devisen
wie die 11. (die Sau im Siebe = XJrban HI.) oder die 60.
(der albanische Ochse im Hafen = Alexander VI.) und viele
andere einfach Frivolitüi^en, die man gewiss vielen Klerikern, nur
nicht eben Wien zutrauen könnte. Der Benedictinerorden ist
aber durch die Weissagung so wenig verherrlicht, dass er in der-
selben nicht einmal genannt wird. Ausdrücklich werden in der
Weissagung Innocenz V. und Benedict XI. als Dominicaner, Six-
tns V. als Frfmciscaner bezeichnet (Nr. 24: „Concion^tor Gallus'';
33: „Concionator patereus"; 58: „Piscator minorita'O; aber
nicht ein einziger Papst aus dem Benedictinerorden wird als sol-
cher hervorgehoben, — eine Beobachtung, an sich schon aus-
reichend, um Wian von dem Verdacht der Fälschung zu entlasten.
Dem Zusammenhang, in welchem dieser die Prophetie in seinem
Werke veröffentlicht hat, lassen sich noch andere Entlastungs-
momente entnehmen. Was aber die Berufung auf Chacon be-
trifft, so bin ich zu einem abschliessenden Urteile nicht ge-
konmien. Weingarten statuirt eine editio princeps der Papst-
geschichte des Chacon etwa vom Jahre 1592. Dieselbe müsste
spurlos verschwunden sein ; auch Menötrier (W a g n e r a. a. 0., S. D 3)
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318 ANALEKTEN.
und de Smedt (Introductio gen. ad hist. eccl., Gandavi 1876,
p. 473) kennen als älteste nur die nach dem Tode des Ver-
fassers erschienene Ausgahe von 1601. Wenn Weingarten
sich fOr jene auf den Gehrauch heruft, den Wion von ihr in
seinem bis zum Jahre 1595 verfassten Werke gemacht hat, so
gestehe ich, dass ich von einem solchen Gebrauche bisher nichts
habe entdecken können. Bis nicht ausreichende Beweise erbracht
sind, wird die Ausgabe von 1601 als die erste zu gelten haben.
Dann aber bleibt es misslich, den Differenzen zwischen dieser
nicht mehr von Chacon selbst veröfPentlichten- Papstgeschichte von
1601 und den Erklärungen, die spätestens aus dem Jahre 1595
stammen, ein entscheidendes Gewicht beizulegen. Manche von
dfn Differenzen, die Weingarten S. 567, A. c zusammengestellt
hat, erledigen sich vielleicht auch als auf Druck- oder Schreib-
fehlem beruhend. Die starke Abweichung, dass in der Prophetie
wie bei Panvinio mehrere schismatische Päpste aufgeföhrt werden,
während die Papstgeschichte des Chacon über ihre Illegitimität
nioht im Zweifel ist, bleibt allerdings bestehen, und sie macht
es auch mir unter der Voraussetzung, dass nicht erst die Editoren
der Papstgeschichte des Chacon hier corrigirt haben, unwahr-
scheinlich, dass jener der Interpret ist. Mag mithin diese Nach-
richt Wion's unrichtig sein, so braucht er sie doch deshalb nicht
errunden, kann sie vielmehr einer falschen üeberliefernng nach-
gesprochen haben. Er sagt ja nicht, dass er die Erklärungen
von Chacon erhalten habe, sondern er bezeichnet ihm zur Kennt-
nis gekommene Erklärungen als von jenem herrührend^). Jeden-
falls lässt sich von hier aus ein sicheres Urteil zur Zeit nicht
gewinnen. Dass nun aber Wion nicht der Verfasser ist, ergiebt
sich mit Sicherheit aus zwei Beobachtungen, von denen die eine
zugleich den Schleier lüftet, der über dem wunderlichen Schrift-
stück ruht.
Erstlich: In dem Lignum vitae (I, p. 171 sq.) wird Pas-
chalis ni. ausdrücklich als antipapa bezeichnet. Wäre Wion
der Verfasser der Weissagung, so würde Paschalis in. im Kata-
loge nicht vorkommen; er findet sich aber (Nr. 8), wie bei Pan-
vinio. Diese Beobachtung befreit Wion sofort vom Vorwurf der
Fälschung.
Zweitens: Wion giebt die Auslegung der 111 Devisen nur
bis zur 74. (incL), d. h. bis auf Urban VII. Als er das
Lignum vitae veröffentlichte, regierte bereits Clemens VIII.
Er hat deshalb schon die drei Namen: Gregor XIV., InnocenzIX.,
1) BichtigMen^trier (a. a. 0., S. D3): „Mir ist auch unbekannt,
woher der gute Bruder Wion benachrichtiget worden, dass Ciaconius diese
Weissagungen erkläret."
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HARNACK, PROPH. MALACHIAE DE SüMMIS PONTIPICIBUS. 319
Clemens YIII. zu den betreffenden Sprüchen gestellt, aber ohne
Erklärung, inwiefern die Sprüche hier zutreffen*). Es
stimmen aber diese drei Devisen überhaupt nicht mehr.
Zwar hat man verschiedene Hypothesen aufgestellt, um ein tertium
comparationis zu ermitteln, aber sie sind völlig ungenügend. So
frappant und sicher alle Devisen laut ihren Erklärungen bis zur
74. stimmen, so vergebens sieht man sich nach stichhaltigen Yer-
gleichungspunkten um zur Erklärung, warum Gregor XIV. die
Devise trägt ex antiquitate urhis, warum zu Innocenz IX. be-
merkt ist pia civUas in beUo, weshalb Clemens VIII. crux Ro-
mulea heisst.
Wäre Wien der Verfasser, so hätte er sich doch ohne Zweifel
gehütet, seine Weissagung durch die für die drei letzten Päpste
gewählten unzutreffenden Sprüche zu discreditiren. Gewiss hätte
er grade für die letzten, deren Regierung eben erst abgelaufen
war, resp. begonnen hatte, solche erfunden, die angemessen und
durchsichtig waren. Also ist die Prophetie nicht von Wien; sie
sowohl wie höchst wahrscheinlich auch die zugehörige Erklärung,
ohne welche die Weissagung nur far den kundigen Historiker
verständlich gewesen wäre, muss genau im Jahre 1590 verfasst
sein ; denn sie stimmt noch für Urban VII., aber sie stimmt nicht
mehr für Gregor XIV., der noch in demselben Jahre wie Urban
gewählt worden ist. Dieser ist am 15. September, Gregor am
5. December 1590 aus demConclave hervorgegangen^. Mithin
stammt die Weissagung präcis aus der Zeit zwischen
dem 16. September und 4. December 1590.
In dem Momente aber, wo diese Monate als die Abfassungs-
zeit des Schriftstückes constatirt sind, fällt auf dasselbe ein neues
und helles Licht Das Conclave, welches nach dem Tode ür-
ban's VII., der bereits am 27. Septbr. 1590 verschieden war,
gehalten ^urde, war eines der längsten und stürmischsten von
allen Conclave's der letzten vier Jahrhunderte. Es dauerte über
1) p. 311:
(73) Alis in medietate sign!. Sixtns V. qoi axem in mcdio Leonis in ar-
rais gcstat.
(74) De rore coeli. ürbanus VII. qui füit Archiepiscopus Ros-
sanensis in Clalabria, ubi manna colli-
gitur.
(75) Ex antiquitate urbis. Gregorius XIV.
(7(1) Pia civitas in hello. Innoccotias IX.
(77) Crux Romulea. Clemens VIEL.
(78) ündoeus vir.
(79) (jrcns perversa etc. etc.
*) Vgl. Ciacconius 1. c, T. IV; Bower-Rambach. Hint.
d. röm. Päpste X, 1 (1779), S. 282 f.
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320 ASAJMKTm.
l^ Monate 0. Zwei Parteien standen sich im Ck)llegium gegen-
über: die exclusive spanische und die liberalere französische.
Darch jene snch^ die Krone Spanien ihren Einfloss in bisher
unerhörter Weise zur Geltung zu bringen. Die liberaleren Car-
dinäle vertraten zugleich das Qecht der Unabhang^keit der Papst-
wahl. Nach langen Kämpfen ging der den Spaniern zugeneigte
Cardinal Sfondrati als gewählter Papst hervor.
Lässt sich in der Malachias-Weissagung eine Beziehung auf
dieses Conclave entdecken? Zunächst ist eine solche Beziehung
schon a priori wahrscheinlich. Ist das jedenfalls ungewöJinliche,
ja einzigartige Schriftstück zwischen September undDecember 1590
verfasst, in der Zeit, wo die gesammte katholische Welt dem Aus-
gang des langen Condaves mit Spannung entgegensi^, und be-
zieht es sich auf das Papsttum, so ist die Abzweckung auf die
Wahlhandlung in hohem Grade wahrscheinlich. Erhöht wird diese
Wahrscheinlichkeit durch die Beobachtung, dass die Schrifb jeden-
falls aus Italien stammt. Dies geben alle zu^. Aber die aus-
reichende Bestätigung für diese Vermutung ergiebt sich aus einer
genaueren Untersuchung der den 74 ersten Devisen gemeinsamen
Merkmale.
Nicht ein einziger der 74 Sprüche charakterisirt den be-
treffenden Papst nach seiner Bedeutung oder auch nur nach sei-
ner Regierung, sondern entweder nach der Familie, aus der er
stammt, oder nach dem Geburtsort, dem Wappen, den Titeln und
Aemtern, die er besessen, bevor er Papst wurde ^). Man hat von
jeher sich über die Geistlosigkeit dieser Charakteriäirung gewun-
dert, ein Innocenz III. heisst comes $iffnatm (Nr. 15), weil er
X) Vgl. Ranke, Die röm. Päpste II, 146 f.
2) Vgl. Weingarten S. 566, A- b. Der Verfasser ist der italie-
nischen Sprache kundig gewesen; ja es finden sich sogar Italisuicn im
I^atein ; s. Nr. 9. 34. 56. 65.
3) Von den 74 Päpsten sind (a) 4 nach ihrem Geburtsort (resp.
-Land), (b) 11 nach ihrer Familie (resp. Vornamen, Benennung), (c) 10
nach ihrem Wappen und (d) 14 nach ihrem früheren Stande, resp. ihrer
Vergangenheit überhaupt bezeichnet. Die übrigen 35 Devisen sind Com-
binationen ans je zwei dieser Merkmale, nämlich ab = 2, ac = 2, ad =
7, bc = 5, bd = 11, cd = 8. Nur in der Erklärung zum 68. Spruch:
frvmentum flaccidum (Marceil II.) findet sich nach den Worten cujtis
inaignia cervus et frumentum der Zusatz : ideo flaccidum, quod pauco
tempore vixit in papatu. Es ist diese Stelle die einzige, an welcher die
Regicrungszeit des betreffenden Papstes berücksichtigt ist (Nr. 36 u. 44:
corvus schismaticus and schdsma JBarchmonium dürfen nicht angeführt
werden); aber ebendeshalb sind die Worte als eine Glosse Wion^s ver-
dächtig. Dazu kommt, dass sie auch rein äusserlich betrachtet im Ver-
gleich mit den übrigen Sprächen auffallend sind In der sonst richtigen
Bemerkung Weingartens: „Auf Eigentümlichkeiten des Charakters der
Päpste, ilSer Verhältnisse, ihrer Handlungeu wird fast nirgends auch >imr
die geringste Rücksicht genommen'' (S. 564) ist öjas fast 2U Speichen.
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HARNACK, PROPH. MALACHUE DB ßl^MMIS PONTIFICIBÜS. 321
aus der Familie der Orafen Yon Signia stammte; Bonifaz VELI.
trägt die Devise ex undarum l^enedidione (Nr. 32), vocatus priua
Benedictus Caäanus, ctäus imignia undae, wie die Erklärung
bemerkt; de capra et aXbergo soll Pias ü. kommen, qui fmt a
secretis Cardincdibus Capranico ei Alber gato; axis in medietate
signi heisst es von Sixtus V. u. s. w. Aber in Wahrheit liegt
hier kein Gmnd zur Verwunderung vor, sobald man beachtet,
dass der Verfasser durchweg und ohne Aufnahme das Princip
verfolgt hat, die Päpste lediglich nach Merkmalen zu
charakterisiren, die ihnen vor ihrer Wahl zum Nach-
folger Petri zukamen. Ist aber dieses d^r leitende Grunde
satz gewesen, dann wollte der Verfasser durch seine Weissagung
nicht belehren, wie der neue Papst die Regierung führen wird,
sondern er wollte andeuten, welcher Cardinal zum Papst
gewählt werden soll. In jedem anderen Falle wäre die con-
sequent durchgeführte Beschränknng auf die Vorgeschichte
der Päpste unverständlich. Das Schriftstück enthält mitliin streng-
geuummeii lediglich eine Weissagung auf die zu wählenden Car-
dlnäle.
Das Jtesultat liegt nun auf der Hand: im Herbst des Jahres
1590 wird eine Weissagung in Italien verfasst, welche die ver-
schiedenen Päpste nur nach ihrem Vorleben charakterisirt, mithin
auf den zu wählenden Papst hinweist. Also ist unser Schrift-
stück ohne Zweifel für das im October 1590 beginnende C'on-
clave geschriebe9 und will dasselbe beeinflussen. Damit ist nicht
behauptet, dass es direct für das Cardinalscollegium bestimmt ist.
Weingarten mag Becht haben qiit der Bemerkung (S. 567), dass
bei mmem Conclave wie dem vom Jahre 1590 die Erkenntnis
nicht schwer sein konnte, welche etwas so Geistloses als vergeb-
lich erscheinen liess. Aber dadurch ist nicht ausgeschlossen,
dass der Verfasser die Absicht verfolgte, in weiteren Kreisen die
Aufmerksamkeit auf den von ihm empfohlenen Candidaten zu lenken
und so indirect auch das CoUegium zu beeinflussen. Men^trier
hat eine Seihe von Beispielen angeführt, welche die Absichten
des Verfassers treffüch illustriren^). Der eigentliche Zweck des
0 Wagner a. a. 0., S. C4*>: „Auif dergleichen Schlag liesseu
die, welche nach dem Tode Clementis IX. wüntsdbtcn, dass der Cardinal
Bona Papst würde, Verse, Biblische Sprüche und allerley Geschmiere
unter das Volck aussprengen, selbiges glauben zu machen, dass Bona
Papst werden sollte. • Man zöge die Worte aus dem 15. Cap. Sirach's an :
,Qui timet deum faciet Bona'; ing?eicben dieses Distichon:
,Griunmaticae leges plerumqne Ecclesia spernit;
Esset Papa bonus, si Bona Papa foret'.
Eiu^.T von seinen Verwandten versamralete zwey biss 300 Bettler nielircn-
^eils Savoyer, und gab ihnen täglich Geld, dass sie an dem Kirch thor
St Petri und unter Sm Fenstern, die dem Conclavi am nähesteu waren.
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322 ANALEKTEN.
Schriftstückes mnss sich also bei der 75. Nummer offenbaren. Hier
mu8s der Mann bezeichnet sein, den der Verfasser zum Papst
wünschte. Den Cardinal Sfondrati kann er nicht gemeint haben,
da auf ihn die gewählte Devise nicht passt; aber auch die
Cardinäle Aldobrandini, Mondori, Madruzzi und die übrigen,
deren Namen damals ernsthaft genannt worden sind, können
durch den Spruch ex antiquitate urhis nicht bezeichnet sein.
Unter solchen Umständen hat es wenig Interesse, den obscnren
Cardinal zu ermitteln, für den sich der Verfasser der Weis-
sagung interessirt hat; denn derselbe gehörte keinesfalls zu den
in erster Linie in Aussicht genommenen Candidaten einer der bei-
den Hauptparteien. Indessen verdient die Hypothese Men^trier's
immerhin genannt zu werden. Der Cardinal Simoncelli war im
Conclave vom Jahre 1590 der älteste im Collegium. Ein Ver-
wandtor des Papstes Julius III., hatte er bereits bei der Wahl
von sieben Päpsten (von Marcellus II. ab) mitgewirkt. Sein Ge-
burtsort wie sein Bistum war Orvieto (==urbs vetus). „Aus dem
Alter dor Stadt" aber sollte der neue 75. Papst kommen. Dar-
nach hätte ein Freund des Simoncelli, wo nicht er selbst, die
Weissagung fingirt, um auf diesen die Aufmerksamkeit zu lenken.
Dass der Name Simoncelli's , soviel wir wissen, bei den lang-
wierigen Verhandlungen überhaupt nicht genannt worden ist, steht
dieser Hypothese nur dann im Wege, wenn man annimmt, dass
die Prophetie direct für das Cardinalscollegium geschrieben ist.
Aber diese Annahme ist, wie gezeigt worden, nicht notwendig.
Mag nun auch ein anderer Cardinal hinter „dem Alter der Stadt"
verborgen sein — als sicher darf gelten, dass unser Blatt sich
auf die Wahlhandlung bezieht, aus welcher Gregor XIV. hervor-
gegangen ist, und dass os nicht von Wien ist.
Aber warum geht die Weissagung bis zum Ende der Welt,
warum beginnt sie mit dem unbedeutenden Papste Cölestin 11. im
12. Jahrhundert und warum ist sie dem ehrwürdigen Malachias,
dem Metropoliten von Irland, dem Freunde dos h. Bernhard, in
den Mund gelegt? denn so lautet ja ihr Titel bei Wien: Prophe-
tia S, Malachiac Archiepiscopi de Summis Fontificibus.
Auch diese drei Fragen lassen sich genügend beantworten.
Zuerst, hätte der dreiste Fälscher seine Weissagung mit Nr. 75
geschlossen, so hätte auch dem Leichtgläubigsten die Tendenz
und Maclie offenbar werden müssen. Der Verfasser musste also
weiter in die Zukunft schweifen. Da diese grenzenlos ist, so
schreien möchten : Pate Papa Bona Prophezeyungen und andere
Possen von solchem Schrot und Korn pflegen ordentlicher Weise beyVer-
lodigiing des Römischen Stuhls von unzählig Leuten gemacht zu werden,
die aus aller Welt Enden zusammen kommen u. s. w." Der Verfasser
unseres Schriftstückes hat seine „Posse'' jedenfalls recht ernsthaft gespielt.
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HAENACK, PROPH. MALACHIAE DE SUMMIS PONTIMCIBUS. 323
konnte er passenderweise nur das Ende der Welt als Abschluss
wählen. Er hat dasselbe, anch darin einem Schwärmer sehr
unähnlich, wenigstens noch um ein paar, Jahrhunderte hinaus-
gerückt. Sieben und dreissig, d. h. genau die Hälfte der be-
reits vorübergegangenen Papstregierungen hat er fftr die Zukunft
vorausgesetzt. So erhielt er zugleich eine mystische Zahl (111),
die ganz wesentlich zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit der Fro-
phetie beigetragen hat ^).
Mit Cölestin n. aber hat er begonnen, weil er im Panvi-
nio gelesen, Cölestin ü. sei der erste Papst gewesen, der allein
von den Cardinälen gewählt worden ^). Die Freiheit der Papst-
wahl stand grade bei dem Conclave, für welches unser Verfasser
geschrieben hat, in bedenklichster Weise in Frage. Somit er-
schien es angemessen, die Weissagung bei dem Papste zu be-
ginnen, bei dessen Wahl das Cardinalscollegium angeblich zum
ersten Male völlig selbständig verfahren war, — ein deutliches
Momente für die spanische CardinalsparteL
Sollte aber die Weissagung mit Cölestin ü. beginnen, so
musste sich der Verfasser nach einem hervorragenden Zeitgenossen
Cölestin*s umsehen, dem er die Prophetie in den Mund legen
konnte. Dem Malachias von Armagh hatte der h. Bernhard am
Grabe das Zeugnis ausgestellt, dass er die Gabe der Visionen
und der Prophetie besessen habe. Noch war kein Schriftstück
bekannt, welches jenes Zeugnis Bernhardts rechtfertigte. Eine
Unterschiebung hatte mithin Aussicht, Glauben zu finden.
Dieses ist in Kürze die wahrscheinliche Entstehungsgeschichte
des eigentümlichen Schriftstückes. Auch zu Wien war eine Ab-
schrift desselben gekommen, zusammen mit den unter dem Namen
des Chacon cursirenden Erklärungen *). Wien hat sie abgedruckt
mit der kurzen Einleitung: „Scripsisse fertur et ipse (seil. Ma-
lachias) nonnulla opuscula, de quibus nihil hactenus vidi, praeter
quandam prophetiam de Summis PontiQcibus, quae quia brevis
est, et nondum quod sciam excusa, et a multis desiderata, hie
1) Belege bei Weingarten, S. 561. 572.
*) Hierauf hat Weingarten (S. 570, A. a) meines Wissens zuerst
hingewiesen.
») Auch mir ist nach genauor Vergleichung der Sprüche und ihrer
Erklärungen wahrscheinlich, dass beide gleich alt und von demselben
Verfasser sind; doch gestehe ich, dass mir Bedenken in Bezug auf die
Erklärungen der 17., 50., 52., 59., 66., 67., 72. Devise übrig geblieben sind.
Chacon für die Fälschung verantwortlich zu machen, liegen ausreichende
Beweise nicht vor. Die Tatsachen, dass sein Name mit den Inter-
pretationen in Verbindung gesetzt worden ist, dass er zu Rom lebte, und
dass in der Weissagung grade Dominicaner als solche kenntlich gemacht
sind, scheinen durch die Beschaffenheit und den Charakter seiner posthu-
men Papstgeschichte aufgewogen zu werden.
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324 AflALEKTEtf.
a lue apposita est'' Sonst hat er nichts hinzugefügt als am
Schlüsse die kurze Bemerkung: „Quae ad Pontifices adiecta, hon
snnt Ipsius Malachiae, sed E. P. P. Alphonsi Giaconis, Ord. Prae-
dicatomm, huius Prophetiae interpretis.** Wit hahen keinen
Grund gefuüden, ah Wion's subjectiver Wahrhaftigkeit zu zweifelil.
Auffallend ist, dass er im 2. Bande seines WOrkes (S. 359), Wo
er wiederum auf Malachias zu sprechen kommt, die Weissagung
überhaupt nicht mehr erwähnt, und dass sie in der deutschen
Ausgabe des lAgnum iHtde sogar ganz ausgelassen worden ist ^).
Veröffentlicht sind die Prophezeiungen nack Wien im Jahre 16Q5
aufs neue zu Venedig von Hieronymus Joaüfiinus, lateihisch
und italienisch. Doch scheinen sie erst seit der Mitte des 17.
Jahrhunderts die Auftnerksamkeit iü Weiten Kreisen erregt und
heftige Controversen heraufbeschworen zu haben. Die letzte
Ausgabe ist die von Gfrörer in den Prophetae Vetöres Pseudepi-
graphi (1840), p. 433 sqq. Die altere Literatur ist zusammen-
gestellt bei Fabricius-Mansi, Bibl. Lat. med. et Inf. aetatis,
T. V. (1754), p. 8sq. — Der Name des Ver&ssets bleibt in
Dunkel gehüllt, ist aber auch gleichgültig.
Es fragt sich schliesslich, wie äs mit dem Teile stciJit, flir
welchen der Verfasser orakeln musste. Ein Princip, nach welchem
er die 87 Sprüche erdacht hat, lässt sich nicht ermitteln. In
der Auswahl der 6 letzten mag er sich an apokalyptische Vor-
bilder angeschlossen haben ^. Ist man ihm wohlwollend gesinht,
so kann man zugestehen, dass das Glück sein Wagnis begünstigt
hat. Aber man muss dann auch so grossmütig sein, sich nicht
auf Vergleichungspunkte, welche denjenigen der 74 ersteh Devisen
analog sind, beschränken zu wollen, sondern nach solchen zu
suchen, wo man sie findet. In diesem Falle kann man bei etwa
8 — 10 von den 28 seit 1590 erstandenen Päpsten die Weissagungs-
sprflche sich gefallen lassen und sich an dem pelregrinus aposto-
licus (Nr. 96: Pius VI.), der crux de cruce (Nr. lOl: Plus IX.)
u. s. w. erfreuen. Nach der Weise der 74 ersten Sprüche sind
aber nur drei eingetroffen (Nr. 83: montium custos = Alexan-
der Vn., der 6 Berge in seinem Wappen hatte; Nr. 100: c^
bdkieis Ethruriae = Gregor XVI., der einem Kloster in Tos-
cana angehört hat; Nr. 102: lumen in codo = Leo Xltl., der
ein Gestirn im Wappen führen soll). Die nun folgende Devise
ignis ardens könnte sich in dem Cardinal Hohenlohe erfüllen —
„wenn ein deutscher Papst zu dieser Zeit möglich wäre.''
1) Augsburger Ausgabe F. C. StengeFs vom Jahte 1607.
«) S. Weingarten, S. 571f.
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5.
Niseellen.
L Ein salyrlsohes O^diolil In tteaett^ anf die Ver-
brennung des kanenlsehen tteöhtes nnd der Bann-
bnlle dureh Luther am 10. Deeember 1520.
In der Königl. Bibliothek zu Berlin findet sich unter den
Handschriften Lnther*s «in EiuBeldnick in Folio aus dem 16.
Jahrhundert mit folgendem, wahrscheinlich gleichzeitigem Gedicht.
Neben dem Drucke sind einige Worte, Beminiscenzen an alt-
testamentliche Stellen ih Bezug auf Stiftsliütte, Namen der is-
raelitischen Könige u. s. w. (vielleicht von der Hand Luther's)
geschrieben, welche hingäworfidne Aufzeichnungen aber in gar
keiner Beziehung zu dem Inh^te des Gedichtes stehen; am
Schlüsse des Gedichtes findet sich die Unterzeichnung V. B.,
(vielleicht Urbanus Bhegius?) *).
Carmen vi | ctoriale in solennem | illum actum quo D. Mar-
tinus Lutherus | X die Decembris, anno Domini MD | XX Wittem-
bergae ante portam | S. Crucis, Jus canonicum et | Omnia
Papistica decreta | cum Decretalibus { combnssit *
Viue, viue mi Lutherd
Cnncti dicant ^) tibi x^Q^
Yeritatis eolnmen. Jo, Jo.
Leti sitis Lutherani
Nam vos estis Christian!
Antichristum temnite. Jo, Jo.
Libertatem Ckristianam
Non existimantes vanam
Fortiter defendite. Jo, Jo.
Nil nocebit Bulla minax
Veritatem timet fugax
Sathanae inventio. Jo, Jo.
1) üeber die starke Beteiligung des im Jahre 1520 nach Augsburg
berufenen Urbanus Rhegius an der damaligen satyrischen Literatur vgl.
Uhlhorn, Urbanus Rhegius, Elberfeld 1861, S. 29—37.
») Es steht der sinnlose Druckfehler „dica ut".
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326 ANALEKTEN.
Plange Roma fraudulenta
Bulla iacet nirulenta
Jam famesce Curia. Jo, Jo.
Jam primatns ille ruit
Quem dolose nobis struit
Phocas Bonifacius. Jo, Jo.
Veniarum nundinator ^)
Fidei depopulator
Resipisce pontifex. Jo, Jo.
Eestim qnerant nunc Papistae
Regnom perlt Antichristi
Cum Corona triplici. Jo, Jo.
Si te ventris onus urget
Jus combustum nates purget
Cum Sit Antichristicum. Jo, Jo.
Nomen vestri iam Patroni
Scire vultis Curtisani
Danielem legite. Jo, Jo.
V. R.
Elberfeld. G. Kraffi,
2. Ein Brief des Myconius an Luther vom
3. März 1539.
Der folgende Brief ist einem in der Bibliothek zu Wernige-
rode befindlichen Briefcodex entnommen, welcher auf seinem
Deckel die Bezeichnung: „Josephi Munsteri, anno 1549" trügt.
Er enthält Abschriften von bekannten Briefen Luther's und anderer
Reformatoren; einige noch nicht in das Corp. Ref. aufgenommene
Briefe Melanchthon's aus diesem Codex hat Bindseil in dem
von ihm herausgegebenen Supplementband veröffentlicht. Ein
Fragment des Briefes findet sich in Corp. Ref. III, p. 6 40 sq.
Der Brief Luther's an Melanchthon vom 14. März 1539 (de
Wette V, 172) ist als Antwort Luther*s auch an Myconius zu
betrachten: „Non possvm singulis respondere. Quare meam pi-
gritiam vel superbiam excusabis apud Myconium Bucerum etc.
Valde gavisus sum vestris literis tarn laetis."
Calvin, Sturm und der Mathematiker Herlin waren näm-
lich zum Frankfurter Convent am 21. Februar abgereist, um die Be-
*) Als Druckfehler steht „raundinator".
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mSCELLEN. 327
kanntschaft Melanchthon's zu machen. Vgl. den Brief des Bedro-
tus an Ambrosius Blaurer vom 21. Februar (in der Bibliothek zu
St. Gallen, Herminjard, Corre8pondancedes£^formateursY,247):
,; Bucerus Francofordiae est. Eo hodie Calvinus, Sturmius professor
et Herlinus mathematicus proficiscuntur, salntandi Melanchthonis
nomine, redituri propediem." Vgl. auch Calvini Opp. edid.
Baum etc. X, 320, wo ein einige Tage späterer Brief des Bedrotus.
Da Melanchthon in dem mit dem folgenden Briefe des Myconius
gleichzeitigen Schreiben an Luther den Besuch der Strassburger
nicht erwähnt, so dienen die Mitteilungen des Myconius wesent-
lich zur Ergänzung des Briefes von Melanchthon. Der dort ge-
nannte Erzieher der Kinder Luther's (Corp. Bef. in, 641),
Franciscus, ist nicht Franz Gross, wie irrtümlich vielleicht aus
Förstemann, Alb. Viteberg., p. 132 (Köstlin, Leben Luther's
II, 477) gefolgert worden ist, sondern Franciscus Fl an der
Gandaviensis, der 1534 im Sommersemester zu Wittenberg
inscribirt wurde. Hiemit stimmt vollkommen die Angabe des
Peter Medmann in einem Briefe an Melanchthon aus Bonn
vom 23. December 1542: „Salutät ofißciosissime Franciscus
Flandrus, puerorum D. Lutheri paedagogus." (Vgl. Briefe Me-
lanohthon's und seiner Freunde bezüglich der Beformation am
Ehein zur Zeit des Erzbischo^ Hermann von Wied in Everts-
busch' theoL Arbeiten, Elberfeld 1874, n, 35.) üeber den
Frankfui1;er Convent sind zu vgl. die ausführlichen und trefflichen
Briefe Calvin's an Farell, Opp. Calvini X, No. 162 und 164.
Fridericus Myconius Doct. Martine Luthero.
G. et Fax a Deo patre et Domino nostro Jesu Christo.
Quamquam, mi reverendiss. et chariss. D. Doctor, Philippus
M[elanthon] preceptor mens nullum reliquit argumentum scribendi
ad vos, cum omnia quae hie aut acta sunt, aut iam aguntur, vel
speremus agenda, perscripserit, tamen, ne nihil scribam de causis
Christi et Ecclesiae suae, hec breviter significare volui. Lun-
densis ^) episcopus huc venit et attulit mandatum Caesaris plenum,
ut aiunt, clementiae et spei bonae, quod nos non tantum non
dabimur in escam volatilibus coeli iuxta desyderium hostium Bruns-
vicensis et Moguntini, sed etiam pax nobis promittitur de qua
quid fiet si resciverimus perscribemus. Multi hie sunt Principum
et civitatum legati, nee de una hac tantiun Christi, sed etiam aliis
rebus hie sunt deliberationes. Venerunt enim huc Metenses,
her! Colonienses, et multi alii ex primarüs Germaniae urbibus,
nescio quid de rebus suis ac politicis deliberaturi. D. Philippus
1) Im Text steht aus Irrtum des Abschreibers „Janelensis''.
Zeitechr. t K.-G. III, 2. 22
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328 ANALEKTEN.
Dei gratia optime yalet, neqne segnifi est miles, imo Dnx et Im-
perator in istis Domini nostri Jesu Christi oastris contra bostem
Christi serpentem antiqnum scribit, respondet, dispntat, ?enit ad
scenas aliqnot huins comoedia ^).
Marchio hhic ablit Mognntiam, ut ibi invisat coningem,
quam eo promisit, sed inde, nt dicitar, breyi reversnruB est De
duobus falconibus et pica qnod acciderit ex Philijgpi literis et
Mycilli epigrammate cognoscetis. Ego ipse post alteram diem
concionem habeo. De rebus nihil adhuc certi possumus
significare, nisi quod quotidie hie, qui delecti sunt, de rebus de-
liberant. Nos deligenter pro vobis oramus paene omni hora vestri
memores. D. Jesus Christus hanc suam Ecclesiam in ultimo
partu sno et nos confessores discipulos et martyres suos con-
fortet. Amen. Francoforti 3. Maii (falsch statt Martii) 1539.
Elberfeld. C. Kr äfft.
1) An dieser Stelle ist das Corp. Ref. in, 640 f. gedruckte grössere,
Fragment einzuschalten. Ich gebe hier die Varianten an, welche den
Text im Corp. Ref. an mehr als einer Stelle verbessern, und erg^ze
zugleich eine grössere Locke jenes Textes (hier cursiv gedruckt). —
Somniavit heri se yidere aliquam insignem tabulam — albis in-
dutae vestüyus — suis induti omamentis accedebant pulchre, ut solent,
se ducentes — asinus indutus mit einer ChorJcappen, qui füne post —
quasi vi [in Corp. Ref. sinnlos inj eos ad hunc beatorum cum Christo
coetum — Crermaniam [Coip. Ref. falsch germanicum] illum ipsnm
asinum — pro libidine vexavit, equitavit et rexit — Sed an aliquid hoc
somnium mdebimus postea, Fuit nobiscum Jocm. Sturmus Ule, qui
Cardinaitbus reformcUuris Ecclesiam respondit, cuiu^ consuetudine et
coUoquio aliquot diehus recreati sumus. Non possum vöbis satis pre-
dicare in hoc iuvene homine verecundiam, candorem erga reUgionem
Christianam, veram pietatem, studiiim et favorem. Sed ne laudibus
meis ineptis iUius magnitudini magis detrc^am quam addam, ante ex
lihris nostris quasi unguinibus existimate. Vaide mihi placet, qiwd
inter hunc et Philippum non modo firma notitia, sed et- stabüis ami-
citia corroborata est. Fuerunt cum (eo) Calvinus et alii eruditi
iuvenes. Hncerus — tarnen nihil hie tewuiter nihil praeter — virgo et
sponsa Christo exoma^a^ ne si adultera fuerit, quod alMsit, non possem —
aiOrHgunt, jprofnndunt — se quaerere, confirmare amicitiam.
Druck ▼on Frie4r. Aoclr. P«rthm ia Gotha.
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Zor Symbolik der ^riechischeB Kirche.
Von
Dr. W. Gass. ^)
Eine Zeitschrift wie diese, welche durch selbständige
Forschung fördern will, schliesst mit Recht die Recensionen,
literarischen Kritiken und Antikritiken von sich aus. Doch
kann es geschehen, dass ein Mitarbeiter, wenn er sich und
seine Sache gegen einen erfahrenen Angriff zu rechtfertigen
unternimmt, selbst wieder abhandelnd auftreten muss; in
solchem FaDe kann er auch denen nützlich werden, welche
von der gegebenen Veranlassimg absehen wollen. In diesem
Sinne bediene ich mich gern des mir von der Redaction ge-
machten Anerbietens, indem ich mich nur bemühe, dem
Nachstehenden eine möglichst objective Haltung zu geben.
Der Jahrgang 1878 der „Theologischen Studien imd
Kritiken" hat S. 94 ff. und 179 ff.: „Kritische Studien zur
Symbolik im Anschluss an einige neuere Werke" von
Herrn Lic. F. Kattenbusch, jetzigem ordentlichen Professor
in Giessen, veröffentlicht. Im ersten Artikel dieser Stu-
dien stellt der Herr Verfasser meine Symbolik der grie-
chischen Kirche, Berlin 1872, voran, imd nachdem er einige
Eigenschaften derselben anerkennend hervorgehoben, lässt er
S. 104 eine Gegenerklärung folgen, welche ich, so verbind-
lich sie auch eingeleitet wird, doch nur dahin verstehen
kann, dass mein Buch falsch angelegt sei, und eben darum
1) Vorstehende Abhandlung sollte nach meinem Wunsche schon
hn vorigen Jahre mitgeteilt werden, Umstände haben den Abdruck
verzögert.
Zeitoohr. t K.-Q, HI, 8. 23
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330 GASS,
in Bezug auf die „Grundidee der Darstellung" bestritten
werden müsse. Dazu kann ich allerdings nicht schweigen,
wenn ich nicht den öffentlichen Vorwurf eines verfehlten
Unternehmens auf sich beruhen lassen will. Zwar furchte
ich nicht; dass dieses Urteil , wie es von Eattenbusch vor-
getragen wird, Zustimmung finden werde, und wenn Herr
Kattenbusch S. 104 „gleich zum Eingang ausspricht , dass
er mit meiner Auffassung in wesentiüchen Beziehungen nicht
harmonire": so wäre ich wohl berechtigt, darauf einfach zu
antworten, dass ich eben eine andere „Auffassung" habe,
\md dies umsomehr, da er eine „eigentliche Auseinander-
setzung" mit mir gar nicht für nötig gefunden hat. Falsche
Resultate werden mir nirgends nachgewiesen, imd wenn
zwei Meinimgen neben einander stehen: so wird die ältere
erst dadurch entkräftet, dass sie sich in ihren Ergebnissen als
unhaltbar oder unzulänglich erwiesen hat, sonst besteht sie
fort. Aber in einer Beziehimg ist mir diese Entgegnung des
Herrn Eattenbusch — denn Kritik kann man sie nicht
nennen — dennoch willkommen gewesen, weil sie mir näm-
lich Gelegenheit giebt, den Gegenstand nochmals zur Sprache
zu bringen; daher werde ich, was er verschmäht, doch
meinerseits versuchen, also mich mit ihm auseinandersetzen,
wobei ich seine Einwendungen teils abzulehnen, teils zu be-
nutzen. Anderes zu ergänzen, zu erläutern oder zu modi-
ficiren haben werde. Demgemäss wähle ich die Ueberschrift
dieses Aufsatzes ; das Folgende betriffl; zimächst die Quellen
einer griechischen Symbolik, um dann zweitens von dem
allgemeinen Charakter und den religiösen und
sittlichen Eigentümlichkeiten der griechischen Kirche
zu handeln.
Die Symbolik, wie sie seit Planck an die Stelle der
alten Polemik getreten ist, soll über den religiösen, sittlichen
imd namentlich den doctrinalen Gehalt der neueren christ-
lichen Kirchen eine gelehrte und wissenschaftlich geordnete
Rechenschaft ablegen. Ihre Voraussetzung ist die Refor-
mation, welche, indem sie den Particularkirchen entweder
ihr Dasein oder doch ihre bestimmtere Stellung und er-
neuerte Ausprägung verlieh, einen solchen Querdurchschnitt
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ZUR SYMBOUK DER GRIECHISCHEN KIRCHE. 331
unentbehrlich gemacht hat Gegenstand der Symbolik sind
die Confessionen selber^ imd ihren Stoff sucht sie in einer
Reihe von öffentlichen Urkunden ; welche als nächstliegende
Zeugnisse zur Feststellung und Vergleichung der Lehr-
besthnmungen vor Allem in Betracht kommen. Jede dieser
kirchlichen Abteilungen will die Bedingungen eines kirchlich
verwalteten Gemeinschaftslebens vollständig in sich tragen^
jede für sich ein unabhängiges Ganze sein^ keiner gelingt es
ganz. Selbst der römischen Kirche muss in's Angesicht ge-
sagt werden^ dass sie einen Teil ihrer Lebenskraft nur aus
der Entgegensetzung beziehe ^ also ohne die anderen gar
nicht in ihrer neueren Gestalt existiren könne; auch hat sie
niemals sicii dem Gesammtleben der Christenheit entziehen
können; welches alle Trennungen zu mildem und durch ge-
meinsame ^ geistige und culturhistoiische Einflüsse erträglich
zu machen vermag. Dessen ungeachtet bleiben die Con«
fessionen historische Grössen vom ersten RangC; auch die bei-
den protestantischen gleichen CoUectivpersönlichkeiten von
eminenter Schärfe und geschichtsbildender Wirksamkeit;
lange Zeit haben siC; jede fiir sich, gearbeitet, bis ihnen durch
gemeinschaftliche innere Erfahrungen wie durch eigene
Wahlverwandtschaft ihr Sonderleben immer mehr erschwert
worden ist Den Zweck der Symbolik kann ich nur in
das Verstehen des confessionellen Geistes setzen;
es ist aber eine aus der Religion selber hervorgehende Not-
wendigkeit; dass sich an jede intellectuelle Aufgabe auch ein
sittlicher Wille anschliessen muss, ein Wohlge£Edlen entweder
an dem was gewesen imd was noch jetzt auf Fortbestand
Anspruch macht, oder an dem was werden soll, imd wozu
die bisherige Entwicklung nur die Vorstufe bildet Daher
wird jede Symbolik, indem sie der Theologie dienen will,
noch eine Absicht mitbringen, sei es n\m die des Beharrens
oder der Erweiterung und kritischen Fortbildung; das ruhige
Gbschäft vergleichender Relation, so imentbehrlich es auch
bleibt, kann den Bearbeiter für sich allein nicht befriedigen,
am wenigsten jetzt, nachdem der blosse Inhalt bis auf einen
gewissen Ghrad geläufig geworden ist
Doch wir wollten von den Quellen handeln. Eatten«
23*
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B32 OA86,
busch ist der Meinmng; dass bei der AasfUfarung und Fär-
bung der kirdilichen Charakterbilder alle AeuBserungen des
religiösen Leb^is sammt den Eigenheiten der Sittenbildnng
ihre Beisteuer liefern dürfen und sollen; ich bin damit gan2
^einverstanden^ nur müssen jedenfsdls die literarischen Hülfs-
mittel Yoranstehen, und unter ihnen namentlich diejenigen^
welchen die Confessionen eine grundlegende dedaratorische
Wichtigkeit beigelegt haben^ mit einem Wort die sc^^ianntoa
Bekenntnisschriften. In ihnen haben die Kirchen durch Zu*
sammenstellong von Lehrsätzen ihr Verhältnis zu einander
öffentlidi bezeugen wollen, an sie haben sie sich lange Zeit
gehalten; \md diese ihre nach aussen gehende Bedeutung wird
Ifiemand bezweifeln, auch derj^ciige nicht, welcher ihnen, wie
ich, nach Innen eine dogmatisch abschliessende und för immer
gültige Normativität nicht zuerkennt Mit diesen Denk-
schriften, die sidi wohl ergänzen^ aber nicht beseitigen, noch
willkürlich mit anderen vertauschen lassen, ist auch ,das
Zeitalter gegeben. Der Sjmboliker mag nach allen Seiten
Umschau, Vorschau imd Rückschau halten, bewegen wird er
sich doch vorzugsweise in der Epoche der confessiondlen
Ausgestaltung und Befehdung, also im 16. und 17. Jahr^
hundert, weil seine Disciplin eben durch die Reformation
und deren Erfolge imd öffentliche Erklärungen ein Glied der
Theologie geworden ist Gilt dies von den drei andren
Kirchen : so wird es mutatis mutandis auch auf die griechisch-
morgenländische Anwendung erleiden. Auch diese ist^ ob-
gleich erst später und weniger durchgreifend, von der kirch-
lichen Umwälzung berührt worden; teils drang der Jesuitis-
mus mit gefährlicher Propaganda in Russland ein, teils er-
zeugten die protestantischen Neuerungen des Cyrillus Locaris
eine beträchtliche Aufregung. Auf diese Anfechtui^en hat
die russische und die moi^nländische Eirchenverwaltung
2war nicht offensiv und aggressiv, wohl aber defensiv ge-
antwortet, um sich von den fremdartigen Einflüssen beson-
ders des Calvinismus su reinigen. FolgUch müssen die in
diesem Zeitpunkte entstandenen Urkunden, weil sie in jenefa
G^enden allgemeine Zustimmung erlangten, auch später
nicht ausser Ansehen gesetzt rind, in erster Linie zu Rate
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ZUB SYMBOLK DER GBISCHISCHEN KIHCHE. S3S
gezogen werden. Denn nicht was die Griechen vor Zeiten
gewesen sind; ged&cht und geleistet habai^ sondern wid sie
sich als die anatolische Hälfte des Katholicismus ^
der andern römischen zur Seite und dem Protestantismus gegen«
übergestelity welchen Bdtrag sie zu dem allgemdnen Bilde
der neuen kirchlichen Christenheit geliefert^ hat der Sym-
bolik^ KU ermittln.
Eait^ibusch verwirft dieses Yerühren durchaus; er
kann die von mir zunächst benutzten Quellen nicht fär
^authentisdi'^ halten. Confesaionsschriften des 17. Jahr-
hunderts ^ die von Spuren lateinischer Einwiricong durch-
zogen sind; eine unbestimmte biblische Haltung und Färb*
losi^eit der meisten Lehrbestimmungen an sich tragen, und
die nur durch die Irrungen^ wdche katholische und protestoo"
tische Eingriffe erzeugt ^ veranlasst worden sind; nicht hw«*
vorgegangen luis eina: ^^tiefstai Besinnung^^ über die Eig^i«-
tümUchkeiten der griechischen Kirche^ — sind, behauptet er
S. 105 ff.; nicht geeignet; die Grundlage der ^noo^bolä aln
zugeben. Aeltere Bearbeiter wie MarheinekC; HofiDoann und
Andere» befinden sich also in gleichem Unrecht. Unseres
Erachten» finden diese Entgegnungen sdion in dem obea
Q^eagten ihre Erledigung. Die Auswahl dieser Urkimde»
ruht nicht etwa auf der Autorität der Kimmri'schen Aus**
gäbe; die wichtigsten Schriftstücke sind bereits von Schelf
strate; Romae 1759 ^); mit einigen anderen uimI untergeord^
neten verbunden heram^egebeu; kürzlich auch in Schaff ar ^
;;Bibliotheea symboUica^' aufgenommen worden; und niemals
meines Wissens haben die Griechen oder die Russen ge^
äussert; dass rie nach sokheoi Zeugnissen nicht becurteik sein
wollten. Dass die Sammlung als solche nicht kirchH«^ ver-^
anstahet od^ bestätigt worden; kann gleich&lls nicht ent^
scheiden und würde von jeder andern Zusammenstellung
ebenso gesagt werden müssw. Der Historiker hat in sok
ohem FaUe einen geschtchlüeh bedingten Massstab statt einest
abetraeten anzulegen. Von latdnischen Einflüssen war die
1) „Acta orientaGs ecclesiae contra Lutheri haeresim ülustrata
crpera et studia" D. Em. Sclielstrate (Rom 1739), P. I. II.
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S34 OASS;
griechische Kirche schon längst, — die Sacramentslehre be-
weist es, — nicht frei gewesen, schon längst hatte die
Theologie an popularisirender Unbestimmtheit ihrer Rede
gelitten; — sollten etwa diese Mängel nicht auf die Con-
fessionsschriften übergehen? sie sind darum nicht weniger
;, authentisch '' als der ganze umgebende kirchliche Zustand.
Unvollkommenheiten solcher Art hat der Sjmboliker gar
nicht zu verantworten, sobald nur die historische Stel-
hing seiner Quellen imd • deren öffentliche Geltung wesent-
lich feststehn. Wir haben sie anzuerkennen, wenn wir
nicht überhaupt darauf verzichten wollen, der Symbolik der
abendländischen Confessionen ein ungefähr gleichartiges und
gleichzeitiges Seitenstück aus jener Richtung zuzuordnen.
Nur mit dem alten Bekenntnis haben es die Griechen scharf
bis aufs Wort genommen, nicht minder mit ihren cultischen
und rituellen Satzungen, die sie wie Glaubensartikel behan-
delten. Uebrigens bewegte sich ihre Theologie innerhalb
einer weichen, dehnbaren, fiir mancherlei Modificationen zu-
gänglichen Ueberlieferung; strenge Lehmormen sind auch
in neueren Zeiten nicht gleichmässig noch allgemein «wie im
Abendland zur Anwendung gekomanen, imd noch jetzt giebt
es in Hellas G^enden, wo der Prediger sich nur an die
alte Tradition gebunden glaubt, ohne nach dem Lehraus-
druck der neueren Bekenntnisschriften sonderlich zu fragen.
Von der dogmatischen Schärfe soll ja das christliche Heü
nicht abhängen, und noch die gegenwärtigen Lehrer der
Theologie in Athen, obgleich die specifisch protestanti-
schen Sätze und Folgerungen ängstlich ablehnend, l^en
doch darauf grossen Wert, einer goldenen Mittelstrasse treu
zu bleiben. Nach diesem Tatbestande beschränken sich die
Anforderungen, die wir überhaupt an die confessionellen
Lehrschriften des 17. Jahrhunderts zu stellen haben; diese
werden dadurch noch nicht ungültig oder unauthentisch, daas
^e dem Massstabe der Concordienformel nicht entsprechen.
Dass die Griechen ftir einen Teil der protestantisch -katholi-
schen Controversen kein Verständnis hatten, weil ihnen die
diesen zum Ghrunde liegenden sittlich -religiösen Erfahrungen
niemals nahe getreten waren, glaube ich nachgewiesen zu
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ZUR SYMBOLIK DER GRIECHISCHEN KIRCHE. 935
haben. Wenn aber Kattenbusch S. 106 bemerkt: ^^Bis zur
tie&ten Besinnung auf ihre Eigentümlichkeiten konnte die
griechische Kirche nicht gebracht werden'^: so ist darauf zu
antworten^ dass selbst die römische ; die doch weit heftiger
au%erüttelt wax> nicht so weit gelangt ist Auch sie — man
denke an die Decrete des Tridentinums — y hat sich nicht
yytief besonnen '^^ auch sie ist nicht entschieden imd klar
auf ihre alten Gewährsmänner zurückgegangen^ auch sie hat
ihr Verhältnis zum Augustinismus in der Schwebe gelassen^
und sie zog es vor^ sich den scholastischen Schulen anzu-
schliessen, indem sie nur daAir sorgte^ dass der traditionelle
Verband unzerrissen blieb. Das Verfahren beider Kirchen
war ein katholisches; sie wollten die Prüftmg ihrer Ver-
gangenheit nur gestatten ; soweit sie ihre G^enwart nicht
ge&hrdete.
Um jedoch auf die genannten Confessionsschrifien noch-
mals zurückzukommen: so werden sie nach meinem Dafür-
halten von Kattenbusch allzutief herabgesetzt; schlechter als
damals zu erwarten stand; sind sie nicht ausgefallen. Selbst
die Sjnode des Dositheus (1672); so äi^rlich imd unredlich
sie sich auch in ihren Verhandlungen betrug; hat doch ihre
doctrinalen Erklärungen von Entstellung frei erhalten. Die
Confession des Mogilas (1643) hat ihren Wert in der Voll-
ständigkeit der Zusammen&ssung dogmatischer; ethischer \md
asketischer Artikel; sie will; was bis dahin sehr lange nicht
geschehen war; in katechetischer Form ein Ganzes liefern.
Die Sprache ist volkstümlich und naiv; der Standpimkt ge-
setzlich und steif; aber ein Gepräge aufrichtiger; wenn auch
beschränkter Frömmigkeit wird man dieser Quelle nicht ab-
sprechen; noch verkennen dürfen; dass einige Wellen des
alten Geistes in ihr fiiessen. In beiden Schriften werden
Romanismus und Papsttum aus politischen Ursachen nirgends
bestritten; das muss man wissen, um diese Lücke ander-
weitig zu ergänzen; sonst aber zeigen sich in ihnen nur
solche Einwirkungen des Abendlandes; welche; weil sie schon
früher begonnen; nicht der Willkür eines Mogilas und Dosi-
theus schuldg^eben werden können. Wer nun ausserdem
noch die merkwürdige Correspondenz der Tübinger mit dem
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PatriareheH Jeremms, die )ehrreiehe ÄbBto^ung des Mefaro-
j^nee EritopuluS; die Abhandlungen des G^eorgius Cbius^
Meletius Syrigus und besonders des Gabriel Severos, die
Schdstrate yeröffsntlieht hat, xi& Rate meben wäl, d^n wird
ein ziemlicher Apparat zu Gebote stehen, xxmi er kann sich
dessen um so freier bedienen, weil sich die Grenzen des*
Symbolischen überhaupt nicht streng festhalt^i lassen.
Selbst das Bekenntnis des G^nnadius ist ungeachtet seiner
SLürze mckt ohne Wert Eine künftige Ausgabe dieser Be^
kenntnisBchriften dürfte nicht unTerändert bleiben; wegfsJl^^
^ würde die sogenannte erste Confession des Gennadius, einiges
Andere könnte hinzutreten, wie denn z. B. in Beeug auf die
russische Kirche Philaref s Katechismufi in die von Schaff
▼eranstaUete Sammlung Auftiafame geftmden hat Feinheit
der Definition imd dialektische Gewandtheit werden in diesem
Urkunden fast überall vermisst, das waren G^istestugenden,
zu daien die russische Bildting nicht so bald emjjbrkommett
sollte, und die der griechischen durch das Elend der Zeiten
und den Druck der Türkenherrschaft abhanden gekommen.
Den besten Beweis ftLr diese eingetretene geistige Ermattung'
liefert Cyrillus Lucaris, welcher, weit besser imterrichtet si»
seine Landideute, sidi doch bd aller Anstrengung den hnr
Abendlande herrschenden Grad Ton Denkfertigkeit nicht an^
zueignen vermochte. Von den neugriechischen Theol^en
der Gegenwart muss gesagt werden, dass sie d^oi achtungs-
wOTten Versuch machen, die protestantisch«[i Lehrsjsteme
des letzten Jahrhunderts sich zum genaueren Verständnis zu
bringen; aber zuweilen versagt ihnen dabei die Sprache den
Dienst, denn ftir diesen Zweck ist sie noeb nicht entwickdt
genug.
Aber gesetzt nun, dass wir die genannten Quellen bei
Seite zu legen hätten, weil sie angeblich nicht „aifthentisch**
sind: so fragt rach ferner, was an die Steife treten s(^
Kattenbusch verweist uns auf die Gründung»epoche der
griechischen Theologie, auf Männer wie Athanasius, Otregw
von Njssa, an diese habe der Symbc^er sieh su hallen.
Allein wie ist das möglich, wenn doch feststeht, dass es
damals noch gar keine griechische Kirche gab,
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ZUR SYMBOUK DER QKIECHISCHEN KIRCHE. 337
d. h. keine griechische Separatkircb^; 'sondern nur eine grie^
chische Abteilung der altkatbolisofaen; diese aber vom durob*
greifender Wichtigkeit fUr das (^tmnze^ nicht allein Ah: äre
eigene künftige Entwicklung? Die Folgen der Erhebtuig ron
Constantinopd -waren erst im Werde»; es war noch nichit
offenbar geworden^ ob sich dieses ehristliohe Ghriechentum
der abendländischen Eirchenbildung ansohliessen; oder ei^er
mit dem Orientalismus verbinden werde^ — ein Uebergangy
der sidi erst snr Zeit des Hieronymms und noch mehr wäk-»
rend der monophysitischen Epoche vx>lkogen hat. IBo lang»
fehlte es noch an einer sdbständigen Gestaltung; und bis
zum fSntritt der Russen in diesen Verband soUten noch Jahr*
hunderte rergehen. Hätte uns Kattenbusch das Zeitalter
des Photius in Vorschlag gebracht: so würde sich dies eher
Terteidigen lassen. D^in Photius ist wie der An&nger des
jüngeren byzantinisehen Grie^entumS; so auch der Vor-
gänger eines vom Abendlande sich ablösenden Confessionalis''
mus; sein Schritt war yerhängnisvoU; so äusserlich auch die
Ton ihm aufgestellten Seheidungsgründe aus&llen mochten.
Aber selbst dieser Ausgangspunkt würde sich nicht c^m«
grosse Uebelstände fesdialten lassen; man stelle sich vor^ dass
ein Symboliker auf der einen Seite die Augsbuigische Con-
feesion und das Tridentinrum; auf der andern die Werke des
Gregor .von Nyssa oder auch nur die Dedarationen des
Pbotius mim Grundä legen wollte: wie würde sich das aus-
nehmen; und zu weicher Ungestah würde er in der histori*
sehen Behandlung genötigt werden!
Dabei soll nicht verhehlt werden; dass wir uns mit
dieser Disciplin in einer misslichen Lage befinden; es wird
schwi^ig; sie in feste Ghrenzen zu fassen. Den ersten Ab*
schnitt bildet gewöhnlich die Untersuchung der drei alt-
kirchlichen SymboUbrmeln nebst ihrem Anhang; und schon
diese erwächst durch den Zutritt neu ermitteher Texte all*
gemach zu einer selbständigen Au%abe. Hierauf foigt das
dgenthch eonfessionelle Hauptstück; sodann die Behandlung
der Sectett; wdche den Dar^Uer leicht von einem Jahr-
hundert zum andern forttreibt Zuletzt endlich begegnet ihm
das Vaticanisdie Concil sammt seinen Vorbereitungen; und
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338 GASS^
er sieht sich in die Mitte modemer Begriffe gestellt, welche
unsere protestantischen Bekenntnisse nicht kennen, oder die
doch auf diesem Gebiet sonst nur indirect hervortreten. Wir
sind also so weit, dass der Symboliker seine Materialien
aus dem 19. wie aus dem 3. Jahrhundert herbeiholen muss;
solche Erweiterung des Schauplatzes ist der Einheit gefilhr-
lich. Auch wird es nachgrade wünschenswert, selbst den
Hauptkörper dieser comparativen Wissenschaft tiefer als bis-
her in die Geschichte imd Culturgeschichte einzufuhren, zu-
gleich aber ihn dergestalt zu gliedern und zu beleben, dass
er über sich und seine Schranken hinausweist; und welche
sonstige Veränderungen noch bevorstehen, wird nicht von
der Theorie und Theologie allein, sondern von den Lebens-
wendungen des Protestantismus abhängen. Niemand wird
sich diese Schwierigkeiten verhehlen, allein so lange die
Symbolik teils durch die Verteilung der theologischen Fächer,
teils durch imser Verhältnis zur römischen Kirche noch we-
sentlich auf dem Standpunkt des 16. und 17. Jahrhunderts
ruhen bleibt, wird sie sich auch methodisch demgemäss ver-
halten müssen, statt auf eine Zumutung einzugehen, welche
sie völlig aus den Fugen bringen würde.
Soweit also die Anklage des Herrn Eattenbusch darauf
hinausläuft, dass ich, statt aus den richtigen Quellen zu
schöpfen, mich auf untaugliche oder nicht authentische ver-
lassen habe, darf ich diesen Vorwurf ein£Etch als imgehörig
von der Hand weisen. Selbstverständlich kann man auch
etwas Anderes wollen, man kann die ganze griechisch-orien-
talische Christenheit rein historisch überschauen und zusammen-
fassend beurteilen; das wäre aber nicht, was ich beabsich-
tigt, und was eine Symbolik im anerkannten Sinne zu lei-
sten hat
Möge dieser erste Punkt hiermit erledigt sein. Mein
Gegner veranlasst mich, noch eine zweite und wichtigere
Angelegenheit in Betracht zu ziehen. Ueber die Gr^izen
meiner Au%abe hinausgreifend, vermisst er S. 107 in meiner
Darstellung die „organisirende Centralidee", von wel-
cher aus sich die ganze, historisch fortlaufende griechische
Theologie und Kirche, nicht bloss die neuere, die ich zu
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ZUR SYMBOLIK DER GRIECfflSCHEN KIRCHE. 339
bearbeiten hatte ^ überschauen lasse. Zur näheren Begrün-
dung werden S. 107 eine Reihe von Bemerkimgen zusammen-
gestellt; zwar bekannt^ auch grossenteils aus Abhandlungen von
Ritschi und Steitz geschöpft, immerhin aber zur Anregung der
Frage wohl geeignet Findet sich überhaupt innerhalb der reli-
giösen Ideen Verbindung, welche die griechisch -orientalische
Frömmigkeit uns vor Augen stellt, ein bestimmter Mittel-
punkt, und wie haben wir ihn zu benennen? Mit gutem
Grund verwirft Kattenbusch die Meinung, dass sich Abend-
und Morgenland wie Praxis und IntellectuaUsmus zu ein-
ander verhalten, denn eine Praxis hat auch der Orient auf-
zuweisen, so gut wie der Occident einen kräftigen, wenn
auch anders gearteten Trieb des Wissens und Denkens; nur
BD viel steht fest, dass die griechische Kirche sich weit we-
niger hierarchisch imd disciplinarisch entwickelt hat, wie
z. B. aus dem Mangel an Bussbüchem hervorgeht, an wel-
chen die lateinische so reich ist. „Das Richtige ist'^, ft&hrt
der Genannte fort, „dass die griechische Kirche in und mit
der Theologie und Christologie das ganze Christentum in
in ihrer Weise behandelt hat" (S. 109). Im allgemeinen
gilt dies von der alten Elirche überhaupt, das bezeugen die
Symbolformeln, ja in gewissem Ghrade vom Christentum sel-
ber, denn Christus ist die offenbarende Tatsache oder, wenn
man lieber will, die organisirende Idee. Doch soll nun femer
die digentümHche Behandlungsart des Glaubensinhalts darin
gesucht werden, wie das von Christus dargebotene Heilsgut
verstanden wurde, sie ergiebt sich, wie unser Verfasser will,
aus der Idee der Unsterblichkeit' und des ewigen
Lebens. Zu diesem Zweck wird auf Gregor von Nyssa
verwiesen, wobei nur zu bedauern, dass Kattenbusch nicht
noch weiter zurückgegangen ist; denn dabei wird sich doch
Niemand beruhigen, dass Athanasius und Gregor von Nyssa
dei^estak als die Gründer der Kirche angesehen werden, als
ob diese vor ihnen noch nicht vorhanden gewesen wäre.
Ich wenigstens verwahre mich gegen eine Vorstellung, nach
welcher das Dasein der kirchlichen Gemeinschaft von der
Correctheit der Lehrformel abhängig gemacht wird, und sollte
dies geschehen, so wären wir im vorliegenden Falle ebenso
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340 OAS8^
wohl berechtigt, bis zum Concil von Chaloedon als cLan
kirchlichen Gründungsact herabzugehen. Ich brauche nicht
kJBzumifügen; dase alsdann das Wort Kirche in anderem Smae
genommen wird, nicht wie rorhin nut Bezug auf die Selb^
atändigkeit der kirchlichen Erscheinung. Dagegen ist
unstreitig die Idee des ewigen Lebens und der Unsterblich*
keit für unserai Zusammenhang Ton Wichtigkeit; von dieeem
Gesichtspunkt ausgehend versuche ich im F<dgenden einige
Andeutungen über die griechiflch-orientalische Religionsbildung
und deren Gang.
Lidit und Ericenntnis, Ldben, Unsterblichkeit und Un«
Vergänglichkeit sind schon der ältesten griechischen Literatur
gdLäufige Worte. Durch Christua hat uns Gott von der un^
vergänglichen Erkenntnis kosten lass^OL^ sagt Clemens im
Korinlherbriefe^ das Leben in der Unsterblichkeü stammt von
ihm. Die christliche Lehre nach Ignatias i^ eine Sifaxij
iup^agaiugy das Evangelium eine Vollendung der Aphtharsie^
die allein den Zugang zu Gt)tt erschlieast; Leben und Liebe
in ihr hab^i den Reichen Charakter, mit ihr ist die eis
liebende Geisteswirkung, welche von Christus herkommt,
ausgedrückt. Zur Zeit bewegt sich der chrisüiohe Wandd
noch innerhalb des Vergänglichen, aber entgegengehend und
aufstrebend zum verheissenen Ziele des Unrerderblichen;
denn Christus selbst ist gesendet als der Unvergängliche^
der Unsterbliche för die Sterblichen. Solche Vorstelhmgen
schlössen si^ leicht andnander an, die weielie Logosidee
gab ihnen Nahrung ^). In naher Bereitschaft lag der Sd^uss^
1) In den Ignatianischen Briefen weiden die FriLdicate a^ay«rv«(,
To nXti&ivoy {jjy, a'^&a^cia häufig auf Christus und seine Sache an-
gewajult; seine Lehre ist dufaxri a<f^aqa(a^, ohne ihn haben wir nicht
10 ttXri&ivdir C?"» fo Tod &so€ imTv^ttP'^ ad Rom. 1, 7: dydnii dg>9aQ'
6(ttQ xuX dUvnot C«^; ad Philad. e. 9: r^ %wayy&UQti dnm^xMfAa Ivrir
d^^m^<fims\ ad Smyni. c. i: JC^wr^f to* dkti^iyo^ vfwr C^r; ad Polyo.
fl.2: vrjtjp^tuc ^fov md'hßn^y To d^ifta co^p^o^^ xoi (o»)} MtßWf, Daaii
vgl. Clem. ad. Cor. I, c. 36, durch Christus hat uns GU)tt in den Stand
gesetzt trjf dd'avdtov yvtSa$iai ifiag yBvoao&ai. Epist. adDiogn. c. 6;
die Christen leben du (^&a^o$f, irjiw iv oi^nvKiig dtp^aqaiav ngoirdt^O'
(AkVOi.
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ZUR SYMBOLIK DER GRIECHISCHEN KIRCHE. 34 1
dase das in Christus mitgeteilte Ewige auch in ihm selber
als ein Wesenhaftes gesetzt sein müsse, während es von den
Arianem zom CreatürHchen herabgesetzt wird; doch darf
nicht YBiigeBsen worden^ das» das Dogma des 4. Jahrhun-
derts keineswegs allein aas dem Prineip der Ewigkeit zar
Entscheidung gelingt ist
Zmr Beaekhnmig des Heilswerks wurde also die Aph-
tifearsie das überall wiedetkehrende Stichwort^ mit ihm ver-
band sich dann ein weiter dehnbarer Gedanke ^ der ebenso
wohl idealistisch und ethisch gedeutet wie ins Naturartige
ge»^en werden komite. Das erste ist vorwi^end von den
Alestandrinem geschehen. Für Clemens und Origenes ist
Christus der Inbegriff der Ideen und der schöpferischen
Weiriieit^ welcher Gott als den wahrhaft Seienden und den
Chiten ^kennen lehrt Allein diese Offenbarung wirkt nicht
auf den denkenden Menschen allein^ der in niedrige Weltbilde
ver&ngen^ vom Logos zum höha:*en Lichte emporgezogen
wird, nein das ganze Selenleben soll an dieser Erhebung
teilnehmen. Denn der wahre Gnostiker ist grade der, wet*
eher auch in seinem tätigen Wandel dem Zuge zum Unver-
gäi^lichen nachfolgt, um zum Nachahmer Christi zu werden;
Erleuchtung der Vernunft, Befreiung des Sinnes von der
Gewalt der Begierden, erhabene Selenruhe sind die Hebel
und die Wirkungen der Eriösung.
Den allgemeinen Hintergrund zu diesen Erklärungen
bildet das kosmische Verhältnis des Ewigen zum Vergäng-
Heben, beide stehen so zu einander, dass die höhere zwar in
der niederen Welt ein Abbild, aber auch ein stetiges Hindernis
und Widerspiel findet. Das ist das Geheimnis der Schöpfung,
itnd Gregor von Nazianz bietet in seiner berühmten zweiten
Sede Alles auf, um wenigstens teleologisch zu begreifen,
WMum die Menschensele trotz ihres Adds in das irdische
Gehege versetzt worden, wo sie ebenso viel Ursache hat, die
Berührung mit der sinnlichen irdischen Lust zu fliehen, wie
ae als sittliches Uebungsmittd zu benutzen ^). Andere
1) Greg. Naz. Or. I, p. 7 sqq., Par. 1609, nach der Ausgabe vod
Clemencet Cr. n.
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342 GASS;
Lehrer des 4. Jahrhunderts verschärfen diesen qualitativen.
Dualismus. Athanasius stellt jener himmlischen afp&oQolct^
eine (pd-ogu gegenüber; za dieser ist der Mensch ^ obgleich
ebenbildlich und für die Würde der Unsterblichkeit ge-
schaffen^ durch die List des Satans herabgesunken^ und nicht
das Schmerzgefühl der Reue konnte ihn retten; nur der im-
materielle (avXog) Logos, der alles ins Dasein gerufen, der
Anführer alles Lebens vermochte das Verderbliche, in wel-
ches er selber eindrang, eben dadurch in das Unverwesliche
zu wandeln, das Gesetz des Todes zu brechen, das verlorene
Ebenbild herzustellen ^). Schon an dieser Stelle scheint aller
Nachdruck auf der unmittelbaren Berührung der niederen Na-
turbestimmtheit durch die höhere zu liegen; die Mensch-
werdung gleicht einem umzeugenden Act, von der Natur
aus soll sie die Folge gehabt haben, dass Christus vermiß
seines menschlichen Wohnimgmachens den Blick seiner Be-
kenner wieder auf das Wahre imd Gtöttliche hingerichtet
und den heidnischen Wahn zerstreut hat Noch einen Schritt
weiter geht Gregor von Nyssa in der grossen katechetischen.
Rede, indem er das Heilsbedürfiiis ausdrücklich auf den
ganzen menschlichen Organismus überträgt Der psychische
Mensch hat das Ziel seines Strebens verloren, der somalische
sich der sinnlichen Lust preisgegeben; beide sind aus dem
wahren Leben herausgefallen, ein Tod trat an die Stelle
und übte seine Herrschaft, bis der Retter kam, bis die
göttliche „Philanthropie" Hülfe brachte. Der Erkrankte be-
durfte des Arztes, der Gefallene des aufidchtenden und be-
lebenden, der Verblendete des erleuchtenden, der Gefangene
des befreienden Beistandes. Alle diese Elräfte sollten der
erkrankten Menschheit aus der Lebensmitteilung des Logo»
zufiiessen, ohne dass dieser seiner göttlichen Apathie ver-
lustig ging oder selbst von dem Leidentlichen afficirt wurde,
welches der G^eburt und dem Tode anhaftet Gregor zieht
also die wiederherstellenden Wirkungen der Sendung Christi
möglichst in die Breite und dehnt sie dergestalt auf die
ganze Menschennatur aus, dass er Mühe hat, den intellec-
1) Athanas., De incam., c. 3. 4.
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ZUR SYMBOLIK DER GRIECHISCHEN KIRCHE. 343
tuellen Factor, welchen das Dogma für sich fordert, in seine
Rechte einzusetzen ^).
Aehnliches lässt sich auch bei Späteren wie namentlich
bei Cyrill von Alexandrien nachweisen. Wahres und dem
Tode verfallenes Leben sind entgegengesetzte Pole. Christus
hat den Abstand überwunden, indem er die eine Natur in
die andere einAihrte; sein Werk gleicht einer unmittelbaren
Aufnahme in die göttliche Aphtharsie, es ist der Erlösung
ähnlicher als der Versöhnung, denn diese letztere Lehrvor-
stellung fehlt zwar nicht, ist aber erst weit später als be-
stimmte Rechtstheorie angewendet imd auch dann nicht aus
der heimischen Ueberlieferung geschöpft worden.
Ich wollte hiermit verdeutlichen, was Kattenbusch mit
der Benutzung „physischer Kategorien'^ gemeint haben kann,
welchen zufolge die Menschwerdung nur als Verschmelzung
Qt)ttes mit der menschlichen Natur gedacht worden sei.
Wenn er aber S. 112 bemerkt, „es könne auf den ersten
Blick" scheinen, als ob die griechische Kirche vermöge dieser
Anschauung vom Wesen des Heils, „auf den sittlichen Cha-
rakter der christlichen Religion verzichtet habe '^ : so schliesst er
viel zu viel. So kann es nicht scheinen, ausser wenn man sich
an einzelne Stellen und Schriftsteller anklammert, oder auch
wenn die Abendmahlslehre zum Grunde gelegt wird, in wel-
cher sich jener mystische Zug festgesetzt hat, — nicht aber
in Anbetracht der ganzen älteren griechischen Theologie.
Diese wird nicht von diesem Punkt aus beherrscht oder „or-
ganisirf , noch weniger ihres sittlichen Charakters entkleidet,
denn sie trägt noch einen andern Grundgedanken in sich,
es ist das Princip der Freiheit und sittlichen Bestimmbar-
keit, welches sie durch alle Stadien b^leitet. Das ganze
Glaubenssystem des Origenes dreht sich imi die beiden Pole
Gott und Freiheit. Auch bei den Späteren drängt sich
immer ein ethischer Coefficient neben die Ansätze eines my-
stischen Naturalismus, und so oft die Griechen die Aneig-
nung des Heils beschreiben wollen, bedienen sie sich eines
Synergismus, der nicht wie im Abendland einen schon vor-
1) Greg. Nyss. Or. cat. magna, c. 15.
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344 OAS&,
handenen Gegensatz ausgleichen soll, sondern der sich ihnen
zwanglos zu Gebote stellt; aus der Annahme ^ dass geistige
Anr^ung von €btt und menschlicber Wille einand^ ver-
wandt genug sind; um zuMunmen zu wirken.
Man denke unter Anderem an die Mönchstheologie
des 4. oder 5. Jahrhunderts. Auch sie fordert Aufschwung
zum unverderhEchen engdgleichen Leben, — ein Ziel der
Vollendung; welches aber durch asketische Mittel; nicht
durch mystische Verschmelzung erreicht werden soll Wer
voUkommen sein will; muss nach unten hin frei sein; muas
die Zugänge der natürlichen B^imle abdämmen; dann ge-
längt er zu einer gottähnlichen ApaÜuC; der Leib fesselt ihn
nicht; tief unter ihm liegt der irdische Staub. Man denke
femer an die Lehr^ der antiochenischen Schule ; sie lief^-
ten einen bedeutenden Beitrag zu der Darstellung des wissen*
schaftlichen und kirchlichen GeisteS; aber sie sind fithikef
in der Theologie; nicht Physiker wie die^Monophysiten.
Den Chrysostomus muss man kennen; um zu wissen; dass
auch er in seine Sacramentslehre dn stark realistisches
Moment aufgenommen hat; denn was ihn übrigens aus*
zeichnet und wenn irgend Einen zum Bepräsentanten seiner
Kirche in diesem Zeitalter macht; ist doch grade die Stärke
des Herzens ; das treffende psychologische Urteil, die Sorge
'Ökt Innerlichkeit und Aufrichtigkeit der Gtesinnung; die
Wirkung auf den Willen — mit einem Wort das Interesse
an dem Sittlichen. Kein kirchlicher Schriftsteller ist in der
Folgezeit mehr als er gelesen worden; das beweist die grosse
Zahl der noch vorhandenen Handschriften. Der viel spätre
Johann von Damaskus hat die bisherige Entwicklung syste-
matisch zusammengefiasst ; indem er die ;; göttliche Oekono-
mie^^; d. h. die Menschwerdung Christi und deren Zweck;
erklären will; sagt er, nachdem der Tod einem wilden Tiere
ähnlieh in das Leben gedrungen; sei es nöt^ gewesen; ;;die
menschliche Natur zu stärken und zu erneuern; den Men-
schen tatsächlich zu erziehen und Anleitung zu geben zu dem
Wege der Tugend, welcher von dem Verderben hinweg- und
zum ewigen Leben hinführt" ^), — eine Fülle der ;,Philan-
1) Joh. Damasc, De fide orthod. UI, c. 1 : Ir* db t^evQe^nPtu xal
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ZUB SYMBOLIK DER GBIECHI8CHEK KIRCHE. 345
thropie", wie sie nur von dem menschgewordenen Christus
da]^;ereicht werden konnte. In diesen Worten vernehmen
wir wieder das alte Thema von der (p&oQa und der ^mrj imd
dem ayaxaiviteiy Tfjy (pvaivy die weitere Durchfuhrung aber
fidlt durchaus lehrhaft;, ethisch und praktisch aus; das ganze
Werk des Damasceners verläuft unter lauter dogmatisch-
dialektischen Definitionen ; mit denen sich dann eine an die
sittliche Freiheit anknüpfende Tugendlehre verbindet. So
steht es also nicht, das» das Heil lediglich nach „physi-
schen" ELategorien beschrieben (S. 110) oder das Ziel des
Christentums nur in der „göttlichen äusseren Herrlichkeit"
gesucht wird, zu welcher das creatürliche Leben im Jenseits
erhoben werden soll (S. 115). Im ganzen bewegen sich
diese Schriftsteller auf dem altkatholischen Standpunkt, nach
welchem das Christentum, wie Cyrill von Jerusalem sagt,
aus zwei Stücken bestehen soll, aus frommen Dogmen
und guten Handlungen.
Es scheint jedoch angemessen, auch aus dem ferneren
Gange noch einige Wendungen hervorzuheben. Die leben-
dige religiöse Geisteskraft ging mit dem 6. Jahrhundert
zu Ende, eine formelhafte dogmatische Metaphysik blieb zu-
rück. Das Dogma soll gelernt und gewusst, die Tugend
geübt werden; je wohlfeiler beides wtude, desto stärker regte
sich das Bedürfnis, das Göttliche als ein Gegenwärtiges zu
erfehren oder zu erschauen; der Volksgeist wmde immer
sinnlicher, indem er in dem Sacrament und dem Cultus seine
religiöse Nahrung suchte. Allegorie, Symbolik imd Bilder-
dienst machen diesen üebergang anschaulich. So niedrig
das Irdische auch stehen mag: dennoch sind ihm Abzeichen
idealer Verhältnisse oder auch Reizmittel zu deren Auffindung
eingestreut; der Schöpfer selbst hat i^ ihm geliehen, die 0£Een-
barung aber sich vorbehalten, durch Anknüpftmg an sicht-
bare Formen und Ordnungen ein Licht über den Zusammen-
dvaxaivmd^iiyai Tr\y <fvaiy xul ^Qy(a tj aidaytoytid-^y tu xai ^idax^-^yai
dqstfig 6ddy T)jv juky <p9oQag dnäyovaay, nqoq dh Ti)y altavioy nodr^"
yovaay riXog ro jusya negl avroy trjg quXayd'^wniag iy&eixyvTm ni'
Xayoc,
Zeittehr. t E.-0. HI, 8. 24
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346 6ASS;
hang des Universums anszugiessen, — so sagt der Allegor i-
ker. Und dieser Allegorismus hatte anfänglich eine vorzugs-
weise anagogische Tendenz gehabt, jetzt konnte er auch
katagogisch wirken, je mehr man darauf ausging, das Ideale
dem Irdischen oder kirchlich Dargestellten auch einwohnend
zu denken. Die heiligen Handlimgen sollen nicht für sich
stehen, Q^bet und Ansprache verdeutlichen ihren Zweck,,
sinnvolle Verrichtungen umgeben sie, mit ihnen soll der
Empfänger sich einen Cyklus geistiger Vorgänge vor Augen
stellen, — so wünscht es der Liturge. Cyrill von Alexan-
drien wurde — wenn wirklich die mystagogischen Kate-
chesen von ihm herrühren — der erste bedeutende Anfanger
dieser Interpretation, zahlreiche und weit ausführlichere li-
turgische Auslegungen sollten sich anschliessen, zuletzt bil-
deten sie eine eigene Literaturgruppe. Dasselbe Interesse
führte dahin, die ganze kirchliche Ordnimg einem wunder-
vollen Aufbau zu vergleichen, und dieser liess sich nicht
besser sanctioniren, als wenn nachgewiesen wurde, dass dessen
Formen aus gewissen ihnen entsprechenden überirdischen Ge-
stalten und Abstufungen Recht und Kraft empfangen haben.
Femer herrschte noch im 4. Jahrhundert die Ueberzeugung^
dass sich das Göttliche überhaupt nicht bildlich darstellen
lasse, später wurde sie durch die entgegengesetzte verdi-ängt
Die Gründer und Vertreter der Offenbarung haben auf Er-
den gelebt und Spuren ihres Daseins zurückgelassen, folg-
lich dienen die Abbildungen dazu, die Andacht von dem
sinnlichen Ausdruck ihrer Erscheinung zu den dem dies-
seitigen Leben entrückten Persönlichkeiten emporzuheben, —
so sagt der Bilderdiener. Die Gewaltsamkeiten des
Bildersturmes konnten diesen Glauben erschüttern, der sich
aber dennoch wiederherstellte imd vollständig mit der volks-
tümlichen Frömmigkeit verschmolzen ist. Dieselbe zweite
Nicänische Synode (787), welche die Bilderverehrung ge-
nehmigte, hat zugleich die symbolische Erklärung des Abend-
mahlsgenusses verurteilt. Endhch sollen auch gewisse kirch-
liche Begriffe dadm'ch an Bedeutung gewinnen, dass ihre
Namen auf etwanige sprachliche Wurzeln zurückgeführt
werden, — so meint es der Etymologe, und kein Gleichlaut
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ZUR SYMBOLIK DER GRIECHISCHEN KIRCHE. 347
ist ihm zu femliegend, um nicht danach zu greifen. In allen
diesen Richtungen verrät sich dasselbe Bedürfnis, zwei un-
gleichartige Lebensschichten in Verkehr zu erhalten und die
eine aus der andern zu nähren. Es war ein Idealismus,
von welchem diese Vergleichungen ausgegangen, aber ein
grober Realismus, der sich hineinlegte und alle religiösen
Betrachtungen und cultischen Handlungen mit einem anziehen-
den und zugleich Ehrfurcht gebietenden Zauber umspann. Auf
den ersten Aufschwung folgte ein schrittweises Herabkommen bis
zur sinnlichen Umschränkung der Frömmigkeit, welches die
Grenzlinie zwischen dem Darstellenden und dem Dargestell-
ten, dem Wirkenden und seinem Abzeichen fast verschwinden
Uess. Einen eigentümlichen, halb gedankenmässigen und gei-
stigen Nimbus empfangen auf diese Weise die Auslegungen
der Liturgie, das individuellste Product dieser Anschauungs-
weise, immer noch sinnvoll für den Symboliker, aber auch
desto verführerischer für die blöde Menge. Die abendlän-
dische Literatur bietet Verwandtes dar, das aber mit jenem
andern nicht auf gleiche Linie gestellt werden darf *).
An dieser Stelle verdienen die Dionysischen Schriften
als der Ausläufer eines theologisch und kii'chlich eingeklei-
deten Neoplatonismus Erwähnung. In ihnen wirkt ein über-
reizter und sich selbst auf dem eigenen Wege ermüdender
Wissenstrieb. Zwei Leitern des Gedankens führen zu Gott
empor, bejahende und verneinende Kräfte ringen gleichsam
>) Mit Unrecht wird mir, weil ich gelegentlich einmal die Ein-
mischung von Cultusvorschriften in das Dogma als „Nebeninteresse"
bezeichne, Unterschätzung des liturgischen Glaubensmediums zum
Vorwurf gemacht. Denn den Abschnitt, in welchem ausführUch ge-
zeigt wird, dass der Geist einer Kirche, welche die Verächter der
Liturgie den Häretikern gleichgestellt, ohne Beleuchtung des liturr
gischen Ritus nicht vollständig verstanden werde, und dass die
russische Kirche so weit gelangt sei, die Liturgie als den Brenn-
punkt der Religion selber zu preisen, — hat Kattenbusch einfach
ignorirt (vgl. S. 300 meiner Symbolik). Man darf diese ritualisirende
und liturgisirende Tendenz wohl ein „ Surrogat " nennen, aber sie war
zugleich der Ausläufer jenes antiken idealisirenden Triebes, wel-
cher bei nachlassender Intelligenz selbständig fortwucherte und immer
abergläubiger verstanden wurde.
24*
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a4t8 GASS,
mit einander; aber die Verneinung hat mehr Wahrheit und
Eecht, denn jede positive Aussage und Bezeichnung des Ab-
soluten hat ihren Gegenstand noch über sich, imd nur dem
Namen des Guten verbleibt das schöne Vorrecht, das Wesen
der Gottheit zu berühren. Unter solchen Anstrengungen
bleibt die Erkenntnis diesseits ihres Zieles; die Kategorien
des Denkens und Wissens reichen nicht aus, den Gipfel zu
erklimmen. Vergöttlichung wird nur für denjenigen en^eichbar,
der sich durch geheimnisvolle Erfahrung emporziehen lässt,
dazu aber findet er in der Kirche selber, ihren Ordnungen
und Verrichtungen das Medium. Diese Gedankenreihe be-
giimt speculativ, um cultisch imd asketisch zu endigen. Für
die Folgezeit wird niemand die grosse Wichtigkeit dieses
vermeintlichen Areopagiten verkennen; schon im 7. Jahr-
hundert fand er Verehrer, und die Dunkelheit seiner Rede
rief den Beistand der Commentatoren herbei. Allein er be-
findet sich doch in einer Sonderstellung, nijcht in ihm, wie
Kattenbusch anzunehmen scheint, weit eher, wie schon be-
merkt, in ChrysostomuB findet die patristische Epoche ihre
ausammenfASsende Repräsentation.
Wir gehen zu Photius über, dem gelehrten Sammler,
aber auch dem scharfgeschnittenen Dialektiker und dem An-
fänger des Byzantinifflnus. Denn von ihm aus ist die ganze
kirchliche Haltimg Constantinopels während des MittelaUers
bestimmt worden, und er war nichts weniger als ein Mysti-
ker, wenn er auch den Bilderdienst anerkannt und die
Theologie in die beiden Abteilungen des Dogmas und der
Mystagogie unterschieden hat. Scharfer Verstand verband
sich in ihm mit eifersüchtigem Selbstgefühl; durchdrungen
von d&a VcHrzügen seiner Hefanat und classischen Sprache,
behandelte er die Lateiner als die Unechten imd Untreuen,
welche von der Urform der Lehre und der kirchlichen Ein-
richtungen abgewichen seien. Seine Verteidigung der grie-
ohiachen Trinitätsform ist mit grosser Gewandtheit geschrie-
ben, de wurde das polemische Probestück, auf welches seit
dem völligen Bruch mit dem Abendlande zahlreiche andere
Abhandlungen folgten. Von nun an werden die vielartigsten
Studien, exegetische, philologische, philosophische, nait und
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ZUR SYMBOLIK DER GRIECHISCHEN KIRCHE. 34^
neben einander, ja von denselben Schriftstellern getrieben,
aber Polemik, Apologetik tmd Häresiologie beherrschen die
Literatur; der Standpunkt ist der schlechthin conservative,
die Form eintönig, latinisirende Ansichten üben einen partei-
bildenden Einfluss. Zahlreiche logisch-metaphysische Fragen
und Antworten, unoQtai und Xiaug^ liegen uns vor Aug^i
und mögen als dialektische Uebungsstücke gedient haben.
Neben den Platonischen sind auch Aristotelische Studien
zeitweise gepflegt worden ; aber zu einer methodischen Durch-
führung kommt es nicht, daher fehlt die belebende Kraft,
welche der abendländischen Scholastik aus den Principien-
kämpfen des Nominalismus und Realismus erwachsen ist.
Das UeberschwängKche zieht sich in gewisse Adern der
religiösen Empfindungsweise zurück, übrigens empfangen wir
den Eindruck nüchterner Verständigkeit. Bekanntlich ist
unter den Lehrern des 12. Jahrhunderts Nicolaus von Me-
thone der begabteste, der auch vor kurzem durch neue
Publicationen noch bekannter geworden; imd wie er an alle
seine Vorgänger, auch an Dionysius anknüpft: so erinnert
er uns auch an alles schon Gesagte. Auch er ist ganz
<Jrieche, seine Weltbetrachtung symbolisch und idealistisch,
denn er will das Irdische durchsichtig machen, damit eö
durch Spiegelbilder Zeugnis gebe von seinem Urheber. Da-
durch wird Gott erkennbar, aber er bleibt dennoch uner-
kennbar, deim nach Dionysius foi-dem die göttlichen Prä-
dicate ein steigerndes vTti^y einen Ausdruck der Hyperusie,
weil es ohne diese beschränkende Zutat vermessen sein
■würde, an das Absolute mit menschlichem Wort hinan-
reichen mi wollen. Andrerseits wird derselbe Nicolaus zum
niystisehen Realisten, denn er schreibt dem menschge-
•wordenen Christus einen göttlichen, d. h. durch Verbin-
dung mit dem Logos veredelten und zitr ünverderblich-
teit erhobenen Leib (ßttov awfia) zu, dessen Lauterkeit
dann auch durch den Genuss des Abendmahls in die
Natur der Gläubigen überfliessen soll. Und in einer drit-
ten Eichtung überschreitet er wieder den Consensus seiner
Elirche, indem er an den Tod Christi eine der lateinischen
ähnliche, obwohl weit weniger geschärfte Satisfactionslehre
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350 GASS;
anknüpft. Allein alle diese göttliclien Wii'kungen sollen doch
erst angeeignet werden, indem sie durch ein sittliches Medium
hindurchgehen, erst die Freiheit bedingt und sichert ihren
£rfolg; der Mensch hört nicht auf besserungsfähig zu sein,
auch nach der Uebertretung kann er zu sich selber zurück-
kehren, weil er menschüch, d. h. unter dem Einfluss leib-
licher Begierden, nicht als körperloser Dämon gesündigt hat.
Der Leib enthält also wohl Reizmittel der Sünde, aber er
giebt dieser zugleich eine Relativität imd Beschränktheit, an
die sich die MögUchkeit der Umkehr und Besserung immer
aufs Neue anschliessen kann ^). Daraus erklärt sich, dass
von einem anderen gleichzeitigen Schriftsteller dieselbe Er-
hebung zu Gott grade aus dem sittUchen Prozess statt des
naturartigen hergeleitet wird ; Nicetas Choniates entwirft eine
Reilie von natürUchen, bürgerlichen, moraUschen und reini-
genden Tugenden, die oberste Stufe fuhrt zur Apathie und
Verähnlichung mit Gott (/} ngog tov &ioy ofioivDaig) *).
Wieder ein anderes Stadium bezeichnet das 14. Jahr-
hundert, dasselbe Zeitalter, wo auch im Westen die müh-
samen Operationen imd Compositionen des scholastischen
Denkens nicht mehr ausreichen wollten, sondern ein kräf-
tiges Verlangen nach religiöser Unmittelbarkeit sich in der
deutschen Mystik hervordrängte. Das byzantinische Reich
.vei*fiel dem Bürgerkrieg, Sitte und Tugend, Mönchtum und
Wissenschaft erschlaflfiten, vergeblich suchten einige edlere
Geister der einreissenden Entartung zu steuern. Mitten in
diesem Dunkel machten die Athosmönche die Entdeckung
ßines ihnen aufgegangenen geheimnisvollen Thaborlichts; sie
nannten es ein imgeschaffenes Licht, erhaben über das Crea-
türliche imd doch nicht einfach imd unnahbar wie Gott
Pas Absolute bleibt auf seiner einsamen Höhe, aber in dieser
vielteiligen Ausstrahlung kann es dennoch geschaut und ge-
nossen werden. Dies war indessen nur die Ausgeburt äske-
1) Vgl. Uli mann' 8 Abhandlung über die Dogmatik der griechi-
Bchen Kirche im 12. Jahrhundert, Studien und Kritiken 1833, H. 3,
S. 57 des besonderen Abdrucks.
2) Ebendas. S. 44. 45.
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ZUR SYMBOLIK DER GRIECHISCHEN KIRCHE. 351
tischer Ueberspannung, die Wissenschaft hatte davon keinen
Nutzen, ausser etwa durch die Verhandlungen, ob und wie
Wesen und Wirksamkeit Gottes unterschieden werden dürfen.
Vollständiger giebt sich der damalige Standpunkt der Theo-
logie zu erkennen in dem Werke des Nicolaus Cabasilas
„Vom Leben in Christo ", welches ganz eigentlich hierher
gehört, weil es wieder den Namen der Cwr^ an die Spitze
stellt. Auf diese Schrift hätte mich Eattenbusch fiigHch ver-
weisen können, sie enthält, was er grade sucht und tadeln
will, eine Art von physischer Theologie, eine solche jedoch,
mit der sich sofort und sehr entschieden eine ethische ver-
bindet Es ist der Mühe wert, eine kurze Erläuterung hin-
zuzufügen. Das Werk um£Etsst in sieben Büchern zwei we-
sentlich verschiedene Abteilungen ; es sind zweierlei Potenzen,
die das christUche Leben hervorbringen, das Sacrament oder
Mysterium und der Wille; durch ihre ineinandergreifende Wirk-
samkeit wird der neue Mensch wie imter Geburtsschmerzen
der jetzigen Welt empfangen, erzeugt und entfaltet, damit
die jenseitige, die niemals altert, ihn vollende. Aus dieser
letzteren aber stammt Christus, imd er ist zugleich der Ueber-
trag aus ihr in die irdische Erscheinung, die Mysterien haben
ihm dazu gedient, sein eigenes Ewige in die Natur der Mensch-
heit einzupflanzen; man muss sich dabei erinnern, dass nach
griechischer Vorstellung die sacramentUchen Kräfte nicht den
Tod Christi, wie es der römische Katholicismus wiU, sondern
den ganzen geschichtlichen Christus zur Basis haben. Von
diesem Standpunkt aus werden sodann die drei wichtigsten
Mysterien erklärt. Die Taufe soll dem chrisüichen Leben
das Dasein geben, das Myron es befestigen und geistig aus-
rüsten, die Eucharistie es in die innigste Lebensgemeinschaft;,
}a in eine Blutsverwandtschaft mit dem Heiland eintreten
lassen. Und firagt man, was bei dieser Anschauung aus dem
Dogma wird: so hat der Verfasser es ganz in seine Aus-
l^ung der Sacramente eingefiigt, ohne eine besondere Stel-
lung dafür zu fordern. Die Lehre wird vollständig dem
Cyklus der Mysterien einverleibt. So weit reicht also die
religiöse Physiologie des Cabasilas, alles Weitere, also den
ganzen Ausbau der christlichen Tugend imd Selbstbestimmung
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352 6ASS;
will er dem zweiten ethischen Princip anvertrauen. Christus
ist der ßchaffiier des Guten, das von ihm G^pflanzte soll
wachsen, der Wille soll es erhalten und entwickeln, nicht
durch Gelübde und mönchische Weltflucht — denn diese
Mittel erklärt der Schriftsteller keineswegs für notwendig — ,
auch nicht durch Lohnsucht und Furcht vor dem Gericht^
sondern durch selbstverleugnende Uebung der Demut, Ge-
duld imd Gerechtigkeit imd durch Ansammlung frommer
Gedanken, die bis zu dem Gipfel der Q^ttesliebe emporleiten.
„Daher wollen wir", sagt Cabaailas, „alles Uehrige bei Seite
lassend, nur auf den Willen der Sele achten, auf welchem allein
die Tüchtigkeit und Schlechtigkeit, das wahre G-esundsein und
Kranksein und überhaupt das Leben od^ Sterben des Menschen
beruht, welchen Willen als einen guten und auf Gott allein
gerichteten zu besitzen, das ewige Leben ausmacht" *)
Mir scheint diese Anschauung fiir das ang^ebene ZeiteJter
charakteristisch genug, in gewissem Grade sogar bezeichnend
für das Mittelalter überhaupt, welches geneigt war, das ganze
Heil durch jene beiden Medien hindurch zu leiten, das eine
des sinnlichen, sacramentlichen und liturgischen Emp&ngs,
das andere der persönlichen Anstrengung und Willens-
kraft.
Ein letztes Stadiimi versetzt ims in die 2^iten der Tür-
kenheiTschaft und späterhin der reformatorischen Bewegung.
Die Union von Florenz (1438) war gescheitert oder doch
nur künstlich und für kurze Zeit gelungen, und grade der
beste griechische Theologe, Marcus Eugenicus, damals wohl
der einzige von einiger Gediegenheit tmd Denkkraft, wie»
die Einigung zurück. Wie die russische Kirche sich hob
und durch Gründung eines eigenen Patriarchats geknäftigt
wurde, verfiel die giiechische, obgleich 1453 in Constantinopel
Bieu constituirt und synodalisch eingerichtet, allen Unbilden und
Willkürlichkeiten türkischer Tyrannei, sie ertrug <lieBen Druck
mit zäher Ausdauer, und vielleicht um so geduldiger, da sie
dch zugleich gegen die Eingriffe des Abendlandes sicher-
1) Vgl. meine Ausgabe der Mystik des Nicolaue Cabaeiks, lEäii-
Idtende Darstellung, S. 89. 172 ff. 181.
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ZUR SYMBOLIK DER GRIECHISCHEN KIRCHE. ä53
gestellt fand. Indessen konnte doch der Verkehr mit dem
Westen nicht abgebrochen werden, am wenigsten in den
Gegenden der Oberhoheit Venedigs; wer Unterricht suchte^
sah sich auf Italien hingewiesen, die heimischen Quellen der
Wissenschaft waren versiegt. Die Literatur liegt uns in einer
Reihe von Abhandlungen imd kurzen Streitschriften vor
Augen, die sich durch eine gewisse formelle Abrundung
unterscheiden; Definitioxken, etymologische Einfälle, logische
Unterscheidungen treten an die Stelle des Gehalts. Ueber
das System der Sacramente waren die Parteien zu Florenz
wirklich zu einer Uebereinkunft gelangt, auch die Griechen
geoGiehmigten fortan die Siebenzahl mit Berufung auf die sieben
Tugenden und Laster, sieben Geistesgaben, sieben Sterne in
der Hand des Menschensohnes (Apok. 1, 16), — Gründe,
die sie, wenn sie gewollt, längst bei der Hand gehabt hätten.
Von Alters her war für die Vorstellimg einer Wandlung der
Abendmahlselemente das Wort /miaßoXrj oder (niraTtoitjatis
gebraucht worden, jetzt drängte sich die lateinisch gedachte
Transsubstantiation als fieTovaitaatg an die Stelle. Und da-
nut nicht genug, auch die Causalmethode fand Anwendung.
Gkibriel Severus von Philadelphia (um 1580) erläutert die
sacramentlichen B^riffe nach den Gesichtspunkten von mviov
nonjTixoy, vXtxor, clt^ixov, rtXtxoy , er übersetzt damit nur die
Kategorien der causa efficiens, materialis, formalis, finaUs;
nicht minder erhellt aius anderen Distinctionen , z. B. von
ovoia und avfißeßtpcog, Bubstantia und acddens, der lateinische
Einfluss ^). Ihrem Inhalt nach aber wird die Sacraments-
lehcre in einer Weise vorgetragen, als müsse die ganze Offen-
barung sammt allen ihren Kräften in diesem einen sieben-
teiligen Artikel niedergelegt werden; der vermeintliche
Dionysius, der früher sein Ansehen mit anderen geteilt hatte^
wird als der uqxvY^'S ^^ d^ioXoyofy gepriesen, seine Schrif-
ten als den kanonischen ebenbürtig hingestellt. Dem Pro-
t^tantifimus gegenüber mussten andrerseits die alten Auto-
rität^! abgehört werden, man brauchte Zeugnisse zur Ver-
1) „Acta Orientalis ecolesiae" ed. Schels träte (Rom 1799),
p. 25iB€^.
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354 GASS,
werfung einer unbedingten Gnadenwahl, andere zui* Ver-
teidigung der Willensfreiheit. Alle diese Schriften treten an-
spruchsvoll auf, ihre eigene Geistesarmut wird dadurch nicht
verdeckt. Eine kirchliche Wissenschaft, die keine besseren
Lebenszeichen von sich gab, drohte völlig zu vennagem;
man begreift also, wie ein fähiger Kopf wie Cyrillus Lucaris^
nachdem er einmal den Geist des Protestantismus gekostet,
zu dem Entschluss gelangen konnte, ihr durch Zuleitung
neuer Erkenntnisse eine andere Bahn zu eröffiien.
Zur Vollständigkeit würde es dienlich sein, dass auch
die Ideen des Guten und des heiligen Geistes noch bestimm-
ter ins Auge gefasst werden; doch befinden wir uns an der
Stelle, von welcher oben ausgegangen wurde; diese Ueber-
sicht bedarf keiner weiteren Erläuterungen, sie hat das Ihrige
getan, sobald sie uns zu einer allgemeineren Schlussfolgening
berechtigt. Es hat sich gezeigt, dass die griechische Kirche
imgeachtet ihrer traditionellen Steifheit doch im Laufe der
Zeitalter ein sehr ungleiches Gepräge angenommen hat, sie
war etwas anderes im 3., etwas anderes im 5. und wieder
im 8. imd 14. Jahrhundert imd liess ihre eigenen Kenn-
zeichen in höchst ungleichem Grade in den Vordergrund
treten. Kattenbusch spricht von einer „organisirenden Idee'*,
er fordert also einen einzigen Mittelpunkt, um von
diesem aus das Ganze zu übersehen, aber auch zu ver-
urteilen, wir halten eine solche Zuspitzimg auf einen einzigen
Centralpunkt nicht für richtig. Wenn es schon misslich und
schwierig ist, das Wesen des römischen KathoUcismus von
Einer Stelle aus zu bestimmen oder in einem einzigen be-
grifflich formulirten Satz zusammenfassen zu wollen, — denn
schon der Name römisch-katholisch bildet ein Compositum
und deutet auf einen historischen Anwuchs, der sich aus der
blossen Wurzel noch nicht erkennen lässt: — so möchte
dies noch weniger gelingen in Bezug auf eine so weiche imd
dehnbare Religionserscheinung wie die griechisch-orientalische,
welche sich in ihrer historischen Fortbildung der griechischefi,
anatolischen imd slavischen Volkstümlichkeit und deren Be-
dürfhissen angeschlossen und im Verlauf der Zeit ihre edleren
Bestrebungen mit sinnlichen vertauscht hat. Femer klammert.
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ZUR SYMBOLIK DER GRIECHISCHEN KIRCHE. 355
sich mein Kritiker an die Vorstellung einer physischen und
^er hyperphysischen Unsterblichkeit, welche alle Religions-
wirkungen ins Physiologische und Naturaiüge herabgezogen
habe. Dies mag der dunkle Punkt sein, aber es ist keines-
wegs der Schlüssel zum Verständnis des Ganzen, denn dieser
Naturalismus, anfangs nur dem Keime nach vorhanden, hatte
jederzeit in dem sittlichen Princip ein starkes Gegengewicht
und wucherte erst in den Zeiten des intellectuellen Verfalls
und der sittlichen ErschlafiFimg.
Statt einer einheitlichen Construction, wie sie Kat-
tenbusch verlangt, scheint also die Zusammenstellung meh-
rerer leitender Gedanken besser mit dem Wesen des Gegen-
standes übereinzustimmen, und auf diesem Wege wird auch
ein günstigeres Gesammturteil herbeigeführt. Von der dog-
matischen Formel und der kirchlichen Praxis abgesehen, er-
geben sich. einige ideelle Grundzüge, welche die griechisch-
orientalische Lehrüberlieferung und Religionsansicht als zu-
sammengehörige Richtung betrachten lassen. Die Religion
als Erhebung zu Gott und zum Ewigen {aq^agala), das
Werk Christi als Erlösung oder auch als Entlastung und
Heilung, die Sünde als Erniedrigung, die Freiheit als Ver-
mögen der Selbstbestimmung und synergistische Kraft
(vgl. § 147 meiner Symbolik), das sind Ansichten, die in dieser
Theologie, so lange sie kräftig bleibt, ebenso aber auch in den
von mir als Quellen der Symbolik benutzten Schriften wieder-
kehren. Was namentlich das Erste betrifft, dass die Religion
als Erhebung imd Aufschwung zum Unvergänglichen gedacht
werden soll : so wird es, wie oft genug im kirchlichen Altertum,
so auch in dem späten Bekenntnis des Petrus Mogilas aus-
gesprochen. Gott wird in dieser Urkunde als das intelligible
Wesen und die höchste Realität des Guten definirt,
von der Religion aber heisst es in der Einleitung, sie sei
das \^fiv imig xa OQW/nya xai finä d^tov yeyia&aiT^ y(p aytn-
T&fAtyoy^ sei selber eine oq^ir ifg t« ayw, was dann weiter
durch die im Universum angenommenen Abstuftmgeri er-
läutert wird. — Sollte es mm dennoch nötig sein, einen ge-
meinsamen Hintergnmd fiir diese Ideen zu suchen: so be-
darf es wohl nur einer nochmaligen Erinnerung an die Welt-
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356 <^ASS;
ansieht im grossen, weiche auf dieser Seite anders gef&rbt
war wie im Abendlande^ also auch religiös sich anders modi*-
ficiren konnte.
Das Vorstehende habe ich zu meiner eigenen Rechte
fertigung, aber auch als Ergänzung des firüher Gesagten zvt-
sammensteUen wollen. Ich räume ein, dass ich § 26 imd
38 der Symbolik bei Angabe des allgemeinen ReligioiUh
begriffe bestimmter auf die aJte l^wr und acp&oQoia hätte
zurückweisen sollen; das ist die Concession, die ich Herrn
Kattenbusch mache, übrigens halte ich meine Ansicht fest.
M(^en andere beurteilen, ob dennoch im „Lidite der ge-
schichtlichen Entwicklung der griechischen Kirche" au er-
kennen sei, dass sie hätte „umgekehrt interpretirt werden
müssen" (S. 121). Das Schadhafte, Verderbliche oder Ver-
kommene in dieser Entwicklung, sd es mm nach der Seite
des Dogmatismus oder auch der mystischen imd liturgi-
schen Ueberschwänglichkeit, habe ich in keiner Weise ver-
hehlt (vergl. S. 397 a. a. O.). Dagegen muss ich nach
wie vor die eben hervorgehobenen ethisch -rdigiösen Züge
als bedeutungsvoll und wichtig schätzen, und eb^i diotun
kann ich eine Kritik nicht hochstellen, welche darauf axus-
geht, den ganzen in jener orientalischen Region erwachsenen
und fortgepflanzten Gedankenvorrat in Bausch und Bogen
oder auch als „Totalerschdurrang" fiir „degenerirt" zu er-
klären imd damit preiszugeben; das wäre nur ein oociden-
taliscfaer Hochmut, welchen ich ab reinen Ausdruck des
protestantischen Princips nicht gelten lasse. Dieses letztere
bleibt in seinem Recht, aber es aoll »ch mit der Fähige
keit und Weitsichtigkeit verbinden, welche audi das femer
Liegende und anders Gearteite zu würdigen vermag. Ver-
einzelte Stimmen wie die des Dr. J. J. Overbeök, wdcher
die „providentieUe SteOung" der Kirche Rusdands und die
mit derselben verbundene Anwartschaft zu einer ins Grosse
gdienden liturgischem Mission innerhalb des Abendbmdes
proclamirt h»t, — «olche Stimmen werden kernen Vemürf*
tigen berücken. Wohl aber deutet der Gang der neuesten
Ereignisse darauf hin , dass die griechische Kirche mit der
Zeit und durch die Macht der Dinge genötigt werden wM,
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ZUR SYMBOLIK DER GRIECHISCHEN KIRCHE. 357
sich zusammenzuraffen imd aus ihrer trostlosen Schwäche zu
erheben. Sie wird dabei zunächst aus sich selbst und aus
eigenen Quellen zu schöpfen haben; indirect aber xmd durch
Mittel der Wissenschaft imd Bildung ist der Protestantismus
■ weit eher im Stande, nach dieser Seite als nach der anderen
der römischen Fspsdkirche einen fördernden Einfluss zu
üben.
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Das Mnratoriscbe Fragment
und die Entstellung einer Sammlung apostolisch -katho-
lischer Schriften.
Von
Adolf Harnack in Giessen.
Die Verwertung des Fragm. Murat. darf trotz aller auf
dasselbe verwendeten Mühe bisher noch immer als eine unvoll-
ständige bezeichnet werden. Die wichtigste Frage, welchen
Ertrag das Fragment für die Entstehungsgeschichte des neu-
testamentlichen Kanons bietet, ist bisher nur unvollkommen
beantwortet worden. Die Grundsätze, nach welchen der un-
bekannte Verfasser die Zugehörigkeit eines Buches zur kirch-
lichen Schriftensammlung bestimmt, sind nirgendwo aus-
reichend zusammengestellt. Ebenso fehlt eine pünktliche
Darlegung der Attribute, welche nach dem Urteil des Ver-
fassers der Sammlung als solcher und den einzelnen Schrif-
ten in Bezug auf Ursprung imd Inhalt zukommen.
Auf den folgenden Blättern ist der Versuch gemacht,
dieser Aufgabe zu genügen. In Form von Thesen habe ich
zunächst die Grundsätze des Verfassers, so wie dieselben un-
mittelbar aus seinen Worten belegt werden können, neben
einander gestellt. In der darauf folgenden Abhandlung wer-
den dieselben einer näheren Untersuchung unterzogen. Auf
die Exegese des einzelnen ist nur so weit eingegangen, als
die gestellte Aufgabe es erheischte; doch werden die wich-
tigsten Ausführungen sämmtlich zur Sprache kommen.
l) Die katholische Kirche besitzt eine Sammlung hei-
liger Schriften aus vorchristKcher Zeit und beurteilt sie al&
abgeschlossen. Die Aufnahme neuer Bücher in dieselbe ist
somit unstatthaft.
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HARNACK, DAS MURATORISCHE FRAGMENT ETa 359
2) Die Schriften dieser Sammlung heissen ,,Scripturae",
ihre Verfasser sind sämmtlich Propheten.
3) Die katholische Kirche erkennt neben dieser Samm-
lung eine zweite Sammlung kirchlich -normativer Schriften
an, welche der ersten gleichwertig ist.
4) In ihr befinden sich ledigUch solche Schriften, deren
Verfasser als Apostel bezeichnet werden können.
5) Es kann somit keine Schrift in dieselbe Au&ahme
finden, deren Verfasser der gegenwärtigen Generation an-
gehört.
6) In der Sammlung dieser Schriften können aber auch
solche enthalten sein, die weder direct noch indirect von
einem der Apostel im engeren Sinn des Worts herrühren.
7) Nicht alle Schriften, die von den Aposteln geschrie-
ben sind, haben Anspruch auf Aufnahme in die kanonische
Sammlung.
8) Ebenso wenig haben die Schriften der kirchlichen
Propheten Anspruch auf Aufnahme.
9) Die Kirche hat die Pflicht, die Gemeindeglieder zur
Leetüre der Schriften der kirchlichen Propheten aufiaufor-
dem.
10) Nur solche Schriften gehören zu der Sammlung, die
sich an die katholische Earche richten oder durch ihren In-
halt eine Bedeutung für die Gesammtkirche haben.
11) Ueber eine solche Bedeutung zu urteilen, steht der
katholischen Kirche zu. Mithin hat sie das Recht, Bücher
in den Kanon aufzunehmen.
12) Die katholische Kirche kann deshalb die zweite
Sammlung noch nicht für abgeschlossen erklären, da die ka-
tholische Bedeutung gewisser apostolischer Schriften sich auch
noch in der Folgezeit kimdtun kann.
13) Abweichende Urteile über die Zugehörigkeit dieses
oder jenes Buches zur katholischen Büchersammlung können
unter Umständen in der Kirche ertragen werden.
14) Die Schriften, die in der kirchlichen Sammlung
stehen, sind sämmtlich heilige Schriften. Damit ist jedoch
in der Regel nur ein Urteil über den Inhalt, nicht über den
Ursprung gefallt.
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360
15) Was den Ursprung betrifft;, so schliesst die Aner-
kennung der Heiligkeit und der normativen Bedeutung der
Schriften daS' Urteil nicht aus, dass die Schriftsteller völlig
selbständig und frei sowohl beim Entschluss zu schreib^i,
als in der Aufstellung des Planes, der Anordnimg des Stoffes,
der Bestimmung des nächsten Zweckes u. s. w. verfahren
sind.
16) Dies gilt speciell auch von den Evangelienbüchem.
Es ist somit die offenkundige imd nicht abzuleugnende schrift*
stellerische Verschiedenheit der Evangelienbücher, die sich in
ihren An&ngen zeigt, nicht anstössig.
17) Andererseits ist zu bekenn^ dass diejenigen Aus-
sagen in den Evangelienbüchem, durch welche die Haupt-
sätze der christologischen regula fidei bezeugt werden, vom
h. Geist selbst gestellt sind.
18) Die Evangelien sind Lehrschriften.
19) Eine Evangelienschrift wäre dies nicht, wenn sie
nicht alles, was zur Bezeugxmg der christologischen regula
fidei erforderlich ist, enthielte und mit den übrigen Evan-
geli6nschrift:6n übereinstimmend bezeugte.
20) Der Verfasser einer kirchlich recipirten Evangelien-
schrift braucht nicht Augenzeuge des Lebens Jesu gewesen
zu sein; doch verleiht die Augenzeugenschaft eines Ver£assers
seiner Schrift einen besonderen Wert.
21) Indessen wird innerhalb der Sammlung selbst zwi-
schen den einzelnen Büchern kein Grad- und Wertunter-
schied in Bezug auf ihre normative Bedeutung vom Ver&sser
gemacht, wie er denn auch, abgesehen von der Reihenfolge,
in der er die einzelnen Bücher respective Gruppen derselb^i
aufßählt, keine EinteUimg andeutet.
22) Darum muss aber auch alles, was von der Kirche
in die Sammlung recipirt wird, gleichartig sein; nichts Frem-
des oder gar Häretisches darf ihr beigemischt werden, auch
wenn es imter apostolischem Namen geht
23) Aber auch solche Schriften sind auszuweisen, bei
denen alle Bedingungen für die Aufiiahme erfüllt sind, sobald
sie zu Häretikern in irgend welcher Beziehung stehen.
24) In der solennen Versanamlung sollen nur solche
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DAS BIURATORISCHE FRAGMENT ETC. 361
Schriften öffentlich und regehnässig verlesen und der Ge-
meinde mitgeteilt werden, welche zu einer der beiden Samm-
lungen gehören. Der Umfang der kirchlich-normativen Bü-
cher soll mithin für den Umfang der öffentlichen Leseschriften
massgebend sein.
These 1 u. 2. Ob das Verzeichnis kirchlich -norma-
tiver Schriften, welches uns als Fragment überliefert ist, mit
einer Au&ählung alttestamentlicher Bücher begonnen hat, lässt
sich nicht mehr ermitteln. Wenn Hesse (Das Murat Fragm.,
S. 12 f 57 f.) sagt, ein Verzeichnis heiliger Schriften mit
Ausschluss der alttestamentlichen wäre eine einzelnstehende
Ausnahme von der Regel, so könnte man erwidern, dass seit
dem Ende des zweiten Jahrhunderts gewiss auch ein Ver-
zeichnis heiliger Schriften mit Ausschluss der neutestament-
lichen eine Ausnahme gewesen sei, während dieselbe doch
durch Mehto's Schrift „*ecXoya/" (Euseb. H. e. IV, 26, 12f.)
belegt wird. Wie dort eine specielle Veranlassung den Bi-
schof von Sardes bestimmt hat, lediglich einen Katalog alt-
testamentlicher Schriften ftir seinen Freund Onesimus anzu-
fertigen, so könnten hier die besonderen Umstände nur eine
Zusammenstellung neutestamentlicher Schrift;en verlangt ha-
ben. Unter solchen aber hat der Verfasser zweifelsohne ge-
schrieben; denn wenn sein Elaborat auch nicht gradezu als
ein polemisches bezeichnet werden kann, so ist es doch fast
durchw^ apologetisch und polemisch gefiürbt. Die Sprache,
die er ftihrt, und die Aufklärungen und Beruhigungen, die
er zu geben ftir nötig erachtet (s. Z. 18 f 26 £ 46 f 55 f
61 f 66 f.), zeigen, dass die Adressaten Belehrung oder Schutz
vor Verflihrung bedürfen, vielleicht auch, dass in der Kirche
selbst herrschende imklare Zustände Klärung und Aenderung
erheischen. Wie dem auch sein mag, eine Samndung alter
heiliger Schriften erkennt er jedenfalls an, wenn sich auch
nicht feststellen lässt, in welchem Umfange er sie fasste ^)
und ob er sie schon wie Melito (1. c. § 13. 14; vgl. auch
den Antimontanisten bei Euseb. V, 17, 3 und den Sprach-
^) Da er die Weisheit Salomonis Z. 69 f. zu den Büchern der
neuen Sammlung gerechnet hat, so darf man vielleicht annehmen, dass
er dem palästinensischen Kanon gefolgt ist wie Melito.
ZeiUchr. f. K.-O. IQ, 8. 25
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362
gebrauch Tertollians) als ra naXata ßtßXia oder genauer als
tä tfjg nahuag äta&tjxt^g ßtßUa b^eichnete. Letzteres ist
nicht auszumachen, da der Ausdruck lihri Novi Testamenti im
Fragment fehlt Z. 44 f., wo er die alttestamentlichen Schrif-
ten berücksichtigt, nennt er sie einfach scripturae. Da der
Verfasser als Zweck des Römerbriefes den Nachweis angiebt,
dass Christus sowohl Inhalt ak urheberisches Princip der
„Schriften" sei ^), so ist offenbar, dass er, wie zu erwarten,
in der Beurteilung des Alten Testaments auf dem Stand-
punkt der katholischen Kirche steht Z. 78 f. sieht er sich
noch einmal genötigt, die alte Sclniltensammlung zu nennen.
Er bezeichnet sie dort nach ihren Verfassern als „die Pro-
pheten". Zahn (Gtött Gel, Ana. 1878, St. 2, S. 87 f.) hat
richtig gesehen, dass unter diesem Ausdruck das ganze Alte
Testament einschliesslich des Pentateuchs zu verstehen ist;
wie auch im Briefe des Bamabas sämmüiche alitestam^it'-
liehe Schriften unter dem Titel : o nQOff^rijg Xfyet dtirt wer-
den *), und Justin (I, 67) mit (fvyygaftfAota rcSy npo(pfjtMr
das Alte Testament überhaupt bezeichnet (vgl. Theodot Ex^
cerpta ap. Clera. Alex. § 50, wo der Ausdruck at ngofptjTiXat
y^atfoU zunächst sich auf die Genesis bezieht). Zwar wird
der Titel o rifwg Xi ot nQOfiJTM auch in den Heidenkirehen
vielfEich gebraucht (z. B. Ignat ad Smjm. 5, 1 ; Euseb. V,
28, 19 5 Melito, L c § l3), aber da dw Urheber desPenta*
teucbs ein Prophet, ja der grösste Prophet ist, so gilt die
Bezeichnung „die Propheten", wenn die Schriften nach ihren
Urhebern citirt w^den. Von dieser Sammlung prophetischer
Schriften lehrt der Verfasser ausdrücklich (Z. 79), dass sie
1) Hierbei ist ordinem als Pradicat, wie principium auf Christas
bezogen uüd im Shme von argumentum ge^st (vgl. Cod. Land. 2u
Act. 8, 32: i) ndqnxn ^^9 y^fpUi^ordo seripturcte. Rönsch, Itala
und Yulgata, S. 319). Diese Deotong scheint mir die wahrschem-
liebste (fteilich heisst Z. 33. 49. 50 ordo einfach die Reihenfolge) ; vgl
Bamab. 5, 6: ol nQOfpfjjai an <wtov I/o^ts; tiv j}fa^ir ei^ avjo¥ ^
ngofpritevaay und meine Bemerkungen z. d. St. II. Clem. 3, 5; 13, 2;
17, 4. Zahn zu Ignat. ad Magn. 8, 2.
8) Vgl I. Clem. 43, 1. Auch auf Polyk. 6, 3^ Iren. I, 2, 15 «tc
darf hier verwiesen werden.
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J
DAS MÜRATORlSCHtl FRAGMENT ETC. 363
abgeschlossen sei. Es ist die» um so bemerkenswerter, als
die christlichen Sdmftsteller aus der ersten Hälfte des
2. Jahrhunderts die Voraussetaung nicht bestatten, dass man
schon damals ein Bedür£us empfunden habe, den Umfang
der alten hdUgen ächriffcen zu bestimmen. Wohl aber hat
der Freund des MeÜto (1. c. § 13) erfiAren wollen ttjv t«^
netXuiWy ßtßXlwr axQißtiat^y noü&L top aQi&fiov eJ^p, und Me-
lito hat eine Reise nach Palästina unternommen, wenn auch
nicht allein zu dem Zweck, um genaue Kunde über den Um-
fang der alttestamentlichen Schriftensammlung einzuziehen.
Die bestimmte Forderung des Verfassers, keine Schrift der
alttestamentlichen Sammlung mehr hinzuzufügen, wäre übri^
gens nur durchschlagend gewesen, wenn zu seiner Zeit ein
Einverständnis über den Umfang derselben geherrscht hätte.
Das ist nicht der Fall gewesen. Sie ist aber insofern durch-
gedrungen, als, soviel wir wissen, seit dem Ende des 2. Jahr-
hunderts mit einer Ausnahme dem Ansf^nich diner neuen
Schrift auf Aufnahme in die alttestamentUche Sammlung
seitens der Kirche nicht mehr Folge gegeben worden ist ').
These 3 — 7. Ganz deutlich unterscheidet der Verfasser
von jener alten, abgeschlossenen Sammlung eine zweite von
kirchlich -normativen Schrifteati (Z. 78 f.). Die eben citirte
Stelle, aber überhaupt das ganze Fragment, lässt erkennen,
dass ihm beide Sammlungen ihrem Werte nach gleich sind.
Das schliesst nicht aus, dass es mil der zweiten eine völlig
andere Bewandtnis haben kann als mit der ersten. Es er-
giebt sich dieses aber in der Tat aus den Merkmalen, die
er jener ssuweist, sofern dieselben sich zu einem grossen Teile
auf diese gar nicht anwenden lassen. Die Zugehörigkeit einer
Schrift zu dieser zweiten Sammlung bezeichnet der Verfasser
mit den Ausdrücken in Tumore ecdesiae cathoUcae esse (Z. 61),
in catholicam ecclesiam receptum esse (Z. 66), in catholiea
haberi (Z. 69), auch einfach recipi (Z. 72. 82), legi in ec-
1) Ueber die SteDimg des ffirten bei deo alttestamentBcfaen Bü*
ehern m der lateinischen Rirohe rgl. meine Proiegg. p. LXVIIIsq*
An das alttestamentliche Paalmenbuoh hat der VerfMaer des Frag-
ments auch Z. 82f. gedacht, wenn er von solchen spricht, die ein
nettes Psahnenbnch für Mardon geschrieben haben.
25*
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364 HARNACK,
desia (Z. 73). Schon dieses ist bedeutsam, dass die Bücher
durch diese Formehi zunächst als kirchliche bezeichnet
werden^). Der Verfasser braucht weder den Namen „Bü-
cher des Neuen Testaments" noch die anderen „Kanon"
oder scripturae, sondern die Schriften jener zweiten Samm-
lung sind eben dadurch genügend prädicirt, dass sie kirch-
liche, näher kirchlich-auctoritative {in honore esse) ge-
nannt werden*). Indessen braucht der Verfasser (Z. 79 f.)
1) Hierzu darf man das interessante Fragment der Homilie des Va-
lentin neQl ifCXMv vergleichen (Clem. Alex. Strom. VI, 6, 62), in welchem
al SiifjiöaiM pipXoi (wahrscheinlich =* die Bücher des Alten Testa-
ments) als eine Gruppe einer anderen entgegengestellt werden, die die
Bezeichnung trägt: t« iy ixxXifi<f(i;e tov &eov y^yqafifjiiva. Vgl. Hein-
rici, D. Valent. Gnosis (1871), S. 67f. z. d. St.
8) Damit soll nicht behauptet sein, dass der Verfasser die Be-
zeichnimg scripturae für die Schriften der zweiten Sammlung gradezu
abgelehnt hat. Bekanntlich wird schon im Bamabasbrief (4, 14)
Mtth. 22, 14 mit ^q y^ygantm^ im sogenannten 2. Clemensbrief Mtth.
9, 13 mit ^ yQoq>ri Ä^ya, Lc. 6,32f. mit Hysi 6 *«oV(2,4; 13, 4) ein-
geführt ; ja selbst ein paulinisches Citat ist höchst wahrscheinlich zu-
sammen mit einem Psalmencitat von Polykarp durch die Formel xa-
S-tis iy ratg yQa<pats itgtitat bezeichnet worden (s. Zahn z. d. St.).
Der Valentinianer bei Hippolyt (Philos. 193, 54) citirt Eph. 3, 14 mit
der Formel: tovto iati rc yeygafifisyoy iy rj yQfffpj. Endlich er-
innere man sich an 2. Petri 3, 16, an welcher Stelle auch nach von
Hof mann Briefe des Paukis als ygatpai bezeichnet imd den alt-
testamentlichen Schriften gleichgesetzt sind. Indessen ist andrer-
seits zu beachten, dass der Ausdruck scriptura auch noch die solenne
Bezeichnung der alttestamentlichen Schriften bleibt, nachdem die
neutestamentliche Schriftensammlung längst schon der alttestament-
lichen völlig gleichgestellt war. Ein treffendes Beispiel dafür findet
sich bei Theophilus (ad Autol. H, 22), der doch selbst schon den
wichtigsten Schritt zur formellen Parallelisirung der alt- und neu-
testamentlichen Schriften getan hat. Vgl. auch das kleine Labyrinth
(Euseb. H. e. V, 28, 13—19). Die yQaqxä &etm (§ 13. 18. 15) oder
^BfxaC (§ 13) oder äyiai tov ^$ov y^ufftd (§ 14) oder einfach ygafpa^
(§ 18) sind nach § 19 das Gesetz und die Propheten, d. h. das Alte
Testament. Ebenso sind „die Schriften", mit denen übereinstimmend
Polykajrp nach dem Briefe des Irenäus an Florinus (Euseb. H. e. V,
20, 6) das Evangelium verkündet hat, das Alte Testament. Die blosse
Bezeichnung „i} yQatp^ Xiysi", die mit der anderen „d ^eog Xiyei^*
vöUig identisch gebraucht wird, hat überall den Sinn, dass das Fol-
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DAS MUKATORISCHE FRAGMENT ETC. 366
auch eine andere Gesammtbezeichniing. Er nennt diese
Schriften nach ihren Urhebern „die Apostel". Auf' den er-
sten Blick könnte man zweifelhaft sein, ob er damit alle Schrif-
ten der zweiten Sammlung oder etwa nur den Apostolus im
Unterschied von dem Evangelium umfassi Allein erst-
lich spricht die Stellung des Wortes neben „den Propheten"
fiir die erstere Ansicht, sodann der altkirchliche Sprach-
gebrauch. Zwar darf man sich auf die Worte „xa^a (paoiy
ai YQatpal ngo(pf]Twy jf xal anoaioXcoy^^ als clementinische
gende als ein göttliches Orakel zu betrachten ist. So hat auch z. B.
Irenäos (IV, 34, 2 edit. Harvey) den Hirten n yQ<tg)ij genannt, da er
sich als eine Sammlung von Orakeln und geoffenbarten Mandaten
giebt, und die alttestamentlichen Schriften sind in der Heidenkirche
überhaupt niemals anders beurteilt worden (die Apokalypse Job. als
yQitffil im Martyr. Lugd. bei Euseb. H. e. V, 1, 58). Den Versuchen
der römischen Monarchianer den Text des Alten Testaments zu ver-
bessern setzt der Verfiässer des kleinen Labyrinths das Dilenmia ent-
gegen (1. c. § 18): 5 ytcQ ov inert lovtfiy ayfif» nysvuan keXi^^ta ttig
d-ffag yQagtag xzX, Nun aber wirkt doch noch selbst im 3. Jahrhun-
dert noch eine Betrachtung der neutestamentlichen Schriften in der
Kirche leise nach (unser Autor hat ihr, wie wir sehen werden, noch einen
sehr deutlichen Ausdruck verliehen), kraft welcher die neutestament-
lichen Schriften nicht lediglich als eine Orakelsammlung erscheinen.
Und hätte die Kirche selbst dieselbe auch völlig vergessen wollen, so
wurde sie doch in ihrer apologetischen Tätigkeit immer wieder an sie
erinnert. In dieser Beziehung ist eine Stelle aus dem interes-
santen Brief des Theonas an den Oberkammerherm des Kaisers, wahr-
scheinlich Diocletian's, lehrreich. Der Bischof giebt dort Anweisungen,
wie sich ein Christ als Hofbibliothekar zu verhalten habe, wenn der
Kaiser ihn zu diesem Amte bestellte: „Interdum et divinas scripturas
laudare conabitur (seil.: coram imperatore), quas mira diligentia et
largissimo impendio Ptolemaeus Philadelphus in linguam nostram tra-
duci curavit; laudabitur et interim evangelium apostolusque pro di-
vinis oraculis** (Routh, Reliq. Sacr., T. III, edit. H, p. 448). Der
Bischof weiss es also sehr wohl, welche Schwierigkeiten es hat den
Glauben zu erwecken, dass auch die neutestamentlichen Schriften
oraeula divina seien. Hundert Jahre früher war in der Kirche selbst
weder die Sache noch der Sprachgebrauch festgestellt. Hegesipp,
der doch gewiss ein guter Katholiker gewesen, braucht die Bezeich-
nung al &eUn yqatpai für das Alte Testament und fügt ihr ein „o
xi;>*05 XiyH'' bei (bei Stephanus Gob. m Photius' Bibliothek 232,
p. 288).
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866 HARNACK,
(Patr. App. Opp. Lips. fasc. I, edit. I, S. 177) nicht mehr
berufen, da nachgewiesen ist, dass dieselben weder dem Ver-
fasser des ersten noch des zweiten Ciemensbriefes angehören,
aondem das Eigentum eines Pseudojustin sind (Patr. App.
Opp. fasc. I, 1. edit. II, S. 137 sq.), wohl aber auf Justin,
der unter anofiyrifjioytv^axvL ttoy unoaroXtüy mindestens vor-
nehmlich die Evangelien versteht, und auf den 2. Clemens-
brief (14, 2), wo in dem Ausdruck; rä ßißXla xat ot iuioaro-
Xot jenes Wort die Schriften des Alten Testaments, dieses
sämmtliche neuen normativen Bücher mit Einschlusfe der Evan-
gelien umfasst ^). Können aber die Schriften der zweiten
Sammlung durchweg mit dem Titel apostoli bezeichnet wer-
den, so ist damit ein bestimmtes Merkmal derselben ange-
geben. Es fragt sich, wie der Verfasser dasselbe verstanden
1) Dass I« ßtßX^a nicht etwa die Evangelien bedeuten, darüber
fi. meine Bemei^Lungen z. d. Stelle und diese Zeitschrift Bd. I, S.
861 f., sowie Light foot, S. Clement of Rome , Appendix p. 326. Der
Syrer hat somit durch den Zusatz t(üv TtQotpfjTwy richtig gloasirt. Ist
aber unter rti ßißXta das ganze Alte Testament zu verstehen, so sind
unter ol anoarakoi, die Evangelien mit einbegriffen. So urteilt auch
Light foot. Dann aber ist es jedenfalls wahrscheinlich, dass der Ho-
milet unter ol csnoüroXot gleichfalls an eine Sammlung von Schriften,
nicht nur an die gesammte apostolische Tradition gedacht hat. Dar-
nach ist das Bd. I, S. 361 f. von mir Bemerkte zu berichtigen. — Zur
«hen Unterscheidung o xv^aoc — ol ctnoaroZoi, resp. r3 itJayyiXwv -—
ol anooToXoi vgl. Polyc. 6^ 3; Ignat. ad Philadelph. 5, 1 (Zahn z. d.
St. und Ignat. von Antioch., S. 430f); Iren. I, 2, 15. Eigentümliche
Formel: II. Petr. 3, 2: /4y9ia^^yM r»v nQo$i^nfdvu)v gr^Tiay vno tiSv
iiyluty noofffiKov xnl rfc tiSy vlnoatohoy vfiiüy irroX^s rov xvqCov xm
efotrJQo^. Hält man zu dieser SteUe den Ausspruch des Serapion (bei
Euseb. H. e. VI, 12): 9/4^ ^^ Dir^y xtä roi^V üXXovf dnomoXov^
-anodexof^e^ft fJc X^roy, so hat man den Auagangs« und Endpunkt
einer verhängnisvollen Entwicklung neben einander. In diesem Zu-
•anunenhange will es erwogen sein, dass Ausdrücke me Xoyut xu-
^utxä (Papias), ttl xvgwxal yqaqiai (Dionys. v. Korinth bei Euseb. H. e.
IV, 23. 12. Clem. Alex. Strom. VII, 1; VH, 16), r« Xoyw rov xv^ov
(Polyc. 7, 1), T« xv^Mxa Xoyia (Iren. I, 2, 15), «1 Xoyoi to9 atorriQH
<Ptol. ep. ad Flor.) im 3. Jahrh. verschwinden. Cf Ptolem. ep. ad
Flor. 1: ^ifi^^cofjiiymy rifAiy xds nnod^lisH ix roiy iqv IcDiriQo^ 4f^ffy Xo"
yiov na(ftoxiiSyi $gy ^1* tSy (Aoyov iajly dnjftlüxfos ^n\ rny xaxtiXtiipiy twv
ovraty odtjyeia^ai.
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DAS MUEATOmSCHE FKAGMENT ETC. 367
Ibissen will. Zunächst begründet dasselbe das Urteil ^ dass
nichts in der Sammlung Aufnahme finden kann, was nicht
aus der apostolischen Zeit herrührt. Gegen den Hir-
ten des Hermas macht der Verfasse: ausser dem prophe*
tischen Charakter des Buches grade dieses geltend^ dass der-
selbe nuperrime temporibus nostris (Z. 74) geschrieben sei
Der Nachdruck liegt hierbei auf temporibus nostris. Der
Verfasser will das unbestimmte und deutbare nuperrime ^)
ausdrücklich dahin bestimmen, dass die Abfassung des Hir-
t^a in die gegenwärtige Zeitepoche iäüt Damit ist aber
über das Buch entschieden; denn es lässt sich unter dem
Titel apostcii schlechterdings nicht untwbringen. Der Ver-
&se^ gewinnt somit aus jenem Titel einen kritischen Kanon,
um den Zeitraum zu begrenzen, in welchem sämmtliche Bü-
cher geschrieben sein müssen, die der kirchlichen Sammlung
angehören oder auf die Aufnahme Anspruch erheben. Da-
gegen beschränkt der Verfasser den Begriff „Apostel" nicht
auf die Zwölfe und auf Paulus. Die Schriften des Marcus
(Z. l) und Lucas (Z. 2 f.) gehören der Sammlung an. Was
der Verfasser über Marcus gesagt hat, lässt sich nicht mehr
ermitteln; aber aus den Worten, mit denen er das Lucas-
Evangelium begleitet, geht hervor, dass ihm die Legende,
Paulus sei eigentlich der Urheber desselben, noch fremd ist,
und dass er auch kein Bedürfiiis gefiihlt hat, eine ähnliche
zu ei-sinnen. Zwar bemerkt er ausdrücklich, dass Lucas sein
JEvangelium erst geschrieben habe, nachdem ihn Paulus zur
Nachfolge angenommen ^); aber ,8Uo nomine ex opinione hat
er es geschrieben. Paulus ist an der Abfassung weder di-
rect noch indirect beteiligt*), so wenig wie bei der der
1) Vgl. das novissime Tertull. de praescr. 80. Tertullian spricht
dort Ton der Zeit, da Valentiu und Marcion definitiv excommunicirt
worden sind.
*) Ich lese Z. 4 f.: „cum cum Paulus quasi itineris studiosum
eecandam adsxunpsisset^^ und beziehe itineris st^idiosum auf die Ab-
fassung der Acta. Durch quim ist die Absicht als eine supponirte
bezeichnet.
ft) Man mag es für wahrscheinlich halten, dass jene starke Be-
tonung der Selbständigkeit des Lucas bei Abfassung seines Werkes
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368 HARNACK;
Apostelgeschichte. Hier hebt der Verfasser allerdings her-
vor^ dass Lucas als Augenzeuge die ctcta omnium aposto-
lamm beschrieben hat; aber diese Meinung hat er aus dem
Fehlen der Passio Petri und der Profedio Pauli in His-
paniam in der Apostelgeschichte; wie es scheint^ lediglich ge-
folgert *). Dass es ihm nicht um apostolische Schriften im
strengen Sinn zu tun ist^ lehrt auch die Aufzählung der
Weisheit Salomonis mitten imter den neutestamentlichen
Schriften. Auffallend genug ist dieselbe; aber so wie die
Worte überliefert sind, lassen sie eine andere Erklärung nicht
zu; die Conjectur id für et (Z. 69) ist jedenfalls so unglück-
lich und unheilstiftend wie möglich *). Wie dem auch sein
naag — jedenfalls rechnet der Verfasser imbedenklich Schrif-
ten in die kirchliche Sammlung ein, die keinem der Apostel
mit auf Rechnung der autimarcionitischen Tendenz des Verfassers, die
60 deutlich in seinem ganzen Schriftstück hervortritt, zu setzen ist.
Das ändert nichts an dem oben gefällten Urteile; denn bei Irenäus
ist diese Tendenz doch mindestens ebenso stark ausgeprägt und doch
giebt er das Lucas-Evangelium als das des Paulus aus (s. die folg.
Anm.)- Anders steht es bei Tertullian. Die Ausführungen im 4. Buche
c. 1 — 5 gegen Marcion sind ihm sicherlich nicht leicht geworden. In
diesem Zusammenhange ist ihm die Tradition, das Lucas-Evangelium
sei das des Paulus, entschieden unbequem. Aber sie erscheint
bereits als die gemeine Meinung. In den denkwürdigen Wor-
ten (c. 5): „Nam etLucae digestum Paulo adscribere solent. Capit
magistrorum videri, quae discipuli promulgarint", ist er über sie hin-
weggegangen.
1) Auf eine enge Verbindung des Lucas sowohl mit allen Apo-
steln als mit Paulus legt der Verfasser allerdings Wert; jedes Wort,
welches er in dieser Hinsicht gesprochen, lässt sich aus Iren. IQ, 14, 1
belegen; aber wie schon diese Stelle über die vom Fragmentisten ge-
gebenen Andeutungen hinausführt , so vor allem die andere lU, 1, 2 :
xai Aovxag dh 6 axoXovd^g IlavXov to vn* ixetyov xtiQvaao^eyoy €vay^
yihov iv ßißX^ta xaxi^Bxo. Dass der Verfasser des Fragments noch
eine ältere, unbefangenere Ansicht gegenüber Irenäus festhält, ist
deutlich.
2) Vgl. Lit. Centr.-Bl. 1874, Nr. 15, S. 491. Dass die Sap. Sal.
sonst noch jemals zum neutestamentlichen Kanon gerechnet worden
ist, hat noch niemand nachgewiesen. Aber dies entscheidet nicht
gegen den überlieferten Wortlaut einer Urkunde des 2. Jahrhunderts.
War unserem Verfasser der Kanon des Alten Testaments abgeschlos-
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DAS MURATORISCHE FRAGMENT ETC. 369
angehören. Aber weiter — nicht alles was von den Aposteln
(im strengen Sinn des Worts) herrührt, hat deshalb schon
kirchlich-normative Bedeutung. Dieselbe muss vielmehr erst
nachgewiesen werden. Die Art, wie der Verfesser die Zu-
gehörigkeit der Paulinischen Briefe, namentlich der vier
Briefe an einzelne Personen, zur kirchlichen Sammlung recht-
fertigt, zeigt aufs deutKchste, dass ihm der Gedanke, alles
Apostolische sei kanonisch, völlig fem Hegt ^).
These 8. 9. Höchst bedeutsam ist das beredte Schwei-
gen des Verfassers über prophetische Schriften in ihrem Ver-
hältnis zur kirchlich -normativen Sammlung. Seine Behand-
lung des Hirten zeigt: l) dass es in den Gemeinden solche
gegeben hat, welche dieses Buch den kanonischen Büchern
gleichsetzen wollten und, 2) dass fiir unseren Verfasser der
zugestandene prophetische Charakter des Buches — denn der
Verfasser hat den Inhalt desselben durch kein Wort ange-
tastet — die kirchlich -normative Bedeutung desselben nicht
mehr involvirt. Ov erb eck hat in seiner vorzügUchen Aus-
fuhrung (Theol. Lit-Ztg. 1878, Nr. 12, S. 282 f.) völlig Recht,
wenn er sagt: „Das Ansehen des Hirten als eines heiligen
Buches stammt aus einer Zeit, in welcher es nach Justin's
für die Geschichte des neutestamentlichen Kanon überhaupt
noch gar nicht genug gewürdigten Worten über die Apo-
kalypse noch eine christliche Prophetie gab (Dial. c. Tryph. 82,
p. 308 B), d. h. noch keinen nach dem Principe (unmittel-
bar oder mittelbar) apostolischer Herkunft geschlossenen
Kanon heiliger Bücher. War aber dieser Kanon einmal da
imd inzwischen auch für die christHche Gemeinde geleugnet,
was gegen die Juden Justin a. a. O. für sie noch in An-
sen (Z. 79) und hielt er doch die Sap. Sal. für ein heiliges und ka-
tholisch-wertvolles Buch, so konnte er es nur der neuen Sammlung
zurechnen.
1) Man kann auch darauf hinweisen, dass der Verfasser dem
Widerspruch einiger gegen die Apokalypse Petri (Z. 72 f.) nicht mit
dem Einwurfe begegnet, dieselbe sei von einem Apostel geschrieben.
Doch haben die Gegner des Buches vielleicht eben dieses in Zweifel
gezogen. — Ueber den weiteren Gebrauch des Titeb Apostel vgl.
Credner-Volkmar, Gesch. des neutestamentlichen Kanon passim
und Braunsberger, Der Apostel Bamabas (1876), S. 37—60.
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370
Spruch genommen hatte ^ 80 konnte sich das Ansehen des
Hirten als heiligen Buches, auf welches das Werk durch
seine Form selbst Anspruch erhebt, nur noch als unb^riln-
detes oder leicht zu erschütterndes Trümmerstück emer ver-
gangenen Zeit behaupten." Der Verfasser des Muratorischen
Fragments nimmt in dieser Frage bereits ohne Schwanken
den katholischen Standpunkt ein. In dem neuen Kirchen-
kanon ist für Schriften kirchlicher Propheten überhaupt kein
Raum (Z. 79). Das Prophetische gehört der alten Samm-
lung an, diese aber ist geschlossen. Qiehi es mithin auch
jetzt noch neuere prophetische Schriften, so haben sie eben
als prophetische keinen Anspruch auf Auftiahme in die zweite
Sammlung. Der Verfasser schafft flir sie eine besondere Ka-
tegorie, indem er die private Leetüre derselben als eine kirch-
liche Pflicht behauptet*). Ist aber eine Sduift als pro-
phetische fiir die Aufiiahme in die neue Sammlung nicht
qualificirt, so können immerhin noch andere Merkmale der-
selben eine solche zulassen, respective erheischen. Dem Hir-
ten fehlen dieselben, denn er stammt aus jüngster Zeit; aber
die Aufnahme, richtiger die Belassung der Apokalypsen des
Johannes und Petrus in der Sanmilung heiliger Bücher (nach
dem neuen Sprachgebrauch kirchlicher Normalschriften) läset
eich wider den Z. 78 f ausgesprochenen Grundsatz nur er-
klären bei der Annahme, dass die apostoKschen Namen ibr^
Verfasser diese beiden Schriften geschützt haben. Indessen
wir haben oben bemerkt, dass dem Verfasser nicht alles
Apostolische auch kanonisch ist. In diesem Zusammenhang
ist es nicht zu übersehen, dass der Verfasser einen Wider-
spruch geg^i die Petrusapokalypse Z. 72 f ohne Eim'ede re-
gistrirt, und dass er Z. 47 f und 57 f zweimal und ausdrück-
lich auf die in der Johannes- Apokalypse enthaltenen Briefe
zu sprechen konunt. Das besondere Interesse, dass er an
1) Ich stimme Zahn (Gott. Gel. Anz. 1878, Stück 2, S. 36f.)
bei, dass zu legi (Z. 77) nicht in ecclesia ergänzt werden darf, da der
Gegensatz zu legi allem Anscheine nach schon in dem se pubUatre und
nicht erst in dem Ausdruck inter prophetas — apostolos gesucht wer-
den muss.
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DAS MÜRATORISCHE FRAGMENT ETC. 371
diesen sieben Briefen verrät, die doch nur den Eingang zu
j^em Offenbarungsbuche bilden, und die eigentümliche Be-
trachtung derselben, von der im folgenden zu handeln sein
wird; weist darauf hin, dass er auf sie ein besonderes Ge-
wicht gelegt hat. Der Grund dafür ist offenbar. Mag nun
der Verfasser selbst auch nicht eigentUch Skrupel gegen-
über der Zugehörigkeit der beiden apostolischen Apokalypsen
zur neuen Samjnlung gehegt haben — wenigstens verrät er
dort, wo man sie sucht, nichts von solchen — , so ist doch
der Grundsatz, den er ausgesprochen, ein tödHches Wort
wider die Apokalypsen im neutestamentlichen Kanon über-
haupt, und die Leidensgeschichte der Offenbarung des Jo-
hannes in der Kirche muss von dem Muratorischen Frag-
ment ab von ims datirt werden. Der Umschwung, der durch
das neue Princip des Verfassers bezeichnet ist, oder besser,
der dasselbe erzeugt hat, ist im eminenten Sinne ein revo-
lutionärer. Zu Justin's Zeiten eine Sanmilung uralter pro-
phetischer Orakelschriften, die fortgehends durch neue pro-
phetische Bücher aus der christlichen Gemeinde bereichert
worden ist und wird, dazu eine Reihe von apostolischen
Schriften, deren wesentlicher Wert und somit auch Glaub-
würdigkeit darin besteht, dass sie das als Geschichte ent-
halten, was die Propheten als zukünftig geweissagt haben ^),
imd die ausserdem noch kundtun, dass die Moral des in
Christus erschienenen anderen Gottes eine wahrhaft göttliche,
weil die denkbar vernünftigste ist. Zu den Zeiten unseres
Verfassers zwei streng geschiedene und in ihrer Art ganz
4isparate Bammlungen, von denen die eine ledigUch Pro-
pheten «Orakel enthält und abgeschlossen ist, die andere
— soviel können wir bisher sagen — prophetische Schriften als
solche ausschliesst und einen Kreis von Büchern umfassen
soll, die sämmtHch Urkunden der apostoUschen Zeit sein
müssen *). Das Interesse, welches die Barche an letzterer
1) Vgl. von Engelhardt, Das Christent. Justin's, 8. 330f.
340 f.
^) Interessant ist die Stellung des Irenäus. Wäre die Entstehungs-
geschichte des neutestamentlichen Kanons so zu denken, dass in idlen
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372 HARNACK,
Bestimmung genommen hat, wird unten deutlich werden; die
erstere bezeichnet die Wandlung einer Gemeinde von reli-
giösen Enthusiasten zu einem kirchenstaatlichen Rechts-
verbande. Es ist gewiss richtig, dass man für diesen Wan-
del auf die montanistischen Bewegungen hinweist; auch der
Verfasser des Fragmentes setzt dieselben bereits voraus
(Z. 84 f ) ; aber diese Bewegungen sind so gewaltige und uni-
verselle gewesen, dass man sie schon misverstehen muss^
wenn man sie mit dem Namen irgendeines Mannes glaubt
bezeichnen zu dürfen oder wenn man sie nach den Secten-
gestalten beurteilen will, in welchen sie ausmünden. Die
Entstellungen, welche die katholischen Schriftsteller in Bezug
Landeskirchen in jedem Momente die gleiche Stufe erreicht worden,
so müsste mau, um der Stellung des Irenäus zu den prophetischen
Schriften willen das Fragment später ansetzen als das Hauptwerk des
Bischofs. Aber eben die Beobachtung, dass in einer anderen und viel
entscheidenderen Hinsicht sich jenes als das ältere erweist , zeigt die
Unrichtigkeit der Annahme. Das oft ausgesprochene Urteil, Irenäus
„ montanisire ^\ ist richtig verstanden sachgemäss. Nicht nur die Aus-
führungen in der zweiten Hälfte des 5. Buches, sondern vor allem die
Abschnitte U, 49, 3 u. V, 6, 1 (Euseb. H. e. V, 7) belegen dasselbe,
selbst wenn man den Zweck , zu welchem der Bischof diese Worte ge-
schrieben, in Anschlag bringt. So erklärt sich auch, wie er den Hir-
ten \^IV, 34, 2) als yi»«fpji citiren kann, während er ihn doch ganx
bestimmt von „den Propheten" unterscheidet (s. Herm. Prolegg.
p. XLVI) und ihn auch nicht in den bereits festbegrenzten neutesta-
mentüchen Kanon, in dessen Gefüge er nicht hineinpasst, einrechnet.
„Ein unbegründetes Trümmerstück einer vergangenen Zeit" ist somit
der als Autorität citirte Hirte bei Irenäus, während ihn der VerfEtsser
des Fragments den Bedürfhissen einer neuen Zeit entgegenkommend
oder sie leitend entschlossen hat fedlen lassen. Die Stellung, welche
Irenäus hier einnimmt, ist, wie die Ausführungen Tertullian^s lehren
(s. Prolegg. p. XLVIIsq.), in Eom und Carthago noch von vielen
nachweisbar bis gegen das Jahr 220 hin behauptet worden, und die
apologetischen Bemühungen des Origenes zeigen, wie schwer es hielt,
das Princip des Kanon, welches der Fragmentist im Namen der ka-
tholischen Kirche vertritt, noch um die Mitte des S.Jahrhunderts rein
durchzuführen. In Wahrheit ist es auch zu keiner Zeit consequent
durchgeführt worden; darum hörte der Widerspruch auch nicht eher
auf, als bis Gewohnheit und Herkommen selbst die Inconsequenzen
ehrwürdig und heilig gesprochen hatten.
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DAS MURATORISCHE FRAGMENT ETC. 373
auf jene Bewegungen (in den Jahren 160—220 etwa) sich
haben zu Schulden kommen lassen — vielleicht hat Eusebius
als Historiker nirgendwo mehr gesündigt als H. e. V, 14 1 9 —
beginnen grade dort, wo sie eine Sectenstiftung des Mon-
tanus an die Stelle eines Kampfes zweier Richtungen setzen,
der mit der Niederlage der älteren imd legitimen Partei und
folgerecht deshalb mit ihrer Verkümmerung endete. Was es
mit dem sogenannten „Aufhören der apostolischen Gnaden-
gaben" fiir eine Bewandtnis hat, braucht nicht mehr nach-
gewiesen zu werden ^). Die Kirche hat seit dem Ende des
2. Jahrhunderts die „Gnadengaben" mit Ausnahme der
Krankenheilungen und der Dämonenaustreibungen förmlich
unterdrückt. Die Prophetie anlangend, so hat sie dieselbe
dulden müssen, nachdem sie den Geist kräftig gedämpft imd
an bestinmite Regeb gebunden hatte. (Der Antimontanist
beiEuseb. H. e. V, 17.) Dass sie durch Aufstellungen jener
Regeln sich der Anschauung näherte, die einst Paulus be-
kannt hatte, geschah von imgefUhr, oder besser, war ein
Ausdruck ihrer Verlegenheit. Die Heidenkirche hat ein
drittes zwischen der ekstatischen und der nur vorg^ebenen
Prophetie niemals gekannt, die Möglichkeit eines solchen
dritten vielleicht auch niemab ernsthaft vorausgesetzt Der
beste Beweis daftir ist das sofortige Erlöschen der Gemeinde-
prophetie seit dem Ende des 2. Jahrhunderts. Nachdem ein*
mal diese dahin, jeder Anspruch neuer prophetischer Orakel
auf massgebende Bedeutung in der Kirche völlig imterdrückt
und der Kanon zu einer vom Geschlecht der Gegenwart im-
erreichbaren Höhe erhoben war, konnte die Kirche beruhigt
den prophetischen Anwandelungen einzelner wiederum Raum
geben. Ihre Bischöfe haben imter solchen Umständen selbst
weder Ahnungen noch Prophezeihungen und Visionen ver-
schmäht, wo es galt, die von ihnen beschlossenen Massregeln
in schwierigen kirchenpolitischen Kämpfen oder in Fragen
^) Leider hat sich Bückmann in seinem fleissigen Aufsatze:
„Ueber die Wunderkräfte bei den ersten Christen und ihr Erlöschen"
(Zdtschr. f. d. luth. Theol. 1878, S. 2l6f) zu einer historisch-kriti-
schen Beurteilung derselben nicht entschliessen können.
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374 HARNACK,
der Kirchen- und Lehrzucht ihren Gemeinden zu empfehlen
(fürCyprian vgl. Ep. 11, 3. 4; 16, 4; 39, 1; 57, 1. 2; 66,
10; 40, De mortaHt. 19; fiir Dionysius Alex, mehrere Stellen
bei Euseb. H. e. VT, 40 — VII, 7). Das alles berührte ja die
»Sammlung heiliger Schriften längst nicht mehr.
These 10 — 13. Der Verfasser hatte von der neuen
Sammlung behauptet, dass sie nur Apostolisches enthalten
dürfe; aber da ihm nicht alles Apostolische deshalb schon
kanonisch ist, so muss er ein zweites Princip des Ka-
non geltend machen. Welches ist das? Wir erhalten dar-
auf eine deutliche Antwort, wenn wir die Art und Weise
beachten, in welcher der Verfasser die Paulusbriefe behan-
delt hat (Z. 39 — 63). Dieser Abschnitt ist vielleicht d^
denkwürdigste imd beachtenswerteste in dem ganzen Frag-
ment; denn er legt Zeugnis ab von einer geschichtlichen
Entwicklung, die wir ohne ihn zwar erraten oder erschKessen,
schwerlich aber belegen könnten. Zur Orientirung wird es
nötig sein, an einige bekannte Tatsachen zu erinnern. Bei
Irenäus, Theophilus, TertuUian liegt ein neutestamentlicher
Schriftenkanon mit bestimmtai Attributen abgeschlossen vor *)
und wird als ein Gegebenes vorausgesetzt und bebandeli
Zu diesem Kanon gehören fraglos die 13 Paulinischen Briefe.
Irenäus beginnt sein ketzerbestreitendes Werk (B. I Praef.)
mit CStaten aus den Pastoralbriefen *), Theophilus (III, 14)
citirt II. Tim. 2, lt. Tit. 3, 1. Röm. 13, 7f neben Jesaj.
66, 5, Matth. 5, 44 f; 6, 3 mit der Formel o ^flbg Xoyog xe^
Xn-fi, der Brief der gallischen Christen an die kleinasiatischen
Gemeinden (Euseb. V, 1. 2) ist mit Anfhhrungen aus den
Briefen des Paulus durchzogen, Clemens Alex, legt seinen
moralischen Erörterungen im Protrepticus viele Stellen stA
den Pastoralbriefen zugrunde, TertulKan endlich macht von
den Paulusbriefen und speciell auch von den Pastoralbriefen
den ausgiebigsten Gebrauch und beruft sich auf dieddben
0 Von den Controversen über dSe Zugehörigkeit einiger Schriften
zu diesem Kanon darf in diesem Zusammenhang abgesehen werden.
8) S. auch I, 9, 3; U, 18, 6; DI, 3, 2. 4; m, 14, 1. Gelehrte ün*
tersuchungen über Paulusbriefe HI, 7, 1; 14, 1; IV, 26, 3.
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DAS MURATOBISCHE FRAGMENT ETC. 375
wie auf die Evangelien *). Scharfsichtige Augen haben au»
der Auffassung dieser Briefe beilrenäus und Tertullian aller-
dings herauslesen können, dass Paulus mit seinen Briefen
damals noch ein Neuling im Kanon war ^) ; wir dürfen diese
Erkenntnis zunächst auf sich beruhen lassen. Zugestanden ist
allerseits ; das die genannten Schrifteteller die rolle kano-
nische Dignität der Paulusbriefe anerkennen und dass sie
nichts darüber vwraten, auf welchem Wege') und warum
die Pauhisbriefe in den Kanon glommen sind. Aber wei-
ter: sie wissen ledigUch von einem Princip des neutesta-
mentlichen Kanon, dass ist das der Apostolicität der
Bücher desselben. Wenigstens habe ich ein anderes bei
ihnen nicht zu entdecken vermocht. Das Lucas*Evangelium
ißt das des Paulus, das MaiTUs-Evangelium das des Petrus,
die übrigen Schriften sind im Kanon lediglich, weil sie apo-
stolische sind. Endlich ist Overbeck (a. a. O. S. 8) im
Rechte, wenn er behauptet, dass die Paulinischen Briefe bei
Irenäus und Tertullian im Schatten der Apostelgeschichte
stehen^ d. h. nach ihr interpretirt werden, und dass die Grund^
begriffe des Paulinischen Evangeliums noch immer begraben
sind, ihre gelehrte Wiedererweckung kaum erst begonnen
hat. Andrerseits ist darauf hinzuweisen, dass bis über die
Mitte des 2. Jahrhunderts, in welcher Zeit es neben dem
Alten Testament zwar alle möglichen Sanunluhgen von neuen
heiligen Büchern und Gemeindeleseschriften, aber noch keinen
neutestamentlichen Kanon gab, die Stellung zu den Pauli-
nischen Briefen eine sehr verschiedene gewesen ist. In vie-
len Gemeinden sind sie gewiss von ältester Zeit an neben
anderen Schriften veriesen worden (I. Clem., Polykarp.,
') Auch die Testam. XII Patriarch. (Beniam. 11) setzen die Ka-
nonisiniiig der Paulusbriefe voiraus: iv ßifiXoig dyCaig fsatta dva-
y(ft(tpof48yo^ xal 70 %Qy9V *ai 6 Xoyog ttiVov.
«) Overbeck, Ueber die Att^Bwsnng des Streites des Paulus
mit Petrus in Antiochien bei den Kirchenvätern, 187?^ S. 8 — 13.
») Wenn Tertullian adv. Marc. V, 21 die Pastoralbriefe de «o
clmattieo statu campoiitas nennt, so streift er damit nicht einmal da«
historische Zeugnis welches der VerfiEusser des Fragments Z. 62 f.
überiiefert hat.
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376
II. Petr.), bei Marcion hatten sie mit Ausschluss der Pastoral-
briefe neben dem Lucas-Evangelium allein kanonisches An-
sehen, die Timotheusbriefe fehlten wahrscheinlich auch im
Kanon Tatian's, wenn von einem solchen geredet werden
darf ^), in manchen Gemeinden mögen Paulusbriefe in der
1. Hälfte des 2. Jahrhunderts überhaupt noch nicht gelesen
worden sein, doch fehlen dafür Beweise. Auch besitzen wir
kein Zeugnis darüber, dass Paulus in den Kreisen der Gh:x>88-
kirche zur Zeit der apostolischen Väter und Justin's irgendwo
feindselig ignorirt worden sei*). Das Problem, wel-
i) Die Behauptung des Hieronymus (Praef. in Comment. in ep.
ad Titum), Tatian habe den Titusbrief anerkannt, ist auffallend ge-
nug, aber schwerlich zu beanstanden. Dass Tatian sich besonders
mit Paulusbriefen beschäftigt und sie als Autoritäten verwendet hat,
ist a priori wahrscheinlich, wird aber durch seine Apologie, durch
Euseb. IV, 29, 6 und Iren. HI, 37 (IV, 68, 2), Clem. Alex. Strom, m,
12, 81. 82, Hieron. Comment. in ep. ad Gal. c. 6 ausdrücklich be-
stätigt. Ausgiebiger Gebrauch der Paulusbriefe bei den Valentinia-
nem ist urkundlich constatirt; vgl. Ptolem. ep. ad Flor, und Hein-
rici, Valent. Gnosis, passim und S. 192. Die Pastoralbriefe sind aber
auch von den Valentinianem nicht verwendet worden. Eine Ausnahme
bildet dfiis Citat aus dem 2. Timotheusbrief bei Herakleon, s. Hein-
rici a. a. 0. S. 146.
*) Ueber die Verwendung der Paulinischen Briefe seitens der
Häretiker hat man Klage führen müssen (II. Petri 3, 16; Iren. IV,
68, 2) und die „ Dunkelheiten " der Briefe waren unbequem (11. Petri
1. c. ; Iren. HI, 7, 1); sieht sich doch Irenäus deshalb sogar bereits
genötigt, Untersuchungen über den Paulinischen Sprachgebrauch an-
zustellen. Aber ein feindseliges Ignoriren ist nirgends bezeugt. Wo-
her sollte dasselbe auch stammen? Will man auf die Einflüsse des
Judenchristentums recurriren, so müsste man bis auf das apostolische
Zeitalter hinaufgehen tmd annehmen, dass die Heidenkirche die Aver-
sion gegen Paulus ohne ihre ursprüngliche Begründung übemonunen
hat; die Sache wäre geblieben, während das Motiv sich geändert;
denn directe Einflüsse des Judenchristentums auf die Heidenkirche
sind schon für die Zeit des Justin, ja noch friiher, nicht mehr nach--
weisbar. Man könnte darauf hinweisen, dass die Person und die
Briefe des Paulus etwa der christlichen Apologetik hinderlich waren,
aber mehr und anderes, als dass sie für sie gleichgültig waren,
wird sich nicht erreichen lassen, und so wird man im äussersten FaUe
ein Ignoriren des Mannes und seiner Predigt zuzugestehen haben.
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DAS MURATOKISCHE FRAGMENT ETC. 377
ches hier vorliegt, bleibt auch ohnedem gross genug. Die
Frage, wie die Erangelien kanonisch geworden sind, ist dem
gegenüber verhältnismässig leichter zu beantworten ; aber wie
ist die Kluft zu überbrücken, die durch die gänzlich ver-
schiedene Stellung der Gemeinden um 150 und ma 185 zu
den Paulusbriefen bezeichnet ist?
Der Verfasser des Fragments findet augenscheinlich die
13 Paulinischen Briefe in der kirchlichen Sammlung bereits
vor und verrät auch nichts davon, dass in der katholischen
Kjrche selbst ein Widerspruch gegen ihre Zugehörigkeit zu
derselben besteht; aber er fühlt noch das Bedürfnis,
ihre Stellung im Kanon zu rechtfertigen, und wir
haben oben bereits gesehen, dass er die Auskimft, sie seien
kanonisch, weil sie apostolisch seien, noch nicht kennt We-
der bei den Evangelien, noch bei der Apostel-
geschichte kommt es dem Verfasser in den Sinn,
ihre Zugehörigkeit zum Kanon zu rechtfertigen,
aber auch nicht bei dem Judasbrief und den Jo-
hannesbriefen. Zunächst constatirt er (Z. 40f.), dass man
sich über Zahl, Ort der Abfassimg und Zweck der einzelnen
Briefe aus diesen selbst leicht orientiren könne; die Adresse
nennt er in diesem Zusammenhange nicht, denn mit dieser
hat es eine besondere Bewandtnis. Obgleich er betreffs des
Zwecks auf die Leetüre der Briefe verwiesen hat, so hält er
es doch für nötig, denselben fiir die ausfuhrlichen Korinther-,
den Galater- imd den Römerbrief ausdrücklich anzugeben
(Zt. 42 f.). Schismen und Häresien ^) hat der Apostel den
einen, die Beschneidung den anderen verboten, den Römern
hat er Christum als Inhalt und Princip des Alten Testa-
mentes eingeschärft Das aber sind, fährt der Verfasser
fort, alles Punkte, über welche wir Katholiken zu
streiten haben*). Mit andern Worten: diese Briefe sind
Beide waren gleich unverständlich und man brauchte sie nicht not-
wendig.
1) Seysmae heresis ist natürlich verderbt (Z. 42); Schisma et hae-
T€8€8 die leichteste Aendenmg; ob die richtige, steht dahin.
«) Z. 46 f.: De quibus singuUs necesse est a nobis disptUari.
Zeitschr. f. E.>G. UI, 8. 26
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378
mchtig, um in der Gegenwart zu bestimmen, was christlich
sei, und die häretischen Meinimgen der Irrlehrer abzuweisen.
Aber der Verfiasser begnügt sich damit noch nicht. Er geht
zu der Adresse der Briefe über ^). Paulus hat nicht ausdrück-
lich an die gesammte Kirche geschrieben, das ist der Rede
Sinn, sondern lediglich an bestimmte Gememd^a. Aber er hat
an sieben Gemdnden geschrieben, die Siebenzahl ist die öku-
menische Zahl, also hat Paulus doch an die Gesammtkirche,
die eine katholische Ejrche, seine Briefe adressirt. Diese
mystische und Misverständnissen ausgesetzte Weise, den
wahren Adressaten zu bezeichnen, hat er jedoch nicht seibst
erfund^i; vor ihm hat schon einer der Zwölfe, Johannes, in
seiner Apokalypse das Gleiche getan. Damit ist alles ge-
sagt, was zur Rechtfertigung der Zugehörigkeit der Gemeinde-
briefe des Paulus zu bemerken nötig ist. Wir erkennen aus
diesen Ausführungen, dass der Verfasse dem Grundsatz
folgt, nur solche Schriftstücke dürfen in dem Kanon ent-
halten sein, die offenkundig der ganzen Eürcbe gelten, ein
Grundsatz, den weder Irenäus noch TertuUian bekunden, weil
»e den ökumenischen katholischen Charakter aller in dem
Kanon*) befassten Büdier als selbstverständlich bereits
1) Ich beziehe quibua (Z. 46) auf scysmae herens etc, schliesse
den Satz mit disputari (Z. 47), fasse das cum (Z. 47) wie licet (Z. 58)
concessiv, lasse den Nachsatz mit una tarnen (Z. 55 f.) beginnen und
erkläre verum — iteretur (Z. 54 — 55) als Zwischensatz. Der Hesse-
sche Vorschlag, nach eeripsit (Z. 46) stark za interpungiren, den mit
Cftm beginnenden Satz (Z. 47) nach aepUma (Z. 54) zu schüessen und
auf das Vorhergehende zu beziehen, den Satz verum — iteretur endlich
als Vordersatz zu tMa tarnen etc, zu fassen, hat den grammatischen
Augenschein für sich, ist aber sachlich undurchführbar, worüber
Hesse selbst am besten belehrt.
*) Der Verfiwser des Fragmentes will also nur katholische
Briefe in den Kanon aufgenommen wissen, und deshalb stempelt er
die Paulinischen Briefe zu solchen. In späterer Zeit, als dfiis Princip
der Apostolicität sieh durchgesetzt hatte, konnte man wieder unbe-
fangen zwischen Briefen mit specieller Adresse und katholischea
Briefen unterscheiden (Origenes ; Stellen bei Hilgenfeld, Einleitung
in das Neue Testament, S. 114). Was ApoUonius (bei Euseb. H. e.
V, 18, 5) unter xa^oXixfi imoroX^ verstanden hat, lässt sich ganz
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DAS MURATORISCHE FRAGMENT ETC. 379
voraussetzen. Indem aber unser Verfasser sich noch ver-
pflichtet fühlt, den Beweis anzutreten, dass den paulinischen
Briefen wirklich katholische Charakter zukommt, und an
die apostolische Qualität ihres VerfiBtösertf (Z. 48) nicht apel-
liren will, vertritt er fUr uns eine Stufe in der Bildungs-
geschichte des Kanons, die sonst unbezeugt ist. Wohl hat
man auch später noch sich an der mystischen Siefoenzahl der
PauKnischen Gemeinden erbaut oder erfreut ^) ; aber man hat
mit ihr gesj^elt; denn kerne Theorie verlangte sie mehr.
Unser Verfasser aber hat in derselben keinen geistvollen Ein-
fall produciren wollen, sondern ihm ist sie eine apologetische
Auskunft von höchstem Belang. Dies zeigt sich weiter so-
wohl in seiner Beurteilung der PastorsJbriefe als der drei ka-
tholischen Riefe (Z. 68 f), die er anerkennt. Wenn er die
Zugehörigkeit des jedenialls am Ende des 2. Jahrhunderts
ganz spärlich bezeugten Judasbriefes zum Kanon einfach con-
statiren kann, ohne es für nötig zu halten, auch nur ein
Wort der Rechtfertigung zu verlieren, so zeigt das deutlich,
dass er nach den beiden Qnmdsätzen urteilte ; kanonisch ist
nur das Apostolische, und kanonisch ist nur das Ejrchlich-
Katholiscfae. Deshalb passirt der Judasbrief mit seiner Adresse
an die r,y(mfj^yot xai TiJtiQfj^lvoi xXrfioi ebenso unbeanstandet,
wie der adresselose 1. Johannesbrief und der an die Kirche,
die ixhxTTj KvQiu, gerichtete zweite, während die Paulusbriefe
erst gerechtfertigt werden müssen und der 3. Johannesbrief
um seiner Adresse „iW;w iw ayoTir/ioJ" willen überhaupt
nicht in Betracht gezogen wird *).
sicher nicht mehr ermittehi. Ein sehr beachtenswertes Seitenstüdk
zur Bezeichnung der Paulusbriefe als katholischer durch den Verfasser
des Fragmentes bietet Eusebius (H. e. FV, 23, 1). Er nennt die Briefe
des Dionysius von Korinth katholische, obgleich sie an bestimmte
Gemeinden gerichtet sind, weil sie, in e i n e r Briefisammlung vereinigt,
der ganzen Kirche nötzlich sind imd in der ganzen Kirche circuliren.
Aber Eusebius denkt nicht daran, die Briefe deshalb für kanonisch
zu halten. Das Princip der Katholicität ist für den neutestament-
lichen Kanon somit nicht mehr massgebend.
0 Stellen bei Hesse; s. besonders Cyprian, Testim. I, 20; Ad
Portun. 11.
*) Dies ist die einfachste Erklärung für die scheinbar auffallende
26*
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380 HARNACK,
Bevor wir zu den Pastoralbriefen übei^hen, sind in
Bezug auf die Ausfuhrungen des Verfassers über die Q-e-
meindebriefe des Paulus noch zwei Punkte zu erledigen.
Es fragt sich erstlich, ob die Berufung auf das Beispiel
des Johannes, welches Paulus nur nachgeahmt haben soll
(Z. 47 f.), dem Verfasser selbst mehr bedeutet als lediglich
eine Bestätigung seines apologetischen Q^dankens. Man könnte
vermuten, dass Johannes das Verfahren des Paulus legiti-
miren solle, dass mithin Paulus einer solchen Legitimation be-
dürfe, und könnte so einen Beweis finden für jene angeblich
auch aus anderen Erwägungen folgende Einsicht, dass die
Autorität des Paulus in der 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts
eine noch unsichere und schwankende ist. Indessen zu
Schlüssen ' in dieser Form giebt der Text keinen Anlass ;
wir haben auch oben gesehen, dass eine vorläufige Erwäh-
Tatsache, dass sowohl der Murat. Fragmentist nur von einer „Joan-
nis duas" (Z. 69) redet, als auch Irenäus zwar den 2. Johannesbrief
zweimal ausdrücklich erwähnt (I, 9, 3; HI, 17, 8), dagegen den 3.
nicht nennt. Der 1. u. 2. bilden für Irenäus, wie die letztgenannte
Stelle beweist, ebenso eine Einheit, wie für den Verfasser des Frag-
mentes. Die Hypothese, dass derselbe Z. 69 den 2. u. 3. Brief meine,
während er den ersten (Z. 26 f.), der seine Stellung nach dem Jo-
hannes - Evangelimn gehabt hätte, schon dort erwähnt und erledigt
habe, appellirt an die exegetische Willkür und an die Unkenntnis der
G^eschichte der Stellung der Schriften im neutestamentlichen Kanon.
Die Trennung der beiden kleinen Schreiben wird nur von kurzer
Dauer gewesen sein; sobald sich das Princip der Apostolicität als
allein gültig durchsetzte, war sie wieder aufgehoben. Bereits der
Standpunkt, den Irenäus selbst einnimmt, fordert die Aufnahme des
3. Schreibens. Aber ihm sind nur zwei in der Sanmilung überliefert ge-
wesen. Inunerhin ist dieses Schicksal des dritten Briefes ein lehrreichem
Beispiel. Es weist auf eine' Zeit hin, da es einen Kanon gab, der unter
einem anderen Gesichtspunkt beurteilt wurde, als der von Irenäus und
Tertullian innegehaltene ist. Man hat es weiter auffallend gefunden,
dass der 1. Petribrief tmd der Jacobusbrief im Fragment fehlen und hat
sogar eine Lücke constatiren wollen. Aber der letztere hat jedenfaUs
auch bei Irenäus tmd Tertullian gefehlt, und der erstere hat eine spe-
cielle Adresse. Tertullian hatte ihn nach De orat. 20 und Scorp. 12
in seinem Kanon, ob aber auch Irenäus, der ihn ein paar Mal citirt,
steht dahin. Beachtenswert ist jedenfalls, dass bei den Valentinianem
kein Citat nachgewiesen ist; vgl. Heinrici, Valent. Gnosis, S. 184
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DAS MURATORISCHE FRAGMENT ETC. 381
nung grade der in der Apokalypse des Johannes enthaltenen
Briefe dem Verfasser nicht unwichtig sein konnte. Wohl
aber lässt sich das Urteil nicht umgehen, dass der Verfasser
— und darin stinmit er allerdings mit allen in Betracht
kommenden kirchlichen Schriftstellern des 2. Jahrhunderts^
Tertullian inclusive, tiberein — es als selbstverständlich vor-
aussetzt, dass Paulus sich an das Vorbild der zwölf Apostel
angeschlossen hat und somit auch in seiner Tätigkeit nach
diesem zu beurteilen ist Man hat deshalb nicht anzu-
nehmen, dass der Verfasser einer bestinmiten Tradition
über die Abfeissung der Apokalypse zur Zeit des Nero oder
noch firüher gefolgt ist. Er findet eine Siebenzahl der Ge-
meinden bei Paulus wie bei Johannes. Da ist es ihm ohne
weiteres sicher, dass der Herrenjünger (Z. 9. 10) nur der
Vorgänger, der spätere Paulus nur der Nachfolger sein kann.
Dies ist nun ganz der Standpunkt der Zeit, und ohne Frage
darf gesagt werden, dass die Ansprüche des historischen
Paulus von der Kirche ignorirt worden sind. Wie man in
der Apostelgeschichte die Geschichte aller Apostel berichtet
fand (Z. 34), so sind die Zwölf unter den Aposteln die Vor-
bilder, nach denen Paulus betrachtet wird. Freilich wusste
man von den Zwölfen so gut wie nichts oder vielmehr we-
sentlich falsches; aber Nichtwissen lässt freien Spielraum und
Wissenwollen fiillt denselben nach Bedarf aus, während wirk-
liche Ueberlieferung imd Erkenntnis oft unbequem ist. Die
Verweisung auf den Sieg jener Mächte über diese ist wahr«
scheinlich zutreflFender als alle Versuche, aus bestimmten Ten-
denzen die neuen Urteile abzideiten ; recurrirt man doch bei
geschichtlichen Forschungen noch viel zu wenig darauf, dass
die Mehrzahl der Menschen zu allen Zeiten überhaupt nicht
nachdenken, tmd dass deshalb grade die wunderbarsten Er-
scheinungen Producte der Gedankenlosigkeit sind, die sich
darum auch g^enüber jedem vernünftigen Erklärungsversuch
als spröde erweisen. Erwägt man, dass die Heidenkirchen
seit dem Ende des 1. Jahrhunderts auf die Herrenworte
neben den Schrifken des Alten Testamentes ein hohes Gewicht
legen mussten, dass diese Herrenworte nur durch die Zwölfe
überliefert und legitimirt sein konnten, dass auch sie allein
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382 HARNACK;
als die Zeugen des Lebens des historischen Jesus in Beh'acht
kamen, dass ferner allgemein die universelle Heilspredigt aus
den Schrifkai der Propheten gefolgert wurde und dass zum
Ueberfluss einige von den Zwölfen selbst in die Heiden-
mission eingetreten waren; nimmt man zu diesen Er-
wägungen noch hinzu, dass es der Heidenkirche völlig fi^i-
stand, sich ein beliebiges Bild von den Uraposteln zu zeich-
nen — womit die Apostelgeschichte teilweise schon begonnen
hat — , wähi*end die Briefe des Paulus in ihrer Polemik un-
verständlich, in ihren Anweisimgen über christliches Leben,
Verfassung, Zucht und Cultus ungenügend und sonderbar, in
ihren dogmatischen Ausftihrungen mindestens unbmuchbar
erschienen : so ist ein Grund, darüber sich zu wundem, dass
Paulus im 2. Jahrhundert immer mehr zurücktritt, nicht mehr
vorhanden. Es sind dabei die unbequemen Berufungen der
Valentinianer, Marcion's imd seiner Kirche auf Paulus noch
nicht einmal in Anschlag gebracht Nur darüber kann man
sich wimdem, dass die Paulusbriefe sofort im Kanon er-
scheinen, sofort ihre feste Stelle erfialten und ein Widerspruch
gegen dieselben im 2. Jahrhundert überhaupt nicht nach-
gewiesen werden kann, auch nicht bei den Zeitgenossen des
Verfassers des Fragmentes ; denn Gegner der Zugehörigkeit
der Paulusbriefe zum Kanon hat er nicht im Auge. Ich
vermag diese Tatsache nicht anders zu erklären als diu*ch
die Annahme, dass die öffentliche Lesung der Paulinischen
Bidefe in den Gemeindeversammlungen trotz jener Ignorirung
des wirklichen Paulus niemals cessirt imd in den wdtaus
meisten Kirchen stattgefunden hat So allein lässt es sich
verständlich machen, dass mit dem Kanon auch sofort diese
Briefe kanonisch sind, obgleich sie ausser anderem sogar ge-
gen das Princip Verstössen, welches der Verfasser des Frag-
mentes für den Kanon gültig erklärt hat und welches z\^'ei-
£^ohne, wenn nicht das älteste, so doch älter ist als das des
Irenäus imd TertuUian. Eben die Beobachtung, dass der
Verfasser des Fragmentes eine apologetische Auskunft braucht,
um die Stellung der Brirfe im Kanon nicht gegenüber Geg-
nern derselben, sondern gegenüber dem Princip des Kanon
SU rechtfertigen, zeigt, dass sie ein gegebener und nicht
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DAS MURAT0RI8CHE FRAGMENT ETC. 383
ZU umgehender Bestandteil des Kanon gewesen sind. Dieser
N.achweis bestätigt mithin die Behauptung Overbeck^s
(a. a. 0. S. 13; n. 20) nicht, Paulus sei mit seinen Briefen
zur Zeit des Irenäus ein Neuling im Kanon gewesen. Diese
Behauptung ist vielmehr nur insofern richtig, iJs die Be-
schäftigung mit den Paulinischen Briefen neu ist, weil
der Kanon selbst neu ist, man sich aber bisher wohl schon
fleissig um die Evangelien und prophetischen Schriften — auch
so lange sie noch nicht kanonisch waren — , nicht aber um
die Briefe des Paulus gekiunmert hatte. Diese sind gelesen
worden, wie viele andere Briefe, nur regelmässiger und häu-
figer, aber als solche mehr oder weniger wirkungslos ge-
blieben, bis ihre Heiligsprechung zwar nicht ihren Inhalt,
aber ihren Buchstaben wertvoll machte und ihn zu norma-
tivem Ansehen und damit zum Gegenstand der gelehrten
theologischen Exegese erhob. Es bewahrheitet sich aber die
Beobachtung Overbeck^s (a. a. O. S. 8), dass die Paulini-
schen Briefe im 2. Jahrhundert nach der Apostelgeschichte
erklärt worden sind, wenn auch ohne den gewagten Zusatz,
dass die Briefe ohne diese schwerlich in den Kanon gedrun-
gen wären. Jenes Ui'teil Overbeck's lässt sich nämlich da-
hin erweitem, daßs die Paulinischen Briefe nach den Tradi-
tionen über die Urapostel, wie sie vornehmlich in der
Apostelgeschichte zusammengefasst sind, erklärt wurden. Dies
bezeugt der Verfasser des Fragmentes, wenn er sagt, Paulus
habe den Johannes in seinen Briefen an sieben Gemeinden
nachgeahmt.
Auffallend ist zweitens folgende Beobachtung. Der Ver-
fasser hat nachgewiesen, dass der Zweck der epistulae pro-
lixiores mit dem zusammentrifft, was die Kirche noch heute
gegenüber den Haeretikern erweisen müsse (Z. 46 f.); trotz-
dem hält er es für nötig auch die katholische Adresse der
9 Gemeindebriefe zu ermitteln. Nach den gleichlblgenden
AuflfUhnmgen über die 4 Briefe an Privatpersonen sollte man
meinen, dass es ihm hätte genügen müssen, zu zeigen, dass
der Inhalt der Briefe von katholischer Bedeutung sei. Ent-
weder also ist die für die Pastoralbriefe geführte Recht-
fertigung eben nur ein Notbehelf, oder er vermochte einen
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384 HARNACK;
der jetzigen katholischen Kirche wertvollen Inhalt nur aus
den epp. prolixiores zu erheben und sah sich deshalb nach
einer neuen Auskunft um, oder endlich involvirte ihm der
angegebene Zweck (Untersagung der Schismen und Häre-
sien, der Beschneidung*, Christus im Alten Testament) über-
haupt noch nicht die volle Katholicität. Von dies^i drei
Möglichkeiten ist die letztere die wahrscheinlichste; denn
durch die zuversichtliche Kürze bei Beurteilung der Pastoral-
briefe ist die erste ausgeschlossen, während die zweite ganz
unwahrscheinlich ist. Die Gefeingenschafts- und Thessalonicher
briefe — man denke z. B. nur an den Epheserbrief — h&tten
ihm doch die Ermittelimg einer der katholischen Kirche wert-
vollen causa nicht schwieriger gemacht als die Korintheiv
briefe. Mithin bleibt nichts übrig als anzunehmen, dass die
angegebenen Zwecke die Katholicität noch nicht verbürgten,
sofern sie eben nur Einzelzwecke und deshalb nicht katho-
lische sind. So sah er sich genötigt, die Katholicität der
Gemeindebriefe aus der Adresse zu erweisen.
Wesentlich anders steht es mit den Pastoralbriefen *).
Zunächst scheinen sie viel grössere Schwierigkeiten zu be-
reiten als die Gemeindebriefe, und der Verf'asser räumt auch
willig ein, dass sie pro affecto et diledione geschrieben seien *).
^) Auf den Philemonbrief , der (Z, 59) den Pastoralbriefen bei-
gesellt ist, passt freilich die Beurteilung, welcher diese unterzogen wer-
den, nicht; er ist einfach vom Verfasser auf diese Weise escamotirt
worden; denn den Gedanken, der Philemonbrief regle die „Sklaven-
frage *^, konnte nur grobe Unkenntnis der Geschichte dem YerfiEuser
unterschieben. Eine „ Sklavenfirage " gab es in der Kirche des 2.
Jahrhunderts natürlich überhaupt nicht. Aber die Belassung des Phi-
lemonbriefes im Kanon wider das Princip desselben ist ein neuer Beleg
dafür, dass die 10 der 13 Paulinen, welche der Verfasser einer Theo-
rie zu Folge in 9-|-4 geteilt hat, bei der Schöpfung eines Kanons
nicht übergangen werden konnten.
>) Ich ändere am Texte nichts und übersetze: „Aber an Phile-
mon einer und an Titus einer und an Timotheus zwei gemäss liebe»
▼oller Wertschätzung; dennoch sind sie in Ansehen bei der katholi-
schen Kirche; bei der Feststellung der discipUna eccleaiasticfi [der
Ausdruck ist unübersetzbar] sind sie für heilig erklärt worden." Bei-
läufig erlaube ich mir die Anfrage, wie die Verehrer eines griechi«
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DAS MUßATORISCHE FRAGMENT ETC. 385
Aber dennoch sind sie mit vollem Recht in der Sammlung
kanonischer Schriften ^); denn „bei der Feststellung der dis-
ciplina ecclesiastica sind sie für heilig erklärt worden". Ein
Dreifaches ist in diesen Worten enthalten: l) die Briefe ge-
hören zum Kanon um ihres katholischen Inhaltes willen^
sofern sie der gesammten katholischen Kirche *) einen wesent-
lichen Dienst geleistet haben **); 2) die Kirche hat das Recht^
sehen Originals discipUna jetzt zu übersetzen gedenken; denn dass
es weder mit xayaiy und dytüyii, noch mit dem neuesten von Hilgen-
feld vorgeschlagenem Wort tj ai&fia getan ist, muss doch zugestanden
"werden.
1) In Jionore ecdesiae cat?ioHc€ie esse bedeutet natürlich dasselbe
-wie in ecclesiam cathoUccun receptum esse (Z. 66) und in catholica ha-
heri (Z. 69). Diejem'gen, welche die Identität dieser Ausdrücke ge-
leugnet haben, haben keine Beweise beizubringen vermocht.
*) Der Verfasser führt den Ausdruck catholica ecclesia erst ein,
nachdem er ihn durch die Worte tma per omnem orbem terrae ec-
clesia diffusa esse dinoscitur (Z. 55 f.) vorbereitet hat; dann aber hat
er ihn drei Mal (Z. 61 f. 66. 69) angewendet, das dritte Mal ohne ec-
clesia (wie Tertull. de praescr. 26. 30, Cornelii episc. epist. ad Cypr.
48, 2, Augustin; auch dies spricht für ein lateinisches Original"). Die
ältesten Stellen für den Ausdruck cath. eccl. sind PP. App. Opp.
fasc. I, 2 edit. Lips. U, p. 141 gesammelt. Bei Irenäus findet er sich
bekanntlich nicht, wohl aber die Sache; bei Tertullian häufig. Vor
dem Verfasser des Fragmentes haben ihn Ignatius (ad Smyr. 8, 2) und
der Verfasser des Martyr. Polyk. (16, 2; 19, 2) angewendet. Ob aber
diese Stellen und das Mart. Pionii (2. 9. 11. 13. 19) wirklich früher
geschrieben sind als das Fragment, lasse ich hier dahingestellt. In
der Moskauer Recension des Mart. Polyk. (PP. App. Opp. fasc. 11,
p. 168, 4) findet sich die Phrase : 6 ixxXtiaiaarixo^ xccvwv xal xiC'd-oXixog,
Dieselbe bezieht sich aber fraglos dort auf die regula fidei. Dass un-
ser Verfasser grade bei den Pastoralbriefen zuerst von der eccl. cath.
spricht, kann durch den Gegensatz gegen die Marcioniten hervor-
gerufen sein; denn die folgende Phrase eccUs. discipUna hätte nur eccle-
sia allein im Voriiergehenden erheischt. (Ueber die marcionitischen
Kirchen im Unterschied von den gnostischen Schulsecten s. Tertullian
adv. Marc. IV, 5 u. Zeitschr. f. wissensch. Theol. 1877, S. 80f)
*) Ecclesiastica discipUna kann nur aus Tertullian*s Schriften er-
läutert werden, den Griechen ist der Ausdruck fremd. Aus der grossen
Zahl von Stellen, von denen Oehler nur einen kleinen Teil planlos
gesammelt hat, hebe ich folgende hervor: De idolol. 13: adversi^s
fidem diseipUnamque communem. De praescript. haer. 19: ubi appa-
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386 HABNACK,
über die Aul'nalime von Schriften in den Kanon zu entschei-
den, der Kanon steht mithin unter der Autorität der Kirche ;
3) der Verfasser weiss noch, dass die Pastoralbriefe nicht von
Anfang an in der Sammlung heiliger Schriften gewesen sind ;
aber er berichtet von ihrer Auftiahme, ohne einen Widerspi-uch
gegen dieselben zu berücksichtigen. Diese Aussagen sind
sämmtlich von fundamentaler Bedeutuiag für die Entstehunga-
geschichte des neutestamentlichen Kanon. Die erste bestä-
tigt uns, dass der Verfasser die neue Schriftensaramlung nach
dem Princip des Apostolischen und Katholischen bem*teilt
hat. Legte er bei den 9 Gemeindebriefen den Nachdruck
auf die kathoHsche Adresse, so legt er ihn hier auf den
katholischen Inhalt. Eine apostolische Schrift ist für ka-
nonisch zu erachten, wenn sie sich durch ihren Inhalt als
katholisch bewährt. Wem aber steht darüber ein Urteil zu ?
Der katholischen Kirche, denn nui' sie kann zu sanctificatae
sunt logisches Subject sein. Das ißt das Bedeutsame an die-
sem Urteile, dass der Verfasser den Umfang des neutesta-
mentlichen Kanon nicht als einen der katholischen Kirche
gegebenen, sondern als einen von ihr fixirten ansieht ^).
Davon verrät aber weder Irenäus noch Tertullian etwas mehr.
Beide betrachten die Schriften des Alten und Neuen Testa-
mentes als etwas Gegebenes, beide begründe^ nur das alleinige
Recht der katholischen Kirche auf die Auslegung der Bü-
cher des Kanon. Wie sie das Princip der E^tholicität der
ruerit esse veHtatem disdplinae et fidei Christianae, ittic erit veritais
ecripturarum. De praescr. 35. 43: doctrinae index discipHna est,
41: conversatio haeretica sine discipUna, ut fidei suat congruens,
45: testimonia discipUnae ad probationem veritatis accedunt. Dar*
nach bestimmt sich der Begriff der disoiplina. Derselbe umiaAst
schlechthin alle christlich-kirchlichen Functianen mit Ausnahme der
dogmatischen. Fides und disciphna sind das, was wir Chiistentum
oder Kirchentum nennen in allen denkbaren Erscheinungsformen.
1) Wenn Hesse (S. 196) aus den Worten des Verfessers schliesst,
die Pastoralbriefe seien nicht durch einen Beschluss, sondern durch
den Gebranch zu heiligen Schriften geworden, so ist dieses richtig,
jenes aber ein fiedscher Gegensatz. Sie sind bei der Feststellung der
ecel. discipl, gebraucht und deshalb für heilig erklärt worden.
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DAS MÜRATORISCHE FRAGMENT ETC. 387
h. Schriften zwar nicht unterschlagen, aber unter der Vor-
aussetzung seiner Selbstverständlichkeit unwirksam gemacht
haben, so haben sie auch den Gedanken, dass die Kirche
den Kanon, wenn auch nicht producire, so doch vermehren
und ausgestalten könne, nicht mehr zum Ausdruck gebracht ^).
Unser Verfasser dagegen spricht es noch ganz unbefangen
als historisches Urteil aus, dass die Pastoralbriefe nicht
von Anfang an in d^m Kanon waren; er weiss es noch, auf
welchem Wege rie in denselben gekommen sind, fühlt kein
Bedürfnis eine spätere Auinahme als solche zu rechtfertigen
und lässt es als selbstverständlich erscheinen, dass die Kjrche
das l^itime Subject ist für eine solche Aufnahme. Niemand
wird so unvorsichtig sein wollen, dem Ver&sser als bewusste
Erkenntnis den Gtedanken zuzuschreiben, dass die Kirche
den ganzen Kanon producirt, d. h. dass sie es sei, die
allen Schriften, welche in dem E^non stehen, das kanonische
Ansehen verliehen habe. Damit streitet schon das, was er
über die Evangelien bemerkt hat Wohl aber steht ihm der
Elanon in dem Sinne unter der Autorität der Kirche, dass
dieselbe das Recht hat bei jeder Schrift nach ihrer Kirch-
lichkeit zu fragen und demgemäss Bücher aufzunehmen
und abzuweisen. Dieses Recht hat aber nach dem Verfasser
nicht nur in älterer Zeit bestanden, es besteht noch eben.
Die Probe-daför, dass wir richtig erklärt haben, liefert einer-
seits die ursprüngliche und unbefangene Frische, in welcher
die Abschnitte Z. 59 — 85 durchweg geschrieben sind (,,wir
nehmen auf", „Einige von den Unsem halten die Petrus-
1) Die Stelle De pudicil, 10, wo Tertullian bemerkt, dass der
Hirt des Hermas die Aufiiahme in den Kanon nicht verdient hätte
und da«s derselbe von allen Synoden auch der katholischen Kirche
unter die apokryphen und falschen Schriften gerechnet worden sei,
belehrt, dass man sieh am Eingang des 3. Jahrhunderts auf den Sy-
noden aueh über die Zugehörigkeit gewisser Bücher zum Kanon ver-
ständigt hat. Damit ist aber nur für eine verhältnismässig sehr frühe
Zeit belegt, was wir sonst erst aus späterer Zeit erfahren. Ein Zeug-
nis, dass man in der Zeit nach Irenäus noch irgendwo das Bewusst-
Min gehabt^ Schtifteu zu vollem kanonischen Ansehn erheben zu
körniefi, fehlt.
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388
apokalypse für keine kanonische Lehrschrift", ;,wir ver-
werfen" u. 8. w.), andrerseits die Beobachtung, dass er
ausdrücklich nur das Alte Testament, nicht aber
die apostolische Schriftensammlung für abge-
schlossen erklärt (Z. 78f.). Schriften können auch nocli
heute von der Kirche für kanonisch erklärt werden, und in
dieser Hinsicht würde dem Hirten nichts im Wege stehen;
aber speciell dieses Buch kann in finem temporum nicht
aufgenommen werden, weil es kein apostolisches, sondern ein
junges Buch ist und weil es zudem prophetischen Charakter
trägt Die imbefangene Stellung des Verfassers zeigt sich
weiter auch darin, dass er den Widerspruch einiger Katho-
liker gegen die von ihm für kanonisch gehaltene Apokalypse
des Petrus einfach registrirt, ohne das Bedenkliche dieser
Diflerenz hervorzuheben. Mag auch der Widerspruch grade
bei diesem Buche ihm weniger anstössig gewesen sein, so
hätte er über dieselben nicht so stillschweigend hinw^gehen
können, wenn er nicht die Zuversicht gehabt hätte, dass die
Kirche den Widerspruch in Zukunft noch ausgleichen könne
und werde.
Wir können hier nicht zur Beantwortung der Frage
übergehen, ob die Grundsätze, welche der Verfasser in Be-
zug auf den Kanon vertritt, uns nahe an die Zeit herMi-
fiihren, da derselbe geschaffen worden ist; aber dies ist aus
dem Bisherigen deutlich, dass die Gemeindebriefe des Paulus
und die Pastoralbriefe eine verschiedene Geschichte in der
Kirche des nachapostolischen Zeitalters gehabt haben müssen.
Die Aufiiahme dieser ist später erfolgt als die jener imd sie
ist durch bestimmte geschichtliche Entwicklungen, die dem
Verfasser des Fragmentes noch im Gedächtnis sind, veranlasst
worden ; jene waren da, sobald es einen B^on apostolischer
Schriften gab.
These 14 — 20. Der Verfasser hat fiir die Aufiiahme
der Pastoralbriefe in den Kanon den Ausdruck gebraucht:
sanctificatae sunt. Derselbe kann nicht anders übersetzt
werden als „sie sind heilig erklärt worden"; denn dass die
Kirche Schriften, die an sich nicht heilig sind, zu solchen
machen kann, kann der Verfasser nicht vorausgesetzt ha-
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DAS MURATOEISCHE FRAGMENT ETC. 389
ben *). Wohl aber steht ihr ein Urteil über die Heiligkeit
von Schriften zu^ weil sie selbst als ecclesia catholica zugleich
die ecclesia sancta ist, d. h. den heiligen Geist in ihrer
Mitte hat und somit alles geistlich erkennt und richtet. Sind
aber die Pastoralbriefe, sofern sie mit Recht dem Kanon an-
.gehöreu; heilige Schriften, so folgt, dass allen in demselben
befassten Büchern dieses Attribut zukommen muss. Sie teilen
es mit den Schriften der Propheten, die von Anfang an in
der Kirche als heilige Schriften bezeichnet worden sind ^).
Aber während ftir die alttestamentlichen Schriften sich das
Frädicat der Heiligkeit unmittelbar aus ihrem Ursprünge
ergiebt, da der h. Geist selbst in ihnen gesprochen hat, so
recurrirt der Verfasser ftir die Heiligkeit der neutestament-
liehen Schriftien nirgendswo auf ihren Ursprung. In der un-
be&ngensten Weise erzählt er, Lucas habe sein Evangelium
in seinem Namen nach eigenem Bedünken geschrieben und
habe seine G^schichtserzählung verfasst auf Grund der Quellen,
soweit sie ihm zugänglich gewesen sind. Der Impuls zur
Abfassung des Johannesevangeliums ist nicht vom heiligen
Geiste, sondern von den Mitjüngem imd Bischöfen des Apo-
stels ausgegangen. Zwar erwartete Johannes eine Offen-
barung Gottes an alle; aber nicht ein Evangelium wird offen-
bart, sondern dem Andreas wird vom heiligen Geiste mit-
^teilt, dass Johannes suo nomine alles niederschreiben
solle*). Paulus hat pro correptione zweimal an die Ko-
^) Ueber aanctificare in der Itala vgl. Rönsch, Itala u. Vul-
gata, S. 178; über ähnliche Composita S. 174 f.
«) Vgl. 1 Tun. 3, 15: Ugd yQafAfjara. 2 Clem. 48, 1: al Isgttl
ßißXoi. 45, 2 (Cod. C): td legal ygatpaC 53, 1. Polyc. 12, 1: sacrae
litterae (dazu Zahn, p. 128, 7).
8) Die ganze Erzählung hat ihre Spitze in dem Satze: ut re-
cognoscentibus cunctis Johannes suo nomine ctmcta discriberet
(Z. 14 f.) und stellt sich ab der erste apologetische und harmonistische
Versuch dar, die auffallende Tatsache zu erklären, dass das Evan-
gelium des Augenzeugen und Lieblingsjüngers allein eine Beglaubi-
gung (21, 24) hat. Gott hat diese Beglaubigung angeordnet, einer
so ausserordentlichen Weisung bedurfte es; denn wer könnte sonst
es wagen, Worte des Johannes zu bestätigen. Die Fassung von re-
cognoscere ■■ sich erinnern ist sprachlich möglich, aber sie ist nicht
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390 HARNACK,
rinther und Theesalonicher geschrieben, die Briefe an seine
Freunde sind aus liebevoller Hochßchätzung derselben ent-
sprungen, die Weißheit Salomonis endlich ist von Freunden
desselben zu seinen Ehren verfasst worden. Damach kann
darüber kein Zweifel sein, dass die Männer, unter deren
Namen die neutestamentlichen Schriften stehen, für die wirk-
lichen und selbständigen Verfasser derselben zu halten sind.
Eine Inspiration derselben als Schriftsteller ist somit aus-
geschlossen. Die älteste Kirche besass einen klaren Begriff
von Inspiration; inspirirt sind die prophetischen Schriften;
für diese sind die Namen ihrer menschlichen Verfasser nip*
Etiquetten oder besser chronologisch wichtige EJtiquetten;
Schriften einer anderen Literaturgattung können zunäch^
gar nicht fiir inspirirt gehalten werden, so lange der B^riff
der Inspiration gilt, den z. B. Athenagoras (Suppl, 8, p. 8 B),.
der Verfasser der Cohortat. ad Gr. (8) u. A. formulirt ha-
ben ^). Dennoch spricht unser Verfasser den Neutestament-
lichen Schriften das Prädicat der Heiligkeit zu. Wie er
dasselbe nicht auf die Inspiration ihrer Verfasser gegründet
hat, so auch nicht auf das apostolische Amt derselben;
denn im letzteren Falle könnten die Schriflsen nicht von der
Earche fiir heilig erklärt werden. Mithin kann der Charakter
der Heiligkeit den Schriften nur zukommen um ihres In-
haltes willen; mit ihrem kathoUschen Zweck und Inhalt
• ist das Prädicat der Heiligkeit bereits gesetzt, so gewiss die
Kirche, welche die katholische und wahre ist, eben deshalb
auch zugleich die heilige ist.
Es fragt sich aber, wie sich diese Anschauung des Ver-
fassers über die Heiligkeit neutestamentlicher Schriften zu
den fillheren und späteren Urteilen in der Kirche verhält
Paulus ist sich bewusst, dass sein Evangelicun nicht
Menschenwort, sondern Gottes Wort ist (1 Thess. 2, 13), und
er verlangt, dass die napadoaagy die er seinen Gfememden
nur syntactisch die schwierigere, eondem sie verdnnkelt auch d^
Sinn der Ausführungen des Verfctssers vollständig.
1) Vgl. auch 2 Petr. 1, 21 ; doch ist die Fassung dort viellöicht
anders zu verstehen.
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DAS MUKATORISCHE FRAGMENT ETC. 39 X
«iV« ^<« Xoyov iit€ dl intoToXtjg einzuschärfen hat, von ihnen
gehalten werden (2 Thess. 2, 15). Nicht nur dort, wo er
Herrengebote einzuschärfen hat (l Cor. 7; 14, 37), fordert
er unbedingten Gehorsam, sondern auch von Anordnungen,
für die wein bestimmtes Herrenwort nicht hat, bemerkt er:
ovTiog ly Toig ixxXr^aiaig naauig 6 iuruaüOfiai (l Cor. 7 , 17).
Aber natürlich hat er damit weder die Inspiration seiner
Briefe behauptet, noch ihnen als Briefen Heiligkeit beigelegt
Das richtige Verständnis seiner Worte ergiebt sich aus 1 Cor.
2, 4 f. 10 f. Der Verfasser des ersten Clemensbriefes nennt
die Apostel (c. 5, 3) die guten Apostel (vgl. Clem. Hom.
1, 16 p. 19, 8: 0 aya&hg fUr^g), dann fuhrt er im Folgenden
Petrus und Paulus ohne ein Beiwort auf, ganz wie der Ver-
fasser des Fragmentes (Z. 4), Polykarp (9, 1; 11, 2), Igna-
tius (ad Eph. 12, 2 ; ad Rom. 4, 3 ; ad Smyr. 3, 2), Pseudo-
clemens (5, 3 f.) und Papias (Euseb. H. e. IH, 39, 15). Cap.
47, 1 fordert er auf, den Brief des seligen Paulus in die
Hand zu nehmen. Auch Polykarp sagt (3, 2) o ftaxd^og
X. iydo'§og TlavXog (ll, 3: o fAwuuQtog 11.) und der Verfasse
des Fragmentes schreibt Z. 47 f. : ^e heatus apostoUtö PaviM.
(Vgl. Ptolem. ep. ad Floram: o anoajoXog TlavXog drjXoT^
i unooToXog f<^€i5« JlttvXog.) Selbst der Verfiisser der Igna-
tianiachep Briefe hat niemals von den heiligen Aposteln ge-
sproch^a *). Die Parallele von Aposteln imd Propheten ist
fireilich uralt; aber sie hat mit dem Schrifttum überhaupt
nichts zu tun. Andrerseits ist es gewiss nur eine allge-
meine aktkirchliche Vorstellui^, die Ignatius ausgesprochen
hat, wenn er es als selbstveratändüch (ad Trall. 3, 8) vor-
aussetzt, dass Apostel das Recht haben ^ ^Igemeine kirch-
liche Verordnimgen zu erlassen. Indes auch diese Vorstel-
lung darf nicht auf den Umfang ihrer Briefe übertragen
werden. Zwar sagt Polykarp (3, 2) ausdrücklich, dass die
^) Heilige Presbyter: Ignat. ad Magn. 3, 1. Heilige Märtyrer:
Mart. Polyc. 17, 2. Heilige Apostel allerdings Paulus Ephes 3, 5,
aber in gehobenster Rede; als Titel erst im 3. Jahrhundert und bei
Eusebius. Diesem und nicht dem Hegesipp gehört zweifelsohne auch
der Ausdruck d Uqos t. dnooroXtov x^Q^^ ^^ (B. e. HI, 32, 8).
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392 HARNACK,
Philippische Gemeinde durch fleissige Beschäftiguiig mit den
Paulinischen Briefen auf dem ihr gegebenen Glauben sich er-
bauen werde, und nach dem Verfasser des 1. Clemensbriefes
hat Paulus in aXfjd-eiag nytvf.taTix(og mQt ktvrov tb xal
Kfjipa XI mi linoXXd geschrieben, aber Polykarp's Worte fiihren
nicht über das Selbstverständliche hinaus und in geistlicher
Weise schreibt jeder, der den „Geist" besitzt ^). So ist sich
die römische Gemeinde in eben diesem Briefe bewusst, dass
ihre Worte an die korinthische Gottes Worte sind (59, l),
sie fordert deshalb dieselbe auf, gehorsam zu werden roTg
v(f rf^wy y^ygaf^ju^yotg 6ta rov aylov nrev/uarog^) (63, 2),
nicht ihnen, sondern Gott selbst würden sie dann nachgeben
(56, 3). Ebenso erklärt Ignatius (ad Philadelph, 7, l) eine
Anweisung, die er der Gemeinde giebt, flir eine fwyri &fov,
beruft sich aber für dieselbe auf eine besondere Gottesoffen-
barung. Als der neutestamentliche Kanon sich bildete, gab
es mithin eine Vorstellung heiliger apostolischer Schriften,
sofern sie nicht Apokalypsen waren, überhaupt noch nicht
So erklärt es sich , dass ■ unser Verfasser von einem sancH-
ficare durch die Kirche unbefangen sprechen kann, und dass
er diese Heiligkeit der Schriften noch durchaus nicht auf
den Ursprung derselben, auch nicht auf die Heiligkeit ihrer
Verfasser als Apostel, sondern auf ihren katholischen Inhalt
zurückfuhrt. In dem Momente aber, wo das Bewusstsein
um das Princip der Katholicität für die im Neuen Testament
gesammelten Schriften verschwand, musste auch das Prädi-
cat der Heiligkeit eine andere Begründung erhalten. Ist
aber dann der Grundsatz der Apostolicität der für den B^a-
non massgebende geworden, so musste die Heiligkeit auch
von ihr abgeleitet werden. Je mehr die persönliche Bedeu-
tung der Apostel hinter der ihrer Schriflien verschwand, um
so sicherer fiel dann das Prädicat der Heiligkeit der Schriften
1) Vgl. J. Delitzsch, De inspiratione S. S. quid statuerint
patr. apost., p. 58 sq. Alle Christen besitzen den heiligen Greist, han-
deln, schreiben u. s w. efta nyfVfÄarog ^yCov, s. Act. 13, 15.
*) Die Verbindung der Worte efe« r. dy. ny. mit yiyQtc^ft, ist
eben um der parallelen Stellen 59, 1; 56, 3 willen wahrscheinlicher
als die mit ixxoiptjre.
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DAS MCRATORISCHE FRAGMENT ETC. 393
auf den Moment ihres Ursprungs. Diese neue Vorstellung
von der Inspiration der neutestamentlichen Schriften war
aber seit dem Ende des 2. Jahrhunderts um so leichter zu
vollziehen; als die Kirche ja die ekstatische Prophetie als
falsche abzulehnen begann. Eben weil ihr von da ab eine
klare Vorstellung von Prophetie und Inspiration überhaupt
abhanden kam, konnte sie nun ohne Schwierigkeit auch sol-
chen Schrift;en Inspiration zuschreiben^ deren Merkmale bis-
her die Annahme einer solchen überhaupt nicht aufkommen
Hessen. Erst im Laufe des 3. Jahrhunderts hat sich die for-
melle Gleichstellung der alt- und neutestamentlichen Schrif-
ten allmählich vollzogen, sofern nun auch der Ursprung bei-
der Schriftklassen als identisch angegeben wird. Aber die
Anfänge dieser Entwicklung finden sich schon deutlich bei
Irenäus, Theophilus und Tertullian. Wenn Theophilus (ad
Autol. ni; 12) bemerkt, dass die Aussprüche der Propheten
und EvangeUen über die Gerechtigkeit zusammenstimmen
Sia TO Tovg narrag nywfiaioipoQOvg tri nyevfiuit d-tov X(Xa-
Xr^x^yat, so lässt sich nicht verkennen, dass hier Propheten
und EvangeUsten auch formell gleichgestellt sind und die
Evangelien somit auf göttliche Inspiration zurückgeführt wer-
den. Wenn die neutestamentUchen Schriftsteller — denn
diese sind verstanden — auch U, 22 nyevfiuTO(p6Qoi heissen
(notyng ol nyivfÄaxoifOQOi, 15 wy 'icaayyrjg Xeyti) und zusam-
men mit den aytai ygatpai erwähnt werden, so ist deutlich,
dass Theophilus grade darauf schon Gewicht legt, dass die
neutestamentUchen Schriftsteller in demselben Sinn Inspirirte
sind wie die alttestamentlichen, die er 11, 9 mit dem Namen
nytv/jiaxotfOQoi bezeichnet hatte *). Nun lässt sich andrer-
seits nicht leugnen, dass daneben auch noch im 3. Jahr-
hundert, wie oben bemerkt, eine Betrachtung nachwirkt, die die
formelle Unterscheidung von prophetischen und apostoUschen
1) Tertullian setzt die Inspiration der neutestamentlichen Schrif-
ten im strengsten Sinne voraus; vgl. die wichtigen Stellen: De virg.
vel. 4; de resurr. 24; de ieiun. 15. Seine Exegese ist durchaus von
diesem Dogma beherrscht.
Zeitschr. f. K.-O. ni. 8. 27
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394 HARNACK,
Schriften festhält; sie ist jedoch bereits ganz blass und wir-
kungslos.
Aber es firagt sich, ob nicht schon von dem Verfasser
des Fragmentes selbst die neue Vorstellung angebahnt ist, die
erst im 3. Jahrhundert zum Abschluss gekommen ist Z. 16 f.
räumt er unbefangen eine Differenz zwischen den Principien,
d. h. den An&ngen ^) der Evangeüenbticher ein und erklärt
dieselbe aus dem verschiedenen schriftstellerischen Ursprung
derselben. Er bemerkt, dass die Differenz ftlr den Glauben
der Gläubigen nicht anstössig sei *) ; aber er fiigt einen Grund
hinzu, weshalb sie nicht anstössig sei : weil in allen Evangelien
alle Stücke über die Geburt, das Leiden, die Axiferstehung
u. 8. w. uno ac principali spiritu dargelegt seien
(Z. 1 9 f ). Der Verfasser sagt nicht, die Evangelien seien in^i-
rirte Schriften, sondern er sagt: die Hauptstücke der
katholischen regula fidei »ind in den Evangelien
vom heiligen Geist selbst dargelegt*); darum kann
1) Das Wort principia hat hier dieselbe Bedeutung wie Iren, in,
11, 10. 12 und in den demPolykarp zugeschriebenen Fragmenten des
Victor von Capua (PP. App. Opp. fasc. U, p. 171 sq.) Mit Unter-
suchungen über Anfänge und Schlüsse der Schriften hat die gelehrte
theologische Forschung und Exegese begonnen. So berücksichtigt der
Verfasser ausser den Anfangen der Eyangelien im allgemeinen noch
speciell den Anfang des Lucas -Evangeliums, den Anfang des 1. Jo-
hannesbriefes, den Schluss der Apostelgeschichte, den Anfang und
Schluss der Paulusbriefe.
8) Vgl. Tertull. adv. Marc. IV, 2: „Vidorit enim si narratio-
num dispositio variavit, dummodo de capite fidei conveniat" — Aus
dem Ausdruck fides credentium hat man geschlossen, dass der Ver-
fasser des Fragmentes für Katechumenen schreibe, andernfalls hätte
er etwa fides nostra gesagt. Indes diese Annahme ist sehr unsicher.
•) Dass uno ac principali spiritu für ab tmo etc. steht, ist das
Wahrscheinlichste. Oder soll man annehmen, dass der Verftisser selbst
hier noch die Vorstellung einer directen Autorschaft des Geistes m'cht
vollzogen hat? So sagt Irenäus — freilich vom ganzen Umfang der
Evangelien — tergdfioggiov t6 evayy^hov. ivi cfi nvtv fjiax^ irwf/o-
lÄfvop (III, 11, 11). Aehnlich Theophilus HI, 12 (s. oben). Aus
Iren. III, 2, 2 ergiebt sich, warum der Verfasser des Fragmentes das
solenne Prädicat des Geistes durch die beiden anderen ersetzt hat. So
ist es auch kein Pleonasmus, wenn Theophilus (11, 9) von ny^vaate-
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DAS MÜRATORIßCHE FRAGMENT ETC. S9S
der Glaube der Gläubigen getrost die Differenzen der Evan-
gelienanßlnge hinnehmen. Nicht um eine Inspiration der
Evangelienschriften ist es dem Verfesser zu tun, sondern
um da« Zeugnis des Geistes flir den Inhdt der Glaubens-
regd. D^m dass dieser in den Ausdrücken de ncctivitate etc.
gemeint ist, ist fra^OB *). Wiederum offenbart rieh hier das
eigentümliche katholische Interesse des Verfassers am Ka-
non in frappantester Weise, und seine Ausführungen über-
brücken die Kluft, die in der Schätzung der Evangelien
durch die Stellung der Väter in der ersten Hälfte und am
Ende des 2. Jahrhunderts beeeicfanet ist. Zwischen dem
Standpunkt, den Justin einnimmt, und dem so ganz anders-
artigen des Irenäus (III, 11, 11: o Xoyog i'iwx^y t^fitry «-
TQUfiOQtfoy To €vaYY^ioy) tmd Theophilus liegt dw unsereB
Verfassers mitten inne : die Evangelien sind schrifiBtellmsche
Erzeugnisse menschlicher Verfasser, aber dort, wo sie die
Hauptsätze der katholischen regula fidei bezeugen, ist dies
in oder von dem heiligen Geeiste selbst geschehen. Die Ent-
stehung dieser Auffassung aus der älteren unter dem Ein-
druck der gnostischen Antithesen ist dbenso verständlich,
wie die Entstehui^ der jüngeren des Irenäus und seiner Nach-
folger aas dieser. Unserem Verfasser kommt es auf den
götdichen Ursprung auch der . Evangeliai noch nicht an,
wohl aber auf ihren vom Geist gestellten Hauptinhalt ; denn
wie sollte sich sonst der gnostischen Leugnung gegenüber, die
sich doch auch auf Evangeli^i berief, die Wahrheit der Q^
schichte Jesu erweisen lassen, wenn nicht durch ein Zeugnis
des Geistes für diese Geschichte? Aber — fahren wir mit
Irenäus fort — wie soll sich das Zeugnis des Geistes er-
weisen lassen, wenn nicht der Urspnmg dieser Schriften selbst
auf den Geist oder den Logos zurückgefiihrt wird, und diese
vier Evangelien als die von Anfang an gelegten Grundfesten
g}6goi nvBvfAmxoq ay(ov redet. Es giebt ja auch nyit^fAaxotf^QOi ^utßoXav
(s. Herrn. Mand. XI, meine Bemerkungen z. d, St. mid Hesse, S.
109 f.).
1) Wie in dem ältesten römischen Symbol fehlt auch hier die
ausdrückliche Erwähnung des Todes Christi (vgl. PP. App Opp.
fasc. I, 2 edit. II, p. llösq. 137 sq.).
27*
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396 HARNACK,
der Kirche ausgegeben werden? Der Verfasser des Frag-
mentes bekundet seinen älteren Standpunkt eben dadurch,
dass er überall das reine Interesse an dem katholischen
Inhalt der Schriften offenbart. Ist dieses Interesse selbst
eine Folge der gnostischen Kämpfe imd entstammt es somit
der Apologetik und Polemik, so verbirgt sich dasselbe doch
noch nicht wie bei den Schriftstellern von Irenäus ab hinter
den neu erfundenen Attributen, mit denen man die neu-
testamentliche Schrift;ensammlung auszustatten begann.
Die Auffassung von den Evangelien, wie sie sich bei dem
Verfasser findet, ist freilich längst nicht mehr die alte. Nicht
mehr die Herrenworte stehen zugleich im Vordergrund und
ßind das wesentlich normative, sondern die Geschichte Jesu
gegenüber den gnostischen Entstellungen ist das eigent-
lich Wertvolle. Allerdings ist die Verkündigung der Tat-
sachen und Wendepunkte des Lebens Jesu so alt wie die
christliche Predigt selbst (l Cor. 15, If.). Von frühester
Zeit ab hat man für die „Taten" Christi das gleiche Inter-
esse gehegt wie ftir die Worte (der Presbyter des Papias
bei Euseb. H. e. III, 39, 15: ra vno r. Xqiotov ^ Xix^iyra
r) uQax^iyTo)'^ sind doch auch die uralten Symbole mit ihrem
Bekenntnis von der Geschichte Jesu älter als die gnostischen
Angriflfe auf dieselbe. Aber dem Standpimkt der älteren
Zeit entspricht es keinesfalls, wenn der Verfasser aus den
Evangelien nur die Hauptstücke der Geschichte Jesu hervor-
hebt und ftir die schriftliche Aufeeichnung dieser Stücke die
Declaration des heiligen Geistes in Anspruch ninunt ^). Auch
1) Die Ignatiusbriefe stimmen merkwürdig mit dem Gredanken
des Verfassers überein. Wenn Ignatius ad Philad. ö, 1 ermahnt,
man solle zum Evangelium flüchten cJ; caqxX *Itiaov, wenn er 8^ 2 als
den eigentlichen Inhalt des Evangeliams das Kreuz, den Tod und die
Auferstehung angiebt (vgl. 9, 2: i^cUgeroy de n Ix^i to ivayyiXioyf
rr^v naQovciay rov atoTrjQoc, to ndd-o^ avtov xai aydaraüiv^ ad Smym.
7, 2: nQocixB^v dh rofc ngotpffttagj i^mqiTto^ dk r^ BvayyBU^^ iv y
TO ndd-og ijftty dedtiXattrai xal ij dvdaiaaig TfzeXsCtorai u. a. St.), so ist
offenbar, dass auch für ihn der wesentliche Wert des Evangeliums in
der Bezeugung des geschichtlichen Jesus gegenüber dem gnostischen
Doketismus besteht. Darum kann er das Evangelium, welches er je-
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DAS MÜRATORISCHE FRAGMENT ETC. 39T
dies ist neu, dass die Evangelien bereits unter dem Gesichts-
punkt von Lehrschriften aufgefasst werden, und zwar gel-
ten sie als solche in ihrem vollen Umfange; denn selbst ihre
verschiedenen Anfänge, an welche die gnostische, hauptsäch«
lieh die marcionitische Kritik angesetzt, müssen als Beleh-
rungen aufgefasst werden *). Der Verfasser setzt weiter da-
bei voraus, dass in allen Evangelien alles bezeugt sei, was
sich auf die christologische regula fidei bezieht^), und dass
darin volle Uebereinstimmung zwischen den verschiedenen
Evangelien herrsche *). In allen diesen Beziehungen hat er
die Stellung der altkatholischen Kirchenväter zum neutesta-
menthchen Kanon bereits angebahnt. Die Vorstellung von
der Harmonie aller neutestamentlichen Schriftstücke und
Lehrbegriffe ist die notwendige Consequenz dieser Thesen.
Aber diese Consequenz hat der Verfasser selbst noch nicht
gezogen. Dass er über die nächsten Bedürfiiisse noch nicht
hinausgedacht hat, dass es ihm nur darum zu tun ist, die
katholische Kirche und ihre Lehre zu stützen, während er
sich um die Stützen der Stützen noch nicht besorgt zeigt,
ist ein deutlicher Beweis dafür, wie sehr hier alles wirklich
doch noch nicht Im Sinne unseres Verfassers , geschweige in dem des
Lrenäus versteht (s. Zahn, Ignatius, S. 430 f.), kurzweg als das
„Fleisch" Christi bezeichnen. Von einer Inspiration evangelischer
Schriften kann bei ihm umsoweniger die Rede sein, ab es ihm auf
evangelische Schriften überhaupt noch nicht ankommt.
1) Licet varia singuHs evangeliarum libris principia doceantur,
sagt der Verfasser Z. 16 f. Der Ausdruck Itbri evangeliorum ist
sehr befremdlich. Z. 2 hat der Verfasser evangdü librum geschrieben,
Z. 9 ist für das unverständliche QUARTI€UANGeLIORUM viel*
leicht QUARTOeUANGeLIILIBRUM zu lesen; aber der Plural
evtMigelia ist Z. 17 schwerlich zu corrigiren. Somit bekundet der
Verfasser, dass er in der Uebergangszeit schrieb, in welcher man he-
reits begann von Evangelien zu sprechen, aber der alte Ausdruck evan*
gelii Über noch der gewöhnliche war. Z. 9 scheint der Verfasser auch
schon evangelium Johanms kurzweg geschrieben zu haben (Z. 2: se*
cundo Lttcan). Auch Tertullian sagt (adv. Marc. IV, 5) evangelium
Johawnis,
») S. Z. 20.
») Vgl. Overbeck a. a. 0., S. 4f.
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}98 HAKNACK,
noch in den Anlangen ißt Darum ist ihm auch der nicht
apostolische Ursprung des Evangeliums nach Lucas gleich-
gültig; ebenso wie der Umstand, dass Lucas nicht Augen-
zeuge gewesen. Zwar hebt er ea bei dem Johannesevan-
gelium als wertvoll hervor, dass der Verfasser desselben das
gelbst gesehen imd gehört hat, was er geschrieben*), aber
die wesentUche Gleichwertigkeit aller Evangelien steht ihm
fest (Z. 16). Sie ist darin begründet, dass in ihnen allen
.derselbe Geist das nach Art und Umüemg Gleiche declarirt
hat. Auf diesem Geisteszeugnis beruht die Heiligkeit der
Evangelien. Sie ist mithin im letzten Gbnmde nicht anders
gemeint als die der Pastoralbriefe; denn sind diese heilig,
yfeil ihr Inhalt die L^timation für die kirchUche Disciplina
^thält, so sind jene es deshalb, weil sie die ky*chUche
Glaubensregel legitimiren. Der Unterschied besteht nur da-
rin, dass fiir die HeiHgkeit der Evangelien auch schon auf
ihren Ursprung zurückgegangen wird, aber noch in der un-
klaren Weise, dass die volle schriftstellerische Selbständigkeit
^irer Ver&sser dabei bestehen soll.
1) Beiläufig bemerke ich, dass ich in dem Fragmente von einer
Verteidigung des Johanneischen Ursprungs des 4. 'Evangeliums sei-
tens des Verfassers gegenüber Angriffen auf denselben nichts zu finden
Teörmag. Z. 9 — 16 erzählt er eine Legende über den Ursprung des
^«ches, die, wie bereit^^ bemerkt, aus Joh. 21, 24 entstanden ist,
Z. 16 — 26 ist ein Abschnitt, der den vier Evangelien gemeinsam gilt
J>ie Anknüpfung des nun Folgenden ist in der Hauptsache nicht
schwierig. Der Verfasser hat zuletzt bemerkt, dass alle Stücke der
christologischen regula fidei in den Evangelien vom h. Greist gestellt
seien. Bai der Bedeutung dieser Stücke (gegenüber dem gnostischen
Poketismns) ist es selbstverständlich (vgl zu dem quid ergo mif-um si
1 Clem. 43, 1 : xai %l datvytanov cf) , dass sie Johannes auch in sei-
nen Briefen hervorgehoben hat: von solchem hat er geschrieben, was
er gesehen, gehört, betastet hat, und hat sich damit als Augen-,
Ohrenzeugen und Berichterstatter bekannt Also war die Person, von
der er schrieb, ein sinnenfalliges Concretum ; denn Johannes hat naeh
dem sinnlichen Eindruck von derselben geschrieb^i. Das ist alles,
was der Verfasser sagt. Darnach ist deutlich, dass er zwar Gegner
im Auge hat, aber lediglich dieselben, die ihn schon Z. 16 f. beschäf-
tigt haben, die Doketen. Wie wäre es auch denkbar, dass trotz der
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DAS MURATORISCHE FRAGMENT ETC. 399
These 21. Wie der Verfasser zwischen den Evange-
lien nicht unterscheidet, so deutet er auch keinen Wertunter-
schied zwischen den Büchern ; die er als recipirte aufzählt,
an. Alle entgegenstehenden Annahmen haben an d^n über-
lieferten Text keinen Anhalt Allerdings könnte man grade
von hier aus auf die Vermutung kommen, dass unser Ver-
iaseer nicht einfach einen Tatbestand constatirt, sondern
einen Zustand an seinem Teile erst herbeiführen will. In-
des ist andrei^seits zu erwägen, dass weder Irenäus noch
Tertullian semikanonische Bücher kennen. Wenn sie neben
den alttestamentlichen und neutestamentlichen Schriften sich
auf Bücher wie den Henoch, Hermas und andere ähnliche
beinifen, so ist die Erklärung dafür schon oben gegeben
worden. Mit dem Kanon haben diese Schriften nichts zu
tun. Die Gruppe der deuterokanpnischen Bücher ist erst
in 3. Jahrhundert geschaffen worden und ist wie ein Aus-
druck der Verlegenheit, so auch zu allen Zeiten ein Privat-
besitz der Theologen geblieben, deren alexandrinische Vor-
väter üe geschaffen haben. Ja diese Schöpfung ist ein Beweis
dafür, dass die Grenzen des Kanons schon seit dem Ende
des 2. Jahi'hunderts fest gezogene und schwer zu durch-
brechende gewesen sind.
Auch eine Einteilung der kanonischen Bücher lässt sich
-aus. d^n Fragmente nicht erschliessen. Der Verfasser reiht
an die vier Evangelien *) die Apostelgeschichte, 13 Paulini-
'sche Briefe, den Judasbrief, zwei Johannesbriefe, die Weis-
heit Salomonis und. die Apokalypsen des Johannes und Pe-
trus. Nicht einmal der Unterscheidung in to evayyihoy imd
i anoaxoXog hat er einen deutlichen Ausdruck gegeben.
Daraus, dass am Schluss der Aufzählimg der Briefe des Paulus
diesem untergeschobene Schreiben abgewiesen werden *), folgt
engen Verknüpfung von quid ergo sq. mit dem Vorhergehenden nun
plötzlich ein ganz anderes Thema den Verfasser beschäftigen sollte.
1) Dass diese unsere vier Evangelien gewesen und im Fragment
naoh der Reiheniblge: Matthäus, Marcus, Lucas, Johannes behandelt
worden sind, ist überaus wahrscheinlich.
s) Z. 63 f. Der Laodicenerbrief ist vielleicht unser Epheserbrief,
^r jenen Titel in dem marcionitischen Kanon führte. In diesem Fall
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400 HARNACK,
nicht, dass der Verfasser mit dem Judasbrief den Anfang
einer neuen Gruppe hat bezeichnen wollen. Was die Reihen-
folge betriffi, in welcher die Paulusbriefe a\ifgezählt werden,
so ist es wahrscheinlich^ dass der Verfasser sie so in seinem
Bibelexemplar vorgefunden \md für eine chronologische ge-
halten hat *). Aber mehr lässt sich auch über dieselbe nicht
sagen; denn sie ist so undurchsichtig, dass sich schlechter-
dings nichts aus ihr lernen lässt.
These 22. 23. Die Schriften der apostolisch -katho-
lischen Büchersammlung sind gleichartig, mithin darf ihnen
auch nichts Fremdes beigesellt werden (Z. 63 f.). Der Ver-
fasser kennt Briefe, die unter Paulus' Namen gehen, aber sie
sind erdichtet und noch dazu ad haeresem Marcionis, So
wenig dem Honig Galle beizumischen zuträglich ist, so im-
passend wäre es, diese Schriften in den Kanon aufzunehmen *).
Aber auch nicht einmal solche Schriften dürfen in den Ka-
non gelangen, die allen Anforderungen des Kanon genügen^
aber von Häretikern redigirt sind. Der Verfasser meint die
Evangelien-Redactionen des Valentin und wahrscheinlich des
Tatian (Z. 81 £) »).
wäre der Verfesser ^ilich der Leichtfertigkeit anzuklagen. Vom
Alexandrinerbrief wissen wir einfach gar nichts, ihn mit dem Hebräer-
brief zu identificiren war ein schlechter Einfall.
1) Korinther, Epheser, Philipper, Colosser, Galater, Thessalo«
nicher, Römer (Z. 50 f.). Korinther, Galater, Römer (Z. 42 f.).
*) Der Verfasser betont beides, das nomine Pauli fictae und das
ad haeresim Marcionis. Zu dem ersteren vgl. Serapion (bei Euseb.
h.' e. VI, 12, 3) : »J/u«rc yaQ xtä Uirgoy xal rov^ aXXov^ dnomoXovg
dno^B^ofAS^tt iäg XpiffrcV, r« &h ovd/ian «vrdSv %p(v&$n(yqatfa toc 1^
nfigoi 7i€tQaiTov/4eda yiv<oaxoyT(g ort td toutvTa ov naQsXdßofdey (Se*
rapion schrieb z. Z. des Septim. Severus). Unser Verfasser hat übri-
gens die Sap. Salom. unbedenklich aufgenommen, obgleich er weiss
mid sagt, dass sie nicht von Salomo verfasst ist.
8) Dass Z. 81 Tatiani zu lesen ist und unter den abgewiesenen
Schriften das evangelicum instrumentum des Valentin und das Dia-
tessaron Tatians zu verstehen sind, habe ich in der Zeitschr. f. d.
luth. Theol. (1874, S. 276f. 445f.; 1875, S. 207f.; vgl. Zeitschr. f.
wissensch. Theol. 1877, S. 109 f.) nachzuweisen versucht. Das Dia-
tessaron ist bekanntlich vielfach und lange in den Kirchen des Orients
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DAS MÜRAT0RI8CHE FRAGMENT ETC. 401
These 24. Endlich folgt aus den Bemerkungen des
Verfassers zum Hirten des Hermas (Z. 7 3 f.), dass er ledig-
Uch die kanonischen Bücher in der Kirche öffentlich und
regelmässig ^) vorgelesen wissen will. Keine Schrift darf
unter den Propheten imd Aposteln dem Volke in der Ge-
meindeversammlung veröffentUcht werden *), die nicht wirk-
lich entweder diesen oder jenen zugehört. Der Kanon übt
also seine Wirkung bereits auf den Cultus aus. Der Um-
fang der beim Cultus zu gebrauchenden Bücher soll durch
den Umfang des Kanons bestimmt werden. Wir werden
an Stelle der vier Evangelien gebraucht worden; s. jetzt auch die
Doctrina Addaei und den Text des Diatessarons in der Ausgabe des
Commentars von Ephräm (von Mösinger, 1877). Von Valentm sagt Ter-
tullian ausdrücklich: integro instrwnento uti videtur (= uHtur, De
praescr. 38).' Wenn nun andrerseits Irenäus III, 11, 12 von einem
evangelium veritatis des Valentinus spricht, aber selbst zugesteht
(UI, 11, 10), dass die Yalentinianer das Johannes-Evang. unverändert
gebrauchen, so kann jenes evang, vertt. entweder nur eine Zusanunen-
stellung der 4 Evangelien oder ein 5. Evangelium neben den 4 Evan-
gelien gewesen sein. Das erstere ist das Wahrscheinlichere. — Die
Kunde, dass Valentin und Tatian ein neues Psalmenbuch für Mar-
cion geschrieben haben sollen, erscheint weniger auffallend, wenn man
erwägt, dass 1) eigene Marcionitische Psalmen von einem allerdings
späten Berichterstatter ausdrücklich erwähnt worden sind (Zeitschr. f.
wissensch. Theol. 1877, S. 109 f.) und dass 2) schon Clemens und
Origenes eine gewisse Solidarität der Valentinianer, Basilidianer und
Marcioniten in der Schriftbenutzung bestimmt bezeugen. Dass ihre
Aussagen nicht etwa leichtfertig gemachte sind, ergiebt sich aus einer
Vergleichung der Marcionitischen Exegese der Paulusbriefe (Tertull. 1.
V) mit der Valentinianischen und Basilidianischen Exegese derselben
Briefe bei Hippolyt (Philos.).
1) Zahn (Gott. Gel. Anz. 1878, 2. St., S.37) hat gewiss richtig
geurteilt, dass der Verfctöser die regelmässige Leetüre verbietet.
Oeffentliche Verlesung von Schriftstücken, welche den Gemeinden aus
Irgend welchem Grunde von Wichtigkeit waren, in den Gottesdiensten
hat jedenfalls noch im 3., ja im 4. Jahrhundert stattgefunden.
*) Se puhlicare in ecclesia populo inier apostolos et prophetca,
sagt der Verfctöser und hat damit einen umfassenden und präcisen
Ausdruck gewählt. Je&^fxtxMVfji^a (dtifio^ut) ßißX^a hiessen schon bei
den Juden die alttestamentlichen Schriften, sofern auch bei ihnen die
öffentliche Verlesung Zeichen des normativen Ansehens war; vgl. aber
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402 UARNACK;
nicht irren, wenn wir annehmen, dass in früherer Zeit um-
gekehrt dei' cultische Gebrauch gewisser Bücher sie fiir die
Aufnahme in den zu schaffenden Kanon prädestinirt hat und
dasß auch später noch, da der Grundsatz des Verfassers nicht
eingehalten worden ist, Schwankungen über den Umfang des
Kanons durch jenen herbeigeführt worden sind ^).
Zur Bestimmung des terminus a quo der Abfassungs-
zeit des Fragmentes ist auf die Behandlung Montan's und
Tatian's — die Richtigkeit dieser Conjectur vorausgesetzt —
zu verweisen. Mag man mit dem Auftreten Montanas auch
noch so weit hinaufgehen *) und der Nachricht des Präde-
^tinatus (c. 26) Glauben schenken, dass Soter gegen die Kata-
phryger geschrieben habe, immerhin bleibt es höchst unwahr-
scheinlich, dass vor den Jahren 170—175 ein Abendländer
den Montan so behandelt hat, wie der Verfasser des Frag-
mentes. Auf denselben Zeitpunkt fiihrt die abschätzige Be-
.urteilung Tatian's. Dieser scheint noch um das Jahr 160
ein ang^ehener kirchlicher Lehrer in Rom gewes^a zu sein
-(Euseb. H. e. V, 1 8), während ihn un«er Verfasser ganz wie
Irenäus (I, 26, 1 ; IQ, 37 : connexio f actus omnium haereti-
corum) mit Valentin und Marcion zusammenstellt. Die Zeit
um das Jahr 170 --175 bildet so jedenfalls aufwärts die
äusserste Grenze. Der terminus ad quem kann aus der Be-
merkung über die Abfassungszeit des Hirten nur luigicber
bestimmt werden. Indes — ist der Hirte um das Jahr
135 geschrieben, so erscheint es nicht ratsam, über die Zeit
auch Valentiii bei Clem. Alex. Strom. VI, 6, 62: noXXd iwy y«x^«fi-
fdäyuty h inii d>i^oa(ai^ ßißXoig. Der Begriff des Apokiypheii ist- von
hier xas gebüdet worden.
1) An die Briefe des Clemens undBaruabas und ihre Geschichte
in der Kirche ist vor allem hier zu erinnern; ygl. die bekannten
SteUen Euseb. H. e. IV, 23, 11; VI^ 12, 2f. etc.
*) Soyres (Montanism and the primitive church, 1878, p. 25 sq.
157 sq.) wül das Auftreten Montan's schon um das Jahr 180 angesetzt
wissen.
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DAS MURATORISCHE FRAGMENT ETC. 403
des Commodus mit der Abfassung des Fragmentes herab-
ÄUgehen. Auch die Anerkennung einer Petrusapokalypse im
Kanon, das Fehlen des 1. Petrusbriefes, die Nichterwähnung
der monarchianischen Bemühungen um den Kanon und man-
ches andere rät, das 9. Decenniimi des 2. Jahrhunderts nicht
2u verlassen.
Wichtiger als der Streit um Jahrzehnte ist die Frage,
wie sich die Anschauungen des Ver&ssers von der kanoni-
schen Sammlung kirchlicher Schriften zu denen des Irenäus
xmd Teii;ullian verhalten ^). Eine umfassende Antwort auf.
^ese Frage kann hier nicht gegeben werden ; denn die Stel-
lung dieser beiden grossen Eirchenväter zum neutestament-
lichen Kanon ist bisher noch nicht gründUch untersucht wor-
den. Indes lässt sich soviel bereits bemerken, dass die
Ansichten unseres Verfassers, welche in der 6., 7., 10., 11.,
12., 14., 15., 16., 17. These zusammengestellt sind, weder bei
Irenäus noch bei TertuUian irgendwie deutlich mehr zum
Ausdruck gekommen sind *). In dieser Hinsicht repräaentirt
der Verfasser des Fragmentes unzweifelhaft eine ältere Stufe
.d^ Ansichten vom neutestamentlichen ELanon und zugleich
eine solche, die wir ohne seine Zeilen höchstens durch Con-
jectur erschliessen könnten. NamenÜich bei seiner Behand-
^^ Von den Alexandrinern mnss zunächst abgesehen werden.
Wahrscheinlich ist in Alexandrien eine Sammlung neutestamentlicher
Schriften unter ganz anderen Voraussetzungen zu Stande gekommen
.als in Kleinasien und Born. Clemens von Alexandrien betrachtet die
jneisten Schriften, die jetzt im neutestamentlichen Kanon vereint sind,
.und ausserdem viele andere, verhältnismässig sehr junge Bücher als
prophetische, d. h. als Orakelsammlungen. Es genügt auf Pae-
.dagog. I, 6, p. 127 edW. Potter (<f*« tovto aqa fAwstixiiig to i¥ ttf
anoatöXt^ [seil. Paulo] ayiQv nvev/^a rfl rov xvgiov anoxQoifitvov ipt^fj,
räka ^fAOi inoTwa [1 Cor. 3, 2], Uyeni yd^ dykysvv^^^nM^y •'f
Xgiffroy^ 6 dyecyivyiaug r^fdäg ixiQitpBi n^ ^i^ ydXaxn, tu) Xoyi^) und
Paedagog. II, 10, p. 238 (xav x6v no^t]qvi rtg nu^a^Bd^ xdy xvi^ioVj
6 noixiXay&iis ixsiyog j^trcur rd rije oocfiaq üifd^ ^€ixwH, tdg noixCXac
xai fi^ fLttQuiyQ^urag yqaffaq, t« Xoytn tu %ov xvqIov, jaig tijg dXrid-klng
jxnaazQdTtToyTa avyaTs) zu verweisen. Andere Stellen bei Bouth,
J^eliq. Sacr. V, 342 sq.
*■ 2) In dem Briefe der Gemeinden von Lugdunum und Yienna
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404
long des Lucas-Evangelium und der Paulusbriefe wird die-
selbe offenbar, und sie erprobt sich femer an seiner Beur-
teilung der Evangelien überhaupt und vielleicht auch an dem
Schweigen über den 3. Johannes- und den 1. Petrusbrief.
Umgekehrt könnte man aus dem, was in der 8. und
24. These erhoben ist, schliessen wollen, dass der Verfesser
des Fragmentes zeitlich dem Irenaus nachzusetzen sei. Allein
was seine Stellung zu den Schriften der kirchlichen Propheten
betrifil, so steht der Annahme nichts im Wege, dass schon
im 2. Jahrhundert imd vor oder zur Zeit des Irenäus Kle-
riker so consequent geurteilt haben wie er; die indirect ge-
gebene Anweisung aber, dass der Umfang der Uturgischen
Leseschriften sich mit dem der kanonischen Bücher decken
müsse, mag mehr Wunsch und Bestreben des Verfassers als
Ausdruck einer wirklich bestehenden Praxis gewesen sein.
Repräsentirt der Verfasser aber im ganzen einen älteren
Standpimkt, als der des Irenäus xmd Tertullian gewesen ist,
für welche der Grundsatz der ApostoUcität augenscheinlich
bereits der allein massgebende war ^) , und kann in dem
Zeitalter des Justin von einem neutestamentlichen Kanon
der Qrosskirche überhaupt noch nicht die Rede sein, so fragt
es sich, ob die Anschauungen, welche der Verfasser zum
Ausdruck gebracht hat, nicht diejenigen sind, welche die
Bildung des Elanons veranlasst haben. Auch diese ent-
scheidende Frage kann in einer monographischen Abhandlung
sind bekanntlich sehr reichliche Citate ans neutestamentlichen Schrif-
ten enthalten. Nur in drei Fällen sind dieselben durch eine Citations*
formel eingeführt. Joh. 16, 2 ^mrd als ein Herrenwort (V, 1, 15) ci-
tirt (inXtjQovTo ro tJno tov xvqCov UfAtSy tiQfifiiwov) \ Act. 7, 58 f. wird
eingeleitet mit den Worten: xa^ntq Ixiq>avog 6 tiXuog fjuigtvg (2, 5).
Nur Apoc. 22, 11 wird mit der Formel citirt: IVa ij yqutpn nXrigio^g
(1, 58). Dies mag insofern zufallig sein, als die Yerfieisser gewiss auch
andere Schriften der Apokalypse völlig gleichgestellt haben ; aber man
wird vielleicht vermuten dürfen, dass die einer älteren Zeit entstam«
mende Citationsweise bei ihnen noch nachwirkt.
1) Eusebius hatte eine Einsicht davon, dass dieser Grundsatz an*
gesichts des überlieferten Kanons nicht durchführbar sei. Er hat des-
halb auf jede principielle Begründimg für den Umfang des Kanons ver-
zichtet und sich ganz und gar auf die Tradition zurückgezogen. *
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DAS MURATORISCHE FRAGMENT ETC. 405
über das Fragment nicht zum Austrag gebracht werden.
Aber so viel wird aus dem Erörterten deutlich sein, dass für
diese Hypothese sehr vieles spricht. Die wenigen Zeilen des
Verfassers fuhren uns in eine Zeit, da man noch ein Bewusst-
sein davon hatte, dass die Kirche am Kanon producire, um
ihr Taufbekenntnis zu legitimiren und eine apostolisch -ka-
tholische Urkundensanmilung dem önosticismus und Mon-
tanismus entgegenzustellen. Dieselbe erscheint gegenüber den
montanistischen Ansprüchen, d. h. gegenüber den Grund-
sätzen, welche zwei Menschenalter hindurch in den Heiden-
kirchen unbefangen befolgt worden ?varen ^), bereits als ge-
schlossen, sonst aber noch als offen. Aber auch dem Gno-
sticismus gegenüber erscheint sie als geschlossen, sofern das
Princip, nach welchem sie angelegt ist, jede MögUchkeit aus-
BchUesst, „Gulle unter den Honig zu mischen ''. Die Unbe-
fangenheit, in welcher der Verfasser den Kanon der katho-
lischen Kirche unterordnet, ist bei Irenäus und TertuUian
nicht ^mehr zu finden. Ohne Grund würde man sich über
den ausserordentlich raschen Verlauf des Prozesses hier wxm-
3em; denn die formelle Gleichstellung der neuen Sammlung
mit der des Alten Testamentes musste in der Tat in kür-
zester Zeit alle Urteile ändern und alle fiüheren Erkennt-
nisse auslöschen. Dazu kam, worauf oben schon hingedeutet
■wurde, dass die Attribute, welche der Verfasser der neuen
Sammlung beigelegt hat, zwar für die nächsten Zwecke aus-
reichten, aber auch nur fiir diese. Nur unter der Bedin-
gung einer reinen und consequenten Durchfuhrung der Prä-
dicate der Apostolicität und Inspiration konnte der Kanon
die Dienste alle tun, die man von ihm verlangte und zu
deren Leistung er geschaffen war.
1) Selbst auch noch die kirchliche Praxis eines yerhältnismässig
jungen Häretikers, des Apelles, zeigt uns, dass der sogenannte Mon-
tanismos mit seiner Antithese gegen einen geschlossenen Kanon nicht
der Neuerer ist. „Habet praeterea", schreibt Pseudotertullian c. 19
von ApeUes, „privatas sed extraordinarias lectiones suas, quas ap-
pellat Phaneroseis Philomenes coiusdam puellae, quam quasi pro-
phetissam sequitur."
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406 HABNACK;
Ist aber der Kanon der katholischen Kirche erst dieser
selbst auf dem Fnsse gefolgt ^ sollte er dem Ghiosticisinu»
gegenüber auf die Frage Antwort geben ^ was urkundlich*
christlich sei — eine Frage, um welche sich z. B. Justin im
Grunde nicht gekümmert hat, weil er ihre Beantwortung ftür
selbstverständlich hielt — , und sollte er den tmbequemsten
Gegnern gegenüber, den „Altgläubigen", die audientischen
Anweisungen f&r das christliche Leben ein fUr alle Male ein*
schränken, dann wäre schwer abzusehai, welch ein Mittel*
glied zwischen Justin und dem Verfasser des Fragmentes noch
eingeschoben werden könnte. Der apologetische Kunstgrifl^
durch welchen er die Stellung der 9 Paulusbriefe im Kanon
rechtfertigt, weist allerdings daraufhin, dass die Sammlung^
der Schriften nicht nach den Grundsätzen vollzogen ist, welche
der Verfasser auf sie angewendet wissen will; aber das Zu-
geständnis, dass Sammlungen von Schriften dem neutesta^
mentlichen Kanon vorang^angen sind, welche sich ihrem
Bestände nach wenig von diesem unterschieden haben und
die Grundlage für die Bildung desselben abgaben, ist für die
Frage nach der Kanonisirung der Schriften relativ gleich-
gültig, 80 wichtig es ist, mn zu verstdien, wie die neue Ord*
nung der Dinge nicht notwendig überall als ein Umschwung
empfunden werden musste. Handelt es sich um Mittelglieder
zwischen dem Verftisser des Fragmentes tmd den Vätern aus
der Zeit des Bamabas imd Justin, so kann man nur auf die
christlichen Secten- und Kirchenstifter recurrirai, welche das
Alte Testament vollständig oder teilweise preisgegeben haben,
auf Basilides, Valentin und seine Schüler, vor allem aber auf
Marcion. Diese Männer haben zuerst ein Interesse gehabt^
die Frage zu stellen und streng zu behandeln, was christlioh
sei, imd zur Beantwortung dieser Frage authentische Urkunden
zu gewinnen, wenn auch in den von ihnen gestifteten Ge-
meinschaften die „Prophetie" zunächst sich gleichfalls noch
erhalten hat.
Der sicherste Beweis aber, dass die Kanonisirung der
Evangelien und Briefe erst nach der Mitte des 2. Jahr-
himderts stattgefunden hat, liefert der Montanismus. Diese
Richtung hätte gar nicht mehr so hervortreten und die Ge»
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DAS MURATORI8CHE FRAGMENT ETC. 407
genrichtung ziim Kampfe aufinfen können unter der Herr-
schaft eine» nentestamentlichen Kanons. Man braucht nur
die montanistischen Schriften Tertullian's aufmerksam zu
studiren^ um den lebhaftesten Eindruck zu. gewinnen, welche
Schwierigkeiten dem Montanisten der Schriftenkanon^ den er
als Katholiker acceptirt hat; macht Dass der Montanismus^
als er in Kleinasien zum Kampf sich erhob ^ an kdnen
Schrifleiikaiion gebunden war, daes er nachträglich und
künstlich erst sich mit einem solchen abzufinden versucht hat^
ist eine der sichersten geschichtlichen Beobachtungen. Sie
wird aber durchs das, was uns Eusebius H. e. V, 18, 5 und
VI, 20, 3 erzählt, ausdrücklich und direct bestätigt Als
der Montanismus den nentestamentlichen Kanon acceptirte,
hat er sich selbst den Todesstoss versetzt, und nur ein Theo-
loge wie TertuUian konnte es noch mögUcb machen, die An-
forderungen zweier Zeiten zu vereinigen.
Nachdem die Berufung auf das Alte Testament allein
sich als ungenügend, auf die Gemeindeprophetie sich als be-
denklich erwiesen hatte, hat die Grosskirche aus ihren Lese-
schriften einen zweiten Kanon gebildet Hat sie dies auch
nicht in bewusster Nachahmung der Gnostiker und Mar-
cioniten getan, so sind diese ihr allen Anzeichen nach
doch factisch vorausgegangen. Als der Kampf zwischen
der alten und der einem neuen Zuge folgenden Richtung
aufs lebhafteste entbrannte, fand es sich von selbst, dass die
werdende neue Schöpfung, die ihre Spitze zunächst gegen
die Häresie kehrte, auch gegen die „ Enthusiasten " zu brau-
chen war. Unter diesen geschichtlichen Bedingungen kam
wie die Auswahl so die Prädicirung der gelesensten ur-
christUchen Schriften zu apostolisch-katholischen Schriften zu
Stande, wobei allerdings von Anfang an Gewohnheit imd
Herkommen die reine Durchfuhrung des Princips der K^tho-
licität beschränkten. Die Sammlung wurde dann dem Alten
Testament gleichgestellt und so entstand der xuvwy twv ßißUo)y
TT^g xutytjg ^ta&tjxfjgj auf den dann bald die Attribute des alt-
testamenthchen Kanons übertragen wurden, während gleich-
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408 HARNACK, DAS MÜRAT0RI8CHE FRAGMENT ETC.
zeitig oder schon vorher das Prädicat der Apostolicität die
strengste Fassung erhalten hatte. Die Uebertragung jener
Attribute hatte völlig neue Ansichten über den Ursprung,
den Inhalt; ja den geschlossenen Umfang der neuen Samm-
lung zur Folge. Aus den das erste Jahrhundert bewegen-
den Gegensätzen des jüdischen, judaistischen, jüdisch-pau-
linischen und hellenistischen Christentums kann für die Ent-
stehung des neutestamentUchen Kanons schlechterdings nichts
gefolgert werden. Er ist wie die explicirte Tauf formel (die
regula fidei) und die Ausbildung der kirchlichen Hierarchie
(nach dem Grundsatz des apostolischen Amtes der Bischöfe)
Product der zur katholischen Kirche werdenden Grosskirche
aus den Heiden.
Indes — diese Andeutungen gehen bereits über die
dieser Abhandlung gesteckten Grenzen hinaus. Es sollte in
ihr durch den Versuch einer vollständigen Beurteilung imd
Verwertung des Muratorischen Fragmentes lediglich ein Bei-
trag zu der noch ausstehenden kritischen Geschichte der Ent-
stehung des Neuen Testamentes gegeben werden.
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Papst llrban Vf.
Von
Theodor Lindner in Münster.
Am 20. September 1878 war seit jener Wahl Cle-
mens' Vn.; welche das grosse Schisma eröfihete, ein halbes
Jahrtausend verflossen. Ein denkwürdiger Tag, nicht allein
in der Geschichte des Papsttums! Denn wer möchte leug-
nen, dass die Erhebimg des Cardinais von Genf zum Gegen-
papst von weittragenden Folgen gewesen ist, dass ihre Nach-
wirkungen greifen bis zur deutschen Reformation?
Wie war das Papsttum eingetreten in das 14. Jahr-
hundert und wie anders ging es in das 15. Jahrhundert hin-
über! Welche Wandlungen liegen zwischen Bonifacius' VIII.
und Bonifacius IX.! Wohl war die abendländische Welt
seit langem gewöhnt, vom Stuhle Petri herab Worte voll
imgemessener Ansprüche zu hören, aber Bonifacius' VIII.
Bulle „ TJnam sanctam ", dieses Hohelied päpstlicher Allge-
walt, welches den Nachfolger Petri als Richter aller Welt
verkündigte, war doch der schneidendste Klang, den sie je
von dorther vernahm. Bonifacius IX. sah die eine Hälfte
der Christenheit seiner Obedienz entfremdet, die andere,
welche ihm anhing, en^egt und erzürnt über die heillosen
Zustände der Kirche; Künste aller Ai*t muss er anwenden,
um ein allgemeines Concil zu hintertreiben, welches sich zum
Richter über das Papsttum aufwerfen sollte. — Ein neues
Geistesleben rang sich allenthalben empor: in Italien hatte
bereits der Humanismus seine ersten Wurzeln getrieben, in
England Wicliff seine gewaltigen Angriffe unternommen; in
Zeitscbr. f. K.-G. III, 8. 28
Digitized by VjOOQIC
410 UNDNER,
Deutschland verjüngte sich neu und fruchtbar die Mystik, in
den Städten wucherte die Ketzerei, in Böhmen predigte Johann
Huss! Zwar gingen diese Richtungen von verschiedenen
Grundgedanken aus und waren widersprechend und unklar
über die letzten Ziele, aber derselbe Ruf nach Reform der
Kirche an Haupt und Gliedern klang in ihnen allen mit
tausendfachem Echo wieder. Weil das durch das Schisma
gespaltene Papsttum seiner alten ELraft beraubt war, ver-
mochten sie sich zu behaupten imd immer weitere Kreise
zu erfassen. Dass aber das Schisma entstanden war, dass
es dann Jahrzehnte bestehen blieb, daran trug Urban VI.
die meiste Schuld.
Ich will die merkwürdige Geschichte seiner Wahl hier
nicht wiederholen; es genüge, die Hauptmomente hervorzu-
heben ^).
Gregor XI. sah sich genötigt, von Avignon nach Rom
zurückzukehren, wenn nicht das Papsttum seine Stellung im
Mittelpunkt der Welt einbüssen sollte. Die Rückkehr nach
der alten Heimat veränderte jedoch nicht den französischen
Charakter, welchen die avignonesische Zeit der Curie aufge-
drückt hatte; von 16 Cardinälen, welche fiir die Neuwahl in
Betracht kamen, als Gregor am 27. März 137Ö voll Kunmier
dahinschied, waren nur vier Italiener. Wenn trotzdem kein
Franzose auf den heiligen Stuhl erhoben wurde, so lag das
hauptsächUch an dem Zwiste, der unter den ultramontanen
Cardinälen herrschte, denn von den beiden sich befehdenden
Parteien, den Limusinem und den Galliern, wollte keine
der anderen ihre Stimme geben. Erst in zweiter Linie stand
die besorgte Rücksicht auf die Stadt Rom, deren Bevölkerung
drohend einen Römer verlangte. Schon war die Wahl des
Erzbischofs Bartholomäus von Bari gesichert, niu* die letztCTi
Formalitäten waren noch zu erföllen, als die au%eregte Volks-
1) Ausführlich habe ich über sie gehandelt in SybeFs Histor.
Zeitechrift 1872, XXVm, 101 ff.; für das Folgende finden sich die
Belege meist in meiner „Geschichte des deutschen Reiches vom Ende
des 14. Jahrhunderts bis zur Reformation^^ (Braunschweig 1875 imd
1876), 1. u. 2. Band.
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PAPST ÜRBAN VI. 411
menge in das Conclave eindrang und die Schlixsshandlung
verhinderte. Die Cardinäle stoben voll Furcht auseinander.
Erst als der Sturm sich gelegt hatte, erfolgte nach einigen
Tagen am 18. April ohne jede Störung die Krönung des
Gewählten, der den Namen Urban VI. annahm. Ausdrück-
lich hatten die Cardinäle vorher noch einmal auf ihn ihre
Stimmen vereinigt.
Bartholomäus von Prignano, geboren in Neapel ums
Jahr 1318 von einem aus Pisa eingewanderten Vater und
einer dort heimischen Mutter, war fiüh an die Curie von
Avignon gekommen und erwarb sich dort durch seine Tüchtig-
keit Ansehen imd einfiussreiche Gönner. Er erhielt 1363 das
Erzbistum Acerenza in Unteritalien, welches zwar von grossem
Umfange, aber geringem Einkommen war. Gregor XI. über-
trug ihm das reiche Erzstift Bari tmd zugleich die einfluss-
reiche Stelle des Vicekanzlers der römischen Kirche. So war
Bartholomäus mit den Geschäften völlig vertraut, als er
nunmehr 60 Jahre alt die dreifache Krone davontrug. Er
war fahlen Gesichtes, wie die meisten Süditaliener, von kur-
zem, gedrungenem Körper, der grosse Anstrengungen er-
tragen konnte. Der Kraft des Leibes entsprach die Rüstig-
keit und Energie des Geistes, dem fortdauernde, angestrengte
Beschäftigung Bedürfiiis war. Urban hatte tüchtige Studien
im kanonischen Rechte gemacht; er galt überhaupt für ge-
lehrt imd schätzte imd förderte die Vertreter der Wissen-
schaft. Seine Bullen und Briefe, deren allgemeine Haltung
gewiss von ihm beeinflusst wurde, sind in kräftiger, fliessen-
der Sprache, in bilderreichem, schwungvollem Stile geschrie-
ben. Mit Gewissenhaftigkeit imd Eifer erfüllte er stets die
kirchlichen Pflichten, noch auf dem Nachtlager pflegte er
die Bibel zur Hand zu nehmen. Sein ganzes Wesen war
ernst und streng; sittliche Ausschweifungen und schwelge-
rische Ueppigkeit lagen ihm fem. Einfach und schlicht er-
schien er auch als Papst in der Oeffentlichkeit, auf einem
Maultiere reitend, nur von einem Diener gefolgt. Im Gegensatz
zu so manchen hochgestellten Personen an der Curie brachte
er den Ruf eines \mbestechlichen , uneigennützigen Mannes
auf den Thron mit. Selbst Demut und Bescheidenheit sollen
28*
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412 LINDNER,
ihn geziert haben, ehe er die höchste Würde der Christen-
heit erreichte ^).
Als die Wahl unter dem Drange der Verhältnisse er-
folgte, wusste offenbar niemand so recht, wessen man sich
von dem Barenser zu versehen habe, wie das bei Personen,
welche durch Compromisse streitender Parteien erhoben wer-
den, so oft der Fall ist. Aber es ist glaublich, dass die
Cardinäle erwarteten, in ihm eine gefugige Natur zu finden,
welche sich ihrem Einflüsse nicht entziehen würde. In der
Geschichte der Papstwahlen sind es nicht seltene Fälle, dass,
wenn eine Einigung nicht zu erzielen war, die Wähler zum
Notbehelf einen Mann erkoren, der fUr imbedeutend galt,
gewissermassen als Zwischenpapst, um den Entscheid über
den Vorrang der Parteien für die nächste Wahl aufzuschie-
ben. Es fehlt nicht an Andeutungen, dass es mit der Er-
hebung Urban's eine ähnliche Bewandtnis hatte. Aber zu-
weilen entpuppten sich diese gering Angeschlagenen als recht
tatkräftige Geister. So auch Urban VI. Der vorher de-
mütige und bescheidene erhob als Papst gewaltig sein Haupt;
denen, welche ihn für einen schwachen, biegsamen Charakter
gehalten, zeigte er das grade Gegenteil, und er trug Sorge,
dass diejenigen seiner Wähler, welche über ihn etwa im
Unklaren gewesen waren, gar bald genauen Bescheid er-
hielten.
Denn es drängte ihn, seine errungene Stellung auch
gleich geltend zu machen. Während seines langen Aufent-
halts am päpstlichen Hofe hatte er richtig erkannt, wo die
schweren Schäden des Papsttums lagen, und er war ent-
schlossen, sie gründlich zu beseitigen. Kein Misstand fand
so allgemeine und gerechtfertigte Anklage, wie das Treiben
der Cardinäle, ihr glänzendes Leben, ihre Vergeudung der
der Kirche gehörenden und immer neu zufliessenden Schätze.
Daher erklärte er, die Reform der Kirche müsse an dem Haupte
beginnen; mit bitteren Worten tadelte er die Prunksucht und
Ueppigkeit der Purpurträger, forderte er Besserung, mit dem
Beispiele der Strenge gegen sich selbst vorangehend. Dem
1) D'etr'ch von Niem, Hb. I, cap. 1.
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PAPST URBAN VI. 413
Schwärme von Geistlichen aller Stände und Länder, welcher
sich an den päpstlichen Hof zu heften pflegte und oft nur
unter dem Verwände von Geschäften die Einkünfte verzeh-
ren half; wurde befohlen, in die Heimat zurückzukehren. Die
fortwährenden Geldsammlungen, welche die päpstlichen Col-
lectoren überall veranstalteten, wollte er abgestellt wissen.
Nicht mit Unrecht hoffte er durch solche Massregeln die ge-
Bimkene Achtung vor dem Papsttum wiederherzusteDen und
dessen moralische Macht zu heben.
Doch beschränkten sich Urbans Pläne wahrscheinlich
nicht auf die Reform seiner nächsten Umgebimg und seines
Hofhaltes. Er wollte anknüpfen an die voravignonesische
Periode, die Rückkehr nach Rom sollte allen Beziehungen
ihren neuen Stempel aufdrücken. Er hatte gesehen, wie die
französischen Cardinäle die Curie dominirten, wie sie Urban V.
vermochten, noch einmal nach der Provence zurückzukehren,
wie sie den Einfluss des Papsttimis den politischen Zwecken
des französischen Königtums dienstbar machten, er wusste
auch, dass sie in der Mehrzahl noch jetzt nach Avignon
zurückstrebten. Der Einsicht, dass das Papsttum heraus-
treten müsse aus dem einseitigen Interessenkreise Frankreichs,
dass es nicht mehr einem einzelnen Reiche angehören dürfe,
sondern dem gesammten Abendlande, verschloss er sich kei-
neswegs, und so wurde die Loslösung vom französischen
Uebergewichte das Programm Urbans. Deshalb wollte er
den grössei*en Teil der Cardinäle, die in ihre Bistümer zu-
rückkehren sollten, vom Hofe entfernen, deshalb beabsich-
tigte er die Ernennung neuer aus allen Ländern der Christen-
heit.
Die Rückkehr nach Rom wies zwingend darauf hin,
den italischen Verhältnissen erneute Aufinerksamkeit zu schen-
ken. Das Werk des grossen Albomoz war schneU wieder
zerfallen, der Bestand des Earchenstaates aufs neue geftOirdet,
der Krieg mit den Florentinern erforderte grosse Opfer und
drohte dem Abfall der päpstlichen Gebiete weiteren Vor-
schub zu leisten. Eine nicht geringe Aufgabe in nächster
Nähe harrte denmach ihrer Lösimg. Und wenn auch Urban
absehen wollte von jenen tmziemlichen Mitteln, seinen Schatz
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4U
zu füllen, so strömte doch immer noch Gold in reicher Fülle
zu, völlig genug, eine grosse Politik zu ergreifen, sobald die
Curie nicht wie bisher ungezählte Summen verschlang. Jene
Sparsamkeitspläne hatten demnach nicht ausschliesslich ein^i
moralischen Grund. Wieweit Urban's Pläne anfangs gingen
imd welcher Art sie waren, muss dahingestellt bleiben^ da
der Ausbruch des Schismas hindernd und ändernd einwirkte.
Aber soviel ist als sicher anzunehmen, dass er vom Beginn
seines Pontificats an sein in den inneren Verhältnissen ihm
wohl -bekanntes Vaterland Neapel ins Auge fasste. Die ake
Königin, die berüchtigte Johanna I., hatte keine unmittel-
baren Erben. Hier konnte eine entschiedene Politik am
ehesten die Machtstellung des heiligen Stuhles erhöhen.
So war Urban voll grosser Gedanken, gewiss ein Mann
nicht gewöhnlichen Schlages; es fragte sich nur, ob er die
Aufgaben, welche er sich gestellt, auch lösen könne, ob er
die richtigen Mittel dazu finden werde. Die grösste Ge-
wandtheit, die feinste Klugheit war nötig, um die stolzen
Cardinäle in allen Stücken dem päpstlichen Willen unterzu-
ordnen ; nicht mit Einem Male, nur allmählich durfte Urban
vorgehen. Aber die Leidenschaftlichkeit seines Tempera-
mentes riss ihn fort, der Ungeduld, schnelle Erfolge zu er-
zielen, wurde er nicht Herr. Uebereinstimmend wird be-
richtet, dass er den Cardinälen viel zu schroff entgegentrat,
dass er in unziemender Weise seine Befehle erteilte, mit
einer gewissen inneren Genugtuung allen persönlichen Ab-
neigungen nachgab. Gleich von Anfang an zeigte seine
Führung der Zügel ,,modimi sine modo"*), und doch sass
er nicht so fest im Sattel, wie er glaubte.
Die Folgen seines Auftretens blieben nicht aus. Einer
der Cardinäle nach dem andern entwich „aus Gesundheits-
rücksichten" nach Anagni, schon Mitte Juli waren sie ent-
schlossen, sich des imliebsamen Herrn wieder zu entledigen.
In diesem Wunsche begegneten sie sich mit Johanna von
Neapel imd deren eioflussreichem Minister Nicolo Spinelli.
Die Königin hatte ihren Gemahl, den ritterlichen Herzog
0 Gk>beUni Cosmodromium bei Meibom, Scr. rer. Grerm. 1,275.
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<
PAPST URBAN VI. 415
Otto von Braunschweig-Tarent, alsbald nach Rom geschickt
mit dem Wimsche, dass Urban als Oberlehnsherr ihn zum
König von Neapel kröne. Der Papst, um sich freie Schal-
tung über das Lehnsreich zu wahren, hatte sich geweigert,
sogar noch persönliche Kränkungen hinzugefugt. In ähn-
licher Weise hatte er sich den mächtigen Grafen von Fondi,
Honoratus Gaetani, zum F^de gemacht.
Leichter als sonst liess sich diesmal der Abfall von
dem Papste in Scene setzen, da die ungewöhnlichen stür-
mischen Ereignisse der Wahl die beste Gelegenheit zur
Entstellung und damit zur Ungültigkeits^klärung derselben
boten. Es Hang freilich \iicht sehr ehrenvoll fiir die
Säulen der Kirche, wenn sie nun behaupteten, sie hätten
Urban gewählt tmd nachher nochmals anerkannt lediglich
aus Todesfurcht, aber man musste durch Verschleierung der
Wahlvorgänge das öffentliche Urteil verwirren. Vergebens
suchte Urban durch Unterhandlungen das Aeusserste zu ver-
meiden; am 20. September wurde in Fondi der Cardinal
Robert von Genf von sänmitlidien Ultramontanen zum
Papste gewählt und am 30. October als Clemens VII. ge-
weiht
AufiGedlend ist die Haltung der drei aus Italien stam-
menden Cardinäle (der vierte war inzwischen im Glauben
an Urban's Recht gestorben). Sie wohnten der Wahl des
G^enpapstes bei, ohne för ihn zu stimmen, aber auch ohne
zu protestieren, tmd da sie nicht mehr zu Urban zurückkehr-
ten, war auch ihr Abfall entschieden. Sie forderten, freilich
erfolglos, die Berufung eines Concils und gaben so die Lo-
sung aus, welche zur Signatur für die folgenden Jahrzehnte
wurde. Ihre Haltung war fiir Urban fast verderblicher, als
der Abfetll der Franzosen, denn eine rückhaltslose Erklä-
rung jener, die für unparteiisch gelten konnten, würde
seinem Papsttum eine mächtige Stütze gegeben haben. Auch
bei ihnen müssen persönliche Gründe gewirkt haben. Von
dem Einen derselben, von Orsini, wissen wir sicher, dass er
selbst nach der Tiara strebte, von Petrus Corsini wird es
ebenfE^k behauptet. Der Stachel der verletzten Eitelkeit
wurde dann durch Urban's barsches Auftreten noch tiefer
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416 LINDNER,
eingedrückt; es nahm ihnen die Lust, gegenüber allen übri-
gen CoUegen für einen Mann einzutreten, den sie hassten.
Wahrscheinlich dünkte ihnen auch die Sache des Gegen-
papstes zwar nicht die bessere, aber doch die günstiger liegende
zu sein.
F^inmal schienen die abtrünnigen Cardinäle grade in
Italien, auf das es doch zunächst ankam, das Uebergewicht
zu haben. In ihrem Dienste standen brettonische und gas-
cognische Soldscharen, ihnen gehorchte der Befehlshaber der
Engelsburg, und so lange Urban diese Feste nicht innehatte^
war seine Herrschaft über die Stadt zweifelhaft. Sie be-
Bassen femer eine feste Stütze an Johanna von Neapel, dem
Grafen von Fondi und dem Präfecten von Viterbo. Auch
in OberitaHen konnte auf manchen wertvollen Anhänger ge-
rechnet werden, namenthch auf die Markgrafen von Mont-
ferat und den Herzog von Savoyen, und der mächtige Ber-
narbo von Mailand war durch angebotene Vorteile vermut-
lich leicht zu gewinnen. Am wichtigsten aber war, das»
Frankreich, mit dem bereits ein Einverständnis angebahnt
war, ganz unzweifelhaft zu Clemens trat, und mit ihm aller
Berechnimg nach auch die Staaten, welche ihr Schiff im
Fahrwasser Frankreichs zu halten pflegten. Sollte der fran-
zösische König nicht vielleicht auch den römischen Kaiser
Karl IV. herüberziehen können, da beide Herrscher die Bande
altererbter Freundschaft umschlangen? Eine der ersten
Handlimgen des neuen Papstes war es, die Anerkennung
WenzeFs als römischen Königs in ähnlicher Weise auszu-
sprechen, wie es Urban kurz vorher getan.
Die Aussichten waren demnach anfangs fiir Clemens
entschieden günstiger als fiir Urban. Beide gingen einem
ELampf entgegen, dessen letzten Ausgang niemand mit Sicher-
heit voraussehen konnte. Jedoch handelte es sich in diesem
Wettstreite nur scheinbar imi die Personen. Einmal war,
Dank den Cardinälen, welche hintereinander zwei Päpste er-
hoben hatten, die Personenfrage so verwirrt und verdunkelt,
dass es gar nicht möglich war, mit juristischer Schärfe den
Beweis des Rechtes für den einen oder den anderen zu füh-
ren. In zahllosen Schriften wurde von beiden Seiten die
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PAPST URBAN VI. 417
Rechtsfrage erörtert, umfangreiche Protocolle und Erklärungen
aller Art wurden aufgenommen: sie haben weder Bedeutung
noch Erfolg gehabt imd man kam damit um keinen Schritt
weiter. Das- ehrHchste Geständnis war das, welchem wir
gelegentlich bei Zeitgenossen begegnen: „Wir wissen nicht,
wer der rechte Papst isi" — Die Entscheidung, welche zu
trefifen war, hatte eine viel tiefere Bedeutung. Sie musste
ergeben, ob das französische Princip, welches seit dem Unter-
gange der Staufer das übermächtige in Europa gewesen war,
das Papsttum noch länger bestimmen oder ob es wieder dem
universalen weichen soUte. Als daher die europäischen Staa-
ten bald oder allmählich Partei nahmen, so war bei ihnen
weniger die sachliche Ueberzeugung, als das poUtische Inter-
esse massgebend. In der Kirchenfrage spiegelte sich alsbald
der grosse Gegensatz wieder, der das ganze 14. Jahrhundert
beherrscht hat: zwischen Frankreich und England.
Der einzig richtige Weg wäre der eines Concils ge-
wesen, wie ihn die italienischen Cardinäle vorschlugen, wenn
anders die christlich-kirchlichen Interessen allein in Betracht
kamen. Aber einem solchen waren beide Päpste gleich ab-
geneigt Zunächst konnte doch keiner absehen, wie sich
das Concü entscheiden würde, ob er nicht mit der Geneh-
migung eines solchen sich selbst sein Grab graben würde.
Wer sollte das Concil berufen? Wer es leiten? Tat es
Urban, so kamen die Clementisten nicht, und umgekehrt
Dem Kaiser wollte keiner der Päpste das Recht zugestehen,
ein Concil zu berufen, und selbst wenn dieser es tat, wür-
den die europäischen Fürsten seiner Mahnung folgen und ihm
damit den schon seit langem bestrittenen Vorrang zuge-
stehen? Derartige ungelöste und unlösbare Fragen waren
in Fülle vorhanden, die vorläufig den Zusaumientritt eines
Concils unmöglich machten.
Vor der Hand hoffiten Urban wie Clemens noch immer,
den Gegner ganz zu verdrängen und so die Einheit des
Papsttums wiederherzustellen. Den ersten Act des Schauspiels
bilden die beiderseitigen Versuche, mit allerlei Mitteln dem
Nebenbuhler den Kranz des Siegers zu entwinden. Un-
schwer liess sich voraussehen, dass die päpstliche Tiara bei
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diesem Hin- und Herzerren zu Schaden kommen^ der Glanz
derselben verwischt werden würde. Die Blicke der Streiten-
den reichten nicht so weit; ihnen lag mehr an dem eigenen
Erfolge als an dem Ansehen der Kirche. Das 'war nun die
Lage; in welche das Papsttum durch eigene, wie der Cardi-
näle Verschulden geraten.
Das Wichtigste war ztmächst für jeden der Besitz von Rom.
Wenn auch die französischen Cardinäle lüstern nach Avignon
blickten, erst musste der Versuch gemacht werden, ihren Papst
in der alten Metropole zu behaupten; wenn Urban siegreich
verjagt war, dann konnte man ruhig an die Rhone zurückkehren
imd guten Mutes wieder erklären : Rom ist da, wo der Papst ist,
Urban, von allen Cardinälen und den meisten Curialen
verlassen, „einsam wie der Sperling auf dem Dache'', verlor
den Mut nicht. Dem französischen Cardinalcollegium, das
ihn verlassen hatte, setzte er ein neues, vorwi^end aus
Italienern gebildetes entgegen imd befestigte dadurch zugleich
die Anhänglichkeit der Römer, wie der anderen italischen
Städte. Mehr Wert als die üblichen Bannflüche gegen den
Aiterpapst und dessen Anhänger hatten seine sonstigen Mass-
r^eln, denn die geistlichen Waffen, ohnehin schon abge-
stumpft durch Jahrhunderte langen Misbrauch, verfingen am
wenigsten einem Gegner gegenüber, der sie eben&Us schwin-
gen konnte und sie natürlich ebenso freigebig gebrauchte.
Man musste schon zu^ wirksameren Mitteln greifen und dem
Feinde mit irdischen Waffen enig^entreten. Daher nahm
er, wie Clemens berdts getan, Soldbanden in seinen Dienst,
denn es war für ihn von Wichtigkeit, sich nicht nur selbst
zu verteidigen, sondern womöglich einen schnellen Vorteil zu
erzielen. Sonst konnte es leicht geschehen, dass der Q^gen-
papst mit fremder Hilfe ein nicht zu bekämpfendes militäri-
sches Uebei^ewicht in Italien erlangte. Da einst Aussicht
auf reiche Beute die normannischen Ritter und später den
harten Karl von Anjou nach Unteritalien dem Papste zu
Hülfe gdlihrt hatte, so hielt auch Clemens ein neuzuschaflSsn-
des Königreich Adria dem Herzog Ludwig von Anjou, dem
Bruder KarFs V. selbst, nebst der französischen Ritterschaft
als Lockspeise hin. Aber ehe sie noch hatte wirken können,
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PAPST URBAN VI. 419
war in Rom der Entscheid gefallen. Während die Römer die
Engelsburg belagerten, wurde ihre Stadt von den feindliehen
Soldtruppen, dem Adel der Campagna, der zu Clemens hielt,
und neapolitanischen Herren hart bedrängt Doch Gh»f Al-
berich, der Führer der in Urban's Solde stehenden Compag-
nie von St Gteorg, schlug am 29. April vor den Toren
Roms das Clementinische Heer so entschieden aufs Haupt,
dass der Befehlshaber der Engelsburg, an Entsatz verzwei-
felnd, die Feste an demselben Tage übergab. Nim erst
konnte Urban den Vatican beziehen, den er in feierlicher
Procession mit nackten Füssen betrat Die Pläne des G^en-
papstes waren vereitelt; da selbst die Neapolitaner ihrer Kö-
nigin zimi Trotz zu dem italienischen Papste hielten, zog es
jener vor, nach wenigen Wochen die Halbinsel zu verlassen
und wieder den Palast in Avignon zu beziehen.
Der gesicherte Besitz der ewigen Stadt gab Urban einen
erheblichen Vorteil über den Rivalen, welcher mm nicht
mehr hoffen durfte, den Italiener zu verdrängen, und günsti-
gen Falls sich nur in zweiter Stelle neben ihm behaupten
konnte. Jetzt kam vielmehr Clemens in die de&hr, dass
der Kreis seiner Obedienz allmählich verringert wurde , dass
das römische Papsttum dem avignonesischen Boden und Luft
entzog. Darauf musste Urban sein Augenmerk richten.
Wenn er sich nun ebenso klug und gewandt erwies, wie
er sich vorher imerschrockenen Mutes gezeigt hatte, konnte
endlicher Erfolg nicht fehlen; denn noch war die christliche
Welt nicht daran gewöhnt, zwei Päpste neben einander zu
gehen. Zwar durfte er vorläufig nicht hoffen, Frankreich
von Clemens abzuziehen, aber es war vielleicht möglich, alle
übrigen Länder zu gewinnen, so dass dann das isolirte Frank-
reich von selbst seine Sonderstellung aufgeben musste. Wäh-
rend in Italien das Schwert entschied, arbeiteten in den
übrigen Ländern der Christenheit Gesandte beider Päpste,
ihrem Herrn die Obedienz zu gewinnen. Wir wollen ihren
Spuren nicht im einzelnen folgen, ims auf die Hauptpimkte
beschränken.
Da Frankreich clementistisch war, wurde England selbst-
verständlich urbanistisdi. Auch Karl IV. musste sich dem
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420 LINDNER,
römischen Papsttume anschliessen, wenn er nicht die Früclite
der von ihm mit so grosser Sorgfalt geleiteten kirchlichen
Politik preisgeben wollte. Zwar starb er bereits Ende No-
vember 1378, aber sein Sohn Wenzel blieb der väterlichen
Politik getreu. Im Februar 1379 schloss er mit den vor-
nehmsten Fürsten und Städten des Reiches einen Bund, an
dem für rechtmässig erkannten Barchenhaupte treu festzu-
halten. Allerdings fiel bald darauf der Erzbischof Adolf von
Mainz zu Clemens ab, da Urban aus Rücksicht auf Wenzel
den anderen Prätendenten, Ludwig von Meissen, anerkannt
hatte, imd auch der ehrgeizige Herzog Leopold von Oest-
reich glaubte seinen Vorteil besser im Anschluss an Frank-
reichs Papst zu finden, aber trotzdem konnte ürban ohne
Sorge Deutschland als zu seiner Obedienz gehörig betrachten.
Der junge König musste jedoch festgehalten werden, damit er
nicht schliessUch der Verfuhrung Frankreichs unterlag, welches
durch Wiederemeuerung ehelicher Bande, wie sie früher die
Häuser Luxembui^ imd Valois umschlungen hatten^ den
Sohn B^arPs IV. zu gewinnen gedachte '). Die Aufgabe,
solche Absichten zu hintertreiben, fiel dem Cardinal Pileus
zu, der sie mit Gteschick löste. Die Ehe zwischen Wenzel'ß
Schwester Anna und König Richard von England, welche
er zustande bradite, erfüllte den doppelten Zweck, beide
Reiche seinem Papste getreu zu erhalten imd Frankreichs
Einfluss auf Deutschland zu schwächen. Noch ein anderes
erhofiie Urban von dem deutschen Könige: dass dieser nach
Rom käme und sich von ihm zum Kaiser krönen liesse.
Wie wäre des Papstes Stellung dadurch vor aller Welt ge-
hoben worden!
1) Noch im Sommer 1380 wurde zwischen Wenzel und Karl V.
über die Verheiratung der böhmischen Anna mit einem französischen
Prinzen yerhandelt, auf welche die Clementisten grosse Hoffiiungen
setzten, vgl. meine Geschichte u. s. w. I, 113. — Am 15. Juni 1380
beauftragt Wenzel in Aachen den Herzog von Teschen und andere
genannte Herren, das alte Bündnis zwischen den beiden Herrscher-
familien zu erneuern und darauf bezügliche Vertrage abzuschliessen,
„etiam si concernerent matrimonialea contractus". Nach gütiger Mit-
teilung von Waitz aus den Sammlungen der Mon. Germ.
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PAPST ÜRBAN \a. 421
Deutschland, England und Ungarn, dessen König Lud-
wig mit Wenzel gemeinsames Handeln in der Barchenfrage
verabredete, waren denmach für das römische Papsttum.
Und diesem eröffiiete sich eben die Aussicht, auch in ganz
Italien allgemeine Anerkennung zu erreichen. Denn Johanna
von Neapel, bestürzt über den Aufstand ihrer Stadt und die
Flucht ihres Papstes, bot Unterwerfung an und schickte Ge-
sandte, wie Urban triumphirend der Welt mitteilte. Um
jeden Preis musste er, wie die Dinge lagen, sie darin festzu-
halten suchen, selbst durch Zugeständnisse, wie die Krönung
Otto's, die ohnehin nur Hinausschieben seiner Pläne bedeutete,
da die Ehe kinderlos bleiben musste. Als jedoch der Papst
starrsinnig blieb, brach Johanna die Verhandlimgen ab und hielt
sich wieder zu Clemens. Urban war dies vielleicht nicht im-
wiUkommen, da er nun seinem Hasse freien Spielraum lassen
konnte. Damit aber trat für ihn die verhängnisvolle Wen-
dung ein. Leidenschaftlich nur die neapolitanische Sache
Terfolgend, die ihn sein ganzes Leben in Anspruch nehmen
sollte, stürzte er sich in eine Uebereilung nach der anderen,
häufte er Torheit über Torheit und gab die universalen Ge-
sichtspunkte preis, die seine Politik ausschliesslich hätten be-
herrschen müssen. Unteritalien ist für die Päpste nicht
weniger verhängnisvoll gewesen als für die Staufer.
Die Krone Neapel dachte er Kaii dem Kleinen, Herzog
von Durazzo, zu. Urenkel des Königs Karl H., war er der
einzige noch lebende männliche Spross der anjovinischen
Linie von Neapel, gleich nahe verwandt mit Johanna wie
mit dem ungarischen Könige Ludwig dem Grossen, an dessen
Hofe er aufgewachsen war. In früheren Jahren hatte die
Königin selbst ihm die Nachfolge zugedacht und ihn deshalb
im Jahre 1368 mit ihrer nächsten Erbin Margarethe, der
Tochter des von Ludwig von Ungarn im Jahre 1347 hin-
gerichteten Herzogs Karl von Durazzö, vermählt. Aber seit-
dem Johanna sich den Braunschweiger zum dritten Gemahl
erkoren hatte, waren KarFs Hoflnungen erheblich gemindert
worden, und seinem Einflüsse ist es vornehmUch zuzuschrei-
ben, wenn Urban sich hartnäckig weigerte, Otto zu krönen.
Der wiederholte Abfall der Neapolitanerin zu Clemens ent-
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422 LINDNER,
sprach ganz den Wünschen des Herzogs von Durazzo. Denn
alle seine Aussichten waren auf den ungarischen König ge-
gründet, und dieser hatte sich für Urban erklärt Der Plan
des Papstes, Johanna zu stürzen und an ihre Stelle Karl zu
setzen, stimmte zudem ganz mit den Absichten und Wün-
schen Ludwig's überein. Jetzt endlich konnte die Sache an
der Mörderin seines Bruders vollzogen werden, imd wenn
Karl mit der neapoHtanischen Krone entschädigt war, stand
er der Nachfolge der Töchter Ludwig's in den Reichen Un-
garn und Polen nicht mehr im W^e.
Noch ehe das Jahr 1379 zu Ende war, verhängte Urban
die kirchUchen Sentenzen über Johanna und erklärte sie fiir
abgesetzt.
Aus eigener Kraft dem drohenden Sturme Widerstand
zu leisten, durfte die Königin nicht hoffen, zumal da das Volk
von Neapel, wenn auch jetzt mit Gewalt niedergehalten, doch
dem aus seiner Mitte hervorgegangenen Papste anhing und,
wie immer in diesem Königreich, sofort Abfall und Verrat
imter den Grossen um sich griff. Daran konnte sie nicht
mehr denken, dem ritterlichen Gemahl zur Krone zu ver-
helfen; ihr bUeb nichts übrig, als dem Prätendenten, der sich
inzwischen zum Angriff rüstete, einen anderen entg^enzu-
stellen. Die darauf bezüglichen Verhandlungen mit Avignon
konnten zu keinem anderen Resultate fuhren, als dass Cle-
mens denselben Herzog von Anjou, dem die phantastische
Krone von Adria nur einen kurzen Augenblick verführerisch
gewinkt hatte, nun für Neapel auserkor. Wie vor einem
Jahrhundert sollte also das französische Uebergewicht durch
Eroberung Unteritaliens hergestellt und der Streit zwischen
Avignon und Rom durch die Schärfe des Schwertes ent-
schieden werden.
Am 29. Juni 1380 erklärte Johanna feierlich den Fran-
zosen, der bis zur Krönung den Titel eines Herzogs von
Calabrien fuhren sollte, als ihren Sohn und Erben, nachdem
Clemens in seiner Machtvollkommenheit als Papst und Ober-
lehnshen* die alte Clausel aufgehoben hatte, dass nur die
Nachkommenschaft KarFs I. von Anjou in Neapel sucoediren
dürfe. Offen erklärte sie, dass sie den Schritt tue im Elin-
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PAPST URBAN VI. 423
vernehmen nait Clemens ziu* Verteidigung der Kirche, zur
Erhöhung des rechten Glaubens und zur Beendigung des
Schismas. Clemens, der wie seine Vorgänger das Reichs-
vicariat in Anspruch nahm, da gegenwärtig kein Elaiser vor-
handen sei, fügte noch die Belehnung mit der Provence,
Forcalquifere u. s. w. hinzu.
Während derselben Tage hatte jedoch Karl von Durazzo
mit imgaiischen Völkern seinen Marsch bereits angetreten.
Durch vom Papste entgegengesendete Soldtruppen verstärkt,
kam er im November in Eom an. Ehrenvoll nahm Ur-
ban seinen Schützling auf imd ernannte ihn zum Senator
der Stadt, aber der ganze Winter und folgende Frühling
gingen dahin, ehe wdtere Schritte getan wurden. Zwar
half der Papst der Geldnot Karl's ab, indem er selbst die
grössten Opfer brachte, die Güter der römischen Kirchen
imd Klöster verkaufte und schonungslos heilige Gefässe imd
Statuen in den Schmelzofen werfen liess. Aber Karl trug doch
lange Bedenken, die ungemessenen Forderungen des Papstes
zuzugestehen, der die günstige Gelegefnheit, seiner eigenen
bis dahin armen und unbedeutenden Familie eine fursten-
mässige Stellung zu geben, nicht vorübergehen lassen wollte.
Seinen Neflfen Franz von Butillo, der nach allen Nachrichten
nicht nur ein imbedeutender, sondern sogar schlechter imd
verworfener Mensch war, hatte er bereits mit dem besten
Teile des Königreiches, mit dem Fürstentum Capua, dem
Herzogtum Amalfi und vier Grafschaften besch^oikt, einem
Gebiete, welches vom Eorchenstaate an am Meeresgestade nach
Süden sich erstreckend die Hauptstadt Neapel von dem
übrigen Königreiche abschloss. Ausserdem wurde Franz zum
Oberst-Känunerer des Reiches ernannt. Es war der zweite
grosse Fehler, den Urban in der neapolitanischen Angelegen-
heit beging, sein Nepotismus wurde ihm verderblich. Ohne-
hin konnte er sich selbst sagen, dass Karl die erste Gelegen-
heit benutzen würde, diese erzwimgenen Versprechungen,
welche den Glanz der Elrone verdunkelten und dem Könige
seine Stellung in dem glücklich eroberten Lande erschwerten,
einfach nicht zu halten.
Endlich am 2. Juni 1381 folgte die Krönung KarPs,
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nachdem er in einer Urkunde von gewaltiger Länge die For-
derungen Urban's zugestanden. Nun stand dem Zuge nichts
mehr im Wege, der Abfall der Barone von Johanna erleich-
terte die Besitznahme des Landes. Neapel öfBiete seine Tore,
Johanna und ihr Gemahl fielen in Karl's Hände.
Der Vorsprung, den Karl vor Ludwig von Anjou ge-
wonnen hatte, war entscheidend. Dieser war durch den Tod
KarFs V. in Frankreich zuiückgelialten worden und musste
so dem Gegner Zeit lassen, sich in seinem neuen Besitz zu
befestigen. Erst Ende Mai 1382 brach der Anjoviner mit
glänzendem Heere von Avignon auf, nicht nur den Thron
von Neapel im Sinne. Denn wenn Urban hoffte, durch die
Klrönung WenzeFs zum römischen Kaiser sein Ansehen zu
erhöhen, so wollte Clemens darin auch nicht zurücksteheru
Dem avignonesischen Papsttum sollte ein avignonesisches Kaiser-
tum zur Seite stehen, imd dazu war Ludwig ausersehen.
Johanna erlebte die Ankimft ihi'es Adoptivsohnes nicht
mehr. Um zu verhüten, dass die unbeständigen Neapoli-
taner wieder zu ihrer alten Herrin abfielen, hatte Karl sie
erdrosseln lassen. Ihr Tod war ein übles Vorzeichen fiir
Ludwig und sein Ungeschick, seine zaudernde Saumseligkeit
verhinderte ihn, das Uebergewicht, welches er unzweifelhaft
hatte, zur schnellen Vernichtung KarFs zu gebrauchen. Erst
Anfang October schlug er vor Neapel das Lager auf, aber
noch immer waren die besten Aussichten auf seiner Seite.
Mit fieberhafter Sorge folgte Urban diesen Vorgängen,
an deren Endergebnis sein eigenes Schicksal geknüpft war.
Trat Frankreich mit den Wafien fiir Clemens ein, so muss-
ten auch die Länder, die zu ihm selbst standen, sie ergrei-
fen. Zu wiederholten Malen rief er die Christenheit zum
Kampfe wider die Schismatiker auf, dessen Verdienst er
dem eines Kreuzzuges gleichstellte. Auf der ganzen Linie
sollte der Kampf entbrennen, Urban rechnete dabei auf Eng-
land, Ungarn und Deutschland.
Der König Johann von Castilien hatte nach langem
Schwanken un Mai 1381 die Partei Avignons ergrifien, wie
es das politische Verhältnis zu Frankreich mit sich brachte.
Denn dieses Reich war ihm ein getreuer Bundesgenosse gegen
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J
PAPST ÜRBAN VI. 425
England, welches die Krone Castiliens fiir Richard's Oheim,
den Herzog Johann von Lancaster, in Anspruch nahm und
eben damals den Versuch machte, das Land zu erobern.
Den weltlichen Waffen fügte nun der Papst die geistlich^i
hinzu, indem er im März 1382 den König Johann absetzte
und den Kreuzzug gegen ihn predigte, der unter AnfUhrung
des Herzogs von Lancaster unternommen werden sollte. Den
englischen Waffen war noch ein anderes Feld der Tätigkeit
bestimmt. In Flandern hielten der Fürst wie da^ Volk zu
Urban, aber die Zwistigkeiten, welche zwischen Graf Ludwig
und dem flandrischen Bürgertum ausbrachen, nötigten den
ersteren, französische Hülfe herbeizurufen, mit welcher er
den grossen Sieg bei Rösbecke erfocht. Nur Gent beharrte
im Widerstände, und das englische Interesse erforderte Hülfe
für diese Stadt gegen Franki'eich. Die Kreuzpredigt Urban's
gab dem Unternehmen seinen besonderen Charakter und ge-
staltete es zu einem „Papstkriege". Der Bischof Spencer
^on Norwich trat mit Erlaubnis des Königs Richard an die
Spitze des Heeres, welches unter dem päpstlichen Schlüssel-
banner im Frühjahr 1383 nach Flandern hinüberging, um
in den Franzosen zugleich den Gegenpapst zu bekämpfen.
Englands Kräfte wurden so nach zwei Seiten hin in An-
spruch genommen und Richard musste für ItaUen sich darauf
beschränken, den englischen Untertanen, welche in den Sold-
banden standen, die Unterstützung des Papstes anzuempfehlen
und mit Karl von Neapel ein Bündnis abzuschliessen.
Dagegen Hess sich von dem ungarischen König eine
wirksame Unterstützung gegen Ludwig von Anjou eriioffen.*
Die gewandten und feinen Politiker Avignons suchten dem
vorzubauen und Ludwig durch Schwierigkeiten im eige-
nen Reiche von Italien abzulenken. Noch lebte in Frank-
reich als Mönch ein Spross der Piasten ; diesen Hess Clemens
zu sich kommen, entband ihn aller geistlichen Pflichten und
forderte ihn auf, die Krone Polens Ludwig zu entreissen.
Da starb der grosse König am 11. September 1382. Der
Streit um den Thron, welcher in seinen Reichen ausbrach,
nahm Ungarn so in Anspruch, dass es für den Kampf um
Neapel zunächst nicht in Betracht kam.
ZeitBchr. f. K.-G. m, S. 29
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426
Mit der grössten Bestimmtheit erwartete Urban von dem
deutschen Könige, dass er über die Alpen kommen , die
Kaiserkrone aus seiner Hand empfangen und gegen Ludwig
mit starker Macht einschreiten werde. Die alten Verträge
zwischen den Häusern von Frankreich und Luxemburg konnten
unter den gegenwärtigen Umständen kaum in Betracht kom-
men, und ausserdem erklärte sie der Papst ausdrücklich für
ungültig; da die Franzosen zu Ketzern und Schismatikeni
geworden seien. „Denn zwischen Licht und Finsternis,
zwischen Christus und Belial darf keine Gemeinschaft sein.'*
Ein Schreiben nach dem anderen wurde an den deutschen
Hof gesandt, alle erfüllt mit derselben glühenden und über-
schwänglichen Rhetorik, durchdnmgen vom flammenden Haas
gegen Frankreich und dessen Parteigänger.
Endlich wurde mit B^jinn des Jahres 1383 die An-
kunft des Königs in nahe und bestimmte Aussicht gestellt.
Jubelnd begrüsste Urban den Entschluss und stellte dem
künftigen Kaiser einen herrlicheren Empfang in Aussicht,
als er je einem Vorgänger zuteil geworden.
Die Freude war voreilig : der Ersehnte kam nicht. Trotz
aller Verheissungen zog es Wenzel in letzter Stunde vor,
Deutschland nicht zu verlassen. Ihm schien es wichtiger, zur
Hand zu sein, um seinem Bruder Sigmimd die geföhrdeten
Kronen von Ungarn und Polen zu retten, als sich in die
schwierigen Verhältnisse Italiens zu mischen. „Wenn dein
Vater noch lebte", rief Urban zürnend dem Säumigen zu,
„würde die römische Kirche in so grossen Gefahren nicht
. so ihres Vogtes und Beschützen entbehren."
Wenzel gab vorläufig die Kaiserkrone auf — er ahnte
allerdings wohl nicht, dass er sie nie erlangen würde — , ohne
zu bedenken, wie sehr er sein und des Reiches Interesse
schädigte, indem er die Sache des anerkannten Papstes im
Stiche liess. Papst und König begegneten sich demnach in
dem gleichen Fehler: beide liessen sie die höheren Gesichts-
punkte fallen, um nebensächlichen, persönlichen Zwecken
nachzugehen, beide trugen durch ihre fehlerhafte Politik
gleiche Schuld, wenn das französische Papsttum sich nicht
nur behaupten konnte, sondern entschiedene Fortschritte
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PAPST ÜRBAN VI. 427
machte. Nur darin lag der Unterschied: der eine verfolgte
seine nächsten Absichten getrieben von massloser Leiden-
schaft ^ der andere mehr dem bequemen Q^henlassen; dem
zaudernden Abwarten zuneigend.
Da war man in Frankreich doch ganz anders tätig. Cle-
mens wie Karl VI. machten in eben derselben Zeit, wo der Ab-
marsch des deutschen Königs in Aussicht stand, den Versuch,
ihn entweder für sich zu gewinnen oder doch in seiner An-
hänglichkeit an Eom zu erschüttern; wenn nur wenigstens
erreicht wurde, dass er nichts gegen Ludwig von Anjou vor-
nahm. Eine stattliche Gesandtschaft erschien im August 1383
in der böhmischen Hauptstadt, ausgerüstet mit päpstlichen und
königlichen Vollmachten, mit einer Schrift, welche die Recht-
mässigkeit des Avignonesen dartun soUte, versehen besonders
mit gutem Golde. Die Gesandten fanden dort eine neue
Tatsache vor, mit der sie rechnen mussten: Wenzel hatte
am 5. Juli seinen Vetter Jost von Mähren mit ungewöhnlich
umfassenden Vollmachten zum Greneralvicar von Italien ernannt.
Wenn irgend einer, so war Jost dem verführerischen Glänze
des Goldes zugänglich und bei aUem ^^^u'geiz doch weit
mehr geneigt, auf krummen Wegen seinen Vorteil zu ver-
folgen, als oflfen mit dem Schwerte in der Hand vorzugehen.
Es gelang den Franzosen zwar nicht, den König und den
JVIarkgrafen zu sich herüberzuziehen, aber sie erreichten
doch so viel, dass entscheidende Schritte für Urban wie
g^en Ludwig unterblieben, dass der König sich in öffent-
lichen Urkunden in so matter Weise über seinen Papst aus-
sprach, dass er bald durch eine feierliche Erklärung dem im
Eeiche entstandenen und von der Gegenpartei ei&ig verbrei-
teten Irrtimi, er sei von Urban's Recht nicht mehr so fest
überzeugt wie fiiiher, entgegentreten musste.
Zum Glück fiir den Papst war in Italien eine günstige
Wendung eingetreten, welche auch dafür Ersatz gewährte,
dass zu derselben Zeit der kriegslustige Bischof Spencer von
Norwich ohne Erfolg aus Flandern zurückkehren musste,
und der geplante Kriegszug gegen Castilien ganz unterblieb.
Ludwig von Anjou hatte seinen fi'üheren Fehlem neue fol-
gen lassen ; der kluge Ks^l hielt ihn hin, ohne es zur Schlacht
29*
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428 LINDNERy PAPST ÜRBAN VI.
kommen zu lassen ^ bis Ludwig seine Stellung vor Neapel
au%ab. Hunger und Kälte untergruben die Kraft des statt-
lichen Heeres ; eine eniBetzliche Seuche wütete in seinen
Reihen, belangreiche Erfolge wurden nicht errungen; immer
mehr wurde Ludwig nach dem Osten, nach der Küste des
adriatischen Mewes zurückgedrängt
Gewiss wäre Urban gleich anfangs, als der Krieg in
Neapel ausbrach, am liebsten selbst dorthin gedlt, imd nur
die Rücksichten auf die Stadtbevölkerung, noch mehr die
Hoffiiung auf die Ankunft WenzeFs hielten ihn zurück.
Jetzt war dieser Grund wegge&Uen, und neue Sorgen lieesen
ihn nicht länger zögern. Denn sdtdem Karl von Durazzo
seine Stellung wieder dnigermass^i befestigt sah, dachte er
nicht mehr daran, j^ie Versprechungen, die er einst in Rom
gemacht, zu halten, und weigerte sich, dem Neflfen des Pap-
stes die ausbedungenen Länder herauszugeben, indem er
nun mit gutem Ghimde sich hinter den Widerspruch seina*
Barone verschanzte. Ueberhaupt dachte Karl von seinem
Rechte auf Neapel ganz anders als der Papst; er betrachtete
sich als rechtmässigen Herrn nicht w^en der emp&ngenen
Bdehnung, sondern als Nachkommen Karl Martell's; selbst
der Johatma Recht sei nicht so unzweifelhaft gewesen wie
das seine.
Vergebens machten die Cardinäle dem Papste Vorstel-
lungen, sie wiesen hin auf die Gefahren imd Beschwerden,
denen er entgegenging, sie machten sich wohl über die wahre
Gesinnung Karl's keinen Hehl. Vidleicht hielten sie auch
detti Papste vor, wie sehr er sein Ansehen schädige, wenn er
Rom verlasse, wenn er sein von der Hälfte der Christenheit
bestrittenes Ansehen für einen im würdigen Neffen, für un-
gerechte und übertriebene Forderungen in die Schaaize schlug.
Ihre Worte blieben, wie zu erwarten, ohne Erfolg bei Urban,
def sie mit harten Drohungen ihm zu folgen zwang.
(Schlues folgt.)
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ZwiB^li ood land^raf Philipp.
Von
Dr. Max Lenz in Marburg.
VI.
Die Versammlung in Schmalkalden, zu welcher der
Kurfürst von Sachsen eingeladen hatte, trat erst Ende De-
cember zusammen. Der hessische Burgrechtsentwurf, den
Jacob Sturm und Landgraf Philipp mitbrachten, ward zur
Grundlage des neuen Büüdnisses gemacht ^).
1) 8ogar die Zahl der Jahre, 6, für die der Bund zunächfit
gelten sollte; ist hinübergenommen worden. Nur in einem Punkte
weicht die schmalkaldische Bundesurkunde von ihrem Vorhilde ab,
und dieser bezieht sich allerdings auf den Abendmahlsstreit. In
dem zweiten Artikel des Burgreohtes hiess es: „Und demnach disär
yerstand allein gegenw^rs und rettimgswyae und gar nit darumb
angesechen, dass jemants under uns einigen kriegs an£eu2hen solle,
ob sich dann begäbe, dass einicher teil under uns, wer jodi der wäore,
umh des wort gottes, evangelischer 1er oder sins gloubens willen^
wie deuselben ein jeder uss uns in siner oberkeit £ü.T
christlich und recht haltet und predigejn la«8t, (oder umb
aachen willen u. s. w.).** Nur die hier gesperrt gedruckten Worte
wurden in dem neuen Diplom ausgelassen: man setzte einfach (nmb
evangelischer, leer und) unsere balligen gloubens (oder
umb Sachen willen n. s. w.). In der Formel des Bargrecfates w^ar
also, ohne dies jedoch bestinunt auszusprechen, dem Gedanken Z^ffingjü'e
Raum gegeben, dass die sacramentalen Differenzen bestehen bkjbesi
könnten, während der Ausdruck in dem Schmalkaldener Document
mehr den sächsisch - strassburgischen Gedanken der Emheit, jedoch
ebenfalls in einer so neutralen Form betont (ohne jede Erwähnung
des Sacramentstreites), dass um seinetprillen auch die ßcfaweizer
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430 LENZ,
Fortan handelte es sich darum, die evangelischen Eid-
genossen zur Unterzeichnung der schmalkaldischen Ab-
machungen, zum Eintritt in das defensive " Gtesammtbündnis
zu gewinnen. Strassburg übernahm auch jetzt die Vermitt-
lung. Der Kurfürst hatte Jakob Sturm persönlich beauf-
tragt, mit den drei Orten Zürich, Bern und Basel zu han-
deln, „ ob dieselben geneigt wären, in ein solches Verständnis
zu treten". Die dogmatische Bedingung, die er stellte, -wrar
nur Annahme der Tetrapolitana *). Wie an die oberländi-
schen, so wurden auch an die schweizerischen Städte Copien
des Entwurfes geschickt *). Die oberländischen beschlossen
am 16. Januar, mit Ausnahme von Nürnberg, Reutlingen,
Heilbronn, Kempten, deren Aengstlichkeit überhaupt keinen
Bund gegen den Kaiser wollte, den Vorschlägen von Schmal-
kalden beizutreten ') ; die Eidgenossen setzten nach einer Vor-
beratung in Zürich Ende Januar die Entscheidung auf einen
„gemeinen" Bürgertag in Basel bis zum 12. Februar aus*).
sehr wohl in das Bündnis hätten treten können, selbst mit dem Vor-
behalte Zwingli's ; denn unter den Worten „ um unsers heiligen Glau-
bens willen" konnte jede Partei sich denken, was sie wollte. Eine
andere Correctur hat kaum sachliche Bedeutung, in demselben Para-
graphen : „ ain jeder sinem höchsten vermögen nach " statt „ unserm ver-
mögen nach ". Ein paar andere Abweichungen sind noch unwesentlicher.
In dem überaus geschickt abgefassten Schreiben, durch das Capito am
22. Januar Zwingli zur Nachgiebigkeit bestimmen wollte, wird auf
diese Farblosigkeit ausdrücklich hingewiesen : „Yerbis omnes, qui a parte
adversariorum stant, resistuut, animo et sententia tamen subscribunt,
qui nostri palam eruut induciis factis. Sunt tres et quatuor pervica-
ces, qui nolunt videri cessisse arena. Talium stomacho consulendum,
ne quid obturbent. Adde , quod in conditionibus foederis nihil articu-
lorum fidel nominabitur. Tyrannis amolienda est intoleranda llber-
tati." U. s. w. Opp. 571.
^) E. A. S. 901 f. 1 : „Wenn sie nämlich dem Bekenntniss des
Sacraments halb, welches die Strassburger dem Kaiser auf dem Reichs-
tage übergeben, sich anschliessen wollten, so würden sie darin auch
aufgenommen werden."
8) So also ist er in Bullinger's G^schichtswerk 11, 338 gekom-
men. Vgl. Ranke, D. G. ÜI, 251.
8) Keim, Schwäbische Reformationsgesch., S. 253 ff.
4) E. A. S. 896 ff. 901 ff.
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ZWINGLI UND LANDGRAF PHILIPP. 431
Hier erschienen neben den Ratsboten auch die Prä-
dicanten der Burgrechtsstädte. Es ist der bekannte Tag,
auf dem Bucer die Zwinglianer zu seiner Formel und damit
zu dem schmalkaldischen Bündnis hinüberzuziehen versuchte.
Zwingli aber blieb in diesem Augenblicke der Entscheidung
aus. Ich denke, man darf dies Fembleiben nicht für zu-
fäUig halten, sondern muss es als Absicht auffassen. Denn
es entspricht genau der Haltung des Briefes, den er am
12. Februar eben nach Basel an Bucer richtete, und dessen
Hauptsatz wir früher kennen gelernt haben. Ihm und seinen
Mitbürgern musste in jenen Wochen — wir werden sehen, wes-
halb — das protestantische Bündnis erwünschter denn je sein,
weit mehr als im vergangenen November, aber freilich nur
unter der Bedingung des WaflFenstiUstandes, niemals der Unter-
werfung hinsichtlich der religiösen Frage, nur in der Form,
wie etwa auch „Lutherische und Päpstische wider den Tür-
ken fochten". Wäre Zwingli nach Basel gekommen, so
hätte er seine Ansicht bekennen müssen. Das aber wollte
er eben vermeiden, denn er wollte und konnte nicht von
seiner Lehre weichen; und deshalb blieb er von dem ent-
scheidenden Tage weg, sowie er das^ Verlangen Bucer's nach
schriftlicher Einwilligung in jenem Briefe zurückwies \).
Der Haltung Zwingli's entsprach die der Baseler Ver-
sammlung. Die Entscheidung, die sie gebracht hat, li^ in
ihrer ResultaÜosigkeit. Dies war der Moment, in dem die
Schweizer die dargebotene Hand ergreifen konnten. Da sie
ihn ungenutzt vorübergehen Hessen, gaben sie, wie es sich
bald zeigen sollte, für immer das Spiel aus den Händen. In
der Tat, jene Februartage scheinen mir der Zeitpunkt zu
sein, wo die beiden Kreise, deren gegenseitiges Annähern
und Abstossen seit dem Sommer 1529 wir beobachtet haben,
sich näher als irgend sonst vor oder nachher gewesen sind.
1) ,,Nam bonus ille Cattorum princeps", schreibt er imter ande-
rem, „ anxie monet, Luterum cupere, ut et istud fateamur, Christi cor-
pus ori etiam praeberi, cum symbola porriguntur. Haec, inquam, agitis»
quam istud unum vobb esset agendum, ut Saxo reliquique principes
et populi in foedere perstarent, etiamsi docti hac in re dissideant."
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432 LENZ,
Das Abstossen gmg dies Mal aber nicht von den Sach-
sen aus. licider wissen wir bisher von diesem bedeu-
tungsvollen Tage sehr wenig. Ausser dem Abschied ist
kaum ein Actenstück erhalten, keine Instruction, kein Pro-
tokoll, keine Correspondenz. Nur von den Züricher Ab-
geordneten wissen wir die Namen, Johannes Bleuler und
Rudolf StoU, die uns Bullinger aufbewahrt hat. Dieser, der
eben hierbei, doch ohne Ahnung von ihrer Bedeutung, die
schmalkaldische Bundesurkunde mitteilt, fügt, es scheint auf
Grund einer urkundlichen Aufzeichnung, die Worte hinzu^
mit denen die Züricher Botschafter diese „Nottel" zur An-
nahme empfohlen, und die, mit denen die andern Bürger-
städte sie zurückgewiesen hätten *). Sonst wissen wir von
den ohne Zweifel sehr erregten Debatten, die auf d^ Ver-
sammlung sowie vor und nachher in den einzelnen Gemein-
den über diese das Schicksal der Eidgenossenschaft entschei-
dende Frage stattgeftinden haben, nichts. Wie weit z. K
Zwingli auf die Haltung seiner Stadt damals einwirkte^
1) Bullinger II, 340: „Die Botten von Zürych, Johannes Blüw>
1er und Rudolff Stoll, gabend, ee dann diser Xottel verläsen wurde,
bericht von irer herren wägen, wie etliche fursten und Stett in er-
mäldtem Nottel z& gand und den anzünemmen schon bewilliget und
angesagt habind; welchen ouch sy in ermässen diser schwerren sorg-
lichen geschwinden zyt und löuffen, zu uffiiung göttlicher Eeren und
gemeines trosts und wolfart anzünemmen gesinnet. Diewyl sy aber
nitt wüssen mögind, was ire liebe Eydgnossen und Christich Mitbürger
von Bemn, Basel etc. berürten Christlichen verstandts z& ald absagen
werdint, damitt sy dann das thügind, das das Burgrächt vermag, be-
gärind sy von inen, das sy ouch daryn gangind oder inen von Zy-
rich erloubind, das sy sich mitt obvermelten forsten und Stetten ver-
binden mögind, aller gestallt wie imm Nottel verstanden.
Aber die Burgerstett warend hierzuo gar nitt willig, uss vilen
Ursachen, die sy erzalltend, und das es nitt gut were in d ferrc sict
verbinden, damitt man dem keysser und könig, ouch anderen Bäpsti-
schen fiirsten und Stetten anlass gäben wurde zu kriegen, und den
pundt zu zertrennen. Man wüsse doch wol, wie vil Unwillens die Burg-
recht gebracht habind, die man mit den usseren fiirsten und Stetten
Hessen, Constantz und Strassburg gemacht. Diewyl dann sunst ge-
faare, geschwinde und schwerre zyten syend, solle man dise sach diser
zyt beruwen lassen und einer besseren zyt erwarten."
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ZWENGLI UND LAJSDQRAF PfflUPP. 488
können wir bisher höchstens erraten. Auch Berns Haltung
und besonders sein Verhältnis su Zürich in dieser Frage istt
noch 80 wenig durchsichtig, als es von Interesse sein würde,
davon eine Vorstellung zu gewinnen. Das lässt sich aller«
dings auch aus dem Wenigen, was uns erhalten ist, nicht ver-
kennen, dass die Bürgerstädte ein wenig eingelenkt haben.
Die schroffe Ablehnung vora November wiederholt der März-
abschied nicht: man lässt eich vielmehr das Bekenntnis, des
Strassburg in Augsburg überreicht habe, und seine Erläuterung
durch Martin Bucer gefidlen, „da sie der Schrift geanäas und
den Conscienzen unverletzlich erscheint". Doch wollen die
Prädicanten darin nicht genannt sein und sich vorbehalten, bei
anderem Anlaas nähere Erklärungen zu geben. Etwas „End-
liches" ward aber — einzelne Boten schützten Instructions-
loalgkeit vor — nicht beschlossen. Es sollte heimgebracht,
doch nur an die „Geheinaen" berichtet werden, ob sie das
von StraAsburg aufgestellte Bekenntnis annehmen wollten : die
Batsboten scheuten also , wie ZwingU selbst, den vulgus *).
Auf einem Bürgertage, den Basel berufen sollte, wollte nmn
die endgültige Entscheidung treffen.
Irre ich nicht, so ist in dieser etwas günstigeren Bai"
tung eine Bückwirkung sowohl der Wendung zu erkennen,
welche in diesen Monaten die evangeUschß Bewegung in den
schwäbischen Städten genommen hatte, als der Gefahren, die
im Innern und an den südlichen Grenzen d^ Eidgenossen-
schaft sich immer drohender entwickelten. In Augsburg ge-
wann damals in heftigem Kampf gegen die Lutheraner die
Zwingli'sche Partei von Tag zu Tag an Boden *). Seit dem
1) Den EntsoMoss BernB und die Gründe dazu teilte Berthold
Haller Zwii^li wx 17. März in folgendem Bnefchen mit: „Responr
dlmus optimo fratri nostro, apud nostrates nihü minus impetrari posse,
quam quod subscribamus obscurae et ambiguae Argentoratensi con-
feseioni, atque propter plebem, quam aperte docuimus, tum
propter hypocritas uostros, qui mox ansam haberent
omnia invertendi. Vale. A magistro Jacobe audies de defectu
meo. 17. Mart. Tuns Berchtoldus Hallerus." Opp. 586.
«) Keim, Schwab. Ref. -Gesch., S. 266 ff.
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434 LENZ,
5. März hatten sogar die Extremen, die Ceilarins filhrte,
mehrere Monate unbestritten die Oberhand. In Ulm und
den ihm verwandten Städten geschah, was Zwingli das Liebste
war: die Besserer, Ehinger und ihre Freunde verständigten
sich mit Sam und seinen CoUegen : hier nahm die Bew^ung die
Richtung, die von Strassburg aus geleitet wurde ; ihr schlössen
sich alle evangelischen Städte von Basel bis Memmingen
und Isny an. Die Beschlüsse der Conferenz, welche in
Memmingen vom 27. Februar bis zum 1. März tagte, wo
Blaurer präsidirte, Sam und Bernhard Besserer neben einander
Ulm vertraten, zogen davon die Simune, in recht ausgeprägt
Zwinglischem Sinne, obschon die Strassburger Einheitsformel
für das Sacrament zu Grunde gelegt wurde. Der Memminger
Tag ging dem von Basel parallel und sollte die kirchliche
Ergänzung fiir die politischen Beschlüsse der Ulmer Januar-
versanunlung geben: er brachte von den Reichsstädten das,
was der von Basel seitens der schweizerischen Burgrechts-
städte hätte bringen sollen, die Bestätigung der Schmalkal-
dener Beschlüsse und die Vorbereitimgen zum Abschluss des
Bundes in der nächsten Versammlung *). Diesem waren da-
mals jene Städte wohl geneigt, während sie andrerseits auch
ihren Rückhalt bei den Eidgenossen zu verstärken suchten:
in Basel konnten die Constanzer berichten, dass ihre Wer-
bungen bei den Freunden in Lindau, Kempten, Memmingen
und Isny gutes Gehör gefunden hätten; es sei von diesen
nichts Anderes als Gutes zu erwarten *).
So schien sich die Politik des letzten Baseler Abschiedes
bewähren zu wollen. Trotz der Sprödigkeit, mit der man
die auf die Gewinnung Oberdeutschlands gerichteten Ver-
mittlungsversuche Sachsens aufnahm, ward die Verbindung
mit den Reichsstädten nur enger; die grosse Concession,
welche von den Eurfürstischen in der Anerkennung der
Tetrapolitana gemacht war, diente nur dazu, die reformato-
nsche Bewegung im Oberlande in sehr entschieden Zwing-
lische Bahnen zu lenken.
») Keim a. a. O. 257 ff
8) E. A. 903, h.
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ZWINGLI UND LANDGRAF PHILIPP. 435
Unter demselben Gesichtspunkte werden wir auch den Brief
Zwingli's an Philipp vom 11. Februar auflfassen müssen. Er
ist einen Tag vor dem Absagebrief an Bucer geschrieben,
worin Zwingli erklärt, keine Zeit zu einem Brief an den
Landgrafen über die Abendmahlsstreitigkeit zu haben, und dem
CoUegen nur gestatten will, einen Auszug des an ihn ge-
richteten Schreibens jenem zu übersenden *). Ein Bote hat
vielleicht beide Schreiben bis Basel getragen. Ueber den
Sacramentstreit findet sich nun allerdings in dem an den
Landgrafen keine Sjlbe. Im Uebrigen aber bekimdet es
<la8 grösste Enigegenkommen gegen Philipp's LiebHngswunsch,
die Rückführung Herzog Ulrich's in sein Land : weshalb denn
der Landgraf so lange nichts von dem Würtemberger Han-
del habe hören lassen? Jetzt grade sei es Zeit, die Sache
„anzuheben", wo der Kaiser noch im Lande, Ferdinand
noch nicht befestigt, die Welt noch nicht abfällig sei. Er
müsse mit Basel, Bern und Zürich, besonders den zwei letzteren
Ulrich's halben handeln, denn „es stat sinethalb vast gunst-
lich hie oben bym gemeinen man''. So antwortet ZwingU
auf den Brief vom 25. Januar, in dem Philipp ihn aufs
dringendste zur BewiUigung des Concordats aufgefordert, die
würtembergische Frage aber nur ganz kurz berührt hatte.
Kann für uns etwas beredter sein als das Schweigen über
den einen und dies hitzige Eingehen auf den andern Lieb-
lingswunsch des Fürsten? Den Gesinnungsgenossen zu
fesseln und die Selbständigkeit gegenüber dem Kurfürsten
zu wahren, ist oflfenbar auch die Absicht dieses klug berech-
neten Briefes; es ist dieselbe Politik wie im November. Da-
hin gehört auch die Versicherung, den angebotenen Bund
mit Freuden anzunehmen: „Zürich hat in den verstand mit
frolocken bewilliget." Und kein Wort über die unerlässliche
Vorbedingung, die Anerkennung der TetrapoHtana 1 Nur
wieder der (Jedanke, den der Brief an die Freunde in Basel
vom 20. November aussprach: den Bund wie den mit den
1) „ Ferre possem, ut ad Cattum brevem hujus epistolae summam
dares, nam ad illum scribendi otium nunc non suppetit. Scripsimus
pridie ad illum.^*
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436 LENZ,
Papisten gegen die Türken eingehen zu wollen. Konnte
Zwingli aber hoffen und hat er jemals im Ernst gehofft, eine
solche Vereinigung, die er in seinem engeren Kreise niemals
geduldet hätte, mit den schroffen Gegnern zustande zu
bringen?
Diese Politik war klug und hatte momentane Erfolge,
aber auf die Dauer musste sie unfruchtbar bleiben.
Zwingli drückt in dem Briefe die Befürchtung aus, dass
die Welt wieder „ab&llig" werden könne. In der Tat be-
gann wohl eben in diesen Tagen die neue Strömung in der
evangelischen Parteibewegung sich zu bilden, die wieder in
der entgegengesetzten Richtung lief und in wenigen Wochen
zu Tage treten sollte.
Es ist die letzte Phase innerhalb dieser Verschmelzungs-
versuche der beiden evangelischen Kreise.
Die politischen Factoren, die sich jetzt gegen einander
bewegen, sind keine andern als früher. Nur der Druck,
den sie gegenseitig ausüben, ist verschieden. Hundert Intei^
essen knüpften die protestantischen Mächte zusammen, ebenso
starke Gegenkräfte aber trieben sie immer wieder auseinander.
Und leider war die stärkste Fessel, die sie band, nidit das
Bewusstsein der gemeinsamen Religion, sondern das der ge-
meinsamen Gefahr. Nur die Furcht hatte die Sachsen be-
wogen, den Sacramentirem die Hand zu bieten. Sobald
diese verschwand, mussten die alten Antipathien von neuem
erwachen. So begann eine rückläufige Bewegung in die Bah^
nen, die man im October überwunden zu haben schien. Auch
wenn wir es nicht wüssten, könnten wir wohl erraten, was
auf die Haltung Sachsens fortan eingewirkt hat: neue An-
knüpfungsversuche des kaiserlichen Hofes, friedliche Veiv
Sicherungen, vielleicht gar gewisse Verheissungen haben die
Orthodoxie und die Friedfertigkeit der sächsischen Staats-
männer gleichmässig gestärkt. Leider sind wir über den
Beginn und Fortgang dieser Unterhandlungen noch ebenso
im Unklaren, wie über die vor dem Augsburger Abschied.
Möglich, dass sie an die sächsischen Politiker erst nach dem
zweiten Sclimalkaldener Tage herantraten; jeden&lls aJber
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ZWINGLI UND LANDGRAF PHILIPP. 4^7
werden diese schon damals gemerkt baben^ dass die Gefahr
nicht so unmittelbar vor der Tür sei, vielleicht noch ein Mal
an ihnen vorübergleiten und an einer andern Stelle treflFen
werde. Zugleich konnten sie den Verlauf^ den die Refonn-
bewegung in den Eeichsstädten in Folge der Versöhnungs-
polilik nahm, unmöglich mit Wohlgefallen betrachten. Nah-
men sie jetzt die Zwinglianer ohne jede confessionelle Be-
dingung in das Bündnis, so gaben sie das Oberland ihren
Wühlereien völlig preis, setzten sich also in dieselbe Lage, die
Zwingli und die Seinen im November hatten vermeiden wollen.
Andrerseits durften sie den oberländischen Communen nicht
die Schroflfheit ihres Principes aufdrängen wollen, denn da-
mit wären diese nur den Schweizern ganz in die Arme ge-
trieb^QL ^). Sie wollten mit diesen Städten dasselbe, was die
Schweizer: ihre Macht verstärken. Mit jenen verknüpfte
sie eine ganze Reihe von Beziehungen, zu den Eidgenossen
zog sie kein politisches Interesse. Da half es ihnen nun
nichts : sie mussten trotz aller ihrer Glaubensstärke das Halb-
dunkel der Tetrapolitana dem Lichte ihrer Confession gleich
erklären und zu der noch viel radikaleren Ausbildung der
kirchlichen Formen in der neuen Provinz ein Auge zudrücken.
1) Noch zur Zeit des schmalkaldischen Krieges spricht Melanch^
thon in seinen Briefen wiederholt diese Furcht aus, so am 27. Juli gegen
Meienburg in Nordhausen : „ Sed profecto consilium Caroli imperatoris
stultum fuit de hello movendo. Nam etiam profligatis principihus
civitates Germaniae superioris potius cum Helvetiis se conjuncturae essent
quam acceptnrae hispanicum imperium"; am 11. Decemher gegen den
vertrautesten Freund, Joachim Camerarius: ,,si implacabiliter irascitur
Imperator Cärolus, metuo illa, quae semper metuimus, conjuDCtionem
civitatimi, quae ad Rhenum et Danubium sitae sunt, cum alpinis gen-
tibus, et religionum confusionem et seditiones horribiles " ; und noch am
3. Februar 1547 gegen König Christian von Dänemark : „ Und wiewohl
die Pfaffen sehr rühmen, dass nimmehr der Churförst zu Sachsen und
der Landgrave KU Hessen also abgezogen sind, so wird doch der Kaiser
damit die Christenheit und das deutsche Keich nicht zufrieden bringen,
sondern die Stadt Constantia, Strassburg, Augsburg und andere, und,
wie ich merk, auch Wirteberg, werden sich zu Sueitz thuen, dass
also der Kaiser durch diesen erbärmlichen Krieg Kirchen imd Reich
mehr zerrissen hat, denn sie zuvor gewesen, wie ich im Anfange dieses
Krieges besorget.** — C. R. VI, 205. 311. 381.
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438 LENZ,
wenn nur die Neugewonnenen ihren Gegensatz gegen die
Zwinglische Richtung offen eingestanden. Das geschah zu
Schmalkalden auf der zweiten Bundesversammlung im M&rz^
wo der Entwurf, den einst Philipp und Zwingli vereinbart
hatten, zuerst in die Form eines Abschiedes gebracht und
zur schmalkaldischen Bundesurkunde geworden ist Hier
musste Jakob Sturm den Unterschied der oberländischen von
der schweizerischen Lehre ausfuhrlich und deutlich begrün-
den. Danach aber erkannten die Lutheraner die Tetrapoli-
tana als „Gottes Wort gemäss '' an. Die Cerimomen£rage,
hinter der sich der Kern der Gegensätze verbarg, kam gar nicht
zur Sprache. Der Kurprinz Johann Friedrich, der seinen
Vater vertrat, befahl seinen Theologen, fortan „gleichförmig
und bescheidentlich" von dem Handel des Sacramentes zu
predigen *).
Die Abgeneigtheit der Sachsen, mit den Schweizern in
„brüderliche Gemeinschaft" zu treten, musste nun aber in
eben jenen Wochen noch wachsen durch die grossen Ge-
fahren, welche die politische Stellung der letzteren bedrohten
und zum Teil schon bestürmten. Im März brach der Müsser
Krieg aus. Der Castellan hatte in frevelhafter Weise die
heiligste Satzung des Völkerrechtes durch die Ermordung
eines Gesandten der Graubündner gebrochen, und wagte es
jetzt, mit seinen Spaniern und im Vertrauen auf den Rück-
halt, den ihm die mächtigen Freunde zu gewähren schienen^
der eidgenössischen Macht zu trotzen. Seit dem Februar
aber spitzten sich die inneren Gegensätze in der Eidgenossen-
schaft immer schärfer zu der Krisis zu, die im Herbst fiir
Zwingli's Werk die Katastrophe wurde. An diesen Con-
flicten hatte die sächsische Politik gar kein Interesse. Wes-
halb sollte sie sich in ihre Gefahren hinein ziehen lassen?
• Auch die oberländischen Städte waren durch die Ver-
wicklungen der inneren eidgenössischen Politik wenig oder gar
nicht berührt; umsomehr mussten sie ihnen ein Anlass sein,
ihre Augen auf die Verbindung mit den nördlichen Mächten zu
richten. Und selbst den Eidgenossen konnte in diesem Augen-
1) Keim a. a. 0. S. 280.
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ZWENGU UND LANDGRAF PHILIPP. 439
blicke der Gedanke, mit den Sachsen „die Aufrichtung
grosser Briefe und Siegel'' zu betreiben, nicht mehr so be-
denklich sein wie im November. Wenigstens die Verbin-
dimgen, die sie innerhalb der Gesanmitpartei hatten, mussten
sie nach Kräften zu erhalten und zu stärken bedacht sein.
Zwar bat Zwingli grade in jenen Tagen, am 5. April, Va-
dian, den Anschluss der schwäbischen Städte an die Eidge-
nossen vermitteln zu wollen, da die evangelischen Fürsten
zu entfernt wären, um sofortige Hülfe bringen zu können,
indessen haben doch er und seine Mitbürger in denselben Tagen
den Landgrafen für ihre Interessen auf das lebhafteste zu
gewinnen versucht. Vom 30. März besitzen wir einen Brief
Zürichs an Philipp, in dem es die Freveltat des Castellans
von Musso und den Auszug des eidgenössischen Heeres, um
sie zu rächen, meldet *). Wenige Tage darauf kam die
Kundschaft, dass der Schwager des Castellans, Marx Sittich
von Ems, und sein Sohn in dem Tiroler Gebiete Knechte
zusammenzögen, offenbar in der Absicht, dem Verwandten
und Bund^genossen Entsatz zu bringen. Sofort meldeten
die Züricher dies dem Landgrafen in einem zweiten Schrei-
ben, das sie absandten, ohne nur mit den andern Städten
darüber zu beraten. Philipp Hess es wieder von seiner Seite
nicht an Eifer fehlen. Er wähnte schon, das Wetter wolle los-
brechen und die Gelegenheit sei da, die Bundesgenossenschaft
mit der Tat zu bewähren. Gleich mit dem ersten Brief
sandte er seinen Secretär Johann von Nordeck an den Für-
sten von Lüneburg. Wir kennen noch nicht den Inhalt der
Werbung, aber die Antworten des Fürsten, die uns vor-
liegen, lehren, dass Philipp versucht hat, ihn hinter dem
Rücken des Kurfürsten für seine kriegerischen Pläne zu ge-
winnen. Fürst Ernst stand damals mit dem Landgrafen in
gutem Vertrauen und war wohlgeneigt, die Eidgenossen in
den G^sammtbund au&unehmen; diese Anmutungen waren
ihm aber doch zu stark. Drei Mal hat er an zwei Tagen,
den 17. und 19. April, selbst zur Feder gegriffen, um den
Freund vor unbedachtsamem Handeln zu warnen : er sei zu
1) E. A. S. 932, 3.
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440 LENZ,
eilig, zu eigenwillig, er möge doch nur gemaehsam und in
rechtem Geheim verfahren, damit andere Städte nicht ab-
geschreckt würden; einmütiger Rat sei nötig und daher das
Beste, den ganzen Handel bis zm* gemeinsamen Beratung
auf dem Frankfurter Tage aufzuschieben ^).
Philipp aber dachte alles Ernstes daran, loszubrechen.
•Sowie er nur den ersten Brief von Zürich erhalten hatte,
ordnete er Alexander von der Thann als Gesandten dorthin
ab. Dann kam der zweite Brief über die Rüstungen Marx
Sittiches, und sofort ward ein zweiter Botschafter, Hein«
von Luther, mit einer neuen Werbung nachgeschickt, die er
zugleich in Strassburg imd Basel vortragen sollte. Die Vor-
schläge, welche Thann überbrachte, waren noch ziemlich all-
gemein gehalten : obschon von Rüstungen des Kaisers nichts
verlaute, ausser dass derselbe nach Knechten trachten solle
unter dem Schein eines Zuges gegen den Türken, wolle
der Landgraf dennoch treues Aufsehen haben, um, so-
bald Zürich und andere Bundesverwandte bedrängt würden,
sich dem Bündnis gemäss zu halten. Er bitte nur, ihm flir
solchen FaU den Willen der Stadt kund zu tun. Schon sei
ein Aufgebot geschehen und an Strassburg in demselben
Sinne geschrieben. Die zweite Werbung hingegen zielte auf
directen Angriff: man müsse gegen diejenigen, die dem Feinde
Vorschub leisten, gleichzeitig zur Gegenwehr greifen; ein
jeder der Verbündeten soUe „an seinem Ort" ausziehen,
aber alle für einen Mann stAen; mit Leuten und Geld
müsse man sich gegenseitig unterstützen und nur gemeinsam
Frieden schliessen. Der Landgraf schien den Moment für
gekommen zu halten, den der Graf von Mansfeld mit seinem
Vorschlage ins Auge gefasst hatte *).
Jedoch sein kriegerischer Eifer ward durch die Schweizer
selbst gedämpft. Die Bundesstädte hatten es den Zürichern
sehr übel genommen, dass sie das zweite Schreiben, ohne sie
nur zu fragen, an den Landgrafen hatten abgehen lassen.
Auf dem Bürgertage, den die Herren von Zürich in ihre
1) Orig. Marb. Arch.
8) E. A. 964 ff.
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ZWINGU UND LANDGRAF PHILIPP. 441
Stfldt in der Osterwoche berufen hatten, um die bösen Nach-
nohten über die RUßtungen Sittiches mitzuteilen und auf einen
Gegeneinfall in Tirol anzutragen, konnten ihnen die Bundes-
yerwandten sehr viel äfiedlichere Meldimgen entgegenhalten:
in Oeßterreich nehme sich — wie die Bündner selbst mel-
den — niemand des Handels an als der ron Ems oder sein
,S(^, den Kegenten und Behörden wie dem gemeinen Mann
sei vielmehr die Unternehmung des Müssers höchst misföUig
Mau erhalte aus Tirol Zufuhren aller Art und die besten
. Zusicheäfungen, die Erbeinung mit den drei Bünden zu hal-
ten. Da sei es unnötig und ganz unfruchtbar, bei dieser
^, klemmen und theuren^^ Zeit einen zweiten Krieg anzufangen,
bevor der eine beendet sei, und sich aus Freunden Feinde
au machen. Man solle erst sehen, wie man im Vältlin Ord-
nung schaffe ^). Nach solchen Vorberatungen konnte die
Antwort an die hessischen Gesandten nicht wohl kriegerischer
lauten. Am 28. April ward sie ihnen in Zürich auf einem
neuen Bürgertage gegeben. Man äusserte «ich höchst erfreut
und dankbar über den guten Willen des Fürsten. Er ward
gebeten, denselben auch ferner zu beweisen, und ein Gleddbiss
versprochen „als sich das von christenUcher pflichten wegen
gepüre", man werde gegen die Widerwärtigen nichts unter-
nehmen , ohne dam Fürsten Bericht erstattet und seinen Bat
eingeholt zu haben. Uebrigens aber sei von den Absichten,
-die in der Instruction gemeldet seien, „diser zit ze reden oder
zuo handeln von unnöten'^, da der König seine Süstungen
eingestellt habe und der „Tyrann" wohl in kurzer Zeit
„gedämmt" sein werde.
Diesen Beschluss schreibt Zwingli d^m fUrstUchen
Freunde in dem Brief vom 28. April. Gewiss wird es ihm
peinlich gewesen sein, eine solche Mitteilung zu machen, denn
sie war im Grunde nichts als eine Zurückweisung der be-
reitwilligen Zusagen, zu denen seine Herren den Fürsten
durdi die beiden Briefe bewogen hatten. Er hatte also die
Au%abe, die Pille mögHchst zu versüssen, und wie er das tut,
ist wieder "höchst charakteristisch. PhiKpp hatte bei seiner
1) E. A. 936.
Zeitichr. f. K.-G. UI. 3. 30
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442 LENZ,
Bei'eitwilligkeit, loszuschlagen, jedenfalls in erster Linie wieder
Würtemberg im Auge. Hierauf also musste Zwingli, Tvie
in dem Brief vom 11. Februar, die Hoffiiung des Fürsten
rege erhalten. So schreibt er daher, unmittelbar naehdem
er den Beschluss des Bürgertages gemeldet hat: „Demnach
empfelhend mir die, so nit die geringisten sind, üch anze-
zeigen, dass es by uns gantz verschruwen ist, dem Herzog
von Würtemberg ze verhelflFen , und sähind hohes imd niedren
Standes gemn, das die Sach überhin war, könnend euch -wol
erkennen, das sy uns zu frid imd krieg in unseren landen
dienstlich wurde sin." Konnte er damals im Ernst daran
denken, dass die Berner, die sich nicht einmal gegen Marx
Sittich und die Fünförtischen bewegen liessen, in einen
grossen Reichskrieg, zu dem der würtembergische Zug wer-
den musste, verwickeln lassen würden?
Auch die Verbindung mit Frankreich, so schreibt
Zwingli, habe er von neuem in Anregung gebracht Er
bezieht sich damit auf eine Mission, mit der er wieder den
Collinus zum General Maigret Ende März ^) betraut hatte.
Nächster Anlass dazu war der Ausbruch der Müsser Fehde,
seine Hoflhung aber, die Summen, die Konig Franz den
Schweizern von den vergangenen Feldzügen her noch schul-
dete, fiir den grossen Krieg, den er vor Augen sah, flüssig
zu machen. Der Bescheid, den Collinus heimbrachte, war
denen vom vorigen Jahre ähnlich: gute Worte und unbe-
stimmte Verheissungen genug, aber keine feste Zusage und in
dem Hauptpunkt eingehe Abweisung. Der G^eneral sprach
0 Der Bericht darüber nach des Collinus eigener Handschrift
E. A. S. 934. Eine Note, die der Stadtschreiber Rudolf Beyel dem
Schriftstück zugesetzt hat, sagt darüber: „Rudolf am Büel, so man
nempt Colinus, ward mit disem empfalch von minen herren den
heimlichen zuo dem Mageret abgefertigt und referiert wie obstat,
Anno etc. xv« xxxj ipsa die Parasceues ". Zwingli schreibt aber : „ Nun
hab i c h by Frankreich min kleinfueg werben geton und antwurt em-
pfangen, man welle mich lassen wüssen, doch hab ich sidher ghein
antwurt empfangen.** Eine Differenz im Wortlaut, die wie wenig an-
deres geeignet ist, uns Form und Wesen des Regiments, in dem Zwingli
mitwirkte, die Machtstellung, welche er in seiner Vaterstadt einnahm,
zum Bewusstsein zu bringen.
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ZWINGLI UND LANDGRAF PHILIPP. 443
viel von dem guten Willen seines Monarchen für die Eid-
genossen und seiner Feindschaft gegen den Kaiser; er riet
an, dass Zwingli eine Apologie der religiösen und politischen
Ziele seines Städtebundes an den König aufsetzen möge; er
Hess durchblicken, dass er im Kriegsfalle wahrscheinlich einen
Geldzuschuss von seinem Monarchen werde erwirken können;
aber das Verlangen sofortiger öeldunterstützung wies er
ebenso freundlich als bestimmt zurück *). Die französische
Politik gegenüber der Schweiz war eben seit einem Jahre
keine andere geworden. Sie verfolgte stets nur das eine
Ziel, den drohenden Conflict zwischen der katholischen und
e,vangelischen Partei zu verhindern, und deshalb sehen wir
ihre Vertreter bei den Eidgenossen grade in jenen Wochen
um so unermüdUcher zum Frieden mahnen, je unvermeidlicher
der Bügerkrieg heraufisog *).
So wenig nun dies alles dazu angetan war, Landgraf
Philipp in seinen Hofihungen, das evangelische Gesammt-
bündnis fertig zu bringen, zu bestärken, hat er doch die-
selben auch damals keinen Äugenblick aus den Augen ver-
loren. Und in der Tat waren die beiden Parteien trotz der
Trennimg im Frühjahr noch immer ganz nahe bei einander,
imd strebten die verwandten Kräfte noch immer nach Ver-
einigung. Es ist schliesslich der Widerspruch einer einzigen
Macht, Sachsens, gewesen, was den Zusammenschluss auf
der dritten Bundesversammlung im Juni zu Frankfurt ver-
hindert hat. Die Instruction, mit der Landgraf Philipp seine
1) „Dorum, sitmal die löuf sich jetz uf krieg züchent wider
den Keiser, welches der Küug wol erlyden mag, so will der General
au den Rüng lassen langen , ob der Küng ein heimlichen zuoschuoh
an gelt thuon wölte m. g. herren, wo ein krieg wider den Reiser an-
gienge, und dessen M. V. (d. i. Meister Uolrich) wüssenhaffc machen,
als bald er antwurt dorum empfacht/* (Darauf beziehen sich Zwingli's
Worte a. a. 0.: „Doch hab ich sidhar ghein antwurt empfangen".)
„ Der General rat, M. V. soll durch ein geschribnen brief dem Küng
rechtung geben des gloubens der christenlichen stetten und verant-
worten etlich artikel, so man dem Küng falschlich fürgibt, und be-
sonder dass man kein oberkeit solle han etc., und den brief dem
General zuoschicken etc."
a) E. A. S. 991. 996 f. 1009. Opp. 605.
30*
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444 LENZ,
Bevollmächtigten Ludwig von Boyneburg und Georg Nus-
bicker nach Frankfurt entliess *), zählt die Gründe auf, durch
die er die Hartnäckigkeit seines Verbündeten zu brechen
hoffite: die Vorteile, die dem Evangelium aus der Aufnahme
der Schwdzer erwachsen würden; der Kaiser würde fortan^
felis er angreifen sollte, drei Kriege zu führen haben, den
einen gegen Dänemark und die Seestädte, den andern gegen
die Eidgenossen imd den dritten gegen Sachsen -Hessen mit
den ihnen verwandten Fürsten, Ghtifen und Städten; femer
die religiöse GemetQschaft: der Artikel über das Sacrament
sei vergUchen, Oekolampad, Zwingli und ihre Anhänger
dächten wie Luther und Melanchthon, sie wollten es nur
nicht vor der Welt eingestehen aus Furcht, dass die früheren
Gegner dann „gross gloriren" würden. Die Instruction be-
tont die geringe Verbindlichkeit, die aus der Einigung mit
den Schweizern erwachsen würde: nur wo das Interesse der
Seligion, deren Verteidigung das Bündnis geschaffen habe
und die sie alle v^^knüpfe, ins Spiel käme, würde man
verpflichtet sein. Sie fasst auch den Fall ins Auge, dass
Sachsen sich auf den Handel wegen der Eidgenossen gar
nicht mehr einlassen würde: dann sollen die Gesandten mit
den anderen Ständen, Lüneburg, Braunschweig, Anhalt,
Mansfeld und den Städten, handeln. Haben diese die Vor-
schläge angenommen, so wird man einen CoUectivschritt bei
dem Kurfilrsten tun, ihn zum Anschhiss auffordern müssen.
Ja der Landgraf kam auf den Gedanken zurück, vor dem ihn
Ernst von Lüneburg im April so eifrig und ängstlich ge-
vramt hatte, Sachsen den Eidgenossen zu opfern, den Bund
mit diesen ohne jenes zu scUiessen; wären die Schweizer
erst hineiu, so würde der Kurfiirst schon von selber nach-
kommen. Die VerfiEissungsformen , die in der Instruction
proponirt werden, kommen den Interessen der Oberländer
ebenso sehr entgegen: das Zweikreiseproject, so wie es von
den Reichsstädten gewünscht war, wird gebilligt; die Ed-
1) Marb. A. Orig. Fehlerhaft gedruckt Neudecker, Urkun-
den 168. Nach einer Notiz im M. A. waren die hessischen Gesandten
in Frankfurt vom 4. bis 11. Jörn.
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ZWmGLI UND LANDGRAF PHILIPP. 444
genossen, Strassburg, Constanz, Ulm, Memmingen, Kempten,
Lindau und die andern oberländischen Städte sollen den
einen, Sachsen, Lüneburg, Hessen mit andern Fürsten und
Städten den zweiten ICreis bilden. Die Fürstenmacht sollte
also in dem oberländischen Kreise gar nicht vertreten sein;
der Landgraf stellte sich noch auf eine Seite mit dem Kur-
fürsten; er vorlangte noch nicht die coordinirte Stellung, die
er später als Hauptmann des oberländischen Kreises einnahm:
die Städte hätten sich keine bessere Combination wünschen
können.
Und diese weitreichenden Aussichten sind in Frankfurt
trotz aller fiüheren Lrungen der Verwirklichung ganz nahe
gekommen. Die sächsischen Bevollmächtigten hatten von
ihrem Fürsten die Weisung erhalten, ihre dogmatische Stel-
lung in aller Strenge aufrecht zu erhalten. Sie kamen
darüber mit dem Vertreter Strassburgs, Jakob Sturm, hart
aneinander ^). Im Beisein der hessischen Gesandten erinnerte
Sturm an die Zusagen, die ihm der Kurilirst in Schmalkal-
den gemacht habe. Die Sachsen konnten sich dagegen nur
auf ihre Instruction berufen, „dass sie weiter derhalb ichts
anzuprengen nicht zu thun wussten, und wäre ihnen ver-
potten". Sturm drohte dag^en mit dem Rücktritt seiner
Stadt; es würde seinen Herren, erklärte er, unter solchen
Umständen schwer werden, auf die Verfiissung der Gegen-
wehr einzugehen. Vergebens suchten die Hessen hineinzu-
reden; es schien, als solle man völlig auseinanderkommen.
Für die hessischen Bäte war jetzt der Augenblick da,
den zweiten Fall, den ihre Vollmacht vorgesehen hatte, ins
Auge zu lassen. Sie erö&eten daher Jakob Sturm die guten
Zusagen, die sie jüngst zu Schmalkalden von den Fürsten
von Lüneburg, Philipp von Braunachweig imd andern Stän-
den erhalten hätten. Leider waren deren Räte jetzt meist
nicht da oder nicht genügend instruiri Die Hessen schlugen
vor, die Verhandlungen bis zu ihrer Ankunft aufznischieben.
Aber dag^en erklärte sich Sturm: die Eidgenossen würden
es als eine Demütigxmg auffassen, wenn sie erführen, „dass
1) Dies und das Folgende nach einem Protokoll im M. A.
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446 LENZ;
deV Mangel am Kurfürsten sei". Zuletzt ging ein Antrag
der Landgräfisohen, von dem Kurfürsten seine endliche Mei-
nimg und das Bedenken seiner Gelehi-ten einzufordern, durch.
Landgraf Philipp und Ernst von Lüneburg sollten im Na-
men der Versammlung ein gemeinsames Schreiben an den
zögernden Bundesgenossen ausgehen lassen.
Aber nicht einmal dieser zaghafte Beschluss ward so
ausgeführt, wie er in Frankfurt vereinbart war. Als der
Fürst von Lüneburg das in der hessischen Kanzlei gestellte
Concept des Schreibens erhielt, bat er den Landgrafen^ es
doch lieber nur in seinem Namen abschicken zu wollen, da
er selbst schon an den Kurfürsten geschrieben habe. Phi-
lipp blieb trotz allem immer noch eifrig und voll Hoffiiung.
Er sei entschlossen, so schrieb er am 6. Juli dem Fürsten zu-
rück, endlich einmal zu Ende zu kommen: „es hat aber bis-
her nit statthaben wollen, und hat man gesagt, unser Herr-
gott werde alle Dinge schicken, wie die sein sollen. Das
glauben wii* auch, aber dannost durch die Mittel, die zu einer
iden Sache gehören." In dem Schreiben an den Kurfürsten,
das er danach im eigenen Namen richtete ^), suchte er von
neuem durch den Hinweis auf die grosse Macht imd Hi'dfe,
die man im Fall eines Ueberzuges von den Eidgenossen
haben würde, auf die Furcht, in der sie bei allen Nachbaren
wegen ihrer Macht und ihres Glückes ständen, und auf ihre
enge Verwandtschaft in der Religion den Bundesgenossen
zu ge\^dnnen. Auch konnte er das Gutachten zweier luthe-
risch gesinnter Theologen, des Erhard Schnepf und Ur-
banus Rhegius, die durch ihn und den Fürsten von Lüne-
burg über die Zulässigkeit des eidgenössischen Bündnisses
befragt waren und den politischen Wünschen eine religiöse
Begründung gegeben hatten , für sich anfuhren *). Aber es
1) Concept im M. A., undatirt.
>) Das Schreiben Schnepf s an den Landgrafen, das der Fürst
von Lüneburg an den Kurfürsten weiter befördert hat, fmdet sich im
M. A. nicht vor. Dagegen ist hier das Gutachten des Urbanus Rhe-
gius aufbewahrt, eine Copie aus der Lüneburger Kanzlei, die von Ei-
hard Schnepf vidimirt ist.
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ZWTNOLI UND LANDGRAF PHILIPP. 447
war alles vergebens. Der Kurfürst lehnte die neue Auf-
forderung rundweg ab. Nicht einmal die theologischen Gründe,
von denen er dabei geleitet sein wollte, hielt er fiir notwen-
dig zu wiederholen; seine Räte, schrieb er zurück, hätten
dieselben in Frankfurt deutlich genug ang^eben ^).
Und so geriet man von neuem völlig auseinander. Denn
die Weigerung der Sachsen, die Schweizer als Bundes-
genossen aufisunehmen, rief auch bei den oberländischen
Städten eine Unlust gegen den Fürstenbund hervor, welche
die auf den Tagen von Schmalkalden gewonnene Einigung
wieder völlig aufeuheben drohte. Schon im Mai hatte eine
Versammlung oberländischer Städte, die in Ulm auf An-
mahnung von Constanz zusammengetreten war, sich gegen
ein Bündnis ausgesprochen, bei dem die Eidgenossen nicht
beteiligt wären *). Ganz im Sinne dieses Beschlusses ward
darauf die endliche Durchführung des Reformationswerkes in
Ulm in Angriff genommen. Die benachbarten Städte sandten
dahin ihre vornehmsten Prädicanten, Strassburg Bucer, der
dann auch hier das Beste tat, Constanz Blaurer, Basel
Oekolampad. Von Memmingen erschien Simbrecht Schenk,
von Biberach Bartholomäus Miller. Während die Parteien
in Frankfurt tagten, ward die Umwandlung der Ulmer Kirche
begonnen, unter dem Eindruck der dort gefassten Beschlüsse
ward sie vollendet. Zwingli begleitete diese Vorgänge mit dem
lebhaftesten Interesse. Und keineswegs stellt er der Neugestal-
tung der dortigen kirchlichen Verhältnisse um der Differenzen
willen, die sie noch von seinen kirchlichen Idealen imd For-
men trennten, die Starrheit und Ausschliesslichkeit seines
Principes, wie den Sachsen oder den Schaff hausenem, ent-
gegen. Mit den Strassburgern, Bucer und Capito sowohl
1) Orig., Torgau, 22. Juli. M. A. Philipp verbarg in der Ant-
wort, Spangenberg am 30. Juli, (Conc. von H. Lersener, M. A.) nicht
sein Misvergnügen über dies brüske Schweigen: „hetten wir wol
leiden mugen, das doch e. 1. uns solcher irer gelarten ursach und be-
denken, darumb man di aidtgnossen in solch unser vorstentnus mit
Got und gwissen nit nemen mucht, angezeigt bette."
») Keim, Reformat. v. Uhn, S. 215 ff.
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448 LENZ,
alft Jakob Sturm, finden wir ihn schon seit dem April wieder
in freundlichem und vertraidichem GedankenaustauscL An»
Ulm kamen an ihn von den Prädicanten genaue Berichte
über den Fortgang der Reformation, die er mehrmals in
freimdlicher, zustimmender Weise beantwortete. Er begriff
rollkommen, dass die Freunde in manchen Punkt^i hinter
ihren Wünschen zurückbleiben mussten, und dankte Gk)tt
mit ihnen, dass er durch sie die „Religion" in dieser S^tadt
in eine Stellung gebracht habe, ron der sie weder hoch noch
niedrig gestellte Feinde würden Verstössen oder herabzneben
können *). Zwar bedauert er, dass in den Artikeln von der
Taufe und dem Abendmahl, auch in der kirchBcben Disci-
plin noch einige Punkte geblieben seien, die bdleres Licht
vertragen können, indes er hofft, dass die Zeit alles aufhellen
wird, der auch die Freunde, an deren Recht^ubigkeit er
nicht zweifelt, g^enwärtig noch Rechnung haben trägem
müssen. Denn er weiss, dass man das Netz des Evangdiums
mit Vorsicht und Klugheit auswerfen muss, um dem Herrn
desto mehr Selen zu gewinnen, dass man auf Geist und Ab-
picht, nicht auf das Gefüge der Worte zu achten hat, und dasa
sich einst die Gelegenheit geben wird, alle Schäden bis auf
i) Zw. Sam., 16. August (Opp. 633); „At quomodoeunque haec
habeant, Deo gratias habemus, quod huc religionem apud vestros
evexit, unde detrudere superi aut detrahere inferi non poterunt. Esto
enim quaedam in baptismo et eucharistia, adde ot in censura
ecclesiae quaedam sint, quae majorem lueem ferre potuiss^nt, oraaiia
tarnen tempus ilhistrabit, cni et indubie obtemperavistis. Seio enim^
scio te scire, quod baptismus symbolum sit, eis tum demum praestaa-
dum, quos sciverimus ad ecclesiam pertinere, quantum ad humannm
Judicium pertinet. Scio et hoc te non latere: in coena Domini non
nisi sacramento corporis et sanguinis Christi homines cibari, qui jam
dudum spiritualiter cibati ac saturi fuerunt. Scripsit enim apostolus,
ut sese homo , priusquam huc adeat , exploret. Fidem igitur dudumt
adfuisse oportet eis, qui ad convivium istud accedunt. 8ed ut dixi,
mitius et cautius quaedam fuerunt proponenda et Evangelii rete prü-
den ter jacendüm, quo majorem Domino praedam referatls. Ego aaii-
mum et consilium specto, non verbormn struem. Dabhur aHqnando
ad vivimi omnia resecandi opportuiiitas."
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ZWINGLI UND LANDGRAF PHILIPP. 449
den Grund auazuiilgen. Und wirklich hatte Zwingli wenig
Ursache, mit dem'Veriauf der Ubner Reformation unzufrieden
zu sein. Die Formulirung der Tauf- und Abendmahlslehre ent-
fernte sich weit von dem sächsischen Begriff, um dem
schweizerischen ganz nahe zu kommen *). Noch radikaler ver-
fahr man in der Umgestaltung de» Gottesdienstes und der
Kirchenoordnung. „Die Ceremonien", konnte Oekolampad
schon den 22. Juni an Zwingli schreiben, ,,9timmen vöttig
mit den Gebräuchen unserer Kirchen überein" ^. Am
16. Juli fiuad im Chor des Monsters das erste NachtmaM
statt; man feierte eS; wie in Basel und Zürich, am einfach
hölzernen Tische: alles „Götzenwerk" war aus der Kirche
hinweggeschaffit, die 60 Messaltäre abgebrochen, damit rie
nicht, wie der Rat in seinem Ausschreiben sagt, den Platz
1) Von der Taufe heisst es, sie sei ein Bad der Wiedergeburt
und Sacrament göttlichen Bundes, das auch der Gläubigen Kindern
verliehen werden solle. Das Abendmahl Christi soll man zu seinem
GedächtBis, und dass man seinen Tod verkündige, und dasa die Sele zum
ewigen Leben durch semen Leib und Blut gespeist und also im rechten
christlichen Leben gestärkt und gefördert werde, halten; welchen
seinen Leib und Blut der Herr einmal am Kreuz für alle Erwählte
geopfert hat und nun zur Rechten des Vaters sie und alle Dinge re-
giert. Deshalb ein verdammter, grausamer Irrtum ist, fürzugeben,
dass die Thffen in der Mess Christum zur Fördemifi des Heils der
Lebenden und Todten opfern^ das Brod- zu seinem Leib und den Wein
zu seinem Blut wandeln oder den Leib in solche räumlich
setzen. Li der ,ySacramentsordiiung", die Sam nach Weggang Bu-
cer*s, den die Kirchenordnungen und ein rechtfertigendes Ausschreiben
de? Rates zum Verfasser haben, aufErteüte, sprach er schon viel freier: durch
die äussere Tiaiife werde die innerlicbe Reinigung und Wiedergeburt
wahrlich bedeutet. Für das Abendmahl wurden jetzt die Formeln
vorgeschrieben; „Dein Glaube in das Sterben de» Leibes Christi er-
halte dich ins ewige Leben", und „dein Glaube in das Vergiessen
des Bluts Christi stärke dich ins ewige Leben". Keim 231. 243.
«) Opp. 612: „Itaque missa in urbe ablegata est in perpetuum
exilium. Lnagines et altarla hoc triduo in praeclpua aede parochiali
diruimtur, nnde et in alla templa opifices descendent. Consensum est
in censuram ecclesiasticam et civilem. Ceremoniae nostranun eccle-
siarum ritibus maxime conformes erunt. Monachi in ordinem redigen-
tor, scholae et Ihiguarum ttodia instituentar. Voeatus est ex Heidel-
berg« Martinu» Frechtw** etc. Vgl. Keim 234 ff.
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450 LENZ,
versperrten, die Bilder und Statuen der Apostel und Heiligen
weggeschleppt; sogar die beiden Orgeln hatte man als Ab-
götterei entfernt ^).
Der kirchlichen Umwandlung entsprach wieder die poli-
tische Schwenkung. Die Zurückhaltung Besserer's und seiner
Freunde von der Eidgenossenschaft, über die Zwingli früher
80 bittere Kllage gefuhrt hatte, machte jetzt einer entschiede-
nen Hinneigung Platz. Das wirkte auf die andern schwäbi-
schen Städte zurück, die sich in ihrer Politik durch das
mächtige Ulm bestimmen liessen *). Schon glaubten Oeko-
lampad imd Capito dem Freunde sichere Hofl&iimg auf den
Eintritt der einflussreichen Commune in das Burgrecht machen
zu können.
Unterdes suchte die kaiserliche Politik, wie immer
rasch imd geschäftig bei der Hand, die Kluft, die sich von
neuem zwischen beiden evangelischen Parteien schon durch die
inneren Gegensätze von Tag zu Tage weiter auftat, nach Kräf-
ten zu vergrössem. Das Verfahren war dasselbe, das sich be-
reits bewährt hatte und so oft noch glücken sollte; sogar die
Persönlichkeiten, welche die friedfertigen Versicherungen, mit
denen der Kaiser die evangelischen Fürsten von dem Bünd-
nis mit den sacramentirerischen Städten abzuhalten versuchte,
überbrachten, waren dieselben, denen wir auch in den späteren
Jahren begegnen : mit dem neuen Bimde in seiner Gesammtheit
verhandelten Kurpfalz und Mainz ; es geschah auf der vierten
Versammlung, im August, wieder zu Schmalkalden. Kurfiirst
Joachim von Brandenburg musste auf seinen Vetter in Preussen
einzuwirken suchen. Am kursächsischen Hof erschien Graf
Philipp von Nassau, und selbst auf Landgraf Philipp hatte es
der kaiserliche Hof noch einmal mit einer persönhchen Einwir-
kung versucht; Wilhelm von Neuenaar, der Bruder des Kölner
1) Was nicht weggescha£Pt werden konnte, ward nach dem Aus-
druck des Dr. Dietrich zerpickelt, zerhackelt, zerstumpelt und zei^
stümmelt ; unter anderm, wie man weiss , das Holzschnitzwerk Mebter
Sürlins an den Chorstühlen. Keim 246.
8) Cap. Zw. 4. Juli (Opp. 619) : „ Oppida Suevica exerunt caput
gaudibundi, quibus graviter obstitit Ulmensium imbecillitas.*^
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ZWmGU UND LANDGRAF PHILIPP. 451
Domherrn, kam, um seine Zustimmung zu einem Reichstage
zu gewinnen, für den er ein sehr verlockendes Programm,
die Herstellung eines allgemeinen Friedens, des Rechtes und
der Ordnung im Reiche, verheissen konnte ^).
Der Landgraf Hess sich jedoch nicht irre machen. In
denselben Tagen, wo diese Anträge an ihn gelangten, hat
er einen neuen Versuch gemacht, Zürich für seine würtem-
bergischen Pläne zu gewinnen, die er jetzt mit ganz beson-
derem Eifer betrieb. Im August hatte er eine folgenreiche
Zusammenkunft mit Leonhard Eck, dem bairischen Kanz-
ler, in Giessen. In demselben Monat sandte er Alexander
von der Thann von neuem nach Zürich, um die dortigen
„Geheimen" — nur an diese lautete der Auftrag, der in
tiefster Stille und, wie es scheint, nur mündHch ausgerichtet
worden ist — zu einer neuen Gesandtschaft nach EVankreich
zu bewegen; diese sollte bei König Franz Fürsprache fiir
Herzog Ulrich übernehmen. Von den Verhandlungen Thann's
besitzen wir erst seit kurzem ein paar Actenstücke *) ; sie
lassen erkennen, wie sorgsam man dieselben zu verbergen
wünschte. Dass sie einer französischen Sendung galten, er-
fahren wir nur aus dem Creditiv für den Gesandten,
den Zürich wirklich in der Folge an König Franz bevoll-
mächtigt, und aus dem Brief, mit dem es sich an diesen
gewandt hat; in den übrigen Acten ist stets nur von einem
„gewissen Fürsten" die Rede, zu dem der Gesandte gehen
solle. Auch der Name Thann's wird nur in dem Creditiv
genannt, das sein Fürst ihm am 9. August ausstellte. Wir
bemerkten, dass uns in diesen letzten Monaten auch der
Briefwechsel Zwingli's und des Landgrafen in Stich liess.
Dennoch durften wir nicht zweifeln, und diese Unterhand-
lungen beweisen es nur von neuem, dass die beiden auch
damals in dem lebhaftesten Gedankenaustausch gestanden
haben. Und wenn Thann dem Reformator keinen Chiffer-
1) Cap. Zw. 16. August (Opp. 632). Vgl. hingegen Buc. Zw.
13. Sept. (Opp. 643).
«) E. A. 1116, N.5J)2. Vorher wueste man von diesen Verhand-
Inngen gar nichts.
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432 LENZ^
brief seines Fürsten überbracht haben sollte, so hat er ihm
mündlich sicherlich um so intimere Mitteihmgen von dem-
selben machen können.
Mit dieser letzten Mission hat nun der Landgraf noch
einmal Erfolg gehabt Wenigstens haben wir Creditiv und
Instruction für den Gesandten nach Frankreich, der auch
diesmal kein anderer ist als Kudolf CoUinua. Voll Nach-
druck konnte Zürich dabei auch jetzt nicht vorgehen. Zu-
nächst wagten die Oheimen nichts ohne Vorwissen des
grossen Rates zu tun; der Bericht imd die Fürbitte, die sie
an diesen für den Antrag richten, betont mit Nachdruck die
Unge^rlichkeit der Sendimg für die Stadt, da sie ganz
„unvergrifenlich" sei und es sich nicht um eine „pracht-
liche'*, sondern eine „stille und wohlgeschickte" Botschaft
handle. In demselben Sinne ist die Instruction Ambühel's
selbst abgefasst.
So zaghaft dies Voi^ehen sein mochte, können wir dock
darin, dass es überhaupt geschah, die Rückwirkung von der
isolirten imd ausgesetzten Stellung erkennen^ in die Zürich
durch die engherzige und unentschlossene Politik seiner eid-
genössischen Bundesgenossen gegenüber den Waldstätten ge-
bracht war; in der ängstlichen Rücksichtnahme des kleinen
auf den grossen Rat aber und in der vorsichtigen Zurück-
haltung bei der Sendung nach Frankreich selbst spiegelt
eich der schwankende Boden wieder, auf dem Zwingli mit
seinem Reformationswerk sogar in Zürich stand. Wie wohl be-
greifen wir unter solchen Verhältnissen die trüben Stimmungen^
die sich in diesen letzten Wochen vor der Katastrophe bisweilen
des Reformators bemächtigt haben ! Mit voller Klarheit sah und
sagte er die unheilvollen Folgen voraus, welche die kuras-
sichtige und grausame Politik des Proviantabschlages bringen
musste: dass der Hunger die erbitterten Gl^ner zu dem
Kampfe treiben würde, den die Engherzigkeit seiner Partei
vermeiden wollte; dass sie den Stoss aus ihrer centralen
Stellung bei der freien Wahl der Zeit gegen jeden Punkt
der Peripherie mit überlegenen Kräften führen könnten, und
dass sie ihn ohne Zweifel zuerst gegen Zürich selbst richten
würden. Freilich sah er jenseits des Rheins sein Bekennt-
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ZWINGLI UND hASmORAF PHILIPP. 463
nis augenblicklich im glücklichßten Fortschritt: den Luthera-
nern war weder die Unterwerfung nodi die AuÄsdiliessung
»einer Kirchen aus dem evangelischen G«sammtbündnis ge-
lungen; vielmehr hatte sich die Pohtik, zu der seine Partei
sich im November entschlossen hatte, seit der Februarkrisis
von neuem bestens bewährt; je weiter Sachsen zurückwich,
um so näher kamen die oberiändischen Städte; je geringer
die Aussicht auf Abschluss des Gesammtbündnisses, um so
grösser war die Hofoung auf den Eintritt der schwäbischen
Beichsstädte in das Bui^echt. Aber das Ziel, auf das es
Zwingli zunächst ankam, die Unterwerfimg der katholischen
Minorität in der Eidgenossenschaft, ward durch diese Aus-
breitung seiner Macht im Reiche eher verhindert ids ge-
fördert. Denn so gerne die so eben in seinw Earchenform
constituirten Bürgerschaften auch in die politische Vereinigung
mit seiner Stadt treten wollten, teilten sie doch weder die
Gefehren noch, wie de glaubten, die Interessen, die der
Kampf mit den Waldstätten für Zürich haben musste. Sie
wünschten daher vor ihrem Eintritt in das Bui^grecht die
Wiederherstellung des Friedens in der Eidgenossenschaft.
Die Vermittlungsversuche, welche wir Strassburg noch im
September anknüpfen und eifrig betreiben sehen, wollten
dazu die W^e ebnen *). Was aber konnte für Zwingli in
diesem Augenblick weniger erwünscht sein als diese unfrucht-
baren Friedensbestrebungen, die höchstens dazu dienen muss-
ten, den Widerstand gegen seine kriegerische PoUtik in den
engeren Kreisen seiner Partei zu verstärken?
Und so machen wir bei der schweizerischen evangelischen
Confödaration dieselbe Beobachtung, welche die Geschichte der
BchmalkaMischen überall gewährt : die Ausdehnung des Bundes
hemmt ßeine politische Enei^e, statt sie zu fordern; mit
der Vermehrung der Buhdesglieder hält die der Sonder-
interessen gleichen Sdiritt; der religiöse Gedanke, der jene
eusammenschliesst, hat doch nicht die Kraft, diese zu über-
wältigen, vielmehr wird er von ihn^i überwuchert und ge-
lähmt; nur WCT rieh, freiwillig oder gezwungen, ganz auf
1) E. A. 1134, n. 1156 ff. Buc. Zw. 18. Sept. (Opp. 6i4).
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454 LENZ;
sich selbst stellt^ vermag sich in dem ICampf der Weltkräfte
zu erhalten. Das war das Schicksal der Nation.
Sehr schwer müssen wir es beklagen, dass uns grade
aus jenen Wochen vor dem Ende keine Briete zwischen dem
Landgrafen und Zwingli erhalten sind. Denn sie würden ohne
Zweifel dartun, dass der Refonnator damals, wo der Boden
imter ihm wankte, wo er das Verderben mit prophetischer
Klarheit vor Augen sah, von dem Fürsten nur Worte des
Mutes, des Trostes und der Hoffiiung erhalten hat. Das Brief-
chen Philipp's vom 30. September, das Einzige, was von der
Correspondenz seit dem 28. April übrig ist, hat ganz den Ton
freudigen Vertrauens, der uns aus allen andern entgegenklang:
bald werde er etliche Sachen zu melden haben, die Zwingli
gern hören und die den Leuten, denen auch er feind sei,
zuwider sein würden; noch seien sie der Feder nicht zu
vertrauen. Worin diese neuen Aussichten bestanden — es
waren vielleicht die bairischen Verhandlungen — hat Zwingli
nicht mehr erfahren, wenn er auch jenen Zettel noch gelesen
haben mag. Schon am zwölften Tage darauf erlitt er fiir
sein Evangelium und die Stadt, die er hatte gross machen
wollen, inmitten seiner Getreuen auf dem Sclilachtfelde
den Tod.
Man unterschätzt die Bedeutung der Schlacht bei Kappel,
wenn man dieselbe nur als eine Epoche der eidgenössischen
Geschichte auffasst: ihre Folgen greifen weit über die Schwei-
zer Grenzen hinaus. Es ist freilich schwer zu sagen, wie
sich die Dinge entwickelt haben würden, wenn Zwingli's
kriegerische Politik befolgt, die politisch-religiöse Reforminmg
der Eidgenossenschaft, die er anstrebte, ihm geglückt wäre.
Die Idee des evangelischen Gesammtbündnisses hätte davon
jedenfalls zunächst schwerUch Förderung erhalten. Denn
die Habsburger würden die Sachsen mit gnädigen Ver-
tröstungen imd Verheissungen nur um so eifriger über-
häuft und wahrscheinlich damit ihr Ziel, die Isolirung beider
Religionsparteien, fürs erste erreicht haben. Auf Oberdeutsch-
land jedoch hätte Zwingli's Sieg gewaltig zurückwirken
müssen. Zunächst würden die schwäbischen Beichsstädte
ohne Zweifel die erstrebte Vereinigung mit der Eidgenossen-
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ZWINGLI UND LANDGRAF PHIUPP. 455
Schaft geschlossen haben. Damit wären in dem Burgrechte
der Reichtum jener Städte mit den Werbeplätzen Ober-
deutschlands, die kriegerische Kraft der Schweiz und die
compacte Macht des hessischen Staates vereinigt worden.
Wenn Philipp schon den Eintritt Strassburgs in das Burg-
recht mit den Worten begrüsst hatte, es werde ihm dann
sein, als ob er der Schweiz der nächste Nachbar sei, um wie
viel sicherer würde er aufgetreten sein, nachdem diese zweite
so viel festere Brücke geschlagen worden wäre ! Denn dann
war nicht nur die Quermauer, welche die Habsburger in
ihren Vorlanden von Tirol bis zu den Vogesen gezogen
hatten, durchbrochen, sondern auch die grosse Bastion, die
sie vor wenigen Jahren erworben, imd von der sie damals
alle diese kleinen Gewalten zwischen Rhein, Lech und Donau
beherrschen zu können gehoffl; hatten, auf allen Seiten um-
klammert Man darf wohl sagen, dass die würtembergische
Frage nach Philipp's imd Ulrich's Wünschen schon im Herbst
1531 zum Austrage gebracht wäre. Kann man femer daran
zweifeln, dass Würtembei^ als Erwerbung der Burgrechts-
mächte auch deren politische imd kirchliche Formen ange-
nommen hätte? Und würde Philipp, der sich in Marburg
offen zu Zwingli bekannt, ihm damals die Organisation seiner
Kirchen angeboten hatte, dieselbe nach solchen Siegen ihrer
.gemeinsamen Ideen in deren Sinne unterlassen haben? Es
wäre eine glänzende Rechtfertigung der spröden Haltung ge-
wesen, welche wir Zwingli nach dem Augsburger Reichs-
tage gegen die sächsischen Anträge einnehmen sahen : Zurü'ck-
weisimg der lutherischen Angriffe auf seinen Wirkungskreis,
Eroberung Oberdeutschlands fiir sein Bekenntnis, ja mehr
noch, Wiederkehr der Aussichten, die er in Marburg gehofft,
aber so bald wieder hatte au%eben müssen. Einen schmal-
kaldischen Bund würde es vielleicht niemals gegeben haben,
daför aber ein Burgrecht etwa von Q«nf bis an die Nord-
imd Ostsee.
Doch mag es immerhin misslich sein, eine Entwicklungs-
reihe zu construiren, in der das erste Glied willkürlich gesetzt
ist. Jedenfalls aber werden wir doch die Folgen des Schlages,
durch den Zwingli's Hoffiiungen vernichtet wurden, über-
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456 LENZ;
aehen imd beurteilen können: sowohl was er verixind^ als ^rae
er geschaffen hat. Und da eritenoen wir die epochemadiende
Bedeutung des kkinen Gefechtes bei Ka{)pel. Im Sonuner 1531
— so bemerkten wir — war die Entwicklung, die wir sdi dem
Maj-burger Gespräch begleitet haben, noch in vollem Fluas:
zwinglifiche und lutherische Beformation, Burgrecht und säch-
sischer Bund standen sich ebenbürtig gegenüber; der Kampf
beider um Oberdeuischland war noch nicht beendigt, Tidmehr
dea: Versuch Sachsens, die oberlfindischen Städte von denen
der Schweiz loszureissen, der in Sdbmalkalden schon geglückt
schien, in Frankfurt gescheitert; es gab noch keinen schmal*
kaldischen Bund ; ganz unberechenbare Möglichkeitea boten sich
soch dar : das evangelische G«sammtbündnis konnte mit säcb-
dflch-hesaiflcher oder hessisch-schweizerischer Spitsse zu Staiide
kommen, die defensive oder die o^nsive Tendenz obsiegen,
oder auch euxc/ Spaltung eintreten, die den Landgrafen von
Hessen mit den Städten Oberdeutschlands und der Schweiz
in Gegensatz zu d^n Kurfiirsten und anderen Fürsten und
Städten gebracht hätte. Auf den Gang der Beformaüon,
die Entwicklung Deutschlands, die Gestaltung d^ gesamm-
ten Weltlage würde jede dieser Wendungen eine iiicht zu er-
messende Bückwirkung ausgeübt haben. Die Schlacht bei
Kappel hat jenen Schwankungen ein Ende gemacht, sie bildel
den Abschluss einer zweijähngen Entwicklung. Mit dem Stifter
geht auch der Gedanke seines Burgrechtes ui^r ; Ausliefenu^
der Urkunden des Bundes mit ihren Freunden im Reich war
eine der vornehmsten Bedingungen, die den Belegten v(m den
katholischen Cantonen auferlegt wurde. Der Gedanke des
evaagelifichen G^sammtbündnisses tritt ebenso weit zurück^
nur vorübergehend wagt er sich einige Jahre später noch
einmal h^*vor, nach der Eroberung Würtembergs; damals
taucht daneben sogar wieder die Idee des Sonderbündmsses
Hessens mit Oberdeutschland und der Schweiz unter Aus-
schluss Sachsens auf, doch nur, um desto rascher die end-
hcbe Consolidinmg des schmalkaldiechen Bundes in der
Wittenb«:ger Concordie herbeizuführen. So scheiden sich
für immer die Geschicke Deutschlands und der Schweiz.
Die oberländischen Sitädte haben den festen Rückhalt, den
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I
ZWINQU UND LANDGRAF PHILIPP. 447
ihnen das {xditische Gbnie ZwingH'» in dem Bargrecht ge*
schaflfen, verioren; sie müssen den Gedanken, den Fürsten
emen grossen Städtebund ebenbürtig an die Seite zu stellen^
au%eben, müssen mit ihnen paktiren^ sich den neuen For-
men, die nun von diesen der Vereinigung gegeben werden,
folgen. Dies geschieht auf der zweiten Frankfurter Vec-
«ammhmg, im December des Jahres. Dort erst ist der
schmalkaldische Bund wirklich geschlossen ^) und damit
die Trennung Deutschlands von der Schwda entschieden
worden. Fortan hat das deutsche Reich hier im Süden am
Bhein seine Grenze.
Anhang.
[Marb. Arch.]
1.
Landgraf Phifipp an Jakob Starm.
Immenhausen, 29. October 1529.
(Oopie von H. Lersener. Original jedenfalls eigenhändig.)
Lieber Jacob Sturm. Ich thue hiemeben ein schreiben an
deine bem, dorin wirdestn yomemen, das ich dir lang gesagt
habe, was des Keisers gemnet sei jegen den, di dem evangelio
anhangen, und ist worlich ein geschwind vomemen, wie du als
ein weiser mitsambt andern zu Strassbnrgk der sacb wol weither
nachtrachten werdet Dan ee were je gnug, wan wir des Keisers
offenliebe fiieinde weren, so geschwintlich zu bandlen. Dorumb
thue ich, wie der getreu Eckhart: ich ratbe, ich bitte ufs höchst,
man weis nit yorachten, dan so man wolle, so ist rat zu finden,
wie ich dan mehr dan einmal mit & geredet hab. So hat
maister ITrieh [soj auch nit ein boesen anschlagk domeben vor.
Bs ist zeit, dan vorschlaffen wir, das die Lampen ansgebrent
sein, so wirdet uns der breutgam nit einlassen. Sage deinen
herren: woUen sie sich weren und wollen mit ernst doran, so
sol an meinem leib, gut und fleis, muhe und arbait nichts er-
winden. Dan es ist jo gewiss, das di sach uf dreien wegen
^) Keim a. a. 0. S. 217 bat diesen Gedanken schon ausge-
sprochen.
Z«it8ehr. t K.-O. HI, 8. 31
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458 LENZ;
stehet; der irst: yorleogknen ChriBtnm und sein worth mitsambt
seiner gnad nnd gntthat nnd den teuffei und sein reich dorgegen ;
der ander wegk: das wir volnkomene Christen seien (wiewol
wirs mit gutem gewissen nit verantworten können) und leiden,
das man uns leib, gut, ehr und alles nimbt, und zusehen, wie-
wol wir es wol weren konten; zum dritten: das wir uns weren.
Uff dem wege stehet gluck und hofounge, uf den andern gar
nichts. Wollen nun deine herren allein oder andere mit inen
sich weren, so hastu mein erbieten in dissem briefe; so bin ich
auch der hofhung, man werde noch mehr leuth finden, der ich
dan ezliche weis. Dorzu hoff ich, wir, di uns evangelisch nennen,
werden nunmehr uns nit vonein trennen der sachen halb des
fnmemens, wiewol ichs nit gewiss bin, aber ich hab trost di^u;
wir weren dan unsinnig, toll und gar rasent Doch es gehe, wie
es wolle, so solle bei mir kein trennunge befunden werden. Und
darumb zum beschluss so ist mein beger: wollest mitsambt an-
dern zu Strassburgk, und wo du dich und deine herren gut»
vorsehen, di sachen wole bedencken und nit an die want greiffen
und sprechen, sie ist kalt Dan warlich, sie ist halb heiss,
und [wie] mir euer bedencken und rath anzeigen. So bin
ich auch des gemuts: so der churfarst di stende, di dem evan-
gelio gern anhangen weiten, nicht zu hauff beschreiben wurde,
das ichs thun will (wie auch grave Wilhelm ^) und du mir ge-
schrieben hat [so], das ich seit einen hinauff ghein Strassbui^k
schicken. Nun het ichs lange gethon, es feit mir aber an einem
vertrauten, dan ich hab woU ezliche, der ich nit ein stunde ent-
peren kan; so sein je ezlich zu alt, die nit wandern kennen; so
ist nit idermann zu vortrauen; ich wart aber eins, wan der
kombt, wil ich inen furderlich hinauff schicken) *); und wil sehen,
wer kommen will. Ich vorsehe mich aber, der churfurst werde
sich nit seumen. Es soll aber, ob Got wil, kein mangel an mir
sein. Domeben ist mein gutbedencken, das dein hem solch han-
delung den von Zürich und Basel und Bern unangezeiget nit
lassen. Es ist auch mein gnädigs begeren an dich, wollest mir
anzeigen uss bevelh deiner hem, woruf es stehet der sach halber,
wie du sambt den potschaften Zürich und Basel von mir abgeschaiden
seint ^). Das alles wolt ich dir genediger meinung nit vorhalten,
und magk wol leiden, das du solchen brief ezlichen deinen herren
sehen lessest, das sie mein gemuet desta besser vomemen. Dir
1) FüTBtenberg.
^) Zu dieser Parenthese bemerkt Lersener am Rande: „disser ar-
ticket soll aus der schrifft und ein ingelegter zittel sein."
•) Abschluss des Bargrechtes.
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ZWmGLI UND LANDGRAF PHILIPP. 469
zn gnaden bin ich geneigt. Bis dem herrn befolhen. Datum
Immenhausen, sambstags nach Simeonis et Jndae anno dom.
MDXXVira.
Philipps, 1. z. Hessen sscr.
N. S. Es deucht mich auch hoch von noethen sein, das
man gute Enntschaft in Italia hett, auch das man sich nit be-
wegen liss, andern zu helfifen, di uns yortilgen wolten.
2.
Dr. Gregorfus BrOck an Landgraf Philipp.
Wittenberg, 24. December 1529.
(Orig., eigenhändig.)
Christus.
Durchlauchter, hochgebomer fürst, e. f. g. sein mein unther-
tenig gantz willig dinst zuvoran. Gnädiger fürst und her, am
cristabend hath e. f. g. bothe zu Wittenbergk e. f. g. schreiben,
ire eigen handschrift, mir uberandtwort, welchs ich mehr nach
dem sinne dan nach den buchstaben, dieweil es e. £ g. an zweifei
in der hast geschrieben, hab vomhemen müssen. Und was mein
gnedigster her, der churfurst zu Sachsen, e. f. g. der turckenhulf
halben geschrieben auf den abschied, den e. c. und f. g. zu
Smalkalden mit einander genommen, haben e. f. g. als ein hoch-
Torstendiger fürst an zweifei mich wol gnediglich entschuldiget,
das [dan?] mir nit zustehen wolt, dasselb zu vortreten. Szo
weis ich auch nit anders, dan was s. c. f. g. des zweispalts hal-
ben das hochwirdig sacrament bemrend für beswerung die ge-
wissen berurend haben anzeigen lassen, solchs sei auf bericht
und gefaste radtslege ezlicher hochgelerten der heiligen schrift,
auch unser halben, s. c. f. g. furstentumbs zu rat [?] ge-
sessen, beschehen, welche man auch zu Smalkalden erbutig wäre,
hab ichs recht behalten, e. t g. zu zeigen, so es die geshefPt
nit verhindert betten. Und wiewol ichs als ein Jurist, dofhur
e. f. g. mich unschnldiglich achten, nit vorstehe, so dunckt mich
gleichwol, hetten e. f. g. dieselbigen radtslege und bedencken
der gelerten sehen sollen, e. f. g. wirden irem vorstand nach,
domit si von Goth begäbet, sich des unthersehiedts zwischen der
turckenhulf und dem anderen handel leichtlich doraus erinnert
und guethe gnuge doran gehabt haben, das ichs auch unverweise-
31 ♦
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460 LENZ;
lieh [?] dofhnr halte, was mein gnedigster her, der churftixrt, e. £. ST-
gemelter turckenbolff halben geschrieben, soldis sei nit an ge-
ringe bedencken und gegründete Ursachen beschehen.
und sokhs hab e. f. g. ich hierumb nntherteniglich anzu-
zeigen nit untherlassen müssen, auff das es, wie michs dan ez-
lieber mass ansieht, nit dofhur gehalten mog werden, sam were
ich der kunheit und durfFte mich untherstehen, in einem solchen
grosmechtigen handel, do nach anzeig gemelter gelerten auf einer
selten der gewissen halben solch gross beswerung stehet und anf
der andern selten, so man sich trennet, wie es von e. f. g-. und
an zweifei ein idem dem Torstande nach bedacht wirdet, grrosäe
mergliche gefhar nach meinen gedancken zu fharen und zurhalten [znj
helfen. Ich bin auch an zweifei, dieweil mein gnedigster solcher
rettung und hulf nit minder dan imandt von wegen des glanbens
bedürftig, da es an sotohe beaweno^ der gewiBBen were und die-
selbigen gesichert sein mochten, s. c. f. g. wurden ir durch
niemandts die sachen widerrhaten lassen, wie dann auch s. c.
f. g. negst zu Smalkald^ meher dan einst öffentlich rheden
Hessen, das e. f. g. und meniglicher gewislich dofhur halten sel-
ten, das die Weigerung von keins lusts, Ungunst, noch forbitz
[frarbith?} wegen beacheghe. Dan dieweil s. c. f. g. wüsten, wie
gross der gewalt auf der widerpart selten were, konthen a. c.
t g. wol achten, wie bog disses teile notturft wol aem weit, einen
tapferen beistandt zu haben, allein das s. c. f. g. nit wüsten»
Yon eimoher menschlichen gefliar wegen in solchem. beswierLichen
handel wider die gewissen zu handeln. Sso wissen auch e. f. g.
YOB den gnaden Gothes selbst am pesten, das einem cristeii hog
beswerlich, mit wankenden oder zappellenten ge?ns8ea zu han-
delen, das auch wider gluck noch heil dorpei zu sein pflegt
und ich het unthertaniglich gedacht oder gemeint, nachdem
e. f. g. meins gnedigsten hern beswerung disser dinge halben zu
Smalkiüden wol Tormerkt, e. f. g. wurden etwo auf die wege ge^
dacht haben, domit die Ursachen angezeigter beswerunge abge-
wandt oder domit die gewissen a«f starke gründe der sehrif!,
auf e. f. g. wolmeinung ^X betten mugen gesichert werden. Dann
dieweil es an das [ohne das] ist, hoff ich nntherteniglich, e. f. g.
werden die sachen dohin nit yorstehen , als' were bab alhie dea
evangeMons mnede ad» nberdressig, dan ich halt es in meinem^
nnvorstand dofhnr: wo es an [ohne] das evangelion und die ge-*
wissen were, man wurde in soloher merglichen fnrstehenden be-
sorgung hulf nhemen, wo man konthe, es wurde auch an swttfel,
dieweil eim iden sein fhar dorauf stehet, ntemandt darwider
^) Diee als ein mildemder Zusatz am Saadc.
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ZWmGLI UND LANDGRAF PHILIPP. 461
rhaten. Dortra habe ich yon den gnaden €K)the8 noch keism
lumdel allhie Tornommei^ der dohin zu vorstehen, als wolt man
von loroht wegen einzihen; vorhoff auch, der almeolitige Goth
werde hem und knechte gnediglich dofhnr behueten. Und ist
an e. f. g. «ein unthertenig bit, e. f. g. wollen disse meine
anteeigung nit anders» dan das si ans unthertenlger wolmeiniuqp
beschehen, vormerken und den gefaeten wan lediglich sinken
lassen. Sko ich mich auch der Sachen also vorstendig achtet
ader wüste, wolt ich nit untherlassen haben, e. f. g. weither
nnth^rtenige unterrichtung dorauf zu geben. Dieweil es aber die
geetalt hath, lass ich es bei obberurter gelerten bedenken und
radtslege beruhen, und thu e. t g. mich hiermit als meinem
gnedigen hem gaatx untherteniglich mit erbietung meiner bereiten
dinste befeien, die der almächtige zu seinem lobe in langes leben
seliglich erhalten woUe, amen. Gegeben zu Wittenbergk am
cristabend anno domini XXIX.
E. f. g.
unthertheniger
williger
Gregorius brück
doctor.
3.
Herzogin Elisabeth von Saolieen an Landgraf Philipp.
Dresden, 24. September 1530.
(Orig., eigenhändig. Adresse: Mein fmntlichen lieben bruder, lantgraff
Philipp zu Hessen etc. in seiner lieb eigen haut.)
Fruntiicher, hertzlieber bruder. Mich zwinckt meine schwester-
liche treu, so ich zu dir drage, dir antzuzeigen, was abemUEilB
vor seltsame mer hin und widder zu tzotten [Zeiten?] gein, Wife
du dan auss beileigenter abschrefften hast zu vomemen. Nu weil
[will] ich dir nicht bergen, das sich der Eorfurst derhalben hoch-
lichen entschuldiget, dardnrch ich dan vorhoffe, dut sollest des
auch wol undsi^uldig sein und dich hirinne, wie wol gebort, zu
haben wissen. Nachdem aber glichwol ein zwie [zeit?] her die
sag gewest, das dut dich abermalst umb leute bewerbest und
etwas sollest vomemen wollen, so darffestu gar wol auf&een,
wan du irgen ein volck zusammen bringst und dich darauff wilt
vorlassen, das sie nicht selbst mit dir, da Got vor sei, den an*
fang machen, dan dut spurest je clerlich, das der neidt und hass
Widder die fürsten in den gemeinen man mit einer solchen ge-
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462 LENZ;
schickligkeit gebeldtet [?1 das man schir nich wissen magk, wem
wol zu Yortrauen; und wan ein volck beinnander und kumpt eine
solche meinerrige [meitterige?], so hat sie gar baldt folge and
anhang. Als geett auch die rede, es swellen [?] die widertonffer
umb dich hin und wieder auffisteen ; kan nich bedencken, das sie
etwas anders im sin oder vor haben wan eben das, darron dieser
prophet *) sagt, darumb sere von notten, fleissig achtung auff sie
zu geben, und wue sich irgent einer reget ader lest merken, das
man Yon stund an mit im zngreff und ernstlich straff. Kan auch
ane das nich bedencken, und so maus lest ein weinig uberhant
nemen, wie est möglich, das nich solt ein vel grosser auffnir
werden, wan de dei pauren auffistunden. Und ist vorwar ni«^t
eine kleine genade von Gott, das er vorhenget, das maus also
zeitlich erferett und darhinder kump. Wilt nu dut und ander
fursten nichtes darzu thunt und euerst ampts gebrauchen, so
were auch kein wunder, das er über euch eine grosse stra£fie
▼orhinge. Ich wil mich aber vorseen, du werdest est an dir
nicht lassen mangel, darzu dir dan auch €rot woUe sein genade
Yorleigen. Und ich meine est aus rechter swesterlicher treu mit
dir, das weist Gott! Wolt sust mein schriben wol sparen. Bit
dich auch, wollest est nich ander [so] Yorstend, und bit dich,
dut wollest mir heirauff antwortt geben, dann ich schreb dir nest
das Sakrament halben, ist mir noch kein anwortt wortten; west
nich, wei ich mit dir drant bin, aber ich hoff jo, dut werst ein
gutter crest bleiben und den wortten Gottes glaben, darumb ich
dich treulich und fruntlich wil gebeitten haben, und auch, das
dut dich in der sach wilt wol for sen und wol bedenken, wei
ich dir hab angetzeiget, und bedenckest 70 hast, dan packest
kanteJl [??] — yelle? — nich sö mit auff, das dich est nich
auch berouge [gereue] und dein arme nnderdanne zu schatten
brenckgest und wol das gantze reich. Und wil dich heirmit
dem ewichen Got beYellen, der geb dir seine genade, und wo-
mit ich dir wost swesterliche treu zu ertzeigen, bin ich gantz
willich. Datum Dressen, sunaben nach mattestag anno XXX.
E. h. z. S. etc. sscr.
Mein lieber bruder, ich bit dich, dut wollest mir jeti den
tzelter mit schicken. Las deiner juncken [so] ader hotten einer
den tzelter mit russer riden. H. 1. b. [Hertzlieber Bruder],
schick mir auch das nug jar und das einhomt.
^) Wohl der Verfasser der mit übersandten Schrift.
Digiti
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ZWINGU UND LANDGRAF PHILIPP. 463
Nachträglich fond ich das Concept der schmalkaldischen
Bundesurkunde y wie es im December 1530 entworfen ist. Es
bestätigt YoUkommen, was wir durch Yergleicbnng gefunden
haben. Zu gründe liegt nämlich eine saubere Abschrift des
Burgrechtes y und dahinein hat Philipp die sämmtlichen Ab»
weichungen corrigirt
.„„.Google ^
Kritisclie UebersicM
Aber die kirchlich-arch&olo^ischen Arbeiten
aus den Jahren 1875 — 1878.
Von
Lic. Yietor Sehultze in Leipzig.
(Schlnss.)
V.
Job. Burkhardt, De origine Basilicarom christianarum. Dissert. in-
augur. Halis 1875. (48 S. in 8^)
J. P. Biohter, Der Ursprung der abendländischen Kirchengebäude.
Wien 1878. (48 S. in 8<» mit 3 Abbildungen.)
De BoBBi, Roma sott., tom. HI, S. 464—465. 478—488.
De Vogue, Syrie centrale. Architecture civile et religieuse du 1^ au
Vne si^le. Paris 1865—1877. (Xn, 154 S. und 151 Taf. in 4»)
De BoBsi, Oratorio privato del secolo quarto. (Bullett. di archeoL
erist. 1876, S. 37—58; vgl. S. 7—15.)
Mioh. Stell de BobbI, Quäle metodo tecnico adoperarono i fbssori
per dirigere rescavazione dei cimit. suburbani. (Roma sott. IQ,
Appendice S. 700—706.)
C. BrookliauB, Die christl. Baukunst (in der Real-Encyklop. für
Protest. Theol. und Kirche 1878, 2. Aufl. ü, S. 135—157).
In der Frage nach dem Verhältnisse der altchristlichen
Basiliken des Abendlandes zu antiken Bauwerken und Con-
structionsformen; über welche aus den letzten Jahrzehnten
eine Reihe tüchtiger Einzelforschungen vorliegt; ist beson-
ders seit den gründUchen Untersuchungen von Weingärt-
ner (Ursprung und Entwicklung der christlichen Eirchen-
gebäudc; Leipzig 1858) im allgemeinen die Uebereinstimmung
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DIE KIBGHL. ASCHÄOLOGIB 2876-1 878. 466
erzielt, das« die Conatantuuschen Kirchengebäude nicht auf
die forensificiien Basiliken zurückgehen; sondern ihrer An*
läge nach durch den O^us, spedell den sogenannten ägyp-
tischen Oekus (Vitruv VI, 3. 9) des antikoi PrivÄthauses ^),
in welchem die Christengemeinden mch zum Gottesdienste
versanmielten, vorgebildet und bestimmt seien. Ebaiso klar
aber ist, dass die durch das antike Haus dargebotenen For^
men nicht ausreichen, die chrisiüche Basilika zu construiren.
So hat Burkhardt in seiner übrigens die Frage nicht
weiter fördernden und durchgängig an ältere Arbeiten, be-
sonders Zestermann's anschliessenden Dissertation die Grabes^
krypten und Oratorien w^terhin zur Erklärung herangezogen
(S. 45 ff.). In Wirklichkeit ab^ können die Grabeskirchen,
d. h. die über oder in den Grabstätten hergestellten kapellen-
artigen Anlagen darum hier nicht in Betracht kommen, weil die-
selben gleichzeitig mit, oder in der Mehrzahl nach den Ba-
siliken entstanden sind, also für diese keine Motive gelietert
haben können. Es gehört nicht zu den geringsten Verdien-
sten der vortrefflichen Abhandlung von Richter über den
Ursprung der abendländischen Eirchengebäude, diese Tat-
sache im einzehien sichergestellt und damit die fabelhafte
Hypothese von der £ati^ombenkirche, hoffentlich für
immer, beseitigt zu haben {S. 4 — 9). Audi gegenüber den
Ausflihrungen de Rossi's im 3. Bande der „Roma sotterra-
nea^', welcher dem VerfEisser nicht vorgelegen zu haben
scheint, bleiben die gewonnenen Resultate in voller Geltung
Betreffs des Ursprunges des abendländischen Eirchengebäu-
des kommt Richter in seinen Untersuchungen zu dem Schlüsse:
„Die römische Basilika des vierten Jahrhunderts ist eine
organische Vereinigung der Hallenkirche, des Versammlungs-
1) Es sei hier auf die neueren Untersuchungen über das antike
Haus Ton H. Nissen, Pompejanische Studien (Leipzig 1877; XU,
692 S. in gr. S""), S. 402—475 (vgl. auch S. 194—212 über die antike
Basilika) und W. Lange, Das antike griechisch-römische Wohnhaus
(Leipzig 1878; 148 S. imd 42 Zeichnungen) verwiesen. Zu vgl. auch
G. Fiorelli, Descrizione di Pompei (Napoli 1875, 461 S. in 8*0 imd
E. Presuhn, Pompeji, die neuesten Ausgrabungen (Leipzig 1878;
sieben Abteilungen mit 60 Tafeln).
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466 KRITISCHE ÜBERSICHTEN. SCHÜLTZE,
ortes der Gemeinde; und des Märtyrex^rabes" (S. 46)
d. h. des Arkosolgrabes. Man habe die Dispositionen des
Arkosoliums ins Riesenhafte tibertragen und den auf gleiclie
Proportionen gesteigerten Saaibau der älteren Gemeinde-
häuser (?) damit in Verbindung gebracht (S. 41). Der Grund-
plan des Arkosoliums entspreche dem des Transeptes (Quer-
hauses). — Diese neue und scharfsinnig vollzogene Combi-
nation ist gewiss beachtenswert; aber da derselben nicht ge-
ringe Schwierigkeiten entgegenstehen; wird man sich zur
Annahme derselben höchstens dann zu entschliessen haben,
wenn alle anderen Hypothesen zur Erklärung des Verhält-
nisses sich als ungenügend herausstellen sollten. So gesteht
VerEasser selbst zu (S. 47); dass nicht nur die ältesten Basi-
liken ausserhalb RomS; sondern auch mehrere römische Mär-
tyrerkirchen des 4. Jahrhunderts des Transeptes ermangeln
(S. 47 f ) Soweit sich die Sache überhaupt noch ermitteln
lässt; scheint das Querhaus zu der ursprünglichen Anlage;
wenn auch bald; so doch erst später hinzugekommen zu sein.
Femer setzt die Hypothese des Ver&ssers eine Reflexion
vorauS; die in Wirklichkeit kaimi stattgeftmden haben kann.
Auch die Behauptung; dass die Constantinischen Basiliken in
erster Linie monumentale Grabesbauten gewesen seien (S. 40);
ist nicht zuzugestehen. Referenten erscheint es immer noch
am einfachsten; die Apsb der Constantinischen Basilika als
ein der antiken Gerichtsbasilika entldintes Element zu er-
klären; welche letztere dem in grossartigen Dimensicmen
gefassten Oekus in dem Masse entspricht, dass eine Er-
weiterung dieses nach dem Vorbilde jener sehr nahe gelegt
wurde. Aber neben der übrigens nicht allgemein ange-
wandten Basilikenapsis besass ja die römische Architektur
apsidale Constructionen in grosser Anzahl — Die auch von
de Rossi vertretene Meinung des VerfetöserS; dass das Arko-
solimn in palästinensischen Gräbern des vorchristlichen Juden-
tums seinen Ursprung habo; imd dass die beliebte Anwendung
desselben seitens der Christen durch daS; wie angenommen
wird; gleich gestaltete Felsengrab Jesu zu motiviren sei
(S. 29 ff.); ist nicht haltbar. Denn während der Verfasser selbst
bekennt; dass in Palästina Arkosolgräber selten sind; so hat
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DIE KIKCHL. ARCHÄOLOGIE 1875—1878. 467
bereits de Rossi (Roma sott. I, 87 S.) auf das häufige Vor-
kommen heidnischer Arkosolgräber in Rom und Latium auf-
merksam gemacht; und Referent selbst in den alten Nekro-
polen Siciliens dieselben zu Hunderten angetroffen^ so dass
die Vorbilder vielmehr im Heidentume zu suchen sind. Auch
scheint es sehr gewagt, der Reconstruction des heiligen Gra-
bes, welche de Vogüö (Les öglises de la terre sainte, Paris
1860) versucht hat, irgend einen Wert beizulegen. Schwer-
lich hat man in den heidenchristlichen Gemeinden, besonders
des Occidents, etwas über die Construction des Grabes Jesu
gewusst Auch entspricht den tatsächlichen Verhältnissen
die Behauptung nicht, dass das Arkosolium die bevorzugte
(Jrabform der Christen gewesen sei (Ö. 32). Die Anwen-
dung des Arkosoliums oder des Loculus hing vielmehr von
der socialen Stellung, beziehungsweise von den Vermögens-
verhältnissen des Einzelnen ab, so dass die Hauptgallerien
fast regelmässig Arkosolien, die Nebengallerien dagegen Lo-
culi aufweisen.
Ueberhaupt aber kann die Frage nach dem Ursprünge
und dem auszeichnenden Charakter der altchristlichen Basi-
liken nicht bei ausschliesslicher Berücksichtigung der abend-
ländischen oder gar der römischen Kirchengebäude in ge-
nügender Weise gelöst werden. Dies erhellt wiederum ganz
besonders aus dem vortrefflichen, an neuem und grade für
diese Frage in hohem Grade wichtigen Materiale reichen
Werke des Grafen de Vogüö über die architektonischen
Monumente Centralsyriens, d. h., wie der Verfasser es ver-
steht, des Gebietes, welches im Norden durch Eleinasien, im
Süden durch das Todte Meer, westlich durch das Mittelmeer
und östlich durch die Wüste begrenzt wird. Unter der
Römerherrschaft (seit 160 n. Chr.) liat in dieser Landschaft
eine ungemein rege Bautätigkeit geherrscht, die ohne Unter-
brechung in christlicher Zeit fortgedauert hat, imd von wel-
cher heute noch zahlreiche Einzelbauten und Gtebäudecom-
plexe, ja ganze Ortschaften seit dem 7. Jahrhundert, wo sie
verlassen worden zu sein scheinen (S. vn), von Menschen-
händen fast unberührt geblieben sind und nur von Erdbeben
und durch den Einfluss der Wrttenmg hier und dort gelitten
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468 KRITISCHE ÜBERHÖHTEN.
haben. Diese intereBsanten Monumente nun erweisen ^
schon am Ende des 4. Jahrhunderts diese Gh^end von
diristlichen Q^meinden besetzt war^ die ^ne reiche tmd
glanzvolle Eunst^ochO; wenm au<^ nicht erst henrc»*gerufen^
dodi auf ihrer Höhe erhalten und vielfach detaillirt haben.
Neben den Bariliken^ deren degante Architektur die gleich-
zdtigen abendländischen Monumente weit überholt, sind zahK
rdche freistdi^ide GrabdaiikmalC; nicht sdten in edlem,
clasEoschem Stil ausgeAihrt; umfassende^ reiche Villenanlagen,
luxuriöse. Thermen und andere Privatbauten zu nennen, von
weldien in dem Werke Vogü^'s vortreffliche Abbildungai
und Grundrisse mitgetdlt werden. £He Basiliken sind aus-
nahmslos ohne Transept, einigemal auch ohne Apsis und
mit Türmen, Besonderheiten, die wohl zu beachten sein dürf-
ten. Der Verfesser vertritt noch die ältere Ansicht, welche
die dmstliche Basilika aus der forensischen faerieitet (S. 57)
und findet dieselbe durch die syrischen Monumente bestätigt
Die Constructionsformen der christlichen Basilika zu Taf kha
(pl. 17) und der antiken Basilika in Chaqqa (pL 15 u. 16)
entsprechen sich allerdings in auffallender Weise (vgl. S. 55
bis 57), wie auch das pl. 137 gezeichnete Eirchengebäude
sich der Form der forensischen Basilika sehr nähert; aber
der allgemeine Charakter dieser Monumente unterschmdet
sich nicht in geringerem Grade von demjenigen der antik^i
Basilika wie die abendländischen Earchen, so dass auch hier
die christlic^n Bauten richtiger aus den Formen des antiken
Wohnhauses herzuleiten sind. Referent muss darauf ver-
eichten, die reidie Mannigfaltigkeit dieser Architektur im
einzehien au&uzeigen, nur sei aufinerksam gemacht auf die
Gebäudecomplexe pl. 59 u. 60, welche eine Art geistliches
Convict gewesen zu sein scheinen (S. 96 f), und auf die
grossartige Kirchen- imd Elost^ranli^ des hdligen Simon
Stylites (pl. 139 ff.; v^. S. 141 ff.), wdche wohl der zweiten
Hälfte des 5. Jahrhunderts angehört. Auch die kunstvoll aus-
geführten Grabmonumente der Landschaft sind dadurch inter-
essant, dass sie im G^ensatz zu dem Verfahren der abend-
ländischen Christen, welche das System der Diaspora-Juden
nachahmten, antiken Mausoleen und Krypten nachgebaut
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DIE KIRCHL. ARCHÄOLOGIE 1875—1878. 469
sind. Charakteristisch ist femer die häufige Anwendung des
Monogramms Christi und von Bibelsprüchen an Portalen
und Fenstern, Türen, Sarkophagen und sonst In Betreff
der Inschriften sei auf die PubÜcation von W. H. Wad-
dington (Inscript. grecquea et lat de la Syrie, Paris 1870)
verwiesen.
Wenn man, was von de Vogüi und anderen vor ihm
an numumentalen Quell^i über das chrii^liche Syrien des
4. — 7. Jahrhunderts gesammdit ist, zusammenfasst, so erhält
man das Bild einer reichen und auf hoher Culturstufe steh^i-
den cfaris^chen Bevölkerung, woraus sich auf die Ausbrei-
timg des Christentums in diesen Oebieten im 2. und 3. Jahr-
hiundert »chere Bückschlüsse machen lassen ^).
Die Elrdarbeiten auf dem sogenannten Monte della GUu-
nüdsL in Rom (vgl S. 290) führten zu der Entdeckung emes
eigentümlich«! Gemaches von c. 9 m. Länge und c. 5 hl Breite,
mit einer Apsis. Der obere Saum der Concha des jetzt
verstörten Baumes war mit der DarsteUimg Christi und der
1 2 Jünger, der untere mit Scenen des Fisch&nges geschmückt.
Hauptsächlich auf diese Malereien sieh stützend; ist de Rossi
zu dem Schlüsse gelangt, dass dieses Gemach als ein Privat^
Oratorium des 4. oder 5. Jahrhunderts zu betrachten sei.
Birferent kann sich nicht davon überzeugen. Wenn auch die
Existenz von Privatoratorien bereits im 4. Jahrhundert nicht
zweifelhaft ist, so ftihren die Fischfangsscenen, die viel zu
real entworfen sind, als dass sie symbolisch gefesst werden
dürften, über eine solche Bestimmung des Gemaches hinaus.
Andrerseits sind die christlich^i Figuren leicht als spätere
Zutat zu dem älteren und besseren Genrebilde zu erweisen.
Hätte man also einen ursprünglich anderen Zwecken dienen-
^) L. Lefort, La Baaüiqiie de SaiBte-P^tronille au sein de la
catacombe de DooutiUa pr^ de Rome (Paris); J. J. Kreutzer,
Paulas dea Süentiariers Beschreibung der Hagia Sophia, übersetzt
und von Anmerkungen begleitet (Leipzig 1875; IX, 89 S. in 8**)
imd D. Pulgher, Les anciennes ^glises byzantines de Constantinople
(2 livr. Wien 1878 gr. Fol.) waren mir nicht zur Hand. Ein anziehen-
der Aufsatz über die Sophienkirche in Constantinopel findet sich in
G. KUkers Koaaik zur Kunstgeschichte (Berlin 1876), S. 275-^301.
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470 KRITISCHE ÜBERSICHTEN. SCHULTZE,
den Kaum später zu einem Oratoriimi umgewandelt^ so würde
man sich gewiss nicht damit begnügt haben ; die proiane
Darstellung durch eine religiöse bloss zu parallelisiren, sondern
erstere einfach vernichtet haben ^ wie auch sonst geschehen
ist. — Wie den beiden ersten Bänden der „ Roma sotteranea *^
ist auch diesem von Mich. Stefano de Rossi ein Anhang-
architektonischen Inhaltes beigefiigt. Der Verfasser behandelt
das technische Verfahren der Possoren bei der Anlage der
unterirdischen Gallerien und sucht besonders die Planmässig-
keit, mit welcher die einzelnen areae der Coemeterien um-
schrieben und durch Corridore durchschnitten wurden, darzu-
legen. Es wird sogar för wahrscheinlich erklärt, dass die
einzelnen formae des Coemeterialganzen auf Marmortafeln
eingezeichnet worden seien, woflir die antike Sitte Beispiele
bietet. In der Tat setzt die höchst complicirte Anlage der
römischen und sonstigen Eatakombenanlagen ein technisch
sehr ausgebildetes Verfahren auf Seiten der Fossoren voraus ;
ob es aber möglich ist, dasselbe in seinen Einzelheiten in
der Weise zu analysiren, wie der Verfasser, doch hauptsäch-
lich auf Grund ausserchristlicher Quellen, versucht hat, muss
dahingestellt bleiben.
Die kurze Uebersicht über die Geschichte der christ-
lichen Baukimst, welche der leider so fiüh verstorbene GL
Brockhaus in der neuen Auflage der Realencyklopädie
gegeben hat, ist klar und anregend geschrieben, nur die alt-
christliche Periode scheint Referenten nicht richtig aufgefasst
zu sein. In gleicher Weise, wie de Vogü^, sieht der Ver-
fasser das Vorbild der christlichen Basilika in der forensi-
schen Basilika (S. 137 f). Die bekannte Umdeutung des
Namens basilica in christlichem Sinne findet sich übrigens
schon vor Isidor von Sevilla (Orig. cod. XV, 4. 11) in einem
Itinerarium v. J. 333 (Itin. Hierosol. ed Parthey, p. 280):
Zugleich geht aus dem Wortlaute des letzteren hervor, dass
die Bezeichnung Basilika iur die neuen Kirchen damals erst
aufkam, was zu beachten ist ^).
^) Es sei hier noch verwiesen auf die Artikel: ,, Baukunst bei
den Hebräern" von Rüetschi in der Real-Encykl., 2. Aufl., 11, S. 132
bis 135, und „Baptisterium" von C. Brock haus, ebendas. S. 91 — 94.
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DIE KIRCHL. AKCHÄOLOOIE 1876-1878. 471
VI.
De BpBsi, Scoperte nel cimitero di DomitlUa. (Bull, di archeol.
crist. 1875, S. 1—43. 45—47; vgl. 1874, S. 5—35. 122—125.)
V. Pavin, La Capella graeca du cimiti^re de Priscille. (Revue de
Fart chr^. 1876, S. 259—297; H, 138—206 u. s. w.)
G. Ijudewi^» Ein Blick in die römischen Katakomben. Bern 1876.
(96 S. mit 11 Illustrationen in 8<».) *)
S. Stevenson, II cimitero di Zotico. Modena 1876. (106 S. in 8°.)
O. Marruoohi, La cripta sepolcrale di S. Yalentino sulla Via Flami-
nia. Roma 1878. (70 S. und 3 Taf. in gr. 8*».) Estratto da „Gli
studj in Italia".
V. Scliultze, Die Katakomben von S. Gennaro dei Poveri in Neapel.
Jena 1877. (XI, 79 S. in gr. 8*» mit 10 Taf.) «)
J. P. Richter, Pompejana. (Christi! Kunstbl. 1875, S. 56—59.)
C. Wandinger, Christen in Pompeji. (Histor. - polit. Blätter 1876,
LXXVm, 825—851.)
V. SehultBe, Die altchristlichen Monumente in Salona. (Christi.
Kunstbl. 1878, S. 18^—189.)
O. Zöokler, Das Kreuz Christi. Religionshistorische und kirchlich-
archäologische Untersuchimgen. Gütersloh 1875. (XXTV, 484 S.
in 8^)
S. V. Bunsen, Das Symbol des Kreuzes bei allen Nationen und die
Entstehung des Kreuz-Symbols der christlichen Kirche. Berlin 1876.
(236 S. in 8^)
H. Fulda, Das Kreuz und die Kreuzigung. Eine antiquarische Unter-
suchung. Breslau 1878. (VHI, 346 S. u. 7 lithogr. Taf. in gr. 8**.)
A. HoltBrnann, Entstehung des Christusbildes der Kunst. (Jahrb.
f. prot. Theol.-1877, S. 189—192.)
R. Kleinx>aul, Die Symbolik der altchristlichen Kunst. (Ausland
1876, S. 645—648. 673—677.)
H. Deobent, Die symbolischen Darstellungen der ältesten Kirche.
(Christi. Kunstbl. 1877, S. 137—141. 156—160.)
H. A. Naville, De l'existence d'un art religieux chr^tien d^ les Pre-
miers si^cles. (Revue chr^tienne 1875, S. 568 — 587.)
1) J. S. Northcote, A visite to the Roman Catacombs (London
1877, in 4®) und F. Becker, Die Wand- und Deckengejnälde der
römischen Katakomben (G^ra 1876) sind mir nicht zur Hand.
») Damach Kraus, Roma sott., S. 603 AT.; vgl. femer Christi.
Kunstbl. 1877, S. 2^—28 und Augsb. Allg. Zeitung 1876, Beil. vom
13. und 14. März.
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472 KRITISCHE ÜBEBSICHTEN. SCHÜLTZE,
Cosimo Stomaiuolo, Dell* importanza delle ultime scoperte nei ci-
miterj cristiani di Roma. Napoli 1876. (28 S. in 8'.)
F. Qay, Le catacombe di Roma. (Rivista cristiana, Firenze 1877,
S. 53—58. 125—180 u. s. w.)
Seitdem der Katakombeneomplex von S. CalUsto voll-
ständig ausg^raben ist, hat die päpstliche Commission dem
wichtigen Coemeterium der Domitilla eine grossere Tätigkeit
zugewandt; über welche de Rossi im Bull, di archeoL crist.
regelmässig Bericht erstattet. Die Entdeckung eines die hl.
Petronilla darstellenden Fresko hat de Rossi zu einer neuen
Untersuchung über die Person dieser Heiligen Veranlassung
gegeben (vgl. Bull, di archeol. crist. 1865, S. 17—24. 46),
die mit dem Resultate abschliesst, dass dieselbe eine Ange-
hörige des äavischen Hauses gewesen sei.
Daran knüpft der Verfasser weitere, durch neu ent-
deckte epigraphische Monumente gestützte Ausführui^en über
das Verhältnis der Flavier zmn Christentume, wdche all-
gemein Beifall und Zustimmung gefonden haben ^). Was
mm zuerst die Behauptung einer Verwandtschaft der hL
Petronilla mit der flavischen Gens betrifft, so stützt sich
der Verfasser hauptsächlich auf eine von Pietro Sabine hand-
schriftlich überlieferte Inschrift : AVRELI AE PETRONILLAE
Ftt-IAE DVLCISSIMAE, welche einem unter Paul I. aus
der Katakombe der Domitilla in die Peterskirohe trandodr-
ten Sarkophage angehört haben soll (BulL 1865, S. 46). Ln
Gegensatz zu der Legende (Acta S. S. Maii, t ITI, S. 11),
wefche den Kamen Petronilla von Petrus ableitet, vot^
tritt de Rossi die ohne Zweifel richtige Ableitung von Petro
Da nun dieser letztere Name sich einmal in der flavischen
Stammlinie findet, so wird daraus die Zugehörigkeit der
Petronilla zu dieser geschlossen, ein Beweisverfahren, dem
man schwerlich zustimmen wird. Andrerseits dürfte zu er-
i) Vgl z. B. Cl. Brockhaus in der Theolog. Lit.-Ztg. 1876,
S. 290 und de TEpinois in der Revue des quest. hist. 1875, S. 573
his 577; Kraus ^ Roma sott., S. 84 ff.; Repertor. f. Kunstwissensch.
1877, S. 181— 135; L. Lefort ia der Revue arch^L 1876, vol. XXX,
S. 39-47.
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DIE KIECHL. ABCHÄOLOGIE 1875—1878. 473
wägen sein, ob nicht die Legende überhaupt erst von dem
Hamen und der Sarkophaginschrift der AureUa PetroniUa
Anlass genommen habe, diese mit Petrus und dem Christen-
tume in Verbindung zu bringen, denn der genannte Titulus
trägt kein Indiciimi christlichen Ursprunges, und die Bild-
werke des zugehörigen Sarkophags sind der antiken Kunst
entnommen (Martene, Vett Scriptt. coli. II, S. 1470). Dem
würde nicht entgegenstehen, dass der Sarkophag in einem
christlichen Coemeterium gefunden sei; aber auch dieses ist
zweifelhaft. Was die weitem vom Verfasser angezogenen
epigraphischen Monumente betriffl;, so entbehrt die Ergän-
zung des Fragmentes • • • • RVM || • • ORVM zu sepulc
RVM II Flavi ORVM (Bull. 1874, S. 17) freiHch jedes
Orundes^, aber das Epitaph.: (DA- CABeiNOC. KAI,\\
TITTANH' AJEA0OT (BulL 1875 S. 40) könnte, da es
einfach formulirt ist und gute Schriftzüge zeigt, die Ver-
mutung erwecken, dass es sich auf Flavier des 2. Jahr-
hunderts beziehe. Aber da in demselben Coemeterium in
einer Inschrift des 4. Jahrhunderte ein FLAVIVS CONCOR-
DIVS erscheint (a. a. S. 47) und auf einer andern eben-
daselbst ein OA- TITOAEMALOC TW (d. h. nQfaßvTtqog)
und eine OYAUI (Ulpia) KONKOPJIA erwähnt werden
(S. 42), während das Cognomen Ptolemaeus bei den Flaviern
nicht nachweisbar ist, wohl aber bei dem Sohne eines ge-
wöhnlichen römischen Legionssoldaten (Bulletin de Tlnstitut
Egyptien 1872 — 75, S. 120), und ferner eine Concordia auf
dem bezeichneten Titulus des 4. Jahrhunderts genannt ^di*d,
so erheben sich gewichtige Bedenken sowohl dagegen, aus
diesen Monumenten zu schliessen, dass schon im 1. oder im
2. Jahrhundert Flavier sich zum Christentume bekannt ha-
ben, als auch, dass die Flavier, deren Epitaphien vorliegen,
Verwandte des kaiserlichen Hauses gewesen seien. Wahr-
scheinlich handelt es sich um Freigelassene oder Clienten
der Flavier aus dem 3. und dem 4. Jahrhimdert, oder die
Namensübereinstimmung ist eine bloss zufällige. Denn ge-
1) Ref. z. B. ergänzt „ . . [puejrum [ann]orum . . . .", eine For-
mel, welche häufig wiederkehrt.
Zeitoelur. f. K.-0. III, 8. 32
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474 KRITISCHE ÜBERSICHTEN. 8CHULTZE,
rade im 4. Jahrhundert findet sich der Name Flavius häufig*.
Es soll damit nicht in Abrede gestellt werden, dass Ange-
hörige des kaiserlichen Hauses der Piavier im 1. oder 2. Jahr-
hundert sich zum Christentume bekannt haben könnten; nur
dass aus den monumentalen Quellen ein Erweis für diese An-
nahme zu schöpfen sei, erscheint Referenten als unrichtig.
Die Aufsätze Davin's über die Katakombe der heiligen
Priscilla sind als fleissige, auf gründlichem Quellenstudium
beruhende Arbeiten anzuerkennen, werden aber in ihrem
Werte durch eine phantastische Symbolexegese und durch
die stete Rücksichtnahme des Verfassers auf das officieDe
römische Dogma in nicht geringem Grade geschmälert *).
Das mit einem gewissen Grade von Sachkenntnis und frisch
geschriebene Büchlein Ludewig 's über die römischen Ka-
takomben erhebt selbst nicht den Anspruch ein selbstän-
diges Werk zu sein, aber der Andern, besonders der deut-
schen Bearbeitung der englischen „Roma sotterranea'^ ent-
nonunene Stoff ist vielfach unter neue Gesichtspunkte gestellt
und in eine anregende Darstellungsform gebracht, so dass
das Schriftchen zur Einführung in das Studium der römi-
schen Katakomben wohl geeignet ist *). — Das Coemeterium .
des Zoticus am zehnten Meilensteine der Via Labicana, welches
Stevenson, ein Schüler de Rossi's, zum Teil auf Grund
des ihm von letzterem zur Verfiigung gestellten MaterialB^
eingehend behandelt hat, ist eine durch nichts Besonderes
ausgezeichnete Anlage des 4. Jahrhunderts.
In mancher Hinsicht wichtiger erscheint das kleine Coeme-
terium S. Valentino an der Via Flaminia, in einiger Ent-
fernung von Rom, welches, nachdem es seit langem in
1) In desselben Verf. 's Aufsatze „Les anciens monuments chrdt.
de Rodez" (ebend. 1876, II, 213—282. 292—299) wird ein altcbrist-
licher Sarkophag aufgeführt, dessen Seitenreliefs beachtenswert sind.
Sonst enthält das Verzeichnis nichts Besonderes.
*) Die kurze Uebersicht über die Kirchen Roms von Barbier
de Montault in der Revue de l'art chr^t. 1875, Ilff. ist wertlos. —
De r Epinois, Les Catacombes de Rome (Paris 1875, 234 S. m 1") und
Withrow, Catacombs of Rome (London 1877) waren Referenten nicht
zugänglich.
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DIE KIRCHL. ARCHÄOLOGIE 1875—1878. 475
Vergessenheit geraten war, O. Marrucchi vor einigen
Jahren, durch die Angaben Bosio's, der dasselbe ausfuhrlieh
beschrieb, geleitet, wieder auffand und kürzlich in dankens-
werter Weise von neuem behandelt hat. Dasselbe ist be-
sonders durch eine Crucifixdarstellung^ die einzige, welche
sich in unterirdischen Coemeterien nachweisen lässt, archäo-
logisch interessant. Während die altchristUche Kunst die
Scheu, das Kreuz bildhch darzustellen, am Ende des 4. Jahr-
hunderts überwindet, hat es weit längerer Zeit bedurft, bis
die Kreuzigungsscene in ihrem Bilderkreise Aufnahme fand.
Der Verfasser zeigt, dass der Uebergang von den Kreuzes-
zu den Kreuzigungsdarstellungen sich ganz allmählich und
zwar durch eine Gruppe bildlicher Darstellungen hindurch
vollzog, welche besonders durch die Ampullen von Monza
illustrirt wird, die ein gewöhnlich mit Blumen omamentirtes
Kreuz, über dessen obem Balken das Haupt Christi schwebt,
zeigen. Aus diesem Motive entwickelte sich erst seit dem
Ende des fünften Jahrhunderts die vollständige Kreuzigungs-
scene, aber ohne anfangs allgemein zur Anwendung zu ge-
langen (S. 35 — 47)^). Das jetzt arg verstümmelte Fresko in
S. Valentine (tav. 11) erweist der Verfasser im Gegensatz zu
Gori und in Uebereinstimmung mit Garrucci überzeugend
als ein Werk des 7. Jahrhunderts (S. 47 ff.). Von den
übrigen wenigen Bilderresten des Coemeteriums ist ein wohl
derselben Zeit angehörendes Büd der Maria durch die bei-
gefügte Legende SCA DEI GENETRIX (S. 52) wichtig,
welche vielleicht das erste Beispiel einer Anwendimg dieser For-
mel auf abendländischen Monumenten ist Die von dem Ver-
fasser teils nach älteren Publicationen, teils zum ersten Male
mitgeteilten Inschriften, darunter einige datirte, gehören
der zweiten Hälfte des 4. imd dem 5. Jahrhundert an und
sind, mit Ausnahme vielleicht der S. 35 angegebenen, die
1) Das von Dobbert in einer Sitzung der Berliner Archäolog.
Gesellschaft in Photographie vorgelegte Elfenbeinrelief (jetzt im Bri-
tish Museum) mit einer Darstellong der Kreuzigung (vgl. Archäolog.
Z^eitung 1876, XXXIV, 42) kann ich nicht mit demselben für ein
Werk des 5. Jahrhunderts anerkennen.
82*
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476 KRITISCHE ÜBERSICHTEN. SCHüLTZE,
einen Sklaven erwähnt, bedeutungslos. Das genauere Alter
der Erypte wird sich schwer feststellen lassen, da dieselbe
sehr ruinirt ist. Immerhin ist möglich, dass die* ursprüng-
liche Anlage in die vorconstantinische Zeit zurückreicht und
dass der, wie angegeben wird, unter Claudius Grothicus um-
gekommene römische Valentinus hier beigesetzt wurde. Alte
Berichte (S. 1 — 18) und die im 4. Jahrhundert über dem
Grabe errichtete kleine Basilika machen dies wabrschein-
Uoh.
Die ein gewisses Interesse in Anspruch nehmende Frage,
ob sich in Pompeji Spuren des Christentums nachweisen
lassen, hat zuerst Garrucci im Jahr 1853 (BulL arcL neap.,
t. II, S. 8) aufgeworfen auf Anlass einer von den Akade-
mikern von Herkulanum (Antichitk di Ercolano, S. 2191)
publicirten christlichen Lampe, angeblich pompejanisober
Provenienz. Garrucci entschied mit Recht, dass diese Lampe
dem 4. oder 5. Jahrhundert angehöre. Seitdem hat de
Rossi die Frage in ausfuhrlicher Weise behandelt (BulL
1864, S. 69— 72. 92 ff.). An diese Untersuchungen schlies-
sen sich die Ausflihrungen Wandinger's eng an, ohne
ein neues Moment hinzuzufögen. Der Verfasser sucht zuerst
die Existenz einer jüdischen Synagoge in Pompeji nachzu-
weisen auf Grund der bekannten Inschrift (Coip. Inscriptt
lat IV n. 117), ia welcher ein sich PRINCEPS || LIBERTI-
NORVM nennender Fabius Eupor einen Aedilatsoandidaten
empfiehlt. Die von dem Verfasser nach de Rossi (a. a. O.
S. 70. 92) vorgetragene Meinung, dass es sich hier in Qe-
mässheit von Act. 6, 9 um einen Archisynagogus handele,
haben bereits Mommsen (Rhein. Mus. 1864, S. 456) und
Zangemeister (C. I. L. zu dieser Inschrift) mit guten
Gründen zurückgewiesen. Wenn es freilich nicht unwahr-
scheinlich ist, dass in Pompeji Juden ansäss^ waren, so
werden sie doch nirgends in den zahlreichen Wandinschriften
genannt, so dass es, abgesehen von allem andern, schwer
dankbar ist, dass die verachtete Genossenschaft sich in die-
ser Weise ia die städtischen Wahlangelegenheiten habe mi-
schen dürfen. Dagegen wird in der Inschrift des Vico del
balcone pensile (C. I. L. IV, n. 679) &st allgemdn eiae
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DIE KIRCHL. ARCHÄOLOGIE 1876-1878. 477
Beziehung auf die Christen erkannt, wie noch jüngst von
O verbeck (Pompeji, 3. Aufl., S. 437) und von Aubö
(Pers^ution de V Eglise, S. 415 flF.). Aber selbst wenn die
sehr wenig wahrscheinliche Lesung CHRISTIAN . . . (da-
gegen Zangemeister im C. I. L. CIIRISTIRAII) zugestan-
den wird, erscheint Referenten die Deutung des Wortes
=5 Christianus (als Cognomen) richtiger, da, was immer
auch Keim (Urchristenth., S. 177) eingewendet hat, kaum
anzunehmen ist, dass schon vor dem Jahre 79 imOcddente
dem Volksmunde der Name „Christiani'' geläufig gewesen sei.
Auf christlichen Insdniflen findet sich diese Bezeichnung erst seit
dem 4. Jahrhundert. Auch passt der übrige Inhalt der Inschrift,
wie man denselben auch zurechtzul^en versucht hat, durch-
aus nicht auf die Christen; es scheint sich vielmehr um eine
geschäftUche Aniionce, genauer um eine Weinannonce, gehan-
delt zu haben. Auch in der Inschrift MVLVS fflC MVSCIIL-
LAS 1) DOCVIT (C. I. L., n. 20! 5) wird nach dem Vorgange
de Rossi's vom Verfasser eine spöttische Anspielung auf die
Christen erkannt. Aber zu dieser Interpretation liegt kein
verständlicher Grund vor. Wenn sich der Verfasser auf
Teri Apol. c. 16 und auf das palatinische Spottcrucjfix beruft
(S. 843), so handelt es sich in diesen beiden Fällen nicht
um einen den Christen, sondern um einen ihrem Gotte angehäng-
ten ähnlichen Schimpf. Die von Stefanoni (Gemmae ant.
Venei 1646, tab. 30) mitgeteilte Gemme aber, welche einen
vor zwei Frauen docirenden, in Toga gekleideten Esel zeigt,
ist ein blosses Scherzbild, welches von den Auslegern seit
Lukas HolsteniuB mit Unrecht mit dem Dens oyoxoijtig (?)
Tertullian's in Verbindung gebracht wird. Die übrigen vom
Verfasser nach de Rossi angezogenen Inschriften (C. I. L.,
n. 2018 b und c, 823) können noch weniger in Betracht kom-
men. G^ORüber der Behauptung schliesslich, dass die Ne-
romsche Christenverfolgung auch Pompeji berührt habe (S. 84^,
vgl. de Rossi S. 72), ist auf die neuesten Untersuchungen
Overbeck's und Aubö's über die Christenverfolgungen zu
verweisen. — Ebenfalls in der Weise de Rossi's, aber mit ganz*
^) Moscellas ss musculas (t. mosca).
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478 KRITISCHE ÜBERSICHTEN. SCHÜLTZE,
lieber Ignorining der seitdem vorgetragenen abweichenden Er-
klärungen^ ein Vorwurf, der übrigens auch Aub ö triffifc, versteht
J. P. Richter die Inschrift des Vico del balcone pensile.
Wenn der Verfasser ausserdem auf einem pompejanisc^^i
Fresko eine Kreuzesabbildung erkennt und sonst verschiedent-
lich auf pompejanischen Monumenten Monogramme Christi
findet, Darstellungen, die erst in imd nach dem 4. Jahrhun-
dert in der christlichen Kunst auftreten, so dürfen wir uns wohl
gestatten, diesen Entdeckungen gegenüber uns skeptisch zu
verhalten. ^).
Seitdem Jakob Gretser das erste umfassende Werk
über das Kreuz veröfienthchte (De Cruce Christi voll. III,
Ingoist. 1598 ff.), hat die archäologische Forschung bis zur
jüngsten Gegenwart herab mit Vorliebe dieses Thema auf-
genommen, so dass über dasselbe eine äusserst reiche Litera-
tur vorliegt. Auf Grund derselben, aber mit vielfacher Er-
weiterung des (Jegebenen imd teilweise von neuen Gesichts-
punkten aus ist Zöckler's licht- und gehaltvolle Monographie
1) In Beziehung auf ausserrÖmische Monumente sind zu erwähnen
die Mitteilungen Cavallari's über altchristliche Coemeterien in Si-
cilien im Bull, di archeol. crist. 1877, S. 85 — 95, die übrigens, wie
Ref. an Ort und Stelle beobachten konnte, in hohem Grade unzuver-
lässig sind. — Ebendas. 1875, S. 142 — 152 de Rossi über das Coe-
meterium S. Alessandro in Baccano an der Via Cassia, 21 Migleu von
Rom. — Kraus, Roma sott, S. 607 ff., über die kleine Katakombe
von Prata (District Avellino). Ueber ein kürzlich in Tropea in Ca-
labrien entdecktes Coemeterium s. Bull, di archeolog. crist. 1877,
S. 85 — 95; über ein nicht uninteressantes Fresko einer syracusani-
flehen Katakombe (Vigna Cassia) ebendas. 1878, S. 149 — 159 (vgl.
Revue archeol. 1878, S. 84 ff.). — Robert de Lasteyrie, Note sur
un cimiti^re m^rovingien d^couvert k Paris (Revue arch^l. 1876,
XXXI, S. 360— 368). -— Ch. Bayet, Memoire sur un ambon conserv^
k Salonique (in d. Memoire sur une mission au mont Athos par Dus-
ebene et Bayet [Paris 1876], S. 249—299). Neroutsos-Bey,
Notice sur les fouilles r^centes ex^cut^es k Alexandrie 1874 — 1876, Alex.
1875 (54 S. in 8 **) giebt auch eine kurze Mitteilung über die dortigen
christUchen Altertümer. — Schliesslich verweise ich auf die Sitzungs-
berichte der vonP. Bruzza geleiteten römischen Accademia di archeologia
eristiana, über deren ersten Teil nach de RossTs Bull, di archeol.
crist. im Christi. Kunstbl. (1878, S. 36—41) referirt ist
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DIE KIRCHL. ARCHÄOLOGIE 1875—1878. 479
über das Kreuz Christi verfasst. Das Buch enthält Neues
und Anregendes in reicher Fülle, besonders fiir die Dar-
l^ung der „Idee des Kreuzes in der neuern Kunst, religiösen
Dichtung und Speculation'^ (S. 329 flf.), welche bisher nicht
g^eben war, wird man dem Ver&sser dankbar sein müssen.
Der Abschnitt über das Kreuz in der vorconstantinischen
Earche (S. 119 — 146) dagegen teilt die Irrtümer der bis-
herigen Anschauungen. Referent hat speciell die Ausführun-
gen über die angeblichen cruces dissimulatae der alt-
christlichen Kunst imd Epigraphik im Auge, deren Existenz
dem Verfasser unzweifelhaft; ist. Ein önmd aber, der die
Christen veranlasst hätte, das Kreuzeszeichen zu verhüllen,
ist überhaupt nicht au&uzeigen. Das Svastikasymbol, welches
beim Auftreten des Christentums in der griechisch-römischen
Welt ohne Verständnis seiner ursprünglichen Bedeutung als
geheimnisvolles, zauberhaftes Zeichen ohne bestimmten In-
halt angewandt wurde, ist als solches auch in den christ-
lichen Bilderkreis gekommen. Aber es tritt überhaupt erst
im Verlaufe des 3. Jahrhunderts auf (de Rossi, Bull. 1868,
S. 88 ff.) und erhält sich ununterbrochen, wenn auch in be-
schi^änkter Anwendung, bis in das 5. Jahrhundert hinein,
d. h. neben dem Kreuze, welches es also nicht wohl ver-
hüllt haben kann. Ebenso ist das sogenannte Antoniuskreuz
vor dem 4. Jahrhundert nicht nachweisbar. Dass aber der
Anker das Kreuz habe verhüllen sollen, ist eine durch nichts
gestützte Conjectur, die auf de Rossi zurückgeht Man wird
also nicht über das Zugeständnis hinauskommen können,
dass vor Constantin dem Grossen die Kirche irgendwelche
versteckte oder offenbare Kreuzesabbildungen mit christlicher
Symbolik nicht besessen habe. Damit fällt auch hin, dass
in dem Constantinischen Monogramme das Elreuzeszeichen ent-
halten sei, wie Verfieisser (S. 163) behauptet Was die Ge-
nesis dieses signum anbetrifft, so erscheint es Referenten nutz-
los, auf ähnliche oder gleiche Zeichen älterer orientalischer
Münzen zurückzugehen, wie auch Zöckler tut (S. 152 f.).
Wenn überhaupt Christus als Heerflihrer anerkannt und sein
Namenszug in das Heerbanner aufgenommen werden sollte,
80 lag es doch sehr nahe, aus XP das bekannte Monogramm
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480 KRITISCHE ÜBERSICHTEN. SCHÜLTZE,
ZU formuliren, das in des Tat erst mit dem Jahre 323 auf
christlichen Monumenten erscheint (Bull. 1H63, S. 22 ff.) *).
Denn die hier gewöhnlich angezogene Inschrift, welche anch
in deRossi'sInscriptt christianae, vol. I, n. 26 unter dem
Jahr 298 steht, die aber factisch dem Jahr 330 angehört^
sollte doch endlich bei Seite gelegt werden. — Während
Zöckler bei der Entstehung des Constantinischen Monogram-
mes nur ganz allgemeine Reminiscenzen an orientalische Ge-
heimzeichen mitwirken lässt, hat E. v. Bunsen in einer
seltsamen Schrift über das „Symbol des Kreuzes", welche
nachweisen soll, dass die „auf innere Erfahrung und gött-
liche Offenbarung gegründete Lehre vom Gewissen zu allen
Zeiten und bei allen Völkern durch das Kreuz sinnbildlich dar-
gestellt wurde", die Aneignung dieses Zeichens durch Con-
stantin als Tat und Ausdruck eines bewussten Synkretismus
beurteilt. So sei, wenn auf dem Schilde des als Mars ab-
gebildeten Constantin das Monogramm Christi sich findet,
damit eine „Verbindung von Christus mit der Sonne und
daher mit den Sonnengottheiten des Heidentums" ausgedrückt
(S. 82). Referent ^aubt, sich der Mühe überheben zu dür-
fen, auf diese und ähnliche willkürliche Combinationen des
Verfassers, die zudem teilweise nicht neu sind und schwer-
lieh Zustimmung finden möchten, näher einzugehen *). —
Wesentlich archäologischen Inhaltes ist die verdienstvolle
Schrift von Fulda über das Kreuz und die Kreuzigung.
Durch dieselbe wird wieder einmal klar aufgezeigt, wie we-
nig erschöpfend und befriedigend die archäologische Seite
0 Ref. macht bei dieser Grelegenheit auf das instructive Werk
von W. Frohner, Numismatique antique. Les Medaillons d*Empire
romäin depuis le r^gne d'Auguste jusqu' k Priscus Attale (Paris 1878;
XV, 39Ö S. u. 1310 Vign. in gr. 8°), besonders in Beziehung auf die
Constantinischen Münzen, aufmerksam; zu vergleichen ausserdem
F. W. Madden, Christian Emblems of the coins of Constantine I^
his family and his successors (Kepr. from the Numismatic Chronicle),
London 1877—78.
*) Vgl. Theol. Literatur -Zeitung 1876, S. 415 ff.; Zeitschr. für
wissenschaftl. Theol. 1877, S. 421 ff.; Christliches Kunstblatt 1878,
S. 62 f.
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DIE KIBCHL. ARCHÄOLOGIE 1875—1878. 481
dieser Frage bisher behandelt worden ist. Eine Reihe von
Punkten bleibt freilich auch nach den scharfsinpxgen Unter-
suchungen des Veifassers noch dunkel. — Mit Recht wird
die fabelhafte crux decussata^ das sogenannte Andreaskreuz,
beseitigt (S. 126 ff.). Besonders dankenswert sind die Aus-
führungen über die Entkleidung der Verurteilten (S. 144 ff.)
und über die Behandlung der Füsse bei der Kreuzigung^
speciell bei der Kreuzigung Jesu (S. 264 ff.)* Dass dag^en
die Kreuzigung Christi ohne Anwendung des Patibulum statt-
gefunden habe, in der Weise, wie auf Tat I abgebildet ist,
dafür hat der Verfasser (S. 217 ff.) keinen überzeugenden
Grund beibringen können.
Handelt es sich bei Bunsen darum, den ausserchrlstlichen
Ursprung des Monogrammes Christi zu erweisen, so hat
Holtzmann den Versuch gemacht, den in der Renaissance
Tielfach wieder aufgenommenen bärtigen Christustypus der
altcbrisdichen Kunst als eine unmittelbare Nachbildung der
antiken Asklepios- und Serapist^pen aufzuzeigen. Es lässt
sich freilich nicht in Abrede stellen, dass einzelne Darstel-
lungen direct unter dem Einflüsse antiker Vorbilder entstan-
den sind, z. B. der thronende Christus in S. Vitale in Ra-
venna, der auf Apollo, und ein ReUef des Museo Kirche-
riano, das auf Serapis zurückgreift, aber dies sind nur Aus-
nahmen, g^en welche die Kirche sich entschieden ablehnend
verhielt, wie aus dem Tatbestande und einer von Theopha-
nes, Chronogr. ed. Bonn., vol. I, S. 174 mitgeteilten Erzählung
her\rorgeht Die Sarkophage, daneben die Fresken und die
Goldgläser, zeigen vielmehr, dass die Umbildung von dem
imbärtigen zu dem bärtigen Typus sich ganz allmählich voll-
zogen hat, in dem VerhältDisse nämlich, wie die alte, durch
antike Reminiscenzen belebte Kunst in strengeren, unfreien For-
men erstarrte. Vor allem aber steht der genannten Behaup-
tung entgegen, dass die Darstellungen des Paulus, des Petrus,
des Mose imd anderer Figuren des altchristlichen Bilderkrei-
ses dieselbe Entwickelung vom imbärtigen zum bärtigen
Typus durchmachen. Auch finden sich Reliefs z. B. im Lateran-
museum, auf welchen der imbärtige und der leichtbärtige
Christuskopf abwechsebd angewandt werden, ein Beweis, dass
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482 KRITISCHE ttBERSICHTEN. SCHULTZE,
der spätere Typus aus dem älteren direct hervoi^ewachaeii
ist. — Die Ausführungen KleinpauTs über die Sym-
bolik der altchristlichen Kunst sind in gleicher Weise
durch kecke ZuversichtUchkeit wie durch Unkenntnis des
einschläglichen Materials ausgezeichnet Wo der Verfasser,
in welchem man leicht den Dilettanten eri^ennt, über die von
ihm stark benutzte „Symbolik und Mythologie" Piper's
hinausgeht; yerirrt er sich zu den seltsamsten Au&tellungen,
wie S. 674 über die Darstellungen Daniers in der Löwen-
grube imd S. 675 über die Symbolik der Weinkelter.
Ueberhaupt aber ist in der Abhandlung im Gegensatz zu
deren Ueberschrift die altchiistUche Symbolik nur ganz
nebenbei berücksichtigt — oder sollte der Vei&sser auch
die mittelalterUche Kunst unter diese Rubrik begrifien ha-
ben?
Aus dem Aufsatze Dechent's ist für altchristUche Sym-
bolinterpretation nichts Neues zu entnehmen ^); der Verfasser
verlässt die Bahn des traditionellen Verfahrens nur insofem^
als er die sibyllinischen Bücher zur Erklärung heranzieht^
was übrigens Referenten als eine Neuerung von zweifelhaftem
Werte erscheint. Denn solange die Interpretationsnormen
in erster Linie den Schriftquellen und nicht den Monumenten
selbst entnommen werden^ wird auch die phantastische Spie-
lerei moderner Symbolexegese andauern.
Die nicht ohne Sachkenntnis geschriebene Skizze von
Naville in der protestantischen „Revue chr^tienne" richtet
sich hauptsächlich darauf^ die durch die Elatakombenforschung
erwiesene Teilnahme der Christen am Kunstleben mit den
gleichzeitigen christUchen Quellen der alten Kirche in Ein-
klang zu setzen. Ein Widerspruch scheint in der Tat nicht vor-
zTiUegen ; die Vorstellung von einem „ Kunsthasse ^' der altchrist-
1) Ein Gleiches gilt von des Verfassers Aufsatz : „DieBedeutiuig
der Speisungsgeschichte auf den Denkmälern altchristlicher Kunst ^*
(Christi. Kunstbl. 1878, S. 102—108), in welchem vorzüglich mit den
durch die deutsche „Roma sott." gebotenen Hülfsmitteln zu erweisen
versucht wird, dass die Darstellung der Speisungsgeschichte in der
altchristlichen Kunst sich finde mit historischer, eucharistischer und
pneumatischer Bedeutung!
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DIE KIBCHL. ARCHÄOLOGIE 1876—1878. 483
liehen Gemeinden, die in den kirchengeschichtlichen Lehr-
büchern heute noch häufig sich findet, ist unhaltbar. Es
darf vielmehr als gesichertes Resultat angesehen werden, dass
die heidenchristlichen Gemeinden die Kunst mit nicht gerin-
gerem Interesse, wenn auch mit mannig£Eicher äusserer, durch
die Verhältnisse gegebenen Einschränkung gepflegt haben
als die Zeitgenossen gleicher socialer Stellung. Anders aber
hat ohne Zweifd die Sache bei den judenchristlichen Gemein-
den gelegen, die von der entgegengesetzten Tradition aus-
gingen. Wenn dem gegenüber der Verfasser auch dem Ju-
dentuine Kunsttätigkeiten und -Interesse zuerkennt (S. 574 fil),
80 bewährt sich diese Behauptung nicht an den Tatsachen,
insofern vereinzelte Symbole, die sich aussserdem &st ganz
auf Epitaphien beschränken, keine Kunst constituiren. Die
jüdischen Grabmonumente sowohl Palästlna's als der Dia-
spora zeigen, dass, wo einer Kimsttätigkeit Raum gestattet
worden ist, diese nur in ganz beschränktem Masse und
sporadisch zum Ausdruck gelangt ist ^). Zum Schlüsse wen-
det sich der Verfasser gegen die aus obiger Tatsache von
der katholischen Forschung gezogenen, allerdings unstatthaften
Folgerungen fiir die Bilderverehnmg. Stornaiuolo, der
nicht nur diese, sondern auch den Märtyrercultus, die Lehre
vom Fegfeuer und andere Dogmen der römischen Kirche als
durch die altchristlichen Monumente bezeugt nachzuweisen
versucht (S. 22 — 28), weiss nur einige Inschriften imd Bild-
werke des 4. und des 5. Jahrhunderts für seine Behauptim-
gen anzuführen, wodurch schwerlich in dem Leser die Ueber-
zeugung erweckt werden dürfte, „dass die katholische Tra-
dition aus der Katakombenforschung täglich neue Triumphe
imd Palmen davontrage" (S. 4). Im übrigen beschränkt sich
der Verfasser des bedeutungslosen Schriftchens auf Wieder-
gabe von Forschimgen de Rossi's, speciell der bereits be-
sprochenen über das Coemeterium der Domitilla. Andrer-
seits ist von waldensischer Seite aus, von T. Gay „das Rom
') Ich verweise hierzu auf den Artikel von Ruetschi: „Büder
bei den Hebräern", in der neuen Auflage der Real-Encjklopädie 11,
S. 460-463.
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484 KRITISCHE ÜBERSICHTEN.
unter der Erde'' zum Zeugnis gegen ^^das Rom auf der
Erde" aufgerufen worden. Die im polemischen Sinne ver-
fassten Aufsätze enthalten; obgleich aus ihnen nur eine ober-
flächliche Kenntnis der Monumente durchschimmeii; dennoch
manche richtige Beobachtung. So findet Referent z. B. die
Orantenfiguren hier zum ersten Male richtig bestimmt (S. 127);
nur berücksichtigt der Verfiisser die rein ornamentale Ver-
wendung der Orans nicht Die den Monumenten entnom-
menen Argumente gegen das Dogma und die Praxis d^^
römischen katholischen Kirche sind nur zum Teil beweis-
kräftig. Ueberhaupt aber wird man die altchristlichen Mo-
numente in diesem Sinne nur in ganz vereinzelten FäUen
zu verwerten haben, da dieselben fast ausnahmslos rddit
die kirchliche, sondern die volkstümliche Anschauung aus-
prägen *).
1) Mariott, Testimony oftheCatacombs (London 1877); Grill-
witz er, Die bildl. Darstellungen der röm. Katakomben ab Zeugen
für die Wahrheit u. s. w. (Graz 1876 in 4®) und G. Ott, Die ersten
Christen über und unter der Erde (Regensbnrg 1878, 4^, waren Bef.
nicht zugänglich. — Einige wenige Schriften kirchlich-archäologiscben
Inhaltes, die mir erst nach Abschluss der Kritischen Uebersicht zur
kamen, werde ich, soweit es tunlich erscheint, in einer späteren Folge
berücksichtigen.
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ANALEKTEN.
1.
Nachträgliche Bemerkungen Aber den Aupstiner
Johann Hoflineister.
Von
A. T. DruffeL
Keine Angabe ans Hoffineistefs Lebensgeschichte glaubte ich
bei Ansarbeitnng meiner Schrift über das Leben jenes Augustiner-
m^nchs^) mit mehr Sicherheit der herkömmlichen Ueberlieferung
entnehmen zu dürfen als die, dass er seiner Gebnrt nach dem
Elsass angehört habe. Anf die Unrichtigkeit dieser Ansicht hat
mich inzwischen Herr Prof. Barack in Strassbnrg gütigst auf-
merksam gemacht. In dem zu Obemdorf niedergeschriebenen Teile
der von ihm herausgegebenen Zimmerischen Chronik m, 473
wird nämlich beiläufig gesagt, dass Hoffmeister „ein geborener
Obemdorfer'' war, und es ist unzweifelhaft, dass diese Nach-
richt grösseres Vertrauen verdient als die Notizen späterer Bio-
graphen.
Die angeführte Stelle ist nicht bloss wegen dieser Notiz be-
merkenswert, sie gewährt uns zugleich einen Einblick, wie Hoff-
meister in einem bestimmten Falle die Interessen eines Klosters
gegen die Bedrohung des Grafen von Zimmern, des Xloster-
Togts, zu schützen sich bemühte, und obgleich die Chronik nicht
auf seiner, sondern auf des Grafen Seite steht und parteiisch gefärbt
1) Der Elsässer Aogustinermönch Johannes HofiEmeister und seine
Correspondenz mit dem Ordensgeneral Hieronymus Seripando (Mönchen
1878, 62 S. in 4). Aus den Abhandlungen der kgl. bayer. Akademie der
Wissensch., IIL CL, XIV. Bd., I. Abt, S. 135—196.
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486 ANALEKTEN.
ist, dürfen wir doch die berichteten änsseren Tatsachen wohl als
richtig hinnehmen. Es steht mit dem, was Hoffmeister selbst^
über den Zustand der Augnstinerklöster berichtet, auch nicht in
Widerspruch, wenn man von „Mutwillen und Verschwendung*' der
Nonnen im Tal zu Obemdorf liest, ebenso wenig aber dürften die
Nonnen und Hoffmeister fehlgegriffen haben, wenn sie bei dem
Grafen die Neigung, das Kloster einzuziehen, voraussetzten. Hoff-
meister verklagte denselben deshalb bei dem König Ferdinand;
es erschienen Commissare von dem Innsbrucker Regiment; deren
Einschreiten, sowie die drängenden Bitten des „ lausigen Mönchs **
und der benachbarten Edelleute veranlassten den Grafen zum
Bückzuge; er liess die Nonnen machen und nahm sich ihrer
weiter nicht viel an. So gewann der Streit keine weitere Aus-
dehnung, wir wissen nicht einmal, zu welcher Zeit er ge-
spielt hat.
Für die Zeit, welche vor Hofißneister's Eintritt in die grössere
politische Welt liegt, bietet die von dem evangelischen Divisions-
prediger Rocholl zu Colmar verfasste Schrift: „Die Einführung
der Reformation in Colmar*', ausserordentlich interessante Aus-
beute. Man muss bei dem Verfasser das Streben nach unbe-
fangenerer Würdigung der kirchlichen Gegensätze anerkennen;
man wird sich eher der Ansicht zuneigen, dass er den katholischen
Augustiner zu günstig beurteile, als dass er sich von dem con-
fessionellen Gegensatze zur Ungerechtigkeit habe verleiten lassen.
Rocholl hat den umstand, dass er in der Stadt lebte, wo Hoff-
meister wirkte, trefflich zu benutzen gewusst und das Colmarer
Archiv wie die Bibliothek eifrig ausgebeutet Die letztere be-
wahrt das wie es scheint einzige Exemplar einer Hoffmeister'schen
Schriffc, welche besonderes Interesse durch die Schicksale einflösst,
welche sie gleich damals erlitten hat, obgleich ihr Inhalt, mit dem
„Judicium" verglichen; keine wesentlich verschiedenen Züge dar-
bietet. In beiden Schrifben polemisirt der Augustiner lebhaft
gegen die Neuerer und geisselt zugleich mit rückhaltloser Schärfe
die Misbräuche innerhalb der katholischen Kirche. Das „Ju-
dicium" gelangte erst 12 Jal>re nach Hoffmeister's Tode zum
Druck; die „Wahrhaftige Entdeckung und Widerlegung deren
Artikel die M. Luther auf das Ooncilium zu schicken und darauf
beharren fürgenummen" wurde zwar gleich in Colmar bei Bar-
tolomäus Grüniger gedruckt, dann aber von dem Rate der Stadt
mit Beschlag belegt. Mochte Hofimeister auf zu Colmar erschie-
nene Schriften hinweisen, welche ohne Beanstandung gegen die
heilige Messe und gegen die katholischen Priester, die in der
Stadt nicht das wahre Evangelium predigten, zu Felde zogen»
mochte er sich auf die erfolgte Billigung seiner Schrift durch
christliche Magister und Doctoren berufen und verlangen, dass die
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V. DRUFFEL, ÜBER DEN AUGUSTINER HOFFMEISTER. 487
Begierung zn EDsisheim oder die Universität Freibnrg zu einer
Entscheidung über die angeordnete Massregel berufen werden
möge, der Bat Hess sich hierdurch ebenso wenig einschüchtern
als durch den Hinweis auf die kaiserliche Migestät, welche Hoff-
meister anrufen zu wollen erklärte. Man Hess sich durch ein
juristisches Gutachten Christofs Ton Schwabach beruhigen, welches
die Beschlagnahme billigte, aber zugleich auch vor Verbreitung
aufregender lutherischer Bücher warnte. Das Schicksal des Bu-
ches war dann die Vergessenheit, und erst im 17. Jahrhundert
fiand man zufällig Exemplare wieder auf. Eine andere Schrift,
welche Hoffmeister im Jahre 1540 drucken Hess, gelangte zwar
damals an die OeffentHchkeit, wurde aber yon mir gleichfaUs bei
Anfertigung des Verzeichnisses seiner Schriften übersehen. Es
ist dies die: Missa D. Joannis i Ohrjsostomi secundum Yete-||
rem usum ecclesiae Constantino- |j politanae ... a Leone Tusco
Emanuelis Impe- 1| ratoris Constantinopolitani Joannis F. Latinarum{|
epistolarum magistro, iam olim conYer-||8a, regnante videHcet
Fride-||richo Aug. huius || nominis pri-||mo. || Eadem recentius
ab Eras-||mo Boterodamo translata, hie au-{|tem adiecta, quod
diyersum uterque exemplar Graecum || sit secutus, ne Studiosus anti-
quitatis Chri- stianae quicquam de- 1| sideret. || Excusum. || Colma-
riae per Barptho- 11 lomeum Grjenin- || gerum. || Anno M. D. ||
XL. I .
Besondere Bedeutung wird man dieser Compilation, welche
darauf ausgeht, das hohe Alter der Messliturgie zu erweisen,
schwerHch zuschreiben können. Hofi&neister nennt sich als Autor
auf Fol. 43 ^, wo er eine Sammlung von Ezcerpten aus Chry-
sostomus' Schriften beginnt Am bemerkenswertesten dürfte der Brief
des Beatus Bhenanus au Hoffmeister sein, welcher die Schrift
eröffnet, ihn hat Flacius Hlyricus dann auch 1657 seiner Schrift
über die „Missa latina quae olim ante Bomanam circa 700 Do-
mini annum in usu fuit bona fide ex yetusto authenticoque codice
descripta'' am Schlüsse wieder beigefügt. Dieser Schrift des
Flacius wurde das Loos zu Teil, yon Wizel als eine Schutzschrift
für den !E[atholicismus begrüsst zu werden ^).
Der Brief des Beatus Bhenanus erwähnt, dass Hoffiueister
die Neuordnung der Elosterbibliothek unternommen hatte; grade
hierbei war er auf die Disputationen des Hugo Aetherianus und
auf jene üebersetzung der „Missa'' des Chrysostomus durch Leo
yon Toskana, welche er dem Bhenanus zur Begutachtung yor-
legte und dann drucken Hess, aufmerksam geworden. Einen merk-
w^digen Einblick in die kirchlichen Verhältnisse der Stadt Golmar
M Vgl. die Bemerkungen bei Preger, Flacius Ulyricua, Bd. II,
S. 476.
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488 ANALEKTEN.
gewährt es, wenn Bhenanus erwähnt, dass diejenigen, welche der
Sohrifterklärong Hoffmeister's an den Festtagen aufmerksam za-
gehört hatten, vor dem Beginne der Messe der Gläubigen, d. h.
also vor dem Offertorium haufenweise die Kirche verliessen,
gleich als ob sie das liessopfer selbst gar nichts anginge. Man
sieht daraus, wie das Volk sich damals nu*- nach der Predigt
sehnte, mochte sie von einem Anhänger der alten oder der neuen
Lehre gehalten werden, und wie die Geringschätzung der Messe
auch bei denen, die noch für katholisch galten, Platz grifT. Bea-
tus Bhenanus schreibt den Verfall dieser Achtung vor den Messen
hauptsächlich dem Umstände zu, dass jetzt die Priester zu deren
Abhaltung ebenso gedungen würden, wie die Arbeiter in den
Yogesenbergwerken: „Einst gab es weniger Priester und weniger
Messen, darum waren aber die Leute nicht weniger religfiös.'^
Mit diesem Gedanken berührte Bhenanus bei Hof&neister eine ver-
wandte Saite; beide waren auch darüber derselben Ansicht, dass
eine bessere Ausbildung der (xeistlichen Not tue. Zweifelhaft ist
es nur, ob der Augustiner, den Bat des Bhenanus befolgend, seine
Ordensgenossen zu einem damals in Oolmar lehrenden Domini-
kaner, Wilhelm Hammer ^) aus Neuss, der besonders das Grie-
chische lehrte, in den Unterricht geschickt hat; er scheint viel-
mehr in dem eigenen Kloster eine Schule gegründet und der-
selben einen über dessen Mauern hinausreichenden Buf verschafft
zu haben, einige Jahre nachher wenigstens beglückwünschte der
Colmarer Schultheiss Hieronymus Boner, derselbe, der jenen Streit
wegen der Unterdrückung des Hoffmeister'schen Buches durch-
gefochten hatte, den Abt zu Murbach, dass er seine Novizen dem
Hoffmeister anvertraut habe, in dessen Kloster sie gewiss in aller
Zucht und geistlichen Disciplin zu aller gebürlichen Lehre und
Kunst herangebildet würden *).
Bocholl hat auch auf einen merkwürdigen Brief aufmerksam
gemacht, welchen Hofmeister an den evangelischen Theologen
Mathias Erb zu Beichenwejer gerichtet hat Er fällt in die Zeit»
wo der Provincial Twejer gestorben war und Hoffmeister als
dessen Nachfolger noch nicht bestätigt, vielleicht noch nicht gewählt
war. Erst nachdem Erb ihm zwei Mal geschrieben, scheint Hoff-
meister sich zu der Antwort herbeigelassen zu haben, in welcher
sich ein so versöhnlicher Geist ausspricht, wie man ihn selten in
Theologenbriefen der Beformationszeit wird nachweisen kdnnen.
Obschon Hoffmeister die Verschiedenheit des beiderseitigen Stand-
1) Wahrscheinlich derselbe, welcher im Jahre 1564 zu DilÜDgen
einen Commentar zur Genesis erscheinen liess.
S) YgL Bocholl S. 81. Die betreffende Schrift Boner's selbst ist
mir nicht zugänglich.
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V. DRUFFEL, ÜBER DEN AUGUSTINER HOFFMEISTER. 489
pimkts entschieden betont, spricht er sich fiber den Gegensatz
aus wie ein Freund zum Freunde. Er bittet Erb, gehässige Be-
merkungen gegen den Papst ans seinem Gedichte zu entfernen;
dass auch er keinen Hass gegen Erb im Herzen trage, k^^nne dieser
4km besten ans diesem freundschaftlichen Bäte sehen, da ihm
sonst grade gefallen müsse, was an Erb's Darlegungen zweck-
widrig sei. Die Päpste seien nicht alle schlecht, die Gottlosig-
keit einzelner Päpste dürfe man nicht anders beurteilen als die
Tatsache, dass sich unter den Aposteln ein Judas befunden habe.
Gleich Erb hasse auch er die Gk>ttlo8igkeit und den Aberglauben,
wenn er freilich nicht alles, ¥^as Erb als abergläubisch brand-
marke, zu Yerwerfen, sondern manches zur Unterstützung der wahren
Beligion beizubehalten wünsche. Wie in dem Judicium, begrüsst
^r mit Hoffnung die in den neueren Schriften der Beformatoren
zu Tage tretende, mehr entgegenkommende Haltung in der Mess-
opferfrage. Wenn er auch befürchte, mit Erb hierin nicht der-
selben Meinung zu sein, so hege er doch die feste Zuversicht,
dass die von den Protestanten preisgegebene Messe in nicht zu
•ferner Zeit wiederhergestellt werden würde.
Für die bewegteren und schon durch die Correspondenz mit
Seripando einigermassen beleuchteten Jahre bietet das Buch von
H(^hn: „Chronologia Provinciae Bheno-Suevicae ordinis fratrum
firemitarum S. Augustini" noch eine Ergänzung durch den Brief
Seripando*s an Hoffmeister yom 9. Juli, auf welchen die Antwort
Ton mir mitgeteilt worden ist ^). So viel es mit Briefen und
Erlassen ging, suchte Seripando den deutschen Augustiner in
seinen Bemühungen um Hebung des gesunkenen Ordens zu unter-
stützen. Ein kaiserliches Privilegium zum Schutze des Eloster-
besitzes, von welchem sich Hoflfmeister 1544 nur geringe Wir-
kung zu versprechen wagte, scheint er aber im folgenden Jahre,
1545, als nach der Beendigung des französischen Krieges die kaiser-
liche Macht sich wieder gehoben hatte, gern und dankbar ange-
nommen zu haben. Sicherlich wurde auch der kaiserliche Erlass
vom 31. Mai 1546, welcher die Stadt Golmar über die längere
anderweitige Verwendung Hoffmeisters beruhigen sollte und sie
zugleich zum Ausharren in der katholischen Beligion ermahnte,
von dem Augustinermönch selbst ausgewirkt *), Wir ersehen daraus,
dass Hoffmeister nicht übertreibt, wenn er Seripando erzählt, wie
dringend man am Hofe sein Verbleiben forderte. Dass ihn dafür
1) Statt Joanni Cysareo ist darin zu lesen Joanni caesareo concio-
natori, womit Muüatoni gemeint ist. Auf ihn bezieht sich auch wohl die
Stelle, S. 50 (184), Z. 2.
>) Dass der Brief ,, eigenhändig" sein soll, wie Bocboll S. 82
behauptet, kann ich mir nicht denken.
Zeitschr. f. K.-O. UI, 8. 33
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490 ANALEKTEN.
der Haas seiner Gegner traf, kann nicht Wunder nehmen. In
Butzer's Angen ist „der Colmarisch Augustiner ein junger freoher
und wol beredter mensch", der „zu einem schonen nonnentanz
— wie er sich alhie in dieser ^Eistnacht wol genbt hat — sich
geschickter weis, dann zu scharfer disputation" ^). Dasselbe
Urteil f&llte über ihn Veit Dietrich; er bezeichnet den Cd-
marer Augustiner dem Herzog Albrecht von Preussen als emen
„ausbund von einem guten schwatzer, aber im gründe ein
entwichtes herz und von einem ärgerlichen, unzüchtigen le-
ben«^).
Der Brief Veit Dietriches, welcher diese Aeusserung eniMlty
wurde am 14. September 1647, also wenige Wochen nach Hoff-
meister*8 Tode, geschrieben. Hier findet sich schon die Erzäh-
lung Yon dem verzweiflungSTollen Tode Hoffmeister's in ähnlicher
Form, wie sie später in Flugschriften verbreitet wurde, und wie
Veit Dietrich sie 1548 dem Grafen von Waldeck vortrug %
Dieselbe Auffassung finden wir in einem wenige Tage nachher
geschriebenen Briefe des Georg Nutzelius, welcher, gleich Veit
Dietrich, in Nürnberg wohnte. Er schrieb am 23. September ^):
„Fuit Ulmae monachus quidam nomine Joannes de Oolmar, qni
cum multa longo tempore, praesertim autem hoc anno in evan-
gelinm debacchatus esset, tandem hisce paucis diebus ad comitia
vocatus est, ut ibi cum aliis, doctis scilicet, viris Lutheranos, ut
ipsi loquuntur, reformaret. Verum dum ille bonus vir proficisci-
tur, in oppidulum quoddam Gunsburg nomine, trium milliarium
spacio ab ülmo distans, venit ac forte fortune se in illud hospi-
cium confert, in quo ante aliquot menses doctor Navius obiit; ea
igitur nocte repente insanus factus, ita saeviit, ut cum catenis
vinciri opus fuerit; ac non ita multo post multa vociferans ac
inter alia haec verba mnltocies reiterans: Damnatus sum, nee
tempus sufßcit ad poenitentiam, diabolo addictus sum corpore et
anima eo quod veritatem evangelicam non modo sciens non agnovi,
verum insuper etiam persecutus sum, contrarium scilicet docendo,
mortuus est. Haec quia vera sunt, volui te scire.''
1) Marb. Ai:chiv, fehlerhaft bei Neadecker, Merkw. Actenstücke,
S. 719. Ob Batzer hier auf die Beziehungen zn Barbara von SandizeÜ
anspielt, mnss dahingestdlt bleiben. Anhaltspunkte för die Richtigkeit
oder Grundlosigkeit der Butzer'scben Verdächtigung habe ich nirgends ge-
funden. Prof. Var rentrapp in Marburg hatte die Güte, mich auf
diese und andere in Betracht kommende Stellen aufmerksam zu machen.
>) J. Voigts Briefwechsel mit H. Albrecht von Preussen, S. 206.
«) Vgl. Druffel, Hofftneister, S. 34.
*) Herr Pfarrer Kawerau in Elemzig bei Züllichau hatte die Güte,
mit diese wie andere Notizen mitzuteilen. Der Brief ist dem Cod.
Val. Bav. der Gothaer Bibliothek entnommen.
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V. DEÜFFEL, ÜBER DEN AUGUSTINER HOFFMEISTER. 491
Indem durch diese NQrnberger Zeugnisse bewiesen wird, dass
di0 in den Flugschriften der Interimszeit ^) und besonders von
Flacius entworfene Schilderung der letzten Lebensstunden des
Augustiners bereits kurz nach dessen Tode verbreitet wurde,
kommt man über den wirklichen Vorgang doch nicht in's Beine.
Auf Grund dieser Nachrichten, selbst wenn sie beide auf eine
und dieselbe Quelle zurückgehen sollten, wird man aber wohl die
Haller'sche Behauptung von der Erkrankung Ho£fmeister*8 in Ulm,
sowie dass er dann nach Söflingen, also westwärts, dann nach
dem doch immerhin ziemlich entfernten Günzburg verbracht wor-
den sei, fallen lassen müssen ^). Es ist doch viel natürlicher,
dass Ho£fmeister auf dem Wege nach Augsburg, wo wenige
Tage nachher die Eröffnung des Beichstages erfolgen sollte, zu
Günzburg erkrankte und starb. Das wird aber auch die einzige
Folgerung sein, welche man mit einiger Sicherheit ziehen kann;
über die näheren Umstände vermag wohl Niemand sich aus den
widersprechenden und von polemischer Tendenz durchsäuerten
Zeugnissen *) ein sicheres Urteil zu bilden *).
*) Ausser in dem Dialog vom Interim wird der Tod Hoffmeister's
als Strafgericht Gottes dargestellt in des Flacius Schriften: „Etliche
greiff liehe . . warzeichen** und: „Eine Erschreckliche Historia**; P re-
ger II, 543. 544.
») VgL Druffel S. 34. Haller schreibt 1548 (Jan. 25) PauU Be-
kehrung, Eichstädt: „Hab in zu Ulm ein schwäre krankheit angestossen,
der uisach er, Hofmeister, in das doeter Seflingen, alleniechst bei der-
selben statt gelegen, verordnet ist worden und aber weiter der krankheit
halben, gen Günzburg, da er etliche wochen sein krankheit in aller de-
muth gedoltiglich hat getragen und mitler zeit offtermalen — wie man
von dem heiligen Martine list — zu Gott geredt: Domine si populo tuo
sum necessarius non recuso laborem, fiat voluntas tua .... Und ist
also daselbs zu Günzburg den zweiundzwanzigsten Augusti nechst ver-
schinen, vemünftiglich und christlich aus diesem in das ewig leben, wie
zu hoffen, seliglich gefahren.**
3) Eine ähnliche Erzählung über einen Minoritenguardian zu Be-
gensburg s. bei [Gemeiner], Geschichte der Kirchenreformation zu Be-
gensburg, S. 164.
*) Den über Hoffineister's Tätigkeit in Uhn in den Würtemberfii-
schen Vierteljahrsheften 1879, Heft 1, veröffentlichten Auftetz hat die
hiesige Staatsbibliothek noch nicht erhalten.
33»
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492 ANALEKTEN.
2.
Zar Correspondenz Contarinfs während seiner
deutschen Le^ation.
Mitteilungen aus Beooadelli's Monumenti.
Von
D. Th. Brleger.
Es liegt mir zur Zeit fern, meine früheren Studien über
Contarini wiederaufzunehmen und fortzufahren; nur einigen bis-
her — in Deutschland wenigstens — noch von niemand ver-
werteten oder auch nur benutzten Stoff, welcher das Auftreten
des Cardinal-Legaten in Begensburg und die Vorgänge des Jahres
1541 in ein helleres Licht zu setzen geeignet ist, möchte ich
allgemein zugänglich machen. Es sind die Monufnenti di
varia letteratura tratti dai manoscritti di Man-
signor Ludovico Beccadelli, arcivescovo di Bagusa^
1797 — 1804 von dem Oanonicus Giambattista Morandi zu
Bologna herausgegeben ^), aus denen ich Mitteilungen zu machen
gedenke. Ludovico Beccadelli, geb. zuBologna den 29. Ja-
nuar 1501, gest. als Erzbischof von Bagusa den 17. October
1572, gehört zu den hervorragenden Eirchenmännem Italiens im
16. Jahrhundert^. Er ist der Verfasser der bekannten Vita
1) Drei Bände in gr. Quart: Tomo I parte I (Vm, 348 S.).
In Bologna. Neil' Institute delle science. MDCCXCVU. — Tomo I
parte II (2 Bl. u. 367 S) In Bologna nell' Instituto naziouale.
toCCXCIX. — Tomo secondo (XV, 397 S.) In Bologna per le
stampe di S. Tommaso d'Aquino MDCCCFV. Con approvazione.
<) Es mögen hier noch einige Daten aus seinem Leben foLren.
1545 wurde er von Paul III. zum Secretär der Tridentimscben Con-
cüslegaten bestimmt; 1549 erhielt er das Bistum Ravelle im Nea-
politanischen ; von 1550 an vier Jahre lan^ päpstlicher Nundus in
Venedig, 1554 von Julius IQ. zum Vicario di Roma (Vicarius in spiri-
tualibus) ernannt, von Paul FV. 1555 zum Erzbischof von Ragus'a
erhoben; in den Jahren 1561 — 1563 wiederholt Teibiehmer des Conf^ils
zu Trient, auf dem er sich durch seine eifrigen Bestrebungen für die
Residenzpflicht der Bischöfe bemerklich machte; 1564 musste er auf
sein Erzbistum verzichten, doch unter Beibehaltung des Titels. —
Man vergleiche seine Vita von Antonio Giganti da Fossom-
brone, Monumenti I, 1,1 — 68; ebend. S. 69 — 77 ein nicht imwich-
tiges Verzeichnis seiner Schriften, auch der hinterlassenen Manuscripte,
und S. 78 — 169 eine Reihe zum Teil sehr wertvoller Actenstücke zu
seinem Leben.
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BRIEGER, ZUR CORRESPONDENZ CONTARINl'S. 493
Contarini's ^) , wie er auch Lebensbeschreibungen von Cosmo
GheriOy Bembo, Pole und Petrarca hinterlassen hat. Zum Bio-
graphen Contarini's war er vorzüglich geeignet, da er Jahre lang
als Secretär desselben* zu der Familie und dem vertrautesten
Umgang des Cardinais geh^^rt hat. Als Secretär hat er ihn auch
1541 nach Deutschland begleitet und eben in dieser Stellung
war er in der Lage, jene reiche Sammlung von Briefen und
Documenten, zum Teil in den Originalen, anzulegen, welche aus
seinem Nachlasse in dem uns hier interessirenden Abschnitte der
Monumenti Morandi teilweise veröffentlicht hat.
Diese Quelle war mir allerdings schon bei meinen früheren
Arbeiten über Contarini bekannt, aus Laemmer's Analecta Ko-
mana *), leider jedoch nicht zugänglich. Auch jetzt bin ich erst
nach wiederholten vergeblichen Versuchen des Werkes habhafb
geworden. Ob es in Italien so selten anzutreffen sein mag, wie
man au^ einer gelegentlichen Notiz Laemmer's schliessen könnte %
weiss ich nicht ^). In öffentlichen Bibliotheken Deutschlands aber
dürften nicht mehr als drei Exemplare sich nachweisen lassen;
es findet sich meines Wissens nur in der Königl. Bibliothek zu
Berlin, deren Exemplar, einst im Besitze Papencordt*s, ich dank
der Güte des Herrn Oberbibliothekar Gh. Regierungs-Eat Lepsius
hier in Marburg mit Müsse benutzen durfte, in der Universitäts-
Bibliothek zu Leipzig und in der Kaiserl. Universitäts- und
Landesbibliothek zu Strassburg, welche erst in den letzten
1) Abgedruckt vou Quirini, Ep. Polilll, p. XCVII— CXLI und
in einer Separataus^be Brescia 1746; aufs neue mit erläuternden
Anmerkungen von Morandi gedruckt in den Monumenti I, 2, 9 — 59.
Für die Feststellung des Verhältnisses der Beccadelli'schen Vita zu der
lateinischen Vita Contarini^s von Giovanni della Casa ist sehr be-
achtenswert die Vorrede Morandi*s S. 3 — 8.
>) Laemmer verweist Analecta Romana (Schaffhausen 1861),
S. 18 „auf die gleich im Beginn ihres Erscheinens wegen der da-
maligen kriegerischen Verhältnisse sehr rar gewordenen , Monumenti * ",
aus deren Iimalt fiur ihn neben Anderem „insonderheit das auf Con-
tarini und Morone, auf das Wormser CoUoquium und den Regens-
burger Reichstag von 1541 bezügliche, biographische imd epistolare
Material ^^ von Belang gewesen sei. — Vor einigen Jahren hat auch
Benrath mit Rüc£icht auf Contarini auf die Monumenti hingewie-
sen, „lieber die Quellen der italienischen Reformationsgeschichte.
Antrittsrede" (Bonn 1876), S. 29 f. Anm. 47 u. 59, wo aber der Titel
ungenau angegeben ist. Benrath hat übrigens auch für seinen „Ber-
nardino Ochmo** (Leipzig 1875) Beccadelli benutzt.
8) S. die vor. Anm.
*) Doch ist es zwei bücherkundigen Freunden, welche in diesem
Frühjahr Italien durchreist und sehr belangreiche handschriftliche
Entdeckungen gemacht haben, nicht gelungen, für mich ein Exemplar
der Monumenti aufzukaufen.
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494 ANALEKTEN.
Wochen ans Italien ein Exemplar bezogen hat ^). Es wäre sehr
zu wünschen, dass unsere deutschen Bibliotheks- Verwaltungen,
vielleicht durch einige Leser dieser Zeilen dazu angeregt, dem
Beispiele Strassburgs folgten und dieses für die Kirchengeschichta
des 16. Jahrhunderts ungemein wertvolle Quellenwerk in Italien
zu erwerben sruchten.
Denn die Monumenti Beccadelli's sind keineswegs nur für Con-
tarini und die Vergleichs Verhandlungen der Jahre 1540, 41 von
Wichtigkeit Ihr Inhalt — trotz dem Titel di varia Uttercttmra
durchweg kirchengeschichtlicher Natur — ist ein sehr reicher,
von dem allgemeinsten Interesse ^. Das gilt z. B. unzweifelhaft
i) Es ist eine stattliche Reihe von Bibliotheken, bei denen ich
vergeblich nach Beccadelli fragte: die Kgl. Bibliothek zu Dresden,
die Staatsbibliothek zu München, die Grossherzogl. Hofbibliothek zu
Parm Stadt, die Herzogl. Bibliothek zu Wolfen büttel, die Lan-
desbibliothek zu Cassel, die Stadtbibliothek zu Frankfurt a. M.
und die Universitätsbibliotheken zu Bonn, Breslau, Erlangen,
Freiburg i. B., Giessen, Göttineen, Greifswald, Halle,
Heidelberg, Jena, Kiel, Königsberg, Marburg, Rostock,
Tübingen und Würzburg.
*) Hier eine kurze Uebersicht des Inhaltes:
I, 1 enthält 1) die Vita Beccadelli's von Gi^ti (1—68), daa
Verzeichnis seiner Werke (69 — 77) und Documenti alla vita di Lud.
Beccadelli (78—169). 2) Die von Beccadelli verfesste Vita di Monsig,
Cosimo Gheri vescovo eletio di Fano (171 — 196) und dazu Lettere
di Monsig, Cosimo Gheri a Monsig. Lud. BeccadeUi (196 — 338), 52
zum Teil wichtige Briefe aus den Jahren 1532 — 1537 (dem Todesjahr
des Cosimo Gherio).
I, 2: 1) Die Vita Contarini's nebst der dazu gehörigen Briefsamm-
hing (1—216). 2) Vita del Cardinale Pietro Bemho (223—252) und
dazu Lettere del Cardinale Pietro Bemho ora la prima volta pubbH'
cate (253—267), 15 Briefe aus den Jahren 1514—1538. 3) Vita del Cwr-
dinale Beginaldo Polo (277—333) und dazu Lettere (334—353);
es sind vier, zum Teil sehr belangreiche Briefe Pole's (Ich maclie
auf fblgende aufmerksam: an den Cardinal Farnes e, etwa April
1589, Bericht über seine Audienz bei Karl V.j an Contarini, \\-
terbo 6. u. 8. Sept. 1640; au Beccadelli, London 28. Jan. 1566)
und em Brief des Filippo Gherio an Beccadelli, Rom ^. April 1663,
ebenso wichtig für Pole wie interessant für Giampietro Carafia und
die Inquisition.
II, ausschliesslich der Geschichte des Coucils von Trient die-
nend, enthält: 1) Gli Atti del sagro CondUo di Trento sotto Bio IV
(1 — 155). Diese Atti, von dem Herausgeber mit Recht ein Diarium
genannt, umspannen die Zeit vom 15. Januar 1562 bis 4; December
1563. Sie rühren teils von Beccadelli teils von seinem Freund Mu&io
Calini, Erzbischof von Zara, her. Es ist derselbe Musdo Calini, von
welchem Mansi (Baluzii MisceUanea ed. Mansi IV, 192 — 337, Lucae
1764) 233 Briefe, von Trient aus in der Zeit vom 3. October 1561
bis 6. December 1563 an den Cardinal Luigi Comaro in Rom ge-
scJirieben, veröffentlicht hat: „sie bilden" (um mit Döllinger zu
reden) „ein ununterbrochen fortlaufendes Tagebuch des CSneils".
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BRIEGER, ZUR CORRESPONDKNZ CONTARINl'S. 495
Yon den Pietro Bembo und Pole betreffenden Abschnitten, wie
Yon dem ganzen zweiten Bande, welcher dem Tridentinum ge-
widmet ist. Auch dieser Beitrag zur Geschichte des Concils ist
bei weitem noch nicht ausgebeutete von deutschen Gelehrten ist
mir ausser Th. Sickel, v. Döllinger und v. Druffel nie-
mand bekannt, der diesen Band benutzt oder auch nur citirt
hätte ^).
Es unterliegt ohne alle Frage im allgemeinen begründeten
Bedenken, ob es sich mit den strengen Begeln wissenschaftlicher
Pnblication ver^igen lässt, aas einer gedruckten Quellenschrift
Mitteilungen zu bringen, selbst wenn sie knapp gehalten und mit
▼oller Sachkenntnis gemacht sein sollten. Ich glaube indessen,
dass in diesem Falle die nachgewiesene Seltenheit des Werkes
und der hohe Wert des betreffenden Abschuittes ein derartiges
Verfahren vollauf rechtfertigen. Zwar werden diejenigen, welche
sich speciell mit Contarini und den Vorgängen zu Worms und
Regensburg beschäftigen, nach wie vor es nicht unterlassen dürfen,
sich die Monumenti selber aus einer der genannten Bibliotheken
zu verschaffen; aber auch diesen wird, besonders sofern sie die
Quelle noch nicht kennen, ein Nachweis dessen, was dort zu fin-
den ist, ebenso willkommen sein, wie weiteren Kreisen, die sich
üicht erst der Mühe unterziehen wollen, ein umfangreicheres
Werk von auswärts sich kommen zu lassen, die Auszüge. Die-
selben aber grade in dieser Zeitschrift, und zwar in dem vor-
liegenden Bande zu geben, lag um so näher, als sie eine Er-
2) Älcum Documenti relativi al sagro ConciUo diTrento(l67 — 272),
23 Actenstücke aus den Jahren 1561 — 1564. 3) üna Serie di Letter e
Spettanti al sagro Concilio di Trento (273 — 388), 83 Briefe aus den
ahren 1545, 1551, 1560 — 1565, darunter der Briefwrechsel Beccadelli^s
mit den Concilslegaten 1545, mit Carlo Borromeo, Morone, Muzio Ca-
lini und Andern, der Briefwechsel Borromeo's mit den Concilslegaten
1561 £r. und manche andere wertvolle Stücke. — Sorgfältige Indices
erleichtem bei allen drei Bänden den Gebrauch des Werkes.
^) Vgl. Th. Sickel, Zur Gesch. des Concils von Trient (Wien
1872), S. 270 f. (und von da ab an vielen Stellen); v. Döllinger m
seiner vorzüglichen Einleitung zu der bekannten von Woker zum
Abdruck gebrachten ,^ Sammlung von Urkunden zur G-esohichte des
Concils von Trient", Bd. I, 1 (Nördlinffen 1876), S. XV (die Bemer-
kungen DöUinger's an dieser Stelle sind allerdings nicht ganz genau) ;
V. Druffel in seiner eingehenden und ongemem dankenswerten Re-
cension der so eben genannten ,f Sammlung", Theol. Literaturblatt XI,
1^76) S^. 484. 403 f. 507. 513 f. (Es mag beiläufig darauf aufmerk-
sam gemacht werden, dass diese Anzeige v. Druffel's für die Benutzung
der, leider der Vorrede eines Döllmger nicht würdigen, Woker'schen
Pnblication durch ihre zahlreichen Berichtigungen em unentbehrliche«
Hülüsfflhtel bildet. Schade nur, dass ede nicht durch einen Separat
abdruek jedermann zugänglich gemacht ist.)
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496 ANALEKTEN.
gänznng bilden zn den von Victor Schnitze ans dem Neapler
Archiv hier znm Abdmck gebrachten - Depeschen Contarini's.
Mit Contarini beschäftigt sich die grössere Hälfte (S. 1 — 216)
des zweiten Bandes (Tomo I, Parte I) der Monnmenti. Anf die
Beccadelli'sche Vita Contarini's, welche hier vom Herausgeber mit
znm Teil beachtenswerten Anmerkungen ausgestattet ist ^), folgt
S. 61 — 216 der für uns in Betracht kommende Abschnitt:
„Lettere del Cardinale Gasparo Contarini e di al-
tri al medesimo sino ad ora inedite, con varie no-
tizie sopra il Colloquio di Yormastia, la Dieta di
Batisbona e la Legazione di Bologna''. £s sind 88
Briefe, mit einigen Actenstficken untermischt, bei weitem die
meisten in der Tat weder Torher noch nachher gedruckt ^). Anf
die Bologneser Legation (1542) beziehen sich nur die yier letzten
1) Ich verweise z. B. auf Anm. 47, S. 33 f., welche für Gropper
von Belang ist. Es'heisst hier u. a. : „La censura, che alcuni fecero
a questi suoi scritti (es war im Vorhergehenden von seinem Enchiri-
dion, dem Antididagma, der Listitutio Catholica u. a. die Rede), obbli-
garono il Groppero a contrapporvi un' opportuna Apoloeia, nella
quäle sottoponendo al giudizio della Chiesa le sue opere, evidentemente
dimostra ch' ei punto non scostasi da quanto era stato sino allora de-
finito nel Concilio di Trento. Quest Apologia trovasi fra i
MSS. Beccadelliani, e noi 1' abbiam letta con sommo piacere ed
insieme ammirato la profondita di dottrina e precisione, colla qusde
tratta una materia si difficile, cosi che se egli avesse scritto depo che
i Padri Tridentini con somma lode si occuparono in simile materia^
non avrebbe piü adequatamente potuto uniformarsi alle loro decisioni."
2) Schon vorher gedruckt waren folgende 11 Stücke:
Nr. 13: Cervmi an Contarini (19. 6. 40) bei Quirini HI.
Nr. 16: Contarini an Cervini (14. 7. 40) ebenda.
Nr. 28: Kaiserl. Auflösungsdecret für das Wormser CoUo-
quium vom 15. Januar 1540, oft gedruckt (z. B.
C. R. IV, 28 ff.)
Nr. 29: Instruction für Cont. (28. 1. 41) bei Quirini III.
Nr. 84: Nomina principum qui convenerunt Ratisbonae, oft
gedruckt.
Nr. 43: Propositio Caesaris in Dieta Ratisbon. (5. 4. 41),
oft gedruckt.
Nr. 48: Contareni Epist. de Justif. vom 25. Mai 1541.
Nr. 72 — 75, vier officielle Regensburger Actenstücke Con-
tarini's, oft gedruckt.
Zwei weitere Briefe hat Laemmer nachmals, ohne Bezugnahme
auf die Monumenti, aufs neue gedruckt, nämlich
Nr. 25: Morone an Famese (12. L 41), Mon. Vat. 324— -28.
Nr. 27: (Dampeggi an Famese (18. 1. 41), Mon. Vat. 334—36.
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BRIEGEß, ZUR COREESPONDENZ CONTARINl'S. 497
Briefe ^); dahingegen ist das Wormser Colloqaiom mit seinen
Vorbereitungen sehr reichlich bedacht. Die ersten 7 Briefe,
sämmtlich Yon Sadolet an Oontarini gerichtet (6 aus dem Jahre
1530, der letzte vom 25. Angast 1540), dürfen freilich nicht
hierher gerechnet werden '), wohl aber die Briefe, welche von der
schon am 21. Mai 1540 vom Papst im Consistorium verkündeten
Bestimmung Contarini*s zum deutschen Legaten handeln ') : am
26. Mai erwartete Oontarini, in zwei Tagen das Kreuz zu er-
halten, und gedachte sich dann unverzüglich auf die Beise zu
machen (S. 81).^' Bekanntlich ist dann Paul UI. fürs erste von
seiner Absicht zurückgekommen — wenn wir Pallavicini (IV, 13, 1;
vgl. IV, 11) und Raynaldus (1541, 1) glauben dürften, weil
Karl V. zu den Verhandlungen von Hagenau und Worms lieber
einen Prälaten geringeren Banges abgeordnet zu sehen wünschte;
es ist das, wie uns die Briefe Contarini*s an König Ferdinand
und an den Cardinal Cervini (N. 15 u. 16) vom 14. Juli zeigen,
nur römische Ausflucht: der Kaiser und sein Bruder wünschten
dringend sein Erscheinen zu Hagenau und Worms (Ferdinand
forderte ihn von Hagenau aus zu schleunigem Kommen auf), der
Papst hielt es für inopportun ^). Contarini's Sendung zum Be-
gensburger Beichstage (endgültig allerdings erst am 10. Januar
1541 beschlossen) blieb dagegen auf der Tagesordnung. Das
zeigen seine (vergeblichen) Bemühungen aus dem September 1540,
Marcantonio Flaminio in Neapel zu seinem Begleiter zu
gewinnen ^), das zeigt auch die Uebersendung der an Famese ge-
richteten ^ Depeschen der Wormser Nuntien Morone und Cam-
1) Nr. 85 — 88, vom März bis Juni 1542, für die letzten Monate
Contarini's von Wert.
*) Beachtenswert ist der Brief vom 9. Dec. 1539 wegen Sado-
let's Auseinandersetzung mit Contarini in Betreff der justificatio
(S. 75 ff.)
*) S. Nr. 8. 9. 12: Cont. an Morone, Sadolet und Cervini, am
26. Mai ; dazu die Antworten Sadolet's und Cervini's Nr. 10 u. 13. —
Nr. 14 (Cervini an Cont., Haag 9. Aug. 40) erwähnt das Ende des
Hagenauer Tages und die Absicht der Berufung eines neuen Reichs-
tages und CoUoquiums. Hiermit ist zu vergl. der vom Grafen S c 1 o p i s
(Fr^^ric Sclopis, Le Cardinal Jean Morone, Paris 1869, S. 87 f.)
veröffentlichte Brief Morone' s an Cont., Hagenau 27. Juli 40.
*) S. Monum. I, 1, 86—88.
*) S. N. 17 u. 18 der Monum.: Cont. an Flaminio, Rom 10. Sep-
tember 1540 und Flaminio an Contarini, Neapel 25. Sept., Antwort
auf eine zweite, dringlichere Aufforderung Contarini's. Dieser Brief
Flaminio's mit seiner charakteristischen Ablehnung darf der besonderen
Aufmerksamkeit der Freunde der sogenannten italienischen Refor-
mationsgeschichte empfohlen werden.
^) Sie sind in den Monumenti freilich ausnahmslos als Briefe der
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498 AKALEKTBN.
peggi an den designirten Legaten, von denen mehrere bisber
nur aus den Papieren Contarini's im Nachlasse Beccadelli's be-
kannt geworden sind *). —
Doch nun zu denjenigen Briefen der Monumenti, welche sich
auf die Begensburger Legation beziehen. Ein voUstäiidigres
Verzeichnis derselben gebe ich (unter Heraushebung einzelner
nicht unwichtiger Sätze) unter dem Texte ^ Die Zahl deijenigen
betretenden an Contarini abgedruckt, vermutlich ans keinem an-
deren Grande, als weil Copien dieser Depeschen unter den zum Nach-
lass Becoadelli's gehöri^n Papieren Contarini's sich befanden. Dass
indessen diese Berichte nicht an CJontarini gerichtet gewesen sein können,
vielmehr officielle Depeschen an Parnese sind, zeigt der Inhalt an
mehr als einer Stelle auf das Evidenteste. Diese Wahrnehmung wird
zum Ueberfluss noch bestätigt durch den Umstand, dass zwei derselben
(Nr. 25 u. 27, s. oben S. 496 Anm. 2) und ein Passus aus einer dritten
(Nr. 23) von Laemmer, Mon. Vat. als Depeschen an Famese abgedruckt
sind. — Es war ja selbstverstÄidlich , dass der für Regensbur^ in
Aussicht genommene Legat von den Wormser Vorgängen unterrichtet
wurde. Schon nach der ersten Designation Contanni's zum deutschen
Legaten schrieb ihm (19. Juni 1540) der Cardinal Cervini, damals Le-
gat bei Karl V., er habe Morone, den Nimtius bei Ferdinand, beauf-
tragt, Contarini von allen Verhandlungen genau zu unterrichten (Mo-
num. I, 2, 85; Quirini III, p. CCXX). Dass dies geschehen, könn^i
wir z. B. aus dem Briefe Tomaso Badia's an Contarini (Worms
28. December 1540) ersehen: „II modo che ^ concluso da' Catholici
sopra la Confessione de' Lutherani nou scrivo, perche so che in le
mani V. 8, R"*^ vengono tutte le lottere deUi avisi del CoUoquio " (Qni-
rini HI, p. CCLXI).
1) Es sind (von den beiden von Laemmer wieder abgedruckten
abgesehen) folgende Depeschen, die eine höchst erwünschte Vervoll-
ständigung der Wormser Berichte Morone's und Campegei's, die sich
Laemmer s Mon. Vat.
teils bei Kanke, D. G. VI, 165 — 186 teils in Laemmer f
finden, bilden:
Nr. 23: Morone an Famese, Worms 10, Jantutr 1541:
S. 95—98.
Nr. 24: Campeggi an Famese, Worms 10. Januar 1541:
S. 98—100.
Nr. 26: Campeggi an Famese, Worms 13, Januar 1541:
S. 105—107.
*) Januar 13: Contarini an Giberti, d. Rom: S. 93 f.
„ 14: ,, „ den Cardinal Ippolito d'Este, d.
Rom: S. 94 f.
„ 14: Conturini an Sadolet, d. Rom: S. 95.
März 2: Der Nuntius Giovanni Poggio an Cent., d. Eeffens-
bürg: S. 122 f.
„ 5: Die Österreichischen Stände an Contarini, d.
Neustadt in Oesterreich: S. 132—134 (ein beweg-
licher Kiagebrief über die Türkennot , überbracht
von den zum Reichstage abgeordneten Gesandten
der Stände von Ober- imd Niederösterreich, Steier-
mark, Kämthen, Kraien und Görz).
„ 6: Poggio an Contarini, d. Regensbunr: S. 128.
„ 7: Morone an Cent., d. Regdnsburg: S. 123 f.
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BRIEGER, ZUR CORRESPONDENZ CONTARINl'S. 499
Briefe, welche ich geglaubt habe ganz oder im Auszage mitteilen
zu sollen, ist yerhftltnismä^ig klein.
März 8: Poggio au Cont., d. Regensburg: S. 124 f. (betriflft;
den Empfang des Legaten durch den Kaiser).
„ 8: Morone an Cent., d. Kegensburg : S. 127.
„ 19: Card. Bembo an Contarini, d. !&)m: S. 134.
„ 25: Girolamo Dandino an Cont., d. Blois: S. 128—131.
S. unten Nr. 1.
April 2: König Ferdinand an Contarini, d. Wien: S. 135f.
(ruft die Vennittlung des Legaten au, dass die
Curie dem König Hülfe gegen die Türken ge-
währe).
„ 13: Contarini an König Ferdinand, d. Regensburg:
S. 136 f.
Mai 12: Bembo an Contarini, d. Rom: S. 146 — 148.
„ 13: Contarini an den Card. Bonifazio Ferreri, d. Re-
gensburg: S. 148.
„lo non ho grau fatto che avvisar di novo a
V. S. R™a, imperoch^ qui non si fa altro che
attender a queste controversie , che sono neUa
ReUgioue tra Catholici et Protestanti. Et in
alcuni articoli sono conveuuti, et in alcuni n6,
■ come h stato quello de Ettcharistia , sopra il
quäle sono stati ben otto giomi. lo non sono
per partirmi un puiito dalla veritk, et cosi li hö
tatto intenderc. Preghiamo il Signor Dio che
li doni bona mente et bono intelletto. che sino
a qui non so quello che me ne speri."
„ * 18: Der Bischof von Würzburg an Contarini, d.
Würzburg: S. 137 f.
„ 21: Bembo an Contarini, d. Rom: S. 148 f.
Bezugnahme auf das wichtige Schreiben Priuli's
an Beccadelli: „Perch^ il nostro Messer Luigi
PritUi scrive a pleno a Messer Lodavico Beccor
detli tutto quello che egli per nome di V. S.
R™a ha trattato cow- alcum di questi Signori
R™^, et la opinion loro circa li articoli discussi
tra queUi Teolo^ Germanici, io non le dico altro
intomo a cio, rimettendomi alle lottere di esso
Messer Luigi^
„ 27: Bembo an Contarini, d. Rom: S. 167—169. Siehe
unten Nr. 2,
„ 30: Contarini an den Card. Ercole Gonzaga, d. Re-
gensbiurg: S. 149 f. S. unten Nr. 3,
„ 30: Contarini an den Card. Bonifazio Ferreri, d. Re-
gensburg: S. 169 f. S. unten Nr. 4.
Juni 2: Contarini an Cristoforo Madruzzi, Bischof von
Trient, d. Regensburg: S. 170.
„ 2: Contarini an den französischen Nuntius, d.
Regensburg: S. 170 f. S. unten Nr. 5.
„ 4: Bembo an Contarini, d. Rom: S. 171 f. BetriflBt
grösstenteils eine Privatangelegenheit, dann heisst
es S. 172: ,, AUa lettera di V. S. R"» delli 23 rice-
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500 ANALEKTEN.
Die Mehrzahl dieser ist von Contarini selbst Die einen
bieten Aufschlüsse über den augenblicklichen Stand der Dinge in
vuta hieri, Messer Flaminio haverk risposto a Messer
Ludovico. lo uon fo, n^ posso fiare cosa alcuna
piü volontiert, che operarmi per V. S. R™*, et cosi
far6 sempre . . . Nostro Signor Dio che pu6 il tntto
doni felice successo a V. S. R™* di quelle cose, che
ella cosi prudentemente tratta, ancnora che qni
uon le manchino delle invidie. Di che V.
S. haverk per lettere di Messer Carlo [GtuiUerttcciJ
alcuna notitia."
Juni 8: Contarini an Alessandro Farnese, d. Regensburg:
S. 172 f. (betriflPt die Ernennung eines neuen Su&a-
ganbischofs für Speier; Rat, die Bitte des Bischo&
von Speier zu gewähren: „a questi tempi k molto
a proposito usare cortesia con questi Germani").
„ 8: Contarini an den Cardinal Cervini, d. Regensburg:
S. 173 (ähnlichen Inhaltes wie der vorige Brief).
„ 9 : Contarini an Card. Gonzaga, d. Regensburg : S. 1 73 f.
8. unten Nr. 6.
„ 9: Contarini an den Card, di Trani, d. Regeusburg:
S. 174 (betriflPt eine Angeleffenheit des Archidia-
konus von Saldagna, in welcher der Cardinal die
Vermittlimg Contaruii's beim Kaiser in Anspruch
genommen hatte).
„ 9: Contarini an seinen Schwager Matteo Dandolo
(venetianischen Gesandten am französischen HofeX
d. Regensburg: S. 175. — „Li nostri negotii sono
perplexi piü che mai e con mia poca speranza. La
3faesta Cesarea non manca di fare ogni buon of-
ficio per la concordia. Nostro Signore vi metta
la sua mano."
„ 9: Contarini an den Card, di Burgos, d. Regensburg:
S. 175 f. — „lo certissimamente . ., quanto k il
mio poco saper, non manco et non mancarö di &r
ogni bona opera, perch^ si pervenga a una ferma
et Santa concordia . . . Ma li nostri peccati et la
malitia humana ci sono contrari" u. s. w.
„ 9: Contarini an den französischen Nuntius, d. Re-
gensburg: S. 176.
„ 11: Bembo an Contarini, d. Rom: S. 176 f. 8, unUn
Nr, 7.
„ 12: Contarini an den französischen Nuntius, d.
Regensburg: S. 177 f. Ä unten Nr. 8.
„ 20: Contarini an den Card, di Trani, d. Regeusburg:
S. 178 f.
„ 25: Bembo an Contarini, d. Rom: S. 181f. 8, unten
Nr, 9,
„ 26: Matteo Dandolo an Contarini, d.Sinigli(=sSenlifl?):
S. 179 f
„ 29: Contarini an den französischen Nuntius, d. Re-
gensburg : S. 180 f. 8. unten Nr, 10.
Juli 18: Bembo an Contarini, d. Rom: S. 182 f. Behandelt
eine auch in anderen Briefen Bembo's vorkommende
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BRIEGER, ZUB CORRESPONDENZ CONTARINl'S. 501
Segensburg and über Contarini's Auffassung der Sachlage; dabei
macht sich nicht selten eine apologetische Absicht bemerklich,
welche die am französischen Hofe gegen den Legaten erhobenen
Anklagen in ihm hervorgerufen hatten. Ein paar andere sind
Geldangelegenheit: die Contarini vom Papst zuge-
sagte monatliche Summe war oft nicht leicht em-
zutreiben. — S. 183: ,,Salutai li Rmi per nome dl
V. S. R°»*. Monsi^. R^o Fregoso si parti per OKobbio,
Monsig. Brondistno et Monsig. San Marceßo se li
' raccomandano. Quorum älter, cum quo quando
es Hdere soles, offidosissime erga te amomtimmeque
se gerit, ut plurimum Uli ea de causa debeam,
Certo che Sua Santitk non potrebbe in tutte le
cose di V. S. portarsi meglio, n^ piü amorevol-
mente."
Juli 15: Fried. Nausea an Contarini, d. Wien: S. 183—185.
8, unten Nr. 11,
„ 22: Contarini an Cervini, d. Regensburg: S. 185 f. S.
wnten Nr, 12,
„ 22: Contarini an einen ungenannten Cardinal, d.
Regensburg: S. 186—189. S. unten Nr. 13.
Juli : Contarini an Matteo Dandoh, d. Regensburg : S. 200
bis 203. S. unten Nr. 14.
[Juli?]: Sadoleti votum de justitia nobis inhaerente et de
justitia Christi nobis imputata, utra debeamus niti.
S. 162—167. S. darüber unten S. 502 f.
August 16: Bembo an Contarini , d. Rom: S. 204 f. „Rendo
^ratie a N. Signore Dio che V. S. R™* sia in porto
da quel mar trava^liatissimo , nel quäle sete stato
questi mesi. N^ si dia noja alcuna V. S. delle cose
passate qui non in tutto come doveano. Perciö
tosto che ella sia qui, ciascuno s'awederk dell*
error suo, et ella rimarrk col suo candore puro et
iUeso come chiaro sole."
„ 16: Contarini an Farnese, d. Rovere: S. 206. 8, unten
Nr. 15.
„ 16: Contarini au den Secretär Jaches, d. Borghetto:
S. 206. 8, unten Nr. 16.
„ 24: Erzbischof Hermann von Köln an Contarini,
d. Arnsberg: S. 205. 8. unten Nr. 17.
September 12: Bembo an Contarini, d. Rom: S. 206 f. (Antwort
auf einen Brief aus Lucca vom 6. September).
October 27: Card. Gaddi an Contarini, d. Lione: S. 208 f.
December 6: Card. Sadoleto an Contarini, d. Carpentras : S. 208
bis 210. — S. 209 : „ Appresso mi h stato di gran-
dissima consolatioue, cn ella con la presentia sua
[nämlich in Rom] habbia anunorzato qualche ra-
gionamento, che indegiiamente si vul^ra di lei,
come io non dubitava ch' ella farebbe." Es folgt
eine Ausführung über das Concil als das einzige
und hochnotweudiffe Heilmittel; wegen des Ortes
solle man keine Schwierigkeiten machen, in diesem
Punkte könne der Papst leicht den Deutschen
wülfiahren u. s. w.
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502 ANALEKTEN. \
I
von Belang ftü: die Entstehung seines Tractatos de justifieatsone. ^
Wieder andere betreffen seine BQckreise, auf der er — wid^^
Erwarten — den Kaiser nach Mailand zu begleiten hatte. E<is
lebhaftes Interesse werden aber diejenigen Briefe für sich in An-
spruch nehmen dürfen, in denen er sich rechtfertigt wegen seiner
Zugeständnisse an die Protestanten in der Lehre von der Recht-
fertigung, insonderheit bei dem Terminus meritum (s. die Briefe
vom 22. Juli an CeiYini und an einen ungenannten Cardinal).
Kaum weniger lehrreich endlich dürfte der vertr^jiMche Bericht
sein, welchen der Legat im Juli seinem Schwag«f ^atteo Dan-
dolo über die Vergleichs Verhandlungen erstattet hat: grade dieser
Brief lässt uns einen tieferen Einblick tun in die schwierige
Stellung, welche Contarini der übereifrigen altkatholischen Partei
gegenüber einnahm, und giebt uns zum ersten Mal authentische
Nachricht von seiner Spannung mit Eck; wenn anderes, was wir
schon bei Pallavicini lasen, hier Bestätigung erföhrt, so ist auch
diese bei dem eigenartigen Charakter des Pallavicini'schen Werkes ^)
sicher willkommen.
Unter den mitgeteilten Briefen an Contarini ist der Bän-
dln 0*8 der wichtigste, sofern er von neuem Zeugma ablegt für
die lebhafte Aufmerksamkeit und Besorgnis, mit welcher der fran-
zösische Hof die Begensburger Friedensverhandlungen verfolgte;
auch das Urteil über Philipp von Hessen, über seine Geneigt-
heit mit dem Kaiser zu gehen, erscheint beachtenswert Die
Briefe Bembo's an Contarini verraten sehr intime Beziehungen
der beiden Yenetianer uud zeigen den ersteren als einen eif-
rigeren Anhänger des Hauptes der innerkirchlichen Beformpartei
Italiens, als man bisher annehmen konnte. Ich habe nur ein
paar ausgewählt, die mit einiger Genauigkeit die Stimmung er-
kennen lassen, welche die Haltung des Cardinallegaten und ins-
besondere seine Stellungnahme zu der protestantischen Becht-
fertigungslehre in den massgebenden Kreisen Roms hervorrief.
Als einen weiteren Beitrag zu der Beurteilung, welche die Justi-
ficationstheorie Contarinrs innerhalb des Cardinalscollegiums fand,
hätte ich noch ein ausführliches Votum Sadolet*s aus den Mo-
numenti mitteilen können, wenn nicht der Umfang, da er meines
Erachtens in keinem rechten Verhältnis zum Inhalte steht, dies
widerraten hätte ^). Dagegen wollte ich die Briefe Nausea's
1) Man vergL ausser der bekannten Kritik Ranke's jetzt auch
das Urteil Döllinger's. Sammlung von Urkunden I, 1, Einleitung
S. vui (desgl. von Druffel, Theol. Literaturbl. 1876, S. 488).
*) „Sadoleti votimi de justitia nobis inhaerente et de lustitia
Christi nobis imputata, utra debeamus niti " (Mon. LI, 162—167;, ohne
Datum, aber jedenfalls in den Juli 1541 zu setzen. Bekämpft wird hier
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BRIEGER, ZUR CORRESPONDENZ CONTARINl'S. 503
und des Erzbischof Hermann von Köln nicht zurückhalten, da
mir ein jeder in seiner Weise belehrend zu sein schien.
nicht die Epistola de jiMtif. vom 25. Mai, sondern eine min&r schedula
Contarini's, d. h. wahrscheinlich eine Abhandlung, welche er zusammen
mit der Regensburger Eintrachtsformel de justificatione Anfang Mai nach
Rom schickte (die Angabe Morandi's über diesen Pimkt S. 162 ist un-
richtig; vgl. Contarini am 22. Juli au den ungen. Cardinal: una mia
schedula, neUa quäle v'era la ragione; diese und die farmtUa de justi-
fkatione sind die. &t>ia scripta, die nach Quirini III, p. XLV Priuli
den ihm von Pole genannten Cardinälen vorlebte). — Uebrigens richtet
sich die ganze Abhandlung Sadolet's gegen den einen Satz: esse Ca-
tholicam conclimonem, nos non dehere niti justitia nobis inhaerente,
qua efficimur justi et bona operamur, sed dehere niti justitia Christi,
quae nobis imputatu/r propter Christum et itieritum Christi, quantum
hac posteriore sumus justificati coram Deo, id est habiti et reputoH
justi. Dass das ein katholischer Satz sei, erscheint dem Cardinal Sa-
dolet sehr zweifelhaft, cum videatur in eum sensum redire, quo Lu-
ther ani ofimia fidei tribuunt, bonis autem opertbus suum jus et di-
gnitatem detrahere conantur{}^. 162). Tollitur ista conclusione Studium
öonorum operum, quibiis perspictie praemium caeleste datur (p. 164). —
Nur in folgendem Sinne (das ist es , worauf die Kanze langatmige Be-
weisführung hinausläuft) will sich Sadolet den Satz des Freundes ge-
fallen lassen: si ista conclu^o sie proferatur, dehere nos quidetn ju-
stitia nobis inhaerente et bonis nostris operibus aliquantulum niti ad
consequendas promissiones Dei, ita ut cognoscamus eam ipsam Justi-
tium in nobis proaenitam esse a Deo, consentiente et cooperawte libero
arbitrio nostro, sed tarnen majorenn spem et fiduciam in Christi justitia
et ejus apud Deum merito dehere nos reponere^ in quo sumus Dei
justitia perfecta, haec sancta et catholica mihi videretur esse con-
clusio [p. 165). Vgl. ebenda: gratia et justitia tunc rerera plane
nobis infunditur et danatur et a swrnno Deo tribuitur, cum ad cre-
dtUitatem fidei, quae per se vim et efficaciam non habet, adju/ngitwr
charitas Dei et amor proximi, quae charitas fidei anima est fidemque solam
vivam efficit: quis jam dubUare potest, quin per bona opera nostra,
quae tarnen ex Deo in nobis proveniu/nt , justitia Christi et meritum
^U6 apud Deum nobis applicetur? p. 166: qua ratione potest dici
nos justitia nostra non dehere niti, sed merito et justitia Christi, cum
inteUigamus Christi ipsam Justitium ad nos non posse sine interventu et
quodammodo hospitio nostrae et nobis inhaeretitis justitiae penetrare ?
Und dann noch einmal am Schluss (p. 167) : si didmus nos non dehere
niti justitia nostra nostrisque bonis opertbus, sed tantummodo Christi
merito dehere justitiaeque confidere, homines ah omni ewra et la-
bore pie sancteque operandi ahducimu^\ dagegen sei es katholisch
und schriftgemäss : spem nos habere et niti justitia nostra ita dehere,
ut dliquantum momenti in iUa ad assequendum regnum Dei ponamus,
sed multo maximam spem atque fiduciam in merito et justitia Christi
constituere nos oportere, quae aäjuoat infirmitates nostrau et imper-
feetiones perfieit et quod in nobis deest ip$a supplet apud Deum
9ummum nobisque patrona et adt^ocata apud ewndem ipsum Deum . .
semper est.
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504 ANALEKTEN.
No. 1.
Girolamo Dandino, päpstlicher Nuntius am französi-
schen Hofe^), an Contarini.
Bloi8, 25. März 1541.
[Auszug.]
Ora non lasserö de dirle come qui si continna in star con
r orecchie tese per saper di punto in punto come le cose della
Dieta s* incaminano, temendo, a mio poco giuditio, che se Te-
nisse fatto all* Imperatore di componere in qualanque modo le
* differentie di lä, saria a disegni et interessi di qua molto m&le
a proposito, et per questo ce attendono con ogni diligentia et
si lasciano alle volte transportare tanto dalla passione, che si
mettono a temere, et di qnelli che manco doveriano, et che in
questo sono piii interessati di loro; verbi gratia del Papa et de*
Cardinali, et perciö tnttavia tengono ricordato che si abbia bon
occhio et che non si lassi di far animo alla Sig. Y. B^^, secondo
che per T altra le scrissi Inngamente in questo proposito ^, e
che ora d* awantaggio se le dica per maggior suo lume et ad-
yertimentOy che il B^ ^ avvisato et certificate per homini a posta
mandati de' principali di Germania, che non sono per acquiescere,
n^ per far fondamento sopra cosa che T Imperator li accordi et
prometta, et che fusse tutto quelle che si sapessero desiderare
senza ü consenso et approbatione di N. S. et della Sede Apo-
stolica, come quelli che non Togliono che 1* Imperatore depo
d* aver fatto i casi suoi possa, quando li yerrä bene, mancarli con
iscusa del Papa Capo delle cose Ecclesiastiche, n^ lo sforzi, non
vi avendo Sua Santitk consentita, in modo che secondo il suc-
cesso, cos) li parei^ d' aversi a laudare, come a doler di noi.
Et perch^ pur alla fine persuasi della ragione cosl chiara et ma-
nifesta si lisolvino a credere che n^ N. S. n^ la Sig. V. R™»,
che lo rapresenta in quella Dieta, sieno per consentire a cosa
che non convenga. Hanno fatto qualche iuditio, che T ardire
stravagante del Sig. A8C(m\x> Colorma possa procedere da ordine
della Maestä Cesarea, come quella che judicasse esser a propo«
sito suo di metter N. S. in qualche necessitä et angustia, accioc-
ch^ Yolendone esser liberato per mezzo di Sua Maestä, Cesarea
1) Dandino, geb. 1509, f 1559» von Julius III. 1550 zum Car-
dinal erhoben, begebet uns noch mehrfach in diplomatischen Missio-
nen; s. Ciacc. lU, 781.
*) Hierzu bemerkt der Herausgeber Mo r and i: „In una postilla
a canto di questa lettera originale del Dandino leggiamo le seguenti
parole : F. S, Rma tetiga in petto quanto le acrivo. Ciö perö dee ri-
ferirsi al paragrafo che comincia: e che ora d'avvantaggio ec ec/'
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BRIEGER; ZUR CORRESPONDENZ CONTARINl'S. 505
avesse da condiscendere alle voglie sae nelle cose sopradette, ma
quando si venisM a qneflto nou h prontezza sinile a qtiella che
qnesto B^ ha volüto» che io conosca in lui di esser per ex-
ponere la persona, et qoanto tiene per defensione di Sua Beati-
tudine et della Santa Sede Apostoliea, con assicurarmi che in un
tal easo sl^ a S. Santitä di comandare, che saik obedita, reite-
rando piü d^ una volta, che da qnesto nen si ha da lasciar &r
paura. Di che tutto ho rolnto a^Fertir la Si^. V. R"», accioe«^
parendole, possa füre etiam in qnesta cose parMcolare del 9ig.
Ascanio qnelli officli con Sna Maestä Gesarea, che le pareranno
conrenienti, perch^ la esorti et stringa quelli l^gnori a far la
debita obedientia, peroh^ quando la cesa s* andasee infistulendö
et che Sua Santitä conoscesse, che 11 Vicer^ di Nap&li e gh
altri Hinistri e dependenti da Sua Maestä Cesarea in Italia eer-
cassero d* impedir a Sna Santitä V exeentione tanto nigioiieTole
contro nn snddito sno rib^e di cosi mala sorte» saria üeujü cosa,
che d* nna favilla si accendesse gran foco, che non potrhi in
alcun modo profittar alle cose di S. H. Cesarea, et questo basli
per debito mio con la singnlar pradentta et gran joditio della
Sig. Y. Reyer^ alla qnale dir5 pnr anche per sna informatione
et per debito mio, ancor che sia per esser ayriso snperfluo, ehe
qni s' intende, che il Langrave et Äsm$ per aver volnto pigliare
nn altra moghe, yivente la prima, h cascato assai dal caldo, che
hayeTa, et dal Duca di Sassonia et da altri di qnei snoi Prin-
eipi, onde si teme che sia per andarsi ad aceostare all' Impera-
tore et lasciarsi goremare da Sua Maestä a fiftr ogni cosa, da
bene in fuora come a suo solito. — ZT. 8, w, Z7. s. u>, *).
Da Bles a 25 di Marzo 1541.
Ifteccad. 128 f.
1) Ich gebe von diesem Briefe nur die erste Hälfte wieder. —
Wie sich im weiteren Verlaufe der Regensburger Verhandlungen die
Misstimmung Franz' I. auch gegen die Person Contarini's richtete, lehrt
uns die Depesche F am es e' 8 (Ardinghelli's) an Contarini vom 29. Mai
(Quir. m, p. CCXXXVni), besonders aber der Brief Gonzaga's an
Contarini v«n 17. Mai (Quir. HI, p. CCLXXVni— CCLXXXni). Vgl.
auch die uitten in Auszuge mitgeteilten Briefe Contanni's an den
französiaehen Nuntius vom 2. und 12. Juni. — Während Franz ia der
hier angedeuteten Weiae auf den Legaten einzuwirken suohte. damit
dieser auf die conciliatorische Tendenz des Kaisers nicht eii^ene^ gab
er sich bekanntlich gleichzeitig alle Mühe, auch durch eine lebhaftere
Verbmdtmg, die er mit den protestantischen Fürsten anzuknüpfen
suchte, dasselbe Ziel, die Vereitelung der Concordie, zu erreichen, (mer-
flir ist ausser dem sonst Bekannten von Belang die Mitteilung Bad ia's
an Contarini, Worms 98. Dec. 1540, Quir. HI, p. CCLXD, und Contarmi's
an Famese, 88. Aprfl 1541, ebend. p. CCLy). Um mp unanoeoehiner
berührte den französischen Hof die Haltung, welche seiner InfarmatioD
Zeitschr. f. K.-G. lU, 3. 34
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506 • ANALEKTEN.
No. 2.
Cardinal Bembo an Contarlni.
Eom, 27. Mai 1541.
[Auszug.]
Questa mattina si sono lette in Concistorio le leitere di
V. S. R™» di Vnil, X, XII et XV del presente mese, et ^ stata
molto lodata da tutti la pmdentia sua et la constantia, che ella
hk mostrato in qnesti articoli discnssi, havendo sempre avertentia
che per qualche indiietta yia quei Protestanti non possano mai
dire, esserli stata concessa oosa, che fosse in pregiuditio della
Religion nostra; anchora che alcuni duhitando della astutia loro,
habhiano dubitato che quella parola fidem efficacem posta nella
resolntione dell' articolo de jttstificatione etc. non dia a qualche
tempo ansa a coloro che vorran malignare, d* interpretarla sini-
stramente ^): ma sopra tntta questa materia V. S. R™^ harä
lettere da Nostro Signore. Certo che '1 proceder suo \ come
ho detto, molto commendato; et 11 piacer di tutto '1 Golleglo e
che non potendosi con la veritä ridurre quelle genti al dritto
cammino, piü tosto si lascino errare, sin tanto che a Nostro
Signor Dio piaccia di dare miglior mente, che concederle cosa
non degna di questa santa religione stabilita et approbata per
molti secoli col testimonio et col sangue di tanti Santissimi no-
mini che hanno havuto il govemo di questa Sede Apostolica. . .
P. S. II giuditio di V. S. R°** sopra la disseptation de Ju-
stificatione ex fide et operibics e stato causa d' alquanta dissep-
tation d' alcuni Reverendissimi: anchora che Monsig. R™<> Fre-
goso V habbia difeso dottamente et animosamente. Conforto per5
V. S. R™^ a non se ne pigliare alcuna molestia. No$ti enim
vd morem Senatus vet naturam hominum: quot enim capüct,
tot sententiae, Qui Ofnnium tibi plus debebat, iUe minus tri-
buit *). Dair altro canto si laudano pleno ore da ciascuno le
fatiche di V. S. R™^ et la sua somma dottrina et constantia et
nach Philipp von Hessen dem Kaiser gegenüber annahm. Mit dem
in unserem Briefe über den Landgrafen abgegebenen Urteil ist zu
rergleichen das Wort des Mainzers an Contarini Zeitschr. IQ, 167
(Depesche vom 8. April) und desselben Aeusserung, welche Morone
mitteilt (Depesche vom 14. April) bei Laemmer, Mon. Vat. 869 (vgl.
Mon. Vat. 280. 352.)
1) Diese Besorgnis äusserte namentlich der Cardinal Carafia (s.
Priuli an Beccadelli, Quirini DI, p. XL VI sq.).
*) Morandi bemerkt hierzu ^wahrscheinlich zutreffend): „Qul
aUude al Cardinale Aleandro, che m Concistoro fortemente si oppose
all* opinione del Contarini." Man könnte sonst auch an CarafiGi
denken.
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BRIEGER, ZUR CORRESPONDENZ CONTARINl'S. 507
adiones singulae. In Tioc autem errare non poterit, si nihil
negue remiserU non rendttendum fäUere cupientibtis, neque ipsa
ex se quidquam stattuit, Sed omnia mittat huc judicanda et
terminanda.
Beccad. 167—169.
No. 3.
Contarini an den Cardinal Ercole Gonzaga.
Begensburg, 30. Mai 1541.
Per le mie ultime che furono dei 23 scrissi a V. S. ß™*
siccome io rispondeva a Messer Angelo sopra la materia de justi*
ficatione, la quäle mi sono sforzato di chiarire, et cosl con questa
mando, quanto ho scritto al predetto Messer Angelo, in mano di
V. S. R""^ Quella si degnerä etiandio avvisanni il parer suo.
Le cose nostre di qua yano in lungo et con poca speranza
mia, che si habbia a venire a conclusione buona alcuna, perch^
questi Protestanti tengono alcune positioni molto erronee, come
ö, che in Eticharistia remaneat substantia panis et vini, et che
nella Confessione non sia necessaria la enumeratione dei peccati,
et che la Messa non sit Sacrificium nee mortuis prosit, et quod
Sancti non sint invocandi etc. Et persistendo essi in queste
opinioni non potremo far be^e alcuno, perch^ io non consentirö
mai a cosa alcuna contro la veritä. Essi hanno dato a Cesare
tutti li suoi articoli, domane per quanto intendo si referiranno
alla Dieta, vedremo la risolutione che farä Sua Maest^ sopra
questo. Preghiamo pure il Signore Iddio che vi metta la sua
mano, che altramente non anderä bene. Il cosa maravigliosa ve-
dere, come tutto questo popolo h aifettionato a questa Setta, tal
che se non se gli fa gagliarda resistenza io dispero de hac Pro-
vintia, V. S. R™* tenga queste cose appresso di se. Le cose
d' üngheria sono pure anche in espettatione come alli di passati ;
si dice, che Monsig. di Prato ändert in Fiandra per far le nozze
della Duchessa di Milano col figlio dei Duca di Lorena. Bascio
le mani a V. S. R™* et molto mi raccomando in buona
gratia della Signora Duchessa. Da Ratisbona alli 23 di Maggie
1541 1).
Beccad. 149 f.
1) Das falsche Datum dieses Briefes bei Becc. (d. 23. Mai) lässt
sich leicht berichtigen. Schon der Inhalt führt mit Bestimmtheit auf
den 30. Mai: „Essi hanno dato a Cesare tutti li suoi articoli, do-
mane . , si referiranno alla Dieta *^ u. s. w. (Die feierliche Ueb&r-
gabe des Regensburger Buches und der Gegenartikel der Protestanten
84*
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506 ASTALEKTEX. .
No. 4.
Contartni an den Cardhial Bonlfttzfo Ferreri ^).
Begensbiirg, 30. Mai 1641.
[Aufizug.]
lo aspettava pur di scrivere a Y. S. B°^ qnalche bona reso-
latione di questo nostro negotio, di che nel principio entrai in
qualche speranza, ma per qaanto yedo, se Dio non muta la mente
a questi Protestanti, non si farä altramente concordia; easi hanno
strane et erronee positioni et hamio produtto Ti suoi articoli a
Cesare, et domani si devono refenre alla Dieta; forse che Sna
Maestä Cesarea pigliei^ qnalche bnono ordine, di che ne prego
Dio. lo non sono per partirmi an ponto dalla yeritä et coal
ho fatto intendere, e se non si fark concordia, essi ne saranno
la colpa et non noi; attenderemo al saccesso, et ne darö arriso
a V. S. B°»».
Beccad. 169.
ftind am tfl. Mai statt; s. Butler, Alle Handlungen fol. 88»; Corp.
Ref. IV, 388. Noch an demselben Tage machte der Kaiser Contsrifi]
Bfilteilung hiervon ; s. Morone an Famese 2. Jörn, Laenuner, M. V. $72).
Dieser Tag wird bestätigt nicht nur durch den Brief Contariiii's an
Ferreri von demselben Datum (Becc. 169 f., hier S. 508), sondern
auch, und zwar ausdrücklich, durch das Schreiben an Oonza^ vom
9. Jntd (Bece. 173, unten S. 510). — Wenn Contarini den einleitenden
Worten zufolge an den zur Familie des Cardinal Gonzaga gelwrigen
Messer Angelo über die Rechtfertigungslehre geschrieben und di^es
Schriftstück dem vorliegenden Briefe beigelegt hat (v^l. auch seinen
Brief an Ckmzaga vom 9. Juni a. a. 0.), so Kann es mcht zweifelhaft
sein, dass diese Beilage nkhts anderes gewesen ist lUs seine ber^unte
Eptatola de jt^iHfieathane vom 35. Mai ; denn wir konnten schon fräher
aus dem Schlusssatz derselben entnehmen, dass sie an einen Theo-
logen g|erichtet sei, der zu Gk)nzaga in Beziehung stand („cum Car-
dmalis Afantuani, patroni tui, . . tum etiam tuum erit Judicium";
Tgl. meine Bemerkungen über den Adressaten Studien und Kritiken
1872, 8. 93 f.). Aber wer ist der Messer Angelo? Ich habe über
seine Person nichts ermitteln können, wenigstens nicht mdt den mir
zur Zeit zugänglichen Hülfsmitteln. — Kacn Alb, Jansen (Neue Mit-
teilungen des thürinffisch.-sSchsischen Vereins X, 2 (Halle 1864], 35)
befindet sich die Efnstola de justilkatione handschrifuich auch in dem
Nachlass Julius v. Pfhig's in der Zeitser Stiftebibliothek, mit der
Adresse: Card. Contcirenus Monacho cuidam Mantuano. Die ersten
Sätze des Referates Jansen's finden sich aber nicht in dem Briefe,
obwohl die weitere Inhaltsangabe genau zutrifit. Man wird daraus
schliessen dürfen, dass der Einffans in allen Drucken fehlt. In der
Tat ist es auch unwahrscheinlich, dass der Brief, der am Schlüsse eine
peiBÖnliche Wendung hat, beg^nen haben soll mit dem Satze: Qtw-
modo in omm diiputmtione oU,
^) BoBif, Ferreri („Cardinal d^ivrea''), geb. zu Vercelfi, f 1543,
zum Cardinal erhoben 1517. S. C^aec. m, 851 sq.
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BRIEGER; ZUR COSRESPONDEKZ CONTARINl'S. 509
No. 5.
Contarini an den französischen Nuntius 0-
B0g<eii8bnrg, 2. Jimi 1541.
[Auszug.]
Mi Bcrisse alli giomi passati Monsig. BP^ et Ill>i^o Farnese,
siccome Nostro Signore haveva destinata Y. S. per suo ^untio
ap presse la Maestä Christianissima, et peusando per lo avriso
ch* io ho da Roma, che Y. S. giä sia ginnta alla Corte, gli ho
Yoluto indirizar queste, awisandola come qua siamo sul trattato
della ReligioBe con questi Protestant!, del quäle per ancho io
non potrei £Eu:e indiüo alcuno della riuscita, imperocch^ per tutti
questi dl passati s* ^ atteso aDa coUatione ch* hanno fatto insieme
li dottori Catholici et Protestanti, li quali in alcuni articuli dl
noQ poca importanza sono rimasi differenti, hora tutti insieme
hanno fatta la sua relatione a Gesare et datoli ogni cosa in
ficritto; io siccome altre volte ho scritto a Boma et a Messer
1) Wer ist der Nutiaio di Franda, der Adressat der Briefe Con-
tarini*8 vom 2., 9., 12., 29. Juni? Es ist jedenfalls der Nachfolger des
Girolamo Dandino bei Franz I. Aber giebt Morandi mit Recht bei
dem v(»rliegenden Briefe (S. 170) Niccolö Ardinghelli (19. Dec.
1544 zum Cardinal ernannt, t 23. August 1547, 47 Jahre altj als
Adressaten an? Hat er diesen Namen auf der Adresse gefunden?
oder hat er der Angabe Nuneio di Frcmcia selber den Namen hinzu*
eeftiet? — Nach dem Briefe vom 2. Juni hat Contarini gehört, dass
der Adressat zum Nuntius in Frankreich bestimmt sei, und er nimmt
auf Grund seiner Nachrichten aus Rom an, dass derselbe bereits am
fttmzosischen Hofe angelangt sei; nach dem Briefe vom 29. Juni hat
ihm sein Schwager Matteo Dandolo die glückliche Ankunft des Nun-
tius am Hofe mitgeteilt. Dass aber dieser Nuntius Ardinghelli ge-
wesen sei, dagegen scheint zu sprechen, dass nach allen, aus den ver-
schiedensten Handschriften geflossenen Drucken nicht nur die Depesche
Famese's vom 29. Mai, sondern auch diejeni^ vom 14. (oder 15.) Juni
im Namen des Staatssecretärs von Niccok) Ardinghelli, dem damaligen
Geheimsecretär AJeesandro Famese's (s. PaD. lY, !€, 4; Ciacc. III, 7Ö4).
ver£Ets8t ist. und dass dem Schreiber der letzteren Contarini nicht wohl
diejenigen Mitteilungen über Nachrichten aus Rom (eben aus dieser
Depescne) machen kann^ die er ihm am 29. Juni giebt. Davon,
dass Ardinghelli im Sommer« 1541 den bisherigen Nuntius Dandino
abgelöst haoe, ist mir nirgends eine Spur begegnet; nur seine Sen-
dung nach Frankreich gegen Ende des Jahres 1541, nach der Zu-
sammenkunft Paul's HL und Karl's Y. in Lucca, ist uns bezeugt
(s. Pallav. lY, 16, 4 und die Randbemerkungen zu lY, I64 Laem-
mer, Zur Kirchengesch. des 16. und 17. Jahrhunderts, S. 158). So
möchte als Adressat vielmehr Capo di^ Ferro (Hieronymus de Capite-
fierreo, Cardmai 19. Dec. 1544, t 1SÖ9, s. Ciacc. III, 706) in Betracht
kommen, welchen Paxdlll.amil. M2dl541 zum Nuntius am -franzosi-
sehen Hofe «mannte (aus seiner Instruction hat Laemmer, Mon.
Yat. 371 f. einen Abschnitt mitgeteilt).
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510 AKALEKTEN.
Hieronimo Dandino, non sono per consentire a risolutioiie al-
cuna, la quäle non sia Catholica et secondo il senso della Ciiiesa
con honor della Sede Apostolica, alla quäl cosa s' accorda molto
bene la Cesarea Maesta, et Y. S. a bon proposito poträ dire alla
Maestä Ckristianissima, che altro obietto non e il mio in qaesta
Legatione, se non haver inanzi agil occhi 1* honor de Die et della
Santa Fede, et con questo ordine mi mandö Nostro Signore. Se
il Reverendo Messer Hieronimo Dandino h ancho alla Corte , V.
S. sarä contenta farli intendere come all! XI del passato io g-li
scrissi in risposta delle sue di 25 di Marzo *). Di poi ho rice-
Yuto le sue di 20 et 26 d' Aprile, et ultimamente quella de' XII
di Maggio, nelle qaali conosco la sua diligentia et amoreyclezza
in avvisarmi a minuto come fa. Z7. s. w,
Beccad. 170 f.
No. 6.
Contarini an den Cardinal Ercole Gonzaga.
Begensburg, 9. Juni 1541.
[Auszug.]
Ho ricevuto le lettere di V. S. R™* dei XXVI *) di Maggio
et primo di questo, di che molto ne la ringratio. Li scrissi alli
30 del passato et li mandai la risposta, che ho fatto alli dnbbj
di Messer Angelo, et aspetto d' intendere la riceyuta et il parere
di V. S. R™» con quelle del Padre Abbate *) et Messer Angdo,
Questo nostro negotio non s' incammina sino a qul niente a buono
exito. La Cesarea Maestä si afifatica da vero et Cattolico Prin-
cipe, et hieri et hoggi ha convocato li Stati deir Imperio per
(Juesto. Bisogna pregar Dio che li mandi il Suo Santo Spirito,
del quäle s* ha grandissimo bisogno. Qnesti Teologi hanno finito
il loro CoUoquio, et sono rimasi discordi in articoli importanti,
siccome le scrissi per 1* ultimo mie, hora si vedrä che rimedio
prenderä Cesare, del che non so che me ne speri. Si dice che
U Langravio parte fra quattro giorni , et che il Melantone va a
certi bagni per una sua indisposizione, et anchora che dicano
1) S. oben S. 504 f. Die Antwort Contarini's ist uns leider nicht
aufbewahrt; ebenso fehlen die hier erwähnten ferneren Briefe Dan-
dino's.
^) Gemeint ist der uns aufbewahrte, sehr wichtige Brief Gk>nzaga's
Yom 27. Mai (Quir. m, p. CCLXXVin— CCLXX:mi).
8) Der Herausgeber bemerkt dazu : II Padre Abbate D. Gregorio
Cortese.
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BRIEGER, ZÜK CORRESPONDENZ CONTARINl'S. 511
che per qaesto non si restarä di segnire qnesto negotio, pure non
ne faccio buon concetto.
Beccad. 173 f.
No. 7.
Cardinal Bembo an Contarini.
Born, 11. Juni 1541.
E°io et Ill°io Sig. mio Col°io. y. S. R°>a sia sempre certa,
che io nessnna cosa fö piü volontieri, che a qaesto tempo ser-
virla, nel qnale ella serve non sdamente a tutti noi et a qnesta
Santa Sede, ma anche a tutta la Bepubblica Christiana. Dogliomi
che sono stato alqnanti di impedito a dolore pedum, 11 qaale
credo si possa batteggiar podagra, quae nunc primum me in-
vasit, Non ho potuto servirla personahnente, ma perö non ho
mancato tntti questi di diUgentissimamente per meos procorare
i suoi denari di questo futnro Luglio. Nosti tarditatem hujus
urbis, in tali cose praesertim, massimamente per causa che Nostro
Signore expedisce la profection del Sig. Octavio et del Eratello ^),
Y nno a Cesare, V altro al Cristianissimo hora hora, le qnali cose
sono di molta spesa. Pure non credo che mi mancheranno
hoggi di hayerli spediti. Se ne farä, qnello V. S. BP^ ricorda
per le sue delli XXX. del passato.
Ho letta la risposta fatta da V. S. K™* a qnel Messer An-
geh del B°^^ di Mantoa, la quäle m' ha sommamente piacciuta.
K^ potea far Y. S. cosa piü a proposito» poich^ la materia non
era stata da alcnni qui bene intesa. Io in parte mia ne la
ringratio grandemente. Manderonne Y esempio a Monsig. B"^^ d*
Inghilterra et alla Sig. Marchesa, la quäle sta bene et yiye lieta
nelle orationi et contemplationi sue ^). Io mostrerö questa ris-
posta ad alqnanti di questi Sig. B^S et a quei prihia del quali
ragiona Y. S. Increbbemi non mi essere potuto trovare hier!
nel Oonsistorio fatto a S. Marco, nel quäle si lessero le lettere
di due spazzi di Y. S. ß°»*, et fu lungamente ragionato et dispu-
tato sopra esse. Credo ne gli altri fiituri potrö esserci. Yedo
la poca speranza di Y. S. B^"^, che non ^ perö cosa non da
molti preveduta, sapendosi la ostination di quelli Principi, qui
non ab honestate, sed ab utilitate prqpriaque affectione moven-
^) Anm. des Herausgebers : „ Ottavio Famese ed il Cardinale Alea»
sandro."
s) Anm. des Herausgebers: „Yittoria Colonna Marchesa di Pea-
cara adlora trovavasi in un monastero a Viterbo."
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512 AKALEKl^N.
tur^). Noftfaro Sigaore Die, che solo p«5 diffendera la causa
sna, noD gli lassi piii lungamente ire praecipiUs in reprobutm
sensum. Y. S. H^^ tuttavia bayerä con molta bua laude et com-
mendatione del mondo tutto et degli aversarii medesimi, soete-
nnte le sue parti, et fiatta illustre la bontä et dottrina et yirtil
sua. Bimettendonü negli altri piurticolah a Messer FlaminiOt
salutando il Be verende Maestro Sacri Falatii, al mio Messer
Lodovko ^, a Y. S. E>*^ bascio hmnUfflente la siano nella sua
Santa gralia riverentemente raccomandandond. Alli 1 1 di Giugno
1541 di Borna.
Beccad. 176 f.
No. 8.
Contarhii an den französischen Nuntius').
Begensburg, 12. Juni 1541.
[Auszog.]
Alh 2 et 9 di questo scrissi a Y. S. quaato mi oooerreva;
di poi ho rioevuto un altra del Beverendo Monsig. Sierommo
Ikinäino dei 17 del passato, per la qnale lungameiite aii avertisoe
di quanto la Maestli Ohristia&issima li haTeva ragiouato di me
circa li negotii di qua. lo molto ringratio il prefaio Monsig.
Hkronvmo della diligentia et amoreyolezza sua usata et della
prudente et vivissima resposta che fece a Sua MaestL Imperocch^
io neu ho consentito, n^ mai sono per consentire a cosa che non
sia CatholiGa et Sancta, come che a queerta hora penso siano
chiari totti; ma 4x qneeta a lungo ho ra^onato qi) con lo
Ambasciftdore di Sua Christianissima Maestä, lo quäle penso ne
scriva piü a pieno. La resolutione ^ questa , che qid non
s' h fatta conclusione o acoordo , n6 articolo alcuno , che non
sia Cai^olicissimo , et Dio yolesse che cos) come in alcuni
punü Catboiici i Protestanti sono con\renuti , focessero nel
resto, ne' quali discordano, et sono punti esseatialissinu. No»
mi partir^ mai per quanto poti^ il mio poco sapere, da fare
tutti quelli boni et santi officii che si ricercano da un bono
Prelato et rero Cbiistiano, et quando non mi pareese che ti
tenesse questa via, il mondo vedrä se io ear5 caido o freddo a
1) Hierzu bemerkt der Herausgeber: „Questi erano alcuni Prin-
dpi Cattolici della G^ermania, quali vedendo che i Protestanti si erano
arricchiti dei beul Ecclesiastici, volevano ancor essi approffittarsi di
cjuelie fdneste cipcoetanze di tempi senza abbandonare la Cattolica Be-
ligione, ma soltanto opponendosi al progresso della Dleta."
^) BeccadeUL
») S. über den Adressaten oben S. 509.
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BRIEGER; ZUR CORRESPOlODlENZ COKTARINl'S. 613
defendere U ventä, mi place bene, et piacqne sempra di serrar«
modeetia, ma non che nocia al bene della Christianitä et all*
honore della Sede Apostolica, al che attenderö con ogm oora, «t
prego V. S. che a bnon proposito ciö faccia inteDdere al &e
Ohristianissimo u. s. to.
Da Batisbona alli 12 di Giugno 1541.
Beccad. 177 f.
No. 9.
CardJnal Bembo an CoAtarJoL
Born, 25. Juni 1541.
[Anszi^.]
Alle lettere di Y. S. 1^^ delli 8 rispondo, haver fatto
alcane copie della lettera sna scritta a Messer Agnölo de} B°>o
Qoneaga^ et haverla mostrata a questi SigDori Fregoso, San
MarceUo e Carpi ^ : et un' altra mandata a Monsig. JFb2o et a
Monsig. BodoTfi*)^ i quali amendoe son fiiora. Pare ad ognono
che qnella lettera sia molto bella et faccia la materia chiara:
a me non potrebbe piacer piü di quello che ella £a u. s, to,
Beccad. 181.
No. 10.
Contarini an den fhmrtsfaeben Nrntfna^).
Begeniburg, 29. Juni 1541.
[Auszug.]
Le coee di qna della Beligione sono ridotte a tal termine,
cba io per me seno fiiora di speransa, non volendo ooaseatire
i Proteetanti alli articoll essentialissimi et TerissimL Et per
qmesto sono nsolnto di non interporre V anthontä della 8edia
Apostolica in approbare cosa alouiia, neppure di quelle, nelle
qoali sono oonYennti nel oolloquio, peor non dar loro ansa di mal
interpretare le cose ben deite. Moosig. B"^ Famese per lettere
^) Card, di Carpi: Bidolfo Pio de* Princlpi di Carpi, creirt von
Paul m. im December 1536, t 1564 (s. Ciaccon. m, 619 sqq.).
8) Der Florentiner Niccolö Bodolfi, von Leo X. 1517 zum €a«r-.
dinal gemacht, t 1550.
8) 8. über den Adressaten oben S. 509.
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514 ANALEKTEN.
dei 14 ^) m'aTTisa, come Sua Santitä era risolnta di levare la
suspensione del Concilio con buonissimo animo di farlo in breTe,
per remediare per qnesta via alle discordie, che sono nella Be-
lig^one Christiana, il che si h detto alla Maestä Cesarea, la
qnale ha accettato molto volontieri il Concilio u, s, w.
Ratishona alli 29 Gingno 1541.
Beccad. 180 f.
No. 11.
Friedrich Nausea an Contarini.
Wien, 15. Juli 1541.
[Auszug.]
Quam Tehementer aliquot hucusque diebus meum discmciat ani-
mum prorsus diuturnum illud planeque suspectumB™*® et 111"^« D. V.
Silentium (quo fit ut temas priores meas, et eas quidem bene longas,
ad eandem literas una cum privatis colloquüs, quae mihi nuper apad
Yangiones pro Bepublica Christiana cum Müanchthone et Bucero,
ntpote duobus Schismaticorum antesignanis, non absque summa
spe cujusdam melioris in vinea Domini futuri ftnctus fuerunt *),
omnino nihil responsi accipio) non facile scripserim. Si quidem
non fit, ut e vestigio credam, eas non esse redditas, quum
caeteri, et u quidem non vulgares, sed Principes nobiscum plane
Proceres, suas et uno eodemque fasce per Begium Yeredarium
non modo receperint, sed ad eas non citra summam suorum
animorum gratitudinis significationem perquam humamssime re-
sponderint. Nee est ut facile suspicer K™*°» et 111™*™ D. V-
malignis fortasse quorumdam emulorum obtrectationibus, a quibus
nee optimi quique tuti sunt aliquoties, compulsam nescio quid
sinistrae suspicionis ac deinde propter illam nonnihil ad?ersus
me indignationis concepisse. Qnandoquidem compertum mihi sit
modisque constet omnibus, B™*™ et 111™»™ d. y, ea esse tum
prudentia tum justitia, dexteritate et integritate, ut minime velit
hanc partem, nisi altera etiam parte audita, nee damnatam nee ab-
solutam, et eam quidem maxime partem, quae nullius sibi mali con-
scia, a quali etenim parte me stare non modo bene oonfido, yenun
audacter etiam adversus quoscunque clancularios osores adfirmo.
1) S. Famese^s Depesche vom 15. Juni bei Quir. III, CCXLsqq.;
Laemmer, M. V. 876 ff.
*) lieber diesen nicht uninteressanten Vorgang ist meines Wbsens
sonst nichts bekannt.
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BRIEGEB; ZUR CORRESPONDENZ CONTARINl'S. 515
Dignabitur ideoque K*"* et 111°»» V. D. rem se modis Om-
nibus dignam mibique pergratam l^ere, si vel paucissimis per
6am certior fieri merear, an ipsa tot illas priores meas ad se
litteras nna cum privatis iliis colloquiis receperit necne. Quas si
vel non accepit vel interea redditae non sunt, alia denüo earundem et
colloquiorum pariter exemplaria mittere non grayabor, qnippe quod
et ipsa colloquia, sincero jadicio lecta , plurimnm ei sacrosanctae
nostrae Eeligionis negotio, cui nunc fortassis K™* et 111°** V. D.
non infelieiter incumbit et yigilat, ductnra speraverim.
In hoc namque unum quidquid mihi est virium, quidquid
nervorum, quidquid facultatum expendam, ut sacrosanctae nostrae
Beligionis et fidei rebus perquam maxime profutums sim. Id
quod, uti hactenus teste Deo pro Tirili mea bonaque fide feci,
ita posthac quoque eodem Deo adjutore facturus sum, donec hosce
Spiritus rexerit artus. Quod sibi sacrosanctaeque Sedi Apostolicae
E°** et Hl™* D. V. de me, deditissimo suo clientulo, tarn tuto
contra quoscunque subsusurrones et mei nominis , quantumvis
obscuri, persequutores quam quod maxime persuadere digna-
bitur. ü, 8. w,
Beccad. 183—185.
No. 12.
Contarini an den Cardinal San Marcello Cervini.
Begensburg, 22. Juli 1541.
Hebbi giä 3 giomi le lettere di V. S. R»»* dei 27 del
passato et per quelle intesi il dotto Discorso, che lei havea fatto
in Concistorio sopra li due punti neir accordo fatto fra questi
Theologi nell' articolo de justificatione , li quali perö a me non
pareno che meritino d'esser tanto ponderati, come essa 11 pondera.
Ho poi inteso per lettere d' altri, che ci h stato fra lei et il
E°*® Fregoso qualche disparere, non so se in quelle due punti,
Qvvero in altri ^); io hora non ho tempo, n^ voglio entrare in
questa lucubratione, ma mi riservo a Roma , dove faremo un bei
simposio sopra li articoli, nei quali discordano, perch^ sin hora
non 11 intendo bene. Mi viene ancora scritto, che costi si dice
come io era accordato coi Protestanti, insieme con la Maestä
1) Ueber Cervini's und Fregoso's anfängliches Urteil über die
B^nsburger formula de jostificatione giebt uns der oft citirte Brief
PnuK's an Beccadelli vom 21. Mai (Quir. III, p. XLVIsqq.) Auf-
schluss.
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516 AXUUSKTESl.
Oesarea et il Padre Maestro del Sacro Falaszo ^), et che io liaTea
Bottoscritto alcnni arücoli. Nob eö quäl bnon spirito hab^ia
inepirato cotali aTvisi. Hora hora commcdo ad eseere bnoa
Christiano patendo nelle faticbe et pericoli. Belli qnali io mi sono
posto per la Belifkme, et son certo che mi riuscirä qoesta cosi
paEza calmnia in bene, perö me ne stö allegro. Domaiie depo
pranBO partirä la Maestä Gesarea, et noi Yenere all! 27, cio^ dopo
dranane a Dio piaoendo ci porremo in cammino. Sf^ero ehe prwl»
ci rivedremo. Interim la si degnerä di TacooBtandarmi alli nostri
Gornnm amici et pregark Dio per me, et alla sna bona gratia
senza fine mi raccomando.
Di Ratisbona alli 22 di Lnglio 1541.
Beccad. 185 f.
No. 13.
Contarini an einen ungenannten ^) CarilinaL
Begensburg, 22. Juli 1541.
Rmo gig, xnio Osservandissimo. Jen per Monsig. VertMUo *)
io hebbi le lettere di Y. S. B™^ dei 27 del passato, le qoali
per parlare ingennamente con lei, come io debbo, mi apportarono
grandissimo dispiacere et graodissna colera; imperocch^ hayendo
inteso giä Aknni giozni sono, dbe per fioma si dioexta che io, il
Padre Maestro et la Maestä Oesarea ci eramo accordati con i
Lnterani, et ch* io havera sottoscritto ad alcnni articoli Lnterani
Bopra la fede et il merito delle opere: subito, die io leasi le
lettere di Y. S. B°^^ et la sua quasi excusatione, entrai in
sospetto, che da questa ongine fosse proceduto questo rumore.
1) Der Dominicaner Tommaso Badia, den Paul HI. 1542 zum Car-
dinal erhob.
>) Morandi vermutet, dass der Brief an den Card. Aleander
gerichtet sei (pCongetturiamo che questo Cardinale, dieuiilCon-
tarini tace il nome, fosse Girolamo Akandno detto il Brandidn»^
u. 8. w.). Mit Bestimmtheit lässt sich nur sagen, dass der Adressat
entweder Aleander oder Caraffa ist. Nur zwischen diesen beiden
lässt uns Priulf s Bericht über seine Gespräche mit CarafiGet, C»-
^ni, Fregoso und Aleander die Wahl. Der Inhalt spricht aber mehr
für Aleander als Adressaten.
•) Girolamo Verallo, Nachfolger Morone*s als Nuntius bei
König Perdinand, :taaf am ^1. JuM in Begensbmrg ein (b. i^ten S. 182).
YgL auch Pallav. IV, 16, d. Seine Instmetion bei iLaemmer, AnaL
Bom. 86—89, Man. Yat. 202—204, an beiden Stellen mit dem feOsdben
Datum 1539.
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BRIEGER, ZÜB COBÄBM^OIfDENZ CONTARENl'S. 517
et ml raiaamaTa sei cnore » che havendo io gik forse dao mesi
«loando ixx daW Y ftceordo de justificaiione , muidato a V. S.
B™* per mezza del B°» Cardiaale Bolo ^) a vedere la Scrittura
fatta coo una mia scbednla^ nella qaale v'era la ragioike, pereh^
10 eon fß. aitri ci fossimo mossi a non &re instantia sopra
<|KeBl» Tocabido mmfi», per intendere la sia opinione, che mal
qttella non mi haveya scritto pur ima linea, et poi in Concistoro
la lo hayesse taato pondemio^ conie se *1 fosee nn* articolo
easentiiale deHa fede, do^ quelle de TrinUate o cosa simile.
Sopra questo pensiero me ne atetti nn bon tempo; dippoi con-
siderando, che po4tria essere £aci][mente, che quel rumore venbsee
cT ahronde et che io aoglio qBälche fiote eesere negligente in
^naldie officio dei isiei amLcl, mi sono acquetato, et ogni sua
«pecationc ¥Oflio prendere in bona parte. Ho ben preso admi-
Totiome, che a lei aend}riBo tanto gravi 11 due punti^ che La
tocca. Quamto al> pnmo deHe opere precedenti k gratia, aappia
V. & B°^, che ael libro, il qnale gli ho mandato, molto bene
si trsfctaYa di quelle oper», anzi il Mdanione m* haTOva scritto
dne capitoli Imom, ma al Dotiere Eehio non parre per modo
alcano ai doresse farer di esse mentione, percb^ mal aon erano
fflati discordi eon t Loterani in qneUa sorte di opere. Costni ä
dettissimo et di bnon capo, sl che fn neceasario compiacedo.
Yenrö ora a qnello ch' ella dice de fide effietxci per eharittttem
et qme per düeetkmem cperatwr^ prendcodo quel ditto, come
detto di 8. Paolo ai Galati, io li dico, ehe qnantonqne non sia
molto excellemte B^a lingna Greca, io so pur tanto che mtendo
qnel participio iyiQyovfjt4rfj , cmne medio, «t potersi prendere
«^m et poisim, et qiuaub aard a Borna, a Dk) piacendo, io li
mostrerö expoeitori Greei, ilhistri, 11 qoali ezpongono qnel Inogo
etiam pasme; ma non lo prendiamo c(»ne detto di Ssui Paolo,
ma come de* Protestant; io vorrei sapeire da lei, al come dalli
Scolastici si dice, quod jusHficamur fide formeUa per charitatem,
perch^ noB possiamo dire, nos jttsäficart fide effieaci per chetri-
tatem? ei che differentia passi fira V uno et Y altro detto? Stella diee
qneato non eesere usatoy essi rispondono, che nella Scrittura, n^
in ü Dofctori anüehi non ritrovano questo vocabolo fanmta, et
che ^ nato da Axiatotile et non dal Yangelo. Ben sa V. 8.
B,^^ qnanto hanno in odio 11 Soolastici, et quanto li berteggiano
ael parlace, tahnente che saria stato impossibile farli dire fide
formet» per charUaiem. Se V. 8. B™* mi domanda, perch^ non
gli hai fiitto dire, fides qme per düectionem operatur? li rispondo
che a qnesti Collocntori Cattolici bastö che cosl dicessero, tanto
1) Auch hiervon giebt der Brief Priuli'a Naehiicht.
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518 ANALEKTEN.
perch^ essi schivano di dire parola, per la qnale si possa snsjn-
care, che se li faccia dire, quod justificemur per opera, siccome
h vero. Quanto poi alle opere, che debbono seguire, V. S. R™*
noQ sospetti cosa alcuna, che questa h la loro pubblica professione,
qtiod opera surd fructus vivae fidei, nö qui vi puö stare ascoso
alcnno inganno, perch^ sono aperti et chiari, et nello arüeolo
accordato tanto expressamente si dice , qtwd nihü expressius,
S) che io certo non so yedere, quäl inconveniente si possa ri-
trovare nelle parole uaate de fide efßcad per charitatem, Quanto
al secondo circa V uso di questo vocabolo merüo, certamente
V. S. BF^ poteva bene con la veritä rispondere a colui, che li
disse essersi qul concluso, che le opere non fossero meritorief
perch^ questo h falsissimo» anzi si dice tutto l'opposto chiaramente,
ma ben si ^ schivato a mio giudicio di usare questo Tocabolo
di merito, perch^ nella sua propria significatione et absoluta non
si puote attribuire alle opere nostre, siccome in una mia lettera
a Monsig. R^^ Farnese *) io scrissi, et prima feci intendere a
V. S. R"i*, n^ per me vedo, che inconveniente sia questo.
Havemo poi conferito con li Teologi della CesareaJ Maestä , oltre
11 Teologi Collocutori, ed a lungo si ^ parlato di questo merito,
Lette 11 capitolo di quel libro, et intesa la ragione, tutti s'acque-
tarono, se ben mi ricordo, ower la massima parte di essi, ma
credo tutti, n^ fu notato cos' alcuna. Certo mi dolgo molto
et neir intimo del euere, che si piglino le armi fra' Cristiani , et
che si faccia un cosl grau scisma per sl lieve cagione.
Che importa alla predicatione del popoli dire , che Die
ricompensa le opere nostre per debito et obbligo, che questo
importa il merito, ovvero che le ricompensa a quel modo istesso
solamente per sua benignitä et liberal itä, et non perch^ sia
debitore nostro ? Io per me, petendo ciascuno rinunziare alle sue
ragioni, rinunzio a quanta ragione potessi havere, che Die mi
fosse debitore , et tutto quelle che mi darä di bene , voglio
riconoscerlo dalla sua benignitä, misericordia et liberalitä, et non
da debito suo et obbligo suo alcuno. In oltre dov' ^ la caritli
del prossimo in cosl importante occasione ? Y. S. B°*^ si assicuri,
che languemus circa inutilem pugnam verborum, et in questo
mezzo per le nostre contentioni si ruina funditus la Cristianit^
n^ vi ^ Chi gli abbia compassione, anzi quelle h piü laudato, 11
quäle sa meglio ritrovare qualche modo et qualche nuova causa
di dissidio. Dio voglia, che non ce ne pentiamo presto; ben il
1) Vgl. den Brief an Farnese vom 22. Juni, der sich ausschliess-
lich mit dem Satze »^ opera post gratiam non esse meritoria" beschäf-
tigt, Stud. u. Krit. 1872, S. 144—150.
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BRIEGER, ZUR CORRESPONDENZ CONTARINl'S. 519
^eggio io coi miei occhi quello, che 11 non si vede. Son trascorso
piü di qnello che doYeva, la caritä di Cristo mi costringe, per5
V. S. E'"» mi perdoni.
Noi partiremo di qul a Dio piacendo alli 27 o poco piü,
desiderosi di rivedere li nostri cordialissimi amici et di ab-
bracciarli dove in pace potremo conferire le nostre opinioni
et goderci senza colera, perch^ giä la mia h passata, anzi mi
conosco obbligatissimo a Dio, perch^ ora io comincio ad essere
Cristiano, cujus est bene facere et mala pati. Mi raccomando
alla buona gratia di Y. S. £°^^, quae bene valeat in Domino,
Da Batisbona alli 22 di Luglio 1541.
Beccad. 186—189.
No. 14.
Contarini an Matteo Dandolo 0-
Begensbnrg, Juli 1541.
Charissime frater. Parendomi essere sciolto dell* obbligo
della fede data, il quäle io haveya, onde per il passato non
petendo fare altramente vi ho scritto lottere senza succo alcuno ;
hora mi pare potervi narrare tutta la mia negociatione. Io
venni qul in Corte dove ritrovai una impressione in Cesare et
li Cesarei, che il Pontefice fosse molto alieno dalla concordia della
Crermania et che procurerebbe la discordia, la quäle fama haveva
inteso molto per Tavanti sino in Roma. Appena fni giunto, che
alcuni Principi, li quali desideravano , che il CoUoquio giä prin-
cipiato a Yormatia non si continuasse, ma in tutto si distruggesse,
voUero usarmi per bolzone et ascondere loro sotto di me, onde
secretamente cercarono di persuadermi, che io dicessi a Cesare
questo Colloquio essere vano et inutile et che si dovrebbe stare
sopra li recessi giä fatti. Io risposi destramente, che a me non
pareya questa via essere buona, prima perchö il disturbare il
Colloquio era disturbare ogni via alla concordia, della quäle perd
con Fajuto di Dio non era da disperare in tutto, massimamente
vedendosi giä buon principio, poichö questo era procurare alla
Sede Apostolica una perpetua infamia, cioö che fosse inimica
deDa concordia deDa Germania et procurare la discordia, et cosl
1) Matteo Dandolo, ein Schwager Contarini's, von Ende 1540
bis Sommer 1542 venetianischer Gesandter am Hofe Franz' I.; seine
Relation vom 20. August 1542 bei Alb ^ri, Le Relazioni degli Am-
basciatori Veneti, Serie I, Vol. lY, 27—56. Notizen zu semem Le-
ben ebend. Ser. Ü, YoL UI, 335 f.
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620 ANALEKTEN.
deskamente mi excusai. Bimettendosi poi alla traeta^one per
mdü rispetti esserrf grandissimo perieolo , se qn«srta si fosse
fatta senza mia saputa di qnello che si tracrls^ ^perocch^ s
me nen si dorera fare la rclatione se noo depo ehe foese finita
et fatta a Cessre et alli Stati deH' Impero), et amchor se w
baressi aepettato ad impQgnare quella, ehe li CoDocatori OYrero
la maggior parte di loro havesseno eonelnso, totta la GFenwuiia
gü baveria segnito senza fare conto aicuno <fi me; per5 mi sforzsi
di fiirmt confidente talmente che la tractatione mi fosse com-
manicata di gionio in giomo, et perö ayendomi la Oesarea Maestä
mandato un libro, sopra il quäle voleya che si Aufesse ü trattato
per leyare il Mdantone dalla sua Apologia, mi ricere5 che io lo
ndissi et dicessi il mio parere; io risposi che solo malToIonüen
Yoleva qnesto cargo, ma per obbedire alla Cesarea Maestä io il
faria, come persona privata, cttm protestaiione di potermi ritau>
tare, con molte altre parole in simile sentenza; furono contenti,
ed io insieme cea il Nnu4k> el nMttesaiDid a leggere nna sol
Yolta qnesto libro et notai forse venti luoghi et piiji ^) ; dissi poi
che, se hora non mi occorreva altro, non era possibile potere
f^e jndieio per nna Tetione orrero anditione, ripetendo le mede-
sime Proteste. Qnesto libro subito dappoi fh letto a! Maestro
Säcri Biüatn et alli tre Collocntori non dispiacqne, se non ad
nno, 0 quäle pensö che fosse stato composto da alcnn suo emnio,
et cominciö a dire che era inetto et pieno d'errori, et ne not5
alcnni in Filosofia, neHi qnali piü assai erraya esso che il libro,
come conferendo con esso li mostrai; mi disse poi hayere notato,
che 81 diceva in qnesto libro quod Deus^erat eansa efficiens
nostrae scUutis et Christus erat causa subefficienSy il che a Im
pareya essere errore Ariane, et mi domandö il mio parere da
solo a solo : io gli risposi che il libro stara bene, perchö inten-
deva di Cristo come nemo, il qtrale dal Damasceno et molti altri
Teologi si chiama: instrumenhim primum divinitatiSt et perö
si poteya chiamare std>efficiens causa; restö queto. *) Hora la
tractatione sl h fatta sopra quel libro, dal qnalo i Protestanti m
banoo partiti in tntti li loro errori et hanno dato nnore scrittm-e,
1) Hiervon wie von dem aunSchst Folgenden hat schon PaLia-
viciai lY, li^^ 4 Einiges mi^eteilt (übrigens ohne Angabe seiner
Quelle), was hier von Contarinf teils bestätigt teils gcuauer berichtet
wird.
*) Genaueres über diese Entgegnungen Contanni's auf Edc's Ein-
^^'^irfe gegen dsas Begensbnrger Buch muss ein Schriftstuck der Stifts-
bibliothek zu Zeitz enthalten: Saec r^pondit etc. Contarenus
Eccio. S. Alb. Jansen, Julius Pfluge Neue BGtteilungen des thö-
ringisch-sSchsischen Vereins X, 2 [Halle 1864], 38; die spärlichen ÄGt-
teilungen Jansen's a. d. St. sind aber ganz unzureichena.
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BBIEGER, ZUR CORRESPONDENZ CONTARINl'S. 621
le qnali porterö meco a Borna. Poscia ho riveduto questo libro
con quattro Teologi della Cesarea Maestä et tre del Pontefice
et ^ stato considerato fra noi diligentissimamente et per la
gratia di Dio non yi abbiamo trovato alcuna eresia; bens) abbiamo
notati certi luoghi, che hanno bisogno di maggior explicatione^
ma alcuni dissero in fine, che quando i Protestanti si fossero
acqnietati alli articoli principali, non si doYeva fare difficnltä.
Ho deliberato non acqnetandosi i Protestanti nelli articoli prin-
cipali, come non faranno, di non approvare cosa alcuna, acciocch^
non se li dia occasione d* interpretare il vero in senso falso,
poich^ fin qnl non ho fatto cos* alcnna se non come persona
priyata. Questo ^ tutto il snccesso; io so benissimo da chi l
stata fatta qneUa relatione al £e Cristianissinio , et li errori de
Trinitate d' onde yengono ^), poichö yengono da quel Dottore,
che yi ho indicato di sopra. Hora la concordia ^ in tntto dis-
perata. Vi prego che leggiate tntto qnesto che yi scriyo alli
I^mi Tornone *) et Ferrara *) et a Messer JDanesio *). Ben
yeggo che oramai la maggiore yentnra, che io habbia aynto in
questa Legatione, I stata, che non si sia fatta la concordia,
perch^ certamente io sarla stato da diyerse bände lapidato, et
qnalch' nno si hayerla fätto eretico per farmi parere eretico.
Prego la bontä Diyina, che riguardi in fadem Christi sui et
non guardi alle opere, nh alle cogitationi nostre. State di bnona
yoglia, plures sunt nöbiscum quam cum iUis. Da Batisbona, di
Luglio*) 1541.
Beccad. 200—203.
1) Näheren Anfschluss über die an Franz I. gebrachten Klagen,
als ob Contarlni die Irrtümer des Regensburger Buches {nel libro in-
famimmo, che e stato dato fuore da quel Dottore del Vescovo di Cohnia
soprä la Trinitä et Sacratnento) nicht kräftig genug verurteilt habe, bietet
der Brief Gonzaga*s an Cent, vom 17. Mai, Quir. III, p. CCLXXIX sq.
») Cardinal Tournon.
8) Cardinal Hippolite d'Este.
*) Der Franzose Pierre Dan^s (der bekannte Gräcist, geb.
1497, t 1577, seit 1530 Professor des Griechischen am College Koyal
zu Paris) hatte früher zu dem vertrauten Umgang Contarinis gehört
(8.Mon. I, 1, 28 A. 27; vgl. S. 64. 71; Quir. irf, p. CCXIX); 1540 be-
gleitete er den Nuntius Campeggi nach Worms. £r wurde nachmals
Bischof von Lavaur, und hat wiederholt zu Trient eine Rolle gespielt.
Vgl. Nouvelle Biographie G^n^raleXII (Paris 1856), p. 923 AFI
6) Der Tag ist ausgefallen.
Z«iteclir. 1 K.-G. UI, 8. 35
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622 AXALEKTEN.
No. 15.
Contarini an Alessandro Farnese.
Bovere, 16. August 1541.
[Auszug.]
Havendo in Trento preso licenza da Sna Maestä per andar-
mene verso Nostro Signore, hoggi per novo ordine di Sua San-
titä pigliarö il cammino vei*so Milano, per accompagnare Sua
Cesarea Maestli sin lä, et poi andarmene verso Lncca incontro a
Nostro Signore; et cosl hora mi trovo a Rovere et domani ser5
a Dio piacendo a Peschiera et per la via di Bressa anden^ a
Milano, ove penso rivedrö V. S. E°^*, alla quäle ho voluto signl-
ficare questo per darle nova di me u, s, tr.
Beccad. 206.
No. 16.
Contarini an den Secretär Jaches.
Borghetto, 16. August 1541.
[Auszug.]
Molto magnifico Sig. mio come fratello. Questa sera an-
dando alla volta di Verona ho ricevuto la carta di Y. S. con
qnella di Sua Maestä a Nostro Signore, et perch^ depo la par-
tita di Sua MaesUt da Trento ho havnto questa notte passata
nova commissione da Nostro Signore di accompagnare Sua Maestä
in Milano, per tanto desidero che Y. S. mi faccia intendere quello
havrö da fare della carta di Sua Maestä; ciod s' io V ho da
portare con meco, oppure prima inviarla in mano di Nostro Sig-
nore, che tanto exequirö, quanto Y. S. mi ordinarä u. s. w.
Beccad. 206.
No. 17.
Erzbischof Hermann von Köln an Contarini.
Arnsberg, 24. August 1541.
[Auszug.]
Ex relatlone . . Joannis Qropperi . . didicimus B. D. Y.
erga nos animum adeoqne paratam de nobis benemerendi volun-
tatem, qua non solnm in causa concordiae coUationum beneficiorum
per nos retro annis factomm ^), sed etiam in aliis nostris negotiis
1) lieber Hermann's Conflicte mit Rom wegen Besetzung von
Pfründen im Widerstreit mit dem päpstlichen Collationsrecht s. Var-
rentrapp, Hermann von Wied (Leipzig 1878), S. 48 — 55 und dazu
die Actenstücke ü, 8—27.
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BRIE6EB, ZUR CORRESPONDENZ CONTARINI*S. 523
et praesertim Praepositnrae Ecclesiae nostrae Divi Gereonis Colo-
niensis omnem operam apud Sanctissimum Dominam Nostrum ad-
hibiturum se lecepit, qao scilicet a Sanctitate Sua concordia illa
medio triam Beverendissimorum Cardinalium inita ^) obserrari
mandetuT, neve venerabilis et illustris consanguineos Consiliarios
devotns nobis dilectus Georgius a Seyn (James ab Witgenstein *)
Praepositas etc. ad instantiam Episcopi Cariensis contra aequi-
tatem gravetor atque ad indebitam pensionis solütionem urgeatnr.
[Es folgt die Bitte, der Cardinal möge sich femer dieser Sache
annehmen jaxta Memoriale ea de re Auditori B. D. Y. traditom,
den Grafen und seine Abgeordneten unterstützen u. s. w.] • . •
Datrmi in arce nostra Arnsberg. XXIY. Augnsti Anno
1541.
Beccad. 205.
>) Nach Varrentrapp S. 55, Anm. 1 enthält die Alfter'sche
Sammlung in Darmstadt em Schreiben Paul's DI. vom 11. April 1537,
„nach welchem der Papst die Entscheidung bestätigte, die drei Car-
dinäle in der streitigen Frage trafen".
*) lieber Georg von Sayn- Wittgenstein (er war später ein eifiriger
Gegner des Erzbischofs) s. Varrentrapp, 8.131(150.233.262.278).
Drnck Ton Friedr. Andr. Perthes in Cbtbn.
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Ajizeigen.
Neuer Verlag der H. L aap p' sehen BuchhandlTiiig
in Tübingen.
Mülller, Lio« Dr. C«» Repetent am evang. Seminar
in Tübingen, „Der Kampf Ludwigs des Baiem
mit der r5misolien Kurie ^^ Ein Beitrag zur kircb-
liehen Geschichte des 14. Jahrhunderts. Erster Band:
Ludwig der Baier und Johann XXII. gr. 8. brochirt
M. 8.
Hamburger Kirchenordnong von 1529.
Sollte sich irgendwo in öffentlichem oder privatem Besitz
eine ältere Handschrift von Johannes Bugenhagen Der Er-
baren Stadt Hamborg Christlike Ordeninge vom Jahre 1529
in niederdeutscher Sprache finden (vgl. Richter^ Die evang.
Kirchenordnungen, Bd. I, S. 127, und Schürer, Theolog.
Literaturzeitung 1877, Nr. 25, S. 669), so möchte der Unter-
zeichnete bitten, ihm davon Mitteilung zu machen; nament-
lich Handschriften aus dem 16. Jahrhimdert wären sehr er-
wünscht
Hamburg, Juni 1879. Garl Bertheau,
PastoreDstrasse 13. Pastor zu St Michaelis.
Soeben erschien:
Lnther's Lehre
vom
ethisch-religiösen Standpunkte aus
und
mit besonderer Beraoksiohtigimg seiner Theorie vom Gesetie
dargestellt von
Dr. SiesfHed Lommatzsoli,
Lioentiat und Privatdocent der Theologie an der Universitftt Berlin.
Preif 11 Ji
Zn beziehen durch jede Buchhandlung.
Verlag Ton L. Sohleiermaoher in BerUn W. Leipzigerstrasse 109.
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Papst (Irban VL
Von
Theodor Lindner in Münster.
(Schluss.)
IL
Was sich voraussehen liess, geschah; Karl empfing
seinen Oberlehnsherm mit heuchlerischer Ehrfurcht in Aversa
und Hess ihn noch in derselben Nacht als Gefangenen auf
das Schloss führen. Was da die beiden mit einander
verhandelt haben^ ist imbekannt geblieben^ aber Urban wird
der Gtewalt nachgebend zum Schein seine Forderungen er-
mässigt haben. Von Karl nach Neapel geleitet, genoss er
dort zwar persönliche Freiheit, aber von Mistrauen bewacht
und umgeben. Die Freveltat seines Neffen, der eine Nonne
vornehmen Standes geraubt und entehrt hatte imd deswegen
dem richterlichen Spruche anheimgefallen war, erschwerte
seine Lage noch mehr, und er musste zufrieden sein, als
unter diesen Umständen Karl sich herbeiliess, Franz wenigstens
das Schloss Nocera zu überKefem. Dorthin begab sich der
Papst, während E^l gegen Ludwig aufs neue zu Felde
zog. Er hatte nicht mehr nötig, grosse kriegerische An-
strengungen zu machen, denn die Natur verrichtete für ihn
die Mordarbeit Ende September 1384 starb Ludwig selbst,
ein grosser Teil seines Heeres folgte ihm ins Gb^b nach.
Eine neue Hülfsschar von 12000 Mann, welche bis nach
Florenz vorgedrungen war, kehrte auf die Nachricht von
seinem Tod um. Jetzt war E^l der unbestrittene Herr des
Königreiches, jetzt mochte der Papst sehen, wie er seinen
Willen durchsetzte.
Zeltfchr. t. K.-G. HI. 4. 36
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526
Einen klaren Plan kann Urban unmöglich gehabt haben,
als er sich nach Nocera zurückzog; er wollte nur um kernen
Preis vom Boden des Königreiches weichen, aber doch nicht
in Neapel bleiben, wo er jederzeit in den Händen des Königs
und dessen nicht minder gewalttätiger Gemahlin Margaretha
war. Was unterdessen aas der Kirdbe wurde, das kümmerte
ihn nicht. Mehr Sinn fiir diese hatte seine Umgebung, vor
allen die ihn widerwillig begleitenden CardinäJe, welchen alle
Anmut der G-egend für die in dem imsicheren Lande
täglich drohenden Gefahren, für die hereinbrechende Not,
für die Verbannung von der übrigen Welt keinen Er-
satz geben konnte. Was Wunder, wenn sie unzufrieden
wurden, wenn sie Massregeln erwogen, wie man den starren
Sinn des Papstes beugen könne, wenn sie selbst an die
in der Geschichte des Papsttums unerhörte Auskirnft
dachten, ihren Herren unter Curatel zu stellen. Die Un-
glücklichen! Ihre geheimen Verbindungen mit Neapel
wurden verraten und mit unerhörter Härte bestraft. Der
vor Wut sdiäumende Papst beschuldigte sie des An-
schlages gegen sein Leben; sechs von ihnen und den
Bischof von Aquila liess er in eine Cüsteme werfen und
grässUch foltern, um sie zum Geständnisse zu zwingen. "Er
überlegte nicht, wie leicht das Jammergeschrei der Ge-
quälten über die Mauern des einsamen Schlosses hinaus in
die Welt dringen konnte.
Nachdem König Karl siegreich in sdbe Hauptstadt
zurückgekehrt war, nahm Urban's Lage bald eine schlimmere
Wendung. Der Papst weigerte sich, nach Neapel zu kommen,
der König, dessen Forderungen zu erfüllen. Urban schritt
nun zum letzten Mittel, er ^rach feierlich über KbtI xmd
dessen Gemahlin den grossen Kirchenfiuch aus und erklärte
sie der Krone fUr verlustig. In Urban's Lage war das nicht
viel mehr als eine Posse, aba* seine leidenschafüidi erregte
Phantasie spiegelte ihm vor, der neapolitanische Adel warte
nur auf ihn, um den König zu verjagen. Bald genug
empfand er, wie die ihm als Papst anhängeade Welt über
seine Persönlichkeit dachte. Um seinen Anhang zu mehr^,
ernannte er Anfang 1385 ein grosse Anzahl von Cardinfilen,
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PAPST UBBAN VI. 527
<iarunter viek deutsche Bischöfe: sie dankten einstimmig
für die Ehre.
Karl blieb auf jene Herausforderung die Antwort nicht
schuldig; er muflste den Papst entweder zwingen, das Land
zu verlassen, oder ihn in seine Gewalt bringen. Auch
Leo IX. und Innocenz II. waren in UnteritaHen an der
Spitze von Heeren kriegführend in die Gefangenschaft ihrer
Gregner geraten; wäre Urban ein gleiches Los beschieden
worden, er würde gewiss nicht so lekjhten E^ufes davon-
gekommen sein wie diese. Die Geschütze arbeiteten gegen
die WSile Nocera's, bald fiel die untere Stadt, und zu Urban'g
Schmerze geriet sein Neffe in die Gefangenschaft der Feind«.
Am 10. Mai 1385 wurde in dem Belagerungsheere unt^
Trompetenklang verkündet, wer den Papst todt oder lebendig
einliefere, eriialte 10,000 Goidgulden, wer ihm dagegen zur
Flucht verhelfe, verfalle der Strafe der Rebellion und des
Landesverrates. Solch klingendem Angebote konnte Urban
ein gleiches nicht entgegenstellen, die Bannflüche, welche er
vom Fenster seiner Burg herab, Fackel und Glocke in den
Händen, auf das königliche Heer herabschleuderte, ver-
mochten nur den Spott der Feinde zu erregen.
Wie tief war er gesunken, wie stach gegen dieses sinn-
lose Wüten, gegen diese sich verzehrende Ohnmacht, g^en
diese in Elend und Verzweiflung versunkene Curie die
vornehme Eleganz des avignonesischen Hofes ab, dessen ge-
schickte, nimmer rastende, alle Länder der Christenheit
umspannende Politik. Jetzt war jede Aussicht verschwim-
den, dass das römische Papsttum sich neue Anhänger erwarb,
dass es dem Rivalen allmählich den Boden entzog: jetzt erst
war das Schisma endgültig geworden. Selbst in den bis
dahin getreuen Kreisen wurde die frühere Zuversicht er-
schüttert, denn wer hätte erwarten können, dass es diesem
Papste gelingen würde, allgemein durchzudringen, wenn
auch sein ursprüngliches Recht sich noch als das zweifel-
loseste erweisen liess. Mit Notwendigkeit musste der Ge-
danke, dass nur die Christenheit selbst durch ihre berufenen
Vertreter die streitige Frage entscheiden, der Kirche ihre
Einheit wiedergeben könne, neu aufleben und an Kraft
36 ♦
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628 LINDNfiR;
gewinnen. Die Concilsidee; welche dem bisherigen Stande
des Papsttums so gefährlich war, erhielt durch Urban's
Verhalten ihre feste Begründung; in diesen Tagen, als Be-
lagerter in der Burg von Nocera, hat er wider Wissen und
Willen den grossen Umschwung des kirchlichen Leben^
welchen das folgende Jahrhundert brachte, vorbereitet und
unvermeidlich gemacht.
Endlich musste Urban, um das Aeusserste zu vermeideD^
da es seinen Leuten an Lebensmitteln fehlte, die fladbt
ergreifen. Am 7. Juli eilte er mit jäher Hast in der Rich-
tung nach Salemo davon, die gefengenen Cardinäle gefesseh
mit sich schleppend. Als der Bischof von Aquila, der mit
zu den Angeschuldigten gehörte, erschöpft von den Folter-
qualen und den Mishandlungen, nicht schnell genug fort-
konnte, wurde er auf Urban's Q^heiss todtgeschlagen; die
Leiche blieb am Wege liegen ^).
Kaum den Händen KarFs entronnen, wäre Urban beinahe
in eme noch schlimmere Lage gekommen. Ein Teil der
Söldner wollte aus Furcht, dass ihre Forderungen nicht
beMedigt würden, ihn fangen und nach Avignon ausUefem.
Nur die Treue der deutschen imd italischen Söldner rettete
ihn; die Meuterer wurden durch grosse Summen — an
Stelle von gemünztem Gtelde wurden goldene und silbeme
Gbfässe in Stücke geschlagen — beschwichtigt. Mit kriege-
rischer Begleitung unter imsäglich harten Entbehrungen imd
Leiden irrte der Papst eine 2^it lang ruhelos und unstät
umher, bis er sich endlich der Küste des Adriatischen Meeres
zuwandte, wohin von Q^nua gesandte Galeeren abgegangen
waren, da auf der Westseite Kiirl die Einschiffung leicht
verhindern konnte. Aber als der Papst zu der verabredeten
Stelle an der Küste in der Nähe von Minerbino kam, war
von den Qtdeeren weit imd breit nichts zu erspähen. In
steter Angst, von den Anhängern des Königs noch im letzten
1) Dietrich von Niem, lib. I, cap. 56. Nach üghelli I, 389 war
der Unglückliche Bischof Stephan, welcher von Urban, weil er zum
Gegenpapste abgefallen war, schon 1381 gefangen genommen wurde.
Doch kann es auch dessen Nachfolger Clemens gewesen sein, da
diesem 1386 Bischof Oddo folgte.
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PAPST ÜRBAN VI. 629
AugenbKcke ergriffen zu werden, zogen die Flüchtlinge
nordwärts auf Trani zu, sehnsuchtsvoll die Blicke auf das
Meer gerichtet Da endlich tauchten die dreieckigen Segel
in der Feme auf Ohne Weg und Steg durch Felder und
Weinberge, mit hastig abgerissenen Trauben die erschöpften
ELräfte erfrischend, eilte alles dem Gestade zu. Unter
Trompeten- und Pfeifenklang bestieg Urban die Galeere, seit
langer Zeit wieder die üblichen Ehrenbezeugungen als Papst
entg^ennehmend ^). So endete Urban's neapolitanische Ex-
pedition; aber die guten Lehren, welche er aus ihr hätte
ziehen können, waren für ihn verloren. Noch immer blieb
sein ganzes Trachten und Dichten auf die Erwerbung des
reichen Landes gerichtet, obenan stand der Durst nach Rache
an seinen Feinden.
Die Fahrt ging mm um das Festland herum. In
Messina wurde zuerst eine längere Rast gemacht, welche
der Papst benutzte, um seine Prozesse gegen Karl öffentlich
zu verkünden. Endlich wurde am 23. September in Genua
gelandet.
Der Doge Antoniotto selbst hatte Urban angefordert,
hier sein Asyl aufzuschlagen. Einmal versprach der Aufent-
halt der Curie, der dadurch bewirkte Zusammenfluss zahl-
reicher Fremden der Stadt eine ergiebige Einnahmequelle zu
eröfBden. Doch bewegte den Dogen zugleich die ehi^izigo
Hoffiiung, durch seine Vermittelung der Kirche Frieden und
Eintracht wiedergeben zu können. Er wandte sich deshalb
an den deutschen König und die Fürsten Europa's und bat
sie um Vollmachten. Dass er sie nicht erhielt, mochte ihn
verdriessen, aber war natürlich genug '). Die Hoffixungen,
welche er trotzdem noch hegen mochte, mussten vollends
schwinden, als er den Charakter Urban's persönlich näher
kennen lernte.
Während des Aufenthaltes in Nocera hatte das kirch-
liche Regiment geruht. Nur einzelne Bullen, welche auf die
1) Die Einzelheiten der Flucht hat namentlich Gk>belinus Persona
anziehend geschildert.
») Muratori, Scr. rer. Ital. XVn, 1127.
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630 LUfDNER,
augenblicklicbe Lage Beziehung hatten , waren aus der
päpstlichen Kanzlei hervorgegangen. Die eine bestinmite; djau»
jeder Christ zehn Tagereisen in der Runde einem belages-teo
oder gefangenen Papste zu Hülfe kommen müsse^ eine andere^
dass ein Geisthch«", der im Kampf ftr den Papst gc^^ec
König Karl einen Menseben tödte, nicht nur kirchlich strsi^
los sei, sondern sich der Kreuzzugsindulgenz erfreuen solle ^y.
Jetzt unter den ruhigeren Verhältnissen in Grenua wurd«»
die Geschäfte wieder aufgenommen und in der gewöhnliehen
Weise weitergeführt
Zum Ersatz fiir die noch im Gefiingnisse schinachtei>-
den Cardinäle wurden in Genua neue promulgirt. Ausser-
dcan waren noch andere Lücken im heiligen CoUegium
vorhanden. Urban war, wie wir sahen, genötigt gewesen,
durchgängig neue Cardinale zu ernennen, da ihn die alten
Mann fiir Mann verlassen hatten. Um so bedenklicher ww
es, dass auch unter denen, welche ihm ihr Emporkomm^i
verdankten, der Abfall einriss. Schon im Jahre 1381 war
Guter Gomez, welchem die Aufgabe zufiel, Castilien fiir
Urban zu gewinnen, ebenso wie der König des Landes
selbst überzeugt durch die Gegengründe des clementiBtischen
Legaten, zum anderen Papste übergetreten *). Jene sechs
Cardinäle hielt wenigstens Urban der Absicht, ihn verraten
aai wollen, überwiesen. In Neapel waren trotz der Befehle
Urban's, als er nach Nocera ging, einige Cardinäle zurück-
geblieben, mit denen Karl sich ins Einvernehmen zu setsen*
suchte, um sie möglicherweise zu einer Neuwahl zu veran-
lassen. Vielleicht waren dazu auch die zwei clementistiBchen
Cardinäle^ welche Karl bei seinem Einzüge in Neapel ange-
troffen' und in Gewahrsam genommen hatte^ zu gebrauchen •).
Wäre es nach Karl gegangen, so hätte die Welt schon jetzt
drei Päpste gleichzeitig nebeneinander gesehen *): So weit
kam es nun nicht, aber dias Betragen Urban's^, sein wider-
1) Gobelin a. a. 0. 304.
*) Vita Clementis Vn^ bei Baluzii Vit» pap. Avenion. I, 502.
3) a. a. 0.
*) Dietrich von Niem, IIb. I, c. 55.
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PAPST ÜBBAN VI. 631
sinniges Verweilen in Noc^a, endlich seioe Härte gegei^ die
Oefengenen muaßte die in Neapel weilenden Cardinäle tief
erregen. Sie erhielten einen Führer in jenem Pileus, der sich
in Deutschland und England so grosse Verdienste um die
römische Partei erworben hatte. Er war mit Urban nach
Neapel gezogen und hatte dort die Verwaltung Cometo's
übertragen erhalten ^). Ohne sich um Urban's Bannfluch
HU kümmern, eilte er, als Nocera belagert wurde, nach
Neapel und bot dem Könige, der ihn ehrenvoll aufioahm,
seine Vermittelung an. Mit stattlicher Begleitung erschien
er dann vor Nocera, aber mit dem Charakter seines Herrn
wohl bekannt, verlangte er, ehe er in das Casteli eintrat,
vom Papste Q-eiseln für seine sichere Rückkehr. Als Urban
die Forderuag zurückwies, ging Pileus fort, ohne ihn gesehen
zu haben*). In Neapel besprach er sich mit den anderen
Cardinälen und den anwesenden G^eistüchen, und sie kamen
überein, dass Urban fidlen zu lassen sei. In einem beredten
Manifeste taten fünf Cardinäle, Pileus an der Spitze, dem
römischen Klerus imd den Fürsten der Christenheit ihren
Entschlus& kund ^). Zwar erklärten sie noch immer Urban
als den rechtmässig erwählten Papst, aber sie sagten sich
von ihm los, „weil er einem Wahnsinnigen und Wütenden
gleich, durchaus unverbesserlich und in seinem Glauben
verdächtig sei". Er habe daa Schisma heraufbeschworen,
nichts zur Reform der Kirche und ihrer Wiedereinigung
getan, die Ratschläge der Cardinäle verachtet Gegm
ihren Einspruch sei er nach Neapel, dann nach Nocera ge-
zogen, er habe Frevel auf Frevel gehäuft und endlich die
1) aobelin a. a. 0. 303. In Cometo erteüte er noch am
5. December 1384 in Urban's Namen Lehen, Oslo 240.
^ Gobelin a. a. 0.
») Baluzü Vitae pap. Avenion. II, 983. Es ist erlassen m Neapel
gleich nach der Flucht Urban's von Nocera. Denn auf diese bezieht
sich der Vorwurf, er habe Schismatiker zu sich berufen, ihnen die
Sehätze der Kkche überliefert und sich endlich selbst ihren Händen
anvertraut Die Flucht Urban's wurde ermöglicht durch Thomas von
San Severino und andere Herren, welche zur anjovinisohen Partei
gehörten.
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532 LINDNER,
sechs Cardinäle; weil sie ihm ins Gewissen redeten, in mir
erhörter Weise gefiatngen gesetzt und gefoltert Sie sdbst
würden bald nach Rom kommen mid dort im Einverständ-
nisse mit der übrigen Christenheit ftir das Zustandekonunen
eines Concils arbeiten.
Gleichwohl ist Pllens noch einmal nach G^nua zu Urban
gekommen *) ; aber als seine erneuten Vorstellungen vergeb-
lich blieben, entfloh er von der Curie. Sein Entschluss war
gefasst. Jenes beabsichtigte Concil konnte nicht zu Stande
konmien, Pileus aber mochte den Glanz des Cardinalates,
das er ohnehin zu seinem Vorteile in Deutschland und Eng-
land trefflich auszimützen verstanden hatte, nicht auf die
Dauer entbehren. Nachdem er Urban zum Hohne in Pavia
den von ihm empfangenen Cardinalshut öffentlich verbrannt,
ging er nach Avignon, wo er mit offenen Armen emp&ngen
wurde. Ihn begleitete ein zweiter Cardinal Galeozzo de
Petramala *). Natürlich war er nun eifrig bemüht, g^en
Urban zu agitiren. Sein Schritt erregte gewaltiges Auf-
sehen, ohne jedoch Urban viel zu schaden, hauptsächlich
deswegen, weil der Cardinal in den Ländern, wo er als
Legat tätig gewesen war, einen schlechten Ruf hinterlassen
hatte und die Unlauterkeit seines Uebertrittes zu offenbar
war. Uebrigens trat er zxmi Aerger der Avignonesen nach
Urban's Tode wieder zu Bonifacius IX. über. Natürlich
büsste damit der „Mann mit den drei Hüten '^, wie ihn die
Spötter bezeichneten, die öfientliche Achtimg völlig ein.
Ueber ein Jahr blieb Urban in Genua. Der Aufent-
halt bot wenig Annehmlichkeit; wenn er auch vor äusserer
Not geschützt war, beklagte er sich doch über den Mangel
an Ehrfurcht von Seiten der Bevölkerung imd Magistrate.
Auch der Doge musste bald erkennen, wie wenig er seine
guten Absichten erreichen könne; er selbst soll den Papst
1) Dietrich v. Niem I, cap. 61; Gobelinus 309.
s) Dessen Name befindet sich noch nicht unter dem oben er»
wähnten Manifeste. Die anderen vier, welche es unterschrieben, sind
nicht zu Clemens abgefallen; über ihr ferneres Schicksal vermag ick
keine Auskunft zu geben. Die beiden abgefallenen werden am 15. Juli
1386 in Prag als Ketzer erklärt; vgl. meine Geschichte I, 255.
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PAPST UBBAN VI. 533
endlich aufgefordert haben; sich einen anderen Aufenthalt
zu suchen. Das allgemeine Mitleid galt den gefangenen
CardinäleU; von denen einer selbst aus Genua stanunte, aber
TJrban wies hartnäckig alle Bitten zurück; und Versuche, die-
selben mit Gewalt zu befreien, machten ihn nur noch strenger
in der Bewachimg. Endlich liess er sie, bis auf einen, den
er aus Rücksicht auf den englischen König freigab, im Ge-
fängnis ermorden und die Leichen verscharren.
Die schauderhafte Tat blieb natürlich nicht verborgen,
wenn auch über die Ausführung derselben verschiedene G^
rüchte gingen, und erregte allgemeinen Abscheu. Es ist für
uns imbegreiflich, dass Urban trotzdem ruhig Papst bleiben
konnte, dass ihm nicht die Obedienz au%esagt wurde. Aber
in jenem Jahrhundert, welches so manchen Königsmord und
blutigen Aufstand erlebte, welches zahlreiche Scheiterhaufen
für Ketzer und Juden entflammte, welches die Pest Millionen
hinraffen sah, kam es schliesslich auf ein Paar Menschen-
leben, wenn es auch Cardinäle waren, nicht so genau an.
Ausserdem war das Ansehen des Papsttums noch so fest
begründet, dass die kirchliche Würde die schwersten Ver-
schuldungen ihres Trägers deckte. Wer wollte den Papst
richten?
Am Morgen nach der Mordnacht, im December 1386,
segelte Urban von Genua ab und begab sich nach Lucca.
Ihn bestinmite der Wunsch, Unteritalien näher zu sein.
Wenige Monate nachdem Urban die rettenden Segel Genua's
gefunden hatte, bestieg an derselben Stelle der Küste,
in Barletta, König Karl von Neapel die Schiffe, welche ihn
und sein Heer zur Eroberung eines zweiten Königreiches
tragen sollten. Eine starke Partei in Ungarn, welche weder
von Maria noch von Sigmund noch von einem andern Gb-
mahle der Erbprinzessin beherrscht sein wollte, rief Karl
als nächstberechtigten männlichen Erben. Ohne Schwert-
streich nahm er das Land in Besitz, zu dessen König er am
letzten Tage des Jahres gekrönt wurde. Dem leicht er-
rungenen Triumphe folgte eine entsetzUche Wendung; wenige
Wochen später am 24. Februar 1386 wurde die entselte
Leiche des Trägers zweier Königskronen auf einen Mist-
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534
häufen im Hofe der ungarischen Königsburg Wiss^rad ge-
worfen ; er war den Mordversuchen der ungarischen Königs-
mutter erlegen.
Seiner Gemahlin^ welche an demselben Tage^ an welchem
Neapel die ungtaische Königskrönung mit glänzender Illu-
mination feierte, die Nachricht vom Sturze ihres Gbitten
erhielt, bHeb nur der Trost, dass sie fast mit Gbw£Üt ihr
Söhnchen, den jungen Ladislaus, bei sich zurückgefaaltai
hatte, als ihn der Vater nach Ungarn mitnehmen wollte.
Sie selbst, eine Frau von männUchem Geiste, welche schon
während der Kriegszeit gegen Ludwig und dann während
der Ungarnfahrt das Land verwaltet, war wegen der schwer»
Steuern mannigfacher Art, welche sie ausschrieb, allgemein
verhasst. Ohnehin liess der unruhige treulose Sinn der nea^
politanischen Grossen erwarten, dass sie den augenblickliehen
Zustand zu ihrem Vorteile ausbeuten würden; ähnliche Gte-
lüste nach Selbständigkeit regten sich in der Haupt^adt
Zugleich erhob die anjovinische Partei unter dw Führung
des mächtigen Thomas von San Severino aufs neue ihr
Haupt Sie proclamirte den jungen Ludwig, den Sohn Lud-
wigs von Anjou, als künftigen König.
Diese Zerrüttung des unglücklichen Landes, in dem.
jede Autorität geschwimden war und der Bürgerkrieg wieder
seine vernichtende Brandfackel schwang, war dem Papste
ganz erwünscht. In dem Widerstreite der Parteien ho£fte
er doch noch das langersehnte Ziel zu erreichen, das Kön^
reich für sich und seinen Nefifen zu gewinnen. Dieser war
ihm zu seiner Freude wiedergegeben. Die Königin Mai^a'-
retha hatte ihn aus der Gefangenschaft entlassen, um ieai
harten Sinn Urban's fUr sich 2su gewinnen. Aber vergebens
flehte sie ihn an, ihre und des Ladislaus Sache zu vertrete
den Bann aufzuheben, der atif ihnen ruhte, vergebens machte
sie die grössten Anerbietungen. Gleich erfol^os blieb die
Verwendung, welche Florenz und andere italische Communen
für Ladidaus übernahmen. Urban rechnete noch immer
auf den Beistand einzelner Grossen und der Bevölkerung
von Neapel. Aus dieser Stadt flohen zahlreiche Franzi
edelen Standes, namentlich die Anverwandten von Cardinfilen,
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PAPST ÜBBAK VL. 535
i^OY den drohenden Kriegsgefahren zu Urban nach Lucca,
-wo sie zu der düsteren und freudeleeren Curie einen sonder-
baren G^ensatz bilden mochten ^).
Dadurch kam er aufe neue in eine imgünstige Situation.
Wenn auch Clemens in Avignon ein nicht minder grosses
Gewicht darauf legte, dem jungen Ludwig die Blrone von
Neapel zu verschaffian imd alle Mittel dazu in Bewegung
setzte, so tat er das in der alten vom erhabenen Throne
herab gebietenden Weise der Papste, die Würde seiner
Stellung wahrend, ohne selbst die eigene Person aufs Spiel
»n setzen. Das war etwas ganz anderes, als an der Spitze
von Soldbanden einherzuziehen, um persönKche Rache zu
Ikben, um einen Neffen, den die Welt verachtete, zu bereichern.
Wenn auch über das Recht Ludwig's gestritten werden
konnte, immerhin liess es sich noch eher rechtfertigen , wenn
er als König des Lehnreiches eingesetzt wurde, als dos»
dieses, wie Urban wollte, vom Lehnsoberherm eingezogen
wurde.
Unter diesen Umständen hielt Clemens den Zeitpunkt
filir gekommen, selbst den Plan eines Concils aufzugreifen,
der schon so oft angeregt worden war. Er wusste genau,
dass Urban entschieden dagegen sein würde; um so besser,
wenn- man den guten Schein erweckte, ohne irgend ernste
Folgen furchten zu müssen. Er erklärte sich nicht nm^
Iftereit, sich dem ConciL zu unterwerfen, sondern auch Urban>
wenn dieser verworfen würde, die Stelle eines Cardinais zu'
belassen, während er für sich dieses Vorrecht nicht bean-^
spruchte.
Zuerst wurden Verhandlungen mit dem deutschen Könige
angeknüpft. Es mochte in Frankreich nicht unbekannt sein,
wie ungünstig im Reiche die Stimmung für Urban geworden
war. Schrieb doch damals an diesen selbst der Erzbischof
von Pvag: „Ihr wisst gar nicht, wieviel Gtegner Ihr hier in
Prag imd in vielen Gegenden Deutschlands habt. Selbst
manche von denen, die Ihr befördert habt, sind schwankend
1) Dietrich von Niem, lib. I. cap. 64; GiomaU NapoUtani bei
Muratori XXI, 1053 flF.; Sozomenus Pistor. bei Muratori XVI> 1129 ff.
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536 LINDNER;
und unzuverlässig, darunter Erzbischöfe, Bischöfe, Doctoren
und Magister" ^).
Die Könige von Frankreich und Castilien übemahmen
es bei den deutschen Fürsten anzuklopfen, und nicht ohne
Erfolg. Die Kurfürsten — wir wissen allerdings nicht ^ ob
alle, oder auch nur welche von ihnen — forderten den
König auf, nach Würzburg zu kommen, um dort über das
Concü zu beraten *). In der Tat erschien dort der Köii%
um die Mitte März 1387, doch haben wir leider keine
Kunde von den Beratungen, welche über die Kirchenfi'age
gepflogen wurden. Vermutlich wurde beschlossen, an beide
Päpste Gesandtschaften zu schicken. Denn in Lucca er-
schienen vor Urban Boten der Fürsten — des Königs wird
dabei nicht ausdrücklich gedacht — , um ihn zur Einigung mit
Clemens zu bestimmen, aber schroff lehnte er ihre Vorschläge
ab, jeden Zweifel an der Kechtmässigkeit seiner Würde
zurückweisend '). Alsbald schickte er eine Gesandtschaft
an Wenzel, um ihn wiederholt zur Eomfahrt au&ufordem
und zu ermahnen, dass er den Schismatikern kein G^ehor
gebe *) 5 später erschien der vornehmste aller Cardinäle^ dar
aus königlichem Blute von Frankreich stammende Philipp
Graf von Alen9on, Patriarch von Aquileja, im Reiche^ in
dem er lange verweilte, Urban's Autorität allenthalben be-
festigend. Und damit alle Welt wisse, wie er über den
Vergleich mit Clemens denke, erliess er am 29. Augast
nochmals eine überschwängliche Ej:^uzzugsbulle gegen den-
selben.
Auch nach Avignon ging eine deutsche Gesandtschaft^
geführt von Piligrim, dem Erzbischofe von Salzburg ^), aber
1) Codex epistolans des Erzblschofis von Prag Job. v. Jenzen-
stein, hersg. von Loserth im Archiv für Österreich. Gesch., B. LV,
S. 97.
«) Vgl. den oben angeführten Brief. Derselbe ist Ende Februar
1387 gescbrieben, da Bischof Peter v. Obnütz, dessen Tod als „ novissime^
erfolgt erwähnt wird, am 13. Februar 1387 starb.
8) Dietrich von Niem I, cap. 56.
*) Gemeiner, Regensburger Chronik 11, 233.
6) Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde,
1872, S. 242.
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PAPST URBAN VI. 537
i^as sie auch verhandelt haben mag; gegenüber der be-
stmunten Weigerung Urban's war ein günstigeB Ergebnis
nicht möglich. Clemens konnte indessen zuMeden sein ; ihm
fiel der billig erreichte Kuhm zu, zuerst die Hand zur Nach-
giebigkeit geboten zu haben. Deshalb fuhr er auf dem ein-
geschlagenen Wege noch eine Zeit lang fort. Die Stadt
Florenz, wie wir wissen, eifrig bemüht in Neapel Ruhe zu
stiflen, war auf den Gedanken gekommen, das Ziel durch
Vermittelung einer Ehe zwischen dem jungen Ludwig von
Anjou und Johanna, der Tochter Margaretha's, zu erreichen.
Ihre Gesandten, welche deswegen nach Frankreich gingen,
besuchten auch Avignon und wurden dort ehrenvoll em-
pfangen. Daraufhin erschienen in Florenz immer neue Bot-
schaften des französischen Königs und Papstes mit Aner-
bietungen in der kirchlichen Frage , unter ihnen zu Urban's
höchster Entrüstung auch jener abtrünnige Pileus ^). Doch
hielt Florenz, obgleich es ihnen Zutritt gewährte, an dem
einmal anerkannten Papste fest, selbst als das frühere gute
Verhältnis zu demselben sich aus politischen Gründen mehr
tmd mehr lockerte.
Wir können über den Rest von Urban's Leben schnell
hinweggehen. Von Lucca zog er im September 1387 nach
Perugia, das ihn selbst herbeigerufen hatte. Er sah sich
jetzt genötigt, dem Kirchenstaate, den er so lange ausser
Acht gelassen, seine Aufmerksamkeit zuzuwenden. Dieser
sich entspinnende kleine Eoieg, damit zusammenhängende
Händel mit den Florentinern nahmen ihn während des
Aufenthaltes in Lucca imd Perugia ganz in Anspruch. Zum
Glück wurde der gefahrlichste Gegner Franz von Vico in
einem Volksaufstande in Stücke gerissen, „dass man davon
hätte Wurst machen können", und somit das von ihm bis-
her mit Härte beherrschte Viterbo der Kirche wieder ge-
wonnen. Darüber gestalteten sich jedoch die neapolitanischen
Dinge viel ungünstiger. Mai^aretha hatte es geschehen
lassen müssen, dass sich in Neapel eine selbständige Volks-
behörde von Acht-Männern bildete. Diese beanspruchten die
1) Sozomenus bei Moratori XVI, 1131 ff.
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538 LINDNER,
Regierung für Ladislaus zu iiüireaQ; indem sie zugleich Urban
aJs Oberlehnsherm ana:kaimten und mit dessen Namen ihr
Ansehen zu erhöhen suchten; sie sollen ihn sogar au%e-
fordert haben, nach Neapel zu kommen.
Zwar erkannte Urban Ladi^us nicht an, ab^ desBen
Partei; im Gegensatz zu der mehr imd mehr um sich grei-
fenden anjovinischen, gab unbekümmert um sdnen Wider-
spruch die Parole: „König Ladislaus und Papst Urban ^'^.
Ihr Führer war Raimund Orsini, Graf von Nola, dw damals
mächtig imi sich griflf. Dagegen beuteten die Anhänger
Ludwig's die feindselige Haltung Urban^s gegen Ladislaus
aus und suchten den Schein zu erwecken, als ob dieser für
ihren Prätendenten sei. Sie hatten einen Mkigen und klugen
Führer erhalten in Herzog Otto von Braunsdiweig, der mit
Vollmachten der Maria, der Mutter Ludwig's, und des Papstes
Clemens Ende 1386 von Avdgnon nach Unteritalien ge-
kommen war. In ähnlicher Weise, wie in der Stadt Neapel,
wurde für das Reich eine provisorische Regierung errichtet.
Endlich glückte es Otto, im Juli 1387 Neapel selbst zu
besetzen; Raimund Orsini musste sich zurückziehen, und
Margaretha flüchtete nach Gaeta. Ihre vereinten Bemühungen,
welche der Cardinal von Neapel, der spätere Papst Boni-
facius IX., durch seine Gegenwart unterstützte, die Stadt
wieder zu erobern, waren ebenso erfolglos, wie Urban's
Bannfluch und Kreuzpredigt gegen Otto. Erst ein Jahr
später fiihlte er sich im Stande, einen neuen Kriegszug gegen
Neapel zu unternehmen. Am 2. August 1388 brach er mit
italischen imd englischen Söldnern von Perugia auf, aber bei
Nami ging der grösste Teil der letzteren zurück, durch
florentinisches Gold gelockt Dessenungeachtet wollte er
weiter, aber schwer beschädigt durch den Sturz seines Maul-
tieres, musste er nach Tivoli zurückkdir^i. Noch einmal
trieb ihn seine Iddenschaftliche Natur vorwärts; in einet
Sänfte liess er sich nach Ferentino tragen, aber endlich
musste er sich der Einsicht beugen, dass seine Mittel unge-
nügend waren. Schon in Tivoli waren Gesandte der Römer
zu ihm gekommen, um ihn zur Rückkehr in ihre Stadt auf-
zufordern, noch hatte er sie barsch zurückgewiesen. Jetzt
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PAPST URBAN VI. 53d
erst entschloss er sich; die Stadt; die er vor mehr ak
fünf Jahren mit grossen Plänen verlassen hatte ^ wieder zu
betreten- Getäuscht in seinen Hoffiiungen^ entblösst von
Geld, erschöpften und kranken Körpers kam er, mehr der
Notwendigkeit gehorchend als aus freiem Willen. Die Eömer
hofften, dass nun mit dem Papste ein reicher Strom Goldes
aus der Christenheit in ihre heruntergekonunene und ver-
armte Stadt fliessen würde; aber den imbotmässigen Trotz,
den die avignonesische Zeit hervorgerufen und den nachher
die nur kurse Anwesenheit der Päpste nicht hatte bändigen
können, Hessen sie nicht fediren. Als Urban aus eigener
Machtvollkommenheit einen misliebigen Senator ernannte,
stürmte das Volk den Vatican. Auch jetzt zeigte Urban
die alte Energie, und bei den Römern wirkte sein Bannfluch,
weil er zugleich ihre materiellen Interessen traf; die Em-
pörten suchten in demütiger Weise die Absolution. Denn
Urban hatte das beste Mittel ausgesonnen, um das eigene
Geldbedürfais wie das der Römer zu befriedigen: das Jubi-
läum sollte, statt 1400, schon im nächsten Jahre 1390 und
in Zukimft alle 33 Jahre gefeiert werden.
Es war ihm nicht mehr beschieden, die Früchte dieses
Schrittes zu ernten; am 15. October 1389 verschied er nach
schmerzvollem Krankenlager. Dass er vergiftet worden, wie
manche berichten, ist nicht glaublich. Seine Leiche wurde
in einem einfachen Sarge in einer Capelle beigesetzt; erst
später wurde ihm in St. Peter ein prächtiges Mausoleum
mit einer schwülstigen Inschrift errichtet.
Obgleich Urban zu den „politischen Päpsten" gehörte,
ist er doch auf kirchlichem Gebiete nicht ganz untätig ge-
wesen, besonders sein letztes Lebensjahr war mehr diesen
Pflichten zugewandt. Wir sprachen bereits von der Ver-
legung des Jubeljahres. Die Motive dazu liegen trotz des
darumgehangenen Mäntelchens der christlichen Erbarmung
mit den nach Sündenerlass lechzenden Selen in ihrer Ver-
werflichkeit offen zutage. Doch darf man immerhin nicht
die Anschauungen der Zeit vergessen und auch nicht über-
sehen, dass die Veranstaltung des Jubeljahres in Rom ein
politischer Trumpf gegen Clemens war, den möglichst früh
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540 LINDNER^
auszuspielen sich Urban nicht versagen konnte, ürban hat
auch das Fest der Heimsuchung Maria als ein allg^[nein zu
feierndes Fest in die katholisQhe Kirche eingefiihrt, während
es bis dahin nur in einzelnen Diöcesen gefeiert wurde. Er
begegnete sich darin mit den Bestrebungen des Prager Erz-
bischofs Johann von Jenzenstein^ der ebenfalls eifrig Propa-
ganda für dieses Fest machte. Er bestimmte femer, dass
auch an dem Frohnleichnamsfeste in unter dem Interdicte
befindlichen Kirchen die Glocken geläutet und das Sacra-
ment bei offenen Türen gefeiert würde, mit Ausschluss je-
doch der Excommunicirten ; eine Bestimmung, die schon des-
wegen notwendig war, weil er die Strafe des Interdictes
selbst nur zu oft verhängte. Denen, welche der zu Krank«)
oder Gefangenen getragenen Eucharistie in andächtiger Vei^
ehrung folgen, gewährte er einen Ablass von hundert Tagen.
Endlich traf er Bestimmungen, um die Seisorge der Orts-
pfarrer gegenüber der erfolgreichen Concurrenz, welche ihnen
die Bettelmönche machten, zu schützen. Doch ist der grösste
Teil dieser Anordnungen erst durch seinen Nachfolger oflS-
ciell verkündigt worden.
Ein Papst von dem Schlage Urban's konnte nur un-
günstig beurteilt werden. Die meiste Anhänglichkeit hat er
bei zwei Deutschen, beide Westfalen, geftmden, welche aller-
dings sehr verschieden über ihn urteilen. Beide standen
Urban persönlich sehr nahe. Gobelinus Persona steht ganz
auf seiner Seite, er ist überzeugt, dass jene Cardinäle, deren
jammervolles Schicksal ein unvertilgbarer dimkeler Fleck
in Urban's Pontificat bleibt, schuldig waren und im Ghimde
nur gerechte Strafe litten; er erzählt die Geschichte der
wüsten Episode von Nocera, ohne aus ihr irgend einen Vor-
wurf für den Papst abzuleiten, er bemüht sich, von der
kirchlichen Tätigkeit Urban's zu retten, was sich retten Hess.
Als er nach Jahren wieder nach Rom kam und die imwür-
dige Begräbnisstätte seines ehemaligen Gönners sah, heftete
er dankbaren Gemütes lobpreisende Verse, in denen er den
Papst an Mut den Machabäem gleichstellte, auf einem Holz-
täfelchen an den Sarg. „Aber sie wurden abgerissen von
den Neidern seines Lobes." Dietrich von Niem dagegen
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PAPST tJRBAN VI. 541
iiält mit dem scharfen Tadel gegen den Papst keineswegs
^aorüok; die dunkelen Seiten seines Charakters hebt er viel-
mdir mit Nachdruck hervor und weiss sie mit den leb-
haftesten F«ai>en zu malen, wie das überhaupt seine Art ist;
einzelne Seenen effectvoll zu schildern. Ab^ man fbhh doch
durch; dass er trotz alledem eine warme Hinneigung zu Urban
bewsüirte ; er allein von allen öeschichtsschreibera seiner Zeit
lässt uns in das Innere Urban's blicken^ er alldn zeigt ihn
tms als Menschen; der zwar von massloser LeidenschaiUich-
kext hing^issen wurdC; aber doch nicht ganz ohaie Herz und
weichereB Geßihl war. Jenen Franz von ButillO; für den
Urban eine so verderblidie Vorliebe besass, schildert Die-
trich als den verworfensten Mensdien; vidleicht übertreibend;
aber doch beurteilt er das Verhältnis zwischen Oheim und
Neffen in menschlicher; in ihrem Schlüsse fast versöhnender
Weise.
In der bunten Reihe der römischen Päpste ; welche ein
wechselndes Kid aller Seiten des menschlichen Geistes , der
guten wie der schlimmen; darbieten; nimmt Urban eine be-
merkenswerte Stelle ein. Er würde ; hätte er in ruhagen
Zeiten der Christenheit vorgestanden; wahrscheinlich zu den
Päpsten zählen; welche ihre Würde mit vollem Ernst auf-
fassten und ihre Pflichten mit Eifer und Erfolg «["ßülten.
Sein Unglück war, dass er gewählt wurde in einem überaus
kritischen Momente; in dem es galt; die Entwicklung; welche
das Papsttum in den sieben letzten Jahrzehnten genonmien;
80 zu sagen ungeschehen zu machen und eine Brücke über
die jüngst vergangene Periode zu der Irüheren hinüberzu-
sdblagen. Die Elemente jedoch; auf welche er sich zunächst
stützen musstC; die Cardinälc; wollten das gerade Gegenteil.
Damit war der Conflict als ein unvermeidlicher gegeben und
nicht allein sein tacdoses Benehmen; mag man es auch mis-
billigen; hat ihn heraufbeschworen. Nicht hier liegt sein
Verschulden: das Schisma wurde bewirkt durch die Macht
der Verhältnisse. Aber des Papstes Schidd war; dass er es
nicht bezwingen konnte; dass es weiter wucherte. Es war
keinesw^s eine neue Erscheinung in der römischen Eorche;
dass zwiespältige Cardinäle eine DoppelwaU veranlassten.
Zeitschr. f. K.-O. lU, 4. 37
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542 LINDNER;
Innocenz 11. stand Anaclet; Alexander DI. Victor gegenüber.
Aber beide Male erlangte der eine Papst ein so unzweifel-
haftes Uebergewicht, dass der andere ftlr die allgemdne
Kirche wenig in Betracht kam 5 selbst unter dem gewaltigen
Friedrich I. hatte Alexander einen entschiedenen Vorrang
vor Victor besessen. Anders ging es unter Urban. Aber
auch hier sind seine moralischen Schattenseiten, namenüicfa
sein unsinniges Wüten gegen die angeschuldigten CardinlUe,
nicht von so grossem Einflüsse gewesen, wie man gewöhn-
lich annimmt. Vielmehr schädigte Urban sich selbst durch
seine fehlerhafte Politik, indem er die Allgemeinheit über
einseitigen und selbstsüchtigen Zwecken aus den Augen
verlor. So gelang es dem gegnerischen Papsttum sich zu
behaupten.
Es verlohnt sich der Mühe, einen Blick zu werfen auf
die Stellung, welche die europäischen Staaten zimi Schisma
einnahmen, als Urban starb.
Im allgemeinen war die Sachlage nicht viel andeiB
geworden, als sie sich gleich in den ersten Jahren gestaltet
hatte. In Italien war Neapel zuletzt glücklich von Clemens
behauptet worden, während Sicilien, die übrigen Fürsten
und Herren, etwa ausser Savoyen, und auch die grossen
Communen bei Urban blieben ; doch gewann die Concilsidee,
namentlich in dem durch seine Verbindungen mit Frank-
reich wichtigen Florenz mehr imd mehr Boden. In Spanien
dagegen war eine Wendung zum schlechteren erfolgt Dort
hatte gleich anfangs der gesunde Gedanke der Neutralität
viel Anklang gefunden; aber wie wir sahen, erkannte Ca-
stilien schon 1381 Clemens an, und diesem Beispiele folgten
Navarra und einige Jahre später Aragonien; nur Portugal,
durch die Politik eng an England geknüpft, stand zu Urban.
Frankreich blieb der feste Hort des Avignonesen und grade
die Neapolitanische Frage sicherte dessen Einfluss 5 in den-
selben Tagen, in denen Urban dahinschied, war König
Karl VI. auf der Reise nach Avignon, um dort der feier-
lichen Krönung des jimgen Ludwig von Anjou zum Könige
von Jerusalem, Neapel und Sicilien beizuwohnen. Aber
wenn auch die Pariser Universität der Gewalt gewichen war
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PAPST UBBAN VI. 543
tmd sich für Clemens entschieden hatte^ im Stillen waren
doch die meisten Glieder desselben von seinem ausschliess-
lichen Rechte nicht fest überzeugt imd trachteten nach dem
endgültigen Entscheide eines Condls. Aehnlich dachten
viele Vertreter der Geistlichkeit. So bestechend der Glanz
der avignonesischen Curie auf entfernte Kreise wirkte, in
Frankreich sah man ihn mit sehr geteilten Gefühlen an,
denn dieses Land musste ihn fast allein bezahlen, fast allein
die unermesslichen Geldsummen aufbringen, zu denen sonst
das ganze Abendland beisteuerte. Mit^einem gewissen Neid
sah man nach den Ländern, welche die rauhe, prunklose
Curie ürban's als die ihrige betrachteten, und wie das immer
zu geschehen pflegt, hielt man die dortigen Zustände fUr
viel günstiger als sie in der Tat waren. „ Unter Urban blieb
die Kirche frei von Zehnten, mit freier Wahl besetzte sie
die hohen Würdenstellen, die Erteilung von Beneficien und
Aemtem lag in der Hand der Diöcesen imd Kirchen-Patrone.
Clemens dagegen, unterstützt vom Könige und den Grossen,
war der scUinmiste Feind der Kirchen imd ihrer Freiheit,
ihre Besitzimgen ruinirte er durch häufige Zehnten bis zur
äussersten Erschöpfung, so dass, während die heiligen Stätten
mit Schulden überhäuft waren, die päpstliche Kammer
Schätze auf Schätze häufte." ^) So sicher war demnach das
avignonesische Papsttum in Frankreich nicht begründet, als
es den Anscheia hatte. Li Flandern hielt das Land, trotz
des Uebergang^s der Herrschaft an das Burgundische Haus,
an der einmal ergriffenen Obedienz von Rom fest.
Während die Romanen vorwiegend zu Avignon standen^
hielten die Länder germanischer Zunge zu Rom, unbewusst
zugleich einem natürlichen wie geschichtlichen Zuge folgend.
England blieb seiner einmal ergriffenen Rolle getreu und
Richard hat für Urban einen bemerkenswerten Eifer ent-
faltet; selbst der Unwille, welchen einst Pileus so gut wie
frühere päpstliche Legaten durch seine schamlose Geldwirt-
schaft im Lande hervorgerufen hatte, tat diesmal der all-
gemeinen Sache keinen Eintrag. Als besonderer Triumph
1) Chronique du r^gieux de St. D^nis I, 85.
37*
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544 LDTDNERy
des gegenwärtigeii Papstes wurde die freifich nur Bchem-
bare Unterdrückiing der wicli£fitiBcheii Ketzerei betrachtet —
Die Femdschafi Ei^lands g^en das mit Frankreich Ter-
bündete Schottland erklärt genügend; dass letzteres Avignon
als Metropole ainerkannta
LoL Deutschland standen die Dinge nicfat schlecht Zwar
wühlte noch unmer die ckmentistische Partei und errang
infolge der poUtischen Zersplitterung manche kleinen Vor-
teile ^ aber seitdem Leopold in der Sempacher Schlacht
ge&llen, war ihr die feste Qrundlage entzogen^ d^ Heerd
ihrer Agitation gelöscht Ah ein Gottesurteil wurde daher
yon den Urbanisten der Tod des Herzogs gefeiert. Die
Erzbischöfe; die Bischöfe und die grossen Fürsten hielten
iareu zu Rom, wenn auch bei den kleineren Herr^Q augsi-
blickliche Vorteile gelegentlich eine Schwankung herbd-
fiibrten. Der König selbst erAillte allerdings -wemg die
Hoffinmgen, weldbe Urban auf ihn gesetat; die Rom&hrt
wurde immer weiter hinausgeschoben und die erneute Ueber^
tragung des italischen Vicariates an Jost von Mähren, welche
in den letzten Lebenswochen Urban's steUitfand^ eeigte noch-
mals; dass der König solche Qedanken so gut wie ange-
geben hatta Wenzel's fortdauernd güns%es Verhältnis zu
Frankreich; welches auch durch die neapolitanische Frage
nicht g^Tübt wurde ; liess es nicht unmdgUch erseheinen;
dass er bei vorkommender Gelegenheit auch in der Kirchen-
frage von der bisberigea unbedingten An^kennung der
einen Obedienz zu einem vermittehiden Standpunkte über-
ginge. Abcff solche Gtedanken wurden keineswegs von der
grossen Menge der Ueiehsst&nde geteilt; und das gmnge
Anseh^i; welches die Krone besass; liess nicht beftbrchteii;
dass sie mit ihren Aneichten durchdrang. Indessen musste
Urban darauf bedacht sehi; den König sich geneigt zu haltrai.
Wenzel; der die deutschen Bischofssitze g^n mit seinen Lieb-
lingen besetzte; richtete oft genug darauf bezügliche Forde-
rungen an Urban ; die dieser auch soweit es anging zu
erfüllen strd>te. Abw da der König meist bei den mh-
interessirten Fürsten Widerstand fand; musste er gewöhn-
lich nachgeben; und die Curie hatte dann keine Veranlassung;
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PAPfirr UBBAN VI. 546
iJtürerseite bei de» an&D^tktb in Aueeadit genommenen Oaen*
4jdAten %VL MiuiJTen und ftir den König die Kastanien am
dem Feuer »u holen, lieber DeutacUand« Unkimg konnte
Rom demnadi beruhigt «ein.
Ebenso über Ungarn. Sigmund war es geglückt, die
&ADzö»9cbep:x Anschlüge auf die Hand der Maria, deren Gb*
lingen notwendig auch die kirchliche SteUnxng des Landes
beeinflusst haben würde, su hintertreiben und selbst die
Yidheh und heiss umstrittenfi Krone davonzutragen. Seine
Lage in dem unruhevoUcn, von ehrgeösdgen und gewali-
tätigen Magnaten bdierrsehten, Landie war aUerdings nicht
die erfireulich^, und die Qeldverlegenheit, welche fitr sein
ganzes Leben so charakteristisch ist, blieb atets dieselbe. In
ricbtiger Würdigung dieser Yedbältnisse entschloss sieh d^
Papst, von alkugrossen Anforderungen an den nngarisdien
Klerus abmiseben^ um nieht eine ge&hrliche Abneigung ein^
wurzeln zu lassen.
Auch Polen gehörte zu den Verehrern des römischen
Stuhles, und hier hat Urban's Pontificat einen Fortschritt
zu verzeichnen, wie ihn die römische Kirche seit Jahr-
hunderten nicht erlebt hatte. Das letzte Volk in Europa,
abgesehen von dem hohen unwirtlichen Norden Skan-
dinaviens, welches noch zum Heidentum hielt, die Litthauer
mit ihrem weiten Landgebiete, wurden durch den Ueber-
tritt ihres Grossfursten Jagiello, der unter dem christlichen
Namen Wladislaw die ungarische Hedwig zur Gemahlin und
mit ihr die polnische Königskrone gewann, dem Gebiete des
römischen Papsttums hinzugefugt und so dessen Autorität
weit hinein in die russische Ebene verbreitet. Da die
griechische Barche durch das siegreiche Vordringen der Türken
mehr und mehr an Baum einbüsste, eröffiiete sich demnach
die Aussicht, sie dereinst ganz mit der abendländischen zu
verschmelzen.
Auch auf die Ergebenheit der drei nordischen Reiche,
Dänemarks, Schwedens imd Norwegens keimte Urban
rechnen; doch kamen sie wenig in Betracht So war der
Kreis, den die römische Obedienz umfasste, ein viel ausge-
dehnterer, als der des G^genpapstes. Aber das war kein
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646 LINDNEBy PAPST URBAN VI.
persönliches Verdienst Urban'S; man kann sagen, trotz seiner
Führung bUeb ein so grosser Teil des Abendlandes Rom
getreu. Vielmehr gaben die politischen Verhältnisse tmd
Interessen der einzelnen Staaten in letzter Linie den Aus-
schlag. Es zeigte sich, dass die selbständige Entwicklung
der europäischen Staaten bereits so weit vorgeschritten war,
dass das Papsttum derselben sich unterordnen musste. Durdi
die avignonesische Periode vorbereitet ist dieser entscheidende
Umschwung der bisherigen Verhältnisse zur unumstösslichen
Tatsache geworden. Damit wurde eine neue Zeit des
europäischen Staatenlebens wie des geistigen Fortschrittes
eröfiBiet; vom Jahre 1378 ab darf man bereits das Befor-
mationszeitalter rechnen.
Darin aber liegt die historische Bedeutung Urban's, dass
er dieser Entwickelung nicht vorzubeugen vermochte, dass
er sie wider Willen durch sein Verhalten förderte und unwider-
ruflich werden liess.
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Kritische Uebersicht
Aber die kircheDgeschJchtlichen Arbeiten
der letzten Jahre.
Geschichte der Eeformation in der Schweiz.
(Die Literatur der Jahre 1875 — 1878.)
Von
Prof. fiudolf Staehelin in Basel.
I. Werke allgemeinen Inhaltes.
L Arohiv fOr die sohweizerisohe BeformationBgeBOhiohte , her-
ausgegeben auf Veranstaltung des schweizerischen Piusyereins.
m. Bd. Solothum 1876. (VI u. 693 8. gr. 8.)
2. Die eidgenÖBBiflohen Abschiede aus dem Zeitraum yon 1521
bis 1582 bearbeitet von Dr. Job. Strickler (Bd. IV, Abth. 1
der auf Anordnung der schweizerischen Bundesbehörden veran-
stalteten „Sammlimg der älteren eidgenössischen Abschiede").
Brugg 1873 und 1876. 2 Bde. (1551 und 1609 S. 4.)
8. AotenBammlung zur schweizerischen Reformationsgeschichte in
den Jahren 1521 bis 1532 im Anschluss an die gleichzeitigen
eidgenössischen Abschiede bearbeitet und herausgegeben von Dr.
Johann Strickler, Staatsarchivar des Cantons Zürich. I. Bd.
. (1521—1528). Zürich 1878. (VU u. 726 S. gr. 8.)
4. Mörikofer, Die evangelischen Flüchtlinge in der Schweiz. Leip-
zig 1876. (437 S. 8.)
6. H. Weber, Geschichte des ELirchengesanges in der deutschen
reformirten Schweiz seit der Reformation. Mit genauer Beschrei-
bung der Kirchengesangbücher des 16. Jahrhunderts. Zürich 1876.
(248 S. 8).
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548 KRITISCHE ÜBEBSICHTEN.
6. J. J. Mesger, Geschichte der deutschen Bibelübersetzungen in
der schweizerisch reformirten Barche von der Reformation bis zur
Gegenwart. Ein Beitrag zur Geschichte der reformirten Kirche.
Basel 1876. (VUI u. 428 S. 8.)
E^aum giebt es im Umkreis unserer kirchengeschicht-
liehen Literatur ein Gebiet, auf welchem dieselbe so wdit
hinter dem Bedürfiois zurückgeblieben ist als auf dem der
allgemeinen schweizerischen Reformationsgeschichte. Mit dem
Jahre 7 mit welchem diese Uebersicht abachüesst^ sind nun
grade hundertundsiebzig Jahre verflossen, seitdem die letzte
selbständige Darstellung derselben in deutscher, und hundert-
undflinfzig, seitdem eine solche in französischer Sprache
erschienen ist ^). Da auch die in unserm Jahrhundert ver-
anstalteten neuen Ausgaben dieser beiden Werke ihren
Wert lediglich in den hinzugefügten Ergänzungen, nieht in
einer neuen Durcharbeitung des Stofifee selbst haben *) und
andrerseits die Darstellungen der allgemeinen Reformations-
geschichte ihre so eigenartige imd mannigfaltige Gestaltung
in der Schweiz unmöglich so, wie dieselbe es fordert, berück-
sichtigen können, so fehlt es bis zur Stunde noch an einem
Werke, in welchem die in der Zwischenzeit doch so reich-
lich und zum Teil so ergiebig gepflegte Einzelforschung in
irgendwie genügender Weise zu einem neuen Gesammtbild
verarbeitet imd das, was die seitherige fast ausschlieaalich
biographische Geschichtschreibung in seiner persönlichen und
local^i Vereinzelung hingestellt hat, mm auch als Teile
eines nationalen Grenzen und eines, wenn auch nicht überall
einheitlichen, doch in sich zusammenhangenden und von
gleichen religiös-politischen Motiven getragenen Gesammt-
1) J. J. Hottinger, HeWetische KirchengeBchidite. Dritter
Theill708. — Abr.&uohat, Histoire de la r^formation de la Suisse.
1727—1728. 6 vol.
s) Dies gut besonders von der neuen Ausgabe Suchat's durch
Vuillemin (1836—1838, 7 vd.), wo die Erweiterung bloss in dem
Abdruck der unedirt gebliebenen Fortsetzung von Ruchat selbst be-
steht; die neue Bearbeitupig von Hottinger durch Wirz und Kirch-
hof er (1808—1819, 5 Bde.) reicht nur bis 1523.
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GESCH. DER REFORM. IN DER SCHWEIZ 1875—1878. 549
verlauiV xwc Ansehauuiig gebracht wäre ^). Immerhin wird
grade der hier zu besprechende Zeitraum^ wenn er auch diese»
Bedürfnis selber noch nicht gestillt hat^ wenigstens was die Vor-
bereitung und die Vorarbeit för eine solche Aufgabe betrifft^
keine unrühmliche Stelle einnehmen; wir sehen in ihm (dxirek
Kr. 1 — 3 der oben genannten Werke) ein^i auf diesem Ge-
biet gradezu einzig dastehenden Keichtum von Acten imd
urkundlichen Mitteilungen zu Tage gefördert, welche das
Studium jener Geschichte in der glücklichsten Weise zu
fordern geeignet siod^ xmd so ist^ wenn auch noch kein
neuer Bau errichtet^ doch ergiebiger als seit Langem an der
Herstellung derjenigen Grundlage gearbeitet worden^ auf
welcher allein ein solcher Keubau in sicherer und erspriessr
lieber Weise wird können angeführt werden.
Die unter Nr. 1 angeführte Sammlung ist die Fort-
setzung eines von dem schweizerisch^i Piusverein ausge-
gangenen Unternehmens ; das sich zum Zweck gesetzt hat^
das Material zu einer ^^ urkundlich treuen und unparteüsdben
Reformationsgeschichte ^' der Schweiz zusammenzustellen *).
Sde ist also katholischen Ursprungs und hat denselben auch
trotz jener Prätension der Unparteilichkeit in diesen so wenig
^) L. Vuillemin, Histoire de la conf^^ration Suisse (Lau-
ßanne 1876, 2 vol.) giebt in dem betreffenden Abschnitt (U, p. 1—94)
das oben Grewünschte wenigstens in seinen Grundzügen. Derselbe ist
eine zwar kurze, aber mit Meisterhand gezeichnete Skizze der Refor-
Boationsgeschichte, in welcher ebensowohl die leitenden PersSnKch-
*keiten mit wenigen Zügen treffend gezeichnet als auch die Be-
ziehungen ihres Auftretens und ihrer Erfolge zu den allgemeinen
politischen und geistigen Zuständen gut ins Licht gestellt sind. Ich
verweise namentlich auf die Schilderung der Bewegung in Bern.
(p. 25 f.) und in Genf (p. 50 f.). In der Gesammtauffassung dagegen
ISest sich der religiöse GesiehtcFpunkt zu sehr vermissen; die Refbr-
mation wird vorwiegend ab das Eintreten der wissen «chafttichen.
Reflexion und Aufklärung in den kirchlichen Glauben und zu wenig
als eine Tat und Vertiefung dieses Glaubens selbst begriffen.
*) 8. die Vorrede zum ersten Band (1868), welcher durch den
Abdruck der vom katholischen Standpunkt aus geschriebenen Refor-
mationschromk des Job. Salat (über denselben s. unten) besondere
wertvoll ist. Bd. II (1872) ist von untergeordneter Bedeutung.
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550 KRITISCHE ÜBERSICHTEN. STAEHEUN;
als in den vorhergegangenen Bänden yerleugnei Um nst/A
der auch im neuen Vorwort wiederholten Bestimmung ^^das
Material zu einer urkundlichen Darstellung der Reformatioiis-
zeit^' darzubieten ; ;;die Bausteine zusammenzutragen^ ans
denen später eine actenmässige; unparteiische ^ kritische Ge-
schichte der Reformation verfasst werden kann^'^ müsste die
Auswahl doch weniger einseitig getroffen sein, als es tat-
sächlich hier der Fall ist, und es wäre jedenfSedls am Platze
gewesen, den ftir eine solche Sammlung einzelner Beiträge
überhaupt etwas hochgegriffenen Titel: Archiv, durch das
ihm gebührende Eigenschaftswort: Katholisches, deutlicher zu
bestimmen. Aber hat auch an der Auswahl das Partei-
interesse seinen Anteil, so ist doch anzuerkennen, dass die
Docimiente selbst mit unparteiischer Treue und Genauigkeit
wiedergegeben sind, und auch jene Einseitigkeit der Aus-
wahl schliesst ihrerseits wieder grade fUr die protestantische
Forschung den doppelten Vorzug ein, einmal dass ihr
Docimiente zugänglich gemacht werden, welche sie sonst
wohl schwerlich in diesem Umfang in Beachtung zu ziehen
Gelegenheit hätte, und dass ihr zweitens durch die eigen-
tümliche Beleuchtung, in welche durch die hier vereinigten,
vom katholischen Standpunkt aus gemachten Au&eichnungen
die Ereignisse gestellt sind, eine um so objectivere Auffassung
derselben ermöglicht sein wird. In ersterer Beziehung wird
man in diesem Bande namentlich den Abdruck des Luzemer
Geheimbuches und der Acten über die Bündnisse der katho-
lischen Stände mit Rom und Oestreich willkommen heissen;
in letzterer Beziehung ist beachtenswert die „Denkschrift
der Piiorin und Schwestern in sant Catharina Tal bei
Diessenhofen, wie sie in der Zwinglischen uffiruor ir Qt)tts-
haus so sauer erstritten und erhalten hand'^ — die Erzäh-
lung einer einzelnen Episode, die aber doch auch auf die
allgemeine Durchführung der Reformation in jenen G^en-
den ihr Licht wirft imd durch die anschauliche, überall die
persönliche Mitbeteiligung verratende Schilderung sowohl
der Angriffe wie des ritterlichen Widerstandes jener Nonnen
nicht ohne Reiz ist — , während das zweite, grössere Stück
dieser Art, die Reformationschronik des dem alten Glauben
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QESGH. DER REFORM. IN DER SCHWEIZ 1875—1878. 551
treu gebliebenen Priesters Heinrich von Küssenberg; abge-
sehen von einzebien für die Localgeschichte wertvollen
Zügen; in ihrer rohen und oberflächUchen Auffassung ^)
hauptsächlich als ein Zeugnis von der bei den Gegnern
herrschenden Verständnislosigkeit für die reformatorische
Bew^ung Bedeutung hat und überdies in der vorliegenden
Gestalt in weit höherem Masse ; als es der Herausgeber
Wort hat, überarbeitet ist *). Vollends der am Schluss abge-
druckte ;; Anhang des Cappelerkrieges^S von dem Heraus-
geber dem damaligen Züricher Stadtschreiber Wemher ßiel
zugeschrieben imd mit Emphase als ein neu entdeckter ,; Griff
aus dem Leben*' jener Zeit eingeführt; ist bis aufs Wort hin-
aus; wenn auch hie und da nicht in so ursprünglicher oder
ausführlicher Fassung; in Bullinger's Reformationschronik
(HI; 258 ff.) zu lesen I Eine verdienstvolle Einleitung zu dem
Bande ist dagegen die Uebersicht über die Literatur der
schweizerischen Reformationsgeschichte von 1788 bis 1871;
sie ist die Fortsetzung der im ersten Band des Archivs ver-
öffentUchten Zusammenstellung derselben aus der bis 1788
reichenden ;; Bibliothek der Schweizergeschichte'' von E. von
Haller imd bildet im Zusammenhang mit ihr eine leider nicht
lückenlose; aber immerhin brauchbare; auch Entlegenes be-
rücksichtigende und dabei gutgeordnete Bibliographie; deren
besondere Herausgabe sich unter Voraussetzung der nötigen
Ergänzungen angesichts der schon durch seinen Umfang
bedingten geringeren Verbreitung des Gesammtwerkes wohl
rechtfertigen würde.
Ein Quellenwerk andrer Art ist die imter Nr. 2 imd 3
genannte grosse Urkundensammlung des Züricher Archivars
Joh. Strick 1er. Während das „Archiv" mit seinen Docu-
menten oft bis weit in das siebzehnte Jahrhundert hin-
überführt; beschränkt sich diese auf die elf Jahre, in denen
die Reformation in der deutschen Schweiz zum Abschluss
1) Vgl. S. 452 über Zwingli'8 Tod: „und wäre also dieser ver-
fluchte Ertzketzer crepirt".
») Redet doch der Verfasser S. 419 von einem „Calvmismus"
Hubmeyer's im Jahre 1524, und ebenso S. 429 von einem solchen in
Konstanz 1526!
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552 KRITISCHE ÜBERSICHTEN.
gekommen ist, zieht aber aus diesem Zeitraum nun anch
lUIes in ihren Bereich, was von Staatsurkunden filr die
Kenntnis desselben irgendwie erheblich erschien, und bringt
es im Gegensatz zu der plan- und ordnungslosen Art jener
ersten Sammlung in zwei planm&ssig angelegten und chrono-
logisch wohlgeordneten Reihen zum Abdruck. Die erste ist
die im Zusammenhang eines grosseren, auf die ganze filtere
Geschichte der Schweiz sich erstreckenden Unternehmens dem
Verfasser übertragene Sammlung der Tagsatzungsbeschlüsse
aus jener Zeit, in der er sich indes bereits lange nicht mit
dem Abdruck der amtlichen ProtocoDe begnügt, sondern
denselben noch ein reiches anderweitiges Actenmaterial zur
Erläuterung und VervoUstfindigung an die Seite gestellt hat,
so dass schon dieses Werk auch für die Kenntnis der
kirchlichen Bew^ungen mannigfache Ausbeute in sich
schliesst; noch mehr ist dies in der zweiten Veröflfentlichung
(Nr. 3) der Fall, welche zur Ergänzung jener ersten
Sammlung bestimmt ist; in den vier Bänden, auf welche
sie angelegt ist, sollen noch etwa 8000 Actenstücke zur Ver-
deutlichung gelangen imd damit das ganze in den Archiven
zerstreute amtUche Actenmaterial zur Geschichte der Schweiz
während der Reformationszeit in übersichtlicher Anordnung
der Forschung zur Verfiigung gestellt werden. Die eigent-
lichen Refbrmationsacten , sowie die der inneren Geschichte
der einzelnen Kantone angehörenden Documente »nd dabei
allerdings von der Sammlung ausgeschlossen ; es ist d^ amt-
liche Verkehr der Stände mit einander, mit ihren verschie-
denen Vertretern und G^esandten und mit dem Auslande, die
eingegangenen Kundschaften u. s. w., was hier in semer
urkundlichen Bezeugung zur Darstellung kommt; sie ze%t
also, auf ihren kirchenhistorischen Wert hin anges^en,
nicht die reformatorische Bewegung selbst, sondern bloss ihre
politkchen und kirchenpolitisdien Vorbereitungen und F<^g^
und auch diese weniger wie sie ihren Verlauf in den ein-
zelnen kantonalen Kirchen hatten, als wie sie in den Be-
ziehungen der Kantone zu einander und zum Ausland zur
Erscheinung kommen; aber grade in dieser Beschränkung
liegt der eigentümliche Gewinn, den nun auch die Befor^
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GESCH. D£B B£FORH. IN DER SCHWEIZ 1675—1878. 5^
mationageschicbte im engeren Sinn abgesehen von der Klar-
Stellung so mancher Einzelheiten ans ihr zu ziehen im Stande
sein wird: sie ateUt sie in einen geschichtUchen Zusammen-
hang; welchen die speciell ihr zugewandte Forschung bis
jetzt noch viel zu wenig in ihren Gesichtskreis hindnge-
zogen hat und auch nicht von sich aus in seinem ganzeai
Umfang zu überblicken im Stande wärC; und ohne dessen
fortwährende Berücksichtigung sie doch niemals zu einem
rechten Verständnis ihres Gegenstandes wird gelangen kennen.
Wie eng namentlich bei Zwingli die Au%abe dee kirchh
lichen Reformators mit derjenigen des Patrioten und Staats-
manns und wiederum das Schicksal seines kirchlichen Refor-
mationswerkes mit den politischen Zuständen verknüpft war,
hat, nachdem zuerst Ranke ^) und Bluntschli ^) darauf hinge-
wiesen, namentlich Hundeshagen in seiner Abhandlimg über
,,das Reformationswerk Ulrich Zwingli's" geistvoll und über-
zeugend ^itwickelt *); recht deutlich aber wird dieses Ver-
hältnis doch erst aus dieser Strickler'schen Actensammhing,
wo schon der Umstand bezeichnend ist, dass der religiöse
Zwiespalt erst erwähnt wird, nachdem schon lange vorher
der Name ZwingU's wegen seiner Bekämpftmg des iranz5si-
fichen Bündnisses verhasst geworden war, und die ersten
Klagen, die g^en ihn laut werden, darin bestehen, dass er
die Luzemer auf der Kanzel Blutverkäufer genannt habe. Für
den Verlauf der Reformation sind dann besonders die Be-
richte aus den sogenannten gemeinen Herrschaften wertvoll.
Koch ehe in Zürich selbst an den alten Institutionen ge-
rüttelt wird, sehen wir hier von einzehien entschlossen^;!
Predigern den Kampf gegen dieselben auigenommen, aber
freilich dadurch auch von Seite der altgläubigen Vögte eine
Beaction dagegen ausgehen, an welchar schliesslich d^ innere
1) Deutsche Geschichte im Zeitalter der BefonnatiojL 3. Bd.
(V. Buch, 3. cap.y
2) Greschichte der Republik Zürich, 1848, Bd. II , und besonders
<jeacfaicbte des schweizerischen Bundesrechtes, 1849, Bd. I.
s) Beitxäge ua KiidheiiTerfiftssungsgeschichte und Rirchenpolillk
I, 1864.
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554 KRITISCHE ÜBERSICHTEN.
Krieg in der Eidgenossenschaft fast mit Notwendigkeit sich
entzünden musste. Mit dem Vorgehen Zürichs wird aucb
hier das Auftreten der evangehschen Partei entschiedener^
ihr Widerstand gegen die ünterdrückungsversuche der Vögte
kräftiger. Besondere Teikiahme nimmt dabei der infolge
des Ittinger Klostersturmes hingerichtete Untervogt von
Stammheim, Hans Wirth, in Anspruch, dessen tapfere Ver-
antwortung und glaubensfreudiges Ende Bullinger in so
ergreifender Weise erzählt hat, und von dem die hier mitge-
teilten Documente weiter zeigen, wie er schon früher als
das Haupt der Evangelischen in seiner Gemeinde sich aus-
zeichnete, ihr entschlossenes Vorgehen gegen Bilder und
Messe leitete und in seinen etwas ungelenk, aber treuherzig
geschriebenen Briefen ihr Interesse bei Zürich vertrat,
während zwei seiner Söhne, die beide den Vater später noch
in sein Gefängnis, der eine sogar in den Tod begleiten
sollten, als Geistüche im gleichen evangelischen Sinn unter
ihm wirkten; wir lernen ihn so aus dieser Actensammlung
nicht nur wie bisher erst in seinem Tode als den ersten
Blutzeugen, sondern auch in seinem Leben und Wirken,
seiner Sorge flir die evangelische Predigt und seinem Ein-
stehen fiir deren Freiheit gegenüber der geistlichen imd
weltlichen Obrigkeit als einen der ersten Vorkämpfer fiir
die Reformation in der Schweiz kennen und ebenso auch
jene Hinrichtung auf dem Tag zu Baden in ihren letzten
Motiven erst recht verstehen. Noch zahlreicher wird natür-
lich in den folgenden Jahren dieses der Reformations-
geschichte auch immittelbar zu Gute kommende Actenmaterial;
hofifen wir, dass das fortdauernde Interesse der beteiligten
Kreise es dem Herausgeber möglich machen werde, das ver-
dienstliche Unternehmen zu seiner Vollendimg zu bringen;
wie die Sammlung der „Abschiede" erst als Ganzes und
durch das ihr beigegebene sehr umsichtig gearbeitete Register
ihren vollen Wert erhalten hat, so wird auch die sich an-
schliessende „Actensammlung" erst in dieser ihrer Voll-
endung, zu welcher gleichfalls ein ausfiihrliches Register sowie
ein Verzeichnis der zeitgenössischen Literatur gehören soll,
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GESCH. DER REFORM. IN DER SCHWEIZ 1875-1878. 555
nach ihrer ganzen Bedeutung für die Keformationsgeschichte
gewürdigt und verwertet werden können ^).
Auch in Mörikofer's Geschichte der evangeli-
schen Flüchtlinge in der Schweiz, die zugleich als
die letzte im hohen Greisenalter ausgeführte Arbeit eines
der verdientesten Schriftsteller auf dem Gebiet der neueren
schweizerischen Kirchengeschichte erwähnt zu werden ver-
dient *), werden wir wie so vielfach in den eben besprochenen
Urkundensammlimgen vor die Beziehungen der schweizerischen
Reformation zum Ausland hingestellt und an die schon
durch die geographische Lage der Schweiz bedingte tief-
greifende Bedeutung derselben für deren Geist und Gestaltung
erinnert. Sie ist ein ergreifendes Gemälde der mannigfachen
Leiden und Verfolgungen, durch welche im Laufe des 1 6. und
17. Jahrhunderts Protestanten fast aus allen europäischen
Ländern, aus England, Frankreich, Spanien, Italien, Oester-
reich, Ungarn in die Schweiz getrieben worden sind, —
um so ergreifender, als der Verfasser ohne Schmuck und
Zutat einfach die actenmässig überlieferten Tatsachen wieder-
giebt; aber sie zeigt auch die immer neue Bereitwilligkeit,
mit welcher die schweizerischen Städte oft mit den empfind-
lichsten Opfern dieselben aufgenommen, sowie andererseits
den reichen, geistigen imd auch materiellen Segen, den sie
1) Ausführlicher, als es hier geschehen konnte, ist der aus die-
sen Sammlungen zu entnehmende historische Gewinn in Bezug auf
einzelne Punkte, z. B. den Bauernkrieg, dargelegt von G.Meyer von
Knonau in der Abhandlung: Aus der schweizerischen Geschichte
zur Zeit der Reformation und Gegenreformation. Historische Zeit-
schrift 1878, I. Vgl. auch Literar. Centralbl. 1876, Nr. 4; 1878, Nr. 9.
Theologische Literaturzeitung 1878, Nr. 23.
2) Mörikofer starb 1877. Die schweizerische Kirchengeschichte
verdankt ihm neben diesem seinem letzten Werke, welches 1878 auch
in einer französischen Uebersetzimg (von Roux) erschienen ist (Paris,
Sandoz et Fischbacher), die Biographien Zwingli's (2 Bde., Leipzig
1867 — 1869; die beste, die wir überhaupt über den Reformator be-
sitzen) und Breitinger's (Leipzig 1873), femer eine grade die religiöse
Seite besonders glücklich behandelnde Geschieht« der schweizerischen
Literatur im 18. Jahrh. (1861) und „Bilder aus dem kirchlichen Leben
der Schweiz" (1864).
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J
656 KRITISCHE ÜBERSICHTEN. BTAEHBLIK;
durdi diese Aufiiahme über ihre Kirche xuid ihr Land ge-
bracht haben; und es tut wohl; nachdem mui durch jene
politischen Acten so vielfach an die schnöde Abhängigkeit
vom Ausland erinnert worden ist; in welche die Schweis
durch ihre fremden Bündnisse und PcMon^i «ich hineinbe-
geben hat und in welche auch die reformirten Kantone aflen
Bemühungen und Mahnungen ihres Reformators zum Trote
fiich wieder haben hinrinziehen lassen; hier auf dem G^ebiel
der Kirche und der christlichen Bnideriiebe sie wieder tni
imd selbständig und gebend statt nehmend anzutreffsn und
auch in den Zeiten der starrsten dogmatischen AbschlieBsiiDg
^egen fremde Einwirkungen auf diesem Gebiete evai^^dräcfaer
Gemeinschaft xmd Hülfeleistung die Herzen und die Hände
niemals gegen die Glaubensgenossen sich zuschüessen sa
sehen. Der Reformationszeit selbst konnte bei der um&ssan-
den Anlage des Buches nur dn verhiltnifimässig kleiner
Raum gestattet werden '); und so lassen auch die ihr gewid-
meten Abschnitte; so lehrreich sie sind; doch in Bezug auf
Vollständigkeit Mandies zu wünschen übrig; namentiicli
hätten die von Deutschland Gekommenen und die in Grsu-
bündten Niedergelass^ien eine eingehendere B^rücksiditigui^
verdient — Von diesen Bezi^ungen nach aussen fährt
Nr. 5; die Geschichte des Kirchengesangee von
Weber, in das innere Heiligtum des dichtenden Ge-
mütes und der singenden Gemeinde hinüber, indem sie
an der Hand der Gesangbücher von der Reformationszeit
bis ziur Gegenwart die eigentümliche Entwickhmg desselben
in der deutschen Schweiz nach ihren va:w5hiedenen; fast
durch die einzelnen Jahrhunderte abgegrenzten Phasen ver-
folgt*). Auch diese Arbeit beschäftigt sich also nur zum klei-
neren Teil mit der Reformationsaeit ; doch ist grade das, was
sie über dieses und das weitere 16. Jahrhundert berichtet,
1) Gradezu auageschloaBen ist das Reformaüousjahrhandert in
dem für die Zeit von 1685 an Mörikofer rielfach ergänzenden Bach
von Jules Chavannes: Lesr^gi^s firan^s dans le pays de Vand
et particiiü^rement k Vevey 1874. 327 pp.
2) Vgl. Theol. Lit.-Ztg. 1877, Nr. 4.
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GESCH. DER BEFORU, IN DER SCHWEIZ 1875—1878. 567
geeignet manches Irrtümliche in der iHsherigen traditioneUen
Auffitösnng dieses Gegenstandes zu bericbt^en^). Aueh inner^
halb des schweizerischen Protestantismus nehmen ZwingH
und Zürich mit ihrer Sprödigkeit gegen den kirchlichen Ote-*
meindegesang eine durchaus isolirte Stellang ein; in der
ganzen nördlichen Schweiz, in Basel, Schaffhausen, St. Gall^i
fiült dagegen seine Einfuhrong unmittelbar mit dem An*
schluss an die Beformation zusammen, so dass die Beteiligung
daran, „das Psalm^mng^i^^, öfters gradezu als das unter*
scheidende Kennzdcben der evangelisohen Gtesinnimg namhaft
gemacht wird. Auch der Inhalt dieser geistlicdien Lied^ ist
während des 16. Jahrhunderts nodb kttneswegs auf die bib*
lischen Psalmen beschränkt, sondern sdiüesst auch zahlreiche
Lieder teils reformirter, tdls lutherischer Dichter, besonders
solche von Luther und Paul Speratus in sich; erst im
17. Jahrhundert hört dieser unbe£fti^ne Anschluss an die
deutsche Schwesterkirche auf und macht der einseitigen und
ausschliesslichen Herrschaft der Psalmen und zwar nach der
Lobwasser'schen Uebersetzung Platz (was Weber teils von
d^n Einfluss der calvinischen Kirchea, noch mehr aber von
der Anziehung£i:raft der jener Uebersetzung beigegebenen
neuen vierstimmigen Mdodien herleitet), bis dann nadi wei-
tereoi 150 Jahren die pietistische und die rationalistische
Strömung auch hier die Macht des Herkommens bricht,
neue Verbindungen mit der lutherischen Kirche herstellt und
fiir die gehaltvollen und teilweise mustergültigen Sammlungen
der G^enwart Baum schafft. Dass dabei der Verfasser, als
müsse er dem in Bezug auf das Kirchenlied selbst von ihm
gtibcklich üba*wmideDesi nationalen Sdbstgeföhl doch noch &n
Opfer bringen, trotzdem gelegentlich fiir die autochthone
Entstehung des schweizerischen Protestantismus einsteht, ist
^) Aach die dritte Auflage von Kocb's Getcbicbte des Kirefaen-
liades mit ihren gnaie für dba hier in Frage stehende Gebiet ee be-
deutenden BeiielM^gui^n sowie die lehrreiche Ifonographie von
Riggenbach über den Kireheagesaiig in Baeel (1970) ist noefa
k^neswQgs fitr alle neuesten Compendien der Kirchengeschichte
verwertet worden.
Z«it0clir. f. K.-o. m, 4. 38
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558 KRITISCHE ÜBERSICHTEN. STAEHELIN,
eine Inconsequenz, die man ihm um so leichter verzeihen
wird, als sie eben in seiner eigenen Schrift schlagend genug
widerlegt ist. Erwähnt er doch selbst unmittelbar nach sein»
Behauptmig, „dass die Reformation in der Schweiz völlig un-
abhängig von Deutschland entstanden und fortgeschritten**
sei, wie die Begründer derselben in St Gallen, Kessler und
Burgauer, ihre evangelische Erkenntnis in directer Weise
Luther verdankten, während fiir Basel an die dort so zahl-
reich gedruckten Schriften Lulher's, sowie an die deutsche
Herkunft fast aller reformatorisch wirkenden Prediger zu
erinnern ist und selbst flir Zürich jene Behauptung durch das^
was Mezger's demnächst zu besprechende Schrift über das
Verhältnis der Züricher Bibelübersetzung zu derjenigen Lu-
ther's ausfuhrt, bedeutend eingeschränkt wird. Gewicht^
Einwendungen lassen sich schliesslich auch gegen die vom
Verfasser versuchte Motivirung von Zwingli's Abweisung des
kirchlichen Gesanges erheben; es war gewiss nicht nur, wie
Weber im Anschluss an Mörikofer meint, der Widerspruch
von Seiten der Wiedertäufer, der ihn dazu gefiihrt ') hat, sondern
seine ganze Anschauung von dem Wesen des christlichen
Cultus, die nun einmal fiir ein „darstellendes Handeln^ und
eine liturgische Feier keinen rechten Raum hat und den
Begriff desselben ganz in demjenigen der sittlichen Selbst-
opferung an Gott aufgehen lässt*).
Die letzte der hier zu nennenden Schriften, die Ge-
schichte der deutschen evangelischen Bibeltiber-
setzungen in der Schweiz von Mezger, ist ihrem all-
gemeinen Inhalt nach von dem Referenten bereits anderwärts
besprochen worden'). Schon ihr nächster Gegenstand, die
1) Vgl. dagegen noch die Bemerkung von Egli in der unten
anzuführenden Schrift über die Züricher Wiedertäufer, S. 104.
*) Vgl. Zwingli*8 Vorrede zu der „Action des Nachtmahb'* sowie
seine Aeusserung im Comm. de vera et falsa religione, dass „unsre
Cerimonien in dem Streben nach der Wahrheit und Unschuld und
der Aufopferung für die Brüder Jbestehen" (Werke n, 2. S. 233;
m, 287). Auch die Stellung der helyetischen Confession zum Kirchen-
gesang (cap. 23) wäre zu berühren gewesen.
*) Theol. Literaturzeitung 1877, Nr. 9. Vgl. Jenaer literaturz.
1877, Nr. 8. Studien und Kritiken 1878, m.
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GESCH. DER REFORM. IN DEB SCHWEIZ 1875—1878. 559
Schilderung der verschiedenen von der Reformationszeit an
in der Schweiz gedruckten deutschen Bibelübersetzungen, der
Art ihrer Verbreitung und besonders der Entstehung einer
eigenen Züricher Uebersetzung ist ein Stück Reformations-
und Kirchengeschichte ; flir welches dem Verfasser um so
grösserer Dank gebürt, ak derselbe bei dem Mangel an ge-
nügenden Vorarbeiten fast auf dem ganzen Gebiete auf seine
eigene Forschimg angewiesen war. Wie es vor kurzem in
dieser Zeitschrift in Bezug auf die Niederlande hervorgehoben
wurde *), so ist es auch in der Schweiz die von Luther über-
setzte heilige Schrift Neuen Testamentes gewesen, die in ihrer
erstaunlich raschen Verbreitung wirksamer als alles andere
die Autorität der Hierarchie untergraben und die Refor-
mation zum Siege gefuhrt hat. In Basel wird sie vom De-
cember 1522, wo der erste Nachdruck erschien, bis Ende
1523 in sieben, 1524 und 1525 wieder in fUnf Ausgaben
abgedruckt, in Zürich während des Jahres 1524 drei Mal.
Auch an dem letzteren Orte ist die Uebereinstimmung mit
Liuther anfangs noch eine fast vollständige, und so ist es hin-
sichtlich des Neuen Testamentes auch bis 1629 geblieben,
80 dass von einer besonderen Züricher Uebersetzimg immer
nur in beschränktem Sinne die Rede sein kann; wohl aber
begLont mit der Herausgabe des Alten Testamentes, nament-
lich seiner poetischen imd prophetischen Schriften 1529, die
selbständige Stellimg jener Earche gegenüber dem lutherischen
Text und es ist eines der Hauptverdienste dieser Schrift,
dieselbe nach ihren Motiven wie nach ihrer weiteren Ent-
wicklung gründlich und erschöpfend erörtert zu haben. Da-
bei ist die Untersuchung überall von der Erkenntnis ge-
tragen, dass auch diese bibelgeschichtliche Entwicklung nur
als Teil der grossen reformatorischen Gesammtarbeit recht
verstanden und gewürdigt wird; es ist die ganze Geschichte
der Reformation imd des eigentümlichen kirchlichen Lebens der
Schweiz, in welche der Verfasser mit jenen Specialunter-
suchungen hineinftihrt, so dass das Werk auch in dieser Be-
ziehung, als Darstellung der Entstehung und Entwicklung
I) S. Bd. n, 548.
88*
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560 KBinSCHE ÜBEBfflCHTEN.
der schwcdzerischen reformirten Eärefae überhaupt^ willkommfai
2311 heiasen ist und unter «llen yoriianden«i vielMcht am
liesten noch das ersetzt^ was oben als dringendes Desideratom
för die sdiweizeriBehe Reformationsgeochichte geltend gemadtt
werden musste.
II. Die Werke localgeedüchtiichen und biographlsclieii
Inhalts.
A. Devtsolie Seliweii.
1^ SQbBUEaenoaiiii» Pie Zürcher Kirche ipon der Befonaation bis ram
dritten Befonoationsjubiläum (1519 — 1819) nach der Reihenfolge
djßr Zürcherischen Antistes geschildert. Zürich 1878. (414 S. 8.)
2. ISgUt Die 2iüricher Wiedertäufer zur Reformationszeit. Nach den
Quellen des Staatsarchivs dargestellt. Zürich 1878. (104 S. 8.)
5. Joachim von Watt (Vadian), Deutsche historische Schriften. Auf
Veranstaltung des historischen Vereins des Kantons St. Grallen
beraosgegebeo von Emil Götzinger. I. Bd. (1. u. 2. Hälfte):
Ctirenik der Aehto des Kloster« ^9m St GaUen. St. Gallen 1875
u. 1877. (563, XCm u. 4ß5 a gr. 8.)
4. B. mggenbaoh« Das Chronikon des Conrad PeUikan. Zur vierten
Sficularfeier der Universität Tübmgen. Basel 1877. (XLH und
198 S. 8.)
6. Heinrich Boos, Thomas und Felix Platter. Zur Sittengeschichte
des XVI. Jahrfiunderts. Leipzig 1878. (XIV u. 872 S. 8.)
6. Jakob Baohtold, Niclaus Manuel (Bibliothek älterer Schriftwerke
der deutschen Schweiz, 11. Bd.). f^ueofbld 1878. (QCXXIII omd
467 S. 8.)
7^ ^ .^ Häuft Salat, ejn Sehweizeriseher Chroniflik und Diehter aus der
enrten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Sein Leben und seine Sohxif'*
mn. Basel 1876. (XH u. 308 S- 8.)
Auch hier hai die literarische Chronik neben einzelnen
Ueinearen Specialarbeiten sich Toarwiegend mit Werken repn»^
dnckenden Inhalts au bes^äfiigen^ währeid gröesere Bi^
gvtfldesi und zosammaohängende DarsteUn&gen fast ganai
febkn. Das Weik Zimaiermaiin'fi^ weldieB tha allen am
efafiiian nater diesen letzteren Oesiohtspimkt zu steün ist
— es enthäU die Biograplii^i der Züricher AnüsAeB in ebrono^
logpaobßt Foigß, aber sO; dass sie durch £0 IfitberücksiditL-
gung auch der sonstigen kirchlich bedeutenden P^^^^aüdi-
kdten zu einer Gesammtgeschichte der Züricher Kirche
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GESCH. DER BEFORH. IN DER SCHWEIZ lt7&— 1878. 561
erweitert smd — geht grade über den Zeitrftum der Refor-
matiou absichüiclii kurz hmweg und hat mehr für die ihr
folgenden Zeiten als selbständige historische Arbeit seine Be-
deutung *). Für die Geschichte der Reformation wertvoller
und manches Neue bietend ist die Schrift Egli's über die
Wiedertäufer in Zürich, deren Verfesser schon firüher
durch seine Monographie über die dehlacbt bei Kappel ^
sich mn dieselbe verdient gemacht hat Für ihre Beurteüui^
nrass allerdings die bestimmte Beschränkung, die sie sich
laut ihrem Titel gezc^en hat, berücksichtigt werden: sie will
nicht eine Geschichte des schweizerischen Anabaptismus über^
haupt sein, nicht einmal so weit sieh derselbe in den Grenzen
von Zürich hielt, sondern hauptsächlich die Urkunden des
Züricher Staatsarchivs zur Kenntnis seiner Entstehung und
seines Verlaufs verwerten, und in der Tat ist das aus ihnen
gewonnene Bild anschaulich und eigentümlich genug, um
eine scdche Beschränkung vollkommen zu rechtfertigen. Der
Verfasser glaubt in der anabaptistischen Bew^^ung in Zürich
zwei Stadien unterscheiden zu können; ein a-stes, zu wel-
chem die Impulse ledigUch in der von ZwingH ausgegange-
nen Reformation selbst zu suchen seien, indem aus ihren
Anhängern sieh eine ursprünglich Zwingli durdiaus ei^bene^
aber zur radicalen Durchführung seiner Ideen entschlossene
Partei bildete, die zunächst noch ohne anabaptistische Ten-
denzen einfach die Reinigung der Kirche von Bildern und
Messe, die Freigebung des Kdches und die Herstellung einer
auf persönliche Wiedergeburt gegründeten Gemeinde sowie
eines dem Evangelium entsprechenden neuen Gesellsehafts^
znstandes anstrebte und erst, als Zwingli ihnen hierzu nicht die
Haad bieten woDte,^ zur Bildung einer Sonderkir che «nd zuDa
Anschluss an die täuferische Bewegung in Deutschlland fort'
1) Vgl. TheoL Literaturzeitmig 1878, Nr. 15.
>) Zürich 1873. Ueber diese Arbeit vgl. Theolog. Literaturztg^
1878, Nr. 9. Auch die dort vom Verfasser in Aussicht gestellte
„Actensammlung zur Geschichte der Züricher Reformation" ist im
Erscheinen begriffen (erste Hälfte S. 1 — 448) und soll im Laufe des
Jahres 1879 vollständig werden.
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562 KRITISCHE ÜBERSICHTEN. STAEHELIN,
schritt; und die deshalb auch wieder sich auflöste ^ als mit
der Einflihrung einer evangelischen Abendmahlsfeier und einer
christlichen Sittenzucht im Frühjahr 1625 ihre wesentlichen
ursprünglichen Forderungen erfüllt waren, — imd ein zweites,
das an den revolutionären Tendenzen des Bauernkrieges Teil
nahm imd erst dadurch die evangelische Regierung zu den
bekannten gewaltsamen Unterdrückungsmassregeln veran-
lasste. Manche Zeugnisse, imter andern die Verschiedenheit
des Ortes, an welchem die Bewegung anfangs und später
stattfand, machen in der Tat diese Unterscheidung sehr wahr-
scheinlich; auch die strengeren Strafen fallen sämmtlich in
die spätere Zeit und sind also, was fiir die Beurteilung der
schweizerischen Reformationskirchen in dieser Beziehung über-
haupt beachtenswert ist, erst angewandt worden, als der
wiedertäuferische Separatismus durch jene Verbindung mit
dem Bauernkrieg zu einer revolutionären Partei und die
Wiedertaufe nach dem ausdrücklichen Bekenntnis ihrer An-
hänger zum Angrifismittel gegen die Obrigkeit geworden war
(vgl. S. 51. 65. 93). Aber es geht doch aus den vom Ver-
fasser selbst beigebrachten Angaben deutlich hervor, dass die
xmterscheidenden Merkmale der anabaptistischen Sectenbildung,
die Hervorstellimg der äussern, socialen Ziele vor den ethisch-
religiösen und die Hingabe an enthusiastische Zustände, schon
von Anfang an in der Partei hervorgetreten sind imd die-
selbe also doch nicht so ganz als ein wenn auch verwildertes
Schoss aus der reformatorischen Pflanzung darf angesehen
werden. Auch die sittlich wie ökonomisch verlotterte Ver-
gangenheit ihres bedeutendsten Führers, Konrad Grebel, hätte
nicht ganz mit Stillschweigen übergangen werden sollen.
Am Schluss bespricht der Verfasser noch die Rückwirkung,
welche die täuferische Krisis auf die Entwicklung der Kirche
gehabt hat; sowohl diese als andere Ausführungen, z. B.
die Mitteilung einer bisher noch unbekannten Schrift Zwingli's
gegen die Wiedertäufer, machen seine Studie auch für die
Geschichte der kirchlichen Reformation und speciell Zwingli's
wertvoll und ergänzen damit wenigstens einigermassen die
Lücke, welche unsere Berichterstattung infolge der fast völligen
Unfruchtbarkeit dieser letztvergangenen Jahre in Bezug auf
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GESCH. DER REFORM. IN DER SCHWEIZ 1875—1878. 563
^en schweizerischen Reformator selbst zu lassen genötigt
ist 1).
Indem ich an die Beiträge, welche die Reformations-
geschichte des mit Zürich so eng verbundenen Thurgau
durch Gr. Sulzberger *) und St. Gallen durch E. öötzin-
1) Doch vgl. die Andeutungen Ritsch Ts über Zwingli's Eigen-
tümlichkeit und Charakter in dieser Zeitschr. II, 17 f. 21 f., sowie den
Wiederabdruck von Schweizer' s Kritik der DarsteUung Stahl's in
der Schrift : „ Nach Rechts und nach Links " (1876), S. 240—269. Auch
darf neben der schon erwähnten Biographie von Mörikofer noch auf-
merksam gemacht werden auf die kleinere, aber gediegene Schrift von
P i n s 1 e r : „Ulrich Zwingli". Drei Vorträge, gehalten und herausgegeben
zu Gunsten des Zwingli-DenknMds." Zürich 1873. 98 S. Eine Unge-
nauigkeit, die sowohl hier als anderwärts sich findet, möge bei dieser Gre-
legenheit berichtigt werden. Finsler lässt Zwingli „ etwa zwanzig Jahre
alt" von Wien zurückkehren. Allein in der Baseler Matrikel ist sein
Name schon auf den I.Mai 1502 eingeschrieben („ Udalricus Zwyngling
de Liechtensteig ", während der Name 1504 bei seiner Erwerbung des
Baccalaureats Zwinglyn, 1506 bei derjenigen der Magisterwürde Zwynglin
lautet) ; er war also bei seiner Abreise von Wien wenig über 18 Jahre
alt und kann deshalb auch mit seinem späteren Freund und Kampf-
genossen Vadianus nicht schon dort, wie aDgemein angenonmien wird,
zusammengetroffen sein, da der letztere erst im Herbst 1502 in Wien
inscribirt ist (vgl. Aschbach, Gesch. der Wiener Universität, 1877,
Bd. n, S. 393). — Schliesslich sei noch eine Notiz erwähnt, die wir
im Anzeiger für schweizerische Geschichte, Neue Folge II, 1876,
Nr. 1 , lesen, dass das Originalexemplar von Zwingli's Comment. de vera et
falsa rel. mit mehrfachen Abweichungen vom gedruckten Text in Paris
aufgefunden worden sei. Ueber Zwingli's Nachfolger in Zürich,
H. Bullinger, liegen, wenn auch keine selbständigen neuen Arbei-
ten, doch zwei gehaltvolle biographische Artikel vor von Heer in
Herzog's Real-Encyklopädie, 2. Aufl., und von Mörikofer in der
Allgem. deutschen Biogr., während derjenige in Lichtenberger's Ency-
clop^e des sciences religieuses unbedeutend und durch unverzeihliche
Druckfehler entstellt ist. Die Schrift von Oehninger über seine
dogmatisch wie kirchengeschichtlich bedeutendste Schrift, die (2.) hel-
vetische Confession, („Die helvetische Confession. Ein Gung durch
das Glaubensbekenntnis der reformirten Kirche. Augsburg 1878",
128 S.) ist ausschliesslich dogmatischer Art und hat mehr für die Ge-
schichte unserer Zeit als für die des Reformationszeitalters Wert.
>) Gesch. der Gegenreformation in der Landgrafschaft Thurgau.
Thurgauische Beiträge zur vaterländischen Geschichte XIV, 1874;
XV, 1875. Die Verhandlungen der Synode von Frauenfeld 1529 und
1530; a. a. 0. XVH, 1877; XVIH, 1878.
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564 KRITISCHE ÜBERSICHTEN. STAEHELIN;
ger^) erhalten hat, nur im Vorübergdien rnnfiere^ wende
ich mich dem Denkmal zu, welches St. Gallen seinem grossen
Reformator und Staatsmann Joachim v. Watt durch die Her-
ao^abe seines bedeutendsten Geschichtswerkes, der Chronik
der Aebte von St. Gallen, gesetzt hat und welches neben.
der von dem gleichen Herausgeber früher veröffentlichtezi^
in ihrer Verbindung von treuherziger Naivetät und echt hi-
storischem Sinn so unvergleichUeh ansprechenden Reforma-
tionschronik seines Freundes Kessler *) unter den in den
letzten Jahren ans Licht gezogenen Documenten der Refor-
mationszeit unstreitig die erste Stelle einnimmt '). Schon ak
eines der frühesten und zugleich gereiftesten Producte ^n^
neuen, durch den Protestantismus angeregten urkundlichen
Qeschichtschreibung verdient das Werk beachtet zu werden:
man erstaunt über die Sicherheit, mit welcher der Verfiisser
sowohl in den Anßüigen wie in der spätem Entwicklung des
Klosters das Tatsächliche aus der traditionellen Darstellung
hi^*aushebt, sowie andrerseits über die Klarheit und die mn-
fsÄsende Weite, in welcher die allgemeine Geschichte der
Kjrche und des Reiches namentlich im Mittelalter ihm gegen-
1) Die Reformation der Stadt Wyl. Mitteilungen zur vater-
ändischen Geschichte. Herausgegeben vom historischen Verein in
St. Gallen, Bd. XIV, 1872.
s) Johannes Kessler's Sabbata. Chronik der Jahre 152S
bis 1639. Herausgegeben von Dr. E.GÖtzinger. 2Bde^ St. Grallen
1866. 1868. (Mitteilungen zur vaterländischen Geschichte Bd, V — ^X,
388 und 624 S. 8.) Vgl. dazu: Götzinger, Die Chroniken des
Hermann Miles und Johann Kessler, Mitteilungen, Bd. XIV, 1872,
S. 103—140.
8) Vgl. Götzinger, Joachim! Vadiani vita per J. Eessleniim
conscripta (1865), und Joachim v. Watt als Geschichtsohreiber. St.
Gauen, Neujahrsblatt 1873, 4. Meyer von Knonau, Der St. Galler
Humanist Vadian als Geschichtschreiber. Schriften des Vereins ßSat
Geschichte des Bodensees IX. Ueber Vadian als Humanisten : t. A s c h-
bach, Geschichte der Universität Wien 1877, Bd, 11, 8. 393—409;
über seine fUheren Beziehungen zu Luther die Andeutung bei K rafft,
Briefe und Documente aus der Zeit der Reformation 1876> S. 29.
(Vor dem zweiten auf Vadian bezüglichen Brief dieser Samoaüung S. 736
ist statt St. Gallen Wien zu lesen).
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GESCH. DEB REFOBH. IN DER SCHWEIZ 1875-1878. ^fö
-wärtig ist und Trelche es ihm ermöglichte^ übaralL das Eui-
zehie mit dem Allgemeinen zu verbinden und in der G^
schichte der £kitartung jenes Klosters zugleich die allmählidie
Verwehlichung der gesammten Kirche zu schüdem. Aber
dadurch Trird nun auch diese Chronik der Aebte^ begonnen
eben zu der Zeit; als unier Vadian's eigener Führung die
Stadt St. Qallai das Klost^ aufhob und sdne Hoheitsrechte
an sich zog; zu einer Schutzscfarifl; welche die aus den ur^
sprünglichen Quellen wieder entdeckte Vergangenheit unmittd^
bar auch der Gegenwart als Rechtfertigung zugute konuncn
lässt und zdgiy wie eben dieses durch die £e£[>rmation zur
Qdtung gekommene Verhältnis der welüichen zur geistiidien
Macht; die von ihr vertretene Anschauung vom Wesen der
geistlichen Vollkommenheit in den Anfängen der Kirche gleidir
iaü» als allein gültig sich nachweisen lassen; ja sie wird
«a einer der bedeutendsten geschichtHchen Bechtfertigung»-
schrifien; welche überhaupt die Reformation m jener Zeit ihrer
Entst^ung außsuweisen hat; der Herausgeber nennt sie m
^seiner trefflichen; dem zweitwi Bande vorangehenden Eiideitung
;; wohl die bedeutendste historische Parteischrift der deutschen
und schweizerischen Reformation". Die in der Darstelluag
<5fliers ausgesprochene Erwartung; dass das Stra%ericht für
die abgefallene Kirche vor der Türe stehe; sollte sich de«
Verfasser freUieh nur in beschränkter Weise erfiülen; der
unglücklidie zweite Kappeier Friede, bei dessen Kunde Va-
dian nach dem Bericht KessWs ;;in schwere Ejrankheit ge-
fallen und mit lauter Stimme klagender Weise gesprochen:
0 eine fipomme Gemeinde St. Gallen!"; gab dem Abt sowohl
das Kloster als auch dessen Hoheitsrechte zurück; und Va-
dian musste selbst als Bürgermeister seiner Stadt diese
Vereinbarung ins Werk setzen; so ist unter dem Druck
dieser späteren Lage grade dieses sein historisches Haupt-
werk unveröffentlicht geblieben; währ^d kleinere und
auch inhaltlich unbedeutendere dogmatische ControvOTS-
schriften noch mehrfach von ihm erschienen. TVotzdem
hat er aus eigenem Bedürfiiis die Arbeit daran bis &st
zu seinem Tode forigesetzt und auf Grund dieser fort-
gesetzten Forschung der im Jahre 1631 voll^ideten aus-
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566
fiihrlichen Chronik noch 1545 eine zweite, kleinere, aber
selbständig gearbeitete an die Seite gestellt, eingeleitet durch
eine höchst interessante Unterguchnng über die ersten An-
fänge des Mönchtoms und die Entstehung des Klosters
St. Gkllen, wie sie ihm durch die seit der zeitweiligen Auf-
hebung des Klosters in seinen Händen gebliebenen Urkunden,
sowie durch seine sonstige ausgebreitete Belesenheit mehr als
jedem andern seiner Zeitgenossen möglich war, und wie
sie in der Tat, was die Methode imd die Ergebnisse be-
trifft, von keinem derselben erreicht worden ist In ihren
letzten Abschnitten wird diese spätere, sogenannte klein^^
Chronik, da sie bis zum Jahr 1530 reicht, zu einer kurzen
Reformationsgeschichte von St Gallen, so dass sie also noch
unmittelbar für diese selbst eine durch die Stellung ihres
Verfassers noch erhöhte Bedeutung gewinnt Der Heraus-
geber hat beide Chroniken in geschickter Nebeneinander-
stellung vollständig mitgeteilt; er macht darauf aufin^ksam,
wie in der älteren noch die alamannische, in der späteren be-
reits die von Luther angenommene canzleideutsche Schreib-
weise angewandt ist — ein neuer Beleg für den RinflniM^
den Luther auch auf diese Zwingli'schen Gebiete ausgeübt
und den übrigens Vadian auch in seinen dogmatischen Schrif-
ten aufs bereitwilligste anerkannt hat *).
Den Uebergang von diesem östlichen, um Zürich sich
sammehiden Reformationsgebiet nach dem in seiner kirchlichen
Neugestaltung selbständigeren Westen bilden die beiden
Selbstbiographien des älteren Platt er und Pelli kan' s (Nr. 4
imd 5), deren Erzählimg abwechselnd bald zu diesem bald
zu jenem Teil des Reformationsschauplatzes hinfuhrt und
dadurch sowohl für die Geschichte der von ihr berührten
Orte, namentlich *Zürichs und Basels, manchen sonst luibe-
1) Der Reformationsgeschichte von Graubündten gehört we-
nigstens als Humanist und Schulmann in seinen späteren Jahren der
durch Luther's ungestümen Angriff bekannte Simon Lemnius an,
dessen episches Gredicht über den schweizerisch - deutschen Krieg von
1499 verbunden mit einer biographischen Einleitung herausgegeben
worden ist von Placidus Plattner: Die Raeteis von Simon Lem-
nius. Chur 1874. XXXIV u. 176 S.
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GESCH. DER REFORM. IN DER SCHWEIZ 1876—1878. 567
kannten Zug in sich schliesst, als auch im allgemeinen den
lebhaften persönlichen Verkehr uns vergegenwärtigt, der
zwischen diesen einzelnen Kantonen bestanden imd ihrer
gegenseitigen Einwirkung auf einander Förderung getan
hat Als allgemeines Culturbild steht das Leben des Tho-
mas Platter ^) , als Beitrag fiir die Eeformationsgeschichte
im engeren Sinne dasjenige Pellikan's voran. Anspruchslos
und mit einer liebenswürdigen, freilich bisweilen' auch über das
Anständige hinausgehenden Offenheit erzählt dort der Vater
seinem Sohne, wie er sich vom armen Ziegenhirten in Wallis *)
durch die mannigfaltigsten Schicksale hindurch zum gelehrten
Humanisten, Buchdrucker imd Schulrector in Basel emporge-
arbeitet hat, wobei neben der allgemeinen Sittenschilderung na-
mentlich die Berichte über seine Bacchantenfahrten in Deutsch-
land und seinen Verkehr mit den Züricher Reformatoren refor-
mationsgeschichtliches Interesse haben. Freilich lässt die Er-
zählung daneben andere Wünsche, die man ihr entgegenbringt,
trotz ihrer Redseligkeit unbefriedigt; wie willkommen wäre z. B.
«tatt so mancher unbedeutender Anekdoten eine Notiz über
Calvin, dessen Institutio zuerst aus der von Platter betriebenen
Druckerei hervorgegangen ist imd dessen Erwähnung doch
dem im Jahre 1572 auf sein Leben Zurückblickenden wohl
nicht allzufeme gelegen haben sollte. — Noch unmittelbarer fiihrt
das Chronicon Pellikan's, welches von dem Herausgeber im
Gegensatz zu dem nackten Abdruck des Platerschen Manu-
scriptes mit zahlreichen dankenswerten Anmerkungen und
einer biographischen Einleitung ausgestattet ist, in die Be-
wegungen der Reformationsgeschichte selbst hinein; wiederum
1) Von der früheren Ausgabe der beiden Platter von Fechter
(Basel 1840) unterscheidet sich die vorliegende bloss durch grössere
(Grenauigkeit in der Wiedergabe der sprachlichen Eigentümlichkeiten;
auch sind die geschichtlich wichtigsten Partien bereits durch G. Frey-
tag^sBilder aus der deutschen Vergangenheit weiter bekannt gemacht
worden. Die unglücklichen CJonjecturen zu den lateinischen Citaten
S. 51 und 278 wären besser weggeblieben.
8) Vgl. über die antikatholischen Bewegungen dieses Rantons
Hidber, Kampf der Walliser gegen ihre Bischöfe, im Archiv des
historischen Vereins des Kantons Bern, Bd. VIII, 1875.
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MS KRITISCHE ÜBERSICHTEN. STAEHEUN^
ab Erzählung des Vaters «a seinen Sobn schildert der Ver-
fEtsser darin seine LebensschickBale und seine Stadien, derea.
epochemachende Bedeutung fUr die l^räkche Spraehwiasen-
8<diaft ja allgemein bekannt kt^ bescheiden und treahenog
aber auch weitläufig und in schwer&lliger Spache, d^^en
Härte und Ungelenkheit nicht noch durch die zi^lreidwo
im Druck hinzugekommenen Fehler der InterpuncticMi xmi
Orthographie T^ünehrt sein sollte. Neben der Schild«nzng
der auf die hebräische Ghranmiatik und SpraehkenntniB ▼er-
wandten müheyx^en Arbeiten *) werden besonders die Wirk-
samkeit und die Reisen PeUikan's im Dienst des Barftiaser-
ordenS; sowie seine Beteiligung an den ersten reformiitor}-
schen Bewegungen in Basel das Interesse auf aicb lenken, in
letzterer Beziehung als Ergänzung zu der neuen Grundlage^
welche die Geschichte dieser Bader Reformation durch dit
Veröfientlichung der gleichzeitigen Chroniken vonFridoJin
Ryff und Georg Carpentarius erhalten hat*). Ifit
seiner Uebersiedelung nach Zürich im Februar 1526 treten
diese Beziehungen seines Lebens zur reformatoriBchen Se>
wegung wieder zurück oder concentriren sich wenigstens auf
diejenige Tätigkeit^ die ihm von nun an in Zftrich so»-
schliesslich anvertraut ist; die Interpretation des Alten Testa-
ments ; die Biographie Aihrt aus der grossen reformatoriscben
Strömung heraus in die stillen Arbeiten und in die be-
1) Vgl. darüber auch L.Geiger, Jahrbücher für deutsche Hieo-
logie 1876.
s) Baseler Chroniken, im Auftrag der historischen CreseDsdk&ft
von Basel, herausgegeben von W. Vischer und Alfred Stern,
Bd. I, Leipzig 1872. Eine andere, auf die Baseler Reformation be-
zügliche Schrift von J. Bonnet: La fsunille de Curioni, Bäle 1878
(79 p.), ist nichts als der wörtliche Abdruck eines von dem Verfa^er
in den K^cits du seizi^me si^cle 1864 (p. 243 sqq.) schon veröffent-
lichten Aufsatzes. Populär gehalten ist der Au^tz von A. Burck-
hardt: Dr. Johannes Oekolampadius , in den Bildern aus der Qe^
schichte Basels, Bd. HI, 1879. lieber die Stellung der UniversitSt
und der humanistischen Kreise zur Reformation: A. Rivier, Claude
Chansonnette [Cantiuncnla] et ses lettres in^dites, Bruxelles 1878, 101p.
Ch. Schmidt, Histoire litt^raire de TAlsace k la fin du XY« et aa
commencement du XVI« si^e (Paris 1879, 2 vol.) I, 193 sq.; II, 54 sq.
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GESCH. D£K KEFOBM. IN DER SCHWEIZ 1876—1878. 569
schränkte Häualidikeit eines mit ganzer Sele seinem Berufe
lebenden Lehrers und Schriftstellers; dessen Bedeutung dodb
-wohl vom Herausgeber überschätzt wird; weim seine exege-
tischen Leistungen denjenigen Bengel's an die Seite gestellt
werden; — jedaafaUs lässt diese Chronik mit ihrer behag-
Ijch^i Weüschweifi^eit und ihrem etwas vulgären Latein
▼on Ber^erscher Q^eistesart wenig merken ^).
Durchaus eigentümlich ist die Haltung des mächti-
gen umd für die Schicksale des Protestantismus in der
deutschen wie der französischen Schweiz so einfiussreichen
Bern'); bedachtsam und mit der Entscheidtmg zurück-
haltend; aber nach derselben so kraftvoll imd durchgrei-
fend; das» aa sie der Sieg der Beformation in d^ ganzen
Schweiz ^knüpft ist; in ihrer theologiadien Begründung; ob-
gleich der Bemer Leutpriester Thomas Wjttenbach während
seiner Lehrtätigkeit in Basel die ersten Keime derselben in
den Züricher Reformatoren angeregt hattC; doch hauptsäch-
]kix Y(m diesen letztem abhängig und dagegen poUtisch Zü-
rich gegmüber wieder so selbständig; dass ebeu; indem es in
1) Vgl Gföitingefr GeL Anz. 1879, 9. Stück. Theol. Lkeratur^
aeitimg 1878, Nr. 2. Die 1870 erschienene „fisquisse biograpbiqae^
über PellikaB ¥on F. Breseh Bchemt dem Hmranwgeber unbekannt
geblieben bb sem.
s) Vgl. Weidling, Ursaehen und Yeilftaf der Bemer Kireben-
rfifonn. Arobiy dee bistoc. Verems des Kantons Bern, 1876, Bd. IX;
S. 1—^6. Die BeforM&tionsacten 'werden gesammelt in „Ur-
kwoden der Bemischen Eircbeojefbrm , ans dem Staatsarchiv Berns
gwammfiltTon M. y. Stürler^ Bd. I CL520— 1528) 1862; Bd.U seit
1823 in Zasammeaabang mit dem ArcbiT des bistorisehen Yereins er-
sidieiiieiitd. — Dae anf der Bibüotbek befindfieben Ifannscripte und
Briefs, von denen viele für die Baformaticnsgesehicfate wicbtig sind;
sM verzetebnet bei H. Hagen, GatatogasCodienmBemensinm 1876,
LXYI XL 662S. Die anf die Besncr Beformatittn beanglidien Artikel
der 2. AiaA. voodl Heraog's Real-Eneykiopädk (Bemer Dispatation und
^nodiM, ClMBgeciebte) smd <£ie der ersten mit «inigen, wenigen an
die neuere literalHr si(^ aBflcbHesfleaden Sla^hträgen. Yennisst bat
Ra£Breflii in dem Artikel „Boner Sjmodns^ die ErwSbnnng der 187d
zu Beisel eiselneneBfin Ausgabe desselben GrDer Beraar Sjnodw vo&
1532^ 11& & kL 8>, dk sowohl dmroh ifaze Ansafeattung als dai«h
ihp» Wbblfeilfceit trefflich geeignet ist, diesem „ IBUeinod einer Eürchen-
ordBung'^ die afiinfim Werfe entqirecbendB YerbreitMng zu geben.
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570 KEITISCHE ÜBERSICHTEN. STAEHELIN,
Folge jener Entscheidung ihm als Bundesgenosse an die
Seite tritt; durch diese selbständige und zum Teil selbstsüch-
tige Politik die kühnen Plane, die Zwingli für die Durch-
fuhrung der Keformation in der Eidgenossenschaft in ach
trug, vereitelt und trotz der so weit überlegenen Zahl und
Macht ihrer Anhänger ihre Niederlage herbeigeführt wird*).
Die unter Nr. 6 an die Spitze gestellte Schrift über Niclaus
Manuel enthält das Leben und die Werke eines Mann^
der, wenn auch kein Theologe, doch zu den entschiedensten
und kraftvollsten Vorkämpfern dieser Reformation in Bern ge-
zählt werden muss, sofern er in seinen Gemälden und noch mehr
in seinen 1522 als Fastnachtspiele aufgeführten dramatischen
Dichtungen zuerst den offenen Kampf ftir sie begonnen und
später, nachdem er seinen Beruf als Maler mit dem Staats-
dienst vertauscht hatte, im Rat der Heimat wie in den eid-
1) Referent muss dieses Urteil festhalten auch gegenüber dem
übrigens beachtenswerten Rechtfertigungsversuch von Lüthi: Die
bernische Politik in den Kappelerkriegen; Programm der Benier
Eantonsschule (Bern 1878, 58 S. 4). Gewiss haftet der eidgenössischen
Politik Zürichs manche Ungerechtigkeit und Gewalttätigkeit und den
europäischen Coaütionsplanen Zwingli's ausserdem auch ein gutes
Stück Tollkühnheit an, und es war die entschiedene Abweisung jeg-
licher Teilnahme daran von Seiten Berns ebenso sehr ein Act der
Gerechtigkeit als der höheren politischen Weisheit; seine Apathie
gegenüber der Verfolgung und Unterdrückung der evangelischen
Predigt in den gemeinen Herrschaften nach dem ersten , sein - wider-
standsloses Preisgeben derselben nach dem zweiten Kappelerkriege
sind damit doch noch lange nicht gerechtfertigt, ebenso wenig wie
jene Politik Zwingli's durch die Motivirung S. 23 erklärt wird: „Je
höher die Autorität Zwingli's in Zürich stieg, desto mehr ärgerte Ihn
die Opposition der fünf Orte; warum sollten die armen Länder nicht
auch zu seinen Füssen liegen, wie der reiche Vorort?" Wer „in der
Kriegsgefahr 1529", wohin es durch seine Ueberschrift im ersten
Druck datirt wird, das Lied: „Herr, nun heb den Wagen selb . . ."
dichten und in derjenigen des Jahres 1531 so ergeben und glaubens-
freudig dem Tod entgegengehen konnte, musste, wenn er auch in den
Mitteln fehlgegriflfen hat, dennoch als Ziel etwas Höheres sich vor-
gesteckt haben als die Befriedigung persönlicher Herrschsucht und Eitel-
keit. Vgl. die treffende Entgegnung von Ziomiennann (Earchenfreund
1878, Nr. 19, S. 293 ff.; Nr. 25, S. 390 ff.), die auch durch die Replik
des Verfassers (ebendas. Nr. 24, S. 876 ff.) nicht hinfällig gemacht ist.
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GESCH. DER REFORM. IN DER SCHWEIZ 1875-1878. 671
genössisclien Abordnungen ihre Interessen als einer ihrer
einflussreichsten Fährer vertreten hat. Nicht mit Unrecht
wird er vom Herausgeber mit Hütten verglichen, nur dass
seine Satire nicht wie die des Letztem die Schule des Hu-
manismus verrät, sondern bei aller Grewandtheit der dichte-
rischen Form ihm unmittelbar aus den Erfahrungen imd
der Betrachtung des wirklichen Lebens entflossen scheint.
Für die Erkenntnis dessen, was dem Volk die Reformation
war, dürften wenig andere Schriften aus jener Zeit so reiche
Ausbeute liefern wie diese Dichtungen Manuels, wie sie
denn auch, nach der 2^ahl ihrer Auflagen zu schliessen, (ür
ihre Rechtfertigung und Verbreitung im Volk von grosser
Bedeutung gewesen sein müssen. Den bereits durch Grün-
eisen *) bekannten Werken sind in dieser neuen Sammlung
eine beträchtliche 5^ahl neu aufgefundener beigegeben, unter
denen besonders „der Ablasskrämer'' und „dasBarbeli" als
interessante reformationsgeschichtliche Documente hervorzu-
heben sind; dagegen ist die von örüneisen vorangestellte
Erzählung des Jetzerhandels mit Recht als Manuel nicht an-
gehörend ausgeschlossen*). Die beiden Einleitungen, die bio-
graphische von Bächtold und die kunsthistorische von
Vögelin verfasst, bieten gleichfalls zu jenem Werke Grün-
eisen's manche fiir die reformationsgeschichtliche Bedeutung
Manuelas nicht unwichtige Ergänzung.
Zur Charakteristik endlich der katholischen Oppo-
sition dient, neben einer Abhandlung von Rohrer über
1) Niclaus Manuel, Leben und Werke. Stuttgart 1837.
«) Ueber den Jetzerhandel vergl. Steitz, Der Streit über die
unbefleckte Empfängnis der Maria zu Frankfurt a. M. im Jahr 1500
und sein Nachspiel in Bern 1509. Archiv für Frankfurter Geschichte
und Kunst, Bd. VI (1877), S.lff. Schmidt, ffist. Htt^r. de TAlsace,
Bd. I, p. 221 sqq. Einen andern, etwas später lebenden bemischen Staats-
mann, dessen Wirken namentlich für das Waadtland und für Grenf Be-
deutung hatte, Nicolaus Zurkinden, schüdert Gonzenbach im
Bemer Taschenb. für 1877, S. 63 ff. ; doch ist die Darstellung fast nur die
Beproduction eines Aufsatzes von J. Bonnet im Bulletin histor. et
litt^. 1874: Un magistrat bemois du XVI« si^cle, wiederabgedruckt
in den Demiers r^cits du XVI* si^cle 1876, p. 25 sqq.
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672 KKITISCHE ÜBERSiCHTEK. STAEHEUN^
die Reformationsbestrebungen der Katholikea in der schweiae-
rischen Quart des Bistums Constanz 1492 — 1531 ^) in axt»-
gOKeiclmeter Wdse die am Schluss noch aufgeführte Scfarift
desselben Bächtold über Johann Salat (Kr. 7). Die Bio-
graphie hat der Herausgeber mit Fug möglichfit ms Kurze
gezogen; es ist das Leben eines glänzend begabten, shee
sittlich halüosen Menschen, der sich vom armen Seiler zwan
hervorragenden Dichter und Chronisten und zum Qericfat-
Schreiber von Luzem enq>orarbeitet, aber immer aufe neue
durch sein zügeUoses Wesen in SinnUidikeit und in G^
meinheit herabgezogen wird und schliesslich in Elend und
Schulden zu Qrunde geht; aber dieser Mann war ni^
nur als PamphletiBt in Poesie und Prosa einer der laviesteii
Wortführer der altgliloibigen Partei, sondern war auch dasa
aasersehen, im Aiiärag derselben die ofiScieDe Chronik der
sehweizmscfaen Reformatkmsgeschiefate zu sc^oreiben ^), so
dass eine vollständige Zusammenstellung jener Pamphlete and
Tractate, wie sie hier, verbunden mit dem Abdruck setnes
Tagdrachs und sdner Vorreden zur Beformationschronik ge-
geben wird, in der Tat wie der Geschichte der deutaeh-
schweizerischen Literatur, so auch deijenigen der Reformation
ihre guten Kernte leistet '). Eine willkommene 2kigabe ist
der Abdruck der bisher überiiaupt noch nicht veröffentlich
ten Gbgenschriffc BuUinger's: „Salz zum Salat ^, in welcher so*
wohl die historische Zuverlässigkeit seiner Berichterstattung
ifare verdiente BeleucdituBg findet, ab aiick BuHinger seinem
eigenen, auch durch das Misgeschick nicht gebrochenen
Glaubensmut und seiner über ihre für Zürich so verhängms-
1) Sehweiz^ificher Geschichtsfreund, Bd. XXXITT (1878), S. 1 ff,
^) Sie i«t a^ge&nckt in den oben be^irocfaeneH Archiv för
sehwekerische Ecfoimatioiugeschichte, B(L 1, 1868. Ueber ikre Glaub-
Würdigkeit urteilt BächtoM bei aller Anerkennung ihrer fcnmellen
Vorflüge mit Recht weni^ger günstig ab der dortige Herausgeber.
^) Ueber Thomas Muraer, den aweiten un^eidk bedeuten-
dercM fitesmchen Verteeter der katholiseluMi Partei in der Sekweii,
s.Th.T»Lxebeiiau im Basler Jahrbaek fiLr 1879, heraOBgegeben Toa
Boos, S. 70—101: ^Tli. M. in Basel."
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GESCH. DER REPOEM. IN DER SCHWEIZ 1875-1878. 573
volle Haltung im Kriege grossartig hinwegsehenden Treue
gegen die evangelischen Bruderkantone ein schönes Denk-
mal gesetzt hat.
B. Die französische Schweiz.
L Ck>rr68pondanoe des reformateurs dans les pays de langue £ran-
^aise, recueillie et publik par A. L. Herminjard. Tome V
(1538—1539). Gen^ve etc. 1878. (487 S. 8.)
2. Joannis Calvini Opera. Ed. G. Baum, Ed. Cunitz , Ed. Reuss.
Vol. XV, 914 S. in 4; XVI, 750 S.; XVU, 716 S; XVHI,
774 S. Brunswigae 1876—1878. (Corpus Reformatorum, Vol.
XLin-XLVI.)
8. G. A. Hofl^ Vie de Jean Calvin. Paris 1877. (348 S. 12.)
4. Herzog, Artikel „Calvin" in der Theol. R.-Encykl., 2. Aufl.,
Bd. m, S. 77— 106, und Dardier und Jundt, Calvin in Lich-
tenberger's Encyclop^die des sciences religieuses, Bd U, 1877,
p. 529—557.
5. KattenbuBoh, Johannes Calvin (Jahrbücher für Deutsche Theo-
logie 1878, S. 353—375).
6. Ijo Catechisme frazi9ai8 de Calvin publik en 1537 r^imprimö
pour la premi^re fois d'apr^s im exemplaire nouvellement retrouv^
et suivi de la plus ancienne Confession de foi de T^glise de Gen^ve.
Avec deux notices par Albert Rilliet et Th^ophile Dufour.
G^en^ve 1878. (CCLXXXVII et 146 p.)
7. A. Böget» Histoire du peuple de G^n^ve depuis la R^forme jusqu'k
FEscalade. Tome IV. Gen^ve 1877. (349 p.)
8. P. Ijobstein» Die Ethik Calvins in ihren Grundzügen entworfen.
Ein Beitrag zur Geschichte der christlichen Ethik. Strassburg
1877. (151 S.)
Bei diesem Teile hat Referent den Vorteil, in Bezug
auf die Literatur des Jahres 1875 und ihren Zusammenhang
mit der ihr vorangegangenen Forschung an die Besprechung
anknüpfen zu können, welche die reformationsgeschichtliche
Literatur des französischen Protestantismus in dieser Zeitschrift
erhalten hat ^). So sind gleich die beiden grossen Sammel-
werke, deren seither erschienene Bände imter Nr. 1 u. 2 an
die Spitze gestellt sind, nach ihrer Bedeutung und Beschaffen-
heit dort schon charakterisirt worden, wie sie denn auch
1) Bd. I (1877), S. 419-426.
ZeitBchr. £. K.-O. m, 4. 39
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574 KRITISCHE ÜBERSICHTEN. STAEHELDf,
ihrem Inhalt nach ebenso sehr der Gfeschichte des fi'anzoei-
schen^ als der des schweizerischen Protestantismus angehören^
Der inzwischen erschienene neue Band von Herminjard
(Nr. l) umfasst den Zeitraum vom Mai 1538 bis August
1539. Unter den Schriftstücken, welche sich auf schweize-
rische Verhältnisse beziehen, handelt die tiberwiegende Mehr-
zahl von den Schicksalen Calvin's und seiner Genossen während
des ersten Jahres ihrer Verbannung und ist deshalb bereits in
dem rascher fortschreitenden Thesaurus epistolicus Calvinianus
(Nr. 2) zum Abdruck gekommen; doch geben die reich-
haltigen Anmerkungen, welche Herminjard seinen Documen-
ten beifligt und in welchen so manche Frage über Personen
und Tatsachen ihre Lösung findet, sowie auch die öfters
hervortretende Verschiedenheit in der Lesung einzelner St^en
besonders aus den Briefen Farel's und in der Datuning der
Schriftstücke seiner Sammlung auch da ihren selbständigen
Wert, Wo sie derjenigen der Strassburger Theologen parallel
geht, und daneben ist es dem Herausgeber gelungen, diese
letztere durch eine Anzahl neu aufgefundener Documente zu
vervollständigen, unter denen namentlich die Berichte des
Joh. Colassus über die Zustände in Genf (Nr. 740. 747) *)
und der Brief Capito's an die Genfer Prediger vom März
1539 (Nr. 775) Beachtung verdienen; der letztere ist von
Calvin corrigirt und ist. Dank dieser Beteiligung Calvin's an
seiner Abfassung, das erste Zeugnis der versöhnlicheren Gre-
sinnung, welche derselbe in Folge der Vereinbarung von
Morges (Nr. 771) gegenüber der Genfer Kirche in sich auf-
kommen liess *). Unter den sonstigen die Schweiz betreffen-
den Stücken, die als mit Calvin in keinem Zusammenhang
stehend der Sammlung Herminjard's allem angehören, ver-
dienen der Brief Thomas Platter's an Bullinger über die
^) Vgl. dazu das 1540 in Genf entstandene längere Gredicht,
-welches von Galiffe in den Mdmoires et documenta publik par la
soci^t^ dliistoife et d'Arcli^logie de Qenhve (T. XIX, p. 262—283)
mitgeteilt und als Ausdruck der kidenschaftliclien Stimmung der Cal-
vinischen Partei bemerkenswert ist.
*) Vgl. die Anzeige dieses 5. Bandes im Bulletin histor. et litt^.
1878, Nr. 8, p. 369 sqq.
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GESCH. DER REFORM. IN DER SCHWEIZ 1B75-1878. 575
ervangeliache Bewegung in Wallis (Nr. 723) und die amir
liehen Correspondenzen Berns mit Gen^ Solothum und dem
Waaddand, aus der am Schluss hinzugefügten Nachlese zu
den früheren Bänden endlich die neuen Briefe FareFs her-
vorgehoben zu werden ^). — B^gt sich bei diesem Werke
Herminjard's hier und da dar Wunsch ^ dasselbe durch eine
raschere Fortsetzung seinem Ziele sicherer entgegengefahrt
zu sehen^ so hat umgekehrt bei der Calvinischen Brief*
Sammlung (Nr. 2) die rastlose Arbeit ihrer Strassburger
Herausgeber, von denen der eine, der um die Reformations-
geschichte so hochverdiente Wilhelm Baum, vor Kurzem
(29. October 1878) aus dieser sein^ irdischen Arbeit hin-
weggerufen worden ist, bis jetzt der Forschimg kaum Zeit
gelassen, das hier niedergelegte, kein Gebiet der Reformations-
geschichte unberührt lassende Material zu verarbeiten ^). Die
vier während der letzten drei Jahre erschienenen Bände gehen
von Anfang 1554 bis September 1561; es ist für Calvin die
Zeit des Sieges und der freilich gewalttätig genug gesicherten
Herrschaft in Genf, aber auch neuer Kämpfe und Sorgen
um die Befestigung des auswärtigen, namentlich des fran-
zösischen Protestantismus, die denn auch in diesem Brief-
wechsel mit jedem Jahre mehr in den Vordergrund treten
und in der lebendigsten Weise den grossartigen, ökumenischen
Charakter seines Reformationswerkes veranschaulichen *).
Von den in Nr. 3 — 6 zusammengefassten biographi-
schen Darstellungen hat grade die ausführlichste (Nr. 3)
am wenigsten selbständigen Wert, dagegen verdienen die
unter Nr. 4 genannten Artikel der beiden im Erscheinen
begriffenen Encyklopädien als gründliche und unparteiische
und zugleich einander ergänzende Zusammenfassungen der
auf Calvin bezüglichen Forschung hohe Beachtung. Von
1) Die 2. Aufl. des 1. Bandes 1878 ist bloss Titelausgabe. Vgl.
Theol. Literaturzeitung 1879, Nr. 13.
s) Einen Anfang dazu macht J. Bonnet m seinen interestanten
Aufsätzen über die Geschichte der evangelischen Gemeinde zu Paris
unter Heinrich U. und Franz ü. (Bulletin hist et ütt. 1876—1878).
8) Vgl. Theol. Literaturzeitung 1879, Nr. 1. Bd. XIX und XX
sind im Laufe von 1879 erschienen.
39*
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676 KRITISCHE ÜBERSICHTEN. STAEHEUN,
Dardier ist auch bemts die interessante Urkunde über Cal-
vin's zweiten Aufenthalt in Orlöans 1532 — 1533 benutzt,
welche im Bulletin bist, et litt 1877, Nr. 4, p. 177 sqq. mit-
geteilt ist und welche sowohl für den Einblick in seinen
Studiengang, als auch für die Zeitbestiinmung seiner Be-
kehrung (Anfang 1534) eine wie mir scheint entscheidende
Bedeutung hat. Während dieser Artikel von Dardier aus-
schliesslich biographischer Art ist, wird in dem ihm an die
Seite gestellten von Jundt Calvin's Lehre in einer kurzen^
objectiven Wiedergabe ihrer Hauptpunkte als zusammen-
hängendes Ganze dargestellt, wogegen umgekehrt der Vor-
trag von Kattenbusch (Nr. 5) darin seinen eigentümlichen
Vorzug hat, dass er in feinsinniger Weise der inneren Port-
entwicklung seiner Lehre, sowie den Beziehungen dieser seiner
Theologie auf die von ihm gegründete Theokratie nachgeht i).
Ein interessantes Document jener Lehrentwickelung ist
auch der kürzlich entdeckte erste französische Katechismus
Calvin's (Nr. 6), den er noch Ende 1536, also nur wenige
Monate nach seiner Ankunft in Genf für diese Stadt aus-
gearbeitet, dann unmittelbar vor seiner Vertreibung (März
1538) in lateinischer Sprache den befreundeten Kirchen als
1) Die jetzt mit dem 8. Bande zu ihrem Abschloss gebrachte
Beformationsgeschichte von Merle d'Aubignö (Hlstoire de la rdfbr-
mation en Europe aux temps de Calvin), fragmentarisch, wie sie in ihren
letzten Bänden sein musste, erzählt von Calvin nurnoch seine Rückkehr
nach Genf und seine Einführung der Kirchenordnung daselbst (Vll,
1 — 154). Als Actensammlung für diese Zeit, die auch manche für die
kirchlichen Verhältnisse wichtige Angaben in sich schliesst, ist xu
nennen: Les Archives de Gen^ve. Inventaire des documents con-
tenus dans les portefeuilles historiques avec le texte in^t de diverses
pi^ces, de 1528 k 1541. Publik par F. Turretini, 1878. VUI et
331 S. Vgl. Bull. bist, et litt^r. 1878, Mai, S. 231 ff. Von den m extenso
mitgeteüten Schriftstücken sind besonders die auf die Verbannung
und Zurückberufung Calvin's bezüglichen (z. B. die Briefe ^Viret's an
den Genfer Magistrat S. 147 ff., die Zuschrift Sadolet's S. 214 u. s. w.)
von allgemeinerem Interesse; doch liegt der Hauptwert in der Grien-
tirung, welche durch die sorgfältige Angabe über den Inhalt der
„portefeuilles historiques" der Forschung geboten ist. — Der Au£Batz
„Job. Calvin" in der Rechtgläubigen Bevue 1878 ist dem Referenten
unbekannt geblieben.
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GESCH. DER REFORM. IN DER SCHWEIZ 1875—1878. 577
Zeugnis der in Genf verkündeten Lehre zugesandt, später
aber geflissentlich wieder unterdrückt und durch eine neue
Bearbeitung ersetzt hat, so dass er bald ganz in Vergessen-
heit kam und erst in neuester Zeit — von den Strassburger
Herausgebern in seiner zweiten lateinischen und jetzt durch
einen glücklichen Fund auf der Pariser Nationalbibliothek
auch in seiner ersten französischen Ausgabe — wieder hat
können ans Licht gezogen werden *). Die Vergleichung
dieser früheren mit der späteren Bearbeitung von 1542 zeigt
vielfach eine dem Verhältnis der ersten zur zweiten Ausgabe
der Institutio parallele Fortbildung, z. B. in der Trinitäts-
lehre imd der veränderten Stellung des Gesetzes, das Calvin
auch im Katechismus anfangs als Vorbereitung des Glaubens
behandelt und erst 1542 in die Lehre von der poenitentia
hineingezogen hat. Von der ersten Ausgabe der Institutio,
aus welcher teilweise ganze Abschnitte in den Katechismus
herübergenommen sind, unterscheidet sich dagegen derselbe wie-
der durch seine Anknüpfimg an die allgemeine religiöse Anlage
in der Einleitung sowie durch die imgleich bestimmter vor-
getragene Prädestinationslehre, deren rückhaltlose, auch die
Consequenz einer Vorbestimmung zur Verdammnis nicht
scheuende Darlegung in diesem auf die Jugend berechneten
Lehrbuch besonders bemerkenswert ist *). Wertvoll sind
1) Vgl. Theol. Literatlirzeitung 1878, Nr. 24. Eine Inhaltsangabe
findet sich allerdings schon bei Niemeyer, CoUectio Confess.,
p. mvm. Für die in jener Recension ausgeßprochene und weiter
begründete Annahme, dass der lateinische Text das Original und der
fnmzösische die Uebersetzung ist, verweise ich noch auf das analoge
Verfahren bei der Abfassung der Schulordnung von 1559, welche
ebenfalls von Calvin zuerst lateinisch eingereicht und dann auf Befehl
des Kats ins Französische übersetzt worden; s. das Ratsprotocoll
darüber in der unten anzuführenden Schrift von Berthault, Ma-
thurin Cordier, p. 37.
8) p. 33: „De F^ection et pr^estination. La semence de \ä
parolle de Dieu prend racine et fructifie en ceux-lk seulement lesquels
le Seigneur par son ^lection ^temelle a pr^estin^ pour ses enfans
et h^tiers du royaulme Celeste. A tous les autres, qui par mesme
conseil de Dieu devant la Constitution du monde sont
r^prouv^z, la claire et Evidente pr^dicadon de v^rit^ nepeult estre
aultre chose sinon odcur de mort en mort."
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578 KBITI8CHE ÜBERSICHTEN. STAEHEUN,
auch die beiden nmfii.Tigrfjr'.hon geschichüichen £mleituiigis[L,
die erste dne hauptsächlich auf Grund der Bat^rotocoUe
Terfasste Schilderung von Calvin's erstem Aufenthalt in Genf^
die zweite dn Bericht über die ältesten evangelischen Budi-
drucker in der französischen Schweiz^ der neben seinen inter-
essanten bibliographischen Notizen auch in die franzöcdadi
protestantische Tractatliteratur und deren Propaganda nach
Frankreich neue BUcke eröffiiet Leider haben die Herans-
geber den Wert dieser ihrer Arbeit dadurdi wesentlich ge-
schmälert^ dass sie dieselbe nur in wenigen Exemplar^i ab-
ziehen Hessen: die ganze Veröffentlichung ist denn doch zu
bedeutend um als literarische Curiosität der Eitelkeit der
sogenannten „Bücherfreunde" geopfert sbu werden.
Eine andere, bisher noch nicht im Zusammenhang er-
forschte Seite von Calvin's Theologie ist beleuchtet in der
Schrift von P. Lobstein über seine Ethik (Nr. 8). In
wohlgeordneter, dem eigentümUchen Wesen dieser Theo-
logie unmittelbar entnommener systematischer Zusanunen-
fassimg wird dieselbe dargestellt, wobei die Beurteilung
vorwiegend an die auch für das Verständnis Calvin's so viel-
fach lehrreichen Beobachtungen Bitschl's sich anschlingt
und ftir die Gewinnung des Stofies auch die bisher zu weooig
benützten Predigten Calvin's in dankenswerter Weise her-
beigezogen sind ^).
Auch in Roget's ausflihrlichem Werk über die Ge-
schichte des Genfer Volkes (Nr. 7), dessen drei erste Bände
schon früher in diSser Zeitschrift besprochen sind, bildet dag
Leben und die Wirksamkeit Calvin's den Hauptinhalt, so
sehr, dass sich die Frage auMrängt, ob nicht damit dem
eigentlichen, durch den Titel bezeichneten Zweck des Werkes
1) Vgl. die Becension von Kattenbusch, Jabrb. f. deutaehe
Theol. XXm u. von Kahler, Theol. Lit.-Ztg. 1876, Nr. 12. — Mehr
apologetische als geschichtliche Zwecke verfolgt Gaberei, Calvia
et Rousseau, ituäe litt^ire. Gen^ve 1878. 216 p. 12. — Erwähnens-
wert, wenn auch lange nicht erschöpfend ist femer die Abhandhii^
von L. Elster, Calvin als Staatsmann, Gesetzgeber und National-
ökonom. Jahrb. f. Nationalökonomie und Statistik, hezausg. von
Hildebrand und CJonrad, Bd. XVI (1878), S. 163—229.
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GESCH. DES, B£FORH. IN DER SCHWEIZ 187»^1878. 579
JESntrag geschehen ist und eine Schilderung der G-^enpartei
in eigenem Zusammenhange demsdben nicht förderlicher ge-
wesen wäre. Im Interesse der Geschichte Calvin's wird man
Allerdings dem Verfasser fiir sein Verfahren nur dankbar
sein können. In keiner seiner Biographien ist dieselbe so
objectiv historisch behandelt wie hier; dazu wird der Leser
überall vor die Quellen selbst hingestellt, durch deren Ee-
production das Werk überhaupt in der Calvinliteratur sich
eedne epochemachende Stellung sichern wii*d und unter denen
die Mitt^ungen der SitzungsprotokoUe des Eates imd der
V^n. Compagnie des pasteurs, sowie der wichtigsten Ge^
riohtsverhöre als die bedeutendsten hervorzuheben sind ^). D^ü
Inhalt des neuerschi^ienen Bandes bildet die Zeit von 1553
bis 1555; in den beiden Elatastrophen dieser Jahre^ der
Hinrichtung Servers und der Besiegung der nationalen Oppo-
flitionspartei, ist der Sieg Calvin's und seiner Theokratie in
Oenf entschieden worden; aber es ist der Vorzug der hier
gegebenen Darstellung dieser Kämpfe, dass in ihr besser als
sonstwo auch das relative Recht der Unterliegenden und da-
mit das eigentlich Tragische in diesen Conflicten ins Lickt
gestdlt wird. Noch mehr vielleicht als in seinem Verfahren
gegen Servet *), das auch Roget bei aller Misbilligung weniger
Calvin persönlich als dem kirchlichen Geiste der Zeit zur
Last legt; hat diese Parteistellung dem Charakter Calvin's
geschadet in seinem Kampf gegen die politischen Gegner
seiner Theokratie. Schon früher hatte Roget gezeigt, wie
wenig dieselben für die religiöse Opposition der Libertiner ')
1) Vgl. Eevue historique, tom. Vm, 1878 8ept./Octob., p. 197 ss.
*) An die verdienstlichen, aber leider allzu zerstreuten Arbeiten
von H. Tollin über Servet kann hier nur erinnert werden. Eine
Znsammenstellung und Bespreehnng gibt Ni p p o 1 d , Jenaer Ldteraturz.
1876, Nr. 2; 1879, Nr. 32. Ueber die Lehre Servet*s s. bes. dessen
Schrift: ^,Dat Lehrsystem Servet's", Gütersloh 1876—1878, 3 Bde.
(vgl. Theol. Literaturz. 1877, Nr. 8); Pünjer, De Michaelis Ser-
veti doetrina, Jenae 1876, HO p. ; Willis, Servetus and Calvin,
London 1877, 54 S.
3) Auch A. Jundt, Histoire du panth^isme populaire an moyen-
&ge et au seizi^me si&cle, Paris 1875 {Cha^. 3, p. 125 ss.: Les Über-
tins spirituels) hält beiderlei Richtungen bestimmt auseinander. Neue
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580 KRITISCHE ÜBERSICHTEN. STAEHEUN,
verantwortlich gemacht werden dürfen und wie auch die
Anklage auf sittlichen LibertinismuS; die namentlich Bonivard's
Darstellung in Au&ahme gebracht hat; nur in beschränktem
Masse jene Partei triffl;^); in den hier geschilderten letzten
Entscheidungskämpfen nun stellt sich der G^ensatz vollends
deutlich als der Antagonismus zweier principieU verschiedener
Anschauimgen dar, von denen die eme den Schwerpunkt
des kirchlichen Regiments in die rein kirchliche Behörde
das Consistorium, die andere in die obrigkeitliche Gewalt
verlegen will, jene also, deren Sele Calvin war, Sie innere
Selbständigkeit der Kirche, diese, die Partei des alten Bür-
gertums, die Souveränetät des Rates zu wahren bedacht
ist *) ; auch die letztere will, wenn auch mit dem übertriebenen
Rigorismus der Calvinischen Sittengesetzgebung vielfach nicht
einverstanden, doch im Ganzen die Berechtigung ein^ sol-
chen nicht in Abrede stellen und in ihrer Handhabung die
eingesetzten kirchlichen Organe durchaus gewähren lassen;
mitten im Conflict zwischen der Regierung imd der Göst-
Uchkeit zeigt sich die erstere allezeit willig, die vom Gtesetz
festgestellten Disciplinarstrafen auf deren Begehren zu voll-
ziehen; sie verbannt einen Mann auf drei Jahre aus der
Stadt, weil er die Mittlerschaft Jesu geleugnet hatte, oder
Documente für die libertinische Denkweise in Frankreich und deren
Stellung zu den Reformatoren giebt Ch. Schmidt: Les libertins
spirituels. Trait^s mystiques Berits dans les ann^es 1547 k 1549. BÄle
et Gen^ve 1876. 248 p.
1) In Bd. I und II d. vorl. Werkes, sowie in dem Aufsatz : Calvin k
Gren^ve, bei Secretan, Galerie Suisse. Biographies Nationales, 2 Vol.
Lausanne 1873. 1876 — ein Werk, dessen erster Band auch sonst für
seine Biographien der schweizerischen Reformatoren und insbesondere
der an der Emancipation Genfs vom Bischof beteiligten bedeutendem
Persönlichkeiten Beachtung verdient.
«) Vgl. auch Fr^d. Tissot, Les relations entre TEglise et
l'Etat k Gen^ve au temps de Calvin. Lausanne 1875. 84 p. — üeber
die Genfer Regierung und ihre Stellung handelt Roget in mehreren
besonderen Aufsätzen in den „ Etrennes genevoises. Hommes et choses
du temps pass^**, Gen^ve 1877: Le petit conseil, p. 1 — 55; Lessyndics
de Gen^ve, ebenda 1878, p. 1 — 32 ; Le conseil g^n^nd k Tancienne r^-
publique, ebenda 1879, p. 109—140.
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GESCH. DER REFORM. IN DER SCHWEIZ 1875-1878. 581
zieht Leute zur Strafe, die während der Predigt um Geld
spielten; aber es soll, wenn die Obrigkeit dergestalt der
Kirche zur Aufrechterhaltung der christlichen Lebensordnung
ihren Arm leiht, nun auch die letzte Entscheidung über
dieses kirchliche Strafverfahren bei ihr ruhen und namentlich
die Frage über die Zulassung zum Abendmahle in letzter
Instanz ihrer Entscheidung anheimgestellt sein, während Cal-
vin eben in dieser Forderung eine schlechterdings unzu-
lässige Vergewaltigung der Kirche erblickte und „lieber
sterben" wollte, „als durch diese Preisgebung der kirchlichen
Selbständigkeit dem Willen Gottes ungehorsam werden"
(p. 158). Man mag es ihm bei dieser Beurteilung zu gute
halten, dass ihm die Gegner dieser seiner Kirchenpolitik
ohne Weiteres zu Feinden Gottes werden; immer aber wird
man bei Roget's Erzählung die persönliche Leidenschaft imd
die grausame Härte bedauern, deren er in ihrer Bekämpfung
und Niederwerfung sich schiddig gemacht hat; diese Er-
zählung zeigt mit Evidenz, wie der bekannte Tumult vom
16. Mai 1555, aus welchem Calvin das Becht zu dieser
Niederwerfung herleitete, nichts als ein augenblicklicher Aus-
bruch des Parteiunwillens gewesen ist, ein Strassenauflauf
von etwa 20 Männern, der nicht länger als eine Stunde
dauerte und bei dem ein in seinen Folgen unschädlicher
Schlag die eiozige Verwundung war; aber dieser Strassen-
tumult wird nun, nachweislich nicht ohne Calvin's Mitwirkung,
den Gegnern als lange vorbereiteter Empörungs- und Mord-
plan gegen die Stadt ausgelegt; es wird um seinetwillen die
ganze Gegenpartei in einen Prozess hineingezogen, in wel-
chem, wie die mitgeteilten Acten dartun, ohne irgend einen
sichern Bechtsgrund und mit einer empörenden Baschheit
des Verfahrens über ihre Häupter das Todesurteil ausge-
sprochen und an denen, die sich nicht durch die Flucht
retteten, auch wirklich vollzogen wird und etwa hundert
ihrer Anhänger aus dem Vaterlande verbannt werden.
Wenn ein Gefangener bei der Erklärung seiner Unschuld
verharrte, so kann Calvin etwa schreiben: „wir werden in
zwei Tagen sehen, was ihm die Folter flir ein Geständnis
wird erpresst haben"; er kann die Bichter zur Beschleunigimg
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582 KRITISCHE ÜBERSICHTEN. STAEHELIK;
des Todesurteils auffordern; ja in der Ungeschicklichkeit des
Henk^rS; welcher einem dieser Opfer die Todesqual schreck-
lich verlängerte, einen besondem Willen Grottes begrü^»eB
(une volonte sp^ale de Dieu). Trotzdem will das Werk
Rogers weder eine Anklageschrift geg^i Calvin noch one
Schutzschrift fiir seine Gegner sein, wie etwa die bekanntem
Darstellungen dieser Conflicte von Galiffe ^), dess^i fulflcbe
Schlussfolgerungen hier vielmehr gründlicher als irgendwo
sonst widerlegt rind ; Calvin ist dem Verfasser, wie er seSbsi
sagt, gross genug, um auch ohne unwahre Beschönigung
die Ehrfurcht sich erhalten zu können, und es wird die
dankbare Aufgabe der nun folgenden Bände sein^ dles^
Grösse Calvin's durch die Schilderung des fkirages gerecht
zu werden, den der Reformator für Gtenf wie für den gsLOzen
Protestantismus an diesen Sieg seiner Theokratie zu knüpfen
verstanden hat *).
Neben Calvin stehen seine Mitarbeiter, abgesehen von
dem was die beiden genannten Briefsammlungen über sie
enthalten, in der hier zu besprechenden Literatur der letzten
Jahre fast ganz im Dunkeln. Nur Mathurin Cordier, der
grosse Schulmann, dem, als er, schon 57 Jahre alt, nadi
einer bedeutenden Lehrtätigkeit in Frankreich aus seinem
Vaterlande verbannt worden war, der Reihe nach die ge-
lehrten Schulen vcm Genf, Neuenbürg und Lausanne ihre
Organisation zu verdanken hatten, und dessen „Schülo^
spräche" — in seinem 85. Lebensjahre von ihm verfasst —
sogar in Frankreich mehr als ein Jahrhundert lang em
weitverbreitetes Lehrbuch blieben, ist der Gegenstand einer
eingehenderen Darstellimg geworden •).
1) In den „Stimmen aus Maria Laach" (1876, Heft 4 ff.) natür-
lich dankbar angenommen und wiedergegeben.
2) Ueber diese spätere Zeit von Calvin's Wirksamkeit ist zu er-
wähnen : „ Proc^s de Valentin Gentilis et de Nicolas Glallo (1558) d'apr^
les documents originaux" (Extrait du Tome XIV du Memoire deFIn-
stitut national genevois) 1878. 102 p. 4.
•) Berthault: Mathurin Cordier. L'enseignement chez les
Premiers Calvinistes. Paris 1876. 86 p. — Die Statuten der Geafer
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GESCH. DER B£FO{lM. IN D£B SCQWEI? 1875-1878. 583
Das im Erschemen b^riffeiie uunfangreichQ ttnd ^än*
jsend ausgestattete Werk von Douen übw de© firan-
wsischen Psalter und dessen ersten und geistvollsten Dicbter
CWment Marot *) gehört allerdings in erster Linie der Ge^
schichte des französischen Protestantismus an und wird für
Aeadeioie von 1559, abgedruckt p. 39 — 56, werden aber sicher nicht
auf Ck>rdier, sondern ai^ Calvm zurückgeführt werden müssen, wofibr
auch A. Roget, Etrennee Genevoises 1877, p. 99 — 146: „Mathurin
Cordier", sich entscheidet. Die beste Arbeit sowohl über sein Leben
als über seine Verdienste um den gelehrten Unterricht enthält
Hassebieau, Les colloques scolaires du seizi^me si^cle et leurs
auteurs, Paris 1878, p. 205 — 243. Ueber die Einrichtung und die Anfänge
der Genfer Academie vgl. das Programm von 1878: L'enseignement
superieur k Gen^ve depuis la fondation de l'acadömie jusqu^k 1876
par H. F. Amiel et A. Bouvier, 35 p. 4. Etrennes Genevoises
von 1878, p. 38—46: Louis Enoch ou un r^gent du seizi^me siecle.
Der Artikel Farel von Hagenbach ist in der 2. Aufl. der Real-
encjklopädie ersetzt worden durch einen Aufsatz von Herzog, in dem
Bef. nur eine genauere Berücksichtigung des Sommaire vermisst, der-
jenige über Beza, früher von Herzog verfasst, durch eine Arbeit
von Heppe, seinem Biographen in dem Werk : „ Väter und Begründer
der reformirten Kirche " ; über Beza ist ausserdem noch der eingehende
und gründliche, besonders für die Darstellung seiner literarischen
Tätigkeit beachtenswerte Artikel von Vigui^ in Lichtenberger's Ency-
clopWe des sciences religieuses (II, 255—273) zu notiren, während an
den Reformator des Waadtlandes, Pierre Viret, eine Schrift von Gaberei
(Gaberei, Le monumentde Pierre Viret kOrbes, 1875, 105 p. kl. 8.)
erinnert, welche bei Anlass der Errichtung seines Denkmals heraus-
gegeben wurde, indessen ihrem Hauptinhalt nach die Beschreibung
jener SUnweihungsfeier ist und über Viret nichts Erhebliches in sich
schUesst, so dass sie eben nur aufs Neue das Bedür^iis auch nach
einem literarischen, die Eigentümlichkeit seines Wirkens und seiner
Schriften genauer als die bisherigen zur Anschauung bringenden
Denkmale dieses Reformators wachzurufen geeignet ist. Ueber die
von ihm gegründete theologische Schule zu Lausanne: Vuilleu-
ttier, Kotice historique et statistique sur T Academie de Lausanne;
Programme des cours pour 1878—1879. Die Geschichte seiner (und
Farel's) Verheiratimg und die Bemühungen Calvin*s um dieselbe:
Etrennes Genevoises 1879, p. 175 — 189 : Mariage de deux R^formateurs.
1) 0. Douen: Clement Marot et le psautier huguenot. Etüde
historique, iitt^ire, mnsicale et bibliographique. Paris, Imprimerie
nationale. Tom. I, 1878. VI & 746 p. gr. 8.
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584 KRITISCHE ÜBERSICHTEN. STAEHEUN,
diese sowohl in hymnologischer Beziehung durch die ein-
gehenden Forschungen über die Psahnmelodien, als auch in
allgemein geschichtlicher durch die neuen Ergebnisse über
den religiösen Charakter des Dichters Clement Marot von
epochemachender Bedeutung sein. Doch wird auch die Ge-
schichte der schweizerischen und namentlich der Gfenfer evan-
gelischen Ejrche insofern von ihm berührt, als einerseits dies^*
Psalter ja auch für sie seit 1542 fast drei Jahrhunderte lang
ihr einziges gottesdienstliches Gesangbuch gewesen ist und
dem Umfange nach betrachtet auch mehr ihrem Leiter,
Theodor Beza, als Marot seine Entstehung zu verdanken ge-
habt hat, da jener 101, dieser bloss 49 Psalmen übersetzt^
und als andrerseits auch der letztere unter den Vielen ge-
wesen ist, welchen die Stadt Calvin's Schutz und Zuflucht
gegenüber der Verfolgung bot, indem er, um seiner Psalmöi-
übersetzung willen aus Frankreich verbannt, 1542 bis De-
cember 1543 dort seinen Aufenthalt hatte. Bef. kann aller-
dings die beiden Abschnitte: „Marot et Calvin" und „ Marot k
Genfeve" (p. 392 — 426) nicht zu den gelungensten in dem
sonst so gediegenen imd lehrreichen Werke zahlen ; das löb-
liche und unzweifelhaft auch erfolgreiche Bestreben des Ver-
fassers, das so lange Zeit und nicht ohne die nachweisbare
Schuld Calvin's und Beza's getrübte Urteil der Geschichte
über den sittlichen Charakter und die evangelische G^esm-
nung Marot's zu berichtigen und dem ersten französischen
Dichter jener Zeit die ihm gebürende und doch fast allge-
mein vorenthaltene Ehrenstellung unter den fiühesten Be-
kennem des evangelischen Glaubens wiederzugeben, hat \
ihn sowohl gegen die Schwächen seines Helden allzu nach-
sichtig, als auch gegen diejenigen ungerecht sein lassen, die
nun einmal unstreitig die entscheidenden Begründer und j
Führer desselben gewesen sind. Calvin und Beza, in deren ;
Theologie der Verfasser fast nur die Prädestinationslehre und jj
den gesetzlichen Schriftglauben hervorhebt und an deren
'Wirksamkeit als hauptsächliche Massstäbe die Grundsätze
modemer Cultur und Glaubensfreiheit angelegt werden,
stellen ihm den Protestantismus in seiner dogmatistischen
und nomistischen Entartimg, Marot in seiner ursprünglichen
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\
GESCH. DER REFORM. IN DER SCHWEIZ 1875-1878. 585
evangelischen Freiheit und Wärme und seiner Einheit mit
dem Geist der Benaissance dar; „der Protestantismus Ma-
rot*s hätte Frankreich erobern können, während es durch
die Dogmatik Calvin's zurückgestossen wurde"; natürlich
dass dann auch für den baldigen Wegzug Marot's aus Genf,
über dessen Motive ausser einer Notiz über eine Zurecht-
weisung Bonivard's wegen einer von ihm mit Marot ge-
spielten Partie Trictrac alle historischen Angaben fehlen, die
ganze Schuld auf Calvin's Unverträglichkeit und despotischen
Rigorismus gelegt und dessen bereitwillige Anerkennung der
Vorzüge von Marot's Psalmenübersetzung selbst vor seiner
eigenen sowie seine Verwendung bei dem Magistrat, um dem
Dichter zur Fortsetzung derselben eine Unterstützung zu er-
wirken, für die Beurteilung des Verhältnisses nicht weiter
in Betracht gezogen wird. Aber wir wiederholen es: man
kann die einseitige Parteinahme des Verfassers in diesem
Punkte beklagen und wird ihm doch das Zugeständnis nicht
vorenthalten dürfen, dass manche der von ihm erhobenen
Vorwürfe zutreffen, dass in seinen mannigfaltigen historischen
Untersuchungen, grade auch wo sie dem Lebens- und Ent-
wickelungsgange Calvin's nachgehen, eine Fülle der schätz-
barsten Aufschlüsse gegeben ist und dass überhaupt sein
Werk, wie dies auch die Uebemahme des Druckes seitens
des Staates beweist, zu den gereifkesten und lehrreichsten
gehört, die auf dem Gebiete der hymnologischen wie auch
der allgemeinen reformationsgeschichtlichen Forschung in den
letzten Jahren ims geboten worden sind.
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ANALEKTEN.
Za Easebias H. E Vlll.
Von
D. Theodor Brieger.
I.
Eosebins' DiBpositdon im 8. Bnohe der Kirch^igeBcliiaiite ^).
Hunziker hat das Verdienst^ zum ersten Mal nach-
drücklich darauf hingewiesen zu haben^ dass die Anordnung
des Stoffes im 8. Buche der Eirch^[igeschichte des Easebias
keine chronologische ist *). Eine sehr naheliegende Wahr-
nehmung; die, schon dem aufinerksamen Leser des Baches
selbst möglich; sich jedem aufdrängt, welcher die streng
nach der Zeitfolge geordnete Schrift des Eusebius de «lor-
tyribt^ Palaestinae mit dem 8. Buche auch nur oberflSch-
lich vergleicht Allein man ist damit noch nicht berechtigt^
die Stoffordnung dieses Buches mit Hunziker eine ^^böchst
verworrene und verwirrende" zu nennen*): Verwirrung hat
1) Durch ein Versehen ist diese selbstverständlich nur für die
Analekten bestimmte Kleinigkeit mit der Schrift der 1. Abteilung
der Zeitschrift gesetzt worden.
^) Zur Regierung und Christenverfolgung des Kaisers Diocletianos
und seiner Nachfolger 303 — 313 (in den von Max Büdinger heraus-
gegebenen Untersuchungen zur römischen Kaisergeschichte 11, Leipzig
1868, S. 113—286), S. 124—134.
3) S. 124. Vgl. S. 125 f. („so verwirrend ist diese seine Anord-
nung, dass selbst scharfsinnige und erfahrene Forscher sich von ihr
haben täuschen lassen" u. s. w.). S. 134.
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BRIEOEB^ ZU EUSEBrcS H E.. Vm. 587
sie nur deshalb angerichtet^ w^ man mit der grundlosen
Voraussetzung^ hier eine chronologische Darstellung zu finden,
an sie herantrat Aber auch der Vorwurf der Verworren-
heit triffl; bei näherem Zusehen nicht zu. Man hat gegen
Ekisebius als Geschichtschreiber so viele (und darunter wahr-
lich schwerwi^nde !) Anklagen zu erheben, dass man
ihre Liste nicht ohne Not vermehren sollte. Die Gruppirung
des 8. Buches ist sicher keine musterhafte, aber sie ist, wie
Eusebius einmal seine Aufgabe fE^ste, ganz verständig und
verständlich, durchaus nicht undurchsichtig. Sdbon die häu-
figen Uebergangsparagraphen, in denen Eusebius, den Faden
der Darstellung fortspinnend, seine Disposition zum Teil mit
dürren Worten angiebt *), lassen den Gang, welchen er ver-
folgt, klar hervortreten. Das mag hier, da die von Hunziker
gelieferte Inhaltsübersicht *) nicht immer zutrefiend ist, kurz
dargelegt werden. Dabei wird sidi zugleich Gelegenheit
bieten, eine der für die Disposition wichtigsten Stellen ge-
nauer zu imtersuchen.
Als Gegenstand des 8. Buches wird im Prooemium die
Zeitgeschichte hingestellt (rit xa&* ^/*ag auToig, ov r^g
rvxovarjg al^ia ovra yga(pijg). Genauer aber hat Eusebius sein
Thema, worauf es ihm nämlich bei der Darstellung der Ge-
schichte seiner Zeit am meisten ankommt, schon am Schluss
des 7. Buches angegeben: es sind die Kämpfe der Mär-
tyrer, welche er zur Darstellung bringen will*), eine Be-
stinmiung der Aufgabe, welche er am Schlüsse der Ein-
leitung des 8. Buches wiederholt*). Schon dies ist beach-
tenswert: unser Autor verspricht keineswegs, eine chrono-
logisch geordnete Geschichte der grossen Verfolgung zu
geben. Die Erwartung, mit welcher wir an seine Darstellung
1) Vgl. cap. 2, 8. (8, 4. 4, 5. 6, Ifin.). 6, 10. (7, 1). 8, 1 (9,
1. e). 10, 12. 12, 1. 13, 7. 8. 16, 1. 17, 11.
«) S. 181—183.
•) Vn, 82, 82: ro^ na^' lifm^ tiSv vnhQ ev^Bßiiag th&Qurafiiyay
*) Vlll, 2, 3: tüifuv ovv ivtBvd-^y i&tj , rovg Uqoig dywyas ttSp
ttv ^$(olß i6yov fjta^vQtty ir inrtofig i^utyQ^nfH>t^es>
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588 ANALEKTEN.
herantreten sollen, ist eine ganz andere. Und in der Tat
hat er damit für einen Hauptteil seines Buches das Thema
scharf und bestimmt ausgesprochen: der ausdräcklichen An-
gabe des Verfassers entsprechend, bringt die erste 'Hälfte
eine Beschreibung der Elämpfe der Märtyrer, Bilder aus
der Verfolgung. Für die zweite Hälfte wird dann spät^
das Thema, wie wir sehen werden, mit gleicher Genauig-
keit hingestellt.
Das Buch ghedert sich nämlich, von der Ginleitiing
abgesehen, in zwei Hälften.
Einleitung: cap. I — II, 3.
Sie zeichnet kurz den Zustand der Kirche vor der Ver-
folgung, stellt die letztere als Strafe Gottes hin (c. I — II, l)
und fixirt schliesslich die Aufgabe (H, 2. 3).
I. Hallte: cap. n, 4-Xni, 7:
Die heiligen Kämpfe der Märtyrer.
Cap. II, 4. 5: Beginn der Verfolgung: Mitteilung der bei-
den ersten Edicte. [Fast wörtlich so im Prooemium der
Schrift de mart. Pol.]
Cap. IH: Allgemeines über das Verhalten der Gemeindevor-
steher in der durch das 2. Edict über sie verhängten
Verfolgung. [Fast wörtUch gleichlautend de mart. Pal.
1, 3. 4.]
Cap. IV: Indem Eusebius jetzt zu der Erzählung von den
heiligen Märtyrern übergeht (s. HI, 4; IV, l) *), be-
spricht er in Cap. IV zuerst die vereinzelten Martyrien,
zu denen es schon vor Ausbruch der allgemeinen Ver-
folgung kam, um sodann (s. den Uebergang IV, 5)*)
^) m, 4: UXX* ov xal xard xiov dyitar oiJtoZs /jutQTVQwy rovra
TtQovxoigsi, filv eis tcXQißfj di^ytiaiv ttg av fifjuv iiaqxiatiB X6yoSf' IV, 1:
Mvgiovg fAkr ydq laroQi^atu äv ng d^vfjMCxriv inhq evasßeiag xov d-eov
Ttap oXuty iv&B&Hyfih^ovg 7tQ0^vf4Üxr, ovx i^oTovntQ f4<^yor 6 xard
ndvxtov dvtxivtj&tj duay/Aog, noXv nqotBQov dh, xa^* Sv hi zd rijs e^'-
ytig avyexQOTsTto,
8) IV, 5: Ißj dh xcU yvfjiyoTtQoy inanidv^ro (nämlich der die
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BRIEGER, ZU EUSEBIÜS H. E. Vin. 589
seine Erzählung von den Martyrien der grossen Ver-
folgung mit denjenigen zu beginnen, welche sich in Ni-
komedien selbst zu Anfang der Verfolgung ereigneten.
So berichtet
Cap. V: Das erste Martyrium in Nikomedien und
Cap. VI, 1 — 7: Die Martyrien besonders der Hofbeamten
daselbst (zum Teil in Zusammenhang stehend mit dem
Palastbrand in Nikomedien).
Cap. VI, 8 — 10 deutet Eusebius den Anlass zu dem 2. Edict
an, zeichnet in wenigen Zügen die Wirkimg desselben,
um sofort ein 3. Edict zu erwähnen, in dessen Verfolg es
in allen Provinzen (besonders in Aifrica, Mauretanien,
Thebais und Aegypten) zu zahllosen Hinrichtungen ge-
kommen sei.
Ueber diese Hinrichtungen wird jetzt
Cap. Vn— Xni, 7 ausfuhrlich berichtet: cap. VH— XI sind
sie nach den Provinzen geordnet, während cap. XH
besonders hervorragende Martyrien von Männern und
Frauen zusammenstellt und das veränderte Verfehren
g^en Schluss der Verfolgung charakterisirt, cap. XIH,
1 — 7 aber eine Uebersicht giebt über die zu Märtyrern
gewordenen Bischöfe der wichtigsten Städte.
(Dass aber Eusebius in diesem grossen Abschnitte nicht
ausscmiesslich von den durch das dritte der erwähnten Edicte
hervorgerufenen Verfolgungen redet, sondern die ganze Zeit
der Verfolgung ins Auge fasst, das geht für den aufinerk-
samen Leser schon aus verschiedenen Anzeichen der Dar-
stellung selbst hervor^), und wird über jeden Zweifel er-
Verfolgung erweckende Teufel), ovtf €<rn X6y^ dwaroy d^fiyriauaS-ai,
oaovg xcci onoCovg xov d-iov fAaQjvgag otpdnXfÄoTs naQ^fy ogäy rotg
dvd ndaag rdg ts noXsig ocai tdg x^Q^^S oixovatv,
1) Vgl. 1) IX, 3: ini fxnxqoy oXtov stmy dtdarnf^a, 2) XU, 8 f.
spricht er von dem kaiserlichen Befehl, welcher an die Stelle der
Todestrafe Verstünunelnng setzte, und nennt dieses neue Verfahren
Ttt rdSy avfjKfOQtdv eaxora (aus de mart. Pal. Vll geht hervor, dass
es ins 6. Jahr der Verfolgung fallt). 3) wird man wahrscheinlich mit
Becht auch darauf verweisen können, dass, wenn in diesem Ahschnitte
ausschliesslich die Wirkungen des 3. Edictes geschildert werden soll-
ten, nur die Martyrien von Gemeindevorstehern uns vorgeführt wer-
Zeitflchr. f. E.-G. III, 4. 40
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690 ANAI4EKTEN.
hoben durch die Vergleichimg mit anderen Büdtem der
Kirchengeschichte und mit de marL Pai.) ^)
n. HUfte: cap. XIH, 8— XTH:
Die politischen Ereignisse seit Beginn der Ver-
folgung und die Widerrufung der Massnahmen
gegen die Christen [311].
Eusebius ist cap. XIII , 7 mit seiner Erzählung der
Kämpfe der Märtyrer zu Ende gelangt und will noch die
Palinodie der Kaiser erzählen, glaubt aber an dieser Stelle
zurückgreifen zu müssen, indem er auf „die politischen Er-
eignisse von Anfang der Verfolgung an'* eingeht, welche er
hier in der Tat völlig ausgelassen hatte, während er z. B.
de mart. Pal. einiges davon (s. cap. DI, 5 — 7 die Ab-
dankung Diocletian's u. s. w.) einschaltei Der noch übrige
Gegenstand des Buches ist also ein doppelter:
1. Cap. XIII, 9 — XV: die politischen Ereignisse
seit Beginn der Verfolgung.
Cap. XIII, 9 — 11: Lage des Reiches bei Beginn der V^--
folgung und ihre Veränderung nach derselben bis
zum Zurücktritt Diocletian's und Maximian's.
den dürfen, während hier doch die Martyrien von Laien im Vorder-
grande stehen (s. VII, 4 den Jüngling von noch nicht 20 Jahren;
Vm, 1 die unzählige Menge von Männern, Weibern und Kindern;
IX, 1 die Weiber; IX, 3 Männer, Weiber und Kmder; IX, 7 dea
hochgestellten Beamten Philoromus; desgl. cap. XI u. XII. In aBen
diesen Capiteln [VII — Xll] ist nur eines einzigen GemeindevorstdiecB
Martyrium — das des Bischof Phileas von Thmuis, das dann cap.
Xlll noch einmal vorkommt — ausdrücklich erwähnt, IX, 7, and
erst Xni, 1 — 7 folgt dann die Zusammenstellung von Martyrien von
Gkmeindevorstehem der angesehensten Städte). Doch will ich auf
diese Wahrnehmung bei dem nicht ganz zweifellosen Charakter des
3. Edictes (worüber weiteres unten in der zweiten Miscelle) kein €^e-
wicht legen.
1) Von den in cap. XTTI, 1 — 7 erwähnten Märtyrern haben
Lucian, Silvanus von Emesa und Petrus von Alexandria nach
H. E. IX, 6 erst in dem letzten Stadium der Verfolgung (311—313)
gelitten (für Petrus von Alexandria s. auch die genaue 2ieitbe8timmung
VII, 32, 31), Pamphilus nach de mart. XI im 7., die ägyptischen
Bischöfe Peleus und Nilus nach de mart. XUI, 3, Silvanus von
Gaza nach de mart. Xm, 4 ff. im 8. Jahre der Verfolgung.
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BBIEGEB^ ZU EUSEBIU3 H. £. VUI. 591
Oap. XIU; 12 — 14: über den Tod des Constantius und seinen
Nachfolger Constantin.
Cap. Xin^ 14 — 15: über LiciniuB; Maximums und über den
Ausgang Maximian's.
Cap. XIV: vergleichende Charakteristik der Tyrannen Ma*
xentius und Maximinus ^).
Cap. XV: abschliesB^ide Schilderung des unglücklichen Zu*
Standes des Reiches^ d. L auch der heidnischen Unter-
tanen^ während der ganzen zehnjährigen *) Verfolgungs-
zeit (wozu der Schlussparagraph von cap. XIV ge-
schickt überleitet).
2. Cap. XVI — XVII: das Nachlassen der Verfolgung
nach dem 8. Jahre: der Widerruf des Galerius.
Cap. XVI — XVn, 2: Motivirung des Umschwunges, wie er
sich im Edict des Galerius äussert
Cap. XVn, 3 ff.: Mitteilung des Edictes selbst.
Besondere Beachtung veriüenen die Sätze, mit welchen
Eusebius cap. XÜT, 7. 8 den Uebergang von der ersten Hälfte
seiner Darstellung zu der zweiten nimmt, weil er hier ganz
ausdrücklich das Thema für die letztere angiebi
Er hat seine Au&ählung der Märtyrer-Bischöfe der h^>
vorragendflten Städte mit der Bemerkung geschlossen , dass
es ausserdem unzählige Märtyrer gebe, deren Andenken bei
ihren Gemeinden fortlebe tmd deren Kämpfe in der ganzen
ohovf^iyrj genau zu beschreiben nicht seine, als vielmehr der
Augenzeugen Aufgabe sei; diejenigen jedoch, bei welchen er
selbst zug^en gewesen, wolle er der Nadiwelt in einer an-
1) § 1--6: über die Tyrannei des liazentiiis.
§ 7—16: über MaximinnB und das Verhalten der Christen in
seiner Verfolgung.
§ 16—17 : noch eine Seene aus der Verfolgung des Maxentius
in Rom.
*) S. cap. XV, 1 : ^«« naytbg yi to» to» %ujd %6v ^myiMMf cf nrte-
iiovq j^^Vov. C2ap XVt, 1 : tomvj' TiP rd dtd nturidt rov Sutyftov
nuQttTBTttxota^ dsxdri^ fikv fhe$ . • narteXtSf n9navfiäro% Xu^päv y% fAtjv
fiST* oydoov irog ira^^afiipov.
40*
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592 ANALEKTEN.
deren Schrift erzählen (§ 7) *). Und nun fugt er (§ 8)
die Angabe dessen hinzu, was er in dem gegenwärtigen Buche
noch zu geben gedenke: Kaxa yi fitjy vor nagorra ko-
yoy TTjy TwXtytgSlw Twy negi rifiag il^aofiiywy roig d^fdrotg
imavyonpWy xa re ^ olqxv^ tov Suayfiw avfißeßtpcara^ xon^^'
(jLWtaxa Tvyx^yoyra rotg iyrev^ofiiyotg. Der Inhalt der zweiten
Hälfte des Buches ist hiemach ein doppelter: l) 17 TioXtr-
(fidia Tciy 7rf(>i rnnäg ei^aafiiywy j die in der Tat Cap. XVI,
XVH erzählt wird, und 2) ra ^5 agxv^ '^^^ Siwyfiov
üVfÄßißfjxora. B^ann aber Eusebius inbetreff dieses zweiten
Punktes sich in dieser Allgemeinheit ausgedrückt haben?
„Die Ereignisse vom Anfange der Verfolgung an" wärrai
neben der Erzählung vom Widerruf des Galerius sein Thema
in diesem zweiten Hauptteil? Wäre das der Fall, so könnte
man ihm allerdings den Vorwurf der Verworrenheit nicht
ersparen; denn dieses Thema hat er schon im ersten Teile
berührt: cap. H, 4. 5; V. VI, 1—7 (vgl. cap. VI, 7: xoJ
T« /liy Im NixofiTjdeiag xarce rijy agxv^ anonXead-dyTa xov
Siayyfiov xoiavxa). Es kommt hinzu, dass tatsächlich Eusebius
auch gar nicht ein so allgemeines Thema löst, sondern nur
cap. XHI, 9 — XV „die politischen Ereignisse vom An-
fernge der Verfolgung an" erzählt Merkwürdigerweise hat
unter allen bisherigen Herausgebern von Valesius an bis
auf Schwegler (1852), Laemmer (1862), Heinichen
(1868) und Dindorf (1871) hin Niemand, soweit sich be-
merken lässt, an diesen Worten Anstoss genommen. Trotz-
dem ist mir zweifellos, dass diese Stelle verderbt, d. h. dass
in dem x6 xe ^g ot^X^^ "^ov Simyfiav avfißißipcoxa etwas ausge-
fallen ist. Denn Eusebius pflegt sich in den Angaben über
seine Disposition sehr genau auszudrücken.
Die Hülfe scheint mir nun sehr nahe zu liegen, indem
ein einziger, verhältnismässig junger Codex das Richtige bieten
dürfte: der Codex Norfolciensis *) im Britischen Museum,
1) OU y« /u^V avxdg naQBykvofAipf , tovxovg xai totg fad-* ^ftag
yvtoQlfjiovg <fi' kxiqas noirjaofÄM ygafpijg, Dass diese Hindeutung
auf die Schrift de martyribua Palaestinae geht, bedarf nicht im ge-
ringsten des Beweises.
S) So nenne ich ihn mit Routh; s. u.
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593
zum ersten Mal 1814 von Routh für seine Reliquiae Sacrae
benutzt^), durchgehend aber erst von Bar ton für seine
Ensebius-Ausgabe (Oxford 1838) verglichen.
Es ist mir nicht unbekannt^ dass grade dieser Codex
— sicher nicht ohne eigene Schidd — in einem üblen Rufe
steht *) : es ist wohl die sonderbarste aller Eusebius-Hand-
Schriften. Schon ein flüchtiger Blick in die Ausgabe Bur-
ton's zeigt^ dass der starke Umfang des kritischen Apparates
bei ihm hauptsächlich auf Rechnung der von dem textus
receptus fast unzählige Male abweichenden Lesarten des Cod.
Norf. [G bei Burton] zu setzen ist. In der Tat scheint diese
Handschrift in Nachlässigkeitsfehlem und in kleinen will-
kürlichen Abänderungen Erstaunliches zu leisten ^ Erstaun-
licheres durch ihre Paraphrasen und Einschiebsel.
Von beiden giebt grade das in Rede stehende Capitel Be-
l^e *) ; und damit an dieser Stelle seine Eigentümlichkeiten
sich concentriren, so nimmt der Cod. Norf. eben hier die
auffallendste Umstellimg vor, indem er an cap. XIIT^ 7
(d. h. an die Worte Vdioy äy yfyoao) die Schrift de marty-
ribus Pdlaestinae anschliesst; d. h. dem 8. Buche förmlich
einverleibt und mit dem Reste des 8. Buches (cap. XTTTy
8 bis Schluss) das 9. Buch eröflGaet*).
1) Vgl Routh, Keliq. Sacr. (2. Aufl. Oxomi 1846) I, p.
XXXTHsq.
^) Schon 1840 sprach Heinichen (Supplementa notarum ad
Euseb. hist. eccl. p. V) mit grosser Geringschätzung von ihm; auch
in der neuen Ausgabe des Euseb. (Tom. I, 1868, p. XVn § 25) zählt
er ihn zu den Handschriften minaris aut nuUiits fere momenüj wäh-
rend er später etwas günstiger über ihn zu urteilen scheint (s. Euseb.
Scripta hist. T. HI, 1870 Praef. p. V). Schwegler aber sagt von
ihm : incredMU et negligentia et licentia scriptus est (p. VIT) ; er hat
daher in seinem kritischen Apparate keineswegs durchgehend Rück-
sicht auf ihn genommen.
8) Man vgl. die grosse Paraphrase in § 11 und die grosse In-
terpolation wenige Zeilen später, bei Burton H, 573 u. 573 f.
*) Mit dieser Einverleibung von de mart. Pal. hängt ohne Frage
das ganz folgerichtige Verfahren zusammen, dass der Codex (s. Bur-
ton n , 646) cap. n, 4. 5, das fast wörtlich im Prooemium der Mar-
tyrea wiederkehrt, und cap. XU, das im wesentlichen, meist ebenfEÜls
wörtlich, de mart. I, 3. 4 sich wiederfindet, im 8. Buche auslässt.
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594 ANALEKTEN.
Ob mit Recht oder Unrecht, ob etwa, wie der tr^liche
Stroth ^) wollte, Eusebius selbst verschiedene Ausgaben
seiner Eirchengeschichte veranstaltet hat, das mag einer spä-
teren Untersuchung vorbehalten bleiben. Hier genügt die
Bemerkung, dass bei G^l^enheit dieser Umstellimg der Cod.
Norf. dasjenige Einschiebsel bringt, welches die Angabe dst
Euseb. über seine Disposition zu einer ebenso klaren wie xa*
treffenden macht und welches bei seiner Knappheit das Vor-
urteil für sich hat, aus einer vorzüglichen Vorlage*)
entnommen zu sein. Der Cod. Norf. nimmt nämlich eu
Anfang des 9. Buches, wo er den Rest des 8. nachträgt, d&k
üebergangs- Paragraphen cap. XTTT, 8 in folgender Paia^
phrase wieder auf: iyrav&a 6^ fioi fieja r^y rwr fiOQVvQOtv
ygaqifjv roy tuqI xriq tlQ^yfjg anodovyai Xoyoyr^y re naXir^
ipiiay xwy mgl tifxag elpyaofiiytay ayay^atpai nq(ncQlifm
ayayxatoy tlval fioi ioxet ra i^ «(>/^C ^ot äitayfiov nepl
roy ßaaiXeioy oIkov ovfißeßtjxota diaSQOfihTy X9^^f^^
rata n xvyxayoyxa xoTq iyjiv^ofiiyoig r^ Xoyia (Burton
I, 572) »).
1) S. z. B. seine üebersetzung des Eusebius Bd. 11, 99. 137
(seine Ausgabe der H. E. I— VH, Halle 1779, steht mir hier nicht
zur Verfügung). Jedenfalls hat Stroth die Richtigkeit seiner Ver-
mutung durch seine Berufung auf die Rufinische Üebersetzung nicht
erhärtet. Vgl. Kimmel, De Rufino Eusebii interprete, Gerae 1838,
p. 261flr. und Heinichen, Euseb. Scripta bist I, p. XXTT; m,
p. 733—736.
*) Wie R ou th(I,p. XXXIII) Ton dem Cod. sagt: leeHanes et in Sin-
nes et sün proprias interdum sttppeditat^ so nennt ihn auch Schweg-
1er trotz seines sonst so ungünstigen Urteils (s. oben) e bono fönte
deductus (p. VII). Den Nachweis im einzelne dafür hat aber noch
Jemand erbracht. Denn leider ist der Cod. (den nach Burton keiner
der späteren Herausgeber von neuem verglichen hat) überhaupt
noch nicht im Zusammenhang untersucht. Aus Burton er-
fahren wir bei dem posthumeu Charakter des Werkes nicht ein-
mal etwas über sein Alter (vgl. die einzige Notiz I, p. IV: Codex
olim Begiae Societatis, ntme vero Musei Britanmci, ab ip$o editore
coüatua). So sehen wir ims angewiesen auf die Mitteilungen Routh's
a. a. 0., der ihn aber nicht selber gesehen, der daher auch über sein
Alter sich nicht mit voller Sicherheit ausdrückt: si vert*m audio, sae-
evHo dedmo qwinto aseignandus videttw.
9) Laemmer und Heinichen (in der 2. Ausgabe) haben zwar
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BBIEGER; ZU EUSBBIUS H. E. VIU. 595
Wenn wir vorhin in den Worten ja i5 u^x^i^ '^ov Siwy-
fiov avfißißrjxora eine Lücke vermuteten, so wird diese durch
die Worte ne^l roy ßaaiXtioy olxov gleich bündig wie
zutreffend ausgefüllt, so dass ich nicht anstehe, sie für ur-
sprünglich zu erklären und anzunehmen, dass sie frühzeitig
a;usgefallen sind, da alle uns erhaltenen guten Handschriften
(von denen die älteste bekanntlich nur ins zehnte Jahr-
hundert hinaufreicht) sie nicht bieten. MögHch, dass die sy-
rische Uebersetzung ^), deren Veröffentlichung wir seif län-
gerer Zeit von William Wright erwarten, den ursprüng-
lichen Wortlaut bewahrt hat *). Wo nicht, so würde auch
dann noch unsere Vermutung ihr Becht behaupten *).
Marburg, den 4. September 1879.
2.
Das Muratorische Fragment'').
Von
Adolf Hamaek in Qiessen.
Dem folgenden Abdruck des Mnratorischen Fragments (Bi-
blioth. Ambros. N. J. cod. 101 Super, fol. 10. IIa; Cod. Bobb.
beide die ,, sonderbare" abweichende Lesart unter dem Text gebracht,
sie aber bei ihrer Geringschätzung des Cod. Norf. keiner Beachtung
gewürdigt, wie sie ja überhaupt an dem textus receptus an dieser
Stelle keinen Anstoss nehmen.
1) Aus der Uebersetzung des Rufinus kann man für unsere
Stelle nichts entnehmen, da er grade hier stark zusammenge-
zogen hat.
») Ich kann bei Gelegenheit der Correctur hinzufügen, dass, wie
Herr Professor Wright in Cambridge mir auf meine Anfragein einem
Briefe vom 10. October mitzuteilen die Güte gehabt hat, die syrische
Uebersetzung an dieser Stelle dem textus receptus folgt.
>) Die zweite Miscelle : Zu den Edicten der Diodetiamsdien Ver-
folgung folgt, sobald der Raum es gestattet, in einem der nächsten
Hefte.
*) Vgl. diese Zeitschrift Bd. HI, S. 358 fF.
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596 ANALEKTEN.
membran. saec. YUI. Tel IX., litteris maiuscnlis et qnadrat»
Script) liegt das Facsimile \oii Tregelles (Canon Murat^ Ox-
ford 1867) zu Grunde, welches der Unterzeichnete im Aprü des
Jahres 1874 in Mailand mit dem Originale verglichen hat. Be-
nutzt wurde ausserdem die CoUation von Beiff erscheid (Sitamngs-
berichte der k. k. Akad. d. W. zu Wien. Philol.>histor. Klasse.
LXVn. Bd. [1871] S. 496ff. Anm. 1). In Hessens Mono-
graphie (Das Muratorische Fragment. Giessen 1873), sind dit
abweichenden älteren, nun antiquirtcn Lesungen, namentlich die
des epten Herausgebers (Antiquit. It>al. med aev. T. XU, p. 851 sq.)
Terzeichnet
quibus tarnen interftdt et ita posuit*
tertio euangelii librum secundo lucan
lucas iste medicus post ascensum xpi
cum 80 paulus quasi ut iuris studiosum.
6 secundum adsumsisset numeni suo
ex opinione concribset dnm tarnen nee ipse
uidit in came et idö prout asequi potuit*
ita et ad natiuitate iohannis ineipet dicere.
quarti euangeliorum * iohannis ex decipolis
10 cohortantibus condescipulis et eps suis
dixit conieiunate mihi* odie triduo et quid
cuique ftierit reuelatum alterutrum
nobis ennarremus eadem nocte reue
latum andreae ex apostoUs ut recognis
15 centibus cuntis iohaxmis suo nomine
cuncta discriberet et ideo licit uaria sin
cuUs euangeliorum libris principia
doceantur nihil tamen differt creden
tium fidei cum uno ac principali ^ü de
20 clarata sint in onmibus omnia de natiui
täte de passione de resurrectione
de conuersatione cum decipulis suis
ac de gemino eins aduentu
Fol. 10a: 2. Mit rother Tinte geschrieben. — secu/ndol ürspr. «f-
cando (das a ist durchstrichen und radirt, u ist darübergescnriebMi). —
3. ascensum] 8 ist über ac geschrieben. — 6 concribset] b ist über m
geschrieben. — 7. uidit] Davor steht ein durchstrichenes d, —
prout] ut nachträglich übergeschrieben. — 9. Mit rother Tinte ge-
schrieben. — 14. andreae] Weae in ras, m. aV (Reiff.). — 16. cuncta]
Das zweite c ist nachträglich (m. ah ut vid* Reiff.J darüberfi^eschrie-
ben. — discriberet] Das erste e ist nachträglich darüDergeschneben. —
19. iidei] Urspr. fedei. Das e durchstrichen, t darübergeschrieben. —
22. conuersatxoni] r ist über es geschrieben. — 23. Am Ende dieser
Zeile ein leerer Kaum von 11 Buchstaben.
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HARNACK, DAS MüRATOBISCHE FRAGMENT. 597
primo in humilitate dispectus quod fo
25 it secundum potestate regali pre
clarum quod foturum est . quid ergo
mirum si iohannes tarn constanter
ßincula etiä in epistulis suis proferat
dicens in seme ipsu quae uidimus oculis
80 nosüis et auribus audiuimus et manus
nostrae palpauerunt haec ßcripsimus
Qobis
sie enim non solum uisurem sed et auditorem
sed et scriptorö omnium mirabiliü dm per ordi
nem profetetur acta ante omniü apostolorum
35 sub uno libro scribta sunt lucas obtime theofi
le conprindit quia sub praesentia eius singula
gerebantur sicut et semote passiong petri
euidenter declarat sed et profectionö pauli ab ur
be ad spaniä proficescentis epistulae autem
40 pauli quae a quo loco uel qua ex causa directe
sint uolentibus intellegere ipse declarant;
primü omnium corintheis scysmae heresis in
terdicens deinceps b callactis circumcisione
romanis aute ordine scnptui'arum sed et
45 principium earum esse xpm intimans
prolexius sciipsit de quibus sincolis neces
se est ad nobis desputari cum ipse beatus
apostolus paulus sequens prodecessoris sui
iohannis ording non nisi nomenati . semptae
24. fo] Fast ganz verblasst. — 25. it] Sehr undeutlich. Frühere
haben tu gelesen. — potestate] 8 darübergeschrieben. — Yot pre sind 2
Buchstaben durchstrichen und radirt. Wahrscheinlich pe, — 29. quae]
Das a fehlt, aber e hat den Haken = ae. — 31. uobis] Fast ganz ver-
blichen. — Fol. 10^ : 32. et] Ist übergeschrieben. — 35. tmoj Urspr. unu, u
in 0 verwandelt. — 37. sicut] Urspr. sieute. 'ti exte' B. ein. (?). — 38. et]
Ist übergeschrieben. — pauli] li in Ligatur. — ab] Vielleicht aus aa
corrigirt. "ex ad' (Reif f.). — wr] In Ligatur. — 39. he] Ein Buchstabe
ist nach e gelöscht (urbes?). *« eras/ (Reif f.). — proficescentis] Das
e in ces scheint aus i hergestellt, bevor s geschrieben ; vgL Z. 63 des-
cepline. — 41. uolentibtts] Cod. uolentatibiM ; aber unter dem ta vier
Punkte, welche die Buchstaben als zu tilgende bezeichnen. *ex uölu/n-
tatibus' Reif f. (?). — Das Zeichen nach declarant ist jedenfallß nur
Interpunktionszeichen. — 42. scysmae] e mit dem Haken = ae. —
43. callactis] Das zweite c steht über dem a. — 44. ordine] Urspr.
omidine; m ist radirt und gelöscht. — et] Kaum mehr lesbar, w ras.
m. dl.' Reif f. (?). — 45. earum] Damach 3 radirte Buchstaben, wahr-
scheinlich = sed, vielleicht = osd. — tnttjnans] Damach ein freier
Raum von ca. 4 Buchstaben. — 48. apostolus] Urspr. tu stat to. —
prodecessoris] Reiff. giebt i*m (?). — 49. nomenati] comenatim mit
einem n über c. *no ex do (Reiff). — semptae] 'te ex tae'
(Reiff.) (?).
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698 AKALEKTEN.
60 ecciesiis scribat ordine tali a corenthios
prima, ad efesios seconda ad philippinses ter
tia ad colosensis quarta ad calatas qmn
ta ad tensaolenecinsis sexta-ad romanos
septima uerum corintheis et tbesaolecen
66 sibus licet pro correbtione iteretur una
tarnen per omnem orbem terrae ecclesia
deffdsa esse denoscitur et iohannis enl in a
pocalebsy licet septe eccleseis scribat
tarnen omnibus dicit uerü ad filemonem nna
60 et at titü una et ad tymotheü duas pro affec
to et dilectione in honore tarnen eclesiae ca
tholice in ordinatione eclesiastice
descepline scificate sunt fertur etiam ad
laudecenses alia ad alexandrinos pauli no
65 mine fincte ad heresem marcionis et alia plu
ra quae in catholicam eclesiam recepi non
potest fei enim cum melle misceri non con
cruit epistola sane iude et superscrictio
iohannis duas in catholica habentur et sapi
70 entia ab amicis salomonis in honorg ipsius
scripta apocalapse etiam iohanis et pe
tri tantum recipimus quam quidam ex nos
tris legi in eclesia nolunt pastorem uero
nuperrime temporibus nostris in urbe
75 roma herma conscripsit sedente cathe
tra urbis romae aeclesiae pio eps fratre
eins et ideo legi eum quidö oportet se pu
plicare uero in ecleaia populo neque inter
50. ecciesiis] Cod. eccUses; über dem letzten e sind xwd t
geschrieben; vielleicht stand aber auch urspr. ecclesis, welc^s sa
eceUseis corrigtrt wurde. — 51. efesios] Vielleicht urs^r. efesius. —
phüippinses] Vielleicht urspr. i^sis, — o3. romanos] os in Ligatur. —
54. Nach septima ein kleiner fi^eier Baum. — coriniheis] Urspr. coreft-
theis, — thesaoleeen] Das h ist über das erste e ffeschrieoen. — ^' ü^
cet] Ursp. licit. — correbtione] *c ex r* Reiif, (n. — 58. septe] 'e ext
Reif f. (?). — 60. Das t im zweiten e^ ist undeutlicn, es scheint radirt —
62. eclesiastice] Damach ein freier Raum von ca. 5 — 6 Buchataben. —
Fol. 11»: 63. äescepUne] Urspr. discepUne, — «r] In Ldgator. — 64. ktude-
eenses] Urspr. is. — 65. heresem] Cod. Jiesem mit überj^chriebenem
re — 66. catholicam] Urspr. chatholicam; aber das h ist radirt und
gelöscht. — 72. recipimus] Statt des letzten i urspr. «. — 74. nuper-
rime] Urspr. nidperrim et temporibus; aber das ^ in et ist ladirt. -*
temporibus] us m Ligatur. — urbe] ur in Ligatur. — 75. conscripsit]
ns in Ligatur. — 76. fratre] Urspr. frater; aas r ist aber radirt und
links über das e ein r geschrieben.
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IIAENACK, DAS MUEATORISCHE FRAGMENT. 599
profetas conpletum numero neque inter
80 apostolos in finö teiupomm potest.
arsinoi autem seu ualentim * uel mitiadeis
nihil in totum recipemus • qui etiam nouü
psalmorum librum marcioni conscripee
runt Tina cum basilide assianom catafry
S5 cum constitutorem
3.
Zum Y. lateranconcil.
Von
Prof. Th, Eolde in Marburg.
Zu dem auf Veranlassung König Maximilian's und Ludwig:*s
von Frankreich von den abtrünnigen Cardinälen auf den 1. Sept.
1511 nach Pisa ausgeschriebenen Concil waren, wie bekannt,
nach früherer Sitte nicht nnr die geistlichen Würdenträger ein-
geladen worden, sondern man hatte auch die reges, principes et
potentatus et communitates — ad concüium de jure vd eonsue-
tudine venire solUos dazu berufen. An einzelne deutsche Eeichs-
fürsten sandte man noch besondere Einladungsschreiben ^); man
findet aber nicht, dass diese irgendwie daron Notiz genommen
oder bereit gewesen, den Kaiser in dieser Hinsicht zu unter-
stützen. Tritheim mag die allgemeine Ansicht in Deutschland
ausgesprochen haben, wenn er auf rlie Einladung des Kaisers zum
Concil hin ihn vor dem Bunde mit dem leichtsinnigen Gallien
warnt und die Bechtmässigkeit des Pisanums aufs Entschiedenste
79. profetas) Vor dem ^ ist ein Buchstabe, wahrscheinlich s, aus-
radirt. — neque\ Urspr. wahrscheinlich nene. — 80. apostolos] Urspr.
wohl aposttdos, — Nach potest freier Baum von 5 Buchstaben. — 81. im-
tiadeis\ Das Wort ist aus einem urspr. ganz anderen geschaffen und stark
radirt. Der 2. Buchstabe ist urspr. ein o» u oder o gewesen, das d ist
über emen nicht mehr zu entzifSernden Cons<Hianten mit 2 Grundstrichen
^geschrieben. Das e ist über ein urspr. % (gross geschrieben) gesetzt,
t« ist in liigatur von zweiter Hand unter der Zäle beigefügt. Man
kami daher mit Grund für das urspr. Wort tatiani halt^ da das m
8€^ leicht und unmerklich aus dem t hergestellt werden konnte. Vgl.
Ztschr. f. luth. Theol. 1874, S. 276 f., 445£; 1875 S. 207 f. — 84. assi-
anom] Urspr. assianum; vielleicht ist aber das umgekehrte der Fall. —
85. cOnsUtHtorem] Das s bt nachträglich darüber j^eschrieben. Das
Fragment bricht nier mitten in der Zeile ab. Em Stück aus Ambro-
sius Commentar zur Grenesis beginnt auf Z. 86.
^ Das Schreiben an Friedrich den Weisen von Sachsen bei Gold-
ast, Folitic. imp., p. 1196.
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600 ANALEKTEN.
bestreitet ^); auch Jacob Wimpheling wollte von dem Pisamnn
nichts wissen ^) — allerdings sehr erklärlich , wenn man sich
daran erinnert, in welcher Weise er Maximilian's Aoftrag-, nach
dem Master der französischen Sanction den Plan einer deutschen
Kirchenreform zn entwerfen, ausgeftthrt hatte*). Wie er dazu
gekommen, ein Concil zu berufen, hatte der Kaiser unter dem
20. Mai 1511 den Ständen auseinandergesetzt^); um mit ihnen
wegen der Beschickung des Concils zu unterhandeln, berief er am
3. Juni 1511 You Oettingen aus einen Tag nach Augsburg' anf
St Gallus (16. Oct.) *), aber trotz mehrfacher dringender Mah-
nung ®) erschienen doch nur der Markgraf Friedrich von Branden-
burg und zwei schlesische Fürsten, weshalb der Beichstag- auf
den März des folgenden Jahres Torschoben wurde ^). ünterdeasen
hatten sich die Verhältnisse wie bekannt sehr verändert, so dass
der Kaiser selbst es nicht einmal für nötig hielt, einen Prälaten
zum Concil zu senden ^). Auf den Beichstagen zu Trier nnd
Köln im Sommer 1512 war denn auch keine Bede mehr von Be-
schickung des Pisanums, aber auch für den Papst einzutreten,
wie es jetzt die Politik des Kaisers forderte, zeigten die Stände
wenig Neigung. Auf die Frage Maximilian's, wie dem P2^ste
gegen Frankreich Hülfe geleistet werden solle ^), erklären sie
sich bereit, eine Botschaft an den Papst und den König von
Frankreich zur Beilegung der Zwistigkeiten zu senden und fOr
den Fall, „das die babstliche Helligkeit und die hellige Bo-
mische Kirch wider ir fryheit, recht und gerechtigkeit verge-
waltigt oder verdrückt werden woellt, oder ein Scisma iii der
helligen Kirchen entstehen '', wollen sie weiter ratschlagen, wie
dem zu begegnen sei ^^). Aber auf die Nachricht, dass die Dinge
in Italien sich zu Gunsten des Papstes gewendet haben, sieht
man ganz davon ab *0, und obwohl es noch vor kurzem zweifel-
haft war, welches von den beiden Concilien die Oberhand behalten
i") Trithemii Chronic. Hirsaug. H, p. 670f. Triplicem rompe
faniculum, hoc est GaUum cum vulturibus suis deserito, aHoquin la-
queum censurae Summi pontificis incides cum eisdem . . Coimdo . .
quod in hoc scismate G^iam levem fides G^ermana non sequetur.
«) Wiskowatof f, Jacob Wimpheling. Berlin 1867. S. 199 und
Paul Lehm an n, das Pisaner Concil von 1511. Breskiu 1874. S. 80.
8) S. darüber Wiskowatoff, S. 178fF. und besonders Ul-
mann in dieser Zeitschrift oben S. 203 ff.
*) Lünig, Beichsarchiv XIU, 811.
6) Janssen, Frankfurter Beichscorrespondenz U, Nr. 1056.
«) Janssen U, Nr. 1061. 1063.
7) Ebenda Nr. 1068.
8) Bänke, Geschichte der romanischen und germanisch^i
Völker; Werke, Bd. 33, S. 274.
9) Janssen, Nr. 1080.
10) Ebenda Nr. 1086.
11) Ebenda, Nr. 1090.
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KOLDE, ZUM V. LATEBANCONCIL. 601
wtbrde ^), scheint man fast nirgends in Deutschland daran gedacht
Kn haben, dem Lateranconcil , welches am 3. Mai 1512 eröffnet
worden war, durch Beschickung desselben ein grösseres Ansehen
zu verleihen. Nach den Concilsacten hat sich von deutschen
Fürsten im engeren Sinne nur einer officiell vertreten lassen,
nämlich der Eurf&rst Joachim von Brandenburg und zwar erst
Yon der achten Sitzung an ^.
Um so auffälliger erscheint die nachfolgend mitgeteilte, in
dem Dresdner Staatsarchiv befindliche, wie ich glaube, bisher un-
bekannte CorrespondoDz Georges von Sachsen, die schon vom Früh-
jahr 1513 datirt. Wiewohl nicht zum Concil geladen, was mehr-
fach betont wird, hält der Herzog es doch um des Heils der
Kirche willen, deren Einigung und Beformation er von dem all-
gemeinen Concil erhofft, und um nicht der Nachlässigkeit ge-
ziehen zu werden, für wünschenswert, auch seinerseits bei dem-
selben vertreten zu sein. Specielle Gesandte zu schicken, scheint
ihm zur Zeit noch untunlich, da an ihn keine Aufforderung dazu
ergangen ist ^ und seine ganze Kunde vom Concil angeblich nur
auf Hörensagen beruht, doch will er bis zur eventuellen Ankunft
seiner Oratoren wenigstens durch einen in Bom sich aufhaltenden
Würdenträger vertreten sein, und ersieht zu diesem Amt in erster
Linie keinen andern, als den General des Dominicanerordens
Thomas Yio de Gaöta, den schroffiBten aller Corialisten, der erst
vor kurzem in seinem allen deutschen Traditionen bezüglich der
Ooncilsfirage widersprechenden Tractat de Comparatione atustori-
tat%8 Papae et Concüii für die päpstliche Allgewalt eingetreten
und die Bussrede an das Papsttum, mit der der Augustiuergeneral
1) Ranke, Bd. 33, 283.
2) In der Präsenzliste der VIII. Session (17. Dec. 1513), die es
mit den Namen nicht sehr genau nimmt, werden erwähnt Magnificus
Totus Lupus de Lapide eques et Benso de Alvensehn (sie.) et Jo-
annes Bencelvil, oratores illostris domini Joachim marchionis Branden-
burgensis electoris imperii; Harduin, Acta Conciliorum, Tom. IX,
f. 1709. Wie aus dem in derselben Sitzung verlesenen Procuratorium
hervorgeht, sind es Eittelwolf de Lapide (Eitelwolf von Stein), Busso
de Alvestent (?) juris doctor ac ecclesiae Magdeburgensis canonicus
sowie Joannes Blanctenfeld (Blankenfeld) doctor Teutonicorum ordinis
Prussiae in Romana Curia procurator generalis. Der letztere ist der
frühere Lehrer des kanonischen Rechts an der Frankfurter Universität.
Ueber seine Stellung zur Reformation in Liefland vgl. Seckendorfl,
299. Joh. V. Stanpitz hat den Bbchof von Salzburg eine Zeitlang auf
dem Concil vertreten (Höhn, Chronol. prov. Rheno-Sueuicae, p. 148;
Scheurl*s Briefe I, 118; Th. Kolde, Die deutsche Augustiner-
Congrcgation und Johann y. Staupitz, S. 257). In den Acten wird sein
Name nie genannt.
8) Nur einzelne Fürsten scheinen besondere Einladungen erhalten
zu haben, wie Heinrich YIU. von England, der schon am 4. Febr. 1512
seine Bevollmächtigten zum Concil abordnete. Ranke, Werke 33, 283.
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602 ANALE^TEN.
Aegidios von Yiterbo das Concil eröffnet ^), in der zweiten Sitzimg
yom 17. Mai 1512 in einer beinahe ans blasphemische streifenden
Lobrede auf Born und den Papst gewissermassen beantwortet h&tte *),
Dass man diese Verhältnisse am sächsischen Hofe nicht gekannt
haben sollte, ist bei den engen Beziehungen zu dem bald näher
zu bezeichnenden Nicolaus Ton Schönberg nicht anzunehmen, viel-
mehr wird man besonders ans dem Briefe an den Papst schlieseen
dürfen, dass Herzog Georg absichtlich grade Cajetan za seinem
Vertreter gewählt, um dadurch dem Papste seine besondere Elrgeben-
heit zu bezeugen, und dass er schon damals die ihn charaikten-
sirende Ansicht gehabt hat, dass jede kirchliche Beform nnr im
engsten Anschluss an die Curie vorgenommen werden dfiiie.
Eigentümlich ist nun, dass sich ein Credenzbrief für Gaöetan,
obwohl mehrfach darauf hingewiesen ist'), unter den yorliegan-
den Briefen nicht findet, wohl aber ein solcher fdr den Procs-
rator des Dominicanerordens Nicolaus yon Schönberg vom 29. Mftis
1513. Weshalb man sobald yon der Vertretung durch Cig^taa
abgesehen hat, lässt sich mit Bestimmtheit nicht sagen, doch hai
die Vermutung etwas für sich, dass man sich doch noch gescheoi
hat, yor aller Welt einen so entschiedenen Vorkämpfer des päpst-
lichen Absolutismus zu beyollmächtigen. Wenigstens spricht da-
fQr, dass Cajetan ersucht wird, nur im NotfEdle und wenn von
den übrigen Fürsten Oratoren eingetroffen sein würden, sein
Procuratorium zu yeröffentlichen, sonst nur den Papst dayon in
Kenntnis zu setzen^). Der an seine Stelle tretende Nicolaus
yon Schönberg, ein Vetter des Meissener Bischofs Jobann VIL
yon Schleinitz, war ein langjähriger Freund Herzog Georg's, mit
dem er nachweislich schon 1508 brieflich yerkehrte und bis an
sein Lebensende correspondirte % Als sächsisches Landeskind
1) Den S.Mai 1512. Harduin, Acta Conc, Tom. IX, f. 1576.
Bicherii Hist. Concil., 1. IV, pars U, p. 6 ff.
«) Harduin, Acta ConclL Tom. IX, fbl. 1617. Bicherii
Hist. ConciL, 1. IV, pars 2, p. 12 ff.
8J Vgl. ausser dem Brief an Cajetan (Nr. 3) die an Leo X.
(Nr. 1) und an den Cardinal de Flisco (Nr. 4).
*) Vgl. den 3. Brief.
f>) Der letzte Brief Herzog Georg's an Schönberg vom 4. Mars
1536 bei Seidemann, Miltitz, S. 41 . Schöuberg, geboren den 30. Ang.
1472, hatte in Bologna die juristische Doctorwurde erworben, trat in
Florenz im Kloster §t. Marco „sub disciplina Hieronymi Sayonarolae"^
1497 in den Dominicanerorden und wurde wahrscheinlich im Jahre 150S
Procurator seines Ordens, nachdem Cajetan diese Würde mit dem
Genervt vertauscht hatte (Boerner, de coUoquio AugustanoLutheri
cum Cajetano Lipsiae 1722, p. 11), und erhielt endlich das Erzbistom
Capua und den Cardinalshut. Der päpstliche Stuhl benutzte Schön-
berg, den „Nicolaus de Alemannia *S wie man ihn in Itidien nannte^
vielfach zu diplomatischen Sendtmgen. Ueber seine Stellang zur Re-
formation Seidemann, Lauterbacns Tagebuch, S. 91, woselbst axidi
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KOLDE, ZUM V. LATEEANCONCIL. 603^
mochte er allerdings geeigneter erscheinen, den Herzog beim
Concil zu vertreten als C^getan, doch findet sich in den Concils-
acten keine Spnr davon, dass er oder ein anderer ein Procnra-
torimn des Herzogs von Sachsen überreicht hätte und als Ge-
sandter erschienen wäre.
No. 1.
Herzog Georg von Sachsen an den Papst.
(9. Februar 1513.)
Anno Domini MDXTTT Nona februarii.
Ad Sanctissimum ^).
Beatissime pater post deyota sanctorum pedum oscula. Se
ipsum commendat humiliter etc. fide digno omnium sermone ^) ac-
cepiy S. T. pro amplificanda fide Christiana proque uenerabilis
ecclesie Bomane unitate paceque reformanda Concilinm Late-
ranense Bome indixisse, ad quod exteros etiam principes conve-
nire aut oratores suos mittere certo mihi significatum est Et
qnamvis hac de re nihil quicquam legittime aut literis aut nuncüs
mihi insinuatum sit, cum tarnen ceterorum ducum oratores ac
consiliarii ad consilium pretactum venturi sint, Idcirco haud preter-
mittendum duxi, quo iUud salubre ceptum ac opus sanctissimum
vires accipiat, Ego quoque ut secordie negligentieque notam de-
dinarem, Reverendo patri artium sacreque theologie professori
fratri thome deuio Cajetano totius ordinis predicatorum Magistro
generali deuoto nostro dilecto procuratoris munere in dicto con-
cilio nomine meo fungendi uicesque meas supplendis committere
dando eidem auctoritatem, donec oratores meos illuc miserimus,
meo ac meorum nomine in ipso Lateranensi Concilio agendl et
singula, que pro communis ecclesie pace unitate ac reformatione
expedire uidebuntur, dicendi et tractandi (prout litere mee pro-
curatorie desuper sibi date id lucidius indicabunt) Sanctitati
V. humillime supplicans, Quatenus dictum f^atrem Thomam Caje-
tanum, cui procuratoris munus nomine meo imposui, et me ut
qui ecclesiastice unitatis et pacis studiosissimus quique pro uiribus
et quantum in me erit pro eiusdem augmentatione ac conser-
die einschlägige Literatur angegeben ist. Das meiste über ihn bei
Senff, C. S. Barchen -Reformation und Jubel -Geschichte des
Amts Stolpen (Budissin 1719), S. 68 f.
1) Die nachfolgenden Schriftstücke finden sich im Kgl. sächsi-
schen Staatsarchiv zu Dresden. Copial 125. Ich gebe sie unter Bei-
behaltung der alten Orthographie, auch der leicht als solche erkenn-
baren Flüchtigkeitsfehler^ nur in der ganz sinn- und regellosen Inter-
punction habe ich mir emige Aenderungen erlaubt.
*) Die buUa intimationis generalis concilü war schon 1511 in
Leipzig im Druck erschienen. Panzer, Ann. YII, 174.
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604 ANALEKTEN.
uatione auxilio consilioque forft desidero, commendattim liabere
nelit, quod quidem pro incomparabili snm habitnnis gratia a
S. yestra, cujus benigne clemeutie me et seruitia mea humfilnna
recopvnendo. Datam Dresen nt supra.
'^., Stis Vestrae
humilis
vjj" Georgias Saxonie dax.
r ^
^ ^"\. -. No. 2.
Cnnlenzbrief des Herzogs Georg von Sachsen für Nico-
-^ laus von Schoenberg.
,_ . - (29. März 1513.)
Georgins Dei, gratia Saxonie Dux Eomane Cesaree M^^ Sacriqve
imperii hered^tarins gubernator firisie Lantgrauins Doringie ae
Marchio Misne. Salutem uninersis et singulis praesentes literas
auditnris et lectnris. Narrant sacrosancta Enangelistajmm testi-
monia Dominum nostrum Hiesnm Christum Petro Apostolo di-
xisse: Ego rogavi pro te Petre, ne fides tua deficiat. Corpi^
profecto hoc misticum, quod nomenclatura a grecis emendicata
ecclesiam libuit appellare, petri fide dns significavit. Id tam«i
non idcirco nulla egritudine affici potest quod ne ipsnm deficiat
diuina lege cautum est, immo frequens adeo decumbit egrum,
tantis sepe febribus ardet, ut nisi fuisset eiusdem domini ae
saluatoris uox Ecce ego uobiscum sum usque ad seculi consnm-
mationem, de eins interdum occasu dubitaremus. Sane si quis
animo repetat preterita tempora, quamquam frequentibus ecclesiam
morbis atquo letiferis implicitam fuisse inueniet, illam tarnen
nunquam inueniet humano consilio auxilioue dumtaxat aut ulla
medicorum arte uel doctriua sed diuinis precipue sanctanim Sy-
nodum scitis antidotisque conualuisse. Quis est uel mediocriter
ecclesiasticis imbutus historijs qui nesciat, que allquando hereses
suppresse, que incendia extincta, qui circa fidem errores depulsi
Synodicis sanctionibus et doctrinis existant? Quis est qui non
legit qui uel non audiuit, que Scismata resarcita, que uitia fre-
nata, que Tiranorum mine, qui regum terrores, qaot Cesamm
denique atque Imperatorum impetus Conciliorum prouidentia et
ui coherciti fnerint? ut plane confitendum sit et hijs nostris tem-
poribus Synodi autoritatem unicum esse remedium ecclesie curan-
dis egritudinibus, et ablatis neglectisque Conciliis tot discidia
paruo interlapso tempore suboriri, tot scelera et enata proser-
pere ut Ecclesia nostra non ecclesia dei aut sponsa, non for-
mosum illud corpus, quod Christi manibus formatum est sed pn-
tridum fetidumque cadauer uideri haberique possit Hec nobis
cogitantibus tum alias interdum sed raro tum ab hinc biennium
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KOLDE, ZUM V. UkTEKANCONCIL. 606
frequenter uago aut nmlto post aHatum sennone est, nonnnllos
«aorosaBcte Bonuuie eodesie Cardinales in Pisaram civitata Sy-
nodum abeque Bomani pontificiB antoritate coouocaase» quo nuncio
(ut fieri debuit ab ecclasiastice unitatis et paois stncUosaisimis)
iotia BiunTia aidims consternati. Id nunquam nobis enenisse pn-
tanimoB quod illis accidit, qui apud Hieremiam dicebant Expec-
tauimuB pacefid et non est, et Warn tempus curationis et ecce
turbatio. Qnemadmodum enim uero legittimoque Conoilio nihil
aalubrius ad b^ne reoteqne muendiun oommodiusqne esse potest,
ita falso et illigittimo nihil pemitiosiiis. At ubi deinde acce-
pimua (incerto tametsi similiter auctore) Sanctissinmm in Christo
patrem et dominum nostrum Dominum Julium diuina prouidencia
papam seeundum pie felieisque recordationis ^), quo fidei ampli-
ficande uirtutumque serendarum coram propensius ageret, nerum
rectumque et economicnm (siel) Concilium Borne indixisse, con-
tinno ut antea dolore maximo ita tunc maiimo gaudio et ultra
quam dioi potest affecti sumus. Quamquam autem hoc Ghristiani
prinoipis sempei proprium fuerit, sanctis eiusmodi pijsque nego-
ÜJB et universe fidelium saluti non deasse sed esse presidio sub-
sidioque, Bomam tamen in hac re in hodiemum usque diem nee
misimus oratores nee literas scripsimus primum quod ab initio
incerta omnia apud nos erant de Conciiy inchoatione ac in-
choati uiribus ac incremento; deinde quod neque Sanctissimi Do-
mini nostri neque Goncilii literis aut nuncgs Concilii nobis in-
sinuatum est. Ubi nero diebns snperiorihua semone fere omnium
accepimus Lateranense Concilium Borne haberi et propterea Syno-
dales sessiones prorogari, ut exteri etiam illuc principes conue-
niant aut mittant oratores, quamuis id nobis legittime significatum
non Sit, nihil tamen pretermittendum duximus esse, quo et hoc
sanctissimum opus uires accipiat et nos illorum maledictionum
effugiamus, qui &ciunt opus diuinum negligenter. Quando igitur
nos aut oratores nostri (ut dictum est) legittime ad Concilium
Lateranense citati non sint, nee ad Concilium sine consilio ora-
tores mittendos esse indicauerimus cumque etiam intellexerimus
sanctissimum illud opus ac Concilium a Beatissimo in Chr. patre
dommo Jtdio ^^ etc. antea institutum ac conuocatum succedente
regnanteque nunc Sanctissimo in Chr. patre ac Domino nostro
Leone diuina prouidentia papa Xo effectum suum sortiturum Con-
cilimnque illud pro communis fidei erroribus explodendis de-
pellendisque nihilominus commorari celebrarique, iccirco cogitaui-
mus uel sie negligentie atque segnicie notam declinare Sanctissimo
Domino nostro Synodi atque ecclesie capiti adherere, püsque desi-
der^s nostris ac partibus fieri posse satis, si alicui ex amicis
^) Pie felieisque recordationis am Bande.
Z«it8chr. f. E.-O. ni, 4. 41
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606 ANALEKTEN.
qni Borne sunt uices nostre committereDtar. Nos itaqne qä
ecclesiam christianam cum alijs sancti Bomani imperii prindpito
ad pristinam fidei moramqne obseruantiam reparari desideraraos^
quod bonnm üanstom felixque sit, facimos constitnimiis ac denonü-
namus procnratorem nostnim ac nuncinm Benerendüin domhniB
Nicölaum de Schonberg ordinis predicatomm procuratorem deuoinn
nostrum dilectüm dantes et committentes sibi omnem anctoriiat^
nostro ac nostrorum nomine in ipso Concilio Lateranensi toi-
ens, qnotiens opus oportonnmqne faerit, comparendi agendi teUe-
tandi et dicendi omniaque alia faciendi, qne ad ipsins ConeilB
incrementnm yeramque ecclesie nnitatem pacem ac reformationem
qnouis modo pertinere uidebuntur, etiamsi ejusmodi forent qns
mandatum ad singola proprium exigerent. Promittimiis auteo
firmum gratum ratumque habere, quicquid ipse Beuerendns pater
procurator et nuncius noster in re bac sanctissima fecerit ^^
dixerit tractauerit atqne ut cuncti bijs que jam diximus et commi-
simus fidem praestent, curavimus has literas sigillo nostro ^penso
muniri. Datum Dresen MDXTH ^
uicesima nona Martii Anno ut s.
Oeorgius dux Saxonie etc.
No. 3.
Georg von Sachsen an Cajetan.
(9. Febr. 1513.) 0
Ad magistrum generalem Ordinis predicatomm fratrem
Thomam deuio Caietanum.
Anno et Die ut s.
Georgius etc.
Beuerende pater sincere deuote nobis dilecte! Intelleximus
diebus superioribus Sanctissimum in Cbristo patrem et dominum
dominum Julium diuina prouidentia papam ij™ dominum nostrum
clementissimum Bomae concilium iudixisse, ad quod quidem multi
exteri sacrique imperii duces uenturi aut oratores suos nüssuri
sunt. Et quamuis id nobis legittime significatum non sit, nihilo-
minus ne socordes aut negligentes in hoc tam salutari cepto ac
opere uideremur, ob id nobiscum decreuimus, aliquem nostro no-
mine ad pretactum concilium Lateranense designare ac constituere
uelle. Cogitauimusque huic nostro proposito uestra diligentia
solertique cura, que apud nos est probatissima, satisfieri posse.
Et ob id humeris uestris procuratorij munus hoc in negotio sanc-
1) Der Abschreiber hat zwar bemerkt Anno et Die ut s. (29. März),
der Inhalt ergiebt aber verglichen mit Nr. 1, 4 und 6 dasselbe Datum
wie bei diesen Briefen.
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KOLDE, ZUM V. LATEBANCONCIL. 607
toque opere nostro nomine fongendum committendum statuimns,
quo autem major firmiorque fides hac in re uobis administrari
possity iccirco carayimns procnratorimn nostnun qnod hie trans-
mittimiis, nobis afiferendum. Bogantes quatenus id oneris qnod
nobis imposnimns nostri cansa band inniti snbeatis ^). Eoqne
pacto nti de nobis plene confidimns (qnoad nostros oratores non
miserimus) diligenter fideliterque agere et tractare nelitis *). Peti-
mnsqne nt hoc procuratorinm nostmm necessitate solum exigente
ac 81 ceteromm dncnm oratores in dicto Concilio compamerint
pnblicet et in Ince prodire sinat. Si nero secns contigerit id
ipsnm secnm contineat; siue eüam pretactomm dncnm oratores
compareant sen non, attamen cnpimns nt eam a nobis nobis
antoritatem in concilio agendi collatam nihilominns Sanctissimo
domino pape insinnet. Qnemadmodnm in h^s omnibns nos beneuo-
Inm exbibitnmm non ambigimns. Yolumns id omni gratia et
fanore abnnde recompensare.
Datnm nts.
Eenerendo D. Thome artinm et sacre tbeologie professori
Ordinis predicatomm Magistro generali sincere denoto nostro
dilecto.
No. 4.
Georg von Sachsen an den Cardinal de Fiisco ^).
(9. Febr. 1513).
Benerendissime in Christo pater Domine amice dilecte. Com-
mendationem sermone fide digno percepimns, Beatissimnm in
Christo patrem et dominum Dominnm Jidium sancte Bomane ac
nenerabilis ecclesie pontificem maximnm, dominnm clementissimnm
et honorabilem commnne Concilinm Lateranense Bome indixisse.
Ad qnod nti intelleximos exteros dnces connentnros ant oratores
missuros fama est Quamqnam nobis de eo Concilio nee nnncijjs
nee literis qnidquam legittime significatnm sit, nolentes tamen nt
is qni pro fidei angmentatione cnriosns existat reperiri. Qui etiam
pro eiusdem conseruatione pacis ac nnitatis reformatione, qnid-
quid oneris imponatnr, lubens snbire ac ea pro nirili promouere
propensus sit. Ob id aliqnem, qni nices nostras gereret ad dic-
tum Concilinm deputandum decrenimns constitnimns et denomi-
nauimns Beuerendum patrem predicatomm ordinis Magistmm
generalem Dominum Thomam ad pretacti Concilij Lateranensis
1) Für innitus subeat.
8) Für uelit.
3) Nicolaus de Fiisco, Cardinal seit dem 28. Sept. 1500, gest.
14. Juni 1524. Herzog Georg zeigt ihm wahrscheinlich deshalb die
Bevollmächtignn^ Cajetans^s an, weü er der Patron des Dominicaner-
Ordens beim hemmen Stuhle war. Ciaconius, Vita et res gestae
Pontificum etc. III, 204 f.
41*
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608 ANALEKTEN.
negotia tractandft plenum nostrornrnque n(»nine aotorem, dantes
committentesqne eidem omnem aactoritatom in dicto ipso Ck>iicilk
Latoranensi, donec oratores nostros miserinns, agendi ac toüm,
quoties opus oportonumque faerit, comparendi ac pro aeaerabilis
totinsque ecclesie pace fide et unione tractaadi, pront litere
nostre procuratorie , quas sibi super hoc traDsmisimns , loeidiiis
indicabnnt. P. ¥. B. igitur roganms, quatenua pretacto Saiic-
tissimo id ipsum insinnet ac uicea nostras nomioato fratn Tkome
coQunisaas esse Sanotitati sne significet Et quidqiiid preter hoc
in negot\)s nostris agendis promouendisqne nobis auxilio eonsilio-
que prodesse potent, rogamus nt et nos commendatos halbere
uelit qnod nos rursos (si quid se higusmodi ofiferret) ahnnde p.
T. referre atque rependere non negligemns. Datum Nona Feinru-
arij die et loco uts.
ßeuerendissimo in Christo patri Domino Nicdlao sancte fio-
mane ecclesie Tit. S. Prisce prisbjtero de Flisco domino et amioo
nostro dilecto.
No. 5.
Georg von Sachsen an den Cardinal Antonius de Monte ^).
(9. Febr. 1513.)
Benerendissime in Christo pater Domine et a. D. etc.
Fercepimus multorum relatu ac precipue ex Yenerabili Do-
mino NicöUw de Schonberg ordinis predicatorum procuratorg
Deuoto nostro dilecto, qualiter p. y. r. res ac negotia nostra, que
nonnunquam Uome nobis agenda contingunt, apud Sanctissimum
Dominum nostrum clementissimum Dominum Jtdium papam etc.
plurimum commendata habeat. Que quidem etiam uigilantissmie
promouere et nihil penitus (quod in rem nostram fore posset) et
agendo et consulendo pretermittere soleat, pro qua pater uene-
rabilis Benerendissime erga nos beneuolentia immensas lud>6mii8
et agimus gratias. Offerentes itidem operam nostram, si ea nti
Toluerit p. v. reu^ numquam deftituram. ütque nos mutua
beneuolentia cum p. v. Bev. (que nobis: preterquam id quod
relatu de eadem percepimus: est ignota) rursum pro tot mutuis
1) Antonius Ciocchi, dictus de Monte erhielt am 10. März 1511
den Purpur und starb am 20. Sept. 1533. Er war einer der Haupt-
lörderer des Concils. Ciaconius UI, 291. Durch ihn liess aa<^
Leo X. die Acten desselben herausgeben. Harduin IX, fol. 1563.
Die Angelegenheit, deren Förderung dieser Brief bei dem einfluss-
reichen Carmnal beabsichtigt, betraf vielleicht die Kanonlsiruug des
Bischofs Benno von Meissen. Die Einleitung des betre£toden Pro-
zesses datirt schon von 1510 , in welchem Jahre auch Hieronymos
Emser vom Herzog G^eorg nach Born geschickt wurde, um die Heilig-
spreehtmg za bescMeumgcn. Vgl. Waldau, Emser's Leben (Ans-
bach 17fi§), S. 10.
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KOLDE, ZUM V. LATERANCONCIL. 609
et tantis in nos coUatis beneftcijs mntno decdnceremuB proque in-
graütndinis uitio euitando, mittiintis hoc exile poenlum ae muntiB-
enlnm petentes, quatenns id non secns ac ep quo a noUs offertor
beneuolo grato et benigno snscipere uelit animo. üt eliam illo
pretaoto Dno Nicoiao in hijs qne p. ▼. B. nomine nostro retn-
lerit ant significanerit, plenam fidem ac d coram ipsi loqueremnr
adhibeat, in ijsdem promonendis negotys nostris (ita nt hw>
tenns egit) se fidem amicabilemqne promotorem exhibere uelit.
Curabimus id enim ÜAuore amicitiaque quantum in nobis erit
erga p. r. B. r^[>endere. Datum D. Nona Februar^ anno die
etc. ut s.
(Jeorgius.
Beuerendissimo in Christo patri D. Änthonio Sanote Bomane
ecclesie Tituli S. Uitaüs presbjtero Cardinali de Monte Domino
et amlco nostro dilecto ^).
4.
Aetenstflcke znr dentschen Reformations-
geschichie.
Aus dem Archiv in Neapel ztmi ersten Male mitgeteilt
Von
Lic. Yletor Schnitze in Leipsdg.
IL
Fünfzehn Depeschen ans Begensburg vom 10. Mftxz
bis 28. Juni 1541 ').
No. 14.
Morone an Farnese.
Begensburg, 10. März 1541.
L' ultimo che io scrissi a V. B«» et Dl»* S^ fümo de'
quattro di questo ^.
1) £8 findet sich in dem Copialbuch noch dn sechstes hierzu-
gehöriges Schriftstück, eb Credemsbrief für den üeberbringer der
Briefe Johannes de Sapoma Treuerensis, den zu veröflGentlichen
kein Grand vorlag. Wer dieser Joh. de Sapoma, den Herzog Qeotg
noster funiliaris ac vir bonus nennt, gewesen, habe ich nicht ausfindig
machen können.
«) Vgl. S. 150—184.
8) Bei Lämmer, Mon. Vat, S. 367—869.
Digitized by VjOOQIC
610 ANALEKTEN.
Dopo per lettere del primo et de* qoattro del medesima
da Vienna si ha, ch*il Be de* Bomani alli Vlll pnr di qnesto
dovea dar principio ad nna Dieta proTinciale per le cose dz
Ungheria et alli XXVIQ trovarsi ad an* altra Dieta di Bohemia
in Praga per la medesima causa.
Si m* awera, che soa M^ non poträ esser qni ayanti
Pascha.
Et perciö ha deputato per sno locotenente nella presente
Dieta il Yescoyo di Brixinon, qnal tre giomi £a venne a Tiä-
tarmi ed offerirsi al servizio della Beligione et della Sede apoet^.
Et ha dopo mandato, in posta nn suo camerero secreto il S*
Martine Gnzman, per sollicitar adjato dalla Cesarea M^.
Gli Turchi dopo Timpresa di Yaccia si son fennati in Un-
gheria, oye fiEu^eano romper il giaccio del Danabio da molti goaa-
tatori per poter condarr le yettoyoglie per naye al soccorso di
Bada. Et designayano obsidiar Peste al opposito di Buda et
oppagnarlo, nel qaale son circa qaattro müia fanti del Be de*
Bomani; ma non h forte, bench^ gl* habbino fatto alconi ripari.
Si stima, ch* essi Tnrchi si augmentaranno a poco a poco sin*
al nmnero di sedeci mille cavalli.
D Be, come ho detto, ya congregando a^'nti non solo dalle
soe Proyincie, ma dalli altri Principi et maxime di Bayera p^
poter soccorrer a ditto loco, nel quäl sarä yettoyoglia solamenta
per doi mesL
Questa necessitä del Turco, quantunchö sia disfavoreyola
alli presenti tractati della Beligione, nondimeno, non facendod
impresa magistrale, sarä men nociya.
n Mens, di Grand^ fa grand* animo al Nuntio Poggio et
anche a me, bench^ yorei, che tutti gli effetti corrispondessero.
Sto con Tanimo quieto, doppo ch' il B™<> Contareno legato si
troya qui yicino, et Sabato Sua S. B"'^ farä Fintrata, come per
sue lettere et del Nuntio Poggio quella intenderä.
Ho inteso, ch* il predetto Mens, di Grand^^ crede hayer in
mano qualche cosa per le promissioni fatteli da luth^ et pen^
hayer g^uadagnato alcuni delli principali, fra quali dicono esseryi
il Melanchthone.
Di questa pratica S. Sig^'^^ piü yolte m* ha mottegiato in
Wormatia et con questo animo forsi ricercaya la yenuta del B^^
legato con gli danari, ma non h mai uscito apertamente. Quelle
da Chi lo ho inteso dice, che luth^i li danno parole et che lo
agarabanno et usano et hanno usato di questa simolatione per
redur le cose al colloquio libero. L'eyento mostrarä la yeriti^
et spero, ch* il p^ Mons. di Grandyella scoprirä ogni cosa al B°^
legato.
Bench^ si d sentuto qualche disfayoreyole murmuratione
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SCHÜLTZE, ACTENSTÜCKE ZUR BEF.- GESCHICHTE H. 611
Tiella Corte Cesarea, che soa S'^* R™* (quäl per altro ö stimato
«ussai) yien senza danari, senza authoritä di conclndere etc. ^).
In buona gratia di V. ß°^ et 111"^* S'** humilmente
a^. 8. w.
Da Batisbona alli X di Marzo 1541.
Humümo sre II Vesco
di Modena.
Rta alli XXVI.
No. 15.
Morone an Farnese.
Begensburgy 12. März 1541.
L'altr' hieri doppo scritta la qui alligata hebbi tutte le
lettere di V. ß™* et 111°»» S"» di ni di questo et visto Tordine
dato sopra la revocatione di Mens. Poggio et la depntatione di
me al sno loco, nel che considerando la singular benignitä di
N. S. et rhumana promotione di V. E.«»» et 111"^ S^i» resto yera-
mente confaso parendomi (come h vero), che questa ecceda ogni
mia sufficientia et merito. Ma dall' allxo canto considerando li
Bovi fastid^ et la difficnltä quäl' io havrö nel negociar, per ch'
io certo non son grato alli Ministri dell' Imperatore, et insieme
considerando, tal deputatione esser ex diametro repugnante contra
al fin' mio di ritornar alla patria ^), mi trovo piti aggravato, che
non porta il desiderio mio di extricarmi dalle Corti. n che sono
stato astretto manifestar ingenuamente a Y. B°^ S"% acciö che
ensieme conosca T infinite Obligo ch' io gli ho per tanta demos-
tratione, per la quäle perpetuamente sarö obbligato a Soa St^ et
tutta casa soa 111°»% et si degni perö pensare come per servitio
di Soa S^ cosl per mio contentamento et quiete, ch' io non
habbia a servire in questa Corte finita la presente giornata, come
spero anchora, sar^ stata la prudente consideratione di Soa S^^
et di V. ß"» et 111°»» S"» »).
Hieri intrö il ß°»^ legato, hoggi ö stato a Soa M*^ et ha
fatto con molta gratia et prudentia le soe propositioni, come piü
longo Soa S"» ß°»» scriverä *), et Soa C"^«* M*^ V ha visto vo-
luntieri con molto honore et del grado et della persona. Io
similmente ho presentato il Breye della deputatione mia in pre-
:i
Am Bande markirt.
Von ypercK io' bis ,patria' am Bande markirt.
s) Von ,8i degni perö' an am Baude markirt. Zu vgl. übrigens
S 155.
*) Das betreffende Schreiben S. 150 ff.
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612 AKAt^I&f&lK.
senüa di Sod S'^ B°*^ et del Nuncio Poggio, offere&domi a &r
r offltio per seryitio di Boa S^ congiunto con qoello di Soa M^
con ogni fede et diligentia ch* io possa et dicendo, che easeo^
venuto il B°^^ legato era poco bisogno» baver altri Non^j ap*
presse Soa M^ et se pur era bisogno che il Nnntio Poggio &^
assai piü atto di me, ma essende venuto bisogno a Soa 8^ ser-
virsi d' esso Nuntio in loco bonorato et utile, quäl li poteva esser
adito a maggior, bavea deputato me in suo loco, quäl benehd in
tutti me conosca insufficientissimo, nondimeno confidandomi m
Die et nella bumanita di sua M^ saria entrato in qnesto carico.
Soa M^ mi rispose, cbe certo li pesava molto della partiia
di detto Nuncio, quäl' bavea aervito molto tempo fidelmente
et diligentemente et con buona satisfactione di Soa M^ et anche
di Soa Be°S come credea. Kondimeno, che, essende piaciuto c(^
a N. S., ancora lui se contentava et cbe la persona mia li era
grata, come sogliono esser tutti li ministri di Soa 8^, et aooer*
rendo usaria dell' opera congionta con quella del B°^ legato.
n Nuntio Poggio non sark licentiato da Soa M^ sifi' al
ritörno della caccia, ove va dimane con questi Prinoipi di Bafeia
per intertenersi sin* a tanto cbe venghino gli Electori, 11 qnli
fra Otto 0 dieci giomi forsi saranno qua: benoh^ si ragiona
variamente della yenuta del Eleotor di Sassonia, senza il qaale
non si potrebbe far trattato alcuno di concordia, et forsi So«
M*^ starä fnori sin' che essi Elettori saranno gionti per no& e»-
porsi al pe'ricolo d' baverli a rescontrarli o offenderli.
La partita del Nuntio Poggio, oome h stata inopinata» oeel
dispiaoe a tutta la corte et non si potrebbe dir, quanto la seiH
tono et ogni giomi la sentiranno piü per la qmditä del bao-
cessore.
Havrei giudicato espediente, che Soa 8"^ foese restata qt^
sin' al fin' di questa giomata, perch^ bayendo tanta intarodntione
et con Soa M^ et con tutti li Ministri, quäl' mi par' maggier
di quel' che si pu5 creder, et essende fidele, sarebbe utile all!
presenti trattati.
Bench^ mi consola la presentia del E^^ legato, quäl' mostra
Tanimo ingenuo et libero et t^rto et ha credito appresso ogn^
uno di manera, che potremo stare sicuri, che non si fieu^ mala
concordia di consenso di Soa S^^^ B"^ et quando volessero ftrla,
spero, che con la prudentia et autoritär soa poträ ritenere neii
solo la Ces» M*^, ma molti altri Principi.
Et procedendosi, come si farä, alla reale, non sarä bisogno
usare molta industria a raffrenare le male voluntä delli Ministri,
perchö secondo le occorentie Soa B"** S'^» dirä quel che si con-
Tiene et sarä udita, et spero, gli sarä creduto.
Circa 1' insulto del S^^ Ascanio proposto a Soa M^ et circa
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SCHULTZE, ACTENSTÜCKE ZÜE KEP.- 6ESCH1CUUE n. 6 IS
la risposta mi remetto a qnanto scriver^ 11 U^^ legato ^), qttar
in mia presentia n' ha parlato a Boa M^ et prima il Nuneio
X^oggio n' hayea fatto opera.
Non mancherö d' ogni fede et diligentia in notificar al W^^
l«gato con total sinceritä d'animo, qnanto occorerä nelle cose
della religione et di queste prattiche di Germania, benchd ho
aempre scritto copiosamente et Soa B/^^ 8'^^ mi pare ottimamente
instmtta.
Ad alcnni altri particolari delle lettere di T. B°^^ et W^
S^^ farö rispoata per le prime, quando havro esseguito ü coman-
damento^ Fra quosto mezo humilmente baciando il piede u. «. w.
Da Batisbona a di XII di Marzo 1541.
Di V. R"« et lU»* Srf*
Humii«» S« n
B*a alli XXVL Vesc« die Modena Nnncio.
n Dnca di Sassonia, 11 Lantgravio
d' Hassia et nn Dnca di Lüneburg
et gli altri Principi Intherani verranno
certo alla Dieta.
No. 16-
Morone an Farnese.
Begensbnrg, 17. März 1541.
L' altro hieri fu scritto a V. E™* et 111™* per nna ataf-
fetta ain' a Trento et Bologna et perchd non dnbito, che le
lettere secondo il solito non siano yennte a bon cammino, non
mi h parso necessario far il dnpplicato.
Considerando la diffidentia d' alctmi Ministri Oes^ di me, qnal
dubitava, non fosse similmente nel Principale, per il solito desi-
derio di poter servir N. SL in quei che gli place commandarmi,
ho affaticato qnesti pochi giorni a persnadere (come h il vero),
ch'io sempre ho desiderato et desidero la pace di Germania, quäl
non sia contra la Beligione et contra la Sede ap<^« £t in ci5
ho usato deir opera di Mona. Poggio, quäl' et per patrocinio
della veritä et per servitio di N. S. mi par' ayer fiitto bon ser-
vitio. Et giä mi pare habbiamo gnadagnato la securtä di Mens,
di Grand^*, quäl con tutto Tanimo attende alla concordia et crede,
che debbia aeguir con dignitä et augmento della Sede ap<^.
Spero, che la Ces* M^^ si levarä in tutto d'o^i mala im«
pressione delle attioni mie. Ma yeramente questa subita muta-
1) Vgl S. 154 f.
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614 ANALEKTEN.
tione al priDcipio ^ parsa molto noya et ha dato ca^one di
yarij ragionamenti ^). Nondimeno hora le cose 8i yanno dome-
sticando et essendo meglio digeste pareno et pareraimo continiia»
mente manco strane.
Si crede^ Tlmperatore tornerä domane dalla caccia di Ba-
yera.
Et bench^, come per altre mie scrisse, stimo, la presentia
di Mens. Poggio hayrebbe potuto gioyare alla presente causa,
nondimeno S. S^^ dice, partirä qnanto piü tosto poträ con baona
licentia della Ces& M^.
Ma forsi per yenir piü resolute della mente dell' Imperatere
et della certa speranza che si pu5 hayere del segno, al quäle
si yogliono lasciar redor latherani, aspettaHt la yennta di alcum
di questi Principi Intherani et compensarä poi con la diligentia
et sarä in proposito, accioch^ soa M^^ possa meglio nsolyersi et
in tempo commodo dar la risposta: bench^ soa S. sollecita la
partenza.
Jeri fui con Mens di Grand^^ per semplice yisita. Soa S^
mi moströ piena confidenza et mi disse molto amoreyoli parola.
Depo mi disse, che speraya tal snccesso da qnesta Dieta, che
N. S. conoscerebbe, con qnanta aflfectione la Ces* M*^ et egli si
fossero affaticato al bene della Christianitä et alla conseryatione
della Sede ap^. Et che depo la yennta soa qui hayea fotto
ancora maggior gnadagno, come in breye mi direbbe. Et che
ancora speraya, che forsi V Inchilterra si redurrebbe a buoo
termine, ma per hora non mi yoleya dir altro particolare. Sola-
mente desideraya, che N. S. hayesse fatto qnalche proyissione
di danari, come piü yolte h stato richiesto, et di ci5 mi pregaya^
ne yolessi scriyere caldamente a sna B°®.
Bisposi, che Tanimo della Ces^ M^ et sno non era nuoyo
a me n^ ancora a Soa S^, la qoale in tntto si riposaya in
questa confidenza della loro buona mente et mi rendea certo, che
gli effetti sarebbero stati conformi alle parole et anche maggioii,
perchd in questa prattica si trattaya Thonor di Dio con la salate
delle anime et Thonor della Ges^ M^, quäl hayea da render
conto non solo a Dio, ma ancora alla posteritk
Et qnanto alle particolari attioni et guadagni fatti in questo
loco, dissi, che yolentieri a suo tempo Thayria inteso et circa
li danari di nuoyo hayria scritto.
Soa S"^ doppo mi disse (bench^ secretamente), ch*il matri-
monio della Duchessa di Milane era concluso col figlio del Dnca
di Lorena. Et quand* io yienni a casa soa, era in consiglio con
1) Von ytna veramente^ an am Bande markirt.
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SCHÜLTZE, ACTENSTÜCKE ZUR KEP.- GESCHICHTE TL. 615
Mons. di Prato et Idiaqnez per formar gli capitoli di questo
matrimonio, quali subito voleva portar al Conte Federico Pala-
tino cugnato d'essa Duchessa. Et insieme voleva portargli la
forma, come si hayea a dar principio a questa Dieta, perch^ la
Ces^ M^ ha fatto esso Dnca Federico suo referendario o audi-
tore, come yogliamo dire, o mediatore in gli presenti trattati dell*
Imperio ^).
Havendo commnnicato col W^^ legato questo ragionamento
di Mons. di Grand^^, quäl hoggi mi havea detto voler venir a
sua S"* E™* et renovarli le promissioni fatte a Mons. Poggio et
a me per quanto tocca alla Sede ap^, soa S^i^ ß°^ me ha detto
sopra Tarticolo delli danari la commissione, quäl tiene da N. S.
per lottere di V. R™* et Hl™* S'^% il perchö non ö bisogno,
sopra ci5 scrivi altro, perch^ intendendo esso Mons. di Grand^
ditta commissione per bocca di S. E™* S"*, credo, nmarr^ satis-
fattOy come sarebbe rimasto, s'io Thavessi saputo.
Li agenti delli Duchi di Bavera hanno passato alcuni ragio-
namenti col B^^ legato conformi a quelli, che molti giomi fa
scrissi. Et perch^ si conosce questo lor desiderio di cose nuove,
servaremo una via di mezzo nel trattar con loro, retenendoli piü
che sarä possibile in buono offitio con la Sede ap<^, accioch^ ac-
costandosi le cose alla pace honesta si possino redur, stände
ancora le cose senza conclusione, gli habbiamo costanti nella
Beligione. Bench^, come per altre mie ho scritto, tutte le parti
attendono sotto pretesto della Beligione alli soi privati interessi
et commodi *).
Per via d'un suo consigliero ho scoperto, che disegnano a
maggiori prattiche, bench^ esso consigliero disse, non parlaya per
nome de' soi Principi n^ di soa saputa, ma come ad amico per
intender il parer mio.
Et questo era di veder, se Francia volesse intrare nella
loro confederatione per defensione della Beligione, et designavano,
in quel caso accordarsi col Duca yecchio di Yertimbergo, lor
nemico, di che intendo si fa prattica ^.
Et similmente accordarsi coir Arcivescovo di Colonia et Duca
di Cleve et Duca di Brunsvich *).
Ho dissuaso tal disegno con molte ragioni al mio giudicio
yero, nondimeno non so quel che farranno. Et perch^ Tanimo
suo h totalmente inclinato alla guerra, bisogna trattar talmente
1) Von ,et insieme* an am Bande markirt.
>) Von fServaremmo' an markirt.
8) Am Bande markirt.
A) Am Bande markirt.
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616 ANALEKTEN.
con loro, che yolendoli contradire non li perdiamo et ci gli £io-
damo diffidenti. Perchd, come eesi hanno bisogno di freno &
ritirarli dalla gaerra, qml sarebbe damnosa, co^ la Gao* IC^ et
li altri hanno bisogno di freno per esser ritennti dalia oonoordia,
qnal per troppo bisogno et desiderio protrebbe ÜEursi di nuüa
sorte. Nel che havemo pensato potersi serrire di qnesti Doc^
et del Car^® Magantino et delli Dnchi di Bnmsvich, acci<K2hd, ser-^
Tandosi qoanto si potr^ la yia di mezzo o segniti bnona coneord»
tra tutti 0 non seguendo ci siamo reservaü alcmii defensori delk
Beligione cath«*).
Ho mandato al Pighio sessimta scndi di eoneenso et to*
Inntit del B>°o legato per ritenerlo dalla divnlgatione di qnd
libro et per schivar molti scandali et imputationi di N. S. ^ Crede^
sarä qni fra doi giomi.
In bnona grazia u. s. w.
Di V. R™a et ni™» Sri»
Da Batisbona alli
XVn di Marzo 1641.
HTimil»o 8w n Veepo
di Modena.
Rt» alli XXVL
No. 17.
Morone an Farnese.
Begensbuig, 22. März 1541.
Mando qni alligato nn memoriale di nn Jnlio Pflug, eaite^
nico Magnntino, hora cbiamato alla chiesa Nomburg^isey qnale
^ posta nel mezzo di Saxonia.
Et percbd il Dnca Elettore di Sassonia per hereditik snol'
esser protettore di essa chiesa et ha intimato al capitoli, ^
elegano nn altro Tescovo, per esser costni repntato catholico et
homo di molta dottrina et bnoni costcuni, sperando qnalche booii
exito delle cose presenti, vorrebbe harer sei mesi di termine a
deliberar, se ynol' accettar detta chiesa.
Pertanto hnmilmente snpplica, N. S. si degni concederli
detta prorogatione, il che stimo si debbia per grazia di N. 8.
et per beneficio di quella chieea concedere et ptego T. B*» ei
Hl™* S. voglia dame risposta.
L' altro memoriale ö in una cansa racc** del Ve8C<> di
1) Von yperche, come essi' an am Rande marldrt.
«) Vgl. S. 158.
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SCHULTZE, ACTENSTÜGKE ZXIB REF.- GESCHICHTE H. 617
Sierbipoli, qaal ha bisogno di quaJche favore dl Y. E"^^ S^, la
^nal furebbe opera gratissima a Dio et honorevole al numdo,
qLuando cob qualche modo facesse metter freno all* ayaritia di
alcuni soUedtatori Todesofa!, quali stanno in corte et inYiluppano
il mondo con qnesta mercantia di beneficü
Et principalmente a qoesto Ambrosio Compenberg, qnal
joaette le Eiani in ogni cosa.
In bnona grazia w. 5. w.
Di V. BP^ et Dlm» S^
Hnmilmo S'« II Vesco
di Modena Nnncio.
Pa Batiabona alli XXII di Marzo 1541.
ßta aUi m di Aprile.
Anhang.
Memoriale des Julius Pflug an den Cardinal Farnese.
Adducit me £°^^® D. Y. comitas ac benignitas lila singalaris,
ut hoc tempore in re magna opem eins atqne patrocinimn petere
non dnbitem.
Ac ne longior sim qnam ferat ratio occupationum ß™*« D. Y.
cum eadem breviter agam.
Obijt non ita pridem diem sunm B'^^^ D. Frisingen. idemque
Nnmbergensis ecc^® administrator felicis memoriae.
Capitulmn igitur Nnmbergensis cum, ut rationes eccle-
siasticae illius postulabant, alium in locum demortui administra-
toris episcopum sufficiendum surrugandumque duceret, me quidem,
etsi indignnm, elegit eaque de re per literas docuii
£t quamquam cum aligs de causis, tum de hac maxime quod
sentirem me non satis idoneum esse ad eedesiam Numbergenaem
hoc eins miserrimo tempore administrandam , movehat sane, ut
eonsensum negarem, tamen, ne legitimam illam electionem viderer
temere repudiare, rescripsi Capitulo me necdum consentire posse
ipsius electioni neo eam tamen aspemari, sed deliberaturum et
emn intemunoijs, quos missurum se promiserat, explicafcius ae-
turum«
Interea vearo, dum intemuntios illos especto, certior factus
£um Electorem Saxoniae, qui more ms^rum ecclesiae Number-
gensis advocatus atque defensor esse deberet, expostulasse cum
Capitulo, quod me eligisset, et cominatum, si me in possessionem
episcopatus sui admitteret, se contra me atque ipsum Capitulmn
nescio quid moliturum.
Qni quum, ut nunc res sunt, quantum yelit in illa ecclesia
opprimenda, tantum posse videatur, et ego in deliberando potissi-
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618 AKALEKTEN.
mom boni pnblici rationem habeam, cayendum plane censeo,
temere Tel consentiam vel dissentiam, eaque re ecclesiaia nüst-j
ram, etiam pene oppressam in extremnm discrimen addiicaa.|
Qnod ne accidat, necessarium esse Tidetor, nt deliberatio ipa]
mea prorogetnr tantisper, dum res in boc conventn authoiitate
S°^i D. N. atque Imperatoriae M^> componi possint, quos spen-
mos, nt aliis ecclesüs, sie etam Nnmbergensi praeeidiom sIIa-
tnros. Id qnod Dens noster pro sna immensa benignitato atqse
misericordia tribnat.
Sed quia tempns ad deliberandnui, qnod ins prescribit, iam
pene praeteryt et prorogatio illins ex anthoritate S"" D. N.
pendeat, snpplico E"*« D. V., qnod me in hoc negocio atqi»
ecclesiam Numbergensem jnyare yelit, nt possit prorogationem
illam in sex menses obtinere ^).
Qnod beneficinm si W^^ D. Y. mihi dederit, ad pristiaom
menm erga eam obserrantiae cnmnlnm accedet non panun eroqne
ei in perpetunm obstrictns.
Cni me vehementer etiam atqne etiam commendo.
E. E°»*e D. V.
Hnmillimns Servitor
Jnlins Pflog.
No. 18.
Morone an Farnese.
Begensbnrg, 23. März 1541.
Non essende ancora partito il Corriero mandato dalla Mar-
chesa di Pescara, son yennte lottere da Yienna de* XYIU di
qnesto con V intrascritti adyisi:
Che il Be de' Bomani non andrä, a Praga, ma stai^ a Yi-
enna per dar ordine alle cose di Hnngaria et forsi non veni
qni,
che alcnne nassate di Tnrchi, yenendo al soccorso di Bnda,
son State poste in faga da alcnne nassate del p^ Be de* So*
mani,
che alli sei di Gennaro partl da Adrianopoli Pietro Moldavo,
qnal era pregion del Tnrco, con adjnto di esso Tnrco per occn-
par la Moldayia et yendicar la rebellione fatta alli giomi passati
et pagarä Xn M. dncati V anno di tribnto.
1) Die Grewähmng dieser Bitte erfolgte durch ein päpstliches
Schreiben vom 16. April 1541 (bei Cyprian, Tabell. eccL Rom.
1743, S. 525 f.).
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SCHULTZE, ACTENSTÜCKE ZUE REF.- GESCHICHTE H. 619
Per lettere de' XVI di Gennaro di Adrianopoli si intende,
clie il Tnrco fa maggior preparatione che habbia mai fatto per
terra et se dice voler far V impresa di Hungaria essende indeg-
nato contra il Be de* Bomani per V exercito mandato contra
Siida,
che il Lasko h ancora detennto.
II Vesc^ di Vienna va combattendo con la morte, nondimeno
era alquanto migliorato.
Altro non occorrendo, in buona grazia u. 8. w.
Da Batisbona alli XXm di Marzo 1541.
Humilmo s^o il Vesc<>
di Modena Nnncio.
Bta alli m di Aprile.
No. 19.
Morone an Farnese.
Begensbnrg, 31. März 1541.
Scrivendo il B^^o legato la yennta del Lantgravio di Hassia
et delli altri Protestanti et qnanto si ^ trattato con li Dnchi di
Bayera *), ö superfluo replicare il medesmo.
Hoggi h gionto il W^^ Maguntino et in breve si aspetta V
Elettore Brandebnrgense suo nepote. Lo Elettore Palatino yerrä,
qnando sarä resanato. Gli altri Elettori non si aspettano. Benchi
ho inteso fra qnalche giomo, V Elettore di Saxonia yerrä, yerso
Noremberga, se poträ per la infermitä.
n Ser™o Be de' Bomani sta occupato nelle cose di Hun-
garia, per le qnali yi era qnalche speranza di concordia, et T
Imperatore a reqnisitione di sna M^ per interponeryi la autoritä
sna et forsi per prometter per il fratello hayea deliberato man-
daryi per ambascator sno il Conte della Mirandola et giä hayea
pigliato licentia, ma per nna nuoya posta sopragionta si ^ inter-
tenuto.
La cansa, per quanto ho inteso, ^, che 11 p^ Be de' Bo-
mani ^ yennto in speranza di poter romper gli Turchi yennti al
soccorso del frate Vescovo di Varadino, quali hanno li cavalK
per il freddo et per la fame assai debilitati. Et per qnesto rad-
doppia r exercito sno et congrega a^juti ad ogni parte et spera
alla Domenica delle Palme hayer in esser circa XX°* homeni, et
ho inteso, che sna M^ ha detto yoleryi andare in persona. Dia
1) S. 164f.
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620 AKALBKTBN.
li doni felice snccefiBo, oome «urebbe bUogno per totta la Christi- 1
anitä.
Hieri M oon Mona, di GnuidYella, qoal mi disM, che Ibiai
hoggi 0 domane sarebbe stato col E^^ legato et meco per ccm-
municar una forma fatta sopra il principiare la Dieta, la qval
jorma V Imperatore yole, che noi possiamo moderar et alterare,
com» ne pareri expediente.
Che il Lantgrayio di Hassia die novo ha fktto intender« a
sua M^ et promesso, che li faii oonoscere^ qnanto sia deeidero^
della pace et del bene della Beligione, et replica, che il medesmo
faraimo le Terre franohe,
che sarä maggior difficnltä di rednr gli Catholid alle com
honeste che gli adyersarij, perch5 sotto pretexto della BeUgioae
Yorrebbono servire alle loro passioni,
che il Daca di Brunsvich si govema male contro il Lantgrario
et non cessa etiam in qaesto loco di irritarlo con detti et scritö
(Et mi pregava, yolessi far officio per moderar lui et anche gä
Duchi di Bavera, il che in parte ho fatto, essende in yero cosa
enorme in tutti gli modi proceder per queste vie d* ingiorie.);
Che non bisognara, V Imperator habbia a pigliar le armi
et intricarsi nelle cose di Germania, alle qnali ni il modo ne il
tempo bastarebbe, ma V intentione di sua Mt^ l di redor lathe-
rani piü che si poträ alla Beligione cath^ ^).
Et se in qualche cosa restark controversia o difficnlta, che
tntto Bark rimesso ad un Concilio overo ad altra determinatione,
quäle sua M^ appimtarä con N. S'^ V esaltatione della dignitk
et honor del quäle et della Sede ap<^ sua lA.^ promette si trat>
tarä in questa giomata, come mi dice esser portato in scriptis
nel memoriale del Nuncio Poggio. Pel qua] memoriale qnando
vi fusse cosa di momento utile per la presente negociatione,
forse sarebbe bene, che V. B«»* et Hl™* S"* si degnasse maii-
dame copia, accioch^ sapendosi le loro promissioni et mente
con piü certezza si possi negociare. H che sia dettu solo per
aviso.
In questo ragionamento sua S"% per mostrar piü la durezza
de' Catholici, mi disse havere inteso, che hanno cercato trattare
con lutherani, che in presentia dell' Imperatore non vogliono
consentire a concordia alcuna, ma dipoi la partita di sua M^
dicono Yoler far tre cose:
Prima una sospensione di armi tra loro Todeschi.
Secondo una confederatione a gastigare qualunche subdito
Yolesse ribellare al suo Signore,
1) Am Rande markirt.
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SCHÜLTZE, ACTENSTÜCKE ZUR REF.- GESCHICHTE U. 621
Tertio altra confederatione contra tatti gli altri, nemine
xieque ipso Caesare excepto.
Baso humDmente u. s. w.
Di Batisbona all' ultimo di Marzo 1541.
Di V. Rma et 111"» S"»
Huniil"»o Servitore n Vesco
di Modena Nuncio.
(Empfangsdatam fehlt.)
No. 20.
Morone an Farnese.
Begensbnrg, 3. April 1541.
Questa sera son stato con Mons. di Grandvella, quäle in
longo ragionamento in substantia mi ha detto, che trovandosi V
Imperatore senza dinari et havendo experimentato, quante cose
«i ricercano a far la g^ena, et essendo li Lnth"^ cosi todeschi
«t bellicosi, come sono gli Catholici, et per conseguente V im-
presa della guerra molto difficile et essendo dubio, che in evento
di guerra facilmente gli adversarij havessero adjnti extemi da
Prancia et dal Turco, et quando bene ncn fossero queste di£ß-
cult^ et si havesse la vittoria contra Lutherani, per questo non
sarebbero salve le anime, sua M^^ hayer deliberato far ogni
conato per hayere la concordia di Germania et havor pratticato
con il Cardinale Maguntino et con gli Duchi di Bayera, che si
contentino deila yoluntä di soa M^, del che loro gli hanno data
speranza et quasi promessa. Nondimeno, che gli Duchi di Ba-
yera per far principio alla Dieta proponeno modo, quäl non ^
altro che dar principio alla guerra. Perchö volendo conservar et
exequire il Eecesso di Augusta (quäl sua S^^» dice non fu ap-
probato da tutti gli Principi et fu fatto inconsideratamente et il
giomo medesmo fu biasimato da quelli, che vi si trovomo pre-
senti) h proprio voler tagliare tutte le vie della concordia.
Bisposi a soa S"* (come primo si era deliberato col B°^o
Legate) esser necessario, che detto Becesso fusse conservato,
perchö la Ces» M^ non havea alcuna cosa piü favorevole di
questa a rafBrenar luth"^ II che soa S"* confessö esser yero,
et mi disse, che per nessun modo si sarebbe partito da quelle.
Nondimeno per le cause soprascritte non se gli possea far troppo
fundamento. Et mi disse, che il Maguntino, et Bavari, havendo
^isputato a longo con lui, non hanno potuto contradir alle ragioni
soe. Ma questi altri dicono il contrario.
Dimandai di novo a sua S^^» quelle, che si potea sperar
della redutüone del Lantgravio, et delle Terre franche. Mi ris«
Zeitoohr. t K..G. IH, 4. 42
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622 AKALEKTEN.
pose, che la discordia tra esso Lantgra?io, et il Duca dl Bnms-
vicb portaya molte difficultä a qnesto Degoeio. Nendimeno spe-
rava, che detto Lantgravio et Terre franche sarebbero state piü
trattabili alla pace, ehe li Principi nostri.
Et quanto alla discordia di questi doi Principi si sarebbe
trovato modo per via di protestatioDi, che reservandosi ciaschima
parte le attioni delle iDgiurie dopo il fine della Dieta, &&
questo mezzo füssero pacifici et non donassero impedimento al-
cuno al progresso della Dieta.
Et perch^ aviene, che nelle sessioni del Convento , esso Daca
dl Brunsvicb, et Lantgravio d* Hassia sono vicini, 1* Iniperatore
havea deliberato mettere in mezso tra Ibro il Daca di Savoia,
qaal per altro in la Dieta non dovrebbe stare come Duca, ma
come Conte secondo V erettione antiqua delli stati dell' impeno^
le qnali cose tutte saranno exequite.
Doppo havendo inteso, che li mandatar^' dell* Elettore di
Sassonia haveano portato li mandati molto restretti et con con-
ditione, che n^ gli soi agenti ne gli Dottori potessero cedere m
nn minimo punto dalla confessione et Apologia di Augosta, gli
dimandai, essendo questo vero, che speranza poteano havere di
concordia Christiana?
Soa S'*^ non mi negö la detta qualita et conditione de* man-
dati, ma mi disse, sperava, si potesse far molto bene, etiam
senza esso Elettore, volendo mostrare, che si sarebbe gnadagnato
il Lantgravio d' Hassia, et alcune delle Terre f^anche.
Disse perö, credea, esso Duca di Sassonia dovesse venir
personalmente , perch^ gli altri Stati protestanti haveano delibe-
rato chiamarlo, per vigore delle confederationi che hanno tra loio,
per le qnali saranno astretti venir doppo Pascha; onde si com-
prende, che la Dieta andrä in longo.
Eeplicai, che la venuta di qnesto Elettore sarebbe ntüe,
qnando si sperasse vera concordia, ma servando il solito modo
di mostrarmi perplexe dell' evento di qnesta Dieta.
Soa S"A mi affermo, che V Imperatore cosl in essentialibns
era resolute non conceder cosa alcuna, come ancora in le cose,
qnali potessero portar scandalo. Et nel resto si govemai^ come
piacerä a N. S^^^ come piü volte si ^ detto et scritto, et non
lasciarä, che si facci cosa alcnna senza nostra sapnta.
Ma perch^ vede qnesta difficultk de' Catholiei, come piü
volte havea detto, mi pregava, volessi far buon officio co'l Ma-
gnntino, Duchi di Bavera et Brunsvich per rednrli a buon ded-
derio della concordia, oltra la quäle non vi h altro mezzo al
presente stato et tra molti mali, questo come minore si dovrebbe
elegere *).
1) Von ,j>er redwli* an am Rande markirt.
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SCHULTZE, ACTENSTÜCKE ZUR REF.- GESCHICHTE U. 623
Perchd, come mi harea detto, V Imperatore non ha denari
et quando ben gli haveese, vorebbe spenderli altrove che in Ger-
mania, dalla qnale non ne ha se non fastidio senza utilitä al-
cnna*).
Et che non succedendo concordia et non hayendo 1* Impe-
ratore dinari, ingennamente dirk a N. S. et alli Dnchi di Bayera,
che facciano la spesa della gruerra, et mostrarä, quantt denari li
saranno bisogno, di maniera che si puö comprendere, che in tatti
gli modi la M^ 8oa vol la concordia.
Mi disse ancora, che domani sarebbe Tonuto a commnnicar
la propositione, qnal si ha da &r nella Dieta co'l B^^^^ legato
et meco. Ma a soa S. BP^ pradentemente pare, che, stände questa
difficnltä tra lui et gli Dnchi di Bavera et altri Oatholici et es-
sende r exito delle cose tanto incerto et pericoloso, sia bnono
non esser moHo sollecito et sia piü sicuro il star a yedere. Et
perchö soa S. B°** sopra qnesta et molte altre cose scriye di-
fosamente (havendo perö per soa humanitä commnnicato le soe
lettere meco, come io ancora per debito faccio con soa S. R™*),
per hora circa le cose della Beligione non mi occorre scriyer
altro.
Perö reseryando gli altri particolari in nna lettera a parte
qni faccio fine, in buona grazia u. 8. w.
Da Batisbona alli m di Aprile 1541.
Di V. B"a ti. 8. w.
Humilmo sre n Vesc»
di Modena Ntincio.
(Ohne Empfangsdatum.)
No. 21.
Beriardo Santio, Bischof von Aquila, an Farnese %
Begensbnrg, 5. April 1541.
Contutto che yi siano molto poche cose degne di ayiso, non
lasciarö di scriyer a V. S. B™*, qnanto in qneste bände s' in-
tende.
Di qnesti Principi Gtormani sono arriyati solo il B™<> Magnn-
tino et il Lantgravio. Prima yi erano i tre fratelli di Bayera
et il Conte Federico Palatino. Sone yi anche alcnni Prelati.
1) Am Bande markirt
«) Der Name des Adressaten findet sich nicht angegeben; ans
dem Inhalte aber ergiebt sich, dass das Schreiben an Famese ge-
richtet ist.
42*
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624 ANALEKTEN.
Degli altri Elettori et Principi vi sono loro oratori. II B*"^
Magontino basö la mano a soa M^, poi visitö il B^^^^ legaio.
n Lantgravio piü volte ha havuto audientia da soa M^. Del
Conte Federico Palatino si tiene gran conto per esser persona
confidente et catholica.
Questa mattina soa M^ ha dato principio alla Dieta et ha
üatto celebrar la messa dello Spirito Santo nella Chiesa maggiore,
qnale ha celebrata Mens. Batisbona. Finita la messa soa M^
con tatti li Principi et Prelati Germani, ^ ita alla casa publica
della cittäy ordinata per la Dieta, et ha fatto la proposta delle
cose, che si hanno a trattare, con ordine si depntino i President!,
et dar forma al modo di procedere in le cose della Beligione,
et si stima sarä conforme a quelle die Wormatia, con un prolo-
cutore per parte, Ekio et Melanchthone.
Fin qui le prattiche vanno strette et con molta quiete et
Tuna parte et Y altra dimonstra gran Tolunt^ di concordia. Et
soa M^ intende et tien le mani in ogni prattica et usa officio
di catholichissimo Principe. Onde si pu5 sperare, che N. S^ Die
spirarä in le menti di questi dissidenti alcuna luce, per la qnale
si ridurranno alla Tera via dell* antiqua, vera et christiana Beli-
gione, maxime che la persona del B°^o legato h in gran predi-
camento appresso di tutti et dl singular dottrina et di vita exem-
plare.
Le novo delli apparati del Turco verso Hongaria crescono
et dl Barbarossa verso Affrica; et questi dissidenti ne pigliano
animo.
Tutta via ^ tal il principio di questa Dleta et la dechla-
ratione della sanctissima mente di sua M^ per evidentissimi
segni, che si puö sperar buon* exito et non malo, licet sint va-
rla hominum judicia.
La pubblicatione della sententia di Madama, sua M^ V ha
differita fin dopo V Ottava di Pascha, et io dubito di maggior
dilatione. Nee plura. Feliciter valeat D. V. B™*.
Ex Batisbona Y Aprilis MDXLI Aquilanus.
Benevolus servitor B. episc.
{Empfangsdatum fehlt.)
No. 22.
Morone an Farnese.
Begensburg, 6. April 1541.
Scrissi alli in dl questo *). Dopö V. E"»» et Dl°>» S.
intenderä il principio della Dieta et V altre cose passate
1) S. 621.
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SCHÜLTZE, ACTEN8TÜCKE ZUR BEF.- GESCHICHTE H. 625
per lettere del E™« legato, sopra che non ö bisogno far altra
replica.
Son stato qaesta mattina con Mons. dl Grandvella per rin-
gratiarlo dell* aggionta fatta nella propositione dell' Imperatore,
che s' abbia a far relatione ancora al R™^ legato di quello, che
sarä tractato nel colloqnio sopra la differentia delli dogma.
Et insieme V ho advertito, che quando si cerchi la concordia
di Germania, bisogna, che quella clausula resti forma. Et perö sna S.
faccia, che li protestanti di novo non contradichino o protestino se-
condo 11 lor costume.
Mi ha risposto, non esser bisogno, che lo ringratij, perch^
r Imperatore gli 1* haveya commandato; bench^ sia stata gran
difficultä a far la mntatione nel consiglio della Dieta, nel qnal h
presidente il Conte Federico Palatino, non perch^ habbino mal
animo verso la Sede apostolica, ma perch^ qnando hanno stabi-
lite le loro cose, son difQcili a mntarle. Nondimeno io credo
piü tosto il primo.
Et qnanto alla conservatione di detta clausula, dice, che
non solamente procurark questa, ma di piü spera, che si conten-
taranno, che il colloquio si faccia in presentia del B"^^ Legato.
II che credo non sarä difBcile, quando sua S. ß™» lo giudichi
espediente, perchd in Wormatia hayrebbono ancor patito la pre-
sentia di Mons. di Feltre.
Hoggi h partito di qui Ant^ d' Oria, quäl va a sue gior-
nate ä GenoTa, et allongarä il camino yolendo Teder alcune
Cittk di Germania, come Norimberga et Augusta per suo spasso.
Et Mons. di Grandvella mi ha detto, che pur si sta sopra
r ordine dato dell* armata, come fu detto a Mons. Poggio.
Et la Ces^ M^ spera, che N. S. non mancarli far quella
gli ha supplicato.
Mi ha ancor pregato di noTO, voglio fare ofßcio appresso
sua S*^ per il S^' Ascanio Colonna usando simil parole. Havete
inteso, con quanta modestia V Imperatore ricerca et prega K
S'« per le cose del S^' Ascanio? Vi prego per honor di sua S*^
et per schifar molti scandali, Togliate far quelli ofßc^', che si spera.
Li Duchi di Bayera servano il solito animo poco desideroso
della concordia et mostrano, che per nessuna altra causa yanno
a tal Camino che per timore, che la Beligione nostra non sia
tradita, et hanno hayuto in total diffidentia tutte le attioni di
Mons. di Grandvella, come ancor hanno il B.^^ Maguntino, quäl'
hoggi mi ha detto, Mons. di Grandvella haver accettato denari
da lutherany.
Item, che non spera pace alcuna da questa Dieta. Item
che sarebbe meglio, che non fusse fatta la Dieta, perch^ 1' Im-
peratore perderä tutta la reputatione sua.
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626 ANALEKTEN.
Et che il Lantgravio di Hassia, quäl sua M^ epera guA-
dagnare lo ingannarä.
Item se V Imperatore si parte senza dar buon ordine alle
cose di Oermania, che haverä. ioemici non solo Intherani, ma
ancora Cath<^ *).
Et che li principi di Germania faranno nn altro Imperatore.
Soa S. B"^^ ha mostrato parlar meco oon ogni confidenza.
Dopö mi ha pregato, voglia tener secreto tutto cid che mi dice,
et il medesmo si degnar^ farV. B°^^ et Ill<^& S"^ Era andato
per ringratiar sua S. Eji^^ delli officy fatti hieri in honor della
8ede apostolica con 11 B^^^ legato, quali invero son stati molti
et inusitati, et per ezhortarlo a perseverar per 1* avenire, essendo
parso al B"^^ legato essere in proposto in questi tempi hayer
simil offic\j et se a N. S. piacesse, sarebbe ben scriyerli un
breve amorevole mostrandoll haver inteso li soi buon portamenti
per lettere del B°*° legato et ringratiarlo.
Soa S. Ex°^^ mi ha ancora affirmato non voler far cosa al-
cnna senza participation nostra, et fame copia di tutte le scrit-
tore, quali si daranno in la Dieta.
QU Duchi di Eavera mandano un Gentil' homo a posta a
N. S^*^ et a me hanno detto mandarlo solo per haver la reso-
lutione della Croce, sopra che hanno yoluto una mia lettera di
raccomandatione aN. S^^, Ma ho inteso, lo mandano ancor per
altra causa, et maxlme per gli presenti trattati di Germania,
perch^ hanno alti concetti et son desiderosi di cose noye, bench^
mostrino far tutto per conto della Beligione ^).
Ferta&to sarä. bene, che N. S. sia advertito et cerchi in-
trattenerli. Perch6 dair altro canto quando si ponessero in des-
peratione, in questa Provincia actum esset de Beligione. Et fra
le altre demonstrationi sua S^ potrebbe usar qualche honesta
munificentia Terso quel suo mandato, quando che si giudicasse
expediente, perchä simili officij di poca spesa alcuna volta molto
conciliano gli animi delli padroni.
Ho recevute le lettere di V. B°»ä et Dl^^o S. di XXH dal
passatoy et havendo detto aMons. di Grandvella il progresso fe-
Uce contra il S^' Ascanio, sua S. mi rispose, che meritava ogni
male, ma pur che si convenea a N. S. usar severitä moderata.
Ho sollecitato il negocio dela pragmatica di Spagna, et del
iuramento delli subditi di Novara verso V IW,^^ S^' Duea di
Castro et la licentia per V Alciato.
1) Von ,Ia Ihtehi di Bavera' an am Bande markirt.
*) Vgl. S. 179 Anm. 2 (woselbst durch Versehen nach , lettera*
,di* ausgefoUen ist).
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SCHÜLTZE, ACTEN8TÜCKB ZIJB REF.- GESCHICHTE H. 627
Mi hanno risposto, che si risolveraniM), et io ikon mancarö di
soUecitar oportnnamente.
In bona gratia u, 8. w.
Da Batisbona alli VI. di Aprile 1541.
Di V. R"^» et IU°>a S"»
Humilmo s*or il Vesc^
di Modena NuDcio.
B^ ßome.
(Datum fehlt)
No. 23.
Girolamo Negri an den Bischof von Corfu ^).
Begensburg, 6. April 1541.
Alli XXIX del passato hebbi iina di Y. S. di doi, per la
qoal mi significa desiderar qnalche ragnaglio dell cose di qui.
Hieri tandem si diede principio a qnesta Dieta con questö
ordine: il B"^^ legato andö alla stanza dell' Imperatore a nn*
hora di giomo per far compagna a soa M^^ fdla Chiesa maggiore
di qnesta cittä et entrö in camera di sna M^^ iusieme con il
^uncio et negociomo nn pochetto, ma sua M^ per certi rispetti
non volse, il B^^^ legato lo accompagnasse, et cosi sua S. B*"*
imdö alla chiesa ad aspettar li soa M^, mentre la venisse con
gli altri Principi alla messa.
In chiesa ritrovamo il B°^^ Maguntino, il quäle yenne in-
contro al B™^ legato fin' alla porta et era vestito da Principe,
non da Cardinale, excetto la beretta rossa, il resto in habito
nero per il lutto dell' Imperatore. Et cosi stettero in choro as-
pettando V Imperatore.
Com« si Seppe soa M^^ esser montata a cavallo, il Magun-
tino gli andö incontro fuora di chiesa per strada, et sua M^
venne con quest' ordine:
Avauti venivano i soi G^ntilhomini , poi li Baroni et Prin«
cipi seculari, con la guardia et li araldi dalle bände, il Duca di
Savoia piü vicino avanti Y Imperatore, dapoi un Conte, loco-
tenente del Duca di Saxonia, il quäl portava la spada nuda
aranti soa M^, che ^ V officio del Duca di Saxonia. Poi ye-
1) Der Name des Adressaten steht nicht im Manoscripte, die An-
rede jedoch ,Mons. Bmo* und der Umstand, dass auch das unter
Nr. 26 mitgeteilte Schreiben an den Monsignore di Corfu gerichtet
ist, scheinen mir über die Person des Adressaten keinen Zweifel zu
lassen. — Negri (so schreibe ich, in Abweichung von dem Manuscripte,
welches Negro hat, mit einem Biographen des Verfassers) war Geheim-
secretär (intimo secretario) Contarmi's. Näheres über ihn bei Becca-
delli, Monum. di var. lett. I, 1. S. 14, wo auch die weitere Literatur
angegeben.
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628 ANALEKTEN.
niya soa M^ in mezzo di doi personaggi, da man dritta il Gar'^
Maguntino, come primo Elettore, dalla sinistra un locotenente del
Arcivesc^ di Colonia, come Elettore, poi seguivano li Principi
ecclesiastici di Germania, Testiti da Principi temporali, non in
habito prelatesco, excetto il Brixinense, locotenente del Ser°^
Be de* Bomani et Principe, il qaal solo era in habito episcopale.
Soa M*^ era in habito nero di panno con il coUar dell' ordine.
n loco di soa M^ era in choro ad cornn epistnlae et doe
sedie lontane staya il Maguntino poi per ordine li Principi di
Germania ecc^^ et secnlari.
A rimpetto stava il R"^ legato con altri Prelati spagnoli et
italiani et altri Signori, che non sonno della Dieta.
Ambasciatore alcuno non intervenne, nh meno il Lani-
grayio.
Si cantö la messa dello Spirito S^ per il Yesco di qnest&
cittä et al fine il B.^^ legato andö all' altare et diede la bene-
dittione solenne, ma non si pnblicomo indnlgentie, per non dar
che dir' a lutherani.
Expedita la messa V Imperatore con i Principi et loco-
tenenti de* Principi entrö nel Palazzo di qnesta Cittä, nela sala
apparata per la Dieta; sna M^ in sede M^*^ sne con sei loghi
piu bassi, tre per banda delli Elettori in fazza dela sala et per
lungo di essa dall' nno et dall* altro lato sedevano li altri Prin-
cipi per ordine, qnali potevano esser da cento. Tutti gli altri,
che non haveano Toce in la Dieta, fwmo mandati fori.
Stettero rinchinsi manco d'nn hora et per quanto si pü5
intendere, par, sua M^ rendesse conto brevemente delli snccessi
pertinenti all* Alamagna dall* altra Dieta fatta qui 1* anno 1532
fin alla presente, et che erano redotti qni per proveder alle cose
concementi Tinteresse dell* Alamagna et dela Beligione christi-
ana, la quäl cosa essende di grandissimo momento havea bisogno
di matnra consideratione , pertanto il giomo segnente tntti hari-
ano la proposta in scriptis per mano del B'"^ Maguntino come
Archicancellario dell* Imperio.
Et parlö sua M*^ per interprete tedesco.
Et nsciti fuora li Principi accompagnorno sna M^ fin* alla
stantia. Et nel partire sna M^ toccö la mano alli piü princi-
pali, more Germanico.
Noi col E™o legato poco dipoi, che 1' Imperatore nsci di
chiesa, per aliam ?iam ritomavamo alla stantia nostra.
II Lantgravio, il quäle non volse venir alla messa senon
con certe conditioni, che non piacquero all* Imperatore, pertinenti
alla fede, aspettö sua M^^ al Palazzo della Dieta et stette a sno
loco.
Par, sua M*^ vadi con gran respetto con questi heretici in
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SCHULTZE; ACTENSTÜCKE ZUR REF.- GESCHICHTE H. 629
modo che li Cath<^^ temeno di qnesta freddezza et commnnemente
si spera poco buono. Nondimeno sna M^ h molto savia; penso^
intenda benissimo il fatto sno et del fratello.
Dicono, il Lantgravio haver licentia di sua M** di farsi pre-
dicare in casa sua, et il Bnzero, gran dottor heretico, U predicha,
del che qnesti Catholici molto si lamentano.
Yi h etiam Philippe Melanchthone , il qoal ha dato faora
nn libro de conjngio sacerdotnm molto bestiale. Tarnen non
yengono qnesti dottori heretici alle monstre. Fanno conventicala
fra loro, scrivono et predicano et snbvertiscono i popnli talmente,
che qnasi tntta qnesta Alemagna h infetta. Ne ci vedo riparo,
senon per forza d* arme, ch* ^ cosa molto difficile et pericnlosa
in qnesti tempi.
n Be de* Bomani ^ pur in Yienna et attende a mantener
Feste, loco d* importenza, assediato da Tnrchi, vicino a Buda.
Sono andati di qni di Bavera tremila fanti a socorso et da ogni
banda il Be provede di denari et gente. Dicono, Tnrchi hayer
dato dni assalti et essero stati ribattnti et che quelli di dentro
li danno gran spelazate, ita che i Tnrchi erano ritirati. Altri
fanno cattivo gindicio al tandem di qnelle cose per la diyisione,
che 6 in Hnngaria etc.
Certo le cose sono molto intorbidate. Qnesta poyera Ala-
magna 6 in nn pessimo stato quanto alla fede di Christo et etiam
al resto. Ci sono qnelli fra loro, che cercano le discordie et
sono spinti da altri. Idio ci proTega! Et se V Imperatore parte
di qni, ch' el non metta qnalche bnono assetto, che habbia ex-
cntione, actum est de tota Germania et forsi di altri lochi yi-
cini.
Soa M^ manda commissione al castellano di Fiorenza, che
tenga per sno nome a baptesmo il figliol nato nnovamente al
Dnca Cosmo di Medici.
II S^^ Antonio Doria h partito hoggi di qui per Genova per
le cose deir armata, ancor che qni dicano, ch* il Tnrco qnest*
anno non farä grossa armata.
Non c* h ancora resolntione, se V Imperatore expedito di
qnesta Dieta andai^ in Italia oyer* in Fiandrar Le cose di qni
si negociano molto posatamente et tanto secrete, che poco si pnö
intendere. Pur di quelle s* intenderä et si poträ scriyere, farö
partecipe V. S. per giomata.
La prego, mi raccommandi al E^^ Bmndnsino, al qnale non
scriyo sapendo, che sna S'^* B™* h signora di tutta V Alamagna.
n sno m. Alberto Pighio seli raccomanda, il quäle ^ qni poli-
phemo che mai et scrivazza terribilmente.
Bingratio S. S^** B"^, che mi yoglia resignar le ragioni in
qnel canonicato, sed sero sapiunt Phryges. Non bisognaya lassar
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630 ANALEKTEN.
infcrndere altri. Vorrei piü tosto la mia pensione senza Ute, che
litigar il Canonicato. Non credo mai vederne il fine.
A. V. S. baso la mano. Conto V höre, non che i giomi
per tomare in Italia.
Da Batishona alli VI. di Aprile 1541.
Di V. S. R"»*
S^' H. Negri D. Audor del
ßmo legato.
Eta alli XVIII d' Apnle.
Borne.
No. 24.
Morone an Farnese.
Eegensburg, 7. April 1541.
Tenendo per fermo, che le mie lottere, scritte hieri et nutn-
date hoggi nel plico del R™^ legato per il Corriere di Piorenza,
haveranno recapito, ho stimato non essere necessario far il dnp»
plicato per quest* altro Corriere, quäl questa sera partirk
Ho solo voluto scrivere qneste quattro parole, perch^ nell'
altre mie lottere mi son scordato dir, che per la propositione
fatta dalla Ces^ M^, ove si parla di far un Convento di alcnni
homeni per gli trattati della Beligione, gli Principi intendono, che
sna M^ non cerchi, che si facci colloquio alcnno di Theologi, ma
che siano depntati alcuni Principi delP Imperio mediatori con alcuni
altri nobili et certi pochi dotti. Et cos) 1* intende il B°>^ Ma-
gnntino, come mi ha detto, et gli Dnchi di Barera.
Ho poi inteso, che la Ces^ M^^ desegnava depatar 1* Aid-
vescovo di Colonia, 11 Palatino Elettore et il fratello Fedeiioo, il
Yescovo di Spira, di Angnsta et Listense, il Conte di nova
Aqnila et il Conte di Manderscheit, snbditi del Coloniense. Et
di Theologi M. Julio Phlug, per il qnale si scrisse alli giomi
passati ^), et il Groppero. Et a questi aggiongono un mastro di
Corte del R"'^ Maguntino. Quali persone tutte, qaesü di Bayera
hoggi mi hanno detto, esserli sospettissime et per nessum modo
voler far compromesso in (con?) loro.
Et perch^ par, che la difficultä della ooncordia consista
molto nella restitutione et godimiento di beni ecc^, di quali,
stände 1* antiqua Beligione, molti nobili participavano, per levar
questo favor de* nobili, a Catholici proponevano, che delli ca-
1) Nr. 17.
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SCHÜLTZE; ACTENSTÜCKE ZUR KEP.- GESCHICHTE H. 631
nonicati et altri beni si facesse una erettione d'un ordine militare,
quäl fasse tntto dl nobilL
Di qaeste cose n* havea parlato con Mons. di Grandvella,
per veder, s* erano con fandamento.
Et perch^ sua S^ mi havea detto, che sono expresslssime
busie, Bon havea volüto scriverle. Nondimeno perch^ qnesti Oath<^^
le affermano, non ho volnto tacerle. L* altra difßcultä, quäl Y.
B°^ et m™* S. haverä veduto per il scritto mandato dal ß^o
legato, circa la separatione delli stati Cath<^^ dalli protestanti
procede tanto avanti, che gli Dnchi di Bavera hoggi hanno fatto
intendere alla Ces^ M^, che qnando sua M^^ voglia astrengerli
a trattar della Beligione insieme con luth°^, eäsi piü tosto et
molti altri Cath^^ si partiranno dala Dieta.
La terza difßcultä sopra la detta propositione il B°*o Ma-
gontino mi ha detto esser cerca la commanicatione » qaal si ha
a fare al B™^ legato delle cose, qnali saranno trattate nel ditto
Convento. Perch6 li Catholici dicono, quella parola commnni*-
catione o communicare esser posta in lingua todesca insidiosamente,
dovendosi dire, referire, o relatione^ come si fa all' Imperatore
et alli stati di Germania. II che con una piccola virgoletta ^
annotato nella Scrittura hoggi mandata per il E^^ legato, perch^
gli pare non esser satisfatto, quando sol si communicasse con soa
ßma gria et non ricercasse il parer et consenso della Sede ap<».
II Capitano Maldonato, quäl si mostra affettionatissimo ser-
Titore di Y. B™^ et 111"^^ S. avanti la partenza sua e venuto a
visitarmi et mi ha detto, V Imperatore mandarlo per la cosa del
S^^ Ascanio. Ma dubita, gli interverrä, come giä fece a Perosa,
che trovö la cosa accordata. Nondimeno quando trovasse altri-
menti, la Ces<^ M.^ spera, che N. S^^ debbia remetter alP inter-
ceasion soa et alla nobilita di casa Colonna quelle, che ha de-
meritato il falle et la pazzia del S^' Ascanio.
In bona gratia u. s. to.
Di Batisbona alli YH. d' Aprile 1541.
Di Y. B.^ et 111"»» S.
Humilo gtor ii Yesco
di Modena.
No. 25.
Negri an 7 ')
Begensburg, 16. April 1541.
Le cose di questa Dieta sono in questi termini che la Ces*
M*^ conoscendo la tarditä, Germanica ha sollicitato ogni d\ questi
J) Der Adressat nicht angegeben; an eben denselben ist auch das
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632 ANALEKTEN.
Principi al rednrsi doi volte al giomo in consiglio per hayer da
loro la risposta alle proposte sne fatte il p^ dl della Dieta, et
cosl depo molti Consigli fatti separatamente da Catholici et Prote-
stanti finalmente d* accordo hanno rimessa in petto di soa M^
la Depntatione degli Dottori, da esser fatta per V una et 1' altra
parte sopra la materia della Beligione.
Ben si crede, sna M^^ nominal^ al meno doi del nmnero dei
Protestanti li piü Confidenti loro, come l 11 Melanchthone et ü
Bncero. Altrimenti non sarian condescesi a qnesto. Sna M^
Ta con gran destreza conveniente alli tempi, alla materia et alla
natura di questa gente sospettosissima et intrattiene molto qnesti
Protestanti quasi usque ad indignationem degli altri. Passate
queste feste si attender^ alla tela, che si ordisse; che Die facda
non sia la tela di Penelope.
II Mercord\ santo entrö il Marchese de Brandeburg Elettore,
nepote del B™<^ Maguntino, con 200 Cavalli in una livrea onori-
fica et il Lantgravio 11 andö in contra con 150 cavaglL Sna
M^ li mandö in contra Mons. di Pratorio con parechi Genti-
lomini.
Dicono, questo Elector non esser molto syncero in la Beli-
gione, et si dice, che hieri che fu 11 Yenerdl santo conyitato dal
Lantgravio et parechij signori della sua lega mangiomo di bona
came.
II Bucero ogni dl predica in casa del LantgraTio, del che
i Catholici si ramarizano, ma non si pu5 far altro : dicono essergli
stato promesso da Cesare, pur che non predichi in Pnblico, ma
la casa del Lantgravio ^ publice ridutto dalli Protestanti
Questo Bucero h il piü dotto che habbiano et e sfratato.
n Melanchthone non predica, ma scrive bestialmente et ha dato
fuori un libro intitulato defensio conjugii sacerdotum et de Po-
te&tate Pape et Episcoporum, cosa molto scandalosa.
Martin Luthero anche lui non dorme, ha novamente dato
fuori un libro in tedesco contro il Papa, il piü bestiale, che mai
sia stato letto.
Sonno parechy altri Dottori Protestanti, ma non comparis-
cono fra noi; fanno fra loro continue congregationi et consnltL
Pur intendo, molti di essi sono rimossi da molte cose et 11 Po-
puli strachi et anco li S" stanno in pericolo di perder Y ubbi-
dienza. Se queste cose procedessero in questo disordine, potrebbe
esser che tutto aitasse a far nascere qualche unione.
unter No. 27 S. 637 mitgeteilte Schreiben gerichtet, wie sich aus den
Worten S, 637 Z. 1 v. u.: ,il Rmo legato ^ anchora in quel mona-
sterio de' frati *, die sich auf die Angabe S. 633 Z. 2 v. ob. zurück-
beziehen, klar ergiebt.
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SCHÜLTZE, ACTENSTCCKE ZUR REF.- GESCHICHTE H. 633
H E^^ legato si porta benissimo et con la vita sna et di
8oi fo, che questi Antipapi cagliano. Sna S. B"^^ si ^ ridotta in
an monasterio di monaci di san Benedetto qni in la cittä per
questi giomi santi. La Domenica passata del olivo Y Imperatore
et sua S. B°^^ ri redussero alla messa in la chiesa cathedrale,
cantata per il Yescovo di Brixinone, locotenente del Be de* Bo-
mani, doTe in la processione alcnni Principi ecclesiastici non
Electori, come ^ V Arcivescovo saltbnrgense, et altri volsero
precedere et precedettero li altri ambasciatori de' Beg\j, il che
non credo fasse inteso da Cesare. Li Electori et soi locotenenti
precedono li ambasciatori, excetto quelli del Papa, et apena ce-
dono al Nnntio apostolico. Servono nna grandezza terribile et V
Imperatore li deferisce molto. L* Imperatore andö in processione
tra li doi Cardinali, cio^ il B°^^ legato et il Magnntino, ma per
non metter bisbiglio tra li Electori et altri non ha mal voluto
cavalcare n^ accompagnarsi in comitiva col legato. Et in choro
da le sedie, che sono ad coma epistolae, staya V Imperatore, et
apresso sna M^ fora del baldachino stava il Cardinale Maguntino
et poi nn locotenente del Arcivescovo di Colonia et successi-
yamente li altri locotenenti delli altri Electori, perch^ allora non
li era altro Electore principale. Poi segniyano lontani 3 sedie
li Dachi di Bnmsvich et di Bayiera et ultimo il Duca di Sayoia.
Alle sedie poi di sotto in quella banda sedeyano altri Principi
et Baroni laici. Dalla parte poi all* incontro, che ^ ad comu
eyangelii, sedeya a rimpetto di Cesare il B,^^ legato sotto un
baldachino di yelluto nero, et apresso 11 Nuncio apostolico. Poi
r ambasciatore del Be et successiyemente 11 Principi di Ger-
mania ecclesiastici, poi altri ambasciatori. Finita la messa V Im-
peratore andö yia p^, accompagnato dalli soi Principi ecclesiastici
et seculari. II W^^ legato poi appartatamente andö a casa con
li soi n^ diede quel dl benediction sollenne al populo nh manco
indulgentie per non dar che dire a questi heretici et fo cosl or-
dine di sua M^. Y. S. vede, a che termini siamo condotti.
Se io non fossi cosl travagliato come sono, mandarei a V. S.
la forma del sedere et consultar di questi intraveugono in la
Dieta, che il tutto ho yoluto diligentemente inquirere, ma al pre-
sente non ho tempo di scriverla.
V h venuto ultimamente qui d' Ongaria il Frangiapano,
Vescovo Agriense, frate minore. V. S. harrä forse inteso il le-
yarsi de* Turchi dal assedio di Pest con perdita di molti di soi
et morte del Capitanio. Depo dato doi battaglie si ritiravano
yerso Belgrado. Le genti del Be de* Bomani si ingrossayano et
parlayan di £ar 1* impresa di Buda difesa dal Yescoyo Yaradiense
con r aiuto de* Turchi per il Waivoda, onde eran fugiti 300
cayalli ognari et passati nelle genti del Be de* Bomani dale
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634 ANALEKTEN.
qnali si haveTa, che Bnda staya mal di vittovaglia et ehe li era
speranza poterla guadagnare, che saria una ottima cosa. II
povero Ee, se V havesse gelten {= Geld?), faria facenda, sed
nolnit consolari, quia non sunt
Questi Cesarei dicono mirabilia, che V Imperatore ha haruto
novamente un milion d* oro da sos jadias et che haverä doi altri
milioni tra (ßa?) Fiandra et altre terre, delle quali gut in parte
se ne p5 servir» et che non teme nö Franza nd Torco n^ Todeas.
Del sno passar in Italia piü che procedano avanti in la Dieta,
manco se ne parla, perch^ questa materia ^ una gran massa da
non digerir cosl tosto.
Et questo ^ il mio ramarico, che non Torrei piü Todescheria
et cosi tntti noi siamo di qaesta opinione et desiderio, excetto O
j^mo legato, il quäle li staria yolontieri XX anni se '1 Tedesse
poter recuperar questa gente perduta. Ma non credo, 1' Impe-
ratore possa starvi molto. Vedo, sollecita molto questi Principi.
Et il Marchese del Vasto scrive qui ad un homo da bene
da Milani, che si vederanno a meszo Jugno in Italia. Credo che
il Marchese ne habbia di qui certo ayiso. Et si giudica, sua
M^ al Ottobre TOglia passar in Ispagna per haver giä scritto,
che r armata vada alla volta di Sicilia per li sospetti turcheschi :
la non potrk esser ritomata a Genova, se non a quel traapo.
Ma il tutto depende delle cose di questa Dieta, perch^, se V Im-
peratore si partisse di qui infectis rebus, ogni cosa andaria sotto-
sopra et il Turco verria avanti, del quäl poco si temeria in V
Austria, quando la Germania fosse pacificata et unita.
Hora scrivendo questa ho inteso, questa notte passata esser
yenuta una posta al Be de* Roman! con denari per pagar qneste
lanterie fatte nel Ducato di Bavera, le quali tuttavia andaranne
a conjngnersi con le altre sotto Buda, la quäl impresa si fsak
et giä sono occupati con speranza grande di haverla. Bisogna-
rebbe far questa prima, che venissero novi subsidij Tnrcheechi,
che giä si preparavano.
Dio voglia, la vada bene. A. V. S. B. mi raccomando et
la prego, communichi queste mie col B™^ Mens. Comaro patnm
mio et a sua S. B"*^ mi raccomandi.
Da Batisbona alli 16 di Aprile 1541.
S« H. Negri.
B*» alli 28 di Aprile.
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8CHÜLTZE, ACTENSTÜCKE ZUR REF.- GESCHICHTE H. 635
No. 26.
Negri an den Bischof von Corfu.
Begensburgy 27. April 1541.
Per non mancar del debito mio con Y. S. gli faccio la pre-
sente notificandogli, come le cose di qnesta Dieta procedono fin
qni aasai quiete et con qualche speranza di bene. La Ces^ M^
de coDsensxi partium hebbe il oarico di nominare di ambedne le
parti alquanti Dottori, qoi tractarent de rebus controyersiis et
yedessero, dove si reduce tutta la differenza circa le cose della
Beligione, et poi dovessero referir a sna M^, alli Principi et
Stati. Et cosi nominö sei Doctori, tre per la parte de' Catholici
et tre per li altri. Per li Catholici nominö V Echio, il Groppero
et Pfing: tre Talent! Doctori et homini da bene, non dependenti
dal Papa n^ dal B°^o legato et meno da sua M^. Per 1* altra
parte nominö Philippe Melanchthone, Bncero et nno detto Pisto-
rius, li qnali sono li antesignani degli heretici. Et il dl segu-
ente alla nominatione sna M^ se gli fece yenire avanti et gli
diede giuramento senza rancore, senza contentione, ma con bnona
intentione di troyar yia et modo di pacificar et nnir qnesta pro-
vincia sotto üna fede vera et Cath<»: et cosl g^uromo.
Dopoi sna M^ gli ha preposto il conte Federico Palatino,
fratello del Elector, et Mons. di Grandvella, li quali s* hanno a
troyar presenti alle loro dispute, che dimane s* incominciaranno,
acciö sna M^^ da dl in dl possa intender, come passano le cose.
Sapia Y. S., che questi heretici sono piü stanchi che non siamo
noi et desiderano troyar modo di ridursi, sed timent plebem, la
quäl hanno gi^ tanti anni sedutta. II Marchese di Brandebnrg
Elettor, che si teniya per luth^o, ^ mezzo convertito et giä con-
fessa il primato del Papa et molte altre cose.
II Lantgrayio h alquanto piü duro, tamen si spera, si moUi-
ficarä.
La Ces^ M^ va pur con la sua solita destrezza et tarditä
per pigliar la lepore col carro. Intertiene mirabilmente questi
Principi tedeschi, precipuo li sospetti della parte non syncera.
E stato a casa del Marchese di Brandeburg a yisitar la moglie
del Marchese et fa con questi tedeschi le ceremonie tedesche
beniss^' con spagnoli le spagnole, con gli italiani le italiane, in
modo che fa la simia eccellentissimamente ; et yiene con tanta
modestia et religion con tutta la sua corte, che nn Monasterio de'
frati Scapuzzini non saria piü osseryante.
II BF^ legato si sta con li suoi theologi, il W^ sacri pa-
lazzi, il Cocleo, il Pighio, V Ecchio, Groppero etc. et instruit aciem
da buono capitano; omnia credit, omnia sperat, omnia sustinet.
Sua 8. B^"^ sta et staria qui yolontieri longo tempo per ricuperar
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636 ANALEKTEN.
qnesta povera gente perdutta, se possibile fasse, ma tutti noi altri
non vediamo V hora di ritomar in Italia per molti rispetti, et
io precipnamente, che oUra il carico della persona del B"*^ Car^
ho il carico della cnra famigliare et del padre decrepito et solo,
non posso longamente star lontano da casa. Et qui feuu^io una
servitü et fatica non conoscinta sine ulla spe premii, come h
stato sempre il mio destino, del che ringratio Dio et lo pr^o
continuamente, ml rednca in nna vita solitaria et qoieta, come
sarebbe a quel vostro moncellese, dove io potessi stadiar a tntto
transito et ridurmi delle vessiche di qnesto mondo.
II RiQo Patron mio Mens. Bnmdusino si scnsa con sne al
ßmo legato non poter risponder alle mie per Tindispositione sua
del mal di corpo etc. Mi dispiace assai piü del male di sna 8.
B™^ che di non haver risposto; mi bastarebbe assai per risposta»
che 11 27, ducati di camera, che il Mnssis, sno sec% mi doTea
per la pensione, in qualche modo di soi beni me fossero datL
Et questo me saria stato grato, perch^ ne ho bisogno. Lo scrivo
a y. S.y perch^ lei mi persoase a far quella renoncia et hora
non ho n^*l Canonicato n6 la pensione n^ li termini passati. Se
dalla grandezza de* mei Patron! ricevo danno, non so, percb^
debbi desiderare, che siano grandi. Pur non ristarö dedderarli
ogni grandezza, quia qnos dilexi, in finem dilexi eos.
Che le cose mie di Borna vadino male, non mi maraviglio,
perch^ questo ^ il proprio di qnella corte, non tenir conto degli
absenti, etiam che siano absenti causa Beipublicae. Mi maraTiglio
ben del Yerallo, ch'el voglia sententiar sopra i dubii discnssi in
prima instantia et non sopra le cose dedutte et provate per me
in 2^ coram ipso. Questa mi par nna iniquitä espressa, et vorria
y. S., ch'el dicesse bellamente, quo modo post ferri ^)
super beneficio contra eum, quem tempore litis motae non possi-
debat nee possidet nee spoliavit. Questo ^ un di piü gran
mostri, che si vedesse mai. Pur spero, che Iddio mi {yutari in
qualche modo.
Mi era scordato di aggiunger questo, che sua M^ oltra li
doi Presidentl alle dispute ha aggionto sei altri auditori, li qnali
sono questi: il Maestro di casa del B"^^ Maguntino, 11 Cancillier
del Conte Palatino Elettor, il Conte de Mandresich, il Cancillier
del Duca de Sassonia, il Cancillier del Lantgra?io d'Assia et nn
Jacobo Sturmio d* Argentina, et si dice, quasi tutti questi esser
luth^^ 0 suspetti; tamen non hanno a far altro ch'esser presenti
alle dispute, acciö questi altri 6 Doctori non vengino alle villanie
et perdino tempo in cose impertinent!. Dimane se devono in-
1) Nicht zu entziflFem.
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SCHULTZE, ACTENSTCCKE ZUR REF.- GESCHICHTE H. 637
cominciar a ridnrre. Hieri 1' Imperator andö a caccia per cinque
o sei giomi in qnel di Bayiera.
HaTemo haynto la boUa del Tostro Jubileo etc., quäl per
bon rispetto non si publica]^ solennitamente, tarnen« 6 come
pnblicata.
Havemo inteso Texito die Bocca di Papa etc. Questi
Protestanti damnano la S^ di N. S. di qnesta impresa et gaerra
etc., la qnale h giostificatissima.
Le cose del Be de* Bomani in üngheria passano bene con
gran speranza di hayer Bnda presto. Che Dio lo voglia!
L* Imperator di novo ha chiamato li Elettori et Principi
absenti, in modo che dnbito, non finirä qnesta historia cosl presto,
come si credea.
Altro non mi occorre.
Da Baüsbona alli 27. di Aprile 1541.
Tenuta fin' all* ultimo di Aprile.
Questi Doctori deputati si riducono ogni d\ doi fiate. Se
y. S. vedesse questi Protestanti dottori: pareno a comparatione
de* nostri furfanti et inspiritati. Hora trattano la materia de
jnstificatione. Dicesi, l'Imperator andava a certi bagni qui vicini
per 15 giomi, depo ch'el sia ritomato da caccia, che credo tor-
narä dimane per far Tesequie dell* Imperatrice.
SO' H. Negri.
No. 27.
Negrl an 7 ')
Begensburg, 30. April 1541.
Essende Tanimo mio di ayisarri successivamente del progresso
della Dieta al presente yi farrö participe di quanto l successo
1) Weder der Verfasser, der Contarini als seinen Patrono bezeichnet
und mit ihm zusammenwohnt, noch der Adressat ist angegeben, aber
Inhalt wie Stil berühren sich dermassen mit den unter No. 25 u. 26
mitgeteilten Schreiben, dass die Autorschaft Girolamo Negri*s nicht
bezweifelt werden daif. In Beziehung auf den Adressaten wage ich
keine bestimmte Vermutung auszusprechen. Da am Schlüsse des vor-
hergehenden Schreibens bemerkt ist, dass Negri dasselbe bis zum letzten
des Monates zurückbehalten habe, so kann diese Depesche nicht an
dieselbe Adresse wie No. 26 gerichtet sein. Auch deckt sich der In-
halt dieses Briefes vielfach mit demjenigen vom 27. April (vffl. beson-
ders die Angaben über die Collocutoren) und die Anrede ,Magco Sor
mio' passt nicht auf einen Bischof.
ZeitBChx. f. K..0. in, 4. 43
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638 ANALSKTEK.
tlopo raltiine mie. H B°>o Ugtiko h aaohora in qnel monaBteTio
de' frati; ^ tardato tanto, acciö potesse piü divoiammite iHgüar
qoesto |iibil«o mmme con tatta la &miglia et per dar anchor
bnoA oder <ü se a •questi lu^erani. üna mattina la M^ 4el
Imperatore Tenne a messa nel detto monasterio, qoal fii cantata
dal Abbate del monasterio insieiae con la capella di sua M^.
Et contra Tepinion di tatti yi v^ne il Marchese di Brandenboi^gli,
quäl ^ Intheranissimo et ^ qni a qaeeto effietto et «dl meoaa
insieme con sna M^ molto diTotsMante, per qnanto si pottea
yeder; h ben Tero, ch' in la eie?«tio del corpus Dni noströ vagar
alqnanto, ma par, fussi a oaso, n^ mai si nominö Jesas in la
miesa, ^ Ini noti si caraase la bretta et fesse reverentia a tal
nome, et dicesi per certo, loi haver detto, cbe Tnol viver et
morir secondo il rito cbe obserrava sna M^ nh yol teaer altro
cbe qnello tien lui et se per adietro |rli h stata imbrogliata La
testa, hora cbe h in loco, che si puol chiarir, che yuoI molto
bene intenderla per noa esser piü in errote et che iniol far
xm* altra vita smilmente Lantgravio d^Asia, qnal si tien qni eorae
capo ti qnesti eani, ancor ch^ ncm sia Slettor. Ha detto volar
far altra Tita n^ yolse, contra la loro neanza» che n^ ginno de
Yener santo si mangiasse canie in casa sna, attento che non
facciano differentia di giomo alcuno di mnodo, che per tali effetti
si puol facilmente considerar, che Idio contra i meriti nostri
Yoglia mostrar qualche segno a tempi nostri et far qnalche ri-
forma di questa povera perduta gente, donde seguirebbe gnmde
esaltatione della religione. Et preghiamo Idio, perseyeri in
questa yoluntä.
Depo molti colloquii et congregationi fatte, sua M^ per com-
missione et yoluntä di heretici ha deputati tre homini catholici
et che tre ne ellegino lor della lor setta, quali habbiano da
disputare sopra li atticuli proposti da sua M^ in la Dieta. 61i
catholici disputatori sono gli infrascritti. II p<>.
II Dottor Giulio Pflug, p<> canonico Maguntino, homo da bene
et di buona fama.
n 2<>. II Dottor Qioyan Echio, homo di bonissima cera, pi-
acevole et di buona fama.
n 80. n Dottor Gioyan Ghropero, homo UM^to ripesato et di
gran grayitä.
Per la parte heretica sono eletti gli inftrascritü. D p^
Philippe Melantone, gran Dottor heretico, quäl, ayanti ch* io
i'yideesi, ThaveTa in gran yeneratione, ma minuit pntia fama,
perciocch^ h homo piccolo, magro et in summa per la sna poca
grazia da esser odiato in ogni parte, di piü homo superbissimo»
che non degna a nissuno.
n 2<>. Dottor si dimanda Martine Bucero, graa litterato.
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SCHULTZE, ACTEN8TÜCKE ZUR »EP.- GESCHICHTE H. 639
U 30. si dimanda Joan Pistor Ni<kno. Le propositioni
et articüli, qnali hanno a diBpntare, sono qnesti: il po.
1. D« sacramento yenerabili encharistie.
2. De potestate 66c<^ et summi Pontificis.
3. De sacrificio misse.
4. De mis^ priyatis.
5. De votis monasticis.
6. De conjugio sac^dotum.
7. De communione sab ntraque specie.
8. De restitatione menasteriorum et bonorum ecc<^^™.
9. De yeneratio&e sanctomm, sub quo de imagimbns colendis.
10. De constitutieiiibus et ritibns ece^K
11. De jejnmis, sub qno delectns eiborom prohibetor.
12. De penitentia In oommnni oontritioiey satisfiictioiie et com-
fessione*
13^ De nsn sacramentomm tam in genere quam in specie.
14. De constitmtionibus humanis.
16. De fide justificante et de meritis et bonis operibus.
Sopra li disputatori de le dette propositioni sua M^ ba fi&tto
dne preeidentiy 0 come gli volimo chiamare, qoali babbino da
referire, quanto si tratta et disputa tra li deputati in la Dieta,
qnali sono:
L'Illmo gor Federico Bavaro, fratello del Duca di Bayiera,
Elettore, Taltro Modb^^ di OrattyeU, consiglior di sua M^, ambi
due homini da bene et catholici. Ma non parendo a sua M^,
che questi due fussino bastanti, acciö non nascesse qualcb in-
conyeniente fra gli disputatori, come spesso suole, yi aggiunse
sei altri come a4jutori et consigleri degli sopra detti, che sono:
L'Dl. S^r Isiodorico, Conte di Manderschet, per nome Coloniese^
Eberardo Bist, mastro di casa del B°>^ Maguntino,
Henrico Has, yioe canceU<> del €onte Palatiao ülettore,
Franco Bartardo, cancell^ delF 111™° Duca di Sassonia,
Gioyan Stig, cancell<> del Lantgrayio d'Asia,
Jacobe Sturmio, JAP della Cittä Argentina.
Et ogni mattina depo 11 principio della disputa yengono
qui dal B,^^ legato il S^r Nuntio Vescoyo da Modena, Mons^»'' di
Oranyela et li tre dottori et spesso 11 padre maestro sacri Palatii
et stanno inchiusi insieme col £°*° legato per due bore. Penso,
sua S. E™* gli debba istruire delle cose par a lei habbino da
fare et parlare, percb^ loro si goyemono secondo il R™** legato,
et questa congregatione si fa a bonissima bora, percb^ usciti di
qui subito entrano in la Disputa et finita da noyo subito ritor-
nano dal K^o l^ato et riferiscono et scriyeno, quanto di ^ üatta;
ma di ci5 non potrei scriyere oosa yera, percb^ poco se n*intende
nl manco ne scriverei per rispetto del Patrone.
43*
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640 ANALEKTEN.
Soa M^, dato che hebbe tutto questo ordine detto, si
partl di qni che son ben sei giorni et andö in un lüogx> sei
leghe lontan di qni del Dnca di Baviera, molto piaceyole, et
tomerk limedl, che sarä alli 2 di Maggie et ha lasciato, clie
ognnno della sna famiglia yesta a sno modo, che non si ha da
far piü coTotto et subito tomato si han da fi&r Tesequie della
Imperatrice.
Ti sono lottere di Ungaria, per le qnali s' intende, che '1 Sere-
niss^ Be de' Bomani ha posto assedio a Bnda con gran speranza
di gnadagnarla et di piü si son partiti qnatro millia fanti per
andar alla expugnation d'un Cafitello, dove s'intende, che quel
£ra Giorgio, che sta in Bnda, tiene i soi danari. Fin qni la
cosa ya molto stretta, ne non si sa ü yero, piü si non spiera
bene. S*intende, che la M^ di Cesare ha scritto al Serenias^
Be, che attenda alle cose sne di Ik, quäl' molto piü importano
che le cose di qna, perch^ non importa, che si hayi alla Dieta
fin al fine, doye poträ poi yenire nel conclnder. ^ ben yero, che
giä circa otto giorni arriyb una barca grossa carica di robbi di
sna M^, per ü che si pensaya, yenisse di giomo in giomo. Per
qnesta longhezza della Dieta non si parla del yenir Cesare in
Italia. Altxo al presente non mi occorre; non mancarö tenervi
ayisato di qoanto succederä, et in yostra buona gratia mi racco-
mando.
Di Batisbona a T ultimo di Aprile 1541.
No. 28.
Negri an den Bischof von Corfu ^).
Begensburgy 28. Juni 1541.
Jo son stato sei giorni absente di qni insieme col
preyosto di Verona a Norimberga a spasso. Hayemo yeduta
qnella terra lontana da questa circa 60 miglia di nostri et mi
^ piacnta molto per esser goyemata per repubblica di nobili, come
la patria nostra, et bene institoita d*anne, arti, mercantie et
fimalmente mi ^ riuscita molto excetto in Beligion per esser
^) Da der grösste Teil des Briefes priyate Angelegenheiten des
Schreibers behandelt, so beschränke ich mich daraiu, nur diejenigen
Partien mitzuteilen, welche die politischen und religiösen Tagesfragen
berühren.
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SCHÜLTZE, ACTENSTÜCKE ZUR REF.- GESCHICHTE O. 641
Intherana. Essendo io li, giunse qui a 21 di questo mese il
Be de' Bomani in posta. Dopoi ch' io fiii ritornato qui, sna M^,
che prima era stata visitata dal B°><>, venne a visitare sna S^^^^
B™^ con grande hnmanitä. ^ principe molto alegro nel parlar
et parla di varie lingne.
Si ^ stretta la materia del soccorso da esser dato da qnesti
Principi Alamani per le cose di Ongharia contro il Tnrco. Li
Catholici hanno largamente offerto, ma li Lntherani vogliono carte
condizioni, che se gli fossero concesse, sarebbe total mina di
qnesti altri. Yorrebeno, le cose stessero nt snpra. Adimandano
pace alla cbiesa et loro tnttavia li ßtnno cmdel gnerra. Se gli
^ detto, che la defension del' Ongheria h defension loro, par, se
ne ridimo et si confidano piü nel Tnrco che in Christo.
Gia Tesercito turches<^ ^ yicino a Bnda et Dio yoglia, che
l'esercito regio di assediante non diyenti assediato et che Yienna
non diventi Bnda.
Le cose della Beligione qui hora dormeno, perch^ il maggior
meto impedisce il minore. Li Protestanti segueno il predicare
le loro oppinioni per case di qnesti loro Principi, anchor che
Lantgravio sene gisse (?). Ho yeduto il colloqnio di qnesti
dottori deputati, che ^ un libro di piü di cento foglL Parmi
nna bella tragedia. Incomincia in bene et finisce in in male.
Sono in fine 9 articoli bestiali di qnesti Protestanti, nelli quali si
sono discordati da gli nostri n^ credo, si accordino mai se non
sforzati. Ho parlato con fiielanthone et alcuni altri di qnella
via. Sono arrabiati et han gran maniera di persnadere. Noi
credemo fira nn mese partir di qua. Io per me son risolnto non
Yoler piu todescaria et se mi havesse crednto stare tanto, certo
ml sarei scusato con Mens. B°^^. Sa ben Y. S. che, se io potessi
lontanarmi da casa, stare (starei?) in Boma.
Mi i stato detto, il B°^o Comaro yenir a Brescia. Forse
pensarä, che llmperatore yenga in Italia et il Papa a Bologna,
ma qui nnlla sin hora si sa, doye sna M^^ sia per incaminand
leyata di qui. Li fanno yar^ ginditij in aria et tntto dopende
dalle cose di Ongharia et di Germania, le quali sono in bilancia.
Y. S. sarä contenta basar la mano per me al W^^ Brundn-
sino et Bembo et S'^ ^).
Da Batisbona alli 28 di Gingno 1541.
Di Y. S. B^no
Bt« all! 4 di Luglio 1541.
So^ H. Negri D.
1) Der Name ist in der Abschrift wohl absichtlich ausge-
lassen.
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642 AlTAL^TEN.
HL
Depeschen aus Wien, Hagenaui Rastatt , ütreclit,
Worms aus den Jahren 1539 — ^1545.
No. 29.
Morone an Farnese.
Wien, 16. Dec. 1539.
Doppo r ultimo mie, quali all! XIII di qaesiio mandai per
la via di Yenetia, mi sono sopraggiante Talligate lettere di
Polonia, per quali V. B"»* et Illni* gria yeder^ la pia me&te
di quel ser°^o Be.
Monsignor d'Agria Dii scrive oirca le Bolle sne replieande
quel che piü volte ho scritto, die non ha modo di pag'ar V annata
pev le oontinoe legationi, in le quali a &oe spese continoamente
rha mandato et lo manda il Be Giovanni, et s*esousa, che mom
per diapreuo, ma per imposäbilitä non vnol pigliar le Bolle, et
tti domanda consiglio di quel, che ha ad fare. Furcht credoi,
gli rincreeca di dar questo msl essempio, bench^ penso, che i'altzi
fturaono il medesimo et da Taltro canto stimo esser il yero, che
habbia haynto gran spesa, taato piü, che non gode tutta Finiarala
del suQ YescoYato, la met^ della quäle tengono occnpata gU
Agenti di questa Mt^. Jo credo, non gli far6 altara risposta se
BOB forsi essortandolo ad pagare et fax sopra le forze sne. Neu-
dioMno per quaato inteodo pare, che granimi di quelli Prelati di
Uagaria siano mal content! di questo ordine di saa 8^, et sarii
iooTBi benei peasajrli qualohe rimedio, acoiö che, restando aoa 8^
prifvata dal daimo, non reeti anehora privata della beneTolenxa
di qnella Batioae,. la qnal pur in un ooncilio sarä di qualche
momento.
^ riiornate il geotilhomo mandato dal Marchese di Brandebuigs
Slettore da questo Ser"^^' Be^ oon la risposta a soa M^, della quai
na mand« eopia tradutta di todesco im latino. Et quantunohe habbia
wata diligeatia, no&dimeno sino al presente non ko potBto harer la
reformatione fatta da ki di quelli abusi, che scrive^ perch^ non I
«nekora comparsa in queste parti, solo ho inteso, che con grao ceri-
monia et pompa, presenti tutti gli soi Baroni, oommuniieö aob itraque
«^cie il giomo d' ogni santo. £t perch^ sarä in proposito haverla
per cognitione non aolo del anime di questo Elelitore, ma aachora
di quasi tutti graltri Principi di Germania, usarö ogni diligentia.
Nondimeno con ogni humilüi et riverenza mi par replicar
esser neoessiuio, che If. S. proyeda, et presto. Altrünente per-
mittente Deo tutta la Germania s* accordarä con esclusione di soa
Beat^ö, nö in questo excludo gli Prelati, quali pih voluntieri delli
altri aspirano alla Hbertä contro la Sede apostolica.
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SCHÜLTZE, ACTENSTÜCKB Äü» REF.- GESCHICHTE HI. 64a
A8i>etto eoH desiderio riapoeta da V. W^ et 111»* S"^ circa
qnello che haviö ad far, andand« qnesto Ser°*^ Be in Fiandra,
et bnmilmeBte la prego, essende possibile, si degni sparagnarmi
qnesta fattica. Perch^ senza qualche adjnte di N. S. oltra Terdi-
nario mio et senza molti traragli et peneoü non potrö far questo
yiaggio di novecento miglia.
In bnona gratia u. s. w.
Da Vienna alli XVI di Decembre 1539.
Di V. R>n» et m^^ S^
Humil"»o sre
II Vesco di Modena.
Kintius.
Rt» alli 17. di Gem'o.
No. 30.
Morone an Cervini ^).
Hagenau, 11. Jnni 1540.
Qnesta mattina scrissi a longo a. V. S. W^\ Doppo il Be
col Conte Palatino ha deliberato domani al otto höre voler dar
principio aJU trattati, il che ^ stato fuor deV opinion d* ogni nno,
non trovandosi qni alcuno doli Elettori ecclesiastici» qnali perö
yi hanno gli suoi angeli, escetto il Coloniese. Ogni cosa si fa
precipitatamente et in somma dubito, ch'il mal principio di qnesta
Dieta porter^ seco peggior fine, essende il mezzo con deslderio
cosl mal ordinato ^.
La nova de' Yenetiani darä maggior cansa alli mall consi-
glieri di &re instantia appresso il Be, che intertenga gli snoi
populi benevoli per tatte le yie che pu5, et dabito, che da qnesto
seguir^ che ogni cosa sarä tollerata persnadendosii che la libertä
de la religione debba conciliar Tanimo de li snbdilj ^.
Qni h yennto il Codeo, homo da ben et dotto, quäle, come
y. S. B°^ sa,, ha scritto et travagliato aasai per la yera religione
et hora ^ in essilio per la medeaima cansa. Qoando Mens. B^^^
Famese potesse darli qualche aiuto, come ha fatto ad altri,
sarebbe cosa laudabile, del che Y. S. B"^^ pacendole poträ dame
ricordo* Ha bisogno ancora del patrocinio suo per qnel poyero
YescoYO di Misna appresso Tlmperator. Come credo, ne scriya
1) Bischof Ton Nicastro und Cardinal, päpstlicher Greschäfteträger
am kaiserlichen Hofe.
9) Am Bande markirt.
') Yon fChe ogni cosa^ an am Rande markirt.
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644 ANALEKTEN.
a Y. S. W^K La snpplico, si degni hayerlo per raccomandato
per esser cosa pia et spettante al officio de la legatione sna.
II YescoYo di Yienna h stato infermo; hora sta alqnanio meglio.
In bnona gratia u. s, to.
Da Haganoa alli XI di Gingno 1540.
Humil^o Sre
II YescoYO di Modena.
No. 31.
Sommario einer Depesche Morone's ^).
Hagenan, 1. Juli 1540.
Che nelli Ultimi trattati della Dieta si ^ fatta mentione di
depntare alcuni dotti, il che il Be niega, che habbia ad essere
per disputare et nondimeno il Kontio lo crede et 11 dui depo-
tati Bayera et Argentina non yorrebbono.
Che Treyeri ha escnbato li catholici dolendosi dell* Imperadore
et del Papa. Nondimeno ha detto, che si sforzer^ partiisi ü
manco che potesse dalla yolnntä di S. S^, bench^ yedea le cose
in mali termini.
Che lo stato inferiore desidera, che si accresca la lega pre-
detta et lo stato snperiore h in contrario. Nondimeno il Be spera
disporlo alla yoglia sna.
Treyerensis h di opinione, che se li Lutherani sanumo
ricerchi di restituire li beni della chiesa, diranno esser content!,
pnrch^ rimperatore faccia 11 medesimo del yescoyado Tr^jettense
et di certe altre abbattie.
Che il Be de* Bomani non esprime Tanimo suo qnanto all*
essito della Dieta, desidera la concordia et crede, che si ftiik
xrn altro conyento.
Li Lntherani hanno accettato Bayera et Argentina per
mediatori, ancorch^ prima li hayessero allegati sospetti. Dicono,
non yoler fare altro trattato che qnesto et non snccedendo ac-
cordo pigliare partito da loro, et si crede, faranno qnalche capo.
II S^® Hier. Lasco h tomato delli confini del Tnrco, senza
andare a Constantinopoli, estimasi, per pigliar piü Innga commis-
sione. H Be de' Bomani ha detto al* ambasciatore di Francia che
di nnoyo si h attaccata la pratica di Milano et che yi h speranza
di conclusione. H che il Nnntio estima, che sia fatto per
diyertir Y ambasciatore da qualche cattiyo offitio con li Lntherani.
1) Ich verdanke dieses Actenstück der gütigen Mitteilung des
Herrn Dr. v. D ruf fei in München.
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8CHULTZE, ACTENSTÜCKE ZÜB fiEF.-GESCHICHTE HI. 645
Li 4 depntati banno richiesto il Be, che sia per quinto a
trattare la concordia, il che S. M^ ha ricusato, et 11 Nuntio
crede, che la non voglia far conclosione senza il consenso dl
S. B°® et delli altri principi, ma che non gli sia per rinscire,
perch^ non potHi impedire la deliberatione delli altri, qoando
sia fotta.
Li depntati hanno domandato li Lutherani, se sono in animo
dl Stare fermi in tntti li articoli della loro confessione data in
Angusta, de* qnali hanno preso tempo alla risposta.
Nr. 32.
Morone an Farnese.
(Bastatt, den 28. Juli 1540.)
Essende gionto al tardo qnesta mattina ho havnto recor-
danza di farmi havere il Becesso stabilito hoggi in Haganoa, qoal
mando alligato in lingna Germanica» non hayendo hayato n^ com-
moditä n^ tempo di üarlo tradurre, perch^ sna M^ partirä avanü
giomo et far^ longo cammino et molto discosto dalle poste ordi-
narie. II perch^ mi ^ necessario espedire questa sera come
(Der Best enthält Persönliches.)
Da Bastatt a di XXYin di Lnglio 1540.
Humil^o Ser"*«
II YescoYO di Modena Nuntio.
No. 33.
Bernardo Santio an Morone.
(Utrecht, 15. August 1540)^).
Ho scritto alli X et dato adyiso, di quanto si intendeya
maxime in la causa della Dieta et la resolution presa, che alli
28 di Ottobre si habia da £Eur colloquio in Wurmatia da XXII
litterati theologi germani, de* quali XI si han nominare da Catho-
1) Es war mir an einigen Stellen nicht möglich, den Wortlaut
der sehr flüchtig imd imsauber geschriebenen Uopie zu entziffern.
Doch beeinträchtigen diese Lücken den Sinn und das Verständnis des
Ganzen nicht.
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i46 ANALKKTCIN.
lici ot XI da Proteatanti cun Lutheram cob anttoritä da trattare,
praticare^ conferir, diaputar et non concltider, ma refiBrir pol taUo
alla Dieta imperial» ei il trattato deve eseer circa ü ino4A et
fonna di redur la Germania in noione religioma. fit qoesta via
di coUoqiua si ^ presa per faeUitar et atoe^iar la expeditlAiie
della Dieta, acciö sna M^ et tntti Principi germani, ch# iQter-
-vwano in la Dieta, non siano astretti dimorarvi longe tempo et
die trovino la materia digesta tra questi litterati.
Donai anco adriso della 8°^ mente di aoa C. W^ et del
Seren°>^ Be de' Bomani, quali per piü yie han declarato aperta-
mente la yolnntä di ghiovar et aobstener et aogmentar Taactoritii
di sua S^ et della Sede apostolica et non voler in modo alcuno
consentir, che in la religione ad In tempo si facci innoTatione
alcuna et che ogni determinatione si haverä da fare, debbia essere
consultato con sna S^ et soo saoro ^ellegio et firmata da sna
Beat°®, resolntione certo degna di tal Principi religiosissimi et
christianiBsimi. fit perch^ non era appuntato, che in questo
eolloqnio dovessi interyeiür persona alcuna priacipal in nome di
tna S^ n^ di sna M^ n^ di Be de* Bomani, parmido al B°^^ legaio
non convenire, che nna cansa tanto importante si lassi abeolnta«
miente in le mani di questi XXII litterati germam, maiime cb#
11 XI Protestanti sono manifesü inimici della religione et Sede
apostolica et delli altri XI Catbolici qnatro o cinque aono molte
suspetti et quell restano non ben firmi et seveij, et proponendoai
da sua S. W^^ ad sna C. M^ questa diflculti et periculo, sna
M^ judicöy il motivo et ricordo esser prndentissimo, et fu laudato
snmmamente, offerendosi ad penaar per ü remedio oportuno. fit
sna M^ doppo dui giomi fe' intender ad sua 8"^^* B™*, che
quantunche questi XXn litterati non habbiano auttoritä recepta
di trattar et riferir, che judicava esser expediente et neceasano,
che in tal colloquio doveaaero intervenire peraone principali in
nome di ana M^ et del Be de' Bomani, et che sua S^ dovease
subito inyiar un Cardinale de' principali del collegio et di . . .
et di vita exemplare et di doctrina et eraditioaie in auttorita dl le-
gato apostolico. Questo dovesse condur seco quatro o cinque
theologi dottissimi de' primi di Italia et che sua M^ inyiaria
nn* altra persona sna principale et che H simile farrä Be de'
Bomani, et ciascuno ridurrä snoi litterati, perch^ questi tre per-
sonagi debiano con sua anttoril^ reseder .... loro, se hirrk (se
farranno?) la Dieta o colloquio; et fomentar et dar spirito a questo
trattato confirmando li animi de' litterati catbolici et procnrando
con ogni arte di redur li Protestanti et Lutherani, offerendo sna
M^ non Yoler pretermettere officio alcuno, acciö il inondo cog-
nosca, la sua mente sempre esser stata et eaaere per nsttcratione
religionis et auctoritatia sedis apostolicae et sumnii Postüds,
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SCHÜLTZE, ACTENSTÜCKJE ZÜB REF.- GESCHICHTE HI. 647
promettendosi di questa Dieta felieisaimo soccesso. Qneata d«-
Hberatione di sna C. M^ i stata summamente grata tt landata
dal B™o legato, et si tien per eerto, senk gratissima ad sua
S^ et al sacro coUegio et che si farrä subito la elettione di an
novo legato, acoiö al tenpo depntoto di 28 di Ottobre si possi
trovar in Germania, et si ritoma (racconta?% che sua M** per il
mese di Novembre serr^ in Colonia, dove ad Natal tutta la Dieta
imperial serrä radonata et per lennaro serrä absoluta, et secundo
i successi sua M^ poträ subito incaminarsi verso Italia per
passar alle Aprile in Spagna, se altri impedimenti non nascano
in questo tempo. Si p^ ben ^^rar per questa aanta mente
di sua M^. Che N. S. Idio prospererä soi disegni et successi^
essende indirizzati ' in beneficio delTa religione cristiana et pace
dltalia.
Tomö di Inghilterra il S^^^ principe di Salemo et U S^"^ di
Luis di Avila {(XAvalos?), et heri tomö il Signor Don Fran-
cesco da Este et referiscono cose grandi (?) delle grate d^no-
strationi fatteM dal Be di Inghilterra et della loluotä, che il
Be demostra .... verso la C. M^. Di novo il Be manda uno
ambassator ad sua M^ et ei sono prontissime pratiche, bench^
secretissime (?). Et ci ^ opinione, che sua C. M^ flurrä alcun
signalato effetto in benefido della Sede apostolica in condur quel
regne et il Be alla antiqua obectientia.
n S^'^ Duca di Claves procura restrenger la pratiea con
sna M^ et ha inviato soi forori per lo allogiamento qui in Otrich.
Sa& C. M^^ tractat hanc causam summa gravitate. Presto si in-
tenderä ü successo.
Bes Galliae dormiunt. L' animo (?) del Bei christiaoissimo
attende solo ad soi study n^ si vede il minimo segna di alter-
Batione(?) tra questi princ^i.
II Wayvoda passö di questa Tita. Have lasaato un figluolo
di dui anmi. Scrivesi, tutto il paeee esser in meto et in armi
et che molti di quelli Signori ÜBgari desiderano il Be de* Bo-
mani,. qua! ferse potria con facilitä in questa ocoasione recnperar
quella parte di Ongaria, che occupava il Yajvoda, ü che serria
grandissimo beneficio de' Christiani^ ma con alcuni sospeitti del
Turco.
In reliquis M. di Andalo et il B^^' M. lo: di Motipul^
satisfarranno. Sua G. M^ fla* 1* entrata heri XIUI in Otrich o
Tngetto apo Bataver et la Cittä ha fatto grandi demostrationi di
arehi triumMi et bellissima compagnia di gente tutta armata in
bianco piü di domilia (?) et oinque cento (?). Starrib qui sei giomi
et poi pigliarä il Camino vwso Bruselles.
Besta solo quod ego comendem me et res meos s°^<^ D. N.
0t D. B°^ et che tenga memoria, che lo son bono per Tanimo
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648 ANALEKTEN.
et per il corpo. De proyisione non loqnor, quia pnto esse pro-
Tisum. Feliciter valeat u, s, w,
Di Trajetto 15 Aügusto 1540.
D. E, et m.
Devotus S<>' Episcopus Aquilanns.
No. 34.
Tommaso Campeggi an Farnese.
Worms, 13. Januar 1541.
Le ultime mie fomo di YU et X di questo. Delli snccessi dipoi,
mi remetto alle lettere di Monsignor diModena, qnale ^ stato a
longo col ^^^ Gran^^ et anchorcb^ vi sia stato anchor io , quello
ä detto a me esso signor Granduella, mi dice haver ancho detto
a. s. S"^ et cosl delle proteste binc inde fatte et altre sciitture
dato, che sua S. le ha havute prima di me. Uno ^, che ^ faoii
di speranza, in qnesto coUoquio non ancora cominciato si habbia
a far frntto alcnno, et ancorche si affaticbi molto in levar le
diMcultä, pur sono come la Hydra. I Protestanlj attendono che
i tre discordanti possino apertamente declararsi per loro, et per
indiretto venire o numerarsi i suflfrag^ et poi come vittoriosi
essultare et spargere a volgo, che di XXII ne banno Xim. Et
forsi in molti articoli ne bavranno piü del che accorgendosL
I Magontini et Bavari fanno quanto possono per proveder^.
Quando bene si remoyessero le presenti difficultä, et si desse prin-
cipio al colloquio, non ^ dubio, che insurgeranno delle altre, per
quäle poi uno o doi congressi sarä necessario dissolyerlo, et in-
stando il tempo della Dieta di Batisbona, et la yenuta di Cesare
riportare ogni cosa alla Dieta, n^ credo, possi durare piü
di yj 0 yiij giomi. Et perch^ finito il coUoquio son finite le
commissioni mie, supplico V. S. B"* et 111"*, si degni darmi ad-
yiso, s' io con la compagnia mia posso ritomar o quello ho da fiure.
Con questa sark una informatione del Yescoyo di Spira, che
mi ha data un suo agente con sue lettere credentiali, et la con-
clusione ^, che desidera, Monsignor Yorsio si contentasse non
dar molestia con Ute et censure al capitolo deUa coUegiata di
Bruselle in preiudicio deUa elettion per esso fatta et sei priyi-
legij,'al che Y. S. ß™» et lU™» et anco U ß™o S^ Croce, quando
erano in Germania, ne fomo da molti di questi Principi sol-
licitati, et anco mi dicono, che laCes* M**' et Ser"o Be de Bo-
mani ne scrissero alla S*^ di N. S.
Io ho procurato, che almeno contentino Monsignor Yorsio
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SCHÜLTZE, ACTENSTÜCKE ZÜB REF.- GESCHICHTE HI. 649
con nna honesta pensione, et acciö che fosse minore, li ho offerto
di rimetterü la terza parte de' frattj che mi h, reservatasi pen-
sione sopra tal prepositura. N^ a questo yogjiono asentire, ma
Yorrebbono la cession libera. lo crederi, fossi bono donar qaello,
non si puö vender, ch* io son chiaro che n^ Monsignor Vorsio
jA io ne consegnir^ mal cosa alcana. Crederei ancho bene,
quando a N. S. non paresse aetringere alla cessione Monsignor
Yorsio, che almeno s. S^ non li concedesse n^ brevi n^ censnre
extraordinarie contra il yesc<> et Cap^^ et se alcnno ne h stato
concesso, reyocarlo et lassar la cansa al corso ordinario della
ruota.
Qaando io feci partita da Borna, la S^ di N. S. mi face
gratia di nn canonicato di Feltre per an prete Lorenzo da Lnsa,
sacerdote molto da bene et religiöse, et perch^ Monsignor Da-
tario non ricordandosi forsi della gratia a me fatta, ha lasciato
passare nna nova proyisione in fayor dell* Anditore del legato
di Yenetia, anterior di data et con espression della reseryatione,
per il che la gratia al p^ padre Lorenzo resta in yano et desi-
derando io, tal canonicato sia in persona di chi facci residentia,
che la chiesa ne ha bisogno, snpplico Y. S. B°^^ et W^^, si degni
scriyere al predetto legato, yoglia esortare et astringere il detto
And^^ sno a rennntiar esso canonicato in fayor de! predetto
padre Lorenzo reseryandosi la mitä de' fnittj, che non ascendono
a 24 dncati, che la mi farä gratia singolarissima et opera pia,
et grata a Dio per il cnlto diyino della mia poyera chiesa. Et
le baso la mano et hnmilmente mi raccomando.
Di Wormatia a Xi^ di Grennaro 1541.
Di Y. S. ß"* et Ulm»
Humil^o S""« Yescoyo di Feltre.
Scritta questa da TAquila e yenuto a dire a Monsignor di
Modena et a me per nome di Monsignor di Grandyella, che li
Protestant hanno accettato il modo di farsi il colloqnio, del qnal
si h mandata copia, et che sono leyate le difßcnltä del modo di
proceder et perö salye le prot^stationi di tutte le parti, presi-
denti et altij, si darä principio al colloqnio, che Dio yoglia sia
bono. Dat^°^ nt snpra: yi^ ante meridiem.
Bomae
B** al po di Febraro la notte.
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660 ANALEKTEN.
No. 35.
Cifra dl Moiisigitor Mignaiieilo alll R*^ iegati di VormM,
aU 28 d'Aprile 1545.
Nela propositdone Cesarea mandata iaanzi la vennta mia et
nltimamente siandata da me si parla della reformatione, che 1* Im-
peratore dice ha?er g\h in mano. Hayendo pol rioeroato trovo
da buon loeo, ohe a Tlmperatore sono state date oinque o iei for-
mule di reformationi, parte dicono da catkolici et parte da her^
tici: ma in alcune di esse non si parla di N. S^^^ Et qiieste
reformationi sono State date dal V Itnperatore ad altri Theologi a
yedere, perohd in somma qua non si crede ch' il Concilio si üMci
da yeroy o yeramente dimostrano, non lo yoler credere. Et non
si celebrando o celehrandosi senza proyedere di reformatione mi
par al presente yedere, che o dalla protesta secnlare si fiark ona
reformatione nationale o che il Intheranesmo pigliarä ogni cosa.
Perö mi ^ parso dame ayyiso, accioch^ si possi eff^ttaalmente
fare quella proyisione, che parerä a N. S^^^ et che la chiesa
Bomana caminando per diverse strade ne' secoli passati ha fhtto
sempre nelli bisogni et pericnli di christianitä. La Dieta in se
ya fredda, come piü yolte ho scritto, ma teme b^ie, yadimo attorao
maneggi importaatissimi et pericolosi. Nondimeno tntto qnellOf
che si tratta, si jOa fuor di Dieta et a parte n^ posso penetrare
alcuno particolare, salyo che di concilio, et reformatione, n^ nnove»
se non dicano della yenuta d' OrlieM all' Imperatx>re et di soa
Mta Oes^ a qnesta Dieta. Nondimeno ancor non ^ partito. Ma
si yede, che Y Imperator da nna banda attende al concilio, dal*
altra intertenere li Protestanti con yolerli sienrare et dare ordine
ala reformatione nationale, che sono dne cose contrario; alle
qnali si aggiunge il maneggio della esecutione della pace, dala
qnale nascesse reforma in un modo, o in nn altro alle negociaüoni
che sono in essere. AUi 27. poich^ Monslg'' di Qrlgnano era ye-
nuto dopo me et che si trova infermo, Vho yisitato in letto. Et
poi gli officij debiti de la reyerentia piena di amore, et di ri-
spetto mi ba detto, che sna S^^ h mandata a questa Dieta con
ordine di fare ogni buono officio nele cose del concilio di N. S<^
et della religione, et particolarmente per persuadere a Protestatiti
Tobedientia al concilio, con fargli intendere, che finita la Dieta ha
conmiissione seguitare il yiaggio per Toronto, et offerire alli B°^
Iegati la sumissione et obedientia di tutto il Begno di Francia.
Disse, che V Imperatore piü mesi sono hayea ricercato il sno Be,
che procnrasse nna tregaa con il Turco, et che la M^ christia-
nissima hayea mandato et hayuto risposta di Costantinopoli, che
il Turco era contento farla, pnrch^ la si facesse snbito res petto
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SCHULTZE, ACTENSTCCKÄ ZUR REF.- GESCHICHTE m. 6^1
ala spesa fatta, et da farsi, et che il tntto horea fetto iivtendere
ala Ge8^ M^^. Kondimeno che la M*^ del 0110 Be iion yolera, n^
che r Imperator stesse ala sna parola, uh che di questa tregaa
si parlasse neV Imperio, perch^ in evento che il Tarco non osser-
Tasse, non yoleva il Be di Francia esser causa, che lo Germania
con il Preteste dela tregna mancasse dele sne proyisioni. lo
vedo due cose, una, che al Be di Francia non piace, che si parli
dela tregna, Taltra che la si spera', peidi^, come io scrissi ali
24. et 25., non si fanno proyisiosi n^ di snbsidio n^ di altro,
che sia necessario ala gnerra. Qnanto al concilio disse Mon-
signor di Grignano dne ponti sustantialj et da considerare: V uno,
in loco del concilio laudaya molto la depntatione d*homiiy d* ogni
nationi per disputare et trattare nna concordia con lutherani:
y altro diceya, che lutherani cosl, come non yeranno mai a Terento,
cosi forse si potrebbono ridurre, che yenisseno a Metes, doye
saria il concorso dele nationi piü facile. II che accenna a trans-
latione del <soncilio, perö ne ho yoluto scriyerid come ponto im-
portantissimo. A me pare, che quando sarä il tempo et non
habende impedimento di qua, il concilio si debba aprire in Te-
rente, et non solamente aprirlo, ma con inteÜigentia delle nationi
fare una reformatione uniyersale santa et catholica, con la quäle
li lutiierani, che non son pochi, non potriano honestam^^ parlare di
refonnare la chiesa ne le Diete Imperiali n^ con la potestä seculare.
Anhang.
[Die folgenden drei Depeschen sind nach Copien der E. Biblio-
thek in Berlin bereits yon Bank e (Deutsche Geschichte im Zeitalter
der Beformation, Bd. VI) publicirt, daher beschränke ich mich
darauf, nur die Varianto^ wQlche die Neapeler Manuscripte bie-
ten, mitzuteilen^).]
Ko. 1.
Morone an Farnese.
(Worms, 5. December 1540.)
Bänke a. a. 0. S. 166—167.
S. 165, Zeile 12 yon unten che non vogUano paoe i Lu-
1) Die rein orthographischen Abweichungen sind dabei natür-
licher ausser Betracht hissen.
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652 ANALEKTEN.
therani con christiam — che lutherani non vogliono pace ekrv-
stiana; S. 166, Z. 16 y. unten nach t aUra einzuschieben deüi
deputcUi.
No. 2.
Morone an Farnese.
(Wenns, 13. December 1540.)
Ranke S. 167—169.
S. 167, Z. 9 n. 10 v. n. gitistUia (notUia?) — giusHHa
(wodurch also dieses Wort gesichert wird); S. 167 Z. 8 v. n.
nach perö einzuschieben a soa Signoria; S. 167 Z. 1 y. n. von
dipoi an bis S. 168 Z. 1 y. oben presente am Bande markirt;
S. 168 Z. 4 V. oben tre (et aUre?) cause — tre cause auch
in diesen Oopien; S. 168 Z. 17 y. oben fehlt zu den Worten
Yon carico bis tofUichristo proprio (Z. 20 y. oben) die Band-
bemerkung in questo fu mancamento di OranveUa ei dispiacqut
aUi caiholici; S. 168 Z. 23 y. oben die Worte Yon ü che tm
pare bis Schluss des Satzes am Bande markirt; ebenso S. 168
Z. 18 Y. unten die Worte perch^ Lutherani bis et äUre vie;
S. 168 Z. 2 V. unten formi (stia fermo?) — si fermi; S. 169
Z. 14 Y. oben Lutherani e protestanti — Lutherani o pro-
testanti; bei Bänke am Schluss datirt Yom Xu. December; die
Neap. Copie hat d. XIII Bec,
No. 3.
Morone an Farnese.
(Worms, 18. December 1540.)
Bänke S. 173—174.
S. 173 Z. 19 Yon unten nach ritenerlo fehlt der chiffrirte
Teil der Depesche, welcher aufgelöst lautet: M di questo officio
mancarä escusatione co ^l Ee de' Bomani, percM, restando tim-
peratore in Germania occupato nette cose dd Turco et forse
netta guerra d^ lutherani, li bisognarä far gran spesa, Tt
che viene in utüe cfesso Re de' Bomani et serve in faciUtar la
pace et da maggior adito a N. 8r^ a trattarla, perchh^ se t Im-
perator e lassando le cose a ben, cid di natura, si riduce in
Spagna, come pare sia stw disegno, intertenirä con poca spesa
qud che iL Be de' Bomani desidera , et attenderä a cumular
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MAURENBRECHER; MOROKE'S BERICHT ETC. ftftd
äanari oon speranga di recuperare qua qud che forse in quetto
mteo perderä*
S. 173 Z. 16 ▼. unten laseiano — lasdamno; ebendaselbst
vogliono — volevano. S. 173 Z. 5 y. unten nach sede apo-
stoUca einzaschieben die ehi£hrirten Worte: Credo ^ che s. M*^
si iniertenga per vedere ü fin di questo coUoquio, quäl nan
succedmdo a suo modo lo redurrä forse a far pace con Francia,
ei da hon loco ho mtesOy che son andaie ei venute moUe siaffette
CO 'l Re de' JRomani per questa cama. H che piü facümenie
credo per ü novo accordo d^ Veneziani ei U mäli succesai di
Ungaria, et cosi forse lo Imperatore intertiene la prattica con
Francia ei questa di Germania per voltarsi, ove vederä minor
la perdita.
5.
MeroDe's Berieht Aber das Tridenüner Geneil.
Mitgeteilt Ton
Piof. W. HUnrenbrecher in Bonn.
„Das wichtigste Stück » das mir Ober die Tridentiner Yer-
handlnngen yorgekommen, ist die Relation von If orone über seine
Legation: nnr knrz aber bündig. Weder Sarpi noch PaUavicini
haben Kotiz von derselben." So schrieb Leopold Bänke vor
45 Jahren, 1834, in seinem bahnbrechenden Werke über die
römischen Päpste (Sämmtliche Werke, Bd. XXX Vn, S. 218).
Eigentlich hätte Bänke damals dies Document mitteilen müssen, aber
er hatte von demselben in Bom nicht Copie genommen und musste
sich begnügen, einzelne Stellen aas demselben anzuführen. Der
Freundlichkeit meines früheren Bonner Collegen Prof. Beififer-
scheidt in Breslau verdanke ich eine Abschrift, in Bom an dem
von Bänke bezeichneten Orte, der Bibliothek Altieri, erhoben. Es
dürfte sich lohnen, auch jetzt noch das wichtige Actenstück dem
Wortlaut nach zu veröffentlichen.
Ueber Morone begnüge ich mich auf zwei neuere bio-
graphische Yersuche zu verweisen, die freilich beide ihr Thema
nicht erschöpfen: Cantü, II cardinale Giovanni Morone. Gomen-
tario 1866 (vgl. auch dessen Verfasser „Gli Ereticid'Italia" II,
164 ff.) und Sclopis, Le cardinal Jean Morone. Etüde histo-
Zeltaohr. 1 K.^. ni, 4. 44
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654 AKALEKTEN.
rique 1869. — Ffir den Abschnitt seines Lebens, den Morona
selbst in seiner Belazion behandelt, hat Sickel (Zur G^eschichte
des Concils Yon Trient 1870) viele neue Daten mitgeteilt.
Schon mehrmals während des Jahres 1562 hatte Papst
Pins lY. die Absicht yerraten, den Cardinal Morone zu Küs^
Ferdinand zu schicken, am durch ihn eine Beilegung der conciliaren
Schwierigkeiten and Anstände za versachen (Sickel S. 299. 355.
376. 452). Nach dem Tode des Oardinals Hercole yon Mantaa,
des Principallegaten in Trident (f 2. März 1563), wählte der
Papst ihn za diesem Amte, 7. März; — der schriftliche Auf-
trag ist vom 20. März datirt (Bajnald ad a. 1563, § 63).
Dem Kaiser aber warde schon am 25. März angezeigt, dass
Morone za ihm kommen sollte. Morone verliess Born am 23. März,
langte in Trient am 10. April an and hielt in der General-
congregation am 13. April seine Begrüssangsrede an die Väter
des Concils. Aber er eilte dann sofort nach Innsbruck zum Kaiser.
Vom 21. April bis 15. Mai verweilte er dort in den Angelegen-
heiten des Concils. Vgl. Sickel S. 491—505. 514. 518. Ans
Concil zurückgekehrt, war er nun im Stande, allmählich alie
Schwierigkeiten zu überwinden und die Verhandlungen za einem
Abschluss zu führen. Nach dem Schluss des Concils erstattete
er einen kurzen, übersichtlichen Bericht sowohl über seine Ver-
handlungen in Insbruck als über seine Tätigkeit in Trident Man
wird bemerken, wie scharf und treffend er in beiden Beziehongen
die leitenden Gesichtspunkte seines Handelns hervorgehoben : grade
deshalb ist sein kurzer , knapper Bericht eine sehr wertvolle Er-
gänzung zu allen den uns heute vorliegenden ausführlichen De-
tailschilderungen der betreffenden Vorgänge.
Auf dem Berichte selbst ist die chronologische Note gegeben
M. D. LXnil. Januarii. Von weiteren Erläuterungen des Inhaltes
glaube ich absehen zu dürfen.
Belatione sonunaria del Gardinale Morone sopra la lega-
tione suEu
Li complimenti del Camino.
Stato in che si trova il concilio al suo arrivo in Trento.
Tutti credevano che a Boma non si volesse riforma alcuna.
Gli oltramontani tutti e molti Italiani erano disperati, credendosi
esser tenuti rebelli e nemmici del Papa. GV oratori tutti e Lorena
era in specie contro li Legati. Da questi ne' capi disordini
nascevano.
Discordia J (Maledicenza
Emulatione [ JLunghezza de' voti
Contentionei fDigressione fuor di proposito
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MAURENBRECHER, MORONE'S BERICHT ETC. 655
Ogni cosa si riduceva a Dogma et Ins diviniun, e s' introdnce-
vano sempre nuove dispute e nuove querele. Per rimediare a
qnesti disordini il Gardinale con publica oratione e con privati
ragionamenti assecurö, che il Papa voleva da Tero riforma e pi-
gliava in buona parte che tutti parlassero liberamente e satis-
focessero alle loro conscienze.
Comminiciö ä trattar con tutti e massime con Lorena; com-
minciando quanto si poteva il trattar de' particolari si lasciö alli
colleghi sino al ritomo d'Ispruch.
Oratione de BJ^^ Morone fatta nel suo ingresso al Con-
cilio.
[Hier folgt der Wortlaut, der bei Bajnald ad a. 1563 n. 64
u. A. steht]
State delle cose dlspruch all' arriyo del Gardinale.
L'imperatore era persuaso che non si Yoleva riforma, credeva
che in concilio tutti gl' Italiani parlassero ex prescripto delegati,
credeva che li legati havessero di yolta in yolta commissione da
Boma di quanto doyesse stabilirsi. Queste opinioni hayeyano
caasato diyerse dispute. In questa corte trattavano come doyesse
farsi libero il Concilio, come doyesse farsi che li piü yoti Italiani
non prevalessero all! manco oltramontani, come farsi che dal
Concilio non si scriyesse et non s' aspettasse n'sposta da Boma.
Trattavasi della superioritä del Concilio et del Papa. Cercavasi
ä Chi toccasse l'elettione del Ppntifice durante il Concilio. Dole-
yansi che non fusse mai stata proposta la riforma mandata dal
Imperatore.
A questi et altri simili inconyenienti rimediö facilmente il
Cardinale con dar conto del vero al Imperatore, il quäle li cre-
deya assai, e con assicurarlo che il Papa de vero voleya ri-
forma e con prometter esso di farla, con assicurare chi i prelati
in concilio non solo hayevano libertä ma licenza di parlare, con
dar conto che dalli legati s'aspettaya manco commissioni di Boma
che da gl' altri ambasciatori dalli loro Prencipi, e mostrando che
la riforma mandata da S. M^ non solo era stata proposta ma
esseguita in gran parte se bene ridotta dalli legati in altro or-
dine migliore. Basserenata la mente del Imperatore neue materie
sopradette che si trattayano priyatamente in sua corte, restayano
altre materie che erano communi e concertate da S. M^ con
gl' altri principi, e queste si riducevano ä tre capi principali:
La Clausula proponentibus
La Deputatione per Nationes
La Biforma in Capite.
Questi tre capi erano molto fissi nella mente delV imperatore
per il concerto fotto con altri principi. Ciascuno d'essi capi ha-
yeya molte consequenze et apriya la porta a ciascuno di poter
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666 AtfAUSKTEK.
proponere qoanto yoleva in conoilio in materia di nfoima e
dogmi, e tanto era conoederne uno quanto concederll tuUL Non
fü poßsibile con infinite raggioni che 8*aJlegassero da diTertire
aasolutamente Timperatore dair instanza delli detti ke pimti e
perö füi neoeesurio trovare temperamento tale che paresse all'
imperatore di essere in alcun modo sodisfatto et insieme oon si
pregiudioa06a all* autontä del Papa ne de legati mh restaese il
Ooncilio nel sno poaBesso.
I.
n primo pnnto si temperb con promettere il Cardinale di
proponere esse quanto havessero ricordato gl' ambasciatori e non
Tolendo esso proponere lasciar proponere alli medesmi ambascia-
tori e mostrando di far altrimente saria generar confosione con
danno etiam de principL
n.
n seoondo fö temperamento con dire che sempre nel fomiM-
decreti e canoni s' erano fatte deputatione da tutte le nattione e
se foria il medesmo anco piü accuratamente per meglio sodisfare
air Imperatore.
in.
n terzo fh temperamento con dire che saria sodisfatto all*
Imperatore con trattare de tutti li pnnti essentiali di Biforma
che S. M^ haveva ricordati se bene si fasse fbggito il nome di
riforma in Oapite, per fuggire gl* inconvenienli che potevano se-
gnire da qnesta parola riforma in capite, massime la dispnta
sorbenica del autoritä del Papa e del Concilio.
L' Imperatore con qnesto temperamento e con essere as»-
cnrato che da divero s* attenderia alla riforma et alla essecutione
di essa si lasciö quietare nelli sopradetti tre pnnti. Premeva
similmente 1* Imperatore et instava che in Ooncilio si tn^itasse
dell' elettione del P^)a e del nnmero di Cardinali, mä con molte
raggioni fü fatto capace che non potea stabilirsi certo nnmero di
cardinali e si contentö anco che non si trattasse in concilio dell'
elettione ma si publicasse solo la bolla fotta dal Papa 9epra
qnesta materia, di che pol si contentö col tempo che piü non si
parlasse. Promesse 1' Imperatore dato che se il Papa moriese
di non laseiare che in concilio si trattasse di nnora dettione
m^ cke tatto m remettesse al Oollegio; el il medesmo Imperatore
diede ordine k snoi ambasciatori che tenessero buona corn^on-
denza con li legati.
Tom5 il ßardinale in Trento et intesasi la santa resolntione
deir Imperatore e 1' nnione de suoi mnhasciatori« U «pncilip OQ-
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MAURENBRECHEB, MOBOITE'fi BERICHT ETC. 667
minciö h mirtar faccia et h farsi piü traUabile ; suocesse la briga
della precedenza tra Francesi e Spagnoli, et se bene ciascano la
dissimnlöy nacque nondimeno tra loro qualche disparere e nelle
materie (xmciliari non farono piü tanto cougiunti.
II Oardinale di Lorena gnadagnato da diversi ofßtii e eon
resempio deir Imperatore si dqI con li legaü. Spagnoli i Pro-
lati accarezzati e stimati e lodati « graäati si fecer opiü trattabili et
assicurati che si faria la rifonna di che hayeTano di bisogno comin-
ciarono essi ancora ä domestioarsi et ä trattare confidentemente.
Bidotto 11 Concilio in qu^sta forma si tomö a trattare le
materie giä dlspotate e preposte. Haveyasi diffiooltä per il de-
creto di residenza e per 1' institntione de Yescovi.
Dopö molte dispute • pratiche s' aecordo il decreto di resi-»
denza con assenso di tiitti e restava qualche controrersia nel
Canone dell' institatione de Yescoyi per la cui declaratione in-
stavano Spagnoli, i quali fine^ente consentirono al canone pro-
posto , yedendo che se bene non si diceva quanto essi doman-
davano restava perö libero 11 dirlo sempre e mk esplicarlo k sno
luogo et tempo et non s' asseriya alcuna coea contraria, e cosi
d' aecordo fil fatta la sessione con la materia del ordine.
Dopö Stabilita questa eessione con le materie del ordine et
del Ins divinum si venne alla materia del matrimonio e delle ri-
forme; e nel matrimonio furono difQcoltä, non dimeno la maggior
importanza fil de ckndeslini la quäle hebbe fine secoudo la
pluralitä de* yoti. Neil! decreti di riforma furono molte difBcolt^;
e qui premeyano tutte le commissioni de i principi, e Tarticolo
delle cause e deir essenzioni de Canonici fh yinto secondo la
domanda degli oltramontani; poi facendosi contro Tuso che li
padri tutti dessero yoti in scritto ftirono matate moli» sententie
e fh yinto il contrario. Si yenne al fine süla coneordia che si
yede ne i decreti e ne fü mezzano Lorena che glä era tomato
da Roma tutto adltto al seryitio di S. Beatitudine et alla fine
del concilio; e cosi fini questa sessione di commune consenso di
tutti e con Obligo al Oonte di Luna che fece buono offitio. Si
hebbe assai diffieoltä nelle commende, nondimeno questo fü ricetto
air altra sessione nella quäle poi si stabili come si yede. In
questa medesma sessione si trattaya di riformar li Oardinali et
si parlaya dell' ei^ delli parentadi della yita della robba del
numero e di tutte Taltre cose.
Questa materia per seryitio del Papa e di Cardinali fh messa
in dozzina con Taltre riforme e quasi in groppa de yescoyi; e
cosi si fnggi tutti li scogli che occorreyano in questa materia la
quäle forsi era bene intesa da pochi.
In questa sessione per faggire li protesti del Conte (di Luna)
fü declarato il proponentibus legatis in modo che satisfece a
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658 ANALEKTEN.
Spagnuoli e non portö alcun pregiudicio alla antorita del Papa
e de i legatL
Finita qaesta materia fü inditta Taltra sessione con la
riforma de regolari, e si propose di trattare d*altri dogmi se fasse
bisognato e di finire il concilio. In qaesta sessione non fü
alcuna difficoltä nelle materie perch^ gia tutti spedivano per
verbum placet yolonterosi di finire e di andarsene e i>er il' fine
restavano Imperiali, Francesi, Portoghesi, Yenetiani e li medesnü
Prelati Spagnaoli; solo il Conte di Luna faceva resistenza per
aspettar risposta dal suo Be al quäle diceva che prima non si
era communicato di voler finire. Si hebbero diverse contese
con detto Conte, e si venne una yolta a pericolo di rottora e
protesto; mk come k Dio piacque Tassenso de i prelati Spagnaoli
et altre indnstrie usate con il decreto proposto ad instanza del
Conte fecero sl, che la cosa fini qaietamente; e di commnne
consenso fini il concilio senza alcuna protesta. Stintö ä questo
fine quelle che si temeva che dovesse far danno cio^ l'anso
deir infirmitä del Papa e grordini del Be Cattolico che non
Yoleva abruptione ne suspensione del concilio ne yoleya che
alterasse Telettione del Papa. Prese occasione da questi acci-
denti e dal instanza che tutti facevano del fin del concilio, si
proposero le materie del purgatorio, de' imagini, de' indulgenze,
de jejunii et altre, alle quali non contradice?a il Conte, ma
contradiceva alla brevitä di trattarle senza dispute, ma al fine
tutto passö quietamente.
Si usö industria per far che dal Concilio fosse domandato
la confirmatione, e se bene era materie controversa, nondimeno
non fü Chi non consenüsse al modo della propositione. Simil-
mente si operö de tutti consentissero alla clausula „salya sedis
apostolicae autoritate'S la quäle fü proposta, in due modi og'uno
de quali satisfaceva all' autoritä di Sua Beatitudine la quäle
essendo salya resta salyo tutto 11 resto, e deye darsi gratia a
Dio che tutto il Concilio Thabbia hayuto salya. II mede^no Cardi-
nale di Lorena che difendeva la Sorbona al fine nondimeno consent!
con le sue acclamationi che il Papa fasse Pastore universalis
ecclesiae, e piaccia a Dio di lungamente conseryarlo.
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mSGELLB. 659
6.
Miscelle.
Ein neuentdeoktos ohristliohes Oladlatorengrab In
Rom.
Die Ausgrabungen y welche die Mönche von S. Sebastiane in
dem gleichnamigen Cömeterinm an der Via Appia vor Born ge-
legentlich ausführen, haben kürzlich zu der Entdeckung einer in-
teressanten Begräbnisstatte geführt, welche, obgleich innerhalb des
Areals der genannten Katakombe gelegen, ursprünglich einen
eigenen Eingang hatte und erst später, in der zweiten Hälfte
des vierten Jahrhunderts, wie es scheint, mit jener in direkte
Verbindung gesetzt wurde. Die Anlage ist yon sehr geringem
Umfange und hat offenbar einer einzigen Familie gedient. Nur
an einer Wand ist noch ein etwas lädirtes dreifach geteiltes
Fresko erhalten. Das Mittelstück zeigt das bekannte Bild des
Guten Hirten, doch mit einiger Abweichung von der gewöhnlichen
Fassung; daneben steht links eine betende Frau (Orans) und
rechts in trotziger Angriffsposition, mit geballter Bechten und in
der Linken einen dünnen Stab (Lanze?) tragend, ein nackter
Gladiator. Der Kranz, welcher auf seinem Haupte ruht, kenn-
zeichnet ihn abs Sieger; über den linken Arm hat er ein leichtes
Gewandstück geworfen. Der Stil des Gemäldes weist auf die
Mitte des dritten Jahrhunderts als Zeit der Entstehung desselben.
Die Figur des Gladiators ist in der vorconstantinischen alt-
christlichen Kunst durchaus neu ^), und da dieses Bild nach
Analogie zahlreicher anderer cömeterialer Darstellungen als das
Porträt des in dem betreffenden Grabe beigesetzten Christen zu
beurteilen ist, so gewinnen wir aus demselben das überraschende
Besultat, dass im dritten Jahrhundert auch unter den Fechter-
banden des Circus vereinzelte Christen sich befanden. Dass dies
in constantinischer und in nachconstantinischer Zeit der Fall war,
ist durch Darstellungen der sogenannten Goldgläser ^ längst ge-
1) Das Fresko, welches Garrucci (Storia dell* arte crist 11,
tav. 68) als christliches publicirt hat, und das ebenfalls einen Gla-
diator, ausserdem einen Circusrenner zeigt, gehört einem heidni-
schen Cubicolam an.
8) Die Abbildungen bei Garrucci, Vetri, 2. Aufl. XXXIV, 7, 8:
vgl. 2, 6.
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660 AMMJS&TSS.
sichert. Der Umstand aber, dass jenes Cabicnlum in S. Sebaslaano
ein durchaus privates ist, und dass der Gladiator und seine
Gattin — denn diese ist wohl in der betenden weiblichen Gre-
stalt zu erkennen — nicht im irgend einem der damals schon
sehr zahlreichen GemeindecOmeterien beigesetzt wurden, scheint
darauf hinzuweisen, dass jen^ Mann das blutige Handwerk unter
Misbilligung der Kirche ausgeübt habe. Leider sind inschrifi-
liche Momente, die über diese Verhältnisse nähere Auskunft ent-
halten hab^n mögen, nicht zum Vorschein gekommen.
Demnach ist weder die Bestimmung der apostolischen Con-
stitutionen (Vm, 32), nach welcher ^oyo/aaxot, d. h. Gladiatoren,
von der Taufe abzuweisen seien, in der Zeit, in welcher das achte
Buch entstanden ist, in der Kirche durchgeführt worden, noch hat,
wenn eine solche Verordnung schon in früherer Zeit bestanden haben
sollte, dieselbe eine stricte Anwendung gefunden. Ebenso yerhält
es sich, nebenbei bemerkt, mit der gleichlautenden Bestimmnag
der Constitutionen (a. a. 0.) hinsichtlich der xanfjXot^, da durch
Inschriften und Bildwerke ans Yorconstantinischer Zeit wie ans
dem vierten Jahrhundert gesichert wird, dass auch Christen In-
haber von cauponae waren.
Leipzig. Victor SchuUze.
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REGISTER.
L
Verzeichnis der abgedmcliten Qnellenstflclie.
[2. Jahrb.] Das Muratorische Fragment 596 — 599.
1513 Februar 9: Georg von Sachsen an Julius ü., d. Dresden
603 f.
1513 Februar 9: Georg von Sachsen an Cajetan 606 f.
1513 Februar 9: Georg von Sachsen an de^i Cardinal de Flisco
607 f.
1513 Februar 9: Georg von Sachsen an den Cardinal del Monte
608 f.
1513 März 29: Credenzbrief des Herzogs Georg von Sachsen
flir Nicolaus von Schoenberg, d. Dresden 604 — 606.
(1529 Juli 1): Landgraf Fhüipp an Zwingli, d. Friedewald
(eigenhändige Nachschrift) 31.
1529 September 29: Landgraf Fhüipp an den Eurf. Johann,
d. Marburg (Auszug) 5 9 f.
1529 October 29: Landgraf Fhüipp an Jakob Sturm, d. Immen-
hausen 457 — 459.
1529 November 30: Friedr, Myconius an Luther, d. Gotha
305—307.
1529 December 24: Greg. Brück an Landgr. Philipp, d. Witten-
berg 459—461 0.
1530 Juli 22: Zwingli an Landgraf Philipp (erste Hälfte des
Br.) 33 f.
1) Ein paar Brnchstücke aus diesem Briefe finden sich bereits (nicht
ganz fehlerlos) bei Hassenkamp, Hessische Eirehengesehichte I, 215
gedruckt.
Zeitsclir. t K.-G. HI, 4. 46
Digiti
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662 REGISTER.
1530 September 24: Herzogin Elisabeth von Sachsen an Land-
graf Philipp, d. Dresden 461 f.
1531 Febmar 11: Zwingli an Landgraf Philipp 37.
(1531) April 28: ZtvingU an Landgraf Philipp, d. Zürich 38 f
1539 März 3: Frkdr. Myconius an Luther, d. Frankfurt (Aus-
zug) 327 f.
1539 December 16: Marone an Famese, d. Wien 642 f.
1540 Juni 11: Marone an Cervini, d. Hagenau 643 f.
1540 Juli 1: Sommario einer Depesche Marone' s, d. Hagenau
644 f.
1540 Juli 28: Marone an Pamese, d. Eastatt (Bruchstück) 645.
1540 August 15: Bernarda Santia an Morone, d. Utrecht 645
bis 648.
1541 Januar 13: Tammaso Cempeggi an Famese, d. Worms
648 f.
1541 ICäcz 10: Mbrone an Farnese, d. Regcmsterg 609 — 611.
1541 März 12: Marone an Famese, d. Eegensburg 611 — 613.
1541 März 13: Oontarini an Famese, d. Begensburg 150 — 156.
1541 März 16: Contarini an Farnese, d. Begensburg 156 — 159.
1541 März 16: Contarini an Famese, d. Begensburg (zweite
Depesche von demselben Tage) 151.
1541 März 17: Morone an Famese, d. Begensburg 613—616-
1541 März 18: Contarini an Farnese, d. Begensburg 159—161.
1541 März 20: Contarini an Famese, d. Begensburg 162 f.
1541 März 22: Morone an Famese, d. Eegensburg 616 f.
1541 März 23: Morone an Famese, d. Eegensburg 618 f.
1541 März 25: Girolamo Dandino an Contarini, d. Blois (Auf-
zug) 504 f.
1541 März 30: Cowtormt an Farnese, d. Begensburg 164 — 166»
1541 März 31: Morone an Famese, d. Begensburg 619 — 621.
(1541 März): Memoriale Julius Pflugs an den Cardinal Famese
617f.
1541 April 3: Contarini an Farnese, d. Begensburg 166 — 169.
1541 April 3: Moräne an Famese, d. Eegensburg 621—623.
1541 April 5: Contarini an Famese, d. Begensburg 169 — 173.
1541 April 5: Bernarda Santio an Famese (?), d. Begensburg
623 f.
1541 April 6: Morone an Famese, d. Begensburg 624 — 627,
1541 April 6: Qirol. Negri an den Bischof von Corfii, d. Begens-
burg 627—630.
1541 April 7: Contarini an Farnese, d. Begensburg 173.
1541 April 7: Marone an Farnese, d. Begensburg 630f.
1541 April [14]: Contarini an Famese, d. Begensburg (Bmch-
stück) 174—176 (vgl. 308 A. 3).
1541 April 16 : Negri an ?, d. Begensburg 631 — 634.
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ICEQIBTEB. 66B
1541 April 27: Negri an den Bischof von Corfb, d. Begensbutg
635—637.
1541 April 30: Negri an ?, d. Begensbnrg 637—640.
1541 Mai 27: Bembo an Contarini, d. Born (Anszng) 506 f.
1541 Mai 30: Cantarini an Bonifazio Ferren, d. Begensborg
(Anszng) 508.
1541 Mai 30: Contarvni an Ercole Gonzaga, d. Begensbnrg 507.
1541 Jnni 2: Contarini an den firanz6s. Nnntius (Capo di Ferro?),
d. Begensbnrg (Auszug) 509 f.
1541 Juni 9: Contarini an Ercole Gonzaga, d. Begensburg
(Auszug) 510 f.
1541 Juni 11: Bembo an Contarini, d. Born 511 f.
1541 Juni 12: Contarini an den französ. Nuntius, d. Begens-
burg (Auszug) 512 f.
1541 Juni 24: Contarini an Famese^ d. Begensburg 176 — 179.
1541 Juni 25: Bembo an Contarini, d. Born (Auszug) 513.
1541 Juni 28: Negri an den Bischof yon Corfu, d. Begensbuiig
(Bruchsttick) 640 f.
1541 Juni 29 : Contarini an den französ. Nuntius, d. Begens-
burg (Auszug) 51 3 f.
1541 Juli 15: Friedr. Nausea an Contarini, d. Wien (Auszug)
514f.
1541 Juli 19: Contarini an Famese, d. Begensburg 180 f.
1541 Juli 22: Contarini an Famese, d. Begensburg 181—183.
1541 Juli 22: Contarini an San Marcello Ceryini, d. Begeni^
bürg 515 f.
1541 Juli 22: Contarini an einen ungenannten Cardinal, d.
Begensburg 516 — 519»
1541 Juli 26: Contarini an Famese, d. Begensburg 183 f.
1541 Juli: Contarini an Matteo Dandolo, d. Begensburg 519
bis 521.
1541 August 16: Contarini an Famese, d. Bovere (Auszug)
522.
1541 August 16: Contarini an den Secretär Jaches ^), d. Bor-
ghetto (Auszug) 522.
1541 August 24: Erzbiscbof Hermann ron K^ an Contarini»
d. Arnsberg (Auszug) 522 L
1544 September 9: Bucer an Melanchthon, d. Strassburg 312
bis 314.
1545 April 28: Cifra di Monsignor Mignandto alli B°** legati
di Vormes 650 f.
1) Nach freundlicher Mitteilung Wilh. Maurenbvecher*! ifit statt
,, Jaches'' unbedenklich Idiaquez zu setzen (der damalige Secretär
Karrs V.; v>?l. S. 615).
45*
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664
BEQISTER.
1647 September 23: Georg Nutzd an einen Ungenannten, d.
Nürnberg (Bmchstflck) 490.
(1564 Januar): Moronis Bericht über das Tridentiner Concil
654—658.
IL
Verzeichnis der besprochenen Schriften.
Abschiede, Die eidgenösBischen,
8. Strickler.
Actensammlang zur Schweiz.
Ref.-Gesch., s. Strickler.
Allmer et de Terrebasse, In-
scriptions antiqaes et da moyen-
&ge de Yienne 292. 298.
Amiel et Bouvier, L^enseigne-
ment superietur a Genöve etc.
583.
Archiv f. die Schweiz. Beform.-
Gesch. IH: 547. 549—551.
Bach, Bmchstück aas Meister
Eckhart 128.
B ä c h 1 0 1 d , Nicolans Manuel 560.
570 f.
— , Hans Salat. Sein Leben and
seine Schriften 560. 572.
Baamgarten, Üeber Sleidan's
Leben and Briefwechsel 185 bis
188.
Bayet, Memoire snr an ambon
consery^ a Saloniqae 478.
Becker, Die Wand- and Decken-
femälde der röm. Katakomben
71.
Ben harn, The Imitation of Christ
122. 137.
Berthanlt, Matharin Cordier
582.
Biographie, Allg. deatsche 563.
Birlinger, Za Eckhart 128.
Bonn et, La famille de Carioni
568.
— , Un magistrat bemois etc. 571.
Bonnet, Demiers r^cits da XVI«
si^e 571.
— vgl 575.
Boos, Thomas and Felix Platter
560. 566 f.
B 0 a t a r i c , Vincent de Beanvais 109.
Brockhaas, DiechristL Baaknnst
465. 470.
— , Baptisteriam 470.
Brazza, Iscrizioni antiche Yer-
cellesi 299.
Baddensieg, Za Lather^s r5mi-
schem Aafenthalte 197 f.
Bnlletin de correspond. heü^
niqae etc. 299.
— histor. et Htt^. 575. 576.
V. Bansen, Das Symbol des
Ereazes 471. 480.
Barckhardt, A., Oekolampadins
568.
— Job., De origine Basilic. christ.
464. 465.
Cahier, Noaveaax m^langesd'ar-
ch^ologie 275. 282. 287.
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575.
— , Lo cat^hisme fran^ais publik
en 1537 r^imprim^ par Rilliet
et Dafoar 573. 576-578.
Carini, Trenta tre naove iscri-
zioni etc. 291. 294.
— , Naove iscrizioni greche etc.
292. 293 f.
Cartier, L^^glise et les vienz
catholiqaes etc. 289.
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BE0I8TEB.
665
Cavallari b. 478.
Coblet, Des noma de bapWme
296.
Corpus Inscript latiD. 292f. 297.
299.
* graec. 299. 300.
— Reformatomm s. Calvin, Opera.
Darche, CU de rimitation de
JÄsus^hrist 137.
Dardier, Calvin 673. 575f.
Davin, La Capella graeca du
cimiti^re de Priscille 471. 474.
— , Les anciens monuments chr^t.
de Bodez 474.
Dechent, Die symbolischen Dar-
steUuDgen der ältesten Kirche
471. 482.
Denifle, Der Gottesfreund im
Oberland und Nicolaus von Basel
121. 132f.
— , Das Leben der Margaretha von
Eentzingen 121. 132 f.
— , Zu Seuse's ursprünglichem
Brief buche 122. 185 f.
— , Die Schriften des Heinr. Sense
122. 135.
— , Das Buch von geistlicher Armut
122. 128 f. 134 1.
Dieterici, Die Philosophie der
Araber im 10. Jahrb. 93. 94 f.
^ Die Naturanschauung und Na-
turphilosophie der Araber im
10. Jahrh. 93. 94.
— , Aristotelismus und Piatonismus
im 10. Jahrh. 93.
—, Die Theologie des Aristoteles
93. 95.
D 0 u e n , Clement Marot et le psau-
tier huguenot I: 583—585.
V. Druffel, Der Elsässer Augu-
stinermönch Johann Hoffmeister
485 ff.
Dufour s. Calvin.
Egli, Die Züricher Wiedertäufer
zur Keformationszeit 560. 561 f.
Eisler, Vorlesungen über die jü-
dischen Philosophen des Mittel-
alters 94. 99.
Elster, Calvin als Staatsmann,
Gesetzgeber und Nationalökonom
578.
de TEpinois, Les catacombes de
Borne 474.
Fiorelli, Descrizione di Pompei
465.
Forcella, Iscrizioni delle Chiese
di Boma etc. 299.
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480.
Fronmüller, Boger Bacon 117.
Fulda, Das Kreuz und die Kreu-
zigung 471. 480 f.
Gaberei, Calvin etBousseau 578.
— , Le monument de Pierre Viret
583.
Garrucci, Storia dell' arte cn-
stiana, T. III. IV: 275. 280f.
Gass, Vincenz von Beauvais 111.
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Gay, Le catacombe di Boma 472.
483f. , ^ ^.^
Gemoll, Fragmente der Predigten
Berthold's von Begensburg 127.
Götzinger, Die Beformation der
Stadt Wyl 564.
— , s. V. Watt. ^ ,. j
Gonzenbach, NicoL Zurkmden
Gregorutti, Le antiche lapidi
di Aquileja 292. 298f.
Grillwitzer, Die büdl. Darstel-
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Grimouard de St. Laurent,
Gmde de l'art chrötien 282.
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sarcophages 285. 288 £.
Grote, Thomas von Kempen 16 it.
Uagen, Catalogus Codicum Ber^
nensium 569. ,,«,,.
Harnack, Th., Prakt. Theologie
I: 282.
Heer, Bullinger 563.
Herminjard, Correspondanw dee
r^formateurs etc. V: 573. 574L
H^ron de Villefosse, Sarc^
phage chr^t. de Syracuse 285.
287.
Herzog, Calvin 573. 575.
Heuzy et Daumet, Mission ar-
ch^ol. de Mac6doine 299.
Hidber, Kampf der Walliser gegea
ihre Bischöfe 567.
Hirsche, Brüder des gemeinsamen
Lebens 122. 136. ,
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666
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481t
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Jacobi, Anselm von Cantearbory
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— , Bernhard von Clairvaox 116.
Jacobson, Begräbnis bei den
Christen 277.
Joel, Beitrage zur Gesch. der
Philosophie 94. 99.
Jundt, Histohre da panth^isme
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seiziöme siecle 108. 114 f. 128
bis 131. 132. 579.
— , Calm 573. 576.
Kattenbasch, Kritische Studien
zur Symbolik 329 E
-^, Calvin 573. 576.
Kaufmann, Geschichte der Attri-
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schichte 469.
Kleinpaul, Die Symbolik der
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Köhler, Die Staatslehre der Vor-
reformatoren 109. 120.
Kondakoff, Les sculptures de la
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286. 289 f.
Kraus, F. X., Roma sotteranea,
2. Aufl. 275. 280; vgl. 286.288.
295. 299. 471. 472. 478.
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Krummel, Meister Eckhart 121.
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Landauer, Die Psychologie des
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Lange, Das antike Wohnhaus 465.
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ti^e m^vingien etc. 478.
Le Blant, Les armes de la pri^
285. 266.
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— , vgL 2961
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Le Lefort, Les colliecs et les
buUes des esclaves fugitifs 296.
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Lewis, The antiquities of Ravenoa
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Lichte nberger, EncydopMie ete.
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Lobstein, Die Ethik Calvin^s
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Müller, M. J., Averroes 93. 96
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Mnnch, Oplysninger om det pa-
velige Arcniv 140 ff.
Naville, De Texistenoe d'un art
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Neroutsos-Bey, Notioe sur les
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Nissen, Pompejanische Studien
^^' , TT
Nitzsch, Die Ursachen des Um-
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— , Alexander Alesius 115.
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Nobbe, Tauler 122. 135.
Northcote, A visite to the Ro-
man Catacombs 471-
Oehninger, Die helvetische Con-
£ession 563.
Ott, Die ersten Christen über und
unter der Erde 484.
Otte, Archäologisches Wörterbuch,
2. Aufl. 275. 282.
Pellikan, s. Riggenbacb.
Piesse, Louis, s 297.
Piper, Zwei Inschriften Constan-
ün's etc. 292. 294f.
Piper, Zur C^eschichte der Kirchen-
väter aus epigraph. Quellen 292.
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Gewinn aus Inschriften 292. 296.
Pli tt, JodocuB Trutfetter 109. 121.
Posse, Analecta Yaticana 140.
Preger, Beiträge zur Geschichte
der Waldesier 109. 115.
— , Die Briefbücher Snso's 122.
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Presuhn, Pompeji 465.
Pünjer, De Serveti doctrina 579.
Pulgher, Les anciennes ^glises
byzant. de Constantinople 469.
Realencyklop&die, Theologi-
sche, 2. Aufl. 113 f. 115 f. 117.
118 f. 122 125. 277. 464. 470.
483. 563. 569. 573. 575. 58a
Bedepenning, üeberdenEinfluss
der Aristotel. Ethik auf die Moral
des Thomas von Aquino 108. 111.
Reusen, Elements d'arch6ologie
chr6t. 282.
Reuter, Geschichte der Aufklärung
im Mittelalter 97 f. 113-115.
116. 117.
Revelationes Gertrudianae
ac Mechtildianae 121. 123
bis 125.
Richter, Die Mosaiken von Ra-
venna 283. 284 f.
— , Der Ursprung der abendländi-
schen Kirchengebäude 464. 465 ff.
— , Pompejana 471. 477 f.
Riggenbacb, Das Chroniken des
Conrad Pellikan 560. 567-569.
Rilliet, s. Calvin.
Ritter, De compositione titulorum
Christ sepulcralium 292. 299 f.
R i V i e r , Claude Chansonnette 568.
Roch oll. Die Einführung der Re-
formation in Cölmar 486 ff
Boffet, Histoire du peuple de
Geneve etc. IV: 573. 578-582.
Rohrer, Die Beformationsbestre-
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schweizerischen Quart des Bis-
tums Constanz 1492 — 1 531 :
571 f.
Rosin, Die Ethik des Maimonides
94. 105-108.
de Rossi, G. B., La Roma sotter-
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291. 295 f. 464. 465f. 470.
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668
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de Bossi, 6.R, Mnsaici criatiani
283. 285.
— , L' insigne piatto vitreo di Pod-
goriza 286. 289.
— , iDsigne yetro etc. 286. 290 £
— , Scoperte in Africa 292. 297.
— , D' una matila epigrafe etc. 292.
297 f.
— , II payimento di S. Maria etc.
292. 298.
— , U Museo epigrafico cristiano
Pio-Lateranense 292. 299.
— , Oratorio privato del secolo
qnarto 464. 469 f.
— , Scoperte nel cimitero di Donu-
tilla 471. 472—474.
— , Bolletino di archeoL crist.478.
de BoBsi, M. F., Qaale metodo
tecnico etc. 464. 470.
Büetschi , Begräbnis bei den
Hebräern 277.
— , Baakunst bei den Hebräern 470.
— , Bilder bei den Hebräern 483.
Salazaro, Stndj sui monumenti
etc. 275. 281.
Sanerland, Dietrich von Nieheim
118.
Schmidt, C, Brüder des freien
Geistes 113f.
— , Alanus 116.
— , Nicolaus* von Basel Bericht von
der Bekehrung Tauler^s 122. 132.
— , Histoire litt^raire de TAlsace
568. 571.
— , Les libertins spirituels 580.
Schneid, Aristoteles in der Scho-
lastik 108. 109 f.
Schnitze, Yict., Die Katakomben
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Neapel 471.
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in Salona 471.
Schweizer, Nach Bechts und
nach Links 563.
Sense' s Schriften I, 1: 122. 135.
Smith u. Cheetam, Dictionary
of Christian antiquities 275. 282.
Smith und Wace, Dictionary of
Christian Biography etc. 282.
Spitta, Zur Geschichte Abu'l-
Hasan al-As'ari^s 93. 94.
Steitz, Der Streit über die un-
befleckte Empfängnis der Maria
zu Frankfurt a. M. im Jf^bre
1500: 571.
Stevenson, II cimitero di Zotka
471. 474.
Stornaiuolo, Dell* importanza
delle ultime scoperte nei cimiteij
cristiani di Boma 472. 483.
Strickler, Die eidgenöesischeii
Abschiede 1521 — 1532: 647.
551 ff:
— , Actensammlung zur schweizer.
Beform.-Gesch. 1521—1532: 547.
551 ff.
Strobl, üeber eine Sammlung'
lateinischer Predigten Berthold^s
von Begensburg 127.
Stromberger, Berthold v<m Be-
gensburg 126 f.
Sulzberger, Gesch. der Qegext'
reformaÖon in der Landgra&chaft
Thurgau 563.
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von Frauenfeld 1529/30: 563.
Thoemes, Thomae Aqmn. opcra
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ecclesiasticas, politicas, sociales
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560. 564-566.
Weber, Gesch. d. Kirchengesanges
in der deutsch, reform. Schweiz
547. 556—558.
Weidling, Ursachen und Verlauf
der Bemer Kirchenreform 569.
Weisflbrod, Gertrud der Gr. Ge-
sandter der göttl. Liebe 124.
Werner, Der Entwicklungsgang
der mittelalterlichen Philosophie
Ton Alcoin bis Albertus Magnus
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— , Die Psychologie und Erkennt-
nislehre des Johannes BonaTentura
108. 112.
Werner, Die Psychologie und Er-
kenntnislehre des Johannes Duns
Scotus 108. 1121
— , Die Sprachlogik des Job. Duns
Scotus 113.
Wi t h r 0 w , Catacombs of Borne 474.
Willis, Servetus and Calvin 579.
Woker, Das kirchliche Finanz-
wesen der Päpste 141 f.
Zimmermann, Die Zürcher Kirche
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der Zürcherischen Antistes ge-
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Zöckler, Das Kreuz Christi 471.
478—480.
111.
Sach- und Namenregister.
Abendmahlslehre, Die römi-
sche ; Aeusserung Contarini*s über
dieselbe 160 (vgl. 507).
Actenstücke zur deutschen Re-
formationsgeschichte aus dem
Archiv zu Neapel: 150 — 184.
609—653.
Addaeus, s. Doctrina.
Ailli, Peter von, 118—120.
Alanus 116.
Albertus Magnus 112. 115.
Albrecht von Brandenburg, Car-
dinal, Eizbischof von Mainz,
Mitteilungen über ihn in De-
peschen 163. 1661 172. 179. 180.
(621. 622. 625 f.)
Aleander, Cardinal, 500. 506.
516. 629.
Alexander von Haies 112.115.
Alger von Lüttich 116.
Altbritische Inschriften 292f.
Altdeutsche Predigten und
Gebete 125if.
Amalrich von Bena 113. 114.
Ambühel, Budolf, s. CoUinus.
Anselm von Canterbury 116.
Apostoli, Gebrauch des Wortes
im Fragment Murator. 365 bis
369.
Apostolisches Symbolum Iff.;
die Stellung desselben vor zwei-
hundert Jimren and jetzt 63 bis
92; Stellung der Reformatoren
zu dem apoet. Symb. 65—68;
Beginn gelehrter Untersuchungen
69; SteUung des Caliit zu dem
apostSymb. 74f., diejenige seiner
Gegner 77 — 83, der neueren
Theologie 84 f.; die Stellung des
apost Symb. in der Gegenwart
85 ff.; die religiöse und kirchliche
Bedeutung des Symb. 86 f.; seine
dogmatische und vorschriftliche
Auffassung 88 ff.; der altkirch-
liche Charakter des Symbols 89 f.
Archäologie, Kirchliche, die
Arbeiten zu ihr aus den Jahren
1875—1878: 275—300. 464 bis
484.
Ardinghelli, Nicolo 310. 509.
Digiti
izedby Google
670
BEGBBTEE.
Arkosolgrab, Arko8olium466f.
AthanasianiBches Sjmbo-
Inni, Das s.g., 63 f. 69; Stellang
der BefonnatoreD za demselben
66—68.
AthanasiuB 342.
Angsburg, Hinneigung z. schwei-
zerischen Reformation 267. 433 f.
Angsburger Reichstag Ton
1530 : 243 - 248 ; Granvella's
späteres Urteil Ober den Abschied
m.
Bacon, Boger, 117.
Bartholomäus von Prignano,
Erzbischof von Bari, (später Ur-
ban VI.) 410 f.
Basel im Beformationszeitalter
220. 222. 227 f. 238. 240. 242.
256. 260f. 458. 568.
Basilika, Die altchristliche 464
bis 467. 468. 470.
Bayern, Die Herzoge von, über
ihre Stellung zu dem Regcnsbur-
ger Concordienwerk 156 — 158.
164 — 166. 167 f. (vgl. 171. 174.
178. 179. 519) 615 f. 620. 621.
622 f. 625. 626. 631; Urteil Con-
tarini's über sie 166, desgl.
Bembo's 511 f., Morone's 615,
Granvella's 620. 626.
Beecadelli, Ludovico 311; über
sein Leben 492 f.; über seine
Monument! nebst Mitteilungen
aus ihnen 492—523.
Begräbnis wcsen, Altchristliches
277 f.; vgl. 470.
B e m b 0 , Pietro, Cardinal 494. 502 j
Briefe dessclb^ an Contarini
506 f. 511 f. 513 (vgl. 499-501).
Berengar 116.
Bern im Reformationszeitalter
569 f. ; vgl. 220 f. 222. 227 f. 230.
240; besonders 241 f. n.243f.—
254 f. 256. 264. 458.
Berner Synodus 569.
Bernhard von Clairvaux 116.
Berthold von Regensbnrg
126 f
Beza 583.
Bibelübersetzungen, Deutsche
evangelische, in der Schweiz 558 f.
Bibliographie der schweizer.
Reform .-Gesch. 551.
Blutampullen 278.
Bonaventura 112. 116.
Briefe der Reformatoren im U.
Bande dieser Zeitschrift, Eriäa-
terungen zu denselben 301 — d07.
Brück, Greg., Brief an Landgraf
Philipp 459-461 ; briefl, Erwäh-
mmg 313 (vgl 315).
Brüder des freien Geistes
llSf. 115.
Brüder des gemeinsamen Le-
bens 136f.
B u c e r , seine vermittelnde Tendenz
1530: 246 f. 248 (Protest Zwiiig-
li's dagegen 249. 257 f.; vgl. 271.
273; Oekolampad's Stellung dasn
260 f.). 431; BeteUignng an der
Reformation in Ulm 447. 449;
in römischen Depeschen erwähnt
629. 632. 638. — Ein Brief B.'s
an Melanchthon (9. Sept 1544)
312—314. — S. Nausea.
Bullinger 563. 572f.
Burgaue r, Benedict, Vertreter
der sächsischen Reformation in
Schaffiiausen 261. 263. 264. 265.
Vgl. 558.
Burgrecht, Das, mit Hessen 57
bis 62, mit Strassburg 61 f., mit
dem Hohöitwiel 50. 60; Ver-
handlungen über das Burgrecht
mit Strassburg (1529) 220—222,
mit Hessen (bis Novemb. 1530)
221 f. 237-243 (vgl 274), mit
dem Hohentwiel 223. 2381 —
Vgl. 453. 458.
Gajetan, anfangs von Georg von
Sachsen zu seinem Procurator
auf dem 5. Lateranconcil bestimmt
601 f. ; Brief Georges an ihn 605 f.
Ca jus, röm. Bischof, seine Grab-
schrift 295 f.
Calizt, Georg, seine Stellang zum
apostol. Symbol. 73 ff. 76; Be-
kämpfung derselben 77 ff.
Calov über dasSymb. apost. 79 t
Calvin, neuere Arbeiten üb^ ihn
573. 574. 575-582. 583. 584.
585.
C am p egg i, Tommaso, päpstlicher
Nuntius in Worms, Depesche an
Famese (13. Jan. 1541) 648 f.
Capo di Ferro (Hieronjmus de
Capiteferreo) 509.
C a r a f f a , Giampietro , Cardinal
506.
Catholica ecclesia, zn dem älte-
sten Gebrauch des Wortes 885.
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JKE»XaT£R.
671
<;eryini, Marcello, Cardinal , ein
Brief Contarini's an ihn 515 f.;
Depesche Morone's an ihn ans
Hagenan (11. Juni 1540) 643f.
€ b a c 0 n , AiphonB, (Ciacoonins), ob
Veifiisser der Interpretationen der
Prophctia Malaohiae 816. 317 f.
323.
Ohrysostomas 344.
^^laadius, der s. g. Intern an tioSi
die anter seinem Namen von
Baynaldos' mitgeteilten Briefe
haben den Nantias Giovanni Mo-
rone zum Verfasser 311 f.
.Clemens VII., Papst za Avignon,
409. 415if. 535ff. 542f.
Cochlaeus, Erwähnungen in De-
peschen 635. 643.
C ollin ns, Rudolf (= Rad. Am-
btihel), seine Sendung nach Ve-
nedig 223 — 227; seine Sendungen
nach Frankreich 236 f. 442 f. 452.
Colmar, kirchl. Verhältnisse da-
selbst um 1540: 486 f. 487 f.
Colonna, Ascanio 154f. 162.504f.
625. 626.
Columba, zur Geschichte dessel-
ben 145-150.
Concil, s. Lateranconcil u. Trient.
Confessionstheologie, Die,
seit Ende des 16. Jahrb. 70ff.
76 f.
Cons tantin d. Gr., über zwei
Inschriften desselben 294 f.; die
constantinischen Basiliken 466;
das constant. Monogramm Christi
479 f.; Münzen 480.
Constanz 272f.
Contarini, Gasparo, Cardinal,
dreizehn Depeschen desselben aus
Regensburg an den Cardinal Far-
nese (1541) 150—184 (vgL 808
bis 812); weitere Depeschen und
Briefe Ton ihm 507. 508 509 f.
510f. 512f. 513f. 515f. 516 bis
519. 519—521. 522. Briefe und
Depeschen an Cont 504 f. 506 f.
511 f. 513. 514f. 522f. — Zu
seiner Correspondenz während
seiner deutschen Legation (Mit-
teilungen ans Beccadelli's Monu-
mentl) 492-523 (üebersicht der
betreffenden Ccirespondenz 309
bis 311. 498-501). — Seine
Bestimmung zum deutschen Le-
gjaten 497 f.; Ankunft in Regens-
burg 151t; erste Audienz b^i
Karl V. 152—155; Gespräch mit
(Jranvella 169 — -161 ; zweite
Audienz bei dem Kaiser 162 f.;
sein urteil über die Herzoge von
Bayern 166; desgL über den
Zustand Deutschlands 166 (vgL
176. 182. 507); Gespräch mit
Cardinal Albrecht 167 ; Verhand-
lungen über die kaiserliche Reichs-
tagsproposition 169 —171; fernere
Audienzen bei dem Kaiser 171 f.
175 f. 177 — 179 (Verhandlung
über die katholische Liga und
das Concil, vgl. 181. 182); Kla-
ffen über die Hoffnungslosigkeit
der Verhandlungen mit den Pro-
testanten 500. 507. 508. 509. 5ia
513; Contarini über seine Epistola
de justificatione 507. 508. 510.
511. 513, über seine Zugeständ-
nisse an die Protestanten in der
Rechtfertigungslehre 502. 515 bis
519, über seine offidellen Begens-
burger Schreiben 180f. 183, über
seine Spannung mit Eck 520 f.
(vgl. 502); seine Heimreise 522. —
Erwähnungen Contarini's in De-
peschen 610. 611. 612 f. 623.
624. 625. 628. 631. 633. 634.
635 f. 637 f. 639 f. (tägUcher Ver-
kehr mit den CoUocutoren in
Regensburg).
Cordier, Mathurin, 582f.
Cruces dissimulatae 479.
Cyrillus von Alexandria 343.
346.
Cyrillus von Jerusalem 845.
Dänemark, Verhandlungen Phi-
lipp^s von Hessen mit Friedrich
von D. 228 f.
Dan diu 0, Girolamo, papsÜ. Nun-
tius am französ. Hofe, Depesche
an Contarini 5041 (vgl. 502.
510. 512).
D a n d ol 0 , Matteo, ein Brief Con-
tarini's an ihn 519—521 (vgl.
500. 502).
David von Dinanto 114f.
Dietrich von Niero, sein Urteil
über ürban VI. 540 f.
Diocletianische Verfolgung 297.
Disciplina ecclesiastica im
Fragm. Murat. und bei TertulL
d85f.
Doctrina Addaei, zu ihrer Al-
tersbestimmvng 194 £
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672
BEQISTEB.
Dogmengeschichte des Mittel-
alters: die Arbeiten zu ihr ans
den Jahren 1875—1877: 98 bis
138.
Domitilla, Coemeterinm dersel-
ben 472.
Dnns Scotus 112f.
Eck, Johann, Mitteilungen über
ihn in Depeschen und Briefen
158. 160. 166. 184. 517. 520£.
(vgl. 502). 635. 688.
Eck hart, Meister, zu seinen Pre-
digten 127 ff.; über sein Leben
und seine Mystik 180 f.; sein
Prozess 130f.
Eidgenossen, Die eTangelischen,
(1529-1531) 230; die Absonde-
rung Berns (1530) 242 ; AlbrechVs
von Mausfeid Plan eines Bünd-
nisses mit ihnen 251 ff.; ihre
Stellung dazu 254 ff.; — 43001
438f. 439f. — Tage zu
AarauOctob. 1529: 220-222.
Basel Dec. 1529: 222.
Zürich 10. Jan. 1530: 237 f.
Basel März 1530 : 238—240.
Basel 16. Juni 1530: 240f.
Zürich 21. Juli 1530: 242f.
Basel Novemb. 1580: 242.
254. 255 ff. 264. 273 f.
Basel 12. Febr. 1531: 430
bis 433.
Elisabeth, Herzogin von Sachsen,
Brief an Landgr. Philipp 461 f.
Ernst von Lüneburg 439f.
446.
Eusebius, die Disposition des
8. Buches seiner K.-G. 586—591 ;
über die Stelle H. E. VUI, 18,
8: 591—595; über den Codex
Norfolciensis 592—594.
Farel 575. 583.
Farnese, Cardinal Alessandro,
Depeschen Contarini's an ihn
150— 184. 522 (vgl. 309f.); desgl.
Morone's 609 — 617. 618—623.
624—627. 630f. 642f. 644—645;
Tomma8oCampeggi's648f.; Ber-
nardo Santio's 623 f.; Memoriale
Pflug's für ihn 617f.
Ferdinand L: Mitteilungen über
ihn in Depeschen 610. 618. 619.
641. 644; Morone über seine Ver-
handlungen mit dem Kaiser in
Innsbruck 1563: 655f.
Ferreri, Bonifazio, Cardinal, an
Brief Contarini^s an ihn 606
(vgl. 499).
Fla vi er, über ihr Verhältnis zun
Christentum 472—474.
de F 1 i s c 0 , Cardinal, Brief Georges
von Sachsen an ihn 607 f.
Frankfurter Convent (1589)
326f.
Franz L, über die Bemühungen
des franzos. Hofes, die Begen»-
burger Ausgleichsversuche (1541)
zu vereiteln 504 f.
Friedrich von der Pfalz in
R^nsburg 1541: 158. 161.170.
615. 624. 639.
St. Gallen (Beformation) 56dflE:
Genf im Ref. -Zeitalter 574. 576.
579 ff
Gentiiis, Valentin 582.
Georg von Sachsen, will sich 1513
auf dem 5. Laterancondl ver-
treten lassen 601—603; 5 Briefe
desselben in dieser Angelegenheit
603—609.
Gertrud die Grosse, über ihre
Schriften 128f.
Gertrud von Hackeborn 123 f.
Gladiatorengrab, Ein christ-
liches, aus vorconstantinischer Zeit
659 f.
Gobelinus Persona, sein Ur-
teil über Urban VI. 540.
Gonzaga, Ercole, Cardinal, Briefe
Contarini's an ihn 507. 510f. —
Vgl 654.
Gottesfreund, Der, im Ober-
land, nicht identisch mit I^oo-
laus von Basel 182—184.
Granvella in Begensburg 1541,
Mitteilungen über ihn in Depe-
schen und Briefen 157. 159—161.
168. 308. 610. 613. 614. 620.
621-623. 625. 626. 631. 639.
Graubündten 566.
Gregor von Nazianz 841.
Gregor von Nyssa 842f.
Griechische Kirche s. 'Khcbe
xmd Symbolik.
Griechisch-russische Kirche»
s. Kirche.
Grignano (in Worms 1545) 650 f.
Groot, Gerhard, 136.
Gropper, Johann, 522.680. 685.
688; von Eck zu Begensburg
angefeindet , Urteil Contarini^s
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REGISTER.
673
fiber ihn 184; über seine noch
nngedmckte Apologia 496.
Gnise, Karl von, Cardinal, auf
dem Ooncil von Trient 1563:
655. 657. 668.
H a g e n a u , Versammlung daselbst
1540, Nachrichten Morone's 643
bis 645.
Hardenberg, Albert, briefl. Er-
wähnung 314 (vgl. 315).
Heilsbronn, Der Mönch von,
über seine Schriften 125 f.
Heinrich, Herz, von Brannschweig,
Ober sein Verhalten in Regens-
bnrg 1541: 156. 161. 620. 622.
Hermann, Erzb. von Köln, ein
Brief desselben an Contarini 522 f. ;
Erwähnungen in Depeschen und
Briefen 163. 180. 313. 314.
Hermansgrün, Johann Wolf
(Lippold) von, über seine Person
und seine politische Denkschrift
„Somnium" (1495) 211 — 214.
215.
Hildegard, Die heilige, über ihre
Schriften 122 f.
Hoffmeister, Johann, Augusti-
ner 485 — 491; sein Geburtsort
485; Schriften desselben 486 f.;
seine Beurteilung durch Prote-
stanten 490; sein Tod 490 f.
Hülsemann überdasSymb.ap.78.
Hungarus, Joseph., briefl. Er-
wähnung 313 f. (vgl. 315).
Hus, zu seinem Kirchen- und
Staatsbegriff 120.
Inschriften, Christliche, 291 bis
300. 475 f.
Iren aus, über seine Stellung in
der Geschichte des neutestam.
Kanons 371 f. (374. 378. 380.
386f.). 395f. 403 f.
Joachim I. von Brandenburg lässt
sich 1513 auf dem 5. Lateran-
concil vertreten 601.
Joachim U. von Brandenburg
635. 638. 642.
Johann von Damaskus 344f.
Johann, Kurfürst von Sachsen,
ist gewillt die Schweizer, falls
sie aie Tetrapolitana annehmen,
in den evangelischen Gesammt-
bund aufzunehmen 430; vgl. 487;
verhindert den Zusanmaenschluss
mit den Schweizern (Sommer
1531)443—447 (vgl. 436— 438) ;
ein Brief des Landgr. Philipp an
ihn 59 f.; briefl. Erwähnungen
458. 459. 460. 461.
J u 1 i u s U. 199 ff. ; Schreiben Georg's
von Sachsen an ihn 603 f.
Justin derMärtyrer, sein Tauf-
symbol 1 — 27 ; über seine Stellung
zu der Geschichte des neutest.
Kanons 369. 371. (395.) 404.
Kanon, Der neutestamentliche,
zur Entstehungsgeschichte des-
selben auf Grund des Muratori-
schen Fragmentes 358—408.
Kappeier Schlacht, ihre Be-
deutung 454—457.
Karl V., zu seiner Politik von
1529: 51 — 56; seine angeblichen
Anschläge 226 f., vgl. 229. 231;
zur Politik von 1530: 244—248,
von 1531: 450. — Wünscht die
Entsendung eines hervorragenden
Cardinais zum Wormser Gespräch
646 f. — Audienzen Contarini*s
bei ihm 152—155. 162f. 17lf.
175 f. 177 — 179. 182. Fernere
Mitteilungen über den Kaiser in
Depeschen aus dem Jahre 1541:
167. 168. 181. 504 f. 510. 516.
(612. 613f. 616). 621. 622 f. 624.
625. 628f. 632. (633. 634.) 635;
aus dem Jahre 1545: 650 f. —
Briefl. Erwähnung 457 (Phil. v.
HessenV
Katakomben 276ff. 293f. 470.
472. 474—476. 478. 483 f.; Ab-
leitung des Wortes catacumba
276 f.
Katechismus, Der, Calvin'svon
1537: 573. 576—578.
Katharertum 115.
Kessler, Joh., in St. Gallen 558.
564.
Kirche, Griechisch -russische, zu
ihrer Statistik 188 — 194; grie-
chische, zur Symbolik derselben
329—357; der allgemeine Cha-
rakter wie die religiösen und
sittlichen Eigentümlichkeiten der
griech. K. (die griechisch -orien-
talische Religionsbildung und
deren Gang) 838—357.
Kirchengesang in der deutschen
Digiti
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674
BEGI8TEB.
Schweiz 566—558, in der fran-
zösischen 583 f.
Knod, Panl 302.
Kölner Bef ormationsord-
nung, briefl. Erwähnung 313.
Kreuz 478-481; über das Kienz
in der vorconstantinischen Kirche
479.
Kreuzigung 480f.
Kreuzigungs darstell nn gen
475.
Kunst, Christliche 280ir. 475.
478. 479. 481 f.
Kunsthass, Der angebliche, der
alten Christen 482f.
Lateranconcil, Fünftes, zur
Geschichte desselben 599—609.
Lemnius, Simon 566.
Linus, röm. Bischof, über sein
angebliches Epitaph 295.
Lothringen, Der Cardinal von,
s. Guise.
Ludwig Xir. 200f.
Luther, zu seiner Bomreise 1 97 f.
L. in Worms 307. — Briefe des
Myconius an ihn305— 30T. 327 f.;
ein Gedicht auf die Verbrennung
der Bannbulle dm*ch Luther
325 f. — Briefl. Erwähnungen
160. 313 (vgl. 315.) 632; über
Handschriften der Tischreden 305.
Halachias, s. Propbetia.
Mansfeld, Graf Albrecht von,
Haupt der sächsischen Gesandt-
schaft in Augsburg (1530), regt
den Gedanken eines evangelischen
Gresatmntbündnisses aufs neue an
2ö0ff.
Manuel, NicL. 570f.
Marburger Gespräch 29 f. 31f.
45. 259. üeber eine neue Quelle
zur Geschichte des Gesprächs
220. Politische Nebenabsichten
Philipps 31 f. 49 f.; politisches
Ergebnis 50; die politischen Ver-
handlungen und ihre Bedeutung
57- 62. Zu Marburg der Ent-
wurf des hes.sischen Burgrechtes
zu Stande gekommen 57 ff., die
Grundlage der schmalkaldischen
Bundesurkunde 58. 239 — 241
(vgl. 256. 429 f. 438). Die Hoff-
nung, mit der die Schweizer nach
Marburg kamen (auch Nord-
dentsefaland ifir ihre BefornuitioD
zu erobern), auch nach don Ge-
sprädie festgehalten 259 f
Mar gare ihavon Kentzing^n
132 f.
Marot, Clement 583-585.
Mfaximilian I., sein Plan einer
£archenreform im Jahre 1510:
199-219. - Vgl. 599 f
Mechtild von Hackeborn, Die
beil., und das Mechtildenbuch
124f.
Mechtild von Helfta und ihre
Schrift 125.
Melanchthon, sein verletzendes
Auftreten gegen die Schweizer
während des Augsburger Reichs-
tages 1530: 244 f. (vgL 34.
249). — Ein Brief Bocer's an
ihn (1544) 312-314. — Mit-
t^ungen über ihn in DepeacheR
610. 629. 632. 638. — VgL 510.
517. 520. — S. Nausea.
Mignanello, päpstl. Nuntiiu in
Worms 1545; 650 f.
Mi lieh, briefl. Erwähnung 313 L
(vgl. 315).
Mörikofex 555.
Monogramm, Das, Christi 478.
479 f.
Mo n tan ism US 372 f. (405. 4061).
de Monte, Antonius, Cardinal,
Brief Georg's von Sachsen ut
ihn 608 f.
Morone, Giovanni, Bischof von
Modena, 497 f., wird als Nuntin»
bei Karl V. beglaubigt 155. 61If.;
vgl. 156; ist Verfasser der von
Raynaldus einem gewissen Inter-
nuntius Claudius zugeschriebenen
Depeschen 311 f; vier Depeschen
aus Wien, Hagen au u. Rastatt
an Famese und Cervini 1539
und 1540: 642—645; neun De-
peschen von ihm an Famese vom
10. März bis 7. April 1541:
609-617. 618-623. 624— 62T^
630 f.; sein Bericht über das
Tridentiner Concil (Januar 1564):
653—658. — Varianten zu drei
von Ranke, D. G. VI mitgeteil-
ten Depeschen Morone's 651 bis
653; Brief ßemardo Santio*8 an
Morone 645—648.
Mosaiken, Christliche 283—285.
Muratorisches Fragment,
Abdruck desselben 595 — 599; das
Digiti
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BXßISTEB.
675
Mnratoriache Fragment und die
Entgtehnog einer Sammlung apo-
stoHscb - katholischer Schriften
368—408. — Ueber die Abfas-
snngszeit 402 f.
M urner, Thora., 572.
Mus ans, Job., 75 f.; über das
Symb. apost. 80 f.
Mjconins, Friedr., zwei ^efe
desselben an Lntber 306^807.
326-328.
Mystik, Deutsche, Arbeiten zu
ihwfr Geschichte 121—138.
Naboth, Alexius, 804.
N a u s e a , Priedr., Bischof von Wien,
ein Brief desselben an Contarini
5 14 f.; über die „privata coUo-
quia'* mit Melanchthon u. Bueer
zu Worms 514.
Negri, Qirolamo, fünf Briefe des-
selben aus Regensburg, April u.
Juni 1541: 627—680. 681-641.
Nicolaus Cabasilas 851 f.
Nicolaus Yon Basel, fälschlich
mit dem Gottesftreund im Ober-
land identificirt 132 f.
Nicolaus von der Flue 133f.
Nicolaus von Methone d49f.
Nutze 1, Georg, Bruchstück eines
Briefes desselben 490.
Oberdeutschland, s. Reichs-
städte.
Oekolampad, schwankende Stel-
la ng gegenüber der Concordie
mit den Sachsen (1530) 260f.;
sein Verhalten gegen Schaflfbau-
sen, über seine angebliche Milde
265 f. — Vgl. 568.
Päpstliches Archiv im Mittel-
alter, zu seiner Geschichte 139
bis 145.
Paulinische Briefe, Die, im
2. Jahrb. und die Entstehung des
neutest. Kanons 374—388.
Pellikan, Konrad 567-5G9.
Petronilla, Die beil., 472f.
Pflug, JuHus,616. 630. 635. 638;
sein Memorisile für Famese (März
1541) über seine Wahl zum Bi-
schof von Naumburg 617 f.
Philipp von Hessen u. Zwingli
28-62. 220—274. 429-463; s.
Zwingli. — Ph.'s Bestreben,
Dänemarks Aufnahme in das Burg-
recht herbeizuführen 2281, seine
Bereitschaft den Schweizern bei-
zustehen, Verhandlungen darüber
mit Ernst von Lüneburg (Früh-
jahr 1531) 439 f.; seine Bemü-
hungen um das evangelische Ge-
sammtbündnis 1531 : 443 ff. ;
spätere Verhandlungen mit Zürich
451 f. — BriefePh.'s: an Zwingli
81, an Kurfürst Johann 59 f.,
an Jakob Sturm 457—459. Briefe
an Ph.: von Zwingli 33 f. 37.
38 f., von Brück 469—461, von
seiner Schwester Elisabeth 461 f.
— Mitteilungen über ihn in De-
peschen und Briefen 164. 167.
505 (vgl. 502. 506). 620. 621 f.
624. 626. 628. 629. 635. 638.
Photius 337. 348.
Pighius, Albert, Mitteilungen
über ihn in Depeschen 158. 173.
616. 629. 635.
Pisa, Ooncil daselbst 1511: 599 f.
Platter, Thomas, 5661 574.
Pole, Ronald, 494.
Pompeji, ob Spuren des Christen-
tnms daselbst, die angebliche
Christeninschrift 476—478.
Propheten und Prophetie im
Fragm. Murat. und im 2. Jahrh.
überhaupt 359. 362. 369-374;
vgl. 390. 393. 4a5f.
Prophetia Malachiae de summis
pontificibus, über Verfasser und
Zweck dereelben 315—324.
Psalter, Der hugenottische 583 f.
Pseudo-Dionysius 347f.
Quenstedt über das Symb. apost
81 f.
Raymnndus Lullus 117.
Rechtfertigungslehre, Con-
tarini über seine Zugeständnisse
an die Protestanton m derselben
515-519 (vgl 502); Sadolet's
Kritik der RBchtfertigungslehre
Contarini's 502 f. — Vgl. 506.
507.
Reformation, neuere Literatur
zur Geschichte der Ref. in der
Schweiz 547-585.
Regensburger Buch, Mittei-
lungen Contarini's darüber 518.
520 f. — Vgl. 641.
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676
REGISTER.
Begensbnrger CoDCordien-
werk YOD 1541, Depeschen und
Briefe 150-184. 504-523. 609
bis 641 (vgl. 308—312. 496 bis
502). — Stellung Bayerns zn ihm
156 — 158. 164 — 166 n. sonst
(s. Bayern); Aeosserongen Gran-
vella's 159-161. 620. 621—623,
de8CardinalAlbrechtl67.625t —
Contarinfs Bericht über die Er-
öffnung des Reichstages 172 (Tgl.
624. 627 f.); fiberdie Einleitungen
zum Gespräch 630. 632. 635 f.
637—639; über die Verhandlun-
gen im Juli 180. 183; Haltung
Frankreichs 504 f.
Begius, ürbanus, 446.
Reichsstädte, Die oberlän-
dischen, 230.270ff. 430. 433!:
438. 447. 453.
Religionsphilosophie, Arabi-
sche und jüdische: die Arbeiten
zu ihr aus den Jahren 1875 bis
1877 : 93-108.
Rhenanus, Beatus, 487 f.
Ritter, Erasmus, Vertreter der
schweizerischen Reformation in
Schaffhausen 261. 263. 264. 265.
Ruoleman Merswin 131.
Sachsen, Verhalten zu Augsburg
1530: 249 ff., im Jahre 1531:
436-438. 443. 445-447.
Sadolet 497. 501: Auszüge aus
seiner Kritik der Rechtfertigungs-
lehre Contarini's 502 f.
Salat, Job., 549. 560. 572.
Santio, Bemardo, Bischof von
Aquila, Brief desselben an Morone
aus Utrecht (15. Aug. 1540)
645 — 648, an Famese (?) aus
Regensburg (5. April 1541) 623 f.
Sarkophagreliefs, Christliche
286 ff.; gallische 286 f.; zu Sy-
rakus 287 f.; zu Rom 288 f.
291. — Vgl. 473. 474.
Sayn - Wittgenstein, Georg,
Graf von, 523.
Schaffhausen, sein Schwanken
zwischen der sächsischen xmd
schweizerisch. Reformation 1530:
261—265.
Sohmalkaldischer Bund, Ver-
hältnis der Schnudkaldiflchen
Bundesurkunde zu dem 1529 in
Marburg aufgesetzten £nt¥mrf
des hessischen Burgrechtes 58.
239-241. 256.4291 438.463. —
Die von Sachsen im Octob. 1530
gegebene neue Anregung und die
Verhandlungen darül^r 250—257,
Stellung Zwingli's u. der Schwei-
zer dazu 257—260. 267-274. —
Der Tag zu Schmalkalden Decemb.
1530: 429. Die Verhandlungen
über den Eintritt der Schweizer
in den evangelischen Gesammt-
bund (Febr. 1531) 430 ff". Zweiter
Bundestag zu Schmalkalden, Wm
1531: 438. Dritte Bundesvei^
Sammlung, Juni 1531 zu Frank-
furt, Sachsen verhindert hier den
Zusammenschluss mit den Schwei-
zern 443-446 (vgl. 436—438).
Der Bund droht infolge dessen
wieder auseinanderzugehen 447.
Vierte Versammlung. Aug. 1531
zu Schmalkalden 450. Zweite
Frankfurter Versammlung, Decbr.
1531 : wirkliche Aufrichtung des
Bundes, Trennung Deutschlands
von der Schweiz 457.
Schnepf, Erhard, 446.
Schönberg, Nicolaus von, wird
von Georg von Sachsen zu seinem
Procurator auf dem 5. Lateran-
concil bestellt 602 f. »); Credenz-
brief für ihn 604—606.
Scholastik, Die, seit Beginn des
13. Jahrb., zu ihrer Geschichte
108—121.
Schweiz, s. Reformation.
Scripturae im Fragm. Mumt
359. 362. 364f.
Servet 579.
Simon Stylites 468.
Sleidan 48. 185—188; briefl.
Erwähnung 314.
Statistik, zur St. der griechisch-
russischen Kirche 188 — 194.
Strassburg 457 f.; s. auch Burg-
recht, Reichsstädte, Jak. Sturm.
Sturm, Jakob 39. 40. 41. 241.
244 f. 254. 256. 430. 438. 445.
1) Zu S. 602, Anm. 5 ist noch hinzuzufügen: über sein Verhalten
auf dem Augsburger Reichstag (1518) vgL den interessanten Brief Maxi-
milian's an Sigismund von Polen (Forsch, z. d. Gesch. XVIII, 640).
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BE6ISTER.
677
448. Ein Brief des Landgrafen
Philipp an ihn 457—459.
Sturm, Johann, hriefl. Erwähnung
desselben 325 (vgl. 314).
Snmmenhart, Konrad, 121.
Snso, Heinrich, über sein Brief-
bnch 135 f.
Symbolik, zur S. der griechischen
Kirche329— 357; über die Quellen
der Sjrmb. der griech. Kirche
332—337. — Allgemeines über
die Symbolik, besonders über ihre
Aufgabe und ihre Quellen 330
bis 332, über Stoff und Methode
337 f.
Synkretismus 72ff.; seine Geg-
ner 76 f.
Syrien, die architektonischen Mo-
numente des christL Centralsyrien
467—469.
Tatian, über sein Diatessaron
400 f.
Taufsymbol, Das, Justin's des
Märtyrers 1—27.
Tauler 1271 134f.; ob Verfasser
des Buches: „Nachfolgung des
armen Lebens Christi'' 134.
Tertullian, zu seiner Stellung
in der Geschichte des NTlichen
Kanons 874. 378. 380. 386 f. 393.
403f.
Theophil US, zu seiner Stellung
in der Geschichte des Kanons
374. 393. 395.
Thomas von Aquino, zuseiner
Ethik 111. Staatslehre 117 f.;
wie er die Stelle „ super haue pe-
tram aedificabo ecclesiammeam"
verstanden 195—197.
Thomas von Kempen 137 f.
Thurgau 563.
Trieut, Concil daselbst, über
Quellen zur Geschichte desselben
494 f.; ein Bericht Morone^s (Ja-
nuar 1564) 653—658; zur Vor-
geschichte 650 f.
Trutfetter, Jodocus, 121.
Ulm 230.272.434; endliche Durch-
führung der Reformation (in
schweizerischem Sinne) 447—450.
Ulrich von Würtemberg 28.
49 f. 223. Die Angelegenheit
seiner Bückführung 46. 60. 2271
4351 442. 451. 455.
Zeitflohr. f. K.-0. in, 4.
ünionismus des 17. Jahrb. 72ff;
seine Gegner 76 f.
Urban VL, Papst 409-428. 525
bis 546.
V e r a 1 1 0 , Girol., Nuntius bei König
Ferdinand 182. 516.
Viret 583.
Waiden ser 115.
Wallis, zur Ref.-Gesch. dieses
Kantons 567. 575.
V. Watt, Joachim, (Vadianus) 563.
564-566.
Wicliff, zu seinem Kirchen- und
Staatsbegriff 120.
Wiedertäufer, briefl. Erwähnung
462 ; Wiedertäufer in Zürich 561 f.
Wilhelm von Auvergne 117.
Wimpheling, erhält von Maxi-
milian I. den Auftrag ein Gut-
achten über die Kirchenreform
zu liefern (1510) 203 ff.; die
schwächliche Ausführung des Auf-
trages 206—210. 214. 215; über
die Zusammensetzung und die
einzelnen Bestandteile des Gut-
achtens 217—219.
W i 0 n , Arnold, nicht Verfasser der
Prophetia Malachiae 315 ff.
Wirth, Hans, der Untervogt zu
Stammheim, seine Hinrichtung
554.
Wormser Colloquium 497£
514; Depesche Campeggi*s aus
Worms (13. Jan. 1541) 648 ü;
zur Vorgeschichte d. CoUoquiums
645-647.
Wormser Reichstag von 1545:
650 f.
Zürich im Beformationszeitalter
220ff 227 f. 230. 240. 241 f.
2541 256. 263f. 4391: 451f. 458.
553 f. 558. 559. 560ff
Zurkinden, Nid., 571.
Zwingli und Landgraf Philipp
28-62. 220—274. 429-463. —
Ueber ihren Briefwechsel 28 bis
44; Chifferschlüssd zu demselben,
s. die Schrifttafel zu S. 85, vgl.
35—37; ihr Freundschaftsbund
und ihre weittragenden politischen
Pläne und Phantasieen 44 ff.;
wer von beiden ihr Urheber?
46
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678
REGISTER.
46 ff. Entscheidendfi Bedeutung
des Aufenthaltes Z/s in Stnss-
bui^ Sept^b. 1529: 51—57;
die politischen Abmachungen zu
Marburg 57 — 62. Phantastische
Politik Z.'s Octob. 1529 bis Febr.
1530: 221 f. 223-228 (Unter-
handlung mit Venedig und An-
schlag gegen den Kaiser). 229
bis 237 (Pianoines ^anzösischen
Bündnisses). Seine Haltung wäh-
rend des Augsburger Reichstages
245 f., verschärft die Differenz
mit den Wittenbergem 246. Seine
Zurückhaltung, als nach dem
Augsburger ^ichstage Ton säch-
sischer Seite ein eruigelisohes
Gesammtbündnis aufs neue an-
geregt wird 248. 254. 257—200.
267-274. 431. 432f. 435 f.
(MotiTO 258—260. 263. 267 bis
274). Auftreten gegen das schwan-
kende Schaffhausen 263 f., Ver-
halten zu Ulm 1531 : 447 f. Nene
V<vhandlungen mit Fnmkreich
442 f 452. Seine letzten Wochen,
die Kata8tn»>he und ihre Folgen
452-457. — Briefe Z.'a an
Phüipp33f. 37.38f., vonPhiHpp
an Z. 31. — Briefl. Erw&hnnng
457. — VgL noch 553. 557 f.
5<J2. 563. 570.
Druckfehler.
S. 308, Z. 6 T. u. Ues 28. AprU statt IB. April
S. 312, Z. 16 y. 0. lies existlt statt exiistit,
S. 488, Z. 11 V. u. lies Treger statt Tweyer.
Druck rem FiieAr. Andr. Perthes in Ooth».
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ZEITSCHRIFT
FÜR
KIRCHENGESCHICHTE.
IN VEBBINDUNO MIT
D.W.GASS, D.ESEHTEBund D. A.IIITSOHL
HEBAUSOEGEBEN VON
D. THEODOR BRIE6ER,
OROINTLICBBR PR0PS8S0R DKR KIRCBUrOISCBICBTE AN DER CNITIRSmT HARBURG.
m. Band, 4. Heft.
GOTHA,
FBIEDBICH ANDREAS PERTHES.
1879.
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Aus dem Prospect vom November 1875.
„Die Zeitschrift für Kirchengeschichte will in enter Linie
der streng wissenschaftlichen, methodischen Forschnng dienen.
Aus diesem Grunde werden Untersiiohiuiseii den grössten Teil
des Baumes in Anspruch nehmen. Ausserdem aber soll die Zeit-
schrift noch liefern:
1) Essays.
2) Krltisohe Ueberslohten über die Leistungen auf den
yerschiedenen kirchengeschichtlichen Gebieten, dazu be-
stimmt, periodisch den Fortschritt der Wissenschaft wie
auch die Lücken der Forschung aufzuzeigen und zugleich
regelmässige Becensionen einzelner Bücher entbehrlich zu
machen.
3) Analekten; kürzere Mitteilungen über neue handschrift-
liche und monumentale Funde; bisher nngedruckte Quellen-
stücke von massigem Umfange; statistische Nachrichten
und dergleichen.
Mit ganz besonderer Sorgfalt wird sich die Zeitschrift ange-
legen sein lassen, einen lebendigen Austausch mit der allgemeinen
Geschichtswissenschaft zu vermitteln. Denn so unzweifelhaft die
Kirchen-Geschichte berufen und befähigt ist, der politischen nicht
unwesentliche Dienste zu leisten, so gewiss muss sie fort und fort
die ungemein dankenswerten Anregungen, welche seit etwa zwei
Menschenaltem ihr yon letzterer dargeboten werden, sich zu
Nutze machen. Dass grade dieser Teil des Programms yerwirk-
licht werden wird, steht um so zuversichtlicher zu hoffen, als
neben den hervorragendsten Fachmännern von theologischer Bil-
dung auch eine grössere Anzahl der berufensten Vertreter der
politischen Geschichte ihre Mitwirkung zugesagt hat.
(Forts, auf S. 3 d. ümschL
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In den Namen derjenigen Herren aber, deren Beirat nnd
Unterstützung fOr das Geschäft der Herausgabe gewonnen ist,
liegt ebne Zweifel eine hinreichende Bürgschaft daf&r, dass die
Zeitschrift nicht nur mit der nötigen Umsicht und ohne die Vor-
urteile eines beschränkten Parteistandpunktes wird geleitet wer-
den, sondern auch in Bezug auf Sprache und Darstellung den
heutigen Anforderungen zu genügen bestrebt sein wird."
Die Zeitschrift wird auch in ihrem HL Bande ihrem bisher
nach Kräften durchgeführten Programm treu bleiben.
Wenn wir uns bei ihrer Begründung bis auf weiteres die
Zwanglosigkeit der Hefte vorbehalten haben, so glauben wir bei
dem heutigen Stande der kirchengeschichtlichen Production auch
jetzt noch — im Interesse der Qediegenheit des Inhaltes —
an dieser Einrichtung festhalten zu müssen, ohne darum unser
Bestreben aufzugeben, wo möglich jährlich vier Hefte erscheinen
zu lassen.
Nach wie Yor werden vier Hefte von durchschnittlich zehn
Bogen einen Band bilden.
Einsendungen sind an den unterzeichneten Herausgeber nach
Marburg zu richten.
Mabbübg und Gotha, Ende December 1878.
Der Henosj^eber: Der Verleger:
Prof. Dr. Th. Brieger. Friedr. Andr. Perthes.
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Tnhalt,
SeiU
Untersneliiuigen und Essays:
Th. Lindner, Papst Urban VI. (zweite Hälfte) ... .525
Eritisclie Uebersichten :
Die kirchengeschichtlichen Arbeiten der letzten Jahre:
Gkschichte der Reformation in der Schweiz von
R, Staehelin 547
Analekten :
1. Th. BHeger, Zu Eusebius H. E. Vni:
I. Eusebius* Disposition im 8. Buche der Kirchen-
geschichte 586
2. A, Harnack, Das Muratorische Fragm^it 595
3. Th, Kolde, Zum V. Lateranconcil 599
4. F. SchiUtze, Actenstücke zur deutschen Reformations-
geschichte:
II. Fünfzehn Depeschen aus Regensburg vom 10. März
bis 26. Juni 1541 609
in. Depeschen aus Wien, Hagenau, Rastatt, Utrecht,
Worms aus den Jahren 1539—1545 642
5. W, Mawrenbrecher, Morone's Beriebt über das Triden-
tiner Concil 653
6. Miscelle von F. Sdhultze 659
Register:
I. Verzeichnis der abgedruckten Quellenstticke .... 661
II. Verzeicbnis der besprochenep Schriften 664
UI. Sach- und Namenregister 669
Cc\c\ci\f f
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_J 2044 037 764 008
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