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Full text of "Zeitschrift für Kirchengeschichte"

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ZEITSCHRIFT 

FÜR 

KIRCHENGESCHICHTE, 
m. 


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ZEITSCHRIFT 

FÜR 

KmCHENGESCmCHTE. 
m. 


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V 


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ZEITSCHEIFT 

FÜB 


KIRCHENGESCHICHTE 


IN  VERBINDUNG  HIT 


D.  W.  GASSy  D.E  BEÜTEB  und  D.  A.  BITSOHL 


HBRAUSGE6EBEN  VON 


D.  THEODOR  BRIE6EIL 


m.  Band. 


eOTHA. 

FRIEDRICH  ANDREAS  PERTHES. 
1879. 


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Inhalt. 

Erstes  Heft 

(Ausgegeben  den  31.  December  1878.) 

Seite 

üntersuchmigen  and  Essays: 

1.  W,   BomematM,   Das  Tanfsymbol  Justin's  des  Mär- 
tyreS 1 

2.  M.  ^/cm,  Zwingli  und  Landgraf  Philipp  (erster  Artikel)      28 

3.  W.^Qass,  Die  Stellung  des  apostolischen  Symbols  vor 
zweihundert  Jahren  und  jetzt 63 

Kritische  üebersiehten: 

Die  dogmengeschichtlichen  Arbeiten  aus  den  Jahren  1875 
bis  1877  von  W.  Möller  (zweiter  Artikel) 93 

Analekten: 

1.  S,  Löwenfdd,  Zur  G-eschichte  des  päpstlichen  Archivs 
imllittelalter 139 

2.  O,  Hertel,  Anmerkung  zur  Geschichte  Columba*s     .    .    145 
>                           3.  V.  ßdwdUe,  Actenstücke  zur  deutschen  Reformations- 
geschichte: 

I.  Dreizehn  Depeschen  Contarini's  aus  Regensburg 
an  den  Cardinal  Famese  (1541) 150 

4.  Th.  ^rieger,  H.  Baumgarten's  Bitte,  Joh.  Sleidan  be- 

I,  treflfend 185 

5.  A,  ^xrfMck,   Zur  Statistik   der    griechisch-russischen 
\                             Kirche 188 

6.  Miscellen  von  E.  Nestle,  Ad.  Merx  und  Th,  Brieger  194 


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VI  INHALT. 

Zweites  Heft. 

(Ausgegeben  den  31.  März  1879.) 

Seite 

Untersuchungen  und  Essays: 

1.  H.  ^mann,    Studie   über  Maxinulian's  I.  Plan  einer 
deutschen  Kirchenreform  im  Jahre  1510 199 

2.  M.  Lem,  Zwingli  und  Landgraf  Philipp  (zweiter  Artikel)    220 

Kritische  Uebersichten: 

Die  kirchlich  -  archäologischen  Arbeiten  aus  den  Jahren 
1875  bis  1878  von  V.  Schultze  (erste  Hälfte)' ....    275 

Analekten: 

1.  /.  K.  S^demann,  Erläuterungen  zu  den  Epistolis  Be- 
formatorum  in  Bd.  U 301 

2.  Th.  Brieger,  Nachwort  zu  den  von  V.  Schultze  mitge- 
teilten Depeschen  Contarini's 308 

3.  Ein  Brief  Bucer's  an  Melanchthon  (1544),  mitgeteilt  von 
Friedr,  ^de 312 

4.  Ä.  HamacJCy  Ueber  den  Verfasser  und  den  Zweck  der 
Proptetia  Malachiae  de  summis  pontificibus  (1590)      .    315 

5.  Miscellen  von  C.  Krafft 325 


Drittes  Heft. 

(Ausgegeben  den  30.  Juni  1879.) 

Untersuchungen  und  Essays: 

1.  W.  Qass,  Zur  Symbolik  der  griechischen  Kirche    .    .    329 

2.  A,  'Hcurnaclc ,  Das  Muratorische  Fragment  und  die 
Entatehung  einer  Sammlung  apostolisch -katholischer 
Schriften 358 

3.  2%.  lAndn^r,  Papst  Urban  VI.  (erste  Hälfte)      ...    409 

4.  M.  £em,  Zwingli  und  Landgraf  Philipp  (dritter,  Schluss- 
Artfiel) 429 

Erltische  Uebersichten: 

Die  kirchlich -archäologischen  Arbeiten  aus  den  Jahren 
1875  bis  1878  von  V,  Schultze  (zweite  Hälfte)     ...    464 


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INHALT.  Vn 

Seit« 

Analekten: 

1.  A,  t>.  Druffel,  Nachträgliche  Bemerkimgen  über  den 
Angofltmer  Johann  Hoffineister 485 

2.  Th.  Brieger,  Zur  Correspondenz  Contarim's  während 
seineT  deutschen  Legation.  MitteUungen  aus  Becca- 
de]li*8  Monumenti 492 


Viertes  Heft. 

(Ausgegeben  den  30.  November  1879.) 

üntersuelmiigeii  und  Essays: 

Th.  lAndner,  Papst  Urban  VI.  (zweite  Hälfte)    ....    525 

Kritisclie  üebersiehten: 

Die  kirchengeschichtlichen  Arbeiten  der  letzten  Jahre: 
Gleschichte  der  Reformation  in  der  Schweiz  von 
E.  StaeheUn 547 

Analekten: 

1.  Th.Briegery  Zu  Eusebius  H.  E.  VIII ; 

L  Eusebius*   Disposition    im   8.  Buche    der  Kirchen- 
geschichte      586 

2.  Ä,  gamack,  Das  Muratorische  Fragment 595 

8.  Th.  Solde,  Zum  V.  Lateranconcil 599 

4.  F.  ^shnltze,  Actenstücke  zur  deutschen  Keformations- 
gesdCichte: 

n.  Fünfzehn  Depeschen  aus  Begensburg  vom  10.  März 

bis  26.  Juni  1541 609 

in.  Depeschen  aus  Wien,  Hagenau,  Bastatt,  Utrecht, 

Worms  aus  den  Jahren  1539—1545 642 

5.  W.  Mcmrenbrei^^er,  Morone's  Bericht  über  das  Triden- 
tinerTJoncil 653 

ß.  WiB  Celle  Yon  V.  Schuitze 659 

Register: 

I.  Verzeichnis  der  abgedruckten  Quellenstücke     ....    661 

n.  Verzeichnis  der  besprochenen  Schriften 664 

HL  Sach-  und  Namenregister 669 


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Das  Taufsymbol  Justin's  des  Märtyrers. 


Von 
W.  Bomemanii. 


Die   unangezweifelten  Schriften  Justin's  des  Märtyrers, 
die  beiden  Apologien  und  der  Dialogus  cum  Tryphone,  ent- 
halten so  zahlreiche  Anklänge  an  das  sogenannte  Symbolum 
Apostolicum,  dass  eine  Untersuchung,  ob  und  wie  weit  diese 
Anklänge  eine  ältere  Form  jenes  Symbols  und  ein  firüheres 
Stadium  seiner  Bildung  repräsentiren,  wohl  gerechtfertigt  er- 
scheint; und  das  imisomehr,   da  grade  die  Zeit  Justin's  die 
Ghrenze  büdet,  bis  zu  welcher  das  Apostolicum  auf  Grund 
deutUcher  Spuren   rückwärts  verfolgt  werden  kann.     Zwei 
verschiedene  Richtungen  der  christlichen  Verteidigung  dar- 
stellend; dienen  die  erhaltenen  Justinischen  Schriften  vielfach 
sich  gegenseitig   zur  Ergänzimg;   auch  entstammen  sie  einer 
Zeit,  in  welcher  die  christliche  Theologie,  noch  im  Anfangs- 
stadium ihrer  Entwicklung  stehend  und  aus  dem  christlichen 
Gemeindeglauben  allmählich  emporsteigend,  ihren  besten  In- 
halt der  Glaubensüberlieferung  entnahm  und  sowohl  an  die 
einfachsten  Gedanken    und    Tatsachen  der    christUchen    Ge- 
meindelehre, als  an  den  Wortschatz  und  den  Sprachgebrauch 
der  litui^ischen  und  symbolischen  Formeln  anknüpfte.  Endlich 
stand  der  Philosoph  und  Märtyrer  noch  nicht,  wie  seine  Nach- 
folger auf  dem  Gebiet  der  Apologetik,   unter  dem  Einfluss 
der  Arcandisciplin,  sondern  durfte  auch  wichtige,  später  den 
Nichtchristen  verheimHchte,  innere  Verhältnisse  des  Gemeinde- 

ZeiWehr.  f.  K.-G.  lli,  1.  1 

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lebens  in  seinen  Schriften  frei  berühren.  Dank  diesen  ver- 
schiedenen Umständen  liegt  uns  für  die  Untersuchung  der 
oben  angeregten  Frage  ein  ebenso  brauchbares  wie  reich- 
haltiges Material  vor.  Von  diesem  werden  hier  vor  allem 
diejenigen  Stellen  zu  berücksichtigen  sein,  welche  religiöse, 
an  das  Apostolicum  anklingende  Aussagen  als  officielle  Teile 
des  christlichen  Gt)ttesdienstes  und  Gemeindelebens  oder  als 
Inhalt  christlichen  Bekennens  direct  bezeichnen;  ab  zweite 
Klasse  kommen  dann  die  bei  Justin  sehr  häufigen  Stellen 
in  Betracht,  welche,  freier  formulirt,  mehr  den  Charakter 
einer  regula  fidei,  ein  mehr  oder  weniger  polemisches  oder 
theologisches  Gepräge  tragen,  und  welche,  je  nach  ihrer 
Stellimg  und  der  Zahl  der  Glieder,  die  sie,  dem  Apostolicum 
entsprechend,  im  Zusammenhang  wiedergebe  unter  einander 
an  Wert  verschieden  sind ;  schliesslich  werden  die  einzelnen, 
durch  die  Schriften  verstreuten,  solennen  und  liturgischen 
Ausdrücke,  welche  einem  Gliede  unseres  Bekenntnisses  ent- 
sprechen, zum  Vergleich  herangezogen  werden  müssen. 

Wollte  man  allein  nadi  dem  Dialogus  cum  Tryphone 
unsere  Frage  behanddb;  so  könnte  es  auf  den  ersten  Blick 
unwahrscheinlich  erscheinen,  dass  eine  derartige  Dreiteilung, 
wie  sie  in  den  Artikebi  des  Apostolicums  vorliegt,  Justin 
überhaupt  bduumt  gewesen  sei.  Denn  abgesehen  von  dem 
einen,  nicht  grade  schwerwiegenden  Worte  Dial.  36:  xal 
m^KQlyitOi  aitoi^  to  Jtrfvfia  ro  ayioy  f  ano  nQoawnov  xov 
Tun^og  7]  ano  xov  iiiov  wird  neben  Gott,  dem  Schöpfer  und 
Erhalter,  und  Jesus  Christus,  Gottes  Sohn,  hier  an  keiner 
Stelle  der  heilige  G^t  in  einer  jener  Dreiteilung  analogen 
V^bindung  erwähnt.  Allein  ausser  dem  Umstände,  dass  der 
Dialogus  überhaupt  seinem  Charakter  nach  eine  wissen- 
schaftliche Auseinandersetzung  mit  dem  Judentum  ist, 
währ^id  die  dogmatische  Vorstellung  vom  heiligen  Gfeist 
noch  sehr  unklar  und  den  Juden  kaum  anstössig  und  der 
Ausbau  dieser  Lehre  der  Zukunft  vorbehalten  war,  wird  vor 
allem  der  Zweck  des  G^präches  beachtet  werden  müssen, 
welches  eine  bestimmte  Anzahl  von  Vorwürfen  gegen  das 
Christentum,  besonders  gegen  die  Person  und  Bedeutung 
Christi  widerl^en  sollte  (für  den  zweiten  Artikel  demnach 


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DAS  TAUFSYHBOL  JüSTIK'B  DBS  MÄBTTREBS.  8 

uns  von  t>e6onderem  Werte  sdn  wird),  nicht  aber  eine  volle 
Darstdlung  christlicher  Lehre  und  christlichen  Gottesdi^istes 
SU  geben  bestimmt  war.  In  der  Tat  beweist  denn  auch  die 
weit  mehr  mit  der  Praxis  des  CSiristentums  zusanmienhängende 
grössere  Apologie  in  ihren  wichtigsten  Partien,  dass  zur  Zeit 
Justin's  die  Gemeinde  symbolische  Formulirungen  in  der  an 
den  Tauf  befehl  sich  anschliessenden,  dreiteiligen  Form  kannte 
und  gebrauchte.  Durch  die  Schilderung  des  Taufritus  (Ap. 
I,  61)  und  des  Abendmahls  (Ap.  I,  65  u.  67),  sowie  durch 
das  dem  Vorwurf  der  ad-eSttig  entgegengestdUte  Bekenntnis 
(Ap.  ly  6  u.  13)  wird  dies  zwdfellos.     Es  heisst: 

Ap.  I,  61:  in  6y6jbiaTog  yaQ  rov  noTQog  rtSy  oXaty  xal 
inmoTOv  d^ew  xal  rov  awviJQog  rfjtwy  ^Itjaov  XqiojoZ  nuil  nvii- 
funog  aylfiv  to  Iv  tcü  viaxi  toxi  Xovxqw  noiovvrai  .  .  . 

,  .  .  iy  Tf^  viari  tnoyo/ial^eTcu  .  .  .  to  rov  naxQog  rtSy 
oXmy  Tcal  dfonovov  S'eov  oyo^a  .  .  .  xai  in  oyo/narog  Si  ^Itjoov 
XQtOTWy  TW  aTavQO>d'(yTog  inl  Tloytiov  niXarov^  xal  in  6yd- 
fiarog  ny&sfjiaxog  wyiov,  o  Sta  xwy  nQO(prjTwy  nQoexr^^ty  ra 
xara  roy  ^Ir^aovy  nayja^  o  (pwu^ojueyog  Xovtvai, 

Ap.  I,  66 :  TW  naTQi  Ttay  okwy  ita  tov  oyofiotxog  rov  vlov 
Kol  TOV  nyevfiaxog  tov  ayiov  ayanifjuui. 

Ap.  I,  67:  Toy  noitjTrjy  Twy  n&yTioy  dia  tov  vlov  avTOV 
^[fjaov  XQtoTov  xal  ita  nytvuarog  tov  ayiov  .  .  . 

Ap.  I,  6 :  xal  OjbioXoyoviniy  rcSr  roiovTWy  yofitl^o/niycay  &iwp 
a&eoi  tlyai,  aXX^  oixi  rov  aXtj&iOTaTOV  xai  JiaTQvg  dixatoavytjg  xal 
awf^oüvyrig  xal  rtiy  aXXcDy  OQiTwy  ayentfiixrov  t«  xaxlag  d-eov  ' 
aX^  ixityor  t«  xal  xoy  naq  avTov  vtoy  iX&oyTa  xai  iiSa^ayTa 
rßog  Tovray  xal  Toy  T(oy  aXXwy  tnofjiiywy  xal  l^Ofxoiovfifycoy 
ayadwy  ayy{X(ay  üTQaTioy,  nyfVfÄO,  ti  to  nQOtprjTocoy  ofßofu&a 
xal  nQoaxvyotiiziy.  .  .  . 

Ap.  I,  13:  ad^eoi  (xiy  ovy  wg  ovx  iafjLiy,  tov  dtjfuovgyoy 
Tovie  TOV  nayTog  Oißofityoi  .  .  .  .,  Tlg  aü}(pQ0y(3y  oifx  ofioXoytj' 
an;  Toy  StdaaxaXdy  Tt  TOVTtöy  yeyofuyoy  rjbity  xal  dg  tovto 
ytyyfj&iyTa  hjüovy  XqtOToy  y  Toy  aravQcad-ivTa  inl  IloyTlov 
TliXiroVy  TSV  yeyo/niyov  iy  ^lovSala  \nl  XQ^^oig  Tißt^lov  Kai- 
aoQog  intTQonov^  vioy  avTOv  tov  oyTwg  d-eov  uaSiyxig  xal  iy 
iwxiqtf  X^^^  ^oyTtgy  nyfv/bia  t«  nQOtptjrncoy  iy  T^hrj  toI^h  Sri 
'  fuxa  Xo^'ov  Ttfitöfxeyy  anoStC^o^uv, 


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4  BORNEMANN^ 

DasB  in  c.  6  das  Engelheer  sich  in  das  Bekenntnis 
eindrängt,  beruht  auf  apologetischen  Tendenzen;  und  wir  be- 
sitzen somit  in  den  angeführten  Worten  den  Beweis,  dass 
sowohl  bei  dem  mehr  lehrhaften  Bekenntnis  (c.  6  u.  13), 
wie  im  Gottesdienst  bei  der  Abendmahlsliturgie  (c.  66 
u.  67)  und  ebenso  bei  der  Taufe  (c.  61)  der  Gfrundstock 
des  apostolischen  Symbolums  vorhanden  und  im  Ge- 
brauche war. 

Die  Verwendung  des  Bekenntnisses  zu  Vater,  Sohn  und 
Geist  bei  der  Taufe  ist  nun  nach  der  ganzen  Vorgeschichte 
und  Geschichte  unseres  Symbolum  Apostolicum  ein  ausser- 
ordentlich wichtiges  Moment;  und  bei  Justin  wird  besonders 
zu  fragen  sein,  ob  die  symbolische  Taufformel  Ap.  I,  61  nicht 
vielleicht  nur  eine  Abkürzung  einer  ausfuhrlichen  symbo- 
lischen Formulirung  darstelle.  Man  dürfte  auf  den  ersten 
Anschein  hin  geneigt  sein,  diese  Frage  zu  verneinen:  fiir  den 
ersten  Artikel  wird  auch  jede  Erweiterung  ausdrücklich  mit 
den  Worten  avro  tovto  fxovov  InikiyovvoQ  xrX.  ausgeschlossen, 
und  fiir  den  dritten  Artikel  ist,  wie  wir  später  sehen  werden, 
das  Bekenntnis  vom  heiligen  Geist  zu  Justin's  Zeit  höchst 
wahrscheinlich  das  einzige  Glied.  Für  den  zweiten  Artikel 
dagegen  wird  die  Frage  bejaht  werden  müssen.  Zunächst 
nämlich  wird  man  zugeben,  dass  es  in  Justin's  Aufgabe  und 
Zweck  nicht  liegen  konnte,  die  volle  Taufliturgie  hier  an- 
ziifuhren,  dass  er  vielmehr  diese,  ebenso  wie  c.  66  u.  67  die 
Abendmahlsliturgie,  nur  in  einer  abgekürzten,  die  Hauptsache 
berührenden  Form  wiederzugeben  brauchte,  um  so  eher,  als 
er  das  etwa  aus  dem  zweiten  Artikel  Ausgelassene  schon  mehr- 
fach in  den  früheren  Capiteln  erwähnt  und  bewiesen  hatte. 
Femer  macht  es  die  eben  erwähnte  ausdrückliche  Bemerkung, 
dass  zum  ersten  Artikel  nichts  anderes  hinzugefiigt  werde, 
sehr  wahrscheinlich,  dass  die  übrigen  Teile  der  Formel  unter 
Umständen  erweitert  wurden;  imd  eine  Vergleichung  der 
beiden  c.  61  gegebenen  Formeln  zeigt,  dass  in  der  zweiten 
Formel  sich  sowohl  zimi  zweiten  {%ov  axavQvad-^yTog  inl  Hoytiov 
TliXarov),  wie  zum  dritten  Artikel  (8  dia  rcSy  nQOfpfjrwy  nQo^ 
txTjQvlie  Ttt  xavä  roy  ^Itjaovy  narra)  Zusätze  finden.  Es  liegt 
also   wahrscheinlich  in  beiden  Fällen  eine  Abkürzung    des 


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DAS  TAÜPSYMBOL  JüSTIN'S  DES  MÄRTYRERS.  5 

Symbols,  wenigstens  des  zweiten  Artikels  vor;  und  eine  an- 
dere Bemerkung  ist  geeignet,  mis  hier  weiter  zu  fuhren. 

Es  findet  sich  nämlich  bei  Justin  an  mehreren  Orten  eine 
kurze  Formel,  die  beim  Exorcismus  angewandt  wurde,  und 
deren  Wortlaut  fast  überall  genau  tibereinstimmt.     So: 

Ap.  n,  6:  inOQxli^oyjig  xajä  rov  ovofiaxog  ^Irjaov  Xqi- 
OTOv,  rov  aravQfod'lpTog  Inl  Rayrlov  ILkarov. 

Dial.  30 :  ilSoQx^l^of^eya  xara  rov  oro/najog  ^Ifjoov  XqtorWj 
rov  aravQüid'iyTog  inl  norrlav  ILXaroVf  tov  yiro^iyov  imTQO' 
nav  rrjg  ^lovSaiag. 

Dial.  76:  xal  yvr  ^/ueTc,  ol  nuTTtvoytfg  inl  roy  arav^io- 
d^ivra  inl  Tlovrlov  UiXajov  ^Itjaovy  xvQtor  TjfuSy  rä  Saifioyia  ndyra 
xal  nviVfiora  noyfjQa  H^o^xi^orTtg  vnoraüao/itya  rj^ty  (X^jbiey. 

VgL  Dial.  49 : ,  To!  aravQCDd-iyri  XQi<n(pf  oy  xal  rä  Sai- 
fwyta  q^giaaei. 

Diese  kurze  Beschwörungsformel,  die  neben  dem  vollen 
Namen  des  Herrn  nur  den  Ejreuzestod  unter  Pontius  Pilatus 
als  die  significanteste  Tatsache  der  Heilsgeschichte  enthält, 
ist  jedoch  nur  die  Abkürzung  einer  längeren,  fast  den  gan- 
zen zweiten  Artikel  unseres  Apostolicums  wiedergebenden 
Formel,  die  Justin  selbst  Dial.  85  mitteilt: 

Dial.  85:  xara  yag  tov  oyo/narog  avTOv  rovrov  rov  viov 
TOV  d^ov  xal  nQfOTOTOxov  naarjg  xtlaicog  xal  Sia  naQ&iyov 
yeyytld-iyrog  xal  Tta&rjTOv  ytyoiJiiyov  ayd-QWnov  xal  oravQwd'iyTOg 
im  Iloyxlov  Ilikajov  vno  rov  Xaov  v/näy  xal  ano&ayoyjog  xal 
ayaorayrog  ix  yixQwy  xal  ayaßarrog  elg  roy  ovQayoy,  nay  äai- 
fioyioy  i^OQXil^6f4tyoy  yixarai  xal  vnotaaaercu. 

Nun  findet  sich  aber  die  obige  kurze  symbolische  Zu- 
sammenfassung des  vollen  Namens  Jesu  Christi  und  seines 
Kreuzestodes  unter  Pontius  Pilatus  trotz  der  zahlreichen  son- 
stigen Anklänge  in  den  Justinischen  Schriften,  abgesehen  von 
den  genannten,  den  Exorcismus  behandelnden  Stellen,  nur 
noch  zweimal:  zunächst  in  der  kurzen  Bekenntnisform  Ap. 
I,  13  und  dann  eben  bei  der  Taufformel  Ap.  I,  61,  überall 
fest  wörtlich  übereinstimmend.  Sind  nun  die  Formeln  Ap.  H,  6, 
Dial.  30  u.  76  nur  Abküi^sungen  der  DiaL  85  mitgeteilten, 
und  stinmien  sie  andrerseits,  und  zwar  allein,  genau  mit  den 
für  den  Taufritus  überlieferten  symbolischen  Worten  über- 


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6  BORNEMAKN; 

ein^  BO  liegt  es  nahe^  in  dem  Ap.  I,  61  gegebenen  Tauf- 
symbol  ebenfalls  eine  Abkürzung  und  in  jener  erweiterten 
Formel  Dial.  85  eine,  der  Hauptsache  nach  mit  dem  zweiten 
Artikel  des  Taufsymbols  identische,  symbolische  Formel  zu 
sehen.  Damit  wäre  wahrscheinlich  gemacht,  dass  zu  Justins 
Zeit  ein  dem  Apostolicum  in  seinen  wesentlichen  Grundzügen 
entsprechendes  Symbol  in  den  christÜchen  Gemeinden  bereits 
bekannt  und  gebräuchlich  war.  Inwieweit  jene  Dial.  85 
g^ebene  Formel  in  diesem  Symbol  enthalten  war  —  auch 
sie  hat  ja  Zusätze  wie  das  vno  rov  Xaov  vfxwv  und  erscheint 
nicht  vollständig  — ,  wird  unten  zu  behandeln  sein;  vorerst 
werden  wir  dem  arsten  Artikel  nachzuforschen  haben. 

Hier  zeigt  sich  uns  zunächst  die  auffallende  Erschei- 
nung, dass  die  solennen  Ausdrücke  für  Gott,  den  Vater 
und  Schöpfer,  welche  etwa  in  einer  symbolischen  Formel 
ihre  Stelle  finden  konnten,  in  den  Apologien  einerseits  und 
dem  Dialogus  andrerseits,  obwohl  in  jeder  der  beiden  Schrif- 
ten mehr  denn  je  zwanzig  Varianten  solcher  Ausdrücke 
sich  finden,  fest  gar  nicht  mit  einander  übereinstimmen.  Von 
sämmtlichen  46  liturgischen  Bezeichnungen  Gottes  ist  nur 
eine  einzige  —  o  Ticer^p  Tioy  oXmv  (Ap.  I,  63.  63.  65.  Dial. 
56.  61.  76.  95.  105.  114.  115)  oder  o  i:mv  oXcjy  nav^Q 
(Dial.  58),  o  narTcay  naxriQ  (Ap.  U,  6)  imd  erweitert  o  nartiQ 
Twy  oXwr  d-fog  (DiaL  76.  108)  und  o  narvjQ  rcHy  nayxmv  &i6g 
(Ap.  I,  45)  —  den  erhaltenen  Justinischen  Schriften  gemein- 
schaftlich. Eine  so  weitgehende  Verschiedenheit  der  Aus- 
drucksweise in  den  Schriften  Eines  Mannes  trotz  der  zahl- 
reichen Anwendung  wird  gewiss  in  dem  verschiedenen  Cha- 
rakter tmd  Zweck  der  Schriften  einen  wichtigen  Erklärungs- 
grund finden;  und  sicher  dürfen  deshalb  vereinzelte  Aus- 
drücke, wie  0  drj^iovQyog  tovSb  tov  navrog  Ap.  I,  13  und 
0  avQtmog  xol  oA  wv  d^fog  xai  yiyytjriOQ  anayvwy  Ap.  I,  13, 
und  femer  einzelne  Redeweisen,  welche  durch  die  Polemik 
gegen*Marcion  hervorgerufen  wurd^i,  wie  o  Stj/Liiov^og  Ap. 
I,  26,  0  dfjfxtw^og  o  nayjwy  d-iog  Ap.  I,  68,  o  nottjaag  d^og 
Ap.  I,  58,  0  SrjiÄiovQyog  et  factor  et  nutritor  noster  (=  o  Stjint- 
ovqyog  xaJ  noirjTfjg  xal  TQoq)evg  tjftciy),  Syntagma  c.  Marc, 
ap.  Iren.  IV,   11,  2   und  unus  Dens,  qui  et  hunc  mundum 


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DAS  TAÜPSYMBOL  JUSTIN'S  DES  MÄRTYRERS.  7 

fecit  et  nos  plasmavit  et  omnia  continet  et  admiuistrat  (=  ilg 
dto^  0  j6yii  rhy  niofiov  notraag  xtd  fjf4äg  nXaaag  xai  ja  nayja 
awixfay  xAl  Sioixwy)  Synt.  c.  Marc.  8^,  Iren.  IV,  11,  2, 
för  unsere  Frage  völlig  unberücksidbtigt  bleiben.  Allein 
andrerseits  scheint  auch  der  zeitliche  Unterschied  der  Schrif- 
ten und  vor  allem  das  Wanderleben  Justin's  zur  Erklärung 
jener  Verschiedenheit  sich  als  willkommene  Stütze  darzu- 
bieten. Wenn  das  Wort  naytoxQdjWQy  das  ja  firühzeitig  in  dem 
alten,  kürzeren  römischen  Symbol  stand,  in  den  Apologien 
ungeachtet  der  passenden  und  naheliegenden  G^l^enheit  gar 
nicht,  im  Dialogus  dagegen  sechs  Mal  (16.  38.  83.  96.  139. 
142)  und  an  nicht  unwichtigen  Stellen  vorkommt,  so  dürften 
die  Entwicklung  der  Zeit  und  die  Veränderung  des  Aufent- 
halts Justin's,  womit  ja  der  Einfluss  einer  andern  Gemeinde 
und  ihrer  Bekenntnisformel  verbunden  war,  möglicherweise 
als  Factoren'mit  zu  veranschlagen  sein. 

Wenn  nun  trotz  der  sonst  durchgehend  verschiedenen 
Ausdrucksweise  der  eine  Ausdruck  o  najfjQ  rwy  oXwy  (bzw. 
n&yvwy)  durch  die  verschiedenen  Schriften  zahlreich  und  an 
bedeutungsvollen  Stellen  bezeugt  ist,  so  wird  uns  dies  ein 
Zeichen  sein,  dass  er  gerade  fOr  unsere  Untersuchung  von 
Wichtigkeit  ist  Und  in  der  Tat  finden  wir,  wenn  wir  uns 
zu  der  vor  allem  massgebenden  Stelle,  der  doppelten  Wieder- 
holung der  Taufformel  Ap.  61  wenden,  jenen  Ausdruck  als 
einen  Teil  dieser  Formel  Dadurch  gewinnt  die  an  sich 
schon  wichtige  Formel  und  ihr  Ausdruck  o  narijQ  rwy  oXwy 
xai  SionifTijg  &i6g  ftir  uns  noch  grössere  Bedeutung,  [und  es 
verlohnt  sich,  an  der  Hand  dieser  Formel  die  bei  Justm  ge- 
bräuchlichen solennen  Bezeichnungen  Gottes  ein  Mal  zu  mu- 
stern. Ihr  grösserer  Teil  lässt  sich  danach  in  folgende  Ta- 
belle zusammenstellen: 

L 
0  TunijQ  Tioy  oXwy  xal  Sianortjg  d-^g.     Ap.  I,  61.  61.  44. 
0  TunijQ  n&yxwv  xai  ätOTWTtjg  &i6g,     Ap.  I,   12.  33.  40.  46. 
0  Seaniifig  n&y%iay  xaX  naxr^  d-fog.     Ap.  I,  36. 

n. 

a)  0  najTjQ  xai  SicnirTjg  ttSy  SXkfy,    DiaL  140. 

b)  0  &üg  xai  ;iot^  räy  Slwy,     DiaL  68.  74.  114.  138. 


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c)  0  narfjQ  rwr  navTiay  &e6g.     Ap.  I,  45. 

0  TiarriQ  twv  oXwv  d-eog.     Dial.  76.  108. 

d)  0  nartiQ  twp  olwr.    Ap.  I,  63.  63.  65.    Dial.   56.  61.  75. 

95.  105.  114.  115. 
0  Tiüv  okmy  naTTQ.    Dial.  58- 
0  navTWv  naTTQ.     Ap.  11,  6. 

ni. 

a)  0  nayjwv  äeanol^cjy  S-eog»     Ap.  I,  14. 
0  Seano^wy,     Ap.  I,  44. 

b)  0  xvQtog  nayrwy  narrjQ.     Dial.   32. 

c)  0  notrjTfjg  rcoy  oXcoy  d^tog  xal  narrjQ.     Dial.   7.  56. 

0  Ttatrjg   avrov    xal   ruiy  oXwy  nottjTTjg  xal  xvgiog  xal  d-tog, 
Dial.  67. 

d)  o  nartiQ  xal  noirjTijg  rwy  oXioy.     Dial.   117. 

0  narijQ  xal  notTjrrg  rwy  anayjwy,     Dial.  60. 
0  noiTfWfg  TWy  oXwy  xal  naTtjQ,     Dial.  60. 

e)  o  nayjoxQarwQ  naTrjQ.     Dial.  139. 

f)  0  Tioy  oXcoy  nairjQ  xal  StjfuovQyog.     Ap.  I,   63. 
o  narrg  xal  Stjf^iOVQyog  nayrwy.     Ap.  II,   10. 
d-tog  o  nartjQ  navxmy  xal  drjf.uovQy6g,     Ap.  I.  8. 

g)  0  OQQfjTog  narrjQ  xal  xvgiog  rcSy  ohoy.     Dial.   127. 

0  aQQrftog  naTtjg  xal  xvgtog  rwy  nayrwy,     Dial.   127.    127. 
h)  0  nariiQ  xal  ßaaiktvg  rwy  ovQayoiy,     Ap.  II,  2. 
i)    0  narrjQ  o  xal  rovg  ovQayoifg  xal  rr^y  yvf  noirjoag,     Dial.  74. 

Die  erste  Klasse  dieser  Tabelle  enthält  die  Stellen,  wo 
der  Ausdruck  der  Taufformel,  sei  es  in  voller  Genauig- 
keit, sei  es  in  einfacher  Umstellung  oder  mit  unbedeutender 
Aenderung  {nayrwy  statt  oXwy)  vorkommt;  in  der  zweiten 
Klasse  sind  diejenigen  Stellen  zusammengestellt,  welche  Teile 
jenes  Ausdrucks  der  Taufformel  repräsentiren',  in  der  dritten 
diejenigen,  welche  solche  Teile  mit  andern  Bezeichnungen 
Gottes  verbinden.  Sehen  wir  die  verschiedenen  Klassen  auf 
ihre  Bedeutung  fiir  unsre  Untersuchung  an,  so  vereinigt  grade 
die  erste  Klasse  acht  Stellen  von  grosser  Wichtigkeit.  Ne- 
ben den  beiden  Stellen  aus  der  Schilderung  des  Taufritus 
Ap.  I,  61  finden  wir  drei  Stellen  Ap.  I,  12.  32.  46,  welche 
in  der  Form  einer  regula  fidei  den  Anfang  des  zweiten  Ar- 


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DAS  TAÜFSTMBOL  JUSTIN  8  DES  MAETYBEBS.  9 

tikels  darstellen  und  statt  vlbg  avrov,  wie  es  im  vollstän- 
digen Symbol  heissen  würde,  den  wegfeilenden  ersten  Artikel 
durch  viog  (oder  ähnliche  Worte)  rov  natQog  nivrcjy  xal  dea- 
norov  d-eov  ersetzen.  Ap.  I,  40  hat  denselben  Ausdruck  bei 
Behandlung  der  Austreibung  der  Dämonen,  —  in  einem  Zu- 
sammenhange also,  der  uns  oben  schon  wichtig  erschien. 
Auch  Ap.  I,  36  u.  44  sind  bedeutungsvoll,  da  hier  die 
Aussagen  des  heiligen  Geistes  cog  ano  ngoadnov  des  Vaters 
imd  die  (og  ano  nQoawnov  Christi  geschieden  werden.  Auch 
in  der  zweiten  Klasse  sind  eine  ganze  Reihe  von  Stellen  als 
bedeutungsvoll  hervorzuheben:  vor  allem  Dial.  133  (rovg 
niarevovTag  J«'  avrov  tm  d-e(p  xal  nargl  rwy  oXwyjy  daneben 
wegen  ihres  Zusammenhanges  mit  dem  Gemeindegottesdienste 
Ap.  I,  65  imd  Dial.  74,  imd  wegen  ihrer  Verbindimg  mit 
Gliedern  des  zweiten  Artikels  Ap.  I,  45.  63.  63;  11,  6. 
Dial.  61.  63.  75.  76.  95.  105.  108.  115  u.  140.  Aus  letz- 
terem Grunde  dürften  aus  der  dritten  Klapse,  welche  sonst 
nur  einzeln  vorkommende  Ausdrücke  und  mehr  gelegentliche 
Verbindungen  enthält,  noch  Dial.  7,  32  u.  117  besonders 
zu  nennen  sein.  Das  Ergebnis  dieses  Ueberblicks  ist  dem- 
nach, dass  der  Ausdruck  der  Taufformel,  der  sich  schon 
durch  seine  solenne  Fülle  empfiehlt,  auch  dadurch  gerecht- 
fertigt wird,  dass  die  Bezeichnungen  Gottes,  je  mein*  sie  sich 
ihm  nähern,  um  so  zahlreicher  an  wichtigen  Stellen  sich  auf- 
weisen lassen ;  je  mehr  sie  sich  aber  von  ihm  entfernen,  um 
so  vereinzelter  und  in  weniger  wichtigem  Zusammenhange 
vorkommen. 

So  würden  wir  jenen  Ausdruck  des  Taufritus  als  den 
wahrscheinlichen  ersten  Teil  des  Symbols  annehmen  können, 
wenn  nicht  der  Umstand,  dass  bis  jetzt  noch  eine  ganze 
Reihe  von  Bezeichnungen  Gottes  unberücksichtigt  bleiben  musste, 
Veranlassung  gäbe,  einen,  an  der  ihrer  Form  nach  wichtigen 
Stelle  Dial.  16  vorkommenden  Ausdruck  xal  rvy  rovg  iXnl- 
^ovrag  In  airoy  (seil.  X^iatoy)  xal  roy  nlfiipayra  avToy  nayjO" 
xgoTOQa  xal  noiTjr^y  rwy  oXcoy  d^ioy  auf  seine  eventuelle 
Zugehörigkeit  zum  Symbol  zu  prüfen.  Ordnen  wir  die  hier- 
hergehörenden Ausdrücke,  von  denen  nur  wenige  (s.  oben 
in,  c,  d,  e)  auch  oben  schon  benutzt  sind,   nach  dem  obi- 


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10  BOKNEMAliN, 

Princip,  SO  ergiebt  sich  folgende  Tabelle,  die  alle  noch  nicht 
beriickflichtigten  Bezeichnungen  Gottes  umfasst: 

n. 

6  nayroxQarü)^  xal  noitprijg  taiy  oXaty  d-tog.     Dial.   16. 
o  noifjrijg  rwr  oXwy  xtü  nayroxQOJWQ  d-iog.     Dial.  38. 

IL 

a)  0  nayxoxqaTiüQ  &e6g.     Dial.  83.  96.   142. 

b)  0  noif]Tfjg  rcjy  oXwy  &i6g.     Dial.  34.  116.  50.  55.  56  (fünf 

Mal).  57.  58.  60  (drei  Mal). 
0  näyTdoy  notfjTtjg  d-fog.     Ap.  I,  20. 

c)  0  noi^ijg  jtSy  notyrcDy.     Ap.  I,  67. 

0  notfjrrjg   rcoy   oX(oy.     Dial.    35.    48.    50.    56    (drei   Mal). 
60.  84. 

m. 

a)  0  nayTOXQdrcoQ  nari^Q.     Dial.  139. 

b)  0  noifjTTjg  rtüy  oXwy  &eog  xdt  naxr\Q.     Dial.  7.  56. 

0  naTTfQ   avTov  xal   Twy   oXwy   nottjrrjg  xui  xvQtog  xou  &(6g, 
Dial.  67. 

c)  0  nartjQ  xai  noiffrijg  rwy  oXwy,     Dial.  117. 

0  narr^Q  xal  notijrrjg  rwy  anayrwy,     Dial.  60. 

0  notffTTjg  rwy  oXwy  xal  narrQ,     Dial.  60. 

d)  0  d-eog  o  ndyra  noujaag.     Dial.  102. 
0  T«  ndyra  noirjcag  d-eog»     Dial.  66. 

e)  0  noifjr^g  rotJJ«  rov  nayrog  d-tog.     Ap.  I,  26. 
0  d-eog  0  rovro  not^aag  ro  näy,     Dial.  68. 

0  noifjGag  xal  Siara^ag  to(^€  ro  nay.     Dial.  11. 

f)  0  notfjrrjg  rovn  oipayov  xaJ  rr^g  Yfjg,     Dial.  74. 

0  Ttotfjrtjg  rwy   ovgaytwy  xal    ytji'ywy    anayrwy  d'aog.     Ap. 
I,  68. 

Neben  der  oben  genannten  Stdle  Dial.  16  sind  von  allen 
diesen  Dial.  83  (inl  roy  Tiayrox^droga  d-nty  Si*  avrov  Tuaxtv- 
uy),  Dial.  34  (Sta  ^Ifjaov  rov  aravQwd-iyrog  iniyyoyng  roy 
Tioifirrjy  rwy  oXwy  d-^dy)^  Dial.  116  {niartvoyng  dg  roy 
noifjrtjy  rwy  oXwy  S-eSy),  dann  wegen  Verknüpftmg  mit  GHie- 
dem  des  zweiten  Artikels  Dial.  7  u.  74  und  als  zusammen- 
hängend mit  gottesdienstlichen  Formen  Ap.  I,  67  und  Dial. 


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DAS  TAUFSYMBOL  JU8TIN*S  DES  MÄRTYEERS.       11 

117  wichtig  ZU  nennen.  Der  in  dieser  Tabelle  zu  Grande 
liegende  Ausdruck  scheint  deshalb  besonders  wert,  berück- 
sichtigt zu  werden,  weil  er  sich  in  seinem  Wortlaut  (napro- 
xQaTODQ  —  notrf^iig  rtSy  oXcov)  sehr  nahe  an  die  uns  bekannten 
Entwicklungsformen  des  Apostolicums  anschliesst,  jedenfalls 
angleich  näher  als  der  Ausdruck  der  Taufformel;  auch  ist 
das  besonders  häuiSge  Vorkommen  AesnoirjT^g  rwy  oXwy  {^eog) 
in  Justin's  Schriften  auf  den  ersten  Anschein  hin  von  grossem 
Gkrwicht.  Gleichwohl  wird  man  den  letzteren  Punkt  nicht 
besonders  betonen  dürfen,  da  die  meisten  der  hierher  ge- 
hörigen Stellen  schon  nach  ihrer  Beschaffenheit  für  imsere 
BVage  ziemlich  indifferent  sind;  imd  auch  in  der  ersteren 
Phrase  wird  man  so  lange  nichts  mehr  als  die  Ansätze  zu 
späteren  Formen  oder  die  Spuren  eines  einzelnen  andern 
Gemeindesymbols  sehen  dürfen,  als  nicht  auch  andere  Gründe 
veranlassen,  in  jenem  Ausdruck  ein  Stück  des  Justinischen 
Taufsymbols  zu  erkennen.  Dieses  ist  aber  nicht  der  Fall; 
denn  zunächst  ist  derselbe  als  ganzer  imd  fast  ebenso  seine 
einzelnen  Teile  nur  im  Dialogus  nachweisbar,  während  der 
oben  aufgewiesene  Ausdruck  der  Taufformel  sich  ausser  den 
Stellen  der  Apologien  bis  auf  das  eine,  leicht  ergänzbare 
Wort  d^6g  auch  ein  Mal  im  Dialogus  (140)  findet  und  in 
seinen  Hauptteilen  ebensowohl  durch  den  Dialogus  wie  durch 
die  Apologien  belegt  wird.  Sodann  ist  das  numerische 
Verfiältnis  dem  Ausdruck  der  Taufformel  entschieden  weit 
günstiger  als  dem  andern;  und  vor  allem  zeugen  die  wich- 
tigen und  massgebenden  Stellen  in  weit  grösserer  Zahl  fiir 
den  ersteren  als  fiir  den  letzteren.  So  ist  es  denn  möglich, 
dass  wir  in  dem  zweiten  Ausdruck  o  navroxQarcoQ  xal  notri- 
rrjg  rwv  oX(oy  d-eog  den  ersten  Artikel  eines  zweiten  Q^meinde- 
bekenntnisses  vor  uns  haben,  von  dem  Justin  später  und 
nicht  so  stark  wie  von  jenem  ersteren  beeinflusst  war,  — 
eine  Spur  des  Taufsymbols  etwa  der  ephesinischen  oder  einer 
andern  Gemeinde,  in  der  Justin  sich  längere  Zeit  aufhielt. 
Jedenfalls  verdient  bei  unserer  Untersuchung  der  Aus- 
druck der  Taufformel  Ap.  I,  61  den  Vorzug.  Diesen  wer- 
den wir  mit  noch  weit  grösserer  Sicherheit  als  den  ersten 
Teil   dnes    dem    Justin    mutmasslich    bekannten   Symbols 


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12  BORNEMANN, 

ansehen  können,    und    das  Resultat    des    ersten  Teils    wäre 
demnach : 

nianvo^ey   tig    (inl)    roy    naHga    tfSy    oXwy    xai    Seanorrjy 
d-eoy. 

Betreffs  des  zweiten  Artikels  ist  oben  versucht, 
wahrscheinlich  zu  machen,  dass  die  von  Justin  bei  der  Be- 
handlung des  Taufiituß  Ap.  I,  61  mitgeteilte  Formel  nur 
die  Abkürzung  einer  im  gottesdienstlichen  Gebrauche  befind- 
lichen ausgefiihrteren  sei,  wie  sie  in  dem  oben  wiedergegebenen 
Passus  Dial.  85  vorliege.  Neben  dieser  bei  unserer  Unter- 
suchung somit  äusserst  wichtigen  Stelle  sind  von  den  ausser- 
ordentlich zahlreichen  Anklängen  grade  an  den  zweiten  Ar- 
tikel, die  sich  in  den  Apologien  wie  im  Dialogus  jinden, 
wegen  ihrer  Ausführlichkeit  noch  folgende,  allerdings  mehr 
als  regulae  fidei  an  ein  Symbol  sich  anschliessende,  ganz 
besonders  hervorzuheben: 

Ap.  I,  21:  ra  di  xal  roy  Xoyoy,  o  iari  nQwroy  ylyytjfxa 
Tov  d-fovj  avtv  intfit^lug  (f&axety  r^f^ag  yeyeyytjad-ai  j  lijaovy 
XQiatoy,  Toy  ätduaxaXoy  rjfiviyj  xai  rovroy  axavQwd-lyta  xai 
anod-ayoyja  xai  ayaoravTa  ayektjXv&^yai   dg  roy  ovgayoy. 

Ap.  I,  31 :  h  drj  raig  rwy  7iQ0(pr}T(j!)y  ßlßXoig  ivgofiey 
nQOXfjQvaaofAfyoy  naQayiyofxiyoy,  y%yy(!if.iiyoy  dia  naQ&iyov^  xai 
aydQoififyoy,  xai  d^fQantvoyxa  näoay  y6aoy  xai  naoay  /LiaXaxiay 
xai  viXQOvg  ayfydQoyxa  xai  (p&oyovf4(yoy  xai  ayyoov^eyoy  xai 
ajavQOVfÄeyoy  ^Itjaovy,  roy  rjf.ihfQoy  Xgioroyy  xai  ano&y^axoyru 
xai  avtyttQOfifyoy  xai  ilg  oiqayovg  aytQXO^eyoy,  xai  vioy  d-eov 
oyxa  xai  xexXtjfUyoy, 

Ap.  I,  42:  0  xa&*  i^^ag  äi  ^Ttjaovg  X^iarog  aravQwd-ilg 
xai  ano&aywy  ay^artj  xai  IßuaiXevaey  aytXdwy  dg  ovQayoy, 

Ap.  I,  46:  xar«  rijy  rov  nar qog  nayru)y  xai  diOTwrov 
d-eov  ßovXfjy  dia  naQd^iyov  ay&gwnog  unexvtj&ij  xai  ^Itjaovg  in- 
oyo^aa&7],  xai  aravQW&dg  xai  ano&aywy  ayf(nri  xai  ayeXrjXv&fy 
dg  ovgayby. 

Dial.  126:  Tlg  S^  larly  ovrog^  og  xai  na&rjrog  .... 
xixXTprai  .  .  .  xai  vlog  &eov,  d  lyytoxfire  .  .  .  .,  ovx  äy  ißXa- 
(Tq^tj^Hie  dg  avroy  7]di]  xai  naQaytyoiiiyoy  xai  ytyyri&lyra  xaX 
na&oyra  xai  avaßayxa  dg  xoy  ovQayoy  '     og  xai  naXty  naglfnai, 

Dial.  132:    roy  ^Iriaovy^  oy  xai  rfietg  iniyywfjuy  XQiaxoy 


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DAS  TAUFSTMBOL  JUSTIN'S  DES  MÄRTTREBS.  13 

vtoy  &e(Wj  OTttvpw&iyra  xal  ayaorayra  xal  aytXrjXvd-OTa  dg 
rovg  ovQoyovg  xal  n&kiy  JiOQayeyTjaofdiyoy  XQiT7]y  nayjwy  anXwg 
ay&g(on(oy  fiixQ^Q  avTOv  jidafx. 

Beachten  wir  vor  aUem  diese  sieben  angefiihrten 
Stellen^  welche  den  zweiten  Artikel  am  vollständigsten  wie- 
dergeben, so  ergiebt  sich  zunächst  fiir  die  Form  dieses  Teils 
des  dem  Justin  mutmasslich  bekannten  Symbols,  dass  das- 
selbe der  Hauptsache  nach  nicht  in  Relativsätzen,  sondern 
in  appositioneller  Participialconstruction  die  heilsgeschicht- 
lichen Tatsachen  aneinanderreiht,  ähnlich  wie  wir  es  in 
morgenländischen  Symbolen,  z.  B.  bei  CyriUus  von  Jerusa- 
lem, in  der  antiochenischen  Kirche,  in  den  apostoUschen  Con- 
stitutionen, bei  Pseudo-Athanasius,  in  der  Earche  zu  Salamis 
aufCypem  finden.^)  Es  wird  nun  unsere  Aufgabe  sein,  die 
Justinischen  Anklänge  an  den  zweiten  Artikel  auf  Grund  der 
einzelnen  Glieder  zu  untersuchen;  doch  wird  grade  hier  die 
Mannigfaltigkeit  der  Ausdrucksweise  die  Annahme  ganz  be- 
sonders nahe  legen,  dass  die  damals  in  den  christlichen  Ge- 
meinden gebräucUichen  Symbole  in  Bezug  auf  kleine  Aen- 
derungen,  Zusätze  und  Auslassungen  mannigfach  unter  ein- 
ander verschieden  waren,  und  dass  auch  jedes  einzelne  von 
ihnen  noch  keineswegs  eine  bis  ins  Kleinste  hinein  stereotype 
Form  besass,  so  dass  bei  unserer  Untersuchung  in  manchen 
Punkten  nur  ein  gewisser  Grad  von  Wahrscheinhchkeit  wird 
erreicht  werden  können. 

Was  den  Namen  des  Herrn  und  die  nächsten,  dem- 
selben angehängten,  appositioneilen  Bezeichnungen  anlangt, 
öo  ist  schon  von  vornherein  anzunehmen  —  und  dies  be- 
stätigt sich  auch  an  allen  hier  massgebenden  Orten  der  Ju- 
stinischen Schriften  — ,  dass  im  Symbol  der  volle  Name 
gebräuchlich  war,  und  zwar,  da  dieser  in  der  Stellung  Xqi- 
OTog  ^Ifjaovg  bei  Justin  überhaupt  nur  ein  Mal  (Dial.  35) 
vorkommt,  wahrscheinlich  in  der  sonst  stets  sich  findenden 
Aufeinanderfolge  *Itjaovg  XQiaxdg.  Doch  wird  dies  nur  eine 
Wahrscheinlichkeit  bleiben,  weil  die  Abschreiber  der  Hand- 


1)  Vgl.  Hahn,  Bibliothek  der  Symbole  und  Glaubensregeln  der 
alten  Kh-che,  2.  Aufl.  (Breslau  1877),  §§  62—69. 


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14  BORNEMANK; 

scliriften  eich  grade  hierbei  leicht  willkürliche  Stellungs- 
änderungen erlauben  konnten.  Während  nun  Justin  mehr- 
fach im  bewussten  G^ensatz  g^en  die  Juden  und  ihren 
etwa  noch  erwarteten  Meseias  ^Irjüovg  o  X^iarog  (Ap.  I,  31. 
63.  63.  DiaL  113.  117)  oder  *Triootg  b  tj/xhtQog  Xgiarog  (Ap. 
I,  31.  Dial.  62)  oder  o  rjiLthepog  *Ifjaovg  Kgiarig  (Dial.  68) 
sagt;  weisen  die  henrorragendsten  Stellen ^  an  d^ien  keine 
weitere  Apposition  den  Namen  begleitet,  'Itjtrovg  X^iarog  auf, 
so  dass  also  X^anog  bereits  völlig  Appellativum  geworden 
i8t(Ap.I,  5.  13.  42.  61;  ü,  6.  8.  Dial.  11.  30.  35.  52.  86. 
116-,  daneben  vgl.  Ap.  I,  25.  34.  35.  63.  Dial.  24.  30.  113. 
116).  Ebenso  haben  ^Irjawg  X^unog  die  noch  wichtigeren 
Stellen,  welche  dem  Namen  eine  symbolmässige  Apposition 
hinzuftLgen. 

Bei  den  beiden  nächstliegenden  appositioneilen  Zusätzen, 
xvQiog  und  awtrj^y  tritt  wieder  die  schon  erwähnte  Verschieden- 
heit der  Ausdrucksweise  in  den  Apologien  und  demDialogus 
hervor.  Die  Apologien  haben  nirgends  in  derartigem  Zu- 
sammenhange den  Zusatz  xifgiog,  dagegen  sowohl  bei  der 
einen  Nennung  der  TauflFormel  (Ap.  I,  61.  o  aantj^  fjfnwy 
*Ifjaovg  Xgi(n6g\  als  bei  der  Schilderung  des  Abendmahles 
(Ap.  I,  66:  ^Ifjaovg  Xgiorog  b  atarriQ  ^fniSy)  und  des  Gottes- 
dienstes (Ap.  I,  67:  ^Ifjaovg  XgiüTog  b  ^fiiveQog  awri^g)  und 
bei  Anflihrung  eines  Herrenwortes  (Ap.  I,  33 :  o  acarrQ  r.fioiv 
^Jriawg  X^tarbg)  den  Ausdruck  awTrfQ.  Andrwsoits  kommt 
im  Dialogus  an  den  bezeichnenden  Stellen,  abgesehen  von 
einer  einzigen,  wo  es  vor  einem  Herrenworte  o  tjfihtQog  kv- 
Qiog  xal  aantjQ  ^Irjaovg  X^iaxog  (Dial.  93)  heisst,  nur  ein  Mal 
(Dial.  18)  acoTTiQ,  sonst  aber  stets  xv^iog  vor.  So:  o  tJ/u^ 
regog  xvQiog  *Ifjaovg  X^iaxog  Dial.  32.  47.  49.  112  (vgl  o 
TifjibtQog  KVQiog  Dial.  49.  82.  115);  o  KVQiog  tj/ntuy  'Itjaovg 
XjpioTOff  Dial.  50.  53.  58.  und  ^Trjawg  Xpiarbg  b  xvQiog  r^ftdoy 
Dial.  41.  41.  140  (vgl.  xvQiog  b  XgtaTog  Dial.  32.  128.  u. 
0  ^Ii]oovg  KVQtog  rjfiwy  DiaL  76.  113).  Darunter  ist  der  sym- 
bolische Zusammenhang  sehr  wichtig  bei  Dial.  32  (vgl.  33). 
41.  49  u.  76  (während  Dial.  47.  49.  82.  112  u.  140  Herren- 
worte eingeführt  werden),  so  dass  sowohl  die  Zahl  als  der 
Wert  der  Stellen  —  bei  der  zweiten,   für  uns  wichtigeren 


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DAS  TAÜF8YMB0L  JTOTIK'S  DES  MÄBTYKEE8.  15 

N^mxmg  der  'Riuflformel  Ap.  I,  61  fehlt  a^nrig  —  dem  xv^iog 
bei  unserer  Frage  günstiger  ersdieint  ab  dem  aam^g:  wird 
doch  a«eh  grade  im  Dialogus  dem  Tryphon  gegenüber  leb- 
haft dafUr  eingetreten^  dass  Christus  die  Bezeichnung  xv^ioc 
zu  ftLhren  berechtigt  sei.  Wahrscheinlich  ist  dann  dies  o 
xv^tog  fjfUtegog  oder  o  ytv^iog  fjfitöy  dem  ^IfjüovgXQiatog  vor- 
zusetzen. 

Eine  Apposition  ^  welche  keines&lls  in  dem  eventuellen 
Symbol  gefehlt  hat,  ist  vlog  d-Bov,  vlog  to€  &e(w,  &iov  vlog 
oder  vlog  aitov.  Wir  finden  dieselbe  ungemein  häufig  bei 
Justin,  sei  es  in  gradezu  an  das  Symbol  anklingenden  Stellen 
(vlog  &hov  'Irjaovg  X^iarig  DifiJ.  23 ;  vlog  avtov  ^Jfjoovg  Xqimog 
Ap.  I,  67;  vlhg  toS  d-tov  Xgtaxog  Dial.  43;  o  X^wtog  tov  &€ov 
vlog  Dial.  45;  X^arog  vlog  tov  narpoc  rcSi'  oXwy  Dial.  116; 
0  XQunbg  eSc  vlog  &tov  Dial.  118;  X^tarog  vlog  d-eov  Dial.  132; 
X^unog  t4o^  avtov  Ap.  I,  58.  Dial.  7;  vlog  tov  &€o€  Dial. 
85.  117;  tov  d'iov  tnog  Dial.  126;  o  vlog  avtov  Ap.  I,  6. 
Mal  127  und  mit  weiterer  Umschreibung  Ap.  I,  13.  23. 
31),  sei  es  beiläu%  als  Attribut  oder  Ersatz  t^  den  Namen 
des  Herrn  (vlog  O^ov  X^tatog  Dial.  100;  ^Itjüovg  o  vlog  tov 
^toi  DiaL  116;  vlog  &€o{;  Ap.  I,  30.  40.  Dial.  100.  108. 
126;  vioc  tov  &tov  Ap.  I,  60.  63;  o  t;fo^  avtov  Dial.  105), 
sei  es  endlich  in  lehrhafter  Auseinandersetzung  und  als  Ge- 
genstand der  Diq>utation  (Ap.  I,  12.  22.  30.  32.  63.  DiaL 
48  u.  oft).  Nun  finden  sich  an  manchen  Stellen,  die  un- 
zweifelhaft den  Charakter  einer  regula  fidei  tragen,  auch 
andre  Bezeichnungen  ^fUr  den  Herrn;  so  SiSdaxaXog  (Ap.  I, 
13.  21.  Dial.  108;  v^.  Ap.  I,  6.  12.  19.  32;  H,  8),  Xiyog 
(Ap.  I,  6.  21.  23.  32.  63.  DiaL  105;  vgL  Ap.  I,  12.  22.  33. 
63;  n,  13),  anooToXog  (Ap.  I,  63;  vgL  I,  12)  und  Simfiig 
(Ap.  I,  32;  VgL  I,  33;  H,  10);  allein  alle  diese  Benennungen 
dürften  mdir  lehrhafte  und  erklärende  Zusätze  des  Theologen 
Justin  als  wirkhche  Teile  des  Symbols  darstellen.  Wich- 
tiger erscheint  die  Frage,  ob  nicht  der  oben  erprobte  Aus- 
druck vlog  tov  d-tov  (bzw.  iAog  avtov)  von  einem  Adjectiv 
näher  bestimmt  war.  Das  Wort  ngcotoyorog,  das  sich  nur 
Ap.  I,  58  findet,  feilt  fi^ilich  füglich  für  unsere  Untersuchung 
fort     Mit  fioyoyerrjg  hat  es  vielleicht  eine  ähnliche  Bewandtnis, 


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16  BOBNEliAKNy 

wie  wir  sie  oben  bei  TtavToxgaxiüQ  vermuteten;  denn  wäh- 
rend sich  dies  Wort  in  den  Apologien  gar  nicht,  im  Dia- 
logus  nur  ein  einziges  Mal  (105)  findet,  und  zwar,  wenn 
auch  im  Zusammenhang  einer  regula  fidei,  so  doch  durch 
die  Exegese  eines  alttestamentlichen  Citates  unmittelbar  her- 
vorgerufen, ist  uns  andererseits  von  Irenäus  (IV,  11,  2)  eine 
Stelle  aus  dem  Syntagma  Justin's  contra  Marcionem  erhalten, 
welche,  eine  regula  fidei  darstellend,  die  Bezeichnung  uni- 
genitus  =  /noyoyeyTJg  aufweist.  Weit  wahrscheinUcher  ist  schon, 
dass  n^wTOToxog  als  Zusatz  im  Symbol  Justin's  vorhanden 
war.  Denn  sowohl  Dial.  85,  eine  oben  von  uns  als  sehr 
wichtig  erkannte  Stelle,  wie  die  ähnlich  wichtige  Dial.  116 
haben  dies  Wort;  überhaupt  kommt  es  häufiger  (Ap.  I,  23. 
33.  46.  53.  63.  Dial.  84.  85.  100.  116..  125.  138)  bei  Justin 
vor,  und  zwar  ziemlich  gleichmässig  in  den  Apologien  und 
im  Dialogus,  so  dass  es,  falls  es  nicht  wirklich  ein  Teil  des 
Symbols  war,  jedenfalls  besonders  gern  von  Justin  seinen 
regulis  fidei  zugesetzt  wurde.  Gleichwohl  wird  man  hier 
stets  nur  einen  gewissen  Grad  von  Wahrscheinlichkeit  er- 
reichen können,  da  die  begleitenden  Worte  (n^cüioroxog  nuaijg 
xriaecog,  twv  ohoy  xiia/naTWy,  rioy  nuyiwy  noifjf4aT(üy]  tiqwto- 
Toxog  vlog,  ngcoroToxoy  rixvoy)  sehr  verschiedenartig  sind;  in- 
des haben  die  meisten  Stellen  (Ap.  I,  23.  33.  46.  53.  63. 
Dial.  100.  116)  den  Genitiv  d^iov  oder  den  Dativ  d^am  neben 
TiQunoxoxog. 

Für  die  Gebiui:  des  Herrn  hat  die  oben  von  uns  als 
hervorragend  wichtig  bezeichnete  und  deshalb  hier  als  Leit- 
stern dienende  Stelle  Dial.  85  die  Glieder :  xal  diä  naQ&ivov 
yeyyfjd-iyTog  xal  na&tjrov  ytyo^iyov  ayd-Qwnov]  imd  in  der  Tat 
rechtfertigen  sich  grade  diese  Ausdrücke  vor  allen  andern, 
wenn  wir  die  sämmtlichen,  so  ausserordentlich  zahlreichen 
Stellen  bei  Justin  vergleichen,  welche  sich  auf  die  Mensch- 
werdung Christi  beziehen.  Zunächst  ergicbt  sich  nänJich 
eine  ganze  Reihe  kleiner  Erweitenmgen,  welche  die  Foimel 
Dial.  85  bei  diesem  Gliede  nicht  aufweist,  als  augenblicklich 
und  wiUkürlich  von  Justin  an  den  verschiedensten  Stellen 
hinzugefugte,  mehr  dogmatische  Zusätze.  So:  liytv  imfii^iag 
Ap.  I,  21;  naga  rr^y  xotyi^y  ylyemy  Ap.  I,   22;  dix«   ctfiOQviug 


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DAS  TAUFSYMBOL  JUSTIN'S  DES  MÄRTYRERS.  17 

Dial.  2Z]  ov  l'§  ayd^Qümivov  anlQfAaTogTAdl.  76;  avm^ty  DisX, 
63. 64.  Femer :  vmQ  rj^fSy  Ap.  1, 50 ;  vniQ  rov  ay&Qümelov  yiyovg 
Ap.  I;  63 ;  vmQ  awjfjQlag  jcjy  niatevoyrwy  avraf  Ap.  I;  63 ;  inig 
rioy  ntGTivoyrioy  ay&Qfinwy  Ap.TL,  6 ;  <^/'  ^i"«^  Ap.  ü,  13.  Ebenso 
der  Zusatz  zu  6tä  t^^  nuQd-iyov  ano  tov  anlQfxax og  *Iaxwß  xrX. 
Ap.  I,  32 ;  ano  yiyovg  ^AßQuafx  Dial.  23  und  Aehnliches  (Dial. 
43.  45.  100).  Auch  der  Name  Maria,  der  sich  überhaupt  nur 
zwei  Mal  (Dial.  11 3  u.  120)  findet,  war  nicht  in  dem  eventuellen 
Symbole  Justin's.  Nur  in  Einem  Punkte  dürfte  es  zweifelhaft 
sein,  ob  nicht  die  Formel  Dial.  85  verkürzt  sei.  Es  findet 
sich  nämlich  an  zahlreichen,  hier  zu  beachtenden  Stellen  zu 
den  obigen  Worten  die  Bemerkung  „gemäss  dem  Willen 
Gottes".  Freilich  würden  vereinzelte  Ausdrücke  wie  xfi  ßovXfj 
avTW  Ap.  I,  32,  ^ta  ävyu/niwg  d-eov  Ap.  I,  32,  Siu  d-iXtjfiarog 
d-eov  Ap.  I,  63,  Ix  &eXfj^aTog  &eov  Dial.  63,  ano  rov  nargog 
d-tkifOH  Dial.  61,  vgl.  128,  imd  ano  rov  nax^og  dvyaf,iH  xcel 
ßavXjj  Dial.  100  an  imd  für  sich  hier  wegen  ihrer  Verschie- 
denheit übergangen  werden  können;  allein  als  Synonjona 
verstärken  sie  den  Wert,  den  der  oft  wiederkehrende  Zusatz 
xara  Tf\y  xov  naxQog  (oder  d-tov)  ßovXtjy  (Ap.  I,  46.  63;  II,  6. 
Dial.  23.  48.  63.  75.  76.  87.  vgl.  127)  für  unsere  Unter- 
suchung hat  Es  ist  immerhin  wahrscheinlich,  dass  dieser 
Zusatz  in  der  Stelle  Dial.  85  bei  der  freien  Wiedergabe  des 
Symbols  zuföllig  übergangen  ist.  Dagegen  erscheinen  einige 
Participien,  die  sich  hie  und  da  ftlr  yeyytj&iyra  und  ay&gwnoy 
als  Eirsatz  oder  als  Zusatz  zu  ihnen  finden,  der  festen  Form 
des  Symbols  nicht  angehört  zu  haben;  so  (patyofifyoy  Dial.  76 ; 
natSioy  yiydfxtyoy  Dial.  67,  vgl.  34;  nQOtk&oyxaTyisX.  100;  naga- 
ytyofieyoy  Ap.  I,  31.  Dial.  126;  anoxvtjd^iig  Ap.  II,  6,  vgl. 
I,  32.  46 ;  und  aoQxonotrjd^Ug  Ap.  I,  32.  66.  Dial.  45.  84.  100. 
Aber  auch  positiv  wird  der  Ausdruck  von  Dial.  85  be- 
stätigt. So  finden  sich  beide  Ausdrücke  yeyytjd-ryai  und 
ayd-Qianoy  yiyia&ai  zusanunen  noch  Dial.  48.  68.  u.  101,  und 
zusammengezogen  in  ay&Qomoy  yiyyrjd-tjyai  Dial.  48.  63.  75. 
87.  100.  127.  Femer  findet  sich  jeder  einzelne  der  beiden 
Ausdrücke  häufig;  so  einerseits  yeyyrjd-iyra  Ap.  I,  13.  Dial. 
23.  43.  57.  126;  ytyeyyrjfidyoy  Disl.  63;  yeyyci^fyoy  Af.  I,  31 
(vgl.  auch  ytyyfj&rjyat  vnffjiHyt  Ap.  I,  22.  Dial.  45.  50.  61.  63. 

Zeitsehr.  f.  K.-G.    m,  1.  2 

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J8  ßcmifEHA^ns, 

$6.  76.  88.  128;  ytytyy^a^ai  Ap.  I,  21,  22\  ofM  Tif  yet^yfj- 
&rimi  Dial.  78.  88.  102,  106).  Ebenso  andrerseits:  w^qü). 
nog  yivofjiiyog  Ap.  I,  23.  42.  50.  53.  63.  63.  DiaL  38.  64. 
76.  105.  125;  vgl.  xo  &v&Qwnoy  yivia&ui  DiaL  67.  100;  a¥^ 
&Qü)noy  ytyoviyai  Dial.  100;  uyd^gwnog  yiyoye  Ap.  I,  32; 
n,  6.  13.  Desgleichen  kommt  der  Zusatz  nu&rjrSg  mehr- 
fach vor,  auch  sonst  ein  häufiges  Beiwort  des  historischen 
Christus:  Dial.  34.  36.36.  39.  52.  85.  100;  auchDial.  68.  74.  76. 
89.  110.  111.  1?6  (vgl.  ofiOiMu^q  Dial.  48.  57).  Endlich  recht- 
fertigt sich  auch  das  dia  naQ&eyov,  welches  sich,  während  uno 
nag&eyov  (Dial.  43.  66)  und  ix  nag&^yov  (Dial.  66,  vgl.  ^x  ya- 
axQog  Dial.  76)  sehr  selten  ist,  ausseroi-dentlich  oft  findet 
(Ap.  I,  31.  32.  33.  46.  63.  Dial.  23.  43.  45.  50.  57.  63. 
66.  75.  85.  87.    100.  100.  100.   101.  105.  113.   120.  127). 

Verfolgen  wir  das  Symbol  weiter,  so  dürfen  wir  die 
ein  Mal  (Ap.  I,  31)  sich  findende  Fortsetzung  aySgovfityoy 
'dal  d-tQantvoyxa  nuauy  voaoy  xat  nuaay  fAaXax/uy  xou  yixgovg 
aytyilQOvra  xai  q^StoyovfAfyoy  xal  ayyoov^iyoy  ohne  weiteres  über- 
gehen. Dagegen  entsteht  die  Frage,  ob  na&oyra  in  das 
Symbol  gehört.  Nach  Dial.  126  erscheint  dies  als  sehr  wahr- 
scheinlich; indes  ist  dies  die  einzige  Stelle,  wo  des  Lei- 
dens in  dieser  straflFen,  symbolniässigen  Form  Erwähnung  ge- 
tan wird;  denn  Ap.  I,  ^0.  63  und  Dial.  67.  68,  wo  das 
Leiden  allerdings  im  Gedankenzusanmienhange  des  Symbols 
gepannt  wird,  sin^  sehr  freie  regulae  fidei.  Ausserdem  kommt 
Tiad-iiy^  kna&iy^  ninov&^y ,  na&og  etc.  noch  Ap.  I,  32.  Dial. 
30.  31.  40.  40.  41.  53.  89.  90.  95.  95.  101.  105.  106.  117  vor, 
aber  stets  in  so  freier  und  willkürlicher  Weise,  dass  sdion 
die  verschiedene  Art  der  Erwähnung  den  Gedanken,  es  sei 
ein  Glied  des  Symbols  gewesen,  zu  widerlegen  scheint.  Be- 
sonders wichtig  aber  erscheint  hierbei  noch,  dass  das  Leiden 
zugleich  mit  der  Kreuzigung  imd  dem  Sterben  nur  Dial. 
51.  76  u.  100  genannt  ißt,  d.  h.  nur  bei  Reproduction  von 
Luk.  9,  22  (bzw.  Mark.  8,  31).  So  steht  denn  auch  DiaJ. 
126  m  der  sonst  symbolmässigen  Formel,  die  nu&oyja  auf- 
weist, weder  azavQüid^fyxa  noch  icnod^aydyia\  und  alles  dies 
entscheidet  gegen  eine  Einschiebung  de^  nad^oyja  oder  we- 
nigstens so,  dass,  falls  na&oyra  zuweUen  in  dem  Symbol  ge- 


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DAS  TAÜFSYMBOL  JüSTIN'S  DES  MÄBTYRERS.  19 

braucht  wurde,  dann  atavQw&ivTa  xai  anoduyoyra  jedes  Mal 
ausfiel. 

Dadurch  wird  wiederum  die  Vorzüglichkeit  der  oben 
von  uns  als  besonders  wertvoll  anerkannten  Stelle  Dial.  85 
bestätigt;  denn  dieselbe  hat  na&oyiog  nicht,  dagegen  xui 
axavQiot^iviog  im  llovilov  ILXaiov  vnb  lov  kaov  vfiwv  xui 
anod-uvoyrog.  Grade  diese  gemeinsame  Erwähnung  dieser 
beiden  Tatsachen  innerhalb  der  symbolischen  Aufzählung 
wird  uns  aber  auch  sonst  an  hervorragenden  Orten  geboten ; 
so  Ap.  I,  21.  42.  46  (?).  Dial.  95  (x«i  <nuvQ(ad^ivxa  xai  uno- 
d-ayoyxa).  Ap.  I,  31.  Dial.  71  (x«i  aTavQ(n)f.uyov  xai  ano- 
&yriaxoyT(t).  Dial.  63.  90  (xai  aravgiod-TJvai  xal  ano&aytty). 
Dial.  67  (xal  yag  to  ano&aytXy  aruvgtüd^^yva)  und  Dial.  74 
(joy  xal  ^txa  to  axav(}ü)d-^yai  ano^yfjaxoyxa).  Wenn  ausser- 
dem der  Tod  allein  nur  selten  (xal  anot/aydy^  Ap.  I,  63; 
vgl.  Dial.  97)  erwähnt  wird,  so  findet  sich  die  Erwähnung 
der  Kreuzigung  um  so  häufiger.  So  wird,  teils  im  Gedanken- 
zusammenhange der  symbolischen  Heilstatsachen,  teils  als 
Attribut  für  den  Namen  Christi,  teils  endlich  als  Ersatz  für 
denselben,  gefimden:  o  axavQcod'i/g  Dial.  71.  73;  xov  axavQUh- 
aivxog  Ap.  I,  61;  II,  6.  Dial.  11.  11.  30.  34.  85.  96.  106. 
110.  112.  117.  131;  TftJ  axavQW&iyxi  Dial.  49;  xoy  axav^to- 
^ivxa  Ap.  I,  13.  32.  Dial.  36.  38.  46.  76.  116.  132;  xov 
icftavQOVfi^yov  Dial.  53.  96;  xoy  iaxav^ovfifyoy  Dial.  91.  93. 
137;  femer  in  hierhergehörigem  Zusammenhange  axavQto- 
^yai  Ap.  I,  60.  Dial.  38.  50.  86.  107.  107.  100;  taxavQVüa^ai 

Dial.  39  1). 

Wenn  sich  mm  einerseits  das  iy  ^Iov8a(a  Ap.  I,  32,  das 
vno  xov  Xa&v  vfiSy  Dial.  85  und  die  Apposition  zum  Namen 
des  Pilatus  xov  ytyoi.Uyov  xxX.  Ap.  I,  13.  DiaL  30  von 
selbst  als  freie  Zusätze  Jusiin's  zu  erkennen  geben,  so  wird 
andrersrits  das  inl  Tloyxhv  UiXaxov  beizubehalten  sein ,  da 
e&j  wie  wir  oben  sahen,  grade  an  den  für  unsere  Frage  her- 
vorragend bedeutsamen  Stellen  vorkommt. 


1)  Sonst  wird  die  Kreuzigung  erwähnt  Ap.  I,  22.  35.  35.  41.  42. 
53.  67.  Dial.  10.  17.  32.  53.  72.  76.  88.  89.  89.  97.  97.  97.  99.  101. 
103.  104.  105.  106.  125.  141. 

2* 


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20 

Dass  das  Begräbnis  Jesu  kein  besonderes  Glied  in 
dem  in  Frage  stehenden  Symbol  bildete,  folgt  schon  daraus, 
dass  die  Erwähnung  desselben  Dial.  118  (rov  ^anreod-ai  /liX- 
Xoyvog  xal  uyiaiaa&ai  Kgiarov)  die  einzige  ihrer  Art  und 
noch  dazu  durch  die  Exegese  von  Jes.  57,  2  hervorge- 
rufen ist. 

Für  die  Auferstehimg  bietet  Dial.  85  das  Glied:  x(m 
uyuGxuvxog  ix  yixQcSy^  welches  sich  ebenfalls  in  jeder  Hin- 
sicht rechtfertigt.  Denn  uyacfjtjyai  (bzw.  uyiavaa&ai)  ist  das- 
jenige Wort,  welches  die  meisten  wie  auch  die  wichtigsten 
Stellen  bieten,  während  Ausdrücke  wie  ayeyugofieyoy  Ap.  I,  31, 
ayeyiQiiy  Dial.  106,  iyty^Q&at  Dial.  108  vereinzelt  sind.  So 
findet  sich  ayaorag  in  den  verschiedenen  Casus:  Ap.  I,  21. 
50.  63.  Dial.  17.  41.  63.  73.  85.  108.  132.  138;  femer  ayhvTj 
Ap.  I,  42.  46.  67.  Dial.  36.  53.  85.  97 ;  ayiaTaad-üUy  ayaarijyai, 
ayaoTfjaaiy  uyaairmo&ai  Ap.  I,  45.  Dial.  32.  51.  100.  106. 
107.  108.  118,  uyaoT^an  Dial.  95.  Fast  überall  steht  dabei 
auch  ix  ytxQwy  (Ap.  I,  45.  67.  Dial.  17.  32.  36.  53.  85.  85. 
85.  100.  106.  108),  bzw.  ix  T<üy  yexgwy  Dial.  106,  sehr  selten 
unb  ytxQwy  (Dial.  41.  138)  oder  (ayuaiaaig)  ano  rcjy  yexguiy 
Dial.  82.  108.  Die  Worte  t/J  ^i^  jwy  aaßßajuiv  Dial.  41 
können  hier  unberücksichtigt  bleiben,  imd  ebenso  t^  '^qI'^TI 
fj^^Qa  (Dial.  51.  76.  97.  100.  107),  welches  fast  überall  nur 
im  Zusanmtienhang  von  Stellen  des  Alten  oder  Neuen  Testa- 
mentes hinzutritt. 

Auch  die  Himmelfahrt  wird  Dial.  85  genannt:  xüu  aya- 
ftaytog  eig  tov  ovQuyoy]  und  wiederum  findet  dieser  Ausdruck 
durch  die  übrigen  Stellen  seine  Bestätigung.  Denn  die  Aus- 
sage, „dass  der  Vater  Christum  hinaufgeführt  habe"  (äyayiTy 
ifg  Toy  ovQuyoy  Ap.  I,  45;  ttyayoyva  ano  Trjg  yijg  Dial.  32), 
steht  ebenso  vereinzelt  da  wie  das  nuhy  tlg  jovg  avrovg  t6- 
novg  ayiiyai  Dial.  64  imd  das  ayeXr^tp&tj  Dial.  32 ;  auch  Aus- 
drücke wie  ano  lijg  yijg  Dial.  32  und  aig  to  vxpog  Dial.  39 
ergeben  sich  als  einmaUge  und  zulällige.  Dagegen  kommen 
uyiQx^o&ai  und  ayaßalyuv  in  ihren  verschiedenen  Formen 
häufig  vor,  letzteres  besonders  im  Participium  ayaßag  (Dial. 
17.  36.  39.  85.  126);  ayißaiyty  Dial.  36;  äyußfßr^xiyai  Dial. 
38,  und  immer,   falls  dieses  hinzugefugt   Mord,   mit   dg  vor 


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DAS  TAUPSYMBOL  JüSTIN'S  DES  MÄRTYRERS.  21 

ovQuyoy,  Ersteres  findet  sich  als  avtQxif-i^yog  Ap.  I,  31.  50. 
Dial.  34;  ay%k&wy  Ap.  I,  42;  avtXtikv&oxa  Dial.  132;  avekri' 
Xv&ty  Ap.  I,  46.  DiaJ.  63 ;  uyijX&ey  DiaJ.  85  und  ayiXtjXv&^yai 
Ap.  I,  21.  Dial.  39.  108.  Während  elg  ovQayovg  nur  zwei 
Mal  Ap.  I,  31.  Dial.  132  steht,  findet  sich  efg  roy  ovQaydy 
Ap.  I,  21.  45.  Dial.  17.  32.  36.  38.  39.  63.  85.  85.  126 
(vgl.  Dial.  39  avO^tvoig  dg  roy  oigaySy)]  dg  ovQavoy  Ap.  I, 
42.  46.  50.  DiaL  34.  108  (vgl.  Ap.  I,  26.  Dial.  87  ayiXtvaig 
äg  oi'Qayoy  und  Dial.  82  ayoiog  dg  ovQayoy).  So  ist  der 
Ausdruck  von  Dial.  85  xal  ayaßayjog  dg  xoy  oigayoy  auch 
hier  der  bestbezeugte. 

Mit  dem  Bekenntnis  der  Himmelfahrt  schliesst  die  Dial.  85 
mitgeteilte  Formel,  und  es  dtiri'te  mindestens  sehr  zweifelhaft 
sein,  ob  noch  ein  oder  mehrere  Glieder  zur  Vervollständigung 
derselben  herangezogen  werden  können.  Jedenfalls  darf  das 
„Sitzen  zur  Rechten"  nicht  als  ein  solches  Glied  betrachtet 
werden,  da  es  sich  nur  zwei  Mal  (Dial.  32  u.  36),  und  hier 
als  Bestandteil  des  alttestamentlichen  Citates  Ps.  110  findet. 
Eher  mag  die  Aussage  der  ewigen  Königsherrschaft  (bzw. 
auch  des  ewigen  Priestertums)  Christi,  welche  Dial.  39  und 
74  am  Ende  des  zweiten  Artikels  zu  fordern  scheinen,  und 
die  sich  auch  ausserdem  ziemlich  häufig  findet  (Ap.  I,  42. 
Dial.  34.  36.  42.  46.  70.  73.  76.  96.  118),  als  eine  dem  Sym- 
bol angebörige  aiizusehen  sein;  doch  nur  vielleicht,  da  sie 
unter  dem  verschiedensten  Wortlaut  vorkommt,  in  einer  be- 
stimmten stereotypen  Form  die  Ausdrucksweise  Justin's  keines- 
wegs bestimmt  zu  haben  und  vielmehr  erst  den  Ansatz  zu 
einer  derartigen  symbolischen  Aufstellung  darzubieten  scheint. 
Einen  weit  berechtigteren  Anspruch  auf  Berücksichtigimg 
darf  dagegen  das  Bekenntnis  der  Parusie  erheben,  welche 
jedenüedls  zur  Zeit  Justin's  eines  der  hervorragendsten  Lehr- 
stacke  (nagovaia,  vgl.  Dial.  34.  40.  45.  54.  59.  110.  110. 
111.  118;  iySol^og  naQovaia  Dial.  31.  35.  49.  121)  und  Gegen- 
stand der  gespanntesten  Erwartung  (ngogäoxäy  Ap.  I,  32. 
DiaL  52.  52.  120)  war,  und  sehr  oft  in  Justin's  Schriften  in 
den  Vordergrund  tritt.  Besonders  scheinen  für  unsere  Frage 
DiaL  126.  132  und  daneben  Ap.  I,  50.  DiaL  34.  38  u.  39 
wichtig.      Das  stereotype  Wort  hierfür  ist  (abgesehen  von 


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22 

einem  einmaligen  eXivoticu  Dial.  49,  femer  von  naXiy  naQimai 
DiaL  14.  110.  124.  126,  vgl.  120  und  yi^rixai  Kai.  110) 
TioQaylyyioS'at,  Dasselbe  findet  sich  in  nakiy  jiuQayeyiiaofievoy 
Ap.  I;  32.  Dial.  52.  52.  132;  na^ayeyofityoy  Ap.  I,  52;  nahy 
noQayiyofuyog  Dial.  34;  naXiy  na^ayerrjaerui  Ap,  I,  50;  ndXiy 
7iaQayey7joead^at  Ap.  I,  52.  Dial.  86;  nugay/yacrd-ai  Ap.  I,  51. 
Dial.  38.  39.  49.  Femer  tritt  ziemlich,  beständig  eine  Er- 
weiterung wie  fina  Sogrjq  (Ap.  I,  50.  51.  52.  DiaL  34.  39. 
70.  110)  oder  iy  ^oirj  (Ap.  I,  52.  Dial.  14.  49),  JVtfogo^ 
(Dial.  36.  49.  86.  HO)  oder  iyäol^wg  (Dial.  83)  hinzu,  wäh- 
rend 15  ovQay(x;y  (Ap.  I,  51.  Dial.  49),  ano  TfZy  ovQaywy 
(Dial.  HO),  im  rijg  yrjg  (Dial.  38),  Inayo)  rwy  yeqühSy  (Dial. 
14.  120),  ifKfUQTig  (Dial.  110)  und  ^«t«  xr^g  ayytkixiig  avxotj 
üTQajiag  (Ap.  I,  52)  sich  mehr  als  beiläufige,  fireie  und  will- 
kürliche Zusätze  kundgeben.  Möglich,  wenn  auch  nicht  wahr- 
scheinlich, ist  schliessUch,  dass  der  Scliluss  des  zweiten  Ar- 
tikels xQiTTiy  nayrtoy  oty&gdnwy  lautete;  vgl.  besonders  DiaL 
132.  Doch  sind  die  Stellen  bei  Justin,  welche  an  diesen 
Schluss  anklingen  würden  (Ap.  I,  53.  Dial.  36.  46.  49.  118. 
124.  132),  verhältnismässig  selten  und  an  Wortlaut  sehr 
von  einander  verschieden.  Ueberhaupt  wird  grade  der  Schluss 
des  zweiten  Artikels  für  unsere  Frage  am  schwersten  zu  be- 
stimmen sein. 

Unser  Resultat  wäre  also  hier:  „xat  dg  Toy  xvpioy  rj^aiy 
^Jfjdovy  XpiGToyy  roy  nQtororoxoy  avrov  vioy  xoy  (xara  X7]y  xov 
naxQog  ßovXr/y)  äta  naQ&iyov  yeyyr^&^yxa  xat  nad"t]Xoy  yeyofuyoy 
ayd^Qtonoy  xul  cxavQwd-iyxa  in\  Iloyxiov  TItkaxov  xal  uno&a- 
yoyxa  xai  ayuaxdyia  ix  ytxgwy  xal  ayaßayxa  eig  xoy  ovgayoy 
xul  naXiy  faxa  äo'^Tjg  nagayeyrjaofteyoy  (xgixi^y  nayxwy  ayd"^- 
nwyy 

Bei  dem  dritten  Artikel  werden  wir  für  unsere  Frage 
nur  das  Bekenntnis  zum  heiligen  Geist  zu  berücksichtigen 
haben.  Denn  alle  andern,  im  dritten  Artikel  des  späteren 
ApostoUcum  sich  findenden  Bekenntnisglieder  werden  nur 
selten,  beiläufig  und  ohne  stereotype  Formel  erwähnt  (vgl. 
ixxXijaia  Dial.  63.  116;  ßanxiOfAa  DiaL  14.  19.  43;  mfiGig 
afiUQXiwy  Ap.  I,  61.  Dial.  44.  54.  95.  111.  116.  141;  aya- 
öxamg  Dial.  45.  80.  81.  113.  117  u.  s.  w.;   ausserdem  vgL 


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DAS  TAÜFSYMBOL  JUSTIN'S  DES  MÄRTYRERS.  23 

Disdi  44.  45.  46.  67.  69.  117.  141).  WährCTid  ro  d-ftov 
Tzyevfta  (Ap.  I,  32.  Diai.  7.  9)  mid  ro  &eToy  ayiov  n^gjTjjtxoy 
nvevfta  (Ap.  I,  32)  sehen  ist,  wird  oft  genannt:  to  ayiov 
nrwpM  (DW.  4.  7.  25.  29.  33.  34.  36.  54.  55.  56.  74.  74. 
78.  84.  8a  114.  124),  oder  nrevina  ayiar  (Ap.  I,  61),  oder 
To  nvfvfia  %o  ayior  (Ap.  I,  65.  67.  Dial.  36,  37.  52.  61.  73. 
87.  88.  124);  femer  ro  nQO(prjTtxoy  nrn/au  (Ap.  I,  31.  33. 
38.  39.  40.  46.  41.  42.  44.  47.  48.  51.  53.  59.  60.  63.  63. 
63.  DiaL  38.  43.  43.  49.  53.  55.  77.  84.  91.  139),  oder  ro 
nytviLta  ro  nQoiftfrixov  (Ap.  I,  6.  13).  In  besonders  solennen 
SteUen  scheinen  beide  Attribute,  ayioy  und  nQotptjtacoy,  zu- 
sammengesetzt zu  sein,  wie  es  Ap.  I,  44.  53.  Dial.  32.  56 
vorkonunt,  und  auch  durch  die  erweiterte  Taufformel  Ap.  I, 
61  (t6  nyev/xa  aytoy,  o  ^lat  xdy  ngotprjtwy  ngoexfjQv^i  t«  xara 
Toy  ^Ifjoavy  nuyia)  bestätigt  wird. 

Endlich  sei  noch  bemerkt,  dass  im  äprachgebraaich  des 
Justin  moTtveiy  sehr  oft  mit  dem  Dativ  und  ziemlich  gleich 
oft  mit  ini  (Dial.  16.  46.  47.  47.  47.  47.  52.  53.  69.  76.  83. 
91.  94.  110.  116.  116.  121.  139)  und  mit  eiV  (Diöll  26.30. 
35.  40.  40.  42.  63.  70.  89.  95.  100.  101.  108.  122.  131.  136) 
verbxmden  wird.  Das  mutmassliche  Symbol  würde  demnach 
lauten  *): 

y^niOTiVOfAty  rf?  (Mi)  roy  naifga    tlüv  oXwy  xui  deanoitjy 

xa)  dg  {int)  %oy  xvQioy  r^fnidy  ^Irjaovy  X^taioy^  tby  ngwii- 
joxoy  (tvTOv  vioy^  toy  (xaju  rijy  rov  naxQog  ßovXijy)  ätu  nug- 
d^lyov  yeyyTj&iyV'a  xul  nadijroy  ytyopityoy  ay^omoy  xui  avav- 
gfad'fyru  tni  Iloyxlov  HtXuTOv  xal    uno&ayoytu   xai  ayaoTuyiu 

1)  Zur  Vergleichung  folge  hier  das  alte  römische  S3rmbol  uach 
Caspari  (Ungedruckte  .  .  .  Quellen  z.  Gesch.  des  Taufsymbols  u.  s.w., 
Bd.  m  [1875],  S.  3 f.): 

„nunevto  kiq  d-edy  narega  nayxoxgatoga' 

Ktti  si^  XQiorov  Itiaovy,  vlov  avtov  roy  f^uyoyeyrf,  tuv  xvgtoy  rjfttüv 
toy  yfyyji^ivxii  ix  nysv/jtKtoi  dylov  xal  Magfag  r^j  nag^ivov^  rov  iTii 
üoftiov  JJikärov  arnv^tad^vfn  xxä  ictffipTu^  ifi  jgitfi  rifjtigif.  ayatnavra 
ix  y€xgidyj  uyaßdvta  Biq^xov^  ovgayovg^  X((d-nfiSvov  iy  ffe^i^  rov  nargoq^ 
S'Sty  ^g)[$tai  xglyai  C^tag  xai  'ffxgovg- 

Kai  sig  nyivfAa  Ityioyy  dyCay  ixxXijciay,  aipeaiv  afiagtiiav j  cagxoq 
dydcTa€tiß.*^ 


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24  BORNEMANN; 

^x  yfXQwy  iuju  avaßayxa  dg  top  ovQayby  xai  f4na  do'§ijf  naXiy 
nuQayfyfjoofieyoy  (xQ/rr^y  nayrioy  ayd-gtintoy)  * 
xai  eig  (inl)  rb  ayioy  Ti^ofptjTixby  nyev^a.^^ 
Vergleichen  wir  schliesslich  unser  Resultat  mit  den  uns 
in  Hahns  „Bibliothek  der  Symbole"  (2.  Aufl.)  vorliegenden 
Symbolen,  so  zeigt  sich  ein  erheblicher  Unterschied  von  den 
meisten  orientalischen  imd  occidentalischen  Bekenntnissen 
hauptsächlich  darin,  dass  wir  die  Worte  nayroxQartoQ  imd 
fÄoyoyiyfjg  als  solche  bezeichnen  zu  müssen  glaubten,  welche 
nicht  dem  Justinischen  Symbole  angehörten ;  doch  haben  wir 
oben  bereits  über  diese,  auch  bei  Justin  sich  findenden  Aus- 
drücke eine  Vermutung  aufgestellt.  Uebrigens  zeigt  das  von 
ims  gewonnene  Bekenntnis  mit  abendländischen  Symbol- 
formen verhältnismässig  wenig,  mit  orientalischen  dagegen  in 
einigen  Hauptpunkten  Verwandtschaft: 

1)  Die  polysyndetische  Participialconstruction  des  zweiten 
Artikels  ist,  wie  ich  oben  schon  zeigte,  den  meisten  morgen- 
ländischen Symbolen  eigentünüich,  während  die  abendlän- 
dischen der  Mehrzahl  nach  den  zweiten  Artikel  asyndetisch 
in  Relativsätzen  geben. 

2)  Die  von  mir  als  wahrscheinlich  angenommene  Stel- 
lung 0  xvQiog  tjfiwy  ^Jfjoovg  X^tcnog  findet  sich  im  Gegensatz 
zu  der  meist  occidentalischen  XQiarog  ^Iijaovg  b  xt;()fo^  if/ufoy 
fast  überall  in  den  morgenländischen  Symbolformen.  Vgl. 
§§  9.  61—70.  75—80.  83.  85.  86.  89.  90.  95.  99.  100.  115. 
116.  118.  121.  123.  144.  145.  148.  150. 

3)  Der  Zusatz  ^na  äo^tjgy  bzw.  iy  do^  ist  orientalisch ; 
vgl.  §§  1.  2  (Irenäus);  13  (Greg.  Naz.);  62  (Cyrill.  Hie- 
rosoL);  64  (Constitt  apost);  66  (Pseudo-Athanas.) ;  67  (Sa- 
lamis auf  Cypem);  68  (Epiphanius) ;  70  (armen.  Symb.); 
75.  76  (constantin.  Symbb.);  85  (dritte  antiochen.  F'ormel); 
94  (nicenische  Formel);  95  (formel  von  Seleucia);  96 
(constantin.  Formel  vom  Jahre  360);  115  (Lucian  d.  M.) 
und  145  (die  Schrift  tj  xaxa  fifgog  n(<nig). 

4)  Die  Nichterwähnung  des  Begräbnisses  findet  sich  nur 
bei  morgenländischen  Symbolen;  vgl.  §§  1.  2  (Irenäus); 
8  (Presbyter  von  Smyma);  84.  85  (antiochen.  Symbb.); 
115  (Lucian  d.  M.);    116  (Euseb.   von  Cäs.);    118  (Arius); 


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25 

119  (Äthan.);  125  (Germinius  von  Sinnium);  141  (CyrilL 
von  Alex.);  144  (Charisius);  145  (^  xaru  fi^Qog  nlartg)] 
146  (Pseudo-Gregor.  Thaumat)  u.  s.  w. 

Allein  unser  Bekenntnis  hat  noch  andere,  in  den  be- 
kannten Symbolen  verhältnismässig  seltene  und  deshalb  auf- 
fallige Eigentümlichkeiten,  welche  uns  für  das  Ursprungs- 
gebiet eines  so  gestalteten  Symbols  rfoch  engere  Grenzen  an- 
zugeben geeignet  sind: 

1)  Der  Ausdruck  narriQ  rcSr  oXior.  Dieser  findet  sich 
in  keinem  der  uns  bekannten  Symbole;  wohl  aber  hat  eine 
antiochenische  Formel  (§  84)  &tog  o  twv  oXwy. 

2)  nganoroxog  kommt  in  Symbolformen  vor:  bei  den 
Constitt.  aposi  (§  10  u.  64),  in  antiochenischen  Formeln 
(63  u.  82),  im  Sardicense  (87),  bei  den  Nestorianem  (69), 
Lucian  d.  M.  (115)  und  Eusebius  von  Cäsarea  (116). 

3)  Der  Zusatz  xara  rr^y  rov  naxQog  ßovX'^y  oder  dem 
Aehnliches  findet  sich:  in  den  Constitt.  apost.  (§  64),  einer 
antiochen.  Formel  (84),  zwei  Formeln  von  Sirmium  (90  u.  93), 
der  Formel  von  Nice  (94),  einer  Formel  von  Constantin.  (96); 
bei  Lucian  d.  M.  (115)  und  Basilius  d.  Gr.  (I2l). 

4)  Das  (nad^Toy)  yeyo^eyoy  ay&gmnoy  weisen  auf:  die 
Constitt.  apost.  (§  10),  das  Symbol  der  Nestorianer  (69), 
von  Constantinopel  (79),  Lucian  d.  M.  (115),  Pseudo-Gregor. 
Thaumat  (146)  und  die  Schrift  !j  mrä  fi^Qog  nlaug  (145); 
vgl.  irayd^pumrjaayTa  in  den  Symbb.  von  Sardica  (87),  An- 
tiochien  (89),  Sirmium  (90.  91)  und  bei  Cyrill.  Alex.  (l4l) 
und  Charisius  (144). 

5)  Das  Fehlen  des  Namens  der  Maria  bei  dm  nugd^iyov 
ist  zu  constatiren:  bei  Lrenäus  (§  1.  2),  Origenes  (9),  Lucian 
d.  M.  (115),  BasiUuB  d.  G.  (121),  Cyrill.  Alex.  (141),  Cha- 
risius (144),  Pseudo-Gregor.  Thaumat.  (146),  in  der  Schrift 
jy  xara  fjiiQog  niarig  (145)  und  den  Symbb.  von  Antiochien 
(82.  83.  84.  85.  86.  89),  Philippopolis  (88),  Sirmium  (90) 
und  Seleuda  (95). 

6)  Die  Nennimg  der  ewigen  Königsherrschaft  Christi 
am  Ende  des  zweiten  Artikels,  über  deren  Zugehörigkeit 
zum  Justimschen  Symbol  wir  zu  keinem  entschiedenen  Urteil 
kamen,  findet  sich:  bei  Cyrill.  Hierosol.  (62),  Pseudo-Athanas. 


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2fi  BORNEMANN, 

(66),  Epiphanius  (GS),  m  den  Constitt  apoet.  (64)  und  den 
Symbb.  von  Salamis  auf  Cypeni  (67),  Arracmien  (7a),  Con- 
stantmopel  (75.  76),  Aatiochia  (84.  86.  8»),  PhilippopoMs 
(88)  und  Sinnram  (90> 

7)  Die  Tatsache,  dass  das.  Bekenntnis  zxxm  heiligen 
Gteißt  allein  den  dritten  Artikel  ausmacht,  beobachten  wir: 
bei  Lucian  d.  M.  (115),^  Euseb.  von  Cäs.  (116),  Athanasius 
(119),  Adamantiuß(l25),  und  in  den  ^mbb.  von  Antiochien 
(84.  85.  86.  89),  PhflippopoKs  (88)  und  Smimmi  (90). 

8)  Im  Gegensatz  zum  AbendJande  und  mehreren  morgen- 
ländischen Symbolen^  die  na&oyra,  avavQ<x)^iyxu  und  ano&a^ 
Moyva  verbinden,  haben  avavQM&fvra  yuu  anod^voyza  allein: 
die  Constitt.  apost.  (64),  Athanasius  (119),  Charisius  (144) 
und  die  Symbb.  von  Alexandrien  (65)  und  Sirmium  (93) ;  da- 
gegen steht  nad-ovra  allein  bei  Lucian.  d.  M.  (115),  Euseb. 
von  Cäs.  (116),  Arius  (118),  in  den  Constitt.  apost  (10) 
und  den  Symbb.  von  Antiochien  (84.  85)  und  Seleucia  (95). 

Ausser  diesen  Hauptpunkten  erhalten  wir  einen  weiteren 
Hinweis  selbst  durch  einzehie  Ausdrücke,  die  wir  bei  Justin 
fanden,  aber  in  die  Hauptform  des  Symbols  au£sunehmen 
Bedenken  trugen,  nämlich: 

1)  noijjTTjg  Tüiy  oXior  findet  sich  ausser  bei  Augustin  und 
Pseudo- Augustin  (§  30  u.  3l)  nur  noch  bei  Luoitm  d.  M. 
(115)  und  in  den  Symbb.  von  Antiochia  (84.  86.  89),  Philip- 
popolis  (88)  und  Sirmimn  (90). 

2)  ngoeX&oyra  hat  auch  Greg.  Naz.  (§  13). 

3)  naQayfyojiuyoy  steht  in  den  Symbb.  von  Sirmium  (93), 
Nice  (94)  und  Constantinopel  (96). 

4)  aaQx(ad-iig  (=  dem  Justin.  aaQxonoitj^ig)  findet  sich 
bei  Iren.  (§  l),  den  Nestorianem  (69),  Charisius  (144)  und 
in  den  Symbb.  von  Antiochien  (62)  und  Philippopolis  (88). 

Beachten  wir  nun  das  Entstehimgs-  und  Geltungsgebiet 
derjenigen  Symbole,  welche  ihre  Verwandtschaft  mit  der  von 
\ms  gewonnenen  Formel  dadurch  documentiren,  dass  sie  grade 
die  auffallendsten  Eigentümlichkeiten  in  grösserer  oder  ge- 
ringerer Zahl  mit  demselben  gemeinsam  haben,  so  werden 
wir  jedenfalls  das  östliche  Küstenland  des  Mittelmeeres  als 
Heimat  unserer  Justinisohen  Symbolform  bezeichnen  dürfen. 


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DAS  TAUFSYMBOL  JUSTIN'S  DES  MÄRTYRERS.  27 

Mögen  auch  unter  jenen  verwandten  Symbolen  einige  alexan- 
drinische^  kleinasiatische  und  spätere  constantinopolitanische 
sich  befinden^  —  die  stärkste  Verwandtschaft  mit  unserm  Er- 
gebnis zeigen  doch  die  zahlreichen  Symbole,  welche  ims  aus 
der  Provinz  Syrien,  speciell  aus  der  antiochenischen  Gegend 
überliefert  sind;  denn  die  Bekenntnisformeln  verschiedener 
antiochenischer  Synoden  (84.  85.  89)  und  die  auf  diese  zu- 
rückgehenden Formeln  der  Synode  von  Philippopolis  (88) 
und  der  ersten  sirmischen  (90),  sowie  die  Bekenntnisse  Lu- 
cian's  des  Märtyrers  (115)  und  des  Charisius  (144),  also 
zweier  (?)  antiochenischer  Presbyter,  kommen  imserer  oben 
au%estellten  Symbolform  am  nächsten.  Da  wir  aber  wissen, 
däss  Justin's  Heimat  Flavia  Neapolis  in  Samarien,  also  im 
weiteren  Sinne  die  römische  Provinz  Syrien  war,  so  dürfte 
jenes  Verwandtschaftsverhältnis  grade  dei*  syrischen  Symbole 
mit  dem  von  uns  abgeleiteten,  mutmasslich  den  Werken 
Justin's  zu  Grunde  liegenden  fiir  die  Wahrscheinlichkeit  un- 
seres Ergebnisses,  wenigstens  in  einer  Hinsicht,  eine  Stütze 
bieten.  Jedenfalls  ist  jenes  Taufsymbol  nicht  das  römische 
gewesen.  Es  geht  also  aus  unserer  Untersuchung  hervor, 
dass  ein  Archetypus  Gxr  die  orientalischen  Taufsymbole  mit 
einiger  Sicherheit  bis  über  die  Mitte  des  2.  Jahrhunderts 
hinauf  zurückverfolgt  werden  kann  ^). 


1)  Diese  Abhandlung  ist  geschrieben  worden,  bevor  das  Werk  von 
M.  V.  Engelhardt  (Das  Christentum  Justm's  des  Märtyrers,  Er- 
langen 1878)  erschienen  war.  Der  Verfasser  hat  an  verschiedenen 
Stellen  (z.  B.  S.  176  f.)  symbolartige  Formeln  bei  Jastin  constatirt; 
eme  nähere  Untersuchung  derselben  lag  ausserhalb  seines  Planes.  So 
darf  sieh  diese  kleine  Studie  zur  Ergänzung  anbieten.  Eine  lieber- 
sieht  über  aUe  auf  das  Symbol  bezüglichen  Stellen  bei  den  Autoren 
der  zwei  ersten  Jahrhunderte  hat  Harnack  in  der  Abhandlung:  „Vetu- 
stissimum  ecclesiae  Romanae  symbolum  etc."  (PP.  App.  Opp.  fasc.  I,  2^ 
pp.  115—142)  gegeben. 


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ZwJn^li  und  Landgraf  Philipp. 

Von 
Dr.  Max  Lenz  in  Marburg. 


I. 

In  der  reichen  Correspondenz ,  die  uns  grade  über  die 
drei  letzten  Jahre  in  dem  Leben  Ulrich  Zwingli's  so  beson- 
ders tiefgehenden  Aufschluss  gewährt,  haben  schon  lange  vor 
andern  diejenigen  Briefe  die  Aufmerksamkeit  der  Forscher  er- 
regt, die  er  mit  Philipp  dem  Grossmütigen  gewechselt  hat.  Es 
sind  bisher  deren  17  (7  von  ihm  selbst,  10  von  dem  Land- 
grafen) bekannt  geworden.  Dazu  müssen  wir  noch  4  Briefe 
des  Herzogs  Ulrich  von  Würtemberg  an  Zwingli  zählen,  der 
ja  in  diesen  Jahi^en  als  Verbannter  bei  seinem  Freunde  lebte : 
sie  gehören  wesentlich  zu  jener  Correspondenz,  können  wohl 
als  Stück  derselben  betrachtet  werden.  Wälirend  von  den 
Briefen  des  Reformators  an  den  Herzog  noch  nichts  zutage 
getreten  ist,  sind  die  an  den  Landgrafen  aus  dem  hessischen 
Archiv  längst  gedruckt :  4  wurden  schon  in  den  „Monumenta 
Hassiaca"  von  Kuchenbecker  veröflFentlicht ;  die  drei  andern 
brachte  Neudecker  in  seinen  „Urkimden  aus  der  Reformations- 
zeif  ^  Sie  finden  sich  mit  denen  Ulrich's  und  Philipp's,  die 
wohl  zumeist  —  die  Herausgeber  geben  leider  den  Fundort 
nicht  immer  an  —  aus  der  Simmler'schen  Sanunlung  auf  der 
Wasserbibliothek  zu  Zürich  stammen,  in  dem  achten  Bande 
der  Q^sammtausgabe  seiner  Werke  von  Schuler  und  Schult- 
hess,  dem  zweiten  seiner  Correspondenz,  vereinigt  *). 

0  S.  Opp.  Vin,  Register  s.  v.  „Hassiae  Landgrafius  Phi- 
lippus"  u.  „Wirtembergenßis  Diix  Ulficus"  (S.  689.  695).  Ich 
kürze,  da  ich  nur  den  einen  Band  zu  citiren  habe,  fortan  so  ab:  Opp. 


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ZWmGU  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  29 

Das  Interesse,  welches  diese  Correspondenz  erregen  muss, 
ist  erklärlich.  Es  haftet  nicht  bloss  an  den  Schreibern,  son- 
dern auch  an  dem  Stoff.  Fassen  wir  nur  die  Zeit  ins  Auge, 
aus  der  die  Briefe  stammen:  in  dem  Leben  Ulrich  Zwing- 
li's  kennen  wir  keine,  die  für  ihn  so  reich  an  spannenden 
Momenten,  bedeutenden  Entwürfen,  grossen  Hoffnungen 
imd  noch  grösseren  Enttäuschungen  gewesen  ist;  in  keiner 
Periode  seines  Lebens  hat  der  Landgraf  mehr  im  Vorder- 
grunde der  Ereignisse  gestanden,  treten  uns  die  Eigenschaften, 
die  ihn  der  nationalen  Erinnerung  wert  machen,  jugendlich 
frohes  Erfassen  und  treues  Festhalten  der  religiösen  Idee, 
lebhaftes  imd  tiefes  Empfinden  und  frisches^  keckes  Wagen, 
anziehender  und  liebenswürdiger  entgegen.  Es  ist  der  Mo- 
ment, in  dem  sich  die  beiden  Richtungen,  welche  der  refor- 
matorische Geist  der  Zeit,  und  das  hiess  noch  der  unserer  Nation, 
erweckt  hatte,  und  die  politischen  Bildungen,  die  mit  ihm 
durchdrungen  oder  von  ihm  ins  Leben  gerufen  waren,  ganz 
nahe  berührten,  um  dann  auf  immer  auseinanderzuweichen; 
und  es  sind  diese  beiden  Männer,  deren  Ruhm  imd  Schick- 
sal es  war,  die  Idee,  beide  Strömungen  in  ein  Bett  zu  leiten, 
ebendamals  zu  fassen,  zu  erhoffen  und  scheitern  zu  sehen. 
Es  sind  die  Jahre,  die  fiir  ZwingU's  Werk  imd,  wie  man  zu 
sagen  pflegt,  für  die  Entwickelung  des  gesammten  Protestan- 
tismus die  Entscheidung  gebracht  haben :  das  Jahr  des  Mar- 
burger Gespräches,  des  Augsburger  Reichstages  und  der 
Schlacht  bei  Kappel. 

Vor  dem  zweiten  Speirer  Reichstage  wissen  wir  von 
keinem  Briefwechsel  zwischen  dem  Fürsten  und  dem  Refor- 
mator, und  es  lässt  sich  nachweisen,  dass  sie  vorher  in  keinem 
Verkehr  gestanden  haben  *).     Der  Landgraf  hat  den  ersten 


1)  Denn  der  Brief  Zwingli's  Tom  7.  Mai  1529  ist  lateinisch  ge- 
schrieben, weil,  wie  er  selbst  erklärt,  der  Landgi*af  seinen  Dialekt 
vielleicht  nicht  Tcrstehe:  „£t  qnodlatine  te  compello,  non  alia  causa 
factum  esse  sclas,  quam  quod  helvetica  lingua  paulo  alienior  est  a 
vestra/*  Nun  kannte  Philipp  aber  überhaupt  kein  Latein,  man  sieht 
also,  wie  völlig  fremd  beide  noch  zu  einander  standen.  Zwingli  ent- 
schuldigt sich  deshalb  in  dem  nächsten  Brief,  der,  wohl  auf  die  durch 
den  Boten  mündlich  überbrachte  Bitte  des  Fürsten,  wie  alle  folgenden, 


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30  LE3Ȋ, 

Brief  gesdbrieben:  am  22.  April  1529  in  Sjpeier.  Es  ist  das 
Schreiben,  in  dem  er  Zwingli  gegenüber  zuerst  den  Gedan- 
ken des  AuB^eidies  beider  Bekenntnisformen  durch  ein  Ge- 
spräch angeregt  hat:  „Dann  auf  diesem  Reichstage  die 
Papisten  zur  Erhaltung  ihres  verkehrlichen  Lebens  und  Wan- 
dels sich  anders  nicht  zu  behelfen  wissen,  dann  dass  wir,  die 
dem  reinen  lautem  Wort  Gottes  anhangen,  unter  einander 
selbst  unsers  Glaubens  nicht  eines  Verstandes  seien,  sonst 
wäre  den  Dingen  leichtlich  zu  raten,  dass  das  Bubenwerk  ein 
Mal  verändert  würde  ^**).  Der  letzte  Brief  Philipp's  ist  aus 
Wenfriede  vom  30.  September  1531  datirt:  das  sind  11  Tage 
vor  dcrni  Tode  des  Reformators;  vielleicht  hat  dieser  die 
guten  Vertröstungen,  die  das  Schreiben  brachte,  gar  nicht  mehr 
gelesen*). 

Form  und  Inhalt  rechtfertigen  das  Interesse,  mit  dem 
man  solche  Briefe  in  die  Hand  nehmen  muss.  Doch  ist  in 
beiden  vor  und  nach  dem  Marburger  Gespräch  ein  Unter- 
schied zu  beobachten.  Die  sieben  Briefe  aus  dem  Sommer 
1529  sind  sehr  viel  formeller  gehalten  als  die,  welche  nach 
dem  Besuch  ZwingÜ's  in  Marburg  fallen.  Die  des  Land- 
grafen in  jener  2ieit  stammen  mit  Ausnahme  einer  Nachschrift 
aus  der  Kanzlei ;  die  Concepte,  welche  erhalten  sind,  hat  der 
Secretär  Heinrich  Lersener  geschrieben^).     Es  sind  die  Ein- 


deutsch geschrieben  ist:  „Ü.  G.  sieht  nun  wol,  warum  ich  vor  la- 
tiuisch  geschriben,  das  ich  ein  schlechter  hofoian  und  cantzler  bin. 
Trag  onch  etwas  sorg,  so  wir  zemen  komen,  wurde  man  unser  sprach 
nit  verstehen  [ausgestr. :  könde].  Dcsshalb  villicht  von  nöten  sin  wirt, 
das  wir  latinisch  mit  einander  handlind.  Doch  was  gelegen  sin  wirt, 
sol  uns  ouch  gevallen.*'  Nach  dem  Orig.  im  Marb.  Archiv;  m  dem  Heft 
„Das  Coiloquium  zu  Marburg  betr.  Schreiben  und  Handlungen  de  an. 
1529". 

1)  Opp.  288. 

«)  Opp.  647. 

3)  Nur  die  Nachschrift  zu  dem  Brief  aus  FriedewaJd  vom  1.  Juli 
1529  (Opp.  289,  an  falscher  Stelle)  ist  von  Phflipp's  Hand.  Das  Orig. 
imZüricherStaatsarchiT  ist  undatirt;  aber  der  Datirungsort,  der 
hinzugesetzt  ist,  verrät,  dass  es  ein  Postscript  zu  dem  genannten 
Briefe  ist.  Ich  lasse  den  Zettel,  da  er  das  Einzige  ist,  was  von  den 
Briefen  Philipp's  bisher  im  Original  gefunden  wurde,  und  der  Abdruck 


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ZWINGU  UND  LANDGRAF  PHnjPP.  31 

kduBgssdireiben  zu  dem  Marburger  CoQoqnium.  Wohl  deutet 
der  Landgraf  achon  diurauf  hin;  dass  er  Zwingli's  Anwesen- 


Fehler  hat,  noch  ein  Mal  ganz  folgen,  nach  einer  Copie,  die  ich  der 
gütigen  Bereitwilligkeit  des  Herrn  Dr.  Strickler  in  Zürich  ver- 
danke: „Weiter,  lieber  Hulrich  Tzwingel,  so  wirt  mir  angezei[g]t,  wie 
dass  die  evangelischen  Oerter  in  der  Eitgnoschaft  in  krigsrüstung 
sein  fiollen,  und  dass  ville[ilcht  daruf  stehe,  dass  [es]  zum  angriff 
kome,  and  Weiterung  drauss  volge.  So  nu  dem  so  wer,  und  dass  es 
uff  euer  selten  et[wa8?]  grosses  wirdet  steets  besorget,  so  wer  mein  rat 
dass  ein  kleiner  anstaut  gemacht  würde  und  weiter  hülf  gesucht  werde ; 
dan  warlich,  Verachtung  bringt  nachteil;  es  ist  aber  bei  mir  nit  [in] 
tzweifel,  so  ir  uff  euer  part  ein  klein[en]  verzug  erleiden  könntet,  es 
möcht  euch  zu  vikm  (soferr  anders  widerstant  da  ist)  nützen.  Den 
verstendigen  ist  gut  predigen.  Nembt  mein  dorrechtig  bedenken  im 
besten  getrüUch  von  mir  an,  und  will  üch  hiemit  gott  dem  hem  in 
seinen  schütz  nach  seinem  willen  bevolen  haben.  Ir  wer[det]  sust 
mein  meinung  in  andern  meinen  briefen  vememen.  Datum  Fride- 
walt,  von  me]B[er]  handt.  Philips  L.  Z.  Hessen  etc.  Ist  euch  und 
den  euem,  so  sie  es  anders  vor  notturftig  ansehen,  etwas  umb  dise 
sach,  wie  mein  brief  meldt,  hieoben  [angelegen?],  so  wer[de]t  ir  üch 
wol  zum  besten  [zu]  schicken  wissen."  —  Hierauf  antwortete  Zwingli  im 
nächsten  Brief,  vom  14.  Juli,  gegen  Ende,  so:  „Es  habend  sich  die 
Heimlichen,  denen  ich  den  zedel  anzeigt"  (deshalb  also  ist  er  im  Ar- 
chiv erhalten),  „entschlossen,  ü.  gnaden  die  artickel  und  puncten  des 
fiidens  z%.  2»  schicken.  Die  sol  aber  wüssen,  das  der  Amman  von 
Glaris  als  der  vordrist  under  den  schidlüten  den  Ferdinaudischen  pundt 
nit  allein  harusgeben,  simder  den  in  unseren  ougen  mit  einem  messer 
zerhowen  und  zerstochen.  Das  ich  euch  selbs  mit  disen  ougen  gsehen. 
Also  hatt  uns  gott  mit  siner  gnad  gefuert  und  bewart,  das  twedre 
syt  die  andren  an  einigem  man  nyn  verwundt  [ausgestrichen:  hab] 
hatt.  Imm  «ye  lob  inn  d*  ewigheyt.  Nun  hnete  sich  förhin  welcher 
wcUe,  denn  wir  werdend,  so  es  gott  heisst,  nit  eim  jeden  gsitzen,  der 
mit  uns  schimpfen  wöltc.  (rott  welle  ü.  g.  sampt  allem  volck  be- 
waren.  Amen.  Ü.  G.  sieht  nun  wol"  etc.  (Nach  dem  Original  a.  a.  0.)  — 
Mit  gleicher  Genugtuung  hatte  Zwingli  Über  den  Kappeier  Frieden 
schon  am  30.  Juni  an  Konrad  Sam  in  Ulm  beriehtet:  „Wir  habend 
einen  friden  heimgebracht,  der  uns  gar  erlich  ist,  als  ich  hoff,  denn  wir 
uff  blutvergiessen  nit  uszogen,  und  habend  denocht  unsere  widerwer- 
tigen  gar  ein  nassen  beltz  heim  gebracht.  Vorus  so  die  ferdinandisch 
vereinung  in  angesicht  unser  ougen  vom  Amman  von  Glaris  am  XXVI. 
tag  Junii  um  die  11.  vormittag  in  unserem  leger  mit  eim  bymesser 
zerhowen  und  vemütet  worden  ist.  Das  ouch  ich  mit  minen  ougen 
gesehen  hab."    U.  s.  w.     (Opp.  311.) 


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32  LENZ, 

heit  auch  noch  aus  andern  Ursachen  wünsche,  als  das  Re- 
ligionsgespräch zu  halten,  in  dem  vierten  Briefe,  aus  Mel- 
sungen  vom  21.  August,  in  dem  er  die  Einladung  noch  ein 
Mal  dringend  wiederholt:  „umb  vorangezeigter,  auch  vil 
meher  Ursachen,  die  sich  über  feit  nit  schreiben  lassen".  Sonst 
aber  ist  in  diesen  ersten  Briefen  kaum  von  etwas  anderm 
die  Rede  als  von  dem  Gespräch,  dem  Zusammenkunftsorte, 
von  Reisezeit  und  Reiseweg  und  dem  Geleite,  das  ZwingU 
auf  der  weiten,  nicht  ungeföhrlichen  Fahrt  beschützen  werde. 

Dies  ist  seit  Marburg  anders  geworden.  Von  den  Ver- 
gleichsverhandlungen ist  nur  noch  wenig  die  Rede,  umsomehr 
von  der  Politik,  und  zwar,  wie  wir  sehen  werden,  von  Poli- 
tik im  grossen  Stil.  Der  Ton  ist  von  beiden  Seiten  der 
vertraulichste  und  herzlichste.  „Lieber  ZwingU",  „Lieber 
Meister  Ulrich",  so  beginnen  jetzt  alle  Briefe  des  Landgrafen; 
„Lieber  Meister  Ulrich,  wo  es  Euch  wol  gienge,  hört  ich 
geiTi "  ^).  Auch  der  Herzog  von  Würtemberg  spricht  ihn  so 
an:  „Lieber  Meister  Ulrich",  „Lieber  und  guter  Freund"; 
den  Brief  vom  11.  April  1531  unterschreibt  er:  „Euer  gu- 
ter Freund  Ulrich  Herzog  zu  Würtemberg"*).  Und  nicht 
viel  anders  Zwingli  zu  seinem  fürstlichen  Correspondenten : 
„Gnädiger  Herr",  „Gnädigster,  liebster  Herr"^).  „Gnädiger, 
liebster  Herr",  so  schliesst  er  den  ersten  Brief  nach  der  Heim- 
kehr aus  Marburg,  „dass  ich  so  kintlich  und  fry  zu  ü.  g. 
schiyb,  macht,  das  ich  mich  zu  gott  versieh,  er  habe  ü.  g. 
zu  grossen  Dingen  erweit,  die  ich  wol  gedenken,  aber  nit 
reden  darff.  Es  müss  aber  ye  der  katzen  die  schell 
angebenckt  werden.  Was  aber  ich  mit  min  ringen 
diensten  zu  eer  gottes,  zu  oflBaung  der  warheyt,  zu  gutem  ge- 
meiner christenheyt,  zft  ufoung  uwer  und  aller  frommen 
mit  gott  vermag,  ist  zu  aller  zyt  bereyt.  Gott  mit  ü.  g. 
Geben  2.  tags  Novembers  1529."*) 


0  25.  Januar  1531.    Opp.  575. 

2)  Opp.  594. 

8)  „Gnädiger  lieber  Herr  und  Vatter"  schon  in  dem  zweiten  Brief, 
14.  Juli  1529  (Opp.  322). 

*)  Nach  dem  Original  im  Marb.  A.,  a.  a.  0.  Die  gesperrt  ge- 
druckten Worte  hat  Zwingli  unterstrichen. 


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ZWINGLI  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  33 

„Ich  hoffe  auch  durch  göttliche  Vorsehung '',  schreibt 
Philipp  in  dem  nächsten  Brief,  am  25.  Januar  1530,  „dem 
Pharao  soll  eine  Feder  entfallen  und  ihm  das  begegnen,  das 
er  sich  gar  nicht  versieht,  denn  alle  Sachen  schicken  sich 
zum  bessern.  Gott  ist  wunderbarlich.  Er  macht  mir  Freunde 
[so  1.  st  Friede]  und  deren  mehr  denn  einen,  da  ich  nie 
[so  1.  st  mir]  Denkens  auf  gehabt  habe.  Die  Zeit  bringt 
Rosen.  Lasst  diesen  Artikel  den  Pharao  betreffend  im  Ge- 
heim bei  Euch  bleiben,  bis  die  Zeit  kommt."  *)  Bald  schrei- 
ben beide  nicht  anders  als  zwei  Freunde.  Die  Briefe  sind 
alle  eigenhändig,  auch  die  Philipp's,-der  nur  ganz  vertrau- 
liche Briefe  selbst  zu  schreiben  pflegte,  und  inmaer  zu  des 
Adressaten  „eigenen  Händen".  Sogar  die  Adressen  hat  der 
Fürst,  wie  man  sieht,  zum  Teil  selbst  geschrieben:  „Meinem 
guten  Freund  Meister  Ulrich  Zwingli  zu  eigenen  Händen"*), 
oder  gar  mit  Weglassung  des  Namens:  „Meinem  guten  Freimd 
zu  eigenen  Händen"').  Einer  der  schönsten  Briefe  Zwing- 
li's  an  den  fürstlichen  Freund  ist  der  vom  22.  Juli  1530,  in 
dem  er  ihn  zur  Standhaftigkeit  gegenüber  dem  Drohen  der 
Pfaffen  und  dem  Kleinmut  Melanchthon's  und  der  Sachsen 
aufinahnt:  „Gnad  und  frid  von  gott  Gnädiger  herr,  wir 
sagend  gott  danck,  das  er  den  Landgrafen  der  maass  sterckt, 
das  er  die  warheyt  imverzagt  bekennet.  Ich  flieg  euch  üch 
ze  wüssen,  das  uns  gantz  und  gar  wil  ansehen,  das  alle 
handlung  des  Kaisers  nur  ein  schin  sye,  dann  die  pfaffen, 
die  inn  gfangen  flierend,  mögend  nit  erlyden,  das  man  uf 
sye.  Hierumm,  frommer  diener  des  höchsten  herren  imd  min 
gnädiger  herr,  lassend  üch  gheinen  weg  bewegen,  weder  mit 
tröwen  noch  verheissen.     Ir  werdend  sehen,  das  der  bläst 

1)  Die  wohl  zweifeliosen  Conjecturen  stammen  von  Herrn  Dr. 
Strickler,  der  die  Freundlichkeit  hatte,  emige  der  Briefe  Philipp's 
mit  den  Copien  in  der  Simnüer'schen  Sammlimg  zu  collationiren.  Lei- 
der sind  die  Briefe  so,  wie  sie  gedruckt  sind,  zwei  Mal  verderbt,  zu- 
erst durch  Simmler,  der  die  Originale  nicht  lesen  konnte,  und  dann 
durch  die  Herausgeber,  die  wie  die  meisten  andern,  so  auch  diese  Co- 
pien schlecht  abgeschrieben  haben.  —  „Die  Zeit  bringt  Rosen":  der 
Wahlspruch  Eberlin's  von  Günzburg! 

»)  Opp.  426. 

»)  Opp.  505. 
Zeitsehr.  t  K.-G.  lU,  1.  3 


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afi^j;  vergon  \^  z/^  nüt  wenden,  und  ip  die  ^:vngh^yt  imm 
himel  vpr  gott  iin^  ^W.  u^erwel^^  und  uff  ei;*den,  die. 
wyl  die  weit  sta^  gebi^isien  wir^,  welct^?:  jetas  bey  der  war- 
heyt  styff  stat.  Es  ist  puch  alle  e^r  der.  gebui^  und  hei:- 
licheyt  ^ein,  ja  nüijzid  gegeiji  der  eer,  da  man  in  himel  und 
erden  bekennen  und  loben  wirt,  das  ir  der  einig  und  der 
erste  sind  uss  allen  fii;rsten,  der  on  hinder  sich  sehen  dqn 
pflüg  hebt  Hallt  an,  frommer  acher  man  [Ackerma^n],  haltt 
an!    Es  gat  nur  wol/'^) 

Es  hätte  lY^hl  der  Mj^hi;iui;ig  kaum  bedui:ft.  Der  Land- 
graf antwortete  ipach  der  Heimkehr  vom  Reichstage  nicht 
weniger  inan^afi;  imd  vertrauensvoll:  Er  habe  seinen  Leuten 
u).  Augsburg  befohlen,  hart  bei  der  Wahrheit  zu  bleiben, 
in  die  Verd|utK^mi,uig  der  Zwingliscten  niemals  einzuwiUigen: 
„Aber  was  [Ub<er  das?]  soll  ich,  sagen,  PhiUppus  Melanch- 
thpn  g^het  zurück,  wie  ^j;  ^ebs,  und  ißt  ein  schedlicher 
Mann  dei^  ^Ivangelio  Chrjsti  npu^t;  siner  bJUi^ikeyt,  dann  er 
ist  in9  yerg^J^f^n  kommen,  kau  nit  uff  hören,  und  vU  lüt  hen- 
ke^ an  W'^,  ^  soll  aber  mych  nit  sein  [hin^^^?],  ob  Gott 
lyilL"  7,Sje]^et  ?iji">  iruft  er  dem  j^ßform^tof  zu,  „stet  vest 
by  der  warheyt  x^r^il^  seit  ke^fe,  es  t;at  kein  upt"  Und  zum 
Sphlus^:  >;Seyt  Qo^t  bevolen  und  bitt  Gott  ftU:  mich,  und 
8chry);)t  aJjient^ialben  an  di,e  Güduiass  Christi  durch  d^n  druck, 
d^s  sy  beständig  sye^^id  in  der  Tyarheit  und  sich  nit  mit 
^y^tWö^^it  nocfe  Qßwa^t  verfuren  lassen,,  und  das  ^y  ge- 
d,encken  an,  da?  ^pi^chwort;  Memento  n^ori.     Min  handt"*) 

Djie  bie^"  cf/tr.siv  gedruckten  Worte  stehen  in  dejn  Ori- 
giii^  und  de^  $in>nUer'3cJ|fLen  Abschrift  nicht  Statt  dessen  ent- 
boten di^jselb^n  Sig^  d^e  wi  fi^st  s^mtUcJic^n  Briefen  Zwing- 
li's  und  Philipp's  wie  in  denen  Ulrich's  von  Würtemberg  seit 
dem  Februar  1530  wiederkehren  und  das  absichtliche  Halb- 


1)  Ein  Citat  aus  Ey.  Luc.  9,  Der  Brief  nach  demOrig.  des  Hess. 
Archives  zuerst  bei  Neudecker  a.  a.  0.  S.  151,  danach  in  Opp.  483. 
Ich  wiederhole  die  erste  Hälfte  ganz,  weil  der  Abdruck  Neudeckers 
durch  falsche  Interpunction,  Lesefehler  und  Verstümmlungen  (die  beiden 
letzten,  grade  d^  Haupt-Sätze  sind  einfach  weggelassen)  ganz  imbrauch- 
bar ist. 

2)  Opp.  505.  „Min  handt",  dass  soll  heissen:  es  bedarf  meiner 
Unterschrift  nicht,  wie  im  Brief  vom  10.  März  1530  (Opp.  427). 


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Sehlftssel 

som 

SriefWeohsel  des  Landgrafen  Philipp  mit  Zwingli. 


^  tarnt  ^  J6f^jt}m^  tmnbt 

Anmerkongen: 

1)  Von  Phüipp'«  Hand. 

8)  Das  Zeichen  ist  aus  dem  Petschaft  Zwingli's  genommen, 
dess«!  Siegel  so  aussieht:   "^^ 


3)  Zeichen  (1)  aus  dem  unten  (S.  38  f.)  mitgeteilten  Briefe 
vom  38.  April  1531. 

4)  Zeichen  (S)  ans  dem  genannten  Briefe. 

„j,.edby  Google 


ZWmGLI  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  35 

dunkel,  welches  uns  schon  in  dem  Briefe  des  Landgrafen 
vom  25.  Januar  entgegentrat,  zur  völligen  Undurchdringlich- 
keit verdichtet  haben.  Dieser  Schleier,  der  so  bisher  über 
jenen  Schreiben,  den  interessantesten  vielleicht  des  ganzen 
Briefwechsels  Zwingli's,  lag  und  ihre  Benutzung  fast  unmöglich 
machte,  kann  jetzt  gelüftet  werden  durch  die  Entdeckung 
des  Chifferschlüssels,  die  mir,  allerdings  an  einem  Ort,  wo  er 
nicht  vermutet  werden  konnte  (unter  Braunschweiger  Acten 
aus  den  vierziger  Jahren),  in  dem  Marburger  Archiv  ge- 
glückt ist     Ich  teile  ihn  auf  nebenstehender  Tafel  mit^). 


1)  Die  Sigel  auf  der  Tafel  Opp.  668  sind  ganz  schlecht  wieder- 
gegeben; manche  sind  da  kaum  wiederzuerkennen:  so  ist  das  5. 
Zeichen  in  dem  fälschlich  als  Nachschrift  zu  dem  Brief  Ulrich's  von 
Würtemberg  vom  15.  Februar  1530  abgedruckten  Fragment  (Opp. 
412;  [5]  XXn)  jedenfalls  das  Zeichen  fürDeutschland,  nicht,  wie 
man  nach  dem  Stich  der  Tafel  auch  deuten  könnte,  Italien.  Das 
Zeichen  3  in  diesem  Fragment  ist  gleich  dem  11.  in  dem  Briefe  Phi- 
lipp^s  vom  10.  März  1530,  kein  anderes  als  das  für  den  Kurfürsten 
von  Sa^chsen.  Zeichen  3  in  des  Herzogs  von  Würtemberg  Brief  vom 
11.  April  1531  findet  sich,  wie  man  sieht,  in  dem  originalen  Sigel- 
schlüssel  gar  nicht:  es  ist  ohne  Zweifel  dafür  das  Zeichen  Basel  zu 
setzen.  Das  5.  Zeichen  desselben  Schreibens  ist  jedenfalls  das  Zei- 
chen für  König  Ferdinandus,  gleich  dem  7.  im  Brief  vom 
10.  März  1530  ([7]  XXXFV). 

Dieser  Schlüssel  giebt  nun  den  Sigeln  in  den  bisher  gedruckten 
Briefen  folgende  Auflösung*): 

Opp.  534  Philipp  an  Zwingli.  OhneOrt,  den  14. Febr.  1530**).— 
1  \yürtemberg.  2  Venedig.  3  Tirol.  4  Zürich.  5  Basel.  6  Bern. 
7  Graubündner.    8  König  von  pänemark. 

*)  Die  Zahlen  sind  von  den  Heraasgebem  znr  Erleichteraug  des  Druckes 
statt  der  Sigeln  in  den  Text  gesetzt.  Ihre  Aoflösnng  soll  die  Tafel  zu  S. 
668  geben.  —  Ich  stelle  gleich  die  chronologische  Ordnung  her,  die  in  der 
Ausgabe  zum  Teil  verwirrt  ist. 

**)Yon  den  Herausgebern  unter  dem  10.  October  1580  mitgeteilt:  ,fDat.Mont. 
nach  Dionysii'^  Im  Original  wird  gestanden  haben:  „Dat.  Montag  (st. 
Mont.  nach)Valentini  1530.'*  Das  ist  der  14.  Februar.  —  Es  ist  der  erste 
Brief  mit  Sigeln.  Philipp  sandte  mit  ihm  den  Chifferschlflssel:  „Und 
wenn  Ihr  mir  schreibet,  so  schreibet  mir  also  durch  die  Zeichen  in  meine 
eigene  Hand.  Ich  schicke  Euch  auch  hiermit  solche  Zeichen  eingeschlossen 
zu."  Schon  diese  Worte  nötigen,  den  Brief  an  den  Anfang  der  Geheim- 
correspondenz  zu  setzen.  Der  Tag  l&sst  sich  aber  ganz  sicher  feststellen 
durch  den  Brief  Herzog  Ulrich*8  an  den  Reformator  Tom  15.  Februar 
(„Geben  in  Eil  zu  Kassel  Dienstag  nach  Talent.  1530'*),  dessen  Anfang 

3* 


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36  LENZ, 

Neben  dem  CliifferscIiIUssel  fand  ich  noch  zwei  neue 
Briefe  Zwingli's  an  den  Landgrafen  liegen,  die  daher  gleich- 
faUs  hier  ihre  erste  Steile  finden  mögen. 


Opp.  668  (Regest  431).  Zwingli  au  Philipp.  0.  0.,  den  9.  März 
1530.  —  Erste  Lücke:  Bern.  Zweite  Lücke:  Basel.  Dritte 
Lücke:  Herzog  von  Würtemberg. 

Opp.  426.  Philipp  an  Zwingli.  0.  0.,  den  10.  März  1530.— 
1  Basel.  2  Herzog  von  Würtemberg.  3  Zürich.  4  Bern.  5 
Frankreich.  6  Venedig.  7  Ferdinand.  8  Graubündner.  9  Land- 
graf. 10  König  von  Dänemark.  11  Kurfürst  von  Sachsen. 
12  Zwingli.     13  Twiel. 

Opp.  480.  Zwingli  an  Philipp.  0.  0.,  den  13.  Juli  1530.— 
1   Bern.    2  Frankreich.    3  Zürich.     4  Herzog  von  Preussen. 

5  Kaiser. 

Opp.  483  (s.  o.  S.  33)  Zwingli  an  Philipp.  0.  0.,  den  22.  Juli 
1530.  —  1  Landgraf.    2  Kaiser.    3  Bern.    4  Zürich.    5  Basel. 

6  Würtemberg.    7  Frankreich. 

Opp.  487.  Zwingli  anPhilipp.  Zürich,  den  2.  August  1530.  — 
1  Landgraf.  2  Zürich.  3  Bern.  4  Basel.  5  Kaiser.  6  Wür- 
temberg. 

Opp.  505.  Philipp  an  Zwingli.  0.  0.,  den 4.  September  1530. — 
1  Zürich.  2  Landgraf.  3  Würtemberg.  4  Basel.  Z.  4  von 
unten  fehlt  hinter  „als  nämlich"   das  Sigel  für  Ferdinand. 

Opp.  575.  Philipp  an  Zwingli.  Gudenberg,  den  25.  Januar  153 1 .  — 
1  Würtemberg. 

Opp.  585.  Ulrich  von  Würtemberg  anZwingli.  Kassel,  den 
3.  März  1531.  —  1  Landgraf.  2  Frankreich.  3  Zürich.  4  Wür- 
temberg.   5  Ferdinand. 

Opp.  594.  Ulrich  von  Würtemberg  an  Zwingli.  0.  0.,  den 
11.  April  1531.  —  1  Zürich.  2  Landgraf.  3  Basel.  4  Wür- 
temberg. 

so  lautet:  „Liober  Meister  Ulrich.  Ihr  werdet  Euch  ans  meines  Vetters 
des  Landgrafen  Schreiben  und  Zuschickong  etlicher  Zeichen  wol  wisRon 
ZQ  richten."  Zivingli  erwähnt  den  Brief  mit  directem  Betng  auf  eine 
Stelle,  die  ihn  sehr  aufgebracht  hat,  in  zwei  andern  Briefen,  an  Jacob 
Sturm  vom  27.  und  28.  Februar  und  an  Konrad  Zwick  in  Constanzrom  l.MArz 
1530.  In  demersteren  bestimmt  er  auch  den  Empfangstag:  „Hessus  in- 
tra  quatriduum  literas  ad  me  dedit,  in  quibus  miratur,  cur  tarn  dif- 
ficiles  noR  exhibeamus  in  jungenda  civitate  cum  Ulma,  Lindoia,  Nemminga 
et  ceteris.  Equidoro  vehementer  admiratus  sum  haue  quaerimoniam  nsque 
ad  hnnc  diem  (27.  Februar),  quo  literas  accepi  ex  Ulma'*  (tou  Sam,  den 
22.  Febr.  geschrieben,  gedr.  Opp.  418)  otc.  Damit  y^l,  die  betr.  Worte 
in  dem  Brief  Philipp*s  an  Zwingli  (Opp.  535)  und  in  dem  des  letzteren 
an  Konrad  Zwick  ?om  1.  März  (Opp.  428). 


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ZWINGU  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  37 

Zwingli  an  Landgraf  Philipp. 

Ohne  Ort*),  den  11.  Februar  1531. 

Synem  gnädigen  Herren  zu  eigner  hand. 

Qnad  und  frid  von  gott  bevor.  Frommer,  ersamer  wyser 
etc.  Landgraf,  Ich  hab  jetz  lange  zyt  üwer  handlangen 
nützid  vemomen  des  Herzogs  von  Würtemberg  halb,  imd  ist 
doch  not,  wo  ir  etwas  von  sinetwegen  handien  wellt,  das  ir 
stattlich  gegen  Zürich,  Bern,  Basel  handlind,  imd  vorus  gegen 
Zürich  und  Bern.  Es  sieht  mich  aber  an,  man  habe  ze 
vil  vorcht,  imd  das  von  des  Kaisers  wegen.  Es  war  besser, 
die  sach  wurde  angehebt,  die  wil  er  noch  ze  gegen  und  aber 
Ferdinandus  noch  nit  uf komen  noch  imwidersprechlich  yn- 
gesetzt.  Dann  so  man  lang  harret,  wirt  Ferdinandus  be- 
vestnet  imd  die  Welt  abvellig.  Noch  wtissend  ir  bas  den 
Sachen  ze  tun.  Zürich  hat  in  den  verstand  mit  frolocken 
bewilliget  Ich  schryb  hie  by  hertzog  Ulrichen;  wellind  den 
brief  uberantwurten.  Es  stat  sinethalb  vast  günsüich  hie 
oben  bym  gemeinen  man.     Gott  bewar  üch  zfi  aller  zyt. 

Das  bfich  de  Providentia  Dei  an  herr  lantgrafen  vom 
Zwingli  geschriben  ist  jetz  durch  Leo  Jud  vertütschet  und 
wirt  uff  die  mess  gen  Franckfurt  kumen.  Geben  XI.  tags 
Februarii  1531. 

Üwer  etc. 
Zwingli. 

Opp.  413.  Ulrich  von  Würtemberg  an  Zwingli.  Undatlrtes 
Fragment.  Nachschrift.  Frühling  oder  Sommer  1531*).  — 
1  Landgraf.  2  Kaiser.  3  Kurfürst  von  Sachsen.  4  Frank- 
reich.   5  Deutschland. 

*)  Von  den  Herausgebern  als  Postscript  zu  Herzog  Ulncbs  Brief  vom  15.  Fe> 
broar  1580  abgedruckt.  Die  Zeit  l&sst  sich  nicht  mit  Sicherheit  an- 
geben. Der  Brief,  zu  dem  das  Fragment  die  Nachschrift  war,  ist  noch 
nicht  wiedergefunden.  Die  Verhandlungen  Albrecht's  von  Mainz  und  Lud- 
wig^ von  der  Pfalz  als  Vermittler  zwischen  dem  Kaiser  und .  den  Prote- 
stanten, auf  die  hingedeutet  wird,  w&hrten  etwa  vom  Mai  bis  zum  August 
1531,  vielleicht  noch  l&nger.  Mit  Frankreich  stand  Zwingli  durch  dessen 
Vertreter  bei  den  Eidgenossen  wfthrend  dieser  ganzen  Zeit  in  erneuter 
Verbindung. 

1)  Vom  12.  Febmar  haben  wir  ein  Schreiben  Zwingli's  an  die 
Strassburger  Prediger  aus  Zürich  (Opp.  579.)  Die  Sigel  habe  ich 
gleich  aufgelöst;  es  sind  die  cwrsiv  gedruckten  Worte. 


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38  LENZ, 

Zwingli  an  Landgraf  Philipp. 

Zürich,  den  28.  April  1531^). 

Synem  lieben  und  guten  Fründt  zu  eygnen  handen. 

Gnad  und  iftid  von  Gott.  Lieber  und  guter  friind.  Ir 
werdend  die  antwurt  von  Zürich  in  summa  wol  vememen, 
die  in  den  zweyen  puneten  etat:  Man  werde  des  Kaisers 
und  Ferdinandus  sach  jetz  mal  berfiwen  lassen;  zumm  an- 
dren: imd  so  man  dieselben  üeben  [ergänze:  welle],  welle 
man  das  selbig  nit  on  rat  unt  trachtung  des  Landgrafen  tun. 

Demnach  empfehlen  mir  die,  so  nit  die  geringisten  sind, 
üch  anzezeigen,  das  es  by  uns  gantz  verschniwen  ist,  dem 
Herzog  von,  Wurtemherg  zu  verhelfFen,  und  sähind  hohes 
und  nidi*en  Standes  gemn,  das  die  sach  überhin  war,  könnend 
euch  wol  erkennen,  das  sy  ims  zu  frid  und  krieg  in  unse- 
ren landen  dienstlich  wurde  sin. 

Über  das  zeig  ich  üch  guter  meinung  an,  da«  mich  für 
gut  ansähe,  wo  man  Geld  haben  möcht,  da  mit  man  zur 
sach  gefiiert  möcht  werden,  nit  zu  mietry,  simder  allein  ufF 
einen  sold  imd  zug,  das  wurd  alle  sach  ufrichten,  imd  daz 
Zürich,  Berrh^  Basel  uflF  die  ard  ze  ziehen  gewisen  [so],  da 
man  Würtemberg  möchte  hilflich  sin.  Wäre  euch  in  ander 
weg  gut.  Nun  hab  ich  bey  Frankreich  min  kleinfueg  wer- 
ben geton  und  antwurt  empfangen,  man  welle  mich  lassen 
wüssen,  doch  hab  ich  sidhar  ghein  antwurt  empfangen.  Es 
hat  euch  Frankreichs  bott  geraten,  Würtemberg  solle  selb 
zumm  König  von  Frankreich  schicken;  vernimm  aber  hie 
neben,  das  es  unfruchtbar  sye  etwas  malen  gewesen. 

Man  soll  sich  wol  ummsehen  des  Türken  halb,  dann  es 
ist  gwüss  niitzid  denn  fablen,  nun  müss  (der  Kastellan  von 
Musso)  etwar  an  dem  bock  angon,  eintweders  an  den  Kö- 
nig von  Dänemark  oder  an  den  Woyda  oder  an  den  Land- 
grafefij  oder  zu  warten,  ob  der  Herzog  von  Wurtemherg  nach 
dem   sinen   ti'achten,   oder  wider  Zürich,  Bem^  Basel  und 


1)  Das  Jahr,  das  in  dem  Brief  nicht  angegeben  ist,  lehrt  dessen 
Inhalt,  denn  der  Brief  der  Greheimeh  von  Zürich,  auf  den  Zwingli  hin- 
weist, ist  von  demselben  Tage  und  geidruckt  Eidgen.  Abschiede  lY. 
Ib,  S.  966,  8. 


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ZWINGLI  UND  LANÖGRAF  PHILIPP.  3t) 

andbne  [ergänze  etwa:  «nzegön].  Gott  bewar  üch  wider  alle 
sine  fyendt.  Geben  28.  tags  ApriKs.  Icli  einbüt  tnin  arme 
dienst  dem  Rereog  von  Würteniberg  zu  aller  zyt  Sust  sind 
wir^  gott  hab  lob^  gantz  unverzagt 

Ewdr  etc. 

williger  uxöiertailiger 

Ztvingli. 
(1)*  bedüt  die  christliclien  stett,    die  in  unserem  burg- 
rechten  sind,  afle  mit  einander. 

(2)*  bedtit  strassburg:  der  zyffer  bedörfferid  wir  nocti 
ze  not:  was  ir  Gelds  halber  vermeinend  ze  hoBfen,  mögt  ir 
micli  wüBsen  lassen. 


Diese   beiden    Briefe   machen    nun    die    Coirrespohdenz 
keinesw^  vollständ^. 

Der  Landgraf  erwähnt  in  den  Briefen  vom  14.  Febtuar 
und  10.  März  1530  zwei  Schreiben  Zwingli's  an  ihn,  in  de^ 
ersten  und  dem  vom  26.  Januar  auch  zwei  an  Ulrich  von 
Würtemberg ,  die  wir  nicht  besitzen  ^).  Ih  dem  Briefe 
Zwingli's  an  Jakob  Sturm  vom  27.  und  28.  Februar  1530 
bittet  er  den  Freund,  seinen  Einfluss  bei  den  Kleinmütigen 
in  den  Reichsstädten  zu  Gunsten  der  guten  Sache  aufzu- 
bieten :  „  Commemorate  (nämlich  g^en  Bürgertnedster  Besserer 
von  Uhn  und  seine  Anhänger),  quomodo  vobis  magis  ac 
magis  allubescat  amicitia  nostra,  et  cetera  quaeso  (so  Ues 
statt  des  unsinnigen  quae  si)  vos  docere  pergere,  sus  Mi- 
nervam.  Ad  PHncipem  nostrum  Landgraftum  idem  scribo, 
quapropter  eas  literas  primo  quoque  tempore  ad  illum  dato"  *). 


*  8.  0.  die  Tafel  (Anm.  3  u.  4). 

1)  Opp.  405.  406.  426.  534.  Der  S.  405  (Schreiben  vom  25.  Ja- 
nuar) erwähnte  Brief  an  den  Landgrafen  ist  wohl  der  vom  2.  Novem- 
her  1529  (Opp.  666).  Wenigstens  passt  die  Antwort,  die  Philipp 
giebt,  sehr  wohl  auf  deisseh  Inhalt :  „  Lieber  Meister  Ulrich.  Ich  habe 
Etter  Schreiben  ifrohl  verstanden,  und  es  ist  vor  uns  nicht  weniger, 
Luther  und  Melanchthon  haben  zu  viel  gethan,  dass  sie  solche  Tren- 
nung anrichten  ^^  u.  s.  w. 

«)  Opp.  423. 


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40  LENZ, 

Auch  dies  Schreiben  fehlt,  die  Antwort  aber  haben  wir  in 
dem  Briefchen  Phüipp's  vom  15.  März  ^).  Um  dieselbe  Zeit 
hatte  Zwingli  die  Absicht,  dem  Landgrafen  sein  Gutachten 
über  ein  Bündnis  mit  Frankreich,  das  berühmte  consilium 
Gallicum,  zu  schicken,  änderte  sie  aber  in  der  Erwägjpng, 
dass  der  Landgraf  bei  seiner  Unkenntnis  des  Latein  dann 
das  Geheimnis  anderen  verraten  müsse.  Er  schreibt  dies 
am  12.  März  an  den  Züricher  Stadtschreiber  Werner  Beyel, 
seinen  vertrautesten  Freund*),  fugt  aber  hinzu:  „Sed  ne 
quid  optimo  Principi  desit,  simmiam  brevi  complexus  sum 
in  hac  epistola,  quam  hie  accipis"  *).  Beyel  war  damals  in 
Basel  bei  den  Verhandlungen  über  die  Aulhahme  des  Land- 
grafen in  das  schweizerische  Burgrecht  tätig.  Er  sollte  den 
Brief  also  jedenfalls  an  die  he^ssischen  Gesandten  Sigmund 
von  Boyneburg  und  Georg  von  Kolmatsch  zur  Weiterbeför- 
derung an  ihren  Herrn  übergeben.  Am  30.  Mai  schreibt 
Jakob  Sturm  Zwingli'n  aus  Augsburg:  „Salutem.  Recepi 
literas  tuas  alterasque  ad  Cattum  curavi  per  nuntium  tuum  ut 
reciperet"  *).  Vier  Tage  davor,  am  26.  d.  M.,  erwähnt 
Zwingli  in  einem  Brief  an  Ambrosius  Blaurer  diesen  Boten: 
„Proficiscitur  hie  tabellio  Augustam  ad  Cattum  et  Argen- 
toratenses"  ^);  er  wird  auch  Schreiben  der  Züricher  Stadt- 
herren mitgenommen  haben.  Am  23.  Juli  schreiben  Capito 
und  Bucer  aus  Augsburg  an  Zwingli:  „Salutat  te  comes 
noster    (Sturm),    qui  (so  zu  lesen  statt  quid)    praeter   haec, 


1)  Opp.  444.  Der  Brief  Philipp's  vom  10.  März  ist  es  also  noch 
nicht. 

*)  lieber  Beyel  vgl.  ausser  der  Corr.  Zwingli's  Eidg.  Absch.  IV, 
Ib,  passim. 

8)  Opp.  432.  In  dem  Brief  vom  10.  März  erwähnt  Philipp  schon 
des  französichen  Ratschlages:  „So  aber  die  Sache,  da  Ihr  den  Rat- 
schlag auf  gemacht  habt,  betreffen  Frankreich,  oder  Venediger  dereinst 
vor  sich  ginge  ....  wollte  der  Landgraf  willig  sein."  Zwingli  hatte 
ihm  also  in  dem  fehlenden  Brief,  auf  den  hier  geantwortet  wird,  die 
Abfassung,  vielleicht  auch  die  Absicht,  das  consilium  zu  übersenden, 
gemeldet. 

*)  Opp.  458. 

«)  Opp.  457. 


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ZWINGU  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  41 

quod  scriberet,  nihil  habuii  Catto  literas  heri  reddidit,  re- 
spondebitur  ftisius  proximo  nuntio"  ^):  jedenfalls  wohl  ein 
Schreiben  Zwingli's  und  nicht  etwa  eins  der  Züricher  Ge- 
heimen. Der  Brief  vom  22.  kann  es  aber  noch  nicht, 
der  vom  13.  d.  M.  nicht  mehr  sein,  da  der  schwerlich  zehn 
Tage  von  Zürich  bis  Augsburg  gelaufen  ist.  Am  14.  October 
meldet  Bucer  aus  Basel:  „Salutem  in  Domino.  Literas  tuas 
et  quas  simul  misisti  accepi  hac  vespera  circa  quintam. 
Dedi  nuntio  salarium  batzios  Constantienses  16  J,  mea  enim 
caussa  missus  est.  Literae  Catti  cras  ibunt  Argentoratum  "  *) : 
das  sind  natürlich  Briefe  an  den  Hessen*,  auch  sie  könnten 
zur  Not  von  dem  Züricher  Rat  herrühren,  sehr  viel  wahr- 
scheinlicher aber  von  Zwrngli  selbst.  Alle  diese  Briefe  sind 
noch  verborgen  oder  verloren. 

Wie  man  sieht,  gingen  sie  stets  über  Strassburg,  und 
zwar  ist  Jakob  Sturm  der  Vermittler  dieser  geheimnisvollen 
CüiTespondenz  gewesen.  Wahrscheinlich  war  er  auch  im 
Besitz  der  Chiffer;  wenigstens  haben  wir  Briefe  von  ihm, 
die  „suo  (p  amico  carissimo"  adressirt  und  „tuus  \fj"  unter- 
zeichnet sind  ^).  Die  Briefe  an  Ulrich  gingen,  zum  Teil 
wenigstens,  über  den  Hohentwiel  *).  Von  den  Briefen  des 
Landgrafen  vermissen  wir  mit  Sicherheit  nur  einen,  der  am 
3.  März  1531  abgegangen  ist:  Ulrich  von  Wüiiemberg 
deutet  in  seinem  Schreiben  von  jenem  Tage  darauf  hin  ^). 

Aber  wer  darf  sagen,  dass  damit  alle  verlorenen  Briefe 
nachgewiesen  sind?  Die  Vertrautheit  des  Verkehrs,  die 
Mannigfaltigkeit  und  Wichtigkeit  der  stets  sich  verschieben- 
den politischen  Ideen  und  Aufgaben  lassen  viel  eher  eine 
weit  reichere  Correspondenz  vermuten.     Man  muss  doch  eine 


1)  Opp.  485. 

«)  Opp.  536. 

»)  Aus  Augsburg,  31.  Mai  und  28.  Juni  (Opp.  458.  465). 

*)  Phüipp  an  Zwingli,  den  10.  März  1530  (Opp.  427):  „Es  hat 
mich  auch  der  Herzog  von  Würtemberg  gebeten,  so  Zwingli  ihm 
schreiben  wolle,  dass  er's  mit  verborgenen  Worten  thue  durch  diese 
Zeichen ;  er  habe  auch  Twiet  bestellt ,  dass  man  soll  daselbst  Briefe 
annehmen  und  zurecht  schicken.^* 

*)  Opp.  585. 


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42  XiENZ, 

zufeammenhäiigende  Kette,  in  der  Bridf  um  Brief,  Aniwott 
um  Antwort  ging,  eine  wirkliehe  Correspondenz  annehmen 
können.  Von  dieser  fehlen  in  dem  Zeitraum  vom  2.Noveml)er 
1529,  wo  ZwingH  den  Briefwedisd  nach  der  HelmkeJir  aus 
Marburg  \Vieder  äufiiahm^),  bis  -zum  1&.  MSrz  1530  wohl 
nur  die,  "welche  wir  eben  vemiisst  hftben.  Von  dieSeto  Tage 
bis  zum  4.  September  ist  die  Briefreihe  des  Utaidgi*afen 
unterbrochen.  In  dem  Briefe  vom  letzteren  Tä^e  entschul- 
<Rgt  er  sein  langes  Schweigen.  Dass  er  damit  aber  bis  zum 
iö.  März  27arückgreifen  will,  ist  gar  nicht  zu  glauben.  Es 
ist  die  Antwort  auf  Zwingli's  Brief  vom  3.  August,  in  dem 
dieser  um  schnellen  Bescheid  bittet,  den  er  innerhalb  acht 
Tagen  erwartet:  „Uwer  Gnad  findt  den,  der  die  brief  hinab 
fertiget,  8  tag  ze  Frankftirt,  ist  ein  bfichtrucker."  Philipp 
will  also  um  Verzeihimg  bitten,  dass  er  jenem  Buchdrucker 
die  Antwort  nicht  mitgegeben  habe.  Diese  Bezeichnung  eines 
drei-  bis  vierwöchentlichen  Schweigens  als  einer  langen  Pause 
lässt  uns  erkennen,  in  wie  kurzen  Zwischenräiunen  die  Briefe 
gewechselt  sein  müssen:  wemgstens  in  dieser  Zeit,  ivährend 
des  Reichstages  von  Augsburg.  UnA  in  der  Tat  sind  die 
Briefe  Zwingli's,  die  seit  dem  fehlenden  vom  Mai  bis  zu  dem 
vom  4.  September  erhalten  sind,  am  13.,  am  22.  Juli  und  am 
3.  August,  zwischen  den  beiden  letzteren  DaJten  aber  noch 
einer,  der  fehlt,  geschrieben  worden,  so  dass  älöo  Zwingli 
von  acht  zu  acht  Tagen  einen  Brief  abgesandt  hat.  Man 
braucht  nicht  anzunehmen,  dass  der  Landgraf  weniger  oft 
geantwortet  habe,  denn  ihn  gingen  die  iMnge,  die  ZwmgK'n 
am  Herzen  lagen,  ebenso  nahe  an,  und  er  gab  sich  ihnen 
mit  eben  solchem  Feuereifer  hin:  „respondebitur  ftisius 
proximo  nuntio",  schreiben  Capito  und  Bucer  am  23.  Juli  *). 
Die    Lebhaftigkeit    des  Verkehrs  bezeugen    die  Aeusserung 


1)  Möglich ,  dass  dieser  Brief  schon  die  Antwort  auf  einen  ver- 
lorenen des  Landgrafen  war.  Die  Worte  zu  Anfang  könnteh  darauf 
hindeuten:  „Demnach  danke  ich  ü.  gnaden  hoch  des  friintllchen  em- 
bietens  mir  geton,  wo  ich  min  ort  imd  stand  wegi*en  wöltiB,  und  des 
ernstes,  den  üwer  g.  gebrucht  in  heimsenden  unser."  Doch  darf  ttian 
sie  wohl  lieber  auf  ein  mündliches  Anerbieten  in  Marbtü*g  beliehen. 

«)  Opp.  485. 


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ZWINGU  UND  LANISgRAF  PHILIPP.  43 

Sturüi'ß  in  dem  BHefe  vom  19.  Juni  an  Zwingli:  „Si  quid 
in  his  consilii  habes,  rogo  communices  vel  mihi  vel  Catto. 
Quanquam^  si  ad  me  miseris;  facile  Catto  commune  faciam  "  ^), 
und  die  Bitte  von  jenem  an  Philipp  am  22.  Juli:  „Was 
not  wirt  sin  ze  schryben,  empfehlend  es  herr  Jakob  Sturm, 
der  hatt  alle  stund  botschaft  ze  fertigen"*). 

Freilich,  es  waren  dies  Wochen,  die  eine  Steigerung  des 
brieflichen  Verkehrs  erklärlich  machen:  die  Verhandlimgen 
des  Reichstages  zu  Augsburg  imd  des  Bürgert^es  von  Zürich, 
auf  dem  die  Schweizer  Städte  zum  zweiten  Mal  über  die 
Aufnahme  Hessens  in  ihr  Burgrecht  berieten.  Es  musste 
dem  Reformator  ebenso  sehr  daran  liegen,  den  Landgrafen 
von  den  Lutheranern  mit  ihrer  Schwäche  g^n  die  Kaiser- 
lichen und  ihrer  Schroffheit  gegen  die  freiere  Richtung  abzu- 
ziehen oder  fernzuhalten,  als  es  diesem  seine  Stellung  zu  den 
Sachsen  und  seine  politischen  Pläne,  die  Interessen  imd  die 
Religion  wünschenswert  machten,  das  BCrndnis  mit  den 
Schweizern  endUch  abzuschliessen.  Ebenso  erklären  sich  die 
zahlreichen  BHefe  im  Januar,  Februar  und  März  1530  durch 
die  Verhandlungen  mit  den  Venezianern,  den  Franzosen,  und 
durch  den  ersten  Versuch,  auf  dem  Tage  zu  Basel  das 
Burgrecht  mit  Hessen  zum  Abschluss  zu  bringen.  Aber 
auch  aus  den  Herbstmonaten  des  Jahres,  in  denen  Bucer 
seinen  Concordatseifer  bewies  und  die  Unterhandlungen  über 
das  hessische  Bargrecht  endlich  zum  Abschluss  gelangten, 
wie  aus  der  ganzen  folgenden  Zeit  könnten  wir  kaum  weniger 
ßriefe  erwarten.  Denn  die  Ziele,  welche  der  Landgraf  und 
der  Reformator  zu  Marburg  ins  Auge  fassten,  haben  sich 
wohl  verschoben,  sind  aber  nie  aufgegeben  worden,  so  wenig 
wie  die  Hoffnungen  und  die  innige  Vertrautheit  zwischen 
beiden  Freunden  sich  verringerte,  bis  der  Tod  des  ehien  sie 
zerriss.  Was  uns  aus  den  zwölf  Monaten  vom  Ende  des 
Augsburger  Reichstages  bis  zu  der  Schlacht  bei  Kappel  von 
dem  Briefwechsel  Philipp's  des  Grossmütigen  und  Ulrich 
Zwingli's  erhalten  ist,  sind  jedenfalls  nur  die  geringen  Reste 


1)  Opp.  467,  unten. 

2)  Opp.  484. 


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44  LENZ, 

einer  Correspondenz,  deren  Verlust  wir  um  der  Lücken  willen, 
die  er  in  der  Erkenntnis  der  idealen  Ziele  dieser  hochstreben- 
den Männer  zurücklässt,  schmerzlich  beklagen  müssen. 


n. 

Wenn  wir  nun  den  Umfang  dieses  Briefwechsels  zu 
bestimmen  und  auch  die  erhaltenen  zu  lesen  im  Stande  sind, 
so  können  wir  die  letzteren  darum  noch  nicht  erklären. 
Und  selbst,  wenn  die  Lücken  ausgelullt  wären,  so  würden 
ims  doch  die  Briefe  allein  von  ihrem  Inhalt  nur  wenig  ent- 
hüllen. Sie  wären  nur  Fragmente  für  die  Geschichte  eines 
Bundes  der  Freundscliaft  und  der  Politik,  welcher  in  seiner 
Intinütät,  in  der  Vielseitigkeit  und  der  Höhe  seiner  Ziele 
noch  niemals  zu  einem  klaren  Bilde  zusammengefaßt  ist. 
Ihren  Hintergrund  bilden  die  beiden  grossen  Ideen-  und 
Interessensphären,  in  deren  Mittelpunkt  diese  Männer  stehen, 
für  den  Landgrafen  das  Verhältnis  zu  Kursachsen  und  der 
niederdeutschen  Politik,  die  Freundschaft  mit  dem  vertriebenen 
Herzoge' von  Würtemberg  und  dadurch  mitbedingt  die  Hin- 
neigung zu  den  oberländischen  Städten,  fiir  Zwingli  seine 
Stellung  in  Ziüich,  seine  reformatorischen  Absichten  in  der 
Schweiz,  und  überhaupt  seine  weitgreifenden  kirchlich  und 
politisch  communalen  Refonngedanken.  Dafür,  wie  diese 
beiden  Kreise  in  jenen  Jahren  durch  den  Druck  von  aussen 
imd  die  innere  Verwandtschaft  sich  nahe  kamen  und  nach 
Vereinigung  strebten,  muss  die  Geheimcorrespondenz  der 
beiden  Männer,  welche  mit  persönlichem  Interesse  imd  per- 
sönlichster Ueberzeugung,  einander  gleich  in  dem  Eifer  ihres 
Bemühens  und  der  Freudigkeit  ihres  Vertrauens,  die  Ver- 
wirklichung solcher  Ideen  versuchten,  die  Quintessenz,  der 
psychologische  Schlüssel  sein:  aber  wir  können  diesen  nicht 
gebrauchen,  ein  Urteil  über  die  Träger  solcher  Ideen  nicht 
wagen,  bevor  wir  von  deren  Umfang  und  Inhalt,  den  An- 
stalten imd  Mitteln  zu  ihrer  Realisining,  und  den  Schranken, 
die  ihnen  die  feindlichen  Kräfte  im  Innern  imd  von  aussen 
setzten,  eine  annähernd  richtige  Vorstellung  besitzen.     Den 


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ZWmGLI  UND  T.ANDGRAP  PHILIPP.  46 

Verkehr  beider  Männer  lückenlos  herzustellen,  dürften  wu* 
freilich  niemals  hoflfen,  auch  wenn  wir  sämmtliche  Briefe, 
Instructionen,  Entwürfe  und  Protokolle  vor  uns  hätten,  die 
von  u-gend  einer  Seite  Licht  darauf  werfen  könnten.  Das 
Beste  ist  mündlich  abgemacht  worden,  auf  den  Versamm- 
lungen von  Basel  und  Zürich,  in  dem  Zusammenleben  Philipp's 
mit  den  Strassburgem  zu  Augsburg,  vor  allem  aber  während 
der  denkwürdigen  Tage  zu  Marburg,  in  denen,  was  wir  jetzt 
nur  dürftig  erraten  können,  die  Freundschaft  geschlossen 
und  wohl  alle  die  Pläne  durchsprechen  sind,  welche  den  Inhalt 
der  Briefe  und  Verhandlimgen  bis  zur  Schlacht  bei  Kappel 
bilden. 

Obschon  mm  sogar  das  vorhandene  Material  lange  noch 
nicht  vollständig  beisammen  ist,  so  mag  dennoch  eine  kurze 
Skizze  dieses  Freundschaftsbundes  auf  Grund  der  gedruckten 
Correspondenzen ,  besonders  der  ausgezeichneten  Publikation 
der  Eidgenössischen  Abschiede  *),  sowie  einiger  neuer  Quellen 
aus  dem  hessischen  Archive  zum  besseren  Verständnis  des 
Erhaltenen  gewagt  werden. 

Es  ist  der  Briefwechsel  eines  Reformatoren  und  eines 
reformirenden  Füröten,  begonnen  —  denn  von  den  formellen 
Briefen  aus  dem  Sommer  1629  können  wir  absehen  —  nach 
jenen  weltgeschichtlichen  Tagen  zu  Marburg,  wo  die  Ver- 
einigung der  beiden  evangeüschen  Bekenntnisse  erstrebt  und 
aufgegeben  wurde:  aber  ihr  Inhalt  ist,  wenn  wir  das  Wort 
nur  in  seiner  dogmatischen  Bedeutung  fassen,  mit  nichten 
reformatorisch.  Von  dem  dogmatischen  Zwiespalt  ist  kaum 
in  einem  anderen  als  in  den  ersten  beiden  Briefen  nach 
Marburg  die  Rede  *).  Wenn  Zwingli  sich  später  noch  über 
die  sächsischen  Gegner  erregt,  so  geschieht  das  nur,  sobald 
er    einen  politischen  Nachteil    daher    furchtet.     Im    übrigen 


1)  Die  Eidgeaössjschen  Abschiede  aus  dem  2ieitraume  von  1529  bis 
1532.  Bearbeitet  von  Johannes  Strick  1er.  Der  amtlichen  Ab- 
Bchiedesammlung  Bd.  4,  Abth.  Ib.     (Ich  kürze  fortan  ab:  E.  A.) 

*)  Unter  veränderten  Verhältnissen  kommt  Philipp  wieder  in  dem 
Brief  vom  25.  Januar  1531  (Opp.  575)  darauf  zurück.    S.  u. 


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46  1^2^, 

kn\lpft  sijCh  die  Correspondenz  an  die  Interessen  der  Politik. 
HJer  aber  richten  sich  die  bedanken  auf  die  gess^nmte  Lage 
der  Welt:  auf  Venedig  und  Dänemark^  Frankreich  und  die 
Tvirkenkrjege,  U^garp^,  Jkigland,  Ferdinand,  Böhmen,  vor 
allem  auf  die  Welt^emchaftsgelüste  des  Kaisers.  Die  nahen 
un4  die  weitesten  Ziele  werden  neben;  einander  ins  Auge 
gefasst:  das  hessisch-schweizerische  Bündnis  und  die  Rück- 
führung Herzog  Ulrich's  in  sein  Land,  die  Hineinziehung  des 
ganzen  Norden  Deutschlands  in  das  Burgrecht  und  in  seine 
Bekenntnisfonn,  Verhandlungen  mit  Venedig,  mit  Dänemark, 
mit  Frankreich,  ein  Q^d  der  ganzen  nicht^bsbiurgischen 
Welt,  getragen  von  dem  Grundgedanken  des  EvangeUum 
imd  des  Gegensatzes  gegen  die  spanisch-habsburgische  Welt- 
macht: nicht,  um  nur  die  religiöse  Ueberzeugung  gegen  die 
gewaltsame  Unterjochung  zu  verteidigen;  diese  G^anken 
zielen  weiter,  greifen  höher:  man  siehtf  die  Gtefahr  unmittelbar 
über  dem  Haupte  imd  will  ihr  unmittelbar  begegnen:  Karl 
ist  von  Barcelona  a^fgebl'oc^len5  Italien  unterwirft  sich  ihm; 
im  Glänze  der  eben  erworbenen  ^Äi^rilP'one,  als  ^ndling 
Roms  erscheint  er  mit  seinen  spanischen  imd  itaüenischen 
Heeren  vor  den  Alpen,  bereit,  die  Freiheit  imd  Religion 
Deutschlands  zu  unterdrücken,  die  Monarchie  zu  errichten: 
man  wird  ilm  gar  nicht  hineinlassen !  Was  hat  Deutschland 
mit  Rom,  was  mit  dem  römischen  Kaiser  zu  schafifen?  Man 
wird  ihm  die  Pässe  oder  wenigstens  die  Städte  des  Ober- 
landes verschUessen,  Venedig  g^en  ihn  aufrufen,  in  Tirol 
einbrechen,  Würtemberg  einnehmen,  Frankreich  imd  Däne- 
mark in  das  Burgrecht  ziehen :  ein  Bund  von  der  Adria  bis 
zum  Belt  und  zum  Ocean  soll  die  Welt  aus  der  Umklam- 
merung des  Habsburgers  erretten. 

Wer  hat  diese  Gedanken  zuerst  gefasst?  War  es 
Zwingh  oder  Philipp?  Und  wer  hat  den  grösseren  Einfluss 
ausgeübt?  Oder  haben  beide  mit  gleichem  Eifer  und  gleich 
radical  diese  aus  allen  Bahnen  weichenden  Pläne  betrieben? 

Verfolgen  wir  die  eben  angedeuteten  Absichten  in  dem 
Briefwechsel,  so  sehen  wir  den  Landgrafen  sie  ganz  so  hitzig 
wie  den  älteren  Freund  vertreten.  Wenn  dieser  Venedigs 
und  Frankreichs  Aufnahme    betreibt,    so    scfilägt  jener    die 


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ZWINGLI  UND  i;*A]!inj)GRAP  PHILIPP.  47 

lDtanei];i^k^  vor.  Auch  erblicken  vir.  %\  l^w^^  Vorschlage 
ZwingU's  kl^mü%  gegei[^^b^,  ^e  dap  dieser  deijm  auch 
ihm,  sowie  den  Freunden  in  der  Schweif  iii^d  im  Ob^ij'lande 
rückhaltlos  bezeugt  hat:  ^,Pib  Pattor^m  p;ipicipe'^,  schreibt 
er  dem  firanzösischen  Gesang»,  „  sie  intelJige:  Juvenis  quidem 
^%y  puta  25^  natus  apanos,  se^  super  hanc  ^tatem  prudens, 
^iagnajnimu3,  ^t  constans ;  apu^d  Ulum  possumus  fere  quicquid, 
yokouus"^).  Nur  einer  von  jei;ieu  Gedanken  fehlte  dem 
Landgi;af*^V?  ^^  yi^kpehr  eine  Empfindung  hatte  er  inehr 
als  Zwingli:  ^e  für  ]^ai^r  und  Jleich.  Piese  hat  Philipp 
—  un4  da^  is^^  ihm  undj  des^  deutschen  ^frotestantisipus  ver- 
^er][>lich  ge;\<ror^en  —  n^epaals  verleugi;]^et.  Er  wi^  s^ne 
schmalk^ldischeiii  ]^tverw«^^^ten,  iflü  A^i^nahm^  vielleicht 
einiger  Ober^^^r,  IjLaben  stets  die  Zugehörigkeit  zum  Reiche 
als  eine  per^^i^^^^te  YerpjBticbt^mg  g^gen  clw  Kaiser  gefühlt. 
Sogai^  in  ^^^r  f^ijitikaiseirUchßten  Perio<J^9,  seines  Licbens  hat 
er  das  ati^eapro^Jli^en,  ebei^^  in  einejn  Brieff  an  Zwingli,  aiii 
4.  Sept^bipr  1,530,  n^  ^er  ^^inftl^ehr  aus  Augsburg: 
„Den:  keyaejc  w^  wp^  fi^um^,  wenn  andere  Leuije  ^häten  (?) 
ßh  naüQ^ijlich  J^^dif^ndius  un^  andere  ^^  ^). 

Von  Zwingt  haben  wir  grade  aus  der  Zeit  di^seif  Pläne 
Aus^prii9]t:^e,  di^  uns  das  völlige  Erloschensein  des  R^ichs- 
b^riff^  in  ^lm  o^nbaren.  So  iß,  einem  Bifief  f\n  Konrad 
Sara  in  pim,  der  hierin  fthnlicjhi  dach^q:  „Gratiam  et  pacem 
a  Peo.  ^eti^ti^  nimc,  proh  d-olpir,  fi;Tictum  studioruw  vestrorum. 
Hunc  Caesairem  e^p^tastis,  hunc  recipite,  qui  hau,d  d,ubie 
non  tantopere  coleret  ecclesiam,  nisi  sub  hujus  praetextu 
Uber^a^  iirbiuip  inh^ret.  Adperite  igitur  oculos,  npn  tantum 
quaeritur  po^tifici  rpinanp^  quantuiju  priv^tis  hominib^s,  i^m, 
me  fel^it  iMiimiis  meus.  Dudum  vpritus  ftii,  8ub  defp^^ione 
£c<;^le8ia6  quaeri  ^rbi\TO  oppre^ionem  ac  Ubertatis  ademptio- 
nem.  Sie^  s^rdo  fi^b^^«^^l  n^urro,  non  tibi,  se^  vesüi^ti  populo, 
qui  Romanum  L  e.  peregjrinum  ^mper^iw  adep  f}i\perst^tiose 
colit,  ut  nesciat,  an  ulla  unquam  gens  tarn  stulta  fuerit,  ut 
tyrannum  capiti  suo  imposuerit  eumque   longe  petitum  (weit 


1)  Opp.  4ia 

2)  ^p.  505.    S.  o.  S.  316  Anm. 


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48  LENZ, 

hergeholt).  Quid  enim  Germaniae  cum  Roma?  Cum  ne 
sacerdotes  quidem  romani  illum  in  urbem  ac  teeta  reeipiant. 
Expende  hune  rithmum: 

Papsttum  und  Kaisertum 
Die  sind  beide  von  Rom.**  ^) 

Und  fast  noch  radicaler  in  einem  seiner  merkwürdigsten 
Sclireiben,  das  er  unter  dem  Druck  der  Augsburger  August- 
unterhandlungen, am  18.  d.  M.,  an  Sam  imd  Simbert  von 
Memmingen  sandte,  in  der  Absicht,  durch  sie  den  Kleinmut 
ihrer  Mitbürger  gegen  die  leeren  Drohungen  der  Pfaflfen  auf- 
zurichten. Er  zählt  die  Gründe  auf,  die  sie  den  Ihrigen 
vorhalten  sollen,  darunter  als  letzten:  „Deinde  si  sensim 
coeperitis  personam  Romano  imperio  detrahere,  quomodo 
stultum  sit  hoc  imperium  agnoscere,  quod  isthic  non  agno- 
scitur,  unde  nomen  habet  Perinde  ac  si  nunc  Pannones 
Sophum  Persiae  Dominmn,  si  regno  pelleretur,  suum  Sophum 
facerent,  hac  lege,  quod  Persiae  aliquando  Sophus  fuisset, 
ipsi  autem  Persae  jam  longe  feliciores  essent,  si  hac  tyran- 
nide  liberati  aliis  hanc  Aten  et  noxam  misissent.  Sic  est 
Romanum  imperium.  Id  autem,  quod  subiudico,  non  pro 
publica  contione,  sed  in  loco  fieri  oporteret.  Nimis  amantes  estis 
rei  romanae.  Quid  Germaniae  cum  Roma?  Sed  haec  oportet 
post  longum  tempus  sperare,  si  pergimus  sero  sapere  Phryges." 

Es  ist  vielleicht  in  dem  gesammten  Ideenkreise  Zwingli's 
das  Ausserordentlichste,  dass  er  auch  nach  dieser  Richtung 
mit  dem  Mittelalter  so  völlig  gebrochen  hat  Das  war  der 
„andere  Geist",  dem  Martin  Luther,  der  niemals  aufhörte, 
für  seinen  Kaiser  „Carolus,  das  edel  Blut"  ein  Gefühl  herz- 
licher Verehrung  zu  hegen,  so  fremd  gegenüberstand.  Das 
rationale  Moment  in  der  Weltanschauung  des  schweizerischen 
Reformators  offenbart  sich  ganz  besonders  durch  solche  poli- 
tischen Vorstellungen  in  einer  Zeit,  wo  ein  ihm  wie  wenig 
andere  ähnlich  denkender  Mann,  Johann  Sleidanus,    ein  in 

1)  Undatirt.  Opp.  388.  Nach  einer  Notiz  Simmler's  setzt  eine 
alte  Aufschrift  den  Brief  ins  Jahr  1529.  Mörikofer  (Ulrich  Zwingli 
II,  299)  giebt  das  jedenfalls  richtige  Datum,  26.  Sept.  1530.  Er  fügt 
in  der  Uebersetzung  noch  einige  sehr  bemerkenswerte  Sätze  hinzu,  die 
in  den  Werken  nicht  gedruckt  sind,  leider  ohne  seine  Quelle  anzugeben. 


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2WINQLI  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  49 

dem  ganzen  Abendlande  berühmt  gewordenes  Buch  über  die 
vier  Monarchien  geschrieben  hat.  Nm*  fasse  man  jenes  Wort 
nicht  in  dem  Sinne  etwa  von  Nüchternheit,  Qefiihlsleiöre  oder 
doch  nur  formaler  Verstandesklärung.  Es  war  Freisein  von 
der  Romantik,  ein  Sicherheben  auch  über  die  poUtische 
Mystik  des  Mittelalters,  ein  „anderer  Geist *^  als  der  in 
Luther  lebte,  aber  es  war  ebenso  Ki'aft  imd  Lebensfulle, 
Empfindung,  Bedürftiis,  Leidenschaft,  Ideal:  der  Glaube,  für 
den  sein  Träger  gelebt  hat  und  in  den  Tod  gegangen  ist, 
dem  er  in  schmerzlicher  Resignation  nur  eine  spät«  Erfüllung 
verheissen  mochte:  „Sed  haec  opoi*tet  post  longum  tempus 
sperare,  si  pergimus  sero  sapere  Phryges." 

Wer  hat  mm  von  den  beiden  —  um  zu  der  Frage, 
die  wii'  eben  verliessen,  zurückzukehren  —  in  diesen  hohen 
politischen  Phantasien  die  Initiative  und  Fühinmg  gehabt? 
Es  ist  kein  Zweifel,  der  Reformator.  Es  sind  die  Gedanken, 
die  wir  ihn  in  seinen  Briefen  imd  Sendschreiben  seit  der 
Zusammenkunft  in  Marburg  aller  Orten  vertreten,  anregen, 
ausbreiten  sehen.  Philipp  hat  sich  durch  den  hohen  Ideen- 
flug des  Freundes  gewinnen,  hinreissen  lassen.  Zwei  Naturen, 
die  einander  gleichen  in  der  jugendUchen  Frische  ihres 
Wagens  imd  Empfindens;  aber  der  ältere  ist  zugleich  der 
Genialere;  der  jüngere  ist  ihm  gefolgt. 

Die  Idee  der  Vereinigung  beider  Bekenntnisse,  die  unter 
dem  Druck  des  Speirer  Reichstages  entstand,  ging  freilich 
von  Philipp  aus.  So  begierig  Zwingli  den  Vorschlag  auf- 
nahm, hatte  er  doch  noch  manche  Bedenken,  die  erst  durch 
die  eifrigen  Vorstellimgen  und  Anerbietungen  des  Fürsten 
imd  der  Strassburger  überwunden  wurden.  Auch  hat  der 
Landgraf,  wie  wir  vorhin  sahen,  schon  bestimmte  politische 
Absichten  mit  der  Einladung  verknüpft  ^).  Das  eine  Inter- 
esse, welches  bis  zu  seiner  Befriedigung  in  allen  seinen  politischen 
EntSchliessungen  ausserordentlich  mitgewii'kt  hat,  erkennen 
wir  bereits  jetzt:    in  dem  Credenzbrief,   mit  dem  der  Ritter 


1)  S.  o.  S.  31f.  In  Basel  und  Strassburg  wusste  man  ebenfalls,  dass 
es  in  Marburg  auch  auf  politische  Verhandlungen  abgesehen  sei.  Des- 
halb giengeu  die  Ratsboten  mit  den  Prädikauten. 

ZeiUckr.  f.  K.-G.  III,  l.  4 


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50  LENZ, 

Johann  von  Fuchsstein  im  Auftrage,  als  Kanzler  Herzog 
Ulrich's  bei  Zwingli  in  den  ersten  Augusttagen  erschien. 
Schon  also  ward  die  Restitution  Ulrich's  von  den  beiden 
Fürsten  in  Verbindung  mit  den  Schweizer  Plänen  gebracht  ^). 
Aber  jene  Unionsbestrebungen  waren  anfangs  doch  noch 
mit  der  km'sächsiachen  Regierung  zusammen  ins  Auge  gefasst 
worden :  auch  deren  Interessen  sollten  befriedigt  werden,  wie 
man  die  religiösen  Ideen  beider  Kreise  zur  Einigung  zu 
bmigen  hoffte.  Dasjenige  aber,  was  in  Marburg  beschlossen 
wm'de,  trat  grade  unter  dem  entgegengesetzten  Druck  in 
die  Welt:  es  geschah  unter  dem  Einfluss  des  Mislingens 
der  zu  Speier  angestrebten  Vereinigung;  es  griff  daher  nicht 
bloss  viel  weiter,   sondern  zielte  auch  nach  einer  wesentUch 


1)  Der  Credenzbrief  aus  Kassel,  den  27.  Juli  (Opp.  328.)  Der  Antrag 
ging  zunächst  auf  die  Aufiiahme  des  Hohentwiels  in  das  Burgrecht  mit 
Zürich,  Bern  und  Basel.  Zwei  Verhaudlungstage  in  Zürich,  den  17. 
und  26.  August.  E.  A.  S.  326ff.  340f.  Mit  Ulrich  von  Würtem- 
berg  stand  Zwingli  seit  langem  in  Verbindung,  und  oluie  Zweifel  ist 
der  Landgraf  durch  die  persönlichen  Vorstellungen  seines  Freimdes 
mitbestimmt  worden,  Zwingli  zu  dem  GesprUch  einzuladen,  lieber  die 
fi-üheren  Beziehungen  Zwingli's  zu  Herzog  Ulrich  geben  Aufschluss: 
Opp.  VII,  412.  Herzog  Ulrich  Zwingli  3.  10.  1525.  Credenz  für  seinen 
Secretär  Hans  Kommesser.  —  Opp.  VIII,  27.  Oec.  Zw.,  Basel,  11.  Febr. 
1527:  „Dux  Wirtembergensis  noster,  qui  apud  Landgrafium  Hassiae 
agit,  litteris  ad  me  datis  te  salutare  nominatim  jussit.  Intellexi  ex 
ministro,  quod  nostri  quotidie  memores  sint,  sed  Landgrafius  adhuc 
haeret  in  re  Eucharistiae.  Alioquin  fertur  esse  evangelii  promovendi 
ferventissimus  princeps.  Ante  paucos  menses  misit  tua  et  mea  ad 
Lutherum  et  solicitavit,  ut  contra  nos  scriberet.  Quod  si  negligeret, 
futurum,  ut  ejus  scripta  posthac  non  esset  lecturus "  u.  s.  w.  (vgl.  auch 
Cap.  Zw.  28.  Febr.,  Oec.  Zw.  28.  April,  Oec.  Zw.  18.  Aug.,  Cap.  Zw.  21. 
Sept.  1527:  Opp.  31.  51.  84.  94.  95).  —  Opp.  35.  H.  Üb.  Zw.  Marburg, 
3.  April  1527.  —  Opp.  43.  Frumentarius  (Kommesser)  Zw.  Marburg,  4. 
April  1527.  —  Opp.  79.  Oec.  Zw.  Basel,  14.  JuH  1527 :  „Dux  Wirtember- 
gensis et  te  et  me  salutc»  impertiit  litteris,  quas  secrctarius  Kormnesser 
ad  me  dedit"  u.  s.  w.  —  Hierhin  gehören  auch  die  Bemühungen  Phi- 
lipp's  imd  Ulrich's  im  Jahre  1528,  Oec.  zu  einem  Colloquium  zu  be- 
wegen '^vgl.  Opp.  143.  146.  160.  161.  164).  —  Ein  Brief  Kornmesser's 
an  Zwingli  noch  aus  Kassel  vom  14.  August  1529.  Opp.  346.  — 
Auf  die  meisten  dieser  Stellen  hat  mich  Herr  Professor  Brieger 
aufmerksam  gemacht. 


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ZWmGLI  UND  LANDGRAF  PHIIJPP.  51 

anderen  Eichtung;  es  bedeutete  zunächst  ein  Abziehen  Philipp's 
von  den  sächsischen  Interessen  imd  Ideen,  und  schon  des- 
halb ist  es  psychologisch  erklärlicher,  Zwingli  für  den  gei- 
stigen Urheber  zu  halten. 

Zum  Glück  lehren  die  Dokumente  dasselbe. 
•  Wir  müssen  den  Zweck  im  Auge  behalten,  den  das 
Bündnis  gegen  den  Kaiser  erfüllen  sollte,  das  Motiv,  welches 
zum  Zusammenschluss  aller  nichthabsburgischen  Staaten  und 
zum  unmittelbaren  Losschlagen  antrieb.  Zwingli  hat  es  seit 
Marburg  unermüdlich  wiederholt:  es  war  die  Furcht  vor 
den  tyrannischen  Absichten  des  nahenden  Kaisers  gegen  das 
Evangelium  und  die  Freiheit  der  deutschen  Nation. 

In  einem  seiner  merkwürdigsten  Briefe,  dem  vom  1.  März 
1530  an  Konrad  Zwick,  wo  er  über  die  Nachlässigkeit  und 
den  E[leinmut  der  schwäbischen  Städte  klagt,  hat  er  es  aus- 
gesprochen, wann  ihm  diese  Ge£ahr  zum  ersten  Mal  bewusst 
geworden  sei:  „Non  enim  vident  boni  atque  innocentes  ho- 
mines,  Caesarem  nunc  ante  omnia  cavere,  ne  quemquam 
[so  L  statt  quanquam]  ofifendat,  si  enim  fieri  potest,  ut  citra 
metum  venientem  onmes  recipiant.  Qui  ubi  extra  periculum 
in  Germaniam  advenerit,  dii  boni,  quae  dissidia,  quas  turbas, 
quae  mala,  quas  clades  sub  specie  restituendi  Romani  Imperii 
instaurandaeque  Religionis  christianae  dabit!  Corruptos  esse 
oportet  aut  socordes,  qui  ad  hunc  modum  oscitant,  qui  non 
allaborant,  ut  auxilia  e^  opes  sie  comparent,  ut  Caesar  videat, 
se  nequicquam  tentare,  Romanam  fidem  restituere,  urbes 
Uberas  capere,  Helvetios  in  ordinem  cogere:  id  enim  ante 
dimidium  annum  de  arcanis  ejus  atque  Ferdi- 
nandi  consiliis  verissime  rescivimus.  In  quibus 
arcanis  forme  sie  continebatur:  ,prae  Helvetüs  et  Hberis  urbi- 
bus  principes  ac  omnem  nobilitatem  consistere  nequu'e,  proinde 
ineundam  esse  rationem,  qua  utrique  in  ordinem  cogantur: 
Helvetii  sie  etc.'  Longimi  esset,  hoc  nunc  seribere.  ,At 
urbes  hoc  modo :  seorsim  adgrediundae  erunt,  alia  hodie,  alia 
cras,  et  sie  una  post  aliam,  donec  subigantur:  deinde  arma 
eis  erunt  adimenda,    thesauri,    machinae,    opes  etc.'^'  *) 


1)  Opp.  429. 

4* 


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52  LENZ, 

Ein  halbes  Jahr  vorher ,  das  ist  die  Marburger  Reise ! 

In  der  Tat  finden  wir  den  Reformator  in  der  Corre- 
spondenz  der  vergangenen  Jahre  niemals  Besorgnisse  dieser 
Art  äussern.  Der  Kaiser  ist  in  Spanien,  durch  seine  wechsel- 
vollen, gefährlichen  Klriege  gegen  die  rivalisirenden  Mächte 
gehemmt;  die  Speirer  Beschlüsse  von  1526  sichern  die  Fort- 
schritte des  Evangehums.  Selbst  der  Abschied  des  zweiten 
Speirer  Reiclistages  wirkt  auf  die  CoiTCspondenz  nach  dieser 
Richtung  noch  nicht  ein.  Die  erste  etwas  ängstlich  klingende 
Nachricht  über  den  Kaiser  finden  wir  in  einem  Brief  Bucer's 
an  Zwingli  vom  6.  August,  durch  den  seine  Bedenken  gegen 
die  Reiße  überwunden  werden  sollten:  „De  Caesaris  in  Ita- 
liam  adventu  nunquam  narrata  sunt  tam  ceiia'^  *).  Die 
nächste  schreibt  Zwingli  seinen  Herren  in  Zürich  aus  Strass- 
burg  am  Tage  der  Ankunft,  den  6.  September:  „Wüssend 
ouch,  dass  es  gewüss  geben  wirt,  dass  der  Keiser  in  Italien 
hingefaren  sye,  und  dass  sich  der  Küng  uss  Frankrych 
Meilands  verzigen  hab  etc.,  damit  im  syne  kind  widrum 
werdend"  ^).  Wenige  Tage  später,  am  11.  September,  schickt 
er  denselben  als  Zeitung  die  Abschiedsrede,  welche  der  Kaiser 
in  Barcelona  vor  der  Ueberfahrt  gehalten  haben  sollte.  Noch 
möchte  er  an  ihrer  Echtheit  zweifeln:  „die  wir  doch  ein 
Dicht  eines  Papisten  schäzen,  wiewol  sich  zuversehen,  dass 
solches  das  Vornehmen  des  Kaisers  sei,  imd  die  Papisten 
solches  nicht  haben  mögen  verhalten,  denn  sie  ist  aus  dem 
Latin  ius  Deutsche  kehrt"*). 

Sechs  Tage  darauf  aber  sind  ihm  schon  alle  Zweifel 
geschwunden.  Am  17.  September,  dem  letzten  der  elf  Tage, 
die  er  imd  seine  Reisegelahrten  gleich  anfangs  in  Strassbm-g 
zu  bleiben  besclüossen  hatten  *)  —  am  18t«u    sind   sie  weg- 

1)  Opp.  341. 

8)  Getreu  nach  dem  Orig.    E.  A.  S.  380.    Opp.  363. 

3)  Opp.  364. 

4)  In  dem  Brief  vom  6.  September  schreibt  er  dies  schon:  „Gnad 
etc.  Demnach  wüssend,  dass  unser  Eidgnossen  und  christliclien  mit- 
burger  von  Basel  ims  mit  eim  schiff  und  schifflüten  in  irem  kosten 
demiass  versehen,  dass  wir  sechsten  t^s  dis  monats  in  XIII  stun- 
den  von  Basel  gen   Strassburg  irisch   und  gesund  komen,  gott  hab 


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ZWINGLI  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  53 

geritten,  —  hat  er  zugleich  im  Namen  seines  Mitverordneten, 
des  Zürcher  Ratsherrn  Uhich  Fimk,  an  seine  „Geheimen" 
den  Brief  geschrieben,  der  den  Umschwimg  seiner  Stimmung 
bezeugt,  imd  der  w^en  seiner  ungemeinen  Wichtigkeit  hier 
grösstenteils  noch  einmal  eine  Stelle  finden  möge').  „Gnad 
und  frid  von  Gott",  so  beginnt  es.  „Ersam  wys  gnädig 
günstig  lieb  herren,  wir  schickend  üch  hie  ein  abgschrift 
eines  ratschlags,  der  furgenomen  ist  zuo  der  zyt,  [da]  Fer- 
dinandus  noch  nit  küng  in  Bohem  gewesen ;  der  ist  ims  von 
getrüwen  lüten  byhendig  gemacht,  und  kumpt  uss  der  rechten 
kunst  kamer,  als  wir  üch,  ob  got  wil,  muntlich  wol  berich- 
ten wellend.  Darzuo  habend  -war  tütseh  imd  latinische  rat- 
schl^,  die  sidhar  furgenomen  sind,  ouch  gesehen,  die  alle 
uff  die  meinung  lutend,  desshalb  nit  not  gewesen,  die  alle 
ze  abschriben;  ouch  dorft  ichs  nit  anmuoten;  dann  diser 
ward  mir  mit  grosser  forcht  abzeschryben  [bewilligt?].  Und 
zum  lotsten  sollend  ir  wüssen,  dass  der  Bapst  den  friden 
zwtischend  dem  Küng  und  Keiser  darimi  angetragen,  dass  im 
der  Keiser  widrum  helfen  sol  und  in  restituieren  in  sin  rych 
und  grechtigheit.  Und  das  hat  der  Keiser  verheissen.  Dess- 
halb die  gschrift  nit  ytel  ist,  die  üch  vor  von  mir  zuogeschicki 
Es  sind  ouch  die  Venediger,  die  Schwyzer  und  herr  Ruprecht 
von  Arberg  in  dem  bericht  usgeschlossen.  Und  ist  ein  star- 
ker won,  der  küng  von  Frankrych  werde  vom  Keiser  zuo 
einer  reis  erfordret  wider  die  glöubigen  im  tütschen  land, 
und  werde  im  darum  die  summ  der  zwanzig  tusent  krönen 
nachgelassen.  Darum  gn.  lieb  herren,  habend  sorg,  die  wyl 
der  zuofal  des  gemeinen  mannes  unser  ist.  Dann  der  bäp- 
stisch  huf  und  der  pfaffenkeiser  gond  streng  uff  dem  ratschlag 
hinus.  Ouch  ist  in  eim  jüngeren  ratschlag  mit  usgetruckten 
werten  gestanden,  das  sy  die  stett  nit  eins  mals,  sunder  eine 
allein  angryfen  wellind  imd  die  andren  vertrösten  und  uf- 
ziehen ,  sam  sy  gedenken  söUind ,  man  werde  sy  nit  an- 
gryfen etc.     Mögend  ir  durch  Costenz  wol  berichten  lassen, 

lob.     Da    werdend    wir   uff  XI    tag   still  ligen    und  dem- 
nach hinfaren  aber  im  namengottes.  Wüssendouch"  u.  s.  w.  Am 
Rande :  „Da.s  underzogen  (hier  gesperrt  Gedruckte)  ist  guot  unangezeigt." 
1)  Nach  dem  Or.  E.  A.  S.  380.    Opp.  367. 


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54  LENZ, 

damit  die  guoten  lüt  gwarsam  sygind  5  dann  der  Keiser  wird 
nüts  dess  weniger  die  band  verbrennen.  Gott  wirt  uns  nit 
verlassen.  War  nit  bös,  ob  man  die  Venediger  trösten  imd 
ansprechen  möcht,  damit  sy  dess  tapfrer  widerston,  damit 
der  Keiser  in  Italia  usgemacht,  dass  er  über  das  birg  nit 
möcht  fliegen  (so!).  Mich  aber  sieht  die  sach  genzlich  an, 
dass  der  Bapst  den  Keiser  in  Italien  gelüedret  hab,  dass  er 
im  den  eertrunk  imd  Sant  Johanns  segcn  welle  mit  einander 
geben ;  dann  sust  gloub  ich  nit,  dass  man  dem  Küng  ein  so 
schwere  bericht  hette  mögen  abgwünnen,  er  wüsse  denn  me 
weder  nun  das  ein  (?).  Merkend  ouch  im  ratschlag  uff  das 
wort  „abgerichf,  dass  unser  Eidgnossen  abgericht  sind, 
on  zwyfel  durchs  gelt  zum  zwytracht.  Und  dass  zuo  letst 
nit  wir  von  Zürich  allein,  als  die  luterischen,  sunder  ein 
ganze  Eidgnoschaft  zuo  verdilggen  von  inen  den  Kei- 
serischen  fürgenomen  wirt,  dess  halb  nit  imfruchtbar  sin 
wirt,  ob  ir  erstlich  mit  \msem  Eidgnossen  imd  christlichen 
mitb[urgem]  vom  handel  redend  und  demnach  die  sach  wyter 
komen  lassend  zuo  biderben  lüten,  doch  unvermeldet,  wannen 
es  üch  köme;  dann  es  gwüss  und  sicher  ist,  was  man  uns 
hierin  angezeigt  hat." 

Das  ist  der  urkundliche  Beweis.  Die  arcana  consilia, 
die  Zwingli  in  dem  Briefe  an  Kom'ad  Zwick  als  die 
Quelle  seiner  Furcht  vor  dem  Kaiser  nennt,  sind  jener  Rat- 
schlag aus  der  rechten  Kimstkammer,  der  ihm  in  Strassbiu'g 
zukam.  Er  ist  gedruckt,  imd  seine  Bedeutung  wird  noch 
weiter  zutage  treten  ^). 


1)  E.  A.  S.  419.    Er  lautet  also: 

1.  Diewil  ursprünglich  die  Lutherisch  mateiy  am  fürnemsten 
in  den  stetten  geüebt  und  ufgeuomen,  darus  dann  die  ufrüer  by  den 
puren  allenthalben  geflossen ,  so  ist  die  straf  f  iirzenemen :  etlich  der 
vordersten  und  jetzigen  regierenden  uss  den  stetten  zuo  erfordern 
und  anzuonemen,  wie  dann  etlich  ufzeichnet,  und  ihnen  vemiög  des 
edicts  etc.  ire  recht  ze  thuon ,  wie  dann  deren  in  allen ,  schier  dhein 
usgenommen,  gefunden  werdent. 

2.  Item,  darzuo  die  stett  an  gelt  und  in  ander  weg  hertiklich 
ZUG  strafen,  mit  abwerfung  irer  weer,  entnemung  des  geschützes  und 


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ZWINGU  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  55 

Es  ist  nötig,  jenen  Septembertagen  in  Ötrassburg  die 
Stellung  wiederzugeben ,  die  sie  in  dem  Leben  Zwingli's  be- 
anspruchen dürfen.  Er  ist  in  Marburg  als  ein  anderer  an- 
gekommen, als  er  von  Zürich  •ausgeritten  ist.  War  er  schon 
vorher  eifiig,  den  gesinnungsverwandten  Landgrafen  kennen 
,zu  lernen,  den  Gegnern  gegenüberzutreten,  vielleicht  seinen 
Ideen  auch  im  Norden  Deutschlands  Eingang  zu  verschaffen, 
mit  welcher  Begier  musste  er  jetzt  nach  Hessen  eilen,  mm 
er  die  imgeheure  Gefahr  herankommen  sah,    die,  wenn    sie 


inen  houptlüt  zuo  setzen  luid  zuo  verordnen,  das»  sy  on  wissen  nichts 
fürzuonemen  oder  zuo  handien  habent. 

3.  Item,  ob  glych  etlich  darunder,  so  \pmieintent,  sich  mit  der 
lutherischen  handlung  nit  sonderlich  vertieft  ze  haben,  so  sind  sy  uss 
andren  gründen,  als  der  monopolien,  wie  dann  Augsburg,  und  andren 
stucken,  wie  n  und  n  gethan,  anzegrifen. 

4.  Item,  sy  wol  ze  berupfen,  darmit  sy  nit  meister  werdint ,  wie 
bisshar  imderstanden,  und  eine  nach  der  andren. 

5.  Item  die  stett  und  ir  kouflüt  uf  dem  land  beschedigen  zuo 
lassen  und  allenthalben  durch  die  finger  ze  sechen. 

6.  Item,  nachdem  bishar  die  Schwizer  die  Schädlichesten  sind 
aller  natürlichen  oberkeit,  fürsten  und  ritterschaft  gewesen;  diewyl 
sy  jetzund  under  inen  selbs  uneinig  und  zum  teil  durch  Bapst  und 
F.  Dt.  (Ferdinandt?)  und  pimd  (seil,  schwäbischen)  abgericht,dass8y 
den  Zürchem  und  andern  iren  luterschen  anhängem  ganz  widerwärtig,  ist 
die  recht  zyt,  in  den  schelmen  ze  howen  und  die  selben  schädlichsten 
puren  und  erbfind  aller  fürsten  und  ritterschaft  gar  umb  zuo  keren 
(hierzu  vgl.  oben  den  Brief  Zwingli's  vom  17.  Sept.). 

7.  Zu  welchem  dann  und  ouch  vorab  zuo  gänzlicher  ustilgung 
der  lutherischen  sect  all  fürsten,  geistlich  und  weltlich,  besonder 
bäpstliche  heUgkeit  uss  Vermögens  hilf  und  Frankrich  und  Lothringen 
besonder  wie  vor  das  best  und  ir  vermögen  darstrecken  sÖllent,  dar- 
durch  gearbeit  werden  soll,  den  küng  von  Frankrich  bim  Keiscr  zu 
ledigen,  ab  ungezwyfelt  beschechen  wirt. 

8.  Und  SÖllent ,  wie  vorgemelt,  die  stett  usgemergelt  werden  imd 
unwerlich  gemacht,  damit  sy  nit  über  nacht  wider  mit  den  puren 
oder  landsknechten  ufinor  machen. 

9.  Und  den  landsknechten  ouch  verbotte,  sonder,  wie  andern 
puren,  by  lyb  und  guot  dhein  wer  noch  hämisch  mer  gelassen,  noch 
hinfür  verkouft  werden. 

10.  Also  mag  die  ordenlich  oberkeit,  ouch  der  alt  harbracht 
gotsdienst  hüben,  imd  fürsten,  ritterschaft  oder  reisigen,  wie  recht 
ist,  regieren  und  uflouf  verhüeten. 


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56  LENZ, 

sich  auch  gegen  die  Gesammtheit  richtete,  doch  immer  zuerst 
seiner  Schöpfung  Vernichtung  drohte!  Wir  verstehen,  welche 
Empfindimg  des  Schreckens  diese  Bürger  imd  Prädicanten, 
Vertreter  von  drei  deutschen,  -noch  nicht  vereinigten  und  in 
sich  gespaltenen  Städten,  ergreifen  musste,  wenn  sie  die 
letzten  Weltereignisse  mit  jenen  Urkunden  zusammenhielten. 
Am  29.  Juni  war  zu  Barcelona  der  Friede  zwischen  Papst 
und  Kaiser  geschlossen  worden:  in  dem  Friedensvertrage 
erklärt  sich  Karl  bereit,  der  verpestenden  Krankheit  der 
neuen  Meinungen  ein  Ziel  zu  setzen,  wenn  es  mit  Güte  nicht 
gehen  wolle,  so  mit  Gewalt,  „  er  wie  sein  Bruder  der  König 
von  Ungarn  und  Böhmen,  mit  ihrer  ganzen  Macht,  um  das 
Unrecht,  das  Christo  zugefugt  worden,  nach  Kräften  zu 
rächen".  Am  19.  Juli  hatte  Clemens  VII.  die  Verhand- 
lungen mit  England  abgebrochen.  Zehn  Tage  darauf  war 
zu  Cambrai  der  Friede  zwischen  den  beiden  grossen  Conti- 
nentalmächten  zustande  gekommen :  „pour  extirper  los  heresies 
qui  pullulent  en  la  Chrestiennetö  et  que  TEsglise  soit  rever^e 
et  honor^e  ainsy  qu^il  appertient  pour  le  salut  de  nos  ames ", 
wie  es  in  der  Vollmacht  Franz  des  Ersten  heisst  ^).  Jetzt 
hatte  Zwingli  die  Urkunden  in  der  Hand,  die  ihm  den  Zweck 
dieser  Friedensschlüsse  ofienbarten.  Es  giebt  in  der  gesamm- 
ten  Correspondenz  des  Reformators  vielleicht  keinen  Brief, 
der  an  Wichtigkeit  dem  vom  17.  September  1529  gleich- 
käme. Dies  Blatt  bildet  eine  Scheidewand  zwischen  zwei 
Abschnitten  seines  Lebens.  Früher  kaum  über  die  Schweiz 
hinausgreifend,  nimmt  seine  Politik  seit  Strassburg,  \md  nicht 
erst  nach  Marburg,  den  „  europäischen  Schwimg  und  Flug ", 
den  nun  fast  alle  seine  Briefe  wie  die  Acten  des  von  ihm 
geleiteten  Staates  bezeugen.  Zugleich  sehen  wir  ihn  aber 
im  Moment  die  Gefahr,  me  die  Mittel,  sie  abzulenken,  mit 
aller  Schärfe  und  Kühnheit  ins  Auge  fassen :  der  Kaiser  will 
die  Reichsstädte  imd  Eidgenossen  trennen,  unterwerfen,  ver- 
nichten: so  werden  die  Bedrohten  sich  zusammentim  und 
ihm  den  Eintritt  in  Deutschland  verwehren.  Auch  weiss  er 
schon  die  Wege  dazu  näher  anzugeben,  so  wie  er  es  später 


1)  Ranke,  D.  G.  HI,  92. 

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ZWINGLI  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  57 

ausgeführt  hat:  die  schwäbischen  Städte  wird  Constanz  her- 
beibringen,  man  wird  mit  den  Venedigem  anknüpfen  müssen. 
Nichts  liegt  ihm  femer  als  Kleinmut:  „dann  der  Keiscr  wird 
nüts  dess  weniger  die  band  verbrennen.  Gott  wirt  uns  nit 
verlassen." 

Nur  von  dem  Landgrafen  ist  in  dem  Briefe  noch  nicht 
die  Rede.  Sollte  Zwingli  noch  nicht  daran  gedacht  haben, 
ihn  in  das  Bündnis  zu  ziehen?  Ohne  Zweifel,  ihn  an  erster 
Stelle.  Jetzt  konnte  derselbe  die  Absichten  wahr  machen, 
die  er  schon  in  den  Einladungsbriefen  ausgesprochen  hatte. 
Aber  es  mochte  dem  Reformator  nicht  geraten  scheinen, 
seinen  Stadtherm  solche  Eröffiaungen  zu  machen,  bevor  er, 
dem  die  Gesinnung  Philipp's  doch  noch  nicht  so  vertraut 
wai',  sichere  Zusagen  von  ihm  besass. 


Diese  hat  er  in  Marburg  erhalten. 

Wir  sind  nicht  so  glücklich,  über  die  politischen  Ver- 
handlungen, die  in  den  Marburger  Tagen  gepflogen  sind,  so 
viele  Briefe  und  Protokolle  wie  über  das  theologische  Ge- 
spräch zu  besitzen.  Und  doch  sind  jene  fiir  die  Geschichte 
des  deutschen  Protestantismus  kaum  von  geringerer  Wichtig- 
keit gewesen  imd  von  den  Beteiligten  kaum  weniger  wert 
gehalten  worden. 

Nur  ein  Document  ist  uns  bisher  von  diesen  Mar- 
biirger  Gesprächen  erhalten.  Es  ist  der  Entwiuf  des  hes- 
sischen Burgrechtes  ^),  der  „Marburger  Handel",  auf  dessen 
Förderung  später  der  Landgraf  in  seinen  Briefen  an 
Zwingli    drängt*),    das  „Hassiciun  negotium"    oder    „land- 


1)  Gedr.  nach  der  Handschrift  Funk's  E.  A.  S.  384  (aus  dem 
Staatsarchiv  Zürich.) 

«)  Ph.  Zw.  25.  Januar  1530  fOpp.  405)  und  14.  Febr.  1530  (Opp. 
535.)  Man  bezog  die  Stellen  bisher  falschlich  auf  die  Vergleichs- 
handlung mit  den  Lutheranern.  Den  Irrtum  hätte  schon  der  Wunsch 
des  Landgrafen  in  dem  zweiten  Brief,  auch  Dänemark  in  den  „Mar- 
burgischen  Handel  ^^  zu  bringen,  verhüten  können. 


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58  LENZ, 

grafische  Ding",  wie  es  in  den  Schweizer  Acten  bezeichnet 
Avird  '). 

Ein  Aotenstück  von  ganz  besonderer  Bedeutung.  Denn 
vergleichen  wir  es  niit  der  Urkimde,  die  zu  Schmalkalden 
im  December  1530  als  der  Entwurf  einer  ;, christlichen  Ver- 
ständnis" vereinbart  und  auf  der  zweiten  Versfimmlung,  am 
5.  März  1530  in  Form  des  Abschiedes  gebracht,  die  schmal- 
kaldische  Bundesurkunde  geworden  ist ,  so  bemerken  wir, 
dass  es  derselben  als  die  Grundlage  gedient  hat:  die  Zuge- 
hörigkeit zum  Reiche  imd  der  Gehorsam  gegen  den  Kaiser 
ist  in  dem  zweiten  Document  schärfer  betont,  der  defensive 
Charakter  des  Vereins  geflissentlicher  hervorgehoben,  sonst 
aber  sind  mit  khnnen  Aenderungen  Motive  imd  Vertrags- 
artikel aus  dem  hessisch  -  schweizerischen  Burgrecht  liinüber- 
genommen  worden.  Welcli^  eine  eigentümliche  Verknüpfung: 
der  Urheber  einer  Bundesurkunde,  welche  die  Trennung  der 
lutherischen  von  der  schweizerischen  Reformation  besiegelt 
hat,  vielleicht  Zwingli  selbst! 

Oder  wer  hat  das  hessische  Burgrecht  verfasst?  Was 
uns  vorliegt,  ist  ein  Entwurf  von  der  Hand  des  Züricher 
Ratsboten  Ulrich  Funk,  ohne  Tag  und  Ort.  In  den  eid- 
genössischen Acten  wird  der  Vertrag  als  der  durch  den 
Landgrafen  gestellte,  von  Marbiu^  überbrachte  bezeiclmet  *). 
Doch  könnten  darum  Zwingli  und  seine  Freunde  ja  wohl 
daran  mitgearbeitet  haben.  Entscheiden  lässt  sich  die  Frage 
nicht,  bevor  wir  die  Exemplare  aus  der  hessischen  Kanzlei 
oder  überhaupt  die  ersten  Entwürfe  besitzen.  Vielleicht  aber 
lassen  sich  diese  noch  weiter  zurück  verfolgen.  Wie  man 
weiss,  schlössen  am  22.  April  1529,  drei  Tage  nach  der 
Protestation  in  Speier,  Landgraf  Philipp  und  der  Kiu^irst 
von  Sachsen  eine  „sonderHch  geheime  Verständnis"  mit  den 
Städten  Nürnberg,  Ulm  und  Stra^isburg  gegen  einen  Angriff 
um    des    göttlichen    Wortes    willen.      Möglich ,    dass    schon 


»)  Eidgen.  Absch.  S.  419.  Auch  der  „  Markburgische  abscheid " : 
Eidgen.  Absch.  S.  574. 

«)  E.  A.  S.  416  f  Abschied  von  Aarau  1529,  31.  October.  S.  523, 
Note  zu  b  (von  Zwingli^s  Hand). 


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ZWINGU  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  69 

jenem  Versuch  diese  oder  ähnliche  Artikel  zugrunde  gelegt 
wurden. 

So  hat  also  Landgraf  Philipp  am  Ende  doch  den  An- 
stoss  zu  den  weltumfassenden  Entwürfen  g^ben,  die  wir 
vorhin  Zwingli  zuschreiben  zu  müssen  glaubten  ?  Uebersehen 
wir  nicht  den  Unterschied,  der  zwischen  diesen  und  dem 
Inhalte  des  Burgrechtes  obwaltet.  Letzteres  konnte  sehr  wohl 
die  Unterlage  für  den  Schmalkaldischen  Bimdesvertrag  ab- 
geben, denn  auch  in  ihm  ist  der  defensive  Charakter,  die 
Treue  gegen  Kaiser  und  Reich  betont  worden:  „Es  sol  ouch 
solcher  christenlicher  verstand  keiserlicher  Majestät  oder  keim 
stand  des  helgen  Rychs  oder  sunst  jemands  zuowider,  sonder 
allein  zuo  erhaltung  göttlicher  warheit  und  fridens  im  helgen 
Rieh  und  zuo  entschüttung  unbillichs  gewalts  fürgenomen 
werden."  Wie  weit  aber  bleibt  dieser  Satz  hinter  den 
Gedanken,  die  Zwingli  seit  Strassburg  verfolgte,  zurück! 
Wir  wissen  nicht,  ob  damals  Sachsen  in  diese  Verhandlungen 
hineingezogen  ist  Nicht  einmal  den  Zeitpunkt,  ob  sie  vor 
oder  nach  der  Katastrophe  des  Gespräches  geführt  wurden, 
können  wir  bestimmen  ^).     Das  jedoch  dürfen  wir  behaupten : 


1)  [Awmerhmg  des  Herausgebers.]  In  diesem  Zusammenhang  ist 
vieUeicht  der  Hinweis  auf  einen  noch  ungedruckten  Brief  Philipp*s  an 
den  Kurfürsten  Johann  nicht  unerwünscht,  aus  dem  wir  schliessen 
dürfen,  dass  Zwingli  gleich  am  Tage  seiner  Ankunft  in  Marburg 
(29.  Sept.)  dem  Landgrafen,  was  er  in  Strassburg  in  Erfahrung  ge- 
bracht, mitgeteilt  hat,  und  dass  Philipp  nicht  säumte,  dem  Kurfürsten 
Andentungen  von  der  grossen  den  Evangelischen  drohenden  Gefahr  zu 
geben.  Eben  von  diesem  Tage  („Martburgk  mitwochen  vf  Michaelis") 
ist  der  Brief  Philipp^s,  die  Antwort  auf  ein  soeben  eingegangenes 
eigenhändiges  Schreiben  des  Kurfürsten  mit  der  Aufforderung  an  den 
Landgrafen ,  bei  ihm  und  Markgraf  Georg  am  nächsten  Sonntag 
(3.  Oct.)  in  Schleiz  zu  erscheinen:  unter  Anerkennung  der  Wichtig- 
keit und  Dringlichkeit  der  dort  zu  beratschlagenden  Sache  bittet 
Philipp  sein  Ausbleiben  mit  der  Tlieologen-Zusammenkunft  in  Mar- 
burg zu  entschuldigen.  „So  aber  E.  L?*,  heisst  es  dann  weiter, 
.«wissen  wollen,  was  mich  vor  warnunge  ankommen  seint, 
»o  magk  E.  L.  einen  zu  mir  schicken;  so  will  [1.:  viel]  mir  dann 
gebaren  will,  das  wil  ich  anzeigen."  Er  erklärt  sich  weiter  bereit 
zu  einer  persönlichen  Unterredung  bei  dem  Kurfürsten  etwa  um 
Simonis  und  Judä  (28.  Oct.)  zu  erscheinen,  ,,wie  ich  dan  halt,  es  will, 


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60  LENZ, 

die  Entschlüsse,  die  in  Zwingli  auf  der  Reise  gereift  waren, 
haben  die  Kurfurstischen  sicher  nicht  erfahren.  Mit  dem 
Landgrafen  aber  hat  er  sie  besprochen,  und  gewiss  um  so 
lebhafter,  je  mehr  die  Hofiiiung  auf  die  religiöse  Einigung 
verschwand.  Wie  vei*traut  die  beiden  in  jenen  Tagen  ver- 
kehrt haben,  lehren  ims  ihre  Briefe,  deren  fortan  so  intimer 
Gedankenaustausch  anders  gar  nicht  zu  verstehen  wäre. 
Zwingli  hat  dem  Landgrafen  die  Strassburgcr  Entdeckimgen 
mitgeteilt,  die  schweizerischen  und  oberdeutschen  Verhältnisse, 
geschildert,  seine  offensiven  Pläne  gegen  dfe  habsburgische 
Weltmacht  offenbart  und  ihn  mit  dem  kriegerischen  Eifer 
erfüllt,  der  in  ihm  selbst  lebendig  war:  das  dürften  wir 
schliessen,  auch  ohne  die  urkundlichen  Beweise  dafür  in 
Händen  zu  haben:  schon  aus  den  Aufgaben,  die  sie,  wie 
wir  ihnen  nachrechnen  können,  in  Marburg  neben  dem 
hessischen  Burgrecht  als  die  zwei  nächsten  Ziele  ins  Auge 
gefasst  haben  ^  den  Abschluss  nämlich  des  Burgrechtes  mit 
dem  Hohentwiel  seitens  der  Städte  Zürich  und  Constanz  imd 
die  Verbindung  mit  Venedig.  Denn  an  diese  Absichten 
musste  sich  alles  weitere  knüpfen:  an  die  Oeffiiung  des 
Hohentwiels  der  Gedanke  einer  Restitution  Herzog  Ulrich's, 
und  das  war  der  Krieg  gegen  Ferdinand ;  an  die  Verbindung 
mit  Venedig  der  Plan  einer  Sperrung  der  Alpen,  und  das 
hiess  der  Krieg  gegen  den  Kaiser  ^). 

Ja  noch  ganz  andere  Factoren  haben  sie  in  ilu'e  Com- 
binationen  aufgenommen.  Alle  Fürsten  des  Nordens,  die 
dem  Evangelium  und  ihm  befreundet  wären,  hoffie  Philipp 
in  das  grosse  Bündnis  hineinzubringen:  Dänemjirk,  Geldern, 
Lüneburg ,  Mecklenburg ,  Braunschweig  ,  Zweienbrücken, 
Brandenburg,    Friesland   imd   andere   mehr.  ^)      Sie   malten 


dj  hohe  notturflPt  erheischen."  Endlich:  „wie  E.  L.  vnd  ich  viis  zu 
ein  Zuuorsehen  haben  sollen,  so  Key.  Mt.  vnns  des  Evangelhimhs 
halb  vnd  was  dem  anhangt  vberziehen  wolt."  (Concept  im  Marb. 
Archiv:  „Allerhand  Religions-  und  Christliche  Verständnissachen  de 
anno  1529  und  30.") 

1)  Der  Brief  vom  17.  Sept.  stellt  das  doch  wohl  grade  als  Zweck 
der  Verbindung  mit  Venedig  hin. 

8)  Diese  Mitteilungen  über  das  Grespräch  entnehme  ich  den  Mo- 


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ZWINGU  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  61 

sich  aus,  wie  nach  dem  Abschluss  des  Strassburger  und 
hessischen  Burgrechtes  alles  ein  Werk  und  ein  Wille  sein 
werde  vom  Meer  herauf  bis  in  die  Schweiz,  dass  der  Kaiser 
dann  am  Rhein  nirgends  einen  Stützpunkt  haben,  und  kein 
IleiT,  wie  mächtig  er  sei,  den  Zuzug  werde  verhindern  kön- 


tiven  in  der  Instruction  der  Züricher  Gesandten  vom  28.  October  1529 
zum  Tage  von  Aaran  (E.  A.  S.  420,  Nr.  4) :  „  Zuodem  hat  ouch  gedachter 
Landgraf  diser  dingen  halb  heimlichen  verstand  mit  dem  küuig  uss  Denn- 
mark,  Herzog  von  Geldern,  von  Lünenburg,  Mechlenburg,  Brunschwj'g, 
Zweieubruck,  Brandenburg,  Friesland  und  andern,  die  all  evangeb'scher 
leer  und  die  mit  im  zuo  schirmen  besinnt  und  bedacht.  Wenn  dann 
die  sach  mit  Strassburg  beschlossen  und  der  verstand  mit  im,  dem 
Landgrafen,  gemacht,  wäre  es  dann  alles  ein  sach,  ein  liilf,  ein  will  vom 
meer  beruf  bis  an  unsere  land,  dass  der  Keiser  am  Rhyn  niena  kein  ufent- 
halt  hau,  ouch  kein  herr,  wie  mächtig  joch  der  wäre,  uns  die  hilf  ab- 
uemen  mocht,  wie  ouch  der  Landgraf  das  selbs  zuo  unser  botschaft 
geredt,  Äenn  Strassburg  mit  uns  daran,  so  syge  im  nit  anders*),  dann 
ob  er  schon  unser  nächster  nachbur  sige;  dann  so  dick  und  vil  das 
not ,  er  uns'  zuo  hilf  kommen ,  darvor  im  kein  herr  syn  noch  ime  das 
geweren  mög." 

Eine  andere  EUndeutung  auf  die  Unterredung  giebt  Zwingli  selbst 
in  einer  Notiz,  die  er  vielleicht  im  Januar  1530  über  die  Vorteile 
des  zu  schliessenden  Bündnisses  aufgezeichnet  hat  (E.  A.  S.  532) :  „  Hess 
hat  nach  der  (die?)  vereinung  me  von  unsertwegen  gstellt  weder  von sinet- 
wegen.  Er  hat  ouch  fem  im  krieg  uns  zuogesprochen  etc.  Es  habend 
ouch  ussere  stett  fem  unseren  herren  trostlich  zuogesprochen,  darum 
dass  sy  wol  ermessen  kondent,  wenn  es  uns  umgangen,  an  uien  ouch 
wäre.  Also  soltend  wir  ouch  denken  etc.  Hess  hat  sich  verwegen, 
uns  ze  hilf  komen  in  unseren  landen,  wo  er  frid  haben  mag,  und  ver- 
sieht sich  wenig  hilf  zuo  uns.  Unsere  meinung  im  sacrament  wachst 
durch  in  uf  im  nider  land.  Item  Herzog  Jörg  von  Sachsen  ist  sein 
Schweher.  Herzog  Hans  sin  verpündter.  Herzog  von  Lünenburg, 
von  Brunswick,  Düringen,  Zweybrugg;  Bischoff  von  Mentz  sin  ver- 
standiger etc."  —  Eine  Andeutung  über  die  politischen  Abmachungen 
in  Marburg  giebt  auch  Bullinger,  Ref.-Gesch.,  herausg.  von  Hot- 
tiuger  und  Vögeli,  H,  236:  „Zwingli  hatt  besonders  vnd  vil  red 
gehallten  mit  dem  Landtgrauen,  insonders  von  dem  Burgrächten,  in 
welches  der  fürst  hemach  kummen :  ouch  mitt  dem  herzog  von  Wirten- 
berg,  wie  er  wider  in  sin  Land  kummen  möge." 

•)  Am  Fu88  der  Seite  notirt  Beyel  in  kleiner  Schrift:  „V«  pferd,  ge- 
schtttz,  profiand,  pfalzgraf  (jedenfalls  verschrieben  für  landtgraf)  selbs 
bc{?lcltet.'- 


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62  LENZ,  ZWINGU  UND  LANDGRAF  PHILIPP. 

nen.  Sei  erst  Strassburg;  erklärte  der  Landgraf;  im  Burg- 
recht, so  würde  es  ihm  nicht  anders  sein,  als  ob  er  selbst 
den  Schweizern  der  nächste  Nachbar  wäre.  Dann  würde 
er  kommen,  „so  dick  und  viel"  das  Not  täte;  kein  Fürst 
solle  ihm  das  zu  wehren  wagen.  An  der  Spitze  von  5000 
Reitern,  mit  Geschütz  und  Proviant  wolle  er  erscheinen. 


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Die  StelloDg  des  apostoliseheo  Symbols  vor 
zweihundert  Jahren  und  jetzt. 


Von 
Dr.  W.  Gass. 


Während  in  Deutschland  über  den  Fortbestand  des 
apostolischen  Symbols  nach  entgegengesetzten  Kichtungen  ver- 
handelt wird,  widmen  gelehrte  Engländer  den  drei  Glaubens- 
formeln der  alten  Kirche  ein  sorgfiütiges  Studium  imd  geben 
uns  Deutschen,  was  lange  nicht  geschehen  ist,  Gelegenheit, 
durch  Teilnahme  an  ihren  Untersuchungen  unsere  eigenen 
Kenntnisse  zu  bereichem  ^).  Die  Forschungen  von  Swainson 
und  Omimaney  sind  grossenteils  handschriftUcher  Art  und 
gehen  weit  über  das  Mass  dessen  hinaus,  was  als  gelehrtes 
Material  in  unseren  deutschen  Lehrbüchern  dargeboten  zu 
werden  pflegt.  Das  sogenannte  Athanasianische  Symbol  ver- 
setzt Swainson  erst  in  die  Zeit  nach  Karl  dem  Grossen,  er 
erklärt  es  für  eine  absichtHche  Fälschung  imd  ist  schliessUch 
der  Meinung,    dass  dieses  trockene,  definirende  dogmatische 


1)  Swainson,  The  Nicene and  the  Apostels*  Creed,  London  1875. 
Ommaney,  The  Athanajsian  Creed,  London  1875.  Dazu  femer  F.  J.  A. 
Hort,  On  the  Constantinopolitan  Creed  and  other  Eastem  Creeds  of 
the  fourth  Century,  Cambr.  and  Lond.  1876.  —  Eines  näheren  Eingehens 
hierauf  sowie  des  Hinweises  auf  das  gnmdlegende  Werk  Caspari's: 
„Ungedruckt«,  unbeachtete  und  wenig  beachtete  Quellen  zur  Ge- 
schichte des  Taufsymbols  und  der  Glaubensregel"  (Christiania  1866 
bis  1875,  3  Bände)  und  auf  den  vorzüglich  orientirenden  Artikel 
H  a  r  n  a  c  k's  über  das  apost.  Symb.  (in  der  2.  Aufl.  der  Real-Encykl.) 
bedarf  es  für  die  Leser  dieser  Zeitschrift  nicht;  vgl.  oben  Bd.  II,  S.  111. 


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64  OASS; 

Gerippe  endlich  aus  der  öffenüiehen  Verkündigung  gestrichen 
werden  müsse,  für  welche  es  keinen  Nutzen  mehr  habe.  Auf 
englischer  Seite  wird  die  jüngste,  auf  deutscher  die  älteste 
und  einfachste  Formel  dieser  Art  angefochten;  damit  ist  die 
ungleiche  lehrhafte  und  Uturgische  Stellung  der  beiden  Ejr- 
chen  zum  alten  Bekenntnis  deutUch  genug  ausgesprochen. 

Deutsche  Aufsätze,  Artikel  und  grössere  Abhandlungen 
über  das  Apostolicum  —  wir  gebrauchen  diesen  Namen, 
weil  er  der  herkömmliche  ist  —  sind  in  den  letzten  Jahren 
zu  einer  beti'ächtUchen  Anzalil  angelaufen.  Soweit  sie  mir 
bekannt  geworden,  haben  niu'  wenige  einen  gelehrten  Zweck, 
indem  sie  auf  dessen  Entstehungsgeschichte  im  ganzen  oder 
in  einzelnen  Punkten  eingehen ;  die  meisten  dienen  den  prak- 
tischen Anforderungen  der  Gegenwart;  es  sind  Betrachtimgen, 
in  denen  der  Inhalt  der  einzelnen  Artikel  im  Verhältnis  teils 
zum  Neuen  Testament,  teils  zu  dem  neueren  Glaubensbewusst- 
sein  erwogen,  das  Recht  des  Ganzen  also  entweder  bean- 
standet oder  aufrecht  erhalten  und  verteidigt  wird.  Jeder 
Schriftsteller  urteilt  aus  sich  heraus  und  zugleich  im  Namen 
eines  Bmchteils  der  Gemeinde.  Im  RückbUck  auf  die  kirch- 
liche Vergangenheit  begegnen  sich  beide  Paiiieien,  und 
liier  wird  ein  ruhigerer  Austausch  möglich,  nachdem  die  zu- 
gehörige historische  Erkenntnis  wenigstens  im  grossen  Ge- 
meingut geworden  ist.  Mehr  als  anderthalb  Jalirtausende 
sind  vergangen,  seit  die  Glaubensregel  der  abendländi- 
sclien  und  morgenländischen  Kirche  erwuchs,  weit  mehr  als 
tausend  Jalu'e,  seit  sie  nach  längerer  Unbestimmtheit  des 
Textes  im  Abendland  als  ein  Schriftstück  der  Apostel  selber 
in  die  Ueberheferung  eintrat,  um  dann  fast  unverändert  von 
einem  Zeitalter  zum  andern  foiigefiilui;  zu  werden.  Wie 
wenig  anderes  stellt  sie  uns  die  religiöse  Tradition  als  ein 
ununterbrochenes  Continuum  dar;  nur  an  den  Abstand  der 
Zeiten,  nicht  der  Confessionen  werden  wir  durch  die  Syra- 
bolformel  gemahnt.  Daher  sclieint  es  genügend,  wenn  bei 
der  historischen  Untersuchung  des  Bekenntnisses  nur  der  Aus- 
gangspimkt  und  der  Endpimkt,  nur  das  erste  Stadium  der 
Entstehung  und  das  letzte,  in  welchem  wir  leben,  in  Ver- 
gleich gestellt  wird,  indem  man  anninunt,  dass  das  Dazwischen- 


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DIE  STELLUNG  DES  APOSTOLISCHEN  SYMBOLS.  65 

liegende  wirkungslos  vorübergegangen  sei.  Der  Dogmen- 
historiker  wird  sich  jedoch  darauf  nicht  beschränken  können; 
vielmehr  ist  er  genötigt,  noch  einen  dritten  und  der  Gegen- 
wart näher  liegenden  Zeitpunkt  hervorzuheben.  Allerdings 
ist  das  Apostolicum  als  ein  biblischer  und  chiistHcher  Glau- 
bensausdruck ohne  Schwierigkeit  in  die  protestantische  Kirche 
übergegangen,  aber  schon  im  folgenden  Jahrhundert  trat  es 
in  eine  Lage  wie  niemals  vorher.  Der  evangeUsch- 
confessionelle  Geist  hatte  den  vom  Altertum  her  überlieferten 
weit  überwachsen;  es  wurde  als  Verkürzung,  ja  als  Herab- 
setzung angesehen,  in  die  Schranken  der  alten  Norm  gebannt 
zu  werden.  Daraus  ergab  sich  eine  Kritik  der  altkirchlichen 
Bekenntnisformel,  die  zwar  mit  dem  herrschenden  Dogmatis- 
mus eng  zusammenhing,  doch  aber  etwas  Protestantisches  in  sich 
trug  und  eben  darum  nicht  vergessen  werden  darf.  Es  ist  der 
Zweck  der  folgenden  Blätter,  an  die  damaligen  Verhandlungen 
zu  erinnern  und  sie  zugleich  für  das  gegenwärtige  Interesse 
zu  verwerten;  und  gern  möchte  ich  mich  mit  den  Lesern 
dieser  Zeitschrift  verständigen,  nicht  als  ob  ich  glaubte^  dass 
dadurch  allein  schon  eine  letzte  Entscheidung  erzielt  wird, 
denn  diese  wird  sich  keiner  auf  solchem  Wege  abnötigen 
lassen,  wohl  aber  in  der  festen  Ueberzeugung,  dass  jedes 
Urteil  oberflächlich  und  unfertig  bleibt,  so  lange  es  sich  nicht 
auch  der  historischen  Prüfung  unterziehen  will,  die  ihm  die 
protestantische  Glaubensentwicklimg  auferlegt. 

Es  scheint  nötig,  dabei  etwas  weiter  auszuholen;  doch  ist 
das  Verfahren  der  Reformatoren  in  dieser  Sache  mit  Wenigem 
erklärt  Der  Evangelismus  der  Reformation  wollte  zugleich 
eine  wiederhergestellte  echte  und  apostolische  Kirchlichkeit 
sein;  daher  suchte  er  im  Altertum  seinen  Anschluss,  und  der 
Glaube  war  bereit,  dessen  vornehmste  Urkimden  und  Zeug- 
nisse sich  als  fortdauernd  gültig  anzueignen.  Ohne  Anstand 
wurde  das  antike  Bekenntnis  als  eine  bibUsch  begründete 
Zusanunenfassxmg  dessen,  was  durch  Offenbarung  dem  Glau- 
ben gegenständlich  geworden  sei,  auf  den  neuen  Boden  herüber- 
genommen, und  der  Zweifel  der  Socinianer  und  Antitrinitarier 
g^n  das  Nicänum  hat  diese  Anerkennung  weit  eher  be- 
festigt als  erschüttert  Zu  feineren  dogmatischen  Vergleichungen 

Zeitoebr.  f.  K.-6.  Ur,  1.  5 

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66  0A8ft; 

fehlte  nicht  allem  jede  MusBe  und  Unbefangenheit  und  jeder 
Anteil  von  Seiten  der  yolkatünUiohen  Frömmigkeit ,  sondern 
sie  würden  von  derjenigen  reformatorischon  Kritik;  an  wel* 
eher  damals  alles  gelegen  war,  abgelenkt  haben.  In  grossen 
Unternehmungen  wird  es  niemals  möglich  sein,  ganz  im- 
gleichartige  Geistestätigkeiten,  theoretische  und  praktische, 
deren  eine  den  Erfolg  der  andern  su  stören  drohen,  mit 
gleicher  Energie  zu  betreiben.  Wenn  demgemäss  auch  die 
Epoche  der  ersten  Concilien  mit  grosser  Pietät  beurteilt  wurde: 
SU  sollte  damit  i^war  kein  Grundsatz  ausgebrochen,  wohl 
aber  eine  wichtige  Hülfskraft  gewonnen  sedn,  imd  der  alt- 
kirchliche Hintei^grund  diente  als  Waffe  zur  Bekämpfung  der 
jüngeren  Tradition  und  des  Papisraus  sanunt  seinen  Verderb- 
nissen. Denn  alle  Zeitalter  gleichmässig  nach  einem  biblischen 
Massstabe  abzuschätzen,  konnte  noch  nicht  in  der  Ab»cht 
der  Keformatoren  liegen,  und  hätten  sie  dasu  Anstalt  gemacht: 
so  würde  ihnen  die  Kathdicität  des  Altertums,  welche  grade 
dem  Eonmniasnus  als  unanfechtbare  Tatsache  entgegengestellt 
werden  sollte,  selbst  wieder  zweifelhaft  geworden  sein.  Die 
religiösen  und  wisaensohaftUchen  Geisteskräfte  der  Refor- 
mation verteilten  sich  unter  drei  Richtungen :  die  conservative, 
die  kritische  und  die  produotive  oder  reproductive,  welche 
letztere  nach  und  nach  in  den  Charakter  der  Neuheit  eintrat 

Was  im  besonderen  die  drei  Symbola  betrifft,  so  macht 
Luther  bekanntlich  wenig  Umstände  mit  ihnen;  ohne  auf  die 
iur  uns  leicht  erkennbaren  inneren  Differenzen  eingehen  zu 
\)roUen,  stellt  er  sie  ein£Eich  einander  gleich,  mit  dem  einzigen 
Unterschied,  dass  die  äätze  des  ältesten  von  den  beiden 
anderen  „stärker  ausgestrichen^'  werden  ^).  G^egentlich 
nennt  er  das  ApostoUcum  das  „allerfeinste,  das  kurz  und 
richtig  die  Artikel  des  Glaubens  gar  fein  fasset  und  auch 
den  Kindern  und  Albernen  leichtlich  zu  lernen  ist"  *);  ander- 
wärts hat  er  grade  dasjenige,  was  uns  heute  an  dem  Atha- 


1)  „Die  drei  Symbole  oder  Bekenntnis  des  Glaubens  Christi  in 
den  Kirchen  eintrechtigllch  gebraucht"  (Wittenberg  1536).  S.  die 
übrige  Literatur  bei  KöUner,  Symbolik,  Bd.  I,  S.  1. 

«)  Köllner  a.  a.  O.,  S.  28. 


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DDE  STELLUNG  DES  APOSTOLISCHEN  SYMBOLS.  67 

nasianiim  «astÖBS^  ist;  \mä  was  neuerlich  der  Englands  einem 
nackten  Knochengerüste  vergleicht,  ausdrücklich  gerühmt, 
nämlich  die  logische  Kunstgestalt,  in  welcher  die  gemeinsamen 
und  die  unterscheidenden  Prädicate  der  Trinität  neben  und 
unter  einander  auftreten,  um  sich  zu  einem  Ganzen  des  christ- 
lichen GottesbegrifiGa  b?u  einig^i  *);  er  beachtet  nicht,  dass 
dieses  Schriftstück  den  katholischen  Glauben  nur  befehls- 
massig  und  unter  Androhung  des  Verlustes  der  Seligkeit, 
nicht  m^  in  Bekenntnisform  vorträgt.  Die  lutherischen 
Confessionen  verhalten  sich  ungleich.  Die  Augustana  lässt,  was 
gewiss  nicht  zuföUig  gescbeh^i,  das  Quicunque  unerwähnt  und 
begnügt  sich,  für  den  Gottesbegriff  im  ersten  Artikel  das 
Nicänum,  für  die  Offenbarung  Christi  im  dritten  das  Apostoli- 
cum,  und  ebenfalls  nicht  wörtlich,  sondern  in  freier  Um- 
schreibung zu  benutzen.  Für  die  beiden  Katechismen  war 
dieses  letztere  schon  aus  pädagogischen  Gründen  allein 
brauchbar.  In  den  Schmalkaldischen  Artikdn  wird  zu  An- 
fiemg  des  ersten  Teils  auf  die  Aussagen  des  Apostolicums  und 
des  Atiiaaäasianums  einfach  v^wiesen.  Die  Concordienfbrmd 
strebte  auch  in  dies^  Beziehung  nach  kirchlicher  Correctheit, 
durch  sie  wurden  daher  alle  drei  Form^  als  ökumenische 
dem  ganzen  Lehrkörper  vorangestellt,  das  Athanasianum  aber 
in  d^  Meinung,  dass  es  zur  Bestreitung  der  Arianer  be- 
stimmt gewes^  *). 

In  der  entsprechenden  reformirten  Literatur  tritt  uns 
diese  Gleichstellung  schon  früher  vor  Augen.  Zwingli  be- 
ginnt seine  Fidei  ratio  mit  der  Anerkennung  des  Nicänums 
und  des  Athanasischen  Decrets,  um  dann  in  gewandter  Bede, 
ohne  wesentlichen  Abzug  und  ohne  üebertreibung  den  In- 
halt des  Dogmas  zusammenzufassen ;  kein  anderer  hat  sich 
dabei  einer  so  angemessenen  Ausdrucksweise  bedient  ^).    Die 


1)  „Es  ist  also  gefesset,  dass  ich  nicht  weiss,  ob  seit  der  Apostel 
Zeit  in  der  Kirche  des  Neuen  Testaments  etwas  Wichtigeres  und 
Herrlicheres  geschrieben  worden  sei."    Dehler,  Symbolik,  S.  52. 

*)  Prooem.  der  £pit.  und  der  Sol.  ded.  §  2.  Vgl.  auch  die  Couf. 
Sazon.  in  Heppe's  Sammlung  S.  413. 

s)  Niemeyer,  Collect,  confessionnm,  p.  17;  dazu  p.  38  die  Ex- 
posltio  fidei. 

5* 


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68  GASS, 

reformirte  Neigung,  das  Wesen  der  Gottheit  zu  definiren, 
begünstigte  eine  Anlehnung  an  die  altkirchliche  Sprache;  daher 
heisst  es  Conf.  Belg.,  art.  9:  „Recipimus  itaque  libenter  hie 
tria  illa  symbola,  nempe  Ap.  Nie.  et  Ath.  et  quaecunque  de 
hoc  dogmate  juxta  illorum  symb.  sententiam  statuerunt" ;  femer 
Art.  XXXIX,  art  8 :  „  S.  tria,  Nie.  Athanasii  et  quod  vulgo 
apostolonun  appellatur,  onrnino  recipienda",  und  ebenso  Conf. 
Bohem.,  ari  3 :  „Fides  catholica  et  Nicaenae  qmodi  aliarumque 
cum  hac  idem  consensus,  decreta  et  sanctiones  Athanasiique 
confessio  seu  symbolum  aperte  testantur"  etc.  Andere  Con- 
fessionsschriften  legen  nur  das  ApostoUcum  zum  (xrunde, 
welches  ausserdem  in  den  Katechismen  seine  feste  Stelle  ein- 
ninmit  ^). 

Auf  römischer  Seite  fand  in  dieser  Beziehung  kein 
Widerspruch  statt.  Zwar  im  Tridentinimi  wird  nur  das  ver- 
vollständigte Nieänische  Symbol  als  ökumenisches  Synodal- 
bekenntnis ausdrücklich  genehmigt;  spätere  Ausgaben  aber 
stellen  mit  ihm  auch  die  beiden  anderen  Formeln  an  die 
Spitze  der  Decrete,  woraus  erhellt,  dass  die  abendländischen 
Confessionen  sich  in  der  Bestätigung  derselben  Lehmormen 
begegneten.  Gegenseitige  Beschuldigungen  der  UnchristUch- 
keit  waren  damit  streng  genommen  abgeschnitten;  denn  ein 
Symbol,  welches  mit  so  gebieterischer  Strenge  wie  das 
S.  Quicunque  den  christlichen  Glauben  Satz  fiir  Satz  vorzu- 
schreiben sich  erlaubt,  kann  unmöglich  ausser  seinem  eigenen 
Wortlaut  noch  andere  Heilsbedingungen  als  unentbehrlich 
gelten  lassen,  wenn  es  nicht  selber  hinfalh'g  werden  will. 
Dennoch  ist  allbekannt,  dass  die  Stellung  der  Protestanten 
zum  römischen  Katholidsmus  durch  diese  durchaus  conserva- 
tiven  Erklärungen  nicht  verbessert  worden  ist;  die  römische 
Kirche  hat  die  Verurteilung  der  Protestaiiten  darum,  weil 
sie  sich  aufrichtig  als  die  Altgläubigen  imd  Altkatholischen 
bezeugten,  keineswegs  zurückgezogen,  und  sie  behauptete 
stets,  dass  diese  Abtrünnigen  kein  Recht  haben,  sich  einer 
Auctorität  zu  bedienen,  die  gar  nicht  ihr  Eigentum  sei  und 
nur  in  Verbindung  mit  dem  römischen  Gehorsam  ihren  Wei-t 


1)  Niemeyer  1.  c,  p.  127.  365.  425.  434.  827.  789 

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DIB  STELLUNG  DES  APOSTOUSCHEN  SYMBOLS.  69 

behalte.     Das  kirchliche  Grundprincip,   nicht  der  blosse  In- 
halt sollte  den  Ausschlag  geben. 

Dessenungeachtet  war  doch  so  viel  erreicht,  dass  sich 
Protestanten  und  Katholiken  mit  der  Auslegung  und  histo- 
rischen Erläuterung  der  genannten  Urkunden  gleicherweise 
und  wie  auf  einem  gemeinsamen  Arbeitsfelde  beschäftigten. 
Grelehrte  Untersuchungen  haben  sehr  häufig  unter  der  Decke 
der  Auctorität  ihren  Anfang  genommen;  der  herrschende 
Standpunkt  gestattete  sie,  so  lange  er  selber  unangetastet 
blieb.  Man  forschte  also  jetzt  genauer  nach  der  Herkimft 
der  drei  Texte  und  deren  Wert  imd  Abzweckung  im  ein- 
zelnen, wobei  sich  die  protestantische .  Ansicht  zunächst  noch 
von  der  abendländischen  Annahme  abhängig  zeigte.  Das 
Apostolicum  galt  vor  der  Hand  als  ein  in  der  ganzen  Kirche 
zu  Recht  bestehendes,  weil  man  nicht  wusste  und  lange  Zeit 
nicht  wissen  wollte,  dass  es  die  orientalische  Kirche  in  solcher 
Form  gar  nicht  aufgenommen  hat.  Dagegen  wurde  die  Sage 
von  einer  apostolischen  Abfassung  desselben  ziemlich  fiüh 
durchschaut;  schon  Laurentius  Valla  hatte  sie  bestritten,  der 
Zweifel  ging  auf  Erasmus  imd  Calvin  über  und  führte  zu 
einer  offenen  Verwerftmg  der  Rufinischen  Behauptung,  be- 
sonders nachdem  J.  G.  Vossius  1642  ein  gründliches  histo- 
risches Verständnis  erst  erschlossen  hatte  *).  Schon  die  Be- 
zeichnung: „symbolum,  quod"vulgo  apostolorum  appellatur^', 
beweist,  dass  man  diesen  Namen  wohl  durch  den  Inhalt, 
nicht  durch  die  Art  der  Entstehung  rechtfertigen  wollte. 
Der  Zusatz  „filioque"  im  Nicänum  wurde  als  selbstverständlich 
angesehen,  ohne  dass  man  sich  um  die  Bedeutung  des  Grund- 
textes, der  ihn  nicht  kennt,  auch  nur  Gedanken  gemacht 
hätte;  und  ebenso  dauerte  es  noch  lange  genug,  ehe  einge- 
räumt wurde,  dass  die  dritte  Formel  den  Namen  des  Atha- 
nasius  mit  Unrecht  fiihrt,  da  sie  weit  späteren  imd  lateinischen 
Ursprungs  ist*). 


1)  „Dissertationes  tres  de  tribos  symboUs,  Apostolico,  Athana- 
siano  et  Constantinopolitano**  (Amst.  1642). 

*)  Dan.  Waterland,  A  critical  history  of  the  Athanasian  Creed 
(Cambridge  1724).    Köllner,  S  58.  54. 


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70  GASS, 

Wir  berühren  diese  Data,  um  die  gelehrte  Seite  des 
Gegenstandes  von  der  religiösen  Bedeutung  und  kirdblich^oi 
Stellung;  welche  uns  hauptsächlich  beschäfüigt;  von  vornherein 
auszuscheiden.  Damit  rücken  wir  unserem  Thema  näher. 
Das  X6.  Jahrhundert  hat  die  Reformation^  das  folgende,  vom 
Ende  des  vorigen  an  gerechnet,  die  Confession  geschaffen 
und  zum  Abschluss  gebracht  Die  römische  Kirche  hatte 
sich  in  exclusiver  hierarchischer  Schroffheit  erneuert;  die 
lutherische  stützte  sich  auf  die  Vollkommenheit  ihres  Lehr- 
begri£b,  die  reformirte  auf  die  Vorzüge  ihrer  Zucht  und 
Gemeindeordnung.  Wer  das  Betragen  der  verselbständigten 
evangelischen  Eirdienabteilungen  ins  Auge  fasst,  wird  wahr- 
nehmen, in  welchem  Grade  ihr  Particularismus  grade  aus 
den  erst  hinzugetretenen  Lehrbestimmungen  seine  Nahrung 
schöpfte.  Hatten  die  Refoimatoren  ihre  Anhänglichkeit  an 
das  Gemeinsame  imd  Alte  bezeugt:  so  bewegte  sich  die 
Confessiionstheologie  vorzugsweise  auf  den  neu  erschlossenen 
Gebieten  des  evangelischen  Bewusstseins;  sie  schätzte  vor 
allem,  was  ihr  selber  erst  die  volle  Ausprägung  gegeben 
hatte,  imd  dies  glich  teils  einer  dogmatischen  Folgerung  und 
Steigerung,  teils  betraf  es  die  Erneuerung  des  chrisüichen 
Princips  selber.  Von  jener  Art  war  die  Christologie  und 
Sacramentslehre,  von  dieser  die  gesammte  Heilslehre  mit  den 
grossen  Gedanken  der  Rechifortigung,  Heiligung,  &wählung. 
Hier  war  jeder  Sdiritt  mit  genauen  Definitionen  besetzt,  jeder 
Posten  mit  Angriflfe-  und  Verteidigungswaffen  befestigt.  Je 
schärfer  die  systematische  Gestaltung,  desto  stärker  das  con- 
fessionelle  Selbstgefühl,  welchem  sie  Ausdruck  gab,  aber 
auch,  wie  wir  hinzusetzen  müssen,  desto  steife  die  Recht- 
haberei, die  sich  an  dem  Genüsse  dieses  Sonderbesitzes  sättigte, 
desto  eifr^er  die  Verdammungslust,  die  durch  dessen  Ver- 
teid^ung  in  Uebung  erhalten  wurde.  Lutheraner  und  Refor- 
mirte, die  ersteren  jedoch  weit  unbedingter,  gaben  ihren) 
Lehrgebäude  den  vollen  Wert  der  Selbständigkeit,  als  ruhe 
es  auf  sich  allein,  unvermittelt  durch  historische  Vorstufen. 
Die  Confession  wurde  zur  Religion,  und  zwar  jede  für  sich; 
denn  dass  sie  nur  Abteilimgen  eines  grösseren  Ganzen  seien 
und   mit   anderen   kirchlichen   Zweigen   dieselbe  Wurzeln 


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DIE  STELLUNG  DES  APOSTOLISCHEN  SYMBOLS.  71 

haben,  wurde  vergesseoi.  Der  amsondemde  tind  abschliessende 
Verstand  siegte ,  die  Vernunft,  weldie  ein  Gttnzes  fordert, 
erlag,  noch  mehr  die  Liebe.  Hauptsachen  kann  es  nul*  geben, 
so  lange  Nebendinge  statuirt  werden,  und  so  hat  denn  auch 
das  System  eines  Hütten  und  Genossen  noch  einige  offene 
Fragen  dem  persönlichen  Dafürhalten  überlassen  müssen. 
Wie  vQßsi  über  die  Fortpflan25ung  der  Selen  denkt,  dav<m 
soll  die  Seligkeit  nicht  aU^Ingen,  sonst  aber  von  den  sub* 
tUsten  dogmatischen  Folgesätzen;  denn  weitaus  das  Hebte 
ist  fundamental,  weil  erst  durdi  die  Vollzähligkeit  der 
Artikel  die  christliche  Wahrheit  yerbürgt  wird.  Ein  einziger 
veränderter  Satz  —  und  nur  der  Geübte  versteht  ihn  — 
fiihrt  aus  dem  Glauben  in  den  Unglauben  und  in  die  Häresie 
imd  reicht  hin,  um  des  christlichen  firudemamens  verlustig 
zu  machen.  Es  giebt  keine  theologische  Bildung  iK)ch  kirch- 
liche Treue  mehr,  welche  nicht  jede  Abweichung  dieser  Art 
mit  defensiver  und  offensiver  Schlagfertigkeit  zu  benutzen 
weiss. 

Wer  wollte  leugnen,  das8  die  Confessionen  sich  scharf- 
sinnig und  kraftvoll  entwickelt  und  als  Mächte  geherrscht 
haben;  aber  ihr  Si^  war  dennoch  kein  vollständiger.  Und 
es  war  keine  Willkür  noch  auch  lediglich  eine  pietätsvolle 
Wiederaufiiahme  des  Melanchthonischen  Geistes,  n^,  es  war 
dne  Hennsuchung  des  Evangelituns,  wenn  mitten  unter  dem 
bitteren  Hass  und  dem  unaufhörlichen  Geräusch  der  Polemik 
wied«*  Frieden sstimmen  Gehör  verlangten.  Unter  den 
Unionisten  jener  Z^eit  gab  es  auch  schwache  Naturen  wie 
Duräns  und  der  jüngere  Calizt ;  die  Mehrzahl  aber  unterschied 
flieh  vorteilhaft  von  den  Fachgenoss^i  gewöhnlichen  Schlages. 
Ihre  Bestrafungen  waren  kirchlich,  rdigiös  und  wissenschaft- 
lich beredit^  sittlich  sogar  geboten;  die  Schwierigkeit  lag 
nur  in  der  Art  der  Geltendmachung,  welche  du^ch  die  vor* 
handenen  Umstände  mehr  oder  minder  bestimmt  wurde 
Grade  die  jüngeren  Dogmen  reformatorischen  Ursprungs 
hatten  den  heftigsten  Zank  hervorgerufen,  grade  sie  forderten 
imd  verhiessen  die  höchste  biblische  Evidenz,  welche  aber 
durch  die  anhaftenden  Schwierigkeiten  der  Auffassung  und 
durch  den  Absolutismus  der  Begriffe  und  Distinctionen  wieder 


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72  GASS, 

verdunkelt  oder  doch  verleidet  wurde.  Im  engeren  Kreise  hatte 
die  Concordienformel  eine  Einigung  mehr  verfugt  als  hervor- 
gebracht ;  eine  Schule  Luther's  machte  sich  selber  zur  Kirche 
und  besass  dennoch  nicht  die  Kraft,  den  Einfluss  Luther's 
völlig  in  ihre  Schranken  zu  bannen,  —  dies  alles  auf  Grund 
von  richterlichen  Urteilen  gegen  Osiandristen,  Flacianer,  Syner- 
gisten, und  unter  Anfeindungen  der  Kryptiker  und  Ke^otiker. 
Der  Abschluss  der  Confessionen  nährte  die  gegenseitige 
Feindschaft  und  war  dennoch  nicht  stark  genug,  um  die 
häuslichen  Zwistigkeiten  zu  ersparen. 

Wer  nun  aber  alle  diese  Erfahrungen  unbefengenen 
Herzens  und  mit  gereifter  Erkenntnis  auf  sich  wirken  liess, 
gelangte  leicht  zu  dem  Gedanken,  dass  der  ConfessionaUsmus 
sich  eben  dadurch  überboten  habe ,  weil  er  sich  allzu  leiden- 
schaftlich den  neueren  dogmatischen  Productionen 
überlassen  imd  allzu  stolz  über  eine  alte  unverlorene 
Gewissheit  erhoben  habe,  dass  also  der  Friede  nur  kommen 
könne  mit  der  wohl  verstandenen  Genügsamkeit  eines  ein- 
facheren Glaubensbandes.  So  entstand  das  Progranmi  des 
damaligen  Unionismus  und  Synkretismus,  es  bheb 
sich  ähnlich  in  der  Aufforderung  zur  Rückkehr  von  den 
untaugUchen,  weil  an  sich  disputabeln,  misslichen,  vielleicht 
nur  ersonnenen  Neuerungen  zu  einem  leichteren  Einverständ- 
nis, von  der  Concordienformel  zur  Augsburgischen  Confession 
imd  von  dieser  zu  den  Gnmdlagen  der  noch  imgeteilten 
Kirche.  Selbst  Katholiken  konnten  von  dieser  Anweisung 
Gebrauch  machen.  So  verwies  Georg  Cassander  auf  die  apo- 
stolische Tradition  und  deren  kurzen  Inbegriff,  so  Antonius 
de  Dominis  auf  die  ursprüngliche  christliche  Republik  imd 
deren  Bindemittel  *).  Auf  protestantischer  Seite  waren  diese 
Mahnungen  schon  1570  zu  Sendomir  laut  geworden;  sie 
wurden  zu  Leipzig  1631  aufgenommen,  von  Duräus,  dessen 
Rede  nirgends  recht  durchschlagen  wollte,  und  von  Pareus,  der 


1)  Er  erklärte:  „Cum  omnibus,  quamdiu  in  essentialibus  nostrae 
fidei  articulis  et  symbolis  antiquae  Christi  ecclesiae  convenlmus,  per- 
petuo  communicare  sum  paratus."  Vgl.  Henke,  G.  Callxt,  Bd.  I, 
S.  345. 


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DIE  STELLUNG  DES  APOSTOUSCHEN  SYMBOLS.  73 

die  Aogastana  zum  Grunde  legte,  mit  mehreren  Modificationen 
wiederholt  Der  Bedeutendste  in  dieser  Reihe  wird  immer 
Georg  Calixt  bleiben,  schon  weil  er  als  Lutheraner 
seine  Stellung  am  meisten  gefährdete,  aber  auch  weil  er  ein 
selbständiger  Forscher  und  so  zu  sagen  ein  friedfertiger  Strei- 
ter, kein  blosser  Anwalt  des  Friedens  war. 

Ziehen  wir  von  den  Leistungen  dieses  Mannes  das  eigent- 
lich gelehrte  und  widsenschafdiche  Verdienst  ab,  welches  der 
Zukunft  unzweifelhafte  Früchte  gebracht:  so  kommt  sein 
principieller  Antrag  auf  das  eben  Erwähnte  hinaus.  Er  sagte 
gradezu,  dass  auf  dem  eingeschlagenen  Wege  der  Zustand 
der  Theologie  Gefahr  laufe  heillos  zu  werden,  dass  die  Kirche 
an  Tugend  und  Liebe  und  an  sicherer  Erkenntnis  verarme 
und  mit  ihrem  Vorhaben,  die  Seligkeit  sicherzustellen,  nur 
Unseligkeit  anstifte,  dass  es  dringend  nötig  sei,  zu  einer 
Vergangenheit  zurückzublicken,  welche  mit  geringeren 
dogmatischen  Forderungen  eine  grosse  Kirchengemeinschaft 
zusammengehalten  habe,  weil  sie  es  verstanden,  durch  ein- 
fache und  darum  einhellige  Ergebnisse  der  Lehre  ihr  bibli- 
sches Princip  wahr  zu  machen.  Auf  der  Grundlage  des 
alt^i  Symbols  sollen  die  getrennten  Kirchen  sich  die  Hand 
reichen ;  endlich  sollen  sie  ihrer  gemeinsamen  Heimat  wieder 
inne  werden;  auf  diesem  Boden  allein  werden  sich  Parteien 
als  christliche  wiedererkennen,  und  der  Erfolg  kann  nur 
eine  Annäherung  und  Versöhnung  sein,  welche  sie  in  den 
Stand  setzt,  streitige  Glaubenssätze  wenn  nicht  zu  beseitigen, 
doch  weit  glimpflicher  zu  beurteilen.  Und  diese  Ermahnung 
richtet  sich  sogar  an  die  Katholiken,  und  nur  der  Papismus 
mit  seinen  Erfindungen  bleibt  als  trügliches  Menschenwerk 
ausserhalb  jeder  möglichen  Vereinbarung  stehen. 

Calixt's  Anträge,  mehrfech  wiederholt  und  ausfuhrhch 
b^ründet,  kleideten  sich  jedoch  in  eine  fiir  seine  Leser  höchst 
aufiällige  Form.  Er  sprach  von  Tradition  und  Consens  der 
Kirchenväter,  er  wagte  es,  zwischen  Katholicismus  und  Ro- 
manismus  dergestalt  zu  scheiden,  dass  nur  der  letztere  un- 
bedingt zurückgewiesen  werden  müsse,  während  jener  immer 
noch  die  wichtigsten  Anknüpfungspunkte  biete.  Die  Folge 
war  Argwohn  imd  Misverständnis.    Es  war  nicht  seine  Ab- 


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74  GASfi, 

sicht^  die  Schriftnorm  herabzusetzen;  indem  er  die  Tradition 
als  Hül&prineip  neben  sie  steUte,  denn  eben  diese  sollte  ja 
beweisen,  welche  biblisch  b^;ründete  iänstimmigkeit  in  den 
I&tuptsacben  schon  in  den  ersten  Jahrhanderten  erreicht 
worden  sei  Er  wollte  sein  eigenes  LuÜierttmi  nicht  weg- 
werfen, wenn  er  in  ihm  zwar  nicht  die  unverbesserliche,  aber 
doch  die  relativ  reinste  Darstdlung  der  christlichen  Lehre 
anerkannte.  Auch  ging  seine  Meinung  nicht  dahin,  dass 
alles,  was  in  den  drei  Typen  des  alten  Bekenntnisses  nkiht 
enthalten  sei,  deshalb  zum  Geringfiigigen  oder  gar  zum  Gleich- 
gültigen herabsinke;  es  sollte  nur  die  zweite  Stelle  der  Wich- 
tigkeit einnehmen,  damit  über  dieses  Nichtfundam^itale  eine 
ruhigere,  die  Möglichkeit  der  Einigung  offen  lassende  Dis- 
cussion  Raum  gewinne ;  Abstufungen  sollten  an  die  Stelle  der 
feindlichen  Gegensätze  treten,  oder  feinere  Eiidärungen  sich 
anschliessen,  welche  dann  die  Gemeinde,  wenn  sie  sich  nur 
im  Besitze  des  Wesentlichen  wisse,  ruhig  der  Theologie  als 
solcher  anheimstellen  werde.  Die  via  regia  zur  Eintracht  fitsst 
sich  demgemäss  in  wenige  Sätze  zusammen.  Die  ahe  Kirche 
besass  wirklich  den  wahren  chrisdicben  Glauben  und  hat  ihn 
in  den  drei  ökumenischen  Symbolen  einstimmig  niedergel^. 
Ihr  Inhalt  ist  kurz  und  fasslich  und  schliesst  das  ünchristliche 
aus;  durch  die  Zutaten  der  q)äterenBekenutniBSchrü%en  könn^i 
sie  umso  weniger  entwertet  werden,  da  diese  letcteren  man- 
ches darbieten,  was  über  Wahrscheinliches  nicht  hinausgeht 
Einigen  sich  nun  die  IdrchHchen  Parteien  über  die  funda- 
mentale Dignität  jenes  Aken  und  Gemeinsamen:  so  werden 
sie  nicht  allein  den  verlorenen  Frieden  wiedergewinnen,  son- 
dern auch  der  Theologie  die  Freiheit  gewähren,  deren  sie 
zur  Untersuclmng  aller  Nebenlehren  bedarf^). 

Calixt  überragte   seine  lutherischen    Fachgenossen,   die 
gleichzeitigen   wenigstens,    weitaus  an  Wissenschaft  wie  an 


1)  Vgl.  die  ausführlichen  Belege  bei  Henke,  Bd.  I,  S.  441  ff. 
472. 507.  528;  TI,  1.  S.  99  ff. ;  II,  2.  S.  215.  Gegen  Weller  sagt  Calixt: 
„Quo  latius  se  diflFunduut  recentiores  (in  libris  suarum  confessionum), 
eo  facilius  in  ejusmodi  tractatibus  inveiuri  poterit,  qaod  probabilita- 
tem  non  excedat^  etc. 


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DIE  STELLUNG  DES  APOSTOLISCHEN  SYMBOLS.  75 

Gesiimtmg)  die  meisten  woU  auch  an  reiiD^  Frömmigkeit, 
warum  musste  er  ihnen  so  völlig  unteriieg^i  ?  Scheiterte  er 
mit  seinen  Synkretismus  lediglich  an  der  Ungunst  der  Zeiten 
und  an  der  Herssenshärtigkeit  der  Menschen?  Wir  glauben 
es  nicht.  Er  verlangte  zuviel.  Hätte  er  nur  die  Protestan- 
ten; die  ja  an  dem  gleichen  Ufer  wohnen^  ins  Auge  gefasst; 
hätte  er  femer  seinem  consensus  Patrum  einen  grund- 
züglichen  consensus  Reformatorum  zur  Seite  gestellt  und 
demgemäss  seine  Vorschläge  formulirt:  vielleicht  würde  er 
mehr  ^reicht  haben ^  vielleicht  auch  nicht;  gewiss  aber 
wurde  die  Opposition  dadurch  sehr  erleichtert,  dass  er 
auch  die  E^atholiken  auf  die  altsymbolische  Grundlage  ver- 
wies, wodurch  er  den  Schein  erweckte,  als  müsse  das  ge- 
meinschaftliche Bettungsmittel  aus  der  Not  und  Zwietracht 
eben  nur  in  dem  Wiedergewinn  eines  vorreformatori- 
schen  Standpunkts  gesucht  werden.  Von  dem  weit  aus- 
fiihrlicheren  reformatorischen  Lehrsystem  liess  sich  also 
schliessen,  dass  es  jenem  christlichen  Zwecke  eher  hinderlich 
sei.  Dazu  kam  noch  der  besondere  Umstand,  dass  nach  der 
herrschenden  Gewohnhdt  der  für  notwendig  erachtete  Glau- 
bensinhalt sofort  als  eigentliche  Liehre  gedacht  und  mit  dem» 
Zusatz  ad  salutem  ausgestattet  wurde.  Auch  Calixt  keimte 
nicht  umhin,  das  alte  Symbol,  welches  er  mehr  als  alles 
andeore  hervorheben  wollte,  in  seiner  ganzen  Schärfe  als  ein 
necessarium  ad  salutexn  hinzustellen;  anderes,  wovon  die 
Seligkeit  nicht  abhängen  sollte,  sank  damit  auf  eine  zweite 
Stufe  herab,  und  sogleich  folgerten  die  Gegner,  dass  daran 
nach  Calixt's  Meinung  nicht  vid  gelegen  sei,  da  es  kehae 
Beziehung  zur  christlichen  Beseligung  habe,  dass  es  ohne 
Ge£ahr  mit  anderen  Vorstellungen  vertauscht  werden  kcmne ; 
und  war  dies  einmal  ausgesprochen,  so  lagen  alle  Anklagen 
des  Neutralismus,  Samaritanismus  und  der  Religionsmengerei 
bei  der  Hand  sammt  allen  Consequenzmachereien,  zu  welchen 
schon  der  Name  Synkretismus  verleitete.  Nur  Johann  Mu- 
säus,  indem  er  die  Helmstädter  gegen  ungerechte  Vorwürfe 
in  Schutz  nahm,  schaltete  zugleich  den  guten  Gedanken  ein, 
dass  es  neben  jenem  unbedingten  und  religiös  verstandenen 
necessarium  ad  salutem  noch  eine  andere  Notwendigkeit  geb^ 


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76  GAftS, 

nämlich  eine  doctrinale  Schätzung  von  Lehransichten^  welche 
die  Kirche  sich  angeeignet;  und  die  sie  selbst  dann  noch  zu 
wahren  verpflichtet  sei,  wenn  eingeräumt  werde,  dass  man 
mit  dergleichen  Satzungen  noch  nicht  den  Himmel  verdienen 
oder  verscherzen  könne  ^). 

Confessioneller  Hass  imd  orthodoxe  Starrheit  haben  den 
Stimmführem  der  Wittenbei^r  und  Leipziger  Schule  die 
Feder  gefuhrt;  aber  es  darf  nicht  vergessen  werden,  dass  in 
diesen  unlauteren  Motiven  auch  ein  ernstliches  Bedenken 
mitwirkte.  Ich  finde  es  in  der  Veränderung  des  Schwer- 
punkts, welcher  durch  Calixf  s  Propositionen,  wenn  auch  nur 
zu  dem  Zweck  der  Versöhnung,  von  dem  schwierigen  imd 
viel  zu  weit  getriebenen  neueren  Dissensus  auf  den  einfacheren 
und  leicht  zu  pflegenden  antiken  Consensus  zurückgetragen 
werden  sollte.  Die  Kategorien  von  Alt  und  Neu,  so  allgemein 
hingestellt,  reichten  nicht  aus,  um  die  Sachlage  klar  zu 
machen ;  auch  dem  Alten  konnte  ein  Veraltetes  anhaften,  das 
Neue  konnte  dadurch  an  Bedeutimg  gewinnen,  dass  es  die 
Erneuerung  eines  Ursprilnglichen  in  sich  trug.  Indem  CaUxt 
auf  die  alten  Symbole  das  entscheidende  Gewicht  legte  imd 
zugleich  in  der  Festhaltung  ihres  ganzen  Wortlautes  —  denn 
hier  übte  er  keine  Kritik  —  seinen  Gegnern  zur  Seite  trat, 
„schätzte  er  die  Bedeutung  der  Reformation  zu  gering  und 
konnte  nun  den  Vorwurf  der  Gleichgültigkeit  gegen  diese 
eine  Wahrheit  nicht  recht  ablehnen".  So  sagt  Henke  mit 
Recht*);  wir  setzen  hinzu,  dass  Calixt  zwar  nach  wie  vor 
ein  sehr  guter  Protestant  blieb,  dass  aber  seine  Ratschläge, 
hätten  sie  Verbreitung  gefunden,  eine  Ablenkung  von  dem- 
jenigen herbeigeführt  haben  würden,  worin  die  herrschende 
Theologie  und  KirchUchkeit  ihre  Schärfe,  aber  auch  ihre 
reformatorische  Selbstbefnedigimg  gesucht  hatte.  Zwei  Mächte 
treten  wider  einander  auf,  der  Unionismus  will  dem  Con- 
fessionalismus    Halt  gebieten,   dieser  protestirt  gegen  jeden 


1)  S.  meine  Geschichte  der  protestantischen  Dogmatik,  Bd.  U, 
S.  206  ff. 

8)  Henke  a.  a.  0.,  Bd.  II,  2.  S.  225.  Vgl.  dazu  meine  eigenen 
früheren  Bemerkungen  a.  a.  0.,  Bd.  II,  S.  195. 


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DIE  STELLUNG  DES  APOSTOLISCHEN  SYMBOLS.  77 

FriedensschlusS;  aber  er  bewegt  sich  doch  noch  innerhalb 
der  im  vorigen  Jahrhundert  empfangenen  Lebenstriebe. 

Damit  war  eine  innere  Wendung  gegeben,  wenngleich 
nur  eine  mittelbare.  Indem  das  Neue  imd  Reformatorische 
sich  sträubt,  dem  Antiken  imtergeordnet  zu  werden,  wird  es 
zugleich  in  seiner  eigenen  Bahn  festgehalten,  um  ferneren 
Entwicklungen  entgegenzugehen.  Der  Historiker  wird  oft 
genug  zu  Betrachtungen  hingeleitet,  die  dem  selbstbeteiligten 
und  mitempfindenden  Zeitgenossen  fernliegen,  er  darf  imd 
muss  von  diesem  naturgemässen  Vorteil  Gtebrauch  machen. 
Wer  dem  kirchlichen  und  wissenschaftlichen  Protestantismus 
auf  seinem  Lebenswege  nachgeht,  wird  erkennen,  dass  dessen 
Stationen  nicht  einfach  einander  ablösen,  dass  sie  sich  viel- 
mehr vor  ihrem  wirklichen  Eintritt  innerlich  vorbereiten. 
Noch  ehe  es  offen  zu  Tage  kommt,  ist  eine  Wasserscheide 
zweier  Bewegungen  erreicht  Dem  Synkretismus  gegenüber 
blieben  nur  die  feindseligen  Wittenberger  imd  Leipziger  in 
der  Minorität,  im  Qtmzen  behielt  der  beiderseitige  kirchliche 
Standpunkt  durchaus  die  Oberhand,  und  damit  war  die 
Stetigkeit  der  Fortentwicklung  gewahrt.  Der  confessionelle 
Lehrtjpus  sollte  länger  fortbestehen,  sich  noch  weiter  aus- 
leben, zunächst  aber  von  anderer  Seite  erweicht  und  geprüft 
werden.  Schon  der  Pietismus  verlängerte  und  vertiefte  den 
Process,  ohne  ihn  eigentlich  abzubrechen;  denn  er  liess  zwar 
das  Dogma  an  seiner  Stelle,  machte  aber  doch  den  bedeutungs- 
vollen Uebergang  von  dem  Glauben  auf  die  Gläubigkeit  und 
Frömmigkeit,  sofern  sie  auf  den  Willen  wirkt,  wodurch  jenes 
ganze  necessarium  ad  salutem  eine  andere  Deutung  erhielt. 

Aber  diese  Seitenbetrachtung  muss  diesmal  auf  sich  be- 
ruhen. Es  ist  Zeit,  die  Streitfrage  selber  genauer  zu  erörtern. 
Von  den  drei  Glaubensformeln  der  noch  ungetrennten  Kirche 
hatte  Calixt  behauptet,  dass  sie  alles  christlich  Notwendige 
umfassen,  und  im  ApostoUcum  werde  es  in  einer  allgemein 
fasslichen  Weise  vorgetragen.  Dieses  letztere  trat  in  die 
Mitte  des  Schauplatzes  als  das  unzweifelhafte  und  ausreichende 
Band  aller  christlich  zu  nennenden  Parteien ;  darauf  gemein- 
schaftlich zu  bestehen  ist  genügt).     Nein,  lautete  die  rasch 

1)  Callxti  Responsum  maledicis  theologorom  Mogantinorum  yih- 

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78  GASS^ 

entschiedene  Antwort  der  Mehrheit^  e  s  ist  nicht  genüge  und 
für  die  eifrigen  Lutheraner  war  dies  fast  so  viel^  als  würde 
ihnen  zugemutet^  von  dem  weitiänftigen  Material  des  Con- 
cordienbuchs  abzulassen  und  sich  nur  an  die  kurzen  als 
ökumenisch  TorangesteUten  Sätsse  zu  halten^  von  jenem  Vie- 
len abzulenken  auf  dieses  Wenige.  Der  Streit  darüber 
fällt  in  die  Jahre  1648  tmd  folgende^  und  die  Enigegnung^i 
eines  Hülsemann^  Dannhauer^  Calov^  Musäus  und^  Quenstedt 
grenzen  teilweise  an  Geringschät^mng  des  alten  Bekenntnisses. 
Es  wäre  völlig  verkehrt,  sagt  Hük^nanU;  wollten  wir  den 
Gewinn  des  christlichen  Heils  lediglich  auf  diese  einzige 
Formel  gründen;  dadurch  würden  wir  uns  mit  den  Remon- 
stranten  auf  gleiche  Linie  stdüen,  welche  sich  grade  ebenso 
verpflichten  imd  alle  Bekenner  des  wörtlich  genommenen 
ApostoUcums  für  fronmie  Christen  erklären.  Auch  ist  die 
klare  und  unzweifelhafte  Oflenbarung  aUes  von  Gott  Mit- 
geteilten weder  die  adäquate  noch  die  einzige  Ur- 
sach e,  welche  bewirkt,  dass  jener  G^enstand  ein  zur  Er- 
langung des  Heils  notwendiger  Glaubensartikel  sei,  —  womit 
Hülsemann  offenbar  sagen  will,  dass  das  Verhältnis  des 
gläubigen  Subjects  zu  dieser  Anerkennung  nicht  wenige 
dabei  in  Rechnung  komme  ^). 


diciis  oppositum,  §  35:  „S.  apost.  continet  summam  totius  doctrinae 
apostolicae  cuivis  adulto  et  rationis  compoti  ad  salutem  necessariae.^^ 
Item  §  42:  „Qui  nihil  aliud  sciverint  vel  intelligant  quam  solum  fidei 
capita,  prout  populari  et  simplici  illo  modo  ac  sensu  in  s.  expressa, 
haec  ipsa  üs  satis  esse  ad  salutem."  Desselben  Widerlegung  Weller^s 
A.  3:  „Credenda  comprehendontur  symbolo  apost.  simplicissime  qui- 
dem,  et  prout  cuivis  homini  adulto  ad  salutem  sufficiunt."  —  Die  drei 
S.  cath.  ap.  ecclesiae  wurden  von  Calixt  1649  herausgegeben. 

1)  Hülsemann,  Dialysis  apol.  problematis  Calixtiui  (Ldps.  1649), 
p.  62:  „Solam  apprehensionem  et  ratihabitationem  articulorum  in 
8.  ap.  secundum  illum  sensum  contentomm,  in  quo  sensu  concordant 
omues,  quotquot  Christian]  nuncupantur,  sufficere  ad  salutem  con- 
sequendam,  non  obstantibus  opinionibus  et  conceptibus  meutls  circa 
quaevis  alia  objecta  ex  communi  Christianorum  cousensu  non  pateÜEicta 
secimdum  literam  laudati  s.,  tarn  ineptum  et  falsum  est  quam  quod 
falsissimum.  Hoc  impraesentiarum  affirmo:  Ciaram  et  evidentem  re- 
velationem   cujuscunque   rei    divinitus   patefactae   neque   adaeqnatam 


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DIE  STELLUNG  DES  APO&TOUSCHEN  SYMBOLS.  79 

Aelmlich  Dannhauer;  indem  er  b^ftterkt;  dass  dieses 
Symbol  von  jedermann  in  seinem  Sinne  verstanden  werde. 
W^  aeiiäifer  noch  imd  nicht  ohne  Anklang  an  die  Sprache 
eines  modernen  EritikerB  hat  aioh  Calov  in  seinem  Sjstema 
geg^i  diese  Snfficiaoiz  verwahrt  Wie  kann  jenes  Bek^mtnis^ 
wenn  es  dach  von  Tertullian^  Irenäus^  Origenes,  Rufin  un- 
gleich referirt  wird,  um  dann  durch  eine  ^^ Fabel''  den  Na- 
men apostolisch  au  gewinnen,  wenn  es  erst  durch  Verschär- 
fiing  der  Concilien  dwn  Dogma  gerecht  geword^i;  wenn 
St^tsse  des  Chriotenglaubens  von  grösster  Wichtigkeit  gänzlich 
ausserhalb  seines  Wortlauts  liegen  — •  wie  kann  es  den 
Charakter  apostoliioher  VoUkonunenheit  besitzen!  —  Denn 
die  Lehren  von  der  Gnade,  vom  Werke  der  Erlösung 
und  von  den  Wirkungen  des  Glaubens  lassen  sich  nicht  als 
blosse  Vorfa«egi*iffe  oder  Folgerungen  ansehen,  sondern  sie 
sollen  dem  Glauben  gegwständlich  werden,  damit  er  die 
allein  richtige  und  iruchtbringende  subjective  Stellimg  zu 
ihnen  einndune.  Scmst  würde  sich  aiush  nicht  erklären  lassen, 
dass  sich  an  dieselbe  kvu'se  Bekonntoisgrundlage  so  ent- 
gegengesetzte und  unvereinbare  Biohtungen  haben  anBchliess^i 
können,  was  i^oht  geschehen  wäre,  wenn  das  ä}rmbol  selb^ 
die  nötige  Sicherheit  gewährte  ^).    In   seinem  dogmatischen 


cauBam  esse  quae  fiieit,  ut  objeetum  iUud  sit  aiticfilas  ad  salutem 
eonscquendam  OTeditu  neoessarlns  ete.  —  Habenlur  a  Remonstrantibu» 
pro  piis  Deum  timentibus  fratribus  et  cobaeredtbus  yitae  aetemae 
etiam  bi,  qui  trinitatis  mjsteriTim  aon  hnpugnant  solum,  sed  etiam  blas- 
phemiis  sauciaut,  protestantur  tarnen  et  jurant,  ae  ap.  lymbok»  ad  literam 
et  secondum  literalem  sensuoa  totos  inbaerere  atque  hoc  unum  in  no- 
bis  iodigne  ferre,  quod  requlsita  et  notas  veri  CbristiaQi  requiramu» 
plores,  quam  boc  s.  expressae  sUQt.^^  Anderwärts  erklärt  HiUaemaiiii, 
jetzt  noch  mit  dem  apostoliscben  Symbolum  ausreicben  wollen,  sei, 
wie  wenn  man  einen  Mann  durch  die  Nabelschntu*  oder  mit  Milcb  er- 
nähren wolle.    Henke,  Bd.  ü,  1,  S.  20^. 

1)  Calov's  Systema  (conf.  I,  c.  2,  quaest.  16)  liegt  mir  nicht  vor, 
und  ich  muss  mich  an  meiae  früheren  Auszüge  (Gesch.  der  protest. 
Dogm.,  Bd.  n,  8.  191  ff.)  halten.  Auch  Hülsemann^s  und  Mosäu»' 
Schriften  sind  mir  von  anderwärts  zugeschickt  wcHrden.  Der  hiesigen 
Bibliothek  fehlen  viele  wichtigste  Werke  der  althitberischen  Literatur 
und  Polemik,  was  natürlich  der  neuerea  Verwaltung  nicht  zum  Vor- 


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80  GASS, 

Compendium  verwirft  Calov  nicht  allein  die  Theopneustie 
dieses  angeblich  apostolischen  Symboltextes  ^  sondern  er  fug^ 
hinzu^  dass  es  den  ersten  Jahrhunderten  unbekannt  gewesen 
und  nicht  für  einen  adäquaten ;  d.  h.  alles  Notwendige  und 
nur  solches  luniassenden  Inbegriff  des  Glaubens  ausge- 
geben werden  dürfe  *)  ;  damit  war  also  eingeräumt,  dass  auch 
etwas  nicht  Notwendiges  in  ihm  enthalten  sei,  —  fiir  einen 
Mann  wie  Calov  inuner  eine  starke  Behauptung. 

Der  achtungswerte  Johann  Musäus  sucht  in  seiner  ;,  Ein- 
leitung" in  das  innere  öefiige  der  Formel  und  das  gegen- 
seitige Verhältnis  ihrer  Bestandteile  einzudringen.  Er  ver- 
schmäht sogar  die  Künste  der  Scholastiker  nicht,  welche 
zwölf  bis  vierzehn  Artikel  unterschieden  hatten,  um  dann 
neben  dem  Gesagten  möglichst  viel  Nichtgesagtes  in  diesen 
Rahmen  einzupressen.  Wie  steht  es  aber  mit  der  S uf fi- 
elen z?  Quaestio  est  haec  nostra  inprimis  aetate  valde 
controversa;  sie  muss  in  doppeltem  Sinne  verneint  werden. 
Zunächst  sind^die  Worte  der  Formel  so  kurz',  dass,  solange 
nicht  andere  biblische  oder  kirchliche  Erkenntnisse  hinzu- 
treten, auch  häretische  Meinungen  der  Sabellianer,  Samo- 
satener,  Photinianer  und  Nestorianer  sich  imter  dieser  Decke 
als  gut   christlich  einfuhren    lassen  *).     Andrerseits    werden 


wurf  gereichen  kann,  aber  darum  Erwähnung  verdient,  weU  es  be- 
weist, dass  in  jener  Zeit  das  audiatur  et'  altera  pars  selbst  bibliothe- 
karisch verhindert  worden  ist. 

1)  Calov ii  Theol.  posit.  (Francof.  et Witteb.  1690),  §27,  p.l2: 
„S.  ap.  dicitur,  quod  materialiter  et  quantum  ad  sententiam  dogmata 
vere  apostolica  complectitur,  quae  materialiter  in  scrlpturis  apostolorum 
continentur;  etsi  formaliter  et  quoad  totam  texturam  non  sit  ab  apo- 
stolis  profectum  adeoque  integrum  minime  sit  &e6nysv<noyy  imo  et 
prioribus  seculis  ignotum  fuerit,  neque  pro  adaequata  epitome 
credendorum,  ea  tum  omnia  tum  sola  continente,  quae  creditu 
uecessaria  sunt,  haberi  queat."  Vid.  Calov.  Syncretism.  Calixt.  postu- 
lat.  1,  p.  1. 

8)  Joh.  Musaei  Introd.  in  theol.  (Jenae  1678),  c.  3,  p.  178: 
„ —  quia  plerosque  titulo  tenus  saltem  vel  verbis  ita  paucis  coutinet, 
ut  nisi  aliunde  ex  scripturis  vel  ex  publica  ecclesiae  doctrina  sensum 
genuinum  quis  cognitmn  habeat  vel  inde  accersat  et  suppleat,  sab 
integumento  verborum   tam   pancorum   pugnantes   froutibus   adversis 


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DIE  STELLUNG  DES  APOSTOLISCHEN  SYMBOLS.  81 

wichtige  Lehrstücke  vermisst;  es  fehlt  die  Erbsünde,  ohne 
welche  auch  die  Notwendigkeit  der  Gnade  nicht  mehr  er- 
hellt, noch  auch  Pekgianer  und  Semipelagianer  femgehalten 
werden  können,  sodann  der  Artikel  vom  genugtuenden  Ver- 
dienst Christi  und  dessen  universellem  Wert,  so  dass  auch 
Socinianer  an  der  Unterschrift  nicht  gehindert  sind,  femer 
von  der  Wiedergeburt,  Busse,  Rechtfertigung  imd  Heiligung. 
Denn  Gemeinschaft  der  Heiligen,  Kirche  imd  Sündenver- 
gebung bieten  für  diesen  Mangel  so  wenig  Ersatz,  dass  auch 
an  dieser  Stelle  die  Pelagianische  Ansicht  zugelassen  erscheint. 
Daher  umfasst  das  Apostolicum  nur  die  wichtigeren  Lehr- 
stücke und  auch  diese  in  so  kurzer  Fassung,  dass  der  echte 
Sinn  mehr  angedeutet  als  ausdrückhch  wiedergegeben  wird. 
Genau  genommen  ist  Musäus  der  Meinimg,  dass  der  christ- 
liche Glaube  auch  als  Lehr  ganzes  schon  damals  in  seiner 
Vollständigkeit  vorhanden  gewesen,  denn  sonst  könnte  er  nicht 
sagen,  dass  die  hier  fehlenden  Stücke  schon  vorausgesetzt  seien. 
Li  die  Idee  einer  successiven  Entfaltung  aus  dem  christUchen 
Princip,  welcher  zufolge  eine  Seite  nach  der  andern  für  das 
Bewusstsein  der  Gemeinschaft  erst  erschlossen  wird  und  bis 
zu  der  Schärfe  einer  Lehrbestimmung  vordringt,  hat  er  sich 
nicht  hineingedacht 

Zuletzt  werden  diese  Gründe  von  Quenstedt  mit  der 
ihm  eigenen  Gelassenheit  zusammengefasst.  Das  alte  Bekennt- 
nis, heisst  es  hier,  mag  den  Christen  vom  Heiden  imter- 
scheiden,  aber  keineswegs  von  den  Häretikern,  welche  sich 
unter  vielerlei  Namen  imd  sehr  zuversichtUch  dessen  bedient 
haben.  Für  einfache  Christen,  die  nichts  anderes  kennen, 
mag  es  genügen,  nicht  so  fiir  entwickelte,  auch  nicht  zur 
Belehrung  papistischer  Laien,  deren  Gemüter  schon  mit  der 


baereses  occultari  facile  possint."  Ibid.  p.  183:  „Dicendum  ergo,  in 
8.  ^p.  non  contineri  omnes  plane  articulos  fidei,  sed  potiores  saltem, 
qni  finem  hominis  ultimom,  beatitudinem  aetemam  scilicet  et  ejus 
prineipia  ac  media  principalia  concemunt,  eaque  verbis  ita  paucis 
attingi,  ut  genuinum  illorum  sensum  velut  notum  ex  scripturis  et  pu- 
blica ecclesiae  catholicae  doctriua  praesupponant  potius  vei  inde  ac- 
cerseudom  rellnquaut,  quam  significanter  exprimant.** 

Zeitachr.  f.  K.-G.  111,  1.  6 

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82  QASS, 

Vorstellung  von  der  Verdienstlichkdt  der  guten  Werke,  von 
der  Interoesaion  der  Maria  und  der  kirchlichen  Genug- 
tuung für  zeitliche  Strafen  erflillt  sind  ^). 

Unter  solchen  Umständen  war  es  ganz  consequent,  dass 
in  dem  von  den  Wittenbergem  geschmiedeten  Consensus 
repetitus  fidei  vere  Lutheranae  die  von  Calixt  und  Genossen 
behauptete  fondamentale  Hinlänglichkeit  des  Apostolicums 
in  erster  Reibe  zu  dessen  fundamentalen  Irrtümern  gezählt 
wurde  *). 

Es  war  also  wirkUcb  eine  Kritik  des  alten  Bekennt- 
nisses, zu  welcher  Calixt  die  streng  confessionellen  Lehrer 
herausforderte,  eine  stolze  Erhebung  über  die  kirchlich^i 
OTOixHa  Tov  xoufiov.  Der  Anspruch  auf  VoUkommaiheit  wird 
der  Formel  unumwunden  abgesprochen,  wdi  sie  zahlreiche 
Lücken  lässt^  deren  Aufzählimg  an  den  Gang  der  Dogmen- 
geschichte erinnert;  nur  dem  ersten  populären  Bedür&is  der 
Uneingeweihten  soll  sie  entsprechen.  Ausser  dieser  mate- 
riellen UnvoUständigkeit,  welche  Hochwichtiges  vermissen  lässt, 
wird  dann  femer  gerügt,  dass  in  dem  Symbol  dasjenige  gar 
nicht  hervortrete,  was  den  Inhalt  erst  zur  Glaubenssache  er- 
hebt, nämlich  die  religiöse  Aneignung  und  subjective  Ver- 
wertung. Zwar  deutet,  was  wir  nicht  vergessen  wollen,  der 
Zusatz  „Vergebung  der  Sünden '^  allerdings  auf  den  sittlichen 
Endzweck  der  christlichen  Religion  ^),  aber  alle  andern  Be- 
standteile werden  nur  als  Momente  eines    göttlichen   Seins 


1)  Quenstedt,  Theol.  didact.  polem.  I,  c.  II,  sect.  2,  quaesti. 

*)  Consensus  repet.,  art.  1,  punct.  3.  Vielleicht  denkt  der  Leser 
bei  dieser  Grelegenbeit  auch  an  den  durch  Lessing  angeregten,  von 
Delbrück,  Saek,  Nitzsch,  Dimiel  a.  a.  erneuerten  Streit  über  das  An- 
sehen der  heiligen  Schrift  und  deren  Verhältnis  zur  Glaubensregel. 
Doch  betraf  dieser  eigentlich  nur  das  Verständnis  des  Schriftprincips 
und  war  rein  wissenschaftlicher  Art,  ohne  die  kirchliche  Stellung  des 
Symbols  zu  berühren. 

9)  Ich  erinnere  hier  an  Melanchthon,  welcher  im  4.  Artikel  seiner 
Variata  und  bei  Erwähnung  des  Apostolicums  das  Credo  renüssionem 
peccatorum  geflissentlich  betont,  indem  er  hinzufügt:  „Et  ad  himc 
articulum  reliqui  de  historia  Christi  referri  debent.  Nam  id  beneficium 
est  flnis  historiae^*  etc. 


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DIE  STELLUNG  DES  APOSTOUSCHEN  SYMBOLS.  83 

oder  G^sdiehend  hingestellt;  die  Notwendigkeit  ihrer  religiösen 
Wirksamkeit  und  Inkraftsetzung  als  ein  necessariiun  ad  sa- 
lutem  bleibt  anausge8fMX>chen.  Wir  haben  denmach  zwei 
Gbünde  vor  uns,  den  einen  von  der  rein  materiellen  Unzu- 
länglichkeit, und  diesen  konnten  auch  die  Katholiken  gebrau- 
chen, obgleich  sie  vermöge  ihres  Traditionsprincips  behaupten 
mussten,  dass  in  dem  kurzen  Inbegriff  schon  die  ganze  Lehre 
enthalten  sei,  sobald  sie  nur  durch  den  kirchlichen  Unterricht 
herausgezogen  und  verdeutlicht  werde,  wie  es  etwa  im  römi- 
schen Katechismus  geschehen  ist  ^).  Der  andere  Grund  da- 
g^en  hflngt  mit  dem  protestantischen  Bewusstsein  zusammen; 
sdion  die  Augsburgische  Confession  erkennt  ihn  an,  indem 
sie  im  20.  Artikel  von  der  blossen  notitia  historiae  zum  effectus 
historiae  vordringt;  aber  näher  betrachtet,  regt  dieses  Argu- 
ment Eürwägungen  an,  die  über  den  damals  gewöhnlichen 
Gesichtskreis  hinausföhren.  Wenn  es  einmal  feststeht,  dass 
Data  der  Offenbarung,  die  vermöge  ihrer  factischen  Be- 
schaffenheit mitteilender  Art  sind,  sich  also  zunächst  dem 
Wissen  imd  Fürwahrhalten  darbieten,  dadurch  erst  ihren 
vollen  Wert  erhalten,  dass  sie  als  Mächte  in  den  religiösen  Geist 
angenommen  werden :  dann  tritt  nach  und  nach  ein  anderer 


1)  Bellarmin  sagt  (vgL  QueoBtedt  1.  c.)  in  seiner  Beantwortung 
Cassander^s:  „Symbolum  uniun  est,  et  non  in  verbis,  sed  in  sensu  est 
fides.  Non  ergo  habemus  idem  symbolum,  si  in  expUcatione  dissi- 
demus.  Praeterea  si  snfficeret,  verba  symboli  vecipere,  nulli  fere  ve- 
tenim  haereticomm  jure  damnati  fuissent.  Kam  Ariani,  Novatiani, 
Nestoriani  et  alli  fere  omnes  verba  symboli  ap.  recipiebant,  sed  quia 
in  sensu  dissensio  erat,  ideo  damnati  et  ab  ecclesiae  catholica  ejecti 
fdenmt."  In  der  Tat  verhält  es  sich  ganz  anders;  nicht  wegen  fal- 
scher Erklärung  des  Apostolicums  siud  jene  Häretiker  verdammt  wor- 
den, sondern  weil  eine  neue  in  ihm  gar  nicht  vorgesehene  Lehr- 
bestimmnng  hinzugetreten  war,  von  welcher  nunmehr  die  Rechtgläubig- 
keit abhängen  sollte.  Doch  begegnet  uns  selbst  auf  protestantischem 
Boden  das  Beispiel  einer  jüngeren  Bekenntnisschrift ,  welche  sich  als 
rechtmässige  Interpretation  und  Weiterbildung  über  die  ältere  stellt. 
In  der  Concordienformel  wird  angenonmien,  dass  Lutheraner,  welche 
ihr  nicht  zustimmen  wollen,  auch  die  Augsburgische  Confession 
nicht  Terstanden  haben,  weil  sie  eben  nicht  den  rechten  Sensus  mit- 
brachten. 

6* 

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84  GA8S, 

Massstab  fiir  die  Bekenntnisbildung  in  Ejraft;  und  es  muss 
untersucht  werden ;  ob  diese  Data  auch  die  beabsichtigte 
Wirkung  wirklich  und  gleichmässig,  sei  es  überhaupt  oder 
für  ein  bestimmtes  Zeitalter,  ausüben  und  nicht  vielmehr  in 
einer  ungleichen  Beziehung  zu  ihr  stehen. 

Und  dies  ist  die  Stelle,  welche  über  Berge  und  Täler 
hinweg  den  Pfad  in  das  Innere  der  neueren  Theologie 
bezeichnet ;  bei  diesem  Uebergang  muss  auch  der  Unterschied 
der  Zeiten  oflFenbar  werden.  Es  ist  überraschend,  sogar  be- 
klemmend, grade  von  einem  einzelnen  Punkte  aus  den  Ab- 
stand zweier  Jahrhunderte  zu  ermessen;  aber  es  'ist  doch 
Pflicht,  sich  ihn  klar  zu  machen,  denn  wer  sich  über  die 
Entfernung  täuscht,  dem  können  auch  die  verbindenden  Fä- 
den und  leitenden  Kräfte  unversehens  aus  der  Hand  gleiten. 
Niemand  wird  noch  behaupten,  dass  die  neuere  Theologie 
nur  durch  kritische  EingriflFe  und  rationalistische  Abzüge 
ihre  Neuheit  bekundet,  wir  wissen  alle,  dass  sie  auch  eine 
andere  Schätzung  des  llateriellen  und  des  Dynamischen,  des 
Historischen  und  Ideellen  in  ihren  gegenseitigen  Verhältnissen, 
kurz  eine  veränderte  Oekonomie,  Proportion  und  Aufeinander- 
folge der  öeistestätigkeiten  in  Gang  gebracht  hat.  Der  Ein- 
zelne vermag  sich  diesen  Einflüssen  gradweise  zu  entziehen, 
in  der  Tat  aber  werden  alle  von  ihnen  berührt  Die  alt- 
protestantischen Lehrer,  deren  wir  vorhin  gedacht,  rechneten 
in  ihrer  Systematik  eigentlich  nur  mit  drei  Factoren :  mit  der 
Norm,  die  sich  dann  wieder  in  eine  biblische  und  kirchlich- 
symbolische teilte,  mit  dem  Inhalt  der  Lehrsätze  und  mit 
deren  Form.  Von  der  Norm  aus  wurde  sofort  die  Reihe  der 
Artikel  gefunden,  und  sie  waren  schon  da;  hatten  sie  dann 
ihre  regelrechte  Ordnung  und  technische  Ausfuhrung  er- 
langt, so  war  alles  fertig.  Zwar  sprachen  die  Alten  viel  von 
Fundamentalien,  aber  sie  sahen  in  ihnen  die  Dogmen  selber; 
zwar  stellten  sie  die  Prolegomena  voran,  welche  aber  weit 
mehr  vorschreibender  als  vorbereitender  Art  waren,  und  nur 
Calixt  hatte  das  löbliche  Streben,  von  allgemeineren  Gesichts- 
punkten auszugehen.  Wir  Neueren  müssen  anders  zu  Werke 
gehen;  statt  aus  der  Quelle  in  das  System  zu  springen,  nö- 
tigt uns  das  im  Leben  der  Literatur  und  Wissenschaft  unter 


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DIE  STELLUNG  DES  APOSTOLISCHEN  SYMBOLS.  85 

uns  vereinbarte  Denkgesetz  zu  einer  verweilenden  Umschau, 
wir  suchen  ein  Allgemeineres  und  Wesenhaftes,  von  welchem 
aus  die  Gestaltung  des  Inhalts  erst  unternommen  werden 
soll.  Damit  hängt  zusammen,  dass  wir  nicht  mehr  zählen 
wollen,  wie  die  Alten  gezählt  und  summirt  haben;  an  die 
Stelle  tritt  ein  Wägen  ^) ,  weil  nur  dadurch  die  öeistigkeit 
des  Gegenstandes  im  Unterschied  von  stofflichen  Verhältnissen 
bewiesen  wird,  weil  also  auch  nur  ein  kräfldg  ergriflfener 
Mittelpunkt  den  Wert  einzelner  Bestimmimgen  bezeugt.  Darum 
kann  ^  uns  niemals  befiriedigen,  einen  Glaubensstoff  durch 
siebzehn  Jahrhunderte  zu  solcher  Ausdehnimg  anwachsen 
zu  sehen;  nicht  der  Umfang  noch  die  Vielteiligkeit  verbürgt 
die  Vollkommenheit,  weil  wir  den  Gegenstand  nicht  mehr 
nach  quantitativen  Massen  beurteilen,  noch  der  Ansicht  sind, 
dass  mit  der  Masse  auch  die  Kraft  sich  steigert  oder  die  stoff- 
liche Verkürzung  und  Vereinfachung  auch  dynamisch  einem 
Abnehmen  gleichkommt.  Auch  die  Bekenntnisse  sind  kleinen 
Systemen  ähnlich,  aber  sie  wirken  nicht  mehr  dadurch,  dass 
sie  den  Eindruck  machen,  an  eine  fest  bestimmte  Zahl  von 
Lehrartikeln  gebunden  zu  sein. 

Das  Bisherige  haben  wir  im  Anschluss  an  den  damaligen 
Kampf  der  Confessionalisten  gegen  die  Unionisten  imd  Syn- 
kretisten  ausfuhren  wollen,  welche  letzteren  sich  durch  Rück- 
gang auf  das  alte  Bekenntnis  und  Unterschätzung  der  refor- 
matorischen Zutaten  einen  katholisirenden  Anstrich 
gaben ;  und  vielleicht  verdient  es  als  kleine  dogmenhistorische 
Studie  schon  für  sich  Beachtung.  Es  liegt  aber  in  meiner 
Absicht,  schliesslich  noch  auf  die  jetzige  Stellung  des  Apo- 
stolicums  einen  Blick  zu  werfen,  wobei  ich  mich  jeder  spe- 
ciellen  Polemik  enthalte,  weil  diese  dem  Zweck  unserer  Zeit- 
schrift nicht  entsprechen  würde.  Im  allgemeinen  liegen 
aus  Gründen,  die  wir  als  bekannt  voraussetzen,  die  gegen- 
wärtigen Verhältnisse  ganz  entgegengesetzt.  Vor  zwei  Jahrhun- 
derten nahm  die  kirchliche  Mehrheit  den  grössten  Anstoss  daran, 


1)  Selbst  die  Varianten  unserer  Bibeltexte  werden  von  uns  nicht 
mehr  rein  numerisch,  wie  vor  Zeiten,  sondern  nach  dem  Werte  der 
Zeugen  beurteUt. 


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86  GASS^ 

dass  ihr  zugemutet  wurde,  sich  auf  die  wenigen  Aussagen 
des  alten  Symbols  zu  beschränken,  die  nur  einen  allgemein 
christlichen  Charakter  bezeugen,  ohne  Bürgschaft  für  die 
protestantische  GlaubenseigentümUchkeit;  diese  Formel,  fürch- 
tete man,  wenn  fiir  sich  gelassen,  würde  nach  wie  vor  zum 
Deckmantel  für  eindringende  häretische  Meinungen  benutzt 
werden.  Jetzt  dagegen  erscheint  dasselbe  Bekenntnis  vielen 
schon  als  zu  starke  Forderung,  zu  exclusiv  und  beengend 
für  die  Gewissen  einer  Gemeinschaft,  welche,  wie  immer 
durch  innere  G^ensätze  getrennt,  doch  darin  zusanunenhält, 
dass  alle  ihre  Mitglieder  Zugang  begehren  zu  dem,  Trost  des 
Evangeliums  und  zu  den  Segnungen  der  Anbetung  im  Gbist 
und  in  der  Wahrheit,  wobei  also  hauptsächlich  die  öffent- 
liche und  litui^che  Anwendung  der  Formel  in  Betracht 
gezogen  wird.  Vor  Zeiten  bezog  sich  der  Streit  auf  die 
Hinlänglichkeit,  jetzt  betrifil  er  die  Haltbarkeit  und  nicht 
weniger  die  Angemessenheit  derselben;  firüher  war  es  die 
freier  urteilende  Partei,  jetzt  sind  es  die  strenger  Gesinnten, 
die  sich  an  das  Symbol  anklammem.  Wir  wollen,  indem 
wir  dies  aussprechen,  nur  der  nackten  tatsächlichen  Wahr- 
heit die  Ehre  geben.  Es  gewinnt  iJso  ganz  das  Ansehen, 
dass  wir  nach  einer  solchen  Umkehrung  der  BedürfiiiBse 
und  Auftassungen  überhaupt  nicht  mehr  in  der  Lage  sind, 
einen  fruchtbaren  Vergleich  zu  ziehen,  sondern  dass  nur 
übrig  bleibt,  jedes  Zeitalter  fiir  sich  und  seinen  eigenen  Geist 
einstehen  zu  lassen.  Diese  Folgerung  räume  ich  jedoch  nicht 
ein,  glaube  vielmehr,  dass  die  Büokbeziehung  auf  die  längst 
vergangenen  Verhandlungen  noch  etwas  Lehrreiches  abwirft^ 
was  selbst  auf  die  gegenwärtigen^  ihnen  höchst  unähnlichen 
Anwendimg  erleidet. 

Sehen  wir  von  denen  ab,  die  keine  andere  Auskunft 
wissen  als  die  einer  völligen  Verbanifiung  des  Sym,bols  aus 
dem  gottesdiens^ichen  Gebrauch :  so  lässt  sich  dasselbe  doppelt 
beurteilen,  zunächst  nach  seiner  allgemeinen  religiösen 
und  kirchlichen  Bedeutung.  Dies  Bekenntnis  ist  ein 
religiöses  und  christliches,  weil  es  die  drei  Namen  des  Gt)ttes- 
reichs  zusammenfasst  und  in  seiner  Mitte  Christus  als  den 
alleinigen  Heilsgrund  aufrichtet;  kirchlich  wertvoll  aber  wird 


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DIE  STELLUNG  DES  APOSTOUSCHEN  SYBIBOLS.  87 

es  dadurch 9  dass  es,  während  die  beiden  anderen  Pormehi 
in  W^all  kamen,  in  seiner  historischen  Einfachheit  stehen 
geblieben  ist  und  den  abendländischen  Cultus  bis  auf  die 
G^enwart  begleitet  hat.  Was  zu  seiner  Erhaltung  beitrug, 
war  nicht  allein  die  volkstümliche  G-ewöhnung  und  die  An- 
hänglichkeit auf  Seiten  eines  bedeutenden  Teils  der  Gemeinden, 
sondern  überhaupt  das  Recht  der  Continuität,  wel- 
ches an  dieser  einzigen  Stelle  einen  Ausdruck  suchte.  Und 
diese  pietätsvolle  Anerkennung  ist  denn  auch  hundert-  und 
tausendfach  nicht  nur  geübt,  sondern  auch  offen  ausge- 
sprochen worden,  ich  meine  von  solchwi,  welche,  indem  sie 
das  Symbol  als  das  ehrwürdigste  Zeugnis  altkirchlicher  Ueber- 
liefenmg  ansahen,  darum  doch  nicht  an  alle  Zeilen  dieses 
Textes  gebunden  sein  wollten.  Die  Würde  des  Ganzen  half 
über  die  streitig  gewordenen  Punkte  hinweg.  Dieser  Zustand 
war  und  ist,  wie  die  Lage  der  g^enwärtigen  Kirche  über- 
haupt, ein  unvollkonmiener;  aber  die  ihm  anhaftende  Un- 
klarheit und  Zweideutigkeit  Hess  sich  doch  dadurch  überwinden, 
dass  das  zugehörige  liturgische  Schema,  innerhalb  dessen  das 
Bekeaontnis  vorgetragen  werden  soll,  eine  Fassung  erhielt, 
welche  geeignet  war,  jenem  al^meineren  Verständnis  offen 
^itgegenzukommen.  Bekanntlich  ist  ein  solcher  Versuch 
neuerUch  durch  die  letzte  badische  Generalsynode  gemacht 
worden,  man  darf  hinzusetzen,  mit  Glück;  denn  die  hier  be- 
schlossene Einrahmung  oder  Vorfilhrung  des  Apostolicums 
hat  auch  anderweitig  Zustimmung  gefunden,  und  wer  sie 
deshalb  bei  Seite  schieben  will,  weil  sie  auf  eine  „refe- 
rirende^*  Form  hinauslaufe,  der  will  eben  nicht  bedenken, 
dass  der  Vortrag  einw  Liturgie  ernster  xmd  wärmer  gemeint 
ist  imd  anders  aufgenommen  wird  als  das  Referat  eines  S^ei- 
tnngsartikels.  Unseres  Wissens  haben  bei  dieser  Vereinbarung 
zwei  Ghünde  wesentlich  miigewirkt;  der  eine,  dass  es  sich 
nicht  geziemen  will,  ein  Bekenntnis  abzuschaffen,  ehe  auch 
nur  die  Aussicht  entsteht,  ein  anderes  fiir  uns  befriedigen- 
deres an  die  Stelle  treten  zu  lassen,  der  andere,  dass  über- 
haupt in  Angelegenheiten  der  kirchlichen  Gemeinschaft  der 
blosse  Progiesaismus  niemals  ausreichen  wird,  um  eine  innere 
Schwierigkeit  zu  überwinden. 


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88  OASS, 

Bei  dieser  freieren  Auffassung  lässt  sich  also  ein  fried- 
liches Ergebnis  hoffen,  nicht  so  bei  der  andern,  die  wir  noch 
zu  beleuchten  haben,  und  welcher  entgegenzutreten  wahrlich 
kein  Streit  mit  den  Wolken  ist  —  ich  meine  die  rein  dog- 
matische und  vorschriftliche.  Durch  sie  wird  die 
Aufinerksamkeit  auf  das  ganze  Detail  der  Formel  hingerichtet 
und  damit  die  biblische  B^ritik  herausgefordert,  deren  Be- 
denken bekannt  genug  sind,  und  die  zu  dem  Oftgesagten 
kaum  etwas  nachzutragen  hat.  Die  einfache  Berufung  auf 
die  unterliegenden  Schriflstellen  gentigt  nicht,  wenn  diese 
Belege,  wie  in  unserem  Falle  zugegeben  werden  muss,  weder 
die  gleiche  Stärke  haben,  noch  sich  auf  derselben  Linie  neu- 
testamentlicher  Glaubensbildung  befinden.  Die  Höllenfahrt 
Christi  wird  fiir  jeden  Unbefangenen  nur  durch  eine  einzige 
Schriftstelle  (iPetr.  3,  19),  durch  diese  aber  unzulänglich 
unterstützt.  Die  Auferstehung  des  Fleisches  (t^  auQxog) 
vertauscht  den  biblisch  gewöhnlichen  Ausdruck  (rcSy  vh- 
xQMy)  mit  einem  anderen  und  sinnlicheren.  Der  übernatür- 
lichen Geburt  Christi  fehlt,  von  der  Unsicherheit  der  evan- 
gelischen Nachrichten  abgesehen,  das  apostolische  Zeugnis 
der  Briefe.  Nicht  ohne  Grund  ist  in  alter  und  neuer  Zeit 
auch  die  Aufnahme  der  „  katholischen  Kirche "  in  den  dritten 
Artikel  beanstandet  worden,  weil  die  Kirche  als  solche  nach 
protestantischer  Anschauimg  kein  Gegenstand  des  Bekennt- 
nisses ist  ^).  Man  kann  darauf  antworten,  dass  dies  auch 
nicht  die  Meinung  sei;  wenn  nämlich  das  Bekenntnis  des 
heiligen  Geistes  voransteht:  so  empfängt  eben  dadurch  schon 
die  katholische  Kirche  eine  untergeordnete  Stellung,  sie  wird 
nicht  selber  zum  Glaubensobject  erhoben,  sondern  sucht  ihre 
Anerkennung  darin,  dass  sie  sich  auf  das  Lebensprincip  des 
Geistes  gründet     Dann  wäre  in  dieser  Aufeinanderfolge  ein 


1)  Schon  die  Alten  haben  die  Schwierigkeit  empfunden,  daher 
die  mehrfach  erörterte  Frage,  ob  und  wie  das  ecclesiam  mit  dem  voran- 
gegangenen m  zu  verbinden  sei.  Doch  liegt  dergleichen  wie  auch  die 
Hypothesen  über  die  Bedeutung  der  communio  sanctorum  ausserhalb 
unseres  Bereiches.  Vgl.  Oehler  a.  a.  0.  S.  47.  Krauss,  Das  Dogma 
von  der  unsichtbaren  Kirche,  S.  46. 


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DIE  STELLUNG  DES  APOSTOLISCHEN  SYMBOLS.  89 

Selbstvertrauen  oder,  wenn  man  so  sagen  darf,  ein  Selbstglanbe 
ausgesprochen,  zu  welchem  sich  die  kirchliche  Gemeinschaft 
berechtigt  findet,  indem  sie  sich  unter  die  Macht  des  Geistes 
stellt  Aber  auch  bei  dieser  .Auffassung  bleibt  immer  gewiss, 
dass  die  „katholische  Kirche"  kein  neutestamentlicher  Begriff 
ist,  noch  auch  den  weit  fundamentaleren  Namen  des  Gottes- 
reiches zu  ersetzen  vermag. 

Hiermit  ergeben  sich  Momente,  welche  nur  sehr  ungleich- 
massig  auf  der  Grundlage  eines  biblischen  Consensus  ruhen. 
Auch  die  Vorstellung  der  leiblichen  Himmelfahrt  gehört  hier- 
her. Die  Ausfüllung  des  zweiten  und  dritten  Artikels  ist  weder 
die  einzige,  noch  darf  sie  irgend  die  vollkommenste  genannt 
werden,  welche  sich  aus  der  Quelle  des  Neuen  Testaments 
schöpfen  lässt;  aber  sie  erklärt  sich  auch  nicht  aus  ihr 
allein.  Wer  die  Composition  in  allen  ihren  Teilen  ver- 
stehen will,  wird  genötigt  sein,  über  den  neutestamentlichen 
Standpunkt  einen  Schritt  hinauszutim  in  die  nächstfolgenden 
Jahrhunderte;  in  dieser  Epoche,  während  welcher  das  Symbol 
seine  bestimmtere  Ausprägung  erhielt,  findet  es  auch  erst 
seine  vollständige  Erklärung.  In  dieser  Zeit  nötigte  der 
Kampf  mit  den  gnostischen  Parteien  dazu,  die  historische 
Realität  der  Erscheinung  des  Herrn,  welche  das  Leben  der 
Gemeinschaft  bis  zum  Kele  der  letzten  Entscheidung  und 
der  Vollendung  begleiten  soll,  mit  einer  Mehrheit  von 
Momenten  zu  bekräftigen;  nicht  der  Wirkende  und  Lehrende, 
nur  der  Geborene,  der  Geopferte,  der  Auferstandene  imd 
Wiederkommende  wird  bekannt  und  verherrlicht.  Damals 
befand  sich  die  Kirche  auf  dem  Wege,  als  vielumfassendes, 
innerlich  geordnetes  und  nach  aussen  bestimmt  abgegrenztes 
Ganze  sich  darzustellen,  sie  gab  sich  daher  in  diesem  Zu- 
sammenhang selber  das  Prädicat  der  Heiligkeit  und  Katholi- 
citäi  Damals  war  die  Auferstehung  des  Fleisches  nicht  wie 
später  eine  magere  Theorie  oder  eine  Einkleidungsform  für 
den  Glauben  an  Unsterblichkeit  und  Vergeltung,  sie  war 
vielmehr  eine  lebendige  Ueberzeugung,  von  welcher  alle  er- 
griffen wurden,  ein  unentbehrlicher  Ausdruck  des  Schöpfer- 
und Gottesglaubens,  ein  wichtiger  Unterscheidimgssatz  im 
Verhältnis   zur   Philosophie,    ein  Bestandteil  der  gesammten 


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90  GASS, 

Lebensanschaunng;  auch  die  sichtbare  Wiederkunft  des  Herrn 
stand  mit  ihr  in  enger  Verbindung,  anfänglich  sogar  ftur 
viele  der  Chiliasmus ;  unter  uns  kann  sie  nicht  mehr  dieselbe 
Stellung  einnehmen.  Es  wird  femer  darüber  gestritten,  wel- 
cher Umstand  die  Aufnahme  der  Höllenfahrt  Christi  ver- 
anlasst habe,  und  für  imseren  Zweck  kann  dies  vollständig 
auf  sich  beruhen;  gewiss  war  die  Vorstellung  in  jener  Zieit 
eine  sehr  verbreitete,  und  sie  wurde  hochgehalten,  weil  sich 
in  der  Annahme  einer  Wirksamkeit  Christi  im  Reiche  der 
Abgeschiedenen  auch  der  Sieg  des  Evangeliums  innerhalb 
der  Menschheit  veranschaulichen  Hess.  Unter  uns  besteht 
das  gleiche  ideale  Interesse  noch  fort,  aber  es  fordert  andere 
Mittel,  um  befriedigt  zu  werden,  nachdem  die  sinnliche  Vor- 
stellung selber  längst  dahingefallen  ist.  Und  endlich,  um 
noch  einen  Schritt  weiterzugehen  —  wer  erinnert  sich  nicht, 
dass  Augustin  Betrachtungen  auf  Betrachtungen  gehäuft  hat, 
welche  lediglich  das  Wunder  der  Geburt  Christi  zum  Gegen- 
stand haben,  als  sei  in  ihr  das  ganze  Mysterium  der  Oflfen- 
barung  beschlossen.  Die  gegenwärtige  Kirche  und  Theologie 
—  ich  meine  die  ganze,  nicht  ein  Stück  derselben  —  ist 
ausser  Stande,  ihr  Interesse  an  dieser  Frage  zu  gleicher  Höhe 
zu  steigern. 

Es  war  nötig,  diese  Einzelnheiten  hervorzuheben,  damit 
whelle,  dass  das  Apostolicum  seiner  speciellen  Ausföhrung 
nach  Zutaten  enthält,  welche  auf  die  historische  BiHungs- 
und  Befestigungszeit  des  Ganzen  deutlich  genug  hinweisen. 
Es  ist  eben  ein  altkirchliches,  in  welchem  sich  neben 
dem  allgemeinen  zugleich  ein  besonderes  und  geschichdicb 
bedingtes  religiöses  Bedürfnis  zu  erkennen  giebt,  nicht  ein 
idealer  Ausdruck  dessen,  was  über  dem  Wechsel  der  5!eit- 
alter  schwebt.  Und  das  war  es  denn  auch,  was  die  alt- 
protestantischen Dogmatiker  zwar  nicht  sagtfen,  aber  doch 
als  Mangd  oder  Einseitigkeit  empfxmden  haben  müssen,  und 
was  in  ihren  damaligen  Entgegnungen  mitsprach ;  darum  eben 
wollten  sie  nicht  einräumen,  dass  das  Bekenntnis  ein  a^ 
quater  Ausdruck  des  Glaubens  sei.  Die  Hülsemaim,  Quen- 
stedt,  Musäus,  die  wir  vorhin  zu  Ctehör  brachten,  haben 
nirgends  positiv  getadelt;    beeweifek   oder  auch   nur  etwas 


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J>£e  STBLI.UWG  DES  APOSTOLISCHEN  SYMBOIiS.  91 

hinweggewünscht;  und  nur  Calov,  übrigens  der  am  wenigsten 
nachahmungswerte;  wagt  es  anzudeuten ,  dass  nicht  alles  in 
das  Symbol  EingeiUgte  auf  gleicher  Linie  der  Notwendigkeit 
liege.  Allein  sie  fanden,  wie  schon  gesagt ,  ihren  eigenen 
Glaubens-  und  Lehrbedarf  höchst  imvollständig  in  der  Formel 
niedergelegt;  ihnen  wäre  es  am  liebsten  gewesen,  wemi  die 
ganze  Reihe  der  Artikel,  welche  in  den  grösseren  pro- 
testantischen Bekenntnisschriflen  bearbeitet  worden,  wie  Erb- 
sünde, Rechtfertigung,  Versöhnung,  Heiligung  nebst  den 
Verschärfungen  der  Christologie  in  das  Symbol  hätte  einge- 
schüttet werden  können,  und  dann  würden  sie  auch  zufrieden 
gewesen  sein.  Darin  können  wir  ihnen  nicht  folgen,  schon 
darum  nicht,  weil  wir  wissen,  dass  jede  derartige  Ueber- 
ladung  die  natürliche  Einfachheit  eines  liturgischen  Bekennt- 
nisses zerstören  muss.  Aber  sie  fühlten  doch  richtig,  wenn 
sie  von  der  Ueberzeugung  ausgingen,  dass  auch  ihr  eigenes 
neueres  Zeitalter  ein  Recht  der  Bezeugung  mitbringt,  dass 
also  eine  Befriedigung  erst  dann  eintreten  würde,  wenn  sich 
mit  dem  Stanmi  des  Ueberlieferten  ein  bedeutungsvoller  Zug 
des  reformatorischen  religiösen  imd  sittlichen  Geisteslebens 
verflechten  liesse.  Li  diesem  Sinne  haben  wir  ihnen  bei- 
zustimmen. Sollte  in  einer  für  uns  unbestimmbaren  Zukunft 
es  dahin  kommen,  dass  der  Entwurf  eines  neuen  Gemeinde- 
bekenntnisses geboten  erscheint:  dann  würde  eine  Anforde- 
rung dieser  Art  sich  unweigerlich  geltend  machen;  auch  der 
eigene  lebendige  Geist  der  Gemeinschaft  müsste  seinen  ge- 
staltenden und  benennenden  Beitrag  liefern,  so  gut  als  das 
kirchliche  Altertum  sich  nicht  enthalten  hat,  seiner  besonderen 
Vorliebe  Ausdruck  zu  geben. 

Das  sind  die  Beherzigungen,  welche  meines  Erachtens 
einer  eigentlich  dogmatischen  Fassimg  und  Pression  des 
Apostolicums  entgegengehalten  werden  müssen.  Denn  diese 
würde,  für  sich  gelassen,  zu  dem  Gedanken  treiben,  dass 
das  protestantische  Christentum  überhaupt  und  für  immer 
an  diese  Formel  gebunden  sei,  dass  es  mit  ihr  stehe 
und  falle. 

Der  Leser  wird  bemerkt  haben,  dass  im  Vorstehenden 
nicht    etwanige    praktische  Massregeln,    sondern    nur    Auf- 


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92         ÖASS,  DIE  STELLUNG  DES  APOSTOLISCHEN  SYBfBOLS. 

fassungen  des  Gegenstandes,  diese  aber  in  dogmenhistori- 
schem Zusanmienhang  besprochen  werden  sollten.  Möge 
die  Abhandlung  denen  einen  Dienst  leisten,  welche  geneigt 
und  gewohnt  sind,  bei  der  Untersuchung  kirchlicher  Tages- 
firagen  auch  die  historische  Erinnerung  zu  Rate  zu  ziehen. 

[Heidelberg,  im  April  1878.] 


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Kritische  Uebersicht 
Aber  die  dogmen^esebicbtlicben  Arbeilen 

aus  den  Jahren   1875 — 1877. 

Von 
Prof.  D.  Hoeller  in  Kiel. 

II. 

Zur  Dogmeogeschichte  des  Mittelalters'). 


3.    Zur   arabisohon   nnd  Jfldisoheii   Religionsphllo- 

sophie. 

W.  Spitta,  Zur  Geschichte  Abul-Hasan  al-As'ari's.  Leipzig  1876, 
Hinrichs.     (Vm,  147  S.  in  gr.  8^) 

Fr.  Dieterioi,  Die  Philosophie  der  Araber  im  10.  Jahrhundert.  Ein- 
leitung tmd  Makrokosmos.  Leip2dg  1876,  Hmrichs.  (VU,  227  S. 
in  gr.  8<».) 

—  — ,  Die  Katuranschauung  und  Naturphilosophie  der  Araber  im 
lö.  Jahrhundert  (Die  Philosophie  der  Araber,  5.  Tl.).  2.  [Titel-]Au8g. 
Leipzig  [1861]  1876,  Hinrichs.     (XVI,  216  S.  in  gr.  8«.) 

—  — ,  Aristotelismus  und  Platonismus  im  10.  Jahrhundert  n.  Chr. 
bei  den  Arabern.  (In :  Verhandlungen  der  29.  Versammlung  deutscher 
Philologen  und  Schulmänner.    Leipzig  1875.    S.  89 — ^96.) 

—  — ,  Die  Theologie  des  Aristoteles,  nach  einem  auf  der  Philo- 
logen-Versammlung zu  Tübingen  gehaltenen  Vortrage.  (In :  Zeitschr. 
d.  DMG.,  Bd.  XXXI,  S.  117—126.) 

8.  I«aiidauery  Die  Psychologie  des  Ibn  Sinä.    (In:  Ztschr.  d.  DMG., 

Bd.  XXIX,  S.  335—418.) 
Averroes,  Philosophie  und  Theologie.    Aus  dem  Arabischen  übers. 

von  M.  J.  Müller.    München  1875,  Franz.     (122  S.  in  gr.  4».) 
MerX|  Die  Religionsphilosophie  des  Averroes  (In :  Philos.  Monatshefte 

XI,  145—165.) 


»)  Vgl.  Bd.  II,  S.  418—449  dieser  Zeitschrift. 

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94  KBITISCHE  f  BERSICHTEN.    MOELLEB, 

M.  Joel»  Beiträge  zur  Geschichte  der  Philosophie.  2  Bde.  BreslaO) 
H.  Skutsch.  (100,  48,  105  und  83  S.;  IV  u.  83;  XI  u.  76,  74,  54  S. 
m  8«.) 

M.  Maler,  Vorlesungen  über  die  jüdischen  Philosophen  des  Mittel- 
alters. 1.  Abth.,  enthaltend  eine  Darstellung  der  Systeme  Saadia's, 
Bachjah's,  Ihn  GabiroPs,  Jehuda  Halevi's  und  Ihn  Esra^s.  Wien  1876, 
Winter.    (VIÜ,  128  S.  in  gr.  8«.) 

D.  Kaufinann,  Geschichte  der  Attributenlehre  in  der  jüdischen  Reli- 
gionsphilosophie des  Mittelalters  von  Saadja  bis  Maimüni.  Gotha 
1877,  Perthes.     (XIV,  528  S.  in  gr.  8«.) 

D.  Rosin,  Die  Ethik  des  Blaimonides.  (In :  Jahresbericht  des  jüdlsch- 
theol.  Seminars  Prsenkerscher  Stiftung.  Breslau  1876,  Jungfer's 
Buchdr.  [Skutsch].   S.  1—150  m  gr.  8«.) 

Als  mitconstituirende  Factoren  für  die  zur  Blüte  ent- 
wickelte Scholastik  kommen  arabische  und  jüdische  Philo- 
sophie hier  in  Betracht  Für  erstere  nenne  ich  Spitta's 
Darstellimg  jenes  Mannes,  welcher  im  10.  Jahrhundert  der 
vornehmste  Vertreter  der  Reaction  der  Orthodoxie  gegen  die 
rationalisirende  Richtimg  der  Mutaziliten  war,  nachdem  er 
selbst  sich  von  letzterer  abgewendet  liatte.  Eine  Liste  seiner 
Werke  und  einige  Texte  sind  beigefügt  ').  Sodann  sind 
Dieterici's  Arbeiten  zu  nennen;  die  an  erster  Stelle  ange- 
führte bildet  die  erste  Hälfte  des  ersten,  allgemeinen  Teils 
der  Philosophie  der  Araber  im  10.  Jahrhundert  nach  Christus 
(aus  den  Schriften  der  lautem  Brüder),  während  die  seit 
1865  unter  besonderen  Titeln  erschienenen  sich  dazu  als  die 
verschiedenen  Abteilimgen  des  zweiten,  speciellen  Teils  ver- 
halten. Sie  repräsentiren  uns  das  nach  Dieterici  in  der  zweiten 
Hälfte  des  10.  Jahrhunderts  in  einer  Art  von  Encyklopädie 
zusammengefasste  und  zugleich  unter  mystisch  -  speculative 
Gesichtspunkte  gebrachte  Wissen  aus  den  Kreisen  jener  so- 
genannten lautem  Brüder.  Der  jüngst  erschienene  Teil  (Ein- 
leitung, Makrokosmus),  welchem  der  Mikrokosmos  bald  folgen 
soll,  giebt  nach  etwas  weit  ausgreifenden  orientirenden  Rück- 
blicken auf  Judentum  und  Christentum,  Gnosis,  Manichäismus 
imd  Entwicklimg  christlicher  Speculation  einerseits,  auf  die 
innere  Entwicklung  des  Islam  andrerseits,  eine   Darstellung 


1^  Vgl.  Laudauer' s  Auz.  üi  d.  öött.  Gel.  Anz.  1878,  Stück  12. 

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DIE  DOGMEKGESCHICHTLICHBN  ABBBITEN  1875-1877.        95 

der  GrundJinien  der  hier  vertretenen  Weltanschjuiüng;  in 
welcher  die  aristotdÜschen  Elemente  stark  mit  neuplatonischen 
und  pythagoreiacbeu  versetzt  sind.  Man  wird  die  Bedeutung 
dies^  Erscheinung,  welche  in  der  Tat  ein  wichtiges  Glied  in 
der  Kette  der  von  der  neuplatonischen  Theosophie  aus  sich 
erstreckenden  Wirkungen  bildet,  darum  nicht  geringer  schätzen 
dürfen,  weil  man  sich  durch  A.  Springer  *)  daran  erinnern 
läsat,  dass  diese  mystisch-speculative  Bichtung  der  geheimen 
Brüderschaft  allerdings  nicht  als  „die  Philosophie^'  der  Mus- 
lim angesdiien  werden  darf.  Eine  interessante  Ei^änzung 
des  hier  Gegebenen  und  in  dem  oben  an  dritter  Stelle  ge- 
nannten Vortrag  in  engeren  Grenzen  Behandelten  giebt  der 
an  vierter  Stelle  genannte  Vortrag  über  die  sogenannte  „Theo- 
logie des  Aristoteles",  jene  zuerst  in  Rom  1617  gedruckte, 
aber  den  Scholastikern  bereits  bekannte  Schrift,  welche  in 
ähnlicher  Weise  Aristotelisches  mit  Neuplatonischem  ver- 
schmilzt Dieterici  charakterisirt  dieselbe  und  bezeichnet  sie 
als  den  etwa  hundert  Jahre  älteren  Vorgänger  des  erweiterten 
Systems  der  lautem  Brüder  —  nach  der^eigenen  Angabe 
des  Buches,  dass  ein  Christ  Näima  aus  Emesa  dieses  von 
Porphyrius  dem  Tyrier  erklärte  Buch  des  Aristoteles  aus 
dem  Ghriechischen  ins  Arabische  für  Al-Kindi  übertragen 
habe  (vgl.  dazu  schon  Haneberg,  Sitzimgsber.  der  MüncL 
Akademie  1862,  I,  1 — 12).  „In  einer  bestimmten  Reihen- 
folge, in  der  Theolc^e  des  Aristoteles,  den  Schriften  der  lau- 
tem &üder  und  den  Schriften  des  Maimonides,  hat  ein  byzan- 
tinischer Christ,  haben  edle  Muslim  im  Osten  und  ein  über 
sein  Jahrhundert  weit  hervorragender  Jude  in  Spanien  daran 
gearbeitet,  diese  Grundanschauung  von  der  Harmonie  des 
Alls  stets  wach  zu  halten."  —  Landauer  veröffentlicht  nach 
einer  Leidener  und  einer  Mailänder  Handschrift  mit  Zuhülfe- 
nahme  der  alten  lateinischen  Uebersetzung  von  Andreas  AI- 
paguB  (Ven.  1646)  imd  dem  betreffenden  Abschnitt  in  dem 
Kusari  des  Jehuda  Halewi   eine  psychologische  Schrift  Avi- 


1)  Ztschr.  d.  DMG.,  Bd.  XXX,  S.  330—335.  Vgl.  noch  Literar. 
Centralbl.  1877,  S.  373 f.;  Steiner  in  der  Jenaer  Lit.-Zeitung  1876, 
S.  697f.   und  Landauer  in  d.  Gdtt.  GeL  Anz.  1878,  Nr.  1. 


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96  KBITISCHE  ÜBERSICHTEN.  MOELLEB, 

cenna's  im  arabischen  Text  (S.  339—372)  und  in  deutscher, 
mit  Anmerkungen  versehener  Uebersetzung  (S.  373 — 418). 
£r  sieht  darin  eine  Jugendschrift  des  Philosophen  (s.  die  ein- 
leitenden Bemerkungen  S.  335 — 339).  Den  Abschnitt  des 
Kusari  hat  er  als  eine  wörtliche  Excerpirung  unserer  Schrift 
erkannt,  und  zwar  giebt  Jehuda  Halewi  die  hier  reprodu- 
cirten  Erörterungen  als  Ansicht  der  Philosophen  schlechthin 
wieder.  Die  Untersuchungen  über  die  Selenkräfte  im  Ein- 
zelnen schliessen  sich  sehr  eng  an  Aristoteles  an.  Weiterhin 
aber  enthält  die  Schrift  wichtige  Beiträge  für  die  einfluss- 
reiche Lehre  vom  actuellen  und  potentiellen  Verstand  (S.  409  f.), 
fiir  die  Auffassung  des  Verhältnisses  des  Geistes  zum  uni- 
versellen Verstand,  der  mystischen  Erleuchtung  u.  s.  w.  — 
Sehr  dankenswert  ist  es,  dass  M.  J.  Müller  uns  die  reh- 
gionsphilosophischen  Abhandlungen  des  Averroes  (unter  dem 
Titel  Philosophie  und  Theologie)  in  deutscher  Uebersetzung 
gegeben  hat,  welche  die  Bestimmung  des  Verhältnisses  von 
Religion,  bzw.  Theologie,  und  Philosophie  eigentümlich  illu- 
striren.  Es  sini  die  beiden  Schriften:  Harmonie  der  ReH- 
gion  und  Philosophie,  und  eine  Art  philosophische  Dogmatik 
(„Hinwegziehen  des  Schleiers  von  den  Methoden  der  Beweise 
über  die  Glaubenssätze  der  Religion  und  Bekanntgebung  der 
verführerischen  Bedenklichkeiten  und  der  in  die  Irre  ftihren- 
den  Neuerungen,  welche  durch  die  [allegorische]  Interpre- 
tation in  dieselbe  eingetreten  sind").  Auch  diese  Schrift;en 
des  Averroes  sind  durchzogen  von  Polemik  gegen  Abu  Ha- 
mid d.  i.  Ghazzäli,  gegen  dessen  Destructio  philosophiae 
Averroes  seine  Destructio  destructionis  richtete.  Er  tadelt  an 
ihm,  der  die  negativen,  skeptischen  Resultate  der  Philosophie 
hervorgehoben,  um  in  der  gläubigen  Unterwerfung  imter  die 
religiöse  Autorität  umsomehr  zur  Befiiedigung  zu  kommen, 
besonders  dies,  dass  er,  wie  allerdings  schon  viele  vor  ihm 
(die  Motazila),  die  heilsame,  strenge  Scheidung  zwischen  den 
Wissenden  und  der  Menge  preisgegeben,  speculative  Fragen 
nicht  in  der  der  Menge  imzugänglichen  Form  strenger  De- 
monstration behandelt  habe,  sondern  in  Schriften  allgemein 
zugänglicher  Form  (nämlich  der  poetischen,  rhetorischen  oder 
dialektischen).    „Da  überschwemmte  der  Giessbach  die  Städte. 


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DIE  DOGM£NO£SCHICHTUCH£N  ABBEITEN  1875-1877.         97 

Nämlich  er  teilte  die  ganze  Philosophie  und  die  Ansichten 
der  Philosophen;  so  weit  ihn  sein  Verstand  führte;  der  grossen 
Menge  mit/^  Man  muss  die  Religion  in  ihrem  äussern  Wort- 
laut festhalten  und  den  Menschen  der  grossen  Menge  nichts 
von  der  Vereinigung  der  Religion  und  der  Philosophie  sagen. 
Denn  dieses  ausdrücklich  mitteilen  heisst  ihnen  die  Resultate 
der  Philosophie  mitteilen ;  ohne  dass  sie  eine  Demonstration 
dafiir  haben.  Nachdem  aber  die  Mitteilung  einmal  geschehen; 
muss  allerdings  gezeigt  werden;  dass  die  Religion  nicht  im 
OegeuBBiz  zur  Philosophie  steht;  noch  diese  zu  jener.  Zu 
diesem  Zwecke  sucht  die  erstgenannte  Abhandlung  Recht 
und  Pflicht  der  dazu  Befähigten  zur  philosophischen  Specu- 
lation  vermittelst  einer  charakteristischen  Exegese  ^)  aus  dem 
Koran  selbst  abzuleiten;  sie  kann  nicht  zum  Widerspruch 
gegen  den  Inhalt  des  Religionsgesetzes  fUhren;  bei  anschei- 
nendem Widerspruch  ist  am  äusserlichen  Wortlaut  ,;  Inter- 
pretation'^ (allegorische  Ausl^ung)  zu  üben.  Wie  weit  diese 
zu  gehen  habc;  wird  vorsichtig  angedeutet;  umsomehr  aber 
betont;  dass  dies  nur  Sache  der  speculativen  Philosophie; 
nicht  der  Menge  ist.  Wenn  Averroes  am  Schlüsse  der  ersten 
Abhandlung  in  Betreff  der  verschiedenen  Methoden  des  Für- 
wahrhaltens drei  Klassen  unterscheidet;  nämlich  1)  die  bloss 
der  rhetorischen  Ueberredung  Fähigen;  2)  die  Leute  der  dia- 
lektischen Interpretation  (beweisende  Dogmatiker;  welche  vom 
Positiven  ausgehend  dasselbe  auf  logisch-dialektischem  Wege 
verteidigen;  bzw.  begründen) ,  3)  Leute  der  evidenten  Inter- 
pretation und  Demonstration;  die  rein  speculativen  Philo- 
sophen; so  tritt  er  selbst  in  der  zweiten  grösseren  Abhand- 
lung offenbar  auf  jenen  mittleren  Standpunkt;  um,  ohne  dass 
hier  die  Philosophie  ihr  letztes  Wort  spricht  *);   durch  be- 

1)  S.  darüber  Merx  a.  a.  C,  S.  155. 

s)  Wenn  Reuter  in  seiner  Skizze  der  negativen  Tendenz  der 
arabischen  Phüosophie  (Gesch.  d.  Aufkl.  II,  43 — 53)  hervorhebt,  wie  die 
Anerkennung  der  nicht  anzutastenden^ositiven  Religion  und  die  Rück- 
sicht auf  die  Menge  der  Unmündigen  bei  Ihn  Tofail  und  Averroes  die 
unbeschränkte  Freiheit  des  Philosophen  in  seiner  die  positive  Reli- 
gion auflösenden  Specuiation  zur  Kehrseite  habe,  so  würde  doch  damit 
eine  Anerkennung  des  Wahrheitsgehaltes  in  der  Religion  bei  aller 
Zeittcbr.  t  K  -0.  111,  1.  7 


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98  KBITISCHE  ÜBEBSICHTEN.     MOEIAjER, 

sonnene  Erwägung  und  vorsichtige  Abgrenzung  eine  von  irre- 
Idtendem  Beweisverfahren  möglichst  gereinigte,  den  Kern 
der  muhamedanischen  ReUgionalehre  festhaltende  mittlere  Eiv 
keuQtnis  zu  gewinnen.  Die  Ausfuhrung  enthält  eine  Reihe 
interessanter  Erörterungen  nher  die  Existenz  Gk)ttes  (die 
Ueberzeugung  davon  ist  nicht  auf  blosse  Autorität  zu  grün- 
den, auch  nicht  auf  dem  mystischen  W^e  der  Ssufis  zu 
gewinnen,  obgleich  die  Abtödtung  der  Begierde  eine  notwen- 
dige Bedingung  rechter  Öpecidation  ist,  sondeni  mittelst 
rationeller  Argumentation) ;  Einheit  imd  Eigenschaften  Gottes; 
„Kenntnis  der  Freiheit  Gottes  von  UnvoUkommenheit"  (d.  i. 
Unkörperlichkeit  und  Unräumlichkeit  Gottes;  hier  vorsichtige 
Erörterungen,  weil  anerkannt  wird,  dass  die  religiöse  An- 
schauung von  beiden  nicht  völlig  loskommen  könne);  end- 
lich Kenntnis  der  Handlungen  Gt>tte8,  nämlich  Hervorbringong 
der  Welt,  Sendung  der  Propheten,  Prädestination  und  Rat- 
schluss  Gottes,  Unrecht  und  Gerechtigkeit  (gegen  die  Ascha- 
riten,  welche  im  Interesse  der  absoluten  Determination  be- 
haupten, dass  von  Gerechtigkeit  und  Ungerechtigkeit  nur 
nach  Massgabe  des  positiven  rdigiösen  Gesetzes  die  Bede 
sein  könne,  nicht  vom  Standpunkte  des  Absoluten);  endlich 
Eschatologie.  Aus  den  zahlreichen  Erörterungen  sei  hervor- 
gehoben, dass  der  Verfaßser  wiederholt  Beweisarten  fiir  das 
Dasein  Gottes,  welche  zur  Kategorie  des  kosmologischen  Argu- 
ments gehören,  als  nicht  zmn  2Uele  führend  verwirft  und  da- 
g^en  mit  Nachdruck  auf  die  teleologische  Betrachtimgsweise 
des  jAysikotheologischen  Arguments  als  religiös  einleuchtend 
sich  zmnickzieht.  In  dem  Zusatz  Ö.  119  — 122  rechtfertigt 
Averroes  sich  hinsichtlich  der  den  Philosophen  zum  Vorwiuf 
gemachten  Behauptung,  Gott  wisse  die  paiücularia  nicht: 
allerdings  wisse  er  sie  nicht  mit  einem  hervorgebrachten 
(durch  das  Entstehen  der  Einzeldinge  causirten)  Wiss^i^  da 
Gott  die  Ursache  von  ihnen,  nicht  seinerseits  in  seinem  Wissen 
von  ihnen  bedingt  sei.  Die  Merx'sche  Abhandlung  weist 
auf  die  Zeitlage  hin,   von  *der  Averroes  persönlich  berührt 


philosophischen   Unhaltbarkeit  ihrer  Vorstellungsformeii    noch    nicht 
schlechthin  ausgeschlossen  sein. 


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DI£  D0eH£KO£SCHlCHTLtCH£K  A£B£IT£N  1875—1877.        99 

und  in  semer  vorsichtigen  Haltung  bestimmt  anscheint;  charak- 
terisirt  den  Standpunkt  und  weist  nicht  ohne  Grund  auf  den 
wirklichen  Mangel  eines  tieferen  Verständnisses  vom  Wesen 
der  Religion  bei  Averroes  hin. 

Die  Beiträge  Joel's  zur  Geschichte  der  [jüdischen] 
Philosophie,  welche  jetzt  gesammelt  ausg^eben  werden,  sind 
sämmtlich  früher  erschienen.  Zwei  (über  Philo)  stehen  zur 
patristisch^i  Dogmengeschichte,  die  bekaimten  Abhandlungen 
über  Maimonides,  Albertus  des  Grossen  Verhältnis  zu  Mai- 
monides,  über  Levi  ben  Gerson,  Ibn  Gabirol,  Saadias  zur 
scholastischen  in  Beziehimg  und  sind  trotz  der  Neigung  des 
Verfassars,  die  Verdienste  der  Juden  in  eine  übertriebene  Be- 
leuchtung zu  stellen,  von  anerkanntem  Werte  ^). 

Die  E  i  s  1  e  r'  sehen  Vorlesungen  bilden  die  erste  Abteilung 
zu  der  bereits  1870  erschienenen  Abhandlung  über  Moses  Mai- 
nM)nides  als  der  zweiten;  mit  der  „bald  zu  erscheinenden''  (sie!) 
dritten  (zur  Philosophie  des  Mittelalters  nach  M.  Maimonides) 
hofit  der  Verfesser  das  Werk  zu  Ende  zu  bringen.  Höhere 
wissenschaftliche  Ansprüche  darf  man  an  diese  Vorlesungen, 
auch  abgesehen  von  ihrem  oft  recht  schlechten  Deutsch,  nicht 
machen;  indessen  geben  sie  in  ihren  Referaten  aus  den  Werken 
Saadja's,  Bachja's,  Grabirors,  Jehuda  Halewi's  und  IbnEsra's 
(besonders  über  seine  Berührung  mit  Gabirol  in  Commentaren 
tmd  kleinen  Schriften)  immerhin  einen  bequemen  UeberbUck; 
der  mächtige  Einfluss,  welchen  Gabirol's  Föns  vitae  auf  die 
Scholastik  des  13.  Jahrhunderts  gehabt  hat,  veranlasst  den 
Verfasser  zu  der  lächerUchen  Uebertreibung,  jenes  Buch  habe 
„den  Grund  zur  mittelalterlichen  Scholastik  gelegt".  Von 
bei  weitem  höherem  wissenschaftlichen  Werte  ist  das  um- 
fengreiche  Werk  von  Kaufmann;  das  liegt  auch  für  den 
auf  der  Hand,  der,  wie  Referent,  die  sprachlichen  Aufstel- 
lungen des  Verfassers  imd  mithin  seine  Auffassung  im  Ein- 
zelnen nicht  zu  controUiren  vermag.  Das  Werk  ist  eine 
überaus  reiche  und  dankenswerte  Fundgrube  auch  für  eine 
Menge   von  einzelnen   Fragen  imd  Problemen.     Da  Streif- 


1)  Die  übrigen  Abhandlungen  bezieben  sieb  auf  Neueres  (Spinoza, 
Mendelssohn  u.  s.  w.) 

7* 


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100  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN.    MOELLER, 

lichter  auf  das  ganze  Gebiet  arabischer  und  jüdischer  Philo- 
sophie fallen ,  so  war  der  Index  unentbehrlich;  derselbe  ist 
nun  auch  hinsichtlich  der  Personennamen  sehr   vollständig, 
hinsichtlich  der  in  Frage  kommenden  Materien  dürfte  er  bei 
der  Fülle  der  Untersuchungen  etwas  mehr  ins  Einzelne  gehen. 
Mit  besonderer  Sorgfalt  verfolgt  der  Verfasser  die  illustriren- 
den  Parallelen    aus    der  arabischen  Philosophie.     Natürlich 
nötigt  die  Geschichte   der  Attributenlehre,   auf  den  Gottes- 
begriff überhaupt  einzugehen  imd  dabei  allgemeinere  Fragen 
zu    berülu*en.     Saadja's   religionsphilosophische    Stellung    ist 
dui'ch  die  Füi'st'sche,  aus  dem  Hebräischen  Tibbons  geschöpfte 
Uebersetzung  des  Hauptwerkes  Emunoth   grösserem  Kreise 
zugänglich;  Eautinann  bringt  aber,  obwohl  er  nur  an  we- 
nigen Stellen  den  nur  handschriftUch  vorhandenen  arabischen 
Grundtext  heranziehen  konnte,   mehrfache  Berichtigung  und 
vielfache   Erläuterung.     In  der  Beurteilung  der  Attributen- 
lehre Saadja's,  welche  bereits  im  Anschluss  an  die  Mutazila 
die  Tendenz,  den  Qt)ttesbegriff  von  allen   endÜchen  Bestim- 
mimgen  zu  befreien,  bis  zur  Zurücknahme  aller  Attiibute  in 
die  göttliche  Einheit  verfolgt,  bemüht  sich  m.  E.  Kaufmann 
vergeblich ,   S.  28  f.   einen   wirklichen    Untei'schied   zwischen 
Saadja's    Aufstellungen   und    den  analogen    der    christlichen 
Väter    zu    finden.     Saadja  folgt    auch    darin    den    Mutazila, 
dass    der   Schluss  der  Attributenlehre   in   Bekämpfung    der 
christlichen  Dreieinigkeit  ausgeht,   welche  als  Hypostasinmg 
der  Attribute  *)  gefasst  wird   (S.  37  ff.).     Beachtenswert  ist 
auch  die  Stelle  über  die  verschiedenen  christlichen  Ansichten 

1)  Wenn  dabei  Saadja  (S.  41  f.),  wie  auch  Schahrastani,  eine  Trini- 
tätslelu*e  voraussetzt,  welche  sich  auf  die  Dreiheit  von  Wesen,  Wissen 
und  Leben  gründet,  so  ist  das  doch  nicht  so  singulär,  wie  es  zunächst 
scheint.  Es  geht  zurück  auf  die  herrschende  Vorstellung,  dass  der 
Logos  des  Vaters  Vernunft  und  Weisheit  ist,  ohne  welche  er  nicht 
wissend  und  weise  wäre;  daran  konnte  sich  leicht  eine  ähnliche  Ver- 
wertung des  solennen  Prädicats  des  Geistes  (ro  xvQioy ,  tu  C<oo7ioioV 
Nicaeno-Const.)  schliessen,  obgleich  dabei  ursprünglich  nicht  sowohl  an 
das  immanente  trinitÄrische  Leben,  als  an  das  Prineip  des  wiederge- 
borenen Lebens  gedacht  ward  (^Basil.  de  sp.  s.,  c.  24  (§  56] ;  vgl.  c.  15 
[§  36],  c.  V*  [§  2*2]).  Vgl.  übrigens  die  Dreiheit  yovc,  Xnyoc,  Cw»f  im 
Bfkeuiituis  des  Jacob  Baradaeus  bei  Coruill  {a.  o.  II,  i3^). 


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DIE  DOOMENGESCHICHTT.TCHEN  ARBEITEN  1875-1877.      101 

von  den  Naturen  Christi,  S.  48 ff,  die  aber   von  Kaufinann 
nicht  ganz  richtig  auf  die  verschiedenen  kirchlichen  Parteien 
bezogen  werden  *).     Für  Bachja,  dessen  Namen  der  Verfasser 
auf  Saadja  folgen  lässt,   begnügt   er   sich   damit,    auf  seine 
frühere  Darstellung  (Sitzungsberichte  der  phil.-hist.  Klasse  der 
k.  Akad.  d.  W.  zu  Wien,  Bd.  LXXVH,   S.  257  —  280)  zu 
verweisen.     Bei  Sal.  Ibn  Gabirol  (S.  93—115)  bemüht  sich 
der  Verfasser  nachzuweisen,  dass  er  nicht,  wie  gemeiniglich 
angenommen,  den  Willen  als  mittlerische  Hypostase  zwischen 
die  erste  Substanz  als  Ursache  und  die  Zweiheit  ihrer  Wir- 
kung (Stoff  imd  Form)  einschiebe,  noch  auch,  wo  er  ihn  mit 
der  Weisheit  identificirt,    ihn    als   wirklich    unterschiedenes 
Attribut  im  Sinne  einer  realistischen  Eigenschaftslehre  ange- 
sehen wissen  wolle.     Die  Beweisführung  scheint  mir  zu  über- 
sehen, dass  bei  den   beherrschenden   neuplatonischen  Grund- 
gedanken die  Unterscheidung  des  für  sich  seienden,  abstract 
einheitlich  gefassten  Gottes  und  Gottes  nach  der  Seite  seiner 
Aeusserung  und  Wirksamkeit  in  der  Welt  (=Wille)  eben  not- 
wendig zu  einer  schillernden  Vorstellung  fuhrt,  welche  zwi- 
schen der  einer  von  Gott   unterschiedenen   Hypostase    und 
der  einer   mit  Gott  wesentlich  identischen,   formenden  Kraft 
schwankt,    und    dass    in    ähnlicher   Weise   auch  jede   reale 
Unterschiedenheit  eines  Attributes  von  Gott  geleugnet  wird, 
und  der  Philosoph   doch  nicht  umhin  kann,  in   Gott   selbst 
ein  Begründetsein  jener  Duplicität  anzunehmen,   welche  in 
allem  Geschaffenen  erscheint.    Im  Uebrigen  scheint  allerdings 
die  Polemik  des  Verfassers  namentlich   gegen  Joel,   welcher 
im  Föns  vitae  nichts  als  ein  Lehrbuch  der  neuplatonischen  Philo- 
sophie sehe  und  die  Aussagen  Gabirol's  zu  sehr  nach  Plotin 
messe,  nicht  unberechtigt  *).     Sehr  dankenswert  ist  die  darauf 
folgende  Darstellung  der  Lehre  Jehuda  Halewi's.     Hier  weist 


>)  P.  Bloch,  Glauben  und  Wissen;  Samllah^s  religiousphilo- 
sophisches  Buch,  aus  dem  Hebr.  übersetzt,  (im  Jüdischen  Literatur- 
blatt 1878)  ist  mir  nicht  zugänglich  gewesen. 

«)  Frank  1  in  seiner  Recension  Kaufmannes  (Ztschr.  d.  DMG., 
Bd.  XXXII,  S.  213  —  221)  erkennt  an,  dass  K.  in  einigen  nicht 
unwesentlichen  Punkten  die  Unabhängigkeit  (rabirors  von  Plotin  nach- 
weise. 


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102  KRITISCHE  CbERSICHTEN.    MOELLER, 

Kaufinami  (S.  117 — 140)  nach,  dass  der  Standpunkt  Halewi's, 
der  des  positiven  Offenbanings-  und  Traditionsglaubens,  wel- 
cher die  Anmassung  der  Philosophie   zurückweist  und  ihre 
Zersetzimg  der  religiösen  Wahrheit  durch   Hinweisung  auf 
die  eigene  Zwiespältigkeit   und  Unsicherheit  ihrer   Beweise 
scharf  bekämpft^  aber  vom  sichern  Boden  des  Glaubens  aus 
die  Dienstleistung  philosophischen  Denkens  zur  Rechtfertigung 
des    Glaubens   selbst   beansprucht,    nicht   nur  der    Stellung 
Ghazzali's   wesentiich  analog   sei,    sondern   directen  Einfluss 
von  dessen  Schriften  verrate.     Hierfür  macht  er  unter  vielem 
anderen    auch    geltend   das    Zusammentreffen    in    den    drei 
Punkten,  welche  in  der  Destructio  philosophiae  Ghazzalis  als 
die  eigentlichen  Hauptketzereien  der  Philosophen  hervorge- 
hoben werden:  Ewigkeit  der  Welt,   Gottes  Unkenntnis  der 
E^inzeldinge  und   speculative  Verflüchtigung  der  Lehre  von 
Lohn  und  Strafe  im  Jenseits  (vgl.  das  Gedicht  S.  129);  die 
besonders  von  Gh:iltz  (Gresch.   der  Juden  VT,  138)  behaup- 
tete Originalität  Halewi's  lässt  also  der  Verfasser  in  dieser 
Beziehung  nicht  gelten,  was  ihn  nicht  hindert,  die  Verdienste 
Halewi's  im  übrigen  hoch  anzuschlagen.     Kaufmann  rühmt 
die  klare  Erkenntnis  Halewi's  darin,  dass  wir  auf  specula- 
tivem  Wege  zu  wirklichen  Aussagen    über    Gottes  Wesen 
nicht  kommen;  Halewi  unterscheidet  Attribute  der  Tätigkeit, 
relative  —  richtiger  Attribute  der  Relation  —  und  n^ative 
Attribute,    lässt   aber  das  Wesen  Gottes  selbst   von    diesen 
allen  nicht   berührt   werden    und  will   dadurch  die  so   sehr 
perhorrescirte  Verendlichung  des  Absoluten  durch  eine  Mehr- 
heit  von    unterschiedenen    Bestimmungen    vermieden    sehen. 
Er  zuerst  räimie  mit  den  die  Früheren  (Saadja,  Bachja)  in  so 
grosse  Schwierigkeiten  verwickelndenWesensattributen  völlig 
auf  und  zeige  die  wahre  Einsicht  in  das  Wesen   der  n^a- 
tiven  Attribute,  auf  deren  Wert  auch  die  positiv  ausgedrückten 
Attribute  (wie  lebend.  Einer  etc.)  reducirt  werden.     Ich  ver- 
mag in   der  Verfolgung  dieser   Richtung  ein   so  besonderes 
Zeugnis  hervorragender  Gedankenkraft,   wie  sie  Kaufinann 
rühmt,  nicht  recht  zu  erkennen.     Im  Grunde  wiederholt  sich 
in   der  Auffassung  der  sogen,   negativen  Attribute    nur   die 
alte  neuplatonisch-areopagitische  Weisheit,  welche  das  Abso- 


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DIE  TX)OMENaESCHICHTLICHEN  ARBEITEN  1875-1877.      103 

lute  in  ßciner  Ueberachwänglichkeit  über  alle  Bejaliimg  und 
Verneinung  hinaushebt  Dabei  verßihrt  überdies  Halewi,  wie 
Kaufinann  anerkennt,  keineswegs  consequent.  Das  Schwer- 
gewicht liegt  nun  aber  auf  der  den  Vemunftschlüssen  gegen- 
übergestellten offenbarungsmässigen  Gotteserkenntnis  als  eineir 
^r&hnmgsinässigen  (auf  dem  aussen  und  innem  Sinn  be- 
ruhenden). Hier  sind  die  Erklärung  des  höchsten  Gottes- 
namens  (twr)  als  des  durch  Offenbarung  gegebenen  Eigen- 
nam^is  des  Offenbarungsgottes  in  seiner  wunderwirkenden 
Allmacht,  die  Theorie  von  der  Kette  der  Offenbaruugsträger, 
von  den  g^chaffenen  Lichterseheinungen  als  den  Medien  der 
äusseren  Gottesoffenbarung,  von  den  inneren  Wahrnehmungen 
der  Propheten  vermittelst  des  inneren  Sinnes,  aus  deren  bei 
ihnen  allen  übereinstimmenden  Bildern  ihr  Verstand  das 
Wesen  dessen  erschliesst,  was  ihnen  geoffenbart  werden 
soll,  von  grossem  Interesse;  nur  der  prophetischen  (auf  Er- 
fahrung und  Anschauung  ruhenden)  Gotteserkenntnis  eignet 
j^ie  lebendige  Ueberzeugungskraft,  aus  der  Liebesglut  und 
freudige  Opferwilligkeit  hervorgehen  *).  Sehr  dankenswert 
ist  auch  die  ausfiihrliehe  Behandlung  der  Lehre  Joseph  Ihn 
Zaddik's  (S.  25^  —  337),  zu  dessen  von  Jellinek  herausge- 
gebenem Sefer  Olam  Hakaton  der  Verfasser  neue  CoUationen 
verschiedener  Handschriften  benützt  hat  Wir  verweisen  auf 
die  entwickelte  principielle  Stellung  des  unter  den  neuplato- 
nisehen  UeberÜeferungen  der  lauteren  Brüder  stehenden  Ver- 
&wer8  g^^nüber  der  ihm  als  Halbheit  erscheinenden  philo- 
sophirenden  Theologie  des  Earäers  AI  Basir  (S.  265—276, 
woBU  S.  336  Anmerk.  zu  verglichen,  wo  eine  Aeusserung 
dies  Maimonides  über  die  philosc^hische  Stellimg  Tbn  Zad- 
dik's  nach  G^igw's  Vorgange  geg^i  ein  weit  verbreitetes  Mis- 
verständnis  sichergestellt  wird) ;  auf  die  Bekämpfung  der  Lehre, 
dasB  Gott  mit  einem  geschaffiönen  Willen  wolle,  imd  die  Be- 


*)  Die  in  der  Tai  höchst  anziehende  Persönlichkeit  dieses  jüdischen 
Beligionsphilosophen  hat  Kaufinann  in  einem  besonderen  Schriftchen 
geschildert:  „Jehuda  Halewi;  Versuch  einer  Charakteristik"  (Breslau 
1877,  Schlettcr'sche  Buchhandlung  48  S.  in  8*).  Eia  wenig  übcr- 
schwänglich  und  doch  das  Eigentümliche  wenigstens  des  Dichters  für 
dm  NicftiHEeitner  nicht  gnMfe  tief  ersehliessend. 


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104  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN.    MOELLER, 

mühungen  (S.  303 — 311)  in  der  Annahme  des  mit  Gottes 
Wesen  identischen  Willens  der  Unveränderlichkeit  Gottes 
nicht  zu  nahe  zu  treten;  auf  die  Ausschliessung  alles  Nach- 
denkens und  Ueberlegens  von  der  göttlichen  Schöpfertätig- 
keit (S.  319),  welche  Ihn  Zaddik  nach  des  Verfiissers  An- 
nahme aus  der  sogenannten  Theologie  des  Aristoteles  aufge- 
nommen habe,  u.  a.  m.  In  Betreff  des  Abraham  Ibn 
Daud  (dessen  Darstellung  nun  S.  339 — 360  folgt)  hatte  der 
Verfasser  schon  fiiiher  (S.  241 — 252)  bemerkt,  dass  das  auf- 
fallige Schweigen  desselben  über  den  ihm  ohne  Zweifel  be- 
kannten Kusari  des  Jehuda  Halewi  die  erate  Reaction  des 
Aristotelismus  im  Judentum  gegen  die  von  Ghazzali  ausge- 
gangene, von  Jehuda  Halewi  entwickelte  Denkweise  bezeichne. 
In  der  Erörterung  seiner  Gotteslehre  scheint  manche  Stelle 
der  Uebersetzung  des  Emunah  ramah  von  Simson  Weil  Be- 
richtigung zu  empfangen.  Die  Arbeit  des  Verfassers  gipfelt 
nun  in  der  mit  besonderer  Vorliebe  ausgeführten  Darstellung 
der  betreffenden  Lehre  des  Mai  mo  nid  es.  Vom  Begriff  der 
Einheit  (und  Einfachheit)  Gottes  wird  hier  mit  grossem  Nach- 
druck gegen  jede  positive  Prädication  Gottes  vorg^angen, 
die  Einsicht  in  die  Erhabenheit  Gottes  über  alle  Erkenntnis 
und  die  Unerkennbarkeit  seines  Wesens  ist  die  wahre  Gottes- 
erkenntnis. Weder  Definitionen,  noch  Teile  von  Definitionen 
(dem  Wesen  inhärirende  Attribute),  noch  Qualitätsbestimmungen, 
noch  wirkliche  Relationen  können  von  Gott  ausgesagt  wer- 
den; lediglich  indem  man  Gott  seine  Tätigkeiten  beilegt, 
kann  man  zu  positiven  Aussagen  über  ihn  konunen,  bei  denen 
man  aber  sich  bewusst  bleiben  muss,  dass  diese  Aussag^i 
mit  dem  Wesen  Gottes  nichts  zu  tun  haben,  imd  die  Ver- 
schiedenheit der  Tätigkeiten  nicht  aus  inneren  Unterschieden 
im  Wesen  des  Urhebers  hervorgeht  Unter  den  Zurück- 
weisungen verschiedener  Einwände  hebe  ich  die  charakte- 
ristische Erörterung  über  die  dreizehn  Eigenschaften  (Mid- 
doth)  der  Stelle  Exod.  34,  6.  7  und  die  vorausg^angene 
Erzählung  hervor,  welche  darauf  hinausläufl,  dass  alle  diese 
Eigenschaften  auf  Tätigkeitsattribute  reducirt  werden  (S.  402 
bis  414).  Als  allgemeiner  Kanon  zur  Beurteilung  aller  Gott 
beizulegenden  Attribute  gilt  der  vierfEUjhe:   1)  alle  Körper- 


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DIE  DOGMENGESCHICHTLICHEN  ARBEITEN  1875-1877.       105 

Hchkeit  ist  von  Gott  auszuschliessen  (aber  jede  Aufhebung 
von  Gottes  Einheit  [Einfachheit]  fiihrt  zur  Verkörperung, 
S.  373 f.),  2)  desgl.  alle  Affection  und  Veränderung;  3)  keine 
blosse  PotentiaUtät  ist  von  ihm  auszusagen  (Gott  ist  reine 
Actualität),  4)  desgl.  keine  Aehnlichkeit  mit  einem  Geschöpf. 
Auch  wo  nominell  letzteres  unvermeidlich  ist,  handelt  sich's 
bloss  um  eine  Namengleichheit  sachlich  disparater  Dinge  (so 
wenn  wir  Gott  Dasein  zuschreiben,  s.  S.  422).  Natürlich, 
flüchtet  nun  auch  Maimonides  zu  den  n^ativen  Eigenschaf- 
ten, auf  deren  Wert  auch  alle  positiven  Aussagen,  zu  denen 
der  Glaube  sich  genötigt  sieht  (soweit  sie  nicht  Tätigkeits- 
aussagen sind),  zu  reduciren  sind.  Dies  geschieht  nicht  ohne 
Sophistik,  gegen  welche  Kaufmann  (S.  477  f.)  seinen  Philo- 
sophen vergeblich  in  Schutz  zu  nehmen  sucht,  wie  am 
stärksten  die  Ai^umentation  des  Maimonides  (S.  455f.)  zeigt, 
dass  man  sich  wirklich  durch  fortgesetzte  Negation  dem  Be- 
griff eines  Dinges  nähere,  —  eine  Argumentation,  welche  ernst- 
lich auf  Gott  bezogen  den  positiven  Begriff  vielmehr  voraus- 
setzt, der  durch  fortgesetzte  Negation  nur  specificirt  wird, 
nicht  emsthch  genommen  aber,  wie  von  Kaufmann  (S.  456. 
476)  geschieht,  kein  tertium  comparationis  mehr  bietet. 
Der  fiir  diesen  ganzen  Standpunkt  geeignetste  Ausdruck  ist 
der  häufig  wiederkehrende:  Gott  ist  gleich  sehr  über  die  ihm 
scheinbar  beigelegte  Vollkommenheit  wie  über  die  von  ihm 
abgewehrte  UnvoUkommenheit  erhaben.  Bezeichnend  für  den 
intellectualistischen  Standpunkt  des  Maimonides,  dem  die  Stufe 
der  Gottesnähe  genau  dem  Grade  der  Gotteserkenntnis  ent- 
spricht, ist  es  mm,  dass  er  nach  Obigem  die  Grade  der  Gottes- 
erkenntnis nur  zu  messen  weiss  nach  dem  Masse  des  ge- 
wonnenen Fortschrittes  im  Negiren  positiver  Bestimmungen 
(S.  440f.)i).  —  Mit  der  Ethik  des  Maimonides  beschäftigt 
sich  die  fleissige  Arbeit  Rosin's  *),  deren  Einleitung  auf  das 
Verhältnis  zu  den  arabischen  und  jüdischen  Vorgängern  so- 


1)  Vgl.  noch  dleRec.  von  Simonsen  in  d.  Theol.  Lit.-Ztg.  1878, 
Nr.  4. 

«)  Vgl.  dazu  Kaufmann  i.  d.  Ztschr.  d.  DMG.,  Bd.  XXX,  S.  359 
bis  366.   Lit.  Centralbl.  1876,  Nr.  19. 


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106  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN.    MOEUiER, 

wie  auf  rlie  allp;€meine  Stellung  des  Maimonides  zu  der 
Frage  nach  dem  Verhältnis  der  wissenschaflliehen  Erkennt- 
nis zu  der  heterogenen  religiösen  Ueberlieferung  eingeht 
Der  erste  Teil  handelt  von  der  allgeineinen  Ethik,  be- 
spricht die  Eingliederung  der  Ethik  als  Wissenschaft  von 
der  Selbstleitung  in  die  praktische  Philosophie,  ihr  Princip 
in  der  Kategorie  von  Gut  und  Böse  und  ihr  Verhältnis  zur 
Offenbarungslehre.  Während  im  Gebiete  des  Notw^idigen 
die  Kategorie  Wahr  und  Falsch  herrscht  und  den  Inhalt 
der  Vemunfterkenntnis  bildet»  herrscht  im  Gebiete  der  Frei- 
hat die  Kategorie  Gtit  und  Böse,  welche  nur  Sache  des 
Meinens  und  Annehmens  (der  subjectiven  Entscheidung, 
Aol^aCiiy)  ist.  Vor  dem  Sündenfalle  besass  der  Mensch  natür- 
lichen Verstand  und  Vemunftbegriffe,  aber  die  sittlichen  Be- 
griffe Gut  und  Böse  waren  ihm  unbekannt  Erst  bei  der 
Uebertretung  des  göttlichen  Gebotes,  als  er  den  Gelüsten  der 
Einbildungskraft  und  den  Eingebungen  seiner  sinnlichen  Be- 
gierde folgte,  erfuhr  er  die  Gk-enze  des  sittlich  Eriaubten 
und  sank  herab  zur  Beachtung  und  Erkenntnis  der  Kate- 
gorie des  Guten  und  Bösen,  welche  fiir  Gott  und  fUr  jedes 
reine  Vemunftwesen  gar  nicht  gilt.  In  der  Erörterung  des 
Verhältnisses  der  Ethik  zur  Oflfenbarungslehre  tritt  das  ganz 
Ungenügende  in  der  Verbindung  der  religiösen  Gesichtspunkte 
mit  den  philosophisch-ethischen  aufi&llig  zu  Tage.  Nach  der 
Darstellung  Eosin's  hat  Maimonides  in  dem  Mischna-Com- 
mentar  imterschieden :  l)  Gt3setze  für  den  Einzelnen,  welche 
sein  Verhältnis  zu  Qt)tt  allein  betreffen,  und  deren  Erfiillung 
zum  ewigen  Leben  fiihrt,  und  2)  Gesetze  zum  Besten  des 
menschlichen  Zusamraenlebons  (was  dir  nicht  Heb  ist,  tue 
dem  andern  nicht),  welche  schon  hier  ihren  Lohn  mit  sich 
bringen.  Später  (More  Neb.)  teile  er  die  Lehren  der  Offen- 
barung überhaupt  in  theoretische  und  praktische,  Lehren  der 
Wahrheit  und  der  SittBdikeit:  die  Mosaische  Lehre  enthalte 
zum  geistigen  Wohle  ihrer  Bekenner  metaphysische  Wahr- 
heiten (teils  ausdrücklich,  teils  in  bildlichen  Andeutungen), 
sie  regle  aber  auch  um  des  leiblichen  Wohles  willen  das  Zu- 
sammenleben durch  Vorschriften  sowohl  fiir  die  Handlungen 
als  für  den  Charakter,  um  der  Rechtlosigkeit  zu  wehren  und 


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DIE  DOOMSWtEÖCHICHTLICHEN  ARBEITEN  1875-1877.        107 

das  Zusammenleben  heilsam  zu  machen.  Man  vergleiche  da- 
mit, wie  weiterhin  in  der  anthropologisch -philosophischen 
Grundlegung,  wo  auf  die  Aristotelische  Gnmdlage  und  ihre 
Modijfication  durch  arabische  Philosophie  eingegangen  wird, 
die  Beziehung  der  einzelnen  Selenkräfte  zum  sittlichen  Leben 
sich  stellt  Maimonides,  jjer  übrigens  die  Aristotelische  Unter- 
scheidung der  ethischen  und  dianoetischen  Tug^fiden  festhält, 
stellt  als  zweifelhaft  dar,  ob  die  Wurzel  des  vorschrifts- 
widrigen und  vorschriftsmässigen  Handelns  bloss  im  Empfin- 
dungs-  und  Begehrungsvermögen  zu  suchen  sei,  oder  auch 
im  Denkvermögen;  entscheidet  sich  aber  doch  fiir  letzteres 
und  findet  das  in  letzterem  wurzelnde  sittlich  qualificirfce 
Handeln,  das  aUerdings  nicht  eigentlich  Handlung  sei,  im 
Glauben  einer  wahren  oder  Irr-Lehre.  Hier  findet  Rosin  die 
Grundlage  für  die  von  Maimonides  in  die  Halachah  einge- 
führte Mitzählung  von  Glaubenssätzen  als  Gesetzen  der  Thora 
(S.  56  Anm.).  Die  nachdrücklichen  Bemühungen  des  Mai- 
monides, die  menschliche  Freiheit  zu  wahren  und  mit  dem 
Begrifi^  der  göttlichen  Allwissenheit  auszugleichen,  finden  dann 
sorgfältige  Darstellimg.  Von  besonderem  Interesse  dürfte 
weiter  die  Erörterung  über  das  tugendhafte  Verhalten  als 
Einhalten  der  rechten  Mitte  sein,  insofern  hier  das  Aristo- 
telische Princip  zwar  entschieden  zu  Grunde  gelegt,  aber  von 
ganz  anderen  Gesichtspunkten  durchsetzt  wird,  nämlich  von 
dem  Platonischen  der  Entsinnlichimg  (S.  857),  wiewohl  Mai- 
monides die  Askese  nur  als  therapeutisch,  nicht  als  an  sich 
wertvoll  gelten  lässt.  Endlich  sind  beachtenswert  die  Mit- 
teüungen  über  das  höchste  Gut,  die  höchste  Lust  des  Men- 
schen in  der  Erkenntnis  der  Wahrheit  Die  geistige  Voll- 
kommenheit, bestehend  im  Besitz  der  dianoetischen  Tugenden, 
steht  über  der  ethischen  Vollkommenheit.  Der  reine  Intel- 
lectualismus  wird,  wie  dem  ethischen  Lebensinhalt,  so  auch 
dem  religiösen  gegenüber  festgehalten  und  die  Wendung  aus 
dem  Rationellen  ins  Mystische  abgewdirt  —  die  Glückseligkeit 
besteht  in  der  Gotteserkenntnis,  die  auf  dem  Wege  selbstän- 
digen Denkens  gewonnen  wird  — ;  indessen  auf  dem  höchsten 
Punkte  liegt  letztere  doch,  wie  die  schöne  Entwickelimg 
S.  118 f.  zeigt,    sehr  nahe.     Auf  S.  120  — 123   giebt  Eosin 


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108  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN.    MOELLER, 

eine  Uebersicht  über  die  ethische  Terminologie  des  Maimo- 
nides.  Der  zweite  Teil  (S.  123—150)  behandelt  „die  Ethik 
im  besonderen".  Der  Verfasser  meint  die  ethischen  Aus- 
fuhrungen hinsichtlich  der  Ansehauimgen  von  der  indivi- 
duellen Sittlichkeit  und  der  sittlichen  Gemeinschaft;  er  giebt 
eine  Bltmienlese^  welche  manches  Anziehende  enthält  Ganz 
hat  auch  der  sonst  sehr  besonnene  Verfasser  der  Versuchung 
nicht  widerstanden,  in  dem  grossen  jüdischen  Denker  schon  die 
Vorausnahme  späterer  philosophischer  Erkenntnisse  entdecken 
zu  wollen.  Dem  Maimonides  soll  (S.  40  ff.)  schon  nicht  ganz 
entgangen  sein,  was  in  der  Ethik  als  wesentlichen  Factor 
eingeführt  zu  haben  als  ein  Verdienst  Schleiermacher's  ge- 
rühmt werde,  nämlich  die  ethische  Bedeutung  der  Eigen- 
tümlichkeit des  menschlichen  Einzelwesens;  allein  in  dem 
vom  Verfasser  Beigebrachten  liegt  auch  nicht  das  Allermin- 
deste,  was  eine  Erinnerung  an  Schleiermacher  rechtfertigt. 

4.   Zur  Dogmencosohiohte  der  Soholastik  seit  Be- 
ginn des  13.  Jahrhunderts. 

Fr.  NitsBoh,  Die  Ursachen  des  Umschwungs  und  Aufschwungs  der 
Scholastik  im  13.  Jahrhundert.  (In  d.  Jahrb.  f.  protest.  Theol.  II, 
1876,  S.  532—560.) 

M.  Schneid,  Aristoteles  in  der  Scholastik.  Ein  Beitrag  ziu*  Geschichte 
der  Philosophie  im  Mittelalter.  Eichstädt  1875,  Krüll.  (170  S.  in 
gr.  8°.) 

W.  Bedepenning,  Ueber  den  Einfluss  der  Aristotel.  Ethik  anf  die 
Moral  des  Thomas  von  Aquino.  Groslar  (Jena,  Deistung)  1875.  (31  S. 
in  gr.  8«».) 

El.  Werner,  Der  Entwickelungsgang  der  mittelalterlichen  Philosophie 
von  Alcuin  bis  Albertus  Magnus.  Wien,  Gerold's  S.  Aus:  Denk- 
schriften der  k.  Akad.  d.  W.  1875/6.    (82  S.  Imp.4.) 

—  — ,  Die  Psychologie  und  Erkenutnislehre  des  Johannes  Bonaven- 
tura. Wien, Gerold's S.  Aus:  Sitzungsber.  der  k.  Akad.  d.  W.  1876. 
(70  S.  Lex.-8.) 

—  — ,  Die  Psychologie  und  Erkenntnislehre  des  Johannes  Duns  Kcotus, 
Wien,  Gerold's  S.  Aus:  Denkschr.der  k.  Akad.  d.W.  1877.  (96  S. 
Imp.-4.) 

A.  Jimdt,  Histoure  du  pantht^isme  populaire  au  moyen-äge  et  au  sei- 
zi^me  si^cle  (suivi  de  pi^ces  inedites  concemant  les  fr^res  du  libre 
esprit,  maiti-e  Eckhart,  les  übertins  spirituels).  Paris  1875,  Sandoz 
et  Fischbacher.    (310  S.  in  gr.  8*^.) 


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DIE  DOGMENGESCaaiCHTUCHEN  AEBEITEN  1876-1877.      109 

W.  Preger,  Beiträge  zur  Geschichte  der  Waldesier  im  Mittelalter 
(Abh.  der  k.  bayer.  Akad.  d.  W.).   München  1875,  Franz.    (72  S.  in 

Nie  Thoemes,  Divi  Thomae  Aquinatis  opera  et  praecepta  quid  valeant 
ad  res  ecclesiasticas,  politicas,  sociales.  Comm.  lit.  et  crit.  Pars  I*. 
Berol.  1875,  Puttkammer  et  Mühlbrecht.     (4  BL,  150  S.  in  gr.  8".) 

P.  Tsohackert,  Peter  von  Ailli  (Petrus  de  AUiaco).  Zur  Geschichte 
des  grossen  abendländischen  Schisma  und  der  Reformconcilien 
von  Pisa  imd  Constanz.  Anhang:  Petri  de  Alliaco  anecdotorum 
partes  selectae.  Gotha  1877,  P.  A.  Perthes.  (XVI,  382  u.  53  S.  in 
gr.  8«.) 

Kohler,  Die  Staatslehre  der  Vorreformatoren.  (In  d.  Jahrb.  f.  deutsche 
Theologie  XIX,  1874,  S.  853—392;  XX,  1875,  S.  83—127.) 

F.  X.  liinsenmann,  Konrad  Summenhart.  Ein  Culturbild  aus  den  An- 
fangen der  Universität  Tübingen.  Tübingen  1877,  Fues.  (90  S.  in 
gr.  8«.) 

G.  Flitt,  Jodokus  Trutfetter  von  £isenach,  der  Lehrer  Luther's,  in 
seinem  Wirken  geschildert.   Erlangen  1876,  Deichert.   (60  S.  in  gr.  8"). 

Zur  allgemeinen  Charakteristik  des  geistigen  Besitzstandes 
der  Zeit  hat  Liliencron  einen  anziehenden  Beitrag  gelie- 
fert *).  In  reinlichen  Umrissen  giebt  Nitzsch  (s.  o.)  Rechen- 
schaft über  die  Ursachen  des  Umschwunges  der  Scholastik  im 
13.  Jahrhundert,  indem  er  den  neuen  Zufluss  von  Bildungs- 
mitteln (der  ganze  Aristoteles,  die  arabische  und  jüdische 
Philosophie),  die  dadurch  auf  dem  Gebiete  der  Philosophie  her- 
vorgerufenen Wirkimgen  (allmählich  eintretendes  Uebergewicht 
des  Aristoteles)  imd  die  Umgestaltung  der  Theologie  in  den 
engen  Grenzen  einer  Abhandlung  vielseitig  und  umfassend 
skizzirt,  endlich  das  Verhältnis  der  so  umgewandelten  Scho- 
lastik des  13.  Jahrhunderts  zu  der  des  12.  abwägt.  Gegen- 
über dieser  besonnenen  Aufstellung  macht  Schneid's  Arbeit 
(s.  o.)  den  Eindruck  einer  befangenen  Parteischrift,   obwohl 


1)  R.  V.  Lilicnpron,  Ueber  den  Inhalt  der  allgemeinen  Bil- 
dung in  der  Zeit  der  Scholastik.  Festrede,  geh.  in  der  öfientlicheu 
Sitzung  der  k.  bayer.  Akad.  d.  W. zu  München  'München  1876,  Franz; 
47  S.  in  gr.  4*).  Unbekannt  i.st  mir  geblieben  die  verwandte  Arbf^it: 
Boutaric,  Vincent  de  Beauvais  et  la  connaissance  de  Tantiquit^ 
cksstque  au  XIII*  si^le  (Paris  1875,  Palmi^;  55  p.  8®).  [Extrait  de 
la  Revue  des  questious  historiques.] 


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110  KBITISOHE  ܻERSICHTEN.    MOELLER^ 

die  fleissigen  Zusammenstellungen  ihr  eine  gewisse  Brauch- 
barkeit verleihen.  Die  scholastische  (thomistische)  Theologie 
soll  gegen  den  Vorwurf  in  Schutz  genommen  werden,  dass 
sie  durch  den  Aristotelismus  und  ^eciell  den  arabischen 
Aiistotelismus  (Averroismus)  „  corrumpirt "  sei.  Der  Verfasser 
meint;  die  Scholastiker  des  13.  Jahrhunderts  seien  nicht  so- 
wohl durch  die  positive  Anziehungskraft;  des  Aristoteles  zu 
dessen  eifrigem  Studium  gekommen ,  als  weil  sie  in  der  all- 
gemeinen Begeisterung  für  den  corrupten  arabischen  Aristo- 
teles eine  grosse  Gefahr  für  die  Kirche  erkannt  und;  imi  diese 
Gefahr  abzuwenden,  zur  Bekämpfung  des  falschen  Aristoteles 
den  wahren  studirt  hätten,  den  sie  freilich  auch  als  fiir  die 
ihnen  obliegende  Aufgabe  der  Systematisirung  der  christ- 
lichen Wahrheit  besonders  geeignet  erkannt  hätten.  Der  Ver- 
fasser erörtert  (II.  Abschnitt,  S.  57 ff.)  den  Gebrauch,  den 
die  Scholastiker  von  Aristoteles  machen,  hebt  hervor,  dass 
sie  im  Unterschied  von  der  arabischen  Philosophie  den  wahren 
und  imver&lschten  Aristoteles  in  der  lateinischen  Uebersetzung 
aus  dem  Urtexte  besassen,  dass  sie  in  ihren  Erklänmgen  ob- 
jectiv  zu  Werke  gingen,  so  dass  wir  in  ihren  Commentaren 
die  Lehren  des  grossen  Meisters  „im  grossen  und  ganzen  voll- 
ständig und  imentstellt  besitzen  ^^,  dass  aber  die  Scholastiker 
den  Aristoteles  nicht  nur  in  solchen  Punkten  corrigiren,  die 
mit  dem  Glauben  unverträglich  sind,  sondern  auch  in  vielen 
andern,  endlich  auch,  dass  sie  Fortbildner  und  Vervoll- 
konunner  der  Aristotelischen  Philosophie  seien.  Die  Nach- 
weisungen über  den  letzten  Punkt  (S.  96  ff.)  zeigen  zwar, 
wie  die  ganze  Arbeit,  eine  recht  äusserUche  Betrachtungs- 
weise (z.  B.:  die  Scholastiker  haben  durch  Aufriahme  der 
vier  Cardinaltugenden  die  Aristotelische  Ethik  „completirt", 
S.  144),  dürften  aber  doch  den  brauchbarsten  Teil  des  Buches 
bilden.  Der  Verfasser  kommt  freilich  zu  dem  fiir  seine  Ten- 
denz mager  ausfallenden  Resultate,  dass  die  Scholastiker  die 
Aristotelische  Lehre  „nicht  einfach  abgeschrieben  und  ohne 
alle  Weiterbildung  und  Entwickelung  aufgenommen  haben", 
was  doch  auch  wohl  niemand  behauptet  Dagegen  bleiben 
die  tieferen  Fragen  über  das  Verhältnis  der  philosophischen 
Voraussetzungen  zu  den  christlichen  Gnmdanschauungen  un- 


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DIE  DOOMENGESCmCHTUCHEN  AIfcBEITEN  187&~1877.      111 

berührt  Ib  letzterer  Beziehung  lenkt  Redepenning  (s.  o.) 
sdne  Untersuchung  auf  einen  bestinnnten  Punkt  ^  die  Moral 
dee  ThomaB  Ton  Aquino.  Der  Verfasser^  in  seiner  Beurteilung 
der  Aristotelischen  Ethik  bednflusst  von  Walter  (;;Die  Lehre 
Yon  der  praktisdien  Vernunft  in  der  griechischen  Philosophie^^; 
Jena  1874);  skizzirt  die  bekanntlich  sehr  weitgehende  Ab- 
hängigkeit des  Aquinaten  in  der  Ethik  und  ihren  psycho- 
logischen Voraussetzungen  von  Aristoteles.  Der  eigentliehe 
Schwerpunkt  aber  li^  ihm  in  der  Aufweisung  der  inneren 
Widersprüche;  in  welche  Thomas  eben  dadareh  mit  christ- 
lichen Postulaten  gerate;  und  in  der  nicht  zu  beanstanden- 
den Nachweisung;  dass  Thomas  in  der  Verknüpfung  christ- 
licher Ideen  mit  Aristotelischen  Sätzen  es  zu  einer  einheit- 
lichen Tugendlehre  nicht  gebracht  habe.  Wenn  er  dabei 
(S.  24)  hervoAebt:  ;;in  ganz  besonders  schwer  wiegender 
Weise  haben  die  Aristotelischen  Philosopheme  aui'  Thomas' 
Auffassung  des  Guten  und  Bösen  im  Zusanunenhang  mit 
seiner  Lehre  von  Gott  eingewirkt",  so  ist  meines  Erachtens 
übersehen;  dass  die  hier  in  Betracht  konmienden  G^ichts- 
punkte  ihre  Einwirkung  nicht  erst  der  scholastischen  Com- 
bination  christlicher  Lehre  mit  Aristoteles  verdanken;  son- 
dern bereits  in  der  überwiegend  platonischen  Theologie  der 
Väter  wurzeln.  Umfassendere  Einblicke  in  die  Entwickelung 
der  christlichen  Ethik  von  der  patristischen  Grundl^ung  aus 
bis  in  die  ent&ltete  {Scholastik  des  13.  Jahrhunderts  eröfihet 
mit  besonderer  Beziehung  auf  Vincentius  Bellov.;  sowie  das 
ihm  fiUschlich  zugeschriebene  Speculum  morale  Gass  in 
den  gehaltreichen  Artikeln  in  dies^  Zeitschriffc  (I;  366 — 396; 
n,  332—365.  510—536);  auf  welche  es  hier  nur  der  Ver- 
weisung bedarf.  —  K.  Werner's  oben  angeiuhrte  Arbeiten 
münden  ebenfalls  auf  dem  Gebiete  der  entwickelten  Scho- 
lastik des  13.  Jahrhunderts  ein  und  berühren  die  Fragen 
nach  dem  Einfluss  der  pliilosophischen  Entwickelung  auf 
theologische  Lehren.  Die  erste  Abhandlung  bildet  dazu  die 
Brücke;  indem  sie  den  Entwickelungsgang  der  Psychologie 
von  Alcuin  bis  Albertus  M.  verfolgt,  hierbei  auch  auf  minder 
Bekanntes  in  dankenswerten  Referaten  eingeht  (z.  B.  Wilh. 
v.  Thierry,  Isaak  v.   Stella  u.  a.)   und  zidetzt  die  Anthro- 


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112  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN.   MOELLER; 

pologie  Alexander's  von  Haies  und  Albert's  behandelt^  wobei 
sowohl  der  Umstand^  dass  in  beiden  bereits  der  Gegensatz 
der  Franciskaner  und  Dominikaner  sich  fonmrt,  als  der  an- 
dere in  Betracht  kommt^  dass  Alexander  doch  nur  erst  mit 
einem  Fusse  auf  dem  neuen  ^  durch  den  imifassenden  Ein- 
fluss  der  Aristotelischen  Studien  geschaffenen  Boden  steht,  mit 
dem  andern  noch  auf  dem  der  Platoniker  und  Mystiker  des 
12.  Jahrhunderts,  In  der  Abhandlung  über  Psychologie  und 
Erkenntnislehre  des  Joh.  Bonaventura  sind  die  wichtigsten 
zugleich  auch  theologisch  bedeutsamsten  Punkte  die  Lehre 
vom  göttlichen  Ebenbilde  und  der  centralen  Stellimg,  welche 
dem  Menschen  vermöge  seiner  LeibUchkeit  zukonunt  (der 
Mensch  imago  expressior  verglichen  mit  den  rein  geistigen 
Wesen;  S.  109 ff.);  femer  die  Ansicht  von  der  allgemeinen 
Materie  als  auch  Selensubstrat  (materia  prima)  und  von  der 
vierfachen  Stufe  der  Materialität  (S.  114  ff.).  Aus  der  Vor- 
stellung von  der  materia  prima  leitet  Werner  es  ab,  dass  es 
dem  Bonaventura  nicht  besonders  gelinge;  die  Selbständigkeit 
der  einzelnen  Menschenselen  gegen  die  von  Averroes  be- 
hauptete reale  Elinheit  derselben  metaphysisch  zu  begründen. 
Weiterhin  ist  hervorzuheben,  was  über  die  Bedeutung  der 
Synderesis  bei  Bonaventura  imd  ihr  Verhältnis  zur  con- 
scientia  beigebracht  wird,  sowie  die  Vergleichung  mit  dem 
Sprachgebrauch  des  Thomas  (S.  128  ff.),  endHch  die  Er- 
wägungen über  die  Art,  in  welcher  die  scholastische  Arbeit 
hier  ausläuft  in  die  mystische  Richtung.  Verdienstlich  ist 
auch  die  auf  die  allgemeinsten  Voraussetzungen  zurückgehende 
und  durch  Beziehungen  auf  die  Gbsammtrichtung  der  sco- 
tistischen  Lehre  instructive  Abhandlung  desselben  Verfassers 
über  Psychologie  und  Erkenntnislehre  des  Joh.  Duns  Scotus, 
aus  welcher  für  die  Dogmengeschichte  hervorgehoben  werden 
möge  die  gelegentliche  Beleuchtung,  welche  der  Gottes- 
be^dff  (S.  366  f ),  die  Behandlimg  der  Tiinitätslehre  mit  Be- 
ziehung auf  Augustin  u.  a.  (S.  388 ff.  434  f.),  die  Vorstellung 
von  den  Engeln  und  ihrem  Verhältnis  zimi  Menschenwesen 
(S.  355  f  359.  379)  und  die  vom  Ziel  der  Seligkeit  (S.  39;^  f.) 
von  den  psychologischen  imd  erkenntnistheoretischen  Vpr- 
aussetzmigen   aus  finden.     Dem  Ganzen,  welches  durchzogen 


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DIE  DOGMENGESCHICHTUCHEN  ARBEITEN  1876-1877.      118 

ißt  von  Vergleichungen  mit  Thomas  imd  von  einer  sach- 
lichen Kritik  von  sehr  subjectivemWert,  möchten  wir  knappere 
ZufiammenfasBung  und  mehr  Einfachheit  imd  Klarheit  im 
Ausdruck  wünschen  ^). 

Für  das  Zuströmen  der  neuen  Ideen  imd  ihre  znim  Teil 
zersetzenden  Wirkungen  im  13.  Jahrhundert  bietet  der  zweite 
Band  von  Reuter' s  Geschichte  der  religiösen  Aufklärung 
im  Mittelalter  *)  reiches  Material,  woraus  als  dogmenhistorisch 
besonders  wertvoll  die  sehr  sorg&ltige  Untersuchung  über  die 
Averroisten  in  Frankreich  hervorgehoben  werden  muss  (8.  136 
biß  173),  welche  unter  dem  Schilde  des  Satzes  von  der 
doppelten  Wahrheit  ihre  Emancipation  von  der  Theologie  zu 
vollziehen  suchen.  Aus  den  Sätzen  der  Versammlung  von 
1277  (unter  Stephan  Tempier),  welche  Reuter  einer  sorg- 
fältigen Kritik  unterzieht,  stellt  er  sowohl  die  allgemeine 
Opposition  des  Averroistischen  Rationalismus,  die  principielle 
Bekämpfung  der  „irrationalen  Basis"  des  „culturfeindlichen** 
C^iristentums,  die  Herabsetzung  desselben  auf  die  Stufe  der 
übrigen  Religionen  dar,  als  auch  in  gedrängter  Zusammen- 
ßtellxmg  die  Bekämpfung  der  einzelnen  dogmatischen  Lehren^ 
8o  der  vom  Anfang  der  Welt,  von  der  Schöpfung,  der  Teleo- 
logie  (im  Sinne  eines  naturalistischen  Rationalismus  und  Mo- 
nismus), der  Menschenschöpftmg  (für  Urzeugung),  der  spe- 
ciellen  Vorsehung  (hier  auch  die  viel  ventilirte  Frage  über 
das  Erkennen  der  particularia  durch  Gott),  des  Endes  der 
Dinge,  der  Auferstehimg  imd  individuellen  Fortdauer.  Ueber 
Amalrich  von  Bona  hat  P  reger  den  Artikel  in  der  neuen  Auf- 
lage der  Real-Encyklopädie  geliefert,  womit  die  Bemerkungen 
Reuter's  über  ihn  und  die  Amalricianer  (11,  218 — 235),  über 
die  Secte  der  Brüder  des  Geistes  (ebd.  240 — 249),  sowie  über 
die   Orthbarier  (ebd.  235  —  240)  zusammenzuhalten  sind*). 


1)  €kui2  an  der  Peripherie  für  uns  liegt  deaselben  Verfassers  Ab- 
handlung: „Die  Sprachlogik  des  Joh.  Duns  Scotus".  Wien,  Gerold's  8. 
(Aus  den  Sitzungsber.  der  k.  Akad.  d.  W.  1877;  85  S.  in  gr.  8«.) 

«)  8.  o.  Bd.  n,  8.434. 441  flf. ;  vgl.  die  Besprechungen  von  Ritschi, 
Stnd.  u.  Krit.  1876,  8.541— 559,  von  mir  in  der  Theol.  Lit.-Ztg.  1878, 
Kr.  14,  und  von  Prutz,  National-Ztg.  1878,  Nr.  109. 

»)  Der  Artikel  C.  8chmidt's  über  die  Brüder  des  freien  Geistes 

ZeitMhi.  f.  K.-G.  HI,  1.  8 


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114  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN.    MOELLER, 

Alle  diese  Erscheinungen  finden  auch  ihre  Besprechung  in 
dem  Werke  von  Jundt,  auf  dessen  Gesammtauffassung- 
unten  (bei  der  Mystik  und  bei  den  sectirerischen  Erschei- 
nungen der  Reformationszeit)  zurückzukommen  sein  wird. 
Der  einleitende'Ueberblick,  welcher  bei  dem  Areopagiten  und 
bei  Scotus  Erigena  verweilt,  befördert  doch  eine  schiefe  Auf- 
fassung;  weim  er  einen  zweifachen  Einfluss  imterscheidet,  den 
die  classisch-heidnische  Cultur  auf  die  kirchliche  Entwicke- 
lung  ausgeübt  habe,  nämlich  den  der  dialektischen  Formen 
der  alten  Philosophie,  welche  im  Mittelalter  zur  Entstehung 
der  Scholastik  fuhren,  und  den  gewisser  philosophischer  Ideen, 
der  griechischen  Metaphysik,  welche  im  Mittelalter  von  Ge- 
schlecht zu  Geschlecht  fortgepflanzt  neben  mehreren  gross- 
artigen philosophischen  Systemen  eine  lange  Reihe  in  sich 
verwandter  populärer  Secten  hervoi^bracht  habe,  welche 
bemüht  seien,  die  praktischen  Consequenzen  dieses  traditio- 
nellen Pantheismus,  den  sie  mit  dem  Christentum  zusammen- 
werfen, zu  verwirklichen.  Hier  ist  viel  zu  schematisch  ver- 
fahren, als  stände  die  Scholastik  nicht  auch  auf  dem  Boden 
jener  griechischen  Metaphysik.  In  der  Darstellung  von  David 
von  Dinanto  imd  Amalrich  bringt  Jundt  wesentlich  Neues 
nicht  bei;  er  schliesst  daran  (S.  31  —  34)  die  Vermischimg 
Waldesischer  und  Amalricianischer  Sätze  bei  Stephan  von  Belle- 
ville  (Borbone)  imd(nach  flüchtiger  Berührung  der  Averroisten) 
die  OrtUbarier.  Obwohl  Jundt  weiterhin  bereits  viel  mit  Pre- 
ger  (Gesch.  der  deutschen  Mystik,  Bd.  I)  sich  auseinander- 
setzt, hat  er  hier  noch  nicht  Notiz  genommen  von  Preger's 
Mitteilungen  über  die  Quelle  des  sogenannten  Pseudo-Rainerus 
(wozu  aber  jetzt  Reuter,  Aufklär.  II,  375  zu  vergleichen  ist), 


(ebendas.  U,  628  f.),  ist,  abgesehen  von  einer  (ungenauen)  Literaturangabe 
und  der  Auslassung  des  Satzes  über  den  Zusammenhang  Eckhart*s  mit 
der  Secte,  wörtlicher  Abdruck  aus  der  ersten  Auflage.  Preger  ist 
weder  citirt  noch  benutzt.  Blosse  Abdrücke  sind  auch  desselben  Ver- 
fassers Artikel  über  die  Apostelbrüder  (I,  561  f.)  und  über  Arnold  von 
Brescia  (I,  693—^96);  hier  ist  neuere  Literatur  beigefügt,  aber  der 
dabei  genannte  Giesebrecht  ist  in  keiner  Weise  zur  Berichtigung  be- 
nutzt, daher  auch  von  der  durch  ihn  herangezogenen  Quelle  keine 
Notiz  gegeben  wird. 


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DIE  DOGMENGESCHICHTLICHEN  ARBEITEN  1875-1877.      115 

Bondem  hält  sich  einfach  an  GKeseler.  Er  leitet  übrigens^ 
obwohl  er  die  Unterschiede  nicht  verkennt,  die  OrtUbarier 
wohl  viel  zu  direct  von  den  Amalricianem  ab.  Den  David 
von  Dinanto  lässt  er  noch  vor  1209  gestorben  sein,  was  durch 
Preger  (Myst.  I,  186  f.)  berichtigt  ist  ^).  In  dem  Abschnitt 
über  die  Brüder  und  Schwestern  des  freien  Geistes  schiebt 
Jundt  eine  umfassende  Erörterung  über  Meister  Eckhart  ein 
(s.  u.),  um  dann  auf  ihre  weitere  Geschichte  zu  kommen 
und  die  analogen  Erscheinungen  bis  zum  Ausgang  des  Mittel- 
alters anzuschliessen.  —  Es  sei  hier  auch  gleich  auf  die  Be- 
urteilung des  Eatharertums  bei  Reuter  (II,  38 — 43)  hinge- 
wiesen; Reuter  tritt  dafür  ein,  dass  die  stark  aufklärerische 
Doctrin  (die  rationalisirende  Umdeutung  des  Offenbarungs- 
Inhaltes)  und  die  entschiedene  Opposition  gegen  die  Autorität 
nicht  sowohl  das  ursprüngUche  treibende  Motiv  sind  als  das 
Product,  die  inneren  Motive  vielmehr  in  den  praktischen  Ten- 
denzen liegen,  für  welche  das  wenig  originelle  Theoretische 
nur  die  theosophische  Rechtfertigung  sein  solle.  Auf  die  Ge- 
schichte der  Waldenser  („ Waldesier ")  hat  Preger  (s.  o.) 
neues  Licht  fallen  lassen,  welches  auch  für  die  dogmenhisto- 
rische Beurteilung  forderlich  ist,  indem  er  uns  das  Zusammen- 
treten jener  lombardischen  Armen,  in  denen  die  Lehren  Ar- 
nold's  von  Brescia  und  der  Pataria  fortleben,  mit  den  Armen 
von  Lyon  und  ihre  Transactionen  auf  der  Versammlung  zu 
Bergamo  1218  enthüllt*). 

An  Skizzen  von  einzelnen  Scholastikern  liefern  uns  die 
beiden  ersten  Bände  der  Theologischen  Real-Encyklopädie  zu- 
nächst die  des  Alexander  Alesius,  auf  Rettberg's  Grund- 
lage von  Fr.  Nitzsch  nach  dem  heutigen  Stande  der  For- 
schung berichtigend  und  ergänzend  bearbeitet,  imd  die  des 
Albertus  Magnus  von  demselben,  an  welcher  dieselben 
Vorzüge  zu  erkennen  sind  wie  am  Artikel  Abälard  ^).   Gass 


1)  wie  Jundt  jetzt  selbst  in  der  Beal-£ncykl.  im  Art.  David 
V.  Din.  anführt. 

»)  Vgl.  die  Besprechungen  von  Heriog  in  d.  Theol.  Lit.-Ztg. 
.1876,  Nr.  9;  Guerike,  Zeitschr.  f.  luth.  Theol.  1877,  Hft.   1;  Liter. 
Centralbl.  1876,  Nr.  19;  Jenaer  Lit.-Ztg.  1876,  Nr.  37. 

5)  Von  Sighardt's  Werk  über  Albert  ist  1876  eine  englische 

8* 


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116  KRITISCHE  tBERSICnTEN.    UOELLER, 

hat  den  Artikel  Bonaventura  einer  sorgfilltigenDurcharbei- 
tung  unterzogen  und  giebt  manche  Beriditigong  und  Er- 
gänzimg. An  Stelle  Hagenbach'ß  ißt  für  Bradwardina 
Lechler  getreten,  wesentlich  berichtigend.  Irreleiten  kann  es 
nur,  wenn  Lechler,  der  für  die  Entwickelung  der  Grund- 
anschauungen  Bradwardina's  aus  Raumrticksichten  auf  seine 

Uebersetzung  von  Dixon  erschienen.  —  Es  sei  mir  gestattet,  hier  einiges 
aus  der  Theol.  Beal-Encyklopädie  nachzuholen,  was  oben  im  zweiten 

.  Abschnitt  der  mittelaherlicheu  Dogmengeschichte  hätte  angeführt  wer- 
den müssen.  J.  L.  Jacobi  hat  seinen  Artikel  Bernhard  v. Clairv. 
sorgfiiltig  revidirt  und  durch  einige,  an  Umfang  geringe,  für  die  Cha- 
rakteristik aber  nicht  imwesentliche  Zusätze  vervollständigt.  Aus 
seiner  Literatiu-angabe  ersehe  ich,  dass  es  sich  bei  dem  oben  (II,  448, 
Anm.  3)  angeführten  englischen  Werke  über  Bernhard  nicht  um  eine 
neue  Erscheinung  handelt.  Dass  Jacobi  an  Stelle  des  Kling'ächsn 
Artikels  über  Anselm  v.  Cant.  einen  solchen  geliefert  hat,  ist  ein  Gre- 
winn  an  Vollständigkeit  und  Genauigkeit.  Desselben  Gelehrten  Ar- 
tikel über  Berengar  hat  gegen  den  Schluss  hin  eine  Erweiterung 
erhalten,  welche  sich  hinsichtlich  Berengar's  principieller  Stellung  mit 
Beuter  auseinandersetzt  und  die  Ausdehnung,  welche  letzterer  der 
aufklärerischen  Tendenz  Berengar^s  giebt,  zu  beschränken  suclU:. 
W agen mann' s  Artikel  über  Alger  von  Lüttich  ist  in  der  neuen 
Auflage  nur  etwas  zusammengezogen,  der  C.  Schmidt' s  über  A 1  a n u s 
(ab  Insulis)  mit  Ausnahme  einer  Literaturangabe  unverändert  gebliebeu. 
Er  reproducirt  also  die  Ansicht,  zu  welcher  er  sich  durch  RavaisBon, 
Rapport  sur  les  biblioth^ues  de  l'Ouest  de  la  Friüice  (Paris  1841 ), 
p.  157  schon  in  den  Strassburger  Beiträgen  (I,  100)  hatte  bestimmen 
lassen,  wonach  die  Summa  quadiipartita  gegen  die  Häretiker  nicht 
dem  „grösstenteils  in  England  lebenden"  Alanus  ab  Insulis  (dem  Ver- 
fasser des  Anticlaudianus ,  der  Schrift  De  arte  cath.  fidei  u.  m.  a.), 
auch  nicht  dem  seiner  Meinung  nach  von  diesem  zu  unterscheidenden 

-  Bischof  von  Auzerre,  sondern  einem  Magister  Alanus  de  Podio  ange- 
hören solle.  Wie  es  sich  nun  auch  mit  den  in  der  Tat  sehr  dunkeln 
Personalien,  die  von  der  Hist.  littdr.  de  la  France,  T.  XVI  schwerlich 
schon  ganz  aufs  Reine  gebracht  sind,  verhalten  mag,  jene  Ansicht 
gegen  welche  schon  Giese  1er  (K.-G.  11,2.  S.  558  der  4.  Aufl.)  Wider- 
spruch erhoben,  steht  doch  grade  in  der  Hauptsache,  der  Annahme 
eines  andern  Ver^Eissers  für  die  Smnma  quadrip.  c.  haevet.  als  für  den 
Anticlaudianus  und  De  arte  cath.  f.,  auf  ganz  schwachen  Füssen  gegen- 
über einem  so  alten  Zeugnis  wie  dem  des  Alberlous  Monaoh.  von  Trois 
Fontaines  (Mon.  Genn.  XXIII,  881,  vgl.  auch  Otto  Fris.  Contin. 
Sanblasian.  ib.  XX,  326).  —  Bernhard  von  Chartree  hat  leider  in  der 
Eucyklopädie  einen  eigenen  Artikel  nicht  erhalten»] 


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DIE  DOGMENGESCHICHTLICHEN  AKBEITEN  1875-1877.      117 

anziehende  Skizze  (Wiclif  I,  234  ff.)  verweisen  muss,  es  ganz 
unzutreffend  nennt,  wenn  man  das  System  Bradwardina's  al» 
Prädestinatiamsmus  bezeichne.  J^ie  Skizze  zeigt  freilich^ 
dass  damit  nicht  geleugnet  werden  soll,  dass  dem  Augustir 
nismus  Eäradwardina's  die  Prädestinationslehre  wesentlich  sei^ 
sondern  nur,  dass  seine  Anschauungen  grade  vom  Gesichte- 
pimkt  dieser  Lehre  aus  vorzugsweise  bestimmt  seien.  —  Aus 
d^Qi  an  Beiträgen  für  die  Geschichte  der  Auseinand^:*setzung 
der  Theologie  und  PhilosoiJiie,  der  theologischen  Principien- 
Idre  und  Apologetik  reichem  zweiten  Band  von  Keuter 
ist  hier  noch  hinzuweisen  auf  den  Abschnitt  über  Wilhelm' s 
vonAuvergne  religionsphilosophische  Erörterungen  über  die 
verschiedenen  Religionen,  in  denen  das  Bestreben  allgemeine 
Gesichtspunkte  zu  gewinnen,  denen  auch  das  Christentimi  zu 
Bubsumiren  ist,  mit  dem  Interesse,  die  Positivität  der  Offen- 
barungsreligion zu  erhalten,  collidirt  (11,  107 ff.).  Femer 
muss  ßeuter's  Untersuchung  über  den  Standpunkt  Roger 
Bacon's  (ebd.  S.  67 — 85),  welche  in  eine  interessante  Ver~ 
gleichung  mit  Abälard  ausgeht,  als  eine  wahrhafi:e  Bereiche- 
rung imserer  Literatur  über  diese  merkwürdige  Erscheinung 
bezeichnet  werden  *) ;  endlich  nenne  ich  noch  die  Abschnitte 
über  RaymundusLullus  und  seine  beiden  anspruchsvollen 
Methoden  der  Apologetik  (ebd.  S.  94  ff.  1 14  ff),  woraus  nament- 
Kch  hervorgehoben  zu  werden  vw^ent  die  Schilderung  der 
Bemühungen,  auch  für  das  Historische  der  Dogmen  eine  ra- 
tionelle Begründung  zu  gewinnen.  —  Thoemes'  Schrift  über 
Thomas  Aquin's  Staatslehre,  kirchenpolitische  und  sociale 
Ideen  (als  B^liner  Dissertation  schon  1874  erschienen,  im 
Bochhandd  mit  dem  obigen  Titel  aber  1875)  sei  hier  nur 
ita  Vorübei^hen  nodi  erwähnt,  namentiÜch  wegen  der  ge- 
nauen Untersuchung  der  Quellen,  die  hier  in  Betracht  kommen, 
^  Schrift  De  regimine  princip.,  welche  nur   bis  11,  c.  4 


1)  Fronmüller'»  Artikel  über  Boger Bacon  in  der  Beal-Ency- 
Uopadie  irt  leider  ledi^ch  eine  etwas  verkürzte  Wiedergabe  dea  uu- 
bedentendea  und  heute  YöUig  veralteten  Artikel«  der  ersten  Auflage. 
nicht  nur  die  sonstige  neuere  Literatur  ist  gäiudich  unbenutzt,  son* 
dem  auch  das  bereits  1859  durch  Brower  herausgegebene  Opus 
ttftium  existart  für  den  Verfasser  noch  nicht! 


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118  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN.    MOELLER, 

von  Thomas  selbst  ausgearbeitet  sei,  während  die  weitere 
Ausführung  von  Ptolemäus  von  Lucca  herrührt  (so  auf  Grund 
der  älteren  Untersuchungen  gegen  K  Werner),  und  des  Com- 
mentars  zur  Politik  des  Aristoteles,  der  nur  bis  etwa  zur 
Hälfte  des  dritten  Buches  dem  Thomas  selbst  gehört  (die 
Fortsetzung  dem  Petrus  de  Alveira)  *). 

Nachdem  Tschacke rt  bereits  in  seiner  Inaugural- 
Dissertation  *)  sich  mit  Ailli's  Lehre  von  der  l^irche  beschäf- 
tigt, dann  in  mehreren  Abhandlungen  Untersuchungen  ange- 
stellt über  einige  einschlagende  Schriften  •),  hat  er  uns  in 
dem  obigen  Werke  eine  höchst  schätzbare  Monographie  über 
den  merkwürdigen  Mann  geliefert  *).     Von  diesem  Werke  ist 


1)  Vgl.  die  Besprechungen  von  Knittel,  Tüb.  Theol.  Quartal- 
sclirift  LVni,  828—333,  und  Michelis  im  Theol.  LiteraturbL, 
Bonn  1875,  S.  322—325.  —  Der  Aufsatz  Thomas  von  Aquin  in  Sy- 
beTs  Hist.  Zeitschr.  XXXTTT,  342—359,  eine  Skizze,  welche  an- 
knüpfend an  die  Schriften  von  Baumann  (die  Staatslehre  des  h.  Thom.) 
und  Thoemes,  auf  Grund  eines  recht  oberflächlichen  Einblicks  in  Thomas* 
Weltanschauung  überhaupt,  auch  auf  seine  Bestimmimg  des  Verhält- 
nisses von  Staat  und  Kirche  zu  sprechen  kommt,  ist  ohne  Bedeutung. 

*)  Petrus  Alliacenus  Card.  Camerac.  de  ecclesia  quid  docuerit 
et  quid  pro  ea  praestiterit  ex  fontibus  aperitur.  Part.  1.  Vratisl.  1876. 
(35  S.  in  gr.  8^) 

*)  „  Der  Cardinal  P.  v.  Ailli  und  die  beiden  ihm  zugeschriebenen 
Schriften  De  difficultate  reformationis  in  concilio  generali  und  Monita 
de  necessitate  reformationis  ecclesiae  in  capite  et  membris*^  (in  den 
Jahrb.  f  deutsche  Theol.  XX,  273—310).  Beide  von  v.  d.  Hardt 
unter  Ailli's  Namen  gedruckte  Schriften  gehören  ihm  nicht,  vertreten 
emen  anderen  kirchenpolitischen  Standpunkt.  Hinsichtlich  der  zweiten 
hatte  schon  Hardt,  hinsichtlich  beider  dann  Schwab  auf  Dietrich  von 
Niem  hingewiesen.  Vgl.  auch  Sauerland,  Das  Leben  des  Dietrich 
von  Nieheim  (Göttingen  1875),  S.  74 f.,  und  M.  Lenz,  Drei  Trac- 
tate  aus  dem  Schriftencyclus  des  Const.  Concils  untersucht  (Marburg 
1876,  Elwert;  IH,  98  S.  in  gr.  8*^),  der  ausser  den  beiden  genannten 
Schriften  auch  die  von  Schwab  dem  Andreas  von  Randulph  zuge* 
schriebene  De  modis  uniendi  ac  ref.  eccl.  in  concilio  generali  för  Die- 
trich von  Niem  vindicirt.  —  Weiter  hat  Tschackert  in  dieser  Zeitschr. 
(I,  149 — 156)  die  Uuechtheit  zweier  theologisch -politischer  Tractate 
unter  Ailli's  Namen  nachgewiesen,  dagegen  ebenda  (I,  450 — 462;  den 
unter  Zabarella^s  Namen  gehenden  Tractatus  agendorum  in  concilio 
generali  für  Ailli  in  Anspruch  genonmaen. 

^)  Vgl.  auch  seinen  Artikel  Ailli  in  der  Real-EIncTklopädie,  der 


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DIE  DOGMENGESCHICHTLICHEN  ARBEITEN  1875-1877.      119 

nicht  nur  der  sechste  Abschnitt  (Ailli's  wissenschaftUcher  Stand- 
punkty  S.  303 — 335),  sowie  der  siebente  (Schlusscharakte- 
ristik, S.  336 — 367)  dogmenhistorisch  wichtig,  sondern  auch 
die  sorgfältige  Erörterung  der  kirchlichen  Anschauungen 
Ailli's  in  den  verschiedenen  Stadien  seines  Lebens.  So  ent- 
wickelt das  zweite  Kapitel  des  ersten  Abschnittes  (S.  16 — 46) 
auf  Grund  von  Ailli's  Habilitationsschriften  und  verwandten 
Tractaten  dessen  Lehre  von  der  Kirche  ums  Jahr  1380 
und  ihr  Verhältnis  zu  den  Vorgängern  (bes.  Occam) ;  spätere 
Partien  analysiren  seine  Anschauungen  um  die  Zeit  des  Pi- 
saner Concils  (S.  138f.  148—150.  157ff.  192),  wozu  dann 
besonders  der  Abschnitt  über  AiUi's  Schrift  von  der  kirch- 
^chen  Gewalt  (S.  247  ff.)  kommt.  Diese  Abschnitte  zeigen 
treffend,  wie  AiUi's  moderirte,  hier  zum  ersten  Male  genauer 
bestimmte  Reformgesinnung,  welche  übrigens  praktischen  Er- 
wägungen des  Earchenpolitikers  leicht  einen  modificirenden 
fanfluss  auf  die  Theorie  gestattet,  zwar  mit  ihren  concilia- 
ristischen  Gesichtspunkten  von  der  papalistischen  Theorie  ge- 
schieden bleibt,  aber  trotz  ihres  Zurückstrebens  über  den 
irrenden  Petrus  zu  dem  lebendigen  Christus,  über  das  ka- 
nonische Recht  zur  hL  Schrift  als  zu  den  Fundamenten  ftir 
die  Gemeinschaft  der  Gläubigen  den  mittelalterlichen  Earchen- 
b^riff  doch  nicht  wirklich  zu  durchbrechen  vermag,  wie  der 
Begriff  des  eing^ossenen  Glaubens,  der  wesentlich  durch  die  sa- 
eramentale  Wirksamkeit  der  hierarchischen  empirischen  Earche 
übermittelt  gedacht  wird,  bestätigt.  Neben  diesen  Punkten 
verdienen  hervorgehoben  zu  werden  die  Bemerkungen  des 
Ver&ssers  über  die  Hinwendung  des  alternden  Ailli  zur  ro- 
manischen Mystik  (S.  174.  326  f.),  über  AiUi's  Auftreten  als 
orthodoxer  Kirchenmann  gegen  Hus  (S.  227.  235),  wie 
g^en  den  freigeisterischen  Carmeliter  W.  von  Hildenissem 
(S.  167;  vgl  Jundt  a.  a.  O.,  S.  112),  seine  Verteidigung 
der  Franciskaner-Lehre  von  der  unbefleckten  Empfängnis 
Hariä  (S.  71  f.).  Ueberall  hebt  Tschackert  mit  grossem  Nach- 
druck  das  Verhängnisvolle  des  NominaUsmus  Ailli's  hervor. 


hier  an  Stelle  des  Artikels  von  C.  Schmidt  in  der  ersten  Auflage 
getreten  ist. 


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120  KRITISCHE  ttBEESICHTEN.    MOELLER, 

80  besonders  auch  in  der  Ethik  „die  völlige  theoretische 
Zersetzung  des  sittlichen  Bewusstseins  "  (S.  321 — 325).  Wenn 
der  Verfiftsser  mit  vollem  Bechte  darauf  hinweist,  dass  desr 
Nominalismus  an  sich  wohl  kritisch  befreiend  imd  auflösend' 
wirke,  aber  nicht  positiv  reformatorisch,  dass  seiner  Skepei» 
naturgemäss  nichts  näher  liegt  als  die  Zurückziehung  unter 
die  Autorität  der  Kirche,  wenn  femer  auch  zuzugestehen  ist^ 
dass  auch  der  Versuch  dieser  Nominalisten,  auf  dem  Wege 
mystischer  Contemplation  den  Uebei^ang  vom  philosophischen 
Erkennen  zum  kirchhchen  Q-lauben  zu  finden,  es  doch  zu 
einer  wirkUchen  Einheit  der  drei  Factoren  ihres  geistigen 
Lebens  nicht  bringe,  so  dürfte  der  Verfasse  doch  in  Stellen 
wie  S.  64.  137  dem  Nominalismus  ein  wenig  zu  viel  auf*- 
bürden.  Sehr  dankenswert  ist  das  sorg^tige  Verzeichni» 
der  Werke  Ailli's  und  die  handschriftlichen  Mitt^ungen  im 
Anhang  ^).  Mit  dem  Kirchen  -  und  Staatsbegriff  der  kirch- 
lichen Reformpartei  beschäftigt  sich  auch  K.  Köhler  in  der 
Fortsetzung  seines  Au&atzes:  Die  Staatslehre  der  Vorrefor- 
matoren, worin  er  der  kirchlichen  Reformpartei  die  Ideen 
Wicliff's  und  Hussens  gegenüberstellt;  dort  findet  er  zwar 
Bekämpfung  des  curialistischen  Absolutismus,  Anerkennung 
der  Barche  als  eines  lebendigen  .Organismus  imd  der  relativ- 
selbständigen Aufgabe  und  Berechtigung  der  weltlichen  Ge- 
walt, aber  ohne  principielle  Aufgabe  des  kathoUschen  Kirchen- 
begri&  und  der  Anschauung  von  der  Unterordnung  der 
weltlichen  unter  die  geistUche  Gewalt,  hier  Auflösung  de» 
Kirchenbegrifis  in  den  der  unsichtbaren  Gemeinschaft  der 
Prädestinirten  und  infolge  dessen  derartige  Beschränkung  der 
Elirche  auf  das  innerUche,  geistige  Gebiet,  dass  das  Schwer- 
gewicht auf  den  christiichen  Staat  dergestalt  Mit,  dass  hier 
vom  religiösen  Standpunkt  aus  eine  starke  Berührung  mit 
dem  Stwidpunkt  der  politischen  TerritoriaUsten  (Marsilius  etc.) 
stattfinde:  ;;Die  Kirche  würde  als  Institution  im  Staate  unter- 
gegangen, der  Staat  die  Functionen  der  Kirche  in  sich  auf-v 
genommen  haben".     Für    die    Scholastik    des    ausgehenden 


1)  Vgl.  die  Recension  von  Zoepffel  in  d.  Theol.  Lit-Ztg.  1878, 
Nr.  3. 


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DIE  DOGMENGESCJUCHTUCHEN  ABBEITEN  1875-1877.      121 

Mittelalters  ist  noch  zu  nennen  die  anziehende  Monographie 
von  Linsenmann  über  Summenhart  zu  Tübingen,  dessen 
Bedeutung  freilich  mehr  auf  anderen  Gebieten  als  dem  dog- 
matischen liegt;  endlich  die  sorg&ltige  kleine ,  aber  manche 
Aufhellung  bringende  Monographie  Plitf  s  über  Jodocus 
Trutfetter,  welche,  der  Natur  der  Sache  nach,  mehr  den. 
Philosophen  als  den  Theologen  zu  schildöTi  vermag  ^). 

S.   Zur  dentscheii;  Mystik. 

Sevelationes  Gtertrudianae  ac  Meohtüdianae . . .  opus  ad  Codicum 
fidem  nunc  primum  integre  editum  Solesmensium  0.  S.  B.  mona- 
chorum  cura  et  opera.  I.  Sanctoe  Gertrudis  Magnae  virginis  ordinis 
St.  Benedicti  Legatus  divinae  pietatis.  Accedunt  eiusdem  Exer- 
citia  spiritualla.  II.  Sanetae  Mechtildis  virginis  ordinis  St.  Bene- 
dicti liber  specialis  gratiae.  Accedit  Sororis  Mechtildis  eiusdem 
ordinis  Lux  divinitatis.  Pictavü  et  Parisiis  1875.  1877,  H.  Oudin. 
-  (LXXIV,  730  u.  XVI,  750  S.  in  gr.  8^) 

JUtdeutsche  Predigten  und  Gebete  aus  Handschriften.  Gesammelt 
und  zur  Herausgabe  vorbereitet  von  W.  Wackernagel.  Mit  Ab- 
handlungen und  einem  Anhang.  Basel  1876,  Schweighäuser.  (XI, 
611  S.  in  gr.  8^) 

A.  'Wagner,  Ueber  den  Mönch  von  Heilsbronn.  (Quellen  und  For- 
schungen zur  Sprach-  und  Culturgeschichte  der  germanischen 
Völker,  herausg.  von  Ten  Brink,  W.  Scherer  und  ^.  Steinmejer. 
XV.)    Strassburg  u.  London  1876,  K.  Trübner.     (92  S.  in  gr.  8**.) 

Ijütolf,  üeber  den  Prozess  und  die  Unterwerfung  Meister  Eckhart's.^ 
(In  der  Theol.  Quartalschr.,  57.  Jahrg.,  S.  578—603.) 

^jramiuel,  Meister  Eckhart.  (Ln  Beweis  des  Glaubens  1875,  S.  449 
bis  455.  51&-^38.) 

JPr.  H.  S.  Denifle,  Der  Gottesfreund  im  Oberland  und  Nikolaus  von 
Basel.  Eine  kritische  Studie.  (In  den  Histor.-polit.  Blättern  1875, 
S.  18— 138.  9a-122.  245—266.  340—354.) 

—  — ,  Das  Leben  der  Margaretha  von  Kentzingen.  Ein  Beitrag  zur 
Geschichte  des  Gottesfreundes  im  Oberland.  (In  der  Ztschr.  für 
deutsch.  Altertum  und  deutsche  Lit.  t.  E.  Steinmeyer.  N.  F.,  VII.  Bd., 
S.  478-491.) 

I<ütolf,  Der  Gottesfi^und  im  Oberland.  (Im  Jahrb.  f.  schweizer. 
Gesch.  I.    Zürich,  Hohr  1876.    S.  1—46.) 

—  — ,  Besuch  eines  Cardinais  beim  G^ttesfr^und  im  Oberland.  (In: 
d.  Theol.  Quartalschr.    LVIH,  580—592.) 


1)  S.  meine  Anzeige  in  d.  Theol.  Lit.-Ztg.  1876,  Nr.  9. 

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122  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN.     MOELLER; 

Ül'icolaus  von  Basel,  Bericht  Ton  der  Bekehrung  Tauler's.  Herausg. 
von  C.  Schmidt,  Strassburg  1875.  Schmidt's  Univ.-B.  (64  S.  in 
gr.  8^) 

Pr.  H.  S.  Denifle,  Zu  Seuse's  ursprünglichem  Briefbuche.  (In  der 
Ztschr.  f  d.  Altertum  und  d.  Literatur  von  Steinmeyer.  N.  F., 
Vn.  Bd.,  S.  846—371.) 

UV.  Preger,  Die  Briefbücher  Susos.  (Ebd.  N.  F.,  Vm.  Bd.,  S.373 
bis  415.    Vgl.  Anzeiger  f.  d.  A.  von  dems.  I,  261—263.) 

Die  Schriften  des  seL  Heinrich  Seuse  aus  dem  Predigerorden, 
nach  den  ältesten  Handschriften  in  jetziger  Schriftsprache  vollstän- 
dig herausgegeben  von  P.  Fr.  Heinr.  Seuse  Denifle,  aus  dem- 
selben Orden.  I.  Bd.:  Deutsche  Schriften,  1.  Abt.:  Seuse's  Exem- 
plar.   München  1876,  Lit.  Inst.  v.  M.  Huttier.    (IV,  224  S.  in  8^) 

H.  Nobbe,  Johannes  Tauler  von  Strassburg  als  deutscher  Volks- 
prediger dargestellt.  (In  d.  Zeitschr.  f.  luth.  Theol.  u.  Kirche  1876, 
S.  637—663.) 

P.  H.  8.  Denifle,  Das  Buch  von  geistlicher  Armut,  bisher  bekannt  als 
Joh.  Tauler's  Nachfolgung  des  armen  Lebens  Christi.  Unter  Zu- 
grundlegung  der  ältesten  der  bis  jetzt  bekannten  Handschriften  zum 
ersten  Male  vollständig  herausgegeben.  München  1877,  Lit.  Inst. 
V.  Dr.  M.  Huttier.     (LIH,  212  S.  in  gr.  8^) 

^Hirsche,  Brüder  des  gemeinsamen  Lebens.  (In  der  Real-£ncyklopädle. 
2.  Aufl.    n,  658—760.) 

B.  Kettlewell,  M.  A.,  The  authorship  of  the  De  Imitatione  Christi  with 
many  interesting  particulars  about  the  book.  Containing  Photo- 
graphie engravings  of  the  „de  imitatione*^  written  by  Thomas  a 
Kempis,  1441,  and  of  two  other  Mss.  London,  Oxford  and  Cam- 
bridge 1877,  Rivingtons.    (XXIU,  504  S.  in  gr.  8^) 

The  imitation  of  Christ :  four  books.  By  Thomas  a  Kempis.  Trans- 
lated  from  the  latm  by  Vic.  W.  Benham,  B.  D.  Leipzig  1877, 
B.  Tauchnitz.  (288  S.  m  gr.  16*.)  (Collection  of  british  authors, 
Vol.  1680.) 

Nachdem  Preger  (Mystik  I,  13 — 27)  doch  wohl 
6twa8  zu  rasch  und  summarisch  über  sämmtliche  der  heil. 
Hildegard  zugeschriebene  Schriften  den  Stab  gebrochen, 
hat  in  den  Historisch- poUtischen  Blättern  ein  Ritter  fiir  sie 
Beine  Lanze  in  wenig  geschickter  Weise  eingelegt,  ebenso 
erregt  als  breitspurig  *).  Weder  die  Mitteilimgen  über  die 
Eibinger   (ehemals  Ruppertsberger)  Handschriften    (jetzt  in 


1)  Die  Werke   der  hl.  Hildegardis   imd   ihr  neuester  Kritiker. 
Hist.-poUt.  Blätter,  Bd.  LXXVI  (1876,  2),  S.  604—628.  6Ö9--689. 


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DIE  DOGMENGESCHICHTLICHEN  ARBEITEN  1875—1877.      123 

der  Landesbibliothek  zu  Wiesbaden);  noch  die  viel  zu  all- 
gemeinen Bemerkungen  über  die  vita,  über  das  Sprachliche, 
sowie  die  sonstigen  Raisonnements  entscheiden  etwas  in  den 
hier  vorliegenden  Fragen  literarischer  Kritik,  von  denen  doch 
zuzugestehen  sein  wird,  dass  sie  durch  die  gewichtigen  Bedenken 
Pr^er's  noch  nicht  endgültig  aufe  Keine  gebracht  sind.  Die 
stattliche  Publication  der  Väter  von  Solesmes,  welche  damit 
den  Fusstapfen  Pitra's  nachfolgen  zu  wollen  scheinen  ^),  lie- 
fert uns  die  mystischen  Schriften  jener  sächsischen  Nonnen 
vom  Ausgange  des  13.  Jahrhunderts,  auf  welche  neuerlich 
von  mehi*eren  Seiten  sich  die  Aufinerksamkeit  gelenkt  hat 
(vgl  Preger,  Mystik  I,  70  ff.).  Der  erste  Band  enthält  das 
sogenannte  Gtertrudenbuch,  das,  bisher  unter  dem  Titel:  In- 
sinuationes  divinae  pietatis  bekannt,  hier  nach  dem  band- 
achriftlich  gerechtfertigten  Titel  als  Legatus  divinae  pietatis 
(eigentlich  Legatus  memorialis  abundantiae  divinae  pietatis) 
bezeichnet  ist  Während  die  bisherigen  Ausgaben  alle  auf 
die  Lansperg-Loher'sche  1536  zurückgehen,  diese  aber  nur 
eine  verstümmelte  Handschrift  des  lateinischen  Originals  be- 
nutzt und  das  erste  Buch  durch  Rückübersetzung  aus  dem 
deutschen  ergänzt  hatte,  benutzten  die  nunmehrigen  Heraus- 
geber eine  vollständige  Wiener  Handschrift  (lat.  no.  4224), 
geschrieben  1490  von  einem  Benedictiner  zu  Donauwörth. 
Die  Schrift  ist  in  ftinf  Bücher  geteilt  und  hat  am  Schluss 
das  Kapitel,  welches  die  früheren  Herausgeber  nach  Lans- 
perg's  Vorgang  ans  Ende  des  4.  Buches  gestellt  haben:  De 
missa  quam  Domnus  Jesus  personaliter  decantavit  in  coelo 
cuidam  vii^ini  adhuc  existenti  in  corpore  nomine  Trutta.  Da- 
neben ist  noch  ein  Mainzer  Codex  benutzt,  der  aber  im 
4.  Buche  abbricht.  Angehängt  sind  die  derselben  G^ertrud 
zugeschriebenen  exercitia  spiritualia,  „opusculum  ex  varüs 
editionibus,  quae  nobis  praesto  ftierunt,  diligenter  recognitum". 
Die  Praefatio  dieses  Bandes  verbreitet  sich  über  die  Gre- 
schichte  des  Klosters  Helfta  (soviel  ich  sehe,  ohne  neues  Ma- 
terial)   und  die  Person  der  von   der  Aebtissin  Gertrud  von 


1)  Nach  dem  dem  n.  Bande  Torgedruckten  Briefe  Pias*  IX.  ist  als 
Haupteditor  P.  Ludw.  Paquelin  anzusehen. 


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124  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN.    MOELLER, 

Hackeborn  bekanntlich  zu  unterscheidenden  Seherin  Schwester 
Gertrud.  Abweichend  von  Preger,  der  hier  noch  nicht  be- 
nutat  ist,  wird  angenommen,  letztere  sei  bereits  1302  gestorben; 
Preger  aber  scheint  mir  richtiger  zu  schliessen,  dass  sie  bis 
um  1310  gelebt  haben  müsse  ^).  Der  zweite  Band  enthält: 
l)  das  sogenannte  Mechtildenbuch,  d.  h.  die  von  der  heiL 
Mechtild  von  Hackebom  (Schwester  der  Aebtissin  Gertrud)  har- 
rührenden  OflFenbarungen  nebst  den  Mitteilungen  über  sie,  wel- 
ches als  speculum  ^iritualis  gratiae.  Über  gratiae  spiritualis^ 
Buch  geistlicher  Gnaden  mehrfach  gedruckt  ist  (vgl  Preger 
I,  79 ;  Böhmer,  Matelda,  im  Jahrb.  d.  Deutsch.  Dante-Ges.  III, 
134  ff.),  hier  aber  nach  der  Autorität  des  besonders  benutzten 
Wolfenbüttler  Codex  als  Über  specialis  gratiae  bezeichnet 
wird ;  die  Herausgeber  schliessen  sich  eng  an  diese  Handschrift 
von  1370  an  (neben  der  sie  noch  eine  Leipziger  und  eine  St 
Geller  benutzen),  welche  die  ältere  und  vollständigere  Text- 
ge^lt  repräsentirt ;  ein  Stück  (V,  27 — 29)  ist  aber  ent- 
nommen aus  der  Vened.  Ausgabe  von  1522.  Das  6.  Buch 
des  Wolfenbüttler  Codex  (de  extremis  beatae  virg.  sororis 
Meehtildis  de  Helpede),  welches  dieser  allein  bietet  (andere 
gar  nicht  oder  nur  sehr  zusammengezogen),  lassen  die  Heraus* 
geber  willkürlicherweise  als  siebentes  drucken,  indem  sie 
als  sechstes  daB  in  diesem  Codex  den  Schluss  bildende  Buch 
De  laudabili  vita  et  morte  dominae  Getrudis  sororis  suae 
voranstellen,  welches  in  den  wenigen  Handschriften,  in  denen 
es  sich  sonst  noch  findet,  auf  das  5.  Buch  folgt,  übrigens 
sich  so  mit  den  entsprechenden  Teilen  des  Gertrudenbuches 
berührt,  „ut  ab  eodem  auctore  conscripta  deprehendantur'*. 
In  der  Praefatio  wird  auch  von  der  Person  dieser  MechtOd 
gehandelt,  welche  hier  wie  von  Böhmer  (a.  a.  0.)  mit  der 
Sangmeisterin  identificirt  wird,  während  Preger  (a.  a.  O.  S.  83  ff.) 
fidch  dagegen  erklärt     Ohne  ein  Urteil  wagen  zu  könn^ 


1)  Vom  Gertradenbuch  ist  auf  Grund  der  obigen  Ausgabe  auch 
eine  Uebersetzung  erschienen  :  Gertrud  der  Grossen,  der  Heiligen,  Ge- 
sandter der  göttlichen  Liebe.  Ans  dem  Lateinischen,  nach  der  Aus- 
gabe der  Benedict  von  Solesmes,  von  Ffr.  J.Welssbrod.  Fünf  Bücher. 
Freiburg  i./Br.  1876,  Herder.    (Xm,  410  u.  XV,  428  S.  in  8*.) 


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DIE  DOGMENGESCHICHTLIGHEN  ARBEITEN  1875—1877.       125 

«bemerke  ich  nur,  dass  die  Instanzen  1  und  3  bei  Preger 
(S.  84  f.)  sich  aUerdings  durch  den  Text  der  neuen  Ausgabe 
ÄU  erledigen  scheinen;  da  hiemach  das  vom  Ende  der  Mech- 
(tild  Erzählte  sich  ebenso  innig  mit  den  entsprechenden 
Stücken  des  öertrudenbuchs  b^ührt,  als  es  hinsichtlich  des 
über  die  Aebtissin  Gertrud  Gesagten  der  FaU  ist.  2)  Hieran 
schliesst  sich  nun  mit  einer  eigenen  Einleitung  die  Schrift  der 
^uideren  (älteren)  Mechtild,  der  Beguine  von  Magdeburg, 
-welche  die  letzten  zwölf  Jahre  ihres  Lebens  im  Kloster  zu 
Helfta  lebte.  Die  von  Gall  Morel  1869  deutsch  edirte  au- 
fziehende Schrift:  „Das  fliessende  Licht  der  Gottheit'^  (Ueber- 
tragung  des  ursprtingUch  niederdeutsch  geschriebenen  Buches 
ins  Oberdeutsche  durch  Heinrich  von  Nördlingen  um  1344) 
erscheint  hier  in  lateinischer  Sprache  nach  den  Baseler  Hand- 
•schriften  in  der  Gestalt,  welche  auf  den  geistlichen  Freund 
der  Mechtild,  Br.  Heinrich  von  Halle,  bzw.  nach  der  An- 
nahme der  Herausgeber  auf  den  von  diesem  noch  zu  imter- 
^cheidenden  Uebersetzer  imd  Verfesser  des  Prologs,  zurück- 
zufuhren ist.  Die  Offenbarungen  sind  hier  in  eine  vom 
^leutschen  Text  völlig  abweichende  Sachordnung  gebracht, 
überall  hat  sich  der  Uebersetzer  manche  Freiheit  genommen, 
so  dass  auch  die  Herausgeber  anerkennen  müssen,  daas 
die  edle  Einfalt,  der  wahre  Sinn,  die  Kraft  und  Hoheit  der 
Schwester  Mechtild  hier  minder  treu  bewahrt  seien  als  im 
deutschen  Exemplar.  Der  Wei*t  aber  liegt,  worauf  schon 
Preger  hingewiesen,  in  den  geschichtlichen  Notizen.  Hier  sei 
auch  der  nordischen  Prophetin  Birgitta  gedacht,  deren 
Skizze  in  der  Real-Encyklopädie  der  Uebersetzer  des  Hamme- 
rioh'schen  Buches,  AI.  Michelsen,  geliefert  hat  —  Die 
tMonographie  von  A.  Wagner  über  den  Mönch  von 
Beilsbronn  setzt  sich  mit  dem  Herausgeber  der  diesem 
zugeschriebenen  Schriften  (Merzdorf,  1870)  auseinander.  Auf 
Grund  sprachlicher  Untersuchungen  kommt  er  zu  dem  Er- 
^bnis,  dass  dem  Mönch  von  Heilsbronn,  dem  Verfasser  des 
Buches  von  den  sechs  Namen  des  Fronleichnam,  wohl  das 
Buch  der  sieben  Grade  zuzuschreiben  sei,  dass  aber  weder 
die  Tochter  Syon  noch  der  heil.  Alexius  demselben  Verfasser 
.gehören,  letztere  beide  auch  wieder  von  zwei  verschiedenen 


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126  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN.    MOELLER, 

Ver&ssem  herrühren.  In  der  Besprechung  des  Fronleichnam 
(S.  36 — 43)  zeigt  er,  dass  die  vom  Verfasser  ausgesprochene 
Absicht;  „ein  ganz  puchlein  von  der  mirme"  schreiben  zu 
wollen,  was  man  auf  die  Tochter  Syon  gedeutet  hat,  sich 
auch  auf  die  sieben  Grade  beziehen  lasse;  eine  Verglei- 
chxmg  der  „sieben  Grade"  mit  dem  prosaischen  Tractat 
„Die  siben  Staphein  des  Gebetes"  bei  Pfeiffer  (I,  387 
bis  397,  vgl.  Preger  I,  283)  fuhrt  den  Verfasser  zu  dem  Re- 
sultate, dass  beide  von  einander  unabhängig,  auf  eine  ge- 
meinsame Grundlage  zurückgehen  ^).  Sehr  dankenswert  ist 
die  hübsche  Charakteristik  des  Mönchs,  der  sich  in  den  An- 
schauungen der  voreckhartischen  Mystik  bewegt,  unter  dem 
stärksten  Einfluss  von  Bernhard  steht,  aber  auch  von  Richard 
von  St.  Victor  und  Bonaventura  empßlngt  (S.  52 — 67).  In 
zwiefacher  Beziehung  verdient  die  Veröffentlichimg  der 
„Altdeutschen  Predigten  und  Gebete",  welche  Wilhelm 
'WackernageTs  Namen  trägt,  an  welcher  aber  sowohl 
Weinhold  (der  philologische  Abschnitt  S.  446 — 516)  als  der 
Herausgeber  Rieger  verdienstvollen  Anteil  haben,  den  Dank 
des  Kirchen-  und  Dogmenhistorikers.  Einmal  ist  hoch  will- 
kommen die  Abhandlung  über  die  altdeutsche  Predigt,  aus 
welcher  der  von  Wackemagel  mit  besonderer  Liebe  ent- 
worfene Abschnitt  über  den  grossen  Volksprediger  Berthold 
von  Regensburg  ^)  ausgezeichnet  zu  werden  verdient     Die 


1)  Nicht  zwar  allen  philologischen  Aufstellungen  Wagner's ,  wohl 
aber  dem  ohen  angeführten  kritischen  Resultate  desselben  und  dem 
gegen  Merzdorf  geführten  Beweise,  dass  die  betreffenden  Schriften  ur- 
sprünglich nicht  im  baierischen  Dialekt  geschrieben  seien,  wie  sie  in 
dem  von  Merzdorf  zu  Grunde  gelegten  Heidelberger  Codex  erscheinen, 
sondern  im  mitteldeutschen  (mit  wenigen  baierischen  Elementen  xmter- 
mischten),  stimmt  D  e  n  i  f  1  e  bei  in  seiner  Besprechung  der  Schrift,  im 
Anzeiger  für  deutsch.  Altert,  und  d.  Lit.  von  Steinmeyer,  Bd.  11  (Berlin 
1876),  S.  300—313.  Anders  urteilt  noch  Birlinger,  Alemannia  III^ 
205 — 235,  der  einen  alemannisch-elsässischen  Text  zu  den  „  6  Namen 
des  Fronleichnam"  mitteilt  als  den  ältesten  und  besten  aller  bis  jetzt 
bekannten;  er  lehne  sich  genau  an  den  rein  baierischen  bei  Merzdorf 
an.  Vgl.  übrigens  noch  Wagner's  weitere  Collationen  in  d.  Ztschr. 
f.  deutsch.  Altertum,  N.  F.  Vm,  92  ff. 

2)  Vgl.   Stromberger,  Berthold  von  Regensburg,  der  grösste 


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DIE  DOGMENGESCHICHTUCHEN  AKBEITEN  1875—1877.      127 

uns  hier  zunächst  interessirende  Partie  über  die  Predigt  unter 
dem  Einfluss    der    deutschen  Mystik,   welche   Wackemagel 
weniger  sympathisch  war,  hat  Rieger  aus  vertrauter  Bekannt- 
schaft und  mit  feinem  Verständnis  gearbeitet  (S.  376 — 439). 
Sodann  aber  kommt  bei   dem   genannten  Werke  vor    allem 
das  hier  mitgeteilte  Quellenmaterial  in  Betracht.     Es  gehören 
Herher  die  Stücke  XLVI— XLIX  und  Lni-^LYH,  emer 
anonymen,  mit  Abweichungen  in   sechs  Handschriften  vor- 
liegenden Sammlimg,  einem  im  14.  Jahrhimdert  weit  beliebten 
imd  verbreiteten  Handbuch  klösterlicher  Erbauung,  entnom- 
men (hierzu  im  Anhang  S.  522 — 544).     Femer  unter  Eck- 
hartes  Namen  die  Nr.  LIX — LXI,  wozu  noch  die  mit  Stücken 
derPfeiflfer'schen  Sammlung  sich  deckenden,  anonymen  Stücke 
kommen  (LXV  zusammengearbeitet  aus  Pf  XHI  imd  LXXV; 
LXVl  =  Pf  LXXXV,  und  das  Stück  S.  272  ff.  =  Pf.  XVH). 
An  Eckhart  schliesst  sich  „der  von  Stemgassen",  von  wel- 
chem LXnf  zwei  Predigten  mitgeteilt  sind,   die   sich   auch 
in  der  Baseler  Ausgabe  des   Tauler  finden   (woraus   Rieger 
im  Anhang,  S.  544,   die  erheblichen  Ergänzungen   mitteilt). 
Wie   Stemgassen  an  Eckhart,   so  schliesst  sich  an  Tauler 
ein  dem  Namen  nach  imbekannter  Prediger,    von   dem  sich 
im  ganzen  39  an  eine  weibliche  Klostergemeinschaft  gerich- 
tete   Predigten   in   zwei   Handschriften    zu    Samen    (früher 
Engelberg)  erhalten  haben.     Der  Verfasser   ist  nach  Rieger 
unter  den  Engelberger  Mönchen  zu  suchen ,   denen  die    Sei- 
sorge in  dem  Frauenkloster  oblag.     Er  teilt  mit  Tauler  „  die 


Volksredner  des  deutschen  Mittelalters.  Gütersloh  1877,  Bertelsmann. 
(XVI,  224  S.  in  8**.)  Der  Verfasser  macht  in  einer  Art  Blumenlese 
Mitteilungen  aus  Berthold's  Predigten  unter  den  allgemeinsten  dog- 
matischen Rubriken  und  schickt  einiges  über  sein  Leben  und  seine 
Predigt  unter  mehrfachem  Anschluss  an  Wackemagel  voran.  Siehe 
meine  Anzeige  in  der  Theol.  Literaturzeitung  1878,  Nr.  13,  und  die 
Wagenmann' s  in  den  Jahrb.  für  deutsche  Theologie  1878,  S.  142 ff. 
Vgl.  noch  J.  Strobl,  Ueber  eine  Sammlung  lateinischer  Predigten 
Berthold's  von  Regensburg,  in  d.  Sitzimgsberichten  der  Wiener  Akademie 
d.  W.  phil.-hist.  Classe,  LXXXTV.  Bd.  (1876),  S.  87—128,  und  W.  Ge- 
rn oll,  Fragmente  *  der  Predigten  BerthokVs  von  Regensburg,  in  der 
Ztschr.  f.  deutsche  Philologie  von  Höpfhcr  und  Zacher,  Bd.  VI  (1875), 
S.  466.  470. 


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128  KBITISCHE  ÜBERBICHTEN.    MOELLER, 

aus  Eckhart's  Schule  stammende  metaphysische  Grundlage, 
sowie  den  Aufbau  asketischer  Methode  sammt  den  Knnst- 
-ausdrücken"  imd  berührt  sich  mit  ihm  aufs  engste  in  der 
Verelirung  der  Gottesfreunde,  „ohne  welche  die  Elirehe 
nicht  eine  Stunde  bestehen  möchte".  Aus  dieser  Sammlung 
sind  entnommen  LXIII — ^LXX,  wozu  noch  die  interessanten 
Auszüge  im  Anhang  (S.  583 — 598)  kommen.  Hier  auch  noch 
-eine  Predigt  Tauler's  aus  einer  Baseler  Handschrift,  vergehe» 
mit  dem  Text  des  Baseler  Drucks  von  1522  (Ö.  54f. — 552), 
-und  eine  Suso's,  verglichen  mit  dem  sprachlich  erneuten  Drucke 
bei  Diepenbrock  (S.  552—561)  ^). 

Zur  Eckhart'schen  Mystik  hegen  auch  sonst  neue  Mate- 
riaUen  vor,  so  bei  Birlinger  (a.  a.  O.  UI  [1875],  S.  15 — 45) 
aus  einer  Pergamenthandschrift  des  14.  Jahrhunderts  Stücke 
in  alemannisch-elsässischer  Sprache,  welche  denen  bei  Pfeiffer 
n,  448 ff.  451  entsprechen,  aber  mit  Auslassungen  imd  Zu- 
sätzen und  einem  grossen  bei  Pfeiffer  S.  474,  30  sich  ein- 
schaltendem Stücke  (S.  32,  1 — 44.  33).  Desgleichen  giebt 
F.  Bach  ein  „Bruchstück  aus  Meister  Eckhart"*)  und 
Jundt  im  Anhang  seines  oben  angeführten  Werks  (S.  231 
bis  280)  nicht  weniger  als  19  Nummern  als  Sermons  et 
pifeces  diverses  de  maltre  Eckhart,  leider  ohne  jede  andere 
Rechenschaft  über  die  Handschriften  als  die  Notiz,  daAS 
Nr.  19  („dis  lerte  m.  Eckh.",  eine  kurze  Gebetsformel)  einer 
Handschrift  des  14.  und  die  übrigen  Nummern  alle  einer  aus  der 
Mitte  des  15.  Jahi*hundei*ts,  deren  Text  an  mehreren  Stellen  cor- 
nmipirt  erscheine,  entnommen  seien,  imd  dass  beide  mit  einigen 
anderen  Handschriften,  aus  denen  Jundt  noch  anzuftihrende 
Mitteilungen  macht,  einer  Privatsammlung  angehören.  "Wie 
viele  von  diesen  Stücken  wii*klich  Eckhart  zum  Verfasser 
haben,  wii'd  erst  der  Untersuchung  bedüi'fen,  ivie  denn  über- 
haupt die  Erinnerung  Denifle's  in  seiner  Einleitung  zum  Buch 


1)  Vgl.  die  Besprechungen  des  reichhaltigen  Werkes  von  Sehön- 
bach  in  der  Zeit  sehr.  f.  deutsche  Philologie  von  Höpfher  u.  2iacher, 
Vn.  Bd.  (1876),  S.  466  —  479;  von  Wagenmann  in  d.  Jahrb.  »für 
deutsche  Theologie  1878,  S.  142—147;  vonG.  Baur  in  d.  Theol.  Lit.- 
Ztg.  1878,  Nr.  1. 

2)  In  der  Germania,  N.  ß.,  8.  Jahrgang,  S.  223—226. 


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DIE  DOGMENGESCHICHTLICHEN  ARBEITEN  1875-1877.      129 

von   der  geistlichen  Armut  über   die  Unsicherheit  inbetreff 
der   Autoren   der  einzehien   mystischen  Schriften,  über  die 
grosse  Zahl  der  Vertreter  deutscher  Mystik  im  14.  Jahrhun- 
dert und   über  die  Voreiligkeit,  jeden  speculativen   Tractat 
sofort  auf  Eckhart  zurückführen  zu  wollen,  sehr  am  Platze 
ist.      Mit    den    weiteren   Bemerkungen   Denifle's  auch    über 
Stücke  der  Pfeiffer'schen  Sammlung  ist  auch  Rieger  (a.  a.  O. 
S.   404  f)   zu   vergleichen.     Was  die  Stücke  bei  Jundt  be- 
triffi,  so  hat  Nr.  1  (Ausl^ung  des  Vaterunser)  wenig  speci- 
fisch-mystisches  und  lehnt  sich  an  die  herkömmliche  kirchliche 
Auslegung  an,  jedoch  mit  warmer  Innigkeit  ^).  Nr.  2  („ain  guot 
klosterleer  imd  colatze")  ist  bemerkenswert  durch  die  War- 
nung,  die   Lehre  nicht  ausserhalb  des  Klosters  kommen  zu 
lassen,  die  Neigung  kirchliche  Werke  herabzusetzen  und  die 
Seitenblicke  auf  die  Seltenheit  rechter  Priester*).   Nr.  3  („Daz 
send  gar  hoch  fragen  und  materien'^  gehört  in  die  Gattung 
des   Über  propositionum  bei  Pfeiffer  11,  629 ff.,  wie  denn 
nach  Mitteilung  Jundt's  in   der  Handschrift  auf  das  Mitge- 
teilte eine  ganze  Anzahl  von  Stücken,   die  wir  bei  Pfeiffer 
haben,  folgen.    Auch  Nr.  4  („schoen  fragen")  rechnet  Jundt 
dahin,  obwohl  ihm  nicht  entgeht,  dass  es  etwas  anderen  Cha- 
rakter trägt  als  Nr.  3,  worin  der  Verfasser  den  Autoritäten 
(Dionys.  Areop.,  Maximus,  Augustin)  folgt,  während  Nr.  4  keine 
Autoritäten  nennt.     Betreffe  der  übrigen  Nummern  hebe  ich 
nur  noch  hervor,  dass  Nr.  6  („Osee  der  Prophet'^  =  Pf  11, 
638,  23 — 40,  aber  mit  einer  Fortsetzung,  Nr.  7  und  8  zu- 
sammengehören  und    eine    starke  Variante    zu    Pf    11,    30 
(sermo  6)  bilden,    Nr.  9   auf  S.  260  starke  Berührung   mit 
Pf  33,  1  ff.  zeigt,  wie  auch  der  Schluss  von  Nr.  13  (S.  274) 
mit  Pf  318,  if  zusammentriffi.     In  dem  Abschnitt,  welcher 
dem  Leben  und  der  Mystik  Eckharfs  gewidmet  ist  (S.  57 


1)  Dagegen  führt  uns  die  „mystische  Auslegung  des  Vaterunsers", 
von  welcher  uns  Schönbach  in  der  Ztschr.  für  deutsches  Altertum, 
N.  F.,  VI.  Bd.,  S.  71 — 78,  anziehende  Bruchstücke  mitteilt,  viel  ent- 
schiedener in  den  Vorstellungskreis  der  Eckhart'schen  Mystik. 

t)  Wann  rechter  priester,  ir  ist  nit  vil  zwyschen  Fasel  und  Mentz 
und  Koeln,  also  wann  ich  wolt,  ich  wolt  sy  tragen  uf  meiner  hant. 
S.  238. 

Zeitaehr.  t  K.-G.  UI,  1.  ^         r^  1 

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130  KRITISCHE  ÜBESSICHTBN.    MOELLfiB^ 

bis  ^3),  setzt   sich  Jundt  vielfach   mit  Preger   attBeinander; 
indem  er  zum  Teil    seine   früheren  AufsteUungai  (in  dem 
Essai   sur   le    mysticisme    specuktif  de  maitre    £.    Strassb. 
1872)    g^en   Preger's  abweichende  Ansichten    festhält     So 
nimmt  er  gegen  Preger's  Versuch,  Eekhart  fiir  einen  Sachsen 
zu  ^klären,   ihn  wieder  für  Strassburg  in  Anspruch  in  der 
langen  Anmerkung  S,  57  —  69,  welche  in  der  Tat  manches 
Beachtenswerte  mithält     Das  letzte  Wort  wird  hier  freilich, 
wenn  nicht  noch  unzweifelhafte  geschichtliche  Zeugnisse  sich 
finden,  den  Sprachkimdigen  gelassen  werden  müssen,  voraus- 
gesetzt, dass  es  erst  gdiimgen  sein  wird,   die  Eckhart'schen 
Texte  so  zu  sichten,   dass  Echtes  und  Unechtes,  Ursprüng- 
liches und  Ueberarbeitetes  mit  einiger  Sicherheit  sich  über- 
sehen lässt     Weiter  bekämpft  er   (S.  76 — 86  Anm.)  nicht 
ohne  Grund  den  Versuch  Preger's,   drei  Perioden   der  Ent- 
wicklung Eckhart's  in  dessöi  Schrifien  nachzuweisen.    In  der 
Darstellung  legt  Jundt  das  Hauptgewidit  auf  die  specutativ- 
pantheistische  Seite  mit  Zurückstellung  der  kirchlich-positiven, 
daher  er  auch  (&.  90  —  92)  gegen  Pr^er's  Behauptung  am 
^,Pantlieismus^^  Eckhards  festhält.     Es  hängt  damit  zusam- 
men, dass  in    der   allgemeinen   Auffassung   von    Eckhart's 
Staxidpunkt   Jundt   zwar   die   Berührungen    mit   der   Meta- 
physik der  Brüder  des  freien  Geistes  betont,  darüber  aber 
imgebürlich  in  Schatten  stellt    das  breite  Fundament  allge- 
mein  kkchUcher  theologischer  Ueberlieferung,  auf  welchem 
er  steht^   und,   was   freilich  auch  Preger  trifft,   die   intinaen 
Beziehungen  zur  Lehre   des  Thomajs   von  Aquin^).     Auch 
Lütolf  in   der  Abhandlung   über    den  Prozess   Eckhart's 
(s.   o.)    richtet   sich    gegen    Preger's  Aufstellungen  ^   nämlioh 
gegen   dessen   Behauptungen^   dass   in    der  von  M.  E.  am 
13.  Februar   1327   abgegdbenen    feierlichen  Erklärung  (bei 
Pr.  .S.  475)  ein  „Widerruf"   nicht  gefunden  werden   könne 
(Pr.  S.  361  f.),   dass  Johann  XXIL  zunächst  in   der   Sache 
Eckhart' 6  gezögert,  weil   er  während  seiner  Spannung  mit 


1)  Vgl.  hierzu  die  Bemerkuiigou  des  Recenseuteu  Preger*s  im 
Lit.  Ceutraibl.  1875,  Nr.  1^1,  sowie  l)eiiitle*B  iu  der  obeu  augefUkrteu 
Selirift  S.  I 


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DIE  DOeMENOraCHICHTUCHEN  AKBiaXiaJ  1875-1877.      131 

den  Franoiskanem  alle  Ursache  gehabt  habe^  die  Domini- 
kaner zu  schonen^  dann  aber^  als  da8  Verhältnis  zu  den 
Francidkanem  sich  günstiger  gestaltet  habe,  eben  um  ihret- 
willen die  bisher  gegen  den  Dominikaner  Eckhart  geübte 
NachBicht  habe  aufgeben  müss^i;  endlich  gegen  die  Ansicht 
Preger's,  dass  das  Vorgeben  der  Bulle  von  1629,  Eckhart 
habe  vor  seinem  Ende  hinreichend  widerrufen,  eine  unred- 
liche Ausbeutung  jener  Eckhart'schen  Erklärung  enthalte. 
Es  scheint  mir  aber  nicht,  als  wenn  die  von  einem  anderen 
Standpunkt  der  Beurteilung  ausgehenden  Gegenbemerkungen 
Lütolf  8  die  Auffitösung  Preger's  zu  erschüttern  vermöchten  ^). 
Ausser  den  oben  genannten  Stücken  teilt  Jundt  zur  mysti- 
schen literatur  noch  zwei  sehr  interessante  Tractate  mit 
(S.  211 — 230),  welche  in  der  von  ihm  dem  14.  Jahrhundert 
zugewiesenen  Handschrift  dem  Ruoleman  Merswin  zugeschrie- 
ben werden  mit  der  Hinweisung  darauf,  dass  dieser  „liebe 
Stifter"  es  „vor  grosser  grundeloser  demuetikeit"  geliebt 
habe,  seine  Autorschaft  zu  verstecken.  Der  erste  Tractat, 
das  „  baner  buechlin ",  enthält  eine  interessante  Warnung  vor 
der  falschen  mystischen  Speculation  der  freien  Geister  unter 
Lucifer's  Banner,  welche  sagen,  wer  noch  zu  leiden  und 
sterben  habe,  sei  noch  ein  grober  Mensch,  noch  ,>voll  Bilde", 
welche  fragen:  kehrst  du  dich  noch  an  Tinte  und  Perga- 
ment (die  Schrift)?  und  sagen,  man  solle  der  Natur  genug 
tun,  in  welcher  Weise  die  Natur  werde  angestossen,  auf 
dass  der  Geist  ungehindert  möge  aufgehen.  Der  zweite 
Tractat  hat  insofern  eine  verwandte  Tendenz,  als  er  Mis- 
Inraoch  der  mystischen  Speculation  ftirchtet  imd  somit  den 
Meister  Eckhart  von  einem  frommen  Priester  gestraft  werden 
lässt,  dass  er  seine  ki^me  und  hohe  Lehre  vor  dem  groben 
Volke  laut  werden  lasse*).  — 

1)  Zu  Eekhart  vgl.  noch  Krummel  im  Beweis  des  Glaubens, 
1875,  S.  449 — 455.  515 — 536,  und  die  Besprechung  des  Preger'schen 
Boches  von  Langen  im  Bonner Lit.-Blatt  1875,  S.  175 — 179,  mid  von 
Weizsäcker  in  der  Theol.  Lit.-Ztg.  1876,  Nr.  19.  —  Mehlhorn, 
Die  Strasßb.  Mystiker,  in  der  Protest,  Kmjhenztg.  1877,  Nr.  89. 

2)  £s  heisst  in  dem  Inhaltsverzeichnis  der  Handschrift:  „Item 
das  buoch  von  den  drycn  durchbrüchen,  und  von  eime  gnodenrichen 
gelerten  pfaffen  der  meister  Eckeharteu  den  grossen  lerer  stroffete  omb 

9* 

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132  KKITISCHE  ÜBERSICHTEN.    MOELLER; 

Von  verschiedenen  Seiten  her  ist  in  den  letzten  Jahren 
die  durch  K.  Schmidts  verdienstvolle  Arbeiten  zu  ziemlich 
allgemeiner  Anerkennung  (auch  bei  katholischen  Schriflstel- 
lem)  gelangte  Annahme  stark  angefochten,  dass  der  grosse 
Unbekannte,  der  Gottesfreund  im  Oberlande,  welcher  auf 
Tauler  so  entscheidenden  christlichen  Einfluss  gewann,  mit 
dem  in  Wien  als  Ketzer  verbrannten  Nicolaus  von  Basel  eine 
Person  seL  Auf  Grund  dieser  Annahme  hat  Schmidt  noch 
1875  keinen  Anstand  genommen,  jenen  Bericht  von  der  Bekeh- 
rung Tauler's  unter  dem  Namen  des  Nicolaus  von  Basel  heraus- 
zugeben. Doch  hatte  bereits  1869  Preger  (Zeitschr.  f.  histor. 
Theol.  1869,  S.  137  ff.)  sehr  gewichtige  Bedenken  hiegegen 
geltend  gemacht,  welche,  soviel  ich  sehe,  in  der  Tat  dazu 
nötigen,  jene  Combination  aufeugeben.  Diese  sind  nun  weiter 
verfolgt  und  wesentlich  verstärkt  durch  die  oben  genannten 
Aufsätze  von  Denifle  und  Lütolf  Ersterer  macht  in  den 
Historisch-politischen  Blättern  geltend,  dass,  während  Nicolaus 
von  Basel  vor  dem  Pisaner  Concil,  also  vor  1 409  verbrannt 
ist,  der  grosse  Gottesfreund  noch  nach  1419  in  hohem  Alter 
gelebt  haben  muss;  femer  sucht  er  zu  zeigen,  dass  die 
Lehre  des  Gottesfreundes  mit  den  16  bekannten  Sätzen  des 
grössten  Schülers  des  Nicolaus,  Martin  von  Mainz,  keines- 
wegs übereinstimme.  Die  äusseren  Data  ruhen  auf  dem  Leben 
der  Margaretha  von  Kentzingen,  auf  welches  (nämlich  auf  die 
latein.  Uebersetzimg  bei  Pez,  Biblioth.  ascetica  VIII,  4008q.) 
sich  bereits  Preger  stützte,  imd  das  nun  Denifle  im  voll- 
ständigen deutschen  Texte  veröffentlicht  hat.  Margaretha 
ist  auf  den  Rat  des  von  ihr  aufgesuchten  Gottesfreundes  in 
das  soeben  vom  Frauenkloster  Schönensteinbach  im  Elsass 
aus  reformirte  Booster  Unterlinden  in  Colmar  (Basler  Bis- 


sine  behende  hohe  lere  die  er  pflag  zuo  tuonde  vor  dem  gemeinen 
groben  volke,  mid  eteliche  andere  guote  materie  die  Ruolman  Merswin 
selber  schreip,  und  si  ouch  vermüschete  mit  einen  inbrunstygen  hitzigen 
zuogeleiten  minne  worten."  Die  Handschrift,  aus  welcher  Jundt  diese 
beiden  Tractate  mitteilt,  stammt  ohne  Zweifel  von  den  Strassburger 
Johannitern.  Vgl.  die  Anführung  aus  dem  Inhaltsverzeichnis  der  Hand- 
schrift bei  Jundt,  p.  211  („der  liebe  Stifter")  mit  den  Urkunden  bei 
C.  Schmidt,  Die  Gottesfreunde,  S.  34 ff. 


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DIE  DOGMENGESCHICHTLICHEN  ARBEITEN  1875-1877.      133 

tum)  eingetreten.  Die  St.  Galler  Handschrift,  welche  Denifle 
benutzt  („dz  bfich  der  reformacio  der  clöster  prediger 
Ordens"  —  die  benutzte  Abschrift  trägt  die  Jahreszahl  1474, 
weist  aber  auf  das  Original  von  1468  zurück),  gab  ihm  mit 
dem  Leben  der  Margaretha  zugleich  die  Data  über  die  Re- 
formationen der  Dominikanerklöster.  Danach  begann  die 
Reform  der  weiblichen  Dominikanerklöster  mit  der  Besitz- 
nahme des  ehemaligen  Augustinerklosters  Schönonsteinbach 
durch  Schwestern  des  Predigerordens,  imd  von  hier  aus  ge- 
schah die  Reformation  des  Boosters  Unterlinden  im  Jahre 
1419.  Die  Lebensbeschreibung  macht  selbst  darauf  auftnerk- 
sara,  man  solle  sich  nicht  daran  stossen,  dass  der  Gottes- 
freund ,  Rulman  Merswins  Geselle,  der  aus  Tauler  einen  seli- 
gen Menschen  gemacht  habe,  so  viel  später  noch  solle  ge- 
lebt haben,  denn  er  sei  weit  über  100  Jahre  alt  geworden. 
Lütolf  triSt  mit  diesen  Nachweisungen  zusammen  und  giebt 
überdies  Aui^hluss  über  die  Localität.  Den  Ort,  wohin 
sich  der  Gottesfreund  mit  seinen  vier  Genossen  („die  fünf 
Mannen")  seit  1375  zurückgezogen,  findet  auch  er  im  Kanton 
Luzern,  aber  nicht,  wie  Schmidt  annahm,  im  Herrgottswalde 
am  Pilatusberge,  sondern  weiter  ab  von  der  Stadt  Luzern, 
in  einem  Seitentale  des  fkitlebuchs,  auf  der  Brüderalp  am 
Schimberg,  fiir  welche  Stelle  die  Existenz  von  sechs  vor 
1470  gestorbenen  Brüdern  auch  aus  dem  Entlebucher  Jahr- 
zeitbuch feststehe.  Urkundlich  nachweisbare  Beziehungen 
einer  schon  etwas  älteren,  dem  Schimberg  benachbarten  Brüder- 
schaft (auf  der  Hofstatt  am  Wittenbach)  zu  Strassburger 
Kreisen  (bereits  1367)  erklären  auch,  wie  der  mit  Strass- 
bui^  eng  verbundene  Gottesfreimd  grade  in  dieses  ent- 
l^ene  Alptal  den  Weg  finden  konnte,  wo  er  seit  1380  als 
eigentlicher  Recluse  lebte.  Für  seine  Auflassung  der  Oert- 
lichkeit  findet  LütoU  noch  eine  interessante  ^Bestätigung  in 
einer  archivalischen  Notiz  über  Reisekosten  eines  Cardinais, 
der  (1421)  auch  „die  Brüder  im  Schimberg"  besuchte.  Lü- 
tolf weist  überdies  auf  den  historischen  Zusammenhang  hin, 
der  sich  so  für  Nicolaus  von  der  Flue  ergebe.  Er,  „mit 
welchem  die  Richtiuig  der  Gottesfreimde  in  der  inneren  Schweiz 
ihren  Höhepunkt  imd  Abschluss  fand",  lebte  damab  schon 


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134  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN.    ftOBLLElt, 

in  dem   nur  durch  eine  nicht  sehr  hohe  Gebirgskette  vom 
EnÜebuch  getrennten  anstoftsenden  Lande  Obw«dden.  — 

Gehen  wir  von  dem  Freunde  Gottes,  zu  Tauler 
über,  so  beg^net  uns  hier  wieder  Denifle  mit  einer 
Arbeit,  welche  uns  gleichfalls  zumutet,  eine  allgemein  ver- 
breitete Ansicht  aufzugeben.  Indem  er  uns  nämlich  auf 
Grund  besondöps  einer  Leipziger  Handschrift  (unter  Zu- 
ziehimg mehrerer  anderer)  einen  wesentlich  gereinigten  und 
hergestellten  Text  des  Buches  giebt,  welches  imter  dem 
Titd  Nachfolgimg  des  armen  Lebens  Christi  vielfach  als  das 
vorzüglichste,  als  Hauptwerk  Tauler's  gerühmt  wird,  nimmt 
er  uns  zugleich  den  bisherigen  guten  Glauben  daran,  dass 
das  Buch  wirklich  von  Tauler  herrühre.  In  der  Tat  scheinen 
mir  seine  Gründe  diesen  Glauben  sehr  zu  erschüttern,  der, 
was  wohl  zu  beachten  ist,  gar  nicht  auf  handschriftlichen  oder 
ander^i  äusseren  Zeugnissen  ruht,  sondern  auf  blosser  Ver- 
mutung des  Herausgebers,  Danid  Sudermann  (1621),  aller- 
dings schon  nach  Vorgang  des  Petrus  von  Nymwegen,  wel- 
cher in  der  Kölner  Ausgabe  von  1643  in  der  Tauler  zuge- 
schriebenen „medulla  animae",  einer  Compilation  aus  ver- 
schiedenen Autoren,  auch  einige  Stücke  aus  dem  Buche 
abgedruckt  hat.  Die  Nachweiwmgen  Denifle's,  dass  der 
Standpunkt  des  Verfassers,  seine  überspannte  Lehre  von  der 
Armut  als  unumgänglichen  Erfordernisses  der  Vollkommen- 
heit für  alle  Menschen,  die  daraus  gezogenen  Consequenzen^ 
die  ihn  freilich  zu  inneren  Widersprüchen  verleiten,  denselben 
ebenso  wie  der  Stil  deutlich  von  Tautar  unterscheiden,  wnd, 
wie  ich  meine,  von  bedeutendem  Q-ewicht  *).  Der  wirkliche 
Verf.,  „jedenfalls  ein  Gottesfreund  (S.  112,  27  ff.)  und  darum 
vielleicht  für  immer  verborgen ",  sei  viel  eher  unter  den  mo- 
derirten  Anhängern  der  Lehre  der  Fratricdlen  als  unter  den 
Dominikanern  zu  suchen.  Die  Zeit  bestimmt  sich  danach,  dass 
Eckhart  einerseits  vorausgesetzt  wird  (Polemik  gegen  ihn  3,  21)^ 
andrerseits    der     1392    gestorbene    Franciskaner-Provincial 


1)  Vgl.  die  Besprechung  von  Lins  en mann  in  d.  Theol.  Quar- 
talschrift 1878,  S.  173—179,  und  die  meinige  in  der  Theol.  Lit.-Ztg. 
1878,  Nr.  22. 


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DIE  DOGMENGBJSCHKarrUCHEW  ARBfiarrE»  1875-1877.      135 

Marcuß  von  Lindau  in  seinein  Buche  von  den  zehn  Geboten 
das  Buch  stark  benutzt  Als  deutschen  Volksprediger  führt 
Nobbe  uns  Tauler  eben  auf  Grund  seiner  Predigten  vor.  — 
Die  oben  angeföhrten  das  Briefbuch  Suso's  betreflFend^i 
Verhandlungen  zwischen  Denifle,  der  überdies  (s.  o.)  be- 
gonnen hat,  die  Werke  Suso's  nadi  den  ältesten  Handschriften^ 
aber  in  jetziger  Schriftsprache  herauszugeben,  und  P reger 
vermag  ich  nur  zu  r^istriren,  ohne  mir  selbst  ein  Urteil  er- 
lauben EU  können.  Denifle  weist  nach,  dase  die  vierzehn 
Briefe,  von  welchen  Preger  in  seiner  Ausgabe  (Leipzig  1867) 
nach  der  Pafnerhandschrift  der  Münchener  Staatsbibliothek 
(Nr.  819)  annahm,  dass  sie  vor  ihm  noch  nirgends  gedruckt 
aei^i,  sich  bis  auf  einen  schon  bei  Daniel  Sudermann, 
Gnldene  Sendtbrieff  (1622),  finden.  Wenn  Preger  meinte, 
das  ursprüngliche  ungekürzte  Brietbuch  Suso's,  welches  seine 
geistliche  Tochter,  die  Nagel,  zusammengestellt  habe,  habe 
sid  neben  dem  von  Suso  selbst  g^en  Ende  seines  Lebens 
als  vierten  Teil  sdueier  Werke  zusammengestellten  „verkürz- 
ten" BriefbücUein  nicht  erhalten,  und  die  vierzehn  Kiefe 
hatten  ursprün^idi  mit  den  zwölf  d^  Ausgabe  von  1482 
zusammen  das  Gfekürzte  ausgemacht,  dem  Herausgeber  dieser 
Ausgabe  (Fabri)  habe  Seuse's  Original  (das  gekürzte)  vor- 
gdegen,  aus  welchem  abw  einige  Lagen  (mit  jenen  vierzehn 
Briefen)  abhanden  gekommen  seien,  so  stellt  Denifle  d^n 
entg^en,  dass  der  äusserst  fehlerhafte  Druck  von  1482  nicht 
nach  Suso's  Original,  sondern  nach  ein^  8pä4»n  sehr  fehler- 
haften Abschrift  gemacht  sei,  dass  das  gekürzte  Briefbueh 
aber  nie  mehr  Briefe  enühaM^i  habe  als  jene  zwölf  des  Druckes 
vxm  1482,  dass  in  dem  Ood.  theol.  phil.  40,  Nr.  67  der 
königtiehen  öffißnflichen  Bi]^oihek  zu  Stuttgart,  in  wel- 
chem auch  jene  vierzehn  Briefe,  in  der  Tat  ein  Exemplar 
des  Briefbuchs  in  seiner  ursprüngUchen  Gestalt,  uns  eriialten 
sei,  neben  welchem  der  von  Preger  benutzte  Münchener  Co- 
dex sich  als  ein  Conglomerat  aus  Briefen  des  ursprünglichen 
und  des  gekürzten  Brief  buches  erweise.  In  sdnen  Eni^gnungen 
hdt  Preger  daran  fest,  dass  das  m^rüngliche  Brief  buch  schwer- 
lich erhalten  sei,  bindet  namentlich  in  der  von  Denifle  dafür 
gehaltenen  Sammlung  der  Stuttgarter  Handschrift  Spuren  der 


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136  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN.    MOELLER, 

Redaction  und  Kürzung;  erkennt  aber  jetzt  in  der  von  ihm 
benutzten  Münchener  Handschrift  auch  eine  Zusammen- 
fugung  aus  einem  älteren  und  neueren  Briefbuch,  von  denen 
die  ältere  Redaction  (öuso  selbst)  durch  die  Stuttgarter 
Handschrift;  das  „neue  Briefbuch"  durch  die  Strassburger 
Handschrift  repräsentirt  werde.  —  In  dem  freilich  über  alle 
Proportion  hinausgehenden;  an  sich  aber  sehr  willkommenen 
Artikel  der  Real-Encyklopädie  über  die  Brüder  des  gemein- 
samen Lebens  hat  Hirsche  das  Verdienst;  uns  die  in  Deutsch- 
land zu  wenig  bekannten  Forschungen  der  Holländer,  ins- 
besondere MolFs  und  Acquoi's,  nahezubringen  und  aus 
ihnen  mit  der  Selbständigkeit  eines  durch  seine  eigenen 
Specialforschimgen  auf  diesem  Gebiete  durchaus  Berufenen 
zu  schöpfen.  Wir  heben  im  einzelnen  heraus  die  Hinwei- 
sungen auf  die  innigen  Beziehungen  Gerhard  Groot's  zu  Ruys- 
broek  und  den  Einfluss  des  letztem  auf  ihn  und  die  fratres 
devoti  nach  der  mystischen  imd  ethischen  Seite,  Gerhardts 
Predigten  gegen  die  Ketzer  des  freien  Geistes  (S.  684),  die 
Aufzählung  und  Besprechung  seiner  Werke  (S.  690  ff.). 
Florentius  wird  (S.703f.)  nach  den  von  Nolte  herausgegebenen 
und  anderen  asketischen  Schriften,  in  denen  der  praktische 
Asket  (der  homo  bonae  voluntatis)  mehr  hervortritt  als  der 
contemplative  Mystiker  (der  homo  devotus),  charakterisirt 
Bei  Gerhard  Zerbold  von  Zütphen  verdient  die  Besprechung 
seiner  Schrift  „De  libris  teutonicalibus "  Beachtung;  sodann 
sind  dankenswert  die  Mitteilungen  über  die  beiden  Hauptver- 
treter der  mystischen  Richtung,  Hendrik  Mande  (S.  720 
bis  729,  besonders  S.  727  f.  von  dem  Tractat  über  das 
schauende  Leben  und  seinen  nahen  Berührungen  mit  Thomas 
a  Kempis)  und  Gerlach  Peters,  der  als  „alter  Thomas'^ 
bezeichnet  wird,  und  über  dessen  breviloquium,  sowie  über 
das  von  Poiret,  Terstegen  imd  anderen  hochgeschätzte  soli- 
loquium  wichtige  Mitteilungen  gemacht  werden.  Für  beide 
Schriften  benutzt  Hirsche  eine  sehr  alte  und  wertvolle  Hand- 
schrift (Wolfenbüttel),  deren  Druck  er  in  Aussicht  stellt. 
Gelegentlich  bemerke  ich  noch,  dass  der  Verfasser  das  ge- 
meiniglich über  die  Verdienste  der  Brüder  um  Schulunter- 
richt Gesagte  insofern  wesentlich  einschränkt,  als  er  zwar 


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DIE  DOGMENGESCHICHTUCHEN  ARBEITEN  1876-1877.      137 

die  grossen  Verdienste  derselben  um  religiöse  Jugenderziehung 
(durch  Unterstützung  und  Aufnahme  von  Schülern),  sowie 
die  Beziehungen  von  Humanisten  zu  den  Kreisen  der  Brüder 
anerkennt^  aber  die  häufige  Annahme  einer  von  ihnen  aus- 
gehenden verbesserten  Methode  des  Unterrichts  bestreitet. 
Der  alten  Streitfrage  über  die  Autorschaft  des  Buches  von 
der  Nachfolge  Christi  ist  das  ausfuhrliche  imd  unnötig  breit 
angelegte  Buch  von  Kettlcwell  gewidmet,  welcher  sich 
für  Thomas  entscheidet.  Man  kann  daraus  die  Kenntnis  der 
Controverse  über  die  verschiedenen  Prätendenten  schöpfen, 
eine  wesentliche  Weiterfuhrung  der  Sache  aber  findet  man 
bei  dem  Verfasser,  der  sich  vorzüglich  an  Malous'  verdienst- 
liche Recherches  anschliesst  imd  von  Hirsche  nur  die  Ausgabe 
mit  ilirer  Praefatio,  nicht  aber  die  Prolegomcna  kennt,  nicht. 
Dankenswert  aber  sind  die  beigegebenen  Verzeichnisse  der 
in  England  vorhandenen  Handschriften  und  älteren  lateini- 
schen Ausgaben  (vor  1600),  sowie  der  verschiedenen  Aus- 
gaben englischer  Uebersetzung  bis  1700,  auch  die  photo- 
graphischen  Manuscriptproben.  Es  fehlt  noch  immer  nicht 
an  Leuten,  welche  sich  von  Gregory's  Argumenten  für  den 
fabelhaften  Abt  Gersen  als  Verfasser  der  Imitatio  gewinnen 
lassen;  soBenham  in  der  Vorrede  seiner  (englischen)  Aus- 
gabe (London,  Macmillan),  welche  auch  in  der  Tauchnitz- 
Collection  (s.  o.)  erschienen  ist  Nach  dem  Titel  eines  mir 
nicht  zu  Gesichte  gekonmienen  Buches  muss  ich  annehmen, 
das8  in  Frankreich  auch  die  Gersonisten  noch  nicht  aus- 
sterben wollen.  ^)  Grotc's  Besprechung  der  Prolegomcna 
von  Hirsche  *)  will,  nicht  ohne  Grund,  die  Ausdehnung,  welche 


1)  J.  Dar  che,  Cl^  de  rimitation  de  J^sus- Christ.  Gereon  et 
ses  advereaires.  Paris  1875,  Thorin.  (XXIV,  363  S.  in  8°.)  —  Vgl 
noch  Loth,  L'auteur  de  rimitation,  in  d.  Revue  des  questions  histo- 
riqucs  1877,  Oct.,  p.  485 — 502.  Vgl.  auch  meine  Besprechung  von 
KettlewelFs  Buch  in  d.  Theol.  Lit.-Ztg.  1878,  Nr.  5,  sowie  Academy 
XII,  1877,  S.  464.  Unbekannt  sind  mir  geblieben  die  Aufsätze:  Della 
controversa  Gerseniaua  in  der  Civiltk  cattol.,  S.  9,  vol.  V,  qu.  590. 591 ; 
vol.  VI,  qu.  595,  und  das  Buch  von  C.  Mella,  Della  controveraia  Ger- 
seniaua (Prato,  Giacchetti) ;  vgl  Civ.  catt.  9,  615,  p.  320. 

*)  Thomas  von  Kempen,  mit  Bezug  auf  die  neuen  Untersuchungen 
Hirsche's,  m  d.  Ztschr.  f.  luth.  Theologie  und  Kirche  1876,  S.  224—246. 


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138  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN. 

Hirsche  dem  Reim  bei  Thomas  giebt,  beachränken  und  ^ubt 
die  auffallende  Bezeichnung  des  Buches  als  Musica  ecclesia- 
stica  (bei  dem  Chronisten  Adrian  But)  durch  die  Annahme 
erklären  zu  können,  das  Buch  sei  wahrscheinlich  bei  den 
Brüdern  der  gemeinsamen  Andacht  zugrunde  gel^  und 
psalmodirend  recitirt  worden;  er  will  daher  die  Interpunc- 
tionen,  auf  welche  Hirsche  so  viel  Aufmerksamkeit  verwendet 
hat,  nicht  nur,  wie  dieser,  mit  musikalischen  Zeichen  ver- 
glichen wissen,  sondern  gradezu  lür  solche  erklären. 


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ANALEKTEN. 


1. 

Zur  eescbicbte  des  papstlicben  Archivs  im 
Mittelalter. 

%  Von 
Dr.  S*  LSwenfeld  in  Berlin. 


Es  ist  allgemein  bekannt,  dass  der  Zutritt  zn  den  Schätzen 
des  Yaticanischen  Archivs  nur  dem  jedesmaligen  Papste,  dem  Car- 
dinal-Staatssecretär  und  dem  Archivpräfecten  gestattet  ist  ^).  Die 
Nachteile,  die  aus  einer  solchen  Absperrung  Ton  der  eigentlichen 
Quelle  mittelalterlicher  Geschichte  der  Wissenschaft  sowohl  wie 
der  Sache  der  Kirche  erwachsen,  sind  grade  in  unserem  Jahrhun- 
dert so  oft  und  so  eindringlich  geschildert  worden,  dass  es  tö- 
richt wäre,  noch  ein  Wort  darüber  zu  verlieren.  Wahr  ist,  dass 
die  Kirche,  ebenso  wie  jeder  staatliche  Verband,  gute  Gründe  hat, 
einen  Teil  ihrer  Papiere  dem  Auge  der  Oeffentlichkeit  zu  ent- 
ziehen ;  wahr  ist  femer,  dass  man  in  einigen  wenigen  Fällen  von 
jener  den  Zutritt  hindernden  Bestimmung  abgewichen  ist:  aber  die 
gewahrte  Freiheit  war  doch  immer  nur  so  kärglich  zugemessen,  dass 
man  aus  allem  Lobe  und  Danke,  welche  man  den  Vorständen  des 
Archivs  spendete,  den  Miston  der  Klage  über  ungerechtfertigte  Zu- 
rückhaltung und  Abschliessung  deutlich  heraushören  konnte.  Man 
lese  nur,  unter  welch  erschwerenden  Umstanden  Pertz,  Palackj 
und  Dudik  eine  Anzahl  Begesten-Bände  durchgesehen  haben.  In 
das  eigentliche  Archivlocal  kamen  sie  überhaupt  nicht;   die  ein- 


1)  Vgl  Gachard,  Arohives  du  Vatican.   BnudleB  1674. 

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140  ANALEKTEN. 

zelnen  Bände  wurden  ihnen  auf  Wunsch  im  Arbeitszimmer  des  da- 
maligen Präfecten  vorgelegt  und  „unter  dessen  Aufsicht"  durch- 
gesehen ^).  Kann  doch  selbst  Böhmer  nicht  ein  Wort  des  Un- 
muts unterdrücken  über  die  Hindemisse,  die  dem  Forscher  am  päpst- 
lichen Hofe  begegnen  %  —  Und  wenn  Monsign.  Marino  Marini, 
der  Neffe  des  berühmten  Graetano  Marini,  nicht  so  liebenswürdig 
gewesen  wäre,  wie  er  es  wirklich  war?  üio  genannten  Männer 
sind  seines  Lobes  voll,  und  ihm  gebürt  ein  grosser  Anteil  an  den 
Leistimgen  jener  drei. 

Bei  solchen  Erwägungen  wird  man  jeden  mit  offenen  Armen 
empfangen,  der,  wenn  ich  so  sagen  soll,  als  Berichterstatter  aus 
dem  Innern  des  Archivs  kommt  und  ein  wenig  den  Schleier  lüf- 
tet, der  über  das  Heiligtum  gebreitet  ist. 

Vor  zwei  Jahren  erschien  in  Christiania  eine  Brochüre  des 
damals  bereits  verstorbenen  Historikers  Munch  unter  dem  Titel: 
„Aufschlüsse  über  das  päpstliche  Archiv  und  seinen  Inhalt,  vor- 
nehmlich über  die  Register  und  ihre  Einrichtung;  welche  Ausbeute 
ist  für  die  Geschichte  des  Nordens  und  speciell  Norwegens  daraus 
zu  gewinnen?"  Veröffentlicht  ward  die  Schrift  durch  den  auch 
bei  uns  wohlbekannten  Professor  Gustav  Storm^). 

Schon  das  mit  Absicht  dunkel  gehaltene  Vorwort  des  Heraus- 
gebers musste  die  Neugierde  des  Lesers  reizen.  Es  lautet  im  Aus- 
zuge etwa  so:  „Die  vorliegende  Abhandlung  verfasste  P.  A.  Munch 
im  Jahre  1860  während  seines  Aufenthalts  in  Bom  und  sandte 
sie  von  dort  an  die  Akademie  der  Wissenschaften  zu  Christiania. 
Nach  seiner  Bückkehr  deponirte  er  sie  im  Beichsarchiv  mit  der 
Bestimmung,  die  Arbeit  dürfe  nicht  veröffentlicht  werden,  so  lange 
der  Präfect  des  Vaticanischen  Archivs,  Pater  Theiner,  am  Le- 
ben sei.  Nach  dessen  Tode  (1874)  wurde  mir  das  Manuscript  zur 
Herausgabe  anvertraut."  Munch  war  nämlich  während  seines  zwei- 
ten römischen  Aufenthaltes,  am  25.  Mai  1863,  also  elf  Jahre  vor 
dem  Tode  seines  Gönners  und  Freundes  Theiner  gestorben. 

Aus  den  in  Anführungszeichen  gesetzten  Zeilen  geht  offenbar 
hervor,  dass  Theiner  durch  die  Veröffentlichung  der  Munch'schen 
Schrift  in  irgend  einer  Weise  compromittirt  worden  wäre.     Dies 


1)  VgL  auch  Blume.  Iter  Italicum  IH,  26 sqq. 

*)  Janssen,  Job.  Fr.  Böhmer  I,  211  und  223.  —  Posse,  der 
Herausgeber  der  Analecta  Vaticana  (1878),  ist  nicht  ins  Archiv  hineinge- 
kommen. Ich  bemerke  das  hier  ausdrücklich,  da  seine  praefstio  in  Be- 
treff dieses  Punktes  leicbt  zu  Irrtümern  verleiten  kann.  (S.  die  Recension 
in  der  Jenaer  Lit.-Zeitung  S.  642.) 

3)  P.  A.  Munch,  Oplysninger  om  det  pavelige  Archiv  og  dets 
Indhold,  fomemmelig  Begesteme  og  disses  Indretning  samt  om  det  Ud- 
bytte,  heraf  er  at  heute  for  Nordens  og  isaer  Norges  Historie,  udgivet 
af  Dr.  Gustav  Storm.    Christiania  1876. 


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LÖWENFELD,  ZUR  GESCHICHTE  DES  PÄPSTL.  ABCmva     141 

führt  zu  der  Vennutung,  dass  der  päpstliche  Archivar  dem  nor- 
wegischen Gelehrten  die  Benutzung  des  Archivs  ohne  Erlaubnis 
Pius'  IX.  oder,  wenn  mit  Erlaubnis,  doch  in  freierer  Weise,  als 
es  sonst  Hblich  war,  gestattet  hat  ^). 

Die  Munch'sche  Schrift  hat  über  die  Grenzen  der  nordischen 
Beiche  hinaus  nicht  die  Beachtung  gefunden,  die  sie  in  so  hohem 
Masse  verdient,  und  die  Schuld  daran  trägt  offenbar  die  allgemeine 
Unkenntnis  des  Dänischen.  Widerstrebt  es  mir  nun,  als  üeber- 
setzer  derselben,  selbst  auf  sie  hinzuweisen,  so  kann  ich  mich  doch 
dem  umsoweniger  entziehen,  als  ich  in  der  deutschen  Ausgabe  ^ 
von  eigenen  Bemerkungen  Abstand  nehmen  werde  und  aus  diesem 
Grunde  mich  genötigt  sehe,  einige  abweichende  Ansichten  an  die- 
ser Stelle  darzulegen.  Ein  kurzer  Hinweis  auf  den  übrigen  In- 
halt möge  als  nicht  unwichtige  Ergänzung  zu  dem  jüngst  erschie- 
nenen Buche  von  Woker^)  gestattet  sein. 

Zunächst  construirt  Munch  auf  aprioristischem  Wege  den  Be- 
stand der  päpstlichen  Archivalien;  die  beiden  Teilo,  in  welche 
sich  dieselben  zerlegen  lasisen,  sind  Originale  und  Copien,  Bezeich- 
nungen, die  fast  zusammenfallen  mit  „ eingegangenen '*  und  „ab- 
gegangenen" Sachen.  Die  Belege,  mit  denen  der  Verfasser  seine 
Behauptung  unterstützt,  sind  durchweg  der  skandinavischen  Geschichte 
entnommen.  Eine  Hauptrolle  unter  den  Originalen  spielen  die  Bechen- 
schaftsberichte,  welche  die  päpstlichen  Nuntien,  die  Einsammler  des 
Peterspfennigs  und  der  verschiedenen  Zehnten,  zum  Teil  aus  der 
Fremde  heimgesandt,  zum  Teil  nach  ihrer  Rückkehr  bei  der  Curie 
eingereicht  haben.  Eine  firühere  Fublication  Munch's  beschäftigt 
sich  speciell  mit  diesem  Gegenstände  *);  wir  besitzen  meines  Wissens 
fOr  unser  Land  nichts  derartiges,  und  doch  wären  grade  diese 
Tage-  und  Bechnungsbücher  im  Stande,  einen  klaren  Einblick  in  die 


1)  Vgl.  hierzu,  was  Böhmer  über  Theiner  sagt.    Janssen  III,  223. 

2)  Sie  wird  im  4.  Bande  der  Archivalischen  Zeitschrift  (herausgeg. 
von  Fr.  v.  Loher)  erscheinen. 

8)  „Das  kirchliche  Finanzwesen  der  Päpste.  Ein  Beitrag  zur  Ge- 
schichte des  Papsttums/'    NördUngen  1878. 

«)  „Pavelige  Nuntiers  Regnskabs-  og  Dagböger,  forte  under  Tiende- 
Opkraevningen  i  Norden  1282—1334."  Christiania  1864.  —  Dass  Woker 
dieses  Buch  nicht  benutzt  hat,  ist  sehr  zu  bedauern.  Bei  der  geringen 
Kenntnis  (vielleicht  gradezu  Unkenntnis),  welche  wir  von  dem  Werte 
mittelalterlicher  Münzen  sowohl  wie  Gegenstände  haben,  sind  solch'  um- 
fassende Rechnungslegungen  päpstlicher  CoUecteure  allein  geeignet,  uns 
über  die  Preisverhältnisse  jener  Zeit  aufzuklären.  Für  den  grössten  Teil 
der  Angaben,  die  Woker  macht,  fehlt  uns  jedes  Verständnis,  und  ich  glaube, 
auch  dem  Verfasser  selbst.  Denn  wenn  S.  25  die  Mark  Silber  mit  5, 
S.  39  u.  40  mit  4,  S.  49  mit  3  (]k)ldgulden  berechnet  wird,  so  be- 
weist das  eben  —  trotz  der  verschiedenen  Länder,  auf  welche  sich  die 
Ansätze  beziehen  —  zur  Genüge,  wie  sehr  wir  hier  im  Dunklen  tappen.  — 
leb  benutze  die  Gelegenheit,  um  zu  Kap.  III  einiges  hinzuzufügen.    Unter 


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142  AKALEKTBN. 

wirtschaftlichan  Verbfiltnisse  des  mitteklterliclien  DeutBchlands  zu 
gewähren.  —  Die  Abteilug  der  Oopien  fflifart  den  Verüisser  auf 
die  eigentlichen  Begister  der  Päpste.  Er  bespricht  hier  die  Grund- 
äätze,  nach  denen  die  Auswahl  der  zu  copirenden  Briele  stattfand 
—  es  wurden  bekanntlich  nicht  alle  registrirt  — ,  geht  auf  die 
Organisation  der  Kanxlei,  auf  die  Teilung  der  Briefe  in  commu- 
nes  und  secretae  (oder  ad  legendum)  und  endlich  auf  die  Frag« 
ein,  ob  die  Regesten  auf  Grundlage  der  Concepte  oder  der  ferti- 
gen Originale  entstanden  sind.  Die  angedeuteten  AusflUirungen  be- 
ruheuy  wie  Manch  scilbat  angiebt,  zum  grossen  Teil  auf  Delisle*s 
Memoire  sur  les  actes  d'Innocent  lU,  aber  die  Angaben  des  fran- 
zösischen Gelehrten  werden  nachgeprüft  und  bei  dem  Material,  das 
Manch  zn  Gebote  stand,  über  die  Zeit  Innocenz'  ni.  hinaus  erwei- 
tert. —  Ganz  selbständig  dagegen  sind  die  Bemerkungen  über  die 
von  Johann  XXII.  in  die  Begistrations-  und  Taxverhältnisse  ein- 
geführten Beformen ;  beachtenswert  ist  hierbei,  dass  die  Zahlen  über 
jedem  Briefe,  welche  die  Gebüren  für  Expedition  and  Eintragung 
ins  Register  angeben,  in  einer  ganz  eigenen,  sonst  ungebräuchlichen 

=  xxxxx 

Weise  geschrieben  wurden,  also  z.  B.  12  =  X,  100  =  xxxXX 

d.h.  5(10-f-10),  64=^V^  d.  h.  3(10  +  6  +  3). 
XXX 
Eine  scharfe  Abfertigung  (S.  26)  erfahii  Dudik,  der  im 
zweiten  Bande  seines  Iter  Romanum  den  Nachweis  za  liefern  sacht, 
dass  die  Regestenbände  bedeutend  jünger  als  die  Originalbriefe  und 
häufig  sogar  erst  nach  der  Zeit  des  betreffenden  Papstes  entstan- 
den seien.  Munch  hat  hier  nicht  genügend  betont,  dass  man  einen 
Unterschied  machen  muss  zwischen  der  Zeit  yor  und  der  Zeit  nach 
Johann  XXII.  Denn  während  wir  für  jene  Zeit  nur  Pergament- 
register haben,  treten  seit  Johann  neben  diesen  noch  Papierbände 
auf.  Für  den  ersten  Zeitraum  halten  sich  die  Gründe,  die  Dudik 
wie  Munch  fCü:  ihre  Ansichten  geltend  machen,  die  Wage,  und  nur 


den  Ausgaben  mit  echtem  Texte  fehlt  der  Nachdruck  von  A  14,  der  je- 
doch nur  den  lateinischen  Text  giebt,  gedruckt:  Sylvae-ducis  apud  Ste- 
phanum  du  Mont  MDCCVI  (in  der  Berl.  Bibl.).  Merkwürdig  ist,  dass 
Woker,  der  alle  ihm  „bekannt  gewordenen"  (nicht  bloss  zu  Gesicht  ge- 
kommenen) Ausgaben  zusammenstellt,  die  in  der  Praefatio  (und  pag.  90) 
der  niederländischen  Ausgabe  genannten  Drudce  übersehen  hat  Es  sind 
dies:  1)  Rom  1514.  Taiae  Gancellariae  Apoetolicae  per  Marcellum  Silber 
alias  Franck,  Romae  in  Campo  Florae  anno  MDXllll,  die  XVILL  Nov. 
impressae.  2)  1515  Köln:  apud  Grosuinum  Colinium.  3)  1523  ibidem. 
Dazu  kommt:  4)  Die  oben  erwähnte  Ausgabe  von  1706  (hier  steht  auch 
die  Geschichte  von  dem  Ratsheim  zu  Heizogenbusch ,  die  Woker  S.  67 
aus  Gibbings  entlehnt  zu  haben  scheint).  5)  Lauingae  1600,  in  Tom.  II, 
p.  825  der  Lectdones  memorabiles  et  reconditae  von  Johannes  Wolüus,  „Taxae 
sacrae  poenitentiariae ,  ex  libro  qui  inscribitur  Grauamina  opposita  ad- 
versus  synodi  Tridentinae  restitutionem ",  also  zur  Klasse  B  gehörend. 


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LÖWENFELD,  ZUR  GEfiGmCHTfi  DES  PAPSTL.  ARCHIVS.     143 

eitte  auf  Autopsie  beruhende  Nacbprflftmg  der  beiderseitigen  Be- 
hauptungen kann  zu  einer  hSnUicheidung  führen.  Anders  steht  es 
mit  der  Zeit  nach  Johann  XXII.  Hier  hat  Dudik  Becht  mit  seiner 
Behauptung,  dasa  die  Bände^  die  er  benutzt  hat,  jünger  seien  als 
die  P^te,  ¥on  denen  sie  ausgegangen.  Aber  er  ist,  wie  viele 
seiner  Vorgänger,  in  den  Irrtum  yerfallen,  die  Pergamentregister 
als  die  einzig  authentische  Quelle  zu  betrachte,  —  ein  Irrtum, 
der  entweder  auf  mangelhaftor  Yergleichung  oder  darauf  beruht, 
dasa  man  Yon  der  Existenz  der  Papierbücher  keine  Kenntnis  hatte. 
Dass  auch  Ihidik  ein  Anhänger  dieser  falschen  Ansicht  ist,  geht 
daraus  hervor,  dass  er,  soviel  ich  sehe,  nur  die  Pergamentbände 
be^rückaichtigt,  und  zweitens,  dass  er  ans  den  Worten  „correctum 
cum  papiro'*  (am  Ende  jeder  Pergamentlage)  den  Schluss  zieht,  die 
Briefe  seien  „unmittelbar  aus  dem  Original -Concept'*  geschöpft 
(Dudik  S.  72).  Wir  werden  bald  sehen,  was  man  unter  diesem 
,, Papier"  zu  verstehen  hat 

Mun<^  widmet  nun  dem  YerhältniBse  der  Papier-  und  Per- 
gamentregister zu  einander  —  selbstverständlich  wo  beide  für  die 
gleiche  Zeit  noch  vorhanden  sind  —  eine  eingehendere  Untersu- 
chung. Hatte  man  bisher  angenommen  (auch  Dudik?),  dass  nur 
die  letzteren  fQr  den  Geschichtsforscher  von  Wert  seien,  so  kommt 
Munch  zu  einem  diametral  entgegengesetzten  Resultat,  das  er  in 
die  Worte  zusammenfasst:  Für  die  Jahre,  über  welche  uns  Pa- 
piorbände  Au&chluss  geben,  können  wir  die  pergamentnen  sehr  gut 
entbehren  (S.  33).  Die  gleichzeitige  Benutzung  mehrerer  Bände, 
welche  ihm  gestattet  war,  büdet  ein  nicht  zu  unterschätzendes  Mo- 
uMnt  bei  einer  Frage,  die  nur  auf  dem  Wege  der  Yergleichung 
zu  beantworten  ist.  Schon  der  Umstand,  dass  die  Papierregister  (A) 
bei  weitem  reichhaltiger  sind  als  die  pergamentnen  (B)  —  und 
wir  haben  keinen  Grund,  in  diese  Nachricht  Munch's  auch  nur 
den  leisesten  Zweifel  zu  setzen  — ,  genügt,  um  die  Haltlosigkeit 
der  traditionellen  Ansicht  zu  zeigen;  denn  alle  Forscher  (vgl. 
Ficker,  Beitr.  z.  U.-UII,  35;  Delisle,  M^.  s.  1.  a.  dlnn.  HI, 
10;  Dudik  U,  73;  Munch  passim)  sind  darüber  einig,  dass  die 
Begesten  nur  nach  den  Originalen  (nicht  nach  den  Ooncepten)  ge- 
fertigt seien;  wie  aber  verträgt  sich  dies  mit  der  Behauptung,  dass 
A  jünger  sei  als  B,  oder  mit  andern  Worten,  dass  A  aus  B  ab- 
geleitet sei?  Die  übrigen,  S.  30 ff.  angeführten  Argumente  erhe- 
ben die  Munch'sche  Hypothese  über  jeden  Zweifel.  Jetzt  erklärt 
sich  auch  das  oben  erwähnte  „eorreotum  cum  pa^iro",  es  heisst  nichts 
anderes  als:  das  auf  Pergament  Geschriebene  ist  nach  seiner  Vor- 
lage im  Papierregister  corrigirt  worden.  —  Die  Consequenzen,  die 
sich  aus  der  Priorität  von  A  ergeben,  sind  ungemein  wichtige.  Wem 
es  in  Zukunft  vergönnt  sein  sollte,  das  päpstliche  Archiv  zu  be- 
nutzen, wird  vor  allem  an  die  Papierregister  sich  wenden  müssen. 


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144  ANALEKTEN. 

Misglückt  dagegen  scheint  mir  der  Versuch  des  Verfassers, 
die  Anzahl  der  Bände,  welche  Briefcopien  und  Snpplikanszfige  ent- 
halten, festzustellen  (S.  74).  Zum  Unglück  hat  sich  in  die  Wahr- 
scheinlichkeitsrechnung, welche,  offen  gestanden,  nur  zu  wenig 
Wahrscheinlichkeit  besitzt,  ein  kleiner,  mechanischer  Bechenfeh- 
1er  eingeschlichen.  4.64  ist  nicht  246,  sondern  256,  und 
die  Summe  der  Bände  steigt  somit  auf  736.  „Rechnet  man 
hierzu'',  sagt  Munch  (S.  74),  „die  Cameralsachen  ^),  so  steigt  die 
Zahl  der  Bände  vermutlich  auf  1000.'^  Tausend  Bände  also  im 
päpstlichen  Archiv  för  die  Zeit  von  1198 — 1860,  d.  h.  fQr 
662  Jahre.  Unmöglich!  Fertz  s^  ausdrücklich,  dass  für  die 
Zeit  bis  Fius  V.  (1566)  2017  Regestenbände  vorhanden  seien,  und 
selbst  diese  Angabe  wird  von  Dudik  berichtigt,  der  die  Zahl  auf 
ca.  3000  erhöht  (a.  a.  0.  U,  74).  Es  ist  £afit  unerklärlich,  wie 
Munch  dazu  kam,  den  numerischen  Bestand  des  Archivs  —  und 
zwar  eines  Archivs,  das  so  viele  Schicksale  erlebt  hat,  wie  das 
päpstliche  —  auf  diesem  Wege  feststellen  zu  wollen.  Der  Recen- 
sent  des  Buches  in  Zamke's  Liter.  Centr.- Blatt  neigt  zwar  der 
Ansicht  Munch's  zu  und  meint,  Pertz  und  Dudik  hätten  die  „Lücken  " 
nicht  beachtet.  Aber  die  fortlaufenden  Zahlen,  auf  welche  die  ge- 
nannten Forscher  sich  stützen,  stammen,  wie  ich  meine,  von  den 
Ordnern  des  Archivs  im  17.  und  18.  Jahrhundert  (vgl.  Munch, 
S.  58),  und  dass  seit  dieser  Zeit  Lücken  eingetreten  seien,  da- 
für liegt  nicht  der  mindeste  Anhalt  vor.  Selbst  der  durch  Na- 
poleon veranlasste  Transport  der  Archivalien  nach  Paris  (1810) 
ist  ohne  Einfluss  auf  den  factischen  Bestand  desselben  geblieben  ^). 
Die  Entscheidung  dieser  Frage  liegt  einzig  und  allein  in  den  Hän- 
den der  Curie. 

Einer  Berichtigung  bedürfen  femer  die  Angaben  über  die  Ge- 
hälter des  Capellans,  des  Penitentiarius  und  der  Secretäre  (S.  10, 
Note  unten).  Die  Resultate,  die  Munch  giebt,  können  unmöglich 
die  richtigen  sein;  aber  ich  lasse  es  dahingestellt,  ob  Schreib- 
oder Rechenfehler  die  Schuld  daran  tragen.  Ein  Beispiel  wird 
genügen. 

•    Der  Kapellan  erhält:  am  1.  Tage  —  Flor.  11  sol.  4  den., 
»  2  °    „        1     w        2    „     4     „ 
»3        „        1     w      15    „     4      „ 

4*®*^  2  6  4^ 

»   *  n  ^      V  "     j»      *       I» 

und  so  fort  bis  zum  56***°,  d.  h.  nach  Ablauf  von  acht  Wochen 
laut  Angabe  des  Textes:  31  flor.  7  sol.  Aus  den  vier  ersten 
Gliedern  erfahrt  man:  1)  dass  das  Gehalt  progressionsweise  und 
zwar  in  arithmetischer  Progression  um  13  sol.  täglich  stieg,  und 

»)  Vgl.  darüber  Munch,  S.  9. 
2)  Gachard   1.  c. 


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LÖWENFELD,  ZUR  GESCHICHTE  DES  PÄPSTL.  ARCHIVS.     145 

2)  dass  1  flor.  =  22  sol.  ist.  Setzen  wir  diese  Werte  in  die  be- 
kannte Formel  x=  a+(n  —  l)d,  so  ist  x  =  ll}  +  (5^  —  1) 
13  =  11 J  +  715  =  726 J  sol.  =  33  flor.  —  sol.  4  den.  Ebenso 
empföngt  der  Penitentiar  am  56.  Tage  (nach  meiner  Berechnung) 
24  flor.  18  sol.  und  ein  Secretar  11  flor.  16  sol.  7  den. 

Was  die  von  Munch  offen  gelassene  Frage  (S.  69)  über  die 
Bedeutung  der  Initiale  betrifft,  mit  welcher  die  Päpste  die  einge- 
laufenen Bittschriften  oder  vielmehr  deren  Auszüge  in  Begesten- 
form  (Munch,  p.  63  ff.)  zu  unterzeichnen  pflegten,  so  genügt  es,  auf 
eine  Stelle  in  der  Roma  nova  von  Sprenger  (Frankfurt  1660, 
p.  41)  hinzuweisen,  in  der  es  heisst:  „Ubi  papa  signat,  vel  refertur 
ad  gratiam,  vel  ad  justitiam;  si  ad  gratiam,  tunc  hoc  usurpat:  Fiat 
ut  petitur,  annotata  prima  litera  sui  nominis  proprii,  ut  verbi  gratia 
pro  Alexandre  VII  F.  i.  e.  Fabius.  In  justitia  mutat  fiat  in  placet, 
jnxta  eandem  annotationem  sui  nominis.^' 

Noch  manche  Einzelheit  des  Buches  M  wird  sich  von  kundi- 
gerer Seite  berichtigen  lassen;  aber  dadurch  wird  der  Wert  des 
Ganzen  nicht  im  mindesten  angetastet  So  lange  die  Verhältnisse 
in  der  Verwaltung  und  Benutzung  des  Vaticanischen  Archivs  sich 
nicht  ändern,  wird  die  Munch'sche  Abhandlung  einen  höchst  schätzens- 
werten und  in  seiner  Art  vielleicht  einzigen  Beitrag  zur  päpst- 
lichen Diplomatik  bilden. 


2. 

AomerkuDg  zur  Geschichte  Columba^s. 

Von 
Dr.  G.  Hertel  in  Magdeburg. 


Heber  die  Ankunft  des  irischen  Missionars  Columba  im  Fran- 
ken reiche  gehen  die  Ansichten  noch  immer  auseinander.    Ich  habe 

1)  Leider  hat  sich  eine  Anzahl  sinnentstellender  Druckfehler  teils  in 
den  dänischen,  teils  in  den  lateinischen  Text  eingeschlichen ;  von  den  schlimm- 
sten Yerbessere  ich  hier  nur  folgende :  S.  3,  Z.  16  statt  Indberetnlnger  lies 
Indhetalinger.  —  S.  18,  N.  1  statt  Forbindelsestegn  lies  Forh^elses- 
tegn,  —  S.  24,  Z.  10  statt  Afsendelsen  lies  Beseglingen.  —  S.  28,  Z.  5 
statt  8.  T.  lies  s.  A,  (samme  Aar),  Aber  die  Universität  St.  Andrew  ist 
nicht  1451,  sondern  1411  gegründet.  —  S.  53,  Z.  24  statt  bis  lies  his.  — 
S.  61,  N.  2  ist  zu  streichen.  —  S.  64  N.  statt  nostri  lies  nosti.  —  S.  74, 

ZelUchr.  t  K.-O.  III,  1.  10 


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116  ANALEKTEN. 

in  meinem  Anfisatze :  y,Üeber  des  heiligen  Colmnba  Leben  und  Schrif- 
ten, besonders  über  seine  Klosterregel"  ^)  nachzuweisen  gesucht, 
dass  er  590  nach  Gallien  gekommen  sei,  und  dieser  Ansicht  ist 
Meyer  von  Knonau^)  beigetreten,  während  die  BoUandisten 
(AA.  SS.  Oci  16)  seine  Ankunft  schon  früher  (585)  ansetzen. 
Dagegen  hat  Ebrard  in  seiner  ,, Tatsächlichen  Berichtigung"^ 
seine  Ansicht  aufrecht  erhalten,  dass  die  Ankunft  desselben  594 
zu  setzen  sei. 

Den  wichtigsten  Beweis  würde  eine  Stelle  aus  Columba's  „Epi- 
stola  ad  patres  synodi  cujusdam "  ^)  liefern,  wenn  wir  die  Synode 
genau  bestimmen  und  den  Brief  datiren  könnten.  Die  Stelle  lau- 
tet: „Sicut  usque  nunc  licuit  nobis  inter  vos  yixisse  duodecim  an- 
nos."  Die  Reihenfolge  der  Briefe,  wie  sie  in  der  Bibl.  pp.  mai. 
abgedruckt  sind,  ist  ganz  willkürlich,  so  dass  sich  hieraus  kein 
Schluss  ziehen  lässt.  Nach  der  von  mir  aufgestellten  Ordnung  ^) 
behält  er  allerdings  die  zweite  Stelle,  aber  das  Jahr  seiner  Ab- 
fassung geht  daraus  nicht  herror.  Wohl  aber  habe  ich  nachge- 
wiesen ^,  dass  er  vor  Gregorys  des  Grossen  Tode  (t  604)  abge- 
fasst  sein  muss,  woraus  sich  schon  ergiebt,  dass  Columba  nicht 
erst  594  nach  Gallien  gekommen  sein  kann.  Es  fragt  sich  aber 
nun,  ob  die  so  ganz  allgemein  bezeichnete  Synode,  die  in  die  Ter- 
schiedensten  Jahre  gesetzt  ist,  nicht  genauer  bestimmt  werden  kann, 
so  dass  die  darin  enthaltene  Zeitangabe  einen  bestimmteren  Wert 
erhält.  Die  Sache  scheint  so  hoffnungslos  nicht  zu  sein,  wenn  man 
die  verschiedenen  Angaben  der  Quellen  zusammennimmt. 

Der  betreffende  Brief  Columba*s  handelt  nämlich  nicht  bloss 
über  die  von  der  römischen  Kirche  abweichende  Feier  des  Oster- 
festes, welche  jener  befolgte  und  welche  man  ihm  zum  Vorwurf 
machte,  sondern  der  erste  Teil  betrifft  andere  Misbräuche  in  der 
Kirche,  welche  abgeschafft  werden  sollten;  erst  am  Schluss  ist  vom 
Osterstreite  die  Bede.  Daraus  schon  geht  hervor,  dass  eine  all- 
gemeine Beratung  stattfinden  sollte.     Demnach  muss  man  erwar- 


Z.  26  statt  Begestböger  lies  Begnskdbsböger,  —  S.  63  ist  durch 
übereinstimmenden  Irrtum  des  Setzers  und  Corrcctors  das  Concept  des 
päpstlichen  Briefes  nicht,  wie  eigentlich  beabsichtigt  war,  in  der  ursprüng- 
lichen, das  Verfahren  des  gewissenhaften  Concipienten  zeigenden  Form 
wiedergegeben. 

1)  Zeitschr.  f.  d.  histor.  Theol.  1875,  S.  396  ff. 

2)  Allgem.  Deutsche  Biographie  IV  (1876),  S.  424. 

»)  Zeitschr.  f.  d.  histor.  Theol.  1875,  8.  500.  Die  Stelle  bei  Orde- 
ricus  Vitaüs  (nicht,  wie  Ebrard  will,  vita  des  Ordericus)  beweist  nichts, 
da  dieser  erst  viel  später  schrieb  und  seine  Worte  auch  anders  zu  deu- 
ten sind. 

*)  Bibl.  pp.  max.  XII,  p.  25. 

') 


6)  a.  a.  0.  8.  424. 
6)  Ebenda  S.  404, 


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HERTEL,  ANMERKUHG  ZUR  GESCHICHTE  COLUMBA'S.        147 

teD,  auchanderswo  Angaben  Über  jene  Synode  zu  finden.  —  Doch  giebt 
ims  zunächst  der  Brief  noch  einen  Namen,  allerdings  in  so  allgemeiner 
mid  nnbestimmter  Weise,  dass  wir  zn  seiner  Verwertung  für  unsere 
Frage  noch  andere  Schriften  heranziehen  müssen.     Die  Stelle  ist: 
„sieutsancto  fratri  vestro  Arigio  brevi  libello  scribere  praesumpsi''. 
Diesen  Arigius   kennen  wir   nicht,   denn   der  Lehrer  des  Attala 
kann  es  nicht  sein.    Wohl  aber  muss  es  ein  einflussreicher,  an  der 
Spitze  der  Gregenpartei  stehender  Mann  gewesen  sein,  weil  grade 
an  ihn  Colnmba  eine  Verteidigung  seiner  abweichenden  Osterfeier 
richten  wollte.     Einen  solchen  Mann  finden  wir  in  dem  von  Fre- 
degar öfter  genannten  Aridius,  Bischof  von  Lyon,  der  das  willigste 
Werkzeug  der  Brunhilde  war  ^).     Da  nun  die  Ausgabe  der  Bibl. 
pp.  max.  sehr  fehlerhaft  ist,  da  sich  ferner  für  Attala*s  Lehrer 
ebenfalls  der  Name  Aridius  findet,  so  ist  wohl  anzunehmen,  dass 
der  in  Columbas  Briefe  genannte  Arigius  und  der  Bischof  Aridius 
Ton  Lyon  eine  und  dieselbe  Person  ist    Denn  wenn  Aridius  eine 
80  hohe  Stellung  inne  hatte,  wie  die  eines  Bischofs  von  Lyon,  der 
Hauptstadt  des  burgundischen  Reiches,  war,  so  ist  es  gewiss  na- 
turlich, dass  dieser  auch  einer  burgundischen  Sjrnode  präsidirte  und 
die  Verhandlungen  derselben  leitete;   und  deshalb    wird   er  auch 
die  Verteidigungsschrift  des   Columba   entgegengenommen   haben. 
Seine  Stellung,  die  er  zu  der  in  Burgund   allmächtigen  Brunhild 
inne  hatte,  macht  die  Uebertragung  eines  solchen  Amtes  noch  er- 
klärlicher :  denn  da  diese  Frau  Geistlichkeit  wie  Laien  ganz  nach 
ihrem  Qefiillen  zu  lenken  suchte,  so  musste  ihr   das   um  so  eher 
gelingen,  wenn  das  Haupt  der  Kleriker  ihr  ganz  ergeben  war  und 
seinen  Einfluss  für  sie  geltend  machte.    Und  Brunhild  hatte  in  der 
Tat  ein  grosses  Interesse  an  den  Verhandlungen  dieser  Synode,  wo 
es  sich  um  Columbas  abweichende  Osterfeier  handelte,  wenn  dies 
auch  nicht  der  eigentliche  Grund  war,  weshalb  sie  ein  Einschreiten 
gegen  denselben  wünschte.    Sie  war  vielmehr  deshalb  gegen  Co- 
lumba erbittert,  weil  dieser  zu  ihrem  Enkel,  dem  König  Theode- 
rich IL,  in  naher  Beziehung  stand  und  als  strenger  Sittenrichter 
denselben  zu  einem  geordneten,  sittlichen  Lebenswandel  zu  bekehren 
sachte.    Weil  dadurch  aber  ihr  Einfluss  auf  den  König  vollständig 
gebrochen,  ihre  Macht  vernichtet  werden  musste,  so  war  ihr  sehr 
viel  daran  gelegen,  Columba  loszuwerden.     Dies  gelang  ihr  aber 
am  besten,  und  ohne  dass  die  Gehüssigkeit  dafür  auf  sie  fiel,  wenn 
m  ein  Verdammungsurteil  über  seine  klösterlichen  und  kirchlichen 
Gebräuche  herbeiführte.    Ihr  Spiel  war  also  schon  gewonnen,  wenn 
ein  ihr  ganz  ergebener  Mann  zum  Bichter  über  Columba  gesetzt 
wurde.     Ausserdem  war  auch  das  Verhältnis  zwischen  Theoderich 
und  Columba  schon  ziemlich  gelockert,   da  dieser-  sich   geweigert 


1)  Fredeg.  32.    Vita  Romarici  3  bei  Mab! Hon,  Act.  SS.  11. 

10* 


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148  ANALEKTElf. 

hatte,  dio  unehelichen  Söhne  desselben  zu  segnen,  so  dass  von 
dieser  Seite  auch  kein  Einspruch  gegen  ein  verdammendes  Urteil 
zu  erwarten  war.  Columba  sah  ein  solches  voraus  und  gab  daher 
seine  Verteidigung  schriftlich  ab,  denn  es  ist  wohl  nicht  anzu- 
nehmen, dass  er  sonst  vor  einer  kleinen  Reise  zurückgeschreckt 
sein  würde,  wo  es  sich  für  ihn  um  so  wichtige  Dinge  handelte. 

Eine  Synode  nun,  auf  welcher  es  sich  um  solche  Dinge  han- 
delte, ist  die  im  Jahre  603  abgehaltene  Synode  zu  Cabillonum 
(Chälons  s.  Saöne),  wie  aus  Fredegar's  Bericht  (c.  24)  hervorgeht. 
Dass  Columba,  obgleich  ihn  Fredegar  weder  nennt,  noch  Jonas  der 
Synode  Erwähnung  tut,  doch  in  Beziehung  zu  ihr  stand,  ist  mir 
unzweifelhaft.  Fredegar  nämlich  erzählt,  dass  auf  Brunhilde's  und 
Aridius'  Betrieb  dort  der  Bischof  Desiderius  von  Vienne  abgesetzt 
und  auf  eine  Insel  verbannt  worden  sei.  Derselbe  kehrt  dann  607 
zurück,  wird  aber  bald  darauf  auf  Brunhilde*s  Befehl,  wozu  ihr 
Aridius  geraten  hatte,  gesteinigt.  Von  Desiderius  erzahlt  femer 
seine  Vita  c.  7  ^),  dass  auf  seinen  Bat  Theoderich  sich  entschlossen 
habe,  zu  heiraten  und  seine  Kebsweiber,  von  denen  er  mehrere 
Söhne  hatte  '),  zu  entlassen;  dadurch  aber  habe  er  sich  den  Zorn 
des  Königs  zugezogen.  Theoderich  heiratet  auch  in  der  Tat  die 
Tochter  des  Westgothenkönigs  Witterich,  Ermenberta,  die  er  durch 
Aridius  aus  Spanien  holen  lässt.  Aber  wiederum  grade  dieser 
machte  hier  bald  seinen  bösen  Einfiiuss  geltend  und  wusste  im 
Bunde  mit  Brunhilde  und  des  Königs  Schwester  Theudelana  dem 
jungen  König  seine  Gemahlin  so  verhasst  zu  machen,  dass  er  sie 
schon  nach  einem  Jahre  mit  Zurückbehaltung  ihrer  Mitgift  nach 
Hause  zurückschickte.  Oflfenbar  hängt  Desiderius'  Märtyrertod  mit 
dieser  schmählichen  Auflösung  der  Ehe  zusammen,  denn  beide  Er- 
eignisse fallen  in  dasselbe  Jahr. 

Da  nun  Jonas  in  gleicher  Weise  von  Columba  erzählt,  dass 
dieser  wie  Desiderius  dem  Könige  Vorwürfe  über  seinen  unsitUichen 
Lebenswandel  gemacht  und  ihn  zu  einer  rechtmässigen  Heirat  zu 
bereden  gesucht  habe,  so  lässt  sich  das  Bestehen  einer  engeren 
Beziehung  zwischen  Desiderius  und  Columba  nicht  von  der  Hand 
weisen.  Beide  mussten  aus  dem  gleichen  Grunde  der  Königin  Brun- 
hild  verhakst  sein,  beide  musste  sie  loszuwerden  suchen,  da  beide 
ihren  Einfluss  zu  brechen  versuchten.  Wenn  in  den  Berichten  nun 
Desiderius  in  den  Vordergrund  tritt,  so  ist  das  aus  seinem  tra- 
gischen Schicksal  erklärlich,  welches  ja  so  bequem  Stoff  zu  dessen 
Verherrlichung  lieferte.  Bei  Columba  tritt  mehr  der  vorgebliche 
Grund  seiner  Verurteilung  in  den  Vordergrund,  besonders  da  die- 
selbe bei  weitem  nicht  so  üble  Folgen  liatte  als  bei  Desiderius. 


1)  Bolland  Mai.  23. 

2)  Sie  waren  geboren  602,  603,  604. 


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149 

Auch  er  ward  ja  schon  gewissermassen  verbannt,  als  er  strenge 
anf  den  Verkehr  in  seinen  Klöstern  beschränkt  wurde,  wo  er  sich 
noch  den  ärgerlichsten  Chicanen  von  Seiten  der  Königin  ausge- 
setzt sah.  Als  dann  später  den  Desiderius  das  Schicksal  erreichte, 
da  war  auch  für  Columba  das  urteil  gesprochen,  dass  er  weichen 
musste.  Dass  ihn  nicht  ein  gleich  hartes  Loos  traf,  verdankt  er 
wohl  hauptsächlich  dem  Umstände,  dass  das  Volk  entschieden  für 
die  ungerecht  bestraften  Männer  Partei  nahm  und  gegen  das 
königliche  Haus  sehr  erbittert  war,  besonders  als  am  Grabe  des 
Desiderius  Wunder  geschahen,  wodurch  seine  Unschuld  und  des 
Königs  Verbrechen  deutlich  erwiesen  wurden.  Deshalb  musste  es 
sehr  gewagt  erscheinen,  noch  einen  beim  Volke  beliebten  Geist- 
lichen zu  tödten,  was  bei  Columba  nur  mit  Anwendung  von  Ge- 
walt geschehen  konnte,  da  er  in  seinen  sehr  zahlreichen  Mönchen 
eine  nicht  zu  verachtende  und  jederzeit  bereite  Schutzwache  hatte. 
Deshalb  begnügte  sich  der  König  bei  ihm  mit  der  Verbannung. 

Diesen  Zusammenhang  der  Schicksale  beider  Männer  bestä- 
tigen zwei  Stellen  des  Jonas,  die  erst  in  diesem  Sinne  recht  zu  ver- 
stehen sind.  Vita  Col.  c.  54  sagt  er  mitten  zwischen  den  Lebens- 
schilderungen seines  Heiligen:  „In  derselben  Zeit  wüteten  Theo- 
derich und  Brunhild  nicht  nur  gegen  Columba,  sondern  auch  gegen 
Desiderius,  den  sie  den  Märtyrertod  erleiden  Hessen."  Dass  Jonas 
diese  Bemerkung  ganz  unvermittelt  und  scheinbar  ohne  Zusammen- 
hang mit  dem  Leben  Columba's  einschiebt,  muss  umsomehr  auf- 
fallen, je  strenger  er  sich  sonst  an  seinen  Stoff  hält  und  Neben- 
personen und  Nebendinge  ausser  Acht  lässt,  wenn  sie  nicht  mit 
seinem  Heiligen  besonders  in  Verbindung  stehen.  Wie  kommt 
Jonas  dazu,  grade  diese  eine  Schandtat  Brunhilde's  zu  erzählen,  da 
er  doch  sonst  diesen  Stoff  nicht  berührt?  Offenbar  weil  Desi- 
derius und  Columba  in  derselben  Lage  sich  befanden,  weil  ihre 
Schicksale  eng  mit  einander  verbunden  waren.  Dass  Jonas  nichts 
Näheres  über  Desiderius  bringt,  dass  er  vor  allem  die  in  Chälons 
verhängte  Verbannung  mit  Stillschweigen  übergeht,  kann  nicht  auf- 
fallen, wenn  man  bedenkt,  wie  ängstlich  er  jede  Erwähnung  des 
Osterstreites  vermeidet.  Diese  hätte  er  nicht  umgehen  können, 
wenn  er  sich  weiter  über  die  Schicksale  des  Desiderius  ausgelassen 
hätte.  —  Die  andere  Stelle  ist  Vita  Col.  c.  33.  Als  nämlich 
Theoderich  einst  bei  einem  Besuche  in  Luxeuil  hart  mit  Columba 
an  einander  geriet,  sagte  er:  „Martyrii  coronam  me  tibi  iUaturum 
speras :  non  esse  me  tantae  dementiae  scias,  ut  hoc  tantum  per- 
petrem  scelus";  sonderbare  und  dunkle  Worte,  die  erst  ein  rechtes 
Verständnis  geben,  wenn  man  dabei  das  Schicksal  des  Desiderius 
und  die  aus  demselben  entstandenen  Folgen  im  Auge  hat. 

Fasst  man  alles  dies  zusammen,  die  Angaben  der  Quellen, 
die  inneren  Verhältnisse  und  die  verschiedenen  Zeitangaben,  so  ist 


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150  ANALEKTEN. 

es  mehr  als  wahrscheinlich,  dass  jene  Synode,  an  die  Colomba 
seinen  Brief  richtete,  die  im  Jahre  603  abgehaltene  Synode  ist, 
von  der  wir  sonst  nichts  wissen,  als  was  Fredegar  nns  darüber 
berichtet  Möglich  war  es  ja  anch,  dass  der  Ort  für  Abhaltung 
der  Synode  noch  nicht  ganz  feststand,  als  Oolumba  diesen  Brief 
schrieb  und  ihn  znr  Verlesung  auf  der  Versammlung  einem  zu 
derselben  berufenen  Bischöfe,  vielleicht  dem  Aridins  selbst,  über- 
sandte. 

Wenn  die  Sache  aber  sich  so  verhält,  so  bestätigt  dieser 
Brief  auf  das  beste  die  auf  andern  Quellenangaben  beruhende 
Festsetzung  von  Columba's  Ankunft  in  Gallien  im  Jahre  590  ^). 


3. 

Actenstflcke  zor  deHtscb«n  Refarmations- 
geschichte. 

Ans  dem  Archiv  in  Neapel  zun  ersten  Male  mitgeteilt 

von 

Ylctor  Schwitze  in  Göttingen. 


I. 

I>reizelm  Depeschen  Contarmi's  aus  Begenshurg  an 
den  Cardinal  Famese  (1541)^). 

No.  1  (Eogensburg,  13.  März  1641). 

Contarini  an  Farnese. 

lo  scrissi  da  lanzuot,  luoco  delli  Duchi  di  Bavera,  alli  Vlfl 
deir  instante,  come  per  le  lettero  delli  Nuntii  io  mi  era  inter- 
tenuto  li,  sin  ch*  io  havessi  altro  adviso  da  loro,  et  che  alla  Dieta 


1)  Edgar  LGning,  Gesch.  des  deutschen  Eirchenrechts  II  (Strass- 
bnrg  1878) ,  S.  415,  Aum.  1  Rcheint  sich  mehr  der  Ansicht  der  Bollan- 
disten  zuzuwenden,  dass  Columba  schon  585  nach  Gallien  gokomraen 
sei.  Möglich  wäre  dies,  wenn  man  die  Worte  jenes  Briefes  so  auffasstc, 
dass  Colnmba  von  seinem  Aufenthalt  in  Austrasien  spräche,  die  vorher 
auf  der  Reise  verbrachten  Jahre  aber  nicht  mitrechnete.  Es  ist  wohl  an- 
zunehmen, dass  er  erst  einige  Zeit  umherzog,  da  er  ja  zunächst  kein 
bestimmtes  Ziel  hatte  und  erst  dann  sich  niederliess,  als  er  einen  be- 
sonders günstigen  Platz  gefunden  hatte. 

*)  Die  nachstehend  veröffentlichten  Docnmente  wurden  von  mir  auf 
dem  Grande  Archivio  in  Neapel  aufgefanden,  und  zwar  in  der  Abteilung 


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SCHÜLTZE,  ACTENSTÜCKE  ZUÄ  REF.- GESCHICHTE  I.        151 

in  Batbbona  non  ora  gianto  ancor  alcuno  elettoro  et  pochi  Prin- 
dpi,  le  qoali  mie  lettere,  per  esser  State  date  ad  un  familiär  del 
YescoYo  di  Modena,  il  qnale  andava  a  Milano,  penso,  che  saranno 
rose  a  V.  S.  E™*  piü  tardo  di  queste  altre. 

La  sera  medesma  io  hebbi  lettere  dalli  Nuntii,  per  le  quali 
mi  significavano,  che  io  procedessi  oltra  et  che  il  venerdl  a  sera 
alli  XI  io  allogiaria  füora  della  terra  in  nn  Monasterio  di  Cer- 
tosini  et  il  sabbato  poi,  che  fa  hieri,  io  farei  Tintrata;  et  cosi  fa 
fatto. 

Hieri  alli  Xu  dopo  pranso  soa  Mt^  mi  mandö  a  levar  dal 
Monasterio  Mens,  di  Prato  con  il  vesc^  di  Aras,  figliolo  di  Mens. 
di  Grandvella,  et  Mens.  Agrigentino,  firatello  del  Marchese  di 
Terranova,  et  molti  altri  Gentilhomeni. 

Fnora  del  Monasterio  trovai  il  B.  et  111.  yesc^  Saltzburgense, 
fratello  delli  Duchi  di  Bavera,  et  V  Arcivesc*^  Bremense,  frat^llo 
del  Dnca  di  Bronsvich,  li  quali  etiam  mi  accopipagnamo. 

Alla  porta  mi  dette  a  basar  la  croce  il  vesc^  di  Brixino,  loco- 
tenente  del  Be  di  Bomani  in  qaesta  Dieta,  perchd  il  vesc^^  della 
terra  era  indisposto  ^). 

Poi  sotto  il  Baldachine  füi  accompagnato  alla  chiesa  maggior, 
doye  si  fece  la  ceremonia.  A  me  parve  veder  aasai  populo  et  piü 
riyerenza  di  qnella,  che  mi  credea  ritrovare,  bench^  la  Cittk  sia 
Catholica. 

La  Ces^  M^  non  mi  venne  al  incontrar,  perch^  disse  Mens, 
di  Grandvella  al  Nuncio  Poggio,  non  esser  solito,  li  Lnperatori, 
dopoch^  sono  ^ronati,  cavalcare  incontro  a  legati,  n^  alli  elettori, 
aUi  quali,  quando  veranno,  disse,  che  non  voleva  cavalcare  per 


der  sogenanuten  Carte  Famesiane,  welche  reiche  schriftliche  Sammlung 
8.  Z.  mit  der  Faniese'schen  Hinterlassenschaffc  nach  Neapel  gekommen 
ist.  Die  grosse  Unordnung,  in  welcher  sich  die  in  viele  hundert 
Ballen  zerstreuten  Papiere  befinden,  und  das  Fehlen  eines  Verzeichnisses 
mögen  die  vielfachen  Lücken  in  der  Beihe  der  hier  zum  Abdruck  ge- 
brachten Depeschen  entschuldigen. 

1)  Die  Bichtigstellung  dieser  ungenauen  Angabe  erfolgt  in  einer 
besonderen  Depesche  vom  16.  März:  „Ne  altro  ho  che  scriverle,  senon 
correger  neUa  mia  lettera  quel  luoco,-ove  le  scrivo,  che  *1  vesc»  di  Brixino 
nella  mia  entrata  mi  dette  la  croce  alla  porta,  per  esser  11  vescovo  di 
Batisbona  indisposto;  ho  dipoi  meglio  inteso  questo  et  saputo,  che  il 
vescovo  di  Batisbona  era  presente  anche  esso  con  il  piviale  alla  porta  a 
recevermi;  ma,  per  farmi  piü  honore,  volsero,  che  il  vesc©  di  Brixino, 
11  quäle  h  locotenente  del  Be  di  Bomani  nel  contado  die  Toroli,  etiam  a 
questa  Dieta  facesse  esso  questa  ceremonia,  come  persona  di  piü  grado 
et  per  piü  honor  della  sede  Apostolica.  Inteso  questo,  non  ho  voluto 
tacerlo  a  V.  S.  B™»,  perch^  sappia  la  verita  d*  ogni  minutia  et  tanto 
piü  conosca  il  buon  animo  di  questi  S".  —  Di  quattro  giomi  prima, 
ch'  io  arrivassi  qui,  il  vesc.  di  Capodistria  era  partito  per  andar  alla  sua 
chiesa.     Et  a  V.  S.  fi"»  di  nuovo  humil*«  mi  racc^o"  u.  s.  w. 


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152  ANALEKTEN. 

incontrarli!  Onde,  se  incontrasso  me,  essi  lo  haveriano  molto  a 
male.  Siecht  dall*  incontrata  di  sua  M^^  in  fuora,  V  intrata  fa 
bella  et  honorevole. 

AUa  Certosa  io  recevei  le  lettere  di  V.  S.  En»*di  III  dell' 
instante. 

Che  li  progressi  miei  siano  landati  da  N.  S.,  a  me  ^  stato 
di  singolare  piacere,  et  sna  S^  pu6  esser  corta,  che  saranno 
sempre  fideli,  amorevoli  et  diligentia  qnanto  si  extenderanno  le 
picciole  forze  mie.  La  lettera  dolli  '/\'  500  m.  luisi  priuli  non 
r  ha  mandata  per  qnesto  spaccio,  ma  per  il  primo,  scrive,  che 
me  la  mandarä. 

Ho  inteso  il  caso  del  S^^  Ascanio  Colonna,  veramente  molto 
strano  et  imprudente. 

Hoggi  depo  pranso  son  stato  alla  visitatione  et  audientia  della 
imtä  Ces*,  sicome  essa  ha  dato  l'ordine,  perchö  domane  si  parte 
et  va  a  caccia  nel  paese  delli  Duchi  di  Bavera,  et  gik  il  Duca 
ludovico  e  partito  per  far  preparatione  della  caccia. 

Sua  M^  mandö  a  levarmi  di  casa  Mens,  di  prato  et  li  pre- 
detti  vescovi  et  molti  altri  Gentilhomeni  et  Sig",  oltra  li  doi 
Nuntii,  che  erano  in  mia  comps^nia;  et  cos)  andai  a  quella,  la 
quäl  mi  venne  incontro  sin'  alla  scala  et  li  humanissamente  mi 
raccolse. 

Intrati  in  camera  et  postoci  a  sedere,  io  sopra  una  sedia 
appresso  sua  Mt^,  ambedoi  li  Nuntii  sopra  una  panca  un  poco 
piü  discosto,  io  li  dissi: 

Sire,  prima  mi  congratulo  con  v.  M^,  vedendola  in  buona  con- 
valescentia  depo  la  noia  delle  gotte  (il  che  io  dissi,  perch^  invero 
mi  parve  pallido  et  non  con  la  solita  sua  habitudine),  mi  con- 
gratulo, dico,  in  nome  di  N.  S.  et  del  K™^  Car'®  famese,  di 
Madama,  sua  figliola,  et  del  S®*"  Ottavio  suo  genere,  et  poi  per 
nome  publico  di  tutta  la  chr^,  la  qualo,  constituta  in  cosl 
grandi  travagli,  ha  sommo  bisogno,  della  bontä,  Religione  et 
sapientia  di  v.  M**^  et  per5  tutti  si  debbono  allegrar  della  sua 
buona  yaletudine. 

Poi  suggiunsi:  N.  S.,  al  quäle  vanno  sommamente  a  coore 
queste  discordie  di  Germania,  sl  per  la  salute  deir  anime  loro,  la 
quäle  a  lei  h  commessa  da  Dio,  sl  etiam  perch^,  essendo  in  questa 
Natione  il  principal  vigore  della  Chr*^  contra  Infideli,  grandis- 
simo  danno  h  a  tutti  li  altri  christiani  la  debolezza,  nella  quäle 
queste  discordie  la  pongono,  havendo  inteso,  che  v.  M^  per  la 
bontä  et  religion  sua  haveva  postposti  molti  negocii  soi  im- 
portanti  nelli  soi  Segni  di  Spagna  et  con  gran  travaglio  si  era 
condotta  qui  in  Germania  et  qui  haveva  inditto  questa  Dieta 
Imperiale,  acciö  si  trovasse  qualche  remedio  a  queste  discordie 
et  si  riducesse  questa  Natione  alla  unita  della  chiesa  di  Christo, 


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SCHCLTZE,  ACTENSTÜCKE  ZUR  REF.- GESCHICHTE  I.        153 

mi  haveva  destinato  legato  sno,  essendo  etiam  cos)  ricercato  da  sua 
M*a  Ces»: 

Et  beiich5  io  mi  conoscea  esser  molto  inferiore  di  quello, 
che  si  ricercaya  in  questa  impresa,  perch^  era  d*  ingegno  tenne 
et  di  dottrina  men  che  mediocro,  per  il  che  dovea  esser  post- 
posto  a  molti  altri  E™>  Car^»  homeni  ex'"^  nientedimeno  pon- 
sava,  che  sua  S*^  per  due  canse  si  fusse  mosso  a  darmi  questo 
carico: 

L'  nna  perch^  giä  molti  anni  havea  conosciuto  in  me  nn 
smnmo  desiderio,  che  si  togliessero  queste  discordie  et  la  chiesa 
si  reducessc  alla  pristina  sua  unitä,  onde  sua  B°®  ha  sperato, 
che  Dio,  autore  d'  ogni  bene,  sicomo  mi  ha  dato  questo  dosiderio, 
mi  daria  etiam  le  forze  di  exequirlo: 

L'  altra  causa,  che  ha  mosso  sua  B"«,  h  stato  V  amor,  che 
sua  M^  mi  porta  et  la  somma  mia  antiqua  reverentia  di  molti 
anni  verso  lei,  onde  sua  B°o  si  e  mossa  a  dare  a  me  questa 
impresa,  alla  quäle,  beuche  io  conoscesso,  fusse  grandissima  et 
dificillima,  io  era  poru  venuto  con  buon  animo,  confidatomi  prima 
nella  bontk  divina,  la  Providentia  della  quäle  mai  non  manca  al 
benedetto  suo  populo,  et  poi  nella  bontä,  religione  sapientia,  quali 
io  sempre  havea  conosciuto  in  lei,  la  quäle,  eisende  discesa  da 
Principi  Christian^»  et  religiosissimi,  li  quali  perö  havea  superato 
et  con  la  grandezza  delP  Impero  et  con  la  gloria  et  vittorie, 
credeva  certo,  che  li  superasse  etiam  nella  Religione  et  pietä 
verso  Dio  et  verso  l'unitä  della  santa  sua  Chiesa. 

Suggiunsi  poi:  per  tanto,  Sire,  io  son  venuto  con  buon 
animo  a  questa  impresa  nö  mancarö  punto  di  coadjutar  v.  M**, 
per  rimover  queste  discordie  et  redur  questa  Natione  a  unione 
et  concordia.  Stande  pero  ferme  le  cose  della  Religione  et  della 
Sede  Ap<^,  la  quäle  h  annexa  alle  cose  essontiali:  (Et  qui  mi 
allargai  un  poco  de  unitate  ecclesie,  che  non  poteva  esser  senza 
un  capo,  oltra  molti  luochi  deir  evangelio,  ma  passando  perö  via 
et  senza  scandolo). 

Questa  h  la  substantia  di  quelle,  che  io  dissi,  et  quasi  le 
formali  parole. 

Sua  M^  mi  rispose  benignissimamente  a  tutti  li  capi  et 
prima  a  quelle  della  sua  valetudine;  ringratio  sua  S*^  et  tutte 
V.  S"ö. 

Poi  disse,  che  non  mancaria  punto  al  beneficio  della  chiesa, 
della  Religione  et  di  sua  S*^  et  della  sede  Ap<^,  sperand«,  che 
etiam  N.  S.  non  mancaria  in  qualche  cosa,  che  si  possa  far  per 
il  ben  della  pace. 

Disse  poi  qualche  amorevoli  parole  della  persona  mia. 

Et  in  ultimo  suggiunsc,  che  mi  admoniva  esser  necessario, 
che  tutti  parlassimo  ad  un  modo  et  non  variassimo  nno  dall'  altro, 


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154  ANAI^KTEN. 

se  volevanw  redur  il  oegocio  a  buon  porto.  lo  replicai  landando 
in  universale  ogni  parto  della  sna  risposta,  come  sapientissima 
et  religiosissima. 

N^  mi  parve  di  appuntarmi  in  quelia  parte  della  concessione, 
la  quäle  aspettava  da  N.  S.  per  questa  prima  audientia,  ma  ap- 
puBtai  nella  parte  ultima,  ciö  h  che  parlassimo  tutti  ad  un  modo, 
et  11  dissi: 

Sire,  hayendo  11  N.  S.  11  medesmo  fine  et  non  diverse  et 
coincidendo  le  attioni  nostre  insieme,  non  potremo  mal  parlar 
Bonon  ad  un  modo,  ciö  h  che  ne  dittera  la  ragione;  et  cosl  fu 
fatto  fine  a  questa  parte. 

Pol  vedendo,  che  era  per  partirsi  domane  et  vedendo,  quanto 
importava  al  caso  del  S^^  Ascanio  il  dififerir,  ancorach^  Mons. 
Poggio  prima  V  havesse  negociato  et  ben  ridotto,  non  mi  parve, 
per  darli  efficacia  maggiore,  di  passarlo  con  silentio  etil  dissi: 

Sire,  ancorche  io  conosca,  esser  importuno  per  la  prima 
audientia  fastidir  piü  v.  U.^,  pur  dovendosi  essa  partir  et  im- 
portando  la  dilatione,  prenderö  questo  poco  di  baldanza  con  leL 

Et  qui  li  narrai  il  caso  del  S^"^  Ascanio  et  quanto  sna  S** 
ragionevolmente  non  potea  far  di  non  risentirsi  et  fame  pro- 
visione,  et  quanto  etiam  conveniva  a  sua  M^  far  lo  istesso, 
insistendo  in  tutte  quelli  parti,  che  toccö  V.  S.  R™»  nella  sua 
prudentissima  lettera,  le  quali  non  replico,  per  non  fori!  tedio. 

Sua  M*^  mi  rispose,  che  giä  doi  giomi  V  freute  del  S^^  As- 
canio li  havea  parlato  et  dato  un  memoriale,  al  quäle  essa  havea 
risposto  che  il  S^^  Ascanio  faceva  molto  male  et  cose  di  suo 
dispiacere,  con  altre  parole  di  risentimento  in  simil  proposito,  et 
che  il  Marchese  di  Aguilar  li  havea  scritto,  ma  non  havea  letto 
le  lottere  et  che  essa  faria  con  il  S^^  Ascanio  opera,  che  satis- 
facesse  all'  honore  di  sua  B^\ 

Et  ^)  air  incontro  supplicava  sua  S*^,  che  li  perdonasse,  per- 
chö  con  li  loro  subditi  li  Principi  non  sogliono  usar  tutto  quello, 
che  possono.  Io  li  risposi,  che  non  havea  altra  commissione, 
ma  che  credea,  che  sua  B^®  per  rispetto  di  sua  M^,  purchö 
fiisse  satisfatto  all'  honor  suo,  li  usaria  dementia.  Et  qui  dissi, 
quanto  era  Interesse  di  tutti  li  Principi  il  dimostrar,  che  li  dis- 
piaceva  la  inobedientia  delli  subditi  verso  il  sao  S«"®. 

Sua  M*^  mi  suggiunse,  che  credea,  che  il  S^^  Ascanio  si 
fasse  mosso  per  certe  sententie,  che  ha  havuto  contra  di  se  in 
certe  cause  sue  private. 

Io  li  risposi,  che  questa  causa  era  peggior  doli'  insnlto  fatto, 
perchö  questo  saria  torre  la  justitia  dalli  Stati  et  era  cosa  hor- 


1)  Im  Original  wendet  eine  hinweisende  Hand  am  Rande  des  Be- 
richtes die  Aufmerksamkeit  des  Lesenden  auf  diese  Worte  des  Kaisers. 


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SCHÜLTZE,  ACTENSTÜCKE  ZUR  KEP.- GESCHICHTE  I.        155 

renda,  che  un  snbdito,  perohö  havesse  haYuto  sententie  contra 
di  se  dalli  judici  di  justitia,  dovesse  levarsi  contra  11  suo  S'^, 

Sna  M**  disse,  ch'  io  diceva  il  vero,  et  V  accnsö  grandemente, 
suggiungendo ,  che  il  p*^  S^^  Ascanio  havea  ricercato  favor  da 
lei  in  qneste  sne  cause,  et  che  essa  11  havea  risposto,  che  in 
coee  di  jostitia,  quando  nn  suo  amico  havesse  havnto  controversia 
con  nn  sno  inemico,  non  si  saria  impacciato,  tanto  mono  non  si 
voleva  impacciar  in  qnesta  controversia,  nella  qnalo  etiam  11  ad- 
versarii  del  S^^  Ascanio  erano  soi  amici. 

Pur  ^)  mi  replicö,  che  sua  B"»®  li  perdonasse,  perch^  faria, 
che  il  p*o  S<*'  satisfacesse  a  sua  B^®. 

Et  io  li  risposi  il  medesmo,  che  non  havea  in  ciö  parola, 
ma,  parlando  da  me,  che  credea,  sua  S*^  per  amor  di  sua  M*^ 
esser  per  usar  dementia  ogni  volta,  che  fiisse  satisfatto  all' 
honor  suo. 

Mons.  di  Modena  poi  presentö  il  suo  Breve,  accompagnan- 
dolo  con  accomodatissime  parole. 

Sua  M*^  si  dolse  della  partita  di  Mons.  Poggio,  usando 
parole  certamente  amorevolissime  et  honoratissime ,  poi  accettö 
allegramente  et  con  optime  parole  il  R.  Vesc®  di  Modena,  et 
cosl  prendemmo  licentia  da  sua  M*^,  la  qualc  mi  accompagnö 
sin'  alla  porta  dell'  anticamera  et  voleva  venir  piü  oltre,  ma 
restö  per  la  continua  resistentia,  che  io  li  feci. 

II  B^o  Vesc«  di  Modena  ha  accettato  questo  peso  per  obedir 
N.  S.,  al  cui  servitio  ö  deditissimo,  ma  gli  h  parso  gran  carico 
nö  haveria  voluto,  che  li  fusse  stato  imposto;  pur  obedirä,  con- 
tentandosi  del  voler  di  sua  S^  per  hora. 

Ambedui  certamente  sono  qui  in  questa  Dieta  necessarissimi 
et,  se  non  fusse,  che  debbo  et  voglio  deferir  il  tutto  alla  sa- 
pientia  di  sua  B°ö,  la  quäl  conosce  il  tutto  benissimo,  io  havrei 
usato  presuntione  di  retener  Mons.  Poggio  et  darne  adviso  a  sua 
S*^  et  aspettar  la  risposta,  perchö  questa  h  commune  opinione 
et  maxime  di  Mens,  di  Modena,  che  la  presentia  di  Mons.  Poggio 
fusse  molto  necessaria  alli  presenti  negocii. 

Non  *)  voglio  lasciar  di  dir  a  V.  S.  ß™»,  come  mi  ha  detto 
r  orator  della  S"*,  che  per  via  di  Venetia  ci  sono  advisi,  qual- 
mente  per  questo  anno  il  Turco  non  h  per  far  impresa  contra  la 
ehr**,  essende  occupato  verso  il  Sophi. 

Questo  modesimo  adviso  h  venuto  alla  M*^  Ces*,  et  h  una 
buona  nova  per  molti  rispetti  et  specialmente  per  il  negocio 
della  Eeligione,  che  si  ha  da  trattrar  in  queste  parti. 

Io   con  molta  diligentia  ho  letto  Tlnstruttione  mandatami  da 


0  Am  Bande  dasselbe  hinweisende  Zeichen  wie  oben, 
s)  Am  Rande  markirt. 


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156  ANALEKTEN. 

V.  S.  R"**  et  secondo  la  commissione  di  quella  V  ho  tenuta  et 
tengo  appresso  di  me  senza  haverla  lasciata  yeder  a  persona, 
nö  alli  Nuncii  di  N.  S.  nö  al  mio  secretario  medesmo,  ma  re- 
stando  qui  al  maneggio  di  questi  negocii  Mons.  di  Modena,  per- 
sona tanto  prudente,  ben  qualificata  et  buon  servitore  di  N.  S., 
dubito,  che  non  pensi,  ch'  io  per  superbia  o  qualche  altro  ri- 
spetto  non  la  voglia  communicar  con  lui. 

Et  per5  sarei  di  parer  (piacendo  porö  cosl  a  N.  S.  et  a 
V.  S.  K"^»)  di  conferirli  il  tutto;  pur  sinche  da  lei  non  habbi 
risposta,  non  farö  cosa  alcuna,  ma  aspetterö  sua  commissione 
sopra  ciö. 

Non  occorrendomi  altro,  farö  fine,  basaudo  u,  s.  w. 

Di  Ratisbona  alli  XIII  di  Marzo  1541. 

Retenuta   sin'  alli  XIIII  et  mandato   (non   havendo   miglior 
commodita)  per  un  Corriore,  che  parte  per  fiorenza. 
Sua  M**  h  gih.  partita 

D.  V.  R™a  et  Hl'"»  S. 

Humilis  servitor  G.  Car'»^ 
Contarenus  legatus. 
Rta  *)  alli  XXVI. 


No.  2  (Regensburg,  16.  März  1541). 

Contarini  an  Farnese. 

L'  ultime  mio  fumo  dolli  XV.  ^) ,  le  quali  iusieme  con  altre 
precedenti,  scritte  dopo  il  mio  giunger  qui  in  Ratisbona,  saranno 
con  queste  replicate,  alle  quali,  accioch^  sua  S*'^  et  V.  S.  R'"** 
intenda  ben  tutti  li  progressi  di  questo  negocio  intricatissimo,  li 
aggiungerö  quest'  altre. 

Giunto  che  fui  qui  ragionando  con  il  vesc^  di  Modena  delli 
principi  Catholici,  mi  fu  detto  da  lui,  clie  li  Duchi  di  Bavera  et 
quel  di  Brunsvich  orano  Catholici  non  per  zelo  della  fede,  ma 
per  esser  capi  di  quosta  parte,  et  che  corcavano  la  quiete  per 
augmentar  lo  cose  loro. 

Questa  fu  la  informatione  di  Modena,  avanti  che  facessi 
r  intrata  in  questa  citt^. 

Dopoi  il  Duca  Vilhelmo  di  Bavera  mi  mandö  a  visitare  da 
tre  soi  primarii  et  Intimi  conscglicri,  li  quali  dopo  le  prime  Visi- 
tation! et  convenienti  parole  fatte  da  ambcdoi  mi  cliiescro  au- 
dientia  secreta;  onde,  remossi  tutti  ch'  erano  presenti,  mi  dissero, 

1)  „Ricovuta". 

s)  Dieses  Schreiben  war  bis  jetzt  in  der  Sammlung  nicht  anfzufinden. 


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SCHÜLTZE,  ACTENSTÜCKE  ZUK  REP.-GESCHICHTE  I.         157 

che,  essendo  li  loro  principi  buoni  Catholici,  yolevano  etiam  com- 
mnnicar  meco  liberamente. 

Et  ^)  qui  comminciarono  a  referir'  il  processo  delle  cose 
lnth°^  et  lo  augmento  loro,  attribaendo  la  causa  alla  grande  in- 
dulgentia  dell'  Imperatore,  imo  piutosto  attribuendo  la  cau&a  a 
negligentia  che  ad  indulgentia  et  alle  pratiche  et  snasioni  di 
Grandvella,  intermiscendo  qualche  parola,  che  fuase  corrotto  da 
qaesti  lutherani. 

Poi  vennero  a  quel,  che  si  dovesse  far  in  questa  Dieta ,  et 
dissero,  che  ad  uno  di  tre  modi  si  poteva  procedere: 

Overo  continnando  il  colloquio  comminciato, 

Over  per  via  di  Concilio  generale, 

Over  fortificando  la  lega  Cath<^  et  sforzando  li  adversarii. 
n  primo  modo,  di  proceder  nel  colloquio  principiato,  non  li 
pareva  a  proposito,  perch^  era  per  esser  longhissimo  et  che  non 
si  potesse  expedir,  senon  era  da  attender  ad  un  delli  altri  doi 
modi;  et  quando  il  2^  del  Concilio  non  si  potesse  haver,  ch'  era 
necessario  redursi  al  3^  della  forza.  Questa  fu  in  somma  la 
loro  expositione. 

10  li  risposi  prima  laudando  sommamente  la  christiana  mente 
delli  loro  principi,  la  quäl  h  notissima  a  s.  S^^  et  tutti  li  Car'i, 
della  quäle  si  tenea  et  si  tenerä  perpetua  memoria;  n^  io  era 
venuto  a  questa  impresa  con  buon  euere,  senon  per  la  confidentia, 
che  havea,  depo  Dio,  nella  bontä  di  Cesare  et  di  questi  ecc°** 
Duchi. 

Li  ringratiai  etiam  di  questa  communicatione,  sopra  la  quäle 
discorrendo  dissi,  quanto  al  primo  modo  del  colloquio,  che  qnelli 
repudiavano  per  la  lunghezza,  che  si  haria  potuto  far  provisione, 
facendo,  che  con  poche  parole  venissero  alle  strette  et  se  pur 
malamente  accettavano  quel,  ch'  io  gli  diceva  sopra  questo  articulo, 
ancorch^  non  sapessero,  che  rispondere,  perö  mi  parve  all'  ultimo 
risolversi  dicendo,  ch'  io  non  sapeva  ancora,  che  ordine  daria  Cesare 
in  questa  Dieta,  ma  che  subito  io  lo  sapessi,  lo  communicaria  con 
sue  ex^^,  accid  procedessimo  in  tutto  communicatis  consilüs. 

11  che  li  dissi  per  lasciarli  ben  satisfatti  et  non  meli  alienar, 
oltra  che  spero  assai  prevalermi  di  loro. 

Imperoch^  ^),  quando  Cesare  Yolesse  tender  a  via  non  buona, 
potrö  molto  yalermi  deir  autoritä  loro  et  altri  Cath«>. 

Quando  veramente  Cesare  volesse  continuar  il  colloquio  con 
modo  conyeniente,  credo,  non  mi  sarä  difficile  acquetar  costoro 
con  ponerli  ayanti  la  ignominia,  che  saria  a  s.  M*^'*  et  a  loro, 
sc  si  diyulgasse,  che  la  concordia  fusse  stata  disturbata  da  noi 
Cath*^^  et  che  s.  S*^  volesse  por  V  armi  in  Germania,  aggiungendoli, 

1)  Am  Rande  luarkirt. 

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158  ANALEKTEN. 

che  meglio  sarä  aspettar,  cb'  il  progrcsso  del  colloqaio  la  rompa, 
onde  ad  ognüno  possa  parere,  che  non  noi,  ma  li  adversarii  siano 
causa  dell*  inconTenienti  futnri. 

Per  queste  ragioni  son  procednto  a  quesio  modo,  perchö  a 
me  par,  che  depo  Thonor  di  Dio  et  la  Bel^ione  doTiamo  hayer 
r  Qchio  alla  conservatione  delli  amici. 

Ma  certamente  il  negociar  co«  qnesti  cmryelli  e  dificillimo 
et  ben  ho  bisogno  dell'  adjuto  di  Dio,  nel  quäle  spero,  che  non 
mi  mancarä.  Hoggi  poi  ^  ritornato  uno  delli  p^^  CoHsiglieri  et 
mi  ha  detto,  che  li  soi  Sig"  hanno  inteso,  come  Cesare  voleva 
far  il  Duca  Federico  Palatino  con  alcnni  altri  dottori  capo  nella 
trattatione  di  questa  Dieta,  il  che  essi  non  yogliono  per  alcun 
modo  patir,  perchö  esso  h  lutherano,  permettendo,  che  nel  suo 
stato  si  Viva  al  modo  lutheranesmo ;  onde,  se  costui  sia  posto  in 
quel  luoco,  e^i  montaranno  a  eavallo  et  si  partiranno. 

Questo  mi  disse  in  presentia  di  Mens,  di  Modena  (dal  qnale 
io  prima  haveYa  inteso  il  medesmo)  et  mi  soggionse,  che  cid 
voleva  far  intendere  a  Mens,  di  Grand vella. 

10  volsi,  che  Mens,  di  Modena  gli  rispondesse  per  la  conii- 
dentia,  che  hanno  in  sna  S'>^,  sicome  Y.  S.  intender^  da  Ini, 
per  altri  discorsi,  che  gli  hanno  communicati. 

11  p*<>  Mens,  con  destre  parole  oercö  di  placarlo  et  tandem 
ci  risolvessimo ,  che  andasse  da  Mens,  di  Grandvella  et  gli  par- 
lasse  per  modo  di  advertimento  amorevole,  non  exasperandolo 
in  modo  alcuno;  et  cosl  ci  fermassimo. 

Poi  mi  disse,  che  il  Pighio  havea  composta  un*  opera  de 
peccato  originali,  la  quale  era  stata  letta  da  un*  homo  dotto, 
ch'  h  V  Ekhio,  ancorch^  non  Io  nominasse,  et  mi  dette  scrittura, 
nella  quale  taxa  forsi  XX  locbi  come  erronei. 

Questo  *)  libro  non  si  darä  fuori  et  costarä  a  noi  di  primo 
LX**  scudi,  come  V.  S.  int^nderi  per  lottere  del  Vesc«»  di 
Modena. 

Consideri  mo  V.  S.  K"»»  et  N.  S.  et  ponderi,  con  quali 
cervelli  havemo  a  fere,  et  sono  porö  tutti  Cath<^i  et  sono  accor- 
dati  in  quelle  articolo  de  peccato  originali  et  costui  giä  li  ha 
fatto  un*  opera  contra.  Dio  ci  adjuti,  che  iu  lui  solo  certamente 
dovemo  sperare. 

Onde  N.  S.  et  V.  S.  R"»*  con  tutti  facciano  buone  orationi 
che  qui  si  sono  fatte  alcune  processioni  per  la  concordia. 

Da  Ratisbona  alli  XVI  di  Miirzo  1541. 

Humil.  Sor  G.  Car^'s 
Contarenus  legatus. 
Rta  alli  XXVI. 

1)  Am  Rande  marltirt. 

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SCHULTZE;  ACTENStCCKE  ZUR  REP.-GESCHTCHTE  I.        169 

ZD^leich  mit  diesem  Berichte  ging  die  oben  S.  161,  Anm,  1 
mitgeteiHe  Depesdie  nach  Born  ab. 


No.  3  (Begensbitrg,  18.  März  1641). 

Contarini  an  Farnese. 

Mous.  di  Grandvella,  dapoi  ch'  io  son  gionto  qui,  doi  voite 
h  stato  a  visitarmi:  la  prima  fu  per  cerimonia  ot  si  passo  con 
parole  universali;  la  2»,  che  fu  hieri,  sua  S"*  fu  a  visitarmi, 
et  ragionassimo  molto  insieme  del  presente  negocio,  nel  quäle 
ci  ritroTiamo. 

Et  perch^  saria  molto  tedioso  et  a  me  ü  scrivere  et  a  V. 
S.  R^^  il  leggerO)  quando  gli  volessi  narrare  ordinatamente  il 
tuttOy  maximamente,  che  fiimo  dette  molte  parole  per  ceremonia, 
tocherö  solo  le  parti  essentiali. 

Esso  adonque  mi  disse  in  somma,  che  il  negocio  della  Beli- 
gione,  quando  non  si  li  faccia  provisione  in  questa  Dieta,  era 
per  andar  alla  ruina.  Imperoch^  questo  viver  licentioso,  intro- 
dotto  da  questi  luth"^,  era  plausibile  alli  popnli  non  solamente 
in  Germania,  ma  in  Italia,  in  Erancia  et  altri  paesi;  et  ^)  qui, 
parlando  di  Erancia,  mi  affermö  di  saputa,  ch*  ivi  era  una  grande 
infottione. 

Poi  mi  discorse,  che  nelli  Cath^^  qni  in  Germania,  ancorch^ 
qualcuno  hayesse  buon  zelo,  la  maggior  parte  perö  si  movea  per 
sno  interesse  et  passioni  particolari. 

Nelli  luth°^  etiam  mi  disse  esser  molte  dissensioni,  sl  per 
la  diversita  delle  opinioni  fira  loro,  come  perche  in  molti  luochi 
li  popnli,  vedendo,  che  questa  licentia  di  viver  senza  obligo  alla 
confessione,  ha  prodotti  molti  vitii  et  sceleratezze  abominande, 
sono  giä  satiL 

Et  ^)  che  nelle  Cittadi  libere  dalli  loro .  presidenti  li  sono 
poste  diverse  angherie  per  mantenersi  in  questa  nova  Beligione 
et  con  questo  pretesto  tiranneggiano  li  popnli,  onde  essi  stanno 
con  sospetti  et  li  popnli  malcontenti  di  loro. 

Mi  disse  etiam,  che  li  dottori  et  theologi  loro  stanno  in 
timor  grande,  vedendo  che  il  perseverar  cos!  li  porta  gran  peri- 
colo  et  il  volersi  ritrattare  e  etiam  molto  pericoloso,  temendo, 
che  li  popnli,  come  sedutti  et  ingannati  da  loro,  non  si  li  le- 
vassero  contra  et  li  tagliassero  in  pezzi. 

Et  perö   che   hanno   molto    desiderato    la  venuta  mia  qui. 


^)  Am  Rande  markirt. 

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160  ANALEKTEN. 

parendoli  di  poter  ceder  con  maggior  excusatione ,  che  se  ce- 
dessero  a]r  Echio  et  altri  dottori  della  Natione  Germana,  delli 
quali  essi  eono  stati  sempre  emuli  et  sempre  li  hanno  contra- 
detto. 

Ig  li  risposiy  ringratiando  molto  sua  S*^'^  di  questa  amore- 
Yole  Gommunicatione,  la  quäle  mi  era  stata  gratissima,  con  altre 
simili  parole  convenienti,  oflferendomi  etc.  Entrassimo  ^)  poi  a  ragio- 
nare  delle  difPerentie,  che  sono  fra  noi,  cio^  fra  cath^*  et  luth°' ,  delle 
quali  alcune  erano  essentiali,  nelle  quali  non  si  poteva.  far  alcuna 
alteratione  et  altre  non  cos!  essentiali,  ma  importantissune,  per5 
essende  recepte  giä  tanti  anni  dalla  chiesa  universale,  delle  quali 
diceva  santo  Aug°^  nel  libro  ad  inqmsitiones  Januarii,  che  do- 
Yemo  creder  esser  state  imposte  dalli  Apostoli. 

Discorressimo  circa  le  prime,  nelle. quali  sua  S^'^  toccö  un 
punto  nel  sacramento,  nel  quäle  luthi*^  dicevano  esser  veramente 
et  realmente,  ma  negavano  la  transubstantiatione  del  pane,  il 
quäle  articolo  (disse  esse)  si  poteva  remetter  al  Conc^  universale. 

lo  a  questo  punto  li  dissi,  che,  quantunche  sapessi,  luthero 
nel  principio  haver  detto  questa  positione,  pur  non  se  ne  faccendo 
mentione  nelF  Apologia,  pensava,  che  fusse  mntato,  aggiungen- 
doli,  che  questo  era  articolo  essentialissimo  et  certissimo,  nh  il 
Concilio  potria  terminare  il  contrario  di  esso. 

Nö  li  volsi  dir,  che  in  quel  Conc<>  famosissimo  sotto  Inno- 
centio  tertio,  dove  fumo  forsi  800  Vescovi  insiemi  con  li  Patri- 
archi  Constantinopolitano  et  Alexandrino,  era  giä  stato  determi- 
nato,  per  riserbarmi  ad  un'  altra  fiata,  quando  di  questo  si  par- 
lara  in  particolare,  dove  si  dirrä  questo  et  altro. 

Sua  S^^^  stette  quieta  n^  mi  fece  replica.  Poi  ragionassimo 
in  universale  di  quelli,  che  non  sono  essentiali,  ma  cosl  univor- 
sali  in  tutta  la  chiesa,  nelli  quali,  dissi,  quanto  peiicolo  era  far 
mutatione  senza  gran  circumspettatione ,  per  non  far  un  altro 
Schisma  over'  hora,  over  depo  qualch'  anno. 

Et  qui  li  narrai  deir  aggiunta  fatta  al  simbolo  di  quella 
parola  ex  filio,  dovo  parla  della  procossione  del  spirito  santo, 
come  molte  decine  d*  anni,  dapoich^  fu  fatta,  dette  occasione  del 
Schisma  fra  Greci  et  Latin!,  che  fu  la  causa  della  ruina  della 
Grecia  et  di  tutto  quelle  Imperio; 

Et  perö  che  non  consigliaria  mai,  che  N.  S.  et  insieme  con 
tutti  li  Cath^>  prendesse  questo  carico,  non  ponondolo  pero  in 
desperatione. 

Sua  S"*^  rimase  ben  satisfatta  et  che  io  diceva  il  vero,  con 
cludendo,  che  si  remetteria  overo  ad  un  Concilio  universale  o  a 
sua  S^,  che  la  praticasse  con  Cesare. 


1)  Am  Rande  markirt. 

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SCHÜLTZE^  ACTENSTÜCKE  ZUB  REF.- GESCHICHTE  I.        161 

Lo  ricercai  de  primatu  Pontificis  quello,  che  dicevano. 

Mi  rispose,  che  non  facevano  difficnltä,  imo  che  dicevano, 
noi  retornaremo  sotto  li  Vescovi  et  li  Vescoyi  sotto  il  Pontefice. 

Non  mi  parve  perö  all'  hora  piü  penetrare  in  questo  articolo ; 
etiam  di  dimandarli,  se  confessiariano ,  che  qnesto  primato  fusse 
de  jure  divino,  non  si  mancarä  a  tempo  et  luogo. 

La  dimandai  etiam  della  restitutione  delli  beni  delle  chiese. 

Mi  rispose,  queste  terre,  dicono,  che  li  hanno  spese  in 
canse  pie. 

Dissi  io  qoiy  lasciamo  star  V  intrate  spese ;  io  parle  delli  beni 
stabili,  possessioni  et  altri  simili. 

Mi  rispose,  non  si  haverä  difficnltä,  senon  con  il  Duca  di 
Wirtemberg,  ma  bisogna  gnadagnare  qnelli,  che  si  possono  per 
adeeso;  poi  si  andrä  gnadagnando  di  giomo  in  giomo. 

Li  ricordai  etiam  del  modo,  nel  qnale  procederanno. 

Mi  rispose  ^),  che  tutto,  quello  conferiranno ,  mi  sarä  por- 
tato  come  a  presidente,  ne  si  farä  punto  senza  me,  offerendosi  com- 
municar  etiam  lui  il  tutto  meco. 

Li  ^)  toccai  una  perola  della  deputatione  del  Duca  Fcderico 
Palatino,  della  quäle  li  Duchi  di  Bavera  non  erano  satisfatti. 

Mi  rispose,  che  il  carico  del  Duca  Federico  non  era  in 
negocii  della  fede  n^  del  stato,  ma  solamente  era  referendario  a 
Cesare  et  alla  Dieta  di  cause  particolari,  al  quäle  erano  stati 
dati  agginuti  doi  dottori. 

Questa  ^  la  somma  del  ragionamento  fatto,  et  cosl  sua  S^'^^ 
prese  gratissima  licentia,  et  io  lo  honorai,  quanto  si  conveniva. 

Questa  mattina  ho  referito  il  tutta  al  B.  Yescovo  di  Modena 
et  rho  pregato,  che  facci  intender  a  questi  S"  die  Bavera  Y  of- 
ficio, ch'  io  ho  fatto,  et  la  risposta  datami  circa  la  deputatione  del 
Duca  Federico  Palatino. 

Hoggi  son  stati  a  visitarmi  li  Nuntii  del  Duca  die  Bnms- 
vich  et  mi  hanno  parkte  nel  modo  di  quelli  di  Bavera,  non 
perö  cosl  ardentemente  ne  repudiando  il  progresso  del  CoUoquio. 

Io  li  ho  risposto  con  grande  amorevolezza,  et  essi  si  sono 
partiti  ben  satisfatti,  sicome  a  me  parve. 

Et  non  havendo  per  hora  altro  da  dire,  a  V.  S.  B™*  humil- 
mente  baso  la  mano. 

Da  Batisbona  alli  XVUI.  di  Marzo  1541. 

Hümilis  Servitor  G.  Car^'» 
Contarenus  legatus. 

B*»  alli  m  di  Aprile. 


1)  Am  Bande  markirt. 

Zeitechr.  f.  K.-Q.  IH,  1.  U 

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162  ANALEKTEN. 

No.  4  (ßegensburg,  20.  März  1541). 

Contarini  an  Farnese. 

Per  le  qui  alligate  di  XVHI.  V.  S.  BP»*  vedrä,  quanto  fa 
ragionato  fra  Mons.  di  Grandvella  et  me. 

Dipoi  ini  furno  rese  le  lettre  sue  di  VII.  IX.  et  XI.  con  li 
loro  dupp*^^  tutte  iusieme  il  dl  medesmo  delli  XVni. 

Per  le  quali  intesi  il  progresso  del  S<»*  Ascanio  et  quanto 
N.  S.  mi  commette,  che  io  operi. 

Son  certissimo,  che,  quando  V.  S.  ß"^  haverä  ricemte  le  mio 
di  XIIII  et  XV,  mandate  per  la  posta  di  Trente,  et  1©  di  XVII, 
date  al  Corriere  fiorentino,  quella  vedrä,  che  ö  stato  giä  sufö- 
cientemente  proveduto  al  tutto. 

Sua  M^  si  ritrovava  fuori  a  caccia  et  ö  ritomata  quel  giomo 
istesso  delli  18.  al  tardi.  Io  per  exequire,  quanto  mi  era  comman- 
dato,  dimandai  di  visitar  sua  M^  per  mezzo  del  Nuncio  Pog^o, 
et  cosi  mi  fu  statuita  V  hora  per  hoggi  depo  pranso. 

II  ^)  p*°  Nuncio  ue  parlö  prima  con  Mons.  di  örand?ella 
et  mi  adverti  per  suo  nome,  che  della  materia  del  S^»"*  Ascanio 
non  bisognava,  che  facessi  caldo  officio  con  sua  M**,  perchö  era 
stato  proYisto  et  fiitto  piü  di  quelle,  che  ne  era  stato  detto. 

Hoggi  alle  XXI  höre  sua  M*^  mando  Mons.  di  Prato  con 
la  solita  compagnia  a  levarmi  di  casa,  et  cos)  andai  o  visitarla. 
Essa  mi  venne  incontro  sin*  al  capo  della  scala  come  V  altra  volta, 
con  grau  dimostratratione  di  honorarmi. 

Entrati  et  assettati  con  11  Rdi  Nuncii  Poggio  et  Modena 
mi  rallegrai  di  veder  sua  'M.^  con  assai  miglior  cera  di  quella, 
che  havea  avanti  la  caccia. 

Et  qui  divisassimo  un  buon  pezzo  circa  il  Castello,  do?e  era 
stato,  et  di  diverse  cose  impertinent!  a  negocii. 

Inter  loquendum  a  buon  proposito  io  li  dissi  delle  lettere, 
ricevute  da  Roma,  ©t  che  le  cose  del  S^^^  Ascanio  peggioravano; 
purchd,  sapendo  V  opera  fatta  per  sua  M^,  ch'  io  speravo,  che 
prenderebbono  altra  forma,  destramente  ricordandoli  perö,  oh'  era 
buon  a  replicare,  per  dar  maggior  vigore. 

Sua  M^^  rispose,  che  replicaria  per  il  medesmo  Corriere  et 
che  simil*®  sperava,  che  sua  S^  etiam  essa  usaria  verso  il  S^^ 
Ascanio  gentüezza. 

Io  li  risposi,  che  sapevo,  V  autoritä  di  sua  W^  con  N.  S. 
esser  molto  grande. 

Non  si  venne  dal  canto  suo  ad  alcuna  particularita  di  quelle, 
che  mi  scrive  V.  S.  R™*^,  nö  a  me  parve  di  toccarle. 

Notai,  che,  parlando  del  corriere  venuto,  sua  M^  disse,  che 


1)  Am  Rande  markirt. 

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SCHÜLTZE,  ACTENSTÜCKE  ZUR  REF.- GESCHICHTE   I.        163 

era  stato  spacciato  per  la  Marchesa  di  Pescara,  della  quäle  par- 
lando  disse,  che  era  troppo  savia  per  donna. 

Poi  entrassimo  in  ragionamento  di  questa  Dieta  et  di  questi 
Principi  et  qaella  mi  disse, 

Che  lantgrayio  verrä, 

Et  il  Marchese  di  Brandeburg. 

Di  Saxonia  disse  etiam,  che  verrebbe, 

Del  Conte  Palatino  disse,  che,  ancorche  si  excusava  per  esser 
infermo  et  vecchio,  pur  verria. 

Di  Treveri  disse  etiam,  che  verrebbe. 

Di  Colonia  disse,  che  credeva^  non  füsse  per  venire,  ma  che 
poco  era  V  importantia  della  sua  absentia. 

Del  Maguntino  disse,  che  credeva,  che  verrebbe,  ancorch^  si 
dicesse,  che  era  indisposto,  et  di  esso  poi  fh  ragionato  nn 
pezzo;  sua  M^  disse,  che  era  timidissimo  et  molto  credulo,  ma 
bnono. 

Aggiunse  ^)  sua  M^^,  che  questi  Grermani  dicevano  di  Borna 
ot  di  qualch  bona  reformatione. 

lo  li  risposi  delli  ordini  boni  dati  per  N.  S.  et  che  li  vescovi 
anderiano  alle  loro  Diocesi,  ma  non  era  possibile  far  ogni  cosa 
ad  nn  tratto. 

Li  toccai  di  Oar^^  promessi  da  sna  B"^,  tanto  qualificati 
et  m^K 

Qui  sua  M^  si  appuntö  et  mi  rispose,  sorridendo:  sua  S^ 
ne  ha  fatti  tanti,  che  non  h  da  maravegliarsi,  che  qualchuno  sia 
notabile,  et  mi  dimandö,  quali  Cardinali  erano. 

10  li  risposi  quel,  che  era  il  vero,  che  non  lo  sapevo. 

11  Nuntio  Poggio  disse:  sonno  LIX,  erano  LXIIII;  sono  morti 
cinque,  restano  UX. 

Fu  poi  detto  delli  Cardinali  francesi,  et  sua  M^  disse:  in 
Corte  die  Francia  li  Car^»  vanno  come  qui  li  Clerici. 

Questo  d,  quanto  fn  detto  degno  della  notitia  di  N.  S.  et 
di  V.  S.  R™* ;  essende  stato  giä  un  bon  pezzo  di  tempo,  io  presi 
licentia  da  sua  M^. 

Bingratio  V.  S.  E^^  deir  adviso  mandatomi  et  spero  in  Dio, 
che  non  si  farä  male  alcuno,  se  ben  non  si  facesse  bene. 

Et  a  qnella  humilmente  mi  racc^^  ^^  g,  ^. 

Di  Batisbona  alli  XX  di  Marzo  1541. 

Di  V.  B>na  et  Ill°»a  s. 

Humilis  Servitor  G.  CarJi» 
Contarenus  legatus. 
B*»  alli  m.  di  Aprile. 


i)  Am  Rande  markirt. 

11" 


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164  ANALEKTEN. 

No.  5  (Eegensburg,  30.  März  1541). 

Contarini  an  Farnese. 

Sicome  io  scrissi  a  V.  S.  R™»  per  V  ultime  mie  tenute  fin' 
alli  XXVI  del  presente,  landgravio  d'  Assio  entro  il  giorno  se- 
gnente,  cioe  la  Domenica  alli  XXVn  in  queeta  Citta  con  forsi  du- 
cento  cinquanta  cavalli  armati  et  altre  pompe  secondo  11  costmne 
Germanico. 

Philippo  Melanchthone  era  prima  vennto  con  11  Conte  di 
Anolt,  venuto  qui  in  loco  del  Dnca  di  Saxonia. 

Fu  pol  11  lantgravio  il  lunedl  segnente  alP  audientia  della 
Ces^  M^,  della  qusJe  non  ho  sino  a  qui  inteso  cosa  alcuna  par- 
ticolare,  senonch^  Tlmperatore  11  fece  pochissima  dimostrattione  di 
honore  n^  si  mosse  piü  d'  un  passo  n^  fece  cenno  di  levarseli  la 
beretta,  11  che  fu  notato  da  tutti. 

Li  particolari  circa  il  p*<>  lantgravio  et  altri,  li  qnali  Mens, 
di  Modena  ha  communicato  al  B^^  Nnncio  Vesc^  di  Modena,  esso 
per  sue  lottere  significaria  a  V.  S.  U^^,  et  perö  io,  per  non  te- 
diarla,  non  li  replicarö,  lassando  tntto  il  carrico  di  questo  a  sna 
S»"^*,  sapendo,  che  farä  1'  officio  a  pleno. 

Hier  mattina  famo  a  me  (essende  presente  il  R^^  Nuncio) 
tre  conseglieri  delli  Duchi  di  Baviera  et  depo  le  parole  generali 
deir  affettione  delli  loro  Principi  alla  Religione  et  alla  Sede 
Apostolica,  per  la  quäl  erano  per  poner  le  facculta,  Io  stato  et 
la  vita,  mi  dissero,  che  era  ben  di  advertir  nel  principio  di  questa 
Dieta:  imperoche  da  mal  principio  soguita  mal  fine,  et  improbamo 
molto  il  Colloquio  principiato,  dicondo,  che  nella  Dieta  di  Augnsta 
era  stato  fatto  il  medesmo  Colloquio,  et  fu  data  la  confessione  da 
luth^S  la  quäle  fu  reprobata  in  molti  et  molti  articoli,  et  cosl 
fu  fatto  11  Recesso. 

Peroch^  qui  bisognava  consultar  del  modo  di  mandar  ad  exe- 
cutione  quel  Recesso  et  di  sforzar  luth^i  ad  obedirlo. 

Pol  mi  lessero  la  scrittura  circa  la  consideratione  di  qnesta 
Dieta,  la  copia  della  quäle  sarä  a  questa  alligata. 

Io  li  risposi  con  amorevolissime  parole,  laudando  sonunamente 
la  religione,  prudentia  et  constantia  delli  loro  111""  Principi,  della 
quäle  ne  haveranno  il  premio  da  Dio  et  perpetua  memoria  della 
Sede  apostolica. 

Quanto  alla  propositione  11  risposi,  che  ancorch'  io  volessi  ben 
considerar  et  pensare  in  cosa  di  si  grande  importantla,  prima 
ch'  io  li  rispondessi  resolutamente,  pur  non  restaria  di  dir  quello, 
ch'  io  giudicava  et  mi  occorreva, 

Laudai  prima  sommamente  il  fermarsi  nel  recesso  di  Augusta, 
sicome  loro  S''^®  mi  ricordavano.  Ma  quanto  a  contradir  et  obviar 
al  colloquio  ordinato  nella  Dieta  di  Hagenoa  et  giä  principiato  in 


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SCHULTZE,  ACTENSTÜCKE  ZUR  REF.- GESCHICHTE   I.       165 

Wormatia  con  buon  principio  (dal  quäle,  ancorchö  forsi  non  riu- 
scir^  pur  tutti  li  christiani  hanno  conceputa  bona  sporanza),  era 
cosa  da  esser  ben  avertita  et  di  grandissima  importantia,  perche 
pareria,  che  N.  S*"®  mi  havesse  mandato  qui  di  indiistria  per  dis- 
tnrbar  la  concordia  et  per  poner  la  guerra  in  Germania.  Pareria 
etiam  apresso  li  populi,  che  noi  Catbolici  difßdassimo  della  nostra 
causa,  fuggendo  la  luce. 

Poi  li  soggionsi,  che,  facciasi  quäl  Colloquio  si  voglia,  prima 
10  era  per  lassar  mille  vite,  che  ceder  uno  punto  alla  veritä. 

Dissi  etiam,  che  essendo  questi  lutherani  perversi  et  osti- 
nati,  Gome  essi  dicevauo,  et  io  credea,  nel  colloquio  istesso,  ab- 
breviandolo  et  non  permettendo,  che  si  andasse  per  ambages,  si 
scopreria  la  pertinacia  loro  nelli  errori,  et  a  questo  modo  senza 
scandalo  si  poneria  fine  al  Colloquio. 

Essi  replicamo  (oxcludendo  pur  il  Colloquio)  dicendo,  che  era 
tempo  gittato  yia  et  che  bisognava  proseguir  il  Eecesso  di  Au- 
gusta.  Pumo  nitro  citroque  dette  da  noi  diverse  cose  in  eandem 
sententiam. 

Io,  per  non  exasperarli,  mi  risolsi  di  veder  la  scrittura  con 
il  R^^  Nuncio  et  considerarla  et  poi  li  faria  risposta;  et  cosl  si 
partimo.  Et  dipoi  mi  mandamo  in  scriptis  certe  ragioni  alle 
istesso  proposito,  la  copia  delle  quali  sar^  medesimamente  qui 
alligata. 

Io  con  il  R^^  Nuncio  insieme  veduta  et  considerata  la  scrip- 
tura,  nella  quäle  si  dice  una  sola  parola  del  Colloquio,  ma  tutta 
e  posta  nel  Recesso  di  Aagusta,  io  mi  risolsi  con  il  parer  del 
Nuncio  di  farli  la  risposta,  che  qui  sotto  V.  S.  R™*  vedrä.  Et 
cosl  questa  mattina  feci  chiamar  a  me  li  pt^  Conseglieri,  essendo 
presente  il  Nuncio,  et  li  dissi,  che  hayevamo  veduto  insieme  la 
scrittura  datami  da  sue  S^^,  la  somma  della  quäle  era  il  non 
receder,  ma  insister  nel  Recesso  di  Augusta  con  certe  particola- 
ritä  delli  voti  delli  elettori,  ut  in  ea  re,  et  che  sommamente  lo- 
dava  la  bonth  et  prudentia  delli  Hl™»  loro  Principi,  perchö 
questo  studio  et  diligentia,  che  pongano,  non  puö  proceder  senon 
da  animo  zelantissimo  della  religione  et  prudentissimo. 

Quanto  alla  propositione  contenuta  in  detta  scrittura  11  ris- 
posi,  che  delle  particolaritä  delli  voti  delli  elettori,  non  essendo 
io  prattico  del  costume  delle  Diete,  che  in  tutto  mi  reportava 
alle  loro  Ex*»«. 

Ma  quanto  spettava  al  fermarsi  sopra  il  Recesso  di  Augusta 
ot  non  dar  loco  all'  astutia  de'  luth°i,  li  quali  cercano  di  far 
qoel  Recesso  irito,  io  sommamente  laudava  la  propositione  di 
sue  S"ö.  Imperochö,  sicome  mi  parova  officio  di  Christiane  V 
usar  humanitä  verso  di  loro,  n^  darli  causa  di  exasperarli,  cosl 
ancora  mi  pareva,  debito  nostro  esser  di  non  abandonar  le  nostre 


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166  ANALEKTEN. 

fortezze,  ma  di  star  saldo  in  esse  et  peroche,  qnando  Mons.  di 
GrandveUa  over  V  Imperator  mi  parlassero  del  modo  della  Dieta, 
io  DOD  mancaria  far  sopra  questo  punto  ogni  buon  officio  et  cos) 
credeva,  loro  S*"^®  esser  per  far  nella  Dieta. 

Soggionsi  poi,  che  a  me  parea  m^lio  aspettar  V  occasione, 
che  mi  fasse  parlato,  ch*  esser  io  il  primo  a  proporrlo,  acciö  non 
paia,  che  non  da  me  parli,  ma  spinto  da  altri. 

Mi  udirno  volontieri  et  rimasero  ben  satisfatti,  et  il  piü 
vecchio  di  loro,  il  quak  h  il  tutto  appresso  li  p*i  Principi,  per 
quanto  mi  riferisce  il  B^  Nuncio,  inter  loquendum  disse :  fermate 
quel  Eecesso,  poi  si  potra  far  coUoquio  o  come  parerä  meglio. 

Onde  mi  par,  che  siano  tolti  giuso  da  quella  prima  opinione 
di  perturbare  il  coUoquio,  la  quäl  saria  perniciosissima  et  di  per- 
petua  infamia  della  Sede  Ap<^,  come  di  quella,  che  procuri  di 
poner  V  armi  in  mano  delli  christiani  fra  loro  et  che  sia  nemica 
d'  ogni  concordia  et  bene  de'  christiani. 

Inter  loquendum  otiam  dissero,  che  scriveriano  all'  Ekhio, 
che  venga. 

In  veritä,  Mons.  E™^  non  ci  h  homo,  overo  sono  molti 
pochi,  che  servino  Dio  di  hon  cuore. 

Questi  Duchi  die  Bavera,  vedendo,  che  il  lantgravio  sia  fatto 
grande  et  cos!  il  Duca  di  Saxonia  et  expilano  molte  citta,  essendo 
capi  di  Lutherani,  cosl  vorriano  essi  farsi  grandi  con  V  arme, 
essendo  capi  Catholici,  et,  non  havendo  un  quatrino,  pensano  di 
far  la  guerra  con  li  denari  di  N.  S"^®  et  delli  Clerici  di  Ger- 
mania. 

Veda  mo  V.  S.  BJ^^  a  che  Camino  andiamo. 

Dio  per  sua  bonta  li  ponga  la  mano,  che  certo  qui  in  Ger- 
mania io  vedo  poco  di  bono  ne  mi  merayeglio,  che  li  populi  siano 
in  questa  confusione,  essendo  nelli  capi  seculari  et  ecclesiastici 
et  nelli  Beligiosi  quelle  conditioni,  ch'  io  vedo,  nee  alia.  Sa  ben 
V.  S.  R"^  di  quanta  importantia  sia  la  socretezza  in  queste  ma- 
terie,  max«  volendo  io  parlar  schietto  et  explicarli  le  cose,  come 
rintendo. 

Di  Ratlsbona  il  penult^  di  Marzo  1541. 

Humilis  Servitor  G.  Car^»« 
Contarenus  legatus. 

E^  Eome  (Datum  fehlt). 


Nr.  6  (Eegensburg,  3.  April  1541). 

Contarini  an  Farnese. 

L'  ultime  mie,  le  quali  saranno  a  queste  alligate,  fumo  delli 
XXX  del  passato.     Dipoi   all'  ultimo   giunse  qui  il  E°^^  Magan- 


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SCHÜLTZE,  ACTENSTÜCKE  ZUR  KEP.-GESCHICnTE  I.         167 

tmo  elottore  et  venne  all*  improvista  la  mattina  per  tempo,  il 
qaale,  subito  giimto,  maiidö  tre  soi  conseglieri  a  farmi  intender 
la  sua  venuta,  offerendosi  etc.,  come  si  suol  far  da  buoni  Prin- 
(äpi  CathoHci  et  buoni  figlioli  della  Sede  Ap<^.  lo  li  corrisposi 
oon  amorevoliseime  et  honoreyoli  purole. 

Dopo  pranso  V  istesso  giorno  andö  a  visitare  la  M^^  Ces^, 
dalla  qaale  fa  boE  vedato  et  honorato. 

n  giorno  seguenie  a  d\  primo  dl  questo  dopo  pranso  venno 
a  visitarmi.  lo  Y  honorai,  sicome  si  conyiene.  Pur  ancorche  fussi 
nell'  habitatione  mia^  cosl  consegliato  dal  R^^  Mutinense,  dopo  una 
mod«6ta  reaistentia  presi  il  looo  superiore. 

Sua  S.  Ill»a  prima  per  il  BA^  D.  Julio  Pflug,  suo  Canonico, 
mi  fece  bonorevolissime  et  amorovolissime  parole,  in  expormi  la 
devotionc  sua  verso  la  Religione  et  la  sede  Ap<^,  sicome  h  obli- 
gate; disse  etiam  verso  di  me  qualche  parola  amoreyole. 

lo  li  risposi  con  quella  aifettione  et  miglior  modo,  ch*  io 
seppi,  ma,  per  esser  ceremonie,  io  non  staro  rcpUcarle. 

Poi  sua  S.  R"^**  mi  parlö  essa  et  ragionando  meco  moströ 
molto  di  dubitare  deir  exito  di  queeto  Convento  et  mi  dimandö, 
s*  io  haveva  commissione  di  concedere  alli  Protestanti  qualche 
cosa. 

Io  li  risposi,  che  N.  S*"®,  non  sapendo  quelle,  che  siano  per 
domandare,  non  mi  havea  possuto  dar  commissione  oltra,  che, 
lassando  le  cose  della  fode,  le  quali  non  si  possano  immutare, 
queir  altro  pertinenti  alli  riti  et  simili  materie,  essende  g'ik  tanto 
inveterate  di  anni  et  recevute  da  tutta  la  chiesa,  non  si  posse- 
vano  alterare,  senon  con  gran  maturita  et  gran  consiglio,  per  non 
dar  occasione  overo  hora  o  fra  qualch  anno  a  qualunque  maggior 
disordine  et  schisma. 

Disse  poi  S.  R°'^  che  mandarä  nn  suo  a  conferir  meco, 
et  cosi  partL 

Io,  non  essende  stato  commodo  a  sua  S.  Ill*"^  che  hieri  la 
visitassi»  hoggi  dopo  pranso  sono  stato  da  lei  molto  honorato  et 
ben  yeduto;  havemo  ragionato  un  pezzo  insieme. 

In  conclusione  sua  S.  111°^^  ha  pochissima  speranza,  imo  mi 
ha  detto  inter  loquendum:  ,erit,  erit  dies  non  pacis,  sed  majoris 
discordiae '.  Et  recercandolo  io,  donde  procedea,  che  Cesare  havea, 
buona  speranza,  mi  rispose,  che  sua  M^*  pensava  di  ridurre  il 
lantgravio. 

Questo  h  in  somma  quelle,  ch'  io  potei  ritrare  da  sua  S. 
R™*,  dalla  quäle  poi  presi  licentia. 

li  Conseglieri  delli  Duchi  die  Bavera  fumo  hieri  meco  dopo 
pranso  et  mi  communicamo,  come  la  mattina  li  soi  Principi 
erano  stati  con  la  M^  Ces*  et  in  italiano  per  interprete  li 
haveaüo  propesto  il  modo  dell'  incomminciare  della  Dieta  con  lo 


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168  ANALEKTEN. 

stabilimento  p^  del  Becesso  di  Angosta  et  li  haveyano  data  la 
scrittura,  la  quäle  dettero  a  me  et  sarä,  come  per  V  altre  scrivo, 
a  queate  alligata. 

Sna  M^  li  risposo  molto  amorevolmente ,  per  quanto  mi 
dissero,  et  ringratiö  li  loro  Principi  landandoli,  di  quanto  haveano 
excogitato  del  dar  principio  alla  Dieta,  diccendoli,  che  etiam  loi 
era  intrato  in  questo  medesmo  ponsiero.  Poi  li  rimisse  a  Mona, 
di  Grand vella,  con  il  quäle  conferissero  tutto  il  loro  discorso. 
Si  partirno  ben  satisfatti  da  Cesarea  la  mattina. 

Et  dopo  pranso  mandarono  loro  conseglieri,  cioe  quelli  tre, 
a  Mons.  die  Grand  vella,  con  il  quäle  mi  dissero  haver  fatto 
r  istesso  discorso  et  molto  haveano  ragionato  con  lui,  il  quäle 
laudava  il  consiglio  delli  Duchi,  ma  pero  lo  intricava,  sl  che  non 
erano  partiti  da  lui  satisfatti. 

lo  ringratiai  essi  et  li  Principi  della  communicatione  amore- 
vole  et  li  dissi,  che  a  me  non  era  stata  fatta  ancora  parola,  per5 
non  li  poteva  dir  cosa  alcuna  et  che,  quanto  me  ne  fusse  par- 
lato,  io  farei  buon  officio.  Poi  destramente  li  soggionsi,  che, 
fatto  questo  fundamento  di  fermaro  il  Becesso  di  Augusta,  nel 
modo  di  procedere  era  da  usaro  ogni  gentilezza,  accioch^  tutti 
conoscessero,  che  il  disturbo  non  procede  da  noi  Cath<^i,  ma  dalli 
Protestanti. 

Mons.  di  Modena  h  venuto  a  ritrovarmi  questa  sera,  scri- 
vendo  io  queste  lettere,  et  mi  ha  detto,  che  ritomava  da  Mons. 
di  Grandvella,  conferendo  meco  il  tutto,  quanto  gli  era  stato  detto 
dal  p*<>  Mons.,  come  sarä  a  pieno  per  sue  lettere  scritte  a  V.  S. 
Rma.     perö  ad  esse  mi  riporto. 

Io  cercarö  in  queste  controversie  fra  questi  Duchi  et  Mons. 
di  Grandvella  di  procedere  molto  parco  et  mi  place,  che  non 
mi  habbiano  communicato  cosa  alcuna,  perch^  non  si  pu^  avanzar 
nulla,  ma  ben  si  sta  a  pericolo  di  perdere  assai.  Dio  per  sua 
bontä  lo  guidi  lui. 

Tutto  hoggi  et  hieri  fu  fama,  che  la  Dieta  fasse  per  in- 
comminciare  domani,  ma  h  resoluto,  che  non  s'  incommincia,  sicome 
Mons.  di  Modena  piü  particolarmente  scriverä  a  V.  S.  W^\  la 
quäle  non  restaro  di  pregare  prima,  che  come  mio  buon  padrone 
et  protettore  operi,  che  li  donari  della  provisione  et  delle  spese 
per  questa  legatione  siano  pagato,  acciö  a  tempo  io  li  possa  ha- 
vere  qui,  perchö  ella  sa  beno,  che  per  me  non  ho  il  modo  di 
spendere  et  vivere  su  *1  credito.  Gih,  siamo  in  Aprile,  che  h  il 
terzo  mese;  havrei  caro,  mi  fasse  mandata  la  provisione  per  Mag- 
gie et  Giugno  almeno,  perch^  non  potremo  esser  prima  in  Italia, 
non  che  a  Boma.  Dipoi  prego  V.  S.  B™*,  che  impetri  da  N. 
S"^®,  ch'  io  possa  restare  al  mio  Vescovato  il  mese  di  Luglio  et 
Agosto,  perch^  il  venir  a  Boma  in  quella  stagione  h  pemicioso, 


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SCHCLTZE,  ACTENSTÜCKE  ZUR  REF.- GESCHICHTE  I.        169 

come  che  essa  sa,  et  yisitar  il  mio  Yescovato  a  me  e  nocessaiio. 
Di  questo  desideraria  la  resolntione  hora,  perch^  revocaria  ]a  mia 
famiglia,  che  ho  lassato  a  Roma,  la  qnal  con  minor  spesa  staria 
qnesto  tempo  nelle  nostre  parti  che  a  Roma. 

n  Rmo  Polo,  al  quäle  scrivo,  ne  parlara  a  V.  S.  R"^»  et 
quella  a  lui  sarä  contenta  far  intendere  la  resolutione  di  sua 
B°®,  quam  nohis  Dens  diu  8erYet  incolumem. 

A  V.  S.  R°»*,  quanto  piü  posso,  humilmente  mi  raccom- 
mando. 

Da  Raüshona  all!  III  di  Aprile  1541. 

Humilis  Servitor  G.  Car^^^ 
ContarenUs  legatus. 

Rta  Borne  (ohne  Datum). 


No.  7  (Regenshurg,  5.  April  1541). 

Contarini  an  Farnese. 

Hiersera  a  notte,  ritrovandosi  presente  il  R™®  Nuncio,  venne 
il  R^<>  Vescovo  Atrehatense,  figliolo  di  Mons.  di  Grandvella,  con 
un  secretario  et  mi  disse,  che,  essendo  impedito  suo  padro  da 
certo  catarro,  si  excusaya  meco,  che  non  ora  venuto  esso  in  per- 
sona; perö  havea  mandato  lui  a  mostrarmi  la  forma  della  pro- 
positione,  la  quäle  sua  M^^  era  per  far  nella  Dieta,  la  quäl 
voleva  principiare  hoggi  alli  cinque  con  la  Messa  dol  spirito 
S*^,  ut  moris  est. 

lo  ringratiai  molto  il  Patre  et  il  figliolo  di  questo  officio. 
Poi  mi  fece  leger  la  scrittura,  la  quäle  era  in  lingua  francese, 
uDia  a  parte  a  parte  mi  fu  interpretata  dal  Vescovo  in  Italiano. 

La  continentia  in  somma  di  essa  d,  che  prima  la  M^  Ces^ 
rende  ragione  di  tutte  lo  suo  attioni  depo  V  ultima  Dieta  fatta 
in  Ratishona  sino  alla  convocatione  di  presente  Dieta,  inserendo 
tatte  le  opere  sue,  le  quali  erano  state  improse  contra  Infideli 
et  in  divertire  V  invasione  del  Turco  dalla  Germania,  come  V. 
S.  R"^  yedrä  per  la  copia  di  essa,  che  sarä  con  queste. 

Interpone  etiam  mentione  di  me  honorevole ;  poi  in  ult^  viene 
alla  propositione,  la  quäle  contiene  duo  parti. 

La  prima  pertiene  alla  Religione. 

La  2^  alla  defensione  contra  Turchi,  sicome  quella  vedrä.. 

Nella  parte  pertinente  alla  Religione  faceva  mentione  del 
Becesso  di  Augusta,  ma  molto  breve  et  poco  piena. 

In  ultimo  poi  diceva,  che  la  relatione  fusse  fatta  da  quelli 
dotti  theologi,  ut  in  ea,  alla  M^^  Ces^  et  alli  Stati  delF  Im- 
perio,  n^  di  me  si  faceva  alcuna  mentione. 

Dipoich^  hebbe  fomito   di  leggere  la  scrittura,  io  li  dissi 


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170  ANALEKTEN. 

(premesse  prima  alcnne  amorevoli  parolo)  che,  parlando  co»  bal- 
dezza  et  confidenza,  io  gli  direi  il  mio  parero,  et  dissili  ch'  io 
baveva  notato  dae  parti  in  essa,  nella  qnale  non  mi  satrsfacova. 

La  prima  era  la  commemoratione  del  Recesso  di  AngiiBta, 
dovo  h  un  grandissimo  fondamento  nosiro,  ]a  qnal  pareva  a  me 
poco  piena  et  molto  tenae. 

L'  altra  parte,  dove  non  mi  satisfaceva,  era,  che  nella  rela- 
tione,  la  qaale  era  per  farsi,  non  si  faceva  alcuna  mentione  di 
me,  il  che  era  inginsto,  imperochö  il  gindicio  delle  cose  della 
Religione  non  apertiene  a  laici  nh  allo  stato  delF  Imperio,  ma  a 
N.  B^^  et  alli  soi  representanti ,  taiito  piü,  ch'  io  ero  stato  con 
instantia  ricercato  dall  Mt»  Cosarea. 

Dipoi  che  a  me  parea  grande  indignith  di  N.  S^^  et  di  sua 
Mt^,  -che,  essende  qui  in  persona,  havosse  respetto  di  nominare 
il  Legate  Pontificio. 

Poi  dissi,  che  nel  Becesso  di  Hagenea  et  nella  indittione 
della  Dieta  si  fa  mentione,  che  la  relationo  si  faccia  a  Cesare, 
al  Legato  et  alli  Stati  deir  Imperio. 

Mi  risposo  Mens,  die  Aras,  che  V  eflfetto  sarebbe,  come  io 
d«sideraya,  perch^  mi  saria  communicato  il  tutto,  ma  si  bavea 
respetto  di  non  exasperare  qnesti  Protestant,  maximamento,  che 
di  sopra  si  era  fatta  honorevole  mentione  di  me.  Quanto  all* 
altra  parte,  pertinente  alla  mentione  del  Recesso  di  Augnsta,  non 
si  fermo  molto,  dicendo,  che  si  poträ  farla  piü  piena. 

Io  li  replicai,  che  laudava  il  proceder  con  Protestant!  hnma- 
namento  et  con  ogni  charitk,  ma  non  giä,  che  la  paasasse  in  viltst, 
perch^  qnesto  modo  li  faria  piü  insolent!  n^  era  degno  di  sna 
M^^;  insieme  s!  deye  procedere  hnmanamente,  ma  senrar  perö  le 
convenienti  grayitä  et  dignitk  Li  replicai  le  ragioni  dette  di 
sopra  del  Recesso  d!  Hagenoa  et  la  Indittione  della  Dieta.  II 
vesc<>  air  ult<>  disse,  che  referiria  il  tutto  a  suo  Padre,  et  cos\ 
si  partl  da  me. 

Dopo  nn  terzo  d'  hora,  nel  principio  della  notte,  ritomü  a 
mo,  essendo  partito  il  Vesc^  di  Modena,  et  mi  disse  haver  fatto 
la  relatione  a  suo  Padre,  il  quäl  subito  havea  mandato  il  secre- 
tario  con  la  scrittura  al  Duca  Frederico  Palatino,  il  quäle  era 
il  Capo  del  consiglio,  per  farli  intender  la  mia  risposta. 

Questa  mattina  per  tempo  per  mezzo  del  B^**  Nuncio  feci 
intender  al  yescovo  di  Aras,  che  mi  saria  grato  Y  intendere  la 
resolutione,  che  si  era  presa  circa  quelle,  ch'  io  1!  havea  detto. 
Subito  il  pto  Vesc^  venne  a  me,  disse,  che  il  Duca  con  quell! 
del  Consiglio  erano  stati  insieme  et  che  quanto  alla  mentione 
del  Recesso  di  Angusta  in  todesco  era  fatta  ampla  mentione. 
Siehe  stetti  securo,  che  era  ben  provisto. 

Quanto  alla  2^  parte  della  mentione  del  legato  neUa  rela- 


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SCHÜLTZE,  ACTENSTÜCKE  ZUR  REF.- GESCHICHTE  I,       171 

tione,  che  ad  efisl  päreva,  che  bastasse  qnella  prima  mentione 
et  che  si  pretermetteva  a  bnon  fine,  per  non  exasperar  li  Pro- 
testant!, li  quali  dicevano,  che  il  Papa  g\\  li  havoa  condennati 
et  per6  non  poteva  essor  suo  giudice,  imo  che  certo  erano  per 
esser  condennati  da  saa  S^^. 

lo  li  risposi  con  resentimento  et  con  efficacia,  replicandoli 
prima  le  ragioni  giä  dette  di  sopra  et  che  la  M^^  Oes^  mi  havea 
chiamato  qni  et  che  si  fiäceva  injnstitia  et  che  si  fäceva  nna 
^an  viltä- 

Tandem  li  dissi:  Mons.  io  sono  homo  ingenno  ot  libero, 
perö  vi  parlar<^  liberamente:  h  stato  promesso  a  N.  S""®  et  alli 
sei  Nuncii,  che  Y  aatoritä  et  dignitä  di  soa  S*^  ot  della  Sode 
Ap^  sarä  senza  dubio  piü  presto  angmentata  che  in  pnnto  fat- 
toli  preiudicio  alcuno:  hora  vedo,  che  haveto  rospetto  a  nominare 
un  sno  l^ato  per  non  exasperar  Protestant! :  non  so,  quanta 
speranza  possiamo  havor  di  qnesta  conservatione  et  che  pegno 
ne  habbiamo. 

AU'  ultimo  poi  io  conclusi,  ch'  io  per  me  me  haveria  fatto 
nna  formica  ne  cercava  mia  gloria  alcana,  ma  ben  sapeva  certo, 
che  N.  S*"®  rostaria  poco  satisfatto,  et  cos^  feci  fine. 

Lui,  vedendomi  un  poco  riscaldato,  mi  rispose,  che  faria  la 
relatione  a  sno  padre,  et  si  parü. 

Io  mandai  a  chiamar  il  S^'  Nnncio  et  li  ragionai,  qnanto 
era  passato,  et  con  lui  presi  consiglio,  che  parlassimo  alla  Ces* 
M^,  avanti  che  si  andava  alla  Messa,  et  cosl,  chiesta  audientia, 
andassimo  a  piedi,  per  esser  solo  la  strada  a  mezzo  tra  ]a  stanza 
di  sna  M**  et  la  mia. 

Ginnti  et  intromossi  dalla  M**  soa,  prima  li  dissi,  cho  pre- 
gava  Iddio,  che  mandasse  il  suo  S^  spirito,  del  qnale  dovoyamo 
odir  la  messa,  che  intrasse  nel  core  di  tutti  noi  et  di  Protestant!, 
accio  si  devenisse  ad  una  bona  nnione.  La  ringratiai  poi  delia 
commnnicatione  fattami  della  scrittura  et  li  toccai  quelle  due 
parti  con  le  ragioni  dette  di  sopra. 

Soa  M^,  come  prima  informata,  depo  le  prime  amorovoli 
parole  mi  rispose  quanto  alla  prima  di  Becesso  di  Angusta,  che 
r  havea  veduta  et  che  stava  hone,  ma  erano  cücuni,  che  anda- 
vano  per  aUra  via,  et  accennö  li  JDuchi  di  Bavera  a  mio  ju- 
dicio.  Quanto  alla  seconda  disse  qnel  medesimo,  che  havea  detto 
il  Vesc^  di  Aras,  soggiongendo ,  che  qnesti  Protestant!  erano 
come  animali  fieri,  i!  quali  bisognava  domesticare  a  poco  a  poco, 
sinch^  si  1!  ponesse  il  freno. 

Io  pur  modestamente  1!  replicai  le  ragioni  sopradette  et 
della  conservatione  della  dignit^  et  del  Becesso  di  Hagenoa. 
Tandem  sua  M*^  si  risolse  di  mandar  a  dir  a  Mons.  di  Grand- 
vella,  che  acconciasse  la  scrittura  a  mio  modo. 


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172  ANALEKTEN. 

Poi  sua  M^  volse,  ch'  io  andasse  alla  chiesa  ad  aspettarla 
li,  perch^  in  questi  atti  gli  elettori  vogliono  esser  appresso 
sua  M^. 

Disso  etiam,  che  havea  a  far  certi  negocii  con  li  elettori 
et  accettar  certe  protestationi  sopra  le  differentie  tra  il  Duca  di 
Brunsvich  et  il  lantgravio. 

Et  cosl  mi  partl  et  andai  alla  chiesa  maggiore,  accompag- 
nato  da  alcuni  vescovi.  Li  ritrovai  il  U^^  Moguntino  alla  porta, 
il  quäle  mi  accompagnö  sino  all'  altar  grande  con  gran  reverentia 
alla  Sede  Ap^.  Jnvero  merita  laude  grande  et  memoria  ap- 
presso N.  S'®,  perchö  non  in  punto  alcuno  manca  di  dimostrarli 
ogni  observantia.  Sua  S.  R™»  ritorno  incontro  air  Imperatore; 
a  me  fu  portata  una  honorevole  sedia,  ben  omata  et  in  loco 
honorevole. 

Venne  depo  nn  pezzo  di  tempo  sna  M^  con  tutti  li  altri 
Principi.  Io  feci  la  confessione  con  il  vesc^  a  dextris  et  detti 
la  benedittione  publica  alF  altare»  ancorch^  facessi  intender  al 
vesc^  di  questa  terra  celebrante,  che  lui  la  desse. 

Neir  offertorio  sua  M*^,  credo,  per  il  medesmo  rispetto 
delli  elettori,  mi  havea  mandato  a  dir,  che  io  non  andasse  a 
oflFerire,  perche  non  era  consueto.  Et  cosl  restando  io,  il  R™*^ 
Maguntino  con  li  altri  si  fermö  n^  mal  volse  andare,  s'  io  prima 
non  andava.  II  che  vedendo  sua  M^,  mi  mandö  a  dir,  ch'  io 
andassi,  et  cosl  andai. 

Et  ^)  h  cosa  notabile  questa  et  non  piü  usata,  che  li  elettori 
habbino  voluto,  che  il  Legate  vada  all'  offertorio  nella  messa  loro, 
quasi  come  participe  nella  Dieta.  H  che  non  h  senon  di  honor 
grande  et  autoritä  della  Sede  Ap<». 

L'  Arcivesc^  Bremense  dette  V  evangelio  et  la  pace  a  Cesare 
et  dipoi  la  dette  a  me  solo  depo  sua  M^,  siecht  certo  posso 
dir  d'  esser  stato  molto  honorato. 

H  R^<>  Vesc^  di  Aras  tomö  a  me,  avanti  la  Messa  in- 
comminciasse ,  et  mi  disse,  che  suo  Padre,  Mens,  di  Grandvella 
era  stato  in  persona,  senza  haver  rispetto  de!  catarro,  a  ritrovare 
il  Duca  Federico  et  li  altri  consiglieri,  et  che  si  era  acconciata 
quella  parte  a  mio  modo. 

Sua  M*%  finita  la  Messa,  volse,  ch'  io  restassi  in  chiesa,  et 
essa  andö  nel  loco  della  Dieta  con  tutti  li  Principi,  che  qui  sono, 
dove  prima  fumo  fatte  certe  poche  parole  per  il  Duca  Federico. 
Poi  fu  letta  la  scrittura,  nella  quäle,  come  ho  inteso  da  piü  vie, 
et  V.  S.  R°i*  vedrä  per  quella,  se  dice,  che  la  relatione  si  facci 
a  sua  M^  et  al  Legate  et  alli  altri  stati. 

Domani  a  sette  höre  di  quella  si  darä  copia  a  chi  di  quelli 


1)  Am  Rande  markirt. 

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SCHTJLTZE,  ACTENSTÜCKE  ZUR  REF.- GESCmCHTE  I.       173 

della  Diota  la  yoxtIl.  Quello,  che  ha  negociato  ü  K^**  Nuncio, 
esso  scrive  a  V.  S.  R™*,  perö  mi  riporto  alle  sue  lettere.  Baso 
il  s^o  piede  u.  s.  w. 

Da  Batisbona  alli  cinqne  di  Aprile  1541. 

Humilis  Servitor  G.  Car'»» 
Contarenus  Legatus. 
ß*a  ßome  (ohne  Datum). 


No.  8  (Regonsburg,  7.  April  1641)  ^). 

Contarmi  an  Farnese. 

Questa  mattina  per  tempo  si  parü  qni  un  corrior  fiorentino, 
per  il  quäle  ho  scritto  pienamente  a  V.  S.  R"»»  tutti  gli  successi 
occorsi  fin'  a  quesV  hora,  et,  partendosi  questa  sera  il  Cap"^ 
Maddonato,  per  lui  mando  il  dupplicato  di  quello  ho  scritto,  salvo 
che  dela  proposta  della  Ces^  M^^  fatta  nella  Dieta,  la  quäl  non 
posso  replicare  per  queste,  non  havendo  potuto  per  la  brevita 
del  tempo  haverne  altra  copia  che  quella  ho  mandata  a  V.  S. 
ßma  in  todesco  et  in  latino:  ma  penso  in  ogni  modo,  che  quelle 
lettere  verranne  a  bon  recapito  et  lei  la  vedrä  per  quelle.  Ho 
dnpplicate  queste  per  non  mancar  di  diligentia  in  quello,  ch'  io 
posso. 

Et  perchö  per  Y  altre  mie  non  ho  scritto  a  V.  S.  B™*  et 
Ilima  la  receputa  dele  sue  deUi  XXV.  capitata  qui  al  p°  di 
Aprile,  lo  feccio  per  questa. 

£t  cerco  a  non  lassar,  che  il  Pighio  metta  per  hora  fora 
ü  suo  libro,  prima  ho  scritto  a  V.  S.  B*»*,  come  si  li  era 
provisto. 

Et  a  lei  humilt®  mi  racc^°  u.  s.  w. 

Di  Ratisbona  alli  YII  di  Aprile  1541. 

Multo  mi  congratulo  con  V.  S.  R"^*  della  legatione  di 
Avignone.  Prego  il  nostro  S^^  Dio,  che  lassi  godorla  in  grazia 
sua  et  prosperitä. 

Humilis  Servitor  G.  Car^»« 
Contarenus  legatus. 
Rta  Bome  (ohne  Datum). 


1)  Eine  nur  wenige  Zeilen  umfassende  Depesche  Contarini's  vom 
6.  Apiil  ist  hier  nicht  zum  Abdruck  gebracht  worden,  weil  sie  nur  un- 
wichtige geschäftliche  Notizen  enthält. 


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174  ANALEKTEN. 

No.  9  (Kegeiißburg,  April  1541). 

Contarini  an  Farnese. 

Per  r  nltime  mie  di  cinqBe  et  di  sette  del  pöte  V.  8.  B,^^ 
haverä  inteso,  quanto  sin*  ad  hora  e  occorso  degno  di  sua  no- 
titia,  con  le  quali  mandai  la  propositiono  fatta  nella  Dieta  dalla 
Ces^  M^  et  li  significai  la  difQcultä,  che  si  hebbe  per  far  ag- 
gionger  qnelle  parole,  nelle  quali  si  £a  mentione  di  me  nella 
relatione,  che  si  ha  da  fare,  la  translatione  della  qoale  io  non 
vidi  se  non  depo  fatto  il  plico  nh  in  tutto  mi  satisfa.  Pur,  non 
potendosi  piü  di  quello  si  pu5,  potemo  passarla  cosl.  Quello  che 
poi  e  seguito  V.  S.  R™*  vedrä  qui  sotto. 

Ma  avanti  che  altro  scrivo,  li  dlrö  alcuna  cosa  per  non  li 
parer  negligente  et  oblivioso  di  quello,  che  mi  commise  N.  S"^®, 
et  so,  che  sua  S^  sommamente  desidera,  n^  io  meno  di  altri, 
cioö,  di  procurar  la  pace  tra  la  M**  Ces»  et  il  Ee  Christian™®, 
dalla  quäle  come  da  primo  fondamento  dopende  il  ben  della 
Chr^,  sicome  dalla  discordia  loro  ne  nasce  la  ruina. 

Essende  adonque  memore  di  far  ogni  buon  officio,  non  nü 
h  parso  di  haver  occasione  opportuna  in  questo  principio  della 
Dieta,  perchö  hayendo  costoro  havuto  sospitione,  che  dal  canto 
nostro  siano  posti  impedimenti  alla  concordia,  facilmente  quando 
si  fosse  entrato  per  noi  in  questa  pace,  haverimo  possuto  entrar 
nell*  istessa  et  in  maggiore  sospitione,  onde  tntti  li  disturbi« 
proceduti  dalli  Duchi  di  Bavera  et  altri,  haveriano  attribuiti  a 
noi  come  antori  di  quelli. 

AI  negocio  etiam  del  S^'  Ascanio  procnrato  da  N.  S.  si 
haveria  dato  qualche  impedimento,  ponendo  in  nn  medesimo 
tempo  quest*  altra  prattica,  della  quäle  per6  non  si  pnö  far  buona 
riuscita. 

Aspettando  donque  miglior  occasione,  sono  andato  intertenuto 
sin'  hora,  che  ultimamente  parlai  con  la  Cee^  M^,  sicome  qui 
sotto  li  dirö  appresso. 

Hora  per  tomar,  dove  io  la^ciai,  dico,  che  dapoi,  che  Cesare 
face  la  propositione,  questi  Signori  sono  stati  in  consulta  per  la 
risposta,  Protestanti  da  per  se  et  Catholici  da  per  se,  sicome 
volevano  U  Duchi  di  Bavera. 

Protestanti  prima  fecero  risposta  a  sua  M^,  nella  quäle  si 
risolvevano  di  poter  consentire  overo  dissentire  da  coloro,  li 
quali  fussero  proposti  da  lei.  Dipoi  non  si  satisfacendo  Cesare, 
in  tutto  et  per  tutto  rimessero  V  arbitrio  in  soa  M*^. 

Catholici  fecero  prima  la  risposta,  copia  della  quäle  sara 
a  questa  annexa,  nella  quäle  dicevano,  che  nella  deputatiene 
non  si  facesse  da  Cesare  cosa  alcuna  senza  consiglio,  saputa  et 
Yolunta   delli   Principi   et   consiglieri    della  Dieta.     Et  che   non 


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SCHÜLTZE,  ACTENSTÖCKE  ZÜE  REF.- GESCmCHTE  I.        176 

poievano  rispondere  quanto  alla  materia  del  Turco,  se  prima  non 
si  tenninaya  queeta  controversia  della  Keligione. 

Sua  M^  Ces^  non  si  saüsfece  et  li  mandö  a  meglio  con- 
suitare. 

A?anti  la  resolutione  loro  (de  qua  infira)  il  martedi  s^,  hoggi 
terzo  gioino,  avanti  che  Cesare  si  ritirasse  di  caea  sua  perö, 
donde  non  h  partito,  mi  parve  esser  a  proposto  ?isitarlo,  et  cos) 
dopo  pranBo  uidai  a  sua  M^,  accompagn^  da  Mons.  di  Prato 
et  dal  B.  Nuncio  di  Modena. 

Intiati  a  sua  M^  il  Nuncio  et  io  fiiasimo  amorevolmeute 
raccolti,  et  assettati  dopo  le  prime  parole  ceremoniose,  si  entrö 
a  ragionaro  del  pnte  negocio  et  della  risposta  di  questi  Principi. 

Sua  Mt^  disse,  11  Protestant!  si  hanno  risposto  et  si  hanno 
nmesso  in  tutto  in  me.  Li  Oatholiet  ancora  non  si  sono  resoluti, 
benchä  ie  Terre  franche  Catholiche  si  sono  appostate  da  loro  et 
etiam  esse  si  hanno  rimesse  in  me. 

£t  chiedendo  io^  se  fm&  M^  era  per  deputar  Theologi  overo 
altri  (il  che  dissi,  perche  qualchuno  haveva  detto  al  B.  Nuncio, 
che  Cesare  yoleva  deputar  Principi),  mi  rispose:  deputaro  Theo- 
logL  Vorria  ileputar  etiam  qualche  altro  come  neutrale,  il  qualo 
li  contenesse  insieme  nel  conlerimento,  che  fanno,  ma  Principi 
non  mi  place,  perche  se  volessi  deputar  U  Catholici,  queili  altri 
vorriano,  che  si  deputasse  delli  loro;  et  volendo  deputar  Principi 
di  ambedue  le  parti,  fiacilmente  yerriano  alle  man!  tra  loro.  Perö 
non  so;  pensarö  et  il  tutto  communicarö  con  voi.  £t  queste  pa- 
role inter  loquendum  me  le  replicö  due  volte. 

Poi  entrassimo  a  ragionar  delle  cose  de'  Turchi.  Sua  Mt^ 
moströ  di  non  esser  senza  gran  sospitione,  che  il  Turco  faccia 
impresa  contra  christiani  quest*  anno,  perch^  giä  era  riposato  et 
hayea  notato,  che  suole  procedere,  come  hora  fa,  cio5,  che  prima 
si  dice,  che  farä  impresa,  dipoi  questa  fama  si  raffredisce,  tan- 
dem  poi  fa  la  impresa,  onde  se  dubita,  che  etiam  quest*  anno 
non  faccia  11  medesmo. 

Bagionassüno  della  militia  loro  et  delle  forze.  Qui  sua  M^ 
disse:  le  forze  delli  Turchi  sono  le  nostre  discordie;  se  noi  fus- 
simo  concordi,  non  sariano  grandi. 

Io  qui  hayendo  questa  occasione  dissi:  Sire,  dapoi  che  h 
cosl,  come  dice  V.  M**,  et  h  invero  cosl,  quando  spera  V.  M^^, 
che  si  fiäccia  questa  coucordia? 

Mi  rispose:  da  me  non  ha  mancato;  ho  fatto  quel  ch*  io 
debbo,  et  piti  di  quello  ch'  io  debbo.  Ma  in  altri  non  si  yede 
bnona  intentione,  ne  si  yuole  concordia  fiaterna,  ma  mando,  cio^ 
esser  padrone  et  commandare.  Perö  bisogna,  che  Dio  li  muti 
il  euere. 

Io  qui  modestamente  li  dissi:   Sappiate   certo   V.  M^,   che 


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176  ANALEKTEN. 

tutta  la  christianit^  non  aspetta  miglior  nnova  di  questa  ne  li 
potria  venir  nuoya,  la  quäl  si  udisse  con  piü  allegrezza  di 
questa. 

Disse  sua  M^:  Dio  lo  faccia;  et  cosl  s*  intrö  in  altro  ra- 
gionamento. 

Mons.  di  Modena,  il  quäle  era  piü  commodo  alla  luce  et 
La  miglior  vista  di  me,  dopoich^  fussimo  partiti,  mi  disse  >  che 
sua  M^  parlando  della  pace  et  dicendo  le  parole  di  sopra  scritte, 
s*  impallidl  tutta  et  tutta  si  commosse. 

Intrassimo  in  ragionamento  della  miseria  di  questa  Provincia, 
doye  non  ci  h  piü  alcuna  religione,  extinti  li  divini  officij  nö 
piü  quasi  segno  di  vera  christianitä,  et  a  bon  proposito  dicendo 
io,  che,  se  Dio  non  desse  grazia,  che  hora  si  facesse  qualche 
bon  principio ,  essende  commodo  a  sua  M^,  che  la  sua  presentia 
importaria  molto  alla  executione  et  al  fare,  che  nelli  populi  giä 
desviati  s*  inducesse  la  Beligione. 

Sua  M^^  disse ,  che  non  era  possibile,  n^  dimoströ  di  haver 
puhto  di  tal  pensiero. 

Quanto  alla  sua  armata,  disse,  che  non  sapeva  ancora  la 
resolutione,  se  andaria  verso  levante,  perch^  11  Principe  li  hayeva 
avisata  la  sua  opinione,  la  quäle  era  differente  dall'  opinione  di 
sua  M^,  onde  li  havea  rescritto  et  aspetava  risposta,  et  pen^ 
che  non  sapeva. 

A  me  non  parve  dommandarli  le  ragioni  et  le  particolarita, 
che  saria  stato  immodesto,  per5  presi  licentia. 

Hieri  pol  che  fu  il  Mercore  questi  Principi  Catholici  si 
sono  resoluti  in  remettersi  a  sua  (M*») ^) 


No.  10  (Regensburg,  24.  Juni  1541). 

Contarini  an  Farnese.  ^) 

L*  ultune  mie,  le  quali  seranno  a  queste  alligate,  non  fn- 
rono  aspettate  da  uno,  che  parü  di  qui  aJli  XX.  per  Napoli,  pero 
seranno  con  queste.  Alli  XXI.  al  levar  del  sole  giunse  qui  la 
M^  del  Re  dei  Bomani,  il  quäle  smontö  alla  stanza  della  M^ 
Ces^  et,  abbracciatisi  insieme,  andö  alla  sua  stanza  di  dentro  via 
per  un  ponte,  il  quäle  cong^unge  una  stanza  coli*  altra.  All* 
hora  poi  di  pranso  giunse  il  corriero  con  le  lottere  di  V.  S.  B™* 


1)  Der  Schluss  dieser  Depesche  war  bisher  nicht  aufzufinden.  Aus 
dem  Inhalt  scheint  sich  zu  ergeben,  dass  sie  etwa  Gründonnerstag, 
14.  April  geschrieben  ist. 

*)  Die  Adresse  dieser  und  der  drei  folgenden  Depeschen  (No.  10  bis 
13)  findet  sich  nicht  angegeben,  doch  ergiebt  sich  aus  dem  Inhalte,  dass 
dieselben  ebenfalls  an  Farnese  gerichtet  sind. 


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SCHÜLTZE,  ACTENSTÜCKE  ZUR  REF.-GESCHICHTE  I.         177 

di  Xnn.,  tenute  alli  XV.,  le  quali  farono  lette  dal  E^<>  Nuncio 
et 'da  me  et  vedute  diligentemente  et  con  grau  piacere  per  la 
sapientissima  risolutione  fatta  da  N.  S'^^  sl  circa  la  lega  catho- 
lica»  come  circa  ü  concilio.  Parve  a  noi  importono  chieder  quel 
giomo  audientia  daUa  M^  Ces^  essende  ritirata  col  Ser°^o  Be 
dei  Bomani;  ende  la  sera  la  dimandassimo  per  il  giomo  segnente, 
che  fn  boggi  terzo  giomo.  S.  M^  depo  pranso  si  escnsö  di  non 
potermi  ndir,  dicendo  perö,  che  pensava  di  saper  quelle,  ch'  io 
hayeYO  da  dirle;  hieri  parimente  si  escusö,  repetendo  V  istesse 
parole. 

Fn  perö  8.  M^  occupata  con  il  Be  dei  Bomani  in  alcune 
differenze  di  precedentia,  le  quali  hanno  insieme  alcuni  di  questi 
PrincipL  Hoggi  depo  pranso  siamo  stato  a  S.  M^  Ces^,  alla 
quäle  io  feci  la  espositione  commessami  per  lettere  di  Y.  S.  B^"* 
della  protesta  prima  delP  animo  di  N.  &^  in  tutte  le  cose,  dove 
fasse  Interesse  della  religione  christiana,  poi  discesi  a  queste  lega 
catholica  et,  per  non  tediarla  con  molte  parole  procedendo  secondo 
r  instmttione,  che  Y.  S.  B"^^  mi  6k  per  sue  lettere,  li  dissi,  che 
S.  S^^  mi  hayeya  mandato  V  instmmento  authentico  della  L^a 
et  le  police  per  ^.  V-  ^) 

Poi  entrai  nelle  cose  de*  negotii  della  religione  et  in  huona 
parte  fatto  il  discorso  prudentissimo,  il  quäle  nelle  lettere  di  Y. 
8.  B™^  si  contiene,  le  esposi  la  risolutione  di  N.  S^^  fatta  in 
consistorio  di  levare  la  suspensione  dei  concilio,  giä  fatto  a  re- 
qnisitione  di  8.  M^  et  dei  Be  dei  Bomani,  et  di  celebrarlo 
quanto  piü  presto  si  possa,  se  perö  a  S.  M^  non  occorresse 
qualch'  altro  rimedio,  il  quäle  satisfacesse  al  bisogno  in  ogni 
parte  senza  il  concilio.  8.  M^  mi  rispose  quanto  alla  lega  catho- 
lica, che  li  piaceva,  che  N.  8'^  havesse  mandato  U  ^.  V*  ^^ 
che  fasse  risoluto  in  questa  lega,  ma  che  bene  seria  stato  meg- 
lio,  se  questo  si  fasse  fatto  nel  principio,  et  disse,  che  detta  Lega 
non  era  risoluta,  perch^  non  Toleva  entrare  in  lega  con  Principi, 
che  Io  ponessero  in  guerra  etiam  contra  sua  voglia,  11  quali,  con 
pretexto  di  difendere  la  religione,  hanno  intentione  molto  diversa. 
Et  qui  si  estese  molto  narrando  li  modi,  che  tengono  superbi 
prima,  ma  questo  ci  disse  si  potria  comportare,  ma  varii  con  di- 
mostratione  di  mala  intentione.  Quanto  alla  proposta  dei  concilio, 
disse,  che  li  piaceva  veder  la  prontezza  di  N.  8"^«  in  celebrarlo 
et  che  lui  molto  V  baTeva  richiesto  da  Papa  demente  et  da  8. 
8^,  ma  che  li  pareva  doversi  prima  aspettare  la  risolutione  della 
Dieta,  perch^  crede?a,  che  essi  Principi  Io  dimanderiano.  Io 
replicai  a  8.  M^,  quanto  alla  lega  catholica,  che,  se  prima  non 
se  n'  haveva  parlato,  la  colpa  non  era  di  N.  8^«,  ma  mia,  im- 


^)  S.  Laemmer,  Mon.  Tat.  n.  ccxxi,  p.  377. 

ZeiUehnft  f.  K.-0.  Ilf,  1.  12 


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178  JLNALEKTEN. 

jperoch^y  come  altre  Yolte  io  gli  bayeya  detto,  avanti  la  partenza 
mia  da  Borna  io  mi  Tolsi  chiarir  con  3.  S^  di  queeta  Lega^et 
da  essa  hebbi  amplissima  commisBione,  ma  tennto  qni  al  colloqoio 
oon  speranza  di  far  concordia  oon  questi  protestanti  non  mi  parve, 
f^e  a  proposito  parlare  die  Lega  catbolica  per  non  poner  dis- 
tnrbo  alla  concordia.  S.  M^^  rispose,  ch'  io  haveyo  fatto  bene, 
come  anche  altre  volte  mi  hayeva  risposto.  Segoitai  poi  et  gli 
dissi,  che  landayo  la  sapienza  di  S.  M^^  in  non  lassarsi  condnrre 
alla  guerra,  ma  che  a  me  pareya  il  remedio  esser  prontiBsimo, 
hayendo  qui  in  absentia  sna  il  Be  dei  Bomani,  il  quäle  per  la 
degnitä,  per  il  stato  et  ogni  altra  ragione  hayrä  la  bri^ia  in 
mano  nh  sarä  guidata  da  altri,  ma  essi  seri  la  gnida  d'  altmL 
Dissi  etiam,  che  landayo  la  destrezza  et  hnmanitä  usata  da  8» 
M^  yerso  questi  protestanti,  ma  ben  mi  pareya  etiam,  che  fasse 
a  proposito  dall'  altra  parte  stare  sopra  la  ripntatione  et  far  le 
proyisioni  debite,  acciö  non  s'  innalzassero  tanto. 

8.  W^  *)  ri^osCy  che  questi  Prindpi,  nominando  U  Ducht 
di  Baviera,  quali  dicono,  san  cath^,  saranno  cause  et  innat-^ 
tfore  li  Protestantin  perchdy  quando  vedrä  ü  proceder  loro  non 
con  bona  intentione,  che  essa  farä  altera  provisione,  accennandOf 
imo  qtiosi  expressamente  signifieando^  che  prenderä  appunta- 
mento  con  Protestantin 

Io  li  repUcm,  che  motte  voUe  U  Principi  savii  con  destreeza 
si  servono  etiam  di  queUi,  che  non  han/no  cosi  bona  interUione, 
ma  ch'  io  credevo  certissimo,  che  questi  Principi  Bavari  U 
sariano  fideUssimi  et  öbsequentissimi  y  sopra  che  ü  Nuncio  fece 
honissimo  officio,  per  rimover  da  S.  If*^,  questa  mala  mpressione. 

Beplicö  8.  Jf*^,  che  hora  con  t  effetto  Io  vedria  et  ne 
lassö  irresduti  circa  la  condusione  di  questa  Uga  cath^. 

Qaanto  poi  al  Concilio,  io  li  dissi,  che  a  me  pareya  molto 
megliOy  che  la  sospensione  d'  esso  prima  fasse  rimossa  da  S. 
S*^,  che  richiesta  da  questi  Principi,  sl  perchö  piü  si  seryaya 
la  degnitä  et  auttoritä  della  sede  apostolica,  alla  quäle  appar* 
tiene  il  conyocare  il  Concilio,  sl  etiam  perch^  si  dimostraya  alla 
Germania  et  tutti  i  christiani  quella  buona  intentione ,  che  S.  S^ 
ne  ha,  facendo  da  lei  et  non  a  requisitione  d*  altri. 

Dissi  etiam,  che  qnesti  Principi  piü  facilmente  si  risolyeriano 
al  Concilio,  yedendolo  gik  intimato  da  S.  B°®.  Mi  rispose  S. 
M^^  che  a  lei  pareya  esser  pericolo  grande,  quando  si  proponga, 
prima  ch*  essi  Io  ricerchino,  di  non  indurli  a  ricercare  un  con- 
cilio qui  in  Germania  oyero  un  concilio  nationale  come  sempre 
hanno  desiderato.  Io  gli  replicai,  che  per  concilio  nationale  non 
si  poteya  trattare  die  cose  della  f)9de,  le   quali   appartengono   a 


1)  Im  Original  chiffrirt. 

Digitized  by  VjOOQIC 


SCHULTZE,  ACTENSTÜCKE  ZUR  REF.-GESCHICHTE  I.        179 

tatta  la  chiesa  universal.  Quanto  al  concilio  in  €rermania,  dissi 
sapere,  che  altre  volte  S.  M^  con  grand™«  ragioni  V  haveva 
disxtaso.  A  questo  punto  rkpose  S.  M^^,  che  essa  era  dell'  is- 
tessa  opiiüone  et  che  perö  11  pareva  meglio,  che  si  aspetasse  la 
lisoiutioiie  della  Dieta  et  ehe  costoro  lo  richiedessero ,  perch^ 
allora  bi  publicheria  la  rkolutione  di  N.  S^®  et  quando  questi 
Principi  rieercassero  concilio  in  Germania,  essa  torrebbe  questo 
carieo  di  opponersi,  che  il  Concilio  non  si  facesse  in  Germania. 
Yedendo  io,  che  S.  M^^  andava  a  Camino  di  dilatione,  le  dissi^ 
che  S.  S^^  giä  havera  fatta  questa  risolutione  in  consistorio. 

JSt  ^)  destramente  li  toecai  di  communioarla  al  Magun- 
Uno;  £L  W^  stette  alquanio  sopra  di  se  et  disse,  come  ü  Ma- 
guntino  lo  saperä,  lo  aaperä  meza  la  corte,  oltra  cii  io  t  ho 
so^^o,  perckh  giä  quaranta  dl  per  li  cath^  detti  di  sopra  mi 
^  stato  fatio  richiesta  di  questo  concilio  et  so  ^  che  li  Duchi  di 
Baviera  hanno  mandato  uno  a  Borna,  ende  potria  esser,  ehe  la 
venisse  da  hro.  II  Nuntio  disse,  che  quel  messe  era  andato 
per  cose  private  *). 

S,  M^^  rispose:  sotto  le  cose  private  molte  volte  si  trat- 
tano  le  putUche. 

Et  tandem  poi  si  riaolse  di  voler  ragioitame  et  consultare 
col  Be  dei  Bomani  et  poi  mi  daria  risposta.  lo  modestamente 
li  risposi,  che  havevo  in  commissione  di  rispaceiare  in  diligentia 
ü  eorriero  venato.  Disse  S.  M^:  fra  doi  giorni,  et  tandem  poi 
disse,  Inned)  mi  daria  risposta.  Qnesto  ^,  qnanto  havemo  potato 
haTor;  a  noi  parve  incivilitä  il  non  accettare  qnesto  termine  et 
oosl  aspetteremo  sino  a  luned]^;  ma  acciö  K  Si*^  non  stia  molto. 
ia  espettatione,  havemo  deliberato  di  espedir  queste  nostre  per 
staffetta  et  ritener  il  eorriero ,  sin  ch*  habbiamo  la  risp^  risolnta 
da  Oesure  per  espedirla  poi. 

Et  a  V.  S.  R°**,  non  havendo  per  hora  altro  da  dirle^ 
hmnilmente  mi  racc^^  u.  s.  w. 

Di  Batisbona  alli  XXIV  di  giugno  1541. 

Hnmilis  Servitor  G.  Car"» 
Ck)Mtarenus  legatus. 


1)  Chüfrirt. 

*)  Daßs  der  Nuntius  diese  Behauptung  wider  besseres  Wissen  ge- 
tan, geht  ans  dnem  Briefe  ebendesselben  vom  6.  April  hervor:  „öli 
Dnchi  di  Bavera  mandano  un  Gkntir  homo  a  posta  a  N.  S^;  et  a  me 
hanno  detto  mandarlo  solo  per  haver  la  resolutione  della  croce,  sopra 
che  hanno  voluto  una  mia  lettera  racc^^o  a  N.  S.,  ma  ho  inteso,  lo 
mandano  ancor  per  dltra  cattsa  et  tnaxime  per  gli  presenti  trattati 
äi  Germania,  perchfe  hanno  alti  concetti  et  sono  desiderosi  di  cose 
nove"  u.  8.  w.     Das  vollständige  Schreiben  folgt  später. 

12* 


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180  ANALEKTEN. 

No.  11  (Regensburg,  19.  Jnli  1541). 
Contarini  an  Farnese. 

Dopo  r  ultime  mie  di  XVTI.  a  qneste  annexe  li  stati  dell* 
Imperio  hanno  fra  loro  consnltato  circa  le  risposte  fiatte  per  la 
Oes^  M^  et  per  me  nel  negocio  della  Beligione,  desiderando 
alcuni  di  loro,  che  li  punti,  nelli  quali  si  sonno  accordaü  li  coUo- 
cutori  di  ambe  le  parti,  siano  approvati,  presa  occasione  dalla 
scrittura  della  M*^  Ces»,  nella  quäle  pare,  che  dica,  V  opinione 
mia  esser  V  istessa,  bench^  sia  in  tutto  contraria. 

Sono  stati  infra  loro  et  ancora  sono  in  controversia  dal 
delU  elettori,  cio^  il  Maguntinense  et  Treverense;  non  TOgUono, 
«he  sia  approvata  cosa  alcuna  iuxta  la  mia  risposta. 

n  Palatino,  Brandenbnrgense  et  Coloniense  vogliono,  che 
sino  al  Conc<^  non  si  pongano  in  controversia,  ma  siano  ap- 
provati. 

Nel  stato  inferiore  (per  quäle  intendo)  la  maggior  parto 
sente  con  il  Maguntino  et  Treverense. 

Alcuni  perö  sono  con  li  tre  elettori. 

Mi  farono  a  parlare  li  agenti  del  R™<>  Maguntino  et  Tre- 
yerense  et  mi  explicamo  questa  diversitä,  ch*  era  fra  loro, 
dependente  in  gran  parte  dalla  scrittura  di  Cesare  et  dalla  inter- 
pretatione  della  mia  scrittura  fatta  da  S.  Mt^. 

lo  li  risposi,  che  la  mia  risposta  era  chiarissima  et  consul- 
tata  dal  B"^^  Maguntino,  li  Duchi  di  Bayera  et  altri  Cath<^^  et 
<;he  oltre  la  scrittura  palam  ad  ognuno  io  havevo  detto  Y  opini- 
one et  resolutione  mia,  ma  che,  se  li  pareva,  che  bisognasse,  che 
io  facessi  altra  scrittura  per  la  maggior  dichiaratione,  io  la  farei 
volontieri. 

Et  respondendomi  loro,  che  saria  buono,  io  li  dissi,  fiatela 
Yoi  et  consultatela ,  voi  et  poi  portatemela,  ch*  io  la  sotto- 
scriverö. 

Mi  ringratiarno  et  mi  portamo  poi  la  scrittura  fatta  per 
loro,  la  quäle  io  sottoscrissi. 

La  mattina  sequente,  cio^  hieri,  ritomamo  et  volsero,  che 
si  scancellasse  una  linea  di  quella,  che  mi  haTevano  data,  et 
me  la  riportamo.  Io  fui  contento  et  sottoscrissi  la  2^,  rihavuta 
la  prima.  La  copia  con  il  verso  scancellato  mando  a  queste 
annexa. 

Hieri  dopo  pranso  questi  Eever^^  et  HI^  Yescovi  mi  man- 
darono  alcuni  loro  nuntii  et  communi  nomine  mi  ringratiarno 
della  exortatione  charitativa  et  santa,  ch*  io  gli  havea  fatta,  la 
quäle  si  sforzariano  di  mandar  ad  esecutione. 

Mi  dettero  poi  la  risposta  loro  in  scriptis,  la  quäle  sarä  con 
queste. 


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SCHÜLTZE,  ACTENSTÜCKE  ZÜK  REF. -GESCHICHTE  I.         181 

lo  HÖH  11  potei  fare  altra  risposta,  percbd  si  partirono  avanti, 
che  la  legesse,  ma  continuamente  ragionando  con  loro  particolar- 
mente  li  ho  fatto  intendere,  che  la  dilatione  del  conc^  h  pro- 
ceduta  non  da  N.  S.,  ma  dall'  Imp'®,  dal  Be  dei  Bomani  et  dal 
fie  di  francia.  Di  celebrarlo  etiam  in  Germania,  li  ho  fatto  in- 
tender  esser  impossibile  n^  cessarö  di  replicarlo  a  tempo  et 
luoco. 

La  risposta  sopradetta  non  contiene  altro  che  il  conc^,  si- 
come  V.  S.  E»"»  vedrä. 

I  Protestant!  hanno  ancora  essi  dato  la  sna  risposta  alla 
mia  scrittora,  la  qoale  non  contiene  altro  che  querele  contra  di 
me,  come  medesmamente  Y.  S.  E°>^  vedr^ 

La  partita  di  sna  M^  (sicome  anche  ho  scritto  per  le  altre) 
sarii  alli  XXYI. 

Mi  dnbbito,  che  non  si  farä  recesso  avanti  la  partita  di  S. 
M*^,  la  quäle  perö  mi  ha  promesso  et  hieri  replicato  al  Eev^<^ 
Nnncio,  che  non  si  farä  cosa  alcnna  senza  participatione  mia. 

lo  sono  in  dnbio,  se  meglio  sarä,  ch*  io  mi  parta  avanti, 
che  si  faccia  il  recesso. 

Io  me  ne  anderö  per  la  Tia  diritta  in  Ispruk  et  Brixina  et 
de  li  mi  inviarö  per  Cividale  per  visitare  il  mio  grege,  doye 
desideraria  poter  fermarmi  qualche  giomo  et  per  tanto  in  detto 
Inogo  aspettarö  lottere  di  Y.  S.  B^^S  che  mi  commettano,  qnanto 
ha^rö  de  fare. 

Ho  inteso,  come  il  Yesc<^  di  Brandenbarg,  il  qoale  ^  con- 
secrato  Yescovo  et  chiamasi  Mattheo,  publicamente  ha  preso 
moglie  et  üatto  le  nozze,  cosa  di  molto  scandalo  et  gran  yittu- 
perio. 

Pare  ad  alcnni  di  questi  S"  Yescovi,  che  qni  sono,  che 
costui  si  doyesse  priyar  del  Yescoyado. 

Io  r  ho  advisato  a  Y.  S.  B™»,  perchö  lo  conferisca  a  N.  S., 
alla  coi  S^  baso  humil^  il  s™<>  piede  et  a  quella,  qnanto  piü 
posso,  mi  racc^o.  Che  nostro  S^«  Die  la  conseryi  Inngo  tempo 
et  felice.     Di  Batisbona  alli  XIX  di  Luglio  1541. 

(Ohne  Unterschrift) 


No.  12  (Begensbnrg,  22.  Jnli  1541). 

Contarini  an  Farnese. 

li  nltime  mie  a  Y.  S.  B"»»  fnmo  di  17.  et  19.  di  qnesto 
mandate  per  la  yia  della  posta  di  Trento  et  ponendole  salye 
non  repUcherö  oltre;  qneste  le  seranno  portate  per  nn  gentilhomo 
di  Don  Franc^  da  Este,  il  qoale  yiene  in  diligentia.    Alli  XX.  per 


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182  ANALEKTEN. 

Don  MaiÜBo  Alonso  hebbi  le  sue  di  X.  con  il  dapp^<>  di  VTI. 
et  hieri,  che  farno  li  XXI.,  giunse  Mona.  Verallo  con  quellt  dl 
YII.  S.  Sig^^&  h  giunta  sana  et  con  bnona  ciera;  qaesta  mattixia 
^  stato  viBitare  il  Ser°^^  Ee  de'  Bomani  et  dopo  pranso  insieme 
<5on  Mens,  di  Modena  et  meoo  alla  Ces*  Mt^,  sicome  V.  S.  Eo» 
intenderk  per  sne  lettere.  Hoggi,  sicome  ho  detto,  dopo  pnuiso 
siamo  stati  tutti  tre  alla  M^^  Ces^,  ove  io  ho  molto  laadato  S. 
M^  per  parte  di  N.  S^  della  bnona  yolnntä  sna  circa  la  cele- 
bratione  del  Concilio  et  dettoli,  come  S.  S*^,  per  dare  presta 
expedittione  a  questo,  hareva  giä  scritto  a  Venetia  per  il  loco 
di  Vioenza  et  che  aspettava  risposta.  S.  M^  mi  rispose,  che 
questi  Germani  voriano,  che  il  Concilio  si  celebrasse  in  GermaiÜA. 
Io  H  dissi,  che  qnesto  non  si  poteva  fare,  sicome  altre  volte  S. 
M*^  haveva  ragionato  con  N.  S"^®  et  maxime,  che  io  pensayo  certo, 
che  Sua  8^  vi  si  troveria  in  persona,  la  quäle,  oltre  li  altii 
rispetti,  per  V  etä  non  seria  per  far  qaesto  viaggio,  sl  che  Wso- 
gnava  farlo  in  Italia.  Io  parlai  poi  a  Soa  M^  circa  le  oose 
della  Religione,  pregandola,  che  non  comportasse,  che  qui  si 
facesse  tolerantia  alcuna,  ma  ogni  cosa  fasse  rimessa  al  Ooncüie, 
sicome  prima  molte  Tolte  si  era  ragionato.  Qaella  mi  rispose, 
che  si  faria,  qnanto  Noi  Toleyamo,  et  moströ  di  dirlo  con  alquanto 
di  sdegno.  Gli  domandai  poi  del  recesso  della  Dieta,  cio^,  se  m. 
faria  avanti  la  partita  di  8.  M^^  o  dopo.  Mi  disse,  che  si  foria, 
prima  che  partisse,  et  che  la  sua  partita  seria  alli  XXVI.  ^ 
questo  per  la  volta  di  Monaco  di  Baviera.  Venni  poi  a  parlare 
della  lega  catholica.  S.  M^  mi  disse,  che  vi  entreria,  ma  in 
modo,  che  altri  non  potesse  mettere  in  guerra  per  suoi  disegni 
particolari,  et  disse,  che  anche  li  Yescovi  di  Germania  non  era&o 
•d*  accordo  sopra  questo  et  che  havera  da  parlare  con  loro.  81 
<5he  in  ciö  non  si  fece  risolutione  alcuna.  Io  eshortai  p(n  8. 
M^^,  che  volesse  far  chiamar  a  se  li  Consuli  di  questa  terra  et 
farli  una  severa  ammonitione,  accioch^  dopo  la  partita  nostra  la 
terra  non  diventasse  publicamente  Lutherana,  come  facilmente 
potria  intervenire,  il  che  seria  di  grand^*^  pregiudicio.  Mi  li- 
spose,  che  Io  faria  per  ogni  modo.  Poi  in  ultimo  li  esposi  la 
richiesta  honestissima,  che  V.  8.  B™*  far  per  netare  il  campo 
a  quelli  dui  S"**,  pregando  Sua  Mt^  a  farli  provisione;  quella  mi 
promise  di  farlo,  sicome  le  scriverä  Mona.  Verallo,  il  quäle  si 
troYö  presente  et  ha  il  carico  di  soUecitar  questo. 

Facendosi  il  recesso  della  Dieta,  come  dice  sua  Mt^,  io  mi 
metterö  a  Camino  per  Italia  et  alla  volta  di  Cividale,  sicome  per 
r  ultimo  mie  scrissi  a  V.  8.  B"*,  se  giä  non  mi  yenisse  altra 
<5ommissione  da  N.  8*"®.  Penso,  sicome  per  altre  mie  scrissi 
a  V.  8.  B"»,  quella  mi  habbia  fatto  proyedere  di  danari,  di  ^he 
4i  nuoyo  la  supplico,  non  essende  ftitto. 


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SCHULTZE;  ACTENSTÜCKE  ZÜE  REF. -GESCHICHTE  I.        188 

St  in  sna  buona  gratia  homil^  mi  racc^^.  Che  N.  S^^  Dio 
sempre  sia  con  lei  et  conseryi  S.  S^  Inngissimto.  Batisbona 
22.  Juln  1541. 

Humili«  Servitor  G.  Car^« 
Contarenus  Legatus. 
B^  alli  3.  di  Agosto  la  sera. 


No.  13  (ßegensburg,  26.  Juli  1541). 
Contarini  an  Farnese. 

Alli  XXII.  di  questo  scrissi  a  V.  S.  K™»  et  V  avisai  di  quanto 
era  suecesso  sino  a  qnell  giomo  et  della  giunta  di  Mens.  Verallo. 

Dipoi  la  Ces*  M*^  per  il  recesso  della  Dieta  ha  produtto 
tma  scrittnra  alli  stati,  della  qnale  ne  mando  copia  con  qnesta 
a  Y.  S.  K™».  Nella  detta  scrittura  (oome  quella  vedrä)  si  fit 
mentione  oltra  0  Conc<^  universale  d'  un  Conc<>  nationale  et 
ancorch^  s.  M^  mi  havesse  promesso,  che  circa  la  Beligione 
non  faria  cosa  alcuna  senza  mia  saputa,  pur  di  detta  scrittura 
non  mi  ha  communicato  oltre,  et  benchd  io  V  habbi  piü  yolte 
fatta  domandar,  non  me  V  hanno  per5  mal  data,  ma  di  quella 
mi  h  stato  fatta  copia  per  altra  via. 

Et  vedendo  io  con  questi  B^^  Nuncii,  quella  parte  del  dme^ 
nationale  non  satisfaccendoci  per  modo  alcuno,  a  noi  parve,  che 
fnsse  da  riscalirsi  per  ogni  modo. 

Et  cos\  non  potendo  andar  alla  Ces*  M**,  io  gli  scrissi 
una  poliza  del  tenore,  che  V.  S.  B""*  vedrä  qui  anneu. 

8.  M^  la  lesse  et  mi  fece  dire,  che  faria  risposta,  la  quäle 
anche  non  ha  fatto.  Dipoi  mi  parve  anche  necessario,  che  con 
la  Dieta  si  facesse  il  medesmo  officio;  et  cosl  io  scrissi  la  scrit- 
tura, che  y.  S.  B"^  vedrä,  la  quäle  mandai  al  B°^^  Maguntino, 
come  ad  Archicancelliero  dell*  Imperio,  et  modestamente  fü  pre- 
fiontata  coram  testibus  et  notario  ad  un  suo  consegliero  et  secr^, 
talch^  non  ci  fu  offesa  alcuna. 

Et  s.  S.  B°»*  r  accettö  et  produsse  alla  Dieta. 

Et  dipoi  li  stati  mi  hanno  fatto  risposta  sopra  ci5  del  te- 
nore, che  V.  S.  B™*  vedrä.  Hoggi  con  tutti  di  questi  B^^ 
^unMi  sono  stato  a  visitare  il  Ser"*^  Be  del  Bomani  per  prender 
licentia  et  intender  da  s.  M^  alcuna  cosa  circa  la  resolutione 
del  recesso  di  questa  Dieta,  il  quäle  tutta  via  si  tratta. 

S.  M^^  ne  ha  detto,  che  anche  non  ^  concluso,  ma  che 
si  farä  un  Becesso,  il  quäle  sarä  di  poca  satisfattione  a  tutti  et 
a  N.  S.  et  a  s.  M^^  et  alli  protestanti  et  altri;  cosl  sono  le 
cose  intricate.  Et  non  potendo  noi  intender  meglio  il  particolari 
non  passö  piü  oltre. 


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184  ANALEKTEN. 

Queeto  h  stato,  quanto  sin*  al  dl  d'  hoggi,  che  siamo  alli 
XXVI.,  habbiamo  negociato,  di  ch'  ho  voluto  avisare  V.  S.  ß™\ 
alla  quäle  humil*®  mi  racc^^.     Che  N.  S.  dio  la  conserri. 

Di  Ratisbona  alli  XXVI  di  lnglio  1541. 

[Daran  scUiesst  sich  gleich  das  Folgende:} 

Non  voglio  lassare  di  dire  a  V.  S.  E™*,  sicome  V  echio  ei  h 
posto  COD  gran  vehementia  a  dir  male  di  qnel  libro,  sopra  U  quäle 
si  l  fatto  il  Golloquio,  et  accusa  il  Groppero  come  autore  di  quelle 
et  li  ha  scritto  contra  molte  annotationi  di  poco  momento  perö, 
come  poi  mostrarö  a  V.  S.  B.^^,  non  altrimente,  che  se  fusse  an 
Melanchthone,  cosa  certe  scandalosa  et  d*  accender  piü  fuoco. 

lo  ho  Yisto  il  Groppero  per  questo  di  mala  Toglia  et  molto 
in  Cholera;  tuttavia  non  ho  mancato  far  tutti  li  buoni  officii  per 
mitigarlo  et  farlo  star  quieto,  perchd  in  Yeritä  h  persona  di  grande 
autoritk,  precipue  in  quelle  parfi  di  Colonia,  et  non  saria  senza 
gran  danno  a  farselo  inimico,  oltra  che  a  giudicio  mio  h  un 
homo  di  molta  bontä. 

Et  cosl  r  ho  pacificato  al  meglio,  che  ho  sapnto,  et  per 
renmneratione  delle  sue  üatighe  et  tenercelo  benivolo,  cosl  con- 
segliato  con  Mens,  di  Modena,  li  ho  donato  ^.  200.,  U  quali 
gli  ho  fatti  accettare  con  una  grandissima  fatiga  depo  molti  et 
molti  giomi.    Li  detti  /^.  200.  Mens,  di  Modena  me  li  ha  dati. 

Partendosi  Cesare  Venerdl  (come  si  dice),  che  sia  alli  XXIX.^ 
io  non  starö  molto  a  partire,  se  si  ferma  il  recesso. 

Et  ancorchö  per  altre  mie  habbi  scritto  a  V.  S.  B™*,  ch'  io 
Tolessi  andare  a  Cividale,  pur  ho  mutato  senteutia,  che  piü  & 
proposito  mi  par  seguire  la  Ces^  M^  sino  in  Lombardia,  non  ha- 
yendo  altro  adviso  da  N.  S.  et  di  novo  a  V.  S.  B™^  baso  la  mano» 

Humilis  Seryitor  G.  Car^" 
Contarenus  legatus. 
B^  alli  9.  di  Agosto  la  sera. 

Bemerkt  werden  mag  noch,  dass  die  von  mir  zum  Abdruck 
gebrachten  Äctenstücke  mir  nicht  in  den  Originalen  vorgelegen 
haben;  aber  die  hier  unedergegebenen  Copien  des  Archivs  zu  Neapel 
sind  so  peinlich  genau,  dass  nicht  nur  die  Chiffren  (ich  habe 
dieselben  durch  die  beigegebene  Auflösung  ersetzt)  und  die  Baten 
des  Empfangs  aufgenommen  sind,  sondern  auch  die  den  Origi- 
ncUen  (wahrscheinlich  doch  in  der  Kanzlei  Farnes^ s)  beigefügten 
Bandhinweisungen  wiederholt  sind  *). 


1)  Anmerknag  der  Bedaction.  Ein  Nachwort,  welches  ich  zu  den 
Torstehenden  Depeschen  zu  geben  beabsichtigte,  muss  wegen  Raummangel 
bis  zum  nächsten  Hefte  verschoben  werden.  Brieger. 


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BRIEGER,  BAUMGAKTEN'S  BITTE,  J.  SLEIDAN  BETR.       185> 
4. 

U.  Baumgarten's  Bitte,  Job.  SIeidan  betreffend. 

Von 
Th.  Brieger  in  Marburg. 


Seit  Jahren  durften  wir  hoffen,  von  Herrn  Professor  Baum- 
garten in  Strassburg  ein  ausführliches  Lebensbild  Joh.  Sleidan'a 
zu  erhalten,  und  mit  nicht  geringer  und  berechtigter  Spannung 
sahen  die  Freunde  der  Beformationsgeschichte  dieser  Arbeit  ent- 
gegen: handelte  es  sich  doch  nicht  bloss  um  den  ersten,  hoch- 
Terdienten  und  hochgefeierten  Geschichtschreiber  der  Beformation, 
sondern  zugleich  um  einen  der  wenigen  protestantischen  Staats- 
manner des  16.  Jahrhunderts.  Leider  haben  uns  die  letzten 
Monate  eine  Enttäuschung  gebracht,  wenigstens  jene  Hoffnung  in 
weite  Feme  gerückt.  In  einer  kleinen  Schrift  „Über  Sleidan's 
Leben  und  Briefwechsel"  ^)  giebt  Baumgarten  Bechenschaft  von 
seinen  bisherigen  Nachforschungen  in  Botreff  Sleidan^s,  welche^ 
wiewohl  keineswegs  erfolglos,  ihn  doch  zu  der  Überzeugung  ge- 
führt, in  der  schon  yor  Jahren  gewonnenen  bestärkt  haben,  dass 
„eine  wirkliche  Biograj^hie,  ein  irgendwie  zusammenhängendes 
Lebensbild,  bei  der  gegenwärtigen  Beschaffenheit  des 
Materials  nicht  möglich  ist'^ 

Bei  der  Wertlosigkeit  der  gedruckten  Biographien  Sleidan*s, 
b^  der  Spärlichkeit  von  Aufischlüssen  über  sein  Leben  in  den 
eigenen  Werken  des  Mannes  sieht  sich  der  Forscher  fast  aus- 
schliesslich auf  handschriftliches  Material,  insbesondere  auf  den 
Briefwechsel  Sleidan's  angewiesen.  „Aber  Briefe  Sleidan^s  sind 
überall  eine  grosse  Seltenheit  und  Briefe  an  Sieidan  eine  noch 
grössere'*  (S.  5).  Dass  seine  Correspondenz  „eine  ebenso  aus- 
gedehnte, als  innerlich  bedeutende  gewesen  ist,  steht  ausser 
Frage;  leider  ebenso,  dass  ihre  Auffindung  den  grössten  Schwie- 
rigkeiten begegnet  Vorzüglich  deshalb,  weil  Sleidan's  Correspon- 
denz ganz  überwiegend  eine  politische  war  und  seine  Bestrebungen 
teils  wirklich  zu  den  herrschenden  Gewalten,  unter  denen  er  lebte, 
in  einem  zur  Vorsicht  mahnenden  Widerspruche  standen,  teils 
seiner  reizbaren  Natur  die  Verhältnisse  wenigstens  so  bedenklich 
erschienen,  dass  er  es  sehr  oft   nötig  fand  sich  in  dichtes  Ge- 


1)  Herm.  Baamgarten,  Über  Sleidan's  Leben  und  Briefwechsel. 
Hit  einem  Facsimile.  Strassburg,  Trübner,  1878.  (2  Bl.  u.  118  S. 
gr.  8^) 


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186  AKALEKTEN. 

heimnis  zu  hüllen.  Nor  etwa  die  Hälfte  seiner  bisher  aufge- 
fundenen Briefe  trägt  seine  Tolle,  oder  doch  andeutende  Unter- 
schrift; die  übrigen  sind  anonym.  Dieselbe  Bedenklichkeit  der 
Lage  oder  Aengsfclichkeit  Sleidan*s  scheint  Um  zn  grosser  Vorsicht 
mit  den  an  ihn  gerichteten  Briefen  veranlasst  zu  haben:  nur 
ganz  wenige  derselben  sind  bis  jetzt  ans  Licht  gekommen,  die 
meisten  im  Concept,  einzelne,  die  er  andern  mitgeteilt  haben 
wird,  un  Original."   (S.  8  f.) 

Unter  diesen  Umständen  kann  man  sich  nicht  wundem, 
wenn  es  Herrn  Prof^  Baumgarten  ungeachtet  seiner  jahrelangen, 
mit  gleich  grossem  Eifer  und  Geschick  betriebenen  Nachfor« 
schungen,  ungeachtet  der  Unterstützung  durch  eine  Reihe  pri- 
vatim aufgeforderter  Gelehrten,  nicht  gelungen  ist,  diese  Corre- 
spondenz  in  dem  für  den  Biographen  erforderlichen  Umfinnge  ans 
Licht  zu  ziehen;  vielmehr  werden  wir  die  Ausbeute,  die  ihjn  ge- 
glückt ist,  immer  noch  als  eine  verhältnismässig  reiche  bezeichnefi 
dürfen.  Es  sind  doch  keineswegs  „recht  dürftige"  Bruchstücke, 
wie  der  Sammler  selbst  sie  nennt,  sondern  höchst  erfreuliche, 
belangreiche.  Aber  freilich  darf  Baumgarten  mit  Recht  klagen, 
dass  die  „geringfügige  Zahl  bisher  gefundener  Briefe"  „sich  mit 
auf^liger  Ungleichheit  auf  das  Leben  Sleidan^s  verteilt".  „Bis 
zum  Jahre  1544  einschliesslich  haben  wir  nur  acht  Briefe  .  .  .; 
plötzlich  bringt  dann  das  Jahr  1545  mit  47  Briefen  hellstes 
Licht,  welches  sich  auch  auf  den  Anfang  des  nächsten  Jahres 
1546  ein  wenig  ausbreitet.  Aber  mit  dem  Beginn  des  Schmal- 
kaldischen  Krieges  tritt  tiefes  Schweigen  ein;  aus  dieser  ganzen 
grossen  Krisis  der  deutschen  und  reformatorischen  Dinge,  welche 
Sleidan*s  und  aller  seiner  Freunde  Leben  und  Streben  in  der 
Wurzel  traf,  haben  wir  nur  zwei  Briefe.  Und  dieses  Schweigen 
dauert  bis  zum  November  1551.  Vom  Februar  1547  bis  Oc- 
tober  1551  haben  wir  nur  fünf  Briefe  ^).  Erst  die  Sendung  nadi 
Trient  bietet  wieder  reichliche  Aufschlüsse  und  die  dann  begin- 
nende Correspondenz  mit  England  setzt  sie  fort.  Die  Jahre  1558 
und  1554  sind  abermals  durch  nur  acht  Briefe  dürftig  beleuchtet^ 
während  wir  aus  den  beiden  letzten  Lebensjahren  31  besitzen*^ 
(S.  44  f.). 

Es  ist  nicht  dieses  Ortes  darauf  hinzuweisen,  wie  helles  und 
zum  Teil  überraschendes  Licht  diese  Correspondenz -Bruchstücke 
auf  einzelne  Lebenslagen  Sleidan*s  verbreiten,  wie  viele  bisher 
landläufige  irrige  Angaben  schon  jetzt  sich  berichtigen  lassen*): 
Baumgarten  hat  wenigstens  in  einer  Skizze   die  wichtigsten  tat- 


1)  Zu  diesen  fünf  Briefen  sind  später  zwei  weitere  in  diesen  Zeit- 
raum fallende  gekommen;  s.  S.  81. 

s)  S.  meine  Anzeige  in  Schüre r*8  TheoL  Literatur-Zeitung  1879. 


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BRIEGER,  BAÜMGARTEN'S  BITTE,  J.  SLEIDAN  BETR.        187 

sächlichen  Besoltate  seiner  bisherigen  Studien  kurz  zasanunen- 
gestellt  (S.  45—107).  Eben  diese  Skizze,  wekhe  nns  Sleidan, 
den  Politiker  nnd  den  Geschichtschreiber,  den  Chnsten  und  den 
Menschen,  nnstreitig  näher  rückt,  zeigt  am  besten,  wie  grossen 
Oewinn  die  VenroUständigung  seiner  Correspondenz  uns  bringen 
mfisste,  und  ist  die  beste  Bechtfertigung  für  die  Bitte,  mit 
welcher  Baumgarten  seine  Schrift  schliesst  und  die  auch  au 
ihrem  Teile  weiter  zu  yerbreiten  der  Zweck  dieser  Zeilen  ist. 
£s  ist  die  Bitte  unseres  Sleidan-Forschers,  ihm  „von  Briefen  von 
nnd  an  Sleidan,  Yon  handschriftlichen  Bemerkungen  über  ihn,  kurz 
Yon  allem,  was  geeignet  sein  kann,  unsere  Kenntnis  yon  ihm  zu 
erweitern,  gefälligst  Notiz  zq  geben  oder  es  in  geeigneter  Weise 
zu  publiciren"  (S.  109).  Welche  Briefe  Baumgarten  bereits  be- 
kannt geworden  sind,  ersieht  man  aus  der  sorgfältigen,  chrono- 
logisch geordneten  üebersicht  S.  9 — 44,  in  welcher  Anfang  und 
Ende  jedes  Briefes,  sowie  der  Fundort  angegeben  sind:  wir 
finden  hier  gegen  160  Stücke  yerzeichnet,  unter  ihnen  einige 
80  bisher  nicht  gedruckte  (aus  dem  Strassburger  Thomasarchiy 
und  Stadtarehiy,  den  Arehi?en  zu  Marburg  und  Weimar,  den 
Bibliotheken  zu  Basel  und  Gotha,  ZQrlch  und  Zofingen,  der  Wiener 
Hofbibliotiiek  und  Pariser  Kationalbibliothek ,  dem  Becord  Office, 
Brii  Mus.  u.  s.  w.).  Um  die  Auffindung  fernerer  Briefe  (zumal 
der  anonymen)  zu  erleichtem,  ist  der  Schrift  das  Facsimile  des 
Bruchstückes  eines  Briefes  hinzag^gt. 

Möge  der  Aufi-uf  Baumgarten's  überall  geneigtes  Gehör  finden  1 
Möge,  wer  in  der  Lage  ist,  das  Werk  durch  Nachforschungen  zu  för- 
dern, sich  nicht  durch  die  Möglichkeit  ihrer  Erfolglosigkeit  ab- 
schrecken lassen.  Die  Hoffnung  auf  weitere  bedeutende  Funde 
ist  durchaus  nicht  ausgeschlossen.  Selbst  für  den  Fall,  dass  der 
Nachlass  Sleidan's  zu  Grunde  gegangen  sein  sollte  ^) ,  so  birgt 
doch  so  manche  selbst  der  kleinen  deutschen  Bibliotheken  Sam- 
melbände  yon  Autographen  des  16.  Jahrhunderts,  in  denen  die 
anonymen  Briefe  Sleidan^s  bisher  leicht  übersehen  sein  können. 
Fünf  solcher  Sammelbände  mit  Stücken  der  gesuchten  Corre- 
spondenz befanden  sich  in  der  Bibliothek  des  ülmer  Patriciers 
Baymund  Krafft,    die   nach    1753    yericauft    wurde*);   des- 


1)  S.  darüber  Baumgarten,  S.  107. 

')  Über  die  hierher  gehörigen  „Tomi  autographarum  epistolarum '' 
der  Krafft'schcn  Bibliothek  ist  ausser  demjenigen,  was  Baumgarten 
8. 108 f.  beibringt,  J.  G.  Sch^lhorn  zu  vergleichen  in  seinen  „Memora- 
biha  Bibliothecae  perilhistris  Domini  Baymundi  de  Erafit"  (Amoen.  litt., 
T.  ni),  p.  115 sqq.  Er  spricht  hier  yon  yier  Briefbänden,  welche  aus 
^  Bibliothek  SpizeTs  stammt»  („Quatuer  honun  yoluminum  inter 
MSSta  Spizeliana  jam  meminit  Meelführerus  in  Access,  ad  Almeloye- 
nium,   p.  64.  llösqq.'O,   damals   aber   (1725)    KrafPt   gehörten,    und 


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188  ANALEKTEN. 

gleichen  war  Beyschlag  in  Schwäbisch -Hall  im  Besitz  tob 
Sleidanbriefen.  Längst  sind  beide  Samminngen  verschollen  (s.  B. 
8.  108  f.)*  Anch  die  vier  Qnartbände  mit  Collectaneen  zu  Slei- 
dan*s  Leben  nnd  Abschriften  seiner  Briefe  ans  dem  Nachlasse 
des  dnrch  seine  classische  Ausgabe  der  Commentare  Sleidan*s  so 
verdienten  Christian  Carl  Am  Ende  (t  1799),  der  sich 
Jahrzehnte  hindurch  mit  dem  Gedanken  einer  Biographie  dieses 
seines  Lieblings  getragen  hat,  sind  bisher  nicht  zu  entdecken 
gewesen  (s.  S.  3).  Aber  den  vereinten  Anstrengungen  Vieler 
mag  auch  in  diesem  Falle  gelingen,  was  dem  Einzelnen  bisher 
nicht  glückte. 


Zur  Statistik  der  griechisch-russischen  Kirche. 

Statistische  Nachrichten,  erhoben  aus  dem  Rechenschaftsbericht 
des  Oberprocureurs  des  Heil.  Synod  vom  Jahre  1876. 

Hitgeteilt  aus  der  Zeitschrift 
„üpaBOCjaBHoe  OÖosptme**  1878  April,  S.  727  f. 

von 

A.  Harnack. 


Dem  Auszuge  ans  dem  Bechenschaftsbericht  des  Oberprocnrenrs 
des  heil.  Sjnod  über  die  dem  Bessort  der  russischen  orthodoxen 
Confession  zugehörigen  Angelegenheiten  vom  Jahr  1876  sind  aus- 
fOhrliche  Nachrichten  beigegeben,  welche  unter  anderem  folgende 
Data  enthalten: 

Im  Jahre  1875  bestanden  in  sämmtlichen  Eparchien,  mit 
Ausschluss  des  Exarcbats  Gmsien,  der  Alexandro  -  Newsky'schen 
nnd  Potschigewsk-Uspensky'schen  Lawra  ^),  über  die  kein  Bericht 


zählt  die  meisten  Brie&chreiber  (gegen  200)  mit  Namen  auf,  darunter 
auch  Job.  Sleidan  (Melanchthon  war  hier  allein  mit  124  Originalbriefen 
yertreten);  dazu  erwähnt  Schelhom  S.  11 7  f.  noch  einen  fünften  Band 
mit  Briefen  von  Tezet,  Butzer,  Luther  und  anderen  BrieÜBchreibem ,  zu 
denen  nach  dem  Häberl in' sehen  Katalog  (S.  70)  auch  hier  Sleidan 
gehörte. 

!)•  Kloster  ersten  Banges. 


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HARNACK^  ZUR  STATISTIK  DER  GRIECH.-RÜSS.  KIRCHE.     189 

Torgelegen  hat,  —  56  erzbischöfliche  Häuser  und  380 
Mönchsklöster  (darunter  169  ausseretatmässig).  Nach  dem 
Etat  sollen  in  denselben  4269  Mönche  leben,  in  der  Tat  aber 
waren  in  den  etat-  und  ausseretatmässigen  Klöstern  zusammen 
10512  Mönche  (darunter  4621  dienende  BrQder).  —  Nonnen- 
klöster bestanden  mit  Ausschluss  der  Eparchien  Pensa,  Po- 
dolien,  Tomsk  und  .des  Exarchats  Grusien  147  (darunter  40  ausser- 
etatmässig).  In  denselben  sollen  nach  dem  Etat  2476  Nonnen 
kben,  es  befänden  sich  jedoch  in  Wirklichkeit  in  den  etat-  und 
ausseretatmässigen  Klöstern  zusammen  14574  Nonnen  (darunter 
10771  dienende  Schwestern).  —  In  sämmtlichen  Eparchien  be- 
standen im  Jahre  1875  an  Kathedralen:  57  Episkopalkirchen, 
562  städtische  Hauptkirchen  (darunter  43  kirchspiellose),  3  Mi- 
litär- und  3  Marinekathedralen,  zusammen  625;  an  Kirchen: 
933  an  Mönchs-  und  Nonnenklöstern,  30026  Pfarrkirchen,  453 
Earchspielkirchen,  39  Hofkirchen,  626  Kirchen  an  Kronsanstalten, 
345  Hauskirchen,  4644  pfarrlose  oder  Yicariats -Kirchen,  1714 
Friedhofiskirchen;  dem  Ressort  der  Hauptgeistliohen  der  Armee 
und  der  Flotten  gehörten  zu:  93  unbewegliche  und  238  be- 
wegliche; —  von  altgläubigen  Kirchen:  227  Pfarrkirchen;  — 
im  ganzen  39338;  ausserdem  13594  Kapellen  und  Bethäuser. 

In  sämmtlichen  Eparchien  sollte  im  Jahre  1875  die  Zahl 
der  Geistlichen  an  den  Kathedralen  und  Hauptkirchen  etat- 
mässig  betragen:  1  Oberpriester  (Protopreswiter),  1  Hauptpriester, 
9  Priester  (Preswiteri),  881  Protoiörejen,  37238  Geistliche^), 
6980  Diakone  und  53963  Küster;  in  der  Tat  jedoch  existirten 
1  Oberpriester,  1  Hauptpriester,  1315  Protoiörejen,  36527  Geist- 
liche, 6987  Diakone  und  53971  Küster:  im  ganzen  98802  Per- 
sonen Weltgeistliche;  ausserdem  wurden  8388  Personen  infolge 
Yon  Altersschwäche  und  Krankheit  entlassen.  Aus  den  Berichten 
f&r  das  Jahr  1876  ist  zu  ersehen,  dass  im  Laufe  dieses  Jahres 
in  sämmtlichen  Eparchien  an  Kirchen  gebaut  wurden:  12 
Klosterkirchen  (9  steinerne  und  3  hölzerne),  275  Pfarr-  und 
Nebenkirchen  (142  aus  Steinen  und  133  aus  Holz),  13  Kirchen 
an  Kronsanstalten  (9  aus  Steinen  und  4  aus  Holz),  9  Haus- 
kirchen (3  aus  Steinen  und  6  aus  Holz),  14  Friedhofiskirchen 
(5  aus  Steinen  und  9  aus  Holz),  im  ganzen  323  Kirchen  (168 
aus  Steinen  und  155  aus  Holz);  femer:  170  Kapellen  und  Bet- 
häuser (17  aus  Steinen  und  153  aus  Holz). 

In  demselben  Jahr  betrug  die  Zahl  der  Krankenhäuser 
m  sämmtlichen  Eparchien,  ausser  den  Eparchien  Woronesch, 
Irkutsk  und  Tobolsk,  über  welche  keine  Berichte  eingeliefert 
worden  sind,  a)  bei  Klöstern:  auf  Krons-  und  Klosterkosten  59 


1)  Gewöhnliche  Geistliche  oder  Popen. 

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190  AKALEKTEN. 

fOr  774  Mann,  auf  Kosten  von  Prlyatpersonen  und  Yereinen  9 
für  87  Mann;  b)  an  Kirchen:  auf  Krons-  und  Kirchenkosten  2 
für  42  Mann,  auf  Kosten  von  Privatpersonen  und 'Gesellschaften 
17  für  289  Mann,  zusammen  87  KrankenhospitäJer  ffir  1192 
Mann.  —  Die  Zahl  der  Armenhäuser  betrug  a)  bei  Klöstern: 
38  Armenhäuser  fOr  589  Mann  auf  Krons-  und  Klosterkosten 
unterhalten,  8  Armenhäuser  fdr  223  Mann  auf  Privat-  und  Ge- 
sellschaftskosten unterhalten;  b)  an  Kirchen:  140  Armenhäuser 
fiSüc  1734  Mann  auf  Krons-  und  Klosterkosten  unterhalten,  419 
Armenhäuser  für  4217  Mann  auf  Privat-  und  G^sellschaftskosten 
unterhalten;  zusammen  605  Armenhäuser  für  6763  Mann. 

Die  Zahl  der  der  orthodox-russischen  Kirche 
Angehörenden  betrag  im  Jahr  1875  in  sämmtlichen  Epar- 
chien  mit  Ausschluss  der  Bparchien  Kamtschatka,  Tobolsk, 
Jakutsk  und  des  Exarchats  Grusien,  des  Armee-  und  Marine- 
ressorts und  des  Bezirks  der  kaukasischen  Armee:  männlidien 
Geschlechts  28,215097,  weiblichen  Geschlechts  29,486563,  zu- 
sammen 57,701660  Selen. 

Geboren  wurden  im  Laufe  desselben  Jahres  in  sämmt- 
lichen Eparchien,  ausser  den  Eparchien  Irkutsk,  Kamtschatka 
und  Kiew  und  des  Exarchats  Grusien,  1,656658  Personen  männ- 
lichen Geschlechts,  1,588155  Personen  weiblichen  Geschlechts; 
zusammen  3,244673  Selen. 

Ehen  gingen  1,203004  Personen  ein. 

Gestorben  sind  1,141324  Personen  männlichen  Geschlechts, 
1,074885  Personen  weiblichen  Geschlechts;  zusammen  2,216209 
Personen.  Unter  diesen  erreichten  ein  Alter  von  100  bis  105 
Jahren  177  Personen  (99  M.  und  78  Fr.),  das  Alter  von  105 
bis  110  Jahren  54  Personen  (26  M.  und  28  Fr.),  das  Alter  von 
110  bis  115  Jahren  21  Personen  (13  M.  nnd  8  Fr.),  das  Alter 
von  115  bis  120  Jahren  6  Personen  (2  M.  und  4  Fr.),  das 
Alter  von  120  bis  125  Jahren  4  Personen  (3  M.  und  1  Pr.)j 
zusammen  erreichten  ein  Alter  von  über  100  Jahren  262  Per- 
sonen, darunter  143  Männer  und  119  Frauen. 

Im  Jahre  1876  wurden  in  die  russisch  -  orthodoxe  Kirche 
aufgenommen  a)  von  Andersgläubigen  christücher  Confessionen: 
Komische  Katholiken  1192,  Griechisch-Ünirte  516,  Armenier  8, 
Protestanten  688,  zusammen  2404  Personen;  b)  aus  dem  Baskoi 
(Bezeichnung  der  verschiedenen  Sekten  der  russischen  Kirche) 
2539  (1498  vollständig  aufgenommen,  1041  mit  Beibehaltung 
des  altgläubigen  Kanons);  c)  von  nichtchristlichen  Völkern:  Juden 
450,  Mohamedaner  219,  Heiden  6728,  zusammen  7397;  die  Zahl 
sämmtlicher  in  diesem  Jahre  zur  russischen  Kirche  Bekehrter 
12340  Personen. 

In  demselben  Jahre  wurden  Ehen  aufgelöst:  wegen  neuer 


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HARNACK,  ZUR  STATISTIK  DEB  GKIECH.-RUSS.  KIRCHE.     191 

Vwrheirttung  bei  Lebzeiten  eines  der  beiden  Gatten  29,  infolge 
SU  naher  Yerwandtsehaft  der  ehelich  Verbundenen  2,  wegen  Un- 
filhigkeit  zn  ehelicher  Gemeinschaft  15,  ehebrnchshalber  80,  in- 
folge unbekannten  Aufenthalts  eines  der  beiden  Gatten  650,  und 
infolge  Yerurteilnng  zu  Festungsarbeiten  und  Verbannung  eines 
der  beiden  Gatten  247;  zusammen  1023  Ehen. 

Hinsichtlich  des  Bildungszustandes  der  Geistlich- 
keit im  Jahre  1876  enthalten  die  Beilagen  zu  dem  Rechen- 
schaftsbericht des  Oberprocureurs  folgende  Nachrichten:  In  sämmt- 
lichen  Eparchien  bestanden  4  Akademien,  53  Seminarien^ 
186  Schulanstalten,  zusammen  243  Lehranstalten.  Die  Zahl 
der  Vorsteher  und  Lehrer  an  denselben  betrug:  an  den  Aka- 
demien 131,  an  den  Seminarien  888  und  an  den  Schulen  1623^ 
zusammen  2642;  die  Zahl  der  Lernenden:  in  den  Akademien 
566,  in  den  Seminarien  12401  und  in  den  Schulen  27855,  zu- 
sammen 40842  (darunter  15655,  welche  Unterstützungen  genossen^ 
und  25062  auf  eigene  Eechnung). 

Von  den  Zöglingen  der  Seminarien  und  geistlichen  Schulen 
erlernten  265  die  Sprachen  derjenigen  Premdvölker,  welche  in 
Bossland  ansässig  sind,  nämlich:  die  tatarische  47,  die  mongo- 
lisch-buijatlsche  44,  die  kalmykische  33,  die  Sprache  der  Tschere- 
missen  49,  die  der  Syijanen  11,  die  finnische  8,  die  esthnische 
40,  die  lettische  37  und  die  karelische  Sprache  6. 

In  11  weiblichen,  dem  geistlichen  Ressort  zugehörigen 
Schulen,  die  unter  dem  Allerhöchsten  Schutze  Sr.  Kaiserl. 
Majestät  stehen,  betrug  die  Zahl  der  Schülerinnen:  a)  der  auf^ 
Kronskosten  Lernenden  294  und  b)  der  Pensionärinnen  668,  zu- 
sammen 962.  lieber  die  Zahl  der  Kirchenschulen  in  den 
Eparchien  Jenissey  und  Turkestan  gingen  keine  Nachrichten  ein, 
ebensowenig  über  die  Zahl  der  dieselben  besuchenden  Schüler. 
In  allen  übrigen  Eparchien  betrug  die  Zahl  der  Kirchen-  und 
Klosterschulen  6811,  die  der  Schüler  170461,  die  der  Schüle- 
rinnen 26730,  zusammen  197191. 

Die  Gesammtzahl  der  Bibliotheken  sämmtlicher  Epar- 
chien, die  Eparchie  L-kutsk,  über  die  keine  Nachricht  einging, 
ausgenommen,  betrug  im  Jahre  1876:  a)  an  den  Kirchen 
15078  und  bei  Kirchenaufsehem  (Blagotschinny)  *)  692 ,  zu- 
sammen 15770;  im  Verlaufe  dieses  Jahres  wurden  noch  neu 
gegründet:  a)  an  Kirchen  224  und  b)  bei  Kirchenaufsehem  (Blago- 
tschinny) 11. 

Der  Umsatz  der  von  der  Oekonomiedirection  des  heil.  Synod 
verwalteten  Gelder  und  Capitalien  vom  Jahre  1876  war  folgen- 


1)  Eine  geistliche  Person,    unter    deren  Beaufsichtigung  mehrere 
Kirchen  stehen. 


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192 


ANALEKTEN. 


-der.  Am  1.  Januar  1876  war  als  Ueberschuss  yorbanden: 
a)  geistliches  Lehrcapital  22,025900  B.  98  E.,  b)  Druckerei- 
gelder  313201  B.  77^  K.,  c)  Capitalien  der  Geistlichkeit  des 
Westbezirks  2,338555  R.  77^  K.,  d)  Capitalien  zur  Verwendung 
für  Gehaltszulage  an  die  höhere  Geistlichkeit  285806  R.  14  K^ 
e)  Capitalien  zu  einmaliger  Unterstützung  der  stAdtischen  und 
Land -Geistlichkeit  105499  R.  57^-  K.  Summa:  25,068973  B, 
24iK. 

Im  Laufe   des  Jahres  1876   wurden  eingenommen   und 
verausgabt: 


a.)  geistliches  Lehrcapital.     . 

b)  Druckereigelder  .... 

c)  Capitelien  der  Geistlichkeit 
des  Westbezirks .... 

d)  Capitalien  zar  Verwendung 
zu  Gehaltszulagen  für  die 
höhere  Geistlichkeit     .     . 

e)  Capitalien  zu  einmaliger 
Unterstützung  der  städti- 
schen u.  Land-Geistlichkeit 


Einnahme. 

Rubel.  Kop. 

2,028443  9di 
379242  611^ 

260142  42 


16566     2 


56995  95^ 


Ausgabe. 

Bubel.  Kop. 

1,719984  26 
405449     3 

179807  29 


17737  26 


54022  43t 


Summa:  2,741391  — i       2,377000  26^- 

Am  1.  Januar  1877  war  folgender  Ueberschuss  vorhanden: 
a)  geistliches  Lehrcapital  22,334369  B.  72|^  K.,  b)  Druckerei- 
gelder 286995  B.  36  K.,  c)  Capitalien  der  Geistlichkeit  des 
Westbezirks  2,418890  B.  90 J^  K.,  d)  Capitalien  für  Gehälter- 
zulage an  die  höhere  Geistlichkeit  284634  B.  90  K.,  e)  Capi- 
talien zu  einmaliger  Unterstützung  städtischer  und  Land-Geistlich- 
keit 108473  B.  9}  K.     Summa  25,433363  B.  98^  K. 

Ferner  restirten  am  1.  Januar  1876  folgende  Summen:  a)  aus 
den  an  den  Kirchen  errichteten  Opferbüchsen  gesammelte  und 
dem  heil.  Synod  zur  Verfügung  dargebrachte  Gelder  419329  B. 
84 J  K.;  b)  an  zum  Besten  russisch-orthodoxer  Klöster  und  Buss-_ 
länds  Pfarrkirchen  eingegangenen  Summen  19407  B.  30|  K.; 
c)  an  zum  Besten  verschiedener  Institutionen  im  Auslande  ein- 
gegangenen Geldern  229923  B.  27f  K.;  d)  wandernde  ^)  Sum- 
men, verschiedenen  Ortschaften  und  Personen  gehörig,  647633  B. 
56 J:  K.;  Summa  26,385267  B.  23|  K. 


1)  Aus  einer  Kirche  in  die  aodere? 


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HARNACK,  ZUR  STATISTIK  DER  GRIECH.-RüSS.  KIRCHE.     193 


Eingenommen  und  yeraasgabt  wurden  im  Laufe   des  Jahres 
1876: 


Einnahme. 

Babel.      Kop. 


Ausgabe. 

BabeL     Kop. 


69675  80        62038  17^ 


a)  aus  den  an  den  Kirchen  errich- 
teten Opferbüchsen  gesammelte  u. 
dem  heil.  Synod  zur  Verfügung 
dargebrachte  Gelder     .... 

b)  zum  Besten  russisch- orthodoxer 
Klöster  und  P^Eurrkirchen  Buss- 
lands eingegangene  Summen.     .     14713  344        8043  52 

c)  zum  Besten  verschiedener  Institu- 
tionen im  Auslande  eingegangene 

Gelder 71340  30^      57206  19 

d)  wandernde  Summen  verschiedener 
Ortschaften,  nur  Personen  ge- 
hörig      279202     6      201343  58i 

Summa:    424831  51      318631  46| 

Der  Gesammtrest  betrug  am  1.  Jan.  1876:  26,385267  B. 
23f  K.;  die  im  Verlaufe  desselben  Jahres  hinzugekommenen  Ein- 
nahmen 3,166222  B.  51|  K.,  die  Ausgaben  2,695631  B.  73|  K., 
so  dass  am  1.  Jan.  1877  sich  ein  üeberschuss  von  26,855858  B. 
If  K.  herausstellte. 

Aus  dem  Beichsschatz  waren  im  Jahre  1876  verausgabt 
worden:  in  dem  Bessert  des  Moskauer  Synodalcomptoirs  (17368  B.) 
und  zum  Unterhalt  der  Geistlichkeit  an  17958  Kirchen  5,535803  B. 
33  K.,  femer  fftr  den  Prior  der  Kirche  in  Nizza  2500  B.,  zur 
Erhaltung  der  Kirche  in  der  Stadt  Pau  1200  B.,  zum  Unterhalt 
der  Geistlichkeit  in  den  Mher  zu  Bussland  gehörenden  Kolo- 
nien Nordamerika's  52380  B.,  für  die  Kirche  und  deren  Priester 
in  Prag  6500  B.,  und  zur  Verteilung  je  nach  dem  Ermessen  des 
heil.  Synod  1459  B.  67  K.;  zusammen  5,699843  B. 

Von  den  Geldern  der  Hülfscomit^s  für  mittellose 
Geistliche  war  —  die  Eparchien  Wolynien,  Kaukasien,  Minsk, 
Orenburg,  Pskow,  Biga,  Tomsk,  Ufa  und  Cherson,  über  welche 
keine  Berichte  eingeliefert  wurden,  ausgenommen  —  am  1.  Januar 
1875  ein  Üeberschuss  von  60250  B.  4  K.  in  baarem  Gelde  und 
3,203097  B.  60i^  K.  in  Wertpapieren  vorhanden.  Im  Laufe 
des  Jahres  1875  kam  durch  weitere  Einnahmen  dazu,  durch 
Collecten  in  den  einzelnen  Eparchien:  haar  683411  B,  78^  K. 
und  in  Wertpapieren  457085  B.  90|  K.  Summa:  baar  743661  B. 
82|  K.  und  in  Wertpapieren  3,660183  B.  bO^  K.  Im  Jahre 
1875  wurden  verausgabt  an  baarem  Gelde:  680333  B.  73^  K. 
und  in  Wertpapieren  408971    B.  33f  K.     Im  Jahre  1876  war 

Zettschr.  f.  E.-O.  III,  1.  13 


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194  ANALEKTEN. 

ein  XJeberschuss  vorhanden  von  63135  B.  S^  E.  in  baaren  Gel- 
dern nnd  3,251411  B.  16}  E.  in  Wertpapieren. 

Aus  den  Eparchien  Wolynien  nnd  Tomsk  und  dem  Exarchat 
Grnsien  gingen  yom  Jahre  1876  keine  Berichte  ein  über  die 
freiwilligen  Beiträge,  die  von  den  Pfarrcomit^s  eingesammelt 
wurden,  und  aus  der  Eparchie  Jakutsk  überhaupt  keine  Berichte 
über  die  Pfarrcomitös.  In  allen  übrigen  Eparchien  wurden  im 
Anfang  des  Jahres  1876  gezählt  10637  Comit^s,  im  Verlaufe 
desselben  Jahres  wurden  neu  errichtet  329;  zusammen:  10966. 
Dieselben  spendeten  zur  Erhaltung  nnd  Ausbesserung  der  Kirchen 
1,256932  B.  36|  K.,  für  Eirchspielsschulen  und  Wohltätigkeits- 
anstalten  in  den  Eirchspielen  170816  B..  bl  E.,  zum  Unterhalt 
des  Elerus  101658  B.  78^  E.;  zusammen:  1,529407  E.  21  K. 

An  Opferspenden  in  die  Eirche  kam  im  Jahre  1876 
ein:  an  Sammlungen  in  Opferbüchsen  2,249259  B.  49  K.,  an 
Elingbeutelsammlungen  3,741039  B.  78^  E.,  an  Einkünften  aus 
den  Eirchengütem  1,428845  B.  12  E.,  zu  Eirchenbauten  und 
andern  Zwecken  3,609075  B.  69 J  E.,  zum  Besten  des  Grabes 
Christi  10049  B.  41f  E.,  zum  Besten  der  russ.  -  orthodoxen 
Eirchen  und  Schulen  des  Westbezirks  19013  B.  57^  K.,  zur 
Constituirung  der  russisch -orthodoxen  Confession  im  Kaukasus 
20143  B.  99|:  E.,  zur  Verbreitung  der  Bechtgläubigkeit  unter 
den  Heiden  27352  B.  23|  E.,  zur  Unterstützung  der  Geistlich- 
keit 316931  B.  32  E.,  für  Verunglückte  bei  verschiedenen  Ge- 
legenheiten 48403  B.  76^  E.,  zur  Besserung  der  Lage  der  in 
Palästina  lebenden  Bechtgläubigen  30222  B.  5|  E.  Summa: 
11,500336  B.  44  E. 


6. 

Miscellen. 


1.  Zur  Altersbestlmmang  der  Doctrina  Addael. 

In  den  ersten  zehn  Zeilen  der  von  Phillips  herausgegebenen 
Doctrine  of  Addai  findet  sich  eine,  soweit  mir  bekannt,  bis 
jetzt  allgemein  übersehene  Notiz,  welche  uns  erlaubt,  den  Zeit- 
punkt, vor  welchem  dieses  Schriftstück  nicht  verfasst  sein  kann, 
sehr  genau  zu  bestimmen:  es  ist  dies  die  Angabe,  dass  Abgar 
seine  Gesandten  in  die  Stadt  geschickt  habe  „welche  genannt 


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MISCELLEN.  196 

wird  Eleuthoropolis,  auf  aramäisch  aber  Beth-Öubrin". 
Nach  allem,  was  wir  wissen,  fahrt  BatroyaßQa  des  Ptolemäus, 
Betogabri  der  Peutinger'schen  Tafel,  BryaßQiq  des  Josephus 
(so  nach  Rufin  B.  J.  IV,  8,  1)  den  Namen  Elouthoropolis 
erst  seit  Septimius  Severus,  der  im  Jahr  202  in  Palästina  war 
und  verschiedenen  Städten  Privilegien  und  Indemnitäten  zukommen 
llessy  auf  Münzen  aus  dem  achten  und  neunten  Begierungsjahr 
dieses  Kaisers,  welche  seiner  Gemahlin  Julia  Domna  zugeeignet 
sind;  vgl.  Robinson,  Palästina  IT,  676.  Vor  dem  Anfang  des 
dritten  Jahrhunderts  kann  also  dies  Schriftstück  nicht  entstanden 
sein.  —  Die  citirte  Stelle  hat  aber  noch  eine  zweite  Bedeutung. 
Als  Robinson  a.  a.  0.  aus  topographischen  Gründen  das  alte 
Betogabra,  das  heutige  Beit-Gibrin,  und  Eleuthoropolis  identi- 
ficirte,  musste  er  bedauern,  dass  der  kleine  Ring,  welcher  sie  in 
der  Kette  historischer  Beweise  verbinden  mochte,  eine  einzige 
Zeile  auf  den  Blättern  der  Geschichte,  unglücklicherweise  ausge- 
fallen oder  seitdem  verloren  gegangen  sei  (a.  a.  0.,  S.  675): 
hier,  Zeile  7  und  8  auf  Seite  1  der  Doctrine  of  Addai 
(Zeile  14  und  15  die  Ueberschrift  mitgerechnet),  haben  wir  das 
älteste  und  ausdrücklichste  historische  Zeugnis  far  ihre  Identität. 
Tübingen.  E.  Nestle. 


2.    Wie  Terstand  Thomas  Ton  Aqnino    die  Stelle: 
„super  hanc  petram  aedlflcabo  eccleslam  meam"? 

Bei  der  Erörterung  der  Frage,  ob  in  der  Entwicklung  der 
Prophetio  zeitlich  ein  Fortschritt  zu  erkennen  ist  (Summa  II,  2, 
Vol.  5,  p.  95  der  Ausgabe  Lugduni  Sumptibus  Anisson  et  Posuel 
MDCCI),  erklärt  Thomas:  Die  Prophetie  ist  geordnet  worden, 
damit  wir  zur  Erkenntnis  der  göttlichen  Wahrheit  geführt  wor- 
den und  durch  dieselbe  sowohl  in  unserm  Glauben  wie  in  unserm 
Leben  uns  leiten  lassen. 

Der  Glaube  besteht  vornehmlich  in  zwei  Stücken,  in  der 
wahren  Gotteserkenntnis  und  in  dem  Mysterium  der  Incamation 
Christi;  betrachtet  man  die  Prophetie  mit  Rücksicht  auf  das  erstero, 
die  wahre  Gotteserkenntnis,  so  hat  sie  drei  Stufen,  nämlich:  ante 
legem,  sub  lege  und  sub  gratia. 

Vor  dem  Gesetz  waren  die  Patriarchen  nach  Ps.  104, 15:  In 
prophetis  mois  nolite  malignari,  was  auf  Abraham  und  Isaak  geht, 
Propheten.  Unter  dem  Gesetz  wurde  die  prophetische  Offenbarung 
über  die  wahre  Gotteserkenntnis  besser  gemacht,  die  sich  jetzt 
von  einer  Familie  auf  ein  Volk  ausdehnen  sollte.  Unter  der 
Zeit  der  Gnade  wurde  von  Gottes  eigenem  Sohne  (Matth.  28,  19) 

13* 


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196  ANALEKTEN. 

das  Geheimnis  der  Trinität  offenbart  Eücksichtlich  der  Gottes- 
erkenntnis  ist  immer  die  erste  Offenbarung  in  jeder  Periode  die 
grösste,  die  an  Abraham  überragt  die  an  die  übrigen  Patriarchen, 
die  an  Moses  ist  höher  als  die  an  die  übrigen  Propheten,  deren 
Grundlage  sie  ist.  Ita  etiam  in  tempore  Gratiae  super  revelatione 
facta  Apostolis  de  fide  unitatis  et  trinitatis  fundatur  tota  fides 
ecclesiae,  secundum  illud  (Matth.  16,  18)  super  hanc  petram, 
scilicet  confessionis  tnae,  aedificabo  ecclesiam 
meam. 

Thomas  vertritt  hier  klar  und  entschieden  die  Auffassung, 
welche  unter  dem  Felsen  nicht  Petrus  oder  seine  Nachfolger 
versteht,  sondern  das  Bekenntnis  selbst. 

Der  Best  der  Stelle  geht  uns  hier  nichts  an,  doch  fügen 
wir  zur  Vervollständigung  bei,  dass  Thomas,  wie  er  sich  oben 
mit  den  Bundestheologon  der  Coccejanischen  Richtung  berührt,  so 
am  Schlüsse  mit  der  Lehre  von  der  zunehmend  klareren  Enthüllung 
des  Messianismus  zusammentrifft.  Er  sagt  nämlich  über  die  Offen- 
barung des  Mysteriums  der  Incamation,  dass  es  deutlich  sei,  dass, 
«je  niUier  man  Christus  stand,  sei  es  vor  ihm,  sei  es  nach  ihm, 
um  so  voller  dies  Mysterium  erkannt  wurde.  So  nimmt  die  vor- 
christliche Prophetie  an  Klarheit  über  den  Messias  zu,  das  nach- 
apostolische Zeitalter  wieder  ab. 

Die  praktischen  Anweisungen  der  Propheten  über  die  Lebens- 
führung zeigen  keine  Abnahme  oder  Zunahme  an  Sicherheit  und 
Klarheit 

Was  uns  im  Augenblicke  interessirt,  ist  nur  die  Interpreta- 
tion, welche  derDoctorAngelicus,  dessen  Autographen  in  den  letzten 
Jahren  eifrig  nachgeforscht  ist,  von  der  Felsenstelle  giebt,  von 
der  wir  in  der  Zeitschrift  für  katholische  Theologie  n,  210  so- 
eben wieder  den  bekannten  Gebrauch  gemacht  finden,  diesmal 
aber  auf  Grund  protestantischer  Autoritäten,  Zeller,  Lipsius,  Hil- 
genfeld,  Hesse.  Habe  Zeller  gesagt,  die  Tatsache  von  Petri  Auf- 
enthalt in  Bom  sei,  wenn  bewährt,  für  die  katholische  Lehre  vor- 
teilhaft, und  Lipsius  gemeint,  dass  Petrus,  wenn  er  in  Bom  ge- 
wesen sei,  sicher  nicht  als  Privatmann  dort  gewesen  sei  —  so 
habe  Hilgenfeld  die  Tatsache  seiner  Anwesenheit  verteidigt,  ohne 
darum  freilich  die  Schlüsse  der  katholischen  Theologen  zu  ziehen, 
denen  er  sich  durch  wunderliche  Windungen  entziehe.  Aber  mehr 
noch,  Hesse  stellt  das  entweder  oder  entschieden,  sei  die  Stelle 
authentisch,  so  folge  Primat  und  was  man  sonst  will,  aber  die 
Stelle  sei  eine  unechte  Einschaltung.  Diese  Position  ist  den  ka- 
tholischen Theologen  ganz  angenehm,  die  Worte  stehen  eben  da, 
und  zur  Annahme  einer  Einschaltung  werden  sie  sich  nicht  ver- 
stehen wollen.  Endlich  wird  dann  der  Altkatkolik  Lutterbeck 
noch  durch  Hilgenfeld's  Kritik,  die  sich  der  Schreiber  des  Auf- 


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BnSCELLEN.  197 

Satzes  aneignet,  abgetan,  der  im  Anschlüsse  an  eine  protestantische 
Auslegung  unter  dem  Felsen  Christus  verstehen  will. 

Nun  der  Altkatholik  kann  sich  die  Gesellschaft  des  Thomas 
gefallen  lassen,  die  Deutung,  dass  der  Felsen  das  Bekenntnis  von 
Christi  Messianitat  ist,  und  die,  dass  der  Felsen  Christus  ist, 
fallen  materiell  zusammen.  Vgl.  dazu  die  nähern  Erklärungen 
des  Thomas  in  seiner  „Catena  aurea''  (Herbipoli  1704)  S.  183 
und  in  seinem  Commentare  zu  Matthaeus  (Opp.  Venedig  1744) 
ra,  p.  219. 

Heidelberg,  den  19.  December  1878. 

Merx. 


3.   Zn  Lnther's  Romreise  (1^11/12). 

Die  in  dieser  Zeitschrift  (II,  460  —  470)  von  Kolde  mit 
Hülfe  neuen  Materials  behandelte  Frage  nach  der  Zeit  der  Rom- 
reise Luther's  ist  jüngst  von  B.  Buddensieg  (Stud.  u.  Krit.  * 
1879,  S.  335 — 346)  aufe  neue  erörtert  worden.  Der  Verfasser 
glaubt  das  Ergebnis  Kolde*s  (dass  Luther's  Beise  nach  Born  in 
den  Winter  1511/12  falle),  dessen  Untersuchung  „eine  annähernde 
Evidenz"  nicht  biete,  auf  anderem  Wege,  der  sich  zugleich  durch 
seine  EinfiEu^hheit  empfehle,  „nahezu  bis  zur  Gewissheit"  erheben 
zu  können.  Buddensieg  macht  nämlich  darauf  aufmerksam,  dass 
Papst  Julius  IL  im  Winter  1510/11  gar  nicht  in  Bom  gewesen 
ist,  wohl  aber  im  darauffolgenden  Winter  (beides  geht  auch  aus 
der  neuesten,  trefflichen  Monographie  von  Moritz  Brosch 
hervor:  „Papst  Julius  H.  und  die  Gründung  des  Kirchenstaates" 
[Gotha,  F.  A.  Perthes,  1878],  S.  209  —  225.  234  flf.):  da  nun 
Luther  in  Bom  den  Papst  gesehen  habe,  werde  damit  allem 
Schwanken  in  Bezug  auf  die  Bomreise  ein  Ende  gemacht. 

Der  (bedanke,  von  dieser  Seite  her  die  Frage  zu  lösen, 
ist  beachtenswert  In  der  Tat  würde  das  Schwanken  ein  Ende 
haben,  sobald  aus  Luther's  Briefen  oder  eigenen  Schriften  un- 
zweifelhaft dargetan  wird,  dass  er  den  Papst  selbst  gesehen 
hat  —  was  als  sehr  wohl  möglich,  ja  sehr  wahrscheinlich  zu 
betrachten  ist,  felis  Luther  wirklich  im  Winter  1511/12  in  Bom 
gewesen.  Allein  einen  Beweis  dafür  hat  Buddensieg 
nicht  erbracht:  weder  durch  die  angeführte  Stelle  aus 
Mathesius'  Predigten,  noch  durch  die  Citate  aus  den  Tisch- 
reden (von  denen  übrigens  auf  alle  Fälle  nur  das  erste  von 
Belang  sein  würde).  Dass  die  beiläufige  Erzählung  des  Mathesius 
kein  Grewicht  verdient,  bedarf  ebensowenig  eines  Nachweises  wie, 
dass  wir  uns  auf  die  Tischreden,  so  lange  sie  nicht  nach  ihren 


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198  ANALEKTEN. 

Ursprüngen   kritisch   untersucht  und  gesichtet  sind,  für  Fragen 
wie  die  vorliegende  nicht  berufen  dürfen. 

Für  noch  weniger  glücklich  halte  ich  freilich  die  Bezug- 
nahme auf  Gregorovius  (Gesch.  d.  St.  Rom  VTII,  2.  Aufl., 
S.  75  f.,  vgl.  Buddensieg  S.  337  f.  339.  342).  Denn  bei  diesem 
„genialen  Goschichtschreibor  des  mittelalterlichen  Rom"  ist  bei 
seinen  zahlreichen  feuilletonistiscbon  Zwischenbemerkungen  die 
Frage  nach  den  Quellen  des  Verfassers  eine  unstatthafte. 

Marburg. 

Brieger, 


Druclc  von  Friodr.  Andr.  Portbos  in  Gotha. 


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iStudie  Aber  MaximiliaD^s  L  Plan  einer  dentscheo 
Kirchenreform  im  Jahre  1510. 

Von 
Professor   H.    ülmann    in    Greife wald. 


Am  29.  Juni  1510  schrieb  Kaiser  Maximilian  I.  in 
seinem  sehr  eigentümlichen  Französisch^  eigenhändig  an  seine 
Tochter  MargarethC;  Gouvernante  der  Niederlande:  „Le  mau- 
dit  preter  pape  pour  nulle  chose  du  monde  peult  souvrir 
que  nous  alions  en  armes  pour  notre  coron  imperial  k  Rome, 
accompaignä  des  Frangoes;  car  il  creint  d'y  estre  chapiträ 
de  nous  deos,  veu  ses  grans  piechi^s  et  abusions  que  ly  et 
ses  pr^d^cesseurs  ont  feit  et  fönt  joumelement  et  aussy  aucuns 
cardinauls  iesquels  crindont  tourtous  le  reformation,  coumbien 
yl  ount  tort  de  nous  et  sur  sela  je  ser^  bientost  d'opinion 
de  mettre  le  chose  du  Toison  d'or  en  pratike"  ^).  Der  Zorn 
des  Kaisers  galt  der  treulosen  Politik  des  Papstes  Julius  11., 
der  in  kühner  Schwenkung  von  der  Ende  1508  geschlosse- 
nen Liga  gegen  Venedig  zum  Bündnis  mit  letztgenannter 
Macht  gelangt  war.  Nach  längeren,  schwierigen  Verband- 
Ixmgen  hatte  Julius  am  24.  Februar  1510  den  über  Venedig 
verhängten  Bann  gelöst.  Seitdem  war  sein  Bestreben  dahin 
gerichtet  gewesen,  auch  England  und  das  deutsche  Reich 
von  Frankreichs  Seite  zu  sich  herüberzuziehen.  Beides  war 
mislungen.  England  hatte  seine  Beziehungen  mit  Frank- 
reich noch  fester  geknüpft  und  auch  Maximilian  zeigte  sich 
trotz  mancher  Bedenklichkeiten  entschlossen,  dem  zu  Cam- 
bray   eingeschlagenen  Weg   auch  weiter  zu  folgen.     Auch 


1)  Le  Qlay,  Correspondance  de  Maxim,  et  de  Marguerite  I,  294. 
ZeiUehr.  t  K.-Q.  III,  S.  14 

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200  ÜLMANN, 

nach  jenem  Brief  an  Margarethe   hatte   er  Angrifie  abge- 
schlagen, welche  päpstlicherseits  auf  seine  Vertragstreue  ge- 
macht worden  waren.     Der  stolze  Priester,    der  in  seinem 
Wappen  die  Eiche  filhrte,  ward  durch  dieses  doppelte  Fehl- 
schlagen nicht  beirrt     Fester   wie  je  war  er  entschlossen, 
jetzt  im  Bunde  mit  Venedig  die  Franzosen  aus  Italien  zu 
vertreiben,  obwohl  auch  die  Belehnung  Ferdinands  von  Ara- 
gon mit  Neapel  mehr  Aussiebten  als  wirksame  Unterstützung 
gewährte  \md  obwohl  die  teuer  erkaufte  Hülfe  der  Eidgenos- 
sen diesmal  mehr  Aehnlichkeit  mit  einer  blossen  Demonstration 
hatte.     Wenngleich  leidend,  rafflte  sich   bekanntlich  gerade 
damals  der  greise  Papst  zur  energischsten  Entfaltung  seiner 
Kraft  auf    Ehe  es  zu  dem  ausserordentlichen,  auch  kalt  urtei- 
lenden Politikern  der  damaligen  Zeit  höchst  aufi&Uigen  Vorgang 
kam,    dass  der  Oberhirt  der  Christenheit,   voller  Ungeduld 
seine  Generale  vorwärts  zu  treiben  und  zu  überwachen,    in 
eigner  Person  ins  Feld  zog,  war  der  Ejieg  gegen  ihn  auch 
schon   auf  einem  anderen  Gebiete  eröffiiet  worden.     König 
Ludwig  XII.  von  Frankreich,  dem  die  Macht  nicht  gefehlt 
hätte,    mit  Waffengewalt  den  Papst  nach  Rom    zurückzu- 
werfen, ja  ihm,  mit  Hülfe-  der  leicht  zu  gewinnenden  Barone, 
den  Aufenthalt  auch  dort  immöglich  zu  machen,  zog  es  vor, 
ihn  auf  seinem  eigentlichen  Gebiete  zu  bekämpfen  *).    Einem 
nach  Tours  zusiunmenberufenen  und  am   16.  September  er- 
öffiieten  französischen  Nationalconcil  wurde  die  Frage  vor- 
gelegt,   ob  gewaltsamer  Widerstand  gegen  die   päpstlichen 
Uebergriffe  zu  rechtfertigen  sei.     Es  liegt  nicht  in  meinem 
Plan,   hier  auf  die  Verhandlimgen  jener  Synode  einzugehen. 
Genug,  dass  sie  dem  König  die  gewünschte  Waffe  der  Obe- 
dienzentziehung  zu  Gebote  stellte  imd  sogar  die  Bitte  an  den- 
selben richtete,   den  Papst    um  Beruftmg  eines  allgemeinen 
Concils  und  Beendigung  des  Ejiegs  zu  ersuchen.    Wolle  der 
Papst  das  nicht,  „qu'il  voeulle  commetre  en  France  ung  Pro- 
cureur  ayant  puissance  de  pouvoir  au  salut  des  ames  des 
subjects  de  Royaume  de  France",  weil  man  des  Kriegs  hal- 


1)  Brosch,  Papst  Jiüius  H.,  S.  208. 

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MAXnaUAN'S  KIBCHBNBEFORMPLAN  1510.  201 

ber  nur  mit  Sohwiarigkeiten  zn  ihm  gelangen  könnte. 
FallB  der  Papst  das  Concil  nicht  wolle^  so  möge  der  König 
gemeinflam  mit  dem  Kaiser  und  den  anderen  Fürsten  ein 
solches  einberufen  ^). 

Es  war  fSftst  derselbe  Moment,  in  welchem  Julius  11. 
bereits  in  Bologna  angelangt  war  (22.  September),  nur  noch 
Kampf  gegen  Frankreich  im  Sinn,  derselbe  Moment,  in  dem 
sieh  herausstellte,  dass  Ainf  Cardinäle,  die  Sache  des  Papstes 
preisgebend,  statt  diesem  von  Rom  nach  Bologna  zu  folgen, 
in  das  französische  Mailand  sich  begeben  hatten.  Dass  ein 
Charakter  wie  Julius  U.  lieber  das  Aeusserste  ertragen  würde, 
ab  jetzt  noch  zurückzuweichen,  durfte  für  sicher  gelten. 
Dass  die  der  Liga  getreuen  Elemente  dem  Abfall  gegenüber 
sich  um  so  fester  aneinanderzuschliess^i  das  Bedürfiüs 
fiihlten,  führte,  zu  dem  G^edanken  einer  persönlichen  Zusammen- 
kunft des  E^aisers  mit  dem  König  yon  Frankreich  auf  bur- 
gundischem  Boden.  Maximilian  hat  diesen  an&nglich  leb- 
haft erfassten  Plan  bald  wieder  fallen  lassen,  angeblich  aus 
finanziellen  und  ceremoniellen  Rücksichten.  Dagegen  stand 
es  schon  sdt  Ende  Juni  fest,  dass  sein  vertrautester  und 
politisoh  befiüiigtester  Ratgeber,  Matthäus  Lang,  Bischof 
von  Ghirk,  zur  Befestigung  des  beiderseitigen  Elnvemehm^EM 
sich  an  den  französischen  Hof  begeben  sollte.  Derselbe 
traf  auch  grade  in  dem  ereignisschweren  Augenblick  da^ 
selbst  ein,  wo  das  Interesse  Frankreichs  auf  die  in  Tours 
zu  £Etösenden  Beschlüsse  sich  coneentrirte ').  Ueber  aUes, 
was  daaelbet  sich  vorbereitete,  hatten  die  Berichte  seines  ge- 
treuen Andreas  da  Burgo  den  Kaiser  auf  dem  Laufenden 
erhalten;  doch  ist  nicht  nachweisbar,  dass  die  Gedanken, 
welche  um  Mitte  September  bei  ihm  reiften,  den  Anstoss 
erhalten  haben  von  Frankreich  her.  Sehr  vieles  spricht  flir 
einen  Ideenaustausch  beider  Monarchen;    dennoch  bleibt  bis 


1)  So  berichtet  am  1.  Oetober  Jean  Gavlier  an  Margarethe. 
(Lettres  de  Louis  Xu,  n,  46 sq.)  Jene  Beschlüsse  nach  ihm  am 
Sonnahend,  also  am  28.  S^»tember  geflEMst. 

>)  Am  25.  September  war  er  in  Orleans.  Le  Glaj,  N^ociations 
d^L  entre  la  France  et  rAutriche  I,  d&9,  s.  351  und  361. 

14* 

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202  ÜLMANN, 

auf  weiteres  die  Möglichkeit,  dass  verwandte  Umstände  ana- 
loge Erscheinungen  hervorgerufen  haben.  — 

Maximilian  gedachte  trotz  der  päpstlichen  Schwenkung 
keinen  seiner  Ansprüche  an  das  gehasste  Venedig  aufzugeben. 
Hierin  lag  jetzt  und  noch  lange  das  hauptsächlichste  Hinder- 
nis seiner  Verständigung  mit  der  mit  dem  Lagunenstaate 
ausgesöhnten  Curie.  Deshalb  sandte  er  in  dem  Augenblick, 
in  welchem,  dem  oben  angeführten  Brief  an  Margarethe  zu- 
folge, er  als  Ritter  des  goldnen  Vliesses  der  Kirche  gegen 
ihren  obersten  Vertreter  zu  Hülfe  zu  kommen  sich  brüstete, 
einen  Agenten  nach  Bosnien  und  Adrianopel,  um  den  Ghx)B8- 
herm  der  Osmanen  zum  Angriff  auf  das  venetianische  Dal- 
matien  aufzufordern  ^).  Dem  Papst  selbst  suchte  er  durch 
diplomatische  Einwirkung  die  Unterstützung  der  Eidgenossen 
abzustricken;  hauptsächlich  aber  wollte  auch  er  den  Kampf 
auf  das  Gebiet  innerkirchlicher  Fragen  verlegen,  wie  unter 
unzweifelhaftem  Druck  des  königlichen  Willens  eben  der 
französische  Klerus. 

Maximilian  war  nicht  so  geartet,  dass  ihm  die  Frage 
der  Reformation  ausschliesslich  als  Kampfinittel  erschie- 
nen wäre.  Wie  er  überhaupt  geistigen  Interessen  aller  Art 
lebhafter  und  ausdauernder,  als  es  sonst  ihm  eigen  war,  sich 
hingab,  so  haben  Fragen  des  Glaubens  nicht  minder  als 
solche  der  Ejrchenorganisation  ihn  wiederholt  angelegentlich 
beschäftigt.  Wenn  in  letzter  Beziehung  neuerdings  mit  Vor- 
liebe sein  bizarr  erscheinender  Einfall  vom  Jahre  1511,  selbst 
den  Stuhl  Petri  zu  besteigen,  die  Gelehrten  beunruhigt  hat, 
so  darf  andrerseits  an  jene  Besprechungen  erinnert  werden, 
welche  der  Kaiser  über  Abstellung  kirchlicher  Schäden  in  den 
Jahren  1503  und  1504  bereits  mit  zwei  so  hervorragenden  Vor- 
kämpfern einer  Besserung  wie  Geiler  von  Kaisersberg  *)  und 


1)  Am  1.  Juni  1510.  Brosch  a.  a.  0.,  S.  198  und  347f.;  s.  293. 
Beiläufig  hebe  ich  hervor,  dass  der  Kaiser  dasselbe  Dahnatien  dar- 
nach im  Lauf  eines  Jahres  erst  Ungarn,  dann  Spanien,  dann  wieder 
Ungarn  anbietet. 

*)  L.  Dacheux,  Un reformateur  catholique  .  .  .  Jean  Geiler  de 
Kaysersberg (1876), p.  497.  P.  von  Wisko watof f ,  Jacob  Wimphelmg, 
3.  139.  Vgl.  Böhrich,  Geschichte  der  Reformation  im  Elsass,  S.  69. 


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MAXIMILIANS  KIKCHENREFORMPLAN   1510.  203 

Jacob  Wimpheling  gepflogen  hatte.  Für  seine  dogma- 
tischen Liebhabereien  sprechen  jene  acht  Fragen  über  die 
Notwendigkeit  und  Natur  des  Glaubens,  über  Seligwerdung 
ausserhalb  der  christlichen  Kirche  u.  a.  m.,  deren  Beant- 
wortung er  im  Jahre  1508  zu  Boppard  dem  gelehrten  Abt 
Trithem  unter  der  charakteristischen,  freilich  nicht  innegehal- 
tenen Bedingung  auflegte,  den  Beweis  auf  dem  Weg  der  Natur 
(d.  h.  der  natürlichen  Logik)  und  nicht  des  Glaubens  zu  er- 
bringen ^).  Weiter  auf  diese  und  andre  femer  zurückliegende 
Momente  einzugehen,  ist  nicht  meine  Absicht.  Das  Gesagte 
soll  nur  zeigen,  dass  innere  Ueberzeugung  von  der  Notwen- 
digkeit kirchlicher  Reform  nicht  fehlte,  als  Maximilian  im 
Sommer  1510  diesen  Fragen  wieder  einmal  näher  trat,  dies- 
mal allerdings  in  hervorragendem  Masse  bestimmt  durch  die 
politische  GesammÜage.  Ich  denke,  dass  grade  das  letztere 
durch  die  neuen  Aufklärungen,  die  ich  zu  geben  in  der 
Lage  bin,  noch  deutlicher  werden  wird.  Im  Juni,  wie  wir 
im  Eingang  gesehen,  hatte  Max  über  eine  Reformation  ge- 
sprochen, welche  der  Papst  und  ein  Teil  der  Cardinäle  von 
ihm  und  Ludwig  XII.  befürchteten.  Fast  zwei  Monate,  aus 
denen  wir  über  die  Auf-  und  Abbewegung  des  kaiserlichen 
Ideengangs  leider  nichts  erfahren,  vergehen,  bis  aus  dem  auf- 
blitzenden Gedanken  ein  fertiger  Plan  wurde.  Musste  der 
Kaiser  die  Erfahrung  machen,  dass  unter  den  in  seiner  Um- 
gebung weilenden  Ratgebern  keiner  der  Schwierigkeit  einer 
solchen  Aufgabe  gewachsen  war?  Er  verfiel,  vielleicht  an- 
geregt durch  seinen  Secretär  Jacob  Spiegel,  darauf,  dessen 
Oheim,  den  ihm  längst  vertrauten  Jacob  Wimpheling,  mit 
einem  Gutachten  über  die  Frage  zu  betrauen,  wie  die  Re- 
form anzugreifen  sei.  Die  bisherige  Tätigkeit  des  berühmten 
Humanisten,  welche  ich  als  bekannt  voraussetze,  lässt  diesen 
hohen  Vertrauensbeweis  begreiflich  erscheinen.  Am  18.  Sep- 
tember 1510  sandte  ')  Maximilian,  von  Ueberlingen  aus,  den 

^)  Joannis  Tritemil  ....  Liber  octo  quaestionnm  ad  MaximU. 
Caesarem  (Ausgabe  yon  1550),  Bl.  Iff.  S.  Hege  wisch,  beschichte 
Manmilian's  I.,  H,  178. 

*)  Diese  Vollmacht  und  die  Mehrzahl  der  im  Folgenden  benutz- 
ten Actenstücke  hat  bekanntlich  zuerst  Spiegel  selbst  1520  heraus- 


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204  UIMASN, 

oben  genAnnten  Secretär  Spiegel  an  Wimpheling  mit  der 
pragmatischen  Sanction  der  franzöeischen  Könige  und  ein^n 
nicht  näher  bezeichneten  mündlichen  Auftrags  defisen  Aus- 
ftihrung  von  Wimpheling's  Tüchtigkeit  und  Treue  erwartet 
würde.  Darauf  dass  Wimpheling  auch  unerfordert  in  solchen 
Dingen  Beweise  seines  Interesses  g^eben^  wird  die  Zu- 
versicht gegründet^  dass  er  sich  auch  der  ihm  jetzt  zuge- 
muteten Au%abe  nicht  versagen  würde.  Dieser  Brief  traf 
den  Adressaten  in  Heidelberg,  von  wo  er  sich,  vermutlich 
auf  Wunsch  des  darin  beglaubigten  Cbsandten,  nach  Strass- 
bürg  verfögte,  um  von  ihm  laut  der  ihm  erteilten  Instruction 
das  Nähere  zu  vernehmen.  Diese  bisher  vermisste  Instruc- 
tion des  E^aisers  für  Spiegel^  d.  d.  Ueberlingen,  18.  Septem- 
ber 1510;  besagt  folgendes^):  Maximilian  sei  längst  ent- 
schlossen gewesen,  nach  Beendigung  seiner  kriegerischen 
Aufgaben  zum  besten  des  römischen  Reichs  und  besonders 
der  deutschen  Nation  gewisse  Bestimmungen  (sanctiones  et 
instituta)  zu  erlassen.  Da  er  aber  jetzt,  insofern  immer  aus 
einem  Krieg  ein  anderer  erwachse,  die  Hoffiiung  verlor^i 
habe  ruhige  Zeiten  zu  erleben,  erscheine  es  ihm  unwürdig, 
länger  zu  zögern,  um  nach  dem  Beispiel  andrer  Völker  ein- 
zurichten provisiones  et  edicta,  damit  Deutschland,  seit  vielen 
Jahren  gewohnt,  Gelder  und  Kräfte  nach  Rom  hinzugeben 
(spargere),  endlich  einmal  wieder  die  alte  Freihdt  erlange 
und  nach  heilsamen  Regeln  und  Bestimmungen  lebe.  Dazu 
verlange  er  den  Rat  Wimpheling's,  der  in  grossen  und  klei- 
nen Schriften  dem  Reich  und  Kaiserhaus  Ehre  erzeigt  und 
bereits  zu  dem  jetzt  erstrebten  Ziel  die  B^lrsten  eingeladen 
hätte.  Ihn  (Max)  habe  er  neulich  ermahnt,  eine  gute  Ord- 
nung zu  machen,  für  Eintracht  au  sorgen,  einen  Reichs- 
schätz   zu  begründen  (aerarium    conunune,   quod    haotenus 


gegeben  (s.  Wiskowatoff,  Wimpheling,  S.  180.  184f.)  Ueber  das 
Verhältnis  dieser  Publication  zu  den  Drucken  bei  Riegger,  Goldast, 
Freher  etc.,  sowie  der  vollständigeren  Abschrift,  welche  ich  aus  Spa- 
latin's  Nachlass  im  Emestinischen  Gesammt- Archiv  in  Weimar  ge- 
funden habe,  bitte  ich  den  „Anhang"  zu  vergleichen.  Ueber  Spiegel 
vgl.  Aschbaoh,  Geschichte  der  Wiener  Universität  ü,  807. 

^)  Emestiniflohes  Gbsammt* Arohiv  in  Weimar,  s.  den  Anhang. 


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MAXTMTTiIAN'S   KIRCHENREFORMPLAN   1510.  206 

privaäim  exüt)^  die  Annaten  und  sonstigen  Erpressungen^  die 
täglich  von  Born  aus  geschähen,  aufiiuheben.  Ihm,  dem 
Kaiser,  sage  dieser  Ratschlag  umsomehr  zu,  als  die  listiger- 
weise  aus  Deutschland  entführten  Summen  von  der  päpst- 
Heilen  Curie  verwendet  würden  „in  nostri  odium,  contemptum, 
exterminium^^  Das  verlangte  Gutachten  soll  noch  speciell 
über  drd  Fragen  Auskunft  geben.  Erstens  über  die  Kniffe 
der  Curtisanen  und  die  besten  Mittel  diese  imwirksam  zu 
machen;  dann  über  Abstellung  der  Annaten,  eine  Aufgabe, 
fiir  deren  Lösung  ihm  noch  besonders  die  kaiserliche  Muni- 
ficenz  in  Aussicht  gestellt  wird.  Endlich  soll  Spiegel  seitens 
des  Kaisers  vortragen:  „nos  cogitare  de  instituendo  nato  et 
perpetuo  in  Germania  legato,  ad  quem  in  ipsa  Germania 
querelae  et  causae  ecclesiasticae  devolverentur^^.  Der  Kaiser 
wolle  wissen,  quo  jure  diese  Einrichtung  getroffen  werden 
könnte  und  welche  Rechte  dem  Legaten  zustehen  würden 
(quidue  ei  de  jure  debeatur),  auch,  welche  Vorteile  Deutschland 
daraxu  zu  erwarten  hätte.  Das  Schriftstück  schliesst  mit  den 
Worten:  „Mdius  etenim  inducemus,  ut  causae  in  patriis  nostris 
ventilentur,  quia  celerius  expedientur  et  ipsae  impensae 
remanebunt  in  patriis.^' 

Es  springt  zunächst  in  die  Augen,  dass  es  vorzugsweise 
die  politischen  Gesichtspunkte  sind,  welche  bestimmend  auf 
Max  eingewirkt  haben.  Ihn  ^bittert  vor  allem,  dass  die 
Curie  aus  Deutschlands  kirchlichen  Einkünften  Wafifen 
schmieden  darf  gegen  Deutschlands  Herrscher;  dann  scheint 
doch  die  Analogie  mit  dem,  was  eben  in  Frankrdch  sich 
vorbereitete,  nicht  abzuweisen.  Nach  dem  Beispiel  fremder 
Völker  will  der  E^aiser  Schutzwehren  errichten  gegen  rö- 
mische Uebergriffe,  zu  diesem  Behuf  wird  als  Material  die 
französische  sanctio  pragmatica  mit  übersandt.  Dass  ein 
Exemplar  derselben  durch  einen  glücklichen  Zufall  im  kaiser- 
lichen Besitz  sich  vorgeftmden,  dürfte  schwerlich  anzunehmen 
sein,  und  wird  dem  noch  unwahrscheinlicher  dünken,  der 
Einblick  gewonnen  hat  in  den  Zustand  des  kaiserlichen 
Archivwesens  und  weiss,  wie  oft  selbst  Actenstücke,  die  der 
Geschäftsgang  in  die  Kanzlei  geftihrt  haben  musste,  nirgends 
aufzutreiben  waren,   wenn  die  kaiserlichen  Räte  ihrer  be- 


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206  ihjiAlNN; 

durften.  Abgesehen  von  den  in  der  Einleitung  erörterten 
Gbeichtspunkten,  möchte  ich  grade  auch  im  Besitz  der  sanctio 
pragmatica  einen  tatsächlichen  Beleg  erkennen  fUr  den  in 
dieser  Frage  zwischen  Deutschland  und  Frankreich  statt* 
gehabten  Ideenaustausch.  Fast  komisch  wirkt  es,  wie  fem 
der  zu  Rat  gezogene  Humanist  Wimpheling  grade  diesem 
Gesichtspunkt  der  auswärtigen  Politik  steht.  Er  übernimmt 
den  Auftrag;  bei  welchem  es  ihm  offenbar  nicht  recht  geheuer 
war,  hauptsächlich;  wie  er  selbst  sagt,  um  seinem  Neffen  die 
kaiserliche  Gunst  und  seiner  Vaterstadt  Schlettstadt  den 
kaiserlichen  Schutz  gegen  etwaige  französische  Angriffe  zu 
verdienen.  Ihn  beschäftigt  nur  der  Gedanke  einer  Besserung 
der  kirchlichen  Zustände,  und  wenn  wir  ihn  in  seinen  Rat- 
schlägen sehr  vorsichtig;  ja  auffallend  zurückhaltend  erfin- 
den; so  mag  zur  Erklärung  der  Hinweis  auf  die  scheue 
Sorge  dienen;  mit  der  im  Jahre  1508  Abt  Tritthem  seine 
Rechtgläubigkeit  verklausulirt  hat^);  sowie  die  Erfahrung; 
dass  soeben  erst  die  kirchlichen  Wächter  der  reinen  Lehre 
in  Deutschland  sich  Reuchlin  gegenüber  recht  unsanft  in 
Erinnerung  gebracht  hatten  *).  Am  1.  November  ist  das 
Begleitschreiben  ausgestellt;  mit  welchem  Wimpheling  sein 
Gutachten  an  den  Kaiser  absandte.  Welche  Bestandteile 
dasselbe  umfasstC;  habe  ich  im  Anhang  anschaulich  zu 
machen  versucht  Ich  fasse  kurz  aus  allen  die  Quintessenz 
der  Ansichten  unseres  Gelehrten  zusammen;  ohne,  was  ander- 
wärts zur  Genüge  geschehen;  eine  ausfiihrlichere  Wiedei^be 
zu  unternehmen.  Nur  auf  seine  Beantwortung  der  letzten; 
bisher  ganz  ausser  Betracht  gebliebenen  Frage ;  die  Maxi- 
milian's  Instruction  anregt;  ist  hier  specieller  einzugehen. 
Die  Beschränkimg,    mit  der  Wimpheling  in  seinem  Be- 


1)  a.  a.  0.,  Blatt  65  f.  Autboris  protestatio  ad  Caesarem. 

>)  Aus  dem  Umstand,  dass  Punkt  3  des  Wimpbeling*schen  Gut- 
achtens über  die  Curtisanen  des  Beucblin'scben  Handels  gedenkt, 
will  Wiskowatoff,  S.  188,  Anm.  1  entnebmen,  dass  dies  Gutachten 
kein  Bestandteil  des  vom  Kaiser  1610  erforderten  gewesen  sein  könne, 
da  der  Handel  Reucblin*s  mit  den  Dominikanern  erst  1511  begonnen 
bätte.  Dieser  Irrtum  widerlegt  sieb  durch  die  Darstellung  Geige  r's, 
J.  Beucblin,  S.  217.  220.  226. 


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MAXIMHilAN'S  KmCRENREFORMPLAN  1510.  207 

gleitschreiben  dem  kaiserlichen  Wunsch  entsprechen  zu  wollen 
erklärt,  die  Klausel  nämlich  ^^  soweit  es  mit  Gott  und  ohne 
Gewissensverletzung  möglich  ist*',  weissagt  wenig  Gutes.  In 
der  Tat  hätte  man  am  kaiserlichen  Hof  von  dem  alten 
Gegner  kirchlicher  Misbräuche  wohl  mehr  erwarten  dürfen, 
als  die  Wiederholung  und  speciellere  Begründimg  einer  Reihe 
oft  gehörter  und  bisher  tauben  Ohren  gepredigter  Klagen, 
sowie,  was  unerfreulicher  war,  eine  mit  der  dem  Manne 
neuen  Verantwortlichkeit  seiner  Worte  gewachsene  Enthalt- 
samkeit in  der  Meinungsäusserung  grade  über  die  ent- 
scheidenden Fragen.  Von  der  Einführung  der  pragmatischen 
Sanction  rät  Wimpheling  ab:  er  hält  die  concordata  der 
deutschen  Fürsten  bei  gewissenhafterer  Beobachtimg  fiir  aus- 
reichend *),  sonderbar  genug  gegenüber  dem  Inhalt  der  auch 
von  ihm  wieder  hervorgesuchten  decem  gravamina  nationis 
germanicae,  die  grade  gegen  den  fortwährenden  Bruch  der 
mit  der  Curie  geschlossenen  Concordate  in  herbster  Weise 
sich  auflehnen.  Durch  und  durch  eingeweiht  zeigt  sich  der 
Verfasser  weiter  in  die  Schliche  der  Curtisanen  und  die 
zahllosen  der  Kirche,  dem  Glauben,  der  Wissenschaft,  Ein- 
zelnen dadurch  zugefügten  Schädigungen  und  Beschimpftm- 
gen.  Sein  Rat  beschränkt  sich  auch  hier  darauf,  den  Papst, 
dessen  guter  Wille  vorausgesetzt  wird,  anzugehen,  einiger- 
massen  Zügel  und  Mass  jenen  Unverschämten  aufzulegen, 
ganz  ebenso,  wie  er  zur  Abstellung  der  gravamina,  deren 
Höhepunkt  die  Annaten  bildeten,  auch  nichts  Besseres  vorzu- 
schlagen weiss,  als  die  Bitte  an  den  heiligen  Vater,  milder 
mit  seinen  „deutschen  Söhnen''  zu  verfahren.  Himmelweit 
waren  doch  in  diesem  Augenblick  Max  und  Wimpheling 
auseinander:  solche  Ratschläge  konnten  dem  Kaiser,  der  darauf 
brannte,  mit  seinen  Reformen  den  Papst  empfindUch  zu 
treffen,  wenig  frommen.  Hält  es  doch  obendrein  in  seiner 
Angst,  dass  Max  sich  zuweit  fortreissen  lassen  möge,    der 


1)  Nur  hält  er  es  für  zolässig,  in  Frankreich  in  Erfahrung  zu 
hringen,  welche  Glewalt  nach  dortigem  Recht  dem  Papst  bei  Yer- 
leihung  kirchlicher  Beneficien  zustehe,  und  darnach  im  römischen 
Beich  ein  moderamen  eintreten  zu  lassen. 


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208  tTLITANN, 

getreue  Eckart  fiir  erforderlich,  in  eindruckflyollster  Form  au 
warnen.  Ja  keinen  Schritt  in  solche  Sache  tun,  bis  der 
E^iser  weiss,  dass  nicht  Furcht  vor  päpstlichen  Censuren 
die  drei  geistlichen  KurMrsten  von  seinem  Wege  scheidet! 
Auch  die  Befürchtung,  dass  die  Bettelmönche  gegen  ihn  das 
Volk  erregen  möchten,  dass  der  Papst  den  Kurfürsten  die 
Wahl  eines  neuen  Königs  anbefehlen  und  die  benachbarten 
Nationen  gegen  die  kaiserlichen  Erblande  aufhetzen  könnte, 
wird  dem  Monarchen  nicht  erspart.  Aber  hören  wir  erst 
seine  Antwort  auf  die  lotete  der  kaiserlichen  Fragen.  Es 
handelt  sich  in  derselben,  wie  wir  uns  erinnern,  allgemein 
genommen  um  eine  ähnliche  Massregel,  wie  die  der  Bestel- 
lung eines  nationaJ^i  procureur  des  dmes,  welche  im  gleichen 
Augenblick  der  französische  Klerus  in  Tours  seinem  König 
vorschlug.  Der  hauptsächlichste  Unterschied  ist,  dass  der 
französische  Klerus  wohl  eine  vorlibei^ehende  Einrichtung, 
dass  aber  Max  mit  seinem  legatus  natus  et  perpetuus  eine 
dauernde  Aenderung  des  kirchlichen  Organismus,  eine  Art 
nationaler  Selbständigkeit  der  deutschen  Kirche  im  Sinne 
hatte.  Was  hat  nun  Wimpheling  zu  diesem  originellsten 
Gredanken  der  kaiserlichen  Instruction  gesagt?  Hören  wir 
ihn  selbst  *):  „De  legato  nato  et  primate  seu  Patriarcha  con- 
sulantur  jurium  periti:  licet  enim  audierim  Archiepiscopum 
Saltzburgensem  esse  legatum  natum  Germaniae  et  archiepis- 
copum Magdeburgensem  esse  primatem  seu  patrieu*cham.  Timeo 
^utem  summum  Pontificem  contra  nos  prescripsisse,  quia  Pri- 
vilegium per  non  usum  perditur.  Incidit  mihi  quod  in  glo- 
riose quondam  conventu  principum  in  Wormatia  legi  de 
hac  materia  elegantem  orationem  cujusdam  doctoris  et  no- 
bilis,  quem  dicebant  esse  de  familia  ducum  Saxoniae  et  ons 


1)  Emestinisches  G^esamnit- Archiv  zu  Weimar,  s.  Anhang  al.  8. 
Die  Originalität  des  Gedankens  ist  natürlich  in  beschränktem  Sinn  •  zu 
fassen.  Die  Geschichte  insbesondere  Deutschlands  liess  analoge  Pläne 
öfters  auftauchen.  Man  denke  nur  an  den  in  der  2ieit  des  Kaisers 
Friedrich  I.  in  Deutschland  In  unbekannten  Kreisen  entstandenen 
Gedanken,  den  Erzbischof  von  Trier  zum  Haupt  dner  deutschen 
Nationalkirche  zu  machen. 


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MAXIMILIAN'S  KIBCHENBEFORMPLAN   1510.  209 

(?  unleserliches  Wort^  vielleichi  hat  dominus  oder  eine  Ab- 
kürzung dafür  gestanden)  y  Henricus  de  Binow  ^)  dicebat 
mihi  nomen  aut  cognomen  suum  esse  Hermannus  Grien, 
credo  hodie  ejus  orationis  exemplum  inveniri  posse  apud 
quendam  vicariiim  summae  ecolesiae  Spirensis  Geoi^um 
Bejser  de  Amberga." 

Also  mit  einer  rein  historischen  Reminisoenz  an  Befug- 
nisse der  Erzbischöfe  yon  Salzburg  und  Magdebuig,  die 
er  obendrein  selbst  ftir  rerjährt  ^)  ansieht^  wälzt  Wimpheling 
die  unbequeme  Entscheidung  von  sich  ab.  Einerseits  schiebt 
er  dieselbe  auf  den  breiten  Rücken  arbeitsamer  juristischer 
Räte,  andrerseits  deckt  er  seinen  unrühmlichen  Rückzug,  in- 
dem er  auf  die  ihrer  Form  wegen  ihn  einst  ansprechende 
Rede  eines  vielleicht  schon  Verstorbenen  hinweist,  welche 
er  ftir  damals  Lebende  und  mit  dem  Gang  der  jüngsten 
Geschichte  Vertraute  wohl  ausreichend  deutlich,  soweit  seine 
unbestimmt  gewordene  fkinnerung  reichte,  signalisirt.  Also 
nichts  als  seitliche  Bedenklichkeit  und  keine  Spur  des 
freien  G^tes,  aus  dem  allein  grosse  Entschlüsse  geboren 
werden.  Das  Urteil,  welches  scharfer  Feindeswitz  später 
über  Hütten  sich  erlaubte:  er  belle  wohl,  aber  er  beisse  nicht, 
kann  es  Wimpheling  von  sich  abwehren?  Würdigt  man 
den  kaiserlichen  Plan  als  Gbmzes,  erkennt  man  in  ihm  ein 
Product  der  in  all^i  Erlassen  der  Nation,   auch  einem  Teil 


1)  Hemrich  von  Bunan,  der  Steltzner  genannt,  ein  bekannter  Rat 
FriedrichB  des  Weisen  von  Sachsen.  S.  Friedrichs  des  Weisen  Zeit- 
geschichte von Spalatin  inSpalatin's  Histor.  Nachlass,  heransgegeben 
von  Neudecker  und  Preller,  S.  34  u.  a.  0. 

*)  Das  ist  die  Bedentang  von  prescribere  =  französisch  prdscrire. 
Zur  Sache  handelt  es  sich  nm  Salzburgs  Legatenwürde  für  Noricum 
und  Magdeburgs  Primat  in  Germanien,  Ansprüche,  die  bekanntlich 
ihren  prägnantesten  Ausdruck  in  den  bekannten  Sessionsstreitigkeiten 
beider  im  Fürstenoolleg  des  Reichstags  Ende  des  15.  Jahrhunderts  ge- 
funden haben.  Vgl.  Palm,  lieber  den  Primat  des  Erzstiftes  Magde- 
burg (Forschungen  zur  deutschen  Geschichte,  Bd.  XVII,  S.  260 E). 
Üeber  die  Entstehung  des  Magdeburger  Primats  i.  J.  1370  auf  Grund 
emer  früher  gefälschten  päpstlichen  Urkunde,  s.  ebendas.  S.  245.  Der 
Magdeburger  Titel  selbst  ward  übrigens  in  Wimpheling's  Tagen  noch 
fleissig  gebraucht. 


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210  TTIAfANK^ 

der  Geistlichkeit  vorhandenen  und  nach  Aasdruck  ringenden 
Stimmung  und  Str^miung^  so  muss  man  sagen  ^  dass  ein 
grosser  Moment  Wimpheling  kraftlos^  der  Aufgabe  nicht  ge- 
wachsen^ getroffen  hat  Wenn  je,  so  musste  damals  das 
Project  einer  Lockerung  der  kirchlichen  Abhängigkeit 
Deutschlands  von  Rom  durch  Bestellung  eines  legatus  per- 
petuus  doch  wenigstens  discutabel  erschien.  Nichts  berech- 
tigt hinter  dem  Plan  Maximilian's  mehr,  etwa  ein  Schisma, 
erkennen  zu  wollen.  Schon  die  Wahl  des  Ausdrucks  legatus 
natus  et  perpetuus  beweist  es,  dass  es  sich  um  eme  dauernde, 
oi^anisatorisch  festzustellende  Uebertragung  gewisser  von 
päpstlichen  Behörden  in  Rom  geübter  und  gemisbrauditer 
Befugnisse  auf  einen  in  Deutschland  residirenden  Stellvertreter, 
wohl  einen  deutschen  Prälaten,  handelte.  Wenn  bei  der 
ersten  Einrichtung  vielleicht  auch,  wie  die  Dinge  lagen, 
von  einer  Mitwirkung  des  Papstes  hätte  abgesehen  werden 
müssen  —  so  lag  in  dem  Plan  nicht  notwendig  die  Loa- 
lösung  einer  Nationalkirche  aus  der  Gesammtkirche.  Was 
Luther  1618  zu  Augsburg,  wie  Waltz  soeben  gezeigt 
(Histor.  Zeitschrift,  Neue  Folge  V,  247),  von  der  reichs- 
ständischen Opposition  m  sich  aufiiahm,  die  Unterschei- 
dung zwischen  der  römischen  Kirche  und  der  römischen 
Curie,  das  hatte  jene  Opposition  auch  nicht  erst  1518  aus 
den  Fingern  gesogen.  Besass  der  Gedanke  einer  deutschen 
Legation  in  perpetuum  die  von  Max  ihm  zugetraute  Kraft, 
nicht  nur  Heilung  zu  spenden,  sondern  auch  die  Menschen 
an  diese  Art  der  Heiltmg  glauben  zu  machen,  so  hätte  sich 
damals  mit  der  herkömmlichen  Zähigkeit  der  römischen 
Curie  wohl  rechnen  lassen,  so  gut  wie  Friedrich  11.  für 
Prcussen  hinsichtlich  seines  katholischen  Vicars  das  voraus- 
setzen durfte  *).  Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  wenn  es  über- 
haupt der  Historie  ziemte,  die  günstigen  Falls  mögliche 
Perspective  zu  verfolgen:  mögUch  freilich  nur,  wenn  kluge 
Energie  unverrückt  das  Ziel  im  Auge  behielt.  So  dient 
denn    allerdings    die    wenig    verlässliche    Denkungsart    des 


1)  Mommsen,  i.  d.  Preussischen  Jahrbüchern  XXXIX,  152. 

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MAXmiLUN'S  KIRCHENREFORMPLAN   1510.  211 

Kaisers,  dessen  hastiges  Springen  von  einem  Plan  zum  an* 
dem  leicht  einen  alku  eifirigen  Ratgeber  rachsüchtiger  Ver- 
folgmig  gerdzter  Machthaber  preisgeben  konnte,  Wimpheling 
zur  Entsdiuldigung.  Od^  irre  ich  mich  vielleicht?  Ist  im 
obigen  CStat  der  Rede  des  ,,Hermannus  Qrien'^  vielleicht 
mehr  verborgen,  als  die  Worte  zu  besagen  scheinen?  Wird 
dem  Kaiser  aus  Vorsicht  in  versteckterer,  den  Verfasser  des 
Gkttachtens  weniger  eompromittirender  Weise  die  WaflFe  ge- 
boten, deren  er  bedurfte?  Nicht  so  leicht,  wie  vermutlich 
den  2jeitg6nossen  Wimpheling's,  wird  es  heute  in  die  eigent- 
liche Bedeutung  jenes  Cätats  einzudringen.  Dass  von  dem 
berühmt^i  Wormser  Reichstag  von  1496,  und  nicht  etwa 
von  den  Tagen  von  1497  oder  1509  die  Rede  sein  muss, 
ergiebt  schon  die  Bezeichnung  conventus  principimi  gloriosus. 
Aber  ein  „Hermannus  Qrien^^  war  nirgends  au&utreiben. 
Der  Umstand,  dass  Wimpheling  den  Namen  nur  gesprächs- 
weise von  dem  kurfürstlich  sächsischen  Rat  Heinrich  von  Bii- 
nau  erfahren,  sowie  die  Beobachtimg,  dass  seine  Erinnerung 
an  die  ganze  Sache  offenbar  nicht  mehr  allzu  klar  ist,  liess 
die  Annahme  einer  unabsichtlichen  Entstellung  des  Namens  zu- 
lässig erscheinen.  Man  darf  mit  voller  Sicherheit  be- 
haupten, dass  kein  anderer  gemeint  ist,  als  der  in  den  Jahren 
1495 — 1497  mit  Reuchlin  im  Briefwechsel  stehende  Johann 
Wolf  von  Hermansgrün  ^).  Dieser  voigtländische  Edle 
hatte,  wie  wir  aus  einem  Schreiben  Reuchlin's  erfahren,  seine 
Studien  in  Rom  gemacht  unter  dem  berühmten  Pomponius 
Latus,  hatte  dann  eine  Fahrt  unternommen,  die  ihn  bis  Pa- 
lästina führte  ').     Dieser  Mann  nun,   der  hohe  Bildung  mit 


^)  Joannes  ex  Lapis  Hermansgrün  schreibt  er  sieb  selbst.  Ent- 
spricht das  ex  Lupis  unserm  Wolf,  oder  ist  es  nur  eine  dem  Klang 
entsprechende  Latinisimng,  welche  damals  die  Sitte  unter  den  Huma- 
nisten bekanntlich  forderte,  unseres  Lippold  =s  Luppold?  S.  die  fol- 
gende Anmerkung. 

*)  Aus  diesem  Umstand  möchte  ich  die  Identität  des  gleich  vor- 
zuführenden Wormser  Redners  mit  dem  voigtländischen  Ritter  Lip- 
pold von  Hermansgrün,  der  1493  mit  dem  Kurfürsten  Friedrich  Yon 
Sachsen  zum  heiligen  Lande  zog,  annehmen.  (Spalatin*s  Nachlass, 
herausgegeben  von  Neudecker  und  Preller,  S.  90,  s.  87.)   Dafür  spricht 


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212  CLMANN; 

Welter£Eihrang  paarte ;  war  1496  Gesandter  des  EnsfaiBohofii 
Ernst  Yon  Magdeburg  auf  dem  WormBer  Reichatage  ^).  Sein 
Herr  war  bekanntlich  der  Bruder  Friedriob's  des  Weisen, 
80  dass  ihn  Wimpheling's  Erinnerung  nicht  mit  Unredit  snr 
familia  dueum  Saxoniae  rechnete.  Beuchlin  begrüsst  ihn 
als  Magdeburgischen  Reichstagsgesandten  grade  seiner  viet- 
seitigen  Bildung  halber  mit  fast  jubehider  Befriedigung.  Nur 
ein  zufälliger  Umstand  verhindorte  es,  dass  beide  sich  in 
Worms,  wo  auch  Beuchlin  im  Gefolge  des  neuen  Herzogs 
Eiberhard  von  Würtemberg  zeitweise  sich  befand^  persönlich 
nicht  näher  traten.  Daför  correspondirten  sie  grade  wäh- 
rend des  Reichstages  um  so  eifriger  und  auch  in  späterer 
Zeit,  im  Jahre  1497,  wo  H^mansgrün  in  diplomatischer 
Eigenschaft  sich  in  Prag  aufhielt,  hat  er  des  G^eistes- 
yerwandten  in  Schwaben  brieflich  gedacht  *).  Die  im  Jahre 
1496  gewechselten  Schreiben  zeigen  Hermansgr&n  als  einen 
patriotischen  Q^t,  den  die  Kot  des  Vaterlandes  so  ergriff, 
dass  er  erst  durch  schmerzliche  Er&hrungen  inne  werden 
musste,  wie  andere,  weniger  hoch  denkend,  den  Reichstag 
zum  Tunmielplatz  ihrer  privaten  Abneigungen  und  egoistischen 
Bestrebungen  machten.  Nach  heissen,  oft  vergeblich  erschei'- 
nenden  Bemühungen,  konnte  er  endhoh  „von  schwerster 
Furcht  ^^  befreit,  melden,  dass  man  nun  doch  nicht  ergebnis- 
los auseinandergehen  würde.  Jetzt  erst  schrieb  er  dem 
Freunde;  vorher  hatte  ihn  Ekel,  wie  er  sagt,  «-&ss1;  nicht 
nur  über  den  Worms^  Tag  etwas  au  schrnben,  sondern 
auch  nur  sich  zu  erinnern,  was  in  so  langer  Zeit  geschehen 


auch  die  vertraute  Stellung,  in  der  wir  unseren  Hermansgrön  sonst 
Friedrich  gegenüber  beobachten  können.  Ueber  Pomponius  Latus 
B.  Burckardt,  Cultur  der  BenaisBanee,  8.  Aufl.,  I,  819. 

1)  Senckenbergische  Sammlung  von  ungedmckt-  und  raren 
Schriften  (Frankfurt  1751,  I,  125;  Beichstagsverzeichnis  von  1495). 
Vom  Reichstag  ward  ihm  neben  anderen  eine  Verhandlung  mit  der 
Stadt  Frankfurt  aufgetragen.    Datt,  De  pace  publica,  p.  888  >>. 

«)  Clarorum  virorum  epistolae  (Zürich  1568),  Bl.  21  ff.  Hieraus  bei 
Müller,  Reichstagstbeater  unter  Max  I,  551  ff.  und  die  Renchlin'schen 
Briefe  bei  L.  Geiger,  J.  Reuchlin's  Briefwechsel.  1875  ^Literar. 
Verein  in  Stuttgart,  Public.  12G),  S.  48ff. 


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MAXIMILIAN'S  KIBGHEBTBEFORMPLAN   1510.  213 

Bai  Aber  anaaer  den  unumgänglichen  Notizen  üW  seine 
Berührung  mit  Eberhmrd  von  Wiirtemberg  keine  Erwähnui^ 
seiner  Rolle  inmitten  der  Versammlung^  kein  Wort  über 
eine  von  ihm  gehaltene  Bede.  Und  doch  hat  WimpheUng 
sein  Gbdäditnis  nicht  get&uscht  Unter  den  Handschriften 
der  Münchener  Hof  bibliothek  befindet  sich  ^)  unter  der  Jahres- 
zahl 1497  ein  Friedrich  von  Sachsen  gewidmetes  ^^Somnium  ^' 
unseres  Magdeburgischen  Diplomaten  ^  welches  eine  Rede 
Kaiser  Friedrieh's  H.  an  die  Reichsstände  fingirt  Der 
Augenschein  überzeugte  mich  sofort;  dass  die  Schrift  das 
Datum  1495  trügt  Die  Hersteller  des  Verzeichnisses  sind 
nur  durch  die  querliegende  Fünf  irregeleitet  worden^  welche 
dem  Kenner  archivalischer  Quellen  jener  Zeit  wohl  bekannt 
ist  Auch  der  Inhalt  ergiebt  mit  Sicheiiieit  dasselbe  Jahr. 
Nun  dient  diese  interessante  Denkschrift  des  Joaimes  ex 
Lupis  Hermansgrün  ausschliesslich  dem  Zwecke^  die  deutschen 
Stände  aufisurütteln  aus  ihrer  TraumseHgkeit;  und  sie  auf 
die  nach  des  Verfassers  Ueberzeugung  dem  deutschen  Reich 
tödÜiche  Gefahr  hinzuweisen^  welche  das  Vorgehen  Karl's  Vlil. 
von  Frankreich  in  Italien  mit  sich  ftihre.  Die  Widmung 
an  Friedrich  den  Weisen  ist  vom  23.  März  1495  und  der 
Inhalt  repräsentirt  etwa  die  allgemeine  Lage  vom  Ende 
Januar  1495:  Karl  den  Achten  ausgesöhnt  mit  dem  Papst 
Alexander  VI.  und  im  Begriff  sich  auf  Neapel  zu  stürzen. 
Dem  Ver£Eu»er  schwebt  die  Gefahr  vor,  dass  der  Papst 
„Tel  motu  vel  beneficio^'  gewonnen^  unter  irgend  einem  Vor- 
wand dem  Franzosen  die  Kaiserkrone  auf's  Haupt  setzen 
und  ganz  sich  der  französischen  PoUtik  dienstbar  machen 
kdnnte.  Sobald  nun^  lässt  der  Verfasser  den  Kaiser  Fried- 
rich n.  seinen  Deutschen  Eurufen;  diese  Voraussetzung  sich 


1)  Cod.  kt.  924.  Ich  bemerke,  dass  loh  durch  die  Notiz  Geige r's 
(Briefvrechsel  Reuchlin*s,  3.  43,  Adhl  1),  in  München  befinde  sich  eine 
„politische  Schrift^*  Hermansgrün^s,  auf  obige  meinen  Stadien  in  mehr- 
ßicher  Beziehung  forderliche  Handschrift  aufmerksam  wurde.  Durch 
die  Güte  der  Mtinchener  Bibliothekverwaltung  konnte  ich  dieselbe  hier 
in  Greifswald  benutzen.  Ich  fasse  mich  über  Hermansgrün  so  kurz, 
als  der  Zweck  erlaubt,  da  ich  seine  Schrift  an  einem  anderen  Orte 
herauszugeben  gedenke. 


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214  ULMANN, 

erftült:  ^^videte  ne  ob  iniquitatem  facti  obedientia  ad  tempus 
e  medio  tollenda  atque  in  locum  pape  patriarcba  vobis  consti- 
tuenduB  erit^'.  Es  wird  weiter  darauf  hingewiesen,  wie 
nötig  es  im  Falle  eines  solchen  Beschlusses  sei,  den  Klerus 
fest  im  Zügel  zu  halten,  und  nicht  minder  mit  Polen,  Böhmen 
und  Ungarn  Unterhandlungen  anzuknüpfen,  um  sich  über 
das  Voi^hen  des  Papstes  zu  beklagen,  fiir  welches  Deutsch- 
land demnächst  auf  einem  allgemeinen  Concil  Rechenschaft 
verlangen  würde.  Ein  Bündnis  mit  jenen  Staaten  auf  be- 
stimmte Zeit  wird  gefordert,  damit  nicht  der  Papst  durch 
Excommunication  der  Deutschen  „simplicitatem  barbarorum '^ 
gegen  jene  in  Flammen  zu  setzen  im  Stande  sei 

Dies  in  der  Kürze  der  kirchenpolitische  Inhalt  der  im 
wesentlichen  gegen  Frankreich  gerichteten  Arbeit.  Obwohl 
dieselbe  in  Magdeburg  gefertigt  imd  wohl  dem  weisen  Fried- 
rich bei  seinem  Abgang  zum  Reichstag  oder  in  Worms  selbst 
überreicht  ist,  entspringt  aus  der  Natiu*  des  Ganzen  die 
Wahrscheinlichkeit,  dass  sie  in  der  Reichsyersammlung  selbst 
auf  die  eine  oder  andere  Weise  zur  Kenntnis  weiterer  Kreise 
gebracht  ist.  Da  hat  sie  auch  Wimpheling  gelesen  ^)  und 
dem  Grundgedanken  entsprechend  richtig  als  Rede  aufge- 
fasst.  Vom  Inhalt  hatte  lediglich  der  Vorschlag:  eventuelle 
Einsetzung  eines  deutschen  Patriarchen  in  seinem  Gedächt- 
nis gehaftet  Deshalb  richtet  er  des  Kaisers  Aufinerksam- 
keit  auf  dies  längst  historisch  gewordene  Actenstück,  jeden- 
falls ohne  mit  diesem  Hinweis  seinem  generellen  Vorschlag 
Abbruch  tun  zu  wollen,  die  Rechtskundigen  zu  befragen. 
Ohne  ihm  Unrecht  zu  tun,  darf  man  jenes  Citat  als  einen 
blossen  Verlegenheitsbehelf  bezeichnen.  Weil  er  Maximi- 
lian's  Fragen  nach  der  Tunlichkeit,  Rechtmässigkeit  und 
Competenz  eines  ständigen  L^aten  nicht  beantworten  wollte, 
nannte  er  einen  Anderen,  welcher  einstens  unter  total  ver- 
schiedenen Verhältnissen  (indem  letzterer  einen  Kampf  auf 
Tod  und  Leben  um  die  Reichskrone  mit  Frankreich,  des 
Kaisers  jetzigem  Verbündeten  und  Gesinnungsgenossen,  weis- 
sagte) einen  ähnlichen  Gedanken  empfohlen  hatte. 


»)  „legi"  sagt  ja  Wimpheling. 

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MAXIMILIAN'S  KIECHENREPORMPLAN   1510.  215 

Und  der  Kaiser?  Hat  er  jene  Schrift  erst  lesen  müssen, 
um  die  Ueberzeugung  zu  gewinnen,  dass  daraus  ftir  ihn 
nichts  zu  holen  sei,  oder  hat  er  sich  gar  nicht  die  Mühe 
gegeben,  eines  Exemplars  habhaft  zu  werden  ?  Es  lässt  sich 
nur  sagen,  dass  er  die  empfohlene  Leetüre  sicher  dem  ge- 
lehrten Ratgeber  nicht  verdankt  haben  würde.  Mir  ist  keine 
publicistische  oder  überhaupt  Uterarische  Leistung  jener  Zeit 
bekannt,  die  mit  so  schonungsloser,  zum  Teil  nachweislich 
ungerechter  Verachtung  das  Tun  und  Lassen  Maximilian's 
kritisirt  hätte,  als  jene  fingirte  Rede  seines  erlauchten  Vor- 
gängers Friedrich's  11. 

Auch  aus  den  Massregeln  Maximilian's  lässt  sich  keiner- 
lei Anhaltepunkt  fiir  die  eine  oder  andere  der  obigen  Mög- 
Uchkeiten  oder  selbst  für  den  Eindruck  des  Wimpheling'schen 
Ghitachtens  gewinnen;   denn  nichts  ist  von  solchen  bekannt 
Für  mich  wenigstens  unterliegt  es  keinem  Zweifel,  dass  jenes 
den  Anscheia  eines  kaiserlichen  Erlasses  annehmende  Acten- 
Btück,    welches  in  den  Drucken   der  Gravamina  dem  nicht 
von  Wimpheling  stammenden  Appendix  vorangeht*),    nicht 
aus   der   kaiserlichen    Kanzlei    stammt      Jede  formelle  Be- 
glaubigung fehlt     Ohne   Zeitangabe  (denn  die  im  Riegger- 
schen  Abdruck  m  Parenthese  gesetzte  1510  stammt  vom 
Herausgeber),  ohne  Ort,  denn  das  „ex  Oeniponte"  der  Drucke 
hat  die  bessere  Spalatin'sche  Abschrift  nicht  (s.  Anhang  11), 
bietet    es    auch    sonst   keinerlei    Merkmale    kanzleimässiger 
Authentie.    Da  es  nun  inhaltlich  genau  den  zahmen  Winken 
Wimpheling's  entspricht,  unter  ausdrücklicher  Berufung  auf 
die  von  ihm  in  den  Vordergrund  gestellten  concordata  prin- 
eipum,  da  es,  wie  auch  die  Spalatin^sche  Handschrift   zeigt, 
einen  integrirenden  Bestandteil  des  Wimpheling'schen  Gut- 
achtens bildete,    muss  man  es  als  Versuch  unseres  Huma- 
nisten betrachten,   einen  Entwurf  der  Reform,   wie   er  sich 
dieselbe   ausftihrbar  dachte,    dem  Kaiser  darzubieten.     Das 
Actenstück  sollte  eine  Abhülfe  sein  der  fühlbarsten  Schäden 
in   seiner    oberrheinischen  Nachbarschaft.     Mit  Maximilian, 
das  wiederhole  ich,  hat  dieser  liitwurf  nichts  zu  tun.     Der 


1)  Z.  B.  Freher-Struve,  S.  683. 
ZeitMhr.  t  K.^.  m,  t.  15 


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216  CLMAKN; 

Eauier  scheint  in  der  Tat  rasch  Ton  seiner  Absicht  zurück- 
gekommen zu  san.  Es  lässt  sich  zur  Zeit  noch  nicht  sagen^ 
ob  das  Verhalten  seines  Vertrauensmannes  die  Zuversicht 
des  Gelingens  in  ihm  erschütterte  oder  ob  beim  Empfang 
des  Ghitachtens  sein  Auge  bereits  ein  Bild  der  politischen 
öesammtlage  er£asst  hatte  ^  dessen  Bestandteile  sich  in  gams 
anderer  Weise  zum  Ganzen  fögten;  als  sechs  bis  acht  Wochen 
vorh^.  Am  17.  November  1510,  viel  früher  war  ihm  das 
vom  erst^i  desselben  Monats  datirte  Gutachten  kaum  zuge- 
kommen, emeuert^i  seine  Abgesandten  zu  ffiois  die  Verträge 
mit  Ludwig  Xu.  von  Frankreich,  auf  Grund  deren  neben 
Spanien  auch  der  P^st  erneut  zur  Mitwirkung  an  den 
vertragsmässigen  Zielen  aufgefordert  wurde:  widrigenfsdk 
ward  von  beiden  Potentaten  bestimmt  die  BeruAmg  eines 
allgemeinen  Reformconcils  in  Aussicht  genommen.  Der 
Kaiser  lebte  und  webte  in  dieser  neuen  Wendimg  der  Dinge. 
An  demselben  31.  December  1510,  an  dem  er  die  schwere  Ei^ 
krankung  seiner  Gemahlin  melden  musste,  schrieb  er  im  ge- 
heimen an  seine  Tochter  Margare&e:  „Nous  sommes  en  pra- 
ticque  et  espoir  que  le  pape  se  remettera  en  nostredite 
lighe  et  nous  fera  aussi  ayde  et  assistence^^  (Le  Glay,  Cor- 
respondanoe  I,  ^63).  Schon  am  7.  December  wusste  man 
am  französischen  Hof  in  Blois,  dass  der  Kaiser  eifrig  mit 
dem  Papst  verhandle  (Le  Glay,  Ndgodations  I,  372).  Wo 
blieb  da  die  bescheidene  Hoffiiung  dner  Kirchenreform  im 
nationalen  ^nn?  Weder  die  zu  erneuernde  Freundschaft 
mit  Julius  n.  noch  andernfalls  das  allg^neine  Concil  konnten 
einer  solchen  frK)mmen.  Wie  rasch  Maximilian  völlig  abkam 
von  der  Idee  ^nes  Nationallegaten,  als  Haupt  der  deutschen 
Kirche,  zeigt  neben  anderem  recht  schlagend  der  Einfall 
des  folgenden  Jahres,  die  päpstliche  Tiara,  das  Symbol  da* 
geistlichen  Weltherrschaft,  sich  selbst  aufs  Haupt  setzen  zu 
lassen. 


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maytmhjan's  EIRCHENREFORMPLAN   1510.  217 


Anhang. 

Jenes  im  September   1610  seiteas  des  Kaisers  von  Wim« 
pheling  erforderte  Gutachten,  welches  seiner  Natur  gemäss  vor- 
erst  nicht   für    die    Oeffentlichkeit    bestimmt   sein    konnte,    hat 
Dicht  uninteressante  Schicksale  gehabt,  und  ist  bisher  nicht  ein- 
mal vollständig  bekannt  gewesen.     In   den  nächsten  Jahren  hat 
sich  Wimpheling  nicht  ohne  Stolz  seiner  Arbeit  erinnert.     Noch 
in  dem  Lebensabriss,  den  er  in  seiner  Expurgatio  contra  detrac- 
tores  im  November  1512  zusamaiengestellt  hat,   spricht  er  von 
dem  kaiserlicherseits  ihm  gewordenen  Befehl,  Heidelberg  zu  ver- 
lassen „[ut]  negotium  quod  olim  adDei  gloriam  Germaniae- 
que    decns    in  lucem   prodibit,    ex    voto   Caesar.   Majest. 
absolvam^  ^).     Diese  hoffiiungsfreudige  Stimmung  hat  nicht  allzu 
hinge  vorgehalten.    Wenigstens  musste  der  mehrgenannte  Ne£fe 
Jacob  Spiegel  das  Manuscript  vor  dem  eigenen  Verfasser  retten, 
der  es  den  Flammen  opfern  wollte,  nach  der  sicherlich  richtigen 
Vermutung  WiskowatofTs  (S.  184)  aus  Abneigung  gegen  die  über 
seine  üeberzeugungen  hinausgehende  Richtung,  welche  inzwischen 
die    refonnatorische    Bewegung    eingeschlagen    hatte.      Dagegen 
smd  die  weiteren  Schlüsse  WiskowatofTs,  die  er  ebendaselbst  aus 
dem  Widerstreit  zwischen  Onkel  und  Neffen  zieht,  hinsichtlich 
der   Gomposition    des   Ganzen   nicht   zutreffend.     Fast   alle   die 
Stücke,  die,  als  bei  anderer  Gelegenheit  von  Wimpheling  gefertigt, 
von  Wiskowatoff  nicht  als  zu  jenem  Gutachten  gehörig  betrachtet 
werden,   sind   dessen  Bestandteile   gewesen,    ebenso  freilich  die 
von  Spiegel  ausgelassenen  avisamenta.    Der  Kürze  wegen   ver- 
weise ich   zum  Beweis   auf  das   unten  zu  gebende  Schema  der 
wehoarisehen  Handschrift     Ausser  der  Spiegersohen  Ausgabe  ^ 
kommen  für  unsere  Kenntnis  bisher  eine  teilweise  Abschrift  des 
Ulrich  Zasius  ')  in  Betracht,  sowie  die  von  Wiskowatoff  als  be- 
sondere  Schrift    Wimpheling*s    angesehenen  Gravamina   nationis 
germanicae  ^)-    Daraus  finden  sich  dann  die  Act^  zerstückt  und 

^)  Riegger:  Amoenitates  liter.  Priburg.  HI,  426. 

'}  Medulla  pragmaticae  Banctionis  und  astutiae  Curtisanomm. 

^]  Avisamenta  ad  Caes.  Maj. 

*j  Auch  bei  Riegger,  Aiioen.  lit.  Frib.  als  zwei  besondere 
Schriften  unter  No.  85  und  86  aufgezählt.  Mit  Recht  rügt  übrigens 
Wigkowatoff  8.  196  die  herkönunliche,  noch  von  Strauss  geteilte 
Aasicht,  dass  der  bekmmte  Druck  der  Gravamina  aus  dem  Jahre  1518 
stamme.  Das  im  alten  Druck,  sowie  in  den  Ausgaben  z.  B.  Freher- 
Struve  n,  684  stehende  1518  bezeichnet  nur  den  Reichstag  von  Augs- 
burg, auf  dem  Bischof  Erluurd  von  Lüttich  eine  daselbst  citirte  Ein- 
gabe gemacht.  Auf  den  Druck  selbst  bezieht  sich  nur  der  Schluss- 
▼ermcnrk:  Ad  incrementum  Germanlae  et  dei  gloriam,'  Selestadii  im- 
pressom  m  ofücina  Schüreriana.    (Exemplar  in  meinem  Besitz.) 

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218 

nirgends  vollßtändig  gedmckt  bei  Biegger  a.  a.  0.  III9  483 ff.; 
Goldast:  Gonstitnt  imper.  n,  123;  Freher-Strnve:  Script, 
rer.  Germ,  ü,  677;  auch  bei  Georgii:  Imperatornm  imperii- 
que  principmn  ac  procemm  totinsque  nationis  Germanicae  Gra- 
yamina  adyers.  sedem  Bomanam,  p.  272  sq.  Die  ganze  Frage  nmi 
nach  der  Zusammensetzung  dieses  Gutachtens  und  der  Zusammen- 
gehörigkeit seiner  Teile  wird  eine  andere  durch  Auffindung  einer 
vollständigen  Abschrift  des  gesammten  Schriftwechsels.  Ich  fand 
dasselbe  im  Emesi  Gesammt- Archiv  zu  Weimar:  Beg.  0.  p.  75 
FF.  3.  Es  ist  ein  kleines  Heft  aus  Spalatin's  Nachlass.  Es 
enthält  ausser  den  sonst  bekannten  Stücken  die  bisher  vermisste 
kaiserliche  Instruction  und  die  Antwort  Wimpheling's  auf  die 
wichtigste  der  in  derselben  gestellten  Fragen.    Hier  ein  Schema: 

1)  Credenz  für  Spiegel:  Ueberlingen,  10.  September  1510 
(gedruckt  mit  dem  Datum  des  18.  September). 

2)  Instruction  für  denselben:  üeberlingen,  18.  September 
1510.  S.  den  Inhalt  derselben  oben.  Ich  wiederhole  hier  nur, 
dass  Max  in  derselben  ausser  über  die  pragmatische  Sanction 
ausdrücklich  Wimpheling's  Meinung  verlangt  über: 

a)  die  Kniffe  der  Curtisanen. 

b)  Abstellung  der  Annaten. 

c)  Einsetzung  eines  legatus  natus  et  perpetuus. 

3)  Wimpheling's  Antwort  auf  das  kaiserliche  Schreiben, 
Strassburg,  1.  November  1510  (gedruckt). 

4)  Die  bekannten  Stücke  über  die  pragmatische  Sanction 
und  die  Annaten  bis  zu  den  Worten:  Haec  quoad  pragmaticam 
sanctionem. 

5)  Additio  ex  Piatina  (gedruckt). 

6)  De  actionibus  et  astutüs  Curtisanorum  (gedruckt,  doch 
mit  manchen  kleinen  Abweichungen  des  Biegger*schen  Textes). 

7)  Unmittelbar  an  die  Schlussworte  des  vorangehenden  Ab- 
schnittes schliessen  sich:  Gravamina  nationis  Germanicae  et  sacri 
Bom.  Imp.  decem;  remedia  contra  gravamina;  remedium  pro  civi- 
tatibus  imperii;  avisamenta  ad  Caesaream  M^jestatem;  conclusio 
et  exhortatio,  nur  mit  kleinen  stilistischen  Abweichungen  von 
den  Drucken  ^). 

8)  Folgt  nach  kleinem  Absatz  die  in  der  obigen  Darstellung 
mitgeteilte  Antwort  Wimpheling's:  De  legato  nato  et  primate  — 
Georgius  Beyser  de  Amberga. 

9)  Epistola  Pauli  Malleoli  archipresbyt.  Andelotensis  .  .  . 
Ex  Andelo   kalend.  Decembris   1511.     (Derselbe  Brief  der  bis- 


^)  Nur  vermisst  man  in  der  conlusio  den  Satz:  et  jus  patrona- 
tus  —  ordinariis  meusibus  conservet. 


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MAXrMHJAN'S  KIRCHENREFOBMPLAN   1510.  219 

her  in    den  Drucken  unter    dem  Namen  eines  B.   Baesteriscus 
steht,  auch  ohne  Ortsnamen  im  Datum.) 

10)  Seren.  Bom.  Caes.  Maximiliano  Jac.  Wymph.  Selesta- 
diensis  sacrae  paginae  licentiatus.  Wie  in  den  Drucken,  wo 
der  Correspondent  aber  nur  durch  Jacobus  Begius  familiaris  an- 
gedeutet ist  ^}. 

1 1)  Maximil.  imp.  von  Summum  eccies.  pastorem  —  poenam 
accepturus.  Wie  in  den  Drucken,  doch  ohne  das:  Ex  Oeniponte 
am  Schluss  und  ohne  das  allein  ¥on  Biegger  in  Parenthese  ge- 
setzte 1510. 

Damit  schliesst  die  fiUmdschrift,  also  ohne  die  im  Appendix 
enthaltenen  Wiederholungen  und  ohne  die  Erwähnung  der  erst 
1518  von  Eberhard  von  Lüttich  gemachten  Eingabe  an  den 
Beichstag. 


^)  C^rgii  a.  a.  0.  macht  S.  272  daraus  einen  eigenen  J.  Begius. 


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J 


Zwingli  and  Landgraf  Philipp. 

Von 
Dr.  Max  Lenz  in  Marburg. 


m. 


Ungesäumt  gingen  die  Schweizer  nach  der  Heimkehr 
daran,  was  mit  dem  Landgrafen  verabredet  war,  ins  Werk 
zu  setzen. 

Es  galt  jetzt  Bern,  das  in  Marburg  weder  durch  Theo- 
logen noch  Ratsherren  vertreten  gewesen  war,  zu  ge- 
winnen *). 

Ende  October  trat,  von  Basel  berufen,  zu  Aarau  ein 
Bürgertag  der  drei  Städte  Zürich,  Bern  uiid  Basel  zusam- 
men *).     Auf  der   Tagesordnimg  stand  zimächst  das  Burg- 


1)  Am  24.  Oct.  schrieben  die  Züricher  Geheimen  an  Bern  über 
den  Erfolg  der  Vergleichsverhandlungen.  Eidgen.  Absch.  S.  417  f. 
Der  ausführliche  Bericht  ist  eine  neue  Quelle  zu  der  Geschichte  des 
Marburger  Gesprächs  imd  um  so  wertvoller ,  als  er  direct  auf  Zwingli 
zurückgeführt  werden  kann :  „ ...  als  es  aber  ein  betrettener  rat  uff 
Martin  Luthers  syten  was,  dann  sy  darvor  zuo  Wittemberg  etlich  tag 
darüber  beratschlaget  und  einmündig  ze  blyben  bedacht  und  verfasst, 
wundent  sy  sich  (spricht  M.  Huldrych)  als  ein  al  im  gras  und  fielent 
von  einer  meinung  in  die  anderen,  also  was  sy  erst  geredt,  gerad 
wider  im  fuossstapfen  sich  sölichs  nit  geredt  haben  verlougnetend " 
(in  dem  ersten  Gespräch,  Freitag,  den  1.  October,  wo  Zwingli  mit  Me- 
lanchthon,  Luther  mit  Oekolampad,  je  zwei  in  einem  besondem  Zim- 
mer, disputirten). 

«)  Der  Abschied  vom  31.  October.  Eidgen.  Absch.,  Nr.  212, 
S.  416.  Ueber  den  Aaraner  Tag  berichtet  Zwingli  dem  Landgrafen 
in  dem  Briefe  vom  2.  November  (Opp.  667).  Das  „gemeine  Mandat" 
der  13  Orte  gegen  Schimpf-  und  Schmähreden,  auf  das  er  hier  hin- 


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ZWmQU  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  221 

recht  mit  Straasburg^  über  das  schon  un  Sommer  eifrig  ver- 
handelt war.  Man  wollte  hierin  zum  Abschluss  kommen^ 
bevor  die  Verhandlungen  über  Hessen  au%enommen  würden. 
Dennoch  schien  es  geraten  ^  auch  diese  Sache  bei  Zeiten 
„anzuzetteki"  und  nichts  zu  versäumen,  „weil  das  der  gan- 
zen deutschen  Nation  zu  Trost  dienen  möge^^  Daher  wur- 
den die  Bemer  Qesandten  in  das  G^eimniB  gezogen.  Die 
von  Zürich  —  es  waren  der  Bürgermeister  Diethelm  Böist 
und  Zwingli's  Reisegefährte  Ulrich  Funk  —  teilten  ihnen 
zuerst  die  Anschläge  mit,  die  ^^aus  der  rechten  Eunstkam- 
mer^^  herrührten  und  mit  den  ^^allerheimlichsten  Heimlich- 
keiten,  mit  den  allersubtilsten  Geschwindigkeiten^'  erworben 
wären;  darauf  die  Marburger  Bündnisartikel;  dann  legten 
sie  ihnen  die  Motive  dar,  die  den  Vertrag  wünschenswert 
machten:  die  Verpflichtung,  „biderben  Christenleuten,  welche 
anderswo  um  der  Wahrheit  willen  vergewaltigt  oder  unter- 
drückt werden",  zuhülfe  zu  kommen,  die  eigene  Ge&hr, 
wenn  der  ELaiser  mit  einem  mächtigen  Heere  in  Deutschland 
einCedlen,  sich  am  Rheine  in  der  Mitte  seiner  Bischöfe, 
P£Ek^n  und  aller  seiner  Anhänger  lagern  und  von  hier  aus 
eine  Stadt  nach  der  andern  bezwingen  würde,  die  Intrigen 
und  Werbungen  -der  Feinde  in  Oberdeutschland,  ihre  Spi^el- 
feohterei  mit  den  Türkenrüstungen,  und  die  Sicherung  von 
Aea  A^n  bis  an  das  Meer,  die  aus  dem  Bündnisse  mit 
Hessen  erwachsen  müsse  ^). 

Für  die  venetianische  Unterhandlung  hatte  der  Land- 


weist, ward  auf  dem  Tage  zu  Baden  (5.  Oc  tober  f.)  beschlossen. 
Eidgen.  Absch.,  Nr.  199  z  (S.  392,  gedr.  8.  395).  Es  ist  das  so- 
genannte ,,  allgemeine  Landesverbot",  das  als  gedrucktes  Plakat  am 
15.  October  1529  ausging.  Ein  Abdruck  schon  bei  Bullinger,  Eef.- 
Geach.,  Bd.  ü,  S.  816  (vgl.  Eidgen.  Absch.  S.  397).  —  Gegen  die 
Beisläuferei  nach  Venedig,  die  Zwingli  ebenfalls  erwähnt,  riehtet  sich 
eb  Paragraph  des  Abschiedes  von  Frauenfeld  1529,  28.  October  f. 
Eidgen.  Absch.  Nr.  209,  b  (S.  406). 

1)  Eidgen.  Absch.  S.  419  f.  Hier  an  der  Bpitze  der  Ratschlag 
„ans  der  rechten  Kunstkammer ^^  Die  ganze  Instruction  atm^  «n- 
widerspreehlieh  Zwingli's  Geist.  Sie  ist  die  Ausführung  der  Gedan- 
ken, die  er  in  Strassburg  gefasst  und  in  Marburg  mit  dem  Land- 
gia&n  durohsprochen  hat 


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222  LENZ; 

graf  Zwingli  noch  keine  Vollmacht  gegeben.  Trotzdem 
brachte  dieser  in  Philipp's  Namen  auch  jenen  Handel  in 
Fluss.  In  der  Instruction  ist  es  der  letzte  Artikel:  „Es 
will  euch  herren  Landgrafen  imd  uns  für  guot  und  fast 
nutzlich  ansecheU;  unser  praktik  und  kundschaft  by  den 
Venedigeren  in  unser  aller  gemeinem  kosten  ze  machen  und 
uns  ein  geltU  daran  nit  beduren  ze  lassen,  damit  die  Ve- 
nediger sich  des  Keisers  zuo  erweren  dest  handlicher ,  wir 
allweg  siner  anschlagen  vergwisst  und,  by  guoter  zyt  uns 
wissen  darnach  ze  richten,  gewamet  wurdint/*^  ^) 

Doch  sollten  sich  die  Dijage  nicht  so  rasch  entwickeln 
als  Zwingli  imd  seine  Freunde  »gehofft  hatten.  Die  Bemer 
Hessen  sich  weder  durch  die  Gefahren  noch  durch  die  Hoff- 
nungen, die  ihnen  die  Züricher  vorhielten,  aus  ihrer  Zurück- 
haltung aufschrecken.  Die  hessischen  Vorschläge  nahmen 
sie  zur  Berichterstattung  an  ihre  Geheimen  entgegen;  weiter 
sollte  dieser  Handel  überhaupt  noch  nicht  ausgebracht  wer- 
den. Auch  die  Sendung  nach  Venedig  kam  in  den  Ab- 
schied. Die  Hauptaufgabe  des  Tages  ward  aber  nicht  ge- 
löst. Die  Bemer  Stadtherren  hatten  das  Strassburger  Burg- 
recht noch  gar  nicht  ihren  Gemeinden  in  Stadt  imd  Land 
vorgelegt,  deren  Billigung  sie  sich  vorbehalten.  So  musste 
ein  neuer  Tag  angesagt  werden.  Die  Verhandlungen  haben 
sich  noch  wochenlang  hingezogen.  Erst  Ende  December 
kam  man  in  Basel  nach  zwölftägiger  Beratung  zum  Ziele. 
Am  1.  Januar  traf  hier  von  Strassburg  die  Einwilligung  in 
die^  Bedingungen  ein,  welche  für  die  Aufnahme  der  Stadt 
in  das  Bui^recht  aufgestellt  waren.  Am  nächsten  Tage 
reisten  die  Boten  rheinabwärts,  um  in  der  neuen  Bürger- 
stadt selbst  ihr  Burgrecht  zu  beschwören  *). 

t)  Eidgen.  Absch.  S.  421.  In  dem  Brief  vom  2.  November  (Opp. 
667)  spricht  er  dariiber  so:  „Ob  mir  (so  zu  lesen  st.  wir)  üwer  gna- 
den den  credenz  nit  geben,  hab  ich  dennocht  anzeigt,  was  der  Ve- 
nediger halb  by  uns  geredt  wardt.  Hoff,  werde  einen  furgang  haben." 
Kein  Wort  der  Erklärung  oder  Entschuldigung  wegen  der  Ueber- 
tretung!  Man  sieht,  wie  berechtigt  Zwingli  zu  der  Aeusserung  über 
den  Landgrafen  gegen  die  französischen  Gesandten  war ;  „  Apud  illum 
possumus  fere  quicquid  volumus"  (Opp.  418;   s.  o.  S.  47). 

s)  Elina  ganze  Reihe  Acten  über  die  Verhandlungen  von  Aarau 


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ZWINGLI  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  223 

Auch  die  Verhandlungen  über  das  Hohentwieler  Burg- 
recht waren  wieder  aufgenommen.  Von  Ukich'ß  Seite  führte 
sie  jetzt  Eberhard  von  Reischach ;  der  Kanzler  Johann  von 
Fuchsstein  hielt  sich  um  Strassburg  im  Elsass  auf.  Es 
ward  im  November  ein  Tag  der  beiden  beteiligten  Städte 
abgehalten;  aber  auch  hier  fanden  sich  Bedenken  und 
Schwierigkeiten,  die  den  Abschluss  verzögerten.  Sie  zu 
heben,  war  jedenfalls  Jacob  Gh^ms  bestimmt,  den  Herzog 
Ulrich  am  27.  December  aus  Cassel  mit  einer  Vollmacht  an 
Zwingli  absandte.  Die  Verhandlungen  wurden  danach 
parallel  mit  denen  über  das  hessische  Burgrecht  gefUhrt 
und  lassen  sich  bis  in  den  April  des  nächsten  Jahres  ver- 
folgen, ohne  dass  man  damit  einen  rechten  Abschluss  er- 
reicht hätte.  Wie  sie  geendigt,  lässt  das  vorliegende  Ma- 
terial nicht  mehr  erkennen  *). 

Während  die  Versammlung  in  Basel  tagte,  finden  wir 
einen  andern  Züricher  Diplomaten  in  Venedig.  Es  war  der 
junge  Professor  Collinus,  Rudolf  Ambühel,  der  theologische 
Beirat  Zwingli's  in  Marburg  und  einer  der  Vertrautesten 
seiner  Gedanken.  Daheim  docirte  er  die  griechische  Sprache, 
jetzt  stand  er  vor  den  „Geheimen"  der  Lagunenstadt,  um 
sie  zum  Eintritt  in  das  evangelische  Bündnis  einzuladen. 
Wie  die  Aufnahme  Venedigs  in  sein  Bündnis,  vielleicht 
selbst  in  das  Burgrecht,  Zwingli's  erster  und  eigenster  Ge- 
danke war,  so  gehen  die  wenigen  Actenstücke,  die  erhalten 
sind,  auch  direct  auf  ihn  zui'ück.  Der  Entwurf  der  Voll- 
macht, den  Collinus  im  Namen  des  Züricher  Geheimen  Rats 
mitnahm,  liegt  uns  vor;  er  ist  ganz  von  Zwingli's  Hand. 
Collinus  hat  die  Rede  aufgezeichnet,  die  er  vor  dem  vene- 
tianischen  Senat  gehalten  hatte;  auch  sie  lehrt  ims,  dass  der 
Schüler  nur  die  Worte  wiederholt  hat,   die  ihm  der  Meister 


bis  Basel  s.  Eidgen.  Absch.  Nr.  240  (S.  475  ff.).  Sehr  dringend  und 
sehr  erregt  über  die  egoistische  Zurückhaltung  der  Schweizer  lauten 
die  Briefe  der  Strassburger  Freunde  an  Zwingli  vom  14.  und  15. 
December  (Opp.  382  ff.).  Am  24.  d.  M.  beglückwünscht  Bucer  Zwingli 
aber  schon  zu  dem  Erfolge  (Opp.  385). 

1)  S.  Zw.  Ph.  2.  Nov.  1529  und  die  folgenden  Briefe  alle.  Eidgen. 
Abßch.  S.  426  ff.  564  (Note  f.).  570  ff. 


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224  LENK, 

in  den  Mond  gelegt  hat  Wir  kennen  diese  Opanken;  es 
sind  keine  andern,  als  die  Zwingli  seit  den  Tagen  in  Strass- 
bui^  unermüdlich  wiederholt  hat:  Die  Freiheit  der  „beiden 
löblichen  Commünen  Venedig  und  der  Eidgenossenschaft^ 
ist  in  Gle&hr,  durch  den  Kaiser,  der,  wie  seine  Vorfisthren, 
die  Monarchie  errichten  will,  unterdrückt  zu  werden,  daher 
müssen  beide  sich  zum  Bunde  zusammentun;  so  schrieb 
Zwingli  am  12.,  und  so  sprach  CoUinus  am  28.  December 
im  yenetianischen  Senat  ^). 

Wir  erraten  die  Empfindung,  welche  die  politischen 
Phantasien  des  deutschen  Professors  in  den  stolzen  und  kla- 
gen Herren  von  Venedig  hervorrufen  mussten.  Aber  ihm 
sdbst  ihren  Spott  über  eine  Allianz  mit  seinem  Bauemvolk 
zum  besten  der  allgemeinen  Weltfreiheit  ins  G^cht  zu 
sagen,  dazu  waren  die  stolzen  Herren  doch  wieder  zu  klug. 
Sie  erkundigten  sich  sehr  genau  nach  den  Städten,  die  in 
dem  christlichen  Burgrecht  wären,  welche  Orte  sich  feindlich, 
welche  sich   neutral  hielten,    und  der  Kanzler  schrieb   die 


1)  Die  Vollmacht  Eidgen.  Absch.  S.  489.  Der  Eingang:  „Consol  et 
probuleutae  senatus  popullque  Tigiuini."  Nach  einer  Erinnerung  an  die 
Freundschaft  Venedigs  gegen  Zürich :  „  Hinc  fit ,  ut  cum  res  humanae 
hoc  nostro  saeculo  mire  habeant  ac  varie  jactentur,  restrae  reipublicae 
ac  boni  Status  perinde  ac  nostranun  rerum  cura  nos  tangat.  Experti 
enim  sumus  quam  invisa  sit  regibus  ac  tyrannis  populorum  ac  urblom 
libertas"  u.  s.  w.  Die  „Handlung  vor  dem  Herzog  imd  Rat  zuo  Ve- 
nedig, am  28.  tag  Decembris  1530"  s.  Eidgen.  Absch.  S.  487  f.  Aus 
der  Rede  AmbüheFs:  „  .  .  .  Und  die  wyl  diser  Keiser  mächtiger  ist 
an  lüt  imd  guot  denn  vil  siner  vorderen,  dorzuo  er  jez  kürzlich  uss 
siner  gewonlicher  residenz  Hispanien  in  Italiam  mit  heres  kraft  gezogen 
ist,  on  zwifel  understande,  die  selbigen  Italiam  under  sich  ae  brin- 
gen, dann  er  sy  voriiar  lange  zyt  mit  schweren  kriegen  beschwert 
imd  verbergt  hat,  dorum  ist  zuo  besorgen,  solche  sine  zuokunft  oder 
gegenwirtikeit  möchte  mit  der  zyt  dem  loblichen  regimeint  von  Ve- 
nedig zuo  nachteil,  schaden  imd  krieg  dienen  und  desglychen  ouch 
hernach  in  mittler  zyt  dem  loblichen  regiment  und  commun  der 
Eidgnoschaft ;  dann  die  zwei  loblichen  commünen  Venedig  und  Eid- 
gnoschaft  von  altem  bar  allzyt  für  andre  lüt  und  lande  von  den  Kei- 
seren  vil  hasses  und  anrennens  eriitten  band ;  dann  die  Keiser  beg^rent 
monarchiam;  so  sind  dise  zwei  commune  byspil  der  ganzen  weit, 
lobliche  fryheit  und  gemein  burgeriiche  recht  zuo  erhalten  und  be- 
schirmen "  u.  s.  w.,^die  eigenhändige  Airfaeiehnung  des  Gesandteo. 


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ZWINQLI  ÜKD  LANDGRAF  PHILIPP.  225 

Namen  auf  ^).  Der  Doge  —  ,,ihre  Majestät '',  wie  ihn  Col- 
linus  anredete;  der  in  den  Regeln  seiner  griechischen  Ghnun- 
matik  beschlagener  sein  mochte  als  in  denen  des  venetia- 
nischen  Ceremoniels  —  antwortete  sehr  höflich  und  ver- 
bindlidi;  versprach  alles  Beste  ^  ;yin  allen  Gbfärden  und 
Nöten  helfen  zu  wollen,  mit  Leib  und  Gut,  mit  Boiegs- 
kuten,  mit  Proviant,  mit  Gut  und  Q^ld".  Als  ihn  dann 
aber  der  akademische  Diplomat  über  die  tyrannischen  Ab- 
sichten des  Kaisers  aushorchen  wollte,  wusste  seine  Sele 
von  nichts  Argem.  Im  Gegenteil,  der  Kaiser  habe  mit  ihnen 
soeben  Frieden  geschlossen  und  in  dem  Vertrage  ausdrück- 
lich erklärt,  er  wolle  Frieden  machen  in  der  ganzen  Chri- 
stenheit unter  allen  Fürsten  und  Herren,  Landen  und 
Leuten. 

Was  war  das  Ende  dieser  Mission?  Statt  der  Bündnis- 
urkunde brachte  der  Professor  seinen  Herren  ein  Trinkgdd 
heim*). 

Herzog  Ulrich  hatte  Eecht,  wenn  er  den  14.  Februar 
an  Zwingli  schrieb,  „die  Handlung  mit  den  Venedigem  sei 
übel  v^wdit  worden"*).  Indes,  wie  die  Dinge  lagen, 
konnte  CoUinus  kaum  eine  andere  Antwort  erwarten.  Fünf 
Tage  vor  seiner  Audienz,  am  23.  December,  hatten  sich  die 
Venezianer  dem  allgemeinen  Frieden  mit  dem  Kaiser  an- 
geschlossen. Aus  Feinden  waren  sie  dadurch  Verbündete 
EarFs  geworden.  Die  Vorschläge  Zwingli's  waren  zu  spät 
gekommen;  weim  sie  etwas  früher  gebracht  wären,  hatte 
man  in  Venedig  geäussert,  würde  der  Friede  schwerlich 
geschlossen  sein.  Schlimmer  aber  war,  was  daraus  folgte. 
Ambühel  hatte  seine  Anerbietungen  als  eiu  tiefes  Geheimnis 


1)  Merkwürdig  aber  war  die  Aufnahme  der  Credenz:  „Die  Cre- 
denz  könnt  man  weder  lesen  noch  verstan;  dann  sy  ganz  und  gar 
felsch  und  zum  aller  verkertisten  geschriben  was;  doch  gab  ich  sy 
euo  verstan,  dass  sy  zefnden  warent." 

*)  „Damach  muosst  ich  nemen  von  dem  Herzogen  XXV  krönen, 
Welche  ich  genomep  hab  von  im  mit  der  oriüterong,  dass  ichs  meinen 
H^ren  wollt  -überantworten.^*  Ehrengeschenke  an  fremde  Gesandte 
waren  allerdings  in  Venedig  Sitte,  aber  25  Kronen  sind  dafür  ein 
wenig. 

8)  Opp.  412. 


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226  LENZ; 

vorgetragen;  ängstlich  und  dringend  hatte  er  um  die  Wahrung 
desselben  gebeten.  In  dem  Interesse  der  Herren  von  Ve- 
nedig lag  aber  eben  die  Geheimhaltung  nicht.  Welch  eine 
gute  Gelegenheit  für  sie,  ihre  Friedfertigkeit  vor  dem  E^aiser 
und  aller  Welt  zu  documentiren!  Bald  war  denn  auch  der 
Handel  diesseits  und  jenseits  der  Alpen  ruchbar.  Im  April 
sprach  man  davon  schon  in  Speier,  am  badischen  Hofe,  in 
Strassburg.  Und  Zwingli  hatte  den  Aerger,  sich  das  Ge- 
hemmis von  seinem  dortigen  Freunde  Capito,  der  nicht  ein- 
geweiht war,  mit  allen  Einzelnheiten  berichten  lassen  zu 
müssen  '). 

Indes  solche  Miserfolge  vermochten  nicht,  seinen  Eifer 
und  seine  Hoflftiimgen  abzukühlen.  Er  tröstete  sich  mit 
den  guten  Versprechungen  und  dem  Gerede  der  Venetianer, 
dass  Collinus  mit  seinen  Anträgen  leider  nur  zu  spät  gekommen 
sei,  und  fuhr  fort,  auch  diesen  Factor  in  seine  politischen  Com- 
binationen  hineinzuziehen.  Sein  Gesandter  hatte  in  Venedig 
einen  Hauptmann  gesprochen,  der  um  die  Anschläge  Earl's  zu 
wissen  voi^b  imd  Mitteilungen  machte,  die  Zwingli's  Be- 
fürchtungen völlig  entsprachen.  Es  sei  die  Absicht  des  Kai- 
sers, alle  Stände  des  Reiches,  Freunde  und  Feinde,  gegen 
einander  zu  verhetzen,  imi  dann,  wenn  alles  in  Verwirrung, 
mit  Heeresmacht  zu  erscheinen,  den  Friedensvermittler  zu 
spielen,  mit  guten,  aber  falschen  Worten  die  Herren  und 
Stände  zu  betören.  Denn  er  sei  parteiisch,  wolle  in  allem 
nur  das  Papsttum,  besonders  aber  die  eigene  Macht  auf- 
richten. Der  Oastellan  von  Musso  solle  auf  die  Grau- 
bündner,  die  Bischöfe  von  Constanz  und  Strassburg  und 
der  Abt  von  S.  Gallen  auf  ihre  Städte,  die  fünf  Orte  auf 
Zürich  gehetzt  werden.  Herzog  Georg  von  Sachsen  werde 
seinen  Vetter  überfallen,  dessen  Kurhut  ihm  dafiir  bestimmt 
sei;  gegen  den  hessischen  Landgrafen  würden  die  Bischöfe 
am  Rhein  angestiftet  werden.    So  hoffe  Karl  alle  Stände  des 


1)  Cap.  Zw.,  22.  April  1630  (Opp.  446):  „Sic  opinor,  Veneti 
suum  commodam  aliorum  incommodo  et  perfidiam  adversus  Caesarem 
fidem  videri  volunt,  dum  parum  ex  fide  et  sinceritate  simpliciter  agen- 
tibu8  occurrant."  Solche  Indiscretionen  gehörten  zu  den  beliebtesten 
Praktiken  damaliger  Diplomatie. 


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ZWINGLI  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  227 

RdioheB  gegen  einander  zu  verwirren  und  schliesslich  unter 
sich  S5U  bringen. 

Der  Hauptmann  hatte   aber  dem  Gesandten  auch  die 
Qegenstösse  angedeutet;   durch   die  man  die  feindlichen  Ab- 
sichten des  Kaisers  pariren  könnte.    In  einem  Memorial  von 
Zwingli's  Hand7   das    neben   einem  Resum^    über    die   Ge- 
sandtschaft AmbüheFs  jene  Mitteilungen  enthält  *),  lesen  wir 
zum  Schluss:    „Dem  Keiser  den   anschlag  ze  brechen  wäre 
gaot  y  dass  man  im  Tirol  ynnäme  (also  rat  der  gedacht  hopt- 
man);    müesste  er  den  zuog  zuo   siner  not  bruchen.     Das 
vermeint   gedachter   hoptman    ze    tuen   mit  gottes  hilf  mit 
8000   tütscher  Knechten  ^    mit    der  Venediger   gschütz    imd 
pferd,  und  die  Pündt  ouch  einsmals  ynfallen.    Darzuo  wurd 
euch   Herzog  von  Wirtemberg  helfen,   so   er  einen   zug  in 
sin   land  ze  tuen  fiimäme.'^    Das  sind  die  Gedanken,   auf 
die    der   Landgraf  am    14.   Februar    antwortet:    „Bedanke 
mich  der  neuen  Zeitimg.     Wie  Ihr  mir  aber  schreibet,   be- 
treffend dass   die  Venediger    mit  Tirol   au&ubnngen   seien, 
auch  daneben  schreibet,  belangend  zu  handeln  in  des  Her- 
zogs von  Würtemberg   Sache,    wann    die   Blümlein    hervor- 
stehen (stechen?),  war  wol   eine  gute  Meinung,  wenn  man 
wüsste,  was  endlich  und  gewisslich  die  Venetianer  und  auch 
Zürich,  Bern  und  Basel  dabei  thim  wollten,  denn   wahr- 
lich, ich  wollte  gern  allen  Fleiss  und  Kosten  thun  zu  meinem 
Theil,  wenn  ich  auch   sonst  Vertröstung,   die  gewiss  wäre, 
hätte,  wiewol  etwas  Hoffiiimg  hie  auch  vor  Augen."  *) 

Damit  ist  uns  der  Inhalt  der  Briefe  an  Landgraf  Phi- 
lipp und  Herzog  Ulrich  bekannt,  die  wir  vorhin  an  dieser 
Stelle  vermissten:  es  waren  der  Bericht  über  die  venetiani- 
sche  Unterhandlung  und  die  Zeitungen  und  Vorschläge  des 
Hauptmanns.  Wir  wissen,  dass  Zwingli  längst  die  glei- 
chen Gedanken  bewegten;  hier  aber  wurden  sie  ihm  von 
fremder  Seite  entgegengetragen,  und  um  so  eifriger  gedachte 
er  nun  sie  zu  verfolgen.     So  machte  er  alsbald  dem  Land- 


1)  Eidgen.  Absch.  S.  489.   Ueberschrift :  „Was  von  Venedig  kom- 
men in  Bnmma." 

2)  Opp.  634. 


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228  LEN2, 

grafen  den  Vorschlag,  ,,wenii  die  Blümlem  hervorstach«!", 
das  grosse  Unternehmen  zu  wagen,  und  wie  gerne  dieser 
darauf  einzugehen  bereit  war,  zeigt  seine  Antwort  Indes 
machte  er  doch  mit  Recht  auf  die  notwendigen  Vorbedin- 
gungen aufinerksam:  erst  öewissheit  darüber  zu  haben,  was 
von  Venedig,  und  wenn  nicht  von  Bern  und  Basel,  so  doch 
von  Zürich  und  den  Grauen  Bünden  zu  erwarten  sei. 
Zwingli  möge  ihm  darüber  seine  Meinung  schreiben.  Vor 
allem  müsse  aber  die  marburgische  Handlung,  sein  Burg- 
recht, zum  Abschluss  kommen.  Er  knüpfte  daran  den  Vor- 
schlag, d^i  König  von  Dänemark  in  das  Burgrecht  ein- 
zuschliessen,  „dann  er  ist  gut  evangelisdi  und  kann  viel 
nuzen  s^^^  Es  sei  nämUch  Kundschaft  gekommen,  dass 
man  ihn  überziehen  wolle:  „Wäre  wol  gut,  so  mit  dem 
König  von  Dänemark  angefangen,  dass  denn  droben  etwas 
angefangen  würde,  auf  dass  dieser  desto  besser  Luft  hätte." 

Wirklich  hat  Philipp  in  denselb^^i  Tagen  einen  Brief  an 
d^i  König  von  Dänemark  gerichtet,  der  ihm  die  drohenden 
Gefahren  kimdtun  und  eine  nähere  Verbindung  anbahnen 
sollte.  Diesen  fand  ich  noch  nicht,  die  Antwort  König 
Friedrich's  ab^,  aus  öottorp  vom  25.  Februar,  bewahrt 
im  Original  das  Marburger  Archiv.  Nach  dem,  was  Phi- 
lipp über  sie  in  dem  nächsten  Brief  an  Zwingli,  den 
10.  März,  schrieb,  scheint  sie  ihn  recht  erbaut  zu  haben. 
„Wollte  Gott",  heisst  es  da,  „dass  der  Kurfürst  von  Sachsen 
des  Königs  von  Dänemark  Sinn  und  Herz  hätte."  Jedoch 
gesteht  er  ein,  dass  aus  der  Sache,  die  gegen  den  König 
„vorhanden  gewesen",  diesmal  nichts  geworden  sei  ^). 
Und  lesen  wir  die  Antwort  König  Friedrich's  selbst,  so 
müssen  wir  bekennen,  dass  sie  nicht  vid  günstiger  lautete 
als  die  des  Dogen  an  CoUinus.  Der  Landgraf  hatte  ihm 
von  den  Knechten  geschrieben,  die  sich  um  Amhem  sam- 
melten, mehrere  Tausend  stark;  dass  Severyn  Norby  beim 
Kaiser  wäre  und  zwei  Schiflfe  zur  Expedition  gerüstet  würden ; 


1)  Opp.  427.  Am  Tage  vorher  hatte  der  Landgraf  den  Brief 
vom  25.  Februar  erwidert.  Concept  im  Marb.  A.;  kurz  und  ohne 
neue  Anträge:  er  bittet  um  Kundschaft  und  verspricht  dasselbe. 


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ZWINQU  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  &29 

dafls  Graf  Felix  von  Werdeaberg  um  Strapsbuig  ein  Heer 
von  4-  bis  6000  Eaiechten  zusammenbringe.  Der  König 
dankt  ihm  nun  filr  sein^ti  Fleiss  und  sein  freundliches  Er- 
biete, kann  aber  melden;  dass  d^  Elnechte  im  Gddrischen 
nicht  mehr  als  1200  sei^a,  da  die  übrigen  sich  verlaufen 
haben;  die  2  Schiflfe  aber  können  nicht  viel  schaffen.  Zum 
Schluss  veri^richt  er  allerdings  Hülfe  ^  falls  der  Landgraf 
überzogen  werde ,  und  hofft  von  diesen  das  Gleiche.  Das 
war  ganz  dieselbe  Antwort,  die  Collinus  in  Venedig  erhalten 
hatte.  Nun  mag  wohl  König  Friedrich  die  seine  ehrlicher 
gemeint  haben  als  der  Doge  von  Venedig;  aber  in  dem 
Weltbunde,  den  Philipp  imd  Zwingli  zusammenbringen 
wollten^  konnte  auch  er  offenbar  keine  Stelle  finden. 


In  denselben  Wochen  erfüllten  die  Sele  Zwingli's  aber 
noch  weit  verwegenere  Gedanken. 

Von  allen  Seiten  kamen  damals  die  beängstigenden 
Nachrichten  zusammen.  Italien  lag  dem  Kaiser  zu  Füssen; 
nur  Florenz  leistete  ihm  noch  Widerstand.  Mit  dem  Papst 
war  er  im  engsten  Bunde;  am  24.  Februar  krönte  ihn  dieser 
in  Bologna  mit  der  Krone  des  römischen  Beiches:  entsprach 
das  nicht  alles  aufs  genaueste  den  Gedanken,  die  ia  den 
Ratschlägen  aus  der  rechten  Kunstkammer  entwickelt  waren? 
Was  konnte  der  Bund  mit  dem  Papste,  der  Friede  mit  den 
itahenißchen  Staaten  anders  bedeuten  als  die  Vorbereitung 
zu  äem  Zuge  gegen  die  deutsche  Religion  und  Freiheit? 
Nun  stand  dieser  bevor;  im  Frühling  musste  Karl  kommen. 
Schon  gährte  es  überall  in  der  Nachbarschaft:  Felix  von 
Werdenberg  brachte  am  Oberrhein  ein  Heer  zusammen,  man 
sprach  von  20,000  Bjiechten.  Ringsum  rührten  sich  die 
feindlichen  Adelsgeschlechter,  vor  allen  andern  Marx  Sittich 
von  Ems  imd  sein  Schwager,  der  Castellan  von  Musso,  welche 
die  Zugänge  von  Tirol  und  dexi  italienischen  Seen  in  die 
Grauen  Bünde  eröfihen  konnten;  unablässig  kamen  und 
gbgen  die  Hauptleute,  Kundschafter  und  Sendboten  der 
katholisdien  Partei.  Vom  Norden  her  wurden  die  Anschläge 
auf  Dänemark  gemeldet.    Ganz  seltsame  Dinge  schrieb  msm 


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230  LENZ; 

von  Strassburg:  es  hiess^  Frankreich  und  der  Herzog  von 
Lothringen  gingen  mit  einem  Angriff  auf  die  Stadt  um, 
schon  erhebe  sich  im  Lothringischen  eine  Rüstung,  und 
zwar  ein  grosser  reisiger  Zug;  auch  seien  Hauptleute  be- 
stellt für  3000  Knechte  ^).  Li  Nancy  sollte  eine  Versamm- 
limg  päpsüicher  Fürsten  tagen,  während  ein  anderer  Con- 
gress  der  Feinde  in  Turin  vereinigt  war:  kaiserliche,  fran- 
zösische, eidgenössische  imd  savoyische  Gesandten,  hiess  es, 
Sassen  dort  zusammen,  „alles  zuo  niedertruck  des  evan- 
gelii"  *).  Ganz  sicher  schien  es,  dass  der  Herzog  von  Sa- 
voyen  einen  Angriff  plante.  Dazu  im  eigenen  Lager  überall 
Kleinmut  und  Zwiespalt:  in  Bern  die  alte  Zauder-  und 
Sonderungs-PoUtik,  in  Zürich  selbst  Gegner  des  neuen 
Geistes  noch  in  allen  Ständen;  die  Wiedertäuferei  trotz  er- 
barmungsloser Strenge  immer  noch  nicht  unterdrückt;  Lrun- 
gen,  Eifersüchtelei,  Hass  und  Leidenschaften  in  allen  Bereisen. 
In  den  schwäbischen  Reichsstädten  war  die  Partei  des  Ulmer 
Bürgermeisters  Besserer  am  Ruder,  der  die  eigene  Verzagt- 
heit imd  particularistische  Gesinnung  gegenüber  dem  Land- 
grafen hinter  Klagen  über  egoistische  Zurückhaltung  der 
Schweizer  zu  verstecken  suchte:  hier  immer  die  Gefahr  des 
Hinüberschwankens  zu  den  Nümbergem  und  den  Sachsen. 
Auf  diese  reclmete  man  kaum  mehr:  erfuhr  man  doch  im 
Februar,  dass  sie  eine  Sicherung  vom  Kaiser  hätten,  sofern 
sie  der  ZwingU'schen  Ketzerei,  „als  sy  es  nennen",  nicht 
anhangen  wollten,  dass  Nürnberg  neulich  zwei  Gesandte 
zimi  Kaiser  geschickt  habe  *).     Zu  alledem  die  drohendste 


1)  Kundschaft  aus  Strassburg,  12.  Febr.  1530,  verhandelt  auf 
dem  Bürgertage  in  Baden,  14.  Febr.  f  Eidgen.  Absch.  Nr.  274 d 
(S.  552). 

«)  Aus  emem  Programm  Zw.*s  (Januar  oder  Februar  1530). 
Eidgen.  Absch.  S.  506.  Ueberschrift :  „Anbringen",  Artikel  2.  Auch 
dies  Document  trägt  an  der  Spitze  den  Hinweis  auf  den  Ratschlag 
aus  der  rechten  Kunstkammer.  Stete  Wiederholung  der  alten  Ge- 
danken. Den  Verftisser  charakterisiren  die  Vorschläge,  die  er  hier 
macht,  wie  wenig  anderes. 

8)  Kundschaft  aus  Strassburg  (Eidgen.  Absch.  S.  553):  „Item 
Sachsen  und  Nüerenberg  sollen  ein  sichenuig  vom  Keiser  haben,  so- 


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ZWINGU  UND  LAKDORAF  PHILIPP.  231 

Gefahr  in  der  nächsten  Nähe:  der  unversöhnliche  Hass  der 
besiegten  und  zurückgedrängten  Waldstädte  und  die  immer 
offenen  Wunden  in  den  gemeinen  Vogteien.  Die  Briefe  des 
Seformators  aus  diesen  Tagen  an  seine  Freimde  im  Ober- 
lande und  der  Schweiz,  besonders  die  an  Sturm,  Eonrad 
Zwick  und  Sam,  atmen  eine  fieberhafte  Erregung.  Noch 
immer  ist  er  erfüllt  von  den  Gedanken  des  „Ratschlages 
aus  der  rechten  Eunstkammer^^,  überzeugt,  dass  der  Eaiser, 
„mit  der  einen  Hand  das  Brot  bietend,  in  der  andern  den 
Stein  verbergend",  jenes  Programm  ausfuhren  werde,  sowie 
er  Deutschland  betreten  habe.  „Nimm  den  Fall,  was  Gott 
verhüten  möge",  schreibt  er  an  Eonrad  Zwick,  „dass  der 
Eaiser  über  das  Gebirge  komme  und  Eemptän  besetze,  wo- 
hin werden  sich  die  andern  Keichsstädte  wenden  als  an  die 
Ghiade  des  Elaisers?  Ich  furchte,  sie  werden  auch  dann  poch 
sagen,  wir  seien  ja  durch  den  Rhein  geschützt."  *)  Er  er- 
mahnt den  Freimd,  die  Schwaben  aus  ihrem  Schlummer  zu 
reissen.  „Nam  alias  sub  religionis  titulo  peribit  üs  publica 
libertas.  Non  est  fidendum  tyrannorum  amicitiae,  De- 
mosthenes  ut  monuit,  tyrannis  nihil  aeque  exosum  esse  at- 
qua  Tr/y  Twy  noXtfav  iXtv^iglar.^^  ^) 

In  dieser  Stinmiung  nun  trat  Zwingli  mit  einem  Plane 
ans  Licht,  der  durch  die  Weite  seines  Horizontes  und  die 
Luftigkeit  seiner  Basis  alle  früheren  hinter  sich  liess.  In 
dem  Eampf  g^en  die  Pensionirer,  gegen  die  Verbindung 
der  Eidgenossen  mit  Frankreich  war  er  zu  seiner  Bedeu- 
tung, seine  Lehre  zur  Herrschaft  in  seinem  Städtebund 
gelangt:  jetzt  plante  er  nichts  Gbringeres  als  ein  neues  frun- 
zösisches  Bündnis. 


ferr  sy  zwinglischer  ketzery,  als  sys  nennen,  nit  anhangend.  Item 
Nüerenberg  hat  näwUcher  tag  N.  Haller,  ist  des  probsts  von  Walt- 
kilchs  secretarins  gewesen,  und  Lienharten  Stockamer,  mit  dem  einen 
engen,  ist  etwan  an  des  Keisers  regiment  secritarius  gewesen,  bot- 
schafts  wyss  zum  Keiser  geschickt;  wer  weiss,  was  uss  solchen  din- 
gen werden  wil;  darumb  ernstlich  zu  wachen  ist." 

1)  Zürich,  1.  März  1530.    Opp.  429. 

*)  Es  schwebt  ihm  hier  vielleicht  Olynth.  I,  6  vor:  Kai  oXatg 
anunoy,  oifjuu,  tats  noXitefaif  ^  tvQarvCg,  crAAo»;  r«  xw  ZfAoqov  x^9*^y 
Mx^tifiv. 

ZaitsehT.  t  K.-G.  m,  J.  16 


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232  LENZ, 

Der  Gedanke  ist  so  ausserordentlich,  dass  es  sich  lohnen 
wird,  seiner  Entstehung  und  der  Auffassung,  die  er  in 
Zwingli  annahm,  nachzugehen. 

Trotz  der  Drohungen  gegen  die  Ketzereien  in  dem 
neuen  Friedensvertrage  mit  dem  Kaiser  dachte  natürlich 
der  König  von  Frankreich  nicht  daran,  mit  den  Eüdgenos- 
sen  zu  brechen.  Seine  finanziellen  Verpflichtungen  machten 
es  sogar  nötig  oder  gaben  wenigstens  den  erwünschten  An- 
lass,  die  alten  Verbindungen  zu  erneuern.  Schon  im  Herbat 
liess  er  durch  seinen  Gesandten  Boisrigault  den  Eidgenossen 
erklären,  dass  sie  in  dem  Frieden  als  seine  vornehmsten 
Freimde  eingeschlossen  wären  und  gewisslich  auf  Bezahlung 
seiner  Schulden  rechnen  könnten;  er  bat  nur,  damit  eine 
Zeit  lang  Geduld  haben  zu  wollen  *).  Ende  Januar  kam 
ein  zweiter  Botschafter,  der  „G^neralmeister"  Lambert 
Maigret  *).  Im  Februar  hielt  dieser  auf  einem  Tage  der 
13  Orte  zu  Basel  einen  Vortrag,  in  dem  er  jene  Zusicherun- 
gen wiederholte,  mehr  aber  noch  auf  Frieden  und  Einigung 
unter  den  Eidgenossen  drang  ®).  Damals  nun  hatte  sich 
Zwingli  schon  in  Verhandlimgen  mit  den  Franzosen  ein- 
gelassen. Die  ersten  Annäherungsversuche  scheinen  aller- 
dings von  den  letzteren  gemacht  zu  sein,  durch  zwei  eid- 
genössische Hauptleute  in  französischen  Diensten,  die  am 
18.  Januar  Zwingli  zu  einer  Besprechung  mit  Boisrigault  in 
Bremgarten  oder  Meilingen  über  eine  Verbindimg  zwischen 
Frankreich  und  Zürich  einluden  *).  Auch  zeigte  sich  Zwingli  an- 
fangs gegen  die  Anträge  ziemlich  spröde.  Zweimal,  so  schreibt 
er  am  27.  Februar  Jakob  Sturm,  habe  er  dem  Unterhändler 
das  Verlangen,  ihm  seinen  Bündnisentwurf  anzuvertrauen,  ab- 
geschlagen, erst  das  dritte  Mal  ihn  bewilligt  *).   Indessen,  wenn 

1)  Auf  dem  Tage  zu  Frauenfeld  1529,  28.  Oct.  f  Eidgen.  Abseh. 
Nr.  209a  (S.  406.  412). 

8)  Brief  Boisrigault's,  Freiburg,  15.  Jan.  1530  (Eidgen. 
Absch.  S.  527  p). 

3)  Eidgen.  Abseh.  Nr.  273  s  (S.  549). 

4)  Opp.  397.  Der  „Herr  Ton  Poragen"  ist  Boisrigault.  Bul- 
linger  (11,  401)  nennt  ihn  „h.  porragö".  So  etwa  wird  auch  wohl 
in  jenem  Brief  gestanden  haben. 

^)  ^PP-  ^^^-    Anfangs  hat  er  dem  Boten  einen   kürzeren  Ent- 


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ZWINGLI  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  233 

die  Gesandten  ihn   um  Mitteilung  seines  consilimn  Gbllicum 
bitten   konnten;    so    muss  er   ihnen   die  Existenz  desselben 
oflfenbart  haben ,  denn  es   war  das  ein  Gteheimnis,  welches 
er   nur  den  vertrautesten    Freunden    entdeckt   hat.     Er   ist 
also  auf  die  Vorschläge  der  französischen  Gesandten  mit  Be- 
gierde eingegangen,   um  sie  sofort  in  das  System  seiner  po- 
litischen   Ideen    aufzunehmen.     Ende    Januar    oder   in    den 
ersten    Tagen  des  Februar  muss  er   die  Urkunde  ausgear- 
beitet  haben,    die   das  Bündnis  mit  Frankreich  in   seiner 
Auffassung  begründete.     Auch  diesmal  blieb  das  Geheimnis 
nicht  lange  verborgen.     Es  wussten  wieder  zu  viele  darum. 
In  Zürich  alle  Geheimen,  die  es  gelesen  und  gebilligt  hat- 
ten.    Sie  mögen  es  für  sich  behalten  haben,  aber  die  Fran- 
zosen   hatten    kein    Interesse    davon    zu    schweigen.      Am 
14.   Februar  fragt  Berthold  Haller  aus  Solothum  bei  dem 
Freunde  an,  ob  an  dem  Gerüchte  etwas  Wahres  sei,  das  er 
von  Tremp    und    dieser   von   Peter  von  Werd    vernommen 
habe^    man    wolle    neue    Freundschaft   mit    den   Franzosen 
sdüiessen.     Er  mag  es   gar  nicht  glauben:    das  würde  ja 
heissen    allen    Pensionirem    Tür    und    Tor   öffiien;    danken 
wir   vielmehr  Gott,   dass  er  ims  endlich  von    dieser  Plage 
befreit  hat!    Er  weist  auf  das  Aergemis  hin,  das  aUe  From- 
men  und   das   Evangeliimi   davon  haben  würden.     Zwingli 
solle    antworten,    den    üngrund    des    Gerüchtes   aufdecken: 
„Omnia  igitur  boni   consulito,  et  me  quoque,   ceteros  item 
cordatissunos    certiores   reddito,    nam  ille   ab  Werd  suis  in 
aurem  susurrat,   te  innumeras  et  maximas  habere  practicas 
prae  manibus^'^).     Nicht  so  ängstlich,   aber  nüchterner  sah 
Oekolampad  die  Pläne  an.     „De  Gallis",   schrieb  er  etwas 
später,   „mihi  parva  spes  est.     Quavis  enim  ratione  potius 


wurf  oder  Auszug  mitgegeben.  Vgl.  Maigret  Zw.  16.  Febr.  (Opp. 
413),  die  Antwort  auf  einen  Brief,  der  fehlt.  Maigret  Zw.  21.  Febr. 
(Opp. 415) :  „ Scripta  tua  ac  (ad?)  nonnullarum  rerumsignificationem  quae 
mihi  satiB  obscura  videbantur,  a  latore  praesentium  accepi";  und  das 
consU.  selbst,  S.  417,  7  tmd  S.  418:  „Habes  summam,  quam  pro- 
ndsi,  perinde  atque  superiorem  tumultuosa  opera  perscriptam,  quia 
profectio  vetuit  diutius  immorari."  Wohin  ist  Zw.  gereist? 
0  Opp.  411. 

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234  LENZ, 

quam  Evangelii  praetextu  conciliari  posse  videntur.  Utinam 
sapereni"  ^) 

Zwingli  erwog  ohne  Zweifel  ebenso  wohl  das  Bedenk- 
liche, was  eine  Erneuerung  der  französischen  Verträge  grade 
von  seiner  Seite  haben  musste,  als  er  die  Absichten  der 
Franzosen  durchschaute,  welche  nichts  als  die  starken  Arme 
der  Schweizer  gewinnen  und  deshalb  nicht  die  Evangelisirung, 
sondern  nur  den  Frieden  unter  den  Eidgenossen  befördern 
wollten.  Weim  er  trotzdem  jene  Bedenken  überwand,  so 
berechtigte  ihn  dazu  die  völlig  neue  Auffassung,  die  er  dem 
Bundesgedanken  gab.  Wenn  er  aber  dabei  die  Interessen 
Frankreichs  so  völlig  übersehen  konnte,  so  ist  das  freilich 
nur  wieder  ein  neuer  Beweis,  wie  weit  ihn  seine  idealen 
Gedanken  über  die  nüchterne  Wirklichkeit  emportrugen. 

Denn  das  unterscheidet  diese  Urkunde  von  allen  frühe- 
ren Verträgen  der  Eidgenossen  mit  der  französischen  Krone, 
dass  sie  nicht  mehr  einen  Mietsvertrag,  sondern  ein  Staaten- 
bündnis begründen  will  *).  Nicht  anders  wollte  Zwingli  sie 
aufgenommen  wissen.  So  schreibt  er  an  Oekolampad  den 
12.  März  unter  dem  Bürgertage  zu  Basel,  auf  dem  über 
das  hessische  Burgrecht  verhandelt  ward:  StoU  und  Beyel 
(die  Ratsboten  Zürichs)  würden  ihm  sein  consilium  de  rebus 
Galileis  mitteilen.  Er  solle  es  fleissig  lesen :  „  sunt  enim  multa, 
quae  satis  cavent  corruptionem  largitionemque  regis"  *).  Der 
Staat  Zwingli's  reicht  dem  Staate  Franz'  I.  die  Hand,  oder 
vielmehr  —  wenn  wir  die  Urkunde  selbst  lesen,  die  so  ge- 
fasst  ist,  als  ob  sie  von  dem  Könige  käme  —  Franz  schlägt 
dem  von  Zwingli  geleiteten  Staatswesen  ein  Bündnis  vor. 
Den  Zweck  des  Entwurfes  drückt  der  Reformator  in  dem 
Brief  an  Sturm  vom  27.  Februar  treffend  aus,  indem  er  ihn 
ein  consiliimi  de  frangenda  aut  minuenda  potestate  Caesaris 
nennt:  wiederum  also  der  Grundgedanke,  der  ihn  seit  dem 
Herbst  so  rastlos  beschäftigte. 

Es  weiss  die  Welt,  so  spricht  der  König  im  Eingange, 


1)  Opp.  412. 

*)  Hier  hat  Mörikofer  einmal  das  Richtige  gesehen  (11, ! 
*)  ^PP-    »Si  NN  communicabunt  tibi"  etc.    Die  Namen  erfahrt 
man  aus  Eidgen.  Absch.  Nr.  283  (S.  562). 


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ZWINGLI  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  235 

dass  keine  Fürsten  oder  Völker  in  den  vergangenen  Jahr- 
hunderten der  Gewalt  und  Tyrannei  des  römischen  Reiches 
tapferer  widerstanden  haben  als  die  allerchnstlichsten  Könige 
der  Franzosen  und  das  Volk  der  Schweizer.  Damit  haben 
sie  ihre  und  auch  anderer  Freiheit  bisher  bewahrt  Darin 
nicht  zu  ermatten  ist  ihre  Pflicht,  auf  dass  nicht  das  Wort 
der  Schrift  gegen  sie  angewandt  werden  möge:  Degeneres 
filii.  Es  schmerzt  den  König  der  trotzige  Abfall  der  5  Orte 
von  den  Städten  christHchen  Burgrechtes,  nicht  weniger  ab 
ob,  was  Qt)tt  verhüten  wolle,  seine  zwei  eigenen  Söhne  in 
Zwiespalt  lebten.  Da  aber  das  alte  Bündnis  deshalb  nicht 
gewahrt  werden  kann,  so  will  er  doch  mit  den  Städten  des 
christlichen  Burgrechts  und  den  Gemeinden,  die  diesen 
nicht  feindlich  sind,  als  Glarus,  Solothum,  Appenzell  und 
Toggenburg,  ein  neues  schliessen.  Dies  soll  aber  nicht, 
wie  das  fiühere,  der  helvetischen  Freiheit  gefährlich  und 
dem  Gesetze  Gt)ttes  in  keinem  Punkte  zuwider  sein.  Daher 
sollen  die  neuen  Bundesartikel,  die  er  volwjhlägt,  erst  von 
den  Lehrern  der  heiligen  Schrift  und  evangelischen  Dienern 
des  göttlichen  Wortes  in  der  Schweiz  geprüft  werden.  Denn 
nichts  liegt  dem  Könige  mehr  am  Herzen,  als  dass  die  Reinheit 
des  Evangelium  makellos  bewahrt  bleibe.  Daher  bittet  er  um 
G^hör  für  die  folgenden  Artikel  ^):  Das  Königreich  Frank- 
reich und  die  obengenannten  Städte  und  Gemeinden  schlies- 
sen auf  15  oder  20  Jahre  einen  Bund,  dessen  oberstes  Ziel 
beiderseits  die  Verteidigung  der  christlichen  Religion  ist 
Und  so  werden  sie  in  wechselseitiger  Freundschaft  und 
Treue  einander  halten,  als  ob  sie  ein  Volk  seien,  eine  Ge- 
meinde, ein  Staat,  so,  dass  jeder  für  das  Wohl  des  andern 
sorge,  wie  für  das  seine.  Sie  werden  einander  helfen,  wo 
^  gilt,  die  Annahme  oder  Erhaltimg  des  Evangelium  Christi 
zu  verteidigen,  mag  der  Angriff  direct  oder  indirect  erfol- 


1)  „Quapropter  regem,  cum  articulos  proposuerit,  eos  sub- 
jecturom  censurae  sanctarum  literarum  doctis  et  verbi  Dei  apud  Hel- 
vetios  ministm  evangelicis.  Nihil  enim  aeque  esse  in  votis  cbristianiB- 
simi  regis  atque  ut  evangelü  puritas  illibata  permaneat,  et  utraque 
pars,  videlicet  regnum  Francia  et  Helvetiormn  populus,  cum  reliquis 
urbibus,  salva  sit  ac  tuta.   Proinde  o^pat  (!)  ut  audiatur/*   (Opp.  417.) 


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236  LENZ; 

gen,  in  jedem  Falle,  sowie  überhaupt  gegen  jeden  Versuch 
ungerechter  Vergewaltigung.  Will  dagegen  die  eine  Partei 
für  eine  firüher  erlittene  Unbill  Vei^eltung  fordern,  so  soU 
die  andere  nur  dann  helfen,  wenn  sie  die  Grerechtigkeit  der 
Forderung  erkannt  hat.  Das  Schweizer  Heer,  das  dem  König 
zuzieht,  wird  er  besolden.  Werden  aber  die  Schweizer  an- 
gegriffen, oder  beschliessen  beide  Parteien  den  Krieg,  so 
wird  der  König  Geschütz,  Proviant  und  Reiterei  schicken. 
Ausserdem  wird  er  jeder  Stadt  jährliche  Pensionen  zahlen  ^). 
„Et  in  summa'',  setzt  Zwingli  hinzu,  „generalis  clausula 
adponatur:  ut  utraque  pars  alteram  sie  servet,  colat  ac 
tueatur  atque  seipsam.  Id  autem  adversus  quoscimque." 
Freilich,  die  gewöhnlichen  Vorbehalte  sollen  bleiben,  aber 
niemand  ausgenommen  werden,  wo  es  sich  um  den  Glau- 
ben handelt,  „quia  non  est  dubium,  christianissimum  regem 
hactenus  nullum  foedus  propter  fidem  cum  quoquam  inüsse". 
„Nos  vero",  schliesst  er  mit  unverkennbarer  Pointe,  „in 
fidei  negotio  etsi  excipiamus  verbis,  attamen  ea  exceptio  non 
pertinet  ad  fidei  exceptionem,  nam  in  ea  re  mutuimi  ferimus 
auxilium  contra  quoscunque."  *) 

Am  22.  Februar  ritt  Collinus  mit  diesem  Entwurf  von 
Zürich  aus.  Von  den  Gesandten,  hoflfte  Zwingli,  werde  er 
direct  an  den  Hof  zum  Könige  geschickt  werden  *).  Nach 
acht  Tagen  war  seine  Mission  beendigt.  Am  27.  Februar 
wusste  Zwingli  noch  nichts  von  der  Antwort  der  Gesandten, 
an  demselben  Tage  ward  sie  geschrieben.  Was  Boisrigault, 
ein  katholischer  Bischof,  in  seinem  ungelenken  Latein  ent- 
gegnete, war  der  helle  Spott:  „Nimc  non  respondeo  rebus 
üs,  quarum  tuae  literae  acutissimo  stilo  memorantur,  adeoque 
forsitan  cerebro  meo  imbecillo  vix  eas  comprehendere  sit  pos- 

^)  ^PP-  ^1*^»  '^  •  »  Praeter  ista  dabit  christianissimus  rex  quotannis 
tantum  aut  tantum  cuique  urbi  etc.    Ut  etiam  prius  exposuimus." 

8)  Es  folgen  einige  Notizen  über  Strassburg,  Constanz,  die 
Reichsstädte,  den  Landgrafen  und  Herzog  Ulrich,  die  zum  Teil  die 
geheimsten  Wünsche  Zwingli's  offenbaren.    Vgl.  u. 

»)  Zw.  Jk.  St.  27.  und  28.  Febr.  (S.  422):  „Jam  septimus  dies 
est,  postquam  CoUinus  noster  cum  eo  consilio  ad  legatos  proficiscitur, 
et  nondum  scio,  an  ad  regem  ipsum  sint  libellum  com  tabellione  mis- 
suri  (das  soll  doch  Collinus  sein?)  necne." 


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ZWINGU  IT^D  r^ANDGRAF  PHILIPP.  237 

siblle.  Nihilommus^  quantum  spectat  ad  ea^  quae  attiugunt 
aive  attingere  possimt  ad  [nicht  et]  sanctum  Verbxim,  volun- 
tatem  divinam  et  salutem  animarum  christians^um^  hactenus 
intellexi  te  difBcilem  scribendo  mihi  ostendisse^  non  tantum 
modo  propter  imperitiam  linguae  latinae^  sed  et  ignorantiae 
divini  verbi  causa.  Quarum  utrarumque  te  assero  me  in- 
dignom  existimare/^  Von  einer  mündlichen  Unterredung 
hoffi  er  die  Verständigung,  die  die  Briefe  nicht  geben  könn- 
ten. ,,Inprimis  interea  fac,  te  oratimi  volo,  quod  pax  ubi- 
cunque  interteneatur  nihilque  novitatis  subrepat"  Und  zum 
Schluss  nochmal  die  ausdrückliche  Versicherung,  dass  er  das 
consilium  wirklich  gelesen  habe  imd  seine  Wichtigkeit  ihm 
einleuchte.  Weniger  verletzend  und  oflFener  schrieb  Maigret: 
Vor  Auslösung  seiner  Söhne,  die  noch  als  Geisel  von  Karl 
zurückbehalten  wurden,  könne  der  König  die  Verhandlung 
nicht  au&ehmen  ^). 

Zum  dritten  Mal  warfen  die  Weltbundsgedanken  Zwingli's 
und  seines  fürstlichen  Freimdes,  kaum  ausgesprochen,  zurück- 
gewiesen worden. 


IV. 

Während  sie  aber  so  nach  unerreichbaren  Zielen  streb- 
ten, war  das  Nächste  und  Nötigste,  die  Vorbedingung  für 
alles  Weitere,  noch  inuner  nicht  erreicht:  der  Abschluss  des 
hessischen  Burgrechtes.  Und  dass  dies  sogar  in  jenen  Monaten 
allgemeiner  Spannung  und  Sorge  nicht  geschah,  ist  wohl 
der  stärkste  Beweis  für  die  Unbesieglichkeit  der  Interessen, 
die  sich  diesen  weltumspannenden  Ideen  entgegensetzten. 
Denn  Zwingli  stand  in  der  Schweiz  mit  seinen  Befürchtun- 
gen keineswegs  allein.  Die  Acten  der  Burgrechtstage  aus 
den  Wintermonaten  1530  lehren,  wie  tief  und  allgemein  die 
Besorgnis  vor  den  feindlichen  Absichten  des  Kaisers  ver- 
breitet war.  Der  Abschied  des  Züricher  Tages  vom  10.  Ja- 
nuar, für  den  der  Reformator  mit  eigener  Hand   ein  Pro- 


1)  Opp.  421  f. 

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238  LENZ; 

gramm  entworfen  hat,  trägt  an  der  Spitze  den  Hinweis  auf 
den  Ratschlag  „aus  der  rechten  Kunstkammer"  ^).  Die  be- 
ängstigenden ISTachrichten,  von  denen  die  Correspondenz 
Zwingli's  erfüllt  ist,  wurden  auch  in  den  Versammlungen 
discutirt.  Es  wurde  beschlossen,  die  Rüstungen  zu  vervoll- 
ständigen ^  Kundschafter  nach  allen  Seiten  auszusenden,  be- 
sonders gegen  die  inneren  Feinde,  Wiedertäufer  und  Katho- 
liken, mit  Ernst  vorzugehen  *).  Auch  tauchen  die  kühneren 
Gedanken,  obschon  in  milderer  Form,  in  diesen  Acten  auf. 
In  der  Märzversammlung  zu  Basel  kam  man  überein,  eine 
Botschaft  zu  den  Graubündnem  zu  senden,  die  diese  er- 
mahnen sollte,  „kraft  der  bestehenden  Bünde"  weder  dem 
Kaiser  noch  sonst  jemand  Durchpass  flir  Truppen  zu  be- 
willigen. Zürich  ward  aufgefordert,  den  König  von  Frank- 
reich durch  „geschickte  Personen"  auf  die  G^fehr,  die  ihm 
sein  gegenevangelischer  Bund  mit  dem  Kaiser  bring:en  würde, 
aufinerksam  zu  machen  und  ihn  auszuforschen,  was  man 
sich  von  ihm  im  Falle  eines  Ueberzuges  durch  den  B^aiser 
zu  versehen  habe.  Man  hatte  die  Absicht,  wenn  aus  Frank- 
reich guter  Bescheid  käme,  die  Herzöge  von  Savoyen  imd 
Lothringen  mit  denselben  Fragen  anzugehen.  „G^enket 
auch  des  Herzogtums  Würtemberg",  heisst  es  am  Ende  des 
Abschiedes,  den  die  Tagboten  heimbrachten  *). 

Eben  hier  in  Basel  ward  nun  auch  wieder  über  das 
Burgrecht  mit  Hessen  und  dem  Hohentwiel  beraten.  Nach 
den  Beschlüssen  einer  Vorversammhing  in  Zürich,  31.  Ja- 
nuar, hatte  Philipp  durch  Strassburg  die  Einladimg  zu  einem 
Burgrechtstage  in  Basel  am  26.  März  erhalten,  mit  dem  Be- 
merken, er  könne  den  Termin  auch  um  14  Tage  zurück- 
setzen ^).  Am.  1.  März  hatte  der  Landgraf  seine  Gesandten, 
Sigmund  von  Boyneburg  imd  G^org  Kolmatsch,  abgeord- 
net^),  am  13.  erhielten  sie   schon  in  Basel  ihren  Abschied 


1)  Eidgen.  Absch.  S.  506. 

«)  Eidgen.  Absch.  Nr.  252  (S.  503).  257  (S.  516).  263  (S.  531' 
273  (S.  546).  274  (S.  552). 

«)  Eidgen.  Absch.  Nr.  283  (S.  562).  309  (S.  625). 
4)  Eidgen.  Absch.  Nr.  263  (S.  531  f.). 
^)  Orig.  der  Instruction  im  Marb.  Archiv. 


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ZWINGLI  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  239 

über  Twid,  zwei  Tage  darauf  den  über  das  hessische  Bnrg- 
recht  *).  Beides  Tyohl  nicht  so,  wie  Philipp  erwartet  hatte. 
Seine  Anträge  entsprachen  der  Stimmung  seiner  Correspon- 
denz  mit  Zwingli.  Der  Bündnisentwurf,  den  die  Instruc- 
tion der  Gesandten  enthält,  ist  eine  wörtliche  Wiederholung 
der  Marburger  Artikel,  nur  dass  einige  Punkte  fester  prä- 
dsirt  sind.  Der  erste  Vertragsartikel  lautete  bisher:  „Erst- 
lich, dass  alle  oder  der  merteil  der  oberkeiten,  so  bisshar 
das  wort  gottes  by  inen  verkünden  lassen,  sich  mit  und 
gegen  einander  trüwlich  imd  von  herzen  meinen  und  fiirdren 
und  vor  schaden  warnen  sölten."  Die  Unbestimmtheit  dieser 
Fassung  war  jetzt  aufgehoben  durch  die  Worte  „sich  mit 
und  gegen  einander  in  ein  christlichen  Verstände  und 
Einigunge  begeben",  die  hinter  „verkünden  lassen"  einge- 
schoben sind.  Dazu  war  der  positive  Vorschlag  gegenseitiger 
Hülfsleistung  gefugt:  der  Landgraf  versprach  seine  Reisigen 
zu  senden;  er  hoflfte  dafür  „nach  seiner  Gelegenheit"  Haupt- 
leute und  Knechte  in  der  Eidgenossenschaft  bestellen  zu 
dürfen.  In  drei  Wochen  sollten  sich  die  Städte  entschliessen, 
ob  sie  den  Verstand  annehmen  wollten  oder  nicht.  Es  hat 
ein  halbes  Jahr  gewährt,  bis  der  Abschluss,  und  auch  dann 
noch  ohne  Bern,  erreicht  worden  ist 

Die  „Verstrickung  einer  benampten  Mass  oder  Hilf" 
wjftrd  in  Basel  von  vornherein  zurückgewiesen.  Selbst  die 
Züricher  Instruction  hatte  sich  dagegen  erklärt*).  In  dem 
Abschied  ward  die  EnÜ^enheit  Hessens  dagegen  geltend 
gemacht,  sowie,  dass  dadurch  den  5  Orten  Anlass  geboten 
würde,  auch  ihren  Gönnern  Knechte  zulaufen  zu  lassen. 
Ein  Artikel  der  hessischen  Instruction  schlug  vor:  wenn 
je  die  Untertanen  eines  Teiles  des  göttlichen  Wortes  we- 
gen abfUUig  und  ungehorsam  gemacht  würden,  dass  die 
andern  Teile  ihm  verhelfen  sollten,  dieselben  wieder  zum 
G^orsam  zu  bringen.     Philipp   hatte  sich  dadurch  zur  In- 

1)  Eidgen.  Absch.  Nr.  286  f.  (S.  570  ff.). 

*)  Eidgen.  Absch.  S.  574.  1.  „  Dass  allein  ein  gemeiner  verstand 
ufgericht  werde,  on  Verstrickung  einer  benampten  mass  oder  hilf, 
sonder  uff  forme  wie  in  dem  Markburgischen  und  Strassburgischen 
abscheid  vergriffen,  und  uss  nachfolgenden  Ursachen"  u.  s.  w. 


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240  LENZ, 

tervention  in  allen  Fragen  der  inneren  schweizerischen  Politik 
verpflichtet.  Indes  die  Eidgenossen  selbst  wünschten  diese 
Bereitwilligkeit  gar  nicht:  in  dem  Abschiede  liessen  sie  auch 
diesen  Artikel  weg,  allerdings  „in  keiner  andern  Meinung", 
als  dass  er,  wie  man  besorge,  von  den  Gemeinden  „un- 
gleich" gedeutet  imd  damit  dieser  Vei^stand  mehr  gehindert 
als  gefördert  würde.  Die  endgültige  Antwort  ward  auf  den 
1.  Mai  verschoben,  denn  schon  war  man  überzeugt,  dass 
der  Kaiser  vor  dem  Verhör  der  Parteien  auf  dem  Reichs- 
tage den  Krieg  nicht  beginnen  werde  ^). 

Innerhalb  der  festgesetzten  Frist  erklärten  darauf  Zürich, 
Constanz,  Basel  und  Strassburg  sich  zur  Annahme  des  Ver- 
trages mit  den  Abänderungen  des  Baseler  Abschiedes  bereit 
Bern  aber  schrieb  ab  *).  Auf  den  Tagen  von  Baden  und 
Basel  im  Mai  und  Juni  ward  von  neuem  verhandelt  *).  Der 
Baseler  ward  zu  keinem  anderen  Zwecke  berufen.  Berns 
Gesandter  erklärte  dort,  seine  Herren  wollten  bei  ihrer  ge- 
gebenen Antwort  bleiben;  er  habe  daher  nicht  mitzuraten, 
sondern  nur  anzuhören  imd  besondere  Begegnisse  heimzu- 
bringen. Zürich,  Basel  imd  Strassburg,  die  mit  vertreten 
waren,  entschlossen  sich  jetzt  zu  einem  neuen,  dringenden 
Mahnschreiben  an  die  säumige  Bundesgenossin.  Sie  legten 
demselben  ein  Amendement  bei,  das  durch  eine  Abänderung 
des  zweiten  Paragraphen  dem  Bundesentwurf'  jede  ofiensive 
Spitze  nahm.  Vergleichen  wir  diese  neue  Fassung  mit  dem 
analogen  Artikel  in  der  Schmalkaldener  Bundesurkunde,  der, 
wie  gesagt,  fast  allein  von    dem    Marburger  Vertrage    ab- 


1)  Zur  Milderung  ward  dann  allerdings  hinzugefügt:  weil  diese 
Verständnis  vermöge,  dass  alle  Teile  „einander  treulich  meinen" 
imd  jeder  die  Sache  des  andern  sich  wie  die  eigene  angelegen  sein 
lassen  solle,  so  sei  es  die  Ansicht  der  Botschaften,  dass  im  eintre- 
tenden Falle  ihre  Oberen  sich  hierin  untadelhaft  verhalten  und  leisten 
werden,  was  allen  Teilen  zugute  dienen  möge;  deshalb  wollen  sie 
nichts  abgeschlagen,  sondern  ihren  Herren  nur  ofiene  Hand  behalten 
haben. 

8)  Eidgen.  Absch.  S.  644. 

3)  Eidgen.  Absch.  Nr.  322.  Baden,  1530,  16.  Mai  f.,  y  (S.  642. 
644).    Nr.  337.  Basel,  1530,  16.  Juni  (S.  674 ff.)- 


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ZWINGLI  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  241 

weicht,  so  bemerken  wir  jetzt  eine  fast  wörtliche  Ueberein- 
stimmung.  Der  defensive  Charakter,  der  die  Schmalkaldi- 
schen  von  den  Marburger  Artikehi  unterscheidet,  ist  also 
nicht  erst  im  December  1630  von  den  Sachsen,  sondern 
schon  am  16.  Juni  in  Basel  von  den  Schweizern  geschaffen 
worden,  und  zwar  grade  von  der  Parteigruppe  unter  ihnen,  die 
noch  am  eifrigsten  für  ein  energisches  Vorgehen  und  für  ein 
Zusammenhalten  mit  dem  protestantischen  Norden  gesinnt  war. 
Ein  Brief  Jakob  Sturm's  an  Zwingli  aus  Augsburg, 
in  dem  er  über  die  bedrohliche  Haltung  der  Kaiserlichen 
und  die  bedrängte  Lage  der  zwinglisch  Gesinnten  auf  dem 
Reichstage  berichtete,  ward  für  die  Geheimen  in  Zürich  der 
Anlass,  am  25.  Juni  noch  ein  Mal  ein  ernstes  Mahnschreiben 
an  die  Bemer  zu  richten,  in  dem  wir  den  Geist,  wahr- 
scheinlich auch  die  Hand  des  Reformators  selbst  erkennen 
können.  „Und  ist  deshalb",  so  schliesst  der  lange  Brief, 
,,  unser  gar  fründlich  bitt  und  ermanung  an  üch,  .  .  .  (dass) 
ir  allweg  trostlich  und  handlich  sin  und  nit  einer  jeden 
süessen  Vertröstung,  darunder  zun  zyten  vil  bitters  vergra- 
ben, gelouben  geben,  sundem  üch  wolbetrachtlich  umbsechen 
imd  aller  dingen  handfest  imd  unerschrocken  sin,  euch  üch 
nützit  abertröuwen  lassen  und  allweg  so  guot  vertruwen  in 
uns  setzen  wellint,  als  ir  uns  euch  mit  der  hilf  gotts  allzyt 
ufrecht,  trüw  und  gerecht  und  imser  unverdrossene  hilf  in 
üwem  selbs  bänden  haben  sollen,  der  ungezwyfelten  zuover- 
sicht,  der  stark  gott  imsers  heils  allzyt  zuo  erhaltung  unser 
Ijh,  Seelen,  eeren  und  guots  gnädiklich  unser  walten  und  sine 
armen  glöubigen  nach  sinem  warhaften  zuosagen  wol  erhal- 
ten und  nit  in  die  bluotdürstigen  händ  irer  fygenden  geben, 
sunder  uss  dem  meer  der  trüebseligkeit  zu  sicherem  gstaden 
anleiten  werd,  Amen."  *)     Vom   Tage  darauf  ist  der  Brief 


1)  £idgeii.  Absch.  S.  676,  4.  Der  Herausgeber  bemerkt,  dass 
dem  Original  die  Copie  eines  Schreibens  an  Zwingli,  dd.  20.  Jimi, 
beiliegt  (S.  678),  hat  dasselbe  aber  nicht  mitgeteilt.  Es  ist  auch 
schon  gedruckt,  und  wir  kennen  den  Verfesser,  da  es,  wie  eine  Ver- 
gleichung  mit  dem  Briefe  der  Züricher  Geheimen  an  Bern  zweifellos 
macht,  kein  anderer  ist  als  der  Doppelbrief  Jakob  Sturm's  an  Zwingli 
aas  Augsburg  vom  19.  und  20.  Juni  1530  (Opp.  465),  adressirt  g>  suo 


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242  LENZ, 

Berns  an  Basel,  in  dem  es  seinen  Beschluss  aufrecht  erhielt. 
Es  verschanzte  sich  hinter  dem  Widerwillen  seiner  Gemein- 
den „in  Stadt  und  Land",  fugte  übrigens  die  tröstliche  Ver- 
sicherung hinzu,  „dass  man,  wenn  der  Fürst  von  Hessen 
des  Gotteswortes  wegen  überzogen  oder  mit  Gewalt  ange- 
gefochten  würde,  sich  gegen  denselben  so  freundlich  erzeigen 
wolle,  wie  man  sich  getraue,  gegen  Gott  und  der  Welt 
Glimpf  und  Fug  zu  haben"  ^). 

So  kam  es  zu  einer  Sonderung  unter  den  Burgrechts- 
städten. Auf  dem  Tage,  den  die  Züricher  Herren  zum 
21.  Juli  in  ihre  Stadt  beriefen,  erhielten  sie  von  Basel  und 
Strassburg  die  Vollmacht,  den  Vertrag  mit  den  am  16.  Juni 
genehmigten  Abänderungen  zu  prüfen  imd  ihn  darauf  zu- 
sanunen  mit  den  beiden  andern  Städten,  nach  Einholung 
ihrer  Zustimmung,  dem  Landgrafen  zur  Annahme  vorzu- 
legen *).  Diese  Beschlüsse  meldet  Zwingli  an  Philipp  in 
dem  Brief  vom  22.  Juli  *).  Am  dreissigsten  bewilligten  der 
grosse  imd  kleine  Rat  seiner  Stadt  den  so  geänderten  Ver- 
trag, in  der  Erwägung,  dass  er  „zur  Wolfahrt  und  Stärke 
aller  gutherzigen  Christen  imd  dagegen  zur  Abschreckimg 
aller  Feinde  der  Wahrheit"  dienen  werde*). 

Doch  hat  es  noch  Monate  gedauert,  bis  die  Verhand- 
lungen zum  endlichen  Abschluss  kamen.  Die  Baseler  mach- 
ten im  October  noch  einen  Versuch  auf  die  Gewinnung 
Berns,  der  ebenfalls  so  vergeblich  ablief,  wie  die  früheren  ^). 
Erst  im  November  ward  in  einer  Versammlimg,  an  der 
auch  hessische  Gesandte  teilnahmen,  wieder  zu  Basel,  das 
Burgrecht  zwischen  dem'  Landgrafen  imd  den  Städten 
Zürich,  Basel  und  Strassburg  mit  den  Abschwächimgen,  die 


amlco  carissimo,  unterzeichnet  tuus  ip  (die  falsche  Datirung  der 
2.  Hälfte,  Opp.  469,  auf  den  28.,  statt  den  20.  Juni,  die  ich  oben 
S.  41,  3  noch  wiederholt  habe,  lässt  sich  schon  aus  dem  Inhalt  selbst 
verbessern). 

1)  Eidgen.  Absch.  S.  676. 

«)  Eidgen.  Absch.  Nr.  353  (S.  705). 

8)  Opp.  483. 

*)  Eidgen.  Absch.  S.  711. 

6)  Eidgen.  Absch.  S.  805  v. 


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ZWmGLI  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  243 

ihm  die  Schweizer  am    16.   Juni  gegeben   hatten  ^  in  Form 
des  Abschiedes  gebracht  *). 


Wie  vöUig  aber  hatte  sich  seitdem  die  Lage  der  Welt 
verwandelt!  Zwischen  den  Tagen  zu  Basel  im  März  und  im 
November  liegen  die  langen  Monate  des  Augsburger  Reichs- 


Wem  hatten  die   Ereignisse  Recht  gegeben? 

Waren  die  Befiirchtrmgen  Zwingli's  vor  den  reactionären 
Gelüsten  des  Kaisers  leere  Träumereien  und  Hirngespinste 
gewesen? 

Vergegenwärtigen  wir  uns  in  raschen  Zügen  das  BUd 
dieser  weltbewegenden  Ereignisse. 

Der  Weltbrand,  dessen  Aufleuchten  seine  und  seiner 
Freunde  Phantasie  schon  auf  allen  Punkten  hatte  sehen 
wollen,  war  nicht  entstanden,  so  wie  die  Weltbundsgedan- 
ken, kaum  an  den  Tag  gebracht,  verflogen  waren.  Nie- 
mand hatte  versucht  KatI  die  Alpen  zu  sperren.  Aus  dem 
Einbruch  in  Tirol  war  so  wenig  geworden  wie  aus  dem 
Bündnis  mit  Venedig.  Im  Würtembergischen  war  alles  still 
geblieben.  Herzog  Ulrich  sass  noch  bei  seinem  Freunde  zu 
Cassel  in  der  Verbannung.  Franz  I.  hatte  den  Frieden  von 
Cambrai  gehalten;  sein  ganzes  Bestreben  war  gewesen,  die 
Söhne  wieder  zu  erlangen;  im  Sommer  war  es  geschehen. 
Die  Kleinen  an  den  Ghrenzen  und  im  Innern ,  die  Todfeinde, 
Herren  und  Bauern,  der  Castellan  von  Musso,  Marx  Sittich 
von  Ems,  Eck  von  Reischach,  Werdenberg,  der  St.  Galler 
Abt,  die  Fünförtischen  und  alle  die  andern,  waren  still  ge- 
blieben. Nur  zwischen  Savoyen  und  Genf  war  das  Wetter 
losgebrochen.  Da  hatte  wenige  Wochen  vor  dem  Baseler 
Tage  Bern  die  Energie  entwickelt,  die  es  an  anderen  Orten 


1)  Eidgen.  Absch.  Nr.  431  (S.  837).  Der  Vertrag  ist  abgedruckt 
in  den  Beilagen  Nr.  16,  S.  1514,  dat.  Basel,  18.  November.  Zwei  Ver- 
sehen lassen  sich  hier  aus  der  Schmalkaldener  Bundesurkunde  verbessern : 
Art.  V  lies  zwei  Mal  ganz  st.  acht  (S.  1515,  Z.  3  u.  2  v.  u.),  und 
Art.  VI  warem  st.  merem  (S.  1516,  Z.  6).  Weshalb  fehlt  Constanz 
in  der  Urkunde? 


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244  JJESZ, 

80  schmerzlich  vermissen  Kess;  ein  Eri^szug  von  wenigen 
Tagen  hatte  das  Evangelium  an  die  G^e8tade  des  Genfer 
Sees  getragen,  war  das  Ereignis  geworden,  das  in  der  Ge- 
schichte des  Protestantismus  eine  Epoche  bildet,  in  dem  die 
Uebertragung  des  protestantischen  Gedankens  in  die  roma- 
nische Welt  ihren  Ursprung  hat.  In  Deutschland  aber  hatte 
kein  Fürst  dem  Kaiser  sein  Land,  keine  Stadt  die  Tore 
verschlossen.  Im  März  malt  Zwingli  es  sich  noch  als  etwas 
ganz  FürchterUches,  kaum  Auszudenkendes  aus,  dass  der 
Kaiser  ein  Städtchen,  wie  Kempten,  besetzen  und  damit 
nördlich  der  Alpen  festen  Fuss  fassen  könne.  In  denselben 
Tagen  ward  Karl's  Ausschreiben  zum  Reichstage  bekannt: 
friedeatmende  Zusicherungen,  gütige,  gnadenvolle  Verheissun- 
gen,  „die  Zwietracht  hinzulegen,  vergangene  Irrsal  imserm 
Heiland  zu  ergeben,  und  femer  eines  jeden  Gutdünken, 
Opinion  und  Meinimg  in  Liebe  zu  hören,  zu  erwägen,  zu 
einer  christlichen  Wahrheit  zu  bringen,  alles  abzutun,  was 
zu  beiden  Seiten  nicht  recht  ausgelegt  worden"^).  Und 
Augsburg,  vielleicht  die  reichste  und  mächtigste  deutsche 
Stadt,  der  Knotenpunkt  der  Alpenstrassen^  der  Schlüssel  zu 
dem  Oberlande,  hatte  nicht  gezögert,  sich  zur  Aufoahme 
des  Kaisers  anzuschicken,  so  wenig  wie  die  Stände  säumten, 
der  Ladung  zu  gehorchen.  Von  allen  Seiten  waren  sie  zu- 
sammengeströmt, um  ihrem  Herren  zu  huldigen.  Dann  war 
der  Klaiser  selbst  gekommen;  am  15.  Juni  war  er,  von  einer 
Versammlung  deutscher  Fürsten  und  Stände  umgeben,  wie 
sie  das  Reich  seit  den  Tagen  Maximilian's  so  zahlreich  imd 
glänzend  nicht  wieder  gesehen  hatte,  in  die  Lieblingsstadt 
seines  Ghx)ssvaters  eingeritten. 

Es  kamen  die  Wochen,  in  denen  die  schweizerisch  G^ 
sinnten  sich  von  den  Lutheranern  imd  den  Kaiserlichen 
gleich  schroff  abgewiesen  sahen;  wo  Melanchthon  imd  seine 
Anhänger  gegen  sie  um  so  härter  und  verletzender  auf- 
traten, je  nachgiebiger  und  schwäcUicher  sie  sich  gegen  die 
Katholischen  erwiesen.  An  Zwingli  gelangten  die  Briefe 
Sturm's,  Bucer's,  Capito's  mit  den  bitteren  Klagen  über  die 


»)  Ranke,  D.  G.    Ges.  W.  ID,  164. 

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ZWINGLI  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  245 

furores  Lutheranomm  und  den  begeisterten  Lobpreisungen 
des  Landgrafen^  des  candidus  Hessus^  der  allein  in  dem 
allgemeinen  Abfall  sie  und  die  Wahrheit  nicht  verleugne  ^). 
Der  Eefonnator  selbst  hat,  wie  wir  sahen,  damals  ununter- 
brochen mit  dem  Fürsten  correspondirt  In  dieser  Zeit  ruft 
er  ihm  das  herrliche  Wort  zu:  „Hallt  an,  frommer  Acker- 
mann, hallt  an!    Es  gat  nur  wol/^ 

Merkwürdig  aber  (jene  Worte  schon  bestätigen  es): 
trotz  der  beklemmenden  Situation  ist  Zwingli  im  Sommer 
weit  entfernt  von  den  Besorgnissen,  die  ihn  im  Frühjahr 
erfüllten.  Nicht  als  ob  er  in  seinem  früheren  Urteil  über 
den  EBiser  einen  Irrtum  erkannt  hätte:  „Ich  fueg  euch  üch 
ze  wüssen,  das  uns  gantz  und  gar  wil  ansehen,  das  alle 
handlung  des  Kaisers  nur  ein  schin  sye,  dann  die  pfaffen, 
die  inn  gfangen  frierend,  mögend  nit  erlyden,  das  man  uf 
sye."  Nach  wie  vor  ist  er  überzeugt,  dass  Karl  das  Evan- 
gelium ausrotten  und  die  Monarchie  errichten  will.  Das 
gutmütige  Vertrauen,  das  der  Landgraf  zu  ihm  hat,  ist  ihm 
fremd.    Aber  er  furchtet  ihn  nicht  mehr.    Er  hat  eingesehen. 


1)  Opp.  452.  453.  457.  458.  465.  Jak.  Sturm,  Zw.  Augsburg, 
19.  Juni  (Opp.  467) :  „  Nemo  nostras  agit  partes  praeter  Cattum,  isque 
nomiisi  tectis  consilüs,  non  propalam.  Nobis  occluduntur  et  aures  et  aditus 
onmes  ita  ut  nihü  possimus."  Undatirter  Brief  Bucer's,  in  dem  er 
seine  Ankunft  (23.  Juni)  und  die  Capito's  (««Ve.)  meldet;  (Opp.  472): 
„Nihü  potest  fingi  Lutheranorum  in  nos  odio  implacabilius,  nihil  aeque 
atrox  et  dirum.  De  reliquis  non  est  quod  scribam.  Unus  Cattus  est,  qui 
idoneum  videatur  gloriae  Christi  Organum.  Is  animose  et  religiöse 
fidem  suam  coufitetur  et  confessus  cum  Caesari  ipsi  tum  alüs."  Zum 
Schlnss:  „Bene  vale,  et  ora  Demn,  ut  tantum  nobis  £Ei.yeat,  quantum 
Caesar  Pontifici,  imo  impium  id  esset  petere,  nam  oporteret  ipsum 
totius  orbis  gubemacula  nobis  concedere."  In  dem  nächsten  Brief 
(9.  Juli)  ist  seine  Stimmung  schon  eine  andere  (Opp.  474):  „Caesari 
res  cordi  est  plus  quam  dici  potest  nee  uUa  re  alia  atque  religione  in- 
citari  videtur.^^  Und  weiterhin  sogar:  „Sic  certe  Caesarem  animatum 
nemo  dubitat,  quin  cupiat  dementissime  omnia  perficere,  sed  ut  in 
suum  locum  restituat  dignitatem  ecclesiae  et  ceremonias,  alioqui 
vitam,  nedum  regna  cessurus  citius,  quam  ut  hie  suo  ut  sibi  videtur 
officio  desit.  Dolendum  est,  optimi  principis,  ut  omnia  abunde  in- 
dicant ,  animum  sie  praestringi  obnoxiumque  esse  istis  hominibus ,  qui 
nihil  minus  quam  ejus  salutem  et  dignitatem  quaerere  videntur." 


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246  LENZ, 

dass  seine  Macht  nicht  so  gross  ist,  als  sie  in  der  Feme  er- 
schien. „Als  mich  des  Kaisers  sach  ansieht",  schreibt  er 
dem  Fürsten  am  13.  Juli,  „darff  in  niemand  fUrchten  weder 
wer  will";  und  am  3.  August:  „Nun  dunckt  mich,  das 
gar  nützid  ze  furchten  sye,  dann  wahrHch,  wahrUch,  lasst 
der  Kaiser  die  Kugel  an,  sy  wirt  im  ze  verr  louffen." 
„Die  Pfeffen  wollen  den  Biieg  gar  nicht",  schreibt  er  fünf 
Tage  darauf  an  Sam  in  Ulm  und  Simbert  in  Memmingen, 
„denn  sie  wissen,  dass  der  ihre  Besitzungen  am  meisten 
treffen  würde.  Sie  rechnen  aber  auf  unsere  Verzagtheit  und 
Entzweiung  und  hoffen,  dass  wir  vor  den  blossen  Drohun- 
gen des  Kaisers  zu  Kreuze  kriechen  werden.  Hierzu  suchen 
sie  diesen  aufzustacheln.  Sobald  wir  aber  standhaft  auf  der 
Wahrheit  bestehen,  werden  sie  alsbald  zurückweichen,  da 
sie  eben  wissen,  dass  der  Krieg  vor  anderen  ihnen  ver- 
derblich sein  würde.  Sola  igitur  constantia  solvetur  hie 
nodus."  ^) 

Keinesw^  aber  erschien  dem  Reformator  damals  Stand- 
haftigkeit  gleichbedeutend  mit  Einmütigkeit  der  Protestanten. 
Das  unterscheidet  ihn  von  den  Strassburgem.  Wie  heftig 
sich  auch  Bucer  in  den  Briefen  aus  Strassburg  und  Augs- 
burg gegen  Zwingli  über  die  furores  Lutheranorum  aus- 
lassen mochte,  so  wünschte  er  doch  nichts  sehnlicher,  als 
mit  ihnen  vereint  zu  sein.  ZwingU  aber  verschärfte  ge- 
flissentlich grade  in  diesen  Tagen  der  Krisis  die  Differenz 
mit  den  Wittenbergem,  nicht  bloss  durch  die  „Verantwor- 
timg" seiner  Lehre  an  den  Kaiser,  in  der  er  den  Unter- 
schied von  den  Wittenbergem  auf  das  bestimmteste  hervorhebt, 
sondern  mehr  noch  durch  den  Druck  seiner  Marbui^er  Pre- 
digt über  die  Vorsehimg  mit  der  Widmung  an  den  Land- 
grafen, in  der  er  diesen  gradezu  als  seinen  Anhänger  recla- 
mirt,  und  durch  das  öffentliche  Ausschreiben,  das  er  am 
27.  August  den  Schmähimgen  entgegenstellte,  mit  denen 
Eck  seine  Verantwortung  an  den  Kaiser  erwidert  hatte. 
Niemand  war  darüber  unglücklicher  als  der  schmiegsame 
Bucer.     Am  18.  September  machte  er  in  einem  Briefe  aus 


0  Opp.  480.  48a.  487.  492  f. 

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ZWIN6U  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  247 

Augsburg  *)  dem  Freunde  die  bittersten  Vorwürfe,  der,  auch 
wo  ihm  der  Anlass  fehle,  die  Lutheraner  reize  und  ver- 
letze: „Negant  Sacramenta  conferre  gratiam,  etsi  in  con- 
tentione  afiSnia  huic  errori  loquantur,  et  tu  illos  cum  pa- 
pistis  conjunxisti  in  responsione  ad  convitia  Eccii.  Item 
plus  quam  odiose  procidisti  illos  et  in  praefatione  ad  prin- 
cipem  Cattorum.  Quem  insignem  et  immortalitate  dignum 
librum  hand  debueras  in&usta  hac  prae&fione  invidiosum 
reddere."  Bucer's  Meinung  ist  vielmehr:  je  besser  unsere 
Sache,  desto  mehr  müssen  wir  uns  herablassen,  wenn  wir 
damit  die  Verirrten  auf  den  rechten  Weg  zurückfuhren 
können. 

Vergessen  wir  jedoch  nicht;  wann  dieser  Brief  geschrie- 
ben ist:    „Quamlibet^^,  so  b^innt  er,    „miris  artibus  Satan 
conjungere    hactenus   conatus    sit,    quos    oportet    esse    dis- 
junctissimos,  nempe  filios  lucis  et  tenebrarum,  nondum  tamen 
successit     Imo  nunquam  adhuc    tantum   inter    se    disjuncti 
fiiere,   legato   Pontificis  iyrannidis   restitutionem   a   Caesare 
Bononiae  jurejurando  promissam,  ut  ferunt,  urgente  impro- 
bius  quam   antehac    unquam.     Gratia  Christo,   qui  suos  vel 
invitos  e  mundo  seligit,    imo  eripit"     Die  VermitÜungsver- 
suche  einzelner  Fürsten,   die  Unterhandlungen  des  Kaisers 
selbst  waren  gescheitert;  sie  hatten  nur  die  Unversöhnlich- 
keit  der  feindlichen  Principien  an  den  Tag  gebracht    Schon 
sahen   sich  die  Kurfürstlichen   selbst  bedroht:    am   7.   Sep- 
tember war  ihnen  mit  den  andern  das  Concil  angekündigt 
worden,  mit  dem  Zusatz,  „dass  sie    sich  mittler  2ieit  dem 
Kaiser,  den  Ständen  und  der  gemeinen  christlichen  Kirche 
gleichförmig  würden  zu  halten  haben".     An  ihren  Protesta- 
tionen hatte    der  E^aiser  ein  „merkliches  Misfallen  gehabt". 
„Qewalt",    so  schrieb  er  danach  an   seinen   Gesandten   in 
Rom,  „wäre  jetzt,  was  die  meiste  Frucht  bringen  würde."  *) 
Als  Bucer  jenen  Brief  schrieb,  war  er  im  Begriff,  zu  Luther 
nach   Coburg  zu  reiten.     Am   22.   ward    der  Abschied  be- 
kannt, der  auch  die  sächsische  Partei  vor  die  Alternative 


1)  Opp.  515. 

t)  Ranke,  D.  G.  m,  200ff. 

Zeitsehr.  f.  K.-G.  lU,  i.  17 


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24B  UEÜJZ, 

des  WiAenirfß  oder  des  Krieges  stdlte.     Am  23.  veriieeeen 
Kurfiöröt  Johooin  und  der  Herzog  von  Lüneburg  Augsburg. 

Das  war  die  Summe  dieser  £k^eignis0e:  die  Einladung 
zum  Reichstage  hatte  die  Befürchtungen  Zwingli's  Lügen 
gestraft,  der  AbscWed  rechtfertigte  sie  vollkommen.  Im 
Frühling  sciiien  man  dem  Nationalconcil  entgegenzugehen^ 
im  Herbst  sah  man  den  Glaubenskrieg  vor  Augen. 


V. 

Bemerken  wir,  welchen  Umschwung  diese  Wendnng  in 
der  Politik  des  Kaisers  bd  seanen  Gtegnem  hervorbrinigeti 
miisste. 

Seit  dem  Augsburger  AbscWede  war  die  protestantiscbe 
Parteibew^ung  in  «iner  neuen  KrL^.  Es  waren  die  Mo- 
nate, in  denen  Buoer  zwischen  den  feindlichai  Lagern  so 
unermüdlich  hin  und  her  handelte,  mn  seinen  AbendmiJJs- 
begriff  als  die  höh^^  Einheit  oder  vielmehr  als  den  bisher 
nur  durch  unnütB  aufgewirbelten  Staub  verdunkeHoi,  ge- 
meinsamen Kern  der  sü^itigen  Lehameinungen  plausibel  zu 
machen:  die  do^natische  Wiederspiegelung  der  politisch»! 
Verhandlungen,  welche  da  noch  einmal  eine  Zusammen- 
fessimg  der  gesammten  protestantischen  Kräfte  anstrdbt^i. 
Wieder,  wie  vor  ein^n  Jahre,  sehen  wir  die  getrennten  ver- 
wandten Kreise  sich  anziehen,  Verdnigimg  suchen.  Aber 
die  Attraction  geschieht  jetzt  von  der  anderen  Sdite.  Nicbt 
Zwingli  war  es  diesmal,  der  die  Hand  zur  Versöhmmg  bot. 
Die  Position,  die  er  im  Sommer  so  schroff  gencnuxnen,  Ver- 
liese er  nicht  &  liess  jetzt  die  Dinge  an  sich  kommen;  er 
war  der  Mistrauische,  schliesi^ch  der  Ablehnende.  Lutlier 
schrieb  nadi  der  Coburger  Unterredung  einem  Freund,  und 
man  merkt,  welche  Freude  es  ihm  machte:  „Es  ist  Hofihui^, 
dass  die  Saeramentirer,  wenigstens  die  Strassbui^er,  sich 
mit  uns  aussöhnen ;  denn  Bucer  wurde  abgeschickt,  um  mit 
mir  darüber  in  Coburg  vertraulich  zu  verhandeln,  und  wenn 
das,    was    er    sagt,    nicht   täuscht   (ich   habe  ihn    ermahnt, 


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ZWINGLI  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  249 

oflfen  ZU  eein),  so  ist  die  Hoffnung  nicht  gering."  Zwingli 
aber  protestirte  wenig  später  gegen  diese  „jämmerlich  er- 
fochtene  Enigung",  die  nicht  bestehen  möchte.  ,,öott  ist 
alt",  ruft  er  aus,  „aber  nicht  krank,  hat  uns  noch  Kraft  und 
Rats  genug." 

Welche  Wandlung  sdt  einem  J^ühre,  ja  wenigen  Wochen, 
seit  der  Zeit,  wo  Melanchtbon  über  die  Verantwortungs- 
schrift Zwin^'s  an  den  Kaiser  urteilte,  ihr  Verfasser  scheine 
närrisch  geworden  zu  sein!  Im  Sept^nber  schon  hiess  er 
selbst  bei  seinen  besten  Freunden  kindischer  als  ein  Kind, 
der,  wie  kein  anderer,  auf  dem  Reichstage  dem  Evangolium 
geschadet  habe. 

Die  Rechtgläubigkeit  der  Sachsen  (wenn  wir  ihr  Fest- 
halten an  ihrem  AbendmahlsbegrifF  so  bezeichnen  wollen) 
stand,  dagegen  können  wir  gamicht  die  Augen  verschliessen, 
in  einer  ganz  bestimmten  Wechselwirkung  mit  ihrem  Ver- 
hältnis zum  Kaiser.  Je  sicherer  sie  sich  vor  der  katho- 
lischen Reaction  fühlten,  um  so  lutherischer  traten  sie  auf, 
je  lutherischer,  desto  abgeneigter,  die  Reinheit  des  Evange- 
lium mit  Gewalttaten  zu  beflecken,  je  defensiver,  desto  sub- 
misser  gegen  Kaiser  Karl,  je  submisser  gegen  den  Kaiser, 
desto  schroffer  g^n  die  Zwinglianer.  Unter  dem  Druck 
des  Speirer  Abschiedes  hatten  Sachsen  und  Hessen  den 
Gedanken  eines  evangelischen  Qesammtbündnisses  gefasst: 
die  Gefahr,  die  durch  den  von  Augsburg  drohte,  brachte 
dieselbe  Combination  zuwege.  Im  Herbst  1529  hatten  die 
sächsischen  imd  nümbergischen  Theologen  jede  bewaff- 
nete Verteidigung  des  Glaubens  als  dem  Evangelium  wider- 
sprechend bezeichnet:  ein  Jahr  darauf  liessen  sie  ihre  Be- 
denklichkeiten vor  den  Einwendungen  der  Juristen  mit  einer 
bei  ihnen  sonst  seltenen  Bereitwilligkeit  fallen.  Haben  sie 
sich  wii'klich  nur  der  besseren  Interpretirung  der  heiligen 
Texte  gebeugt?  Oder  sind  ihre  Deutungsversuche  durch  den 
Wechsel  der  politischen  Verhältnisse  modificirt  worden? 
Kann  das  Zurückweichen  der  Sachsen  von  den  Speirer 
Beschlüssen  im  Herbst  1529  in  der  Tat  ebenso  gross  ge- 
nannt werden,  als  es  politisch  unklug  war?  Oder  werden  wir 
etwa  sagen  müssen,  dass  es  weder  gross  noch  klug  gewesen  ist? 

17* 

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250  LENZ, 

Man  weiss  von  Verhandlungen,  die  zwischen  den  Habs- 
burgem  und  dem  Eurförsten  Johann  seit  dem  Somm^  1529 
bis  zum  Reichstage  von  Augsburg  gefuhrt  wurden,  doch  hat 
man  den  Schleier,  der  über  ihnen  li^t,  noch  nicht  gelüftet 

Gewiss,  das  religiöse  Moment  ist  der  Qrundtrieb  in  den 
protestantischen  Parteibildungen :  aber  je  weiter  wir  den  Gte- 
danken  von  uns  weisen,  die  in  der  Reformation  wirkenden 
Kräfte  in  eine  Reihe  von  Interessenfragen  auflösen  zu  wollen, 
je  überzeugter  wir  als  die  wahrhaft  treibenden  die  idealen 
Momente  bezeichnen,  umsomehr  sind  wir  verpflichtet,  jedes 
von  ^aussen  wirkende  Motiv,  das  auf  die  religiöse  Stellung 
und  Ueberzeugung  der  Protestanten  eingewirkt  haben  könnte, 
au&usuchen  und  bis  in  seine  letzten  Spuren  zu  verfolgen. 


Wohl  am  13.  October,  unmittelbar  nach  dem  rauhen 
Abschiede,  der  den  Yierstädten  gegeben  war,  fragte  Graf 
Albrecht  von  Mansfeld,  das  Haupt  der  sächsischen  Gesandt- 
schaft, die  den  Kurfürsten  nach  seiner  Abreise  vertrat,  ohne 
Auftrag  seines  Fürsten  allerdings  („als  von  ihm  selbst^'), 
bei  den  Botschaftern  „etlicher  Fürsten^',  wie  es  heisst,  an, 
ob  nicht  das,  was  zu  Schmalkalden  mislungen,  nochmal  in 
Yerhandlimg   genonmien    werden   könne  ^).     Er   femd    das 


1)  Alles  Folgende  nach  der  Instruction  Conrad  Zwick's,  der  am 
24.  October  vor  den  Züricher  Geheimen  ab  Gesandter  seiner  Stadt 
über  diesen  Antrag  referirte.  —  In  der  Correspondenz  der  sächsischen 
Gesandten  mit  dem  Kurfürsten  bei  Förstemann,  Urkundenb.  z.  d. 
G.  d.  RT.  zu  Augsburg,  ist  nur  eine  Werbung  der  Strassburger  Bot- 
schafter an  die  Sachsen  yom  18.  October  abgedruckt,  in  der  wesent- 
lich Yon  der  Beilegung  des  Sacramentsstreites  die  Rede  ist  (11,  726; 
an  den  Kurfürsten  von  seinen  Räten  übersandt  den  14.  October,  ebd. 
S.  763).  Am  14.  October  verliess  Albrecht  von  Mansfeld  den  Reichstag 
(ebd.  S.  762).  Vgl.  die  Briefe  Mansfeld's  und  der  andern  Gesandten  an 
Kurfürst  Johann,  ebd.  S.  661.  707.  762.  —  Keim,  Schwäbische  Re- 
formationsgesch. ,  S.  243  ff. ,  hat  diese  Vorgänge  auf  Grund  guter  und 
mannig^Eu^her  Acten  berichtet,  doch  sehr  viel  kürzer,  als  es  der  Be- 
richt Zwick*s  gestattet.  Nach  ihm  wäre  der  erste  Anstoss  von  den 
Strassburgem  ausgegangen,  die  Acten  in  den  £.  A.  bezeichnen  aber 
aufs  bestimmteste  Mansfeld  als  den  Urheber.  Ich  schliesse  mich  dem 
sehr  genauen  Referate  Zwick^s  an. 


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ZWINGLI  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  251 

frenndlicbBte  Entgegenkommen:    es  lasse   sich  zwar  immer 
noch  ansehen 9  war  die  Antwort^  dass  zwischen  ihnen  und 
ihren   Anhängern  auf  der  einen  und   dem   Kurftirsten   und 
seinen  Mitverwandten  auf  der  andern  Seite  einige  ^^  Schweiz 
ung'^  obwalte;  doch  wisse  man^  dass  ihre  Herren  und  An- 
dere immer  bereit  und  willig  gewesen  wären,  dem  Kurfürsten 
und    seinem   Anhange    nach    Vermögen   gute    Freundschaft 
zu  beweisen.     Ohne  bezügliche  Befehle  zu   haben,    konnten 
sie  doch  der  Hoffiiung  Ausdruck  geben,  dass  ihre  Herren 
in  einer   solchen  Angelegenheit   es   an  nichts  fehlen   lassen 
würden.     Diese  Eröffiiung  ward  von  den  sächsischen  Räten 
„gar   freundliche^    angenommen    und    bei    allem  Vorbehalt 
g^en   dnen  „Verspruch"  der  Meinung  Ausdruck   gegeben, 
dass  die  christliche  und  brüderliche  Treue  g^enseitige  Hülfe 
zur  Pflicht  mache,    weil    die  Verfolgung  aus   gleichen  Ur- 
sachen geschähe  und  alle  träfe.    Danach  ging  man  auf  eine 
nähere  Beratung   ein.    Der  Kurfürst   müsse  in  Dänemark, 
Preussen,   Lübeck,   Hamburg,   Lüneburg  u.  s.  w.,   die  von 
Nürnberg    und  Ulm    mit    den   Städten   ihrer   „Landesart", 
Strassburg  mit  seinen  Verwandten,    „als    den  Eidgenossen 
und  denen,    so  in  dem  Burgrecht  bei  einander  wären"  ^), 
unterhandeln,   wie  eine  Vereinigung  gemacht  werden  könnte 
und   wessen    sich  jeder  Teil    von   dem    anderen    getrösten 
dürfte.     Sobald  man  hierüber   im  Reinen   sei,    müsse   von 
wenigen  Personen  eine  gelegene  Malstatt,  lun  Frankftirt  oder 
Nürnberg,    gewählt,    und    mit  Vollmacht    der  Herren    und 
Oberen  die  Sache  beschlossen  werden.    Die  Fürsten  würden 
die  Reiter  werben,  die  Städte  jenen  mit  Fussvolk  aushelfen. 
Ghraf  Albrecht  stellte  in  Aussicht,  mit  3000  Gulden,   welche 
die  Städte  erlegen  möchten,   2000  Pferde  zu  gewinnen,  die 
Jahr  und  Tag  auf  seinen  Befehl  warten  und  im  Notfall  zu 
einem  bescheidenen  Solde  dienen  würden,  wie  und  wo  man 
sie  brauchte.     Er  glaubte  den  Städten  versprechen  zu  kön- 
nen, dass  er  den  Kurftirsten  zu  ähnlichen  Zusicherungen  be- 
wegen werde.     Man  sprach  sich  darüber  aus,  wie  sehr  der 
Fortgang  solcher  Unterhandlimgen  allen  Christen  ziu:  Stärkung 


1)  Keim  nennt  noch  eine  ganze  Anzahl  anderer  Stände,  a.  a.  0.  S.  244. 

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252  hmz, 

gereichen;  den  Widerwärtigen  „etwelchen*'  Schrecken  ein- 
flössen und  vielleicht  zur  Folge  haben  werde,  dass  sie  ,,  desto 
eher  nichts  Unfriedliches  anfingen,  weshalb  solches  nicht 
verachtet  oder  aufgeschoben  werden  sollte".  Denn  —  so 
kühn  waren  diese  Gedanken  —  wenn  irgend  einer  der 
protestirenden  Stände  überzogen  würde,  so  müssten  alle  an- 
deren gleichzeitig  aufbrechen  und  jeder  den  nächsten  Feind 
angreifen;  es  möchte  schwierig  sein,  in  der  Eile  ohne  Ge- 
fahr und  Schaden  an  den  Ort  zu  kommen,  wo  ein  Ueberfall 
geschähe,  wohl  aber  könnte  man  den  Nächsten  angreifen 
und  mit  der  Einnahme  seines  Landes  weiter  fahren,  so  daes 
der  Feind  erschreckt  und  zum  Verzicht  auf  Angriff  oder 
Belagerung  gezwimgen  würde.  „Wie  aber  ein  sdbher  Plan 
ausgeführt  werden  soUte,  wäre  notwendig  zuvor  wohl  au 
beraten."  Man  sah  femer  flir  gut  an,  dass  die  Bürgerstädte 
in  der  Schweiz  von  den  „Wallisem  imd  anderen  Eid- 
genossen "  eine  offene  Antwort  verlangten,  waa  sie  von  ihnen 
zu  erwarten  hätten,  falls  sie  von  dem  E^aiser  oder  jemand 
anders  des  Glaubens  halber  auf  den  Reichsabschied  hin  mit 
der  Acht  oder  anderswie  angefochten  würden;  doch  muss 
eine  solche  An&age  sowohl  bei  den  G^neinden  als  vor  den 
Räten  gestellt  imd  dabei  angezeigt  werden,  dass  die  Büi^er- 
städte  nicht  im  Siime  hätten,  jemand  zu  einem  Glaube  oder 
anderen  Ceremonien  zu  zwingen,  sondern  als  Eidgenossen 
in  allen  AnHegen  Leib  und  Gut  zu  den  anderen  Orten  zu 
setzen,  in  der  Hoffiiung,  dass  dies  von  denselben  auch  ge- 
schehe. Fände  man  hierin  guten  Willen,  so  wäre  man  dann 
in  der  Unterhandlung  desto  sicherer;  wenn  aber  eine  ab- 
schlägige oder  sonst  „usserliche"  Antwort  fiele,  so  müsste 
man  sich  weiter  danach  richten. 

Obschon  nun  bis  zum  Ausbruch  des  Krieges  vielleicbl 
noch  geraume  Zeit  verfliessen  und  zum  Abschluss  des  Ver- 
ständnisses Gelegenheit  sein  könnte,  so  hielt  man  es  demi-och 
für  geboten,  ohne  Aufschub  Kriegsleute  anzuwerben,  die 
Ilauptleute  und  alle  Aemter  zu  bestellen,  Kri^räte  zu 
verordnen,  fiir  Artillerie  und  anderen  Bedarf  Vorsoi^e  zu 
treffen,  ganz  in  gleicher  Weise,  als  ob  man  jede  Stunde  auf- 
brechen mü^te;    damit  jeder;    sob^    der  Widerpart   sich 


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ZWINGU  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  ^53 

regen  oder  etwas  anfiuagen  würde^  den  gefassten  Beschlüssen 
geaiäsB  handdn  und  den  Feind  ^  ehe  er  etwas  erreichen 
oder  »ch  sammeki  könnte;  anzugreifen  yermöchte.  Die 
Bürgeret^te  sollten  ferner;  sobald  der  Beichsabschied  mit 
Stiafouaidaten  und  Aehtserklärungen  verkündigt  würde; 
durch  einen  offenen  Druck  ihr  Verhalten  gegen  den  Kaiser 
rocht&rtigien  und  nachweisen;  dass  diese  Anfechtung  des 
G&tteswortes  und  des  wahren  Qlaubens  wegen  geschähe;  z^- 
gldch  aber  von  allen  Nachbarn ,  den  Herraa  und  Städten, 
eine  bestivnnte  Erklärung  fordern;  ob  dies^ben  dieser  Acht 
und  dei^enigen;  die  deren  Execution  unternähmen;  anhangen; 
ihnen  Vorschub  und  Durchpass  gewähren  würden.  Endlich 
ward  auch  der  Fall  in3  Auge  ge£ässt;  dass  die  Gegner  die 
Action  nicht  mit  Eri^;  sondern  mit  dem  Kammergericht 
gegen  dnzelne  Städte  einleiten  würden.  Dann  müssten  alle; 
die  den  cbristUchen  Glauben  und  das  Evangelium  b^ennen^ 
sich  derselben  Stadt  aimehmen  und-  dem  Fiscal,  dem  Kam- 
mergericht;  dem  ^charegiment;  auch  dem  Kaiser  schreijden 
und  ankündigen;  dass  sie  mit  aller  Alacht  für  jene  Stadt 
einstehen  wollten;  wenn  sie  des  Glaubexis  oder  kirchlicher 
Dinge  wegen  geschädigt  würde  ^). 

So  begaamen  die  Unterhandlungen;  die  am  31.  Decem- 
ber  1530  ihren  ersten  Abschhiss  fanden;  in  dem  Sinne  einer 
GresMumtverbinduDg  der  evangelischen  Partei,  mit  derselben 
TendeaZ;  die  z;u  Speier  ausgesprochen;  dann  aber  von  den 
Sachsen  au%egel,>en  worden  war.  Jetzt  ging  aus  ihrer  Mitte 
der  Versuch  hervor;  die  zerrissenen  Fäden  wieder  anzu- 
knüpfen. Es  waren  nicht  die  ausschweifenden  Gedanken 
eines  Bundes  mit  Frankieich  imd  Venedig;  eines  Offensiv- 
krieges; einer  Absperrung  Deutschlands  gegen  die  katho- 
lische Welisnonarcbie,  wohl  aber  eine  Zusammen&ssung  der 

1)  Au9  denBelben  Tagen  (c.  15.  October)  besitaen  wir  einen 
Bandesentwurf  von  der  gegnerischen  Seite,  ,, Ratschlag  der  verord- 
neten Rat,  wie  sich  die  Ro.  kai.  Mt.  und  die  gehorsamen  Chur,  Für- 
sten und  stead  Ains  uber^ugs  des  glaubens  halben  aneinander  verbin- 
den sollen^'  (Forstemann,  S.  788),  der  ziemlich  analoge  Bestim- 
mungen enthält,  so  wie  später  der  Nürnberger  Bund  eine  Nachbildung 
des  Schmalkaldischen  war. 


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254  LENZ; 

gesammten  germanischen  protestantischen  Welt  und  der 
Wille  entschlossenster  gemeinsamer  Verteidigung.  Es  war 
der  Gkdanke;  den  Zwingli  in  Marburg  Ruhend  erstrebt 
hatte,  nur  kam  derselbe  jetzt  von  der  gegnerischen  Seite;  nur 
hatte  er  nicht  mehr  die  Führung.  Wie  wird  er  sich  jetzt 
dem  Plane  gegenüber  verhalten? 

Wie  die  Strassburger  Prädikanten  die  dogmatische^  so 
vermittelten  die  Strassburger  Stadtherren  die  politische  Eini- 
gung. Jakob  Sturm  und  sein  Mitgesandter  Matthis  Pfiurer  *) 
überschickten  die  Vorschläge  am  15.  October  an  ihre  Stadt; 
von  dort  gingen  sie  über  Basel  nach  Zürich.  Von  Constanz 
kam  hierher  mit  denselben  Instructionen  Conrad  Zwick.  Als 
er  grade  im  geheim^i  Rat  Vortrag  hielt;  am  24.  October, 
langten  die  Mitteilungen  aus  Strassburg  an,  darin  auch  der 
rauhe  Abschied  des  Reichstages  selbst.  Zürich  säumte  nicht 
mit  den  erforderlichen  Schritten.  Nach  Bern  ordnete  es 
eine  eigene  Gesandtschaft  deshalb  ab;  der  Sihlherr  Rudolf 
StoU  und  mit  ihm  fiir  Constanz  Conrad  Zwick  ritten  dorthin. 
Die  andern  Bürgerstädte  wurden  schriftlich  zu  einem  Bürger- 
tage auf  den  11.  November  nach  Basel  einberufen.  In  dem 
Einladungsschreiben  an  Constanz  erklären  die  Geheimen, 
ein  ;;S0  herrliches,  tröstliches  und  wichtiges"  Unternehmen 
gerne  unterstützen  zu  wollen:  Constanz  möge  daher  sehen; 
auch  die  schwäbischen  Städte  zu  gewinnen,  deren  Einschluss 
der  Ghraf  von  Mansfeld  ja  auch  vorgeschlagen  habe.  In 
dem  Briefe  an  Strassburg  nennen  sie  sich  dem  Verständnis 
„nicht  abgeneigt".  Die  Schreiben  an  die  andern  Städte 
betonen  nur  die  Notwendigkeit,  wegen  des  Mansfeldischen 
Antrages  und  der  bösen  Anschläge  und  geschwinden  Läuft;e 
„sich  etwas  stattlich;  wäsenlich  und  wolbetrachtlich  mit 
einander  zu  underreden  <'  •).  Auch  Bern  nahm  den  Antrag 
ganz  freundlich  auf,  der  ihnen  fiir  ihre  Personen  und  „zuo 
fiirderung  der  eer  gottes  und  erhaltimg  sins  h.  worts"  dien- 


^)  In  dem  Abdruck  des  genannten  VorschlageB  bei  Förste- 
rn an  n,  S.  726,  ist  dafür  merkwürdigerweise  (jedenfalls  ein  Versehen 
des  Oopisten)  der  Name  „Jacob  Pfaff"  eingesetzt. 

2)  Eidgen.  Absch.  Nr.  412  (S.  816  f.). 


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ZWINGLI  UND  LjANDGRAP  PHILIPP.  255 

lieh  ZU  sein  scheine.  Doch  tinterliessen  die  Herren  nicht 
hinzuzusetzen:  ^^doch  mit  lutem  gedingen,  dass  ir  nützid 
in  unserm  namen  besliessend  noch  zuosagend,  sonders  allein 
von  mittlen  redend^  mit  fUrhalt;  wo  es  thuonlich,  an  meren 
gwalt  gelangen  zu  lassen:  dann  wir  uns  gar  nüt  vertiefet 
wellen  haben,  und  dise  inlassung  uns  genzhch  unvergriffen- 
lieh  sin,  biss  uff  gefallen  mereren  gewalts  ^*  ^). 

Auch  Landgraf  PhiKpp  hatte  am  19.  October  mit  dge- 
nem  Boten  ein  neues  Schreiben  an  die  Geheimen  von  Zürich 
gesandt,  in  dem  er  von  dem  rauhen  Abschied  Meldung  tat, 
seine  Rüstungen  imd  Htilfsbereitwilligkeit  zusagte  und  die 
befreundete  Stadt  zu  Gleichem  aufforderte.  Die  Herren 
unterliessen  darauf  nicht,  wie  bereitwillig  sie  ins  Burgrecht 
treten  würden,  zu  bezeugen,  aber  den  Wimsch  Philipp's, 
schon  vor  dem  Baseler  Tage  ihre  Zustimmimg  zu  erhalten, 
wiesen  auch  sie  zurück  *). 


Zur  bestimmten  Zeit  kamen  die  Städteboten  in  Basel  zu- 
sammen. Auch  hessische  Gesandte  waren  erschienen.  In  we- 
nigen Tagen  hatte  man  sich  geeinigt:  vom  17.  November  ist  der 
Abschied.  Das  ist  fast  das  Datum  des  hessischen  Burgrechtes: 
der  Tag  von  Basel,  auf  dem  sich  die  Schweizer  über  den 
Mansfeldischen  Antrag  zum  Eintritt  in  den  Schmalkaldischen 


1)  Eidgen.  Absch.  S.  822  f.  (28.  October  1530). 

*)  Der  Brief  Philipp's  wird  erwähnt  in  dem  Antwortschreiben 
der  Züricher,  dessen  Orig.  im  M.  A.:  „Dass  wir  gänzlich  hoffend, 
sölHcher  christenlicher  Verstand  und  dameben  mit  Gottes  Hilf  soviel 
Weg  and  AGttlen,  Stärk,  Hilf  und  Trosts  fanden  werden,  das  auch 
die  porten  der  Hellen  nit  darwider  mögint.'*  Nachträglich  faad  ich 
noch  einen  neuen  Brief  des  Landgrafen  an  Zwingli  erwähnt,  in  einem 
Briefe  an  die  Dreizehner  von  Strassburg,  aus  Friedewald,  30.  Sep- 
tember 1530,  in  dem  er  seine  Einwilligung  in  die  Veränderung  der 
Bundesartikel  erklärt:  „Wiewohl  wir  nun  in  solcher  Aenderung  Be- 
schwerung tragen,  idoch,  dweil  wir'numehr  so  weit  uns  mit  euch  und 
den  andern  eingelassen  haben,  wollen  wir  zu  Zertrennung  solcher  vor- 
habenden Verständnuss  nit  Ursach  geben."  In  Betreff  des  Briefes  an 
Zwingli  bittet  er  am  Schluss:  „Wir  begehren  auch  gnädiglich,  ihr 
wollet  diessen  inliegenden  Brief  dem  Zwinglin  zuschicken,  doran  thut 
ihr  uns  zu  GefetUen." 


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256  LENZ; 

Bund  schlüssig  maclien  soUten^  ist  also  dersdbe,  auf  d«n 
die  Verhandlongen  über  das  hessische  Burgrecbt  endlich 
ihren  Abachluss  eriangten.  Jetzt  verstehen  wir^  weshalb  dies 
Actenstück  mit  der  Schmalkaldisehen  Bundesurkuade  so 
wörtHch  übereinstimint :  es  ist  eben  nichts  anderes  als  ein 
Stück  der  Vorvedbandlungen^  die  zum  Schmalkald  ischen 
Bunde  führten. 

Und  da  ist  es  nun  von  hoh^n  Interesse,  zu  beobachten^ 
wie  sich  die  Bürgerstädte  jetzt,  da  er  ihnen  von  der  säch- 
sischen Seite  entgegengetragen  wurde,  zu  dem  Vorschlage 
stellten,  den  sie  selbst  formulirt  hatten  und  dessen  Verbiad- 
lichkeit  för  ihr  Verhältnis  zu  Hessen  sie  grade  auf  diesem 
Tage  bewilligten. 

Der  Kurfürst  hatte  zu  einer  Versammlung  in  Schmal- 
kalden  auf  den  28.  November  eingeladen,  teife  wegen  einer 
Verständigung  über  das  Sacrament,  teil»  auch,  wie  es  in 
dem  Ausschreiben  ausdrücklich  hiess,  wegen  der  Unterhand- 
lung über  eine  Verbindung,  die  der  Graf  von  Mansfeld  mit 
den  Gesandten  von  Strassbijurg  in  Augsbujrg  angeknüpft 
habe  *).  Es  war  also  nicht  mehr  viel  Zeit  zu  verlieren,  imd 
von  Strassburg  hatte  sich  Jakob  Sturm  daher  schon  auf  den 
Weg  gemacht  Die  hessischen  Gesandten  trugen  nun  als 
Wunsch  ihres  Herrn  vor,  dass  die  drei  Städte  Zürich,  Bern 
und  Basel  ebenfalls  ihre  Botschaften  senden  möchten,  dran- 
gen aber  damit  nicht  durch.  Bern  hielt  sich  auch  in  dieser 
Frage  ganz  bei  Seite.  Die  beiden  andern  Städte  und  mit 
ihnen  Constanz  betrauten  Strassbui'g  mit  ihrer  Vertretimg. 
Auch  Jakob  Sturm  war  nui;  zur  Beratung  und  Heivd- 
bringung  der  Beschlüsse  bevoUmächtigt.  Den  Schweizern 
aber  ging  selbst  dies  zu  weit.  Sie  setzten  noch  den  Zusatz 
durch,  dass  man,  solcrn  über  eine  Vereinbarung  mit  dem 
Kurfuisten  und  anderen  Herren  imterhandelt  werden  könnte, 
nur  einen  kurzen,  einlachen  „Vergriff"  machen  und  nicht 
viel  darein  „streuen"  woUte,  indem  dies  allen  Teilen  aur 
Erweisung  der  einander   schuldigen   christlichen  Treue  viel 

^)  Dies  und  das  Folgende  nach  dem  Abschi/e^  von  Qas^l)  16.  No- 
vember f.  1530.    Eidgen. ' Absch.  S.  837  S. 


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ZWmGLI  UND  liAOTGBAF  PHILIPP.  257 

mehr  nütaen  würde  als  die  AuMchtung  grosser  Briefe 
und  Si^eL  Die  landgräflichen  G^sandt^i  brachten  femer 
wiederum  die  Emladung  Frankreichs  zum  Eintritt  in  die 
Vereinigung  m  Vorschlag.  Auch  hiegegen  erklärten  sich 
die  St^tC;  indem  sie  auf  die  papistische  Haltung  des  Königs 
seit  seiner  Verbindimg  mit  des  Kaisers  Schwester  hinwiesen. 
£in  dritter  Punkt  der  hessischen  Instruction  betraf  den 
Sacramentstreit :  da  Luther  und  Bucer  sammt  ihren  Anhän- 
gern darüber  einig  geworden  seien^  möchten  die  Prädikanten 
allenthalben  angewiesen  werden,  gleichförmig  zu  predigen. 
Die  Antwort  war:  üb^  diese  Verständigung  seien  die  christ- 
lichen Städte  noch  keinesw^s  im  Reinen;  es  sei  ihnen  davon 
keine  Nachricht  zugegangen,  sie  woUten  aber  den  Personen, 
„denen  es  zuoständig^%  den  Handel  zur  ferneren  Begut- 
achtung übergeben;  eine  bestimmte  Antwort  zu  geben  sei 
ihnen  augenblicklich  nicht  möglich. 

Die  Haltung,  welche  wir  hier  die  Schweizer  gegenüber 
dem  evangelischen  Gesammtbündnis  einnehmen  sehen,  ent- 
spricht also  recht  wenig  der  Begeistenmg,  mit  der  ZwingU 
den  Qedanken  in  dem  vergangenen  Jahre  begrüsst  hatte. 
Aber  vielleicht  war  dies  nur  eine  Folge  des  Particulaxiömus 
Berns  und  seiner  Anhänger,  gegen  den  Zwingli  so  unauf- 
hörlich xmd  so  vergeblich  sich  abmühte:  wie  stand  er  selbst 
zu  den  Baader  Verhandlungen?  An  die  Gesandten  seiner 
Stadt  in  Basel,  den  Bürgermeister  Röist  und  Werner  Beyel, 
den  Stadtschreiber,  hat  er  am  20.  November  den  Brief  ge- 
schrieben, indem  er  sich  g^en  die  „Musselei^^  Bucers  und 
seine  „jämmerlich  erfochtene  Einigung ^^  erklärt  ^).  Es  ist 
ein  officielles  Schreiben,  von  ihm  verfasst,  von  seinen  Col- 
legen  Heinrich  Engelhard  und  Leo  Jud  mitunterzeichnet, 
ein  Blatt,  das  in  der  Entwicklung  des  Reformators  eine  ähn- 
liche Bedeutung  beanspruchen  darf,  wie  jener  Brief  aus 
Strassburg  auf  der  Marburger  ßeise:  „Vertröstet  sonsten 
unsere  lieben  Herren  imd  Burger  von  Strassburg  mit  andern 
Sachen  weder  mit  dieser  jämmerlich  erfochtenen  Einigung, 
die  nicht  bestehen  möchte.     Gott  ist  alt,  aber  nicht  krank, 

1)  Opp.  550. 

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258  t£SZ, 

hat  uns  noch  Kraft  und  Rats  genug  ^^.  Gaben  die  Schweizer 
die  Sacramentslehre  in  der  Bucer'schen  Fassung  zu,  so 
fehlte  ihnen  moralisch  jeder  Grund,  den  Bund  mit  Sachsen 
abzulehnen,  den  sie  in  demselben  Augenblick  in  der  wört- 
lich gleichen  Fassung  mit  Hessen  bewilligten.  Dann  sah 
also  ZwJngli  sein  Ideal  erfüllt.  In  der  Tat  schreibt  er: 
„Aber  von  der  Einigung  und  Händeln  wegen,  so  vor  Augen 
sind,  geben  wir  zu,  dass  Buzer  seine  Schrift,  sofern  Ihr 
daran  auch  sein  möget,  mag  an  den  Fürsten  von  Lüneburg 
lassen  ausgehen,  damit  andere  Sachen  zu  besserem  Ruhm  ^) 
mögen  geflihrt  werden."  So^eich  jedoch  setzt  er  hinzu: 
„Wo  aber  sich  jemand  klagen  wird,  die  Wahrheit  sei  ihm 
verfinstert,  oder  uns  zeihen,  wir  haben  die  verlassen,  wollen 
wir  die  Hand  offen  haben  uns  zu  erläutern  und  bei  der 
Wahrheit  zu  bleiben,  unangesehen  obgleich  die  ganze  Welt 
uns  beschuldigen  [so  gedruckt],  sam  wir  Friedens  uns  nicht 
fleissigen,  denn  wir  sehen,  dass  diese  finstere  Angst  aus 
Fürwiz  kommt.  Gott,  der  ims  je  imd  je  geftihrt,  wird  uns 
weiter  bringen."  Er  verweigert  deshalb  nicht  das  Bünd- 
nis: „denn  wir  dessen  gesinnet,  dass  wir  mit  diesem  Span 
mit  ihnen  gemeines  Glaubens  halben  Freundschaft  und  Einig- 
keit wol  könnten  hab^i,  als  wol  als  wir  jetzt  päpstisch  und 
lutherisch  mit  einander  wider  die  Türken  zögen,  denn  die 
Einigung  würde  gemacht  zu  Schirm  Leuten,  Landen,  gemeiner 
Gerechtigkeit  imd  der  Summ  des  Glaubens  etc.,  deren  wir 
einig  sind.  So  aber  sie  das  nicht  wollen  thim,  sehen  wir 
wol,  dass  Fürwiz  und  Misstrauen  da  wäre,  so  wird  auch 
nicht  noth  sein,  dass  man  sie  für  die  Wahrheit  setze." 

Gewiss,  das  religiöse  Element,  die  ideale  Kraft,  das 
Lebensprincip,  auf  das  sich  alles  Denken  und  Handeln  des 
Reformators  im  Innersten  zurückbezieht  und  gründet,  tritt 
in  diesem  Momente  der  flntscheidung  rein,  von  anderen 
Beziehungen  losgelöst,  zu  Tage.  Es  geht  ihm  wider  das  Ge- 
wissen, es  ist  ihm  eine  moralische  Unmöglichkeit,  das  zu 
verdimkeln,  zu  verwischen,  was  er  bis  dahin  als  Wahrheit 
empftmden  und  gelehrt  hat.     Seine  Person  wenigstens  soll 


1)  So  lese  ich  st.  „zu  bessern  Ruhen '^ 

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ZWINGU  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  259 

frei  stdi^i.  Hier  ist  aein  Princip,  das  er  sich  nicht  entreissen 
lassen  kann»  Grade  indem  er  das  Bündnis  trotz  dieser 
Differenz  annehmen  will;  bezengt  er  dies,  wie  denn  auch 
Luther  einmal  erklärt  hat,  das  sei  ihm  im  Ghninde  das 
Liebste. 

Dennoch  dürf(^  wir  nicht  ausseracht  lassen ;  dass 
Zwingli  mit  Preisgebung  seines  Pnncipes  auf  Ghdanken  ver- 
zichtet haben  würde,  deren  Verwirklichimg  er  stets  mit  be- 
sonderem Eifer  angestrebt  hatte. 

In  Marbuig  hatte  er  zuerst  —  man  vergisst  das  nur  zu 
leicht  —  von  Luther  nicht  Duldung ,  sondern  Annahme 
seines  Sacramentbegriffes  verlangt  Danach  erst  hatte  er  den 
Gegner  um  ;, brüderliche  Liebe",  Anerkennimg  der  religiösen 
Gemeinschaft  gebeten.  Als  ihm  auch  diese  verweigert  war, 
hatte  er  gehofil,  trotz  Luther  mit  seiner  AufßEtösung  in  Nord- 
deutschland  durchzudringen  ^).  Von  Sachsen  her  waren  ihm 
Zuschriften  in  seinem  Sinne  geworden.     Ostfriesland  sah  er 


1)  S.  z.  B.  den  Bericht  Zürichs  an  Bern  über  das  Marburger 
Gespräch  vom  24.  Oetober  1529:  „Doch  sind  sy  jüngst  nach  aller 
Handlung,  wiewol  kein  artikel  spännig  gewesen,  denn  allein  des 
sacraments  des  lybs  und  hluots  Jesu  Christi,  eins  worden  und  haben 
sich  verglycht,  wie  ir  in  hie  bygelegtem  trückli  haben  zuo  yememen, 
der  durch  dennocht  so  tu  geschafft,  dass  der  Landgraf  in  all  sinem 
land  erloubt  hat,  unser  meinung  zuo  predigen,  weliches  aher  vomaher 
zum  höchsten  verhotten  gewesen.  Ist  man  wol  guter  zuoversicht,  ire 
nachburen,.  die  Sachsen,  und  ander  anstossende  land  oueh  nit  lang 
mer  heben  werdint;  dann  das  volk  allenthalben  unser  meinung  be- 
sinnt und  bedacht."  (£.  A.,  S.  418.)  Femer  die  früher  (S.  61,  A.)  an- 
geführte Notiz  Zwingli*s  über  den  Landgrafen :  „Unsere  meinung  im  sacra- 
ment  wachst  durch  in  uf  im  nider  land."  YgL  auch  den  sehr  sieges- 
gewissen Brief,  den  er  am  Tage  nach  seiner  Heimkehr  nach  Zürich, 
den  20.  Oetober,  an  Yadian  schrieb  (Opp.  370) :  „Ita  ut  jam  princeps 
ipse  nobiscum  sentiat,  quamvis  palam  erga  quosdam  principes  dis- 
simulet.  Aulici  Hassii  ferme  omnes  deciscunt  a  Luthero.  Ipse  per- 
misit  libros  nostros  innozie  legi  posse.  Episcopos,  qui  nostrae  sunt 
sententiae,  posthac  non  moyeri  officio  patietur."  Zum  Schluss  auch 
Über  die  politischen  Erfolge:  „Arbitror  enim  alia  quoque  nos  attulisse, 
quae  pro  religionis  praesidio  et  adyersus  monarchiam  Caesaris  fisuitura 
sint  (?;,  quae  vobis  quoque,  sed  cum  tempus  postulabit,  exponenda 
erunt." 


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260  tJ^Z, 

schon  9h  seine  ßrobenmg  an  und  war  auss^  sich,  als  die 
Sachsen  hier  ihre  Kirchftnform  mit  Gewalt  durchsetzten  *). 
Hessen  schien  ihm  nicht  minder  sicher  bu  sein ').  Gane 
Oberdeutschland  femer  hatte  sich  bisher  entschieden  eu  seiner 
Auffassung  bekannt.  Jetzt  sah  er  alle  diese  Errungenschaften 
fallen^  das  Luthertum  bis  an  den  Rhdn;  bis  an  sein^i  un- 
mittelbaren Wirkungskreis  vordringen. 

Ja  schon  regten  sich  in  diesem  selbst  die  dissidirenden 
Meinungen.  Constanz  und  Basel  schwankten  hin  und  her. 
Oekolampad  war  einen  Augenblick  im  Begriff,  sich  offisn  liir 
die  ötrassburger  zu  erkllU'en.  Am  19.  November  lud  er 
Zwingli  mit  dringenden  Worten  dazu  ein:  ^^Salutem  in 
Christo.  Valde  solliciti  sunt  legati  Argentoratensium,  qui 
huc  missi,  ne  te  dif&cilior^n  reddas  in  recipiendis  bis,  quae 
ad  concordiam  cum  Luthero  attineni  Equidem  nee  per- 
suasione  ulla  opus  apud  te  esse  arbitror,  ubi  ubi  et  vmtatis 


J)  S.  den  Brief  an  Philipp  vom  9.  März  1530  (Opp.  669). 

8)  Wie  hochgespannt  in  der  Tat  die  Hoffiiungen  der  Zwinglianer 
im  Sommer  1629  waren,  geht  aus  keinem  Document  deutlicher  her- 
vor als  aus  dem  Briefe  Bucer's  an  Zwingli  vom  30.  Juni  (Opp.  311), 
der  weniger  hekannt  ist,  als  er  es  verdient:  „Gradas  Domini. 
Observande  Zwingli.  Vehementer  gaudemus  pacem  restitutam,  etsi 
meruissent  quidam  severiora,  sed  evehit  nostra  Christus  dejectione  (?). 
f^pes  est  n\mc  pactum  (das  Burgrecht  mit  Strassburg)  viam  pulchre 
munitam  fore.  Christus  magnifice  ubique  simm  gloriam  revelat.  Est 
quidam  modo  (?)  hie ,  qui  fortissime  apud  Danos ,  Suedos  et  Leivonios 
Lutheri  magicam  sententiam  oppugnavit  nee  minus  feüciter.  Ipse 
Danorum  rex  et  multi  ex  ecclesiarum  ministris  et  proceribua  cum 
omni  fere  plebe  servatorem  jam  in  dextris  patris  adorant.  Filius  regis 
cum  quibusdam  obstitit  et  Pomeranum  ascivit  et  hunc  firatrem,  eo 
quod  laicus  est,  ut  vocant,  regno  expulit.  Supersunt  autem  plurimi  recte 
veritatem  edocti.  Dedit  his  diebus  quidam  ad  me  literas  ex  Magno* 
polensium  ducatu,  civitate  Wismariensi,  vere  in  Domino  doctus,  qui 
palam  Christi  gloriam  a  pane  vindicat.  In  Frisia  orientali,  regione 
ampla,  in  qua  plurimi  fratres  sunt  purissime  Christum  praedicantes, 
pridem  impanatio  explosa  est.  Scribit  Carolstadius ,  utinam  prudentia 
et  lenitate  christiano  digna.  Narrant  tarnen  fratres  eum  mire  Lutheri 
persecutione  promovisse  (?)  et  admodum  ardere  in  negotio  Domini. 
Haec  habui,  quae  jam  tibi  scribenda  putavi."  Vom  Landgrafen  war 
Zwingli  gradezu  eingeladen  worden,  die  hessische  Kirche  zu  organi- 
sireu.    Vgl.  den  Brief  vom  2.  November  1529  (Opp.  666). 


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ZWINGU  UND  l-ÄÄDGBAP  PHILIPP.  261 

et  ottrittftia  jushis  fuerit  rei^ectUB.  Utriusqfue  Buooras  mea 
sententut  obseryanÜBsilnciB  est^^  ^)  Es  folgt  «ine  Barlegmi^ 
des  äacramentbegriffes^  wie  Bufcer  selbst  sie  m(^  «jodets 
gestdlt  baben  würde.  Wenige  Tage  darauf  aber  ist  der 
Baseler  Refomuytor  wie  umgewandelt.  Er  hatte  jetast  den 
«otsdKideoftdeii  Brief  Zwi&gli's  geleseB,  der  auch  für  ihn  be- 
stimmt WUT;  sowie  "sein  letztes  Gutachten  über  den  Sacra- 
meatbegntifl  Am  2^.  Nevember  sohiokte  er  ihm  mit  seiner 
Antwort  einen  Brief  Bucer's:  ^^Salutem  in  Christo.  Dilecte 
frater!  Literas  adjectas  mittit  o  akwn^xoXa&tog.  Quid  velint, 
videris  tu."  Noch  setzt  er  ein  ,,  utinam  perquam  faustum  ali- 
quid"  hinzu.  Sofort  aber  folgt:  ^Redditae  autem  et  mihi 
sunt  tttae  super  conoürdia  Ijuäieri,  nee  imprudens  videtur 
cODSiUum  *).  Nihil  tarnen  de  ea  re  scripsi  Aigentoratum;  eo 
quod  legati,  ubi  tabeBio  venit,  jam  abierant,  et  interim  nullus 
occurrit,  neque  tu  praeceperas.  Prodeat  igitur  Buceri  peri- 
culo^  tametsi;  nisi  onmia  fallant,  Lutherus  eam  minus  appro- 
babit;  ^uam  nos.^^  Dann  kam  von  Zwingli  die  Erlaubnis^ 
das  Ghftacht^i  den  Sü*assbui^m  zu  übersenden  ^).  Vom 
3.  December  ist  die  Erwiderung  Oekolampads,  durch  die 
Zwingli  gewiss  mehr  befriedigt  worden  ist  als  Bucer  durch 
den  Brief,  den  er  deshalb  von  Oekolampad  erhielt:  „Salutem 
in  Christo.  Bucero  meutern  tuam  in  concordia  cum  Luth^ro 
scripsi  diHgenter,  mi  frater.  Remitto  tibi  tuas  literas,  quae 
reponantur  dignas,  nemo  enim  satis  caute  lubricas  illas  an- 
guillas  constringet. " 

Ich  möchte  sagen:  die  dogmatischen  Ansichten  vibriren 
in  dem  VerhlUitnis  der  politischen  Schwingungen, 

Sehr  klar  tritt  dies  in  Schaffhaos^a  an  den  Tag,  das 
noch  stärker  zwischen  den  sächsischen  und  den  schweizerischen 
Begriffen  hin  und  her  schwankte.  Vertreter  der  sächsischen 
Richtung  war  hier  der  Prädikant  Benedict  Burgauer,  gegen 
den  Erasmus  Ritter  die  Zwingli'sche  Richtung  verfocht.     Der 


i)  Opp.  546:  oft  iCitirte  S&tze,  um  die  MittelstelluDg  des  Schrei- 
bers zo  chaiakterisiTeii.    Die  folgenden  Briefe  übersah  man  dabei. 

«)  Opp.  552. 

^)  Der  Brief  fehlt;  dass  er  aber  geschrieben,  lehren  die  Anfangs- 
Worte  in  Oekolampad's  nächstem  Brief. 


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262  LENZ; 

Magistrat  gab  vor;  seine  Bürgerschaft  und  er  selbst  belüden 
sich  nicht  mit  den  Händebi  und  lebten  im  übrigen  in 
Friede  und  Eintracht  ^).  Die  Herren  beriefen  sich  auf  die 
Bestimmung  des  Burgrechtes^  dass  jede  Obrigkeit  in  Sadien 
des  Glaubens  und  ewiger  Seligkeit  so  handeln  und  sich 
halten  sollC;  als  sie  sich  getraue,  gegen  Qtoü  und  mit  heiliger 
Schrift  zu  verantworten,  da  ja  der  Glaube  und  Seligkeit 
der  Selen  eine  freie,  unverdiente  Gbade  und  Qtahe  von  Qtott 


1)  In  der  VerantwortungsBchrift  an  die  Bürgerstädte:  ,,Na  sig 
war,  dass  unser  predicanten  in  dem  voranzaigten  artikel  etwas  zwi- 
spältig  und  nit  glichmässig  predigind,  wie  dann  anderschwo  euch 
beschechenmöcht;  sy  predigind  aber,  wie  und  was  ej  wellind,  so  be- 
ladind  wir  und  unser  burgerschaft  uns  dess  nit,  sonder  neme  ein 
jeder  darus,  das  in  bedanke  das  best  sin;  wir  äigind  ouch  von  den 
gnaden  gotts  diser  zit  woU  mit  enandem  ains  nnd  wüssind  von  kainer 
zwitracbt,  unruow  noch  unainigkait  nüts  zuo  sagen.  Und  dann  der 
vesper  halben  lassind  wir  unser  pfa£Pen,  damit  die  doch  ouch  etwas 
thüegind,  latinisch  psalmen  und  anders  nünts,  denn  was  dem  gotts- 
wort  anhangt,  singen,  wie  dann  die  an  etlichen  orten  ouch  tütsch 
gesungen  werden ;  davon  gebint  wir  inen  sonderlich  nünts  und  nemind 
inen  ouch  nünts,  deshalb  das  um  kainer  zitlichen  belonung,  geniessens 
noch  ainiches  ab  oder  nfgangs  wUlen  bescheche.  Dwü  nu,  wie  vor 
angeregt,  unser  grosser  Rat  uns  zuo  handien  gwalt  geben,  .sind  wir 
bishar  neben  andern  unsem  ehaften  gschäften  daröb  gsessen  und  wei^ 
den  hinfür  aber  darüber  sitzen  für  und  für,  der  predicanten,  ouch 
der  vesper  halben  und  in  ander  weg,  guoter  hofiiung,  was  dem  gotts- 
wort  und  Evangelium  glichformig,  ab  wir  das  bishar  ouch  gethan, 
dessglich  was  inen  unsem  lieben  Aidgnossen  und  christenlichen  mit- 
bürgern  angnem  und  gefällig,  so  vü  uns  möglich  ist,  [ze]  handien.  Wir 
haben  ouch  das  christenlich  burgrecht  bishar  unsers  tails  gehalten 
und  dem  zuowider  nützid  fürgenommen,  sonder  disem  nachbeschribnen 
artikel  nit  ungmäss  gehandelt,  welcher  also  lutet:  Und  fiimemlich 
diewü  der  gloub  und  Seligkeit  der  seelen  ain  frige  unverdiente  gnad 
imd  gab  von  gott  ist  und  in  jemands  gezwang  noch  vermögen  [nit] 
stat,  etc.  (folgt  wörtlich).  Daruf,  so  mögend  wir  wol  liden,  man 
besehe  ander  artikel  ouch  aigentlich  und  wol  und  ermesse  dann,  an 
wem  mangel  erschinen,  wo,  wie  und  an  welchem  ort  dem  burgrecht 
von  uns  oder  andern  unsem  christenlichen  mitburgem  sige  glebt  oder 
nit.  Und  bitten  daruf  unser  1.  £.  u.  eh.  M.  samt  und  sonders  mit  ernst 
fründlich,  sy  wellen  dis  unser  antwurt  für  guot  annemen  (und)  uns 
allweg  in  trüwer  befelch  haben,  so  wellen  wir  uns  glicher  wis  als 
getrüw  lieb  Aidgnossen  und  mitburger  ouch  gebürlich  halten,  erzaigen 
und  bewisen."    Eidgen.  Absch.  S.  786  h,  1. 


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ZWIKGLI  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  263 

sei  und  in  Jemands  Zwang  noch  Vermögen  nicht  stehe:  Ent- 
schuldigungen^ hinter  denen  sich  natürlich  die  entschiedene 
Hinneigung  zu  der  lutherischen  Auffassung  versteckte  ^).  Es 
geschah  dies  in  den  kritischen  Wochen  des  Reichstages,  wo  die 
Schwächlinge  noch  zu  glauben  schienen,  die  Gefahr  von  sich 
auf  die  Zwinglianer  ablenken  zu  können.  Die  Sache  kam 
im  August  vor  die  Bürgerversamndung  in  Zürich  *).  Wie 
brauste  diese  aber  gegen  die  toleranten  Schafihausener  auf! 
Zwingli  entwarf  mit  eigener  Hand  im  Namen  seiner  Züricher 
Mitprädicanten  eine  Supplication  an  die  Burgrechtsboten: 
;;  Fromme  vest  etc.  heb  herren,  üwer  ersam  wysheit  mag 
ring  erwegen,  was  Übels  und  unrats  zuo  diser  zit,  dero 
alle  ding  so  gefarUch  stond,  under  den  christlichen  Stetten 
entston  möchte,  wo  sy  in  der  leer  nit  eintrechtig;  es  mag 
ouch  das  christliche  burgrecht  zweyerlei  leer  nit  erlyden." 
Die  Boten  sollen  ihre  „  Heben  ^^  Eidgenossen  und  Mitbürger 
von  Schaff  hausen  „darzuo  vermögen,  dass  sy  uns  gedachten 
Benedicten  stellen  und  darzuo  halten,  dass  er  bericht  eint- 
weders  von  uns  empfahe  oder  uns  gebe ;  dann  wir  in  hierin 
der  unwarheit  und  unrechter  leer  leider  müessend  schuldigen, 
über  dass  er  sich  vil  eins  andren  hat  lassen  zuo  Bern  mer- 
ken". Natürlich  geschieht  dies  Ansuchen  in  aller  Demut: 
„DemiietikUch  bittende,  ir  wellind  dise  unsre  anmuotung  im 
besten  ufhemen.  Dann  wir  zuo  eintrechtigheit  der  Stetten 
geneigt  solches  ansinnend  und  sust  uss  gheiner  andren  ur- 
sacL  Habend  ouch  lang  gewartet,  ob  er  sich  endren  und 
bessren  weite;  so  aber  das  nit  wil  sin,  not  uns  die  anligende 
notdurft  der  einigheit,  söUchs  anzebringen." 

Die  Beschlüsse    ergingen   in  dem  Sinne,    wie  ZwingH 


1)  Ln  Frühjahr  war  Erasmus  wegen  seiner  heftigen  Ausfälle  auf 
der  Kanzel  zu  einer  hohen  Geldhasse  und  im  Kichtzahlungsfalle  zur 
Verweisung  aus  der  Stadt  verurteilt  worden.  £r  appellirte  an  Zwingli 
(Opp.  420),  und  die  Sache  kam  auf  der  Märzversammlung  in  Basel 
zur  Sprache.  Der  Abschied  lautete  zu  seinen  Gunsten,  „da  die  Pre- 
digty  wie  zu  vermuten,  aus  göttlichem  Eifer  geschehen  sei".  (Eidgen. 
Absch.  S.  564  d.  567,  Note  zu  d.) 

2)  Eidgen.  Absch.  Nr.  368.  Zürich,  1530,  19.  August,  f.  h  (S. 
734). 

Zeitachr.  f.  K.-0.  UI,  8.  18 

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264  LENZ, 

wollte:  SchaflBiausen  ward  au%efordert,  da  die  dortige  Pre- 
digt und  Meinung  des  Sacraments  sowie  andere  mehr  ;,  päpst- 
liche" Ceremonien  ,,  unserem  christenlichen  verstand  und 
burkrechten  ungemäss  und  mit  bewärter  heiliger  geschrift  nit 
zuo  verantwurtend",  den  abtrünnigen  Prädieanten  zum  Ver- 
hör vor  die  „Schrifterfahrenen "  zu  stellen.  Keine  Stadt  war 
diesmal  eifriger  als  Bern :  in  der  Instruction  für  seine  Boten 
hatte  es  vorgeschlagen,  überhaupt  keine  Botschaften  mehr 
zu  der  renitenten  Stadt  zu  schicken,  sondern  ihr  kurzweg 
zu  schreiben,  sie  solle  schlechthin  alles  päpstliche  „Plunder- 
werk "  abtun  oder  es  mit  der  Schrift  bewähren  ^). 

Sehr  natüi'lich,  dass  im  Herbst  unter  dem  Druck  der 
Concordatsverhandlungen  diese  Aspii^tionen  von  neuem  auf- 
tauchten. Zu  Aarau  in  den  letzten  Tagen  des  September, 
in  Baden  am  20.  October  und  eben  zu  Basel  selbst  im  No- 
vember wurde  daiüber  verhandelt.  In  Baden  hatte  der 
Bürgermeister  Peyer  von  Schaffhausen  berichtet,  dass  alle 
Ceremonien,  die  Vesper,  Bilder  und  anderes  vom  grossen  und 
kleinen  Rat  abgetan  seien ;  in  dem  Handel  des  Prädieanten  Bur- 
gauer  würden  seine  Oberen  binnen  kurzem  die  Gelehrten  zu 
dem  Verhör  berufen  *).  Dies  war  dann  aber  nicht  geschehen. 
In  Basel  erschien  der  Schaffhausener  Botschafter  ohne  In- 
struction über  diesen  Punkt.  In  dem  Abschied  ward  solches 
scharf  gerügt  und  jenem  „ernstlich"  befohlen,  seinen  Herren 
anzuzeigen,  dass  bis  Si  Andreas  (30.  November)  dem  ge- 
tanen Versprechen  nachgelebt  und  das  Nötige  nach  Zürich 
geschrieben  werden  solle;  man  ei-warte,  dass  Schafi^hausen 
sich  halte  wie  die  anderen  Städte  des  christlichen  Burgrechtes 
und  den  Prädieanten  wegweise,  sofern  er  auf  seiner  Meinung 
beharre. 

Wir  haben  noch  einige  Briefe,  die  Erasmus  Ritter  aus 
Schaffhausen  über  seinen  Gegner  an  Zwingli  schrieb.  Da 
erfahren  wir  die  Parteischattirung  innerhalb  der  Stadt:  die 
Regierenden,  die  Geheimen,  begünstigten  die  lutherische  Auf- 
fassung,   während  der  Ghrosse  Rat  in  der  Mehrheit  offenbar 


1)  Eidgen.  Absch.  S.  737. 

«)  Eidgeu.  Absch.  Nr.  410 c,  d  (S.  811). 


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ZWINGU  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  265 

KU  der  schweizerischen  Form  neigte:  also  dieselbe  Partei- 
gruppirung,  die  in  Zürich  bestanden,  bevor  Zwingli  den 
Oeheimen  Rat  nach  seinen  B^riffen  umgestaltet  hatte  ^). 

Auch  Oekolampad  erwähnt  den  Schaffhausener  Handel 
in  dem  Brief  vom  3.  December:  „Scaphusanae  ecclesiae 
torbatori  operae  pretium  foret  frennm  imponi,  ne  sua  licentia 
etiam  aliis  molestior  sit.  Quod  si  etiam  nos  illi  committe- 
mnr  [zum  Verhör],  non  detrectabimus.  Omne  tibi  in  nos 
jus  est,  quantimi  per  magistratum  nostrum  licet,  evocandi 
etiam  quolibet"  Man  spricht  so  gerne  von  der  „milden",  der 
„evangelischen"  Gesinnung  Oekolampads:  eine  der  Phrasen, 


1)  Opp.  420.  560.  583.    Besonders  aber  Opp.  496,  ein  undatirter 
Brief,  in  dem  Erasmns  Zwinglin   die  Häresien  Borgauer^s  und  des 
„Senates"  denuncirt.    Als  Ketzereien  des  Prädicanten  werden  seine 
lutherischen  Meinungen  angegeben,  besonders  die   vom  Abendmahl: 
„1.  Articulus  Sacramenti:   quem    nunc  publice  (post  fratemam  ad- 
monitionem  fratrum,  qui  apud  S.  Gallum  sunt,  deinde  post  publicam 
dlsputationem  Bemae)  tueri  conatur  in  hunc  usque  diem.    Anno  1528, 
dominica  vocem  jucunditatis  omnes,  qui  est  pro  significat  inter- 
pretantur,  Wiclephistas  vocavit,  atque  verbo  simpliciter  credendum 
adhortatus  est.  .  .  .    Dominica   tertia  post  Pentecosten   eodem   anno 
clamavit:  Hoc  est,  Hoc  est,  oportet,  ut  verba  sie  maneant;  non  dixit 
Christus,   Hoc  significat,  sed,  hoc  est:  multis  et  inauditis  calumnüs 
nos  incusans,  nos  Deum  velle  mendacem  facere.    Eandem  sententiam 
etc.**    Als  3.  Punkt:   „Anno  1528  in  die  Jacobi  dixit:   si  ego  crede- 
rem,    Christum    tantum   juzta    oamem    passum,    haereticus    essem. 
Ipsissima  ea  verba,  quae  Lutherus  in  libro  confessionis  arrianice  con- 
fitetur"  ...    „5.  Eodem  die  (29.  Juni  1528)  dixit,  idola  in  conven- 
tionibus  publicis  non  esse  prohibita.    Illud  quoque  anno  1530  in  die 
ascensionis  asseruit  cum  infinitis  convitiis,   ut,   qui  aliter   sentiant, 
Suermeri  sint."     Und  nun  recapitulirend :   „Haec   omnia  sunt  adeo 
contra  Scripturam,  ut  civitas  illa  christiana  pati  omuiuo  non  possit. 
Hoc   notandum:  £r   hat   ein   Verschreiben  [ung?]   um   sein  Pfrund, 
doch  sofern  er  predigt,  was  er  mit  Gottes  Wort  kann  verantworten." 
Es  folgen  die  Häresien,  quae  ad  senatum  pertinent,  6  Punkte.    Hier 
kommen  die  localen  Interessen   zum  Vorschein,   die   sich   imter  der 
Hülle  der  Dogmen  verbargen;  z.  B.:  „5.  Omnes  adversarios  papistas 
fovent,  nam  hie  tamquam  ad  Asylum  confugiunt  [das  sind  die  «Ver- 
triebenen  von  Bothweil^   von  denen  in  den  Eidgen.  Absch.  viel  die 
Rede  ist,  stets  in  Verbindung  mit  jenen  dogmatischen  Differenzen]. 
6.  De  monasterio  Paradiso  etc.  et  [?]  uihilominos  ostendont,  se  male 
vellc  verbo." 

18« 

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266  LENZ; 

die  sich;  ohne  dass  dabei  eigentlich  etwas  Rechtes  gedacht 
wird,  noch  immer  von  Buch  zu  Buch  schleppen.  Der  Ghund 
ist  wohl  die  Mittelstellung,  die  der  Baseler  Reformator  mit 
dem  Baseler  Staate  einnahm.  Dieser  „milde"  Mann  betrieb 
damals  die  Wiedereinführung  eines  gemeinen  Bannes  in  dem 
ganzen  Bereiche  des  Burgrechtes:  sein  eigenster  Gbdanke, 
den  er,  der  frühere  Mönch,  mit  Leidenschaft,  wiewohl  ver- 
geblich, verfocht.  Man  mag  dies  noch  als  Beweis  seiner 
„evangelischen"  Gesinnung  auffassen,  wie  er  selbst  es  in 
den  Motiven  seines  Antrages  auf  dem  Büi^rtage  zu  Aarau 
getan  hat,  im  Gegensatz  nämlich  zu  der  oft  gehörten  Klage 
des  Volkes,  die  bürgerUche  Obrigkeit  „welle  die  lüt  mit 
gewalt  fromm  machen"^).  Die  Art  aber,  wie  er  sonst  über 
die  Methode  der  Evangelisirung  dachte,  kann  jedenfalls  nicht 
unter  jenen  Begriff  subsummirt  werden.  Jubelnd  schreibt 
er  am  23.  Juni  dieses  Jahres  an  Zwingli:  „Salutem  in 
Chiisto.  Mi  frater.  Imitati  simt  tandem  nostri  hie  exemplum 
vestrum  et  e  minori  majorique  senatu  omnes  cedere  jus- 
serunt,  qui  vel  verbo  Dei  adversantur  vel  nobiscum  in  coena 
Domini  communicare  hactenus  noluerunt,  futurumque  est, 
ut  omnia  officia  a  summis  usque  ad  minima  sie  lustrentur 
tam  in  civitate  quam  in  rure.  Deinde  etiam  censura  eccle- 
siastica  instituatur,  quae  excommunicationis  loco  erit,  imo 
excommunicatio  omnium,  qui  inemendabili  vita  aut  doc- 
trina  ecclesiam  nostram  coinquinant.  Aspiret  Christus 
felicibus  ceptb.  Puigata  enim  domo  Domini  ab  inqui- 
natoribus  illis  per  Christum  satis  fortes  erimus  adversus 
mundi  minas.  Si  enim  Dominus  pro  nobis,  quis  contra 
nos?"«) 

Wirklich,  Milde  in  dem  Sinne  der  heutigen  Gtslassen- 
heit  gegen  religiöse  Differenzen  kannten  diese  Männer  nicht. 
Ihre  Toleranz  begann,  wo  ihre  Macht  aufhörte.  Sie  kämpf- 
ten nicht  um  Duldimg,  sondern  um  die  Herrschaft  ihrer 
Idee.  Ihre  Gedanken  giogen  bis  zur  Umgestaltung  der  Welt, 
zunächst  aber  der  Kreise,  in  denen  sie  wirkten.     Wo  sie 


1)  Eidgen.  Absch.  Nr.  395,  Aarau,  27.  Sept.  1530  (S.  784, 1.  787). 
55)  Opp.  470. 


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ZWINGLI  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  267 

den  Sieg  erlangten,  da  nutzten  sie  ihn  voll  aus:  die  Wie- 
dertäufer, „söliches  unchristenliches  vych",  wurden  rück- 
sichtslos unterdrückt,  an  Gut  und  Leben  bestraft  ^),  über- 
haupt jede  Differenz  in  Dogma  und  Ceremonien  ausgemerzt; 
ihr  christliches  Burgrecht  konnte  „zweierlei  Lehr  nicht  er- 
leiden'^. Denn  sie  kämpften  gegen  Feinde  ringsimi,  überall 
um  ihre  Existenz. 

Konnte  aber  Zwingli,  der  in  Schafl^hausen  die  leiseste 
Hinneigung  zu  den  lutherischen  Begriffen  vmterdrückte,  die 
nach  Wittenberg  schielende  Auffassung  der  Strassbtu'ger,  ihre 
,, lutherischen  Gesuche  und  Abwege"  in  demselben  Augen- 
blicke für  sein  Herrschaftsgebiet  zimi  Gesetze  erheben?  Zu- 
mal da  er  auch  jetzt  noch  keineswegs  die  Hoffiiung  auf- 
g^eben  hatte,  selbst  ausserhalb  der  Eidgenossenschaft  den 
Sieg  zu  erringen.  Li  dem  oft  genannten  Briefe  spricht  er 
dies  unmittelbar  nach  den  Worten  über  die  Notwendigkeit, 
der  Wahrheit  treu  zu  bleiben,  aus:  „Ihr  wisset,  liebe  Her- 
ren 2),  dass  dieses  alles  nur  ein  Schirm  des  Luther's  ist  und 
nicht  der  Wahrheit,  denn  so  wir's  je  besehen,  so  ist  der 
Mehrteil  aller  Christen  unsers  Sinnes,  und  wird  sich  das  von 
Tag  zu  Tag  erfinden."  Und  dann  kommen  Worte,  die 
noch  weiter  blicken  lassen:  „Da^  Augsburg  jetzt  also  steht, 
kommt  aus  denen,  die  unsers  Sinnes  sind,  und  nicht  aus 
den  Lutherischen." 

Augsburg  war  damals  im  Begriff,  „seine  Religion  zu 
ändern",  und  die  Leiter  der  Bewegung  gehörten  zu  der 
sdiweizerischen  Richtung.  Wir  erkennen:  in  seinen  Hoff- 
nungen auf  den  Norden  getäuscht,  glaubte  der  Reformator 
das  Oberland  wenigstens  mit  seinem  Geiste  durchdringen  zu 
können,  denn  teils  war  es  schon  sein  Gebiet,  teils  war  der 
Boden  zur  Aussaat  aufs  beste  vorbereitet  Seit  dem  Antrage 
des  Grafen  von  Mansfeld  aber  hatte  die  sächsische  Politik 
auch  diese  Stellung  angegriffen,  und  wie  gefahrlich  sie  wer- 

^)  Jene  schmähende  Bezeichnung  enthält  der  2.  §  in  dem  Ba- 
dener Abschied  vom  17.  November  1530  (Eidgen.  Absch.  S.  842  b). 
Die  Edicte  gegen  die  Täufer  wie  gegen  jede  innere  Dissidenz  sind 
stets  um  so  härter,  je  grosser  die  Gefahr  von  aussen  ist. 

«)  So  L  8t.  „lieber  Herr".    Opp.  551,  letzte  Reihe, 


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268  hENZ, 

den  konnte^  bewies  der  Abfall  Strassburgs^  das  Schwanken 
von  Basel  und  Constanz^  und  die  widerspenstige  Haltung 
Schaffhausens.  So  sind  diese  Concordatsverhandlungen  ein 
Ringen  y  Macht  gegen  Macht  Wenn  Zwingli  im  Halbst 
1529  ausgezogen  war^  den  Norden  Deutschlands  für  seine 
Bekenntnisform  zu  erobern ,  so  hatte  er  jetzt  das  Oberland, 
ja  sein  eigenstes  Arbeitsfeld  gegen  die  Lutherisirung  zu  ver- 
teidigen. 

Mit  der  Reformirung  der  schwäbischen  Städte  ver- 
knüpften sich  für  ihn  aber  noch  andere,  gfuiz  besondere  Ab- 
sichten. 

Wir  begegneten  voi4iin  bei  seinen  ausschweifenden  Plä- 
nen vor  des  Kaisers  Ankunft  zwei  Lieblingsideen;  die  in 
seiner  Weltanschauung  untrennbar  verbunden  waren:  Frei- 
heit und  Evangelium.  Es  sind  ihm  die  Mächte  des  Lichtes, 
deren  Vorkämpfer  er  sein  will  gegen  die  finsteren  Gewalten, 
Papsttum  und  Monarchie,  die  „beide  von  Rom",  ebenso  eng 
verschwistert  und  aufeinander  angewiesen  sind  wie  jene. 
Da  er  diese  Gedanken  in  den  heiligen  Schriften  wieder 
sucht,  erscheinen  ihm  als  ihre  Verteidiger  die  Propheten 
des  alten  Bundes,  unter  ihnen  vor  allen  Jeremias;  seine  huma- 
nistischen Studien  hingegen^  bringen  ihm  das  Bild  des  Vor- 
kämpfers der  hellenischeai  Freiheit  gegen  den  makedonischen 
Tyrannen  vor  die  Sele,  Demosthenes.  Indem  sich  ihm  aber 
das  Andenken  jener  Helden  des  kirchlichen  und  des  clas- 
sischen  Altertums  erneuert,  so  ist  das  doch  ftir  ihn  kein 
blosses  Erinnern  oder  Vergleichen,  vielmehr  vnrd  er  —  und 
das  ist  der  Geist  der  Renaissance,  der  nicht  studiren,  son- 
dern erwecken  will  —  die  Gedanken,  jRir  die  jene  Grosseai 
gelebt  und  gelitten  haben,  sei  es  eiiialt^i,  sei  es  wieder  ins 
Leben  rufen,  reformiren.  Ein  Tyrannenfeind  wie  De- 
mosthenes, ein  Führer  des  Volkes  Gbttes  zu  sein  wie  Jere- 
mias, das  erscheint  ihm  als  die  Au%abe  des  Predigers.  In 
dieser  Stimmung  hat  er  den  Commentar  zu  jenem  Propheten 
geschrieben.  Die  Zueignung  desselben,  die  er  dem  schwan- 
kenden Strassburg  in  den  Tagen  der  zweiten  Schmalkaldner 
Versammlung,  im  März  1531,  widmete,  entwirft  mit  diesen 
Zügen  sein  Idealbild  eines  Prädicanten,   und   gleich   einem 


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ZWINGLI  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  269 

Propheten  des  alten  Bundes  hat  er  in  dem  Gedächtnis  seines 
treuesten  Schülers  fortgelebt  ^).  Wie  in  der  Idee,  so  sind 
auch  in  der  Wirklichkeit  die  Reformversuche  ZwingU's,  die 
politischen  und  die  kirchUchen;  untrennbar  in  einander  ver- 
wachsen. 

ZwingU  stutzte  sich,  wie  man  weiss,  zur  Durchfuhrung 
seiner  Gedanken  besonders  auf  die  dem  Regiment  zunächst 
stehenden  Schichten  des  Bürgertums.  Der  Kampf  gegen 
die  vornehmen  Stadtherren  war  der  Beginn  seiner  Befor- 
mstion,  ihre  Unterwerfung  der  seiner  Herrschaft  gewesen.  Frei- 
lich ist  er  hierin  niemals  so  weit  gekommen,  als  sein  Wille 
war.  Noch  im  Sommer  1530  hielt  er  eine  Predigt,  in  der 
er  sehr  heftig,  wie  er  pflegte,  über  die  feindliche  Haltung 
der  vornehmen  Geschlechter  Klage  fiihrte  und  behauptete, 
an  allem  und  jedem  Ruin,  der  irgendwo  Städte  oder  Völker 
getroffen  habe,  sei  der  Adel  schuld  gewesen.    Er  glaubte  es 


^)  Besonders  mei^würdig  sind  auch  nach  dieser  Richtung  seine 
Auslassungen  in  dem  Brief  an  Sam  und  Simbert  vom  18.  August 
1530  (Opp.  492):   „Gratiam  et  pacem  a  Domino.    Quod,  charissimi 
fratres,  aliqua  trepidatio  vestros  subit,  admirari  nolite.    Pars  enim 
in  fide  re  vera  etiam  num  (nunc)  est,  pars  rerum  humanarum  imperita, 
pars  vero  a  veritate  non  modo  aliena,  sed  etiam  abhorrens.    Hinc  novi 
nihil  fit,   si  consilia  capiuntur  interdum  non  satis  firma,  si  a  coeptis 
pedes  referuntur,  si  cum  hoste  quoque  colluditur;  nam  in  tanta  in- 
genionun  ac  sensuum  diversitate  nasci  uniforme  ac  solidum  consilium 
qui   potent?    Venmi  tametsi  humanum   corpus   ab   ossibus,   nervis, 
costis,  deindc  a  cute,  came,   venis  ac  sanguine  consideremus,  jam  et 
huic  metui  remedium  inveniemus.    Est  pondus  camis,  cutis  ac  san- 
guinis longe  majus  quam  nerrorum  et  ossium,  sed  nihilo  secius  pon- 
dere  ac  mole  sua  nihil  sunt,  nisi  herum  robore  veluti  fulcris  ac  sta- 
minibus  erigantur  et  ferantur;  sed  neque  ista  fiilciunt  aut  surregunt, 
nisi  spiritu  universa  animentur,  ut  sie  primum  sit  animus,  secundum 
ossa  et  nervi,  postremum  caro  et  sanguis  in  humano  corpore.    Ad 
hunc  modum   res  nunc  habent.    Teneri  in  fide  homines  inezperti  et 
irreligiosi  imbeciUis  caro  sunt,   nihil  quam  voluptates  et  iners  ocium 
adpetentes.    Vere  pü  tum  prophetae  [d.  h.  die  Prädicanten]  tum  po- 
puläres homines ,  etsi  pauci  sunt,  veri  tamen  ac  integri  sint  dato ,  jam 
non  aliter  tam  imbecille  corpus  sustinebunt  ac  fulcient,  quam  ossa  et 
nervi   cameam   istam  massam.     Tunc  autem  et  ii  validi  ac  vivaces 
enmt,  si  spiritu  Dei  animentur.    Eat  nunc  et  Evangelio  metnat,-  qui 
hoe  pacto  videat  ecclesiam  esse  instmctam."    U.  s.  w. 


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270  LENZ, 

mit  der  Geschichte  Athens,  Karthagos,  Roms  und  zuletzt  noch 
der  Ungarn  beweisen  zu  können  *).  Fast  der  ganze  Adel, 
schrieb  er  damals  an  die  Bemer  Prädicianten  Haller  und 
Megander,  sei  gegen  sein  Werk,  während  die  Leute  vom 
Lande  meistens  zu  ihm  hielten '). 

Dennoch  war  Zwingli  mit  nichten  ein  Demagoge,  weit 
mehr,  wenn  wir  überhaupt  so  allgemeine  Formulirungen  auf 
diese  vielgestaltigen  und  particularen  Verhältnisse  anwenden 
dürfen,  wie  Calvin,  Aristokrat.  „Venmi  ipse  in  hoc  non 
sum",  schreibt  er  an  Ambrosius  Blaurer,  der  selbst  einem  alten 
Patrizierhause  von  Constanz  entstammte,  „utextinctam  nobi- 
litatem  cupiam,  sed  emendatam,  atque,  quod  ad  rem  christia- 
nam  pertinet,  in  ordinem  conductam".  Er  bekämpfte  nur 
die  Interessengemeinschaft  der  Konstafel  mit  der  alten  Kirche. 
Sobald  er  diese  gebrochen,  den  Rat  der  Geheimen  nach 
seinem  Sinne  imigestaltet  hatte,  stützte  er  sich  am  aller- 
liebsten, wohl  mit  üebergehung  des  grossen  Rates,  auf  seine 
„Probuleuten".    Sie  beheiTschte  er  und  durch  sie  den  Staat 

Aehnlich,  nicht  gleich,  denn  die  Verschiedenheit  der 
localen  Momente  bedingte  überall  besondere  Spielarten  in 
der  Entwicklung,  waren  aber  die  Parteiverhältnisse  in  den  an- 
deren Städten  der  Schweiz  und  des  Oberlandes  gestaltet. 
Bei  Basel  und  Schaffhausen  bemerkten  wir  es.  In  Augs- 
burg war  es  nicht  anders.  Die  Briefe  Zwingli's  an  die 
Oberländer  Freunde,  Sam  in  Ulm,  Simbert  Schenk  in  Mem- 
mingen, setzen  überall  dasselbe  Verhältnis  voraus.  Mit 
Vorliebe  betont  er  grade  in  diesen  Schreiben  die  Ver- 
wandtschaft, wie  ihrer  religiösen,  so  ihrer  politischen  In- 
teressen. Die  conservativere  Strömung,  mochte  sie  päpst- 
lich oder  nur  lutherisch  gefilrbt  sein,  beherrschte  die  Mehr- 
heit der  alten  regierenden  Geschlechter,  die  nach  Einfluss 
ringende  Bewegungspartei  kämpfl;e  fiir  die  schweizerische 
Auffiissimg.  Gab  Zwingli  jetzt  den  lutherischen  Begriff,  wenn 
auch  in  der  Abschwächung  der  Strassburger,  zu,  so  verleug- 
nete er  also  die  „Mehrheit",  die  in  den  schwäbischen  Städten 


•i)  An  Blaurer,  6.  Sept.  1530.    Opp.  507. 
8)  6.  Juni  1530.    Opp.  461. 


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ZWINGLI  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  271 

die  Reformation  eben  in  seinem  Sinne  durehsetzen  wollte. 
Für  seine  Person  hätte  er  den  Difteleien  Bucer's  vielleicht 
zustimmen  können  ^  aber  die  Rücksieht  auf  die  Volksklasse^ 
die  ihn  stützte  und  in  seinem  Abendmahlsbegriff  das  Eigen- 
tümliche seiner  Lehre  sah,  hielt  ihn  davon  zurück.  In 
dem  Absagebrief  an  die  Strassburger  Prädicanten  vom 
12.  Februar  1531  hat  er  dies  als  die  Summe  seiner  Er- 
wägungen ausgesprochen;  „Ferro  equidem  possem,  Bucere, 
scriptum  tuum  vulgari,  quod  ad  me  attinet,  sed  simul  dico, 
quod  ad  me  attinet,  libro  nullo  esse  opus.  Quibus  ergo 
eduntur  ista?  Vulgo.  Quem  nos  custodire  debemus,  ne 
alicunde  falsam  opinionem  hauriat,  taceo,  quod  ei  offixtias 
ob  oculos  spargamus.  Summa  summarum:  perstamus  per- 
petuo,  neque  aliter  credas  me  unquam  sensurum,  etiamsi 
orbis  diversum  sentiat,  quam  et  nunc  et  antea  sensimus. 
Parce  hac  in  re  labori  et  chartae."  *)  Hätte  er  nicht  Bes- 
serer und  seinen  Freunden  zum  Siege  verhelfen,  nicht  jen- 
seits des  Rheins  unterstützen  müssen,  was  er  diesseits  scho- 
nungslos bekämpfte?  Unmöglich  wäre  der  Rückschlag  auf 
seinen  engsten  Wirkungskreis  ausgeblieben,  während  die 
Unterstützung  der  Bewegungspartei  seiner  Schöpfung  zu 
beiden  Seiten  des  Bodensees  einen  festen  Rückhalt  versprach. 
Ausbreitung  seines  Bekenntnisses  war  Ausbreitung  seiner 
Macht  Sein  Sieg  organisirte  die  Reichsstädte  in  den  For- 
nien  der  Schweizer  Gemeinwesen.  Er  Hess  ihn  hoffen,  sein 
Bui^recht,  vielleicht  die  Eidgenossenschaft  selbst  über  den 
Bodensee,  zu  den  Schwaben  zu  tragen. 

Denn  das  ist  einer  seiner  Lieblingsgedanken  gewesen, 
seitdem  er  Zürich  beherrscht  hat 

Zunächst  war  es  seine  Absicht,  die  Reichsstädte  in  das 
Burgrecht  zu  bringen.  Im  Juli  und  August  1529,  zur  selben 
Zeit  mit  den  Verhandlungen  wegen  der  Einnahme  Strass- 
bui^  und  des  Hohentwiel,  ist  darüber,  unter  dem  Eindruck 
des  Speirer  Abschiedes  und  des  ersten  Cappeler  Frieden, 
vielfach  beraten  worden  *).     Deshalb    war   Zwingli    später, 


1)  Opp.  681. 

s)  EidgeiL  Absch.  S.  304  ff. 


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279  USSZ, 

im  Frühjahr  1680,  über  den  Bürgermeister  von  Ulm,  Bern- 
hard Besserer,  so  erbittert,  weil  dieser  gegenüber  Philipp 
grade  in  Bezug  auf  j«3en  Lieblingsgedanken  die  Schweizer 
der  Lauheit  angeklagt  hatte,  die  doch  —  meinte  der  Refor- 
mator —  ganz  allein  auf  seiner  und  seiner  Anhänger  Seite 
zu  finden  wäre  *).  Die  Wahrheit  war  übrigens,  dass  aller- 
dings nicht  Zürich  und  Zyringli,  wohl  aber  die  Bemer  von 
Anfang  an  der  Verbindung  mit  den  Schwaben  abgeneigt 
waren. 

Das  weitere  Ziel  flir  Zwingli  war  aber  die  Ausbreitung 
der  Eidgenossenschaft  in  dem  Reiche  selbst  Wenigstens  den 
Bodensee  und  die  Pässe,  die  von  Norden  in  das  Rheintal 
führten,  hoffie  er  schweizerisch  zu  machen.  Und  es  ist 
natüriich,  dass  er  diesen  Gedanken  um  so  lebhafter  betrieb, 
je  schrofier  die  Differenz  mit  den  Lutheranern  und  je  grösser 
daher  die  Gefehr  war,  isoHrt  zu  werden.  So  schreibt  er  am 
5.  April  1531  an  den  Freund  Vadian,  der  ihm  von  St 
Gallen  aus  Lindau,  Isnj  und  Memmingen  gewinnen  sollte: 
die  evangelischen  Fürsten  seien  zu  entfernt  —  vor  einem 
Jahre  waren  ihm  Paris  imd  Venedig  nahe  genug  gewesen  — , 
die  Städte  dos  christlichen  Burgrechtes  dagegen  eignen  sich 
bei  ihrer  Nähe  und  der  Leichtigkeit  gegenseitiger  Unter- 
stützung vorzüglich,  um  lange  Freundschaft  zu  schliessen. 
,^Id  quod  ego  jam  non  uno  anno  ago,  duco  et  traho,  sed 
parum  proficio,  sunt  enim  supiniores  quidem  (nicht  quidam) 
quam  par  est  Vollem  igitur,  ut  christianam  civitatcm  am- 
birent,  imo  peterent,  et  si  non  Isna,  Memminga,  saltem  Lin- 
doia,  imo  ut  non  tantum  christianam  civitatem,  sed  etiam 
arctiorem  amicitiam  nobiscum  jimgerent"  *) 

Mit  Constanz  betrieb  man  längst  solche  Verhandlungen. 
Zuerst  begegnen  wir  ihnen  Anfang  Juni  1530.  Sie  wurden 
so  geheim  als  möglich  gehalten;  ein  Tag  fand  gar  nicht 
statt;  nur  die  Geheimen  handelten,  und  bloss  brieflich. 
Bcm  zeigte  sich  anfangs  solchen  Plänen  wohlgeneigt:  es 
würde    der    Eidgenossenschaft    grossen    Schaden    bringen, 

1)  Vgl.  0.  S.  36.:;39. 
0  Opp.  593. 


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ZWINÖU  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  273 

schrieb  es  an  Zürich,  wenn  Constanz  „abgeschränzt^'  werde, 
den  grössten  Nutzen  dagegen  die  Auflichtung  eines  ^,  ewigen 
Verstandes  und  Verwandtnußs".  Indessen  stiessen  sich  damals 
die  Verhandlungen  an  d^n  Verlangen  der  Constanzer,  zu 
einem  „Ort"  und  „nit  by  den  mindsten"  gemacht  zu  wer- 
den und  das  Landgericht  mitsampt  dem  Thurgau  zu  er- 
halten ^).  Das  geschah  also  in  der  Zeit,  wo  die  Dinge  in 
Augsburg  eine  für  die  Schweiz  so  bedenkliche  Waldung  zu 
nehmen  begannen. 

Und  sehr  wohl  lässt  sich  hiermit  zusammenhalten,  dass 
wieder  in  dem  Abschied  vom  16.  November  die  gleich^ti 
Gedanken  zutage  treten. 

Es  ward  in  Basel  auch  über  den  „rauhen  und  schar- 
fen" Abschied  geredet,  den  der  Kaiser  den  4  Städten 
Strassburg,  Constanz,  Lindau  und  Memmingen  gegeben 
habe.  Da  diese  Städte  „des  Sacraments  halben  den  gleichen 
Glauben"  wie  die  Städte  des  christlichen  Burgrechts  be- 
sitzen, so  wird  beschlossen,  sich  ernstlich  zu  beraten,  ob 
ihnen  in  dem  wahrscheinlichen  Falle  eines  Angriffes  seitens 
des  Kaisers  Hülfe  geleistet  werden  solle.  Die  von  Constanz 
erhalten  den  Auftrag,  sich  bis  zum  nächsten  Tage  bei  den 
umliegenden  Städten,  'als  Ulm,  Lindau,  Kempten,  Ravens- 
burg und  Isny,  im  Vertrauen  z\x  erkundigen,  ob  dieselben 
dem  Burgrecht  sich  anhängig  zu  machen  geneigt  seien,  wo- 
von ja  schon  früher  die  Rede  gewesen.  Man  hofft,  dass 
sie  dabei  sich  am  besten  befinden  werden  *). 

Während  also  den  hessischen  Gesandten  mit  Bezug  auf 
die  sächsischen  Anträge  erklärt  wird,  man  sei  über  das  Con- 
cordat  zwischen  Bucer  imd  Luther  noch  keineswegs  im  Reinen, 
so  erkennt  man  in  Bucer's  eigenstem  Werke,  ia  der  Tetra- 
politana  „des  Sacraments  halben  den  gleichen  Glauben"! 

Wir  verstehen  aber  jetzt  die  scheinbar  so  incongruenten 
Beschlüsse  dieser  denkwürdigen  Versanmilimg.  Sie  fliessen 
alle  aus  derselben  Politik.  Es  handelte  sich  darmn,  gegen- 
über den   sächsischen   und    ihnen    verwandten  Aspirationen 


1)  Eidgen.  Absch.  S.  671  f. 
»)  Eidgen.  Absch.  S.  839. 


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274  LENZ,  ZWINGU  UND  LANDGRAF  PHILIPP. 

Stellung  zu  behalten.  Das  konnte  geschehen,  wenn  die  Bündnis- 
gedanken nicht  grade  abgelehnt,  aber  die  dogmatischen 
Differenzen  aufrecht  erhalten  wurden.  Man  wollte,  „wie  die 
Päpstischen  und  Lutherischen  wider  den  Türken'^,  Partei 
neben  Partei  die  gemeinsamen  Ideen  gegen  die  andringende 
Eeaction  verteidigen.  Denn  man  konnte  wohl  den  Kampf 
in  dem  eigenen  Lager  aufschieben,  nicht  aber  auf  den  Sieg 
verzichten.  Deshalb  war  es  erwünscht,  durch  die  Bui^- 
rechte  innerhalb  des  protestantischen  Gesammtverbandes  die 
eigene  Position  zu  verstärken  und  mit  den  Städten  womög- 
lich eine  noch  engere  Verbindung  herzustellen.  Daher  konnte 
man  eine  Bündnisurkimde  mit  Hessen  unterzeichnen,  die 
man,  sobald  Sachsen  hinein  wollte,  für  eine  ganz  imnütze 
„Aufiichtung  grosser  Briefe  und  Siegel"  erklärte.  So  ver- 
stehen wir,  weshalb  das  hessische  Burgrecht,  das  die  Ge- 
fahren im  Frühjahr  und  Sommer  nicht  hatten  zusammen- 
schmieden können,  jetzt  im  Herbst  in  einer  dem  Kaiser 
gegenüber  bei  weitem  gesicherteren  Situation  zu  Stande  ge- 
kommen ist. 

(Schluss  folgt.) 


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Kritische  Uebersicht 
über  die  kirchlich-archäologischen  Arbeiten 

aus  den  Jahren  1875 — 1878. 

Von 
Lic.  Yictor  Schnitze  in  Leipzig. 


I. 

Q.  B.  de  BoBBi»  La  Koma  sotterranea  cristiana,  tomo  III  o.  Roma 
1877.     (XXrV,  751  S.  und  52  Taf.  in  fol.) 

F.  X.  Kraus,  Boma  sotterranea,  zweite,  neu  durchgesehene  und  ver- 
mehrte Aufl.  Freiburg  i.  B.  1879,  Herder.  (XXX,  636  S.  u.  12 
chronaolith.  Taf.,  2  Karten  u.  92  Holzschn.  in  gr.  80.) 

P.  Ra^.  Garmeoi  S.  J.,  Storia  dell*  arte  eristiana,  vol.  Uio.  Prato 
1876.  (197  S.  u.  203  Taf.)  Vol.  IV  o,  1877.  (124  S.  u.  294  Taf.  in  fol.) 

Denu  Salazaro»  Studj  sui  monumenti  dell*  Italia  meridionale  dal  IV^ 
al  Xnio  secolo.    Napoli  1871  ff.    (Fase».  I— XVI,  in  gr.  fol.)i| 

M«  Martigny,  Dictionnaire  des  antiquitds  chr^tiennes.  Nouv.  ^tiou. 
Paris  1877.    (830  S.  mit  675  Holzschn.  in  40.) 

H.  Otte,  Archäologisches  Wörterbuch,  deutsch,  lat.,  franz.  und  eng- 
lisch. Zweite  erweiterte  Aufl.  Leipzig  1877.  (488  S.  mit  285  Holz- 
schnitten in  80.) 

W.  Smith  n.  Cheetam,  Dictionary  of  Christian  antiquities.  Lond. 
1875,  L  Bd.    (898  S.  in  gr.  80.) 

CiL  Gallier»  Nouveaux  m^langes  d'arch^ologie.  D^coratiou  d'^lises. 
Paris  1875.    (XVI,  294  S.  in  fol.) 

Die  kirchlich-archäologische  Forschung  der  Gegenwart, 
soweit  dieselbe  hier  in  Betracht  zu  ziehen  ist^  zeigt  sich  fast 
in  ihrem  ganzen  Umfange  von  den  Arbeiten  und  Anschauim- 
gen  de  Rossi's  abhängig.  Besonders  das  grossartig  ange- 
legte Werk  ^^La  Roma  sotterranea  eristiana^'  hat  den  ein- 
schläglichen  Studien    in    umfassender    Weise   Material    und 


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276  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN.    8CHULTZE; 

Resultate  zugefiihrt  Der  erste  Band  (v.  J.  1864)  behandelt 
hauptsächlich  einleitende  Fragen  und  berührt  nur  kurz  den 
Katakombencomplex  von  S.  Callisto,  dessen  Darstellung  den 
ganzen  zweiten  Band  (v.  J.  1867)  in  Anspruch  nimmt  Der 
dritte  Band  ^),  die  beiden  früheren  an  Umfiing  bedeutend 
überholend;  bringt  mit  der  Darstellung  der  übrigen  unter- 
irdischen Teile  dieses  Hauptcoemeteriums  d.  h.  der  Area  der 
h.  Soteris,  des  Arenariums  des  Büppolytus  und  einiger  an- 
derer Regionen  diese  Au%abe  zum  Abschlüsse  (S.  1 — 392). 
Daran  knüpft  der  Verfasser  Untersuchungen  über  das  mit 
S.  Callisto  verbundene  Coemeterium  sub  dio  imd  über  das 
System  solcher  Anlagen  überhaupt  (S.  393 — 409).  Nachdem 
bereits  Le  Blant  (Inscript.  chröt.  de  la  Gbiule  1856,  I, 
51  ff.)  eine  gleichartige  kleine  Anlage  bei  Vienne  flüchtig 
berührt  hatte,  ist  erst  in  jüngster  Zeit  durch  die  Entdeckung 
eines  umfangreichen  Friedhofes  bei  Porto  Gruaro  (Julia  Con- 
cordia)  in  Oberitalien  *)  die  Forschung  auf  diese  Species  alt- 
christUcher  Begräbnisstätten  auftnerksamgemacht  worden,  deren 
Einrichtung  nun  der  Verfasser  zum  ersten  Male  im  einzelnen 
imd  klar  darlegt.  Diese  Ausfiihrungen  gehören  zu  den  besten 
Partien  des  Buches,  können  aber  nicht  als  abschliessend  be- 
trachtet werden,  da  das  bis  jetzt  vorliegende  Material  relativ 
dürftig  ist.  Höchst  dankenswert  ist  auch  die  Sammlung  und 
Erklärung  der  fUr  die  einzelnen  Teile  und  Utensilien  der 
Coemeterien  gebräuchlichen  termini  technici  der  alten  Kirche 
(S.  409 — 477).  Die  Ableitung  des  Wortes  catacumba 
von  cata  (xaia)  und  cubare,  cumba  also  =  caia  accu- 
bitoria  (=  ad  coemeteria),  welche  der  Verfasser  sich  an- 
eignet (S.  427),  ist  der  nach  dem  Vorgange  von  Du  Gange 
fast    allgemein   recipirten  Ableitung    von   cata  (xara)    und 


1)  Vgl.  Revue  des  queat.  bist.  1877,  S.  529  ff.  Christi.  Kunstbl. 
1878,  S.  154—157. 

2)  Vgl.  Bullett.  di  corrisp.  archeol.  1873,  S.  58—63;  1874,  S.  18 
bis  47;  1875,  S.  104—125;  1876,  S.  86—88.  BuUett.  di  archeoL  crist. 
1874,  S.  133  ff.  u.  Taf.  IX.  Revue  archdol.  1875,  XXIX,  340—346; 
1876,  XXXI,  332—336,  und  verschiedentlich  im  „Archivio  Veneto" 
1873—1876.  Die  Inschriften  finden  sich  grösstenteils  im  Corp.  Inscript. 
lat.  V,  2;  vgl.  auch  die  Einleitung  p.  1058 sqq. 


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DIB  KIBOHL.  ABCHAOLO0IB  1875--1878.  277 

cumha    =   xvfißog   („Einsenkung,    Höhlung'')    vorzuzidien, 
wenn    auch  die  Etymologie  des  Wortes  mit  Sicherheit  sich 
kaum     noch   feststellen    lässi      Dagegen    dürften    die  Aus- 
fährungen über  die  Veraammlungen  in  den  Elatakomben  und 
über    die  Sepidcralriten  (S.  478 — 507)   mannigfach  zu  recti- 
ficiren    sein.     Es  liegt  dies  zum   Teil    an    der  unkritischen 
AuBwahl  und  Benutzung  der  Quellen^  sowie  an  dem  Bestre- 
ben, Riten  nachweisbar  jüngeren  Ursprunges  mögUchst  zurück- 
zutragen.    Auch  die  von  de  Rossi  schon  früher  aufgestellte 
und    in    diesem   Bande   der  R.   S.    von    neuem    entwickelte 
Hypothese   von    dem    legalen  Charakter   der   altchristlichen 
Coemeterien;  welcher  u.  A.  auch  Aub6  (Persäc.  de  T^glise 
p.  250 aq.),    Loening  (Geschichte    des   deutschen  Eirchen- 
rechts  I,  201  flF.)  und  Kraus  (Roma  sotter.  S.   49 ff.)  zuge- 
stimmt haben,   ist  nicht  haltbar,    da  die  dafür  angezogenen 
epigraphischen  Monumente  ausnahmslos  der   constantinischen 
und    nachconstantinischen  Zeit  angehören,    und    ein   solches 
rechtliches  Verhältnis  auf  Seiten   des  römischen  Staates  eine 
contradictio  in  adjecto   sein  würde.  —  Die  Verwaltung  imd 
Einrichtimg  des  altchristUchen  B^räbniswesens,  die  bis  dahin 
noch  durchaus  dunkel  lag,  hat  der  Verfasser  hauptsächlich  mit 
inschriftlichen  Hülfsmitteln    vortrefflich    beleuchtet   und    be- 
sonders über  das  CoUegium  der  Fossoren  interessante  Auf- 
schlüsse gegeben  (S.   614—533).     Als   vollständig  gelöst  ist 
freilich    diese  Aufgabe   noch  nicht  zu  betrachten  ').  —  Die 
zahlreichen  verschiedenartigen  Gegenstände,  die  in  den  Eata- 
kombengallerien  oder   in  den  Gräbern   selbst   in  alter  und 
neuer  Zeit  gefunden  wurden,  und  die  der  Verfasser  sorgföltig 
verzeichnet  hat  (S.  580 — 625),    eröfihen  einen  interessanten 
fänblick  in  das  private  und  sociale  Leben  der   ältesten  rö- 
mischen Christengemeinde  und  erweisen  sich  ab  eine  wich- 


1)  In  dem  Artikel  von  F.  H.  Jacobson:  „Begräbnis  bei  den 
Christen",  in  der  neuen  Auflage  der  Real-Encykl.  für  protest.  Theol. 
und  Kirche  1878,  II,  214—217  wird  die  altchristliche  Zeit  gar  nicht 
berÜcksicbtigt;  aber  auch  die  späteren  Perioden  sind  ungenügend 
behandelt.  Dankenswert  ist  der  Artikel  Ton  Büetschi:  „Begräbnis 
bei  den  Hebräern",  ebend.  S.  217—220. 


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278  KBITISCHB  CBEBSICHTEN.    SGHULTZE^ 

tige    und   reiche  Quelle    zur  Erkenntnis   desselben.      Mehr 
als  es  geschehen  ist;    hätten  indes    die   heidnischen  Paral- 
lelen aufgezeigt  und   zur  Erklärung  benutzt  werden  sollen. 
Denn    es    ist    in    der    Tat    auJBSedlend;    wie    intensiv    und 
ursprünglich   die    antiken  Sepulcralsitten    durch    die   ganze 
altchristliche  Epoche  und  teilweise  über  dieselbe  hinaus  sich 
erhalten  haben.     So  sind  auch  die  von  Boldetti  (CSmiterj 
dei  S.  S.  Martui  S.  519)  in  Eiitakombengräbem  gefundenen 
Eierschalen  nicht   mit  Raoul-Rochette  (Troisiime  möm. 
p.   252  sq.)  als  Ueberbleibsel   der   angeblich   hier  gefeierten 
Agapen  anzusehen  ^    noch   mit   dem  Verfasser  (S.  621)  als 
Behälter  von  irgendwelchen  (welchen?)  flüssigen  Stoffen^  wie 
schon  Lupi  vermutet  hatte,  zu  erklären,  sondern  in  dersel- 
ben sepiücral-symbolischen  Bedeutung  zu  fassen,  in  welcher 
dieselben  in  der  heidnischen  Volkssitte  in  die  Ghilber  einge- 
schlossen zu  werden  pflegten  (vgl.  Bachofen,  Qräbersymb., 
S.  40  ff.).     In  Beziehung   auf  die  vielberufene  BVage   nach 
dem    Inhalte    der  sog.  BlutampuUen    vertritt   de   Rossi   die 
traditionelle  römische  Ansicht  und  trägt  kein  Bedenken,   die 
Berichte  von  Laiiducci  und  Marangoni,  welche  in  diesen 
Gefässen  noch  flüssiges  Blut  gesehen  haben  wollen,  als  Beweise 
heranzuziehen  (S.  616  ff.).     Im  übrigen   bezieht  er  sich  auf 
das  dem  Werke  beigegebene  Protokoll  einer  von  Michele 
Stefano  de  Rossi  geleiteten  chemischen   und  mikroskopi- 
schen Untersuchimg  des  Inhaltes  eines  im  Jahre  1872  in  S. 
Satumino  entdeckten  Fläschchens,  die  mit  dem  Resultate  ab- 
schliesst^  dass  das  fragliche  Gefäss  in  der  Tat  Blutreste  enthalte 
(S.  707 — 717).     Referent  ist  nicht  in  der  Lage,  über  dieses 
Gutachten  ein  Urteil  abgeben  zU  können;  die  Frage  in  dem 
Stadium,  in  welchem  sie  jetzt  sich  befindet,  gehört  vor  das 
Tribunal  der  Chemiker.    Doch  sei  bemerkt,    dass  über  der 
Geschichte  der  Auffindung  jener  Ampulle  ein  gewisses  Dun- 
kel schwebt,    und  dass  auch  Kraus  (Roma  sott.  S.   515) 
durch  jene  Analyse  nicht    vollkommen  überzeugt   zu    sein 
scheint.     Eine    neue,    gründliche    Untersuchung    der   Sache 
wäre   wünschenswert.    —    Auch   in    der   Frage,    ob   unter 
den   in   den    Katakombengräbem   verschiedentlich    gefunde- 
nen   Instrumenten    Marterwerkzeuge    zu     erkennen     seien, 


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DIE  KIRCHL.  ARCHÄOLOGIE  1875-1878.  279 

schliesst  sich  der  Verfasser  den  älteren  Darstellern  der  ,,  Roma 
sotterranea"  an  (S.  621 — 623).  Aber  einerseits  sind  die  zur 
Stütze  dieser  Behauptung  herangezogenen  schriftlichen  Quellen 
zu  jung;  um  etwas  beweisen  zu  können ^  andrerseits  wird 
durch  die  vielfach  zu  beobachtende  antike  VolkssittC;  den 
Todten  Werkzeuge  und  Gegenstände  gleicher  Art  in  das 
Grab  zu  legen^  die  Erklärung  dieses  Tatbestandes  in  andere 
Richtung  gewiesen.  Die  Angaben  femer,  nach  welchen  in 
verschiedenen  Fällen  Schädel  mit  eingetriebenen  Nägeln 
beobachtet  sein  sollen,  sind  höchst  unzuverlässig.  Auch  macht 
der  Verfasser  selbst  einen  Fall  namhaft,  dass  in  einem  heid- 
nischen Grabe  in  dem  Schädel  einer  Frau  ein  durch  zu- 
fällige äussere  Umstände  eingedrungener  Bronzestilus  (Haar- 
nadel) gefunden  wurde  (S.  623).  So  wird  man  sich 
der  Behauptung  gegenüber,  dass  die  alte  Kirche  die  Sitte 
geübt  habe,  den  Märtyrern  die  Marterinstrumente  in  das 
Grab  mitzugeben,  vorerst  abweisend  zu  verhalten  haben.  — 
Den  Schlussteil  des  Buches  bildet  die  Darstellung  des  Coe- 
meteriums  der  Generosa  an  der  Via  Portuense  aus  den  ersten 
Decennien  des  4.  Jahrhunderts  (S.  647 — 697),  das  an  sich 
wenig  wichtig  ist,  aber  über  die  Stellungnahme  des  sieg- 
reichen Christentums  zu  den  Resten  heidnischen  Cultus  und 
heidnischer  Monumente  in  interessanter  Weise  Aufschluss 
giebt  ^).  Trotzdem  nämlich  die  genannte  Katakombe  bei 
nnd  unter  dem  Haine  der  Arvalbrüder  angelegt  ist,  hat  man 
dennoch  keines  der  zahlreichen  Monumente  des  Heiligtums 
der  wohl  zur  Zeit  der  Gordiane  aufgehobenen  Bruderschaft 
zu  coemeterialen  Bauten  verwandt  (vgl.  dazu  Symmachi 
Kelationes  ed.  Meyer  [Leipzig  1872],  p.  28 sq.).  Erst  nach  dem 
4.  Jahrhundert  begann  die  Verwüstung  und  Ausbeutung  des 
Haines  (S.  695f.). 

Wie  der  erste  und  der  zweite  Band  der  R.  S.  ist  auch 
der  vorliegende  ungemein  anregend  und  reich  an  Neuem  und 
Vortrefflichem;  das  Epigraphische  ist  mit  gewohnter  Meister- 
schaft behandelt.    Zu  bedauern  aber  ist,  dass  auch  dies  Mal 


1)  Vgl.  auch  G.  Henzen,  Acta  firatrum  Arvalium  (Berol.  1874), 
p.  XV  sq. 

ZeiUchr.  t  E.-Q.  lU.  8.  19 

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280  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN.    SCHÜLTZE, 

der  Druck  kirchlicher  Voreiiagenommenh^t  die  Untersuchungen 
des  Verfassers  vielfach  beeinflusst  und  die  Resultate  bestimmt 
hat;  es  tritt  dies  besonders  lib.  IIT,  cap.  XIV.  XV  hervor.  —  Auf 
einzelne  Teile  des  Buches  kommt  Referent  weiter  unten  zurück. 

Der  naheliegende  Gedanke,  die  in  verschiedenen  Publi- 
cationen    niedergelegten    Forschungen    de    Rossi's    über    die 
altchristlichen  Monumente,   insbesondere   über   die  römischen 
Coemeterien,  in  verkürzter  Form  zu  einer  einheitUchen ,   für 
weitere    Ki*eise    bestimmten   Schrift    zu    verarbeiten,    wurde 
durch    die    englischen    Gelehrten    J.    S.    Northcote    und 
W.  R.  Brownlow  zur  Ausfuhrung  gebracht.     Die  „Roma 
sotterranea"  derselben  erschien  im  J.  1869   in  London    und 
wurde  bald  darauf  durch  Allard  in  das  Französische  über- 
setzt (Paris  1872).     In   die  deutsche  Literatur  fiihrte  F.  X. 
Kraus  das  Buch  ein  (Freibui^  1873),  jedoch  mit  wesentlichen 
Umgestaltungen  imd  vielfachen  Zusätzen.    Die  seitdem  erfolg- 
ten neuen  Entdeckungen,  besonders  diQ  im  3.  Bande  der  R.  S. 
niedergelegten,    veranlassten  den  Herausgeber   zu    der  vor- 
liegenden    mannigfach     vermehrten,     hübsch    ausgestatteten 
neuen  Ausgabe.    Da  es  sich  indes  um   ein   fast  durchgängig 
referirendes  Buch  handelt,  so  glaubte   ich  darauf  verzichten 
zu  dürfen,   den  Lihalt  desselben   hier  zu  besprechen.     Die 
vom  Herausgeber  selbst  hinzugefügten  Teile,   z.  B.  der  Ab- 
schnitt   über    die    altchristliche  Epigraphik    (S.    431 — 485), 
heben  sich  von   den   dem   englischen  Werke    entnonmienen 
Partien  sehr  vorteilhaft  ab   imd  lassen  bedauern,    dass  der 
Herausgeber  nicht  gänzUch  auf  jenes  verzichtet  hat    Im  eJl- 
gemeinen  aber  empfängt  man  bei  der  Leetüre  dieser  Schrift 
den  Eindruck,    dass  die   christliche  Archäologie  zwar  über 
ein    reiches  Material  verfugt,    dass    aber    die    nicht    sowohl 
durch  de  Rossi  als  durch  die  Interpreten  des  17.  Jahrhunderts 
bestimmte  übliche  Art  imd  Weise,  die  Au%abe  zu  begreifen 
und  zur  Lösung  zu  fuhren,  unrichtig  sei. 

Die„Storia  deU'  arte  cristiana"  des  Pater  Garrucci  *), 
welche  bestimmt  ist,  die  Geschichte  und  das  Wesen  der 
christlichen  Kunst  von  ihren  Anfängen  bis  zima  8.  Jahrhundert 

»)  Vgl.  Repertor.  f.  Kunstwissensch.  1876,  S.  127—131. 

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DIE  KiHCHL.  ABCBlOLOGlE  1875-1878.  281 

ZU  illnstriren,  erscheint  in  Lieferungen  seit  1873.  Der 
2.  Band  umfasst  die  örabgemäMe;  der  ä.  Band  die  nicht- 
coemeterialen  Bilder,  besonders  die  Bilderhandschriften  und  die 
Gbldgläser.  Den  einzebien  Tafeln  ist  eine  kurze  Erklärung 
beigefügt,  daneben  bringt  der  noch  im  Erscheinen  begriffene 
1.  Band  eine  Geschichte  und  Einzelcharakteristik  der  christ- 
lichen Kunst  innerhalb  der  angilbenen  Zeitgrenzen.  Der 
4.  Band  bdiandelt  die  Mosaiken,  der  ö.  Band,  von  wdchem 
erst  einige  Lieferungen  voriiegen,  die  Sculptui'en.  —  Das 
Werk  wird  der  archäologischen  Forschung  als  bequemes  Com- 
pendium  willkommen  sein,  obgleich  der  Text  nur  einen 
untergeordneten  Wert  hat,  und  die  in  hohem  Grade  idea- 
lisirten  Abbildungen  den  Gebrauch  für  stilistische  Unter- 
suchungen wenigstens  ausschliessen.  —  Der  gleiche  Vor- 
wurf ungenauer  Wiedergabe  der  Monumente  triffi  zum  Teil 
das  Prachtwei'k  Salazaro's,  welches  als  eine  Fortsetzung 
der  „Mitteiak.  Baudenkmale  UnteritaHens"  von  W.  Schulz 
(Dresden  1860)  anzusehen  ist.  Der  Text  ist  knapp,  zu- 
weilen von  zweifelhaftem  Wert.  Der  Abschnitt  über  die 
altehristliche  Kunst  (l.  Helt)  ist  völlig  unbrauchbar. 

Eine  neue  Auflage  von  Martigny's  Dictionnaire  (die 
1.  Aufl.  V.  J.  1864)  war  schon  seit  einiger  Zeit  in  Aussicht 
gestellt  und  in  der  Tat  durch  die  jüngsten  Forschungen  un- 
umgänglich nötig  gemacht.  Der  Verfasser,  der  in  der  Vorred« 
im  voraus  alles  revocirt,  was  in  seinem  Buche  dem  kirch- 
lichen Dogma  widerstreiten  könne,  ist  fast  durchgängig  rein 
compilatorisch  ver&hren  und  hat  es  unterlasse  den  gegeben 
nen  Stoff  wissenschaftlich  zu  verarbeiten  imd  auf  eine  mög- 
lichst knappe  Form  zu  bringen,  was  doch  für  ein  solches 
Buch  wesentlich  ist.  —  Einzelne  Unrichtigkeiten  begegnen 
häufig  *)•,  aus  den  Märtjrreract^i  wird  unbedenklich  bewiesen. 

i)  Z.  B.  Ist  die  S.  623  mitgeteilte  Gemme  nicht  christlich,  son- 
dem  ein  Ifithrasmonament  (ygl.  Lajard,  Gölte  de  Mithra,  pl.  XVI, 
7a);  die  nach  Yermiglioli  (Iscriz.  Perug.  II,  452)  citirte  Märtyrer- 
inschdft  („plumbatis  caesos'^)  ist  längst  als  eine  Fälschung  erwiesen; 
ähnlich  steht  es  nm  das  Pisaner  Epitaph.  S.  381.  —  „Bestitutus^* 
(^8.  513)  findet  sich  auch  als  heidnischer  Name,  worüber  die  Ltdiöes 
des  C.  I.  L.  zu  vergleichen. 

19* 

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282  KBITISCHE  ÜBERSICEHTEN.    SCHULTZE, 

Die  Zeichnungen  genügen  im  allgemeinen;  zuweilen  aber 
sind  dieselben  vollständige  Karrikaturen  der  Originale  (bes. 
S.  790,  268,  407).  Gbnz  anders  stellt  sich  das  archäolo- 
gische Wörterbuch  von  Otte  dar,  welches  ebenfalls,  an 
Seiten-  imd  Bilderzahl  bedeutend  veimehrt,  in  neuer  Auflage 
vorliegt  Der  hübsch  ausgestattete  Band  rechtfertigt  in  vol- 
lem Masse  die  hohen  Erwartungen,  welche  man  jedem  Werke 
des  verdienstvollen  Verfassers  entgegenträgt.  Dass  einzdne 
Definitionen  nicht  genau  oder  gradezu  unrichtig  sind,  und  eine 
Reihe  von  Wörtern  fehlt,  tut  dem  Werte  des  Buches  direct 
keinen  Abbruch;  wir  dürfen  diese  Mängel  wohl  bald  in 
einem  Supplementheftchen  oder  in  einer  neuen  Auflage  be- 
seitigt sehen.  —  Da«  englische  Lieferungswerk  von  Smith 
undCheetam^)  zeichnet  sich,  soweit  dasselbe  Referent  vor- 
liegt, durch  Gediegenheit  des  Inhaltes  und  echt  wissenschaft- 
liches Verfahren  vor  ähnlichen  Lexika  vorteilhaft  aus  *).  — 
Cahier  hat  seinem  verdienstvollen  Sammelwerke,  von 
welchem  bereits  7  Bände  erschienen  sind  (Paris  1847  ff); 
einen  weiteren,  die  Decoration  der  Kirchen  behandelnden  Band 
hinzugeftigt  Der  Text  ist  kurz  und  nicht  selten,  besonders 
unter  AbtIg.  UI  (Sarcophages  divers),  zu  rectificiren;  der 
eigentliche  Wert  des  Werkes  Hegt  in  den  vortrefflichen 
Abbildungen.  Besonders  dankenswert  erscheint  mir  Abtlg.  V: 
„mobilier  eccl^siastique". 

1)  Vgl.  Repert.  f  Kunstwissensch.  1876,  S.  417  ff. 

*)  Das  illufltrirte  archäologische  Wörterbuch  von  A.  Müller  und 
0.  Mothes  (Lpz.  u.  Brl.  1877.  1878,  1002  S.  mit  1520  TextabbUd. 
in  gr.  40)  ist  ein  wohl  ausgestattetes  und  gut  anleitendes  Werk,  an 
das  man  freilich  den  Massstab  strenger  Wissenschaftlichkeit  nicht 
legen  darf.  Auch  das  vortreffliche  „Dictionary  of  Christian  Biograpfay^ 
Liiterature,  Sects  and  Doctrines**  von  W.  Smith  und  H.  Wace 
(Lond.  1877  vol.  I,  A— D,  914  S.  in  gr.  80)  ist  hier  zu  nennen,  wenn  ' 
auch  in  demselben  gemäss  dem  Zwecke  des  Werkes  das  Archäo- 
logische nur  eine  nebensächliche  Berücksichtigung  erfahrt.  —  Eine 
übersichtliche,  hauptsächlich  an  Kraus  anschliessende  Darstellung  und 
Charakteristik  altchristlicher  Monumente  findet  sich  bei  Th.  Har- 
nack,  Praktische  Theologie  (Erlangen  1877),  L  Bd.,  S.  304—339. 
Grimouard  de  St.  Laurent,  Guide  de  Tart  chr^tien  (Paris  1875), 
vol.  VI,  sowie  E.  Reusen* s  Elements  d'arch^logie  chr^tienne  (Lou- 
vain  1875),  t.  U,  waren  mir  nicht  zugänglich. 


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DIE  KUtCHL.  ARCHÄOLOGIE  1875-1878.  283 

II. 

Q.  B,  de  Botcd»  Musaici  cristiani  e  saggi  dei  pavimenti  delle  chiese 

di  Roma  anteriori  al  secolo  XV.o.  Roma  1873.  (FascO.  I— VI,  in  fol.) 
IL  Gkumooi,  Storia  dell'  arte  cristiana,  vol.  IV  o. 
^ug,  Müntz,  Notes  sur  les  mosaiques  chr^.  de  Tltalie.    Revue  ar- 

eh^l.  1874,  S.  172—177  (Sainte-Prax^de  de  Rome) ;  1875,  S.  224  bis 

230.  273—284   (Sainte - Constance    de  Rome);    1876,  S.  400—413; 

1877,  S.  32—46  (les  pavements  historife);  S.  145—162  (l'oratoire 

du  I^pe  Jean  IQ). 
J.  P.  Biohter,  Die  Mosaiken  von  Ravenna.   Wien  1878.    (186  S.  u.  4 

Taf.  gr.  8».) 
JC  Martlgiiy»  Mosaique  chr^enne  tronv^e  aSens.    (Gazette  arch^l. 

1877,  S.  189-196,  pl.  XXXI-XXXH.) 

Den  Mosaiken  christlicher  Kirchen  wird  in  neuerer  Zeit 
wiederum  ein  lebhaftes  Studium  zugewandt.  Seit  Ciampi- 
ni's  „Vetera  Monimenta^^  (Romae  1690.  1699)  war  bis  in 
die  neueste  Zeit  auf  diesem  Gebiet  nur  vereinzelt  und  unge- 
nügend gearbeitet  worden.  An  der  Spitze  der  neueren 
Publicationen  steht  der  4.  Band  der  „Storia  dell'  arte  cristiana" 
Garrucci's,  der  die  oben  bezeichneten  Mängel  der  übrigen 
Bände  teilt  —  Die  Auüsätze  von  Müntz  sind  leicht  ge- 
schrieben und  beruhen  nicht  auf  tieferem  Studium  der  be- 
sproch^ien  Mosaiken.  Vor  dem  Irrtume,  in  den  Gewölbe- 
mosaiken von  S.  Costanza  christliche  Symbole  und  Zeichen  zu 
finden^  würde  den  Verfasser  der  Vergleich  mit  antiken  Orna- 
menten bewahrt  haben.  Das  Schaf  mit  mulctra  ist  zwar 
eine  specifisch  christliche  Darstellung,  gehört  aber  auch  dem 
ursprünglichen  Werke  nicht  an,  sondern  der  späteren  Restau- 
ration, wie  es  denn  auch  gar  nicht  in  das  Ensemble  der 
Mosaiken  passi  Wenn  also  auch  an  dem  christlichen  Ur- 
sprünge des  Gebäudes  selbst  nicht  zu  zweifeln  ist,  so  be- 
weisen andrerseits  die  bildlichen  Darstellimgen,  dass  die 
christliche  Kunst  damals  noch  keine  eigenen  Mosaicisten  be- 
sass  und  sich  heidnischer  Meister  bedienen  musste.  Denn 
die  Motive  sind  dem  bacchischen  Bilderkreise  entnommen, 
wie  auch  in  den  Deckengemälden  der  Katakomben  von 
S.  Gennaro  dei  Poveri  in  Neapel.  Der  Versuch,  die  Mo- 
saiken des  Rin^ewölbes  und  diejenigen  der  Conchen  des- 


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284  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN.    SCHÜIiTaB, 

selben  Gebäudes  als  gleichzeitig  zu  erweisen,  sollte  nach  den 
Bemerkungen  Schnaase's  (Gesch.  d.  bild.  Künste  III,    567; 
vgl.  auch  Burkhard,  Cicerone,  2.  Aufl.,  S.  730)  mcht  mehr 
gemacht  werden.     Die  Frage  darf  als  entschieden  angesehen 
werden,    wie    sehr  auch   noch   die  Ansichten  über  das    ge- 
nauere   Alter    der    Conchenmosaiken    auseinandergehen.     — 
Die  musivischen  Monumente  von  Kavenna,   ungleich    wich- 
tiger als  die   römischen,  haben  in  jüngster  Zeit  mehrfache 
Bearbeitungen   erfahren.     Rud.   Rahn  (Jahrbb.   flir   Kuikst- 
wis^ntschaft:  von   Zahn   [Leipzig    18^];  S.    163—182.    273 
bis    321),    Crowe    und    Cavalcaselle    (Geschichte     der 
italienischen    Malerei,     deutsche    Originalausgabe,    Band    I^ 
S.    18  ff.)    und   Garrucci    haben    dem   jüngsten  Darsteller 
dieser  Monumente,  J.  P.  Richter,  tüchtige  Vorarbeiten  ge- 
liefeirt,  deren  Resultate  sich  derselbe  vielfach  angeeignet  und 
mit  eigenen  gründlichen  Studien  verknüpft  hat.    Die  Schrift 
Richler's  ist  jedenfalls  das  Beste,  was  wir  über  diesen  Gegen- 
stand besitzen ;  leider   tritt  das  Archäologische  durchaus   vor 
dem    Kunsthistorischen    zurück,    während    doch    diese    Mo- 
saiken besonders    in    archäologischer  Beziehung    höchst   in- 
teressant imd  wichtig  sind.    In  eiioem  Schlusskapitel  bespricht 
der   Verfasser    die    kunsthistorische    Bedeutung    der    raven- 
natischen  Mosaiken,   indem  er  die  bereits  von  Crowe  und 
Cavalcaselle  (S    17f.)   au%estellte  Behauptung,  dass   die 
altchrisäiche  Mosaikkunst  direct  auf  griechische  Vorbilder  zu- 
rückgegriffen habe,  weiter  ausführt  Referent  kann  dieser  An- 
sicht nicht  beistimmen;  der  Unterschied  zwischen  der  Kata- 
kombenmalerei  und   den  musivischen  Werken  ist  nicht  so 
sehrofl^  vrie  es  der  oberflächlichoi  Beürachtung  erscheint,  und 
der  Ver&sser  kurzweg  behauptet  (S.  117).    Der  naheli^ende 
Vergleich   mit   den  Darstellungen  der  Goldgläser  ist   nicht 
gemacht  worden,  während  dieselben  z.  B.  fiir  die  Prozessions- 
^ruppen  interessante  Parallelmi  bieten.   So  würde  auch  wohl 
die  Behauptung  weggefallen  sein,  dass  der  „gute  Hirts^'  im 
Mausoleum  der  Galla  Placidia  „so  ganz  aus  d^n  ZuaammcB- 
hange  der  firüheren  Entwicklung^'  herausfalle  (S.  117),  wo- 
gegen zu  vgl  Garrucci,  Vetri  antichi,  Ä.  Aufl.,  tav.  VI,  3  ^). 
Die  auch  von  dem  Ver&sser  aufgenommene  beliebte  Meinung, 


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DBB  KIHCHL.  ARCHÄOLOGIE  1875-1878.  285 

dass  die  Darstellung  eine»  aus  einer  Vase  hervorwachsenden 
Weinstockes  in  S.  Pretestato  in  Rom  eine  sacramentale  Be- 
deutung habe  (S.  19),  wird  dadurch  ausgeschlossen,  dass  die 
sehr  alte  Decoration  dieser  Grabkammer  sich  genau  an  heid- 
nische Muster  hält,  ja  wahrscheinlich  gar  nicht  christlichen 
Ursprunges  ist.  Denn  die  Figui-  des  guten  Hirten  (Kraus, 
Roma  sott.,  S.  91)  ist  bestimmt  eine  spätere,  von  der  ur- 
sprünglichen Malerei  leicht  zu  unterscheidende  Zutat.  —  In 
der  von  de  Rossi  geleiteten  Publication  römischer  Mosaiken 
ist  der  Hanptwert  auf  die  in  der  Tat  vortrefflich  ausgeführ- 
ten Tafeln  gelegt;  der  beseitende  Text  —  italienisch  und 
französich  —  beschränkt  sich  auf  Mitteilung  des  Notwen- 
digsten *).  —  Das  von  Martigny  behandelte,  in  Sens  auf- 
gefundene Mosaikfragment  scheint  einem  Baptisterium  des 
7.  Jahrhunderts  angehört  zu  haben  und  bietet  nichts  Be- 
sonderes. 


m. 

I«e  Blant,  Les  larmes  de  la  pri^re.  (Gazette  arch^l.  1875,  S.  73 — 83, 

pl.  XIX.) 
,  Sur  un  sarcopbage  chr^t.  portantjl^image  des  Dioscures.  (Ebend. 

1878,  S.  1—6.) 
P.  Minasi,  Le  sarcophage  de  Sainte-Quittcric.    (Revue  de  Tart  chr^t. 

1876,  S.  77—106.) 

Heren  de  VillefoBse,  Sarcophage  chr^t.  deSyracuse.    (Gaz.  archM. 

1877,  S.  157-168,  pl.  XXV.)  ») 

Le  Blant,  La  vierge  au  ciel.   (Revue  arch^ol.  1877,  S.  353—359,  pl. 

xxni  u.  XXIV.) 

Grünouard  de  Saint-Laurent,  Etüde  sur  une  s^rie  d'anclens  sarco- 
phages.  (Revue  de  rartchr^t.  1876,  S.  146—161;  H,  S.  435—457.) 

1)  Der  Aufsatz  von  B.  Lewis:  „The  antiquities  of  Ravenna"  im 
Arehaeological  Journal  1875,  p.  417—431  ist  weder  selbständig  noch 
wissenschaftlich. 

«)  S.  Theol.  Lit.-Ztg.  1876,  S.  81  ff. 

s)  Zu  vgl.  auch  Cavallari  im  Bull,  della  conun.  die  antich.  di 
Sicilia  1872,  S.  22—27.  Carini,  ebend.,  S.  27—33.  Matranga  in 
der  Rivista  Europea,  Nov.  u.  Dec.  1872;  di  Giovanni  im]  Giomale 
di  Sidlia,  5.  Nov.  1872. 


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286  KBinSCHE  ÜBERSICHTEN.    SCHULTZ^, 

De  BoBBi,   L'insigne  piatto  vitreo  di  Podgoritza.    (Bull,  di  archeol. 

crist.  1877,  S.  77—85;  vgl.  1874,  S.  153ff.) 
,  Insigne  vetro,  sul  quäle  h  efifigiato  il  battesimo  d'  una  fiEuiciulla. 

rBull.  di  archeol.  crist.  1876,  S   7—15.  53—58,  tav.  I.) 
N.  Kondakoff,  Les  sculptures  de  la  porte  de  Sainte-Sabine  k  Romc. 

(Revue  arch^l.  1877,  XXXHI,  S.  361—372.) 
De  BoBBi,  I  sarcofagi  marmorei  sculti  e  figurati  sotterra  e  sopra 

terra.  (Roma  sott.  HI,  440—454.)  i) 

Die  gallischen  Sarkophagreliefs  sind  fiir  die  archäolo- 
gische und  die  kunsthistorische  Forschung  darum  von  grosser 
Bedeutung^  weil  siC;  aus  einer  relativ  selbständigen^  von  Rom 
nur  in  geringem  Grade  beeinflussten  Kunstschule  hervorge- 
gangen ^  eine  ganze  Reihe  höchst  eigentümlicher  und  sonst 
durch  keine  Parallele  belegter  Sujets  aufweisen.  Erst  in 
neuerer  Zeit  hat  man  diese  Tatsache  zu  würdigen  angefangen^ 
xmd  während  man  sich  noch  bis  vor  kurzem  mit  den  unge- 
nügenden Zeichnimgen  Millin's  (Voyage  au  midi  de  la 
France)  zu  behelfen  hatte,  Uegt  jetzt  schon  eine  Reihe  dieser 
Monimiente  in  trefflichen  Abbildungen  vor.  —  Auf  einem 
von  Le  Blant  publicirteU;  aus  Arles  stammenden  Sarko- 
phagrelief erscheint  als  Hauptscene  ein  thronender  Christas^ 
zu  welchem  sich  zwei  männliche  Personen ,  das  Gesicht  mit 
einem  Tuche  bedeckend,  stürmisch  hinbewegen.  Zwei  wei- 
tere Personen  liegen  zu  den  Füssen  Jesu  ausgestreckt.  Der 
Verfasser  erkennt  hier  „larmes  de  prifere"  und  nimmt  davon 
Veranlassimg,  über  das  Weinen  im  heidnischen  und  christ- 
lichen Altertume  eingehend  zu  handeln.  In  Wirklichkeit 
aber  stellt  die  Scene  einen  Adorationsact  dar,  bei  welchem 
das  Gesicht  verhüllt  wurde.  Richtig  dagegen  hat  derselbe 
Gelehrte  ein  anderes,  ebenfalls  arelatisches  Relief  au%efa8st, 
welches  die  bisherige  Interpretation  nicht  zu  begreifen  wusste, 
indem  er  die  auf  demselben  dargestellten  Dioskuren  als  ein 
in  den  christlichen  Bilderkreis  übemonunenes  antik-sepulcrales 
Element^),   in  der  Bedeutung  als  Repräsentanten  von   Tag 


1)  Vgl.  dazu  Kraus,  Roma  sott.,  S.  347—374. 

8)  Ein  von  de  Rossi  im  Bull,  di  archeol.  crist.  1876,  tav.  IV 
(vgl.  S.  27 — 30.  153flF.)  publicirter  Sarkophag,  der  in  einem  in  der 
Umgebung  Roms  entdeckten  christlichen  Privatcubiculum ,  etwa  des 


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DIE  KIRCHL.  ARCHÄOLOGIE  1875-1878.  287 

und  Nacht,  Tod  und  Leben  constatirt.  —  Eines  der  wich- 
tigsten Sculpturmonumente  Galliens  hat  der  Jesuit  Minasi 
zum  Gegenstande  eines  längeren  Commentars  gemacht,  einen 
Sarkophag  in  der  Kirche  Sainte-Quitterie  in  Aire  (Döp.  des 
Landes).  Besonders  das  Mittelrelief  scheint  Referent  darum  von 
einzigartiger  Bedeutung  zu  sein,  weil  es  die  der  Darstellung 
des  guten  Hirten  zu  Grunde  liegende  Idee,  welche  immer 
noch  unrichtig  gefasst  wird,  deutlich  entfaltet.  Dem  Verfasser 
ist  indes  diese  Bedeutung  der  Gruppe  verborgen  geblie- 
ben; derselbe  geht  aus  den  Bahnen  des  traditionellen  Ver- 
fiahrens  nicht  heraus,  es  kommt  ihm  in  erster  Linie  darauf 
an,  die  den  „guten  Hirten^'  begleitenden  Frauen  als  Maria 
und  als  die  Personification  der  Kirche  :5U  erweisen.  Aehn- 
Uch  Garrucci  (t.  V,  p.  11)^).  —  Die  Auffindung  eines 
figurirten  Sarkophags  in  der  Kiitakombe  S.  Giovanni  in 
Syrakus  i.  J.  1872  durch  Cavallari  hat  entschieden,  dass 
die  sicilianische  altchristliche  Kunst  durchaus  durch  die  rö- 
mische bestimmt  ist,  ein  Verhältnis,  für  welches  ausserdem 
einige  rohe  Reliefs  in  der  Ejypte  der  Kathedrale  von  Pa- 
lermo Beispiele  sind.  An  sich  bietet  der  syrakusanische 
Sarkophag  nichts  Besonderes,  nur  eine  Doppelscene  des 
Deckels  ist  vollkommen  neu*).  Matranga,  Carini,  di 
Giovanni  haben  ganz  verschiedene  Erklärungen.  Höron 
de  Villefosse  wagt  nicht,  etwas  Bestimmtes  zu  behaupten, 
deutet  aber  an,  dass  sich  die  eine  Hälfte  der  Doppelscene 
auf  ein  Ereignis  aus  dem  Leben  der  Maria  beziehen  könne, 
eine  Vermutung,  die  Le  Blant  zu  der  bestimmten  Behaup- 
tung erhoben  hat,  dass  die  Gruppe  Maria  darstelle,  welche  auf 


vierten  Jahrhunderts,  gefanden  wurde,  ist  in  gleicher  Weise  durch 
symbolisch -mythologische  Reb'efdarstellungen  charakteristisch.  Zu 
vgl.  auch  die  merkwürdigen  Reliefs  einer  alexandrinischen  christlichen 
LÄmpe,  worüber  Referent  im  „Christlichen Kunstblatt"  187»,  S.  81—84. 

0  Einige  weitere  galb'sche  Reliefs  finden  sich  in  dem  oben  er- 
wähnten Werke  Cahier^s,  Abtlg.  III,  „Sarkophages  divers"  mit  kur- 
zem Commentar  mitgeteilt. 

*)  Relief:  eine  thronende  Matrone  in  Redeactus,  umgeben  von  vier 
weiblichen  Gestalten.  Dieser  Gruppe  wird  von  links  eine  Jungfrau 
durch  zwei  andere  Jungfrauen  zugeführt. 


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KRITISCHE  ÜBERSICHTEN.    SCHULTS5E, 

ihrem  Throne  die  zu  ihr  geführte  Adelfia  (das  ist  nach  dem 
Epitaph  der  Name  dOT  in  dem  Sarkophage  Beigesetzten)  em- 
p^kngt.  Er  stützt  sich  hierbei  auf  ein  Relief'  des  Campo 
Santo  in  Pisa,  aber  dieses  ist  gar  nicht  christücli,  wie  schon 
Lasinio  (Raccoltk  dei  sarcof.  u.  s.  w.  S.  14)  richtig  ge- 
sehen und  Dütschke  (Die  antiken  Biidw.  des  Campo  santo 
in  Pisa,  Leipzig  1874)  neuerdings  bestätigt  hat  So  wenig 
Referent  den  bisherigen  Erklärungsversuchen  zustimmen  kann, 
ist  er  selbst  in  der  Lage,  jetzt  schon  über  den  Inhalt  dieser 
so  rätselhaft  scheinenden  Gruppe  sich  bestimmt  ausspredien 
zu  können.  —  Allen  Erklärem  ist  übrigens  entgangen,  dass 
Sarkophagkörper  und  -deckcl  ursprünglich  nicht  zusammen- 
g^törten  und  aus  den  Händen  zweier  Künstfer  hervorge- 
gangen sind. 

Die  Reliefdarstdhingen  des  i.  J.  1838  bei  den  Restau- 
rationsarbeiten in  der  Basilika  des  Apostels  Paulus  vor  Rom 
aufgefundenen,  jetzt  im  Lateranmuseum  befindlichen  christ- 
lichen Sarkophags  aus  dem  Anfange  des  &.  Jahrhunderts 
werden  seit  Marchi,  der  dieselben  zuerst  beschrieb,  von 
katholischen  Forschem  mit  Vorliebe  betont  und  interpretirt. 
Didron  (Annales  archM  XXIV,  S.  266 flF.);  de  Rossi 
(Bull.  1865,  S.  68 sqq.),  Martigny  (Dict.  S.  717),  Gar- 
rucci  (Storia  I,  46  ff.)  haben  in  diesem  Sinne  das  Monu- 
ment behandelt  *).  Von  gleichem  Gesichtspunkte  aus  be- 
trachtet Grimouard  de  Saint-Laurent  dasselbe,  con- 
centrirt  jedoch  seine  Untersuchungen  vorwiegend  auf  die 
drei  Schlussscenen  der  unteren  Reliefreihe,  welche  ihm  den 
Primat  des  Petrus  in  besonderer  Weise  iUustriren,  wie  auch 
schon  Marchi  seine  Verwundenmg  darüber  ausgesprochen 
hatte,  dass  trotz  dieser  Darstellungen  so  viele  Häretiker  in 
der  Verneinung  des  petrinischen  Primats  verharren  könnten 
(Civiltk  catt.  VIIl,  574).  Referent  bemerkt  jetzt  hier  nur, 
dass  es  sich  in  Wirklichkeit  um  die  Verleugnung  Petri 
und  um  zwei  Scenen  aus  dem  Leben  des  Mose  handelt. 
Aber  bekanntlich   identificiren  die  katholischen  Archäologen 

i)  Vgl.  auch  die  deutsche  Roma  sott.  S.  3Ö4--3Ö7,  wo  die  Re- 
liefs mit  Aoschluss  an  de  Rossi  besprochen  sind. 


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QI£  KIRCHL.  AACHÄOLOeiE  1875^1878.  289 

auf  Grund  dreier  Monumente  des  5.  Jahrhundert»;  auf  wel- 
chen Petrus  an  Stelle  des  Mose  das  Quell^iwunder  vollzieht, 
Moae  mit  Petrus  und  sdehen  daraus  fiir  die  älteste  christ- 
liche Zeit  dogmatische  Folgerungen.  Dasselbe  unwissen- 
schaftliche Verfahren  hat  neuerdings  wiederum  auch  de 
Rossi  bei  der  Erklärung  einer  aus  Podgoritza  stammenden 
Giasschale  mit  rohen  OrafiStoscdiehnungen  befolgt.  Dieselbe 
zeigt  neben  der  Darstellimg  des  mosaischen  Quellwunders 
die  Inacfarift:  Petrus  virga  perquodset  (percussit), 
fontis  ciperunt  quorrere  (coep.  currere).  Da  aber 
diese  Worte  an  Num.  20,  11  anklingen,  und  die  Patene 
ausserdem  über  den  Figuren  Adam's  imd  Eva's  die  Namen 
hat:  ABRAM  ET  FIFVAM  (Evam),  so  handelt  es  sich  wahr- 
scheinlich nur  um  einen  Irrtum  des  Schreibenden.  Wenn 
nicht,  so  darf  man  jedenfalls  aus  vereinzelten  Monumenten 
des  5.  Jahrhunderts  keinen  Schluss  auf  das  zweite  und 
dritte  Jahrhundert  in  der  Weise  machen,  wie  hier  und  sonst 
geschieht  *). 

Ueber  das  Alter  der  bekannten  Holzreliefs  an  der  Tür 
der  Basilika  der  heiligen  Sabina  auf  dem  Aventin  konnten 
biß  in  die  jüngste  Zeit  danmi  die  abweichendsten  Vermutun- 
gen ausgesprochen  werden,  weil  in  diesem  interessanten  Bilder- 
cykhis  neben  Sculpturen  altchristlichen  Charakters  entschie- 
den miitelalterUche  Typen  zur  Verwendung  gekommen  sind. 
So  entschied  sich,  von  letzteren  ausgehend,  nach  dem  Vor- 
gange von  Agincourt,  Schnaase  (Greschichte  der  bilden- 
den Künste  VII,  251)  für  das  11. — 13.  Jahrhimdert,  wäh- 
rend Crowe  und  Cavalcaselle  (Geschichte  der  ital. 
Malerei  I,  49  f)  die  Reliefs  dem  6.  Jahrhimdert  zuwiesen. 
Diesel  divergirenden  Meinungen  gegenüber  hat  Konda- 
koff  aus  einer  Analyse  der  einzehien  Bildergruppen  selbst 
imd  an  der  Hand  historischer  Zeugnisse  den  Nachweis  ge- 
Uefert,  dass  die  Sculpturen  als  ein  Werk  des  5.  Jahrhunderts 


*)  Charakteristisch  für  solche  von  dogmatischer  Tendenz  ge- 
leitete Interpretationen  ist  der  Aufsatz  von  Cartier,  L'^glise  et  les 
vienx  eatholiques  d^apr^s  une  peinture  des  Catacombes  (Revue  do  Fart 
chr^t.  1875,  II,  995— 39&),  der  von  Unrichtigkeiten  strotzt. 


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290  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN.    SCHÜLT2X, 

ZU  betrachten  seien,  da^  aber  verschiedentlich,  zuletzt  noch 
am  Anfange  dieses  Jahrhunderts,  restaurirt  worden  ist.  Referent 
kann  diesen  Ausführungen  nur  zustimmen  und  erachtet  durch 
dieselben  diese  Frage  ftir  definitiv  gdöst. 

Bei  den  Nivellirungsarbeiten,  welche  im  Jahre  1875  die 
römische  Eisenbahngesellschaft  auf  dem  sog.  Monte  ddla 
Giustizia  in  der  Nähe  der  Diocietiansthermen  ausfähren  liess, 
wurde  u.  a.  das  Fragment  einer  Glasschale  mit  einer  nicht  un- 
interessanten, concav  ausgearbeiteten  Taufdarstellung  entdeckt, 
zu  welchem  eine  Graffitozeichnung  auf  einem  Fpitaphe  in 
Aquileja  eine  ziemlich  genaue  Parallele  bildet  In  beiden 
Fällen  handelt  es  sich  um  die  Taufe  eines  ungef&hr  zwölf- 
jährigen Mädchens,  imd  zwar  wird  dieselbe  durch  Infusion 
vollzogen  in  der  Weise,  wie  Ennodius  (Epigr.  II,  149  ed. 
Sismondi)  beschreibt,  während  die  Fresken  des  dritten  und 
des  zweiten  Jahrhunderts  übereinstimmend  die  Taufe  per 
immersionem  zeigen.  Beiden  Darstellungen  ist  femer  eine 
dem  Taufacte  assistirende  Figur,  auf  dem  römischen  Monu- 
mente eine  weibliche,  auf  dem  anderen  eine  männliche,  eigen, 
die  beide  durch  einen  Nimbus  ausgezeichnet  sind.  De 
Rossi,  welcher  diese  Personen  in  beiden  Fällen  für  männ- 
liche und  zwar  für  Kleriker  hält,  die  die  Taufe  vollziehen^ 
vermutet,  dass  der  Nimbus,  der  in  der  altchristlichen  Kunst, 
abgesehen  von  den  Kaiserbildnissen,  lebenden  Personen  nie 
gegeben  wurde,  hier  durch  die  göttliche  Autorität,  mit  wel- 
cher der  Taufende  das  Sacrament  vollzieht,  motivirt  werde 
(S.  9f).  Aber  diese  Hypothese  setzt  eine  an  sich  unwahr- 
scheinliche Reflexion  voraus  und  lässt  imerklärt,  dass  in  an- 
deren Taufdarstellungen  der  Nimbus  fehlt  OflFenbar  aber 
sind  auch  die  bezeichneten  Personen  bei  dem  Taufacte  nicht 
beteiligt,  insofern  die  Handauflegimg,  also  auch  wohl  die 
Taufe,  nicht  durch  diese,  sondern  durch  eine  zweite  Person 
vollzogen  dargestellt  wird.  Dieselben  werden  denmach  als 
ideale  Begleitpersonen,  als  Heilige,  zu  fassen  sein,  die  dem 
Täuflinge  irgendwie  nahe  standen,  oder  denen  dieser  sich  bei 
der  Taufe  angelobte.  So  erklärt  sich  auch  die  Anwendung 
des  Nimbus,  imd  es  wird  dadurch  das  Monument  zugleich 
zeitlich  mit  Sicherheit  bestimmt,   als  ein  Werk  nämlich  der 


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XHE  KIBCHL.  ARCSIÄOLOCm  1875—1878.  291 

sweiien  Hälfte  des  5.  Jahrhunderts.  De  Rossi  dagegen 
weist  dasselbe  dem  Ende  des  vierten  oder  dem  Anfange  des 
flinften  Jahrhunderts  zu  (S.  16).  Die  dem  Fragmente  bei- 
gelugte Inschrift  MIRAX  ALB  A(na)  teilt  der  Verfasser  so, 
dass  er  das  erste  Wort  als  den  Namen  des  taufenden  ElerikerS; 
das  zweite  als  denjenigen  des  Täuflings  (S.  9^  13f)  fasst 
Aber  da  der  Name  Mirax  höchst  selten  und  im  Occidente 
gar  nicht  nachzuweisen  ist;  so  möchte  Referent  lieber  beide 
Worte  zusammen&ssen  und  MIRAX  als  corrumpirt  aus  /netQoij 
pudla  ansehen,  also  „mirax  Albana  =  Albcma  pueUa^'.  So 
trifft  man  in  lateinischen  Märtyreracten  derselben  Zeit  das 
Wort  tecnon  (t/xvok). 

Die  kurze  Abhandlung  desselben  Gelehrten  im  3.  Bande 
der  R.  S.  über  die  altchristlichen  Sarkophage  ist  im  allge- 
meinen eine  Recapitulation  und  Zusammenfassimg  früherer 
Ausführungen  des  Verfassers,  besonders  im  2.  Bande  der  R  ö. 
Der  auch  hier  b^^nenden  Umdeutung  der  antiken,  sepul- 
cral-symbolischen  Darstellung  des  Odysseus  und  der  Sirenen 
(S.  445)  in  christlichem  Sinne  mit  Berufung  auf  Maximus 
von  Turin  (Homil.  1  de  cruce  Christi)  imd  die  Philosophu- 
mena  VII,  1  (ed.  Cruice,  p.  335)  ist  schon  darum  nicht  zu- 
zustimmen, weil  die  altchristlichen  Bildwerke  überhaupt  nie 
den  Zweck  der  Paränese  verfolgen.  Auffallend  ist,  dass  die 
christliche  Sarkophagbildnerei  erst  aus  der  Zeit  Constantin's 
des  Grossen  datirt.  Der  Grund  ist  schwerlich  in  der  ge- 
drückten äusseren  Lage  des  Christentums  vor  dieser  Zeit 
zu  suchen,  wie  der  Ver^usser  annimmt  (S.  447). 


IV. 

AemüiuB  Hübner,  InBcriptionee  Britanniae  christianae.  Berol.  Lond. 
1876.    (XXn,  101  S.  in  gr.  4^) 

l8i<L  Carini,  Trenta  tre  nuove  iscrizioni  delle  Catacombe  dl  Siracusa. 
Palenno  1875.  (14  S.  in  8^)  Estratto  dall*  Archivio  Storico 
Siciliauo. 


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292  KRITISCHE  (TBEK^GHTEN.    SCHULTEE, 

iBid.  Onrixü,  Nnove  iscriziom  greefae  delle  Catacombe  di  Siracma. 
Palermo  1876,  (22  S.  in  8«.)  Estratto  daU' „  Archiv.  Stor.  SidL"  i) 

F.  Piper,  Zwei  Inschriften  Oonstantin's  des  Grossen  an  seinem  Triumph- 
bogen in  Rom  imd  in  der  vaticanischen  Basilica.  (Stud.  u.  Krit 
1875,  S.  60—110.) 

G.  B.  de  RoBsi,  Scoperte  in  Africa.  (Bull.  1875,  S.  162—175;  1876, 
S.  59—65;  1877,  S.  97—117;  1878,  S.  7—37.) 

—  — ,  D'  una  mutila  epigrafe  di  strano  senso  rinvenuta  nel  tor- 
rione  destro  della  Porta  Flaminia.  (Bull,  della  Comm.  archeol.  com- 
munale  di  Roma  1877,  S.  241—24«.) 

O.  Marruechi,  Di  una  rarissima  epigrafe  crist.  di  magistrato  muni- 

cipale.    (Cronichetta  mensuale  di  Roma,  Aprile  1878.) 
G.  B.  de  Bossi,  II  pavimento  di  S.  Maria  in  Castello  diCometo-Tarquinia. 

(Bull,  di  archeol.  crist.  1875,  S.  85—131,  vgl.  1874  S.  81—118.) 
A.  Allmer  et  A.  de  Terrebasse,  Inscriptions  antiques  et  du  moyeu- 

äge  de  Vienne.    Paris  1875     (gr.  8",  6  voll.) 
C.  Gregorutti,  Le  antiche  lapidi  di  Aquileja.  Trieste  1877.   (XVIII 

u.  284  S.  in  4*.) 
G.  B.  de  Rossi,  II  Museo  epigrafico  cristiano  Pio-Lateranense.    (BulL 

di  archeol.  crist.  1^76,  8.  120—144;  1877  8.  1-42.) 
J.  Ritter,  De  composidouc  titulorum  christ.  sepulersdiimi  in  Corpore 

inscript.  graec.  edit  (Jahresbericht  des  Joachimtharschen  Gynm. 

in  Berlin,  1877  8.  1—44.) 
F.  Piper,  Zur  Geschichte  der  Kirchenväter  aus  epigraphischen  Quellen. 

(In  dieser  Zeitschrift  I,  203—263.) 

—  — ,  Ueber  den  kirchengeschichtlichen  Gewinn  aus  Inschriften, 
vornehmlich  des  christl.  Altertums.  (Jahrbb.  f.  d.  Theol.  1876, 
8.  37—103.) 

Die  vortreffliche  Sammlung  altbritischa*  ohrisdicber  In- 
schriften (5. — 10.  JahrL);  welche  Hübner  als  Teil  des 
Corpus  Inscriptt  latt.  hergestellt  hat,  erschliesst  ein  bis  dahin 
so  gut  wie  unbekanntes  epigraphisches  Gebiet  von  höchst 
eigentümlichem  Charakter.  Das  Verhältnis  unmittelbaren  An- 
schlusses an  die  antike  Inschriftenform;  welches  die  altchrist- 
lichen epigraphischen  Monumente  fast  durchgängig  aufweisen, 
stellt  sich  hier  als  ein  vollkommener  Bruch  mit  dem  Alten 
oder  vielmehr  als  eine  entschiedene  Abweisung  desselben  dar. 


i)  Vgl.  auch  desselben  Verfassers  „Iscriziom  rinvenute  nelle  Cata- 
combe di  Siracusa".  Palermo  1873.  Estratto  dall'  Archiv.  Stör.  Sicil. 


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BIS  KIHCHL.  ABCHÄOLOGIB  1675-1878.  293 

Schon  die  äussere  Q^stalt  der  Grabsteine;  welche  mdstens 
die  Form  roher,  längUcher  Steinblöoke  haben,  noch  mehr 
aber  die  barbarische  Sprache  und  die  Schrifkcharakt^*e 
zeigen  eine  Entwicklung,  die  sich  zwar  von  römischen  Ein- 
flüssen nicht  gänzlich  hat  frei  halten  können,  aber  wesent- 
lich aus  landestümlicher  Sitte  hervorgewachsen  ist  Daher 
die  vielfiichen  Schwierigkeiten,  welche  mit  der  Entzifferung 
veAnüpft  sind,  die  aber  der  Verfiasser  zum  grössten  Teil  mit 
Scharfsinn  gelöst  hat  Einen  directen  Wert  haben  die  In- 
schriften, die  mit  dem  5.  Jahrhundert  anzuheben  scheinen, 
freilich  nur  fiir  die  locale  kirchenbistorische  Forschung,  aber 
grade  für  diese  scheinen  sie  Refer^it  ein  nicht  unwichtiges 
Quellenmaterial  zu  bilden.  Der  Sammlung  sind  ausser  einem 
Nachtrage  Supplemente  zu  desselben  Veiiassers  „Inscriptiones 
Hispaniae  chrislianae  ^^  (Berol.  1871)  beigegeben.  —  Die  vor 
einigen  Jahren  seitens  der  Staatsregierung  unter  der  Ldtung 
Cavallari's  in  der  Katakombe  S.  Giovanni  bei  Syrakus 
iintemommenen  Ausgrabungen  haben  zur  Entdeckung  von 
c.  60  grösstenteils  griechischen  Inschriften  gefuhrt,  welche 
Carini  fast  sämmtlich  im  „Archivio  storico  Siciliano^^  un- 
mittelbar nach  der  Auffindung  veröffentlicht  hat.  Die  In- 
schriften erweisen  weitwhin  die  Unrichtigkeit  d^  von  den 
einheimischen  Archäologen  vertretenen  Meinung,'  dass  die 
genannten  Katakomben  d^n  zweiten  oA&r  gar  dem  erst^i 
Jahrhundert  angehören,  insofern  keines  der  f^itaphien  über 
die  Grenze  des  vierten  Jahrhunderts  zurückgeht.  Die  Mehr- 
zahl gehört  im  Gegenteil  der  zweiten  Hälfte  des  vierten  und 
den  ersten  Decennien  des  ftinften  Jahrhunderts  an.  Eigen- 
tümlich ist  den  Inschriften  die  häufige  Betonung  des  Eigen- 
tumsrechtes auf  das  betr.  Grab,  sowie  die  luxuriöse  Anwen- 
dung des  Monogramms  Christi  in  seiner  Verbindung  mit 
A — G).  Merkwürdig  und  Referent  nicht  ganz  klar  ist  die  Er- 
wähnung eines  Grabeskaufes  HAPA  JHC  EKKAH  \\  CIAC 
NIKÜNOC  (1875  n.  IV).  Da  auch  in  n.  XÜ  ein  Nikon 
als  Verkäufer  eines  Grabes  erscheint,  so  bezeichnet  wohl 
ixxXrjaia  hier  das  dem  Nikon  unterstellte  FossorencoUegium, 
welches  in  einem  bestimmten  Teile  des  Coemeteriums  das 
Verkaufsrecht  ausübte;  ähnliche  Verhältnisse  lagen  wenigstens 


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294  KBITISCHE  ÜBERSICHTEN.    SCHULTZE, 

in  jener  Zeit  in  Rom  vor.  Die  Bezeichnung  JOYAH 
XPH2TIANH  (1876  n.  HI)  hat  wohl  nur  einen  religiösen 
Sinn,  vgl.  n.  III.  VI  (1876),  und  setzt  nicht,  wie  Carini 
will,  eine  christliche  Sklavin  voraus.  —  Eine  correcte  Aus- 
gabe der  syrakusanischen  Inschriften,  besonders  der  in  der 
Katakombe  S.  Giovanni  vielfach  zu  beobachtenden  Graffiti 
und  Dipinti,  die  grösstenteils  noch  nicht  entziffert  und 
publicirt  sind,  wäre  sehr  wünschenswert  Die  Publication  Ca- 
rini's  ist  vielfach  fehlerhaft  imd  ungenau;  die  beig^ebenen 
kurzen  Erläuterungen  sind  ganz  wertlos. 

In  der  Inschrift  des  Constantinsbogens  ist  die  Erklärung 
des  Ausdrucks  INSTINCTV  DIVINITATIS  (Z.  3)  schon 
seit  dem  vorigen  Jahrhundert  controvers.  Im  allgemeinen 
waren  die  römischen  Archäologen  der  Meinung,  dass  die 
Worte  eine  heidnisch  lautende  Phrase,  nach  Borghesi  NVTV 
10 VIS  0  '  M ' ,  ersetzt  hätten  und  demnach  als  christliches 
Bekenntnis  Constantin's  zu  betraehten  seien.  Diese  Annahme 
wurde  indes,  als  i.  J.  1862  eine  auf  Anordnung  der  fran- 
zösischen Regierung  imtemommene  Abformung  des  Monu- 
mentes Gelegenheit  gab.  Original  und  Abdruck  genau  zu 
prüfen,  von  de  Rossi  (Bull,  di  archeol.  crist  1863,  S.  57) 
u.  A.  für  irrig  erklärt  und  die  Originalität  des  IN- 
STINCTV  DIVINITATIS  constatirt  i).  Ueber  den  Sinn 
und  die  Tendenz  der  Worte  teilten  sich  jedoch  die  Ansichten. 
Piper,  welcher  seit  de  Rossi  dieselben  zuerst  wieder  einer 
gründlichen  Untersuchung  imterzogen  hat,  gelangt  zu  dem 
Resultate,  dass  sie  der  Ausdruck  des  individuellen  religiö- 
sen Bewusstseins  des  Kaisers  seien,  der  die  Ueberzeugung 
gehabt  habe,  „dass  er  in  seiner  Sendung  zur  Wiederherstel- 
lung des  römischen  Reiches  nicht  allein  unter  dem  Schutze, 
sondern  auch  unter  der  Einwirkung  und  Eingebung  Gt)tte8 


1)  Referent  persönlich  ist  freilich  davon  überzeugt,  dass  in  den 
Worten  instinctu  divinitatis  eine  nachträgliche  Correctur  vor- 
liege, insofern  dieselben  an  beiden  Fronten  in  einer  von  den  übrigen 
Teüen  der  Inschrift  aufiallend  abweichenden  Weise  zusammengeschoben 
und  unregelmässig  gestellt  sind,  gesteht  aber  zu,  dass  sich  diese  An- 
nahme nicht  erweisen  lässt.  Indes  ist  zu  beachten,  dass  ein  heid- 
nischer Senat  Monument  und  Inschrift  errichtet  hat. 


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DIE  KIRCHL.  ARCHÄOLOGIE  1876-1878.  295 

stehe''  (S.  94);  eine  Erklärung,  welche  unter  den  vorhan- 
denen in  der  Tat  am  meisten  Wahrscheinlichkeit  für  sich 
hat  Andrerseits  aber  lässt  sich  in  der  unbestimmten  Fassung 
der  Worte  eine  schonende  Concession  an  das  heidnische 
Born  nicht  verkennen.  —  Die  von  demselben  Gelehrten 
commentirte,  bei  dem  Abbruch  der  alten  Peterskirche  ver- 
schwundene Inschrift  des  Triumphbogens  der  Basilika  (S.  98 
bis  110)  würde  interessant  sein,  wenn  Z.  1  und  2  wirkhch 
eine  Beziehung  auf  die  triumphirende  „christUche  Welt*' 
nähmen,  wie  der  Verfetsser  behauptet  und  zu  erweisen  sucht 
Aber  die  Gleichsetzung  von  mundus  und  Eorche  oder  Christen- 
tum ist  im  constantinischen  Zeitalter  undenkbar.  Die  In- 
schrift ist  schwerlich  mehr  als  eine  Glorificirung  der  mit 
Constantin's  Herrschaft  anhebenden  Kegierungsepoche,  welche 
als  durch  die  Hülfe  Christi  erwirkt  -voi^stellt  wird. 

Zahlreiche  römische  Inschrift;en  finden  sich  in  dem  oben 
besprochenen  3.  Bande  der  Roma  sotterr.  de  Rossi's  mit- 
geteilt imd  commentirt.  Zu  den  früher  von  ihm  au%efun- 
denen  Epitaphien  römischer  Bischöfe  hat  der  Verfasser  die 
Grabschrift  des  Cajus  hinzuiUgen  können,  nachdem  er  deren 
Restitution  in  scharfsinniger  Weise  vollzogen  (S.  114 — 120)  *). 
Der  Grund,    dass  dieser  Bischof  getrennt  von  seinen  in  der 


1)  Dieselbe  lautet  nach  dieser  ohne  Zweifel  richtigen  Restitation: 

lAioY  emcK 

KAT 

nPO'IKAA'MAmN 

Damit  wiid  zugleich  die  mit  den  älteren  Quellen  in  Widerspruch 
stehende  Angabe  des  Katalogs  von  Middlehill,  nach  welcher  Cajus 
den  Märt3nrertod  erlitten  haben  soll,  als  unrichtig  erwiesen.  Wenn 
dem  gegenüber  der  Verfasser  (S.  118  f.)  den  officiellen  Märtyrertitel  des 
Cajus  dadurch  zu  retten  sucht,  dass  er  denselben  durch  Verfolgungs- 
leiden  allgemeiner  Art  begründet  sein  lässt,  so  ist  dies  eine  Conjectur 
zweifelhaften  Wertes.  —  Das  angebliche  Epitaph  des  Bischofs  Linus, 
welches  de  Rossi  wiedergefonden  zu  haben  glaubt  (Bull,  dl  archeol. 
crist.  1864,  p.  50),  lässt  auch  Kraus  (Roma  sott.  S.  69,  Anm.  2; 
S.  632)  jetzt  fallen,  nachdem  er  in  der  ersten  Auflage  seines  Werkes 
dasselbe  für  kirchenhistorisch  höchst  bedeutsam  erklärt  hatte  (1873, 
ä.  68).  Die  Unechtheit  desselben  hat  der  Referent  in  den  Jahrbb. 
f.  Protest  Theol.  1878,  S.  486—491  zu  erweisen  gesucht. 
Zeitschr.  f.  K.-G.  HI,  2.  20 

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296  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN.    SCTIULTZE, 

sog.  Papgdnypte  bestatteten  Vorgängern  beigesetzt  wnrde, 
lässt  sich  kaum  noch  mit  Sicherheit  aufzeigen.  Die  Annahme 
de  Rossi's,  dass  sich  CajuB  diese  Grabstätte  bestimmt  habe^ 
weil  er  einst,  wie  der  Liber  pontificalis  berichtet,  während 
der  diocletianischen  Verfolgung  in  diesem  Teile  des  Coeme- 
teriums  Schutz  gesucht  und  gefunden  habe,  ist  dadurch  aus- 
geschlossen, dass  die  diocletianische  Verfolgung  in  Wirklich- 
keit erst  sieben  Jahre  nach  dem  Tode  des  Cajus  ausbrach 
(vgl.  Lipsius,  Chronol,  S.  241).  Vielleicht  war  der  ohnehin 
beschränkte  Raum  der  Papstkrypte  bereits  vollständig  occu- 
pirt,  und  ebenso  die  anstoseenden  Gallerien  nicht  mehr  frei. 
Der  Titulus  bestätigt  übrigens  die  Depositionsangabe  der 
„Depositio  episcoporum"  imd  des  Catalogus  Felicianus  sowie 
der  jüngeren  Recension  des  Liber  pontificalis.  —  Als  epi- 
gi'aphische  Quelle  fUr  die  Sklavenfrage  innerhalb  der  alt- 
christlichen  Ku'che  ist  ein  S.  139  mitgeteiltes  Epitaph  be- 
merkenswert, in  welchem  liberti  einer  vornehmen  Christin 
genannt  werden,  ebenso  S.  318  ein  Titulus,  welchen  Frei- 
gelassene ihrem  früheren  Herrn  setzen  *).  Auch  die  In- 
schrift S.  357:  IN  FACE  NON  DIGNA  (=  immerens)  ,| 
PER!  (=  periit)  VRSA  u.  s.  w.  ist  durch  die  darin  sich 
ausprägende  heidnische  Auffassung  des  Todes  merkwürdig. 
Ueberhaupt  ist  besonders  dieser  Band  der  „Roma  sott.*' 
lehrreich  dafür,  wie  bedeutsam  die  epigraphischen  Quellen 
für  die  Erkenntnis  altchristlicher  Sitten,  Institute  und  Ge- 
schichte sind,  was  auch  Piper  mit  besonderer  Bezugnahme 
auf  die  kirchenhistorische  Forschung  an  einer  Reihe  von 
anschaulichen  Beispielen    erwiesen    hat  *).      Dies    bestätigen 

i)  Besonders  aber  sei  auf  die  im  Ballett.  1874,  p.  30 — 67  von 
de  Rossi  mitgeteüten  und  commentirten  Monumente  als  auf  intei^ 
essante  lUustrationen  zu  den  Untersuchungen  Overbeck's  aufmeH^sam 
gemacht.  Vgl.  auch  Le  Lefort,  Les  Colliers  et  les  buUes  des  es- 
claves  fugitifs  aux  demiers  si^cles  de  l'empire  romain  (Revue  arch^ol. 
187Ö,  XXIX,  102—109). 

*)  Vgl.  auch  die  vortreffliche  Abhandlung  „Des  noms  de  bap- 
teme"  von  J,  Coblet  (Revue  de  l'art  chrdt.  1876,  II,  Iff.),  welche 
für  die  ältere  2Jeit  ihr  Material  fast  ausschliesslich  aus  den  Inschriften 
entnimmt.  Die  christliche  Sitte,  dem  Todteu  eucharistisches  Brot 
in  das  Grab  mitzugeben,  findet  Le  Blant  (^Revue  de  l'art  chrdt.  1875, 


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DIB  KIEOIL.  ARCHÄOLOGIE  1875^187&  297 

wdteiiiin  die  zahlmchen  epigraphisohen  Funde;  welche  von 
der  nordafirikamBchen  KüBte^  speciell  aus  Algi^^  in  jüngster 
Zeit  verschiedentlich  gemeldet  wurden  und  die,  obgleich  sie 
aiisnahmsloB  der  constantinischen  oder  nachconstantinischi^ 
Zeit  angehör^Gi,  in  hohem  Qrad  lehrreich  sind.  De  Rossi; 
der  in  der  Lage  war^  diese  Monumente  zuerst  zu  publiciren, 
hat  diesdben  in  ein^  Reihe  von  Aufsätzen  eingehend  be- 
sprochen. Referent  verweist  be8ond»*s  auf  die  Interpretation  d^ 
seltsamen  Combination  ^^flamen  perpetuus  christia- 
nus"  auf  einem  Epitaphe  v.  J.  526  (626?)  a.  a.  O.  1878, 
S.  31  ff.  Die  Bezeichnung  der  diocletianischen  Verfolgungs- 
zeit als  ;ydies  turificationis^^  auf  einer  axideren  Inschrift 
(a.  a.  O.  1875,  S.  163)  ist  gleichfalls  bemerkenswert.  Der 
in  naher  Aussicht  stdiende  achte  Band  des  Corpus  ii[i8mptt. 
latt.^  welche  u.  a.  die  airikanischen  Inschriften  um&sst^ 
wird  uns  ohne  Zweifei  weiteres  wichtiges  epigraphisches 
Quellenmaterial  ersohliessen  und  eine  genauere  Einsacht  in 
die  Verhältnisse  des  ainkanischen  Eirchenwesens  in  der  Zeit 
vor  der  vandalischen  Occupation  ermöglichen  ^).  —  O.  Mar- 
rucchi  hat  ^ne  Inschrift  des  4.  Jahrhunderts  publioirt,  die 
durch  die  auf  christliehen  Epitaphien  höchst  seltene  Erwäh- 
nung einer  Municipalwürde,  eines  ,,  quattuorvir  quinquennaUs  ^, 
nicht  unwiditig  ist.  Dio  Provenienz  aus  Temi  madit  der 
VerfEtöser  ^aubhaft.  —  Weit  interessanter  freilich  sdlieint  ein 
erst  kürdich  von  Mommsen  richt^  gelesenes,  aber  bis  an 
einem  gewissen  Grade  noch  rätselhaftes  Inschriftenfiragment 
der  Porta  Flaminia  in  Rom  zu  sein,  in  welchem  die  Worte 
vorkommen:  „Filia  mea  inter  fedeles  fidelis  fuit, 
inter  al[ie]no6  pagana  fuif  De  Rossi,  welcher  das 
f^itaph  zu  restituiren  versucht  hat,  meint,  dass  es  sich  um 
die  Gh*abschrift  einer  mit  einem  Heiden  verheirateten  Christin 

n,  26—31)  durch  einen  gallischen  Tituhis:  CHMSTVS  HIC  EST 
bezeugt;  aber  in  Wirklichkeit  handelt  es  sich  wohl  nur  darum,  auf 
Christus  als  Grabesschützer  lunzuweisen,  wozu  zu  vgl.  C.  I.  G.  IV, 
n.  9288. 

1)  Eine  kurze  übersichtliche  Angabe  der  antiken  Monumente  der 
Provinz  Algier,  mit  Einschluss  der  christlichen,  giebt  Louis  Piesäe 
im  der  Revue  de  Tart  chrA.  1876,  II,  324—344. 

20* 


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298  KEITISCHE  ÜBERSICHTEN.    SCHÜLTZE, 

handele;    deren    christlicher   Vater    durch    die    angegebenen 
Worte  die  Darbringung  von  Todtenspenden  auf  diesem  Grabe 
habe   verhüten  wollen.      Aber    ein    solches  Motiv    ist   nicht 
wahrscheixilich;   es   wird  überhaupt  kaum  möglich  sein,   das 
besondere    Verhältnis,     welches    die    seltsamen    Worte    an- 
deuten,   klar   zu  erkennen.     Jedenfalls  aber  weist   die  In- 
schrift auf  ein  eigentümliches  synkretistisches  Verhältnis  hin. 
Der  Ausdruck  „alieni"  hat,   worauf  de  Rossi  aufinerksam 
macht,  eine  instructive  Parallele  bei  TertulL  Ad  ux.  ü,  6: 
„Moratur  Dei  ancilla  cum  Laribus  alienis.^^    Die  Inschrift 
gehört  wohl  wegen  des  Wortes  „pagani"    eher   der   Mitte 
als  dem  Anfange  des  4.  Jahrhunderts  an,  wie  de  Kossi  an- 
nimmt. —  Für  das  nicht  selten  zu  beobachtende  Schicksal 
profaner  und  christhcher  Inschriften,  als  Pflastermaterial  ver- 
wandt zu   werden,   bietet  die  Kirche  S.  Maria  in   Cometo- 
Tarquinia   ein  charakteristisches  Beispiel,    insofern    dieselbe 
ein    aus    c.     150    zersägten   Inschriften    componirtes     opus 
alexandrinum   aufweist.     De  Rossi    hat   einen   Teil  dieser 
Epitaphien,  die  übrigens,  soweit  sich  sehen  lässt,   sämmtheb 
diesseits  des  3.  Jahrhunderts  hegen,  veröflfentUcht  und  erklärt 
Wichtiger   als  diese  Ausftihrungen  des  Verfiwsers  erscheint 
Referent  die   dem  Aufsatze  angeftigte  Abhandlung  über  die 
römischen  Marmorarii  des  11. — 13.  Jahrhunderts  (S.  110  bis 
131).   —   Das   umfemgreiche   Inschrifl^nwerk    von  Allmer 
und  Terrebasse   bringt  für  die  mittelalterUche  Geschichte 
vielfach  neues  Quellenmaterial,  während  die  mitgeteilten  alt- 
christUchen  Inschriften  bereits   durch   frühere  PubUcationen 
bekannt  sind.  —  Die  teilweise   zum   ersten  Mal  pubhcirten 
christhchen  Epitaphien,    welche    sich    in  dem  vortrefflichen 
Inschriftenwerke  Gregorutti's  finden,    scheinen   über  das 
4.  Jahrhundert  nicht   zurückzureichen.     Charakteristiscb  ist 
denselben  die    häufige  Anwendung   des  Wortes  „fidelis'' 
(nn.   640.   706.  729.  816.  853.  870),    welches   sonst  im  all- 
gemeinen selten  begegnet  und,   wie  es  scheint,   erst  seit  der 
zweiten  Hälfte  des  3.  Jahrhunderts  in  der  christhchen  Epi- 
graphik  aufgekommen  ist.    Bemerkenswert  sind  femer  n.  664 
durch  die  Zeitangabe:   DIAE  LVNIS   (=  die  lunae),  so- 
wie n.  653  und  n.  741  durch  Graffitozeichnungen.     S.  auch 


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DIE  KmCHL.  ARCHÄOLOÖIE  1875-1878.  299 

n.  745,  wo  der  Glaube  des  Verstorbenen  an  Gott  betont 
Tvird.  Einen  Commentar  zu  den  Inschriften  hat  der  Ver- 
fasser nicht  beigefügt  ^). 

Von  seiner  eigenen,  in  jeder  Beziehung  musterhaften 
Schöpfung,  der  epigraphischen  Sammlung  dös  Lateran- 
museums,  hat  de  ßossi  in  einer  Reihe  von  Aufsätzen  im 
Bull,  di  archeol.  crist.  eine  anschauliche  Beschreibung  ge- 
geben *).  Die  Entwicklungsgeschichte  und  Formulirung  der 
griechischen  Epitaphien  des  4.  Bandes  des  Corpus  Inscripti 
graecc.  ist  von  Ritter*)  in  verdienstvoller  Weise  zum  ersten 
Male  beleuchtet  imd  klar  gelegt,  während  über  die  In- 
schriften lateinischer  Zunge  *)  nach  dieser  Seite  hin  seit 
langer  Zeit  gesicherte  Resultate  vorliegen  ^).  Es  wäre  übrigens 
wünschenswert  gewesen,  dass  sich  der  Verfasser  nicht  damit 
begnügt  hätte,  die  gegebenen  Formeln  einfach  zu  summiren, 
sondern  dieselben  auch  zeitlich  zu  fixiren  und  zu  zerlegen 


>)  Die  c.  40  christlichen  Inschriften  (mit  Einschluss  der  Frag- 
mente), welche  sich  unter  den  Iscrizioni  antiche  VerceUesi  (Torino 
1875  n.  CXVI — CLV)  des  P.  Bruzza  finden,  beginnen  mit  dem  Jahre 
434  imd  bieten  nichts  Besonderes.  —  Das  fleissige  und  wohl  ausge- 
stattete Sammelwerk  von  V.  Forcella,  Iscrizioni  delle  Chiese  e  d'  altri 
edificil  di  Roma  dal  sec.  XI  fino  ai  giomi  nostri  (Vol.  I — IX  Roma 
1869—1877  in  gr.  4®)  enthält  besonders  für  die  römische  Stadt- 
geschichte reiches  imd  interessantes  Material. 

2)  Ausserdem  sei  auf  eine  interessante  kurze  Abhandlung  des- 
selben Gelehrten  über  Grabinschriften  von  Bischöfen  der  alten  Kirche 
im  Bull,  crist  p.  85 — 94  besonders  aufinerksam  gemacht. 

a)  Vgl.  Theol.  Lit.-Ztg.  1877,  S.  500f. 

*)  Eine  übersichtliche  Darstellung  der  altohristlichen  Epigraphik, 
aber  mit  fast  ausschliesslicher  Berücksichtigung  abendländischer  In- 
schriften, giebt  Kraus  in  der  Roma  sott.  S.  431—485. 

6)  Eline  Anzahl  griechischer  Inschriften  teilen  auch  mit  L.  Heuzy 
und  H.  Daumet,  Mission  arch^ologique  de  MacMoine  (Paris  1876; 
Xm,  470  S.,  34  Taf.,  8  Kart,  in  gr.  4«»),  s.  das  Verzeichnis  S.  467.  — 
Die  im  Bulletin  de  correspond.  helldnique  der  Ecole  fran- 
^wse  d'Ath^nes  1877,  p.  393 — 408  publicirten  christlichen  Tituli  von 
Attika  sind  grösstenteils  schon  aus  Kumanudis,  ^Jtjuerjg  iniyQaq}ai 
hitvfißun,  iv  ^J^i^vaig  1871  bekannt.  Ausserdem  sei  hier  auf  fol- 
gende Inschriftenwerke  verwiesen:  Inscriptiones  Urbis  Romae  latinae 
(vol.  VI,  1  des  Corp.  Inscriptt.  lat.),  colleg.  G.  Henzen,  J.  B.  de 
Bossi,  ed.  £.  Bormanu,  G.  Henzen,  Berol.  1878  (873  S.,  3925  n.); 


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300  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN. 

gesucht  hätte,  waa  den  Wert  seiner  Arbeit  bedeutend  erhöht 
haben  würde. 


CorpuB  Inseriptt.  graec.  Indices  continens,  comp.  H.  Bohl,  Berol. 
1877  (167  S.);  Inscriptiones  Atticae  aetatis,  quae  est  inter  Euclldis 
annum  et  Augusti  tempora.  Pars  prior  decreta  continens,  ed.  U.  K  ö  hier , 
Berol.  1877  (429  S.);  Inscriptiones  Atticae  aetatis  romanae,  eA 
G.  Dittenberger,  Pars  prior,  BeroL  1878  (522  S.). 

(Schluss  folgt.) 


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ANALEKTEN. 

1. 

Erl&uteningen 

zu  den  im  IL  Bande  dieser  Zeitsohrift  S.  119ff.  mitgeteilten 
EpiBtoliB  Beformatomm. 

Von 
Dr.  theol.  J.  E.  Seidemann,  Fast.  em.  in  Dresden. 


Bei  dem  reichen  und  willkommenen,  weil  so  wertvollen  In- 
halte der  eben  bezeichneten  Briefe  n.  s.  w.  kann  ich  nicht  um- 
hin, Freude  und  Dank  über  die  Mitteilung  derselben  hier  auszu- 
tiprechen,  zugleich  aber  einige  wenige  Nachweisungen,  die  sonst 
vermisst  werden  dürften,  zu  weiterer  Verwertung  des  Gegebenen 
anzufügen. 

8.  119.  Die  Verbrennung  der  Bücher  Lnther's  in  Merse- 
burg geschah  Mittwoch,  28.  Januar  1521.  Meine  Erläuterungen 
zur  Beformationsgeschichte  S.  11. 

S.  123.  Schart  in  Eilenburg;  er  war  im  Jahre  1525 
Diener  bei  Sebastian  und  Friedrich  Von  Jessen,  des  Kurfürsten 
Söhnen.  Meine  Erläuterungen  S.  37.  Schlegers  Vita  Spalat,  p. 
229.  de  Wette  VI,  693.  —  Thilo  Den.  Burkhardt,  Dr.  Martin 
Luther*s  Briefwechsel,  S.  36.  Script,  publ.  propos.  I,  142 ;  VI, 
Dd.  7.  Bindseil,  Colloquia  lat  I,  299.  Ein  Gedichtchen 
des  Sibutus  Daripinus  (d.  L  aus  Tannroda  in  Thüringen)  an  ihn 
vom  Jahre  1507  bei  Freytag,  Adparatus  II,  983.  Knaake, 
Scheurrs  Briefbuch  II,  94. 

S.  129.  Karlstadt*s  Kaplan.  Vgl.  meinen  Münzer  S.  121. 
(ErL  V,  277 f.  279.  281.) 


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302  ANALEKTEN. 

S.  132.  üeber  Lucas  Kranach^s  Apotheke  und  Druckerei 
in  Wittenberg,  vgl.  de  Wette  II,  357;  VI,  611.  Scbuchardt  I, 
165;  III,  72—75.  67—72.  —  Lutber's  Brief  bei  de  Wette  H, 
445  an  eine  Klosterjungfrau  von  Adel  vom  14.  December  1523 
wäre  also  an  diese  Anna  Spiegel. 

8.  133.  Luther  liest  über  Hoseas,  Joel  und  Arnos.  Spal. 
ap.  Menck.  n,  639 f.;  Köstlin  I,  617.  803. 

S.  138.  Isabella  starb  Donnerstags  I.Mai  1539  bei  Ge- 
burt eines  todten  Knaben  (nino)  in  Toledo;  de  Wette  VI,  519  f.  — 
üeber  den  Maler  SebastianAdam  vgl.  die  beiden  AuMtze  im  „  An- 
zeiger Für  Kunde  Der  Deutschen  Vorzeit".  Neue  Folge.  Ein- 
undzwanzigster Jahrgang.  1874.  No.  6,  Juni.  Sp.  179 — 181  und 
1875.  No.  1,  Sp.  12 ff.;  No.  2,  Sp.  40 f.  Er  war  vermutlich 
aus  Linz  gebürtig  und  er  ist  der  mit  S  monogrammirende  Maler 
bei  Schuchard  I,  163;  III,  275.  277  f. 

S.  141.  Vgl.  de  Wette  V,  304.  Ging  Luther  damals  wirk- 
lich nach  Pretzsch  ?  Niedner*s  Zeitschrift  für  die  histor.  Theologie 
1860,  S.  660. 

S.  161  f.  Paul  Knod.  de  Wette  lü,  174;  VI,  672  im 
Begister  fehlend.  Spal.  bei  Menke  II,  647.  Tentzel-Cyprian, 
Histor.  Beriebt,  Th.  2,  S.  376.  Album  p.  74.  182.  Script  publ. 
propos.  n,  Cc.  4^.  Manlii  Libellns  medicus  p.  40.  Corp. 
Bef.  m,  1106;  IV,  139;  VI,  22.  32  sq.  Neue  Mitteüungen  aus 
dem  Gebiet  historisch  -  antiquarischer  Forschungen,  1857.  Bd.  IX, 
S.  128.  132.  —  „Vita  aulica.  Herr  Paul  knath  dirit  mihi 
aliquando  Do  er  noch  war  ein  knab  in  der  Cantorey  gewessen, 
hat  er  einen  alten  pfaffen  am  hoff  gefragtt  wie  doch  so  groser 
hohmut  vnter  dem  Adel  zu  hof  were.  Bespondit  Sacrificulus  wie 
fragstu  so  nerrisch.  Es  ist  kein  Edelman  der  den  Baum  was 
guntt  den  burgern  oder  auch  den  fuersten.  Imö  sie  guntten  inen 
vntereinander  selbst  nicht  guts  vndt  ist  war  den  es  sein  drej 
erley  Teufel  hausteuffel,  hofftenffel,  vnndt  kirchendeuffel  die  letzten 
sein  Die  ergsten  wan  es  dahin  kompt  dz  kein  Priester  dem  an- 
dern nichts  gan,  vndt  dz  siech  einer  lest  duncken  gelerter  sein 
denn  die  andern  Jeckel  meint  er  sej  gelerter  den  phüippus 
Grickel  meint  er  sej  gelerter  denn  ich  so  gehets  denn.''  Excerpta 
haec  omnia  in  Mensa  ex  ore  D.  Ma:  Lutherj.  Anno  Dni.  1.  5.  4.  0 
Blatt  102^  und  Hirzel's  Msc.  der  Tischreden  Blatt  139^ 

S.  163:  „Sicut  ipse  Amsdorff  etiam  fuit  moechus  habebat 
consuetudinem  cum  Coniuge  sui  Diaconi  Magdeburgae."  So  er- 
zählte Melanchthon  seinem  Schützling  Johann  Ferinarins  [Album 
p.  282]  laut  Msc.  Dresdens.  B.  193,  4^.  Libellvs  Arcano- 
rum  Abrahami  Bucholzeri  [Album  p.  237],  Blatt  4,  Vgl. 
Corpus  Bef.  XXIV,  471. 

S.  164:  „Sed  vidna  plus  pecuniae  expetens  nunc  profectura 


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SEIDEMANN,  ERLÄUTERUNGEN.  303 

est  ad  Mansfelf  Ziun  Ankauf  Wachsdorfs;  vgl.  zur  Sache 
Niednefs  Zeitschrift  fftr  die  historische  Theologie  1860,  S.  548. 

S.  166.  Der  „oeconomus"  ist  M.  Valentin  Trntiger.  Seine 
Witwe  hiess  Elisabeth,  seine  Tochter  Hagne.  Script,  publ.  prop. 
I,  425^.  —  „Ambrosius"  ist  Eenter  (denn  der  üniversitäts- 
schösser  M.  Ambrosius  Bernd  starb  1541,  vgl.  „Zur  Familien- 
geschichte LntherV^  Sächsisches  Kirchen-  nnd  Schulblatt.  Leip- 
zig, 1857;  No.  11,  Sp.  82  f.),  t  14.  Juli  1564.  Script,  publ. 
prop.  VI,  Q.  3»>.  Corpus  ßef.  I,  934;  HI,  584  sq.  Albu^  p.  101. 
186.  Burkhard  S.  57.  Bindseil  Coli.  lat.  I,  208.  K.  Krafft, 
Briefe  und  Documente.  Elberfeld  [Januar  1876].  S.  74  f.  Neue 
Mitteilungen  etc.  (Halle  1836),  Bd.  ü,  S.  651.  Sein  Haus  lag 
am  Markte  neben  Lucas  Eranach*s  Hause.  Luther  sagto:  „Denn 
ich  gleub  dz  in  einem  hause  wie  M.  Ambrosius  hauss  ist,  boy 
hundert  personen  gewonet  haben,  wie  den  noch  hier  hauswirt 
siech  durfFen  in  einer  stneben  da  mir  einen  tiesch  ein  setzen, 
mit  weih  vnndt  kindt  behelffen  ynndt  schlaffen''.  Excerpta  haec 
ouinia  in  Mensa  u.  s.  w.  Blatt  80^  unter  der  üeberschrift  Jndaca. 
Cod.  Chart.  Goth.  no.  402  Farrago  etc.  f.  403»».  Vgl.  S.   150. 

S.  168.     Sabbatho  post  Chiliani  ist  der  9.  Juli  1547. 

S.  171.  Quaestor  universitatis  seit  1546  war  Vincentius 
Hase,  t  24.  December  1561.  Script,  publ.  prop.  V,  Bl.  B  8^; 
I  5,  P  8.  Grohmann's  Annalen  der  Universität  zu  Wittenberg  I,  88. 

S.  172:  „episcopumTridentinnm  legatum  Imperator is  rever- 
sum  a  pontifice".  Christoph  von  Madruzzi.  Vgl.  Mamerani  Catal. 
Familie  Totivs  p.  5.  Seckend.  m,  404.  596.  662.  Wiede- 
mann's  Eck 'S.  637.  von  Soden,  Beiträge  zur  Reformationsge- 
schichte, S.  475 — 478;  von  Langenn*s  Moritz  I,  235.  Mohnike*s 
Sastrow  I,  380.  358  f.  Ueber  seinen  Bruder  Nicolaus  von  Ma- 
druzzi, Imperatoris  Capitaneus  summus,  Baro  in  Aul  et  ßrentoni, 
vgL  Mamerani  Catalogus  Omnium  Generalium  u.  s.  w.  (Colouiae 
1550),  p.  34.  37.  Catal.  Pamil.  Tot,  p.  3.  9.  50.  (Vnlpius) 
Curiositäten  II,  127.  Corpus  Ref.  VI,  572.  M.  Job.  Gottlob 
Walter  „Ergantzte  und  verbesserte  Nachrichten  von  den  Letzten 
Geschichten  des  seligen  D.  Luthers,  des  Ersten  Theils  Dritter 
Abschnitt"  (Jena  1753).  F.  Gregorovius,  Gesch.  der  Stadt  Rom  im 
Mittelalter  Vin,  229  nach  Raynald  ad  A.  1546  n.  33.  Er 
schreibt  den  Namen  Madrucci.  v.  Druffel,  Herkules  vonFerrara, 
S.  11.  —  —  „neptem  ex  sorore"  ist  Dorothea,  Tochter  König 
Christiems  11.,  geb.  1520,  verheiratet  1532  mit  dem  Pfalzer  Kur- 
fürsten Friedrich  IL— M.Sebastian  Steu  de.  deWetteV,391f.; 
VI,  623.    Fortgesetzte  Sammlung  1730  S.  630. 

S.  174.  Der  Brief  an  Glatius  ist  abgedruckt  im  Littera- 
rischen Wochenblatt  II,  145,  aber  ohne  Tag. 

S.  184.     Lasius,  auch  Fortgesetzte  Sammlung  1740  S.  549. 


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304  AKALEKTEN. 

8.  298f.  Ueber  Alexins  Naboth  Tgl.  Albnm  p.  192: 
Alexins  Nabotb  Calensis  17.  October  1541,  und  p.  211:  Valen- 
tinus  Nebotb  Kalensis.  Gratis  inscripti.  Anfang  1644.  Kahnis, 
Zeitschrift  für  die  historische  Theologie  1874,  S.  129.  139. 
Botermonds  Fortsetenng  zu  Jöcher,  Band  Y,  333:  Propositiones 
theol.  de  lege  et  evangelio.  (Witt  1660),  4.  Corpus  Bef:  XXIV, 
749:  Naboth  ille,  qui  erat  in  familia  Lutheri;  vgl.  Tischreden 
XII,  §  23  ed.  Förstemann  n,  106.  Sächsisches  Kirchen-  und 
Scholbla^  1872.  No.  37.  Sp.  296.  In  der  Bibliotheca  Lepsiana 
zu  Naumburg  befindet  sich  ein  Consistorialzengnis  v.  J.  1555 
des  Inhalts,  dass  gegen  Trauung  des  M.  Kaspar  Beutzer  und  der 
Jungfrau  Magdalena  Melanthon  [getraut  mit  Peucer,  Mon- 
tag 2.  Juni  1550;  Bindseil,  Melanchthonb  Epistolae,  p.  559] 
nichts  einzuwenden  und  die  Einrede  des  M.  Alexius  Nabot, 
dass  die  Jungfrau  Magdalena  früher  vom  Yater  ihm  ver- 
sprochen worden,  unbegründet  sei;  derselbe  sei  yielmehr  früher 
von  M.  Philipp  Melanthon  mit  glimpflicher  Antwort,  die 
er  zu  jeder  Zeit  für  abschlägig  hätte  vermerken  können,  ab* 
gewiesen  worden.  Fünfter  Jahresbericht  des  Wittenberger  Ver- 
eins Für  Heimathkunde  Des  Kurkreises.  1861.  4.  S.  3.  Auch 
Friedrich  Staphylus  hätte  Magdalenen  gern  zur  Frau  gehabt,  aber 
Melanthon  verweigerte  sie  ihm,  vgl.  Strobers  Camerarii  Vita 
Melanchth.  (Halae  1777),  p.  128.  —  Von  ihm  sind  femer  ge- 
druckt vorhanden:  1)  Ein  BChOner  Trost,  |  den  betrübten 
Christen,  in  die-  |  ser  erschrecklichen  zeit,  Aus  dem  XLI. 
Cap.  I  Esaie.  u.  s.  w.  Wlttemberg.  |  IXl.  2).  XLVI.  |  24  Quart- 
blatt. Das  auf  der  Leipziger  Universitätsbibliothek,  Pred.  u.  Erb.- 
Lit.313,  befindliche  Exemplar  schenkte  Naboth  seinem  alten  Patron 
Caspar  von  Kockeritz.  2)  Vom  Unterschied  des  Gesetzes  u.  s.  w. 
für  die  deutsche  Kirche.  Wittenberg  1548.  In  München.  Eine 
Stelle  daraus  bei  DöUinger,  Die  Beformation  II,  417. 

S.  624f.  Die  Echtheit  dieses  Breve  wird  sich  nachweisen 
lassen.  Kolde,  Die  deutsche  Augustiner-Congregation ,  S.  41 1  f. ; 
vgl.  oben  U,  472  ff. 

S.  626.  Vgl.  Ignacio  Ciampi,  Lutero  a  Boma,  in  der  Nuova 
Antologia  di  scieuze,  lottere  ed  arti.  Anno  XIII.  2  serie.  Vol.  8, 
Fase.  6.  Märzheft  1878.     Er  stimmt  fttr  1511.  Vgl.  oben  S.  197. 

S.  628.  Franz  Hipler,  Nikolaus  Kopemikus  und  Martin 
Luther  (Braunsberg  1868),  8.  55.  73.  Johann  Dantiscus 
war  1523  bei  Luther  in  Wittenberg,  dorn  guten  Gesellen  [Erl. 
LVIII,  S.  103  §  631,  Tischred.  VII,  §  110,  F.  1,  381.  Boon 
compauion;  a  good  fellow,  a  boonfellow.],  „der  funkelnde 
Augen  hat  wie  ein  Besessener  und  schnöde  Beden  über 
Pabst  und  Fürsten  führt".  Bei  dem  „far  le  flehe",  dem  Glauben 
der  Italiener  an  „gettatori"  und  das  „male  deir  occhio"  ist  die 


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SEIDEMANN,  ERLÄUTERUNGEN.  305 

AeussernDg  Cajeton's  nicht  nneben;  Ygl.  Schnorr's  von  Carolafeld 
„Archiv  Für  Literaturgeschichte"  1874.  IV,  3f.  Auch  ist 
Bindseil  m,  154  nicht  ein  späterer  Zusatz,  sondern  nur  (wie 
E.  B.  so  Vieles  von  Aurifaber)  „secretirt  und  ignorirt"^).  — 
Ich  schalte  hier  einen,  so  viel  ich  weiss,  unbekannten  Brief  des 
Myconius  vom  Dienstag  30.  November  1529  an  Luther  aus  der 
alten  Abschrift  in  Msc.  Dresd.  C.  342  (früher  in  Valentin  Löscher's 
Besitze,  das  Original  hatte  Georg  von  Eunheim),  4^^  Blatt  17f. 
ein.  „Olarissimo  &  fidelissimo  prophetae  Dominj  ad  Germanos 
Domino  Martino  Luthero  in  Christo  patri.  —  Gratiam  et  pacem 
per  Christum  &  Deo  patre  nostro.  Vt  aliquando.  Beverende  mi 
Domine  Luthere,  tuis  iussis,  uti  debeo,  obtemperem  et  me  exol- 
vam  debito,  Mitto  ad  te  Johannis  Ilten^  Minorite  historiam,  non 
quidem  totam,  sed  minutas  quasdam  particulas  quantulas  ex  vitulis 
monachis  et  scriptorum  iUius  reliqu^s  carceris  expiscari  et  corra- 
dere  licuit.  Ex  omnibus  verö  monumentis  k  libris  illius,  quorum  fuit 
ingens  copia  &  haud  dubie  adhuc  aliqui  ä  monacliis,  qui  illos 
olim  occultarunt,  dum  perderent,  8ervante8(ur),  non  nisi  haec  frag- 
menta  nancisci  potui.  Et  id  certe  non  sine  magna  diligentia  et 
arte.  Miro  enim  studio  Monachi  isti  huius  et  aliorum  Christi 
martyrum  &  monumenta  obstruunt  et  occultant,  ne  de  hac  terra 
clament  ad  Dominum,  sed  frustra  sumunt  hanc  operam,  cum  iam 
venturus  sit  qui  omnem  omnium  iustorum  sanguinem  qui  effusus 
est  super  terram  ab  imp^s  requisitnrus  est.  Fuit  Iltenius  olim 
apud  Livonios  quibus  praedicavit,  ut  angelum  se  audisse  putarint 
quotquot  concessum  fuit,  illum  videre  et  audire.  Verum  ex  hoc 
libro,  loGO  eo  quem  chartula  imposita  signavi,  folia  quidem  dis- 
cerpserunt  Monachi,  ubi  ut  ex  priori  folio  quod  adhuc  est  reli- 
quum,  vir  ille  suam  historiam  et  martyria  descripserat.  luter 
reliqua  verö  mihi  prologus  libri  huius  videtur  esse  non  mall  cor- 
dis  testimonium,  quanquam  de  lustificationis  saluberrima  atque 
necessaria  doctrina  vollem  ipsum  vel  scripsisse  vel  scisse  certiora. 
Bomam  aliquoties  interpretatur  A.pocalypticam  illam  meretricem, 
&  desiturum  illnd  regnum  circa  annum  Christi  1514,  ut  est  in 


1)  Die  beiden  Exemplare  der  Colloquia,  Meditationes  u.  s.  w.  —  Msc. 
Dresd.  A  91,  2  Tomi  in  folio,  und  Msc.  Guelpherbyt.  (Extr.  72),  zwei 
Tomi  1569  mit  236  Folioblättern,  die  Bindseil  nicht  kannte  — ,  nach 
deren  Wortlaute  Bebenstock  alles  lateinisch  wiedergab,  sind  viel  ur- 
sprünglicher und  der  Bindseirschen  Ausgabe  weit  vorzuziehen.  Die 
Wolfenbättier  Bibliothek  besitzt  femer  einen  Thesavrvs  Memorabi- 
liunj  vom  Jahre  1556  in  Vi^  (inartblättern ,  878.  Heimst.,  der  in  zier- 
licher Niederschrift;  in  168  Nammem  auf  79  Blättern  deutsche,  Dog- 
matisches enthaltende  Tischreden,  fast  nur  Bekanntes,  gewährt,  von  denen 
einzelnes  anders  und  besser  gefasst  ist,  wovon  meine,  ihrem  Abschlüsse 
nahe  Ausgabe  der  ursprünglichen  Tischreden  Rechenschaft  ab- 
legen wird.    Die  Stelle  steht  A  92  f.  282^  Guelph.  II  f.  7»>. 


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306  ANALEKTEN. 

illlüs  rotnlis  cernere.  Supra  modnm  aegro  tulit  animo  distin- 
ctlonem  illam  quam  monachi  primom  excogitarunt:  Christianos  alios 
esse  religiosos  alios  seculares:  ubi  vult  nailam  prorsus  religionem 
salutarem  esse,  nisi  unam  Christianam,  sine  qua  Monachi  extra 
salutem  sunt.  De  Mohametarum  sivc  Turcarum  regno,  trinmphis 
et  gladijs  in  Europam  nsque  propagandis,  ut  sie  Eoropensium  con- 
summata  malitia  et  impietas  dignas  poenas  det,  quae  senserit,  & 
in  rotnlis  &  alibi  in  hoc  libro  frequenter  disserit.  Deinde  de 
Christianorum  reformatorum  regno  deqne  anti-Christi  Tjrannide 
&  regno  Christi  hie  in  terra  atque  de  mundi  fine  circa  annum 
Christi  1661  et  quod  ultra  nihil  nnraerot  computus  libri  coelestis, 
quid  senserit  et  quibus  probarit  scripturis,  tu  facilius  quam  ego 
conijcies.  Ego  enim  puto,  illum  non  admodum  verisimilia  scri- 
bere.  Verum  hoc  unum  non  possum  non  mirarj,  quod  Bomae 
statuit  finem  circa  annnm  mundi  1514.  Et  Turcae  regnum  ab 
anno  Christi  600  usque  ad  illius  annnm  1570  in  Europam  etiam 
extendit:  in  qua  re  non  video  quid  mentiatur*).  Verum  tu  spi- 
ritu  Christi  qui  in  te  est  scies,  quis  fuerit  ille  spiritus  qui  haec 
sugessit  &  congessit.  Rogo  autem,  mi  Rev.  Luthere,  ut  libmm 
hunc  Iltenij  lectum  remittas.  Dedi  enim  fidem  Monacho,  me  hunc 
diligentor  servatnrum  et,  si  iubeat,  etiam  remissurum.  Cura,  ne 
me  ille  possit  arguere  mendacij,  cuius  certo  criminis  me  puderet 
vehementer.  Quando  verö  Papistarum  furor  non  cessat  contra 
Christum,  velim  spiritum  in  te  &  alijs  non  cessare  iUorum  ar- 
guere peccata,  qnanquam  iam  peccent  adeö,  ut  nulla  spes  sit, 
haec  crimina  &  horrendum  peccatum  blasphemiao  vnquam  remitti: 
tamen  iam  ubique  morienti  in  cruce  Christo:  puto  non  indignnm 
fore,  si  cum  centurione  clamemus :  Christum  indigna  pati  ac  instum 
esse.  Vt  vos  in  clamando  adiuvarem.  Scripsi  hos  tres  qnater- 
niones  quos  Ilteni  historiae  praemisi,  tantum  in  hoc  ut  videas, 
me  libenter  velle  tecum  confiteri  Christi  innocentiam  et  perditi- 
onem  illorum  furori  comminari,  quod  cito  dabunt  domino  horren- 
das  poenas,  huic  et  domino  ultionem.  Caeterum  si  alind  tibi 
videatur  magis  expedire,  utere  ijs  chartis  pro  tergendis  naribns 
aut  augendo   igne.     Novi  hie  nihil  dicitur,  nisi  quod  Caesarem 


1)  Die  Weissagung  GRAPS,  d.  i.  Oninia  redibunt  ad  pristinom 
ßtatum,  soll  von  Hüten  sein;  laut  UN.  1706,  S  .313:  M.  C.  quadratum 
LX.  quoqae  duplicatum  Graps  peribit  k  Hass  Wicklefque  redibit  Vgl. 
Bindseil,  Coli.  lat.  III,  331  und  meine  Bonicrkung  bei  Burkhanlt  S.  166. 
Sie  heisst  aber  in  Albini  Schneebergischer  Chronica,  Msc.  Dresd.  L.  6. 
No.  68:  „Post  m  Simplex  c  quadratum  Ix  dnplicatum  Dam  v  transibit 
Hussitamm  secta  peribit  Grips  consurget,  fides  cristiana  resarget.  Doch 
auch  M  c  qaadratum  Ixvij  binatum  Graps  consurget,  fides  Romana  re- 
surget,  Et  quae  redibit  wicklefica  ista  secta  peribit  Hoc  deus  si  velit, 
totum  in  foribos  erit.  Gmnia  redibunt  ad  pristinum  statam.  —  Ueber 
Hilten  Corpus  Ref.  IV,  780  f.;  XXIV,  64.;  XX VII.  627.  de  Wette  VI,  563. 


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SEIDEMA17N;  ERLÄUTEBUNGEN.  307 

ainnt  valde  Christo  molestum  fierj.  Sed  scis  quid  mercedis  re- 
tnlerint  potentiores  hostes  eins.  Hie  haiid  dubio,  quando  in  hunc 
lapidem  impingit,  ut  vas  figuli  similiter  confringetar.  Confidite, 
ego  vici  mundum  Die  woll  mehr,  grosser,  weisser,  stercker,  zorniger 
ist,  weil  teuffei,  hell,  Tnrcke,  Pabst,  König,  Bischoff,  alle  Yolcker 
ihr  Kriegsverwanter  sein  qnanto  magis  Caesarem  vici  vici.  Gra- 
tia  Christi  te  servet  Ecclesiae  suae  Amen.  Saluta  sociam  illam 
omnis  calamitatis  tuae  Eethen  von  Bora.  Gothe  1529  f.  pij 
Andreae.  T.  Fridericus  Miconius. 

Zur  Sache  vgl.  de  Wette  III,  Ö14f.  523.  Erl.  XXV,  325. 
Köbtlin  I,  39.  777  (wo  zu  Eisenach  zu  vgl.  ist  Spal.  bei  Menke 
U,  605).  Portgesetzte  Sammlung  1744,  S.  31 7  f.  Hess  Löscher 
aus  dem  jetzigen  Msc.  Dresd.  C.  342  Bl.  2  den  Brief  Spalatins 
an  Luther,  worin  erwähnt  wird  „Comerus  Denccendorfensis  Va- 
riscus''  als  vom  Jahre  1520  abdrucken,  Burkhardt  S.  36.  Der 
Briefschreiber  unterzeichnet  sich  aber  deutlioli  als  Comerius  Dem- 
dorfianus  Parochus,  auch  muss  der  Brief  vom  Jahre  1529  sein. 
Ob  Domdorf  bei  Domburg,  oder  bei  Laucha,  oder  bei  Vach? 

S.  628 f.  „Denn  zum  Ersten,  so  hatte  er  in  frischem  Ge- 
dächtniss  die  Acta  des  Beichstages  zu  Worms  Anno  21,  da  die 
Bekenntniss  des  Evangelii  von  Luthero  vor  allen  Ständen  des 
römischen  Beichs  gethan,  dabei  er  gestanden,  und  hat  sie  oftmals 
tlber  seinem  Tisch  mit  sonderlicher  Freude  und  herzlichem  Froh- 
locken erzählet,  wie  sie  gedmckt  sind,  und  setzt  das  hinzu, 
BO  im  Gedruckten  nicht  stehet:  da  der  Doctor  sein  Bekennt- 
niss sittig  und  demtithig  getban,  ist  er  von  Eck  und  des  Pabsts 
Legaten  hart  angescbnaubet  worden;  da  der  Doctor  aber  vemahm, 
dass  sie  nicht  Glenüge  daran  hatten,  sprach  er:  Das  Evangelium, 
so  ich  meinem  Deutschen,  meinem  lieben  Vaterlande  gepredigt 
und  offenbart,  ist  nicht  mein,  sondem  meines  HEBEN  Jesu  Christi 
und  lass  das  S.  Peter  verantworten,  der  spricht  Actonun  lÖ 
(Y.  43):  Von  diesem  Jesu  zeugen  alle  Propheten,  dass  wir  in 
seinem  Namen  Vergebung  der  Sünden  erlangen.  —  Das  ist  ein 
herrlicher,  theurer  Spruch,  den  er  dlesmals  gelemet  und  als  ein 
sonderlich  geistliches  Kleinod  geachtet  und  ofk  wiederholet  hat." 
Franciscus  Bhade's  von  Grim  Leichpredigt  auf  den  kurfürstlichen 
Marschall  Dietrich  von  Starschedel  auf  Mutzschen  vom  8.  No- 
vember 1561.  Sächsisches  Kirchen-  und  Schulblatt  1672.  No.  37. 
Sp.  294.  —  Immer  und  immer  wieder  ist  zu  verweisen  auf  das 
Luthem  so  sehr  geläufige  Hie  st o.  Apostelg.  25, 10.  S.  Ambrosius 
Tischreden  XXI,  §  1;  LVH,  §  5;  IX,  §  2  (=  Dietrichs  Collecta 
Blatt  143^;  Obenanders  Thesavrvs,  Blatt  245»).  Ericeus,  Sylwla 
p.  149^  de  Wette  IV,  169.  Erl.  XVII,  103;  XXIV,  58.  211; 
XXV,  236;  XXXI,  233.  Obenander  Blatt  123».  Büchmann, 
Geflügelte  Worte.  Aufi.  11.  S.  382. 


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308  ANALEKTEN. 


2. 

Fachwort  zh  deo  von  V.  Schutze  mit^teiUeii 
Depeschen  Gontarinr& 

Von 

Th.  Brleger. 


Den  oben  S.  150 — 184  mitgeteilten  Depeschen  Contarini's  ') 
glaubte  die  Redaction  nicht  erst  erläuternde  oder  auf  ihren 
Wert  im  einzelnen  hinweisende  Anmerkungen  hinzufügen  zu 
mfissen,  überzeugt,  dass  diese  Actenstücke  auch  ohne  derartige 
Zutaten  als  ein  nicht  unwichtiger,  ja  zum  Teil  hochinteressanter 
Beitrag  zur  Geschichte  jenes  merkwürdigen  Jahres  1541  will- 
kommen sein  würden.  Die  Depeschen  sind  meines  Wissens  bis- 
her sämmtiich  unbekannt.  Nur  wenige  von  ihnen  hatPallavi- 
cini  benutzt,  so  die  vom  5.  April  (17,  13,  6)  •)  und  die  vom 
14.  April«)  (IV,  13,  5*),  vgl.  obenS.  175 f.;  femer  IV,  13,  2 
und  IV,  14,  1),  endlich,  wie  aus  einer  Vergleichuüg  von  IV, 
13,  6  (Anfang)  mit  Zeitschrift  S.  165f.  hervorgeht,  auch  die 
Depesche  vom  30.  März,  obgleich  er  sie  nicht  ausdrücklich  citirt: 
spärliche  Mitteilungen,  welche  dön  Wunsch  nach  seiner  Vorlage 
nur  desto  lebhafter  auftauchen  Hessen. 

Zu  bedauern  bleibt  allerdings,    dass   es  Herrn  Dr.  Schnitze 


1)  Der  freandlichen  Mitteilnng  von  DruffeTs  verdanke  ich  fol- 
gende Verbesserungen :  S.  164,  Z.  IG  v.  o.  1. :  Maguneia  statt  Modena. 
S.  165,  Z.  21  V.  u  1.  nach  quäle:  non,  S.  169,  Z.  3  v.  u.  L:  viäeUcet 
stett  ut.    S.  171,  Z.  18  V.  0.  l:  me  ne. 

^)  Fälschlich  ist  sie  ad  marginem  auch  zu  IV,  13,  5  notirt.  In 
§  6  lässt  sich  jetzt  in  einer  Kleinigkeit  Pallavicini  berichtigen,  indem 
das  bekannte  Wort  über  die  Protestanten  („Scusö  il  Granvela  questo  si- 
lenzio,  dicendo  che  s'havea  da  trattare  con  aniraali  irragione\'oli  e  fieri; 
e  pero  conveniva  d'accomodaiü  all'  insania  loro  per  mansuefarli ")  nicht 
GranveUa,  sondern  in  doch  etwas  anderer  Fassung  dem  Kaiser  angehört 
(s.  oben  S.  171). 

8)  Das  von  Schnitze  (oben  S.  176,  A.  1)  vermutete  Datum,  der 
14.  April,  schon  ans  dem  Inhalt  mit  Sicherheit  sich  ergebend,  wird  zum 
UeberHa86  noch  bestätigt  durch  PallaviciHi  IV,  14,  1 ;  vgl.  auch  die  De- 
pesche Morone^s  vom  gleichen  Tage  bei  Lämmer,  Mon.  Vat.,  p.  369 sqq.  und 
(las  Corp.  ßef.  IV,  157-166. 

*)  Nor  durch  ein  Versehen  ist  von  Pallavicini  hier  Hezug  genommen 
auf  eine  Depesche  vom  5.  ApriL 


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BRIEGER,  ZU  DEN  DEPESCHEN  CONTARINfS.  309 

nicht  m^lich  gewesen  ist,  die  Reihe  dieser  Depeschen  zu  yer- 
▼oUständigen:  von  Mitte  April  bis  zum  23.  Juni  nicht  eine 
einzige  Depesche!  und  auch  dann  wieder  eine  grosse  Lücke  bis 
znm  19.  Juli.  Grade  für  diejenigen  Wochen,  aus  denen  die 
Berichte  des  päpstlichen  Legaten  für  uns  Ton  dem  spannendsten 
Interesse  sein  würden,  die  Zeit  des  Colloquiums  (27.  April  bis 
25.  Mai)  und  der  darauffolgenden  Verhandlungen  über  das  sog. 
Toleranzproject,  sind  die  Depeschen  noch  nicht  aufgefunden  — 
was  umsomehr  zu  bedauern  ist,  als  auch  der  für  das  Wormser 
Gespräch  so  reichlich  fliessende  Strom  von  Depeschen  des  Nun- 
tius Morone  in  Lämmer's  Monumenta  Yaticana  für  den  Regens- 
burger Reichstag  fast  ganz  versiegt  ^).  Wie  häufig  z.  B.  im 
Mai  Oontarini  nach  Hause  berichtet  hat,  ersehen  wir  ans  ein 
paar  beiläufigen  Notizen,  welche  Depeschen  vom  3.,  4.,  9.,  11., 
12.,  13.,  16.,  16!*),  vom  23.  und  24.*),  endlich  vom  29. 
und  30.  Mai  *)  erwähnen.  Von  allen  diesen  ist  noch  keine  zum 
Vorschein  gekommen.  Wir  kennen  überhaupt  ausser  den 
in  dieser.Zeitscfarift  veröffentlichten  nur  zwei  amt- 
liche Berichte  Contarini's  an  den  Vicekanzler  Alessandro 
Famese:  diejenigen  vom  28.  und  30.  April  (bei  Quirini, 
Ep.  Poli  ni,  p.  CCLin — CCLVI),  beide  von  ausserordentlichem 
Werte  **).  Allenfalls  kann  hieher  noch  ein  dritter  Brief  an 
Famese  gerechnet  werden  (vom  22.  Juni),  welcher  der  Ver- 
teidigung des  zu  Regensburg  vereinbarten  Artikels  von  der  Recht- 
fertigung gewidmet  ist  ®).  -—  Noch  weniger  glücklich  sind  wir  leider 


1)  Lämmer  bietet  uns  für  die  Zeit  der  Anwesenheit  Oontarini's 
in  Regensburg  (12.  März  bis  Ende  Juli)  nur  vier  Berichte  Morone's: 
vom  14.  April,  2.  Jnni,  14.  Jnni,  27.  Juli  (s.  dazu  unten  S.  311, 
A.  2).  —  Diese  Lücke  wird  einigerraa«8pn  durch  die  2.  Reihe  von  „  Acten- 
stücken"  Victor  Schultzens  ausgefüllt  werden,  welche  u.  a.  acht  De- 
peschen Morone's  aus  dem  März  und  April  und  sieben  andere  Kegens- 
burger  Briefe  (von  Girolamo  Negro,  einem  Begleiter  Contarini's,  imd 
Bernardo  Santio,  dem  Bischof  von  Aquila)  bringen  wird,  bis  auf  einen, 
der  von  Ende  Juni,  sämmtlich  aus  dem  April. 

2)  S.  Nicolo  Ardinghelli  (im  Namen  Famese^s)  an  Oontarini,  Rom 
29.  Mai,  bei  Quirini,  Epist.  Reg.  Foli  III  (Brixiae  1748),  p.  CCXXXI; 
vgl.  auch  Pallavicini  IV,  13,  9;  14,  5.  6.  11.  12.  14  und  Bembo  an  Oon- 
tarini, Rom  27.  Mai. 

«)  S.  Pallavicini  IV,  14,  11.  13. 

*)  S.  Nicolo  Ardingh^  (im  Namen  Farnese's)  an  Oontarini,  Rom 
15.  Juni,  bei  Quirini,  p.  OOXL. 

*»)  Eine  andere,  der  erhaltenen  voraufgehende  Depesche  vom  18. 
April,  welche  sich  ober  den  Fortgang  des  Oolloquiums  verbreitete  (s. 
1.  c,  p.  CCLIII),  ist  noch  nicht  aufgefunden. 

»)  Zuerst  von  Flacius  15G3  in  seiner  Schrift  „de  voce  et  re  fidei*' 
mitgeteilt,  von  mir  wieder  abgedruckt  in  den  „Studien  und  Kritiken'' 
1872,  8.  144—150  (vgl.  dazu  meine  Ausführungen  ebend.  S.  129-137); 


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310  ANALEKTEN. 

mit  den  gewiss  ebenfalls  zahlreichen^)  Depeschen  Farne se*s 
an  Contarini;  denn  von  diesen  sind  nnr  zwei  bisher  an*s  Licht 
gekommen,  die  zu  den  wichtigsten  Actenstücken  des  Jahres  1541 
gehören:  die  beiden  im  Namen  Famese's  von  seinem  damaligen 
Secretär  Ardinghelli  geschriebenen  vom  2  9.  Mai  nnd  15.  Jnni 
(Qairini,  Ep.  Pol.  UI,  p.  CCXXXI— CCXL  und  CCXL  bis 
CCXLIX  «). 

Ist  nnn  aus  dem  Briefwechsel  zwischen  dem  Legaten  und 
seinem  Vorgesetzten  ausser  dem  Aufgeführten  nichts  bekannt, 
so  sehen  wir  uns  umsomehr  auf  die  übrige  Correspondenz 
Contarini*s  während  seiner  deutschen  Legation  hin- 
gewiesen. Was  von  derselben  bisher  allgemein  zugänglich  ist, 
befindet  sich  fast  ausnahmslos  in  der  von  dem  Cardinal  Qui- 
rl ni  veranstalteten  Sammlung  der  Briefe  Pole*s.  Ich  gebe  hier 
eine  chronologisch  geordnete  Uebersicht  über  •  diese  Correspondenz, 
deren  einzelne  Stücke  freilich  von  sehr  verschiedenem  Werte  sind. 

März  14:  Contarini   an   den   Cardinal   Aleander:    Quir.   III, 
p.  CCXXVsq. 
„       „     Contarini  an  den  Cardinal  Pole:  III,  16 sq. 
„     22:         „  „      „         „         Cervini:  p.  CCXXVI. 

„       „  „  „    Pole:  m,  19. 

April    6:         „  „        „       m,  20  sq. 

„     11:  Pole  an  Contarini,  d.  Rom:  HI,  17 — 19  u.  85. 
„      22:      „      „         „  „       „     m,  22—24. 

„      29:  Contarini  an  Cervini:  p.  CCXXVII. 
Mai  12:  „  „  „  p.  CCXXVni. 

„     17:    Ercole  Gonzaga  (Card,  dl  Mantova)  an  Contarini, 

d.  Loces:  p.  CCLXXVIH— CCLXXXHI. 
„      „      Pole   an  Contarini,    d.  Capranica:   III,   25   (Ant- 
wort auf  einen  Brief  vom  3.  Mai.) 


der  Brief  ist  übrigens  nicht,  wie  ich  früher  annahm  (S.  130,  A.  4),  die 
Antwort  auf  einen  verloren  gegangenen  Brief  Farnese's  vom  9.  Juni, 
sondern,  wie  aus  der  Depesche  Contarini's  vom  24.  Juni  jetzt  deutlich 
hervorgeht  (s.  o.  S.  176),  die  Entgegnung  auf  die  in  Rom  lautgewordcnon 
Klagen,  welche  die  uns  erhaltene  Depesche  Farnese's  vom  15.  Jnni 
erwähnt. 

1)  Contarini  erwähnt  solche  vom  3.,  7.,  9.,  11.,  25.  März,  16.  April, 
15.  Jnni,  7.  und  10.  Juli.  Famese  selbst  bezieht  sich  am  29.  Mai  noch 
auf  eine  vom  11.  Mai.  Das  sind  natürlich  nur  ein  paar  zufällig  er- 
haltene Daten. 

^)  Die  zweite  auch  bei  Lämmer,  Mon.  Vat.,  p.  376 sqq. ,  aber 
unter  falschem  Titel,  fehlerhaft  und  mit  einer  Lücke;  in  einer  zum  Teil  un- 
genauen lateinischen  Uebersetzung  und  mit  einigen  Fortlassungen  steht  sie 
auch  bei  Raynaldus  1541,  n.  20—24  und  bei  Le  Plat  III,  118—128. 


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BRIEGEK,  ZU  DEN  DEPESCHEN  CONTAßlNl'a  311 

Mai   21 :  Lnigi  P ri nl i  an  Ladoyico  Beccadelli  (Secretär  Con- 
tarini's  in  Begensburg):   Fragment  bei  Quir.   IQ, 
p.  XLVI— XLIX  1). 
„     25:  Contarini's  Epistola  de  Justificatione. 
„     28:  Ceryini  an  Contarini  (d.  Rom):  p.  CCXXVUI. 
„     30:  Contarini  an  Cervini:  p.  CCXXIX. 
Juni    9:       „  „  „  p.  CCXXXL 

„     14:  Ceryini  an  Contarini  (d.  Bom):  p.  CCXXX. 
Juli   16:  Pole  an  Contarini,  d.  Capranica,  IQ,  26 — 30  (Ant- 
wort auf  einen  Brief  vom  20.  Juni). 
Aug.  22:  Pole  an  Contarini,  d.  Capranica,  Fragment  bei  Pal- 

layicini  IV,  15,  14. 
Sept   1:  Pole  an  Contarini,  d.  Capranica:  Quir.  HI,  30 sq. 

Nimmt  man  endlich  ausser  den  schon  erwähnten  vier  De- 
peschen Morone's  bei  Lämmer  die  von  Baynaldus  ganz  oder 
im  Auszuge  mitgeteilten  Briefe  aus  Begensburg  ^  hinzu,    so  hat 


1)  Quirini  giebt  freilich  kein  Datum  an;  dasselbe  emebt  sich  aber 
mit  Sicherheit  ans  einem  (später  zu  erwähnenden)  Briefe  Bembo^s  vom 
21.  Mai.  —  Es  ist  jener  Brief  Prinli's,  von  dem  Bänke  (Päpste  I,  108) 
bemerkt,  er  könne  es  Qnirini  nicht  vergeben,  dass  er  ihn  nicht  vollstän- 
dig mitgeteilt  habe. 

>)  Hieher  gehören  besonders  folgende  Schriftstücke:  der  Brief  des 
Episcopns  Aqnilanus  (nach  Garns,  Series  £p.  p.  851  Bemardus 
Sanctins,  von  1538—1553)  an  Farnese  nnd  Cervini,  ßatisb.  VI.  (?XVI.?) 
kal.  Jon.  (1541,  n.  7.  11);  der  Brief  eines  Anonvmns  vom  7/8.  Jnni 
(n.  25),  welchen  man  nicht  hätte  Contarini  znschreiben  sollen,  er  stammt 
vielmehr  aus  dem  diesem  feindlichen  Kreise  Eck's  (s.  auch  Ranke  I, 
110);  Tind  endlich  die  Briefe  des  Internuntius  Claudius  an  Farnese, 
meist  im  Auszuge  und  indirecter  Bede  mitgeteilt:  1)  n.  3:  Begensburg 
4.  März;  2)  n.  4:  Begensburg  3.  April;  3)  n.  7:  Begensburg  6.  April; 
4)  n.  18:  Begensburg  29.  Mai;  5)  n.  19:  Begensburg  2.  Juni.  —  Hier 
mag  auch  ein,  so  viel  ich  sehe,  noch  von  Niemand  bemerkter  Irrtum  des 
Baynaldus  aufgedeckt  werden.  Wer  ist  der  Internuntius  Clau- 
dius? Baynaldus  rühmt  ihn  als  „arcanorum  Principum  particeps''  (n.  3),* 
als  „rerum  gerendarum  peritia  clarissimus '^  (n.  4)  und  macht  aus  den 
wertvollen  Briefen  desselben  mit  Vorliebe  Mitteilungen.  Wir  sind  sehr 
genau  unterrichtet  über  die  zahlreichen  Nuntien,  welche  im  Jahre  1541 
zu  Worms  oder  auch  in  Begensburg  sich  zu  schaffen  gemacht  haben: 
Tommaso  Campegg i,  Giovanni  Morone,  Giovanni  Po ggio,  Giovanni 
V  er  alle,  desgleichen  über  andere  römische  Agenten  wie  den  Bischof  von 
Aquila  und  Pier  Paolo  Vergerio,  wie  endlich  über  die  aus  Bom  zur  Begleitung 
teils  Camp^gi's  teils  Contarini's  mitgegebenen  theologischen  Batgeber  und 
Secretäre;  Tommaso  Badia,  Scoto,  Adamo  Fumano,  Trifone  Benzi,  Giro- 
lamo  Negri,  Filippo  Gheri,  Ludovico  Beccadelli  u.  A.  Aber  ein  Inter- 
nuntius Claudius  ist  mir  in  allen  Depeschen  und  Briefen  dieser  Zeit 
nirgends  begegnet,  und  er  war  für  mich  eine  ganz  rätselhafte  Person, 
bis  ich  entdeckte,  dass  sich  unter  ihm  niemand  anderes  als  der  Nuntius 
Morone  (seit  Mitte  März  bei  Karl  V.  beglaubigt)  verbirgt.  Man  ver- 
gleiche den  Brief  des  Internuntius  Claudius   vom  4.  März  mit  der  De- 

Zeitadir.  f.  K..G.  UI,  9.  21 


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312  ANALEaCTEN. 

maü  das  gosammte  römische  Briefinaterial  ^)  beisammen  —  mit 
Aüsnahtae  desnngemeiti  reichhaltigen  Briefwechsels, 
welchen  nns  ein  italienisches,  in  Deutschland  sehr  sel- 
tenes und  für  Contarini  noch  gar  nicht  verwertetes 
Werk  bietet,  lieber  diese  so  gut  wie  unbekannten  Schätze 
beabsichtige  ich  im  nächsten  Hefte  ausführlichere  Mitteilungen  za 
geben. 


EiB  Brief  Bocer's  an  MelaBchthon« 

(9.  September  1544.) 

Mitgeteilt 
von 

Fr.  Linde, 

Decan  zu  Neustadt  a.  Aiseh. 


S.  D.    Nihil  prope  bis  aliquot  mensibus  nunciatur  aut  scri- 
bitur  aut  äxüstit,  quod  non  singularem  quändam   significationem 


pesche  Morone's  von  demselben  Datum  bei  Lämmer,  Mon.  Yat.,  p.  367  sqq. 
und  man  wird  sehen,  dass  von  Raynaldus  die  erste  Hälfte  dieser  Morone- 
Depesche  fast  T^drtHch  reproducirt  ist;  desgleichen  ist  der  Brief  des 
Claudius  vom  2.  Juni  nur  eine  in  indirecter  Rede  wiedeigegebene ,  hin 
und  wieder  etwas  freie  und  umschreibehde ,  aber  häufig  ganz  wörtliche 
lateinische  Uebersetzung  der  Depesche  Morotie's  vom  2.  Juni  bei  Lämmer  ^ 
p.  372 sq.;  ebenso  zeigt  endlich  ein  Vergleich  der  Mitteilungen  aus  dem 
Briefe  des  Claudius  vom  3.  April,  dass  die  grössere  Hälfte  desselben  ein 
Auszug  ist  aus  dei*  Depesche  Morone's  vom  3.  April,  welche  Yietor 
Schnitze  demnächst  in  aieser  Zeitschrift  veröffentlichen  wird,  während 
Baynaldus  den  Schlnss  (n.  4)  anderswoher  genommen  hat  (vielleicht  aus 
einem  noch  nicht  aufgefundenen  Briefe  Motone's  vom  6.  April;  bis  auf 
einen  Punkt  findet  sich  übrigens  alles  zerstreut  in  früheren  Briefen  Mo- 
rone's).  —  Auf  diese  Weise  gewinnen  wir  demnach  bei  Baynaldus  nooh 
einige  weitere  Depeschen  Morone's,  wenngleich  nur  in  freier  Wiedergabe: 
das  Fragment  derjenigen  vom  6.  April  (n.  7)  und  die  vom  29.  Mai 
(n.  18),  letztere  von  um  so  grösserem  Belang,  als  sie  bei  dem  sonstigen 
Mangel  von  Briefeil  aus  dieser  Zeit  die  einzigen  Nachrichten  bietet  über 
die  Stellung  des  Legaten  zu  dem  Toleranzvorschlag  vor  Empfang  der 
Weisungen  aus  Rom.  —  Wie  Rayualdus  dazu  gekonmien  sein  mag,  an 
die  Stefle  deö  berühmten  Giovanni  Morone,  der  schon  1542  durch  den 
Purpur  ausgezeichnet  wurde,  einen  obscuren  Internuntius  Claudius  zu 
setzet! ,  das  vermag  ich  allerdings  nicht  zu  erklären.  Oder  sollte  die 
Wahl  des  Pseudonym  Absicht  sein?  Die  kann  ich  mir  in  diesem  Falle 
vollends  nicht  bei  Räynaldus  denkeu. 

1)  Die  einen  Bestandteil  der  Regensburger  Acten  bildenden  amt- 
lichen Schriftstücke  Contarini's,  die  man  tiberall  (auch  im  Corp.  Ref.  IV) 
findet,  übergehe  ich. 


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LINDE,  EIN  BRIEF  BüCER's.  313 

ingerat  irae  dininaa  in  üos  et  acceldratitis  desolationis.  Dominnfi 
sustmeat  et  conseruet  se  inaocantes.  iSidie  quam  tuas  literad 
Miüehiitg  atiulisset,  vir  tno  et  optimi  cninsqne  yiri  amore  ac 
studio  dignisB.,  Amb.  Blaurems  particulam  epistolae  cuinsdam  ad 
Prechtum  ex  vestra  schola  scriptae  miserat,  eadem  quae  scripsisti 
de  Amsdorfio  et  Lüthero  conünemotantdm.  Quid  vero  gratius 
hi  nostri  facere  queant  Coloniensibus  viperis?  0  charum  Deo 
Cd.  senem,  quem  ita  utrinque  exercere  et  probare  iustituerit. 
Afficitttit  m6  ista  vt  par  est,  sed  coufldo  tarnen  Christum  et  [in 
posterum  ^)]  nostrae  inocentiae  non  deftitu[rum.  Scripsi  Luth]ero 
et  Pomerano,  sed  tuutti  esto  iudioium,  lectis  exemplis  literarum, 
an  conueniat  has  meas  literas  exhiberi.  Religio  milü  merito  est, 
omittere,  quae  tideaütur  posse  istis  scandalis  moderarl  Sed 
quis  sciat  quid  apud  hos  tempestiuum  sit?  Pie  tu  et  sapienter 
facis,  qui  aliomm  intemperiem  tua  lenitate  et  patientia  pergis 
▼iücere.  Haec  tua  ratio  rincendi  Ecclesiis  Christi  maxima  sane 
mala  hactenus  auertit  rel  imminuit,  idem  dabit  Dominus  et  in 
praesenti  perturbatione.  Placet  tamen  monitum  esse  Pontanum. 
Nee  habeo  certe  quid  praeterea  faciendum  existimem,  hoc  quidem 
tempore,  quo  tautis  in  periculis  Ecclesiae  Christi  yersantur  yndi- 
que.  Est  et  nobis  in  iussu  [?],  yt  de  formula  reformationis  ge- 
neralis [a]liquid  scribamus.  Verum  dum  consideramus^  [quam]  *) 
rariss.  sit  qui  veram  Ecclesiarum  reformationem  ferre  possit,  ne- 
dum  expetat,  tum  etiam  quam  egre  audiant  se  mutuo,  non  dico 
sententüs  congruant,  qui  ex  animo  velint  Ecclesias  restitutas,  ita 
languemus,  et  ab  hoc  labore  animi  nostri  refugiunt^  vt  nihil  ad- 
hnc  conscribere  coeperunus.  Quodeo  focilius  nobis  indulsimus,  quod  ') 
sciamus  tos  ea  allaturos,  vt,  si  obtineant,  nostris  commentis  non 
sit  opus,  sin,  et  nostra  frustra  ingerantur.  Tamen,  quia  ita 
nostri  volunt,  aliquid  in  genere  delineabimus.  Dominus  Jesus, 
Caput  Ecclesiae  j  tpse  sua  membra  reconoinnabit  et  süo  reget 
agitabitque  spiritum  ^),  cum  id  visum  ei  fuerit  Optimus  et  sua- 
uiss.  Milichius  inter  caetera  et  de  Josephi  Hungari  stultitia 
narrävit  Improbissime  ille  mihi  instabat,  et  causam  obtendebat 
conatum  suum  et  Studium  componendi  contentiones  suorum  de  hac 
causa.     Bgerrime  patiebar  a  me  hoc  scriptum  extorqueri,  tamen 


1)  Lacke;  am  unteren  Bande  det  beiden  ersten  Blätter  ist  nämlich 
ein  Stück  abgerissen,  wodurch  auf  der  ersten,  zweiten  und  vierten  Seite 
der  Text  Lücken  erhalten  hat,  die  sich  jedoch  mit  einer  Ausnahme  un- 
schwer ergänzen  lassen. 

«)  S.  oben. 

))  So  wäre  der  Regel  nach  die  sehr  deutlich  geschriebene  Abkürzung 
aufzulösen;  doch  wird  wohl  cum  zu  lesen  sein. 

*)  Lies  apiritu. 

21* 

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314  ANALEKTEN. 

cessi  flagitanti  nimium  acriter.    Inde  si  qnid  turbae  extitit,  mone 
vt  id  putes  sedandom,  faciam  quod  insseris. 

De  Yocatione  D.  Alberti  nostri,  viri  sane,  qualem  nobis 
commendasti,  yere  docti  et  pü,  perplacet  ex  multis  causis,  qnas 
Gognosces.  Tarnen  boneste  missio  a  Colon,  petenda  est,  apnd 
quem  propter  vitae  conditionem,  quam  meditatur,  non  tarn  com- 
mode  esse  poterit,  idoneus  alioqui  maxime  ad  moderandas  Eo 
clesias  inferioris  partis  dioeceseos,  vbi  bene  intelligi  potest. 
[TJalet  enim  concionandi  munere.  Sed  .  .  .  ^)  met  [?]  adiutorium, 
cuius  cansa  Pomerania  locum  magis  idoneum  dabit. 

De  Jo.  Schleidano  municipe  Stormii  nostri  rogo,  ea,  quae 
D.  Milicbius  narrabit,  tibi  sint  cordi.  Caetera  eidem  D.  Milicbio 
commisi  omnia,  quo,  vt  par  est,  nos  egregie  oblectamur,  yiro  vere 
pio,  doctiss.  et  humaniss.  Gratulamur  omnes  tibi  hnius  conuictum 
et  oramus  Dominum,  vt  alios  istic  omnes  huius  similes  faciat. 
Amen.  Yale  in  Cbristo  fortiss.  Compensabit  istas  tibi  erumnas 
et  angores  pater  noster  caelestis  sempitemis  gaudüs.  Salutem 
tibi  adscribi  petunt  Gerbelius  et  caeteri.  Hedio  absens  idem 
commisit.     Argent.  9.  Septemb.  1544. 

M.    Bucerus 

tnus  quantns 

est. 

Aufschrift  (auf  dem  4.  Blatte): 

Clariss.  viro  D. 
Philippe  Melant. 
totius  piae  et  bonae 
eruditionis  antistiti 
patrono  et  amico 
summo. 

Vorstehender  Brief  stammt  aus  der  Kirchenbibliothek  zu 
Neustadt  a.  Aisch  (Bayern),  über  deren  übrige  reformations- 
geschichtliche Briefe  die  Zeitschrift  in  einem  der  nächsten  Hefte 
Nachricht  nebst  weiteren  Mitteilungen  bringen  wird.  Da  der  Herr 
Decan  Linde  die  Güte  hatte,  mir  neben  seiner  Abschrift  auch 
das  Original  dieses  Briefes  zur  Einsicht  vorzulegen,  kann  ich  für 
die  Bichtigkeit  des  hier  gegebenen  Abdruckes  um  so  eher  ein- 
stehen, alsMaxLenz,  bekanntlich  mit  der  Herausgabe  des  Brief- 
wechsels des  Landgrafen  Philipp  mit  Bucer  beschäftigt  und  da- 
her mit  der  oft  schwierigen  Hand  Bucer's  sehr  vertraut,  bei  der 
Entzifferung  einiger  minder  leicht  lesbarer  Stellen  bereitwillige 
Hülfe  leistete. 

üeber  die  Situation,    in   welcher   der  Brief  geschrieben  ist. 


1)  Der  erste  Teil  dieses  Wortes  ist  weggefallen  (s.  o). 


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HARNACK,  PROPH.  MALACHIAE  DE  SUMMIS  PONTIFICIBÜS.   315 

vergleiche  man  Varrentrapp,  Hermann  von  Wied  und  sein 
Refonnationsversnch  in  Köln  (Leipzig  1878),  bes.  S.  229 — 231 
(nnd  218).  In  der  hier  im  Vordergründe  stehenden  Angelegen- 
heit (s.  über  dieselbe  auch  Köstlin,  Luther  II,  570 ff.  und 
Spiegel,  Hardenberg,  S.  50  f.)  wandte  sich  Bucer  auch  an  Land- 
graf Philipp,  der  seinerseits  an  Brück  schrieb  (s.  den  Brief 
Corp.  Eef.  V,  501  f.;  vgl.  auch  p.  522).  —  Heber  die  Eeise 
Milich's  nach  Strassburg  und  den  ihm  von  Melanchthon  mit- 
gegebenen Brief  an  Bucer  s.  C.  ß.  V,  461.  462.  476,  bes.  Me- 
lanchthon an  Bucer,  28.  August,  p.  474.  —  Josephus  Hungarus 
wird  auch  von  Melanchthon  erwähnt:  an  Veit  Dietrich,  11.  August 
1544,  C.  ß.  V,  461;  vgl.  p.  475.  —  Ueber  den  Plan,  Harden- 
berg nach  Pommern  (an  die  Universität  Greifswald)  zu  senden, 
s.  den  Brief  Melanchthon's  vom  21.  August  1544;  C-  ß.  V,  468; 
Spiegel,  Hardenberg  (Brem.  Jahrbuch  IV),  1869,  S.  45f.  52. 

B  r  i  e  g  e  r. 


4. 


Heber  den  Verfasser  und  den  Zweck  der  Prophetia 
Malachiae  de  sommis  pontiflcibos  (1590). 


Von 

Adolf  Hamack. 


In  einem  lehrreichen  Au&atze  in  den  „Studien  und  Kri- 
tiken" 1857,  S.  555 — 573  hat  Weingarten  den  Nachweis  zu 
führen  versucht,  dass  Wien,  der  in  seinem  „Lignum  Vitae" 
(Venet  1595,  T.  I,  p.  307—311)  die  Weissagungen  des  Mala- 
chias  (t  1148)  über  die  Päpste  zuerst  bekannt  gemacht  hat, 
selbst  ihr  Verfasser  und  Interpret  gewesen  sei.  Hase  (K-Gesch., 
10.  Aufl.,  S.  479)  u.  A.  haben  die  Hypothese  für  sehr  wahr- 
scheinlich erklärt.  Eine  erneute  Untersuchung  hat  mich  zu  einem 
anderen  ßesultate  gefQhrt.  Dasselbe  stimmt  wesentlich  überein 
mit  dem  des  Jesuiten  Men§trier  (ßefutation  des  proph^ties 
faussement  attribu^es  ä  S.  M.,  Paris  1689).  Eine  Begründung 
für  seine  Ansicht  hat  aber  Menötrier  nicht  gegeben;  wenigstens 
habe  ich  eine  solche  in  der  von  Chr.  Wagner  veranstalteten 
deutschen  Ausgabe  (ß.  P.  Claudii  Francisci  Men§trier  S.  J. 
Gründliche  Widerlegung  der  von  Amoldo   Wien   für   des   irlän- 


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316  ANALEKTEN. 

dischen  Bischofs  MaJachiü  Arbeit  ausgegebenen  und  fast  ¥on  je- 
dermann dafür  angenommenen  Propliezeihung  n.  s.  w.,  Leipzig 
1691),  die  mir  allein  und  erst  nachträglich  zugänglich  gewesen 
ist,  yergebens  gesucht^). 

Die  Gründe,  welche  Weingarten  fü^  die  von  ihm  aufgestellte 
Hypothese  angeführt  hat,  sind  in  Kürze  folgende:  1)  Der  Ver- 
fasser der  Prophetie  hat  aus  derselben  Quelle  geschöpft,  welche 
Wion  in  den  auf  die  Papstgeschichte  bezüglichen  Abschnitten 
seines  Werkes  fast  ausschliesslich  benutzt  hat  —  aus  der  Epit. 
pontif.  Bom.  des  Onufrio  Panvinio  (Venet.  1557).  2)  Wion  be- 
hauptet, die  Erklärungen  zu  den  74  ersten  Papstdevisen  (von 
Cölestin  IL  bis  Urban  VII.)«  welche  er  den  Sprüchen  selbst  bei- 
gedruckt hat,  stammten  von  dem  Dominicaner  Alphons  Chacou 
(Ciacconius  t  1599).  Ciacconius  aber  könne  der  Verfasser  dieser 
Interpretationen  nicht  sein;  denn  erstlich  nenne  dieser  in  seiner 
Papstgeschichte  (Rom  1601)  zwar  den  Malach  ias  öfters,  gedenke 
aber  niemals  einer  von  ihm  herrührenden  Weissagung;  sodann 
fänden  sich  bei  ihm  alle  die  groben  Fehler  und  Irrtümer  nicht, 
welche  der  Verfasser  der  Prophetie  und  ihrer  Erklärung  sich  hat 
zu  Schulden  kommen  lassen.  Mithin  hat  sich  Wion  fälschlicher- 
weise auf  Chacon  als  den  Interpreten  berufen,  und  es  wird  so- 
mit wahrscheinlich,  dass  er  selbst  der  Interpret  ist  Ist  aber 
die  Erklärung  in  ihrer  gedrungenm  Kürz^  offenbar  der  Weis- 
sagung selbst  ähnlich,  die  sie  überdies  Spruph  für  Spruch  leicht 
und  sicher  deutet,  so  ist  anzynehmen,  dass  sie  zu  derselben  Zeit 
mit  dieser  verfasst  ist,  ja  sie  muss  dem  Propheten  selbst  zuge- 
schrieben werden.  Dann  fallt  der  stärkste  Verdacht  auf  Wion 
als  Verfasser  und  Interpreten  der  ganzen  Weissagung.  Zu  die- 
sem Resultate  fügt  sich  wohl,  dass  Wion,  von  Geburt  zwar  ein 
Niederländer,  doch  in  Italien  heimisch  gewesen  ist,  dass  er,  wie 
sein  Werk  ausweißt,  in  der  Papstg^sphichte  und  der  Wappenkunde 
nicht  unbewandert  war,  dass  er  ein  leichtgläubiger,  seii\em  Or^on 
und  dem  Papste  blind  ergebener  M^^,  ein  Gelehrter  ohne  Kritik 
gewesen  ist,  dass  er  die  alten  apokalyptischen  Schriften  aus  <^er 
Zeit  des  Joachim  und  der  Spiritualen  studirt  hat  u.  s.  w.  End- 
lich weist  Weingarten  auch  auf  den  üblen  ßuf  hin,  in  welchem 
grade  ioi  Benedictinerorden  im  16.  und  17.  Jfahrhun^ert  ge- 
schichtlicher Fälschungen  wegen  gestanden  hat,  und  auf  die  Tat- 


^)  Anmerk%m§  der  Medactüm,  Es  ist  dem  Herausgeber  wie  dem 
H^im  Verfasser  sehr  wo^  bekannt,  dass  es  auch  in  neuerer  Zeit 
nicht  an  solchen  fehlt,  welche  an  dem  Ergebnis  Mcnetrier's  fest- 
halten (ich  verweise  nur  auf  Scholl,  RE.  VIII,  [1857]  S.  749  und  Döl- 
linger.  Der  Weiroagungsglaulw  und  das  Prophetentum  in  der  christ- 
lichen Zeit.  Histor.  Taachonbuch  V,  1  [1871]  a  265  f).  Doch  fehlte  es 
bishw  aw  wner  genügenden  Begründung  der  Ansicht  Men^trier's. 


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HARNACK,  PROPH.  MAL^CHIAE  DE  SÜMMIS  PONTIFICIBÜS.    3J7 

saohe,  dass  vor  Wio&y  soAfoit  bekannt,  niemand  eine  Malachias- 
Weissagung  über  die  Päpste  auch  nur  genannt  babe,  während 
doch  Wien  den  Abdruck  der  Prophetie  mit  den  Worten  einleite, 
(derselbe  sei  von  vielen  gewünscht  worden. 

Soweit  der  Kritiker.  Aber  wnrin  bestand  der  Zweck  der 
Fälschung?  „Das  Urteil  über  diese  Prophetie  kann  nur  dahin 
lauten,  da^s  sie  ein  lusus  ingenii,  und  zwar  eines  sehr  mittel- 
n)äasigen  sei."  Also  eine  Fälschung  zum  Scherz,  ein  tendenzloser 
Betrug.  Auch  ein  solcher  ist  in  der  kirchlichen  Literatur- 
geschichte nicht  unerhört.  Aber  wir  werden  Bedenken  tragen, 
ihn  einem  Manne  zu  supponiren,  den  Weingarten  selbst  ganz  zu- 
treffend also  charakterisirt  hat:  „Alles  verwandte  er  zu  einer 
Verherrlichung  der  Kirche  und  des  MOnchtums,  nach  seinen  Wer- 
ken ein  Mann  nicht  ohne  Gelehrsamkeit,  aber  ohne  Kritik,  voll 
glänbiger  Annahmen  und  Vorurteile,  ein  im  Gehorsam  der  Hie- 
rarchie erzogener  Mönch.''  Ein  Mann  wie  Wien,  der  es  sich 
auf  nahezu  200  Quartseiten  hat  sauer  werden  lassen,  den  albernen 
Einfall  zu  beweisen,  iasa  Constantin  der  Grosse,  der  heilige  Be- 
nedict und  das  Haus  Habsburg  aus  der  römischen  Familie  der 
Anicier  stamme,  ist  zunächst  dem  Verdachte  nicht  ausgesetzt^  dass 
er  zum  Scherz  falsche.  Hat  er  alles  zur  Verherrlichung  der 
Kirche  und  speciell  des  Papsttums  und  seines  Ordens  verwandt  — 
wie  soll  er  ei^e  Weissagung  erdichtet  haben,  in  welcher  weder 
jenes  noch  dieser  verherrlicht  wird,  die  absolut  zwecklos  wäre 
und  auch  nicht  weiter  von  ihrem  Verfasser  ausgebeutet,  ja  nicht 
einmal  gepriesen  worden  ist?  Als  hmts  ingenii  wären  Devisen 
wie  die  11.  (die  Sau  im  Siebe  =  XJrban  HI.)  oder  die  60. 
(der  albanische  Ochse  im  Hafen  =  Alexander  VI.)  und  viele 
andere  einfach  Frivolitüi^en,  die  man  gewiss  vielen  Klerikern,  nur 
nicht  eben  Wien  zutrauen  könnte.  Der  Benedictinerorden  ist 
aber  durch  die  Weissagung  so  wenig  verherrlicht,  dass  er  in  der- 
selben nicht  einmal  genannt  wird.  Ausdrücklich  werden  in  der 
Weissagung  Innocenz  V.  und  Benedict  XI.  als  Dominicaner,  Six- 
tns  V.  als  Frfmciscaner  bezeichnet  (Nr.  24:  „Concion^tor  Gallus''; 
33:  „Concionator  patereus";  58:  „Piscator  minorita'O;  aber 
nicht  ein  einziger  Papst  aus  dem  Benedictinerorden  wird  als  sol- 
cher hervorgehoben,  —  eine  Beobachtung,  an  sich  schon  aus- 
reichend, um  Wian  von  dem  Verdacht  der  Fälschung  zu  entlasten. 
Dem  Zusammenhang,  in  welchem  dieser  die  Prophetie  in  seinem 
Werke  veröffentlicht  hat,  lassen  sich  noch  andere  Entlastungs- 
momente entnehmen.  Was  aber  die  Berufung  auf  Chacon  be- 
trifft, so  bin  ich  zu  einem  abschliessenden  Urteile  nicht  ge- 
konmien.  Weingarten  statuirt  eine  editio  princeps  der  Papst- 
geschichte des  Chacon  etwa  vom  Jahre  1592.  Dieselbe  müsste 
spurlos  verschwunden  sein ;  auch  Menötrier  (W  a  g  n  e  r  a.  a.  0.,  S.  D  3) 


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318  ANALEKTEN. 

und  de  Smedt  (Introductio  gen.  ad  hist.  eccl.,  Gandavi  1876, 
p.  473)  kennen  als  älteste  nur  die  nach  dem  Tode  des  Ver- 
fassers erschienene  Ausgahe  von  1601.  Wenn  Weingarten 
sich  fOr  jene  auf  den  Gehrauch  heruft,  den  Wion  von  ihr  in 
seinem  bis  zum  Jahre  1595  verfassten  Werke  gemacht  hat,  so 
gestehe  ich,  dass  ich  von  einem  solchen  Gebrauche  bisher  nichts 
habe  entdecken  können.  Bis  nicht  ausreichende  Beweise  erbracht 
sind,  wird  die  Ausgabe  von  1601  als  die  erste  zu  gelten  haben. 
Dann  aber  bleibt  es  misslich,  den  Differenzen  zwischen  dieser 
nicht  mehr  von  Chacon  selbst  veröfPentlichten- Papstgeschichte  von 
1601  und  den  Erklärungen,  die  spätestens  aus  dem  Jahre  1595 
stammen,  ein  entscheidendes  Gewicht  beizulegen.  Manche  von 
dfn  Differenzen,  die  Weingarten  S.  567,  A.  c  zusammengestellt 
hat,  erledigen  sich  vielleicht  auch  als  auf  Druck-  oder  Schreib- 
fehlem beruhend.  Die  starke  Abweichung,  dass  in  der  Prophetie 
wie  bei  Panvinio  mehrere  schismatische  Päpste  aufgeföhrt  werden, 
während  die  Papstgeschichte  des  Chacon  über  ihre  Illegitimität 
nioht  im  Zweifel  ist,  bleibt  allerdings  bestehen,  und  sie  macht 
es  auch  mir  unter  der  Voraussetzung,  dass  nicht  erst  die  Editoren 
der  Papstgeschichte  des  Chacon  hier  corrigirt  haben,  unwahr- 
scheinlich, dass  jener  der  Interpret  ist.  Mag  mithin  diese  Nach- 
richt Wion's  unrichtig  sein,  so  braucht  er  sie  doch  deshalb  nicht 
errunden,  kann  sie  vielmehr  einer  falschen  üeberliefernng  nach- 
gesprochen haben.  Er  sagt  ja  nicht,  dass  er  die  Erklärungen 
von  Chacon  erhalten  habe,  sondern  er  bezeichnet  ihm  zur  Kennt- 
nis gekommene  Erklärungen  als  von  jenem  herrührend^).  Jeden- 
falls lässt  sich  von  hier  aus  ein  sicheres  Urteil  zur  Zeit  nicht 
gewinnen.  Dass  nun  aber  Wion  nicht  der  Verfasser  ist,  ergiebt 
sich  mit  Sicherheit  aus  zwei  Beobachtungen,  von  denen  die  eine 
zugleich  den  Schleier  lüftet,  der  über  dem  wunderlichen  Schrift- 
stück ruht. 

Erstlich:  In  dem  Lignum  vitae  (I,  p.  171  sq.)  wird  Pas- 
chalis ni.  ausdrücklich  als  antipapa  bezeichnet.  Wäre  Wion 
der  Verfasser  der  Weissagung,  so  würde  Paschalis  in.  im  Kata- 
loge nicht  vorkommen;  er  findet  sich  aber  (Nr.  8),  wie  bei  Pan- 
vinio. Diese  Beobachtung  befreit  Wion  sofort  vom  Vorwurf  der 
Fälschung. 

Zweitens:  Wion  giebt  die  Auslegung  der  111  Devisen  nur 
bis  zur  74.  (incL),  d.  h.  bis  auf  Urban  VII.  Als  er  das 
Lignum  vitae  veröffentlichte,  regierte  bereits  Clemens  VIII. 
Er  hat  deshalb  schon  die  drei  Namen:  Gregor  XIV.,  InnocenzIX., 


1)  BichtigMen^trier  (a.  a.  0.,  S.  D3):  „Mir  ist  auch  unbekannt, 
woher  der  gute  Bruder  Wion  benachrichtiget  worden,  dass  Ciaconius  diese 
Weissagungen  erkläret." 


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HARNACK,  PROPH.  MALACHIAE  DE  SüMMIS  PONTIPICIBUS.    319 

Clemens  YIII.  zu  den  betreffenden  Sprüchen  gestellt,  aber  ohne 
Erklärung,  inwiefern  die  Sprüche  hier  zutreffen*).  Es 
stimmen  aber  diese  drei  Devisen  überhaupt  nicht  mehr. 
Zwar  hat  man  verschiedene  Hypothesen  aufgestellt,  um  ein  tertium 
comparationis  zu  ermitteln,  aber  sie  sind  völlig  ungenügend.  So 
frappant  und  sicher  alle  Devisen  laut  ihren  Erklärungen  bis  zur 
74.  stimmen,  so  vergebens  sieht  man  sich  nach  stichhaltigen  Yer- 
gleichungspunkten  um  zur  Erklärung,  warum  Gregor  XIV.  die 
Devise  trägt  ex  antiquitate  urhis,  warum  zu  Innocenz  IX.  be- 
merkt ist  pia  civUas  in  beUo,  weshalb  Clemens  VIII.  crux  Ro- 
mulea  heisst. 

Wäre  Wien  der  Verfasser,  so  hätte  er  sich  doch  ohne  Zweifel 
gehütet,  seine  Weissagung  durch  die  für  die  drei  letzten  Päpste 
gewählten  unzutreffenden  Sprüche  zu  discreditiren.  Gewiss  hätte 
er  grade  für  die  letzten,  deren  Regierung  eben  erst  abgelaufen 
war,  resp.  begonnen  hatte,  solche  erfunden,  die  angemessen  und 
durchsichtig  waren.  Also  ist  die  Prophetie  nicht  von  Wien;  sie 
sowohl  wie  höchst  wahrscheinlich  auch  die  zugehörige  Erklärung, 
ohne  welche  die  Weissagung  nur  far  den  kundigen  Historiker 
verständlich  gewesen  wäre,  muss  genau  im  Jahre  1590  verfasst 
sein ;  denn  sie  stimmt  noch  für  Urban  VII.,  aber  sie  stimmt  nicht 
mehr  für  Gregor  XIV.,  der  noch  in  demselben  Jahre  wie  Urban 
gewählt  worden  ist.  Dieser  ist  am  15.  September,  Gregor  am 
5.  December  1590  aus  demConclave  hervorgegangen^.  Mithin 
stammt  die  Weissagung  präcis  aus  der  Zeit  zwischen 
dem  16.  September  und  4.  December  1590. 

In  dem  Momente  aber,  wo  diese  Monate  als  die  Abfassungs- 
zeit des  Schriftstückes  constatirt  sind,  fällt  auf  dasselbe  ein  neues 
und  helles  Licht  Das  Conclave,  welches  nach  dem  Tode  ür- 
ban's  VII.,  der  bereits  am  27.  Septbr.  1590  verschieden  war, 
gehalten  ^urde,  war  eines  der  längsten  und  stürmischsten  von 
allen  Conclave's  der  letzten  vier  Jahrhunderte.     Es  dauerte  über 


1)  p.  311: 

(73)  Alis  in  medietate  sign!.    Sixtns  V.  qoi  axem  in  mcdio  Leonis  in  ar- 

rais  gcstat. 

(74)  De  rore  coeli.  ürbanus  VII.  qui  füit  Archiepiscopus  Ros- 

sanensis  in  Clalabria,  ubi  manna  colli- 
gitur. 

(75)  Ex  antiquitate  urbis.        Gregorius  XIV. 
(7(1)  Pia  civitas  in  hello.         Innoccotias  IX. 

(77)  Crux  Romulea.  Clemens  VIEL. 

(78)  ündoeus  vir. 

(79)  (jrcns  perversa  etc.  etc. 

*)  Vgl.   Ciacconius   1.   c,   T.   IV;    Bower-Rambach.    Hint. 
d.  röm.  Päpste  X,  1  (1779),  S.  282  f. 


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320  ASAJMKTm. 

l^  Monate 0.  Zwei  Parteien  standen  sich  im  Ck)llegium  gegen- 
über: die  exclusive  spanische  und  die  liberalere  französische. 
Darch  jene  snch^  die  Krone  Spanien  ihren  Einfloss  in  bisher 
unerhörter  Weise  zur  Geltung  zu  bringen.  Die  liberaleren  Car- 
dinäle  vertraten  zugleich  das  Qecht  der  Unabhang^keit  der  Papst- 
wahl. Nach  langen  Kämpfen  ging  der  den  Spaniern  zugeneigte 
Cardinal  Sfondrati  als  gewählter  Papst  hervor. 

Lässt  sich  in  der  Malachias-Weissagung  eine  Beziehung  auf 
dieses  Conclave  entdecken?  Zunächst  ist  eine  solche  Beziehung 
schon  a  priori  wahrscheinlich.  Ist  das  jedenfalls  ungewöJinliche, 
ja  einzigartige  Schriftstück  zwischen  September  undDecember  1590 
verfasst,  in  der  Zeit,  wo  die  gesammte  katholische  Welt  dem  Aus- 
gang des  langen  Condaves  mit  Spannung  entgegensi^,  und  be- 
zieht es  sich  auf  das  Papsttum,  so  ist  die  Abzweckung  auf  die 
Wahlhandlung  in  hohem  Grade  wahrscheinlich.  Erhöht  wird  diese 
Wahrscheinlichkeit  durch  die  Beobachtung,  dass  die  Schrifb  jeden- 
falls aus  Italien  stammt.  Dies  geben  alle  zu^.  Aber  die  aus- 
reichende Bestätigung  für  diese  Vermutung  ergiebt  sich  aus  einer 
genaueren  Untersuchung  der  den  74  ersten  Devisen  gemeinsamen 
Merkmale. 

Nicht  ein  einziger  der  74  Sprüche  charakterisirt  den  be- 
treffenden Papst  nach  seiner  Bedeutung  oder  auch  nur  nach  sei- 
ner Regierung,  sondern  entweder  nach  der  Familie,  aus  der  er 
stammt,  oder  nach  dem  Geburtsort,  dem  Wappen,  den  Titeln  und 
Aemtern,  die  er  besessen,  bevor  er  Papst  wurde  ^).  Man  hat  von 
jeher  sich  über  die  Geistlosigkeit  dieser  Charakteriäirung  gewun- 
dert, ein  Innocenz  III.  heisst  comes  $iffnatm  (Nr.  15),   weil   er 

X)  Vgl.  Ranke,  Die  röm.  Päpste  II,  146 f. 

2)  Vgl.  Weingarten  S.  566,  A-  b.  Der  Verfasser  ist  der  italie- 
nischen Sprache  kundig  gewesen;  ja  es  finden  sich  sogar  Italisuicn  im 
I^atein ;  s.  Nr.  9.  34.  56.  65. 

3)  Von  den  74  Päpsten  sind  (a)  4  nach  ihrem  Geburtsort  (resp. 
-Land),  (b)  11  nach  ihrer  Familie  (resp.  Vornamen,  Benennung),  (c)  10 
nach  ihrem  Wappen  und  (d)  14  nach  ihrem  früheren  Stande,  resp.  ihrer 
Vergangenheit  überhaupt  bezeichnet.  Die  übrigen  35  Devisen  sind  Com- 
binationen  ans  je  zwei  dieser  Merkmale,  nämlich  ab  =  2,  ac  =  2,  ad  = 
7,  bc  =  5,  bd  =  11,  cd  =  8.  Nur  in  der  Erklärung  zum  68.  Spruch: 
frvmentum  flaccidum  (Marceil  II.)  findet  sich  nach  den  Worten  cujtis 
inaignia  cervus  et  frumentum  der  Zusatz :  ideo  flaccidum,  quod  pauco 
tempore  vixit  in  papatu.  Es  ist  diese  Stelle  die  einzige,  an  welcher  die 
Regicrungszeit  des  betreffenden  Papstes  berücksichtigt  ist  (Nr.  36  u.  44: 
corvus  schismaticus  and  schdsma  JBarchmonium  dürfen  nicht  angeführt 
werden);  aber  ebendeshalb  sind  die  Worte  als  eine  Glosse  Wion^s  ver- 
dächtig. Dazu  kommt,  dass  sie  auch  rein  äusserlich  betrachtet  im  Ver- 
gleich mit  den  übrigen  Sprächen  auffallend  sind  In  der  sonst  richtigen 
Bemerkung  Weingartens:  „Auf  Eigentümlichkeiten  des  Charakters  der 
Päpste,  ilSer  Verhältnisse,  ihrer  Handlungeu  wird  fast  nirgends  auch  >imr 
die  geringste  Rücksicht  genommen''  (S.  564)  ist  öjas  fast  2U  Speichen. 


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HARNACK,  PROPH.  MALACHUE  DB  ßl^MMIS  PONTIFICIBÜS.   321 

aus  der  Familie  der  Orafen  Yon  Signia  stammte;  Bonifaz  VELI. 
trägt  die  Devise  ex  undarum  l^enedidione  (Nr.  32),  vocatus  priua 
Benedictus  Caäanus,  ctäus  imignia  undae,  wie  die  Erklärung 
bemerkt;  de  capra  et  aXbergo  soll  Pias  ü.  kommen,  qui  fmt  a 
secretis  Cardincdibus  Capranico  ei  Alber gato;  axis  in  medietate 
signi  heisst  es  von  Sixtus  V.  u.  s.  w.  Aber  in  Wahrheit  liegt 
hier  kein  Gmnd  zur  Verwunderung  vor,  sobald  man  beachtet, 
dass  der  Verfasser  durchweg  und  ohne  Aufnahme  das  Princip 
verfolgt  hat,  die  Päpste  lediglich  nach  Merkmalen  zu 
charakterisiren,  die  ihnen  vor  ihrer  Wahl  zum  Nach- 
folger Petri  zukamen.  Ist  aber  dieses  d^r  leitende  Grunde 
satz  gewesen,  dann  wollte  der  Verfasser  durch  seine  Weissagung 
nicht  belehren,  wie  der  neue  Papst  die  Regierung  führen  wird, 
sondern  er  wollte  andeuten,  welcher  Cardinal  zum  Papst 
gewählt  werden  soll.  In  jedem  anderen  Falle  wäre  die  con- 
sequent  durchgeführte  Beschränknng  auf  die  Vorgeschichte 
der  Päpste  unverständlich.  Das  Schriftstück  enthält  mitliin  streng- 
geuummeii  lediglich  eine  Weissagung  auf  die  zu  wählenden  Car- 
dlnäle. 

Das  Jtesultat  liegt  nun  auf  der  Hand:  im  Herbst  des  Jahres 
1590  wird  eine  Weissagung  in  Italien  verfasst,  welche  die  ver- 
schiedenen Päpste  nur  nach  ihrem  Vorleben  charakterisirt,  mithin 
auf  den  zu  wählenden  Papst  hinweist.  Also  ist  unser  Schrift- 
stück ohne  Zweifel  für  das  im  October  1590  beginnende  C'on- 
clave  geschriebe9  und  will  dasselbe  beeinflussen.  Damit  ist  nicht 
behauptet,  dass  es  direct  für  das  Cardinalscollegium  bestimmt  ist. 
Weingarten  mag  Becht  haben  qiit  der  Bemerkung  (S.  567),  dass 
bei  mmem  Conclave  wie  dem  vom  Jahre  1590  die  Erkenntnis 
nicht  schwer  sein  konnte,  welche  etwas  so  Geistloses  als  vergeb- 
lich erscheinen  liess.  Aber  dadurch  ist  nicht  ausgeschlossen, 
dass  der  Verfasser  die  Absicht  verfolgte,  in  weiteren  Kreisen  die 
Aufmerksamkeit  auf  den  von  ihm  empfohlenen  Candidaten  zu  lenken 
und  so  indirect  auch  das  CoUegium  zu  beeinflussen.  Men^trier 
hat  eine  Seihe  von  Beispielen  angeführt,  welche  die  Absichten 
des  Verfassers  treffüch  illustriren^).     Der  eigentliche  Zweck  des 


0  Wagner  a.  a.  0.,  S.  C4*>:  „Auif  dergleichen  Schlag  liesseu 
die,  welche  nach  dem  Tode  Clementis  IX.  wüntsdbtcn,  dass  der  Cardinal 
Bona  Papst  würde,  Verse,  Biblische  Sprüche  und  allerley  Geschmiere 
unter  das  Volck  aussprengen,  selbiges  glauben  zu  machen,  dass  Bona 
Papst  werden  sollte.  •  Man  zöge  die  Worte  aus  dem  15.  Cap.  Sirach's  an : 
,Qui  timet  deum  faciet  Bona';  ing?eicben  dieses  Distichon: 

,Griunmaticae  leges  plerumqne  Ecclesia  spernit; 

Esset  Papa  bonus,  si  Bona  Papa  foret'. 
Eiu^.T  von  seinen  Verwandten  versamralete  zwey  biss  300  Bettler  nielircn- 
^eils  Savoyer,  und  gab  ihnen  täglich  Geld,  dass  sie  an  dem  Kirch thor 
St  Petri  und  unter  Sm  Fenstern,  die  dem  Conclavi  am  nähesteu  waren. 


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322  ANALEKTEN. 

Schriftstückes  mnss  sich  also  bei  der  75.  Nummer  offenbaren.  Hier 
mu8s  der  Mann  bezeichnet  sein,  den  der  Verfasser  zum  Papst 
wünschte.  Den  Cardinal  Sfondrati  kann  er  nicht  gemeint  haben, 
da  auf  ihn  die  gewählte  Devise  nicht  passt;  aber  auch  die 
Cardinäle  Aldobrandini,  Mondori,  Madruzzi  und  die  übrigen, 
deren  Namen  damals  ernsthaft  genannt  worden  sind,  können 
durch  den  Spruch  ex  antiquitate  urhis  nicht  bezeichnet  sein. 
Unter  solchen  Umständen  hat  es  wenig  Interesse,  den  obscnren 
Cardinal  zu  ermitteln,  für  den  sich  der  Verfasser  der  Weis- 
sagung interessirt  hat;  denn  derselbe  gehörte  keinesfalls  zu  den 
in  erster  Linie  in  Aussicht  genommenen  Candidaten  einer  der  bei- 
den Hauptparteien.  Indessen  verdient  die  Hypothese  Men^trier's 
immerhin  genannt  zu  werden.  Der  Cardinal  Simoncelli  war  im 
Conclave  vom  Jahre  1590  der  älteste  im  Collegium.  Ein  Ver- 
wandtor des  Papstes  Julius  III.,  hatte  er  bereits  bei  der  Wahl 
von  sieben  Päpsten  (von  Marcellus  II.  ab)  mitgewirkt.  Sein  Ge- 
burtsort wie  sein  Bistum  war  Orvieto  (==urbs  vetus).  „Aus  dem 
Alter  dor  Stadt"  aber  sollte  der  neue  75.  Papst  kommen.  Dar- 
nach hätte  ein  Freund  des  Simoncelli,  wo  nicht  er  selbst,  die 
Weissagung  fingirt,  um  auf  diesen  die  Aufmerksamkeit  zu  lenken. 
Dass  der  Name  Simoncelli's ,  soviel  wir  wissen,  bei  den  lang- 
wierigen Verhandlungen  überhaupt  nicht  genannt  worden  ist,  steht 
dieser  Hypothese  nur  dann  im  Wege,  wenn  man  annimmt,  dass 
die  Prophetie  direct  für  das  Cardinalscollegium  geschrieben  ist. 
Aber  diese  Annahme  ist,  wie  gezeigt  worden,  nicht  notwendig. 
Mag  nun  auch  ein  anderer  Cardinal  hinter  „dem  Alter  der  Stadt" 
verborgen  sein  —  als  sicher  darf  gelten,  dass  unser  Blatt  sich 
auf  die  Wahlhandlung  bezieht,  aus  welcher  Gregor  XIV.  hervor- 
gegangen ist,  und  dass  os  nicht  von  Wien  ist. 

Aber  warum  geht  die  Weissagung  bis  zum  Ende  der  Welt, 
warum  beginnt  sie  mit  dem  unbedeutenden  Papste  Cölestin  11.  im 
12.  Jahrhundert  und  warum  ist  sie  dem  ehrwürdigen  Malachias, 
dem  Metropoliten  von  Irland,  dem  Freunde  dos  h.  Bernhard,  in 
den  Mund  gelegt?  denn  so  lautet  ja  ihr  Titel  bei  Wien:  Prophe- 
tia  S,  Malachiac  Archiepiscopi  de  Summis  Fontificibus. 

Auch  diese  drei  Fragen  lassen  sich  genügend  beantworten. 
Zuerst,  hätte  der  dreiste  Fälscher  seine  Weissagung  mit  Nr.  75 
geschlossen,  so  hätte  auch  dem  Leichtgläubigsten  die  Tendenz 
und  Maclie  offenbar  werden  müssen.  Der  Verfasser  musste  also 
weiter   in   die   Zukunft  schweifen.      Da  diese  grenzenlos  ist,  so 

schreien  möchten :  Pate  Papa  Bona Prophezeyungen  und  andere 

Possen  von  solchem  Schrot  und  Korn  pflegen  ordentlicher  Weise  beyVer- 
lodigiing  des  Römischen  Stuhls  von  unzählig  Leuten  gemacht  zu  werden, 
die  aus  aller  Welt  Enden  zusammen  kommen  u.  s.  w."  Der  Verfasser 
unseres  Schriftstückes  hat  seine  „Posse''  jedenfalls  recht  ernsthaft  gespielt. 


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HAENACK,  PROPH.  MALACHIAE  DE  SUMMIS  PONTIMCIBUS.   323 

konnte  er  passenderweise  nur  das  Ende  der  Welt  als  Abschluss 
wählen.  Er  hat  dasselbe,  anch  darin  einem  Schwärmer  sehr 
unähnlich,  wenigstens  noch  um  ein  paar,  Jahrhunderte  hinaus- 
gerückt. Sieben  und  dreissig,  d.  h.  genau  die  Hälfte  der  be- 
reits vorübergegangenen  Papstregierungen  hat  er  fftr  die  Zukunft 
vorausgesetzt.  So  erhielt  er  zugleich  eine  mystische  Zahl  (111), 
die  ganz  wesentlich  zur  Erhöhung  der  Glaubwürdigkeit  der  Fro- 
phetie  beigetragen  hat  ^). 

Mit  Cölestin  n.  aber  hat  er  begonnen,  weil  er  im  Panvi- 
nio  gelesen,  Cölestin  ü.  sei  der  erste  Papst  gewesen,  der  allein 
von  den  Cardinälen  gewählt  worden  ^).  Die  Freiheit  der  Papst- 
wahl stand  grade  bei  dem  Conclave,  für  welches  unser  Verfasser 
geschrieben  hat,  in  bedenklichster  Weise  in  Frage.  Somit  er- 
schien es  angemessen,  die  Weissagung  bei  dem  Papste  zu  be- 
ginnen, bei  dessen  Wahl  das  Cardinalscollegium  angeblich  zum 
ersten  Male  völlig  selbständig  verfahren  war,  —  ein  deutliches 
Momente  für  die  spanische  CardinalsparteL 

Sollte  aber  die  Weissagung  mit  Cölestin  ü.  beginnen,  so 
musste  sich  der  Verfasser  nach  einem  hervorragenden  Zeitgenossen 
Cölestin*s  umsehen,  dem  er  die  Prophetie  in  den  Mund  legen 
konnte.  Dem  Malachias  von  Armagh  hatte  der  h.  Bernhard  am 
Grabe  das  Zeugnis  ausgestellt,  dass  er  die  Gabe  der  Visionen 
und  der  Prophetie  besessen  habe.  Noch  war  kein  Schriftstück 
bekannt,  welches  jenes  Zeugnis  Bernhardts  rechtfertigte.  Eine 
Unterschiebung  hatte  mithin  Aussicht,  Glauben  zu  finden. 

Dieses  ist  in  Kürze  die  wahrscheinliche  Entstehungsgeschichte 
des  eigentümlichen  Schriftstückes.  Auch  zu  Wien  war  eine  Ab- 
schrift desselben  gekommen,  zusammen  mit  den  unter  dem  Namen 
des  Chacon  cursirenden  Erklärungen  *).  Wien  hat  sie  abgedruckt 
mit  der  kurzen  Einleitung:  „Scripsisse  fertur  et  ipse  (seil.  Ma- 
lachias) nonnulla  opuscula,  de  quibus  nihil  hactenus  vidi,  praeter 
quandam  prophetiam  de  Summis  PontiQcibus,  quae  quia  brevis 
est,  et  nondum  quod  sciam  excusa,   et  a  multis  desiderata,  hie 


1)  Belege  bei  Weingarten,  S.  561.  572. 

*)  Hierauf  hat  Weingarten  (S.  570,  A.  a)  meines  Wissens  zuerst 
hingewiesen. 

»)  Auch  mir  ist  nach  genauor  Vergleichung  der  Sprüche  und  ihrer 
Erklärungen  wahrscheinlich,  dass  beide  gleich  alt  und  von  demselben 
Verfasser  sind;  doch  gestehe  ich,  dass  mir  Bedenken  in  Bezug  auf  die 
Erklärungen  der  17.,  50.,  52.,  59.,  66.,  67.,  72.  Devise  übrig  geblieben  sind. 
Chacon  für  die  Fälschung  verantwortlich  zu  machen,  liegen  ausreichende 
Beweise  nicht  vor.  Die  Tatsachen,  dass  sein  Name  mit  den  Inter- 
pretationen in  Verbindung  gesetzt  worden  ist,  dass  er  zu  Rom  lebte,  und 
dass  in  der  Weissagung  grade  Dominicaner  als  solche  kenntlich  gemacht 
sind,  scheinen  durch  die  Beschaffenheit  und  den  Charakter  seiner  posthu- 
men  Papstgeschichte  aufgewogen  zu  werden. 


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324  AflALEKTEtf. 

a  lue  apposita  est''  Sonst  hat  er  nichts  hinzugefügt  als  am 
Schlüsse  die  kurze  Bemerkung:  „Quae  ad  Pontifices  adiecta,  hon 
snnt  Ipsius  Malachiae,  sed  E.  P.  P.  Alphonsi  Giaconis,  Ord.  Prae- 
dicatomm,  huius  Prophetiae  interpretis.**  Wit  hahen  keinen 
Grund  gefuüden,  ah  Wion's  subjectiver  Wahrhaftigkeit  zu  zweifelil. 
Auffallend  ist,  dass  er  im  2.  Bande  seines  WOrkes  (S.  359),  Wo 
er  wiederum  auf  Malachias  zu  sprechen  kommt,  die  Weissagung 
überhaupt  nicht  mehr  erwähnt,  und  dass  sie  in  der  deutschen 
Ausgabe  des  lAgnum  iHtde  sogar  ganz  ausgelassen  worden  ist  ^). 
Veröffentlicht  sind  die  Prophezeiungen  nack  Wien  im  Jahre  16Q5 
aufs  neue  zu  Venedig  von  Hieronymus  Joaüfiinus,  lateihisch 
und  italienisch.  Doch  scheinen  sie  erst  seit  der  Mitte  des  17. 
Jahrhunderts  die  Auftnerksamkeit  iü  Weiten  Kreisen  erregt  und 
heftige  Controversen  heraufbeschworen  zu  haben.  Die  letzte 
Ausgabe  ist  die  von  Gfrörer  in  den  Prophetae  Vetöres  Pseudepi- 
graphi  (1840),  p.  433  sqq.  Die  altere  Literatur  ist  zusammen- 
gestellt bei  Fabricius-Mansi,  Bibl.  Lat.  med.  et  Inf.  aetatis, 
T.  V.  (1754),  p.  8sq.  —  Der  Name  des  Ver&ssets  bleibt  in 
Dunkel  gehüllt,  ist  aber  auch  gleichgültig. 

Es  fragt  sich  schliesslich,  wie  äs  mit  dem  Teile  stciJit,  flir 
welchen  der  Verfasser  orakeln  musste.  Ein  Princip,  nach  welchem 
er  die  87  Sprüche  erdacht  hat,  lässt  sich  nicht  ermitteln.  In 
der  Auswahl  der  6  letzten  mag  er  sich  an  apokalyptische  Vor- 
bilder angeschlossen  haben  ^.  Ist  man  ihm  wohlwollend  gesinht, 
so  kann  man  zugestehen,  dass  das  Glück  sein  Wagnis  begünstigt 
hat.  Aber  man  muss  dann  auch  so  grossmütig  sein,  sich  nicht 
auf  Vergleichungspunkte,  welche  denjenigen  der  74  ersteh  Devisen 
analog  sind,  beschränken  zu  wollen,  sondern  nach  solchen  zu 
suchen,  wo  man  sie  findet.  In  diesem  Falle  kann  man  bei  etwa 
8 — 10  von  den  28  seit  1590  erstandenen  Päpsten  die  Weissagungs- 
sprflche  sich  gefallen  lassen  und  sich  an  dem  pelregrinus  aposto- 
licus  (Nr.  96:  Pius  VI.),  der  crux  de  cruce  (Nr.  lOl:  Plus  IX.) 
u.  s.  w.  erfreuen.  Nach  der  Weise  der  74  ersten  Sprüche  sind 
aber  nur  drei  eingetroffen  (Nr.  83:  montium  custos  =  Alexan- 
der Vn.,  der  6  Berge  in  seinem  Wappen  hatte;  Nr.  100:  c^ 
bdkieis  Ethruriae  =  Gregor  XVI.,  der  einem  Kloster  in  Tos- 
cana  angehört  hat;  Nr.  102:  lumen  in  codo  =  Leo  Xltl.,  der 
ein  Gestirn  im  Wappen  führen  soll).  Die  nun  folgende  Devise 
ignis  ardens  könnte  sich  in  dem  Cardinal  Hohenlohe  erfüllen  — 
„wenn  ein  deutscher  Papst  zu  dieser  Zeit  möglich  wäre.'' 


1)  Augsburger  Ausgabe  F.  C.  StengeFs  vom  Jahte  1607. 
«)  S.  Weingarten,  S.  571f. 


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5. 

Niseellen. 


L   Ein  salyrlsohes  O^diolil  In  tteaett^  anf  die  Ver- 
brennung des  kanenlsehen  tteöhtes  nnd  der  Bann- 
bnlle  dureh  Luther  am  10.  Deeember  1520. 


In  der  Königl.  Bibliothek  zu  Berlin  findet  sich  unter  den 
Handschriften  Lnther*s  «in  EiuBeldnick  in  Folio  aus  dem  16. 
Jahrhundert  mit  folgendem,  wahrscheinlich  gleichzeitigem  Gedicht. 
Neben  dem  Drucke  sind  einige  Worte,  Beminiscenzen  an  alt- 
testamentliche  Stellen  ih  Bezug  auf  Stiftsliütte,  Namen  der  is- 
raelitischen Könige  u.  s.  w.  (vielleicht  von  der  Hand  Luther's) 
geschrieben,  welche  hingäworfidne  Aufzeichnungen  aber  in  gar 
keiner  Beziehung  zu  dem  Inh^te  des  Gedichtes  stehen;  am 
Schlüsse  des  Gedichtes  findet  sich  die  Unterzeichnung  V.  B., 
(vielleicht  Urbanus  Bhegius?)  *). 


Carmen  vi  |  ctoriale  in  solennem  |  illum  actum  quo  D.  Mar- 
tinus  Lutherus  |  X  die  Decembris,  anno  Domini  MD  |  XX  Wittem- 
bergae  ante  portam  |  S.  Crucis,  Jus  canonicum  et  |  Omnia 
Papistica  decreta  |  cum  Decretalibus  {  combnssit  * 

Viue,  viue  mi  Lutherd 
Cnncti  dicant  ^)  tibi  x^Q^ 
Yeritatis  eolnmen.    Jo,  Jo. 

Leti  sitis  Lutherani 
Nam  vos  estis  Christian! 
Antichristum  temnite.     Jo,  Jo. 

Libertatem  Ckristianam 
Non  existimantes  vanam 
Fortiter  defendite.     Jo,  Jo. 

Nil  nocebit  Bulla  minax 
Veritatem  timet  fugax 
Sathanae  inventio.     Jo,  Jo. 


1)  üeber  die  starke  Beteiligung  des  im  Jahre  1520  nach  Augsburg 
berufenen  Urbanus  Rhegius  an  der  damaligen  satyrischen  Literatur  vgl. 
Uhlhorn,  Urbanus  Rhegius,  Elberfeld  1861,  S.  29—37. 

»)  Es  steht  der  sinnlose  Druckfehler  „dica  ut". 


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326  ANALEKTEN. 

Plange  Roma  fraudulenta 
Bulla  iacet  nirulenta 
Jam  famesce  Curia.     Jo,  Jo. 

Jam  primatns  ille  ruit 
Quem  dolose  nobis  struit 
Phocas  Bonifacius.     Jo,  Jo. 

Veniarum  nundinator  ^) 
Fidei  depopulator 
Resipisce  pontifex.     Jo,  Jo. 

Eestim  qnerant  nunc  Papistae 
Regnom  perlt  Antichristi 
Cum  Corona  triplici.     Jo,  Jo. 

Si  te  ventris  onus  urget 
Jus  combustum  nates  purget 
Cum  Sit  Antichristicum.     Jo,  Jo. 

Nomen  vestri  iam  Patroni 
Scire  vultis  Curtisani 
Danielem  legite.     Jo,  Jo. 

V.  R. 

Elberfeld.  G.  Kraffi, 


2.    Ein  Brief  des  Myconius  an  Luther  vom 
3.  März  1539. 

Der  folgende  Brief  ist  einem  in  der  Bibliothek  zu  Wernige- 
rode befindlichen  Briefcodex  entnommen,  welcher  auf  seinem 
Deckel  die  Bezeichnung:  „Josephi  Munsteri,  anno  1549"  trügt. 
Er  enthält  Abschriften  von  bekannten  Briefen  Luther's  und  anderer 
Reformatoren;  einige  noch  nicht  in  das  Corp.  Ref.  aufgenommene 
Briefe  Melanchthon's  aus  diesem  Codex  hat  Bindseil  in  dem 
von  ihm  herausgegebenen  Supplementband  veröffentlicht.  Ein 
Fragment  des  Briefes  findet  sich  in  Corp.  Ref.  III,  p.  6  40  sq. 
Der  Brief  Luther's  an  Melanchthon  vom  14.  März  1539  (de 
Wette  V,  172)  ist  als  Antwort  Luther*s  auch  an  Myconius  zu 
betrachten:  „Non  possvm  singulis  respondere.  Quare  meam  pi- 
gritiam  vel  superbiam  excusabis  apud  Myconium  Bucerum  etc. 
Valde  gavisus  sum  vestris  literis  tarn  laetis." 

Calvin,  Sturm  und  der  Mathematiker  Herlin  waren  näm- 
lich zum  Frankfurter  Convent  am  21.  Februar  abgereist,  um  die  Be- 

*)  Als  Druckfehler  steht  „raundinator". 

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mSCELLEN.  327 

kanntschaft  Melanchthon's  zu  machen.  Vgl.  den  Brief  des  Bedro- 
tus  an  Ambrosius  Blaurer  vom  21.  Februar  (in  der  Bibliothek  zu 
St. Gallen,  Herminjard,  Corre8pondancedes£^formateursY,247): 
,;  Bucerus  Francofordiae  est.  Eo  hodie  Calvinus,  Sturmius  professor 
et  Herlinus  mathematicus  proficiscuntur,  salntandi  Melanchthonis 
nomine,  redituri  propediem."  Vgl.  auch  Calvini  Opp.  edid. 
Baum  etc.  X,  320,  wo  ein  einige  Tage  späterer  Brief  des  Bedrotus. 
Da  Melanchthon  in  dem  mit  dem  folgenden  Briefe  des  Myconius 
gleichzeitigen  Schreiben  an  Luther  den  Besuch  der  Strassburger 
nicht  erwähnt,  so  dienen  die  Mitteilungen  des  Myconius  wesent- 
lich zur  Ergänzung  des  Briefes  von  Melanchthon.  Der  dort  ge- 
nannte Erzieher  der  Kinder  Luther's  (Corp.  Bef.  in,  641), 
Franciscus,  ist  nicht  Franz  Gross,  wie  irrtümlich  vielleicht  aus 
Förstemann,  Alb.  Viteberg.,  p.  132  (Köstlin,  Leben  Luther's 
II,  477)  gefolgert  worden  ist,  sondern  Franciscus  Fl  an  der 
Gandaviensis,  der  1534  im  Sommersemester  zu  Wittenberg 
inscribirt  wurde.  Hiemit  stimmt  vollkommen  die  Angabe  des 
Peter  Medmann  in  einem  Briefe  an  Melanchthon  aus  Bonn 
vom  23.  December  1542:  „Salutät  ofißciosissime  Franciscus 
Flandrus,  puerorum  D.  Lutheri  paedagogus."  (Vgl.  Briefe  Me- 
lanohthon's  und  seiner  Freunde  bezüglich  der  Beformation  am 
Ehein  zur  Zeit  des  Erzbischo^  Hermann  von  Wied  in  Everts- 
busch'  theoL  Arbeiten,  Elberfeld  1874,  n,  35.)  üeber  den 
Frankfui1;er  Convent  sind  zu  vgl.  die  ausführlichen  und  trefflichen 
Briefe  Calvin's  an  Farell,  Opp.  Calvini  X,  No.  162  und  164. 

Fridericus  Myconius  Doct.  Martine  Luthero. 
G.  et  Fax  a  Deo  patre  et  Domino  nostro  Jesu  Christo. 

Quamquam,  mi  reverendiss.  et  chariss.  D.  Doctor,  Philippus 
M[elanthon]  preceptor  mens  nullum  reliquit  argumentum  scribendi 
ad  vos,  cum  omnia  quae  hie  aut  acta  sunt,  aut  iam  aguntur,  vel 
speremus  agenda,  perscripserit,  tamen,  ne  nihil  scribam  de  causis 
Christi  et  Ecclesiae  suae,  hec  breviter  significare  volui.  Lun- 
densis  ^)  episcopus  huc  venit  et  attulit  mandatum  Caesaris  plenum, 
ut  aiunt,  clementiae  et  spei  bonae,  quod  nos  non  tantum  non 
dabimur  in  escam  volatilibus  coeli  iuxta  desyderium  hostium  Bruns- 
vicensis  et  Moguntini,  sed  etiam  pax  nobis  promittitur  de  qua 
quid  fiet  si  resciverimus  perscribemus.  Multi  hie  sunt  Principum 
et  civitatum  legati,  nee  de  una  hac  tantiun  Christi,  sed  etiam  aliis 
rebus  hie  sunt  deliberationes.  Venerunt  enim  huc  Metenses, 
her!  Colonienses,  et  multi  alii  ex  primarüs  Germaniae  urbibus, 
nescio  quid  de  rebus  suis  ac  politicis  deliberaturi.    D.  Philippus 


1)  Im  Text  steht  aus  Irrtum  des  Abschreibers  „Janelensis''. 

Zeitechr.  t  K.-G.  III,  2.  22 

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328  ANALEKTEN. 

Dei  gratia  optime  yalet,  neqne  segnifi  est  miles,  imo  Dnx  et  Im- 
perator in  istis  Domini  nostri  Jesu  Christi  oastris  contra  bostem 
Christi  serpentem  antiqnum  scribit,  respondet,  dispntat,  ?enit  ad 
scenas  aliqnot  huins  comoedia  ^). 

Marchio  hhic  ablit  Mognntiam,  ut  ibi  invisat  coningem, 
quam  eo  promisit,  sed  inde,  nt  dicitar,  breyi  reversnruB  est  De 
duobus  falconibus  et  pica  qnod  acciderit  ex  Philijgpi  literis  et 
Mycilli   epigrammate   cognoscetis.     Ego   ipse  post  alteram  diem 

concionem  habeo.     De   rebus nihil    adhuc   certi  possumus 

significare,  nisi  quod  quotidie  hie,  qui  delecti  sunt,  de  rebus  de- 
liberant.  Nos  deligenter  pro  vobis  oramus  paene  omni  hora  vestri 
memores.  D.  Jesus  Christus  hanc  suam  Ecclesiam  in  ultimo 
partu  sno  et  nos  confessores  discipulos  et  martyres  suos  con- 
fortet.     Amen.     Francoforti  3.  Maii  (falsch  statt  Martii)  1539. 

Elberfeld.  C.  Kr  äfft. 


1)  An  dieser  Stelle  ist  das  Corp.  Ref.  in,  640 f.  gedruckte  grössere, 
Fragment  einzuschalten.  Ich  gebe  hier  die  Varianten  an,  welche  den 
Text  im  Corp.  Ref.  an  mehr  als  einer  Stelle  verbessern,  und  erg^ze 
zugleich  eine  grössere  Locke  jenes  Textes  (hier  cursiv  gedruckt).  — 
Somniavit  heri  se  yidere  aliquam  insignem  tabulam  —  albis  in- 
dutae  vestüyus  —  suis  induti  omamentis  accedebant  pulchre,  ut  solent, 
se  ducentes  —  asinus  indutus  mit  einer  ChorJcappen,  qui  füne  post  — 
quasi  vi  [in  Corp.  Ref.  sinnlos  inj  eos  ad  hunc  beatorum  cum  Christo 
coetum  —  Crermaniam  [Coip.  Ref.  falsch  germanicum]  illum  ipsnm 
asinum  —  pro  libidine  vexavit,  equitavit  et  rexit  —  Sed  an  aliquid  hoc 
somnium  mdebimus  postea,  Fuit  nobiscum  Jocm.  Sturmus  Ule,  qui 
Cardinaitbus  reformcUuris  Ecclesiam  respondit,  cuiu^  consuetudine  et 
coUoquio  aliquot  diehus  recreati  sumus.  Non  possum  vöbis  satis  pre- 
dicare  in  hoc  iuvene  homine  verecundiam,  candorem  erga  reUgionem 
Christianam,  veram  pietatem,  studiiim  et  favorem.  Sed  ne  laudibus 
meis  ineptis  iUius  magnitudini  magis  detrc^am  quam  addam,  ante  ex 
lihris  nostris  quasi  unguinibus  existimate.  Vaide  mihi  placet,  qiwd 
inter  hunc  et  Philippum  non  modo  firma  notitia,  sed  et-  stabüis  ami- 
citia  corroborata  est.  Fuerunt  cum  (eo)  Calvinus  et  alii  eruditi 
iuvenes.  Hncerus  —  tarnen  nihil  hie  tewuiter  nihil  praeter  —  virgo  et 
sponsa  Christo  exoma^a^  ne  si  adultera  fuerit,  quod  alMsit,  non  possem  — 
aiOrHgunt,  jprofnndunt  —  se  quaerere,  confirmare  amicitiam. 


Druck  ▼on  Frie4r.  Aoclr.  P«rthm  ia  Gotha. 


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Zor  Symbolik  der  ^riechischeB  Kirche. 


Von 
Dr.  W.  Gass.  ^) 


Eine  Zeitschrift  wie  diese,  welche  durch  selbständige 
Forschung  fördern  will,  schliesst  mit  Recht  die  Recensionen, 
literarischen  Kritiken  und  Antikritiken  von  sich  aus.  Doch 
kann  es  geschehen,  dass  ein  Mitarbeiter,  wenn  er  sich  und 
seine  Sache  gegen  einen  erfahrenen  Angriff  zu  rechtfertigen 
unternimmt,  selbst  wieder  abhandelnd  auftreten  muss;  in 
solchem  FaDe  kann  er  auch  denen  nützlich  werden,  welche 
von  der  gegebenen  Veranlassimg  absehen  wollen.  In  diesem 
Sinne  bediene  ich  mich  gern  des  mir  von  der  Redaction  ge- 
machten Anerbietens,  indem  ich  mich  nur  bemühe,  dem 
Nachstehenden  eine  möglichst  objective  Haltung  zu  geben. 

Der  Jahrgang  1878  der  „Theologischen  Studien  imd 
Kritiken"  hat  S.  94  ff.  und  179  ff.:  „Kritische  Studien  zur 
Symbolik  im  Anschluss  an  einige  neuere  Werke"  von 
Herrn  Lic.  F.  Kattenbusch,  jetzigem  ordentlichen  Professor 
in  Giessen,  veröffentlicht.  Im  ersten  Artikel  dieser  Stu- 
dien stellt  der  Herr  Verfasser  meine  Symbolik  der  grie- 
chischen Kirche,  Berlin  1872,  voran,  imd  nachdem  er  einige 
Eigenschaften  derselben  anerkennend  hervorgehoben,  lässt  er 
S.  104  eine  Gegenerklärung  folgen,  welche  ich,  so  verbind- 
lich sie  auch  eingeleitet  wird,  doch  nur  dahin  verstehen 
kann,  dass  mein  Buch  falsch  angelegt  sei,  und  eben  darum 


1)  Vorstehende  Abhandlung  sollte  nach  meinem  Wunsche  schon 
hn  vorigen  Jahre  mitgeteilt  werden,  Umstände  haben  den  Abdruck 
verzögert. 

Zeitoohr.  t  K.-Q,  HI,  8.  23 


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330  GASS, 

in  Bezug  auf  die  „Grundidee  der  Darstellung"  bestritten 
werden  müsse.  Dazu  kann  ich  allerdings  nicht  schweigen, 
wenn  ich  nicht  den  öffentlichen  Vorwurf  eines  verfehlten 
Unternehmens  auf  sich  beruhen  lassen  will.  Zwar  furchte 
ich  nicht;  dass  dieses  Urteil ,  wie  es  von  Eattenbusch  vor- 
getragen wird,  Zustimmung  finden  werde,  und  wenn  Herr 
Kattenbusch  S.  104  „gleich  zum  Eingang  ausspricht ,  dass 
er  mit  meiner  Auffassung  in  wesentiüchen  Beziehungen  nicht 
harmonire":  so  wäre  ich  wohl  berechtigt,  darauf  einfach  zu 
antworten,  dass  ich  eben  eine  andere  „Auffassung"  habe, 
\md  dies  umsomehr,  da  er  eine  „eigentliche  Auseinander- 
setzung" mit  mir  gar  nicht  für  nötig  gefunden  hat.  Falsche 
Resultate  werden  mir  nirgends  nachgewiesen,  imd  wenn 
zwei  Meinimgen  neben  einander  stehen:  so  wird  die  ältere 
erst  dadurch  entkräftet,  dass  sie  sich  in  ihren  Ergebnissen  als 
unhaltbar  oder  unzulänglich  erwiesen  hat,  sonst  besteht  sie 
fort.  Aber  in  einer  Beziehimg  ist  mir  diese  Entgegnung  des 
Herrn  Eattenbusch  —  denn  Kritik  kann  man  sie  nicht 
nennen  —  dennoch  willkommen  gewesen,  weil  sie  mir  näm- 
lich Gelegenheit  giebt,  den  Gegenstand  nochmals  zur  Sprache 
zu  bringen;  daher  werde  ich,  was  er  verschmäht,  doch 
meinerseits  versuchen,  also  mich  mit  ihm  auseinandersetzen, 
wobei  ich  seine  Einwendungen  teils  abzulehnen,  teils  zu  be- 
nutzen. Anderes  zu  ergänzen,  zu  erläutern  oder  zu  modi- 
ficiren  haben  werde.  Demgemäss  wähle  ich  die  Ueberschrift 
dieses  Aufsatzes ;  das  Folgende  betriffl;  zimächst  die  Quellen 
einer  griechischen  Symbolik,  um  dann  zweitens  von  dem 
allgemeinen  Charakter  und  den  religiösen  und 
sittlichen  Eigentümlichkeiten  der  griechischen  Kirche 
zu  handeln. 

Die  Symbolik,  wie  sie  seit  Planck  an  die  Stelle  der 
alten  Polemik  getreten  ist,  soll  über  den  religiösen,  sittlichen 
imd  namentlich  den  doctrinalen  Gehalt  der  neueren  christ- 
lichen Kirchen  eine  gelehrte  und  wissenschaftlich  geordnete 
Rechenschaft  ablegen.  Ihre  Voraussetzung  ist  die  Refor- 
mation, welche,  indem  sie  den  Particularkirchen  entweder 
ihr  Dasein  oder  doch  ihre  bestimmtere  Stellung  und  er- 
neuerte Ausprägung  verlieh,   einen  solchen  Querdurchschnitt 


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ZUR  SYMBOUK  DER  GRIECHISCHEN  KIRCHE.  331 

unentbehrlich  gemacht  hat  Gegenstand  der  Symbolik  sind 
die  Confessionen  selber^  imd  ihren  Stoff  sucht  sie  in  einer 
Reihe  von  öffentlichen  Urkunden ;  welche  als  nächstliegende 
Zeugnisse  zur  Feststellung  und  Vergleichung  der  Lehr- 
besthnmungen  vor  Allem  in  Betracht  kommen.  Jede  dieser 
kirchlichen  Abteilungen  will  die  Bedingungen  eines  kirchlich 
verwalteten  Gemeinschaftslebens  vollständig  in  sich  tragen^ 
jede  für  sich  ein  unabhängiges  Ganze  sein^  keiner  gelingt  es 
ganz.  Selbst  der  römischen  Kirche  muss  in's  Angesicht  ge- 
sagt werden^  dass  sie  einen  Teil  ihrer  Lebenskraft  nur  aus 
der  Entgegensetzung  beziehe  ^  also  ohne  die  anderen  gar 
nicht  in  ihrer  neueren  Gestalt  existiren  könne;  auch  hat  sie 
niemals  sicii  dem  Gesammtleben  der  Christenheit  entziehen 
können;  welches  alle  Trennungen  zu  mildem  und  durch  ge- 
meinsame ^  geistige  und  culturhistoiische  Einflüsse  erträglich 
zu  machen  vermag.  Dessen  ungeachtet  bleiben  die  Con« 
fessionen  historische  Grössen  vom  ersten  RangC;  auch  die  bei- 
den protestantischen  gleichen  CoUectivpersönlichkeiten  von 
eminenter  Schärfe  und  geschichtsbildender  Wirksamkeit; 
lange  Zeit  haben  siC;  jede  fiir  sich,  gearbeitet,  bis  ihnen  durch 
gemeinschaftliche  innere  Erfahrungen  wie  durch  eigene 
Wahlverwandtschaft  ihr  Sonderleben  immer  mehr  erschwert 
worden  ist  Den  Zweck  der  Symbolik  kann  ich  nur  in 
das  Verstehen  des  confessionellen  Geistes  setzen; 
es  ist  aber  eine  aus  der  Religion  selber  hervorgehende  Not- 
wendigkeit;  dass  sich  an  jede  intellectuelle  Aufgabe  auch  ein 
sittlicher  Wille  anschliessen  muss,  ein  Wohlge£Edlen  entweder 
an  dem  was  gewesen  imd  was  noch  jetzt  auf  Fortbestand 
Anspruch  macht,  oder  an  dem  was  werden  soll,  imd  wozu 
die  bisherige  Entwicklung  nur  die  Vorstufe  bildet  Daher 
wird  jede  Symbolik,  indem  sie  der  Theologie  dienen  will, 
noch  eine  Absicht  mitbringen,  sei  es  n\m  die  des  Beharrens 
oder  der  Erweiterung  und  kritischen  Fortbildung;  das  ruhige 
Gbschäft  vergleichender  Relation,  so  imentbehrlich  es  auch 
bleibt,  kann  den  Bearbeiter  für  sich  allein  nicht  befriedigen, 
am  wenigsten  jetzt,  nachdem  der  blosse  Inhalt  bis  auf  einen 
gewissen  Ghrad  geläufig  geworden  ist 

Doch  wir  wollten  von  den  Quellen  handeln.    Eatten« 

23* 


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B32  OA86, 

busch  ist  der  Meinmng;  dass  bei  der  AasfUfarung  und  Fär- 
bung der  kirdilichen  Charakterbilder  alle  AeuBserungen  des 
religiösen  Leb^is  sammt  den  Eigenheiten  der  Sittenbildnng 
ihre  Beisteuer  liefern  dürfen  und  sollen;  ich  bin  damit  gan2 
^einverstanden^  nur  müssen  jedenfsdls  die  literarischen  Hülfs- 
mittel  Yoranstehen,  und  unter  ihnen  namentlich  diejenigen^ 
welchen  die  Confessionen  eine  grundlegende  dedaratorische 
Wichtigkeit  beigelegt  haben^  mit  einem  Wort  die  sc^^ianntoa 
Bekenntnisschriften.  In  ihnen  haben  die  Kirchen  durch  Zu* 
sammenstellong  von  Lehrsätzen  ihr  Verhältnis  zu  einander 
öffentlidi  bezeugen  wollen,  an  sie  haben  sie  sich  lange  Zeit 
gehalten;  \md  diese  ihre  nach  aussen  gehende  Bedeutung  wird 
Ifiemand  bezweifeln,  auch  derj^ciige  nicht,  welcher  ihnen,  wie 
ich,  nach  Innen  eine  dogmatisch  abschliessende  und  för  immer 
gültige  Normativität  nicht  zuerkennt  Mit  diesen  Denk- 
schriften, die  sidi  wohl  ergänzen^  aber  nicht  beseitigen,  noch 
willkürlich  mit  anderen  vertauschen  lassen,  ist  auch  ,das 
Zeitalter  gegeben.  Der  Sjmboliker  mag  nach  allen  Seiten 
Umschau,  Vorschau  imd  Rückschau  halten,  bewegen  wird  er 
sich  doch  vorzugsweise  in  der  Epoche  der  confessiondlen 
Ausgestaltung  und  Befehdung,  also  im  16.  und  17.  Jahr^ 
hundert,  weil  seine  Disciplin  eben  durch  die  Reformation 
und  deren  Erfolge  imd  öffentliche  Erklärungen  ein  Glied  der 
Theologie  geworden  ist  Gilt  dies  von  den  drei  andren 
Kirchen :  so  wird  es  mutatis  mutandis  auch  auf  die  griechisch- 
morgenländische  Anwendung  erleiden.  Auch  diese  ist^  ob- 
gleich erst  später  und  weniger  durchgreifend,  von  der  kirch- 
lichen Umwälzung  berührt  worden;  teils  drang  der  Jesuitis- 
mus mit  gefährlicher  Propaganda  in  Russland  ein,  teils  er- 
zeugten die  protestantischen  Neuerungen  des  Cyrillus  Locaris 
eine  beträchtliche  Aufregung.  Auf  diese  Anfechtui^en  hat 
die  russische  und  die  moi^nländische  Eirchenverwaltung 
2war  nicht  offensiv  und  aggressiv,  wohl  aber  defensiv  ge- 
antwortet, um  sich  von  den  fremdartigen  Einflüssen  beson- 
ders des  Calvinismus  su  reinigen.  FolgUch  müssen  die  in 
diesem  Zeitpunkte  entstandenen  Urkunden,  weil  sie  in  jenefa 
G^enden  allgemeine  Zustimmung  erlangten,  auch  später 
nicht  ausser  Ansehen  gesetzt  rind,  in  erster  Linie  zu  Rate 


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ZUB  SYMBOLK  DER  GBISCHISCHEN  KIHCHE.  S3S 

gezogen  werden.  Denn  nicht  was  die  Griechen  vor  Zeiten 
gewesen  sind;  ged&cht  und  geleistet  habai^  sondern  wid  sie 
sich  als  die  anatolische  Hälfte  des  Katholicismus  ^ 
der  andern  römischen  zur  Seite  und  dem  Protestantismus  gegen« 
übergestelity  welchen  Bdtrag  sie  zu  dem  allgemdnen  Bilde 
der  neuen  kirchlichen  Christenheit  geliefert^  hat  der  Sym- 
bolik^ KU  ermittln. 

Eait^ibusch  verwirft  dieses  Yerühren  durchaus;  er 
kann  die  von  mir  zunächst  benutzten  Quellen  nicht  fär 
^authentisdi'^  halten.  Confesaionsschriften  des  17.  Jahr- 
hunderts ^  die  von  Spuren  lateinischer  Einwiricong  durch- 
zogen sind;  eine  unbestimmte  biblische  Haltung  und  Färb* 
losi^eit  der  meisten  Lehrbestimmungen  an  sich  tragen,  und 
die  nur  durch  die  Irrungen^  wdche  katholische  und  protestoo" 
tische  Eingriffe  erzeugt ^  veranlasst  worden  sind;  nicht  hw«* 
vorgegangen  luis  eina:  ^^tiefstai  Besinnung^^  über  die  Eig^i«- 
tümUchkeiten  der  griechischen  Kirche^  —  sind,  behauptet  er 
S.  105  ff.;  nicht  geeignet;  die  Grundlage  der  ^noo^bolä  aln 
zugeben.  Aeltere  Bearbeiter  wie  MarheinekC;  HofiDoann  und 
Andere»  befinden  sich  also  in  gleichem  Unrecht.  Unseres 
Erachten»  finden  diese  Entgegnungen  sdion  in  dem  obea 
Q^eagten  ihre  Erledigung.  Die  Auswahl  dieser  Urkimde» 
ruht  nicht  etwa  auf  der  Autorität  der  Kimmri'schen  Aus** 
gäbe;  die  wichtigsten  Schriftstücke  sind  bereits  von  Schelf 
strate;  Romae  1759  ^);  mit  einigen  anderen  uimI  untergeord^ 
neten  verbunden  heram^egebeu;  kürzlich  auch  in  Schaff  ar  ^ 
;;Bibliotheea  symboUica^'  aufgenommen  worden;  und  niemals 
meines  Wissens  haben  die  Griechen  oder  die  Russen  ge^ 
äussert;  dass  rie  nach  sokheoi  Zeugnissen  nicht  becurteik  sein 
wollten.  Dass  die  Sammlung  als  solche  nicht  kirchH«^  ver-^ 
anstahet  od^  bestätigt  worden;  kann  gleich&lls  nicht  ent^ 
scheiden  und  würde  von  jeder  andern  Zusammenstellung 
ebenso  gesagt  werden  müssw.  Der  Historiker  hat  in  sok 
ohem  FaUe  einen  geschtchlüeh  bedingten  Massstab  statt  einest 
abetraeten  anzulegen.     Von  latdnischen  Einflüssen  war  die 


1)  „Acta  orientaGs  ecclesiae  contra  Lutheri  haeresim  ülustrata 
crpera  et  studia"  D.  Em.  Sclielstrate  (Rom  1739),  P.  I.  II. 


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S34  OASS; 

griechische  Kirche  schon  längst,  —  die  Sacramentslehre  be- 
weist es,  —  nicht  frei  gewesen,  schon  längst  hatte  die 
Theologie  an  popularisirender  Unbestimmtheit  ihrer  Rede 
gelitten;  —  sollten  etwa  diese  Mängel  nicht  auf  die  Con- 
fessionsschriften  übergehen?  sie  sind  darum  nicht  weniger 
;,  authentisch ''  als  der  ganze  umgebende  kirchliche  Zustand. 
Unvollkommenheiten  solcher  Art  hat  der  Sjmboliker  gar 
nicht  zu  verantworten,  sobald  nur  die  historische  Stel- 
hing  seiner  Quellen  imd  •  deren  öffentliche  Geltung  wesent- 
lich feststehn.  Wir  haben  sie  anzuerkennen,  wenn  wir 
nicht  überhaupt  darauf  verzichten  wollen,  der  Symbolik  der 
abendländischen  Confessionen  ein  ungefähr  gleichartiges  und 
gleichzeitiges  Seitenstück  aus  jener  Richtung  zuzuordnen. 
Nur  mit  dem  alten  Bekenntnis  haben  es  die  Griechen  scharf 
bis  aufs  Wort  genommen,  nicht  minder  mit  ihren  cultischen 
und  rituellen  Satzungen,  die  sie  wie  Glaubensartikel  behan- 
delten. Uebrigens  bewegte  sich  ihre  Theologie  innerhalb 
einer  weichen,  dehnbaren,  fiir  mancherlei  Modificationen  zu- 
gänglichen Ueberlieferung;  strenge  Lehmormen  sind  auch 
in  neueren  Zeiten  nicht  gleichmässig  noch  allgemein  «wie  im 
Abendland  zur  Anwendung  gekomanen,  imd  noch  jetzt  giebt 
es  in  Hellas  G^enden,  wo  der  Prediger  sich  nur  an  die 
alte  Tradition  gebunden  glaubt,  ohne  nach  dem  Lehraus- 
druck der  neueren  Bekenntnisschriften  sonderlich  zu  fragen. 
Von  der  dogmatischen  Schärfe  soll  ja  das  christliche  Heü 
nicht  abhängen,  und  noch  die  gegenwärtigen  Lehrer  der 
Theologie  in  Athen,  obgleich  die  specifisch  protestanti- 
schen Sätze  und  Folgerungen  ängstlich  ablehnend,  l^en 
doch  darauf  grossen  Wert,  einer  goldenen  Mittelstrasse  treu 
zu  bleiben.  Nach  diesem  Tatbestande  beschränken  sich  die 
Anforderungen,  die  wir  überhaupt  an  die  confessionellen 
Lehrschriften  des  17.  Jahrhunderts  zu  stellen  haben;  diese 
werden  dadurch  noch  nicht  ungültig  oder  unauthentisch,  daas 
^e  dem  Massstabe  der  Concordienformel  nicht  entsprechen. 
Dass  die  Griechen  ftir  einen  Teil  der  protestantisch -katholi- 
schen Controversen  kein  Verständnis  hatten,  weil  ihnen  die 
diesen  zum  Ghrunde  liegenden  sittlich -religiösen  Erfahrungen 
niemals  nahe  getreten  waren,  glaube  ich  nachgewiesen  zu 


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ZUR  SYMBOLIK  DER  GRIECHISCHEN  KIRCHE.  935 

haben.  Wenn  aber  Kattenbusch  S.  106  bemerkt:  ^^Bis  zur 
tie&ten  Besinnung  auf  ihre  Eigentümlichkeiten  konnte  die 
griechische  Kirche  nicht  gebracht  werden'^:  so  ist  darauf  zu 
antworten^  dass  selbst  die  römische ;  die  doch  weit  heftiger 
au%erüttelt  wax>  nicht  so  weit  gelangt  ist  Auch  sie  —  man 
denke  an  die  Decrete  des  Tridentinums  — y  hat  sich  nicht 
yytief  besonnen '^^  auch  sie  ist  nicht  entschieden  imd  klar 
auf  ihre  alten  Gewährsmänner  zurückgegangen^  auch  sie  hat 
ihr  Verhältnis  zum  Augustinismus  in  der  Schwebe  gelassen^ 
und  sie  zog  es  vor^  sich  den  scholastischen  Schulen  anzu- 
schliessen,  indem  sie  nur  daAir  sorgte^  dass  der  traditionelle 
Verband  unzerrissen  blieb.  Das  Verfahren  beider  Kirchen 
war  ein  katholisches;  sie  wollten  die  Prüftmg  ihrer  Ver- 
gangenheit nur  gestatten ;  soweit  sie  ihre  G^enwart  nicht 
ge&hrdete. 

Um  jedoch  auf  die  genannten  Confessionsschrifien  noch- 
mals zurückzukommen:  so  werden  sie  nach  meinem  Dafür- 
halten von  Kattenbusch  allzutief  herabgesetzt;  schlechter  als 
damals  zu  erwarten  stand;  sind  sie  nicht  ausgefallen.  Selbst 
die  Sjnode  des  Dositheus  (1672);  so  äi^rlich  imd  unredlich 
sie  sich  auch  in  ihren  Verhandlungen  betrug;  hat  doch  ihre 
doctrinalen  Erklärungen  von  Entstellung  frei  erhalten.  Die 
Confession  des  Mogilas  (1643)  hat  ihren  Wert  in  der  Voll- 
ständigkeit der  Zusammen&ssung  dogmatischer;  ethischer  \md 
asketischer  Artikel;  sie  will;  was  bis  dahin  sehr  lange  nicht 
geschehen  war;  in  katechetischer  Form  ein  Ganzes  liefern. 
Die  Sprache  ist  volkstümlich  und  naiv;  der  Standpimkt  ge- 
setzlich und  steif;  aber  ein  Gepräge  aufrichtiger;  wenn  auch 
beschränkter  Frömmigkeit  wird  man  dieser  Quelle  nicht  ab- 
sprechen; noch  verkennen  dürfen;  dass  einige  Wellen  des 
alten  Geistes  in  ihr  fiiessen.  In  beiden  Schriften  werden 
Romanismus  und  Papsttum  aus  politischen  Ursachen  nirgends 
bestritten;  das  muss  man  wissen,  um  diese  Lücke  ander- 
weitig zu  ergänzen;  sonst  aber  zeigen  sich  in  ihnen  nur 
solche  Einwirkungen  des  Abendlandes;  welche;  weil  sie  schon 
früher  begonnen;  nicht  der  Willkür  eines  Mogilas  und  Dosi- 
theus schuldg^eben  werden  können.  Wer  nun  ausserdem 
noch  die  merkwürdige  Correspondenz  der  Tübinger  mit  dem 


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PatriareheH  Jeremms,  die  )ehrreiehe  ÄbBto^ung  des  Mefaro- 
j^nee  EritopuluS;  die  Abhandlungen  des  G^eorgius  Cbius^ 
Meletius  Syrigus  und  besonders  des  Gabriel  Severos,  die 
Schdstrate  yeröffsntlieht  hat,  xi&  Rate  meben  wäl,  d^n  wird 
ein  ziemlicher  Apparat  zu  Gebote  stehen,  xxmi  er  kann  sich 
dessen  um  so  freier  bedienen,  weil  sich  die  Grenzen  des* 
Symbolischen  überhaupt  nicht  streng  festhalt^i  lassen. 
Selbst  das  Bekenntnis  des  G^nnadius  ist  ungeachtet  seiner 
SLürze  mckt  ohne  Wert  Eine  künftige  Ausgabe  dieser  Be^ 
kenntnisBchriften  dürfte  nicht  unTerändert  bleiben;  wegfsJl^^ 
^  würde  die  sogenannte  erste  Confession  des  Gennadius,  einiges 
Andere  könnte  hinzutreten,  wie  denn  z.  B.  in  Beeug  auf  die 
russische  Kirche  Philaref  s  Katechismufi  in  die  von  Schaff 
▼eranstaUete  Sammlung  Auftiafame  geftmden  hat  Feinheit 
der  Definition  imd  dialektische  Gewandtheit  werden  in  diesem 
Urkunden  fast  überall  vermisst,  das  waren  G^istestugenden, 
zu  daien  die  russische  Bildting  nicht  so  bald  emjjbrkommett 
sollte,  und  die  der  griechischen  durch  das  Elend  der  Zeiten 
und  den  Druck  der  Türkenherrschaft  abhanden  gekommen. 
Den  besten  Beweis  ftLr  diese  eingetretene  geistige  Ermattung' 
liefert  Cyrillus  Lucaris,  welcher,  weit  besser  imterrichtet  si» 
seine  Landideute,  sidi  doch  bd  aller  Anstrengung  den  hnr 
Abendlande  herrschenden  Grad  Ton  Denkfertigkeit  nicht  an^ 
zueignen  vermochte.  Von  den  neugriechischen  Theol^en 
der  Gegenwart  muss  gesagt  werden,  dass  sie  d^oi  achtungs- 
wOTten  Versuch  machen,  die  protestantisch«[i  Lehrsjsteme 
des  letzten  Jahrhunderts  sich  zum  genaueren  Verständnis  zu 
bringen;  aber  zuweilen  versagt  ihnen  dabei  die  Sprache  den 
Dienst,  denn  ftir  diesen  Zweck  ist  sie  noeb  nicht  entwickdt 
genug. 

Aber  gesetzt  nun,  dass  wir  die  genannten  Quellen  bei 
Seite  zu  legen  hätten,  weil  sie  angeblich  nicht  „aifthentisch** 
sind:  so  fragt  rach  ferner,  was  an  die  Steife  treten  s(^ 
Kattenbusch  verweist  uns  auf  die  Gründung»epoche  der 
griechischen  Theologie,  auf  Männer  wie  Athanasius,  Otregw 
von  Njssa,  an  diese  habe  der  Symbc^er  sieh  su  hallen. 
Allein  wie  ist  das  möglich,  wenn  doch  feststeht,  dass  es 
damals  noch  gar   keine   griechische  Kirche   gab, 


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ZUR  SYMBOUK  DER  QKIECHISCHEN  KIRCHE.  337 

d.  h.  keine  griechische  Separatkircb^; 'sondern  nur  eine  grie^ 
chische  Abteilung  der  altkatbolisofaen;  diese  aber  vom  durob* 
greifender  Wichtigkeit  fUr  das  (^tmnze^  nicht  allein  Ah:  äre 
eigene  künftige  Entwicklung?  Die  Folgen  der  Erhebtuig  ron 
Constantinopd  -waren  erst  im  Werde»;  es  war  noch  nichit 
offenbar  geworden^  ob  sich  dieses  ehristliohe  Ghriechentum 
der  abendländischen  Eirchenbildung  ansohliessen;  oder  ei^er 
mit  dem  Orientalismus  verbinden  werde^  —  ein  Uebergangy 
der  sidi  erst  snr  Zeit  des  Hieronymms  und  noch  mehr  wäk-» 
rend  der  monophysitischen  Epoche  vx>lkogen  hat.  IBo  lang» 
fehlte  es  noch  an  einer  sdbständigen  Gestaltung;  und  bis 
zum  fSntritt  der  Russen  in  diesen  Verband  soUten  noch  Jahr* 
hunderte  rergehen.  Hätte  uns  Kattenbusch  das  Zeitalter 
des  Photius  in  Vorschlag  gebracht:  so  würde  sich  dies  eher 
Terteidigen  lassen.  D^in  Photius  ist  wie  der  An&nger  des 
jüngeren  byzantinisehen  Grie^entumS;  so  auch  der  Vor- 
gänger eines  vom  Abendlande  sich  ablösenden  Confessionalis'' 
mus;  sein  Schritt  war  yerhängnisvoU;  so  äusserlich  auch  die 
Ton  ihm  aufgestellten  Seheidungsgründe  aus&llen  mochten. 
Aber  selbst  dieser  Ausgangspunkt  würde  sich  nicht  c^m« 
grosse  Uebelstände  fesdialten  lassen;  man  stelle  sich  vor^  dass 
ein  Symboliker  auf  der  einen  Seite  die  Augsbuigische  Con- 
feesion  und  das  Tridentinrum;  auf  der  andern  die  Werke  des 
Gregor  .von  Nyssa  oder  auch  nur  die  Dedarationen  des 
Pbotius  mim  Grundä  legen  wollte:  wie  würde  sich  das  aus- 
nehmen; und  zu  weicher  Ungestah  würde  er  in  der  histori* 
sehen  Behandlung  genötigt  werden! 

Dabei  soll  nicht  verhehlt  werden;  dass  wir  uns  mit 
dieser  Disciplin  in  einer  misslichen  Lage  befinden;  es  wird 
schwi^ig;  sie  in  feste  Ghrenzen  zu  fassen.  Den  ersten  Ab* 
schnitt  bildet  gewöhnlich  die  Untersuchung  der  drei  alt- 
kirchlichen SymboUbrmeln  nebst  ihrem  Anhang;  und  schon 
diese  erwächst  durch  den  Zutritt  neu  ermitteher  Texte  all* 
gemach  zu  einer  selbständigen  Au%abe.  Hierauf  foigt  das 
dgenthch  eonfessionelle  Hauptstück;  sodann  die  Behandlung 
der  Sectett;  wdche  den  Dar^Uer  leicht  von  einem  Jahr- 
hundert zum  andern  forttreibt  Zuletzt  endlich  begegnet  ihm 
das  Vaticanisdie  Concil  sammt  seinen  Vorbereitungen;  und 


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338  GASS^ 

er  sieht  sich  in  die  Mitte  modemer  Begriffe  gestellt,  welche 
unsere  protestantischen  Bekenntnisse  nicht  kennen,  oder  die 
doch  auf  diesem  Gebiet  sonst  nur  indirect  hervortreten.  Wir 
sind  also  so  weit,  dass  der  Symboliker  seine  Materialien 
aus  dem  19.  wie  aus  dem  3.  Jahrhundert  herbeiholen  muss; 
solche  Erweiterung  des  Schauplatzes  ist  der  Einheit  gefilhr- 
lich.  Auch  wird  es  nachgrade  wünschenswert,  selbst  den 
Hauptkörper  dieser  comparativen  Wissenschaft  tiefer  als  bis- 
her in  die  Geschichte  imd  Culturgeschichte  einzufuhren,  zu- 
gleich aber  ihn  dergestalt  zu  gliedern  und  zu  beleben,  dass 
er  über  sich  und  seine  Schranken  hinausweist;  und  welche 
sonstige  Veränderungen  noch  bevorstehen,  wird  nicht  von 
der  Theorie  und  Theologie  allein,  sondern  von  den  Lebens- 
wendungen des  Protestantismus  abhängen.  Niemand  wird 
sich  diese  Schwierigkeiten  verhehlen,  allein  so  lange  die 
Symbolik  teils  durch  die  Verteilung  der  theologischen  Fächer, 
teils  durch  imser  Verhältnis  zur  römischen  Kirche  noch  we- 
sentlich auf  dem  Standpunkt  des  16.  und  17.  Jahrhunderts 
ruhen  bleibt,  wird  sie  sich  auch  methodisch  demgemäss  ver- 
halten müssen,  statt  auf  eine  Zumutung  einzugehen,  welche 
sie  völlig  aus  den  Fugen  bringen  würde. 

Soweit  also  die  Anklage  des  Herrn  Eattenbusch  darauf 
hinausläuft,  dass  ich,  statt  aus  den  richtigen  Quellen  zu 
schöpfen,  mich  auf  untaugliche  oder  nicht  authentische  ver- 
lassen habe,  darf  ich  diesen  Vorwurf  ein£Etch  als  imgehörig 
von  der  Hand  weisen.  Selbstverständlich  kann  man  auch 
etwas  Anderes  wollen,  man  kann  die  ganze  griechisch-orien- 
talische Christenheit  rein  historisch  überschauen  und  zusammen- 
fassend beurteilen;  das  wäre  aber  nicht,  was  ich  beabsich- 
tigt, und  was  eine  Symbolik  im  anerkannten  Sinne  zu  lei- 
sten hat 

Möge  dieser  erste  Punkt  hiermit  erledigt  sein.  Mein 
Gegner  veranlasst  mich,  noch  eine  zweite  und  wichtigere 
Angelegenheit  in  Betracht  zu  ziehen.  Ueber  die  Gr^izen 
meiner  Au%abe  hinausgreifend,  vermisst  er  S.  107  in  meiner 
Darstellung  die  „organisirende  Centralidee",  von  wel- 
cher aus  sich  die  ganze,  historisch  fortlaufende  griechische 
Theologie  und  Kirche,    nicht  bloss  die  neuere,   die  ich  zu 


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ZUR  SYMBOLIK  DER  GRIECfflSCHEN  KIRCHE.  339 

bearbeiten  hatte  ^  überschauen  lasse.  Zur  näheren  Begrün- 
dung werden  S.  107  eine  Reihe  von  Bemerkimgen  zusammen- 
gestellt;  zwar  bekannt^  auch  grossenteils  aus  Abhandlungen  von 
Ritschi  und  Steitz  geschöpft,  immerhin  aber  zur  Anregung  der 
Frage  wohl  geeignet  Findet  sich  überhaupt  innerhalb  der  reli- 
giösen Ideen  Verbindung,  welche  die  griechisch -orientalische 
Frömmigkeit  uns  vor  Augen  stellt,  ein  bestimmter  Mittel- 
punkt, und  wie  haben  wir  ihn  zu  benennen?  Mit  gutem 
Grund  verwirft  Kattenbusch  die  Meinung,  dass  sich  Abend- 
und  Morgenland  wie  Praxis  und  IntellectuaUsmus  zu  ein- 
ander verhalten,  denn  eine  Praxis  hat  auch  der  Orient  auf- 
zuweisen, so  gut  wie  der  Occident  einen  kräftigen,  wenn 
auch  anders  gearteten  Trieb  des  Wissens  und  Denkens;  nur 
BD  viel  steht  fest,  dass  die  griechische  Kirche  sich  weit  we- 
niger hierarchisch  imd  disciplinarisch  entwickelt  hat,  wie 
z.  B.  aus  dem  Mangel  an  Bussbüchem  hervorgeht,  an  wel- 
chen die  lateinische  so  reich  ist.  „Das  Richtige  ist'^,  ft&hrt 
der  Genannte  fort,  „dass  die  griechische  Kirche  in  und  mit 
der  Theologie  und  Christologie  das  ganze  Christentum  in 
in  ihrer  Weise  behandelt  hat"  (S.  109).  Im  allgemeinen 
gilt  dies  von  der  alten  Elirche  überhaupt,  das  bezeugen  die 
Symbolformeln,  ja  in  gewissem  Ghrade  vom  Christentum  sel- 
ber, denn  Christus  ist  die  offenbarende  Tatsache  oder,  wenn 
man  lieber  will,  die  organisirende  Idee.  Doch  soll  nun  femer 
die  digentümHche  Behandlungsart  des  Glaubensinhalts  darin 
gesucht  werden,  wie  das  von  Christus  dargebotene  Heilsgut 
verstanden  wurde,  sie  ergiebt  sich,  wie  unser  Verfasser  will, 
aus  der  Idee  der  Unsterblichkeit' und  des  ewigen 
Lebens.  Zu  diesem  Zweck  wird  auf  Gregor  von  Nyssa 
verwiesen,  wobei  nur  zu  bedauern,  dass  Kattenbusch  nicht 
noch  weiter  zurückgegangen  ist;  denn  dabei  wird  sich  doch 
Niemand  beruhigen,  dass  Athanasius  und  Gregor  von  Nyssa 
dei^estak  als  die  Gründer  der  Kirche  angesehen  werden,  als 
ob  diese  vor  ihnen  noch  nicht  vorhanden  gewesen  wäre. 
Ich  wenigstens  verwahre  mich  gegen  eine  Vorstellung,  nach 
welcher  das  Dasein  der  kirchlichen  Gemeinschaft  von  der 
Correctheit  der  Lehrformel  abhängig  gemacht  wird,  und  sollte 
dies  geschehen,  so  wären  wir  im  vorliegenden  Falle   ebenso 


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340  OAS8^ 

wohl  berechtigt,  bis  zum  Concil  von  Chaloedon  als  cLan 
kirchlichen  Gründungsact  herabzugehen.  Ich  brauche  nicht 
kJBzumifügen;  dase  alsdann  das  Wort  Kirche  in  anderem  Smae 
genommen  wird,  nicht  wie  rorhin  nut  Bezug  auf  die  Selb^ 
atändigkeit  der  kirchlichen  Erscheinung.  Dagegen  ist 
unstreitig  die  Idee  des  ewigen  Lebens  und  der  Unsterblich* 
keit  für  unserai  Zusammenhang  Ton  Wichtigkeit;  von  dieeem 
Gesichtspunkt  ausgehend  versuche  ich  im  F<dgenden  einige 
Andeutungen  über  die  griechiflch-orientalische  Religionsbildung 
und  deren  Gang. 

Lidit  und  Ericenntnis,  Ldben,  Unsterblichkeit  und  Un« 
Vergänglichkeit  sind  schon  der  ältesten  griechischen  Literatur 
gdLäufige  Worte.  Durch  Christua  hat  uns  Gott  von  der  un^ 
vergänglichen  Erkenntnis  kosten  lass^OL^  sagt  Clemens  im 
Korinlherbriefe^  das  Leben  in  der  Unsterblichkeü  stammt  von 
ihm.  Die  christliche  Lehre  nach  Ignatias  i^  eine  Sifaxij 
iup^agaiugy  das  Evangelium  eine  Vollendung  der  Aphtharsie^ 
die  allein  den  Zugang  zu  Gt)tt  erschlieast;  Leben  und  Liebe 
in  ihr  hab^i  den  Reichen  Charakter,  mit  ihr  ist  die  eis 
liebende  Geisteswirkung,  welche  von  Christus  herkommt, 
ausgedrückt.  Zur  Zeit  bewegt  sich  der  chrisüiohe  Wandd 
noch  innerhalb  des  Vergänglichen,  aber  entgegengehend  und 
aufstrebend  zum  verheissenen  Ziele  des  Unrerderblichen; 
denn  Christus  selbst  ist  gesendet  als  der  Unvergängliche^ 
der  Unsterbliche  för  die  Sterblichen.  Solche  Vorstelhmgen 
schlössen  si^  leicht  andnander  an,  die  weielie  Logosidee 
gab  ihnen  Nahrung  ^).   In  naher  Bereitschaft  lag  der  Sd^uss^ 


1)  In  den  Ignatianischen  Briefen  weiden  die  FriLdicate  a^ay«rv«(, 
To  nXti&ivoy  {jjy,  a'^&a^cia  häufig  auf  Christus  und  seine  Sache  an- 
gewajult;  seine  Lehre  ist  dufaxri  a<f^aqa(a^,  ohne  ihn  haben  wir  nicht 
10  ttXri&ivdir  C?"»  fo  Tod  &so€  imTv^ttP'^  ad  Rom.  1,  7:  dydnii  dg>9aQ' 
6(ttQ  xuX  dUvnot  C«^;  ad  Philad.  e.  9:  r^  %wayy&UQti  dnm^xMfAa  Ivrir 
d^^m^<fims\  ad  Smyni.  c.  i:  JC^wr^f  to*  dkti^iyo^  vfwr  C^r;  ad  Polyo. 
fl.2:  vrjtjp^tuc  ^fov  md'hßn^y  To  d^ifta  co^p^o^^  xoi  (o»)}  MtßWf,  Daaii 
vgl.  Clem.  ad.  Cor.  I,  c.  36,  durch  Christus  hat  uns  GU)tt  in  den  Stand 
gesetzt  trjf  dd'avdtov  yvtSa$iai  ifiag  yBvoao&ai.  Epist.  adDiogn.  c.  6; 
die  Christen  leben  du  (^&a^o$f,  irjiw  iv  oi^nvKiig  dtp^aqaiav  ngoirdt^O' 

(AkVOi. 


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ZUR  SYMBOLIK  DER  GRIECHISCHEN  KIRCHE.  34 1 

dase  das  in  Christus  mitgeteilte  Ewige  auch  in  ihm  selber 
als  ein  Wesenhaftes  gesetzt  sein  müsse,  während  es  von  den 
Arianem  zom  CreatürHchen  herabgesetzt  wird;  doch  darf 
nicht  YBiigeBsen  worden^  das»  das  Dogma  des  4.  Jahrhun- 
derts keineswegs  allein  aas  dem  Prineip  der  Ewigkeit  zar 
Entscheidung  gelingt  ist 

Zmr  Beaekhnmig  des  Heilswerks  wurde  also  die  Aph- 
tifearsie  das  überall  wiedetkehrende  Stichwort^  mit  ihm  ver- 
band sich  dann  ein  weiter  dehnbarer  Gedanke  ^  der  ebenso 
wohl  idealistisch  und  ethisch  gedeutet  wie  ins  Naturartige 
ge»^en  werden  komite.  Das  erste  ist  vorwi^end  von  den 
Alestandrinem  geschehen.  Für  Clemens  und  Origenes  ist 
Christus  der  Inbegriff  der  Ideen  und  der  schöpferischen 
Weiriieit^  welcher  Gott  als  den  wahrhaft  Seienden  und  den 
Chiten  ^kennen  lehrt  Allein  diese  Offenbarung  wirkt  nicht 
auf  den  denkenden  Menschen  allein^  der  in  niedrige  Weltbilde 
ver&ngen^  vom  Logos  zum  höha:*en  Lichte  emporgezogen 
wird,  nein  das  ganze  Selenleben  soll  an  dieser  Erhebung 
teilnehmen.  Denn  der  wahre  Gnostiker  ist  grade  der,  wet* 
eher  auch  in  seinem  tätigen  Wandel  dem  Zuge  zum  Unver- 
gäi^lichen  nachfolgt,  um  zum  Nachahmer  Christi  zu  werden; 
Erleuchtung  der  Vernunft,  Befreiung  des  Sinnes  von  der 
Gewalt  der  Begierden,  erhabene  Selenruhe  sind  die  Hebel 
und  die  Wirkungen  der  Eriösung. 

Den  allgemeinen  Hintergrund  zu  diesen  Erklärungen 
bildet  das  kosmische  Verhältnis  des  Ewigen  zum  Vergäng- 
Heben,  beide  stehen  so  zu  einander,  dass  die  höhere  zwar  in 
der  niederen  Welt  ein  Abbild,  aber  auch  ein  stetiges  Hindernis 
und  Widerspiel  findet.  Das  ist  das  Geheimnis  der  Schöpfung, 
itnd  Gregor  von  Nazianz  bietet  in  seiner  berühmten  zweiten 
Sede  Alles  auf,  um  wenigstens  teleologisch  zu  begreifen, 
WMum  die  Menschensele  trotz  ihres  Adds  in  das  irdische 
Gehege  versetzt  worden,  wo  sie  ebenso  viel  Ursache  hat,  die 
Berührung  mit  der  sinnlichen  irdischen  Lust  zu  fliehen,  wie 
ae    als    sittliches    Uebungsmittd    zu    benutzen  ^).      Andere 


1)  Greg.  Naz.  Or.  I,  p.  7  sqq.,  Par.  1609,  nach  der  Ausgabe  vod 
Clemencet  Cr.  n. 


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342  GASS; 

Lehrer  des  4.  Jahrhunderts  verschärfen  diesen  qualitativen. 
Dualismus.  Athanasius  stellt  jener  himmlischen  afp&oQolct^ 
eine  (pd-ogu  gegenüber;  za  dieser  ist  der  Mensch ^  obgleich 
ebenbildlich  und  für  die  Würde  der  Unsterblichkeit  ge- 
schaffen^  durch  die  List  des  Satans  herabgesunken^  und  nicht 
das  Schmerzgefühl  der  Reue  konnte  ihn  retten;  nur  der  im- 
materielle (avXog)  Logos,  der  alles  ins  Dasein  gerufen,  der 
Anführer  alles  Lebens  vermochte  das  Verderbliche,  in  wel- 
ches er  selber  eindrang,  eben  dadurch  in  das  Unverwesliche 
zu  wandeln,  das  Gesetz  des  Todes  zu  brechen,  das  verlorene 
Ebenbild  herzustellen  ^).  Schon  an  dieser  Stelle  scheint  aller 
Nachdruck  auf  der  unmittelbaren  Berührung  der  niederen  Na- 
turbestimmtheit durch  die  höhere  zu  liegen;  die  Mensch- 
werdung gleicht  einem  umzeugenden  Act,  von  der  Natur 
aus  soll  sie  die  Folge  gehabt  haben,  dass  Christus  vermiß 
seines  menschlichen  Wohnimgmachens  den  Blick  seiner  Be- 
kenner  wieder  auf  das  Wahre  imd  Gtöttliche  hingerichtet 
und  den  heidnischen  Wahn  zerstreut  hat  Noch  einen  Schritt 
weiter  geht  Gregor  von  Nyssa  in  der  grossen  katechetischen. 
Rede,  indem  er  das  Heilsbedürfiiis  ausdrücklich  auf  den 
ganzen  menschlichen  Organismus  überträgt  Der  psychische 
Mensch  hat  das  Ziel  seines  Strebens  verloren,  der  somalische 
sich  der  sinnlichen  Lust  preisgegeben;  beide  sind  aus  dem 
wahren  Leben  herausgefallen,  ein  Tod  trat  an  die  Stelle 
und  übte  seine  Herrschaft,  bis  der  Retter  kam,  bis  die 
göttliche  „Philanthropie"  Hülfe  brachte.  Der  Erkrankte  be- 
durfte des  Arztes,  der  Gefallene  des  aufidchtenden  und  be- 
lebenden, der  Verblendete  des  erleuchtenden,  der  Gefangene 
des  befreienden  Beistandes.  Alle  diese  Elräfte  sollten  der 
erkrankten  Menschheit  aus  der  Lebensmitteilung  des  Logo» 
zufiiessen,  ohne  dass  dieser  seiner  göttlichen  Apathie  ver- 
lustig ging  oder  selbst  von  dem  Leidentlichen  afficirt  wurde, 
welches  der  G^eburt  und  dem  Tode  anhaftet  Gregor  zieht 
also  die  wiederherstellenden  Wirkungen  der  Sendung  Christi 
möglichst  in  die  Breite  und  dehnt  sie  dergestalt  auf  die 
ganze  Menschennatur  aus,  dass  er  Mühe  hat,   den  intellec- 


1)  Athanas.,  De  incam.,  c.  3.  4. 

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ZUR  SYMBOLIK  DER  GRIECHISCHEN  KIRCHE.  343 

tuellen  Factor,  welchen  das  Dogma  für  sich  fordert,  in  seine 
Rechte  einzusetzen  ^). 

Aehnliches  lässt  sich  auch  bei  Späteren  wie  namentlich 
bei  Cyrill  von  Alexandrien  nachweisen.  Wahres  und  dem 
Tode  verfallenes  Leben  sind  entgegengesetzte  Pole.  Christus 
hat  den  Abstand  überwunden,  indem  er  die  eine  Natur  in 
die  andere  einAihrte;  sein  Werk  gleicht  einer  unmittelbaren 
Aufnahme  in  die  göttliche  Aphtharsie,  es  ist  der  Erlösung 
ähnlicher  als  der  Versöhnung,  denn  diese  letztere  Lehrvor- 
stellung fehlt  zwar  nicht,  ist  aber  erst  weit  später  als  be- 
stimmte Rechtstheorie  angewendet  imd  auch  dann  nicht  aus 
der  heimischen  Ueberlieferung  geschöpft  worden. 

Ich  wollte  hiermit  verdeutlichen,  was  Kattenbusch  mit 
der  Benutzung  „physischer  Kategorien'^  gemeint  haben  kann, 
welchen  zufolge  die  Menschwerdung  nur  als  Verschmelzung 
Qt)ttes  mit  der  menschlichen  Natur  gedacht  worden  sei. 
Wenn  er  aber  S.  112  bemerkt,  „es  könne  auf  den  ersten 
Blick"  scheinen,  als  ob  die  griechische  Kirche  vermöge  dieser 
Anschauung  vom  Wesen  des  Heils,  „auf  den  sittlichen  Cha- 
rakter der  christlichen  Religion  verzichtet  habe  '^ :  so  schliesst  er 
viel  zu  viel.  So  kann  es  nicht  scheinen,  ausser  wenn  man  sich 
an  einzelne  Stellen  und  Schriftsteller  anklammert,  oder  auch 
wenn  die  Abendmahlslehre  zum  Grunde  gelegt  wird,  in  wel- 
cher sich  jener  mystische  Zug  festgesetzt  hat,  —  nicht  aber 
in  Anbetracht  der  ganzen  älteren  griechischen  Theologie. 
Diese  wird  nicht  von  diesem  Punkt  aus  beherrscht  oder  „or- 
ganisirf  ,  noch  weniger  ihres  sittlichen  Charakters  entkleidet, 
denn  sie  trägt  noch  einen  andern  Grundgedanken  in  sich, 
es  ist  das  Princip  der  Freiheit  und  sittlichen  Bestimmbar- 
keit, welches  sie  durch  alle  Stadien  b^leitet.  Das  ganze 
Glaubenssystem  des  Origenes  dreht  sich  imi  die  beiden  Pole 
Gott  und  Freiheit.  Auch  bei  den  Späteren  drängt  sich 
immer  ein  ethischer  Coefficient  neben  die  Ansätze  eines  my- 
stischen Naturalismus,  und  so  oft  die  Griechen  die  Aneig- 
nung des  Heils  beschreiben  wollen,  bedienen  sie  sich  eines 
Synergismus,  der  nicht  wie  im  Abendland  einen  schon  vor- 


1)  Greg.  Nyss.  Or.  cat.  magna,  c.  15. 

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344  OAS&, 

handenen  Gegensatz  ausgleichen  soll,  sondern  der  sich  ihnen 
zwanglos  zu  Gebote  stellt;  aus  der  Annahme ^  dass  geistige 
Anr^ung  von  €btt  und  menschlicber  Wille  einand^  ver- 
wandt genug  sind;  um  zuMunmen  zu  wirken. 

Man  denke  unter  Anderem  an  die  Mönchstheologie 
des  4.  oder  5.  Jahrhunderts.  Auch  sie  fordert  Aufschwung 
zum  unverderhEchen  engdgleichen  Leben,  —  ein  Ziel  der 
Vollendung;  welches  aber  durch  asketische  Mittel;  nicht 
durch  mystische  Verschmelzung  erreicht  werden  soll  Wer 
voUkommen  sein  will;  muss  nach  unten  hin  frei  sein;  muas 
die  Zugänge  der  natürlichen  B^imle  abdämmen;  dann  ge- 
längt er  zu  einer  gottähnlichen  ApaÜuC;  der  Leib  fesselt  ihn 
nicht;  tief  unter  ihm  liegt  der  irdische  Staub.  Man  denke 
femer  an  die  Lehr^  der  antiochenischen  Schule ;  sie  lief^- 
ten  einen  bedeutenden  Beitrag  zu  der  Darstellung  des  wissen* 
schaftlichen  und  kirchlichen  GeisteS;  aber  sie  sind  fithikef 
in  der  Theologie;  nicht  Physiker  wie  die^Monophysiten. 
Den  Chrysostomus  muss  man  kennen;  um  zu  wissen;  dass 
auch  er  in  seine  Sacramentslehre  dn  stark  realistisches 
Moment  aufgenommen  hat;  denn  was  ihn  übrigens  aus* 
zeichnet  und  wenn  irgend  Einen  zum  Bepräsentanten  seiner 
Kirche  in  diesem  Zeitalter  macht;  ist  doch  grade  die  Stärke 
des  Herzens ;  das  treffende  psychologische  Urteil,  die  Sorge 
'Ökt  Innerlichkeit  und  Aufrichtigkeit  der  Gtesinnung;  die 
Wirkung  auf  den  Willen  —  mit  einem  Wort  das  Interesse 
an  dem  Sittlichen.  Kein  kirchlicher  Schriftsteller  ist  in  der 
Folgezeit  mehr  als  er  gelesen  worden;  das  beweist  die  grosse 
Zahl  der  noch  vorhandenen  Handschriften.  Der  viel  spätre 
Johann  von  Damaskus  hat  die  bisherige  Entwicklung  syste- 
matisch zusammengefiasst ;  indem  er  die  ;;  göttliche  Oekono- 
mie^^;  d.  h.  die  Menschwerdung  Christi  und  deren  Zweck; 
erklären  will;  sagt  er,  nachdem  der  Tod  einem  wilden  Tiere 
ähnlieh  in  das  Leben  gedrungen;  sei  es  nöt^  gewesen;  ;;die 
menschliche  Natur  zu  stärken  und  zu  erneuern;  den  Men- 
schen tatsächlich  zu  erziehen  und  Anleitung  zu  geben  zu  dem 
Wege  der  Tugend,  welcher  von  dem  Verderben  hinweg-  und 
zum  ewigen  Leben  hinführt"  ^),  —  eine  Fülle  der  ;,Philan- 

1)  Joh.  Damasc,  De  fide  orthod.  UI,  c.  1 :  Ir*  db  t^evQe^nPtu  xal 

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ZUB  SYMBOLIK  DER  GBIECHI8CHEK  KIRCHE.  345 

thropie",  wie  sie  nur  von  dem  menschgewordenen  Christus 
da]^;ereicht  werden  konnte.  In  diesen  Worten  vernehmen 
wir  wieder  das  alte  Thema  von  der  (p&oQa  und  der  ^mrj  imd 
dem  ayaxaiviteiy  Tfjy  (pvaivy  die  weitere  Durchfuhrung  aber 
fidlt  durchaus  lehrhaft;,  ethisch  und  praktisch  aus;  das  ganze 
Werk  des  Damasceners  verläuft  unter  lauter  dogmatisch- 
dialektischen Definitionen ;  mit  denen  sich  dann  eine  an  die 
sittliche  Freiheit  anknüpfende  Tugendlehre  verbindet.  So 
steht  es  also  nicht,  das»  das  Heil  lediglich  nach  „physi- 
schen" ELategorien  beschrieben  (S.  110)  oder  das  Ziel  des 
Christentums  nur  in  der  „göttlichen  äusseren  Herrlichkeit" 
gesucht  wird,  zu  welcher  das  creatürliche  Leben  im  Jenseits 
erhoben  werden  soll  (S.  115).  Im  ganzen  bewegen  sich 
diese  Schriftsteller  auf  dem  altkatholischen  Standpunkt,  nach 
welchem  das  Christentum,  wie  Cyrill  von  Jerusalem  sagt, 
aus  zwei  Stücken  bestehen  soll,  aus  frommen  Dogmen 
und  guten  Handlungen. 

Es  scheint  jedoch  angemessen,  auch  aus  dem  ferneren 
Gange  noch  einige  Wendungen  hervorzuheben.  Die  leben- 
dige religiöse  Geisteskraft  ging  mit  dem  6.  Jahrhundert 
zu  Ende,  eine  formelhafte  dogmatische  Metaphysik  blieb  zu- 
rück. Das  Dogma  soll  gelernt  und  gewusst,  die  Tugend 
geübt  werden;  je  wohlfeiler  beides  wtude,  desto  stärker  regte 
sich  das  Bedürfnis,  das  Göttliche  als  ein  Gegenwärtiges  zu 
erfehren  oder  zu  erschauen;  der  Volksgeist  wmde  immer 
sinnlicher,  indem  er  in  dem  Sacrament  und  dem  Cultus  seine 
religiöse  Nahrung  suchte.  Allegorie,  Symbolik  imd  Bilder- 
dienst machen  diesen  üebergang  anschaulich.  So  niedrig 
das  Irdische  auch  stehen  mag:  dennoch  sind  ihm  Abzeichen 
idealer  Verhältnisse  oder  auch  Reizmittel  zu  deren  Auffindung 
eingestreut;  der  Schöpfer  selbst  hat  i^  ihm  geliehen,  die  0£Een- 
barung  aber  sich  vorbehalten,  durch  Anknüpftmg  an  sicht- 
bare Formen  und  Ordnungen  ein  Licht  über  den  Zusammen- 


dvaxaivmd^iiyai  Tr\y  <fvaiy  xul  ^Qy(a  tj  aidaytoytid-^y tu  xai  ^idax^-^yai 
dqstfig  6ddy  T)jv  juky  <p9oQag  dnäyovaay,  nqoq  dh  Ti)y  altavioy  nodr^" 
yovaay  riXog  ro  jusya  negl  avroy  trjg  quXayd'^wniag  iy&eixyvTm  ni' 
Xayoc, 


Zeittehr.  t  E.-0.  HI,  8.  24 

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346  6ASS; 

hang  des  Universums  anszugiessen,  —  so  sagt  der  Allegor i- 
ker.  Und  dieser  Allegorismus  hatte  anfänglich  eine  vorzugs- 
weise anagogische  Tendenz  gehabt,  jetzt  konnte  er  auch 
katagogisch  wirken,  je  mehr  man  darauf  ausging,  das  Ideale 
dem  Irdischen  oder  kirchlich  Dargestellten  auch  einwohnend 
zu  denken.  Die  heiligen  Handlimgen  sollen  nicht  für  sich 
stehen,  Q^bet  und  Ansprache  verdeutlichen  ihren  Zweck,, 
sinnvolle  Verrichtungen  umgeben  sie,  mit  ihnen  soll  der 
Empfänger  sich  einen  Cyklus  geistiger  Vorgänge  vor  Augen 
stellen, —  so  wünscht  es  der  Liturge.  Cyrill  von  Alexan- 
drien  wurde  —  wenn  wirklich  die  mystagogischen  Kate- 
chesen von  ihm  herrühren  —  der  erste  bedeutende  Anfanger 
dieser  Interpretation,  zahlreiche  und  weit  ausführlichere  li- 
turgische Auslegungen  sollten  sich  anschliessen,  zuletzt  bil- 
deten sie  eine  eigene  Literaturgruppe.  Dasselbe  Interesse 
führte  dahin,  die  ganze  kirchliche  Ordnimg  einem  wunder- 
vollen Aufbau  zu  vergleichen,  und  dieser  liess  sich  nicht 
besser  sanctioniren,  als  wenn  nachgewiesen  wurde,  dass  dessen 
Formen  aus  gewissen  ihnen  entsprechenden  überirdischen  Ge- 
stalten und  Abstufungen  Recht  und  Kraft  empfangen  haben. 
Femer  herrschte  noch  im  4.  Jahrhundert  die  Ueberzeugung^ 
dass  sich  das  Göttliche  überhaupt  nicht  bildlich  darstellen 
lasse,  später  wurde  sie  durch  die  entgegengesetzte  verdi-ängt 
Die  Gründer  und  Vertreter  der  Offenbarung  haben  auf  Er- 
den gelebt  und  Spuren  ihres  Daseins  zurückgelassen,  folg- 
lich dienen  die  Abbildungen  dazu,  die  Andacht  von  dem 
sinnlichen  Ausdruck  ihrer  Erscheinung  zu  den  dem  dies- 
seitigen Leben  entrückten  Persönlichkeiten  emporzuheben,  — 
so  sagt  der  Bilderdiener.  Die  Gewaltsamkeiten  des 
Bildersturmes  konnten  diesen  Glauben  erschüttern,  der  sich 
aber  dennoch  wiederherstellte  imd  vollständig  mit  der  volks- 
tümlichen Frömmigkeit  verschmolzen  ist.  Dieselbe  zweite 
Nicänische  Synode  (787),  welche  die  Bilderverehrung  ge- 
nehmigte, hat  zugleich  die  symbolische  Erklärung  des  Abend- 
mahlsgenusses verurteilt.  Endhch  sollen  auch  gewisse  kirch- 
liche Begriffe  dadm'ch  an  Bedeutung  gewinnen,  dass  ihre 
Namen  auf  etwanige  sprachliche  Wurzeln  zurückgeführt 
werden,  —  so  meint  es  der  Etymologe,  und  kein  Gleichlaut 


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ZUR  SYMBOLIK  DER  GRIECHISCHEN  KIRCHE.  347 

ist  ihm  zu  femliegend,  um  nicht  danach  zu  greifen.  In  allen 
diesen  Richtungen  verrät  sich  dasselbe  Bedürfnis,  zwei  un- 
gleichartige Lebensschichten  in  Verkehr  zu  erhalten  und  die 
eine  aus  der  andern  zu  nähren.  Es  war  ein  Idealismus, 
von  welchem  diese  Vergleichungen  ausgegangen,  aber  ein 
grober  Realismus,  der  sich  hineinlegte  und  alle  religiösen 
Betrachtungen  und  cultischen  Handlungen  mit  einem  anziehen- 
den und  zugleich  Ehrfurcht  gebietenden  Zauber  umspann.  Auf 
den  ersten  Aufschwung  folgte  ein  schrittweises  Herabkommen  bis 
zur  sinnlichen  Umschränkung  der  Frömmigkeit,  welches  die 
Grenzlinie  zwischen  dem  Darstellenden  und  dem  Dargestell- 
ten, dem  Wirkenden  und  seinem  Abzeichen  fast  verschwinden 
Uess.  Einen  eigentümlichen,  halb  gedankenmässigen  und  gei- 
stigen Nimbus  empfangen  auf  diese  Weise  die  Auslegungen 
der  Liturgie,  das  individuellste  Product  dieser  Anschauungs- 
weise, immer  noch  sinnvoll  für  den  Symboliker,  aber  auch 
desto  verführerischer  für  die  blöde  Menge.  Die  abendlän- 
dische Literatur  bietet  Verwandtes  dar,  das  aber  mit  jenem 
andern  nicht  auf  gleiche  Linie  gestellt  werden  darf  *). 

An  dieser  Stelle  verdienen  die  Dionysischen  Schriften 
als  der  Ausläufer  eines  theologisch  und  kii'chlich  eingeklei- 
deten Neoplatonismus  Erwähnung.  In  ihnen  wirkt  ein  über- 
reizter und  sich  selbst  auf  dem  eigenen  Wege  ermüdender 
Wissenstrieb.  Zwei  Leitern  des  Gedankens  führen  zu  Gott 
empor,  bejahende  und  verneinende  Kräfte  ringen  gleichsam 


>)  Mit  Unrecht  wird  mir,  weil  ich  gelegentlich  einmal  die  Ein- 
mischung von  Cultusvorschriften  in  das  Dogma  als  „Nebeninteresse" 
bezeichne,  Unterschätzung  des  liturgischen  Glaubensmediums  zum 
Vorwurf  gemacht.  Denn  den  Abschnitt,  in  welchem  ausführUch  ge- 
zeigt wird,  dass  der  Geist  einer  Kirche,  welche  die  Verächter  der 
Liturgie  den  Häretikern  gleichgestellt,  ohne  Beleuchtung  des  liturr 
gischen  Ritus  nicht  vollständig  verstanden  werde,  und  dass  die 
russische  Kirche  so  weit  gelangt  sei,  die  Liturgie  als  den  Brenn- 
punkt der  Religion  selber  zu  preisen,  —  hat  Kattenbusch  einfach 
ignorirt  (vgl.  S.  300  meiner  Symbolik).  Man  darf  diese  ritualisirende 
und  liturgisirende  Tendenz  wohl  ein  „  Surrogat "  nennen,  aber  sie  war 
zugleich  der  Ausläufer  jenes  antiken  idealisirenden  Triebes,  wel- 
cher bei  nachlassender  Intelligenz  selbständig  fortwucherte  und  immer 
abergläubiger  verstanden  wurde. 

24* 


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a4t8  GASS, 

mit  einander;  aber  die  Verneinung  hat  mehr  Wahrheit  und 
Eecht,  denn  jede  positive  Aussage  und  Bezeichnung  des  Ab- 
soluten hat  ihren  Gegenstand  noch  über  sich,  imd  nur  dem 
Namen  des  Guten  verbleibt  das  schöne  Vorrecht,  das  Wesen 
der  Gottheit  zu  berühren.  Unter  solchen  Anstrengungen 
bleibt  die  Erkenntnis  diesseits  ihres  Zieles;  die  Kategorien 
des  Denkens  und  Wissens  reichen  nicht  aus,  den  Gipfel  zu 
erklimmen.  Vergöttlichung  wird  nur  für  denjenigen  en^eichbar, 
der  sich  durch  geheimnisvolle  Erfahrung  emporziehen  lässt, 
dazu  aber  findet  er  in  der  Kirche  selber,  ihren  Ordnungen 
und  Verrichtungen  das  Medium.  Diese  Gedankenreihe  be- 
giimt  speculativ,  um  cultisch  imd  asketisch  zu  endigen.  Für 
die  Folgezeit  wird  niemand  die  grosse  Wichtigkeit  dieses 
vermeintlichen  Areopagiten  verkennen;  schon  im  7.  Jahr- 
hundert fand  er  Verehrer,  und  die  Dunkelheit  seiner  Rede 
rief  den  Beistand  der  Commentatoren  herbei.  Allein  er  be- 
findet sich  doch  in  einer  Sonderstellung,  nijcht  in  ihm,  wie 
Kattenbusch  anzunehmen  scheint,  weit  eher,  wie  schon  be- 
merkt, in  ChrysostomuB  findet  die  patristische  Epoche  ihre 
ausammenfASsende  Repräsentation. 

Wir  gehen  zu  Photius  über,  dem  gelehrten  Sammler, 
aber  auch  dem  scharfgeschnittenen  Dialektiker  und  dem  An- 
fänger des  Byzantinifflnus.  Denn  von  ihm  aus  ist  die  ganze 
kirchliche  Haltimg  Constantinopels  während  des  MittelaUers 
bestimmt  worden,  und  er  war  nichts  weniger  als  ein  Mysti- 
ker, wenn  er  auch  den  Bilderdienst  anerkannt  und  die 
Theologie  in  die  beiden  Abteilungen  des  Dogmas  und  der 
Mystagogie  unterschieden  hat.  Scharfer  Verstand  verband 
sich  in  ihm  mit  eifersüchtigem  Selbstgefühl;  durchdrungen 
von  d&a  VcHrzügen  seiner  Hefanat  und  classischen  Sprache, 
behandelte  er  die  Lateiner  als  die  Unechten  imd  Untreuen, 
welche  von  der  Urform  der  Lehre  und  der  kirchlichen  Ein- 
richtungen abgewichen  seien.  Seine  Verteidigung  der  grie- 
ohiachen  Trinitätsform  ist  mit  grosser  Gewandtheit  geschrie- 
ben, de  wurde  das  polemische  Probestück,  auf  welches  seit 
dem  völligen  Bruch  mit  dem  Abendlande  zahlreiche  andere 
Abhandlungen  folgten.  Von  nun  an  werden  die  vielartigsten 
Studien,  exegetische,  philologische,  philosophische,  nait  und 


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ZUR  SYMBOLIK  DER  GRIECHISCHEN  KIRCHE.  34^ 

neben  einander,  ja  von  denselben  Schriftstellern  getrieben, 
aber  Polemik,  Apologetik  tmd  Häresiologie  beherrschen  die 
Literatur;  der  Standpunkt  ist  der  schlechthin  conservative, 
die  Form  eintönig,  latinisirende  Ansichten  üben  einen  partei- 
bildenden Einfluss.  Zahlreiche  logisch-metaphysische  Fragen 
und  Antworten,  unoQtai  und  Xiaug^  liegen  uns  vor  Aug^i 
und  mögen  als  dialektische  Uebungsstücke  gedient  haben. 
Neben  den  Platonischen  sind  auch  Aristotelische  Studien 
zeitweise  gepflegt  worden ;  aber  zu  einer  methodischen  Durch- 
führung kommt  es  nicht,  daher  fehlt  die  belebende  Kraft, 
welche  der  abendländischen  Scholastik  aus  den  Principien- 
kämpfen  des  Nominalismus  und  Realismus  erwachsen  ist. 
Das  UeberschwängKche  zieht  sich  in  gewisse  Adern  der 
religiösen  Empfindungsweise  zurück,  übrigens  empfangen  wir 
den  Eindruck  nüchterner  Verständigkeit.  Bekanntlich  ist 
unter  den  Lehrern  des  12.  Jahrhunderts  Nicolaus  von  Me- 
thone der  begabteste,  der  auch  vor  kurzem  durch  neue 
Publicationen  noch  bekannter  geworden;  imd  wie  er  an  alle 
seine  Vorgänger,  auch  an  Dionysius  anknüpft:  so  erinnert 
er  uns  auch  an  alles  schon  Gesagte.  Auch  er  ist  ganz 
<Jrieche,  seine  Weltbetrachtung  symbolisch  und  idealistisch, 
denn  er  will  das  Irdische  durchsichtig  machen,  damit  eö 
durch  Spiegelbilder  Zeugnis  gebe  von  seinem  Urheber.  Da- 
durch wird  Gott  erkennbar,  aber  er  bleibt  dennoch  uner- 
kennbar, deim  nach  Dionysius  foi-dem  die  göttlichen  Prä- 
dicate  ein  steigerndes  vTti^y  einen  Ausdruck  der  Hyperusie, 
weil  es  ohne  diese  beschränkende  Zutat  vermessen  sein 
■würde,  an  das  Absolute  mit  menschlichem  Wort  hinan- 
reichen  mi  wollen.  Andrerseits  wird  derselbe  Nicolaus  zum 
niystisehen  Realisten,  denn  er  schreibt  dem  menschge- 
•wordenen  Christus  einen  göttlichen,  d.  h.  durch  Verbin- 
dung mit  dem  Logos  veredelten  und  zitr  ünverderblich- 
teit  erhobenen  Leib  (ßttov  awfia)  zu,  dessen  Lauterkeit 
dann  auch  durch  den  Genuss  des  Abendmahls  in  die 
Natur  der  Gläubigen  überfliessen  soll.  Und  in  einer  drit- 
ten Eichtung  überschreitet  er  wieder  den  Consensus  seiner 
Elirche,  indem  er  an  den  Tod  Christi  eine  der  lateinischen 
ähnliche,   obwohl   weit  weniger  geschärfte  Satisfactionslehre 


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350  GASS; 

anknüpft.  Allein  alle  diese  göttliclien  Wii'kungen  sollen  doch 
erst  angeeignet  werden,  indem  sie  durch  ein  sittliches  Medium 
hindurchgehen,  erst  die  Freiheit  bedingt  und  sichert  ihren 
£rfolg;  der  Mensch  hört  nicht  auf  besserungsfähig  zu  sein, 
auch  nach  der  Uebertretung  kann  er  zu  sich  selber  zurück- 
kehren, weil  er  menschüch,  d.  h.  unter  dem  Einfluss  leib- 
licher Begierden,  nicht  als  körperloser  Dämon  gesündigt  hat. 
Der  Leib  enthält  also  wohl  Reizmittel  der  Sünde,  aber  er 
giebt  dieser  zugleich  eine  Relativität  imd  Beschränktheit,  an 
die  sich  die  MögUchkeit  der  Umkehr  und  Besserung  immer 
aufs  Neue  anschliessen  kann  ^).  Daraus  erklärt  sich,  dass 
von  einem  anderen  gleichzeitigen  Schriftsteller  dieselbe  Er- 
hebung zu  Gott  grade  aus  dem  sittUchen  Prozess  statt  des 
naturartigen  hergeleitet  wird ;  Nicetas  Choniates  entwirft  eine 
Reilie  von  natürUchen,  bürgerlichen,  moraUschen  und  reini- 
genden Tugenden,  die  oberste  Stufe  fuhrt  zur  Apathie  und 
Verähnlichung  mit  Gott  (/}  ngog  tov  &ioy  ofioivDaig)  *). 

Wieder  ein  anderes  Stadium  bezeichnet  das  14.  Jahr- 
hundert, dasselbe  Zeitalter,  wo  auch  im  Westen  die  müh- 
samen Operationen  imd  Compositionen  des  scholastischen 
Denkens  nicht  mehr  ausreichen  wollten,  sondern  ein  kräf- 
tiges Verlangen  nach  religiöser  Unmittelbarkeit  sich  in  der 
deutschen  Mystik  hervordrängte.  Das  byzantinische  Reich 
.vei*fiel  dem  Bürgerkrieg,  Sitte  und  Tugend,  Mönchtum  und 
Wissenschaft  erschlaflfiten,  vergeblich  suchten  einige  edlere 
Geister  der  einreissenden  Entartung  zu  steuern.  Mitten  in 
diesem  Dunkel  machten  die  Athosmönche  die  Entdeckung 
ßines  ihnen  aufgegangenen  geheimnisvollen  Thaborlichts;  sie 
nannten  es  ein  imgeschaffenes  Licht,  erhaben  über  das  Crea- 
türliche  imd  doch  nicht  einfach  imd  unnahbar  wie  Gott 
Pas  Absolute  bleibt  auf  seiner  einsamen  Höhe,  aber  in  dieser 
vielteiligen  Ausstrahlung  kann  es  dennoch  geschaut  und  ge- 
nossen werden.     Dies  war  indessen  nur  die  Ausgeburt  äske- 


1)  Vgl.  Uli  mann' 8  Abhandlung  über  die  Dogmatik  der  griechi- 
Bchen  Kirche  im  12.  Jahrhundert,  Studien  und  Kritiken  1833,  H.  3, 
S.  57  des  besonderen  Abdrucks. 

2)  Ebendas.  S.  44.  45. 


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ZUR  SYMBOLIK  DER  GRIECHISCHEN  KIRCHE.  351 

tischer  Ueberspannung,  die  Wissenschaft  hatte  davon  keinen 
Nutzen,  ausser  etwa  durch  die  Verhandlungen,  ob  und  wie 
Wesen  und  Wirksamkeit  Gottes  unterschieden  werden  dürfen. 
Vollständiger  giebt  sich  der  damalige  Standpunkt  der  Theo- 
logie zu  erkennen  in  dem  Werke  des  Nicolaus  Cabasilas 
„Vom  Leben  in  Christo ",  welches  ganz  eigentlich  hierher 
gehört,  weil  es  wieder  den  Namen  der  Cwr^  an  die  Spitze 
stellt.  Auf  diese  Schrift  hätte  mich  Eattenbusch  fiigHch  ver- 
weisen können,  sie  enthält,  was  er  grade  sucht  und  tadeln 
will,  eine  Art  von  physischer  Theologie,  eine  solche  jedoch, 
mit  der  sich  sofort  und  sehr  entschieden  eine  ethische  ver- 
bindet Es  ist  der  Mühe  wert,  eine  kurze  Erläuterung  hin- 
zuzufügen. Das  Werk  um£Etsst  in  sieben  Büchern  zwei  we- 
sentlich verschiedene  Abteilungen ;  es  sind  zweierlei  Potenzen, 
die  das  christUche Leben  hervorbringen,  das  Sacrament  oder 
Mysterium  und  der  Wille;  durch  ihre  ineinandergreifende  Wirk- 
samkeit wird  der  neue  Mensch  wie  imter  Geburtsschmerzen 
der  jetzigen  Welt  empfangen,  erzeugt  und  entfaltet,  damit 
die  jenseitige,  die  niemals  altert,  ihn  vollende.  Aus  dieser 
letzteren  aber  stammt  Christus,  imd  er  ist  zugleich  der  Ueber- 
trag  aus  ihr  in  die  irdische  Erscheinung,  die  Mysterien  haben 
ihm  dazu  gedient,  sein  eigenes  Ewige  in  die  Natur  der  Mensch- 
heit einzupflanzen;  man  muss  sich  dabei  erinnern,  dass  nach 
griechischer  Vorstellung  die  sacramentUchen  Kräfte  nicht  den 
Tod  Christi,  wie  es  der  römische  Katholicismus  wiU,  sondern 
den  ganzen  geschichtlichen  Christus  zur  Basis  haben.  Von 
diesem  Standpunkt  aus  werden  sodann  die  drei  wichtigsten 
Mysterien  erklärt.  Die  Taufe  soll  dem  chrisüichen  Leben 
das  Dasein  geben,  das  Myron  es  befestigen  und  geistig  aus- 
rüsten, die  Eucharistie  es  in  die  innigste  Lebensgemeinschaft;, 
}a  in  eine  Blutsverwandtschaft  mit  dem  Heiland  eintreten 
lassen.  Und  firagt  man,  was  bei  dieser  Anschauung  aus  dem 
Dogma  wird:  so  hat  der  Verfasser  es  ganz  in  seine  Aus- 
l^ung  der  Sacramente  eingefiigt,  ohne  eine  besondere  Stel- 
lung dafür  zu  fordern.  Die  Lehre  wird  vollständig  dem 
Cyklus  der  Mysterien  einverleibt.  So  weit  reicht  also  die 
religiöse  Physiologie  des  Cabasilas,  alles  Weitere,  also  den 
ganzen  Ausbau  der  christlichen  Tugend  imd  Selbstbestimmung 


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352  6ASS; 

will  er  dem  zweiten  ethischen  Princip  anvertrauen.  Christus 
ist  der  ßchaffiier  des  Guten,  das  von  ihm  G^pflanzte  soll 
wachsen,  der  Wille  soll  es  erhalten  und  entwickeln,  nicht 
durch  Gelübde  und  mönchische  Weltflucht  —  denn  diese 
Mittel  erklärt  der  Schriftsteller  keineswegs  für  notwendig  — , 
auch  nicht  durch  Lohnsucht  und  Furcht  vor  dem  Gericht^ 
sondern  durch  selbstverleugnende  Uebung  der  Demut,  Ge- 
duld  imd  Gerechtigkeit  imd  durch  Ansammlung  frommer 
Gedanken,  die  bis  zu  dem  Gipfel  der  Q^ttesliebe  emporleiten. 
„Daher  wollen  wir",  sagt  Cabaailas,  „alles  Uehrige  bei  Seite 
lassend,  nur  auf  den  Willen  der  Sele  achten,  auf  welchem  allein 
die  Tüchtigkeit  und  Schlechtigkeit,  das  wahre  G-esundsein  und 
Kranksein  und  überhaupt  das  Leben  od^  Sterben  des  Menschen 
beruht,  welchen  Willen  als  einen  guten  und  auf  Gott  allein 
gerichteten  zu  besitzen,  das  ewige  Leben  ausmacht"  *) 
Mir  scheint  diese  Anschauung  fiir  das  ang^ebene  ZeiteJter 
charakteristisch  genug,  in  gewissem  Grade  sogar  bezeichnend 
für  das  Mittelalter  überhaupt,  welches  geneigt  war,  das  ganze 
Heil  durch  jene  beiden  Medien  hindurch  zu  leiten,  das  eine 
des  sinnlichen,  sacramentlichen  und  liturgischen  Emp&ngs, 
das  andere  der  persönlichen  Anstrengung  und  Willens- 
kraft. 

Ein  letztes  Stadiimi  versetzt  ims  in  die  2^iten  der  Tür- 
kenheiTschaft  und  späterhin  der  reformatorischen  Bewegung. 
Die  Union  von  Florenz  (1438)  war  gescheitert  oder  doch 
nur  künstlich  und  für  kurze  Zeit  gelungen,  und  grade  der 
beste  griechische  Theologe,  Marcus  Eugenicus,  damals  wohl 
der  einzige  von  einiger  Gediegenheit  tmd  Denkkraft,  wie» 
die  Einigung  zurück.  Wie  die  russische  Kirche  sich  hob 
und  durch  Gründung  eines  eigenen  Patriarchats  geknäftigt 
wurde,  verfiel  die  giiechische,  obgleich  1453  in  Constantinopel 
Bieu  constituirt  und  synodalisch  eingerichtet,  allen  Unbilden  und 
Willkürlichkeiten  türkischer  Tyrannei,  sie  ertrug  <lieBen  Druck 
mit  zäher  Ausdauer,  und  vielleicht  um  so  geduldiger,  da  sie 
dch  zugleich  gegen  die  Eingriffe    des  Abendlandes    sicher- 


1)  Vgl.  meine  Ausgabe  der  Mystik  des  Nicolaue  Cabaeiks,  lEäii- 
Idtende  Darstellung,  S.  89.  172  ff.  181. 


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ZUR  SYMBOLIK  DER  GRIECHISCHEN  KIRCHE.  ä53 

gestellt  fand.  Indessen  konnte  doch  der  Verkehr  mit  dem 
Westen  nicht  abgebrochen  werden,  am  wenigsten  in  den 
Gegenden  der  Oberhoheit  Venedigs;  wer  Unterricht  suchte^ 
sah  sich  auf  Italien  hingewiesen,  die  heimischen  Quellen  der 
Wissenschaft  waren  versiegt.  Die  Literatur  liegt  uns  in  einer 
Reihe  von  Abhandlungen  imd  kurzen  Streitschriften  vor 
Augen,  die  sich  durch  eine  gewisse  formelle  Abrundung 
unterscheiden;  Definitioxken,  etymologische  Einfälle,  logische 
Unterscheidungen  treten  an  die  Stelle  des  Gehalts.  Ueber 
das  System  der  Sacramente  waren  die  Parteien  zu  Florenz 
wirklich  zu  einer  Uebereinkunft  gelangt,  auch  die  Griechen 
geoGiehmigten  fortan  die  Siebenzahl  mit  Berufung  auf  die  sieben 
Tugenden  und  Laster,  sieben  Geistesgaben,  sieben  Sterne  in 
der  Hand  des  Menschensohnes  (Apok.  1,  16),  —  Gründe, 
die  sie,  wenn  sie  gewollt,  längst  bei  der  Hand  gehabt  hätten. 
Von  Alters  her  war  für  die  Vorstellimg  einer  Wandlung  der 
Abendmahlselemente  das  Wort  /miaßoXrj  oder  (niraTtoitjatis 
gebraucht  worden,  jetzt  drängte  sich  die  lateinisch  gedachte 
Transsubstantiation  als  fieTovaitaatg  an  die  Stelle.  Und  da- 
nut  nicht  genug,  auch  die  Causalmethode  fand  Anwendung. 
Gkibriel  Severus  von  Philadelphia  (um  1580)  erläutert  die 
sacramentlichen  B^riffe  nach  den  Gesichtspunkten  von  mviov 
nonjTixoy,  vXtxor,  clt^ixov,  rtXtxoy ,  er  übersetzt  damit  nur  die 
Kategorien  der  causa  efficiens,  materialis,  formalis,  finaUs; 
nicht  minder  erhellt  aius  anderen  Distinctionen ,  z.  B.  von 
ovoia  und  avfißeßtpcog,  Bubstantia  und  acddens,  der  lateinische 
Einfluss  ^).  Ihrem  Inhalt  nach  aber  wird  die  Sacraments- 
lehcre  in  einer  Weise  vorgetragen,  als  müsse  die  ganze  Offen- 
barung sammt  allen  ihren  Kräften  in  diesem  einen  sieben- 
teiligen Artikel  niedergelegt  werden;  der  vermeintliche 
Dionysius,  der  früher  sein  Ansehen  mit  anderen  geteilt  hatte^ 
wird  als  der  uqxvY^'S  ^^  d^ioXoyofy  gepriesen,  seine  Schrif- 
ten als  den  kanonischen  ebenbürtig  hingestellt.  Dem  Pro- 
t^tantifimus  gegenüber  mussten  andrerseits  die  alten  Auto- 
rität^! abgehört  werden,   man  brauchte  Zeugnisse  zur  Ver- 


1)  „Acta  Orientalis  ecolesiae"    ed.   Schels träte   (Rom  1799), 

p.  25iB€^. 


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354  GASS, 

werfung  einer  unbedingten  Gnadenwahl,  andere  zui*  Ver- 
teidigung der  Willensfreiheit.  Alle  diese  Schriften  treten  an- 
spruchsvoll auf,  ihre  eigene  Geistesarmut  wird  dadurch  nicht 
verdeckt.  Eine  kirchliche  Wissenschaft,  die  keine  besseren 
Lebenszeichen  von  sich  gab,  drohte  völlig  zu  vennagem; 
man  begreift  also,  wie  ein  fähiger  Kopf  wie  Cyrillus  Lucaris^ 
nachdem  er  einmal  den  Geist  des  Protestantismus  gekostet, 
zu  dem  Entschluss  gelangen  konnte,  ihr  durch  Zuleitung 
neuer  Erkenntnisse  eine  andere  Bahn  zu  eröffiien. 

Zur  Vollständigkeit  würde  es  dienlich  sein,  dass  auch 
die  Ideen  des  Guten  und  des  heiligen  Geistes  noch  bestimm- 
ter ins  Auge  gefasst  werden;  doch  befinden  wir  uns  an  der 
Stelle,  von  welcher  oben  ausgegangen  wurde;  diese  Ueber- 
sicht  bedarf  keiner  weiteren  Erläuterungen,  sie  hat  das  Ihrige 
getan,  sobald  sie  uns  zu  einer  allgemeineren  Schlussfolgening 
berechtigt.  Es  hat  sich  gezeigt,  dass  die  griechische  Kirche 
imgeachtet  ihrer  traditionellen  Steifheit  doch  im  Laufe  der 
Zeitalter  ein  sehr  ungleiches  Gepräge  angenommen  hat,  sie 
war  etwas  anderes  im  3.,  etwas  anderes  im  5.  und  wieder 
im  8.  imd  14.  Jahrhundert  imd  liess  ihre  eigenen  Kenn- 
zeichen in  höchst  ungleichem  Grade  in  den  Vordergrund 
treten.  Kattenbusch  spricht  von  einer  „organisirenden  Idee'*, 
er  fordert  also  einen  einzigen  Mittelpunkt,  um  von 
diesem  aus  das  Ganze  zu  übersehen,  aber  auch  zu  ver- 
urteilen, wir  halten  eine  solche  Zuspitzimg  auf  einen  einzigen 
Centralpunkt  nicht  für  richtig.  Wenn  es  schon  misslich  und 
schwierig  ist,  das  Wesen  des  römischen  KathoUcismus  von 
Einer  Stelle  aus  zu  bestimmen  oder  in  einem  einzigen  be- 
grifflich formulirten  Satz  zusammenfassen  zu  wollen,  —  denn 
schon  der  Name  römisch-katholisch  bildet  ein  Compositum 
und  deutet  auf  einen  historischen  Anwuchs,  der  sich  aus  der 
blossen  Wurzel  noch  nicht  erkennen  lässt:  —  so  möchte 
dies  noch  weniger  gelingen  in  Bezug  auf  eine  so  weiche  imd 
dehnbare  Religionserscheinung  wie  die  griechisch-orientalische, 
welche  sich  in  ihrer  historischen  Fortbildung  der  griechischefi, 
anatolischen  imd  slavischen  Volkstümlichkeit  und  deren  Be- 
dürfhissen angeschlossen  und  im  Verlauf  der  Zeit  ihre  edleren 
Bestrebungen  mit  sinnlichen  vertauscht  hat.   Femer  klammert. 


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ZUR  SYMBOLIK  DER  GRIECHISCHEN  KIRCHE.  355 

sich  mein  Kritiker  an  die  Vorstellung  einer  physischen  und 
^er  hyperphysischen  Unsterblichkeit,  welche  alle  Religions- 
wirkungen ins  Physiologische  und  Naturaiüge  herabgezogen 
habe.  Dies  mag  der  dunkle  Punkt  sein,  aber  es  ist  keines- 
wegs der  Schlüssel  zum  Verständnis  des  Ganzen,  denn  dieser 
Naturalismus,  anfangs  nur  dem  Keime  nach  vorhanden,  hatte 
jederzeit  in  dem  sittlichen  Princip  ein  starkes  Gegengewicht 
und  wucherte  erst  in  den  Zeiten  des  intellectuellen  Verfalls 
und  der  sittlichen  ErschlafiFimg. 

Statt  einer  einheitlichen  Construction,  wie  sie  Kat- 
tenbusch  verlangt,  scheint  also  die  Zusammenstellung  meh- 
rerer leitender  Gedanken  besser  mit  dem  Wesen  des  Gegen- 
standes übereinzustimmen,  und  auf  diesem  Wege  wird  auch 
ein  günstigeres  Gesammturteil  herbeigeführt.  Von  der  dog- 
matischen Formel  und  der  kirchlichen  Praxis  abgesehen,  er- 
geben sich. einige  ideelle  Grundzüge,  welche  die  griechisch- 
orientalische Lehrüberlieferung  und  Religionsansicht  als  zu- 
sammengehörige Richtung  betrachten  lassen.  Die  Religion 
als  Erhebung  zu  Gott  und  zum  Ewigen  {aq^agala),  das 
Werk  Christi  als  Erlösung  oder  auch  als  Entlastung  und 
Heilung,  die  Sünde  als  Erniedrigung,  die  Freiheit  als  Ver- 
mögen der  Selbstbestimmung  und  synergistische  Kraft 
(vgl.  §  147  meiner  Symbolik),  das  sind  Ansichten,  die  in  dieser 
Theologie,  so  lange  sie  kräftig  bleibt,  ebenso  aber  auch  in  den 
von  mir  als  Quellen  der  Symbolik  benutzten  Schriften  wieder- 
kehren. Was  namentlich  das  Erste  betrifft,  dass  die  Religion 
als  Erhebung  imd  Aufschwung  zum  Unvergänglichen  gedacht 
werden  soll :  so  wird  es,  wie  oft  genug  im  kirchlichen  Altertum, 
so  auch  in  dem  späten  Bekenntnis  des  Petrus  Mogilas  aus- 
gesprochen. Gott  wird  in  dieser  Urkunde  als  das  intelligible 
Wesen  und  die  höchste  Realität  des  Guten  definirt, 
von  der  Religion  aber  heisst  es  in  der  Einleitung,  sie  sei 
das  \^fiv  imig  xa  OQW/nya  xai  finä  d^tov  yeyia&aiT^  y(p  aytn- 
T&fAtyoy^  sei  selber  eine  oq^ir  ifg  t«  ayw,  was  dann  weiter 
durch  die  im  Universum  angenommenen  Abstuftmgeri  er- 
läutert wird.  —  Sollte  es  mm  dennoch  nötig  sein,  einen  ge- 
meinsamen Hintergnmd  fiir  diese  Ideen  zu  suchen:  so  be- 
darf es  wohl  nur  einer  nochmaligen  Erinnerung  an  die  Welt- 


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356  <^ASS; 

ansieht  im  grossen,  weiche  auf  dieser  Seite  anders  gef&rbt 
war  wie  im  Abendlande^  also  auch  religiös  sich  anders  modi*- 
ficiren  konnte. 

Das  Vorstehende  habe  ich  zu  meiner  eigenen  Rechte 
fertigung,  aber  auch  als  Ergänzung  des  firüher  Gesagten  zvt- 
sammensteUen  wollen.  Ich  räume  ein,  dass  ich  §  26  imd 
38  der  Symbolik  bei  Angabe  des  allgemeinen  ReligioiUh 
begriffe  bestimmter  auf  die  aJte  l^wr  und  acp&oQoia  hätte 
zurückweisen  sollen;  das  ist  die  Concession,  die  ich  Herrn 
Kattenbusch  mache,  übrigens  halte  ich  meine  Ansicht  fest. 
M(^en  andere  beurteilen,  ob  dennoch  im  „Lidite  der  ge- 
schichtlichen Entwicklung  der  griechischen  Kirche"  au  er- 
kennen sei,  dass  sie  hätte  „umgekehrt  interpretirt  werden 
müssen"  (S.  121).  Das  Schadhafte,  Verderbliche  oder  Ver- 
kommene in  dieser  Entwicklung,  sd  es  mm  nach  der  Seite 
des  Dogmatismus  oder  auch  der  mystischen  imd  liturgi- 
schen Ueberschwänglichkeit,  habe  ich  in  keiner  Weise  ver- 
hehlt (vergl.  S.  397  a.  a.  O.).  Dagegen  muss  ich  nach 
wie  vor  die  eben  hervorgehobenen  ethisch -rdigiösen  Züge 
als  bedeutungsvoll  und  wichtig  schätzen,  und  eb^i  diotun 
kann  ich  eine  Kritik  nicht  hochstellen,  welche  darauf  axus- 
geht,  den  ganzen  in  jener  orientalischen  Region  erwachsenen 
und  fortgepflanzten  Gedankenvorrat  in  Bausch  und  Bogen 
oder  auch  als  „Totalerschdurrang"  fiir  „degenerirt"  zu  er- 
klären imd  damit  preiszugeben;  das  wäre  nur  ein  oociden- 
taliscfaer  Hochmut,  welchen  ich  ab  reinen  Ausdruck  des 
protestantischen  Princips  nicht  gelten  lasse.  Dieses  letztere 
bleibt  in  seinem  Recht,  aber  es  aoll  »ch  mit  der  Fähige 
keit  und  Weitsichtigkeit  verbinden,  welche  audi  das  femer 
Liegende  und  anders  Gearteite  zu  würdigen  vermag.  Ver- 
einzelte Stimmen  wie  die  des  Dr.  J.  J.  Overbeök,  wdcher 
die  „providentieUe  SteOung"  der  Kirche  Rusdands  und  die 
mit  derselben  verbundene  Anwartschaft  zu  einer  ins  Grosse 
gdienden  liturgischem  Mission  innerhalb  des  Abendbmdes 
proclamirt  h»t,  —  «olche  Stimmen  werden  kernen  Vemürf* 
tigen  berücken.  Wohl  aber  deutet  der  Gang  der  neuesten 
Ereignisse  darauf  hin ,  dass  die  griechische  Kirche  mit  der 
Zeit  und  durch  die  Macht  der  Dinge  genötigt  werden  wM, 


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ZUR  SYMBOLIK  DER  GRIECHISCHEN  KIRCHE.  357 

sich  zusammenzuraffen  imd  aus  ihrer  trostlosen  Schwäche  zu 
erheben.  Sie  wird  dabei  zunächst  aus  sich  selbst  und  aus 
eigenen  Quellen  zu  schöpfen  haben;  indirect  aber  xmd  durch 
Mittel  der  Wissenschaft  imd  Bildung  ist  der  Protestantismus 
■  weit  eher  im  Stande,  nach  dieser  Seite  als  nach  der  anderen 
der  römischen  Fspsdkirche  einen  fördernden  Einfluss  zu 
üben. 


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Das  Mnratoriscbe  Fragment 

und  die  Entstellung  einer  Sammlung  apostolisch -katho- 
lischer  Schriften. 


Von 
Adolf  Harnack  in  Giessen. 


Die  Verwertung  des  Fragm.  Murat.  darf  trotz  aller  auf 
dasselbe  verwendeten  Mühe  bisher  noch  immer  als  eine  unvoll- 
ständige bezeichnet  werden.  Die  wichtigste  Frage,  welchen 
Ertrag  das  Fragment  für  die  Entstehungsgeschichte  des  neu- 
testamentlichen  Kanons  bietet,  ist  bisher  nur  unvollkommen 
beantwortet  worden.  Die  Grundsätze,  nach  welchen  der  un- 
bekannte Verfasser  die  Zugehörigkeit  eines  Buches  zur  kirch- 
lichen Schriftensammlung  bestimmt,  sind  nirgendwo  aus- 
reichend zusammengestellt.  Ebenso  fehlt  eine  pünktliche 
Darlegung  der  Attribute,  welche  nach  dem  Urteil  des  Ver- 
fassers der  Sammlung  als  solcher  und  den  einzelnen  Schrif- 
ten in  Bezug  auf  Ursprung  imd  Inhalt  zukommen. 

Auf  den  folgenden  Blättern  ist  der  Versuch  gemacht, 
dieser  Aufgabe  zu  genügen.  In  Form  von  Thesen  habe  ich 
zunächst  die  Grundsätze  des  Verfassers,  so  wie  dieselben  un- 
mittelbar aus  seinen  Worten  belegt  werden  können,  neben 
einander  gestellt.  In  der  darauf  folgenden  Abhandlung  wer- 
den dieselben  einer  näheren  Untersuchung  unterzogen.  Auf 
die  Exegese  des  einzelnen  ist  nur  so  weit  eingegangen,  als 
die  gestellte  Aufgabe  es  erheischte;  doch  werden  die  wich- 
tigsten Ausführungen  sämmtlich  zur  Sprache  kommen. 

l)  Die  katholische  Kirche  besitzt  eine  Sammlung  hei- 
liger Schriften  aus  vorchristKcher  Zeit  und  beurteilt  sie  al& 
abgeschlossen.  Die  Aufnahme  neuer  Bücher  in  dieselbe  ist 
somit  unstatthaft. 


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HARNACK,  DAS  MURATORISCHE  FRAGMENT  ETa     359 

2)  Die  Schriften  dieser  Sammlung  heissen  ,,Scripturae", 
ihre  Verfasser  sind  sämmtlich  Propheten. 

3)  Die  katholische  Kirche  erkennt  neben  dieser  Samm- 
lung eine  zweite  Sammlung  kirchlich -normativer  Schriften 
an,  welche  der  ersten  gleichwertig  ist. 

4)  In  ihr  befinden  sich  ledigUch  solche  Schriften,  deren 
Verfasser  als  Apostel  bezeichnet  werden  können. 

5)  Es  kann  somit  keine  Schrift  in  dieselbe  Au&ahme 
finden,  deren  Verfasser  der  gegenwärtigen  Generation  an- 
gehört. 

6)  In  der  Sammlung  dieser  Schriften  können  aber  auch 
solche  enthalten  sein,  die  weder  direct  noch  indirect  von 
einem  der  Apostel  im  engeren  Sinn  des  Worts  herrühren. 

7)  Nicht  alle  Schriften,  die  von  den  Aposteln  geschrie- 
ben sind,  haben  Anspruch  auf  Aufnahme  in  die  kanonische 
Sammlung. 

8)  Ebenso  wenig  haben  die  Schriften  der  kirchlichen 
Propheten  Anspruch  auf  Aufnahme. 

9)  Die  Kirche  hat  die  Pflicht,  die  Gemeindeglieder  zur 
Leetüre  der  Schriften  der  kirchlichen  Propheten  aufiaufor- 
dem. 

10)  Nur  solche  Schriften  gehören  zu  der  Sammlung,  die 
sich  an  die  katholische  Earche  richten  oder  durch  ihren  In- 
halt eine  Bedeutung  für  die  Gesammtkirche  haben. 

11)  Ueber  eine  solche  Bedeutung  zu  urteilen,  steht  der 
katholischen  Kirche  zu.  Mithin  hat  sie  das  Recht,  Bücher 
in  den  Kanon  aufzunehmen. 

12)  Die  katholische  Kirche  kann  deshalb  die  zweite 
Sammlung  noch  nicht  für  abgeschlossen  erklären,  da  die  ka- 
tholische Bedeutung  gewisser  apostolischer  Schriften  sich  auch 
noch  in  der  Folgezeit  kimdtun  kann. 

13)  Abweichende  Urteile  über  die  Zugehörigkeit  dieses 
oder  jenes  Buches  zur  katholischen  Büchersammlung  können 
unter  Umständen  in  der  Kirche  ertragen  werden. 

14)  Die  Schriften,  die  in  der  kirchlichen  Sammlung 
stehen,  sind  sämmtlich  heilige  Schriften.  Damit  ist  jedoch 
in  der  Regel  nur  ein  Urteil  über  den  Inhalt,  nicht  über  den 
Ursprung  gefallt. 


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360 

15)  Was  den  Ursprung  betrifft;,  so  schliesst  die  Aner- 
kennung der  Heiligkeit  und  der  normativen  Bedeutung  der 
Schriften  daS'  Urteil  nicht  aus,  dass  die  Schriftsteller  völlig 
selbständig  und  frei  sowohl  beim  Entschluss  zu  schreib^i, 
als  in  der  Aufstellung  des  Planes,  der  Anordnimg  des  Stoffes, 
der  Bestimmung  des  nächsten  Zweckes  u.  s.  w.  verfahren 
sind. 

16)  Dies  gilt  speciell  auch  von  den  Evangelienbüchem. 
Es  ist  somit  die  offenkundige  imd  nicht  abzuleugnende  schrift* 
stellerische  Verschiedenheit  der  Evangelienbücher,  die  sich  in 
ihren  An&ngen  zeigt,  nicht  anstössig. 

17)  Andererseits  ist  zu  bekenn^  dass  diejenigen  Aus- 
sagen in  den  Evangelienbüchem,  durch  welche  die  Haupt- 
sätze der  christologischen  regula  fidei  bezeugt  werden,  vom 
h.  Geist  selbst  gestellt  sind. 

18)  Die  Evangelien  sind  Lehrschriften. 

19)  Eine  Evangelienschrift  wäre  dies  nicht,  wenn  sie 
nicht  alles,  was  zur  Bezeugxmg  der  christologischen  regula 
fidei  erforderlich  ist,  enthielte  und  mit  den  übrigen  Evan- 
geli6nschrift:6n  übereinstimmend  bezeugte. 

20)  Der  Verfasser  einer  kirchlich  recipirten  Evangelien- 
schrift braucht  nicht  Augenzeuge  des  Lebens  Jesu  gewesen 
zu  sein;  doch  verleiht  die  Augenzeugenschaft  eines  Ver£assers 
seiner  Schrift  einen  besonderen  Wert. 

21)  Indessen  wird  innerhalb  der  Sammlung  selbst  zwi- 
schen den  einzelnen  Büchern  kein  Grad-  und  Wertunter- 
schied in  Bezug  auf  ihre  normative  Bedeutung  vom  Ver&sser 
gemacht,  wie  er  denn  auch,  abgesehen  von  der  Reihenfolge, 
in  der  er  die  einzelnen  Bücher  respective  Gruppen  derselb^i 
aufßählt,  keine  EinteUimg  andeutet. 

22)  Darum  muss  aber  auch  alles,  was  von  der  Kirche 
in  die  Sammlung  recipirt  wird,  gleichartig  sein;  nichts  Frem- 
des oder  gar  Häretisches  darf  ihr  beigemischt  werden,  auch 
wenn  es  imter  apostolischem  Namen  geht 

23)  Aber  auch  solche  Schriften  sind  auszuweisen,  bei 
denen  alle  Bedingungen  für  die  Aufiiahme  erfüllt  sind,  sobald 
sie  zu  Häretikern  in  irgend  welcher  Beziehung  stehen. 

24)  In   der    solennen  Versanamlung    sollen   nur    solche 


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DAS  BIURATORISCHE  FRAGMENT  ETC.  361 

Schriften  öffentlich  und  regehnässig  verlesen  und  der  Ge- 
meinde mitgeteilt  werden,  welche  zu  einer  der  beiden  Samm- 
lungen gehören.  Der  Umfang  der  kirchlich-normativen  Bü- 
cher soll  mithin  für  den  Umfang  der  öffentlichen  Leseschriften 
massgebend  sein. 

These  1  u.  2.  Ob  das  Verzeichnis  kirchlich -norma- 
tiver Schriften,  welches  uns  als  Fragment  überliefert  ist,  mit 
einer  Au&ählung  alttestamentlicher  Bücher  begonnen  hat,  lässt 
sich  nicht  mehr  ermitteln.  Wenn  Hesse  (Das  Murat  Fragm., 
S.  12  f  57  f.)  sagt,  ein  Verzeichnis  heiliger  Schriften  mit 
Ausschluss  der  alttestamentlichen  wäre  eine  einzelnstehende 
Ausnahme  von  der  Regel,  so  könnte  man  erwidern,  dass  seit 
dem  Ende  des  zweiten  Jahrhunderts  gewiss  auch  ein  Ver- 
zeichnis heiliger  Schriften  mit  Ausschluss  der  neutestament- 
lichen  eine  Ausnahme  gewesen  sei,  während  dieselbe  doch 
durch  Mehto's  Schrift  „*ecXoya/"  (Euseb.  H.  e.  IV,  26,  12f.) 
belegt  wird.  Wie  dort  eine  specielle  Veranlassung  den  Bi- 
schof von  Sardes  bestimmt  hat,  lediglich  einen  Katalog  alt- 
testamentlicher  Schriften  ftir  seinen  Freund  Onesimus  anzu- 
fertigen, so  könnten  hier  die  besonderen  Umstände  nur  eine 
Zusammenstellung  neutestamentlicher  Schrift;en  verlangt  ha- 
ben. Unter  solchen  aber  hat  der  Verfasser  zweifelsohne  ge- 
schrieben; denn  wenn  sein  Elaborat  auch  nicht  gradezu  als 
ein  polemisches  bezeichnet  werden  kann,  so  ist  es  doch  fast 
durchw^  apologetisch  und  polemisch  gefiürbt.  Die  Sprache, 
die  er  ftihrt,  und  die  Aufklärungen  und  Beruhigungen,  die 
er  zu  geben  ftir  nötig  erachtet  (s.  Z.  18  f  26  £  46  f  55  f 
61  f  66  f.),  zeigen,  dass  die  Adressaten  Belehrung  oder  Schutz 
vor  Verflihrung  bedürfen,  vielleicht  auch,  dass  in  der  Kirche 
selbst  herrschende  imklare  Zustände  Klärung  und  Aenderung 
erheischen.  Wie  dem  auch  sein  mag,  eine  Samndung  alter 
heiliger  Schriften  erkennt  er  jedenfalls  an,  wenn  sich  auch 
nicht  feststellen  lässt,  in  welchem  Umfange  er  sie  fasste  ^) 
und  ob  er  sie  schon  wie  Melito  (1.  c.  §  13.  14;  vgl.  auch 
den  Antimontanisten  bei  Euseb.  V,   17,  3  und  den  Sprach- 

^)  Da  er  die  Weisheit  Salomonis  Z.  69  f.  zu  den  Büchern  der 
neuen  Sammlung  gerechnet  hat,  so  darf  man  vielleicht  annehmen,  dass 
er  dem  palästinensischen  Kanon  gefolgt  ist  wie  Melito. 
ZeiUchr.  f.  K.-O.  IQ,  8.  25 


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362 

gebrauch  Tertollians)  als  ra  naXata  ßtßXia  oder  genauer  als 
tä  tfjg  nahuag  äta&tjxt^g  ßtßUa  b^eichnete.  Letzteres  ist 
nicht  auszumachen,  da  der  Ausdruck  lihri  Novi  Testamenti  im 
Fragment  fehlt  Z.  44  f.,  wo  er  die  alttestamentlichen  Schrif- 
ten berücksichtigt,  nennt  er  sie  einfach  scripturae.  Da  der 
Verfasser  als  Zweck  des  Römerbriefes  den  Nachweis  angiebt, 
dass  Christus  sowohl  Inhalt  ak  urheberisches  Princip  der 
„Schriften"  sei  ^),  so  ist  offenbar,  dass  er,  wie  zu  erwarten, 
in  der  Beurteilung  des  Alten  Testaments  auf  dem  Stand- 
punkt der  katholischen  Kirche  steht  Z.  78  f.  sieht  er  sich 
noch  einmal  genötigt,  die  alte  Sclniltensammlung  zu  nennen. 
Er  bezeichnet  sie  dort  nach  ihren  Verfassern  als  „die  Pro- 
pheten". Zahn  (Gtött  Gel,  Ana.  1878,  St.  2,  S.  87 f.)  hat 
richtig  gesehen,  dass  unter  diesem  Ausdruck  das  ganze  Alte 
Testament  einschliesslich  des  Pentateuchs  zu  verstehen  ist; 
wie  auch  im  Briefe  des  Bamabas  sämmüiche  alitestam^it'- 
liehe  Schriften  unter  dem  Titel :  o  nQOff^rijg  Xfyet  dtirt  wer- 
den *),  und  Justin  (I,  67)  mit  (fvyygaftfAota  rcSy  npo(pfjtMr 
das  Alte  Testament  überhaupt  bezeichnet  (vgl.  Theodot  Ex^ 
cerpta  ap.  Clera.  Alex.  §  50,  wo  der  Ausdruck  at  ngofptjTiXat 
y^atfoU  zunächst  sich  auf  die  Genesis  bezieht).  Zwar  wird 
der  Titel  o  rifwg  Xi  ot  nQOfiJTM  auch  in  den  Heidenkirehen 
vielfEich  gebraucht  (z.  B.  Ignat  ad  Smjm.  5,  1 ;  Euseb.  V, 
28,  19  5  Melito,  L  c  §  l3),  aber  da  dw  Urheber  desPenta* 
teucbs  ein  Prophet,  ja  der  grösste  Prophet  ist,  so  gilt  die 
Bezeichnung  „die  Propheten",  wenn  die  Schriften  nach  ihren 
Urhebern  citirt  w^den.  Von  dieser  Sammlung  prophetischer 
Schriften  lehrt  der  Verfasser  ausdrücklich  (Z.  79),   dass  sie 


1)  Hierbei  ist  ordinem  als  Pradicat,  wie  principium  auf  Christas 
bezogen  uüd  im  Shme  von  argumentum  ge^st  (vgl.  Cod.  Land.  2u 
Act.  8,  32:  i)  ndqnxn  ^^9  y^fpUi^ordo  seripturcte.  Rönsch,  Itala 
und  Yulgata,  S.  319).  Diese  Deotong  scheint  mir  die  wahrschem- 
liebste  (fteilich  heisst  Z.  33.  49.  50  ordo  einfach  die  Reihenfolge) ;  vgl 
Bamab.  5,  6:  ol  nQOfpfjjai  an  <wtov  I/o^ts;  tiv  j}fa^ir  ei^  avjo¥  ^ 
ngofpritevaay  und  meine  Bemerkungen  z.  d.  St.  II.  Clem.  3,  5;  13,  2; 
17,  4.    Zahn  zu  Ignat.  ad  Magn.  8,  2. 

8)  Vgl  I.  Clem.  43,  1.  Auch  auf  Polyk.  6,  3^  Iren.  I,  2,  15  «tc 
darf  hier  verwiesen  werden. 


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J 


DAS  MÜRATORlSCHtl  FRAGMENT  ETC.  363 

abgeschlossen  sei.  Es  ist  die»  um  so  bemerkenswerter,  als 
die  christlichen  Sdmftsteller  aus  der  ersten  Hälfte  des 
2.  Jahrhunderts  die  Voraussetaung  nicht  bestatten,  dass  man 
schon  damals  ein  Bedür£us  empfunden  habe,  den  Umfang 
der  alten  hdUgen  ächriffcen  zu  bestimmen.  Wohl  aber  hat 
der  Freund  des  MeÜto  (1.  c.  §  13)  erfiAren  wollen  ttjv  t«^ 
netXuiWy  ßtßXlwr  axQißtiat^y  noü&L  top  aQi&fiov  eJ^p,  und  Me- 
lito  hat  eine  Reise  nach  Palästina  unternommen,  wenn  auch 
nicht  allein  zu  dem  Zweck,  um  genaue  Kunde  über  den  Um- 
fang der  alttestamentlichen  Schriftensammlung  einzuziehen. 
Die  bestimmte  Forderung  des  Verfassers,  keine  Schrift  der 
alttestamentlichen  Sammlung  mehr  hinzuzufügen,  wäre  übri^ 
gens  nur  durchschlagend  gewesen,  wenn  zu  seiner  Zeit  ein 
Einverständnis  über  den  Umfang  derselben  geherrscht  hätte. 
Das  ist  nicht  der  Fall  gewesen.  Sie  ist  aber  insofern  durch- 
gedrungen, als,  soviel  wir  wissen,  seit  dem  Ende  des  2.  Jahr- 
hunderts mit  einer  Ausnahme  dem  Ansf^nich  diner  neuen 
Schrift  auf  Aufnahme  in  die  alttestamentUche  Sammlung 
seitens  der  Kirche  nicht  mehr  Folge  gegeben  worden  ist '). 

These  3 — 7.  Ganz  deutlich  unterscheidet  der  Verfasser 
von  jener  alten,  abgeschlossenen  Sammlung  eine  zweite  von 
kirchlich -normativen  Schrifteati  (Z.  78  f.).  Die  eben  citirte 
Stelle,  aber  überhaupt  das  ganze  Fragment,  lässt  erkennen, 
dass  ihm  beide  Sammlungen  ihrem  Werte  nach  gleich  sind. 
Das  schliesst  nicht  aus,  dass  es  mil  der  zweiten  eine  völlig 
andere  Bewandtnis  haben  kann  als  mit  der  ersten.  Es  er- 
giebt  sich  dieses  aber  in  der  Tat  aus  den  Merkmalen,  die 
er  jener  ssuweist,  sofern  dieselben  sich  zu  einem  grossen  Teile 
auf  diese  gar  nicht  anwenden  lassen.  Die  Zugehörigkeit  einer 
Schrift  zu  dieser  zweiten  Sammlung  bezeichnet  der  Verfasser 
mit  den  Ausdrücken  in  Tumore  ecdesiae  cathoUcae  esse  (Z.  61), 
in  catholicam  ecclesiam  receptum  esse  (Z.  66),  in  catholiea 
haberi  (Z.  69),  auch  einfach  recipi  (Z.  72.  82),  legi  in  ec- 

1)  Ueber  die  SteDimg  des  ffirten  bei  deo  alttestamentBcfaen  Bü* 
ehern  m  der  lateinischen  Rirohe  rgl.  meine  Proiegg.  p.  LXVIIIsq* 
An  das  alttestamentliche  Paalmenbuoh  hat  der  VerfMaer  des  Frag- 
ments auch  Z.  82f.  gedacht,  wenn  er  von  solchen  spricht,  die  ein 
nettes  Psahnenbnch  für  Mardon  geschrieben  haben. 

25* 


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364  HARNACK, 

desia  (Z.  73).  Schon  dieses  ist  bedeutsam,  dass  die  Bücher 
durch  diese  Formehi  zunächst  als  kirchliche  bezeichnet 
werden^).  Der  Verfasser  braucht  weder  den  Namen  „Bü- 
cher des  Neuen  Testaments"  noch  die  anderen  „Kanon" 
oder  scripturae,  sondern  die  Schriften  jener  zweiten  Samm- 
lung sind  eben  dadurch  genügend  prädicirt,  dass  sie  kirch- 
liche, näher  kirchlich-auctoritative  {in honore esse)  ge- 
nannt werden*).     Indessen  braucht  der  Verfasser  (Z.  79 f.) 


1)  Hierzu  darf  man  das  interessante  Fragment  der  Homilie  des  Va- 
lentin neQl  ifCXMv  vergleichen  (Clem.  Alex.  Strom.  VI,  6,  62),  in  welchem 
al  SiifjiöaiM  pipXoi  (wahrscheinlich  =*  die  Bücher  des  Alten  Testa- 
ments) als  eine  Gruppe  einer  anderen  entgegengestellt  werden,  die  die 
Bezeichnung  trägt:  t«  iy  ixxXifi<f(i;e  tov  &eov  y^yqafifjiiva.  Vgl.  Hein- 
rici,  D.  Valent.  Gnosis  (1871),  S.  67f.  z.  d.  St. 

8)  Damit  soll  nicht  behauptet  sein,  dass  der  Verfasser  die  Be- 
zeichnimg scripturae  für  die  Schriften  der  zweiten  Sammlung  gradezu 
abgelehnt  hat.  Bekanntlich  wird  schon  im  Bamabasbrief  (4,  14) 
Mtth.  22,  14  mit  ^q  y^ygantm^  im  sogenannten  2.  Clemensbrief  Mtth. 
9,  13  mit  ^  yQoq>ri  Ä^ya,  Lc.  6,32f.  mit  Hysi  6  *«oV(2,4;  13,  4)  ein- 
geführt ;  ja  selbst  ein  paulinisches  Citat  ist  höchst  wahrscheinlich  zu- 
sammen mit  einem  Psalmencitat  von  Polykarp  durch  die  Formel  xa- 
S-tis  iy  ratg  yQa<pats  itgtitat  bezeichnet  worden  (s.  Zahn  z.  d.  St.). 
Der  Valentinianer  bei  Hippolyt  (Philos.  193,  54)  citirt  Eph.  3,  14  mit 
der  Formel:  tovto  iati  rc  yeygafifisyoy  iy  rj  yQfffpj.  Endlich  er- 
innere man  sich  an  2.  Petri  3,  16,  an  welcher  Stelle  auch  nach  von 
Hof  mann  Briefe  des  Paukis  als  ygatpai  bezeichnet  imd  den  alt- 
testamentlichen  Schriften  gleichgesetzt  sind.  Indessen  ist  andrer- 
seits zu  beachten,  dass  der  Ausdruck  scriptura  auch  noch  die  solenne 
Bezeichnung  der  alttestamentlichen  Schriften  bleibt,  nachdem  die 
neutestamentliche  Schriftensammlung  längst  schon  der  alttestament- 
lichen völlig  gleichgestellt  war.  Ein  treffendes  Beispiel  dafür  findet 
sich  bei  Theophilus  (ad  Autol.  H,  22),  der  doch  selbst  schon  den 
wichtigsten  Schritt  zur  formellen  Parallelisirung  der  alt-  und  neu- 
testamentlichen  Schriften  getan  hat.  Vgl.  auch  das  kleine  Labyrinth 
(Euseb.  H.  e.  V,  28,  13—19).  Die  yQaqxä  &etm  (§  13.  18.  15)  oder 
^BfxaC  (§  13)  oder  äyiai  tov  ^$ov  y^ufftd  (§  14)  oder  einfach  ygafpa^ 
(§  18)  sind  nach  §  19  das  Gesetz  und  die  Propheten,  d.  h.  das  Alte 
Testament.  Ebenso  sind  „die  Schriften",  mit  denen  übereinstimmend 
Polykajrp  nach  dem  Briefe  des  Irenäus  an  Florinus  (Euseb.  H.  e.  V, 
20,  6)  das  Evangelium  verkündet  hat,  das  Alte  Testament.  Die  blosse 
Bezeichnung  „i}  yQatp^  Xiysi",  die  mit  der  anderen  „d  ^eog  Xiyei^* 
vöUig  identisch  gebraucht  wird,  hat  überall  den  Sinn,  dass  das  Fol- 


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DAS  MUKATORISCHE  FRAGMENT  ETC.         366 

auch  eine  andere  Gesammtbezeichniing.  Er  nennt  diese 
Schriften  nach  ihren  Urhebern  „die  Apostel".  Auf'  den  er- 
sten Blick  könnte  man  zweifelhaft  sein,  ob  er  damit  alle  Schrif- 
ten der  zweiten  Sammlung  oder  etwa  nur  den  Apostolus  im 
Unterschied  von  dem  Evangelium  umfassi  Allein  erst- 
lich spricht  die  Stellung  des  Wortes  neben  „den  Propheten" 
fiir  die  erstere  Ansicht,  sodann  der  altkirchliche  Sprach- 
gebrauch. Zwar  darf  man  sich  auf  die  Worte  „xa^a  (paoiy 
ai   YQatpal  ngo(pf]Twy  jf    xal    anoaioXcoy^^    als    clementinische 


gende  als  ein  göttliches  Orakel  zu  betrachten  ist.  So  hat  auch  z.  B. 
Irenäos  (IV,  34,  2  edit.  Harvey)  den  Hirten  n  yQ<tg)ij  genannt,  da  er 
sich  als  eine  Sammlung  von  Orakeln  und  geoffenbarten  Mandaten 
giebt,  und  die  alttestamentlichen  Schriften  sind  in  der  Heidenkirche 
überhaupt  niemals  anders  beurteilt  worden  (die  Apokalypse  Job.  als 
yQitffil  im  Martyr.  Lugd.  bei  Euseb.  H.  e.  V,  1,  58).  Den  Versuchen 
der  römischen  Monarchianer  den  Text  des  Alten  Testaments  zu  ver- 
bessern setzt  der  Verfiässer  des  kleinen  Labyrinths  das  Dilenmia  ent- 
gegen (1.  c.  §  18):  5  ytcQ  ov  inert lovtfiy  ayfif»  nysvuan  keXi^^ta  ttig 
d-ffag  yQagtag  xzX,  Nun  aber  wirkt  doch  noch  selbst  im  3.  Jahrhun- 
dert noch  eine  Betrachtung  der  neutestamentlichen  Schriften  in  der 
Kirche  leise  nach  (unser  Autor  hat  ihr,  wie  wir  sehen  werden,  noch  einen 
sehr  deutlichen  Ausdruck  verliehen),  kraft  welcher  die  neutestament- 
lichen Schriften  nicht  lediglich  als  eine  Orakelsammlung  erscheinen. 
Und  hätte  die  Kirche  selbst  dieselbe  auch  völlig  vergessen  wollen,  so 
wurde  sie  doch  in  ihrer  apologetischen  Tätigkeit  immer  wieder  an  sie 
erinnert.  In  dieser  Beziehung  ist  eine  Stelle  aus  dem  interes- 
santen Brief  des  Theonas  an  den  Oberkammerherm  des  Kaisers,  wahr- 
scheinlich Diocletian's,  lehrreich.  Der  Bischof  giebt  dort  Anweisungen, 
wie  sich  ein  Christ  als  Hofbibliothekar  zu  verhalten  habe,  wenn  der 
Kaiser  ihn  zu  diesem  Amte  bestellte:  „Interdum  et  divinas  scripturas 
laudare  conabitur  (seil.:  coram  imperatore),  quas  mira  diligentia  et 
largissimo  impendio  Ptolemaeus  Philadelphus  in  linguam  nostram  tra- 
duci  curavit;  laudabitur  et  interim  evangelium  apostolusque  pro  di- 
vinis  oraculis**  (Routh,  Reliq.  Sacr.,  T.  III,  edit.  H,  p.  448).  Der 
Bischof  weiss  es  also  sehr  wohl,  welche  Schwierigkeiten  es  hat  den 
Glauben  zu  erwecken,  dass  auch  die  neutestamentlichen  Schriften 
oraeula  divina  seien.  Hundert  Jahre  früher  war  in  der  Kirche  selbst 
weder  die  Sache  noch  der  Sprachgebrauch  festgestellt.  Hegesipp, 
der  doch  gewiss  ein  guter  Katholiker  gewesen,  braucht  die  Bezeich- 
nung al  &eUn  yqatpai  für  das  Alte  Testament  und  fügt  ihr  ein  „o 
xi;>*05  XiyH''  bei  (bei  Stephanus  Gob.  m  Photius'  Bibliothek  232, 
p.  288). 


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866  HARNACK, 

(Patr.  App.  Opp.  Lips.  fasc.  I,  edit.  I,  S.  177)  nicht  mehr 
berufen,  da  nachgewiesen  ist,  dass  dieselben  weder  dem  Ver- 
fasser des  ersten  noch  des  zweiten  Ciemensbriefes  angehören, 
aondem  das  Eigentum  eines  Pseudojustin  sind  (Patr.  App. 
Opp.  fasc.  I,  1.  edit.  II,  S.  137  sq.),  wohl  aber  auf  Justin, 
der  unter  anofiyrifjioytv^axvL  ttoy  unoaroXtüy  mindestens  vor- 
nehmlich die  Evangelien  versteht,  und  auf  den  2.  Clemens- 
brief (14,  2),  wo  in  dem  Ausdruck;  rä  ßißXla  xat  ot  iuioaro- 
Xot  jenes  Wort  die  Schriften  des  Alten  Testaments,  dieses 
sämmtliche  neuen  normativen  Bücher  mit  Einschlusfe  der  Evan- 
gelien umfasst  ^).  Können  aber  die  Schriften  der  zweiten 
Sammlung  durchweg  mit  dem  Titel  apostoli  bezeichnet  wer- 
den, so  ist  damit  ein  bestimmtes  Merkmal  derselben  ange- 
geben.    Es  fragt  sich,  wie  der  Verfasser  dasselbe  verstanden 


1)  Dass  I«  ßtßX^a  nicht  etwa  die  Evangelien  bedeuten,  darüber 
fi.  meine  Bemei^Lungen  z.  d.  Stelle  und  diese  Zeitschrift  Bd.  I,  S. 
861  f.,  sowie  Light foot,  S.  Clement  of  Rome ,  Appendix  p.  326.  Der 
Syrer  hat  somit  durch  den  Zusatz  t(üv  TtQotpfjTwy  richtig  gloasirt.  Ist 
aber  unter  rti  ßißXta  das  ganze  Alte  Testament  zu  verstehen,  so  sind 
unter  ol  anoarakoi,  die  Evangelien  mit  einbegriffen.  So  urteilt  auch 
Light  foot.  Dann  aber  ist  es  jedenfalls  wahrscheinlich,  dass  der  Ho- 
milet unter  ol  csnoüroXot  gleichfalls  an  eine  Sammlung  von  Schriften, 
nicht  nur  an  die  gesammte  apostolische  Tradition  gedacht  hat.  Dar- 
nach ist  das  Bd.  I,  S.  361  f.  von  mir  Bemerkte  zu  berichtigen.  —  Zur 
«hen  Unterscheidung  o  xv^aoc  —  ol  ctnoaroZoi,  resp.  r3  itJayyiXwv  -— 
ol  anooToXoi  vgl.  Polyc.  6^  3;  Ignat.  ad  Philadelph.  5,  1  (Zahn  z.  d. 
St.  und  Ignat.  von  Antioch.,  S.  430f);  Iren.  I,  2,  15.  Eigentümliche 
Formel:  II.  Petr.  3,  2:  /4y9ia^^yM  r»v  nQo$i^nfdvu)v  gr^Tiay  vno  tiSv 
iiyluty  noofffiKov  xnl  rfc  tiSy  vlnoatohoy  vfiiüy  irroX^s  rov  xvqCov  xm 
efotrJQo^.  Hält  man  zu  dieser  SteUe  den  Ausspruch  des  Serapion  (bei 
Euseb.  H.  e.  VI,  12):  9/4^  ^^  Dir^y  xtä  roi^V  üXXovf  dnomoXov^ 
-anodexof^e^ft  fJc  X^roy,  so  hat  man  den  Auagangs«  und  Endpunkt 
einer  verhängnisvollen  Entwicklung  neben  einander.  In  diesem  Zu- 
•anunenhange  will  es  erwogen  sein,  dass  Ausdrücke  me  Xoyut  xu- 
^utxä  (Papias),  ttl  xvgwxal  yqaqiai  (Dionys.  v.  Korinth  bei  Euseb.  H.  e. 
IV,  23.  12.  Clem.  Alex.  Strom.  VII,  1;  VH,  16),  r«  Xoyw  rov  xv^ov 
(Polyc.  7,  1),  T«  xv^Mxa  Xoyia  (Iren.  I,  2,  15),  «1  Xoyoi  to9  atorriQH 
<Ptol.  ep.  ad  Flor.)  im  3.  Jahrh.  verschwinden.  Cf  Ptolem.  ep.  ad 
Flor.  1:  ^ifi^^cofjiiymy  rifAiy  xds  nnod^lisH  ix  roiy  iqv  IcDiriQo^  4f^ffy  Xo" 
yiov  na(ftoxiiSyi $gy  ^1*  tSy  (Aoyov  iajly  dnjftlüxfos  ^n\  rny  xaxtiXtiipiy  twv 
ovraty  odtjyeia^ai. 


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DAS  MUEATOmSCHE  FKAGMENT  ETC.         367 

Ibissen  will.  Zunächst  begründet  dasselbe  das  Urteil  ^  dass 
nichts  in  der  Sammlung  Aufnahme  finden  kann,  was  nicht 
aus  der  apostolischen  Zeit  herrührt.  Gegen  den  Hir- 
ten des  Hermas  macht  der  Verfasse:  ausser  dem  prophe* 
tischen  Charakter  des  Buches  grade  dieses  geltend^  dass  der- 
selbe nuperrime  temporibus  nostris  (Z.  74)  geschrieben  sei 
Der  Nachdruck  liegt  hierbei  auf  temporibus  nostris.  Der 
Verfasser  will  das  unbestimmte  und  deutbare  nuperrime  ^) 
ausdrücklich  dahin  bestimmen,  dass  die  Abfassung  des  Hir- 
t^a  in  die  gegenwärtige  Zeitepoche  iäüt  Damit  ist  aber 
über  das  Buch  entschieden;  denn  es  lässt  sich  unter  dem 
Titel  apostcii  schlechterdings  nicht  untwbringen.  Der  Ver- 
&se^  gewinnt  somit  aus  jenem  Titel  einen  kritischen  Kanon, 
um  den  Zeitraum  zu  begrenzen,  in  welchem  sämmtliche  Bü- 
cher geschrieben  sein  müssen,  die  der  kirchlichen  Sammlung 
angehören  oder  auf  die  Aufnahme  Anspruch  erheben.  Da- 
gegen beschränkt  der  Verfasser  den  Begriff  „Apostel"  nicht 
auf  die  Zwölfe  und  auf  Paulus.  Die  Schriften  des  Marcus 
(Z.  l)  und  Lucas  (Z.  2  f.)  gehören  der  Sammlung  an.  Was 
der  Verfasser  über  Marcus  gesagt  hat,  lässt  sich  nicht  mehr 
ermitteln;  aber  aus  den  Worten,  mit  denen  er  das  Lucas- 
Evangelium  begleitet,  geht  hervor,  dass  ihm  die  Legende, 
Paulus  sei  eigentlich  der  Urheber  desselben,  noch  fremd  ist, 
und  dass  er  auch  kein  Bedürfiiis  gefiihlt  hat,  eine  ähnliche 
zu  ei-sinnen.  Zwar  bemerkt  er  ausdrücklich,  dass  Lucas  sein 
JEvangelium  erst  geschrieben  habe,  nachdem  ihn  Paulus  zur 
Nachfolge  angenommen  ^);  aber  ,8Uo  nomine  ex  opinione  hat 
er  es  geschrieben.  Paulus  ist  an  der  Abfassung  weder  di- 
rect   noch  indirect  beteiligt*),   so    wenig  wie  bei    der    der 


1)  Vgl.  das  novissime  Tertull.  de  praescr.  80.  Tertullian  spricht 
dort  Ton  der  Zeit,  da  Valentiu  und  Marcion  definitiv  excommunicirt 
worden  sind. 

*)  Ich  lese  Z.  4 f.:  „cum  cum  Paulus  quasi  itineris  studiosum 
eecandam  adsxunpsisset^^  und  beziehe  itineris  st^idiosum  auf  die  Ab- 
fassung der  Acta.  Durch  quim  ist  die  Absicht  als  eine  supponirte 
bezeichnet. 

ft)  Man  mag  es  für  wahrscheinlich  halten,  dass  jene  starke  Be- 
tonung der  Selbständigkeit  des  Lucas  bei  Abfassung  seines  Werkes 


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368  HARNACK; 

Apostelgeschichte.  Hier  hebt  der  Verfasser  allerdings  her- 
vor^ dass  Lucas  als  Augenzeuge  die  ctcta  omnium  aposto- 
lamm  beschrieben  hat;  aber  diese  Meinung  hat  er  aus  dem 
Fehlen  der  Passio  Petri  und  der  Profedio  Pauli  in  His- 
paniam  in  der  Apostelgeschichte;  wie  es  scheint^  lediglich  ge- 
folgert *).  Dass  es  ihm  nicht  um  apostolische  Schriften  im 
strengen  Sinn  zu  tun  ist^  lehrt  auch  die  Aufzählung  der 
Weisheit  Salomonis  mitten  imter  den  neutestamentlichen 
Schriften.  Auffallend  genug  ist  dieselbe;  aber  so  wie  die 
Worte  überliefert  sind,  lassen  sie  eine  andere  Erklärung  nicht 
zu;  die  Conjectur  id  für  et  (Z.  69)  ist  jedenfalls  so  unglück- 
lich und  unheilstiftend  wie  möglich  *).  Wie  dem  auch  sein 
naag  —  jedenfalls  rechnet  der  Verfasser  imbedenklich  Schrif- 
ten in  die  kirchliche  Sammlung  ein,  die  keinem  der  Apostel 


mit  auf  Rechnung  der  autimarcionitischen  Tendenz  des  Verfassers,  die 
60  deutlich  in  seinem  ganzen  Schriftstück  hervortritt,  zu  setzen  ist. 
Das  ändert  nichts  an  dem  oben  gefällten  Urteile;  denn  bei  Irenäus 
ist  diese  Tendenz  doch  mindestens  ebenso  stark  ausgeprägt  und  doch 
giebt  er  das  Lucas-Evangelium  als  das  des  Paulus  aus  (s.  die  folg. 
Anm.)-  Anders  steht  es  bei  Tertullian.  Die  Ausführungen  im  4.  Buche 
c.  1 — 5  gegen  Marcion  sind  ihm  sicherlich  nicht  leicht  geworden.  In 
diesem  Zusammenhange  ist  ihm  die  Tradition,  das  Lucas-Evangelium 
sei  das  des  Paulus,  entschieden  unbequem.  Aber  sie  erscheint 
bereits  als  die  gemeine  Meinung.  In  den  denkwürdigen  Wor- 
ten (c.  5):  „Nam  etLucae  digestum  Paulo  adscribere  solent.  Capit 
magistrorum  videri,  quae  discipuli  promulgarint",  ist  er  über  sie  hin- 
weggegangen. 

1)  Auf  eine  enge  Verbindung  des  Lucas  sowohl  mit  allen  Apo- 
steln als  mit  Paulus  legt  der  Verfasser  allerdings  Wert;  jedes  Wort, 
welches  er  in  dieser  Hinsicht  gesprochen,  lässt  sich  aus  Iren.  IQ,  14, 1 
belegen;  aber  wie  schon  diese  Stelle  über  die  vom  Fragmentisten  ge- 
gebenen Andeutungen  hinausführt ,  so  vor  allem  die  andere  lU,  1,  2 : 
xai  Aovxag  dh  6  axoXovd^g  IlavXov  to  vn*  ixetyov  xtiQvaao^eyoy  €vay^ 
yihov  iv  ßißX^ta  xaxi^Bxo.  Dass  der  Verfasser  des  Fragments  noch 
eine  ältere,  unbefangenere  Ansicht  gegenüber  Irenäus  festhält,  ist 
deutlich. 

2)  Vgl.  Lit.  Centr.-Bl.  1874,  Nr.  15,  S.  491.  Dass  die  Sap.  Sal. 
sonst  noch  jemals  zum  neutestamentlichen  Kanon  gerechnet  worden 
ist,  hat  noch  niemand  nachgewiesen.  Aber  dies  entscheidet  nicht 
gegen  den  überlieferten  Wortlaut  einer  Urkunde  des  2.  Jahrhunderts. 
War  unserem  Verfasser  der  Kanon  des  Alten  Testaments  abgeschlos- 


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DAS  MURATORISCHE  FRAGMENT  ETC.         369 

angehören.  Aber  weiter  —  nicht  alles  was  von  den  Aposteln 
(im  strengen  Sinn  des  Worts)  herrührt,  hat  deshalb  schon 
kirchlich-normative  Bedeutung.  Dieselbe  muss  vielmehr  erst 
nachgewiesen  werden.  Die  Art,  wie  der  Verfesser  die  Zu- 
gehörigkeit der  Paulinischen  Briefe,  namentlich  der  vier 
Briefe  an  einzelne  Personen,  zur  kirchlichen  Sammlung  recht- 
fertigt, zeigt  aufs  deutKchste,  dass  ihm  der  Gedanke,  alles 
Apostolische  sei  kanonisch,  völlig  fem  Hegt  ^). 

These  8.  9.  Höchst  bedeutsam  ist  das  beredte  Schwei- 
gen des  Verfassers  über  prophetische  Schriften  in  ihrem  Ver- 
hältnis zur  kirchlich -normativen  Sammlung.  Seine  Behand- 
lung des  Hirten  zeigt:  l)  dass  es  in  den  Gemeinden  solche 
gegeben  hat,  welche  dieses  Buch  den  kanonischen  Büchern 
gleichsetzen  wollten  und,  2)  dass  fiir  unseren  Verfasser  der 
zugestandene  prophetische  Charakter  des  Buches  —  denn  der 
Verfasser  hat  den  Inhalt  desselben  durch  kein  Wort  ange- 
tastet —  die  kirchlich -normative  Bedeutung  desselben  nicht 
mehr  involvirt.  Ov  erb  eck  hat  in  seiner  vorzügUchen  Aus- 
fuhrung (Theol.  Lit-Ztg.  1878,  Nr.  12,  S.  282  f.)  völlig  Recht, 
wenn  er  sagt:  „Das  Ansehen  des  Hirten  als  eines  heiligen 
Buches  stammt  aus  einer  Zeit,  in  welcher  es  nach  Justin's 
für  die  Geschichte  des  neutestamentlichen  Kanon  überhaupt 
noch  gar  nicht  genug  gewürdigten  Worten  über  die  Apo- 
kalypse noch  eine  christliche  Prophetie  gab  (Dial.  c.  Tryph.  82, 
p.  308  B),  d.  h.  noch  keinen  nach  dem  Principe  (unmittel- 
bar oder  mittelbar)  apostolischer  Herkunft  geschlossenen 
Kanon  heiliger  Bücher.  War  aber  dieser  Kanon  einmal  da 
imd  inzwischen  auch  für  die  christHche  Gemeinde  geleugnet, 
was   gegen  die  Juden   Justin   a.  a.  O.   für  sie  noch  in  An- 

sen  (Z.  79)  und  hielt  er  doch  die  Sap.  Sal.  für  ein  heiliges  und  ka- 
tholisch-wertvolles Buch,  so  konnte  er  es  nur  der  neuen  Sammlung 
zurechnen. 

1)  Man  kann  auch  darauf  hinweisen,  dass  der  Verfasser  dem 
Widerspruch  einiger  gegen  die  Apokalypse  Petri  (Z.  72 f.)  nicht  mit 
dem  Einwurfe  begegnet,  dieselbe  sei  von  einem  Apostel  geschrieben. 
Doch  haben  die  Gegner  des  Buches  vielleicht  eben  dieses  in  Zweifel 
gezogen.  —  Ueber  den  weiteren  Gebrauch  des  Titeb  Apostel  vgl. 
Credner-Volkmar,  Gesch.  des  neutestamentlichen  Kanon  passim 
und  Braunsberger,  Der  Apostel  Bamabas  (1876),  S.  37—60. 


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370 

Spruch  genommen  hatte  ^  80  konnte  sich  das  Ansehen  des 
Hirten  als  heiligen  Buches,  auf  welches  das  Werk  durch 
seine  Form  selbst  Anspruch  erhebt,  nur  noch  als  unb^riln- 
detes  oder  leicht  zu  erschütterndes  Trümmerstück  emer  ver- 
gangenen Zeit  behaupten."  Der  Verfasser  des  Muratorischen 
Fragments  nimmt  in  dieser  Frage  bereits  ohne  Schwanken 
den  katholischen  Standpunkt  ein.  In  dem  neuen  Kirchen- 
kanon  ist  für  Schriften  kirchlicher  Propheten  überhaupt  kein 
Raum  (Z.  79).  Das  Prophetische  gehört  der  alten  Samm- 
lung an,  diese  aber  ist  geschlossen.  Qiehi  es  mithin  auch 
jetzt  noch  neuere  prophetische  Schriften,  so  haben  sie  eben 
als  prophetische  keinen  Anspruch  auf  Auftiahme  in  die  zweite 
Sammlung.  Der  Verfasser  schafft  flir  sie  eine  besondere  Ka- 
tegorie, indem  er  die  private  Leetüre  derselben  als  eine  kirch- 
liche Pflicht  behauptet*).  Ist  aber  eine  Sduift  als  pro- 
phetische fiir  die  Aufiiahme  in  die  neue  Sammlung  nicht 
qualificirt,  so  können  immerhin  noch  andere  Merkmale  der- 
selben eine  solche  zulassen,  respective  erheischen.  Dem  Hir- 
ten fehlen  dieselben,  denn  er  stammt  aus  jüngster  Zeit;  aber 
die  Aufnahme,  richtiger  die  Belassung  der  Apokalypsen  des 
Johannes  und  Petrus  in  der  Sanmilung  heiliger  Bücher  (nach 
dem  neuen  Sprachgebrauch  kirchlicher  Normalschriften)  läset 
eich  wider  den  Z.  78 f  ausgesprochenen  Grundsatz  nur  er- 
klären bei  der  Annahme,  dass  die  apostoKschen  Namen  ibr^ 
Verfasser  diese  beiden  Schriften  geschützt  haben.  Indessen 
wir  haben  oben  bemerkt,  dass  dem  Verfasser  nicht  alles 
Apostolische  auch  kanonisch  ist.  In  diesem  Zusammenhang 
ist  es  nicht  zu  übersehen,  dass  der  Verfasser  einen  Wider- 
spruch geg^i  die  Petrusapokalypse  Z.  72  f  ohne  Eim'ede  re- 
gistrirt,  und  dass  er  Z.  47  f  und  57  f  zweimal  und  ausdrück- 
lich auf  die  in  der  Johannes- Apokalypse  enthaltenen  Briefe 
zu  sprechen  konunt.     Das  besondere  Interesse,   dass  er  an 


1)  Ich  stimme  Zahn  (Gott.  Gel.  Anz.  1878,  Stück  2,  S.  36f.) 
bei,  dass  zu  legi  (Z.  77)  nicht  in  ecclesia  ergänzt  werden  darf,  da  der 
Gegensatz  zu  legi  allem  Anscheine  nach  schon  in  dem  se  pubUatre  und 
nicht  erst  in  dem  Ausdruck  inter  prophetas  —  apostolos  gesucht  wer- 
den muss. 


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DAS  MÜRATORISCHE  FRAGMENT  ETC.         371 

diesen  sieben  Briefen  verrät,  die  doch  nur  den  Eingang  zu 
j^em  Offenbarungsbuche  bilden,  und  die  eigentümliche  Be- 
trachtung derselben,  von  der  im  folgenden  zu  handeln  sein 
wird;  weist  darauf  hin,  dass  er  auf  sie  ein  besonderes  Ge- 
wicht gelegt  hat.  Der  Grund  dafür  ist  offenbar.  Mag  nun 
der  Verfasser  selbst  auch  nicht  eigentUch  Skrupel  gegen- 
über der  Zugehörigkeit  der  beiden  apostolischen  Apokalypsen 
zur  neuen  Samjnlung  gehegt  haben  —  wenigstens  verrät  er 
dort,  wo  man  sie  sucht,  nichts  von  solchen  — ,  so  ist  doch 
der  Grundsatz,  den  er  ausgesprochen,  ein  tödHches  Wort 
wider  die  Apokalypsen  im  neutestamentlichen  Kanon  über- 
haupt, und  die  Leidensgeschichte  der  Offenbarung  des  Jo- 
hannes in  der  Kirche  muss  von  dem  Muratorischen  Frag- 
ment ab  von  ims  datirt  werden.  Der  Umschwung,  der  durch 
das  neue  Princip  des  Verfassers  bezeichnet  ist,  oder  besser, 
der  dasselbe  erzeugt  hat,  ist  im  eminenten  Sinne  ein  revo- 
lutionärer. Zu  Justin's  Zeiten  eine  Sanmilung  uralter  pro- 
phetischer Orakelschriften,  die  fortgehends  durch  neue  pro- 
phetische Bücher  aus  der  christlichen  Gemeinde  bereichert 
worden  ist  und  wird,  dazu  eine  Reihe  von  apostolischen 
Schriften,  deren  wesentlicher  Wert  und  somit  auch  Glaub- 
würdigkeit darin  besteht,  dass  sie  das  als  Geschichte  ent- 
halten, was  die  Propheten  als  zukünftig  geweissagt  haben  ^), 
imd  die  ausserdem  noch  kundtun,  dass  die  Moral  des  in 
Christus  erschienenen  anderen  Gottes  eine  wahrhaft  göttliche, 
weil  die  denkbar  vernünftigste  ist.  Zu  den  Zeiten  unseres 
Verfassers  zwei  streng  geschiedene  und  in  ihrer  Art  ganz 
4isparate  Bammlungen,  von  denen  die  eine  ledigUch  Pro- 
pheten «Orakel  enthält  und  abgeschlossen  ist,  die  andere 
—  soviel  können  wir  bisher  sagen  —  prophetische  Schriften  als 
solche  ausschliesst  und  einen  Kreis  von  Büchern  umfassen 
soll,  die  sämmtHch  Urkunden  der  apostoUschen  Zeit  sein 
müssen  *).     Das  Interesse,  welches  die  Barche  an  letzterer 


1)  Vgl.  von  Engelhardt,  Das  Christent.  Justin's,  8.  330f. 
340  f. 

^)  Interessant  ist  die  Stellung  des  Irenäus.  Wäre  die  Entstehungs- 
geschichte des  neutestamentlichen  Kanons  so  zu  denken,  dass  in  idlen 


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372  HARNACK, 

Bestimmung  genommen  hat,  wird  unten  deutlich  werden;  die 
erstere  bezeichnet  die  Wandlung  einer  Gemeinde  von  reli- 
giösen Enthusiasten  zu  einem  kirchenstaatlichen  Rechts- 
verbande. Es  ist  gewiss  richtig,  dass  man  für  diesen  Wan- 
del auf  die  montanistischen  Bewegungen  hinweist;  auch  der 
Verfasser  des  Fragmentes  setzt  dieselben  bereits  voraus 
(Z.  84  f ) ;  aber  diese  Bewegungen  sind  so  gewaltige  und  uni- 
verselle gewesen,  dass  man  sie  schon  misverstehen  muss^ 
wenn  man  sie  mit  dem  Namen  irgendeines  Mannes  glaubt 
bezeichnen  zu  dürfen  oder  wenn  man  sie  nach  den  Secten- 
gestalten  beurteilen  will,  in  welchen  sie  ausmünden.  Die 
Entstellungen,  welche  die  katholischen  Schriftsteller  in  Bezug 


Landeskirchen  in  jedem  Momente  die  gleiche  Stufe  erreicht  worden, 
so  müsste  mau,  um  der  Stellung  des  Irenäus  zu  den  prophetischen 
Schriften  willen  das  Fragment  später  ansetzen  als  das  Hauptwerk  des 
Bischofs.  Aber  eben  die  Beobachtung,  dass  in  einer  anderen  und  viel 
entscheidenderen  Hinsicht  sich  jenes  als  das  ältere  erweist ,  zeigt  die 
Unrichtigkeit  der  Annahme.  Das  oft  ausgesprochene  Urteil,  Irenäus 
„  montanisire  ^\  ist  richtig  verstanden  sachgemäss.  Nicht  nur  die  Aus- 
führungen in  der  zweiten  Hälfte  des  5.  Buches,  sondern  vor  allem  die 
Abschnitte  U,  49,  3  u.  V,  6,  1  (Euseb.  H.  e.  V,  7)  belegen  dasselbe, 
selbst  wenn  man  den  Zweck ,  zu  welchem  der  Bischof  diese  Worte  ge- 
schrieben, in  Anschlag  bringt.  So  erklärt  sich  auch,  wie  er  den  Hir- 
ten \^IV,  34,  2)  als  yi»«fpji  citiren  kann,  während  er  ihn  doch  ganx 
bestimmt  von  „den  Propheten"  unterscheidet  (s.  Herm.  Prolegg. 
p.  XLVI)  und  ihn  auch  nicht  in  den  bereits  festbegrenzten  neutesta- 
mentüchen  Kanon,  in  dessen  Gefüge  er  nicht  hineinpasst,  einrechnet. 
„Ein  unbegründetes  Trümmerstück  einer  vergangenen  Zeit"  ist  somit 
der  als  Autorität  citirte  Hirte  bei  Irenäus,  während  ihn  der  VerfEtsser 
des  Fragments  den  Bedürfhissen  einer  neuen  Zeit  entgegenkommend 
oder  sie  leitend  entschlossen  hat  fedlen  lassen.  Die  Stellung,  welche 
Irenäus  hier  einnimmt,  ist,  wie  die  Ausführungen  Tertullian^s  lehren 
(s.  Prolegg.  p.  XLVIIsq.),  in  Eom  und  Carthago  noch  von  vielen 
nachweisbar  bis  gegen  das  Jahr  220  hin  behauptet  worden,  und  die 
apologetischen  Bemühungen  des  Origenes  zeigen,  wie  schwer  es  hielt, 
das  Princip  des  Kanon,  welches  der  Fragmentist  im  Namen  der  ka- 
tholischen Kirche  vertritt,  noch  um  die  Mitte  des  S.Jahrhunderts  rein 
durchzuführen.  In  Wahrheit  ist  es  auch  zu  keiner  Zeit  consequent 
durchgeführt  worden;  darum  hörte  der  Widerspruch  auch  nicht  eher 
auf,  als  bis  Gewohnheit  und  Herkommen  selbst  die  Inconsequenzen 
ehrwürdig  und  heilig  gesprochen  hatten. 


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DAS  MURATORISCHE  FRAGMENT  ETC.         373 

auf  jene  Bewegungen  (in  den  Jahren  160—220  etwa)  sich 
haben  zu  Schulden  kommen  lassen  —  vielleicht  hat  Eusebius 

als  Historiker  nirgendwo  mehr  gesündigt  als  H.  e.  V,  14 1 9  — 

beginnen  grade  dort,  wo  sie  eine  Sectenstiftung  des  Mon- 
tanus  an  die  Stelle  eines  Kampfes  zweier  Richtungen  setzen, 
der  mit  der  Niederlage  der  älteren  imd  legitimen  Partei  und 
folgerecht  deshalb  mit  ihrer  Verkümmerung  endete.  Was  es 
mit  dem  sogenannten  „Aufhören  der  apostolischen  Gnaden- 
gaben"  fiir  eine  Bewandtnis  hat,  braucht  nicht  mehr  nach- 
gewiesen zu  werden  ^).  Die  Kirche  hat  seit  dem  Ende  des 
2.  Jahrhunderts  die  „Gnadengaben"  mit  Ausnahme  der 
Krankenheilungen  und  der  Dämonenaustreibungen  förmlich 
unterdrückt.  Die  Prophetie  anlangend,  so  hat  sie  dieselbe 
dulden  müssen,  nachdem  sie  den  Geist  kräftig  gedämpft  imd 
an  bestinmite  Regeb  gebunden  hatte.  (Der  Antimontanist 
beiEuseb.  H.  e.  V,  17.)  Dass  sie  durch  Aufstellungen  jener 
Regeln  sich  der  Anschauung  näherte,  die  einst  Paulus  be- 
kannt hatte,  geschah  von  imgefUhr,  oder  besser,  war  ein 
Ausdruck  ihrer  Verlegenheit.  Die  Heidenkirche  hat  ein 
drittes  zwischen  der  ekstatischen  und  der  nur  vorg^ebenen 
Prophetie  niemals  gekannt,  die  Möglichkeit  eines  solchen 
dritten  vielleicht  auch  niemab  ernsthaft  vorausgesetzt  Der 
beste  Beweis  daftir  ist  das  sofortige  Erlöschen  der  Gemeinde- 
prophetie  seit  dem  Ende  des  2.  Jahrhunderts.  Nachdem  ein* 
mal  diese  dahin,  jeder  Anspruch  neuer  prophetischer  Orakel 
auf  massgebende  Bedeutung  in  der  Kirche  völlig  imterdrückt 
und  der  Kanon  zu  einer  vom  Geschlecht  der  Gegenwart  im- 
erreichbaren  Höhe  erhoben  war,  konnte  die  Kirche  beruhigt 
den  prophetischen  Anwandelungen  einzelner  wiederum  Raum 
geben.  Ihre  Bischöfe  haben  imter  solchen  Umständen  selbst 
weder  Ahnungen  noch  Prophezeihungen  und  Visionen  ver- 
schmäht, wo  es  galt,  die  von  ihnen  beschlossenen  Massregeln 
in   schwierigen  kirchenpolitischen  Kämpfen  oder  in   Fragen 


^)  Leider  hat  sich  Bückmann  in  seinem  fleissigen  Aufsatze: 
„Ueber  die  Wunderkräfte  bei  den  ersten  Christen  und  ihr  Erlöschen" 
(Zdtschr.  f.  d.  luth.  Theol.  1878,  S.  2l6f)  zu  einer  historisch-kriti- 
schen Beurteilung  derselben  nicht  entschliessen  können. 


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374  HARNACK, 

der  Kirchen-  und  Lehrzucht  ihren  Gemeinden  zu  empfehlen 
(fürCyprian  vgl.  Ep.  11,  3.  4;  16,  4;  39,  1;  57,  1.  2;  66, 
10;  40,  De  mortaHt.  19;  fiir  Dionysius  Alex,  mehrere  Stellen 
bei  Euseb.  H.  e.  VT,  40  —  VII,  7).  Das  alles  berührte  ja  die 
»Sammlung  heiliger  Schriften  längst  nicht  mehr. 

These  10 — 13.  Der  Verfasser  hatte  von  der  neuen 
Sammlung  behauptet,  dass  sie  nur  Apostolisches  enthalten 
dürfe;  aber  da  ihm  nicht  alles  Apostolische  deshalb  schon 
kanonisch  ist,  so  muss  er  ein  zweites  Princip  des  Ka- 
non geltend  machen.  Welches  ist  das?  Wir  erhalten  dar- 
auf eine  deutliche  Antwort,  wenn  wir  die  Art  und  Weise 
beachten,  in  welcher  der  Verfasser  die  Paulusbriefe  behan- 
delt hat  (Z.  39 — 63).  Dieser  Abschnitt  ist  vielleicht  d^ 
denkwürdigste  imd  beachtenswerteste  in  dem  ganzen  Frag- 
ment; denn  er  legt  Zeugnis  ab  von  einer  geschichtlichen 
Entwicklung,  die  wir  ohne  ihn  zwar  erraten  oder  erschKessen, 
schwerlich  aber  belegen  könnten.  Zur  Orientirung  wird  es 
nötig  sein,  an  einige  bekannte  Tatsachen  zu  erinnern.  Bei 
Irenäus,  Theophilus,  TertuUian  liegt  ein  neutestamentlicher 
Schriftenkanon  mit  bestimmtai  Attributen  abgeschlossen  vor  *) 
und  wird  als  ein  Gegebenes  vorausgesetzt  und  bebandeli 
Zu  diesem  Kanon  gehören  fraglos  die  13  Paulinischen  Briefe. 
Irenäus  beginnt  sein  ketzerbestreitendes  Werk  (B.  I  Praef.) 
mit  CStaten  aus  den  Pastoralbriefen  *),  Theophilus  (III,  14) 
citirt  II.  Tim.  2,  lt.  Tit.  3,  1.  Röm.  13,  7f  neben  Jesaj. 
66,  5,  Matth.  5,  44  f;  6,  3  mit  der  Formel  o  ^flbg  Xoyog  xe^ 
Xn-fi,  der  Brief  der  gallischen  Christen  an  die  kleinasiatischen 
Gemeinden  (Euseb.  V,  1.  2)  ist  mit  Anfhhrungen  aus  den 
Briefen  des  Paulus  durchzogen,  Clemens  Alex,  legt  seinen 
moralischen  Erörterungen  im  Protrepticus  viele  Stellen  stA 
den  Pastoralbriefen  zugrunde,  TertulKan  endlich  macht  von 
den  Paulusbriefen  und  speciell  auch  von  den  Pastoralbriefen 
den  ausgiebigsten  Gebrauch  und  beruft  sich  auf  dieddben 


0  Von  den  Controversen  über  dSe  Zugehörigkeit  einiger  Schriften 
zu  diesem  Kanon  darf  in  diesem  Zusammenhang  abgesehen  werden. 

8)  S.  auch  I,  9,  3;  U,  18,  6;  DI,  3,  2.  4;  m,  14,  1.  Gelehrte  ün* 
tersuchungen  über  Paulusbriefe  HI,  7,  1;  14,  1;  IV,  26,  3. 


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DAS  MURATOBISCHE  FRAGMENT  ETC.         375 

wie  auf  die  Evangelien  *).  Scharfsichtige  Augen  haben  au» 
der  Auffassung  dieser  Briefe  beilrenäus  und  Tertullian  aller- 
dings herauslesen  können,  dass  Paulus  mit  seinen  Briefen 
damals  noch  ein  Neuling  im  Kanon  war  ^) ;  wir  dürfen  diese 
Erkenntnis  zunächst  auf  sich  beruhen  lassen.  Zugestanden  ist 
allerseits ;  das  die  genannten  Schrifteteller  die  rolle  kano- 
nische Dignität  der  Paulusbriefe  anerkennen  und  dass  sie 
nichts  darüber  vwraten,  auf  welchem  Wege')  und  warum 
die  Pauhisbriefe  in  den  Kanon  glommen  sind.  Aber  wei- 
ter: sie  wissen  ledigUch  von  einem  Princip  des  neutesta- 
mentlichen  Kanon,  dass  ist  das  der  Apostolicität  der 
Bücher  desselben.  Wenigstens  habe  ich  ein  anderes  bei 
ihnen  nicht  zu  entdecken  vermocht.  Das  Lucas*Evangelium 
ißt  das  des  Paulus,  das  MaiTUs-Evangelium  das  des  Petrus, 
die  übrigen  Schriften  sind  im  Kanon  lediglich,  weil  sie  apo- 
stolische sind.  Endlich  ist  Overbeck  (a.  a.  O.  S.  8)  im 
Rechte,  wenn  er  behauptet,  dass  die  Paulinischen  Briefe  bei 
Irenäus  und  Tertullian  im  Schatten  der  Apostelgeschichte 
stehen^  d.  h.  nach  ihr  interpretirt  werden,  und  dass  die  Grund^ 
begriffe  des  Paulinischen  Evangeliums  noch  immer  begraben 
sind,  ihre  gelehrte  Wiedererweckung  kaum  erst  begonnen 
hat.  Andrerseits  ist  darauf  hinzuweisen,  dass  bis  über  die 
Mitte  des  2.  Jahrhunderts,  in  welcher  Zeit  es  neben  dem 
Alten  Testament  zwar  alle  möglichen  Sanunluhgen  von  neuen 
heiligen  Büchern  und  Gemeindeleseschriften,  aber  noch  keinen 
neutestamentlichen  Kanon  gab,  die  Stellung  zu  den  Pauli- 
nischen Briefen  eine  sehr  verschiedene  gewesen  ist.  In  vie- 
len Gemeinden  sind  sie  gewiss  von  ältester  Zeit  an  neben 
anderen   Schriften    veriesen    worden   (I.    Clem.,    Polykarp., 


')  Auch  die  Testam.  XII  Patriarch.  (Beniam.  11)  setzen  die  Ka- 
nonisiniiig  der  Paulusbriefe  voiraus:  iv  ßifiXoig  dyCaig  fsatta  dva- 
y(ft(tpof48yo^  xal  70  %Qy9V  *ai  6  Xoyog  ttiVov. 

«)  Overbeck,  Ueber  die  Att^Bwsnng  des  Streites  des  Paulus 
mit  Petrus  in  Antiochien  bei  den  Kirchenvätern,  187?^  S.  8 — 13. 

»)  Wenn  Tertullian  adv.  Marc.  V,  21  die  Pastoralbriefe  de  «o 
clmattieo  statu  campoiitas  nennt,  so  streift  er  damit  nicht  einmal  da« 
historische  Zeugnis  welches  der  VerfiEusser  des  Fragments  Z.  62  f. 
überiiefert  hat. 


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376 

II.  Petr.),  bei  Marcion  hatten  sie  mit  Ausschluss  der  Pastoral- 
briefe neben  dem  Lucas-Evangelium  allein  kanonisches  An- 
sehen, die  Timotheusbriefe  fehlten  wahrscheinlich  auch  im 
Kanon  Tatian's,  wenn  von  einem  solchen  geredet  werden 
darf  ^),  in  manchen  Gemeinden  mögen  Paulusbriefe  in  der 
1.  Hälfte  des  2.  Jahrhunderts  überhaupt  noch  nicht  gelesen 
worden  sein,  doch  fehlen  dafür  Beweise.  Auch  besitzen  wir 
kein  Zeugnis  darüber,  dass  Paulus  in  den  Kreisen  der  Gh:x>88- 
kirche  zur  Zeit  der  apostolischen  Väter  und  Justin's  irgendwo 
feindselig   ignorirt    worden    sei*).      Das    Problem,    wel- 


i)  Die  Behauptung  des  Hieronymus  (Praef.  in  Comment.  in  ep. 
ad  Titum),  Tatian  habe  den  Titusbrief  anerkannt,  ist  auffallend  ge- 
nug, aber  schwerlich  zu  beanstanden.  Dass  Tatian  sich  besonders 
mit  Paulusbriefen  beschäftigt  und  sie  als  Autoritäten  verwendet  hat, 
ist  a  priori  wahrscheinlich,  wird  aber  durch  seine  Apologie,  durch 
Euseb.  IV,  29,  6  und  Iren.  HI,  37  (IV,  68,  2),  Clem.  Alex.  Strom,  m, 
12,  81.  82,  Hieron.  Comment.  in  ep.  ad  Gal.  c.  6  ausdrücklich  be- 
stätigt. Ausgiebiger  Gebrauch  der  Paulusbriefe  bei  den  Valentinia- 
nem  ist  urkundlich  constatirt;  vgl.  Ptolem.  ep.  ad  Flor,  und  Hein- 
rici,  Valent.  Gnosis,  passim  und  S.  192.  Die  Pastoralbriefe  sind  aber 
auch  von  den  Valentinianem  nicht  verwendet  worden.  Eine  Ausnahme 
bildet  dfiis  Citat  aus  dem  2.  Timotheusbrief  bei  Herakleon,  s.  Hein- 
rici  a.  a.  0.  S.  146. 

*)  Ueber  die  Verwendung  der  Paulinischen  Briefe  seitens  der 
Häretiker  hat  man  Klage  führen  müssen  (II.  Petri  3,  16;  Iren.  IV, 
68,  2)  und  die  „  Dunkelheiten "  der  Briefe  waren  unbequem  (11.  Petri 
1.  c. ;  Iren.  HI,  7,  1);  sieht  sich  doch  Irenäus  deshalb  sogar  bereits 
genötigt,  Untersuchungen  über  den  Paulinischen  Sprachgebrauch  an- 
zustellen. Aber  ein  feindseliges  Ignoriren  ist  nirgends  bezeugt.  Wo- 
her sollte  dasselbe  auch  stammen?  Will  man  auf  die  Einflüsse  des 
Judenchristentums  recurriren,  so  müsste  man  bis  auf  das  apostolische 
Zeitalter  hinaufgehen  tmd  annehmen,  dass  die  Heidenkirche  die  Aver- 
sion gegen  Paulus  ohne  ihre  ursprüngliche  Begründung  übemonunen 
hat;  die  Sache  wäre  geblieben,  während  das  Motiv  sich  geändert; 
denn  directe  Einflüsse  des  Judenchristentums  auf  die  Heidenkirche 
sind  schon  für  die  Zeit  des  Justin,  ja  noch  friiher,  nicht  mehr  nach-- 
weisbar.  Man  könnte  darauf  hinweisen,  dass  die  Person  und  die 
Briefe  des  Paulus  etwa  der  christlichen  Apologetik  hinderlich  waren, 
aber  mehr  und  anderes,  als  dass  sie  für  sie  gleichgültig  waren, 
wird  sich  nicht  erreichen  lassen,  und  so  wird  man  im  äussersten  FaUe 
ein  Ignoriren  des  Mannes  und  seiner  Predigt   zuzugestehen  haben. 


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DAS  MURATOKISCHE  FRAGMENT  ETC.         377 

ches  hier  vorliegt,  bleibt  auch  ohnedem  gross  genug.  Die 
Frage,  wie  die  Erangelien  kanonisch  geworden  sind,  ist  dem 
gegenüber  verhältnismässig  leichter  zu  beantworten ;  aber  wie 
ist  die  Kluft  zu  überbrücken,  die  durch  die  gänzlich  ver- 
schiedene Stellung  der  Gemeinden  um  150  und  ma  185  zu 
den  Paulusbriefen  bezeichnet  ist? 

Der  Verfasser  des  Fragments  findet  augenscheinlich  die 
13  Paulinischen  Briefe  in  der  kirchlichen  Sammlung  bereits 
vor  und  verrät  auch  nichts  davon,  dass  in  der  katholischen 
Kjrche  selbst  ein  Widerspruch  gegen  ihre  Zugehörigkeit  zu 
derselben  besteht;  aber  er  fühlt  noch  das  Bedürfnis, 
ihre  Stellung  im  Kanon  zu  rechtfertigen,  und  wir 
haben  oben  bereits  gesehen,  dass  er  die  Auskimft,  sie  seien 
kanonisch,  weil  sie  apostolisch  seien,  noch  nicht  kennt  We- 
der bei  den  Evangelien,  noch  bei  der  Apostel- 
geschichte kommt  es  dem  Verfasser  in  den  Sinn, 
ihre  Zugehörigkeit  zum  Kanon  zu  rechtfertigen, 
aber  auch  nicht  bei  dem  Judasbrief  und  den  Jo- 
hannesbriefen. Zunächst  constatirt  er  (Z.  40f.),  dass  man 
sich  über  Zahl,  Ort  der  Abfassimg  und  Zweck  der  einzelnen 
Briefe  aus  diesen  selbst  leicht  orientiren  könne;  die  Adresse 
nennt  er  in  diesem  Zusammenhange  nicht,  denn  mit  dieser 
hat  es  eine  besondere  Bewandtnis.  Obgleich  er  betreffs  des 
Zwecks  auf  die  Leetüre  der  Briefe  verwiesen  hat,  so  hält  er 
es  doch  für  nötig,  denselben  fiir  die  ausfuhrlichen  Korinther-, 
den  Galater-  imd  den  Römerbrief  ausdrücklich  anzugeben 
(Zt.  42  f.).  Schismen  und  Häresien  ^)  hat  der  Apostel  den 
einen,  die  Beschneidung  den  anderen  verboten,  den  Römern 
hat  er  Christum  als  Inhalt  und  Princip  des  Alten  Testa- 
mentes eingeschärft  Das  aber  sind,  fährt  der  Verfasser 
fort,  alles  Punkte,  über  welche  wir  Katholiken  zu 
streiten  haben*).     Mit  andern  Worten:  diese  Briefe  sind 


Beide  waren  gleich  unverständlich  und  man  brauchte  sie  nicht  not- 
wendig. 

1)  Seysmae  heresis  ist  natürlich  verderbt  (Z.  42);  Schisma  et  hae- 
T€8€8  die  leichteste  Aendenmg;  ob  die  richtige,  steht  dahin. 

«)  Z.  46 f.:  De  quibus  singuUs  necesse  est  a  nobis  disptUari. 
Zeitschr.  f.  E.>G.  UI,  8.  26 


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378 

mchtig,  um  in  der  Gegenwart  zu  bestimmen,  was  christlich 
sei,  und  die  häretischen  Meinimgen  der  Irrlehrer  abzuweisen. 
Aber  der  Verfiasser  begnügt  sich  damit  noch  nicht.  Er  geht 
zu  der  Adresse  der  Briefe  über  ^).  Paulus  hat  nicht  ausdrück- 
lich an  die  gesammte  Kirche  geschrieben,  das  ist  der  Rede 
Sinn,  sondern  lediglich  an  bestimmte  Gememd^a.  Aber  er  hat 
an  sieben  Gemdnden  geschrieben,  die  Siebenzahl  ist  die  öku- 
menische Zahl,  also  hat  Paulus  doch  an  die  Gesammtkirche, 
die  eine  katholische  Ejrche,  seine  Briefe  adressirt.  Diese 
mystische  und  Misverständnissen  ausgesetzte  Weise,  den 
wahren  Adressaten  zu  bezeichnen,  hat  er  jedoch  nicht  seibst 
erfund^i;  vor  ihm  hat  schon  einer  der  Zwölfe,  Johannes,  in 
seiner  Apokalypse  das  Gleiche  getan.  Damit  ist  alles  ge- 
sagt, was  zur  Rechtfertigung  der  Zugehörigkeit  der  Gemeinde- 
briefe des  Paulus  zu  bemerken  nötig  ist.  Wir  erkennen  aus 
diesen  Ausführungen,  dass  der  Verfasse  dem  Grundsatz 
folgt,  nur  solche  Schriftstücke  dürfen  in  dem  Kanon  ent- 
halten sein,  die  offenkundig  der  ganzen  Eürcbe  gelten,  ein 
Grundsatz,  den  weder  Irenäus  noch  TertuUian  bekunden,  weil 
»e  den  ökumenischen  katholischen  Charakter  aller  in  dem 
Kanon*)  befassten Büdier  als  selbstverständlich  bereits 


1)  Ich  beziehe  quibua  (Z.  46)  auf  scysmae  herens  etc,  schliesse 
den  Satz  mit  disputari  (Z.  47),  fasse  das  cum  (Z.  47)  wie  licet  (Z.  58) 
concessiv,  lasse  den  Nachsatz  mit  una  tarnen  (Z.  55  f.)  beginnen  und 
erkläre  verum  —  iteretur  (Z.  54 — 55)  als  Zwischensatz.  Der  Hesse- 
sche  Vorschlag,  nach  eeripsit  (Z.  46)  stark  za  interpungiren,  den  mit 
Cftm  beginnenden  Satz  (Z.  47)  nach  aepUma  (Z.  54)  zu  schüessen  und 
auf  das  Vorhergehende  zu  beziehen,  den  Satz  verum  —  iteretur  endlich 
als  Vordersatz  zu  tMa  tarnen  etc,  zu  fassen,  hat  den  grammatischen 
Augenschein  für  sich,  ist  aber  sachlich  undurchführbar,  worüber 
Hesse  selbst  am  besten  belehrt. 

*)  Der  Verfiwser  des  Fragmentes  will  also  nur  katholische 
Briefe  in  den  Kanon  aufgenommen  wissen,  und  deshalb  stempelt  er 
die  Paulinischen  Briefe  zu  solchen.  In  späterer  Zeit,  als  dfiis  Princip 
der  Apostolicität  sieh  durchgesetzt  hatte,  konnte  man  wieder  unbe- 
fangen zwischen  Briefen  mit  specieller  Adresse  und  katholischea 
Briefen  unterscheiden  (Origenes ;  Stellen  bei  Hilgenfeld,  Einleitung 
in  das  Neue  Testament,  S.  114).  Was  ApoUonius  (bei  Euseb.  H.  e. 
V,   18,  5)  unter  xa^oXixfi  imoroX^  verstanden  hat,  lässt  sich  ganz 


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DAS  MURATORISCHE  FRAGMENT  ETC.         379 

voraussetzen.  Indem  aber  unser  Verfasser  sich  noch  ver- 
pflichtet fühlt,  den  Beweis  anzutreten,  dass  den  paulinischen 
Briefen  wirklich  katholische  Charakter  zukommt,  und  an 
die  apostolische  Qualität  ihres  VerfiBtösertf  (Z.  48)  nicht  apel- 
liren  will,  vertritt  er  fUr  uns  eine  Stufe  in  der  Bildungs- 
geschichte  des  Kanons,  die  sonst  unbezeugt  ist.  Wohl  hat 
man  auch  später  noch  sich  an  der  mystischen  Siefoenzahl  der 
PauKnischen  Gemeinden  erbaut  oder  erfreut  ^) ;  aber  man  hat 
mit  ihr  gesj^elt;  denn  kerne  Theorie  verlangte  sie  mehr. 
Unser  Verfasser  aber  hat  in  derselben  keinen  geistvollen  Ein- 
fall produciren  wollen,  sondern  ihm  ist  sie  eine  apologetische 
Auskunft  von  höchstem  Belang.  Dies  zeigt  sich  weiter  so- 
wohl in  seiner  Beurteilung  der  PastorsJbriefe  als  der  drei  ka- 
tholischen Riefe  (Z.  68  f),  die  er  anerkennt.  Wenn  er  die 
Zugehörigkeit  des  jedenialls  am  Ende  des  2.  Jahrhunderts 
ganz  spärlich  bezeugten  Judasbriefes  zum  Kanon  einfach  con- 
statiren  kann,  ohne  es  für  nötig  zu  halten,  auch  nur  ein 
Wort  der  Rechtfertigung  zu  verlieren,  so  zeigt  das  deutlich, 
dass  er  nach  den  beiden  Qnmdsätzen  urteilte ;  kanonisch  ist 
nur  das  Apostolische,  und  kanonisch  ist  nur  das  Ejrchlich- 
Katholiscfae.  Deshalb  passirt  der  Judasbrief  mit  seiner  Adresse 
an  die  r,y(mfj^yot  xai  TiJtiQfj^lvoi  xXrfioi  ebenso  unbeanstandet, 
wie  der  adresselose  1.  Johannesbrief  und  der  an  die  Kirche, 
die  ixhxTTj  KvQiu,  gerichtete  zweite,  während  die  Paulusbriefe 
erst  gerechtfertigt  werden  müssen  und  der  3.  Johannesbrief 
um  seiner  Adresse  „iW;w  iw  ayoTir/ioJ"  willen  überhaupt 
nicht  in  Betracht  gezogen  wird  *). 

sicher  nicht  mehr  ermittehi.  Ein  sehr  beachtenswertes  Seitenstüdk 
zur  Bezeichnung  der  Paulusbriefe  als  katholischer  durch  den  Verfasser 
des  Fragmentes  bietet  Eusebius  (H.  e.  FV,  23,  1).  Er  nennt  die  Briefe 
des  Dionysius  von  Korinth  katholische,  obgleich  sie  an  bestimmte 
Gemeinden  gerichtet  sind,  weil  sie,  in  e  i  n  e  r  Briefisammlung  vereinigt, 
der  ganzen  Kirche  nötzlich  sind  imd  in  der  ganzen  Kirche  circuliren. 
Aber  Eusebius  denkt  nicht  daran,  die  Briefe  deshalb  für  kanonisch 
zu  halten.  Das  Princip  der  Katholicität  ist  für  den  neutestament- 
lichen  Kanon  somit  nicht  mehr  massgebend. 

0  Stellen  bei  Hesse;  s.  besonders  Cyprian,  Testim.  I,  20;  Ad 
Portun.  11. 

*)  Dies  ist  die  einfachste  Erklärung  für  die  scheinbar  auffallende 

26* 

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380  HARNACK, 

Bevor  wir  zu  den  Pastoralbriefen  übei^hen,  sind  in 
Bezug  auf  die  Ausfuhrungen  des  Verfassers  über  die  Q-e- 
meindebriefe  des  Paulus  noch  zwei  Punkte  zu  erledigen. 

Es  fragt  sich  erstlich,  ob  die  Berufung  auf  das  Beispiel 
des  Johannes,  welches  Paulus  nur  nachgeahmt  haben  soll 
(Z.  47 f.),  dem  Verfasser  selbst  mehr  bedeutet  als  lediglich 
eine  Bestätigung  seines  apologetischen  Q^dankens.  Man  könnte 
vermuten,  dass  Johannes  das  Verfahren  des  Paulus  legiti- 
miren  solle,  dass  mithin  Paulus  einer  solchen  Legitimation  be- 
dürfe, und  könnte  so  einen  Beweis  finden  für  jene  angeblich 
auch  aus  anderen  Erwägungen  folgende  Einsicht,  dass  die 
Autorität  des  Paulus  in  der  2.  Hälfte  des  2.  Jahrhunderts 
eine  noch  unsichere  und  schwankende  ist.  Indessen  zu 
Schlüssen '  in  dieser  Form  giebt  der  Text  keinen  Anlass ; 
wir  haben  auch  oben  gesehen,   dass  eine  vorläufige  Erwäh- 


Tatsache,  dass  sowohl  der  Murat.  Fragmentist  nur  von  einer  „Joan- 
nis  duas"  (Z.  69)  redet,  als  auch  Irenäus  zwar  den  2.  Johannesbrief 
zweimal  ausdrücklich  erwähnt  (I,  9,  3;  HI,  17,  8),  dagegen  den  3. 
nicht  nennt.  Der  1.  u.  2.  bilden  für  Irenäus,  wie  die  letztgenannte 
Stelle  beweist,  ebenso  eine  Einheit,  wie  für  den  Verfasser  des  Frag- 
mentes. Die  Hypothese,  dass  derselbe  Z.  69  den  2.  u.  3.  Brief  meine, 
während  er  den  ersten  (Z.  26  f.),  der  seine  Stellung  nach  dem  Jo- 
hannes -  Evangelimn  gehabt  hätte,  schon  dort  erwähnt  und  erledigt 
habe,  appellirt  an  die  exegetische  Willkür  und  an  die  Unkenntnis  der 
G^eschichte  der  Stellung  der  Schriften  im  neutestamentlichen  Kanon. 
Die  Trennung  der  beiden  kleinen  Schreiben  wird  nur  von  kurzer 
Dauer  gewesen  sein;  sobald  sich  das  Princip  der  Apostolicität  als 
allein  gültig  durchsetzte,  war  sie  wieder  aufgehoben.  Bereits  der 
Standpunkt,  den  Irenäus  selbst  einnimmt,  fordert  die  Aufnahme  des 
3.  Schreibens.  Aber  ihm  sind  nur  zwei  in  der  Sanmilung  überliefert  ge- 
wesen. Inunerhin  ist  dieses  Schicksal  des  dritten  Briefes  ein  lehrreichem 
Beispiel.  Es  weist  auf  eine'  Zeit  hin,  da  es  einen  Kanon  gab,  der  unter 
einem  anderen  Gesichtspunkt  beurteilt  wurde,  als  der  von  Irenäus  und 
Tertullian  innegehaltene  ist.  Man  hat  es  weiter  auffallend  gefunden, 
dass  der  1.  Petribrief  tmd  der  Jacobusbrief  im  Fragment  fehlen  und  hat 
sogar  eine  Lücke  constatiren  wollen.  Aber  der  letztere  hat  jedenfaUs 
auch  bei  Irenäus  tmd  Tertullian  gefehlt,  und  der  erstere  hat  eine  spe- 
cielle  Adresse.  Tertullian  hatte  ihn  nach  De  orat.  20  und  Scorp.  12 
in  seinem  Kanon,  ob  aber  auch  Irenäus,  der  ihn  ein  paar  Mal  citirt, 
steht  dahin.  Beachtenswert  ist  jedenfalls,  dass  bei  den  Valentinianem 
kein  Citat  nachgewiesen  ist;  vgl.  Heinrici,  Valent.  Gnosis,  S.  184 


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DAS  MURATORISCHE  FRAGMENT  ETC.         381 

nung  grade  der  in  der  Apokalypse  des  Johannes  enthaltenen 
Briefe  dem  Verfasser  nicht  unwichtig  sein  konnte.  Wohl 
aber  lässt  sich  das  Urteil  nicht  umgehen,  dass  der  Verfasser 
—  und  darin  stinmit  er  allerdings  mit  allen  in  Betracht 
kommenden  kirchlichen  Schriftstellern  des  2.  Jahrhunderts^ 
Tertullian  inclusive,  tiberein  —  es  als  selbstverständlich  vor- 
aussetzt, dass  Paulus  sich  an  das  Vorbild  der  zwölf  Apostel 
angeschlossen  hat  und  somit  auch  in  seiner  Tätigkeit  nach 
diesem  zu  beurteilen  ist  Man  hat  deshalb  nicht  anzu- 
nehmen, dass  der  Verfasser  einer  bestinmiten  Tradition 
über  die  Abfeissung  der  Apokalypse  zur  Zeit  des  Nero  oder 
noch  firüher  gefolgt  ist.  Er  findet  eine  Siebenzahl  der  Ge- 
meinden bei  Paulus  wie  bei  Johannes.  Da  ist  es  ihm  ohne 
weiteres  sicher,  dass  der  Herrenjünger  (Z.  9.  10)  nur  der 
Vorgänger,  der  spätere  Paulus  nur  der  Nachfolger  sein  kann. 
Dies  ist  nun  ganz  der  Standpunkt  der  Zeit,  und  ohne  Frage 
darf  gesagt  werden,  dass  die  Ansprüche  des  historischen 
Paulus  von  der  Kirche  ignorirt  worden  sind.  Wie  man  in 
der  Apostelgeschichte  die  Geschichte  aller  Apostel  berichtet 
fand  (Z.  34),  so  sind  die  Zwölf  unter  den  Aposteln  die  Vor- 
bilder, nach  denen  Paulus  betrachtet  wird.  Freilich  wusste 
man  von  den  Zwölfen  so  gut  wie  nichts  oder  vielmehr  we- 
sentlich falsches;  aber  Nichtwissen  lässt  freien  Spielraum  und 
Wissenwollen  fiillt  denselben  nach  Bedarf  aus,  während  wirk- 
liche Ueberlieferung  imd  Erkenntnis  oft  unbequem  ist.  Die 
Verweisung  auf  den  Sieg  jener  Mächte  über  diese  ist  wahr« 
scheinlich  zutreflFender  als  alle  Versuche,  aus  bestimmten  Ten- 
denzen die  neuen  Urteile  abzideiten ;  recurrirt  man  doch  bei 
geschichtlichen  Forschungen  noch  viel  zu  wenig  darauf,  dass 
die  Mehrzahl  der  Menschen  zu  allen  Zeiten  überhaupt  nicht 
nachdenken,  tmd  dass  deshalb  grade  die  wunderbarsten  Er- 
scheinungen Producte  der  Gedankenlosigkeit  sind,  die  sich 
darum  auch  g^enüber  jedem  vernünftigen  Erklärungsversuch 
als  spröde  erweisen.  Erwägt  man,  dass  die  Heidenkirchen 
seit  dem  Ende  des  1.  Jahrhunderts  auf  die  Herrenworte 
neben  den  Schrifken  des  Alten  Testamentes  ein  hohes  Gewicht 
legen  mussten,  dass  diese  Herrenworte  nur  durch  die  Zwölfe 
überliefert  und  legitimirt  sein  konnten,  dass  auch  sie  allein 


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382  HARNACK; 

als  die  Zeugen  des  Lebens  des  historischen  Jesus  in  Beh'acht 
kamen,  dass  ferner  allgemein  die  universelle  Heilspredigt  aus 
den  Schrifkai  der  Propheten  gefolgert  wurde  und  dass  zum 
Ueberfluss    einige   von  den   Zwölfen    selbst    in    die  Heiden- 
mission    eingetreten     waren;     nimmt    man    zu    diesen    Er- 
wägungen noch  hinzu,  dass  es  der  Heidenkirche  völlig  fi^i- 
stand,  sich  ein  beliebiges  Bild  von  den  Uraposteln  zu  zeich- 
nen —  womit  die  Apostelgeschichte  teilweise  schon  begonnen 
hat  — ,  wähi*end  die  Briefe  des  Paulus  in  ihrer  Polemik  un- 
verständlich, in  ihren  Anweisimgen  über  christliches  Leben, 
Verfassung,  Zucht  und  Cultus  ungenügend  und  sonderbar,  in 
ihren   dogmatischen  Ausftihrungen    mindestens    unbmuchbar 
erschienen :  so  ist  ein  Grund,  darüber  sich  zu  wundem,  dass 
Paulus  im  2.  Jahrhundert  immer  mehr  zurücktritt,  nicht  mehr 
vorhanden.     Es  sind  dabei  die  unbequemen  Berufungen  der 
Valentinianer,  Marcion's  imd  seiner  Kirche  auf  Paulus  noch 
nicht  einmal  in  Anschlag  gebracht     Nur  darüber  kann  man 
sich  wimdem,   dass  die  Paulusbriefe   sofort  im  Kanon   er- 
scheinen, sofort  ihre  feste  Stelle  erfialten  und  ein  Widerspruch 
gegen  dieselben  im   2.   Jahrhundert  überhaupt   nicht  nach- 
gewiesen werden  kann,  auch  nicht  bei  den  Zeitgenossen  des 
Verfassers  des  Fragmentes ;  denn  Gegner  der  Zugehörigkeit 
der  Paulusbriefe  zum  Kanon   hat  er  nicht   im  Auge.     Ich 
vermag  diese  Tatsache  nicht   anders  zu   erklären  als  diu*ch 
die  Annahme,   dass  die  öffentliche  Lesung  der  Paulinischen 
Bidefe  in  den  Gemeindeversammlungen  trotz  jener  Ignorirung 
des  wirklichen   Paulus  niemals  cessirt  imd  in   den  wdtaus 
meisten  Kirchen  stattgefunden  hat     So   allein  lässt  es  sich 
verständlich  machen,  dass  mit  dem  Kanon  auch  sofort  diese 
Briefe  kanonisch  sind,  obgleich  sie  ausser  anderem  sogar  ge- 
gen das  Princip  Verstössen,  welches  der  Verfasser  des  Frag- 
mentes für  den  Kanon  gültig  erklärt  hat  und  welches  z\^'ei- 
£^ohne,  wenn  nicht  das  älteste,  so  doch  älter  ist  als  das  des 
Irenäus  imd  TertuUian.    Eben  die  Beobachtung,    dass  der 
Verfasser  des  Fragmentes  eine  apologetische  Auskunft  braucht, 
um  die  Stellung  der  Brirfe  im  Kanon  nicht  gegenüber  Geg- 
nern derselben,  sondern  gegenüber  dem  Princip  des  Kanon 
SU  rechtfertigen,  zeigt,  dass  sie  ein  gegebener  und  nicht 


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DAS  MURAT0RI8CHE  FRAGMENT  ETC.         383 

ZU  umgehender  Bestandteil  des  Kanon  gewesen  sind.  Dieser 
N.achweis  bestätigt  mithin  die  Behauptung  Overbeck^s 
(a.  a.  0.  S.  13;  n.  20)  nicht,  Paulus  sei  mit  seinen  Briefen 
zur  Zeit  des  Irenäus  ein  Neuling  im  Kanon  gewesen.  Diese 
Behauptung  ist  vielmehr  nur  insofern  richtig,  iJs  die  Be- 
schäftigung mit  den  Paulinischen  Briefen  neu  ist,  weil 
der  Kanon  selbst  neu  ist,  man  sich  aber  bisher  wohl  schon 
fleissig  um  die  Evangelien  und  prophetischen  Schriften  —  auch 
so  lange  sie  noch  nicht  kanonisch  waren  — ,  nicht  aber  um 
die  Briefe  des  Paulus  gekiunmert  hatte.  Diese  sind  gelesen 
worden,  wie  viele  andere  Briefe,  nur  regelmässiger  und  häu- 
figer, aber  als  solche  mehr  oder  weniger  wirkungslos  ge- 
blieben, bis  ihre  Heiligsprechung  zwar  nicht  ihren  Inhalt, 
aber  ihren  Buchstaben  wertvoll  machte  und  ihn  zu  norma- 
tivem Ansehen  und  damit  zum  Gegenstand  der  gelehrten 
theologischen  Exegese  erhob.  Es  bewahrheitet  sich  aber  die 
Beobachtung  Overbeck^s  (a.  a.  O.  S.  8),  dass  die  Paulini- 
schen Briefe  im  2.  Jahrhundert  nach  der  Apostelgeschichte 
erklärt  worden  sind,  wenn  auch  ohne  den  gewagten  Zusatz, 
dass  die  Briefe  ohne  diese  schwerlich  in  den  Kanon  gedrun- 
gen wären.  Jenes  Ui'teil  Overbeck's  lässt  sich  nämlich  da- 
hin erweitem,  daßs  die  Paulinischen  Briefe  nach  den  Tradi- 
tionen über  die  Urapostel,  wie  sie  vornehmlich  in  der 
Apostelgeschichte  zusammengefasst  sind,  erklärt  wurden.  Dies 
bezeugt  der  Verfasser  des  Fragmentes,  wenn  er  sagt,  Paulus 
habe  den  Johannes  in  seinen  Briefen  an  sieben  Gemeinden 
nachgeahmt. 

Auffallend  ist  zweitens  folgende  Beobachtung.  Der  Ver- 
fasser hat  nachgewiesen,  dass  der  Zweck  der  epistulae  pro- 
lixiores  mit  dem  zusammentrifft,  was  die  Kirche  noch  heute 
gegenüber  den  Haeretikern  erweisen  müsse  (Z.  46 f.);  trotz- 
dem hält  er  es  für  nötig  auch  die  katholische  Adresse  der 
9  Gemeindebriefe  zu  ermitteln.  Nach  den  gleichlblgenden 
AuflfUhnmgen  über  die  4  Briefe  an  Privatpersonen  sollte  man 
meinen,  dass  es  ihm  hätte  genügen  müssen,  zu  zeigen,  dass 
der  Inhalt  der  Briefe  von  katholischer  Bedeutung  sei.  Ent- 
weder also  ist  die  für  die  Pastoralbriefe  geführte  Recht- 
fertigung eben  nur  ein  Notbehelf,   oder  er  vermochte  einen 


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384  HARNACK; 

der  jetzigen  katholischen  Kirche  wertvollen  Inhalt  nur    aus 
den  epp.  prolixiores  zu  erheben  und  sah  sich  deshalb  nach 
einer  neuen  Auskunft  um,  oder  endlich  involvirte  ihm    der 
angegebene  Zweck   (Untersagung  der  Schismen  und  Häre- 
sien, der  Beschneidung*,  Christus  im  Alten  Testament)  über- 
haupt noch  nicht  die  volle  Katholicität.     Von  dies^i   drei 
Möglichkeiten    ist   die    letztere  die  wahrscheinlichste;    denn 
durch  die  zuversichtliche  Kürze  bei  Beurteilung  der  Pastoral- 
briefe ist  die  erste  ausgeschlossen,  während  die  zweite  ganz 
unwahrscheinlich  ist.  Die  Gefeingenschafts-  und  Thessalonicher 
briefe  —  man  denke  z.  B.  nur  an  den  Epheserbrief  —  h&tten 
ihm  doch  die  Ermittelimg  einer  der  katholischen  Kirche  wert- 
vollen   causa  nicht  schwieriger  gemacht   als  die  Korintheiv 
briefe.     Mithin  bleibt  nichts  übrig  als  anzunehmen,  dass  die 
angegebenen  Zwecke  die  Katholicität  noch  nicht  verbürgten, 
sofern  sie  eben  nur  Einzelzwecke  und  deshalb  nicht  katho- 
lische sind.     So  sah  er  sich  genötigt,   die   Katholicität  der 
Gemeindebriefe  aus  der  Adresse  zu  erweisen. 

Wesentlich  anders  steht  es  mit  den  Pastoralbriefen  *). 
Zunächst  scheinen  sie  viel  grössere  Schwierigkeiten  zu  be- 
reiten als  die  Gemeindebriefe,  und  der  Verf'asser  räumt  auch 
willig  ein,  dass  sie  pro  affecto  et  diledione  geschrieben  seien  *). 


^)  Auf  den  Philemonbrief ,  der  (Z,  59)  den  Pastoralbriefen  bei- 
gesellt ist,  passt  freilich  die  Beurteilung,  welcher  diese  unterzogen  wer- 
den,  nicht;  er  ist  einfach  vom  Verfasser  auf  diese  Weise  escamotirt 
worden;  denn  den  Gedanken,  der  Philemonbrief  regle  die  „Sklaven- 
frage  *^,  konnte  nur  grobe  Unkenntnis  der  Geschichte  dem  YerfiEuser 
unterschieben.  Eine  „  Sklavenfirage "  gab  es  in  der  Kirche  des  2. 
Jahrhunderts  natürlich  überhaupt  nicht.  Aber  die  Belassung  des  Phi- 
lemonbriefes  im  Kanon  wider  das  Princip  desselben  ist  ein  neuer  Beleg 
dafür,  dass  die  10  der  13  Paulinen,  welche  der  Verfasser  einer  Theo- 
rie zu  Folge  in  9-|-4  geteilt  hat,  bei  der  Schöpfung  eines  Kanons 
nicht  übergangen  werden  konnten. 

>)  Ich  ändere  am  Texte  nichts  und  übersetze:  „Aber  an  Phile- 
mon  einer  und  an  Titus  einer  und  an  Timotheus  zwei  gemäss  liebe» 
▼oller  Wertschätzung;  dennoch  sind  sie  in  Ansehen  bei  der  katholi- 
schen Kirche;  bei  der  Feststellung  der  discipUna  eccleaiasticfi  [der 
Ausdruck  ist  unübersetzbar]  sind  sie  für  heilig  erklärt  worden."  Bei- 
läufig erlaube  ich  mir  die  Anfrage,  wie  die  Verehrer  eines  griechi« 


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DAS  MUßATORISCHE  FRAGMENT  ETC.         385 

Aber  dennoch  sind  sie  mit  vollem  Recht  in  der  Sammlung 
kanonischer  Schriften  ^);  denn  „bei  der  Feststellung  der  dis- 
ciplina  ecclesiastica  sind  sie  für  heilig  erklärt  worden".  Ein 
Dreifaches  ist  in  diesen  Worten  enthalten:  l)  die  Briefe  ge- 
hören zum  Kanon  um  ihres  katholischen  Inhaltes  willen^ 
sofern  sie  der  gesammten  katholischen  Kirche  *)  einen  wesent- 
lichen Dienst  geleistet  haben  **);  2)  die  Kirche  hat  das  Recht^ 


sehen  Originals  discipUna  jetzt  zu  übersetzen  gedenken;  denn  dass 
es  weder  mit  xayaiy  und  dytüyii,  noch  mit  dem  neuesten  von  Hilgen- 
feld  vorgeschlagenem  Wort  tj ai&fia  getan  ist,  muss  doch  zugestanden 
"werden. 

1)  In  Jionore  ecdesiae  cat?ioHc€ie  esse  bedeutet  natürlich  dasselbe 
-wie  in  ecclesiam  cathoUccun  receptum  esse  (Z.  66)  und  in  catholica  ha- 
heri  (Z.  69).  Diejem'gen,  welche  die  Identität  dieser  Ausdrücke  ge- 
leugnet haben,  haben  keine  Beweise  beizubringen  vermocht. 

*)  Der  Verfasser  führt  den  Ausdruck  catholica  ecclesia  erst  ein, 
nachdem  er  ihn  durch  die  Worte  tma  per  omnem  orbem  terrae  ec- 
clesia diffusa  esse  dinoscitur  (Z.  55 f.)  vorbereitet  hat;  dann  aber  hat 
er  ihn  drei  Mal  (Z.  61  f.  66.  69)  angewendet,  das  dritte  Mal  ohne  ec- 
clesia (wie  Tertull.  de  praescr.  26.  30,  Cornelii  episc.  epist.  ad  Cypr. 
48,  2,  Augustin;  auch  dies  spricht  für  ein  lateinisches  Original").  Die 
ältesten  Stellen  für  den  Ausdruck  cath.  eccl.  sind  PP.  App.  Opp. 
fasc.  I,  2  edit.  Lips.  U,  p.  141  gesammelt.  Bei  Irenäus  findet  er  sich 
bekanntlich  nicht,  wohl  aber  die  Sache;  bei  Tertullian  häufig.  Vor 
dem  Verfasser  des  Fragmentes  haben  ihn  Ignatius  (ad  Smyr.  8,  2)  und 
der  Verfasser  des  Martyr.  Polyk.  (16,  2;  19,  2)  angewendet.  Ob  aber 
diese  Stellen  und  das  Mart.  Pionii  (2.  9.  11.  13.  19)  wirklich  früher 
geschrieben  sind  als  das  Fragment,  lasse  ich  hier  dahingestellt.  In 
der  Moskauer  Recension  des  Mart.  Polyk.  (PP.  App.  Opp.  fasc.  11, 
p.  168,  4)  findet  sich  die  Phrase :  6  ixxXtiaiaarixo^  xccvwv  xal  xiC'd-oXixog, 
Dieselbe  bezieht  sich  aber  fraglos  dort  auf  die  regula  fidei.  Dass  un- 
ser Verfasser  grade  bei  den  Pastoralbriefen  zuerst  von  der  eccl.  cath. 
spricht,  kann  durch  den  Gegensatz  gegen  die  Marcioniten  hervor- 
gerufen sein;  denn  die  folgende  Phrase  eccUs.  discipUna  hätte  nur  eccle- 
sia allein  im  Voriiergehenden  erheischt.  (Ueber  die  marcionitischen 
Kirchen  im  Unterschied  von  den  gnostischen  Schulsecten  s.  Tertullian 
adv.  Marc.  IV,  5  u.  Zeitschr.  f.  wissensch.  Theol.  1877,  S.  80f) 

*)  Ecclesiastica  discipUna  kann  nur  aus  Tertullian*s  Schriften  er- 
läutert werden,  den  Griechen  ist  der  Ausdruck  fremd.  Aus  der  grossen 
Zahl  von  Stellen,  von  denen  Oehler  nur  einen  kleinen  Teil  planlos 
gesammelt  hat,  hebe  ich  folgende  hervor:  De  idolol.  13:  adversi^s 
fidem  diseipUnamque  communem.    De  praescript.  haer.  19:  ubi  appa- 


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386  HABNACK, 

über  die  Aul'nalime  von  Schriften  in  den  Kanon  zu  entschei- 
den, der  Kanon  steht  mithin  unter  der  Autorität  der  Kirche  ; 
3)  der  Verfasser  weiss  noch,  dass  die  Pastoralbriefe  nicht  von 
Anfang  an  in  der  Sammlung  heiliger  Schriften  gewesen  sind ; 
aber  er  berichtet  von  ihrer  Auftiahme,  ohne  einen  Widerspi-uch 
gegen   dieselben  zu  berücksichtigen.     Diese  Aussagen    sind 
sämmtlich  von  fundamentaler  Bedeutuiag  für  die  Entstehunga- 
geschichte  des   neutestamentlichen   Kanon.     Die  erste  bestä- 
tigt uns,  dass  der  Verfasser  die  neue  Schriftensaramlung  nach 
dem  Princip   des   Apostolischen  und   Katholischen  bem*teilt 
hat.     Legte   er  bei  den  9  Gemeindebriefen  den  Nachdruck 
auf  die  kathoHsche  Adresse,   so   legt  er  ihn  hier  auf  den 
katholischen  Inhalt.     Eine  apostolische  Schrift  ist  für  ka- 
nonisch zu  erachten,   wenn    sie  sich   durch  ihren  Inhalt  als 
katholisch  bewährt.     Wem  aber  steht  darüber  ein  Urteil  zu  ? 
Der  katholischen  Kirche,  denn  nui'  sie  kann  zu  sanctificatae 
sunt  logisches  Subject  sein.     Das  ißt  das  Bedeutsame  an  die- 
sem  Urteile,   dass  der  Verfasser  den  Umfang  des  neutesta- 
mentlichen Kanon  nicht  als  einen   der  katholischen  Kirche 
gegebenen,  sondern  als  einen  von  ihr  fixirten  ansieht  ^). 
Davon  verrät  aber  weder  Irenäus  noch  Tertullian  etwas  mehr. 
Beide  betrachten   die  Schriften  des  Alten  und  Neuen  Testa- 
mentes als  etwas  Gegebenes,  beide  begründe^  nur  das  alleinige 
Recht  der  katholischen  Kirche  auf  die  Auslegung  der  Bü- 
cher des  Kanon.     Wie  sie   das  Princip  der  E^tholicität  der 


ruerit  esse  veHtatem  disdplinae  et  fidei  Christianae,  ittic  erit  veritais 
ecripturarum.  De  praescr.  35.  43:  doctrinae  index  discipHna  est, 
41:  conversatio  haeretica  sine  discipUna,  ut  fidei  suat  congruens, 
45:  testimonia  discipUnae  ad  probationem  veritatis  accedunt.  Dar* 
nach  bestimmt  sich  der  Begriff  der  disoiplina.  Derselbe  umiaAst 
schlechthin  alle  christlich-kirchlichen  Functianen  mit  Ausnahme  der 
dogmatischen.  Fides  und  disciphna  sind  das,  was  wir  Chiistentum 
oder  Kirchentum  nennen  in  allen  denkbaren  Erscheinungsformen. 

1)  Wenn  Hesse  (S.  196)  aus  den  Worten  des  Verfessers  schliesst, 
die  Pastoralbriefe  seien  nicht  durch  einen  Beschluss,  sondern  durch 
den  Gebranch  zu  heiligen  Schriften  geworden,  so  ist  dieses  richtig, 
jenes  aber  ein  fiedscher  Gegensatz.  Sie  sind  bei  der  Feststellung  der 
ecel.  discipl,  gebraucht  und  deshalb  für  heilig  erklärt  worden. 


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DAS  MÜRATORISCHE  FRAGMENT  ETC.         387 

h.  Schriften  zwar  nicht  unterschlagen,  aber  unter  der  Vor- 
aussetzung seiner  Selbstverständlichkeit  unwirksam  gemacht 
haben,  so  haben  sie  auch  den  Gedanken,  dass  die  Kirche 
den  Kanon,  wenn  auch  nicht  producire,  so  doch  vermehren 
und  ausgestalten  könne,  nicht  mehr  zum  Ausdruck  gebracht  ^). 
Unser  Verfasser  dagegen  spricht  es  noch  ganz  unbefangen 
als  historisches  Urteil  aus,  dass  die  Pastoralbriefe  nicht 
von  Anfang  an  in  d^m  Kanon  waren;  er  weiss  es  noch,  auf 
welchem  Wege  rie  in  denselben  gekommen  sind,  fühlt  kein 
Bedürfnis  eine  spätere  Auinahme  als  solche  zu  rechtfertigen 
und  lässt  es  als  selbstverständlich  erscheinen,  dass  die  Kjrche 
das  l^itime  Subject  ist  für  eine  solche  Aufnahme.  Niemand 
wird  so  unvorsichtig  sein  wollen,  dem  Ver&sser  als  bewusste 
Erkenntnis  den  Gtedanken  zuzuschreiben,  dass  die  Kirche 
den  ganzen  Kanon  producirt,  d.  h.  dass  sie  es  sei,  die 
allen  Schriften,  welche  in  dem  E^non  stehen,  das  kanonische 
Ansehen  verliehen  habe.  Damit  streitet  schon  das,  was  er 
über  die  Evangelien  bemerkt  hat  Wohl  aber  steht  ihm  der 
Elanon  in  dem  Sinne  unter  der  Autorität  der  Kirche,  dass 
dieselbe  das  Recht  hat  bei  jeder  Schrift  nach  ihrer  Kirch- 
lichkeit zu  fragen  und  demgemäss  Bücher  aufzunehmen 
und  abzuweisen.  Dieses  Recht  hat  aber  nach  dem  Verfasser 
nicht  nur  in  älterer  Zeit  bestanden,  es  besteht  noch  eben. 
Die  Probe-daför,  dass  wir  richtig  erklärt  haben,  liefert  einer- 
seits die  ursprüngliche  und  unbefangene  Frische,  in  welcher 
die  Abschnitte  Z.  59 — 85  durchweg  geschrieben  sind  (,,wir 
nehmen  auf",  „Einige  von  den  Unsem  halten  die  Petrus- 


1)  Die  Stelle  De  pudicil,  10,  wo  Tertullian  bemerkt,  dass  der 
Hirt  des  Hermas  die  Aufiiahme  in  den  Kanon  nicht  verdient  hätte 
und  da«s  derselbe  von  allen  Synoden  auch  der  katholischen  Kirche 
unter  die  apokryphen  und  falschen  Schriften  gerechnet  worden  sei, 
belehrt,  dass  man  sieh  am  Eingang  des  3.  Jahrhunderts  auf  den  Sy- 
noden aueh  über  die  Zugehörigkeit  gewisser  Bücher  zum  Kanon  ver- 
ständigt hat.  Damit  ist  aber  nur  für  eine  verhältnismässig  sehr  frühe 
Zeit  belegt,  was  wir  sonst  erst  aus  späterer  Zeit  erfahren.  Ein  Zeug- 
nis, dass  man  in  der  Zeit  nach  Irenäus  noch  irgendwo  das  Bewusst- 
Min  gehabt^  Schtifteu  zu  vollem  kanonischen  Ansehn  erheben  zu 
körniefi,  fehlt. 


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388 

apokalypse  für  keine  kanonische  Lehrschrift",  ;,wir  ver- 
werfen" u.  8.  w.),  andrerseits  die  Beobachtung,  dass  er 
ausdrücklich  nur  das  Alte  Testament,  nicht  aber 
die  apostolische  Schriftensammlung  für  abge- 
schlossen erklärt  (Z.  78f.).  Schriften  können  auch  nocli 
heute  von  der  Kirche  für  kanonisch  erklärt  werden,  und  in 
dieser  Hinsicht  würde  dem  Hirten  nichts  im  Wege  stehen; 
aber  speciell  dieses  Buch  kann  in  finem  temporum  nicht 
aufgenommen  werden,  weil  es  kein  apostolisches,  sondern  ein 
junges  Buch  ist  und  weil  es  zudem  prophetischen  Charakter 
trägt  Die  imbefangene  Stellung  des  Verfassers  zeigt  sich 
weiter  auch  darin,  dass  er  den  Widerspruch  einiger  Katho- 
liker gegen  die  von  ihm  für  kanonisch  gehaltene  Apokalypse 
des  Petrus  einfach  registrirt,  ohne  das  Bedenkliche  dieser 
Diflerenz  hervorzuheben.  Mag  auch  der  Widerspruch  grade 
bei  diesem  Buche  ihm  weniger  anstössig  gewesen  sein,  so 
hätte  er  über  dieselben  nicht  so  stillschweigend  hinw^gehen 
können,  wenn  er  nicht  die  Zuversicht  gehabt  hätte,  dass  die 
Kirche  den  Widerspruch  in  Zukunft  noch  ausgleichen  könne 
und  werde. 

Wir  können  hier  nicht  zur  Beantwortung  der  Frage 
übergehen,  ob  die  Grundsätze,  welche  der  Verfasser  in  Be- 
zug auf  den  Kanon  vertritt,  uns  nahe  an  die  Zeit  herMi- 
fiihren,  da  derselbe  geschaffen  worden  ist;  aber  dies  ist  aus 
dem  Bisherigen  deutlich,  dass  die  Gemeindebriefe  des  Paulus 
und  die  Pastoralbriefe  eine  verschiedene  Geschichte  in  der 
Kirche  des  nachapostolischen  Zeitalters  gehabt  haben  müssen. 
Die  Aufiiahme  dieser  ist  später  erfolgt  als  die  jener  imd  sie 
ist  durch  bestimmte  geschichtliche  Entwicklungen,  die  dem 
Verfasser  des  Fragmentes  noch  im  Gedächtnis  sind,  veranlasst 
worden ;  jene  waren  da,  sobald  es  einen  B^on  apostolischer 
Schriften  gab. 

These  14 — 20.  Der  Verfasser  hat  fiir  die  Aufiiahme 
der  Pastoralbriefe  in  den  Kanon  den  Ausdruck  gebraucht: 
sanctificatae  sunt.  Derselbe  kann  nicht  anders  übersetzt 
werden  als  „sie  sind  heilig  erklärt  worden";  denn  dass  die 
Kirche  Schriften,  die  an  sich  nicht  heilig  sind,  zu  solchen 
machen  kann,  kann   der  Verfasser  nicht  vorausgesetzt  ha- 


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DAS  MURATOEISCHE  FRAGMENT  ETC.         389 

ben  *).  Wohl  aber  steht  ihr  ein  Urteil  über  die  Heiligkeit 
von  Schriften  zu^  weil  sie  selbst  als  ecclesia  catholica  zugleich 
die  ecclesia  sancta  ist,  d.  h.  den  heiligen  Geist  in  ihrer 
Mitte  hat  und  somit  alles  geistlich  erkennt  und  richtet.  Sind 
aber  die  Pastoralbriefe,  sofern  sie  mit  Recht  dem  Kanon  an- 
.gehöreu;  heilige  Schriften,  so  folgt,  dass  allen  in  demselben 
befassten  Büchern  dieses  Attribut  zukommen  muss.  Sie  teilen 
es  mit  den  Schriften  der  Propheten,  die  von  Anfang  an  in 
der  Kirche  als  heilige  Schriften  bezeichnet  worden  sind  ^). 
Aber  während  ftir  die  alttestamentlichen  Schriften  sich  das 
Frädicat  der  Heiligkeit  unmittelbar  aus  ihrem  Ursprünge 
ergiebt,  da  der  h.  Geist  selbst  in  ihnen  gesprochen  hat,  so 
recurrirt  der  Verfasser  ftir  die  Heiligkeit  der  neutestament- 
liehen  Schriftien  nirgendswo  auf  ihren  Ursprung.  In  der  un- 
be&ngensten  Weise  erzählt  er,  Lucas  habe  sein  Evangelium 
in  seinem  Namen  nach  eigenem  Bedünken  geschrieben  und 
habe  seine  G^schichtserzählung  verfasst  auf  Grund  der  Quellen, 
soweit  sie  ihm  zugänglich  gewesen  sind.  Der  Impuls  zur 
Abfassung  des  Johannesevangeliums  ist  nicht  vom  heiligen 
Geiste,  sondern  von  den  Mitjüngem  imd  Bischöfen  des  Apo- 
stels ausgegangen.  Zwar  erwartete  Johannes  eine  Offen- 
barung Gottes  an  alle;  aber  nicht  ein  Evangelium  wird  offen- 
bart, sondern  dem  Andreas  wird  vom  heiligen  Geiste  mit- 
^teilt,  dass  Johannes  suo  nomine  alles  niederschreiben 
solle*).    Paulus  hat  pro  correptione  zweimal  an  die  Ko- 


^)  Ueber  aanctificare  in  der  Itala  vgl.  Rönsch,  Itala  u.  Vul- 
gata,  S.  178;  über  ähnliche  Composita  S.  174  f. 

«)  Vgl.  1  Tun.  3,  15:  Ugd  yQafAfjara.  2  Clem.  48,  1:  al  Isgttl 
ßißXoi.  45,  2  (Cod.  C):  td  legal  ygatpaC  53,  1.  Polyc.  12,  1:  sacrae 
litterae  (dazu  Zahn,  p.  128,  7). 

8)  Die  ganze  Erzählung  hat  ihre  Spitze  in  dem  Satze:  ut  re- 
cognoscentibus  cunctis  Johannes  suo  nomine  ctmcta  discriberet 
(Z.  14  f.)  und  stellt  sich  ab  der  erste  apologetische  und  harmonistische 
Versuch  dar,  die  auffallende  Tatsache  zu  erklären,  dass  das  Evan- 
gelium des  Augenzeugen  und  Lieblingsjüngers  allein  eine  Beglaubi- 
gung (21,  24)  hat.  Gott  hat  diese  Beglaubigung  angeordnet,  einer 
so  ausserordentlichen  Weisung  bedurfte  es;  denn  wer  könnte  sonst 
es  wagen,  Worte  des  Johannes  zu  bestätigen.  Die  Fassung  von  re- 
cognoscere  ■■  sich  erinnern  ist  sprachlich  möglich,  aber  sie  ist  nicht 


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390  HARNACK, 

rinther  und  Theesalonicher  geschrieben,  die  Briefe  an  seine 
Freunde  sind  aus  liebevoller  Hochßchätzung  derselben  ent- 
sprungen, die  Weißheit  Salomonis  endlich  ist  von  Freunden 
desselben  zu  seinen  Ehren  verfasst  worden.  Damach  kann 
darüber  kein  Zweifel  sein,  dass  die  Männer,  unter  deren 
Namen  die  neutestamentlichen  Schriften  stehen,  für  die  wirk- 
lichen und  selbständigen  Verfasser  derselben  zu  halten  sind. 
Eine  Inspiration  derselben  als  Schriftsteller  ist  somit  aus- 
geschlossen. Die  älteste  Kirche  besass  einen  klaren  Begriff 
von  Inspiration;  inspirirt  sind  die  prophetischen  Schriften; 
für  diese  sind  die  Namen  ihrer  menschlichen  Verfasser  nip* 
Etiquetten  oder  besser  chronologisch  wichtige  EJtiquetten; 
Schriften  einer  anderen  Literaturgattung  können  zunäch^ 
gar  nicht  fiir  inspirirt  gehalten  werden,  so  lange  der  B^riff 
der  Inspiration  gilt,  den  z.  B.  Athenagoras  (Suppl,  8,  p.  8  B),. 
der  Verfasser  der  Cohortat.  ad  Gr.  (8)  u.  A.  formulirt  ha- 
ben ^).  Dennoch  spricht  unser  Verfasser  den  Neutestament- 
lichen Schriften  das  Prädicat  der  Heiligkeit  zu.  Wie  er 
dasselbe  nicht  auf  die  Inspiration  ihrer  Verfasser  gegründet 
hat,  so  auch  nicht  auf  das  apostolische  Amt  derselben; 
denn  im  letzteren  Falle  könnten  die  Schriflsen  nicht  von  der 
Earche  fiir  heilig  erklärt  werden.  Mithin  kann  der  Charakter 
der  Heiligkeit  den  Schriften  nur  zukommen  um  ihres  In- 
haltes willen;  mit  ihrem  kathoUschen  Zweck  und  Inhalt 
•  ist  das  Prädicat  der  Heiligkeit  bereits  gesetzt,  so  gewiss  die 
Kirche,  welche  die  katholische  und  wahre  ist,  eben  deshalb 
auch  zugleich  die  heilige  ist. 

Es  fragt  sich  aber,  wie  sich  diese  Anschauung  des  Ver- 
fassers über  die  Heiligkeit  neutestamentlicher  Schriften  zu 
den  fillheren  und  späteren  Urteilen   in  der  Kirche  verhält 

Paulus  ist  sich  bewusst,  dass  sein  Evangelicun  nicht 
Menschenwort,  sondern  Gottes  Wort  ist  (1  Thess.  2,  13),  und 
er  verlangt,   dass   die   napadoaagy  die  er  seinen  Gfememden 


nur  syntactisch  die  schwierigere,  eondem  sie  verdnnkelt  auch   d^ 
Sinn  der  Ausführungen  des  Verfctssers  vollständig. 

1)  Vgl.  auch  2  Petr.  1,  21 ;   doch  ist  die  Fassung  dort  viellöicht 
anders  zu  verstehen. 


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DAS  MUKATORISCHE  FRAGMENT  ETC.         39 X 

«iV«  ^<«  Xoyov  iit€  dl  intoToXtjg  einzuschärfen  hat,  von  ihnen 
gehalten  werden  (2  Thess.  2,  15).  Nicht  nur  dort,  wo  er 
Herrengebote  einzuschärfen  hat  (l  Cor.  7;  14,  37),  fordert 
er  unbedingten  Gehorsam,  sondern  auch  von  Anordnungen, 
für  die  wein  bestimmtes  Herrenwort  nicht  hat,  bemerkt  er: 
ovTiog  ly  Toig  ixxXr^aiaig  naauig  6 iuruaüOfiai  (l  Cor.  7 ,  17). 
Aber  natürlich  hat  er  damit  weder  die  Inspiration  seiner 
Briefe  behauptet,  noch  ihnen  als  Briefen  Heiligkeit  beigelegt 
Das  richtige  Verständnis  seiner  Worte  ergiebt  sich  aus  1  Cor. 
2,  4  f.  10  f.  Der  Verfasser  des  ersten  Clemensbriefes  nennt 
die  Apostel  (c.  5,  3)  die  guten  Apostel  (vgl.  Clem.  Hom. 
1,  16  p.  19,  8:  0  aya&hg  fUr^g),  dann  fuhrt  er  im  Folgenden 
Petrus  und  Paulus  ohne  ein  Beiwort  auf,  ganz  wie  der  Ver- 
fasser des  Fragmentes  (Z.  4),  Polykarp  (9,  1;  11,  2),  Igna- 
tius  (ad  Eph.  12,  2 ;  ad  Rom.  4,  3 ;  ad  Smyr.  3,  2),  Pseudo- 
clemens  (5,  3  f.)  und  Papias  (Euseb.  H.  e.  IH,  39,  15).  Cap. 
47,  1  fordert  er  auf,  den  Brief  des  seligen  Paulus  in  die 
Hand  zu  nehmen.  Auch  Polykarp  sagt  (3,  2)  o  ftaxd^og 
X.  iydo'§og  TlavXog  (ll,  3:  o  fAwuuQtog  11.)  und  der  Verfasse 
des  Fragmentes  schreibt  Z.  47  f. :  ^e  heatus  apostoUtö  PaviM. 
(Vgl.  Ptolem.  ep.  ad  Floram:  o  anoajoXog  TlavXog  drjXoT^ 
i  unooToXog  f<^€i5«  JlttvXog.)  Selbst  der  Verfiisser  der  Igna- 
tianiachep  Briefe  hat  niemals  von  den  heiligen  Aposteln  ge- 
sproch^a  *).  Die  Parallele  von  Aposteln  imd  Propheten  ist 
fireilich  uralt;  aber  sie  hat  mit  dem  Schrifttum  überhaupt 
nichts  zu  tun.  Andrerseits  ist  es  gewiss  nur  eine  allge- 
meine aktkirchliche  Vorstellui^,  die  Ignatius  ausgesprochen 
hat,  wenn  er  es  als  selbstveratändüch  (ad  Trall.  3,  8)  vor- 
aussetzt, dass  Apostel  das  Recht  haben  ^  ^Igemeine  kirch- 
liche Verordnimgen  zu  erlassen.  Indes  auch  diese  Vorstel- 
lung darf  nicht  auf  den  Umfang  ihrer  Briefe  übertragen 
werden.     Zwar  sagt  Polykarp  (3,  2)  ausdrücklich,  dass  die 


^)  Heilige  Presbyter:  Ignat.  ad  Magn.  3,  1.  Heilige  Märtyrer: 
Mart.  Polyc.  17,  2.  Heilige  Apostel  allerdings  Paulus  Ephes  3,  5, 
aber  in  gehobenster  Rede;  als  Titel  erst  im  3.  Jahrhundert  und  bei 
Eusebius.  Diesem  und  nicht  dem  Hegesipp  gehört  zweifelsohne  auch 
der  Ausdruck  d  Uqos  t.  dnooroXtov  x^Q^^  ^^  (B.  e.  HI,  32,  8). 


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392  HARNACK, 

Philippische  Gemeinde  durch  fleissige  Beschäftiguiig  mit  den 
Paulinischen  Briefen  auf  dem  ihr  gegebenen  Glauben  sich  er- 
bauen werde,  und  nach  dem  Verfasser  des  1.  Clemensbriefes 
hat  Paulus  in  aXfjd-eiag  nytvf.taTix(og  mQt  ktvrov  tb  xal 
Kfjipa  XI  mi  linoXXd  geschrieben,  aber  Polykarp's  Worte  fiihren 
nicht  über  das  Selbstverständliche  hinaus  und  in  geistlicher 
Weise  schreibt  jeder,  der  den  „Geist"  besitzt  ^).  So  ist  sich 
die  römische  Gemeinde  in  eben  diesem  Briefe  bewusst,  dass 
ihre  Worte  an  die  korinthische  Gottes  Worte  sind  (59,  l), 
sie  fordert  deshalb  dieselbe  auf,  gehorsam  zu  werden  roTg 
v(f  rf^wy  y^ygaf^ju^yotg  6ta  rov  aylov  nrev/uarog^)  (63,  2), 
nicht  ihnen,  sondern  Gott  selbst  würden  sie  dann  nachgeben 
(56,  3).  Ebenso  erklärt  Ignatius  (ad  Philadelph,  7,  l)  eine 
Anweisung,  die  er  der  Gemeinde  giebt,  flir  eine  fwyri  &fov, 
beruft  sich  aber  für  dieselbe  auf  eine  besondere  Gottesoffen- 
barung. Als  der  neutestamentliche  Kanon  sich  bildete,  gab 
es  mithin  eine  Vorstellung  heiliger  apostolischer  Schriften, 
sofern  sie  nicht  Apokalypsen  waren,  überhaupt  noch  nicht 
So  erklärt  es  sich ,  dass  ■  unser  Verfasser  von  einem  sancH- 
ficare  durch  die  Kirche  unbefangen  sprechen  kann,  und  dass 
er  diese  Heiligkeit  der  Schriften  noch  durchaus  nicht  auf 
den  Ursprung  derselben,  auch  nicht  auf  die  Heiligkeit  ihrer 
Verfasser  als  Apostel,  sondern  auf  ihren  katholischen  Inhalt 
zurückfuhrt.  In  dem  Momente  aber,  wo  das  Bewusstsein 
um  das  Princip  der  Katholicität  für  die  im  Neuen  Testament 
gesammelten  Schriften  verschwand,  musste  auch  das  Prädi- 
cat  der  Heiligkeit  eine  andere  Begründung  erhalten.  Ist 
aber  dann  der  Grundsatz  der  Apostolicität  der  für  den  B^a- 
non  massgebende  geworden,  so  musste  die  Heiligkeit  auch 
von  ihr  abgeleitet  werden.  Je  mehr  die  persönliche  Bedeu- 
tung der  Apostel  hinter  der  ihrer  Schriflien  verschwand,  um 
so  sicherer  fiel  dann  das  Prädicat  der  Heiligkeit  der  Schriften 


1)  Vgl.  J.  Delitzsch,  De  inspiratione  S.  S.  quid  statuerint 
patr.  apost.,  p.  58  sq.  Alle  Christen  besitzen  den  heiligen  Greist,  han- 
deln, schreiben  u.  s    w.  efta  nyfVfÄarog  ^yCov,  s.  Act.  13,  15. 

*)  Die  Verbindung  der  Worte  efe«  r.  dy.  ny.  mit  yiyQtc^ft,  ist 
eben  um  der  parallelen  Stellen  59,  1;  56,  3  willen  wahrscheinlicher 
als  die  mit  ixxoiptjre. 


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DAS  MCRATORISCHE  FRAGMENT  ETC.         393 

auf  den  Moment  ihres  Ursprungs.  Diese  neue  Vorstellung 
von  der  Inspiration  der  neutestamentlichen  Schriften  war 
aber  seit  dem  Ende  des  2.  Jahrhunderts  um  so  leichter  zu 
vollziehen;  als  die  Kirche  ja  die  ekstatische  Prophetie  als 
falsche  abzulehnen  begann.  Eben  weil  ihr  von  da  ab  eine 
klare  Vorstellung  von  Prophetie  und  Inspiration  überhaupt 
abhanden  kam,  konnte  sie  nun  ohne  Schwierigkeit  auch  sol- 
chen Schrift;en  Inspiration  zuschreiben^  deren  Merkmale  bis- 
her die  Annahme  einer  solchen  überhaupt  nicht  aufkommen 
Hessen.  Erst  im  Laufe  des  3.  Jahrhunderts  hat  sich  die  for- 
melle Gleichstellung  der  alt-  und  neutestamentlichen  Schrif- 
ten allmählich  vollzogen,  sofern  nun  auch  der  Ursprung  bei- 
der Schriftklassen  als  identisch  angegeben  wird.  Aber  die 
Anfänge  dieser  Entwicklung  finden  sich  schon  deutlich  bei 
Irenäus,  Theophilus  und  Tertullian.  Wenn  Theophilus  (ad 
Autol.  ni;  12)  bemerkt,  dass  die  Aussprüche  der  Propheten 
und  EvangeUen  über  die  Gerechtigkeit  zusammenstimmen 
Sia  TO  Tovg  narrag  nywfiaioipoQOvg  tri  nyevfiuit  d-tov  X(Xa- 
Xr^x^yat,  so  lässt  sich  nicht  verkennen,  dass  hier  Propheten 
und  EvangeUsten  auch  formell  gleichgestellt  sind  und  die 
Evangelien  somit  auf  göttliche  Inspiration  zurückgeführt  wer- 
den. Wenn  die  neutestamentUchen  Schriftsteller  —  denn 
diese  sind  verstanden  —  auch  U,  22  nyevfiuTO(p6Qoi  heissen 
(notyng  ol  nyivfÄaxoifOQOi,  15  wy  'icaayyrjg  Xeyti)  und  zusam- 
men mit  den  aytai  ygatpai  erwähnt  werden,  so  ist  deutlich, 
dass  Theophilus  grade  darauf  schon  Gewicht  legt,  dass  die 
neutestamentUchen  Schriftsteller  in  demselben  Sinn  Inspirirte 
sind  wie  die  alttestamentlichen,  die  er  11,  9  mit  dem  Namen 
nytv/jiaxotfOQoi  bezeichnet  hatte  *).  Nun  lässt  sich  andrer- 
seits nicht  leugnen,  dass  daneben  auch  noch  im  3.  Jahr- 
hundert, wie  oben  bemerkt,  eine  Betrachtung  nachwirkt,  die  die 
formelle  Unterscheidung  von  prophetischen  und  apostoUschen 


1)  Tertullian  setzt  die  Inspiration  der  neutestamentlichen  Schrif- 
ten im  strengsten  Sinne  voraus;  vgl.  die  wichtigen  Stellen:  De  virg. 
vel.  4;  de  resurr.  24;  de  ieiun.  15.  Seine  Exegese  ist  durchaus  von 
diesem  Dogma  beherrscht. 


Zeitschr.  f.  K.-O.  ni.  8.  27 

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394  HARNACK, 

Schriften  festhält;  sie  ist  jedoch  bereits  ganz  blass  und  wir- 
kungslos. 

Aber  es  firagt  sich,  ob  nicht  schon  von  dem  Verfasser 
des  Fragmentes  selbst  die  neue  Vorstellung  angebahnt  ist,  die 
erst  im  3.  Jahrhundert  zum  Abschluss  gekommen  ist  Z.  16  f. 
räumt  er  unbefangen  eine  Differenz  zwischen  den  Principien, 
d.  h.  den  An&ngen  ^)  der  Evangeüenbticher  ein  und  erklärt 
dieselbe  aus  dem  verschiedenen  schriftstellerischen  Ursprung 
derselben.  Er  bemerkt,  dass  die  Differenz  ftlr  den  Glauben 
der  Gläubigen  nicht  anstössig  sei  *) ;  aber  er  fiigt  einen  Grund 
hinzu,  weshalb  sie  nicht  anstössig  sei :  weil  in  allen  Evangelien 
alle  Stücke  über  die  Geburt,  das  Leiden,  die  Axiferstehung 
u.  8.  w.  uno  ac  principali  spiritu  dargelegt  seien 
(Z.  1 9  f ).  Der  Verfasser  sagt  nicht,  die  Evangelien  seien  in^i- 
rirte  Schriften,  sondern  er  sagt:  die  Hauptstücke  der 
katholischen  regula  fidei  »ind  in  den  Evangelien 
vom  heiligen  Geist  selbst  dargelegt*);  darum  kann 


1)  Das  Wort  principia  hat  hier  dieselbe  Bedeutung  wie  Iren,  in, 
11,  10.  12  und  in  den  demPolykarp  zugeschriebenen  Fragmenten  des 
Victor  von  Capua  (PP.  App.  Opp.  fasc.  U,  p.  171  sq.)  Mit  Unter- 
suchungen über  Anfänge  und  Schlüsse  der  Schriften  hat  die  gelehrte 
theologische  Forschung  und  Exegese  begonnen.  So  berücksichtigt  der 
Verfasser  ausser  den  Anfangen  der  Eyangelien  im  allgemeinen  noch 
speciell  den  Anfang  des  Lucas -Evangeliums,  den  Anfang  des  1.  Jo- 
hannesbriefes, den  Schluss  der  Apostelgeschichte,  den  Anfang  und 
Schluss  der  Paulusbriefe. 

8)  Vgl.  Tertull.  adv.  Marc.  IV,  2:  „Vidorit  enim  si  narratio- 
num  dispositio  variavit,  dummodo  de  capite  fidei  conveniat"  —  Aus 
dem  Ausdruck  fides  credentium  hat  man  geschlossen,  dass  der  Ver- 
fasser des  Fragmentes  für  Katechumenen  schreibe,  andernfalls  hätte 
er  etwa  fides  nostra  gesagt.    Indes  diese  Annahme  ist  sehr  unsicher. 

•)  Dass  uno  ac  principali  spiritu  für  ab  tmo  etc.  steht,  ist  das 
Wahrscheinlichste.  Oder  soll  man  annehmen,  dass  der  Verftisser  selbst 
hier  noch  die  Vorstellung  einer  directen  Autorschaft  des  Geistes  m'cht 
vollzogen  hat?  So  sagt  Irenäus  —  freilich  vom  ganzen  Umfang  der 
Evangelien  —  tergdfioggiov  t6  evayy^hov.  ivi  cfi  nvtv fjiax^  irwf/o- 
lÄfvop  (III,  11,  11).  Aehnlich  Theophilus  HI,  12  (s.  oben).  Aus 
Iren.  III,  2,  2  ergiebt  sich,  warum  der  Verfasser  des  Fragmentes  das 
solenne  Prädicat  des  Geistes  durch  die  beiden  anderen  ersetzt  hat.  So 
ist  es  auch  kein  Pleonasmus,  wenn  Theophilus   (11,  9)  von  ny^vaate- 


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DAS  MÜRATORIßCHE  FRAGMENT  ETC.         S9S 

der  Glaube  der  Gläubigen  getrost  die  Differenzen  der  Evan- 
gelienanßlnge  hinnehmen.  Nicht  um  eine  Inspiration  der 
Evangelienschriften  ist  es  dem  Verfesser  zu  tun,  sondern 
um  da«  Zeugnis  des  Geistes  flir  den  Inhdt  der  Glaubens- 
regd.  D^m  dass  dieser  in  den  Ausdrücken  de  ncctivitate  etc. 
gemeint  ist,  ist  fra^OB  *).  Wiederum  offenbart  rieh  hier  das 
eigentümliche  katholische  Interesse  des  Verfassers  am  Ka- 
non in  frappantester  Weise,  und  seine  Ausführungen  über- 
brücken die  Kluft,  die  in  der  Schätzung  der  Evangelien 
durch  die  Stellung  der  Väter  in  der  ersten  Hälfte  und  am 
Ende  des  2.  Jahrhunderts  beeeicfanet  ist.  Zwischen  dem 
Standpunkt,  den  Justin  einnimmt,  und  dem  so  ganz  anders- 
artigen des  Irenäus  (III,  11,  11:  o  Xoyog  i'iwx^y  t^fitry  «- 
TQUfiOQtfoy  To  €vaYY^ioy)  tmd  Theophilus  liegt  dw  unsereB 
Verfassers  mitten  inne :  die  Evangelien  sind  schrifiBtellmsche 
Erzeugnisse  menschlicher  Verfasser,  aber  dort,  wo  sie  die 
Hauptsätze  der  katholischen  regula  fidei  bezeugen,  ist  dies 
in  oder  von  dem  heiligen  Geeiste  selbst  geschehen.  Die  Ent- 
stehung dieser  Auffassung  aus  der  älteren  unter  dem  Ein- 
druck der  gnostischen  Antithesen  ist  dbenso  verständlich, 
wie  die  Entstehui^  der  jüngeren  des  Irenäus  und  seiner  Nach- 
folger aas  dieser.  Unserem  Verfasser  kommt  es  auf  den 
götdichen  Ursprung  auch  der .  Evangeliai  noch  nicht  an, 
wohl  aber  auf  ihren  vom  Geist  gestellten  Hauptinhalt ;  denn 
wie  sollte  sich  sonst  der  gnostischen  Leugnung  gegenüber,  die 
sich  doch  auch  auf  Evangeli^i  berief,  die  Wahrheit  der  Q^ 
schichte  Jesu  erweisen  lassen,  wenn  nicht  durch  ein  Zeugnis 
des  Geistes  für  diese  Geschichte?  Aber  —  fahren  wir  mit 
Irenäus  fort  —  wie  soll  sich  das  Zeugnis  des  Geistes  er- 
weisen lassen,  wenn  nicht  der  Urspnmg  dieser  Schriften  selbst 
auf  den  Geist  oder  den  Logos  zurückgefiihrt  wird,  und  diese 
vier  Evangelien  als  die  von  Anfang  an  gelegten  Grundfesten 


g}6goi  nvBvfAmxoq  ay(ov  redet.  Es  giebt  ja  auch  nyit^fAaxotf^QOi  ^utßoXav 
(s.  Herrn.  Mand.  XI,  meine  Bemerkungen  z.  d,  St.  mid  Hesse,  S. 
109  f.). 

1)  Wie  in  dem  ältesten  römischen  Symbol  fehlt  auch  hier  die 
ausdrückliche  Erwähnung  des  Todes  Christi  (vgl.  PP.  App  Opp. 
fasc.  I,  2  edit.  II,  p.  llösq.  137 sq.). 

27* 


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396  HARNACK, 

der  Kirche  ausgegeben  werden?  Der  Verfasser  des  Frag- 
mentes bekundet  seinen  älteren  Standpunkt  eben  dadurch, 
dass  er  überall  das  reine  Interesse  an  dem  katholischen 
Inhalt  der  Schriften  offenbart.  Ist  dieses  Interesse  selbst 
eine  Folge  der  gnostischen  Kämpfe  imd  entstammt  es  somit 
der  Apologetik  und  Polemik,  so  verbirgt  sich  dasselbe  doch 
noch  nicht  wie  bei  den  Schriftstellern  von  Irenäus  ab  hinter 
den  neu  erfundenen  Attributen,  mit  denen  man  die  neu- 
testamentliche  Schrift;ensammlung  auszustatten  begann. 

Die  Auffassung  von  den  Evangelien,  wie  sie  sich  bei  dem 
Verfasser  findet,  ist  freilich  längst  nicht  mehr  die  alte.  Nicht 
mehr  die  Herrenworte  stehen  zugleich  im  Vordergrund  und 
ßind  das  wesentlich  normative,  sondern  die  Geschichte  Jesu 
gegenüber  den  gnostischen  Entstellungen  ist  das  eigent- 
lich Wertvolle.  Allerdings  ist  die  Verkündigung  der  Tat- 
sachen und  Wendepunkte  des  Lebens  Jesu  so  alt  wie  die 
christliche  Predigt  selbst  (l  Cor.  15,  If.).  Von  frühester 
Zeit  ab  hat  man  für  die  „Taten"  Christi  das  gleiche  Inter- 
esse gehegt  wie  ftir  die  Worte  (der  Presbyter  des  Papias 
bei  Euseb.  H.  e.  III,  39,  15:  ra  vno  r.  Xqiotov  ^  Xix^iyra 
r)  uQax^iyTo)'^  sind  doch  auch  die  uralten  Symbole  mit  ihrem 
Bekenntnis  von  der  Geschichte  Jesu  älter  als  die  gnostischen 
Angriflfe  auf  dieselbe.  Aber  dem  Standpimkt  der  älteren 
Zeit  entspricht  es  keinesfalls,  wenn  der  Verfasser  aus  den 
Evangelien  nur  die  Hauptstücke  der  Geschichte  Jesu  hervor- 
hebt und  ftir  die  schriftliche  Aufeeichnung  dieser  Stücke  die 
Declaration  des  heiligen  Geistes  in  Anspruch  ninunt  ^).    Auch 


1)  Die  Ignatiusbriefe  stimmen  merkwürdig  mit  dem  Gredanken 
des  Verfassers  überein.  Wenn  Ignatius  ad  Philad.  ö,  1  ermahnt, 
man  solle  zum  Evangelium  flüchten  cJ;  caqxX  *Itiaov,  wenn  er  8^  2  als 
den  eigentlichen  Inhalt  des  Evangeliams  das  Kreuz,  den  Tod  und  die 
Auferstehung  angiebt  (vgl.  9,  2:  i^cUgeroy  de  n  Ix^i  to  ivayyiXioyf 
rr^v  naQovciay  rov  atoTrjQoc,  to  ndd-o^  avtov  xai  aydaraüiv^  ad  Smym. 
7,  2:  nQocixB^v  dh  rofc  ngotpffttagj  i^mqiTto^  dk  r^  BvayyBU^^  iv  y 
TO  ndd-og  ijftty  dedtiXattrai  xal  ij  dvdaiaaig  TfzeXsCtorai  u.  a.  St.),  so  ist 
offenbar,  dass  auch  für  ihn  der  wesentliche  Wert  des  Evangeliums  in 
der  Bezeugung  des  geschichtlichen  Jesus  gegenüber  dem  gnostischen 
Doketismus  besteht.    Darum  kann  er  das  Evangelium,  welches  er  je- 


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DAS  MÜRATORISCHE  FRAGMENT  ETC.         39T 

dies  ist  neu,  dass  die  Evangelien  bereits  unter  dem  Gesichts- 
punkt von  Lehrschriften  aufgefasst  werden,  und  zwar  gel- 
ten sie  als  solche  in  ihrem  vollen  Umfange;  denn  selbst  ihre 
verschiedenen  Anfänge,  an  welche  die  gnostische,  hauptsäch« 
lieh  die  marcionitische  Kritik  angesetzt,  müssen  als  Beleh- 
rungen aufgefasst  werden  *).  Der  Verfasser  setzt  weiter  da- 
bei voraus,  dass  in  allen  Evangelien  alles  bezeugt  sei,  was 
sich  auf  die  christologische  regula  fidei  bezieht^),  und  dass 
darin  volle  Uebereinstimmung  zwischen  den  verschiedenen 
Evangelien  herrsche  *).  In  allen  diesen  Beziehungen  hat  er 
die  Stellung  der  altkatholischen  Kirchenväter  zum  neutesta- 
menthchen  Kanon  bereits  angebahnt.  Die  Vorstellung  von 
der  Harmonie  aller  neutestamentlichen  Schriftstücke  und 
Lehrbegriffe  ist  die  notwendige  Consequenz  dieser  Thesen. 
Aber  diese  Consequenz  hat  der  Verfasser  selbst  noch  nicht 
gezogen.  Dass  er  über  die  nächsten  Bedürfiiisse  noch  nicht 
hinausgedacht  hat,  dass  es  ihm  nur  darum  zu  tun  ist,  die 
katholische  Kirche  und  ihre  Lehre  zu  stützen,  während  er 
sich  um  die  Stützen  der  Stützen  noch  nicht  besorgt  zeigt, 
ist  ein  deutlicher  Beweis  dafür,  wie  sehr  hier  alles  wirklich 


doch  noch  nicht  Im  Sinne  unseres  Verfassers ,  geschweige  in  dem  des 
Lrenäus  versteht  (s.  Zahn,  Ignatius,  S.  430 f.),  kurzweg  als  das 
„Fleisch"  Christi  bezeichnen.  Von  einer  Inspiration  evangelischer 
Schriften  kann  bei  ihm  umsoweniger  die  Rede  sein,  ab  es  ihm  auf 
evangelische  Schriften  überhaupt  noch  nicht  ankommt. 

1)  Licet  varia  singuHs  evangeliarum  libris principia  doceantur, 
sagt  der  Verfasser  Z.  16 f.  Der  Ausdruck  Itbri  evangeliorum  ist 
sehr  befremdlich.  Z.  2  hat  der  Verfasser  evangdü  librum  geschrieben, 
Z.  9  ist  für  das  unverständliche  QUARTI€UANGeLIORUM  viel* 
leicht  QUARTOeUANGeLIILIBRUM  zu  lesen;  aber  der  Plural 
evtMigelia  ist  Z.  17  schwerlich  zu  corrigiren.  Somit  bekundet  der 
Verfasser,  dass  er  in  der  Uebergangszeit  schrieb,  in  welcher  man  he- 
reits  begann  von  Evangelien  zu  sprechen,  aber  der  alte  Ausdruck  evan* 
gelii  Über  noch  der  gewöhnliche  war.  Z.  9  scheint  der  Verfasser  auch 
schon  evangelium  Johanms  kurzweg  geschrieben  zu  haben  (Z.  2:  se* 
cundo  Lttcan).  Auch  Tertullian  sagt  (adv.  Marc.  IV,  5)  evangelium 
Johawnis, 

»)  S.  Z.  20. 

»)  Vgl.  Overbeck  a.  a.  0.,  S.  4f. 


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}98  HAKNACK, 

noch  in  den  Anlangen  ißt  Darum  ist  ihm  auch  der  nicht 
apostolische  Ursprung  des  Evangeliums  nach  Lucas  gleich- 
gültig; ebenso  wie  der  Umstand,  dass  Lucas  nicht  Augen- 
zeuge gewesen.  Zwar  hebt  er  ea  bei  dem  Johannesevan- 
gelium als  wertvoll  hervor,  dass  der  Verfasser  desselben  das 
gelbst  gesehen  imd  gehört  hat,  was  er  geschrieben*),  aber 
die  wesentUche  Gleichwertigkeit  aller  Evangelien  steht  ihm 
fest  (Z.  16).  Sie  ist  darin  begründet,  dass  in  ihnen  allen 
.derselbe  Geist  das  nach  Art  und  Umüemg  Gleiche  declarirt 
hat.  Auf  diesem  Geisteszeugnis  beruht  die  Heiligkeit  der 
Evangelien.  Sie  ist  mithin  im  letzten  Gbnmde  nicht  anders 
gemeint  als  die  der  Pastoralbriefe;  denn  sind  diese  heilig, 
yfeil  ihr  Inhalt  die  L^timation  für  die  kirchUche  Disciplina 
^thält,  so  sind  jene  es  deshalb,  weil  sie  die  ky*chUche 
Glaubensregel  legitimiren.  Der  Unterschied  besteht  nur  da- 
rin, dass  fiir  die  HeiHgkeit  der  Evangelien  auch  schon  auf 
ihren  Ursprung  zurückgegangen  wird,  aber  noch  in  der  un- 
klaren Weise,  dass  die  volle  schriftstellerische  Selbständigkeit 
^irer  Ver&sser  dabei  bestehen  soll. 


1)  Beiläufig  bemerke  ich,  dass  ich  in  dem  Fragmente  von  einer 
Verteidigung  des  Johanneischen  Ursprungs  des  4.  'Evangeliums  sei- 
tens des  Verfassers  gegenüber  Angriffen  auf  denselben  nichts  zu  finden 
Teörmag.  Z.  9 — 16  erzählt  er  eine  Legende  über  den  Ursprung  des 
^«ches,  die,  wie  bereit^^  bemerkt,  aus  Joh.  21,  24  entstanden  ist, 
Z.  16 — 26  ist  ein  Abschnitt,  der  den  vier  Evangelien  gemeinsam  gilt 
J>ie  Anknüpfung  des  nun  Folgenden  ist  in  der  Hauptsache  nicht 
schwierig.  Der  Verfasser  hat  zuletzt  bemerkt,  dass  alle  Stücke  der 
christologischen  regula  fidei  in  den  Evangelien  vom  h.  Greist  gestellt 
seien.  Bai  der  Bedeutung  dieser  Stücke  (gegenüber  dem  gnostischen 
Poketismns)  ist  es  selbstverständlich  (vgl  zu  dem  quid  ergo  mif-um  si 
1  Clem.  43,  1 :  xai  %l  datvytanov  cf) ,  dass  sie  Johannes  auch  in  sei- 
nen Briefen  hervorgehoben  hat:  von  solchem  hat  er  geschrieben,  was 
er  gesehen,  gehört,  betastet  hat,  und  hat  sich  damit  als  Augen-, 
Ohrenzeugen  und  Berichterstatter  bekannt  Also  war  die  Person,  von 
der  er  schrieb,  ein  sinnenfalliges  Concretum ;  denn  Johannes  hat  naeh 
dem  sinnlichen  Eindruck  von  derselben  geschrieb^i.  Das  ist  alles, 
was  der  Verfasser  sagt.  Darnach  ist  deutlich,  dass  er  zwar  Gegner 
im  Auge  hat,  aber  lediglich  dieselben,  die  ihn  schon  Z.  16  f.  beschäf- 
tigt haben,  die  Doketen.    Wie  wäre  es  auch  denkbar,  dass  trotz  der 


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DAS  MURATORISCHE  FRAGMENT  ETC.         399 

These  21.  Wie  der  Verfasser  zwischen  den  Evange- 
lien nicht  unterscheidet,  so  deutet  er  auch  keinen  Wertunter- 
schied zwischen  den  Büchern ;  die  er  als  recipirte  aufzählt, 
an.  Alle  entgegenstehenden  Annahmen  haben  an  d^n  über- 
lieferten Text  keinen  Anhalt  Allerdings  könnte  man  grade 
von  hier  aus  auf  die  Vermutung  kommen,  dass  unser  Ver- 
iaseer  nicht  einfach  einen  Tatbestand  constatirt,  sondern 
einen  Zustand  an  seinem  Teile  erst  herbeiführen  will.  In- 
des ist  andrei^seits  zu  erwägen,  dass  weder  Irenäus  noch 
Tertullian  semikanonische  Bücher  kennen.  Wenn  sie  neben 
den  alttestamentlichen  und  neutestamentlichen  Schriften  sich 
auf  Bücher  wie  den  Henoch,  Hermas  und  andere  ähnliche 
beinifen,  so  ist  die  Erklärung  dafür  schon  oben  gegeben 
worden.  Mit  dem  Kanon  haben  diese  Schriften  nichts  zu 
tun.  Die  Gruppe  der  deuterokanpnischen  Bücher  ist  erst 
in  3.  Jahrhundert  geschaffen  worden  und  ist  wie  ein  Aus- 
druck der  Verlegenheit,  so  auch  zu  allen  Zeiten  ein  Privat- 
besitz der  Theologen  geblieben,  deren  alexandrinische  Vor- 
väter üe  geschaffen  haben.  Ja  diese  Schöpfung  ist  ein  Beweis 
dafür,  dass  die  Grenzen  des  Kanons  schon  seit  dem  Ende 
des  2.  Jahi'hunderts  fest  gezogene  und  schwer  zu  durch- 
brechende gewesen  sind. 

Auch  eine  Einteilung  der  kanonischen  Bücher  lässt  sich 
-aus.  d^n  Fragmente  nicht  erschliessen.  Der  Verfasser  reiht 
an  die  vier  Evangelien  *)  die  Apostelgeschichte,  13  Paulini- 
'sche  Briefe,  den  Judasbrief,  zwei  Johannesbriefe,  die  Weis- 
heit Salomonis  und. die  Apokalypsen  des  Johannes  und  Pe- 
trus. Nicht  einmal  der  Unterscheidung  in  to  evayyihoy  imd 
i  anoaxoXog  hat  er  einen  deutlichen  Ausdruck  gegeben. 
Daraus,  dass  am  Schluss  der  Aufzählimg  der  Briefe  des  Paulus 
diesem  untergeschobene  Schreiben  abgewiesen  werden  *),  folgt 

engen  Verknüpfung  von  quid  ergo  sq.  mit  dem  Vorhergehenden  nun 
plötzlich  ein  ganz  anderes  Thema  den  Verfasser  beschäftigen  sollte. 

1)  Dass  diese  unsere  vier  Evangelien  gewesen  und  im  Fragment 
naoh  der  Reiheniblge:  Matthäus,  Marcus,  Lucas,  Johannes  behandelt 
worden  sind,  ist  überaus  wahrscheinlich. 

s)  Z.  63  f.  Der  Laodicenerbrief  ist  vielleicht  unser  Epheserbrief, 
^r  jenen  Titel  in  dem  marcionitischen  Kanon  führte.    In  diesem  Fall 


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400  HARNACK, 

nicht,  dass  der  Verfasser  mit  dem  Judasbrief  den  Anfang 
einer  neuen  Gruppe  hat  bezeichnen  wollen.  Was  die  Reihen- 
folge betriffi,  in  welcher  die  Paulusbriefe  a\ifgezählt  werden, 
so  ist  es  wahrscheinlich^  dass  der  Verfasser  sie  so  in  seinem 
Bibelexemplar  vorgefunden  \md  für  eine  chronologische  ge- 
halten hat  *).  Aber  mehr  lässt  sich  auch  über  dieselbe  nicht 
sagen;  denn  sie  ist  so  undurchsichtig,  dass  sich  schlechter- 
dings nichts  aus  ihr  lernen  lässt. 

These  22.  23.  Die  Schriften  der  apostolisch -katho- 
lischen Büchersammlung  sind  gleichartig,  mithin  darf  ihnen 
auch  nichts  Fremdes  beigesellt  werden  (Z.  63  f.).  Der  Ver- 
fasser kennt  Briefe,  die  unter  Paulus'  Namen  gehen,  aber  sie 
sind  erdichtet  und  noch  dazu  ad  haeresem  Marcionis,  So 
wenig  dem  Honig  Galle  beizumischen  zuträglich  ist,  so  im- 
passend  wäre  es,  diese  Schriften  in  den  Kanon  aufzunehmen  *). 
Aber  auch  nicht  einmal  solche  Schriften  dürfen  in  den  Ka- 
non gelangen,  die  allen  Anforderungen  des  Kanon  genügen^ 
aber  von  Häretikern  redigirt  sind.  Der  Verfasser  meint  die 
Evangelien-Redactionen  des  Valentin  und  wahrscheinlich  des 
Tatian  (Z.  81  £)  »). 


wäre  der  Verfesser  ^ilich  der  Leichtfertigkeit  anzuklagen.  Vom 
Alexandrinerbrief  wissen  wir  einfach  gar  nichts,  ihn  mit  dem  Hebräer- 
brief zu  identificiren  war  ein  schlechter  Einfall. 

1)  Korinther,  Epheser,  Philipper,  Colosser,  Galater,  Thessalo« 
nicher,  Römer  (Z.  50 f.).    Korinther,  Galater,  Römer  (Z.  42  f.). 

*)  Der  Verfasser  betont  beides,  das  nomine  Pauli  fictae  und  das 
ad  haeresim  Marcionis.  Zu  dem  ersteren  vgl.  Serapion  (bei  Euseb. 
h.'  e.  VI,  12,  3) :  »J/u«rc  yaQ  xtä  Uirgoy  xal  rov^  aXXov^  dnomoXovg 
dno^B^ofAS^tt  iäg  XpiffrcV,  r«  &h  ovd/ian  «vrdSv  %p(v&$n(yqatfa  toc  1^ 
nfigoi  7i€tQaiTov/4eda  yiv<oaxoyT(g  ort  td  toutvTa  ov  naQsXdßofdey  (Se* 
rapion  schrieb  z.  Z.  des  Septim.  Severus).  Unser  Verfasser  hat  übri- 
gens die  Sap.  Salom.  unbedenklich  aufgenommen,  obgleich  er  weiss 
mid  sagt,  dass  sie  nicht  von  Salomo  verfasst  ist. 

8)  Dass  Z.  81  Tatiani  zu  lesen  ist  und  unter  den  abgewiesenen 
Schriften  das  evangelicum  instrumentum  des  Valentin  und  das  Dia- 
tessaron  Tatians  zu  verstehen  sind,  habe  ich  in  der  Zeitschr.  f.  d. 
luth.  Theol.  (1874,  S.  276f.  445f.;  1875,  S.  207f.;  vgl.  Zeitschr.  f. 
wissensch.  Theol.  1877,  S.  109  f.)  nachzuweisen  versucht.  Das  Dia- 
tessaron  ist  bekanntlich  vielfach  und  lange  in  den  Kirchen  des  Orients 


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DAS  MÜRAT0RI8CHE  FRAGMENT  ETC.         401 

These  24.  Endlich  folgt  aus  den  Bemerkungen  des 
Verfassers  zum  Hirten  des  Hermas  (Z.  7  3  f.),  dass  er  ledig- 
Uch  die  kanonischen  Bücher  in  der  Kirche  öffentlich  und 
regelmässig  ^)  vorgelesen  wissen  will.  Keine  Schrift  darf 
unter  den  Propheten  imd  Aposteln  dem  Volke  in  der  Ge- 
meindeversammlung veröffentUcht  werden  *),  die  nicht  wirk- 
lich entweder  diesen  oder  jenen  zugehört.  Der  Kanon  übt 
also  seine  Wirkung  bereits  auf  den  Cultus  aus.  Der  Um- 
fang der  beim  Cultus  zu  gebrauchenden  Bücher  soll  durch 
den  Umfang  des   Kanons  bestimmt    werden.     Wir  werden 


an  Stelle  der  vier  Evangelien  gebraucht  worden;  s.  jetzt  auch  die 
Doctrina  Addaei  und  den  Text  des  Diatessarons  in  der  Ausgabe  des 
Commentars  von  Ephräm  (von  Mösinger,  1877).  Von  Valentm  sagt  Ter- 
tullian  ausdrücklich:  integro  instrwnento  uti  videtur  (=  uHtur,  De 
praescr.  38).'  Wenn  nun  andrerseits  Irenäus  III,  11,  12  von  einem 
evangelium  veritatis  des  Valentinus  spricht,  aber  selbst  zugesteht 
(UI,  11,  10),  dass  die  Yalentinianer  das  Johannes-Evang.  unverändert 
gebrauchen,  so  kann  jenes  evang,  vertt.  entweder  nur  eine  Zusanunen- 
stellung  der  4  Evangelien  oder  ein  5.  Evangelium  neben  den  4  Evan- 
gelien gewesen  sein.  Das  erstere  ist  das  Wahrscheinlichere.  —  Die 
Kunde,  dass  Valentin  und  Tatian  ein  neues  Psalmenbuch  für  Mar- 
cion geschrieben  haben  sollen,  erscheint  weniger  auffallend,  wenn  man 
erwägt,  dass  1)  eigene  Marcionitische  Psalmen  von  einem  allerdings 
späten  Berichterstatter  ausdrücklich  erwähnt  worden  sind  (Zeitschr.  f. 
wissensch.  Theol.  1877,  S.  109  f.)  und  dass  2)  schon  Clemens  und 
Origenes  eine  gewisse  Solidarität  der  Valentinianer,  Basilidianer  und 
Marcioniten  in  der  Schriftbenutzung  bestimmt  bezeugen.  Dass  ihre 
Aussagen  nicht  etwa  leichtfertig  gemachte  sind,  ergiebt  sich  aus  einer 
Vergleichung  der  Marcionitischen  Exegese  der  Paulusbriefe  (Tertull.  1. 
V)  mit  der  Valentinianischen  und  Basilidianischen  Exegese  derselben 
Briefe  bei  Hippolyt  (Philos.). 

1)  Zahn  (Gott.  Gel.  Anz.  1878,  2.  St.,  S.37)  hat  gewiss  richtig 
geurteilt,  dass  der  Verfctöser  die  regelmässige  Leetüre  verbietet. 
Oeffentliche  Verlesung  von  Schriftstücken,  welche  den  Gemeinden  aus 
Irgend  welchem  Grunde  von  Wichtigkeit  waren,  in  den  Gottesdiensten 
hat  jedenfalls  noch  im  3.,  ja  im  4.  Jahrhundert  stattgefunden. 

*)  Se  puhlicare  in  ecclesia  populo  inier  apostolos  et  prophetca, 
sagt  der  Verfctöser  und  hat  damit  einen  umfassenden  und  präcisen 
Ausdruck  gewählt.  Je&^fxtxMVfji^a  (dtifio^ut)  ßißX^a  hiessen  schon  bei 
den  Juden  die  alttestamentlichen  Schriften,  sofern  auch  bei  ihnen  die 
öffentliche  Verlesung  Zeichen  des  normativen  Ansehens  war;  vgl.  aber 


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402  UARNACK; 

nicht  irren,  wenn  wir  annehmen,  dass  in  früherer  Zeit  um- 
gekehrt dei'  cultische  Gebrauch  gewisser  Bücher  sie  fiir  die 
Aufnahme  in  den  zu  schaffenden  Kanon  prädestinirt  hat  und 
dasß  auch  später  noch,  da  der  Grundsatz  des  Verfassers  nicht 
eingehalten  worden  ist,  Schwankungen  über  den  Umfang  des 
Kanons  durch  jenen  herbeigeführt  worden  sind  ^). 


Zur  Bestimmung  des  terminus  a  quo  der  Abfassungs- 
zeit des  Fragmentes  ist  auf  die  Behandlung  Montan's  und 
Tatian's  —  die  Richtigkeit  dieser  Conjectur  vorausgesetzt  — 
zu  verweisen.  Mag  man  mit  dem  Auftreten  Montanas  auch 
noch  so  weit  hinaufgehen  *)  und  der  Nachricht  des  Präde- 
^tinatus  (c.  26)  Glauben  schenken,  dass  Soter  gegen  die  Kata- 
phryger  geschrieben  habe,  immerhin  bleibt  es  höchst  unwahr- 
scheinlich, dass  vor  den  Jahren  170—175  ein  Abendländer 
den  Montan  so  behandelt  hat,  wie  der  Verfasser  des  Frag- 
mentes. Auf  denselben  Zeitpunkt  fiihrt  die  abschätzige  Be- 
.urteilung  Tatian's.  Dieser  scheint  noch  um  das  Jahr  160 
ein  ang^ehener  kirchlicher  Lehrer  in  Rom  gewes^a  zu  sein 
-(Euseb.  H.  e.  V,  1 8),  während  ihn  un«er  Verfasser  ganz  wie 
Irenäus  (I,  26,  1 ;  IQ,  37 :  connexio  f actus  omnium  haereti- 
corum)  mit  Valentin  und  Marcion  zusammenstellt.  Die  Zeit 
um  das  Jahr  170  --175  bildet  so  jedenfalls  aufwärts  die 
äusserste  Grenze.  Der  terminus  ad  quem  kann  aus  der  Be- 
merkung über  die  Abfassungszeit  des  Hirten  nur  luigicber 
bestimmt  werden.  Indes  —  ist  der  Hirte  um  das  Jahr 
135  geschrieben,  so  erscheint  es  nicht  ratsam,  über  die  Zeit 


auch  Valentiii  bei  Clem.  Alex.  Strom.  VI,  6,  62:  noXXd  iwy  y«x^«fi- 
fdäyuty  h  inii  d>i^oa(ai^  ßißXoig.  Der  Begriff  des  Apokiypheii  ist- von 
hier  xas  gebüdet  worden. 

1)  An  die  Briefe  des  Clemens  undBaruabas  und  ihre  Geschichte 
in  der  Kirche  ist  vor  allem  hier  zu  erinnern;  ygl.  die  bekannten 
SteUen  Euseb.  H.  e.  IV,  23,  11;  VI^  12,  2f.  etc. 

*)  Soyres  (Montanism  and  the  primitive  church,  1878,  p.  25  sq. 
157  sq.)  wül  das  Auftreten  Montan's  schon  um  das  Jahr  180  angesetzt 
wissen. 


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DAS  MURATORISCHE  FRAGMENT  ETC.         403 

des  Commodus  mit  der  Abfassung  des  Fragmentes  herab- 
ÄUgehen.  Auch  die  Anerkennung  einer  Petrusapokalypse  im 
Kanon,  das  Fehlen  des  1.  Petrusbriefes,  die  Nichterwähnung 
der  monarchianischen  Bemühungen  um  den  Kanon  und  man- 
ches andere  rät,  das  9.  Decenniimi  des  2.  Jahrhunderts  nicht 
2u  verlassen. 

Wichtiger  als  der  Streit  um  Jahrzehnte  ist  die  Frage, 
wie  sich  die  Anschauungen  des  Ver&ssers  von  der  kanoni- 
schen Sammlung  kirchlicher  Schriften  zu  denen  des  Irenäus 
xmd  Teii;ullian  verhalten  ^).  Eine  umfassende  Antwort  auf. 
^ese  Frage  kann  hier  nicht  gegeben  werden ;  denn  die  Stel- 
lung dieser  beiden  grossen  Eirchenväter  zum  neutestament- 
lichen  Kanon  ist  bisher  noch  nicht  gründUch  untersucht  wor- 
den. Indes  lässt  sich  soviel  bereits  bemerken,  dass  die 
Ansichten  unseres  Verfassers,  welche  in  der  6.,  7.,  10.,  11., 
12.,  14.,  15.,  16.,  17.  These  zusammengestellt  sind,  weder  bei 
Irenäus  noch  bei  TertuUian  irgendwie  deutlich  mehr  zum 
Ausdruck  gekommen  sind  *).  In  dieser  Hinsicht  repräaentirt 
der  Verfasser  des  Fragmentes  unzweifelhaft  eine  ältere  Stufe 
.d^  Ansichten  vom  neutestamentlichen  ELanon  und  zugleich 
eine  solche,  die  wir  ohne  seine  Zeilen  höchstens  durch  Con- 
jectur  erschliessen  könnten.     NamenÜich  bei  seiner  Behand- 


^^  Von  den  Alexandrinern  mnss  zunächst  abgesehen  werden. 
Wahrscheinlich  ist  in  Alexandrien  eine  Sammlung  neutestamentlicher 
Schriften  unter  ganz  anderen  Voraussetzungen  zu  Stande  gekommen 
.als  in  Kleinasien  und  Born.  Clemens  von  Alexandrien  betrachtet  die 
jneisten  Schriften,  die  jetzt  im  neutestamentlichen  Kanon  vereint  sind, 
.und  ausserdem  viele  andere,  verhältnismässig  sehr  junge  Bücher  als 
prophetische,  d.  h.  als  Orakelsammlungen.  Es  genügt  auf  Pae- 
.dagog.  I,  6,  p.  127  edW.  Potter  (<f*«  tovto  aqa  fAwstixiiig  to  i¥  ttf 
anoatöXt^  [seil.  Paulo]  ayiQv  nvev/^a  rfl  rov  xvgiov  anoxQoifitvov  ipt^fj, 
räka  ^fAOi  inoTwa  [1  Cor.  3,  2],  Uyeni  yd^  dykysvv^^^nM^y  •'f 
Xgiffroy^  6  dyecyivyiaug  r^fdäg  ixiQitpBi  n^  ^i^  ydXaxn,  tu)  Xoyi^)  und 
Paedagog.  II,  10,  p.  238  (xav  x6v  no^t]qvi  rtg  nu^a^Bd^  xdy  xvi^ioVj 
6  noixiXay&iis  ixsiyog  j^trcur  rd  rije  oocfiaq  üifd^  ^€ixwH,  tdg  noixCXac 
xai  fi^  fLttQuiyQ^urag  yqaffaq,  t«  Xoytn  tu  %ov  xvqIov,  jaig  tijg  dXrid-klng 
jxnaazQdTtToyTa  avyaTs)  zu  verweisen.  Andere  Stellen  bei  Bouth, 
J^eliq.  Sacr.  V,  342  sq. 
*■       2)  In  dem  Briefe   der  Gemeinden   von  Lugdunum   und  Yienna 


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404 

long  des  Lucas-Evangelium  und  der  Paulusbriefe  wird  die- 
selbe offenbar,  und  sie  erprobt  sich  femer  an  seiner  Beur- 
teilung der  Evangelien  überhaupt  und  vielleicht  auch  an  dem 
Schweigen  über  den  3.  Johannes-  und  den  1.  Petrusbrief. 

Umgekehrt  könnte  man  aus  dem,  was  in  der  8.  und 
24.  These  erhoben  ist,  schliessen  wollen,  dass  der  Verfesser 
des  Fragmentes  zeitlich  dem  Irenaus  nachzusetzen  sei.  Allein 
was  seine  Stellung  zu  den  Schriften  der  kirchlichen  Propheten 
betrifil,  so  steht  der  Annahme  nichts  im  Wege,  dass  schon 
im  2.  Jahrhundert  imd  vor  oder  zur  Zeit  des  Irenäus  Kle- 
riker so  consequent  geurteilt  haben  wie  er;  die  indirect  ge- 
gebene Anweisung  aber,  dass  der  Umfang  der  Uturgischen 
Leseschriften  sich  mit  dem  der  kanonischen  Bücher  decken 
müsse,  mag  mehr  Wunsch  und  Bestreben  des  Verfassers  als 
Ausdruck  einer  wirklich  bestehenden  Praxis  gewesen  sein. 

Repräsentirt  der  Verfasser  aber  im  ganzen  einen  älteren 
Standpimkt,  als  der  des  Irenäus  xmd  Tertullian  gewesen  ist, 
für  welche  der  Grundsatz  der  ApostoUcität  augenscheinlich 
bereits  der  allein  massgebende  war  ^) ,  und  kann  in  dem 
Zeitalter  des  Justin  von  einem  neutestamentlichen  Kanon 
der  Qrosskirche  überhaupt  noch  nicht  die  Rede  sein,  so  fragt 
es  sich,  ob  die  Anschauungen,  welche  der  Verfasser  zum 
Ausdruck  gebracht  hat,  nicht  diejenigen  sind,  welche  die 
Bildung  des  Elanons  veranlasst  haben.  Auch  diese  ent- 
scheidende Frage  kann  in  einer  monographischen  Abhandlung 


sind  bekanntlich  sehr  reichliche  Citate  ans  neutestamentlichen  Schrif- 
ten enthalten.  Nur  in  drei  Fällen  sind  dieselben  durch  eine  Citations* 
formel  eingeführt.  Joh.  16,  2  ^mrd  als  ein  Herrenwort  (V,  1,  15)  ci- 
tirt  (inXtjQovTo  ro  tJno  tov  xvqCov  UfAtSy  tiQfifiiwov)  \  Act.  7,  58  f.  wird 
eingeleitet  mit  den  Worten:  xa^ntq  Ixiq>avog  6  tiXuog  fjuigtvg  (2,  5). 
Nur  Apoc.  22,  11  wird  mit  der  Formel  citirt:  IVa  ij  yqutpn  nXrigio^g 
(1,  58).  Dies  mag  insofern  zufallig  sein,  als  die  Yerfieisser  gewiss  auch 
andere  Schriften  der  Apokalypse  völlig  gleichgestellt  haben ;  aber  man 
wird  vielleicht  vermuten  dürfen,  dass  die  einer  älteren  Zeit  entstam« 
mende  Citationsweise  bei  ihnen  noch  nachwirkt. 

1)  Eusebius  hatte  eine  Einsicht  davon,  dass  dieser  Grundsatz  an* 
gesichts  des  überlieferten  Kanons  nicht  durchführbar  sei.  Er  hat  des- 
halb auf  jede  principielle  Begründimg  für  den  Umfang  des  Kanons  ver- 
zichtet und  sich  ganz  und  gar  auf  die  Tradition  zurückgezogen.       * 


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DAS  MURATORISCHE  FRAGMENT  ETC.         405 

über  das  Fragment  nicht  zum  Austrag  gebracht  werden. 
Aber  so  viel  wird  aus  dem  Erörterten  deutlich  sein,  dass  für 
diese  Hypothese  sehr  vieles  spricht.  Die  wenigen  Zeilen  des 
Verfassers  fuhren  uns  in  eine  Zeit,  da  man  noch  ein  Bewusst- 
sein  davon  hatte,  dass  die  Kirche  am  Kanon  producire,  um 
ihr  Taufbekenntnis  zu  legitimiren  und  eine  apostolisch -ka- 
tholische Urkundensanmilung  dem  önosticismus  und  Mon- 
tanismus entgegenzustellen.  Dieselbe  erscheint  gegenüber  den 
montanistischen  Ansprüchen,  d.  h.  gegenüber  den  Grund- 
sätzen, welche  zwei  Menschenalter  hindurch  in  den  Heiden- 
kirchen unbefangen  befolgt  worden  ?varen  ^),  bereits  als  ge- 
schlossen, sonst  aber  noch  als  offen.  Aber  auch  dem  Gno- 
sticismus  gegenüber  erscheint  sie  als  geschlossen,  sofern  das 
Princip,  nach  welchem  sie  angelegt  ist,  jede  MögUchkeit  aus- 
BchUesst,  „Gulle  unter  den  Honig  zu  mischen ''.  Die  Unbe- 
fangenheit, in  welcher  der  Verfasser  den  Kanon  der  katho- 
lischen Kirche  unterordnet,  ist  bei  Irenäus  und  TertuUian 
nicht  ^mehr  zu  finden.  Ohne  Grund  würde  man  sich  über 
den  ausserordentlich  raschen  Verlauf  des  Prozesses  hier  wxm- 
3em;  denn  die  formelle  Gleichstellung  der  neuen  Sammlung 
mit  der  des  Alten  Testamentes  musste  in  der  Tat  in  kür- 
zester Zeit  alle  Urteile  ändern  und  alle  fiüheren  Erkennt- 
nisse auslöschen.  Dazu  kam,  worauf  oben  schon  hingedeutet 
■wurde,  dass  die  Attribute,  welche  der  Verfasser  der  neuen 
Sammlung  beigelegt  hat,  zwar  für  die  nächsten  Zwecke  aus- 
reichten, aber  auch  nur  fiir  diese.  Nur  unter  der  Bedin- 
gung einer  reinen  und  consequenten  Durchfuhrung  der  Prä- 
dicate  der  Apostolicität  und  Inspiration  konnte  der  Kanon 
die  Dienste  alle  tun,  die  man  von  ihm  verlangte  und  zu 
deren  Leistung  er  geschaffen  war. 


1)  Selbst  auch  noch  die  kirchliche  Praxis  eines  yerhältnismässig 
jungen  Häretikers,  des  Apelles,  zeigt  uns,  dass  der  sogenannte  Mon- 
tanismos  mit  seiner  Antithese  gegen  einen  geschlossenen  Kanon  nicht 
der  Neuerer  ist.  „Habet  praeterea",  schreibt  Pseudotertullian  c.  19 
von  ApeUes,  „privatas  sed  extraordinarias  lectiones  suas,  quas  ap- 
pellat  Phaneroseis  Philomenes  coiusdam  puellae,  quam  quasi  pro- 
phetissam  sequitur." 


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406  HABNACK; 

Ist  aber  der  Kanon  der  katholischen  Kirche  erst  dieser 
selbst   auf  dem   Fnsse  gefolgt  ^   sollte   er  dem  Ghiosticisinu» 
gegenüber   auf  die  Frage   Antwort  geben  ^   was  urkundlich* 
christlich  sei  —  eine  Frage,  um  welche  sich  z.  B.  Justin  im 
Grunde  nicht  gekümmert  hat,  weil  er  ihre  Beantwortung  ftür 
selbstverständlich   hielt  — ,  und  sollte  er   den  tmbequemsten 
Gegnern  gegenüber,  den  „Altgläubigen",    die   audientischen 
Anweisungen  f&r  das  christliche  Leben  ein  fUr  alle  Male  ein* 
schränken,  dann  wäre  schwer  abzusehai,  welch  ein  Mittel* 
glied  zwischen  Justin  und  dem  Verfasser  des  Fragmentes  noch 
eingeschoben   werden  könnte.     Der  apologetische  Kunstgrifl^ 
durch  welchen  er  die  Stellung  der  9  Paulusbriefe  im  Kanon 
rechtfertigt,  weist  allerdings  daraufhin,  dass  die  Sammlung^ 
der  Schriften  nicht  nach  den  Grundsätzen  vollzogen  ist,  welche 
der  Verfasser  auf  sie  angewendet  wissen  will;  aber  das  Zu- 
geständnis,  dass   Sammlungen  von  Schriften   dem  neutesta^ 
mentlichen  Kanon   vorang^angen  sind,    welche   sich  ihrem 
Bestände  nach  wenig  von  diesem   unterschieden  haben  und 
die  Grundlage  für  die  Bildung  desselben  abgaben,  ist  für  die 
Frage  nach   der  Kanonisirung  der  Schriften   relativ  gleich- 
gültig, 80  wichtig  es  ist,  mn  zu  verstdien,  wie  die  neue  Ord* 
nung  der  Dinge  nicht  notwendig  überall  als  ein  Umschwung 
empfunden  werden  musste.     Handelt  es  sich  um  Mittelglieder 
zwischen  dem  Verftisser  des  Fragmentes  tmd  den  Vätern  aus 
der  Zeit  des  Bamabas  imd  Justin,  so  kann  man  nur  auf  die 
christlichen  Secten-  und  Kirchenstifter  recurrirai,  welche  das 
Alte  Testament  vollständig  oder  teilweise  preisgegeben  haben, 
auf  Basilides,  Valentin  und  seine  Schüler,  vor  allem  aber  auf 
Marcion.     Diese  Männer  haben   zuerst  ein  Interesse  gehabt^ 
die  Frage  zu  stellen  und  streng  zu  behandeln,  was  christlioh 
sei,  imd  zur  Beantwortung  dieser  Frage  authentische  Urkunden 
zu  gewinnen,  wenn   auch  in   den  von  ihnen  gestifteten  Ge- 
meinschaften  die  „Prophetie"  zunächst  sich  gleichfalls  noch 
erhalten  hat. 

Der  sicherste  Beweis  aber,  dass  die  Kanonisirung  der 
Evangelien  und  Briefe  erst  nach  der  Mitte  des  2.  Jahr- 
himderts  stattgefunden  hat,  liefert  der  Montanismus.  Diese 
Richtung  hätte  gar  nicht  mehr  so  hervortreten  und  die  Ge» 


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DAS  MURATORI8CHE  FRAGMENT  ETC.         407 

genrichtung  ziim  Kampfe  aufinfen  können  unter  der  Herr- 
schaft eine»  nentestamentlichen  Kanons.  Man  braucht  nur 
die  montanistischen  Schriften  Tertullian's  aufmerksam  zu 
studiren^  um  den  lebhaftesten  Eindruck  zu.  gewinnen,  welche 
Schwierigkeiten  dem  Montanisten  der  Schriftenkanon^  den  er 
als  Katholiker  acceptirt  hat;  macht  Dass  der  Montanismus^ 
als  er  in  Kleinasien  zum  Kampf  sich  erhob  ^  an  kdnen 
Schrifleiikaiion  gebunden  war,  daes  er  nachträglich  und 
künstlich  erst  sich  mit  einem  solchen  abzufinden  versucht  hat^ 
ist  eine  der  sichersten  geschichtlichen  Beobachtungen.  Sie 
wird  aber  durchs  das,  was  uns  Eusebius  H.  e.  V,  18,  5  und 
VI,  20,  3  erzählt,  ausdrücklich  und  direct  bestätigt  Als 
der  Montanismus  den  nentestamentlichen  Kanon  acceptirte, 
hat  er  sich  selbst  den  Todesstoss  versetzt,  und  nur  ein  Theo- 
loge wie  TertuUian  konnte  es  noch  mögUcb  machen,  die  An- 
forderungen zweier  Zeiten  zu  vereinigen. 


Nachdem  die  Berufung  auf  das  Alte  Testament  allein 
sich  als  ungenügend,  auf  die  Gemeindeprophetie  sich  als  be- 
denklich erwiesen  hatte,  hat  die  Grosskirche  aus  ihren  Lese- 
schriften einen  zweiten  Kanon  gebildet  Hat  sie  dies  auch 
nicht  in  bewusster  Nachahmung  der  Gnostiker  und  Mar- 
cioniten  getan,  so  sind  diese  ihr  allen  Anzeichen  nach 
doch  factisch  vorausgegangen.  Als  der  Kampf  zwischen 
der  alten  und  der  einem  neuen  Zuge  folgenden  Richtung 
aufs  lebhafteste  entbrannte,  fand  es  sich  von  selbst,  dass  die 
werdende  neue  Schöpfung,  die  ihre  Spitze  zunächst  gegen 
die  Häresie  kehrte,  auch  gegen  die  „  Enthusiasten "  zu  brau- 
chen war.  Unter  diesen  geschichtlichen  Bedingungen  kam 
wie  die  Auswahl  so  die  Prädicirung  der  gelesensten  ur- 
christUchen  Schriften  zu  apostolisch-katholischen  Schriften  zu 
Stande,  wobei  allerdings  von  Anfang  an  Gewohnheit  imd 
Herkommen  die  reine  Durchfuhrung  des  Princips  der  K^tho- 
licität  beschränkten.  Die  Sammlung  wurde  dann  dem  Alten 
Testament  gleichgestellt  und  so  entstand  der  xuvwy  twv  ßißUo)y 
TT^g  xutytjg  ^ta&tjxfjgj  auf  den  dann  bald  die  Attribute  des  alt- 
testamenthchen  Kanons  übertragen  wurden,  während  gleich- 


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408     HARNACK,  DAS  MÜRAT0RI8CHE  FRAGMENT  ETC. 

zeitig  oder  schon  vorher  das  Prädicat  der  Apostolicität  die 
strengste  Fassung  erhalten  hatte.  Die  Uebertragung  jener 
Attribute  hatte  völlig  neue  Ansichten  über  den  Ursprung, 
den  Inhalt;  ja  den  geschlossenen  Umfang  der  neuen  Samm- 
lung zur  Folge.  Aus  den  das  erste  Jahrhundert  bewegen- 
den Gegensätzen  des  jüdischen,  judaistischen,  jüdisch-pau- 
linischen  und  hellenistischen  Christentums  kann  für  die  Ent- 
stehung des  neutestamentUchen  Kanons  schlechterdings  nichts 
gefolgert  werden.  Er  ist  wie  die  explicirte  Tauf formel  (die 
regula  fidei)  und  die  Ausbildung  der  kirchlichen  Hierarchie 
(nach  dem  Grundsatz  des  apostolischen  Amtes  der  Bischöfe) 
Product  der  zur  katholischen  Kirche  werdenden  Grosskirche 
aus  den  Heiden. 

Indes  —  diese  Andeutungen  gehen  bereits  über  die 
dieser  Abhandlung  gesteckten  Grenzen  hinaus.  Es  sollte  in 
ihr  durch  den  Versuch  einer  vollständigen  Beurteilung  imd 
Verwertung  des  Muratorischen  Fragmentes  lediglich  ein  Bei- 
trag zu  der  noch  ausstehenden  kritischen  Geschichte  der  Ent- 
stehung des  Neuen  Testamentes  gegeben  werden. 


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Papst  llrban  Vf. 

Von 
Theodor  Lindner  in  Münster. 


Am  20.  September  1878  war  seit  jener  Wahl  Cle- 
mens' Vn.;  welche  das  grosse  Schisma  eröfihete,  ein  halbes 
Jahrtausend  verflossen.  Ein  denkwürdiger  Tag,  nicht  allein 
in  der  Geschichte  des  Papsttums!  Denn  wer  möchte  leug- 
nen, dass  die  Erhebimg  des  Cardinais  von  Genf  zum  Gegen- 
papst von  weittragenden  Folgen  gewesen  ist,  dass  ihre  Nach- 
wirkungen greifen  bis  zur  deutschen  Reformation? 

Wie  war  das  Papsttum  eingetreten  in  das  14.  Jahr- 
hundert und  wie  anders  ging  es  in  das  15.  Jahrhundert  hin- 
über! Welche  Wandlungen  liegen  zwischen  Bonifacius'  VIII. 
und  Bonifacius  IX.!  Wohl  war  die  abendländische  Welt 
seit  langem  gewöhnt,  vom  Stuhle  Petri  herab  Worte  voll 
imgemessener  Ansprüche  zu  hören,  aber  Bonifacius'  VIII. 
Bulle  „  TJnam  sanctam ",  dieses  Hohelied  päpstlicher  Allge- 
walt, welches  den  Nachfolger  Petri  als  Richter  aller  Welt 
verkündigte,  war  doch  der  schneidendste  Klang,  den  sie  je 
von  dorther  vernahm.  Bonifacius  IX.  sah  die  eine  Hälfte 
der  Christenheit  seiner  Obedienz  entfremdet,  die  andere, 
welche  ihm  anhing,  en^egt  und  erzürnt  über  die  heillosen 
Zustände  der  Kirche;  Künste  aller  Ai*t  muss  er  anwenden, 
um  ein  allgemeines  Concil  zu  hintertreiben,  welches  sich  zum 
Richter  über  das  Papsttum  aufwerfen  sollte.  —  Ein  neues 
Geistesleben  rang  sich  allenthalben  empor:  in  Italien  hatte 
bereits  der  Humanismus  seine  ersten  Wurzeln  getrieben,  in 
England  Wicliff  seine  gewaltigen  Angriffe  unternommen;    in 

Zeitscbr.  f.  K.-G.  III,  8.  28 

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410  UNDNER, 

Deutschland  verjüngte  sich  neu  und  fruchtbar  die  Mystik,  in 
den  Städten  wucherte  die  Ketzerei,  in  Böhmen  predigte  Johann 
Huss!  Zwar  gingen  diese  Richtungen  von  verschiedenen 
Grundgedanken  aus  und  waren  widersprechend  und  unklar 
über  die  letzten  Ziele,  aber  derselbe  Ruf  nach  Reform  der 
Kirche  an  Haupt  und  Gliedern  klang  in  ihnen  allen  mit 
tausendfachem  Echo  wieder.  Weil  das  durch  das  Schisma 
gespaltene  Papsttum  seiner  alten  ELraft  beraubt  war,  ver- 
mochten sie  sich  zu  behaupten  imd  immer  weitere  Kreise 
zu  erfassen.  Dass  aber  das  Schisma  entstanden  war,  dass 
es  dann  Jahrzehnte  bestehen  blieb,  daran  trug  Urban  VI. 
die  meiste  Schuld. 

Ich  will  die  merkwürdige  Geschichte  seiner  Wahl  hier 
nicht  wiederholen;  es  genüge,  die  Hauptmomente  hervorzu- 
heben ^). 

Gregor  XI.  sah  sich  genötigt,  von  Avignon  nach  Rom 
zurückzukehren,  wenn  nicht  das  Papsttum  seine  Stellung  im 
Mittelpunkt  der  Welt  einbüssen  sollte.  Die  Rückkehr  nach 
der  alten  Heimat  veränderte  jedoch  nicht  den  französischen 
Charakter,  welchen  die  avignonesische  Zeit  der  Curie  aufge- 
drückt hatte;  von  16  Cardinälen,  welche  fiir  die  Neuwahl  in 
Betracht  kamen,  als  Gregor  am  27.  März  137Ö  voll  Kunmier 
dahinschied,  waren  nur  vier  Italiener.  Wenn  trotzdem  kein 
Franzose  auf  den  heiligen  Stuhl  erhoben  wurde,  so  lag  das 
hauptsächUch  an  dem  Zwiste,  der  unter  den  ultramontanen 
Cardinälen  herrschte,  denn  von  den  beiden  sich  befehdenden 
Parteien,  den  Limusinem  und  den  Galliern,  wollte  keine 
der  anderen  ihre  Stimme  geben.  Erst  in  zweiter  Linie  stand 
die  besorgte  Rücksicht  auf  die  Stadt  Rom,  deren  Bevölkerung 
drohend  einen  Römer  verlangte.  Schon  war  die  Wahl  des 
Erzbischofs  Bartholomäus  von  Bari  gesichert,  niu*  die  letztCTi 
Formalitäten  waren  noch  zu  erföllen,  als  die  au%eregte  Volks- 


1)  Ausführlich  habe  ich  über  sie  gehandelt  in  SybeFs  Histor. 
Zeitechrift  1872,  XXVm,  101  ff.;  für  das  Folgende  finden  sich  die 
Belege  meist  in  meiner  „Geschichte  des  deutschen  Reiches  vom  Ende 
des  14.  Jahrhunderts  bis  zur  Reformation^^  (Braunschweig  1875  imd 
1876),  1.  u.  2.  Band. 


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PAPST  ÜRBAN  VI.  411 

menge  in  das  Conclave  eindrang  und  die  Schlixsshandlung 
verhinderte.  Die  Cardinäle  stoben  voll  Furcht  auseinander. 
Erst  als  der  Sturm  sich  gelegt  hatte,  erfolgte  nach  einigen 
Tagen  am  18.  April  ohne  jede  Störung  die  Krönung  des 
Gewählten,  der  den  Namen  Urban  VI.  annahm.  Ausdrück- 
lich hatten  die  Cardinäle  vorher  noch  einmal  auf  ihn  ihre 
Stimmen  vereinigt. 

Bartholomäus  von  Prignano,  geboren  in  Neapel  ums 
Jahr  1318  von  einem  aus  Pisa  eingewanderten  Vater  und 
einer  dort  heimischen  Mutter,  war  fiüh  an  die  Curie  von 
Avignon  gekommen  und  erwarb  sich  dort  durch  seine  Tüchtig- 
keit Ansehen  imd  einfiussreiche  Gönner.  Er  erhielt  1363  das 
Erzbistum  Acerenza  in  Unteritalien,  welches  zwar  von  grossem 
Umfange,  aber  geringem  Einkommen  war.  Gregor  XI.  über- 
trug ihm  das  reiche  Erzstift  Bari  tmd  zugleich  die  einfluss- 
reiche Stelle  des  Vicekanzlers  der  römischen  Kirche.  So  war 
Bartholomäus  mit  den  Geschäften  völlig  vertraut,  als  er 
nunmehr  60  Jahre  alt  die  dreifache  Krone  davontrug.  Er 
war  fahlen  Gesichtes,  wie  die  meisten  Süditaliener,  von  kur- 
zem, gedrungenem  Körper,  der  grosse  Anstrengungen  er- 
tragen konnte.  Der  Kraft  des  Leibes  entsprach  die  Rüstig- 
keit und  Energie  des  Geistes,  dem  fortdauernde,  angestrengte 
Beschäftigung  Bedürfiiis  war.  Urban  hatte  tüchtige  Studien 
im  kanonischen  Rechte  gemacht;  er  galt  überhaupt  für  ge- 
lehrt imd  schätzte  imd  förderte  die  Vertreter  der  Wissen- 
schaft. Seine  Bullen  und  Briefe,  deren  allgemeine  Haltung 
gewiss  von  ihm  beeinflusst  wurde,  sind  in  kräftiger,  fliessen- 
der  Sprache,  in  bilderreichem,  schwungvollem  Stile  geschrie- 
ben. Mit  Gewissenhaftigkeit  imd  Eifer  erfüllte  er  stets  die 
kirchlichen  Pflichten,  noch  auf  dem  Nachtlager  pflegte  er 
die  Bibel  zur  Hand  zu  nehmen.  Sein  ganzes  Wesen  war 
ernst  und  streng;  sittliche  Ausschweifungen  und  schwelge- 
rische Ueppigkeit  lagen  ihm  fem.  Einfach  und  schlicht  er- 
schien er  auch  als  Papst  in  der  Oeffentlichkeit,  auf  einem 
Maultiere  reitend,  nur  von  einem  Diener  gefolgt.  Im  Gegensatz 
zu  so  manchen  hochgestellten  Personen  an  der  Curie  brachte 
er  den  Ruf  eines  \mbestechlichen ,  uneigennützigen  Mannes 
auf  den  Thron  mit.   Selbst  Demut  und  Bescheidenheit  sollen 

28* 


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412  LINDNER, 

ihn  geziert  haben,  ehe  er  die  höchste  Würde  der  Christen- 
heit erreichte  ^). 

Als  die  Wahl  unter  dem  Drange  der  Verhältnisse  er- 
folgte, wusste  offenbar  niemand  so  recht,  wessen  man  sich 
von  dem  Barenser  zu  versehen  habe,  wie  das  bei  Personen, 
welche  durch  Compromisse  streitender  Parteien  erhoben  wer- 
den, so  oft  der  Fall  ist.  Aber  es  ist  glaublich,  dass  die 
Cardinäle  erwarteten,  in  ihm  eine  gefugige  Natur  zu  finden, 
welche  sich  ihrem  Einflüsse  nicht  entziehen  würde.  In  der 
Geschichte  der  Papstwahlen  sind  es  nicht  seltene  Fälle,  dass, 
wenn  eine  Einigung  nicht  zu  erzielen  war,  die  Wähler  zum 
Notbehelf  einen  Mann  erkoren,  der  fUr  imbedeutend  galt, 
gewissermassen  als  Zwischenpapst,  um  den  Entscheid  über 
den  Vorrang  der  Parteien  für  die  nächste  Wahl  aufzuschie- 
ben. Es  fehlt  nicht  an  Andeutungen,  dass  es  mit  der  Er- 
hebung Urban's  eine  ähnliche  Bewandtnis  hatte.  Aber  zu- 
weilen entpuppten  sich  diese  gering  Angeschlagenen  als  recht 
tatkräftige  Geister.  So  auch  Urban  VI.  Der  vorher  de- 
mütige und  bescheidene  erhob  als  Papst  gewaltig  sein  Haupt; 
denen,  welche  ihn  für  einen  schwachen,  biegsamen  Charakter 
gehalten,  zeigte  er  das  grade  Gegenteil,  und  er  trug  Sorge, 
dass  diejenigen  seiner  Wähler,  welche  über  ihn  etwa  im 
Unklaren  gewesen  waren,  gar  bald  genauen  Bescheid  er- 
hielten. 

Denn  es  drängte  ihn,  seine  errungene  Stellung  auch 
gleich  geltend  zu  machen.  Während  seines  langen  Aufent- 
halts am  päpstlichen  Hofe  hatte  er  richtig  erkannt,  wo  die 
schweren  Schäden  des  Papsttums  lagen,  und  er  war  ent- 
schlossen, sie  gründlich  zu  beseitigen.  Kein  Misstand  fand 
so  allgemeine  und  gerechtfertigte  Anklage,  wie  das  Treiben 
der  Cardinäle,  ihr  glänzendes  Leben,  ihre  Vergeudung  der 
der  Kirche  gehörenden  und  immer  neu  zufliessenden  Schätze. 
Daher  erklärte  er,  die  Reform  der  Kirche  müsse  an  dem  Haupte 
beginnen;  mit  bitteren  Worten  tadelte  er  die  Prunksucht  und 
Ueppigkeit  der  Purpurträger,  forderte  er  Besserung,  mit  dem 
Beispiele  der  Strenge  gegen  sich  selbst  vorangehend.     Dem 


1)  D'etr'ch  von  Niem,  Hb.  I,  cap.  1. 

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PAPST  URBAN  VI.  413 

Schwärme  von  Geistlichen  aller  Stände  und  Länder,  welcher 
sich  an  den  päpstlichen  Hof  zu  heften  pflegte  und  oft  nur 
unter  dem  Verwände  von  Geschäften  die  Einkünfte  verzeh- 
ren half;  wurde  befohlen,  in  die  Heimat  zurückzukehren.  Die 
fortwährenden  Geldsammlungen,  welche  die  päpstlichen  Col- 
lectoren  überall  veranstalteten,  wollte  er  abgestellt  wissen. 
Nicht  mit  Unrecht  hoffte  er  durch  solche  Massregeln  die  ge- 
Bimkene  Achtung  vor  dem  Papsttum  wiederherzusteDen  und 
dessen  moralische  Macht  zu  heben. 

Doch  beschränkten  sich  Urbans  Pläne  wahrscheinlich 
nicht  auf  die  Reform  seiner  nächsten  Umgebimg  und  seines 
Hofhaltes.  Er  wollte  anknüpfen  an  die  voravignonesische 
Periode,  die  Rückkehr  nach  Rom  sollte  allen  Beziehungen 
ihren  neuen  Stempel  aufdrücken.  Er  hatte  gesehen,  wie  die 
französischen  Cardinäle  die  Curie  dominirten,  wie  sie  Urban  V. 
vermochten,  noch  einmal  nach  der  Provence  zurückzukehren, 
wie  sie  den  Einfluss  des  Papsttimis  den  politischen  Zwecken 
des  französischen  Königtums  dienstbar  machten,  er  wusste 
auch,  dass  sie  in  der  Mehrzahl  noch  jetzt  nach  Avignon 
zurückstrebten.  Der  Einsicht,  dass  das  Papsttum  heraus- 
treten müsse  aus  dem  einseitigen  Interessenkreise  Frankreichs, 
dass  es  nicht  mehr  einem  einzelnen  Reiche  angehören  dürfe, 
sondern  dem  gesammten  Abendlande,  verschloss  er  sich  kei- 
neswegs, und  so  wurde  die  Loslösung  vom  französischen 
Uebergewichte  das  Programm  Urbans.  Deshalb  wollte  er 
den  grössei*en  Teil  der  Cardinäle,  die  in  ihre  Bistümer  zu- 
rückkehren sollten,  vom  Hofe  entfernen,  deshalb  beabsich- 
tigte er  die  Ernennung  neuer  aus  allen  Ländern  der  Christen- 
heit. 

Die  Rückkehr  nach  Rom  wies  zwingend  darauf  hin, 
den  italischen  Verhältnissen  erneute  Aufinerksamkeit  zu  schen- 
ken. Das  Werk  des  grossen  Albomoz  war  schneU  wieder 
zerfallen,  der  Bestand  des  Earchenstaates  aufs  neue  geftOirdet, 
der  Krieg  mit  den  Florentinern  erforderte  grosse  Opfer  und 
drohte  dem  Abfall  der  päpstlichen  Gebiete  weiteren  Vor- 
schub zu  leisten.  Eine  nicht  geringe  Aufgabe  in  nächster 
Nähe  harrte  denmach  ihrer  Lösimg.  Und  wenn  auch  Urban 
absehen  wollte  von  jenen  tmziemlichen  Mitteln,  seinen  Schatz 

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4U 

zu  füllen,  so  strömte  doch  immer  noch  Gold  in  reicher  Fülle 
zu,  völlig  genug,  eine  grosse  Politik  zu  ergreifen,  sobald  die 
Curie  nicht  wie  bisher  ungezählte  Summen  verschlang.  Jene 
Sparsamkeitspläne  hatten  demnach  nicht  ausschliesslich  ein^i 
moralischen  Grund.  Wieweit  Urban's  Pläne  anfangs  gingen 
imd  welcher  Art  sie  waren,  muss  dahingestellt  bleiben^  da 
der  Ausbruch  des  Schismas  hindernd  und  ändernd  einwirkte. 
Aber  soviel  ist  als  sicher  anzunehmen,  dass  er  vom  Beginn 
seines  Pontificats  an  sein  in  den  inneren  Verhältnissen  ihm 
wohl  -bekanntes  Vaterland  Neapel  ins  Auge  fasste.  Die  ake 
Königin,  die  berüchtigte  Johanna  I.,  hatte  keine  unmittel- 
baren Erben.  Hier  konnte  eine  entschiedene  Politik  am 
ehesten  die  Machtstellung  des  heiligen  Stuhles  erhöhen. 

So  war  Urban  voll  grosser  Gedanken,  gewiss  ein  Mann 
nicht  gewöhnlichen  Schlages;  es  fragte  sich  nur,   ob  er  die 
Aufgaben,  welche  er  sich  gestellt,  auch  lösen  könne,   ob  er 
die    richtigen  Mittel  dazu  finden    werde.     Die  grösste   Ge- 
wandtheit,   die  feinste  Klugheit  war  nötig,    um  die   stolzen 
Cardinäle  in  allen  Stücken  dem  päpstlichen  Willen  unterzu- 
ordnen ;  nicht  mit  Einem  Male,  nur  allmählich  durfte  Urban 
vorgehen.     Aber    die    Leidenschaftlichkeit    seines    Tempera- 
mentes riss  ihn  fort,  der  Ungeduld,  schnelle  Erfolge   zu  er- 
zielen, wurde   er  nicht  Herr.     Uebereinstimmend   wird   be- 
richtet, dass  er  den  Cardinälen  viel  zu  schroff  entgegentrat, 
dass   er  in  unziemender  Weise   seine  Befehle   erteilte,    mit 
einer  gewissen  inneren  Genugtuung  allen  persönlichen  Ab- 
neigungen  nachgab.     Gleich   von   Anfang   an   zeigte   seine 
Führung  der  Zügel  ,,modimi  sine  modo"*),  und  doch  sass 
er  nicht  so  fest  im  Sattel,  wie  er  glaubte. 

Die  Folgen  seines  Auftretens  blieben  nicht  aus.  Einer 
der  Cardinäle  nach  dem  andern  entwich  „aus  Gesundheits- 
rücksichten" nach  Anagni,  schon  Mitte  Juli  waren  sie  ent- 
schlossen, sich  des  imliebsamen  Herrn  wieder  zu  entledigen. 
In  diesem  Wunsche  begegneten  sie  sich  mit  Johanna  von 
Neapel  imd  deren  eioflussreichem  Minister  Nicolo  Spinelli. 
Die  Königin  hatte    ihren  Gemahl,   den  ritterlichen  Herzog 


0  Gk>beUni  Cosmodromium  bei  Meibom,  Scr.  rer.  Grerm.  1,275. 

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PAPST  URBAN  VI.  415 

Otto  von  Braunschweig-Tarent,  alsbald  nach  Rom  geschickt 
mit  dem  Wimsche,  dass  Urban  als  Oberlehnsherr  ihn  zum 
König  von  Neapel  kröne.  Der  Papst,  um  sich  freie  Schal- 
tung über  das  Lehnsreich  zu  wahren,  hatte  sich  geweigert, 
sogar  noch  persönliche  Kränkungen  hinzugefugt.  In  ähn- 
licher Weise  hatte  er  sich  den  mächtigen  Grafen  von  Fondi, 
Honoratus  Gaetani,  zum  F^de  gemacht. 

Leichter  als  sonst  liess  sich  diesmal  der  Abfall  von 
dem  Papste  in  Scene  setzen,  da  die  ungewöhnlichen  stür- 
mischen Ereignisse  der  Wahl  die  beste  Gelegenheit  zur 
Entstellung  und  damit  zur  Ungültigkeits^klärung  derselben 
boten.  Es  Hang  freilich  \iicht  sehr  ehrenvoll  fiir  die 
Säulen  der  Kirche,  wenn  sie  nun  behaupteten,  sie  hätten 
Urban  gewählt  tmd  nachher  nochmals  anerkannt  lediglich 
aus  Todesfurcht,  aber  man  musste  durch  Verschleierung  der 
Wahlvorgänge  das  öffentliche  Urteil  verwirren.  Vergebens 
suchte  Urban  durch  Unterhandlungen  das  Aeusserste  zu  ver- 
meiden; am  20.  September  wurde  in  Fondi  der  Cardinal 
Robert  von  Genf  von  sänmitlidien  Ultramontanen  zum 
Papste  gewählt  und  am  30.  October  als  Clemens  VII.  ge- 
weiht 

AufiGedlend  ist  die  Haltung  der  drei  aus  Italien  stam- 
menden Cardinäle  (der  vierte  war  inzwischen  im  Glauben 
an  Urban's  Recht  gestorben).  Sie  wohnten  der  Wahl  des 
G^enpapstes  bei,  ohne  för  ihn  zu  stimmen,  aber  auch  ohne 
zu  protestieren,  tmd  da  sie  nicht  mehr  zu  Urban  zurückkehr- 
ten, war  auch  ihr  Abfall  entschieden.  Sie  forderten,  freilich 
erfolglos,  die  Berufung  eines  Concils  und  gaben  so  die  Lo- 
sung aus,  welche  zur  Signatur  für  die  folgenden  Jahrzehnte 
wurde.  Ihre  Haltung  war  fiir  Urban  fast  verderblicher,  als 
der  Abfetll  der  Franzosen,  denn  eine  rückhaltslose  Erklä- 
rung jener,  die  für  unparteiisch  gelten  konnten,  würde 
seinem  Papsttum  eine  mächtige  Stütze  gegeben  haben.  Auch 
bei  ihnen  müssen  persönliche  Gründe  gewirkt  haben.  Von 
dem  Einen  derselben,  von  Orsini,  wissen  wir  sicher,  dass  er 
selbst  nach  der  Tiara  strebte,  von  Petrus  Corsini  wird  es 
ebenfE^k  behauptet.  Der  Stachel  der  verletzten  Eitelkeit 
wurde  dann  durch  Urban's  barsches  Auftreten  noch  tiefer 


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416  LINDNER, 

eingedrückt;  es  nahm  ihnen  die  Lust,  gegenüber  allen  übri- 
gen CoUegen  für  einen  Mann  einzutreten,  den  sie  hassten. 
Wahrscheinlich  dünkte  ihnen  auch  die  Sache  des  Gegen- 
papstes  zwar  nicht  die  bessere,  aber  doch  die  günstiger  liegende 
zu  sein. 

F^inmal  schienen  die  abtrünnigen  Cardinäle  grade  in 
Italien,  auf  das  es  doch  zunächst  ankam,  das  Uebergewicht 
zu  haben.  In  ihrem  Dienste  standen  brettonische  und  gas- 
cognische  Soldscharen,  ihnen  gehorchte  der  Befehlshaber  der 
Engelsburg,  und  so  lange  Urban  diese  Feste  nicht  innehatte^ 
war  seine  Herrschaft  über  die  Stadt  zweifelhaft.  Sie  be- 
Bassen  femer  eine  feste  Stütze  an  Johanna  von  Neapel,  dem 
Grafen  von  Fondi  und  dem  Präfecten  von  Viterbo.  Auch 
in  OberitaHen  konnte  auf  manchen  wertvollen  Anhänger  ge- 
rechnet werden,  namenthch  auf  die  Markgrafen  von  Mont- 
ferat  und  den  Herzog  von  Savoyen,  und  der  mächtige  Ber- 
narbo  von  Mailand  war  durch  angebotene  Vorteile  vermut- 
lich leicht  zu  gewinnen.  Am  wichtigsten  aber  war,  das» 
Frankreich,  mit  dem  bereits  ein  Einverständnis  angebahnt 
war,  ganz  unzweifelhaft  zu  Clemens  trat,  und  mit  ihm  aller 
Berechnimg  nach  auch  die  Staaten,  welche  ihr  Schiff  im 
Fahrwasser  Frankreichs  zu  halten  pflegten.  Sollte  der  fran- 
zösische König  nicht  vielleicht  auch  den  römischen  Kaiser 
Karl  IV.  herüberziehen  können,  da  beide  Herrscher  die  Bande 
altererbter  Freundschaft  umschlangen?  Eine  der  ersten 
Handlimgen  des  neuen  Papstes  war  es,  die  Anerkennung 
WenzeFs  als  römischen  Königs  in  ähnlicher  Weise  auszu- 
sprechen, wie  es  Urban  kurz  vorher  getan. 

Die  Aussichten  waren  demnach  anfangs  fiir  Clemens 
entschieden  günstiger  als  fiir  Urban.  Beide  gingen  einem 
ELampf  entgegen,  dessen  letzten  Ausgang  niemand  mit  Sicher- 
heit voraussehen  konnte.  Jedoch  handelte  es  sich  in  diesem 
Wettstreite  nur  scheinbar  imi  die  Personen.  Einmal  war, 
Dank  den  Cardinälen,  welche  hintereinander  zwei  Päpste  er- 
hoben hatten,  die  Personenfrage  so  verwirrt  und  verdunkelt, 
dass  es  gar  nicht  möglich  war,  mit  juristischer  Schärfe  den 
Beweis  des  Rechtes  für  den  einen  oder  den  anderen  zu  füh- 
ren.    In    zahllosen  Schriften    wurde   von    beiden  Seiten   die 


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PAPST  URBAN  VI.  417 

Rechtsfrage  erörtert,  umfangreiche  Protocolle  und  Erklärungen 
aller  Art  wurden  aufgenommen:  sie  haben  weder  Bedeutung 
noch  Erfolg  gehabt  imd  man  kam  damit  um  keinen  Schritt 
weiter.  Das-  ehrHchste  Geständnis  war  das,  welchem  wir 
gelegentlich  bei  Zeitgenossen  begegnen:  „Wir  wissen  nicht, 
wer  der  rechte  Papst  isi"  —  Die  Entscheidung,  welche  zu 
trefifen  war,  hatte  eine  viel  tiefere  Bedeutung.  Sie  musste 
ergeben,  ob  das  französische  Princip,  welches  seit  dem  Unter- 
gange der  Staufer  das  übermächtige  in  Europa  gewesen  war, 
das  Papsttum  noch  länger  bestimmen  oder  ob  es  wieder  dem 
universalen  weichen  soUte.  Als  daher  die  europäischen  Staa- 
ten bald  oder  allmählich  Partei  nahmen,  so  war  bei  ihnen 
weniger  die  sachliche  Ueberzeugung,  als  das  poUtische  Inter- 
esse massgebend.  In  der  Kirchenfrage  spiegelte  sich  alsbald 
der  grosse  Gegensatz  wieder,  der  das  ganze  14.  Jahrhundert 
beherrscht  hat:  zwischen  Frankreich  und  England. 

Der  einzig  richtige  Weg  wäre  der  eines  Concils  ge- 
wesen, wie  ihn  die  italienischen  Cardinäle  vorschlugen,  wenn 
anders  die  christlich-kirchlichen  Interessen  allein  in  Betracht 
kamen.  Aber  einem  solchen  waren  beide  Päpste  gleich  ab- 
geneigt Zunächst  konnte  doch  keiner  absehen,  wie  sich 
das  Concü  entscheiden  würde,  ob  er  nicht  mit  der  Geneh- 
migung eines  solchen  sich  selbst  sein  Grab  graben  würde. 
Wer  sollte  das  Concil  berufen?  Wer  es  leiten?  Tat  es 
Urban,  so  kamen  die  Clementisten  nicht,  und  umgekehrt 
Dem  Kaiser  wollte  keiner  der  Päpste  das  Recht  zugestehen, 
ein  Concil  zu  berufen,  und  selbst  wenn  dieser  es  tat,  wür- 
den die  europäischen  Fürsten  seiner  Mahnung  folgen  und  ihm 
damit  den  schon  seit  langem  bestrittenen  Vorrang  zuge- 
stehen? Derartige  ungelöste  und  unlösbare  Fragen  waren 
in  Fülle  vorhanden,  die  vorläufig  den  Zusaumientritt  eines 
Concils  unmöglich  machten. 

Vor  der  Hand  hoffiten  Urban  wie  Clemens  noch  immer, 
den  Gegner  ganz  zu  verdrängen  und  so  die  Einheit  des 
Papsttums  wiederherzustellen.  Den  ersten  Act  des  Schauspiels 
bilden  die  beiderseitigen  Versuche,  mit  allerlei  Mitteln  dem 
Nebenbuhler  den  Kranz  des  Siegers  zu  entwinden.  Un- 
schwer liess  sich  voraussehen,   dass  die  päpstliche  Tiara  bei 


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418 

diesem  Hin-  und  Herzerren  zu  Schaden  kommen^  der  Glanz 
derselben  verwischt  werden  würde.  Die  Blicke  der  Streiten- 
den reichten  nicht  so  weit;  ihnen  lag  mehr  an  dem  eigenen 
Erfolge  als  an  dem  Ansehen  der  Kirche.  Das 'war  nun  die 
Lage;  in  welche  das  Papsttum  durch  eigene,  wie  der  Cardi- 
näle  Verschulden  geraten. 

Das  Wichtigste  war  ztmächst  für  jeden  der  Besitz  von  Rom. 
Wenn  auch  die  französischen  Cardinäle  lüstern  nach  Avignon 
blickten,  erst  musste  der  Versuch  gemacht  werden,  ihren  Papst 
in  der  alten  Metropole  zu  behaupten;  wenn  Urban  siegreich 
verjagt  war,  dann  konnte  man  ruhig  an  die  Rhone  zurückkehren 
imd  guten  Mutes  wieder  erklären :  Rom  ist  da,  wo  der  Papst  ist, 

Urban,  von  allen  Cardinälen  und  den  meisten  Curialen 
verlassen,  „einsam  wie  der  Sperling  auf  dem  Dache'',  verlor 
den  Mut  nicht.  Dem  französischen  Cardinalcollegium,  das 
ihn  verlassen  hatte,  setzte  er  ein  neues,  vorwi^end  aus 
Italienern  gebildetes  entgegen  imd  befestigte  dadurch  zugleich 
die  Anhänglichkeit  der  Römer,  wie  der  anderen  italischen 
Städte.  Mehr  Wert  als  die  üblichen  Bannflüche  gegen  den 
Aiterpapst  und  dessen  Anhänger  hatten  seine  sonstigen  Mass- 
r^eln,  denn  die  geistlichen  Waffen,  ohnehin  schon  abge- 
stumpft durch  Jahrhunderte  langen  Misbrauch,  verfingen  am 
wenigsten  einem  Gegner  gegenüber,  der  sie  eben&Us  schwin- 
gen konnte  und  sie  natürlich  ebenso  freigebig  gebrauchte. 
Man  musste  schon  zu^  wirksameren  Mitteln  greifen  und  dem 
Feinde  mit  irdischen  Waffen  enig^entreten.  Daher  nahm 
er,  wie  Clemens  berdts  getan,  Soldbanden  in  seinen  Dienst, 
denn  es  war  für  ihn  von  Wichtigkeit,  sich  nicht  nur  selbst 
zu  verteidigen,  sondern  womöglich  einen  schnellen  Vorteil  zu 
erzielen.  Sonst  konnte  es  leicht  geschehen,  dass  der  Q^gen- 
papst  mit  fremder  Hilfe  ein  nicht  zu  bekämpfendes  militäri- 
sches Uebei^ewicht  in  Italien  erlangte.  Da  einst  Aussicht 
auf  reiche  Beute  die  normannischen  Ritter  und  später  den 
harten  Karl  von  Anjou  nach  Unteritalien  dem  Papste  zu 
Hülfe  gdlihrt  hatte,  so  hielt  auch  Clemens  ein  neuzuschaflSsn- 
des  Königreich  Adria  dem  Herzog  Ludwig  von  Anjou,  dem 
Bruder  KarFs  V.  selbst,  nebst  der  französischen  Ritterschaft 
als  Lockspeise  hin.    Aber  ehe  sie  noch  hatte  wirken   können, 


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PAPST  URBAN  VI.  419 

war  in  Rom  der  Entscheid  gefallen.  Während  die  Römer  die 
Engelsburg  belagerten,  wurde  ihre  Stadt  von  den  feindliehen 
Soldtruppen,  dem  Adel  der  Campagna,  der  zu  Clemens  hielt, 
und  neapolitanischen  Herren  hart  bedrängt  Doch  Gh»f  Al- 
berich, der  Führer  der  in  Urban's  Solde  stehenden  Compag- 
nie  von  St  Gteorg,  schlug  am  29.  April  vor  den  Toren 
Roms  das  Clementinische  Heer  so  entschieden  aufs  Haupt, 
dass  der  Befehlshaber  der  Engelsburg,  an  Entsatz  verzwei- 
felnd, die  Feste  an  demselben  Tage  übergab.  Nim  erst 
konnte  Urban  den  Vatican  beziehen,  den  er  in  feierlicher 
Procession  mit  nackten  Füssen  betrat  Die  Pläne  des  G^en- 
papstes  waren  vereitelt;  da  selbst  die  Neapolitaner  ihrer  Kö- 
nigin zimi  Trotz  zu  dem  italienischen  Papste  hielten,  zog  es 
jener  vor,  nach  wenigen  Wochen  die  Halbinsel  zu  verlassen 
und  wieder  den  Palast  in  Avignon  zu  beziehen. 

Der  gesicherte  Besitz  der  ewigen  Stadt  gab  Urban  einen 
erheblichen  Vorteil  über  den  Rivalen,  welcher  mm  nicht 
mehr  hoffen  durfte,  den  Italiener  zu  verdrängen,  und  günsti- 
gen Falls  sich  nur  in  zweiter  Stelle  neben  ihm  behaupten 
konnte.  Jetzt  kam  vielmehr  Clemens  in  die  de&hr,  dass 
der  Kreis  seiner  Obedienz  allmählich  verringert  wurde ,  dass 
das  römische  Papsttum  dem  avignonesischen  Boden  und  Luft 
entzog.  Darauf  musste  Urban  sein  Augenmerk  richten. 
Wenn  er  sich  nun  ebenso  klug  und  gewandt  erwies,  wie 
er  sich  vorher  imerschrockenen  Mutes  gezeigt  hatte,  konnte 
endlicher  Erfolg  nicht  fehlen;  denn  noch  war  die  christliche 
Welt  nicht  daran  gewöhnt,  zwei  Päpste  neben  einander  zu 
gehen.  Zwar  durfte  er  vorläufig  nicht  hoffen,  Frankreich 
von  Clemens  abzuziehen,  aber  es  war  vielleicht  möglich,  alle 
übrigen  Länder  zu  gewinnen,  so  dass  dann  das  isolirte  Frank- 
reich von  selbst  seine  Sonderstellung  aufgeben  musste.  Wäh- 
rend in  Italien  das  Schwert  entschied,  arbeiteten  in  den 
übrigen  Ländern  der  Christenheit  Gesandte  beider  Päpste, 
ihrem  Herrn  die  Obedienz  zu  gewinnen.  Wir  wollen  ihren 
Spuren  nicht  im  einzelnen  folgen,  ims  auf  die  Hauptpimkte 
beschränken. 

Da  Frankreich  clementistisch  war,  wurde  England  selbst- 
verständlich urbanistisdi.     Auch  Karl  IV.  musste  sich  dem 


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420  LINDNER, 

römischen  Papsttume  anschliessen,  wenn  er  nicht  die  Früclite 
der  von   ihm  mit    so  grosser  Sorgfalt  geleiteten  kirchlichen 
Politik  preisgeben  wollte.     Zwar  starb   er  bereits  Ende   No- 
vember 1378,   aber  sein  Sohn  Wenzel  blieb  der  väterlichen 
Politik  getreu.     Im  Februar  1379   schloss  er  mit  den   vor- 
nehmsten Fürsten  und  Städten  des  Reiches  einen  Bund,    an 
dem   für  rechtmässig  erkannten  Barchenhaupte  treu  festzu- 
halten.    Allerdings  fiel  bald  darauf  der  Erzbischof  Adolf  von 
Mainz  zu  Clemens  ab,  da  Urban  aus  Rücksicht  auf  Wenzel 
den   anderen  Prätendenten,  Ludwig  von  Meissen,   anerkannt 
hatte,   imd  auch  der  ehrgeizige  Herzog  Leopold  von  Oest- 
reich  glaubte  seinen  Vorteil  besser  im  Anschluss  an  Frank- 
reichs Papst  zu  finden,   aber  trotzdem   konnte   ürban  ohne 
Sorge  Deutschland  als  zu  seiner  Obedienz  gehörig  betrachten. 
Der  junge  König  musste  jedoch  festgehalten  werden,  damit  er 
nicht  schliessUch  der  Verfuhrung  Frankreichs  unterlag,  welches 
durch  Wiederemeuerung  ehelicher  Bande,  wie  sie  früher  die 
Häuser  Luxembui^   imd   Valois    umschlungen    hatten^    den 
Sohn  B^arPs  IV.    zu    gewinnen    gedachte ').      Die   Aufgabe, 
solche  Absichten  zu  hintertreiben,   fiel   dem  Cardinal  Pileus 
zu,  der  sie  mit  Gteschick  löste.     Die  Ehe  zwischen  Wenzel'ß 
Schwester  Anna  und  König  Richard  von   England,   welche 
er   zustande  bradite,   erfüllte   den  doppelten  Zweck,  beide 
Reiche  seinem   Papste  getreu   zu  erhalten  imd  Frankreichs 
Einfluss  auf  Deutschland  zu  schwächen.    Noch  ein  anderes 
erhofiie  Urban  von  dem  deutschen  Könige:  dass  dieser  nach 
Rom    käme    und    sich    von   ihm  zum  Kaiser   krönen  liesse. 
Wie  wäre  des  Papstes  Stellung  dadurch  vor  aller  Welt  ge- 
hoben worden! 


1)  Noch  im  Sommer  1380  wurde  zwischen  Wenzel  und  Karl  V. 
über  die  Verheiratung  der  böhmischen  Anna  mit  einem  französischen 
Prinzen  yerhandelt,  auf  welche  die  Clementisten  grosse  Hoffiiungen 
setzten,  vgl.  meine  Geschichte  u.  s.  w.  I,  113.  —  Am  15.  Juni  1380 
beauftragt  Wenzel  in  Aachen  den  Herzog  von  Teschen  und  andere 
genannte  Herren,  das  alte  Bündnis  zwischen  den  beiden  Herrscher- 
familien zu  erneuern  und  darauf  bezügliche  Vertrage  abzuschliessen, 
„etiam  si  concernerent  matrimonialea  contractus".  Nach  gütiger  Mit- 
teilung von  Waitz  aus  den  Sammlungen  der  Mon.  Germ. 


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PAPST  ÜRBAN  \a.  421 

Deutschland,  England  und  Ungarn,  dessen  König  Lud- 
wig mit  Wenzel  gemeinsames  Handeln  in  der  Barchenfrage 
verabredete,  waren  denmach  für  das  römische  Papsttum. 
Und  diesem  eröffiiete  sich  eben  die  Aussicht,  auch  in  ganz 
Italien  allgemeine  Anerkennung  zu  erreichen.  Denn  Johanna 
von  Neapel,  bestürzt  über  den  Aufstand  ihrer  Stadt  und  die 
Flucht  ihres  Papstes,  bot  Unterwerfung  an  und  schickte  Ge- 
sandte, wie  Urban  triumphirend  der  Welt  mitteilte.  Um 
jeden  Preis  musste  er,  wie  die  Dinge  lagen,  sie  darin  festzu- 
halten suchen,  selbst  durch  Zugeständnisse,  wie  die  Krönung 
Otto's,  die  ohnehin  nur  Hinausschieben  seiner  Pläne  bedeutete, 
da  die  Ehe  kinderlos  bleiben  musste.  Als  jedoch  der  Papst 
starrsinnig  blieb,  brach  Johanna  die  Verhandlimgen  ab  und  hielt 
sich  wieder  zu  Clemens.  Urban  war  dies  vielleicht  nicht  im- 
wiUkommen,  da  er  nun  seinem  Hasse  freien  Spielraum  lassen 
konnte.  Damit  aber  trat  für  ihn  die  verhängnisvolle  Wen- 
dung ein.  Leidenschaftlich  nur  die  neapolitanische  Sache 
Terfolgend,  die  ihn  sein  ganzes  Leben  in  Anspruch  nehmen 
sollte,  stürzte  er  sich  in  eine  Uebereilung  nach  der  anderen, 
häufte  er  Torheit  über  Torheit  und  gab  die  universalen  Ge- 
sichtspunkte preis,  die  seine  Politik  ausschliesslich  hätten  be- 
herrschen müssen.  Unteritalien  ist  für  die  Päpste  nicht 
weniger  verhängnisvoll  gewesen  als  für  die  Staufer. 

Die  Krone  Neapel  dachte  er  Kaii  dem  Kleinen,  Herzog 
von  Durazzo,  zu.  Urenkel  des  Königs  Karl  H.,  war  er  der 
einzige  noch  lebende  männliche  Spross  der  anjovinischen 
Linie  von  Neapel,  gleich  nahe  verwandt  mit  Johanna  wie 
mit  dem  ungarischen  Könige  Ludwig  dem  Grossen,  an  dessen 
Hofe  er  aufgewachsen  war.  In  früheren  Jahren  hatte  die 
Königin  selbst  ihm  die  Nachfolge  zugedacht  und  ihn  deshalb 
im  Jahre  1368  mit  ihrer  nächsten  Erbin  Margarethe,  der 
Tochter  des  von  Ludwig  von  Ungarn  im  Jahre  1347  hin- 
gerichteten Herzogs  Karl  von  Durazzö,  vermählt.  Aber  seit- 
dem Johanna  sich  den  Braunschweiger  zum  dritten  Gemahl 
erkoren  hatte,  waren  KarFs  Hoflnungen  erheblich  gemindert 
worden,  und  seinem  Einflüsse  ist  es  vornehmUch  zuzuschrei- 
ben, wenn  Urban  sich  hartnäckig  weigerte,  Otto  zu  krönen. 
Der  wiederholte  Abfall  der  Neapolitanerin  zu  Clemens  ent- 


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422  LINDNER, 

sprach  ganz  den  Wünschen  des  Herzogs  von  Durazzo.  Denn 
alle  seine  Aussichten  waren  auf  den  ungarischen  König  ge- 
gründet, und  dieser  hatte  sich  für  Urban  erklärt  Der  Plan 
des  Papstes,  Johanna  zu  stürzen  und  an  ihre  Stelle  Karl  zu 
setzen,  stimmte  zudem  ganz  mit  den  Absichten  und  Wün- 
schen Ludwig's  überein.  Jetzt  endlich  konnte  die  Sache  an 
der  Mörderin  seines  Bruders  vollzogen  werden,  imd  wenn 
Karl  mit  der  neapoHtanischen  Krone  entschädigt  war,  stand 
er  der  Nachfolge  der  Töchter  Ludwig's  in  den  Reichen  Un- 
garn und  Polen  nicht  mehr  im  W^e. 

Noch  ehe  das  Jahr  1379  zu  Ende  war,  verhängte  Urban 
die  kirchUchen  Sentenzen  über  Johanna  und  erklärte  sie  fiir 
abgesetzt. 

Aus  eigener  Kraft  dem  drohenden  Sturme  Widerstand 
zu  leisten,  durfte  die  Königin  nicht  hoffen,  zumal  da  das  Volk 
von  Neapel,  wenn  auch  jetzt  mit  Gewalt  niedergehalten,  doch 
dem  aus  seiner  Mitte  hervorgegangenen  Papste  anhing  und, 
wie  immer  in  diesem  Königreich,  sofort  Abfall  und  Verrat 
imter  den  Grossen  um  sich  griff.  Daran  konnte  sie  nicht 
mehr  denken,  dem  ritterlichen  Gemahl  zur  Krone  zu  ver- 
helfen; ihr  bUeb  nichts  übrig,  als  dem  Prätendenten,  der  sich 
inzwischen  zum  Angriff  rüstete,  einen  anderen  entg^enzu- 
stellen.  Die  darauf  bezüglichen  Verhandlungen  mit  Avignon 
konnten  zu  keinem  anderen  Resultate  fuhren,  als  dass  Cle- 
mens denselben  Herzog  von  Anjou,  dem  die  phantastische 
Krone  von  Adria  nur  einen  kurzen  Augenblick  verführerisch 
gewinkt  hatte,  nun  für  Neapel  auserkor.  Wie  vor  einem 
Jahrhundert  sollte  also  das  französische  Uebergewicht  durch 
Eroberung  Unteritaliens  hergestellt  und  der  Streit  zwischen 
Avignon  und  Rom  durch  die  Schärfe  des  Schwertes  ent- 
schieden werden. 

Am  29.  Juni  1380  erklärte  Johanna  feierlich  den  Fran- 
zosen, der  bis  zur  Krönung  den  Titel  eines  Herzogs  von 
Calabrien  fuhren  sollte,  als  ihren  Sohn  und  Erben,  nachdem 
Clemens  in  seiner  Machtvollkommenheit  als  Papst  und  Ober- 
lehnshen*  die  alte  Clausel  aufgehoben  hatte,  dass  nur  die 
Nachkommenschaft  KarFs  I.  von  Anjou  in  Neapel  sucoediren 
dürfe.     Offen  erklärte  sie,  dass  sie  den  Schritt  tue   im  Elin- 


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PAPST  URBAN  VI.  423 

vernehmen  nait  Clemens  ziu*  Verteidigung  der  Kirche,  zur 
Erhöhung  des  rechten  Glaubens  und  zur  Beendigung  des 
Schismas.  Clemens,  der  wie  seine  Vorgänger  das  Reichs- 
vicariat  in  Anspruch  nahm,  da  gegenwärtig  kein  Elaiser  vor- 
handen sei,  fügte  noch  die  Belehnung  mit  der  Provence, 
Forcalquifere  u.  s.  w.  hinzu. 

Während  derselben  Tage  hatte  jedoch  Karl  von  Durazzo 
mit  imgaiischen  Völkern  seinen  Marsch  bereits  angetreten. 
Durch  vom  Papste  entgegengesendete  Soldtruppen  verstärkt, 
kam  er  im  November  in  Eom  an.  Ehrenvoll  nahm  Ur- 
ban  seinen  Schützling  auf  imd  ernannte  ihn  zum  Senator 
der  Stadt,  aber  der  ganze  Winter  und  folgende  Frühling 
gingen  dahin,  ehe  wdtere  Schritte  getan  wurden.  Zwar 
half  der  Papst  der  Geldnot  Karl's  ab,  indem  er  selbst  die 
grössten  Opfer  brachte,  die  Güter  der  römischen  Kirchen 
imd  Klöster  verkaufte  und  schonungslos  heilige  Gefässe  imd 
Statuen  in  den  Schmelzofen  werfen  liess.  Aber  Karl  trug  doch 
lange  Bedenken,  die  ungemessenen  Forderungen  des  Papstes 
zuzugestehen,  der  die  günstige  Gelegefnheit,  seiner  eigenen 
bis  dahin  armen  und  unbedeutenden  Familie  eine  fursten- 
mässige  Stellung  zu  geben,  nicht  vorübergehen  lassen  wollte. 
Seinen  Neflfen  Franz  von  Butillo,  der  nach  allen  Nachrichten 
nicht  nur  ein  imbedeutender,  sondern  sogar  schlechter  imd 
verworfener  Mensch  war,  hatte  er  bereits  mit  dem  besten 
Teile  des  Königreiches,  mit  dem  Fürstentum  Capua,  dem 
Herzogtum  Amalfi  und  vier  Grafschaften  besch^oikt,  einem 
Gebiete,  welches  vom  Eorchenstaate  an  am  Meeresgestade  nach 
Süden  sich  erstreckend  die  Hauptstadt  Neapel  von  dem 
übrigen  Königreiche  abschloss.  Ausserdem  wurde  Franz  zum 
Oberst-Känunerer  des  Reiches  ernannt.  Es  war  der  zweite 
grosse  Fehler,  den  Urban  in  der  neapolitanischen  Angelegen- 
heit beging,  sein  Nepotismus  wurde  ihm  verderblich.  Ohne- 
hin konnte  er  sich  selbst  sagen,  dass  Karl  die  erste  Gelegen- 
heit benutzen  würde,  diese  erzwimgenen  Versprechungen, 
welche  den  Glanz  der  Elrone  verdunkelten  und  dem  Könige 
seine  Stellung  in  dem  glücklich  eroberten  Lande  erschwerten, 
einfach  nicht  zu  halten. 

Endlich  am  2.  Juni  1381    folgte    die  Krönung  KarPs, 


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424 

nachdem  er  in  einer  Urkunde  von  gewaltiger  Länge  die  For- 
derungen Urban's  zugestanden.  Nun  stand  dem  Zuge  nichts 
mehr  im  Wege,  der  Abfall  der  Barone  von  Johanna  erleich- 
terte die  Besitznahme  des  Landes.  Neapel  öfBiete  seine  Tore, 
Johanna  und  ihr  Gemahl  fielen  in  Karl's  Hände. 

Der  Vorsprung,  den  Karl  vor  Ludwig  von  Anjou  ge- 
wonnen hatte,  war  entscheidend.  Dieser  war  durch  den  Tod 
KarFs  V.  in  Frankreich  zuiückgelialten  worden  und  musste 
so  dem  Gegner  Zeit  lassen,  sich  in  seinem  neuen  Besitz  zu 
befestigen.  Erst  Ende  Mai  1382  brach  der  Anjoviner  mit 
glänzendem  Heere  von  Avignon  auf,  nicht  nur  den  Thron 
von  Neapel  im  Sinne.  Denn  wenn  Urban  hoffte,  durch  die 
Klrönung  WenzeFs  zum  römischen  Kaiser  sein  Ansehen  zu 
erhöhen,  so  wollte  Clemens  darin  auch  nicht  zurücksteheru 
Dem  avignonesischen  Papsttum  sollte  ein  avignonesisches  Kaiser- 
tum zur  Seite  stehen,  imd  dazu  war  Ludwig  ausersehen. 

Johanna  erlebte  die  Ankimft  ihi'es  Adoptivsohnes  nicht 
mehr.  Um  zu  verhüten,  dass  die  unbeständigen  Neapoli- 
taner wieder  zu  ihrer  alten  Herrin  abfielen,  hatte  Karl  sie 
erdrosseln  lassen.  Ihr  Tod  war  ein  übles  Vorzeichen  fiir 
Ludwig  und  sein  Ungeschick,  seine  zaudernde  Saumseligkeit 
verhinderte  ihn,  das  Uebergewicht,  welches  er  unzweifelhaft 
hatte,  zur  schnellen  Vernichtung  KarFs  zu  gebrauchen.  Erst 
Anfang  October  schlug  er  vor  Neapel  das  Lager  auf,  aber 
noch  immer  waren  die  besten  Aussichten  auf  seiner  Seite. 

Mit  fieberhafter  Sorge  folgte  Urban  diesen  Vorgängen, 
an  deren  Endergebnis  sein  eigenes  Schicksal  geknüpft  war. 
Trat  Frankreich  mit  den  Wafien  fiir  Clemens  ein,  so  muss- 
ten  auch  die  Länder,  die  zu  ihm  selbst  standen,  sie  ergrei- 
fen. Zu  wiederholten  Malen  rief  er  die  Christenheit  zum 
Kampfe  wider  die  Schismatiker  auf,  dessen  Verdienst  er 
dem  eines  Kreuzzuges  gleichstellte.  Auf  der  ganzen  Linie 
sollte  der  Kampf  entbrennen,  Urban  rechnete  dabei  auf  Eng- 
land, Ungarn  und  Deutschland. 

Der  König  Johann  von  Castilien  hatte  nach  langem 
Schwanken  un  Mai  1381  die  Partei  Avignons  ergrifien,  wie 
es  das  politische  Verhältnis  zu  Frankreich  mit  sich  brachte. 
Denn  dieses  Reich  war  ihm  ein  getreuer  Bundesgenosse  gegen 


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PAPST  ÜRBAN  VI.  425 

England,  welches  die  Krone  Castiliens  fiir  Richard's  Oheim, 
den  Herzog  Johann  von  Lancaster,  in  Anspruch  nahm  und 
eben  damals  den  Versuch  machte,  das  Land  zu  erobern. 
Den  weltlichen  Waffen  fügte  nun  der  Papst  die  geistlich^i 
hinzu,  indem  er  im  März  1382  den  König  Johann  absetzte 
und  den  Kreuzzug  gegen  ihn  predigte,  der  unter  AnfUhrung 
des  Herzogs  von  Lancaster  unternommen  werden  sollte.  Den 
englischen  Waffen  war  noch  ein  anderes  Feld  der  Tätigkeit 
bestimmt.  In  Flandern  hielten  der  Fürst  wie  da^  Volk  zu 
Urban,  aber  die  Zwistigkeiten,  welche  zwischen  Graf  Ludwig 
und  dem  flandrischen  Bürgertum  ausbrachen,  nötigten  den 
ersteren,  französische  Hülfe  herbeizurufen,  mit  welcher  er 
den  grossen  Sieg  bei  Rösbecke  erfocht.  Nur  Gent  beharrte 
im  Widerstände,  und  das  englische  Interesse  erforderte  Hülfe 
für  diese  Stadt  gegen  Franki'eich.  Die  Kreuzpredigt  Urban's 
gab  dem  Unternehmen  seinen  besonderen  Charakter  und  ge- 
staltete es  zu  einem  „Papstkriege".  Der  Bischof  Spencer 
^on  Norwich  trat  mit  Erlaubnis  des  Königs  Richard  an  die 
Spitze  des  Heeres,  welches  unter  dem  päpstlichen  Schlüssel- 
banner im  Frühjahr  1383  nach  Flandern  hinüberging,  um 
in  den  Franzosen  zugleich  den  Gegenpapst  zu  bekämpfen. 
Englands  Kräfte  wurden  so  nach  zwei  Seiten  hin  in  An- 
spruch genommen  und  Richard  musste  für  ItaUen  sich  darauf 
beschränken,  den  englischen  Untertanen,  welche  in  den  Sold- 
banden standen,  die  Unterstützung  des  Papstes  anzuempfehlen 
und  mit  Karl  von  Neapel  ein  Bündnis  abzuschliessen. 

Dagegen  Hess  sich  von  dem  ungarischen  König  eine 
wirksame  Unterstützung  gegen  Ludwig  von  Anjou  eriioffen.* 
Die  gewandten  und  feinen  Politiker  Avignons  suchten  dem 
vorzubauen  und  Ludwig  durch  Schwierigkeiten  im  eige- 
nen Reiche  von  Italien  abzulenken.  Noch  lebte  in  Frank- 
reich als  Mönch  ein  Spross  der  Piasten ;  diesen  Hess  Clemens 
zu  sich  kommen,  entband  ihn  aller  geistlichen  Pflichten  und 
forderte  ihn  auf,  die  Krone  Polens  Ludwig  zu  entreissen. 
Da  starb  der  grosse  König  am  11.  September  1382.  Der 
Streit  um  den  Thron,  welcher  in  seinen  Reichen  ausbrach, 
nahm  Ungarn  so  in  Anspruch,  dass  es  für  den  Kampf  um 
Neapel  zunächst  nicht  in  Betracht  kam. 

ZeitBchr.  f.  K.-G.  m,  S.  29 

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426 

Mit  der  grössten  Bestimmtheit  erwartete  Urban  von  dem 
deutschen  Könige,  dass  er  über  die  Alpen  kommen ,  die 
Kaiserkrone  aus  seiner  Hand  empfangen  und  gegen  Ludwig 
mit  starker  Macht  einschreiten  werde.  Die  alten  Verträge 
zwischen  den  Häusern  von  Frankreich  und  Luxemburg  konnten 
unter  den  gegenwärtigen  Umständen  kaum  in  Betracht  kom- 
men, und  ausserdem  erklärte  sie  der  Papst  ausdrücklich  für 
ungültig;  da  die  Franzosen  zu  Ketzern  und  Schismatikeni 
geworden  seien.  „Denn  zwischen  Licht  und  Finsternis, 
zwischen  Christus  und  Belial  darf  keine  Gemeinschaft  sein.'* 
Ein  Schreiben  nach  dem  anderen  wurde  an  den  deutschen 
Hof  gesandt,  alle  erfüllt  mit  derselben  glühenden  und  über- 
schwänglichen  Rhetorik,  durchdnmgen  vom  flammenden  Haas 
gegen  Frankreich  und  dessen  Parteigänger. 

Endlich  wurde  mit  B^jinn  des  Jahres  1383  die  An- 
kunft des  Königs  in  nahe  und  bestimmte  Aussicht  gestellt. 
Jubelnd  begrüsste  Urban  den  Entschluss  und  stellte  dem 
künftigen  Kaiser  einen  herrlicheren  Empfang  in  Aussicht, 
als  er  je  einem  Vorgänger  zuteil  geworden. 

Die  Freude  war  voreilig :  der  Ersehnte  kam  nicht.  Trotz 
aller  Verheissungen  zog  es  Wenzel  in  letzter  Stunde  vor, 
Deutschland  nicht  zu  verlassen.  Ihm  schien  es  wichtiger,  zur 
Hand  zu  sein,  um  seinem  Bruder  Sigmimd  die  geföhrdeten 
Kronen  von  Ungarn  und  Polen  zu  retten,  als  sich  in  die 
schwierigen  Verhältnisse  Italiens  zu  mischen.  „Wenn  dein 
Vater  noch  lebte",  rief  Urban  zürnend  dem  Säumigen  zu, 
„würde  die  römische  Kirche  in  so  grossen  Gefahren  nicht 
.  so  ihres  Vogtes  und  Beschützen  entbehren." 

Wenzel  gab  vorläufig  die  Kaiserkrone  auf  —  er  ahnte 
allerdings  wohl  nicht,  dass  er  sie  nie  erlangen  würde  — ,  ohne 
zu  bedenken,  wie  sehr  er  sein  und  des  Reiches  Interesse 
schädigte,  indem  er  die  Sache  des  anerkannten  Papstes  im 
Stiche  liess.  Papst  und  König  begegneten  sich  demnach  in 
dem  gleichen  Fehler:  beide  liessen  sie  die  höheren  Gesichts- 
punkte fallen,  um  nebensächlichen,  persönlichen  Zwecken 
nachzugehen,  beide  trugen  durch  ihre  fehlerhafte  Politik 
gleiche  Schuld,  wenn  das  französische  Papsttum  sich  nicht 
nur    behaupten    konnte,    sondern    entschiedene    Fortschritte 


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PAPST  ÜRBAN  VI.  427 

machte.  Nur  darin  lag  der  Unterschied:  der  eine  verfolgte 
seine  nächsten  Absichten  getrieben  von  massloser  Leiden- 
schaft ^  der  andere  mehr  dem  bequemen  Q^henlassen;  dem 
zaudernden  Abwarten  zuneigend. 

Da  war  man  in  Frankreich  doch  ganz  anders  tätig.  Cle- 
mens wie  Karl  VI.  machten  in  eben  derselben  Zeit,  wo  der  Ab- 
marsch des  deutschen  Königs  in  Aussicht  stand,  den  Versuch, 
ihn  entweder  für  sich  zu  gewinnen  oder  doch  in  seiner  An- 
hänglichkeit an  Eom  zu  erschüttern;  wenn  nur  wenigstens 
erreicht  wurde,  dass  er  nichts  gegen  Ludwig  von  Anjou  vor- 
nahm. Eine  stattliche  Gesandtschaft  erschien  im  August  1383 
in  der  böhmischen  Hauptstadt,  ausgerüstet  mit  päpstlichen  und 
königlichen  Vollmachten,  mit  einer  Schrift,  welche  die  Recht- 
mässigkeit des  Avignonesen  dartun  soUte,  versehen  besonders 
mit  gutem  Golde.  Die  Gesandten  fanden  dort  eine  neue 
Tatsache  vor,  mit  der  sie  rechnen  mussten:  Wenzel  hatte 
am  5.  Juli  seinen  Vetter  Jost  von  Mähren  mit  ungewöhnlich 
umfassenden  Vollmachten  zum  Greneralvicar  von  Italien  ernannt. 
Wenn  irgend  einer,  so  war  Jost  dem  verführerischen  Glänze 
des  Goldes  zugänglich  und  bei  aUem  ^^^u'geiz  doch  weit 
mehr  geneigt,  auf  krummen  Wegen  seinen  Vorteil  zu  ver- 
folgen, als  oflfen  mit  dem  Schwerte  in  der  Hand  vorzugehen. 
Es  gelang  den  Franzosen  zwar  nicht,  den  König  und  den 
JVIarkgrafen  zu  sich  herüberzuziehen,  aber  sie  erreichten 
doch  so  viel,  dass  entscheidende  Schritte  für  Urban  wie 
g^en  Ludwig  unterblieben,  dass  der  König  sich  in  öffent- 
lichen Urkunden  in  so  matter  Weise  über  seinen  Papst  aus- 
sprach, dass  er  bald  durch  eine  feierliche  Erklärung  dem  im 
Eeiche  entstandenen  und  von  der  Gegenpartei  ei&ig  verbrei- 
teten Irrtimi,  er  sei  von  Urban's  Recht  nicht  mehr  so  fest 
überzeugt  wie  fiiiher,  entgegentreten  musste. 

Zum  Glück  fiir  den  Papst  war  in  Italien  eine  günstige 
Wendung  eingetreten,  welche  auch  dafür  Ersatz  gewährte, 
dass  zu  derselben  Zeit  der  kriegslustige  Bischof  Spencer  von 
Norwich  ohne  Erfolg  aus  Flandern  zurückkehren  musste, 
und  der  geplante  Kriegszug  gegen  Castilien  ganz  unterblieb. 
Ludwig  von  Anjou  hatte  seinen  fi'üheren  Fehlem  neue  fol- 
gen lassen ;  der  kluge  Ks^l  hielt  ihn  hin,  ohne  es  zur  Schlacht 

29* 


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428  LINDNERy  PAPST  ÜRBAN  VI. 

kommen  zu  lassen  ^  bis  Ludwig  seine  Stellung  vor  Neapel 
au%ab.  Hunger  und  Kälte  untergruben  die  Kraft  des  statt- 
lichen Heeres ;  eine  eniBetzliche  Seuche  wütete  in  seinen 
Reihen,  belangreiche  Erfolge  wurden  nicht  errungen;  immer 
mehr  wurde  Ludwig  nach  dem  Osten,  nach  der  Küste  des 
adriatischen  Mewes  zurückgedrängt 

Gewiss  wäre  Urban  gleich  anfangs,  als  der  Krieg  in 
Neapel  ausbrach,  am  liebsten  selbst  dorthin  gedlt,  imd  nur 
die  Rücksichten  auf  die  Stadtbevölkerung,  noch  mehr  die 
Hoffiiung  auf  die  Ankunft  WenzeFs  hielten  ihn  zurück. 
Jetzt  war  dieser  Grund  wegge&Uen,  und  neue  Sorgen  lieesen 
ihn  nicht  länger  zögern.  Denn  sdtdem  Karl  von  Durazzo 
seine  Stellung  wieder  dnigermass^i  befestigt  sah,  dachte  er 
nicht  mehr  daran,  j^ie  Versprechungen,  die  er  einst  in  Rom 
gemacht,  zu  halten,  und  weigerte  sich,  dem  Neflfen  des  Pap- 
stes die  ausbedungenen  Länder  herauszugeben,  indem  er 
nun  mit  gutem  Ghimde  sich  hinter  den  Widerspruch  seina* 
Barone  verschanzte.  Ueberhaupt  dachte  Karl  von  seinem 
Rechte  auf  Neapel  ganz  anders  als  der  Papst;  er  betrachtete 
sich  als  rechtmässigen  Herrn  nicht  w^en  der  emp&ngenen 
Bdehnung,  sondern  als  Nachkommen  Karl  Martell's;  selbst 
der  Johatma  Recht  sei  nicht  so  unzweifelhaft  gewesen  wie 
das  seine. 

Vergebens  machten  die  Cardinäle  dem  Papste  Vorstel- 
lungen, sie  wiesen  hin  auf  die  Gefahren  imd  Beschwerden, 
denen  er  entgegenging,  sie  machten  sich  wohl  über  die  wahre 
Gesinnung  Karl's  keinen  Hehl.  Vidleicht  hielten  sie  auch 
detti  Papste  vor,  wie  sehr  er  sein  Ansehen  schädige,  wenn  er 
Rom  verlasse,  wenn  er  sein  von  der  Hälfte  der  Christenheit 
bestrittenes  Ansehen  für  einen  im  würdigen  Neffen,  für  un- 
gerechte und  übertriebene  Forderungen  in  die  Schaaize  schlug. 
Ihre  Worte  blieben,  wie  zu  erwarten,  ohne  Erfolg  bei  Urban, 
def  sie  mit  harten  Drohungen  ihm  zu  folgen  zwang. 
(Schlues  folgt.) 


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ZwiB^li  ood  land^raf  Philipp. 

Von 
Dr.  Max  Lenz  in  Marburg. 

VI. 

Die  Versammlung  in  Schmalkalden,  zu  welcher  der 
Kurfürst  von  Sachsen  eingeladen  hatte,  trat  erst  Ende  De- 
cember  zusammen.  Der  hessische  Burgrechtsentwurf,  den 
Jacob  Sturm  und  Landgraf  Philipp  mitbrachten,  ward  zur 
Grundlage  des  neuen  Büüdnisses  gemacht  ^). 


1)  8ogar  die  Zahl  der  Jahre,  6,  für  die  der  Bund  zunächfit 
gelten  sollte;  ist  hinübergenommen  worden.  Nur  in  einem  Punkte 
weicht  die  schmalkaldische  Bundesurkunde  von  ihrem  Vorhilde  ab, 
und  dieser  bezieht  sich  allerdings  auf  den  Abendmahlsstreit.  In 
dem  zweiten  Artikel  des  Burgreohtes  hiess  es:  „Und  demnach  disär 
yerstand  allein  gegenw^rs  und  rettimgswyae  und  gar  nit  darumb 
angesechen,  dass  jemants  under  uns  einigen  kriegs  an£eu2hen  solle, 
ob  sich  dann  begäbe,  dass  einicher  teil  under  uns,  wer  jodi  der  wäore, 
umh  des  wort  gottes,  evangelischer  1er  oder  sins  gloubens  willen^ 
wie  deuselben  ein  jeder  uss  uns  in  siner  oberkeit  £ü.T 
christlich  und  recht  haltet  und  predigejn  la«8t,  (oder  umb 
aachen  willen  u.  s.  w.).**  Nur  die  hier  gesperrt  gedruckten  Worte 
wurden  in  dem  neuen  Diplom  ausgelassen:  man  setzte  einfach  (nmb 

evangelischer, leer  und)  unsere  balligen  gloubens  (oder 

umb  Sachen  willen  n.  s.  w.).  In  der  Formel  des  Bargrecfates  w^ar 
also,  ohne  dies  jedoch  bestinunt  auszusprechen,  dem  Gedanken  Z^ffingjü'e 
Raum  gegeben,  dass  die  sacramentalen  Differenzen  bestehen  bkjbesi 
könnten,  während  der  Ausdruck  in  dem  Schmalkaldener  Document 
mehr  den  sächsisch  -  strassburgischen  Gedanken  der  Emheit,  jedoch 
ebenfalls  in  einer  so  neutralen  Form  betont  (ohne  jede  Erwähnung 
des    Sacramentstreites),    dass    um    seinetprillen    auch   die   ßcfaweizer 


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430  LENZ, 

Fortan  handelte  es  sich  darum,   die  evangelischen  Eid- 
genossen   zur    Unterzeichnung     der     schmalkaldischen    Ab- 
machungen,  zum  Eintritt  in  das  defensive "  Gtesammtbündnis 
zu  gewinnen.     Strassburg  übernahm  auch  jetzt  die  Vermitt- 
lung.    Der   Kurfürst  hatte   Jakob   Sturm    persönlich   beauf- 
tragt, mit  den  drei  Orten  Zürich,  Bern  und  Basel  zu  han- 
deln, „  ob  dieselben  geneigt  wären,  in  ein  solches  Verständnis 
zu  treten".     Die  dogmatische  Bedingung,  die  er  stellte,  -wrar 
nur  Annahme  der  Tetrapolitana  *).     Wie   an  die  oberländi- 
schen, so  wurden  auch  an  die  schweizerischen  Städte  Copien 
des  Entwurfes  geschickt  *).     Die   oberländischen  beschlossen 
am  16.  Januar,   mit   Ausnahme   von  Nürnberg,   Reutlingen, 
Heilbronn,  Kempten,  deren  Aengstlichkeit  überhaupt  keinen 
Bund  gegen  den  Kaiser  wollte,  den  Vorschlägen  von  Schmal- 
kalden  beizutreten  ') ;  die  Eidgenossen  setzten  nach  einer  Vor- 
beratung in  Zürich  Ende  Januar  die  Entscheidung  auf  einen 
„gemeinen"  Bürgertag  in  Basel  bis  zum  12.  Februar  aus*). 


sehr  wohl  in  das  Bündnis  hätten  treten  können,  selbst  mit  dem  Vor- 
behalte Zwingli's ;  denn  unter  den  Worten  „  um  unsers  heiligen  Glau- 
bens willen"  konnte  jede  Partei  sich  denken,  was  sie  wollte.  Eine 
andere  Correctur  hat  kaum  sachliche  Bedeutung,  in  demselben  Para- 
graphen :  „  ain  jeder  sinem  höchsten  vermögen  nach  "  statt  „  unserm  ver- 
mögen nach  ".  Ein  paar  andere  Abweichungen  sind  noch  unwesentlicher. 
In  dem  überaus  geschickt  abgefassten  Schreiben,  durch  das  Capito  am 
22.  Januar  Zwingli  zur  Nachgiebigkeit  bestimmen  wollte,  wird  auf 
diese  Farblosigkeit  ausdrücklich  hingewiesen :  „Yerbis  omnes,  qui  a  parte 
adversariorum  stant,  resistuut,  animo  et  sententia  tamen  subscribunt, 
qui  nostri  palam  eruut  induciis  factis.  Sunt  tres  et  quatuor  pervica- 
ces,  qui  nolunt  videri  cessisse  arena.  Talium  stomacho  consulendum, 
ne  quid  obturbent.  Adde ,  quod  in  conditionibus  foederis  nihil  articu- 
lorum  fidel  nominabitur.  Tyrannis  amolienda  est  intoleranda  llber- 
tati."    U.  s.  w.    Opp.  571. 

^)  E.  A.  S.  901  f.  1 :  „Wenn  sie  nämlich  dem  Bekenntniss  des 
Sacraments  halb,  welches  die  Strassburger  dem  Kaiser  auf  dem  Reichs- 
tage übergeben,  sich  anschliessen  wollten,  so  würden  sie  darin  auch 
aufgenommen  werden." 

8)  So  also  ist  er  in  Bullinger's  G^schichtswerk  11,  338  gekom- 
men.   Vgl.  Ranke,  D.  G.  ÜI,  251. 

8)  Keim,  Schwäbische  Reformationsgesch.,  S.  253 ff. 

4)  E.  A.  S.  896  ff.  901  ff. 


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ZWINGLI  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  431 

Hier  erschienen  neben  den  Ratsboten  auch  die  Prä- 
dicanten  der  Burgrechtsstädte.  Es  ist  der  bekannte  Tag, 
auf  dem  Bucer  die  Zwinglianer  zu  seiner  Formel  und  damit 
zu  dem  schmalkaldischen  Bündnis  hinüberzuziehen  versuchte. 
Zwingli  aber  blieb  in  diesem  Augenblicke  der  Entscheidung 
aus.  Ich  denke,  man  darf  dies  Fembleiben  nicht  für  zu- 
fäUig  halten,  sondern  muss  es  als  Absicht  auffassen.  Denn 
es  entspricht  genau  der  Haltung  des  Briefes,  den  er  am 
12.  Februar  eben  nach  Basel  an  Bucer  richtete,  und  dessen 
Hauptsatz  wir  früher  kennen  gelernt  haben.  Ihm  und  seinen 
Mitbürgern  musste  in  jenen  Wochen  —  wir  werden  sehen,  wes- 
halb —  das  protestantische  Bündnis  erwünschter  denn  je  sein, 
weit  mehr  als  im  vergangenen  November,  aber  freilich  nur 
unter  der  Bedingung  des  WaflFenstiUstandes,  niemals  der  Unter- 
werfung hinsichtlich  der  religiösen  Frage,  nur  in  der  Form, 
wie  etwa  auch  „Lutherische  und  Päpstische  wider  den  Tür- 
ken fochten".  Wäre  Zwingli  nach  Basel  gekommen,  so 
hätte  er  seine  Ansicht  bekennen  müssen.  Das  aber  wollte 
er  eben  vermeiden,  denn  er  wollte  und  konnte  nicht  von 
seiner  Lehre  weichen;  und  deshalb  blieb  er  von  dem  ent- 
scheidenden Tage  weg,  sowie  er  das^ Verlangen  Bucer's  nach 
schriftlicher  Einwilligung  in  jenem  Briefe  zurückwies  \). 

Der  Haltung  Zwingli's  entsprach  die  der  Baseler  Ver- 
sammlung. Die  Entscheidung,  die  sie  gebracht  hat,  li^  in 
ihrer  ResultaÜosigkeit.  Dies  war  der  Moment,  in  dem  die 
Schweizer  die  dargebotene  Hand  ergreifen  konnten.  Da  sie 
ihn  ungenutzt  vorübergehen  Hessen,  gaben  sie,  wie  es  sich 
bald  zeigen  sollte,  für  immer  das  Spiel  aus  den  Händen.  In 
der  Tat,  jene  Februartage  scheinen  mir  der  Zeitpunkt  zu 
sein,  wo  die  beiden  Kreise,  deren  gegenseitiges  Annähern 
und  Abstossen  seit  dem  Sommer  1529  wir  beobachtet  haben, 
sich  näher  als  irgend  sonst  vor  oder  nachher  gewesen  sind. 


1)  ,,Nam  bonus  ille  Cattorum  princeps",  schreibt  er  imter  ande- 
rem, „  anxie  monet,  Luterum  cupere,  ut  et  istud  fateamur,  Christi  cor- 
pus ori  etiam  praeberi,  cum  symbola  porriguntur.  Haec,  inquam,  agitis» 
quam  istud  unum  vobb  esset  agendum,  ut  Saxo  reliquique  principes 
et  populi  in  foedere  perstarent,  etiamsi  docti  hac  in  re  dissideant." 


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432  LENZ, 

Das  Abstossen  gmg  dies  Mal  aber  nicht  von  den  Sach- 
sen aus.  licider  wissen  wir  bisher  von  diesem  bedeu- 
tungsvollen Tage  sehr  wenig.  Ausser  dem  Abschied  ist 
kaum  ein  Actenstück  erhalten,  keine  Instruction,  kein  Pro- 
tokoll, keine  Correspondenz.  Nur  von  den  Züricher  Ab- 
geordneten wissen  wir  die  Namen,  Johannes  Bleuler  und 
Rudolf  StoU,  die  uns  Bullinger  aufbewahrt  hat.  Dieser,  der 
eben  hierbei,  doch  ohne  Ahnung  von  ihrer  Bedeutung,  die 
schmalkaldische  Bundesurkunde  mitteilt,  fügt,  es  scheint  auf 
Grund  einer  urkundlichen  Aufzeichnung,  die  Worte  hinzu^ 
mit  denen  die  Züricher  Botschafter  diese  „Nottel"  zur  An- 
nahme empfohlen,  und  die,  mit  denen  die  andern  Bürger- 
städte sie  zurückgewiesen  hätten  *).  Sonst  wissen  wir  von 
den  ohne  Zweifel  sehr  erregten  Debatten,  die  auf  d^  Ver- 
sammlung sowie  vor  und  nachher  in  den  einzelnen  Gemein- 
den über  diese  das  Schicksal  der  Eidgenossenschaft  entschei- 
dende Frage  stattgeftinden  haben,  nichts.  Wie  weit  z.  K 
Zwingli    auf   die   Haltung    seiner    Stadt    damals    einwirkte^ 


1)  Bullinger II, 340:  „Die  Botten  von  Zürych,  Johannes Blüw> 
1er  und  Rudolff  Stoll,  gabend,  ee  dann  diser  Xottel  verläsen  wurde, 
bericht  von  irer  herren  wägen,  wie  etliche  fursten  und  Stett  in  er- 
mäldtem  Nottel  z&  gand  und  den  anzünemmen  schon  bewilliget  und 
angesagt  habind;  welchen  ouch  sy  in  ermässen  diser  schwerren  sorg- 
lichen geschwinden  zyt  und  löuffen,  zu  uffiiung  göttlicher  Eeren  und 
gemeines  trosts  und  wolfart  anzünemmen  gesinnet.  Diewyl  sy  aber 
nitt  wüssen  mögind,  was  ire  liebe  Eydgnossen  und  Christich  Mitbürger 
von  Bemn,  Basel  etc.  berürten  Christlichen  verstandts  z&  ald  absagen 
werdint,  damitt  sy  dann  das  thügind,  das  das  Burgrächt  vermag,  be- 
gärind  sy  von  inen,  das  sy  ouch  daryn  gangind  oder  inen  von  Zy- 
rich  erloubind,  das  sy  sich  mitt  obvermelten  forsten  und  Stetten  ver- 
binden mögind,  aller  gestallt  wie  imm  Nottel  verstanden. 

Aber  die  Burgerstett  warend  hierzuo  gar  nitt  willig,  uss  vilen 
Ursachen,  die  sy  erzalltend,  und  das  es  nitt  gut  were  in  d  ferrc  sict 
verbinden,  damitt  man  dem  keysser  und  könig,  ouch  anderen  Bäpsti- 
schen  fiirsten  und  Stetten  anlass  gäben  wurde  zu  kriegen,  und  den 
pundt  zu  zertrennen.  Man  wüsse  doch  wol,  wie  vil  Unwillens  die  Burg- 
recht gebracht  habind,  die  man  mit  den  usseren  fiirsten  und  Stetten 
Hessen,  Constantz  und  Strassburg  gemacht.  Diewyl  dann  sunst  ge- 
faare,  geschwinde  und  schwerre  zyten  syend,  solle  man  dise  sach  diser 
zyt  beruwen  lassen  und  einer  besseren  zyt  erwarten." 


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ZWENGLI  UND  LAJSDQRAF  PfflUPP.  488 

können  wir  bisher  höchstens  erraten.  Auch  Berns  Haltung 
und  besonders  sein  Verhältnis  su  Zürich  in  dieser  Frage  istt 
noch  80  wenig  durchsichtig,  als  es  von  Interesse  sein  würde, 
davon  eine  Vorstellung  zu  gewinnen.  Das  lässt  sich  aller« 
dings  auch  aus  dem  Wenigen,  was  uns  erhalten  ist,  nicht  ver- 
kennen, dass  die  Bürgerstädte  ein  wenig  eingelenkt  haben. 
Die  schroffe  Ablehnung  vora  November  wiederholt  der  März- 
abschied nicht:  man  lässt  eich  vielmehr  das  Bekenntnis,  des 
Strassburg  in  Augsburg  überreicht  habe,  und  seine  Erläuterung 
durch  Martin  Bucer  gefidlen,  „da  sie  der  Schrift  geanäas  und 
den  Conscienzen  unverletzlich  erscheint".  Doch  wollen  die 
Prädicanten  darin  nicht  genannt  sein  und  sich  vorbehalten,  bei 
anderem  Anlaas  nähere  Erklärungen  zu  geben.  Etwas  „End- 
liches" ward  aber  —  einzelne  Boten  schützten  Instructions- 
loalgkeit  vor  —  nicht  beschlossen.  Es  sollte  heimgebracht, 
doch  nur  an  die  „Geheinaen"  berichtet  werden,  ob  sie  das 
von  StraAsburg  aufgestellte  Bekenntnis  annehmen  wollten :  die 
Batsboten  scheuten  also ,  wie  ZwingU  selbst,  den  vulgus  *). 
Auf  einem  Bürgertage,  den  Basel  berufen  sollte,  wollte  nmn 
die  endgültige  Entscheidung  treffen. 

Irre  ich  nicht,  so  ist  in  dieser  etwas  günstigeren  Bai" 
tung  eine  Bückwirkung  sowohl  der  Wendung  zu  erkennen, 
welche  in  diesen  Monaten  die  evangeUschß  Bewegung  in  den 
schwäbischen  Städten  genommen  hatte,  als  der  Gefahren,  die 
im  Innern  und  an  den  südlichen  Grenzen  d^  Eidgenossen- 
schaft sich  immer  drohender  entwickelten.  In  Augsburg  ge- 
wann damals  in  heftigem  Kampf  gegen  die  Lutheraner  die 
Zwingli'sche  Partei  von  Tag  zu  Tag  an  Boden  *).   Seit  dem 


1)  Den  EntsoMoss  BernB  und  die  Gründe  dazu  teilte  Berthold 
Haller  Zwii^li  wx  17.  März  in  folgendem  Bnefchen  mit:  „Responr 
dlmus  optimo  fratri  nostro,  apud  nostrates  nihü  minus  impetrari  posse, 
quam  quod  subscribamus  obscurae  et  ambiguae  Argentoratensi  con- 
feseioni,  atque  propter  plebem,  quam  aperte  docuimus,  tum 
propter  hypocritas  uostros,  qui  mox  ansam  haberent 
omnia  invertendi.  Vale.  A  magistro  Jacobe  audies  de  defectu 
meo.  17.  Mart.    Tuns  Berchtoldus  Hallerus."    Opp.  586. 

«)  Keim,  Schwab.  Ref. -Gesch.,  S.  266  ff. 


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434  LENZ, 

5.  März   hatten   sogar   die  Extremen,    die   Ceilarins  filhrte, 
mehrere   Monate    unbestritten    die   Oberhand.     In  Ulm    und 
den  ihm  verwandten  Städten  geschah,  was  Zwingli  das  Liebste 
war:    die  Besserer,  Ehinger  und  ihre  Freunde  verständigten 
sich  mit  Sam  und  seinen  CoUegen :  hier  nahm  die  Bew^ung  die 
Richtung,  die  von  Strassburg  aus  geleitet  wurde ;  ihr  schlössen 
sich    alle    evangelischen  Städte    von    Basel   bis   Memmingen 
und  Isny   an.     Die    Beschlüsse    der    Conferenz,    welche    in 
Memmingen  vom  27.  Februar  bis  zum   1.  März  tagte,    wo 
Blaurer  präsidirte,  Sam  und  Bernhard  Besserer  neben  einander 
Ulm  vertraten,  zogen  davon  die  Simune,  in  recht  ausgeprägt 
Zwinglischem  Sinne,  obschon  die  Strassburger  Einheitsformel 
für  das  Sacrament  zu  Grunde  gelegt  wurde.   Der  Memminger 
Tag  ging  dem  von  Basel   parallel  und  sollte   die  kirchliche 
Ergänzung  fiir  die  politischen  Beschlüsse  der  Ulmer  Januar- 
versanunlung  geben:    er  brachte  von  den  Reichsstädten  das, 
was  der  von  Basel  seitens   der  schweizerischen  Burgrechts- 
städte hätte  bringen  sollen,   die   Bestätigung  der  Schmalkal- 
dener  Beschlüsse  und  die  Vorbereitimgen  zum  Abschluss  des 
Bundes  in  der  nächsten  Versammlung  *).   Diesem  waren  da- 
mals jene  Städte  wohl  geneigt,  während  sie  andrerseits  auch 
ihren  Rückhalt  bei  den  Eidgenossen  zu  verstärken  suchten: 
in  Basel   konnten  die  Constanzer  berichten,   dass  ihre  Wer- 
bungen bei  den  Freunden  in  Lindau,  Kempten,  Memmingen 
und  Isny  gutes  Gehör   gefunden  hätten;    es   sei  von  diesen 
nichts  Anderes  als  Gutes  zu  erwarten  *). 

So  schien  sich  die  Politik  des  letzten  Baseler  Abschiedes 
bewähren  zu  wollen.  Trotz  der  Sprödigkeit,  mit  der  man 
die  auf  die  Gewinnung  Oberdeutschlands  gerichteten  Ver- 
mittlungsversuche Sachsens  aufnahm,  ward  die  Verbindung 
mit  den  Reichsstädten  nur  enger;  die  grosse  Concession, 
welche  von  den  Eurfürstischen  in  der  Anerkennung  der 
Tetrapolitana  gemacht  war,  diente  nur  dazu,  die  reformato- 
nsche  Bewegung  im  Oberlande  in  sehr  entschieden  Zwing- 
lische  Bahnen  zu  lenken. 


»)  Keim  a.  a.  O.  257  ff 
8)  E.  A.  903,  h. 


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ZWINGLI  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  435 

Unter  demselben  Gesichtspunkte  werden  wir  auch  den  Brief 
Zwingli's  an  Philipp  vom  11.  Februar  auflfassen  müssen.  Er 
ist  einen  Tag  vor  dem  Absagebrief  an  Bucer  geschrieben, 
worin  Zwingli  erklärt,  keine  Zeit  zu  einem  Brief  an  den 
Landgrafen  über  die  Abendmahlsstreitigkeit  zu  haben,  und  dem 
CoUegen  nur  gestatten  will,  einen  Auszug  des  an  ihn  ge- 
richteten Schreibens  jenem  zu  übersenden  *).  Ein  Bote  hat 
vielleicht  beide  Schreiben  bis  Basel  getragen.  Ueber  den 
Sacramentstreit  findet  sich  nun  allerdings  in  dem  an  den 
Landgrafen  keine  Sjlbe.  Im  Uebrigen  aber  bekimdet  es 
<la8  grösste  Enigegenkommen  gegen  Philipp's  LiebHngswunsch, 
die  Rückführung  Herzog  Ulrich's  in  sein  Land :  weshalb  denn 
der  Landgraf  so  lange  nichts  von  dem  Würtemberger  Han- 
del habe  hören  lassen?  Jetzt  grade  sei  es  Zeit,  die  Sache 
„anzuheben",  wo  der  Kaiser  noch  im  Lande,  Ferdinand 
noch  nicht  befestigt,  die  Welt  noch  nicht  abfällig  sei.  Er 
müsse  mit  Basel,  Bern  und  Zürich,  besonders  den  zwei  letzteren 
Ulrich's  halben  handeln,  denn  „es  stat  sinethalb  vast  gunst- 
lich hie  oben  bym  gemeinen  man''.  So  antwortet  ZwingU 
auf  den  Brief  vom  25.  Januar,  in  dem  Philipp  ihn  aufs 
dringendste  zur  BewiUigung  des  Concordats  aufgefordert,  die 
würtembergische  Frage  aber  nur  ganz  kurz  berührt  hatte. 
Kann  für  uns  etwas  beredter  sein  als  das  Schweigen  über 
den  einen  und  dies  hitzige  Eingehen  auf  den  andern  Lieb- 
lingswunsch des  Fürsten?  Den  Gesinnungsgenossen  zu 
fesseln  und  die  Selbständigkeit  gegenüber  dem  Kurfürsten 
zu  wahren,  ist  oflfenbar  auch  die  Absicht  dieses  klug  berech- 
neten Briefes;  es  ist  dieselbe  Politik  wie  im  November.  Da- 
hin gehört  auch  die  Versicherung,  den  angebotenen  Bund 
mit  Freuden  anzunehmen:  „Zürich  hat  in  den  verstand  mit 
frolocken  bewilliget."  Und  kein  Wort  über  die  unerlässliche 
Vorbedingung,  die  Anerkennung  der  TetrapoHtana  1  Nur 
wieder  der  (Jedanke,  den  der  Brief  an  die  Freunde  in  Basel 
vom  20.  November  aussprach:    den  Bund  wie   den  mit  den 


1)  „  Ferre  possem,  ut  ad  Cattum  brevem  hujus  epistolae  summam 
dares,  nam  ad  illum  scribendi  otium  nunc  non  suppetit.  Scripsimus 
pridie  ad  illum.^* 


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436  LENZ, 

Papisten  gegen  die  Türken  eingehen  zu  wollen.  Konnte 
Zwingli  aber  hoffen  und  hat  er  jemals  im  Ernst  gehofft,  eine 
solche  Vereinigung,  die  er  in  seinem  engeren  Kreise  niemals 
geduldet  hätte,  mit  den  schroffen  Gegnern  zustande  zu 
bringen? 

Diese  Politik  war  klug  und  hatte  momentane  Erfolge, 
aber  auf  die  Dauer  musste  sie  unfruchtbar  bleiben. 

Zwingli  drückt  in  dem  Briefe  die  Befürchtung  aus,  dass 
die  Welt  wieder  „ab&llig"  werden  könne.  In  der  Tat  be- 
gann wohl  eben  in  diesen  Tagen  die  neue  Strömung  in  der 
evangelischen  Parteibewegung  sich  zu  bilden,  die  wieder  in 
der  entgegengesetzten  Richtung  lief  und  in  wenigen  Wochen 
zu  Tage  treten  sollte. 

Es  ist  die  letzte  Phase  innerhalb  dieser  Verschmelzungs- 
versuche der  beiden  evangelischen  Kreise. 

Die  politischen  Factoren,  die  sich  jetzt  gegen  einander 
bewegen,  sind  keine  andern  als  früher.  Nur  der  Druck, 
den  sie  gegenseitig  ausüben,  ist  verschieden.  Hundert  Intei^ 
essen  knüpften  die  protestantischen  Mächte  zusammen,  ebenso 
starke  Gegenkräfte  aber  trieben  sie  immer  wieder  auseinander. 
Und  leider  war  die  stärkste  Fessel,  die  sie  band,  nidit  das 
Bewusstsein  der  gemeinsamen  Religion,  sondern  das  der  ge- 
meinsamen Gefahr.  Nur  die  Furcht  hatte  die  Sachsen  be- 
wogen, den  Sacramentirem  die  Hand  zu  bieten.  Sobald 
diese  verschwand,  mussten  die  alten  Antipathien  von  neuem 
erwachen.  So  begann  eine  rückläufige  Bewegung  in  die  Bah^ 
nen,  die  man  im  October  überwunden  zu  haben  schien.  Auch 
wenn  wir  es  nicht  wüssten,  könnten  wir  wohl  erraten,  was 
auf  die  Haltung  Sachsens  fortan  eingewirkt  hat:  neue  An- 
knüpfungsversuche  des  kaiserlichen  Hofes,  friedliche  Veiv 
Sicherungen,  vielleicht  gar  gewisse  Verheissungen  haben  die 
Orthodoxie  und  die  Friedfertigkeit  der  sächsischen  Staats- 
männer gleichmässig  gestärkt.  Leider  sind  wir  über  den 
Beginn  und  Fortgang  dieser  Unterhandlungen  noch  ebenso 
im  Unklaren,  wie  über  die  vor  dem  Augsburger  Abschied. 
Möglich,  dass  sie  an  die  sächsischen  Politiker  erst  nach  dem 
zweiten   Sclimalkaldener  Tage  herantraten;   jeden&lls    aJber 


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ZWINGLI  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  4^7 

werden  diese  schon  damals  gemerkt  baben^  dass  die  Gefahr 
nicht  so  unmittelbar  vor  der  Tür  sei,  vielleicht  noch  ein  Mal 
an  ihnen  vorübergleiten  und  an  einer  andern  Stelle  treflFen 
werde.  Zugleich  konnten  sie  den  Verlauf^  den  die  Refonn- 
bewegung  in  den  Eeichsstädten  in  Folge  der  Versöhnungs- 
polilik  nahm,  unmöglich  mit  Wohlgefallen  betrachten.  Nah- 
men sie  jetzt  die  Zwinglianer  ohne  jede  confessionelle  Be- 
dingung in  das  Bündnis,  so  gaben  sie  das  Oberland  ihren 
Wühlereien  völlig  preis,  setzten  sich  also  in  dieselbe  Lage,  die 
Zwingli  und  die  Seinen  im  November  hatten  vermeiden  wollen. 
Andrerseits  durften  sie  den  oberländischen  Communen  nicht 
die  Schroflfheit  ihres  Principes  aufdrängen  wollen,  denn  da- 
mit wären  diese  nur  den  Schweizern  ganz  in  die  Arme  ge- 
trieb^QL  ^).  Sie  wollten  mit  diesen  Städten  dasselbe,  was  die 
Schweizer:  ihre  Macht  verstärken.  Mit  jenen  verknüpfte 
sie  eine  ganze  Reihe  von  Beziehungen,  zu  den  Eidgenossen 
zog  sie  kein  politisches  Interesse.  Da  half  es  ihnen  nun 
nichts :  sie  mussten  trotz  aller  ihrer  Glaubensstärke  das  Halb- 
dunkel der  Tetrapolitana  dem  Lichte  ihrer  Confession  gleich 
erklären  und  zu  der  noch  viel  radikaleren  Ausbildung  der 
kirchlichen  Formen  in  der  neuen  Provinz  ein  Auge  zudrücken. 


1)  Noch  zur  Zeit  des  schmalkaldischen  Krieges  spricht  Melanch^ 
thon  in  seinen  Briefen  wiederholt  diese  Furcht  aus,  so  am  27.  Juli  gegen 
Meienburg  in  Nordhausen :  „  Sed  profecto  consilium  Caroli  imperatoris 
stultum  fuit  de  hello  movendo.  Nam  etiam  profligatis  principihus 
civitates  Germaniae  superioris  potius  cum  Helvetiis  se  conjuncturae  essent 
quam  acceptnrae  hispanicum  imperium";  am  11.  Decemher  gegen  den 
vertrautesten  Freund,  Joachim  Camerarius:  ,,si  implacabiliter  irascitur 
Imperator  Cärolus,  metuo  illa,  quae  semper  metuimus,  conjuDCtionem 
civitatimi,  quae  ad  Rhenum  et  Danubium  sitae  sunt,  cum  alpinis  gen- 
tibus,  et  religionum  confusionem  et  seditiones  horribiles  " ;  und  noch  am 
3.  Februar  1547  gegen  König  Christian  von  Dänemark :  „  Und  wiewohl 
die  Pfaffen  sehr  rühmen,  dass  nimmehr  der  Churförst  zu  Sachsen  und 
der  Landgrave  KU  Hessen  also  abgezogen  sind,  so  wird  doch  der  Kaiser 
damit  die  Christenheit  und  das  deutsche  Keich  nicht  zufrieden  bringen, 
sondern  die  Stadt  Constantia,  Strassburg,  Augsburg  und  andere,  und, 
wie  ich  merk,  auch  Wirteberg,  werden  sich  zu  Sueitz  thuen,  dass 
also  der  Kaiser  durch  diesen  erbärmlichen  Krieg  Kirchen  imd  Reich 
mehr  zerrissen  hat,  denn  sie  zuvor  gewesen,  wie  ich  im  Anfange  dieses 
Krieges  besorget.**  —  C.  R.  VI,  205.  311.  381. 


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438  LENZ, 

wenn  nur  die  Neugewonnenen   ihren   Gegensatz   gegen    die 
Zwinglische  Richtung   offen    eingestanden.     Das  geschah    zu 
Schmalkalden  auf  der  zweiten  Bundesversammlung  im  M&rz^ 
wo  der  Entwurf,   den  einst  Philipp   und  Zwingli  vereinbart 
hatten,   zuerst  in  die  Form   eines  Abschiedes  gebracht  und 
zur    schmalkaldischen    Bundesurkunde    geworden    ist     Hier 
musste  Jakob  Sturm  den  Unterschied  der  oberländischen  von 
der  schweizerischen  Lehre  ausfuhrlich  und   deutlich  begrün- 
den.    Danach   aber  erkannten  die  Lutheraner  die  Tetrapoli- 
tana  als   „Gottes  Wort  gemäss ''   an.     Die  Cerimomen£rage, 
hinter  der  sich  der  Kern  der  Gegensätze  verbarg,  kam  gar  nicht 
zur  Sprache.     Der  Kurprinz  Johann  Friedrich,   der   seinen 
Vater  vertrat,  befahl  seinen  Theologen,  fortan  „gleichförmig 
und  bescheidentlich"   von  dem  Handel  des  Sacramentes  zu 
predigen  *). 

Die  Abgeneigtheit  der  Sachsen,  mit  den  Schweizern  in 
„brüderliche  Gemeinschaft"  zu  treten,  musste  nun  aber  in 
eben  jenen  Wochen  noch  wachsen  durch  die  grossen  Ge- 
fahren, welche  die  politische  Stellung  der  letzteren  bedrohten 
und  zum  Teil  schon  bestürmten.  Im  März  brach  der  Müsser 
Krieg  aus.  Der  Castellan  hatte  in  frevelhafter  Weise  die 
heiligste  Satzung  des  Völkerrechtes  durch  die  Ermordung 
eines  Gesandten  der  Graubündner  gebrochen,  und  wagte  es 
jetzt,  mit  seinen  Spaniern  und  im  Vertrauen  auf  den  Rück- 
halt, den  ihm  die  mächtigen  Freunde  zu  gewähren  schienen^ 
der  eidgenössischen  Macht  zu  trotzen.  Seit  dem  Februar 
aber  spitzten  sich  die  inneren  Gegensätze  in  der  Eidgenossen- 
schaft immer  schärfer  zu  der  Krisis  zu,  die  im  Herbst  fiir 
Zwingli's  Werk  die  Katastrophe  wurde.  An  diesen  Con- 
flicten  hatte  die  sächsische  Politik  gar  kein  Interesse.  Wes- 
halb sollte  sie  sich  in  ihre  Gefahren  hinein  ziehen  lassen? 

•  Auch  die  oberländischen  Städte  waren  durch  die  Ver- 
wicklungen der  inneren  eidgenössischen  Politik  wenig  oder  gar 
nicht  berührt;  umsomehr  mussten  sie  ihnen  ein  Anlass  sein, 
ihre  Augen  auf  die  Verbindung  mit  den  nördlichen  Mächten  zu 
richten.   Und  selbst  den  Eidgenossen  konnte  in  diesem  Augen- 

1)  Keim  a.  a.  0.  S.  280. 

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ZWENGU  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  439 

blicke  der  Gedanke,  mit  den  Sachsen  „die  Aufrichtung 
grosser  Briefe  und  Siegel''  zu  betreiben,  nicht  mehr  so  be- 
denklich sein  wie  im  November.  Wenigstens  die  Verbin- 
dimgen,  die  sie  innerhalb  der  Gesanmitpartei  hatten,  mussten 
sie  nach  Kräften  zu  erhalten  und  zu  stärken  bedacht  sein. 
Zwar  bat  Zwingli  grade  in  jenen  Tagen,  am  5.  April,  Va- 
dian,  den  Anschluss  der  schwäbischen  Städte  an  die  Eidge- 
nossen vermitteln  zu  wollen,  da  die  evangelischen  Fürsten 
zu  entfernt  wären,  um  sofortige  Hülfe  bringen  zu  können, 
indessen  haben  doch  er  und  seine  Mitbürger  in  denselben  Tagen 
den  Landgrafen  für  ihre  Interessen  auf  das  lebhafteste  zu 
gewinnen  versucht.  Vom  30.  März  besitzen  wir  einen  Brief 
Zürichs  an  Philipp,  in  dem  es  die  Freveltat  des  Castellans 
von  Musso  und  den  Auszug  des  eidgenössischen  Heeres,  um 
sie  zu  rächen,  meldet  *).  Wenige  Tage  darauf  kam  die 
Kundschaft,  dass  der  Schwager  des  Castellans,  Marx  Sittich 
von  Ems,  und  sein  Sohn  in  dem  Tiroler  Gebiete  Knechte 
zusammenzögen,  offenbar  in  der  Absicht,  dem  Verwandten 
und  Bund^genossen  Entsatz  zu  bringen.  Sofort  meldeten 
die  Züricher  dies  dem  Landgrafen  in  einem  zweiten  Schrei- 
ben, das  sie  absandten,  ohne  nur  mit  den  andern  Städten 
darüber  zu  beraten.  Philipp  Hess  es  wieder  von  seiner  Seite 
nicht  an  Eifer  fehlen.  Er  wähnte  schon,  das  Wetter  wolle  los- 
brechen und  die  Gelegenheit  sei  da,  die  Bundesgenossenschaft 
mit  der  Tat  zu  bewähren.  Gleich  mit  dem  ersten  Brief 
sandte  er  seinen  Secretär  Johann  von  Nordeck  an  den  Für- 
sten von  Lüneburg.  Wir  kennen  noch  nicht  den  Inhalt  der 
Werbung,  aber  die  Antworten  des  Fürsten,  die  uns  vor- 
liegen, lehren,  dass  Philipp  versucht  hat,  ihn  hinter  dem 
Rücken  des  Kurfürsten  für  seine  kriegerischen  Pläne  zu  ge- 
winnen. Fürst  Ernst  stand  damals  mit  dem  Landgrafen  in 
gutem  Vertrauen  und  war  wohlgeneigt,  die  Eidgenossen  in 
den  G^sammtbund  au&unehmen;  diese  Anmutungen  waren 
ihm  aber  doch  zu  stark.  Drei  Mal  hat  er  an  zwei  Tagen, 
den  17.  und  19.  April,  selbst  zur  Feder  gegriffen,  um  den 
Freund  vor  unbedachtsamem  Handeln  zu  warnen :  er  sei  zu 


1)  E.  A.  S.  932,  3. 

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440  LENZ, 

eilig,  zu  eigenwillig,  er  möge  doch  nur  gemaehsam  und  in 
rechtem  Geheim  verfahren,  damit  andere  Städte  nicht  ab- 
geschreckt würden;  einmütiger  Rat  sei  nötig  und  daher  das 
Beste,  den  ganzen  Handel  bis  zm*  gemeinsamen  Beratung 
auf  dem  Frankfurter  Tage  aufzuschieben  ^). 

Philipp  aber  dachte  alles  Ernstes  daran,   loszubrechen. 
•Sowie   er  nur  den  ersten  Brief  von  Zürich   erhalten   hatte, 
ordnete  er  Alexander  von  der  Thann  als  Gesandten  dorthin 
ab.     Dann  kam  der  zweite  Brief  über  die  Rüstungen  Marx 
Sittiches,    und  sofort    ward  ein    zweiter  Botschafter,    Hein« 
von  Luther,  mit  einer  neuen  Werbung  nachgeschickt,  die  er 
zugleich  in  Strassburg  imd  Basel  vortragen  sollte.     Die  Vor- 
schläge, welche  Thann  überbrachte,  waren  noch  ziemlich  all- 
gemein gehalten :  obschon  von  Rüstungen  des  Kaisers  nichts 
verlaute,  ausser  dass  derselbe  nach  Knechten  trachten   solle 
unter    dem    Schein   eines   Zuges  gegen   den  Türken,    wolle 
der    Landgraf  dennoch    treues    Aufsehen    haben,    um,    so- 
bald Zürich  und  andere  Bundesverwandte  bedrängt  würden, 
sich  dem  Bündnis  gemäss  zu  halten.    Er  bitte  nur,  ihm  flir 
solchen  FaU  den  Willen  der  Stadt  kund  zu  tun.     Schon  sei 
ein  Aufgebot    geschehen    und    an   Strassburg    in    demselben 
Sinne  geschrieben.    Die  zweite  Werbung  hingegen  zielte  auf 
directen  Angriff:  man  müsse  gegen  diejenigen,  die  dem  Feinde 
Vorschub    leisten,    gleichzeitig    zur  Gegenwehr    greifen;    ein 
jeder  der  Verbündeten    soUe   „an    seinem    Ort"    ausziehen, 
aber   alle  für  einen  Mann    stAen;    mit   Leuten   und   Geld 
müsse  man  sich  gegenseitig  unterstützen  und  nur  gemeinsam 
Frieden   schliessen.     Der  Landgraf  schien  den  Moment  für 
gekommen  zu  halten,  den  der  Graf  von  Mansfeld  mit  seinem 
Vorschlage  ins  Auge  gefasst  hatte  *). 

Jedoch  sein  kriegerischer  Eifer  ward  durch  die  Schweizer 
selbst  gedämpft.  Die  Bundesstädte  hatten  es  den  Zürichern 
sehr  übel  genommen,  dass  sie  das  zweite  Schreiben,  ohne  sie 
nur  zu  fragen,  an  den  Landgrafen  hatten  abgehen  lassen. 
Auf   dem   Bürgertage,   den   die  Herren   von  Zürich   in  ihre 


1)  Orig.  Marb.  Arch. 
8)  E.  A.  964  ff. 


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ZWINGU  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  441 

Stfldt  in  der  Osterwoche  berufen  hatten,  um  die  bösen  Nach- 
nohten  über  die  RUßtungen  Sittiches  mitzuteilen  und  auf  einen 
Gegeneinfall  in  Tirol  anzutragen,  konnten  ihnen  die  Bundes- 
yerwandten  sehr  viel  äfiedlichere  Meldimgen  entgegenhalten: 
in  Oeßterreich  nehme  sich  —  wie  die  Bündner  selbst  mel- 
den —  niemand  des  Handels  an  als  der  ron  Ems  oder  sein 
,S(^,  den  Kegenten  und  Behörden  wie  dem  gemeinen  Mann 
sei  vielmehr  die  Unternehmung  des  Müssers  höchst  misföUig 
Mau  erhalte  aus  Tirol  Zufuhren  aller  Art  und  die  besten 
.  Zusicheäfungen,  die  Erbeinung  mit  den  drei  Bünden  zu  hal- 
ten. Da  sei  es  unnötig  und  ganz  unfruchtbar,  bei  dieser 
^,  klemmen  und  theuren^^  Zeit  einen  zweiten  Krieg  anzufangen, 
bevor  der  eine  beendet  sei,  und  sich  aus  Freunden  Feinde 
au  machen.  Man  solle  erst  sehen,  wie  man  im  Vältlin  Ord- 
nung schaffe  ^).  Nach  solchen  Vorberatungen  konnte  die 
Antwort  an  die  hessischen  Gesandten  nicht  wohl  kriegerischer 
lauten.  Am  28.  April  ward  sie  ihnen  in  Zürich  auf  einem 
neuen  Bürgertage  gegeben.  Man  äusserte  «ich  höchst  erfreut 
und  dankbar  über  den  guten  Willen  des  Fürsten.  Er  ward 
gebeten,  denselben  auch  ferner  zu  beweisen,  und  ein  Gleddbiss 
versprochen  „als  sich  das  von  christenUcher  pflichten  wegen 
gepüre",  man  werde  gegen  die  Widerwärtigen  nichts  unter- 
nehmen ,  ohne  dam  Fürsten  Bericht  erstattet  und  seinen  Bat 
eingeholt  zu  haben.  Uebrigens  aber  sei  von  den  Absichten, 
-die  in  der  Instruction  gemeldet  seien,  „diser  zit  ze  reden  oder 
zuo  handeln  von  unnöten'^,  da  der  König  seine  Süstungen 
eingestellt  habe  und  der  „Tyrann"  wohl  in  kurzer  Zeit 
„gedämmt"  sein  werde. 

Diesen  Beschluss  schreibt  Zwingli  d^m  fUrstUchen 
Freunde  in  dem  Brief  vom  28.  April.  Gewiss  wird  es  ihm 
peinlich  gewesen  sein,  eine  solche  Mitteilung  zu  machen,  denn 
sie  war  im  Grunde  nichts  als  eine  Zurückweisung  der  be- 
reitwilligen Zusagen,  zu  denen  seine  Herren  den  Fürsten 
durdi  die  beiden  Briefe  bewogen  hatten.  Er  hatte  also  die 
Au%abe,  die  Pille  mögHchst  zu  versüssen,  und  wie  er  das  tut, 
ist  wieder  "höchst  charakteristisch.     PhiKpp  hatte  bei   seiner 


1)  E.  A.  936. 

Zeitichr.  f.  K.-G.  UI.  3.  30 


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442  LENZ, 

Bei'eitwilligkeit,  loszuschlagen,  jedenfalls  in  erster  Linie  wieder 
Würtemberg  im  Auge.     Hierauf  also  musste   Zwingli,     Tvie 
in  dem  Brief  vom  11.  Februar,   die  Hoffiiung  des   Fürsten 
rege  erhalten.     So  schreibt  er  daher,   unmittelbar  naehdem 
er  den  Beschluss  des  Bürgertages  gemeldet  hat:    „Demnach 
empfelhend  mir  die,   so  nit  die  geringisten   sind,   üch   anze- 
zeigen,  dass  es  by  uns  gantz  verschruwen  ist,  dem  Herzog 
von  Würtemberg  ze  verhelflFen ,  und  sähind  hohes  imd  niedren 
Standes  gemn,  das  die  Sach  überhin  war,  könnend  euch  -wol 
erkennen,   das   sy  uns  zu  frid  imd  krieg  in  unseren  landen 
dienstlich    wurde    sin."    Konnte  er  damals  im  Ernst  daran 
denken,  dass  die  Berner,  die  sich  nicht  einmal  gegen  Marx 
Sittich    und    die   Fünförtischen    bewegen    liessen,    in    einen 
grossen  Reichskrieg,  zu  dem  der  würtembergische  Zug  wer- 
den musste,  verwickeln  lassen  würden? 

Auch  die  Verbindung  mit  Frankreich,  so  schreibt 
Zwingli,  habe  er  von  neuem  in  Anregung  gebracht  Er 
bezieht  sich  damit  auf  eine  Mission,  mit  der  er  wieder  den 
Collinus  zum  General  Maigret  Ende  März  ^)  betraut  hatte. 
Nächster  Anlass  dazu  war  der  Ausbruch  der  Müsser  Fehde, 
seine  Hoflhung  aber,  die  Summen,  die  Konig  Franz  den 
Schweizern  von  den  vergangenen  Feldzügen  her  noch  schul- 
dete, fiir  den  grossen  Krieg,  den  er  vor  Augen  sah,  flüssig 
zu  machen.  Der  Bescheid,  den  Collinus  heimbrachte,  war 
denen  vom  vorigen  Jahre  ähnlich:  gute  Worte  und  unbe- 
stimmte Verheissungen  genug,  aber  keine  feste  Zusage  und  in 
dem  Hauptpunkt  eingehe  Abweisung.     Der  G^eneral  sprach 


0  Der  Bericht  darüber  nach  des  Collinus  eigener  Handschrift 
E.  A.  S.  934.  Eine  Note,  die  der  Stadtschreiber  Rudolf  Beyel  dem 
Schriftstück  zugesetzt  hat,  sagt  darüber:  „Rudolf  am  Büel,  so  man 
nempt  Colinus,  ward  mit  disem  empfalch  von  minen  herren  den 
heimlichen  zuo  dem  Mageret  abgefertigt  und  referiert  wie  obstat, 
Anno  etc.  xv«  xxxj  ipsa  die  Parasceues  ".  Zwingli  schreibt  aber :  „  Nun 
hab  i  c  h  by  Frankreich  min  kleinfueg  werben  geton  und  antwurt  em- 
pfangen, man  welle  mich  lassen  wüssen,  doch  hab  ich  sidher  ghein 
antwurt  empfangen.**  Eine  Differenz  im  Wortlaut,  die  wie  wenig  an- 
deres geeignet  ist,  uns  Form  und  Wesen  des  Regiments,  in  dem  Zwingli 
mitwirkte,  die  Machtstellung,  welche  er  in  seiner  Vaterstadt  einnahm, 
zum  Bewusstsein  zu  bringen. 


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ZWINGLI  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  443 

viel  von  dem  guten  Willen  seines  Monarchen  für  die  Eid- 
genossen und  seiner  Feindschaft  gegen  den  Kaiser;  er  riet 
an,  dass  Zwingli  eine  Apologie  der  religiösen  und  politischen 
Ziele  seines  Städtebundes  an  den  König  aufsetzen  möge;  er 
Hess  durchblicken,  dass  er  im  Kriegsfalle  wahrscheinlich  einen 
Geldzuschuss  von  seinem  Monarchen  werde  erwirken  können; 
aber  das  Verlangen  sofortiger  öeldunterstützung  wies  er 
ebenso  freundlich  als  bestimmt  zurück  *).  Die  französische 
Politik  gegenüber  der  Schweiz  war  eben  seit  einem  Jahre 
keine  andere  geworden.  Sie  verfolgte  stets  nur  das  eine 
Ziel,  den  drohenden  Conflict  zwischen  der  katholischen  und 
e,vangelischen  Partei  zu  verhindern,  und  deshalb  sehen  wir 
ihre  Vertreter  bei  den  Eidgenossen  grade  in  jenen  Wochen 
um  so  unermüdUcher  zum  Frieden  mahnen,  je  unvermeidlicher 
der  Bügerkrieg  heraufisog  *). 

So  wenig  nun  dies  alles  dazu  angetan  war,  Landgraf 
Philipp  in  seinen  Hofihungen,  das  evangelische  Gesammt- 
bündnis  fertig  zu  bringen,  zu  bestärken,  hat  er  doch  die- 
selben auch  damals  keinen  Äugenblick  aus  den  Augen  ver- 
loren. Und  in  der  Tat  waren  die  beiden  Parteien  trotz  der 
Trennimg  im  Frühjahr  noch  immer  ganz  nahe  bei  einander, 
imd  strebten  die  verwandten  Kräfte  noch  immer  nach  Ver- 
einigung. Es  ist  schliesslich  der  Widerspruch  einer  einzigen 
Macht,  Sachsens,  gewesen,  was  den  Zusammenschluss  auf 
der  dritten  Bundesversammlung  im  Juni  zu  Frankfurt  ver- 
hindert hat.     Die  Instruction,  mit  der  Landgraf  Philipp  seine 

1)  „Dorum,  sitmal  die  löuf  sich  jetz  uf  krieg  züchent  wider 
den  Keiser,  welches  der  Küug  wol  erlyden  mag,  so  will  der  General 
au  den  Rüng  lassen  langen ,  ob  der  Küng  ein  heimlichen  zuoschuoh 
an  gelt  thuon  wölte  m.  g.  herren,  wo  ein  krieg  wider  den  Reiser  an- 
gienge,  und  dessen  M.  V.  (d.  i.  Meister  Uolrich)  wüssenhaffc  machen, 
als  bald  er  antwurt  dorum  empfacht/*  (Darauf  beziehen  sich  Zwingli's 
Worte  a.  a.  0.:  „Doch  hab  ich  sidhar  ghein  antwurt  empfangen".) 
„  Der  General  rat,  M.  V.  soll  durch  ein  geschribnen  brief  dem  Küng 
rechtung  geben  des  gloubens  der  christenlichen  stetten  und  verant- 
worten etlich  artikel,  so  man  dem  Küng  falschlich  fürgibt,  und  be- 
sonder dass  man  kein  oberkeit  solle  han  etc.,  und  den  brief  dem 
General  zuoschicken  etc." 

a)  E.  A.  S.  991.  996  f.  1009.  Opp.  605. 

30* 


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444  LENZ, 

Bevollmächtigten  Ludwig   von  Boyneburg  und  Georg    Nus- 
bicker  nach  Frankfurt  entliess  *),  zählt  die  Gründe  auf,  durch 
die  er  die  Hartnäckigkeit    seines  Verbündeten    zu   brechen 
hoffite:  die  Vorteile,  die  dem  Evangelium  aus  der  Aufnahme 
der  Schwdzer  erwachsen  würden;  der  Kaiser  würde  fortan^ 
felis  er  angreifen  sollte,    drei  Kriege  zu  führen  haben,     den 
einen  gegen  Dänemark  und  die  Seestädte,  den  andern  gegen 
die  Eidgenossen  imd  den  dritten  gegen  Sachsen -Hessen   mit 
den  ihnen  verwandten  Fürsten,  Ghtifen  und  Städten;    femer 
die  religiöse  GemetQschaft:    der  Artikel  über  das  Sacrament 
sei    vergUchen,    Oekolampad,    Zwingli   und   ihre  Anhänger 
dächten   wie  Luther  und  Melanchthon,    sie   wollten    es    nur 
nicht  vor  der  Welt  eingestehen  aus  Furcht,  dass  die  früheren 
Gegner  dann  „gross  gloriren"  würden.     Die  Instruction  be- 
tont die  geringe  Verbindlichkeit,   die   aus  der  Einigung  mit 
den  Schweizern  erwachsen  würde:  nur  wo  das  Interesse  der 
Seligion,    deren  Verteidigung  das  Bündnis   geschaffen    habe 
und   die   sie   alle   v^^knüpfe,    ins   Spiel  käme,    würde   man 
verpflichtet  sein.     Sie   fasst  auch  den  Fall  ins  Auge,    dass 
Sachsen  sich  auf  den  Handel   wegen  der  Eidgenossen  gar 
nicht  mehr  einlassen  würde:    dann  sollen  die  Gesandten  mit 
den    anderen    Ständen,    Lüneburg,    Braunschweig,    Anhalt, 
Mansfeld  und  den  Städten,  handeln.     Haben  diese  die  Vor- 
schläge angenommen,  so  wird  man  einen  CoUectivschritt  bei 
dem  Kurfilrsten  tun,  ihn  zum  Anschhiss  auffordern  müssen. 
Ja  der  Landgraf  kam  auf  den  Gedanken  zurück,  vor  dem  ihn 
Ernst  von  Lüneburg   im  April  so   eifrig  und   ängstlich  ge- 
vramt  hatte,  Sachsen  den  Eidgenossen  zu  opfern,  den  Bund 
mit  diesen  ohne  jenes  zu  scUiessen;    wären    die  Schweizer 
erst  hineiu,  so  würde  der  Kurfiirst  schon   von   selber  nach- 
kommen.    Die   VerfiEissungsformen ,    die   in    der    Instruction 
proponirt   werden,    kommen  den  Interessen  der  Oberländer 
ebenso  sehr  entgegen:  das  Zweikreiseproject,  so  wie  es  von 
den  Reichsstädten  gewünscht  war,  wird  gebilligt;    die  Ed- 


1)  Marb.  A.  Orig.  Fehlerhaft  gedruckt  Neudecker,  Urkun- 
den 168.  Nach  einer  Notiz  im  M.  A.  waren  die  hessischen  Gesandten 
in  Frankfurt  vom  4.  bis  11.  Jörn. 


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ZWmGLI  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  444 

genossen,  Strassburg,  Constanz,  Ulm,  Memmingen,  Kempten, 
Lindau  und  die  andern  oberländischen  Städte  sollen  den 
einen,  Sachsen,  Lüneburg,  Hessen  mit  andern  Fürsten  und 
Städten  den  zweiten  ICreis  bilden.  Die  Fürstenmacht  sollte 
also  in  dem  oberländischen  Kreise  gar  nicht  vertreten  sein; 
der  Landgraf  stellte  sich  noch  auf  eine  Seite  mit  dem  Kur- 
fürsten; er  vorlangte  noch  nicht  die  coordinirte  Stellung,  die 
er  später  als  Hauptmann  des  oberländischen  Kreises  einnahm: 
die  Städte  hätten  sich  keine  bessere  Combination  wünschen 
können. 

Und  diese  weitreichenden  Aussichten  sind  in  Frankfurt 
trotz  aller  fiüheren  Lrungen  der  Verwirklichung  ganz  nahe 
gekommen.  Die  sächsischen  Bevollmächtigten  hatten  von 
ihrem  Fürsten  die  Weisung  erhalten,  ihre  dogmatische  Stel- 
lung in  aller  Strenge  aufrecht  zu  erhalten.  Sie  kamen 
darüber  mit  dem  Vertreter  Strassburgs,  Jakob  Sturm,  hart 
aneinander  ^).  Im  Beisein  der  hessischen  Gesandten  erinnerte 
Sturm  an  die  Zusagen,  die  ihm  der  Kurilirst  in  Schmalkal- 
den  gemacht  habe.  Die  Sachsen  konnten  sich  dagegen  nur 
auf  ihre  Instruction  berufen,  „dass  sie  weiter  derhalb  ichts 
anzuprengen  nicht  zu  thun  wussten,  und  wäre  ihnen  ver- 
potten".  Sturm  drohte  dag^en  mit  dem  Rücktritt  seiner 
Stadt;  es  würde  seinen  Herren,  erklärte  er,  unter  solchen 
Umständen  schwer  werden,  auf  die  Verfiissung  der  Gegen- 
wehr einzugehen.  Vergebens  suchten  die  Hessen  hineinzu- 
reden; es  schien,  als  solle  man  völlig  auseinanderkommen. 
Für  die  hessischen  Bäte  war  jetzt  der  Augenblick  da, 
den  zweiten  Fall,  den  ihre  Vollmacht  vorgesehen  hatte,  ins 
Auge  zu  lassen.  Sie  erö&eten  daher  Jakob  Sturm  die  guten 
Zusagen,  die  sie  jüngst  zu  Schmalkalden  von  den  Fürsten 
von  Lüneburg,  Philipp  von  Braunachweig  imd  andern  Stän- 
den erhalten  hätten.  Leider  waren  deren  Räte  jetzt  meist 
nicht  da  oder  nicht  genügend  instruiri  Die  Hessen  schlugen 
vor,  die  Verhandlungen  bis  zu  ihrer  Ankunft  aufznischieben. 
Aber  dag^en  erklärte  sich  Sturm:  die  Eidgenossen  würden 
es  als  eine  Demütigxmg  auffassen,  wenn  sie  erführen,  „dass 


1)  Dies  und  das  Folgende  nach  einem  Protokoll  im  M.  A. 

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446  LENZ; 

deV  Mangel  am  Kurfürsten  sei".  Zuletzt  ging  ein  Antrag 
der  Landgräfisohen,  von  dem  Kurfürsten  seine  endliche  Mei- 
nimg und  das  Bedenken  seiner  Gelehi-ten  einzufordern,  durch. 
Landgraf  Philipp  und  Ernst  von  Lüneburg  sollten  im  Na- 
men der  Versammlung  ein  gemeinsames  Schreiben  an  den 
zögernden  Bundesgenossen  ausgehen  lassen. 

Aber  nicht    einmal    dieser    zaghafte  Beschluss  ward    so 
ausgeführt,  wie  er   in  Frankfurt  vereinbart  war.     Als    der 
Fürst  von  Lüneburg  das  in  der  hessischen  Kanzlei  gestellte 
Concept  des   Schreibens   erhielt,  bat   er   den   Landgrafen^  es 
doch  lieber  nur  in  seinem  Namen  abschicken  zu  wollen,   da 
er  selbst  schon    an  den  Kurfürsten  geschrieben   habe.     Phi- 
lipp blieb  trotz  allem  immer  noch  eifrig  und  voll  Hoffiiung. 
Er  sei  entschlossen,  so  schrieb  er  am  6.  Juli  dem  Fürsten  zu- 
rück, endlich  einmal  zu  Ende  zu  kommen:  „es  hat  aber  bis- 
her nit  statthaben  wollen,  und  hat  man  gesagt,  unser  Herr- 
gott werde  alle  Dinge   schicken,    wie   die   sein  sollen.     Das 
glauben  wii*  auch,  aber  dannost  durch  die  Mittel,  die  zu  einer 
iden  Sache  gehören."    In  dem  Schreiben  an  den  Kurfürsten, 
das  er   danach  im  eigenen  Namen  richtete  ^),  suchte  er  von 
neuem  durch  den  Hinweis  auf  die  grosse  Macht  imd  Hi'dfe, 
die    man    im  Fall    eines   Ueberzuges    von   den   Eidgenossen 
haben  würde,  auf  die  Furcht,  in  der  sie  bei  allen  Nachbaren 
wegen  ihrer  Macht  und  ihres  Glückes  ständen,  und  auf  ihre 
enge  Verwandtschaft  in    der    Religion    den    Bundesgenossen 
zu  ge\^dnnen.     Auch  konnte  er  das  Gutachten  zweier  luthe- 
risch   gesinnter  Theologen,    des    Erhard    Schnepf  und    Ur- 
banus  Rhegius,   die  durch  ihn  und  den  Fürsten  von  Lüne- 
burg über   die   Zulässigkeit  des  eidgenössischen  Bündnisses 
befragt  waren  und  den   politischen  Wünschen  eine  religiöse 
Begründung  gegeben  hatten ,  für  sich  anfuhren  *).     Aber  es 


1)  Concept  im  M.  A.,  undatirt. 

>)  Das  Schreiben  Schnepf s  an  den  Landgrafen,  das  der  Fürst 
von  Lüneburg  an  den  Kurfürsten  weiter  befördert  hat,  fmdet  sich  im 
M.  A.  nicht  vor.  Dagegen  ist  hier  das  Gutachten  des  Urbanus  Rhe- 
gius aufbewahrt,  eine  Copie  aus  der  Lüneburger  Kanzlei,  die  von  Ei- 
hard  Schnepf  vidimirt  ist. 


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ZWTNOLI  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  447 

war  alles  vergebens.  Der  Kurfürst  lehnte  die  neue  Auf- 
forderung rundweg  ab.  Nicht  einmal  die  theologischen  Gründe, 
von  denen  er  dabei  geleitet  sein  wollte,  hielt  er  fiir  notwen- 
dig zu  wiederholen;  seine  Räte,  schrieb  er  zurück,  hätten 
dieselben  in  Frankfurt  deutlich  genug  ang^eben  ^). 

Und  so  geriet  man  von  neuem  völlig  auseinander.  Denn 
die  Weigerung  der  Sachsen,  die  Schweizer  als  Bundes- 
genossen aufisunehmen,  rief  auch  bei  den  oberländischen 
Städten  eine  Unlust  gegen  den  Fürstenbund  hervor,  welche 
die  auf  den  Tagen  von  Schmalkalden  gewonnene  Einigung 
wieder  völlig  aufeuheben  drohte.  Schon  im  Mai  hatte  eine 
Versammlung  oberländischer  Städte,  die  in  Ulm  auf  An- 
mahnung  von  Constanz  zusammengetreten  war,  sich  gegen 
ein  Bündnis  ausgesprochen,  bei  dem  die  Eidgenossen  nicht 
beteiligt  wären  *).  Ganz  im  Sinne  dieses  Beschlusses  ward 
darauf  die  endliche  Durchführung  des  Reformationswerkes  in 
Ulm  in  Angriff  genommen.  Die  benachbarten  Städte  sandten 
dahin  ihre  vornehmsten  Prädicanten,  Strassburg  Bucer,  der 
dann  auch  hier  das  Beste  tat,  Constanz  Blaurer,  Basel 
Oekolampad.  Von  Memmingen  erschien  Simbrecht  Schenk, 
von  Biberach  Bartholomäus  Miller.  Während  die  Parteien 
in  Frankfurt  tagten,  ward  die  Umwandlung  der  Ulmer  Kirche 
begonnen,  unter  dem  Eindruck  der  dort  gefassten  Beschlüsse 
ward  sie  vollendet.  Zwingli  begleitete  diese  Vorgänge  mit  dem 
lebhaftesten  Interesse.  Und  keineswegs  stellt  er  der  Neugestal- 
tung der  dortigen  kirchlichen  Verhältnisse  um  der  Differenzen 
willen,  die  sie  noch  von  seinen  kirchlichen  Idealen  imd  For- 
men trennten,  die  Starrheit  und  Ausschliesslichkeit  seines 
Principes,  wie  den  Sachsen  oder  den  Schaff hausenem,  ent- 
gegen.    Mit    den   Strassburgern,    Bucer  und  Capito   sowohl 


1)  Orig.,  Torgau,  22.  Juli.  M.  A.  Philipp  verbarg  in  der  Ant- 
wort, Spangenberg  am  30.  Juli,  (Conc.  von  H.  Lersener,  M.  A.)  nicht 
sein  Misvergnügen  über  dies  brüske  Schweigen:  „hetten  wir  wol 
leiden  mugen,  das  doch  e.  1.  uns  solcher  irer  gelarten  ursach  und  be- 
denken, darumb  man  di  aidtgnossen  in  solch  unser  vorstentnus  mit 
Got  und  gwissen  nit  nemen  mucht,  angezeigt  bette." 

»)  Keim,  Reformat.  v.  Uhn,  S.  215  ff. 


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448  LENZ, 

alft  Jakob  Sturm,  finden  wir  ihn  schon  seit  dem  April  wieder 
in  freundlichem  und  vertraidichem  GedankenaustauscL      An» 
Ulm  kamen  an  ihn  von  den   Prädicanten  genaue  Berichte 
über  den  Fortgang   der  Reformation,    die   er  mehrmals    in 
freimdlicher,  zustimmender  Weise  beantwortete.    Er  begriff 
rollkommen,  dass  die  Freunde  in  manchen  Punkt^i  hinter 
ihren  Wünschen  zurückbleiben    mussten,    und   dankte   Gk)tt 
mit  ihnen,  dass  er  durch  sie  die  „Religion"  in  dieser  S^tadt 
in  eine  Stellung  gebracht  habe,  ron  der  sie  weder  hoch  noch 
niedrig  gestellte  Feinde  würden  Verstössen  oder  herabzneben 
können  *).    Zwar  bedauert  er,  dass  in  den  Artikeln  von  der 
Taufe  und  dem  Abendmahl,  auch  in  der  kirchBcben  Disci- 
plin  noch  einige  Punkte  geblieben  seien,  die  bdleres  Licht 
vertragen  können,  indes  er  hofft,  dass  die  Zeit  alles  aufhellen 
wird,  der  auch  die  Freunde,  an  deren  Recht^ubigkeit   er 
nicht   zweifelt,    g^enwärtig  noch   Rechnung   haben   trägem 
müssen.     Denn  er  weiss,  dass  man  das  Netz  des  Evangdiums 
mit  Vorsicht  und  Klugheit  auswerfen  muss,  um  dem  Herrn 
desto  mehr  Selen  zu  gewinnen,  dass  man  auf  Geist  und  Ab- 
picht, nicht  auf  das  Gefüge  der  Worte  zu  achten  hat,  und  dasa 
sich  einst  die  Gelegenheit  geben  wird,  alle  Schäden  bis  auf 


i)  Zw.  Sam.,  16.  August  (Opp.  633);  „At  quomodoeunque  haec 
habeant,  Deo  gratias  habemus,  quod  huc  religionem  apud  vestros 
evexit,  unde  detrudere  superi  aut  detrahere  inferi  non  poterunt.  Esto 
enim  quaedam  in  baptismo  et  eucharistia,  adde  ot  in  censura 
ecclesiae  quaedam  sint,  quae  majorem  lueem  ferre  potuiss^nt,  oraaiia 
tarnen  tempus  ilhistrabit,  cni  et  indubie  obtemperavistis.  Seio  enim^ 
scio  te  scire,  quod  baptismus  symbolum  sit,  eis  tum  demum  praestaa- 
dum,  quos  sciverimus  ad  ecclesiam  pertinere,  quantum  ad  humannm 
Judicium  pertinet.  Scio  et  hoc  te  non  latere:  in  coena  Domini  non 
nisi  sacramento  corporis  et  sanguinis  Christi  homines  cibari,  qui  jam 
dudum  spiritualiter  cibati  ac  saturi  fuerunt.  Scripsit  enim  apostolus, 
ut  sese  homo ,  priusquam  huc  adeat ,  exploret.  Fidem  igitur  dudumt 
adfuisse  oportet  eis,  qui  ad  convivium  istud  accedunt.  8ed  ut  dixi, 
mitius  et  cautius  quaedam  fuerunt  proponenda  et  Evangelii  rete  prü- 
den ter  jacendüm,  quo  majorem  Domino  praedam  referatls.  Ego  aaii- 
mum  et  consilium  specto,  non  verbormn  struem.  Dabhur  aHqnando 
ad  vivimi  omnia  resecandi  opportuiiitas." 


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ZWINGLI  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  449 

den  Grund  auazuiilgen.  Und  wirklich  hatte  Zwingli  wenig 
Ursache,  mit  dem'Veriauf  der  Ubner  Reformation  unzufrieden 
zu  sein.  Die  Formulirung  der  Tauf-  und  Abendmahlslehre  ent- 
fernte sich  weit  von  dem  sächsischen  Begriff,  um  dem 
schweizerischen  ganz  nahe  zu  kommen  *).  Noch  radikaler  ver- 
fahr man  in  der  Umgestaltung  de»  Gottesdienstes  und  der 
Kirchenoordnung.  „Die  Ceremonien",  konnte  Oekolampad 
schon  den  22.  Juni  an  Zwingli  schreiben,  ,,9timmen  vöttig 
mit  den  Gebräuchen  unserer  Kirchen  überein"  ^.  Am 
16.  Juli  fiuad  im  Chor  des  Monsters  das  erste  NachtmaM 
statt;  man  feierte  eS;  wie  in  Basel  und  Zürich,  am  einfach 
hölzernen  Tische:  alles  „Götzenwerk"  war  aus  der  Kirche 
hinweggeschaffit,  die  60  Messaltäre  abgebrochen,  damit  rie 
nicht,  wie  der  Rat  in  seinem  Ausschreiben  sagt,  den  Platz 


1)  Von  der  Taufe  heisst  es,  sie  sei  ein  Bad  der  Wiedergeburt 
und  Sacrament  göttlichen  Bundes,  das  auch  der  Gläubigen  Kindern 
verliehen  werden  solle.  Das  Abendmahl  Christi  soll  man  zu  seinem 
GedächtBis,  und  dass  man  seinen  Tod  verkündige,  und  dasa  die  Sele  zum 
ewigen  Leben  durch  semen  Leib  und  Blut  gespeist  und  also  im  rechten 
christlichen  Leben  gestärkt  und  gefördert  werde,  halten;  welchen 
seinen  Leib  und  Blut  der  Herr  einmal  am  Kreuz  für  alle  Erwählte 
geopfert  hat  und  nun  zur  Rechten  des  Vaters  sie  und  alle  Dinge  re- 
giert. Deshalb  ein  verdammter,  grausamer  Irrtum  ist,  fürzugeben, 
dass  die  Thffen  in  der  Mess  Christum  zur  Fördemifi  des  Heils  der 
Lebenden  und  Todten  opfern^  das  Brod-  zu  seinem  Leib  und  den  Wein 
zu  seinem  Blut  wandeln  oder  den  Leib  in  solche  räumlich 
setzen.  Li  der  ,ySacramentsordiiung",  die  Sam  nach  Weggang  Bu- 
cer*s,  den  die  Kirchenordnungen  und  ein  rechtfertigendes  Ausschreiben 
de?  Rates  zum  Verfasser  haben,  aufErteüte,  sprach  er  schon  viel  freier:  durch 
die  äussere  Tiaiife  werde  die  innerlicbe  Reinigung  und  Wiedergeburt 
wahrlich  bedeutet.  Für  das  Abendmahl  wurden  jetzt  die  Formeln 
vorgeschrieben;  „Dein  Glaube  in  das  Sterben  de»  Leibes  Christi  er- 
halte dich  ins  ewige  Leben",  und  „dein  Glaube  in  das  Vergiessen 
des  Bluts  Christi  stärke  dich  ins  ewige  Leben".    Keim  231.  243. 

«)  Opp.  612:  „Itaque  missa  in  urbe  ablegata  est  in  perpetuum 
exilium.  Lnagines  et  altarla  hoc  triduo  in  praeclpua  aede  parochiali 
diruimtur,  nnde  et  in  alla  templa  opifices  descendent.  Consensum  est 
in  censuram  ecclesiasticam  et  civilem.  Ceremoniae  nostranun  eccle- 
siarum  ritibus  maxime  conformes  erunt.  Monachi  in  ordinem  redigen- 
tor,  scholae  et  Ihiguarum  ttodia  instituentar.  Voeatus  est  ex  Heidel- 
berg« Martinu»  Frechtw**  etc.    Vgl.  Keim  234 ff. 


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450  LENZ, 

versperrten,  die  Bilder  und  Statuen  der  Apostel  und  Heiligen 
weggeschleppt;  sogar  die  beiden  Orgeln  hatte  man  als  Ab- 
götterei entfernt  ^). 

Der  kirchlichen  Umwandlung  entsprach  wieder  die  poli- 
tische Schwenkung.  Die  Zurückhaltung  Besserer's  und  seiner 
Freunde  von  der  Eidgenossenschaft,  über  die  Zwingli  früher 
80  bittere  Kllage  gefuhrt  hatte,  machte  jetzt  einer  entschiede- 
nen Hinneigung  Platz.  Das  wirkte  auf  die  andern  schwäbi- 
schen Städte  zurück,  die  sich  in  ihrer  Politik  durch  das 
mächtige  Ulm  bestimmen  liessen  *).  Schon  glaubten  Oeko- 
lampad  imd  Capito  dem  Freunde  sichere  Hofl&iimg  auf  den 
Eintritt  der  einflussreichen  Commune  in  das  Burgrecht  machen 
zu  können. 

Unterdes  suchte  die  kaiserliche  Politik,  wie  immer 
rasch  imd  geschäftig  bei  der  Hand,  die  Kluft,  die  sich  von 
neuem  zwischen  beiden  evangelischen  Parteien  schon  durch  die 
inneren  Gegensätze  von  Tag  zu  Tage  weiter  auftat,  nach  Kräf- 
ten zu  vergrössem.  Das  Verfahren  war  dasselbe,  das  sich  be- 
reits bewährt  hatte  und  so  oft  noch  glücken  sollte;  sogar  die 
Persönlichkeiten,  welche  die  friedfertigen  Versicherungen,  mit 
denen  der  Kaiser  die  evangelischen  Fürsten  von  dem  Bünd- 
nis mit  den  sacramentirerischen  Städten  abzuhalten  versuchte, 
überbrachten,  waren  dieselben,  denen  wir  auch  in  den  späteren 
Jahren  begegnen :  mit  dem  neuen  Bimde  in  seiner  Gesammtheit 
verhandelten  Kurpfalz  und  Mainz ;  es  geschah  auf  der  vierten 
Versammlung,  im  August,  wieder  zu  Schmalkalden.  Kurfiirst 
Joachim  von  Brandenburg  musste  auf  seinen  Vetter  in  Preussen 
einzuwirken  suchen.  Am  kursächsischen  Hof  erschien  Graf 
Philipp  von  Nassau,  und  selbst  auf  Landgraf  Philipp  hatte  es 
der  kaiserliche  Hof  noch  einmal  mit  einer  persönhchen  Einwir- 
kung versucht;  Wilhelm  von  Neuenaar,  der  Bruder  des  Kölner 


1)  Was  nicht  weggescha£Pt  werden  konnte,  ward  nach  dem  Aus- 
druck des  Dr.  Dietrich  zerpickelt,  zerhackelt,  zerstumpelt  und  zei^ 
stümmelt ;  unter  anderm,  wie  man  weiss ,  das  Holzschnitzwerk  Mebter 
Sürlins  an  den  Chorstühlen.    Keim  246. 

8)  Cap.  Zw.  4.  Juli  (Opp.  619) :  „  Oppida  Suevica  exerunt  caput 
gaudibundi,  quibus  graviter  obstitit  Ulmensium  imbecillitas.*^ 


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ZWmGU  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  451 

Domherrn,  kam,  um  seine  Zustimmung  zu  einem  Reichstage 
zu  gewinnen,  für  den  er  ein  sehr  verlockendes  Programm, 
die  Herstellung  eines  allgemeinen  Friedens,  des  Rechtes  und 
der  Ordnung  im  Reiche,  verheissen  konnte  ^). 

Der  Landgraf  Hess  sich  jedoch  nicht  irre  machen.  In 
denselben  Tagen,  wo  diese  Anträge  an  ihn  gelangten,  hat 
er  einen  neuen  Versuch  gemacht,  Zürich  für  seine  würtem- 
bergischen  Pläne  zu  gewinnen,  die  er  jetzt  mit  ganz  beson- 
derem Eifer  betrieb.  Im  August  hatte  er  eine  folgenreiche 
Zusammenkunft  mit  Leonhard  Eck,  dem  bairischen  Kanz- 
ler, in  Giessen.  In  demselben  Monat  sandte  er  Alexander 
von  der  Thann  von  neuem  nach  Zürich,  um  die  dortigen 
„Geheimen"  —  nur  an  diese  lautete  der  Auftrag,  der  in 
tiefster  Stille  und,  wie  es  scheint,  nur  mündHch  ausgerichtet 
worden  ist  —  zu  einer  neuen  Gesandtschaft  nach  EVankreich 
zu  bewegen;  diese  sollte  bei  König  Franz  Fürsprache  fiir 
Herzog  Ulrich  übernehmen.  Von  den  Verhandlungen  Thann's 
besitzen  wir  erst  seit  kurzem  ein  paar  Actenstücke  *) ;  sie 
lassen  erkennen,  wie  sorgsam  man  dieselben  zu  verbergen 
wünschte.  Dass  sie  einer  französischen  Sendung  galten,  er- 
fahren wir  nur  aus  dem  Creditiv  für  den  Gesandten, 
den  Zürich  wirklich  in  der  Folge  an  König  Franz  bevoll- 
mächtigt, und  aus  dem  Brief,  mit  dem  es  sich  an  diesen 
gewandt  hat;  in  den  übrigen  Acten  ist  stets  nur  von  einem 
„gewissen  Fürsten"  die  Rede,  zu  dem  der  Gesandte  gehen 
solle.  Auch  der  Name  Thann's  wird  nur  in  dem  Creditiv 
genannt,  das  sein  Fürst  ihm  am  9.  August  ausstellte.  Wir 
bemerkten,  dass  uns  in  diesen  letzten  Monaten  auch  der 
Briefwechsel  Zwingli's  und  des  Landgrafen  in  Stich  liess. 
Dennoch  durften  wir  nicht  zweifeln,  und  diese  Unterhand- 
lungen beweisen  es  nur  von  neuem,  dass  die  beiden  auch 
damals  in  dem  lebhaftesten  Gedankenaustausch  gestanden 
haben.     Und  wenn  Thann  dem  Reformator  keinen  Chiffer- 


1)  Cap.  Zw.  16.  August  (Opp.  632).  Vgl.  hingegen  Buc.  Zw. 
13.  Sept.  (Opp.  643). 

«)  E.  A.  1116,  N.5J)2.  Vorher  wueste  man  von  diesen  Verhand- 
Inngen  gar  nichts. 


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432  LENZ^ 

brief  seines  Fürsten  überbracht  haben  sollte,  so  hat  er  ihm 
mündlich  sicherlich  um  so  intimere  Mitteihmgen  von  dem- 
selben machen  können. 

Mit  dieser  letzten  Mission  hat  nun  der  Landgraf  noch 
einmal  Erfolg  gehabt  Wenigstens  haben  wir  Creditiv  und 
Instruction  für  den  Gesandten  nach  Frankreich,  der  auch 
diesmal  kein  anderer  ist  als  Kudolf  CoUinua.  Voll  Nach- 
druck konnte  Zürich  dabei  auch  jetzt  nicht  vorgehen.  Zu- 
nächst wagten  die  Oheimen  nichts  ohne  Vorwissen  des 
grossen  Rates  zu  tun;  der  Bericht  imd  die  Fürbitte,  die  sie 
an  diesen  für  den  Antrag  richten,  betont  mit  Nachdruck  die 
Unge^rlichkeit  der  Sendimg  für  die  Stadt,  da  sie  ganz 
„unvergrifenlich"  sei  und  es  sich  nicht  um  eine  „pracht- 
liche'*,  sondern  eine  „stille  und  wohlgeschickte"  Botschaft 
handle.  In  demselben  Sinne  ist  die  Instruction  Ambühel's 
selbst  abgefasst. 

So  zaghaft  dies  Voi^ehen  sein  mochte,  können  wir  dock 
darin,  dass  es  überhaupt  geschah,  die  Rückwirkung  von  der 
isolirten  imd  ausgesetzten  Stellung  erkennen^  in  die  Zürich 
durch  die  engherzige  und  unentschlossene  Politik  seiner  eid- 
genössischen Bundesgenossen  gegenüber  den  Waldstätten  ge- 
bracht war;  in  der  ängstlichen  Rücksichtnahme  des  kleinen 
auf  den  grossen  Rat  aber  und  in  der  vorsichtigen  Zurück- 
haltung bei  der  Sendung  nach  Frankreich  selbst  spiegelt 
eich  der  schwankende  Boden  wieder,  auf  dem  Zwingli  mit 
seinem  Reformationswerk  sogar  in  Zürich  stand.  Wie  wohl  be- 
greifen wir  unter  solchen  Verhältnissen  die  trüben  Stimmungen^ 
die  sich  in  diesen  letzten  Wochen  vor  der  Katastrophe  bisweilen 
des  Reformators  bemächtigt  haben !  Mit  voller  Klarheit  sah  und 
sagte  er  die  unheilvollen  Folgen  voraus,  welche  die  kuras- 
sichtige  und  grausame  Politik  des  Proviantabschlages  bringen 
musste:  dass  der  Hunger  die  erbitterten  Gl^ner  zu  dem 
Kampfe  treiben  würde,  den  die  Engherzigkeit  seiner  Partei 
vermeiden  wollte;  dass  sie  den  Stoss  aus  ihrer  centralen 
Stellung  bei  der  freien  Wahl  der  Zeit  gegen  jeden  Punkt 
der  Peripherie  mit  überlegenen  Kräften  führen  könnten,  und 
dass  sie  ihn  ohne  Zweifel  zuerst  gegen  Zürich  selbst  richten 
würden.     Freilich  sah  er  jenseits  des  Rheins  sein  Bekennt- 


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ZWINGLI  UND  hASmORAF  PHILIPP.  463 

nis  augenblicklich  im  glücklichßten  Fortschritt:  den  Luthera- 
nern war  weder  die  Unterwerfung  nodi  die  AuÄsdiliessung 
»einer  Kirchen  aus  dem  evangelischen  G«sammtbündnis  ge- 
lungen; vielmehr  hatte  sich  die  Pohtik,  zu  der  seine  Partei 
sich  im  November  entschlossen  hatte,  seit  der  Februarkrisis 
von  neuem  bestens  bewährt;  je  weiter  Sachsen  zurückwich, 
um  so  näher  kamen  die  oberiändischen  Städte;  je  geringer 
die  Aussicht  auf  Abschluss  des  Gesammtbündnisses,  um  so 
grösser  war  die  Hofoung  auf  den  Eintritt  der  schwäbischen 
Beichsstädte  in  das  Bui^echt.  Aber  das  Ziel,  auf  das  es 
Zwingli  zunächst  ankam,  die  Unterwerfimg  der  katholischen 
Minorität  in  der  Eidgenossenschaft,  ward  durch  diese  Aus- 
breitung seiner  Macht  im  Reiche  eher  verhindert  ids  ge- 
fördert. Denn  so  gerne  die  so  eben  in  seinw  Earchenform 
constituirten  Bürgerschaften  auch  in  die  politische  Vereinigung 
mit  seiner  Stadt  treten  wollten,  teilten  sie  doch  weder  die 
Gefehren  noch,  wie  de  glaubten,  die  Interessen,  die  der 
Kampf  mit  den  Waldstätten  für  Zürich  haben  musste.  Sie 
wünschten  daher  vor  ihrem  Eintritt  in  das  Bui^grecht  die 
Wiederherstellung  des  Friedens  in  der  Eidgenossenschaft. 
Die  Vermittlungsversuche,  welche  wir  Strassburg  noch  im 
September  anknüpfen  und  eifrig  betreiben  sehen,  wollten 
dazu  die  W^e  ebnen  *).  Was  aber  konnte  für  Zwingli  in 
diesem  Augenblick  weniger  erwünscht  sein  als  diese  unfrucht- 
baren Friedensbestrebungen,  die  höchstens  dazu  dienen  muss- 
ten,  den  Widerstand  gegen  seine  kriegerische  PoUtik  in  den 
engeren  Kreisen  seiner  Partei  zu  verstärken? 

Und  so  machen  wir  bei  der  schweizerischen  evangelischen 
Confödaration  dieselbe  Beobachtung,  welche  die  Geschichte  der 
BchmalkaMischen  überall  gewährt :  die  Ausdehnung  des  Bundes 
hemmt  ßeine  politische  Enei^e,  statt  sie  zu  fordern;  mit 
der  Vermehrung  der  Buhdesglieder  hält  die  der  Sonder- 
interessen gleichen  Sdiritt;  der  religiöse  Gedanke,  der  jene 
eusammenschliesst,  hat  doch  nicht  die  Kraft,  diese  zu  über- 
wältigen, vielmehr  wird  er  von  ihn^i  überwuchert  und  ge- 
lähmt;   nur  WCT  rieh,    freiwillig  oder  gezwungen,    ganz  auf 


1)  E.  A.  1134,  n.  1156  ff.    Buc.  Zw.  18.  Sept.  (Opp.  6i4). 

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454  LENZ; 

sich  selbst  stellt^  vermag  sich  in  dem  ICampf  der  Weltkräfte 
zu  erhalten.     Das  war  das  Schicksal  der  Nation. 

Sehr  schwer  müssen  wir  es  beklagen,   dass   uns  grade 
aus  jenen  Wochen  vor  dem  Ende  keine  Briete  zwischen  dem 
Landgrafen  und  Zwingli  erhalten  sind.    Denn  sie  würden  ohne 
Zweifel  dartun,  dass  der  Refonnator  damals,  wo  der  Boden 
imter  ihm  wankte,   wo  er  das  Verderben  mit  prophetischer 
Klarheit  vor  Augen  sah,   von  dem  Fürsten  nur  Worte   des 
Mutes,  des  Trostes  und  der  Hoffiiung  erhalten  hat.   Das  Brief- 
chen Philipp's  vom  30.  September,  das  Einzige,  was  von  der 
Correspondenz  seit  dem  28.  April  übrig  ist,  hat  ganz  den  Ton 
freudigen  Vertrauens,  der  uns  aus  allen  andern  entgegenklang: 
bald  werde  er  etliche  Sachen  zu  melden  haben,  die  Zwingli 
gern  hören  und  die  den  Leuten,   denen  auch  er  feind   sei, 
zuwider  sein  würden;    noch   seien   sie  der  Feder  nicht   zu 
vertrauen.     Worin  diese  neuen  Aussichten  bestanden  —   es 
waren  vielleicht  die  bairischen  Verhandlungen  —  hat  Zwingli 
nicht  mehr  erfahren,  wenn  er  auch  jenen  Zettel  noch  gelesen 
haben  mag.     Schon  am  zwölften  Tage  darauf  erlitt   er  fiir 
sein  Evangelium  und  die  Stadt,   die  er  hatte  gross  machen 
wollen,    inmitten    seiner    Getreuen    auf    dem    Sclilachtfelde 
den  Tod. 

Man  unterschätzt  die  Bedeutung  der  Schlacht  bei  Kappel, 
wenn  man  dieselbe  nur  als  eine  Epoche  der  eidgenössischen 
Geschichte  auffasst:  ihre  Folgen  greifen  weit  über  die  Schwei- 
zer Grenzen  hinaus.  Es  ist  freilich  schwer  zu  sagen,  wie 
sich  die  Dinge  entwickelt  haben  würden,  wenn  Zwingli's 
kriegerische  Politik  befolgt,  die  politisch-religiöse  Reforminmg 
der  Eidgenossenschaft,  die  er  anstrebte,  ihm  geglückt  wäre. 
Die  Idee  des  evangelischen  Gesammtbündnisses  hätte  davon 
jedenfalls  zunächst  schwerUch  Förderung  erhalten.  Denn 
die  Habsburger  würden  die  Sachsen  mit  gnädigen  Ver- 
tröstungen imd  Verheissungen  nur  um  so  eifriger  über- 
häuft und  wahrscheinlich  damit  ihr  Ziel,  die  Isolirung  beider 
Religionsparteien,  fürs  erste  erreicht  haben.  Auf  Oberdeutsch- 
land jedoch  hätte  Zwingli's  Sieg  gewaltig  zurückwirken 
müssen.  Zunächst  würden  die  schwäbischen  Beichsstädte 
ohne  Zweifel  die  erstrebte  Vereinigung  mit  der  Eidgenossen- 


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ZWINGLI  UND  LANDGRAF  PHIUPP.  455 

Schaft  geschlossen  haben.  Damit  wären  in  dem  Burgrechte 
der  Reichtum  jener  Städte  mit  den  Werbeplätzen  Ober- 
deutschlands, die  kriegerische  Kraft  der  Schweiz  und  die 
compacte  Macht  des  hessischen  Staates  vereinigt  worden. 
Wenn  Philipp  schon  den  Eintritt  Strassburgs  in  das  Burg- 
recht mit  den  Worten  begrüsst  hatte,  es  werde  ihm  dann 
sein,  als  ob  er  der  Schweiz  der  nächste  Nachbar  sei,  um  wie 
viel  sicherer  würde  er  aufgetreten  sein,  nachdem  diese  zweite 
so  viel  festere  Brücke  geschlagen  worden  wäre !  Denn  dann 
war  nicht  nur  die  Quermauer,  welche  die  Habsburger  in 
ihren  Vorlanden  von  Tirol  bis  zu  den  Vogesen  gezogen 
hatten,  durchbrochen,  sondern  auch  die  grosse  Bastion,  die 
sie  vor  wenigen  Jahren  erworben,  imd  von  der  sie  damals 
alle  diese  kleinen  Gewalten  zwischen  Rhein,  Lech  und  Donau 
beherrschen  zu  können  gehoffl;  hatten,  auf  allen  Seiten  um- 
klammert Man  darf  wohl  sagen,  dass  die  würtembergische 
Frage  nach  Philipp's  imd  Ulrich's  Wünschen  schon  im  Herbst 
1531  zum  Austrage  gebracht  wäre.  Kann  man  femer  daran 
zweifeln,  dass  Würtembei^  als  Erwerbung  der  Burgrechts- 
mächte auch  deren  politische  imd  kirchliche  Formen  ange- 
nommen hätte?  Und  würde  Philipp,  der  sich  in  Marburg 
offen  zu  Zwingli  bekannt,  ihm  damals  die  Organisation  seiner 
Kirchen  angeboten  hatte,  dieselbe  nach  solchen  Siegen  ihrer 
.gemeinsamen  Ideen  in  deren  Sinne  unterlassen  haben?  Es 
wäre  eine  glänzende  Rechtfertigung  der  spröden  Haltung  ge- 
wesen, welche  wir  Zwingli  nach  dem  Augsburger  Reichs- 
tage gegen  die  sächsischen  Anträge  einnehmen  sahen :  Zurü'ck- 
weisimg  der  lutherischen  Angriffe  auf  seinen  Wirkungskreis, 
Eroberung  Oberdeutschlands  fiir  sein  Bekenntnis,  ja  mehr 
noch,  Wiederkehr  der  Aussichten,  die  er  in  Marburg  gehofft, 
aber  so  bald  wieder  hatte  au%eben  müssen.  Einen  schmal- 
kaldischen  Bund  würde  es  vielleicht  niemals  gegeben  haben, 
daför  aber  ein  Burgrecht  etwa  von  Q«nf  bis  an  die  Nord- 
imd  Ostsee. 

Doch  mag  es  immerhin  misslich  sein,  eine  Entwicklungs- 
reihe zu  construiren,  in  der  das  erste  Glied  willkürlich  gesetzt 
ist.  Jedenfalls  aber  werden  wir  doch  die  Folgen  des  Schlages, 
durch  den  Zwingli's  Hoffiiungen   vernichtet   wurden,    über- 


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456  LENZ; 

aehen  imd  beurteilen  können:  sowohl  was  er  verixind^  als  ^rae 
er  geschaffen  hat.    Und  da  eritenoen  wir  die  epochemadiende 
Bedeutung  des  kkinen  Gefechtes  bei  Ka{)pel.  Im  Sonuner  1531 
—  so  bemerkten  wir  —  war  die  Entwicklung,  die  wir  sdi  dem 
Maj-burger  Gespräch  begleitet  haben,  noch  in  vollem  Fluas: 
zwinglifiche  und  lutherische  Beformation,  Burgrecht  und  säch- 
sischer Bund  standen  sich  ebenbürtig  gegenüber;  der  Kampf 
beider  um  Oberdeuischland  war  noch  nicht  beendigt,  Tidmehr 
dea:  Versuch  Sachsens,  die  oberlfindischen  Städte  von  denen 
der  Schweiz  loszureissen,  der  in  Sdbmalkalden  schon  geglückt 
schien,  in  Frankfurt  gescheitert;  es  gab  noch  keinen  schmal* 
kaldischen  Bund ;  ganz  unberechenbare  Möglichkeitea  boten  sich 
soch  dar :  das  evangelische  G«sammtbündnis  konnte  mit  säcb- 
dflch-hesaiflcher  oder  hessisch-schweizerischer  Spitsse  zu  Staiide 
kommen,  die  defensive  oder  die  o^nsive  Tendenz  obsiegen, 
oder  auch  euxc/ Spaltung  eintreten,  die  den  Landgrafen  von 
Hessen  mit  den  Städten  Oberdeutschlands  und  der  Schweiz 
in  Gegensatz  zu  d^n  Kurfiirsten  und  anderen  Fürsten  und 
Städten  gebracht  hätte.    Auf  den   Gang   der  Beformaüon, 
die  Entwicklung  Deutschlands,  die  Gestaltung  d^  gesamm- 
ten  Weltlage  würde  jede  dieser  Wendungen  eine  iiicht  zu  er- 
messende Bückwirkung  ausgeübt  haben.     Die  Schlacht    bei 
Kappel  hat  jenen  Schwankungen  ein  Ende  gemacht,  sie  bildel 
den  Abschluss  einer  zweijähngen  Entwicklung.  Mit  dem  Stifter 
geht  auch  der  Gedanke  seines  Burgrechtes  ui^r ;  Ausliefenu^ 
der  Urkunden  des  Bundes  mit  ihren  Freunden  im  Reich  war 
eine  der  vornehmsten  Bedingungen,  die  den  Belegten  v(m  den 
katholischen  Cantonen  auferlegt  wurde.    Der  Gedanke  des 
evaagelifichen  G^sammtbündnisses  tritt  ebenso  weit  zurück^ 
nur  vorübergehend  wagt  er    sich    einige   Jahre  später  noch 
einmal  h^*vor,    nach   der  Eroberung  Würtembergs;   damals 
taucht  daneben  sogar  wieder  die  Idee  des  Sonderbündmsses 
Hessens  mit  Oberdeutschland  und   der  Schweiz  unter  Aus- 
schluss Sachsens  auf,  doch  nur,   um   desto  rascher  die  end- 
hcbe    Consolidinmg   des    schmalkaldiechen    Bundes   in    der 
Wittenb«:ger  Concordie   herbeizuführen.     So    scheiden   sich 
für   immer    die   Geschicke  Deutschlands   und    der  Schweiz. 
Die  oberländischen  Sitädte  haben  den  festen  Rückhalt,   den 


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I 


ZWINQU  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  447 

ihnen  das  {xditische  Gbnie  ZwingH'»  in  dem  Bargrecht  ge* 
schaflfen,  verioren;  sie  müssen  den  Gedanken,  den  Fürsten 
emen  grossen  Städtebund  ebenbürtig  an  die  Seite  zu  stellen^ 
au%eben,  müssen  mit  ihnen  paktiren^  sich  den  neuen  For- 
men, die  nun  von  diesen  der  Vereinigung  gegeben  werden, 
folgen.  Dies  geschieht  auf  der  zweiten  Frankfurter  Vec- 
«ammhmg,  im  December  des  Jahres.  Dort  erst  ist  der 
schmalkaldische  Bund  wirklich  geschlossen  ^)  und  damit 
die  Trennung  Deutschlands  von  der  Schwda  entschieden 
worden.  Fortan  hat  das  deutsche  Reich  hier  im  Süden  am 
Bhein  seine  Grenze. 


Anhang. 

[Marb.  Arch.] 


1. 

Landgraf  Phifipp  an  Jakob  Starm. 

Immenhausen,  29.  October  1529. 

(Oopie  von  H.  Lersener.    Original  jedenfalls  eigenhändig.) 

Lieber  Jacob  Sturm.  Ich  thue  hiemeben  ein  schreiben  an 
deine  bem,  dorin  wirdestn  yomemen,  das  ich  dir  lang  gesagt 
habe,  was  des  Keisers  gemnet  sei  jegen  den,  di  dem  evangelio 
anhangen,  und  ist  worlich  ein  geschwind  vomemen,  wie  du  als 
ein  weiser  mitsambt  andern  zu  Strassbnrgk  der  sacb  wol  weither 
nachtrachten  werdet  Dan  ee  were  je  gnug,  wan  wir  des  Keisers 
offenliebe  fiieinde  weren,  so  geschwintlich  zu  bandlen.  Dorumb 
thue  ich,  wie  der  getreu  Eckhart:  ich  ratbe,  ich  bitte  ufs  höchst, 
man  weis  nit  yorachten,  dan  so  man  wolle,  so  ist  rat  zu  finden, 
wie  ich  dan  mehr  dan  einmal  mit  &  geredet  hab.  So  hat 
maister  ITrieh  [soj  auch  nit  ein  boesen  anschlagk  domeben  vor. 
Bs  ist  zeit,  dan  vorschlaffen  wir,  das  die  Lampen  ansgebrent 
sein,  so  wirdet  uns  der  breutgam  nit  einlassen.  Sage  deinen 
herren:  woUen  sie  sich  weren  und  wollen  mit  ernst  doran,  so 
sol  an  meinem  leib,  gut  und  fleis,  muhe  und  arbait  nichts  er- 
winden.     Dan   es   ist  jo  gewiss,  das   di    sach  uf  dreien  wegen 


^)  Keim  a.  a.  0.  S.  217   bat  diesen   Gedanken   schon  ausge- 
sprochen. 

Z«it8ehr.  t  K.-O.  HI,  8.  31 


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458  LENZ; 

stehet;  der  irst:  yorleogknen  ChriBtnm  und  sein  worth  mitsambt 
seiner  gnad  nnd  gntthat  nnd  den  teuffei  und  sein  reich  dorgegen  ; 
der    ander    wegk:    das  wir   volnkomene    Christen    seien    (wiewol 
wirs  mit  gutem  gewissen  nit  verantworten  können)   und  leiden, 
das  man  uns  leib,  gut,  ehr  und  alles  nimbt,  und  zusehen,  wie- 
wol wir  es  wol  weren  konten;  zum  dritten:  das  wir  uns   weren. 
Uff  dem  wege  stehet   gluck  und  hofounge,   uf  den  andern  gar 
nichts.     Wollen  nun  deine   herren  allein  oder  andere  mit  inen 
sich  weren,  so  hastu  mein  erbieten  in  dissem  briefe;  so  bin  ich 
auch  der  hofhung,  man  werde  noch  mehr  leuth  finden,  der  ich 
dan  ezliche  weis.   Dorzu  hoff  ich,  wir,  di  uns  evangelisch  nennen, 
werden   nunmehr  uns  nit  vonein   trennen  der  sachen  halb   des 
fnmemens,  wiewol  ichs  nit  gewiss  bin,  aber  ich  hab  trost  di^u; 
wir  weren  dan  unsinnig,  toll  und  gar  rasent   Doch  es  gehe,  wie 
es  wolle,  so  solle  bei  mir  kein  trennunge  befunden  werden.   Und 
darumb  zum  beschluss  so  ist  mein  beger:    wollest  mitsambt  an- 
dern  zu  Strassburgk,   und  wo   du   dich  und  deine  herren  gut» 
vorsehen,  di  sachen  wole  bedencken  und  nit  an  die  want  greiffen 
und  sprechen,    sie   ist  kalt     Dan  warlich,    sie    ist   halb    heiss, 
und    [wie]    mir    euer    bedencken    und    rath  anzeigen.     So   bin 
ich  auch  des  gemuts:   so  der  churfarst  di  stende,  di  dem  evan- 
gelio  gern  anhangen  weiten,   nicht  zu  hauff  beschreiben   wurde, 
das  ichs  thun  will  (wie  auch  grave  Wilhelm  ^)  und  du  mir  ge- 
schrieben hat  [so],  das  ich  seit  einen  hinauff  ghein  Strassbui^k 
schicken.     Nun  het  ichs  lange  gethon,  es  feit  mir  aber  an  einem 
vertrauten,  dan  ich  hab  woU  ezliche,  der  ich  nit  ein  stunde  ent- 
peren  kan;  so  sein  je  ezlich  zu  alt,  die  nit  wandern  kennen;  so 
ist  nit  idermann  zu  vortrauen;    ich    wart    aber    eins,    wan    der 
kombt,  wil  ich  inen  furderlich  hinauff  schicken)  *);  und  wil  sehen, 
wer  kommen  will.    Ich  vorsehe  mich  aber,   der  churfurst  werde 
sich  nit  seumen.     Es  soll  aber,  ob  Got  wil,  kein  mangel  an  mir 
sein.   Domeben  ist  mein  gutbedencken,  das  dein  hem  solch  han- 
delung  den   von  Zürich  und  Basel   und  Bern   unangezeiget  nit 
lassen.     Es  ist  auch  mein  gnädigs  begeren  an  dich,  wollest  mir 
anzeigen  uss  bevelh  deiner  hem,  woruf  es  stehet  der  sach  halber, 
wie  du  sambt  den  potschaften  Zürich  und  Basel  von  mir  abgeschaiden 
seint  ^).   Das  alles  wolt  ich  dir  genediger  meinung  nit  vorhalten, 
und  magk  wol  leiden,  das  du  solchen  brief  ezlichen  deinen  herren 
sehen  lessest,  das  sie  mein  gemuet  desta  besser  vomemen.     Dir 


1)  FüTBtenberg. 

^)  Zu  dieser  Parenthese  bemerkt  Lersener  am  Rande:   „disser  ar- 
ticket  soll  aus  der  schrifft  und  ein  ingelegter  zittel  sein." 

•)  Abschluss  des  Bargrechtes. 


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ZWmGLI  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  469 

zn  gnaden  bin  ich  geneigt.  Bis  dem  herrn  befolhen.  Datum 
Immenhausen,  sambstags  nach  Simeonis  et  Jndae  anno  dom. 
MDXXVira. 

Philipps,  1.  z.  Hessen  sscr. 

N.  S.  Es  deucht  mich  auch  hoch  von  noethen  sein,  das 
man  gute  Enntschaft  in  Italia  hett,  auch  das  man  sich  nit  be- 
wegen liss,  andern  zu  helfifen,  di  uns  yortilgen  wolten. 


2. 

Dr.  Gregorfus  BrOck  an  Landgraf  Philipp. 

Wittenberg,  24.  December  1529. 

(Orig.,  eigenhändig.) 

Christus. 

Durchlauchter,  hochgebomer  fürst,  e.  f.  g.  sein  mein  unther- 
tenig  gantz  willig  dinst  zuvoran.  Gnädiger  fürst  und  her,  am 
cristabend  hath  e.  f.  g.  bothe  zu  Wittenbergk  e.  f.  g.  schreiben, 
ire  eigen  handschrift,  mir  uberandtwort,  welchs  ich  mehr  nach 
dem  sinne  dan  nach  den  buchstaben,  dieweil  es  e.  £  g.  an  zweifei 
in  der  hast  geschrieben,  hab  vomhemen  müssen.  Und  was  mein 
gnedigster  her,  der  churfurst  zu  Sachsen,  e.  f.  g.  der  turckenhulf 
halben  geschrieben  auf  den  abschied,  den  e.  c.  und  f.  g.  zu 
Smalkalden  mit  einander  genommen,  haben  e.  f.  g.  als  ein  hoch- 
Torstendiger  fürst  an  zweifei  mich  wol  gnediglich  entschuldiget, 
das  [dan?]  mir  nit  zustehen  wolt,  dasselb  zu  vortreten.  Szo 
weis  ich  auch  nit  anders,  dan  was  s.  c.  f.  g.  des  zweispalts  hal- 
ben das  hochwirdig  sacrament  bemrend  für  beswerung  die  ge- 
wissen berurend  haben  anzeigen  lassen,  solchs  sei  auf  bericht 
und  gefaste  radtslege  ezlicher  hochgelerten  der  heiligen  schrift, 
auch  unser  halben,  s.  c.  f.  g.  furstentumbs  zu  rat  [?]  ge- 
sessen, beschehen,  welche  man  auch  zu  Smalkalden  erbutig  wäre, 
hab  ichs  recht  behalten,  e.  t  g.  zu  zeigen,  so  es  die  geshefPt 
nit  verhindert  betten.  Und  wiewol  ichs  als  ein  Jurist,  dofhur 
e.  f.  g.  mich  unschnldiglich  achten,  nit  vorstehe,  so  dunckt  mich 
gleichwol,  hetten  e.  f.  g.  dieselbigen  radtslege  und  bedencken 
der  gelerten  sehen  sollen,  e.  f.  g.  wirden  irem  vorstand  nach, 
domit  si  von  Goth  begäbet,  sich  des  unthersehiedts  zwischen  der 
turckenhulf  und  dem  anderen  handel  leichtlich  doraus  erinnert 
und  guethe  gnuge  doran  gehabt  haben,  das  ichs  auch  unverweise- 

31  ♦ 


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460  LENZ; 

lieh  [?]  dofhnr  halte,  was  mein  gnedigster  her,  der  churftixrt,  e.  £.  ST- 
gemelter  turckenbolff  halben  geschrieben,  soldis  sei  nit  an  ge- 
ringe bedencken  und  gegründete  Ursachen  beschehen. 

und  sokhs  hab  e.  f.  g.  ich   hierumb  nntherteniglich    anzu- 
zeigen nit  untherlassen  müssen,  auff  das  es,  wie  michs  dan     ez- 
lieber  mass  ansieht,  nit  dofhur  gehalten  mog  werden,  sam   were 
ich  der  kunheit  und  durfFte  mich  untherstehen,  in  einem  solchen 
grosmechtigen  handel,  do  nach  anzeig  gemelter  gelerten  auf   einer 
selten  der  gewissen  halben  solch  gross  beswerung  stehet  und   anf 
der  andern  selten,  so  man  sich  trennet,  wie  es  von  e.  f.  g-.  und 
an  zweifei  ein  idem  dem  Torstande  nach  bedacht  wirdet,   grrosäe 
mergliche  gefhar  nach  meinen  gedancken  zu  fharen  und  zurhalten  [znj 
helfen.   Ich  bin  auch  an  zweifei,  dieweil  mein  gnedigster  solcher 
rettung  und  hulf  nit  minder  dan  imandt  von  wegen  des  glanbens 
bedürftig,  da  es  an  sotohe  beaweno^  der  gewiBBen  were  und  die- 
selbigen  gesichert  sein  mochten,    s.   c.  f.  g.   wurden  ir   durch 
niemandts  die   sachen  widerrhaten  lassen,  wie   dann   auch  s.  c. 
f.   g.  negst  zu  Smalkald^  meher    dan    einst   öffentlich    rheden 
Hessen,  das  e.  f.  g.  und  meniglicher  gewislich  dofhur  halten  sel- 
ten,  das  die  Weigerung  von  keins  lusts,   Ungunst,   noch   forbitz 
[frarbith?}  wegen  beacheghe.     Dan  dieweil  s.  c.  f.  g.  wüsten,  wie 
gross  der  gewalt   auf  der  widerpart  selten  were,  konthen  a.  c. 
t  g.  wol  achten,  wie  bog  disses  teile  notturft  wol  aem  weit,  einen 
tapferen   beistandt  zu  haben,    allein   das  s.  c.  f.  g.  nit  wüsten» 
Yon  eimoher  menschlichen  gefliar  wegen  in  solchem.  beswierLichen 
handel  wider  die  gewissen  zu  handeln.     Sso  wissen  auch  e.  f.  g. 
YOB  den  gnaden  Gothes  selbst  am  pesten,  das  einem  cristeii  hog 
beswerlich,  mit  wankenden  oder  zappellenten  ge?ns8ea  zu   han- 
delen,  das  auch  wider  gluck  noch  heil  dorpei  zu  sein  pflegt 

und  ich  het  unthertaniglich  gedacht  oder  gemeint,  nachdem 
e.  f.  g.  meins  gnedigsten  hern  beswerung  disser  dinge  halben  zu 
Smalkiüden  wol  Tormerkt,  e.  f.  g.  wurden  etwo  auf  die  wege  ge^ 
dacht  haben,  domit  die  Ursachen  angezeigter  beswerunge  abge- 
wandt oder  domit  die  gewissen  a«f  starke  gründe  der  sehrif!, 
auf  e.  f.  g.  wolmeinung  ^X  betten  mugen  gesichert  werden.  Dann 
dieweil  es  an  das  [ohne  das]  ist,  hoff  ich  nntherteniglich,  e.  f.  g. 
werden  die  sachen  dohin  nit  yorstehen ,  als'  were  bab  alhie  dea 
evangeMons  mnede  ad»  nberdressig,  dan  ich  halt  es  in  meinem^ 
nnvorstand  dofhnr:  wo  es  an  [ohne]  das  evangelion  und  die  ge-* 
wissen  were,  man  wurde  in  soloher  merglichen  fnrstehenden  be- 
sorgung  hulf  nhemen,  wo  man  konthe,  es  wurde  auch  an  swttfel, 
dieweil  eim  iden  sein   fhar    dorauf  stehet,   ntemandt   darwider 


^)  Diee  als  ein  mildemder  Zusatz  am  Saadc. 

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!> 


ZWmGLI  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  461 

rhaten.  Dortra  habe  ich  yon  den  gnaden  €K)the8  noch  keism 
lumdel  allhie  Tornommei^  der  dohin  zu  vorstehen,  als  wolt  man 
von  loroht  wegen  einzihen;  vorhoff  auch,  der  almeolitige  Goth 
werde  hem  und  knechte  gnediglich  dofhnr  behueten.  Und  ist 
an  e.  f.  g.  «ein  unthertenig  bit,  e.  f.  g.  wollen  disse  meine 
anteeigung  nit  anders»  dan  das  si  ans  unthertenlger  wolmeiniuqp 
beschehen,  vormerken  und  den  gefaeten  wan  lediglich  sinken 
lassen.  Sko  ich  mich  auch  der  Sachen  also  vorstendig  achtet 
ader  wüste,  wolt  ich  nit  untherlassen  haben,  e.  f.  g.  weither 
nnth^rtenige  unterrichtung  dorauf  zu  geben.  Dieweil  es  aber  die 
geetalt  hath,  lass  ich  es  bei  obberurter  gelerten  bedenken  und 
radtslege  beruhen,  und  thu  e.  t  g.  mich  hiermit  als  meinem 
gnedigen  hem  gaatx  untherteniglich  mit  erbietung  meiner  bereiten 
dinste  befeien,  die  der  almächtige  zu  seinem  lobe  in  langes  leben 
seliglich  erhalten  woUe,  amen.  Gegeben  zu  Wittenbergk  am 
cristabend  anno  domini  XXIX. 
E.  f.  g. 

unthertheniger 
williger 

Gregorius  brück 
doctor. 


3. 

Herzogin  Elisabeth  von  Saolieen  an  Landgraf  Philipp. 

Dresden,  24.  September  1530. 

(Orig.,  eigenhändig.    Adresse:  Mein  fmntlichen  lieben  bruder,  lantgraff 
Philipp  zu  Hessen  etc.  in  seiner  lieb  eigen  haut.) 

Fruntiicher,  hertzlieber  bruder.  Mich  zwinckt  meine  schwester- 
liche treu,  so  ich  zu  dir  drage,  dir  antzuzeigen,  was  abemUEilB 
vor  seltsame  mer  hin  und  widder  zu  tzotten  [Zeiten?]  gein,  Wife 
du  dan  auss  beileigenter  abschrefften  hast  zu  vomemen.  Nu  weil 
[will]  ich  dir  nicht  bergen,  das  sich  der  Eorfurst  derhalben  hoch- 
lichen entschuldiget,  dardnrch  ich  dan  vorhoffe,  dut  sollest  des 
auch  wol  undsi^uldig  sein  und  dich  hirinne,  wie  wol  gebort,  zu 
haben  wissen.  Nachdem  aber  glichwol  ein  zwie  [zeit?]  her  die 
sag  gewest,  das  dut  dich  abermalst  umb  leute  bewerbest  und 
etwas  sollest  vomemen  wollen,  so  darffestu  gar  wol  auf&een, 
wan  du  irgen  ein  volck  zusammen  bringst  und  dich  darauff  wilt 
vorlassen,  das  sie  nicht  selbst  mit  dir,  da  Got  vor  sei,  den  an* 
fang  machen,  dan  dut  spurest  je  clerlich,  das  der  neidt  und  hass 
Widder  die  fürsten  in  den  gemeinen  man  mit  einer  solchen  ge- 


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462  LENZ; 

schickligkeit  gebeldtet  [?1  das  man  schir  nich  wissen  magk,  wem 
wol  zu  Yortrauen;  und  wan  ein  volck  beinnander  und  kumpt  eine 
solche  meinerrige  [meitterige?],   so  hat  sie  gar  baldt  folge    and 
anhang.     Als  geett  auch  die  rede,  es  swellen  [?]  die  widertonffer 
umb  dich  hin  und  wieder  auffisteen ;  kan  nich  bedencken,  das  sie 
etwas  anders  im  sin  oder  vor  haben  wan  eben  das,  darron  dieser 
prophet  *)  sagt,  darumb  sere  von  notten,  fleissig  achtung  auff  sie 
zu  geben,  und  wue  sich  irgent  einer  reget  ader  lest  merken,   das 
man  Yon  stund  an  mit  im  zngreff  und  ernstlich  straff.   Kan  auch 
ane  das  nich  bedencken,  und  so  maus   lest  ein  weinig  uberhant 
nemen,   wie   est  möglich,   das  nich  solt  ein  vel  grosser  auffnir 
werden,  wan  de  dei  pauren   auffistunden.     Und  ist   vorwar  ni«^t 
eine  kleine  genade  von  Gott,   das  er  vorhenget,   das  maus  also 
zeitlich   erferett  und  darhinder  kump.     Wilt  nu   dut  und  ander 
fursten   nichtes   darzu  thunt  und  euerst    ampts  gebrauchen,    so 
were  auch  kein   wunder,   das   er  über  euch   eine  grosse  stra£fie 
▼orhinge.     Ich  wil  mich  aber   vorseen,    du   werdest  est  an   dir 
nicht  lassen  mangel,  darzu  dir  dan  auch  €rot  woUe  sein   genade 
Yorleigen.    Und  ich  meine  est  aus  rechter  swesterlicher  treu  mit 
dir,  das  weist  Gott!     Wolt  sust  mein  schriben  wol  sparen.     Bit 
dich  auch,   wollest  est  nich  ander  [so]   Yorstend,   und  bit  dich, 
dut  wollest  mir  heirauff  antwortt  geben,  dann  ich  schreb  dir  nest 
das  Sakrament  halben,  ist  mir  noch  kein  anwortt  wortten;  west 
nich,  wei  ich  mit  dir  drant  bin,  aber  ich  hoff  jo,  dut  werst  ein 
gutter  crest  bleiben  und  den  wortten  Gottes  glaben,  darumb  ich 
dich  treulich  und  fruntlich  wil  gebeitten  haben,   und  auch,   das 
dut  dich   in   der  sach  wilt  wol  for  sen  und  wol  bedenken,   wei 
ich  dir  hab  angetzeiget,  und   bedenckest  70   hast,   dan  packest 
kanteJl  [??]  —  yelle?  —  nich  sö  mit  auff,  das   dich  est  nich 
auch  berouge   [gereue]  und  dein  arme   nnderdanne   zu  schatten 
brenckgest    und   wol   das  gantze  reich.     Und   wil   dich   heirmit 
dem  ewichen  Got  beYellen,  der  geb  dir  seine  genade,  und  wo- 
mit ich  dir  wost  swesterliche  treu   zu  ertzeigen,   bin  ich   gantz 
willich.     Datum  Dressen,  sunaben  nach  mattestag  anno  XXX. 

E.  h.  z.  S.  etc.  sscr. 

Mein  lieber  bruder,  ich  bit  dich,  dut  wollest  mir  jeti  den 
tzelter  mit  schicken.  Las  deiner  juncken  [so]  ader  hotten  einer 
den  tzelter  mit  russer  riden.  H.  1.  b.  [Hertzlieber  Bruder], 
schick  mir  auch  das  nug  jar  und  das  einhomt. 


^)  Wohl  der  Verfasser  der  mit  übersandten  Schrift. 


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ZWINGU  UND  LANDGRAF  PHILIPP.  463 

Nachträglich  fond  ich  das  Concept  der  schmalkaldischen 
Bundesurkunde  y  wie  es  im  December  1530  entworfen  ist.  Es 
bestätigt  YoUkommen,  was  wir  durch  Yergleicbnng  gefunden 
haben.  Zu  gründe  liegt  nämlich  eine  saubere  Abschrift  des 
Burgrechtes  y  und  dahinein  hat  Philipp  die  sämmtlichen  Ab» 
weichungen  corrigirt 


.„„.Google       ^ 


Kritisclie  UebersicM 
Aber  die  kirchlich-arch&olo^ischen  Arbeiten 

aus  den  Jahren  1875 — 1878. 

Von 
Lic.  Yietor  Sehultze  in  Leipzig. 


(Schlnss.) 

V. 

Job.  Burkhardt,  De  origine  Basilicarom  christianarum.    Dissert.   in- 

augur.  Halis  1875.    (48  S.  in  8^) 
J.  P.  Biohter,  Der  Ursprung  der  abendländischen  Kirchengebäude. 

Wien  1878.    (48  S.  in  8<»  mit  3  Abbildungen.) 
De  BoBBi,  Roma  sott.,  tom.  HI,  S.  464—465.  478—488. 
De  Vogue,  Syrie  centrale.  Architecture  civile  et  religieuse  du  1^  au 

Vne  si^le.   Paris  1865—1877.   (Xn,  154  S.  und  151  Taf.  in  4») 
De  BoBsi,   Oratorio  privato  del  secolo  quarto.    (Bullett.  di  archeoL 

erist.  1876,  S.  37—58;  vgl.  S.  7—15.) 
Mioh.  Stell  de  BobbI,  Quäle  metodo  tecnico  adoperarono  i  fbssori 

per    dirigere  rescavazione   dei   cimit.  suburbani.    (Roma  sott.  IQ, 

Appendice  S.  700—706.) 
C.  BrookliauB,   Die   christl.  Baukunst   (in   der  Real-Encyklop.   für 

Protest.  Theol.  und  Kirche  1878,  2.  Aufl.  ü,  S.  135—157). 

In  der  Frage  nach  dem  Verhältnisse  der  altchristlichen 
Basiliken  des  Abendlandes  zu  antiken  Bauwerken  und  Con- 
structionsformen;  über  welche  aus  den  letzten  Jahrzehnten 
eine  Reihe  tüchtiger  Einzelforschungen  vorliegt;  ist  beson- 
ders seit  den  gründUchen  Untersuchungen  von  Weingärt- 
ner (Ursprung  und  Entwicklung  der  christlichen  Eirchen- 
gebäudc;  Leipzig  1858)  im  allgemeinen  die  Uebereinstimmung 


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DIE  KIBGHL.  ASCHÄOLOGIB  2876-1 878.  466 

erzielt,  das«  die  Conatantuuschen  Kirchengebäude  nicht  auf 
die  forensificiien  Basiliken  zurückgehen;  sondern  ihrer  An* 
läge  nach  durch  den  O^us,  spedell  den  sogenannten  ägyp- 
tischen Oekus  (Vitruv  VI,  3.  9)  des  antikoi  PrivÄthauses  ^), 
in  welchem  die  Christengemeinden  mch  zum  Gottesdienste 
versanmielten,  vorgebildet  und  bestimmt  seien.  Ebaiso  klar 
aber  ist,  dass  die  durch  das  antike  Haus  dargebotenen  For^ 
men  nicht  ausreichen,  die  chrisiüche  Basilika  zu  construiren. 
So  hat  Burkhardt  in  seiner  übrigens  die  Frage  nicht 
weiter  fördernden  und  durchgängig  an  ältere  Arbeiten,  be- 
sonders Zestermann's  anschliessenden  Dissertation  die  Grabes^ 
krypten  und  Oratorien  w^terhin  zur  Erklärung  herangezogen 
(S.  45  ff.).  In  Wirklichkeit  ab^  können  die  Grabeskirchen, 
d.  h.  die  über  oder  in  den  Grabstätten  hergestellten  kapellen- 
artigen Anlagen  darum  hier  nicht  in  Betracht  kommen,  weil  die- 
selben gleichzeitig  mit,  oder  in  der  Mehrzahl  nach  den  Ba- 
siliken entstanden  sind,  also  für  diese  keine  Motive  gelietert 
haben  können.  Es  gehört  nicht  zu  den  geringsten  Verdien- 
sten der  vortrefflichen  Abhandlung  von  Richter  über  den 
Ursprung  der  abendländischen  Eirchengebäude,  diese  Tat- 
sache im  einzehien  sichergestellt  und  damit  die  fabelhafte 
Hypothese  von  der  £ati^ombenkirche,  hoffentlich  für 
immer,  beseitigt  zu  haben  {S.  4 — 9).  Audi  gegenüber  den 
Ausflihrungen  de  Rossi's  im  3.  Bande  der  „Roma  sotterra- 
nea^',  welcher  dem  VerfEisser  nicht  vorgelegen  zu  haben 
scheint,  bleiben  die  gewonnenen  Resultate  in  voller  Geltung 
Betreffs  des  Ursprunges  des  abendländischen  Eirchengebäu- 
des  kommt  Richter  in  seinen  Untersuchungen  zu  dem  Schlüsse: 
„Die  römische  Basilika  des  vierten  Jahrhunderts  ist  eine 
organische  Vereinigung  der  Hallenkirche,  des  Versammlungs- 

1)  Es  sei  hier  auf  die  neueren  Untersuchungen  über  das  antike 
Haus  Ton  H.  Nissen,  Pompejanische  Studien  (Leipzig  1877;  XU, 
692  S.  in  gr.  S""),  S.  402—475  (vgl.  auch  S.  194—212  über  die  antike 
Basilika)  und  W.  Lange,  Das  antike  griechisch-römische  Wohnhaus 
(Leipzig  1878;  148  S.  imd  42  Zeichnungen)  verwiesen.  Zu  vgl.  auch 
G.  Fiorelli,  Descrizione  di  Pompei  (Napoli  1875,  461  S.  in  8*0  imd 
E.  Presuhn,  Pompeji,  die  neuesten  Ausgrabungen  (Leipzig  1878; 
sieben  Abteilungen  mit  60  Tafeln). 


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466  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN.    SCHÜLTZE, 

ortes    der    Gemeinde;    und    des    Märtyrex^rabes"    (S.    46) 
d.   h.   des  Arkosolgrabes.     Man  habe  die  Dispositionen   des 
Arkosoliums  ins  Riesenhafte  tibertragen  und  den  auf  gleiclie 
Proportionen    gesteigerten    Saaibau    der    älteren    Gemeinde- 
häuser (?)  damit  in  Verbindung  gebracht  (S.  41).   Der  Grund- 
plan des  Arkosoliums  entspreche  dem  des  Transeptes  (Quer- 
hauses). —    Diese  neue  und  scharfsinnig  vollzogene  Combi- 
nation  ist  gewiss  beachtenswert;  aber  da  derselben  nicht  ge- 
ringe Schwierigkeiten  entgegenstehen;    wird    man    sich   zur 
Annahme  derselben  höchstens  dann  zu  entschliessen  haben, 
wenn  alle  anderen  Hypothesen  zur  Erklärung  des  Verhält- 
nisses sich  als  ungenügend  herausstellen  sollten.     So  gesteht 
VerEasser  selbst  zu  (S.  47);  dass  nicht  nur  die  ältesten  Basi- 
liken ausserhalb  RomS;  sondern  auch  mehrere  römische  Mär- 
tyrerkirchen  des  4.  Jahrhunderts   des  Transeptes  ermangeln 
(S.  47  f )     Soweit  sich  die  Sache  überhaupt  noch  ermitteln 
lässt;  scheint  das  Querhaus  zu  der  ursprünglichen  Anlage; 
wenn  auch  bald;  so  doch  erst  später  hinzugekommen  zu  sein. 
Femer   setzt   die  Hypothese   des  Ver&ssers  eine  Reflexion 
vorauS;  die  in  Wirklichkeit  kaimi  stattgeftmden  haben  kann. 
Auch  die  Behauptung;  dass  die  Constantinischen  Basiliken  in 
erster  Linie  monumentale  Grabesbauten  gewesen  seien  (S.  40); 
ist  nicht  zuzugestehen.     Referenten  erscheint  es  immer  noch 
am  einfachsten;  die  Apsb  der  Constantinischen  Basilika   als 
ein  der  antiken  Gerichtsbasilika  entldintes  Element   zu  er- 
klären;   welche   letztere    dem    in   grossartigen   Dimensicmen 
gefassten    Oekus    in  dem  Masse   entspricht,    dass    eine  Er- 
weiterung dieses  nach  dem  Vorbilde  jener  sehr  nahe  gelegt 
wurde.     Aber    neben    der    übrigens   nicht    allgemein    ange- 
wandten Basilikenapsis  besass  ja   die  römische  Architektur 
apsidale  Constructionen  in  grosser  Anzahl  —  Die  auch  von 
de  Rossi  vertretene  Meinung  des  VerfetöserS;  dass  das  Arko- 
solimn  in  palästinensischen  Gräbern  des  vorchristlichen  Juden- 
tums seinen  Ursprung  habo;  imd  dass  die  beliebte  Anwendung 
desselben  seitens  der  Christen  durch  daS;   wie  angenommen 
wird;    gleich   gestaltete    Felsengrab    Jesu   zu    motiviren    sei 
(S.  29  ff.);  ist  nicht  haltbar.   Denn  während  der  Verfasser  selbst 
bekennt;  dass  in  Palästina  Arkosolgräber  selten  sind;  so  hat 


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DIE  KIKCHL.  ARCHÄOLOGIE  1875—1878.  467 

bereits  de  Rossi  (Roma  sott.  I,  87  S.)  auf  das  häufige  Vor- 
kommen heidnischer  Arkosolgräber  in  Rom  und  Latium  auf- 
merksam gemacht;  und  Referent  selbst  in  den  alten  Nekro- 
polen  Siciliens  dieselben  zu  Hunderten  angetroffen^  so  dass 
die  Vorbilder  vielmehr  im  Heidentume  zu  suchen  sind.  Auch 
scheint  es  sehr  gewagt,  der  Reconstruction  des  heiligen  Gra- 
bes, welche  de  Vogüö  (Les  öglises  de  la  terre  sainte,  Paris 
1860)  versucht  hat,  irgend  einen  Wert  beizulegen.  Schwer- 
lich hat  man  in  den  heidenchristlichen  Gemeinden,  besonders 
des  Occidents,  etwas  über  die  Construction  des  Grabes  Jesu 
gewusst  Auch  entspricht  den  tatsächlichen  Verhältnissen 
die  Behauptung  nicht,  dass  das  Arkosolium  die  bevorzugte 
(Jrabform  der  Christen  gewesen  sei  (Ö.  32).  Die  Anwen- 
dung des  Arkosoliums  oder  des  Loculus  hing  vielmehr  von 
der  socialen  Stellung,  beziehungsweise  von  den  Vermögens- 
verhältnissen des  Einzelnen  ab,  so  dass  die  Hauptgallerien 
fast  regelmässig  Arkosolien,  die  Nebengallerien  dagegen  Lo- 
culi  aufweisen. 

Ueberhaupt  aber  kann  die  Frage  nach  dem  Ursprünge 
und  dem  auszeichnenden  Charakter  der  altchristlichen  Basi- 
liken nicht  bei  ausschliesslicher  Berücksichtigung  der  abend- 
ländischen oder  gar  der  römischen  Kirchengebäude  in  ge- 
nügender Weise  gelöst  werden.  Dies  erhellt  wiederum  ganz 
besonders  aus  dem  vortrefflichen,  an  neuem  und  grade  für 
diese  Frage  in  hohem  Grade  wichtigen  Materiale  reichen 
Werke  des  Grafen  de  Vogüö  über  die  architektonischen 
Monumente  Centralsyriens,  d.  h.,  wie  der  Verfasser  es  ver- 
steht, des  Gebietes,  welches  im  Norden  durch  Eleinasien,  im 
Süden  durch  das  Todte  Meer,  westlich  durch  das  Mittelmeer 
und  östlich  durch  die  Wüste  begrenzt  wird.  Unter  der 
Römerherrschaft  (seit  160  n.  Chr.)  liat  in  dieser  Landschaft 
eine  ungemein  rege  Bautätigkeit  geherrscht,  die  ohne  Unter- 
brechung in  christlicher  Zeit  fortgedauert  hat,  imd  von  wel- 
cher heute  noch  zahlreiche  Einzelbauten  und  Gtebäudecom- 
plexe,  ja  ganze  Ortschaften  seit  dem  7.  Jahrhundert,  wo  sie 
verlassen  worden  zu  sein  scheinen  (S.  vn),  von  Menschen- 
händen fast  unberührt  geblieben  sind  und  nur  von  Erdbeben 
und  durch  den  Einfluss  der  Wrttenmg  hier  und  dort  gelitten 


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468  KRITISCHE  ÜBERHÖHTEN. 

haben.  Diese  intereBsanten  Monumente  nun  erweisen  ^ 
schon  am  Ende  des  4.  Jahrhunderts  diese  Gh^end  von 
diristlichen  Q^meinden  besetzt  war^  die  ^ne  reiche  tmd 
glanzvolle  Eunst^ochO;  wenm  au<^  nicht  erst  henrc»*gerufen^ 
dodi  auf  ihrer  Höhe  erhalten  und  vielfach  detaillirt  haben. 
Neben  den  Bariliken^  deren  degante  Architektur  die  gleich- 
zdtigen  abendländischen  Monumente  weit  überholt,  sind  zahK 
rdche  freistdi^ide  GrabdaiikmalC;  nicht  sdten  in  edlem, 
clasEoschem  Stil  ausgeAihrt;  umfassende^  reiche  Villenanlagen, 
luxuriöse.  Thermen  und  andere  Privatbauten  zu  nennen,  von 
weldien  in  dem  Werke  Vogü^'s  vortreffliche  Abbildungai 
und  Grundrisse  mitgetdlt  werden.  £He  Basiliken  sind  aus- 
nahmslos ohne  Transept,  einigemal  auch  ohne  Apsis  und 
mit  Türmen,  Besonderheiten,  die  wohl  zu  beachten  sein  dürf- 
ten. Der  Verfesser  vertritt  noch  die  ältere  Ansicht,  welche 
die  dmstliche  Basilika  aus  der  forensischen  faerieitet  (S.  57) 
und  findet  dieselbe  durch  die  syrischen  Monumente  bestätigt 
Die  Constructionsformen  der  christlichen  Basilika  zu  Taf kha 
(pl.  17)  und  der  antiken  Basilika  in  Chaqqa  (pL  15  u.  16) 
entsprechen  sich  allerdings  in  auffallender  Weise  (vgl.  S.  55 
bis  57),  wie  auch  das  pl.  137  gezeichnete  Eirchengebäude 
sich  der  Form  der  forensischen  Basilika  sehr  nähert;  aber 
der  allgemeine  Charakter  dieser  Monumente  unterschmdet 
sich  nicht  in  geringerem  Grade  von  demjenigen  der  antik^i 
Basilika  wie  die  abendländischen  Earchen,  so  dass  auch  hier 
die  christlic^n  Bauten  richtiger  aus  den  Formen  des  antiken 
Wohnhauses  herzuleiten  sind.  Referent  muss  darauf  ver- 
eichten,  die  reidie  Mannigfaltigkeit  dieser  Architektur  im 
einzehien  au&uzeigen,  nur  sei  aufinerksam  gemacht  auf  die 
Gebäudecomplexe  pl.  59  u.  60,  welche  eine  Art  geistliches 
Convict  gewesen  zu  sein  scheinen  (S.  96  f),  und  auf  die 
grossartige  Kirchen-  imd  Elost^ranli^  des  hdligen  Simon 
Stylites  (pl.  139  ff.;  v^.  S.  141  ff.),  wdche  wohl  der  zweiten 
Hälfte  des  5.  Jahrhunderts  angehört.  Auch  die  kunstvoll  aus- 
geführten Grabmonumente  der  Landschaft  sind  dadurch  inter- 
essant, dass  sie  im  G^ensatz  zu  dem  Verfahren  der  abend- 
ländischen Christen,  welche  das  System  der  Diaspora-Juden 
nachahmten,    antiken    Mausoleen    und   Krypten   nachgebaut 


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DIE  KIRCHL.  ARCHÄOLOGIE  1875—1878.  469 

sind.  Charakteristisch  ist  femer  die  häufige  Anwendung  des 
Monogramms  Christi  und  von  Bibelsprüchen  an  Portalen 
und  Fenstern,  Türen,  Sarkophagen  und  sonst  In  Betreff 
der  Inschriften  sei  auf  die  PubÜcation  von  W.  H.  Wad- 
dington  (Inscript.  grecquea  et  lat  de  la  Syrie,  Paris  1870) 
verwiesen. 

Wenn  man,  was  von  de  Vogüi  und  anderen  vor  ihm 
an  numumentalen  Quell^i  über  das  chrii^liche  Syrien  des 
4. — 7.  Jahrhunderts  gesammdit  ist,  zusammenfasst,  so  erhält 
man  das  Bild  einer  reichen  und  auf  hoher  Culturstufe  steh^i- 
den  cfaris^chen  Bevölkerung,  woraus  sich  auf  die  Ausbrei- 
timg des  Christentums  in  diesen  Oebieten  im  2.  und  3.  Jahr- 
hiundert  »chere  Bückschlüsse  machen  lassen  ^). 

Die  Elrdarbeiten  auf  dem  sogenannten  Monte  della  GUu- 
nüdsL  in  Rom  (vgl  S.  290)  führten  zu  der  Entdeckung  emes 
eigentümlich«!  Gemaches  von  c.  9  m.  Länge  und  c.  5  hl  Breite, 
mit  einer  Apsis.  Der  obere  Saum  der  Concha  des  jetzt 
verstörten  Baumes  war  mit  der  DarsteUimg  Christi  und  der 
1 2  Jünger,  der  untere  mit  Scenen  des  Fisch&nges  geschmückt. 
Hauptsächlich  auf  diese  Malereien  sieh  stützend;  ist  de  Rossi 
zu  dem  Schlüsse  gelangt,  dass  dieses  Gemach  als  ein  Privat^ 
Oratorium  des  4.  oder  5.  Jahrhunderts  zu  betrachten  sei. 
Birferent  kann  sich  nicht  davon  überzeugen.  Wenn  auch  die 
Existenz  von  Privatoratorien  bereits  im  4.  Jahrhundert  nicht 
zweifelhaft  ist,  so  ftihren  die  Fischfangsscenen,  die  viel  zu 
real  entworfen  sind,  als  dass  sie  symbolisch  gefesst  werden 
dürften,  über  eine  solche  Bestimmung  des  Gemaches  hinaus. 
Andrerseits  sind  die  christlich^i  Figuren  leicht  als  spätere 
Zutat  zu  dem  älteren  und  besseren  Genrebilde  zu  erweisen. 
Hätte  man  also  einen  ursprünglich  anderen  Zwecken  dienen- 


^)  L.  Lefort,  La  Baaüiqiie  de  SaiBte-P^tronille  au  sein  de  la 
catacombe  de  DooutiUa  pr^  de  Rome  (Paris);  J.  J.  Kreutzer, 
Paulas  dea  Süentiariers  Beschreibung  der  Hagia  Sophia,  übersetzt 
und  von  Anmerkungen  begleitet  (Leipzig  1875;  IX,  89  S.  in  8**) 
imd  D.  Pulgher,  Les  anciennes  ^glises  byzantines  de  Constantinople 
(2  livr.  Wien  1878  gr.  Fol.)  waren  mir  nicht  zur  Hand.  Ein  anziehen- 
der Aufsatz  über  die  Sophienkirche  in  Constantinopel  findet  sich  in 
G.  KUkers  Koaaik  zur  Kunstgeschichte  (Berlin  1876),  S.  275-^301. 


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470  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN.    SCHULTZE, 

den  Kaum  später  zu  einem  Oratoriimi  umgewandelt^  so  würde 
man   sich  gewiss  nicht   damit  begnügt  haben ;   die  proiane 
Darstellung  durch  eine  religiöse  bloss  zu  parallelisiren,  sondern 
erstere  einfach   vernichtet  haben  ^   wie  auch  sonst  geschehen 
ist.  —  Wie  den  beiden  ersten  Bänden  der  „  Roma  sotteranea  *^ 
ist  auch  diesem  von  Mich.  Stefano  de  Rossi  ein  Anhang- 
architektonischen  Inhaltes  beigefiigt.   Der  Verfasser  behandelt 
das  technische  Verfahren  der  Possoren  bei  der  Anlage   der 
unterirdischen  Gallerien  und  sucht  besonders  die  Planmässig- 
keit,  mit  welcher  die  einzelnen  areae  der  Coemeterien  um- 
schrieben und  durch  Corridore  durchschnitten  wurden,  darzu- 
legen.    Es  wird  sogar  för  wahrscheinlich  erklärt,   dass  die 
einzelnen  formae  des  Coemeterialganzen   auf  Marmortafeln 
eingezeichnet  worden  seien,  woflir  die  antike  Sitte  Beispiele 
bietet.     In  der  Tat  setzt  die  höchst  complicirte  Anlage   der 
römischen  und   sonstigen  Eatakombenanlagen    ein   technisch 
sehr  ausgebildetes  Verfahren  auf  Seiten  der  Fossoren  voraus ; 
ob  es  aber  möglich   ist,   dasselbe  in   seinen  Einzelheiten   in 
der  Weise  zu  analysiren,  wie  der  Verfasser,  doch  hauptsäch- 
lich auf  Grund  ausserchristlicher  Quellen,  versucht  hat,  muss 
dahingestellt  bleiben. 

Die  kurze  Uebersicht  über  die  Geschichte  der  christ- 
lichen Baukimst,  welche  der  leider  so  fiüh  verstorbene  GL 
Brockhaus  in  der  neuen  Auflage  der  Realencyklopädie 
gegeben  hat,  ist  klar  und  anregend  geschrieben,  nur  die  alt- 
christliche Periode  scheint  Referenten  nicht  richtig  aufgefasst 
zu  sein.  In  gleicher  Weise,  wie  de  Vogü^,  sieht  der  Ver- 
fasser das  Vorbild  der  christlichen  Basilika  in  der  forensi- 
schen Basilika  (S.  137  f).  Die  bekannte  Umdeutung  des 
Namens  basilica  in  christlichem  Sinne  findet  sich  übrigens 
schon  vor  Isidor  von  Sevilla  (Orig.  cod.  XV,  4.  11)  in  einem 
Itinerarium  v.  J.  333  (Itin.  Hierosol.  ed  Parthey,  p.  280): 
Zugleich  geht  aus  dem  Wortlaute  des  letzteren  hervor,  dass 
die  Bezeichnung  Basilika  iur  die  neuen  Kirchen  damals  erst 
aufkam,  was  zu  beachten  ist  ^). 

^)  Es  sei  hier  noch  verwiesen  auf  die  Artikel:  ,, Baukunst  bei 
den  Hebräern"  von  Rüetschi  in  der  Real-Encykl.,  2.  Aufl.,  11,  S.  132 
bis  135,  und  „Baptisterium"  von  C.  Brock  haus,  ebendas.  S.  91 — 94. 


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DIE  KIRCHL.  AKCHÄOLOOIE  1876-1878.  471 

VI. 

De  BpBsi,  Scoperte  nel  cimitero  di  DomitlUa.  (Bull,  di  archeol. 
crist.  1875,  S.  1—43.  45—47;  vgl.  1874,  S.  5—35.  122—125.) 

V.  Pavin,  La  Capella  graeca  du  cimiti^re  de  Priscille.  (Revue  de 
Fart  chr^.  1876,  S.  259—297;  H,  138—206  u.  s.  w.) 

G.  Ijudewi^»  Ein  Blick  in  die  römischen  Katakomben.  Bern  1876. 
(96  S.  mit  11  Illustrationen  in  8<».)  *) 

S.  Stevenson,  II  cimitero  di  Zotico.   Modena  1876.   (106  S.  in  8°.) 

O.  Marruoohi,  La  cripta  sepolcrale  di  S.  Yalentino  sulla  Via  Flami- 
nia.  Roma  1878.  (70  S.  und  3  Taf.  in  gr.  8*».)  Estratto  da  „Gli 
studj  in  Italia". 

V.  Scliultze,  Die  Katakomben  von  S.  Gennaro  dei  Poveri  in  Neapel. 
Jena  1877.    (XI,  79  S.  in  gr.  8*»  mit  10  Taf.)  «) 

J.  P.  Richter,  Pompejana.    (Christi!  Kunstbl.  1875,  S.  56—59.) 

C.  Wandinger,  Christen  in  Pompeji.  (Histor.  -  polit.  Blätter  1876, 
LXXVm,  825—851.) 

V.  SehultBe,  Die  altchristlichen  Monumente  in  Salona.  (Christi. 
Kunstbl.  1878,  S.  18^—189.) 

O.  Zöokler,  Das  Kreuz  Christi.  Religionshistorische  und  kirchlich- 
archäologische Untersuchimgen.  Gütersloh  1875.  (XXTV,  484  S. 
in  8^) 

S.  V.  Bunsen,  Das  Symbol  des  Kreuzes  bei  allen  Nationen  und  die 
Entstehung  des  Kreuz-Symbols  der  christlichen  Kirche.  Berlin  1876. 
(236  S.  in  8^) 

H.  Fulda,  Das  Kreuz  und  die  Kreuzigung.  Eine  antiquarische  Unter- 
suchung.   Breslau  1878.  (VHI,  346  S.  u.  7  lithogr.  Taf.  in  gr.  8**.) 

A.  HoltBrnann,  Entstehung  des  Christusbildes  der  Kunst.  (Jahrb. 
f.  prot.  Theol.-1877,  S.  189—192.) 

R.  Kleinx>aul,  Die  Symbolik  der  altchristlichen  Kunst.  (Ausland 
1876,  S.  645—648.  673—677.) 

H.  Deobent,  Die  symbolischen  Darstellungen  der  ältesten  Kirche. 
(Christi.  Kunstbl.  1877,  S.  137—141.  156—160.) 

H.  A.  Naville,  De  l'existence  d'un  art  religieux  chr^tien  d^  les  Pre- 
miers si^cles.    (Revue  chr^tienne  1875,  S.  568 — 587.) 


1)  J.  S.  Northcote,  A  visite  to  the  Roman  Catacombs  (London 
1877,  in  4®)  und  F.  Becker,  Die  Wand-  und  Deckengejnälde  der 
römischen  Katakomben  (G^ra  1876)  sind  mir  nicht  zur  Hand. 

»)  Damach  Kraus,  Roma  sott.,  S.  603 AT.;  vgl.  femer  Christi. 
Kunstbl.  1877,  S.  2^—28  und  Augsb.  Allg.  Zeitung  1876,  Beil.  vom 
13.  und  14.  März. 


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472  KRITISCHE  ÜBEBSICHTEN.    SCHÜLTZE, 

Cosimo  Stomaiuolo,  Dell*  importanza  delle  ultime  scoperte  nei  ci- 
miterj  cristiani  di  Roma.    Napoli  1876.    (28  S.  in  8'.) 

F.  Qay,  Le  catacombe  di  Roma.  (Rivista  cristiana,  Firenze  1877, 
S.  53—58.  125—180  u.  s.  w.) 

Seitdem  der  Katakombeneomplex  von  S.  CalUsto  voll- 
ständig  ausg^raben  ist,  hat  die  päpstliche  Commission  dem 
wichtigen  Coemeterium  der  Domitilla  eine  grossere  Tätigkeit 
zugewandt;  über  welche  de  Rossi  im  Bull,  di  archeoL  crist. 
regelmässig  Bericht  erstattet.  Die  Entdeckung  eines  die  hl. 
Petronilla  darstellenden  Fresko  hat  de  Rossi  zu  einer  neuen 
Untersuchung  über  die  Person  dieser  Heiligen  Veranlassung 
gegeben  (vgl.  Bull,  di  archeol.  crist.  1865,  S.  17—24.  46), 
die  mit  dem  Resultate  abschliesst,  dass  dieselbe  eine  Ange- 
hörige des  äavischen  Hauses  gewesen  sei. 

Daran  knüpft  der  Verfasser  weitere,  durch  neu  ent- 
deckte epigraphische  Monumente  gestützte  Ausführui^en  über 
das  Verhältnis  der  Flavier  zmn  Christentume,  wdche  all- 
gemein Beifall  und  Zustimmung  gefonden  haben  ^).  Was 
mm  zuerst  die  Behauptung  einer  Verwandtschaft  der  hL 
Petronilla  mit  der  flavischen  Gens  betrifft,  so  stützt  sich 
der  Verfasser  hauptsächlich  auf  eine  von  Pietro  Sabine  hand- 
schriftlich überlieferte  Inschrift :  AVRELI AE  PETRONILLAE 
Ftt-IAE  DVLCISSIMAE,  welche  einem  unter  Paul  I.  aus 
der  Katakombe  der  Domitilla  in  die  Peterskirohe  trandodr- 
ten  Sarkophage  angehört  haben  soll  (BulL  1865,  S.  46).  Ln 
Gegensatz  zu  der  Legende  (Acta  S.  S.  Maii,  t  ITI,  S.  11), 
wefche  den  Kamen  Petronilla  von  Petrus  ableitet,  vot^ 
tritt  de  Rossi  die  ohne  Zweifel  richtige  Ableitung  von  Petro 
Da  nun  dieser  letztere  Name  sich  einmal  in  der  flavischen 
Stammlinie  findet,  so  wird  daraus  die  Zugehörigkeit  der 
Petronilla  zu  dieser  geschlossen,  ein  Beweisverfahren,  dem 
man  schwerlich  zustimmen  wird.     Andrerseits   dürfte  zu  er- 


i)  Vgl  z.  B.  Cl.  Brockhaus  in  der  Theolog.  Lit.-Ztg.  1876, 
S.  290  und  de  TEpinois  in  der  Revue  des  quest.  hist.  1875,  S.  573 
his  577;  Kraus ^  Roma  sott.,  S.  84 ff.;  Repertor.  f.  Kunstwissensch. 
1877,  S.  181— 135;  L.  Lefort  ia  der  Revue  arch^L  1876,  vol.  XXX, 
S.  39-47. 


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DIE  KIECHL.  ABCHÄOLOGIE  1875—1878.  473 

wägen  sein,  ob  nicht  die  Legende  überhaupt  erst  von  dem 
Hamen  und  der  Sarkophaginschrift  der  AureUa  PetroniUa 
Anlass  genommen  habe,  diese  mit  Petrus  und  dem  Christen- 
tume  in  Verbindung  zu  bringen,  denn  der  genannte  Titulus 
trägt  kein  Indiciimi  christlichen  Ursprunges,  und  die  Bild- 
werke des  zugehörigen  Sarkophags  sind  der  antiken  Kunst 
entnommen  (Martene,  Vett  Scriptt.  coli.  II,  S.  1470).  Dem 
würde  nicht  entgegenstehen,  dass  der  Sarkophag  in  einem 
christlichen  Coemeterium  gefunden  sei;  aber  auch  dieses  ist 
zweifelhaft.  Was  die  weitem  vom  Verfasser  angezogenen 
epigraphischen  Monumente  betriffl;,  so  entbehrt  die  Ergän- 
zung des  Fragmentes  •  •  •  •  RVM  ||  •  •  ORVM  zu  sepulc 
RVM  II  Flavi  ORVM  (Bull.  1874,  S.  17)  freiHch  jedes 
Orundes^,  aber  das  Epitaph.:  (DA-  CABeiNOC.  KAI,\\ 
TITTANH'  AJEA0OT  (BulL  1875  S.  40)  könnte,  da  es 
einfach  formulirt  ist  und  gute  Schriftzüge  zeigt,  die  Ver- 
mutung erwecken,  dass  es  sich  auf  Flavier  des  2.  Jahr- 
hunderts beziehe.  Aber  da  in  demselben  Coemeterium  in 
einer  Inschrift  des  4.  Jahrhunderte  ein  FLAVIVS  CONCOR- 
DIVS  erscheint  (a.  a.  S.  47)  und  auf  einer  andern  eben- 
daselbst ein  OA-  TITOAEMALOC  TW  (d.  h.  nQfaßvTtqog) 
und  eine  OYAUI  (Ulpia)  KONKOPJIA  erwähnt  werden 
(S.  42),  während  das  Cognomen  Ptolemaeus  bei  den  Flaviern 
nicht  nachweisbar  ist,  wohl  aber  bei  dem  Sohne  eines  ge- 
wöhnlichen römischen  Legionssoldaten  (Bulletin  de  Tlnstitut 
Egyptien  1872 — 75,  S.  120),  und  ferner  eine  Concordia  auf 
dem  bezeichneten  Titulus  des  4.  Jahrhunderts  genannt  ^di*d, 
so  erheben  sich  gewichtige  Bedenken  sowohl  dagegen,  aus 
diesen  Monumenten  zu  schliessen,  dass  schon  im  1.  oder  im 
2.  Jahrhundert  Flavier  sich  zum  Christentume  bekannt  ha- 
ben, als  auch,  dass  die  Flavier,  deren  Epitaphien  vorliegen, 
Verwandte  des  kaiserlichen  Hauses  gewesen  seien.  Wahr- 
scheinlich handelt  es  sich  um  Freigelassene  oder  Clienten 
der  Flavier  aus  dem  3.  und  dem  4.  Jahrhimdert,  oder  die 
Namensübereinstimmung  ist  eine  bloss  zufällige.    Denn  ge- 


1)  Ref.  z.  B.  ergänzt  „ . .  [puejrum  [ann]orum  .  .  .  .",  eine  For- 
mel, welche  häufig  wiederkehrt. 

Zeitoelur.  f.  K.-0.  III,  8.  32 

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474  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN.    8CHULTZE, 

rade  im  4.  Jahrhundert  findet  sich  der  Name  Flavius  häufig*. 
Es  soll  damit  nicht  in  Abrede  gestellt  werden,  dass  Ange- 
hörige des  kaiserlichen  Hauses  der  Piavier  im  1.  oder  2.  Jahr- 
hundert sich  zum  Christentume  bekannt  haben  könnten;  nur 
dass  aus  den  monumentalen  Quellen  ein  Erweis  für  diese  An- 
nahme zu  schöpfen  sei,  erscheint  Referenten  als  unrichtig. 

Die  Aufsätze  Davin's  über  die  Katakombe  der  heiligen 
Priscilla  sind  als  fleissige,  auf  gründlichem  Quellenstudium 
beruhende  Arbeiten  anzuerkennen,  werden  aber  in  ihrem 
Werte  durch  eine  phantastische  Symbolexegese  und  durch 
die  stete  Rücksichtnahme  des  Verfassers  auf  das  officieDe 
römische  Dogma  in  nicht  geringem  Grade  geschmälert  *). 
Das  mit  einem  gewissen  Grade  von  Sachkenntnis  und  frisch 
geschriebene  Büchlein  Ludewig 's  über  die  römischen  Ka- 
takomben erhebt  selbst  nicht  den  Anspruch  ein  selbstän- 
diges Werk  zu  sein,  aber  der  Andern,  besonders  der  deut- 
schen Bearbeitung  der  englischen  „Roma  sotterranea'^  ent- 
nonunene  Stoff  ist  vielfach  unter  neue  Gesichtspunkte  gestellt 
und  in  eine  anregende  Darstellungsform  gebracht,  so  dass 
das  Schriftchen  zur  Einführung  in  das  Studium  der  römi- 
schen Katakomben  wohl  geeignet  ist  *).  —  Das  Coemeterium . 
des  Zoticus  am  zehnten  Meilensteine  der  Via  Labicana,  welches 
Stevenson,  ein  Schüler  de  Rossi's,  zum  Teil  auf  Grund 
des  ihm  von  letzterem  zur  Verfiigung  gestellten  MaterialB^ 
eingehend  behandelt  hat,  ist  eine  durch  nichts  Besonderes 
ausgezeichnete  Anlage  des  4.  Jahrhunderts. 

In  mancher  Hinsicht  wichtiger  erscheint  das  kleine  Coeme- 
terium S.  Valentino  an  der  Via  Flaminia,  in  einiger  Ent- 
fernung   von  Rom,    welches,    nachdem    es   seit   langem  in 


1)  In  desselben  Verf. 's  Aufsatze  „Les  anciens  monuments  chrdt. 
de  Rodez"  (ebend.  1876,  II,  213—282.  292—299)  wird  ein  altcbrist- 
licher  Sarkophag  aufgeführt,  dessen  Seitenreliefs  beachtenswert  sind. 
Sonst  enthält  das  Verzeichnis  nichts  Besonderes. 

*)  Die  kurze  Uebersicht  über  die  Kirchen  Roms  von  Barbier 
de  Montault  in  der  Revue  de  l'art  chr^t.  1875,  Ilff.  ist  wertlos. — 
De  r  Epinois,  Les Catacombes de Rome  (Paris  1875, 234  S.  m  1")  und 
Withrow,  Catacombs  of  Rome  (London  1877)  waren  Referenten  nicht 
zugänglich. 


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DIE  KIRCHL.  ARCHÄOLOGIE  1875—1878.  475 

Vergessenheit  geraten  war,  O.  Marrucchi  vor  einigen 
Jahren,  durch  die  Angaben  Bosio's,  der  dasselbe  ausfuhrlieh 
beschrieb,  geleitet,  wieder  auffand  und  kürzlich  in  dankens- 
werter Weise  von  neuem  behandelt  hat.  Dasselbe  ist  be- 
sonders durch  eine  Crucifixdarstellung^  die  einzige,  welche 
sich  in  unterirdischen  Coemeterien  nachweisen  lässt,  archäo- 
logisch interessant.  Während  die  altchristUche  Kunst  die 
Scheu,  das  Kreuz  bildhch  darzustellen,  am  Ende  des  4.  Jahr- 
hunderts überwindet,  hat  es  weit  längerer  Zeit  bedurft,  bis 
die  Kreuzigungsscene  in  ihrem  Bilderkreise  Aufnahme  fand. 
Der  Verfasser  zeigt,  dass  der  Uebergang  von  den  Kreuzes- 
zu  den  Kreuzigungsdarstellungen  sich  ganz  allmählich  und 
zwar  durch  eine  Gruppe  bildlicher  Darstellungen  hindurch 
vollzog,  welche  besonders  durch  die  Ampullen  von  Monza 
illustrirt  wird,  die  ein  gewöhnlich  mit  Blumen  omamentirtes 
Kreuz,  über  dessen  obem  Balken  das  Haupt  Christi  schwebt, 
zeigen.  Aus  diesem  Motive  entwickelte  sich  erst  seit  dem 
Ende  des  fünften  Jahrhunderts  die  vollständige  Kreuzigungs- 
scene, aber  ohne  anfangs  allgemein  zur  Anwendung  zu  ge- 
langen (S.  35 — 47)^).  Das  jetzt  arg  verstümmelte  Fresko  in 
S.  Valentine  (tav.  11)  erweist  der  Verfasser  im  Gegensatz  zu 
Gori  und  in  Uebereinstimmung  mit  Garrucci  überzeugend 
als  ein  Werk  des  7.  Jahrhunderts  (S.  47  ff.).  Von  den 
übrigen  wenigen  Bilderresten  des  Coemeteriums  ist  ein  wohl 
derselben  Zeit  angehörendes  Büd  der  Maria  durch  die  bei- 
gefügte Legende  SCA  DEI  GENETRIX  (S.  52)  wichtig, 
welche  vielleicht  das  erste  Beispiel  einer  Anwendimg  dieser  For- 
mel auf  abendländischen  Monumenten  ist  Die  von  dem  Ver- 
fasser teils  nach  älteren  Publicationen,  teils  zum  ersten  Male 
mitgeteilten  Inschriften,  darunter  einige  datirte,  gehören 
der  zweiten  Hälfte  des  4.  imd  dem  5.  Jahrhundert  an  und 
sind,   mit  Ausnahme  vielleicht  der  S.  35  angegebenen,  die 


1)  Das  von  Dobbert  in  einer  Sitzung  der  Berliner  Archäolog. 
Gesellschaft  in  Photographie  vorgelegte  Elfenbeinrelief  (jetzt  im  Bri- 
tish Museum)  mit  einer  Darstellong  der  Kreuzigung  (vgl.  Archäolog. 
Z^eitung  1876,  XXXIV,  42)  kann  ich  nicht  mit  demselben  für  ein 
Werk  des  5.  Jahrhunderts  anerkennen. 

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476  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN.   SCHüLTZE, 

einen  Sklaven  erwähnt,  bedeutungslos.  Das  genauere  Alter 
der  Erypte  wird  sich  schwer  feststellen  lassen,  da  dieselbe 
sehr  ruinirt  ist.  Immerhin  ist  möglich,  dass  die*  ursprüng- 
liche Anlage  in  die  vorconstantinische  Zeit  zurückreicht  und 
dass  der,  wie  angegeben  wird,  unter  Claudius  Grothicus  um- 
gekommene römische  Valentinus  hier  beigesetzt  wurde.  Alte 
Berichte  (S.  1 — 18)  und  die  im  4.  Jahrhundert  über  dem 
Grabe  errichtete  kleine  Basilika  machen  dies  wabrschein- 
Uoh. 

Die  ein  gewisses  Interesse  in  Anspruch  nehmende  Frage, 
ob  sich  in  Pompeji  Spuren  des  Christentums  nachweisen 
lassen,  hat  zuerst  Garrucci  im  Jahr  1853  (BulL  arcL  neap., 
t.  II,  S.  8)  aufgeworfen  auf  Anlass  einer  von  den  Akade- 
mikern von  Herkulanum  (Antichitk  di  Ercolano,  S.  2191) 
publicirten  christlichen  Lampe,  angeblich  pompejanisober 
Provenienz.  Garrucci  entschied  mit  Recht,  dass  diese  Lampe 
dem  4.  oder  5.  Jahrhundert  angehöre.  Seitdem  hat  de 
Rossi  die  Frage  in  ausfuhrlicher  Weise  behandelt  (BulL 
1864,  S.  69— 72.  92  ff.).  An  diese  Untersuchungen  schlies- 
sen  sich  die  Ausflihrungen  Wandinger's  eng  an,  ohne 
ein  neues  Moment  hinzuzufögen.  Der  Verfasser  sucht  zuerst 
die  Existenz  einer  jüdischen  Synagoge  in  Pompeji  nachzu- 
weisen auf  Grund  der  bekannten  Inschrift  (Coip.  Inscriptt 
lat  IV  n.  117),  ia  welcher  ein  sich  PRINCEPS  ||  LIBERTI- 
NORVM  nennender  Fabius  Eupor  einen  Aedilatsoandidaten 
empfiehlt.  Die  von  dem  Verfasser  nach  de  Rossi  (a.  a.  O. 
S.  70.  92)  vorgetragene  Meinung,  dass  es  sich  hier  in  Qe- 
mässheit  von  Act.  6,  9  um  einen  Archisynagogus  handele, 
haben  bereits  Mommsen  (Rhein.  Mus.  1864,  S.  456)  und 
Zangemeister  (C.  I.  L.  zu  dieser  Inschrift)  mit  guten 
Gründen  zurückgewiesen.  Wenn  es  freilich  nicht  unwahr- 
scheinlich ist,  dass  in  Pompeji  Juden  ansäss^  waren,  so 
werden  sie  doch  nirgends  in  den  zahlreichen  Wandinschriften 
genannt,  so  dass  es,  abgesehen  von  allem  andern,  schwer 
dankbar  ist,  dass  die  verachtete  Genossenschaft  sich  in  die- 
ser Weise  ia  die  städtischen  Wahlangelegenheiten  habe  mi- 
schen dürfen.  Dagegen  wird  in  der  Inschrift  des  Vico  del 
balcone  pensile  (C.  I.   L.  IV,  n.   679)   &st   allgemdn  eiae 


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DIE  KIRCHL.  ARCHÄOLOGIE  1876-1878.  477 

Beziehung  auf  die  Christen  erkannt,  wie  noch  jüngst  von 
O verbeck  (Pompeji,  3.  Aufl.,  S.  437)  und  von  Aubö 
(Pers^ution  de  V  Eglise,  S.  415  flF.).  Aber  selbst  wenn  die 
sehr  wenig  wahrscheinliche  Lesung  CHRISTIAN  .  .  .  (da- 
gegen Zangemeister  im  C.  I.  L.  CIIRISTIRAII)  zugestan- 
den wird,  erscheint  Referenten  die  Deutung  des  Wortes 
=5  Christianus  (als  Cognomen)  richtiger,  da,  was  immer 
auch  Keim  (Urchristenth.,  S.  177)  eingewendet  hat,  kaum 
anzunehmen  ist,  dass  schon  vor  dem  Jahre  79  imOcddente 
dem  Volksmunde  der  Name  „Christiani''  geläufig  gewesen  sei. 
Auf  christlichen  Insdniflen  findet  sich  diese  Bezeichnung  erst  seit 
dem  4.  Jahrhundert.  Auch  passt  der  übrige  Inhalt  der  Inschrift, 
wie  man  denselben  auch  zurechtzul^en  versucht  hat,  durch- 
aus nicht  auf  die  Christen;  es  scheint  sich  vielmehr  um  eine 
geschäftUche  Aniionce,  genauer  um  eine  Weinannonce,  gehan- 
delt zu  haben.  Auch  in  der  Inschrift  MVLVS  fflC  MVSCIIL- 
LAS  1)  DOCVIT  (C.  I.  L.,  n.  20!  5)  wird  nach  dem  Vorgange 
de  Rossi's  vom  Verfasser  eine  spöttische  Anspielung  auf  die 
Christen  erkannt.  Aber  zu  dieser  Interpretation  liegt  kein 
verständlicher  Grund  vor.  Wenn  sich  der  Verfasser  auf 
Teri  Apol.  c.  16  und  auf  das  palatinische  Spottcrucjfix  beruft 
(S.  843),  so  handelt  es  sich  in  diesen  beiden  Fällen  nicht 
um  einen  den  Christen,  sondern  um  einen  ihrem  Gotte  angehäng- 
ten ähnlichen  Schimpf.  Die  von  Stefanoni  (Gemmae  ant. 
Venei  1646,  tab.  30)  mitgeteilte  Gemme  aber,  welche  einen 
vor  zwei  Frauen  docirenden,  in  Toga  gekleideten  Esel  zeigt, 
ist  ein  blosses  Scherzbild,  welches  von  den  Auslegern  seit 
Lukas  HolsteniuB  mit  Unrecht  mit  dem  Dens  oyoxoijtig  (?) 
Tertullian's  in  Verbindung  gebracht  wird.  Die  übrigen  vom 
Verfasser  nach  de  Rossi  angezogenen  Inschriften  (C.  I.  L., 
n.  2018  b  und  c,  823)  können  noch  weniger  in  Betracht  kom- 
men. G^ORüber  der  Behauptung  schliesslich,  dass  die  Ne- 
romsche  Christenverfolgung  auch  Pompeji  berührt  habe  (S.  84^, 
vgl.  de  Rossi  S.  72),  ist  auf  die  neuesten  Untersuchungen 
Overbeck's  und  Aubö's  über  die  Christenverfolgungen  zu 
verweisen.  —  Ebenfalls  in  der  Weise  de  Rossi's,  aber  mit  ganz* 


^)  Moscellas  ss  musculas  (t.  mosca). 

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478  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN.    SCHÜLTZE, 

lieber  Ignorining  der  seitdem  vorgetragenen  abweichenden  Er- 
klärungen^ ein  Vorwurf,  der  übrigens  auch  Aub  ö  triffifc,  versteht 
J.  P.  Richter  die  Inschrift  des  Vico  del  balcone  pensile. 
Wenn  der  Verfasser  ausserdem  auf  einem  pompejanisc^^i 
Fresko  eine  Kreuzesabbildung  erkennt  und  sonst  verschiedent- 
lich auf  pompejanischen  Monumenten  Monogramme  Christi 
findet,  Darstellungen,  die  erst  in  imd  nach  dem  4.  Jahrhun- 
dert in  der  christlichen  Kunst  auftreten,  so  dürfen  wir  uns  wohl 
gestatten,  diesen  Entdeckungen  gegenüber  uns  skeptisch  zu 
verhalten.  ^). 

Seitdem  Jakob  Gretser  das  erste  umfassende  Werk 
über  das  Kreuz  veröfienthchte  (De  Cruce  Christi  voll.  III, 
Ingoist.  1598  ff.),  hat  die  archäologische  Forschung  bis  zur 
jüngsten  Gegenwart  herab  mit  Vorliebe  dieses  Thema  auf- 
genommen, so  dass  über  dasselbe  eine  äusserst  reiche  Litera- 
tur vorliegt.  Auf  Grund  derselben,  aber  mit  vielfacher  Er- 
weiterung des  (Jegebenen  imd  teilweise  von  neuen  Gesichts- 
punkten aus  ist  Zöckler's  licht-  und  gehaltvolle  Monographie 


1)  In  Beziehung  auf  ausserrÖmische  Monumente  sind  zu  erwähnen 
die  Mitteilungen  Cavallari's  über  altchristliche  Coemeterien  in  Si- 
cilien  im  Bull,  di  archeol.  crist.  1877,  S.  85 — 95,  die  übrigens,  wie 
Ref.  an  Ort  und  Stelle  beobachten  konnte,  in  hohem  Grade  unzuver- 
lässig sind.  —  Ebendas.  1875,  S.  142 — 152  de  Rossi  über  das  Coe- 
meterium  S.  Alessandro  in  Baccano  an  der  Via  Cassia,  21  Migleu  von 
Rom.  —  Kraus,  Roma  sott,  S.  607 ff.,  über  die  kleine  Katakombe 
von  Prata  (District  Avellino).  Ueber  ein  kürzlich  in  Tropea  in  Ca- 
labrien  entdecktes  Coemeterium  s.  Bull,  di  archeolog.  crist.  1877, 
S.  85 — 95;  über  ein  nicht  uninteressantes  Fresko  einer  syracusani- 
flehen  Katakombe  (Vigna  Cassia)  ebendas.  1878,  S.  149  —  159  (vgl. 
Revue  archeol.  1878,  S.  84 ff.). —  Robert  de  Lasteyrie,  Note  sur 
un  cimiti^re  m^rovingien  d^couvert  k  Paris  (Revue  arch^l.  1876, 
XXXI,  S.  360— 368). -—  Ch.  Bayet,  Memoire  sur  un  ambon  conserv^ 
k  Salonique  (in  d.  Memoire  sur  une  mission  au  mont  Athos  par  Dus- 
ebene  et  Bayet  [Paris  1876],  S.  249—299).  Neroutsos-Bey, 
Notice  sur  les  fouilles  r^centes  ex^cut^es  k  Alexandrie  1874 — 1876,  Alex. 
1875  (54  S.  in  8  **)  giebt  auch  eine  kurze  Mitteilung  über  die  dortigen 
christUchen  Altertümer.  —  Schliesslich  verweise  ich  auf  die  Sitzungs- 
berichte der  vonP.  Bruzza  geleiteten  römischen  Accademia  di  archeologia 
eristiana,  über  deren  ersten  Teil  nach  de  RossTs  Bull,  di  archeol. 
crist.  im  Christi.  Kunstbl.  (1878,  S.  36—41)  referirt  ist 


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DIE  KIRCHL.  ARCHÄOLOGIE  1875—1878.  479 

über  das  Kreuz  Christi  verfasst.  Das  Buch  enthält  Neues 
und  Anregendes  in  reicher  Fülle,  besonders  fiir  die  Dar- 
l^ung  der  „Idee  des  Kreuzes  in  der  neuern  Kunst,  religiösen 
Dichtung  und  Speculation'^  (S.  329  flf.),  welche  bisher  nicht 
g^eben  war,  wird  man  dem  Ver&sser  dankbar  sein  müssen. 
Der  Abschnitt  über  das  Kreuz  in  der  vorconstantinischen 
Earche  (S.  119 — 146)  dagegen  teilt  die  Irrtümer  der  bis- 
herigen Anschauungen.  Referent  hat  speciell  die  Ausführun- 
gen über  die  angeblichen  cruces  dissimulatae  der  alt- 
christlichen Kunst  imd  Epigraphik  im  Auge,  deren  Existenz 
dem  Verfasser  unzweifelhaft;  ist.  Ein  önmd  aber,  der  die 
Christen  veranlasst  hätte,  das  Kreuzeszeichen  zu  verhüllen, 
ist  überhaupt  nicht  au&uzeigen.  Das  Svastikasymbol,  welches 
beim  Auftreten  des  Christentums  in  der  griechisch-römischen 
Welt  ohne  Verständnis  seiner  ursprünglichen  Bedeutung  als 
geheimnisvolles,  zauberhaftes  Zeichen  ohne  bestimmten  In- 
halt angewandt  wurde,  ist  als  solches  auch  in  den  christ- 
lichen Bilderkreis  gekommen.  Aber  es  tritt  überhaupt  erst 
im  Verlaufe  des  3.  Jahrhunderts  auf  (de  Rossi,  Bull.  1868, 
S.  88  ff.)  und  erhält  sich  ununterbrochen,  wenn  auch  in  be- 
schi^änkter  Anwendung,  bis  in  das  5.  Jahrhundert  hinein, 
d.  h.  neben  dem  Kreuze,  welches  es  also  nicht  wohl  ver- 
hüllt haben  kann.  Ebenso  ist  das  sogenannte  Antoniuskreuz 
vor  dem  4.  Jahrhundert  nicht  nachweisbar.  Dass  aber  der 
Anker  das  Kreuz  habe  verhüllen  sollen,  ist  eine  durch  nichts 
gestützte  Conjectur,  die  auf  de  Rossi  zurückgeht  Man  wird 
also  nicht  über  das  Zugeständnis  hinauskommen  können, 
dass  vor  Constantin  dem  Grossen  die  Kirche  irgendwelche 
versteckte  oder  offenbare  Kreuzesabbildungen  mit  christlicher 
Symbolik  nicht  besessen  habe.  Damit  fällt  auch  hin,  dass 
in  dem  Constantinischen  Monogramme  das  Elreuzeszeichen  ent- 
halten sei,  wie  Verfieisser  (S.  163)  behauptet  Was  die  Ge- 
nesis dieses  signum  anbetrifft,  so  erscheint  es  Referenten  nutz- 
los, auf  ähnliche  oder  gleiche  Zeichen  älterer  orientalischer 
Münzen  zurückzugehen,  wie  auch  Zöckler  tut  (S.  152  f.). 
Wenn  überhaupt  Christus  als  Heerflihrer  anerkannt  und  sein 
Namenszug  in  das  Heerbanner  aufgenommen  werden  sollte, 
80  lag  es  doch  sehr  nahe,  aus  XP  das  bekannte  Monogramm 


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480  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN.    SCHÜLTZE, 

ZU  formuliren,  das    in  des  Tat  erst  mit  dem  Jahre  323   auf 
christlichen  Monumenten  erscheint  (Bull.  1H63,  S.  22  ff.)  *). 
Denn  die  hier  gewöhnlich  angezogene  Inschrift,  welche  anch 
in  deRossi'sInscriptt  christianae,  vol.  I,  n.  26  unter  dem 
Jahr  298  steht,  die  aber  factisch    dem  Jahr   330    angehört^ 
sollte  doch  endlich  bei   Seite  gelegt  werden.    —  Während 
Zöckler  bei  der  Entstehung  des  Constantinischen  Monogram- 
mes  nur  ganz  allgemeine  Reminiscenzen  an  orientalische  Ge- 
heimzeichen  mitwirken   lässt,    hat  E.   v.  Bunsen    in  einer 
seltsamen  Schrift  über    das  „Symbol  des  Kreuzes",  welche 
nachweisen  soll,  dass  die  „auf  innere  Erfahrung   und  gött- 
liche Offenbarung  gegründete  Lehre  vom  Gewissen  zu  allen 
Zeiten  und  bei  allen  Völkern  durch  das  Kreuz  sinnbildlich  dar- 
gestellt wurde",  die  Aneignung  dieses  Zeichens  durch   Con- 
stantin  als  Tat  und  Ausdruck  eines  bewussten  Synkretismus 
beurteilt.     So  sei,    wenn  auf  dem  Schilde  des   als  Mars  ab- 
gebildeten  Constantin    das    Monogramm  Christi   sich  findet, 
damit  eine  „Verbindung  von  Christus   mit  der  Sonne  und 
daher  mit  den  Sonnengottheiten  des  Heidentums"  ausgedrückt 
(S.  82).     Referent  ^aubt,  sich  der  Mühe  überheben  zu  dür- 
fen, auf  diese  und  ähnliche  willkürliche  Combinationen  des 
Verfassers,  die  zudem   teilweise  nicht  neu  sind  und  schwer- 
lieh Zustimmung   finden   möchten,    näher   einzugehen  *).   — 
Wesentlich    archäologischen    Inhaltes    ist   die  verdienstvolle 
Schrift   von  Fulda    über  das  Kreuz    und  die  Kreuzigung. 
Durch  dieselbe  wird  wieder  einmal  klar  aufgezeigt,  wie  we- 
nig erschöpfend  und  befriedigend    die    archäologische    Seite 


0  Ref.  macht  bei  dieser  Grelegenheit  auf  das  instructive  Werk 
von  W.  Frohner,  Numismatique  antique.  Les  Medaillons  d*Empire 
romäin  depuis  le  r^gne  d'Auguste  jusqu' k  Priscus  Attale  (Paris  1878; 
XV,  39Ö  S.  u.  1310  Vign.  in  gr.  8°),  besonders  in  Beziehung  auf  die 
Constantinischen  Münzen,  aufmerksam;  zu  vergleichen  ausserdem 
F.  W.  Madden,  Christian  Emblems  of  the  coins  of  Constantine  I^ 
his  family  and  his  successors  (Kepr.  from  the  Numismatic  Chronicle), 
London  1877—78. 

*)  Vgl.  Theol.  Literatur -Zeitung  1876,  S.  415  ff.;  Zeitschr.  für 
wissenschaftl.  Theol.  1877,  S.  421  ff.;  Christliches  Kunstblatt  1878, 
S.  62  f. 


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DIE  KIBCHL.  ARCHÄOLOGIE  1875—1878.  481 

dieser  Frage  bisher  behandelt  worden  ist.  Eine  Reihe  von 
Punkten  bleibt  freilich  auch  nach  den  scharfsinpxgen  Unter- 
suchungen des  Veifassers  noch  dunkel.  —  Mit  Recht  wird 
die  fabelhafte  crux  decussata^  das  sogenannte  Andreaskreuz, 
beseitigt  (S.  126  ff.).  Besonders  dankenswert  sind  die  Aus- 
führungen über  die  Entkleidung  der  Verurteilten  (S.  144  ff.) 
und  über  die  Behandlung  der  Füsse  bei  der  Kreuzigung^ 
speciell  bei  der  Kreuzigung  Jesu  (S.  264  ff.)*  Dass  dag^en 
die  Kreuzigung  Christi  ohne  Anwendung  des  Patibulum  statt- 
gefunden habe,  in  der  Weise,  wie  auf  Tat  I  abgebildet  ist, 
dafür  hat  der  Verfasser  (S.  217  ff.)  keinen  überzeugenden 
Grund  beibringen  können. 

Handelt  es  sich  bei  Bunsen  darum,  den  ausserchrlstlichen 
Ursprung  des  Monogrammes  Christi  zu  erweisen,  so  hat 
Holtzmann  den  Versuch  gemacht,  den  in  der  Renaissance 
Tielfach  wieder  aufgenommenen  bärtigen  Christustypus  der 
altcbrisdichen  Kunst  als  eine  unmittelbare  Nachbildung  der 
antiken  Asklepios-  und  Serapist^pen  aufzuzeigen.  Es  lässt 
sich  freilich  nicht  in  Abrede  stellen,  dass  einzelne  Darstel- 
lungen direct  unter  dem  Einflüsse  antiker  Vorbilder  entstan- 
den sind,  z.  B.  der  thronende  Christus  in  S.  Vitale  in  Ra- 
venna,  der  auf  Apollo,  und  ein  ReUef  des  Museo  Kirche- 
riano,  das  auf  Serapis  zurückgreift,  aber  dies  sind  nur  Aus- 
nahmen, g^en  welche  die  Kirche  sich  entschieden  ablehnend 
verhielt,  wie  aus  dem  Tatbestande  und  einer  von  Theopha- 
nes,  Chronogr.  ed.  Bonn.,  vol.  I,  S.  174  mitgeteilten  Erzählung 
her\rorgeht  Die  Sarkophage,  daneben  die  Fresken  und  die 
Goldgläser,  zeigen  vielmehr,  dass  die  Umbildung  von  dem 
imbärtigen  zu  dem  bärtigen  Typus  sich  ganz  allmählich  voll- 
zogen hat,  in  dem  VerhältDisse  nämlich,  wie  die  alte,  durch 
antike  Reminiscenzen  belebte  Kunst  in  strengeren,  unfreien  For- 
men erstarrte.  Vor  allem  aber  steht  der  genannten  Behaup- 
tung entgegen,  dass  die  Darstellungen  des  Paulus,  des  Petrus, 
des  Mose  imd  anderer  Figuren  des  altchristlichen  Bilderkrei- 
ses dieselbe  Entwickelung  vom  imbärtigen  zum  bärtigen 
Typus  durchmachen.  Auch  finden  sich  Reliefs  z.  B.  im  Lateran- 
museum, auf  welchen  der  imbärtige  und  der  leichtbärtige 
Christuskopf  abwechsebd  angewandt  werden,  ein  Beweis,  dass 


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482  KRITISCHE  ttBERSICHTEN.    SCHULTZE, 

der   spätere  Typus  aus  dem   älteren  direct  hervoi^ewachaeii 
ist.     —     Die  Ausführungen  KleinpauTs  über   die   Sym- 
bolik   der    altchristlichen    Kunst     sind    in    gleicher    Weise 
durch    kecke   ZuversichtUchkeit  wie   durch  Unkenntnis    des 
einschläglichen  Materials  ausgezeichnet     Wo  der  Verfasser, 
in  welchem  man  leicht  den  Dilettanten  eri^ennt,  über  die  von 
ihm    stark    benutzte    „Symbolik    und    Mythologie"  Piper's 
hinausgeht;  yerirrt  er  sich  zu  den  seltsamsten  Au&tellungen, 
wie  S.  674  über  die  Darstellungen  Daniers  in  der  Löwen- 
grube   imd    S.    675    über    die    Symbolik    der   Weinkelter. 
Ueberhaupt  aber   ist  in  der  Abhandlung  im   Gegensatz  zu 
deren    Ueberschrift    die    altchiistUche    Symbolik    nur   ganz 
nebenbei  berücksichtigt   —    oder  sollte  der  Vei&sser   auch 
die  mittelalterUche  Kunst   unter   diese  Rubrik  begrifien   ha- 
ben? 

Aus  dem  Aufsatze  Dechent's  ist  für  altchristUche  Sym- 
bolinterpretation nichts  Neues  zu  entnehmen  ^);  der  Verfasser 
verlässt  die  Bahn  des  traditionellen  Verfahrens  nur  insofem^ 
als  er  die  sibyllinischen  Bücher  zur  Erklärung  heranzieht^ 
was  übrigens  Referenten  als  eine  Neuerung  von  zweifelhaftem 
Werte  erscheint.  Denn  solange  die  Interpretationsnormen 
in  erster  Linie  den  Schriftquellen  und  nicht  den  Monumenten 
selbst  entnommen  werden^  wird  auch  die  phantastische  Spie- 
lerei moderner  Symbolexegese  andauern. 

Die  nicht  ohne  Sachkenntnis  geschriebene  Skizze  von 
Naville  in  der  protestantischen  „Revue  chr^tienne"  richtet 
sich  hauptsächlich  darauf^  die  durch  die  Elatakombenforschung 
erwiesene  Teilnahme  der  Christen  am  Kunstleben  mit  den 
gleichzeitigen  christUchen  Quellen  der  alten  Kirche  in  Ein- 
klang zu  setzen.  Ein  Widerspruch  scheint  in  der  Tat  nicht  vor- 
zTiUegen ;  die  Vorstellung  von  einem  „  Kunsthasse  ^'  der  altchrist- 


1)  Ein  Gleiches  gilt  von  des  Verfassers  Aufsatz :  „DieBedeutiuig 
der  Speisungsgeschichte  auf  den  Denkmälern  altchristlicher  Kunst  ^* 
(Christi.  Kunstbl.  1878,  S.  102—108),  in  welchem  vorzüglich  mit  den 
durch  die  deutsche  „Roma  sott."  gebotenen  Hülfsmitteln  zu  erweisen 
versucht  wird,  dass  die  Darstellung  der  Speisungsgeschichte  in  der 
altchristlichen  Kunst  sich  finde  mit  historischer,  eucharistischer  und 
pneumatischer  Bedeutung! 


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DIE  KIBCHL.  ARCHÄOLOGIE  1876—1878.  483 

liehen  Gemeinden,  die  in  den  kirchengeschichtlichen  Lehr- 
büchern heute  noch  häufig  sich  findet,  ist  unhaltbar.  Es 
darf  vielmehr  als  gesichertes  Resultat  angesehen  werden,  dass 
die  heidenchristlichen  Gemeinden  die  Kunst  mit  nicht  gerin- 
gerem Interesse,  wenn  auch  mit  mannig£Eicher  äusserer,  durch 
die  Verhältnisse  gegebenen  Einschränkung  gepflegt  haben 
als  die  Zeitgenossen  gleicher  socialer  Stellung.  Anders  aber 
hat  ohne  Zweifd  die  Sache  bei  den  judenchristlichen  Gemein- 
den gelegen,  die  von  der  entgegengesetzten  Tradition  aus- 
gingen. Wenn  dem  gegenüber  der  Verfasser  auch  dem  Ju- 
dentuine  Kunsttätigkeiten  und  -Interesse  zuerkennt  (S.  574  fil), 
80  bewährt  sich  diese  Behauptung  nicht  an  den  Tatsachen, 
insofern  vereinzelte  Symbole,  die  sich  aussserdem  &st  ganz 
auf  Epitaphien  beschränken,  keine  Kunst  constituiren.  Die 
jüdischen  Grabmonumente  sowohl  Palästlna's  als  der  Dia- 
spora zeigen,  dass,  wo  einer  Kimsttätigkeit  Raum  gestattet 
worden  ist,  diese  nur  in  ganz  beschränktem  Masse  und 
sporadisch  zum  Ausdruck  gelangt  ist  ^).  Zum  Schlüsse  wen- 
det sich  der  Verfasser  gegen  die  aus  obiger  Tatsache  von 
der  katholischen  Forschung  gezogenen,  allerdings  unstatthaften 
Folgerungen  fiir  die  Bilderverehnmg.  Stornaiuolo,  der 
nicht  nur  diese,  sondern  auch  den  Märtyrercultus,  die  Lehre 
vom  Fegfeuer  und  andere  Dogmen  der  römischen  Kirche  als 
durch  die  altchristlichen  Monumente  bezeugt  nachzuweisen 
versucht  (S.  22 — 28),  weiss  nur  einige  Inschriften  imd  Bild- 
werke des  4.  und  des  5.  Jahrhunderts  für  seine  Behauptim- 
gen  anzuführen,  wodurch  schwerlich  in  dem  Leser  die  Ueber- 
zeugung  erweckt  werden  dürfte,  „dass  die  katholische  Tra- 
dition aus  der  Katakombenforschung  täglich  neue  Triumphe 
imd  Palmen  davontrage"  (S.  4).  Im  übrigen  beschränkt  sich 
der  Verfasser  des  bedeutungslosen  Schriftchens  auf  Wieder- 
gabe von  Forschimgen  de  Rossi's,  speciell  der  bereits  be- 
sprochenen über  das  Coemeterium  der  Domitilla.  Andrer- 
seits ist  von  waldensischer  Seite  aus,  von  T.  Gay  „das  Rom 


')  Ich  verweise  hierzu  auf  den  Artikel  von  Ruetschi:  „Büder 
bei  den  Hebräern",  in  der  neuen  Auflage  der  Real-Encjklopädie  11, 
S.  460-463. 


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484  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN. 

unter   der  Erde''   zum  Zeugnis   gegen  ^^das   Rom  auf   der 
Erde"  aufgerufen  worden.     Die  im  polemischen  Sinne    ver- 
fassten  Aufsätze  enthalten;  obgleich  aus  ihnen  nur  eine  ober- 
flächliche Kenntnis  der  Monumente  durchschimmeii;  dennoch 
manche  richtige  Beobachtung.     So  findet  Referent  z.  B.   die 
Orantenfiguren  hier  zum  ersten  Male  richtig  bestimmt  (S.  127); 
nur  berücksichtigt  der  Verfiisser  die  rein  ornamentale  Ver- 
wendung der  Orans  nicht     Die  den  Monumenten   entnom- 
menen Argumente  gegen  das  Dogma  und  die  Praxis    d^^ 
römischen   katholischen  Kirche  sind  nur  zum   Teil  beweis- 
kräftig.    Ueberhaupt  aber  wird  man  die  altchristlichen   Mo- 
numente in  diesem  Sinne  nur  in  ganz  vereinzelten  FäUen 
zu    verwerten  haben,  da  dieselben    fast  ausnahmslos   rddit 
die  kirchliche,   sondern  die  volkstümliche  Anschauung  aus- 
prägen *). 


1)  Mariott,  Testimony  oftheCatacombs  (London  1877);  Grill- 
witz er,  Die  bildl.  Darstellungen  der  röm.  Katakomben  ab  Zeugen 
für  die  Wahrheit  u.  s.  w.  (Graz  1876  in  4®)  und  G.  Ott,  Die  ersten 
Christen  über  und  unter  der  Erde  (Regensbnrg  1878,  4^,  waren  Bef. 
nicht  zugänglich.  —  Einige  wenige  Schriften  kirchlich-archäologiscben 
Inhaltes,  die  mir  erst  nach  Abschluss  der  Kritischen  Uebersicht  zur 
kamen,  werde  ich,  soweit  es  tunlich  erscheint,  in  einer  späteren  Folge 
berücksichtigen. 


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ANALEKTEN. 


1. 

Nachträgliche  Bemerkungen  Aber  den  Aupstiner 
Johann  Hoflineister. 

Von 
A.  T.  DruffeL 


Keine  Angabe  ans  Hoffineistefs  Lebensgeschichte  glaubte  ich 
bei  Ansarbeitnng  meiner  Schrift  über  das  Leben  jenes  Augustiner- 
m^nchs^)  mit  mehr  Sicherheit  der  herkömmlichen  Ueberlieferung 
entnehmen  zu  dürfen  als  die,  dass  er  seiner  Gebnrt  nach  dem 
Elsass  angehört  habe.  Anf  die  Unrichtigkeit  dieser  Ansicht  hat 
mich  inzwischen  Herr  Prof.  Barack  in  Strassbnrg  gütigst  auf- 
merksam gemacht.  In  dem  zu  Obemdorf  niedergeschriebenen  Teile 
der  von  ihm  herausgegebenen  Zimmerischen  Chronik  m,  473 
wird  nämlich  beiläufig  gesagt,  dass  Hoffmeister  „ein  geborener 
Obemdorfer''  war,  und  es  ist  unzweifelhaft,  dass  diese  Nach- 
richt grösseres  Vertrauen  verdient  als  die  Notizen  späterer  Bio- 
graphen. 

Die  angeführte  Stelle  ist  nicht  bloss  wegen  dieser  Notiz  be- 
merkenswert, sie  gewährt  uns  zugleich  einen  Einblick,  wie  Hoff- 
meister in  einem  bestimmten  Falle  die  Interessen  eines  Klosters 
gegen  die  Bedrohung  des  Grafen  von  Zimmern,  des  Xloster- 
Togts,  zu  schützen  sich  bemühte,  und  obgleich  die  Chronik  nicht 
auf  seiner,  sondern  auf  des  Grafen  Seite  steht  und  parteiisch  gefärbt 


1)  Der  Elsässer  Aogustinermönch  Johannes  HofiEmeister  und  seine 
Correspondenz  mit  dem  Ordensgeneral  Hieronymus  Seripando  (Mönchen 
1878,  62  S.  in  4).  Aus  den  Abhandlungen  der  kgl.  bayer.  Akademie  der 
Wissensch.,  IIL  CL,  XIV.  Bd.,  I.  Abt,  S.  135—196. 


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486  ANALEKTEN. 

ist,  dürfen  wir  doch  die  berichteten  änsseren  Tatsachen  wohl   als 
richtig  hinnehmen.     Es  steht  mit  dem,    was   Hoffmeister   selbst^ 
über  den  Zustand  der  Augnstinerklöster  berichtet,  auch  nicht  in 
Widerspruch,  wenn  man  von  „Mutwillen  und  Verschwendung*'    der 
Nonnen  im  Tal  zu  Obemdorf  liest,  ebenso  wenig  aber  dürften  die 
Nonnen  und  Hoffmeister  fehlgegriffen  haben,  wenn  sie   bei  dem 
Grafen  die  Neigung,  das  Kloster  einzuziehen,  voraussetzten.    Hoff- 
meister verklagte   denselben   deshalb   bei   dem  König  Ferdinand; 
es  erschienen  Commissare  von  dem  Innsbrucker  Regiment;  deren 
Einschreiten,  sowie  die  drängenden  Bitten  des  „  lausigen  Mönchs  ** 
und    der   benachbarten  Edelleute    veranlassten   den  Grafen  zum 
Bückzuge;    er    liess   die   Nonnen  machen   und   nahm   sich  ihrer 
weiter  nicht  viel  an.     So   gewann  der  Streit  keine  weitere  Aus- 
dehnung,   wir   wissen   nicht    einmal,    zu    welcher   Zeit   er    ge- 
spielt hat. 

Für  die  Zeit,  welche  vor  Hofißneister's  Eintritt  in  die  grössere 
politische  Welt  liegt,  bietet  die  von  dem  evangelischen  Divisions- 
prediger Rocholl  zu  Colmar  verfasste  Schrift:  „Die  Einführung 
der  Reformation   in  Colmar*',   ausserordentlich  interessante  Aus- 
beute.    Man  muss   bei  dem   Verfasser  das  Streben  nach   unbe- 
fangenerer  Würdigung    der    kirchlichen   Gegensätze   anerkennen; 
man  wird  sich  eher  der  Ansicht  zuneigen,  dass  er  den  katholischen 
Augustiner  zu  günstig  beurteile,   als  dass  er  sich  von  dem  con- 
fessionellen  Gegensatze  zur  Ungerechtigkeit  habe  verleiten  lassen. 
Rocholl  hat  den  umstand,  dass  er  in  der  Stadt  lebte,   wo  Hoff- 
meister wirkte,  trefflich  zu  benutzen  gewusst  und   das  Colmarer 
Archiv   wie   die  Bibliothek  eifrig  ausgebeutet     Die  letztere  be- 
wahrt das  wie  es  scheint  einzige  Exemplar  einer  Hoffmeister'schen 
Schriffc,  welche  besonderes  Interesse  durch   die  Schicksale  einflösst, 
welche  sie  gleich  damals  erlitten  hat,  obgleich  ihr  Inhalt,  mit  dem 
„Judicium"  verglichen;  keine  wesentlich  verschiedenen  Züge  dar- 
bietet.    In   beiden   Schrifben    polemisirt    der  Augustiner  lebhaft 
gegen  die  Neuerer  und  geisselt  zugleich  mit  rückhaltloser  Schärfe 
die  Misbräuche  innerhalb    der  katholischen  Kirche.     Das   „Ju- 
dicium"   gelangte    erst   12   Jal>re  nach  Hoffmeister's  Tode  zum 
Druck;    die    „Wahrhaftige  Entdeckung    und   Widerlegung    deren 
Artikel  die  M.  Luther  auf  das  Ooncilium  zu  schicken  und  darauf 
beharren  fürgenummen"  wurde   zwar  gleich  in  Colmar  bei  Bar- 
tolomäus  Grüniger  gedruckt,   dann   aber  von  dem  Rate  der  Stadt 
mit  Beschlag  belegt.  Mochte  Hofimeister  auf  zu  Colmar  erschie- 
nene  Schriften  hinweisen,   welche   ohne  Beanstandung  gegen  die 
heilige  Messe   und  gegen  die  katholischen  Priester,    die   in  der 
Stadt  nicht  das  wahre  Evangelium  predigten,  zu  Felde  zogen» 
mochte   er  sich   auf  die  erfolgte  Billigung  seiner   Schrift  durch 
christliche  Magister  und  Doctoren  berufen  und  verlangen,  dass  die 


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V.  DRUFFEL,  ÜBER  DEN  AUGUSTINER  HOFFMEISTER.   487 

Begierung  zn  EDsisheim  oder  die  Universität  Freibnrg  zu  einer 
Entscheidung  über  die  angeordnete  Massregel  berufen  werden 
möge,  der  Bat  Hess  sich  hierdurch  ebenso  wenig  einschüchtern 
als  durch  den  Hinweis  auf  die  kaiserliche  Migestät,  welche  Hoff- 
meister anrufen  zu  wollen  erklärte.  Man  Hess  sich  durch  ein 
juristisches  Gutachten  Christofs  Ton  Schwabach  beruhigen,  welches 
die  Beschlagnahme  billigte,  aber  zugleich  auch  vor  Verbreitung 
aufregender  lutherischer  Bücher  warnte.  Das  Schicksal  des  Bu- 
ches war  dann  die  Vergessenheit,  und  erst  im  17.  Jahrhundert 
fiand  man  zufällig  Exemplare  wieder  auf.  Eine  andere  Schrift, 
welche  Hoffmeister  im  Jahre  1540  drucken  Hess,  gelangte  zwar 
damals  an  die  OeffentHchkeit,  wurde  aber  yon  mir  gleichfaUs  bei 
Anfertigung  des  Verzeichnisses  seiner  Schriften  übersehen.  Es 
ist  dies  die:  Missa  D.  Joannis  i  Ohrjsostomi  secundum  Yete-|| 
rem  usum  ecclesiae  Constantino- |j politanae  ...  a  Leone  Tusco 
Emanuelis  Impe- 1|  ratoris  Constantinopolitani  Joannis  F.  Latinarum{| 
epistolarum  magistro,  iam  olim  conYer-||8a,  regnante  videHcet 
Fride-||richo  Aug.  huius || nominis  pri-||mo. ||  Eadem  recentius 
ab  Eras-||mo  Boterodamo  translata,  hie  au-{|tem  adiecta,  quod 
diyersum  uterque  exemplar  Graecum  ||  sit  secutus,  ne  Studiosus  anti- 
quitatis  Chri-  stianae  quicquam  de- 1|  sideret.  ||  Excusum.  ||  Colma- 
riae  per  Barptho-  11  lomeum  Grjenin-  ||  gerum.  ||  Anno  M.  D.  || 
XL.  I . 

Besondere  Bedeutung  wird  man  dieser  Compilation,  welche 
darauf  ausgeht,  das  hohe  Alter  der  Messliturgie  zu  erweisen, 
schwerHch  zuschreiben  können.  Hofi&neister  nennt  sich  als  Autor 
auf  Fol.  43  ^,  wo  er  eine  Sammlung  von  Ezcerpten  aus  Chry- 
sostomus' Schriften  beginnt  Am  bemerkenswertesten  dürfte  der  Brief 
des  Beatus  Bhenanus  au  Hoffmeister  sein,  welcher  die  Schrift 
eröffnet,  ihn  hat  Flacius  Hlyricus  dann  auch  1657  seiner  Schrift 
über  die  „Missa  latina  quae  olim  ante  Bomanam  circa  700  Do- 
mini annum  in  usu  fuit  bona  fide  ex  yetusto  authenticoque  codice 
descripta''  am  Schlüsse  wieder  beigefügt.  Dieser  Schrift  des 
Flacius  wurde  das  Loos  zu  Teil,  yon  Wizel  als  eine  Schutzschrift 
für  den  !E[atholicismus  begrüsst  zu  werden  ^). 

Der  Brief  des  Beatus  Bhenanus  erwähnt,  dass  Hoffiueister 
die  Neuordnung  der  Elosterbibliothek  unternommen  hatte;  grade 
hierbei  war  er  auf  die  Disputationen  des  Hugo  Aetherianus  und 
auf  jene  üebersetzung  der  „Missa''  des  Chrysostomus  durch  Leo 
yon  Toskana,  welche  er  dem  Bhenanus  zur  Begutachtung  yor- 
legte  und  dann  drucken  Hess,  aufmerksam  geworden.  Einen  merk- 
w^digen  Einblick  in  die  kirchlichen  Verhältnisse  der  Stadt  Golmar 


M  Vgl.  die  Bemerkungen  bei  Preger,  Flacius  Ulyricua,  Bd.  II, 
S.  476. 


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488  ANALEKTEN. 

gewährt  es,  wenn  Bhenanus  erwähnt,  dass  diejenigen,  welche  der 
Sohrifterklärong  Hoffmeister's  an  den  Festtagen  aufmerksam  za- 
gehört  hatten,  vor  dem  Beginne  der  Messe  der  Gläubigen,  d.  h. 
also  vor  dem  Offertorium  haufenweise  die  Kirche  verliessen, 
gleich  als  ob  sie  das  liessopfer  selbst  gar  nichts  anginge.  Man 
sieht  daraus,  wie  das  Volk  sich  damals  nu*-  nach  der  Predigt 
sehnte,  mochte  sie  von  einem  Anhänger  der  alten  oder  der  neuen 
Lehre  gehalten  werden,  und  wie  die  Geringschätzung  der  Messe 
auch  bei  denen,  die  noch  für  katholisch  galten,  Platz  grifT.  Bea- 
tus  Bhenanus  schreibt  den  Verfall  dieser  Achtung  vor  den  Messen 
hauptsächlich  dem  Umstände  zu,  dass  jetzt  die  Priester  zu  deren 
Abhaltung  ebenso  gedungen  würden,  wie  die  Arbeiter  in  den 
Yogesenbergwerken:  „Einst  gab  es  weniger  Priester  und  weniger 
Messen,  darum  waren  aber  die  Leute  nicht  weniger  religfiös.'^ 
Mit  diesem  Gedanken  berührte  Bhenanus  bei  Hof&neister  eine  ver- 
wandte Saite;  beide  waren  auch  darüber  derselben  Ansicht,  dass 
eine  bessere  Ausbildung  der  (xeistlichen  Not  tue.  Zweifelhaft  ist 
es  nur,  ob  der  Augustiner,  den  Bat  des  Bhenanus  befolgend,  seine 
Ordensgenossen  zu  einem  damals  in  Oolmar  lehrenden  Domini- 
kaner, Wilhelm  Hammer  ^)  aus  Neuss,  der  besonders  das  Grie- 
chische lehrte,  in  den  Unterricht  geschickt  hat;  er  scheint  viel- 
mehr in  dem  eigenen  Kloster  eine  Schule  gegründet  und  der- 
selben einen  über  dessen  Mauern  hinausreichenden  Buf  verschafft 
zu  haben,  einige  Jahre  nachher  wenigstens  beglückwünschte  der 
Colmarer  Schultheiss  Hieronymus  Boner,  derselbe,  der  jenen  Streit 
wegen  der  Unterdrückung  des  Hoffmeister'schen  Buches  durch- 
gefochten hatte,  den  Abt  zu  Murbach,  dass  er  seine  Novizen  dem 
Hoffmeister  anvertraut  habe,  in  dessen  Kloster  sie  gewiss  in  aller 
Zucht  und  geistlichen  Disciplin  zu  aller  gebürlichen  Lehre  und 
Kunst  herangebildet  würden  *). 

Bocholl  hat  auch  auf  einen  merkwürdigen  Brief  aufmerksam 
gemacht,  welchen  Hofmeister  an  den  evangelischen  Theologen 
Mathias  Erb  zu  Beichenwejer  gerichtet  hat  Er  fällt  in  die  Zeit» 
wo  der  Provincial  Twejer  gestorben  war  und  Hoffmeister  als 
dessen  Nachfolger  noch  nicht  bestätigt,  vielleicht  noch  nicht  gewählt 
war.  Erst  nachdem  Erb  ihm  zwei  Mal  geschrieben,  scheint  Hoff- 
meister sich  zu  der  Antwort  herbeigelassen  zu  haben,  in  welcher 
sich  ein  so  versöhnlicher  Geist  ausspricht,  wie  man  ihn  selten  in 
Theologenbriefen  der  Beformationszeit  wird  nachweisen  kdnnen. 
Obschon  Hoffmeister  die  Verschiedenheit  des  beiderseitigen  Stand- 


1)  Wahrscheinlich  derselbe,  welcher  im  Jahre  1564  zu  DilÜDgen 
einen  Commentar  zur  Genesis  erscheinen  liess. 

S)  YgL  Bocholl  S.  81.  Die  betreffende  Schrift  Boner's  selbst  ist 
mir  nicht  zugänglich. 


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V.   DRUFFEL,  ÜBER  DEN  AUGUSTINER  HOFFMEISTER.       489 

pimkts  entschieden  betont,  spricht  er  sich  fiber  den  Gegensatz 
aus  wie  ein  Freund  zum  Freunde.  Er  bittet  Erb,  gehässige  Be- 
merkungen gegen  den  Papst  ans  seinem  Gedichte  zu  entfernen; 
dass  auch  er  keinen  Hass  gegen  Erb  im  Herzen  trage,  k^^nne  dieser 
4km  besten  ans  diesem  freundschaftlichen  Bäte  sehen,  da  ihm 
sonst  grade  gefallen  müsse,  was  an  Erb's  Darlegungen  zweck- 
widrig sei.  Die  Päpste  seien  nicht  alle  schlecht,  die  Gottlosig- 
keit einzelner  Päpste  dürfe  man  nicht  anders  beurteilen  als  die 
Tatsache,  dass  sich  unter  den  Aposteln  ein  Judas  befunden  habe. 
Gleich  Erb  hasse  auch  er  die  Gk>ttlo8igkeit  und  den  Aberglauben, 
wenn  er  freilich  nicht  alles,  ¥^as  Erb  als  abergläubisch  brand- 
marke, zu  Yerwerfen,  sondern  manches  zur  Unterstützung  der  wahren 
Beligion  beizubehalten  wünsche.  Wie  in  dem  Judicium,  begrüsst 
^r  mit  Hoffnung  die  in  den  neueren  Schriften  der  Beformatoren 
zu  Tage  tretende,  mehr  entgegenkommende  Haltung  in  der  Mess- 
opferfrage. Wenn  er  auch  befürchte,  mit  Erb  hierin  nicht  der- 
selben Meinung  zu  sein,  so  hege  er  doch  die  feste  Zuversicht, 
dass  die  von  den  Protestanten  preisgegebene  Messe  in  nicht  zu 
•ferner  Zeit  wiederhergestellt  werden  würde. 

Für  die  bewegteren  und  schon  durch  die  Correspondenz  mit 
Seripando  einigermassen  beleuchteten  Jahre  bietet  das  Buch  von 
H(^hn:  „Chronologia  Provinciae  Bheno-Suevicae  ordinis  fratrum 
firemitarum  S.  Augustini"  noch  eine  Ergänzung  durch  den  Brief 
Seripando*s  an  Hoffmeister  yom  9.  Juli,  auf  welchen  die  Antwort 
Ton  mir  mitgeteilt  worden  ist  ^).  So  viel  es  mit  Briefen  und 
Erlassen  ging,  suchte  Seripando  den  deutschen  Augustiner  in 
seinen  Bemühungen  um  Hebung  des  gesunkenen  Ordens  zu  unter- 
stützen. Ein  kaiserliches  Privilegium  zum  Schutze  des  Eloster- 
besitzes,  von  welchem  sich  Hoflfmeister  1544  nur  geringe  Wir- 
kung zu  versprechen  wagte,  scheint  er  aber  im  folgenden  Jahre, 
1545,  als  nach  der  Beendigung  des  französischen  Krieges  die  kaiser- 
liche Macht  sich  wieder  gehoben  hatte,  gern  und  dankbar  ange- 
nommen zu  haben.  Sicherlich  wurde  auch  der  kaiserliche  Erlass 
vom  31.  Mai  1546,  welcher  die  Stadt  Golmar  über  die  längere 
anderweitige  Verwendung  Hoffmeisters  beruhigen  sollte  und  sie 
zugleich  zum  Ausharren  in  der  katholischen  Beligion  ermahnte, 
von  dem  Augustinermönch  selbst  ausgewirkt  *),  Wir  ersehen  daraus, 
dass  Hoffmeister  nicht  übertreibt,  wenn  er  Seripando  erzählt,  wie 
dringend  man  am  Hofe  sein  Verbleiben  forderte.    Dass  ihn  dafür 


1)  Statt  Joanni  Cysareo  ist  darin  zu  lesen  Joanni  caesareo  concio- 
natori,  womit  Muüatoni  gemeint  ist.  Auf  ihn  bezieht  sich  auch  wohl  die 
Stelle,  S.  50  (184),  Z.  2. 

>)  Dass  der  Brief  ,, eigenhändig"  sein  soll,  wie  Bocboll  S.  82 
behauptet,  kann  ich  mir  nicht  denken. 

Zeitschr.  f.  K.-O.  UI,  8.  33 


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490  ANALEKTEN. 

der  Haas  seiner  Gegner  traf,  kann  nicht  Wunder  nehmen.  In 
Butzer's  Angen  ist  „der  Colmarisch  Augustiner  ein  junger  freoher 
und  wol  beredter  mensch",  der  „zu  einem  schonen  nonnentanz 
—  wie  er  sich  alhie  in  dieser  ^Eistnacht  wol  genbt  hat  —  sich 
geschickter  weis,  dann  zu  scharfer  disputation"  ^).  Dasselbe 
Urteil  f&llte  über  ihn  Veit  Dietrich;  er  bezeichnet  den  Cd- 
marer  Augustiner  dem  Herzog  Albrecht  von  Preussen  als  emen 
„ausbund  von  einem  guten  schwatzer,  aber  im  gründe  ein 
entwichtes  herz  und  von  einem  ärgerlichen,  unzüchtigen  le- 
ben«^). 

Der  Brief  Veit  Dietriches,  welcher  diese  Aeusserung  eniMlty 
wurde  am  14.  September  1647,  also  wenige  Wochen  nach  Hoff- 
meister*8  Tode,  geschrieben.  Hier  findet  sich  schon  die  Erzäh- 
lung Yon  dem  verzweiflungSTollen  Tode  Hoffmeister's  in  ähnlicher 
Form,  wie  sie  später  in  Flugschriften  verbreitet  wurde,  und  wie 
Veit  Dietrich  sie  1548  dem  Grafen  von  Waldeck  vortrug  % 
Dieselbe  Auffassung  finden  wir  in  einem  wenige  Tage  nachher 
geschriebenen  Briefe  des  Georg  Nutzelius,  welcher,  gleich  Veit 
Dietrich,  in  Nürnberg  wohnte.  Er  schrieb  am  23.  September  ^): 
„Fuit  Ulmae  monachus  quidam  nomine  Joannes  de  Oolmar,  qni 
cum  multa  longo  tempore,  praesertim  autem  hoc  anno  in  evan- 
gelinm  debacchatus  esset,  tandem  hisce  paucis  diebus  ad  comitia 
vocatus  est,  ut  ibi  cum  aliis,  doctis  scilicet,  viris  Lutheranos,  ut 
ipsi  loquuntur,  reformaret.  Verum  dum  ille  bonus  vir  proficisci- 
tur,  in  oppidulum  quoddam  Gunsburg  nomine,  trium  milliarium 
spacio  ab  ülmo  distans,  venit  ac  forte  fortune  se  in  illud  hospi- 
cium  confert,  in  quo  ante  aliquot  menses  doctor  Navius  obiit;  ea 
igitur  nocte  repente  insanus  factus,  ita  saeviit,  ut  cum  catenis 
vinciri  opus  fuerit;  ac  non  ita  multo  post  multa  vociferans  ac 
inter  alia  haec  verba  mnltocies  reiterans:  Damnatus  sum,  nee 
tempus  sufßcit  ad  poenitentiam,  diabolo  addictus  sum  corpore  et 
anima  eo  quod  veritatem  evangelicam  non  modo  sciens  non  agnovi, 
verum  insuper  etiam  persecutus  sum,  contrarium  scilicet  docendo, 
mortuus  est.     Haec  quia  vera  sunt,  volui  te  scire.'' 


1)  Marb.  Ai:chiv,  fehlerhaft  bei  Neadecker,  Merkw.  Actenstücke, 
S.  719.  Ob  Batzer  hier  auf  die  Beziehungen  zn  Barbara  von  SandizeÜ 
anspielt,  mnss  dahingestdlt  bleiben.  Anhaltspunkte  för  die  Richtigkeit 
oder  Grundlosigkeit  der  Butzer'scben  Verdächtigung  habe  ich  nirgends  ge- 
funden. Prof.  Var rentrapp  in  Marburg  hatte  die  Güte,  mich  auf 
diese  und  andere  in  Betracht  kommende  Stellen  aufmerksam  zu  machen. 

>)  J.  Voigts  Briefwechsel  mit  H.  Albrecht  von  Preussen,  S.  206. 

«)  Vgl.  Druffel,  Hofftneister,  S.  34. 

*)  Herr  Pfarrer  Kawerau  in  Elemzig  bei  Züllichau  hatte  die  Güte, 
mit  diese  wie  andere  Notizen  mitzuteilen.  Der  Brief  ist  dem  Cod. 
Val.  Bav.  der  Gothaer  Bibliothek  entnommen. 


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V.  DEÜFFEL,  ÜBER  DEN  AUGUSTINER  HOFFMEISTER.   491 

Indem  durch  diese  NQrnberger  Zeugnisse  bewiesen  wird,  dass 
di0  in  den  Flugschriften  der  Interimszeit  ^)  und  besonders  von 
Flacius  entworfene  Schilderung  der  letzten  Lebensstunden  des 
Augustiners  bereits  kurz  nach  dessen  Tode  verbreitet  wurde, 
kommt  man  über  den  wirklichen  Vorgang  doch  nicht  in's  Beine. 
Auf  Grund  dieser  Nachrichten,  selbst  wenn  sie  beide  auf  eine 
und  dieselbe  Quelle  zurückgehen  sollten,  wird  man  aber  wohl  die 
Haller'sche  Behauptung  von  der  Erkrankung  Ho£fmeister*8  in  Ulm, 
sowie  dass  er  dann  nach  Söflingen,  also  westwärts,  dann  nach 
dem  doch  immerhin  ziemlich  entfernten  Günzburg  verbracht  wor- 
den sei,  fallen  lassen  müssen  ^).  Es  ist  doch  viel  natürlicher, 
dass  Ho£fmeister  auf  dem  Wege  nach  Augsburg,  wo  wenige 
Tage  nachher  die  Eröffnung  des  Beichstages  erfolgen  sollte,  zu 
Günzburg  erkrankte  und  starb.  Das  wird  aber  auch  die  einzige 
Folgerung  sein,  welche  man  mit  einiger  Sicherheit  ziehen  kann; 
über  die  näheren  Umstände  vermag  wohl  Niemand  sich  aus  den 
widersprechenden  und  von  polemischer  Tendenz  durchsäuerten 
Zeugnissen  *)  ein  sicheres  Urteil  zu  bilden  *). 


*)  Ausser  in  dem  Dialog  vom  Interim  wird  der  Tod  Hoffmeister's 
als  Strafgericht  Gottes  dargestellt  in  des  Flacius  Schriften:  „Etliche 
greiff liehe  .  .  warzeichen**  und:  „Eine  Erschreckliche  Historia**;  P re- 
ger II,  543.  544. 

»)  VgL  Druffel  S.  34.  Haller  schreibt  1548  (Jan.  25)  PauU  Be- 
kehrung, Eichstädt:  „Hab  in  zu  Ulm  ein  schwäre  krankheit  angestossen, 
der  uisach  er,  Hofmeister,  in  das  doeter  Seflingen,  alleniechst  bei  der- 
selben statt  gelegen,  verordnet  ist  worden  und  aber  weiter  der  krankheit 
halben,  gen  Günzburg,  da  er  etliche  wochen  sein  krankheit  in  aller  de- 
muth  gedoltiglich  hat  getragen  und  mitler  zeit  offtermalen  —  wie  man 
von  dem  heiligen  Martine  list  —  zu  Gott  geredt:  Domine  si  populo  tuo 
sum  necessarius  non  recuso  laborem,  fiat  voluntas  tua  ....  Und  ist 
also  daselbs  zu  Günzburg  den  zweiundzwanzigsten  Augusti  nechst  ver- 
schinen,  vemünftiglich  und  christlich  aus  diesem  in  das  ewig  leben,  wie 
zu  hoffen,  seliglich  gefahren.** 

3)  Eine  ähnliche  Erzählung  über  einen  Minoritenguardian  zu  Be- 
gensburg  s.  bei  [Gemeiner],  Geschichte  der  Kirchenreformation  zu  Be- 
gensburg,  S.  164. 

*)  Den  über  Hoffineister's  Tätigkeit  in  Uhn  in  den  Würtemberfii- 
schen  Vierteljahrsheften  1879,  Heft  1,  veröffentlichten  Auftetz  hat  die 
hiesige  Staatsbibliothek  noch  nicht  erhalten. 


33» 

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492  ANALEKTEN. 


2. 

Zar  Correspondenz  Contarinfs  während  seiner 
deutschen  Le^ation. 

Mitteilungen  aus  Beooadelli's  Monumenti. 


Von 
D.  Th.  Brleger. 


Es  liegt  mir  zur  Zeit  fern,  meine  früheren  Studien  über 
Contarini  wiederaufzunehmen  und  fortzufahren;  nur  einigen  bis- 
her —  in  Deutschland  wenigstens  —  noch  von  niemand  ver- 
werteten oder  auch  nur  benutzten  Stoff,  welcher  das  Auftreten 
des  Cardinal-Legaten  in  Begensburg  und  die  Vorgänge  des  Jahres 
1541  in  ein  helleres  Licht  zu  setzen  geeignet  ist,  möchte  ich 
allgemein  zugänglich  machen.  Es  sind  die  Monufnenti  di 
varia  letteratura  tratti  dai  manoscritti  di  Man- 
signor  Ludovico  Beccadelli,  arcivescovo  di  Bagusa^ 
1797 — 1804  von  dem  Oanonicus  Giambattista  Morandi  zu 
Bologna  herausgegeben  ^),  aus  denen  ich  Mitteilungen  zu  machen 
gedenke.  Ludovico  Beccadelli,  geb.  zuBologna  den  29.  Ja- 
nuar 1501,  gest.  als  Erzbischof  von  Bagusa  den  17.  October 
1572,  gehört  zu  den  hervorragenden  Eirchenmännem  Italiens  im 
16.   Jahrhundert^.     Er  ist   der  Verfasser   der  bekannten   Vita 


1)  Drei  Bände  in  gr.  Quart:  Tomo  I  parte  I  (Vm,  348  S.). 
In  Bologna.  Neil'  Institute  delle  science.  MDCCXCVU.  —  Tomo  I 
parte  II  (2  Bl.  u.  367  S)  In  Bologna  nell'  Instituto  naziouale. 
toCCXCIX.  —  Tomo  secondo  (XV,  397  S.)  In  Bologna  per  le 
stampe  di  S.  Tommaso  d'Aquino  MDCCCFV.  Con  approvazione. 

<)  Es  mögen  hier  noch  einige  Daten  aus  seinem  Leben  foLren. 
1545  wurde  er  von  Paul  III.  zum  Secretär  der  Tridentimscben  Con- 
cüslegaten  bestimmt;  1549  erhielt  er  das  Bistum  Ravelle  im  Nea- 
politanischen ;  von  1550  an  vier  Jahre  lan^  päpstlicher  Nundus  in 
Venedig,  1554  von  Julius  IQ.  zum  Vicario  di  Roma  (Vicarius  in  spiri- 
tualibus)  ernannt,  von  Paul  FV.  1555  zum  Erzbischof  von  Ragus'a 
erhoben;  in  den  Jahren  1561 — 1563  wiederholt  Teibiehmer  des  Conf^ils 
zu  Trient,  auf  dem  er  sich  durch  seine  eifrigen  Bestrebungen  für  die 
Residenzpflicht  der  Bischöfe  bemerklich  machte;  1564  musste  er  auf 
sein  Erzbistum  verzichten,  doch  unter  Beibehaltung  des  Titels.  — 
Man  vergleiche  seine  Vita  von  Antonio  Giganti  da  Fossom- 
brone,  Monumenti  I,  1,1 — 68;  ebend.  S.  69 — 77  ein  nicht  imwich- 
tiges  Verzeichnis  seiner  Schriften,  auch  der  hinterlassenen  Manuscripte, 
und  S.  78 — 169  eine  Reihe  zum  Teil  sehr  wertvoller  Actenstücke  zu 
seinem  Leben. 


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BRIEGER,  ZUR  CORRESPONDENZ  CONTARINl'S.  493 

Contarini's  ^) ,  wie  er  auch  Lebensbeschreibungen  von  Cosmo 
GheriOy  Bembo,  Pole  und  Petrarca  hinterlassen  hat.  Zum  Bio- 
graphen Contarini's  war  er  vorzüglich  geeignet,  da  er  Jahre  lang 
als  Secretär  desselben*  zu  der  Familie  und  dem  vertrautesten 
Umgang  des  Cardinais  geh^^rt  hat.  Als  Secretär  hat  er  ihn  auch 
1541  nach  Deutschland  begleitet  und  eben  in  dieser  Stellung 
war  er  in  der  Lage,  jene  reiche  Sammlung  von  Briefen  und 
Documenten,  zum  Teil  in  den  Originalen,  anzulegen,  welche  aus 
seinem  Nachlasse  in  dem  uns  hier  interessirenden  Abschnitte  der 
Monumenti  Morandi  teilweise  veröffentlicht  hat. 

Diese  Quelle  war  mir  allerdings  schon  bei  meinen  früheren 
Arbeiten  über  Contarini  bekannt,  aus  Laemmer's  Analecta  Ko- 
mana  *),  leider  jedoch  nicht  zugänglich.  Auch  jetzt  bin  ich  erst 
nach  wiederholten  vergeblichen  Versuchen  des  Werkes  habhafb 
geworden.  Ob  es  in  Italien  so  selten  anzutreffen  sein  mag,  wie 
man  au^  einer  gelegentlichen  Notiz  Laemmer's  schliessen  könnte  % 
weiss  ich  nicht  ^).  In  öffentlichen  Bibliotheken  Deutschlands  aber 
dürften  nicht  mehr  als  drei  Exemplare  sich  nachweisen  lassen; 
es  findet  sich  meines  Wissens  nur  in  der  Königl.  Bibliothek  zu 
Berlin,  deren  Exemplar,  einst  im  Besitze  Papencordt*s,  ich  dank 
der  Güte  des  Herrn  Oberbibliothekar  Gh.  Regierungs-Eat  Lepsius 
hier  in  Marburg  mit  Müsse  benutzen  durfte,  in  der  Universitäts- 
Bibliothek  zu  Leipzig  und  in  der  Kaiserl.  Universitäts-  und 
Landesbibliothek   zu  Strassburg,    welche  erst  in   den   letzten 


1)  Abgedruckt  vou  Quirini,  Ep.  Polilll,  p.  XCVII— CXLI  und 
in  einer  Separataus^be  Brescia  1746;  aufs  neue  mit  erläuternden 
Anmerkungen  von  Morandi  gedruckt  in  den  Monumenti  I,  2,  9 — 59. 
Für  die  Feststellung  des  Verhältnisses  der  Beccadelli'schen  Vita  zu  der 
lateinischen  Vita  Contarini^s  von  Giovanni  della  Casa  ist  sehr  be- 
achtenswert die  Vorrede  Morandi*s  S.  3 — 8. 

>)  Laemmer  verweist  Analecta  Romana  (Schaffhausen  1861), 
S.  18  „auf  die  gleich  im  Beginn  ihres  Erscheinens  wegen  der  da- 
maligen kriegerischen  Verhältnisse  sehr  rar  gewordenen  ,  Monumenti  * ", 
aus  deren  Iimalt  fiur  ihn  neben  Anderem  „insonderheit  das  auf  Con- 
tarini und  Morone,  auf  das  Wormser  CoUoquium  und  den  Regens- 
burger Reichstag  von  1541  bezügliche,  biographische  imd  epistolare 
Material  ^^  von  Belang  gewesen  sei.  —  Vor  einigen  Jahren  hat  auch 
Benrath  mit  Rüc£icht  auf  Contarini  auf  die  Monumenti  hingewie- 
sen, „lieber  die  Quellen  der  italienischen  Reformationsgeschichte. 
Antrittsrede"  (Bonn  1876),  S.  29  f.  Anm.  47  u.  59,  wo  aber  der  Titel 
ungenau  angegeben  ist.  Benrath  hat  übrigens  auch  für  seinen  „Ber- 
nardino  Ochmo**  (Leipzig  1875)  Beccadelli  benutzt. 

8)  S.  die  vor.  Anm. 

*)  Doch  ist  es  zwei  bücherkundigen  Freunden,  welche  in  diesem 
Frühjahr  Italien  durchreist  und  sehr  belangreiche  handschriftliche 
Entdeckungen  gemacht  haben,  nicht  gelungen,  für  mich  ein  Exemplar 
der  Monumenti  aufzukaufen. 


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494  ANALEKTEN. 

Wochen  ans  Italien  ein  Exemplar  bezogen  hat  ^).  Es  wäre  sehr 
zu  wünschen,  dass  unsere  deutschen  Bibliotheks- Verwaltungen, 
vielleicht  durch  einige  Leser  dieser  Zeilen  dazu  angeregt,  dem 
Beispiele  Strassburgs  folgten  und  dieses  für  die  Kirchengeschichta 
des  16.  Jahrhunderts  ungemein  wertvolle  Quellenwerk  in  Italien 
zu  erwerben  sruchten. 

Denn  die  Monumenti  Beccadelli's  sind  keineswegs  nur  für  Con- 
tarini  und  die  Vergleichs  Verhandlungen  der  Jahre  1540,  41  von 
Wichtigkeit  Ihr  Inhalt  —  trotz  dem  Titel  di  varia  Uttercttmra 
durchweg  kirchengeschichtlicher  Natur  —  ist  ein  sehr  reicher, 
von  dem  allgemeinsten  Interesse  ^.     Das  gilt  z.  B.  unzweifelhaft 


i)  Es  ist  eine  stattliche  Reihe  von  Bibliotheken,  bei  denen  ich 
vergeblich  nach  Beccadelli  fragte:  die  Kgl.  Bibliothek  zu  Dresden, 
die  Staatsbibliothek  zu  München,  die  Grossherzogl.  Hofbibliothek  zu 
Parm Stadt,  die  Herzogl.  Bibliothek  zu  Wolfen büttel,  die  Lan- 
desbibliothek  zu  Cassel,  die  Stadtbibliothek  zu  Frankfurt  a.  M. 
und  die  Universitätsbibliotheken  zu  Bonn,  Breslau,  Erlangen, 
Freiburg  i.  B.,  Giessen,  Göttineen,  Greifswald,  Halle, 
Heidelberg,  Jena,  Kiel,  Königsberg,  Marburg,  Rostock, 
Tübingen  und  Würzburg. 

*)  Hier  eine  kurze  Uebersicht  des  Inhaltes: 

I,  1  enthält  1)  die  Vita  Beccadelli's  von  Gi^ti  (1—68),  daa 
Verzeichnis  seiner  Werke  (69 — 77)  und  Documenti  alla  vita  di  Lud. 
Beccadelli  (78—169).  2)  Die  von  Beccadelli  verfesste  Vita  di  Monsig, 
Cosimo  Gheri  vescovo  eletio  di  Fano  (171 — 196)  und  dazu  Lettere 
di  Monsig,  Cosimo  Gheri  a  Monsig.  Lud.  BeccadeUi  (196 — 338),  52 
zum  Teil  wichtige  Briefe  aus  den  Jahren  1532 — 1537  (dem  Todesjahr 
des  Cosimo  Gherio). 

I,  2:  1)  Die  Vita  Contarini's  nebst  der  dazu  gehörigen  Briefsamm- 
hing (1—216).  2)  Vita  del  Cardinale  Pietro  Bemho  (223—252)  und 
dazu  Lettere  del  Cardinale  Pietro  Bemho  ora  la prima  volta  pubbH' 
cate  (253—267),  15  Briefe  aus  den  Jahren  1514—1538.  3)  Vita  del  Cwr- 
dinale  Beginaldo  Polo  (277—333)  und  dazu  Lettere  (334—353); 
es  sind  vier,  zum  Teil  sehr  belangreiche  Briefe  Pole's  (Ich  maclie 
auf  fblgende  aufmerksam:  an  den  Cardinal  Farnes e,  etwa  April 
1589,  Bericht  über  seine  Audienz  bei  Karl  V.j  an  Contarini,  \\- 
terbo  6.  u.  8.  Sept.  1640;  au  Beccadelli,  London  28.  Jan.  1566) 
und  em  Brief  des  Filippo  Gherio  an  Beccadelli,  Rom  ^.  April  1663, 
ebenso  wichtig  für  Pole  wie  interessant  für  Giampietro  Carafia  und 
die  Inquisition. 

II,  ausschliesslich  der  Geschichte  des  Coucils  von  Trient  die- 
nend, enthält:  1)  Gli  Atti  del  sagro  CondUo  di  Trento  sotto  Bio  IV 
(1 — 155).  Diese  Atti,  von  dem  Herausgeber  mit  Recht  ein  Diarium 
genannt,  umspannen  die  Zeit  vom  15.  Januar  1562  bis  4;  December 
1563.  Sie  rühren  teils  von  Beccadelli  teils  von  seinem  Freund  Mu&io 
Calini,  Erzbischof  von  Zara,  her.  Es  ist  derselbe  Musdo  Calini,  von 
welchem  Mansi  (Baluzii  MisceUanea  ed.  Mansi  IV,  192 — 337,  Lucae 
1764)  233  Briefe,  von  Trient  aus  in  der  Zeit  vom  3.  October  1561 
bis  6.  December  1563  an  den  Cardinal  Luigi  Comaro  in  Rom  ge- 
scJirieben,  veröffentlicht  hat:  „sie  bilden"  (um  mit  Döllinger  zu 
reden)    „ein   ununterbrochen    fortlaufendes   Tagebuch   des    CSneils". 


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BRIEGER,  ZUR  CORRESPONDKNZ  CONTARINl'S.  495 

Yon  den  Pietro  Bembo  und  Pole  betreffenden  Abschnitten,  wie 
Yon  dem  ganzen  zweiten  Bande,  welcher  dem  Tridentinum  ge- 
widmet ist.  Auch  dieser  Beitrag  zur  Geschichte  des  Concils  ist 
bei  weitem  noch  nicht  ausgebeutete  von  deutschen  Gelehrten  ist 
mir  ausser  Th.  Sickel,  v.  Döllinger  und  v.  Druffel  nie- 
mand bekannt,  der  diesen  Band  benutzt  oder  auch  nur  citirt 
hätte  ^). 

Es  unterliegt  ohne  alle  Frage  im  allgemeinen  begründeten 
Bedenken,  ob  es  sich  mit  den  strengen  Begeln  wissenschaftlicher 
Pnblication  ver^igen  lässt,  aas  einer  gedruckten  Quellenschrift 
Mitteilungen  zu  bringen,  selbst  wenn  sie  knapp  gehalten  und  mit 
▼oller  Sachkenntnis  gemacht  sein  sollten.  Ich  glaube  indessen, 
dass  in  diesem  Falle  die  nachgewiesene  Seltenheit  des  Werkes 
und  der  hohe  Wert  des  betreffenden  Abschuittes  ein  derartiges 
Verfahren  vollauf  rechtfertigen.  Zwar  werden  diejenigen,  welche 
sich  speciell  mit  Contarini  und  den  Vorgängen  zu  Worms  und 
Regensburg  beschäftigen,  nach  wie  vor  es  nicht  unterlassen  dürfen, 
sich  die  Monumenti  selber  aus  einer  der  genannten  Bibliotheken 
zu  verschaffen;  aber  auch  diesen  wird,  besonders  sofern  sie  die 
Quelle  noch  nicht  kennen,  ein  Nachweis  dessen,  was  dort  zu  fin- 
den ist,  ebenso  willkommen  sein,  wie  weiteren  Kreisen,  die  sich 
üicht  erst  der  Mühe  unterziehen  wollen,  ein  umfangreicheres 
Werk  von  auswärts  sich  kommen  zu  lassen,  die  Auszüge.  Die- 
selben aber  grade  in  dieser  Zeitschrift,  und  zwar  in  dem  vor- 
liegenden Bande  zu   geben,   lag   um  so  näher,   als  sie  eine  Er- 


2)  Älcum  Documenti  relativi  al  sagro  ConciUo  diTrento(l67 — 272), 
23  Actenstücke  aus  den  Jahren  1561 — 1564.    3)  üna  Serie  di  Letter e 

Spettanti  al  sagro  Concilio  di  Trento  (273 — 388),  83  Briefe  aus  den 
ahren  1545,  1551,  1560 — 1565,  darunter  der  Briefwrechsel  Beccadelli^s 
mit  den  Concilslegaten  1545,  mit  Carlo  Borromeo,  Morone,  Muzio  Ca- 
lini  und  Andern,  der  Briefwechsel  Borromeo's  mit  den  Concilslegaten 
1561  £r.  und  manche  andere  wertvolle  Stücke.  —  Sorgfältige  Indices 
erleichtem  bei  allen  drei  Bänden  den  Gebrauch  des  Werkes. 

^)  Vgl.  Th.  Sickel,  Zur  Gesch.  des  Concils  von  Trient  (Wien 
1872),  S.  270 f.  (und  von  da  ab  an  vielen  Stellen);  v.  Döllinger  m 
seiner  vorzüglichen  Einleitung  zu  der  bekannten  von  Woker  zum 
Abdruck  gebrachten  ,^  Sammlung  von  Urkunden  zur  G-esohichte  des 
Concils  von  Trient",  Bd.  I,  1  (Nördlinffen  1876),  S.  XV  (die  Bemer- 
kungen DöUinger's  an  dieser  Stelle  sind  allerdings  nicht  ganz  genau) ; 
V.  Druffel  in  seiner  eingehenden  und  ongemem  dankenswerten  Re- 
cension  der  so  eben  genannten  ,f  Sammlung",  Theol.  Literaturblatt  XI, 
1^76)  S^.  484.  403  f.  507.  513  f.  (Es  mag  beiläufig  darauf  aufmerk- 
sam gemacht  werden,  dass  diese  Anzeige  v.  Druffel's  für  die  Benutzung 
der,  leider  der  Vorrede  eines  Döllmger  nicht  würdigen,  Woker'schen 
Pnblication  durch  ihre  zahlreichen  Berichtigungen  em  unentbehrliche« 
Hülüsfflhtel  bildet.  Schade  nur,  dass  ede  nicht  durch  einen  Separat 
abdruek  jedermann  zugänglich  gemacht  ist.) 


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496  ANALEKTEN. 

gänznng  bilden   zn   den  von   Victor  Schnitze   ans   dem   Neapler 
Archiv  hier  znm  Abdmck  gebrachten  -  Depeschen  Contarini's. 


Mit  Contarini  beschäftigt  sich  die  grössere  Hälfte  (S.  1 — 216) 
des  zweiten  Bandes  (Tomo  I,  Parte  I)  der  Monnmenti.  Anf  die 
Beccadelli'sche  Vita  Contarini's,  welche  hier  vom  Herausgeber  mit 
znm  Teil  beachtenswerten  Anmerkungen  ausgestattet  ist  ^),  folgt 
S.  61 — 216  der  für  uns  in  Betracht  kommende  Abschnitt: 
„Lettere  del  Cardinale  Gasparo  Contarini  e  di  al- 
tri  al  medesimo  sino  ad  ora  inedite,  con  varie  no- 
tizie  sopra  il  Colloquio  di  Yormastia,  la  Dieta  di 
Batisbona  e  la  Legazione  di  Bologna''.  £s  sind  88 
Briefe,  mit  einigen  Actenstficken  untermischt,  bei  weitem  die 
meisten  in  der  Tat  weder  Torher  noch  nachher  gedruckt  ^).  Anf 
die  Bologneser  Legation  (1542)  beziehen  sich  nur  die  yier  letzten 


1)  Ich  verweise  z.  B.  auf  Anm.  47,  S.  33  f.,  welche  für  Gropper 
von  Belang  ist.  Es'heisst  hier  u.  a. :  „La  censura,  che  alcuni  fecero 
a  questi  suoi  scritti  (es  war  im  Vorhergehenden  von  seinem  Enchiri- 
dion,  dem  Antididagma,  der  Listitutio  Catholica  u.  a.  die  Rede),  obbli- 
garono  il  Groppero  a  contrapporvi  un'  opportuna  Apoloeia,  nella 
quäle  sottoponendo  al  giudizio  della  Chiesa  le  sue  opere,  evidentemente 
dimostra  ch'  ei  punto  non  scostasi  da  quanto  era  stato  sino  allora  de- 
finito  nel  Concilio  di  Trento.  Quest  Apologia  trovasi  fra  i 
MSS.  Beccadelliani,  e  noi  1'  abbiam  letta  con  sommo  piacere  ed 
insieme  ammirato  la  profondita  di  dottrina  e  precisione,  colla  qusde 
tratta  una  materia  si  difficile,  cosi  che  se  egli  avesse  scritto  depo  che 
i  Padri  Tridentini  con  somma  lode  si  occuparono  in  simile  materia^ 
non  avrebbe  piü  adequatamente  potuto  uniformarsi  alle  loro  decisioni." 

2)  Schon  vorher  gedruckt  waren  folgende  11  Stücke: 

Nr.  13:  Cervmi  an  Contarini  (19.  6.  40)  bei  Quirini  HI. 

Nr.  16:  Contarini  an  Cervini  (14.  7.  40)  ebenda. 

Nr.  28:  Kaiserl.  Auflösungsdecret  für  das  Wormser  CoUo- 

quium  vom  15.  Januar  1540,  oft  gedruckt  (z.  B. 

C.  R.  IV,  28  ff.) 
Nr.  29:  Instruction  für  Cont.  (28.  1.  41)  bei  Quirini  III. 
Nr.  84:  Nomina  principum  qui  convenerunt  Ratisbonae,  oft 

gedruckt. 
Nr.  43:  Propositio  Caesaris  in  Dieta  Ratisbon.  (5.  4.   41), 

oft  gedruckt. 
Nr.  48:  Contareni  Epist.  de  Justif.  vom  25.  Mai  1541. 
Nr.  72 — 75,  vier  officielle  Regensburger  Actenstücke  Con- 
tarini's,  oft  gedruckt. 
Zwei  weitere  Briefe  hat  Laemmer  nachmals,  ohne  Bezugnahme 
auf  die  Monumenti,  aufs  neue  gedruckt,  nämlich 

Nr.  25:  Morone  an  Famese  (12.  L  41),  Mon.  Vat.  324— -28. 
Nr.  27:  (Dampeggi  an  Famese  (18. 1. 41),  Mon.  Vat.  334—36. 


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BRIEGEß,  ZUR  COREESPONDENZ  CONTARINl'S.  497 

Briefe  ^);  dahingegen  ist  das  Wormser  Colloqaiom  mit  seinen 
Vorbereitungen  sehr  reichlich  bedacht.  Die  ersten  7  Briefe, 
sämmtlich  Yon  Sadolet  an  Oontarini  gerichtet  (6  aus  dem  Jahre 
1530,  der  letzte  vom  25.  Angast  1540),  dürfen  freilich  nicht 
hierher  gerechnet  werden  '),  wohl  aber  die  Briefe,  welche  von  der 
schon  am  21.  Mai  1540  vom  Papst  im  Consistorium  verkündeten 
Bestimmung  Contarini*s  zum  deutschen  Legaten  handeln  ') :  am 
26.  Mai  erwartete  Oontarini,  in  zwei  Tagen  das  Kreuz  zu  er- 
halten, und  gedachte  sich  dann  unverzüglich  auf  die  Beise  zu 
machen  (S.  81).^'  Bekanntlich  ist  dann  Paul  UI.  fürs  erste  von 
seiner  Absicht  zurückgekommen  —  wenn  wir  Pallavicini  (IV,  13, 1; 
vgl.  IV,  11)  und  Raynaldus  (1541,  1)  glauben  dürften,  weil 
Karl  V.  zu  den  Verhandlungen  von  Hagenau  und  Worms  lieber 
einen  Prälaten  geringeren  Banges  abgeordnet  zu  sehen  wünschte; 
es  ist  das,  wie  uns  die  Briefe  Contarini*s  an  König  Ferdinand 
und  an  den  Cardinal  Cervini  (N.  15  u.  16)  vom  14.  Juli  zeigen, 
nur  römische  Ausflucht:  der  Kaiser  und  sein  Bruder  wünschten 
dringend  sein  Erscheinen  zu  Hagenau  und  Worms  (Ferdinand 
forderte  ihn  von  Hagenau  aus  zu  schleunigem  Kommen  auf),  der 
Papst  hielt  es  für  inopportun  ^).  Contarini's  Sendung  zum  Be- 
gensburger  Beichstage  (endgültig  allerdings  erst  am  10.  Januar 
1541  beschlossen)  blieb  dagegen  auf  der  Tagesordnung.  Das 
zeigen  seine  (vergeblichen)  Bemühungen  aus  dem  September  1540, 
Marcantonio  Flaminio  in  Neapel  zu  seinem  Begleiter  zu 
gewinnen  ^),  das  zeigt  auch  die  Uebersendung  der  an  Famese  ge- 
richteten ^  Depeschen  der  Wormser  Nuntien  Morone  und  Cam- 


1)  Nr.  85 — 88,  vom  März  bis  Juni  1542,  für  die  letzten  Monate 
Contarini's  von  Wert. 

*)  Beachtenswert  ist  der  Brief  vom  9.  Dec.  1539  wegen  Sado- 
let's  Auseinandersetzung  mit  Contarini  in  Betreff  der  justificatio 
(S.  75  ff.) 

*)  S.  Nr.  8.  9.  12:  Cont.  an  Morone,  Sadolet  und  Cervini,  am 
26.  Mai ;  dazu  die  Antworten  Sadolet's  und  Cervini's  Nr.  10  u.  13.  — 
Nr.  14  (Cervini  an  Cont.,  Haag  9.  Aug.  40)  erwähnt  das  Ende  des 
Hagenauer  Tages  und  die  Absicht  der  Berufung  eines  neuen  Reichs- 
tages und  CoUoquiums.  Hiermit  ist  zu  vergl.  der  vom  Grafen  S  c  1  o  p  i  s 
(Fr^^ric  Sclopis,  Le  Cardinal  Jean  Morone,  Paris  1869,  S.  87  f.) 
veröffentlichte  Brief  Morone' s  an  Cont.,  Hagenau  27.  Juli  40. 

*)  S.  Monum.  I,  1,  86—88. 

*)  S.  N.  17  u.  18  der  Monum.:  Cont.  an  Flaminio,  Rom  10.  Sep- 
tember 1540  und  Flaminio  an  Contarini,  Neapel  25.  Sept.,  Antwort 
auf  eine  zweite,  dringlichere  Aufforderung  Contarini's.  Dieser  Brief 
Flaminio's  mit  seiner  charakteristischen  Ablehnung  darf  der  besonderen 
Aufmerksamkeit  der  Freunde  der  sogenannten  italienischen  Refor- 
mationsgeschichte  empfohlen  werden. 

^)  Sie  sind  in  den  Monumenti  freilich  ausnahmslos  als  Briefe  der 


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498  AKALEKTBN. 

peggi  an  den  designirten  Legaten,  von  denen  mehrere  bisber 
nur  aus  den  Papieren  Contarini's  im  Nachlasse  Beccadelli's  be- 
kannt geworden  sind  *).  — 

Doch  nun  zu  denjenigen  Briefen  der  Monumenti,  welche  sich 
auf  die  Begensburger  Legation  beziehen.  Ein  voUstäiidigres 
Verzeichnis  derselben  gebe  ich  (unter  Heraushebung  einzelner 
nicht  unwichtiger  Sätze)  unter  dem  Texte  ^     Die  Zahl  deijenigen 

betretenden  an  Contarini  abgedruckt,  vermutlich  ans  keinem  an- 
deren Grande,  als  weil  Copien  dieser  Depeschen  unter  den  zum  Nach- 
lass  Becoadelli's  gehöri^n  Papieren  Contarini's  sich  befanden.  Dass 
indessen  diese  Berichte  nicht  an  CJontarini  gerichtet  gewesen  sein  können, 
vielmehr  officielle  Depeschen  an  Parnese  sind,  zeigt  der  Inhalt  an 
mehr  als  einer  Stelle  auf  das  Evidenteste.  Diese  Wahrnehmung  wird 
zum  Ueberfluss  noch  bestätigt  durch  den  Umstand,  dass  zwei  derselben 
(Nr.  25  u.  27,  s.  oben  S.  496  Anm.  2)  und  ein  Passus  aus  einer  dritten 
(Nr.  23)  von  Laemmer,  Mon.  Vat.  als  Depeschen  an  Famese  abgedruckt 
sind.  —  Es  war  ja  selbstverstÄidlich ,  dass  der  für  Regensbur^  in 
Aussicht  genommene  Legat  von  den  Wormser  Vorgängen  unterrichtet 
wurde.  Schon  nach  der  ersten  Designation  Contanni's  zum  deutschen 
Legaten  schrieb  ihm  (19.  Juni  1540)  der  Cardinal  Cervini,  damals  Le- 
gat bei  Karl  V.,  er  habe  Morone,  den  Nimtius  bei  Ferdinand,  beauf- 
tragt, Contarini  von  allen  Verhandlungen  genau  zu  unterrichten  (Mo- 
num.  I,  2,  85;  Quirini  III,  p.  CCXX).  Dass  dies  geschehen,  könn^i 
wir  z.  B.  aus  dem  Briefe  Tomaso  Badia's  an  Contarini  (Worms 
28.  December  1540)  ersehen:  „II  modo  che  ^  concluso  da'  Catholici 
sopra  la  Confessione  de'  Lutherani  nou  scrivo,  perche  so  che  in  le 
mani  V.  8,  R"*^  vengono  tutte  le  lottere  deUi  avisi  del  CoUoquio "  (Qni- 
rini  HI,  p.  CCLXI). 

1)  Es  sind  (von  den  beiden  von  Laemmer  wieder  abgedruckten 
abgesehen)  folgende  Depeschen,  die  eine  höchst  erwünschte  Vervoll- 
ständigung der  Wormser  Berichte  Morone's  und  Campegei's,  die  sich 

Laemmer  s  Mon.  Vat. 


teils  bei  Kanke,  D.  G.  VI,  165 — 186  teils  in  Laemmer f 
finden,  bilden: 

Nr.  23:  Morone    an    Famese,    Worms   10,   Jantutr   1541: 

S.  95—98. 
Nr.  24:  Campeggi  an   Famese,    Worms  10.  Januar  1541: 

S.  98—100. 
Nr.  26:  Campeggi   an  Famese,    Worms   13,  Januar  1541: 
S.  105—107. 
*)  Januar  13:  Contarini  an  Giberti,  d.  Rom:  S.  93 f. 

„      14:  ,,         „  den    Cardinal   Ippolito    d'Este,  d. 

Rom:  S.  94  f. 
„      14:  Conturini  an  Sadolet,  d.  Rom:  S.  95. 
März     2:  Der  Nuntius  Giovanni  Poggio  an  Cent.,  d.  Eeffens- 
bürg:  S.  122 f. 
„        5:  Die  Österreichischen  Stände  an  Contarini,  d. 
Neustadt  in  Oesterreich:  S.  132—134  (ein  beweg- 
licher Kiagebrief  über  die  Türkennot ,  überbracht 
von  den  zum  Reichstage  abgeordneten  Gesandten 
der  Stände  von  Ober-  imd  Niederösterreich,  Steier- 
mark, Kämthen,  Kraien  und  Görz). 
„        6:  Poggio  an  Contarini,  d.  Regensbunr:  S.  128. 
„       7:  Morone  an  Cent.,  d.  Regdnsburg:  S.  123 f. 


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BRIEGER,  ZUR  CORRESPONDENZ  CONTARINl'S.  499 

Briefe,  welche  ich  geglaubt  habe  ganz  oder  im  Auszage  mitteilen 
zu  sollen,  ist  yerhftltnismä^ig  klein. 


März    8:  Poggio  au  Cont.,  d.  Regensburg:  S.  124 f.  (betriflft; 
den  Empfang  des  Legaten  durch  den  Kaiser). 
„        8:  Morone  an  Cent.,  d.  Kegensburg :  S.  127. 
„      19:  Card.  Bembo  an  Contarini,  d.  !&)m:  S.  134. 
„      25:  Girolamo  Dandino  an  Cont.,  d.  Blois:  S.  128—131. 
S.  unten  Nr.  1. 
April    2:  König  Ferdinand  an  Contarini,  d.  Wien:  S.  135f. 
(ruft    die  Vennittlung  des  Legaten  au,  dass  die 
Curie   dem   König   Hülfe   gegen  die  Türken  ge- 
währe). 
„      13:  Contarini   an   König  Ferdinand,   d.  Regensburg: 
S.  136  f. 
Mai   12:  Bembo  an  Contarini,  d.  Rom:  S.  146 — 148. 
„     13:  Contarini  an  den  Card.  Bonifazio  Ferreri,   d.  Re- 
gensburg:  S.  148. 

„lo  non  ho  grau  fatto  che  avvisar  di  novo  a 
V.  S.  R™a,  imperoch^  qui  non  si  fa  altro  che 
attender  a  queste  controversie ,  che  sono  neUa 
ReUgioue  tra  Catholici  et  Protestanti.  Et  in 
alcuni  articoli  sono  conveuuti,  et  in  alcuni  n6, 
■  come  h  stato  quello  de  Ettcharistia ,  sopra  il 
quäle  sono  stati  ben  otto  giomi.  lo  non  sono 
per  partirmi  un  puiito  dalla  veritk,  et  cosi  li  hö 
tatto  intenderc.  Preghiamo  il  Signor  Dio  che 
li  doni  bona  mente  et  bono  intelletto.  che  sino 
a  qui  non  so  quello  che  me  ne  speri." 
„   *  18:  Der   Bischof  von  Würzburg  an  Contarini,  d. 

Würzburg:  S.  137 f. 
„      21:  Bembo  an  Contarini,  d.  Rom:  S.  148 f. 

Bezugnahme  auf  das  wichtige  Schreiben  Priuli's 
an  Beccadelli:  „Perch^  il  nostro  Messer  Luigi 
PritUi  scrive  a  pleno  a  Messer  Lodavico  Beccor 
detli  tutto  quello  che  egli  per  nome  di  V.  S. 
R™a  ha  trattato  cow-  alcum  di  questi  Signori 
R™^,  et  la  opinion  loro  circa  li  articoli  discussi 
tra  queUi  Teolo^  Germanici,  io  non  le  dico  altro 
intomo  a  cio,  rimettendomi  alle  lottere  di  esso 
Messer  Luigi^ 
„      27:  Bembo  an  Contarini,  d.  Rom:  S.  167—169.    Siehe 

unten  Nr.  2, 
„      30:  Contarini  an  den  Card.  Ercole  Gonzaga,  d.  Re- 

gensbiurg:  S.  149  f.    S.  unten  Nr.  3, 
„      30:  Contarini  an  den  Card.  Bonifazio  Ferreri,  d.  Re- 
gensburg: S.  169  f.    S.  unten  Nr.  4. 
Juni  2:  Contarini  an  Cristoforo  Madruzzi,  Bischof  von 
Trient,  d.  Regensburg:  S.  170. 
„    2:  Contarini   an   den   französischen  Nuntius,  d. 

Regensburg:  S.  170  f.    S.  unten  Nr.  5. 
„    4:  Bembo  an  Contarini,  d.  Rom:   S.   171  f.     BetriflBt 
grösstenteils  eine  Privatangelegenheit,  dann  heisst 
es  S.  172:  ,,  AUa  lettera  di  V.  S.  R"»  delli  23  rice- 


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500  ANALEKTEN. 

Die  Mehrzahl   dieser   ist  von   Contarini  selbst      Die    einen 
bieten  Aufschlüsse  über  den  augenblicklichen  Stand  der  Dinge  in 


vuta  hieri,  Messer  Flaminio  haverk  risposto  a  Messer 
Ludovico.    lo  uon  fo,  n^  posso  fiare  cosa  alcuna 
piü  volontiert,  che  operarmi  per  V.  S.  R™*,  et  cosi 
far6  sempre  .  .  .  Nostro  Signor  Dio  che  pu6  il  tntto 
doni  felice  successo  a  V.  S.  R™*  di  quelle  cose,  che 
ella  cosi  prudentemente  tratta,  ancnora  che  qni 
uon  le  manchino  delle  invidie.    Di  che  V. 
S.  haverk  per  lettere  di  Messer  Carlo  [GtuiUerttcciJ 
alcuna  notitia." 
Juni  8:  Contarini  an  Alessandro  Farnese,  d.  Regensburg: 
S.  172  f.  (betriflPt  die  Ernennung  eines  neuen  Su&a- 
ganbischofs  für  Speier;  Rat,  die  Bitte  des  Bischo& 
von  Speier  zu  gewähren:  „a  questi  tempi  k  molto 
a  proposito  usare  cortesia  con  questi  Germani"). 

„  8:  Contarini  an  den  Cardinal  Cervini,  d.  Regensburg: 
S.  173  (ähnlichen  Inhaltes  wie  der  vorige  Brief). 

„  9 :  Contarini  an  Card.  Gonzaga,  d.  Regensburg :  S.  1 73 f. 
8.  unten  Nr.  6. 

„  9:  Contarini  an  den  Card,  di  Trani,  d.  Regeusburg: 
S.  174  (betriflPt  eine  Angeleffenheit  des  Archidia- 
konus  von  Saldagna,  in  welcher  der  Cardinal  die 
Vermittlimg  Contaruii's  beim  Kaiser  in  Anspruch 
genommen  hatte). 

„  9:  Contarini  an  seinen  Schwager  Matteo  Dandolo 
(venetianischen  Gesandten  am  französischen  HofeX 
d.  Regensburg:  S.  175.  —  „Li  nostri  negotii  sono 
perplexi  piü  che  mai  e  con  mia  poca  speranza.  La 
3faesta  Cesarea  non  manca  di  fare  ogni  buon  of- 
ficio per  la  concordia.  Nostro  Signore  vi  metta 
la  sua  mano." 

„  9:  Contarini  an  den  Card,  di  Burgos,  d.  Regensburg: 
S.  175  f.  —  „lo  certissimamente  .  .,  quanto  k  il 
mio  poco  saper,  non  manco  et  non  mancarö  di  &r 
ogni  bona  opera,  perch^  si  pervenga  a  una  ferma 
et  Santa  concordia  .  .  .  Ma  li  nostri  peccati  et  la 
malitia  humana  ci  sono  contrari"  u.  s.  w. 

„  9:  Contarini  an  den  französischen  Nuntius,  d.  Re- 
gensburg: S.  176. 

„  11:  Bembo  an  Contarini,  d.  Rom:  S.  176 f.  8,  unUn 
Nr,  7. 

„  12:  Contarini  an  den  französischen  Nuntius,  d. 
Regensburg:  S.  177 f.    Ä  unten  Nr.  8. 

„  20:  Contarini  an  den  Card,  di  Trani,   d.  Regeusburg: 
S.  178  f. 

„  25:  Bembo  an  Contarini,  d.  Rom:  S.  181f.  8,  unten 
Nr,  9, 

„  26:  Matteo  Dandolo  an  Contarini,  d.Sinigli(=sSenlifl?): 
S.  179 f 

„  29:  Contarini  an  den  französischen  Nuntius,  d.  Re- 
gensburg :  S.  180  f.    8.  unten  Nr,  10. 
Juli  18:  Bembo  an  Contarini,   d.  Rom:   S.  182 f.    Behandelt 
eine  auch  in  anderen  Briefen  Bembo's  vorkommende 


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BRIEGER,  ZUB  CORRESPONDENZ  CONTARINl'S.  501 

Segensburg  and  über  Contarini's  Auffassung  der  Sachlage;  dabei 
macht  sich  nicht  selten  eine  apologetische  Absicht  bemerklich, 
welche  die  am  französischen  Hofe  gegen  den  Legaten  erhobenen 
Anklagen   in   ihm   hervorgerufen  hatten.     Ein  paar  andere  sind 


Geldangelegenheit:  die  Contarini  vom  Papst  zuge- 
sagte monatliche  Summe  war  oft  nicht  leicht  em- 
zutreiben.  —  S.  183:  ,,Salutai  li  Rmi  per  nome  dl 
V.  S.  R°»*.  Monsi^.  R^o  Fregoso  si  parti  per  OKobbio, 
Monsig.  Brondistno  et  Monsig.  San  Marceßo  se  li 
'  raccomandano.     Quorum    älter,    cum  quo    quando 
es  Hdere  soles,  offidosissime  erga  te  amomtimmeque 
se  gerit,   ut  plurimum  Uli  ea  de  causa   debeam, 
Certo  che  Sua  Santitk   non   potrebbe   in  tutte  le 
cose  di  V.  S.   portarsi    meglio,    n^   piü   amorevol- 
mente." 
Juli   15:  Fried.  Nausea  an  Contarini,  d.  Wien:   S.  183—185. 
8,  unten  Nr.  11, 
„    22:  Contarini  an  Cervini,   d.  Regensburg:   S.  185  f.    S. 

wnten  Nr,  12, 
„    22:  Contarini  an  einen  ungenannten  Cardinal,  d. 
Regensburg:  S.  186—189.    S.  unten  Nr.  13. 
Juli :  Contarini  an  Matteo  Dandoh,  d.  Regensburg :  S.  200 
bis  203.    S.  unten  Nr.  14. 
[Juli?]:  Sadoleti  votum  de  justitia  nobis  inhaerente  et  de 
justitia  Christi  nobis  imputata,  utra  debeamus  niti. 
S.  162—167.    S.  darüber  unten  S.  502  f. 
August  16:  Bembo   an  Contarini ,   d.  Rom:    S.  204 f.     „Rendo 
^ratie  a  N.  Signore  Dio  che  V.  S.  R™*  sia  in  porto 
da  quel  mar  trava^liatissimo ,  nel  quäle  sete  stato 
questi  mesi.    N^  si  dia  noja  alcuna  V.  S.  delle  cose 
passate   qui   non   in   tutto  come  doveano.    Perciö 
tosto   che   ella   sia   qui,    ciascuno  s'awederk  dell* 
error  suo,  et  ella  rimarrk  col  suo  candore  puro  et 
iUeso  come  chiaro  sole." 
„        16:  Contarini  an  Farnese,  d.  Rovere:  S.  206.    8,  unten 

Nr.  15. 
„        16:  Contarini  au  den  Secretär  Jaches,  d.  Borghetto: 

S.  206.    8,  unten  Nr.  16. 
„        24:  Erzbischof  Hermann  von  Köln  an  Contarini, 
d.  Arnsberg:  S.  205.    8.  unten  Nr.  17. 
September  12:  Bembo  an  Contarini,  d.  Rom:  S.  206 f.    (Antwort 
auf  einen  Brief  aus  Lucca  vom  6.  September). 
October  27:  Card.  Gaddi  an  Contarini,  d.  Lione:  S.  208 f. 
December  6:  Card.  Sadoleto  an  Contarini,  d. Carpentras :  S.  208 
bis  210.  —  S.  209 :  „  Appresso  mi  h  stato  di  gran- 
dissima  consolatioue,  cn   ella  con  la  presentia  sua 
[nämlich  in  Rom]   habbia  anunorzato  qualche  ra- 
gionamento,   che  indegiiamente  si  vul^ra  di  lei, 
come  io  non  dubitava  ch'  ella  farebbe."    Es  folgt 
eine  Ausführung  über  das  Concil  als  das  einzige 
und  hochnotweudiffe  Heilmittel;  wegen  des  Ortes 
solle  man  keine  Schwierigkeiten  machen,  in  diesem 
Punkte   könne   der   Papst   leicht   den   Deutschen 
wülfiahren  u.  s.  w. 


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502  ANALEKTEN.  \ 

I 

von  Belang  ftü:  die  Entstehung  seines  Tractatos  de  justifieatsone.  ^ 
Wieder  andere  betreffen  seine  BQckreise,  auf  der  er  —  wid^^ 
Erwarten  —  den  Kaiser  nach  Mailand  zu  begleiten  hatte.  E<is 
lebhaftes  Interesse  werden  aber  diejenigen  Briefe  für  sich  in  An- 
spruch nehmen  dürfen,  in  denen  er  sich  rechtfertigt  wegen  seiner 
Zugeständnisse  an  die  Protestanten  in  der  Lehre  von  der  Recht- 
fertigung, insonderheit  bei  dem  Terminus  meritum  (s.  die  Briefe 
vom  22.  Juli  an  CeiYini  und  an  einen  ungenannten  Cardinal). 
Kaum  weniger  lehrreich  endlich  dürfte  der  vertr^jiMche  Bericht 
sein,  welchen  der  Legat  im  Juli  seinem  Schwag«f  ^atteo  Dan- 
dolo  über  die  Vergleichs  Verhandlungen  erstattet  hat:  grade  dieser 
Brief  lässt  uns  einen  tieferen  Einblick  tun  in  die  schwierige 
Stellung,  welche  Contarini  der  übereifrigen  altkatholischen  Partei 
gegenüber  einnahm,  und  giebt  uns  zum  ersten  Mal  authentische 
Nachricht  von  seiner  Spannung  mit  Eck;  wenn  anderes,  was  wir 
schon  bei  Pallavicini  lasen,  hier  Bestätigung  erföhrt,  so  ist  auch 
diese  bei  dem  eigenartigen  Charakter  des  Pallavicini'schen  Werkes  ^) 
sicher  willkommen. 

Unter  den  mitgeteilten  Briefen  an  Contarini  ist  der  Bän- 
dln 0*8  der  wichtigste,  sofern  er  von  neuem  Zeugma  ablegt  für 
die  lebhafte  Aufmerksamkeit  und  Besorgnis,  mit  welcher  der  fran- 
zösische Hof  die  Begensburger  Friedensverhandlungen  verfolgte; 
auch  das  Urteil  über  Philipp  von  Hessen,  über  seine  Geneigt- 
heit mit  dem  Kaiser  zu  gehen,  erscheint  beachtenswert  Die 
Briefe  Bembo's  an  Contarini  verraten  sehr  intime  Beziehungen 
der  beiden  Yenetianer  uud  zeigen  den  ersteren  als  einen  eif- 
rigeren Anhänger  des  Hauptes  der  innerkirchlichen  Beformpartei 
Italiens,  als  man  bisher  annehmen  konnte.  Ich  habe  nur  ein 
paar  ausgewählt,  die  mit  einiger  Genauigkeit  die  Stimmung  er- 
kennen lassen,  welche  die  Haltung  des  Cardinallegaten  und  ins- 
besondere seine  Stellungnahme  zu  der  protestantischen  Becht- 
fertigungslehre  in  den  massgebenden  Kreisen  Roms  hervorrief. 
Als  einen  weiteren  Beitrag  zu  der  Beurteilung,  welche  die  Justi- 
ficationstheorie  Contarinrs  innerhalb  des  Cardinalscollegiums  fand, 
hätte  ich  noch  ein  ausführliches  Votum  Sadolet*s  aus  den  Mo- 
numenti  mitteilen  können,  wenn  nicht  der  Umfang,  da  er  meines 
Erachtens  in  keinem  rechten  Verhältnis  zum  Inhalte  steht,  dies 
widerraten  hätte  ^).     Dagegen  wollte  ich   die  Briefe  Nausea's 


1)  Man  vergL  ausser  der  bekannten  Kritik  Ranke's  jetzt  auch 
das  Urteil  Döllinger's.  Sammlung  von  Urkunden  I,  1,  Einleitung 
S.  vui  (desgl.  von  Druffel,  Theol.  Literaturbl.  1876,  S.  488). 

*)  „Sadoleti  votimi  de  justitia  nobis  inhaerente  et  de  lustitia 
Christi  nobis  imputata,  utra  debeamus  niti "  (Mon.  LI,  162—167;,  ohne 
Datum,  aber  jedenfalls  in  den  Juli  1541  zu  setzen.    Bekämpft  wird  hier 


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BRIEGER,  ZUR  CORRESPONDENZ  CONTARINl'S.  503 

und  des  Erzbischof  Hermann  von  Köln  nicht  zurückhalten,  da 
mir  ein  jeder  in  seiner  Weise  belehrend  zu  sein  schien. 


nicht  die  Epistola  de  jiMtif.  vom  25.  Mai,  sondern  eine  min&r  schedula 
Contarini's,  d.  h.  wahrscheinlich  eine  Abhandlung,  welche  er  zusammen 
mit  der  Regensburger  Eintrachtsformel  de  justificatione  Anfang  Mai  nach 
Rom  schickte  (die  Angabe  Morandi's  über  diesen  Pimkt  S.  162  ist  un- 
richtig; vgl.  Contarini  am  22.  Juli  au  den  ungen.  Cardinal:  una  mia 
schedula,  neUa  quäle  v'era  la  ragione;  diese  und  die  farmtUa  de  justi- 
fkatione  sind  die.  &t>ia  scripta,  die  nach  Quirini  III,  p.  XLV  Priuli 
den  ihm  von  Pole  genannten  Cardinälen  vorlebte). —  Uebrigens  richtet 
sich  die  ganze  Abhandlung  Sadolet's  gegen  den  einen  Satz:  esse  Ca- 
tholicam  conclimonem,  nos  non  dehere  niti  justitia  nobis  inhaerente, 
qua  efficimur  justi  et  bona  operamur,  sed  dehere  niti  justitia  Christi, 
quae  nobis  imputatu/r  propter  Christum  et  itieritum  Christi,  quantum 
hac  posteriore  sumus  justificati  coram  Deo,  id  est  habiti  et  reputoH 
justi.  Dass  das  ein  katholischer  Satz  sei,  erscheint  dem  Cardinal  Sa- 
dolet  sehr  zweifelhaft,  cum  videatur  in  eum  sensum  redire,  quo  Lu- 
ther ani  ofimia  fidei  tribuunt,  bonis  autem  opertbus  suum  jus  et  di- 
gnitatem  detrahere  conantur{}^.  162).  Tollitur  ista  conclusione  Studium 
öonorum  operum,  quibiis  perspictie  praemium  caeleste  datur  (p.  164).  — 
Nur  in  folgendem  Sinne  (das  ist  es ,  worauf  die  Kanze  langatmige  Be- 
weisführung hinausläuft)  will  sich  Sadolet  den  Satz  des  Freundes  ge- 
fallen lassen:  si  ista  conclu^o  sie  proferatur,  dehere  nos  quidetn  ju- 
stitia nobis  inhaerente  et  bonis  nostris  operibus  aliquantulum  niti  ad 
consequendas  promissiones  Dei,  ita  ut  cognoscamus  eam  ipsam  Justi- 
tium in  nobis  proaenitam  esse  a  Deo,  consentiente  et  cooperawte  libero 
arbitrio  nostro,  sed  tarnen  majorenn  spem  et  fiduciam  in  Christi  justitia 
et  ejus  apud  Deum  merito  dehere  nos  reponere^  in  quo  sumus  Dei 
justitia  perfecta,  haec  sancta  et  catholica  mihi  videretur  esse  con- 
clusio  [p.  165).  Vgl.  ebenda:  gratia  et  justitia  tunc  rerera  plane 
nobis  infunditur  et  danatur  et  a  swrnno  Deo  tribuitur,  cum  ad  cre- 
dtUitatem  fidei,  quae  per  se  vim  et  efficaciam  non  habet,  adju/ngitwr 
charitas  Dei  et  amor  proximi,  quae  charitas  fidei  anima  est  fidemque  solam 
vivam  efficit:  quis  jam  dubUare  potest,  quin  per  bona  opera  nostra, 
quae  tarnen  ex  Deo  in  nobis  proveniu/nt ,  justitia  Christi  et  meritum 
^U6  apud  Deum  nobis  applicetur?  p.  166:  qua  ratione  potest  dici 
nos  justitia  nostra  non  dehere  niti,  sed  merito  et  justitia  Christi,  cum 
inteUigamus  Christi  ipsam  Justitium  ad  nos  non  posse  sine  interventu  et 
quodammodo  hospitio  nostrae  et  nobis  inhaeretitis  justitiae  penetrare  ? 
Und  dann  noch  einmal  am  Schluss  (p.  167) :  si  didmus  nos  non  dehere 
niti  justitia  nostra  nostrisque  bonis  opertbus,  sed  tantummodo  Christi 
merito  dehere  justitiaeque  confidere,  homines  ah  omni  ewra  et  la- 
bore  pie  sancteque  operandi  ahducimu^\  dagegen  sei  es  katholisch 
und  schriftgemäss :  spem  nos  habere  et  niti  justitia  nostra  ita  dehere, 
ut  dliquantum  momenti  in  iUa  ad  assequendum  regnum  Dei  ponamus, 
sed  multo  maximam  spem  atque  fiduciam  in  merito  et  justitia  Christi 
constituere  nos  oportere,  quae  aäjuoat  infirmitates  nostrau  et  imper- 
feetiones  perfieit  et  quod  in  nobis  deest  ip$a  supplet  apud  Deum 
9ummum  nobisque  patrona  et  adt^ocata  apud  ewndem  ipsum  Deum  .  . 
semper  est. 


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504  ANALEKTEN. 

No.   1. 

Girolamo  Dandino,  päpstlicher  Nuntius  am  französi- 
schen Hofe^),  an  Contarini. 

Bloi8,  25.  März  1541. 
[Auszug.] 
Ora  non  lasserö  de  dirle  come  qui  si  continna  in  star  con 
r  orecchie  tese  per  saper  di  punto  in  punto  come  le  cose  della 
Dieta  s*  incaminano,   temendo,   a  mio  poco  giuditio,  che  se  Te- 
nisse  fatto  all*  Imperatore  di  componere   in   qualanque   modo    le 
*  differentie  di  lä,  saria  a  disegni  et  interessi  di  qua  molto  m&le 
a  proposito,   et   per  questo   ce  attendono  con  ogni  diligentia  et 
si  lasciano  alle  volte  transportare  tanto  dalla  passione,   che   si 
mettono  a  temere,  et  di  qnelli  che  manco  doveriano,   et   che  in 
questo  sono  piii  interessati  di  loro;  verbi  gratia  del  Papa  et  de* 
Cardinali,  et  perciö  tnttavia  tengono  ricordato  che   si  abbia  bon 
occhio  et  che  non  si  lassi  di  far  animo  alla  Sig.  Y.  B^^,  secondo 
che  per  T  altra  le   scrissi  Inngamente  in  questo  proposito  ^,  e 
che  ora  d*  awantaggio  se  le  dica  per  maggior  suo  lume  et  ad- 
yertimentOy  che  il  B^  ^  avvisato  et  certificate  per  homini  a  posta 
mandati  de'  principali  di  Germania,  che  non  sono  per  acquiescere, 
n^  per  far  fondamento  sopra  cosa  che  T  Imperator  li  accordi  et 
prometta,   et  che  fusse   tutto   quelle  che  si  sapessero  desiderare 
senza  ü  consenso  et  approbatione   di  N.  S.  et  della  Sede  Apo- 
stolica,   come   quelli   che   non  Togliono  che  1*   Imperatore    depo 
d*  aver  fatto  i  casi  suoi  possa,  quando  li  yerrä  bene,  mancarli  con 
iscusa  del  Papa  Capo  delle  cose  Ecclesiastiche,  n^  lo  sforzi,  non 
vi  avendo  Sua  Santitk  consentita,  in  modo   che   secondo   il   suc- 
cesso,    cos)   li  parei^   d'  aversi  a  laudare,  come  a  doler  di  noi. 
Et  perch^  pur  alla  fine  persuasi  della  ragione  cosl  chiara  et  ma- 
nifesta  si   lisolvino   a  credere   che  n^  N.  S.  n^  la  Sig.  V.  R™», 
che  lo  rapresenta  in   quella  Dieta,   sieno   per  consentire  a  cosa 
che   non   convenga.     Hanno   fatto   qualche  iuditio,   che  T  ardire 
stravagante  del  Sig.  A8C(m\x>  Colorma  possa  procedere  da  ordine 
della  Maestä  Cesarea,  come  quella  che  judicasse   esser  a  propo« 
sito  suo  di  metter  N.  S.  in  qualche  necessitä  et  angustia,  accioc- 
ch^  Yolendone   esser   liberato   per   mezzo  di  Sua  Maestä,  Cesarea 


1)  Dandino,  geb.  1509,  f  1559»  von  Julius  III.  1550  zum  Car- 
dinal erhoben,  begebet  uns  noch  mehrfach  in  diplomatischen  Missio- 
nen; s.  Ciacc.  lU,  781. 

*)  Hierzu  bemerkt  der  Herausgeber  Mo r and i:  „In  una  postilla 
a  canto  di  questa  lettera  originale  del  Dandino  leggiamo  le  seguenti 
parole :  F.  S,  Rma  tetiga  in  petto  quanto  le  acrivo.  Ciö  perö  dee  ri- 
ferirsi  al  paragrafo  che  comincia:  e  che  ora  d'avvantaggio  ec  ec/' 


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BRIEGER;  ZUR  CORRESPONDENZ  CONTARINl'S.  505 

avesse  da  condiscendere  alle  voglie  sae  nelle  cose  sopradette,  ma 
quando  si  venisM  a  qneflto  nou  h  prontezza  sinile  a  qtiella  che 
qnesto  B^  ha  volüto»  che  io  conosca  in  lui  di  esser  per  ex- 
ponere  la  persona,  et  qoanto  tiene  per  defensione  di  Sua  Beati- 
tudine  et  della  Santa  Sede  Apostoliea,  con  assicurarmi  che  in  un 
tal  easo  sl^  a  S.  Santitä  di  comandare,  che  saik  obedita,  reite- 
rando  piü  d^  una  volta,  che  da  qnesto  nen  si  ha  da  lasciar  &r 
paura.  Di  che  tutto  ho  rolnto  a^Fertir  la  Si^.  V.  R"»,  accioe«^ 
parendole,  possa  füre  etiam  in  qnesta  cose  parMcolare  del  9ig. 
Ascanio  qnelli  officli  con  Sna  Maestä  Gesarea,  che  le  pareranno 
conrenienti,  perch^  la  esorti  et  stringa  quelli  l^gnori  a  far  la 
debita  obedientia,  peroh^  quando  la  cesa  s*  andasee  infistulendö 
et  che  Sua  Santitä  conoscesse,  che  11  Vicer^  di  Nap&li  e  gh 
altri  Hinistri  e  dependenti  da  Sua  Maestä  Cesarea  in  Italia  eer- 
cassero  d*  impedir  a  Sna  Santitä  V  exeentione  tanto  nigioiieTole 
contro  nn  snddito  sno  rib^e  di  cosi  mala  sorte»  saria  üeujü  cosa, 
che  d*  nna  favilla  si  accendesse  gran  foco,  che  non  potrhi  in 
alcun  modo  profittar  alle  cose  di  S.  H.  Cesarea,  et  questo  basli 
per  debito  mio  con  la  singnlar  pradentta  et  gran  joditio  della 
Sig.  Y.  Reyer^  alla  qnale  dir5  pnr  anche  per  sna  informatione 
et  per  debito  mio,  ancor  che  sia  per  esser  ayriso  snperfluo,  ehe 
qni  s'  intende,  che  il  Langrave  et  Äsm$  per  aver  volnto  pigliare 
nn  altra  moghe,  yivente  la  prima,  h  cascato  assai  dal  caldo,  che 
hayeTa,  et  dal  Duca  di  Sassonia  et  da  altri  di  qnei  snoi  Prin- 
eipi,  onde  si  teme  che  sia  per  andarsi  ad  aceostare  all'  Impera- 
tore  et  lasciarsi  goremare  da  Sua  Maestä  a  fiftr  ogni  cosa,  da 
bene  in  fuora  come  a  suo  solito.  —   ZT.  8,  w,   Z7.  s.  u>,  *). 

Da  Bles  a  25  di  Marzo  1541. 

Ifteccad.  128  f. 


1)  Ich  gebe  von  diesem  Briefe  nur  die  erste  Hälfte  wieder.  — 
Wie  sich  im  weiteren  Verlaufe  der  Regensburger  Verhandlungen  die 
Misstimmung  Franz'  I.  auch  gegen  die  Person  Contarini's  richtete,  lehrt 
uns  die  Depesche  F  am  es  e' 8  (Ardinghelli's)  an  Contarini  vom  29.  Mai 
(Quir.  m,  p.  CCXXXVni),  besonders  aber  der  Brief  Gonzaga's  an 
Contarini  v«n  17.  Mai  (Quir.  HI,  p.  CCLXXVni— CCLXXXni).  Vgl. 
auch  die  uitten  in  Auszuge  mitgeteilten  Briefe  Contanni's  an  den 
französiaehen  Nuntius  vom  2.  und  12.  Juni.  —  Während  Franz  ia  der 
hier  angedeuteten  Weiae  auf  den  Legaten  einzuwirken  suohte.  damit 
dieser  auf  die  conciliatorische  Tendenz  des  Kaisers  nicht  eii^ene^  gab 
er  sich  bekanntlich  gleichzeitig  alle  Mühe,  auch  durch  eine  lebhaftere 
Verbmdtmg,  die  er  mit  den  protestantischen  Fürsten  anzuknüpfen 
suchte,  dasselbe  Ziel,  die  Vereitelung  der  Concordie,  zu  erreichen,  (mer- 
flir  ist  ausser  dem  sonst  Bekannten  von  Belang  die  Mitteilung  Bad ia's 
an  Contarini,  Worms  98.  Dec.  1540,  Quir.  HI,  p.  CCLXD,  und  Contarmi's 
an  Famese,  88.  Aprfl  1541,  ebend.  p.  CCLy).  Um  mp  unanoeoehiner 
berührte  den  französischen  Hof  die  Haltung,  welche  seiner  InfarmatioD 
Zeitschr.  f.  K.-G.  lU,  3.  34 

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506  •  ANALEKTEN. 

No.  2. 

Cardinal  Bembo  an  Contarlni. 

Eom,  27.  Mai  1541. 
[Auszug.] 

Questa  mattina  si  sono  lette  in  Concistorio  le  leitere  di 
V.  S.  R™»  di  Vnil,  X,  XII  et  XV  del  presente  mese,  et  ^  stata 
molto  lodata  da  tutti  la  pmdentia  sua  et  la  constantia,  che  ella 
hk  mostrato  in  qnesti  articoli  discnssi,  havendo  sempre  avertentia 
che  per  qualche  indiietta  yia  quei  Protestanti  non  possano  mai 
dire,  esserli  stata  concessa  oosa,  che  fosse  in  pregiuditio  della 
Religion  nostra;  anchora  che  alcuni  duhitando  della  astutia  loro, 
habhiano  dubitato  che  quella  parola  fidem  efficacem  posta  nella 
resolntione  dell'  articolo  de  jttstificatione  etc.  non  dia  a  qualche 
tempo  ansa  a  coloro  che  vorran  malignare,  d*  interpretarla  sini- 
stramente  ^):  ma  sopra  tntta  questa  materia  V.  S.  R™^  harä 
lettere  da  Nostro  Signore.  Certo  che  '1  proceder  suo  \  come 
ho  detto,  molto  commendato;  et  11  piacer  di  tutto  '1  Golleglo  e 
che  non  potendosi  con  la  veritä  ridurre  quelle  genti  al  dritto 
cammino,  piü  tosto  si  lascino  errare,  sin  tanto  che  a  Nostro 
Signor  Dio  piaccia  di  dare  miglior  mente,  che  concederle  cosa 
non  degna  di  questa  santa  religione  stabilita  et  approbata  per 
molti  secoli  col  testimonio  et  col  sangue  di  tanti  Santissimi  no- 
mini  che  hanno  havuto  il  govemo  di  questa  Sede  Apostolica.  .  . 

P.  S.  II  giuditio  di  V.  S.  R°**  sopra  la  disseptation  de  Ju- 
stificatione  ex  fide  et  operibics  e  stato  causa  d'  alquanta  dissep- 
tation d'  alcuni  Reverendissimi:  anchora  che  Monsig.  R™<>  Fre- 
goso  V  habbia  difeso  dottamente  et  animosamente.  Conforto  per5 
V.  S.  R™^  a  non  se  ne  pigliare  alcuna  molestia.  No$ti  enim 
vd  morem  Senatus  vet  naturam  hominum:  quot  enim  capüct, 
tot  sententiae,  Qui  Ofnnium  tibi  plus  debebat,  iUe  minus  tri- 
buit  *).  Dair  altro  canto  si  laudano  pleno  ore  da  ciascuno  le 
fatiche  di  V.  S.  R™^  et  la  sua  somma  dottrina   et  constantia  et 


nach  Philipp  von  Hessen  dem  Kaiser  gegenüber  annahm.  Mit  dem 
in  unserem  Briefe  über  den  Landgrafen  abgegebenen  Urteil  ist  zu 
rergleichen  das  Wort  des  Mainzers  an  Contarini  Zeitschr.  IQ,  167 
(Depesche  vom  8.  April)  und  desselben  Aeusserung,  welche  Morone 
mitteilt  (Depesche  vom  14.  April)  bei  Laemmer,  Mon.  Vat.  869  (vgl. 
Mon.  Vat.  280.  352.) 

1)  Diese  Besorgnis  äusserte  namentlich  der  Cardinal  Carafia  (s. 
Priuli  an  Beccadelli,  Quirini  DI,  p.  XL  VI  sq.). 

*)  Morandi  bemerkt  hierzu  ^wahrscheinlich  zutreffend):  „Qul 
aUude  al  Cardinale  Aleandro,  che  m  Concistoro  fortemente  si  oppose 
all*  opinione  del  Contarini."  Man  könnte  sonst  auch  an  CarafiGi 
denken. 


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BRIEGER,  ZUR  CORRESPONDENZ  CONTARINl'S.  507 

adiones  singulae.  In  Tioc  autem  errare  non  poterit,  si  nihil 
negue  remiserU  non  rendttendum  fäUere  cupientibtis,  neque  ipsa 
ex  se  quidquam  stattuit,  Sed  omnia  mittat  huc  judicanda  et 
terminanda. 

Beccad.  167—169. 


No.  3. 

Contarini  an  den  Cardinal  Ercole  Gonzaga. 

Begensburg,  30.  Mai  1541. 

Per  le  mie  ultime  che  furono  dei  23  scrissi  a  V.  S.  ß™* 
siccome  io  rispondeva  a  Messer  Angelo  sopra  la  materia  de  justi* 
ficatione,  la  quäle  mi  sono  sforzato  di  chiarire,  et  cosl  con  questa 
mando,  quanto  ho  scritto  al  predetto  Messer  Angelo,  in  mano  di 
V.  S.  R""^     Quella  si  degnerä  etiandio  avvisanni  il  parer  suo. 

Le  cose  nostre  di  qua  yano  in  lungo  et  con  poca  speranza 
mia,  che  si  habbia  a  venire  a  conclusione  buona  alcuna,  perch^ 
questi  Protestanti  tengono  alcune  positioni  molto  erronee,  come 
ö,  che  in  Eticharistia  remaneat  substantia  panis  et  vini,  et  che 
nella  Confessione  non  sia  necessaria  la  enumeratione  dei  peccati, 
et  che  la  Messa  non  sit  Sacrificium  nee  mortuis  prosit,  et  quod 
Sancti  non  sint  invocandi  etc.  Et  persistendo  essi  in  queste 
opinioni  non  potremo  far  be^e  alcuno,  perch^  io  non  consentirö 
mai  a  cosa  alcuna  contro  la  veritä.  Essi  hanno  dato  a  Cesare 
tutti  li  suoi  articoli,  domane  per  quanto  intendo  si  referiranno 
alla  Dieta,  vedremo  la  risolutione  che  farä  Sua  Maest^  sopra 
questo.  Preghiamo  pure  il  Signore  Iddio  che  vi  metta  la  sua 
mano,  che  altramente  non  anderä  bene.  Il  cosa  maravigliosa  ve- 
dere,  come  tutto  questo  popolo  h  aifettionato  a  questa  Setta,  tal 
che  se  non  se  gli  fa  gagliarda  resistenza  io  dispero  de  hac  Pro- 
vintia,  V.  S.  R™*  tenga  queste  cose  appresso  di  se.  Le  cose 
d'  üngheria  sono  pure  anche  in  espettatione  come  alli  di  passati ; 
si  dice,  che  Monsig.  di  Prato  ändert  in  Fiandra  per  far  le  nozze 
della  Duchessa  di  Milano  col  figlio  dei  Duca  di  Lorena.  Bascio 
le  mani  a  V.  S.  R™*  et  molto  mi  raccomando  in  buona 
gratia  della  Signora  Duchessa.  Da  Ratisbona  alli  23  di  Maggie 
1541  1). 

Beccad.  149  f. 


1)  Das  falsche  Datum  dieses  Briefes  bei  Becc.  (d.  23.  Mai)  lässt 
sich  leicht  berichtigen.  Schon  der  Inhalt  führt  mit  Bestimmtheit  auf 
den  30.  Mai:  „Essi  hanno  dato  a  Cesare  tutti  li  suoi  articoli,  do- 
mane .  ,  si  referiranno  alla  Dieta  *^  u.  s.  w.  (Die  feierliche  Ueb&r- 
gabe  des  Regensburger  Buches  und  der  Gegenartikel  der  Protestanten 

84* 


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506  ASTALEKTEX.    . 

No.  4. 

Contartni  an  den  Cardhial  Bonlfttzfo  Ferreri  ^). 

Begensbiirg,  30.  Mai  1641. 
[Aufizug.] 
lo  aspettava  pur  di  scrivere  a  Y.  S.  B°^  qnalche  bona  reso- 
latione  di  questo  nostro  negotio,  di  che  nel  principio  entrai  in 
qualche  speranza,  ma  per  qaanto  yedo,  se  Dio  non  muta  la  mente 
a  questi  Protestanti,  non  si  farä  altramente  concordia;  easi  hanno 
strane  et  erronee  positioni  et  hamio  produtto  Ti  suoi  articoli  a 
Cesare,  et  domani  si  devono  refenre  alla  Dieta;  forse  che  Sna 
Maestä  Cesarea  pigliei^  qnalche  bnono  ordine,  di  che  ne  prego 
Dio.  lo  non  sono  per  partirmi  an  ponto  dalla  yeritä  et  coal 
ho  fatto  intendere,  e  se  non  si  fark  concordia,  essi  ne  saranno 
la  colpa  et  non  noi;  attenderemo  al  saccesso,  et  ne  darö  arriso 
a  V.  S.  B°»». 

Beccad.  169. 


ftind  am  tfl.  Mai  statt;  s.  Butler,  Alle  Handlungen  fol.  88»;  Corp. 
Ref.  IV,  388.  Noch  an  demselben  Tage  machte  der  Kaiser  Contsrifi] 
Bfilteilung  hiervon ;  s.  Morone  an  Famese  2.  Jörn,  Laenuner,  M.  V.  $72). 
Dieser  Tag  wird  bestätigt  nicht  nur  durch  den  Brief  Contariiii's  an 
Ferreri  von  demselben  Datum  (Becc.  169  f.,  hier  S.  508),  sondern 
auch,  und  zwar  ausdrücklich,  durch  das  Schreiben  an  Oonza^  vom 
9.  Jntd  (Bece.  173,  unten  S.  510).  —  Wenn  Contarini  den  einleitenden 
Worten  zufolge  an  den  zur  Familie  des  Cardinal  Gonzaga  gelwrigen 
Messer  Angelo  über  die  Rechtfertigungslehre  geschrieben  und  di^es 
Schriftstück  dem  vorliegenden  Briefe  beigelegt  hat  (v^l.  auch  seinen 
Brief  an  Ckmzaga  vom  9.  Juni  a.  a.  0.),  so  Kann  es  mcht  zweifelhaft 
sein,  dass  diese  Beilage  nkhts  anderes  gewesen  ist  lUs  seine  ber^unte 
Eptatola  de  jt^iHfieathane  vom  35.  Mai ;  denn  wir  konnten  schon  fräher 
aus  dem  Schlusssatz  derselben  entnehmen,  dass  sie  an  einen  Theo- 
logen g|erichtet  sei,  der  zu  Gk)nzaga  in  Beziehung  stand  („cum  Car- 
dmalis Afantuani,  patroni  tui,  .  .  tum  etiam  tuum  erit  Judicium"; 
Tgl.  meine  Bemerkungen  über  den  Adressaten  Studien  und  Kritiken 
1872,  8.  93  f.).  Aber  wer  ist  der  Messer  Angelo?  Ich  habe  über 
seine  Person  nichts  ermitteln  können,  wenigstens  nicht  mdt  den  mir 
zur  Zeit  zugänglichen  Hülfsmitteln.  —  Kacn  Alb,  Jansen  (Neue  Mit- 
teilungen des  thürinffisch.-sSchsischen  Vereins  X,  2  (Halle  1864],  35) 
befindet  sich  die  Efnstola  de  justilkatione  handschrifuich  auch  in  dem 
Nachlass  Julius  v.  Pfhig's  in  der  Zeitser  Stiftebibliothek,  mit  der 
Adresse:  Card.  Contcirenus  Monacho  cuidam  Mantuano.  Die  ersten 
Sätze  des  Referates  Jansen's  finden  sich  aber  nicht  in  dem  Briefe, 
obwohl  die  weitere  Inhaltsangabe  genau  zutrifit.  Man  wird  daraus 
schliessen  dürfen,  dass  der  Einffans  in  allen  Drucken  fehlt.  In  der 
Tat  ist  es  auch  unwahrscheinlich,  dass  der  Brief,  der  am  Schlüsse  eine 
peiBÖnliche  Wendung  hat,  beg^nen  haben  soll  mit  dem  Satze:  Qtw- 
modo  in  omm  diiputmtione  oU, 

^)  BoBif,  Ferreri  („Cardinal  d^ivrea''),  geb.  zu  Vercelfi,  f  1543, 
zum  Cardinal  erhoben  1517.    S.  C^aec.  m,  851  sq. 


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BRIEGER;  ZUR  COSRESPONDEKZ  CONTARINl'S.  509 

No.  5. 

Contarini  an  den  französischen  Nuntius  0- 

B0g<eii8bnrg,  2.  Jimi  1541. 
[Auszug.] 
Mi  Bcrisse  alli  giomi  passati  Monsig.  BP^  et  Ill>i^o  Farnese, 
siccome  Nostro  Signore  haveva  destinata  Y.  S.  per  suo  ^untio 
ap presse  la  Maestä  Christianissima,  et  peusando  per  lo  avriso 
ch*  io  ho  da  Roma,  che  Y.  S.  giä  sia  ginnta  alla  Corte,  gli  ho 
Yoluto  indirizar  queste,  awisandola  come  qua  siamo  sul  trattato 
della  ReligioBe  con  questi  Protestant!,  del  quäle  per  ancho  io 
non  potrei  £Eu:e  indiüo  alcuno  della  riuscita,  imperocch^  per  tutti 
questi  dl  passati  s*  ^  atteso  aDa  coUatione  ch*  hanno  fatto  insieme 
li  dottori  Catholici  et  Protestanti,  li  quali  in  alcuni  articuli  dl 
noQ  poca  importanza  sono  rimasi  differenti,  hora  tutti  insieme 
hanno  fatta  la  sua  relatione  a  Gesare  et  datoli  ogni  cosa  in 
ficritto;  io   siccome   altre   volte   ho  scritto   a  Boma  et  a  Messer 


1)  Wer  ist  der  Nutiaio  di  Franda,  der  Adressat  der  Briefe  Con- 
tarini*8  vom  2.,  9.,  12.,  29.  Juni?  Es  ist  jedenfalls  der  Nachfolger  des 
Girolamo  Dandino  bei  Franz  I.  Aber  giebt  Morandi  mit  Recht  bei 
dem  v(»rliegenden  Briefe  (S.  170)  Niccolö  Ardinghelli  (19.  Dec. 
1544  zum  Cardinal  ernannt,  t  23.  August  1547,  47  Jahre  altj  als 
Adressaten  an?  Hat  er  diesen  Namen  auf  der  Adresse  gefunden? 
oder  hat  er  der  Angabe  Nuneio  di  Frcmcia  selber  den  Namen  hinzu* 
eeftiet?  —  Nach  dem  Briefe  vom  2.  Juni  hat  Contarini  gehört,  dass 
der  Adressat  zum  Nuntius  in  Frankreich  bestimmt  sei,  und  er  nimmt 
auf  Grund  seiner  Nachrichten  aus  Rom  an,  dass  derselbe  bereits  am 
fttmzosischen  Hofe  angelangt  sei;  nach  dem  Briefe  vom  29.  Juni  hat 
ihm  sein  Schwager  Matteo  Dandolo  die  glückliche  Ankunft  des  Nun- 
tius am  Hofe  mitgeteilt.  Dass  aber  dieser  Nuntius  Ardinghelli  ge- 
wesen sei,  dagegen  scheint  zu  sprechen,  dass  nach  allen,  aus  den  ver- 
schiedensten Handschriften  geflossenen  Drucken  nicht  nur  die  Depesche 
Famese's  vom  29.  Mai,  sondern  auch  diejeni^  vom  14.  (oder  15.)  Juni 
im  Namen  des  Staatssecretärs  von  Niccok)  Ardinghelli,  dem  damaligen 
Geheimsecretär  AJeesandro  Famese's  (s.  PaD.  lY,  !€,  4;  Ciacc.  III,  7Ö4). 
ver£Ets8t  ist.  und  dass  dem  Schreiber  der  letzteren  Contarini  nicht  wohl 
diejenigen  Mitteilungen  über  Nachrichten  aus  Rom  (eben  aus  dieser 
Depescne)  machen  kann^  die  er  ihm  am  29.  Juni  giebt.  Davon, 
dass  Ardinghelli  im  Sommer«  1541  den  bisherigen  Nuntius  Dandino 
abgelöst  haoe,  ist  mir  nirgends  eine  Spur  begegnet;  nur  seine  Sen- 
dung nach  Frankreich  gegen  Ende  des  Jahres  1541,  nach  der  Zu- 
sammenkunft Paul's  HL  und  Karl's  Y.  in  Lucca,  ist  uns  bezeugt 
(s.  Pallav.  lY,  16,  4  und  die  Randbemerkungen  zu  lY,  I64  Laem- 
mer,  Zur  Kirchengesch.  des  16.  und  17.  Jahrhunderts,  S.  158).  So 
möchte  als  Adressat  vielmehr  Capo  di^ Ferro  (Hieronymus de  Capite- 
fierreo,  Cardmai  19.  Dec.  1544,  t  1SÖ9,  s.  Ciacc.  III,  706)  in  Betracht 
kommen,  welchen  Paxdlll.amil.  M2dl541  zum  Nuntius  am -franzosi- 
sehen  Hofe  «mannte  (aus  seiner  Instruction  hat  Laemmer,  Mon. 
Yat.   371  f.  einen  Abschnitt  mitgeteilt). 


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510  AKALEKTEN. 

Hieronimo  Dandino,   non   sono  per  consentire  a  risolutioiie   al- 
cuna,  la  quäle  non  sia  Catholica  et  secondo  il  senso  della  Ciiiesa 
con  honor  della  Sede  Apostolica,  alla  quäl  cosa  s'  accorda  molto 
bene  la  Cesarea  Maesta,  et  Y.  S.  a  bon  proposito  poträ  dire   alla 
Maestä  Ckristianissima,  che  altro  obietto  non  e  il  mio  in  qaesta 
Legatione,  se  non  haver  inanzi  agil  occhi  1*  honor  de  Die  et  della 
Santa  Fede,  et  con  questo  ordine  mi  mandö  Nostro  Signore.     Se 
il  Reverendo  Messer  Hieronimo  Dandino  h  ancho  alla  Corte ,   V. 
S.  sarä  contenta  farli  intendere  come  all!  XI  del  passato   io    g-li 
scrissi  in  risposta  delle  sue  di  25  di  Marzo  *).     Di  poi  ho  rice- 
Yuto  le  sue  di  20  et  26  d'  Aprile,  et  ultimamente  quella  de'  XII 
di  Maggio,  nelle  qaali  conosco  la  sua  diligentia  et  amoreyclezza 
in  avvisarmi  a  minuto  come  fa.      Z7.  s.  w, 
Beccad.  170  f. 


No.   6. 

Contarini  an  den  Cardinal  Ercole  Gonzaga. 

Begensburg,  9.  Juni  1541. 
[Auszug.] 
Ho  ricevuto  le  lettere  di  V.  S.  R™*  dei  XXVI  *)  di  Maggio 
et  primo  di  questo,  di  che  molto  ne  la  ringratio.  Li  scrissi  alli 
30  del  passato  et  li  mandai  la  risposta,  che  ho  fatto  alli  dnbbj 
di  Messer  Angelo,  et  aspetto  d'  intendere  la  riceyuta  et  il  parere 
di  V.  S.  R™»  con  quelle  del  Padre  Abbate  *)  et  Messer  Angdo, 
Questo  nostro  negotio  non  s'  incammina  sino  a  qul  niente  a  buono 
exito.  La  Cesarea  Maestä  si  afifatica  da  vero  et  Cattolico  Prin- 
cipe, et  hieri  et  hoggi  ha  convocato  li  Stati  deir  Imperio  per 
(Juesto.  Bisogna  pregar  Dio  che  li  mandi  il  Suo  Santo  Spirito, 
del  quäle  s*  ha  grandissimo  bisogno.  Qnesti  Teologi  hanno  finito 
il  loro  CoUoquio,  et  sono  rimasi  discordi  in  articoli  importanti, 
siccome  le  scrissi  per  1*  ultimo  mie,  hora  si  vedrä  che  rimedio 
prenderä  Cesare,  del  che  non  so  che  me  ne  speri.  Si  dice  che 
U  Langravio  parte  fra  quattro  giorni ,  et  che  il  Melantone  va  a 
certi  bagni  per  una  sua  indisposizione,   et  anchora   che  dicano 


1)  S.  oben  S.  504  f.  Die  Antwort  Contarini's  ist  uns  leider  nicht 
aufbewahrt;  ebenso  fehlen  die  hier  erwähnten  ferneren  Briefe  Dan- 
dino's. 

^)  Gemeint  ist  der  uns  aufbewahrte,  sehr  wichtige  Brief  Gk>nzaga's 
Yom  27.  Mai  (Quir.  m,  p.  CCLXXVin— CCLXX:mi). 

8)  Der  Herausgeber  bemerkt  dazu :  II  Padre  Abbate  D.  Gregorio 
Cortese. 


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BRIEGER,  ZÜK  CORRESPONDENZ  CONTARINl'S.  511 

che  per  qaesto  non  si  restarä  di  segnire  qnesto  negotio,  pure  non 
ne  faccio  buon  concetto. 
Beccad.  173  f. 


No.  7. 

Cardinal  Bembo  an  Contarini. 

Born,  11.  Juni  1541. 

E°io  et  Ill°io  Sig.  mio  Col°io.  y.  S.  R°>a  sia  sempre  certa, 
che  io  nessnna  cosa  fö  piü  volontieri,  che  a  qaesto  tempo  ser- 
virla,  nel  qnale  ella  serve  non  sdamente  a  tutti  noi  et  a  qnesta 
Santa  Sede,  ma  anche  a  tutta  la  Bepubblica  Christiana.  Dogliomi 
che  sono  stato  alqnanti  di  impedito  a  dolore  pedum,  11  qaale 
credo  si  possa  batteggiar  podagra,  quae  nunc  primum  me  in- 
vasit,  Non  ho  potuto  servirla  personahnente,  ma  perö  non  ho 
mancato  tntti  questi  di  diUgentissimamente  per  meos  procorare 
i  suoi  denari  di  questo  futnro  Luglio.  Nosti  tarditatem  hujus 
urbis,  in  tali  cose  praesertim,  massimamente  per  causa  che  Nostro 
Signore  expedisce  la  profection  del  Sig.  Octavio  et  del  Eratello  ^), 
Y  nno  a  Cesare,  V  altro  al  Cristianissimo  hora  hora,  le  qnali  cose 
sono  di  molta  spesa.  Pure  non  credo  che  mi  mancheranno 
hoggi  di  hayerli  spediti.  Se  ne  farä,  qnello  V.  S.  BP^  ricorda 
per  le  sue  delli  XXX.  del  passato. 

Ho  letta  la  risposta  fatta  da  V.  S.  K™*  a  qnel  Messer  An- 
geh  del  B°^^  di  Mantoa,  la  quäle  m'  ha  sommamente  piacciuta. 
K^  potea  far  Y.  S.  cosa  piü  a  proposito»  poich^  la  materia  non 
era  stata  da  alcnni  qui  bene  intesa.  Io  in  parte  mia  ne  la 
ringratio  grandemente.  Manderonne  Y  esempio  a  Monsig.  B"^^  d* 
Inghilterra  et  alla  Sig.  Marchesa,  la  quäle  sta  bene  et  yiye  lieta 
nelle  orationi  et  contemplationi  sue  ^).  Io  mostrerö  questa  ris- 
posta ad  alqnanti  di  questi  Sig.  B^S  et  a  quei  prihia  del  quali 
ragiona  Y.  S.  Increbbemi  non  mi  essere  potuto  trovare  hier! 
nel  Oonsistorio  fatto  a  S.  Marco,  nel  quäle  si  lessero  le  lettere 
di  due  spazzi  di  Y.  S.  ß°»*,  et  fu  lungamente  ragionato  et  dispu- 
tato  sopra  esse.  Credo  ne  gli  altri  fiituri  potrö  esserci.  Yedo 
la  poca  speranza  di  Y.  S.  B^"^,  che  non  ^  perö  cosa  non  da 
molti  preveduta,  sapendosi  la  ostination  di  quelli  Principi,  qui 
non  ab  honestate,  sed  ab  utilitate  prqpriaque  affectione  moven- 


^)  Anm.  des  Herausgebers :  „  Ottavio  Famese  ed  il  Cardinale  Alea» 
sandro." 

s)  Anm.  des  Herausgebers:  „Yittoria  Colonna  Marchesa  di  Pea- 
cara  adlora  trovavasi  in  un  monastero  a  Viterbo." 


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512  AKALEKl^N. 

tur^).  Noftfaro  Sigaore  Die,  che  solo  p«5  diffendera  la  causa 
sna,  noD  gli  lassi  piii  lungamente  ire  praecipiUs  in  reprobutm 
sensum.  Y.  S.  H^^  tuttavia  bayerä  con  molta  bua  laude  et  com- 
mendatione  del  mondo  tutto  et  degli  aversarii  medesimi,  soete- 
nnte  le  sue  parti,  et  fiatta  illustre  la  bontä  et  dottrina  et  yirtil 
sua.  Bimettendonü  negli  altri  piurticolah  a  Messer  FlaminiOt 
salutando  il  Be verende  Maestro  Sacri  Falatii,  al  mio  Messer 
Lodovko  ^,  a  Y.  S.  E>*^  bascio  hmnUfflente  la  siano  nella  sua 
Santa  gralia  riverentemente  raccomandandond.  Alli  1 1  di  Giugno 
1541  di  Borna. 

Beccad.  176  f. 


No.  8. 

Contarhii  an  den  französischen  Nuntius'). 

Begensburg,  12.  Juni  1541. 
[Auszog.] 
Alh  2  et  9  di  questo  scrissi  a  Y.  S.  quaato  mi  oooerreva; 
di   poi   ho  rioevuto  un  altra  del  Beverendo  Monsig.     Sierommo 
Ikinäino  dei  17  del  passato,  per  la  qnale  lungameiite  aii  avertisoe 
di   quanto  la  Maestli  Ohristia&issima  li   haTeva  ragiouato   di  me 
circa  li  negotii   di   qua.     lo   molto   ringratio   il  prefaio  Monsig. 
Hkronvmo  della  diligentia  et  amoreyolezza  sua  usata  et   della 
prudente  et  vivissima  resposta  che  fece  a  Sua  MaestL     Imperocch^ 
io  neu  ho  consentito,  n^  mai  sono  per  consentire  a  cosa  che  non 
sia  CatholiGa  et  Sancta,   come   che   a   queerta  hora  penso  siano 
chiari  totti;    ma  4x    qneeta  a   lungo   ho    ra^onato   qi)    con   lo 
Ambasciftdore  di  Sua  Christianissima  Maestä,  lo  quäle  penso  ne 
scriva  piü    a    pieno.     La   resolutione    ^   questa ,    che   qid   non 
s'  h  fatta   conclusione  o  acoordo ,  n6  articolo  alcuno ,   che  non 
sia    Cai^olicissimo ,    et    Dio    yolesse    che    cos)    come  in  alcuni 
punü    Catboiici    i    Protestanti    sono    con\renuti ,    focessero    nel 
resto,  ne'  quali  discordano,   et  sono  punti  esseatialissinu.     No» 
mi  partir^   mai  per   quanto   poti^  il   mio  poco  sapere,  da  fare 
tutti   quelli   boni  et  santi  officii    che  si  ricercano  da  un   bono 
Prelato   et   rero   Cbiistiano,  et  quando   non  mi  pareese   che  ti 
tenesse  questa  via,  il  mondo  vedrä  se  io  ear5  caido  o  freddo  a 


1)  Hierzu  bemerkt  der  Herausgeber:  „Questi  erano  alcuni  Prin- 
dpi  Cattolici  della  G^ermania,  quali  vedendo  che  i  Protestanti  si  erano 
arricchiti  dei  beul  Ecclesiastici,  volevano  ancor  essi  approffittarsi  di 
cjuelie  fdneste  cipcoetanze  di  tempi  senza  abbandonare  la  Cattolica  Be- 
ligione,  ma  soltanto  opponendosi  al  progresso  della  Dleta." 

^)  BeccadeUL 

»)  S.  über  den  Adressaten  oben  S.  509. 


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BRIEGER;  ZUR  CORRESPOlODlENZ  COKTARINl'S.  613 

defendere  U  ventä,  mi  place  bene,  et  piacqne  sempra  di  serrar« 
modeetia,  ma  non  che  nocia  al  bene  della  Christianitä  et  all* 
honore  della  Sede  Apostolica,  al  che  attenderö  con  ogm  oora,  «t 
prego  V.  S.  che  a  bnon  proposito  ciö  faccia  inteDdere  al  &e 
Ohristianissimo  u.  s.  to. 

Da  Batisbona  alli  12  di  Giugno  1541. 
Beccad.  177  f. 


No.  9. 

CardJnal  Bembo  an  CoAtarJoL 

Born,  25.  Juni  1541. 

[Anszi^.] 
Alle  lettere  di  Y.  S.  1^^  delli  8  rispondo,  haver  fatto 
alcane  copie  della  lettera  sna  scritta  a  Messer  Agnölo  de}  B°>o 
Qoneaga^  et  haverla  mostrata  a  questi  SigDori  Fregoso,  San 
MarceUo  e  Carpi  ^ :  et  un'  altra  mandata  a  Monsig.  JFb2o  et  a 
Monsig.  BodoTfi*)^  i  quali  amendoe  son  fiiora.  Pare  ad  ognono 
che  qnella  lettera  sia  molto  bella  et  faccia  la  materia  chiara: 
a  me  non  potrebbe  piacer  piü  di  quello  che  ella  £a  u.  s,  to, 
Beccad.  181. 


No.  10. 

Contarini  an  den  fhmrtsfaeben  Nrntfna^). 

Begeniburg,  29.  Juni  1541. 
[Auszug.] 
Le  coee  di  qna  della  Beligione  sono  ridotte  a  tal  termine, 
cba  io  per  me  seno  fiiora  di  speransa,  non  volendo  ooaseatire 
i  Proteetanti  alli  articoll  essentialissimi  et  TerissimL  Et  per 
qmesto  sono  nsolnto  di  non  interporre  V  anthontä  della  8edia 
Apostolica  in  approbare  cosa  alouiia,  neppure  di  quelle,  nelle 
qoali  sono  oonYennti  nel  oolloquio,  peor  non  dar  loro  ansa  di  mal 
interpretare  le  cose  ben  deite.  Moosig.  B"^  Famese  per  lettere 


^)  Card,  di  Carpi:  Bidolfo  Pio  de*  Princlpi  di  Carpi,  creirt  von 
Paul  m.  im  December  1536,  t  1564  (s.  Ciaccon.  m,  619  sqq.). 

8)  Der  Florentiner  Niccolö  Bodolfi,  von  Leo  X.  1517  zum  €a«r-. 
dinal  gemacht,  t  1550. 

8)  8.  über  den  Adressaten  oben  S.  509. 


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514  ANALEKTEN. 

dei  14  ^)  m'aTTisa,  come  Sua  Santitä  era  risolnta  di  levare  la 
suspensione  del  Concilio  con  buonissimo  animo  di  farlo  in  breTe, 
per  remediare  per  qnesta  via  alle  discordie,  che  sono  nella  Be- 
lig^one  Christiana,  il  che  si  h  detto  alla  Maestä  Cesarea,  la 
qnale  ha  accettato  molto  volontieri  il  Concilio  u,  s,  w. 
Ratishona  alli  29  Gingno  1541. 
Beccad.  180  f. 


No.   11. 

Friedrich  Nausea  an  Contarini. 

Wien,  15.  Juli  1541. 
[Auszug.] 
Quam  Tehementer  aliquot  hucusque  diebus  meum  discmciat  ani- 
mum  prorsus  diuturnum  illud  planeque  suspectumB™*®  et  111"^«  D.  V. 
Silentium  (quo  fit  ut  temas  priores  meas,  et  eas  quidem  bene  longas, 
ad  eandem  literas  una  cum  privatis  colloquüs,  quae  mihi  nuper  apad 
Yangiones  pro  Bepublica  Christiana  cum  Müanchthone  et  Bucero, 
ntpote  duobus  Schismaticorum  antesignanis,  non  absque  summa 
spe  cujusdam  melioris  in  vinea  Domini  futuri  ftnctus  fuerunt  *), 
omnino  nihil  responsi  accipio)  non  facile  scripserim.  Si  quidem 
non  fit,  ut  e  vestigio  credam,  eas  non  esse  redditas,  quum 
caeteri,  et  u  quidem  non  vulgares,  sed  Principes  nobiscum  plane 
Proceres,  suas  et  uno  eodemque  fasce  per  Begium  Yeredarium 
non  modo  receperint,  sed  ad  eas  non  citra  summam  suorum 
animorum  gratitudinis  significationem  perquam  humamssime  re- 
sponderint.  Nee  est  ut  facile  suspicer  K™*°»  et  111™*™  D.  V- 
malignis  fortasse  quorumdam  emulorum  obtrectationibus,  a  quibus 
nee  optimi  quique  tuti  sunt  aliquoties,  compulsam  nescio  quid 
sinistrae  suspicionis  ac  deinde  propter  illam  nonnihil  ad?ersus 
me  indignationis  concepisse.  Qnandoquidem  compertum  mihi  sit 
modisque  constet  omnibus,  B™*™  et  111™»™  d.  y,  ea  esse  tum 
prudentia  tum  justitia,  dexteritate  et  integritate,  ut  minime  velit 
hanc  partem,  nisi  altera  etiam  parte  audita,  nee  damnatam  nee  ab- 
solutam,  et  eam  quidem  maxime  partem,  quae  nullius  sibi  mali  con- 
scia,  a  quali  etenim  parte  me  stare  non  modo  bene  oonfido,  yenun 
audacter  etiam  adversus  quoscunque  clancularios  osores  adfirmo. 


1)  S.  Famese^s  Depesche  vom  15.  Juni  bei  Quir.  III,  CCXLsqq.; 
Laemmer,  M.  V.  876  ff. 

*)  lieber  diesen  nicht  uninteressanten  Vorgang  ist  meines  Wbsens 
sonst  nichts  bekannt. 


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BRIEGEB;  ZUR  CORRESPONDENZ  CONTARINl'S.  515 

Dignabitur  ideoque  K*"*  et  111°»»  V.  D.  rem  se  modis  Om- 
nibus dignam  mibique  pergratam  l^ere,  si  vel  paucissimis  per 
6am  certior  fieri  merear,  an  ipsa  tot  illas  priores  meas  ad  se 
litteras  nna  cum  privatis  iliis  colloquiis  receperit  necne.  Quas  si 
vel  non  accepit  vel  interea  redditae  non  sunt,  alia  denüo  earundem  et 
colloquiorum  pariter  exemplaria  mittere  non  grayabor,  qnippe  quod 
et  ipsa  colloquia,  sincero  jadicio  lecta ,  plurimnm  ei  sacrosanctae 
nostrae  Eeligionis  negotio,  cui  nunc  fortassis  K™*  et  111°**  V.  D. 
non  infelieiter  incumbit  et  yigilat,  ductnra  speraverim. 

In  hoc  namque  unum  quidquid  mihi  est  virium,  quidquid 
nervorum,  quidquid  facultatum  expendam,  ut  sacrosanctae  nostrae 
Beligionis  et  fidei  rebus  perquam  maxime  profutums  sim.  Id 
quod,  uti  hactenus  teste  Deo  pro  Tirili  mea  bonaque  fide  feci, 
ita  posthac  quoque  eodem  Deo  adjutore  facturus  sum,  donec  hosce 
Spiritus  rexerit  artus.  Quod  sibi  sacrosanctaeque  Sedi  Apostolicae 
E°**  et  Hl™*  D.  V.  de  me,  deditissimo  suo  clientulo,  tarn  tuto 
contra  quoscunque  subsusurrones  et  mei  nominis ,  quantumvis 
obscuri,  persequutores  quam  quod  maxime  persuadere  digna- 
bitur.    ü,  8.  w, 

Beccad.  183—185. 


No.  12. 

Contarini  an  den  Cardinal  San  Marcello  Cervini. 

Begensburg,  22.  Juli  1541. 

Hebbi  giä  3  giomi  le  lettere  di  V.  S.  R»»*  dei  27  del 
passato  et  per  quelle  intesi  il  dotto  Discorso,  che  lei  havea  fatto 
in  Concistorio  sopra  li  due  punti  neir  accordo  fatto  fra  questi 
Theologi  nell'  articolo  de  justificatione ,  li  quali  perö  a  me  non 
pareno  che  meritino  d'esser  tanto  ponderati,  come  essa  11  pondera. 
Ho  poi  inteso  per  lettere  d'  altri,  che  ci  h  stato  fra  lei  et  il 
E°*®  Fregoso  qualche  disparere,  non  so  se  in  quelle  due  punti, 
Qvvero  in  altri  ^);  io  hora  non  ho  tempo,  n^  voglio  entrare  in 
questa  lucubratione,  ma  mi  riservo  a  Roma ,  dove  faremo  un  bei 
simposio  sopra  li  articoli,  nei  quali  discordano,  perch^  sin  hora 
non  11  intendo  bene.  Mi  viene  ancora  scritto,  che  costi  si  dice 
come  io   era  accordato   coi  Protestanti,   insieme  con  la  Maestä 


1)  Ueber  Cervini's  und  Fregoso's  anfängliches  Urteil  über  die 
B^nsburger  formula  de  jostificatione  giebt  uns  der  oft  citirte  Brief 
PnuK's  an  Beccadelli  vom  21.  Mai  (Quir.  III,  p.  XLVIsqq.)  Auf- 
schluss. 


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516  AXUUSKTESl. 

Oesarea  et  il  Padre  Maestro  del  Sacro  Falaszo  ^),  et  che  io  liaTea 
Bottoscritto  alcnni  arücoli.  Nob  eö  quäl  bnon  spirito  hab^ia 
inepirato  cotali  aTvisi.  Hora  hora  commcdo  ad  eseere  bnoa 
Christiano  patendo  nelle  faticbe  et  pericoli.  Belli  qnali  io  mi  sono 
posto  per  la  Belifkme,  et  son  certo  che  mi  riuscirä  qoesta  cosi 
paEza  calmnia  in  bene,  perö  me  ne  stö  allegro.  Domaiie  depo 
pranBO  partirä  la  Maestä  Gesarea,  et  noi  Yenere  all!  27,  cio^  dopo 
dranane  a  Dio  piaoendo  ci  porremo  in  cammino.  Sf^ero  ehe  prwl» 
ci  rivedremo.  Interim  la  si  degnerä  di  TacooBtandarmi  alli  nostri 
Gornnm  amici  et  pregark  Dio  per  me,  et  alla  sna  bona  gratia 
senza  fine  mi  raccomando. 

Di  Ratisbona  alli  22  di  Lnglio  1541. 

Beccad.  185  f. 


No.  13. 

Contarini  an  einen  ungenannten  ^)  CarilinaL 

Begensburg,  22.  Juli  1541. 

Rmo  gig,  xnio  Osservandissimo.  Jen  per  Monsig.  VertMUo  *) 
io  hebbi  le  lettere  di  Y.  S.  B™^  dei  27  del  passato,  le  qoali 
per  parlare  ingennamente  con  lei,  come  io  debbo,  mi  apportarono 
grandissimo  dispiacere  et  graodissna  colera;  imperocch^  hayendo 
inteso  giä  Aknni  giozni  sono,  dbe  per  fioma  si  dioexta  che  io,  il 
Padre  Maestro  et  la  Maestä  Oesarea  ci  eramo  accordati  con  i 
Lnterani,  et  ch*  io  havera  sottoscritto  ad  alcnni  articoli  Lnterani 
Bopra  la  fede  et  il  merito  delle  opere:  subito,  die  io  leasi  le 
lettere  di  Y.  S.  B°^^  et  la  sua  quasi  excusatione,  entrai  in 
sospetto,   che  da  questa  ongine  fosse  proceduto  questo  rumore. 


1)  Der  Dominicaner  Tommaso  Badia,  den  Paul  HI.  1542  zum  Car- 
dinal erhob. 

>)  Morandi  vermutet,  dass  der  Brief  an  den  Card.  Aleander 
gerichtet  sei  (pCongetturiamo  che  questo  Cardinale,  dieuiilCon- 
tarini  tace  il  nome,  fosse  Girolamo  Akandno  detto  il  Brandidn»^ 
u.  8.  w.).  Mit  Bestimmtheit  lässt  sich  nur  sagen,  dass  der  Adressat 
entweder  Aleander  oder  Caraffa  ist.  Nur  zwischen  diesen  beiden 
lässt  uns  Priulf  s  Bericht  über  seine  Gespräche  mit  CarafiGet,  C»- 
^ni,  Fregoso  und  Aleander  die  Wahl.  Der  Inhalt  spricht  aber  mehr 
für  Aleander  als  Adressaten. 

•)  Girolamo  Verallo,  Nachfolger  Morone*s  als  Nuntius  bei 
König  Perdinand,  :taaf  am  ^1.  JuM  in  Begensbmrg  ein  (b.  i^ten  S.  182). 
YgL  auch  Pallav.  IV,  16,  d.  Seine  Instmetion  bei  iLaemmer,  AnaL 
Bom.  86—89,  Man.  Yat.  202—204,  an  beiden  Stellen  mit  dem  feOsdben 
Datum  1539. 


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BRIEGER,  ZÜB  COBÄBM^OIfDENZ  CONTARENl'S.  517 

et  ml  raiaamaTa  sei  cnore »  che  havendo  io  gik  forse  dao  mesi 
«loando  ixx  daW  Y  ftceordo  de  justificaiione ,  muidato  a  V.  S. 
B™*  per  mezza  del  B°»  Cardiaale  Bolo  ^)  a  vedere  la  Scrittura 
fatta  coo  una  mia  scbednla^  nella  qaale  v'era  la  ragioike,  pereh^ 
10  eon  fß.  aitri  ci  fossimo  mossi  a  non  &re  instantia  sopra 
<|KeBl»  Tocabido  mmfi»,  per  intendere  la  sia  opinione,  che  mal 
qttella  non  mi  haveya  scritto  pur  ima  linea,  et  poi  in  Concistoro 
la  lo  hayesse  taato  pondemio^  conie  se  *1  fosee  nn*  articolo 
easentiiale  deHa  fede,  do^  quelle  de  TrinUate  o  cosa  simile. 
Sopra  questo  pensiero  me  ne  atetti  nn  bon  tempo;  dippoi  con- 
siderando,  che  po4tria  essere  £aci][mente,  che  quel  rumore  venbsee 
cT  ahronde  et  che  io  aoglio  qBälche  fiote  eesere  negligente  in 
^naldie  officio  dei  isiei  amLcl,  mi  sono  acquetato,  et  ogni  sua 
«pecationc  ¥Oflio  prendere  in  bona  parte.  Ho  ben  preso  admi- 
Totiome,  che  a  lei  aend}riBo  tanto  gravi  11  due  punti^  che  La 
tocca.  Quamto  al>  pnmo  deHe  opere  precedenti  k  gratia,  aappia 
V.  &  B°^,  che  ael  libro,  il  qnale  gli  ho  mandato,  molto  bene 
si  trsfctaYa  di  quelle  oper»,  anzi  il  Mdanione  m*  haTOva  scritto 
dne  capitoli  Imom,  ma  al  Dotiere  Eehio  non  parre  per  modo 
alcano  ai  doresse  farer  di  esse  mentione,  percb^  mal  aon  erano 
fflati  discordi  eon  t  Loterani  in  qneUa  sorte  di  opere.  Costni  ä 
dettissimo  et  di  bnon  capo,  sl  che  fn  neceasario  compiacedo. 
Yenrö  ora  a  qnello  ch'  ella  dice  de  fide  effietxci  per  eharittttem 
et  qme  per  düeetkmem  cperatwr^  prendcodo  quel  ditto,  come 
detto  di  8.  Paolo  ai  Galati,  io  li  dico,  ehe  qnantonqne  non  sia 
molto  excellemte  B^a  lingna  Greca,  io  so  pur  tanto  che  mtendo 
qnel  participio  iyiQyovfjt4rfj ,  cmne  medio,  «t  potersi  prendere 
«^m  et  poisim,  et  qiuaub  aard  a  Borna,  a  Dk)  piacendo,  io  li 
mostrerö  expoeitori  Greei,  ilhistri,  11  qoali  ezpongono  qnel  Inogo 
etiam  pasme;  ma  non  lo  prendiamo  c(»ne  detto  di  Ssui  Paolo, 
ma  come  de*  Protestant;  io  vorrei  sapeire  da  lei,  al  come  dalli 
Scolastici  si  dice,  quod  jusHficamur  fide  formeUa  per  charitatem, 
perch^  noB  possiamo  dire,  nos  jttsäficart  fide  effieaci  per  chetri- 
tatem?  ei  che  differentia  passi  fira V  uno  et Y  altro  detto?  Stella  diee 
qneato  non  eesere  usatoy  essi  rispondono,  che  nella  Scrittura,  n^ 
in  ü  Dofctori  anüehi  non  ritrovano  questo  vocabolo  fanmta,  et 
che  ^  nato  da  Axiatotile  et  non  dal  Yangelo.  Ben  sa  V.  8. 
B,^^  qnanto  hanno  in  odio  11  Soolastici,  et  quanto  li  berteggiano 
ael  parlace,  tahnente  che  saria  stato  impossibile  farli  dire  fide 
formet»  per  charUaiem.  Se  V.  8.  B™*  mi  domanda,  perch^  non 
gli  hai  fiitto  dire,  fides  qme  per  düectionem  operatur?  li  rispondo 
che  a  qnesti  Collocntori  Cattolici  bastö  che  cosl  dicessero,  tanto 


1)  Auch  hiervon  giebt  der  Brief  Priuli'a  Naehiicht. 

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518  ANALEKTEN. 

perch^  essi  schivano  di  dire  parola,  per  la  qnale  si  possa  snsjn- 
care,  che  se  li  faccia  dire,  quod  justificemur  per  opera,  siccome 
h  vero.     Quanto  poi  alle  opere,  che  debbono  seguire,  V.  S.   R™* 
noQ  sospetti  cosa  alcuna,  che  questa  h  la  loro  pubblica  professione, 
qtiod  opera  surd  fructus  vivae  fidei,  nö  qui  vi  puö  stare  ascoso 
alcnno  inganno,  perch^  sono   aperti  et  chiari,   et  nello  arüeolo 
accordato   tanto    expressamente   si   dice ,    qtwd  nihü  expressius, 
S)  che  io  certo  non  so  yedere,   quäl  inconveniente  si    possa  ri- 
trovare  nelle  parole  uaate  de  fide  efßcad  per  charitatem,    Quanto 
al   secondo  circa  V  uso   di   questo  vocabolo   merüo,    certamente 
V.  S.  BF^  poteva  bene  con  la  veritä  rispondere  a  colui,  che  li 
disse   essersi  qul  concluso,   che  le   opere  non  fossero  meritorief 
perch^  questo  h  falsissimo»  anzi  si  dice  tutto  l'opposto  chiaramente, 
ma  ben   si  ^   schivato  a  mio  giudicio   di  usare   questo  Tocabolo 
di  merito,  perch^  nella  sua  propria  significatione  et  absoluta  non 
si  puote  attribuire  alle  opere  nostre,  siccome  in  una  mia  lettera 
a  Monsig.   R^^  Farnese  *)  io  scrissi,   et  prima  feci  intendere  a 
V.   S.   R"i*,    n^    per  me   vedo,    che   inconveniente    sia   questo. 
Havemo  poi  conferito  con  li  Teologi  della  CesareaJ  Maestä ,  oltre 
11  Teologi  Collocutori,  ed  a  lungo  si  ^  parlato  di  questo  merito, 
Lette  11  capitolo  di  quel  libro,  et  intesa  la  ragione,  tutti  s'acque- 
tarono,  se  ben  mi  ricordo,  ower  la  massima  parte  di  essi,  ma 
credo   tutti,  n^  fu   notato   cos'   alcuna.     Certo   mi   dolgo   molto 
et  neir  intimo  del  euere,  che  si  piglino  le  armi  fra'  Cristiani ,  et 
che  si  faccia  un  cosl  grau  scisma  per  sl  lieve  cagione. 

Che  importa  alla  predicatione  del  popoli  dire ,  che  Die 
ricompensa  le  opere  nostre  per  debito  et  obbligo,  che  questo 
importa  il  merito,  ovvero  che  le  ricompensa  a  quel  modo  istesso 
solamente  per  sua  benignitä  et  liberal  itä,  et  non  perch^  sia 
debitore  nostro  ?  Io  per  me,  petendo  ciascuno  rinunziare  alle  sue 
ragioni,  rinunzio  a  quanta  ragione  potessi  havere,  che  Die  mi 
fosse  debitore ,  et  tutto  quelle  che  mi  darä  di  bene ,  voglio 
riconoscerlo  dalla  sua  benignitä,  misericordia  et  liberalitä,  et  non 
da  debito  suo  et  obbligo  suo  alcuno.  In  oltre  dov'  ^  la  caritli 
del  prossimo  in  cosl  importante  occasione  ?  Y.  S.  B°*^  si  assicuri, 
che  languemus  circa  inutilem  pugnam  verborum,  et  in  questo 
mezzo  per  le  nostre  contentioni  si  ruina  funditus  la  Cristianit^ 
n^  vi  ^  Chi  gli  abbia  compassione,  anzi  quelle  h  piü  laudato,  11 
quäle  sa  meglio  ritrovare  qualche  modo  et  qualche  nuova  causa 
di  dissidio.     Dio  voglia,  che  non  ce  ne  pentiamo  presto;  ben  il 


1)  Vgl.  den  Brief  an  Farnese  vom  22.  Juni,  der  sich  ausschliess- 
lich mit  dem  Satze  »^  opera  post  gratiam  non  esse  meritoria"  beschäf- 
tigt, Stud.  u.  Krit.  1872,  S.  144—150. 


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BRIEGER,  ZUR  CORRESPONDENZ  CONTARINl'S.  519 

^eggio  io  coi  miei  occhi  quello,  che  11  non  si  vede.  Son  trascorso 
piü  di  qnello  che  doYeva,  la  caritä  di  Cristo  mi  costringe,  per5 
V.  S.  E'"»  mi  perdoni. 

Noi  partiremo  di  qul  a  Dio  piacendo  alli  27  o  poco  piü, 
desiderosi  di  rivedere  li  nostri  cordialissimi  amici  et  di  ab- 
bracciarli  dove  in  pace  potremo  conferire  le  nostre  opinioni 
et  goderci  senza  colera,  perch^  giä  la  mia  h  passata,  anzi  mi 
conosco  obbligatissimo  a  Dio,  perch^  ora  io  comincio  ad  essere 
Cristiano,  cujus  est  bene  facere  et  mala  pati.  Mi  raccomando 
alla  buona  gratia  di  Y.  S.  £°^^,  quae  bene  valeat  in  Domino, 

Da  Batisbona  alli  22  di  Luglio  1541. 
Beccad.  186—189. 


No.  14. 

Contarini  an  Matteo  Dandolo  0- 

Begensbnrg,  Juli  1541. 

Charissime  frater.  Parendomi  essere  sciolto  dell*  obbligo 
della  fede  data,  il  quäle  io  haveya,  onde  per  il  passato  non 
petendo  fare  altramente  vi  ho  scritto  lottere  senza  succo  alcuno ; 
hora  mi  pare  potervi  narrare  tutta  la  mia  negociatione.  Io 
venni  qul  in  Corte  dove  ritrovai  una  impressione  in  Cesare  et 
li  Cesarei,  che  il  Pontefice  fosse  molto  alieno  dalla  concordia  della 
Crermania  et  che  procurerebbe  la  discordia,  la  quäle  fama  haveva 
inteso  molto  per  Tavanti  sino  in  Roma.  Appena  fni  giunto,  che 
alcuni  Principi,  li  quali  desideravano ,  che  il  CoUoquio  giä  prin- 
cipiato  a  Yormatia  non  si  continuasse,  ma  in  tutto  si  distruggesse, 
voUero  usarmi  per  bolzone  et  ascondere  loro  sotto  di  me,  onde 
secretamente  cercarono  di  persuadermi,  che  io  dicessi  a  Cesare 
questo  Colloquio  essere  vano  et  inutile  et  che  si  dovrebbe  stare 
sopra  li  recessi  giä  fatti.  Io  risposi  destramente,  che  a  me  non 
pareya  questa  via  essere  buona,  prima  perchö  il  disturbare  il 
Colloquio  era  disturbare  ogni  via  alla  concordia,  della  quäle  perd 
con  Fajuto  di  Dio  non  era  da  disperare  in  tutto,  massimamente 
vedendosi  giä  buon  principio,  poichö  questo  era  procurare  alla 
Sede  Apostolica  una  perpetua  infamia,  cioö  che  fosse  inimica 
deDa  concordia  deDa  Germania  et  procurare  la  discordia,  et  cosl 


1)  Matteo  Dandolo,  ein  Schwager  Contarini's,  von  Ende  1540 
bis  Sommer  1542  venetianischer  Gesandter  am  Hofe  Franz'  I.;  seine 
Relation  vom  20.  August  1542  bei  Alb ^ri,  Le  Relazioni  degli  Am- 
basciatori  Veneti,  Serie  I,  Vol.  lY,  27—56.  Notizen  zu  semem  Le- 
ben ebend.  Ser.  Ü,  YoL  UI,  335  f. 


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620  ANALEKTEN. 

deskamente   mi  excusai.     Bimettendosi  poi  alla   traeta^one  per 
mdü  rispetti  esserrf  grandissimo  perieolo ,   se  qn«srta    si    fosse 
fatta  senza  mia  saputa  di  qnello  che  si  tracrls^  ^perocch^  s 
me  nen  si  dorera  fare  la  rclatione  se  noo  depo  ehe  foese  finita 
et  fatta   a  Cessre  et  alli  Stati   deH'  Impero),  et  amchor   se   w 
baressi  aepettato  ad  impQgnare  quella,  ehe  li  CoDocatori  OYrero 
la  maggior  parte  di  loro  havesseno  eonelnso,  totta  la  GFenwuiia 
gü  baveria  segnito  senza  fare  conto  aicuno  <fi  me;  per5  mi  sforzsi 
di  fiirmt  confidente  talmente  che  la  tractatione  mi  fosse  com- 
manicata  di  gionio  in  giomo,  et  perö  ayendomi  la  Oesarea  Maestä 
mandato  un  libro,  sopra  il  quäle  voleya  che  si  Aufesse  ü  trattato 
per  leyare  il  Mdantone  dalla  sua  Apologia,  mi  ricere5  che  io  lo 
ndissi  et  dicessi  il  mio  parere;   io  risposi  che  solo  malToIonüen 
Yoleva  qnesto  cargo,  ma  per  obbedire  alla  Cesarea  Maestä  io  il 
faria,  come  persona  privata,  cttm  protestaiione  di  potermi  ritau> 
tare,  con  molte  altre  parole  in  simile  sentenza;   furono  contenti, 
ed  io  insieme   cea  il  Nnu4k>  el  nMttesaiDid  a  leggere  nna  sol 
Yolta  qnesto  libro  et  notai  forse  venti  luoghi  et  piiji  ^) ;  dissi  poi 
che,  se   hora  non  mi   occorreva  altro,  non  era  possibile  potere 
f^e  jndieio  per  nna  Tetione  orrero  anditione,  ripetendo  le  mede- 
sime  Proteste.     Qnesto    libro  subito  dappoi  fh  letto  a!  Maestro 
Säcri  Biüatn  et   alli  tre  Collocntori  non  dispiacqne,   se  non  ad 
nno,  0  quäle  pensö  che  fosse  stato  composto  da  alcnn  suo  emnio, 
et  cominciö   a  dire  che  era  inetto  et  pieno  d'errori,  et  ne  not5 
alcnni  in  Filosofia,  neHi  qnali  piü  assai  erraya  esso  che  il  libro, 
come  conferendo  con  esso  li  mostrai;  mi  disse  poi  hayere  notato, 
che   81   diceva  in   qnesto  libro   quod  Deus^erat  eansa  efficiens 
nostrae  scUutis  et  Christus  erat  causa  subefficienSy  il  che  a  Im 
pareya  essere  errore   Ariane,  et  mi   domandö  il  mio  parere  da 
solo  a  solo :  io  gli  risposi  che  il  libro  stara  bene,  perchö  inten- 
deva  di  Cristo  come  nemo,  il  qtrale  dal  Damasceno  et  molti  altri 
Teologi   si   chiama:   instrumenhim  primum  divinitatiSt   et  perö 
si  poteya  chiamare  std>efficiens  causa;  restö  queto.  *)     Hora  la 
tractatione  sl  h  fatta  sopra  quel  libro,  dal  qnalo  i  Protestanti  m 
banoo  partiti  in  tntti  li  loro  errori  et  hanno  dato  nnore  scrittm-e, 


1)  Hiervon  wie  von  dem  aunSchst  Folgenden  hat  schon  PaLia- 
viciai  lY,  li^^  4  Einiges  mi^eteilt  (übrigens  ohne  Angabe  seiner 
Quelle),  was  hier  von  Contarinf  teils  bestätigt  teils  gcuauer  berichtet 
wird. 

*)  Genaueres  über  diese  Entgegnungen  Contanni's  auf  Edc's  Ein- 
^^'^irfe  gegen  dsas  Begensbnrger  Buch  muss  ein  Schriftstuck  der  Stifts- 
bibliothek  zu  Zeitz  enthalten:  Saec  r^pondit  etc.  Contarenus 
Eccio.  S.  Alb.  Jansen,  Julius  Pfluge  Neue  BGtteilungen  des  thö- 
ringisch-sSchsischen  Vereins  X,  2  [Halle  1864],  38;  die  spärlichen  ÄGt- 
teilungen  Jansen's  a.  d.  St.  sind  aber  ganz  unzureichena. 


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BBIEGER,  ZUR  CORRESPONDENZ  CONTARINl'S.  621 

le  qnali  porterö  meco  a  Borna.  Poscia  ho  riveduto  questo  libro 
con  quattro  Teologi  della  Cesarea  Maestä  et  tre  del  Pontefice 
et  ^  stato  considerato  fra  noi  diligentissimamente  et  per  la 
gratia  di  Dio  non  yi  abbiamo  trovato  alcuna  eresia;  bens)  abbiamo 
notati  certi  luoghi,  che  hanno  bisogno  di  maggior  explicatione^ 
ma  alcuni  dissero  in  fine,  che  quando  i  Protestanti  si  fossero 
acqnietati  alli  articoli  principali,  non  si  doYeva  fare  difficnltä. 
Ho  deliberato  non  acqnetandosi  i  Protestanti  nelli  articoli  prin- 
cipali,  come  non  faranno,  di  non  approvare  cosa  alcuna,  acciocch^ 
non  se  li  dia  occasione  d*  interpretare  il  vero  in  senso  falso, 
poich^  fin  qnl  non  ho  fatto  cos*  alcnna  se  non  come  persona 
priyata.  Questo  ^  tutto  il  snccesso;  io  so  benissimo  da  chi  l 
stata  fatta  qneUa  relatione  al  £e  Cristianissinio ,  et  li  errori  de 
Trinitate  d'  onde  yengono  ^),  poichö  yengono  da  quel  Dottore, 
che  yi  ho  indicato  di  sopra.  Hora  la  concordia  ^  in  tntto  dis- 
perata.  Vi  prego  che  leggiate  tntto  qnesto  che  yi  scriyo  alli 
I^mi  Tornone  *)  et  Ferrara  *)  et  a  Messer  JDanesio  *).  Ben 
yeggo  che  oramai  la  maggiore  yentnra,  che  io  habbia  aynto  in 
questa  Legatione,  I  stata,  che  non  si  sia  fatta  la  concordia, 
perch^  certamente  io  sarla  stato  da  diyerse  bände  lapidato,  et 
qnalch'  nno  si  hayerla  fätto  eretico  per  farmi  parere  eretico. 
Prego  la  bontä  Diyina,  che  riguardi  in  fadem  Christi  sui  et 
non  guardi  alle  opere,  nh  alle  cogitationi  nostre.  State  di  bnona 
yoglia,  plures  sunt  nöbiscum  quam  cum  iUis.  Da  Batisbona,  di 
Luglio*)  1541. 

Beccad.  200—203. 


1)  Näheren  Anfschluss  über  die  an  Franz  I.  gebrachten  Klagen, 
als  ob  Contarlni  die  Irrtümer  des  Regensburger  Buches  {nel  libro  in- 
famimmo,  che  e  stato  dato  fuore  da  quel  Dottore  del  Vescovo  di  Cohnia 
soprä  la  Trinitä  et  Sacratnento)  nicht  kräftig  genug  verurteilt  habe,  bietet 
der  Brief  Gonzaga*s  an  Cent,  vom  17.  Mai,  Quir.  III,  p.  CCLXXIX  sq. 

»)  Cardinal  Tournon. 

8)  Cardinal  Hippolite  d'Este. 

*)  Der  Franzose  Pierre  Dan^s  (der  bekannte  Gräcist,  geb. 
1497,  t  1577,  seit  1530  Professor  des  Griechischen  am  College  Koyal 
zu  Paris)  hatte  früher  zu  dem  vertrauten  Umgang  Contarinis  gehört 
(8.Mon.  I,  1,  28  A.  27;  vgl.  S.  64.  71;  Quir.  irf,  p.  CCXIX);  1540  be- 
gleitete  er  den  Nuntius  Campeggi  nach  Worms.  £r  wurde  nachmals 
Bischof  von  Lavaur,  und  hat  wiederholt  zu  Trient  eine  Rolle  gespielt. 
Vgl.  Nouvelle  Biographie  G^n^raleXII  (Paris  1856),  p. 923 AFI 

6)  Der  Tag  ist  ausgefallen. 


Z«iteclir.  1  K.-G.  UI,  8.  35 

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622  AXALEKTEN. 

No.    15. 

Contarini  an  Alessandro  Farnese. 

Bovere,  16.  August  1541. 

[Auszug.] 
Havendo  in  Trento  preso  licenza  da  Sna  Maestä  per  andar- 
mene  verso  Nostro  Signore,  hoggi  per  novo  ordine  di  Sua  San- 
titä  pigliarö  il  cammino  vei*so  Milano,  per  accompagnare  Sua 
Cesarea  Maestli  sin  lä,  et  poi  andarmene  verso  Lncca  incontro  a 
Nostro  Signore;  et  cosl  hora  mi  trovo  a  Rovere  et  domani  ser5 
a  Dio  piacendo  a  Peschiera  et  per  la  via  di  Bressa  anden^  a 
Milano,  ove  penso  rivedrö  V.  S.  E°^*,  alla  quäle  ho  voluto  signl- 
ficare  questo  per  darle  nova  di  me  u,  s,  tr. 
Beccad.  206. 


No.  16. 

Contarini  an  den  Secretär  Jaches. 

Borghetto,  16.  August  1541. 
[Auszug.] 
Molto  magnifico   Sig.  mio   come   fratello.     Questa   sera  an- 
dando   alla   volta   di  Verona  ho   ricevuto   la  carta  di  Y.  S.  con 
qnella  di  Sua  Maestä  a  Nostro  Signore,  et  perch^  depo  la  par- 
tita   di  Sua  MaesUt  da  Trento   ho   havnto   questa  notte  passata 
nova  commissione  da  Nostro  Signore  di  accompagnare  Sua  Maestä 
in  Milano,  per  tanto  desidero  che  Y.  S.  mi  faccia  intendere  quello 
havrö  da  fare  della  carta  di  Sua  Maestä;   ciod  s'   io   V  ho  da 
portare  con  meco,  oppure  prima  inviarla  in  mano  di  Nostro  Sig- 
nore, che  tanto  exequirö,  quanto  Y.  S.  mi  ordinarä  u.  s.  w. 
Beccad.  206. 


No.  17. 

Erzbischof  Hermann  von  Köln  an  Contarini. 

Arnsberg,  24.  August  1541. 

[Auszug.] 

Ex  relatlone  .  .  Joannis  Qropperi  .  .  didicimus  B.   D.   Y. 

erga  nos  animum  adeoqne  paratam  de  nobis  benemerendi  volun- 

tatem,  qua  non  solnm  in  causa  concordiae  coUationum  beneficiorum 

per  nos  retro  annis  factomm  ^),  sed  etiam  in  aliis  nostris  negotiis 


1)  lieber  Hermann's  Conflicte  mit  Rom  wegen  Besetzung  von 
Pfründen  im  Widerstreit  mit  dem  päpstlichen  Collationsrecht  s.  Var- 
rentrapp,  Hermann  von  Wied  (Leipzig  1878),  S.  48  —  55  und  dazu 
die  Actenstücke  ü,  8—27. 


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BRIE6EB,  ZUR  CORRESPONDENZ  CONTARINI*S.  523 

et  praesertim  Praepositnrae  Ecclesiae  nostrae  Divi  Gereonis  Colo- 
niensis  omnem  operam  apud  Sanctissimum  Dominam  Nostrum  ad- 
hibiturum  se  lecepit,  qao  scilicet  a  Sanctitate  Sua  concordia  illa 
medio  triam  Beverendissimorum  Cardinalium  inita  ^)  obserrari 
mandetuT,  neve  venerabilis  et  illustris  consanguineos  Consiliarios 
devotns  nobis  dilectus  Georgius  a  Seyn  (James  ab  Witgenstein  *) 
Praepositas  etc.  ad  instantiam  Episcopi  Cariensis  contra  aequi- 
tatem  gravetor  atque  ad  indebitam  pensionis  solütionem  urgeatnr. 
[Es  folgt  die  Bitte,  der  Cardinal  möge  sich  femer  dieser  Sache 
annehmen  jaxta  Memoriale  ea  de  re  Auditori  B.  D.  Y.  traditom, 
den  Grafen  und  seine  Abgeordneten  unterstützen  u.  s.  w.]  •  .  • 

Datrmi    in    arce    nostra    Arnsberg.     XXIY.    Augnsti    Anno 
1541. 

Beccad.  205. 


>)  Nach  Varrentrapp  S.  55,  Anm.  1  enthält  die  Alfter'sche 
Sammlung  in  Darmstadt  em  Schreiben  Paul's  DI.  vom  11.  April  1537, 
„nach  welchem  der  Papst  die  Entscheidung  bestätigte,  die  drei  Car- 
dinäle  in  der  streitigen  Frage  trafen". 

*)  lieber  Georg  von  Sayn- Wittgenstein  (er  war  später  ein  eifiriger 
Gegner  des  Erzbischofs)  s.  Varrentrapp,  8.131(150.233.262.278). 


Drnck  Ton  Friedr.  Andr.  Perthes  in  Cbtbn. 


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Ajizeigen. 


Neuer  Verlag  der  H.  L aap p' sehen  BuchhandlTiiig 
in  Tübingen. 

Mülller,  Lio«  Dr.  C«»  Repetent  am  evang.  Seminar 
in  Tübingen,  „Der  Kampf  Ludwigs  des  Baiem 
mit  der  r5misolien  Kurie  ^^  Ein  Beitrag  zur  kircb- 
liehen  Geschichte  des  14.  Jahrhunderts.  Erster  Band: 
Ludwig  der  Baier  und  Johann  XXII.  gr.  8.  brochirt 
M.  8. 

Hamburger  Kirchenordnong  von  1529. 

Sollte  sich  irgendwo  in  öffentlichem  oder  privatem  Besitz 

eine  ältere  Handschrift  von  Johannes  Bugenhagen  Der  Er- 
baren Stadt  Hamborg  Christlike  Ordeninge  vom  Jahre  1529 
in  niederdeutscher  Sprache  finden  (vgl.  Richter^  Die  evang. 
Kirchenordnungen,  Bd.  I,  S.  127,  und  Schürer,  Theolog. 
Literaturzeitung  1877,  Nr.  25,  S.  669),  so  möchte  der  Unter- 
zeichnete bitten,  ihm  davon  Mitteilung  zu  machen;  nament- 
lich Handschriften  aus  dem  16.  Jahrhimdert  wären  sehr  er- 
wünscht 

Hamburg,  Juni  1879.  Garl  Bertheau, 

PastoreDstrasse  13.  Pastor  zu  St  Michaelis. 

Soeben  erschien: 

Lnther's  Lehre 

vom 

ethisch-religiösen  Standpunkte  aus 

und 

mit  besonderer  Beraoksiohtigimg  seiner  Theorie  vom  Gesetie 

dargestellt  von 

Dr.  SiesfHed  Lommatzsoli, 


Lioentiat  und  Privatdocent  der  Theologie  an  der  Universitftt  Berlin. 

Preif  11  Ji 

Zn  beziehen  durch  jede  Buchhandlung. 

Verlag  Ton  L.  Sohleiermaoher  in  BerUn  W.  Leipzigerstrasse  109. 


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Papst  (Irban  VL 

Von 
Theodor  Lindner  in  Münster. 


(Schluss.) 

IL 

Was  sich  voraussehen  liess,  geschah;  Karl  empfing 
seinen  Oberlehnsherm  mit  heuchlerischer  Ehrfurcht  in  Aversa 
und  Hess  ihn  noch  in  derselben  Nacht  als  Gefangenen  auf 
das  Schloss  führen.  Was  da  die  beiden  mit  einander 
verhandelt  haben^  ist  imbekannt  geblieben^  aber  Urban  wird 
der  Gtewalt  nachgebend  zum  Schein  seine  Forderungen  er- 
mässigt  haben.  Von  Karl  nach  Neapel  geleitet,  genoss  er 
dort  zwar  persönliche  Freiheit,  aber  von  Mistrauen  bewacht 
und  umgeben.  Die  Freveltat  seines  Neffen,  der  eine  Nonne 
vornehmen  Standes  geraubt  und  entehrt  hatte  imd  deswegen 
dem  richterlichen  Spruche  anheimgefallen  war,  erschwerte 
seine  Lage  noch  mehr,  und  er  musste  zufrieden  sein,  als 
unter  diesen  Umständen  Karl  sich  herbeiliess,  Franz  wenigstens 
das  Schloss  Nocera  zu  überKefem.  Dorthin  begab  sich  der 
Papst,  während  E^l  gegen  Ludwig  aufs  neue  zu  Felde 
zog.  Er  hatte  nicht  mehr  nötig,  grosse  kriegerische  An- 
strengungen zu  machen,  denn  die  Natur  verrichtete  für  ihn 
die  Mordarbeit  Ende  September  1384  starb  Ludwig  selbst, 
ein  grosser  Teil  seines  Heeres  folgte  ihm  ins  Gb^b  nach. 
Eine  neue  Hülfsschar  von  12000  Mann,  welche  bis  nach 
Florenz  vorgedrungen  war,  kehrte  auf  die  Nachricht  von 
seinem  Tod  um.  Jetzt  war  E^l  der  unbestrittene  Herr  des 
Königreiches,  jetzt  mochte  der  Papst  sehen,  wie  er  seinen 
Willen  durchsetzte. 

Zeltfchr.  t.  K.-G.  HI.  4.  36 

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526 

Einen  klaren  Plan  kann  Urban  unmöglich  gehabt  haben, 
als  er  sich  nach  Nocera  zurückzog;  er  wollte  nur  um  kernen 
Preis  vom  Boden  des  Königreiches  weichen,  aber  doch  nicht 
in  Neapel  bleiben,  wo  er  jederzeit  in  den  Händen  des  Königs 
und  dessen  nicht  minder  gewalttätiger  Gemahlin  Margaretha 
war.    Was  unterdessen  aas  der  Kirdbe  wurde,  das  kümmerte 
ihn  nicht.     Mehr  Sinn  fiir  diese  hatte  seine  Umgebung,  vor 
allen  die  ihn  widerwillig  begleitenden  CardinäJe,  welchen  alle 
Anmut    der    G-egend    für    die    in    dem    imsicheren     Lande 
täglich    drohenden   Gefahren,   für  die    hereinbrechende    Not, 
für    die    Verbannung    von    der    übrigen    Welt    keinen    Er- 
satz geben  konnte.     Was  Wunder,    wenn    sie  unzufrieden 
wurden,  wenn  sie  Massregeln  erwogen,  wie  man  den  starren 
Sinn   des   Papstes   beugen   könne,    wenn    sie  selbst    an    die 
in     der    Geschichte     des     Papsttums     unerhörte    Auskirnft 
dachten,   ihren  Herren   unter  Curatel  zu   stellen.     Die  Un- 
glücklichen!     Ihre     geheimen    Verbindungen     mit     Neapel 
wurden   verraten   und  mit   unerhörter  Härte  bestraft.      Der 
vor    Wut     sdiäumende    Papst    beschuldigte    sie    des    An- 
schlages  gegen    sein    Leben;     sechs    von    ihnen    und    den 
Bischof  von  Aquila    liess  er   in    eine   Cüsteme  werfen  und 
grässUch  foltern,  um  sie  zum  Geständnisse  zu  zwingen.     "Er 
überlegte    nicht,    wie    leicht    das    Jammergeschrei   der   Ge- 
quälten über  die  Mauern  des   einsamen  Schlosses  hinaus  in 
die  Welt  dringen  konnte. 

Nachdem  König  Karl  siegreich  in  sdbe  Hauptstadt 
zurückgekehrt  war,  nahm  Urban's  Lage  bald  eine  schlimmere 
Wendung.  Der  Papst  weigerte  sich,  nach  Neapel  zu  kommen, 
der  König,  dessen  Forderungen  zu  erfüllen.  Urban  schritt 
nun  zum  letzten  Mittel,  er  ^rach  feierlich  über  KbtI  xmd 
dessen  Gemahlin  den  grossen  Kirchenfiuch  aus  und  erklärte 
sie  der  Krone  fUr  verlustig.  In  Urban's  Lage  war  das  nicht 
viel  mehr  als  eine  Posse,  aba*  seine  leidenschafüidi  erregte 
Phantasie  spiegelte  ihm  vor,  der  neapolitanische  Adel  warte 
nur  auf  ihn,  um  den  König  zu  verjagen.  Bald  genug 
empfand  er,  wie  die  ihm  als  Papst  anhängeade  Welt  über 
seine  Persönlichkeit  dachte.  Um  seinen  Anhang  zu  mehr^, 
ernannte  er  Anfang  1385  ein  grosse  Anzahl  von  Cardinfilen, 


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PAPST  UBBAN  VI.  527 

<iarunter  viek  deutsche  Bischöfe:  sie  dankten  einstimmig 
für  die  Ehre. 

Karl  blieb  auf  jene  Herausforderung  die  Antwort  nicht 
schuldig;  er  muflste  den  Papst  entweder  zwingen,  das  Land 
zu  verlassen,  oder  ihn  in  seine  Gewalt  bringen.  Auch 
Leo  IX.  und  Innocenz  II.  waren  in  UnteritaHen  an  der 
Spitze  von  Heeren  kriegführend  in  die  Gefangenschaft  ihrer 
Gregner  geraten;  wäre  Urban  ein  gleiches  Los  beschieden 
worden,  er  würde  gewiss  nicht  so  lekjhten  E^ufes  davon- 
gekommen sein  wie  diese.  Die  Geschütze  arbeiteten  gegen 
die  WSile  Nocera's,  bald  fiel  die  untere  Stadt,  und  zu  Urban'g 
Schmerze  geriet  sein  Neffe  in  die  Gefangenschaft  der  Feind«. 
Am  10.  Mai  1385  wurde  in  dem  Belagerungsheere  unt^ 
Trompetenklang  verkündet,  wer  den  Papst  todt  oder  lebendig 
einliefere,  eriialte  10,000  Goidgulden,  wer  ihm  dagegen  zur 
Flucht  verhelfe,  verfalle  der  Strafe  der  Rebellion  und  des 
Landesverrates.  Solch  klingendem  Angebote  konnte  Urban 
ein  gleiches  nicht  entgegenstellen,  die  Bannflüche,  welche  er 
vom  Fenster  seiner  Burg  herab,  Fackel  und  Glocke  in  den 
Händen,  auf  das  königliche  Heer  herabschleuderte,  ver- 
mochten nur  den  Spott  der  Feinde  zu  erregen. 

Wie  tief  war  er  gesunken,  wie  stach  gegen  dieses  sinn- 
lose Wüten,  gegen  diese  sich  verzehrende  Ohnmacht,  g^en 
diese  in  Elend  und  Verzweiflung  versunkene  Curie  die 
vornehme  Eleganz  des  avignonesischen  Hofes  ab,  dessen  ge- 
schickte, nimmer  rastende,  alle  Länder  der  Christenheit 
umspannende  Politik.  Jetzt  war  jede  Aussicht  verschwim- 
den,  dass  das  römische  Papsttum  sich  neue  Anhänger  erwarb, 
dass  es  dem  Rivalen  allmählich  den  Boden  entzog:  jetzt  erst 
war  das  Schisma  endgültig  geworden.  Selbst  in  den  bis 
dahin  getreuen  Kreisen  wurde  die  frühere  Zuversicht  er- 
schüttert, denn  wer  hätte  erwarten  können,  dass  es  diesem 
Papste  gelingen  würde,  allgemein  durchzudringen,  wenn 
auch  sein  ursprüngliches  Recht  sich  noch  als  das  zweifel- 
loseste erweisen  liess.  Mit  Notwendigkeit  musste  der  Ge- 
danke, dass  nur  die  Christenheit  selbst  durch  ihre  berufenen 
Vertreter  die  streitige  Frage  entscheiden,  der  Kirche  ihre 
Einheit    wiedergeben   könne,   neu  aufleben   und   an   Kraft 

36  ♦ 


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628  LINDNfiR; 

gewinnen.  Die  Concilsidee;  welche  dem  bisherigen  Stande 
des  Papsttums  so  gefährlich  war,  erhielt  durch  Urban's 
Verhalten  ihre  feste  Begründung;  in  diesen  Tagen,  als  Be- 
lagerter in  der  Burg  von  Nocera,  hat  er  wider  Wissen  und 
Willen  den  grossen  Umschwung  des  kirchlichen  Leben^ 
welchen  das  folgende  Jahrhundert  brachte,  vorbereitet  und 
unvermeidlich  gemacht. 

Endlich  musste  Urban,  um  das  Aeusserste  zu  vermeideD^ 
da  es  seinen  Leuten  an  Lebensmitteln  fehlte,  die  fladbt 
ergreifen.  Am  7.  Juli  eilte  er  mit  jäher  Hast  in  der  Rich- 
tung nach  Salemo  davon,  die  gefengenen  Cardinäle  gefesseh 
mit  sich  schleppend.  Als  der  Bischof  von  Aquila,  der  mit 
zu  den  Angeschuldigten  gehörte,  erschöpft  von  den  Folter- 
qualen und  den  Mishandlungen,  nicht  schnell  genug  fort- 
konnte, wurde  er  auf  Urban's  Q^heiss  todtgeschlagen;  die 
Leiche  blieb  am  Wege  liegen  ^). 

Kaum  den  Händen  KarFs  entronnen,  wäre  Urban  beinahe 
in  eme  noch   schlimmere   Lage  gekommen.     Ein    Teil   der 
Söldner    wollte    aus  Furcht,    dass  ihre  Forderungen    nicht 
beMedigt  würden,  ihn  fangen  und  nach  Avignon  ausUefem. 
Nur  die  Treue  der  deutschen  imd  italischen  Söldner  rettete 
ihn;    die    Meuterer    wurden    durch    grosse    Summen   —   an 
Stelle  von  gemünztem  Gtelde  wurden   goldene  und   silbeme 
Gbfässe  in  Stücke  geschlagen  —  beschwichtigt.     Mit  kriege- 
rischer Begleitung  unter  imsäglich  harten  Entbehrungen  imd 
Leiden  irrte   der  Papst  eine   2^it  lang  ruhelos  und  unstät 
umher,  bis  er  sich  endlich  der  Küste  des  Adriatischen  Meeres 
zuwandte,   wohin  von  Q^nua  gesandte  Galeeren  abgegangen 
waren,   da  auf  der  Westseite  Kiirl  die   Einschiffung  leicht 
verhindern  konnte.     Aber  als  der  Papst  zu  der  verabredeten 
Stelle   an   der  Küste  in   der  Nähe  von  Minerbino  kam,  war 
von  den  Qtdeeren  weit  imd  breit  nichts   zu  erspähen.    In 
steter  Angst,  von  den  Anhängern  des  Königs  noch  im  letzten 


1)  Dietrich  von  Niem,  lib.  I,  cap.  56.  Nach  üghelli  I,  389  war 
der  Unglückliche  Bischof  Stephan,  welcher  von  Urban,  weil  er  zum 
Gegenpapste  abgefallen  war,  schon  1381  gefangen  genommen  wurde. 
Doch  kann  es  auch  dessen  Nachfolger  Clemens  gewesen  sein,  da 
diesem  1386  Bischof  Oddo  folgte. 


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PAPST  ÜRBAN  VI.  629 

AugenbKcke  ergriffen  zu  werden,  zogen  die  Flüchtlinge 
nordwärts  auf  Trani  zu,  sehnsuchtsvoll  die  Blicke  auf  das 
Meer  gerichtet  Da  endlich  tauchten  die  dreieckigen  Segel 
in  der  Feme  auf  Ohne  Weg  und  Steg  durch  Felder  und 
Weinberge,  mit  hastig  abgerissenen  Trauben  die  erschöpften 
ELräfte  erfrischend,  eilte  alles  dem  Gestade  zu.  Unter 
Trompeten-  und  Pfeifenklang  bestieg  Urban  die  Galeere,  seit 
langer  Zeit  wieder  die  üblichen  Ehrenbezeugungen  als  Papst 
entg^ennehmend  ^).  So  endete  Urban's  neapolitanische  Ex- 
pedition; aber  die  guten  Lehren,  welche  er  aus  ihr  hätte 
ziehen  können,  waren  für  ihn  verloren.  Noch  immer  blieb 
sein  ganzes  Trachten  und  Dichten  auf  die  Erwerbung  des 
reichen  Landes  gerichtet,  obenan  stand  der  Durst  nach  Rache 
an  seinen  Feinden. 

Die  Fahrt  ging  mm  um  das  Festland  herum.  In 
Messina  wurde  zuerst  eine  längere  Rast  gemacht,  welche 
der  Papst  benutzte,  um  seine  Prozesse  gegen  Karl  öffentlich 
zu  verkünden.  Endlich  wurde  am  23.  September  in  Genua 
gelandet. 

Der  Doge  Antoniotto  selbst  hatte  Urban  angefordert, 
hier  sein  Asyl  aufzuschlagen.  Einmal  versprach  der  Aufent- 
halt der  Curie,  der  dadurch  bewirkte  Zusammenfluss  zahl- 
reicher Fremden  der  Stadt  eine  ergiebige  Einnahmequelle  zu 
eröfBden.  Doch  bewegte  den  Dogen  zugleich  die  ehi^izigo 
Hoffiiung,  durch  seine  Vermittelung  der  Kirche  Frieden  und 
Eintracht  wiedergeben  zu  können.  Er  wandte  sich  deshalb 
an  den  deutschen  König  und  die  Fürsten  Europa's  und  bat 
sie  um  Vollmachten.  Dass  er  sie  nicht  erhielt,  mochte  ihn 
verdriessen,  aber  war  natürlich  genug  ').  Die  Hoffixungen, 
welche  er  trotzdem  noch  hegen  mochte,  mussten  vollends 
schwinden,  als  er  den  Charakter  Urban's  persönlich  näher 
kennen  lernte. 

Während  des  Aufenthaltes  in  Nocera  hatte  das  kirch- 
liche Regiment  geruht.    Nur  einzelne  Bullen,  welche  auf  die 


1)  Die  Einzelheiten  der  Flucht  hat  namentlich  Gk>belinus  Persona 
anziehend  geschildert. 

»)  Muratori,  Scr.  rer.  Ital.  XVn,  1127. 


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630  LUfDNER, 

augenblicklicbe  Lage  Beziehung  hatten ,  waren  aus  der 
päpstlichen  Kanzlei  hervorgegangen.  Die  eine  bestinmite;  djau» 
jeder  Christ  zehn  Tagereisen  in  der  Runde  einem  belages-teo 
oder  gefangenen  Papste  zu  Hülfe  kommen  müsse^  eine  andere^ 
dass  ein  Geisthch«",  der  im  Kampf  ftr  den  Papst  gc^^ec 
König  Karl  einen  Menseben  tödte,  nicht  nur  kirchlich  strsi^ 
los  sei,  sondern  sich  der  Kreuzzugsindulgenz  erfreuen  solle  ^y. 
Jetzt  unter  den  ruhigeren  Verhältnissen  in  Grenua  wurd«» 
die  Geschäfte  wieder  aufgenommen  und  in  der  gewöhnliehen 
Weise  weitergeführt 

Zum  Ersatz  fiir  die  noch  im  Gefiingnisse  schinachtei>- 
den  Cardinäle  wurden  in  Genua  neue  promulgirt.  Ausser- 
dcan  waren  noch  andere  Lücken  im  heiligen  CoUegium 
vorhanden.  Urban  war,  wie  wir  sahen,  genötigt  gewesen, 
durchgängig  neue  Cardinale  zu  ernennen,  da  ihn  die  alten 
Mann  fiir  Mann  verlassen  hatten.  Um  so  bedenklicher  ww 
es,  dass  auch  unter  denen,  welche  ihm  ihr  Emporkomm^i 
verdankten,  der  Abfall  einriss.  Schon  im  Jahre  1381  war 
Guter  Gomez,  welchem  die  Aufgabe  zufiel,  Castilien  fiir 
Urban  zu  gewinnen,  ebenso  wie  der  König  des  Landes 
selbst  überzeugt  durch  die  Gegengründe  des  clementiBtischen 
Legaten,  zum  anderen  Papste  übergetreten  *).  Jene  sechs 
Cardinäle  hielt  wenigstens  Urban  der  Absicht,  ihn  verraten 
aai  wollen,  überwiesen.  In  Neapel  waren  trotz  der  Befehle 
Urban's,  als  er  nach  Nocera  ging,  einige  Cardinäle  zurück- 
geblieben, mit  denen  Karl  sich  ins  Einvernehmen  zu  setsen* 
suchte,  um  sie  möglicherweise  zu  einer  Neuwahl  zu  veran- 
lassen. Vielleicht  waren  dazu  auch  die  zwei  clementistiBchen 
Cardinäle^  welche  Karl  bei  seinem  Einzüge  in  Neapel  ange- 
troffen' und  in  Gewahrsam  genommen  hatte^  zu  gebrauchen  •). 
Wäre  es  nach  Karl  gegangen,  so  hätte  die  Welt  schon  jetzt 
drei  Päpste  gleichzeitig  nebeneinander  gesehen  *):  So  weit 
kam  es  nun  nicht,   aber  dias  Betragen  Urban's^,  sein  wider- 


1)  Gobelin  a.  a.  0.  304. 

*)  Vita  Clementis  Vn^  bei  Baluzii  Vit»  pap.  Avenion.  I,  502. 

3)  a.  a.  0. 

*)  Dietrich  von  Niem,  IIb.  I,  c.  55. 


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PAPST  ÜBBAN  VI.  631 

sinniges  Verweilen  in  Noc^a,  endlich  seioe  Härte  gegei^  die 
Oefengenen  muaßte  die  in   Neapel  weilenden  Cardinäle  tief 
erregen.    Sie  erhielten  einen  Führer  in  jenem  Pileus,  der  sich 
in  Deutschland  und  England  so  grosse  Verdienste  um  die 
römische  Partei  erworben   hatte.     Er   war  mit  Urban  nach 
Neapel   gezogen   und    hatte   dort  die  Verwaltung  Cometo's 
übertragen  erhalten  ^).     Ohne    sich   um  Urban's  Bannfluch 
HU   kümmern,    eilte  er,    als    Nocera  belagert  wurde,   nach 
Neapel  und  bot  dem  Könige,   der   ihn  ehrenvoll  aufioahm, 
seine  Vermittelung  an.     Mit  stattlicher  Begleitung  erschien 
er  dann  vor  Nocera,  aber  mit  dem  Charakter   seines  Herrn 
wohl  bekannt,   verlangte  er,   ehe   er  in  das  Casteli  eintrat, 
vom  Papste  Q-eiseln  für  seine  sichere  Rückkehr.    Als  Urban 
die  Forderuag  zurückwies,  ging  Pileus  fort,  ohne  ihn  gesehen 
zu  haben*).    In  Neapel  besprach   er   sich  mit  den  anderen 
Cardinälen  und  den  anwesenden  G^eistüchen,  und  sie  kamen 
überein,  dass  Urban  fidlen  zu  lassen  sei.    In  einem  beredten 
Manifeste  taten  fünf  Cardinäle,   Pileus  an  der  Spitze,   dem 
römischen  Klerus  imd  den    Fürsten  der  Christenheit   ihren 
Entschlus&  kund  ^).     Zwar  erklärten  sie  noch  immer  Urban 
als  den  rechtmässig  erwählten  Papst,   aber  sie  sagten  sich 
von  ihm  los,  „weil  er  einem  Wahnsinnigen  und  Wütenden 
gleich,    durchaus  unverbesserlich    und    in    seinem  Glauben 
verdächtig  sei".     Er  habe    daa   Schisma  heraufbeschworen, 
nichts   zur  Reform   der  Kirche  und   ihrer  Wiedereinigung 
getan,    die    Ratschläge    der    Cardinäle    verachtet      Gegm 
ihren  Einspruch  sei  er  nach  Neapel,  dann  nach  Nocera  ge- 
zogen, er  habe  Frevel  auf  Frevel  gehäuft  und  endlich  die 


1)  aobelin  a.  a.  0.  303.  In  Cometo  erteüte  er  noch  am 
5.  December  1384  in  Urban's  Namen  Lehen,  Oslo  240. 

^  Gobelin  a.  a.  0. 

»)  Baluzü  Vitae  pap.  Avenion.  II,  983.  Es  ist  erlassen  m  Neapel 
gleich  nach  der  Flucht  Urban's  von  Nocera.  Denn  auf  diese  bezieht 
sich  der  Vorwurf,  er  habe  Schismatiker  zu  sich  berufen,  ihnen  die 
Sehätze  der  Kkche  überliefert  und  sich  endlich  selbst  ihren  Händen 
anvertraut  Die  Flucht  Urban's  wurde  ermöglicht  durch  Thomas  von 
San  Severino  und  andere  Herren,  welche  zur  anjovinisohen  Partei 
gehörten. 


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532  LINDNER, 

sechs  Cardinäle;  weil  sie  ihm  ins  Gewissen  redeten,  in  mir 
erhörter  Weise  gefiatngen  gesetzt  und  gefoltert  Sie  sdbst 
würden  bald  nach  Rom  kommen  mid  dort  im  Einverständ- 
nisse mit  der  übrigen  Christenheit  ftir  das  Zustandekonunen 
eines  Concils  arbeiten. 

Gleichwohl  ist  Pllens  noch  einmal  nach  G^nua  zu  Urban 
gekommen  *) ;  aber  als  seine  erneuten  Vorstellungen  vergeb- 
lich blieben,  entfloh  er  von  der  Curie.  Sein  Entschluss  war 
gefasst.  Jenes  beabsichtigte  Concil  konnte  nicht  zu  Stande 
konmien,  Pileus  aber  mochte  den  Glanz  des  Cardinalates, 
das  er  ohnehin  zu  seinem  Vorteile  in  Deutschland  und  Eng- 
land trefflich  auszimützen  verstanden  hatte,  nicht  auf  die 
Dauer  entbehren.  Nachdem  er  Urban  zum  Hohne  in  Pavia 
den  von  ihm  empfangenen  Cardinalshut  öffentlich  verbrannt, 
ging  er  nach  Avignon,  wo  er  mit  offenen  Armen  emp&ngen 
wurde.  Ihn  begleitete  ein  zweiter  Cardinal  Galeozzo  de 
Petramala  *).  Natürlich  war  er  nun  eifrig  bemüht,  g^en 
Urban  zu  agitiren.  Sein  Schritt  erregte  gewaltiges  Auf- 
sehen, ohne  jedoch  Urban  viel  zu  schaden,  hauptsächlich 
deswegen,  weil  der  Cardinal  in  den  Ländern,  wo  er  als 
Legat  tätig  gewesen  war,  einen  schlechten  Ruf  hinterlassen 
hatte  und  die  Unlauterkeit  seines  Uebertrittes  zu  offenbar 
war.  Uebrigens  trat  er  zxmi  Aerger  der  Avignonesen  nach 
Urban's  Tode  wieder  zu  Bonifacius  IX.  über.  Natürlich 
büsste  damit  der  „Mann  mit  den  drei  Hüten '^,  wie  ihn  die 
Spötter  bezeichneten,  die  öfientliche  Achtimg  völlig  ein. 

Ueber  ein  Jahr  blieb  Urban  in  Genua.  Der  Aufent- 
halt bot  wenig  Annehmlichkeit;  wenn  er  auch  vor  äusserer 
Not  geschützt  war,  beklagte  er  sich  doch  über  den  Mangel 
an  Ehrfurcht  von  Seiten  der  Bevölkerung  imd  Magistrate. 
Auch  der  Doge  musste  bald  erkennen,  wie  wenig  er  seine 
guten  Absichten  erreichen  könne;  er  selbst  soll  den  Papst 


1)  Dietrich  v.  Niem  I,  cap.  61;  Gobelinus  309. 

s)  Dessen  Name  befindet  sich  noch  nicht  unter  dem  oben  er» 
wähnten  Manifeste.  Die  anderen  vier,  welche  es  unterschrieben,  sind 
nicht  zu  Clemens  abgefallen;  über  ihr  ferneres  Schicksal  vermag  ick 
keine  Auskunft  zu  geben.  Die  beiden  abgefallenen  werden  am  15.  Juli 
1386  in  Prag  als  Ketzer  erklärt;  vgl.  meine  Geschichte  I,  255. 


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PAPST  UBBAN  VI.  533 

endlich  aufgefordert  haben;  sich  einen  anderen  Aufenthalt 
zu  suchen.  Das  allgemeine  Mitleid  galt  den  gefangenen 
CardinäleU;  von  denen  einer  selbst  aus  Genua  stanunte,  aber 
TJrban  wies  hartnäckig  alle  Bitten  zurück;  und  Versuche,  die- 
selben mit  Gewalt  zu  befreien,  machten  ihn  nur  noch  strenger 
in  der  Bewachimg.  Endlich  liess  er  sie,  bis  auf  einen,  den 
er  aus  Rücksicht  auf  den  englischen  König  freigab,  im  Ge- 
fängnis ermorden  und  die  Leichen  verscharren. 

Die  schauderhafte  Tat  blieb  natürlich  nicht  verborgen, 
wenn  auch  über  die  Ausführung  derselben  verschiedene  G^ 
rüchte  gingen,  und  erregte  allgemeinen  Abscheu.  Es  ist  für 
uns  imbegreiflich,  dass  Urban  trotzdem  ruhig  Papst  bleiben 
konnte,  dass  ihm  nicht  die  Obedienz  au%esagt  wurde.  Aber 
in  jenem  Jahrhundert,  welches  so  manchen  Königsmord  und 
blutigen  Aufstand  erlebte,  welches  zahlreiche  Scheiterhaufen 
für  Ketzer  und  Juden  entflammte,  welches  die  Pest  Millionen 
hinraffen  sah,  kam  es  schliesslich  auf  ein  Paar  Menschen- 
leben, wenn  es  auch  Cardinäle  waren,  nicht  so  genau  an. 
Ausserdem  war  das  Ansehen  des  Papsttums  noch  so  fest 
begründet,  dass  die  kirchliche  Würde  die  schwersten  Ver- 
schuldungen ihres  Trägers  deckte.  Wer  wollte  den  Papst 
richten? 

Am  Morgen  nach  der  Mordnacht,  im  December  1386, 
segelte  Urban  von  Genua  ab  und  begab  sich  nach  Lucca. 

Ihn  bestinmite  der  Wunsch,  Unteritalien  näher  zu  sein. 
Wenige  Monate  nachdem  Urban  die  rettenden  Segel  Genua's 
gefunden  hatte,  bestieg  an  derselben  Stelle  der  Küste, 
in  Barletta,  König  Karl  von  Neapel  die  Schiffe,  welche  ihn 
und  sein  Heer  zur  Eroberung  eines  zweiten  Königreiches 
tragen  sollten.  Eine  starke  Partei  in  Ungarn,  welche  weder 
von  Maria  noch  von  Sigmund  noch  von  einem  andern  Gb- 
mahle  der  Erbprinzessin  beherrscht  sein  wollte,  rief  Karl 
als  nächstberechtigten  männlichen  Erben.  Ohne  Schwert- 
streich nahm  er  das  Land  in  Besitz,  zu  dessen  König  er  am 
letzten  Tage  des  Jahres  gekrönt  wurde.  Dem  leicht  er- 
rungenen Triumphe  folgte  eine  entsetzUche  Wendung;  wenige 
Wochen  später  am  24.  Februar  1386  wurde  die  entselte 
Leiche  des  Trägers   zweier   Königskronen  auf  einen  Mist- 


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534 

häufen  im  Hofe  der  ungarischen  Königsburg  Wiss^rad  ge- 
worfen ;  er  war  den  Mordversuchen  der  ungarischen  Königs- 
mutter  erlegen. 

Seiner  Gemahlin^  welche  an  demselben  Tage^  an  welchem 
Neapel  die  ungtaische  Königskrönung  mit  glänzender   Illu- 
mination   feierte,    die  Nachricht    vom  Sturze    ihres    Gbitten 
erhielt,  bHeb   nur  der  Trost,   dass   sie  fast  mit  Gbw£Üt  ihr 
Söhnchen,  den  jungen  Ladislaus,    bei    sich  zurückgefaaltai 
hatte,    als  ihn  der  Vater  nach   Ungarn  mitnehmen  wollte. 
Sie  selbst,  eine  Frau  von  männUchem  Geiste,  welche  schon 
während  der  Kriegszeit  gegen  Ludwig  und  dann  während 
der  Ungarnfahrt  das  Land  verwaltet,  war  wegen  der  schwer» 
Steuern  mannigfacher  Art,  welche   sie  ausschrieb,  allgemein 
verhasst.     Ohnehin  liess  der  unruhige  treulose  Sinn  der  nea^ 
politanischen  Grossen  erwarten,  dass  sie  den  augenblickliehen 
Zustand  zu  ihrem  Vorteile  ausbeuten  würden;  ähnliche  Gte- 
lüste    nach   Selbständigkeit  regten  sich  in    der  Haupt^adt 
Zugleich  erhob  die  anjovinische  Partei  unter  dw  Führung 
des    mächtigen   Thomas  von  San  Severino    aufs    neue    ihr 
Haupt     Sie  proclamirte  den  jungen  Ludwig,  den  Sohn  Lud- 
wigs von  Anjou,  als  künftigen  König. 

Diese  Zerrüttung  des  unglücklichen  Landes,  in  dem. 
jede  Autorität  geschwimden  war  und  der  Bürgerkrieg  wieder 
seine  vernichtende  Brandfackel  schwang,  war  dem  Papste 
ganz  erwünscht.  In  dem  Widerstreite  der  Parteien  ho£fte 
er  doch  noch  das  langersehnte  Ziel  zu  erreichen,  das  Kön^ 
reich  für  sich  und  seinen  Nefifen  zu  gewinnen.  Dieser  war 
ihm  zu  seiner  Freude  wiedergegeben.  Die  Königin  Mai^a'- 
retha  hatte  ihn  aus  der  Gefangenschaft  entlassen,  um  ieai 
harten  Sinn  Urban's  fUr  sich  2su  gewinnen.  Aber  vergebens 
flehte  sie  ihn  an,  ihre  und  des  Ladislaus  Sache  zu  vertrete 
den  Bann  aufzuheben,  der  atif  ihnen  ruhte,  vergebens  machte 
sie  die  grössten  Anerbietungen.  Gleich  erfol^os  blieb  die 
Verwendung,  welche  Florenz  und  andere  italische  Communen 
für  Ladidaus  übernahmen.  Urban  rechnete  noch  immer 
auf  den  Beistand  einzelner  Grossen  und  der  Bevölkerung 
von  Neapel.  Aus  dieser  Stadt  flohen  zahlreiche  Franzi 
edelen  Standes,  namentlich  die  Anverwandten  von  Cardinfilen, 


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PAPST  ÜBBAK  VL.  535 

i^OY  den  drohenden  Kriegsgefahren  zu  Urban  nach  Lucca, 
-wo  sie  zu  der  düsteren  und  freudeleeren  Curie  einen  sonder- 
baren G^ensatz  bilden  mochten  ^). 

Dadurch  kam  er  aufe  neue  in  eine  imgünstige  Situation. 
Wenn  auch  Clemens  in  Avignon  ein  nicht  minder  grosses 
Gewicht  darauf  legte,  dem  jungen  Ludwig  die  Blrone  von 
Neapel  zu  verschaffian  imd  alle  Mittel  dazu  in  Bewegung 
setzte,  so  tat  er  das  in  der  alten  vom  erhabenen  Throne 
herab  gebietenden  Weise  der  Papste,  die  Würde  seiner 
Stellung  wahrend,  ohne  selbst  die  eigene  Person  aufs  Spiel 
»n  setzen.  Das  war  etwas  ganz  anderes,  als  an  der  Spitze 
von  Soldbanden  einherzuziehen,  um  persönKche  Rache  zu 
Ikben,  um  einen  Neffen,  den  die  Welt  verachtete,  zu  bereichern. 
Wenn  auch  über  das  Recht  Ludwig's  gestritten  werden 
konnte,  immerhin  liess  es  sich  noch  eher  rechtfertigen ,  wenn 
er  als  König  des  Lehnreiches  eingesetzt  wurde,  als  dos» 
dieses,  wie  Urban  wollte,  vom  Lehnsoberherm  eingezogen 
wurde. 

Unter  diesen  Umständen  hielt  Clemens  den  Zeitpunkt 
filir  gekommen,  selbst  den  Plan  eines  Concils  aufzugreifen, 
der  schon  so  oft  angeregt  worden  war.  Er  wusste  genau, 
dass  Urban  entschieden  dagegen  sein  würde;  um  so  besser, 
wenn-  man  den  guten  Schein  erweckte,  ohne  irgend  ernste 
Folgen  furchten  zu  müssen.  Er  erklärte  sich  nicht  nm^ 
Iftereit,  sich  dem  ConciL  zu  unterwerfen,  sondern  auch  Urban> 
wenn  dieser  verworfen  würde,  die  Stelle  eines  Cardinais  zu' 
belassen,  während  er  für  sich  dieses  Vorrecht  nicht  bean-^ 
spruchte. 

Zuerst  wurden  Verhandlungen  mit  dem  deutschen  Könige 
angeknüpft.  Es  mochte  in  Frankreich  nicht  unbekannt  sein, 
wie  ungünstig  im  Reiche  die  Stimmung  für  Urban  geworden 
war.  Schrieb  doch  damals  an  diesen  selbst  der  Erzbischof 
von  Pvag:  „Ihr  wisst  gar  nicht,  wieviel  Gtegner  Ihr  hier  in 
Prag  imd  in  vielen  Gegenden  Deutschlands  habt.  Selbst 
manche  von  denen,  die  Ihr  befördert  habt,  sind  schwankend 


1)  Dietrich  von  Niem,  lib.  I.  cap.   64;  GiomaU  NapoUtani   bei 
Muratori  XXI,  1053  flF.;  Sozomenus  Pistor.  bei  Muratori  XVI>  1129  ff. 

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536  LINDNER; 

und  unzuverlässig,  darunter  Erzbischöfe,  Bischöfe,   Doctoren 
und  Magister"  ^). 

Die  Könige  von  Frankreich  und  Castilien  übemahmen 
es  bei  den  deutschen  Fürsten  anzuklopfen,   und   nicht  ohne 
Erfolg.     Die  Kurfürsten  —  wir  wissen  allerdings    nicht  ^   ob 
alle,   oder    auch   nur    welche   von  ihnen   —  forderten    den 
König  auf,  nach  Würzburg  zu  kommen,  um  dort   über  das 
Concü  zu  beraten  *).     In  der  Tat  erschien  dort  der  Köii% 
um   die  Mitte  März   1387,    doch   haben    wir    leider    keine 
Kunde  von   den  Beratungen,  welche  über  die  Kirchenfi'age 
gepflogen  wurden.    Vermutlich  wurde  beschlossen,  an  beide 
Päpste  Gesandtschaften  zu  schicken.     Denn    in  Lucca   er- 
schienen vor  Urban  Boten  der  Fürsten  —  des  Königs  wird 
dabei  nicht  ausdrücklich  gedacht  — ,  um  ihn  zur  Einigung  mit 
Clemens  zu  bestimmen,  aber  schroff  lehnte  er  ihre  Vorschläge 
ab,  jeden   Zweifel   an   der   Kechtmässigkeit   seiner   Würde 
zurückweisend ').     Alsbald    schickte   er   eine  Gesandtschaft 
an  Wenzel,   um  ihn  wiederholt  zur  Eomfahrt  au&ufordem 
und  zu  ermahnen,   dass  er  den  Schismatikern  kein   G^ehor 
gebe  *)  5  später  erschien  der  vornehmste  aller  Cardinäle^  dar 
aus  königlichem  Blute  von  Frankreich   stammende  Philipp 
Graf  von  Alen9on,  Patriarch  von  Aquileja,  im  Reiche^   in 
dem  er  lange  verweilte,  Urban's  Autorität  allenthalben  be- 
festigend.    Und  damit  alle  Welt  wisse,    wie  er  über  den 
Vergleich  mit   Clemens  denke,  erliess    er    am    29.  Augast 
nochmals  eine  überschwängliche  Ej:^uzzugsbulle  gegen  den- 
selben. 

Auch  nach  Avignon  ging  eine  deutsche  Gesandtschaft^ 
geführt  von  Piligrim,  dem  Erzbischofe  von  Salzburg  ^),  aber 

1)  Codex  epistolans  des  Erzblschofis  von  Prag  Job.  v.  Jenzen- 
stein,  hersg.  von  Loserth  im  Archiv  für  Österreich.  Gesch.,  B.  LV, 
S.  97. 

«)  Vgl.  den  oben  angeführten  Brief.  Derselbe  ist  Ende  Februar 
1387  gescbrieben,  da  Bischof  Peter  v.  Obnütz,  dessen  Tod  als  „  novissime^ 
erfolgt  erwähnt  wird,  am  13.  Februar  1387  starb. 

8)  Dietrich  von  Niem  I,  cap.  56. 

*)  Gemeiner,  Regensburger  Chronik  11,  233. 

6)  Mitteilungen  der  Gesellschaft  für  Salzburger  Landeskunde, 
1872,  S.  242. 


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PAPST  URBAN  VI.  537 

i^as   sie   auch  verhandelt  haben  mag;    gegenüber    der    be- 
stmunten  Weigerung  Urban's  war    ein    günstigeB   Ergebnis 
nicht  möglich.     Clemens  konnte  indessen  zuMeden  sein ;  ihm 
fiel  der  billig  erreichte  Kuhm  zu,  zuerst  die  Hand  zur  Nach- 
giebigkeit geboten  zu  haben.     Deshalb  fuhr  er  auf  dem  ein- 
geschlagenen Wege    noch  eine  Zeit  lang    fort.     Die  Stadt 
Florenz,  wie  wir  wissen,   eifrig  bemüht  in  Neapel  Ruhe  zu 
stiflen,  war   auf  den  Gedanken  gekommen,  das  Ziel   durch 
Vermittelung  einer  Ehe  zwischen  dem  jungen   Ludwig   von 
Anjou  und  Johanna,  der  Tochter  Margaretha's,  zu  erreichen. 
Ihre  Gesandten,  welche  deswegen  nach  Frankreich  gingen, 
besuchten    auch  Avignon    und  wurden  dort  ehrenvoll    em- 
pfangen.    Daraufhin  erschienen  in  Florenz  immer  neue  Bot- 
schaften des  französischen  Königs   und  Papstes  mit    Aner- 
bietungen in  der  kirchlichen  Frage ,  unter  ihnen  zu  Urban's 
höchster  Entrüstung  auch  jener  abtrünnige  Pileus  ^).     Doch 
hielt  Florenz,   obgleich  es  ihnen  Zutritt  gewährte,   an  dem 
einmal  anerkannten  Papste  fest,   selbst  als  das  frühere  gute 
Verhältnis  zu  demselben  sich  aus  politischen  Gründen  mehr 
tmd  mehr  lockerte. 

Wir  können  über  den  Rest  von  Urban's  Leben  schnell 
hinweggehen.  Von  Lucca  zog  er  im  September  1387  nach 
Perugia,  das  ihn  selbst  herbeigerufen  hatte.  Er  sah  sich 
jetzt  genötigt,  dem  Kirchenstaate,  den  er  so  lange  ausser 
Acht  gelassen,  seine  Aufmerksamkeit  zuzuwenden.  Dieser 
sich  entspinnende  kleine  Eoieg,  damit  zusammenhängende 
Händel  mit  den  Florentinern  nahmen  ihn  während  des 
Aufenthaltes  in  Lucca  imd  Perugia  ganz  in  Anspruch.  Zum 
Glück  wurde  der  gefahrlichste  Gegner  Franz  von  Vico  in 
einem  Volksaufstande  in  Stücke  gerissen,  „dass  man  davon 
hätte  Wurst  machen  können",  und  somit  das  von  ihm  bis- 
her mit  Härte  beherrschte  Viterbo  der  Kirche  wieder  ge- 
wonnen. Darüber  gestalteten  sich  jedoch  die  neapolitanischen 
Dinge  viel  ungünstiger.  Mai^aretha  hatte  es  geschehen 
lassen  müssen,  dass  sich  in  Neapel  eine  selbständige  Volks- 
behörde von  Acht-Männern  bildete.    Diese  beanspruchten  die 


1)  Sozomenus  bei  Moratori  XVI,  1131  ff. 

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538  LINDNER, 

Regierung  für  Ladislaus  zu  iiüireaQ;  indem  sie  zugleich  Urban 
aJs  Oberlehnsherm  ana:kaimten  und  mit  dessen  Namen  ihr 
Ansehen  zu  erhöhen  suchten;  sie  sollen  ihn  sogar  au%e- 
fordert  haben,  nach  Neapel  zu  kommen. 

Zwar  erkannte  Urban  Ladi^us  nicht  an,  ab^  desBen 
Partei;  im  Gegensatz  zu  der  mehr  imd  mehr  um  sich  grei- 
fenden anjovinischen,  gab  unbekümmert  um  sdnen  Wider- 
spruch die  Parole:  „König  Ladislaus  und  Papst  Urban ^'^. 
Ihr  Führer  war  Raimund  Orsini,  Graf  von  Nola,  dw  damals 
mächtig  imi  sich  griflf.  Dagegen  beuteten  die  Anhänger 
Ludwig's  die  feindselige  Haltung  Urban^s  gegen  Ladislaus 
aus  und  suchten  den  Schein  zu  erwecken,  als  ob  dieser  für 
ihren  Prätendenten  sei.  Sie  hatten  einen  Mkigen  und  klugen 
Führer  erhalten  in  Herzog  Otto  von  Braunsdiweig,  der  mit 
Vollmachten  der  Maria,  der  Mutter  Ludwig's,  und  des  Papstes 
Clemens  Ende  1386  von  Avdgnon  nach  Unteritalien  ge- 
kommen war.  In  ähnlicher  Weise,  wie  in  der  Stadt  Neapel, 
wurde  für  das  Reich  eine  provisorische  Regierung  errichtet. 
Endlich  glückte  es  Otto,  im  Juli  1387  Neapel  selbst  zu 
besetzen;  Raimund  Orsini  musste  sich  zurückziehen,  und 
Margaretha  flüchtete  nach  Gaeta.  Ihre  vereinten  Bemühungen, 
welche  der  Cardinal  von  Neapel,  der  spätere  Papst  Boni- 
facius  IX.,  durch  seine  Gegenwart  unterstützte,  die  Stadt 
wieder  zu  erobern,  waren  ebenso  erfolglos,  wie  Urban's 
Bannfluch  und  Kreuzpredigt  gegen  Otto.  Erst  ein  Jahr 
später  fiihlte  er  sich  im  Stande,  einen  neuen  Kriegszug  gegen 
Neapel  zu  unternehmen.  Am  2.  August  1388  brach  er  mit 
italischen  imd  englischen  Söldnern  von  Perugia  auf,  aber  bei 
Nami  ging  der  grösste  Teil  der  letzteren  zurück,  durch 
florentinisches  Gold  gelockt  Dessenungeachtet  wollte  er 
weiter,  aber  schwer  beschädigt  durch  den  Sturz  seines  Maul- 
tieres, musste  er  nach  Tivoli  zurückkdir^i.  Noch  einmal 
trieb  ihn  seine  Iddenschaftliche  Natur  vorwärts;  in  einet 
Sänfte  liess  er  sich  nach  Ferentino  tragen,  aber  endlich 
musste  er  sich  der  Einsicht  beugen,  dass  seine  Mittel  unge- 
nügend waren.  Schon  in  Tivoli  waren  Gesandte  der  Römer 
zu  ihm  gekommen,  um  ihn  zur  Rückkehr  in  ihre  Stadt  auf- 
zufordern, noch  hatte  er  sie  barsch  zurückgewiesen.     Jetzt 


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PAPST  URBAN  VI.  53d 

erst  entschloss  er  sich;  die  Stadt;  die  er  vor  mehr  ak 
fünf  Jahren  mit  grossen  Plänen  verlassen  hatte  ^  wieder  zu 
betreten-  Getäuscht  in  seinen  Hoffiiungen^  entblösst  von 
Geld,  erschöpften  und  kranken  Körpers  kam  er,  mehr  der 
Notwendigkeit  gehorchend  als  aus  freiem  Willen.  Die  Eömer 
hofften,  dass  nun  mit  dem  Papste  ein  reicher  Strom  Goldes 
aus  der  Christenheit  in  ihre  heruntergekonunene  und  ver- 
armte Stadt  fliessen  würde;  aber  den  imbotmässigen  Trotz, 
den  die  avignonesische  Zeit  hervorgerufen  und  den  nachher 
die  nur  kurse  Anwesenheit  der  Päpste  nicht  hatte  bändigen 
können,  Hessen  sie  nicht  fediren.  Als  Urban  aus  eigener 
Machtvollkommenheit  einen  misliebigen  Senator  ernannte, 
stürmte  das  Volk  den  Vatican.  Auch  jetzt  zeigte  Urban 
die  alte  Energie,  und  bei  den  Römern  wirkte  sein  Bannfluch, 
weil  er  zugleich  ihre  materiellen  Interessen  traf;  die  Em- 
pörten suchten  in  demütiger  Weise  die  Absolution.  Denn 
Urban  hatte  das  beste  Mittel  ausgesonnen,  um  das  eigene 
Geldbedürfais  wie  das  der  Römer  zu  befriedigen:  das  Jubi- 
läum sollte,  statt  1400,  schon  im  nächsten  Jahre  1390  und 
in  Zukimft  alle  33  Jahre  gefeiert  werden. 

Es  war  ihm  nicht  mehr  beschieden,  die  Früchte  dieses 
Schrittes  zu  ernten;  am  15.  October  1389  verschied  er  nach 
schmerzvollem  Krankenlager.  Dass  er  vergiftet  worden,  wie 
manche  berichten,  ist  nicht  glaublich.  Seine  Leiche  wurde 
in  einem  einfachen  Sarge  in  einer  Capelle  beigesetzt;  erst 
später  wurde  ihm  in  St.  Peter  ein  prächtiges  Mausoleum 
mit  einer  schwülstigen  Inschrift  errichtet. 

Obgleich  Urban  zu  den  „politischen  Päpsten"  gehörte, 
ist  er  doch  auf  kirchlichem  Gebiete  nicht  ganz  untätig  ge- 
wesen, besonders  sein  letztes  Lebensjahr  war  mehr  diesen 
Pflichten  zugewandt.  Wir  sprachen  bereits  von  der  Ver- 
legung des  Jubeljahres.  Die  Motive  dazu  liegen  trotz  des 
darumgehangenen  Mäntelchens  der  christlichen  Erbarmung 
mit  den  nach  Sündenerlass  lechzenden  Selen  in  ihrer  Ver- 
werflichkeit offen  zutage.  Doch  darf  man  immerhin  nicht 
die  Anschauungen  der  Zeit  vergessen  und  auch  nicht  über- 
sehen, dass  die  Veranstaltung  des  Jubeljahres  in  Rom  ein 
politischer  Trumpf  gegen  Clemens  war,  den  möglichst  früh 


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540  LINDNER^ 

auszuspielen  sich  Urban  nicht  versagen  konnte,     ürban  hat 
auch  das  Fest  der  Heimsuchung  Maria  als  ein  allg^[nein  zu 
feierndes  Fest  in  die  katholisQhe  Kirche  eingefiihrt,  während 
es  bis  dahin  nur  in  einzelnen  Diöcesen  gefeiert  wurde.     Er 
begegnete  sich  darin  mit  den  Bestrebungen  des  Prager  Erz- 
bischofs Johann  von  Jenzenstein^  der  ebenfalls  eifrig  Propa- 
ganda für  dieses  Fest  machte.     Er  bestimmte  femer,   dass 
auch  an  dem  Frohnleichnamsfeste  in  unter  dem  Interdicte 
befindlichen  Kirchen   die  Glocken  geläutet  und  das   Sacra- 
ment  bei  offenen   Türen  gefeiert   würde,  mit  Ausschluss  je- 
doch der  Excommunicirten ;  eine  Bestimmung,  die  schon  des- 
wegen notwendig  war,    weil   er   die   Strafe    des  Interdictes 
selbst  nur  zu  oft  verhängte.     Denen,  welche  der  zu  Krank«) 
oder  Gefangenen  getragenen  Eucharistie  in  andächtiger  Vei^ 
ehrung  folgen,  gewährte  er  einen  Ablass  von  hundert  Tagen. 
Endlich   traf  er  Bestimmungen,  um  die  Seisorge    der  Orts- 
pfarrer gegenüber  der  erfolgreichen  Concurrenz,  welche  ihnen 
die  Bettelmönche  machten,  zu  schützen.    Doch  ist  der  grösste 
Teil  dieser  Anordnungen   erst   durch  seinen  Nachfolger  oflS- 
ciell  verkündigt  worden. 

Ein  Papst  von  dem  Schlage  Urban's  konnte  nur  un- 
günstig beurteilt  werden.  Die  meiste  Anhänglichkeit  hat  er 
bei  zwei  Deutschen,  beide  Westfalen,  geftmden,  welche  aller- 
dings sehr  verschieden  über  ihn  urteilen.  Beide  standen 
Urban  persönlich  sehr  nahe.  Gobelinus  Persona  steht  ganz 
auf  seiner  Seite,  er  ist  überzeugt,  dass  jene  Cardinäle,  deren 
jammervolles  Schicksal  ein  unvertilgbarer  dimkeler  Fleck 
in  Urban's  Pontificat  bleibt,  schuldig  waren  und  im  Ghimde 
nur  gerechte  Strafe  litten;  er  erzählt  die  Geschichte  der 
wüsten  Episode  von  Nocera,  ohne  aus  ihr  irgend  einen  Vor- 
wurf für  den  Papst  abzuleiten,  er  bemüht  sich,  von  der 
kirchlichen  Tätigkeit  Urban's  zu  retten,  was  sich  retten  Hess. 
Als  er  nach  Jahren  wieder  nach  Rom  kam  und  die  imwür- 
dige  Begräbnisstätte  seines  ehemaligen  Gönners  sah,  heftete 
er  dankbaren  Gemütes  lobpreisende  Verse,  in  denen  er  den 
Papst  an  Mut  den  Machabäem  gleichstellte,  auf  einem  Holz- 
täfelchen an  den  Sarg.  „Aber  sie  wurden  abgerissen  von 
den  Neidern    seines  Lobes."     Dietrich  von  Niem  dagegen 


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PAPST  tJRBAN  VI.  541 

iiält  mit  dem  scharfen  Tadel  gegen  den  Papst  keineswegs 
^aorüok;  die  dunkelen  Seiten  seines  Charakters  hebt  er  viel- 
mdir  mit  Nachdruck  hervor  und  weiss  sie  mit  den  leb- 
haftesten F«ai>en  zu  malen,  wie  das  überhaupt  seine  Art  ist; 
einzelne  Seenen  effectvoll  zu  schildern.  Ab^  man  fbhh  doch 
durch;  dass  er  trotz  alledem  eine  warme  Hinneigung  zu  Urban 
bewsüirte ;  er  allein  von  allen  öeschichtsschreibera  seiner  Zeit 
lässt  uns  in  das  Innere  Urban's  blicken^  er  alldn  zeigt  ihn 
tms  als  Menschen;  der  zwar  von  massloser  LeidenschaiUich- 
kext  hing^issen  wurdC;  aber  doch  nicht  ganz  ohaie  Herz  und 
weichereB  Geßihl  war.  Jenen  Franz  von  ButillO;  für  den 
Urban  eine  so  verderblidie  Vorliebe  besass,  schildert  Die- 
trich als  den  verworfensten  Mensdien;  vidleicht  übertreibend; 
aber  doch  beurteilt  er  das  Verhältnis  zwischen  Oheim  und 
Neffen  in  menschlicher;  in  ihrem  Schlüsse  fast  versöhnender 
Weise. 

In  der  bunten  Reihe  der  römischen  Päpste ;  welche  ein 
wechselndes  Kid  aller  Seiten  des  menschlichen  Geistes ,  der 
guten  wie  der  schlimmen;  darbieten;  nimmt  Urban  eine  be- 
merkenswerte Stelle  ein.  Er  würde ;  hätte  er  in  ruhagen 
Zeiten  der  Christenheit  vorgestanden;  wahrscheinlich  zu  den 
Päpsten  zählen;  welche  ihre  Würde  mit  vollem  Ernst  auf- 
fassten  und  ihre  Pflichten  mit  Eifer  und  Erfolg  «["ßülten. 
Sein  Unglück  war,  dass  er  gewählt  wurde  in  einem  überaus 
kritischen  Momente;  in  dem  es  galt;  die  Entwicklung;  welche 
das  Papsttum  in  den  sieben  letzten  Jahrzehnten  genonmien; 
80  zu  sagen  ungeschehen  zu  machen  und  eine  Brücke  über 
die  jüngst  vergangene  Periode  zu  der  Irüheren  hinüberzu- 
sdblagen.  Die  Elemente  jedoch;  auf  welche  er  sich  zunächst 
stützen  musstC;  die  Cardinälc;  wollten  das  gerade  Gegenteil. 
Damit  war  der  Conflict  als  ein  unvermeidlicher  gegeben  und 
nicht  allein  sein  tacdoses  Benehmen;  mag  man  es  auch  mis- 
billigen;  hat  ihn  heraufbeschworen.  Nicht  hier  liegt  sein 
Verschulden:  das  Schisma  wurde  bewirkt  durch  die  Macht 
der  Verhältnisse.  Aber  des  Papstes  Schidd  war;  dass  er  es 
nicht  bezwingen  konnte;  dass  es  weiter  wucherte.  Es  war 
keinesw^s  eine  neue  Erscheinung  in  der  römischen  Eorche; 
dass   zwiespältige   Cardinäle   eine  DoppelwaU   veranlassten. 

Zeitschr.  f.  K.-O.  lU,  4.  37 

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542  LINDNER; 

Innocenz  11.  stand  Anaclet;  Alexander  DI.  Victor  gegenüber. 
Aber  beide  Male  erlangte  der  eine  Papst  ein  so  unzweifel- 
haftes Uebergewicht,  dass  der  andere  ftlr  die  allgemdne 
Kirche  wenig  in  Betracht  kam  5  selbst  unter  dem  gewaltigen 
Friedrich  I.  hatte  Alexander  einen  entschiedenen  Vorrang 
vor  Victor  besessen.  Anders  ging  es  unter  Urban.  Aber 
auch  hier  sind  seine  moralischen  Schattenseiten,  namenüicfa 
sein  unsinniges  Wüten  gegen  die  angeschuldigten  CardinlUe, 
nicht  von  so  grossem  Einflüsse  gewesen,  wie  man  gewöhn- 
lich annimmt.  Vielmehr  schädigte  Urban  sich  selbst  durch 
seine  fehlerhafte  Politik,  indem  er  die  Allgemeinheit  über 
einseitigen  und  selbstsüchtigen  Zwecken  aus  den  Augen 
verlor.  So  gelang  es  dem  gegnerischen  Papsttum  sich  zu 
behaupten. 

Es  verlohnt  sich  der  Mühe,  einen  Blick  zu  werfen  auf 
die  Stellung,  welche  die  europäischen  Staaten  zimi  Schisma 
einnahmen,  als  Urban  starb. 

Im  allgemeinen  war  die  Sachlage  nicht  viel  andeiB 
geworden,  als  sie  sich  gleich  in  den  ersten  Jahren  gestaltet 
hatte.  In  Italien  war  Neapel  zuletzt  glücklich  von  Clemens 
behauptet  worden,  während  Sicilien,  die  übrigen  Fürsten 
und  Herren,  etwa  ausser  Savoyen,  und  auch  die  grossen 
Communen  bei  Urban  blieben ;  doch  gewann  die  Concilsidee, 
namentlich  in  dem  durch  seine  Verbindungen  mit  Frank- 
reich wichtigen  Florenz  mehr  imd  mehr  Boden.  In  Spanien 
dagegen  war  eine  Wendung  zum  schlechteren  erfolgt  Dort 
hatte  gleich  anfangs  der  gesunde  Gedanke  der  Neutralität 
viel  Anklang  gefunden;  aber  wie  wir  sahen,  erkannte  Ca- 
stilien  schon  1381  Clemens  an,  und  diesem  Beispiele  folgten 
Navarra  und  einige  Jahre  später  Aragonien;  nur  Portugal, 
durch  die  Politik  eng  an  England  geknüpft,  stand  zu  Urban. 
Frankreich  blieb  der  feste  Hort  des  Avignonesen  und  grade 
die  Neapolitanische  Frage  sicherte  dessen  Einfluss  5  in  den- 
selben Tagen,  in  denen  Urban  dahinschied,  war  König 
Karl  VI.  auf  der  Reise  nach  Avignon,  um  dort  der  feier- 
lichen Krönung  des  jimgen  Ludwig  von  Anjou  zum  Könige 
von  Jerusalem,  Neapel  und  Sicilien  beizuwohnen.  Aber 
wenn  auch  die  Pariser  Universität  der  Gewalt  gewichen  war 


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PAPST  UBBAN  VI.  543 

tmd   sich  für  Clemens  entschieden  hatte^  im  Stillen  waren 
doch  die  meisten  Glieder  desselben  von  seinem  ausschliess- 
lichen Rechte  nicht  fest  überzeugt  imd  trachteten  nach  dem 
endgültigen    Entscheide    eines    Condls.      Aehnlich    dachten 
viele  Vertreter  der  Geistlichkeit.     So  bestechend  der  Glanz 
der  avignonesischen   Curie   auf  entfernte  Kreise  wirkte,  in 
Frankreich  sah   man  ihn  mit    sehr    geteilten   Gefühlen  an, 
denn  dieses  Land  musste  ihn  fast  allein  bezahlen,  fast  allein 
die  unermesslichen  Geldsummen  aufbringen,  zu  denen  sonst 
das  ganze  Abendland  beisteuerte.    Mit^einem  gewissen  Neid 
sah  man  nach   den  Ländern,  welche  die   rauhe,   prunklose 
Curie  ürban's  als  die  ihrige  betrachteten,  und  wie  das  immer 
zu   geschehen   pflegt,  hielt  man  die  dortigen  Zustände  fUr 
viel  günstiger  als  sie  in  der  Tat  waren.    „  Unter  Urban  blieb 
die  Kirche  frei  von   Zehnten,  mit   freier  Wahl  besetzte  sie 
die  hohen  Würdenstellen,   die  Erteilung  von  Beneficien   und 
Aemtem  lag  in  der  Hand  der  Diöcesen  imd  Kirchen-Patrone. 
Clemens  dagegen,  unterstützt  vom  Könige  und  den  Grossen, 
war  der  scUinmiste  Feind  der  Kirchen   imd  ihrer  Freiheit, 
ihre  Besitzimgen  ruinirte   er  durch  häufige  Zehnten  bis  zur 
äussersten  Erschöpfung,  so  dass,  während  die  heiligen  Stätten 
mit    Schulden    überhäuft    waren,    die    päpstliche    Kammer 
Schätze  auf  Schätze  häufte."  ^)    So  sicher  war  demnach  das 
avignonesische  Papsttum  in  Frankreich  nicht  begründet,  als 
es  den  Anscheia  hatte.     Li  Flandern   hielt  das  Land,  trotz 
des  Uebergang^s  der  Herrschaft  an  das  Burgundische  Haus, 
an  der  einmal  ergriffenen  Obedienz  von  Rom  fest. 

Während  die  Romanen  vorwiegend  zu  Avignon  standen^ 
hielten  die  Länder  germanischer  Zunge  zu  Rom,  unbewusst 
zugleich  einem  natürlichen  wie  geschichtlichen  Zuge  folgend. 
England  blieb  seiner  einmal  ergriffenen  Rolle  getreu  und 
Richard  hat  für  Urban  einen  bemerkenswerten  Eifer  ent- 
faltet; selbst  der  Unwille,  welchen  einst  Pileus  so  gut  wie 
frühere  päpstliche  Legaten  durch  seine  schamlose  Geldwirt- 
schaft im  Lande  hervorgerufen  hatte,  tat  diesmal  der  all- 
gemeinen  Sache  keinen  Eintrag.     Als   besonderer  Triumph 


1)  Chronique  du  r^gieux  de  St.  D^nis  I,  85. 

37* 


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544  LDTDNERy 

des  gegenwärtigeii  Papstes  wurde  die  freifich  nur  Bchem- 
bare  Unterdrückiing  der  wicli£fitiBcheii  Ketzerei  betrachtet  — 
Die  Femdschafi  Ei^lands  g^en  das  mit  Frankreich  Ter- 
bündete  Schottland  erklärt  genügend;  dass  letzteres  Avignon 
als  Metropole  ainerkannta 

LoL  Deutschland  standen  die  Dinge  nicfat  schlecht  Zwar 
wühlte  noch  unmer  die  ckmentistische  Partei  und  errang 
infolge  der  poUtischen  Zersplitterung  manche  kleinen  Vor- 
teile ^  aber  seitdem  Leopold  in  der  Sempacher  Schlacht 
ge&llen,  war  ihr  die  feste  Qrundlage  entzogen^  d^  Heerd 
ihrer  Agitation  gelöscht  Ah  ein  Gottesurteil  wurde  daher 
yon  den  Urbanisten  der  Tod  des  Herzogs  gefeiert.  Die 
Erzbischöfe;  die  Bischöfe  und  die  grossen  Fürsten  hielten 
iareu  zu  Rom,  wenn  auch  bei  den  kleineren  Herr^Q  augsi- 
blickliche  Vorteile  gelegentlich  eine  Schwankung  herbd- 
fiibrten.  Der  König  selbst  erAillte  allerdings  -wemg  die 
Hoffinmgen,  weldbe  Urban  auf  ihn  gesetat;  die  Rom&hrt 
wurde  immer  weiter  hinausgeschoben  und  die  erneute  Ueber^ 
tragung  des  italischen  Vicariates  an  Jost  von  Mähren,  welche 
in  den  letzten  Lebenswochen  Urban's  steUitfand^  eeigte  noch- 
mals; dass  der  König  solche  Qedanken  so  gut  wie  ange- 
geben hatta  Wenzel's  fortdauernd  güns%es  Verhältnis  zu 
Frankreich;  welches  auch  durch  die  neapolitanische  Frage 
nicht  g^Tübt  wurde ;  liess  es  nicht  unmdgUch  erseheinen; 
dass  er  bei  vorkommender  Gelegenheit  auch  in  der  Kirchen- 
frage von  der  bisberigea  unbedingten  An^kennung  der 
einen  Obedienz  zu  einem  vermittehiden  Standpunkte  über- 
ginge. Abcff  solche  Gtedanken  wurden  keineswegs  von  der 
grossen  Menge  der  Ueiehsst&nde  geteilt;  und  das  gmnge 
Anseh^i;  welches  die  Krone  besass;  liess  nicht  beftbrchteii; 
dass  sie  mit  ihren  Aneichten  durchdrang.  Indessen  musste 
Urban  darauf  bedacht  sehi;  den  König  sich  geneigt  zu  haltrai. 
Wenzel;  der  die  deutschen  Bischofssitze  g^n  mit  seinen  Lieb- 
lingen besetzte;  richtete  oft  genug  darauf  bezügliche  Forde- 
rungen an  Urban ;  die  dieser  auch  soweit  es  anging  zu 
erfüllen  strd>te.  Abw  da  der  König  meist  bei  den  mh- 
interessirten  Fürsten  Widerstand  fand;  musste  er  gewöhn- 
lich nachgeben;  und  die  Curie  hatte  dann  keine  Veranlassung; 


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PAPfirr  UBBAN  VI.  546 

iJtürerseite  bei  de»  an&D^tktb  in  Aueeadit  genommenen  Oaen* 
4jdAten  %VL  MiuiJTen  und  ftir  den  König  die  Kastanien  am 
dem  Feuer  »u  holen,  lieber  DeutacUand«  Unkimg  konnte 
Rom  demnadi  beruhigt  «ein. 

Ebenso  über  Ungarn.  Sigmund  war  es  geglückt,  die 
&ADzö»9cbep:x  Anschlüge  auf  die  Hand  der  Maria,  deren  Gb* 
lingen  notwendig  auch  die  kirchliche  SteUnxng  des  Landes 
beeinflusst  haben  würde,  su  hintertreiben  und  selbst  die 
Yidheh  und  heiss  umstrittenfi  Krone  davonzutragen.  Seine 
Lage  in  dem  unruhevoUcn,  von  ehrgeösdgen  und  gewali- 
tätigen  Magnaten  bdierrsehten,  Landie  war  aUerdings  nicht 
die  erfireulich^,  und  die  Qeldverlegenheit,  welche  fitr  sein 
ganzes  Leben  so  charakteristisch  ist,  blieb  atets  dieselbe.  In 
ricbtiger  Würdigung  dieser  Yedbältnisse  entschloss  sieh  d^ 
Papst,  von  alkugrossen  Anforderungen  an  den  nngarisdien 
Klerus  abmiseben^  um  nieht  eine  ge&hrliche  Abneigung  ein^ 
wurzeln  zu  lassen. 

Auch  Polen  gehörte  zu  den  Verehrern  des  römischen 
Stuhles,  und  hier  hat  Urban's  Pontificat  einen  Fortschritt 
zu  verzeichnen,  wie  ihn  die  römische  Kirche  seit  Jahr- 
hunderten nicht  erlebt  hatte.  Das  letzte  Volk  in  Europa, 
abgesehen  von  dem  hohen  unwirtlichen  Norden  Skan- 
dinaviens, welches  noch  zum  Heidentum  hielt,  die  Litthauer 
mit  ihrem  weiten  Landgebiete,  wurden  durch  den  Ueber- 
tritt  ihres  Grossfursten  Jagiello,  der  unter  dem  christlichen 
Namen  Wladislaw  die  ungarische  Hedwig  zur  Gemahlin  und 
mit  ihr  die  polnische  Königskrone  gewann,  dem  Gebiete  des 
römischen  Papsttums  hinzugefugt  und  so  dessen  Autorität 
weit  hinein  in  die  russische  Ebene  verbreitet.  Da  die 
griechische  Barche  durch  das  siegreiche  Vordringen  der  Türken 
mehr  und  mehr  an  Baum  einbüsste,  eröffiiete  sich  demnach 
die  Aussicht,  sie  dereinst  ganz  mit  der  abendländischen  zu 
verschmelzen. 

Auch  auf  die  Ergebenheit  der  drei  nordischen  Reiche, 
Dänemarks,  Schwedens  imd  Norwegens  keimte  Urban 
rechnen;  doch  kamen  sie  wenig  in  Betracht  So  war  der 
Kreis,  den  die  römische  Obedienz  umfasste,  ein  viel  ausge- 
dehnterer, als  der  des  G^genpapstes.    Aber  das  war  kein 


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646  LINDNEBy  PAPST  URBAN  VI. 

persönliches  Verdienst  Urban'S;  man  kann  sagen,  trotz  seiner 
Führung   bUeb  ein  so  grosser   Teil   des  Abendlandes   Rom 
getreu.     Vielmehr    gaben    die   politischen   Verhältnisse   tmd 
Interessen  der  einzelnen  Staaten  in   letzter  Linie  den  Aus- 
schlag.    Es  zeigte  sich,  dass  die  selbständige  Entwicklung 
der  europäischen  Staaten  bereits  so  weit  vorgeschritten  war, 
dass  das  Papsttum  derselben  sich  unterordnen  musste.    Durdi 
die  avignonesische  Periode  vorbereitet  ist  dieser  entscheidende 
Umschwung  der  bisherigen  Verhältnisse  zur  unumstösslichen 
Tatsache    geworden.      Damit    wurde    eine    neue    Zeit    des 
europäischen  Staatenlebens    wie    des    geistigen  Fortschrittes 
eröfiBiet;  vom  Jahre  1378   ab  darf  man  bereits  das  Befor- 
mationszeitalter  rechnen. 

Darin  aber  liegt  die  historische  Bedeutung  Urban's,  dass 
er  dieser  Entwickelung  nicht  vorzubeugen  vermochte,  dass 
er  sie  wider  Willen  durch  sein  Verhalten  förderte  und  unwider- 
ruflich werden  liess. 


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Kritische  Uebersicht 
Aber  die  kircheDgeschJchtlichen  Arbeiten 

der  letzten  Jahre. 


Geschichte  der  Eeformation  in  der  Schweiz. 

(Die  Literatur  der  Jahre  1875 — 1878.) 

Von 
Prof.  fiudolf  Staehelin  in  Basel. 


I.  Werke  allgemeinen  Inhaltes. 

L  Arohiv  fOr  die  sohweizerisohe  BeformationBgeBOhiohte ,  her- 
ausgegeben auf  Veranstaltung  des  schweizerischen  Piusyereins. 
m.  Bd.    Solothum  1876.    (VI  u.  693  8.  gr.   8.) 

2.  Die  eidgenÖBBiflohen  Abschiede  aus  dem  Zeitraum  yon  1521 
bis  1582  bearbeitet  von  Dr.  Job.  Strickler  (Bd.  IV,  Abth.  1 
der  auf  Anordnung  der  schweizerischen  Bundesbehörden  veran- 
stalteten „Sammlimg  der  älteren  eidgenössischen  Abschiede"). 
Brugg  1873  und  1876.    2  Bde.    (1551  und  1609  S.   4.) 

8.  AotenBammlung  zur  schweizerischen  Reformationsgeschichte  in 
den  Jahren  1521  bis  1532  im  Anschluss  an  die  gleichzeitigen 
eidgenössischen  Abschiede  bearbeitet  und  herausgegeben  von  Dr. 
Johann  Strickler,  Staatsarchivar  des  Cantons  Zürich.    I.  Bd. 

.    (1521—1528).   Zürich  1878.     (VU  u.  726  S.  gr.  8.) 

4.  Mörikofer,  Die  evangelischen  Flüchtlinge  in  der  Schweiz.  Leip- 
zig 1876.    (437  S.  8.) 

6.  H.  Weber,  Geschichte  des  ELirchengesanges  in  der  deutschen 
reformirten  Schweiz  seit  der  Reformation.  Mit  genauer  Beschrei- 
bung der  Kirchengesangbücher  des  16.  Jahrhunderts.  Zürich  1876. 
(248  S.   8). 


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548  KRITISCHE  ÜBEBSICHTEN. 

6.  J.  J.  Mesger,  Geschichte  der  deutschen  Bibelübersetzungen  in 
der  schweizerisch  reformirten  Barche  von  der  Reformation  bis  zur 
Gegenwart.  Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  reformirten  Kirche. 
Basel  1876.    (VUI  u.  428  S.  8.) 

E^aum  giebt  es  im  Umkreis  unserer  kirchengeschicht- 
liehen  Literatur  ein  Gebiet,  auf  welchem  dieselbe  so  wdit 
hinter  dem  Bedürfiois  zurückgeblieben  ist  als  auf  dem  der 
allgemeinen  schweizerischen  Reformationsgeschichte.  Mit  dem 
Jahre  7  mit  welchem  diese  Uebersicht  abachüesst^  sind  nun 
grade  hundertundsiebzig  Jahre  verflossen,  seitdem  die  letzte 
selbständige  Darstellung  derselben  in  deutscher,  und  hundert- 
undflinfzig,  seitdem  eine  solche  in  französischer  Sprache 
erschienen  ist  ^).  Da  auch  die  in  unserm  Jahrhundert  ver- 
anstalteten neuen  Ausgaben  dieser  beiden  Werke  ihren 
Wert  lediglich  in  den  hinzugefügten  Ergänzungen,  nieht  in 
einer  neuen  Durcharbeitung  des  Stofifee  selbst  haben  *)  und 
andrerseits  die  Darstellungen  der  allgemeinen  Reformations- 
geschichte ihre  so  eigenartige  imd  mannigfaltige  Gestaltung 
in  der  Schweiz  unmöglich  so,  wie  dieselbe  es  fordert,  berück- 
sichtigen können,  so  fehlt  es  bis  zur  Stunde  noch  an  einem 
Werke,  in  welchem  die  in  der  Zwischenzeit  doch  so  reich- 
lich und  zum  Teil  so  ergiebig  gepflegte  Einzelforschung  in 
irgendwie  genügender  Weise  zu  einem  neuen  Gesammtbild 
verarbeitet  imd  das,  was  die  seitherige  fast  ausschlieaalich 
biographische  Geschichtschreibung  in  seiner  persönlichen  und 
local^i  Vereinzelung  hingestellt  hat,  mm  auch  als  Teile 
eines  nationalen  Grenzen  und  eines,  wenn  auch  nicht  überall 
einheitlichen,  doch  in  sich  zusammenhangenden  und  von 
gleichen    religiös-politischen    Motiven    getragenen    Gesammt- 


1)  J.  J.  Hottinger,  HeWetische  KirchengeBchidite.  Dritter 
Theill708.  —  Abr.&uohat,  Histoire  de  la  r^formation  de  la  Suisse. 
1727—1728.    6  vol. 

s)  Dies  gut  besonders  von  der  neuen  Ausgabe  Suchat's  durch 
Vuillemin  (1836—1838,  7  vd.),  wo  die  Erweiterung  bloss  in  dem 
Abdruck  der  unedirt  gebliebenen  Fortsetzung  von  Ruchat  selbst  be- 
steht; die  neue  Bearbeitupig  von  Hottinger  durch  Wirz  und  Kirch- 
hof er  (1808—1819,  5  Bde.)  reicht  nur  bis  1523. 


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GESCH.  DER  REFORM.  IN  DER  SCHWEIZ  1875—1878.         549 

verlauiV  xwc  Ansehauuiig  gebracht  wäre  ^).  Immerhin  wird 
grade  der  hier  zu  besprechende  Zeitraum^  wenn  er  auch  diese» 
Bedürfnis  selber  noch  nicht  gestillt  hat^  wenigstens  was  die  Vor- 
bereitung und  die  Vorarbeit  för  eine  solche  Aufgabe  betrifft^ 
keine  unrühmliche  Stelle  einnehmen;  wir  sehen  in  ihm  (dxirek 
Kr.  1 — 3  der  oben  genannten  Werke)  ein^i  auf  diesem  Ge- 
biet gradezu  einzig  dastehenden  Keichtum  von  Acten  imd 
urkundlichen  Mitteilungen  zu  Tage  gefördert,  welche  das 
Studium  jener  Geschichte  in  der  glücklichsten  Weise  zu 
fordern  geeignet  siod^  xmd  so  ist^  wenn  auch  noch  kein 
neuer  Bau  errichtet^  doch  ergiebiger  als  seit  Langem  an  der 
Herstellung  derjenigen  Grundlage  gearbeitet  worden^  auf 
welcher  allein  ein  solcher  Keubau  in  sicherer  und  erspriessr 
lieber  Weise  wird  können  angeführt  werden. 

Die  unter  Nr.  1  angeführte  Sammlung  ist  die  Fort- 
setzung eines  von  dem  schweizerisch^i  Piusverein  ausge- 
gangenen Unternehmens ;  das  sich  zum  Zweck  gesetzt  hat^ 
das  Material  zu  einer  ^^  urkundlich  treuen  und  unparteüsdben 
Reformationsgeschichte  ^'  der  Schweiz  zusammenzustellen  *). 
Sde  ist  also  katholischen  Ursprungs  und  hat  denselben  auch 
trotz  jener  Prätension  der  Unparteilichkeit  in  diesen  so  wenig 


^)  L.  Vuillemin,  Histoire  de  la  conf^^ration  Suisse  (Lau- 
ßanne  1876,  2  vol.)  giebt  in  dem  betreffenden  Abschnitt  (U,  p.  1—94) 
das  oben  Grewünschte  wenigstens  in  seinen  Grundzügen.  Derselbe  ist 
eine  zwar  kurze,  aber  mit  Meisterhand  gezeichnete  Skizze  der  Refor- 
Boationsgeschichte,  in  welcher  ebensowohl  die  leitenden  PersSnKch- 
*keiten  mit  wenigen  Zügen  treffend  gezeichnet  als  auch  die  Be- 
ziehungen ihres  Auftretens  und  ihrer  Erfolge  zu  den  allgemeinen 
politischen  und  geistigen  Zuständen  gut  ins  Licht  gestellt  sind.  Ich 
verweise  namentlich  auf  die  Schilderung  der  Bewegung  in  Bern. 
(p.  25 f.)  und  in  Genf  (p.  50 f.).  In  der  Gesammtauffassung  dagegen 
ISest  sich  der  religiöse  GesiehtcFpunkt  zu  sehr  vermissen;  die  Refbr- 
mation  wird  vorwiegend  ab  das  Eintreten  der  wissen  «chafttichen. 
Reflexion  und  Aufklärung  in  den  kirchlichen  Glauben  und  zu  wenig 
als  eine  Tat  und  Vertiefung  dieses  Glaubens  selbst  begriffen. 

*)  8.  die  Vorrede  zum  ersten  Band  (1868),  welcher  durch  den 
Abdruck  der  vom  katholischen  Standpunkt  aus  geschriebenen  Refor- 
mationschromk  des  Job.  Salat  (über  denselben  s.  unten)  besondere 
wertvoll  ist.    Bd.  II  (1872)  ist  von  untergeordneter  Bedeutung. 


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550  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN.    STAEHEUN; 

als  in  den  vorhergegangenen  Bänden  yerleugnei    Um    nst/A 
der  auch  im  neuen  Vorwort  wiederholten  Bestimmung   ^^das 
Material  zu  einer  urkundlichen  Darstellung  der  Reformatioiis- 
zeit^'  darzubieten ;  ;;die   Bausteine  zusammenzutragen^    ans 
denen  später  eine  actenmässige;  unparteiische  ^  kritische  Ge- 
schichte der  Reformation  verfasst  werden  kann^'^  müsste  die 
Auswahl  doch    weniger  einseitig  getroffen   sein,  als  es  tat- 
sächlich hier  der  Fall  ist,  und  es  wäre  jedenfSedls  am  Platze 
gewesen,   den  ftir  eine   solche  Sammlung   einzelner  Beiträge 
überhaupt  etwas  hochgegriffenen   Titel:    Archiv,   durch   das 
ihm  gebührende  Eigenschaftswort:  Katholisches,  deutlicher  zu 
bestimmen.     Aber   hat    auch   an   der   Auswahl  das   Partei- 
interesse seinen  Anteil,  so  ist  doch  anzuerkennen,   dass   die 
Docimiente  selbst  mit  unparteiischer  Treue  und  Genauigkeit 
wiedergegeben  sind,   und   auch  jene  Einseitigkeit  der  Aus- 
wahl schliesst  ihrerseits  wieder  grade  fUr  die  protestantische 
Forschung    den    doppelten    Vorzug    ein,    einmal     dass    ihr 
Docimiente  zugänglich   gemacht    werden,    welche   sie   sonst 
wohl  schwerlich  in  diesem  Umfang  in  Beachtung  zu  ziehen 
Gelegenheit  hätte,  und  dass  ihr  zweitens  durch  die  eigen- 
tümliche Beleuchtung,  in  welche  durch  die  hier  vereinigten, 
vom  katholischen  Standpunkt  aus  gemachten  Au&eichnungen 
die  Ereignisse  gestellt  sind,  eine  um  so  objectivere  Auffassung 
derselben  ermöglicht  sein  wird.     In  ersterer  Beziehung  wird 
man  in  diesem  Bande  namentlich  den  Abdruck  des  Luzemer 
Geheimbuches  und  der  Acten  über  die  Bündnisse  der  katho- 
lischen Stände  mit  Rom  und  Oestreich  willkommen  heissen; 
in  letzterer    Beziehung  ist  beachtenswert  die   „Denkschrift 
der    Piiorin    und    Schwestern    in    sant   Catharina    Tal    bei 
Diessenhofen,  wie  sie  in  der  Zwinglischen  uffiruor   ir  Qt)tts- 
haus  so  sauer  erstritten  und  erhalten  hand'^  —  die  Erzäh- 
lung einer  einzelnen  Episode,  die  aber  doch  auch  auf  die 
allgemeine  Durchführung  der  Reformation  in  jenen  G^en- 
den  ihr  Licht  wirft  imd  durch  die  anschauliche,  überall  die 
persönliche    Mitbeteiligung    verratende    Schilderung     sowohl 
der  Angriffe  wie  des  ritterlichen  Widerstandes  jener  Nonnen 
nicht  ohne  Reiz  ist  — ,  während  das  zweite,  grössere  Stück 
dieser  Art,  die  Reformationschronik  des  dem   alten  Glauben 


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QESGH.  DER  REFORM.  IN  DER  SCHWEIZ  1875—1878.         551 

treu  gebliebenen  Priesters  Heinrich  von  Küssenberg;  abge- 
sehen von  einzebien  für  die  Localgeschichte  wertvollen 
Zügen;  in  ihrer  rohen  und  oberflächUchen  Auffassung  ^) 
hauptsächlich  als  ein  Zeugnis  von  der  bei  den  Gegnern 
herrschenden  Verständnislosigkeit  für  die  reformatorische 
Bew^ung  Bedeutung  hat  und  überdies  in  der  vorliegenden 
Gestalt  in  weit  höherem  Masse ;  als  es  der  Herausgeber 
Wort  hat,  überarbeitet  ist  *).  Vollends  der  am  Schluss  abge- 
druckte ;;  Anhang  des  Cappelerkrieges^S  von  dem  Heraus- 
geber dem  damaligen  Züricher  Stadtschreiber  Wemher  ßiel 
zugeschrieben  imd  mit  Emphase  als  ein  neu  entdeckter  ,;  Griff 
aus  dem  Leben*'  jener  Zeit  eingeführt;  ist  bis  aufs  Wort  hin- 
aus; wenn  auch  hie  und  da  nicht  in  so  ursprünglicher  oder 
ausführlicher  Fassung;  in  Bullinger's  Reformationschronik 
(HI;  258  ff.)  zu  lesen  I  Eine  verdienstvolle  Einleitung  zu  dem 
Bande  ist  dagegen  die  Uebersicht  über  die  Literatur  der 
schweizerischen  Reformationsgeschichte  von  1788  bis  1871; 
sie  ist  die  Fortsetzung  der  im  ersten  Band  des  Archivs  ver- 
öffentUchten  Zusammenstellung  derselben  aus  der  bis  1788 
reichenden ;; Bibliothek  der  Schweizergeschichte''  von  E.  von 
Haller  imd  bildet  im  Zusammenhang  mit  ihr  eine  leider  nicht 
lückenlose;  aber  immerhin  brauchbare;  auch  Entlegenes  be- 
rücksichtigende und  dabei  gutgeordnete  Bibliographie;  deren 
besondere  Herausgabe  sich  unter  Voraussetzung  der  nötigen 
Ergänzungen  angesichts  der  schon  durch  seinen  Umfang 
bedingten  geringeren  Verbreitung  des  Gesammtwerkes  wohl 
rechtfertigen  würde. 

Ein  Quellenwerk  andrer  Art  ist  die  imter  Nr.  2  imd  3 
genannte  grosse  Urkundensammlung  des  Züricher  Archivars 
Joh.  Strick  1er.  Während  das  „Archiv"  mit  seinen  Docu- 
menten  oft  bis  weit  in  das  siebzehnte  Jahrhundert  hin- 
überführt; beschränkt  sich  diese  auf  die  elf  Jahre,  in  denen 
die  Reformation  in  der  deutschen  Schweiz    zum  Abschluss 


1)  Vgl.  S.  452  über  Zwingli'8  Tod:  „und  wäre  also  dieser  ver- 
fluchte Ertzketzer  crepirt". 

»)  Redet  doch  der  Verfasser  S.  419  von  einem  „Calvmismus" 
Hubmeyer's  im  Jahre  1524,  und  ebenso  S.  429  von  einem  solchen  in 
Konstanz  1526! 


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552  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN. 

gekommen  ist,  zieht  aber   aus    diesem  Zeitraum  nun    anch 
lUIes    in    ihren   Bereich,    was    von    Staatsurkunden    filr    die 
Kenntnis  desselben  irgendwie  erheblich  erschien,  und  bringt 
es  im  Gegensatz  zu  der  plan-  und   ordnungslosen  Art  jener 
ersten  Sammlung  in  zwei  planm&ssig  angelegten  und  chrono- 
logisch wohlgeordneten  Reihen  zum  Abdruck.     Die  erste  ist 
die  im  Zusammenhang  eines  grosseren,  auf  die  ganze  filtere 
Geschichte  der  Schweiz  sich  erstreckenden  Unternehmens  dem 
Verfasser  übertragene  Sammlung  der  Tagsatzungsbeschlüsse 
aus  jener  Zeit,  in  der  er  sich  indes  bereits  lange  nicht  mit 
dem  Abdruck    der  amtlichen   ProtocoDe   begnügt,    sondern 
denselben   noch   ein  reiches  anderweitiges  Actenmaterial  zur 
Erläuterung  und  VervoUstfindigung  an  die  Seite  gestellt  hat, 
so  dass   schon  dieses    Werk  auch     für    die    Kenntnis    der 
kirchlichen    Bew^ungen     mannigfache    Ausbeute     in     sich 
schliesst;  noch  mehr  ist  dies  in  der  zweiten  Veröflfentlichung 
(Nr.   3)    der    Fall,     welche     zur    Ergänzung   jener    ersten 
Sammlung  bestimmt  ist;  in   den   vier  Bänden,  auf  welche 
sie  angelegt  ist,  sollen  noch  etwa  8000  Actenstücke  zur  Ver- 
deutlichung gelangen  imd  damit  das  ganze  in  den  Archiven 
zerstreute  amtUche  Actenmaterial  zur  Geschichte  der  Schweiz 
während  der  Reformationszeit   in  übersichtlicher  Anordnung 
der  Forschung  zur  Verfiigung  gestellt  werden.     Die  eigent- 
lichen Refbrmationsacten ,    sowie  die  der  inneren  Geschichte 
der  einzelnen  Kantone  angehörenden  Documente  »nd  dabei 
allerdings  von  der  Sammlung  ausgeschlossen ;  es  ist  d^  amt- 
liche Verkehr  der  Stände  mit  einander,   mit  ihren  verschie- 
denen Vertretern  und  G^esandten  und  mit  dem  Auslande,  die 
eingegangenen  Kundschaften  u.  s.  w.,    was   hier  in   semer 
urkundlichen  Bezeugung  zur  Darstellung  kommt;  sie   ze%t 
also,    auf  ihren    kirchenhistorischen    Wert    hin    anges^en, 
nicht  die  reformatorische  Bewegung  selbst,  sondern  bloss  ihre 
politkchen  und  kirchenpolitisdien  Vorbereitungen  und  F<^g^ 
und  auch   diese  weniger  wie  sie  ihren  Verlauf  in  den  ein- 
zelnen kantonalen  Kirchen  hatten,  als  wie  sie  in  den  Be- 
ziehungen der  Kantone  zu  einander  und  zum  Ausland  zur 
Erscheinung  kommen;  aber  grade  in  dieser  Beschränkung 
liegt  der  eigentümliche  Gewinn,  den  nun  auch  die  Befor^ 


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GESCH.  D£B  B£FORH.  IN  DER  SCHWEIZ  1675—1878.         5^ 

mationageschicbte  im  engeren  Sinn  abgesehen  von  der  Klar- 
Stellung  so  mancher  Einzelheiten  ans  ihr  zu  ziehen  im  Stande 
sein  wird:  sie  ateUt  sie  in  einen  geschichtUchen  Zusammen- 
hang; welchen  die  speciell  ihr  zugewandte  Forschung  bis 
jetzt  noch  viel  zu  wenig  in  ihren  Gesichtskreis  hindnge- 
zogen  hat  und  auch  nicht  von  sich  aus  in  seinem  ganzeai 
Umfang  zu  überblicken  im  Stande  wärC;  und  ohne  dessen 
fortwährende  Berücksichtigung  sie  doch  niemals  zu  einem 
rechten  Verständnis  ihres  Gegenstandes  wird  gelangen  kennen. 
Wie  eng  namentlich  bei  Zwingli  die  Au%abe  dee  kirchh 
lichen  Reformators  mit  derjenigen  des  Patrioten  und  Staats- 
manns und  wiederum  das  Schicksal  seines  kirchlichen  Refor- 
mationswerkes  mit  den  politischen  Zuständen  verknüpft  war, 
hat,  nachdem  zuerst  Ranke  ^)  und  Bluntschli  ^)  darauf  hinge- 
wiesen,  namentlich  Hundeshagen  in  seiner  Abhandlimg  über 
,,das  Reformationswerk  Ulrich  Zwingli's"  geistvoll  und  über- 
zeugend ^itwickelt  *);  recht  deutlich  aber  wird  dieses  Ver- 
hältnis doch  erst  aus  dieser  Strickler'schen  Actensammhing, 
wo  schon  der  Umstand  bezeichnend  ist,  dass  der  religiöse 
Zwiespalt  erst  erwähnt  wird,  nachdem  schon  lange  vorher 
der  Name  ZwingU's  wegen  seiner  Bekämpftmg  des  iranz5si- 
fichen  Bündnisses  verhasst  geworden  war,  und  die  ersten 
Klagen,  die  g^en  ihn  laut  werden,  darin  bestehen,  dass  er 
die  Luzemer  auf  der  Kanzel  Blutverkäufer  genannt  habe.  Für 
den  Verlauf  der  Reformation  sind  dann  besonders  die  Be- 
richte aus  den  sogenannten  gemeinen  Herrschaften  wertvoll. 
Koch  ehe  in  Zürich  selbst  an  den  alten  Institutionen  ge- 
rüttelt wird,  sehen  wir  hier  von  einzehien  entschlossen^;! 
Predigern  den  Kampf  gegen  dieselben  auigenommen,  aber 
freilich  dadurch  auch  von  Seite  der  altgläubigen  Vögte  eine 
Beaction  dagegen  ausgehen,  an  welchar  schliesslich  d^  innere 


1)  Deutsche  Geschichte   im  Zeitalter  der  BefonnatiojL    3.  Bd. 
(V.  Buch,  3.  cap.y 

2)  Greschichte  der  Republik  Zürich,  1848,  Bd.  II ,  und  besonders 
<jeacfaicbte  des  schweizerischen  Bundesrechtes,  1849,  Bd.  I. 

s)  Beitxäge  ua  KiidheiiTerfiftssungsgeschichte  und  Rirchenpolillk 
I,  1864. 


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554  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN. 

Krieg  in  der  Eidgenossenschaft  fast   mit  Notwendigkeit  sich 
entzünden  musste.     Mit   dem  Vorgehen  Zürichs  wird    aucb 
hier  das  Auftreten  der  evangehschen  Partei    entschiedener^ 
ihr  Widerstand  gegen  die  ünterdrückungsversuche  der  Vögte 
kräftiger.     Besondere   Teikiahme  nimmt   dabei    der    infolge 
des    Ittinger    Klostersturmes    hingerichtete    Untervogt     von 
Stammheim,  Hans  Wirth,  in  Anspruch,  dessen  tapfere   Ver- 
antwortung   und    glaubensfreudiges    Ende    Bullinger    in     so 
ergreifender  Weise  erzählt  hat,  und  von  dem  die  hier  mitge- 
teilten   Documente  weiter  zeigen,  wie  er  schon  früher    als 
das  Haupt  der  Evangelischen  in  seiner  Gemeinde  sich  aus- 
zeichnete,  ihr    entschlossenes    Vorgehen    gegen    Bilder     und 
Messe  leitete  und  in  seinen  etwas  ungelenk,  aber  treuherzig 
geschriebenen    Briefen    ihr    Interesse    bei    Zürich    vertrat, 
während  zwei  seiner  Söhne,  die  beide  den  Vater  später  noch 
in  sein  Gefängnis,    der    eine    sogar  in  den  Tod  begleiten 
sollten,  als  Geistüche  im  gleichen  evangelischen  Sinn  unter 
ihm  wirkten;  wir  lernen  ihn  so  aus  dieser  Actensammlung 
nicht  nur  wie  bisher  erst  in   seinem   Tode    als  den  ersten 
Blutzeugen,   sondern   auch    in    seinem   Leben  und  Wirken, 
seiner  Sorge  flir  die  evangelische  Predigt  und  seinem  Ein- 
stehen   fiir    deren    Freiheit   gegenüber    der   geistlichen    imd 
weltlichen   Obrigkeit  als  einen  der    ersten   Vorkämpfer   fiir 
die  Reformation  in   der  Schweiz  kennen  und  ebenso  auch 
jene  Hinrichtung  auf  dem  Tag  zu  Baden  in  ihren  letzten 
Motiven  erst  recht  verstehen.     Noch  zahlreicher  wird  natür- 
lich   in    den    folgenden    Jahren    dieses    der    Reformations- 
geschichte auch  immittelbar  zu  Gute  kommende  Actenmaterial; 
hofifen  wir,  dass  das  fortdauernde  Interesse  der  beteiligten 
Kreise  es  dem  Herausgeber  möglich  machen  werde,  das  ver- 
dienstliche Unternehmen  zu  seiner  Vollendimg  zu  bringen; 
wie  die   Sammlung  der  „Abschiede"  erst  als   Ganzes  und 
durch  das  ihr  beigegebene  sehr  umsichtig  gearbeitete  Register 
ihren  vollen  Wert  erhalten  hat,   so   wird   auch  die  sich  an- 
schliessende   „Actensammlung"    erst   in    dieser    ihrer  Voll- 
endung, zu  welcher  gleichfalls  ein  ausfiihrliches  Register  sowie 
ein  Verzeichnis  der   zeitgenössischen  Literatur   gehören  soll, 


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GESCH.  DER  REFORM.  IN  DER  SCHWEIZ  1875-1878.         555 

nach  ihrer  ganzen  Bedeutung  für  die  Keformationsgeschichte 
gewürdigt  und  verwertet  werden  können  ^). 

Auch  in  Mörikofer's  Geschichte  der  evangeli- 
schen Flüchtlinge  in  der  Schweiz,  die  zugleich  als 
die  letzte  im  hohen  Greisenalter  ausgeführte  Arbeit  eines 
der  verdientesten  Schriftsteller  auf  dem  Gebiet  der  neueren 
schweizerischen  Kirchengeschichte  erwähnt  zu  werden  ver- 
dient *),  werden  wir  wie  so  vielfach  in  den  eben  besprochenen 
Urkundensammlimgen  vor  die  Beziehungen  der  schweizerischen 
Reformation  zum  Ausland  hingestellt  und  an  die  schon 
durch  die  geographische  Lage  der  Schweiz  bedingte  tief- 
greifende Bedeutung  derselben  für  deren  Geist  und  Gestaltung 
erinnert.  Sie  ist  ein  ergreifendes  Gemälde  der  mannigfachen 
Leiden  und  Verfolgungen,  durch  welche  im  Laufe  des  1 6.  und 
17.  Jahrhunderts  Protestanten  fast  aus  allen  europäischen 
Ländern,  aus  England,  Frankreich,  Spanien,  Italien,  Oester- 
reich,  Ungarn  in  die  Schweiz  getrieben  worden  sind,  — 
um  so  ergreifender,  als  der  Verfasser  ohne  Schmuck  und 
Zutat  einfach  die  actenmässig  überlieferten  Tatsachen  wieder- 
giebt;  aber  sie  zeigt  auch  die  immer  neue  Bereitwilligkeit, 
mit  welcher  die  schweizerischen  Städte  oft  mit  den  empfind- 
lichsten Opfern  dieselben  aufgenommen,  sowie  andererseits 
den  reichen,  geistigen  imd  auch  materiellen  Segen,   den   sie 


1)  Ausführlicher,  als  es  hier  geschehen  konnte,  ist  der  aus  die- 
sen Sammlungen  zu  entnehmende  historische  Gewinn  in  Bezug  auf 
einzelne  Punkte,  z.  B.  den  Bauernkrieg,  dargelegt  von  G.Meyer  von 
Knonau  in  der  Abhandlung:  Aus  der  schweizerischen  Geschichte 
zur  Zeit  der  Reformation  und  Gegenreformation.  Historische  Zeit- 
schrift 1878,  I.  Vgl.  auch  Literar.  Centralbl.  1876,  Nr.  4;  1878,  Nr.  9. 
Theologische  Literaturzeitung  1878,  Nr.  23. 

2)  Mörikofer  starb  1877.  Die  schweizerische  Kirchengeschichte 
verdankt  ihm  neben  diesem  seinem  letzten  Werke,  welches  1878  auch 
in  einer  französischen  Uebersetzimg  (von  Roux)  erschienen  ist  (Paris, 
Sandoz  et  Fischbacher),  die  Biographien  Zwingli's  (2  Bde.,  Leipzig 
1867 — 1869;  die  beste,  die  wir  überhaupt  über  den  Reformator  be- 
sitzen) und  Breitinger's  (Leipzig  1873),  femer  eine  grade  die  religiöse 
Seite  besonders  glücklich  behandelnde  Geschieht«  der  schweizerischen 
Literatur  im  18.  Jahrh.  (1861)  und  „Bilder  aus  dem  kirchlichen  Leben 
der  Schweiz"  (1864). 


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J 


656  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN.    BTAEHBLIK; 

durdi  diese  Aufiiahme  über  ihre  Kirche  xuid  ihr  Land  ge- 
bracht haben;  und  es  tut  wohl;  nachdem  mui  durch  jene 
politischen  Acten  so  vielfach  an  die  schnöde  Abhängigkeit 
vom  Ausland  erinnert  worden  ist;  in  welche  die  Schweis 
durch  ihre  fremden  Bündnisse  und  PcMon^i  «ich  hineinbe- 
geben hat  und  in  welche  auch  die  reformirten  Kantone  aflen 
Bemühungen  und  Mahnungen  ihres  Reformators  zum  Trote 
fiich  wieder  haben  hinrinziehen  lassen;  hier  auf  dem  G^ebiel 
der  Kirche  und  der  christlichen  Bnideriiebe  sie  wieder  tni 
imd  selbständig  und  gebend  statt  nehmend  anzutreffsn  und 
auch  in  den  Zeiten  der  starrsten  dogmatischen  AbschlieBsiiDg 
^egen  fremde  Einwirkungen  auf  diesem  Gebiete  evai^^dräcfaer 
Gemeinschaft  xmd  Hülfeleistung  die  Herzen  und  die  Hände 
niemals  gegen  die  Glaubensgenossen  sich  zuschüessen  sa 
sehen.  Der  Reformationszeit  selbst  konnte  bei  der  um&ssan- 
den  Anlage  des  Buches  nur  dn  verhiltnifimässig  kleiner 
Raum  gestattet  werden ');  und  so  lassen  auch  die  ihr  gewid- 
meten Abschnitte;  so  lehrreich  sie  sind;  doch  in  Bezug  auf 
Vollständigkeit  Mandies  zu  wünschen  übrig;  namentiicli 
hätten  die  von  Deutschland  Gekommenen  und  die  in  Grsu- 
bündten  Niedergelass^ien  eine  eingehendere  B^rücksiditigui^ 
verdient  —  Von  diesen  Bezi^ungen  nach  aussen  fährt 
Nr.  5;  die  Geschichte  des  Kirchengesangee  von 
Weber,  in  das  innere  Heiligtum  des  dichtenden  Ge- 
mütes und  der  singenden  Gemeinde  hinüber,  indem  sie 
an  der  Hand  der  Gesangbücher  von  der  Reformationszeit 
bis  ziur  Gegenwart  die  eigentümliche  Entwickhmg  desselben 
in  der  deutschen  Schweiz  nach  ihren  va:w5hiedenen;  fast 
durch  die  einzelnen  Jahrhunderte  abgegrenzten  Phasen  ver- 
folgt*). Auch  diese  Arbeit  beschäftigt  sich  also  nur  zum  klei- 
neren Teil  mit  der  Reformationsaeit ;  doch  ist  grade  das,  was 
sie  über  dieses  und  das  weitere  16.  Jahrhundert  berichtet, 


1)  Gradezu  auageschloaBen  ist  das  Reformaüousjahrhandert  in 
dem  für  die  Zeit  von  1685  an  Mörikofer  rielfach  ergänzenden  Bach 
von  Jules  Chavannes:  Lesr^gi^s  firan^s  dans  le  pays  de  Vand 
et  particiiü^rement  k  Vevey  1874.   327  pp. 

2)  Vgl.  Theol.  Lit.-Ztg.  1877,  Nr.  4. 


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GESCH.  DER  BEFORU,  IN  DER  SCHWEIZ  1875—1878.         567 

geeignet  manches  Irrtümliche  in  der  iHsherigen  traditioneUen 
Auffitösnng  dieses  Gegenstandes  zu  bericbt^en^).  Aueh  inner^ 
halb  des  schweizerischen  Protestantismus  nehmen  ZwingH 
und  Zürich  mit  ihrer  Sprödigkeit  gegen  den  kirchlichen  Ote-* 
meindegesang  eine  durchaus  isolirte  Stellang  ein;  in  der 
ganzen  nördlichen  Schweiz,  in  Basel,  Schaffhausen,  St.  Gall^i 
fiült  dagegen  seine  Einfuhrong  unmittelbar  mit  dem  An* 
schluss  an  die  Beformation  zusammen,  so  dass  die  Beteiligung 
daran,  „das  Psalm^mng^i^^,  öfters  gradezu  als  das  unter* 
scheidende  Kennzdcben  der  evangelisohen  Gtesinnimg  namhaft 
gemacht  wird.  Auch  der  Inhalt  dieser  geistlicdien  Lied^  ist 
während  des  16.  Jahrhunderts  nodb  kttneswegs  auf  die  bib* 
lischen  Psalmen  beschränkt,  sondern  sdiüesst  auch  zahlreiche 
Lieder  teils  reformirter,  tdls  lutherischer  Dichter,  besonders 
solche  von  Luther  und  Paul  Speratus  in  sich;  erst  im 
17.  Jahrhundert  hört  dieser  unbe£fti^ne  Anschluss  an  die 
deutsche  Schwesterkirche  auf  und  macht  der  einseitigen  und 
ausschliesslichen  Herrschaft  der  Psalmen  und  zwar  nach  der 
Lobwasser'schen  Uebersetzung  Platz  (was  Weber  teils  von 
d^n  Einfluss  der  calvinischen  Kirchea,  noch  mehr  aber  von 
der  Anziehung£i:raft  der  jener  Uebersetzung  beigegebenen 
neuen  vierstimmigen  Mdodien  herleitet),  bis  dann  nadi  wei- 
tereoi  150  Jahren  die  pietistische  und  die  rationalistische 
Strömung  auch  hier  die  Macht  des  Herkommens  bricht, 
neue  Verbindungen  mit  der  lutherischen  Kirche  herstellt  und 
fiir  die  gehaltvollen  und  teilweise  mustergültigen  Sammlungen 
der  G^enwart  Baum  schafft.  Dass  dabei  der  Verfasser,  als 
müsse  er  dem  in  Bezug  auf  das  Kirchenlied  selbst  von  ihm 
gtibcklich  üba*wmideDesi  nationalen  Sdbstgeföhl  doch  noch  &n 
Opfer  bringen,  trotzdem  gelegentlich  fiir  die  autochthone 
Entstehung  des  schweizerischen  Protestantismus  einsteht,  ist 


^)  Aach  die  dritte  Auflage  von  Kocb's  Getcbicbte  des  Kirefaen- 
liades  mit  ihren  gnaie  für  dba  hier  in  Frage  stehende  Gebiet  ee  be- 
deutenden BeiielM^gui^n  sowie  die  lehrreiche  Ifonographie  von 
Riggenbach  über  den  Kireheagesaiig  in  Baeel  (1970)  ist  noefa 
k^neswQgs  fitr  alle  neuesten  Compendien  der  Kirchengeschichte 
verwertet  worden. 

Z«it0clir.  f.  K.-o.  m,  4.  38 


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558  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN.    STAEHELIN, 

eine  Inconsequenz,  die  man   ihm  um   so  leichter  verzeihen 
wird,  als  sie  eben  in  seiner  eigenen  Schrift  schlagend  genug 
widerlegt  ist.    Erwähnt  er  doch  selbst  unmittelbar  nach  sein» 
Behauptmig,  „dass  die  Reformation  in  der  Schweiz  völlig  un- 
abhängig von  Deutschland  entstanden    und    fortgeschritten** 
sei,  wie  die  Begründer  derselben  in  St  Gallen,  Kessler  und 
Burgauer,    ihre    evangelische    Erkenntnis  in  directer  Weise 
Luther  verdankten,  während  fiir  Basel  an  die  dort  so  zahl- 
reich gedruckten  Schriften  Lulher's,    sowie  an  die  deutsche 
Herkunft   fast   aller    reformatorisch  wirkenden  Prediger  zu 
erinnern  ist  und  selbst  flir  Zürich  jene  Behauptung  durch  das^ 
was  Mezger's   demnächst  zu  besprechende  Schrift   über  das 
Verhältnis  der  Züricher  Bibelübersetzung  zu  derjenigen  Lu- 
ther's  ausfuhrt,    bedeutend  eingeschränkt  wird.     Gewicht^ 
Einwendungen  lassen  sich  schliesslich   auch  gegen   die   vom 
Verfasser  versuchte  Motivirung  von  Zwingli's  Abweisung  des 
kirchlichen  Gesanges  erheben;  es  war  gewiss  nicht  nur,  wie 
Weber  im  Anschluss  an  Mörikofer  meint,   der  Widerspruch 
von  Seiten  der  Wiedertäufer,  der  ihn  dazu  gefiihrt ')  hat,  sondern 
seine   ganze  Anschauung   von  dem  Wesen    des  christlichen 
Cultus,  die  nun  einmal  fiir  ein  „darstellendes  Handeln^  und 
eine  liturgische  Feier  keinen   rechten   Raum   hat    und    den 
Begriff  desselben  ganz   in  demjenigen  der  sittlichen  Selbst- 
opferung an  Gott  aufgehen  lässt*). 

Die  letzte  der  hier  zu  nennenden  Schriften,  die  Ge- 
schichte der  deutschen  evangelischen  Bibeltiber- 
setzungen in  der  Schweiz  von  Mezger,  ist  ihrem  all- 
gemeinen Inhalt  nach  von  dem  Referenten  bereits  anderwärts 
besprochen  worden').     Schon  ihr  nächster  Gegenstand,   die 


1)  Vgl.  dagegen  noch  die  Bemerkung  von  Egli  in  der  unten 
anzuführenden  Schrift  über  die  Züricher  Wiedertäufer,  S.  104. 

*)  Vgl.  Zwingli*8  Vorrede  zu  der  „Action  des  Nachtmahb'*  sowie 
seine  Aeusserung  im  Comm.  de  vera  et  falsa  religione,  dass  „unsre 
Cerimonien  in  dem  Streben  nach  der  Wahrheit  und  Unschuld  und 
der  Aufopferung  für  die  Brüder  Jbestehen"  (Werke  n,  2.  S.  233; 
m,  287).  Auch  die  Stellung  der  helyetischen  Confession  zum  Kirchen- 
gesang (cap.  23)  wäre  zu  berühren  gewesen. 

*)  Theol.  Literaturzeitung  1877,  Nr.  9.  Vgl.  Jenaer  literaturz. 
1877,  Nr.  8.     Studien  und  Kritiken  1878,  m. 


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GESCH.  DER  REFORM.  IN  DEB  SCHWEIZ   1875—1878.  559 

Schilderung  der  verschiedenen  von  der  Reformationszeit  an 
in  der  Schweiz  gedruckten  deutschen  Bibelübersetzungen,  der 
Art  ihrer  Verbreitung  und  besonders  der  Entstehung  einer 
eigenen  Züricher  Uebersetzung  ist  ein  Stück  Reformations- 
und  Kirchengeschichte ;  flir  welches  dem  Verfasser  um  so 
grösserer  Dank  gebürt,  ak  derselbe  bei  dem  Mangel  an  ge- 
nügenden Vorarbeiten  fast  auf  dem  ganzen  Gebiete  auf  seine 
eigene  Forschimg  angewiesen  war.  Wie  es  vor  kurzem  in 
dieser  Zeitschrift  in  Bezug  auf  die  Niederlande  hervorgehoben 
wurde  *),  so  ist  es  auch  in  der  Schweiz  die  von  Luther  über- 
setzte heilige  Schrift  Neuen  Testamentes  gewesen,  die  in  ihrer 
erstaunlich  raschen  Verbreitung  wirksamer  als  alles  andere 
die  Autorität  der  Hierarchie  untergraben  und  die  Refor- 
mation zum  Siege  gefuhrt  hat.  In  Basel  wird  sie  vom  De- 
cember  1522,  wo  der  erste  Nachdruck  erschien,  bis  Ende 
1523  in  sieben,  1524  und  1525  wieder  in  fUnf  Ausgaben 
abgedruckt,  in  Zürich  während  des  Jahres  1524  drei  Mal. 
Auch  an  dem  letzteren  Orte  ist  die  Uebereinstimmung  mit 
Liuther  anfangs  noch  eine  fast  vollständige,  und  so  ist  es  hin- 
sichtlich des  Neuen  Testamentes  auch  bis  1629  geblieben, 
80  dass  von  einer  besonderen  Züricher  Uebersetzimg  immer 
nur  in  beschränktem  Sinne  die  Rede  sein  kann;  wohl  aber 
begLont  mit  der  Herausgabe  des  Alten  Testamentes,  nament- 
lich seiner  poetischen  imd  prophetischen  Schriften  1529,  die 
selbständige  Stellimg  jener  Earche  gegenüber  dem  lutherischen 
Text  und  es  ist  eines  der  Hauptverdienste  dieser  Schrift, 
dieselbe  nach  ihren  Motiven  wie  nach  ihrer  weiteren  Ent- 
wicklung gründlich  und  erschöpfend  erörtert  zu  haben.  Da- 
bei ist  die  Untersuchung  überall  von  der  Erkenntnis  ge- 
tragen, dass  auch  diese  bibelgeschichtliche  Entwicklung  nur 
als  Teil  der  grossen  reformatorischen  Gesammtarbeit  recht 
verstanden  und  gewürdigt  wird;  es  ist  die  ganze  Geschichte 
der  Reformation  imd  des  eigentümlichen  kirchlichen  Lebens  der 
Schweiz,  in  welche  der  Verfasser  mit  jenen  Specialunter- 
suchungen hineinftihrt,  so  dass  das  Werk  auch  in  dieser  Be- 
ziehung, als  Darstellung  der  Entstehung  und  Entwicklung 


I)  S.  Bd.  n,  548. 

88* 


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560  KBinSCHE  ÜBEBfflCHTEN. 

der  schwcdzerischen  reformirten  Eärefae  überhaupt^  willkommfai 
2311  heiasen  ist  und  unter  «llen  yoriianden«i  vielMcht  am 
liesten  noch  das  ersetzt^  was  oben  als  dringendes  Desideratom 
för  die  sdiweizeriBehe  Reformationsgeochichte  geltend  gemadtt 
werden  musste. 

II.  Die  Werke  localgeedüchtiichen  und  biographlsclieii 

Inhalts. 

A.  Devtsolie  Seliweii. 

1^  SQbBUEaenoaiiii»  Pie  Zürcher  Kirche  ipon  der  Befonaation  bis  ram 
dritten  Befonoationsjubiläum  (1519  — 1819)  nach  der  Reihenfolge 
djßr  Zürcherischen  Antistes  geschildert.    Zürich  1878.    (414  S.    8.) 

2.  ISgUt  Die  2iüricher  Wiedertäufer  zur  Reformationszeit.  Nach  den 
Quellen  des  Staatsarchivs  dargestellt.    Zürich  1878.    (104  S.    8.) 

5.  Joachim  von  Watt  (Vadian),  Deutsche  historische  Schriften.  Auf 
Veranstaltung  des  historischen  Vereins  des  Kantons  St.  Grallen 
beraosgegebeo  von  Emil  Götzinger.  I.  Bd.  (1.  u.  2.  Hälfte): 
Ctirenik  der  Aehto  des  Kloster«  ^9m  St  GaUen.  St.  Gallen  1875 
u.  1877.    (563,  XCm  u.  4ß5  a    gr.  8.) 

4.  B.  mggenbaoh«  Das  Chronikon  des  Conrad  PeUikan.  Zur  vierten 
Sficularfeier  der  Universität  Tübmgen.  Basel  1877.  (XLH  und 
198  S.  8.) 

6.  Heinrich  Boos,  Thomas  und  Felix  Platter.  Zur  Sittengeschichte 
des  XVI.  Jahrfiunderts.    Leipzig  1878.    (XIV  u.  872  S.  8.) 

6.  Jakob  Baohtold,  Niclaus  Manuel  (Bibliothek  älterer  Schriftwerke 
der  deutschen  Schweiz,  11.  Bd.).  f^ueofbld  1878.  (QCXXIII  omd 
467  S.  8.) 
7^  ^  .^  Häuft  Salat,  ejn  Sehweizeriseher  Chroniflik  und  Diehter  aus  der 
enrten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts.  Sein  Leben  und  seine  Sohxif'* 
mn.    Basel  1876.    (XH  u.  308  S-   8.) 

Auch  hier  hai  die  literarische  Chronik  neben  einzelnen 
Ueinearen  Specialarbeiten  sich  Toarwiegend  mit  Werken  repn»^ 
dnckenden  Inhalts  au  bes^äfiigen^  währeid  gröesere  Bi^ 
gvtfldesi  und  zosammaohängende  DarsteUn&gen  fast  ganai 
febkn.  Das  Weik  Zimaiermaiin'fi^  weldieB  tha  allen  am 
efafiiian  nater  diesen  letzteren  Oesiohtspimkt  zu  steün  ist 
—  es  enthäU  die  Biograplii^i  der  Züricher  AnüsAeB  in  ebrono^ 
logpaobßt  Foigß,  aber  sO;  dass  sie  durch  £0  IfitberücksiditL- 
gung  auch  der  sonstigen  kirchlich  bedeutenden  P^^^^aüdi- 
kdten    zu    einer   Gesammtgeschichte    der   Züricher   Kirche 


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GESCH.  DER  BEFORH.  IN  DER  SCHWEIZ   lt7&— 1878.  561 

erweitert  smd  —  geht  grade  über  den  Zeitrftum  der  Refor- 
matiou  absichüiclii  kurz  hmweg  und  hat  mehr  für  die  ihr 
folgenden  Zeiten  als  selbständige  historische  Arbeit  seine  Be- 
deutung *).  Für  die  Geschichte  der  Reformation  wertvoller 
und  manches  Neue  bietend  ist  die  Schrift  Egli's  über  die 
Wiedertäufer  in  Zürich,  deren  Verfesser  schon  firüher 
durch  seine  Monographie  über  die  dehlacbt  bei  Kappel  ^ 
sich  mn  dieselbe  verdient  gemacht  hat  Für  ihre  Beurteüui^ 
nrass  allerdings  die  bestimmte  Beschränkung,  die  sie  sich 
laut  ihrem  Titel  gezc^en  hat,  berücksichtigt  werden:  sie  will 
nicht  eine  Geschichte  des  schweizerischen  Anabaptismus  über^ 
haupt  sein,  nicht  einmal  so  weit  sieh  derselbe  in  den  Grenzen 
von  Zürich  hielt,  sondern  hauptsächlich  die  Urkunden  des 
Züricher  Staatsarchivs  zur  Kenntnis  seiner  Entstehung  und 
seines  Verlaufs  verwerten,  und  in  der  Tat  ist  das  aus  ihnen 
gewonnene  Bild  anschaulich  und  eigentümlich  genug,  um 
eine  scdche  Beschränkung  vollkommen  zu  rechtfertigen.  Der 
Verfasser  glaubt  in  der  anabaptistischen  Bew^^ung  in  Zürich 
zwei  Stadien  unterscheiden  zu  können;  ein  a-stes,  zu  wel- 
chem die  Impulse  ledigUch  in  der  von  ZwingH  ausgegange- 
nen Reformation  selbst  zu  suchen  seien,  indem  aus  ihren 
Anhängern  sieh  eine  ursprünglich  Zwingli  durdiaus  ei^bene^ 
aber  zur  radicalen  Durchführung  seiner  Ideen  entschlossene 
Partei  bildete,  die  zunächst  noch  ohne  anabaptistische  Ten- 
denzen einfach  die  Reinigung  der  Kirche  von  Bildern  und 
Messe,  die  Freigebung  des  Kdches  und  die  Herstellung  einer 
auf  persönliche  Wiedergeburt  gegründeten  Gemeinde  sowie 
eines  dem  Evangelium  entsprechenden  neuen  Gesellsehafts^ 
znstandes  anstrebte  und  erst,  als  Zwingli  ihnen  hierzu  nicht  die 
Haad  bieten  woDte,^  zur  Bildung  einer  Sonderkir che  «nd  zuDa 
Anschluss  an  die  täuferische  Bewegung  in  Deutschlland  fort' 


1)  Vgl.  TheoL  Literaturzeitmig  1878,  Nr.  15. 

>)  Zürich  1873.  Ueber  diese  Arbeit  vgl.  Theolog.  Literaturztg^ 
1878,  Nr.  9.  Auch  die  dort  vom  Verfasser  in  Aussicht  gestellte 
„Actensammlung  zur  Geschichte  der  Züricher  Reformation"  ist  im 
Erscheinen  begriffen  (erste  Hälfte  S.  1 — 448)  und  soll  im  Laufe  des 
Jahres  1879  vollständig  werden. 


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562  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN.   STAEHELIN, 

schritt;  und  die  deshalb  auch  wieder  sich  auflöste ^  als  mit 
der  Einflihrung  einer  evangelischen  Abendmahlsfeier  und  einer 
christlichen  Sittenzucht   im  Frühjahr  1625  ihre  wesentlichen 
ursprünglichen  Forderungen  erfüllt  waren,  —  imd  ein  zweites, 
das  an  den  revolutionären  Tendenzen  des  Bauernkrieges  Teil 
nahm  imd  erst  dadurch  die   evangelische  Regierung  zu  den 
bekannten    gewaltsamen    Unterdrückungsmassregeln     veran- 
lasste.    Manche  Zeugnisse,  imter  andern  die  Verschiedenheit 
des   Ortes,  an  welchem   die  Bewegung  anfangs  und   später 
stattfand,  machen  in  der  Tat  diese  Unterscheidung  sehr  wahr- 
scheinlich;  auch  die   strengeren  Strafen  fallen  sämmtlich  in 
die  spätere  Zeit  und  sind  also,  was  fiir  die  Beurteilung  der 
schweizerischen  Reformationskirchen  in  dieser  Beziehung  über- 
haupt beachtenswert  ist,    erst   angewandt    worden,    als    der 
wiedertäuferische  Separatismus   durch  jene   Verbindung   mit 
dem   Bauernkrieg  zu    einer    revolutionären  Partei    und    die 
Wiedertaufe  nach  dem  ausdrücklichen  Bekenntnis  ihrer  An- 
hänger zum  Angrifismittel  gegen  die  Obrigkeit  geworden  war 
(vgl.  S.  51.  65.  93).     Aber  es  geht  doch  aus  den  vom  Ver- 
fasser selbst  beigebrachten  Angaben  deutlich  hervor,  dass  die 
xmterscheidenden  Merkmale  der  anabaptistischen  Sectenbildung, 
die  Hervorstellimg  der  äussern,  socialen  Ziele  vor  den  ethisch- 
religiösen und  die  Hingabe  an  enthusiastische  Zustände,  schon 
von  Anfang  an  in   der  Partei  hervorgetreten  sind  imd  die- 
selbe also  doch  nicht  so  ganz  als  ein  wenn  auch  verwildertes 
Schoss  aus  der  reformatorischen  Pflanzung  darf  angesehen 
werden.     Auch  die  sittlich  wie  ökonomisch  verlotterte  Ver- 
gangenheit ihres  bedeutendsten  Führers,  Konrad  Grebel,  hätte 
nicht    ganz    mit  Stillschweigen    übergangen    werden    sollen. 
Am  Schluss  bespricht  der  Verfasser  noch  die  Rückwirkung, 
welche  die  täuferische  Krisis  auf  die  Entwicklung  der  Kirche 
gehabt  hat;    sowohl  diese   als   andere   Ausführungen,  z.  B. 
die  Mitteilung  einer  bisher  noch  unbekannten  Schrift  Zwingli's 
gegen  die  Wiedertäufer,  machen  seine  Studie  auch  für  die 
Geschichte  der  kirchlichen  Reformation  und  speciell  Zwingli's 
wertvoll   und  ergänzen  damit  wenigstens  einigermassen   die 
Lücke,  welche  unsere  Berichterstattung  infolge  der  fast  völligen 
Unfruchtbarkeit  dieser  letztvergangenen  Jahre  in  Bezug  auf 


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GESCH.  DER  REFORM.  IN  DER  SCHWEIZ   1875—1878.  563 

^en    schweizerischen  Reformator    selbst    zu  lassen   genötigt 
ist  1). 

Indem  ich  an  die  Beiträge,  welche  die  Reformations- 
geschichte des  mit  Zürich  so  eng  verbundenen  Thurgau 
durch  Gr.  Sulzberger  *)  und  St.  Gallen  durch  E.  öötzin- 

1)  Doch  vgl.  die  Andeutungen  Ritsch Ts  über  Zwingli's  Eigen- 
tümlichkeit und  Charakter  in  dieser  Zeitschr.  II,  17  f.  21  f.,  sowie  den 
Wiederabdruck  von  Schweizer' s  Kritik  der  DarsteUung  Stahl's  in 
der  Schrift :  „  Nach  Rechts  und  nach  Links  "  (1876),  S.  240—269.  Auch 
darf  neben  der  schon  erwähnten  Biographie  von  Mörikofer  noch  auf- 
merksam gemacht  werden  auf  die  kleinere,  aber  gediegene  Schrift  von 
P  i  n  s  1  e  r :  „Ulrich  Zwingli".  Drei  Vorträge,  gehalten  und  herausgegeben 
zu  Gunsten  des  Zwingli-DenknMds."  Zürich  1873.  98  S.  Eine  Unge- 
nauigkeit,  die  sowohl  hier  als  anderwärts  sich  findet,  möge  bei  dieser  Gre- 
legenheit  berichtigt  werden.  Finsler  lässt  Zwingli  „  etwa  zwanzig  Jahre 
alt"  von  Wien  zurückkehren.  Allein  in  der  Baseler  Matrikel  ist  sein 
Name  schon  auf  den  I.Mai  1502  eingeschrieben  („ Udalricus  Zwyngling 
de  Liechtensteig ",  während  der  Name  1504  bei  seiner  Erwerbung  des 
Baccalaureats  Zwinglyn,  1506  bei  derjenigen  der  Magisterwürde  Zwynglin 
lautet) ;  er  war  also  bei  seiner  Abreise  von  Wien  wenig  über  18  Jahre 
alt  und  kann  deshalb  auch  mit  seinem  späteren  Freund  und  Kampf- 
genossen Vadianus  nicht  schon  dort,  wie  aDgemein  angenonmien  wird, 
zusammengetroffen  sein,  da  der  letztere  erst  im  Herbst  1502  in  Wien 
inscribirt  ist  (vgl.  Aschbach,  Gesch.  der  Wiener  Universität,  1877, 
Bd.  n,  S.  393).  —  Schliesslich  sei  noch  eine  Notiz  erwähnt,  die  wir 
im  Anzeiger  für  schweizerische  Geschichte,  Neue  Folge  II,  1876, 
Nr.  1 ,  lesen,  dass  das  Originalexemplar  von  Zwingli's  Comment.  de  vera  et 
falsa  rel.  mit  mehrfachen  Abweichungen  vom  gedruckten  Text  in  Paris 
aufgefunden  worden  sei.  Ueber  Zwingli's  Nachfolger  in  Zürich, 
H.  Bullinger,  liegen,  wenn  auch  keine  selbständigen  neuen  Arbei- 
ten, doch  zwei  gehaltvolle  biographische  Artikel  vor  von  Heer  in 
Herzog's  Real-Encyklopädie,  2.  Aufl.,  und  von  Mörikofer  in  der 
Allgem.  deutschen  Biogr.,  während  derjenige  in  Lichtenberger's  Ency- 
clop^e  des  sciences  religieuses  unbedeutend  und  durch  unverzeihliche 
Druckfehler  entstellt  ist.  Die  Schrift  von  Oehninger  über  seine 
dogmatisch  wie  kirchengeschichtlich  bedeutendste  Schrift,  die  (2.)  hel- 
vetische Confession,  („Die  helvetische  Confession.  Ein  Gung  durch 
das  Glaubensbekenntnis  der  reformirten  Kirche.  Augsburg  1878", 
128  S.)  ist  ausschliesslich  dogmatischer  Art  und  hat  mehr  für  die  Ge- 
schichte unserer  Zeit  als  für  die  des  Reformationszeitalters  Wert. 

>)  Gesch.  der  Gegenreformation  in  der  Landgrafschaft  Thurgau. 
Thurgauische  Beiträge  zur  vaterländischen  Geschichte  XIV,  1874; 
XV,  1875.  Die  Verhandlungen  der  Synode  von  Frauenfeld  1529  und 
1530;  a.  a.  0.  XVH,  1877;  XVIH,  1878. 


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564  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN.   STAEHELIN; 

ger^)  erhalten  hat,    nur  im  Vorübergdien  rnnfiere^    wende 
ich  mich  dem  Denkmal  zu,  welches  St.  Gallen  seinem  grossen 
Reformator  und  Staatsmann  Joachim  v.  Watt  durch  die  Her- 
ao^abe  seines  bedeutendsten  Geschichtswerkes,  der  Chronik 
der  Aebte  von  St.  Gallen,  gesetzt  hat  und  welches  neben. 
der  von   dem  gleichen  Herausgeber   früher   veröffentlichtezi^ 
in  ihrer  Verbindung  von  treuherziger  Naivetät  und  echt  hi- 
storischem  Sinn   so  unvergleichUeh  ansprechenden  Reforma- 
tionschronik seines  Freundes  Kessler  *)    unter   den    in    den 
letzten  Jahren  ans  Licht  gezogenen  Documenten  der  Refor- 
mationszeit unstreitig  die  erste  Stelle  einnimmt  ').     Schon  ak 
eines  der  frühesten  und  zugleich  gereiftesten  Producte  ^n^ 
neuen,  durch   den  Protestantismus  angeregten   urkundlichen 
Qeschichtschreibung  verdient  das  Werk  beachtet  zu  werden: 
man  erstaunt  über  die  Sicherheit,  mit  welcher  der  Verfiisser 
sowohl  in  den  Anßüigen  wie  in  der  spätem  Entwicklung  des 
Klosters  das  Tatsächliche  aus  der  traditionellen  Darstellung 
hi^*aushebt,  sowie  andrerseits  über  die  Klarheit  und  die  mn- 
fsÄsende   Weite,    in   welcher   die   allgemeine  Geschichte  der 
Kjrche  und  des  Reiches  namentlich  im  Mittelalter  ihm  gegen- 


1)  Die  Reformation  der  Stadt  Wyl.  Mitteilungen  zur  vater- 
ändischen  Geschichte.  Herausgegeben  vom  historischen  Verein  in 
St.  Gallen,  Bd.  XIV,  1872. 

s)  Johannes  Kessler's  Sabbata.  Chronik  der  Jahre  152S 
bis  1639.  Herausgegeben  von  Dr. E.GÖtzinger.  2Bde^  St.  Grallen 
1866.  1868.  (Mitteilungen  zur  vaterländischen  Geschichte  Bd,  V — ^X, 
388  und  624  S.  8.)  Vgl.  dazu:  Götzinger,  Die  Chroniken  des 
Hermann  Miles  und  Johann  Kessler,  Mitteilungen,  Bd.  XIV,  1872, 
S.  103—140. 

8)  Vgl.  Götzinger,  Joachim!  Vadiani  vita  per  J.  Eessleniim 
conscripta  (1865),  und  Joachim  v.  Watt  als  Geschichtsohreiber.  St. 
Gauen,  Neujahrsblatt  1873,  4.  Meyer  von  Knonau,  Der  St.  Galler 
Humanist  Vadian  als  Geschichtschreiber.  Schriften  des  Vereins  ßSat 
Geschichte  des  Bodensees  IX.  Ueber  Vadian  als  Humanisten :  t.  A  s  c h- 
bach,  Geschichte  der  Universität  Wien  1877,  Bd,  11,  8.  393—409; 
über  seine  fUheren  Beziehungen  zu  Luther  die  Andeutung  bei  K  rafft, 
Briefe  und  Documente  aus  der  Zeit  der  Reformation  1876>  S.  29. 
(Vor  dem  zweiten  auf  Vadian  bezüglichen  Brief  dieser  Samoaüung  S.  736 
ist  statt  St.  Gallen  Wien  zu  lesen). 


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GESCH.  DEB  REFOBH.  IN  DER  SCHWEIZ   1875-1878.  ^fö 

-wärtig  ist  und  Trelche  es  ihm  ermöglichte^  übaralL  das  Eui- 
zehie  mit  dem  Allgemeinen  zu  verbinden  und  in  der  G^ 
schichte  der  £kitartung  jenes  Klosters  zugleich  die  allmählidie 
Verwehlichung  der  gesammten  Kirche  zu  schüdem.  Aber 
dadurch  Trird  nun  auch  diese  Chronik  der  Aebte^  begonnen 
eben  zu  der  Zeit;  als  unier  Vadian's  eigener  Führung  die 
Stadt  St.  Qallai  das  Klost^  aufhob  und  sdne  Hoheitsrechte 
an  sich  zog;  zu  einer  Schutzscfarifl;  welche  die  aus  den  ur^ 
sprünglichen  Quellen  wieder  entdeckte  Vergangenheit  unmittd^ 
bar  auch  der  Gegenwart  als  Rechtfertigung  zugute  konuncn 
lässt  und  zdgiy  wie  eben  dieses  durch  die  £e£[>rmation  zur 
Qdtung  gekommene  Verhältnis  der  welüichen  zur  geistiidien 
Macht;  die  von  ihr  vertretene  Anschauung  vom  Wesen  der 
geistlichen  Vollkommenheit  in  den  Anfängen  der  Kirche  gleidir 
iaü»  als  allein  gültig  sich  nachweisen  lassen;  ja  sie  wird 
«a  einer  der  bedeutendsten  geschichtHchen  Bechtfertigung»- 
schrifien;  welche  überhaupt  die  Reformation  m  jener  Zeit  ihrer 
Entst^ung  außsuweisen  hat;  der  Herausgeber  nennt  sie  m 
^seiner  trefflichen;  dem  zweitwi  Bande  vorangehenden  Eiideitung 
;;  wohl  die  bedeutendste  historische  Parteischrift  der  deutschen 
und  schweizerischen  Reformation".  Die  in  der  Darstelluag 
<5fliers  ausgesprochene  Erwartung;  dass  das  Stra%ericht  für 
die  abgefallene  Kirche  vor  der  Türe  stehe;  sollte  sich  de« 
Verfasser  freUieh  nur  in  beschränkter  Weise  erfiülen;  der 
unglücklidie  zweite  Kappeier  Friede,  bei  dessen  Kunde  Va- 
dian  nach  dem  Bericht  KessWs  ;;in  schwere  Ejrankheit  ge- 
fallen und  mit  lauter  Stimme  klagender  Weise  gesprochen: 
0  eine  fipomme  Gemeinde  St.  Gallen!";  gab  dem  Abt  sowohl 
das  Kloster  als  auch  dessen  Hoheitsrechte  zurück;  und  Va- 
dian  musste  selbst  als  Bürgermeister  seiner  Stadt  diese 
Vereinbarung  ins  Werk  setzen;  so  ist  unter  dem  Druck 
dieser  späteren  Lage  grade  dieses  sein  historisches  Haupt- 
werk unveröffentlicht  geblieben;  währ^d  kleinere  und 
auch  inhaltlich  unbedeutendere  dogmatische  ControvOTS- 
schriften  noch  mehrfach  von  ihm  erschienen.  TVotzdem 
hat  er  aus  eigenem  Bedürfiiis  die  Arbeit  daran  bis  &st 
zu  seinem  Tode  forigesetzt  und  auf  Grund  dieser  fort- 
gesetzten Forschung   der   im   Jahre  1631    voll^ideten  aus- 


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566 

fiihrlichen  Chronik  noch  1545    eine    zweite,    kleinere,    aber 
selbständig  gearbeitete  an  die  Seite  gestellt,  eingeleitet  durch 
eine  höchst  interessante  Unterguchnng  über  die   ersten  An- 
fänge   des    Mönchtoms    und    die    Entstehung   des    Klosters 
St.  Gkllen,  wie  sie  ihm  durch  die  seit  der  zeitweiligen  Auf- 
hebung des  Klosters  in  seinen  Händen  gebliebenen  Urkunden, 
sowie  durch  seine  sonstige  ausgebreitete  Belesenheit  mehr  als 
jedem    andern   seiner    Zeitgenossen  möglich  war,    und    wie 
sie  in  der  Tat,  was  die  Methode    imd   die   Ergebnisse    be- 
trifft, von    keinem    derselben  erreicht  worden  ist     In  ihren 
letzten  Abschnitten  wird  diese  spätere,   sogenannte   klein^^ 
Chronik,  da  sie  bis  zum  Jahr  1530  reicht,  zu  einer  kurzen 
Reformationsgeschichte  von  St  Gallen,  so  dass  sie  also  noch 
unmittelbar   für  diese  selbst  eine  durch  die  Stellung   ihres 
Verfassers  noch   erhöhte  Bedeutung   gewinnt     Der  Heraus- 
geber  hat    beide  Chroniken    in  geschickter  Nebeneinander- 
stellung vollständig  mitgeteilt;  er  macht  darauf  aufin^ksam, 
wie  in  der  älteren  noch  die  alamannische,  in  der  späteren  be- 
reits die  von  Luther  angenommene  canzleideutsche  Schreib- 
weise angewandt  ist  —  ein   neuer   Beleg  für  den  RinflniM^ 
den  Luther  auch   auf  diese  Zwingli'schen  Gebiete  ausgeübt 
und  den  übrigens  Vadian  auch  in  seinen  dogmatischen  Schrif- 
ten aufs  bereitwilligste  anerkannt  hat  *). 

Den  Uebergang  von  diesem  östlichen,  um  Zürich  sich 
sammehiden  Reformationsgebiet  nach  dem  in  seiner  kirchlichen 
Neugestaltung  selbständigeren  Westen  bilden  die  beiden 
Selbstbiographien  des  älteren  Platt  er  und  Pelli  kan'  s  (Nr.  4 
imd  5),  deren  Erzählimg  abwechselnd  bald  zu  diesem  bald 
zu  jenem  Teil  des  Reformationsschauplatzes  hinfuhrt  und 
dadurch  sowohl  für  die  Geschichte  der  von  ihr  berührten 
Orte,  namentlich  *Zürichs  und  Basels,  manchen  sonst  luibe- 


1)  Der  Reformationsgeschichte  von  Graubündten  gehört  we- 
nigstens als  Humanist  und  Schulmann  in  seinen  späteren  Jahren  der 
durch  Luther's  ungestümen  Angriff  bekannte  Simon  Lemnius  an, 
dessen  episches  Gredicht  über  den  schweizerisch  -  deutschen  Krieg  von 
1499  verbunden  mit  einer  biographischen  Einleitung  herausgegeben 
worden  ist  von  Placidus  Plattner:  Die  Raeteis  von  Simon  Lem- 
nius.   Chur  1874.    XXXIV  u.  176  S. 


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GESCH.  DER  REFORM.  IN  DER  SCHWEIZ   1876—1878.  567 

kannten  Zug  in  sich  schliesst,  als  auch  im  allgemeinen  den 
lebhaften  persönlichen  Verkehr  uns  vergegenwärtigt,  der 
zwischen  diesen  einzelnen  Kantonen  bestanden  imd  ihrer 
gegenseitigen  Einwirkung  auf  einander  Förderung  getan 
hat  Als  allgemeines  Culturbild  steht  das  Leben  des  Tho- 
mas Platter  ^) ,  als  Beitrag  fiir  die  Eeformationsgeschichte 
im  engeren  Sinne  dasjenige  Pellikan's  voran.  Anspruchslos 
und  mit  einer  liebenswürdigen,  freilich  bisweilen' auch  über  das 
Anständige  hinausgehenden  Offenheit  erzählt  dort  der  Vater 
seinem  Sohne,  wie  er  sich  vom  armen  Ziegenhirten  in  Wallis  *) 
durch  die  mannigfaltigsten  Schicksale  hindurch  zum  gelehrten 
Humanisten,  Buchdrucker  imd  Schulrector  in  Basel  emporge- 
arbeitet hat,  wobei  neben  der  allgemeinen  Sittenschilderung  na- 
mentlich die  Berichte  über  seine  Bacchantenfahrten  in  Deutsch- 
land und  seinen  Verkehr  mit  den  Züricher  Reformatoren  refor- 
mationsgeschichtliches Interesse  haben.  Freilich  lässt  die  Er- 
zählung daneben  andere  Wünsche,  die  man  ihr  entgegenbringt, 
trotz  ihrer  Redseligkeit  unbefriedigt;  wie  willkommen  wäre  z.  B. 
«tatt  so  mancher  unbedeutender  Anekdoten  eine  Notiz  über 
Calvin,  dessen  Institutio  zuerst  aus  der  von  Platter  betriebenen 
Druckerei  hervorgegangen  ist  imd  dessen  Erwähnung  doch 
dem  im  Jahre  1572  auf  sein  Leben  Zurückblickenden  wohl 
nicht  allzufeme  gelegen  haben  sollte.  —  Noch  unmittelbarer  fiihrt 
das  Chronicon  Pellikan's,  welches  von  dem  Herausgeber  im 
Gegensatz  zu  dem  nackten  Abdruck  des  Platerschen  Manu- 
scriptes  mit  zahlreichen  dankenswerten  Anmerkungen  und 
einer  biographischen  Einleitung  ausgestattet  ist,  in  die  Be- 
wegungen der  Reformationsgeschichte  selbst  hinein;  wiederum 


1)  Von  der  früheren  Ausgabe  der  beiden  Platter  von  Fechter 
(Basel  1840)  unterscheidet  sich  die  vorliegende  bloss  durch  grössere 
(Grenauigkeit  in  der  Wiedergabe  der  sprachlichen  Eigentümlichkeiten; 
auch  sind  die  geschichtlich  wichtigsten  Partien  bereits  durch  G.  Frey- 
tag^sBilder  aus  der  deutschen  Vergangenheit  weiter  bekannt  gemacht 
worden.  Die  unglücklichen  CJonjecturen  zu  den  lateinischen  Citaten 
S.  51  und  278  wären  besser  weggeblieben. 

8)  Vgl.  über  die  antikatholischen  Bewegungen  dieses  Rantons 
Hidber,  Kampf  der  Walliser  gegen  ihre  Bischöfe,  im  Archiv  des 
historischen  Vereins  des  Kantons  Bern,  Bd.  VIII,  1875. 


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MS  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN.   STAEHEUN^ 

ab  Erzählung  des  Vaters  «a  seinen  Sobn  schildert  der  Ver- 
fEtsser  darin  seine  LebensschickBale  und  seine  Stadien,  derea. 
epochemachende  Bedeutung  fUr  die  l^räkche  Spraehwiasen- 
8<diaft  ja  allgemein  bekannt  kt^  bescheiden  und  treahenog 
aber  auch  weitläufig  und  in  schwer&lliger  Spache,  d^^en 
Härte  und  Ungelenkheit  nicht  noch  durch  die  zi^lreidwo 
im  Druck  hinzugekommenen  Fehler  der  InterpuncticMi  xmi 
Orthographie  T^ünehrt  sein  sollte.  Neben  der  Schild«nzng 
der  auf  die  hebräische  Ghranmiatik  und  SpraehkenntniB  ▼er- 
wandten müheyx^en  Arbeiten  *)  werden  besonders  die  Wirk- 
samkeit und  die  Reisen  PeUikan's  im  Dienst  des  Barftiaser- 
ordenS;  sowie  seine  Beteiligung  an  den  ersten  reformiitor}- 
schen  Bewegungen  in  Basel  das  Interesse  auf  aicb  lenken,  in 
letzterer  Beziehung  als  Ergänzung  zu  der  neuen  Grundlage^ 
welche  die  Geschichte  dieser  Bader  Reformation  durch  dit 
Veröfientlichung  der  gleichzeitigen  Chroniken  vonFridoJin 
Ryff  und  Georg  Carpentarius  erhalten  hat*).  Ifit 
seiner  Uebersiedelung  nach  Zürich  im  Februar  1526  treten 
diese  Beziehungen  seines  Lebens  zur  reformatoriBchen  Se> 
wegung  wieder  zurück  oder  concentriren  sich  wenigstens  auf 
diejenige  Tätigkeit^  die  ihm  von  nun  an  in  Zftrich  so»- 
schliesslich  anvertraut  ist;  die  Interpretation  des  Alten  Testa- 
ments ;  die  Biographie  Aihrt  aus  der  grossen  reformatoriscben 
Strömung   heraus   in    die    stillen    Arbeiten    und  in   die  be- 


1)  Vgl.  darüber  auch  L.Geiger,  Jahrbücher  für  deutsche  Hieo- 
logie  1876. 

s)  Baseler  Chroniken,  im  Auftrag  der  historischen  CreseDsdk&ft 
von  Basel,  herausgegeben  von  W.  Vischer  und  Alfred  Stern, 
Bd.  I,  Leipzig  1872.  Eine  andere,  auf  die  Baseler  Reformation  be- 
zügliche Schrift  von  J.  Bonnet:  La  fsunille  de  Curioni,  Bäle  1878 
(79  p.),  ist  nichts  als  der  wörtliche  Abdruck  eines  von  dem  Verfa^er 
in  den  K^cits  du  seizi^me  si^cle  1864  (p.  243  sqq.)  schon  veröffent- 
lichten Aufsatzes.  Populär  gehalten  ist  der  Au^tz  von  A.  Burck- 
hardt:  Dr.  Johannes  Oekolampadius ,  in  den  Bildern  aus  der  Qe^ 
schichte  Basels,  Bd.  HI,  1879.  lieber  die  Stellung  der  UniversitSt 
und  der  humanistischen  Kreise  zur  Reformation:  A.  Rivier,  Claude 
Chansonnette  [Cantiuncnla]  et  ses  lettres  in^dites,  Bruxelles  1878, 101p. 
Ch.  Schmidt,  Histoire  litt^raire  de  TAlsace  k  la  fin  du  XY«  et  aa 
commencement  du  XVI«  si^e  (Paris  1879,  2  vol.)  I,  193  sq.;  II, 54 sq. 


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GESCH.  D£K  KEFOBM.  IN  DER  SCHWEIZ   1876—1878.  569 

schränkte  Häualidikeit  eines  mit  ganzer  Sele  seinem  Berufe 
lebenden  Lehrers  und  Schriftstellers;  dessen  Bedeutung  dodb 
-wohl  vom  Herausgeber  überschätzt  wird;  weim  seine  exege- 
tischen Leistungen  denjenigen  Bengel's  an  die  Seite  gestellt 
werden;  —  jedaafaUs  lässt  diese  Chronik  mit  ihrer  behag- 
Ijch^i  Weüschweifi^eit  und  ihrem  etwas  vulgären  Latein 
▼on  Ber^erscher  Q^eistesart  wenig  merken  ^). 

Durchaus  eigentümlich  ist  die  Haltung  des  mächti- 
gen umd  für  die  Schicksale  des  Protestantismus  in  der 
deutschen  wie  der  französischen  Schweiz  so  einfiussreichen 
Bern');  bedachtsam  und  mit  der  Entscheidtmg  zurück- 
haltend; aber  nach  derselben  so  kraftvoll  imd  durchgrei- 
fend; das»  aa  sie  der  Sieg  der  Beformation  in  d^  ganzen 
Schweiz  ^knüpft  ist;  in  ihrer  theologiadien  Begründung;  ob- 
gleich der  Bemer  Leutpriester  Thomas  Wjttenbach  während 
seiner  Lehrtätigkeit  in  Basel  die  ersten  Keime  derselben  in 
den  Züricher  Reformatoren  angeregt  hattC;  doch  hauptsäch- 
]kix  Y(m  diesen  letztem  abhängig  und  dagegen  poUtisch  Zü- 
rich gegmüber  wieder  so  selbständig;  dass  ebeu;  indem  es  in 

1)  Vgl  Gföitingefr  GeL  Anz.  1879,  9.  Stück.  Theol.  Lkeratur^ 
aeitimg  1878,  Nr.  2.  Die  1870  erschienene  „fisquisse  biograpbiqae^ 
über  PellikaB  ¥on  F.  Breseh  Bchemt  dem  Hmranwgeber  unbekannt 
geblieben  bb  sem. 

s)  Vgl.  Weidling,  Ursaehen  und  Yeilftaf  der  Bemer  Kireben- 
rfifonn.  Arobiy  dee  bistoc.  Verems  des  Kantons  Bern,  1876,  Bd.  IX; 
S.  1—^6.  Die  BeforM&tionsacten  'werden  gesammelt  in  „Ur- 
kwoden  der  Bemischen  Eircbeojefbrm ,  ans  dem  Staatsarchiv  Berns 
gwammfiltTon  M.  y.  Stürler^  Bd.  I CL520— 1528)  1862;  Bd.U  seit 
1823  in  Zasammeaabang  mit  dem  ArcbiT  des  bistorisehen  Yereins  er- 
sidieiiieiitd.  —  Dae  anf  der  Bibüotbek  befindfieben  Ifannscripte  und 
Briefs,  von  denen  viele  für  die  Baformaticnsgesehicfate  wicbtig  sind; 
sM  verzetebnet  bei  H.  Hagen,  GatatogasCodienmBemensinm  1876, 
LXYI  XL  662S.  Die  anf  die  Besncr  Beformatittn  beanglidien  Artikel 
der  2.  AiaA.  voodl  Heraog's  Real-Eneykiopädk  (Bemer  Dispatation  und 
^nodiM,  ClMBgeciebte)  smd  <£ie  der  ersten  mit  «inigen,  wenigen  an 
die  neuere  literalHr  si(^  aBflcbHesfleaden  Sla^hträgen.  Yennisst  bat 
Ra£Breflii  in  dem  Artikel  „Boner  Sjmodns^  die  ErwSbnnng  der  187d 
zu  Beisel  eiselneneBfin  Ausgabe  desselben  GrDer  Beraar  Sjnodw  vo& 
1532^  11&  &  kL  8>,  dk  sowohl  dmroh  ifaze  Ansafeattung  als  dai«h 
ihp»  Wbblfeilfceit  trefflich  geeignet  ist,  diesem  „  IBUeinod  einer  Eürchen- 
ordBung'^  die  afiinfim  Werfe  entqirecbendB  YerbreitMng  zu  geben. 


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570  KEITISCHE  ÜBERSICHTEN.   STAEHELIN, 

Folge  jener  Entscheidung  ihm  als  Bundesgenosse  an  die 
Seite  tritt;  durch  diese  selbständige  und  zum  Teil  selbstsüch- 
tige Politik  die  kühnen  Plane,  die  Zwingli  für  die  Durch- 
fuhrung der  Keformation  in  der  Eidgenossenschaft  in  ach 
trug,  vereitelt  und  trotz  der  so  weit  überlegenen  Zahl  und 
Macht  ihrer  Anhänger  ihre  Niederlage  herbeigeführt  wird*). 
Die  unter  Nr.  6  an  die  Spitze  gestellte  Schrift  über  Niclaus 
Manuel  enthält  das  Leben  und  die  Werke  eines  Mann^ 
der,  wenn  auch  kein  Theologe,  doch  zu  den  entschiedensten 
und  kraftvollsten  Vorkämpfern  dieser  Reformation  in  Bern  ge- 
zählt werden  muss,  sofern  er  in  seinen  Gemälden  und  noch  mehr 
in  seinen  1522  als  Fastnachtspiele  aufgeführten  dramatischen 
Dichtungen  zuerst  den  offenen  Kampf  ftir  sie  begonnen  und 
später,  nachdem  er  seinen  Beruf  als  Maler  mit  dem  Staats- 
dienst vertauscht  hatte,  im  Rat  der  Heimat  wie  in  den  eid- 


1)  Referent  muss  dieses  Urteil  festhalten  auch   gegenüber  dem 
übrigens    beachtenswerten  Rechtfertigungsversuch   von  Lüthi:   Die 
bernische  Politik   in  den  Kappelerkriegen;    Programm    der    Benier 
Eantonsschule  (Bern  1878,  58  S.  4).    Gewiss  haftet  der  eidgenössischen 
Politik  Zürichs  manche  Ungerechtigkeit  und  Gewalttätigkeit  und  den 
europäischen   Coaütionsplanen   Zwingli's   ausserdem    auch   ein   gutes 
Stück  Tollkühnheit  an,  und  es  war  die  entschiedene  Abweisung  jeg- 
licher Teilnahme   daran   von  Seiten  Berns  ebenso    sehr   ein  Act   der 
Gerechtigkeit    als  der  höheren  politischen  Weisheit;   seine    Apathie 
gegenüber    der  Verfolgung    und   Unterdrückung    der    evangelischen 
Predigt  in  den  gemeinen  Herrschaften  nach  dem  ersten ,   sein  -  wider- 
standsloses  Preisgeben  derselben  nach  dem  zweiten  Kappelerkriege 
sind  damit  doch  noch  lange  nicht  gerechtfertigt,   ebenso   wenig   wie 
jene  Politik  Zwingli's  durch  die  Motivirung  S.  23  erklärt  wird:  „Je 
höher  die  Autorität  Zwingli's  in  Zürich  stieg,  desto  mehr  ärgerte  Ihn 
die  Opposition  der  fünf  Orte;  warum  sollten  die  armen  Länder  nicht 
auch  zu  seinen  Füssen  liegen,  wie  der  reiche  Vorort?"    Wer  „in  der 
Kriegsgefahr  1529",   wohin   es   durch   seine   Ueberschrift  im   ersten 
Druck  datirt  wird,  das  Lied:   „Herr,  nun  heb  den  Wagen  selb  .  .  ." 
dichten  und  in  derjenigen  des  Jahres  1531  so  ergeben  und  glaubens- 
freudig dem  Tod  entgegengehen  konnte,  musste,  wenn  er  auch  in  den 
Mitteln  fehlgegriflfen  hat,  dennoch  als  Ziel  etwas  Höheres  sich  vor- 
gesteckt haben  als  die  Befriedigung  persönlicher  Herrschsucht  und  Eitel- 
keit.   Vgl.  die  treffende  Entgegnung  von  Ziomiennann  (Earchenfreund 
1878,  Nr.  19,  S.  293 ff.;  Nr.  25,  S. 390 ff.),  die  auch  durch  die  Replik 
des  Verfassers  (ebendas.  Nr.  24,  S.  876  ff.)  nicht  hinfällig  gemacht  ist. 


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GESCH.  DER  REFORM.  IN  DER  SCHWEIZ  1875-1878.  671 

genössisclien  Abordnungen  ihre  Interessen  als  einer  ihrer 
einflussreichsten  Fährer  vertreten  hat.  Nicht  mit  Unrecht 
wird  er  vom  Herausgeber  mit  Hütten  verglichen,  nur  dass 
seine  Satire  nicht  wie  die  des  Letztem  die  Schule  des  Hu- 
manismus verrät,  sondern  bei  aller  Grewandtheit  der  dichte- 
rischen Form  ihm  unmittelbar  aus  den  Erfahrungen  imd 
der  Betrachtung  des  wirklichen  Lebens  entflossen  scheint. 
Für  die  Erkenntnis  dessen,  was  dem  Volk  die  Reformation 
war,  dürften  wenig  andere  Schriften  aus  jener  Zeit  so  reiche 
Ausbeute  liefern  wie  diese  Dichtungen  Manuels,  wie  sie 
denn  auch,  nach  der  2^ahl  ihrer  Auflagen  zu  schliessen,  (ür 
ihre  Rechtfertigung  und  Verbreitung  im  Volk  von  grosser 
Bedeutung  gewesen  sein  müssen.  Den  bereits  durch  Grün- 
eisen *)  bekannten  Werken  sind  in  dieser  neuen  Sammlung 
eine  beträchtliche  5^ahl  neu  aufgefundener  beigegeben,  unter 
denen  besonders  „der  Ablasskrämer''  und  „dasBarbeli"  als 
interessante  reformationsgeschichtliche  Documente  hervorzu- 
heben sind;  dagegen  ist  die  von  örüneisen  vorangestellte 
Erzählung  des  Jetzerhandels  mit  Recht  als  Manuel  nicht  an- 
gehörend ausgeschlossen*).  Die  beiden  Einleitungen,  die  bio- 
graphische  von  Bächtold  und  die  kunsthistorische  von 
Vögelin  verfasst,  bieten  gleichfalls  zu  jenem  Werke  Grün- 
eisen's  manche  fiir  die  reformationsgeschichtliche  Bedeutung 
Manuelas  nicht  unwichtige  Ergänzung. 

Zur  Charakteristik  endlich  der  katholischen  Oppo- 
sition   dient,    neben  einer  Abhandlung  von  Rohrer  über 


1)  Niclaus  Manuel,  Leben  und  Werke.    Stuttgart  1837. 

«)  Ueber  den  Jetzerhandel  vergl.  Steitz,  Der  Streit  über  die 
unbefleckte  Empfängnis  der  Maria  zu  Frankfurt  a.  M.  im  Jahr  1500 
und  sein  Nachspiel  in  Bern  1509.  Archiv  für  Frankfurter  Geschichte 
und  Kunst,  Bd.  VI (1877),  S.lff.  Schmidt,  ffist.  Htt^r.  de  TAlsace, 
Bd.  I,  p.  221  sqq.  Einen  andern,  etwas  später  lebenden  bemischen  Staats- 
mann, dessen  Wirken  namentlich  für  das  Waadtland  und  für  Grenf  Be- 
deutung hatte,  Nicolaus  Zurkinden,  schüdert  Gonzenbach  im 
Bemer  Taschenb.  für  1877,  S.  63  ff. ;  doch  ist  die  Darstellung  fast  nur  die 
Beproduction  eines  Aufsatzes  von  J.  Bonnet  im  Bulletin  histor.  et 
litt^.  1874:  Un  magistrat  bemois  du  XVI«  si^cle,  wiederabgedruckt 
in  den  Demiers  r^cits  du  XVI*  si^cle  1876,  p.  25  sqq. 


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672  KKITISCHE  ÜBERSiCHTEK.   STAEHEUN^ 

die  Reformationsbestrebungen  der  Katholikea  in  der  schweiae- 
rischen  Quart  des  Bistums  Constanz  1492  — 1531  ^)  in  axt»- 
gOKeiclmeter  Wdse  die  am  Schluss  noch  aufgeführte  Scfarift 
desselben  Bächtold  über  Johann  Salat  (Kr.  7).     Die  Bio- 
graphie hat  der  Herausgeber  mit  Fug  möglichfit  ms  Kurze 
gezogen;   es  ist  das  Leben  eines  glänzend  begabten,    shee 
sittlich  halüosen  Menschen,  der  sich  vom  armen  Seiler  zwan 
hervorragenden  Dichter  und  Chronisten  und  zum  Qericfat- 
Schreiber  von  Luzem  enq>orarbeitet,  aber  immer  aufe   neue 
durch    sein    zügeUoses  Wesen   in    SinnUidikeit   und   in   G^ 
meinheit  herabgezogen  wird  und  schliesslich  in  Elend    und 
Schulden    zu  Qrunde    geht;    aber    dieser   Mann   war  ni^ 
nur  als  PamphletiBt  in  Poesie  und  Prosa  einer  der  laviesteii 
Wortführer  der  altgliloibigen  Partei,  sondern  war  auch  dasa 
aasersehen,  im  Aiiärag  derselben  die  ofiScieDe  Chronik  der 
sehweizmscfaen   Reformatkmsgeschiefate   zu   sc^oreiben  ^),    so 
dass  eine  vollständige  Zusammenstellung  jener  Pamphlete  and 
Tractate,  wie  sie  hier,  verbunden   mit  dem  Abdruck  setnes 
Tagdrachs  und  sdner  Vorreden  zur  Beformationschronik  ge- 
geben wird,   in  der  Tat  wie  der  Geschichte  der  deutaeh- 
schweizerischen  Literatur,  so  auch  deijenigen  der  Reformation 
ihre  guten  Kernte  leistet ').     Eine  willkommene  2kigabe  ist 
der  Abdruck  der  bisher  überiiaupt  noch  nicht  veröffentlich 
ten  Gbgenschriffc  BuUinger's:  „Salz  zum  Salat ^,  in  welcher  so* 
wohl  die  historische  Zuverlässigkeit  seiner  Berichterstattung 
ifare  verdiente  BeleucdituBg  findet,  ab  aiick  BuHinger  seinem 
eigenen,    auch    durch    das    Misgeschick    nicht    gebrochenen 
Glaubensmut  und  seiner  über  ihre  für  Zürich  so  verhängms- 


1)  Sehweiz^ificher  Geschichtsfreund,  Bd.  XXXITT  (1878),  S.  1  ff, 

^)  Sie  i«t  a^ge&nckt  in  den  oben  be^irocfaeneH   Archiv  för 

sehwekerische  Ecfoimatioiugeschichte,  B(L  1, 1868.    Ueber  ikre  Glaub- 

Würdigkeit  urteilt  BächtoM  bei  aller  Anerkennung  ihrer  fcnmellen 

Vorflüge  mit  Recht  weni^ger  günstig  ab  der  dortige  Herausgeber. 

^)  Ueber  Thomas  Muraer,  den  aweiten  un^eidk  bedeuten- 
dercM  fitesmchen  Verteeter  der  katholiseluMi  Partei  in  der  Sekweii, 
s.Th.T»Lxebeiiau  im  Basler  Jahrbaek  fiLr  1879,  heraOBgegeben  Toa 
Boos,  S.  70—101:  ^Tli.  M.  in  Basel." 


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GESCH.  DER  REPOEM.  IN  DER  SCHWEIZ   1875-1878.  573 

volle  Haltung  im  Kriege  grossartig  hinwegsehenden  Treue 
gegen  die  evangelischen  Bruderkantone  ein  schönes  Denk- 
mal gesetzt  hat. 

B.   Die  französische  Schweiz. 

L  Ck>rr68pondanoe  des  reformateurs  dans  les  pays  de  langue  £ran- 
^aise,  recueillie  et  publik  par  A.  L.  Herminjard.  Tome  V 
(1538—1539).    Gen^ve  etc.  1878.    (487  S.  8.) 

2.  Joannis  Calvini  Opera.  Ed.  G.  Baum,  Ed.  Cunitz ,  Ed.  Reuss. 
Vol.  XV,  914  S.  in  4;  XVI,  750  S.;  XVU,  716  S;  XVHI, 
774  S.  Brunswigae  1876—1878.  (Corpus  Reformatorum,  Vol. 
XLin-XLVI.) 

8.  G.  A.  Hofl^  Vie  de  Jean  Calvin.    Paris  1877.    (348  S.  12.) 

4.  Herzog,  Artikel  „Calvin"  in  der  Theol.  R.-Encykl.,  2.  Aufl., 
Bd.  m,  S.  77— 106,  und  Dardier  und  Jundt,  Calvin  in  Lich- 
tenberger's  Encyclop^die  des  sciences  religieuses,  Bd  U,  1877, 
p.  529—557. 

5.  KattenbuBoh,  Johannes  Calvin  (Jahrbücher  für  Deutsche  Theo- 
logie 1878,  S.  353—375). 

6.  Ijo  Catechisme  frazi9ai8  de  Calvin  publik  en  1537  r^imprimö 
pour  la  premi^re  fois  d'apr^s  im  exemplaire  nouvellement  retrouv^ 
et  suivi  de  la  plus  ancienne  Confession  de  foi  de  T^glise  de  Gen^ve. 
Avec  deux  notices  par  Albert  Rilliet  et  Th^ophile  Dufour. 
G^en^ve  1878.    (CCLXXXVII  et  146  p.) 

7.  A.  Böget»  Histoire  du  peuple  de  G^n^ve  depuis  la  R^forme  jusqu'k 
FEscalade.    Tome  IV.    Gen^ve  1877.    (349  p.) 

8.  P.  Ijobstein»  Die  Ethik  Calvins  in  ihren  Grundzügen  entworfen. 
Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  christlichen  Ethik.  Strassburg 
1877.    (151  S.) 

Bei  diesem  Teile  hat  Referent  den  Vorteil,  in  Bezug 
auf  die  Literatur  des  Jahres  1875  und  ihren  Zusammenhang 
mit  der  ihr  vorangegangenen  Forschung  an  die  Besprechung 
anknüpfen  zu  können,  welche  die  reformationsgeschichtliche 
Literatur  des  französischen  Protestantismus  in  dieser  Zeitschrift 
erhalten  hat  ^).  So  sind  gleich  die  beiden  grossen  Sammel- 
werke, deren  seither  erschienene  Bände  imter  Nr.  1  u.  2  an 
die  Spitze  gestellt  sind,  nach  ihrer  Bedeutung  und  Beschaffen- 
heit dort  schon  charakterisirt  worden,    wie    sie   denn   auch 


1)  Bd.  I  (1877),  S.  419-426. 

ZeitBchr.  £.  K.-O.  m,  4.  39 

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574  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN.   STAEHELDf, 

ihrem  Inhalt  nach  ebenso  sehr  der  Gfeschichte  des  fi'anzoei- 
schen^  als  der  des  schweizerischen  Protestantismus  angehören^ 
Der  inzwischen  erschienene  neue  Band  von  Herminjard 
(Nr.  l)  umfasst  den  Zeitraum  vom  Mai  1538  bis  August 
1539.  Unter  den  Schriftstücken,  welche  sich  auf  schweize- 
rische Verhältnisse  beziehen,  handelt  die  tiberwiegende  Mehr- 
zahl von  den  Schicksalen  Calvin's  und  seiner  Genossen  während 
des  ersten  Jahres  ihrer  Verbannung  und  ist  deshalb  bereits  in 
dem  rascher  fortschreitenden  Thesaurus  epistolicus  Calvinianus 
(Nr.  2)  zum  Abdruck  gekommen;  doch  geben  die  reich- 
haltigen Anmerkungen,  welche  Herminjard  seinen  Documen- 
ten  beifligt  und  in  welchen  so  manche  Frage  über  Personen 
und  Tatsachen  ihre  Lösung  findet,  sowie  auch  die  öfters 
hervortretende  Verschiedenheit  in  der  Lesung  einzelner  St^en 
besonders  aus  den  Briefen  Farel's  und  in  der  Datuning  der 
Schriftstücke  seiner  Sammlung  auch  da  ihren  selbständigen 
Wert,  Wo  sie  derjenigen  der  Strassburger  Theologen  parallel 
geht,  und  daneben  ist  es  dem  Herausgeber  gelungen,  diese 
letztere  durch  eine  Anzahl  neu  aufgefundener  Documente  zu 
vervollständigen,  unter  denen  namentlich  die  Berichte  des 
Joh.  Colassus  über  die  Zustände  in  Genf  (Nr.  740.  747)  *) 
und  der  Brief  Capito's  an  die  Genfer  Prediger  vom  März 
1539  (Nr.  775)  Beachtung  verdienen;  der  letztere  ist  von 
Calvin  corrigirt  und  ist.  Dank  dieser  Beteiligung  Calvin's  an 
seiner  Abfassung,  das  erste  Zeugnis  der  versöhnlicheren  Gre- 
sinnung,  welche  derselbe  in  Folge  der  Vereinbarung  von 
Morges  (Nr.  771)  gegenüber  der  Genfer  Kirche  in  sich  auf- 
kommen liess  *).  Unter  den  sonstigen  die  Schweiz  betreffen- 
den Stücken,  die  als  mit  Calvin  in  keinem  Zusammenhang 
stehend  der  Sammlung  Herminjard's  allem  angehören,  ver- 
dienen   der  Brief  Thomas  Platter's   an   Bullinger   über    die 


^)  Vgl.  dazu  das  1540  in  Genf  entstandene  längere  Gredicht, 
-welches  von  Galiffe  in  den  Mdmoires  et  documenta  publik  par  la 
soci^t^  dliistoife  et  d'Arcli^logie  de  Qenhve  (T.  XIX,  p.  262—283) 
mitgeteilt  und  als  Ausdruck  der  kidenschaftliclien  Stimmung  der  Cal- 
vinischen Partei  bemerkenswert  ist. 

*)  Vgl.  die  Anzeige  dieses  5.  Bandes  im  Bulletin  histor.  et  litt^. 
1878,  Nr.  8,  p.  369  sqq. 


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GESCH.  DER  REFORM.  IN  DER  SCHWEIZ  1B75-1878.  575 

ervangeliache  Bewegung  in  Wallis  (Nr.  723)  und  die  amir 
liehen  Correspondenzen  Berns  mit  Gen^  Solothum  und  dem 
Waaddand,  aus  der  am  Schluss  hinzugefügten  Nachlese  zu 
den  früheren  Bänden  endlich  die  neuen  Briefe  FareFs  her- 
vorgehoben zu  werden  ^).  —  B^gt  sich  bei  diesem  Werke 
Herminjard's  hier  und  da  dar  Wunsch  ^  dasselbe  durch  eine 
raschere  Fortsetzung  seinem  Ziele  sicherer  entgegengefahrt 
zu  sehen^  so  hat  umgekehrt  bei  der  Calvinischen  Brief* 
Sammlung  (Nr.  2)  die  rastlose  Arbeit  ihrer  Strassburger 
Herausgeber,  von  denen  der  eine,  der  um  die  Reformations- 
geschichte so  hochverdiente  Wilhelm  Baum,  vor  Kurzem 
(29.  October  1878)  aus  dieser  sein^  irdischen  Arbeit  hin- 
weggerufen worden  ist,  bis  jetzt  der  Forschimg  kaum  Zeit 
gelassen,  das  hier  niedergelegte,  kein  Gebiet  der  Reformations- 
geschichte unberührt  lassende  Material  zu  verarbeiten  ^).  Die 
vier  während  der  letzten  drei  Jahre  erschienenen  Bände  gehen 
von  Anfang  1554  bis  September  1561;  es  ist  für  Calvin  die 
Zeit  des  Sieges  und  der  freilich  gewalttätig  genug  gesicherten 
Herrschaft  in  Genf,  aber  auch  neuer  Kämpfe  und  Sorgen 
um  die  Befestigung  des  auswärtigen,  namentlich  des  fran- 
zösischen Protestantismus,  die  denn  auch  in  diesem  Brief- 
wechsel mit  jedem  Jahre  mehr  in  den  Vordergrund  treten 
und  in  der  lebendigsten  Weise  den  grossartigen,  ökumenischen 
Charakter  seines  Reformationswerkes  veranschaulichen  *). 

Von  den  in  Nr.  3 — 6  zusammengefassten  biographi- 
schen Darstellungen  hat  grade  die  ausführlichste  (Nr.  3) 
am  wenigsten  selbständigen  Wert,  dagegen  verdienen  die 
unter  Nr.  4  genannten  Artikel  der  beiden  im  Erscheinen 
begriffenen  Encyklopädien  als  gründliche  und  unparteiische 
und  zugleich  einander  ergänzende  Zusammenfassungen  der 
auf  Calvin    bezüglichen    Forschung   hohe   Beachtung.     Von 


1)  Die  2.  Aufl.  des  1.  Bandes  1878  ist  bloss  Titelausgabe.  Vgl. 
Theol.  Literaturzeitung  1879,  Nr.  13. 

s)  Einen  Anfang  dazu  macht  J.  Bonnet  m  seinen  interestanten 
Aufsätzen  über  die  Geschichte  der  evangelischen  Gemeinde  zu  Paris 
unter  Heinrich  U.  und  Franz  ü.  (Bulletin  hist  et  ütt.  1876—1878). 

8)  Vgl.  Theol.  Literaturzeitung  1879,  Nr.  1.  Bd.  XIX  und  XX 
sind  im  Laufe  von  1879  erschienen. 

39* 


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676  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN.   STAEHEUN, 

Dardier  ist  auch  bemts  die  interessante  Urkunde  über  Cal- 
vin's    zweiten    Aufenthalt    in    Orlöans  1532 — 1533  benutzt, 
welche  im  Bulletin  bist,  et  litt  1877,  Nr.  4,  p.  177  sqq.  mit- 
geteilt  ist    und    welche  sowohl  für  den  Einblick   in   seinen 
Studiengang,    als    auch   für  die  Zeitbestiinmung  seiner  Be- 
kehrung (Anfang  1534)   eine  wie  mir  scheint  entscheidende 
Bedeutung  hat.     Während   dieser  Artikel  von  Dardier  aus- 
schliesslich biographischer  Art  ist,   wird  in  dem  ihm  an  die 
Seite  gestellten  von  Jundt  Calvin's  Lehre  in  einer  kurzen^ 
objectiven  Wiedergabe  ihrer    Hauptpunkte    als    zusammen- 
hängendes Ganze  dargestellt,    wogegen   umgekehrt  der  Vor- 
trag von  Kattenbusch  (Nr.  5)  darin  seinen  eigentümlichen 
Vorzug  hat,  dass  er  in  feinsinniger  Weise  der  inneren  Port- 
entwicklung seiner  Lehre,  sowie  den  Beziehungen  dieser  seiner 
Theologie  auf  die  von  ihm  gegründete  Theokratie  nachgeht  i). 
Ein  interessantes  Document  jener  Lehrentwickelung  ist 
auch  der  kürzlich  entdeckte  erste  französische  Katechismus 
Calvin's  (Nr.  6),  den  er  noch  Ende  1536,  also  nur  wenige 
Monate  nach  seiner  Ankunft  in  Genf  für  diese  Stadt  aus- 
gearbeitet,  dann  unmittelbar  vor   seiner  Vertreibung   (März 
1538)  in  lateinischer  Sprache  den  befreundeten  Kirchen  als 


1)  Die  jetzt  mit  dem  8.  Bande  zu  ihrem  Abschloss  gebrachte 
Beformationsgeschichte  von  Merle  d'Aubignö  (Hlstoire  de  la  rdfbr- 
mation  en  Europe  aux  temps  de  Calvin),  fragmentarisch,  wie  sie  in  ihren 
letzten  Bänden  sein  musste,  erzählt  von  Calvin  nurnoch  seine  Rückkehr 
nach  Genf  und  seine  Einführung  der  Kirchenordnung  daselbst  (Vll, 
1 — 154).  Als  Actensammlung  für  diese  Zeit,  die  auch  manche  für  die 
kirchlichen  Verhältnisse  wichtige  Angaben  in  sich  schliesst,  ist  xu 
nennen:  Les  Archives  de  Gen^ve.  Inventaire  des  documents  con- 
tenus  dans  les  portefeuilles  historiques  avec  le  texte  in^t  de  diverses 
pi^ces,  de  1528  k  1541.  Publik  par  F.  Turretini,  1878.  VUI  et 
331  S.  Vgl.  Bull.  bist,  et  litt^r.  1878,  Mai,  S.  231  ff.  Von  den  m  extenso 
mitgeteüten  Schriftstücken  sind  besonders  die  auf  die  Verbannung 
und  Zurückberufung  Calvin's  bezüglichen  (z.  B.  die  Briefe  ^Viret's  an 
den  Genfer  Magistrat  S.  147  ff.,  die  Zuschrift  Sadolet's  S.  214  u.  s.  w.) 
von  allgemeinerem  Interesse;  doch  liegt  der  Hauptwert  in  der  Grien- 
tirung,  welche  durch  die  sorgfältige  Angabe  über  den  Inhalt  der 
„portefeuilles  historiques"  der  Forschung  geboten  ist. —  Der  Au£Batz 
„Job.  Calvin"  in  der  Rechtgläubigen  Bevue  1878  ist  dem  Referenten 
unbekannt  geblieben. 


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GESCH.  DER  REFORM.  IN  DER  SCHWEIZ  1875—1878.         577 

Zeugnis  der  in  Genf  verkündeten  Lehre  zugesandt,  später 
aber  geflissentlich  wieder  unterdrückt  und  durch  eine  neue 
Bearbeitung  ersetzt  hat,  so  dass  er  bald  ganz  in  Vergessen- 
heit kam  und  erst  in  neuester  Zeit  —  von  den  Strassburger 
Herausgebern  in  seiner  zweiten  lateinischen  und  jetzt  durch 
einen  glücklichen  Fund  auf  der  Pariser  Nationalbibliothek 
auch  in  seiner  ersten  französischen  Ausgabe  —  wieder  hat 
können  ans  Licht  gezogen  werden  *).  Die  Vergleichung 
dieser  früheren  mit  der  späteren  Bearbeitung  von  1542  zeigt 
vielfach  eine  dem  Verhältnis  der  ersten  zur  zweiten  Ausgabe 
der  Institutio  parallele  Fortbildung,  z.  B.  in  der  Trinitäts- 
lehre  imd  der  veränderten  Stellung  des  Gesetzes,  das  Calvin 
auch  im  Katechismus  anfangs  als  Vorbereitung  des  Glaubens 
behandelt  und  erst  1542  in  die  Lehre  von  der  poenitentia 
hineingezogen  hat.  Von  der  ersten  Ausgabe  der  Institutio, 
aus  welcher  teilweise  ganze  Abschnitte  in  den  Katechismus 
herübergenommen  sind,  unterscheidet  sich  dagegen  derselbe  wie- 
der durch  seine  Anknüpfimg  an  die  allgemeine  religiöse  Anlage 
in  der  Einleitung  sowie  durch  die  imgleich  bestimmter  vor- 
getragene Prädestinationslehre,  deren  rückhaltlose,  auch  die 
Consequenz  einer  Vorbestimmung  zur  Verdammnis  nicht 
scheuende  Darlegung  in  diesem  auf  die  Jugend  berechneten 
Lehrbuch    besonders   bemerkenswert    ist  *).     Wertvoll  sind 

1)  Vgl.  Theol.  Literatlirzeitung  1878,  Nr.  24.  Eine  Inhaltsangabe 
findet  sich  allerdings  schon  bei  Niemeyer,  CoUectio  Confess., 
p.  mvm.  Für  die  in  jener  Recension  ausgeßprochene  und  weiter 
begründete  Annahme,  dass  der  lateinische  Text  das  Original  und  der 
fnmzösische  die  Uebersetzung  ist,  verweise  ich  noch  auf  das  analoge 
Verfahren  bei  der  Abfassung  der  Schulordnung  von  1559,  welche 
ebenfalls  von  Calvin  zuerst  lateinisch  eingereicht  und  dann  auf  Befehl 
des  Kats  ins  Französische  übersetzt  worden;  s.  das  Ratsprotocoll 
darüber  in  der  unten  anzuführenden  Schrift  von  Berthault,  Ma- 
thurin Cordier,  p.  37. 

8)  p.  33:  „De  F^ection  et  pr^estination.  La  semence  de  \ä 
parolle  de  Dieu  prend  racine  et  fructifie  en  ceux-lk  seulement  lesquels 
le  Seigneur  par  son  ^lection  ^temelle  a  pr^estin^  pour  ses  enfans 
et  h^tiers  du  royaulme  Celeste.  A  tous  les  autres,  qui  par  mesme 
conseil  de  Dieu  devant  la  Constitution  du  monde  sont 
r^prouv^z,  la  claire  et  Evidente  pr^dicadon  de  v^rit^  nepeult  estre 
aultre  chose  sinon  odcur  de  mort  en  mort." 


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578  KBITI8CHE  ÜBERSICHTEN.   STAEHEUN, 

auch  die  beiden  nmfii.Tigrfjr'.hon  geschichüichen  £mleituiigis[L, 
die  erste  dne  hauptsächlich  auf  Grund  der  Bat^rotocoUe 
Terfasste  Schilderung  von  Calvin's  erstem  Aufenthalt  in  Genf^ 
die  zweite  dn  Bericht  über  die  ältesten  evangelischen  Budi- 
drucker  in  der  französischen  Schweiz^  der  neben  seinen  inter- 
essanten bibliographischen  Notizen  auch  in  die  franzöcdadi 
protestantische  Tractatliteratur  und  deren  Propaganda  nach 
Frankreich  neue  BUcke  eröffiiet  Leider  haben  die  Herans- 
geber  den  Wert  dieser  ihrer  Arbeit  dadurdi  wesentlich  ge- 
schmälert^  dass  sie  dieselbe  nur  in  wenigen  Exemplar^i  ab- 
ziehen Hessen:  die  ganze  Veröffentlichung  ist  denn  doch  zu 
bedeutend  um  als  literarische  Curiosität  der  Eitelkeit  der 
sogenannten  „Bücherfreunde"  geopfert  sbu  werden. 

Eine  andere,  bisher  noch  nicht  im  Zusammenhang  er- 
forschte Seite  von  Calvin's  Theologie  ist  beleuchtet  in  der 
Schrift  von  P.  Lobstein  über  seine  Ethik  (Nr.  8).  In 
wohlgeordneter,  dem  eigentümUchen  Wesen  dieser  Theo- 
logie unmittelbar  entnommener  systematischer  Zusanunen- 
fassimg  wird  dieselbe  dargestellt,  wobei  die  Beurteilung 
vorwiegend  an  die  auch  für  das  Verständnis  Calvin's  so  viel- 
fach lehrreichen  Beobachtungen  Bitschl's  sich  anschlingt 
und  ftir  die  Gewinnung  des  Stofies  auch  die  bisher  zu  weooig 
benützten  Predigten  Calvin's  in  dankenswerter  Weise  her- 
beigezogen sind  ^). 

Auch  in  Roget's  ausflihrlichem  Werk  über  die  Ge- 
schichte des  Genfer  Volkes  (Nr.  7),  dessen  drei  erste  Bände 
schon  früher  in  diSser  Zeitschrift  besprochen  sind,  bildet  dag 
Leben  und  die  Wirksamkeit  Calvin's  den  Hauptinhalt,  so 
sehr,  dass  sich  die  Frage  auMrängt,  ob  nicht  damit  dem 
eigentlichen,  durch  den  Titel  bezeichneten  Zweck  des  Werkes 


1)  Vgl.  die  Becension  von  Kattenbusch,  Jabrb.  f.  deutaehe 
Theol.  XXm  u.  von  Kahler,  Theol.  Lit.-Ztg.  1876,  Nr.  12.  —  Mehr 
apologetische  als  geschichtliche  Zwecke  verfolgt  Gaberei,  Calvia 
et  Rousseau,  ituäe  litt^ire.  Gen^ve  1878.  216  p.  12.  —  Erwähnens- 
wert, wenn  auch  lange  nicht  erschöpfend  ist  femer  die  Abhandhii^ 
von  L.  Elster,  Calvin  als  Staatsmann,  Gesetzgeber  und  National- 
ökonom.  Jahrb.  f.  Nationalökonomie  und  Statistik,  hezausg.  von 
Hildebrand  und  CJonrad,  Bd.  XVI  (1878),  S.  163—229. 


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GESCH.  DES,  B£FORH.  IN  DER  SCHWEIZ   187»^1878.         579 

JESntrag  geschehen  ist  und  eine  Schilderung  der  G-^enpartei 
in  eigenem  Zusammenhange  demsdben  nicht  förderlicher  ge- 
wesen wäre.  Im  Interesse  der  Geschichte  Calvin's  wird  man 
Allerdings  dem  Verfasser  fiir  sein  Verfahren  nur  dankbar 
sein  können.  In  keiner  seiner  Biographien  ist  dieselbe  so 
objectiv  historisch  behandelt  wie  hier;  dazu  wird  der  Leser 
überall  vor  die  Quellen  selbst  hingestellt,  durch  deren  Ee- 
production  das  Werk  überhaupt  in  der  Calvinliteratur  sich 
eedne  epochemachende  Stellung  sichern  wii*d  und  unter  denen 
die  Mitt^ungen  der  SitzungsprotokoUe  des  Eates  imd  der 
V^n.  Compagnie  des  pasteurs,  sowie  der  wichtigsten  Ge^ 
riohtsverhöre  als  die  bedeutendsten  hervorzuheben  sind  ^).  D^ü 
Inhalt  des  neuerschi^ienen  Bandes  bildet  die  Zeit  von  1553 
bis  1555;  in  den  beiden  Elatastrophen  dieser  Jahre^  der 
Hinrichtung  Servers  und  der  Besiegung  der  nationalen  Oppo- 
flitionspartei,  ist  der  Sieg  Calvin's  und  seiner  Theokratie  in 
Oenf  entschieden  worden;  aber  es  ist  der  Vorzug  der  hier 
gegebenen  Darstellung  dieser  Kämpfe,  dass  in  ihr  besser  als 
sonstwo  auch  das  relative  Recht  der  Unterliegenden  und  da- 
mit das  eigentlich  Tragische  in  diesen  Conflicten  ins  Lickt 
gestdlt  wird.  Noch  mehr  vielleicht  als  in  seinem  Verfahren 
gegen  Servet  *),  das  auch  Roget  bei  aller  Misbilligung  weniger 
Calvin  persönlich  als  dem  kirchlichen  Geiste  der  Zeit  zur 
Last  legt;  hat  diese  Parteistellung  dem  Charakter  Calvin's 
geschadet  in  seinem  Kampf  gegen  die  politischen  Gegner 
seiner  Theokratie.  Schon  früher  hatte  Roget  gezeigt,  wie 
wenig  dieselben  für  die  religiöse  Opposition  der  Libertiner  ') 


1)  Vgl.  Eevue  historique,  tom.  Vm,  1878  8ept./Octob.,  p.  197  ss. 

*)  An  die  verdienstlichen,  aber  leider  allzu  zerstreuten  Arbeiten 
von  H.  Tollin  über  Servet  kann  hier  nur  erinnert  werden.  Eine 
Znsammenstellung  und  Bespreehnng  gibt  Ni  p  p  o  1  d ,  Jenaer  Ldteraturz. 
1876,  Nr.  2;  1879,  Nr.  32.  Ueber  die  Lehre  Servet*s  s.  bes.  dessen 
Schrift:  ^,Dat  Lehrsystem  Servet's",  Gütersloh  1876—1878,  3  Bde. 
(vgl.  Theol.  Literaturz.  1877,  Nr.  8);  Pünjer,  De  Michaelis  Ser- 
veti  doetrina,  Jenae  1876,  HO  p. ;  Willis,  Servetus  and  Calvin, 
London  1877,  54  S. 

3)  Auch  A.  Jundt,  Histoire  du  panth^isme  populaire  an  moyen- 
&ge  et  au  seizi^me  si&cle,  Paris  1875  {Cha^.  3,  p.  125  ss.:  Les  Über- 
tins  spirituels)  hält  beiderlei  Richtungen  bestimmt  auseinander.    Neue 


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580  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN.   STAEHEUN, 

verantwortlich  gemacht  werden  dürfen  und  wie  auch  die 
Anklage  auf  sittlichen  LibertinismuS;  die  namentlich  Bonivard's 
Darstellung  in  Au&ahme  gebracht  hat;  nur  in  beschränktem 
Masse  jene  Partei  triffl;^);  in  den  hier  geschilderten  letzten 
Entscheidungskämpfen  nun  stellt  sich  der  G^ensatz  vollends 
deutlich  als  der  Antagonismus  zweier  principieU  verschiedener 
Anschauimgen  dar,  von  denen  die  eme  den  Schwerpunkt 
des  kirchlichen  Regiments  in  die  rein  kirchliche  Behörde 
das  Consistorium,  die  andere  in  die  obrigkeitliche  Gewalt 
verlegen  will,  jene  also,  deren  Sele  Calvin  war,  Sie  innere 
Selbständigkeit  der  Kirche,  diese,  die  Partei  des  alten  Bür- 
gertums, die  Souveränetät  des  Rates  zu  wahren  bedacht 
ist  *) ;  auch  die  letztere  will,  wenn  auch  mit  dem  übertriebenen 
Rigorismus  der  Calvinischen  Sittengesetzgebung  vielfach  nicht 
einverstanden,  doch  im  Ganzen  die  Berechtigung  ein^  sol- 
chen nicht  in  Abrede  stellen  und  in  ihrer  Handhabung  die 
eingesetzten  kirchlichen  Organe  durchaus  gewähren  lassen; 
mitten  im  Conflict  zwischen  der  Regierung  imd  der  Göst- 
Uchkeit  zeigt  sich  die  erstere  allezeit  willig,  die  vom  Gtesetz 
festgestellten  Disciplinarstrafen  auf  deren  Begehren  zu  voll- 
ziehen; sie  verbannt  einen  Mann  auf  drei  Jahre  aus  der 
Stadt,  weil  er  die  Mittlerschaft  Jesu  geleugnet  hatte,   oder 


Documente  für  die  libertinische  Denkweise  in  Frankreich  und  deren 
Stellung  zu  den  Reformatoren  giebt  Ch.  Schmidt:  Les  libertins 
spirituels.  Trait^s  mystiques  Berits  dans  les  ann^es  1547  k  1549.  BÄle 
et  Gen^ve  1876.    248  p. 

1)  In  Bd.  I  und  II  d.  vorl.  Werkes,  sowie  in  dem  Aufsatz :  Calvin  k 
Gren^ve,  bei  Secretan,  Galerie  Suisse.  Biographies  Nationales,  2  Vol. 
Lausanne  1873.  1876  —  ein  Werk,  dessen  erster  Band  auch  sonst  für 
seine  Biographien  der  schweizerischen  Reformatoren  und  insbesondere 
der  an  der  Emancipation  Genfs  vom  Bischof  beteiligten  bedeutendem 
Persönlichkeiten  Beachtung  verdient. 

«)  Vgl.  auch  Fr^d.  Tissot,  Les  relations  entre  TEglise  et 
l'Etat  k  Gen^ve  au  temps  de  Calvin.  Lausanne  1875.  84  p.  —  üeber 
die  Genfer  Regierung  und  ihre  Stellung  handelt  Roget  in  mehreren 
besonderen  Aufsätzen  in  den  „  Etrennes  genevoises.  Hommes  et  choses 
du  temps  pass^**,  Gen^ve  1877:  Le  petit  conseil,  p.  1 — 55;  Lessyndics 
de  Gen^ve,  ebenda  1878,  p.  1 — 32 ;  Le  conseil  g^n^nd  k  Tancienne  r^- 
publique,  ebenda  1879,  p.  109—140. 


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GESCH.  DER  REFORM.  IN  DER  SCHWEIZ  1875-1878.         581 

zieht  Leute  zur  Strafe,  die  während   der  Predigt  um  Geld 
spielten;  aber  es  soll,    wenn  die  Obrigkeit    dergestalt    der 
Kirche  zur  Aufrechterhaltung  der  christlichen  Lebensordnung 
ihren  Arm  leiht,    nun    auch    die    letzte    Entscheidung   über 
dieses  kirchliche  Strafverfahren  bei  ihr  ruhen  und  namentlich 
die  Frage  über  die  Zulassung   zum  Abendmahle  in  letzter 
Instanz  ihrer  Entscheidung  anheimgestellt  sein,  während  Cal- 
vin  eben    in    dieser   Forderung   eine   schlechterdings   unzu- 
lässige   Vergewaltigung    der  Kirche    erblickte    und  „lieber 
sterben"  wollte,  „als  durch  diese  Preisgebung  der  kirchlichen 
Selbständigkeit    dem    Willen    Gottes    ungehorsam    werden" 
(p.  158).     Man  mag  es  ihm  bei  dieser  Beurteilung  zu  gute 
halten,  dass   ihm    die    Gegner    dieser   seiner  Kirchenpolitik 
ohne  Weiteres  zu  Feinden  Gottes  werden;  immer  aber  wird 
man  bei  Roget's  Erzählung  die  persönliche  Leidenschaft  imd 
die  grausame  Härte  bedauern,  deren  er  in  ihrer  Bekämpfung 
und  Niederwerfung    sich    schiddig    gemacht  hat;   diese  Er- 
zählung zeigt  mit  Evidenz,  wie  der  bekannte   Tumult  vom 
16.  Mai   1555,   aus  welchem   Calvin   das   Becht   zu   dieser 
Niederwerfung  herleitete,  nichts  als  ein  augenblicklicher  Aus- 
bruch   des  Parteiunwillens  gewesen  ist,  ein  Strassenauflauf 
von   etwa    20   Männern,  der  nicht  länger  als  eine   Stunde 
dauerte  und  bei    dem  ein    in  seinen   Folgen  unschädlicher 
Schlag  die  eiozige  Verwundung  war;   aber  dieser  Strassen- 
tumult  wird  nun,  nachweislich  nicht  ohne  Calvin's  Mitwirkung, 
den  Gegnern  als  lange  vorbereiteter  Empörungs-  und  Mord- 
plan gegen  die  Stadt  ausgelegt;  es  wird  um  seinetwillen  die 
ganze  Gegenpartei  in  einen  Prozess  hineingezogen,   in   wel- 
chem, wie  die  mitgeteilten  Acten  dartun,  ohne  irgend  einen 
sichern    Bechtsgrund   und    mit   einer  empörenden  Baschheit 
des  Verfahrens    über    ihre  Häupter  das   Todesurteil   ausge- 
sprochen   und  an  denen,  die  sich  nicht  durch    die  Flucht 
retteten,   auch   wirklich    vollzogen  wird   und  etwa  hundert 
ihrer    Anhänger    aus    dem    Vaterlande    verbannt    werden. 
Wenn   ein   Gefangener  bei  der  Erklärung   seiner  Unschuld 
verharrte,  so  kann  Calvin  etwa  schreiben:   „wir  werden  in 
zwei  Tagen  sehen,  was  ihm  die   Folter  flir  ein  Geständnis 
wird  erpresst  haben";  er  kann  die  Bichter  zur  Beschleunigimg 


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582  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN.   STAEHELIK; 

des  Todesurteils  auffordern;  ja  in  der  Ungeschicklichkeit  des 
Henk^rS;  welcher  einem  dieser  Opfer  die  Todesqual  schreck- 
lich verlängerte,  einen  besondem  Willen  Grottes   begrü^»eB 
(une  volonte   sp^ale  de  Dieu).     Trotzdem  will    das    Werk 
Rogers  weder   eine  Anklageschrift  geg^i  Calvin   noch   one 
Schutzschrift  fiir  seine  Gegner  sein,  wie  etwa  die  bekanntem 
Darstellungen  dieser  Conflicte  von  Galiffe  ^),  dess^i    fulflcbe 
Schlussfolgerungen   hier  vielmehr   gründlicher  als   irgendwo 
sonst  widerlegt  rind ;  Calvin  ist  dem  Verfasser,  wie  er  seSbsi 
sagt,   gross  genug,   um   auch  ohne  unwahre   Beschönigung 
die  Ehrfurcht    sich  erhalten  zu  können,   und  es   wird    die 
dankbare  Aufgabe    der    nun  folgenden  Bände  sein^   dles^ 
Grösse  Calvin's  durch  die  Schilderung  des  fkirages    gerecht 
zu  werden,  den  der  Reformator  für  Gtenf  wie  für  den  gsLOzen 
Protestantismus  an  diesen  Sieg  seiner  Theokratie  zu  knüpfen 
verstanden  hat  *). 

Neben  Calvin  stehen  seine  Mitarbeiter,  abgesehen  von 
dem  was  die  beiden  genannten  Briefsammlungen  über  sie 
enthalten,  in  der  hier  zu  besprechenden  Literatur  der  letzten 
Jahre  fast  ganz  im  Dunkeln.  Nur  Mathurin  Cordier,  der 
grosse  Schulmann,  dem,  als  er,  schon  57  Jahre  alt,  nadi 
einer  bedeutenden  Lehrtätigkeit  in  Frankreich  aus  seinem 
Vaterlande  verbannt  worden  war,  der  Reihe  nach  die  ge- 
lehrten Schulen  vcm  Genf,  Neuenbürg  und  Lausanne  ihre 
Organisation  zu  verdanken  hatten,  und  dessen  „Schülo^ 
spräche"  —  in  seinem  85.  Lebensjahre  von  ihm  verfasst  — 
sogar  in  Frankreich  mehr  als  ein  Jahrhundert  lang  em 
weitverbreitetes  Lehrbuch  blieben,  ist  der  Gegenstand  einer 
eingehenderen  Darstellimg  geworden  •). 


1)  In  den  „Stimmen  aus  Maria  Laach"  (1876,  Heft  4 ff.)  natür- 
lich dankbar  angenommen  und  wiedergegeben. 

2)  Ueber  diese  spätere  Zeit  von  Calvin's  Wirksamkeit  ist  zu  er- 
wähnen :  „  Proc^s  de  Valentin  Gentilis  et  de  Nicolas  Glallo  (1558)  d'apr^ 
les  documents  originaux"  (Extrait  du  Tome  XIV  du  Memoire  deFIn- 
stitut  national  genevois)  1878.     102  p.  4. 

•)  Berthault:  Mathurin  Cordier.  L'enseignement  chez  les 
Premiers  Calvinistes.   Paris  1876.    86  p.  —  Die  Statuten  der  Geafer 


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GESCH.  DER  B£FO{lM.  IN  D£B  SCQWEI?  1875-1878.        583 

Das  im  Erschemen  b^riffeiie  uunfangreichQ  ttnd  ^än* 
jsend  ausgestattete  Werk  von  Douen  übw  de©  firan- 
wsischen  Psalter  und  dessen  ersten  und  geistvollsten  Dicbter 
CWment  Marot  *)  gehört  allerdings  in  erster  Linie  der  Ge^ 
schichte  des  französischen  Protestantismus  an  und  wird  für 


Aeadeioie  von  1559,  abgedruckt  p.  39 — 56,  werden  aber  sicher  nicht 
auf  Ck>rdier,  sondern  ai^  Calvm  zurückgeführt  werden  müssen,  wofibr 
auch  A.  Roget,  Etrennee  Genevoises  1877,  p.  99 — 146:  „Mathurin 
Cordier",  sich  entscheidet.  Die  beste  Arbeit  sowohl  über  sein  Leben 
als  über  seine  Verdienste  um  den  gelehrten  Unterricht  enthält 
Hassebieau,  Les  colloques  scolaires  du  seizi^me  si^cle  et  leurs 
auteurs,  Paris  1878,  p.  205 — 243.  Ueber  die  Einrichtung  und  die  Anfänge 
der  Genfer  Academie  vgl.  das  Programm  von  1878:  L'enseignement 
superieur  k  Gen^ve  depuis  la  fondation  de  l'acadömie  jusqu^k  1876 
par  H.  F.  Amiel  et  A.  Bouvier,  35  p.  4.  Etrennes  Genevoises 
von  1878,  p.  38—46:  Louis  Enoch  ou  un  r^gent  du  seizi^me  siecle. 
Der  Artikel  Farel  von  Hagenbach  ist  in  der  2.  Aufl.  der  Real- 
encjklopädie  ersetzt  worden  durch  einen  Aufsatz  von  Herzog,  in  dem 
Bef.  nur  eine  genauere  Berücksichtigung  des  Sommaire  vermisst,  der- 
jenige über  Beza,  früher  von  Herzog  verfasst,  durch  eine  Arbeit 
von  Heppe,  seinem  Biographen  in  dem  Werk :  „  Väter  und  Begründer 
der  reformirten  Kirche  " ;  über  Beza  ist  ausserdem  noch  der  eingehende 
und  gründliche,  besonders  für  die  Darstellung  seiner  literarischen 
Tätigkeit  beachtenswerte  Artikel  von  Vigui^  in  Lichtenberger's  Ency- 
clopWe  des  sciences  religieuses  (II,  255—273)  zu  notiren,  während  an 
den  Reformator  des  Waadtlandes,  Pierre  Viret,  eine  Schrift  von  Gaberei 
(Gaberei,  Le  monumentde  Pierre  Viret  kOrbes,  1875,  105  p.  kl.  8.) 
erinnert,  welche  bei  Anlass  der  Errichtung  seines  Denkmals  heraus- 
gegeben wurde,  indessen  ihrem  Hauptinhalt  nach  die  Beschreibung 
jener  SUnweihungsfeier  ist  und  über  Viret  nichts  Erhebliches  in  sich 
schUesst,  so  dass  sie  eben  nur  aufs  Neue  das  Bedür^iis  auch  nach 
einem  literarischen,  die  Eigentümlichkeit  seines  Wirkens  und  seiner 
Schriften  genauer  als  die  bisherigen  zur  Anschauung  bringenden 
Denkmale  dieses  Reformators  wachzurufen  geeignet  ist.  Ueber  die 
von  ihm  gegründete  theologische  Schule  zu  Lausanne:  Vuilleu- 
ttier,  Kotice  historique  et  statistique  sur  T Academie  de  Lausanne; 
Programme  des  cours  pour  1878—1879.  Die  Geschichte  seiner  (und 
Farel's)  Verheiratimg  und  die  Bemühungen  Calvin*s  um  dieselbe: 
Etrennes  Genevoises  1879,  p.  175 — 189 :  Mariage  de  deux  R^formateurs. 
1)  0.  Douen:  Clement  Marot  et  le  psautier  huguenot.  Etüde 
historique,  iitt^ire,  mnsicale  et  bibliographique.  Paris,  Imprimerie 
nationale.    Tom.  I,  1878.    VI  &  746  p.  gr.  8. 


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584  KRITISCHE  ÜBERSICHTEN.   STAEHEUN, 

diese   sowohl    in   hymnologischer  Beziehung    durch    die   ein- 
gehenden Forschungen  über  die  Psahnmelodien,  als   auch  in 
allgemein  geschichtlicher  durch  die  neuen  Ergebnisse    über 
den  religiösen   Charakter  des  Dichters   Clement  Marot    von 
epochemachender  Bedeutung  sein.     Doch  wird  auch  die  Ge- 
schichte der  schweizerischen  und  namentlich  der  Gfenfer  evan- 
gelischen Ejrche  insofern  von  ihm  berührt,  als  einerseits  dies^* 
Psalter  ja  auch  für  sie  seit  1542  fast  drei  Jahrhunderte  lang 
ihr  einziges  gottesdienstliches  Gesangbuch  gewesen    ist   und 
dem    Umfange    nach   betrachtet    auch    mehr   ihrem   Leiter, 
Theodor  Beza,  als  Marot  seine  Entstehung  zu  verdanken  ge- 
habt hat,  da  jener  101,  dieser  bloss  49  Psalmen   übersetzt^ 
und  als  andrerseits  auch  der  letztere  unter  den  Vielen  ge- 
wesen ist,  welchen  die  Stadt  Calvin's  Schutz  und   Zuflucht 
gegenüber  der  Verfolgung  bot,  indem  er,  um  seiner  Psalmöi- 
übersetzung  willen  aus  Frankreich  verbannt,  1542   bis  De- 
cember  1543  dort  seinen  Aufenthalt  hatte.    Bef.  kann  aller- 
dings die  beiden  Abschnitte:  „Marot  et  Calvin"  und  „ Marot  k 
Genfeve"  (p.  392 — 426)  nicht  zu  den  gelungensten   in  dem 
sonst  so  gediegenen  imd  lehrreichen  Werke  zahlen ;  das  löb- 
liche und  unzweifelhaft  auch  erfolgreiche  Bestreben  des  Ver- 
fassers, das  so  lange  Zeit  und  nicht  ohne  die  nachweisbare 
Schuld  Calvin's  und  Beza's  getrübte  Urteil  der  Geschichte 
über  den  sittlichen  Charakter  und  die   evangelische  G^esm- 
nung  Marot's  zu  berichtigen  und   dem   ersten  französischen 
Dichter  jener  Zeit  die  ihm  gebürende  und  doch  fast  allge- 
mein vorenthaltene  Ehrenstellung   unter  den  fiühesten  Be- 
kennem   des    evangelischen     Glaubens    wiederzugeben,   hat        \ 
ihn  sowohl  gegen  die  Schwächen  seines  Helden  allzu  nach- 
sichtig, als  auch  gegen  diejenigen  ungerecht  sein  lassen,  die 
nun    einmal    unstreitig    die    entscheidenden    Begründer   und       j 
Führer  desselben  gewesen  sind.     Calvin  und  Beza,  in  deren       ; 
Theologie  der  Verfasser  fast  nur  die  Prädestinationslehre  und      jj 
den    gesetzlichen    Schriftglauben  hervorhebt   und    an   deren 
'Wirksamkeit   als  hauptsächliche  Massstäbe   die  Grundsätze 
modemer    Cultur    und    Glaubensfreiheit    angelegt    werden, 
stellen    ihm    den    Protestantismus  in  seiner   dogmatistischen 
und  nomistischen  Entartimg,  Marot  in  seiner  ursprünglichen 


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\ 


GESCH.  DER  REFORM.  IN  DER  SCHWEIZ  1875-1878.         585 

evangelischen  Freiheit  und  Wärme  und  seiner  Einheit  mit 
dem  Geist  der  Benaissance  dar;  „der  Protestantismus  Ma- 
rot*s  hätte  Frankreich  erobern  können,  während  es  durch 
die  Dogmatik  Calvin's  zurückgestossen  wurde";  natürlich 
dass  dann  auch  für  den  baldigen  Wegzug  Marot's  aus  Genf, 
über  dessen  Motive  ausser  einer  Notiz  über  eine  Zurecht- 
weisung Bonivard's  wegen  einer  von  ihm  mit  Marot  ge- 
spielten Partie  Trictrac  alle  historischen  Angaben  fehlen,  die 
ganze  Schuld  auf  Calvin's  Unverträglichkeit  und  despotischen 
Rigorismus  gelegt  und  dessen  bereitwillige  Anerkennung  der 
Vorzüge  von  Marot's  Psalmenübersetzung  selbst  vor  seiner 
eigenen  sowie  seine  Verwendung  bei  dem  Magistrat,  um  dem 
Dichter  zur  Fortsetzung  derselben  eine  Unterstützung  zu  er- 
wirken, für  die  Beurteilung  des  Verhältnisses  nicht  weiter 
in  Betracht  gezogen  wird.  Aber  wir  wiederholen  es:  man 
kann  die  einseitige  Parteinahme  des  Verfassers  in  diesem 
Punkte  beklagen  und  wird  ihm  doch  das  Zugeständnis  nicht 
vorenthalten  dürfen,  dass  manche  der  von  ihm  erhobenen 
Vorwürfe  zutreffen,  dass  in  seinen  mannigfaltigen  historischen 
Untersuchungen,  grade  auch  wo  sie  dem  Lebens-  und  Ent- 
wickelungsgange  Calvin's  nachgehen,  eine  Fülle  der  schätz- 
barsten Aufschlüsse  gegeben  ist  und  dass  überhaupt  sein 
Werk,  wie  dies  auch  die  Uebemahme  des  Druckes  seitens 
des  Staates  beweist,  zu  den  gereifkesten  und  lehrreichsten 
gehört,  die  auf  dem  Gebiete  der  hymnologischen  wie  auch 
der  allgemeinen  reformationsgeschichtlichen  Forschung  in  den 
letzten  Jahren  ims  geboten  worden  sind. 


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ANALEKTEN. 


Za  Easebias  H.  E  Vlll. 

Von 
D.  Theodor  Brieger. 


I. 

Eosebins'  DiBpositdon  im  8.  Bnohe  der  Kirch^igeBcliiaiite  ^). 
Hunziker  hat  das  Verdienst^  zum  ersten  Mal  nach- 
drücklich darauf  hingewiesen  zu  haben^  dass  die  Anordnung 
des  Stoffes  im  8.  Buche  der  Eirch^[igeschichte  des  Easebias 
keine  chronologische  ist  *).  Eine  sehr  naheliegende  Wahr- 
nehmung;  die,  schon  dem  aufinerksamen  Leser  des  Baches 
selbst  möglich;  sich  jedem  aufdrängt,  welcher  die  streng 
nach  der  Zeitfolge  geordnete  Schrift  des  Eusebius  de  «lor- 
tyribt^  Palaestinae  mit  dem  8.  Buche  auch  nur  oberflSch- 
lich  vergleicht  Allein  man  ist  damit  noch  nicht  berechtigt^ 
die  Stoffordnung  dieses  Buches  mit  Hunziker  eine  ^^böchst 
verworrene  und  verwirrende"  zu  nennen*):  Verwirrung  hat 


1)  Durch  ein  Versehen  ist  diese  selbstverständlich  nur  für  die 
Analekten  bestimmte  Kleinigkeit  mit  der  Schrift  der  1.  Abteilung 
der  Zeitschrift  gesetzt  worden. 

^)  Zur  Regierung  und  Christenverfolgung  des  Kaisers  Diocletianos 
und  seiner  Nachfolger  303 — 313  (in  den  von  Max  Büdinger  heraus- 
gegebenen Untersuchungen  zur  römischen  Kaisergeschichte  11,  Leipzig 
1868,  S.  113—286),  S.  124—134. 

3)  S.  124.  Vgl.  S.  125 f.  („so  verwirrend  ist  diese  seine  Anord- 
nung, dass  selbst  scharfsinnige  und  erfahrene  Forscher  sich  von  ihr 
haben  täuschen  lassen"  u.  s.  w.).    S.  134. 


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BRIEOEB^  ZU  EUSEBrcS  H  E..  Vm.  587 

sie  nur  deshalb  angerichtet^  w^  man  mit  der  grundlosen 
Voraussetzung^  hier  eine  chronologische  Darstellung  zu  finden, 
an  sie  herantrat  Aber  auch  der  Vorwurf  der  Verworren- 
heit triffl;  bei  näherem  Zusehen  nicht  zu.  Man  hat  gegen 
Ekisebius  als  Geschichtschreiber  so  viele  (und  darunter  wahr- 
lich schwerwi^nde !)  Anklagen  zu  erheben,  dass  man 
ihre  Liste  nicht  ohne  Not  vermehren  sollte.  Die  Gruppirung 
des  8.  Buches  ist  sicher  keine  musterhafte,  aber  sie  ist,  wie 
Eusebius  einmal  seine  Aufgabe  fE^ste,  ganz  verständig  und 
verständlich,  durchaus  nicht  undurchsichtig.  Sdbon  die  häu- 
figen Uebergangsparagraphen,  in  denen  Eusebius,  den  Faden 
der  Darstellung  fortspinnend,  seine  Disposition  zum  Teil  mit 
dürren  Worten  angiebt  *),  lassen  den  Gang,  welchen  er  ver- 
folgt, klar  hervortreten.  Das  mag  hier,  da  die  von  Hunziker 
gelieferte  Inhaltsübersicht  *)  nicht  immer  zutrefiend  ist,  kurz 
dargelegt  werden.  Dabei  wird  sidi  zugleich  Gelegenheit 
bieten,  eine  der  für  die  Disposition  wichtigsten  Stellen  ge- 
nauer zu  imtersuchen. 

Als  Gegenstand  des  8.  Buches  wird  im  Prooemium  die 
Zeitgeschichte  hingestellt  (rit  xa&*  ^/*ag  auToig,  ov  r^g 
rvxovarjg  al^ia  ovra  yga(pijg).  Genauer  aber  hat  Eusebius  sein 
Thema,  worauf  es  ihm  nämlich  bei  der  Darstellung  der  Ge- 
schichte seiner  Zeit  am  meisten  ankommt,  schon  am  Schluss 
des  7.  Buches  angegeben:  es  sind  die  Kämpfe  der  Mär- 
tyrer, welche  er  zur  Darstellung  bringen  will*),  eine  Be- 
stinmiung  der  Aufgabe,  welche  er  am  Schlüsse  der  Ein- 
leitung des  8.  Buches  wiederholt*).  Schon  dies  ist  beach- 
tenswert: unser  Autor  verspricht  keineswegs,  eine  chrono- 
logisch geordnete  Geschichte  der  grossen  Verfolgung  zu 
geben.    Die  Erwartung,  mit  welcher  wir  an  seine  Darstellung 


1)  Vgl.  cap.  2,  8.  (8,  4.  4,  5.  6,  Ifin.).  6,  10.  (7,  1).  8,  1  (9, 
1.  e).  10,  12.  12,  1.  13,  7.  8.  16,  1.  17,  11. 
«)  S.  181—183. 
•)  Vn,  82,  82:  ro^  na^'  lifm^  tiSv  vnhQ  ev^Bßiiag  th&Qurafiiyay 

*)  Vlll,  2,  3:  tüifuv  ovv  ivtBvd-^y  i&tj ,  rovg  Uqoig  dywyas  ttSp 
ttv  ^$(olß  i6yov  fjta^vQtty  ir  inrtofig  i^utyQ^nfH>t^es> 


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588  ANALEKTEN. 

herantreten  sollen,  ist  eine  ganz  andere.  Und  in  der  Tat 
hat  er  damit  für  einen  Hauptteil  seines  Buches  das  Thema 
scharf  und  bestimmt  ausgesprochen:  der  ausdräcklichen  An- 
gabe des  Verfassers  entsprechend,  bringt  die  erste  'Hälfte 
eine  Beschreibung  der  Elämpfe  der  Märtyrer,  Bilder  aus 
der  Verfolgung.  Für  die  zweite  Hälfte  wird  dann  spät^ 
das  Thema,  wie  wir  sehen  werden,  mit  gleicher  Genauig- 
keit hingestellt. 

Das   Buch  ghedert    sich  nämlich,   von  der   Ginleitiing 
abgesehen,  in  zwei  Hälften. 


Einleitung:  cap.  I  — II,  3. 

Sie  zeichnet  kurz  den  Zustand  der  Kirche  vor  der  Ver- 
folgung, stellt  die  letztere  als  Strafe  Gottes  hin  (c.  I — II,  l) 
und  fixirt  schliesslich  die  Aufgabe  (H,  2.  3). 

I.  Hallte:  cap.  n,  4-Xni,  7: 

Die  heiligen  Kämpfe  der  Märtyrer. 

Cap.  II,  4.  5:  Beginn  der  Verfolgung:  Mitteilung  der  bei- 
den ersten  Edicte.  [Fast  wörtlich  so  im  Prooemium  der 
Schrift  de  mart.  Pol.] 

Cap.  IH:  Allgemeines  über  das  Verhalten  der  Gemeindevor- 
steher in  der  durch  das  2.  Edict  über  sie  verhängten 
Verfolgung.  [Fast  wörtUch  gleichlautend  de  mart.  Pal. 
1,  3.  4.] 

Cap.  IV:  Indem  Eusebius  jetzt  zu  der  Erzählung  von  den 
heiligen  Märtyrern  übergeht  (s.  HI,  4;  IV,  l)  *),  be- 
spricht er  in  Cap.  IV  zuerst  die  vereinzelten  Martyrien, 
zu  denen  es  schon  vor  Ausbruch  der  allgemeinen  Ver- 
folgung kam,  um  sodann  (s.   den  Uebergang  IV,  5)*) 


^)  m,  4:  UXX*  ov  xal  xard  xiov  dyitar  oiJtoZs  /jutQTVQwy  rovra 
TtQovxoigsi,  filv  eis  tcXQißfj  di^ytiaiv  ttg  av  fifjuv  iiaqxiatiB  X6yoSf'  IV,  1: 
Mvgiovg  fAkr  ydq  laroQi^atu  äv  ng  d^vfjMCxriv  inhq  evasßeiag  xov  d-eov 
Ttap  oXuty  iv&B&Hyfih^ovg  7tQ0^vf4Üxr,  ovx  i^oTovntQ  f4<^yor  6  xard 
ndvxtov  dvtxivtj&tj  duay/Aog,  noXv  nqotBQov  dh,  xa^*  Sv  hi  zd  rijs  e^'- 
ytig  avyexQOTsTto, 

8)  IV,  5:  Ißj  dh  xcU  yvfjiyoTtQoy  inanidv^ro   (nämlich  der  die 


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BRIEGER,  ZU  EUSEBIÜS  H.  E.  Vin.  589 

seine  Erzählung  von  den  Martyrien  der  grossen  Ver- 
folgung mit  denjenigen  zu  beginnen,  welche  sich  in  Ni- 
komedien  selbst  zu  Anfang  der  Verfolgung  ereigneten. 
So  berichtet 

Cap.  V:  Das  erste  Martyrium  in  Nikomedien  und 

Cap.  VI,  1 — 7:  Die  Martyrien  besonders  der  Hofbeamten 
daselbst  (zum  Teil  in  Zusammenhang  stehend  mit  dem 
Palastbrand  in  Nikomedien). 

Cap.  VI,  8 — 10  deutet  Eusebius  den  Anlass  zu  dem  2.  Edict 
an,  zeichnet  in  wenigen  Zügen  die  Wirkimg  desselben, 
um  sofort  ein  3.  Edict  zu  erwähnen,  in  dessen  Verfolg  es 
in  allen  Provinzen  (besonders  in  Aifrica,  Mauretanien, 
Thebais  und  Aegypten)  zu  zahllosen  Hinrichtungen  ge- 
kommen sei. 
Ueber  diese  Hinrichtungen  wird  jetzt 

Cap.  Vn— Xni,  7  ausfuhrlich  berichtet:  cap.  VH— XI  sind 
sie  nach  den  Provinzen  geordnet,  während  cap.  XH 
besonders  hervorragende  Martyrien  von  Männern  und 
Frauen  zusammenstellt  und  das  veränderte  Verfehren 
g^en  Schluss  der  Verfolgung  charakterisirt,  cap.  XIH, 
1 — 7  aber  eine  Uebersicht  giebt  über  die  zu  Märtyrern 
gewordenen  Bischöfe  der  wichtigsten  Städte. 

(Dass  aber  Eusebius  in  diesem  grossen  Abschnitte  nicht 
ausscmiesslich  von  den  durch  das  dritte  der  erwähnten  Edicte 
hervorgerufenen  Verfolgungen  redet,  sondern  die  ganze  Zeit 
der  Verfolgung  ins  Auge  fasst,  das  geht  für  den  aufinerk- 
samen  Leser  schon  aus  verschiedenen  Anzeichen  der  Dar- 
stellung selbst  hervor^),   und  wird  über  jeden  Zweifel   er- 


Verfolgung erweckende  Teufel),  ovtf  €<rn  X6y^  dwaroy  d^fiyriauaS-ai, 
oaovg  xcci  onoCovg  xov  d-iov  fAaQjvgag  otpdnXfÄoTs  naQ^fy  ogäy  rotg 
dvd  ndaag  rdg  ts  noXsig  ocai  tdg  x^Q^^S  oixovatv, 

1)  Vgl.  1)  IX,  3:  ini  fxnxqoy  oXtov  stmy  dtdarnf^a,  2)  XU,  8 f. 
spricht  er  von  dem  kaiserlichen  Befehl,  welcher  an  die  Stelle  der 
Todestrafe  Verstünunelnng  setzte,  und  nennt  dieses  neue  Verfahren 
Ttt  rdSy  avfjKfOQtdv  eaxora  (aus  de  mart.  Pal.  Vll  geht  hervor,  dass 
es  ins  6.  Jahr  der  Verfolgung  fallt).  3)  wird  man  wahrscheinlich  mit 
Becht  auch  darauf  verweisen  können,  dass,  wenn  in  diesem  Ahschnitte 
ausschliesslich  die  Wirkungen  des  3.  Edictes  geschildert  werden  soll- 
ten, nur  die  Martyrien  von  Gemeindevorstehern  uns  vorgeführt  wer- 
Zeitflchr.  f.  E.-G.  III,  4.  40 

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690  ANAI4EKTEN. 

hoben    durch   die  Vergleichimg   mit   anderen  Büdtem    der 
Kirchengeschichte  und  mit  de  marL  Pai.)  ^) 

n.  HUfte:  cap.  XIH,  8— XTH: 
Die  politischen  Ereignisse  seit  Beginn  der    Ver- 
folgung  und   die   Widerrufung    der   Massnahmen 
gegen  die  Christen  [311]. 
Eusebius  ist  cap.   XIII ,   7   mit  seiner  Erzählung     der 
Kämpfe  der  Märtyrer  zu  Ende  gelangt  und  will  noch    die 
Palinodie  der  Kaiser  erzählen,  glaubt  aber  an  dieser  Stelle 
zurückgreifen  zu  müssen,  indem  er  auf  „die  politischen  Er- 
eignisse von  Anfang  der  Verfolgung  an'*  eingeht,  welche  er 
hier  in  der  Tat  völlig  ausgelassen  hatte,  während  er  z.  B. 
de   mart.  Pal.  einiges  davon    (s.   cap.    DI,  5 — 7   die  Ab- 
dankung Diocletian's  u.  s.  w.)  einschaltei     Der  noch  übrige 
Gegenstand  des  Buches  ist  also  ein  doppelter: 
1.   Cap.   XIII,   9  —  XV:    die   politischen   Ereignisse 
seit  Beginn  der  Verfolgung. 

Cap.  XIII,  9 — 11:  Lage  des  Reiches  bei  Beginn  der  V^-- 
folgung  und  ihre  Veränderung  nach  derselben  bis 
zum  Zurücktritt  Diocletian's  und  Maximian's. 


den  dürfen,  während  hier  doch  die  Martyrien  von  Laien  im  Vorder- 
grande stehen  (s.  VII,  4  den  Jüngling  von  noch  nicht  20  Jahren; 
Vm,  1  die  unzählige  Menge  von  Männern,  Weibern  und  Kindern; 
IX,  1  die  Weiber;  IX,  3  Männer,  Weiber  und  Kmder;  IX,  7  dea 
hochgestellten  Beamten  Philoromus;  desgl.  cap.  XI  u.  XII.  In  aBen 
diesen  Capiteln  [VII — Xll]  ist  nur  eines  einzigen  GemeindevorstdiecB 
Martyrium  —  das  des  Bischof  Phileas  von  Thmuis,  das  dann  cap. 
Xlll  noch  einmal  vorkommt  —  ausdrücklich  erwähnt,  IX,  7,  and 
erst  Xni,  1 — 7  folgt  dann  die  Zusammenstellung  von  Martyrien  von 
Gkmeindevorstehem  der  angesehensten  Städte).  Doch  will  ich  auf 
diese  Wahrnehmung  bei  dem  nicht  ganz  zweifellosen  Charakter  des 
3.  Edictes  (worüber  weiteres  unten  in  der  zweiten  Miscelle)  kein  €^e- 
wicht  legen. 

1)  Von  den  in  cap.  XTTI,  1 — 7  erwähnten  Märtyrern  haben 
Lucian,  Silvanus  von  Emesa  und  Petrus  von  Alexandria  nach 
H.  E.  IX,  6  erst  in  dem  letzten  Stadium  der  Verfolgung  (311—313) 
gelitten  (für  Petrus  von  Alexandria  s.  auch  die  genaue  2ieitbe8timmung 
VII,  32,  31),  Pamphilus  nach  de  mart.  XI  im  7.,  die  ägyptischen 
Bischöfe  Peleus  und  Nilus  nach  de  mart.  XUI,  3,  Silvanus  von 
Gaza  nach  de  mart.  Xm,  4  ff.  im  8.  Jahre  der  Verfolgung. 


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BBIEGEB^  ZU  EUSEBIU3  H.  £.  VUI.  591 

Oap.  XIU;  12 — 14:  über  den  Tod  des  Constantius  und  seinen 
Nachfolger  Constantin. 

Cap.  Xin^  14 — 15:  über  LiciniuB;  Maximums  und  über  den 
Ausgang  Maximian's. 

Cap.  XIV:  vergleichende  Charakteristik  der  Tyrannen  Ma* 
xentius  und  Maximinus  ^). 

Cap.  XV:  abschliesB^ide  Schilderung  des  unglücklichen  Zu* 
Standes  des  Reiches^  d.  L  auch  der  heidnischen  Unter- 
tanen^ während  der  ganzen  zehnjährigen  *)  Verfolgungs- 
zeit  (wozu  der  Schlussparagraph  von  cap.  XIV  ge- 
schickt überleitet). 

2.  Cap.  XVI — XVII:  das  Nachlassen  der  Verfolgung 
nach  dem  8.  Jahre:  der  Widerruf  des  Galerius. 

Cap.  XVI — XVn,  2:  Motivirung  des  Umschwunges,  wie  er 
sich  im  Edict  des  Galerius  äussert 

Cap.  XVn,  3 ff.:  Mitteilung  des  Edictes  selbst. 


Besondere  Beachtung  veriüenen  die  Sätze,  mit  welchen 
Eusebius  cap.  XÜT,  7.  8  den  Uebergang  von  der  ersten  Hälfte 
seiner  Darstellung  zu  der  zweiten  nimmt,  weil  er  hier  ganz 
ausdrücklich  das  Thema  für  die  letztere  angiebi 

Er  hat  seine  Au&ählung  der  Märtyrer-Bischöfe  der  h^> 
vorragendflten  Städte  mit  der  Bemerkung  geschlossen ,  dass 
es  ausserdem  unzählige  Märtyrer  gebe,  deren  Andenken  bei 
ihren  Gemeinden  fortlebe  tmd  deren  Kämpfe  in  der  ganzen 
ohovf^iyrj  genau  zu  beschreiben  nicht  seine,  als  vielmehr  der 
Augenzeugen  Aufgabe  sei;  diejenigen  jedoch,  bei  welchen  er 
selbst  zug^en  gewesen,  wolle  er  der  Nadiwelt  in  einer  an- 


1)  §  1--6:  über  die  Tyrannei  des  liazentiiis. 

§  7—16:  über  MaximinnB  und  das  Verhalten  der  Christen  in 

seiner  Verfolgung. 
§  16—17 :  noch  eine  Seene  aus  der  Verfolgung  des  Maxentius 
in  Rom. 
*)  S.  cap.  XV,  1 :  ^««  naytbg  yi  to»  to»  %ujd  %6v  ^myiMMf  cf nrte- 
iiovq  j^^Vov.    C2ap  XVt,  1 :  tomvj'  TiP  rd  dtd  nturidt  rov  Sutyftov 
nuQttTBTttxota^  dsxdri^  fikv  fhe$  .  •  narteXtSf  n9navfiäro%  Xu^päv  y%  fAtjv 
fiST*  oydoov  irog  ira^^afiipov. 

40* 

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592  ANALEKTEN. 

deren  Schrift  erzählen  (§  7)  *).  Und  nun  fugt  er  (§  8) 
die  Angabe  dessen  hinzu,  was  er  in  dem  gegenwärtigen  Buche 
noch  zu  geben  gedenke:  Kaxa  yi  fitjy  vor  nagorra  ko- 
yoy  TTjy  TwXtytgSlw  Twy  negi  rifiag  il^aofiiywy  roig  d^fdrotg 
imavyonpWy  xa  re  ^  olqxv^  tov  Suayfiw  avfißeßtpcara^  xon^^' 
(jLWtaxa  Tvyx^yoyra  rotg  iyrev^ofiiyotg.  Der  Inhalt  der  zweiten 
Hälfte  des  Buches  ist  hiemach  ein  doppelter:  l)  17  TioXtr- 
(fidia  Tciy  7rf(>i  rnnäg  ei^aafiiywy  j  die  in  der  Tat  Cap.  XVI, 
XVH  erzählt  wird,  und  2)  ra  ^5  agxv^  '^^^  Siwyfiov 
üVfÄßißfjxora.  B^ann  aber  Eusebius  inbetreff  dieses  zweiten 
Punktes  sich  in  dieser  Allgemeinheit  ausgedrückt  haben? 
„Die  Ereignisse  vom  Anfange  der  Verfolgung  an"  wärrai 
neben  der  Erzählung  vom  Widerruf  des  Galerius  sein  Thema 
in  diesem  zweiten  Hauptteil?  Wäre  das  der  Fall,  so  könnte 
man  ihm  allerdings  den  Vorwurf  der  Verworrenheit  nicht 
ersparen;  denn  dieses  Thema  hat  er  schon  im  ersten  Teile 
berührt:  cap.  H,  4.  5;  V.  VI,  1—7  (vgl.  cap.  VI,  7:  xoJ 
T«  /liy  Im  NixofiTjdeiag  xarce  rijy  agxv^  anonXead-dyTa  xov 
Siayyfiov  xoiavxa).  Es  kommt  hinzu,  dass  tatsächlich  Eusebius 
auch  gar  nicht  ein  so  allgemeines  Thema  löst,  sondern  nur 
cap.  XHI,  9 — XV  „die  politischen  Ereignisse  vom  An- 
fernge  der  Verfolgung  an"  erzählt  Merkwürdigerweise  hat 
unter  allen  bisherigen  Herausgebern  von  Valesius  an  bis 
auf  Schwegler  (1852),  Laemmer  (1862),  Heinichen 
(1868)  und  Dindorf  (1871)  hin  Niemand,  soweit  sich  be- 
merken lässt,  an  diesen  Worten  Anstoss  genommen.  Trotz- 
dem ist  mir  zweifellos,  dass  diese  Stelle  verderbt,  d.  h.  dass 
in  dem  x6  xe  ^g  ot^X^^  "^ov  Simyfiav  avfißißipcoxa  etwas  ausge- 
fallen ist.  Denn  Eusebius  pflegt  sich  in  den  Angaben  über 
seine  Disposition  sehr  genau  auszudrücken. 

Die  Hülfe  scheint  mir  nun  sehr  nahe  zu  liegen,  indem 
ein  einziger,  verhältnismässig  junger  Codex  das  Richtige  bieten 
dürfte:  der  Codex  Norfolciensis  *)  im  Britischen  Museum, 

1)  OU  y«  /u^V  avxdg  naQBykvofAipf ,  tovxovg  xai  totg  fad-*  ^ftag 
yvtoQlfjiovg  <fi'  kxiqas  noirjaofÄM  ygafpijg,  Dass  diese  Hindeutung 
auf  die  Schrift  de  martyribua  Palaestinae  geht,  bedarf  nicht  im  ge- 
ringsten des  Beweises. 

S)  So  nenne  ich  ihn  mit  Routh;  s.  u. 


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593 

zum  ersten  Mal  1814  von  Routh  für  seine  Reliquiae  Sacrae 
benutzt^),  durchgehend  aber  erst  von  Bar  ton  für  seine 
Ensebius-Ausgabe  (Oxford  1838)  verglichen. 

Es  ist  mir  nicht  unbekannt^  dass  grade  dieser  Codex 
—  sicher  nicht  ohne  eigene  Schidd  —  in  einem  üblen  Rufe 
steht  *) :  es  ist  wohl  die  sonderbarste  aller  Eusebius-Hand- 
Schriften.  Schon  ein  flüchtiger  Blick  in  die  Ausgabe  Bur- 
ton's  zeigt^  dass  der  starke  Umfang  des  kritischen  Apparates 
bei  ihm  hauptsächlich  auf  Rechnung  der  von  dem  textus 
receptus  fast  unzählige  Male  abweichenden  Lesarten  des  Cod. 
Norf.  [G  bei  Burton]  zu  setzen  ist.  In  der  Tat  scheint  diese 
Handschrift  in  Nachlässigkeitsfehlem  und  in  kleinen  will- 
kürlichen Abänderungen  Erstaunliches  zu  leisten  ^  Erstaun- 
licheres durch  ihre  Paraphrasen  und  Einschiebsel. 
Von  beiden  giebt  grade  das  in  Rede  stehende  Capitel  Be- 
l^e  *) ;  und  damit  an  dieser  Stelle  seine  Eigentümlichkeiten 
sich  concentriren,  so  nimmt  der  Cod.  Norf.  eben  hier  die 
auffallendste  Umstellimg  vor,  indem  er  an  cap.  XIIT^  7 
(d.  h.  an  die  Worte  Vdioy  äy  yfyoao)  die  Schrift  de  marty- 
ribus  Pdlaestinae  anschliesst;  d.  h.  dem  8.  Buche  förmlich 
einverleibt  und  mit  dem  Reste  des  8.  Buches  (cap.  XTTTy 
8  bis  Schluss)  das  9.  Buch  eröflGaet*). 

1)  Vgl  Routh,  Keliq.  Sacr.  (2.  Aufl.  Oxomi  1846)  I,  p. 
XXXTHsq. 

^)  Schon  1840  sprach  Heinichen  (Supplementa  notarum  ad 
Euseb.  hist.  eccl.  p.  V)  mit  grosser  Geringschätzung  von  ihm;  auch 
in  der  neuen  Ausgabe  des  Euseb.  (Tom.  I,  1868,  p.  XVn  §  25)  zählt 
er  ihn  zu  den  Handschriften  minaris  aut  nuUiits  fere  momenüj  wäh- 
rend er  später  etwas  günstiger  über  ihn  zu  urteilen  scheint  (s.  Euseb. 
Scripta  hist.  T.  HI,  1870  Praef.  p.  V).  Schwegler  aber  sagt  von 
ihm :  incredMU  et  negligentia  et  licentia  scriptus  est  (p.  VIT) ;  er  hat 
daher  in  seinem  kritischen  Apparate  keineswegs  durchgehend  Rück- 
sicht auf  ihn  genommen. 

8)  Man  vgl.  die  grosse  Paraphrase  in  §  11  und  die  grosse  In- 
terpolation wenige  Zeilen  später,  bei  Burton  H,  573  u.  573  f. 

*)  Mit  dieser  Einverleibung  von  de  mart.  Pal.  hängt  ohne  Frage 
das  ganz  folgerichtige  Verfahren  zusammen,  dass  der  Codex  (s.  Bur- 
ton n ,  646)  cap.  n,  4.  5,  das  fast  wörtlich  im  Prooemium  der  Mar- 
tyrea  wiederkehrt,  und  cap.  XU,  das  im  wesentlichen,  meist  ebenfEÜls 
wörtlich,  de  mart.  I,  3.  4  sich  wiederfindet,  im  8.  Buche  auslässt. 


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594  ANALEKTEN. 

Ob  mit  Recht  oder  Unrecht,  ob  etwa,  wie  der  tr^liche 
Stroth  ^)   wollte,   Eusebius   selbst   verschiedene    Ausgaben 
seiner  Eirchengeschichte  veranstaltet  hat,  das  mag  einer  spä- 
teren Untersuchung  vorbehalten  bleiben.     Hier  genügt    die 
Bemerkung,  dass  bei  G^l^enheit  dieser  Umstellimg  der  Cod. 
Norf.  dasjenige  Einschiebsel  bringt,  welches  die  Angabe  dst 
Euseb.  über  seine  Disposition  zu  einer  ebenso  klaren  wie  xa* 
treffenden  macht  und  welches  bei  seiner  Knappheit  das  Vor- 
urteil für  sich  hat,  aus  einer  vorzüglichen  Vorlage*) 
entnommen  zu  sein.    Der  Cod.  Norf.  nimmt  nämlich  eu 
Anfang  des  9.  Buches,  wo  er  den  Rest  des  8.  nachträgt,  d&k 
üebergangs- Paragraphen   cap.  XTTT,  8  in  folgender  Paia^ 
phrase  wieder  auf:  iyrav&a  6^  fioi  fieja  r^y  rwr  fiOQVvQOtv 
ygaqifjv  roy  tuqI  xriq  tlQ^yfjg  anodovyai  Xoyoyr^y  re  naXir^ 
ipiiay  xwy  mgl   tifxag  elpyaofiiytay   ayay^atpai  nq(ncQlifm 
ayayxatoy  tlval  fioi  ioxet  ra   i^  «(>/^C  ^ot  äitayfiov  nepl 
roy  ßaaiXeioy   oIkov  ovfißeßtjxota    diaSQOfihTy   X9^^f^^ 
rata    n    xvyxayoyxa    xoTq    iyjiv^ofiiyoig    r^    Xoyia    (Burton 
I,  572)  »). 

1)  S.  z.  B.  seine  üebersetzung  des  Eusebius  Bd.  11,  99.  137 
(seine  Ausgabe  der  H.  E.  I— VH,  Halle  1779,  steht  mir  hier  nicht 
zur  Verfügung).  Jedenfalls  hat  Stroth  die  Richtigkeit  seiner  Ver- 
mutung durch  seine  Berufung  auf  die  Rufinische  Üebersetzung  nicht 
erhärtet.  Vgl.  Kimmel,  De  Rufino  Eusebii  interprete,  Gerae  1838, 
p.  261flr.  und  Heinichen,  Euseb.  Scripta  bist  I,  p.  XXTT;  m, 
p.  733—736. 

*)  Wie  R  ou  th(I,p.  XXXIII)  Ton  dem  Cod.  sagt:  leeHanes  et  in  Sin- 
nes et  sün  proprias  interdum  sttppeditat^  so  nennt  ihn  auch  Schweg- 
1er  trotz  seines  sonst  so  ungünstigen  Urteils  (s.  oben)  e  bono  fönte 
deductus  (p.  VII).  Den  Nachweis  im  einzelne  dafür  hat  aber  noch 
Jemand  erbracht.  Denn  leider  ist  der  Cod.  (den  nach  Burton  keiner 
der  späteren  Herausgeber  von  neuem  verglichen  hat)  überhaupt 
noch  nicht  im  Zusammenhang  untersucht.  Aus  Burton  er- 
fahren wir  bei  dem  posthumeu  Charakter  des  Werkes  nicht  ein- 
mal etwas  über  sein  Alter  (vgl.  die  einzige  Notiz  I,  p.  IV:  Codex 
olim  Begiae  Societatis,  ntme  vero  Musei  Britanmci,  ab  ip$o  editore 
coüatua).  So  sehen  wir  ims  angewiesen  auf  die  Mitteilungen  Routh's 
a.  a.  0.,  der  ihn  aber  nicht  selber  gesehen,  der  daher  auch  über  sein 
Alter  sich  nicht  mit  voller  Sicherheit  ausdrückt:  si  vert*m  audio,  sae- 
evHo  dedmo  qwinto  aseignandus  videttw. 

9)  Laemmer  und  Heinichen  (in  der  2.  Ausgabe)  haben  zwar 


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BBIEGER;  ZU  EUSBBIUS  H.  E.  VIU.  595 

Wenn  wir  vorhin  in  den  Worten  ja  i5  u^x^i^  '^ov  Siwy- 
fiov  avfißißrjxora  eine  Lücke  vermuteten,  so  wird  diese  durch 
die  Worte  ne^l  roy  ßaaiXtioy  olxov  gleich  bündig  wie 
zutreffend  ausgefüllt,  so  dass  ich  nicht  anstehe,  sie  für  ur- 
sprünglich zu  erklären  und  anzunehmen,  dass  sie  frühzeitig 
a;usgefallen  sind,  da  alle  uns  erhaltenen  guten  Handschriften 
(von  denen  die  älteste  bekanntlich  nur  ins  zehnte  Jahr- 
hundert hinaufreicht)  sie  nicht  bieten.  MögHch,  dass  die  sy- 
rische Uebersetzung  ^),  deren  Veröffentlichung  wir  seif  län- 
gerer Zeit  von  William  Wright  erwarten,  den  ursprüng- 
lichen Wortlaut  bewahrt  hat  *).  Wo  nicht,  so  würde  auch 
dann  noch  unsere  Vermutung  ihr  Becht  behaupten  *). 

Marburg,  den  4.  September  1879. 


2. 

Das  Muratorische  Fragment''). 

Von 
Adolf  Hamaek  in  Qiessen. 


Dem  folgenden  Abdruck  des  Mnratorischen  Fragments  (Bi- 
blioth.  Ambros.  N.  J.  cod.  101  Super,  fol.  10.  IIa;  Cod.  Bobb. 


beide  die  ,, sonderbare"  abweichende  Lesart  unter  dem  Text  gebracht, 
sie  aber  bei  ihrer  Geringschätzung  des  Cod.  Norf.  keiner  Beachtung 
gewürdigt,  wie  sie  ja  überhaupt  an  dem  textus  receptus  an  dieser 
Stelle  keinen  Anstoss  nehmen. 

1)  Aus  der  Uebersetzung  des  Rufinus  kann  man  für  unsere 
Stelle  nichts  entnehmen,  da  er  grade  hier  stark  zusammenge- 
zogen hat. 

»)  Ich  kann  bei  Gelegenheit  der  Correctur  hinzufügen,  dass,  wie 
Herr  Professor  Wright  in  Cambridge  mir  auf  meine  Anfragein  einem 
Briefe  vom  10.  October  mitzuteilen  die  Güte  gehabt  hat,  die  syrische 
Uebersetzung  an  dieser  Stelle  dem  textus  receptus  folgt. 

>)  Die  zweite  Miscelle :  Zu  den  Edicten  der  Diodetiamsdien  Ver- 
folgung folgt,  sobald  der  Raum  es  gestattet,  in  einem  der  nächsten 
Hefte. 

*)  Vgl.  diese  Zeitschrift  Bd.  HI,  S.  358  fF. 


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596  ANALEKTEN. 

membran.  saec.  YUI.  Tel  IX.,  litteris  maiuscnlis  et  qnadrat» 
Script)  liegt  das  Facsimile  \oii  Tregelles  (Canon  Murat^  Ox- 
ford 1867)  zu  Grunde,  welches  der  Unterzeichnete  im  Aprü  des 
Jahres  1874  in  Mailand  mit  dem  Originale  verglichen  hat.  Be- 
nutzt wurde  ausserdem  die  CoUation  von  Beiff erscheid  (Sitamngs- 
berichte  der  k.  k.  Akad.  d.  W.  zu  Wien.  Philol.>histor.  Klasse. 
LXVn.  Bd.  [1871]  S.  496ff.  Anm.  1).  In  Hessens  Mono- 
graphie  (Das  Muratorische  Fragment.  Giessen  1873),  sind  dit 
abweichenden  älteren,  nun  antiquirtcn  Lesungen,  namentlich  die 
des  epten  Herausgebers  (Antiquit.  It>al.  med  aev.  T.  XU,  p.  851  sq.) 
Terzeichnet 

quibus  tarnen  interftdt  et  ita  posuit* 

tertio  euangelii  librum  secundo  lucan 

lucas  iste  medicus  post  ascensum  xpi 

cum  80  paulus  quasi  ut  iuris  studiosum. 
6  secundum  adsumsisset  numeni  suo 

ex  opinione  concribset  dnm  tarnen  nee  ipse 

uidit  in  came  et  idö  prout  asequi  potuit* 

ita  et  ad  natiuitate  iohannis  ineipet  dicere. 

quarti  euangeliorum  *  iohannis  ex  decipolis 
10  cohortantibus  condescipulis  et  eps  suis 

dixit  conieiunate  mihi*  odie  triduo  et  quid 

cuique  ftierit  reuelatum  alterutrum 

nobis  ennarremus  eadem  nocte  reue 

latum  andreae  ex  apostoUs  ut  recognis 
15  centibus  cuntis  iohaxmis  suo  nomine 

cuncta  discriberet  et  ideo  licit  uaria  sin 

cuUs  euangeliorum  libris  principia 

doceantur  nihil  tamen  differt  creden 

tium  fidei  cum  uno  ac  principali  ^ü  de 
20  clarata  sint  in  onmibus  omnia  de  natiui 

täte  de  passione  de  resurrectione 

de  conuersatione  cum  decipulis  suis 

ac  de  gemino  eins  aduentu 


Fol.  10a:  2.  Mit  rother  Tinte  geschrieben.  —  secu/ndol  ürspr.  «f- 
cando  (das  a  ist  durchstrichen  und  radirt,  u  ist  darübergescnriebMi).  — 
3.  ascensum]  8  ist  über  ac  geschrieben.  —  6  concribset]  b  ist  über  m 
geschrieben.  —  7.  uidit]  Davor  steht  ein  durchstrichenes  d,  — 
prout]  ut  nachträglich  übergeschrieben.  —  9.  Mit  rother  Tinte  ge- 
schrieben. —  14.  andreae]  Weae  in  ras,  m.  aV  (Reiff.).  —  16.  cuncta] 
Das  zweite  c  ist  nachträglich  (m.  ah  ut  vid*  Reiff.J  darüberfi^eschrie- 
ben.  —  discriberet]  Das  erste  e  ist  nachträglich  darüDergeschneben.  — 
19.  iidei]  Urspr.  fedei.  Das  e  durchstrichen,  t  darübergeschrieben.  — 
22.  conuersatxoni]  r  ist  über  es  geschrieben.  —  23.  Am  Ende  dieser 
Zeile  ein  leerer  Kaum  von  11  Buchstaben. 


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HARNACK,  DAS  MüRATOBISCHE  FRAGMENT.      597 

primo  in  humilitate  dispectus  quod  fo 

25  it  secundum  potestate  regali  pre 
clarum  quod  foturum  est .  quid  ergo 
mirum  si  iohannes  tarn  constanter 
ßincula  etiä  in  epistulis  suis  proferat 
dicens  in  seme  ipsu  quae  uidimus  oculis 

80  nosüis  et  auribus  audiuimus  et  manus 
nostrae  palpauerunt  haec  ßcripsimus 

Qobis 
sie  enim  non  solum  uisurem  sed  et  auditorem 
sed  et  scriptorö  omnium  mirabiliü  dm  per  ordi 
nem  profetetur  acta  ante  omniü  apostolorum 

35  sub  uno  libro  scribta  sunt  lucas  obtime  theofi 
le  conprindit  quia  sub  praesentia  eius  singula 
gerebantur  sicut  et  semote  passiong  petri 
euidenter  declarat  sed  et  profectionö  pauli  ab  ur 
be  ad  spaniä  proficescentis  epistulae  autem 

40  pauli  quae  a  quo  loco  uel  qua  ex  causa  directe 
sint  uolentibus  intellegere  ipse  declarant; 
primü  omnium  corintheis  scysmae  heresis  in 
terdicens  deinceps  b  callactis  circumcisione 
romanis  aute  ordine  scnptui'arum  sed  et 

45  principium  earum  esse  xpm  intimans 
prolexius  sciipsit  de  quibus  sincolis  neces 
se  est  ad  nobis  desputari  cum  ipse  beatus 
apostolus  paulus  sequens  prodecessoris  sui 
iohannis  ording  non  nisi  nomenati .  semptae 

24.  fo]  Fast  ganz  verblasst.  —  25.  it]  Sehr  undeutlich.  Frühere 
haben  tu  gelesen.  — potestate]  8  darübergeschrieben.  —  Yot  pre  sind  2 
Buchstaben  durchstrichen  und  radirt.  Wahrscheinlich  pe,  —  29.  quae] 
Das  a  fehlt,  aber  e  hat  den  Haken  =  ae.  —  31.  uobis]  Fast  ganz  ver- 
blichen. —  Fol.  10^ :  32.  et]  Ist  übergeschrieben.  — 35.  tmoj  Urspr.  unu,  u 
in  0  verwandelt.  —  37.  sicut]  Urspr.  sieute.  'ti  exte' B. ein.  (?).  —  38.  et] 
Ist  übergeschrieben.  —  pauli]  li  in  Ligatur.  —  ab]  Vielleicht  aus  aa 
corrigirt.  "ex  ad'  (Reif f.).  —  wr]  In  Ligatur.  —  39.  he]  Ein  Buchstabe 
ist  nach  e  gelöscht  (urbes?).  *«  eras/  (Reif f.).  —  proficescentis]  Das 
e  in  ces  scheint  aus  i  hergestellt,  bevor  s  geschrieben ;  vgL  Z.  63  des- 
cepline.  —  41.  uolentibtts]  Cod.  uolentatibiM ;  aber  unter  dem  ta  vier 
Punkte,  welche  die  Buchstaben  als  zu  tilgende  bezeichnen.  *ex  uölu/n- 
tatibus'  Reif  f.  (?).  —  Das  Zeichen  nach  declarant  ist  jedenfallß  nur 
Interpunktionszeichen.  —  42.  scysmae]  e  mit  dem  Haken  =  ae.  — 
43.  callactis]  Das  zweite  c  steht  über  dem  a.  —  44.  ordine]  Urspr. 
omidine;  m  ist  radirt  und  gelöscht.  —  et]  Kaum  mehr  lesbar,  w  ras. 
m.  dl.'  Reif  f.  (?).  —  45.  earum]  Damach  3  radirte  Buchstaben,  wahr- 
scheinlich =  sed,  vielleicht  =  osd.  —  tnttjnans]  Damach  ein  freier 
Raum  von  ca.  4  Buchstaben.  —  48.  apostolus]  Urspr.  tu  stat  to.  — 
prodecessoris]  Reiff.  giebt  i*m  (?).  —  49.  nomenati]  comenatim  mit 
einem  n  über  c.  *no  ex  do  (Reiff).  —  semptae]  'te  ex  tae' 
(Reiff.)  (?). 


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698  AKALEKTEN. 

60  ecciesiis  scribat  ordine  tali  a  corenthios 
prima,  ad  efesios  seconda  ad  philippinses  ter 
tia  ad  colosensis  quarta  ad  calatas  qmn 
ta  ad  tensaolenecinsis  sexta-ad  romanos 
septima  uerum  corintheis  et  tbesaolecen 

66  sibus  licet  pro  correbtione  iteretur  una 
tarnen  per  omnem  orbem  terrae  ecclesia 
deffdsa  esse  denoscitur  et  iohannis  enl  in  a 
pocalebsy  licet  septe  eccleseis  scribat 
tarnen  omnibus  dicit  uerü  ad  filemonem  nna 

60  et  at  titü  una  et  ad  tymotheü  duas  pro  affec 
to  et  dilectione  in  honore  tarnen  eclesiae  ca 
tholice  in  ordinatione  eclesiastice 
descepline  scificate  sunt  fertur  etiam  ad 
laudecenses  alia  ad  alexandrinos  pauli  no 

65  mine  fincte  ad  heresem  marcionis  et  alia  plu 
ra  quae  in  catholicam  eclesiam  recepi  non 
potest  fei  enim  cum  melle  misceri  non  con 
cruit  epistola  sane  iude  et  superscrictio 
iohannis  duas  in  catholica  habentur  et  sapi 

70  entia  ab  amicis  salomonis  in  honorg  ipsius 
scripta  apocalapse  etiam  iohanis  et  pe 
tri  tantum  recipimus  quam  quidam  ex  nos 
tris  legi  in  eclesia  nolunt  pastorem  uero 
nuperrime  temporibus  nostris  in  urbe 

75  roma  herma  conscripsit  sedente  cathe 
tra  urbis  romae  aeclesiae  pio  eps  fratre 
eins  et  ideo  legi  eum  quidö  oportet  se  pu 
plicare  uero  in  ecleaia  populo  neque  inter 


50.  ecciesiis]  Cod.  eccUses;  über  dem  letzten  e  sind  xwd  t 
geschrieben;  vielleicht  stand  aber  auch  urspr.  ecclesis,  welc^s  sa 
eceUseis  corrigtrt  wurde.  —  51.  efesios]  Vielleicht  urs^r.  efesius.  — 
phüippinses]  Vielleicht  urspr.  i^sis,  —  o3.  romanos]  os  in  Ligatur.  — 
54.  Nach  septima  ein  kleiner  fi^eier  Baum.  —  coriniheis]  Urspr.  coreft- 
theis,  —  thesaoleeen]  Das  h  ist  über  das  erste  e  ffeschrieoen.  —  ^'  ü^ 
cet]  Ursp.  licit.  —  correbtione]  *c  ex  r*  Reiif,  (n.  —  58.  septe]  'e  ext 
Reif  f.  (?).  —  60.  Das  t  im  zweiten  e^  ist  undeutlicn,  es  scheint  radirt  — 
62.  eclesiastice]  Damach  ein  freier  Raum  von  ca.  5 — 6  Buchataben.  — 
Fol.  11»:  63.  äescepUne]  Urspr.  discepUne, — «r]  In  Ldgator. —  64.  ktude- 
eenses]  Urspr.  is.  —  65.  heresem]  Cod.  Jiesem  mit  überj^chriebenem 
re  —  66.  catholicam]  Urspr.  chatholicam;  aber  das  h  ist  radirt  und 
gelöscht.  —  72.  recipimus]  Statt  des  letzten  i  urspr.  «.  —  74.  nuper- 
rime] Urspr.  nidperrim  et  temporibus;  aber  das  ^  in  et  ist  ladirt.  -* 
temporibus]  us  m  Ligatur.  —  urbe]  ur  in  Ligatur.  —  75.  conscripsit] 
ns  in  Ligatur.  —  76.  fratre]  Urspr.  frater;  aas  r  ist  aber  radirt  und 
links  über  das  e  ein  r  geschrieben. 


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IIAENACK,  DAS  MUEATORISCHE  FRAGMENT.  599 

profetas  conpletum  numero  neque  inter 
80  apostolos  in  finö  teiupomm  potest. 

arsinoi  autem  seu  ualentim  *  uel  mitiadeis 

nihil  in  totum  recipemus  •  qui  etiam  nouü 

psalmorum  librum  marcioni  conscripee 

runt  Tina  cum  basilide  assianom  catafry 
S5  cum  constitutorem 


3. 

Zum  Y.  lateranconcil. 

Von 
Prof.  Th,  Eolde  in  Marburg. 


Zu  dem  auf  Veranlassung  König  Maximilian's  und  Ludwig:*s 
von  Frankreich  von  den  abtrünnigen  Cardinälen  auf  den  1.  Sept. 
1511  nach  Pisa  ausgeschriebenen  Concil  waren,  wie  bekannt, 
nach  früherer  Sitte  nicht  nnr  die  geistlichen  Würdenträger  ein- 
geladen worden,  sondern  man  hatte  auch  die  reges,  principes  et 
potentatus  et  communitates  —  ad  concüium  de  jure  vd  eonsue- 
tudine  venire  solUos  dazu  berufen.  An  einzelne  deutsche  Eeichs- 
fürsten  sandte  man  noch  besondere  Einladungsschreiben  ^);  man 
findet  aber  nicht,  dass  diese  irgendwie  daron  Notiz  genommen 
oder  bereit  gewesen,  den  Kaiser  in  dieser  Hinsicht  zu  unter- 
stützen. Tritheim  mag  die  allgemeine  Ansicht  in  Deutschland 
ausgesprochen  haben,  wenn  er  auf  rlie  Einladung  des  Kaisers  zum 
Concil  hin  ihn  vor  dem  Bunde  mit  dem  leichtsinnigen  Gallien 
warnt  und  die  Bechtmässigkeit  des  Pisanums  aufs  Entschiedenste 


79.  profetas)  Vor  dem  ^  ist  ein  Buchstabe,  wahrscheinlich  s,  aus- 
radirt.  —  neque\  Urspr.  wahrscheinlich  nene.  —  80.  apostolos]  Urspr. 
wohl  aposttdos,  —  Nach  potest  freier  Baum  von  5  Buchstaben.  —  81.  im- 
tiadeis\  Das  Wort  ist  aus  einem  urspr.  ganz  anderen  geschaffen  und  stark 
radirt.  Der  2.  Buchstabe  ist  urspr.  ein  o»  u  oder  o  gewesen,  das  d  ist 
über  emen  nicht  mehr  zu  entzifSernden  Cons<Hianten  mit  2  Grundstrichen 
^geschrieben.  Das  e  ist  über  ein  urspr.  %  (gross  geschrieben)  gesetzt, 
t«  ist  in  liigatur  von  zweiter  Hand  unter  der  Zäle  beigefügt.  Man 
kami  daher  mit  Grund  für  das  urspr.  Wort  tatiani  halt^  da  das  m 
8€^  leicht  und  unmerklich  aus  dem  t  hergestellt  werden  konnte.  Vgl. 
Ztschr.  f.  luth.  Theol.  1874,  S.  276 f.,  445£;  1875  S.  207  f.  —  84.  assi- 
anom] Urspr.  assianum;  vielleicht  ist  aber  das  umgekehrte  der  Fall.  — 
85.  cOnsUtHtorem]  Das  s  bt  nachträglich  darüber  j^eschrieben.  Das 
Fragment  bricht  nier  mitten  in  der  Zeile  ab.  Em  Stück  aus  Ambro- 
sius   Commentar  zur  Grenesis  beginnt  auf  Z.  86. 

^  Das  Schreiben  an  Friedrich  den  Weisen  von  Sachsen  bei  Gold- 
ast, Folitic.  imp.,  p.  1196. 

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600  ANALEKTEN. 

bestreitet  ^);  auch  Jacob  Wimpheling  wollte   von   dem   Pisamnn 
nichts  wissen  ^)  —  allerdings  sehr   erklärlich ,    wenn   man    sich 
daran  erinnert,  in  welcher  Weise  er  Maximilian's  Aoftrag-,    nach 
dem  Master  der  französischen  Sanction  den  Plan  einer  deutschen 
Kirchenreform  zn  entwerfen,   ausgeftthrt  hatte*).     Wie    er    dazu 
gekommen,  ein  Concil  zu  berufen,  hatte   der  Kaiser  unter    dem 
20.  Mai  1511  den  Ständen  auseinandergesetzt^);  um  mit  ihnen 
wegen  der  Beschickung  des  Concils  zu  unterhandeln,  berief  er  am 
3.  Juni  1511  You  Oettingen  aus  einen  Tag  nach  Augsburg'    anf 
St  Gallus  (16.  Oct.)  *),   aber  trotz  mehrfacher  dringender   Mah- 
nung ®)  erschienen  doch  nur  der  Markgraf  Friedrich  von  Branden- 
burg und  zwei  schlesische  Fürsten,  weshalb  der  Beichstag-    auf 
den  März  des  folgenden  Jahres  Torschoben  wurde  ^).     ünterdeasen 
hatten  sich  die  Verhältnisse  wie  bekannt  sehr  verändert,  so  dass 
der  Kaiser  selbst  es  nicht   einmal  für  nötig  hielt,  einen  Prälaten 
zum  Concil  zu  senden  ^).     Auf  den  Beichstagen  zu   Trier   nnd 
Köln  im  Sommer  1512  war  denn  auch  keine  Bede  mehr  von  Be- 
schickung des  Pisanums,   aber   auch  für  den  Papst  einzutreten, 
wie  es  jetzt  die  Politik  des  Kaisers  forderte,  zeigten  die  Stände 
wenig  Neigung.     Auf  die   Frage  Maximilian's,   wie   dem  P2^ste 
gegen  Frankreich  Hülfe   geleistet  werden  solle  ^),   erklären  sie 
sich  bereit,   eine  Botschaft  an  den  Papst  und  den  König  von 
Frankreich  zur  Beilegung  der  Zwistigkeiten  zu  senden   und  fOr 
den  Fall,   „das   die  babstliche  Helligkeit  und  die   hellige   Bo- 
mische   Kirch  wider  ir  fryheit,  recht  und  gerechtigkeit  verge- 
waltigt oder   verdrückt  werden  woellt,   oder   ein  Scisma  iii  der 
helligen  Kirchen  entstehen '',   wollen  sie  weiter  ratschlagen,   wie 
dem  zu  begegnen  sei  ^^).     Aber  auf  die  Nachricht,  dass  die  Dinge 
in  Italien  sich  zu  Gunsten   des  Papstes  gewendet  haben,  sieht 
man  ganz  davon  ab  *0,  und  obwohl  es  noch  vor  kurzem  zweifel- 
haft war,  welches  von  den  beiden  Concilien  die  Oberhand  behalten 

i")  Trithemii  Chronic.  Hirsaug.  H,  p.  670f.  Triplicem  rompe 
faniculum,  hoc  est  GaUum  cum  vulturibus  suis  deserito,  aHoquin  la- 
queum  censurae  Summi  pontificis  incides  cum  eisdem  .  .  Coimdo  .  . 
quod  in  hoc  scismate  G^iam  levem  fides  G^ermana  non  sequetur. 

«)  Wiskowatof f,  Jacob  Wimpheling.  Berlin  1867.  S.  199  und 
Paul  Lehm  an n,  das  Pisaner  Concil  von  1511.   Breskiu  1874.   S.  80. 

8)  S.  darüber  Wiskowatoff,  S.  178fF.  und  besonders  Ul- 
mann in  dieser  Zeitschrift  oben  S.  203  ff. 

*)  Lünig,  Beichsarchiv  XIU,  811. 

6)  Janssen,  Frankfurter  Beichscorrespondenz  U,  Nr.  1056. 
«)  Janssen  U,  Nr.  1061.  1063. 

7)  Ebenda  Nr.  1068. 

8)  Bänke,  Geschichte  der  romanischen  und  germanisch^i 
Völker;  Werke,  Bd.  33,  S.  274. 

9)  Janssen,  Nr.  1080. 

10)  Ebenda  Nr.  1086. 

11)  Ebenda,  Nr.  1090. 


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KOLDE,  ZUM  V.  LATEBANCONCIL.  601 

wtbrde  ^),  scheint  man  fast  nirgends  in  Deutschland  daran  gedacht 
Kn  haben,  dem  Lateranconcil ,  welches  am  3.  Mai  1512  eröffnet 
worden  war,  durch  Beschickung  desselben  ein  grösseres  Ansehen 
zu  verleihen.  Nach  den  Concilsacten  hat  sich  von  deutschen 
Fürsten  im  engeren  Sinne  nur  einer  officiell  vertreten  lassen, 
nämlich  der  Eurf&rst  Joachim  von  Brandenburg  und  zwar  erst 
Yon  der  achten  Sitzung  an  ^. 

Um  so  auffälliger  erscheint  die  nachfolgend  mitgeteilte,  in 
dem  Dresdner  Staatsarchiv  befindliche,  wie  ich  glaube,  bisher  un- 
bekannte CorrespondoDz  Georges  von  Sachsen,  die  schon  vom  Früh- 
jahr 1513  datirt.  Wiewohl  nicht  zum  Concil  geladen,  was  mehr- 
fach betont  wird,  hält  der  Herzog  es  doch  um  des  Heils  der 
Kirche  willen,  deren  Einigung  und  Beformation  er  von  dem  all- 
gemeinen Concil  erhofft,  und  um  nicht  der  Nachlässigkeit  ge- 
ziehen zu  werden,  für  wünschenswert,  auch  seinerseits  bei  dem- 
selben vertreten  zu  sein.  Specielle  Gesandte  zu  schicken,  scheint 
ihm  zur  Zeit  noch  untunlich,  da  an  ihn  keine  Aufforderung  dazu 
ergangen  ist  ^  und  seine  ganze  Kunde  vom  Concil  angeblich  nur 
auf  Hörensagen  beruht,  doch  will  er  bis  zur  eventuellen  Ankunft 
seiner  Oratoren  wenigstens  durch  einen  in  Bom  sich  aufhaltenden 
Würdenträger  vertreten  sein,  und  ersieht  zu  diesem  Amt  in  erster 
Linie  keinen  andern,  als  den  General  des  Dominicanerordens 
Thomas  Yio  de  Gaöta,  den  schroffiBten  aller  Corialisten,  der  erst 
vor  kurzem  in  seinem  allen  deutschen  Traditionen  bezüglich  der 
Ooncilsfirage  widersprechenden  Tractat  de  Comparatione  atustori- 
tat%8  Papae  et  Concüii  für  die  päpstliche  Allgewalt  eingetreten 
und  die  Bussrede  an  das  Papsttum,  mit  der  der  Augustiuergeneral 


1)  Ranke,  Bd.  33,  283. 

2)  In  der  Präsenzliste  der  VIII.  Session  (17.  Dec.  1513),  die  es 
mit  den  Namen  nicht  sehr  genau  nimmt,  werden  erwähnt  Magnificus 
Totus  Lupus  de  Lapide  eques  et  Benso  de  Alvensehn  (sie.)  et  Jo- 
annes Bencelvil,  oratores  illostris  domini  Joachim  marchionis  Branden- 
burgensis  electoris  imperii;  Harduin,  Acta  Conciliorum,  Tom.  IX, 
f.  1709.  Wie  aus  dem  in  derselben  Sitzung  verlesenen  Procuratorium 
hervorgeht,  sind  es  Eittelwolf  de  Lapide  (Eitelwolf  von  Stein),  Busso 
de  Alvestent  (?)  juris  doctor  ac  ecclesiae  Magdeburgensis  canonicus 
sowie  Joannes  Blanctenfeld  (Blankenfeld)  doctor  Teutonicorum  ordinis 
Prussiae  in  Romana  Curia  procurator  generalis.  Der  letztere  ist  der 
frühere  Lehrer  des  kanonischen  Rechts  an  der  Frankfurter  Universität. 
Ueber  seine  Stellung  zur  Reformation  in  Liefland  vgl.  Seckendorfl, 
299.  Joh.  V.  Stanpitz  hat  den  Bbchof  von  Salzburg  eine  Zeitlang  auf 
dem  Concil  vertreten  (Höhn,  Chronol.  prov.  Rheno-Sueuicae,  p.  148; 
Scheurl*s  Briefe  I,  118;  Th.  Kolde,  Die  deutsche  Augustiner- 
Congrcgation  und  Johann  y.  Staupitz,  S.  257).  In  den  Acten  wird  sein 
Name  nie  genannt. 

8)  Nur  einzelne  Fürsten  scheinen  besondere  Einladungen  erhalten 
zu  haben,  wie  Heinrich  YIU.  von  England,  der  schon  am  4.  Febr.  1512 
seine  Bevollmächtigten  zum  Concil  abordnete.  Ranke,  Werke  33,  283. 


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602  ANALE^TEN. 

Aegidios  von  Yiterbo  das  Concil  eröffnet  ^),  in  der  zweiten  Sitzimg 
yom  17.  Mai  1512  in  einer  beinahe  ans  blasphemische  streifenden 
Lobrede  auf  Born  und  den  Papst  gewissermassen  beantwortet  h&tte  *), 
Dass  man  diese  Verhältnisse  am  sächsischen  Hofe  nicht  gekannt 
haben  sollte,  ist  bei  den  engen  Beziehungen  zu  dem  bald  näher 
zu  bezeichnenden  Nicolaus  Ton  Schönberg  nicht  anzunehmen,   viel- 
mehr wird  man  besonders  ans  dem  Briefe  an  den  Papst  schlieseen 
dürfen,  dass  Herzog  Georg  absichtlich   grade  Cajetan   za   seinem 
Vertreter  gewählt,  um  dadurch  dem  Papste  seine  besondere  Elrgeben- 
heit  zu  bezeugen,  und  dass  er  schon  damals  die  ihn  charaikten- 
sirende  Ansicht  gehabt  hat,  dass  jede  kirchliche  Beform   nnr  im 
engsten  Anschluss    an    die  Curie    vorgenommen   werden    dfiiie. 
Eigentümlich   ist  nun,    dass  sich   ein   Credenzbrief  für  Gaöetan, 
obwohl  mehrfach  darauf  hingewiesen  ist'),   unter  den  yorliegan- 
den  Briefen  nicht  findet,  wohl  aber  ein  solcher  fdr   den  Procs- 
rator  des  Dominicanerordens  Nicolaus  yon  Schönberg  vom  29.  Mftis 
1513.     Weshalb  man  sobald  yon  der  Vertretung  durch  Cig^taa 
abgesehen  hat,  lässt  sich  mit  Bestimmtheit  nicht  sagen,  doch  hai 
die  Vermutung  etwas  für  sich,  dass  man  sich  doch  noch  gescheoi 
hat,  yor  aller  Welt  einen  so  entschiedenen  Vorkämpfer  des  päpst- 
lichen Absolutismus  zu  beyollmächtigen.     Wenigstens  spricht  da- 
fQr,  dass  Cajetan  ersucht  wird,  nur  im  NotfEdle   und  wenn  von 
den    übrigen  Fürsten   Oratoren    eingetroffen  sein  würden,    sein 
Procuratorium  zu  yeröffentlichen,  sonst  nur  den  Papst  dayon   in 
Kenntnis    zu    setzen^).     Der  an  seine  Stelle   tretende  Nicolaus 
yon  Schönberg,  ein  Vetter   des  Meissener  Bischofs  Jobann  VIL 
yon  Schleinitz,  war  ein  langjähriger  Freund  Herzog  Georg's,  mit 
dem  er  nachweislich  schon  1508  brieflich  yerkehrte   und   bis  an 
sein   Lebensende   correspondirte  %     Als  sächsisches  Landeskind 

1)  Den  S.Mai  1512.  Harduin,  Acta  Conc,  Tom.  IX,  f.  1576. 
Bicherii  Hist.  Concil.,  1.  IV,  pars  U,  p.  6 ff. 

«)  Harduin,  Acta  ConclL  Tom.  IX,  fbl.  1617.  Bicherii 
Hist.  ConciL,  1.  IV,  pars  2,  p.  12  ff. 

8J  Vgl.  ausser  dem  Brief  an  Cajetan  (Nr.  3)  die  an  Leo  X. 
(Nr.  1)  und  an  den  Cardinal  de  Flisco  (Nr.  4). 

*)  Vgl.  den  3.  Brief. 

f>)  Der  letzte  Brief  Herzog  Georg's  an  Schönberg  vom  4.  Mars 
1536  bei  Seidemann,  Miltitz,  S.  41 .  Schöuberg,  geboren  den  30.  Ang. 
1472,  hatte  in  Bologna  die  juristische  Doctorwurde  erworben,  trat  in 
Florenz  im  Kloster  §t.  Marco  „sub  disciplina  Hieronymi  Sayonarolae"^ 
1497  in  den  Dominicanerorden  und  wurde  wahrscheinlich  im  Jahre  150S 
Procurator  seines  Ordens,  nachdem  Cajetan  diese  Würde  mit  dem 
Genervt  vertauscht  hatte  (Boerner,  de  coUoquio  AugustanoLutheri 
cum  Cajetano  Lipsiae  1722,  p.  11),  und  erhielt  endlich  das  Erzbistom 
Capua  und  den  Cardinalshut.  Der  päpstliche  Stuhl  benutzte  Schön- 
berg, den  „Nicolaus  de  Alemannia *S  wie  man  ihn  in  Itidien  nannte^ 
vielfach  zu  diplomatischen  Sendtmgen.  Ueber  seine  Stellang  zur  Re- 
formation Seidemann,  Lauterbacns  Tagebuch,  S.  91,  woselbst  axidi 


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KOLDE,  ZUM  V.  LATEEANCONCIL.  603^ 

mochte  er  allerdings  geeigneter  erscheinen,  den  Herzog  beim 
Concil  zu  vertreten  als  C^getan,  doch  findet  sich  in  den  Concils- 
acten  keine  Spnr  davon,  dass  er  oder  ein  anderer  ein  Procnra- 
torimn  des  Herzogs  von  Sachsen  überreicht  hätte  und  als  Ge- 
sandter erschienen  wäre. 


No.  1. 

Herzog  Georg  von  Sachsen  an  den  Papst. 

(9.  Februar  1513.) 

Anno  Domini  MDXTTT  Nona  februarii. 

Ad  Sanctissimum  ^). 

Beatissime  pater  post  deyota  sanctorum  pedum  oscula.  Se 
ipsum  commendat  humiliter  etc.  fide  digno  omnium  sermone  ^)  ac- 
cepiy  S.  T.  pro  amplificanda  fide  Christiana  proque  uenerabilis 
ecclesie  Bomane  unitate  paceque  reformanda  Concilinm  Late- 
ranense  Bome  indixisse,  ad  quod  exteros  etiam  principes  conve- 
nire  aut  oratores  suos  mittere  certo  mihi  significatum  est  Et 
qnamvis  hac  de  re  nihil  quicquam  legittime  aut  literis  aut  nuncüs 
mihi  insinuatum  sit,  cum  tarnen  ceterorum  ducum  oratores  ac 
consiliarii  ad  consilium  pretactum  venturi  sint,  Idcirco  haud  preter- 
mittendum  duxi,  quo  iUud  salubre  ceptum  ac  opus  sanctissimum 
vires  accipiat,  Ego  quoque  ut  secordie  negligentieque  notam  de- 
dinarem,  Reverendo  patri  artium  sacreque  theologie  professori 
fratri  thome  deuio  Cajetano  totius  ordinis  predicatorum  Magistro 
generali  deuoto  nostro  dilecto  procuratoris  munere  in  dicto  con- 
cilio  nomine  meo  fungendi  uicesque  meas  supplendis  committere 
dando  eidem  auctoritatem,  donec  oratores  meos  illuc  miserimus, 
meo  ac  meorum  nomine  in  ipso  Lateranensi  Concilio  agendl  et 
singula,  que  pro  communis  ecclesie  pace  unitate  ac  reformatione 
expedire  uidebuntur,  dicendi  et  tractandi  (prout  litere  mee  pro- 
curatorie  desuper  sibi  date  id  lucidius  indicabunt)  Sanctitati 
V.  humillime  supplicans,  Quatenus  dictum  f^atrem  Thomam  Caje- 
tanum,  cui  procuratoris  munus  nomine  meo  imposui,  et  me  ut 
qui  ecclesiastice  unitatis  et  pacis  studiosissimus  quique  pro  uiribus 
et  quantum  in  me   erit  pro   eiusdem  augmentatione   ac  conser- 

die  einschlägige  Literatur  angegeben  ist.  Das  meiste  über  ihn  bei 
Senff,  C.  S.  Barchen -Reformation  und  Jubel -Geschichte  des 
Amts  Stolpen  (Budissin  1719),  S.  68  f. 

1)  Die  nachfolgenden  Schriftstücke  finden  sich  im  Kgl.  sächsi- 
schen Staatsarchiv  zu  Dresden.  Copial  125.  Ich  gebe  sie  unter  Bei- 
behaltung der  alten  Orthographie,  auch  der  leicht  als  solche  erkenn- 
baren Flüchtigkeitsfehler^  nur  in  der  ganz  sinn-  und  regellosen  Inter- 
punction  habe  ich  mir  emige  Aenderungen  erlaubt. 

*)  Die  buUa  intimationis  generalis  concilü  war  schon  1511  in 
Leipzig  im  Druck  erschienen.    Panzer,  Ann.  YII,  174. 


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604  ANALEKTEN. 

uatione  auxilio  consilioque  forft   desidero,    commendattim    liabere 
nelit,    quod    quidem  pro   incomparabili  snm  habitnnis    gratia    a 
S.  yestra,  cujus  benigne  clemeutie  me  et  seruitia  mea  humfilnna 
recopvnendo.     Datam  Dresen  nt  supra. 
'^.,  Stis  Vestrae 

humilis 
vjj"  Georgias  Saxonie  dax. 

r  ^    

^  ^"\.  -.    No.  2. 

Cnnlenzbrief  des  Herzogs  Georg  von  Sachsen  für  Nico- 
-^      laus  von  Schoenberg. 

,_  .  -  (29.  März  1513.) 

Georgins  Dei,  gratia  Saxonie  Dux  Eomane  Cesaree  M^^  Sacriqve 
imperii  hered^tarins  gubernator  firisie  Lantgrauins  Doringie  ae 
Marchio  Misne.  Salutem  uninersis  et  singulis  praesentes  literas 
auditnris  et  lectnris.  Narrant  sacrosancta  Enangelistajmm  testi- 
monia  Dominum  nostrum  Hiesnm  Christum  Petro  Apostolo  di- 
xisse:  Ego  rogavi  pro  te  Petre,  ne  fides  tua  deficiat.  Corpi^ 
profecto  hoc  misticum,  quod  nomenclatura  a  grecis  emendicata 
ecclesiam  libuit  appellare,  petri  fide  dns  significavit.  Id  tam«i 
non  idcirco  nulla  egritudine  affici  potest  quod  ne  ipsnm  deficiat 
diuina  lege  cautum  est,  immo  frequens  adeo  decumbit  egrum, 
tantis  sepe  febribus  ardet,  ut  nisi  fuisset  eiusdem  domini  ae 
saluatoris  uox  Ecce  ego  uobiscum  sum  usque  ad  seculi  consnm- 
mationem,  de  eins  interdum  occasu  dubitaremus.  Sane  si  quis 
animo  repetat  preterita  tempora,  quamquam  frequentibus  ecclesiam 
morbis  atquo  letiferis  implicitam  fuisse  inueniet,  illam  tarnen 
nunquam  inueniet  humano  consilio  auxilioue  dumtaxat  aut  ulla 
medicorum  arte  uel  doctriua  sed  diuinis  precipue  sanctanim  Sy- 
nodum  scitis  antidotisque  conualuisse.  Quis  est  uel  mediocriter 
ecclesiasticis  imbutus  historijs  qui  nesciat,  que  allquando  hereses 
suppresse,  que  incendia  extincta,  qui  circa  fidem  errores  depulsi 
Synodicis  sanctionibus  et  doctrinis  existant?  Quis  est  qui  non 
legit  qui  uel  non  audiuit,  que  Scismata  resarcita,  que  uitia  fre- 
nata,  que  Tiranorum  mine,  qui  regum  terrores,  qaot  Cesamm 
denique  atque  Imperatorum  impetus  Conciliorum  prouidentia  et 
ui  coherciti  fnerint?  ut  plane  confitendum  sit  et  hijs  nostris  tem- 
poribus  Synodi  autoritatem  unicum  esse  remedium  ecclesie  curan- 
dis  egritudinibus,  et  ablatis  neglectisque  Conciliis  tot  discidia 
paruo  interlapso  tempore  suboriri,  tot  scelera  et  enata  proser- 
pere  ut  Ecclesia  nostra  non  ecclesia  dei  aut  sponsa,  non  for- 
mosum  illud  corpus,  quod  Christi  manibus  formatum  est  sed  pn- 
tridum  fetidumque  cadauer  uideri  haberique  possit  Hec  nobis 
cogitantibus  tum  alias  interdum  sed  raro  tum  ab  hinc  biennium 


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KOLDE,  ZUM  V.  UkTEKANCONCIL.  606 

frequenter  uago  aut  nmlto  post  aHatum  sennone  est,  nonnnllos 
«aorosaBcte  Bonuuie  eodesie   Cardinales  in  Pisaram  civitata  Sy- 
nodum  abeque  Bomani  pontificiB  antoritate  coouocaase»  quo  nuncio 
(ut  fieri   debuit  ab  ecclasiastice  unitatis  et  paois  stncUosaisimis) 
iotia  BiunTia  aidims  consternati.    Id  nunquam  nobis  enenisse  pn- 
tanimoB  quod  illis  accidit,  qui  apud  Hieremiam  dicebant  Expec- 
tauimuB  pacefid  et  non  est,  et  Warn  tempus  curationis  et  ecce 
turbatio.     Qnemadmodum   enim  uero  legittimoque   Conoilio  nihil 
aalubrius  ad  b^ne  reoteqne  muendiun  oommodiusqne  esse  potest, 
ita  falso  et  illigittimo  nihil  pemitiosiiis.     At  ubi  deinde  acce- 
pimua  (incerto  tametsi  similiter  auctore)  Sanctissinmm  in  Christo 
patrem  et  dominum  nostrum  Dominum  Julium  diuina  prouidencia 
papam  seeundum  pie  felieisque  recordationis  ^),  quo  fidei  ampli- 
ficande  uirtutumque  serendarum  coram  propensius  ageret,  nerum 
rectumque  et  economicnm  (siel)  Concilium  Borne  indixisse,   con- 
tinno  ut  antea  dolore  maximo  ita  tunc  maiimo  gaudio  et  ultra 
quam  dioi  potest  affecti  sumus.     Quamquam  autem  hoc  Ghristiani 
prinoipis  sempei  proprium  fuerit,  sanctis  eiusmodi  pijsque  nego- 
ÜJB  et  universe  fidelium  saluti  non  deasse  sed  esse  presidio  sub- 
sidioque,  Bomam  tamen  in  hac  re  in  hodiemum  usque  diem  nee 
misimus  oratores  nee  literas  scripsimus  primum   quod  ab  initio 
incerta  omnia    apud  nos    erant   de    Conciiy   inchoatione   ac  in- 
choati  uiribus  ac  incremento;  deinde  quod  neque  Sanctissimi  Do- 
mini nostri  neque  Goncilii  literis   aut  nuncgs  Concilii  nobis  in- 
sinuatum  est.     Ubi  nero  diebns  snperiorihua  semone  fere  omnium 
accepimus  Lateranense  Concilium  Borne  haberi  et  propterea  Syno- 
dales sessiones  prorogari,  ut  exteri  etiam  illuc  principes  conue- 
niant  aut  mittant  oratores,  quamuis  id  nobis  legittime  significatum 
non  Sit,  nihil  tamen  pretermittendum  duximus  esse,   quo   et  hoc 
sanctissimum  opus  uires  accipiat   et  nos  illorum  maledictionum 
effugiamus,  qui  &ciunt  opus  diuinum  negligenter.     Quando  igitur 
nos  aut  oratores  nostri  (ut  dictum   est)  legittime   ad  Concilium 
Lateranense  citati  non  sint,  nee  ad  Concilium  sine   consilio  ora- 
tores mittendos    esse  indicauerimus  cumque  etiam  intellexerimus 
sanctissimum  illud  opus  ac  Concilium  a  Beatissimo  in  Chr.  patre 
dommo  Jtdio  ^^    etc.  antea  institutum  ac  conuocatum  succedente 
regnanteque  nunc  Sanctissimo  in  Chr.  patre   ac  Domino  nostro 
Leone  diuina  prouidentia  papa  Xo  effectum  suum  sortiturum  Con- 
cilimnque  illud  pro    communis    fidei    erroribus    explodendis    de- 
pellendisque  nihilominus  commorari  celebrarique,  iccirco  cogitaui- 
mus  uel  sie  negligentie  atque  segnicie  notam  declinare  Sanctissimo 
Domino  nostro  Synodi  atque  ecclesie  capiti  adherere,  püsque  desi- 
der^s  nostris  ac  partibus   fieri  posse  satis,  si  alicui   ex  amicis 


^)  Pie  felieisque  recordationis  am  Bande. 

Z«it8chr.  f.  E.-O.  ni,  4.  41 


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606  ANALEKTEN. 

qni  Borne  sunt  uices  nostre  committereDtar.  Nos  itaqne  qä 
ecclesiam  christianam  cum  alijs  sancti  Bomani  imperii  prindpito 
ad  pristinam  fidei  moramqne  obseruantiam  reparari  desideraraos^ 
quod  bonnm  üanstom  felixque  sit,  facimos  constitnimiis  ac  denonü- 
namus  procnratorem  nostnim  ac  nuncinm  Benerendüin  domhniB 
Nicölaum  de  Schonberg  ordinis  predicatomm  procuratorem  deuoinn 
nostrum  dilectüm  dantes  et  committentes  sibi  omnem  anctoriiat^ 
nostro  ac  nostrorum  nomine  in  ipso  Concilio  Lateranensi  toi- 
ens,  qnotiens  opus  oportonnmqne  faerit,  comparendi  agendi  teUe- 
tandi  et  dicendi  omniaque  alia  faciendi,  qne  ad  ipsins  ConeilB 
incrementnm  yeramque  ecclesie  nnitatem  pacem  ac  reformationem 
qnouis  modo  pertinere  uidebuntur,  etiamsi  ejusmodi  forent  qns 
mandatum  ad  singola  proprium  exigerent.  Promittimiis  auteo 
firmum  gratum  ratumque  habere,  quicquid  ipse  Beuerendns  pater 
procurator  et  nuncius  noster  in  re  bac  sanctissima  fecerit  ^^ 
dixerit  tractauerit  atqne  ut  cuncti  bijs  que  jam  diximus  et  commi- 
simus  fidem  praestent,  curavimus  has  literas  sigillo  nostro  ^penso 
muniri.  Datum  Dresen  MDXTH  ^ 

uicesima  nona  Martii  Anno  ut  s. 

Oeorgius  dux  Saxonie  etc. 


No.  3. 

Georg  von  Sachsen  an  Cajetan. 

(9.  Febr.  1513.)  0 
Ad  magistrum  generalem  Ordinis  predicatomm  fratrem 
Thomam  deuio  Caietanum. 

Anno  et  Die  ut  s. 
Georgius  etc. 
Beuerende  pater  sincere  deuote  nobis  dilecte!  Intelleximus 
diebus  superioribus  Sanctissimum  in  Cbristo  patrem  et  dominum 
dominum  Julium  diuina  prouidentia  papam  ij™  dominum  nostrum 
clementissimum  Bomae  concilium  iudixisse,  ad  quod  quidem  multi 
exteri  sacrique  imperii  duces  uenturi  aut  oratores  suos  nüssuri 
sunt.  Et  quamuis  id  nobis  legittime  significatum  non  sit,  nihilo- 
minus  ne  socordes  aut  negligentes  in  hoc  tam  salutari  cepto  ac 
opere  uideremur,  ob  id  nobiscum  decreuimus,  aliquem  nostro  no- 
mine ad  pretactum  concilium  Lateranense  designare  ac  constituere 
uelle.  Cogitauimusque  huic  nostro  proposito  uestra  diligentia 
solertique  cura,  que  apud  nos  est  probatissima,  satisfieri  posse. 
Et  ob  id  humeris  uestris  procuratorij  munus  hoc  in  negotio  sanc- 


1)  Der  Abschreiber  hat  zwar  bemerkt  Anno  et  Die  ut  s.  (29.  März), 
der  Inhalt  ergiebt  aber  verglichen  mit  Nr.  1,  4  und  6  dasselbe  Datum 
wie  bei  diesen  Briefen. 


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KOLDE,  ZUM  V.  LATEBANCONCIL.  607 

toque  opere  nostro  nomine  fongendum  committendum  statuimns, 
quo  autem  major  firmiorque  fides  hac  in  re  uobis  administrari 
possity  iccirco  carayimns  procnratorimn  nostnun  qnod  hie  trans- 
mittimiis,  nobis  afiferendum.  Bogantes  quatenus  id  oneris  qnod 
nobis  imposnimns  nostri  cansa  band  inniti  snbeatis  ^).  Eoqne 
pacto  nti  de  nobis  plene  confidimns  (qnoad  nostros  oratores  non 
miserimus)  diligenter  fideliterque  agere  et  tractare  nelitis  *).  Peti- 
mnsqne  nt  hoc  procuratorinm  nostmm  necessitate  solum  exigente 
ac  81  ceteromm  dncnm  oratores  in  dicto  Concilio  compamerint 
pnblicet  et  in  Ince  prodire  sinat.  Si  nero  secns  contigerit  id 
ipsnm  secnm  contineat;  siue  eüam  pretactomm  dncnm  oratores 
compareant  sen  non,  attamen  cnpimns  nt  eam  a  nobis  nobis 
antoritatem  in  concilio  agendi  collatam  nihilominns  Sanctissimo 
domino  pape  insinnet.  Qnemadmodnm  in  h^s  omnibns  nos  beneuo- 
Inm  exbibitnmm  non  ambigimns.  Yolumns  id  omni  gratia  et 
fanore  abnnde  recompensare. 

Datnm  nts. 
Eenerendo   D.  Thome  artinm  et  sacre  tbeologie  professori 
Ordinis    predicatomm  Magistro    generali   sincere   denoto    nostro 
dilecto.  

No.  4. 

Georg  von  Sachsen  an  den  Cardinal  de  Fiisco  ^). 

(9.  Febr.  1513). 
Benerendissime  in  Christo  pater  Domine  amice  dilecte.  Com- 
mendationem  sermone  fide  digno  percepimns,  Beatissimnm  in 
Christo  patrem  et  dominum  Dominnm  Jidium  sancte  Bomane  ac 
nenerabilis  ecclesie  pontificem  maximnm,  dominnm  clementissimnm 
et  honorabilem  commnne  Concilinm  Lateranense  Bome  indixisse. 
Ad  qnod  nti  intelleximos  exteros  dnces  connentnros  ant  oratores 
missuros  fama  est  Quamqnam  nobis  de  eo  Concilio  nee  nnncijjs 
nee  literis  qnidquam  legittime  significatnm  sit,  nolentes  tamen  nt 
is  qni  pro  fidei  angmentatione  cnriosns  existat  reperiri.  Qui  etiam 
pro  eiusdem  conseruatione  pacis  ac  nnitatis  reformatione,  qnid- 
quid  oneris  imponatnr,  lubens  snbire  ac  ea  pro  nirili  promouere 
propensus  sit.  Ob  id  aliqnem,  qni  nices  nostras  gereret  ad  dic- 
tum Concilinm  deputandum  decrenimns  constitnimns  et  denomi- 
nauimns  Beuerendum  patrem  predicatomm  ordinis  Magistmm 
generalem  Dominum   Thomam   ad  pretacti   Concilij   Lateranensis 

1)  Für  innitus  subeat. 
8)  Für  uelit. 


3)  Nicolaus  de  Fiisco,  Cardinal  seit  dem  28.  Sept.  1500,  gest. 
14.  Juni  1524.  Herzog  Georg  zeigt  ihm  wahrscheinlich  deshalb  die 
Bevollmächtignn^  Cajetans^s  an,  weü  er  der  Patron  des  Dominicaner- 
Ordens  beim  hemmen  Stuhle  war.  Ciaconius,  Vita  et  res  gestae 
Pontificum  etc.  III,  204  f. 

41* 


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608  ANALEKTEN. 

negotia  tractandft  plenum  nostrornrnque  n(»nine  aotorem,    dantes 
committentesqne  eidem  omnem  aactoritatom  in  dicto  ipso  Ck>iicilk 
Latoranensi,  donec  oratores  nostros  miserinns,  agendi  ac  toüm, 
quoties  opus  oportonumque  faerit,  comparendi  ac  pro  aeaerabilis 
totinsque   ecclesie   pace  fide   et   unione   tractaadi,    pront  litere 
nostre  procuratorie ,  quas  sibi  super  hoc  traDsmisimns ,   loeidiiis 
indicabnnt.    P.   ¥.  B.  igitur  roganms,  quatenua  pretacto   Saiic- 
tissimo  id  ipsum  insinnet  ac  uicea  nostras  nomioato  fratn  Tkome 
coQunisaas  esse  Sanotitati  sne  significet     Et  quidqiiid  preter  hoc 
in  negot\)s  nostris  agendis  promouendisqne  nobis  auxilio  eonsilio- 
que  prodesse  potent,  rogamus  nt  et  nos   commendatos   halbere 
uelit  qnod  nos  rursos  (si  quid  se  higusmodi  ofiferret)  ahnnde  p. 
T.  referre  atque  rependere  non  negligemns.    Datum  Nona  Feinru- 
arij  die  et  loco  uts. 

ßeuerendissimo  in  Christo  patri  Domino  Nicdlao  sancte  fio- 
mane  ecclesie  Tit.  S.  Prisce  prisbjtero  de  Flisco  domino  et  amioo 
nostro  dilecto.  

No.  5. 

Georg  von  Sachsen  an  den  Cardinal  Antonius  de  Monte  ^). 

(9.  Febr.  1513.) 

Benerendissime  in  Christo  pater  Domine  et  a.  D.  etc. 

Fercepimus  multorum  relatu  ac  precipue  ex  Yenerabili  Do- 
mino NicöUw  de  Schonberg  ordinis  predicatorum  procuratorg 
Deuoto  nostro  dilecto,  qualiter  p.  y.  r.  res  ac  negotia  nostra,  que 
nonnunquam  Uome  nobis  agenda  contingunt,  apud  Sanctissimum 
Dominum  nostrum  clementissimum  Dominum  Jtdium  papam  etc. 
plurimum  commendata  habeat.  Que  quidem  etiam  uigilantissmie 
promouere  et  nihil  penitus  (quod  in  rem  nostram  fore  posset)  et 
agendo  et  consulendo  pretermittere  soleat,  pro  qua  pater  uene- 
rabilis  Benerendissime  erga  nos  beneuolentia  immensas  lud>6mii8 
et  agimus  gratias.  Offerentes  itidem  operam  nostram,  si  ea  nti 
Toluerit  p.  v.  reu^  numquam  deftituram.  ütque  nos  mutua 
beneuolentia  cum  p.  v.  Bev.  (que  nobis:  preterquam  id  quod 
relatu  de  eadem  percepimus:  est  ignota)  rursum  pro   tot  mutuis 

1)  Antonius  Ciocchi,  dictus  de  Monte  erhielt  am  10.  März  1511 
den  Purpur  und  starb  am  20.  Sept.  1533.  Er  war  einer  der  Haupt- 
lörderer  des  Concils.  Ciaconius  UI,  291.  Durch  ihn  liess  aa<^ 
Leo  X.  die  Acten  desselben  herausgeben.  Harduin  IX,  fol.  1563. 
Die  Angelegenheit,  deren  Förderung  dieser  Brief  bei  dem  einfluss- 
reichen Carmnal  beabsichtigt,  betraf  vielleicht  die  Kanonlsiruug  des 
Bischofs  Benno  von  Meissen.  Die  Einleitung  des  betre£toden  Pro- 
zesses datirt  schon  von  1510 ,  in  welchem  Jahre  auch  Hieronymos 
Emser  vom  Herzog  G^eorg  nach  Born  geschickt  wurde,  um  die  Heilig- 
spreehtmg  za  bescMeumgcn.  Vgl.  Waldau,  Emser's  Leben  (Ans- 
bach 17fi§),  S.  10. 


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KOLDE,  ZUM  V.  LATERANCONCIL.  609 

et  tantis  in  nos  coUatis  beneftcijs  mntno  decdnceremuB  proque  in- 
graütndinis  uitio  euitando,  mittiintis  hoc  exile  poenlum  ae  muntiB- 
enlnm  petentes,  quatenns  id  non  secns  ac  ep  quo  a  noUs  offertor 
beneuolo  grato  et  benigno  snscipere  uelit  animo.  üt  eliam  illo 
pretaoto  Dno  Nicoiao  in  hijs  qne  p.  ▼.  B.  nomine  nostro  retn- 
lerit  ant  significanerit,  plenam  fidem  ac  d  coram  ipsi  loqueremnr 
adhibeat,  in  ijsdem  promonendis  negotys  nostris  (ita  nt  hw> 
tenns  egit)  se  fidem  amicabilemqne  promotorem  exhibere  uelit. 
Curabimus  id  enim  ÜAuore  amicitiaque  quantum  in  nobis  erit 
erga  p.  r.  B.  r^[>endere.  Datum  D.  Nona  Februar^  anno  die 
etc.  ut  s. 

(Jeorgius. 
Beuerendissimo  in  Christo  patri  D.  Änthonio  Sanote  Bomane 
ecclesie  Tituli  S.  Uitaüs  presbjtero  Cardinali  de  Monte  Domino 
et amlco  nostro  dilecto  ^). 


4. 

Aetenstflcke  znr  dentschen  Reformations- 
geschichie. 

Aus  dem  Archiv  in  Neapel  ztmi  ersten  Male  mitgeteilt 

Von 

Lic.  Yletor  Schnitze  in  Leipsdg. 


IL 

Fünfzehn  Depeschen  ans  Begensburg  vom  10.  Mftxz 

bis  28.  Juni  1541 '). 

No.  14. 

Morone  an  Farnese. 

Begensburg,  10.  März  1541. 

L' ultimo  che  io  scrissi  a  V.  B«»  et  Dl»*  S^  fümo  de' 
quattro  di  questo  ^. 

1)  £8  findet  sich  in  dem  Copialbuch  noch  dn  sechstes  hierzu- 
gehöriges Schriftstück,  eb  Credemsbrief  für  den  üeberbringer  der 
Briefe  Johannes  de  Sapoma  Treuerensis,  den  zu  veröflGentlichen 
kein  Grand  vorlag.  Wer  dieser  Joh.  de  Sapoma,  den  Herzog  Qeotg 
noster  funiliaris  ac  vir  bonus  nennt,  gewesen,  habe  ich  nicht  ausfindig 
machen  können. 

«)  Vgl.  S.  150—184. 

8)  Bei  Lämmer,  Mon.  Vat,  S.  367—869. 

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610  ANALEKTEN. 

Dopo  per  lettere  del  primo  et  de*  qoattro  del  medesima 
da  Vienna  si  ha,  ch*il  Be  de*  Bomani  alli  Vlll  pnr  di  qnesto 
dovea  dar  principio  ad  nna  Dieta  proTinciale  per  le  cose  dz 
Ungheria  et  alli  XXVIQ  trovarsi  ad  an*  altra  Dieta  di  Bohemia 
in  Praga  per  la  medesima  causa. 

Si  m*  awera,  che  soa  M^  non  poträ  esser  qni  ayanti 
Pascha. 

Et  perciö  ha  deputato  per  sno  locotenente  nella  presente 
Dieta  il  Yescoyo  di  Brixinon,  qnal  tre  giomi  £a  venne  a  Tiä- 
tarmi  ed  offerirsi  al  servizio  della  Beligione  et  della  Sede  apoet^. 
Et  ha  dopo  mandato,  in  posta  nn  suo  camerero  secreto  il  S* 
Martine  Gnzman,  per  sollicitar  adjato  dalla  Cesarea  M^. 

Gli  Turchi  dopo  Timpresa  di  Yaccia  si  son  fennati  in  Un- 
gheria, oye  fiEu^eano  romper  il  giaccio  del  Danabio  da  molti  goaa- 
tatori  per  poter  condarr  le  yettoyoglie  per  naye  al  soccorso  di 
Bada.  Et  designayano  obsidiar  Peste  al  opposito  di  Buda  et 
oppagnarlo,  nel  qaale  son  circa  qaattro  müia  fanti  del  Be  de* 
Bomani;  ma  non  h  forte,  bench^  gl*  habbino  fatto  alconi  ripari. 
Si  stima,  ch*  essi  Tnrchi  si  augmentaranno  a  poco  a  poco  sin* 
al  nmnero  di  sedeci  mille  cavalli. 

D  Be,  come  ho  detto,  ya  congregando  a^'nti  non  solo  dalle 
soe  Proyincie,  ma  dalli  altri  Principi  et  maxime  di  Bayera  p^ 
poter  soccorrer  a  ditto  loco,  nel  quäl  sarä  yettoyoglia  solamenta 
per  doi  mesL 

Questa  necessitä  del  Turco,  quantunchö  sia  disfavoreyola 
alli  presenti  tractati  della  Beligione,  nondimeno,  non  facendod 
impresa  magistrale,  sarä  men  nociya. 

n  Mens,  di  Grand^  fa  grand*  animo  al  Nuntio  Poggio  et 
anche  a  me,  bench^  yorei,  che  tutti  gli  effetti  corrispondessero. 
Sto  con  Tanimo  quieto,  doppo  ch'  il  B™<>  Contareno  legato  si 
troya  qui  yicino,  et  Sabato  Sua  S.  B"'^  farä  Fintrata,  come  per 
sue  lettere  et  del  Nuntio  Poggio  quella  intenderä. 

Ho  inteso,  ch*  il  predetto  Mens,  di  Grand^^  crede  hayer  in 
mano  qualche  cosa  per  le  promissioni  fatteli  da  luth^  et  pen^ 
hayer  g^uadagnato  alcuni  delli  principali,  fra  quali  dicono  esseryi 
il  Melanchthone. 

Di  questa  pratica  S.  Sig^'^^  piü  yolte  m*  ha  mottegiato  in 
Wormatia  et  con  questo  animo  forsi  ricercaya  la  yenuta  del  B^^ 
legato  con  gli  danari,  ma  non  h  mai  uscito  apertamente.  Quelle 
da  Chi  lo  ho  inteso  dice,  che  luth^i  li  danno  parole  et  che  lo 
agarabanno  et  usano  et  hanno  usato  di  questa  simolatione  per 
redur  le  cose  al  colloquio  libero.  L'eyento  mostrarä  la  yeriti^ 
et  spero,  ch*  il  p^  Mons.  di  Grandyella  scoprirä  ogni  cosa  al  B°^ 
legato. 

Bench^   si  d  sentuto    qualche    disfayoreyole    murmuratione 


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SCHÜLTZE,  ACTENSTÜCKE  ZUR  BEF.- GESCHICHTE  H.      611 

Tiella  Corte  Cesarea,  che  soa  S'^*  R™*  (quäl  per  altro   ö  stimato 
«ussai)  yien  senza  danari,  senza  authoritä  di  conclndere  etc.  ^). 

In   buona    gratia    di    V.    ß°^    et    111"^*    S'**    humilmente 
a^.   8.  w. 

Da  Batisbona  alli  X  di  Marzo  1541. 

Humümo  sre  II  Vesco 
di  Modena. 
Rta  alli  XXVI. 


No.  15. 

Morone  an  Farnese. 

Begensburgy  12.  März  1541. 

L'altr'  hieri   doppo   scritta  la  qui    alligata   hebbi  tutte  le 

lettere  di  V.  ß™*  et  111°»»  S"»  di  ni  di  questo  et  visto  Tordine 

dato  sopra  la  revocatione  di  Mens.  Poggio  et  la  depntatione   di 

me   al  sno   loco,   nel  che  considerando  la  singular  benignitä  di 

N.  S.  et  rhumana  promotione  di  V.  E.«»»  et  111"^  S^i»  resto  yera- 

mente  confaso  parendomi  (come  h  vero),  che  questa  ecceda  ogni 

mia  sufficientia  et  merito.     Ma  dall'  allxo   canto   considerando  li 

Bovi  fastid^  et  la  difficnltä  quäl'  io  havrö  nel  negociar,  per  ch' 

io  certo  non  son  grato  alli  Ministri  dell'  Imperatore,  et  insieme 

considerando,  tal  deputatione  esser  ex  diametro  repugnante  contra 

al  fin'  mio  di  ritornar  alla  patria  ^),  mi  trovo  piti  aggravato,  che 

non  porta  il  desiderio  mio  di  extricarmi  dalle  Corti.     n  che  sono 

stato  astretto  manifestar  ingenuamente  a  Y.  B°^  S"%   acciö  che 

ensieme  conosca  T  infinite  Obligo  ch'  io  gli  ho  per  tanta  demos- 

tratione,  per  la  quäle  perpetuamente  sarö  obbligato  a  Soa  St^  et 

tutta  casa  soa  111°»%  et  si  degni  perö  pensare  come  per  servitio 

di   Soa  S^  cosl  per  mio   contentamento   et  quiete,  ch'  io   non 

habbia  a  servire  in  questa  Corte  finita  la  presente  giornata,  come 

spero  anchora,  sar^  stata  la  prudente  consideratione  di  Soa  S^^ 

et  di  V.  ß"»  et  111°»»  S"»  »). 

Hieri  intrö  il  ß°»^  legato,  hoggi  ö  stato  a  Soa  M*^  et  ha 
fatto  con  molta  gratia  et  prudentia  le  soe  propositioni,  come  piü 
longo  Soa  S"»  ß°»»  scriverä  *),  et  Soa  C"^«*  M*^  V  ha  visto  vo- 
luntieri  con  molto  honore  et  del  grado  et  della  persona.  Io 
similmente  ho  presentato  il  Breye  della  deputatione  mia  in  pre- 


:i 


Am  Bande  markirt. 

Von  ypercK  io'  bis  ,patria'  am  Bande  markirt. 
s)  Von  ,8i  degni  perö'  an  am  Baude  markirt.    Zu  vgl.  übrigens 
S  155. 

*)  Das  betreffende  Schreiben  S.  150  ff. 


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612  AKAt^I&f&lK. 

senüa  di  Sod  S'^  B°*^  et  del  Nuncio  Poggio,  offere&domi  a  &r 
r  offltio  per  seryitio  di  Boa  S^  congiunto  con  qoello  di  Soa  M^ 
con  ogni  fede  et  diligentia  ch*  io  possa  et  dicendo,  che  easeo^ 
venuto  il  B°^^  legato  era  poco  bisogno»  baver  altri  Non^j  ap* 
presse  Soa  M^  et  se  pur  era  bisogno  che  il  Nnntio  Poggio  &^ 
assai  piü  atto  di  me,  ma  essende  venuto  bisogno  a  Soa  8^  ser- 
virsi  d'  esso  Nuntio  in  loco  bonorato  et  utile,  quäl  li  poteva  esser 
adito  a  maggior,  bavea  deputato  me  in  suo  loco,  quäl  benehd  in 
tutti  me  conosca  insufficientissimo,  nondimeno  confidandomi  m 
Die  et  nella  bumanita  di  sua  M^  saria  entrato  in  qnesto  carico. 

Soa  M^  mi  rispose,  cbe  certo  li  pesava  molto  della  partiia 
di  detto  Nuncio,  quäl'  bavea  aervito  molto  tempo  fidelmente 
et  diligentemente  et  con  buona  satisfactione  di  Soa  M^  et  anche 
di  Soa  Be°S  come  credea.  Kondimeno,  che,  essende  piaciuto  c(^ 
a  N.  S.,  ancora  lui  se  contentava  et  cbe  la  persona  mia  li  era 
grata,  come  sogliono  esser  tutti  li  ministri  di  Soa  8^,  et  aooer* 
rendo  usaria  dell'  opera  congionta  con  quella  del  B°^  legato. 

n  Nuntio  Poggio  non  sark  licentiato  da  Soa  M^  sifi'  al 
ritörno  della  caccia,  ove  va  dimane  con  questi  Prinoipi  di  Bafeia 
per  intertenersi  sin*  a  tanto  cbe  venghino  gli  Electori,  11  qnli 
fra  Otto  0  dieci  giomi  forsi  saranno  qua:  benoh^  si  ragiona 
variamente  della  yenuta  del  Eleotor  di  Sassonia,  senza  il  qaale 
non  si  potrebbe  far  trattato  alcuno  di  concordia,  et  forsi  So« 
M*^  starä  fnori  sin'  che  essi  Elettori  saranno  gionti  per  no&  e»- 
porsi  al  pe'ricolo  d'  baverli  a  rescontrarli  o  offenderli. 

La  partita  del  Nuntio  Poggio,  oome  h  stata  inopinata»  oeel 
dispiaoe  a  tutta  la  corte  et  non  si  potrebbe  dir,  quanto  la  seiH 
tono  et  ogni  giomi  la  sentiranno  piü  per  la  qmditä  del  bao- 
cessore. 

Havrei  giudicato  espediente,  che  Soa  8"^  foese  restata  qt^ 
sin'  al  fin'  di  questa  giomata,  perch^  bayendo  tanta  intarodntione 
et  con  Soa  M^  et  con  tutti  li  Ministri,  quäl'  mi  par'  maggier 
di  quel'  che  si  pu5  creder,  et  essende  fidele,  sarebbe  utile  all! 
presenti  trattati. 

Bench^  mi  consola  la  presentia  del  E^^  legato,  quäl'  mostra 
Tanimo  ingenuo  et  libero  et  t^rto  et  ha  credito  appresso  ogn^ 
uno  di  manera,  che  potremo  stare  sicuri,  che  non  si  fieu^  mala 
concordia  di  consenso  di  Soa  S^^^  B"^  et  quando  volessero  ftrla, 
spero,  che  con  la  prudentia  et  autoritär  soa  poträ  ritenere  neii 
solo  la  Ces»  M*^,  ma  molti  altri  Principi. 

Et  procedendosi,  come  si  farä,  alla  reale,  non  sarä  bisogno 
usare  molta  industria  a  raffrenare  le  male  voluntä  delli  Ministri, 
perchö  secondo  le  occorentie  Soa  B"**  S'^»  dirä  quel  che  si  con- 
Tiene  et  sarä  udita,  et  spero,  gli  sarä  creduto. 

Circa  1'  insulto   del  S^^  Ascanio  proposto  a  Soa  M^  et  circa 


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SCHULTZE,  ACTENSTÜCKE  ZÜE  KEP.-  6ESCH1CUUE  n.      6 IS 

la  risposta  mi  remetto  a  qnanto  scriver^  11  U^^  legato  ^),  qttar 
in  mia  presentia  n'  ha  parlato  a  Boa  M^  et  prima  il  Nuneio 
X^oggio  n'  hayea  fatto  opera. 

Non  mancherö  d'  ogni  fede  et  diligentia  in  notificar  al  W^^ 
l«gato  con  total  sinceritä  d'animo,  qnanto  occorerä  nelle  cose 
della  religione  et  di  queste  prattiche  di  Germania,  benchd  ho 
aempre  scritto  copiosamente  et  Soa  B/^^  8'^^  mi  pare  ottimamente 
instmtta. 

Ad  alcnni  altri  particolari  delle  lettere  di  T.  B°^^  et  W^ 
S^^  farö  rispoata  per  le  prime,  quando  havro  esseguito  ü  coman- 
damento^  Fra  quosto  mezo  humilmente  baciando  il  piede  u.  «.  w. 
Da  Batisbona  a  di  XII  di  Marzo  1541. 

Di  V.  R"«  et  lU»*  Srf* 
Humii«»  S«  n 
B*a  alli  XXVL  Vesc«  die  Modena  Nnncio. 

n  Dnca  di  Sassonia,  11  Lantgravio 
d'  Hassia  et  nn  Dnca  di  Lüneburg 
et  gli  altri  Principi  Intherani  verranno 
certo  alla  Dieta. 


No.  16- 

Morone  an  Farnese. 

Begensbnrg,  17.  März  1541. 

L'  altro  hieri  fu  scritto  a  V.  E™*  et  111™*  per  nna  ataf- 
fetta  ain'  a  Trento  et  Bologna  et  perchd  non  dnbito,  che  le 
lettere  secondo  il  solito  non  siano  yennte  a  bon  cammino,  non 
mi  h  parso  necessario  far  il  dnpplicato. 

Considerando  la  diffidentia  d'  alctmi  Ministri  Oes^  di  me,  qnal 
dubitava,  non  fosse  similmente  nel  Principale,  per  il  solito  desi- 
derio  di  poter  servir  N.  SL  in  quei  che  gli  place  commandarmi, 
ho  affaticato  qnesti  pochi  giorni  a  persnadere  (come  h  il  vero), 
ch'io  sempre  ho  desiderato  et  desidero  la  pace  di  Germania,  quäl 
non  sia  contra  la  Beligione  et  contra  la  Sede  ap<^«  £t  in  ci5 
ho  usato  deir  opera  di  Mona.  Poggio,  quäl'  et  per  patrocinio 
della  veritä  et  per  servitio  di  N.  S.  mi  par'  ayer  fiitto  bon  ser- 
vitio.  Et  giä  mi  pare  habbiamo  gnadagnato  la  securtä  di  Mens, 
di  Grand^*,  quäl  con  tutto  Tanimo  attende  alla  concordia  et  crede, 
che  debbia  aeguir  con  dignitä  et  augmento  della  Sede  ap<^. 

Spero,  che  la  Ces*  M^^  si  levarä  in  tutto  d'o^i  mala  im« 
pressione  delle  attioni  mie.     Ma  yeramente  questa  subita  muta- 


1)  Vgl  S.  154  f. 

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614  ANALEKTEN. 

tione  al  priDcipio  ^  parsa  molto  noya  et  ha  dato  ca^one  di 
yarij  ragionamenti  ^).  Nondimeno  hora  le  cose  8i  yanno  dome- 
sticando  et  essendo  meglio  digeste  pareno  et  pareraimo  continiia» 
mente  manco  strane. 

Si  crede^  Tlmperatore  tornerä  domane  dalla  caccia  di  Ba- 
yera. 

Et  bench^,  come  per  altre  mie  scrisse,  stimo,  la  presentia 
di  Mens.  Poggio  hayrebbe  potuto  gioyare  alla  presente  causa, 
nondimeno  S.  S^^  dice,  partirä  qnanto  piü  tosto  poträ  con  baona 
licentia  della  Ces&    M^. 

Ma  forsi  per  yenir  piü  resolute  della  mente  dell'  Imperatere 
et  della  certa  speranza  che  si  pu5  hayere  del  segno,  al  quäle 
si  yogliono  lasciar  redor  latherani,  aspettaHt  la  yennta  di  alcum 
di  questi  Principi  Intherani  et  compensarä  poi  con  la  diligentia 
et  sarä  in  proposito,  accioch^  soa  M^^  possa  meglio  nsolyersi  et 
in  tempo  commodo  dar  la  risposta:  bench^  soa  S.  sollecita  la 
partenza. 

Jeri  fui  con  Mens  di  Grand^^  per  semplice  yisita.  Soa  S^ 
mi  moströ  piena  confidenza  et  mi  disse  molto  amoreyoli  parola. 
Depo  mi  disse,  che  speraya  tal  snccesso  da  qnesta  Dieta,  che 
N.  S.  conoscerebbe,  con  qnanta  aflfectione  la  Ces*  M*^  et  egli  si 
fossero  affaticato  al  bene  della  Christianitä  et  alla  conseryatione 
della  Sede  ap^.  Et  che  depo  la  yennta  soa  qui  hayea  fotto 
ancora  maggior  gnadagno,  come  in  breye  mi  direbbe.  Et  che 
ancora  speraya,  che  forsi  V  Inchilterra  si  redurrebbe  a  buoo 
termine,  ma  per  hora  non  mi  yoleya  dir  altro  particolare.  Sola- 
mente  desideraya,  che  N.  S.  hayesse  fatto  qnalche  proyissione 
di  danari,  come  piü  yolte  h  stato  richiesto,  et  di  ci5  mi  pregaya^ 
ne  yolessi  scriyere  caldamente  a  sna  B°®. 

Bisposi,  che  Tanimo  della  Ces^  M^  et  sno  non  era  nuoyo 
a  me  n^  ancora  a  Soa  S^,  la  qoale  in  tntto  si  riposaya  in 
questa  confidenza  della  loro  buona  mente  et  mi  rendea  certo,  che 
gli  effetti  sarebbero  stati  conformi  alle  parole  et  anche  maggioii, 
perchd  in  questa  prattica  si  trattaya  Thonor  di  Dio  con  la  salate 
delle  anime  et  Thonor  della  Ges^  M^,  quäl  hayea  da  render 
conto  non  solo  a  Dio,  ma  ancora  alla  posteritk 

Et  qnanto  alle  particolari  attioni  et  guadagni  fatti  in  questo 
loco,  dissi,  che  yolentieri  a  suo  tempo  Thayria  inteso  et  circa 
li  danari  di  nuoyo  hayria  scritto. 

Soa  S"^  doppo  mi  disse  (bench^  secretamente),  ch*il  matri- 
monio  della  Duchessa  di  Milane  era  concluso  col  figlio  del  Dnca 
di  Lorena.     Et  quand*  io  yienni  a  casa  soa,  era  in  consiglio  con 


1)  Von  ytna  veramente^  an  am  Bande  markirt. 

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SCHÜLTZE,  ACTENSTÜCKE  ZUR  KEP.- GESCHICHTE  TL.      615 

Mons.  di  Prato  et  Idiaqnez  per  formar  gli  capitoli  di  questo 
matrimonio,  quali  subito  voleva  portar  al  Conte  Federico  Pala- 
tino  cugnato  d'essa  Duchessa.  Et  insieme  voleva  portargli  la 
forma,  come  si  hayea  a  dar  principio  a  questa  Dieta,  perch^  la 
Ces^  M^  ha  fatto  esso  Dnca  Federico  suo  referendario  o  audi- 
tore,  come  yogliamo  dire,  o  mediatore  in  gli  presenti  trattati  dell* 
Imperio  ^). 

Havendo  commnnicato  col  W^^  legato  questo  ragionamento 
di  Mons.  di  Grand^^,  quäl  hoggi  mi  havea  detto  voler  venir  a 
sua  S"*  E™*  et  renovarli  le  promissioni  fatte  a  Mons.  Poggio  et 
a  me  per  quanto  tocca  alla  Sede  ap^,  soa  S^i^  ß°^  me  ha  detto 
sopra  Tarticolo  delli  danari  la  commissione,  quäl  tiene  da  N.  S. 
per  lottere  di  V.  R™*  et  Hl™*  S'^%  il  perchö  non  ö  bisogno, 
sopra  ci5  scrivi  altro,  perch^  intendendo  esso  Mons.  di  Grand^ 
ditta  commissione  per  bocca  di  S.  E™*  S"*,  credo,  nmarr^  satis- 
fattOy  come  sarebbe  rimasto,  s'io  Thavessi  saputo. 

Li  agenti  delli  Duchi  di  Bavera  hanno  passato  alcuni  ragio- 
namenti  col  B^^  legato  conformi  a  quelli,  che  molti  giomi  fa 
scrissi.  Et  perch^  si  conosce  questo  lor  desiderio  di  cose  nuove, 
servaremo  una  via  di  mezzo  nel  trattar  con  loro,  retenendoli  piü 
che  sarä  possibile  in  buono  offitio  con  la  Sede  ap<^,  accioch^  ac- 
costandosi  le  cose  alla  pace  honesta  si  possino  redur,  stände 
ancora  le  cose  senza  conclusione,  gli  habbiamo  costanti  nella 
Beligione.  Bench^,  come  per  altre  mie  ho  scritto,  tutte  le  parti 
attendono  sotto  pretesto  della  Beligione  alli  soi  privati  interessi 
et  commodi  *). 

Per  via  d'un  suo  consigliero  ho  scoperto,  che  disegnano  a 
maggiori  prattiche,  bench^  esso  consigliero  disse,  non  parlaya  per 
nome  de'  soi  Principi  n^  di  soa  saputa,  ma  come  ad  amico  per 
intender  il  parer  mio. 

Et  questo  era  di  veder,  se  Francia  volesse  intrare  nella 
loro  confederatione  per  defensione  della  Beligione,  et  designavano, 
in  quel  caso  accordarsi  col  Duca  yecchio  di  Yertimbergo,  lor 
nemico,  di  che  intendo  si  fa  prattica  ^. 

Et  similmente  accordarsi  coir  Arcivescovo  di  Colonia  et  Duca 
di  Cleve  et  Duca  di  Brunsvich  *). 

Ho  dissuaso  tal  disegno  con  molte  ragioni  al  mio  giudicio 
yero,  nondimeno  non  so  quel  che  farranno.  Et  perch^  Tanimo 
suo  h  totalmente  inclinato  alla  guerra,  bisogna  trattar  talmente 


1)  Von  ,et  insieme*  an  am  Bande  markirt. 
>)  Von  fServaremmo'  an  markirt. 
8)  Am  Bande  markirt. 
A)  Am  Bande  markirt. 


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616  ANALEKTEN. 

con  loro,  che  yolendoli  contradire  non  li  perdiamo  et  ci  gli  £io- 
damo  diffidenti.  Perchd,  come  eesi  hanno  bisogno  di  freno  & 
ritirarli  dalla  gaerra,  qml  sarebbe  damnosa,  co^  la  Gao*  IC^  et 
li  altri  hanno  bisogno  di  freno  per  esser  ritennti  dalia  oonoordia, 
qnal  per  troppo  bisogno  et  desiderio  protrebbe  ÜEursi  di  nuüa 
sorte.  Nel  che  havemo  pensato  potersi  serrire  di  qnesti  Doc^ 
et  del  Car^®  Magantino  et  delli  Dnchi  di  Bnmsvich,  acci<K2hd,  ser-^ 
Tandosi  qoanto  si  potr^  la  yia  di  mezzo  o  segniti  bnona  coneord» 
tra  tutti  0  non  seguendo  ci  siamo  reservaü  alcmii  defensori  delk 
Beligione  cath«*). 

Ho  mandato  al  Pighio  sessimta  scndi  di  eoneenso  et  to* 
Inntit  del  B>°o  legato  per  ritenerlo  dalla  divnlgatione  di  qnd 
libro  et  per  schivar  molti  scandali  et  imputationi  di  N.  S.  ^  Crede^ 
sarä  qni  fra  doi  giomi. 

In  bnona  grazia  u.  s.  w. 

Di  V.  R™a  et  ni™»  Sri» 
Da  Batisbona  alli 
XVn  di  Marzo  1641. 

HTimil»o  8w  n  Veepo 
di  Modena. 

Rt»  alli  XXVL 


No.  17. 

Morone  an  Farnese. 

Begensbuig,  22.  März  1541. 

Mando  qni  alligato  nn  memoriale  di  nn  Jnlio  Pflug,  eaite^ 
nico  Magnntino,  hora  cbiamato  alla  chiesa  Nomburg^isey  qnale 
^  posta  nel  mezzo  di  Saxonia. 

Et  percbd  il  Dnca  Elettore  di  Sassonia  per  hereditik  snol' 
esser  protettore  di  essa  chiesa  et  ha  intimato  al  capitoli,  ^ 
elegano  nn  altro  Tescovo,  per  esser  costni  repntato  catholico  et 
homo  di  molta  dottrina  et  bnoni  costcuni,  sperando  qnalche  booii 
exito  delle  cose  presenti,  vorrebbe  harer  sei  mesi  di  termine  a 
deliberar,  se  ynol'  accettar  detta  chiesa. 

Pertanto  hnmilmente  snpplica,  N.  S.  si  degni  concederli 
detta  prorogatione,  il  che  stimo  si  debbia  per  grazia  di  N.  8. 
et  per  beneficio  di  quella  chieea  concedere  et  ptego  T.  B*»  ei 
Hl™*  S.  voglia  dame  risposta. 

L'  altro  memoriale   ö   in   una   cansa  racc**  del  Ve8C<>    di 


1)  Von  yperche,  come  essi'  an  am  Rande  marldrt. 
«)  Vgl.  S.  158. 


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SCHULTZE,  ACTENSTÜGKE  ZXIB  REF.- GESCHICHTE  H.      617 

Sierbipoli,  qaal  ha  bisogno  di  quaJche  favore  dl  Y.  E"^^  S^,  la 
^nal  furebbe  opera  gratissima  a  Dio  et  honorevole  al  numdo, 
qLuando  cob  qualche  modo  facesse  metter  freno  all*  ayaritia  di 
alcuni  soUedtatori  Todesofa!,  quali  stanno  in  corte  et  inYiluppano 
il  mondo  con  qnesta  mercantia  di  beneficü 

Et   principalmente   a   qoesto  Ambrosio    Compenberg,    qnal 
joaette  le  Eiani  in  ogni  cosa. 
In  bnona  grazia  w.  5.  w. 

Di  V.  BP^  et  Dlm»  S^ 

Hnmilmo  S'«  II  Vesco 
di  Modena  Nnncio. 
Pa  Batiabona  alli  XXII  di  Marzo  1541. 
ßta  aUi  m  di  Aprile. 


Anhang. 
Memoriale  des  Julius  Pflug  an  den  Cardinal  Farnese. 

Adducit  me  £°^^®  D.  Y.  comitas  ac  benignitas  lila  singalaris, 
ut  hoc  tempore  in  re  magna  opem  eins  atqne  patrocinimn  petere 
non  dnbitem. 

Ac  ne  longior  sim  qnam  ferat  ratio  occupationum  ß™*«  D.  Y. 
cum  eadem  breviter  agam. 

Obijt  non  ita  pridem  diem  sunm  B'^^^  D.  Frisingen.  idemque 
Nnmbergensis  ecc^®  administrator  felicis  memoriae. 

Capitulmn  igitur  Nnmbergensis  cum,  ut  rationes  eccle- 
siasticae  illius  postulabant,  alium  in  locum  demortui  administra- 
toris  episcopum  sufficiendum  surrugandumque  duceret,  me  quidem, 
etsi  indignnm,  elegit  eaque  de  re  per  literas  docuii 

£t  quamquam  cum  aligs  de  causis,  tum  de  hac  maxime  quod 
sentirem  me  non  satis  idoneum  esse  ad  eedesiam  Numbergenaem 
hoc  eins  miserrimo  tempore  administrandam ,  movehat  sane,  ut 
eonsensum  negarem,  tamen,  ne  legitimam  illam  electionem  viderer 
temere  repudiare,  rescripsi  Capitulo  me  necdum  consentire  posse 
ipsius  electioni  neo  eam  tamen  aspemari,  sed  deliberaturum  et 
emn  intemunoijs,  quos  missurum  se  promiserat,  explicafcius  ae- 
turum« 

Interea  vearo,  dum  intemuntios  illos  especto,  certior  factus 
£um  Electorem  Saxoniae,  qui  more  ms^rum  ecclesiae  Number- 
gensis  advocatus  atque  defensor  esse  deberet,  expostulasse  cum 
Capitulo,  quod  me  eligisset,  et  cominatum,  si  me  in  possessionem 
episcopatus  sui  admitteret,  se  contra  me  atque  ipsum  Capitulmn 
nescio  quid  moliturum. 

Qni  quum,  ut  nunc  res  sunt,  quantum  yelit  in  illa  ecclesia 
opprimenda,  tantum  posse  videatur,  et  ego  in  deliberando  potissi- 


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618  AKALEKTEN. 

mom  boni  pnblici  rationem  habeam,  cayendum  plane  censeo, 
temere  Tel  consentiam  vel  dissentiam,  eaque  re  ecclesiaia  nüst-j 
ram,  etiam  pene   oppressam   in    extremnm    discrimen    addiicaa.| 
Qnod  ne  accidat,   necessarium  esse  Tidetor,  nt  deliberatio   ipa] 
mea  prorogetnr  tantisper,  dum  res  in  boc  conventn  authoiitate 
S°^i  D.  N.  atque  Imperatoriae  M^>  componi  possint,  quos  spen- 
mos,  nt  aliis  ecclesüs,  sie   etam  Nnmbergensi  praeeidiom   sIIa- 
tnros.     Id  qnod  Dens  noster  pro  sna  immensa  benignitato  atqse 
misericordia  tribnat. 

Sed  quia  tempns  ad  deliberandnui,  qnod  ins  prescribit,  iam 
pene  praeteryt  et  prorogatio  illins  ex  anthoritate  S""  D.  N. 
pendeat,  snpplico  E"*«  D.  V.,  qnod  me  in  hoc  negocio  atqi» 
ecclesiam  Numbergensem  jnyare  yelit,  nt  possit  prorogationem 
illam  in  sex  menses  obtinere  ^). 

Qnod  beneficinm  si  W^^  D.  Y.  mihi  dederit,  ad  pristiaom 
menm  erga  eam  obserrantiae  cnmnlnm  accedet  non  panun  eroqne 
ei  in  perpetunm  obstrictns. 

Cni  me  vehementer  etiam  atqne  etiam  commendo. 
E.  E°»*e  D.  V. 

Hnmillimns  Servitor 
Jnlins  Pflog. 


No.  18. 

Morone  an  Farnese. 

Begensbnrg,  23.  März  1541. 

Non  essende  ancora  partito  il  Corriero  mandato  dalla  Mar- 
chesa  di  Pescara,  son  yennte  lottere  da  Yienna  de*  XYIU  di 
qnesto  con  V  intrascritti  adyisi: 

Che  il  Be  de'  Bomani  non  andrä,  a  Praga,  ma  stai^  a  Yi- 
enna per  dar  ordine  alle  cose  di  Hnngaria  et  forsi  non  veni 
qni, 

che  alcnne  nassate  di  Tnrchi,  yenendo  al  soccorso  di  Bnda, 
son  State  poste  in  faga  da  alcnne  nassate  del  p^  Be  de*  So* 
mani, 

che  alli  sei  di  Gennaro  partl  da  Adrianopoli  Pietro  Moldavo, 
qnal  era  pregion  del  Tnrco,  con  adjnto  di  esso  Tnrco  per  occn- 
par  la  Moldayia  et  yendicar  la  rebellione  fatta  alli  giomi  passati 
et  pagarä  Xn  M.  dncati  V  anno  di  tribnto. 


1)  Die  Grewähmng  dieser  Bitte  erfolgte  durch  ein  päpstliches 
Schreiben  vom  16.  April  1541  (bei  Cyprian,  Tabell.  eccL  Rom. 
1743,  S.  525  f.). 


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SCHULTZE,  ACTENSTÜCKE  ZUE  REF.- GESCHICHTE  H.      619 

Per  lettere  de'  XVI  di  Gennaro  di  Adrianopoli  si  intende, 
clie  il  Tnrco  fa  maggior  preparatione  che  habbia  mai  fatto  per 
terra  et  se  dice  voler  far  V  impresa  di  Hungaria  essende  indeg- 
nato  contra  il  Be  de*  Bomani  per  V  exercito  mandato  contra 
Siida, 

che  il  Lasko  h  ancora  detennto. 

II  Vesc^  di  Vienna  va  combattendo  con  la  morte,  nondimeno 
era  alquanto  migliorato. 

Altro  non  occorrendo,  in  buona  grazia  u.  8.  w. 
Da  Batisbona  alli  XXm  di  Marzo  1541. 

Humilmo  s^o  il  Vesc<> 
di  Modena  Nnncio. 
Bta  alli  m  di  Aprile. 


No.  19. 

Morone  an  Farnese. 

Begensbnrg,  31.  März  1541. 

Scrivendo  il  B^^o  legato  la  yennta  del  Lantgravio  di  Hassia 
et  delli  altri  Protestanti  et  qnanto  si  ^  trattato  con  li  Dnchi  di 
Bayera  *),  ö  superfluo  replicare  il  medesmo. 

Hoggi  h  gionto  il  W^^  Maguntino  et  in  breve  si  aspetta  V 
Elettore  Brandebnrgense  suo  nepote.  Lo  Elettore  Palatino  yerrä, 
qnando  sarä  resanato.  Gli  altri  Elettori  non  si  aspettano.  Benchi 
ho  inteso  fra  qnalche  giomo,  V  Elettore  di  Saxonia  yerrä,  yerso 
Noremberga,  se  poträ  per  la  infermitä. 

n  Ser™o  Be  de'  Bomani  sta  occupato  nelle  cose  di  Hun- 
garia, per  le  qnali  yi  era  qnalche  speranza  di  concordia,  et  T 
Imperatore  a  reqnisitione  di  sna  M^  per  interponeryi  la  autoritä 
sna  et  forsi  per  prometter  per  il  fratello  hayea  deliberato  man- 
daryi  per  ambascator  sno  il  Conte  della  Mirandola  et  giä  hayea 
pigliato  licentia,  ma  per  nna  nuoya  posta  sopragionta  si  ^  inter- 
tenuto. 

La  cansa,  per  quanto  ho  inteso,  ^,  che  11  p^  Be  de'  Bo- 
mani ^  yennto  in  speranza  di  poter  romper  gli  Turchi  yennti  al 
soccorso  del  frate  Vescovo  di  Varadino,  quali  hanno  li  cavalK 
per  il  freddo  et  per  la  fame  assai  debilitati.  Et  per  qnesto  rad- 
doppia  r  exercito  sno  et  congrega  a^juti  ad  ogni  parte  et  spera 
alla  Domenica  delle  Palme  hayer  in  esser  circa  XX°*  homeni,  et 
ho  inteso,  che  sna  M^  ha  detto  yoleryi  andare  in  persona.    Dia 

1)  S.  164f. 

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620  AKALBKTBN. 

li  doni  felice  snccefiBo,  oome  «urebbe  bUogno  per  totta  la  Christi- 1 
anitä. 

Hieri  M  oon  Mona,  di  GnuidYella,  qoal  mi  disM,  che  Ibiai 
hoggi  0  domane  sarebbe  stato  col  E^^  legato  et  meco  per  ccm- 
municar  una  forma  fatta  sopra  il  principiare  la  Dieta,  la  qval 
jorma  V  Imperatore  yole,  che  noi  possiamo  moderar  et  alterare, 
com»  ne  pareri  expediente. 

Che  il  Lantgrayio  di  Hassia  die  novo  ha  fktto  intender«  a 
sua  M^  et  promesso,  che  li  faii  oonoscere^  qnanto  sia  deeidero^ 
della  pace  et  del  bene  della  Beligione,  et  replica,  che  il  medesmo 
faraimo  le  Terre  franohe, 

che  sarä  maggior  difficnltä  di  rednr  gli  Catholid  alle  com 
honeste  che  gli  adyersarij,  perch5  sotto  pretexto  della  BeUgioae 
Yorrebbono  servire  alle  loro  passioni, 

che  il  Daca  di  Brunsvich  si  govema  male  contro  il  Lantgrario 
et  non  cessa  etiam  in  qaesto  loco  di  irritarlo  con  detti  et  scritö 
(Et  mi  pregava,  yolessi  far  officio  per  moderar  lui  et  anche  gä 
Duchi  di  Bavera,  il  che  in  parte  ho  fatto,  essende  in  yero  cosa 
enorme  in  tutti  gli  modi  proceder  per  queste  vie  d*  ingiorie.); 

Che  non  bisognara,  V  Imperator  habbia  a  pigliar  le  armi 
et  intricarsi  nelle  cose  di  Germania,  alle  qnali  ni  il  modo  ne  il 
tempo  bastarebbe,  ma  V  intentione  di  sua  Mt^  l  di  redor  lathe- 
rani  piü  che  si  poträ  alla  Beligione  cath^  ^). 

Et  se  in  qualche  cosa  restark  controversia  o  difficnlta,  che 
tntto  Bark  rimesso  ad  un  Concilio  overo  ad  altra  determinatione, 
quäle  sua  M^  appimtarä  con  N.  S'^  V  esaltatione  della  dignitk 
et  honor  del  quäle  et  della  Sede  ap<^  sua  lA.^  promette  si  trat> 
tarä  in  questa  giomata,  come  mi  dice  esser  portato  in  scriptis 
nel  memoriale  del  Nuncio  Poggio.  Pel  qua]  memoriale  qnando 
vi  fusse  cosa  di  momento  utile  per  la  presente  negociatione, 
forse  sarebbe  bene,  che  V.  B«»*  et  Hl™*  S"*  si  degnasse  maii- 
dame  copia,  accioch^  sapendosi  le  loro  promissioni  et  mente 
con  piü  certezza  si  possi  negociare.  H  che  sia  dettu  solo  per 
aviso. 

In  questo  ragionamento  sua  S"%  per  mostrar  piü  la  durezza 
de'  Catholici,  mi  disse  havere  inteso,  che  hanno  cercato  trattare 
con  lutherani,  che  in  presentia  dell'  Imperatore  non  vogliono 
consentire  a  concordia  alcuna,  ma  dipoi  la  partita  di  sua  M^ 
dicono  Yoler  far  tre  cose: 

Prima  una  sospensione  di  armi  tra  loro  Todeschi. 

Secondo  una  confederatione  a  gastigare  qualunche  subdito 
Yolesse  ribellare  al  suo  Signore, 


1)  Am  Rande  markirt. 

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SCHÜLTZE,  ACTENSTÜCKE  ZUR  REF.- GESCHICHTE  U.      621 

Tertio    altra   confederatione    contra  tatti  gli  altri,    nemine 
xieque  ipso  Caesare  excepto. 
Baso  humDmente  u.  s.  w. 
Di  Batisbona  all'  ultimo  di  Marzo  1541. 
Di  V.  Rma  et  111"»  S"» 

Huniil"»o  Servitore  n  Vesco 
di  Modena  Nuncio. 
(Empfangsdatam  fehlt.) 


No.  20. 

Morone  an  Farnese. 

Begensbnrg,  3.  April  1541. 

Questa  sera  son  stato  con  Mons.  di  Grandvella,  quäle  in 
longo  ragionamento  in  substantia  mi  ha  detto,  che  trovandosi  V 
Imperatore  senza  dinari  et  havendo  experimentato,  quante  cose 
«i  ricercano  a  far  la  g^ena,  et  essendo  li  Lnth"^  cosi  todeschi 
«t  bellicosi,  come  sono  gli  Catholici,  et  per  conseguente  V  im- 
presa  della  guerra  molto  difficile  et  essendo  dubio,  che  in  evento 
di  guerra  facilmente  gli  adversarij  havessero  adjnti  extemi  da 
Prancia  et  dal  Turco,  et  quando  bene  ncn  fossero  queste  di£ß- 
cult^  et  si  havesse  la  vittoria  contra  Lutherani,  per  questo  non 
sarebbero  salve  le  anime,  sua  M^^  hayer  deliberato  far  ogni 
conato  per  hayere  la  concordia  di  Germania  et  havor  pratticato 
con  il  Cardinale  Maguntino  et  con  gli  Duchi  di  Bayera,  che  si 
contentino  deila  yoluntä  di  soa  M^,  del  che  loro  gli  hanno  data 
speranza  et  quasi  promessa.  Nondimeno,  che  gli  Duchi  di  Ba- 
yera per  far  principio  alla  Dieta  proponeno  modo,  quäl  non  ^ 
altro  che  dar  principio  alla  guerra.  Perchö  volendo  conservar  et 
exequire  il  Eecesso  di  Augusta  (quäl  sua  S^^»  dice  non  fu  ap- 
probato  da  tutti  gli  Principi  et  fu  fatto  inconsideratamente  et  il 
giomo  medesmo  fu  biasimato  da  quelli,  che  vi  si  trovomo  pre- 
senti)  h  proprio  voler  tagliare  tutte  le  vie  della  concordia. 

Bisposi  a  soa  S"*  (come  primo  si  era  deliberato  col  B°^o 
Legate)  esser  necessario,  che  detto  Becesso  fusse  conservato, 
perchö  la  Ces»  M^  non  havea  alcuna  cosa  piü  favorevole  di 
questa  a  rafBrenar  luth"^  II  che  soa  S"*  confessö  esser  yero, 
et  mi  disse,  che  per  nessun  modo  si  sarebbe  partito  da  quelle. 
Nondimeno  per  le  cause  soprascritte  non  se  gli  possea  far  troppo 
fundamento.  Et  mi  disse,  che  il  Maguntino,  et  Bavari,  havendo 
^isputato  a  longo  con  lui,  non  hanno  potuto  contradir  alle  ragioni 
soe.     Ma  questi  altri  dicono  il  contrario. 

Dimandai  di  novo  a  sua  S^^»  quelle,  che  si  potea  sperar 
della  redutüone  del  Lantgravio,  et  delle  Terre  franche.     Mi  ris« 

Zeitoohr.  t  K..G.  IH,  4.  42 


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622  AKALEKTEN. 

pose,  che  la  discordia  tra  esso  Lantgra?io,  et  il  Duca  dl  Bnms- 
vicb  portaya  molte  difficultä  a  qnesto  Degoeio.  Nendimeno  spe- 
rava,  che  detto  Lantgravio  et  Terre  franche  sarebbero  state  piü 
trattabili  alla  pace,  ehe  li  Principi  nostri. 

Et  quanto  alla  discordia  di  questi  doi  Principi  si  sarebbe 
trovato  modo  per  via  di  protestatioDi,  che  reservandosi  ciaschima 
parte  le  attioni  delle  iDgiurie  dopo  il  fine  della  Dieta,  && 
questo  mezzo  füssero  pacifici  et  non  donassero  impedimento  al- 
cuno  al  progresso  della  Dieta. 

Et  perch^  aviene,  che  nelle  sessioni  del  Convento ,  esso  Daca 
dl  Brunsvicb,  et  Lantgravio  d*  Hassia  sono  vicini,  1*  Iniperatore 
havea  deliberato  mettere  in  mezso  tra  Ibro  il  Daca  di  Savoia, 
qaal  per  altro  in  la  Dieta  non  dovrebbe  stare  come  Duca,  ma 
come  Conte  secondo  V  erettione  antiqua  delli  stati  dell'  impeno^ 
le   qnali  cose  tutte  saranno  exequite. 

Doppo  havendo  inteso,  che  li  mandatar^'  dell*  Elettore  di 
Sassonia  haveano  portato  li  mandati  molto  restretti  et  con  con- 
ditione,  che  n^  gli  soi  agenti  ne  gli  Dottori  potessero  cedere  m 
nn  minimo  punto  dalla  confessione  et  Apologia  di  Augosta,  gli 
dimandai,  essendo  questo  vero,  che  speranza  poteano  havere  di 
concordia  Christiana? 

Soa  S'*^  non  mi  negö  la  detta  qualita  et  conditione  de*  man- 
dati, ma  mi  disse,  sperava,  si  potesse  far  molto  bene,  etiam 
senza  esso  Elettore,  volendo  mostrare,  che  si  sarebbe  gnadagnato 
il  Lantgravio  d'  Hassia,  et  alcune  delle  Terre  f^anche. 

Disse  perö,  credea,  esso  Duca  di  Sassonia  dovesse  venir 
personalmente ,  perch^  gli  altri  Stati  protestanti  haveano  delibe- 
rato chiamarlo,  per  vigore  delle  confederationi  che  hanno  tra  loio, 
per  le  qnali  saranno  astretti  venir  doppo  Pascha;  onde  si  com- 
prende,  che  la  Dieta  andrä  in  longo. 

Eeplicai,  che  la  venuta  di  qnesto  Elettore  sarebbe  ntüe, 
qnando  si  sperasse  vera  concordia,  ma  servando  il  solito  modo 
di  mostrarmi  perplexe  dell'  evento  di  qnesta  Dieta. 

Soa  S"A  mi  affermo,  che  V  Imperatore  cosl  in  essentialibns 
era  resolute  non  conceder  cosa  alcuna,  come  ancora  in  le  cose, 
qnali  potessero  portar  scandalo.  Et  nel  resto  si  govemai^  come 
piacerä  a  N.  S^^^  come  piü  volte  si  ^  detto  et  scritto,  et  non 
lasciarä,  che  si  facci  cosa  alcnna  senza  nostra  sapnta. 

Ma  perch^  vede  qnesta  difficultk  de'  Catholiei,  come  piü 
volte  havea  detto,  mi  pregava,  volessi  far  buon  officio  co'l  Ma- 
gnntino,  Duchi  di  Bavera  et  Brunsvich  per  rednrli  a  buon  ded- 
derio  della  concordia,  oltra  la  quäle  non  vi  h  altro  mezzo  al 
presente  stato  et  tra  molti  mali,  questo  come  minore  si  dovrebbe 
elegere  *). 

1)  Von  ,j>er  redwli*  an  am  Rande  markirt. 

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SCHULTZE,  ACTENSTÜCKE  ZUR  REF.- GESCHICHTE  U.       623 

Perchd,  come  mi  harea  detto,  V  Imperatore  non  ha  denari 
et  quando  ben  gli  haveese,  vorebbe  spenderli  altrove  che  in  Ger- 
mania, dalla  qnale  non  ne  ha  se  non  fastidio  senza  utilitä  al- 
cnna*). 

Et  che  non  succedendo  concordia  et  non  hayendo  1*  Impe- 
ratore dinari,  ingennamente  dirk  a  N.  S.  et  alli  Dnchi  di  Bayera, 
che  facciano  la  spesa  della  gruerra,  et  mostrarä,  quantt  denari  li 
saranno  bisogno,  di  maniera  che  si  puö  comprendere,  che  in  tatti 
gli  modi  la  M^  8oa  vol  la  concordia. 

Mi  disse  ancora,  che  domani  sarebbe  Tonuto  a  commnnicar 
la  propositione,  qnal  si  ha  da  &r  nella  Dieta  co'l  B^^^^  legato 
et  meco.  Ma  a  soa  S.  BP^  pradentemente  pare,  che,  stände  questa 
difficnltä  tra  lui  et  gli  Dnchi  di  Bavera  et  altri  Oatholici  et  es- 
sende r  exito  delle  cose  tanto  incerto  et  pericoloso,  sia  bnono 
non  esser  moHo  sollecito  et  sia  piü  sicuro  il  star  a  yedere.  Et 
perchö  soa  S.  B°**  sopra  qnesta  et  molte  altre  cose  scriye  di- 
fosamente  (havendo  perö  per  soa  humanitä  commnnicato  le  soe 
lettere  meco,  come  io  ancora  per  debito  faccio  con  soa  S.  R™*), 
per  hora  circa  le  cose  della  Beligione  non  mi  occorre  scriyer 
altro. 

Perö  reseryando  gli  altri  particolari  in  nna  lettera  a  parte 
qni  faccio  fine,  in  buona  grazia  u.  8.  w. 

Da  Batisbona  alli  m  di  Aprile  1541. 
Di  V.  B"a  ti.  8.  w. 

Humilmo  sre  n  Vesc» 
di  Modena  Ntincio. 
(Ohne  Empfangsdatum.) 


No.  21. 

Beriardo  Santio,  Bischof  von  Aquila,  an  Farnese  % 

Begensbnrg,  5.  April  1541. 

Contutto  che  yi  siano  molto  poche  cose  degne  di  ayiso,  non 
lasciarö  di  scriyer  a  V.  S.  B™*,  qnanto  in  qneste  bände  s'  in- 
tende. 

Di  qnesti  Principi  Gtormani  sono  arriyati  solo  il  B™<>  Magnn- 
tino  et  il  Lantgravio.  Prima  yi  erano  i  tre  fratelli  di  Bayera 
et  il   Conte  Federico  Palatino.     Sone   yi  anche   alcnni   Prelati. 


1)  Am  Bande  markirt 

«)  Der  Name  des  Adressaten  findet  sich  nicht  angegeben;  ans 
dem  Inhalte  aber  ergiebt  sich,  dass  das  Schreiben  an  Famese  ge- 
richtet ist. 

42* 

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624  ANALEKTEN. 

Degli  altri  Elettori  et  Principi  vi  sono  loro  oratori.  II  B*"^ 
Magontino  basö  la  mano  a  soa  M^,  poi  visitö  il  B^^^^  legaio. 
n  Lantgravio  piü  volte  ha  havuto  audientia  da  soa  M^.  Del 
Conte  Federico  Palatino  si  tiene  gran  conto  per  esser  persona 
confidente  et  catholica. 

Questa  mattina  soa  M^  ha  dato  principio  alla  Dieta  et  ha 
üatto  celebrar  la  messa  dello  Spirito  Santo  nella  Chiesa  maggiore, 
qnale  ha  celebrata  Mens.  Batisbona.  Finita  la  messa  soa  M^ 
con  tatti  li  Principi  et  Prelati  Germani,  ^  ita  alla  casa  publica 
della  cittäy  ordinata  per  la  Dieta,  et  ha  fatto  la  proposta  delle 
cose,  che  si  hanno  a  trattare,  con  ordine  si  depntino  i  President!, 
et  dar  forma  al  modo  di  procedere  in  le  cose  della  Beligione, 
et  si  stima  sarä  conforme  a  quelle  die  Wormatia,  con  un  prolo- 
cutore  per  parte,  Ekio  et  Melanchthone. 

Fin  qui  le  prattiche  vanno  strette  et  con  molta  quiete  et 
Tuna  parte  et  Y  altra  dimonstra  gran  Tolunt^  di  concordia.  Et 
soa  M^  intende  et  tien  le  mani  in  ogni  prattica  et  usa  officio 
di  catholichissimo  Principe.  Onde  si  pu5  sperare,  che  N.  S^  Die 
spirarä  in  le  menti  di  questi  dissidenti  alcuna  luce,  per  la  qnale 
si  ridurranno  alla  Tera  via  dell*  antiqua,  vera  et  christiana  Beli- 
gione,  maxime  che  la  persona  del  B°^o  legato  h  in  gran  predi- 
camento  appresso  di  tutti  et  dl  singular  dottrina  et  di  vita  exem- 
plare. 

Le  novo  delli  apparati  del  Turco  verso  Hongaria  crescono 
et  dl  Barbarossa  verso  Affrica;  et  questi  dissidenti  ne  pigliano 
animo. 

Tutta  via  ^  tal  il  principio  di  questa  Dleta  et  la  dechla- 
ratione  della  sanctissima  mente  di  sua  M^  per  evidentissimi 
segni,  che  si  puö  sperar  buon*  exito  et  non  malo,  licet  sint  va- 
rla  hominum  judicia. 

La  pubblicatione  della  sententia  di  Madama,  sua  M^  V  ha 
differita  fin  dopo  V  Ottava  di  Pascha,  et  io  dubito  di  maggior 
dilatione.     Nee  plura.     Feliciter  valeat  D.  V.  B™*. 

Ex  Batisbona  Y  Aprilis  MDXLI  Aquilanus. 

Benevolus  servitor  B.  episc. 
{Empfangsdatum  fehlt.) 


No.  22. 

Morone  an  Farnese. 

Begensburg,  6.  April  1541. 

Scrissi  alli  in  dl   questo  *).      Dopö    V.    E"»»    et   Dl°>»    S. 
intenderä    il    principio    della    Dieta    et   V    altre    cose    passate 

1)  S.  621. 


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SCHÜLTZE,  ACTEN8TÜCKE  ZUR  BEF.- GESCHICHTE  H.      625 

per  lettere  del  E™«  legato,  sopra  che  non  ö  bisogno  far  altra 
replica. 

Son  stato  qaesta  mattina  con  Mons.  dl  Grandvella  per  rin- 
gratiarlo  dell*  aggionta  fatta  nella  propositione  dell'  Imperatore, 
che  s'  abbia  a  far  relatione  ancora  al  R™^  legato  di  quello,  che 
sarä  tractato  nel  colloqnio  sopra  la  differentia  delli  dogma. 

Et  insieme  V  ho  advertito,  che  quando  si  cerchi  la  concordia 
di  Germania,  bisogna,  che  quella  clausula  resti  forma.  Et  perö  sna  S. 
faccia,  che  li  protestanti  di  novo  non  contradichino  o  protestino  se- 
condo  11  lor  costume. 

Mi  ha  risposto,  non  esser  bisogno,  che  lo  ringratij,  perch^ 
r  Imperatore  gli  1*  haveya  commandato;  bench^  sia  stata  gran 
difficultä  a  far  la  mntatione  nel  consiglio  della  Dieta,  nel  qnal  h 
presidente  il  Conte  Federico  Palatino,  non  perch^  habbino  mal 
animo  verso  la  Sede  apostolica,  ma  perch^  qnando  hanno  stabi- 
lite  le  loro  cose,  son  difQcili  a  mntarle.  Nondimeno  io  credo 
piü  tosto  il  primo. 

Et  qnanto  alla  conservatione  di  detta  clausula,  dice,  che 
non  solamente  procurark  questa,  ma  di  piü  spera,  che  si  conten- 
taranno,  che  il  colloquio  si  faccia  in  presentia  del  B"^^  Legato. 
II  che  credo  non  sarä  difBcile,  quando  sua  S.  ß™»  lo  giudichi 
espediente,  perchd  in  Wormatia  hayrebbono  ancor  patito  la  pre- 
sentia di  Mons.  di  Feltre. 

Hoggi  h  partito  di  qui  Ant^  d'  Oria,  quäl  va  a  sue  gior- 
nate  ä  GenoTa,  et  allongarä  il  camino  yolendo  Teder  alcune 
Cittk  di  Germania,  come  Norimberga  et  Augusta  per  suo  spasso. 

Et  Mons.  di  Grandvella  mi  ha  detto,  che  pur  si  sta  sopra 
r  ordine  dato  dell*  armata,  come  fu  detto  a  Mons.  Poggio. 

Et  la  Ces^  M^  spera,  che  N.  S.  non  mancarli  far  quella 
gli  ha  supplicato. 

Mi  ha  ancor  pregato  di  noTO,  voglio  fare  ofßcio  appresso 
sua  S*^  per  il  S^'  Ascanio  Colonna  usando  simil  parole.  Havete 
inteso,  con  quanta  modestia  V  Imperatore  ricerca  et  prega  K 
S'«  per  le  cose  del  S^'  Ascanio?  Vi  prego  per  honor  di  sua  S*^ 
et  per  schifar  molti  scandali,  Togliate  far  quelli  ofßc^',  che  si  spera. 

Li  Duchi  di  Bayera  servano  il  solito  animo  poco  desideroso 
della  concordia  et  mostrano,  che  per  nessuna  altra  causa  yanno 
a  tal  Camino  che  per  timore,  che  la  Beligione  nostra  non  sia 
tradita,  et  hanno  hayuto  in  total  diffidentia  tutte  le  attioni  di 
Mons.  di  Grandvella,  come  ancor  hanno  il  B.^^  Maguntino,  quäl' 
hoggi  mi  ha  detto,  Mons.  di  Grandvella  haver  accettato  denari 
da  lutherany. 

Item,  che  non  spera  pace  alcuna  da  questa  Dieta.  Item 
che  sarebbe  meglio,  che  non  fusse  fatta  la  Dieta,  perch^  1'  Im- 
peratore perderä  tutta  la  reputatione  sua. 


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626  ANALEKTEN. 

Et  che  il  Lantgravio  di  Hassia,  quäl  sua  M^  epera  guA- 
dagnare  lo  ingannarä. 

Item  se  V  Imperatore  si  parte  senza  dar  buon  ordine  alle 
cose  di  Oermania,  che  haverä.  ioemici  non  solo  Intherani,  ma 
ancora  Cath<^  *). 

Et  che  li  principi  di  Germania  faranno  nn  altro  Imperatore. 

Soa  S.  B"^^  ha  mostrato  parlar  meco  oon  ogni  confidenza. 
Dopö  mi  ha  pregato,  voglia  tener  secreto  tutto  cid  che  mi  dice, 
et  il  medesmo  si  degnar^  farV.  B°^^  et  Ill<^&  S"^  Era  andato 
per  ringratiar  sua  S.  Eji^^  delli  officy  fatti  hieri  in  honor  della 
8ede  apostolica  con  11  B^^^  legato,  quali  invero  son  stati  molti 
et  inusitati,  et  per  ezhortarlo  a  perseverar  per  1*  avenire,  essendo 
parso  al  B"^^  legato  essere  in  proposto  in  questi  tempi  hayer 
simil  offic\j  et  se  a  N.  S.  piacesse,  sarebbe  ben  scriyerli  un 
breve  amorevole  mostrandoll  haver  inteso  li  soi  buon  portamenti 
per  lettere  del  B°*°  legato  et  ringratiarlo. 

Soa  S.  Ex°^^  mi  ha  ancora  affirmato  non  voler  far  cosa  al- 
cnna  senza  participation  nostra,  et  fame  copia  di  tutte  le  scrit- 
tore,  quali  si  daranno  in  la  Dieta. 

QU  Duchi  di  Eavera  mandano  un  Gentil'  homo  a  posta  a 
N.  S^*^  et  a  me  hanno  detto  mandarlo  solo  per  haver  la  reso- 
lutione  della  Croce,  sopra  che  hanno  yoluto  una  mia  lettera  di 
raccomandatione  aN.  S^^,  Ma  ho  inteso,  lo  mandano  ancor  per 
altra  causa,  et  maxlme  per  gli  presenti  trattati  di  Germania, 
perch^  hanno  alti  concetti  et  son  desiderosi  di  cose  noye,  bench^ 
mostrino  far  tutto  per  conto  della  Beligione  ^). 

Ferta&to  sarä.  bene,  che  N.  S.  sia  advertito  et  cerchi  in- 
trattenerli.  Perch6  dair  altro  canto  quando  si  ponessero  in  des- 
peratione,  in  questa  Provincia  actum  esset  de  Beligione.  Et  fra 
le  altre  demonstrationi  sua  S^  potrebbe  usar  qualche  honesta 
munificentia  Terso  quel  suo  mandato,  quando  che  si  giudicasse 
expediente,  perchä  simili  officij  di  poca  spesa  alcuna  volta  molto 
conciliano  gli  animi  delli  padroni. 

Ho  recevute  le  lettere  di  V.  B°»ä  et  Dl^^o  S.  di  XXH  dal 
passatoy  et  havendo  detto  aMons.  di  Grandvella  il  progresso  fe- 
Uce  contra  il  S^'  Ascanio,  sua  S.  mi  rispose,  che  meritava  ogni 
male,  ma  pur  che  si  convenea  a  N.  S.  usar  severitä  moderata. 

Ho  sollecitato  il  negocio  dela  pragmatica  di  Spagna,  et  del 
iuramento  delli  subditi  di  Novara  verso  V  IW,^^  S^'  Duea  di 
Castro  et  la  licentia  per  V  Alciato. 


1)  Von  ,Ia  Ihtehi  di  Bavera'  an  am  Bande  markirt. 
*)  Vgl.  S.  179  Anm.  2  (woselbst  durch  Versehen  nach  ,  lettera* 
,di*  ausgefoUen  ist). 


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SCHÜLTZE,  ACTEN8TÜCKB  ZIJB  REF.- GESCHICHTE  H.       627 

Mi  hanno  risposto,  che  si  risolveraniM),  et  io  ikon  mancarö  di 
soUecitar  oportnnamente. 

In  bona  gratia  u,  8.  w. 
Da  Batisbona  alli  VI.  di  Aprile  1541. 
Di  V.  R"^»  et  IU°>a  S"» 

Humilmo  s*or  il  Vesc^ 
di  Modena  NuDcio. 
B^  ßome. 
(Datum  fehlt) 

No.  23. 
Girolamo  Negri  an  den  Bischof  von  Corfu  ^). 

Begensburg,  6.  April  1541. 

Alli  XXIX  del  passato  hebbi  iina  di  Y.  S.  di  doi,  per  la 
qoal  mi  significa  desiderar  qnalche  ragnaglio  dell  cose  di  qui. 

Hieri  tandem  si  diede  principio  a  qnesta  Dieta  con  questö 
ordine:  il  B"^^  legato  andö  alla  stanza  dell'  Imperatore  a  nn* 
hora  di  giomo  per  far  compagna  a  soa  M^^  fdla  Chiesa  maggiore 
di  qnesta  cittä  et  entrö  in  camera  di  sna  M^^  iusieme  con  il 
^uncio  et  negociomo  nn  pochetto,  ma  sua  M^  per  certi  rispetti 
non  volse,  il  B^^^  legato  lo  accompagnasse,  et  cosi  sua  S.  B*"* 
imdö  alla  chiesa  ad  aspettar  li  soa  M^,  mentre  la  venisse  con 
gli  altri  Principi  alla  messa. 

In  chiesa  ritrovamo  il  B°^^  Maguntino,  il  quäle  yenne  in- 
contro  al  B™^  legato  fin'  alla  porta  et  era  vestito  da  Principe, 
non  da  Cardinale,  excetto  la  beretta  rossa,  il  resto  in  habito 
nero  per  il  lutto  dell'  Imperatore.  Et  cosi  stettero  in  choro  as- 
pettando  V  Imperatore. 

Com«  si  Seppe  soa  M^^  esser  montata  a  cavallo,  il  Magun- 
tino  gli  andö  incontro  fuora  di  chiesa  per  strada,  et  sua  M^ 
venne  con  quest'  ordine: 

Avauti  venivano  i  soi  G^ntilhomini ,  poi  li  Baroni  et  Prin« 
cipi  seculari,  con  la  guardia  et  li  araldi  dalle  bände,  il  Duca  di 
Savoia  piü  vicino  avanti  Y  Imperatore,  dapoi  un  Conte,  loco- 
tenente  del  Duca  di  Saxonia,  il  quäl  portava  la  spada  nuda 
aranti   soa  M^,  che   ^   V   officio  del  Duca  di  Saxonia.     Poi  ye- 

1)  Der  Name  des  Adressaten  steht  nicht  im  Manoscripte,  die  An- 
rede jedoch  ,Mons.  Bmo*  und  der  Umstand,  dass  auch  das  unter 
Nr.  26  mitgeteilte  Schreiben  an  den  Monsignore  di  Corfu  gerichtet 
ist,  scheinen  mir  über  die  Person  des  Adressaten  keinen  Zweifel  zu 
lassen.  —  Negri  (so  schreibe  ich,  in  Abweichung  von  dem  Manuscripte, 
welches  Negro  hat,  mit  einem  Biographen  des  Verfassers)  war  Geheim- 
secretär  (intimo  secretario)  Contarmi's.  Näheres  über  ihn  bei  Becca- 
delli,  Monum.  di  var.  lett.  I,  1.  S.  14,  wo  auch  die  weitere  Literatur 
angegeben. 


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628  ANALEKTEN. 

niya  soa  M^  in  mezzo  di  doi  personaggi,  da  man  dritta  il  Gar'^ 
Maguntino,  come  primo  Elettore,  dalla  sinistra  un  locotenente  del 
Arcivesc^  di  Colonia,  come  Elettore,  poi  seguivano  li  Principi 
ecclesiastici  di  Germania,  Testiti  da  Principi  temporali,  non  in 
habito  prelatesco,  excetto  il  Brixinense,  locotenente  del  Ser°^ 
Be  de*  Bomani  et  Principe,  il  qaal  solo  era  in  habito  episcopale. 
Soa  M*^  era  in  habito  nero  di  panno  con  il  coUar  dell'  ordine. 

n  loco  di  soa  M^  era  in  choro  ad  cornn  epistnlae  et  doe 
sedie  lontane  staya  il  Maguntino  poi  per  ordine  li  Principi  di 
Germania  ecc^^  et  secnlari. 

A  rimpetto  stava  il  R"^  legato  con  altri  Prelati  spagnoli  et 
italiani  et  altri  Signori,  che  non  sonno  della  Dieta. 

Ambasciatore  alcuno  non  intervenne,  nh  meno  il  Lani- 
grayio. 

Si  cantö  la  messa  dello  Spirito  S^  per  il  Yesco  di  qnest& 
cittä  et  al  fine  il  B.^^  legato  andö  all'  altare  et  diede  la  bene- 
dittione  solenne,  ma  non  si  pnblicomo  indnlgentie,  per  non  dar 
che  dir'  a  lutherani. 

Expedita  la  messa  V  Imperatore  con  i  Principi  et  loco- 
tenenti  de*  Principi  entrö  nel  Palazzo  di  qnesta  Cittä,  nela  sala 
apparata  per  la  Dieta;  sna  M^  in  sede  M^*^  sne  con  sei  loghi 
piu  bassi,  tre  per  banda  delli  Elettori  in  fazza  dela  sala  et  per 
lungo  di  essa  dall'  nno  et  dall*  altro  lato  sedevano  li  altri  Prin- 
cipi per  ordine,  qnali  potevano  esser  da  cento.  Tutti  gli  altri, 
che  non  haveano  Toce  in  la  Dieta,  fwmo  mandati  fori. 

Stettero  rinchinsi  manco  d'nn  hora  et  per  quanto  si  pü5 
intendere,  par,  sua  M^  rendesse  conto  brevemente  delli  snccessi 
pertinenti  all*  Alamagna  dall*  altra  Dieta  fatta  qui  1*  anno  1532 
fin  alla  presente,  et  che  erano  redotti  qni  per  proveder  alle  cose 
concementi  Tinteresse  dell*  Alamagna  et  dela  Beligione  christi- 
ana,  la  quäl  cosa  essende  di  grandissimo  momento  havea  bisogno 
di  matnra  consideratione ,  pertanto  il  giomo  segnente  tntti  hari- 
ano  la  proposta  in  scriptis  per  mano  del  B'"^  Maguntino  come 
Archicancellario  dell*  Imperio. 

Et  parlö  sua  M*^  per  interprete  tedesco. 

Et  nsciti  fuora  li  Principi  accompagnorno  sna  M^  fin*  alla 
stantia.  Et  nel  partire  sna  M^  toccö  la  mano  alli  piü  princi- 
pali,  more  Germanico. 

Noi  col  E™o  legato  poco  dipoi,  che  1'  Imperatore  nsci  di 
chiesa,  per  aliam  ?iam  ritomavamo  alla  stantia  nostra. 

II  Lantgravio,  il  quäle  non  volse  venir  alla  messa  senon 
con  certe  conditioni,  che  non  piacquero  all*  Imperatore,  pertinenti 
alla  fede,  aspettö  sua  M^^  al  Palazzo  della  Dieta  et  stette  a  sno 
loco. 

Par,  sua  M*^  vadi  con  gran  respetto  con  questi  heretici   in 


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SCHULTZE;  ACTENSTÜCKE  ZUR  REF.- GESCHICHTE  H.       629 

modo  che  li  Cath<^^  temeno  di  qnesta  freddezza  et  commnnemente 
si  spera  poco  buono.  Nondimeno  sna  M^  h  molto  savia;  penso^ 
intenda  benissimo  il  fatto  sno  et  del  fratello. 

Dicono,  il  Lantgravio  haver  licentia  di  sua  M**  di  farsi  pre- 
dicare  in  casa  sua,  et  il  Bnzero,  gran  dottor  heretico,  U  predicha, 
del  che  qnesti  Catholici  molto  si  lamentano. 

Yi  h  etiam  Philippe  Melanchthone ,  il  qoal  ha  dato  faora 
nn  libro  de  conjngio  sacerdotnm  molto  bestiale.  Tarnen  non 
yengono  qnesti  dottori  heretici  alle  monstre.  Fanno  conventicala 
fra  loro,  scrivono  et  predicano  et  snbvertiscono  i  popnli  talmente, 
che  qnasi  tntta  qnesta  Alemagna  h  infetta.  Ne  ci  vedo  riparo, 
senon  per  forza  d*  arme,  ch*  ^  cosa  molto  difficile  et  pericnlosa 
in  qnesti  tempi. 

n  Be  de*  Bomani  ^  pur  in  Yienna  et  attende  a  mantener 
Feste,  loco  d*  importenza,  assediato  da  Tnrchi,  vicino  a  Buda. 
Sono  andati  di  qni  di  Bavera  tremila  fanti  a  socorso  et  da  ogni 
banda  il  Be  provede  di  denari  et  gente.  Dicono,  Tnrchi  hayer 
dato  dni  assalti  et  essero  stati  ribattnti  et  che  quelli  di  dentro 
li  danno  gran  spelazate,  ita  che  i  Tnrchi  erano  ritirati.  Altri 
fanno  cattivo  gindicio  al  tandem  di  qnelle  cose  per  la  diyisione, 
che  6  in  Hnngaria  etc. 

Certo  le  cose  sono  molto  intorbidate.  Qnesta  poyera  Ala- 
magna  6  in  nn  pessimo  stato  quanto  alla  fede  di  Christo  et  etiam 
al  resto.  Ci  sono  qnelli  fra  loro,  che  cercano  le  discordie  et 
sono  spinti  da  altri.  Idio  ci  proTega!  Et  se  V  Imperatore  parte 
di  qni,  ch'  el  non  metta  qnalche  bnono  assetto,  che  habbia  ex- 
cntione,  actum  est  de  tota  Germania  et  forsi  di  altri  lochi  yi- 
cini. 

Soa  M^  manda  commissione  al  castellano  di  Fiorenza,  che 
tenga  per  sno  nome  a  baptesmo  il  figliol  nato  nnovamente  al 
Dnca  Cosmo  di  Medici. 

II  S^^  Antonio  Doria  h  partito  hoggi  di  qui  per  Genova  per 
le  cose  deir  armata,  ancor  che  qni  dicano,  ch*  il  Tnrco  qnest* 
anno  non  farä  grossa  armata. 

Non  c*  h  ancora  resolntione,  se  V  Imperatore  expedito  di 
qnesta  Dieta  andai^  in  Italia  oyer*  in  Fiandrar  Le  cose  di  qni 
si  negociano  molto  posatamente  et  tanto  secrete,  che  poco  si  pnö 
intendere.  Pur  di  quelle  s*  intenderä  et  si  poträ  scriyere,  farö 
partecipe  V.  S.  per  giomata. 

La  prego,  mi  raccommandi  al  E^^  Bmndnsino,  al  qnale  non 
scriyo  sapendo,  che  sna  S'^*  B™*  h  signora  di  tutta  V  Alamagna. 
n  sno  m.  Alberto  Pighio  seli  raccomanda,  il  quäle  ^  qni  poli- 
phemo  che  mai  et  scrivazza  terribilmente. 

Bingratio  S.  S^**  B"^,  che  mi  yoglia  resignar  le  ragioni  in 
qnel  canonicato,  sed  sero  sapiunt  Phryges.    Non  bisognaya  lassar 


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630  ANALEKTEN. 

infcrndere  altri.     Vorrei  piü  tosto  la  mia  pensione  senza  Ute,  che 
litigar  il  Canonicato.     Non  credo  mai  vederne  il  fine. 

A.  V.  S.  baso  la  mano.     Conto  V  höre,   non  che   i   giomi 
per  tomare  in  Italia. 

Da  Batishona  alli  VI.  di  Aprile  1541. 
Di  V.  S.  R"»* 

S^'  H.  Negri  D.  Audor  del 
ßmo  legato. 
Eta  alli  XVIII  d'  Apnle. 
Borne. 


No.  24. 

Morone  an  Farnese. 

Eegensburg,  7.  April  1541. 

Tenendo  per  fermo,  che  le  mie  lottere,  scritte  hieri  et  nutn- 
date  hoggi  nel  plico  del  R™^  legato  per  il  Corriere  di  Piorenza, 
haveranno  recapito,  ho  stimato  non  essere  necessario  far  il  dnp» 
plicato  per  quest*  altro  Corriere,  quäl  questa  sera  partirk 

Ho  solo  voluto  scrivere  qneste  quattro  parole,  perch^  nell' 
altre  mie  lottere  mi  son  scordato  dir,  che  per  la  propositione 
fatta  dalla  Ces^  M^,  ove  si  parla  di  far  un  Convento  di  alcnni 
homeni  per  gli  trattati  della  Beligione,  gli  Principi  intendono,  che 
sna  M^  non  cerchi,  che  si  facci  colloquio  alcnno  di  Theologi,  ma 
che  siano  depntati  alcuni  Principi  delP  Imperio  mediatori  con  alcuni 
altri  nobili  et  certi  pochi  dotti.  Et  cos)  1*  intende  il  B°>^  Ma- 
gnntino,  come  mi  ha  detto,  et  gli  Dnchi  di  Barera. 

Ho  poi  inteso,  che  la  Ces^  M^^  desegnava  depatar  1*  Aid- 
vescovo  di  Colonia,  11  Palatino  Elettore  et  il  fratello  Fedeiioo,  il 
Yescovo  di  Spira,  di  Angnsta  et  Listense,  il  Conte  di  nova 
Aqnila  et  il  Conte  di  Manderscheit,  snbditi  del  Coloniense.  Et 
di  Theologi  M.  Julio  Phlug,  per  il  qnale  si  scrisse  alli  giomi 
passati  ^),  et  il  Groppero.  Et  a  questi  aggiongono  un  mastro  di 
Corte  del  R"'^  Maguntino.  Quali  persone  tutte,  qaesü  di  Bayera 
hoggi  mi  hanno  detto,  esserli  sospettissime  et  per  nessum  modo 
voler  far  compromesso  in  (con?)  loro. 

Et  perch^  par,  che  la  difficultä  della  ooncordia  consista 
molto  nella  restitutione  et  godimiento  di  beni  ecc^,  di  quali, 
stände  1*  antiqua  Beligione,  molti  nobili  participavano,  per  levar 
questo  favor  de*  nobili,  a  Catholici  proponevano,   che   delli  ca- 

1)  Nr.  17. 

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SCHÜLTZE;  ACTENSTÜCKE  ZUR  KEP.-  GESCHICHTE  H.      631 

nonicati  et  altri  beni  si  facesse  una  erettione  d'un  ordine  militare, 
quäl  fasse  tntto  dl  nobilL 

Di  qaeste  cose  n*  havea  parlato  con  Mons.  di  Grandvella, 
per  veder,  s*  erano  con  fandamento. 

Et  perch^  sua  S^  mi  havea  detto,  che  sono  expresslssime 
busie,  Bon  havea  volüto  scriverle.  Nondimeno  perch^  qnesti  Oath<^^ 
le  affermano,  non  ho  volnto  tacerle.  L*  altra  difßcultä,  quäl  Y. 
B°^  et  m™*  S.  haverä  veduto  per  il  scritto  mandato  dal  ß^o 
legato,  circa  la  separatione  delli  stati  Cath<^^  dalli  protestanti 
procede  tanto  avanti,  che  gli  Dnchi  di  Bavera  hoggi  hanno  fatto 
intendere  alla  Ces^  M^,  che  qnando  sua  M^^  voglia  astrengerli 
a  trattar  della  Beligione  insieme  con  luth°^,  eäsi  piü  tosto  et 
molti  altri  Cath^^  si  partiranno  dala  Dieta. 

La  terza  difßcultä  sopra  la  detta  propositione  il  B°*o  Ma- 
gontino  mi  ha  detto  esser  cerca  la  commanicatione »  qaal  si  ha 
a  fare  al  B™^  legato  delle  cose,  qnali  saranno  trattate  nel  ditto 
Convento.  Perch6  li  Catholici  dicono,  quella  parola  commnni*- 
catione  o  communicare  esser  posta  in  lingua  todesca  insidiosamente, 
dovendosi  dire,  referire,  o  relatione^  come  si  fa  all'  Imperatore 
et  alli  stati  di  Germania.  II  che  con  una  piccola  virgoletta  ^ 
annotato  nella  Scrittura  hoggi  mandata  per  il  E^^  legato,  perch^ 
gli  pare  non  esser  satisfatto,  quando  sol  si  communicasse  con  soa 
ßma  gria  et  non  ricercasse  il  parer  et  consenso  della  Sede  ap<». 

II  Capitano  Maldonato,  quäl  si  mostra  affettionatissimo  ser- 
Titore  di  Y.  B™^  et  111"^^  S.  avanti  la  partenza  sua  e  venuto  a 
visitarmi  et  mi  ha  detto,  V  Imperatore  mandarlo  per  la  cosa  del 
S^^  Ascanio.  Ma  dubita,  gli  interverrä,  come  giä  fece  a  Perosa, 
che  trovö  la  cosa  accordata.  Nondimeno  quando  trovasse  altri- 
menti,  la  Ces<^  M.^  spera,  che  N.  S^^  debbia  remetter  alP  inter- 
ceasion  soa  et  alla  nobilita  di  casa  Colonna  quelle,  che  ha  de- 
meritato  il  falle  et  la  pazzia  del  S^'  Ascanio. 

In  bona  gratia  u.  s.  to. 

Di  Batisbona  alli  YH.  d'  Aprile  1541. 
Di  Y.  B.^  et  111"»»  S. 

Humilo  gtor  ii  Yesco 
di  Modena. 


No.  25. 
Negri  an  7 ') 

Begensburg,  16.  April  1541. 
Le  cose  di  questa  Dieta  sono  in  questi  termini  che  la  Ces* 
M*^  conoscendo  la  tarditä,  Germanica  ha  sollicitato  ogni  d\  questi 


J)  Der  Adressat  nicht  angegeben;  an  eben  denselben  ist  auch  das 

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632  ANALEKTEN. 

Principi  al  rednrsi  doi  volte  al  giomo  in  consiglio  per  hayer  da 
loro  la  risposta  alle  proposte  sne  fatte  il  p^  dl  della  Dieta,  et 
cosl  depo  molti  Consigli  fatti  separatamente  da  Catholici  et  Prote- 
stanti  finalmente  d*  accordo  hanno  rimessa  in  petto  di  soa  M^ 
la  Depntatione  degli  Dottori,  da  esser  fatta  per  V  una  et  1'  altra 
parte  sopra  la  materia  della  Beligione. 

Ben  si  crede,  sna  M^^  nominal^  al  meno  doi  del  nmnero  dei 
Protestanti  li  piü  Confidenti  loro,  come  l  11  Melanchthone  et  ü 
Bncero.  Altrimenti  non  sarian  condescesi  a  qnesto.  Sna  M^ 
Ta  con  gran  destreza  conveniente  alli  tempi,  alla  materia  et  alla 
natura  di  questa  gente  sospettosissima  et  intrattiene  molto  qnesti 
Protestanti  quasi  usque  ad  indignationem  degli  altri.  Passate 
queste  feste  si  attender^  alla  tela,  che  si  ordisse;  che  Die  facda 
non  sia  la  tela  di  Penelope. 

II  Mercord\  santo  entrö  il  Marchese  de  Brandeburg  Elettore, 
nepote  del  B™<^  Maguntino,  con  200  Cavalli  in  una  livrea  onori- 
fica  et  il  Lantgravio  11  andö  in  contra  con  150  cavaglL  Sna 
M^  li  mandö  in  contra  Mons.  di  Pratorio  con  parechi  Genti- 
lomini. 

Dicono,  questo  Elector  non  esser  molto  syncero  in  la  Beli- 
gione, et  si  dice,  che  hieri  che  fu  11  Yenerdl  santo  conyitato  dal 
Lantgravio  et  parechij  signori  della  sua  lega  mangiomo  di  bona 
came. 

II  Bucero  ogni  dl  predica  in  casa  del  LantgraTio,  del  che 
i  Catholici  si  ramarizano,  ma  non  si  pu5  far  altro :  dicono  essergli 
stato  promesso  da  Cesare,  pur  che  non  predichi  in  Pnblico,  ma 
la  casa  del  Lantgravio  ^  publice  ridutto  dalli  Protestanti 

Questo  Bucero  h  il  piü  dotto  che  habbiano  et  e  sfratato. 
n  Melanchthone  non  predica,  ma  scrive  bestialmente  et  ha  dato 
fuori  un  libro  intitulato  defensio  conjugii  sacerdotum  et  de  Po- 
te&tate  Pape  et  Episcoporum,  cosa  molto  scandalosa. 

Martin  Luthero  anche  lui  non  dorme,  ha  novamente  dato 
fuori  un  libro  in  tedesco  contro  il  Papa,  il  piü  bestiale,  che  mai 
sia  stato  letto. 

Sonno  parechy  altri  Dottori  Protestanti,  ma  non  comparis- 
cono  fra  noi;  fanno  fra  loro  continue  congregationi  et  consnltL 
Pur  intendo,  molti  di  essi  sono  rimossi  da  molte  cose  et  11  Po- 
puli strachi  et  anco  li  S"  stanno  in  pericolo  di  perder  Y  ubbi- 
dienza.  Se  queste  cose  procedessero  in  questo  disordine,  potrebbe 
esser  che  tutto  aitasse  a  far  nascere  qualche  unione. 


unter  No.  27  S.  637  mitgeteilte  Schreiben  gerichtet,  wie  sich  aus  den 
Worten  S,  637  Z.  1  v.  u.:  ,il  Rmo  legato  ^  anchora  in  quel  mona- 
sterio  de'  frati  *,  die  sich  auf  die  Angabe  S.  633  Z.  2  v.  ob.  zurück- 
beziehen,  klar  ergiebt. 


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SCHÜLTZE,  ACTENSTCCKE  ZUR  REF.- GESCHICHTE  H.       633 

H  E^^  legato  si  porta  benissimo  et  con  la  vita  sna  et  di 
8oi  fo,  che  questi  Antipapi  cagliano.  Sna  S.  B"^^  si  ^  ridotta  in 
an  monasterio  di  monaci  di  san  Benedetto  qni  in  la  cittä  per 
questi  giomi  santi.  La  Domenica  passata  del  olivo  Y  Imperatore 
et  sua  S.  B°^^  ri  redussero  alla  messa  in  la  chiesa  cathedrale, 
cantata  per  il  Yescovo  di  Brixinone,  locotenente  del  Be  de*  Bo- 
mani,  doTe  in  la  processione  alcnni  Principi  ecclesiastici  non 
Electori,  come  ^  V  Arcivescovo  saltbnrgense,  et  altri  volsero 
precedere  et  precedettero  li  altri  ambasciatori  de'  Beg\j,  il  che 
non  credo  fasse  inteso  da  Cesare.  Li  Electori  et  soi  locotenenti 
precedono  li  ambasciatori,  excetto  quelli  del  Papa,  et  apena  ce- 
dono  al  Nnntio  apostolico.  Servono  nna  grandezza  terribile  et  V 
Imperatore  li  deferisce  molto.  L*  Imperatore  andö  in  processione 
tra  li  doi  Cardinali,  cio^  il  B°^^  legato  et  il  Magnntino,  ma  per 
non  metter  bisbiglio  tra  li  Electori  et  altri  non  ha  mal  voluto 
cavalcare  n^  accompagnarsi  in  comitiva  col  legato.  Et  in  choro 
da  le  sedie,  che  sono  ad  coma  epistolae,  staya  V  Imperatore,  et 
apresso  sna  M^  fora  del  baldachino  stava  il  Cardinale  Maguntino 
et  poi  nn  locotenente  del  Arcivescovo  di  Colonia  et  successi- 
yamente  li  altri  locotenenti  delli  altri  Electori,  perch^  allora  non 
li  era  altro  Electore  principale.  Poi  segniyano  lontani  3  sedie 
li  Dachi  di  Bnmsvich  et  di  Bayiera  et  ultimo  il  Duca  di  Sayoia. 
Alle  sedie  poi  di  sotto  in  quella  banda  sedeyano  altri  Principi 
et  Baroni  laici.  Dalla  parte  poi  all*  incontro,  che  ^  ad  comu 
eyangelii,  sedeya  a  rimpetto  di  Cesare  il  B,^^  legato  sotto  un 
baldachino  di  yelluto  nero,  et  apresso  11  Nuncio  apostolico.  Poi 
r  ambasciatore  del  Be  et  successiyemente  11  Principi  di  Ger- 
mania ecclesiastici,  poi  altri  ambasciatori.  Finita  la  messa  V  Im- 
peratore andö  yia  p^,  accompagnato  dalli  soi  Principi  ecclesiastici 
et  seculari.  II  W^^  legato  poi  appartatamente  andö  a  casa  con 
li  soi  n^  diede  quel  dl  benediction  sollenne  al  populo  nh  manco 
indulgentie  per  non  dar  che  dire  a  questi  heretici  et  fo  cosl  or- 
dine  di  sua  M^.  Y.  S.  vede,  a  che  termini  siamo  condotti. 

Se  io  non  fossi  cosl  travagliato  come  sono,  mandarei  a  V.  S. 
la  forma  del  sedere  et  consultar  di  questi  intraveugono  in  la 
Dieta,  che  il  tutto  ho  yoluto  diligentemente  inquirere,  ma  al  pre- 
sente  non  ho  tempo  di  scriverla. 

V  h  venuto  ultimamente  qui  d'  Ongaria  il  Frangiapano, 
Vescovo  Agriense,  frate  minore.  V.  S.  harrä  forse  inteso  il  le- 
yarsi  de*  Turchi  dal  assedio  di  Pest  con  perdita  di  molti  di  soi 
et  morte  del  Capitanio.  Depo  dato  doi  battaglie  si  ritiravano 
yerso  Belgrado.  Le  genti  del  Be  de*  Bomani  si  ingrossayano  et 
parlayan  di  £ar  1*  impresa  di  Buda  difesa  dal  Yescoyo  Yaradiense 
con  r  aiuto  de*  Turchi  per  il  Waivoda,  onde  eran  fugiti  300 
cayalli    ognari    et   passati  nelle   genti   del  Be   de*  Bomani  dale 


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634  ANALEKTEN. 

qnali  si  haveTa,  che  Bnda  staya  mal  di  vittovaglia  et  ehe  li  era 
speranza  poterla  guadagnare,  che  saria  una  ottima  cosa.  II 
povero  Ee,  se  V  havesse  gelten  {=  Geld?),  faria  facenda,  sed 
nolnit  consolari,  quia  non  sunt 

Questi  Cesarei  dicono  mirabilia,  che  V  Imperatore  ha  haruto 
novamente  un  milion  d*  oro  da  sos  jadias  et  che  haverä  doi  altri 
milioni  tra  (ßa?)  Fiandra  et  altre  terre,  delle  quali  gut  in  parte 
se  ne  p5  servir»  et  che  non  teme  nö  Franza  nd  Torco  n^  Todeas. 
Del  sno  passar  in  Italia  piü  che  procedano  avanti  in  la  Dieta, 
manco  se  ne  parla,  perch^  questa  materia  ^  una  gran  massa  da 
non  digerir  cosl  tosto. 

Et  questo  ^  il  mio  ramarico,  che  non  Torrei  piü  Todescheria 
et  cosi  tntti  noi  siamo  di  qaesta  opinione  et  desiderio,  excetto  O 
j^mo  legato,  il  quäle  li  staria  yolontieri  XX  anni  se  '1  Tedesse 
poter  recuperar  questa  gente  perduta.  Ma  non  credo,  1'  Impe- 
ratore possa  starvi  molto.     Vedo,  sollecita  molto  questi  Principi. 

Et  il  Marchese  del  Vasto  scrive  qui  ad  un  homo  da  bene 
da  Milani,  che  si  vederanno  a  meszo  Jugno  in  Italia.  Credo  che 
il  Marchese  ne  habbia  di  qui  certo  ayiso.  Et  si  giudica,  sua 
M^  al  Ottobre  TOglia  passar  in  Ispagna  per  haver  giä  scritto, 
che  r  armata  vada  alla  volta  di  Sicilia  per  li  sospetti  turcheschi : 
la  non  potrk  esser  ritomata  a  Genova,  se  non  a  quel  traapo. 
Ma  il  tutto  depende  delle  cose  di  questa  Dieta,  perch^,  se  V  Im- 
peratore si  partisse  di  qui  infectis  rebus,  ogni  cosa  andaria  sotto- 
sopra  et  il  Turco  verria  avanti,  del  quäl  poco  si  temeria  in  V 
Austria,  quando  la  Germania  fosse  pacificata  et  unita. 

Hora  scrivendo  questa  ho  inteso,  questa  notte  passata  esser 
yenuta  una  posta  al  Be  de*  Roman!  con  denari  per  pagar  qneste 
lanterie  fatte  nel  Ducato  di  Bavera,  le  quali  tuttavia  andaranne 
a  conjngnersi  con  le  altre  sotto  Buda,  la  quäl  impresa  si  fsak 
et  giä  sono  occupati  con  speranza  grande  di  haverla.  Bisogna- 
rebbe  far  questa  prima,  che  venissero  novi  subsidij  Tnrcheechi, 
che  giä  si  preparavano. 

Dio  voglia,  la  vada  bene.  A.  V.  S.  B.  mi  raccomando  et 
la  prego,  communichi  queste  mie  col  B™^  Mens.  Comaro  patnm 
mio  et  a  sua  S.  B"*^  mi  raccomandi. 

Da  Batisbona  alli  16  di  Aprile  1541. 

S«  H.  Negri. 

B*»  alli  28  di  Aprile. 


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8CHÜLTZE,  ACTENSTÜCKE  ZUR  REF.- GESCHICHTE  H.       635 
No.  26. 

Negri  an  den  Bischof  von  Corfu. 

Begensburgy  27.  April  1541. 

Per  non  mancar  del  debito  mio  con  Y.  S.  gli  faccio  la  pre- 
sente  notificandogli,  come  le  cose  di  qnesta  Dieta  procedono  fin 
qni  aasai  quiete  et  con  qualche  speranza  di  bene.  La  Ces^  M^ 
de  coDsensxi  partium  hebbe  il  oarico  di  nominare  di  ambedne  le 
parti  alquanti  Dottori,  qoi  tractarent  de  rebus  controyersiis  et 
yedessero,  dove  si  reduce  tutta  la  differenza  circa  le  cose  della 
Beligione,  et  poi  dovessero  referir  a  sna  M^,  alli  Principi  et 
Stati.  Et  cosi  nominö  sei  Doctori,  tre  per  la  parte  de'  Catholici 
et  tre  per  li  altri.  Per  li  Catholici  nominö  V  Echio,  il  Groppero 
et  Pfing:  tre  Talent!  Doctori  et  homini  da  bene,  non  dependenti 
dal  Papa  n^  dal  B°^o  legato  et  meno  da  sua  M^.  Per  1*  altra 
parte  nominö  Philippe  Melanchthone,  Bncero  et  nno  detto  Pisto- 
rius,  li  qnali  sono  li  antesignani  degli  heretici.  Et  il  dl  segu- 
ente  alla  nominatione  sna  M^  se  gli  fece  yenire  avanti  et  gli 
diede  giuramento  senza  rancore,  senza  contentione,  ma  con  bnona 
intentione  di  troyar  yia  et  modo  di  pacificar  et  nnir  qnesta  pro- 
vincia  sotto  üna  fede  vera  et  Cath<»:  et  cosl  g^uromo. 

Dopoi  sna  M^  gli  ha  preposto  il  conte  Federico  Palatino, 
fratello  del  Elector,  et  Mons.  di  Grandvella,  li  quali  s*  hanno  a 
troyar  presenti  alle  loro  dispute,  che  dimane  s*  incominciaranno, 
acciö  sna  M^^  da  dl  in  dl  possa  intender,  come  passano  le  cose. 
Sapia  Y.  S.,  che  questi  heretici  sono  piü  stanchi  che  non  siamo 
noi  et  desiderano  troyar  modo  di  ridursi,  sed  timent  plebem,  la 
quäl  hanno  gi^  tanti  anni  sedutta.  II  Marchese  di  Brandebnrg 
Elettor,  che  si  teniya  per  luth^o,  ^  mezzo  convertito  et  giä  con- 
fessa  il  primato  del  Papa  et  molte  altre  cose. 

II  Lantgrayio  h  alquanto  piü  duro,  tamen  si  spera,  si  moUi- 
ficarä. 

La  Ces^  M^  va  pur  con  la  sua  solita  destrezza  et  tarditä 
per  pigliar  la  lepore  col  carro.  Intertiene  mirabilmente  questi 
Principi  tedeschi,  precipuo  li  sospetti  della  parte  non  syncera. 
E  stato  a  casa  del  Marchese  di  Brandeburg  a  yisitar  la  moglie 
del  Marchese  et  fa  con  questi  tedeschi  le  ceremonie  tedesche 
beniss^'  con  spagnoli  le  spagnole,  con  gli  italiani  le  italiane,  in 
modo  che  fa  la  simia  eccellentissimamente ;  et  yiene  con  tanta 
modestia  et  religion  con  tutta  la  sua  corte,  che  nn  Monasterio  de' 
frati  Scapuzzini  non  saria  piü  osseryante. 

II  BF^  legato  si  sta  con  li  suoi  theologi,  il  W^  sacri  pa- 
lazzi,  il  Cocleo,  il  Pighio,  V  Ecchio,  Groppero  etc.  et  instruit  aciem 
da  buono  capitano;  omnia  credit,  omnia  sperat,  omnia  sustinet. 
Sua  8.  B^"^  sta  et  staria  qui  yolontieri  longo  tempo  per  ricuperar 


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636  ANALEKTEN. 

qnesta  povera  gente  perdutta,  se  possibile  fasse,  ma  tutti  noi  altri 
non  vediamo  V  hora  di  ritomar  in  Italia  per  molti  rispetti,  et 
io  precipnamente,  che  oUra  il  carico  della  persona  del  B"*^  Car^ 
ho  il  carico  della  cnra  famigliare  et  del  padre  decrepito  et  solo, 
non  posso  longamente  star  lontano  da  casa.  Et  qui  feuu^io  una 
servitü  et  fatica  non  conoscinta  sine  ulla  spe  premii,  come  h 
stato  sempre  il  mio  destino,  del  che  ringratio  Dio  et  lo  pr^o 
continuamente,  ml  rednca  in  nna  vita  solitaria  et  qoieta,  come 
sarebbe  a  quel  vostro  moncellese,  dove  io  potessi  stadiar  a  tntto 
transito  et  ridurmi  delle  vessiche  di  qnesto  mondo. 

II  RiQo  Patron  mio  Mens.  Bnmdusino  si  scnsa  con  sne  al 
ßmo  legato  non  poter  risponder  alle  mie  per  Tindispositione  sua 
del  mal  di  corpo  etc.  Mi  dispiace  assai  piü  del  male  di  sna  8. 
B™^  che  di  non  haver  risposto;  mi  bastarebbe  assai  per  risposta» 
che  11  27,  ducati  di  camera,  che  il  Mnssis,  sno  sec%  mi  doTea 
per  la  pensione,  in  qualche  modo  di  soi  beni  me  fossero  datL 
Et  questo  me  saria  stato  grato,  perch^  ne  ho  bisogno.  Lo  scrivo 
a  y.  S.y  perch^  lei  mi  persoase  a  far  quella  renoncia  et  hora 
non  ho  n^*l  Canonicato  n6  la  pensione  n^  li  termini  passati.  Se 
dalla  grandezza  de*  mei  Patron!  ricevo  danno,  non  so,  percb^ 
debbi  desiderare,  che  siano  grandi.  Pur  non  ristarö  dedderarli 
ogni  grandezza,  quia  qnos  dilexi,  in  finem  dilexi  eos. 

Che  le  cose  mie  di  Borna  vadino  male,  non  mi  maraviglio, 
perch^  questo  ^  il  proprio  di  qnella  corte,  non  tenir  conto  degli 
absenti,  etiam  che  siano  absenti  causa  Beipublicae.  Mi  maraTiglio 
ben  del  Yerallo,  ch'el  voglia  sententiar  sopra  i  dubii  discnssi  in 
prima  instantia  et  non  sopra  le  cose  dedutte  et  provate  per  me 
in  2^  coram  ipso.     Questa  mi  par  nna  iniquitä  espressa,  et  vorria 

y.  S.,  ch'el  dicesse  bellamente,   quo  modo  post  ferri ^) 

super  beneficio  contra  eum,  quem  tempore  litis  motae  non  possi- 
debat  nee  possidet  nee  spoliavit.  Questo  ^  un  di  piü  gran 
mostri,  che  si  vedesse  mai.  Pur  spero,  che  Iddio  mi  {yutari  in 
qualche  modo. 

Mi  era  scordato  di  aggiunger  questo,  che  sua  M^  oltra  li 
doi  Presidentl  alle  dispute  ha  aggionto  sei  altri  auditori,  li  qnali 
sono  questi:  il  Maestro  di  casa  del  B"^^  Maguntino,  11  Cancillier 
del  Conte  Palatino  Elettor,  il  Conte  de  Mandresich,  il  Cancillier 
del  Duca  de  Sassonia,  il  Cancillier  del  Lantgra?io  d'Assia  et  nn 
Jacobo  Sturmio  d* Argentina,  et  si  dice,  quasi  tutti  questi  esser 
luth^^  0  suspetti;  tamen  non  hanno  a  far  altro  ch'esser  presenti 
alle  dispute,  acciö  questi  altri  6  Doctori  non  vengino  alle  villanie 
et  perdino  tempo  in  cose  impertinent!.     Dimane   se   devono   in- 


1)  Nicht  zu  entziflFem. 

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SCHULTZE,  ACTENSTCCKE  ZUR  REF.- GESCHICHTE  H.       637 

cominciar  a  ridnrre.     Hieri  1' Imperator  andö  a  caccia  per  cinque 
o  sei  giomi  in  qnel  di  Bayiera. 

HaTemo  haynto  la  boUa  del  Tostro  Jubileo  etc.,  quäl  per 
bon  rispetto  non  si  publica]^  solennitamente,  tarnen«  6  come 
pnblicata. 

Havemo  inteso  Texito  die  Bocca  di  Papa  etc.  Questi 
Protestanti  damnano  la  S^  di  N.  S.  di  qnesta  impresa  et  gaerra 
etc.,  la  qnale  h  giostificatissima. 

Le  cose  del  Be  de*  Bomani  in  üngheria  passano  bene  con 
gran  speranza  di  hayer  Bnda  presto.     Che  Dio  lo  voglia! 

L*  Imperator  di  novo  ha  chiamato  li  Elettori  et  Principi 
absenti,  in  modo  che  dnbito,  non  finirä  qnesta  historia  cosl  presto, 
come  si  credea. 

Altro  non  mi  occorre. 

Da  Baüsbona  alli  27.  di  Aprile  1541. 

Tenuta  fin'  all*  ultimo  di  Aprile. 

Questi  Doctori  deputati  si  riducono  ogni  d\  doi  fiate.  Se 
y.  S.  vedesse  questi  Protestanti  dottori:  pareno  a  comparatione 
de*  nostri  furfanti  et  inspiritati.  Hora  trattano  la  materia  de 
jnstificatione.  Dicesi,  l'Imperator  andava  a  certi  bagni  qui  vicini 
per  15  giomi,  depo  ch'el  sia  ritomato  da  caccia,  che  credo  tor- 
narä  dimane  per  far  Tesequie  dell*  Imperatrice. 

SO'  H.  Negri. 


No.  27. 
Negrl  an  7 ') 

Begensburg,  30.  April  1541. 

Essende  Tanimo  mio  di  ayisarri  successivamente  del  progresso 
della  Dieta  al  presente  yi  farrö  participe   di   quanto   l  successo 


1)  Weder  der  Verfasser,  der  Contarini  als  seinen  Patrono  bezeichnet 
und  mit  ihm  zusammenwohnt,  noch  der  Adressat  ist  angegeben,  aber 
Inhalt  wie  Stil  berühren  sich  dermassen  mit  den  unter  No.  25  u.  26 
mitgeteilten  Schreiben,  dass  die  Autorschaft  Girolamo  Negri*s  nicht 
bezweifelt  werden  daif.  In  Beziehung  auf  den  Adressaten  wage  ich 
keine  bestimmte  Vermutung  auszusprechen.  Da  am  Schlüsse  des  vor- 
hergehenden Schreibens  bemerkt  ist,  dass  Negri  dasselbe  bis  zum  letzten 
des  Monates  zurückbehalten  habe,  so  kann  diese  Depesche  nicht  an 
dieselbe  Adresse  wie  No.  26  gerichtet  sein.  Auch  deckt  sich  der  In- 
halt dieses  Briefes  vielfach  mit  demjenigen  vom  27.  April  (vffl.  beson- 
ders die  Angaben  über  die  Collocutoren)  und  die  Anrede  ,Magco  Sor 
mio'  passt  nicht  auf  einen  Bischof. 

ZeitBChx.  f.  K..0.  in,  4.  43 

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638  ANALSKTEK. 

tlopo  raltiine  mie.     H  B°>o  Ugtiko  h  aaohora  in  qnel  monaBteTio 
de'  frati;  ^  tardato  tanto,  acciö  potesse  piü  divoiammite  iHgüar 
qoesto  |iibil«o  mmme  con  tatta  la  &miglia   et  per   dar  anchor 
bnoA  oder   <ü  se  a  •questi   lu^erani.     üna  mattina  la  M^   4el 
Imperatore  Tenne  a  messa  nel  detto  monasterio,  qoal  fii  cantata 
dal  Abbate  del  monasterio  insieiae  con  la   capella  di  sua  M^. 
Et  contra  Tepinion  di  tatti  yi  v^ne  il  Marchese  di  Brandenboi^gli, 
quäl   ^  Intheranissimo   et  ^   qni  a  qaeeto   effietto   et  «dl   meoaa 
insieme  con  sna   M^  molto  diTotsMante,  per  qnanto  si  pottea 
yeder;  h  ben  Tero,  ch'  in  la  eie?«tio  del  corpus  Dni  noströ  vagar 
alqnanto,  ma  par,  fussi  a  oaso,  n^  mai  si  nominö  Jesas   in   la 
miesa,  ^  Ini  noti  si  caraase  la  bretta  et  fesse  reverentia  a  tal 
nome,  et  dicesi   per   certo,  loi   haver   detto,   cbe  Tnol  viver   et 
morir  secondo  il  rito  cbe  obserrava  sna  M^  nh  yol   teaer   altro 
cbe  qnello  tien  lui  et  se  per  adietro  |rli  h  stata  imbrogliata   La 
testa,  hora  cbe  h  in  loco,  che  si  puol  chiarir,  che   yuoI   molto 
bene   intenderla  per  noa  esser  piü   in  errote  et  che   iniol  far 
xm*  altra  vita  smilmente  Lantgravio  d^Asia,  qnal  si  tien  qni  eorae 
capo  ti  qnesti  eani,  ancor  ch^  ncm  sia  Slettor.     Ha  detto  volar 
far  altra  Tita  n^  yolse,  contra  la  loro  neanza»  che  n^  ginno  de 
Yener  santo  si  mangiasse   canie  in  casa  sna,  attento  che  non 
facciano  differentia  di  giomo  alcuno  di  mnodo,  che  per  tali  effetti 
si  puol  facilmente   considerar,    che  Idio   contra  i   meriti  nostri 
Yoglia  mostrar  qualche  segno  a  tempi    nostri  et  far  qnalche  ri- 
forma  di  questa  povera  perduta  gente,   donde  seguirebbe  gnmde 
esaltatione    della   religione.      Et   preghiamo   Idio,    perseyeri    in 
questa  yoluntä. 

Depo  molti  colloquii  et  congregationi  fatte,  sua  M^  per  com- 
missione  et  yoluntä  di  heretici  ha  deputati  tre  homini  catholici 
et  che  tre  ne  ellegino  lor  della  lor  setta,  quali  habbiano  da 
disputare  sopra  li  atticuli  proposti  da  sua  M^  in  la  Dieta.  61i 
catholici  disputatori  sono  gli  infrascritti.     II  p<>. 

II  Dottor  Giulio  Pflug,  p<>  canonico  Maguntino,  homo  da  bene 
et  di  buona  fama. 

n  2<>.  II  Dottor  Qioyan  Echio,  homo  di  bonissima  cera,  pi- 
acevole  et  di  buona  fama. 

n  80.  n  Dottor  Gioyan  Ghropero,  homo  UM^to  ripesato  et  di 
gran  grayitä. 

Per  la  parte  heretica  sono  eletti  gli  inftrascritü.     D  p^ 

Philippe  Melantone,  gran  Dottor  heretico,  quäl,  ayanti  ch*  io 
i'yideesi,  ThaveTa  in  gran  yeneratione,  ma  minuit  pntia  fama, 
perciocch^  h  homo  piccolo,  magro  et  in  summa  per  la  sna  poca 
grazia  da  esser  odiato  in  ogni  parte,  di  piü  homo  superbissimo» 
che  non  degna  a  nissuno. 

n  2<>.     Dottor  si  dimanda  Martine  Bucero,  graa  litterato. 


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SCHULTZE,  ACTEN8TÜCKE  ZUR  »EP.- GESCHICHTE  H.      639 

U  30.  si  dimanda  Joan  Pistor  Ni<kno.  Le  propositioni 
et  articüli,  qnali  hanno  a  diBpntare,  sono  qnesti:  il  po. 

1.  D«  sacramento  yenerabili  encharistie. 

2.  De  potestate  66c<^  et  summi  Pontificis. 

3.  De  sacrificio  misse. 

4.  De  mis^  priyatis. 

5.  De  votis  monasticis. 

6.  De  conjugio  sac^dotum. 

7.  De  communione  sab  ntraque  specie. 

8.  De  restitatione  menasteriorum  et  bonorum  ecc<^^™. 

9.  De  yeneratio&e  sanctomm,  sub  quo  de  imagimbns  colendis. 

10.  De  constitutieiiibus  et  ritibns  ece^K 

11.  De  jejnmis,  sub  qno  delectns  eiborom  prohibetor. 

12.  De  penitentia  In  oommnni  oontritioiey  satisfiictioiie  et  com- 

fessione* 
13^  De  nsn  sacramentomm  tam  in  genere  quam  in  specie. 
14.  De  constitmtionibus  humanis. 
16.  De  fide  justificante  et  de  meritis  et  bonis  operibus. 

Sopra  li  disputatori  de  le  dette  propositioni  sua  M^  ba  fi&tto 
dne  preeidentiy  0  come  gli  volimo  chiamare,  qoali  babbino  da 
referire,  quanto  si  tratta  et  disputa  tra  li  deputati  in  la  Dieta, 
qnali  sono: 

L'Illmo  gor  Federico  Bavaro,    fratello  del  Duca  di  Bayiera, 
Elettore,  Taltro  Modb^^  di  OrattyeU,  consiglior  di  sua  M^,  ambi 
due  homini  da  bene  et  catholici.     Ma  non  parendo   a  sua  M^, 
che  questi  due  fussino  bastanti,   acciö  non  nascesse  qualcb  in- 
conyeniente  fra  gli  disputatori,   come   spesso  suole,  yi   aggiunse 
sei  altri  come  a4jutori  et  consigleri  degli  sopra  detti,  che  sono: 
L'Dl.  S^r  Isiodorico,  Conte  di  Manderschet,  per  nome  Coloniese^ 
Eberardo  Bist,  mastro  di  casa  del  B°>^  Maguntino, 
Henrico  Has,  yioe  canceU<>  del  €onte  Palatiao  ülettore, 
Franco  Bartardo,  cancell^  delF  111™°  Duca  di  Sassonia, 
Gioyan  Stig,  cancell<>  del  Lantgrayio  d'Asia, 
Jacobe  Sturmio,  JAP  della  Cittä  Argentina. 
Et  ogni    mattina  depo    11  principio   della  disputa  yengono 
qui  dal  B,^^  legato  il  S^r  Nuntio  Vescoyo  da  Modena,  Mons^»''  di 
Oranyela  et  li  tre  dottori  et  spesso  11  padre  maestro  sacri  Palatii 
et  stanno  inchiusi  insieme  col  £°*°  legato  per  due  bore.     Penso, 
sua  S.  E™*  gli  debba  istruire  delle   cose  par  a  lei  habbino   da 
fare  et  parlare,  percb^  loro  si  goyemono  secondo  il  R™**  legato, 
et  questa  congregatione  si  fa  a  bonissima  bora,  percb^  usciti  di 
qui  subito  entrano  in  la  Disputa  et  finita  da  noyo   subito   ritor- 
nano  dal  K^o  l^ato  et  riferiscono  et  scriyeno,  quanto  di  ^  üatta; 
ma  di  ci5  non  potrei  scriyere  oosa  yera,  percb^  poco  se  n*intende 
nl  manco  ne  scriverei  per  rispetto  del  Patrone. 

43* 


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640  ANALEKTEN. 

Soa  M^,  dato  che  hebbe  tutto  questo  ordine  detto,  si 
partl  di  qni  che  son  ben  sei  giorni  et  andö  in  un  lüogx>  sei 
leghe  lontan  di  qni  del  Dnca  di  Baviera,  molto  piaceyole,  et 
tomerk  limedl,  che  sarä  alli  2  di  Maggie  et  ha  lasciato,  clie 
ognnno  della  sna  famiglia  yesta  a  sno  modo,  che  non  si  ha  da 
far  piü  coTotto  et  subito  tomato  si  han  da  fi&r  Tesequie  della 
Imperatrice. 

Ti  sono  lottere  di  Ungaria,  per  le  qnali  s'  intende,  che  '1  Sere- 
niss^  Be  de'  Bomani  ha  posto  assedio  a  Bnda  con  gran  speranza 
di  gnadagnarla  et  di  piü  si  son  partiti  qnatro  millia  fanti  per 
andar  alla  expugnation  d'un  Cafitello,  dove  s'intende,  che  quel 
£ra  Giorgio,  che  sta  in  Bnda,  tiene  i  soi  danari.  Fin  qni  la 
cosa  ya  molto  stretta,  ne  non  si  sa  ü  yero,  piü  si  non  spiera 
bene.  S*intende,  che  la  M^  di  Cesare  ha  scritto  al  Serenias^ 
Be,  che  attenda  alle  cose  sne  di  Ik,  quäl'  molto  piü  importano 
che  le  cose  di  qna,  perch^  non  importa,  che  si  hayi  alla  Dieta 
fin  al  fine,  doye  poträ  poi  yenire  nel  conclnder.  ^  ben  yero,  che 
giä  circa  otto  giorni  arriyb  una  barca  grossa  carica  di  robbi  di 
sna  M^,  per  ü  che  si  pensaya,  yenisse  di  giomo  in  giomo.  Per 
qnesta  longhezza  della  Dieta  non  si  parla  del  yenir  Cesare  in 
Italia.  Altxo  al  presente  non  mi  occorre;  non  mancarö  tenervi 
ayisato  di  qoanto  succederä,  et  in  yostra  buona  gratia  mi  racco- 
mando. 

Di  Batisbona  a  T  ultimo  di  Aprile  1541. 


No.  28. 

Negri  an  den  Bischof  von  Corfu  ^). 

Begensburgy  28.  Juni  1541. 

Jo  son  stato  sei  giorni  absente  di  qni  insieme  col 

preyosto  di  Verona  a  Norimberga  a  spasso.  Hayemo  yeduta 
qnella  terra  lontana  da  questa  circa  60  miglia  di  nostri  et  mi 
^  piacnta  molto  per  esser  goyemata  per  repubblica  di  nobili,  come 
la  patria  nostra,  et  bene  institoita  d*anne,  arti,  mercantie  et 
fimalmente  mi  ^  riuscita  molto    excetto    in  Beligion   per   esser 


^)  Da  der  grösste  Teil  des  Briefes  priyate  Angelegenheiten  des 
Schreibers  behandelt,  so  beschränke  ich  mich  daraiu,  nur  diejenigen 
Partien  mitzuteilen,  welche  die  politischen  und  religiösen  Tagesfragen 
berühren. 


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SCHÜLTZE,  ACTENSTÜCKE  ZUR  REF.- GESCHICHTE  O.      641 

Intherana.  Essendo  io  li,  giunse  qui  a  21  di  questo  mese  il 
Be  de'  Bomani  in  posta.  Dopoi  ch'  io  fiii  ritornato  qui,  sna  M^, 
che  prima  era  stata  visitata  dal  B°><>,  venne  a  visitare  sna  S^^^^ 
B™^  con  grande  hnmanitä.  ^  principe  molto  alegro  nel  parlar 
et  parla  di  varie  lingne. 

Si  ^  stretta  la  materia  del  soccorso  da  esser  dato  da  qnesti 
Principi  Alamani  per  le  cose  di  Ongharia  contro  il  Tnrco.  Li 
Catholici  hanno  largamente  offerto,  ma  li  Lntherani  vogliono  carte 
condizioni,  che  se  gli  fossero  concesse,  sarebbe  total  mina  di 
qnesti  altri.  Yorrebeno,  le  cose  stessero  nt  snpra.  Adimandano 
pace  alla  cbiesa  et  loro  tnttavia  li  ßtnno  cmdel  gnerra.  Se  gli 
^  detto,  che  la  defension  del' Ongheria  h  defension  loro,  par,  se 
ne  ridimo  et  si  confidano  piü  nel  Tnrco  che  in  Christo. 

Gia  Tesercito  turches<^  ^  yicino  a  Bnda  et  Dio  yoglia,  che 
l'esercito  regio  di  assediante  non  diyenti  assediato  et  che  Yienna 
non  diventi  Bnda. 

Le  cose  della  Beligione  qui  hora  dormeno,  perch^  il  maggior 
meto  impedisce  il  minore.  Li  Protestanti  segueno  il  predicare 
le  loro  oppinioni  per  case  di  qnesti  loro  Principi,  anchor  che 
Lantgravio  sene  gisse  (?).  Ho  yeduto  il  colloqnio  di  qnesti 
dottori  deputati,  che  ^  un  libro  di  piü  di  cento  foglL  Parmi 
nna  bella  tragedia.  Incomincia  in  bene  et  finisce  in  in  male. 
Sono  in  fine  9  articoli  bestiali  di  qnesti  Protestanti,  nelli  quali  si 
sono  discordati  da  gli  nostri  n^  credo,  si  accordino  mai  se  non 
sforzati.  Ho  parlato  con  fiielanthone  et  alcuni  altri  di  qnella 
via.  Sono  arrabiati  et  han  gran  maniera  di  persnadere.  Noi 
credemo  fira  nn  mese  partir  di  qua.  Io  per  me  son  risolnto  non 
Yoler  piu  todescaria  et  se  mi  havesse  crednto  stare  tanto,  certo 
ml  sarei  scusato  con  Mens.  B°^^.  Sa  ben  Y.  S.  che,  se  io  potessi 
lontanarmi  da  casa,  stare   (starei?)  in  Boma. 

Mi  i  stato  detto,  il  B°^o  Comaro  yenir  a  Brescia.  Forse 
pensarä,  che  llmperatore  yenga  in  Italia  et  il  Papa  a  Bologna, 
ma  qui  nnlla  sin  hora  si  sa,  doye  sna  M^^  sia  per  incaminand 
leyata  di  qui.  Li  fanno  yar^  ginditij  in  aria  et  tntto  dopende 
dalle  cose  di  Ongharia  et  di  Germania,  le  quali  sono  in  bilancia. 

Y.  S.  sarä  contenta  basar  la  mano  per  me  al  W^^  Brundn- 
sino  et  Bembo  et  S'^  ^). 

Da  Batisbona  alli  28  di  Gingno  1541. 

Di  Y.  S.  B^no 
Bt«  all!  4  di  Luglio  1541. 

So^  H.  Negri  D. 


1)  Der    Name    ist    in    der  Abschrift    wohl    absichtlich   ausge- 
lassen. 


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642  AlTAL^TEN. 

HL 

Depeschen  aus  Wien,  Hagenaui  Rastatt ,  ütreclit, 
Worms  aus  den  Jahren  1539 — ^1545. 

No.  29. 

Morone  an  Farnese. 

Wien,  16.  Dec.  1539. 

Doppo  r  ultimo  mie,  quali  all!  XIII  di  qaesiio  mandai  per 
la  via  di  Yenetia,  mi  sono  sopraggiante  Talligate  lettere  di 
Polonia,  per  quali  V.  B"»*  et  Illni*  gria  yeder^  la  pia  me&te 
di  quel  ser°^o  Be. 

Monsignor   d'Agria  Dii  scrive  oirca  le  Bolle  sne  replieande 
quel  che  piü  volte  ho  scritto,  die  non  ha  modo  di  pag'ar  V  annata 
pev  le  oontinoe  legationi,  in  le  quali  a  &oe  spese  continoamente 
rha  mandato  et  lo  manda  il  Be  Giovanni,  et  s*esousa,  che  mom 
per  diapreuo,  ma  per  imposäbilitä  non  vnol  pigliar  le  Bolle,  et 
tti  domanda  consiglio  di  quel,   che  ha  ad  fare.     Furcht   credoi, 
gli  rincreeca  di  dar  questo  msl  essempio,  bench^  penso,  che  i'altzi 
fturaono  il  medesimo  et  da  Taltro  canto  stimo  esser  il  yero,  che 
habbia  haynto  gran  spesa,  taato  piü,  che  non  gode  tutta  Finiarala 
del  suQ   YescoYato,   la  met^  della   quäle  tengono   occnpata  gU 
Agenti  di  questa  Mt^.    Jo  credo,  non  gli  far6  altara  risposta  se 
BOB  forsi  essortandolo  ad  pagare  et  fax  sopra  le  forze  sne.    Neu- 
dioMno  per  quaato  inteodo  pare,  che  granimi  di  quelli  Prelati  di 
Uagaria  siano  mal  content!  di  questo  ordine  di  saa  8^,  et  sarii 
iooTBi  benei  peasajrli  qualohe  rimedio,  acoiö  che,  restando  aoa  8^ 
prifvata  dal  daimo,  non  reeti  anehora  privata  della  beneTolenxa 
di  qnella  Batioae,.  la  qnal  pur  in  un  ooncilio  sarä  di   qualche 
momento. 

^  riiornate  il  geotilhomo  mandato  dal  Marchese  di  Brandebuigs 
Slettore  da  questo  Ser"^^'  Be^  oon  la  risposta  a  soa  M^,  della  quai 
na  mand«  eopia  tradutta  di  todesco  im  latino.  Et  quantunohe  habbia 
wata  diligeatia,  no&dimeno  sino  al  presente  non  ko  potBto  harer  la 
reformatione  fatta  da  ki  di  quelli  abusi,  che  scrive^  perch^  non  I 
«nekora  comparsa  in  queste  parti,  solo  ho  inteso,  che  con  grao  ceri- 
monia  et  pompa,  presenti  tutti  gli  soi  Baroni,  oommuniieö  aob  itraque 
«^cie  il  giomo  d'  ogni  santo.  £t  perch^  sarä  in  proposito  haverla 
per  cognitione  non  aolo  del  anime  di  questo  Elelitore,  ma  aachora 
di  quasi  tutti  graltri  Principi  di  Germania,  usarö  ogni  diligentia. 

Nondimeno  con  ogni  humilüi  et  riverenza  mi  par  replicar 
esser  neoessiuio,  che  If.  S.  proyeda,  et  presto.  Altrünente  per- 
mittente  Deo  tutta  la  Germania  s*  accordarä  con  esclusione  di  soa 
Beat^ö,  nö  in  questo  excludo  gli  Prelati,  quali  pih  voluntieri  delli 
altri  aspirano  alla  Hbertä  contro  la  Sede  apostolica. 


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SCHÜLTZE,  ACTENSTÜCKB  Äü»  REF.- GESCHICHTE  HI.      64a 

A8i>etto  eoH  desiderio  riapoeta  da  V.  W^  et  111»*  S"^  circa 
qnello  che  haviö  ad  far,  andand«   qnesto  Ser°*^  Be   in  Fiandra, 
et  bnmilmeBte  la  prego,  essende  possibile,  si  degni  sparagnarmi 
qnesta  fattica.    Perch^  senza  qualche  adjnte  di  N.  S.  oltra  Terdi- 
nario  mio  et  senza  molti  traragli  et  peneoü  non  potrö  far  questo 
yiaggio  di  novecento  miglia. 
In  bnona  gratia  u.  s.  w. 
Da  Vienna  alli  XVI  di  Decembre  1539. 
Di  V.  R>n»  et  m^^  S^ 

Humil"»o  sre 

II  Vesco  di  Modena. 
Kintius. 
Rt»  alli  17.  di  Gem'o. 


No.  30. 

Morone  an  Cervini  ^). 

Hagenau,  11.  Jnni  1540. 

Qnesta  mattina  scrissi  a  longo  a.  V.  S.  W^\  Doppo  il  Be 
col  Conte  Palatino  ha  deliberato  domani  al  otto  höre  voler  dar 
principio  aJU  trattati,  il  che  ^  stato  fuor  deV  opinion  d*  ogni  nno, 
non  trovandosi  qni  alcuno  doli  Elettori  ecclesiastici»  qnali  perö 
yi  hanno  gli  suoi  angeli,  escetto  il  Coloniese.  Ogni  cosa  si  fa 
precipitatamente  et  in  somma  dubito,  ch'il  mal  principio  di  qnesta 
Dieta  porter^  seco  peggior  fine,  essende  il  mezzo  con  deslderio 
cosl  mal  ordinato  ^. 

La  nova  de'  Yenetiani  darä  maggior  cansa  alli  mall  consi- 
glieri  di  &re  instantia  appresso  il  Be,  che  intertenga  gli  snoi 
populi  benevoli  per  tatte  le  yie  che  pu5,  et  dabito,  che  da  qnesto 
seguir^  che  ogni  cosa  sarä  tollerata  persnadendosii  che  la  libertä 
de  la  religione  debba  conciliar  Tanimo  de  li  snbdilj  ^. 

Qni  h  yennto  il  Codeo,  homo  da  ben  et  dotto,  quäle,  come 
y.  S.  B°^  sa,,  ha  scritto  et  travagliato  aasai  per  la  yera  religione 
et  hora  ^  in  essilio  per  la  medeaima  cansa.  Qoando  Mens.  B^^^ 
Famese  potesse  darli  qualche  aiuto,  come  ha  fatto  ad  altri, 
sarebbe  cosa  laudabile,  del  che  Y.  S.  B"^^  pacendole  poträ  dame 
ricordo*  Ha  bisogno  ancora  del  patrocinio  suo  per  qnel  poyero 
YescoYO  di  Misna  appresso  Tlmperator.     Come  credo,  ne  scriya 

1)  Bischof  Ton  Nicastro  und  Cardinal,  päpstlicher  Greschäfteträger 
am  kaiserlichen  Hofe. 

9)  Am  Bande  markirt. 

')  Yon  fChe  ogni  cosa^  an  am  Rande  markirt. 


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644  ANALEKTEN. 

a  Y.  S.  W^K    La  snpplico,  si  degni  hayerlo  per  raccomandato 
per  esser  cosa  pia  et  spettante  al  officio  de  la  legatione  sna. 
II  YescoYo  di  Yienna  h  stato  infermo;  hora  sta  alqnanio  meglio. 
In  bnona  gratia  u.  s,  to. 
Da  Haganoa  alli  XI  di  Gingno  1540. 
Humil^o  Sre 

II  YescoYO  di  Modena. 


No.  31. 

Sommario  einer  Depesche  Morone's  ^). 

Hagenan,  1.  Juli  1540. 

Che  nelli  Ultimi  trattati  della  Dieta  si  ^  fatta  mentione  di 
depntare  alcuni  dotti,  il  che  il  Be  niega,  che  habbia  ad  essere 
per  disputare  et  nondimeno  il  Kontio  lo  crede  et  11  dui  depo- 
tati  Bayera  et  Argentina  non  yorrebbono. 

Che  Treyeri  ha  escnbato  li  catholici  dolendosi  dell*  Imperadore 
et  del  Papa.  Nondimeno  ha  detto,  che  si  sforzer^  partiisi  ü 
manco  che  potesse  dalla  yolnntä  di  S.  S^,  bench^  yedea  le  cose 
in  mali  termini. 

Che  lo  stato  inferiore  desidera,  che  si  accresca  la  lega  pre- 
detta  et  lo  stato  snperiore  h  in  contrario.  Nondimeno  il  Be  spera 
disporlo  alla  yoglia  sna. 

Treyerensis  h  di  opinione,  che  se  li  Lutherani  sanumo 
ricerchi  di  restituire  li  beni  della  chiesa,  diranno  esser  content!, 
pnrch^  rimperatore  faccia  11  medesimo  del  yescoyado  Tr^jettense 
et  di  certe  altre  abbattie. 

Che  il  Be  de*  Bomani  non  esprime  Tanimo  suo  qnanto  all* 
essito  della  Dieta,  desidera  la  concordia  et  crede,  che  si  ftiik 
xrn  altro  conyento. 

Li  Lntherani  hanno  accettato  Bayera  et  Argentina  per 
mediatori,  ancorch^  prima  li  hayessero  allegati  sospetti.  Dicono, 
non  yoler  fare  altro  trattato  che  qnesto  et  non  snccedendo  ac- 
cordo  pigliare  partito  da  loro,  et  si  crede,  faranno  qnalche  capo. 

II  S^®  Hier.  Lasco  h  tomato  delli  confini  del  Tnrco,  senza 
andare  a  Constantinopoli,  estimasi,  per  pigliar  piü  Innga  commis- 
sione.  H  Be  de'  Bomani  ha  detto  al*  ambasciatore  di  Francia  che 
di  nnoyo  si  h  attaccata  la  pratica  di  Milano  et  che  yi  h  speranza 
di  conclusione.  H  che  il  Nnntio  estima,  che  sia  fatto  per 
diyertir  Y  ambasciatore  da  qualche  cattiyo  offitio  con  li  Lntherani. 


1)  Ich  verdanke  dieses  Actenstück  der  gütigen  Mitteilung  des 
Herrn  Dr.  v.  D  ruf  fei  in  München. 


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8CHULTZE,  ACTENSTÜCKE  ZÜB  fiEF.-GESCHICHTE  HI.       645 

Li  4  depntati  banno  richiesto  il  Be,  che  sia  per  quinto  a 
trattare  la  concordia,  il  che  S.  M^  ha  ricusato,  et  11  Nuntio 
crede,  che  la  non  voglia  far  conclosione  senza  il  consenso  dl 
S.  B°®  et  delli  altri  principi,  ma  che  non  gli  sia  per  rinscire, 
perch^  non  potHi  impedire  la  deliberatione  delli  altri,  qoando 
sia  fotta. 

Li  depntati  hanno  domandato  li  Lutherani,  se  sono  in  animo 
dl  Stare  fermi  in  tntti  li  articoli  della  loro  confessione  data  in 
Angusta,  de*  qnali  hanno  preso  tempo  alla  risposta. 


Nr.  32. 

Morone  an  Farnese. 

(Bastatt,  den  28.  Juli  1540.) 

Essende  gionto  al  tardo  qnesta  mattina  ho  havnto  recor- 
danza  di  farmi  havere  il  Becesso  stabilito  hoggi  in  Haganoa,  qoal 
mando  alligato  in  lingna  Germanica»  non  hayendo  hayato  n^  com- 
moditä  n^  tempo  di  üarlo  tradurre,  perch^  sna  M^  partirä  avanü 
giomo  et  far^  longo  cammino  et  molto  discosto  dalle  poste  ordi- 
narie.     II  perch^  mi  ^  necessario    espedire  questa   sera   come 

(Der  Best  enthält  Persönliches.) 
Da  Bastatt  a  di  XXYin  di  Lnglio  1540. 
Humil^o  Ser"*« 

II  YescoYO  di  Modena  Nuntio. 


No.  33. 

Bernardo  Santio  an  Morone. 

(Utrecht,  15.  August  1540)^). 

Ho  scritto  alli  X  et  dato  adyiso,  di  quanto  si  intendeya 
maxime  in  la  causa  della  Dieta  et  la  resolution  presa,  che  alli 
28  di  Ottobre  si  habia  da  £Eur  colloquio  in  Wurmatia  da  XXII 
litterati  theologi  germani,  de*  quali  XI  si  han  nominare  da  Catho- 


1)  Es  war  mir  an  einigen  Stellen  nicht  möglich,  den  Wortlaut 
der  sehr  flüchtig  imd  imsauber  geschriebenen  Uopie  zu  entziffern. 
Doch  beeinträchtigen  diese  Lücken  den  Sinn  und  das  Verständnis  des 
Ganzen  nicht. 


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i46  ANALKKTCIN. 

lici  ot  XI  da  Proteatanti  cun  Lutheram  cob  anttoritä  da  trattare, 
praticare^  conferir,  diaputar  et  non  concltider,  ma  refiBrir  pol  taUo 
alla  Dieta  imperial»  ei  il  trattato  deve  eseer  circa  ü  ino4A  et 
fonna  di  redur  la  Germania  in  noione  religioma.  fit  qoesta  via 
di  coUoqiua  si  ^  presa  per  faeUitar  et  atoe^iar  la  expeditlAiie 
della  Dieta,  acciö  sna  M^  et  tntti  Principi  germani,  ch#  iQter- 
-vwano  in  la  Dieta,  non  siano  astretti  dimorarvi  longe  tempo  et 
die  trovino  la  materia  digesta  tra  questi  litterati. 

Donai  anco  adriso  della  8°^  mente  di  aoa  C.  W^  et  del 
Seren°>^  Be  de'  Bomani,  quali  per  piü  yie  han  declarato  aperta- 
mente  la  yolnntä  di  ghiovar  et  aobstener  et  aogmentar  Taactoritii 
di  sua  S^  et  della  Sede  apostolica  et  non  voler  in  modo  alcuno 
consentir,  che  in  la  religione  ad  In  tempo  si  facci  innoTatione 
alcuna  et  che  ogni  determinatione  si  haverä  da  fare,  debbia  essere 
consultato  con  sna  S^  et  soo  saoro  ^ellegio  et  firmata  da  sna 
Beat°®,  resolntione  certo  degna  di  tal  Principi  religiosissimi  et 
christianiBsimi.  fit  perch^  non  era  appuntato,  che  in  questo 
eolloqnio  dovessi  interyeiür  persona  alcuna  priacipal  in  nome  di 
tna  S^  n^  di  sna  M^  n^  di  Be  de*  Bomani,  parmido  al  B°^^  legaio 
non  convenire,  che  nna  cansa  tanto  importante  si  lassi  abeolnta« 
miente  in  le  mani  di  questi  XXII  litterati  germam,  maiime  cb# 
11  XI  Protestanti  sono  manifesü  inimici  della  religione  et  Sede 
apostolica  et  delli  altri  XI  Catbolici  qnatro  o  cinque  aono  molte 
suspetti  et  quell  restano  non  ben  firmi  et  seveij,  et  proponendoai 
da  sua  S.  W^^  ad  sna  C.  M^  questa  diflculti  et  periculo,  sna 
M^  judicöy  il  motivo  et  ricordo  esser  prndentissimo,  et  fu  laudato 
snmmamente,  offerendosi  ad  penaar  per  ü  remedio  oportuno.  fit 
sna  M^  doppo  dui  giomi  fe'  intender  ad  sua  8"^^*  B™*,  che 
quantunche  questi  XXn  litterati  non  habbiano  auttoritä  recepta 
di  trattar  et  riferir,  che  judicava  esser  expediente  et  neceasano, 
che  in  tal  colloquio  doveaaero  intervenire  peraone  principali  in 
nome  di  ana  M^  et  del  Be  de'  Bomani,  et  che  sua  S^  dovease 
subito  inyiar  un  Cardinale  de'  principali  del  collegio  et  di  .  .  . 
et  di  vita  exemplare  et  di  doctrina  et  eraditioaie  in  auttorita  dl  le- 
gato  apostolico.  Questo  dovesse  condur  seco  quatro  o  cinque 
theologi  dottissimi  de'  primi  di  Italia  et  che  sua  M^  inyiaria 
nn*  altra  persona  sna  principale  et  che  H  simile  farrä  Be  de' 
Bomani,  et  ciascuno  ridurrä  snoi  litterati,  perch^  questi  tre  per- 
sonagi  debiano  con  sua  anttoril^  reseder  ....  loro,  se  hirrk  (se 
farranno?)  la  Dieta  o  colloquio;  et  fomentar  et  dar  spirito  a  questo 
trattato  confirmando  li  animi  de'  litterati  catbolici  et  procnrando 
con  ogni  arte  di  redur  li  Protestanti  et  Lutherani,  offerendo  sna 
M^  non  Yoler  pretermettere  officio  alcuno,  acciö  il  inondo  cog- 
nosca,  la  sua  mente  sempre  esser  stata  et  eaaere  per  nsttcratione 
religionis   et  auctoritatia  sedis   apostolicae   et   sumnii    Postüds, 


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promettendosi  di  questa  Dieta  felieisaimo  soccesso.  Qneata  d«- 
Hberatione  di  sna  C.  M^  i  stata  summamente  grata  tt  landata 
dal  B™o  legato,  et  si  tien  per  eerto,  senk  gratissima  ad  sua 
S^  et  al  sacro  coUegio  et  che  si  farrä  subito  la  elettione  di  an 
novo  legato,  acoiö  al  tenpo  depntoto  di  28  di  Ottobre  si  possi 
trovar  in  Germania,  et  si  ritoma  (racconta?%  che  sua  M**  per  il 
mese  di  Novembre  serr^  in  Colonia,  dove  ad  Natal  tutta  la  Dieta 
imperial  serrä  radonata  et  per  lennaro  serrä  absoluta,  et  secundo 
i  successi  sua  M^  poträ  subito  incaminarsi  verso  Italia  per 
passar  alle  Aprile  in  Spagna,  se  altri  impedimenti  non  nascano 
in  questo  tempo.  Si  p^  ben  ^^rar  per  questa  aanta  mente 
di  sua  M^.  Che  N.  S.  Idio  prospererä  soi  disegni  et  successi^ 
essende  indirizzati '  in  beneficio  delTa  religione  cristiana  et  pace 
dltalia. 

Tomö  di  Inghilterra  il  S^^^  principe  di  Salemo  et  U  S^"^  di 
Luis  di  Avila  {(XAvalos?),  et  heri  tomö  il  Signor  Don  Fran- 
cesco da  Este  et  referiscono  cose  grandi  (?)  delle  grate  d^no- 
strationi  fatteM  dal  Be  di  Inghilterra  et  della  loluotä,  che  il 
Be  demostra  ....  verso  la  C.  M^.  Di  novo  il  Be  manda  uno 
ambassator  ad  sua  M^  et  ei  sono  prontissime  pratiche,  bench^ 
secretissime  (?).  Et  ci  ^  opinione,  che  sua  C.  M^  flurrä  alcun 
signalato  effetto  in  benefido  della  Sede  apostolica  in  condur  quel 
regne  et  il  Be  alla  antiqua  obectientia. 

n  S^'^  Duca  di  Claves  procura  restrenger  la  pratiea  con 
sna  M^  et  ha  inviato  soi  forori  per  lo  allogiamento  qui  in  Otrich. 
Sa&  C.  M^^  tractat  hanc  causam  summa  gravitate.  Presto  si  in- 
tenderä  ü  successo. 

Bes  Galliae  dormiunt.  L'  animo  (?)  del  Bei  christiaoissimo 
attende  solo  ad  soi  study  n^  si  vede  il  minimo  segna  di  alter- 
Batione(?)  tra  questi  princ^i. 

II  Wayvoda  passö  di  questa  Tita.  Have  lasaato  un  figluolo 
di  dui  anmi.  Scrivesi,  tutto  il  paeee  esser  in  meto  et  in  armi 
et  che  molti  di  quelli  Signori  ÜBgari  desiderano  il  Be  de*  Bo- 
mani,.  qua!  ferse  potria  con  facilitä  in  questa  ocoasione  recnperar 
quella  parte  di  Ongaria,  che  occupava  il  Yajvoda,  ü  che  serria 
grandissimo  beneficio  de'  Christiani^  ma  con  alcuni  sospeitti  del 
Turco. 

In  reliquis  M.  di  Andalo  et  il  B^^'  M.  lo:  di  Motipul^ 
satisfarranno.  Sua  G.  M^  fla*  1*  entrata  heri  XIUI  in  Otrich  o 
Tngetto  apo  Bataver  et  la  Cittä  ha  fatto  grandi  demostrationi  di 
arehi  triumMi  et  bellissima  compagnia  di  gente  tutta  armata  in 
bianco  piü  di  domilia  (?)  et  oinque  cento  (?).  Starrib  qui  sei  giomi 
et  poi  pigliarä  il  Camino  vwso  Bruselles. 

Besta  solo  quod  ego  comendem  me  et  res  meos  s°^<^  D.  N. 
0t  D.  B°^  et  che  tenga  memoria,  che  lo  son  bono  per  Tanimo 


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648  ANALEKTEN. 

et  per  il  corpo.     De  proyisione  non  loqnor,  quia  pnto  esse  pro- 
Tisum.     Feliciter  valeat  u,  s,  w, 
Di  Trajetto  15  Aügusto  1540. 
D.  E,  et  m. 

Devotus  S<>'  Episcopus  Aquilanns. 


No.  34. 

Tommaso  Campeggi  an  Farnese. 

Worms,  13.  Januar  1541. 

Le  ultime  mie  fomo  di  YU  et  X  di  questo.  Delli  snccessi  dipoi, 
mi  remetto  alle  lettere  di  Monsignor  diModena,  qnale  ^  stato  a 
longo  col  ^^^  Gran^^  et  anchorcb^  vi  sia  stato  anchor  io ,  quello 
ä  detto  a  me  esso  signor  Granduella,  mi  dice  haver  ancho  detto 
a.  s.  S"^  et  cosl  delle  proteste  binc  inde  fatte  et  altre  sciitture 
dato,  che  sua  S.  le  ha  havute  prima  di  me.  Uno  ^,  che  ^  faoii 
di  speranza,  in  qnesto  coUoquio  non  ancora  cominciato  si  habbia 
a  far  frntto  alcnno,  et  ancorche  si  affaticbi  molto  in  levar  le 
diMcultä,  pur  sono  come  la  Hydra.  I  Protestanlj  attendono  che 
i  tre  discordanti  possino  apertamente  declararsi  per  loro,  et  per 
indiretto  venire  o  numerarsi  i  suflfrag^  et  poi  come  vittoriosi 
essultare  et  spargere  a  volgo,  che  di  XXII  ne  banno  Xim.  Et 
forsi  in  molti  articoli  ne  bavranno  piü  del  che  accorgendosL 
I  Magontini  et  Bavari  fanno  quanto  possono  per  proveder^. 
Quando  bene  si  remoyessero  le  presenti  difficultä,  et  si  desse  prin- 
cipio  al  colloquio,  non  ^  dubio,  che  insurgeranno  delle  altre,  per 
quäle  poi  uno  o  doi  congressi  sarä  necessario  dissolyerlo,  et  in- 
stando  il  tempo  della  Dieta  di  Batisbona,  et  la  yenuta  di  Cesare 
riportare  ogni  cosa  alla  Dieta,  n^  credo,  possi  durare  piü 
di  yj  0  yiij  giomi.  Et  perch^  finito  il  coUoquio  son  finite  le 
commissioni  mie,  supplico  V.  S.  B"*  et  111"*,  si  degni  darmi  ad- 
yiso,  s'  io  con  la  compagnia  mia  posso  ritomar  o  quello  ho  da  fiure. 

Con  questa  sark  una  informatione  del  Yescoyo  di  Spira,  che 
mi  ha  data  un  suo  agente  con  sue  lettere  credentiali,  et  la  con- 
clusione  ^,  che  desidera,  Monsignor  Yorsio  si  contentasse  non 
dar  molestia  con  Ute  et  censure  al  capitolo  deUa  coUegiata  di 
Bruselle  in  preiudicio  deUa  elettion  per  esso  fatta  et  sei  priyi- 
legij,'al  che  Y.  S.  ß™»  et  lU™»  et  anco  U  ß™o  S^  Croce,  quando 
erano  in  Germania,  ne  fomo  da  molti  di  questi  Principi  sol- 
licitati,  et  anco  mi  dicono,  che  laCes*  M**'  et  Ser"o  Be  de  Bo- 
mani  ne  scrissero  alla  S*^  di  N.  S. 

Io  ho  procurato,   che   almeno  contentino  Monsignor  Yorsio 


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SCHÜLTZE,  ACTENSTÜCKE  ZÜB  REF.- GESCHICHTE  HI.         649 

con  nna  honesta  pensione,  et  acciö  che  fosse  minore,  li  ho  offerto 
di  rimetterü  la  terza  parte  de'  frattj  che  mi  h,  reservatasi  pen- 
sione  sopra  tal  prepositura.  N^  a  questo  yogjiono  asentire,  ma 
Yorrebbono  la  cession  libera.  lo  crederi,  fossi  bono  donar  qaello, 
non  si  puö  vender,  ch*  io  son  chiaro  che  n^  Monsignor  Vorsio 
jA  io  ne  consegnir^  mal  cosa  alcana.  Crederei  ancho  bene, 
quando  a  N.  S.  non  paresse  aetringere  alla  cessione  Monsignor 
Yorsio,  che  almeno  s.  S^  non  li  concedesse  n^  brevi  n^  censnre 
extraordinarie  contra  il  yesc<>  et  Cap^^  et  se  alcnno  ne  h  stato 
concesso,  reyocarlo  et  lassar  la  cansa  al  corso  ordinario  della 
ruota. 

Qaando  io  feci  partita  da  Borna,  la  S^  di  N.  S.  mi  face 
gratia  di  nn  canonicato  di  Feltre  per  an  prete  Lorenzo  da  Lnsa, 
sacerdote  molto  da  bene  et  religiöse,  et  perch^  Monsignor  Da- 
tario  non  ricordandosi  forsi  della  gratia  a  me  fatta,  ha  lasciato 
passare  nna  nova  proyisione  in  fayor  dell*  Anditore  del  legato 
di  Yenetia,  anterior  di  data  et  con  espression  della  reseryatione, 
per  il  che  la  gratia  al  p^  padre  Lorenzo  resta  in  yano  et  desi- 
derando  io,  tal  canonicato  sia  in  persona  di  chi  facci  residentia, 
che  la  chiesa  ne  ha  bisogno,  snpplico  Y.  S.  B°^^  et  W^^,  si  degni 
scriyere  al  predetto  legato,  yoglia  esortare  et  astringere  il  detto 
And^^  sno  a  rennntiar  esso  canonicato  in  fayor  de!  predetto 
padre  Lorenzo  reseryandosi  la  mitä  de'  fnittj,  che  non  ascendono 
a  24  dncati,  che  la  mi  farä  gratia  singolarissima  et  opera  pia, 
et  grata  a  Dio  per  il  cnlto  diyino  della  mia  poyera  chiesa.  Et 
le  baso  la  mano  et  hnmilmente  mi  raccomando. 

Di  Wormatia  a  Xi^  di  Grennaro  1541. 
Di  Y.  S.  ß"*  et  Ulm» 

Humil^o  S""«  Yescoyo  di  Feltre. 

Scritta  questa  da  TAquila  e  yenuto  a  dire  a  Monsignor  di 
Modena  et  a  me  per  nome  di  Monsignor  di  Grandyella,  che  li 
Protestant  hanno  accettato  il  modo  di  farsi  il  colloqnio,  del  qnal 
si  h  mandata  copia,  et  che  sono  leyate  le  difßcnltä  del  modo  di 
proceder  et  perö  salye  le  prot^stationi  di  tutte  le  parti,  presi- 
denti  et  altij,  si  darä  principio  al  colloqnio,  che  Dio  yoglia  sia 
bono.     Dat^°^  nt  snpra:  yi^  ante  meridiem. 

Bomae 

B**  al  po  di  Febraro  la  notte. 


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660  ANALEKTEN. 

No.   35. 

Cifra  dl  Moiisigitor  Mignaiieilo  alll  R*^  iegati  di  VormM, 

aU  28  d'Aprile  1545. 

Nela  propositdone  Cesarea  mandata  iaanzi  la  vennta  mia  et 
nltimamente  siandata  da  me  si  parla  della  reformatione,  che  1*  Im- 
peratore  dice  ha?er  g\h  in  mano.  Hayendo  pol  rioeroato  trovo 
da  buon  loeo,  ohe  a  Tlmperatore  sono  state  date  oinque  o  iei  for- 
mule  di  reformationi,  parte  dicono  da  catkolici  et  parte  da  her^ 
tici:  ma  in  alcune  di  esse  non  si  parla  di  N.  S^^^  Et  qiieste 
reformationi  sono  State  date  dal  V  Itnperatore  ad  altri  Theologi  a 
yedere,  perohd  in  somma  qua  non  si  crede  ch'  il  Concilio  si  üMci 
da  yeroy  o  yeramente  dimostrano,  non  lo  yoler  credere.  Et  non 
si  celebrando  o  celehrandosi  senza  proyedere  di  reformatione  mi 
par  al  presente  yedere,  che  o  dalla  protesta  secnlare  si  fiark  ona 
reformatione  nationale  o  che  il  Intheranesmo  pigliarä  ogni  cosa. 
Perö  mi  ^  parso  dame  ayyiso,  accioch^  si  possi  eff^ttaalmente 
fare  quella  proyisione,  che  parerä  a  N.  S^^^  et  che  la  chiesa 
Bomana  caminando  per  diverse  strade  ne'  secoli  passati  ha  fhtto 
sempre  nelli  bisogni  et  pericnli  di  christianitä.  La  Dieta  in  se 
ya  fredda,  come  piü  yolte  ho  scritto,  ma  teme  b^ie,  yadimo  attorao 
maneggi  importaatissimi  et  pericolosi.  Nondimeno  tntto  qnellOf 
che  si  tratta,  si  jOa  fuor  di  Dieta  et  a  parte  n^  posso  penetrare 
alcuno  particolare,  salyo  che  di  concilio,  et  reformatione,  n^  nnove» 
se  non  dicano  della  yenuta  d'  OrlieM  all'  Imperatx>re  et  di  soa 
Mta  Oes^  a  qnesta  Dieta.  Nondimeno  ancor  non  ^  partito.  Ma 
si  yede,  che  Y  Imperator  da  nna  banda  attende  al  concilio,  dal* 
altra  intertenere  li  Protestanti  con  yolerli  sienrare  et  dare  ordine 
ala  reformatione  nationale,  che  sono  dne  cose  contrario;  alle 
qnali  si  aggiunge  il  maneggio  della  esecutione  della  pace,  dala 
qnale  nascesse  reforma  in  un  modo,  o  in  nn  altro  alle  negociaüoni 
che  sono  in  essere.  AUi  27.  poich^  Monslg''  di  Qrlgnano  era  ye- 
nuto  dopo  me  et  che  si  trova  infermo,  Vho  yisitato  in  letto.  Et 
poi  gli  officij  debiti  de  la  reyerentia  piena  di  amore,  et  di  ri- 
spetto  mi  ba  detto,  che  sna  S^^  h  mandata  a  questa  Dieta  con 
ordine  di  fare  ogni  buono  officio  nele  cose  del  concilio  di  N.  S<^ 
et  della  religione,  et  particolarmente  per  persuadere  a  Protestatiti 
Tobedientia  al  concilio,  con  fargli  intendere,  che  finita  la  Dieta  ha 
conmiissione  seguitare  il  yiaggio  per  Toronto,  et  offerire  alli  B°^ 
Iegati  la  sumissione  et  obedientia  di  tutto  il  Begno  di  Francia. 
Disse,  che  V  Imperatore  piü  mesi  sono  hayea  ricercato  il  sno  Be, 
che  procnrasse  nna  tregaa  con  il  Turco,  et  che  la  M^  christia- 
nissima  hayea  mandato  et  hayuto  risposta  di  Costantinopoli,  che 
il  Turco  era  contento  farla,  pnrch^  la  si  facesse  snbito  res  petto 


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SCHULTZE,  ACTENSTCCKÄ  ZUR  REF.- GESCHICHTE  m.     6^1 

ala  spesa  fatta,  et  da  farsi,  et  che  il  tntto  horea  fetto  iivtendere 
ala  Ge8^  M^^.  Kondimeno  che  la  M*^  del  0110  Be  iion  yolera,  n^ 
che  r  Imperator  stesse  ala  sna  parola,  uh  che  di  questa  tregaa 
si  parlasse  neV  Imperio,  perch^  in  evento  che  il  Tarco  non  osser- 
Tasse,  non  yoleva  il  Be  di  Francia  esser  causa,  che  lo  Germania 
con  il  Preteste  dela  tregna  mancasse  dele  sne  proyisioni.  lo 
vedo  due  cose,  una,  che  al  Be  di  Francia  non  piace,  che  si  parli 
dela  tregna,  Taltra  che  la  si  spera',  peidi^,  come  io  scrissi  ali 
24.  et  25.,  non  si  fanno  proyisiosi  n^  di  snbsidio  n^  di  altro, 
che  sia  necessario  ala  gnerra.  Qnanto  al  concilio  disse  Mon- 
signor  di  Grignano  dne  ponti  sustantialj  et  da  considerare:  V  uno, 
in  loco  del  concilio  laudaya  molto  la  depntatione  d*homiiy  d*  ogni 
nationi  per  disputare  et  trattare  nna  concordia  con  lutherani: 
y  altro  diceya,  che  lutherani  cosl,  come  non  yeranno  mai  a  Terento, 
cosi  forse  si  potrebbono  ridurre,  che  yenisseno  a  Metes,  doye 
saria  il  concorso  dele  nationi  piü  facile.  II  che  accenna  a  trans- 
latione  del  <soncilio,  perö  ne  ho  yoluto  scriyerid  come  ponto  im- 
portantissimo.  A  me  pare,  che  quando  sarä  il  tempo  et  non 
habende  impedimento  di  qua,  il  concilio  si  debba  aprire  in  Te- 
rente,  et  non  solamente  aprirlo,  ma  con  inteÜigentia  delle  nationi 
fare  una  reformatione  uniyersale  santa  et  catholica,  con  la  quäle 
li  lutiierani,  che  non  son  pochi,  non  potriano  honestam^^  parlare  di 
refonnare  la  chiesa  ne  le  Diete  Imperiali  n^  con  la  potestä  seculare. 


Anhang. 

[Die  folgenden  drei  Depeschen  sind  nach  Copien  der  E.  Biblio- 
thek in  Berlin  bereits  yon  Bank e  (Deutsche  Geschichte  im  Zeitalter 
der  Beformation,  Bd.  VI)  publicirt,  daher  beschränke  ich  mich 
darauf,  nur  die  Varianto^  wQlche  die  Neapeler  Manuscripte  bie- 
ten, mitzuteilen^).] 


Ko.  1. 

Morone  an  Farnese. 

(Worms,  5.  December  1540.) 

Bänke  a.  a.  0.  S.  166—167. 

S.  165,  Zeile  12  yon  unten  che  non  vogUano  paoe  i  Lu- 


1)  Die  rein  orthographischen  Abweichungen  sind  dabei  natür- 
licher ausser  Betracht  hissen. 


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652  ANALEKTEN. 

therani  con  christiam  —  che  lutherani  non  vogliono  pace  ekrv- 
stiana;  S.  166,  Z.  16  y.  unten  nach  t  aUra  einzuschieben  deüi 
deputcUi. 


No.  2. 

Morone  an  Farnese. 

(Wenns,  13.  December  1540.) 

Ranke  S.  167—169. 

S.  167,  Z.  9  n.  10  v.  n.  gitistUia  (notUia?)  —  giusHHa 
(wodurch  also  dieses  Wort  gesichert  wird);  S.  167  Z.  8  v.  n. 
nach  perö  einzuschieben  a  soa  Signoria;  S.  167  Z.  1  y.  n.  von 
dipoi  an  bis  S.  168  Z.  1  y.  oben  presente  am  Bande  markirt; 
S.  168  Z.  4  V.  oben  tre  (et  aUre?)  cause  —  tre  cause  auch 
in  diesen  Oopien;  S.  168  Z.  17  y.  oben  fehlt  zu  den  Worten 
Yon  carico  bis  tofUichristo  proprio  (Z.  20  y.  oben)  die  Band- 
bemerkung in  questo  fu  mancamento  di  OranveUa  ei  dispiacqut 
aUi  caiholici;  S.  168  Z.  23  y.  oben  die  Worte  Yon  ü  che  tm 
pare  bis  Schluss  des  Satzes  am  Bande  markirt;  ebenso  S.  168 
Z.  18  Y.  unten  die  Worte  perch^  Lutherani  bis  et  äUre  vie; 
S.  168  Z.  2  V.  unten  formi  (stia  fermo?)  —  si  fermi;  S.  169 
Z.  14  Y.  oben  Lutherani  e  protestanti  —  Lutherani  o  pro- 
testanti;  bei  Bänke  am  Schluss  datirt  Yom  Xu.  December;  die 
Neap.  Copie  hat  d.  XIII  Bec, 


No.  3. 

Morone  an  Farnese. 

(Worms,  18.  December  1540.) 

Bänke  S.  173—174. 

S.  173  Z.  19  Yon  unten  nach  ritenerlo  fehlt  der  chiffrirte 
Teil  der  Depesche,  welcher  aufgelöst  lautet:  M  di  questo  officio 
mancarä  escusatione  co  ^l  Ee  de'  Bomani,  percM,  restando  tim- 
peratore  in  Germania  occupato  nette  cose  dd  Turco  et  forse 
netta  guerra  d^  lutherani,  li  bisognarä  far  gran  spesa,  Tt 
che  viene  in  utüe  cfesso  Re  de'  Bomani  et  serve  in  faciUtar  la 
pace  et  da  maggior  adito  a  N.  8r^  a  trattarla,  perchh^  se  t Im- 
perator e  lassando  le  cose  a  ben,  cid  di  natura,  si  riduce  in 
Spagna,  come  pare  sia  stw  disegno,  intertenirä  con  poca  spesa 
qud  che  iL  Be  de'  Bomani   desidera ,    et    attenderä  a  cumular 


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MAURENBRECHER;  MOROKE'S  BERICHT  ETC.  ftftd 

äanari  oon  speranga  di  recuperare  qua  qud  che  forse  in  quetto 
mteo  perderä* 

S.  173  Z.  16  ▼.  unten  laseiano  —  lasdamno;  ebendaselbst 
vogliono  —  volevano.  S.  173  Z.  5  y.  unten  nach  sede  apo- 
stoUca  einzaschieben  die  ehi£hrirten  Worte:  Credo ^  che  s.  M*^ 
si  iniertenga  per  vedere  ü  fin  di  questo  coUoquio,  quäl  nan 
succedmdo  a  suo  modo  lo  redurrä  forse  a  far  pace  con  Francia, 
ei  da  hon  loco  ho  mtesOy  che  son  andaie  ei  venute  moUe  siaffette 
CO  'l  Re  de'  JRomani  per  questa  cama.  H  che  piü  facümenie 
credo  per  ü  novo  accordo  d^  Veneziani  ei  U  mäli  succesai  di 
Ungaria,  et  cosi  forse  lo  Imperatore  intertiene  la  prattica  con 
Francia  ei  questa  di  Germania  per  voltarsi,  ove  vederä  minor 
la  perdita. 


5. 

MeroDe's  Berieht  Aber  das  Tridenüner  Geneil. 

Mitgeteilt  Ton 
Piof.  W.  HUnrenbrecher  in  Bonn. 


„Das  wichtigste  Stück »  das  mir  Ober  die  Tridentiner  Yer- 
handlnngen  yorgekommen,  ist  die  Relation  von  If orone  über  seine 
Legation:  nnr  knrz  aber  bündig.  Weder  Sarpi  noch  PaUavicini 
haben  Kotiz  von  derselben."  So  schrieb  Leopold  Bänke  vor 
45  Jahren,  1834,  in  seinem  bahnbrechenden  Werke  über  die 
römischen  Päpste  (Sämmtliche  Werke,  Bd.  XXX Vn,  S.  218). 
Eigentlich  hätte  Bänke  damals  dies  Document  mitteilen  müssen,  aber 
er  hatte  von  demselben  in  Bom  nicht  Copie  genommen  und  musste 
sich  begnügen,  einzelne  Stellen  aas  demselben  anzuführen.  Der 
Freundlichkeit  meines  früheren  Bonner  Collegen  Prof.  Beififer- 
scheidt  in  Breslau  verdanke  ich  eine  Abschrift,  in  Bom  an  dem 
von  Bänke  bezeichneten  Orte,  der  Bibliothek  Altieri,  erhoben.  Es 
dürfte  sich  lohnen,  auch  jetzt  noch  das  wichtige  Actenstück  dem 
Wortlaut  nach  zu  veröffentlichen. 

Ueber  Morone  begnüge  ich  mich  auf  zwei  neuere  bio- 
graphische Yersuche  zu  verweisen,  die  freilich  beide  ihr  Thema 
nicht  erschöpfen:  Cantü,  II  cardinale  Giovanni  Morone.  Gomen- 
tario  1866  (vgl.  auch  dessen  Verfasser  „Gli  Ereticid'Italia"  II, 
164  ff.)  und  Sclopis,  Le  cardinal  Jean  Morone.    Etüde  histo- 

Zeltaohr.  1  K.^.  ni,  4.  44 


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654  AKALEKTEN. 

rique  1869.  —  Ffir  den  Abschnitt  seines  Lebens,  den  Morona 
selbst  in  seiner  Belazion  behandelt,  hat  Sickel  (Zur  G^eschichte 
des  Concils  Yon  Trient  1870)  viele  neue  Daten  mitgeteilt. 

Schon   mehrmals    während   des    Jahres   1562    hatte    Papst 
Pins  lY.   die  Absicht  yerraten,  den  Cardinal  Morone  zu  Küs^ 
Ferdinand  zu  schicken,  am  durch  ihn  eine  Beilegung  der  conciliaren 
Schwierigkeiten  and  Anstände  za  versachen  (Sickel  S.  299.  355. 
376.  452).     Nach  dem  Tode  des  Oardinals  Hercole  yon  Mantaa, 
des  Principallegaten  in  Trident  (f  2.  März  1563),  wählte    der 
Papst  ihn  za  diesem  Amte,  7.  März;   —    der  schriftliche  Auf- 
trag  ist    vom    20.  März    datirt   (Bajnald  ad  a.  1563,  §  63). 
Dem    Kaiser    aber    warde    schon    am  25.  März  angezeigt,    dass 
Morone  za  ihm  kommen  sollte.   Morone  verliess  Born  am  23.  März, 
langte  in  Trient  am  10.  April    an    and    hielt   in    der  General- 
congregation  am  13.  April  seine  Begrüssangsrede  an   die  Väter 
des  Concils.   Aber  er  eilte  dann  sofort  nach  Innsbruck  zum  Kaiser. 
Vom  21.  April  bis  15.  Mai  verweilte  er  dort  in  den  Angelegen- 
heiten des  Concils.   Vgl.  Sickel  S.  491—505.  514.  518.  Ans 
Concil    zurückgekehrt,    war    er   nun  im  Stande,    allmählich  alie 
Schwierigkeiten  zu  überwinden  und  die  Verhandlungen   za  einem 
Abschluss  zu  führen.     Nach   dem  Schluss  des  Concils  erstattete 
er  einen  kurzen,  übersichtlichen  Bericht  sowohl   über  seine  Ver- 
handlungen in  Insbruck  als  über  seine  Tätigkeit  in  Trident    Man 
wird  bemerken,  wie  scharf  und  treffend  er  in  beiden  Beziehongen 
die  leitenden  Gesichtspunkte  seines  Handelns  hervorgehoben :  grade 
deshalb  ist  sein  kurzer ,  knapper  Bericht  eine  sehr  wertvolle  Er- 
gänzung zu  allen  den  uns  heute  vorliegenden   ausführlichen  De- 
tailschilderungen der  betreffenden  Vorgänge. 

Auf  dem  Berichte  selbst  ist  die  chronologische  Note  gegeben 
M.  D.  LXnil.  Januarii.  Von  weiteren  Erläuterungen  des  Inhaltes 
glaube  ich  absehen  zu  dürfen. 


Belatione  sonunaria  del  Gardinale  Morone  sopra  la  lega- 

tione  suEu 

Li  complimenti  del  Camino. 

Stato  in  che  si  trova  il  concilio  al  suo  arrivo  in  Trento. 
Tutti  credevano  che  a  Boma  non  si  volesse  riforma  alcuna. 
Gli  oltramontani  tutti  e  molti  Italiani  erano  disperati,  credendosi 
esser  tenuti  rebelli  e  nemmici  del  Papa.  GV  oratori  tutti  e  Lorena 
era  in  specie  contro  li  Legati.  Da  questi  ne'  capi  disordini 
nascevano. 

Discordia     J  (Maledicenza 

Emulatione  [  JLunghezza  de'  voti 

Contentionei  fDigressione  fuor  di  proposito 


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MAURENBRECHER,  MORONE'S  BERICHT  ETC.  655 

Ogni  cosa  si  riduceva  a  Dogma  et  Ins  diviniun,  e  s'  introdnce- 
vano  sempre  nuove  dispute  e  nuove  querele.  Per  rimediare  a 
qnesti  disordini  il  Gardinale  con  publica  oratione  e  con  privati 
ragionamenti  assecurö,  che  il  Papa  voleva  da  Tero  riforma  e  pi- 
gliava  in  buona  parte  che  tutti  parlassero  liberamente  e  satis- 
focessero  alle  loro  conscienze. 

Comminiciö  ä  trattar  con  tutti  e  massime  con  Lorena;  com- 
minciando  quanto  si  poteva  il  trattar  de'  particolari  si  lasciö  alli 
colleghi  sino  al  ritomo  d'Ispruch. 

Oratione  de  BJ^^  Morone  fatta  nel  suo  ingresso  al  Con- 
cilio. 

[Hier  folgt  der  Wortlaut,  der  bei  Bajnald  ad  a.  1563  n.  64 
u.  A.  steht] 
State  delle  cose  dlspruch  all'  arriyo  del  Gardinale. 
L'imperatore  era  persuaso  che  non  si  Yoleva  riforma,  credeva 
che  in  concilio  tutti  gl'  Italiani  parlassero  ex  prescripto  delegati, 
credeva  che  li  legati  havessero  di  yolta  in  yolta  commissione  da 
Boma  di  quanto  doyesse  stabilirsi.  Queste  opinioni  hayeyano 
caasato  diyerse  dispute.  In  questa  corte  trattavano  come  doyesse 
farsi  libero  il  Concilio,  come  doyesse  farsi  che  li  piü  yoti  Italiani 
non  prevalessero  all!  manco  oltramontani,  come  farsi  che  dal 
Concilio  non  si  scriyesse  et  non  s'  aspettasse  n'sposta  da  Boma. 
Trattavasi  della  superioritä  del  Concilio  et  del  Papa.  Cercavasi 
ä  Chi  toccasse  l'elettione  del  Ppntifice  durante  il  Concilio.  Dole- 
yansi  che  non  fusse  mai  stata  proposta  la  riforma  mandata  dal 
Imperatore. 

A  questi  et  altri  simili  inconyenienti  rimediö  facilmente  il 
Cardinale  con  dar  conto  del  vero  al  Imperatore,  il  quäle  li  cre- 
deya  assai,  e  con  assicurarlo  che  il  Papa  de  vero  voleya  ri- 
forma e  con  prometter  esso  di  farla,  con  assicurare  chi  i  prelati 
in  concilio  non  solo  hayevano  libertä  ma  licenza  di  parlare,  con 
dar  conto  che  dalli  legati  s'aspettaya  manco  commissioni  di  Boma 
che  da  gl'  altri  ambasciatori  dalli  loro  Prencipi,  e  mostrando  che 
la  riforma  mandata  da  S.  M^  non  solo  era  stata  proposta  ma 
esseguita  in  gran  parte  se  bene  ridotta  dalli  legati  in  altro  or- 
dine  migliore.  Basserenata  la  mente  del  Imperatore  neue  materie 
sopradette  che  si  trattayano  priyatamente  in  sua  corte,  restayano 
altre  materie  che  erano  communi  e  concertate  da  S.  M^  con 
gl'  altri  principi,  e  queste  si  riducevano  ä  tre  capi  principali: 

La  Clausula  proponentibus 

La  Deputatione  per  Nationes 

La  Biforma  in  Capite. 
Questi  tre  capi  erano  molto  fissi   nella  mente  delV  imperatore 
per  il  concerto  fotto  con  altri  principi.     Ciascuno  d'essi  capi  ha- 
yeya  molte  consequenze  et  apriya  la   porta  a  ciascuno  di  poter 


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666  AtfAUSKTEK. 

proponere  qoanto  yoleva  in  conoilio  in  materia  di  nfoima  e 
dogmi,  e  tanto  era  conoederne  uno  quanto  concederll  tuUL  Non 
fü  poßsibile  con  infinite  raggioni  che  8*aJlegassero  da  diTertire 
aasolutamente  Timperatore  dair  instanza  delli  detti  ke  pimti  e 
perö  füi  neoeesurio  trovare  temperamento  tale  che  paresse  all' 
imperatore  di  essere  in  alcun  modo  sodisfatto  et  insieme  oon  si 
pregiudioa06a  all*  autontä  del  Papa  ne  de  legati  mh  restaese  il 
Ooncilio  nel  sno  poaBesso. 

I. 

n  primo  pnnto  si  temperb  con  promettere  il  Cardinale  di 
proponere  esse  quanto  havessero  ricordato  gl'  ambasciatori  e  non 
Tolendo  esso  proponere  lasciar  proponere  alli  medesmi  ambascia- 
tori e  mostrando  di  far  altrimente  saria  generar  confosione  con 
danno  etiam  de  principL 

n. 

n  seoondo  fö  temperamento  con  dire  che  sempre  nel  fomiM- 
decreti  e  canoni  s'  erano  fatte  deputatione  da  tutte  le  nattione  e 
se  foria  il  medesmo  anco  piü  accuratamente  per  meglio  sodisfare 
air  Imperatore. 

in. 

n  terzo  fh  temperamento  con  dire  che  saria  sodisfatto  all* 
Imperatore  con  trattare  de  tutti  li  pnnti  essentiali  di  Biforma 
che  S.  M^  haveva  ricordati  se  bene  si  fasse  fbggito  il  nome  di 
riforma  in  Oapite,  per  fuggire  gl*  inconvenienli  che  potevano  se- 
gnire  da  qnesta  parola  riforma  in  capite,  massime  la  dispnta 
sorbenica  del  autoritä  del  Papa  e  del  Concilio. 

L'  Imperatore  con  qnesto  temperamento  e  con  essere  as»- 
cnrato  che  da  divero  s*  attenderia  alla  riforma  et  alla  essecutione 
di  essa  si  lasciö  quietare  nelli  sopradetti  tre  pnnti.  Premeva 
similmente  1*  Imperatore  et  instava  che  in  Ooncilio  si  tn^itasse 
dell'  elettione  del  P^)a  e  del  nnmero  di  Cardinali,  mä  con  molte 
raggioni  fü  fatto  capace  che  non  potea  stabilirsi  certo  nnmero  di 
cardinali  e  si  contentö  anco  che  non  si  trattasse  in  concilio  dell' 
elettione  ma  si  publicasse  solo  la  bolla  fotta  dal  Papa  9epra 
qnesta  materia,  di  che  pol  si  contentö  col  tempo  che  piü  non  si 
parlasse.  Promesse  1'  Imperatore  dato  che  se  il  Papa  moriese 
di  non  laseiare  che  in  concilio  si  trattasse  di  nnora  dettione 
m^  cke  tatto  m  remettesse  al  Oollegio;  el  il  medesmo  Imperatore 
diede  ordine  k  snoi  ambasciatori  che  tenessero  buona  corn^on- 
denza  con  li  legati. 

Tom5  il  ßardinale  in  Trento  et  intesasi  la  santa  resolntione 
deir  Imperatore  e  1'  nnione  de  suoi  mnhasciatori«  U  «pncilip  OQ- 


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MAURENBRECHEB,  MOBOITE'fi  BERICHT  ETC.  667 

minciö  h  mirtar  faccia  et  h  farsi  piü  traUabile ;  suocesse  la  briga 
della  precedenza  tra  Francesi  e  Spagnoli,  et  se  bene  ciascano  la 
dissimnlöy  nacque  nondimeno  tra  loro  qualche  disparere  e  nelle 
materie  (xmciliari  non  farono  piü  tanto  cougiunti. 

II  Oardinale  di  Lorena  gnadagnato  da  diversi  ofßtii  e  eon 
resempio  deir  Imperatore  si  dqI  con  li  legaü.  Spagnoli  i  Pro- 
lati  accarezzati  e  stimati  e  lodati  «  graäati  si  fecer  opiü  trattabili  et 
assicurati  che  si  faria  la  rifonna  di  che  hayeTano  di  bisogno  comin- 
ciarono  essi  ancora  ä  domestioarsi  et  ä  trattare  confidentemente. 

Bidotto  11  Concilio  in  qu^sta  forma  si  tomö  a  trattare  le 
materie  giä  dlspotate  e  preposte.  Haveyasi  diffiooltä  per  il  de- 
creto  di  residenza  e  per  1'  institntione  de  Yescovi. 

Dopö  molte  dispute  •  pratiche  s'  aecordo  il  decreto  di  resi-» 
denza  con  assenso  di  tiitti  e  restava  qualche  controrersia  nel 
Canone  dell'  institatione  de  Yescoyi  per  la  cui  declaratione  in- 
stavano  Spagnoli,  i  quali  fine^ente  consentirono  al  canone  pro- 
posto ,  yedendo  che  se  bene  non  si  diceva  quanto  essi  doman- 
davano  restava  perö  libero  11  dirlo  sempre  e  mk  esplicarlo  k  sno 
luogo  et  tempo  et  non  s'  asseriya  alcuna  coea  contraria,  e  cosi 
d'  aecordo  fil  fatta  la  sessione  con  la  materia  del  ordine. 

Dopö  Stabilita  questa  eessione  con  le  materie  del  ordine  et 
del  Ins  divinum  si  venne  alla  materia  del  matrimonio  e  delle  ri- 
forme;  e  nel  matrimonio  furono  difQcoltä,  non  dimeno  la  maggior 
importanza  fil  de  ckndeslini  la  quäle  hebbe  fine  secoudo  la 
pluralitä  de*  yoti.  Neil!  decreti  di  riforma  furono  molte  difBcolt^; 
e  qui  premeyano  tutte  le  commissioni  de  i  principi,  e  Tarticolo 
delle  cause  e  deir  essenzioni  de  Canonici  fh  yinto  secondo  la 
domanda  degli  oltramontani;  poi  facendosi  contro  Tuso  che  li 
padri  tutti  dessero  yoti  in  scritto  ftirono  matate  moli»  sententie 
e  fh  yinto  il  contrario.  Si  yenne  al  fine  süla  coneordia  che  si 
yede  ne  i  decreti  e  ne  fü  mezzano  Lorena  che  glä  era  tomato 
da  Roma  tutto  adltto  al  seryitio  di  S.  Beatitudine  et  alla  fine 
del  concilio;  e  cosi  fini  questa  sessione  di  commune  consenso  di 
tutti  e  con  Obligo  al  Oonte  di  Luna  che  fece  buono  offitio.  Si 
hebbe  assai  diffieoltä  nelle  commende,  nondimeno  questo  fü  ricetto 
air  altra  sessione  nella  quäle  poi  si  stabili  come  si  yede.  In 
questa  medesma  sessione  si  trattaya  di  riformar  li  Oardinali  et 
si  parlaya  dell'  ei^  delli  parentadi  della  yita  della  robba  del 
numero  e  di  tutte  Taltre  cose. 

Questa  materia  per  seryitio  del  Papa  e  di  Cardinali  fh  messa 
in  dozzina  con  Taltre  riforme  e  quasi  in  groppa  de  yescoyi;  e 
cosi  si  fnggi  tutti  li  scogli  che  occorreyano  in  questa  materia  la 
quäle  forsi  era  bene  intesa  da  pochi. 

In  questa  sessione  per  faggire  li  protesti  del  Conte  (di  Luna) 
fü  declarato  il   proponentibus  legatis  in  modo    che    satisfece  a 


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658  ANALEKTEN. 

Spagnuoli  e  non  portö  alcun  pregiudicio  alla  antorita  del  Papa 
e  de  i  legatL 

Finita  qaesta  materia  fü  inditta  Taltra  sessione  con  la 
riforma  de  regolari,  e  si  propose  di  trattare  d*altri  dogmi  se  fasse 
bisognato  e  di  finire  il  concilio.  In  qaesta  sessione  non  fü 
alcuna  difficoltä  nelle  materie  perch^  gia  tutti  spedivano  per 
verbum  placet  yolonterosi  di  finire  e  di  andarsene  e  i>er  il'  fine 
restavano  Imperiali,  Francesi,  Portoghesi,  Yenetiani  e  li  medesnü 
Prelati  Spagnaoli;  solo  il  Conte  di  Luna  faceva  resistenza  per 
aspettar  risposta  dal  suo  Be  al  quäle  diceva  che  prima  non  si 
era  communicato  di  voler  finire.  Si  hebbero  diverse  contese 
con  detto  Conte,  e  si  venne  una  yolta  a  pericolo  di  rottora  e 
protesto;  mk  come  k  Dio  piacque  Tassenso  de  i  prelati  Spagnaoli 
et  altre  indnstrie  usate  con  il  decreto  proposto  ad  instanza  del 
Conte  fecero  sl,  che  la  cosa  fini  qaietamente;  e  di  commnne 
consenso  fini  il  concilio  senza  alcuna  protesta.  Stintö  ä  questo 
fine  quelle  che  si  temeva  che  dovesse  far  danno  cio^  l'anso 
deir  infirmitä  del  Papa  e  grordini  del  Be  Cattolico  che  non 
Yoleva  abruptione  ne  suspensione  del  concilio  ne  yoleya  che 
alterasse  Telettione  del  Papa.  Prese  occasione  da  questi  acci- 
denti  e  dal  instanza  che  tutti  facevano  del  fin  del  concilio,  si 
proposero  le  materie  del  purgatorio,  de'  imagini,  de'  indulgenze, 
de  jejunii  et  altre,  alle  quali  non  contradice?a  il  Conte,  ma 
contradiceva  alla  brevitä  di  trattarle  senza  dispute,  ma  al  fine 
tutto  passö  quietamente. 

Si  usö  industria  per  far  che  dal  Concilio  fosse  domandato 
la  confirmatione,  e  se  bene  era  materie  controversa,  nondimeno 
non  fü  Chi  non  consenüsse  al  modo  della  propositione.  Simil- 
mente  si  operö  de  tutti  consentissero  alla  clausula  „salya  sedis 
apostolicae  autoritate'S  la  quäle  fü  proposta,  in  due  modi  og'uno 
de  quali  satisfaceva  all'  autoritä  di  Sua  Beatitudine  la  quäle 
essendo  salya  resta  salyo  tutto  11  resto,  e  deye  darsi  gratia  a 
Dio  che  tutto  il  Concilio  Thabbia  hayuto  salya.  II  mede^no  Cardi- 
nale di  Lorena  che  difendeva  la  Sorbona  al  fine  nondimeno  consent! 
con  le  sue  acclamationi  che  il  Papa  fasse  Pastore  universalis 
ecclesiae,  e  piaccia  a  Dio  di  lungamente  conseryarlo. 


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mSGELLB.  659 

6. 

Miscelle. 

Ein  neuentdeoktos   ohristliohes   Oladlatorengrab   In 

Rom. 


Die  Ausgrabungen  y  welche  die  Mönche  von  S.  Sebastiane  in 
dem  gleichnamigen  Cömeterinm  an  der  Via  Appia  vor  Born  ge- 
legentlich ausführen,  haben  kürzlich  zu  der  Entdeckung  einer  in- 
teressanten Begräbnisstatte  geführt,  welche,  obgleich  innerhalb  des 
Areals  der  genannten  Katakombe  gelegen,  ursprünglich  einen 
eigenen  Eingang  hatte  und  erst  später,  in  der  zweiten  Hälfte 
des  vierten  Jahrhunderts,  wie  es  scheint,  mit  jener  in  direkte 
Verbindung  gesetzt  wurde.  Die  Anlage  ist  yon  sehr  geringem 
Umfange  und  hat  offenbar  einer  einzigen  Familie  gedient.  Nur 
an  einer  Wand  ist  noch  ein  etwas  lädirtes  dreifach  geteiltes 
Fresko  erhalten.  Das  Mittelstück  zeigt  das  bekannte  Bild  des 
Guten  Hirten,  doch  mit  einiger  Abweichung  von  der  gewöhnlichen 
Fassung;  daneben  steht  links  eine  betende  Frau  (Orans)  und 
rechts  in  trotziger  Angriffsposition,  mit  geballter  Bechten  und  in 
der  Linken  einen  dünnen  Stab  (Lanze?)  tragend,  ein  nackter 
Gladiator.  Der  Kranz,  welcher  auf  seinem  Haupte  ruht,  kenn- 
zeichnet ihn  abs  Sieger;  über  den  linken  Arm  hat  er  ein  leichtes 
Gewandstück  geworfen.  Der  Stil  des  Gemäldes  weist  auf  die 
Mitte  des  dritten  Jahrhunderts  als  Zeit  der  Entstehung  desselben. 

Die  Figur  des  Gladiators  ist  in  der  vorconstantinischen  alt- 
christlichen Kunst  durchaus  neu  ^),  und  da  dieses  Bild  nach 
Analogie  zahlreicher  anderer  cömeterialer  Darstellungen  als  das 
Porträt  des  in  dem  betreffenden  Grabe  beigesetzten  Christen  zu 
beurteilen  ist,  so  gewinnen  wir  aus  demselben  das  überraschende 
Besultat,  dass  im  dritten  Jahrhundert  auch  unter  den  Fechter- 
banden des  Circus  vereinzelte  Christen  sich  befanden.  Dass  dies 
in  constantinischer  und  in  nachconstantinischer  Zeit  der  Fall  war, 
ist  durch  Darstellungen  der  sogenannten  Goldgläser  ^  längst  ge- 


1)  Das  Fresko,  welches  Garrucci  (Storia  dell*  arte  crist  11, 
tav.  68)  als  christliches  publicirt  hat,  und  das  ebenfalls  einen  Gla- 
diator, ausserdem  einen  Circusrenner  zeigt,  gehört  einem  heidni- 
schen Cubicolam  an. 

8)  Die  Abbildungen  bei  Garrucci,  Vetri,  2.  Aufl.  XXXIV,  7,  8: 
vgl.  2,  6. 


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660  AMMJS&TSS. 

sichert.  Der  Umstand  aber,  dass  jenes  Cabicnlum  in  S.  Sebaslaano 
ein  durchaus  privates  ist,  und  dass  der  Gladiator  und  seine 
Gattin  —  denn  diese  ist  wohl  in  der  betenden  weiblichen  Gre- 
stalt  zu  erkennen  —  nicht  im  irgend  einem  der  damals  schon 
sehr  zahlreichen  GemeindecOmeterien  beigesetzt  wurden,  scheint 
darauf  hinzuweisen,  dass  jen^  Mann  das  blutige  Handwerk  unter 
Misbilligung  der  Kirche  ausgeübt  habe.  Leider  sind  inschrifi- 
liche  Momente,  die  über  diese  Verhältnisse  nähere  Auskunft  ent- 
halten hab^n  mögen,  nicht  zum  Vorschein  gekommen. 

Demnach  ist  weder  die  Bestimmung  der  apostolischen  Con- 
stitutionen (Vm,  32),  nach  welcher  ^oyo/aaxot,  d.  h.  Gladiatoren, 
von  der  Taufe  abzuweisen  seien,  in  der  Zeit,  in  welcher  das  achte 
Buch  entstanden  ist,  in  der  Kirche  durchgeführt  worden,  noch  hat, 
wenn  eine  solche  Verordnung  schon  in  früherer  Zeit  bestanden  haben 
sollte,  dieselbe  eine  stricte  Anwendung  gefunden.  Ebenso  yerhält 
es  sich,  nebenbei  bemerkt,  mit  der  gleichlautenden  Bestimmnag 
der  Constitutionen  (a.  a.  0.)  hinsichtlich  der  xanfjXot^,  da  durch 
Inschriften  und  Bildwerke  ans  Yorconstantinischer  Zeit  wie  ans 
dem  vierten  Jahrhundert  gesichert  wird,  dass  auch  Christen  In- 
haber von  cauponae  waren. 

Leipzig.  Victor  SchuUze. 


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REGISTER. 


L 

Verzeichnis  der  abgedmcliten  Qnellenstflclie. 


[2.  Jahrb.]    Das  Muratorische  Fragment  596 — 599. 

1513  Februar  9:  Georg  von  Sachsen  an  Julius  ü.,  d.  Dresden 

603  f. 
1513  Februar  9:  Georg  von  Sachsen  an  Cajetan  606  f. 
1513  Februar  9:  Georg  von  Sachsen  an  de^i  Cardinal  de  Flisco 

607  f. 

1513  Februar  9:  Georg  von  Sachsen  an  den  Cardinal  del  Monte 

608  f. 

1513  März  29:  Credenzbrief  des  Herzogs  Georg  von  Sachsen 
flir  Nicolaus  von  Schoenberg,  d.  Dresden  604 — 606. 

(1529  Juli  1):  Landgraf  Fhüipp  an  Zwingli,  d.  Friedewald 
(eigenhändige  Nachschrift)  31. 

1529  September  29:  Landgraf  Fhüipp  an  den  Eurf.  Johann, 
d.  Marburg  (Auszug)  5  9  f. 

1529  October  29:  Landgraf  Fhüipp  an  Jakob  Sturm,  d.  Immen- 
hausen 457 — 459. 

1529  November  30:  Friedr,  Myconius  an  Luther,  d.  Gotha 
305—307. 

1529  December  24:  Greg.  Brück  an  Landgr.  Philipp,  d.  Witten- 
berg 459—461  0. 

1530  Juli  22:  Zwingli  an  Landgraf  Philipp  (erste  Hälfte  des 
Br.)  33  f. 


1)  Ein  paar  Brnchstücke  aus  diesem  Briefe  finden  sich  bereits  (nicht 
ganz  fehlerlos)  bei  Hassenkamp,  Hessische  Eirehengesehichte  I,  215 
gedruckt. 

Zeitsclir.  t  K.-G.  HI,  4.  46 


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662  REGISTER. 

1530  September  24:  Herzogin  Elisabeth  von  Sachsen  an  Land- 
graf Philipp,  d.  Dresden  461  f. 

1531  Febmar  11:  Zwingli  an  Landgraf  Philipp  37. 

(1531)  April  28:  ZtvingU  an  Landgraf  Philipp,  d.  Zürich  38 f 
1539  März  3:  Frkdr.  Myconius  an  Luther,  d.  Frankfurt  (Aus- 
zug) 327  f. 

1539  December  16:  Marone  an  Famese,  d.  Wien  642  f. 

1540  Juni  11:  Marone  an  Cervini,  d.  Hagenau  643  f. 

1540  Juli  1:  Sommario   einer  Depesche  Marone' s,   d.  Hagenau 

644  f. 
1540  Juli  28:  Marone  an  Pamese,  d.  Eastatt  (Bruchstück)  645. 

1540  August  15:  Bernarda  Santia  an  Morone,  d.  Utrecht  645 
bis  648. 

1541  Januar  13:  Tammaso  Cempeggi  an  Famese,  d.  Worms 
648  f. 

1541  ICäcz  10:  Mbrone  an  Farnese,  d.  Regcmsterg  609 — 611. 

1541  März  12:  Marone  an  Famese,  d.  Eegensburg  611 — 613. 

1541  März  13:  Oontarini  an  Famese,  d.  Begensburg  150 — 156. 

1541  März  16:  Contarini  an  Farnese,  d.  Begensburg  156 — 159. 

1541  März  16:  Contarini  an  Famese,  d.  Begensburg  (zweite 
Depesche  von  demselben  Tage)  151. 

1541  März  17:  Morone  an  Famese,  d.  Begensburg  613—616- 

1541  März  18:  Contarini  an  Farnese,  d.  Begensburg  159—161. 

1541  März  20:  Contarini  an  Famese,  d.  Begensburg  162  f. 

1541  März  22:  Morone  an  Famese,  d.  Eegensburg  616  f. 

1541  März  23:  Morone  an  Famese,  d.  Eegensburg  618  f. 

1541  März  25:  Girolamo  Dandino  an  Contarini,  d.  Blois  (Auf- 
zug) 504  f. 

1541  März  30:  Cowtormt  an  Farnese,  d.  Begensburg  164 — 166» 

1541  März  31:  Morone  an  Famese,  d.  Begensburg  619 — 621. 

(1541  März):  Memoriale  Julius  Pflugs  an  den  Cardinal  Famese 
617f. 

1541  April  3:  Contarini  an  Farnese,  d.  Begensburg  166 — 169. 

1541  April  3:  Moräne  an  Famese,  d.  Eegensburg  621—623. 

1541  April  5:  Contarini  an  Famese,  d.  Begensburg  169 — 173. 

1541  April  5:  Bernarda  Santio  an  Famese  (?),  d.  Begensburg 
623  f. 

1541  April  6:  Morone  an  Famese,  d.  Begensburg  624 — 627, 

1541  April  6:  Qirol.  Negri  an  den  Bischof  von  Corfii,  d.  Begens- 
burg 627—630. 

1541  April  7:  Contarini  an  Farnese,  d.  Begensburg  173. 

1541  April  7:  Marone  an  Farnese,  d.  Begensburg  630f. 

1541  April  [14]:  Contarini  an  Famese,  d.  Begensburg  (Bmch- 
stück)  174—176  (vgl.  308  A.  3). 

1541  April  16 :  Negri  an  ?,  d.  Begensburg  631 — 634. 


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ICEQIBTEB.  66B 

1541  April  27:  Negri  an  den  Bischof  von  Corfb,  d.  Begensbutg 
635—637. 

1541  April  30:  Negri  an  ?,  d.  Begensbnrg  637—640. 

1541  Mai  27:  Bembo  an  Contarini,  d.  Born  (Anszng)  506  f. 

1541  Mai  30:  Cantarini  an  Bonifazio  Ferren,  d.  Begensborg 
(Anszng)  508. 

1541  Mai  30:  Contarvni  an  Ercole  Gonzaga,  d.  Begensbnrg  507. 

1541  Jnni  2:  Contarini  an  den  firanz6s.  Nnntius  (Capo  di  Ferro?), 
d.  Begensbnrg  (Auszug)  509  f. 

1541  Juni  9:  Contarini  an  Ercole  Gonzaga,  d.  Begensburg 
(Auszug)  510  f. 

1541  Juni  11:  Bembo  an  Contarini,  d.  Born  511  f. 

1541  Juni  12:  Contarini  an  den  französ.  Nuntius,  d.  Begens- 
burg (Auszug)  512  f. 

1541  Juni  24:  Contarini  an  Famese^  d.  Begensburg  176 — 179. 

1541  Juni  25:  Bembo  an  Contarini,  d.  Born  (Auszug)  513. 

1541  Juni  28:  Negri  an  den  Bischof  yon  Corfu,  d.  Begensbuiig 
(Bruchsttick)  640  f. 

1541  Juni  29  :  Contarini  an  den  französ.  Nuntius,  d.  Begens- 
burg (Auszug)  51 3  f. 

1541  Juli  15:  Friedr.  Nausea  an  Contarini,  d.  Wien  (Auszug) 
514f. 

1541  Juli  19:  Contarini  an  Famese,  d.  Begensburg  180  f. 

1541  Juli  22:  Contarini  an  Famese,  d.  Begensburg  181—183. 

1541  Juli  22:  Contarini  an  San  Marcello  Ceryini,  d.  Begeni^ 
bürg  515  f. 

1541  Juli  22:  Contarini  an  einen  ungenannten  Cardinal,  d. 
Begensburg  516 — 519» 

1541  Juli  26:  Contarini  an  Famese,  d.  Begensburg  183  f. 

1541  Juli:  Contarini  an  Matteo  Dandolo,  d.  Begensburg  519 
bis  521. 

1541  August  16:  Contarini  an  Famese,  d.  Bovere  (Auszug) 
522. 

1541  August  16:  Contarini  an  den  Secretär  Jaches  ^),  d.  Bor- 
ghetto (Auszug)  522. 

1541  August  24:  Erzbiscbof  Hermann  ron  K^  an  Contarini» 
d.  Arnsberg  (Auszug)  522  L 

1544  September  9:  Bucer  an  Melanchthon,  d.  Strassburg  312 
bis  314. 

1545  April  28:  Cifra  di  Monsignor  Mignandto  alli  B°**  legati 
di  Vormes  650  f. 


1)  Nach  freundlicher  Mitteilung  Wilh.  Maurenbvecher*!  ifit  statt 
,, Jaches''  unbedenklich  Idiaquez  zu  setzen  (der  damalige  Secretär 
Karrs  V.;  v>?l.  S.  615). 

45* 


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664 


BEQISTER. 


1647  September  23:   Georg  Nutzd  an  einen  Ungenannten,   d. 

Nürnberg  (Bmchstflck)  490. 
(1564  Januar):  Moronis  Bericht   über   das   Tridentiner    Concil 

654—658. 


IL 


Verzeichnis  der  besprochenen  Schriften. 


Abschiede,  Die  eidgenösBischen, 

8.  Strickler. 
Actensammlang    zur  Schweiz. 

Ref.-Gesch.,  s.  Strickler. 
Allmer  et  de  Terrebasse,  In- 

scriptions  antiqaes  et  da  moyen- 

&ge  de  Yienne  292.  298. 
Amiel  et  Bouvier,   L^enseigne- 

ment    superietur    a    Genöve  etc. 

583. 
Archiv  f.   die   Schweiz.  Beform.- 

Gesch.  IH:  547.  549—551. 

Bach,    Bmchstück    aas    Meister 

Eckhart  128. 
B  ä  c  h  1 0 1  d ,  Nicolans  Manuel  560. 

570  f. 
— ,  Hans  Salat.    Sein  Leben  and 

seine  Schriften  560.  572. 
Baamgarten,    Üeber    Sleidan's 

Leben  and  Briefwechsel  185  bis 

188. 
Bayet,   Memoire  snr    an   ambon 

consery^  a  Saloniqae  478. 
Becker,  Die  Wand-  and  Decken- 

femälde   der  röm.    Katakomben 
71. 
Ben  harn,  The  Imitation  of  Christ 

122.  137. 
Berthanlt,     Matharin    Cordier 

582. 
Biographie,  Allg.  deatsche  563. 
Birlinger,  Za  Eckhart  128. 
Bonn  et,   La   famille   de  Carioni 

568. 
— ,  Un  magistrat  bemois  etc.  571. 


Bonnet,  Demiers  r^cits  da  XVI« 
si^e  571. 

—  vgl  575. 

Boos,  Thomas  and  Felix  Platter 

560.  566  f. 
B  0  a  t  a  r  i  c ,  Vincent  de  Beanvais  109. 
Brockhaas,  DiechristL  Baaknnst 

465.  470. 
— ,  Baptisteriam  470. 
Brazza,   Iscrizioni  antiche  Yer- 

cellesi  299. 
Baddensieg,  Za  Lather^s  r5mi- 

schem  Aafenthalte  197  f. 
Bnlletin    de    correspond.    heü^ 

niqae  etc.  299. 

—  histor.  et  Htt^.  575.  576. 

V.    Bansen,    Das    Symbol    des 

Ereazes  471.  480. 
Barckhardt,   A.,  Oekolampadins 

568. 

—  Job.,  De  origine  Basilic.  christ. 
464.  465. 

Cahier,  Noaveaax  m^langesd'ar- 
ch^ologie  275.  282.  287. 

Calvin,  Opera  XV— XVTII:  573. 
575. 

— ,  Lo  cat^hisme  fran^ais  publik 
en  1537  r^imprim^  par  Rilliet 
et  Dafoar  573.  576-578. 

Carini,  Trenta  tre  naove  iscri- 
zioni etc.  291.  294. 

— ,  Naove  iscrizioni  greche  etc. 
292.  293  f. 

Cartier,  L^^glise  et  les  vienz 
catholiqaes  etc.  289. 


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BE0I8TEB. 


665 


Cavallari  b.  478. 

Coblet,    Des  noma    de  bapWme 

296. 
Corpus  Inscript  latiD.  292f.  297. 

299. 

*  graec.  299.  300. 

—  Reformatomm  s.  Calvin,  Opera. 

Darche,   CU    de    rimitation    de 

JÄsus^hrist  137. 
Dardier,  Calvin  673.  575f. 
Davin,    La    Capella    graeca    du 

cimiti^re  de  Priscille  471.  474. 
— ,  Les  anciens  monuments  chr^t. 

de  Bodez  474. 
Dechent,  Die  symbolischen  Dar- 

steUuDgen    der    ältesten   Kirche 

471.  482. 
Denifle,    Der    Gottesfreund    im 

Oberland  und  Nicolaus  von  Basel 

121.  132f. 

— ,  Das  Leben  der  Margaretha  von 

Eentzingen  121.  132  f. 
— ,    Zu     Seuse's     ursprünglichem 

Brief  buche  122.  185  f. 
— ,  Die  Schriften  des  Heinr.  Sense 

122.  135. 

— ,  Das  Buch  von  geistlicher  Armut 
122.  128  f.  134 1. 

Dieterici,  Die  Philosophie  der 
Araber  im  10.  Jahrb.  93.  94  f. 

^  Die  Naturanschauung  und  Na- 
turphilosophie der  Araber  im 
10.  Jahrh.  93.  94. 

— ,  Aristotelismus  und  Piatonismus 
im  10.  Jahrh.  93. 

—,  Die  Theologie  des  Aristoteles 
93.  95. 

D  0  u  e  n ,  Clement  Marot  et  le  psau- 
tier  huguenot  I:  583—585. 

V.  Druffel,  Der  Elsässer  Augu- 
stinermönch Johann  Hoffmeister 
485  ff. 

Dufour  s.  Calvin. 

Egli,  Die  Züricher  Wiedertäufer 
zur  Keformationszeit  560.  561  f. 

Eisler,  Vorlesungen  über  die  jü- 
dischen Philosophen  des  Mittel- 
alters 94.  99. 

Elster,  Calvin  als  Staatsmann, 
Gesetzgeber  und  Nationalökonom 
578. 

de  TEpinois,  Les  catacombes  de 
Borne  474. 


Fiorelli,  Descrizione  di  Pompei 
465. 

Forcella,  Iscrizioni  delle  Chiese 
di  Boma  etc.  299. 

Fr  oh  n  er,  Numismatique  antique 
480. 

Fronmüller,  Boger  Bacon  117. 

Fulda,  Das  Kreuz  und  die  Kreu- 
zigung 471.  480  f. 

Gaberei,  Calvin  etBousseau  578. 
— ,  Le  monument  de  Pierre  Viret 

583. 
Garrucci,  Storia  dell'  arte    cn- 

stiana,   T.  III.  IV:   275.  280f. 

Gass,  Vincenz  von  Beauvais  111. 

— ,  Bonaventura  115  f. 

Gay,  Le  catacombe  di  Boma  472. 

483f.  ,    ^    ^.^ 

Gemoll,  Fragmente  der  Predigten 

Berthold's  von  Begensburg  127. 
Götzinger,  Die  Beformation  der 

Stadt  Wyl  564. 
— ,  s.  V.  Watt.  ^    ,.  j 

Gonzenbach,    NicoL   Zurkmden 

Gregorutti,  Le  antiche  lapidi 
di  Aquileja  292.  298f. 

Grillwitzer,  Die  büdl.  Darstel- 
lungen der  röm.  Katakomben  etc. 

484. 
Grimouard  de    St.    Laurent, 

Gmde  de  l'art  chrötien  282. 
— ,  Etüde  sur  une  s6rie  d'anciens 

sarcophages  285.  288  £. 
Grote,  Thomas  von  Kempen  16  it. 

Uagen,  Catalogus  Codicum  Ber^ 

nensium  569.  ,,«,,. 

Harnack,  Th.,  Prakt.  Theologie 

I:  282. 
Heer,  Bullinger  563. 
Herminjard,  Correspondanw  dee 

r^formateurs  etc.  V:  573.  574L 
H^ron   de    Villefosse,    Sarc^ 

phage  chr^t.   de  Syracuse  285. 

287. 
Herzog,  Calvin  573.  575. 
Heuzy  et  Daumet,  Mission  ar- 

ch^ol.  de  Mac6doine  299. 
Hidber,  Kampf  der  Walliser  gegea 

ihre  Bischöfe  567. 
Hirsche,  Brüder  des  gemeinsamen 

Lebens  122.  136.       , 
H  0  ff,  Vie  de  Jean  Calvin  573. 575. 


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666 


RBGUBUBB. 


Holtzmann,  Entstehung  des 
Ohristosbildes  dec  Eunä  471. 
481t 

Hübner,  Inscriptionee  Britanniae 
ohridtiaoae  291.  292  f. 

Jacobi,  Anselm  von  Cantearbory 

116. 
— ,  Berengar  116. 
— ,  Bernhard  von  Clairvaox  116. 
Jacobson,    Begräbnis    bei    den 

Christen  277. 
Joel,     Beitrage    zur    Gesch.    der 

Philosophie  94.  99. 
Jundt,    Histohre   da    panth^isme 

populaire  au   moyen-äge  et  an 

seiziöme   siecle    108.  114  f.    128 

bis  131.  132.  579. 
— ,  Calm  573.  576. 

Kattenbasch,  Kritische  Studien 
zur  Symbolik  329  E 

-^,  Calvin  573.  576. 

Kaufmann,  Geschichte  der  Attri- 
butenlehre in  der  jüdischen  Be- 
ügionsphilosophie  des  Mittelalters 
94.  99-105. 

— ,  Jehuda  Halewi  103. 

Kettlewell,  The  authorship  of 
the  De  Imitatione  Christi  122. 
137. 

Kinkel,  Mosaik  zur  Kunstge- 
schichte 469. 

Kleinpaul,  Die  Symbolik  der 
altohristlichen  Kunst  471.  482. 

Köhler,  Die  Staatslehre  der  Vor- 
reformatoren  109.  120. 

Kondakoff,  Les  sculptures  de  la 
.porte  de  Sainte- Sabine  ä  Borne 
286.  289  f. 

Kraus,  F.  X.,  Roma  sotteranea, 
2.  Aufl.  275.  280;  vgl.  286.288. 
295.  299.  471.  472.  478. 

Kreutzer,  Paulus  des  Silentia- 
liers  Beschreibung  der  Hagia 
Sophia  469. 

Krummel,  Meister  Eckhart  121. 
131. 

Landauer,   Die  Psychologie  des 

Ibn  Sina  93.  95  f. 
Lange,  Das  antike  Wohnhaus 465. 
de  Lasteyrie,  Note  sur  un  cimi- 

ti^e  m^vingien  etc.  478. 
Le  Blant,  Les  armes  de  la  pri^ 

285.  266. 


Le   Blant,    Sur    un    sarcopfaag« 

ehret.  285.  286. 
— ,  La  vierge  au  ciel  285. 
— ,  vgL  2961 

Lechler,  Bradwardina  116 f. 
Le   Lefort,   Les   colliecs  et   les 

buUes  des  esclaves  fugitifs  296. 
—  La  Basilique  de  Sainte- Petro- 

nille  etc.  469. 
Lenz,    Drei    Tractate    aus    dem 

Schriftencyclus  des  Const.  Con- 

cils  118. 
Lewis,  The  antiquities  of  Ravenoa 

285. 
Lichte nberger,  EncydopMie ete. 

563.  573.  575  f.  583. 
V.  Lieben  au,  Thomas  Monier  in 

Basel  572. 
V.  Liliencron,   Die  aUgem.  Bil- 
dung in  der  Zeit  der  Scholastik 

109. 
Linsen  mann,  Konrad  Summen- 
hart  109.  121. 
Lobstein,    Die    Ethik    Calvin^s 

573.  578. 
L  0 1 1 ,  L'auteur  de  Flmitation  137. 
Ludewig,  Ein  Blick  in  die  r5m. 

Katakomben  471.  474. 
Lüthi,   Die  Bamische  Politik   in 

den  Kappelerkriegen  570. 
Lütolf,    Der    Prozess    Eckhait's 

121.  130  f. 
— ,  Der  Gotteefirennd  im  Oberland 

121.  133  f. 
— ,  Besuch   eines  Cardinals  beim 

Gottesfreund  im  Oberland  121. 

133  f. 

Madden,   Christian  Emblems  of 

the  coins  of  Constantine  1.  eta 

480. 
Mariott,  Testimony  of  the  Cata- 

combs  484. 
Mfarrucchi,    Di    una    rarissima 

epigrafe  crist.  etc.  292.  297. 
— ,  La  cripta  sepolcrale  di  S.  Va- 
lentine etc.  471.  474f. 
M^artigny,  Dictionnaire  desanti- 

quit^  chr^^mes  275.  281  f. 
— ,  Mosaique  cbr^tienne  trouv^e  a 

Sens  283.  285. 
Massebieau,  Les   colloquee  sco- 

laires  du  XVI«  siMle  583. 
Mehlhorn,  Die  Strassb.  Mystiker 

131. 
Merle  d'Aubignö,  Hist.  de  la 

r6fonuation  etc.  576. 


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RSQISTER. 


667 


Merx,  Die  ReligionsphiloBophie  des 
Averroes  93.  98  f. 

Meyer  von  Knonan,  Ans  der 
schweizer.  Gesch.  zar  Zeit  der 
Befonn.  565. 

—  Vadian  als  Geschiohtschreiber 
564. 

Mezger,  Gesch.  der  deutschen 
Bibelübersetzungen  in  der  schwei- 
aerisch.  refonn.  Kirche  548.  558 
bis  560. 

Michels en,  Birgitta  125. 

Minasi,  Le  sarcophage  de  Sainte- 
Quitterie  285.  287. 

Mörikofer,  Die  evang.  Flücht- 
linge in  der  Schweiz  547.  555  f. 

— ,  Bullinger  563. 

de  Montault  s.  474. 

Müller,  M.  J.,  Averroes  93.  96 
bis  98.  ^    , 

Müller  und  Mothes,  Archäol. 
Wörterbuch  282. 

Müntz,  Notes  sur  les  mosaiques 
chr^t.  de  lltalie  283  f. 

Mnnch,  Oplysninger  om  det  pa- 
velige Arcniv  140  ff. 

Naville,  De  Texistenoe  d'un  art 
religieux  chr6tien  etc.  471.  482  f. 

Neroutsos-Bey,  Notioe  sur  les 
fouilles  r^centes  ex6cut6es  ä 
Alexandrie  478. 

Nissen,    Pompejanische    Studien 

^^'  ,  TT 

Nitzsch,  Die  Ursachen  des  Um- 
schwungs und  Aufschwungs  der 
Scholastik  im  13.  Jahrh.  108. 
109. 

— ,  Alexander  Alesius  115. 

— ,  Albertus  Magnus  115. 

Nobbe,  Tauler  122.  135. 

Northcote,  A  visite  to  the  Ro- 
man Catacombs  471- 

Oehninger,  Die  helvetische  Con- 

£ession  563. 
Ott,  Die  ersten  Christen  über  und 

unter  der  Erde  484. 
Otte,  Archäologisches  Wörterbuch, 

2.  Aufl.  275.  282. 

Pellikan,  s.  Riggenbacb. 
Piesse,  Louis,  s   297. 
Piper,  Zwei  Inschriften  Constan- 
ün's  etc.  292.  294f. 


Piper,  Zur  C^eschichte  der  Kirchen- 
väter aus  epigraph.  Quellen  292. 
296. 

— ,  Ueberdenkirchengeschichtüchen 
Gewinn  aus  Inschriften  292.  296. 

Pli  tt,  JodocuB Trutfetter  109. 121. 

Posse,  Analecta  Yaticana  140. 

Preger,  Beiträge  zur  Geschichte 
der  Waldesier  109.  115. 

— ,  Die  Briefbücher  Snso's  122. 
135  f. 

Presuhn,  Pompeji  465. 

Pünjer,  De  Serveti  doctrina  579. 

Pulgher,  Les  anciennes  ^glises 
byzant.  de  Constantinople  469. 

Realencyklop&die,  Theologi- 
sche, 2.  Aufl.  113  f.  115  f.  117. 
118  f.  122  125.  277.  464.  470. 
483.  563.  569.  573.  575.  58a 
Bedepenning,  üeberdenEinfluss 
der  Aristotel.  Ethik  auf  die  Moral 
des  Thomas  von  Aquino  108. 111. 
Reusen,   Elements   d'arch6ologie 

chr6t.  282. 
Reuter,  Geschichte  der  Aufklärung 
im   Mittelalter    97  f.    113-115. 
116.  117. 
Revelationes    Gertrudianae 
ac  Mechtildianae  121.  123 
bis  125. 
Richter,  Die  Mosaiken  von  Ra- 

venna  283.  284  f. 
— ,  Der  Ursprung  der  abendländi- 
schen Kirchengebäude  464.  465  ff. 
— ,  Pompejana  471.  477  f. 
Riggenbacb,  Das  Chroniken  des 
Conrad  Pellikan  560.  567-569. 
Rilliet,  s.  Calvin. 
Ritter,  De  compositione  titulorum 

Christ  sepulcralium  292.  299  f. 
R  i  V  i  e  r ,  Claude  Chansonnette  568. 
Roch  oll.  Die  Einführung  der  Re- 
formation in  Cölmar  486  ff 
Boffet,    Histoire    du    peuple    de 
Geneve  etc.  IV:  573.  578-582. 
Rohrer,    Die   Beformationsbestre- 
bungen   der   Katholiken    in   der 
schweizerischen  Quart  des  Bis- 
tums    Constanz     1492  —  1 531 : 
571  f. 
Rosin,  Die  Ethik  des  Maimonides 

94.  105-108. 
de  Rossi,  G.  B.,  La  Roma  sotter- 
ranea,  T.   UI:    275-280.  286. 
291.  295  f.  464.  465f.  470. 


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668 


REGISTER. 


de  Bossi,  6.R,  Mnsaici  criatiani 

283.  285. 
— ,  L'  insigne  piatto  vitreo  di  Pod- 

goriza  286.  289. 
— ,  iDsigne  yetro  etc.  286.  290  £ 
— ,  Scoperte  in  Africa  292.  297. 
— ,  D'  una  matila  epigrafe  etc.  292. 

297  f. 
— ,  II  payimento  di  S.  Maria  etc. 

292.  298. 
— ,  U  Museo  epigrafico  cristiano 

Pio-Lateranense  292.  299. 
— ,    Oratorio    privato    del   secolo 

qnarto  464.  469  f. 
— ,  Scoperte  nel  cimitero  di  Donu- 

tilla  471.  472—474. 
— ,  Bolletino  di  archeoL  crist.478. 
de  BoBsi,   M.  F.,  Qaale  metodo 

tecnico  etc.  464.  470. 
Büetschi ,    Begräbnis    bei    den 

Hebräern  277. 
— ,  Baakunst  bei  den  Hebräern  470. 
— ,  Bilder  bei  den  Hebräern  483. 

Salazaro,  Stndj  sui  monumenti 

etc.  275.  281. 
Sanerland,  Dietrich  von  Nieheim 

118. 
Schmidt,  C,  Brüder  des  freien 

Geistes  113f. 
— ,  Alanus  116. 
— ,  Nicolaus*  von  Basel  Bericht  von 

der  Bekehrung  Tauler^s  122.  132. 
— ,  Histoire  litt^raire  de  TAlsace 

568.  571. 
— ,  Les  libertins  spirituels  580. 
Schneid,  Aristoteles  in  der  Scho- 
lastik 108.  109  f. 
Schnitze,  Yict.,  Die  Katakomben 

von  S.   Gennaro   dei  Poveri  in 

Neapel  471. 
— ,  Die  altchristlichen  Monumente 

in  Salona  471. 
Schweizer,    Nach    Bechts    und 

nach  Links  563. 
Sense' s  Schriften  I,  1:  122.  135. 
Smith  u.  Cheetam,  Dictionary 

of  Christian  antiquities  275.  282. 
Smith  und  Wace,  Dictionary  of 

Christian  Biography  etc.  282. 
Spitta,    Zur    Geschichte    Abu'l- 

Hasan  al-As'ari^s  93.  94. 
Steitz,  Der  Streit  über  die  un- 
befleckte Empfängnis  der  Maria 

zu  Frankfurt  a.   M.   im  Jf^bre 

1500:  571. 


Stevenson,  II  cimitero  di  Zotka 

471.  474. 
Stornaiuolo,    Dell*    importanza 

delle  ultime  scoperte  nei  cimiteij 

cristiani  di  Boma  472.  483. 
Strickler,    Die   eidgenöesischeii 

Abschiede     1521  —  1532:      647. 

551  ff: 
— ,  Actensammlung  zur  schweizer. 

Beform.-Gesch.  1521—1532:  547. 

551  ff. 
Strobl,    üeber    eine    Sammlung' 

lateinischer  Predigten  Berthold^s 

von  Begensburg  127. 
Stromberger,  Berthold  v<m  Be- 
gensburg 126  f. 
Sulzberger,  Gesch.  der  Qegext' 

reformaÖon  in  der  Landgra&chaft 

Thurgau  563. 
— ,  Die  Verhandlungen  der  Synode 

von  Frauenfeld  1529/30:  563. 

Thoemes,  Thomae  Aqmn.  opcra 

et  praecepta  quid  valeant  ad  res 

ecclesiasticas,  politicas,  sociales 

109.  117  f. 
Thomas  a  Eempis,  The  imita- 

tion  of  Christ  122.  137. 
T  i  s  s  0 1 ,  Les  relations  entre  l^Eglise 

et  TEtat  a  Gen^ve  580. 
Tollin,  Das  Lehrsystem  Servefs 

579. 
Tschackert,  Peter  von  Ailli  109. 

118-120. 
Turretini,  Les  Archives  de  Ge> 

n^ve  576. 

Vadianus,  s.  v.  Watt. 

de  Vogüö,    Sjrie    centrale    464. 

467-469. 
Vuillemin,  Histoire  de  la  con- 

f^d^ration  Suisse  549. 
Vuilleumier,  Notice  histor.  sur 

TAcad^mie  de  Lausanne  583. 

Wackernagel,  Altdeutsche  Pre- 
digten 121.  126—128. 

Wagenmann,  Alger  von  Lüttich 
116. 

Wagner,  Der  Mönch  von  Heil»- 
bronn  121.  125  f. 

Wandin ger,  Christen  in  Pompeji 
471.  476  f. 

V.  Watt,  Joachim,  (Vadianus), 
Deutsche    historische    Schriften, 


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REGISTER. 


669 


herausgeg.  von  GötziDger  I,  1.2: 
560.  564-566. 

Weber,  Gesch.  d.  Kirchengesanges 
in  der  deutsch,  reform.  Schweiz 
547.  556—558. 

Weidling,  Ursachen  und  Verlauf 
der  Bemer  Kirchenreform  569. 

Weisflbrod,  Gertrud  der  Gr. Ge- 
sandter der  göttl.  Liebe  124. 

Werner,  Der  Entwicklungsgang 
der  mittelalterlichen  Philosophie 
Ton  Alcoin  bis  Albertus  Magnus 
108.  Ulf. 

— ,  Die  Psychologie  und  Erkennt- 
nislehre des  Johannes  BonaTentura 
108.  112. 


Werner,  Die  Psychologie  und  Er- 
kenntnislehre des  Johannes  Duns 
Scotus  108.  1121 

— ,  Die  Sprachlogik  des  Job.  Duns 
Scotus  113. 

Wi  t  h  r  0  w ,  Catacombs  of  Borne  474. 

Willis,  Servetus  and  Calvin  579. 

Woker,  Das  kirchliche  Finanz- 
wesen der  Päpste  141  f. 

Zimmermann,  Die  Zürcher  Kirche 
1519—1819  nach  def  Reihenfolge 
der  Zürcherischen  Antistes  ge- 
schildert 560  f. 

Zöckler,  Das  Kreuz  Christi  471. 
478—480. 


111. 


Sach-  und  Namenregister. 


Abendmahlslehre,  Die  römi- 
sche ;  Aeusserung  Contarini*s  über 
dieselbe  160  (vgl.  507). 

Actenstücke  zur  deutschen  Re- 
formationsgeschichte aus  dem 
Archiv  zu  Neapel:  150  — 184. 
609—653. 

Addaeus,  s.  Doctrina. 

Ailli,  Peter  von,  118—120. 

Alanus  116. 

Albertus  Magnus  112.  115. 

Albrecht  von  Brandenburg,  Car- 
dinal, Eizbischof  von  Mainz, 
Mitteilungen  über  ihn  in  De- 
peschen 163. 1661  172.  179.  180. 
(621.  622.  625  f.) 

Aleander,  Cardinal,  500.  506. 
516.  629. 

Alexander  von  Haies  112.115. 

Alger  von  Lüttich  116. 

Altbritische  Inschriften  292f. 

Altdeutsche  Predigten  und 
Gebete  125if. 

Amalrich  von  Bena  113.  114. 

Ambühel,  Budolf,  s.  CoUinus. 


Anselm  von  Canterbury  116. 

Apostoli,  Gebrauch  des  Wortes 
im  Fragment  Murator.  365  bis 
369. 

Apostolisches  Symbolum  Iff.; 
die  Stellung  desselben  vor  zwei- 
hundert Jimren  and  jetzt  63  bis 
92;  Stellung  der  Reformatoren 
zu  dem  apoet.  Symb.  65—68; 
Beginn  gelehrter  Untersuchungen 
69;  SteUung  des  Caliit  zu  dem 
apostSymb.  74f.,  diejenige  seiner 
Gegner  77  —  83,  der  neueren 
Theologie  84 f.;  die  Stellung  des 
apost  Symb.  in  der  Gegenwart 
85  ff.;  die  religiöse  und  kirchliche 
Bedeutung  des  Symb.  86 f.;  seine 
dogmatische  und  vorschriftliche 
Auffassung  88 ff.;  der  altkirch- 
liche Charakter  des  Symbols  89  f. 

Archäologie,  Kirchliche,  die 
Arbeiten  zu  ihr  aus  den  Jahren 
1875—1878:  275—300.  464  bis 
484. 

Ardinghelli,  Nicolo  310.  509. 


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670 


BEGBBTEE. 


Arkosolgrab,  Arko8olium466f. 

AthanasianiBches  Sjmbo- 
Inni,  Das  s.g.,  63 f.  69;  Stellang 
der  BefonnatoreD  za  demselben 
66—68. 

AthanasiuB  342. 

Angsburg,  Hinneigung z.  schwei- 
zerischen Reformation  267.  433  f. 

Angsburger  Reichstag  Ton 
1530 :  243  -  248 ;  Granvella's 
späteres  Urteil  Ober  den  Abschied 

m. 

Bacon,  Boger,  117. 
Bartholomäus  von  Prignano, 

Erzbischof  von  Bari,  (später  Ur- 

ban  VI.)  410  f. 
Basel    im     Beformationszeitalter 

220.  222.  227  f.  238.  240.  242. 

256.  260f.  458.  568. 
Basilika,  Die  altchristliche  464 

bis  467.  468.  470. 
Bayern,  Die  Herzoge  von,   über 

ihre  Stellung  zu  dem  Regcnsbur- 

ger   Concordienwerk    156  —  158. 

164  —  166.  167  f.  (vgl.  171.  174. 

178.  179.  519)  615  f.  620.  621. 

622  f.  625.  626.  631;  Urteil  Con- 

tarini's    über    sie     166,     desgl. 

Bembo's    511  f.,    Morone's    615, 

Granvella's  620.  626. 
Beecadelli,  Ludovico  311;  über 

sein    Leben    492 f.;    über    seine 

Monument!    nebst    Mitteilungen 

aus  ihnen  492—523. 
Begräbnis  wcsen,  Altchristliches 

277 f.;  vgl.  470. 
B  e  m  b  0 ,  Pietro,  Cardinal  494. 502  j 

Briefe    dessclb^    an    Contarini 

506  f.  511  f.  513  (vgl.  499-501). 
Berengar  116. 
Bern     im     Reformationszeitalter 

569  f. ;  vgl.  220  f.  222.  227  f.  230. 

240;  besonders  241  f.  n.243f.— 

254  f.  256.  264.  458. 
Berner  Synodus  569. 
Bernhard  von  Clairvaux  116. 
Berthold     von     Regensbnrg 

126  f 
Beza  583. 
Bibelübersetzungen,  Deutsche 

evangelische,  in  der  Schweiz  558  f. 
Bibliographie     der    schweizer. 

Reform  .-Gesch.  551. 
Blutampullen  278. 
Bonaventura  112.  116. 


Briefe  der  Reformatoren  im  U. 
Bande  dieser  Zeitschrift,  Eriäa- 
terungen  zu  denselben  301 — d07. 

Brück,  Greg.,  Brief  an  Landgraf 
Philipp  459-461 ;  briefl,  Erwäh- 
mmg  313  (vgl  315). 

Brüder  des  freien  Geistes 
llSf.  115. 

Brüder  des  gemeinsamen  Le- 
bens 136f. 

B  u  c  e  r ,  seine  vermittelnde  Tendenz 
1530:  246  f.  248  (Protest  Zwiiig- 
li's  dagegen  249.  257 f.;  vgl.  271. 
273;  Oekolampad's  Stellung  dasn 
260  f.).  431;  BeteUignng  an  der 
Reformation  in  Ulm  447.  449; 
in  römischen  Depeschen  erwähnt 
629.  632.  638.  —  Ein  Brief  B.'s 
an  Melanchthon  (9.  Sept  1544) 
312—314.  —  S.  Nausea. 

Bullinger  563.  572f. 

Burgaue r,  Benedict,  Vertreter 
der  sächsischen  Reformation  in 
Schaffiiausen  261.  263.  264.  265. 
Vgl.  558. 

Burgrecht,  Das,  mit  Hessen  57 
bis  62,  mit  Strassburg  61  f.,  mit 
dem  Hohöitwiel  50.  60;  Ver- 
handlungen über  das  Burgrecht 
mit  Strassburg  (1529)  220—222, 
mit  Hessen  (bis  Novemb.  1530) 
221  f.  237-243  (vgl  274),  mit 
dem  Hohentwiel  223.  2381  — 
Vgl.  453.  458. 

Gajetan,  anfangs  von  Georg  von 
Sachsen  zu  seinem  Procurator 
auf  dem  5.  Lateranconcil  bestimmt 
601  f. ;  Brief  Georges  an  ihn  605  f. 

Ca  jus,  röm.  Bischof,  seine  Grab- 
schrift 295  f. 

Calizt,  Georg,  seine  Stellang  zum 
apostol.  Symbol.  73  ff.  76;  Be- 
kämpfung derselben  77  ff. 

Calov  über  dasSymb.  apost.  79  t 

Calvin,  neuere  Arbeiten  üb^  ihn 
573.  574.  575-582.  583.  584. 
585. 

C am p egg i,  Tommaso, päpstlicher 
Nuntius  in  Worms,  Depesche  an 
Famese  (13.  Jan.  1541)  648  f. 

Capo  di  Ferro  (Hieronjmus  de 
Capiteferreo)  509. 

C  a  r  a  f f a ,  Giampietro ,  Cardinal 
506. 

Catholica  ecclesia,  zn  dem  älte- 
sten Gebrauch  des  Wortes  885. 


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JKE»XaT£R. 


671 


<;eryini,  Marcello,  Cardinal ,  ein 
Brief  Contarini's  an  ihn  515 f.; 
Depesche  Morone's  an  ihn  ans 
Hagenan  (11.  Juni  1540)  643f. 

€  b  a  c  0  n ,  AiphonB,  (Ciacoonins),  ob 
Veifiisser  der  Interpretationen  der 
Prophctia  Malaohiae  816.  317  f. 
323. 

Ohrysostomas  344. 

^^laadius,  der  s.  g.  Intern  an  tioSi 
die  anter  seinem  Namen  von 
Baynaldos'  mitgeteilten  Briefe 
haben  den  Nantias  Giovanni  Mo- 
rone  zum  Verfasser  311  f. 

.Clemens  VII.,  Papst  za  Avignon, 
409.  415if.  535ff.  542f. 

Cochlaeus,  Erwähnungen  in  De- 
peschen 635.  643. 

C ollin ns,  Rudolf  (=  Rad.  Am- 
btihel),  seine  Sendung  nach  Ve- 
nedig 223 — 227;  seine  Sendungen 
nach  Frankreich  236  f.  442  f.  452. 

Colmar,  kirchl.  Verhältnisse  da- 
selbst um  1540:  486  f.  487  f. 

Colonna,  Ascanio  154f.  162.504f. 
625.  626. 

Columba,  zur  Geschichte  dessel- 
ben 145-150. 

Concil,  s.  Lateranconcil  u.  Trient. 

Confessionstheologie,  Die, 
seit  Ende  des  16.  Jahrb.  70ff. 
76  f. 

Cons tantin  d.  Gr.,  über  zwei 
Inschriften  desselben  294 f.;  die 
constantinischen  Basiliken  466; 
das  constant.  Monogramm  Christi 
479 f.;  Münzen  480. 

Constanz  272f. 

Contarini,  Gasparo,  Cardinal, 
dreizehn  Depeschen  desselben  aus 
Regensburg  an  den  Cardinal  Far- 
nese  (1541)  150—184  (vgL  808 
bis  812);  weitere  Depeschen  und 
Briefe  Ton  ihm  507.  508  509  f. 
510f.  512f.  513f.  515f.  516  bis 
519.  519—521.  522.  Briefe  und 
Depeschen  an  Cont  504  f.  506  f. 
511  f.  513.  514f.  522f.  —  Zu 
seiner  Correspondenz  während 
seiner  deutschen  Legation  (Mit- 
teilungen ans  Beccadelli's  Monu- 
mentl)  492-523  (üebersicht  der 
betreffenden  Ccirespondenz  309 
bis  311.  498-501).  —  Seine 
Bestimmung  zum  deutschen  Le- 
gjaten  497 f.;  Ankunft  in  Regens- 
burg  151t;   erste  Audienz  b^i 


Karl  V.  152—155;  Gespräch  mit 
(Jranvella  169  — -161 ;  zweite 
Audienz  bei  dem  Kaiser  162 f.; 
sein  urteil  über  die  Herzoge  von 
Bayern  166;  desgL  über  den 
Zustand  Deutschlands  166  (vgL 
176.  182.  507);  Gespräch  mit 
Cardinal  Albrecht  167 ;  Verhand- 
lungen über  die  kaiserliche  Reichs- 
tagsproposition 169  —171;  fernere 
Audienzen  bei  dem  Kaiser  171  f. 
175  f.  177  —  179  (Verhandlung 
über  die  katholische  Liga  und 
das  Concil,  vgl.  181.  182);  Kla- 
ffen über  die  Hoffnungslosigkeit 
der  Verhandlungen  mit  den  Pro- 
testanten 500. 507.  508.  509. 5ia 
513;  Contarini  über  seine  Epistola 
de  justificatione  507.  508.  510. 
511.  513,  über  seine  Zugeständ- 
nisse an  die  Protestanten  in  der 
Rechtfertigungslehre  502.  515  bis 
519,  über  seine  offidellen  Begens- 
burger  Schreiben  180f.  183,  über 
seine  Spannung  mit  Eck  520  f. 
(vgl.  502);  seine  Heimreise  522.  — 
Erwähnungen  Contarini's  in  De- 
peschen 610.  611.  612  f.  623. 
624.  625.  628.  631.  633.  634. 
635  f.  637  f.  639  f.  (tägUcher  Ver- 
kehr mit  den  CoUocutoren  in 
Regensburg). 

Cordier,  Mathurin,  582f. 

Cruces  dissimulatae  479. 

Cyrillus  von  Alexandria  343. 
346. 

Cyrillus  von  Jerusalem  845. 

Dänemark,  Verhandlungen  Phi- 
lipp^s  von  Hessen  mit  Friedrich 
von  D.  228  f. 

Dan  diu  0,  Girolamo,  papsÜ.  Nun- 
tius am  französ.  Hofe,  Depesche 
an  Contarini  5041  (vgl.  502. 
510.  512). 

D  a  n  d ol 0 ,  Matteo,  ein  Brief  Con- 
tarini's  an  ihn  519—521  (vgl. 
500.  502). 

David  von  Dinanto  114f. 

Dietrich  von  Niero,  sein  Urteil 
über  ürban  VI.  540  f. 

Diocletianische  Verfolgung 297. 

Disciplina  ecclesiastica  im 
Fragm.  Murat.  und  bei  TertulL 
d85f. 

Doctrina  Addaei,  zu  ihrer  Al- 
tersbestimmvng  194  £ 


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672 


BEQISTEB. 


Dogmengeschichte  des  Mittel- 
alters: die  Arbeiten  zu  ihr  ans 
den  Jahren  1875—1877:  98  bis 
138. 

Domitilla,  Coemeterinm  dersel- 
ben 472. 

Dnns  Scotus  112f. 

Eck,  Johann,    Mitteilungen   über 
ihn   in  Depeschen    und  Briefen 
158.  160.   166.   184.  517.  520£. 
(vgl.  502).  635.  688. 
Eck  hart,  Meister,  zu  seinen  Pre- 
digten  127 ff.;   über  sein  Leben 
und    seine  Mystik    180 f.;    sein 
Prozess  130f. 
Eidgenossen,  Die  eTangelischen, 
(1529-1531)  230;  die  Absonde- 
rung Berns  (1530)  242 ;  AlbrechVs 
von  Mausfeid  Plan  eines  Bünd- 
nisses   mit    ihnen   251  ff.;    ihre 
Stellung  dazu  254 ff.;  —  43001 
438f.  439f.  —  Tage  zu 
AarauOctob.  1529:  220-222. 
Basel  Dec.  1529:  222. 
Zürich  10.  Jan.  1530:  237  f. 
Basel  März  1530 :  238—240. 
Basel  16.  Juni  1530:  240f. 
Zürich  21.  Juli  1530:  242f. 
Basel    Novemb.     1580:    242. 

254.  255  ff.  264.  273  f. 
Basel   12.    Febr.    1531:    430 
bis  433. 
Elisabeth,  Herzogin  von  Sachsen, 
Brief  an  Landgr.  Philipp  461  f. 
Ernst    von    Lüneburg    439f. 

446. 
Eusebius,  die  Disposition  des 
8.  Buches  seiner  K.-G.  586—591 ; 
über  die  Stelle  H.  E.  VUI,  18, 
8:  591—595;  über  den  Codex 
Norfolciensis  592—594. 

Farel  575.  583. 

Farnese,  Cardinal  Alessandro, 
Depeschen  Contarini's  an  ihn 
150— 184. 522 (vgl. 309f.);  desgl. 
Morone's  609  —  617.  618—623. 
624—627.  630f.  642f.  644—645; 
Tomma8oCampeggi's648f.;  Ber- 
nardo  Santio's  623 f.;  Memoriale 
Pflug's  für  ihn  617f. 

Ferdinand  L:  Mitteilungen  über 
ihn  in  Depeschen  610.  618.  619. 
641.  644;  Morone  über  seine  Ver- 
handlungen mit  dem  Kaiser  in 
Innsbruck  1563:  655f. 


Ferreri,  Bonifazio,  Cardinal,  an 

Brief   Contarini^s    an    ihn    606 

(vgl.  499). 
Fla  vi  er,  über  ihr  Verhältnis  zun 

Christentum  472—474. 
de  F 1  i  s  c  0 ,  Cardinal,  Brief  Georges 

von  Sachsen  an  ihn  607  f. 
Frankfurter  Convent   (1589) 

326f. 
Franz  L,   über  die  Bemühungen 

des  franzos.  Hofes,   die  Begen»- 

burger  Ausgleichsversuche  (1541) 

zu  vereiteln  504  f. 
Friedrich   von   der  Pfalz  in 

R^nsburg  1541:  158.  161.170. 

615.  624.  639. 

St.  Gallen  (Beformation)  56dflE: 

Genf  im  Ref. -Zeitalter  574.  576. 
579  ff 

Gentiiis,  Valentin  582. 

Georg  von  Sachsen,  will  sich  1513 
auf  dem  5.  Laterancondl  ver- 
treten lassen  601—603;  5  Briefe 
desselben  in  dieser  Angelegenheit 
603—609. 

Gertrud  die  Grosse,  über  ihre 
Schriften  128f. 

Gertrud  von  Hackeborn  123 f. 

Gladiatorengrab,  Ein  christ- 
liches, aus  vorconstantinischer  Zeit 
659  f. 

Gobelinus  Persona,  sein  Ur- 
teil über  Urban  VI.  540. 

Gonzaga,  Ercole,  Cardinal, Briefe 
Contarini's  an  ihn  507.  510f.  — 
Vgl  654. 

Gottesfreund,  Der,  im  Ober- 
land, nicht  identisch  mit  I^oo- 
laus  von  Basel  182—184. 

Granvella  in  Begensburg  1541, 
Mitteilungen  über  ihn  in  Depe- 
schen und  Briefen  157.  159—161. 
168.  308.  610.  613.  614.  620. 
621-623.  625.  626.  631.  639. 

Graubündten  566. 

Gregor  von  Nazianz  841. 

Gregor  von  Nyssa  842f. 

Griechische  Kirche  s.  'Khcbe 
xmd  Symbolik. 

Griechisch-russische  Kirche» 
s.  Kirche. 

Grignano  (in  Worms  1545)  650 f. 

Groot,  Gerhard,  136. 

Gropper,  Johann,  522.680.  685. 
688;  von  Eck  zu  Begensburg 
angefeindet ,    Urteil    Contarini^s 


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REGISTER. 


673 


fiber  ihn  184;   über  seine  noch 
nngedmckte  Apologia  496. 
Gnise,  Karl  von,  Cardinal,   auf 
dem    Ooncil    von   Trient    1563: 
655.  657.  668. 

H  a  g  e  n  a  u ,  Versammlung  daselbst 
1540,  Nachrichten  Morone's  643 
bis  645. 

Hardenberg,  Albert,  briefl.  Er- 
wähnung 314  (vgl.  315). 

Heilsbronn,  Der  Mönch  von, 
über  seine  Schriften  125  f. 

Heinrich,  Herz,  von  Brannschweig, 
Ober  sein  Verhalten  in  Regens- 
bnrg  1541:  156.  161.  620.  622. 

Hermann,  Erzb.  von  Köln,  ein 
Brief  desselben  an  Contarini  522  f. ; 
Erwähnungen  in  Depeschen  und 
Briefen  163.  180.  313.  314. 

Hermansgrün,  Johann  Wolf 
(Lippold)  von,  über  seine  Person 
und  seine  politische  Denkschrift 
„Somnium"  (1495)  211  —  214. 
215. 

Hildegard,  Die  heilige,  über  ihre 
Schriften  122  f. 

Hoffmeister,  Johann,  Augusti- 
ner 485 — 491;  sein  Geburtsort 
485;  Schriften  desselben  486 f.; 
seine  Beurteilung  durch  Prote- 
stanten 490;  sein  Tod  490  f. 

Hülsemann  überdasSymb.ap.78. 

Hungarus,  Joseph.,  briefl.  Er- 
wähnung 313  f.  (vgl.  315). 

Hus,  zu  seinem  Kirchen-  und 
Staatsbegriff  120. 

Inschriften,  Christliche, 291  bis 

300.  475  f. 
Iren  aus,  über  seine  Stellung  in 

der  Geschichte    des   neutestam. 

Kanons  371  f.    (374.   378.   380. 

386f.).  395f.  403  f. 

Joachim  I.  von  Brandenburg  lässt 
sich  1513  auf  dem  5.  Lateran- 
concil  vertreten  601. 

Joachim  U.  von  Brandenburg 
635.  638.  642. 

Johann  von  Damaskus  344f. 

Johann,  Kurfürst  von  Sachsen, 
ist  gewillt  die  Schweizer,  falls 
sie  aie  Tetrapolitana  annehmen, 
in  den  evangelischen  Gesammt- 
bund  aufzunehmen  430;  vgl.  487; 


verhindert  den  Zusanmaenschluss 
mit  den  Schweizern  (Sommer 
1531)443—447  (vgl.  436— 438) ; 
ein  Brief  des  Landgr.  Philipp  an 
ihn  59 f.;  briefl.  Erwähnungen 
458.  459.  460.  461. 

J  u  1  i  u  s  U.  199  ff. ;  Schreiben  Georg's 
von  Sachsen  an  ihn  603  f. 

Justin  derMärtyrer,  sein  Tauf- 
symbol 1 — 27 ;  über  seine  Stellung 
zu  der  Geschichte  des  neutest. 
Kanons  369.  371.  (395.)  404. 


Kanon,  Der  neutestamentliche, 
zur  Entstehungsgeschichte  des- 
selben auf  Grund  des  Muratori- 
schen  Fragmentes  358—408. 

Kappeier  Schlacht,  ihre  Be- 
deutung 454—457. 

Karl  V.,  zu  seiner  Politik  von 
1529:  51 — 56;  seine  angeblichen 
Anschläge  226 f.,  vgl.  229.  231; 
zur  Politik  von  1530:  244—248, 
von  1531:  450.  —  Wünscht  die 
Entsendung  eines  hervorragenden 
Cardinais  zum  Wormser  Gespräch 
646  f.  —  Audienzen  Contarini*s 
bei  ihm  152—155.  162f.  17lf. 
175  f.  177  —  179.  182.  Fernere 
Mitteilungen  über  den  Kaiser  in 
Depeschen  aus  dem  Jahre  1541: 
167.  168.  181.  504  f.  510.  516. 
(612.  613f.  616).  621.  622 f.  624. 
625.  628f.  632.  (633.  634.)  635; 
aus  dem  Jahre  1545:  650  f.  — 
Briefl.  Erwähnung  457  (Phil.  v. 
HessenV 

Katakomben  276ff.  293f.  470. 
472.  474—476.  478.  483 f.;  Ab- 
leitung des  Wortes  catacumba 
276  f. 

Katechismus,  Der,  Calvin'svon 
1537:  573.  576—578. 

Katharertum  115. 

Kessler,  Joh.,  in  St.  Gallen 558. 
564. 

Kirche,  Griechisch -russische,  zu 
ihrer  Statistik  188  —  194;  grie- 
chische, zur  Symbolik  derselben 
329—357;  der  allgemeine  Cha- 
rakter wie  die  religiösen  und 
sittlichen  Eigentümlichkeiten  der 
griech.  K.  (die  griechisch -orien- 
talische Religionsbildung  und 
deren  Gang)  838—357. 

Kirchengesang  in  der  deutschen 


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674 


BEGI8TEB. 


Schweiz  566—558,  in  der  fran- 
zösischen 583  f. 
Knod,  Panl  302. 
Kölner  Bef ormationsord- 

nung,  briefl.  Erwähnung  313. 
Kreuz  478-481;  über  das  Kienz 

in  der  vorconstantinischen  Kirche 

479. 
Kreuzigung  480f. 
Kreuzigungs  darstell  nn  gen 

475. 
Kunst,    Christliche   280ir.    475. 

478.  479.  481  f. 
Kunsthass,  Der  angebliche,  der 

alten  Christen  482f. 

Lateranconcil,  Fünftes,  zur 
Geschichte  desselben  599—609. 

Lemnius,  Simon  566. 

Linus,  röm.  Bischof,  über  sein 
angebliches  Epitaph  295. 

Lothringen,  Der  Cardinal  von, 
s.  Guise. 

Ludwig  Xir.  200f. 

Luther,  zu  seiner  Bomreise  1 97  f. 
L.  in  Worms  307.  —  Briefe  des 
Myconius  an  ihn305— 30T.  327 f.; 
ein  Gedicht  auf  die  Verbrennung 
der  Bannbulle  dm*ch  Luther 
325  f.  —  Briefl.  Erwähnungen 
160.  313  (vgl.  315.)  632;  über 
Handschriften  der  Tischreden  305. 

Halachias,  s.  Propbetia. 

Mansfeld,  Graf  Albrecht  von, 
Haupt  der  sächsischen  Gesandt- 
schaft in  Augsburg  (1530),  regt 
den  Gedanken  eines  evangelischen 
Gresatmntbündnisses  aufs  neue  an 
2ö0ff. 

Manuel,  NicL.  570f. 

Marburger  Gespräch 29 f.  31f. 
45.  259.  üeber  eine  neue  Quelle 
zur  Geschichte  des  Gesprächs 
220.  Politische  Nebenabsichten 
Philipps  31  f.  49 f.;  politisches 
Ergebnis  50;  die  politischen  Ver- 
handlungen und  ihre  Bedeutung 
57-  62.  Zu  Marburg  der  Ent- 
wurf des  hes.sischen  Burgrechtes 
zu  Stande  gekommen  57 ff.,  die 
Grundlage  der  schmalkaldischen 
Bundesurkunde  58.  239  —  241 
(vgl.  256.  429  f.  438).  Die  Hoff- 
nung, mit  der  die  Schweizer  nach 
Marburg    kamen     (auch    Nord- 


dentsefaland  ifir  ihre  BefornuitioD 
zu  erobern),  auch  nach  don  Ge- 
sprädie  festgehalten  259  f 

Mar  gare  ihavon  Kentzing^n 
132  f. 

Marot,  Clement  583-585. 

Mfaximilian  I.,  sein  Plan  einer 
£archenreform  im  Jahre  1510: 
199-219.  -  Vgl.  599  f 

Mechtild  von  Hackeborn, Die 
beil.,  und  das  Mechtildenbuch 
124f. 

Mechtild  von  Helfta  und  ihre 
Schrift  125. 

Melanchthon,  sein  verletzendes 
Auftreten  gegen  die  Schweizer 
während  des  Augsburger  Reichs- 
tages 1530:  244  f.  (vgL  34. 
249).  —  Ein  Brief  Bocer's  an 
ihn  (1544)  312-314.  —  Mit- 
t^ungen  über  ihn  in  DepeacheR 
610.  629. 632. 638.  —  VgL  510. 
517.  520.  —  S.  Nausea. 

Mignanello,  päpstl.  Nuntiiu  in 
Worms  1545;  650  f. 

Mi  lieh,  briefl.  Erwähnung  313  L 
(vgl.  315). 

Mörikofex  555. 

Monogramm,  Das,  Christi  478. 
479  f. 

Mo n tan ism US 372 f.  (405.  4061). 

de  Monte,  Antonius,  Cardinal, 
Brief  Georg's  von  Sachsen  ut 
ihn  608  f. 

Morone,  Giovanni,  Bischof  von 
Modena,  497  f.,  wird  als  Nuntin» 
bei  Karl  V.  beglaubigt  155. 61If.; 
vgl.  156;  ist  Verfasser  der  von 
Raynaldus  einem  gewissen  Inter- 
nuntius Claudius  zugeschriebenen 
Depeschen  311  f;  vier  Depeschen 
aus  Wien,  Hagen  au  u.  Rastatt 
an  Famese  und  Cervini  1539 
und  1540:  642—645;  neun  De- 
peschen von  ihm  an  Famese  vom 
10.  März  bis  7.  April  1541: 
609-617.  618-623.  624— 62T^ 
630 f.;  sein  Bericht  über  das 
Tridentiner  Concil  (Januar  1564): 
653—658.  —  Varianten  zu  drei 
von  Ranke,  D.  G.  VI  mitgeteil- 
ten Depeschen  Morone's  651  bis 
653;  Brief  ßemardo  Santio*8  an 
Morone  645—648. 

Mosaiken,  Christliche  283—285. 

Muratorisches  Fragment, 
Abdruck  desselben  595 — 599;  das 


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BXßISTEB. 


675 


Mnratoriache  Fragment  und  die 
Entgtehnog  einer  Sammlung  apo- 
stoHscb  -  katholischer  Schriften 
368—408.  —  Ueber  die  Abfas- 
snngszeit  402  f. 

M urner,  Thora.,  572. 

Mus  ans,  Job.,  75  f.;  über  das 
Symb.  apost.  80  f. 

Mjconins,  Friedr.,  zwei  ^efe 
desselben  an  Lntber  306^807. 
326-328. 

Mystik,  Deutsche,  Arbeiten  zu 
ihwfr  Geschichte  121—138. 

Naboth,  Alexius,  804. 

N  a  u  s  e  a ,  Priedr.,  Bischof  von  Wien, 
ein  Brief  desselben  an  Contarini 
5 14 f.;  über  die  „privata  coUo- 
quia'*  mit  Melanchthon  u.  Bueer 
zu  Worms  514. 

Negri,  Qirolamo,  fünf  Briefe  des- 
selben aus  Regensburg,  April  u. 
Juni  1541:  627—680.  681-641. 

Nicolaus  Cabasilas  851  f. 

Nicolaus  Yon  Basel,  fälschlich 
mit  dem  Gottesftreund  im  Ober- 
land identificirt  132  f. 

Nicolaus  von  der  Flue  133f. 

Nicolaus  von  Methone  d49f. 

Nutze  1,  Georg,  Bruchstück  eines 
Briefes  desselben  490. 

Oberdeutschland,  s.  Reichs- 
städte. 

Oekolampad,  schwankende  Stel- 
la ng  gegenüber  der  Concordie 
mit  den  Sachsen  (1530)  260f.; 
sein  Verhalten  gegen  Schaflfbau- 
sen,  über  seine  angebliche  Milde 
265  f.  —  Vgl.  568. 

Päpstliches  Archiv  im  Mittel- 
alter, zu  seiner  Geschichte  139 
bis  145. 

Paulinische  Briefe,  Die,  im 
2.  Jahrb.  und  die  Entstehung  des 
neutest.  Kanons  374—388. 

Pellikan,  Konrad  567-5G9. 

Petronilla,  Die  beil.,  472f. 

Pflug,  JuHus,616.  630.  635.  638; 
sein  Memorisile  für  Famese  (März 
1541)  über  seine  Wahl  zum  Bi- 
schof von  Naumburg  617  f. 

Philipp  von  Hessen  u.  Zwingli 
28-62.  220—274.  429-463;  s. 
Zwingli.     —     Ph.'s    Bestreben, 


Dänemarks  Aufnahme  in  das  Burg- 
recht herbeizuführen  2281,  seine 
Bereitschaft  den  Schweizern  bei- 
zustehen, Verhandlungen  darüber 
mit  Ernst  von  Lüneburg  (Früh- 
jahr 1531)  439 f.;  seine  Bemü- 
hungen um  das  evangelische  Ge- 
sammtbündnis  1531 :  443  ff. ; 
spätere  Verhandlungen  mit  Zürich 
451  f.  —  BriefePh.'s:  an  Zwingli 
81,  an  Kurfürst  Johann  59  f., 
an  Jakob  Sturm  457—459.  Briefe 
an  Ph.:  von  Zwingli  33  f.  37. 
38  f.,  von  Brück  469—461,  von 
seiner  Schwester  Elisabeth  461  f. 
—  Mitteilungen  über  ihn  in  De- 
peschen und  Briefen  164.  167. 
505  (vgl.  502.  506).  620.  621  f. 
624.  626.  628.  629.  635.  638. 

Photius  337.  348. 

Pighius,  Albert,  Mitteilungen 
über  ihn  in  Depeschen  158.  173. 
616.  629.  635. 

Pisa,  Ooncil  daselbst  1511:  599 f. 

Platter,  Thomas,  5661  574. 

Pole,  Ronald,  494. 

Pompeji,  ob  Spuren  des  Christen- 
tnms  daselbst,  die  angebliche 
Christeninschrift  476—478. 

Propheten  und  Prophetie  im 
Fragm.  Murat.  und  im  2.  Jahrh. 
überhaupt  359.  362.  369-374; 
vgl.  390.  393.  4a5f. 

Prophetia  Malachiae  de  summis 
pontificibus,  über  Verfasser  und 
Zweck  dereelben  315—324. 

Psalter,  Der  hugenottische  583  f. 

Pseudo-Dionysius  347f. 

Quenstedt  über  das  Symb.  apost 
81  f. 

Raymnndus  Lullus  117. 

Rechtfertigungslehre,  Con- 
tarini über  seine  Zugeständnisse 
an  die  Protestanton  m  derselben 
515-519  (vgl  502);  Sadolet's 
Kritik  der  RBchtfertigungslehre 
Contarini's  502  f.  —  Vgl.  506. 
507. 

Reformation,  neuere  Literatur 
zur  Geschichte  der  Ref.  in  der 
Schweiz  547-585. 

Regensburger  Buch,  Mittei- 
lungen Contarini's  darüber  518. 
520  f.  —  Vgl.  641. 


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676 


REGISTER. 


Begensbnrger  CoDCordien- 
werk  YOD  1541,  Depeschen  und 
Briefe  150-184.  504-523.  609 
bis  641  (vgl.  308—312.  496  bis 
502).  —  Stellung  Bayerns  zn  ihm 
156  —  158.  164  —  166  n.  sonst 
(s.  Bayern);  Aeosserongen  Gran- 
vella's  159-161.  620.  621—623, 
de8CardinalAlbrechtl67.625t  — 
Contarinfs  Bericht  über  die  Er- 
öffnung des  Reichstages  172  (Tgl. 
624. 627 f.);  fiberdie  Einleitungen 
zum  Gespräch  630.  632.  635  f. 
637—639;  über  die  Verhandlun- 
gen im  Juli  180.  183;  Haltung 
Frankreichs  504  f. 

Begius,  ürbanus,  446. 

Reichsstädte,  Die  oberlän- 
dischen, 230.270ff.  430.  433!: 
438.  447.  453. 

Religionsphilosophie,  Arabi- 
sche und  jüdische:  die  Arbeiten 
zu  ihr  aus  den  Jahren  1875  bis 
1877 :  93-108. 

Rhenanus,  Beatus,  487 f. 

Ritter,  Erasmus,  Vertreter  der 
schweizerischen  Reformation  in 
Schaffhausen  261.  263.  264.  265. 

Ruoleman  Merswin  131. 

Sachsen,  Verhalten  zu  Augsburg 
1530:  249 ff.,  im  Jahre  1531: 
436-438.  443.  445-447. 

Sadolet  497.  501:  Auszüge  aus 
seiner  Kritik  der  Rechtfertigungs- 
lehre Contarini's  502  f. 

Salat,  Job.,  549.  560.  572. 

Santio,  Bemardo,  Bischof  von 
Aquila,  Brief  desselben  an  Morone 
aus  Utrecht  (15.  Aug.  1540) 
645  —  648,  an  Famese  (?)  aus 
Regensburg  (5.  April  1541)  623  f. 

Sarkophagreliefs,  Christliche 
286 ff.;  gallische  286 f.;  zu  Sy- 
rakus  287 f.;  zu  Rom  288 f. 
291.  —  Vgl.  473.  474. 

Sayn  -  Wittgenstein,  Georg, 
Graf  von,  523. 

Schaffhausen,  sein  Schwanken 
zwischen  der  sächsischen  xmd 
schweizerisch.  Reformation  1530: 
261—265. 


Sohmalkaldischer  Bund,  Ver- 
hältnis der  Schnudkaldiflchen 
Bundesurkunde  zu  dem  1529  in 
Marburg  aufgesetzten  £nt¥mrf 
des  hessischen  Burgrechtes  58. 
239-241.  256.4291  438.463.  — 
Die  von  Sachsen  im  Octob.  1530 
gegebene  neue  Anregung  und  die 
Verhandlungen  darül^r  250—257, 
Stellung  Zwingli's  u.  der  Schwei- 
zer dazu  257—260.  267-274.  — 
Der  Tag  zu  Schmalkalden  Decemb. 
1530:  429.  Die  Verhandlungen 
über  den  Eintritt  der  Schweizer 
in  den  evangelischen  Gesammt- 
bund  (Febr.  1531)  430  ff".  Zweiter 
Bundestag  zu  Schmalkalden,  Wm 
1531:  438.  Dritte  Bundesvei^ 
Sammlung,  Juni  1531  zu  Frank- 
furt, Sachsen  verhindert  hier  den 
Zusammenschluss  mit  den  Schwei- 
zern 443-446  (vgl.  436—438). 
Der  Bund  droht  infolge  dessen 
wieder  auseinanderzugehen  447. 
Vierte  Versammlung.  Aug.  1531 
zu  Schmalkalden  450.  Zweite 
Frankfurter  Versammlung,  Decbr. 
1531 :  wirkliche  Aufrichtung  des 
Bundes,  Trennung  Deutschlands 
von  der  Schweiz  457. 

Schnepf,  Erhard,  446. 

Schönberg,  Nicolaus  von,  wird 
von  Georg  von  Sachsen  zu  seinem 
Procurator  auf  dem  5.  Lateran- 
concil  bestellt  602  f.  »);  Credenz- 
brief  für  ihn  604—606. 

Scholastik,  Die,  seit  Beginn  des 
13.  Jahrb.,  zu  ihrer  Geschichte 
108—121. 

Schweiz,  s.  Reformation. 

Scripturae  im  Fragm.  Mumt 
359.  362.  364f. 

Servet  579. 

Simon  Stylites  468. 

Sleidan  48.  185—188;  briefl. 
Erwähnung  314. 

Statistik,  zur  St.  der  griechisch- 
russischen Kirche  188 — 194. 

Strassburg  457 f.;  s.  auch  Burg- 
recht, Reichsstädte,  Jak.  Sturm. 

Sturm,  Jakob  39.  40.  41.  241. 
244  f.  254.  256.  430.  438.  445. 


1)  Zu  S.  602,  Anm.  5  ist  noch  hinzuzufügen:  über  sein  Verhalten 
auf  dem  Augsburger  Reichstag  (1518)  vgL  den  interessanten  Brief  Maxi- 
milian's  an  Sigismund  von  Polen  (Forsch,  z.  d.  Gesch.  XVIII,  640). 


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BE6ISTER. 


677 


448.  Ein  Brief  des  Landgrafen 
Philipp  an  ihn  457—459. 

Sturm,  Johann,  hriefl.  Erwähnung 
desselben  325  (vgl.  314). 

Snmmenhart,  Konrad,  121. 

Snso,  Heinrich,  über  sein  Brief- 
bnch  135  f. 

Symbolik,  zur  S.  der  griechischen 
Kirche329— 357;  über  die  Quellen 
der  Sjrmb.  der  griech.  Kirche 
332—337.  —  Allgemeines  über 
die  Symbolik,  besonders  über  ihre 
Aufgabe  und  ihre  Quellen  330 
bis  332,  über  Stoff  und  Methode 
337  f. 

Synkretismus  72ff.;  seine  Geg- 
ner 76  f. 

Syrien,  die  architektonischen  Mo- 
numente des  christL  Centralsyrien 
467—469. 

Tatian,  über  sein  Diatessaron 
400  f. 

Taufsymbol,  Das,  Justin's  des 
Märtyrers  1—27. 

Tauler  1271  134f.;  ob  Verfasser 
des  Buches:  „Nachfolgung  des 
armen  Lebens  Christi''  134. 

Tertullian,  zu  seiner  Stellung 
in  der  Geschichte  des  NTlichen 
Kanons  874. 378.  380.  386  f.  393. 
403f. 

Theophil  US,  zu  seiner  Stellung 
in  der  Geschichte  des  Kanons 
374.  393.  395. 

Thomas  von  Aquino,  zuseiner 
Ethik  111.  Staatslehre  117  f.; 
wie  er  die  Stelle  „  super  haue  pe- 
tram  aedificabo  ecclesiammeam" 
verstanden  195—197. 

Thomas  von  Kempen  137 f. 

Thurgau  563. 

Trieut,  Concil  daselbst,  über 
Quellen  zur  Geschichte  desselben 
494 f.;  ein  Bericht  Morone^s  (Ja- 
nuar 1564)  653—658;  zur  Vor- 
geschichte 650  f. 

Trutfetter,  Jodocus,  121. 

Ulm  230.272.434;  endliche  Durch- 
führung der  Reformation  (in 
schweizerischem  Sinne)  447—450. 

Ulrich  von  Würtemberg  28. 
49  f.  223.  Die  Angelegenheit 
seiner  Bückführung  46.  60.  2271 
4351  442.  451.  455. 

Zeitflohr.  f.  K.-0.  in,  4. 


ünionismus  des  17.  Jahrb.  72ff; 

seine  Gegner  76  f. 
Urban  VL,  Papst  409-428.  525 

bis  546. 

V  e  r  a  1 1 0 ,  Girol.,  Nuntius  bei  König 

Ferdinand  182.  516. 
Viret  583. 

Waiden  ser  115. 

Wallis,  zur  Ref.-Gesch.  dieses 
Kantons  567.  575. 

V.  Watt,  Joachim,  (Vadianus) 563. 
564-566. 

Wicliff,  zu  seinem  Kirchen-  und 
Staatsbegriff  120. 

Wiedertäufer,  briefl. Erwähnung 
462 ;  Wiedertäufer  in  Zürich  561  f. 

Wilhelm  von  Auvergne  117. 

Wimpheling,  erhält  von  Maxi- 
milian I.  den  Auftrag  ein  Gut- 
achten über  die  Kirchenreform 
zu  liefern  (1510)  203 ff.;  die 
schwächliche  Ausführung  des  Auf- 
trages 206—210.  214.  215;  über 
die  Zusammensetzung  und  die 
einzelnen  Bestandteile  des  Gut- 
achtens 217—219. 

W  i  0  n ,  Arnold,  nicht  Verfasser  der 
Prophetia  Malachiae  315  ff. 

Wirth,  Hans,  der  Untervogt  zu 
Stammheim,  seine  Hinrichtung 
554. 

Wormser  Colloquium  497£ 
514;  Depesche  Campeggi*s  aus 
Worms  (13.  Jan.  1541)  648  ü; 
zur  Vorgeschichte  d.  CoUoquiums 
645-647. 

Wormser  Reichstag  von  1545: 
650  f. 

Zürich  im  Beformationszeitalter 
220ff  227  f.  230.  240.  241  f. 
2541  256. 263f.  4391:  451f.  458. 
553  f.  558.  559.  560ff 

Zurkinden,  Nid.,  571. 

Zwingli  und  Landgraf  Philipp 
28-62.  220—274.  429-463.  — 
Ueber  ihren  Briefwechsel  28  bis 
44;  Chifferschlüssd  zu  demselben, 
s.  die  Schrifttafel  zu  S.  85,  vgl. 
35—37;  ihr  Freundschaftsbund 
und  ihre  weittragenden  politischen 
Pläne  und  Phantasieen  44 ff.; 
wer  von  beiden  ihr  Urheber? 
46 

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678 


REGISTER. 


46  ff.  Entscheidendfi  Bedeutung 
des  Aufenthaltes  Z/s  in  Stnss- 
bui^  Sept^b.  1529:  51—57; 
die  politischen  Abmachungen  zu 
Marburg  57 — 62.  Phantastische 
Politik  Z.'s  Octob.  1529  bis  Febr. 
1530:  221  f.  223-228  (Unter- 
handlung mit  Venedig  und  An- 
schlag gegen  den  Kaiser).  229 
bis 237  (Pianoines  ^anzösischen 
Bündnisses).  Seine  Haltung  wäh- 
rend des  Augsburger  Reichstages 
245 f.,  verschärft  die  Differenz 
mit  den  Wittenbergem  246.  Seine 
Zurückhaltung,  als  nach  dem 
Augsburger  ^ichstage  Ton  säch- 


sischer Seite  ein  eruigelisohes 
Gesammtbündnis  aufs  neue  an- 
geregt wird  248.  254.  257—200. 
267-274.  431.  432f.  435  f. 
(MotiTO  258—260.  263.  267  bis 
274).  Auftreten  gegen  das  schwan- 
kende Schaffhausen  263 f.,  Ver- 
halten zu  Ulm  1531 :  447  f.  Nene 
V<vhandlungen  mit  Fnmkreich 
442  f  452.  Seine  letzten  Wochen, 
die  Kata8tn»>he  und  ihre  Folgen 
452-457.  —  Briefe  Z.'a  an 
Phüipp33f.  37.38f.,  vonPhiHpp 
an  Z.  31.  —  Briefl.  Erw&hnnng 
457.  —  VgL  noch  553.  557  f. 
5<J2.  563.  570. 


Druckfehler. 


S.  308,  Z.    6  T.  u.  Ues  28.  AprU  statt  IB.  April 
S.  312,  Z.  16  y.  0.  lies  existlt  statt  exiistit, 
S.  488,  Z.  11  V.  u.  lies  Treger  statt  Tweyer. 


Druck  rem  FiieAr.  Andr.  Perthes  in  Ooth». 


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ZEITSCHRIFT 

FÜR 


KIRCHENGESCHICHTE. 


IN  VEBBINDUNO  MIT 


D.W.GASS,  D.ESEHTEBund  D.  A.IIITSOHL 


HEBAUSOEGEBEN  VON 


D.  THEODOR  BRIE6ER, 

OROINTLICBBR  PR0PS8S0R  DKR    KIRCBUrOISCBICBTE  AN  DER  CNITIRSmT  HARBURG. 


m.  Band,  4.  Heft. 


GOTHA, 

FBIEDBICH   ANDREAS    PERTHES. 
1879. 


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Aus  dem  Prospect  vom  November  1875. 


„Die  Zeitschrift  für  Kirchengeschichte  will  in  enter  Linie 
der  streng  wissenschaftlichen,  methodischen  Forschnng  dienen. 
Aus  diesem  Grunde  werden  Untersiiohiuiseii  den  grössten  Teil 
des  Baumes  in  Anspruch  nehmen.  Ausserdem  aber  soll  die  Zeit- 
schrift noch  liefern: 

1)  Essays. 

2)  Krltisohe  Ueberslohten  über  die  Leistungen  auf  den 
yerschiedenen  kirchengeschichtlichen  Gebieten,  dazu  be- 
stimmt, periodisch  den  Fortschritt  der  Wissenschaft  wie 
auch  die  Lücken  der  Forschung  aufzuzeigen  und  zugleich 
regelmässige  Becensionen  einzelner  Bücher  entbehrlich  zu 
machen. 

3)  Analekten;  kürzere  Mitteilungen  über  neue  handschrift- 
liche und  monumentale  Funde;  bisher  nngedruckte  Quellen- 
stücke von  massigem  Umfange;  statistische  Nachrichten 
und  dergleichen. 

Mit  ganz  besonderer  Sorgfalt  wird  sich  die  Zeitschrift  ange- 
legen sein  lassen,  einen  lebendigen  Austausch  mit  der  allgemeinen 
Geschichtswissenschaft  zu  vermitteln.  Denn  so  unzweifelhaft  die 
Kirchen-Geschichte  berufen  und  befähigt  ist,  der  politischen  nicht 
unwesentliche  Dienste  zu  leisten,  so  gewiss  muss  sie  fort  und  fort 
die  ungemein  dankenswerten  Anregungen,  welche  seit  etwa  zwei 
Menschenaltem  ihr  yon  letzterer  dargeboten  werden,  sich  zu 
Nutze  machen.  Dass  grade  dieser  Teil  des  Programms  yerwirk- 
licht  werden  wird,  steht  um  so  zuversichtlicher  zu  hoffen,  als 
neben  den  hervorragendsten  Fachmännern  von  theologischer  Bil- 
dung auch  eine  grössere  Anzahl  der  berufensten  Vertreter  der 
politischen  Geschichte  ihre  Mitwirkung  zugesagt  hat. 

(Forts,  auf  S.  3  d.  ümschL 


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In  den  Namen  derjenigen  Herren  aber,  deren  Beirat  nnd 
Unterstützung  fOr  das  Geschäft  der  Herausgabe  gewonnen  ist, 
liegt  ebne  Zweifel  eine  hinreichende  Bürgschaft  daf&r,  dass  die 
Zeitschrift  nicht  nur  mit  der  nötigen  Umsicht  und  ohne  die  Vor- 
urteile eines  beschränkten  Parteistandpunktes  wird  geleitet  wer- 
den, sondern  auch  in  Bezug  auf  Sprache  und  Darstellung  den 
heutigen  Anforderungen  zu  genügen  bestrebt  sein  wird." 


Die  Zeitschrift  wird  auch  in  ihrem  HL  Bande  ihrem  bisher 
nach  Kräften  durchgeführten  Programm  treu  bleiben. 

Wenn  wir  uns  bei  ihrer  Begründung  bis  auf  weiteres  die 
Zwanglosigkeit  der  Hefte  vorbehalten  haben,  so  glauben  wir  bei 
dem  heutigen  Stande  der  kirchengeschichtlichen  Production  auch 
jetzt  noch  —  im  Interesse  der  Qediegenheit  des  Inhaltes  — 
an  dieser  Einrichtung  festhalten  zu  müssen,  ohne  darum  unser 
Bestreben  aufzugeben,  wo  möglich  jährlich  vier  Hefte  erscheinen 
zu  lassen. 

Nach  wie  Yor  werden  vier  Hefte  von  durchschnittlich  zehn 
Bogen  einen  Band  bilden. 

Einsendungen  sind  an  den  unterzeichneten  Herausgeber  nach 
Marburg  zu  richten. 

Mabbübg  und  Gotha,  Ende  December  1878. 


Der  Henosj^eber:  Der  Verleger: 

Prof.  Dr.  Th.  Brieger.         Friedr.  Andr.  Perthes. 


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Tnhalt, 


SeiU 


Untersneliiuigen  und  Essays: 

Th.  Lindner,  Papst  Urban  VI.  (zweite  Hälfte)    ...     .525 

Eritisclie  Uebersichten : 

Die  kirchengeschichtlichen  Arbeiten  der  letzten  Jahre: 
Gkschichte  der  Reformation  in  der  Schweiz  von 
R,  Staehelin 547 

Analekten : 

1.  Th.  BHeger,  Zu  Eusebius  H.  E.  Vni: 

I.  Eusebius*  Disposition  im   8.  Buche  der  Kirchen- 
geschichte   586 

2.  A,  Harnack,  Das  Muratorische  Fragm^it 595 

3.  Th,  Kolde,  Zum  V.  Lateranconcil 599 

4.  F.  SchiUtze,  Actenstücke  zur  deutschen  Reformations- 
geschichte: 

II.  Fünfzehn  Depeschen  aus  Regensburg  vom  10.  März 

bis  26.  Juni  1541 609 

in.  Depeschen  aus  Wien,  Hagenau,  Rastatt,  Utrecht, 

Worms  aus  den  Jahren  1539—1545 642 

5.  W,  Mawrenbrecher,  Morone's  Beriebt  über  das  Triden- 
tiner  Concil 653 

6.  Miscelle  von  F.  Sdhultze 659 

Register: 

I.  Verzeichnis  der  abgedruckten  Quellenstticke   ....    661 

II.  Verzeicbnis  der  besprochenep  Schriften 664 

UI.  Sach-  und  Namenregister 669 


Cc\c\ci\f       f 


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