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Full text of "Zeitschrift für Parasitenkunde"

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FIANRVENRDEUNIVERSEDN: 


LIBRARY 


OF THE 


MUSEUM OF COMPARATIVE ZOOLOGY. 


«J IV XL 


Zeitschrift für Parasitenkunde. 


Herausgegeben 


von 


Dr. E. Hallier, na Dr. F. A. Zurn, 


Professor der Botanik Medicinalassessor 
in Jena. 


Erster Band. 


' Mit,6 lithographischen Tafeln. 


ITBRURN 


dena, 
Miarurkfes Neil a & 
(Hermann Dufft). 


1869. 


BRN Gre! 
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Nor 
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; 
ae 


Inhalt. 


i. Original-Abhandlungen. 


Pfeiffer, L., Die Ruhrepidemie von 1868 in Weimar. 4 

Dränert, F. M., Bericht über die Krankheit des Zuckerrohrs. 

Hallier, E., Die Muscardine des Kiefernspinners. . 

Karsten, EN Ueber Exobasidium. . 

Hallier, E., layer: den Parasiten der Ruhr. : ; ae 

Hassenstein, Alkohol-Behandluug des Aspergillus g Heian § im äusseren 
Gehörgange. 6 

Lorent, E., Die ee ee des Milzbrandes hee m oh 

elie. Die Parasiten der Infektionskrankheiten. 

Bender, W., Blutuntersuchungen bei Milzbrand. . AA 

Zorn, I, Weber die Vorkehrungsmassregeln gegen die Gattine- rnipidenue! 

Been Ein neuer Ohrpilz. 5 

Hallier, Notiz zu vorstehender unbe, N 

Preuss, Ueber die kleinsten mikroskopischen nen insieramilere 
ar den Faulbrutpilz. 5 

Klotzsch, O., Untersuchungen über die Natur Her Be 
nungen. N 

Bender, Dr. ener ths Gift der Maul- ind! ee 

Hallier, E., De Parasiten der Infectionskrankheiten. 

ZO2R0%J., Weber mehrfach quertheilige und schieftheilige Schizospe 
an bei Puccinia graminis Pers. 

Zirn, F. A., Arbeiten der landwirthschaftlichen Teanhairken Tan, 
Anmeilans, für zoopathologische und zoophysiologische Versuche. 

Hagen, Dr., Zwei weitere Fälle von Ohrpilzen. . 

Hallier, E., Vorläufige Notiz zu vorstehender Arbeit. 

Umersperger, Dr., Ueber Haematuria brasiliensis. 


HE. Kurze Mittheilungen. 

Lindner, Ueber einen Typhusfall mit eigenthümlichen Gehirnsymptomen. 

Richter, H. E., Ueber Organismen in den geschlossenen Follikeln der 
Cowper’schen Drüsen und der Tonsillen. 

Infusorien als Hauptparasiten bei Süsswasserfischen. . 

Die Gattine der Seidenraupen in Pommern im Jahre 1868. 

Hallier, Untersuchung von Seidenraupeneiern. 

Zürn, Eandechen in der neueren Literatur über Eyam in aad ea 
en Körper unserer Haussäugethiere. . 


IV Inhalt. 


Seite 
Dränert, Weitere Mittheilungen über die Krankheit des Zuckerrohrs. . 212 
Hallier, Gegenerklärung. . . le 
Hallier, Die Cholera- rungen ee Engländer in n Ostindien! a il 
Hallier, Ueber eine Pilzepidemie der Nonne (Liparis monacha). . . . 219 
Zürn, andere (Hartseizun cs) tis. jet zul... 1) ee lee 220 
448. Literaturübersicht. ............ . . 91 226 
IV. Literarische Besprechungen........ . . 95 228 


W. AMZOCIE@Me 2... 2.0.20... foe uel ols eh CORO ROU 


I, 
Orieinal-Abhandlungen. 


Die Ruhrepidemie von 1868 in Weimar. 


Beiträge zur Aetiologie der Ruhr und zur Geschichte 
der Verbreitung derselben in Thüringen. 
Von 
Dr. Z. Pfeiffer in Weimar. 


Die Ruhr ist, auch nach dem Ausspruch älterer Beobachter, in 
Thüringen eine seltene Krankheit. C. W. Hufeland (Jena) schreibt 
1795: „Es gehen wohl 15—20 Jahre hin, ehe es zu einer Epidemie 
„kommt.“ C.W.Fuchs (Brotterode) im I. Bande des Janus: „Ruhr 
„ist bei 800 Fuss Meereshöhe selten. Im vorigen Jahrhundert soll 
„sie in dieser Höhe häufiger geherrscht haben, aber seit 50 Jahren 
„ist sie bei 1800’ Höhe nicht epidemisch und sporadisch gesehen 
„worden.“ Wie das Terrain, auf dem jetzt noch in Thürmgen das 
Wechselfieber vorkommt, sich in neuerer Zeit durch grosse Was- 
serbauten immer mehr verkleinert hat, so scheinen auch die ende- 
mischen Herde der Ruhr, die früher in und in der Nähe der Rie- 
der des Geraflusses und der Unstrut bestanden, jetzt ihre Be- 
deutung verloren zu haben. Sporadische Fälle kommen alljährlich 
im nördlichen Thüringer Flachlande vor, ein endemischer Herd 
aber, der ständig im Herbst eine grössere Anzahl von Ruhrerkran- 
kungen liefert, existirt erfahrungsgemäss in Thüringen nicht mehr. 

Aus früheren Zeiten liegen zahlreiche Berichte über ausgedehnte 
und heftige Epidemieen in Thüringen vor. Bereits 1666 war 
es bis zum Gebirge hinan stark befallen. Weitere Epidemieen 
sind beschrieben von Vesti, De dysent. epid. Erford. 1709. — 
Im Jahre 1726 scheint Thüringen nur wenig an der damals in 
Norddeutschland herrschenden Ruhr betheiligt gewesen zu sein. 
Um so schwerer heimgesucht ist es dagegen 1795 bis 1799, in 

ia 1 


2 L. Pfeiffer, 


welchen Jahren die Ruhr in einigen local eng begrenzten Gegenden 
Norddeutschlands (z. B. Holstein und Thüringen mit dem benach- 
barten Voigtlande) sich eingenistet hatte, ohne auf benachbarte 
Gegenden überzugreifen, trotzdem die vielen Truppenzüge, das 
Elend der Kriegszeiten u. s. f. die Bedingungen zu allgemeiner 
Ausbreitung gegeben haben könnten. 

Aus dem Jahre 1795 berichtet zunächst C. W. Hufeland, 
„Bemerkungen über die im Herbst 1795 in und bei Jena ausge- 
brochene Ruhrepidemie.“ (Hufeland’s Journal 1795 I. 8. 76), 
Wir lassen die Schilderung dieser auch nach unseren jetzigen An- 
forderungen musterhaft beobachteten Epidemie im Auszuge folgen. — 
Die Ruhr ist, sowie das Wechselfieber, hier in Jena sowohl, als 
auch in Weimar, eine seltene Krankheit und es gehen wohl 15— 
20 Jahre hin, ehe es zu einer wirklichen Epidemie kommt. — Im 
ganzen Land, welches grossentheils trockene, mehr gebirgige Luft 
hat, ist die Ruhr eine Seltenheit, ausgenommen das Amt Rudstedt, 
das die tiefste Lage und noch überdies einen See von 2 Stunden 
im Umfang hat. Hier ist die Ruhr einheimisch und grassirt fast 
alle Jahre, so gut wie Wechselfieber und Faulfieber. Die bevor- 
stehende Austrocknung des Sees wird, ausser andern Wohlthaten, 
auch höchst wahrscheinlich die Befreiung von diesen Krankheiten 
zur Folge haben. — Der Epidemie voraus gingen ein sehr starker 
Winter und wiederholte Ueberschwemmungen, wodurch in Jena 
und in den stark betroffenen Dörfern Burgau und Lobeda ein Theil 
der Häuser regelmässig unter Wasser gesetzt wird; diesmal einige 
Wochen lang. Der Sommer war durchgehends kühl und feucht. 
Zu Anfang August (Erntezeit) trat plötzlich 8 Tage lang heftige 
Hitze mit sehr kalten Nächten ein und ganz deutlich zeigten sich 
erst von dieser Zeit an die ersten Spuren der Ruhr. Die Obst- 
ernte war nicht gut, das Obst dem vorgerückten Herbst entspre- 
chend nicht reif genug. — In der Mitte des August traten nach 
vorausgegangenen Diarrhöen rasch gehäufte Ruhrfälle auf. Die 
Zahl der Kranken nahm immer mehr zu bis zum Ende September 
und war im October noch nicht zu Ende. — 

Jena selbst war nur in den ärmeren Klassen wenig befallen. 
Weit allgemeiner und gefährlicher trat sie auf dem Lande auf, 
namentlich in Burgau und Lobeda. Beide Orte liegen sich gegen- 
über an den Ufern der hier schmalen Saale. Lobeda zieht sich an 
einem Berge ziemlich steil hinan und beherbergt eine durchgehends 
arme Bevölkerung, die in unreiner Luft sich den Unterhalt mit 


Die Ruhrepidemie von 1868 in Weimar. 3 


Fabrikarbeit verdient. Hier, wo die Kranken meist in den ersten 
6—8 Tagen keine Hiilfe verlangten, wo Branntweingenuss die Krank- 
heit verschärfte, wo oft 4 und 5 Kranke in einem kleinen Raum 
eingeengt waren und durch ihre Ausleerungen die Luft verpeste- 
ten, hier konnte die Epidemie eine ausserordentliche Höhe errei- 
chen. Auf der Höhe der Epidemie hatte fast jedes Haus Ruhr- 
kranke und sind in Lobeda allein gegen 30 gestorben. — Hufe- 
land selbst behandelte 140. Von 90 Kranken der Klinik in Jena 
starben 8. 

Die Erscheinungen von Seiten des Darmes waren die gewöhn- 
lichen, doch in überaus heftigem Grade. Die Ausleerungen kamen 
so oft, dass bei hohen Graden des Uebels in 24 Stunden: 150—200 
gezählt wurden. Fieber war oftmals fehlend. Die gewöhnliche 
Dauer der Krankheit betrug 8S—9 Tage. Recidive wurden häufig 
beobachtet. In schweren Fällen Schwämmchen im Mund und am 
After. — Im Ganzen machte die Krankheit mehr Symptome des 
örtlichen Ergriffenseins von Rectum und Colon. Alle anderen Er- 
scheinungen: Fieber, Erbrechen, Entzündung waren mehr zufällig 
und unwesentlich. Hufeland betrachtet die fauligen, stinkenden 
Ausleerungen der Ruhrkranken als Träger des Contagiums und 
empfiehlt desshalb Vorsicht bei der Benutzung von Klystier- 
spritzen an. 

Das Hauptmittel H.’s war Nux vomica, welches nicht genug 
gerühmt werden kann (Ext. nuc. vomic. gr. J—jj), zugleich mit dem 
besten Erfolg in Bezug auf das Nichteintreten von Nachkrankheiten. 
Voraus geschickt wurde eine Ausleerung der ersten Wege. 

In den darauf folgenden Jahren scheint die Ruhr sich über 
das ganze nördliche Thüringen und das benachbarte Voigtland ° 
ausgedehnt zu haben, bis sie im Jahre 1799 auch das eigentliche 
Gebirgsland erreichte. Der Gang der Seuche war nach den ver- 
einzelten Correspondenzen in der Medicinischen Nationalzeitung 
folgender: 

1797. Gegend von Plauen und Gräfenthal stark befallen 
(Physikats-Bericht von Dr. Gräfe in Plauen. Med. Nat.- 
Zeitung Band 1799 S. 589). Es starben in Neukirchen, 
Erlbach, Adorf im August täglich 3—4. In Klingen- 
thal und Falkenstein waren im October von 184 Er- 
krankten 13 gestorben. — In Reichenbach und Umgang 
starben 7 von 74 Kranken. — Ebenso war Mühltroff im 
Voigtland stark befallen. 

ir 


4 L. Pfeiffer, 


1798.In Plauen im Juni, die Umgegend erst später. Nach dem 
Erlöschen der Ruhr im November trat Typhus auf. Med. 
Nat.-Zeitung 1798 S. 812. 
In Treuen starben im August viele, von October 
bis December von 79 +14. 
In Mühltrof und Langenbuch starben von 57 +4. 
In Falkenstein und Umgegend von October 


bis December von 67 + 10. 
In den Dörfern um Plauen von | 112 +13. 
In Reichenbach und Umgegend von 10348. 


(Von 418 Kranken waren 142 von der Obrigkeit als arm 
bezeichnet; gestorben waren meist Kinder und ältere Leute.) 

Hirschberg bis in den December hinein stark befallen. 
Der Ruhr folgte Typhus nach. 

Helmstadt (1798 Med. Nat.-Zeitung S. 607. Dr. Zinck) 
war vom Juli bis zum December stark befallen. Meist waren 
die ärmeren Klassen betroffen, die Mortalität war eine geringe. 

Gräfenthal und Umgegend im Juli stark befallen. Dr. 
Winkler Med. Nat. Zeitung pag. 618, schreibt: Da diese 
Krankheit bei uns leider vom grossen Haufen noch zu den 
entehrenden gerechnet wird, so wird sie so lange als möglich 
verborgen gehalten. Es starben einige. Im October folgte 
Typhus nach. 

Kahla bei Jena im August und September mit geringer 
Sterblichkeit (1799 Med. Nat.-Zeitung pag. 141). 

Gotha im Sommer. Zuerst waren in Tüttleben viele be- 
fallen, Mortalität daselbst hoch und Nachlass der Ruhr im 
August. Von da aus verbreitete sie ‘sich nach 8. in den 
Thüringer Wald, wo sie wegen der nachtheiligen und un- 
schicklichen Anwendung von Mitteln viel Verheerungen an- 
richtete. Es starben viel mehr Frauen als Männer. Mit 
Eintritt kühlerer Witterung trat im November Nachlass 
der Krankheit ein und sie erlosch ganz bei stärkerer Kälte. 
(Dr. Stammler, 1799, S. 301, der von 73 Kranken nur 
2 verlor.) 

1799. Plauen und Umgegend wieder im Herbst befallen, allem 
Anschein nach aber weniger stark. 

Eine gleichmässige, das ganze Land umgreifende Verbreitnng 

hat diesen Berichten nach die Ruhr nicht gehabt. Immer sind 

sprungweise einzelne Orte oder einzelne Complexe von Ortschaften 


Die Ruhrepidemie von 1868 in Weimar. D 


ergriffen worden, mit Verschontbleiben selbst naheliegender gün- 
stiger Infectionsobjecte. Mehrjähriges Nacheinanderbefallenwerden 
ist in verschiedenen Orten beobachtet worden. 

Die Durchschnittsmortalität berechnet sich für diese Epidemie 
nach den allerdings immerhin sparsamen Daten: 

für 1795 bis zu 8,9%, der Erkrankten, 

1797 bis zu 1120, Mi 

1798 bis zu 11,8%, ,, i 
doch wird dieselbe an vielen Orten, auf welche bei milderem 
Verlauf kein besonderes Augenmerk gerichtet worden ist, wohl viel 
niedriger gewesen sein. Viele Ruhrkranke sind sicher auch damals 
ohne Arzt gesund geworden. (Hirsch nimmt in seiner Historisch- 
geografischen Pathologie als Mittel für Norddeutschland eine Mor- 
talität von 6—7°/, der Erkrankten an. 50°/, ist wohl das Höchste, 
was bisher beobachtet ist, z. B. 1783 in Holland. — 20—30°/, 
gehört nicht mehr zu den Seltenheiten, z. B. 1799 im nördlichen 
Frankreich, 1765 in der Schweiz, 1825 und 1847 in Dublin, 1797 
und 1798 in Harburg und Kiel und in vielen neueren Epidemieen.) 

Die berichterstattenden Aerzte aus dem Ende des vorigen 
Jahrhunderts rühmen die Erfolge einer Behandlung mit ausleeren- 
den Mitteln und warnen vor dem frühzeitigen oder ausschliesslichen 
Gebrauche des Opiums — eine Erfahrung, die 1866 in der Epide- 
mie von Weimar sich nur wiederholt hat. 

- Seit diesen ausgedehnten Epidemieen am Schlusse des vorigen 
Jahrhunderts fehlen Berichte über weiteres Auftreten in Thüringen. 
Auch 1834, in welchem Jahre die Ruhr allgemein verbreitet war, 
ist Thüringen wohl nur ausnahmsweise betroffen. Die von Hufe- 
land oben angegebene Pause von 15—20 Jahren, die früher von 
einer Epidemie bis zum neuen Auftreten von der Seuche inne ge- 
halten wurde, hat sich demnach bis zur letzten Epidemie des 
Jahres 1868 mehr als verdreifacht, und wollen wir später einige 
Andeutungen über die Ursachen dieses Seltenerwerdens der Ruhr 
angeben. — 

1868 herrschte in Weimar die Ruhr in der Ausdehnung, 
dass ca. der 12. Einwohner davon befallen wurde. Sie nahm 
ihren Anfang am 15. Juni und erlosch als Epidemie gegen Mitte 
September, während vereinzelte Fülle noch bis zum December hin 
vorkamen. Die ersten Fälle ereigneten sich in den von den Aerz- 
ten Weimar’s als ungesundest bezeichneten Stadttheil, der bei dicht 
zusammenwohnendem Proletariat noch ausgezeichnet ist durch 


6 ive ferifer: 


Feuchtigkeit der Wohnungen und schlechte Abtritts- resp. Rein- 
lichkeitseinrichtungen überhaupt. Bereits 1866 hatte sich in dieser 
Gegend die Cholera ganz auffallend localisirt und waren im Sommer 
des Jahres 1867 vereinzelte Todesfälle von Ruhr vorgekommen. Am 
15. Juni 1868 kam in der Töpfergasse der erste Ruhrfall vor. 
Die weiteren, erst im Juli bei anhaltender Hitze vorkommenden 
Erkrankungsfälle kamen ebenso wieder zuerst in der Nachbarschaft 
dieses Stadtviertels vor und nur allmählig gegen Ende Juli und 
Anfang August waren entfernter liegende Strassen epidemisch be- 
fallen. Die Acme der Epidemie, mit langsamen Ansteigen und 
nachfolgenden raschen Abfall fällt auf Ende August (im Gegensatz 
zu den rasch ansteigenden und weniger steil abfallenden Curven, 
welche die Choleraepidemieen Thüringens für die Monate September 
und October ergeben haben). Von Ende August an erlosch die 
Epidemie bei dem Eintritt kühlerer Witterung fast plötzlich und 
zog sich mit ganz zerstreutem, unbedeutendem Aufflackern bis zum 
December hin. Entschieden blieb die Ruhr im Anfang auf den 
nördlichen Stadttheil isolirt und gelangte nur langsam in den Be- 
sitz der ganzen Stadt, auch der Theile, die bei Felsuntergrund, 
bei vorzüglichem Trinkwasser und sonstigen günstigen Verhältnis- 
sen eine Immunität gegen Cholera und Typhus zu besitzen schei- 
nen. Viele Beobachtungen sprechen dafür, dass bei dieser allge- 
meinen Verbreitung die directe Ansteckung am wesentlichsten mit 
betheiligt ist und eine stärkere Betonung des Contagiums in den 
Ausleerungen, wie es 1795 schon C. W. Hufeland von ganz 
anderen Gesichtspunkten aus gethan, wird sich nach den Unter- 
suchungen von Hallier ganz von selbst verstehen. — Die ersten 
100 Fälle, die Schreiber dieses beobachtet hat, vertheilen sich 
der Art, dass ca. 85 dem nördlichen Stadttheil angehören, der 
sein Trinkwasser aus einem porösen und stark imprägnirten Boden 
durch Pumpbrunnen bezieht, dessen Bevölkerungsdichte eine unver- 
hältnissmässig grosse ist, dessen Wohnverhältnisse zum Theil sehr 
ungünstige sind (in der Jacobsgasse, Breitenstrasse, Töpfergasse, 
am Thüringer Hof, am Viaduct u. s. w. giebt es viele Häuser, in 
denen man den Hofraum vom obern Stock aus betritt, so dass 
das Parterre unter dem Niveau der Abtritte liegt). Von 680 
Kranken, bei denen die Strasse angegeben, kommen 434 auf den 
sogenannten Cholera- und Typhusbezirk Weimars, während nur 246 
sich auf die übrige Stadt vertheilen. — Die Verbreitung über die 
Stadt zeigt im grossen Ganzen das Eigenthümliche, dass in den 


Die Ruhrepidemie von 1868 in Weimar. ¢ 


engsten und dichtest bevölkerten Strassen auch die meisten Er- 
krankungen statt hatten (Seifengasse, Deinhartsgasse *), Böttgers- 
gasse, Breitenstrasse, Gegend um den Thüringer Hof herum u.s. w.). 
Einzelne sehr enge und dicht bevölkerte Strassen blieben dagegen 
fast frei, z. B. Rosmaringasse, Teichgasse, Windischengasse. Die 
1866 von Cholera und ausserdem von Typhus oft heimgesuchte 
Brühlgasse und Wagnergasse sind 1868 nicht in gleichem Verhält- 
niss von Ruhr betroffen worden. Der vor dem Erfurter Thor ganz 
frei gelegene Sickmann’sche Garten, der in 4—5 Gartenhäuschen 
nur die ärmste Bevölkerung Weimars beherbergt, hatte allein 14 
Fälle, so dass die Dichte der Wohnungsverhältnisse nicht allein 
maassgebend sein kann. Fast ganz frei blieb der auf dem ande- 
ren Ilmufer liegende Casernenberg. Unter dem Militär ist kaum 
ein ausgesprochener Ruhrfall vorgekommen. Es ist dies Verhält- 
niss um so auffallender, als auch in Beziehung auf Typhus und 
Cholera die Bevölkerung des Casernenberges stets ein abweichen- 
des Verhalten gezeigt hat. — Typhusepidemieen verlaufen auf bei- 
den Ilmufern immer unabhängig und zeitlich geschieden von ein- 
ander. 

Von den 15,000 Einwohnern Weimars waren Ende August nach 
officieller Zählung 960 erkrankt. Diese Zählung geschah gerade, 
als die Epidemie ihren Höhenpunkt überstiegen hatte und kann 
man die Zahl aller in der Stadt Erkrankten zu ca. 1200 schätzen, 
so dass mindestens der 12. Einwohner betroffen ist. — Davon 
sind mindestens 50 gestorben. Bei der damals noch nicht beste- 
henden Einrichtung der Todtenscheine lässt sich hier nicht gut 
nachkommen. Wenn auf der einen Seite behauptet wurde, dass 
bei einer Behandlung mit Abführungsmitteln von 210 Ruhrpatienten 
nur 2 gestorben seien, so liegen auf der andern Seite auch wieder 
mehrfache Berichte vor, nach denen bei derselben Behandlung 
gegen 6—7°/, der Krankheit erlegen sind. Eine Schätzung der 
Mortalität ist nach solchen Angaben nur noch zu ermöglichen, 
wenn man die Durchschnittsmortalität der letzten Jahre als freilich 
ebenfalls ungenauen Maassstab anlegt. Das Jahr 1868 hat ein 
Plus der Durchschnittsmortalität ca. 50, wonach sich die Sterblich- 
keit zu 4—4!/,°/, berechnet. 

Die Vertheilung der Ruhr über die einzelnen Bewohner ist 
insofern von Interesse, als im Beginn fast ausnahmlos Kinder und 


*) In einem Hause mit 16 Einwohnern erkrankten 14 und starb 1. 


8 L. Pfeiffer, 


ältere Frauen ergriffen wurden. Auf der Höhe der Epidemie ist 
auch das männliche Geschlecht in den kräftigeren Lebensaltern 
mit betheiligt, aber immer in einem verhältnissmässig geringeren 
Grade. Die Todesfälle kommen vorzugsweise auf das Kinder- und 
Greisenalter. Auf der Höhe der Epidemie, mit vielen rapiden, fast 
choleraartig verlaufenden Fällen waren die mittleren Altersclassen 
am meisten gefährdet. — Die Desinfection mit Eisenvitriol und 
Carbolsäure, die schon im Jahre 1866 gar keine Erfolge aufzn- 
weisen hat, ist nach kurzem Versuche aufgegeben worden. 

In der Umgegend von Weimar sind zunächst die Im abwärts 
liegenden Dörfer Cromsdorf und Tiefurt stark befallen worden 
und in zweiter Reihe die anderen Dörfern, deren Arbeiterbevölke- 
rung einen regen Verkehr (Gelegenheit zur Ansteckung) mit Wei- 
mar unterhält, wie Schöndorf, Ober-Weimar, Ehringsdorf u. s. w. 
Die Mortalität ist auf dem Lande eine bedeutend höhere als in der 
Stadt. — Ausgedehnte Verbreitung hat die Ruhr ausserdem in 
vielen Dörfern in dem fruchtbaren Becken jenseits des Ettersber- 
ges, in Obringen, Sachsenhausen, Heichelheim u. s. w. gefunden. 
Auffallend bleibt das geringe Ergriffensein von Apolda, das Frei- 
bleiben von Erfurt und des Gerathales, während z.B. Erfurt immer 
für Thüringen der Ausgangspunkt der Cholera ist. 

Die therapeutischen Resultate sind, wie bei allen contagiös- 
miasmatischen Krankheiten, sehr zweifelhafter Natur. Durchgängig 
wurde von den Aerzten die Behandlung mit Abführmitteln im Be- 
ginn (Calomel, Nat. sulph., Nitrum, Säuren u. s. w.) gerühmt und 
die Opiatbehandlung als schädlich bezeichnet. — Die spätere 
Behandlung war eine rein symptomatische. Bei chronischer Fol- 
licularverschwirung hat Liquor Ferri sesquichlorati innerlich und 
im Clysma gute Dienste gethan. — 

Nach dem Erlöschen der Ruhr traten vereinzelte Typhen und 
- Halsentzündungen in nicht allzu grosser Menge auf. 


Der von vielen Seiten betonte Zusammenhang der Ruhr. mit 
Malaria lässt sich für Thüringen jetzt nicht mehr nachweisen. Die 
Gegend von Weimar ist jetzt absolut frei von Wechselfieber, wenn 
auch früher dasselbe bei noch vorhandenen Teichen in den alten 
Wallgräben zuweilen vorhanden gewesen sein soll. Die anderen 
in der Umgegend Weimars befallenen Orte sind ebenfalls frei und 


Die Ruhrepidemie von 1868 in Weimar. & 


aus den Wechselfieberorten im Norden Thüringens fehlen Nach- 
richten aus dem Jahre 1868 über das Vorkommen von Ruhr. 
Einzelne Notizen deuten darauf hin, dass die grosse Ruhrepidemie 
am Ende des vorigen Jahrhunderts von Wechselfiebern begleitet 
war. Dr. Müller in Plauen im Voistland: „Unter den hiesigen 
Frühlingskrankheiten kann ich noch Febres intermittentes rechnen, 
die aber nicht hartnäckig sind und bald dem Gebrauch der rothen 
Chinarinde weichen.“ Med. Nat.-Zeitung 1789 S. 480. Dr. 
Zincke in Hirschberg: „Einzelne Wechselfieber im Mai 1799. — 
Seit jener Zeit hat sich das Gebiet, auf dem Wechselfieber vorkam, 
sehr verkleinert. Erhebliche Sumpfstrecken sind ausgetrocknet 
und damit die Malaria verdrängt worden, z. B. Naumburg, Cöl- 
leda, Gerstungen, im Gerathal, so dass endemische Herde der Ma- 
laria gegenwärtig nur noch an der nördlichen Grenze von Thürin- 
gen zu finden sind. — Hierin mag der Grund liegen, warum die 
Ruhr jetzt um so viel mehr Zeit hat verstreichen lassen, ehe sie 
in Thüringen wieder zu epidemischem Auftreten gekommen ist. 
Die fortgeschrittene Cultur hat durch das Austrockenen von Süm- 
pfen die Malaria und die Ruhr verdrängt. 

Einige auffallende Beziehungen zwischen der: Verbreitung der 
Ruhr und auf der anderen Seite der des Typhus und der Cholera 
finden sich in Weimar. Wenn man auch aus dem eng begrenzten 
Rahmen einer Stadt von 15,000 Einwohnern sich mit der grössten 
Vorsicht verallgemeinerte Schlüsse erlauben darf, so haben sich 
doch im Auftreten der Cholera, des Typhus und der Ruhr so viele 
übereinstimmende Momente gezeigt, dass der Zufall nicht allein 
hier die Rolle gespielt haben kann. 

Die Stadt Weimar galt bis zum Jahre 1866 als eine sehr ge- 
sunde Stadt, deren Kalkboden als absoluter Schutz gegen alle 
Seuchen betrachtet wurde. Bei dem künstlich vermiedenen, in abge- 
legene Strassen verwiesenen und sparsam vorhandenen Proletariat 
war einem grossen Theil der Bevölkerung die Existenz von Typhus 
kaum bekannt, trotzdem schon früher von den Aerzten Weimars 
auf eine fortlaufende Kette von Typhusfällen in einem ganz be- 
stimmt abgegrenzten Bezirk Weimars aufmerksam gemacht worden 
war. Die Cholera des Jahres 1866 brachte den Bewohnern Wei- 
mars die überraschende Thatsache, dass -sich ein Theil der Stadt 
in hygieinisch ungünstigsten Verhältnissen befand resp. noch be- 
findet. Die Cholera localisirte sich streng in dem Stadttheile, der 
früher als Typhusbezirk bezeichnet worden war. Jenseits einer 


10 L. Pfeiffer, 


den Typhusbezirk eingrenzenden Linie kamen nur vereinzelte und 
nachweisbar verschleppte Cholerafälle vor. Kaum waren durch 
das relativ gesunde Jahr 1867 die Schrecken der Cholerazeit etwas 
vergessen, als 1868 wiederum von demselben Stadttheil die Ruhr 
ihren Ursprung nahm und von hier aus nach und nach die ganze 
Stadt tiberzog. Während Cholera und Typhus sich in localen 
Grenzen ihre Opfer in den ärmeren Volksklassen suchten, nahm 
die Ruhr nicht Rücksicht auf Wohnort, Stand u. s. w., sondern 
befiel gleichmässig auch die besser situirten Classsen. — Dieses 
dreimalige Nacheinanderbefallenwerden eines umschriebenen Stadt- 
theiles von Infectionskrankheiten, deren Entstehung man jetzt all- 
gemein auf locale Schädlichkeiten zurückführt, gebot eine Unter- 
suchung in’ Bezug auf die gemeinschaftliche Aetiologie dieser 
Seuchen. Der ärztliche Verein zu Weimar hat bereits kurz nach 
dem Auftreten der Cholera eine Zusammenstellung der möglichen 
localen Ursachen des Typhus und der Cholera veröffentlicht, die 
durch Herrn von Pettenkofer aus München, der auf Anregung 
der Magistrate von Weimar, Erfurt und Gotha im Januar 1867 
die von Cholera betroffeuen Gegenden bereiste, in allen wesent- 
lichen Punkten bestätigt wurde. — Auch für die epidemische 
Ruhr dürften die damals aufgestellten Schädlichkeitsquellen in glei- 
cher Weise wirksam gewesen sein und wiederholen wir kurz die 
bezüglichen Angaben, die ausführlicher in dem Berichte selbst 
nachgelesen werden können*). — Es muss hervorgehoben werden, 
dass für die Ruhr entschieden nach den Erfahrungen in Weimar 
ein viel grösseres Gewicht auf das contagiöse Moment gelegt 
werden muss, wie es unter Anderen z. B. schon C. W. Hufe- 
land am Ende des vorigen Jahrhunderts gethan hat. Nur auf 
die grössere Ansteckungsfähigkeit der fauligen, stinkenden Ruhr- 
dejectionen kann das Uebergreifen der Ruhr. auf früher von 
contagiösen Krankheiten fast ganz verschonte Stadttheile bezogen 
werden. | 

Die Stadt Weimar liegt wahrscheinlich ganz auf Keuperboden 
welcher in physicalischer Beziehung einem lockeren Thonboden 
gleicht. Der Keuperformation lagert sich im SW. der Stadt eine 
30—60 Fuss mächtige Felsenschicht von Süsswasserkalk auf. Der 


*) Die Cholera in Weimar 1866, Bericht des ärztl. Vereins. Weimar, In- 
dustriecomptoir. — Die Choleraverhältnisse Thüringens von L. Pfeiffer. 
München. Oldenbourg 1867. f 


Die Ruhrepidemie von 1868 in Weimar. 11 


am meisten ilmabwärts gelesene Theil der Stadt ruht auf Keuper, 
dem in geringer Mächtigkeit Geröll- und Erdgeschiebe der Ihm 
aufgelagert sind. Im ganzen nördlichen Theile der Stadt existirt 
bei 16— 30° Tiefe Grundwasser und liefert dasselbe das Getränk. 
Eine geologische Karte des Untergrundes der Stadt ergiebt die 
auffallende Thatsache, dass Cholera- und Typhusfälle da vorge- 
kommen sind, wo der Keuperboden nicht von Süsswasserkalkfelsen 
oder Lehm überlagert ist. Der hier im Frage kommende Bezirk, 
der alle Eigenthümlichkeiten bietet, wie sie von Pettenkofer für 
günstige Entwicklung des Cholera- und Typhusgiftes angegeben 
worden sind, besteht aus einer Anzahl muldenförmiger Ver- 
tiefungen, die von einer grösseren Erhöhung (am Thüringer Hof) 
aus sich gleichmässig und von ‘allen andern Seiten nach der Ver- 
einigung der Ilm mit dem Asbach zu senken und zum Theil sehr 
steil abfallen. Verschont von Cholera sind in diesem Cholerabe- 
zirk nur die Häuser geblieben, welche auf einer inmitten des- 
selben befindlichen Erhöhung gelegen sind. (Ruhr hat dagegen 
hier stark im spätern Verlaufe geherrscht.) — Laufende Brunnen 
existiren in diesem dicht bevölkerten Stadttheil, der in einigen ab- 
gelegenen Strassen das Hauptproletariat der Stadt enthält, nur 
wenige. Die Pumpbrunnen speisen sich aus dem Grundwasser, 
während der SW.-Stadttheil zum grössten Theil mit fliessendem 
Wasser versorgt ist und die wenigen sehr tiefen Pumpbrunnen durch 
die Süsswasserkalkschicht vor Verunreinigung geschützt sind. Der 
Untergrund des betroffenen Stadttheiles ist durch schechte Schwind- 
gruben und noch schlechtere Kanäle in eine schwarze, schmierige 
Thonmasse in 3—5 Fuss Tiefe verwandelt. Die Wohnungen sind 
zum Theil sehr feucht (halb in den Berg hinein gebaut) und über- 
völkert. 

In Bezug auf Typhus und Cholera sprechen die in Weimar 
und in analoger Weise im ganzen nördlichen Thüringen gemach- 
ten Erfahrungen dafür, dass bestimmte Feuchtigkeitsverhältnisse 
in und unter den Wohnungen den Hauptfactor für epidemische 
Auftreten abgeben. Mit geringen Abweichungen fanden sich die 
Pettenkoferischen örtlichen und zeitlichen Hülfsursachen in 
allen genau und gründlich untersuchten Epidemien vor. Für die 
Entstehnng der Ruhr mögen neben Berücksichtigung der anhaltend 
hohen Temperatur wesentlich dieselben Einflüsse sich geltend 
gemacht haben, mit dem Unterschied, dass die epidemische Ver- 


12 L. Pfeiffer, Die Rubrepidemie von 1868 in Weimar. 


breitung über von Cholera und Typhus verschonte Stadttheile 
auf Rechnung des stärker vorwaltenden contagiösen Momentes zu 
setzen ist. — Das seit beinahe 70 Jahren nicht erfolgte Auftreten 
der Ruhr in Thüringen trifft mit dem Verschwinden des Wechsel- 
fiebers in einem grossen Theil des nördlichen Thüringer Flach- 
landes zusammen. 


Bericht über die Krankheit des Zuckerrohres. 


Von 
Friedr. M. Dränert in Bahia. 


(Hierzu Figur A—C Tafel II.) 


Schon seit Jahren wird das Zuckerrohr in Brasilien von einer 
Krankheit befallen, deren Ursachen man auf die denkbarsten, 
widersprechendsten Weisen zu erklären versucht hat, ohne dem 
Uebel damit abzuhelfen. Auch von Cuba aus sind vor einigen 
Jahren Klagen über eine Zuckerkrankheit laut geworden, und in 
der Provinz S. Catharina hat man an verschiedenen Orten die 
Zuckerrohrcultur aufgeben müssen. Schon von Tschudi rieth 
den deutschen Colonisten in Südbrasilien, diese Cultur zu verlassen, 
und in der That mag ein Hinderniss des Gedeihens daselbst im 
Clima liegen, denn nach Beobachtungen auf der Colonie Blumenau 
vom August 1867 bis Juli 1868 beläuft sich die mittlere Jahres- 
wärme auf 21,50 C., während Saccharum off. eine mittlere Wärme 
von 24° C. erfordert. Auch ist wohl schwerlich zu erwarten, dass 
eine so saftreiche Pflanze, wie diese einer so niedern Temperatur 
von 4° C., wie sie am 23. August 1868 in jener Provinz beobach- 
tet worden und in der regnerischen Jahreszeit öfters beobachtet 
wird, ohne Schaden für die organische Thätigkeit ausgesetzt wer- 
den könne. Dessenohngeachtet wird von deutschen Colonisten jener 
Provinz die Zuckerrohreultur noch gepflegt und selbst als vortheil- 
haft empfohlen, während hingegen in der weit nördlicheren und 
wärmern Provinz Rio de Janeiro und deren Nachbarprovinzen der 
Kaffee vorgezogen wird. — In der Provinz Bahia, der bedeutend- 
sten Brasiliens für die Zuckerproduktion, da deren Landwirthe des 
Littorals sich fast ausschliesslich dem Anbau des Zuckerrohres 
widmen, ist seit ungefähr 6 Jahren die Zuckerrohrkrankheit in der 
gefahrdrohendsten Weise aufgetreten. In der Comarca von Nazareth, 
nahe der Stadt Bahia, sind seit 3 Jahren: die Ernten fast gänz- 
lich von dieser Krankheit vernichtet worden und seitdem hat die- 


6 


14 F. M. Dränert, 


selbe sich besonders im nördlichen Theile der Provinz verbreitet. 
Wiederholte Untersuchungen auf Anordnung des Gouvernements 
haben bisher noch zu keinem Resultate geführt. Man hat zwar 
neue Zuckerrohrvarietäten, unter andern eine recht saftreiche 
von Salangore eingeführt, die jedoch von der Krankheit keines- 
wegs ganz verschont geblieben sind, was sich trotz der ausser- 
ordentlichen Dürre (vom September 1868 bis Ende Januar 1869) 
schon herauszustellen beginnt. 

Meine Beobachtungen dieser Krankheit richteten sich zundiehet 
auf Untersuchungen der Insekten, die auf dem Zuckerrohr leben, 
da einige Commissionen und selbst Männer von Wissenschaft ihr 
Gutachten dahin abgegeben hatten, dass solche die Urheber der 
Krankheit seien. In dem Bericht einer Untersuchungscommission 
der Krankheit in der Provinz S. Catharina wird eine Schmetter- 
lingsraupe unter dem Namen ,,Borer“ als Krankheitsurheber be- 
zeichnet. Diese Raupe sowohl, als auch deren Puppe habe ich 
im Schafte des Rohres, doch nur selten gefunden. Die Raupe 
frisst sich von aussen in den Schaft des Rohres ein und verur- 
sacht Bohrgänge; in den obersten Gliedern des Schaftes finden 
sich sogar grössere Aushöhlungen, wodurch natürlich die weitere 
Vegetation verhindert wird, was auch stattfindet, wenn noch jun- 
ges Rohr durch dieselben Thiere angebohrt wird. Doch die letz- 
ten Aushöhlungen finden sich weit seltener und die 3—4 mm. 
im Durchmesser haltenden Bohrgänge im fast schon reifen, kräfti- 
gen Rohr, hindern — wenn auch häufig genug — durchaus nicht 
die Vegetation, obgleich durch den Zutritt der Luft und die darauf 
erfolgende Oxydation die umliegenden Zellenschichten Sich röthen 
und die Qualität des Zuckersaftes in Etwas beeinträchtigt wird. 
Trotz alledem liefert derart beschädigtes Zuckerrohr doch noch 
ganz guten Zucker, und aufmerksame Landleute haben auch schon 
längst ein davon sehr. verschiedenes Krankheitsmerkmal entdeckt. 

Ein anderes Insekt, das sich zuweilen sehr häufig zwischen 
der Blattscheide und dem Schafte des Rohres findet, ist das Weib- 
chen eines Coccus, welches in seiner one — so weit 
meine Beobachtungen reichen — im Allgemeinen mit den Uebrigen 
seiner Gattung übereinstimmt. Angenommen selbst, dass diese 
Thiere dem Blatte sowohl als auch dem Schafte einigen Saft ent- 
ziehen, so beweist doch die Erfahrung, dass der dadurch verur- 
sachte Schade zu gering ist, um die Zuckerentwickelung zu beein- 
trächtigen, und ausserdem ist das Vorhandensein von Coccus nicht 


« 


Bericht über die Krankheit des Zuckerrohres. 15 


die nothwendige Bedingung der Erscheinung jener oben schon be. 
rührten und seit 3 Jahren allgemein erkannten Krankheitsmerk- 
male. Ich habe Gelegenheit gehabt, von Coccus sehr angegriffene 
Zuckerrohrfelder zu beobachten, die trotz alledem guten Zucker 
geliefert haben, und auf denen — wie schon gesagt — kein Rohr 
mit dem Krankheitsmerkmale zu finden war. Irgend ein anderes 
schädliches Insekt, dass den Argwohn, die Krankheitsursache zu 
sein, auf sich ziehen könnte, ist zur Zeit trotz eifriger Nachfor- 
schungen noch nicht entdeckt worden. 

Als untrügliches Krankheitsmerkmal hingegen zeigt sich zu- 
nächst eine röthliche Färbung, an dem Holz- und umliegenden 
Cambiumgewebe des Knotens. Mit fortschreitender Krankheit ver- 
breitet sich diese Färbung in denselben Gefässen durch den ganzen 
Schaft, während das Parenchym zuerst noch seine natürliche Klar- 
heit beibehält. Bei vollständig entwickelter Krankheit fliesst aus 
diesen Gefässen eine geibe, dickflüssige Substanz heraus, die an der 
Luft erhärtet, aber sich im Wasser auflésst und unter dem Mikro- 
skop bei sehr starker Vergrösserung nur eiue körnige Struktur 
wahrnehmen lässt. Im Wasser aufgelöst zeigen sich in ungeordnete 
Haufen gelagerte oder perlschnurartig an einander gereihte sehr 
kleine Zellen, die in einer Zuckerlösung im Verlauf von 6—8 Tagen 
sich zu einer schönen Fadenalge entwickeln (siehe Zeichnung). Um 
mich zu versichern, dass dieselbe nicht durch Sporen aus der 
Luft eimgeführt worden ist, habe ich zu wiederholten Malen und 
an verschiedenen Orten Zuckerlösungen unter einer Glasglocke 
eine Zeitlang aufbewahrt, aber nie dergleichen Alge finden können, 
während aus jener gelben .Substanz in Zuckerlösungen sich stets 
die Alge entwickeit: Zur weiteren und untrüglichen Nachweisung 
des krankmachenden Einflusses dieser Alge ist mir es darnach ge- 
lungen, sie im krankeu Zuckerrohr selbst zu entdecken (31. Mai 
1868) und gleichfalls ihre Schwärmsporen zu beobachten, wie auch 
ihre fermentartige Wirkung bei der Fabrikation des Zuckers nach- 
zuweisen. Auf Zuckerrohrscheiben ausgesäete Sporangien ent- 
wickeln schon nach 1—2 Tagen schöne kleine Algen in dem Zell- 
gewebe. — Durch die derartig bewirkte Fermentation des von 
den Sporangien der Alge inficirten Zuckersaftes im Kessel, ent- 
wickeln sich besonders im Beginn der Wärmeentwicklung zum 
Zwecke des Versiedens Wasserstoff- und Kohlensäuregas mit sol- 
cher Heftigkeit und Schnelle, dass der Schaum in grosser Menge 
über die Ränder des Kessels strömt. Im weiteren Verlauf des 


16 F. M. Dranert, 


Versiedens bewirken die bei der Fermentation entwickelten orga- 
nischen Säuren eine Umwandlung in unkrystallisirbaren Zucker. 
Die äusserst geringe Quantität krystallisirbaren Zuckers — voraus- 
gesetzt, dass die Krankheit noch nicht zu. weit fortgeschritten war 
— ist sehr dunkel und von sehr schlechter Beschaffenheit. Es 
hat sich zugetragen, dass in den Formen, woraus die Melasse schon 
abgelaufen war, indem man — wie hier gebräuchlich — zur Raf- 
fination einen Thonbrei auflegte, von Neuem die Fermentation sich 
mit solcher Heftigkeit entwickelte, dass der wiedererweichte Zucker 
über die Ränder der Formen herausfloss. — 

Die Sporenzelle der Fadenalge hat „4, mm. im Durchmesser 
(A Taf. IL), während sich daraus theils verzweigte, theils un- 
verzweigte Algenfäden entwickeln von 5}, — 4, mm. Durchmesser 
und von verschiedener Länge (A—C Taf. II.). Ich unterscheide 
zwei Formen, die ich fast stets gleichzeitig beoachtet habe. Im 
jüngern Zustande beobachtet man zu einem Faden gereihte Mutter- 
zellen (B Taf. II.), die mit einer Menge Tochterzellen erfüllt sind; 
diese letzten strecken sich darauf zu einem Faden, bleiben aber 
zunächst noch von den Mutterzellen umschlossen. Die Bildung 
der Sporenzellen habe ich noch nicht beobachten können, halte je- 
doch für wahrscheinlich, dass die in der Mutterzellenmembran 
deutlich sichtbaren Zellen nach dem Schwinden derselben jene 
Sporenzellenmassen bilden, die ich einmal sogar an der Wandung 
einer von aussen gänzlich abgeschlossenen ungefähr 10 mm weiten 
Höhlung im Innern eines Zuckerrohrschaftes fand. Selbst in einem 
mittelst eines Korkes verschlossenen sehr kleinen Glascylinders, in 
den ich die gelben Sporenmassen aufbewahre, bedeckten sich die- 
selben bei feuchter Witterung mit einem weissen Puder, in welchem 
ich dieselben klemen Sporenzellen erkannte, die bei der Auflösung 
im Wasser erscheinen. Dieser weisse Sporenpuder kann sich mit 
Leichtigkeit durch die Luft verbreiten und durch die Bohrgänge 
der Insekten oder durch den Wurzelstock in den Körper des Roh- 
res eindringen. Der letzte Weg ist um so leichter zugänglich, als 
bei der hier sehr gebräuchlichen Pflanzung mit Augen (Gipfel des 
Schafts mit der Endknospe) diese eine Zeitlang unbedeckt: oder 
doch nur sehr wenig bedeckt der Luft und Feuchtigkeit ausgesetzt 
bleiben. — Dass Feuchtigkeit zur Verbreitung dieser Alge beiträgt, 
geht sowohl aus den hier erwähnten Beobachtungen, wie aus der 
Thatsache hervor, dass die Jahre, in denen die Krankheit die wei- 
teste Verbreitung erlangte, durch bedeutende Regenmengen ausge- 


Bericht über die Krankheit des Zuckerrohres. ie 


zeichnet waren, während in dem vergangenen Jahr bei ausserordent- 
licher Dürre die Klagen mehr und mehr verstummt sind. — Wir 
haben somit allen Grund, diese Zellenpfianze als die eigentliche 
Ursache der Zuckerrohrkrankheit anzusehen, da sogar im Beginn 
der Krankheit das Zuckerrohr noch kräftig fortvegetirt und erst 
später allmählig in dem Maasse abstirbt, als die Alge den Zucker- 
saft zersetzt und deren Sporenmassen in den Gefässen den Saftfluss 
verhindern; die Blätter vergilben und die Endknospe verfault zu- 
nächst. Um der Krankheit vorzubeugen, erkenne ich als das beste 
eine vernünftigere, den Erforschungen der Wissenschaft mehr ent- 
sprechendere Kultur, als sie leider in Brasilien herrscht, und wieder- 
holte Düngung von gebranntem Kalk, wie auch die Anwendung 
von Kalkmilch, mit der man die zu pflanzenden Schaftstücke oder 
Augen begiesst. — 
Bahia, den 14. Febr. 1869. 


Die Muscardine des Kiefernspinners. 


Im Auftrage der königl. preussischen Regierung zu Stettin und des 
königl. Finanz - Ministeriums zu Berlin untersucht 


von 
Ernst Hallier. 


Im Auftrage der königl. Regierung zu Stettin unternahm ich 
mit Freuden die Untersuchung der Ursache einer höchst interes- 
santen seuchenartigen Krankheit des Kiefernspinners, welcher sich 
in manchen Gegenden der norddeutschen Ebene so erstaunlich 
verbreitet hat. 

Das auf Anordnung der königl. Regierung mir zugesendete 
Untersuchungsmaterial war ein sehr reiches, denn es bestand aus 
Raupen nebst Zweigen der Kiefer aus den königl. Oberförstereien 
Pütt, Friedrichswalde, Neuenkrug, Friedrichsthal, Eggesin, Gross- 
Mützelburg und Kehrberg sowie aus dem Forstrevier Vogelsang. 
Dazu kamen noch Sendungen von Raupen aus den Stadtforsten 
von Usedom und Uckermünde und vom Rittergut Nadrensee. 

Ich ergreife gleich hier die Gelegenheit, denjenigen Herren, 
welche mich bei dieser Arbeit so freundlich unterstützten, meinen 
besten Dank *) auszusprechen, insbesondere den Herren Oberför- 
stern Correns zu Friedrichswalde, Middeldorpf zu Pütt, Wag- 
ner zu Neuenkrug, Schultz zu Friedrichsthal, Hahn zu Eggesin, 
Schmidt zu Gross-Mützelburg, Billich zu Kehrberg sowie dem 
Herrn Revierförster Zapp zu Vogelsang, dem Herrn Förster Ass- 
mann zu Uckermünde, dem Magistrat von Usedom und dem 
Herrn Rittergutsbesitzer Hüsenell. Die meisten dieser Herren 
sandten mir Hunderte, einige derselben Tausende von Raupen ein, 
so dass in der That die Untersuchung durch ein sehr reiches Ma- 
terial unterstützt wurde. Die Raupen befanden sich in sehr ver- 
schiedenem Zustande. Von den meisten Bezugsplätzen waren sie 


*) Seitdem sind mir noch mehre Sendungen zugegangen, für welche ich 
hiermit ebenfalls meinen besten Dank ausspreche. 


Die Muscardine des Kiefernspinners. tg) 


durchschnittlich klein und schlaff und, wie die Fütterungsversuche 
zeigten, wenig fresslustig. Durchschnittlich waren die kleineren 
Raupen am wenigsten lebendig und am stärksten von der Krank- 
heit ergriffen. 

Ein Theil der Raupen langte sogar todt bei mir an. Die 
Sendung aus der Oberforsterei Kehrberg bestand zu etwa 50 Pro- 
cent aus todten und sterbenden Raupen. Einem grossen Theile 
derselben konnte man ansehen, dass sie bereits im Winterlager 
gestorben waren. Solche im Winterlager verendete Raupen sind 
meist aufgerollt, steif und prall und oft mit einem zarten weissen 
Schimmel bedeckt; seltener sind sie ebenfalls steif, aber dabei ge- 
rade oder wenig gekrümmt. Sie haben in diesem Zustande die- 
selbe Lage, wie die an der Gattine gestorbenen Seidenraupen. 
Die unterwegs oder in meinen Zuchten gestorbenen Raupen dage- 
gen sind nur selten steif und prall, meist sind sie schlaff und sehr 
oft verwandelt sich der ganze Körper in eine braune jauchige Flüs- 
sigkeit von üblem Geruche. Sehr ‚selten sterben die Raupen in 
den Zuchten in aufgerollter Lage, bisweilen aber werden sie steif 
und zeigen Schimmelanfliige. Auch vielen lebenden Raupen der 
verschiedenen Sendungen sah man äusserlich ein entschieden ab- 
normes Verhalten an. Der Körper solcher kranken Raupen ist 
schlaff und gedehnt, ihre Bewegungen sind träge, ihre Fresslust ist 
vermindert oder ganz aufgehoben. 

Im allerschlechtesten Zustande befanden sich die Raupen von 
Kehrberg, demnächst diejenigen von Pitt, Friedrichswalde, Gross- 
Mützelburg und Nadrensee, ein etwas besseres Aussehen zeigten 
diejenigen von Vogelsang, Uckermünde und Usedom, am grössten 
und kräftigsten waren diejenigen von Neuenkrug, Eggesin und 
Friedrichsthal. 

Von den meisten Revieren wurden mir ausser den Raupen- 
auch Zweige eingesendet mit deutlichen Anzeichen des Raupen- 
frasses. Diese Zweige hatten zum Theil ein etwas kränkliches 
Ansehen, besonders diejenigen von Pütt und Friedrichswalde. Weit 
weniger ungesundes Ansehen hatten die von Vogelsang, Gross- 
Mützelburg, Friedrichsthal und Eggesin eingesandten Zweige; da- 
gegen zeigten diejenigen von Neuenkrug ein ziemlich schlechtes 
Aussehen. 

Die kranken Zweige unterschieden sich von den gesunden 
hauptsächlich durch kleinere, vergilbte Nadeln, durch einen schwärz- 
lichen Anflug, welcher das Holz, aber auch hie und da die Nadeln 

2: | 


20 Ernst Hallier, 


und besonders die Scheiden der Doppelnadeln bedeckte. Beson- 
ders häufig zeigten abgestorbene Nadeln diesen Anflug und nicht 
selten kleine, schwarze, mit blossem Auge kaum erkennbare Knöpf- 
chen, die ich als Früchte eines Pilzes erkannte. Es hatte, mit 
einem Worte, ganz den Anschein, als seien die Zweige zum Theil 
von einem Russthau befallen. Am meisten zeigten die Zweige von 
Pütt eine Infection mit Pilzfrüchten. Unter der Lupe zeigten sich 
ganz besonders die von einem Blattkissen bis zum folgenden herab- 
laufenden Rinnen mit kleinen, schwarzen, warzigen Punkten be- 
setzt, wie die Blätter, bald mehr, bald weniger. 

Herr Oberförster Middeldorpf hatte seiner Sendung auch 
einen Zweig mit Eiern beigefügt, deren Embryonen sich fast sämmt- 
lich noch im Ei befanden, aber im abgestorbenen Zustande. Man- 
che dieser Eier waren durchlöchert und der Embryo hatte das Ei 
zu verlassen gesucht, war aber bei’m ersten Versuch gestorben, 
so dass der kleine Raupenkörper sich noch halb im Ei befand, 
halb aus demselben hervorragte. Leider waren solche mit Eiern 
besetzten Zweige in grösserer Anzahl nicht mehr zu haben. Die 
Raupen, die Kiefernzweige und die erwähnten Eier mit ihren Em- 
bryonen wurden nun einer mikroskopischen Untersuchung unter- 
worfen, deren Resultate hier folgen. 


I. Voruntersuchung der Raupen. 


Wesentliche anatomische Veränderungen konnte ich an den 
Raupen durchaus nicht ‘wahrnehmen. Dagegen zeigten sich im 
Blut und im Darm mikroskopisch kleine Parasiten; dieselben ver- 
breiteten sich häufig auch auf und in den verschiedenen Geweben, 
besonders fand ich sie nicht selten in den Zellen des Fettkörpers, 
der Darmwände und der Malpighischen Gefässe, aber ganz beson- 
ders schön in den Muskeln. 

Zur genauen Kenntniss des Parasiten und seines Verhaltens 
zu den Blutkörpern ist vor allen Dingen eine gründliche Kenntniss 
der Blutkörperchen selbst nothwendig. Diese erscheinen, wenn 
kein Parasit vorhanden ist, wie Figur 5 es zeist. Es sind stark 
gewölbte Scheiben von trübe durchsichtiger Beschaffenheit, biswei- 
len äusserst feinkörnig. Sie ähnelu im Ganzen den weissen Blut- 
körpern des Menschen, sind aber stärker gewölbt und weniger 
granulirt. Ein grosser Theil dieser Blutkörper zeigt bei gesundem 
Verhalten des Blutes durchaus keinen besonderen Inhalt. Dage- 
gen finden sich neben diesen Blutkörpern stets andere vor, welche 


Die Muscardine des Kiefernspinners. 21 


sich durch starken Fettglanz auszeichnen (Fig. 3, a—h). Dieser 
Glanz tritt meistens am Rande stärker hervor als in der Mitte. 
Bei Untersuchung mit sehr starken Immersionssystemen zeigen 
diese Blutkörper eine Anzahl von Kernen, etwa 1—12 an der 
Zahl. Entweder liegen diese Kerne einzeln im Blutkörper zer- 
streut (d, f, g Fig. 3), oder sie sind vorzugsweise am Rande ring- 
förmig gruppirt (Fig. 3, c, g), oder endlich sie füllen das ganze 
Blutkörperchen aus (Fig. 3, a, ID, e, h). In diesem Falle sind sie 
oft so dicht zusammengedrängt, dass sie sich an einander abplat-. 
ten (Fig. 3, b). Sie besitzen sehr starken Glanz und man könnte 
geneigt sein, sie für blosse Fetttropfen zu halten, aber dagegen 
spricht der Umstand, dass sie bei angewendetem Druck ganz un- 
versehrt aus dem Blutkörperchen hervortreten (Fig. 3, ce) und, 
wenn nicht gerade mit einer Membran, doch mit einer derben 
äusseren Schicht umkleidet sind. Es gelingt auch bei’m stärksten 
Druck nicht leicht, diese Kerne zum Zusammenfliessen zu bringen. 
Sehr oft üben sie im unversehrten Blutkörperchen einen so star- 
ken Druck aus, dass sie dasselbe beträchtlich dehnen (Fig. 3, h), 
ja, man findet oft an den Blutkörpern die Membran fast verschwun- 
den, so dass die Kerne einen unregelmässigen oder rundlichen 
Haufen (Fig. 3, i) bilden. Diese Kerne enthalten reichlich Fett. 

Kaustisches Kali löst rasch die Kerne und dann allmählig die 
ganzen Blutkörper auf. In Alkohol sind dagegen die Kerne weder 
auflöslich, noch zerfliesslich. Auch durch Aether werden sie nicht 
ganz zerstört; sie sind also offenbar dem Blut der Raupe eigen- 
thümliche Formelemente. Nach Anwendung von Aether verschwin- 
det zwar das Fett, aber es bleibt eine zarte Hülle übrig. Häufig 
findet man auch im Blute einzelne frei schwimmende Fettkerne. 

Bei der Beschreibung dieser Kerne bin ich absichtlich aus- 
fiihrlich gewesen, weil Unkundige dieselben sehr leicht mit dem 
sogleich zu schildernden Parasiten verwechseln könnten. 

Es kommen nämlich bei vielen Raupen und ganz besonders 
bei denjenigen, welche ein schlaffes und träges Aeussere besitzen, 
kleine Pflanzenzellen in den Blutkörpern vor, welche im ausge- 
wachsenen Zustande die Grösse der erwähnten Kerne haben, oft 
aber so klein sind, dass sie bei einer 600fachen Systemvergrösse- 
rung punktförmig aussehen (Fig. 1, a—c, Fig. 3, d, f). Diese 
kleinen Pflanzenzellen finden sich sowohl in den kernlosen Blut- 
körpern (Fig. 1, a—c), als auch in den mit Fett erfüllten (Fig. 3, 
d, f). Natürlich sind sie im erstgenannten Falle weit leichter auf- 


22 Ernst Hallier, 


zufinden. Sind Fettkerne vorhanden, so sieht man sie deutlich 
nur bei sehr starken Vergrösserungen oder nach Anwendung von 
Kali *). 

Die erwähnten kleinen Pilanzenzellen sind, wie wir später se- 
hen werden, Pilzzellen, und zwar der Micrococcus, d. i. die Kern- 
hefe eines Pilzes, meist im Begriff, in Arthrococcus, d. i. Glieder- 
hefe, überzugehen. Die Zellen oder richtiger Kerne (Cocci) sind 
von verschiedener Grösse, von punktförmiger Kleinheit allmählig 
anschwellend. Die grössten unter ihnen sind entweder kugelig 
oder mehr oder weniger in die Länge gestreckt. Gar nicht selten 
sieht man solche ausgewachsene Individuen im Innern des Blut- 
körperchens in Theilung begriffen. 

Die mit Kernen versehenen Blutkörper zeigen die Hefe so- 
wohl zwischen den Fetttropfen, als innerhalb derselben (Fig. 3, a). 
Die fettlosen Blutkörper zeigen, wenn sie mit den Cocci versehen 
sind, oft seltsame fadenförmige Fortsätze (Fig. 2, a—d), bald re- 
gelmässig sternförmig angeordnet (Fig. 2, a, d), bald unregelmissig. 
Solche mit haarfeinen Cilien besetzten Blutkérper sind sehr häufig 
mit Cocci inficirt. Bewegung habe ich weder an diesen Blutkör- 
pern, noch an den feinen cilienähnlichen Fortsätzen jemals wahr- 
nehmen können. 

Wenn die Blutkörper einer Raupe mit den erwähnten Hefe- 
bildungen versehen sind, so ist es stets auch die Blutflüssigkeit 
und oft schwimmen im dieser ähnliche Hefegebilde in weit grösse- 
rer Menge frei umher, als man sie in den Blutkörpern antrifft 
(Fig. 4). In diesem Falle ist das mikroskopische Bild ganz be- 
sonders lehrreich. Man sieht den punktförmig klemen kugeligen 
Micrococcus (m Fig. 4) in allen Stadien der Ausbildung zum eiför- 
migen oder lanzettlichen Arthrococeus (a Fig. 4) begriffen. Sobald 
der Arthrococcus sich völlig ausgebildet hat, beginnt er die Zwei- 
theilung, wodurch er sich, wie die Kulturversuche zeigen, sehr 
rasch vermehrt. 

Noch mag bemerkt werden, dass das Blut der gesunden Rau- 
pen fast neutral, dasjenige der kranken Raupen dagegen stark 
sauer reagirt, es befindet sich in saurer Gährung. Es lag also 
von vornherein die Vermuthurg nahe, dass die Krankheit der 


*) Der Cytoblast des Blutkörperchens, welcher oft schon ohne Anwendung 
von Reagentien deutlich sichtbar ist, hat selbstverständlich mit den erwähnten 
Fettkörpern weder Achnlichkeit noch Verwandtschaft. 


Die Muscardine des Kiefernspinners. 23 


Raupen wesentlich in einer sauren Gährung des Blutes und viel- 
leicht des ganzen Körpers bestehe, und diese Vermuthung ward 
durch die weiter unten mitzutheilenden Kulturversuche vollkom- 
men bestätigt. 

Der Untersuchung des Blutes folgte zunächst eine Untersu- 
chung der verschiedensten Organe des Körpers der Raupen, um 
über den Ursprung der Hefebildungen, den Ort ihrer Einwande- 
rung in den Raupenkörper und ihre Verbreitung durch denselben 
eine bestimmte Ansicht zu gewinnen. 


Für die Einwanderung der Hefe in den Organismus der Raupe 
sind nur zwei Wege denkbar, denn eine Einwanderung durch Ver- 
mittelung der Tracheen ist von vornherein wenig wahrscheinlich 
und es zeigten sich dieselben bei der Untersuchung meistens völlig 
pilzfrei. 

Die beiden möglichen Wege sind: die Haut und die Mund- 
öffnung oder der After. 


Was die Haut der Raupen anlangt, so bleibt dieselbe, wie 
die mikroskopische Untersuchung zeigte, bis zum letzten Stadium 
der Krankheit meistens völlig gesund. Niemals fand ich in der 
Haut oder auf der Oberfläche derselben im Anfang der Krankheit 
Pilzbildungen. Höchstens liegen Sporen und andere Pilzzellen in 
einzelnen Fällen auf der Oberhaut, wie sie auf jedem dem Staube 
ausgesetzten Körper vorkommen. Diese bisweilen vorgefundenen 
Sporen fand ich aber seiten keimend oder gar in’s Innere mit 
ihren Keimschläuchen vordringend. Der sicherste Beweis aber 
dafür, dass bei dieser Krankheit der Pilz selten von der Oberhaut 
her eindringt, liegt darin, dass solche Raupen, deren Blut schon 
mit Hefezellen dicht erfüllt ist, oft noch keine Spur derselben im . 
Fettkörper unter der Oberhaut zeigen. 

Es bleibt also nur die zweite Möglichkeit übrig: dass näm- 
lich der Pilz durch den Mund in den Nahrungskanal eindringe. 

Um hierüber in’s Klare zu kommen, war bei den mir über- 
sendeten, zum Theil nüchternen Raupen zuvörderst eine genaue 
Untersuchung des Mastdarms und seines Inhaltes nothwendig. 
Ganz nüchterne Raupen haben meistens im Darm eine bräunliche, 
seltener gelbliche oder weissliche Fäkalmasse oder der Darm ist 
ganz leer. Die vorhandenen bräunlichen oder gelblichen Faeces 
fand ich bei allen Raupen, welche überhaupt Spuren der Erkran- 
kung zeigten, mit mannigfachen Pilzbildungen versehen, 


24 Ernst Hallier, 


Es soll hier ganz abgesehen werden von den Sporen und 
Conidien des Darminhalts, weil wir auf diese weiter unten zurück- 
kommen. Zunächst sei nur bemerkt, dass man an der Beschaffen- 
heit der Fäkalmassen und der darin befindlichen Organismen 
schon einen gewissen Anhalt gewinnt zur Beurtheilung des Ge- 
sundheitszustandes der Raupen. Völlig gesunde und mit gesundem 
Futter genährte Raupen haben überhaupt fast gar keine Pilzbil- 
dungen im Darminhalte, namentlich fehlen alle Hefebildungen. 
Sobald dagegen die Raupen zu erkranken beginnen, findet man 
im Darm Sporen, Mycelbildungen und massenhaft Hefegebilde. Die 
letztgenannten sind von ganz besonderem Interesse. 

Bei allen wirklich kranken oder mit krankem Futter genähr- 
ten Raupen findet man im Darminhalt massenhaft Kernhefe in 
allen Stadien des Ueberganges in Gliederhefe (Fig. 6), mit einem 
Wort, das Bild ist genau das nämliche, wie bei starker Erkran- 
kung im Blute. Hier wie dort zeigt sich bei sehr starken Ver- 
grösserungen der Micrococcus in Gestalt winziger kugelig-punkt- 
förmiger Cocci, welche’ sich allmählig strecken und miletät fast 
stabförmig erscheinen. Nun beginnen sie durch Quertheilung in 
Glieder zu zerfallen (Fig. 6), was indessen häufig auch schon bei 
nicht ausgewachsenen Individuen der Fall ist. Der Darminhalt 
reagirt sauer, wie das von Pilzen inficirte Blut; er ist unter dem 
Einfluss des sich bildenden Arthrococeus in saurer Gährung be- 
griffen. Kurz vor dem Tode der Raupe ändert sich häufig die 
Reaction, nämlich in allen denjenigen Fällen, wo die Raupe nicht 
erstarrt, sondern jauchig wird. In diesem Falle überwiegt zuletzt 
der Micrococcus im Raupensafte, d. h. die Raupe fault und sie 
reagirt alkalisch. 

Nun entsteht die Frage: Woher kommt der Mierococeus? 
Seine Entstehung aus den von der Raupe verschluckten Pilzsporen 
lässt sich unschwer verfolgen. Die Sporen und Conidien entlassen 
ihren Inhalt und gehen zu Grunde, während der körnige Inhalt 
fortvegetirt. 

Aber selbst das Plasma der hen bildet sich zu Micro- 
coccus aus, ja, nicht selten sieht man die kleinen Cocci innerhalb 
des Mutterfadens (a Fig. 7) zum Arthrococcus heranwachsen. 

Sehr oft befindet sich der Micrococcus innerhalb seiner Mut- 
terzelle in Theilung (m Fig. 7). Kann es wohl einen besseren 
Beweis für die Richtigkeit meiner Entwickelungsgeschichte dieser 
Hefebildungen geben? 


Die Muscardine des Kiefernspinners. 25 


Da der Darminhalt immer schon mit Hefe erfüllt ist, bevor 
sich in irgend einem Gewebetheil der Raupe diese Hefe nachweisen 
lässt, so folgt daraus abermals, dass der Darm die Krankheitsur- 
sache birgt, denn dass diese keine andere ist, als die Hefe, werden 
wir weiter unten sehen. 

Bei der Sektion einer ausserordentlich grossen Anzahl von 
taupen in verschiedenen Krankheitsstadien ergab sich, dass die 
erwähnten Hefebildungen vom Magen aus allmählig den ganzen 
Körper durchwandern. Die Hefebildung schreitet zunächst vom 
Mastdarm rückwärts bis zum Magen vor. Hier sieht man sehr 
bald die Magenwand mit Micrococcus belegt. Wenig später sieht 
man den Micrococcus innerhalb der Zellen in allen Stadien der 
Entwickelung zum eiförmigen, darauf lanzettlichen und zuletzt fast 
cylindrisch-stabférmigen Arthrococeus begriffen. 

Wir kommen sogleich genauer auf diese Bildungen zurück 
und erwähnen nur noch, dass sich um diese Zeit die ersten Spuren 
der Erkrankung des Blutes wahrnehmen lassen. In dem um diese 
Zeit untersuchten Blut findet man in der Regel nur winzig kleine 
kugelrunde Cocci (Micrococcus), seltener schon deutlichen Arthro- 
coccus in den frühesten Stadien der Entwickelung. Gewöhnlich 
ist das Bild der Blutkörperchen so, wie es die Figuren 1—3 an- 
deuten. Allmählig aber nimmt die Erkrankung des Blutes über- 
hand und man findet nun sowohl in den Blutkörpern als auch frei 
schwimmend den Arthrococcus. Das Blut reagirt jetzt sauer. 

Untersucht man in diesem Zustand den Nahrungskanal und 
seine Umgebung, so findet man meistens alle Gewebetheile mit 
Micrococcus und <Arthrococcus erfüllt. Besonders lehrreich hier- 
fiir sind die Muskeln, welche zuerst in der Nähe des Magens, dar- 
auf in derUmgebung des Mastdarms, zuletzt in der Umgebung der 
Speiseröhre infizirt werden. 

Figur 8 zeigt ein Fragment einer quergestreiften Muskelfaser 
mit den Parasiten im frühesten Entwickelungsstadium. Man er- 
blickt kleine Cocci (Micrococcus), welche sich durch Zweitheilung 
vermehren und zum Theil die Längsstreckung, d. h. Umbildung 
zum Arthrococcus, einleiten. In Figur 9 ist eine andere Faser ab- 
gebildet, innerhalb deren der Parasit sich schon völlig zum Arthro- 
coccus ausgebildet hat. Man findet aber anfänglich neben aus- 
sewachsenen Arthrococcus stets die früheren Entwickelungsstadien. 
Die Vermehrung und das Wachsthum geschehen immer in der 
Richtung der Längsachse der Faser, daher auch die Verbreitung. 


26 Ernst Hallier, 


Die Figuren 10 und 11 versinnlichen Arthrococcus - Bildungen, 
welche aus aufgelösten Muskeln zurückgeblieben sind. 

Wihrend des hier geschilderten Zustandes der Raupe, wir 
wiederholen es nochmals ausdriicklich, ist die Oberhaut sowie das 
unter ihr befindliche Fettgewebe noch völlig intakt, ja, bleibt es 
nicht selten bis zum Tode des Insekts. Bisweilen aber beginnt 
schon kurz vor dem Tode ein neues Krankheitsstadium. Tritt 
der Tod ein, ohne dass der Parasit bis in die Nähe der Oberhaut 
vordringt, so zeigt er im Blut und in den Geweben bis zuletzt 
keine anderen als die schon erwähnten Formen, d. h. man sieht 
eiförmige oder lanzettliche Hefezellen (Arthrococcus), welche aus 
kleinen Kernen (Cocci), also aus Micrococcus, hervorgehen. 

Fassen wir das Bisherige zusammen, so besteht die geschil- 
derte Krankheit in einer sauren Gährung des Magen- und Darm- 
inhaltes, des Blutes und des ganzen Gewebes, eingeleitet durch 
den Arthrococcus eines Pilzes. Die Krankheit ist also mit keiner 
der bisher genauer bekannt gewordenen Insektenkrankheiten ver- 
wandt ausser mit der Gattine der Seidenraupen und in der That 
haben die Arthrococcus-Zellen einige Aehnlichkeit mit den Körpern 
des Cornalia, von denen ich nachgewiesen habe*), dass sie nichts 
Anderes sind als der Arthrococcus von Pleospora herbarum Rab. 
Worin die Gährung bestehe, ob es Milchsäuregährung ist oder 
irgend eine andere saure Gährung, das ist hier wie dort weiter 
zu untersuchen. Nun entsteht zunächst die Frage: Wie entsteht 
der Arthrococcus, welcher die Kiefernspinnerkrankheit erzeugt, und 
welchem Pilz verdankt er seinen Ursprung? Zur Lösung dieser 
Frage führen zwei Wege: Kultur des in den Raupen vorgefundenen 
Arthrococcus und Micrococcus und genaue Untersuchung des Fut- 
ters der Raupen. / 

Für die Kulturversuche giebt die Krankheit selbst noch so 
bedeutungsvolle Anhaltepunkte, dass wir diese vor der Besprechung 
der Kulturversuche zu erwähnen haben. 

Kehren wir nochmals zur Untersuchnng des Blutes zurück. 
Es muss auffallen, dass die Blutkörper bis zum Ende der Krank- 
heit oft nur Micrococcus oder doch nur die ersten Stadien des 
Arthrococcus zeigen, während die Blutflüssigkeit selbst zuletzt von 


*) E. Hallier, Untersuchung des pflanzlichen Organismus, welcher die 
unter dem Namen Gattine bekannte Krankheit der Seidenraupen erzeugt. Aus 
dem Jahresbericht des Vereins zur Beförderung des Seidenbaues für die Prov. 
Brandenburg im Jahre 1867—1868. 


Die Muscardine des Kiefernspinners. 27 


der Gliederhefe wimmelt. So zeigt die Figur 12, b ein Blutkör- 
perchen, bei welchem die ölartige Materie der Kerne, die wir oben 
beschrieben haben, die natürlich nicht mit den eigentlichen Kytobla- 
sten verwechselt werden dürfen, durch Aether ausgezogen ist. Es 
tritt dann der Parasit in Gestalt äusserst zarter Cocci im Innern der 
erwähnten Fettkerne deutlich hervor. Bei Anwendung von Kali 
wird das Blutkörperchen vollständig zerstört, aber der Parasit bleibt 
anfänglich unangetastet. In Figur 12, a sieht man in einem Blut- 
körperchen Micrococcus, mehrfach in Zweitheilung begriffen und 
zum Theil zu Arthrococcus anschwellend. Auch in den amöben- 
artigen, mit Fortsätzen versehenen Blutkérpern (Fig. 18) sieht 
man häufig die ersten Stadien der Arthrococcus-Bildung. Seltener 
aber ist der Arthrococcus im Innern der Blutkörper völlig ausge- 
wachsen. Wahrscheinlich ist es daher, dass der Micrococcus die 
Blutkörperchen bald wieder verlässt und beim Zugrundegehen der- 
selben (a, c Fig. 3) frei wird. Dafür sprechen auch die später 
zu erwähnenden Kulturversuche. 

Wie dem auch sei, gewiss ist es, dass zuletzt in der Blut- 
flüssigkeit oft Massen von Arthrococcus schwimmen, während der- 
selbe in den Blutkörpern nur spärlich vertreten ist. 

In einzelnen Fällen bildet der Arthrococcus im Blut sich zu 
Ketten stabförmiger Glieder aus, welche immer wieder durch 
Quertheilung zerfallen. Er geht also dadurch in eine anäerophy- 
tische Morphe über mit Conidien-Bildung (Figur 14). Oft ver- 
zweigen sich sogar diese kettenförmigen Fäden und erzeugen an 
den Zweigenden neue Glieder oder Conidien (Fig.14). Diese Pilz- 
bildung tritt, wie gesagt, nur bisweilen, keineswegs immer, auf 
und bezeichnet den nahen Tod der Raupe. Montagne hat zuerst 
etwas Aehnliches beobachtet bei der Muscardine der Seidenraupen. 
Ebenso hat de Bary 1867 ähnliche Bildungen gesehen, aber 
durchaus falsch gedeutet. 

Natürlich würde es sehr gewagt sein, die erwähnten, aus dem 
Arthrococcus hervorgehenden, Keimlinge mit ihren Conidien für 
identisch mit denjenigen zu erklären, welche bei der Muscardine 
der Seidenraupen vorkommen, wenn nicht noch andere Formen 
der Botrytis Bassiana sich nachweisen lassen. 

In demjenigen Fall, welcher z. B. im Blut die in Figur 14 
gezeichneten Gebilde in grosser Menge zeigte, war die Oberhaut 
der Raupe noch völlig frei von Pilzbildungen, ebenso der Fettkör- 
per und die zunächst anliegenden Muskeln. Aehnlich fand ich es 


28 Ernst Hallier, 


in sehr zahlreichen Fällen: Darmwand, die Muskeln des Darmes 
und das Blut von Arthrococcus dicht erfüllt und dabei die Haut 
noch völlig intakt. 

Aber in einzelnen Fällen wird allerdings zuletzt der Fettkörper 
vom Pilz ergriffen. Nun keimen die Hefezellen und Ketten mas- 
senhafter, es bildet sich ein reiches Mycelium, welches bis an die 
Oberhaut vordringt, dieselbe aber gewöhnlich erst nach dem Tode 
der Raupe erreicht. Die Raupe wird starr und nach dem Tode 
tritt das Mycelium mit Aöroconidien an der Aussenfläche der Haut 
hervor. Vorher ist von einem Eindringen von Mycelium in die 
Haut meist gar nicht die Rede. Die hervortretenden mit Aéro- 
conidien versehenen Mycelfäden haben unverkennbar die Gestalt 
der Botrytis Bassiana Bals. (Stachylidium diffusum Ditm.), also 
des Pilzes der Muscardine. De Bary hat diesen Pilz und die 
ganze Krankheit, wie wir weiter unten begründen, so falsch und 
oberflächlich beschrieben, dass man nicht weiss, ob man mehr über 
die Leichtfertigkeit der Beobachtung oder über die Keckheit staunen 
soll, mit welcher dieser bekannte Mykolog, auf seinen verbreiteten 
Namen vertrauend, unrichtige Angaben als unumstössliche Wahr- 
heiten ausspricht. 

Die Aéroconidien treten an einem schneeweissen Filz meist in 
sehr zarter Form auf. Die Verzweigung der Hyphen ist die eines 
Stachylidium, meist opponirt oder in mehrzähligen Wirteln. Die 
Sporen entstehen am Ende von unten angeschwollenen Sterigmen 
(st. Fig. 15) in Ketten“). Wie bei allen Stachylidien, Acrostalag- 
men u. s. w. legen sich die Sporen oft kugelig zusammen, so dass 
man anfänglich glaubt, sie ständen in Köpfchen oder Wirteln 
(k Fig. 15) beisammen. Nicht immer ist die Verzweigung aber 
so regelmässig, oft unregelmässig büschelig, mehr einem Penicillium 
gleichend. Die Krankheit des Kiefernspinners ist also ähnlich der 
längst bekannten Muscardine, nur haben neuere Forscher über 
diese Krankheit gänzlich falsche Ansichten verbreitet, während 
doch schon Guérin-Méneville die Hefebildungen im Blut rich- 
tig erkannt hatte. Nach Guérin-Méneville ist Bail der Ein- 
zige, welcher die Hefe nicht übersehen hat, denn er. spricht be- 
stimmt bei der Muscardine von Zellen, welche den Körperchen 


*) Die Darstellung von de Bary (Botan. Zeitung 1367 Nr. 1—3) ist eben. 
so oberflächlich als unvollständig. Die Aéroconidien-Form von Fumago (Bo- 
trytis Bassiana) ist, wie schon Tulasne sehr richtig bemerkt, ungemein reich 
an Variationen. 


Die Muscardine des Kiefernspinners. 29 


des Cornalia ähnlich seien. Muscardine und Gattine, die beiden 
zuerst an der Seidenraupe bekannt gewordenen Pilze, sind also nahe 
verwandt, insofern analoge Hefegebilde als ursächliche Momente 
dabei auftreten. Wie wir weiter unten sehen werden, hat auch 
der Krankheitsverlauf in beiden Fällen sehr grosse Aehnlichkeit. 

Dass die Aéroconidien, also die Botrytis Bassiana Bals. nicht 
die einzige Form des Muscardine-Pilzes sind, lässt sich wohl von 
vornherein als wahrscheinlich annehmen. 

Nach meinen früheren Untersuchungen, welche sich denen von 
Tulasne eng anschliessen, stammen alle Hefebildungen und 
Schimmelbildungen von Ustilagineen oder Brandpilzen ab und diese 
sind nur untergeordnete Formen von Ascomyceten. Es fanden sich 
stets drei reife und drei ihnen entsprechende unreife oder Schim- 
melformen vor nach folgendem Schema: 

I. Reifer Ascomycet mit Asken, Pycniden oder Spermogonien u. 8. w. 
Il. 
reife Form 
Anäerosporen, Schizosporangien, Aérosporen, 
unreife Form 
Anäeroconidien, Thecaconidien, Aéroconidien. 

Nach diesem Schema gehören die beiden bis jetzt bekannten 
Formen zu den unreifen, nämlich die Botrytis (Stachylidium diffu- 
sum Ditm.) zu den Aéroconidien und die Cylinderconidien des 
Montagne zu den Anäeroconidien. 

Sämmtliche reife Formen und eine unreife Form wären also 
noch aufzufinden ausser dem Ascomyceten selbst. Bekanntlich 
kann jede der sechs unter Nr. II oben genannten Formen Hefe 
bilden und zwar Micrococcus, Cryptococcus und Arthrococcus. Zur 
möglichen Feststellung der Frage, ob die Aéroconidien wirklich 
einem Ascomyceten angehören, wurden Kulturen angestellt, über 
welche hier ausführlich berichtet werden soll. 

Vorher sei nur noch bemerkt, dass ich die nämlichen Pilz- 
bildungen, welche oben beschrieben wurden, nämlich Micrococcus 
mit allen Stufen der Ausbildung zum Arthrococcus, in den Puppen 
und in den Embryonen kranker Eier antraf. Die Krankheit ist 
also erblich wie die Gattine. 


Il. Kulturversuche mit dem pflanzlichen Organismus 
in den Raupen des Kiefernspinners. 


Es wurde zu diesen Versuchen hauptsächlich das infizirte © 


30 Ernst Hallier, 


Blut genommen, weil man hier am leichtesten die kleinen Pflan- 
zenzellen auf dem Objekttrager unter dem Mikroskop verfolgen 
konnte. Alle Keimungsversuche wurden auf dem Objektträger 
vorgenommen; die Organismen konnten so in ihrer Weiterent- 
wickelung am leichtesten und sichersten verfolgt werden. 

Liegen die Blutkörper der kranken Raupen in einer leicht 
sauer werdenden’ Flüssigkeit, so tritt schon nach wenigen Stunden 
saure Gährung ein und man sieht innerhalb des Blutkörperchens 
den Micrococcus sich zum Arthrococcus umbilden (Fig. 17, a,b), 
Bisweilen, wenn nämlich ein Blutkörperehen grade an der Ober- 
fläche liegt, keimen auch einzelne Cocci (b Fig. 17). 

Ist die Flüssigkeit sehr stickstoffreich, so bildet sich natürlich 
kein Arthrococcus aus, sondern der Micrococcus vermehrt sich im 
Innern des Blutkörperchens (Fig. 18, a, b) durch Zweitheilung, wo- 
durch in demselben kürzere und längere stäbchenförmige Kettchen, 
sogen. Bacterien, entstehen (a, b Fig. 18). Man kann sowohl 
die Vermehrung des Micrococcus als die Anschwellung desselben 
zum Arthrococcus nur einige Stunden hindurch, höchstens einen 
Tag, im Innern der Blutkörperchen verfolgen. Diese lösen sich 
nämlich unter dem Einfluss des Pilzes sehr bald vollständig auf 
(b Fig. 18) und man sieht nun einen rundeu Haufen von Pilzzellen 
ohne umgebende Hülle. Das Schicksal der so frei gewordenen 
Cocci ist nun ganz das nämliche wie dasjenige der gleich anfangs 
frei in der Blutflüssigkeit schwimmenden Hefe. Man sieht bei 
Neigung zur sauren Gährung aus dem Micrococcus überall Arthro_ 
coecus entstehen in der bekannten spindelig-lanzettlichen Form 
(e Fig. 18). An der Oberfläche bei nicht zu nassem Substrat 
treten dabei stets einzelne zarte Keimlinge auf (c Fig. 18). Ist 
dagegen die Flüssigkeit so zusammengesetzt, dass sie alkoholischer 
Gährung fähig ist, so bildet sich aus dem Micrococcus grosszelliger, 
eiförmig-kugeliger Cryptococcus (Fig. 20). So wurde z. B. der 
in Figur 20 abgebildete Cryptococcus aus dem Micrococcus des 
Raupenblutes in Malzdekokt gezogen, welcher dadurch in starke 
Gährung gerieth. Ist die angewendete Flüssigkeit sehr stickstofl- 
reich, so vermehrt sich der Micrococcus ungeheuer (b Fig. 22) 
und an der Oberfläche bleiben die bakterienartigen Kettchen (a 
Fig. 22) im Zusammenhang und zeigen sehr bald lebhafte Vibrio- 
nenbewegung. 

Häufig bemerkte ich bei’m Eintrocknen der Flüssigkeit an der 
Oberfläche Viertelung des Micrococcus (a—d Fig. 19), ganz ähnlich 


Die Muscardine des Kiefernspinners. 31 


wie bei der sogenannten Sarcina ventriculi. Die Cocci schwellen 
dabei sehr stark an und bilden Sporoiden (e Fig. 19), welche man 
leicht zur Keimung bringt. 

Ist der Kulturboden von vornherein keine Flüssigkeit, sondern 
eine trockne Substanz im feuchten Raume, so z. B. ein Pflanzen- 
gewebe, so schwillt der Micrococeus ohne Weiteres zu kugeligen 
Sporoiden an (a Fig. 25), welche, sobald sie ausgewachsen sind, 
zu keimen beginnen (b Fig. 25). Auf einem Boden, welcher der 
Verwesung günstig, also nicht zu trocken und dem Sauerstoff der 
Luft ausgesetzt ist, bildet der Keimfaden binnen wenigen Tagen 
einen Schimmelpilz, welcher ganz unverkennbar die Botrytis Bas- 
siana (Stachylidium) ist, entweder in der nämlichen Form wie 
auf der Raupenleiche (Fig. 15) oder mehr pinselig (Fig. 16), oder 
mit Köpfchen von spindeligen Conidien (Fig. 24), welche eigentlich 
Sterigmen ohne Sporenketten sind. Wird der Boden nasser, so 
wird die Verzweigung büschelig und die Zweige rücken mehr an’s 
Ende der Fäden (Fig. 26); nun erhält der Pilz mehr das Ansehen 
eines Penicillium. Penicillium ist, wie wir dem Pilzkenner kaum zu 
sagen brauchen, keine Pilzgattung oder Pilzspezies, sondern eine 
bei den Aöroconidien unzähliger Pilze wiederkehrende Form der 
Verzweigung, die gewöhnlich bei nassem Boden deutlich hervortritt. 

Aber auch bei dem typischen Stachylidium ist die Mannigfal- 
tigkeit der Formen ausserordentlich gross. Bei zarter Entwickelung 
wie auf der Aussenfläche des trocknen Raupenkörpers tritt die 
Form hervor mit kleinen kugeligen, kettenförmig gereihten Coni- 
dien an den Enden meist dreizählig gestellter Sterigmen (Fig. 15). 
Diese Form ist meist farblos, d. h. weiss. Auf üppigerem Boden 
wird der Pilz oft prachtvoll purpurn bis zinnoberroth gefärbt und 
sieht dem Acrostalagmus cinnabarinus sehr ähnlich. Auch blass- 
gelbe Farbe ist sehr häufig. Bei büscheliger oder pinseliger Ver- 
zweigung (Fig. 26) ist die Farbe der Conidien meist grünlich. 
Die Conidien werden dabei meist weit grösser. Ist der Pilz unter- 
getaucht, so zerfällt er bei saurer Gährung des Substrats auf die 
nämliche Weise in Glieder (Fig. 14) wie im Innern der Raupe. 
Aber das findet nur bei saurer Gährung statt und ist eine blosse 
Mittelform zwischen dem Arthrococeus und dem Pilz mit Anäero- 
conidien. Diese Formen beschreibt auch de Bary; wenn er aber 
behauptet, diese „Cylinderconidien“ treten jedes Mal beim Unter- 
getauchtsein des Pilzes hervor, so ist das unrichtig. Es hängt 
ganz vom Chemismus und von der Nässe des Bodens ab. Wenn 


32 Ernst Hallier, 


der Boden nicht in saurer Gährung begriffen ist, so kann sich ein 
reiches Mycelium bilden ohne jene Abschnürung, ,,Cylinderconidien“. 

Im Innern einer kräftig nährenden Substanz werden die Keim- 
linge weit kräftiger als im Blut der Raupe. Die keimenden Spo- 
roiden (Fig. 25) bilden, wenn die Substanz in Milchsäuregährung 
begriffen ist, eine in Glieder zerfallende sehr grosszellige Pflanze 
(Fig.23), deren Bruchstücke als sogenanntes „Oidium lactis“ (b—d 
Fig. 23) in der Flüssigkeit schwimmen. In einer weniger nassen und 
nicht gährenden Substanz bilden sich einzelne vorzugsweise end- 
ständige kugelige Glieder (Fig. 21) zu braunen Anäerosporen aus. 

Ehe ich weiter auf diese und andere Formen des Pilzes ein- 
gehe, mag ein Rückblick auf das Bisherige gethan werden. 

Wir haben gesehen, dass nicht nur auf dem Körper der Raupe 
nach deren Tode bisweilen der Pilz der Muscardine, nämlich die 
als Botrytis oder Stachylidium diffusum vielfach beschriebene Aéro- 
conidien-Pflanze entsteht, sondern dass dieselbe auch durch Kultur 
aus dem Micrococcus und Arthrococeus des Raupenblutes gezüchtet 
werden kann. Die Krankheit ist also sicherlich keine andere als 
die Muscardine, wie ich sie noch vor Kurzem bei Bombyx Jama 
Mai untersuchen konnte. 

Ueber den Ursprung der Botrytis Bassiana oder des Stachyli- 
dium haben die bis jetzt aufgeführten Versuche noch nichts er- 
kennen lassen, doch führte dahin eine grosse Anzahl weiterer Kul- 
turen. Zunächst bedarf es noch einer kurzen Mittheilung zur 
Vervollständigung der schon früher über die Aéroconidien bekann- 
ten Thatsachen. 

Schon Montagne (1835) kennt bei der Botrytis Bassiana 
zweierlei Fortflanzungszellen, nämlich erstens die traubenförmig-pin- 
selig geordneten Aéroconidien und eiförmig-stabförmigen Anäeroconi- 
dien. Vittadini hatte schon 1852 die richtige Vorstellung, dass 
diese letztgenannten Conidien nur eingetaucht oder vom Nährboden 
bedeckt zur normalen Ausbildung kommen. de Bary hat dieses 
höchst einfache und richtige Bild wieder vollständig verwirrt, in- 
dem er einen „typischen Generationswechsel“ zwischen A&roconi- 
dien und Anäeroconidien (,,Cylinderconidien“ de Bary’s) voraus- 
setzt. Natürlich kann bei diesen untergeordneten Formen von 
einem Generationswechsel im Sinne Steenstrup’s gar nicht die 
Rede sein, sondern höchstens von einem beweglichen Morphen- 
wechsel. de Bary hat aber auch gar keinen ernstlichen Versuch 
gemacht, seine Vermuthung durch’s Experiment zu stützen, denn 


Die Muscardine des Kiefernspinners. 33 


die von ihm „auf Glasplatten“ in Wasser unternommenen Kul- 
turen haben, wie seine Figuren 4, 5, 10 u. s. w. beweisen, nur 
verkümmerte, aber durchaus keine „typischen“ Exemplare ergeben 
und selbstverständlich können nur solche massgebend sein, wo es 
sich um Beurtheilung des Zusammenhanges der Formen handelt. 

Die Sache verhält sich viel einfacher. In einem kräftigen 
Nährboden keimen die Sporoiden (sp. Fig. 33) auf dem Objekt- 
träger ganz leicht und bringen vielfach verzweigte Fäden hervor. 
Das Exemplar, welches der Figur 33 zu Grunde gelegen hat, ist 
noch ein sehr einfaches. Soweit der Keimfaden untergetaucht oder 
auch nur in nasser Umgebung ist, hat er grosse Neigung, zu zer- 
fallen (u) oder Keimzellen (c) abzuschnüren. Diese haben unge- 
mein mannigfaltige Gestalten und sehr verschiedenen Ursprungs- 
ort je nach geringen physikalischen und chemischen Modifikationen 
des Nährbodens. Erheben die Zweige sich höher in die Luft oder 
wird die Umgebung trockner, so treten an den Enden anfangs 
einzelne, bald aber mehre, z. B. zwei wie in Fig. 32 q, drei (Fig. 
33 p.) oder viele (Fig. 33 s) spindelige Conidien auf. 

Anfänglich bleibt es bei dieser Conidienbildung (x Fig. 33), bald 
aber beginnen die spindeligen Zellen an ihren Enden zu sprossen 
(p, q, x, t, s Fig. 33) und bilden kettenförmig geordnete Aéroconi- 
dien. Die spindeligen Zellen werden dadurch also zu Sterigmen, 
welche anfänglich noch in dieser sehr einfachen und unvollkom- 
menen Form verharren, einer Form, welche ich mehrfach bei ab- 
gestorbenen Eiern von aus Japan importirtem Bombyx Jama Mai 
gesehen habe und zwar auf dem todten Embryo im Innern der 
völlig geschlossenen und pilzfreien Eischale. Es beweisen solche 
Exemplare wie das in Figur 32 abgebildete nicht nur den Zusam- 
menhang zwischen den Anäeroconidien und A&roconidien, sondern 
sie zeigen auch, dass zwischen beiden Formen alle möglichen 
Zwischenstufen gefunden werden, sobald die Pflanze sich aus einem 
nassen Nährboden in die Luft erhebt. 

Bei’m weiteren Verfolg der Kultur werden bei kräftiger Er- 
nährung auf nicht zu trocknem Boden die Mycelfäden kräftiger 
(Fig. 34) und bringen eine Püanze von etwas anderem Habitus 
hervor. Die kräftigsten Zweige (cl Fig. 54) bleiben kurz und ge- 
drungen und tragen unregelmässig geordnete Ketten ei-lanzettlicher, 
zuletzt kugeliger, dunkelbrauner Sporen (a sp Fig. 54). Diese 
Sporen sind offenbar die Aérosporen des Pilzes und man sieht 
nicht selten, wie die Figur 34 es deutlich zeigt, an demselben 

Tea 3 


34 Ernst Hallier, 


Faden Aérosporen und Aéroconidien (ac) vereinigt. Die Aéroco- 
nidien bilden sich stets aus, wenn der Boden in Verwesung geräth, 
also besonders leicht auf nassem Boden. Die Aéroconidien haben 
auch hier deutlich dreizählig wirtelige Verästelung (ac Fig. 34) 
und bilden an den Astenden zweiten Grades, die man als Sterig- 
men auffassen kann, durch Sprossung Ketten kugeliger oder kuge- 
lig-lanzettlicher Conidien aus. Diese sind farblos oder schwach 
grünlich, bräunlich oder röthlich gefärbt. Zwischen den Aéroco- 
nidien und Aérosporen kommen alle möglichen Zwischenstufen vor, 
wie wir deren eine sehr charakteristische in Figur 34 m. abge- 
bildet haben. Die gang unregelmässige Astbildung der Aérosporen 
macht allmählig der Wirtelstellung Platz. Die Sprossung ist noch 
wenig oder gar nicht ausgebildet, aber die unreifen Sporen (c Fig. 
34) werden langgestreckt und blass. Bei noch kräftigerer Aus- 
bildung nehmen die A&roconidien tragenden Pinsel die in Figur 35 
angedeutete Form an, d. h. sie bilden grosse Basidien auf langen 
Stielen mit einfachen oder verästelten Sterigmen, welche Ketten 
von kugelig-lanzettlichen, röthlichen (Chamois) Aéroconidien durch 
Sprossung (a Fig. 35) erzeugen. Diese Form der Aéroconidien, 
welche man nach der früheren Nomenklatur in die Gattung Asper- 
gillus gestellt haben würde, scheint die typische Form der Aéroco- 
nidien zu sein, sofern es überhaupt erlaubt ist, diesen Ausdruck 
zu gebrauchen, mit welchem so viel Missbrauch getrieben wird. 
Sobald die Aéroconidien in dieser kräftigen Form auftreten, sieht 
man an denjenigen Fäden, welche die grossen gestielten Basidien 
(b Fig. 35) erzeugen, zahlreiche Fusionen (f) und diese scheinen 
sogar zur vollkommenen Ausbildung der Basidien nothwendig zu 
sein. An den Conidien und Sterigmen kommen manche Abnormi- 
täten vor. Die Sterigmen treiben oft statt der Conidien-Kette (a) 
grosse blasige Auftreibungen (v Fig. 35), wie deren bei den Aéro- 
conidien von Eurotium herbariorum, welche früher unter dem 
Namen Aspergillus glaucus bekannt waren, schon von Fresenius”) 
aufgefunden worden sind. Aehnliche Auttreibungen der Sterigmen 
selbst sah ich**) bei den unter dem Namen Penicillium crustaceum 
früher bekannten Aéroconidien von Tilletia caries Tul. 


*) G. Fresenius, Beiträge zur Mykologie. Frankfurt a. M. 1850—1863. 
S. 82 Tafel 10 Figur 12. 

‘*) Archiv für mikroskopische Anatomie. 1866. Bd. II. Tafel V Figuren 
1—3, 6—10, 19—26. 


Die Muscardine des Kiefernspinners. aD 


Die zweite Abnormität unserer Pflanze besteht darin, dass bis- 
weilen die meisten Sterigmen fehlschlagen, statt deren aber einige 
wenige lange Aeste (s Fig. 35) mit einzelnen Conidienketten auf- 
treten. Diese Bildung deutet wohl nur die schwächliche Beschaf- 
fenheit und daraus hervorgehende Spaltung des Pinsels an, welche 
auch bei anderen Aéroconidien-Pinseln der früheren Gattung As- 
pergillus bekannt geworden ist”). 

Wie verhält sich nun aber die Stachylidium-Form zum voll- 
kommenen Aéroconidien-Pinsel, wie wir ihn in Figur 35 abgebildet 
haben? Vergleicht man die Figuren 33, 34, a ce und 35 mit ein- 
ander, so sieht man leicht, dass hier ein allmähliger Fortschritt 
zu einer bestimmteren Form hervortritt und in der That behalten 
die Aéroconidien-Pinsel die zarte Form der Figg. 15, 16, 24 und 
33 nur auf trocknem Boden, also bei mangelhafter Ernährung in 
feuchter Luft. Sobald solche Bedingungen eintreten, verkümmern 
die grossen Basidien, die Sterigmen werden langspindelig oder 
fadenförmig (Fig. 36) und tragen nun meist sehr zarte und 
farblose Aéroconidien-Ketten, welche durch Sprossung entstehen 
(Figg. 15, 16, 26 und 33) oder, aber weit seltener, stehen die 
Aéroconidien in succedanen Köpfchen, um mich de Bary’s Aus- 
drucks zu bedienen (Fig. 36). Der Unterschied zwischen succeda- 
nen Ketten und succedanen Köpfchen ist aber hier wie in vielen 
Fällen ein sehr unwesentlicher und beruht nur darauf, dass im 
ersten Fall der neue Spross genau an der Stelle des vorhergehen- 
den steht (Figg. 15, 16, 26, 33 p. t. s.), wogegen er im anderen Fall 
(Fig. 36 a—c) ein klein Weniges seitlich hervorkommt und daher 
die erste Sprosszelle (b Fig. 36) auf die Seite schiebt. Die folgende 
macht es ebenso, es stehen also nun zwei etwas seitlich (c Fig. 36) 
und so fort. In der Regel sind diese succedan in Köpfchen ge- 
bildeten Aéroconidien etwas länglich (Figg. 36, 24), bisweilen aber 
auch kugelig wie die kettenständigen. Bei schwacher Ernährung 
werden sie stets sehr zart und kleben zu kugeligen Ballen zu- 
sammen (c Fig. 37), so dass es aussieht, als lägen die Conidien 
in einer Kapsel. Sie sind aber so wenig im Zusammenhang, dass 
sie sofort nach allen Seiten zerstieben, sobald man irgend eine 
Flüssigkeit zusetzt und man sieht selten deutlich ihre Abschnü- 
rungsart (Fig. 37 k). Wenn es einmal glückt, dieselbe an jungen 


*) Vergl. u. A. meinen Artikel über die Stammbildung der Schimmelpilze, 
Bot. Zeitung 1866. Nr. 50 Tafel 13 Figg. 15, 22, 25, 26, 29, 30, 32. 7. 8. 


3° 


36 Ernst Hallier, 


Sterigmen deutlich zu machen, so erblickt man die Aéroconidien 
meist in succedanen Ketten (k Fig. 37), seltener in succedanen 
Köpfchen (Fig. 36). Diese kugelige Anhäufung der Aéroconidien 
findet bekanntlich bei allen denjenigen Formen statt, welche man 
früher in die Gattungen Stachylidium oder Acrostalagmus stellte. 
Bisweilen sieht man auch an den Hyphen und ihren Endigungen 
ganz unregelmässig auftretende Sprosszellen (Fig. 38) erster und 
zweiter Ordnung. 

Häufig findet Strangbildung des Mycelium (Fig. 41) durch Zu- 
sammenlegen einzelner oder zahlreicher Fäden statt. Der in Fi- 
gur 41 abgebildete Strang ist sehr lehrreich, weil die von ihm ab- 
zweigenden Fruchthyphen die mannigfaltigste Verästelung zeigen. 
Die einfach oder zwiefach dreigabelige Theilung ist aber hier wie 
immer bei dieser Form am häufigsten. 

Das Endresultat einer länger fortgesetzten Kultur ist in der 
Regel die Bildung sehr zarter Fäden mit unregelmässig gestellten 
spindeligen oder flaschenformigen Sterigmen (Fig. 45, vergl. auch 
Fig. 38) und einzeln, in Ketten oder in kleinen Köpfchen (k Fig. 
45) stehenden Conidien. Am häufigsten sind dieselben zu vier 
zusammengestellt (k Fig. 45). Diese zarte Form erhält man gleich 
von vornherein aus den Keimlingen, wenn man auf sehr magerem 
und rasch trocknendem Substrat kultivirt. 

Wir haben also Aérosporen und deren unreife Form oder 
Schimmelform, d. h. Aéroconidien unseres Pilzes kennen gelernt. 

Die aus der Keimung kräftiger Sporoiden (Fig. 21) hervor- 
gehenden Fäden mit Aérosporen bräunen sich (a sp Fig. 21), so- 
bald das Substrat ein kräftig nährendes ist und nicht in Ver- 
wesung oder Gährung geräth. Die Aérosporen zeigen von vorn- 
herein Neigung, sich quer zu theilen (a Fig. 21). Bei weiterer 
Entwickelung bilden sie durch fortgesetzte Quertheilung (a sp Fig. 
34) unregelmässig gestellte Ketten anfangs kugeliger, bei der Reife 
aber kugelig-lanzettlicher Zellen (a sp Fig. 34) und die sie tragen- 
den Fäden nehmen bestimmte Gestalt und dunkle Farbe an (cl 
Fig. 34). Bei noch weiterer Entwickelung bilden an den nämlichen 
Fäden einzelne Glieder mehrfache Theilungen (sch Fig. 39) und 
entwickeln sich dadurch zu Schizosporangien. Man sieht sehr 
häufig die Ketten (k Fig. 39) der Aérosporen unmittelbar neben 
den Schizosporangien an demselben Tragfaden entstehen. Die Schi- 
zosporangien entstehen zunächst dadurch, dass bei einer Doppel- 


Die Muscardine des Kiefernspinners. 37 


spore (a Fig. 21, k Fig. 39) jede Theilspore sich in eubscarnseset, 
ter Richtung theilt (sch Fig. 39). 

Oft bleibt es bei dieser ersten Theilung und es entstehen in 
grosser Anzahl rundlich-viereckige, vierkammerige Schizosporangien 
(Fig. 39), welche sich dunkelbraun farben,.zuletzt ganz undurch- 
sichtig sind und ein sehr derbes fein warziges Fpisporangium 
(sch Fig. 39) ausbilden. Oft aber wiederholt die Theilung sich 
mehrfach, wodurch sehr unregelmässige und kompakte Schizospo- 
rangien zur Ausbildung kommen. 

Sobald das Substrat in Verwesung geräth, hört die normale 
Ausbildung von Aérosporen und Schizosporangien auf. Für die 
Aérosporen haben wir das schon weiter oben (Fig. 34) kennen ge- 
lernt, indem wir sahen, dass je nach dem Feuchtigkeitsgrad und 
dem Chemismus des Substrates Aéroconidien in Gestalt succedaner 
Ketten oder succedaner Köpfchen an die Stelle jener treten. Der 
unreife Faden bildet ausserdem hie und da sehr langgliedrige oder 
fast ungegliederte Schläuche (Fig. 32), welche an den Zweigenden 
grosse Macroconidien (m Fig. 32) entwickeln. 

Keimen diese, so ist ihr Keimungsprodukt unmittelbar ein 
sehr kräftiger Mucor (Fig. 43) mit fast wirtelig gestellten Kapsel- 
trägern wie bei dem bekannten Rhizopus nigricans Ehrenb., mit 
welchem er auch die Wurzelfäden oder Saugfäden (rh Fig. 43) 
gemein hat. Er sieht diesem überhaupt sehr ähnlich, ist aber noch 
grösser und kräftiger, wie schon die bei sehr schwacher Vergrös- 
serung gezeichnete Figur 43 erkennen lässt. Seine Thecaconidien 
sind im ausgewachsenen Zustand violett (Fig. 44), mit derber Mem- 
bran und körnigem Inhalt versehen. Die Hyphen, besonders ‚die 
Kapselträger, sind tiefbraun. 

Saugfäden (s Fig. 32) kommen auch an der Vorbildung häu- 
fig vor, welche nur Macroconidien trägt. Diese zarten farblosen 
Saugfäden entwickeln sich um so üppiger, je nasser das Substrat 
ist, dagegen kommen die Kapseln auf nassem Substrat nicht zur 
völligen Entwickelung, ihre Conidien bleiben farblos und oft ent- 
hält die Kapsel gar keine Thecaconidien, sondern treibt besenförmig 
(rh Fig. 42) angeordnete Saugfäden. Dass die Theken mit den 
Thecaconidien in der That nichts Anderes sind als eine Schimmel- 
morphe der Schizosporangien, sieht man am Deutlichsten an den 
sehr seltenen Vorkommnissen, wie eines in Figur 40 abgebildet 
ist, wo nämlich ein reifender Faden mit Schizosporangien (sch Fig. 
40) zugleich Theken (th Fig. 40) mit mehr oder weniger vollkom- 


38 Ernst Hallier, 


menen, gewöhnlich aber verkiimmerten Thecasporen erzeugt. An 
dem betreffenden Exemplar fand sich eine Mittelform (sch d), ge- 
wissermassen ein zur völligen Reife gelangendes Schizosporangium, 
dessen Plasma sich durch simultane Theilung in Portionen trennte, 
ohne dass sich Scheidenwände ausbildeten. Die Schizosporangien 
keimen auf einem nassen Boden genau so, wie Tulasne es so 
schön abgebildet hat, indem die Spore aus jeder Kammer einen 
Keimfaden hervortreibt. Diese Fäden tragen auf nassem, leicht 
gihrendem Substrat, ohne sich vorher vielfach zu gliedern, Macro- 
conidien (Fig. 32) und oft sogleich Theken, stets aber an den 
Keimlingen der Macroconidien, wenn nicht das Substrat sauer ist. 

Die hier geschilderten und auf Tafel I Fig. 39, Tafel II Fig. 
40 abgebildeten Schizosporangien lassen sich unschwer als zur 
Fumago salicina gehörig erkennen und ebenso gehört die Aérospo- 
ren-Pflanze diesem Pilz an. Da es aber immerhin sehr bedenklich 
ist, blos nach den unbestimmten Formen von Schizosporangien 
und Aérosporen einen Pilz bestimmen zu wollen, so würde ich die 
bisher angeführten Formen noch nicht zu Fumago gezogen haben, 
hätten nicht die nämlichen braunen Mycelien, welche in den Kul- 
turen reife Schizosporangien und Aérosporen hervorbachten, auch 
nach kurzer Zeit die so charakteristischen, anfangs kugeligen, zu- 
letzt aber ganz unregelmässig gestalteten Pycniden der Fumago 
erzeugt. Ich komme auf diese weiter unten zurück und ebenso 
auf die der Form nach ähnlichen Perithecien. Für die unterge- 
ordneten Morphen habe ich nur noch eines Vorkommnisses zu er- 
wähnen, nämlich der Anäerosporen. 

Wie bei allen Pilzen, so hat nämlich auch hier das Keimungs- 
produkt der Sporoiden (Figg. 25, a. b, Fig. 21) verschiedene Form, 
jenachdem der Keimling an der Luft oder im Boden vegetirt. 

Nur die ersten Anfänge sind einander in beiden Fällen ziem- 
lich ähnlich, nämlich so, wie Figur 21 Taf. I sie andeutet. Es 
entstehen am Ende des Keimfadens und im Verlauf seiner Zweige 
kugelige Zellen, welche sich ein wenig in die Länge strecken und 
dann durch Scheidewandbildung (a Fig. 21) halbiren. Die in die 
Luft emporragenden Fäden tragen im Zustand der Reife jedoch 
Sporen, welche weit kleiner und nicht kugelig, sondern kugelig- 
lanzettlich sind (a sp Fig. 34), während bei den in das Substrat 
eindringenden Fäden die Sporen sehr gross und kugelig sind (e f 
Fig. 46 Taf. II). Sie stehen in langen, oft verästelten, immer 
sehr unregelmässig gestellten Ketten. Natürlich können .diese 


Die Muscardine des Kiefernspinners. 39 


Anäerosporen in der Natur nur in solchen Geweben vorkommen 
welche den Pilz von der Luft abschliessen, also z. B. nicht im In- 
nern der Blätter. Die Anäerosporen sind wie die Aérosporen 
dunkelbraun, ja schwarzbraun. Es bedarf bei’m Hinweis auf die 
Figur 46 e und f keiner besonderen Versicherung, dass hier eine 
Form aus der alten Ustilagineen-Gattung Ustilago vorliest. Grosse 
Aehnlichkeit haben die Sporen mit denjenigen von Ustilago Ur- 
ceolorum, nur sind sie so, wie sie in der Kultur entstehen, etwas 
kleiner als diese. 

Sobald der Boden gährt, kommen die Anäerosporen nicht 
mehr zur Reife; vielmehr bilden sie, wie in allen ähnlichen Fällen, 
Ketten grosser Macroconidien (ce, b, a Fig. 46), welche nicht selten 
lange, dünne fadenförmige Sprossen (g, h, i Fig. 46 Taf. II) trei- 
ben. Gewöhnlich theilen diese Sprossen an denEnden sich mehr- 
fach durch Scheidewände (k Fig. 46 Taf. II)- und zuletzt fallen 
solche vielkammerige Fadenbruchstücke (1 Fig. 46, II) in Gestalt 
der Conidien eines Fusidium oder Fusisporium ab. Der Zusam- 
menhang dieser Gebilde mit den Macroconidien ist längst bekannt, 
wenn auch keineswegs richtig gedeutet. So hat z. B. der allzu 
früh geschiedene treue Beobachter Hermann Schacht ihn bei 
der Nassfäule der Kartoffel gesehen und abgebildet). 

Bei zunehmender Nässe des Bodens und in Folge davon zu- 
nehmender Verwesung strecken sich die Fäden mehr und mehr 
und es bilden sich nnr noch einzelne endständige Macroconidien 
(m Fig. 46 Taf. I). Diese Form (m Fig. 46 Taf. ID), die wir schon 
in der Figur 32 m. kennen gelernt haben, und welche in sehr 
ähnlicher Weise bei allen Mucores (Thecaconidien) wiederkehrt, 
ist gewissermassen die typische Form für die Anäeroconidien und 
alle übrigen bis zu den einfach in Glieder zerfallenden Fäden (Oi- 
dium lactis auct. Fig. 23) und den zarten „Oylinderconidien“ (Fig. 
14) müssen als schwächliche oder, wenn man will, atypische Formen 
angesehen werden. Je flüssiger der Boden, um so zarter werden 
die Anäeroconidien. Keimen die Macroconidien, so bringen sie 
auf einigermassen trocknem Boden stets die prachtvollen Theken 
(Figg. 43, 40, 44, 42) hervor. Diese besitzen den ganzen Formen- 
reichthum, welchen Itzigsohn und nach ihm de Bary für Mu- 
cor mucedo Fres., d. h. fürdie Thecaconidien von Eurotium her- 


*) H. Schacht, Lehrbuch der Anatomie und Physiologie der Gewächse, 
Berlin 1859. II. Theil 5. 191 Figur 174. 


40 Ernst Hallier, 


bariorum Lk. nachgewiesen haben*). Ich führe, da eine vollstän- 
dige Erörterung dieser Formen hier zu weit führen würde, nur 
beispielsweise die kleinen in Figur 47 Taf. II abgebildeten einsei- 
tig angehefteten Sporangiolen an. Dieselben sind farblos wie ihre 
Thecaconidien und wie diese stets bei unvollkommener Entwicke- 
lung. Es sei hier gleich ganz im Allgemeinen darauf aufmerksam 
gemacht, dass es in den meisten Fällen ganz unmöglich ist, irgend 
einen Schimmelpilz bestimmen zu wollen, wenn man seine Herkunft 
nicht weiss, ganz besonders aber steigert sich die Schwierigkeit, 
wenn der Pilz nicht seine volle typische Entwickelung erlangt hat. 
Nach vorstehenden Mittheilungen dürfen wir wohl annehmen, 
dass der Pilz, welcher die Seuche des Kiefernspinners hervorruft, 
uns vollständig bekannt ist, denn wir haben alle drei Hefeformen: 
Micrococcus, Cryptococcus und Arthrococcus, alle drei Schimmel- 
formen: Aéroconidien, Thecaconidien und Anäeroconidien und die 
ihnen entsprechenden reifen Formen: Aérosporen, Schizosporangien 
und Anäerosporen gefunden. Auch die Pycniden wurden durch 
Kultur erzogen und nach diesen liess sich der Pilz als Fumago 
salicina bestimmen. Nach der früheren Nomenklatur würden die 
soeben genannten Formen, wenn wir von den Perithecien und 
Pycniden der Fumago absehen, folgendermassen bezeichnet sein: 


1. Aérosporen 2. Schizosporan- 3. Anäerosporen 
Cladosporium gien Ustilago spec. 

_ Fumago Lk. Stemphylium spec. 

1. Aéroconidien 3. Anäeroconidien 
Aspergillus spec. 2. Thecaconidien Fusidium spec. 
Stachylidium dif- | Rhizopus spec. Oidium spec. 


fusum Ditm. 
Botrytis Bassiana 
Bals. 
Penicillium spec. 
Ist nun, wie ja nach Obigem nicht bezweifelt werden kann, der 
Pilz der Muscardine, d. h. die Botrytis Bassiana Bals. in der That 
nichts Anderes als die Aéroconiden-Morphe von Fumago salicina, 
so muss sich nachweisen lassen, 1) wie die Raupen mit dem Micro- 
coccus und Arthrococcus der Fumago infizirt werden und 2) dass 
aus Fumago direkt die Botrytis Bassiana Bals., ja dass überhaupt 


*) Vgl. meine Gährungserscheinungen. Leipzig 1867. S. 110. 


Die Muscardine des Kiefernspinners. 41 


daraus jene sechs oben beschriebenen Formen gezüchtet werden 
können. 


Il. Kulturversuche mit Fumago salicina. Tul. 


Fumago saliema Tul. kommt als schwarzer Russthau auf zahl- 
reichen Laubhölzern als Ueberzug der Oberseite des Laubes und 
im Innern der Blätter vor. Auf Nadelhölzern ist der Pilz weit 
seltener. Seine unförmlichen Schizosporangien und Aérosporen 
(Fig. 41 Tafel II) bringt er auf der Oberfläche, die Pycniden und 
Perithecien dagegen im Innern des Laubes hervor, welches sie vor 
der Reife durchbrechen (Figg. 27. 28. Tafel I. Pycniden und Pe- 
rithecien sind einander ziemlich ähnlich, nur haben die Pycniden 
schwarzbraune, die Perithecien schwarzgrüne Farbe. Beide sind 
zellig und von sehr unregelmässiger und verschiedener Gestalt, 
bald kugelig, bald langgestreckt pfeifenartig, bald ganz unregel- 
mässig warzig. 

Tulasne hat für eine ungemein grosse Anzahl von Ascomy- 
ceten die Perithecien und Pycniden (und Spermogonien) im Zu- 
sammenhang nachgewiesen und gezeigt, dass alle diese Pilze aus- 
serdem zwei mehr untergeordnete, der raschen Vervielfältigung 
dienende Fruchtbildungen besitzen, nämlich die von uns als Aé- 
rosporen und Schizosporangien bezeichneten, welche er als Coni- 
dien zusammenfasst. 

Tulasne hat darin einen ausserordentlich günstigen Griff 
gethan, dass er die Ascomyceten vor allen Pilzen bevorzugte und 
ihnen die grösste Sorgfalt und den grössten Fleiss zuwendete, denn 
sie bilden die einzige natürliche und sicher begrenzte und begrün- 
dete Pilzgruppe. Die Schizosporangien und Aérosporen wurden 
früher zu den Rostpilzen gerechnet und merkwürdiger Weise reden 
noch jetzt mehre unserer tüchtigsten Pilzforscher von einer Pilz- 
gruppe der Dematieen*), obgleich Tulasne schon vor Jahren 
gezeigt hat, dass eine solche nicht existirt, dass sie vielmehr aus 
Aérosporen und Schizosporangien - Morphen der verschiedensten 
Ascomyceten zusammengewürfelt ist. Die Werke des französischen 
Forschers, des bedeutendsten aller Mycologen, werden aber in 
Deutschland so gar wenig gelesen oder wohl gar aus Brodneid 
ignorirt. Wir müssen uns aber in allen mykologischen Fragen 


*) Vgl. u. A. de Bary, Morphologie und Physiologie der Pilze, Flechten 
und Myxomyceten. Leipzig, 1866. S. 183 Fig. 73. 


42 Ernst Hallier, 


möglichst eng an Tulasne anschliessen, da er der einzige My- 
colog ist, welcher vollständige Lebensbilder zu geben sucht. 

Die dritte für Fumago saliema Tul. von uns unterschiedene 
reife Sporenform untergeordneter Bedeutung, nämlich Anaérospo- 
ren (Brandsporen, (Fig. 46 e. f. Taf. I), kennt Tulasne noch 
nicht und er kann sie auch nicht kennen, da er nur mittheilt, 
was spontan auf dem Laube vorkommt und, wie wir gesehen ha- 
ben, können die Anäerosporen nur im Innern kompakterer und 
abgeschlossenerer Gewebetheile auftreten. 

Ebenso wenig konnte ihm die Abhängigkeit der drei Schimmel- 
formen von den obengenannten drei reifen Sporenformen bekannt 
sein. Unsere vorstehend mitgetheilte Untersuchung ist also gewis- 
sermassen eine Ergänzung derjenigen von Tulasne und schliesst 
sich dieser unmittelbar an. Eine natürliche Folge der durch Tu- 
lasne vereinfachten Darstellung der Formen und ihres Zusam- 
menhanges ist die Streichung einer grossen Anzahl von früher 
aufgestellten Arten, Gattungen, ja ganzen Abtheilungen von Pilzen. 
Wenn nun Tulasne durch seine Darstellung der Lebensweise 
und des Formenreichthums von Fumago schon zehn früher auf- 
gestellte Arten in Wegfall gebracht hat, so würden die von uns 
oben beschriebenen Formen zu mindestens ebenso vielen Arten 
und Gattungen gestellt werden müssen, wollte man der alten No- 
menklatur folgen. 

Nach Tulasne*) besteht der Anfang der Fumago auf dem 
Laube aus zahlreichen zarten, farblosen Zellen (Sporoiden oder 
Hefezellen), welche, sehr gelatinös, mit einander zu einer zusam- 
menhangenden Haut verkleben, die sich leicht vom Blatte abheben 
~lasst. Diese kleinen kugeligen Zellen haben 0,003 — 0,005 mm. im 
Durchmesser. Die Zellen keimen, wie ich nach neueren Unter- 
suchungen bezeugen kann, und das Keimungsprodukt sind anfangs 
farblose, später sich bräunende Mycel- Fäden, welche Aérosporen 
und Schizosporangien und später Pycniden und Perithecien her- 
vorbringen. Die Aérosporen stehen auf steif aufrechten dicken 
Tragfäden (Fig. 47 Taf. II) und diese werden sowohl von den 
Zweigenden des Myceliums selbst (vgl. Fig. 54 Taf. I), als auch 
von den Keimfäden der Schizosporangien (Fig. 47) gebildet. Die 
Aérosporen sitzen in dichotomischen und trichotomischen Ket- 


*) L. R. Tulasne et C. Tulasne, Selecta Fungorum Carpologia. T. II. 
Parisiis 1863. fol. 280sqq. Tab. XXXIV. 


Die Muscardine des Kiefernspinners. 43 


ten*) (a sp. Fig. 47). Zwischen den einfachen Aérosporen und den 
mehrkammerigen Schizosporangien findet insofern nahe Beziehung 
statt, als hier, wie in allen ähnlichen Fällen, die Aérosporen oft 
einfach oder mehrfach septirt werden, also gewissermassen Ueber- 
gänge zu den Schizosporangien zeigen. Ueberhaupt sind alle drei 
reife Sporenformen, die Aérosporen, Anäerosporen und Schizo- 
sporangien, nur Modifikationen einer und derselben Grundform. 

Auch bei allen Anäerosporen, d. h. allen sogenannten Brand- 
pilzen, kommen Zelltheilungen nach mehren Richtungen vor und 
hier bei Fumago wird sogar das Mycelium oft mehrfach getheilt. 

Wenn also de Bary und Andere behaupten, dass Zellthei- 

lung nach mehren Richtungen bei den Pilzen nicht vorkomme, 
so müssen sie konsequenter Weise Fumago und eine ganze Reihe 
anderer Pyrenomyceten zu den Algen oder Flechten zählen, we- 
nigstens mit demselben Rechte wie die sogenannten Schizomyce- 
ten, die sich sämmtlich als Hefegebilde verschiedener Pilze aus- 
weisen. 
Tulasne **) unterscheidet die sehr dunkelfarbigen, meist war- 
zigen Schizosporangien unter dem Namen „gemmulae“ von den 
ein- bis mehrfach septirten Anäerosporen (,,Conidia‘ nach Tu- 
lasne). Sie entstehen aber an einem und demselben Faden und 
geben die nämlichen Keimungsprodukte. Ferner unterscheidet Tu- 
lasne unter den Pycniden zwei verschiedene Formen. In der 
äusseren Gestalt sind beide oft ziemlich gleich; sie bestehen aus 
anfangs kugeligen, bei kräftiger Nahrung zuletzt oft grossen und 
gestreckten, nicht selten getheilten, zelligen Körpern, die aus dem- 
selben Mycelium hervorgehen wie die Aérosporen und Schizospo- 
rangien. 

Die Pycniden der einen Form, welche Tulasne als „Sper- 
mogonia“ unterscheidet, stossen bei der Reife grosse Mengen von 
stabförmigen ***) farblosen Zellen (Keimzellen oder Conidien) aus, 
indem das obere Ende des zelligen Schlauches unregelmässig oder 
regelmässiger zerschlitzt wird. Die „Pyenidia“ der anderen Form 


*) Taf. 34 Fig. 2 bei Tulasne a. a. O. 

**) A. a. O. Fig. 11, vgl. unsere Tafel I. Fig. 39 sch. 

*) Tulasne hat bei schwächerer Vergrösserung, nach seiner Angabe bei 
380 lineare gezeichnet. Die Form dieser ,,Spermatia‘‘ ist verschieden, meist 
aber sind sie nicht stäbchenförmig, sondern, wie wir Taf. I Fig. 29 bei 600- 
facher Vergrösserung mit dem allerschwächsten Ocular zeichneten, stumpf ei- 
lanzettlich. 


44 Ernst Hallier, 


stossen aus meist fadenförmig oder borstig geschlitztem Ende dun- 
kelfarbige, 1—4fach septirte, sporenartige Körper aus. Diese sind 
aber den Thecasporen der Asci so vollständig ähnlich, dass man 
unwillkürlich auf den Gedanken kommt, es seien Thecasporen, 
welche schon ihre Asken verlassen haben und nun aus dem Peri- 
thecium auswandern. Auf diesen Gedanken wird man um so un- 
willkürlicher geführt, als bei allen nahe verwandten Gattungen die 
Conidien der Pycniden den in den „Spermogonia“ enthaltenen 
„Spermatia“ überaus ähnlich sind, so namentlich in der Gattung 
Pleospora nach Tulasne’s eigener Darstellung, die ich nur be- 
stätigen kann. Für die „Pycnidia“ der Fumago im engeren Sinne 
hat aber Tulasne den Beweis noch nicht geführt, wie die darin 
enthaltenen Sporen entstehen. Die Frage ist daher als eine offene 
zu betrachten und ich bezeichne vorläufig die in Figg. 27 und 28 
abgebildeten Gebilde als ,,Pycniden“ *). 

Die Perithecia sowohl wie die Pyeniden sind entweder einfach 
oder ästig und zusammengesetzt und nicht selten streut ein gros- 
ser ästiger Schlauch hier Thecasporen und aus der Oeffnung eines 
anderen Astes Conidien aus. 

Sämmtliche Fruchtformen können auf der Oberfläche von 
Blättern zur Entwickelung kommen, jedoch bleiben die Perithecien 
und Pycniden stets kümmerlich und klein, wenn nicht das sie 
hervorbringende Mycelium vorher in das Gewebe der Mutterpflanze 
eingedrungen war. Ganz ungemein kräftig sind zuletzt diejenigen 
Pycniden, welche aus dem Innern der Blattsubstanz hervorbrechen 
(ign (272, 28.) Taf. 1): 

Die Kulturversuche, tiber welche in den folgenden Zeilen ganz 
kurz berichtet werden soll, wurden mit der Fumago salicina vor- 
genommen, wie ich sie im vorigen Sommer in der Umgegend von 
Jena auf Linden gefunden und reichlich gesammelt hatte. Die 
Blatter trugen einen schwarzen Beleg von Mycelium mit Aérospo- 
ren und Schizosporangien und eine grosse Menge von kleineren 
und grösseren Pycniden. Obgleich die Keimlinge der Schizospo- 
rangien und Aérosporen sich unter gleichen Verhältnissen ganz 
gleich entwickelten wie die Conidien **) der Pycniden, so soll doch 


*) Vgl. Tulasne a. a. O. Fig. 145. 

**) Dass auch auf diese Keimzellen der Ausdruck „Conidie“ angewendet 
wird, rechtfertigt sich durch unsere oben aufgestellte Unterscheidung der un- 
reifen Keimzellen als Conidien von den reifen als Sporen. 


Die Muscardine des Kiefernspinners. 45 


im Folgenden nur das Keimungsprodukt der letztgenannten Keim- 
zellen weitere Erwähnung finden, weil diese sich leicht isoliren 
und von den übrigen Fruchtformen gesondert betrachten liessen. 

Die Keimzellen der Pycniden zur Keimung zu bringen, ist 
sehr leicht und schon aus diesem Grunde können sie nicht als 
Spermatien im älteren Sinne Tulasne’s aufgefasst werden. In 
Fig. 29 habe ich das erste Stadium der Keimung in der häufigsten 
Form gezeichnet. Die Form ist aber ganz vom Substrat und vom 
Verhältniss zur Luft abhängig, wofür in Fig. 52 Taf. II einige 
Beispiele mitgetheilt sind. Keimt die Conidie (ce Fig. 52 Taf. II) 
an der Luft in feuchter Umgebung, so ist der Keimfaden (k Fig. 52) 
dünn und schnürt sehr bald einzelne kleine Aéroconidien (a Fig. 52) 
an kurzen Zweigen (Sterigmen) ab. Der verlängerte Faden ent- 
wickelt sich auf jedem leicht gährenden Substrat zu der die Mus- 
cardine charakterisirenden A&roconidien - Pflanze, und zwar erhält 
man genau dieselben Modificationen wie aus dem Micrococcus und 
Arthrococcus des Blutes der kranken Kiefernspinner-Raupen. In 
Fig. 50 a—c und Fig. 51 sind vier fructificirende Fadenbruchstücke 
abgebildet in der Form der Botrytis Bassiana. Sie entstehen 
überall da aus Keimlingen der Conidien, welche von den Pycniden 
entlassen wurden, wo diese in feuchter Luft, aber auf einem ma- 
geren und trockenen Nährboden wachsen. Man sieht mehre 
verschiedene Modifikationen der Botrytis, bald einzelne Sterigmen 
(st. Fig. 50 a) mit einzelnen endständigen Aéroconidien, bald die 
Sterigmen stachylidiumartig in Wirteln zusammengestellt (sta 
Fig. 50 a), die Aéroconidien bald zu vieren in Köpfchen (v Fig. 50 
a, c) als Stachylidium diffusum Ditm., bald in mehrzähligen suc- 
cedan entstehenden Köpfchen (p Fig. 50 b), bald in endständigen 
Ketten (k Fig. 50 b, Fig. 51). Auf feuchterem Boden geht das 
Stachylidium in die Pinselform über (Fig. 49), mit anfänglich dop- 
pelter dreizähliger Verästelung. Zuletzt bildet sich auf kräftigem 
Nährboden der prachtvolle Aspergillus (Fig. 48) aus, und zwar in 
höchst entwickelter Form stets mit doppelten Sterigmen, wie die 
Fig. 48 Taf. Il es zeigt, nämlich so, dass die grosse kugelig - eiför- 
mige Basidie mit kurzen keilförmigen Zellen besetzt ist, deren jede 
meist drei spindelige Sterigmen mit je einer Conidienkette trägt. 

Im Innern einer nahrhaften nassen oder flüssigen Substanz 
schnüren die Keimlinge der Pycniden-Keimzellen sehr bald läng- 
liche Anäeroconidien (an Fig. 52) ab und nicht selten treten an 
diesen wieder seitlich stabförmige Sprossen (sp Fig. 52), die „Cy- 


46 Ernst Hallier, 


linder - Conidien de Bary’s auf. In blossem Wasser erhält man 
aber nur dünne Mycelfäden ohne jede Abschnürung und Sprossune. 
Natürlich können, je nach der Beschaffenheit des Substrates, beide 
Formen: Aéroconidien und vorher einzelne Anäeroconidien an dem- 
selben Faden auftreten, wenn sich derselbe z. B. aus der Nähr- 
substanz in die Luft erhebt. Von einer typischen Reihenfolge ist 
aber dabei nichts zu bemerken; diese Angabe de Bary’s, welche 
mit den Beobachtungen früherer Autoren in grellem Widerspruche 
steht, ist rein aus der Luft gegriffen. 

Die erwähnten Anäeroconidien können in Ketten oder einzeln 
auftreten, im letzten Falle stehen sie bei kräftiger Entwickelung 
als Macroconidien (m Fig. 52 Taf. II) am Ende kurzer, plasmaar- 
mer Zweige. Das Keimungsprodukt ist der oben geschilderte 
schöne Rhizopus mit violetten Sporen, d. h. die Thecaconidien- 
Pflanze des Muscardine - Pilzes. Bei sorgfältiger Kultur gelingt es 
leicht, aus den Keimlingen der Pycnidenzellen die drei reifen Spo- 
renformen, nämlich im Innern des Substrats die Anäerosporen 
(Ustilago spec.), an der Luft die Aérosporen und Schizosporangien 
zu erziehen; wir wollen aber hier von dem genaueren Nachweise, 
um Raum und Zeit zu sparen, absehen, weil diese Thatsache für 
den gegenwärtigen Zweck von ganz untergeordnetem Werthe ist. 

Ist also durch die vorstehend mitgetheilten Untersuchungen 
der Beweis, dass die Botrytis Bassiana die A&roconidien - Form 
von Fumago salicina sei, aufs Neue und von ganz anderer Seite 
her geführt worden, so haben wir demnächst die Frage zu beant- 
worten: Wie gelangt der Muscardine-Pilz in den Raupenkorper ? 
Haben wir auch schon oben unsere Ansicht begründet, dass eine 
blosse Penetration durch die Oberhaut in den Raupenkörper nicht 
stattfinde oder doch nur ausnahmsweise vorkomme, so ist es gleich- 
wohl noch nothwendig, den Nachweis für die Richtigkeit der obi- 
gen Beobachtungen auch experimentell zu führen. Dazu dienten 
die im Folgenden kurz beschriebenen Fütterungsversuche. 


IV. Fütterungsversuche mit den Raupen von Gastro- 
pacha pini. 


Alle Raupen, welche mir von den im Eingang dieser Mitthei- 
lungen genannten und ausserdem noch einigen anderen Bezugs- 
plätzen zugesendet worden waren, wurden aufgezogen zum grössten 
Theil mit gesundem Kiefernlaub aus den Forsten in der Umge- 
gend von Jena, zum Theil mit krankem Laub. 


Die Muscardine des Kiefernspinners. 47 

Da nämlich die Kulturen mit dem Micrococcus und Arthro- 
coccus aus dem Blut kranker Raupen den Nachweis ergeben hat- 
ten, dass diese Hefegebilde der Fumago salicina Montagne ange- 
hörten, da ferner aus den Keimzellen der Pycniden (Spermatien) 
von Fumago salicina sich mit Leichtigkeit die Hefe- und Schim- 
melbildungen des Muscardine-Pilzes erziehen liessen, so musste 
zunächst gefragt werden: Kommt auf der Kiefer Fumago salicina 
vor und lässt sich zeigen, ob und wie die Raupen in der Natur 
durch kranke Kiefernzweige inficirt werden ? 

Die meisten Oberförster, welche mir aus Pommern, Mecklen- 
burg und der Mark Brandenburg Raupen von Gastropacha pini 
eingesendet hatten, waren so gefällig gewesen, Zweige der Kiefern 
beizufügen. Diese Zweige waren theils angefressen und in diesem 
Falle fast immer krank, theils nicht angefressen und dann ge- 
wöhnlich ganz oder fast ganz gesund und mit kräftigen Nadeln 
versehen. 

Die Krankheit der Kiefernzweige besteht in schwärzlichen, russi- 
gen Anflügen der Zweige selbst, der Scheiden der Nadelpaare (Zweig- 
lein) und bisweilen, aber weit seltener, eines Theils der Nadeln. 

Diese Anflüge lösen sich unter dem Mikroskop in Mycelium 
mit Aérosporen und Schizosporangien von Fumago salicina auf. 
Bei stärkerer Infection findet man eine grosse Anzahl von Pycni- 
den in verschiedenen Entwickelungszuständen, aber sehr selten Pe- 
rithecien. Die wenigen Perithecien, welche ich aufgefunden habe, 
waren offenbar noch unreif, ihre Ascosporen (Taf. I Fig. 30) noch 
durchsichtig und wenig gefärbt, während sie im reifen Zustande 
dunkelbraun sind *). Ich brachte, wie sich leicht denken lässt, 
diese Sporen nicht zur Keimung und ich kann daher über Kultur- 
versuche mit ihnen nicht berichten. Die Asken liegen, wie Tu- 
lasne**) schon angiebt, in einem schleimigen Pseudo-Parenchym. 
Ich fand, von den lose verbundenen Zellen scheinbar ausgehend, 
Büschel bisweilen verästelter Fäden zwischen den Asken, die ich 
für Paraphysen hielt, obgleich Tulasne die Paraphysen dem Pilz 
abspricht und weder diese Fäden noch sein „parenchyma muco- 
sum“ mit abbildet “*"). Längsschnitte durch die Perithecien scheint 


*) Vgl. Tulasne a. a. O. Figg. 20—25 Taf. 34. 

**) „intra parenchyma mucosum generantur‘ a. a. O. S. 282. 

***) Vgl. unsere Figuren 30, 31 Taf. 1 und Tulasne a. a O, S, 282 so- 
wie seine Figuren 20, 24, 25 Taf. 34. 


48 Ernst Hallier, 


er tiberhaupt nicht gemacht zu haben, was wegen der noch dun- 
keln Bedeutung seiner Pycniden sehr zu beklagen ist. Seine treff- 
liche Darstellung *) der Pleospora polytricha Wally. zeigt, wie 
förderlich, ja unentbehrlich Längsschnitte durch die Pycniden und 
Perithecien sind. 

Auf den inficirten Kiefernzweigen findet man ausgebildete Pyc- 
niden ganz besonders häufig und reichlich in den Rinnen, welche 
zu beiden Seiten von einem Zweiglein bis zu dem darunter am 
Zweige stehenden verlaufen. N 

Grössere Exemplare dagegen trifft man nur im Blatte selbst 
an. Das Mycelium des Pilzes dringt in das grüne Kiefernblatt 
ein, zuerst gewöhnlich in die obersten Blattpaare eines Zweiges 
und zwar zu einer Zeit, wo das Blatt noch vollkommen gesund 
und frisch aussieht. Die Pycniden kommen im Parenchym unter 
der Blattoberhaut zur Entwickelung und durchbrechen diese kurz 
vor der Reife. Auch jetzt ist nicht selten das Blatt noch grün, 
während es in anderen Fällen schon vorher zu vergilben anfängt, 
namentlich dann, wenn die Pycniden zahlreich auftreten. 

Aeusserlich nimmt man an dem inficirten Blatte zuerst hier 
und da gelbliche, dann schwarz werdende Längsstriche (Taf. I 
Fig. 27) wahr; diese werden grösser, bald sieht man an ihrer 
Statt einen Längsriss, aus dem nun die schwarze Wand der Pyc- 
nide (Taf. I Figg. 27, 28) hervorbricht. Die Pycnide bildet eine 
unregelmässig gestaltete, warzige Vorragung und ihre Grösse 
schwankt von kaum mit blossem Auge erkennbaren Dimensionen 
bis zum Durchmesser von 1 mm. und darüber. Zuletzt platzt die 
Pyenide am oberen Ende und entlässt die Conidien (Taf. I Fig. 28c, 
Fig. 29). 

Die Fütterungen der Raupen verfolgten verschiedene Zwecke. 
Erstlich war ich von der Königl. Regierung beauftragt, über die 
Art der Erkrankung der Raupen sowie über den wahrscheinlichen 
Verlauf der Epidemie Aufschluss zu ertheilen. Um über die Sterb- 
lichkeit der Raupen wenigstens annähernd ein Resultat zu gewinnen, 
wurden von einem Forstrevier, dessen Raupen ziemlich stark inficirt 
waren, einige Hundert Raupen in Zucht genommen und mit gesun- 
dem Laub gefüttert, in gesunden, trockenen Räumen aufgezogen, 
Um ein zu grosses Zusammengedrängtsein der Raupen zu verhüten, 
brachte ich je 25, 50, 75, 100 oder 200 in Behälter zusammen. 


aaa O. Taf.29. 


Die Muscardine des Kiefernspinners, 49 


Die folgende Tabelle zeigt ein Bruchstück aus dem über diese 
Zuchtversuche geführten Tagebuche, nämlich für die Zeit vom 
31. Januar bis zum 26. Februar 1869 und für 500 Raupen aus 
dem königl. Forstrevier Pitt unweit Stettin : 


Datum Jan. Februar. 
BE eo er SE Se 
Nr.1. 25 Stuck) z]010 07071 0/0) 0/ 0/4) 0/0) 2/0) 3/0 
Nr.2..200 82[0!/2/0/|2)0 1 1 2) 3)3) 4) 1/43) 4) 48/6 
Ne ree) OO) 214011 104) 03) 0) 0,10 3 
Nr.4. 50 ,, [S| 010/401 0 0) 0/0) 0) 0) 0) 5) 3) 6/0 
Nr. 5. 78. 5; a] 2/4/0/4/4/ 2/1) 4) 4\2\1)0|8\0, 7/3 
Sa. 500 Stuck] Sa. | 3 | 6| 6] 4| 3/5| 2] 6| 7] 9110| 1/84] 9] 57/16 

In %o | 6 [1212] 8] 6 10 | 4 [12 [14 [18 [20 | 2 178 [18 [114 [32 

In % | 0,6 |4,2|1,2|0,8/0,6) 1,0/0,4|4,2|1,4|1,8|2,0\0,2|7,8/1,8/11,4|3,2 


Es starben also bei Fütterung mit gesundem Laub in einer 
Zeit von 27 Tagen 178 Raupen, also im Durchschnitt täglich 1,4°/o. 
Wenn nun auch hier und da Schwankungen in der Sterblichkeit 
hervortreten, so ist doch im Ganzen dieselbe eine ziemlich gleich- 
mässige und es liess sich aus einer Reihe ähnlicher Beobahtungen 
das ziemlich sichere Resultat ziehen, dass bei gesundem Futter in 
gesundem Raume kranke Raupen eine ziemlich konstante Sterb- 
lichkeitsgrösse zeigen und dass in stark infieirten Forstrevieren die 
Raupen bald zu Grunde gehen werden, soweit sich das in Anbe- 
tracht disponirender Momente und nach Maassgabe von im Zimmer 
angestellten Beobachtungen aussprechen lässt. 


Natürlicherweise fielen die Zuchtversuche für die Raupen ver- 
schiedener Forstreviere sehr verschieden aus und das Urtheil über: 
die aus jenen Versuchen sich ergebenden Resultate musste ausser- 
dem noch ein sehr reservirtes sein, insofern sich von einigen Hun- 
dert eingesandten Raupen noch kein sicherer Schluss auf die Rau- 
pen eines ganzen Forstrevieres gründen lässt. In Anbetracht dieses 
Umstandes veranlasste das Königl. Finanzministerium, dass ich eine 
Reise durch das Forstrevier Pütt unternahm, um wenigstens von 
einem der Reviere eine gründlichere und umfassendere Kenntniss 
des Verlaufs und der Verbreitung der Krankheit im Grossen in 
der freien Natur zu erhalten. Ausserdem stellte ich der Königl. 
Regierung anheim, die Herren Forstbeamten zu weiteren Nachfor- 
schungen über die Verbreitung der Fumago salicina durch ganz 
Norddeutschland zu veranlassen. Ueber das Resultat meiner Reise 
wird weiter unten kurz berichtet werden. 

Dit i 4 


50 Ernst Hallier, 


Bei meinen Zuchtversuchen mit inficirtem und gesundem Laub 
stellte sich nun zunächst zweierlei heraus: 

Erstlich sind zeitliche und örtliche Dispositionen (sogenannte 
Hülfsursachen) vorhanden, welche oft sehr stark in’s Gewicht fal- 
len. Dem wurde von einigen Forschern bis jetzt widersprochen *), 
es war also um so nothwendiger, diese Frage genau und gründlich 
zu erforschen. 

Zweitens liess sich mit Sicherheit und durch grosse Versuchs- 
reihen hindurch konstatiren, dass der Grad der Erkrankung und 
der Verlauf derselben abhange vom Grade der Infection des Lau- 
bes mit Fumago salicina Mont. 

Daraus folgt also, dass der Krankheitsverlauf ein Produkt 
zweier verschiedener Functionen ist, nämlich: des Grades der In- 
fection mit Fumago und der disponirenden Momente. 

In einer Versuchsreihe, welche über die nämliche Zeit, wie die 
oben ausgeführte, mit 100 Raupen aus demselben Revier, von der- 
selben Sendung und, abgesehen vom Futter, unter denselben Be- 
dingungen ausgeführt wurde, starben im Durchschnitt täglich 8 In- 
dividuen, also 8°/). 

Dabei war aber das Futter ausgesucht schlecht, nämlich 
durchweg mit Fumago infieirt. Es trat sowohl bei dieser wie bei 
anderen, über grössere Zeiträume ausgedehnten Zuchten eine stei- 
sende Zunahme der Sterblichkeit, also ein Umsichgreifen der Epi- 
demie hervor. Unter den disponirenden Momenten spielen die 
grösste Rolle feuchte und schlechte Luft und Unreinlichkeit. Bei 
allen Zuchten, welche absichtlich mit feuchtem Laub gefüttert oder 
in einem mangelhaft ventilirten Raume vorgenommen oder endlich 
nicht mindestens einmal täglich von den Fäces befreit und mit 
frischem Laub versehen wurden, nahm die Sterblichkeit, selbst bei 
anfänglich sehr geringer Infection, in steigender Progression zu. 

Bezüglich des Einflusses der Temperatur habe ich keine Ver- 
suche angestellt, doch scheint dieser nach den bisherigen Erfah- 
rungen sehr gering zu sein. 

Der epidemische Charakter der Muscardine von Gastropacha 


*) So z. B. von de Bary, Bot. Zeitung 1867 Nr. 1—5. Da aber dieser 
Herr Zuchtversuche in grösserem Maassstabe ganz verabsäumt hat und über- 
haupt nur nach wenigen flüchtigen Beobachtungen aburtheilt, so hat seine Ar- 
beit für die Praxis gar keinen Werth, denn dieser können nur genaue Beob- 
achtungen, nicht aber von falschen Voraussetzungen ausgehende Dogmen werth- 
voll sein. 


Die Muscardine des Kiefernspinners. 51 


pini beruht also genau auf denselben Verhältnissen wie bei der 
Gattine der Seidenraupen, nämlich: Infeetion der Raupe durch 
Futter, welches mit einem Russthau (hier Fumago, bei der Gattine 
Pleospora) behaftet ist, Verschleppung der Krankheit durch die 
Exkremente der Raupen auf das Laub und durch dieses wieder 
neue Infection, bedeutender Einfluss feuchter Luft und besonders 
feuchten Laubes auf den Verlauf der Epidemie. Die Raupenepi- 
demie, wie sie im Zuchtlokal zur Beobachtung kommt, zeigt noch 
folgende Einzelheiten. 

Das früheste Stadium der Erkrankung lässt sich nur mit dem 
Mikroskop erkennen. Der Pilz tritt als Micrococcus und Arthro- 
coccus im Darminhalt auf, während in dem der gesunden Raupe 
sich wohl Sporen und Pilzzellen, aber nur vereinzelt und ohne 
alle Hefebildungen. vorfinden. 

Bei den absichtlich mit inficirtem Laub vorgenommenen Füt- 
terungen war ich anfänglich sehr gespannt, ob die Raupen die mit 
Fumago behafteten Nadeln fressen würden. Zu meiner Verwun- 
derung fand ich, dass die Raupen nicht den mindesten Anstand 
nahmen, die infieirten Nadeln zu fressen, so lange sie nur noch 
grün waren. Nur die unter dem Einfluss des Pilzes abgestorbenen 
Nadeln liessen sie gänzlich unberührt. 

Auf den Zweigen lebende Raupen sind in den frühesten Sta- 
dien der Krankheit stets auf der Haut völlig gesund und völlig 
frei von entwickelten Pilzformen, wie mich sorgfältige mehrfache 
Untersuchung der ganzen Oberhaut belehrte. Ja, die Raupe kann 
kurz vor ihrem Ende sein, ohne dass die Oberhaut die geringsten 
Spuren der Krankheit erkennen liesse. Die hier und da zufällig 
anhaftenden Sporen zeigen keine Spur von Keimung. Für ge- 
wöhnlich also wird am Zweige die Raupe von der Oberhaut aus 
nicht infieirt, sondern, wie sogleich näher ausgeführt werden wird, 
durch die Nahrung. 

In ganz besonderen Fällen und unter besonderen Umständen, 
wie später erörtert werden soll, kann allerdings eine Infection der 
Oberhaut durch den Pilz hervorgerufen werden; dieser besondere 
Fall hat aber mit dem gewöhnlichen Verlauf der Muscardine ei- 
gentlich gar nichts zu schaffen. 

Untersucht man die Exkremente von kranken und gesunden 
Raupen, die äusserlich oft ebenso wenig wie die Raupen wesent- 
liche Unterschiede zeigen, so findet man die gesunden Fäces ganz 
frei von sich fortentwickelnden Pilzbildungen, namentlich ganz frei 

4 + 


32 Ernst Hallier, 


von Hefe, während die Fäkalmassen der kranken Raupen von Mi- 
crococcus wimmeln, später daneben Massen von Arthrococcus ent- 
halten und zur Zeit des Todes der Raupe wieder nur Micrococcus 
führen. 

Die Bildung des Micrococcus aus dem Plasma der Pilzzellen, 
der verschiedenen Sporen und Conidien folgt im Ganzen den näm- 
lichen Gesetzen, welche ich bereits früher mehrfach mitgetheilt 
habe; ich will daher hier nur ein Beispiel anführen, nämlich die 
Entwickelung des Micrococcus aus dem Plasma der Pycniden-Keim- 
zellen von Fumago salicina Mont. (Fig. 53 Taf. DD). 

Wenn man diese Conidien in eine stickstoffreiche Flüssigkeit 
bringt und sie nun auf dem Objekttriger fortgesetzt beobachtet, 
so entwickelt sich aus dem anfangs völlig homogenen, trüb durch- 
scheinenden Inhalt eine Anzahl von Cocci (Fig. 53 a Taf. II), allem 
Anschein uach durch simultane Theilung. Darauf theilen die Cocci 
sich fortgesetzt durch einfache Halbirung (b—d Fig. 53 Taf. I) 
und allmählig löst die immer durchsichtiger und blasser werdende 
Wand der Conidie sich völlig auf (e, f Fig. 53 Taf. II). Der Thei- 
lungsprocess setzt sich auch nach der Auflösung der Mutterzelle 
ungestört fort. 

Diese einfache Thatsache, zu deren Konstatirung freilich grosse 
Geduld und Ausdauer gehört, ist doch noch mehren Forschern 
entgangen, weil sie glauben, dass sich das nur so nebenbei bei 
einem flüchtigen Blick in’s Mikroskop beobachten lasse. Wer nicht 
Monate seines Lebens opfert, der wird stets in den Fall kommen, 
das zufällig Gesehene zu missdeuten und den Zusammenhang der 
Formen zu verkennen. Die Thatsache der Entwickelung der Kerne 
(Cocei) des Plasma’s von Pilzzellen zu selbstständigen Gebilden 
(Micrococcus) ist von Salisbury”) und mir fast gleichzeitig be- 
obachtet und ohne dass wir eine Ahnung von unseren beiderseiti- 
gen Studien hatten; und doch giebt es noch Leute, welche die 
wirklichen Cocci mit „organischem Detritus‘ und „Proteinsplit- 


Genau denselben Entwickelungsgang wie in einer künstlichen 
Mischung auf dem Objektträger macht das Plasma der Pycniden- 
Keimzellen im Darm der Raupe durch, sobald diese in Massen 
von der Raupe gefressen werden, und damit beginnt die Krankheit. 


*) J. H. Salisbury, Microscopic examinations of Blood. New-York 1868, 
**) So z.B. H. Hoffmann, Botan. Zeitg. 1869 Nr. 12. 


Die Muscardine des Kiefernspinners. 53 


Wie nun der Micrococcus die Darmwand belagert, bei seiner wei- 
teren Vermehrung in dieselbe sowie in die umgebenden Muskeln, 
in’s Fettgewebe, in’s Blut eindringt, wie er sehr bald sich zu Ar- 
thrococcus umbildet, welcher bisweilen im Tode der Raupe unter 
der Haut zur Keimung gelangt und dann nach dem Tode aus der 
Haut bisweilen als Botrytis Bassiana, d. h. in einer zarten Aéro- 
conidien-Morphe hervorbricht, — das Alles ist oben ausführlich 
geschildert worden. 

Ueber den weiteren Verlauf der Epidemie trat bei den Zucht- 
versuchen noch Folgendes hervor: 

Ist die Krankheit bei einer Raupe heftig zum Ausbruch ge- 
kommen, so wird dieselbe schlaff und verliert die Fresslust. Füt- 
tert man solche kranke Raupen fortgesetzt mit inficirtem Laub, 
so gehen jene rasch ihrem Ende entgegen, ebenso, wenn sie, mit 
gesundem Laub gefüttert, sich in einem feuchten Zuchtlokale be- 
finden. — 

Fiittert man dagegen schon sichtlich erkrankte Raupen mit 
sesundem Laub in einem gesunden Zuchtlokale, so können sie sich 
wieder vollständig erholen, sie bekommen wieder grössere Fress- 
lust und wachsen rascher als vorher. In diesem Falle häuten sie 
sich und spinnen sich ein, wie gesunde Raupen. Natürlich sind 
die Puppen von Arthrococcus und Micrococeus infieirt, ebenso die 
Eier kranker Schmetterlinge. 

Bei länger fortgesetzten Zuchten beobachtet man ein Auf- 
und Absteigen, ein Heben und Sinken des Gesundheitszustandes, 
je nach der Natur des Futters, der Beschaffenheit der Luft, der 
Reinheit des Zuchtlokals u. s. w. Die Krankheit ist also auch in 
dieser Beziehung der Gattine der Seidenraupen analog. - 

Bei heftigem Verlauf mit tödtlichem Ausgang zeigt die Mus- 
cardine des Kiefernspinners drei verschiedene Modificationen. Ent- 
weder nimmt gegen das Ende hin die Arthrococcus - Bildung sehr 
überhand, ohne dass gerade viele Keimlinge unter der Haut auf- 
träten, ja, meistens keimen die Arthrococcus -Zellen gar nicht. 

In diesem Falle werden die Raupen kleiner, besonders kürzer; 
sie ziehen sich, immer mehr zusammen. Im Tode sind sie nach 
unten platt, übrigens kurz und ziemlich dick; mit einem Wort, 
sie sehen genau so aus, wie verhungerte Raupen. Dabei fressen 
sie aber bis kurz vor dem Tode, wenn auch sehr langsam. Zu- 
letzt ist es schwer, die Todten von den Lebendigen zu unterschei- 
den. Berührt man eine solche schon ganz kurze und steife Raupe, 


54 Ernst Hallier, 


so zeigt sie bisweilen noch Kontraktilität. Diese Todesart ist sehr 
häufig; es sterben oft 50°/, und darüber der kranken Raupen in 
dieser Weise. 

Der zweite, ebenfalls sehr häufige Verlauf der Krankheit be- 
steht darin, dass schon lange vor dem Tode der Arthrococcus Mi- 
crococcus zur Ausbildung bringt, dass der in saurer Gährung be- 
findliche Raupenkörper in Fäulniss geräth. Diese Modification der 
Krankheit wird zwar durch feuchte Luft sehr begünstigt, aber 
nicht hervorgerufen, denn sie kommt in grosser Häufigkeit neben 
der erstgenannten Modification in völlig trockenen Lokalen vor. 

Die eigentliche Ursache dieser im letzten Stadium der Rau- 
penkrankheit bisweilen auftretenden Fäulniss kann nur in einer 
Modification der chemischen Mischung des Raupenkörpers und 
zwar in einem grösseren Stickstoffgehalte liegen, und es wäre sehr 
wünschenswerth, dass ein Chemiker mit einer grösseren Zahl in 
den verschiedenen Modificationen der Krankheit befindlichen Rau- 
pen Versuche anstellte. ; 

Die in der eben erwähnten Form von der Krankheit befalle- 
nen Raupen werden nicht kurz und starr, sondern schon mehre 
Tage vor dem Tode langgedehnt und schlaff. Sie hangen träge 
an den Zweigen und fallen häufig aus Kraftlosigkeit noch lebend 
von denselben herab. Bisweilen sterben sie auf dem Zweige und 
verfaulen dann rasch vollständig auf demselben. 

Die dritte Form unterscheidet sich darin, dass der Raupen- 
körper, welcher stets mit Arthrococeus reichlich erfüllt ist, unter 
dem Einflusse der aus diesem hervorgehenden Keimlinge steif wird. 

Unter der Oberhaut keimt der Arthrococcus massenhaft und 
bricht nach dem Tode der Raupe bisweilen als Aéroconidien-Morphe 
in der Modification, welche unter dem Namen Botrytis Bassiana 
bekannt ist, hervor. Diese Modification der Krankheit unterschei- 
det sich von der erstgenannten nur dadurch, dass die saure Gäh- 
rung im Rauperkörper entschiedener und stärker ist, dass in Folge 
davon die Säfte des Körpers rascher austrocknen und die mehr 
trockene Beschaffenheit der Gewebetheile unter der Oberhaut die 
Keimung des Arthrococcus befördert. Die kräftige Entwickelung 
der Aéroconidien auf der Oberfläche der Haut wird dagegen durch 
feuchte Luft unterstützt. Die Leiche einer unter diesen Umstän- 
den gestorbenen Raupe ist hart und brüchig, trocken und, wenn 
der Pilz sehr stark ausgebildet ist, „kalkig“ (calcino). 

In allen drei Fällen war der Parasit desselben Ursprunges, 


Die Muscardine des Kiefernspinners. - 55 


wie mich zahlreiche Kulturen überzeugten, auch ist der Beginn der 
Krankheit und ihr ganzer Verlauf in den ersten Perioden völlig gleich. 

Eine der letztgenannten Modifikation sehr ähnliche Erschei- 
nung tritt dann hervor, wenn die Raupe nach dem Tode oder kurz 
vor demselben durch äussere Einflüsse zu schimmeln beginnt. Es 
kommt nämlich vor, aber nur unter ganz besonderen Umständen, 
in sehr feuchter oder nasser Umgebung, meist, wenn die Raupen 
bei niederer Temperatur im Winter ruhig am Boden des Kultur- 
raums beisammen liegen, äusserst selten und nur durch grosse 
Unreinlichkeit und mangelhafte Ventilation veranlasst, wenn die 
Raupen auf dem Zweige leben und fressen, dass auf der Aussen- 
fläche der Haut der Pilz zur Keimung gelangt und diese gewisser- 
massen bei lebendigem Leibe schimmelt. Dieser selten vorkom- 
mende Prozess hat mit dem Wesen der Krankheit eigentlich wenig 
zu schaffen und ist von der dritten Modification derselben nur 
wenig verschieden. 

Es darf nicht unerwähnt bleiben, bleiben, dass ähnlich wie 
bei der Gattine bei der Muscardine von Gastropacha pini bisweilen 
Flecke auf der Haut vorkommen. De Bary erwähnt dieser Flecke, 
dichtet ihnen aber einen direkten Zusammenhang mit den Pilz- 
bildungen an. Hätte der Herr Kollege, statt auf wenige fragmen- 
tarische Beobachtungen im Zimmer sich stützend und von einer 
Reihe von falchen Voraussetzungen ausgeheud, den Verlauf und die 
Natur der Krankheit im Walde beobachtet, so würde er von selbst 
das Absurde seiner Annahme eingesehen haben. 

Ich habe schon bei der Gattine der Seidenraupen diese Flecke 
genau untersucht und niemals Mycelium oder gar fruktifizirende 
Pilzfäden in der Oberhaut oder in deren Nähe gefunden, wie das 
überhaupt bekanntlich bei der Gattine gar nicht vorkommt. Ich 
zeigte vielmehr in meiner Arbeit über die Gattine, dass die Flecken- 
bildung nichts Anderes als eine Nekrose, ein Absterben der Ober- 
haut an den betreffenden Stellen sei, dass dieses Absterben bei 
den äussersten, vom Sitz der Krankheit entferntesten Punkten be- 
ginne, ® namentlich an den Haaren, am Hörnchen und an den 
Füssen, und dass es allmählig sich in grösseren Flecken über die 
Haut verbreite. Dieses Absterben der Haut, welches offenbar nur 
Folge aufhörender Ernährung derselben ist, ist aber überhaupt 
gar nicht einer bestimmten Krankheit eigenthümlich, sondern 
kommt bei den allerverschiedensten, zum Theil vielleicht nicht ein- 
mal parasitischen, Raupenkrankheiten vor. 


56 Ernst Hallier, 


Man kann daher aus dem Vorkommen dunkler nekrotischer 
Flecken auf der Oberhaut von Raupen wohl auf einen krankhaften 
Zustand derselben, nicht aber auf eine bestimmte Krankheit einen 
Schluss ziehen. Die Flecken der Muscardine von Gastropacha pini 
unterscheiden sich in der Art ihres Auftretens nur sehr wenig von 
denen der Gattine An den Haaren ist die Nekrose wegen der 
dunkeln Farbe derselben nicht leicht kenntlich, am leichtesten an den 
Füssen. Sehr oft sieht man einzelne Füsse oder mehre, ja alle, 
dunkel werden und allmählig absterben. Anfangs sind sie dabei fast 
immer pilzfrei, aber schliesslich schimmeln sie wie jeder verwesende 
Gegenstand. Genau so verhält es sich mit den nicht selten am 
Rumpf auf der Oberhaut hervortretenden Flecken, welche zuletzt 
bisweilen den ganzen Körper bedecken. Untersucht man die Haut 
hier, so findet man sie oft selbst nach dem Tode der Raupe noch 
gänzlich pilzfrei. Dass die Haut der Füsse leichter schimmelt als 
die des Rumpfes, hat wohl einfach darin seinen Grund, dass. die 
Füsse leichter mit Pilzconidien in Berührung kommen. 

De Bary hat sich offenbar durch die Beobachtung solcher 
nachträglich geschimmelten Hautflecke zu der Annahme verleiten 
lassen, der Pilz sei die direkte Ursache der Flecke. Da er in- 
dessen behauptet, eine Reihe von Versuchen über die Keimfähig- 
keit den Aéroconidien auf der Haut der Raupe angestellt zu haben, 
so habe ich diese Versuche, auf’s Sorgfältigste, aber mit Ausschluss 
aller störenden Momente, wiederholt. Einer „Chloroform-Narkose“ 
habe ich mich nicht bedient, denn sie ist mindestens ganz über- 
flüssig und kann sehr leicht schädlich influiren. Die Versuche 
wurden in einem sehr gut ventilirten trocknen Raum vorgenommen 
und bei pilzfreiem Futter. Die Raupen lassen sich sehr leicht mit 
einem Brei aus Conidien in einem Tröpfchen Wasser bestreichen. 
Sie wurden sämmtlich an der nämlichen Stelle, nämlich am Rücken 
dicht unterhalb des zweiten blauen Fleckes bestrichen. Nach 14 
Tagen noch waren die Raupen äusserlich fast völlig gesund. An 
den mit Pilzen versehenen Stellen fand ich noch Conidien, aber 
ohne gekeimt zu sein. Hie und da zeigten sich einzelne Vertrock- 
nete Keimlinge. Einzelne der Raupen wurden dennoch krank, sie 
hatten aber nachweislich Conidien, welche beim Fressen auf das 
Laub abgestreift waren, zu sich genommen. Einzelne bekamen 
schwarze Flecke, aber gar nicht an den mit Pilzen versehenen 
Stellen, sondern an den Füssen. Bei Untersuchung der Füsse fand 
sich nirgends ein Pilzfaden eingedrungen. 


Die Muscardine des Kiefernspinners. 57 


Bei der ganzen Flüchtigkeit der de Bary’schen Untersuchung 
dürfte uns nun das Recht zustehen, seine Impfversuche überhaupt 
in Zweifel zu ziehen, indessen beschränken wir uns darauf, die 
daraus gefolgerten Schlüsse als falsch zurückzuweisen. 

Wenn man nämlich die Versuche ganz unter denselben Ver- 
hältnissen, aber in einem feuchten oder gar nassen Zuchtlokal an- 
stellt, so kommt bei einzelnen Raupen wirklich Verschimmelung 
der Oberhaut bei lebendigem Leibe bisweilen zu Stande. Die Coni- 
dien keimen auf der Oberfläche und zerstören die Haut ganz in 
derselben Weise, wie ein beliebiger Schimmelpilz sein Substrat zer- 
stört. Sobald aber irgend ein Pilzfaden die Haut durchbohrt hat, 
beginnt auch sofort in dem darunter liegenden Gewebe die Hefe- 
bildung, die Hefe gelangt in die Blutbahn und somit durch den 
ganzen Körper. Auch hier sind die Hefebildungen überseken wor- 
den; sie sind aber so wichtig, dass sich offenbar gar nicht darüber 
aburtheilen lässt, ob diese oder die Mycelbildung die Todesursache 
sei. Sobald der Micrococcus sich zur Arthrococcus- Bildung an- 
schickt, lässt sich gar nicht mehr entscheiden, ob die frei im Blute 
schwimmenden Körperchen Arthrococcus oder ob sie Abschnürungs- 
produckte des Pilzes sind. Aus diesem Grunde, ganz besonders 
aber, weil die besäeten Exemplare binnen Kurzem auch durch den 
Mund einzelne abgestreifte Conidien aufnehmen, kann der ganze 
Impfversuch keinen anderen Werth haben, als zu zeigen, dass 
unter ganz besonders günstigen Bedingungen die Raupe bei leben- 
digem Leibe schimmelt. 

Wirkliche Hautimpfungen durch Einstich haben stets den 
nämlichen Erfolg, welchen ich bei Maikäfern mit dem Gattine-Pilz 
erzielte, nämlich Hefebildung im Blute. Die Krankheit nimmt da- 
bei einen sehr raschen Verlauf und es kann nach dem Tode der 
Pilz an der Oberfläche hervorbrechen. Auch Keimungen in der Stich- 
wunde mögen vorkommen, obgleich ich sie nicht direkt beobach- 
tete. Offenbar ist nach dem Mitgetheilten die Möglichkeit einer 
Infection der Raupen von Aussen durch Vermittelung der Ober- 
haut nicht zu bestreiten, aber jedenfalls gehört diese Form der 
Infection zu den Ausnahmen. Dass sie bei der auf dem Baum 
lebenden Raupe überhaupt jemals vorkomme, ist durchaus unwahr- 
scheinlich, dagegen kann sie möglicherweise im Winterlager statt- 
finden, wenn die Raupen in grosser Masse beisammen liegen. Da- 
für sprechen Beobachtungen, die ich bei meinen Zuchten machen 
konnte. Lässt man die Exremente am Boden des Kulturbehälters 


58 Ernst Hallier, 


liegen, so bedecken sie sich bei kranken Raupen mit den Aéroco- 
nidien (Botrytis Bassiana) und man sieht nun besonders häufig auf 
den am Boden kriechenden, schon träge und schlaff gewordenen Rau- 
pen Pilzkeimlinge und nach dem Tode den bekannten weissen Filz. 

Für den ganzen epidemischen Charakter der Krankheit ist 
noch eine Beobachtung von grössester Wichtigkeit, welche ich häu- 
fig bei meinen Zuchtversuchen machte und welche Herr Dr. Har- 
tig und ich in den Forsten überall bestätigt fanden. 

Es musste ja sich von selbst die Frage aufdrängen, welche 
Rolle der Parasit auf.der Kiefer spielt und um so mehr, als die 
verschiedenen Autoren über Fumago seines Vorkommens auf Nadel- 
hölzern nur selten Erwähnung thun. Da die aus den königlichen 
Forstrevieren Pommerns mir eingesendeten Kiefernzweige stets stark 
mit Fumago bedeckt waren, sobald die Raupenepidemie sehrüberhand 
genommen hatte, so durchforschte ich zunächst die Kiefernforsten 
in der Umgegend von Jena nach dem Vorkommen von Fumago auf 
der Kiefer. Ich fand, dass der Pilz zwar hie und da vorkomut, aber 
immer spärlich und schwach; niemals sah ich ihn in solcher Menge 
und Ueppigkeit wie im königlichen Forstrevier Pütt. Gastropacha 
pini ist in den letzten Jahren in Thüringen oder wenigstens im 
jenaischen Saalthal und seinen Umgebungen so selten gewesen, dass 
zwei Entomologen zu wir kamen, um Raupen von mir zu erhalten. 
Die näher zu erwähnende Beobachtung ist nun aber folgende: 
Wenn man grosse Kiefernzweige zur Fütterung anwendet, auf de- 
nen die Raupen bequem auf- und absteigen können, und sie längere 
Zeit stehen lässt, so werden die ursprünglich noch so gesunden 
Zweige von Fumago befallen, sobald die darauf gezüchteten Rau- 
pen die Muscardine haben. Der Grund dieses Befallens, welches 
Herr Dr. Hartig in Neustadt-Eberswalde schon vor mir konsta- 
tirt hatte, kann in nichts Anderem liegen als in einer Verschlep- 
pung der Pilzzellen durch die Raupen, durch ihre Faces u. s. w. 
Ich nahm, um noch sicherer zu gehen, eine Züchtung mit völlig 
gesunden Zweigen von Pinus nigricaus vor. Die kranken Raupen 
schienen dieses Laub mit ganz besonderem Behagen zu fressen. 
Nach mehren Tagen bedeckten die Scheiden der Nadelpaare sich 
an allen angefressenen Zweigen mit den Aérosporen und Schizo- 
sporangien von Fumago und etwas später kamen sogar Conidien 
zur Ausbildung. Wenn also die Raupe selbst im Stande ist, die 
Kiefer mit Fumago zu infiziren, so liegt die Annahme sehr nahe, 
dass die Raupe selbst durch Verschleppung des Pilzes auf ein 


Die Muscardine des Kiefernspinners. 59 


grosses Gebiet sich die Grenze gesteckt und ihrer übergrossen 
Verbreitung selbst ein Ziel gesetzt habe, eine Annahme, welche 
durch den Nachweis der Erblichkeit der Krankheit eine ganz be- 
sondere Stütze findet. Da nun diese Frage nicht bloss von wis- 
senschaftlichem, sondern auch von bedeutendem praktischen Inter- 
esse ist, so machte ich der Königlichen Regierung zu Stettin den 
Vorschlag, die verschiedenen Forstreviere durch die Forstbeamten 
selbst nach Fumago durchsuchen zu lassen. 

Um wenigstens über ein Forstrevier einen Ueberblick zu er- 
halten bezüglich der Krankheit der Kiefern und der Raupen, ver- 
anlasste das Königliche Finanzministerium zu Berlin mich zu einer 
Reise nach Neustadt-Eberswalde, Stettin und in das Forstrevier Pütt, 
über deren Ergebnisse noch die folgenden Notizen Platz finden mögen. 


V. Bericht über die im Auftrage des Königlich Preus- 
sischen Finanzministeriums unternommene Reisein 
das Forstrevier Pütt bei Damm unweit Stettin. 


Als ich meine Reise antrat, da waren die mikroskopischen 
Untersuchungen und die Zuchtversuche, deren Resultate vorstehend 
mitgetheilt wurden, bereits beendigt und die vorstehende Arbeit 
srossentheils niedergeschrieben. Die erste Tafel war bis auf wenige 
Figuren vollendet, so dass ich dieselbe auf der Reise zur Unter- 
stützung der mikroskopischen Demonstrationen vorzeigen konnte. 

In Neustadt-Eberswalde hatte ich: eine mehrstündige Konferenz 
mit Herrn Dr. Robert Hartig. Derselbe hatte schon seit vie- 
len Monaten die Krankheit des Kiefernspinners untersucht, ohne 
dass wir gegenseitig von unseren Untersuchungen wussten. Um 
so freudiger musste uns Beide die völlige Uebereinstimmung in 
unseren Resultaten bezüglich des Auftretens des Parasiten im In- 
nern und auf der Haut der Raupe berühren. Die Hefe, ihre Ent- 
wickelung uud Keimung, das Hervorbrechen des Pilzes aus dem 
Innern der Raupe nach deren Tode und vieles Andere wurde in 
völliger Identität von uns beobachtet. 

Herr Dr. Hartig hatte eine Stammbildung der A&roconidien 
in Form einer Isaria beobachtet, die erst längere Zeit nach dem 
Tode unter besonderen Verhältnissen aus dem Raupenkörper her- 
vorbricht. Er hatte dieselbe nach den Zeichnungen de Bary’s”) 
für Isaria farinosa oder vielmehr für die Stammbildung von Tor- 


*) Bot. Zeitung 1867 Taf. I, 


60 Ernst Hallier, 


rubia militaris Tulasme gehalten. Da de Bary in seiner Arbeit 
den Beweis dafür, dass seine „Isaria“ wirklich zu Cordyceps mili- 
taris Fr. oder Torrubia militaris Tul. gehört, ganz schuldig ge- 
blieben ist, indem er den Zusammenhang mit den Perithecien 
von Torrubia nicht nachgewiesen hat, da ferner seine Zeichnungen 
so unbestimmt gehalten sind, dass sie fast auf jedes Stachylidium 
(Acrostalagmus) bezogen werden können, so ist die Identificirung 
des Muscardine-Pilzes mit dem Pilz von de Bary’s Zeichnungen 
„Isaria farinosa“, so lange die Herkunft des Muscardine - Pilzes 
nicht experimentell festgestellt war, sehr begreiflich. Diesen ex- 
perimentellen Nachweis haben wir nun geliefert und es ist damit 
die Stammbildung des Muscardine-Pilzes als eine Stammbildung der 
Aéroconidien-Morphe von Fumago salicina Mont. nachgewiesen. 

Herr Kollege Hartig veröffentlicht seine schönen und ein- 
gehenden Untersuchungen bald selbst, so dass ich hier mit weite- 
ren Mittheilungen über das, was er mir mündlich berichtete, nicht 
vorgreifen will. 

In Gemeinschaft mit Herrn Dr. Hartig begab ich mich so- 
dann nach Stettin ünd hatten wir dort die Ehre, im Hause des 
Herrn Oberforstmeisters Wartenberg unsere wichtigsten Prä- 
parate und Specimina dem Herrn Regierungspräsidenten v. Toop, 
Herrn Oberregierungsrath Triest und den obersten Forstbehör- 
den vorzuzeigen und unsere Ansicht über die Raupenepidemie kurz 
zu entwickeln. 

Es wurde dann am folgenden Tage eine möglichst genaue 
Besichtigung des Königlichen Forstreviers Pütt vorgenommen. 

Hierbei stellte sich heraus, dass die Kiefern um so stärker 
mit Fumago befallen sind, je stärker die Raupen gehaust haben. 
Mehrfach gefällte Bäume zeigten durchweg eine Wechselbeziehung 
zwischen der Häufigkeit der, hier meist kranken, Raupen und der 
befallenen Kiefern, wodurch also die bei Zimmerkulturen gewon- 
nenen Ansichten bestätigt wurden. Die Raupen lagen hier oft 
sehr dicht unter den Bäumen und hatten hie und da (am 10. März) 
bereits zu baumen angefangen. Durch diese gedrängte Lage und 
durch die Vermischung der Raupen mit infizirten abgefallenen 
Kiefernadeln kann sehr leicht eine gegenseitige oder durch die 
Nadeln hervorgerufene Infection der Raupen von Aussen bewerk- 
stelligt werden, besonders bei nassem Wetter; es ist daher in An- 
betracht der bei Zimmerkulturen gemachten Erfahrungen nicht 
unwahrscheinlich, dass anhaltend oder wechselnd nasses Wetter 


Die Muscardine des Kiefernspinners. 61 


zur Zeit der Ruhe im Winterlager die Raupen, besonders wo sie 
sedrängt liegen, durch Verwesung unter dem Einfluss der Fumago 
massenhaft zu Grunde richten kann. Herr Dr. Hartig hat über 
diesen Gegenstand genauere und länger fortgesetzte Beobachtungen 
anstellen können, als wie es mir möglich war. Es drängte sich 
uns im Ganzen die Ueberzeugung auf, dass die Raupen im Forst- 
revier Pütt ihrem Untergange durch die Epidemie entgegengehen, 
dass dasselbe in allen denjenigen Forstrevieren stattfinden wird, 
wo Raupen und Kiefern sich in ähnlichem Zustande befinden. 
Natürlich lässt sich der Zeitpunkt, wann die Raupen so gut wie 
ganz zu Grunde gehen werden, nicht genau bestimmen, sondern 
nur unter gewissen Bedingungen annähernd vermuthen. Solcher 
die Epidemie begünstigender Momente mag es verschiedene geben, 
gewiss aber spielt feuchtes Wetter und in Folge davon nasses 
Futter im Sommer und Nasswerden der Raupen im Winterlager 
die grösste Rolle dabei. 

Herr Oberförster Middeldorpf zu Pütt, welcher uns die 
nicht nur für die praktische Forstkunde, sondern auch für die 
Pflanzenphysiologie so interessanten von ihm angeordneten Ent- 
ästungsversuche zeigte, machte uns auch auf die verschiedenen 
Methoden aufmerksam, den Raupen nachzustellen. Es hatte sich 
dabei im Ganzen gezeigt, dass das Ablesen der Raupen nicht zweck- 
mässig sei, weil noch eine zu grosse Menge von Raupen dabei 
im Lager zurückbleibt. Noch weniger kann das Wegnehmen der 
Streu als zweckmässig bezeichnet werden, da, abgesehen von der 
dadurch verursachten Beeinträchtigung der Forsten, auch bei dieser 
Maassregel ein grosser Theil der Raupen im Boden bleibt. 

Es waren ferner Versuche angestellt, die Raupen im Winter- 
lager durch Aufschiitten von Sand zu tödten. 

Am zweckmässigsten erweist sich offenbar das Verhindern des 
Baumens der Raupen durch Röthen und Theeren der Bäume, wozu 
sich die von Herrn Oberforster Middeldorpf zuerst in Anwen- 
dung gebrachte Mischung von Theer und grüner Seife besonders 
zu empfehlen scheint. 


VI. Historische Notiz*) über die Muscardine. 


Nachdem die Muscardine als Krankheit der Seidenraupen be- 
reits seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts bekannt gewesen 


*) Eine etwas eingehendere Angabe der wichtigsten Literatur findet man 
in meiner Arbeit über die Gattine, auf welche ich hiermit verweise, 


62 Ernst Hallier, 


war, ohne dass man über ihre Ursache etwas Sicheres anzugeben 
wusste, entdeckte Bassi im Jahre 1835 den die Krankheit verur- 
sachenden Pilz, welchen Balsamo ihm zu Ehren Botrytis Bassiana 
nannte Audouin, Montagne und weit später Vittadini be- 
wiesen, dass nach Aussaat der Botrytis auf den Körper der Sei- 
denraupe diese an der Muscardine erkranke. 

Vollkommen richtig hat Montagne den Muscardine-Pilz mit 
Conidien in Ketten und in Köpfchen beobachtet, nur dass er die 
succedane Entstehung der köpfchenständigen Conidien übersah. 

Guérin-Méneville und Vittadini wissen recht gut, dass 
der Ursprung der Krankheit im Darm zu suchen ist, und Guérin- 
M&neville beobachtete den Micrococcus in den Blutkörpern, 
sah ihn zu grösseren Zellen (Arthrococcus) heranwachsen und häu- 
fig die Blutkörper verlassen. Sehr richtig sieht er diese kleinen 
Zellen als die eigentliche Ursache der Krankheit an. Diese ebenso 
klare Darstellung als einfache und richtige Deutung ist erst in 
neuester Zeit durch de Bary’s Bemühungen völlig verwirrt wor- 
den. In allen Punkten, wo de Bary richtig beobachtet hat, be- 
stätigt er nur die Angaben von Vittadini und die Arbeit von 
Montagne; wo er. von diesen beiden Forschern und von Gué- 
rin-Méneville abweicht, da ist er auf grobe Irrthümer ge- 
‘yathen. Ausser diesen Rückschritten enthält seine Untersuchung 
nichts Eigenes. Und nun beachte man nur, nach welcher Methode 
dieser bekannte Forscher untersucht! Er bringt”) Raupen von 
Gastropacha Rubi, die er mit Pilzmycelium erfüllt findet, „auf 
und in feuchte Erde“. Nun „lebte das eingetrocknete Mycelium 
wieder auf, sowohl wenige Wochen als auch noch 3 Monate nach 
dem Tod der Thiere“ Aus dem wieder aufgelebten Mycelium 
lässt nun Herr de Bary die Torrubia militaris hervorwachsen, 
oder vielmehr einen Pilz, der mit dieser die grösseste Aehnlichkeit 
hat, aber den er zu Botrytis Bassiana zieht. Wer sagt denn aber 
dem Herrn Kollegen, dass sein Pilzmycelium wirklich identisch ist 
mit dem ursprünglich in der Raupe vorhandenen? Was schützt 
ihn dagegen, dass nicht aus der feuchten Erde oder selbst aus 
der Luft stammende Pilzelemente den Raupenkörper schimmeln 
machen? Jedenfalls wäre er zu einem ganz ähnlichen Resultat 
gekommen, wenn er irgend beliebige und pilzfreie todte Raupen 
„auf und in feuchte Erde“ gelegt hätte. 


Pte, 2.,0,.8.2! 


Die Muscardine des Kiefernspinners. 63 


Meine Schriften zeugen davon, dass ich dem Herrn Kollegen 
de Bary überall die grösste Anerkennung gezollt habe, wo ich 
es irgend mit Ueberzeugung thun konnte; — hat man aber nicht 
gradezu die Pflicht, die durch so rohe und leichtsinnige Versuche 
angerichtete Verwirrung ‚aufzudecken, besonders wenn der Herr 
Kollege gegen Untersuchungen Anderer”) über ihm gänzlich fremde 
Themata mit so hochmüthiger Geringschätzung aburtheilt? Es 
versteht sich wohl von selbst, dass alle Angaben, die Herr 
Professor de Bary über den Pilz macht, welchen er in der so 
eben angegebenen Weise gezogen hat, gänzlich werthlos sind, so 
weit sie sich auf die Raupe und ihre Krankheit beziehen sollen. 
Dass ein grosser Theil der über Botrytis Bassiana gemachten An- 
gaben unrichtig ist, haben wir schon oben gezeigt. 

Herr de Bary hat auch Fütterungsversuche gemacht und 
dabei den Darm zu jeder Zeit pilzfrei gefunden, obgleich die Rau- 
pen (Sphinx euphorbiae) die Pilzconidien mit den Blättern wirklich 
frassen. Hier kann nur die sehr ungenaue Beobachtung die Ursache 
des Uebersehens sein, denn dass Herr de Bary mit so schlechten 
Mikroskopen arbeitet, dass ihm die kleinen Hefezellen aus diesem 
Grunde entgehen sollten, ist doch wohl kaum anzunehmen. Seine 
Angabe, dass der Darm bis zum Tode der Raupe „pilzfrei“ ge- 
blieben sei, hat aber schon deshalb gar keinen Werth, weil er 
über die Beschaffenheit des Darminhalts, seine Reaktion u. s. w. 
jede Aufklärung schuldig bleibt. Ganz dasselbe oberflächliche 
Uebersehen der Pilzelemente ist auch seinen Untersuchungen des 
Raupenblutes zum Vorwurf zu machen. Genauer scheint er das 
Blut überhaupt gar nicht geprüft zu haben. An den braunen 
Flecken soll man die Eintrittsstellen des Pilzes erkennen **). Sehr 
häufig habe ich die Haut an solchen missfarbigen Stellen unter- 
sucht, fand aber nur in seltneren Fällen Pilzbildungen. Möglich 
ist es freilich, dass bei Sphinx euphorbiae die braunen Flecken 
häufiger als bei Gastropacha pini durch Pilzbildungen hervorge- 
rufen werden, da sich aber bei Gastropacha so häufig nachträglich 
an ursprünglich völlig pilzfreien nekrotischen Hautstellen Schim- 
melpilze und besonders Botrytis ansiedeln, so dürfte Herr de 


*) Ausser zahlreichen gegen verschiedene Forscher gerichteten Ausfällen 
vergl. z. B. Botan. Zeitg. 1868 Nr. 42 und Jahresbericht über die Fortschritte 
und Leistungen in der gesammten Medizin. 1867. Bd. II. 1. Abth. 

2#).2..2.'0.'8. Bs 


64 Ernst Hallier, 


Bary diese nachträglich angesiedelten Pilzfäden mit eingedrunge- 
nem Mycelium verwechselt haben. 

Wenn Herr de Bary gesunde und nicht pilzbestreute Rau- 
pen zu absichtlich inficirten setzte, so wurden in zwei Fällen auch 
jene krank. Was schliesst der Herr Beobachter daraus”)? „Es 
ist klar, dass die Thiere in diesen Fällen die Pilzkrankheit der 
mit blossem Auge nicht erkennbaren Menge von Sporen verdanken 
mussten, welche durch Anstreichen, beziehungsweise Ab- und An- 
streifen an der Futterpflanze auf ihren Körper kam.“ Untersu- 
chung hat er aber hier ebensowenig für nöthig gehalten als bei 
seinen Impfversuchen, deren negative Resultate ihm wohl einiges 
Bedenken über seine Methode und die Richtigkeit seiner angebli- 
chen Beobachtungen hätte einflössen dürfen. Statt dessen geht er 
mit einigen leichten Bemerkungen darüber hinweg. Seine Ver- 
suche**) mit Raupen „ohne absichtliche Infection“, welche leider 
nur bei sieben Individuen angestellt wurden, machen obendrein im 
höchsten Grade wahrscheinlich, dass seine Raupen grossentheils 
schon vor der Infection krank waren. Von den 7 Raupen, welche 
sämmtlich in die Erde krochen, gaben 5 „gesunde“ Puppen ***), 2 
dagegen „fanden sich nach mehren Wochen in der Erde todt und 
vom Pilze erfüllt, die eme’als Puppe, die andere, ohne sich ver- 
puppt zu haben“. Sehr leicht räumt der Herr Verfasser auch hier 
den sich von selbst ergebenden Einwand hinweg, indem er sagt: 
„ohne Zweifel in Folge einer unabsichtlichen, in einem Lokal, wo 
der Pilz in Menge kultivirt wurde, leicht erklärlichen Infection.“ 
Wenn aber der Herr Verfasser das wusste, warum hat er nicht 
diese Raupen in einem anderen Lokal aufgezogen ? Was soll der 
ganze Versuch bedeuten, wenn nicht einmal die allergewöhnlichsten 
Cautelen dabei befolet werden? Nachdem nuu der Herr Verfasser 
über verschiedene unsicher bestimmte Isarien, welche, ohne dass 
der Nachweis geführt wird, als Formen von Sphärien (Torrubia 
u.a.) aufgefasst werden, Beobachtungen mitgetheilt hat, zieht der- 
selbe nicht nur aus seinen unsicheren Beobachtungen einen falschen 
Schluss, sondern er dehnt diesen Schluss auf „alle diese Thier- 
parasiten“ aus. Das mit laufenden Lettern gedruckte Wort „diese“ 
ist zwar sehr dehnbar und kann beliebig gedeutet, ausgedehnt oder 


#): a. ans Oc 8.40. 

Ar): a... 0. Du10% 

er) Woher weiss der Herr Verfasser, dass sie „gesund“ waren? Den 
Nachweis dafür zu liefern, hält er für überflüssig. 


Die Muscardine des Kiefernspinners. 65 


eingezogen werden, aber eben deshalb ist es um so gefährlicher 
und war es jedenfalls geboten, alle Schlussfolgerungen auf die 
wirklich beobachteten Fälle zu beschränken. 

Genug davon. 

Für die Kenntniss der Fumago salicina brauchen wir kaum 
nochmals auf die klassische Darstellung von Tulasne hinzuweisen. 
Man findet dort einen grossen Theil der älteren Literatur zusam- 
mengestellt und eine vortreffliche kritische Beleuchtung derselben. 


VII. Schlussübersicht über die Ergebnisse der oben 
mitgetheilten Forschungen. 


Die aus den oben mitgetheilten Beobachtungen sich unge- 
zwungen und von selbst ergebenden Resultate, welche ganz selbst- 
verständlich nur für das hier Konstatirte Geltung haben können 
und keinen Schluss auf angeblich verwandte Krankheitserscheinun- 
gen niederer Thiere erlauben, mögen in den folgenden Sätzen kurz 
Ausdruck finden. 

1. Die in den pommerschen königlichen Forstrevieren und in 
einem grossen Theil Norddeutschlands zum Ausbruch gekommene 
Seuche von Gastropacha pini wird hervorgerufen durch die Hefe 
(Micrococcus und Arthrococcus) eines Pilzes, welcher von demjeni- 
gen der Muscardine der Seidenraupen (Botrytis Bassiana Bls.) 
sich nicht unterscheiden lässt. 

2. Die Muscardine der Gastropacha pini wird durch Kiefer- 
nadeln hervorgerufen, welche mit Fumago salicina Mont. behaftet 
sind. 

3. Die Krankheit beginnt im Darm der Raupe uud zwar im 
eigentlichen Magen zuerst, später im Mastdarm. Von da aus ver- 
breitet sich der Parasit durch fortgesetzte Zweitheilung durch 
alle Gewebe der Raupe und in das Blut, welches unter dem Ein- 
fluss des Arthrococeus in saure Gährung geräth. 

4. Die Raupe braucht durchaus nicht an der Krankheit zu 
Grunde zu gehen, vielmehr kann die Krankheit, je nach den äus- 
seren Bedingungen, zunehmen oder abnehmen. Sie ist erblich, in- 
dem der Parasit alle Generationen des Insektes hindurch im Kör- 
per bleibt und sogar in die Eier übergeht. 

5. Die Hefebildungen von Fumago salicina und in seltenen 
Fällen deren Aéroconidien-Morphe sind die einzige Ursache der 
Muscardine der Gastropacha pini, sie spielen die Rolle der An- 

%1. 5 


66 Ernst Hallier, Die Muscardine des Kiefernspinners. 


steckung, sind die Ursache des epidemischen Charakters der 
Krankheit, sind folglich mit dem Contagium identisch. 

6. Der Genius epidemicus, die Schnelligkeit der Verbreitung 
der Seuche, die Heftigkeit ihres Auftretens u. s. w. hangen nicht 
allein von der Massenhaftigkeit des Vorkommens der Fumago 
auf der Kiefer ab, sondern besonders von sogenannten Hilfsur- 
sachen oder örtlichen und zeitlichen Dispositionen. Unter diesen 
steht feuchtes Wetter und in Folge davon feuchtes Futter obenan. 

7. Die Muscardine ist eine mit der Gattine der Seidenraupen 
nahe verwandte Krankheit. Die Gattine wird durch den Arthrococeus 
von Pleospora herbarum Rab., die Muscardine durch den Arthro- 
coccus von Fumago salicina Mont. verursacht. Bei der Muscardine 
kommt bisweilen im Winterlager, selten oder nie auf dem Baum, 
eine Infection :von aussen durch die Haut vor, bei der Gattine 
niemals. 

8. Nach dem Tode der an der Muscardine gestorbenen Rau- 
pen bricht zuweilen, aber in der Minderzahl der Fälle, die Aéro- 
conidien-Morphe als Keimungsprodukt des Arthrococcus aus der 
Oberhaut hervor ; in allen übrigen Fällen tritt entweder, wie stets 
bei der Gattine, Micrococcus-Bildung und Fäulniss der Leiche ein 
oder die Arthrococeus-Bildung dauert bis zum Ende der Raupe, 
welche eintrocknet, meist ohne dass die Hefezellen keimen. 

9. Die Muscardine ist kontagiös und miasmatisch zugleich. 
Der gewöhnliche Vorgang der Uebertragung besteht in einer in- 
direkten Uebertragung durch Verschleppung der Pilzelemente auf 
das Laub mittelst der Dejectionen oder des Raupenkörpers; er 
ist also ähnlich, wie man ihn sich bei Cholera, Typhus u. a. mensch- 
lichen Krankheiten durch Vermittelung des Trinkwassers denkt. Als 
seltene Ausnahme kommt aber auch ein direktes Eindringen des 
Pilzes in die Haut vor, hier wirkt er also als eigentliches Contagium. 

10. Die Raupen, welche an der Muscardine erkrankt sind, 
tragen insofern selbst zur Verbreitung der Seuche bei, als die von 
ihnen angefressenen Kiefernzweige durch Verschleppung der Coni- 
dien, Sporen und Hefezellen mit Fumago infizirt werden und somit 
andere an ihnen fressende Raupen anstecken. 


Ueber Exobasidium Woronin. 


Von 
Hi. Karsien. 


Das von Fuckel 1861 entdeckte und in der Botanischen Zei- 
tung S. 251 Taf. X Fig. 7 beschriebene und gezeichnete Fusidium 
Vaccinii wurde bekanntlich von Woronin zum Gegenstande einer 
umfassenden Untersuchung gemacht, die derselbe von guten, cha- 
racteristischen Abbildungen begleitet in dem Berichte der Verhand- 
lungen der naturforschenden Gesellschaft in Freiburg 1867 8. 697 
veröffentlichte. Da Woronin gefunden hatte, dass die Anfangs 
einfächerigen, später — wie auch Fuckel sie zeichnet, — mehr- 
fächerigen Gonidien zu vieren (selten je 5) auf dem Scheitel der 
keulenförmigen Enden von Mycelfäden stehen, die massenhaft ver- 
tikal-parallel neben einander stehend eine Art Hymenium bilden, 
glaubte er den Pilz mit Recht aus der Gattung Fusidium aus- 
schliessen und als Typus einer eigenen Gattung „Exobasidium“ 
ansehen zu dürfen: mit Unrecht aber wies er demselben, wegen 
der Stellung seiner Gonidien auf keulenförmigen Sterigmen, einen 
Platz unter den Basidiomyceten an. Mir wenigstens schien diese An- 
ordnung nach den übrigen der Entwickelungsgeschichte entnommenen 
Mittheilungen aus diesem Grunde allein nicht gerechtfertigt. Denn 
nachdem von mir an Agaricus campestris und A. vaginatus die 
durch Copulation befruchtete Mutter-Zelle der Pilzfrucht erkannt 
und zugleich nachgewiesen worden war, dass die Frucht der Basi- 
diomyceten ebenso wie diejenigen der Flechten, welche ihre Saamen 
in Schläuchen enthalten (Coenogonium) — denen sich, wie dies 
von mir erwartet wurde (Gesammelte Beiträge zur Anatomie und 
Physiologie der Pflanze S. 341. Das Geschlechtsleben der Pflanze 
und die Parthenogenesis. 1860.) neueren Beobachtungen zu Folge 
die Ascomyceten anschliessen, — das Produkt eines Copulations- 
actes zweier heterogener Zellen sei, konnte wohl mit Recht von 
demjenigen gefordert werden, der einen Pilzentwicklungszustand, 

5 * 


68 H. Karsten, 


gegen die Ansicht des auf der Höhe der Wissenschaft stehenden 
Entdeckers nicht als Gonidien-, sondern als Fruchtform aufzufas- 
sen empfiehlt, dass er den Nachweis giebt, die betreffende Ent- 
wickelungsform sei das Produkt eines Befruchtungs-Processes, we- 
nigstens, dass derselbe sich bemüht, diesen Nachweis möglichst 
unzweifelhaft zu geben. Der Nothwendigkeit dieses Nachweises 
wurde von Woronin nicht gedacht, vielmehr die Basidien - Form 
der Gonidienträger allein für hinreichend gehalten, über die Natur 
der vorliegenden Pilzorganisation sich ein Urtheil zu bilden. 

Da die Form der Gonidien bei den Pilzen aber eine so sehr 
variable ist und die Asco- und Hymenomyceten Frucht- und 
Saamenbildung zum Theil nachahmt, kann aus derselben nichts 
über die Stellung der Species, der sie angehört, erkannt werden. 
Diese Ueberlegung veranlasste mich zu einer erneueten Untersu- 
chung dieses in den Kieferwaldungen Norddeutschlands auf Vacci- 
nium Vitis Idaea sehr verbreiteten, bei Berlin vom Mai bis Sep- 
tember vorkommenden Pilzes. 

An dem in dem Blattgewebe von Vaccinium wuchernden My- 
celium des Pilzes habe ich etwa vorhandene Copulationsorgane 
nicht auffinden können, was freilich ein Uebersehen derselben nicht 
ausschliesst und kein Beweis sein soll, dass nicht dennoch ein Co- 
pulations- Act an demselben stattfindet: dagegen habe ich Ent- 
wickelungserscheinungen an den von Fuckel und Woronin be- 
schriebenen Gonidien beobachtet, die keinesweges dafür sprechen, 
dass dieselben die Saamen eines Basidiomyceten sind, wie Woro- 
nin dies ausspricht, indem er ihre Träger für die Basidien eines 
Hymenomyceten erklärt. | 

Ich fand nämlich, dass die mit sehr seltenen Ausnahmen stets 
zu vier auf dem Scheitel dicker cylindrischer Astzellen des Myce- 
liums vorkommenden, von kurzen, dicken, borstigen Stielchen ge- 
tragenen Gonidien, wenn sie auf letzteren verbleiben und sich 
weiter entwickeln können, ebenso wie nach dem Abschütteln oder 
Abwelken häufig zellig wurden, und zwar dadurch, dass sich zu- 
nächst zwei in ihnen enthaltene, schon von Woronin beobach- 
tete Kernzellen so weit ausdehnen, dass sie in der Mitte ihrer 
Mutterzelle sich berühren und hier eine Querwand bilden, und 
dann in jeder dieser beiden Tochterzellen auf gleiche Weise wieder 
zwei neue Zellen entstehen und sich so weit ausdehnen, dass noch- 
mals neue Querwände gebildet werden, während sich ihre anfangs 
auswärts gekrümmte und etwas auswärts geneigte Mutterzelle, die 


Ueber Exobasidium. 69 


ursprüngliche Gonidie, noch etwas vergrössert, eine mehr cylindri- 
sche Form annimmt und sich aufrichtet, so dass alle vier einen 
‚längsgetheilten cylindrischen Körper als Fortsetzung ihres Trägers 
bilden. Dieser basidienförmige Träger wuchs gleichfalls noch in- 
zwischen und auch in ihm tritt eine Querwand auf, der in dem 
unteren Theile zuweilen noch eine zweite folgt, ein bei den wirk- 
lichen Basidien, den Saamenmutterzellen der Hymenomyceten, noch 
nicht beobachtetes Verhältniss, wenn nicht die Tremellaceen aus- 
genommen werden, bei denen jedoch wieder die Saamen eine 
gänzlich andere Stellung haben und für welche letztere auch erst 
nachzuweisen ist, dass sie wirklich Saamen, d.h. dass diese Tre- 
mellaceen wirklich Hymenomyceten - Früchte sind. 

Bei dieser Entwickelung von Scheidewänden in den Gonidien 
hat es aber nicht sein Bewenden, wenn dieselben ihrer ruhigen 
und ungestörten Entwickelung überlassen bleiben: es entstehen 
vielmehr am Scheitel der obersten Tochterzelle jeder dieser vier 
Gonidien neue Stielchen, in denen wiederum eine Tochterzelle sich 
bildet, die zu einer der ursprünglichen Gonidie ähnlichen, nur so- 
fort mehr regelmässig länglichen, walzlichen Gonidie heranwachsen, 
welche vier Gonidien zweiter Ordnung sich meistens bald wieder 
an einander legen und die von ihrem Träger gebildete Säule ver- 
längern. Aus dem Scheitel dieser secundären Gonidien (Gonidien- 
Mutterzellen) sprossen dann nochmals ähnliche Gonidien hervor, 
die sich ähnlich verhalten, später häufig vor der Keimung im Zu- 
sammenhange mit dem mütterlichen Organismus gekammert wer- 
den, oft auch einfach bleiben und sich in vielen Fällen nicht an 
einander legen, so dass das kettenartige Zusammenhängen jeder 
Reihe leicht erkannt werden kann. Mit der Bildung dieser ein- 
fachen Kette auf der einen ursprünglichen Basidie ist aber noch 
nicht die ganze Entwickelung beendet, es entstehen vielmehr, und 
zwar nicht selten, aus den Scheitelzellen der unteren Gonidien 
neben den primären Kettengliedern, bald nach der vollständigen 
Entwickelung dieser, oder auch schon vor derselben, eine zweite 
ähnliche Generation von Gonidien, so dass jede dieser Gonidien- 
reihen nicht eine einfache, sondern eine verästelte Kette darstellt. 

Rechnet man zu dieser bei den Saamen der Hymenomyceten 
ebenso unerhörten, wie bei den Gonidienformen allgemein bekann- 
ten Erscheinung das Gekammertwerden der sog. Basidien und die 
Entwickelung der ganzen Pflanze unter der Oberhaut der lebenden 
Nährpflanze, ohne dass bisher eine Mutterzelle des Hymeniums in 


70 H. Karsten, Ueber Exobasidium. 


der Art erkannt wurde, wie ich sie für Coenogonium nachgewiesen 
habe und wie sie bei den Aecidiaceen, Hymenomyceten und Asco- 
myceten, soweit mir es bisher bekannt wurde, gleichfalls vorhanden 
ist, so geben diese Entwickelungserscheinungen wohl keinen Be- 
weis davon, dass dieser Parasit zu den Basidiomyceten gehört, 
noch weniger aber characterisiren dieselben diesen Exobasidium 
genannten Entwickelungszustand als die Frucht und die Gonidien 
desselben als die Saamen eines Hymenomyceten; derselbe darf 
daher wohl nicht so unbedingt zu diesen gerechnet werden, bis 
weiter vorzunehmende Untersuchungen gezeigt haben, dass er (dann 
wahrscheinlich als Gonidienform) wirklich einem Basidiomyceten 
angehört. Dasselbe Bedenken hinsichts der Bedeutung der be- 
‘ kannten Vermehrungsorgane, das ich hiermit für Exobasidium be- 
sründet habe, gilt auch für Taphrina Fr. Tul. (Exoascus Fuckel), 
die wohl mit allem Rechte von Woronin für einen dem Exo- 
basidium analogen Entwickelungszustand erklärt wird. Beide wer- 
den zur Zeit noch als Gonidienzustände zu betrachten und unter 
die Coniomyceten zu stellen sein. 


Ueber den Parasiten der Ruhr. 


Von 
Ernst Hallier. 


Anfangs August vorigen Jahres wurde ich durch die Güte des 
Herrn Dr. L. Pfeiffer in Weimar, welcher mich mit werthvollen 
Materialsendungen sowie mit Rath und Hülfe unterstützte, zu einer 
Untersuchung über parasitische Gebilde im Darminhalt der Ruhr- 
kranken angeregt, deren Resultate hier kurze Besprechung finden 
mögen, im Anschluss an die erste in diesem Heft zum Abdruck 
gekommene Abhandlung. Diese Besprechung kann nur eine vor- 
läufige sein, da eine ausführliche Behandlung dieses Thema’s dem- 
nächst in einer grösseren Abhandlung über die Parasiten der In- 
fektionskrankheiten stattfinden wird, woselbst die wichtigeren For- 
men und ihre Genesis durch Abbildungen erläutert werden sollen. 

Der pflanzliche Befund in den Ruhrstühlen ist demjenigen in 
Cholerastühlen, Stühlen von Typhuskranken und von verschiedenen 
anderen Infektionskrankheiten, welche ihren Hauptsitz in den Där- 
men haben, so ähnlich, dass man daran allein wohl niemals ein 
Mittel gewinnen wird zu einer durchgreifenden Unterscheidung. 
Die Fäkaltlüssigkeit ist dicht erfüllt mit sehr kleinen kugeligen, 
zum Theil sich lebhaft bewegenden Körperchen, welche man nach 
der früheren Bezeichnungsweise zu den Vibrionen rechnen müsste. 
Sie würden ohne Zweifel von denjenigen, welche den Ursprung 
des Micrococcus noch nicht kannten, zu Ehrenberg’s Monas pro- 
digiosa gerechnet sein, ein Name, unter welchem man die Kern- 
hefe mehrer verschiedener Pilze vereinigte, bloss deshalb, weil 
diese kleinen Körper selbst bei den stärksten Vergrösserungen, 
eben ihrer Kleinheit wegen, noch sehr geringe Unterschiede zeigen. 
Sie sind bald kugelig, bald weichen sie mehr oder weniger von 
der Kugelgestalt ab, strecken sich bakterienartig in die Länge und 
nehmen, wie Monaden, die wunderlichsten Gestalten an. Alle diese 
Erscheinungen sieht man an den Körperchen im Cholerastuhl 


72 Ernst Hallier, 


unter günstigen Umständen, man sieht sie häufig an denjenigen 
bei’m Typhus wie bei der Ruhr, ja, bei gewöhnlicher Diarrhoe, und 
wenn auch ohne Zweifel hier geringe Formenunterschiede obwalten, 
so sind diese doch mit unseren besten Mikroskopen nur schwer 
erkennbar, ja, meist ist es unmöglich, stichhaltige Unterscheidungs- 
merkmale anzugeben. Dennoch sind diese Körperchen in den ge- 
nannten Fällen ganz verschiedenen Ursprungs. Bei der Cholera 
sind sie die Kernhefe einer Form des Weizenbrandes, bei’m Typhus 
ist die Kernhefe des Russthaus (Pleospora) thätig u. s. w. 

Es fragte sich nun, ob die kleinen planzlichen Organismen 
der Ruhrexkremente selbstständige Gebilde seien, etwa so, wie 
man sich früher die Vibrionen und Bacterien dachte, oder ob die- 
selben ebenfalls; als Micrococcus eines Pilzes aufzufassen seien, 
und wenn das der Fall: ob dieser Pilz ein bestimmter, oder ob 
sehr verschiedene Pilze dieselbe Rolle übernehmen könnten. 

Zur Entscheidung dieser Frage wurde eine grosse Anzahl von 
Kulturversuchen unternommen, welche auch in der That zu einem 
ganz bestimmten und, für die Weimarische Epidemie, konstanten 
Resultate führten. Bei allen angestellten Kulturversuchen zeigte 
sich, dass der kleine Parasit keineswegs blos ein Organismus sui 
generis ohne Beziehung zu anderen Organismen sei, sondern dass 
er nichts Anderes sei, als die Kernhefe eines ganz bestimmten 
Pilzes, den man bei der Kultur keines anderen Micrococcus. erhält, 
ja, der überhaupt ganz unbekannt zu sein scheint. 

Natürlich darf man zu den Keimungsversuchen sich keines 
flüssigen oder gar zur fauligen Gährung geneigten Nährbodens be- 
dienen. In diesem Fall vermehrt sich der Micrococcus durch fort- 
gesetzte Zweitheilung und, wie immer, bleiben die an der Ober- 
fläche der Flüssigkeit neu abgeschnürten Glieder mit einander im 
Zusammenhang, d. h. es entstehen hier Mycothrix - Ketten unter 
dem Einfluss der Luft. 

Sobald man den Chemismus der Flüssigkeit ändert, ändert 
sich auch die Form der Hefe, und man erhält, wie bei anderen 
Pilzen, Cryptococcus bei der geistigen, Arthrococcus bei saurer 
Gährung *). 

Wendet man dagegen einen trocknen und festen Nährboden 
an, so keimen die Cocei unter allen Umständen und das Keimungs- 
produkt ist der sogleich zu beschreibende Pilz. 


*) Vgl. Hallier, Gährungserscheinungen. Leipzig 1867. 8. 105—110. 


Ueber den Parasiten der Ruhr. 73 


Die Keimung ist etwas verschieden je nach dem Grade der 
Trockenheit und nach der chemischen Zusammensetzung des Nähr- 
bodens. Ist dieser sehr trocken, so schwellen die kleinen Cocci. 
ganz allmählig zu grösseren Körpern an, welche endlich, nach- 
dem sich der Durchmesser oft um mehr als das Zehnfache ver- 
srössert hat, zu keimen beginnen. Ich habe solche Keimzellen 
schon früher mit dem Ausdruck „Sporoiden“ bezeichnet*). Bei 
etwas feuchterem Substrat, und namentlich bei sehr gedrängter 
Lage der Cocci, bilden die Sporoiden sich auf etwas andere Weise. 
Die Cocei nämlich, welche aus nacktem Plasma bestehen, wie schon 
ihre Bewegungen andeuten, fliessen zusammen, wo sie auf einander 
treffen, und bilden Fusionen, wodurch anfänglich sehr seltsam 
gestaltete Plasmaballen entstehen. Diese runden sich zuletzt in 
der Regel ab und bilden dann grosse kugelige oder längliche Kör- 
per. Sie scheiden, ebenso wie die zuerst geschilderten Formen, 
eine Membran aus und keimen. 

Das Keimungsprodukt ist das nämliche, mögen die Sporoiden 
mit oder ohne Bildung von Fusionen entstanden sein. Es ist stets 
zunächst ein Mycelium, welches im reifen Zustand braun, im un- 
reifen Zustand farblos ist. Im Innern des kräftigen Nährbodens 
schnürt dieses Mycelium an kurzen Seitenzweigen einzelne oder in 
kleinen Ketten stehende kugelige Brandsporen (Anäerosporen) ab. 
Diese Sporen besitzen eine ziemlich derbe bräunliche Membran, 
welche eine nur schwach sichtbare netzige Zeichnung besitzt. Es 
ist nicht leicht, diesen Brandpilz in einer der bisher bekannt ge- 
wordenen Gattungen unterzubringen. Er wird nach Form und 
Bildungsweise der Sporen in der Mitte stehen zwischen den Gat- 
tungen Ustilago und Tilletia. Der letztgenannten Gattung ist er 
wohl am ähnlichsten. Der Pilz scheint aber durchaus unbekannt 
zu sein und ich stelle ihn vorläufig in eine neue Gattung, indem 
ich ihn wegen seiner fast glatten Sporen als Leiosporium dysen- 
tericum bezeichne. Natürlicherweise kann diese Bezeichnung nur 
eine vorläufige sein, denn ich habe früher vielfach gezeigt, dass 
die Brandpilze (Ustilagineen) nur eine Form von Ascomyceten sind, 
die ich Anäerosporen nenne, weil sie nur im Innern des Nähr- 
bodens, nicht an der Luft, zur Ausbildung kommt. Sollte sich 
also früher oder später auch unser Leiosporium als eine solche 
Anäerosporen-Morphe eines Ascomyceten herausstellen, so gebührt 


*) Vgl. Hallier, Parasitologische Untersuchungen. Leipzig 1868. S. 8 ff. 


74 Ernst Hallier, 


natiirlich der Askenfrucht die Gattungsbenennung und die Brand- 
form wird eben nur als Morphe aufzufassen sein. 

Das Leiosporium bildet sich, sobald der Nährboden in Folge 
zu grosser Nässe zu gähren beginnt, zu einer unreifen, der alten 
Gattung Oidium angehörigen Form um, indem die Zweige in kuge- 
lige, eiförmige oder bei starker Gährung fast vierkantige (Oidium 
lactis) Glieder zerfallen. 

An der Oberfläche des Nährbodens bilden die Zweige des 
Leiosporium gar keine eigentlichen Brandsporen aus, sondern eine 
eigenthümliche Aérosporen-Morphe, welche man früher zur Gat- 
tung Cladosporium gestellt haben würde. Nach längerer Kultur 
auf kräftigem Nährboden bringt diese Form auch Schizosporangien 
hervor, die aber sehr schwer zu völliger Reife zu bringen sind. 
Diesen beiden Sporenformen entsprechen zwei Schimmelformen, 
welche sofort auftreten, wenn der Nährboden in Verwesung geräth. 

Man würde dieselben nach früherer Bezeichnungsweise in die 
Gattungen Aspergillus und Mucor gestellt haben. Die erste Form, 
die der Aéroconidien, entspricht den Aérosporen, die zweite, die 
der Thecaconidien den Schizosporangien. Die Aéroconidien stehen 
in zahlreichen Ketten an grossen blasenförmigen Basidien, deren 
Träger vielfach verästelt sind und zwar fast ausnahmslos dichoto- 
misch. Die Conidien selbst sind kugelig, grünlich-braun, mit zier- 
lich stacheliger Zellwand versehen. Die Form ist eine bisher nicht 
beschriebene. 

Die Thecaconidien entsprechen einem Mucor, welcher der alten 
Gattung Rhizopus sehr nahe steht. 

Das Resultat der Untersuchung besteht also im Wesentlichen 
darin, dass sich im Ruhrstuhl der Micrococcus eines Brandpilzes 
(Leiosporium dysentericum) befindet, den man in Kulturen leicht 
daraus ziehen kann. Dieser Brandpilz besitzt die drei reifen und 
drei unreifen Formen, welche analog bei jedem Brandpilz wieder- 
kehren, nämlich: 


Anäerosporen. Aérosporen. Schizosporangien. 

Anäeroconidien. Aéroconidien. Thecaconidien. 
Ebenso erzeugt derselbe die drei bis jetzt bekannten Hefeformen: 

Micrococcus, Cryptococcus. Arthrococcus. 


Wahrscheinlich gehört dieser Brandpilz als untergeordnete Anäe- 
rosporen-Morphe einem Ascomyceten an. Das Resultat war nicht 
nur in mehren Kulturen mit den Vorkommnissen verschiedener 
Fälle das nämliche, sondern auch eine Kultur, die ich in Weimar 


Ueber den Parasiten der Ruhr. 18) 


im Zimmer des Herrn Dr. Pfeiffer vornahm, ergab genau das- 
selbe Resultat. 

Die Ruhrepidemie in Weimar war also begleitet von einem 
konstanten Parasiten, welcher seinen Sitz im Darminhalt hatte und 
welcher bisher gänzlich unbekannt war. 

Es ist ein eigenthümlicher, von denjenigen bei Cholera und 
Typhus gänzlich verschiedener Parasit. Ob derselbe als Ursache 
oder als blosser Begleiter der Krankheit anzusehen sei, das kann 
nur experimentell entschieden werden. Die eigenthümlichen ört- 
lichen Beziehungen zwischen Ruhr, Typhus und Cholera dürften, 
wenn der Parasit die Krankheitsursache ist, darin ihren Grund 
haben, dass ähnliche Hülfsursachen, so z. B. Bodenverhaltnisse, , 
Trinkwasser u. s. w., auf die verschiedenen Parasiten analog ein- 
wirken. 


II. 
Kurze Mittheilungen. 


Ueber einen Typhusfallmit eigenthümlichen Gehirn- 
symptomen. Aus’dem Medizinalbericht pro 3. Quartal 1868 
mitgetheilt von Herrn Oberstabs- und Regimentsarzt Dr. Lind- 
ner zu Wesel. 


Die typhösen Erkrankungen traten theils vereinzelt in ver- 
schiedenen Kasernen hiesiger Garnison auf, theils waren sie wäh- 
rend des Manövers in den Kantonnements-Quartieren zur Ent- 
wickelung gekommen. Dieselben, elf an der Zahl, nahmen einen 
günstigen Verlauf mit Ausnahme von zwei Fällen, von denen der eine 
bei einem Pionier während der heissen Tage des Manövers zum 
Ausbruch kam, mit heftigen Kongestionen nach dem Kopfe kom- 
plizirt war und so akut verlief, dass er bereits einige Stunden nach 
der in vollständig soporösem Zustande erfolgten Ankunft des Kran- 
ken im hiesigen Lazareth, — etwa am dritten Tage der Erkran- 
kung — tödtlich endete, während der zweite Krankheitsfall 
anfangs milde verlief und erst in der dritten Woche unter Zutritt 
von eigenthümlichen Gehirnsymptomen eine gefährliche Wendung 
nahm und in der ersten Hälfte des Monats Oktober tödtlich endete. 
Bei diesem trat nämlich gegen Ende der zweiten und zu Anfang 
der dritten Woche eine auffallende Affection des Nervensystems 
ein, die mit grosser Unruhe, — bei Tag und Nacht — lebhaften 
Delirien, Flockenlesen, Sehnenhüpfen begann und sich zuweilen bis 
zu allgemeinen klonischen Krämpfen, besonders in den oberen 
und unteren Extremitäten, steigerte. Dieses Allgemeinleiden des 
Nervensystems machte allmählig einer lokalen Affektion des nervus 
vagus und glossopharyngeus Platz unter den Erscheinungen der 
Hydrophobie. Sobald nämlich irgend eine Flüssigkeit theelöffel- 
weise in den Mund gebracht wurde, traten sofort krampfhafte 
Zuckungen der Gesichtsmuskeln und qualvolles Würgen und nach 


Kurze Mittheilungen. 77 


beendigtem Schlucken ein ängstliches Schluchzen und Stöhnen ein 
und verweigerte Patient, nachdem er aus dem anfangs obwalten- 
den Sopor zum Bewusstsein seines Zustandes, wenn auch nur in 
Form von lichten Intervallen, zurückgekehrt war, durch Mienen 
und Geberden, — (Kopfschütteln und Abwehren mit den Händen) 
— oder durch unverständliche, tonlose Worte, wobei er unfähig 
war, die trockne, russig belegte, zitternde Zunge im Munde zu be- 
wegen, oder zwischen den Lippen vorwärts zu schieben, unter 
krampfhafter Aufregung jede Annahme von Nahrung und Getränk. 
Diese Schlundkrämpfe wurden um so heftiger, sobald man eine 
grössere Quantität von Flüssigkeit mittelst eines Esslöffels oder 
Tassenkopfes beizubringen suchte Trockne, breiige oder feste 
Nahrungsmittel konnte Patient aber wegen der Trockenheit der 
Zunge nicht hinunterschlucken. Da er bei den bedeutenden An- 
strengungen zum Schlucken auch im Halse grosse Schmerzen zu 
haben schien und gleichzeitig an Aphonie litt, so musste man min- 
destens auf Entzündung oder Geschwürsbildung im Pharynx und 
Larynx schliessen, um so mehr, als auch der äussere Druck auf 
die Tonsillargegend Schmerz zu verursachen schien. Bei der 
Sektion aber, — wodurch, beiläufig gesagt, das Vorhandensein von 
an Zahl und Grösse nicht sehr erheblichen grossentheils schon 
vernarbten Darmgeschwüren festgestellt wurde, — fand sich im 
Pharynx und Larynx, ausser einer geringen katarrhalischen Injection 
der Scheimhaut, welche stellenweise mit nussfarbigem Schleim be- 
- deckt war, nichts Abnormes, wohl aber ein ausgebreitetes gelatinö- 
ses Exsudat auf der Gehirn-Oberfläche (Arachnoidea) und starke 
Injection des ganzen plexus choroideus, besonders auch im vierten 
Ventrikel; das Blut in den grossen Gefässen der Brust und Unter- 
leibshöhle war schmierig und dunkel kirschfarbig; das schlaffe, 
welke Herz enthielt weiche, mussige Gerinsel. 

Die in neuerer Zeit sowohl bei der Malaria — wie bei vielen 
miasmaticchen und kontagiösen Krankheiten gemachten Entdeckun- 
gen, nach denen theils im Blute, theils in den Secretionen und Ex- 
cretionen dieser Kranken sogenannte Vibrionen oder Bacterien — 
also kleine, mikroskopische, meist vegetative Organismen aus der 
Familie der Algen und besonders der Pilze vorkommen, vou denen 
man bis jetzt noch nicht weiss, ob sie blos zufällige Begleiter der 
Krankheit oder veranlassende Ursachen derselben, — mithin die 
eigentlichen Miasmen resp. Contagien sind, gewinnen meines Er- 
achtens durch die hier mitgetheilten Beobachtungen in theoretischer 


78 Kurze Mittheilungen. 


Beziehung einigen Aufschluss; ja, ich bin meinerseits, gestiitzt auf 
ähnliche frühere Erfahrungen, sogar überzeugt, dass das Gift der 
verschiedensten miasmatischen resp. kontagiösen Krankheiten, von 
den intermittirenden Malariafiebern an, bis zu Diphteritis, Cholera, 
Typhus u. s. w., ja, bis zu den nur im thierischen’ Körper sich 
entwickelnden, aber auf den Menschen übertragbaren Giften — 
Milzbrand, Rotz- und Wuthgift — eine gemeinsame Kette aus 
unter sich verwandten Gliedern bildet, so dass z. B. die Intoxica- 
tion der Centraltheile des Nervensystems durch hochpotenzirtes 
typhöses Blut analoge Erscheinungen im menschlichen Körper her- 
vorrufen kann wie die Vergiftung des Blutes und sekundär des 
Gehirns durch den Giftstoff der Lyssa. Wenn aber diese Theorie 
richtig ist, so wird es mit der Zeit auch gelingen, ein Heilmittel 
zu finden, welches die Entwickelung und den Ausbruch der Wuth- 
krankheit zu verhüten im Stande ist”). 


Ueber Organismen in den geschlossenen Follikeln 
der Cowper’schen Drüsen und der Tonsillen. 


Dresden. Herr Medizinalrath Dr. Schottin allhier hat in 
den geschlossenen Follikeln, welche das Innere der Cowper’schen 
Drüsen beim männlichen Schweine durchsetzen, zahlreiche, den 
schleimigen Inhalt der Bälge dicht ausfüllende sog. Bacterien 
(s. v. v.) entdeckt.” Als er mir davon (zuerst im Februar, dann 
März 1869) mittheilte, war die Drüse schon ein Paar Tage in Gly- 
cerin bewahrt. Ich fand tief im Inneren derselben, bei ganz fri- 
schem Schnitt (also völlig von der Aussenwelt getrennt) unzählige 
sog. Bacterien, grösstentheils stäbchenförmig (mit abgestutzten oder 
zugespitzten Enden), öfters auch in Keulenform (d. h. an einem 
Ende langsam anschwellend, ==) oder in Stecknadelform (d. h. 
an einem Ende einen runden Knopf tragend, —s), oft in Ueber- 
sang zu gegliederten Fäden (d. h. in Achtenform, © oder als 
mehrgliederige Kettchen, coo com). Ich habe die Präparate 
der Gesellschaft für Natur- und Heilkunde vorgelegt. 

Dadurch aufmerksam gemacht und in Erinnerung, dass die 
Tonsillen ebenfalls aus geschlossenen Follikeln bestehen, habe 


*) Vgl. E. Hallier, Gährungserscheinungen. Leipzig 1867. Parasitolo- 
gische Untersuchungen. Leipzig 1868. Das Cholera-Contagium. Leipzig 1867. 


Kurze Mittheilungen. 79 


ich seitdem zweimal bei Tonsillen-Exstirpation gleich nach 
der Operation die innere schleimige Substanz der Mandeln mikro- 
skopisch untersucht und darin ebenfalls derartige Mikrozoén in 
Menge gefunden (mittels Immersions-Objektiv '/,, von Merz, aber 
‘auch mit 4/,, von demselben und mit Nr. 8 von Hartnack). 
Diese vulgo sog. Vibrionen sind von rundlicher oder leicht einge- 
kerbter Gestalt (semmelartig, CO); sie drehen sich theils um ihr 
eignes Centrum, theils sind sie in langsamer, hin- und hertaumeln- 
der Bewegung, welche man erst dann erkennt, wenn man längere 
Zeit die Distanz der benachbarten ruhig liegenden Körper (meist 
Schleimzellen) im Auge behält. — Ein oder zwei Tage unter Was- 
ser verwahrt zeigten die abgeschnittnen Mandeln in ihrem ganzen 
Saft unzählige sog. Bacterien in Limienform, bisweilen im Zick- 
zack (A w), bisweilen durch 1, 2, 4 Querabschnitte in mehre Seg- 
mente getheilt und zum Theil in lebhafter fortschwimmender und 
kreiselnder Bewegung, so dass sie grosse Schleimkörper fortscho- 
ben oder herumdrehten, oder in grosse Ballen zusammengeklebt 
diese in einer fortwährenden rotirenden Bewegung erhielten. 
Dr. H. E. Richter. 


Infusorien als Hautparasiten bei Süsswasserfischen. 
Nach einer Notiz im Hamburger Correspondenten 1869 Nr. 23. 


An den verschiedensten Süsswasserfischen im Aquarium des 
zoologischen Gartens zu Hamburg wurde seit einiger Zeit das 
Auftreten von „schleimigen Exkreszenzen“ beobachtet, welche die 
Fische unter Schimmelbildung tödteten. Als Todesursache wird 
ein bis 0,5 mm. im Durchmesser haltendes Infusionsthier aus der 
Ehrenberg’schen Gattung Pantotrichum betrachtet, welches jene 
Hervorragungen bildet. Das Gebilde besteht aus einer ringsum 
gleichmässig mit zarten in Schraubenlinien stehenden Cilien besetz- 
ten Zelle mit Cytoblast, kontraktiler Vacuole, Vacuolen und Korn- 
chen. Der beständig in derselben Richtung rotirende Parasit 
ist im Epithelium eingebettet und lässt sich besonders gut in den 
Bartfäden beobachten. Es wurde Encystirung und Theilung dieser 
Organismen beobachtet. 


80 Kurze Mittheilungen. 


Anwendung der Karbolsäure gegen gewisse Haut- 
krankheiten. Von W. St. J. Coleman. (Lancet 1869 
“Nr. 9.) 


Dr. Coleman wendete mit bestem Erfolg die Karbolsäure 
an bei „eczema chronicum“, „eczema faciei“, „impetigo larvalis“ 
und bei Scabies der Schaafe. 


Die Gattine der Seidenraupen in Pommern im Jahre 
1868. 


„Der im vorigen Jahr im Park des Herrn G. A. Töpffer 
„vor den Thoren von Stettin abgehaltene Coconsmarkt hat das 
„erfreuliche Ergebniss geliefert dass der durch die Krankheiten 
„der Seidenraupe zurückgehaltene Seidenbau in Pommern wie in 
„der Mark Brandenburg wieder im Aufschwung begriffen ist. Es 
„muss dies hier theils der Einführung der Seidenraupeneier aus 
„Japan, theils dem sorgfältigeren Züchtungsverfahren beigemessen 
„werden, zu welchem Herr G. A. Töpffer hier das Beispiel ge- 
„geben hat. Derselbe legt zweimal soviel Eier aus als die zu 
„züchtende Raupenmenge bedingen würde und beseitigt im Laufe 
„der Zucht alle kranken und schwachen Raupen.“ (Aus dem litho- 
graphischen Bericht des Seidenbau-Vereins für Pommern vom 
17. März 1869.) 


Untersuchung von Seidenraupeneiern von E. Hallier. 


Herr G. A. Töpffer sandte mir im März d. J. 10 verschie- 
dene Proben von Graines zur Untersuchung auf die durch Lebert, 
Montagne, Vittadimi, Haberlandt und mich bekannt ge- 
wordenen Parasiten, welcher ich mich mit ganz besonderem Inter- 
esse unterzog, weil ich durch die Güte des Herrn Töpffer kurz 
vorher einen Einblick in sein schönes Etablissement bei Stettin 
gewonnen hatte. 

Die mir übersandten Proben bestanden in folgenden Sorten: 

1) Grüne Japaner, 1. Reproduction, 
2) ” „ 2. ” 
3) ” ” 1. ” 


Kurze Mittheilungen. 81 


4) Gelbe Kreuzung, 2. Reproduction 
5) Weisse Japaner, 1. 4 
6) Grüne Original-Japaner 
Pu Weisser, ,, i 
8) Gelbe Mailänder 
9) Eichenspinner aus Mähren 
10) #3 „ Japan. 
Bei der Untersuchung musste ich zweierlei unterscheiden. Manche 
Eier waren mit Arthrococeus von Pleospora herbarum Rab., also 
mit den Körpern des Cornalia, mehr oder weniger versehen. Bei 
anderen war nur eine schwache, seltener eine sehr starke Infection 
mit Micrococcus bemerklich. Bei der Aufstellung der Erkrankungs- 
zahlen wurde die schwache Infection mit Micrococcus unberücksich- 
tigt gelassen. Eine starke Infection mit Micrococcus ist dagegen 
stets ein Zeichen von Fäulniss des Embryo. Entweder lebt der- 
selbe noch. In diesem Fall geht in der Regel die Raupe bald 
nach dem Auskriechen wieder zu Grunde; jedenfalls gelangt sie 
selten zur ersten Häutung. Oder im anderen Fall ist der Embryo 
innerhalb der Eischale schon abgestorben und im höchsten Grade 
der Fäulniss begriffen. Es findet also im Ei genau derselbe Pro- 
zess statt, wie bei’m höchsten Krankheitsstadium der Raupe, wie 
ich es in meiner Arbeit über die Gattine beschrieben habe, näm- 
lich eine Ausbildung von Micrococcus durch das Plasma des Ar- 
thrococcus und in Folge davon eine faulige Gährung des Rau- 
penkörpers oder des Embryo. Der Grund für diesen schnelleren 
Verlauf der Krankheit wird wohl kaum in etwas Anderem als in 
den: Feuchtigkeitsverhältnissen, wenn nicht zum kleinen Theil im 
Chemismus des Embryo und des Raupenkörpers zu suchen sein. 
Eine schwache Infection mit Micrococcus wurde besonders 
deshalb unbeachtet gelassen, weil sie oft äusserst schwer nach- 
weisbar ist. 
Die Proben der obenerwähnten Sorten von Graines wurden 
in zwei Theile getheilt, wovon der eine zur Untersuchung der 
Eier, der andere zur Aufzucht verwendet wurde. Die Eierunter- 
suchung ergab, dass die Proben Nr. 2 und Nr. 3, also vor Herrn 
Töpffer reproducirte grüne Japaner, fast völlig frei von Parasi- 
ten waren. Die weissen reproduzirten Japaner (Nr. 5) waren zu 
1/,,, die grünen Japaner erster Reproduktion von Nr. 1 zu Ya, 
die gelbe Kreuzung zweiter Reproduktion von Nr. 4 zu 2/,, ebenso 
die weissen Original Japaner (Nr. 7) und die gelben Mailänder 
ii 5 6 


82 Kurze Mittheilungen. 


(Nr. 8); die grünen Original-Japaner von Nr. 6 zu %,, die Eichen- 
spinner von Töpffer’s Reproduktion (Nr. 9) zu %, und die Ori- 
ginal-Japaner Eichenspinner (Nr. 10) sämmtlich mit Arthrococcus 
versehen. : 

Daraus geht also hervor, dass die Original-Japaner Graines 
keineswegs frei von Infection mit Arthrococcus, dass sie vielmehr 
weit stärker infizirt sind, als sorgfältig behandelte Zuchten in Eu- 
ropa. Herr Töpffer hat bei seinen Zuchten den Grundsatz, 
welchen ich im vorigen Jahr auf Grund meiner Untersuchungen 
über die Krankheit der Seidenraupen aussprach, schon seit Jahren 
befolgt. Er besteht darin, dass man jede kranke Raupe sofort 
entfernt und in jeder Beziehung die grösste Reinlichkeit obwalten 
lässt. So zeigt sich auch hier der Einklang theoretischer For- 
schung mit praktischer Erfahrung. Kranke Japanesische Zuchten 
erzeugen in Europa durch sorgfältige Behandlung eine gesündere 
Nachkommenschaft. Zum Theil liegt das allerdings auch darin, 
dass sie allmählig bei uns akklimatisirt werden. Dass die Japane- 
sichen Zuchten von Parasiten durchaus nicht frei sind, zeigte sich 
ganz besonders bei den Proben Nr. 9 und Nr. 10 von Antheraea 
Jama Mayu, dem Eichenspinner. Grade die importirten Japane- 
sischen Eier waren sämmtlich krank, ja nicht weniger als 80 %, 
derselben war bereits völlig abgestorben. Etwas besser stand es 
mit den Eiern des Eichenspinners aus Mähren. Dieselben waren 
wenigstens zu !/, gesund und 4/, waren krank; darunter befanden 
sich indessen weit weniger völlig todte. Die Zucht hat gezeigt, 
dass die aus kranken Eiern hervorgehenden Eichenspinner nur 
selten bis zur ersten Häutung fortleben. In der Regel starben sie 
schon am ersten oder zweiten Lebenstage. 

Es ist indessen die Infektion der Eier mit Parasiten nicht 
der einzige, ja nicht einmal der hauptsächliche Grund davon, dass 
es in Europa nur selten gelingt, Eichenspinner in grösserer Menge 
aufzuziehen. Das liegt weit mehr darin, dass es schwer ist, diesem 
Insekt die entsprechenden Lebensbedingungen zu gewähren. Die 
Zuchten, welche ich mit Japanesischen importirten Graines des 
Eichenspinners, die ich durch die Güte des Herrn Kommerzien- 
rath Heese in Berlin erhielt, unternommen habe, belehrten mich, 
dass das erste Lebensbedürfniss dieses Insekts eine mit Feuchtigkeit 
fast gesättigte Luft ist. Natürlich ist diese Bedingung sehr schwer 
herzustellen und, wo man sie erfüllt, da wächst die Gefahr, dass 
Infektionskrankheiten die Raupen ergreifen, ungemein. Jede durch 


Kurze Mittheilungen. 83 


Exkremente beschmutzte Raupe, welche sich in einem feuchten 
Raum befindet, erliest sehr bald einer Pilzkrankheit, über welche 
ich später berichten werde. Es ist also bei dieser Raupe die 
peinlichste Reinlichkeit noch weitaus wichtiger als bei Bombyx Mori. 
Natürlich ist ihre Zucht zum Behuf des Seidenbaues ganz unprak- 
tisch. Höchstens am Meeresstrand könnte ohne grosse und ganz 
unverhältnissmässige Veranstaltungen ihre Zucht gelingen. Für 
die Zucht im Kleinen empfehle ich, die Eichenzweige in eine eng- 
halsige mit Wasser gefüllte Flasche zu stecken und darüber eine 
grosse Glasglocke zu setzen, damit das verdunstende Wasser die 
Luft mit Wasserdämpfen sittige. Ein Theil der Eier des Eichen- 
spinners aus Japan war nicht an der Gattine, sondern an der 
Muscardine zu Grunde gegangen. Diese Eier waren völlig todt. 
Der Embryo lag als ziemlich trockne zusammengeschrumpfte Masse 
in der Eischale, welche sich gänzlich von ihm abgelöst hatte. In 
dem Zwischenraum zwischen der Eischale und dem abgestorbenen 
Embryo vegetirte die Aéroconidien-Morphe von Fumago salicina 
Mtgne., d.h. die früher unter dem Namen Botrytis Bassiana 
bekannte Pilzform. Der Pilz überzog die Innenfläche der Eischale 
und seine Fruchthyphen ragten in den Raum zwischen Eischale 
und Embryo hinein. Der Embryo selbst war mit Arthrococcus 
erfüllt. Aeusserlich war die Eischale unversehrt. 

Ueber die mit den oben genannten Proben vorgenommenen 
Zuchten kann ein Endresultat selbstverständlich noch nicht mitge- 
theilt werden, da die Zuchten erst gegen Ende April’s begonnen 
haben. Die meisten Zuchten befinden sich jetzt (am 25. Mai) 
zwischen der dritten und vierten, später ausgekrochene erst zwi- 
schen der zweiten und dritten Häutung. Es wird später über 
diese und alle übrigen in unserer Versuchsstation vorgenommenen 
Zuchten ausführlich berichtet werden. Vorläufig lässt sich aber 
schon so viel sagen, dass das Sterblichkeitsverhältniss der Raupen 
bis zur ersten Häutung am wesentlichsten bedingt ist durch den 
Grad der Infektion der Eier mit Parasiten. Den Beweis dafür 
konnte ich in noch auffallenderer Weise, als wie es bei diesen 
kleinen Proben der Fall sein kann, durch eine Zucht führen, die 
ich mit sehr schlechten Graines unternahm. Diese hatte ich im 
vorigen Jahr selbst gewonnen aus Raupen, welche zum Zweck des 
Studiums der Gattine absichtlich mit krankem Maulbeerlaub gefüt- 
tert waren. Alle überlebenden Raupen, die nicht zur Untersuchung 
verwendet waren, liess ich zu Cocons sich einspinnen und auch 

6 * 


84 Kurze Mittheilungen. 


diese wurden nur theilweise zur Untersuchung, anderentheils zum 
Auskriechen und zur Eiergewinnung bestimmt. Wie man leicht 
denken kann, waren diese Eier fast durchweg mit der Hefe von 
Pleospora infizirt. Sie wurden in einem kühlen Raum aufgehoben 
nnd gegen Ende Aprils im das Zuchtlokal gebracht. Mindestens die 
Hälfte der Eier kam gar nicht zum Auskriechen. Gegen zwei- 
tausend Räupchen krochen dagegen aus. Sie wurden wie alle 
übrigen Zuchten, ja, mit ganz besonderer Sorgfalt behandelt, na- 
mentlich in Bezug auf Reinlichkeit, gesundes Futter, Luft und 
Temperatur. Trotzdem starben sie vor der ersten Häutung in so 
ausserordentlicher Menge, dass zur Zeit der zweiten Häutung nur 
noch etwa 5°/, am Leben waren. Die Leichen waren dicht mit 
Micrococcus erfüllt, welcher sich in schwärmender Bewegung befand. 
In demselben Zustand befanden sich noch lebende, aber sichtlich 
erkrankte Räupchen. Diese Beobachtung bestätigt, was ich bereits 
früher bei meinen Zuchten beobachtet zu haben glaubte: dass 
nämlich die Infektion der Eier ganz besonders auf die Sterblich- 
keitsziffer im ersten Lebensalter der Raupen Einfluss hat, dass 
dagegen in den späteren Lebensaltern die Sterblichkeit weit mehr 
von der Sorgfalt abhängig ist, welche man der Zucht angedeihen 
lässt. Von den überlebenden Raupen der oben erwähnten Zucht 
befindet sich ein Theil in demselben vortrefflichen Gesundheits- 
zustand wie alle unsere übrigeu Zuchten. Diese Erfahrung stimmt 
mit derjenigen des Herrn Töpffer vollständig überin, dass man 
durch sorgfältige Behandlung und sofortige Entfernung aller kran- 
ken Raupen die Nachkommenschaft verbessern könne. 


a eee 


Rundschau in der neueren Literatur über Parasiten 
in und auf dem Körper unserer Haussäugethiere. 


A. Thierische Parasiten. 


Der vor 25 Jahren von Diesing im oberen Gleichbeinbande 
(Fesselbeinbeuger) des Pferdes aufgefundene eigenthümliche Ein- 
geweidewurm, der damals Onchocerca reticulata genannt wurde, 
ist wiederholt von Ercolani in Bologna aufgefunden und mit dem 
Namen Spiroptera cincinnata belegt worden. Neuerer Zeit ist dieser 
Parasit von v. Paumgarten in Wien verschiedene Mal gefunden 
und folgendermassen beschrieben worden: „Wenn man ein oberes 
Gleichbeinband scharf am Fusswurzelgelenk abtrennt, so sieht man 


Kurze Mittheilungen. 85 


meistens den Wurm spiralig gerollt herausstehen. Schneidet man 
dasselbe der Länge nach ein oder reisst die Sehnenfasern aus 
einander, so bemerkt man kleine unregelmässige, der Länge nach 
verlaufende, mit einer weissgelblichen sulzigen Masse gefüllte, oft 
1/,—1 Zoll lange Höhlungen, in welchen der Wurm in vielfachen 
Windungen theils um sich selbst, theils um. Sehnenfasern gewunden 
liegt. Trennt man dergleichen Stellen der Länge nach, so zertheilt 
man den Wurm in viele einzelne Segmente, welche, herausgenom- 
men und besonders mit Wasser angefeuchtet, sich so zusammen- 
drehen, wie eine stark gedrehte Spiralfeder. Es ist nicht leicht, 
den glashellen, haarstarken Wurm ganz zu erhalten. Der Kopf 
des Thieres ist zugespitzt, nicht weit von ihm entfernt zeigt sich 
die Geschlechtsöffnung. Er ist ca. 45—50 Centimeter lang; doch 
scheint bis jetzt noch kein Exemplar vollständig ganz aus- 
präparit worden zu sein. Die äussere Hülle hat in Folge von 
in gleichen Abständen vorkommenden Einschnüruugen ein regel- 
mässig gezahntes Aussehen. Nicht nur im Gleichbeinbande fand 
man diesen merkwürdigen Parasiten, sondern auch im Nackenbande 
alter Pferde, und zwar sowohl im frischen als im verkalkten Zu- 
stande. Die meisten der im Nackenbande aufgefundenen Würmer 
waren weiblichen Geschlechts, sie hielten Eier in allen Entwick-. 
lungsstadien bis zum ausgebildeten Embryo in Schlingenform. Auch 
Fragmente eines Wurmes wurden unter das Mikroskop gebracht, 
aus welchen sich eine unglaublich grosse Zahl langer, schmaler zu- 
gespitzter Bildungen entwickelten, welche eine grosse Aehnlichkeit 
mit den Spermatozoiden niederer Thiere hatten und wohl auch 
gewesen sind. Doch wurde ein ganzer männlicher Wurm nicht 
entwickelt, weil die elastischen Fasern des Nackenbandes ein aus- 
serordentliches Hinderniss abgeben. Im Nackenbande fanden sich 
meist Individuen mit sehr ausgebildetem Uterus und einer grossen 
Zahl dünnhäutiger Eier mit Embryonen, während in den Exempla- 
ren aus dem oberen Gleichbeinbande sehr selten Eier und nur im 
nicht befruchteten Zustande sich auffinden liessen“. (Oesterreichi- 
sche Vierteljahrschrift für wissenschaftliche Veterinärkunde XXIV. 
Band. I. Heft S. 32.) — | 
Kreisthierarzt Schirlitz in Zeitz will bei einem Schweine 
Trichinen, nicht nur in den Muskeln, sondern auch in den Einge- 
weidewürmen dieses Thieres — Echinococcus veterinorum und 
Cysticercus cellulosae — gefunden haben. Er beruft sich auf das 
Zeugniss des Kreisphysicus Dr. Müller und des Sanitätsrath Dr. 


86 Kurze Mittheilungen. 


Woppisch, die die betreffenden trichinösen Blasenwürmer mit 
untersucht haben sollen. (Müller, Die Verbeitung der Trichinen- 
krankheit im Winter 1865—1866. Gurlt und Hertwig’s Ma- 
gazin für Thierheilkunde XXXIV. Jahrg. I. Heft S. 44.) 

‘ Ueber die Lebensfähigkeit des Strongylus theilt Colin in 
dem Bulletin de la Soc. impéral. et centr. de med. vet. Séance du 
8 Aotit 1867 Beobachtungen mit. 

Colin nahm junge Strongylen aus den Bronchien des Kalbes, 
Schweines und Hammels, placirte sie auf Gras, feuchte Erde oder in 
Wasser, alle starben schnell. Aber nach ihrem Tode barsten diese 
Helminthen, aus ihren in Auflösung begriffenen Cadavern ent- 
schlüpften zahlreiche lebendige Embryonen, theils sofort frei, theils 
von einer membranartigen Hülle umgeben, die ebenfalls bald zer- 
riss. Frei geworden, bewegten sie sich lebhaft im Wasser. In 
verschiedenartigem Wasser erhielten sie sich 1 Woche bis 2 Mo- 
nate. Sie lebten hier jedoch ohne scheinbares Wachsthum, be- 
haupteten nur ihr primitive Form. Der vollständig entwickelte 
Strongylus kann mithin in freier Luft nicht leben, er stirbt darin 
bald ab, was bei den aus ihnen hervorgegangenen Embryonen 
nicht der Fall ist, die vielmehr die passende Gelegenheit abwarten 
um in einen geeigneten Wirth übergehen zu können. — 

Colin fand ferner bei Katzen in den Lungen Knötchen, die 
sehr klein, hirsekornähnlich, selten stecknadelkopf- oder hanfkorn- 
gross waren, gelbgefärbt und mit einem Hof umgeben erschienen. 
Unter dem Mikroskop zeigten sich diese Knötchen aus ein wenig 
tuberkulöser Masse mit fadenähnlichen sehr feinen Würmern und 
Eiern von. verschiedener Entwicklung bestehend; es sehen diese 
Würmer den jungen Strongylus in der Lunge des Schafes, Kalbes und 
Schweines ähnlich, sind wenig lebhaft, bilden jedoch, wenn sie frei 
geworden, spirale oder S-formige Kriimmungen. Die Eier sind in 
der Lunge zerstreut und geben Veranlassung zur Bildung der 
Knötchen, in manchen Eiern ist der Embryo und sogar dessen 
Bewegung sichtbar; von dem Mutterthier findet sich keine Spur 
mehr. Diese im Innern der Katze vorkommende Strongylusart 
scheint von den bei Kälbern, Schweinen u. s. w. vorkommenden 
Strongylus verschieden zu sein. (Recueil de Médecine vétérinaire. 
Tome IV 1867.) 

Auch Legros entdeckte in der Lunge einer Katze kleine 
weisse Agglomerationen, welche von in das Lungengewebe einge- 
betteten, Fadenwürmern ähnlichen, Parasiten herrührten und von 


Kurze Mittheilungen. 87 


einem oberflächlichen Beobachter leicht für Tuberkeln hätten ange- 
sehen werden können. Die Schmarotzer bildeten Colonieen, waren 
in verschiedenen Entwicklungsstufen vertreten, die einen enthielten 
Eier, die anderen Embryonen welche sich sehr lebhaft in ihren 
Hüllen bewegten. (Hering’s Repertorium für Thierheilkunde 
29. Jahrg. I. Heft S. 63.) — 

In einem flechtenähnlichen Ausschlag, der hauptsächlich die 
unteren Theile der Gliedmassen eines Pferdes befallen hatte, ent- 
deckte Rivolta: Rundwiirmer. Er sagt: Unter dem Deck- 
glas sieht man mit blossem Auge den Wurm als äuserst feinen 
Faden, bis zu 3 Mm. lang; die mikroskopische Untersuchung zeigt 
den Kopf mit rundlichem Maule, quergestreifte Haut und zuge- 
spitztes Hinterende mit After; Geschlechtsorgane fehlen und es 
ist anzunehmen, dass der Parasit noch vollständig unentwickelt ist. 
Die Thatsache, dass der Hitzausschlag durch einen parasitischen 
Wurm entsteht, lässt erklären, warum derselbe in der kalten Jah- 
reszeit von selbst verschwindet, um im nächsten Sommer wieder- 
zukehren. (Das. IV. Heft S. 373. Nach einer Notiz aus Il Medico 
veterinario. Torino 1868.) 

Felizet beschreibt einen, bisherigen Erfahrungen vollständig 
widersprechenden, Fall, wo Räudemilben des Schafes (Dermatokoptes 
communis) auf ein Pferd übergingen, dieses krank machten und 
von dem Pferde wieder eine Uebertragung der Milben auf Men- 
schen stattgefunden haben soll. 

Méquin bestätigt auf's Neue dass Sarcopte notoédre (Sar- 
coptes minor) von Katzen auf Pferde übertragbar ist. (Recueil de 
Médecine vétér. publ. par M. Bouley et Baillet. Tome V. 1868.) 


B. Pflanzliche Parasiten. 

Nach den Ansichten H. Hoffmann’s und Fiirstenberg’s 
soll die Ursache des Blauwerdens der Milch in einer Spaltung der 
Proteinkörper derselben und in Ausbildung eines dem Anilinfarbstoff 
ähnlichen oder gleichen Farbstoffs in diesen Proteinkörpern begrün- 
det sein. Die Spaltung soll durch Pilze und zwar Penicillium glau- 
cum hervorgerufen werden, dieselbe aber nur entstehen können, 
wenn mangelhaft bereiteter Chylus, schlecht bereitete Albuminose, 
nicht normal gebildete Proteinkörper erzeugt haben. (Virchow’s 
Archiv für pathol. Anatomie u. Physiologie 43. Bd. 2. Heft.) 

Halford behauptet, gestützt auf mehrere an Hunden und 
Katzen angestellten Experimente, dass mit dem Biss der ostindi- 


88 Kurze Mittheilungen, 


schen Brillenschlange (Cobra di Capello) Keime von thierischen 
Zellen oder keimfähige molecüläre Massen in’s Blut gelangen, unter 
rascher Vermehrung daselbst in ganz kurzer Zeit Millionen von 
eigenthümlichen Zellen entstehen, die den Sauerstoff für sich in An- 
spruch nehmen und dadurch den Tod des Thieres bewirken. Das 
dunkele flüssig bleibende Blut der Vergifteten ist dem eines, in 
Folge mechanischer Erstickung, verendeten Thieres ähnlich (Be- 
richt über Fortschritte der Anatomie und Physiologie pro 1867 
von Henle u. s. w. 2. Heft.) — | 

Departements-Thierarzt Albrecht theilt in Dr. Fühling’s 
landwirthschaftl. Zeitung 1868 VIII. Heft einen höchst interessanten 
Artikel über Erkrankung von Kühen unter rinderpestähnlichen 
Erscheinungen mit und zwar war die betrefiende eigenthümliche 
Krankheit hervorgerufen durch den Genuss von Spreu, welche 
stark mit Tilletia Caries, dann, doch geringer, mit Paccinia gra- 
minis und endlich noch mit einer Conidienform, welche zur 
Pleospora herbarum gehört, besetzt war. Höchst merkwürdig. ist 
hierbei, dass die das fragliche Vieh besorgende Magd an den Hän- 
den, Armen und Füssen (diese Theile waren bei’m Futterschütten 
mit der befallenen Spreu in Berührung gekommen) einen ziemlich 
heftigen, pustulösen Ausschlag erhielt. — 

Von ganz besonderem Werthe ist eine Arbeit des Dr. Car- 
sten Harms: Der Rothlauf des Schweines; Hannover 1869, die 
evident nachweist, dass die Ursache der betreffenden Krankheit 
in pflanzlichen Parasiten zu suchen sei. Namentlich hat Harms 
auch nachgewiesen, dass, wenn an Rothlauf erkrankten Schweinen 
pilztödtende Mittel verabreicht wurden, die betreifenden Patienten 
sicher hergestellt worden sind. Als solche Mittel wurden verwen- 
det Kupfervitriol und Bleizucker. Die bei dieser Krankheit vor- 
kommenden Pilze, die Harms (als Nichtmykolog) beschreibt: 

1) als Fäden, die schlauchförmig und anscheinend. ohne Quer- 
wände erscheinen; 

2) als Ketten, die aus kleinen, aneinandergereihten rundlichen 
Körperchen — Sporen — bestanden — Sporenketten; 

3) als blasige Gebilde, welche die Grösse der Blutkörperchen 
um das 3- bis 4fache übertreffen und mit Keimsporen ge- 
füllt waren — Sporenblasen; 

4) Schollen von verschiedener Grösse und Form, die nur aus 
Keimsporen bestanden und von denen Sporenketten oder 
Fäden gar nicht selten abgingen ; 


Kurze Mittheilungen. 89 


/ 


5) als freie Sporen 
fanden sich - 

a) in der Epidermis, deren Zellen regelmässig stark mit Pilzen 
besetzt erscheinen; waren bei Lebzeiten der Thiere Blasen 
vorhanden, die platzten, so fand man an diesen Stellen die 
Epidermis in Form von kleinen, rundlichen, braun gefärbten 
Borken, die ebenfalls Pilze enthielten; 

b) im abgeschabten Parenchym der Niere regelmässig ; 

c) auf der Schleimhaut der Harnblase; 

d) im Parenchym der Leber; 

e) in der Milz; dieses Organ ist stets sehr reichlich mit Pilzen 
durchsetzt; 

f) in den Mesenterialdrüsen ; 

g) in der Maulhöhle und auf der Zunge; die Epithelzellen der- 
selben stark mit Pilzen übersäet; 

h) auf der Schleimhaut der Rachenhöhle; 

i) auf der Schleimhaut des Magens; diese Scheimhaut war mit 
einer gelben Masse belegt, die aus mit Pilzen besetzten Epi- 
thelzellen und gelblichen Körnern zusammengesetzt war; 

k) im Mageninhalt; 

1) im Darminhalt bedeutende Menge von Sporen; 

m) in der Luftröhre und den Bronchienästen ; 
-n) an der inneren Wand des Herzens; 

o) im Blut, das an Quantität stets abgenommen hat; die rothen 
Blutkörperchen sind in der Zahl vermindert, erscheinen zu- 
sammengeschrumpft, gezackt, sternförmig, sind zum Theil in 
Zerfall begriffen und haben sich niemals zu Geldrollen zu- 
sammengelegt‘; die farblosen Blutkörperchen sind zum Theil 
rundlich, zum Theil gezackt; vielfach scheinen die farblosen 
Blutkörperchen im Inneren mit Pilzelementen erfüllt; im Blute 
fanden sich stets Pilze oder aus Pilzen Hervorgegangenes; 

p) auf der Innenfläche der Dura des Rückenmarkes und in der 
von dieser eingeschlossenen Flüssigkeit; 

q) an der Dura des kleinen Gehirns in sehr starker Zahl; auch 
innerhalb der harten Haut des Gehirns fand Harms eine 
gelblich-röthliche, blutige Flüssigkeit, in der Pilze sich vor- 
fanden. 

Seine Behauptung, dass durch Einwanderung bestimmter Pilze 
in den Organismus der Schweine der Rothlauf bei denselben her- 
vorgerufen werde, stützt Harms nicht nur darauf, dass er bei 


90 | Kurze Mittheilungen. 


rothlaufkranken Schweinen jedesmal Pilze gefunden und es un- 
möglich als normal angesehen werden kann, wenn Millionen von 
pflanzlichen Parasiten in emem thierischen Organismus herbergen, 
sondern noch auf Folgendes: 

1) Es ist Thatsache, dass gerade zur warmen Jahreszeit, wo die 
Bedingungen zur Entwicklung der Pilze am günstigsten sind, 
der Rothlauf in grösster Heftigkeit und in grösster Verbreitung, 
seuchenartig, auftritt; dagegen im Frühjahr, Herbst und 
namentlich im Winter nur sporadisch vorkommt; 

2) hat Harms auch bei anderen rothlaufartigen Krankheiten 
des Pferdes und des Rindes Pilze gefunden; 

3) stets waren in dem Futter, welches an rothlaufkranke Thiere 
verfüttert worden war, Massen von Pilzen nachzuweisen ; 

4) ist es bekannt, dass nach Verfütterung verschimmelten Brodes 
an Schweine, bei diesen Rothlaufserscheinungen auftreten. 
Im Uebrigen verweisen wir auf das sehr interessante Werk 

selbst, welches in Verlag von Schmorl und von Seefeld in Hanno- 
ver erschienen ist. 2. 


(Fortsetzung folgt.) 


UL 
Literaturübersieht. 


I) Gährung, Hefebildung, Desinfection, Allgemeine Gesundheitspflege u. 5. w. 


“€. Stahlschmidt, Die Gährungs-Chemie, umfassend die Wein- 
bereitung, Bierbrauerei und Spiritusfabrikation. Nebst einem 
Anhang, die Essigfabrikation enthaltend. Berlin 1868. 

E. Hallier, Die Pilze und) die öffentliche Gesundheitspflege. 
Gewerbe-Blätter von Dr. E. Wiederhold in Cassel. 1869. 
Jahrgg. 7. Nr. 5. 

Th.-P. Desmartis, Logements des Classes pauvres. Bordeaux 

1860. 

Th.-P. Desmartis, L’Oidium est inoculable a l’espece humaine. 
Bordeaux 1864. 

Comptes-rendus de la Société humanitaire du sud-ouest de la France. 
Bordeaux 1869. 

Th.-P. Desmartis, Medicine legale. Paris 1857. 

Th.-P. Desmartis, Quelques mots sur les Prophylaxies. Paris 
1899: 

Th.-P. Desmartis & A. Bouché de Vitray, Nouveau traite- 
ment du Croup et et des Angines couenneuses. Paris 1860. 
Le meme, Etude sur les epidemies de Croup, d’Angine couenneu- 

se, de Fievre typhoide et de Dysenterie. Bordeaux 1859. 

Le meme, Observations sur l’epidömie d’Angine couenneuse qui 
regne dans le departement des Landes. Bordeaux 1859. 

Le meme, Deuxiéme mémoire sur les Prophylaxies et les Anta- 
gonismes. Montpellier 1853. 

T.h-P. Desmartis et E. Carrance, Quelques idées présentées 
aux comites établis en Europe pour concourir an soulagement 
des Blesses. Bordeaux 1866. 

Almanach des Sauveteurs. Bordeaux 1867. 


92 Literaturübersicht. 


Hofrath Reichenbach, Andeutungen über Pilzvergiftungen. 
Sitzungsberichte der Gesellschaft für Natur- und Heilkunde zu 
Dresden. 1868 Nr. 1. 8. 22—47. 

Landwirthschaft und Kanalisation. Frankfurter Kanalisations-Flug- 
blatt Nr. 3. 1868. 

R. Virchow, Canalisation oder Abfuhr? Berlin 1869. 

C. Pieper, Schwemmkanäle oder Abfuhr? Dresden 1869. 

P. Laurin, Das Liernursche System. Prag 1869. 

G. Zehfuss, Die Pca Canalisation. Frankfurt a. M. 
1869. 

Fr. Thon, Das Thon’sche Verfahren zur Verwandlung der mensch- 
lichen mente in Poudrette. Cassel 1868. 

Das Thon’sche System der Verarbeitung der Exkremente. Cassel, 
Selbstverlag des Verfassers. 

F. Gesellius, Canalisation oder Abfuhr? vom Standpunkt der 
Parasiten-Theorie. St. Peterburg 1869. 

H. Grouven, Canalisation oder Abfuhr? Glogau 1867. 

E. Hallier, Ueber das Faulen des Obstes. Landwirthschaftliche 
Versuchsstation 1868. Bd. 10 S. 386 ff. 

Trautmann, Die Breet ener Ee als Ursache zur Weiterver- 
breitung der Cholera. 

E. Hallier, Ueber pflanzliche Organismen in der rothen Butter. 
Landwirthschaftl. Versuchsstationen 1868. Bd. X. Nr. 1. 


'9) Parasiten des Menschen, Infektionskrankheiten US... WE 

E. Hallier, The nature of vegetable parasitic Organisms. Trans- 
lated by H. Beigel, Medical Times & Gazette. London 1868. 
Nr. 947. 

R. Günther, Die Indische Cholera im Regierungsbezirk Zwickau 
im Jahr 1866. Leipzig 1869. 

Derselbe.. Die Indische Cholera in Sachsen im Jahr 1865. 

E. Hallier, Der pflanzliche Organismus im Blute der Scharlach- 
kranken. Jahrbuch für Kinderheilkunde. Neue Folge. Bd. II. 
S. 170—180. 

Lövinson, Ueber die parasitische Natur der Diphteritis. Vor- 
trag im Medizinisch-ätiologischen Verein zu Berlin. Allgemeine 
Medizin. Zentral-Zeitung. 10. April 1869. Jahrg. 58 Stück 29. 

Th.-P. Desmartis, Traitement de la metroperitonite-puerperale. 
Bordeaux 1859. 

A. Mathieu de Moulon, Du Typhus Tétanique. Trieste 1868. 


Literaturübersicht. 93 


J.-B. Corbiot, Revue sur le systeme d’moculations curatives du 
Dr. T. Desmartis. Bordeaux 1862. 

Hassenstein, Beobachtung des Graphium penicilloides im äus- 
seren Gehörgange. Archiv für Ohrenheilkunde Bd. IV. S. 
162—166. 

G. Cardile, J. Fito-Parassiti. Palermo 1868. 

R.Wreden, Die Myringomykosis aspergillina. St. Petersburg 1868. 

M. Oertel, Studien über Diphterie. München 1866, Separat- 
Abdruck a. d. ärztlichen Intelligenzblatt. Nr. 31. 

A. Costallah, Etiologie et Prophylaxie de la Pellagre. 2 Edit. 
Paris 1868. 

M. Heider und. Wedl, Atlas zur Pathologie der Zähne. Leip- 
zig, London und New-York 1869. Heft 1 mit deutschem und 
englischem Text. 

E. Delbrück, Mittheilungen über die Cholera in Halle i..J. 1867 
Zeitschrift für Biologie IV. Bd. 8. 231—248. 

H. E. Richter, Die neueren Kenntnisse von den krankmachen- 
den Schmarotzerpilzen. Jahrbücher für wissenschaftliche Medi- 
zin. 1868. 

T. Desmartis, Causes et preservatives du Cholera. Paris. 

L. Pfeiffer, Der Typhus in der Kaserne zu Weimar von 1836— 
1867. Jenaische Zeitschrift für Medicin und Naturwissenschaft. 
Leipzig 1868. Bd. 4. Heft 1. 

L. Pfeiffer, Die bisherigen Erfahrungen über Trichiniasis und 
Fleischbeschau in Thüringen. Ebendaselbst Bd. 4 Heft 3. 4. 
S. 504 ff. 

M. Seidel, Beitrag zur Lehre vom lleotyphus. Ebendaselbst 
Bd. 4 Heft 3. 4. 8. 480 ff. 

E. A. Meyner, Mittheilungen über Hautkrankheiten. Diss. Jena 
1868. 

H. Rebentisch, Beiträge zur Kenntniss der Leberkrankheiten 
in den Tropen. Jena 1868. 

H. Huberwald, Diarrhoe und Cholera. München 1869. 

E. Hallier, Rechtfertigung gegen die Angriffe des Herrn Profes- 
sor Dr. A. de Bary. Jena 1868. Im Selbstverlag des Ver- 
fassers und gratis durch ihn zu beziehen. 

Statistique et histoire des épidémies de Cholera et de Suette qui 
ont sevi pendant les anndes 1865 et 1866 dans la ville & les 
communes du district de Luxembourg par. J.-B.-A. Bivort. 
Bulletin de la société de sciences medic. de Luxembourg 1868, 


94 Literaturübersicht. 


Dr. Sanderson, On the Communicability oft Tubercle by Ino- 
culation. Tenth report of the Medical Officer of the Privy Coun- 
cil 1867. London 1868. 8. 111—151. 

E. Hallier, Untersuchung der Parasiten bei’m Tripper, bei’m 
weichen Schanker, bei der Syphilis und bei der Rotzkrankheit 
der Pferde. Flora 1868 Nr. 19 

Dr. D. Douglas Cunningham and Dr. Timothy Lewis, Scien- 
tific investigation into the Causes of Cholera. The Lancet. 
London 1869 Nr. 1—8. 


3) Parasiten an Thieren. 


Fr. Haberlandt, Zur Kenntniss des seidespinnenden Insektes 
und seiner Krankheiten. Wien 1869. — 

E. Hallier, Untersuchung des pflanzlichen Organismus, welcher 
die unter dem Namen Gattine bekannte Krankheit der Seiden- 
raupen erzeugt. Jahresbericht über die Wirksamkeit des Ver- 
eins zur Beförderung des Seidenbaues für die Provinz Branden- 
burg im J. 1867—1868. 

C. Harms, Der Rothlauf des Schweins. Hannover 1867. 

E. Hallier, Auffindung und Kultur pflanzlicher Organismen im 
Colostrum des Schweins. Landwirthschaftl. Versuchsstation 1868. 
BarV ENT 1.8.8. 

Derselbe, Die Schafpocken und der pflanzl. Organismus in den- 
selben. Ebendaselbst Bd. X. Nr. 2. 5. 148 ft. 


4) Parasiten an Pflanzen. 

H. W. Reichardt, Ueber das Vorkommen von Helminthosporium 
rhizoctonum Rab. in Nieder-Oesterreich. Verhandlung der k.k. 
zoolog.-botan. Gesellschaft in Wien. Jahrg. 1865. 

Derselbe, Ueber das Vorkommen von Exoascus Pruni ice 
N.-Oe. Ebendaselbst 1867. S. 764. 

Derselbe, Ein neuer Brandpilz. Ebendaselbst 1867. S. 335. 

E. Löw, Ueber Dematium pullulans. Jahrb. f. wissensch. Bota- 
nik. Leipzig 1868. Bd. 6 Heft 4 5. 467—475. 

H. Solms, Ueber den Bau und die Entwickelung der Ernährungs- 
organe parasitischer Phanerogamen. Ebendaselbst. S. 509—633. 

F. Hildebrand, Mykologische Beiträge. Jahrbücher für wis- 
senschaftliche Botanik. Leipzig 1866. Bd. 6. Heft 3. 8. 249 
— 284, 


IV. 
Literarische Besprechungen. 


W. Lauder Lindsay, M. D., F. R. S.E., F. L. S., Enumeration 
of Micro-Lichens parasitic on other plants. Quarterly Journal 
of Microscopical Science. Jan. 1869. 


Verfasser macht in einer Anmerkung zum Titel darauf auf- 
merksam, dass er, und allem Anschein nach mit Recht, bezüglich 
der Flechten nicht ganz mit der Ansicht des Referenten überein- 
stimmen könne, welcher in seiner „Phytopathologie‘“‘ die Flechten 
als Epiphyten, die Pilze als Parasiten bezeichnet. Für manche 
Flechten glaubt Verfasser den echt parasitischen Charakter nach- 
weisen zu können. Jedenfalls könnte diese Unterscheidung nur 
eine schematische sein und alle unsere Schemata erweisen sich 
binnen kurzer Zeit als unvollkommen. Das zeigt sich denn auch 
hier. Verfasser weist nämlich darauf bin, wie schwierig die Grenz- 
bestimmung zwischen Pilzen und Flechten sei und wie schon Anzi 
im Jahre 1866 Arten der Gattungen Abrothallus, Conida, Phacopsis, 
Celidium, Arthonia, Xenosphaeria, Phaeospora und Tichothecium 
als „inter Lichenes et Fungos ambiguae“ bezeichnet habe. Sehr 
richtig betont Verfasser, dass die Jod-Reaktion keine sichere Unter- 
scheidung zwischen Pilzen und Flechten ermégliche. Auch de 
Bary’s Grenzbestimmung nach dem Vorhandensein oder Fehlen 
der Gonidien hält er für unhaltbar. Mit vollem Recht zürnt Ver- 
fasser über den Hang der Naturforscher unserer Tage, jede neue 
Morphe mit besonderem Art- und Gattungsnamen zu belegen. H. 


Hermann Beigel, M.D. M. R. C. P., The human hair: Its 
structure, growth, diseases and their treatment. [Illustrated 
by wood engravings. London 1869. Henry Renshaw. 152 pp. 


96 Literarische Besprechungen. 


Die kleine Schrift enthält mehre ganz neue Thatsachen in 
Bezug auf Parasiten des Haares. In dem 8. Kapitel, betitelt: „In- 
flation and cracking of the hair“ wird eine Erkrankung des Haares 
beschrieben, bei welcher dasselbe an verschiedenen Stellen auf. 
fasert und durchbricht. Das Haar ist von Conidien-Ketten eines 
Pilzes durchzogen, welche grosse Aehnlichkeit mit den Ketten des 
Pilzes bei Herpes tonsurans besitzen. Dieser Pilz bei Herpes, 
welcher das Haar ebenfalls zum Abbrechen bringt, von Malm- 
sten, seinem Entdecker, unter dem Namen Trichophyton tonsu- 
rans beschrieben, ist bekanntlich eine Anaéroconidien-Form (ein 
sogenanntes Oidium) von Ustilago carbo Tul. woraus natürlich 
noch nicht folgt, dass auch der Beigel’sche Pilz desselben Ur- 
sprunges ist. Das bedarf erst näherer Untersuchung. 

Das 9. Kapitel ist dem „Chignon-Fungus“ gewidmet, welchen 
Beigel selbst entdeckt und zuerst untersucht hat. Er besteht 
aus grossen Massen pflanzlicher Zellen, welche bald einzeln, bald 
in 2—4 Theilungen auftreten und dadurch Aehnlichkeit mit gewissen 
Algen (Palmellaceen) erhalten. Es fehlt ihnen das Chlorophyll. 
Die Zellen haben grosse Plasmakerne (Cocci), welche in einer ge- 
latinösen Zellwand eingeschlossen sind. Beigel zeigt nun in 
Uebereinstimmung mit den späteren, aber von Beigel’s Unter- 
suchung unabhängigen Kulturversuchen des Referenten, dass diese 
Zellen allmählig ihre Wände auflösen, dass die Cocci je nach den 
Kulturbedingungen zu Pilzfäden auskeimen oder sich durch Zwei- 
theilung vermehren. Die Keimlinge bringen A&roconidien hervor, 
welche in die ehemaligen Gattungen Penieillium und Aspergillus 
zu stellen wären. Diese ziemlich harten Zellenanhäufungen sind 
also als Kolonieen oder als Sclerotien (Dauermycelien) einfachster 
Form aufzufassen. 

Die Pilze der Plica polonica hält der Verfasser, und gewiss 
mit Recht, nicht für solche mit spezifischem Charakter. Ht 


M. Rees, Zur Naturgeschichte der Bierhefe. Vorläufige Mitthei- 
lung. Botanische Zeitung 1869. Nr. 7. 


Dieser Artikel besteht grossentheils aus persönlichen Bemer- 
kungen, auf die wir hier natürlich keine Rücksicht nehmen können. 
Verfasser spricht von einem „Reinkulturapparat“, ohne die 
Stelle anzuführen, wo ein solcher beschrieben sein soll. Sein an- 
gebliches Citat ist aber mit Häkchen versehen, soll also doch wohl 


Literarische Besprechungen. 97 


verbotenus abgeschrieben sein. Nun hat Referent in den Ver- 
öffentlichungen vergeblich nach einem solchen Apparat gesucht und 
selbst die Gründe ausgeführt, warum ein „Reinkulturapparat“ ein 
Ding der Unmöglichkeit ist”). Oder hat der Herr Verfasser die 
Schriften, nach denen er citirt, nicht gelesen? Dass es ihm auf die 
Wahrheit nicht so sehr ankommt, sobald es gilt, ein tendentiöses 
Schul-Interesse zu vertheidigen, hat er, wie jeder Theilnehmer an 
der ersten Sitzung der Botanischen Section der 42. Versammlung 
deutscher Naturforscher und Aerzte weiss, in seinem „Bericht“ über 
diese Sitzung bewiesen”). Die rein sachlichen Resultate redu- 
ziven sich auf Folgendes. Verfasser nennt die in der „deutschen 
Brauerei“ angewendete Hefe eine Pilzspecies, indem er sie unter 
dem alten Namen Meyen’s (Saccharomyces cerevisiae) beschreibt, 
obgleich Hoffmann, Bail und Referent nachgewiesen haben, 
dass die Hefe keine Species, sondern eine Morphe verschiedener 
Species ist. Ebenso wird „Penicillium“ als eine Pilzspezies aufge- 
fasst; bekanntlich ist es eine bei zahllosen Pilzen in sehr ähnlicher 
Weise wiederkehrende Aéroconidien-Morphe. Aus einem Versuch, 
„ausgekochte Zuckerlösung“ durch „Penicilliumsporen“ in Gährung 
zu versetzen, ein Versuch, der, wie jeder Techniker weiss, noth- 
wendig misslingen muss, wenn nicht eine ungeheuere Masse von 
Sporen und Schmutz ausgesäet wurde, zieht Verfasser den Schluss, 
dass die derartigen Versuche Bail’s und Hoffmann’s falch 
seien. Verfasser weiss also nicht einmal, dass zur Hefebil- 
dung und zur Gährung Stickstoff nothwendig ist. Aus. der Hefe 
zieht Verfasser eine Pilzform, die er für einen Ascomyceten hält, 
ähnlich dem Exoascus pruni Fuckel. Dass alle Hefebildungen 
Morphen von Ascomyceten sind, ist durch die Untersuchungen von 
Tulasne und dem Referenten höchst wahrscheinlich geworden, 
dass aber das von Herrn Rees beschriebene Gebilde ein Asco-: 
mycet ist, wird durch seine Angaben ebenso wenig nachgewiesen 
wie der Zusammenhang seines „Ascomyceten“ mit seiner „Bier- 
hefe“. Absichtlich, wie er sagt, hat er mit den gewöhnlichen 
Fehlerquellen gearbeitet. Aus der Beschreibung der Kulturen des 
Herrn Verfassers geht hervor, dass er sie ausserdem viel zu nass 
gehalten hat, als dass er hätte Keimungen erlangen können. 

Der „Ascomycet“ besteht aus angeblichen Hefezellen, welche 
zu sprosssen aufgehört haben und statt dessen 2—4 Tochterzellen 


*) Hallier, Gährungserscheinungen $. 10—16. 
**) Botan. Zeitung 1868. Nr. 47. 


Ti 7 


98 Literarische Besprechungen. 


durch angeblich freie Zellenbildung ausbilden, während die Mem- 
bran der Mutterzelle „allmählig verschwindet“. Der Nachweis, 
dass die Mutterzellen mit den Hefezellen identisch sind, fehlt gänz- 
lich, da solche Angabe „gar zu leicht auf einer Verwechselung 
ächter Hefe mit beigemengten hefeähnlichen Zellen beruhen 
kann“*). Solche Zellenbildungen, wie sie der Herr Verfasser be- 
schreibt, kommen aber bei zahllosen Pilzen in etwas verschiedener 
Weise vor. Wollte man alle diese Formen als neue „Ascomyceten“ 
beschreiben, so würde diese Gruppe allerdings eine ansehnliche 
Bereicherung erhalten. Diese Arbeit zeigt auf’s Neue, dass ohne 
genaue Kenntniss von den chemischen und physikalischen Bedin- 
gungen der Gährung Studien über Hefebildung zu einem brauch- 
baren Resultat nicht führen können. ‘EL. 


Fr. Haberlandt, Zur Kenntniss des seidespinnenden Insektes 
und seiner Krankheiten. Wien 1869. 


Der um die Seidenzucht durch mehre Arbeiten über die 
Krankheiten der Seidenraupen so verdiente Herr Verfasser hat 
diesen Wissenszweig wieder um eine sehr wichtige Thatsache be- 
reichert, indem er nachweist (S. 46), dass die Körper des Corna- 
lia, d. h. der Arthrococcus von Pleospora herbarum Rab. unter 
bestimmten Umständen durch Theilung des Plasma’s eine grosse 
Anzahl von austretenden Kernen (Micrococcus) hervorbringen kön- 
nen und dass diese Cocci sich abermals zu neuem Arthrococcus 
zu entwickeln im Stande sind. Die Arbeit des Referenten **), welche 
derselbe per Post an Haberlandt absendete, ist diesem nicht zu- 
gekommen; es hat daher das von zwei verschiedenen Beobachtern 
erhaltene völlig identische Resultat, über welches wir soeben re- 
ferirten, um so grösseren Werth. H. 


J. H. Salisbury, Microscopic examinations of blood and vege- 
tations found in variola, vaccina and typhoid fever. New-York 
1868. 


*) De Bary, Morph. u. Physiol. d. Pilze u.s. w. Leipzig 1866. S. 184 oben. 

**) E. Hallier, Untersuchung des pflanzlichen Organismus, welcher die 
unter dem Namen Gattine bekannte Krankheit der Seidenraupen erzeugt. Ex- 
tra-Abdruck a. d. Jahresbericht des Vereins zur Beförderung des Seidenbaues 
für die Provinz Brandenburg im Jahre 1867—1868. 


Literarische Beprechungen. 99 


Im Blute gesunder Menschen fand Salisbury kleine Pilz- 
zellen (Micrococcus), welche sich durch Zweitheilung vermehren 
und oft in langen Ketten (Mycothrix - Ketten) zusammenhängen. 
Diese Pilze sind bei gesunden Individuen stets in sehr geringer 
Menge vorhanden; treten sie aber in grösserer Anzahl auf, so ist 
immer ein krankhafter Zustand vorhanden. Die Parasiten der 
Infections-Krankheiten sind von diesen verschieden. Bei der Va- 
riola und Vaccina findet sich, wie Referent bereits gezeigt hat, 
eine und dieselbe Pflanze, mit dem Unterschied jedoch, dass Sa- 
lisbury in der Pustel der Variola den Pilz, welchen er Jos vario- 
losa vacciola nennt, fruktifizirend fand, während bei der Vaccine 
nur der Micrococcus (algoid stage of the vegetation) vorkommt. 
Die fruktifizirende Pflanze ist das von Herrn Dr. Bender und 
mir durch Kultur aus dem Micrococcus erzogene Oidium, welches 
zu Eurotium gehört. Die Sporen der Jos variolosa -sah Salis- 
bury mit äusserst kleinen Zellen, welche aus dem Plasma ent- 
stehen, sich füllen. Die kleinen Zellen werden frei, oft all- 
mählig und oft mit einem plötzlichen Ruck. Salisbury sah, wie 
sie allmählig zu grösseren Zellen (Sporoiden) anschwellen und 
dann keimen. Ebenso beobachtete er ihre Vermehrung durch 
Zweitheilung und ihre Ausbildung zu langen Mycothrix-Ketten im 
Inneren der Flüssigkeit. 

Salisbury hat eine grosse Anzahl anderer Pilze untersucht 
und kommt zu dem Ergebnisse, dass wahrscheinlich alle Schimmel- 
pilze unter den hierfür günstiger Bedingungen die „algoid form“, 
d. h. den Micrococeus zur Ausbildung bringen. H. 


C. Stahlschmidt, Dr., Lehrer an der Königlichen Gewerbe- 
Akademie in Berlin, Die Gährungs-Chemie, umfassend die Wein- 
bereitung, Bierbrauerei und Spiritusfabrikation. Mit 93 in den 
Text eingedrnckten Holzschnitten. Berlin 1868. C. Duncker. 
S. 412 ff. 


Dieses Werk ist zunächst für Praktiker bestimmt und für 
solche sicherlich unentbehrlich. Grade diejenigen Gewerbszweige, 
welche mit der Gährungs- und Hefelehre Berührungspunkte haben, 
ziehen ja neuerdings aus den Ergebnissen wissenschaftlicher For- 
schungen am meisten Vortheil und das ist zugleich der beste Prüf- 
stein für diese Forschungen, denn was hilft alles Theoretisiren, wenn 
sich die Dinge in praxi ganz anders machen! 

7 * 


100 Literarische Besprechungen. 


Diesen Vorwurf kann man dem Herrn Verfasser nicht machen. 
Im Gegentheil, wenn wir einen Mangel in seinem Buch gefunden 
haben, so ist es nur der, dass er auf die neuere Ausbildung der 
Hefelehre zu wenig Rücksicht nimmt und dass ihm dadurch für 
die Praxis mancher Vortheil entschlüpft. Er steht noch auf dem 
Standpunkt der katalytischen Wirkung der Gährungserreger. Zu 
diesen rechnet er (S. 2): Hefe, Eiweiss, Casein, Legumin, Kleber, 
Blut, Emulsin u. s. w., ohne zu bedenken, dass alle diese Körper 
nur dann als Ferment wirken, wenn lebende Organismen, also 
Hefe, vorhanden sind. Wäre einzig und allein die Hefe als das 
Gährung erregende Prinzip erkannt, so würde dem Herrn Ver- 
fasser die Schwierigkeit, Doppelgährungen zu vermeiden, nicht als 
unüberwindlich entgegengetreten sein, denn es hat z.B. William 
Schultze die Milchsäuregährung der Maische beseitigt und zwar 
nur durch strenge Befolgung derjenigen Regeln, welche sich aus 
der Hefelehre von selbst ergeben. Der Unterschied zwischen 
Fäulniss und Verwesung (8. 4. 5) hätte klarer behandelt werden 
können. Unzählige Scrupel wären dem Herrn Verfasser gar nicht 
gekommen, wenn er die Hefelehre als Grundlage genommen hätte. 
So z. B. erklärt sich die Rolle, welche das Wasser als Haupter- 
forderniss bei jeder Gährung spielt (S. 6), sehr einfach aus dem 
Verbrauch desselben durch die Pilzzellen. 

Die Behauptung (S. 9), dass Fleisch faulen und Milch sauer 
werden könne ohne Hülfe von Organismen, geht von einem längst 
antiquirten Standpunkt aus. Der Verfasser lässt „aus den Keimen 
der Milch“ ein Fäulnissferment von „animalischer Natur“ ent- 
stehen. Auf S.10 wird mit Pasteur der Arthrococcus mit „Infu- 
sorien“ verwechselt. 

Ebenso verwechselt der Verfasser den Micrococcus der Fäul- 
niss mit animalischen Gebilden. Das Wort „Infusorien“ wird stets 
in einem längst antiquirten Sinne gebraucht. In vielen faulenden 
Stoffen sollen die Organismen fehlen. Unseres Wissens ist ein 
derartiger Fall bis jetzt nicht bekannt geworden. 

Die Entdeckung, dass die an der Oberfläche der Früchte (8. 
19) befindlichen Pilzsporen diese in Gährung versetzen, hat wohl 
zuerst Th. v. Hessling gemacht. 

Wir müssen uns auf diese wenigen Einzelheiten beschränken. 
Das Buch wird jedenfalls unter den praktischen Fachmännern 
Freunde finden. H. 


Literarische Besprechungen. 101 


H. Hoffmann, Ueber Bacterien. Botanische Zeitung 1869. Nr. 
15—20. 


Diese mit grossem Fleiss zusammengetragene Arbeit bespricht 
sowohl die Literatur als auch eigene Beobachtungen des Herrn Ver- 
fassers, welcher bezüglich der „Bacterien“ noch auf dem alten Stand- 
punkt steht, auf welchem man jeder neuen Form auch einen neuen 
Species- und Genusnamen geben zu müssen glaubt. Die neueren 
Arbeiten über Hefe werden nicht berücksichtist. Hoffmann 
schreibt den „Bacterien“ ohne Ausnahme eine Zellwand zu. Für 
alle Formen (Micrococcus) mit selbstständiger Bewegung ist das 
entschieden unrichtig und es liegt hier die nämliche optische 
Täuschung zu Grunde, welche de Bary verführt hat, die Schleim- 
hülle der Myxomyceten als Zellwand aufzufassen. Die Classifica- 
tion der Bacterien, welche Hoffmann versucht, ist ziemlich 
steril und fügt den früheren vergeblichen Versuchen dieser Art 
einen neuen hinzu. 

Wenn der Herr Verfssser behauptet, dass luftdichter Ver- 
schluss unter Deckglas die Bewegung des schwärmenden Micro- 
coccus sofort aufhebt, so beruht das auf ungenauer Beobachtung. 
Mag es bei manchen Pilzen der Fall sein, bei anderen kann man 
die Cocei unter dem Deckglas tagelang umherschwärmen, darauf 
zur Ruhe kommen und sich durch Zwei- oder Viertheilung ver- 
mehren sehen. Da aber Herr Professor Hoffmann niemals 
weiss, wo seine „Bacterien“ hergekommen sind, da er nicht ein- 
mal die von Algen und von Pilzen abstammenden „Bacterien“ 
unterscheidet und ihm Zuchtversuche nie gelungen sind, so lässt 
sich natürlich keine seiner Angaben mit sicher beobachteten That- 
sachen vergleichen. Was Verfasser über die Bewegungen (Spalte 
239.240) sagt, passt jedenfalls nur auf einzelne bestimmte Formen. 
Der schwärmende Micrococcus bewegt sich durch Kontraktilität 
seiner Masse (des Plasma’s), wie ich vielfach gezeigt habe. Die 
unschwer nachweisbare Entstehung von Micrococcus aus dem Plas- 
ma der Pilzzellen, welche Salisbury und ich beobachtet haben, 
ist dem Herrn Verfasser entgangen. Ebenso ist ihm niemals eine 
Kultur gelungen. Er läugnet daher den Zusammenhang aller 
„Bacterien“ mit Pilzen oder Algen. Wenn man aber ihn selbst 
seine Versuche beschreiben hört, so kann es nicht Wunder neh- 
men, dass sie missglückt sind. Um nur eins anzuführen, kultivirt 
er „Bacterien“ auf gekochten Kartoffeln und weil hier keine Kei- 


102 Literarische Besprechungen. 


mung eintritt, so hält er sie für keimungsunfähig. Selbstverständ- 
lich ist eine gekochte Kartoffel durch und durch wasserhaltig, sie 
geräth also unter” dem Einfluss eines jeden Micrococcus in Fäul- 
niss und der Micrococeus muss sich dabei in’s Unendliche ver- 
mehren. Eben aus diesem Grunde ist ist nicht gelungen, den von 
Hüter aufgefundenen Micrococcus der Diphteritis zur Keimung 
zu bringen. Ebensowenig konnte es ihm gelingen, die Theilung des 
Plasma’s innerhalb der Pilzzelle und das Freiwerden der so ent- 
standenen Cocci zu beobachten, wenn er den Versuch so an- 
stellte, wie er ihn auf Spalte 286 beschrieben hat. Wenn der 
Herr Verfasser die Cornalia’schen Körperchen mit Monas cre- 
pusculum identifizirt, so beweist das nur, dass er sie nie gesehen 
hat. Uebrigens liegt hier wohl eine Verwechselung der Gattine 
der Seidenraupen mit derjenigen Krankheit zu Grunde, welche die 
Franzosen Pébrine nennen. H. 


J. Böke, Zwei Fälle von Pilzwucherung am Trommelfelle (Myrin- 
gomycosis). Ungarische medizinisch-chirurgische Presse 1868. 
Tahre >, Nr. 9. 12.1010. 


Diese Arbeit ist sehr interessant, weil in derselben der Beweis 
geführt wird, dass eine Pilzwucherung die Ursache eines Leidens 
und zwar eines Gehörleidens ist. Bekanntlich ist es bis jetzt nur m 
einigen wenigen Fällen gelungen, den direkten Nachweis zu führen, 
dass ein pflanzlicher Parasit die Ursache derjenigen Krankheit sei, 
welche er begleitet. Da aber nach den Beobachtungen des Herrn 
Verfassers in mehren Fällen ein Ohrenleiden sofort beseitigt wurde, 
sobald Pilzwucherungen auf dem Trommelfell entfernt wurden, 
so folgt daraus ein direkter Zusammenhang zwischen Pilz und 
Krankheit. Verfasser hat fünf Fälle von Myringomycosis beobachtet 
und in diesen fünf Fällen die dabei thätigen Pilze als zu verschie- 
denen Arten, ja zu verschiedenen Gattungen gehörig befunden. 
Namentlich fand derselbe in einem Falle eine Pilzwucherung von 
Mucor mucedo Fres., in einem anderen eine solche von Asper- 
gillus microsporus Hallier. Dass bei den Ohrenkrankheiten sehr 
verschiedene Pilze die nämliche Rolle spielen können, zeigt auch 
eine sehr schöne Beobachtung von Herrn Dr. Hagen in Leizpig, 
welche in der nächsten Nummer dieser Zeitschrift Besprechung 
finden wird. H. 


Anzeigen. 
Phytophysiologisches Privat-Institut und Versuchs: 
station für die parasitischen Krankheiten der Thiere und 
Pflanzen. 


In Verbindung mit einem tüchtigen Assistenten habe ich eine 
kleine Versuchsstation für parasitische Krankheiten gegründet und 
an der Stelle meiner bisherigen beiden kleinen mikroskopischen In- 
stitute ein etwas geräumiger und besser eingerichtetes phytophysio- 


logisches Laboratorium geschaffen. Ich denke dadurch Jedermann 


Gelegenheit zu mikroskopisch-botanischen Uebungen geben zu kön- 
nen, werde aber vorzugsweise gern Uebungen in parasitologischen 
Arbeiten leiten. Nicht nur junge Botaniker werden hiemit auf die 
sich ihnen darbietende Gelegenheit zur Erlangung der so noth- 
wendigen Sicherheit und Fertigkeit im Gebrauch des Mikroskops 
und in der Aneignung richtiger Methode in physiologischen und 
morphologischen Untersuchungen aufmerksam gemacht; sondern 
ich wünsche auch jungen Aerzten, Forst- und Landwirthen, Gärt- 
nern und Technikern Anlass zu bieten zur Erlernung der für sie 
so wichtigen Kenntniss von der Lebensweise und Morphologie der 
niederen parasitischen Pflanzen, insbesondern der Pilze mit ihren 
Schimmel- und Hefebildungen. 

Der volle Kursus von sechs Monaten wird mit 25 Thalern 
Honorar angesetzt; es werden aber für Solche, die nicht so viele 
Zeit wöchentlich auf die mikroskopischen Arbeiten verwenden 
können, kleine Kurse, nämlich bei zweimaliger Arbeitszeit in der 
Woche zu 5 Thalern und bei viermaliger Arbeitszeit zu 10 Thalern 


‚eingerichtet. Ferner stehe ich im Begriff, mit der Hülfe meines 


Herren Assistenten eine Folge mikroskopischer Pilze herauszu- 
geben und insbesondere solcher Formen, welche für Medizin, Tech- 
nik, Landwirthschaft u. s.w. von Wichtigkeit sind. Der Preis eines 
Präparates wird, je nach der Schwierigkeit der Präparation, von 


104 Anzeigen. 


21/, Sgr. bis zu 1 Thaler gestellt. Eine vollständige Liste der ab- 
zugebenden Präparate wird später uachfolgen; vorläufig mache 
ich nur darauf aufmerksam, dass einige Präparate über die Para- 
siten der Cholera, der Blattern, des Typhus, der Rotzkrankheit, 
der Lungenseuche, der Masern, des Scharlachs, der amerikanischen 
Rinderpest, der Gattine der Seidenraupen, der Muscardine, des 
Wurstgiftes, des Syphilis, der Hundswuth, der Eierfäulniss u. s. w. 
vorräthig sind. Hallier. 


Die Mikroskope von S. Merz (Frauenhofer) in München. 


Seit einem Jahr im Besitz eines grossen Mikroskops aus der 
Werkstatt des Herrn Merz, bin ich gegenwärtig im Stande, einige 
Notizen über die Vorzüge desselben mitzutheilen. Das Stativ Nr. 
1 von Merz ist das beste Stativ, welches augenblicklich aus irgend 
einer Werkstatt hervorgeht. Es hat beträchtliche Vorzüge vor 
allen englischen, amerikanischen, französischen und deutschen Sta- 
tiven. Ich selbst besitze Mikroskope von Oberhäuser, Schieck, 
Zeiss und Beneche; ich hatte Gelegenheit, die Instrumente von 
Schröder, Hartnack, Kellner, Gundlach und Anderen 
zu vergleichen und kann nur dem Stativ von Merz den ersten 
Rang zuerkennen. Der grosse Tisch ist um die Vertikalachse 
vollständig, um die Horizontalachse in einem Winkel von etwa 
45° drehbar. Das ganze Stativ ist dunkelfarbig, ein Umstand, 
der Manchem vielleicht unbedeutsam scheinen wird, der aber bei 
der Arbeit selbst sehr stark in’s Gewicht fällt. Der starke Glanz 
mancher Stative ist bei allen feineren Untersuchungen eine ganz 
überflüssige Störung des Auges. 

Vortrefflich ist die Einstellung. Es ist leider fast überall 
der Brauch, die grobe Einstellung durch Verschiebung des Rohrs 
in einer aufgeschlitzten federnden Hülse zu bewerkstelligen. Das 
hat mehre grosse Nachtheile. Erstlich wird dadurch die Ein- 
stellung in der That eine recht grobe, zweitens gefährdet unvor- 
sichtiger Gebrauch dieser Einstellung sowol das Objekt als das 
System, drittens endlich setzt sich in der Hülse beständig Staub 
ab und beeinträchtigt die Beweglichkeit des Rohrs. Alle diese 
Uebelstände beseitigt Herr Merz auf sehr einfache Weise. Das 
Rohr ruht mit einem vorspringenden Ring auf dem Rand der 
Hülse, welche, um die Bewegung äusserst sanft zu machen, mit 
Barchent ausgefüttert ist, Die Hülse ist an einem horizontalen 


Anzeigen, 105 


Hebelarm befestigt, welcher mittelst einer soliden Hülse an einer 
dreieckigen Säule senkrecht verschiebbar ist und durch Schraube 
und Trieb eingestellt wird. Unten ist die Säule mittelst einer 
längeren starken Hülse mit dem Tisch verbunden. Hier befindet 
sich die Schraube für die feine Einstellung. Hat man nun mit 
der oberen Schraube die grobe Einstellung bewerkstelligt, so stellt 
man das Rohr mittelst einer hinten an der dreikantigen Säule an- 
gebrachten Klemmschraube fest. Nun kann der unvorsichtigste 
Anfänger dem System oder dem Objekt keinen Schaden mehr zu- 
fügen, denn sollte er auch mit dem Kopf auf das Okular stossen, 
so bewegt sich doch das Rohr nicht abwärts. Man kann also 
ruhig Studenten, welche nie zuvor in ein Mikroskop gesehen haben, 
den Einblick verstatten; sie können nicht leicht Schaden anrichten. 
-Selbstverstaindlich ist die feine Einstellung mittelst der unteren 
Schraube dadurch unbehindert. 

Ich kann nicht unterlassen, hier darauf aufmerksam zu ma- 
chen, wie ganz vorzüglich schön die Schrauben gearbeitet sind. 
Das hier besprochene Mikroskop benutze ich seit länger als einem 
Jahr täglich und noch geht die Schraube der feinen Einstellung so 
weich und gleichmässig wie am ersten Tage. 

Recht handlich und hübsch ist auch die Blendungsvorrichtung. 
Sie besteht in einer um die Vertikalachse drehbaren Doppelscheibe 
mit einem grossen kreisförmigen Diaphragma in der oberen und 
verschieden grossen in der unteren. Sobald die Diaphragmen der 
beiden Scheiben genau zentrirt sind, arretirt eine unten ange- 
brachte Feder mittelst eines Stiftes, welcher in ein kleines Loch 
einschlägt. Die Doppelscheibe kann in einer federnden Hülse seit- 
lich verschoben und ganz abgenommen werden. Die federnde 
. Hülse ist der einzige Fehler am Stativ; ich glaube jedoch, Herr 
Merz hat auf meinen Vorschlag dieselbe bereits durch eine kleine 
Schraube ersetzt. In das grösste Diaphragma der Doppelscheibe 
passen Kegel mit kreisföormigen einsetzbaren Scheiben am oberen 
Ende. Diese Scheiben haben verschiedene kreisförmige zentrale 
Diaphragmen für feinere Abblendungen. 

Ich bemerke noch, dass dem Stativ ein halbkugliger Konden- 
sator, eine sehr schöne grosse Beleuchtungslinse und auf Ver- 
langen alle Apparate für Polarisation, Messungen u. s. w. in guter 
Konstruktion beigegeben werden. 

Ist das Stativ ohne Zweifel das beste von allen existirenden 
Stativen, so kann von den Systemen mindestens gesagt werden, 


106 Anzeigen. 


dass sie denjenigen der ersten Firmen an die Seite zu stellen sind 
und die der meisten Werkstätten übertreffen. Herr Merz giebt 
den Systemen die Bezeichnung nach dem Fokalabstand einer äqui- 
valenten Linse. Das !/,”-System ist schon ein ganz vorzügliches. 
Es zeigt die Sechsecke des Pleurosigma angulatum so schön, wie 
wir sie mit keinem System gleicher Stärke gesehen haben. Das 
1) 5; -System ist das stärkste ohne Immersion. Herr Merz giebt 
die Vergrösserungen desselben auf 300—1200 lineare mit den 
verschiedenen sehr schönen, fast achromatischen Okularen an. Ich 
habe noch die Immersionssysteme !/,,‘', Ya und Ygy”. Schon 
mit dem !/,,‘- System sieht man bei günstiger Beleuchtung die 
Schatten der sechseckig-rundlichen Buckel des Pleurosigma angu- 
latum an der vom einfallenden Licht abgewendeten Seite. 

Die beiden stärksten Systeme hat Herr Merz mir erst vor 
einigen Monaten zur Auswahl gesendet und sie sind beide so vor- 
züglich, dass mir die Wahl schwer wird. Das '/,,“ - System ist 
das beste, welches ich je gesehen habe, vielleicht mit einziger Aus- 
nahme des Systems von Hartnack Nr. 14, welches ich bei Herrn 
Regierungs- und Oekonomierath v. Schlicht in Potzdam vor 
Kurzem sah. Leider führte ich mein Instrument von Merz nicht 
mit mir, um einen genaueren Vergleich vorzunehmen. 

Das ’/30-System vergrössert nach der Angabe von Merz 600 
lineare mit seinem schwächsten, 2400 lineare mit dem stärksten 
Okular. Nach genauerer Prüfung und Messung werde ich später 
über die vorzüglichen Leistungen dieses sowie des "/a4‘ - Systems 
Weiteres berichten. H. 


L. Rabenhorst, Fungi Europaei Exsiccati. Klotschii Herbarıı 
vivi Mycologici Continuatio. Editio nova. Series secunda. Cen- 
turia XIII. Dresd. 1869. 


Das Herbarium des berühmten Formenkenners bedarf einer 
Empfehlung nicht, denn sein hoher wissenschaftlicher Werth ist 
längst anerkannt und die Ausstattung macht das Werk neben seiner 
Unentbehrlichkeit als Hülfsmittel zu wissenschaftlichen Arbeiten 
auch zu einer sehr sauberen und reichen Kollektion für Liebhaber 
und öffentliche Anstalten. He 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel I. 


Fig. 1. Blutkörper des Kiefernspinners (Gastropacha pini), mit Micrococcus 
von Fumago salicina infizirt. Gezeichnet mit dem System ¥/g9’, Ocular 1 
von Merz. 

Fig. 2. Derengleichen Blutkörper mit fadenförmigen Fortsätzen, a—c mit Mi- 
crococcus von Fumago infizirt, d ohne denselben, bei a und c sieht man 
deutlich den Kytoblasten. Ebenso. 

Fig. 3. Blutkörper mit Oeltropfen, d und f ausserdem mit Micrococcus infizirt, 
a, c, d, f und g schon eines Theils der Oeltropfen beraubt, h im Begriff, 
durch die Ölhaltigen Kerne zersprengt zu werden, i in Auflösung begriffen. 
Ebenso. 

Fig. 4. Microccus (m) in allen Stadien der Ausbildung zum Arthrococcus (a), frei 
im Blute schwimmend. Ebenso. 

Fig. 5. Blutkörper ohne Oeltropfen und ohne Micrococcus. Ebenso. 

Fig. 6. Micrococcus von Fumago im Darminhalt der Raupe, in allen Stufen der 
Ausbildung zum Arthrococeus. Ebenso. 

Fig. 7. Mycelfaden aus dem Darminhalt. Bei m innerhalb des Fadens Micro- 
coccus-Bildung, bei a in Theilung begriffener Arthrococcus. Ebenso. 

Fig. 8. Muskelfragment in der Umgebnng des Darms, mit Micrococcus in dem 
ersten Entwickelungsstadium zum Arthrococcus. Ebenso. 

Fig. 9. Muskelfragment mit ausgebildetem Arthrococcus. Ebenso. 

Fig. 10. Micrococcus und Arthrococcus, aus einem Muskel frei präparirt. 
Ebenso. 

Fig. 11. Arthrococcus aus einem Muskel, in Theilung begriffen. Ebenso. 
Fig. 12. Zwei Blutkörperchen, a zeigt die Entstehung des Arthrococcus, b 
enthält nur zarten Micrococcus. Ebenso. 
Fig. 13. Mit-Mierococeus infizirte Blutkörper mit einem fädigen Fortsatz an 

jedem Ende. Ebenso. 

Fig. 14. Arthrococcus aus dem Blut einer sehr kranken Raupe, zum Theil 
keimend und Zellen („Cylinderconidien“) abschnürend. Ebenso. 

Fig. 15. Ast eines Pilzfadens mit Aéroconidien von Fumago salicina, auf der 
Oberhaut einer an der Muscardine gestorbenen Raupe, nachdem der unter 
der Haut gekeimte Pilz dieselbe durchbohrt hatte. Ebenso. 


108 Erklärung der Abbildungen. 


Fig. 16. Ast mit Aöroconidien, durch Kultur des Arthrococcus einer kranken 
Raupe auf dem Objektträger gezüchtet. Ebenso. 

Fig. 17. Blutkörper mit Arthrococcus, bei b keimend. Ebenso. 

Fig. 18. Blutkörper einer Kultur des Blutes in stickstoffreicher Flüssigkeit. 
Der Micrococcus vermehrt sich im Innern der Blutkörper kettenförmig (Ba- 
cterien). Das Blutkörperchen bei b ist in der Auflösung begriffen, bei e ist 
der Micrococeus und Arthrococeus, zum Theil keimend, bereits frei gewor- 
den. Ebenso. 

Fig. 19. Micrococcus, zum Theil in Viertheilung begriffen (a—d), zum Theil 
zu Sporoiden anschwellend. Ebenso. 

Fig. 20. Bildung von Cryptococcus aus dem Micrococcus des Blutes, ent- 
stehend in einer alkoholisch gährenden Flüssigkeit (Malzdekokt). Ebenso. 
Fig. 21. Keimung der Sporoiden (Fig. 19) und Bildung von Anaérosporen. 

Ebenso. 

Fig. 22. Micrococcus in starker Vermehrung, bei a an der Oberfläche der 
Flüssigkeit bacterienartige Ketten bildend, bei b im Innern der Flüssigkeit 
sogleich zerfallend. Ebenso. 

Fig. 23. Keimlinge der Sporoiden bei kräftiger Ernährung, aber gährendem 
Nährboden, in Glieder (Anäeroconidien) zerfallend. Ebenso. 

Fig. 24. Keimfadenbruchstück mit köpfchenförmig gestellten Aéroconidien 
Keimungsproduckt des Arthrococcus aus dem Raupenblute. Ebenso. 

Fig. 25. Sporoiden, auf dem Objektträger aus dem Micrococcus des Ranpen- 
blutes gezogen, bei a im früheren Stadium, bei b im ausgewachsenen, ein- 
zeln schon keimend. Ebenso. 

Fig. 26. Pinselförmiger Ast der Botrytis Bassiana. Ebenso. 

Fig. 27. Blattende der Kiefer mit Pycniden der Fumago salicina, welche 
warzenförmig aus dem Blattgewebe hervortreten. Fünffache Lupenvergrösse- 
rung. 

Fig. 28. Fragment aus dem Blattgewebe mit Mycelfäden und einer Pycnide 
(p), welche im Begriff ist, ihre Conidien zu entlassen. Gezeichnet mit einem 
Instrument von Zeiss, System C, Ocular 2. 

Fig. 29. Conidien aus der Pycnide (Fig. 28 p), zum Theil keimend. Wie Figg. 
1—20. 

Fig. 30. Ascus von Fumago salicina (a) mit einer verastelten Paraphyse (pa). 
Im Innern des Ascus sieht man die 8 gekammerten Sporen. Ebenso. 


Fig. 31. Ein Haufen von Asken mit ihren Paraphysen bei schwächerer Ver- 
grösserung. Gez. mit Zeiss Syst. C, Ocular 2. 

Fig. 32. Keimlingsfragment einer Sporoide mit Macroconidien (m) und Saug- 
-fäden (r). Wie Figg. 1—26. 

Fig. 33. Keimfaden einer Sporoide aus dem Blut des Kiefernspinners, am 
untergetauchten Theil (u) in Glieder zerfallend und Anäeroconidien (c) ab- 
schnürend, in der Luft an den Zweigenden Sterigmen mit sprossenden Spo- 
renketten (p. q. r. s. t. x) bildend. 

Fig. 34. Ein Bruchstück eines Keimlinges gleichen Ursprunges mit reifen Aé- 
rosporen (a sp), welche an einem braunen Stiel (cl) abgeschnürt werden, mit 
Aéroconidien (ac), welche an wirtelig gestellten Aesten kettenförmig hervor- 
sprossen, und einer Mittelform (m) zwischen beiden. Ebenso. 


Erklärung der Abbildungen. 109 


Fig. 35. Fruktifizirender Keimfaden aus derselben Kultur mit vollkommenen 
Aéroconidien (a). Bei v stehen am Ende der strahlig um eine grosse Basi- 
die gestellten Sterigmen statt der Aöroconidien-Ketten grosse blasige Auf- 
treibungen. Bei s sind die Sterigmen bis auf drei sämmtlich fehlgeschlagen ; 
diese drei sind lang fadenförmig und tragen abnorme kurze Conidienketten. 
Die Fäden zeigen zwei Fusionen (f). Ebenso. 

Fig. 36. Aus derselben Kultur. Statt der grossen Basidien sieht man einen 
dünnen Tragfaden, der sich in eine Anzahl langer Sterigmen auflöst. Die 
Conidien entstehen durch succedane Sprossung in Köpfchen. Ebenso. 

Fig. 37. ‚Aus derselben Kultur. Eben solche Sterigmen tragen Ketten (k), 
deren Conidien sich meist kugelig zusammenbalien (c). Ebenso. 

Fig. 38. Sprosszellen eines Zweiges unregelmässig angeordnet. 

Fig. 39. Bruchstück eines Keimfgdens der Sporoiden aus dem Micrococcus 
des Raupenblutes mit Aérosporen (a) und Schizosporangien (sch). Ebenso. 


Tafel Ii. 


Fig. 40. Fadenfragment aus derselben Kultur mit fast reifen Schizosporangien 
(sch), mit unreifen Kapseln (rb), mit Thecaconidien und mit einer Mittelform 
zwischen beiden (m). Ebenso. 

Fig. 41. Mycelfäden mit Aéroconidien, welche sich strangförmig zusammen- 
legen. Ebenso. 

Fig. 42. Mycelfaden mit Kapseln (k), welche zum Theil, statt Conidien aus- 
zubilden, Saugfäden austreiben (rh), auf einem nassen Substrat. 

Fig. 43. Kräftige Kapselpflanze bei schwacher Vergrösserung mit Saugfäden 
(rh) und ausgewachsenen Kapseln (k). 

Fig. 44. Conidien (Thecaconidien) aus solchen Kapseln bei 600facher Vergrös- 
serung. ! 

Fig. 45. Aéroconidien, unregelmässig angeordnet, Form der Botrytis Bassiana. 
Ebenso. 

Fig. 46. Anäerosporen, gezogen im Innern des Substrats aus den Sporoiden 
des Raupenblutes, a—d unreife Formen oder Macroconidien, e und f reife 
Anäerosporen-Ketten. Ebenso. 

Fig. 47. Sporangiolen der Thecaconidienform von Fumago, gezogen aus den 
Sporoiden des Raupenblutes. Schwach vergrössert. 

Fig. 48. Pinsel mit doppelten Sterigmen, gezogen aus den Conidien der Pycni- 
den von Fumago salicina. Zeiss System D, Ocular 2. 

Fig. 49. Verkümmerter Pinsel mit Aöroconidien aus derselben Kultur. Merz 
Syst. Y/30 ‘‘, Ocular 1. 

Fig. 50. Aéroconidien, zarte Form (Botrytis Bassiana), gezogen aus den Pyeni- 
den-Keimzellen. Ebenso. 

Fig. 51. Etwas abweichende Form aus derselben Kultur. Ebenso. 


Fig. 52. Verschiedene Keimungszustände der Pycniden-Keimzellen (c), a= Aé- 
roconidien, an = Anäeroconidien, m= Macroconidien, k = dünne Keimfaden. 
Ebenso. 


110 Erklärung der Abbildungen. 


Fig. 53. Entwickelung des Micrococcus aus dem Plasma der Pycniden-Keim- 
zellen. Ebenso. 


A—C. Parasit des Zuckerrohrs. 

A. Grosse Zellen, mit Inhaltszellen, welche zum Theil seitliche Faden getrie- 
ben haben. 

B. C. Faden mit kleinen Inhaltszellen. 


I, 
Original-Abhandlungen. | 


Alcohol-Behandlung des Aspergillus glaucus 
im äusseren Gehörgange. 


Von 
Medizinalrath Dr. Hassenstein in Gotha. 


Obgleich in der letzten Zeit Beobachtungen über das Auftreten 
von Pilzen im äusseren Gehörgang häufig mitgetheilt worden sind, 
ist doch die Veröffentlichung neuer Beobachtungen für die Sicher- 
stellung der Bedingungen des Auftretens der Pilze, ihres Einflusses 
auf das leidende Organ und für Gewinnung einer raschen, sicheren 
und schmerzlosen Behandlung gewiss nicht nutzlos; mögen dess- 
halb zwei Fälle hier Erwähnung finden, welche sich von den früher 
mitgetheilten durch ihr Auftreten bei Otorrhoe unterscheiden und 
die Sicherheit und Reizlosigkeit der Alcoholbehandlung evident 
darthun. 

Buchhändler B. hier konsultirte mich wegen beiderseitiger 
Schwerhörigkeit zu Anfang dieses Jahres und gab an, mit dem 
linken Ohre seit einem in der Kindheit aufgetretenen Scharlach und 
von da noch andauernden Ohrenfluss sehr schwer, mit dem rechten 
Ohre aber bis vor wenigen Tagen sehr gut und erst seit 3 Tagen 
plötzlich unter gleichzeitigem Auftreten sehr heftigen Ohrensausens 
schlecht gehört zu haben. Eine Uhr von circa 12 Fuss normaler 
Hörweite vernahm Patient rechts 4!/, Zoll entfernt, links nur bei 
kräftigem Andrücken an die Ohrmuschel; rechts hörte Patient laut 
gesprochene Worte auf 16 Fuss Entfernung, links nur bei unmittel- 
barem Hineinsprechen in’s Ohr. Die an Schläfengegend und Zitzen- 
fortsatz angelegte Uhr wurde beiderseits, jedoch rechts stärker, 
ebenso rechts stärker die auf den Scheitel gesetzte Stimmgabel 
vernommen. 

ii, 8 


112 Hassenstein, 


Die Spiegeluntersuchung ergab rechts das Trommelfell grau, 
glanzlos, matt aussehend, Lichtkegel verschwunden, Hammergrift . 
und processus brevis nur undeutlich zu sehen; unter dem Ham- 
mergriff war eine prominirende, weisslich-gelblich aussehende Stelle 
von der Grösse einer Linse wahrzunehmen, die bei Untersuchung 
mit der Sonde fast Knochenhärte fühlen liess. Das Politzer’sche 
Verfahren liess kein Perforationsgeräusch wahrnehmen und trat nach 
demselben eine Hörverbesserung so wenig, wie eine Mindernng 
der subjectiven Geräusche ein; gleich erfolglos war der Catheteris- 
mus und veraahm man bei demselben während des Lufteintretens 
nur ein verschärftes Geräusch, jedoch weder Rasseln, noch Per- 
forationsgerausch. Durch Aetzung der prominirenden Stelle mit 
Lapis in Substanz trat eine Verkleinerung derselben ein und am 
vierten Tag hörte ich zum ersten Mal durch eine Oeffnung im 
Trommelfell, die indess nicht sichtbar war, Luft, beim Eintreiben 
durch die Tuba, zischend entweichen. Allmälig trat die promini- 
rende Stelle hinter das Niveau des Trommelfells zurück und in 
demselben zeigte sich eine scharfrandige Perforationsöffnung, hinter 
welcher noch eine härtliche Geschwulst zu sehen und zu fühlen war. 
Die Hörweite besserte sich auf 26 Fuss für laut gesprochene Worte, 
die Geräusche minderten sich, bis plötzlich mit einem intensiven 
Catarrh der Nasen- und Rachenschleimhaut auch ein acuter Catarrh 
der Tubar- und Paukenhöhlenschleimhaut mit reichlicher eitriger 
Secretion auftrat und die subjectiven Erscheinungen und die Hör- 
funktion verschlechterte. Durch die von Schwartze empfohlene 
caustische Behandlung wurde eine baldige Besserung herbeige- 
führt und wurden auch verschiedene Recidive immer rasch besei- 
tigt, bis am 'Schlusse der längeren Behandlung unter Persistenz 
der Perforation die eitrige Secretion und die subjectiven Geräusche 
vollständig beseitigt waren und die Hörweite auf circa 26 Fuss für 
geflüsterte Worte gestiegen war. — Bei der ersten Untersuchung 
des linken Ohres zeigte sich der Gehörgang mit Eiter gefüllt 
und nach Entfernung desselben sah man Gehörgang durch eine 
blauröthliche, gewulstete, granulirende Fläche mit zahlreichen Licht- 
reflexen nach hinten abgegränzt. Das Politzer’sche Verfahren 
liess ein stark pfeifendes Perforationsgeräusch wahrnehmen und 
hatte keine Funktionsverbesserung zur Folge. Einer längeren Ört- 
lichen Behandlung, Luftdouche, wiederholte Application von Watte, 
mit Glycerin und Eisenchlorid zu gleichen Theilen getränkt, auf 
die Granulationen durch 24 Stunden, abwechselnd mit Betupfen 


Alcohol-Behandlung des Aspergillus glaucus im äusseren Gehörgange. 113 


mittelst Lapis in Substanz, gelang es, Granulation, Schwellung 
und Secretion ganz zu beseitigen, wonach allmälig der an das 
Promontorium angelöthete Hammer (vorher in die gewulstete 
Schleimhaut eingebettet) sichtbar wurde und die Perception lautge- 
sprochener Worte sich auf 20 Fuss erweiterte. 

Während des beschriebenen Verlaufs der beiderseitigen Af- 
fektionen und unter Anwendung von Argentum nitricum und Ferrum 
sesquichloratum traten zuerst im rechten, viel später im linken 
Gehörgang, dort bis an das Trommelfell, hier bis an die granuli- 
rende Promontoriumschleimhaut sich ausdehnend, bald bei mässi- 
ger, bald bei reichlicher Secretion Pilzwucherungen wiederholt auf, 
welche als bläulich-grünlich aussehende Membranen meist an der 
vorderen oberen Wand des Gehörganges sich zeigten. Fast immer 
begleitete das Auftreten der Pilze ein intensiver Nasenkatarrh, so 
dass Patient die Verschlechterung des Gehöres und die Zunahme 
der subjektiven Geräusche, jedes Mal sofort bemerklich, auf eine 
Erkältung zurückführte; indess kamen die Pilze auch ohne ka- 
tarrhalische Erscheinungen und doch klagte Patient über vermehr- 
tes Sausen, schlechteres Gehör und benommenen Kopf. Die mi- 
kroskopische Untersuchung der aus dem Ohr entfernten Membranen 
zeiste ein dicht verfilztes Gewebe von Mycelfäden mit Sporangien 
und zuweilen mit freien Sporen. Bleimittel, starke Lösungen von 
Tannin in Glycerin, Carbolsäure, Argentum nitricum blieben fast 
ohne Einfluss auf die Vegetation, nur mittelst concentrirtester 
Tanninlösung gelang vorübergehende Beseitigung, bis eine einmalige 
Bepinselung der affıcirten Stellen mit 90gradigem Alcohol sofort, ohne 
Recidive und ohne Reizung die Pilze zum Schwinden brachte. — 
Die gleiche eklatante Wirkung erzielte ich in einem zweiten Falle 
von lang bestehender chronischer Otitis media mit umfangreicher 
Zerstörung des Trommelfells und mässiger Secretion. Auch in 
diesem Falle war das Auftreten der Pilze von Hörverschlechterung 
und Benommenheit des Kopfes begleitet und genügte eine ein- 
malige Bepinselung mit Alcohol. Eingiessen des Alcohols in den 
Gehörgang ist unnöthig und jedenfalls reizend, Bepinseln bei 
gehöriger Beleuchtung genügend und schmerzlos. 


gi 


Die originäre Entstehung des Milzbrandes beim 
Vieh. 


Von 
Dr. Ed. Lorent in Bremen. 


Am äussersten Ende der nördlichen Vorstadt befindet sich 
eine Weide, deren Gräser im vergangenen und in diesem Jahre 
bei dem mit denselben .gefütterten Vieh Milzbrand erzeugt haben. 
Im September 1868 crepirte eine Kuh, welche auf dieser Weide 
geweidet hatte. Die Section ergab Milzbrand, und nun erfuhr 
man, dass schon 4 Wochen vorher 2 Kühe crepirt waren, welche 
dort geweidet hatten. Auf Anrathen des Thierarztes O. wurde das 
übrige Vieh von der Weide genommen und blieb gesund. Als 
aber nach 4 Wochen von den Knechten die Kühe wiederum auf die 
fragliche Weide getrieben waren, crepirte nach 8 Tagen wiederum 
eine Kuh, deren Section ebenfalls Milzbrand ergab. Eine fünfte 
Kuh crepirte nach 14 Tagen an Milzbrand, wie die Section ergab. 
Zwei andere noch erkrankte Kühe genasen im Stalle, es starb 
aber noch ein Stier, welcher im Stalle mit dem Grase jener Weide 
gefüttert war. 

Im gegenwärtigen Jahre ist die Weide zum Abmähen an ver- 
schiedene Viehhalter verpachtet. Etwa seit dem 8. Mai fütterte 
der Landmann G. seine 4 Kühe mit dem Grase jener Weide, wel- 
ches theils mitten durch die Wiese, theils nahe den Gräben abge- 
mäht sein soll. Es erkrankte am 18. Mai eine Kuh und am 21. 
Mai eine zweite, die beide vor dem Tode geschlachtet sind. Am 
22. Mai crepirte eine dritte Kuh, deren Section Milzbrand ergeben 
hat. Die vierte erkrankte Kuh genas, nachdem sie in einem an- 
deren Stalle verpflegt worden war. Dagegen ist das Pferd des 
Landmanns gleich, nachdem es auf der Weide mit dem geschnit- 
tenen Grase gefüttert war, erkrankt und an Milzbrand gestorben. 


Die originäre Entstehung des Milzbrandes beim Vieh. 115 


Leider kam die Anzeige dieser Facta so spät, dass der Ge- 
sundheitsrath nur die Referate erfuhr und bei den Sectionen nicht 
zugegen sein konnte, indessen die Resultate derselben rechtfertigen 
die Annahme des Milzbrandes. Die Versuche mit Fütterung von 
Federvieh mit dem Fleische der crepirten Kuh hatten kein Resul- 
tat, vielleicht, weil dasselbe schon sehr in Fäulniss übergegangen 
war. 

Die fragliche Weide dicht neben dem Ackerhofe gelegen, ist 
von Süden und Südwesten von Bäumen beschattet und von übel- 
riechenden stagnirenden Muddergräben umgeben, in welche die 
Strassencanäle der Stadt ihren Abfluss haben. Die Weide liegt 
ziemlich tief, der Boden ist eine sehr fette schwarze Humuserde, 
welche ein sehr üppiges saftiges Gras "trägt, in welchem keine 
kranken Futterpflanzen wahrgenommen werden können, so wenig 
wie schädliche Kräuter, denen man die Ursache der verheerenden 
Krankheit hätte zuschreiben können. Die Gräben enthalten einen 
dicken schwarzen stagnirenden Cloaken-Morast. Bei den Pächtern 
der anliegenden Parcellen, die auch das Gras verfüttert haben, ist 
kein Milzbrand vorgekommen. Auch hati man von früheren 
Jahren Nichts gehört, doch sollen damals die Gräben mehr ge- 
reinigt worden sein. In der Stellung des Landmanns vermochte 
die nähere Untersuchung keinen Grund für die Entstehung der 
Krankheit aufzufinden, ebenso wenig in dem seither gebrauchten 
Tränkwasser. 

Die originäre Entstehung des Milzbrandes ist bekanntlich an 
örtliche Verhältnisse geknüpft. Die Eigenthümlichkeit dieser Lo- 
calitäten soll auf dem Sumpfcharakter der Gegend beruhen und 
hat man eine Malaria als Krankheit erzeugende Ursache ange- 
nommen. Nach genauer Prüfung der Thatsachen und Untersuchung 
der Localitäten bleibt für die Aetiologie der hiesigen Erkrankungen 
zwar nur die Annahme einer sogenannten Milzbrand-Localität übrig, 
allein die hier einwirkenden causalen Momente sind damit noch 
nicht näher ergründet. Die exacte Untersuchung weist bei In- 
fectionskrankheiten mehr und mehr einen causalen Zusammenhang 
mit parasitischen Bildungen nach. Und wenn die in dem Blute milz- 
kranker Thiere von Davaine und Anderen beobachteten Bildungen 
eine ähnliche Deutung zulassen, so haben wir in unseren Falle die 
Entstehung derselben aus dem Grünfutter der Weide herzuleiten, 
deren Milzbrand erzeugende Pilzbildungen der mikroskopischen 
Untersuchung noch nachzuweisen vorbehalten bleibt, 


116 Ed. Lorent, Die originäre Entstehung des Milzbrandes u. s. w. 


Die Sanitätspolizei hat in dem vorliegenden Falle geeignete 
Massregeln für die Desinfection und Erneuerung der Stalluug an- 
geordnet, die Verfütterung des frischen Grases inhibirt und das- 
selbe zur Heugewinnung bestimmt, sodann die öftere Ausräumung 
der zugeschlemmten Gräben veranlasst und die Umpflügung und 
anderweitige Verwendung der Weide angerathen, und endlich die 
Tränkung des etwa dort in der Gegend weidenden Viehs mit ge- 
sundem Wasser dringend anempfohlen. 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 


Von 
Ernst Hallier. 


I. Was sind Pilze? 


Natur und Lebensweise derselben. 


Jedermann hat eine mehr oder weniger zutreffende Vorstel- 
lung von den Pilzen, jener grossen Gruppe von Organismen, in 
welche man die äusserlich so verschieden gebauten, theils essbaren 
und eine ebenso wohlschmeckende als kräftige und gesunde Nah- 
rung darbietenden, theils giftigen oder wenigstens nicht essbaren 
Champignons oder Schwämme mit den die Pflanzen als Mehlthau, 
als Rost, als Brand u. s. w. befallenden und krankmachenden For- 
men und mit den unter den Namen Schimmel und Hefe bekann- 
ten Gebilden zusammenstellt. Sicherlich ist diese Zusammenstellung 
durchaus berechtigt, so wenig sich auch der Laie der Gründe für 
dieselbe klar bewusst sein mag. Zunächst ist so viel gewiss, dass 
diese Gebilde zu den Organismen gehören und nicht zu den Mine- 
ralien oder unbelebten Wesen, denn sie wachsen, d. h. sie vergrös- 
sern nicht nur ihren Umfang durch Aufnahme neuen Stoffes in das 
Innere der schon vorhandenen Formbestandtheile, durch sogenannte 
Intussusception, sondern sie bilden auch im Innern ihrer Elemen- 
tarorgane, der Zellen, neue Individuen, neue Zellen, welche entwe- 
der zur Vergrösserung ihres Körpers oder zur Hervorbringung 
neuer Individuen dienen können. 

Nun entsteht aber zunächst die weit schwierigere se 
Sind die Pilze Pflanzen oder Thiere ? 

Freilich ist der Laie ebenso rasch mit der Beantwortung die- 
ser Frage fertig als der Anfänger in der Mykologie. Für Denje- 
nigen, welcher die fest im Mutterboden wurzelnden Hutpilze ent- 
stehen und wachsen sieht, welcher die Keimung von Schimmel- 
sporen und das Anwachsen des Keimlings zu neuen Schimmelbil- 
dungen verfolgt, — für Diesen scheint es selbstverständlich, dass 
er es mit Pflanzen zu thun habe. Sobald er aber tiefer in das 


118 Ernst Hallier, 


Studium der Pilze eindringt, kommen ihm wohl begründete Zwei- 
fel. Bis vor Kurzem freilich wurden die Pilze von den Botanikern 
ohne Weiteres dem Pflanzenreiche zugesellt und von den Zoologen 
ebenso unbedenklich vom Thierreich ausgeschlossen, und selbst 
heutigen Tages glauben manche Mykologen, unzweifelhafte Pflan- 
zen zum Gegenstand ihrer Untersuchungen zu machen. Schwan- 
kend wurde man zuerst bezüglich der sogenannten Schleimpilze 
oder Myxomyceten. Diese merkwürdigen Wesen, welche von den 
älteren Systemen unter dem Namen ,,Myxogasteres“ in die Gruppe 
der Bauchpilze oder Gasteromyceten eingereiht werden, „erschei- 
nen in ihrem ersten Entstehen als ein mehr oder minder dicker 
oder flüssiger, schleimiger oder milchartiger Körper, aus welchem 
Zustand sie sich gewöhnlich mit auffallender Schnelligkeit weiter 
entwickeln“ *). Man findet diese Schleimmassen meistens auf ver- 
wesenden vegetabilischen oder mineralischen Substanzen, auf Hu- 
mus, Dünger, auf Grashalmen, auf dem Laube von Kräutern, Stau- 
den und Holzpflanzen, auf Wurzeln, auf Baumrinde u. s. w. So 
lange man so gut wie gar nichts über den Ursprung dieser Schleim- 
massen wusste, glaubte man sie nicht selten durch Generatio ori- 
ginaria**) s. spontanea entstanden. Obgleich nun seitdem die An- 
sichten über diese Gebilde sich bedeutend geläutert haben, so 
zeigt doch gerade die ausführlichste Arbeit über dieselben, näm- 
lich diejenige von Herrn Professor Dr. De Bary, wie schwan- 
kende Ansichten man noch gegenwärtig über die Stellung der 
Schleimpilze im System der Organismen besitzt. Während alle 
übrigen Forscher, welche den Schleimpilzen ihre Aufmerksamkeit 
zugewendet haben, dieselben ohne Weiteres zu den Pflanzen, die 
meisten nicht minder bestimmt zu den Pilzen rechnen, weist De 
Bary ihnen einen Platz im Thierreich an***). Aber freilich 
schwankt er selbst bezüglich ihrer animalischen Natur, da er zwei 
Jahre später ihnen statt des bis dahin gebrauchten Namens der 
„Mycetozoen“ wieder die alte Benennung ,,Myxomyceten“ bei- 
legt****). „Also doch Pflanzen!“ wie ein Kritiker lakonisch be- 
merkt. Orientiren wir uns kurz über den Grund dieses Schwankens. 


*) Th. Fr. L. Nees von Esenbeck und A. Henry, Das System 
der Pilze. Erste Abtheilung. Bonn, 1837. S. 51. 

**) So bei Nees von Esenbeck a. a. O. 

***) Dr. A. De Bary, Die Mycetozoen. Leipzig 1864. 2. Auflage. 

****) Derselbe, Morphologie und Physiologie der Pilze, Flechten und My- 
komyceten. Leipzig, 1866. 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 119 


Vor den Arbeiten von De Bary, Ciencowsky, Wigand 
u. A. hatte man, „der für die Gasteromyceten üblichen Termino- 
logie entsprechend,“ ‚die Sporenbehälter Peridien, die Fasern und 
Flocken Capillitium oder Haargeflecht genannt.“ De Bary na- 
mentlich zeigte die wesentliche Verschiedenheit der Sporenbehälter 
der Schleimpilze von den Peridien der Bauchpilze und bezeichnete 
jene als Sporangien oder Fruchtkörper. Diese Fruchtkörper sind 
„in allen Fällen anfangs geschlossene, später verschiedenartig auf- 
reissende Blasen, die von Sporen erfüllt sind‘ und ausserdem mei- 
stens jene dem Capillitium der Bauchpilze ähnlichen Fasern oder 
Flocken verschiedener Art enthalten“). Die Früchte, welche 
theils einfache Sporangien, theils zusammengesetzte Sporenbehälter 
(Fruchtkörper) sind, entwickeln sich aus einzelnen oder vielen ver- 
einigten Plasmodien. Die Plasmodien, wie Ciencowsky sie ge- 
nannt hat, sind kleinere oder grössere Massen, welche aus einer 
durchsichtigen Grundsubstanz bestehen, in welche kleine Körner 
eingebettet sind. Diese Massen befinden sich längere Zeit hindurch 
in einer doppelten Bewegung. Erstlich bewegt sich ein Theil der 
äusseren Schichten in Contractionen und Expansionen. Das Plas- 
modium verändert, zuerst an den Rändern, seine Form, treibt hie 
und da Fortsätze, zieht andere ein und ändert langsamer oder 
rascher seine ganze Gestalt. Dabei bleibt eine äusserste hyaline 
Schicht, die Randschicht, obschon chemisch von der ganzen Masse 
nicht verschieden, doch optisch stets unterscheidbar. De Bary 
unterscheidet von dieser noch eine dieselbe umgebende schwer 
sichtbar zu machende Hülle, welche nichts weiter zu sein scheint 
als die schleimige Aussonderung, womit nackte Plasmamassen stets 
umgeben sind. 

Die Plasmodien sind sehr verschieden gestaltete, meist ver- 
ästelte, netzförmig verbundene Adern, seltener unförmliche Massen 
oder glatte Schleimtropfen**). Da das Bilden und Einziehen von 
Aesten und Aestchen so stattfindet, dass nach bestimmten Rich- 
tungen die Expansionen (das Wachsen) das Uebergewicht zeigen 
über die Contractionen (die Abnahme), so muss der ganze Körper 
des Plasmodiums nach bestimmter Richtung hin allmählig seinen 
Ort verändern, er kriecht auf seiner Unterlage fort. Im Innern 
des Plasmodiums und aller seiner Aeste befindet sich ein Theil der 


*) De Bary, Mycetozoen 8. 2. 
=, De Bary, 378:.0. 8. 35. 


120 Ernst Hallier, 


mit Körnchen erfüllten Grundmasse in strömender Bewegung, bald 
vorwärts, bald rückwärts, stets in der Längsrichtung des Astes. 
Diese Ströme verlaufen in einer peripherischen Schicht, welche 
keinen Antheil an dieser Bewegung nimmt, wie in einem Kanal- 
system; indessen ist ein solches in der That nicht vorhanden, viel- 
mehr wird häufig ein grösserer oder kleinerer Theil der periphe- 
rischen Schicht mit in die Strömung hineingerissen. Diese Strö- 
mungen der Plasma’s sind offenbar nichts Anderes als eine noth- 
wendige Folge der Contractilität und der von dieser abhängigen 
Gestaltänderungen der peripherischen Schicht. Wenn diese durch 
Expansionen wächst, so findet natürlich ein Einströmen der cen- 
tralen Massen in die neugebildeten Theile statt, wenn sie aber 
durch Contraction abnimmt, tritt die Rückströmung ein. Was nun 
die Contractilitit des Plasma’s selbst anbelangt, so ist dieselbe 
eine Thatsache, die wir vorläufig einfach hinzunehmen haben, wie 
sie ist. Zur Aufdeckung ihrer Ursache würde jedenfalls eine ge- 
nauere Kenntniss von der Molecular-Constitution der tropfbar- 
flüssigen und zähflüssigen Körper vorangehen müssen, eine rein 
physikalische Aufgabe, deren Lösung die allerwichtigsten Probleme 
der Physiologie lösbar machen würde. Aus den Plasmodien ent- 
wickeln sich die Sporangien, indem jene zunächst die Form der fer- 
tigen Sporangien annehmen”). Diese bekleiden sich nun mit einer 
Membran, innerhalb welcher sich das Plasma zu dem gleichförmig 
feinkörnigen Sporenplasma umbildet. In diesem sieht man zahl- 
reiche Kerne auftreten, deren jeder einen kleinen Nucleolus besitzt. 
Um jeden Kern sammelt sich eine bestimmte Menge Protoplasma 
welche sich nach aussen mittelst einer ausgeschiedenen Membran 
zur Spore abgrenzt. Das ganze Sporenplasma wird auf diese Weise 
zur Sporenbildung verwendet bis auf einen verhältnissmässig klei- 
nen Theil, welcher, gewissermassen übrig bleibend, das oben er- 
wähnte Capillitium ausbildet. Die Sporen treiben, soweit es bis 
jetzt bekannt ist, niemals Keimschläuche, sondern entlassen eine 
(seltener mehre) Schwärmzelle, welche anfänglich, ähnlich den 
Zoosporen, mit einer Cilie versehen ist, später jedoch die Be- 
schaffenheit einer Amöbe annimmt. Cienkowsky hat gezeigt, 
dass diese Amöben, nachdem sie sich mehrmals durch Einschnü- 
rung getheilt haben, sich in grösserer Anzahl zusammenfliessend 
vereinigen und dadurch Plasmodien bilden. Die Schwärmer be- 


*) De Bary, a. a. O. 5. 55. 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 121 


sitzen eine oder einige Vacuolen an demjenigen Ende, welches der 
Cilie entgegengesetzt ist; von diesen befindet sich eine in pulsi- 
render Bewegung. Schon die aus mehren Amöben zusammen- 
geflossenen kleinen Plasmodien (Myxamöben) nehmen feste Kör- 
per in sich auf, welche ihnen in den Weg kommen. De Bary 
vermuthet, dass diese festen Körper den Plasmodien als Nahrung 
dienen, ohne freilich den geringsten stichhaltigen Grund für diese 
Ansicht angeben zu können; im Gegentheil werden z. B. Stärke- 
körner nicht merklich verändert. Die Aufnahme fremder Stoffe 
aber und die Ausbildung von Vacuolen um solche Ingesta dient 
De Bary als Hauptbeleg für die thierische Natur der Myxo- 
myceten. 

Nach den Untersuchungen von Cienkowsky, De Bary 
und Wigand würde sich also ein einfacher Kreislauf im Genera- 
tionswechsel der Myxomyceten herausstellen: Die Sporen entlassen 
Schwärmer; diese bilden sich zu Amöben aus, welche, zahlreich 
vereinigt, die Plasmodien aufbauen, aus denen dann die Sporen- 
früchte sich hervorbilden. Dass dieser Kreislauf nicht nothwendig 
der einzig mögliche sein müsse, sollte billigerweise als selbstver- 
ständlich angesehen werden, so wenig De Bary das auch zugeben 
wird, da er*) Berkeley’s Angabe der Keimung einer Trichia 
mittelst eines Keimfadens völlig wegwerfend behandelt. Dass aber 
ein so gewiegter Beobachter wie Berkeley sich hier getäuscht 
haben sollte, bedarf erst noch stärkerer Belege. Wenn die Sporen 
von Trichia im Wassertropfen Schwärmer hervorbringen, so ist 
damit noch nicht ausgemacht, dass sie unter allen Umständen keine 
andere Keimungsform besitzen. Die Vorstellung, als ob jeder Or- 
ganismus nur an einen einzigen engen Kreislauf gebunden sein 
könne und müsse, ist zu einem der Botanik höchst nachtheiligen 
Dogma geworden. Um wieder auf die Myxomyceten zurückzukom- 
men, so können die Schwärmer sowohl als die Myxamöben und 
Plasmodien durch Mangel an Feuchtigkeit in einen Ruhezustand 
versetzt werden, wovon es drei verschiedene Formen giebt. Die 
Schwärmer werden nach Cienkowsky durch Ausscheidung einer 
festeren, oft membranartigen äusseren Schicht zu Microcysten. 
Beim Wiederfeuchtwerden nehmen diese wieder Schwärmerzustand 
an, entweder ohne Weiteres oder nach Zurücklassung der Mem- 
bran. Die Microcyste behält ihren Kern, während die Vacuolen 


“\ra. a. 0. S. 79. 


122 Ernst Hallier, 


verschwinden, um erst beim Wiederaufleben des Schwärmers aufs 
Neue hervorzutreten. In ähnlicher Weise umgeben sich auch 
Myxamöben oder kleine Plasmodien mit einer Cyste, wodurch die 
sogenannten derbwandigen Cysten gebildet werden. Sie enthalten 
oft weit grössere Plasmakörper, nicht selten mehrere derselben oder 
die Cysten in Colonieen vereinigt. Endlich bilden sich aus aus- 
gewachsenen Plasmodien förmliche Sclerotien, Gebilde, welche in 
der That den Sclerotien anderer Pilze ganz analog zu sein schei- 
nen. Ihre Bildung geht dadurch von Statten, dass das Plasma in 
eine Anzahl von rundlichen oder sich an einander abplattenden 
Zellen zerfällt. Diese sind mit Membranen versehen, welche durch 
Jod und Schwefelsäure gebläut werden. Beim Wiederaufleben bil- 
den sich die Sclerotien wieder zu Plasmodien um. 

De Bary folgert nun aus seinen wie aus seiner Mitarbeiter 
Forschungen über die Schleimpilze erstlich, dass die Plasmodien 
Zellen seien. Ob man eine Plasmamasse schon vor der Ausschei- 
dung einer Membran Zelle nennen soll, ist eine rein willkührlich 
zu entscheidende Frage; da aber der Name Plasmodium einmal 
eingeführt ist, so dürfte dieser als zur guten Unterscheidung ge- 
eignet auch beizubehalten sein. Ueber andere nackte, aber be- 
stimmt geformte Plasmakörper werde ich unten meine Ansicht 
mittheilen. Man thut aber gut, auf jeden Fall das Plasmodium 
als den unvollkommeneren oder früheren, einfacheren Zustand von 
der mit Wand versehenen Zelle zu unterscheiden. Noch weniger 
glücklich ist De Bary in der Aufstellung derjenigen Gründe, aus 
welchen eine so gänzliche Verschiedenheit der Myxomyceten von 
den Pilzen zu folgern wäre, dass beide Gruppen in verschiedene 
Familien, Klassen oder gar Reiche gestellt werden müssten. Die 
Pilze sollen nach De Bary alle vegetative Zelltheilung in den 
mehrzelligen Fäden in der gleichen Richtung vornehmen, der Faden 
soll stets Zellreihe bleiben, seine Elemente sollen niemals nach zwei 
oder drei Raumdimensionen geordnet sein”). Diese Ansicht wider- 
spricht De Bary’s eigenen Ansichten über die Ustilagineen, wo 
nach ihm bei einigen Gattungen (Ustilago u. a.) der ganze Faden 
in Glieder zerfällt. Genau so ist es bei den Oidien. Wenn nun 
bei den Ustilagineen die Glieder sich zu Sporen ausbilden, so ist 
das bei den Oidien, wie z. B. bei den auf gährenden Flüssigkeiten 
vorkommenden, durchaus nicht der Fall, weil hier die neugebilde- 


*) a. a O. S. 109. 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 123 


ten Glieder sofort keimfähig sind. In beiden Fällen aber, bei den 
Ustilagineen-Formen und bei den Oidien, welche zum Theil nichts 
Anderes sind als unreife Zustände (Schimmelformen) von jenen, 
zerfällt sehr oft das Plasma nach zwei, ja nach drei Dimensionen 
und bildet compakte Zellenmassen nach den 2—3 Richtungen. Der 
ganze angebliche Unterschied zwischen dem Wachsthum der Pilze 
und der übrigen Kryptogamen ist also ein rein schematischer, der 
aber leider zum starren Dogma erhoben worden ist. Wir werden 
weiter unten zahlreiche Beispiele kennen lernen für eine rein vege- 
tative Zellenvermehrung der Pilze nach zwei bis drei Dimensio- 
nen. Wenn also auch der Einwand, dass die Myxomyceten einem 
anderen Zellenbildungsgesetz folgten als die Pilze, sich durchaus 
nicht streng festhalten lässt, so bleibt doch, soweit wir die Myxo- 
myceten bis jetzt kennen, ein auffallender Unterschied in der gan- 
zen Morphologie dieser merkwürdigen Organismen stehen. Sicher 
aber darf man annehmen, dass unsere Kenntniss von den Schleim- 
pilzen noch eine überaus ungenaue und unvollständige ist. Man 
thut daher wohl, diese Gruppe vorläufig den übrigen Pilzgruppen 
beizuordnen, zumal, da auch diese noch scheinbar so gewaltige 
morphologische Verschiedenheiten zeigen, dass man ihre Unter- 
abtheilungen wie z. B. die Hymenomyceten und Ascomyceten, wohl 
füglich in ganz verschiedene Familien oder Klassen bringen könnte. 
So lange aber die Mykologie noch in den Windeln liegt, wäre 
eins so thöricht als das andere. Wir werden nun aber obendrein 
weiter unten sehen, dass die übrigen Pilze in mancher Beziehung 
den Myxomyceten keineswegs so ungleich sind, wie man uns glau- 
ben machen will, dass manche morphologische Eigenthümlichkeiten 
sämmtlichen bekannten Pilzen zukommen, welche man bisher auf 
die Myxomyceten beschränkt glaubte. Wenn wir also bis zu ge- 
nauerer Kenntniss sowohl der Myxomyceten als der Pilze überhaupt 
uns nicht berechtigt glauben, diese beiden Gruppen von einander 
zu trennen, so entsteht weiter die zweite Frage: Sind die Pilze 
überhaupt unzweifelhafte Pflanzen ? 

So gerecht die Einwürfe von Wigand *) und Cien- 
kowski**) gegen die Ansicht De Bary’s von der thierischen 


*) A. Wigand, Zur Morphologie und Systematik der Gattungen Trichia 
und Arcyria. Pringsheim’s Jahrbücher für wissenschaftliche Botanik. 
Berlin 1863 Bd. III. S. 1—58. 

**) L. Cienkowski, Zur Entwickelungsgeschichte der Myxomyceten. 


124 Ernst Hallier, 


Natur der Myxomyceten und von der Trennung dieser Gruppe 
von den Pilzen auch sind, weil De Bary diese Ansicht auf un- 
. vollständige Analogieen, unvollständige Beobachtungen und eme 
falsche Ansicht von der Zellenvermehrung der Pilze gründet, so 
ist doch die Frage, ob die Pilze unzweifelhafte Pflanzen sind, nicht 
leicht zu beantworten. Vergleichen wir die Pilze nach zwei Rich- 
tungen hin mit den niedrigsten Pflanzenfamilien, nämlich erstens 
bezüglich ihrer physiologischen Eigenschaften, insbesondere ihrer 
Ernährung und zweitens in morphologischer Beziehung. 


1) Physiologische Eigenschaften der Pilze, Ernäh- 
rung und Athmung. 


Die Pilzzelle besitzt ein sehr stickstoffreiches Plasma, welches 
durch Jod dunkler oder heller braun gefärbt wird. Die Membran 
derselben ist häufig nicht durch Jod und Schwefelsäure blau zu 
färben; weit häufiger gelingt indessen die Färbung, als man in der 
Regel glaubt, nur erfordert die Reaktion grosse Vorsicht und Sorg- 
fallt. Wenn z. B. De Bary behauptet”), Rhizopus nigricans 
Ehrenb. werde durch Jod und Schwefelsäure nicht blau gefärbt, 
so beruht das auf mangelhafter Beobachtung. Legt man die jun- 
gen Hyphen von Rhizopus einige Minuten lang in Wasser und 
setzt nun vorsichtig das Reagens zu, so gelingt die Reaktion aus- 
gezeichnet, weniger sicher, wenn rasch Chlorzinkjod oder Jod und 
Schwefelsäure hinzu treten. Bei raschem Zutritt desselben in kon- 
zentrirter Form macht es die Membraun stark quellen, was stets 
ein Hinderniss für die Blaufärbung ist, bei diesem wie bei vielen — 
anderen Pilzen. Da De Bary selbst sagt, er habe früher Rhizo- 
pus mit Mucor mucedo verwechselt, so hat seine ganze Angabe 
keinen Werth, denn diese beiden Pilze kann Keiner mit einander 
verwechseln, der sie einmal gesehen hat. Nach meinen Untersu- 
chungen färben sich die meisten Mucores durch Chlorzinkjod blau 
oder violett bei vorsichtiger Anwendung. Sehr schön z. B. färbt 
sich der Mucor scarlatinosus m., dessen Micrococcus im Blut der 
Scharlach-Kranken vorkommt. Jod und Schwefelsäure macht da- 
gegen seine Membran nur quellen und löst dieselbe. Einzelne 
Pilze werden sogar durch Jod allein blau gefärbt, so dass die 


Ebendaselbst Bd. III S. 325—337 ; ferner von demselben Verfasser: Das Plas- 
modium. Ebendaselbst Bd. III 5. 400—441. 

*) A. De Bary, Morphologie und Physiologie der Pilze, Flechten und 
Myxomyceten. Leipzig 1866. 5S. 7. 


Die Parasiten der Infektionskrankheiten. 125 


‘Wand aus einem stärkeähnlichen Stoff zu bestehen scheint. Dafür 
hat schon Schacht ein Beispiel angeführt. Die Sporenwand wird 
seltener gefärbt als der Sporenträger oder die das Sporangium 
tragende Hyphe. Ein sehr interessantes Beispiel für die Färbung 
des Sporeninhalts wie des Inhalts der Keimfäden führt H. Hoff- 
mann*) an, nämlich bei Lecythea rosae Lévy. Bisweilen gelingt 
die Blaufärbung, nachdem man die Pilzzellen mehre Stunden lang 
in Kali oder Salpetersäure eingeweicht hat. Bei dem Fliegenpilz: 
Empusa oder Entomophthora gelang es nach 24stündigem Ein- 
weichen in Kali causticum, einzelne Zellen durch Chlorzinkjod 
schwach blau zu färben. Im Allgemeinen ist die Färbung bei 
allen Pilzen schwach, bei welchen die Membran durch das Reagens 
starke Quellung erleidet. Gewöhnlich bleibt sie in solchen Fällen 
farblos, seltener färbt sie sich bräunlich. Die nicht stark quellen- 
den Membranen werden, wenn nicht blau, in der Regel braungelb 
oder bräunlich gefärbt, was ohne Zweifel auf die Aufnahme stick- 
stoffhaltiger Materien zu deuten ist. Im Alter nimmt der Stick- 
stoffgehalt zu, daher gelingt die Cellulosereaction auch bei solchen 
Zellen nicht mehr, wo sie in der Jugend leicht möglich war. Es 
findet ferner ein Verholzungsprozess statt bei andauernden Pilz- 
zellen, unter dessen Einffuss die Wände meist braun, seltener blau, 
roth oder gelb gefärbt werden. Beachtenswerth ist es, dass die- 
jenigen Pilzzellen, welche deutlich Cellulosereaction zeigen, meistens, 
wie z. B. die von Achlya, Peronospora, Mucor-Arten u. a. nicht 
verholzen, sondern sehr vergänglich sind. Im Ganzen weis man 
über die Zusammensetzung der Zellenwand bei den Pilzen so gut 
wie nichts und die Annahme einer besonderen Pilz-Cellulose ist 
jedenfalls verfrüht. Interessante Beobachtungen hat Harz**) ge- 
macht über einen Verharzungsprozess der Zellenwände bei Poly- 
porus officinalis Fries. Das Plasma der Pilzzelle ist anfangs 
dicht, meist stark lichtbrechend, und nimmt wie bei den Pflanzen- 
zellen unter Vacuolenbildung Wasser und wässerige Lösungen auf. 
Es besteht gewöhnlich aus zwei Substanzen, nämlich einer klaren, 
selatinös-schleimigen Grundsubstanz und darin eingebetteten klei- 
nen Kernen (Cocci), welche, wie wir später sehen werden, oft eine 
morphologische Bedeutung haben. Ausserdem sind Oeltropfen oder 
grössere Mengen Oels ein ganz gewöhnliches Vorkommniss im 


*) Pringheim’s Jahrbücher für wissensch. Botanik. II S. 275. 
**) 0. O. Harz, Beitrag zur Kenntniss des Polyporus officinalis Fries, 
Moskau 1868. 


126 Ernst Hallier, 


Plasma oder im Zellsaft der Pilze. Wahrscheinlich besitzt jeder 
Pilz fette Oele und manche Pilze sind im Stande, aus einem an 
Kohlenhydraten reichen Substrat fettes Oel abzuscheiden. Auf welche 
Weise der Pilz das fette Oel ausserhalb oder innerhalb seiner Zel- 
len produzirt, ist völlig unklar. Die fetten Oele scheinen den Pil- 
zen als Reservenahrung zu dienen und es ist jedenfalls beachtens- 
werth, dass sich hierin die Pilze wie Thiere verhalten. Sie bilden 
keine Stärke und kein Chlorophyll, sie können also durchaus 
nicht assimiliren unter dem Einfluss des Lichtes, sie lagern gar 
keine Reservenahrung im Innern der Zellen in bestimmt geform- 
ten Körnern ab. Hierin unterscheiden sie sich von den meisten 
Pflanzen ganz wesentlich. So bedeutend aber auch dieser Unter- 
schied ist, muss man sich doch hüten, danach allein vorschnell die 
Pilze von den Pflanzen trennen zu wollen, denn die phanerogami- 
schen Schmarotzer, welche, wie z. B. die Monotropeen, Verwandt- 
schaft zu hoch entwickelten Familien zeigen, oder gar, wie manche 
Orchideen, nur schmarotzende Gattungen einer sonst chlorophyll- 
führenden Familie sind, verhalten sich dessenungeachtet in den 
meisten Beziehungen in ihrer Lebensweise und Assimilation den 
Pilzen sehr ähnlich. Nur die Bildung fetter Oele spielt bei den 
phanerogamischen Schmarotzern theils gar keine, theils eine sehr 
unwesentliche Rolle und hat wenigstens für die Pilze eine weit 
srössere Bedeutung als für diese. Wenn man alle diejenigen 
Pflanzen als Parasiten auffasst, welchen die Assimilation unter dem 
Einfluss des Lichtes oder, mit anderen Worten, welchen die Chlo- 
rophyllbildung fehlt, und wenn man den Ausdruck Parasiten nur 
auf solche Pflanzen streng anwendet, dann sind sämmtliche Pilze 
ächte Parasiten. Und gewiss kommt es hier hauptsächlich auf die 
Lebensweise an. Die Pilze leben nur von organischen Verbindun- 
gen, das ist das Wesentliche bei der Sache. Ob diese Verbindun- 
gen ihnen in belebter oder lebloser Form dargeboten werden, ist 
weit weniger wichtig für die Definition. Man hat wohl die Pilze 
in Saprophyten und Parasiten eintheilen wollen, aber diese Ein- 
theilung ist mindestens überflüssig und, wenn sie von systematischer 
Bedeutung sein soll, sogar falsch; denn bis jetzt ist noch Keine 
Pilzspecies aufgefunden, welche nicht sowohl parasitische als sapro- 
phytische Formen gleichzeitig aufzuweisen hätte, d. h. auf belebten 
und leblosen Körpern leben könnte. Aber selbst die nämliche 
Form, welche im Innern lebender Gewebe zuerst gefunden wurde, 
kann man oft im Innern eines leblosen passend gewählten Sub- 


Die Parasiten der Infektionskrankheiten. 27 


strates zur Entwickelung bringen. So gelingt es leicht, im Innern 
stärkereicher, ausgekochter Gemische den Staubbrand: Ustilago 
carbo Tul. zur Fruktifikation zu bringen, während derselbe nor- 
maliter im Innern von Getraidekörnern sich entwickelt, indem sein 
Mycelium in das Keimpflänzchen eindringt und den ganzen Halm 
durchzieht, um endlich im Fruchtknoten zu fruktifiziren. Dasselbe 
Experiment gelingt bei mehren anderen Brandpilzen. 

Soweit es bis jetzt bekannt ist, bildet jede Pilzspecies Hefe 
aus; die Hefe kann aber nicht nur in abgestorbenen Pflanzen- und 
Thierleichen, sondern sogar in Flüssigkeiten vegetiren, welche man 
aus organischen Verbindungen künstlich zusammengesetzt hat. Die 
Kernhefe (Micrococcus) kommt im Blut des Menschen und der 
Säugethiere vor; die Kernhefe des nämlichen Pilzes setzt aber ihr 
Leben auch im Leichnam fort und endlich kann man sie m eine 
Mischung von gekochtem Brunnenwasser mit etwas Zucker und 
einer gehörigen Menge eines Ammoniaksalzes in ungeheuren Mas- 
sen künstlich erziehen. Diese kleinen Zellen wären also Parasiten 
und zugleich Saprophyten in doppeltem Sinne. Wir werden aber 
weiter unten sehen, dass auch aus morphologischen Gründen diese 
Unterscheidung gänzlich sinnlos ist. 

Ueber die Ernährung der Pilze weiss man eigentlich ausser 
dem erwähnten kahlen Faktum, dass dieselben ohne vorgebildete 
organische Verbindungen nicht leben können, nur äusserst wenig. 
Ueber die Art der Wanderung der Stoffe innerhalb der Pilzzellen 
ist ebenso wenig bekannt wie über die Art der Aufnahme. Die 
lehrreichsten Vorgänge bezüglich der Ernährung der Pilze sind 
die Gährungsprozesse. Bei der Alkoholgährung wird der Zucker 
(Traubenzucker) in Alkohol und Kohlensäure zerlegt. Die Kohlen- 
säureblasen sieht man deutlich von den Hefezellen (Uryptococcus) 
aufsteigen“). Die beiden Produkte der Gährung werden vom Pilz 
nicht aufgenommen; der Alkohol ist für diesen sogar bei bestimm- 
ter Konzentration ein tödtliches Gift. Der Pilz kann hier also 
gewissermassen nur den Anstoss geben zur Zersetzung seines Mut- 
terbodens, denn die Hefe ist nur in verhältnissmässig geringer 
Menge vorhanden und namentlich ist die vom Pilz verbrauchte 


*) Vgl. E. Hallier, Gährungserscheinungen. Untersuchungen über Gäh- 
rung, Fäulniss und Verwesung, mit Berücksichtigung der Miasmen und Conta- 
gien sowie der Desinfection, für Aerzte, Naturforscher, Landwirthe und Tech- 
niker. Leipzig 1867. S. 17 ff. 


I, 2. 9 


128 Ernst Hallier, 


Materie unbedeutend im Verhältniss zu dem produzirten Alkohol. 
Die Chemiker nannten das Kontaktwirkung, womit freilich nur ge- 
sagt ist, dass die Wirkung von der Pilzzelle ausgeht, dass sie aber 
eigentlich unerklärlich ist. Fast noch merkwürdiger ist die Bil- 
dung der Milchsäure durch die Gliederhefe (Arthrococcus), denn 
diese ist eine blosse Umsetzung des Milchzuckers (C'*? H!? O') in 
Milchsäure (C° H® 0°). Anders ist es schon bei der Essigsäure- 
giihrung, denn bei dieser wird durch Gliederhefe (Arthrococcus) 
dem Alkohol Wasserstofi entzogen und Sauerstoff aus der Luft zu- 
geführt. Hier wird also wirklich ein Theil ‘des Substrats von der 
Pilzvegetation verbraucht und ausserdem findet unter dem Ein- 
fluss des Pilzes eine Zufuhr von Sauerstoff aus der atmosphäri- 
schen Luft statt”). Noch weniger als von den genannten Gährungs- 
vorgängen weiss man bezüglich der Rolle, welche der Pilz über- 
nimmt, bei den Fäulnissprozessen oder ammoniakalischen Gährun- 
gen, welche durch Kernhefe (Micrococcus) eingeleitet werden. 
Pasteur hat gezeigt, dass bei den meisten Gährungsprozessen die 
Pilze Sauerstoff aufnehmen und Kohlensäure frei machen. Sie 
nehmen den Sauerstoff entweder aus der Luft; so bei den Ver- 
wesungsprozessen und bei langsamen Gährungen; oder sie entzie- 
hen ihn dem Substrat, so bei Fäulnissprozessen und raschen Gäh- 
rungen. Wenn De Bary**) diese Ansicht Pasteur’s als eme 
„geistreiche Hypothese“ ansieht, so hat er Pasteur nicht ver- 
standen, welcher obige Fakta durch genaue Analysen nachgewiesen 
hat”). Die Aufnahme von Sauerstoff und Abscheidung von 
Kohlensäure ist aber gar nichts den Hefepilzen Eigenthümliches, 
sondern folgt aus der parasitischen Natur dieser Gruppe. Diese 
Eigenschaft haben bekanntlich die Pilze nicht nur mit allen Thie- 
ren, sondern auch mit sämmtlichen chlorophylifreien Pflanzen und 
Pflanzentheilen gemein. Von Athmung kann nach dem Vorstehen- 
den bei den Pilzen streng genommen ebenso wenig die Rede sein 


*) Dass das Plasma der Pilze, mag dasselbe nackt oder von einer Zell- 
wand umschlossen sein, Sauerstoff aus der Luft aufnimmt und an das Substrat 
abgiebt. Was de Bary (Morphol. u. Physiol. S. 13) von einem Stoff erzählt, 
der in bestimmten Pilzen vorkommen soll, in deren Zellsaft gelöst sei und 
Sauerstoff absorbire, ist rein aus der Luft gegriffen. Bei der üblichen Filtrir- 
methode gehen stets kleine Cocei (Plasmakerne) durch das Filtrum; sie absor- 
biren den Sauerstoff und jener besondere im Zellsaft angeblich gelöste Stoff 
existirt nur in der Einbildungskraft de Bary’s. 

**) Morphol. u. Physiol. d. Pilze S. 233. 

**) Vol. meine „Gährungserscheinungen“ 8. 19 ff. 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 129 


wie von Assimilation, denn die Abscheidung der Kohlensäure lässt 
sich kaum unter diesen Begriff bringen. Sehr interessant sind die 
Versuche von Jodin, aus welchen hervorgeht, dass die Pilze aus 
der Luft Stickstoff aufnehmen können, wenn derselbe dem Sub- 
strat fehlt. Diese Versuche konnte ich, nach einer etwas anderen 
Methode ausgeführt, bestätigen; indessen fehlt es noch an einer 
srösseren Zahl genauer quantitativer Bestimmungen, um Jodin’s 
und meine Versuche über allen Zweifel zu erheben. Es muss erst- 
lich nachgewiesen werden, um wieviel die im Substrat enthaltenen 
Pilze mit ihrer Vermehrung ihren Stickstoffgehalt vergrössert ha- 
ben, zweitens, um wieviel ein bestimmtes Luftquantum an Stickstoff 
eingebüsst hat. Endlich wäre noch zu untersuchen, ob das Sub- 
strat bei der Stickstoffabsorption irgendwie betheiligt ist. 

Eine sehr leicht zu konstatirende Thatsache ist die Ausschei- 
dung von Wasser. Diese ist eine doppelte. Erstlich scheiden die 
meisten Schimmelformen, Sclerotien, aber auch viele der höheren 
Pilzformen, an der Spitze der Hyphen oder an der Aussenfläche 
des Pilzkörpers Wasser aus. Ausserdem aber scheiden auch die 
Schimmel- und Hefepilze aus einem lufttroeknen Substrat, wie 
z. B. Stärke, Wasser ab, welches wohl zum Theil aus der Atmo- 
sphäre stammt, zum Theil aber sicherlich aus dem Substrat abge- 
schieden wird als Zersetzungsprodukt. Auch hier würde ein ge- 
nauer quantitativer Nachweis eine dankenswerthe Arbeit sein. 
Bei’m Verdunsten des Wassers bleiben oft Exkrete, besonders 
Krystalle oxalsauren Kalks zurück, welche sich bei vielen Pilzen 
auf der Aussenfläche, seltener im Innern der Zellen, ausscheiden. 
Uebrigens sind die Krystallbildungen der Pilze noch viel zu wenig 
bekannt, und sie, wie de Bary es thut, in Bausch und Bogen 
für oxalsauren Kalk zu erklären. 

Die Geschwindigkeit des Wachsthums, im Allgemeinen eine 
Funktion der spezifischen Natur des Pilzes einerseits, sowie der 
Feuchtigkeit, der Temperatur, der Nahrung andererseits, ist, wie 
schon hieraus folgt, sehr verschieden bei verschiedenen Pilzarten. 
Im Allgemeinen wachsen die vergänglichen Pilze rascher, die ver- 
holzenden langsamer. So entwickelt sich der Riesenbovist in weni- 
gen Stunden zu voller Grösse, während mehre Arten der Löcher- 
pilze (Polyporus) dazu Monate gebrauchen. Es ist leicht, durch 
eine grössere Zahl von Messungen bei konstanter Temperatur in 
möglichst kleinen Intervallen die Wachsthumsgeschwindigkeit des 
einzelnen Pilzfadens zu ermitteln. Selbstverständlich müssen solche 

9% 


130 Ernst Hallier, 


Messungen an Pilzen ausgeführt werden, welche sich in freier Luft 
befinden, nicht etwa in einer feuchten Kammer, denn die Hem- 
mung des freien Luftzutritts hat stets eine Verlangsamung des 
Pilzwachsthums zur Folge, wenigstens bei Schimmelformen. Die 
fleissigen Beobachtungen von E. Löw *) sind daher fast ganz 
werthlos, weil er eine feuchte Kammer dazu benutzte. Die von 
ihm gefundenen Werthe sind daher viel zu gering ausgefallen. 

Der Mucor, welcher in der Form seiner Kernhefe (Micrococ- 
cus) im Blut der Scharlachkranken vorkommt und den wir vor- 
läufig Mucor scarlatinosus nennen wollen, wächst an den frucht- 
tragenden Hyphen nach meinen Messungen bei einer Temperatur 
von 12° R. täglich um 22/;, mm. Mit ähnlicher Geschwindigkeit 
wachsen die Hyphen der meisten Mucores. Auch die Pinselschim- 
mel, Arten von Penicillium, Aspergillus, Verticillium u. a. wachsen 
weit geschwinder bei guter Luftzufuhr, als Löw es für Penicil- 
lium crustaceum Fr. angegeben hat. 

Wärme und eine mit Feuchtigkeit nahezu oder ganz gesättigte 
Luft sind für Pilze nächst der passenden Nahrung die wichtigsten 
Bedingungen. Die Wärme begünstigt die reifen und höher ent- 
wickelten Fruchtformen so gut wie die Hefebildungen, die letzten 
aber in noch höherem Grade, so dass für Pilzkulturen, bei denen 
es nicht gerade auf Hefebildungen abgesehen ist, oft eine etwas 
niedrige Temperatur angemessen erscheint, weil sonst die Hefe- 
bildungen zu sehr überhand nehmen und störend dazwischen treten. 
Ueber den Wärmegrad, welchen die Pilze zur Keimung, Vegeta- 
tion und Fruchtung nothwendig gebrauchen, über Wärmeminimum 
und Wärmeguantum, ist bis jetzt noch wenig Genaues ermittelt. 
Bei einer Temperatur von 0° R. sah ich verschiedene Schimmel- 
pilze gänzlich im Wachsthum stehen bleiben. Der Micrococcus 
des Cholerapilzes vermehrte sich schon bei 9° R. nicht mehr, so 
dass Fleisch, welches ihm bei dieser Temperatur ausgesetzt wurde, 
frisch blieb. Zur Keimung bedürfen die Ustilagineen und, wie es 
scheint, alle derbwandigen Sporen einer höheren Temperatur als 
die Schimmelsporen. Bei niedriger Temperatur geht bei jenen die 
Keimung ungleich langsamer von Statten, während bei den Schim- 
melpilzen der Unterschied weit unbeträchtlicher ist. Nach anhal- 
tendem Kochen im Wasser werden nach Pasteur’s wie nach meinen 


*) E. Löw, Zur Physiologie niederer Pilze. Aus den Verhandl. d. k. k. 
zool. botan. Gesellsch. in Wien. 1867. 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 131 


Versuchen nicht nur alle Sporen, sondern überhaupt alle Pilzzel- 
len keimungsunfähig. Jedoch muss bei allen Hefeformen (Micro- 
coccus, Bacterien, Vibrionen u. s. w.) das Kochen stundenlang fort- 
gesetzt werden, weil diese Organismen oft in wenigen Minuten 
noch nicht getédtet werden. In feuchter Umgebung oder im Was- 
ser sind 100° bis 105° C. die Grenzpunkte für die Pilzvegetation 
nach oben, ebenso der Gefrierpunkt nach unten. Dass einge- 
frorene Sporen nach dem Aufthauen oft noch keimfähig sind, ist 
indessen gewiss und die untere Grenze ist bis jetzt noch weniger 
genau ermittelt als die obere. Pasteur hat gezeigt, dass in 
trockener Luft die obere Temperaturgrenze weit höher liegt. Peni- 
cillium-Sporen bleiben nach ibm bei 108° C. unverändert, bei 119° 
— 121° C. büssen viele ihre Keimfähigkeit ein, bei 127°— 132° 
alle. Dass ’die Ustilagineen und ähnliche Pilze durch unsere Tem- 
peraturminimen von — 20° bis — 30° C. im Winter nicht getödtet 
werden, ist bekannt. Exakte Versuche darüber liegen nicht vor. 
Manche werthvolle Angabe über die Keimungsbedingungen der 
Pilzsporen hat Hoffmann gemacht”). Vom Licht sind die Pilze 
unabhängiger als die übrigen Pflanzen, was schon aus ihrer Un- 
fähigkeit, zu assimiliren, folgt. Hoffmann hat schon 1860 ge- 
zeigt, dass Penicillium und einige andere Pilze vom Licht in ihrer 
Keimungsfähigkeit und ihrem ganzen Wachsthum völlig unabhän- 
gig sind, für Penicillium habe ich das bestätigt, im Jahr 1867 ist 
es von Löw bestätigt worden. Mehrere Schimmelpilze bilden 
Krümmungen gegen das Licht, so z. B. viele Mucores, das Core- 
mium**) Coniothecii syphilitici u.a. Die einfachen Pinselschimmel 
sind in der Richtung ihrer Hyphen dagegen ganz unabhängig vom 
Licht. Aspergillus glaucus Lk. grünt und vegetirt nach meinen 
Untersuchungen besser im Finstern als im Lichte bei sonst glei- 
chen Bedingungen. Viel besprochen ist die Thatsache, dass einige, 
besonders tropische Pilze im Finstern leuchten, über die Ursache 
ist aber nichts Sicheres und Genaues bekannt. 


*) H. Hoffmann, Untersuchungen über die Keimung der Pilzsporen. 
Pringsheim, Jahrbücher für wissensch. Botanik. Bd. II. S. 267 — 337. 
Berlin, 1860. 

*) D. h. die Stämmchenbildung des Coniotheeium syphiliticum, dessen Mi- 
crococcus das Rlut der an constitutioneller Syphilis Erkrankten bewohnt. 


132 Ernst Hallier, 


2) Morphologische Eigenthümlichkeiten der Pilze. 
a) Die Pilzzelle. 


Die Pilzzellen unterscheiden sich von denjenigen der meisten 
echten Pflanzen ausser den oben angeführten Abweichungen im 
Chemismus und in der Ernährung durch das Fehlen des Zellen- 
kerns oder Kytoblasten. Nur in wenigen noch zweifelhaften Fäl- 
len kommen den Kytoblasten der meisten Gewächse ähnliche Bil- 
dungen vor, so z. B. in den Sporen vieler Ascomyceten. Bei Mu- 
cor mucedo Fres. sieht man an älteren Fruchthyphen, welche 
sich stets durch die Bildung zahlreicher Scheidewände auszeichnen 
(Taf. III, Fig. 3), an einzelnen dieser Scheidewände einen centralen 
wandständigen Kern (Taf. III, Fig. 2k); ob aber dieser Kern dem 
Kytoblasten analog sei, möchteich nicht entscheiden. Eine Erschei- 
nung, welche wohl noch weniger den Kytoblasten analog sein dürfte, 
sieht man sehr häufig an kräftigen, nicht oder wenig septirten 
Fruchthyphen des genannten Pilzes. Solche bandiörmige Hyphen 
nämlich zeigen oft, ja im Alter meistens, eine grosse Anzahl un- 
regelmässig oder bisweilen fast regelmässig vertheilter sehr kleiner 
Kerne (III, 6, k). Ihre Grösse ist etwas verschieden; sie schei- 
nen allmählig zu wachsen. Die grössten unter ihnen (III, 6, k‘) las- 
sen eine Grenzlinie und einen centralen Punkt deutlich unter- 
scheiden. Oft sieht man nun ausser diesen Kernen weit grössere 
(III, 5, k), welche sich ebenfalls aus den kleineren zu entwickeln 
scheinen. Sie haben einen scharfen kreisförmigen Umriss und im 
Innern meist eine grössere Anzahl sehr kleiner kernartiger Kör- 
perchen. Gar nicht selten sieht man in einem Faden sowohl ein- 
kernige (III, 5, k’) als mehrkernige (III, 5, k“) Gebilde, so dass 
beide eines Ursprunges zu sein scheinen, ja gar häufig finden sich 
beide Formen bei septirten Hyphen innerhalb einer und derselben 
Zelle neben einander (III k und k’). Es ist übrigens nicht un- 
möglich, dass diese Gebilde den interstitiellen Macroconidien (III, 
4, m) verwandt sind und in diesem Fall haben sie gewiss mit 
Kytoblasten nichts gemein. 

Wie es sich auch verhalten möge mit dem Kytoblasten der 
Pilze, jedenfalls spielt er bei den rein vegetativen Zellen keine we- 
sentliche Rolle und vielen Zellen, ja den meisten fehlt er jeden- 
falls ganz, denn die Entschuldigung, dass man ihn wegen seiner 
Kleinheit könne übersehen haben, ist doch eine etwas seltsame 


Die Parasiten der Infeetionskrankheiten. 133 


Ausflucht, wenn man sich einer mehr als 2000fachen Linearver- 
grösserung bedienen kann. Sollte der Kytoblast übersehen sein, 
so müsste er bei solcher Kleinheit doch eine ganz andere Funktion 
haben als derjenige der Pflanzen. 

Weit wichtiger für die Zelle in der gesammten organisirten 
Welt, ganz besonders aber bei den niederen Organismen, ist das 
Plasma; beginnen wir daher mit der Betrachtung seiner Eigen- 
thümlichkeiten bei den Pilzen. 

Das einfachste selbstständige Wesen bei den Pilzen ist ein 
blosses Plasmaklümpchen, Plasmakern oder Coccus genannt. Der- 
gleichen nackte Cocci bilden namentlich den Micrococcus, welcher 
die ammoniakalischen Gährungen, d.h. die Zersetzungen stickstoff- 
reicher Körper, soweit diese überhaupt von Organismen abhängig 
sind, einleitet. Der Mikrococcus oder die Kernhefe kommt in allen 
möglichen stickstoffreichen Körpern vor, in jeder faulenden, Hüssi- 
gen oder breiartigen Substanz, im Käse, im Blut und in anderen 
Sekreten bei den Infektionskrankheiten der Säugethiere, insbeson- 
dere des Menschen. In Figur 12 Taf. I haben wir den Mikro- 
coccus aus dem Blute eines Scharlachkranken dargestellt. Man 
sieht bei den allerstärksten Vergrösserungen nichts Anderes als 
eine kleine kugelige sehr glänzende Plasmamasse (m Fig. 12 Tat. I) 
ohne Hülle und ohne vom Plasma verschiedenen Inhalt. Statt der 
Hüllmembran sind diese Micrococci mit einer sehr weichen, gelati- 
nösen Aussenschicht versehen, die übrigens jedem nackten Plasma 
zukommt. Da sie sich durch Zweitheilung rasch vermehren, so 
bilden sie oft, durch die gelatinöse Aussenschicht verklebt, grosse 
Massen, Nester oder Gallertstöcke genannt (mh Fig. 12 Taf. I). 

Natürlich besitzen sie diese Gallertschicht auch dann, wenn 
sie im Begriff sind, sich zu theilen. Bei sehr starken Vergrösse- 
rungen ist diese Gallertschicht oft so deutlich sichtbar, dass man 
Zellenwände zu sehen glaubt; wirkliche Zellenwände sind aber 
beim Micrococeus selten oder niemals vorhanden. Sehr schön sieht 
man die Gelatineschicht beim Micrococcus von Pleospora herbarum 
Tul. (Fig. 1), wie ich ihn in den Kulturen des Pilzes der Gattine 
erhielt. Nach Anwendung von Chlorzinkjod färbt sich das Plasma 
srünlich-braun und im Sonnenlicht erhält man sehr klare Bilder. 
Der Micrococcus kann wie jedes nackte Plasma mit seines Glei- 
chen sich zu grösseren Körpern vereinigen. (a Fig. 13) zeigt ein- 
zelne etwas geschwollene Micrococei; diese vereinigen sich oft zu 
3—10 (e Fig. 13 Taf. I), ja nicht selten in weit grösserer Anzahl 


134 Eirnsterthallier, 


(d, e, f, g, h Fig. 13) zu Plasmamassen. In dem erwähnten Falle 
können sowohl die einzelnen Cocci als auch die Plasmamassen 
keimen, indem sie je nach der Grösse der Masse dünne (b Fig, 
13 Taf. I) oder dickere (d. h. Fig. 13) Keimfäden treiben. In die- 
sem Falle bleibt das Plasma meist bis zur Keimung eine unförm- 
liche Masse, welche sich nicht zu einer eigentlichen Zelle um- 
gestaltet. 

Sehr häufig dagegen bildet sich der Micrococcus zur Zelle 
aus, was vom Chemismus und vom Feuchtigkeitsgrad des Bodens 
abhängt. Wenn z. B. der Boden, auf welchem sich Micrococeus 
vorfindet, trocken wird, so schwellen die Cocci langsam an. Sie 
bilden während dessen ein anfangs kleines, aber immer grösser 
werdendes Lumen aus, indem sie im Innern Flüssigkeit, die sie 
aufnehmen, in eine Vacuale aussondern, welche das Plasma des 
wachsenden Coccus immer weiter zurückdrängt, so dass es zuletzt 
nur noch einen Wandbeleg bildet. Mittlerweile hat das Plasma 
nämlich nach aussen eine derbe Zellwand ausgebiluet und der 
Coceus ist zur Zelle geworden. So zeigt die Fig. 14 Taf. I. den 
Micrococcus aus Cholerastühlen, wie er unter dem Deckglas all- 
mählig zu Zellen, sogenannten Sporoiden, angeschwollen und aus- 
gebildet ist. Dieses Beispiel ist der evidenteste Beweis für die 
Umbildung des Micrococcus zu Sporoiden, da nur Micrococcus auf 
dem Objektträger war, das Deckglas luftdicht aufgeklebt wurde 
und so sich die Umbildung des Micrococeus leicht und sicher ver- 
folgen und controliren liess. 

Wir haben hier also die einfachste Form der Ausbildung einer 
Zelle, nämlich die aus einem blossen Plasmaklümpchen, kennen 
gelernt. 

Dass die Wasseraufnahme genügt, um eine Vacuole zu schaf- 
fen, welche zum Zellenlumen wird, kann man sehr schön an den 
jungen Fruchtträgern der grösseren Mucorarten wahrnehmen. Fig. 
11 Taf. I. zeigt die junge Fruchthyphe von Rhizopus nigricans 
Ehrenb. In Luft betrachtet, hat dieselbe überhaupt kein Lu- 
men, sondern das Plasma erfüllt den ganzen Faden. Sobald man 
aber Wasser zusetzt, wird dieses vom Plasma und seiner Zellen- 
wand aufgesogen und nach Innen geführt, wo sich eine Vacuole 
bildet, welche rasch wächst, sich in die Länge dehnt und mit keu- 
lenformigem Ende gegen den jungen Fruchtkörper vordringt, wie 
es die Figur andeutet. Sehr oft wird dann das weich gelatinöse 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 135 


nicht membranöse, Ende der Hyphe geöffnet und das Plasma zum 
Theil aus der Oeffnung herausgedrängt. 

Der hier geschilderte Entwickelungsgang ist mit geringen Mo- 
dificationen jeder Pilzzelle, ja fast jeder Zelle überhaupt eigen. 
Das anfänglich nackte Plasma geht zwei wesentliche Veränderun- 
gen ein: erstlich bildet es durch Aufnahme von Flüssigkeit Va- 
cuolen, die zuletzt zum Zellenlumen werden und zweitens scheidet 
es eine äussere Membran (Zellwand) aus. Eine Zelle, welche eine 
grosse Menge von Plasma enthält, ist noch fähig, Tochterzellen 
hervorzubringen. Ist die Wand noch nicht ausgebildet oder noch 
in gelatinösem Zustande, so zerfällt einfach das ganze Gebilde in 
zwei oder mehre Theile (Figg. 1. 15 c, 16 k); ist dagegen die 
Wand schon derb, so zerfällt das Plasma im Innern der Zelle in 
zwei oder mehre Theile und nun muss jeder Theil, um zur Zelle 
zu werden, eine besondere Membran ausbilden. 

Jede solche Zelle, welche reich ist an Plasma und eben daher 
noch sich vermehren kann, nennt man Bildungszelle oder Fortbil- 
dungszelle. Es braucht nicht gesagt zu werden, dass jede jugend- 
liche Zelle Fortbildungszelle ist. Sobald aber das Plasma auf 
einen sehr hohen Grad durch die Ausbildung des Lumens entfernt 
worden ist, so dass es nur noch einen ganz zarten Wandbeleg bil- 
det, hört die Zelle auf, fortbildungsfähig zu sein und dient nur 
noch einige Zeit der Ernährung der Nachbarzellen. In diesem 
Entwickelungsstadium können wir die Zelle Ernährungszelle nen- 
nen. Wir unterscheiden also Bildungszelle und Nährzelle, wie man 
-bei den höheren Pflanzen Bildungsgewebe und Nährgewebe unter- 
scheiden kann und muss. 

Wenn man z. B. Tilletia caries Tul., d. h. die Sporen des 
Weizenbrandes, auf künstlich gemischten Substanzen cultivirt, so 
erhält man im Innern des breiartigen Nährbodens entweder reife 
Sporen oder blosse Macroconidien, d.h. dieselben im unreifen Zu- 
stande. Je nach der physikalischen und chemischen Beschaffenheit 
des Nährbodens sind diese Macroconidien mehr oder weniger reich 
an Plasma. So enthalten die Macroconidien (Fig. 17 T. I.) noch 
einen ziemlich grossen Plasmaballen (p); derselbe zeigt aber schon 
eine oder mehre Vacuolen (v), welche hier mit Oel (0) ausge- 
füllt sind. Es wird also in diesem: Fall vom Plasma Oel in’s In- 
nere abgeschieden. Bei schlechter Ernährung (Fig. 18 Taf. I) ver- 
schwindet das Plasma fast ganz und man sieht nur ein grosses 
Zellenlumen (c Fig. 18 Taf. 1.) mit einem oder mehren Oel- 


136 Ernst Hallier, 


tropfen *). Natürlich können solche Macroconidien nicht mehr 
keimen und ebenso wenig können sie Tochterzellen hervorbringen. 
Sie können keiner anderen Function mehr dienen als der Ernäh- 
rung von Nachbarzellen, falls sie noch mit solchen in Verbin- 
dung stehen. 

Abgesehen von wenigen Fällen, wo sich innerhalb der Zellen 
ein dem Amylum ähnlicher, aber formloser Körper ablagert, sind 
die einzigen in Vacuolen oder in das Zellenlumen vom Plasma ab- 
geschiedenen Reservestoffe Oele. Ausser diesen kann es nur noch 
solche geben, welche vom wässerigen Zellsaft selbst gelöst sind, 
die sich natürlich nicht auf bloss optischem Wege nachweisen las- 
sen. Welche Rolle die Oele bei der Ernährung der Pilze spielen, 
ist freilich noch völlig unaufgeklärt. 

Haben wir soeben die Vacuolenbildung durch die Abscheidung 
von Flüssigkeiten im Innern des Plama’s erklärt, so dürfen wir 
dabei nicht vergessen, dass Vacuolen ausserdem auch auf eine von 
der angegebenen durchaus verschiedene Weise entstehen können, 
nämlich durch die Formelemente (Cocci) des Plasma’s selbst. Wir 
werden später mehrfach Beispiele kennen lernen, in welchen ein 
Plasmakern (coccus) durch sein Wachsthum und seinen Lebensakt 
eine Vacuole um sich ausbildet, welche ihn vom übrigen Plasma 
trennt. 

Das Plasma ist oft ganz homogen und durchsichtig oder von 
gleichférmiger Brechung (Fig. 4 m, 17). In andern Fällen dage- 
gen lassen sich früh schon in der gleichförmigen Grundmasse klei- 
nere oder grössere Formelemente, Körnchen, Plasmakerne oder 
cocci genannt, unterscheiden (Fig. 3 k, 5 k, 11). Man pflegt in 
solchen Fällen von kérnigem Plasma zu reden. Die Zellwand wird 
ernährt in ähnlicher Weise wie die Zellwand der meisten Pflanzen, 
d. h. die Wand wächst und verdickt sich durch Intussusception. 
Dabei stellen sich wie bei anderen Pflanzenzellen oft Ungleichhei- 
ten in der Verdickung heraus. Selten sind diese so augenfällig 
wie bei den höheren Pflanzen, wie überhaupt die Verdickung der 
Zellenwände meist weniger bedeutend ist. Bisweilen indessen sind 


*) Man hüte sich. Oeltropfen und Kerne des Plasma’s (Cocei) mit einan- 
der zu verwechseln. So hat de Bary die Schizosporangien des Cholera- 
pilzes mit Macroconidien verwechselt, welche Oeltropfen führen. Nur die 
sorgfältigste Anwendung von Reagentien, ganz besonders von verdünnter Kali- 
lösung, von Aether und Jod kann hier vor argen Täuschungen sichern. 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 137 


die Verdickungen bestimmter Stellen der Zellenwand recht deut- 
lich sichtbar. So z. B. sieht man sie fast immer recht gut an den 
Fruchthyphen der Mucores, wo sie wie bei Mucor mucedo Fres. 
Längslinien bilden parallel der Längsachse (Figg. 5, 6, 8). Bei 
demselben Mucor aber sind nicht selten diese Linien schraubig 
gedreht, ja oft sieht man die Richtung der Schraube wechseln oder 
zwei schraubige Liniensysteme sich kreuzen wie in Fig. 10. In 
einzelnen Fällen, namentlich bei einigen Sporen, kommen auch 
Poren und Porenkanäle vor. Verdünnte Wandstellen finden sich 
nicht selten bei Sporen (Fig. 17 0) und deuten häufig die Punkte 
an, wo der Keimschlauch bei der Keimung hindurchbricht. 

Ueberhaupt sind die Wände von Sporen und Sporangien, ganz 
besonders die der Schizosporangien, stärker verdickt, als die der 
bloss vegetativen Pilzzellen es für gewöhnlich sind. Sehr verschie- 
den sind die Gestalten der einzelnen Zellen. Die einfachste Form 
ist auch hier natürlich die einer Kugel (Figg. 14. 17. 18. Taf. I). 
Polygonale Formen sind selten; im gewöhnlichen Pilzfaden können 
solche ja überhaupt kaum vorkommen; vielmehr nur in den Fäl- 
len der Zelltheilung nach zwei oder drei Dimensionen, wie z. B. 
bei Schizosporangien. ° 

Sehr häufig bestehen die Hyphen und Mycelfäden aus paral- 
lelepipedischen Zellen (Fig. 3. 4), bisweilen sind sie kubisch (m 
Fig. 4) oder gleichseitig prismatisch, häufiger aber sind die beiden 
Durchmesser der zur Achse senkrechten Durchschnittsebene so 
verschieden, dass die Zelle bezüglich der ganze Faden flach band- 
förmig erscheint (Figg. 9. 8, 7. 5. 6. 10. 19). Sehr lange Zel- 
len sind häufig cylindrisch. 

Bisweilen sind grosse Theile eines Pilzes einzellig, so z. B. bei 
vielen Mucores. Natürlich ist in solchem Fall die Zelle von sehr 
verwickelter Gestalt, da sie oft alle Aeste und Zweige des Pilzkör- 
pers darstellt. 

Nachdem wir nun die Pilzzelle in ihren wichtigsten Eigenthüm- 
lichkeiten kennen gelernt haben, wollen wir zunächst ihre Ver- 
mehrung und Zusammensetzung zum Pilzkörper in’s Auge fassen. 
Hier dürfen wir aber durchaus nicht ausser Acht lassen, dass 
schon die einzelne Zelle eine ganz eigenthümliche Art des Wachs- 
thums besitzt, denn diese ist vom allergrössten Einfluss auf die 
Zellenvermehrung. Die Pilzzelle wächst nämlich, wie ein Plasmo- 
diumstrang, nach einer oder mehren bestimmten Richtungen. 
Dadurch ist schon das Vorherrschen der Fadenform erklärt. Die 


138 Ernst Hallier, 


Spitze solcher vorrückenden Zelle ist stets nackt, höchstens mit 
einer etwas derberen gelatinösen Schicht, aber nieht mit einer 
Membran bekleidet, wie man leicht an einer wachsenden Mucor- 
hyphe konstatirt (Fig. 11), aus deren Spitze das Plasma ausflies- 
sen kann, ohne einen Riss zu verursachen ”). 


b) Pilzkörper. 


Die Vermehrung der Zellen im rein vegetativen Pilzkörper 
findet nach zwei verschiedenen Zellenbildungsgesetzen statt, was 
natürlich auf die Gestalt der Pilzmorphen**) wesentlichen Einfluss 
hat. Entweder nämlich zerfällt das Plasma der Zellen nach einer, 
zwei oder drei Dimensionen in eine Anzahl von Theilen; oder es 
theilt sich nur in einer Richtung und zwar so, dass nur die jüngste 
oder Endzelle abermais theilungsfähig ist. Zwischen diesen beiden 
Extremformen giebt es zahlreiche Mittelstufen. 

Eine dritte Vermehrungsform, die sog. freie Zellbildung, wol- 
jen wir vorläufig ausser Betracht lassen, weil sie nur bei der 
Bildung von Thecasporen vorzukommen scheint. 

Sehen wir uns jene beiden Vermehrungsformen zunächst etwas 
genauer an, da die Sache von grosser Wichtigkeit für die ge- 
sammte Pilzlehre ist. 

Die Neubilung der Zellen durch Zerfallen des Plasma’s unter- 
scheidet sich im Grunde nur sehr wenig vom Zerfallen nackten 
Plasma’s in eine Anzahl von Theilen. Wir können daher von die- 
sem als von dem einfachsten Fall ausgehen. Wenn der Micrococ- 
cus irgend eines Pilzes an der Oberfläche einer faulenden oder 
gährenden Substanz zur Ausbildung kommt, so bleiben die durch 
Theilung des Coccus neugebildeten Individuen im Zusammenhang; 
wie es Figur 1 Taf. I zeigt. Findet dieser Theilungsakt mehrmals 
hinter einander statt, so bilden natürlich die durch fortgesetzte 
Theilung in derselben Richtung entstandenen Cocei Ketten (Fig. 1). 
Solche Ketten werden Mycothrix-Ketten oder schlechtweg Micro- 
coceusketten genannt. Bei schwächerer Vergrösserung erscheinen 


*) Dass bei der erwähnten Erscheinung, welche so plötzlich eintritt, nie- 
mals ein Riss in der Membran entsteht, beweist zur Genüge, dass an der 
Stelle, wo das Plasma austritt, keine Membran vorhanden war. Das bisweilen 
vorkommende Platzen oder Reissen einer Zelle mit Plasmaerguss ist von dem 
hier geschilderten Vorgang durchaus verschieden. 

**) Morphen nennen wir alle zu einer und derselben Pilzspecies gehörigen 
Formen. 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 139 


sehr grossgliedrige Mycothrix-Ketten in der Regel so, wie die Fig. 
20 Taf. I es darstellt, welche Mycothrix-Ketten des Scharlach- 
pilzes versinnlicht. Im Innern des Substrats bilden sich keine 
Ketten, vielmehr trennen sich die neugebildeten Individuen sofort 
von einander. Dasselbe findet bei sehr starker Fäulniss einer 
Flüssigkeit oder bei mangelhaftem oder ganz gehindertem Luftzu- 
tritt auch an der Oberfläche statt. Die Massen der neugebildeten 
Cocci werden in diesem Fall häufig durch die ihre Oberfläche 
meist bekleidende Schleim- oder Gallertschicht in Form von Häu- 
ten (Mycoderma) oder Haufen (Nestern, Kolonieen u. s. w.) zu- 
sammengehalten (Fig. 12 mh Taf. I). Dass der einzelne Coccus 
sich durch Bildung von Vacuole und Wand zur Zelle weiterent- 
wickeln kann, wenn der Chemismus und die Trockenheit des 
Bodens es gestatten, haben wir bereits oben gesehen. Ebenso 
kann in der fertig gebildeten Zelle, wenn dieselbe in eine gährungs- 
fähige Flüssigkeit übertragen wird, das Plasma abermals in mehre 
Theile zerfallen. Nicht selten findet auch hier fortgesetzte Zwei- 
theilung statt. In anderen Fällen jedoch zerfällt das Plasma si- 
multan in eine Anzahl von Theilen. Der Theilungsakt selbst ist 
dabei ganz ebenso beschaffen, als ob gar keine Zellmembran vor- 
handen wäre. Figur 21 zeigt, wie im Nahrungskanal der Seiden- 
raupe aus dem/ Micrococcus mit der Zunahme der sauren Gährung 
sich Arthrococcus ausbildet. In meiner Arbeit über die Krank- 
heit der Seidenraupen™) habe ich gezeigt, dass auf diese Weise im 
Nahrungskanal der gesunden Seidenraupe der unter dem Namen 
der Körper des Cornalia bekannte Arthrococcus aus dem Micro- 
coccus von Cladosporium herbarum Lk. entsteht, wenn man die 
Raupen mit dieser Form oder mit den Schizosporangien von Pleo- 
spora herbarum Lk. füttert. Gerathen die im Darm der Raupe 
ausgebildeten Arthrococcus-Zellen in eine stickstoffreiche Flüssig- 
keit, so zerfallt das Plasma derselben wieder in Micrococcus 
und zwar in diesem Fall durch fortgesetzte Zweitheilung, wie 
Figur 22 a—f es in den verschiedenen Stadien zeigt. Zuletzt 
lost die Membran der Zelle sich auf und die Micrococci werden 
frei (f Fig. 22 Taf. I). Auch grössere Plasmamassen zerfallen 


*) E. Hallier, Untersuchung des pflanzlichen Organismus, welcher die 
unter dem Namen Gattine bekannte Krankheit der Seidenraupe erzeugt. 
Jahresbericht über die Wirksamkeit des Vereins zur Beförderung des Seiden- 
baues für die Provinz Brandenburg im Jahre 1867—1868. 


140 Ernst Hallier, 


sehr häufig innerhalb ihrer Mutterzelle succedan oder simultan in 
mehre Theile ebenso wie die grossen Plasmodien der Myxomyce- 
ten. Figur 23 zeigt verschiedene Theilungszustände der jungen 
Schizosporangien des Scharlach-Pilzes, d. h. des Pilzes, dessen 
Micrococcus im Blut der Scharlachkranken vorkommt. Man sieht 
das Plasma in zwei oder mehre Theile (a b Fig. 23) getheilt und 
nach vollendeter Theilung umgiebt sich jeder Theil mit einer be- 
sonderen Zellmembran, wodurch er zur Spore wird (c—g Fig. 23). 
Bei kräftiger Ernährung kann das Plasma jedes Pilzfadens in eine 
Anzahl von Theilen zerfallen, welche sich entweder gleich oder 
erst später mit einer Membran umgeben und dadurch zu selbst- 
ständigen Zellen werden. Die Macroconidien aller Mucores verhalten 
sich so. Sie entstehen einzeln und endständig (Fig, 24 f,i Taf. I) 
oder in Ketten (Fig. 24 a—e, g, h, k), welche sowohl endstandig, 
(Fig. 24 g, h, d, e) als auch interstitiell (Fig. 24 k) aufreten kön- 
nen. Die Kettenglieder entstehen immer dadurch, dass das Plasma 
des Fadens quer in eine Anzahl von Theilen zerfällt, die sich dann 
sehr häufig nochmals durch Zweitheilung vermehren (Fig. 24 e, f 
bei x). Sehr häufig kommt auch eine Theilung in entgegengesetz- 
ter Richtung hinzu (Fig. 24 h bei y) und es muss überhaupt be- 
bemerkt werden, dass Theilungen von Pilzzellen nach zwei und 
drei Dimensionen weit häufiger sind, als man gewöhnlich glaubt. 
Die fadenförmige Anordnung der Zellen kann also höchstens als 
ein Schema, keineswegs als etwas den Pilzen Eigenthümliches und 
für sie ausnahmslos Charakteristisches angesehen werden. Es giebt 
wohl schwerlich einen Pilz, bei welchem nicht ausser der faden- 
förmigen Anordnung der Zellen auch die flächenförmige oder nach 
allen Dimensionen gerichtete Theilung vorkäme. Schöne Beispiele 
für das Zerfallen des Plasma’s nach allen drei Dimensionen geben 
die Kapseln der Mucores. Bei Mucor racemosus Fres., d. h. bei 
der unreifen Form des Cholera-Pilzes, lässt sich dieser Prozess 
sehr deutlich verfolgen, ebenso schön bei Rhizopus nigricans 
Ehrenb. Wenn bei irgend einem Mucor eine Kapsel gebildet 
werden soll, so sieht man zuerst den Faden gegen das Ende hin 
anschwellen, wie es Figur 11 für Rhizopus zeigt. Die Anschwel- 
lung wird zuletzt kugelig, eiförmig oder kegelförmig und ist mit 
dichtem Plasma erfüllt, welches nun simultan in eine Anzahl von 
Portionen zerfällt (Figur 35 Taf. II), deren jede eine Membran 
ausscheidet und zur Spore wird. Dieser Prozess findet oft statt, 
ohne dass vorher das ganze Plasma von dem im Faden befindlichen 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 141 


dnrch eine Scheidewand getrennt wäre, wie das für Rhizopus von 
Coemans, H. Hoffmann und mir”) beobachtet worden ist. 

Dabei kann, wie bei Rhizopus gewöhnlich, ein so grosser Reich- 
thum von Plasma vorhanden sein, dass noch eine reichliche Menge 
desselben in der Fruchthyphe zurückbleibt und bisweilen sogar, 
wie Hoffmann zeigte, in dem Tragfaden Sporen zur Ausbildung 
bringt. Erst nach dem Platzen der Kapsel und dem Ausstreuen 
der Sporen bildet das hervortretende Plasma der Hyphe nach oben 
eine neue Hüllmembran, die sogenannte Columella. Bei Mucor 
racemosus Fres. ist diese Membran (Columella) lange vor dem 
Platzen der Kapsel vorhanden und wölbt sich stark nach innen, 
wie Fig. 35 Taf. II es zeigt. 

Nur bei sehr schwächlichen Exemplaren (ligg. 36. 37 Taf. II) 

wird oft die Membran (Columella) sehr spät ausgebildet. In sol- 
chen Fällen ist meist sehr wenig Plasma vorhanden und dieses 
zerfällt in eine geringe Anzahl von Sporen, welche (Fig. 36. Taf. 
II) oft nur einen sehr kleinen Theil der Kapsel ausfüllen. Ein 
ähnliches Verhältniss kommt bei den Schizosporangien vor, welche 
die reife Form desselben Mucor darstellen. Gelangen diese auf 
einem zu mageren Boden nicht zu völliger Entwickelung, d. h. ist 
eine zu geringe Menge von Plasma vorhanden, so bilden sich zu- 
nächst ringsum an der Wand isolirte Sporen aus (Fig. 31 Taf. I) 
und erst weit später bilden sich einzelne Sporen mehr im Innern 
der Frucht. Niemals aber reifen sie zu Theilsporen aus auf ma- 
serem (zu stickstoffarmem) Boden. 
Eine weit grössere Rolle als die Neubildung von Zellen durch 
Theilung des Plasma’s spielt in der Pilzwelt diejenige durch Spros- 
sung. Entstehen auch alle Schizosporangien, alle Brandsporen 
und viele vegetative Pilzzellen durch Theilung, so entsteht doch 
der bei Weitem grössere Theil der Sporen durch Sprossung und 
ebenso unzählige vegetative Zeilenformen. 

Die Sprossung müssen wir betrachten nach ihrer Richtung und 
nach ihrer Form. Die Ursache der Pilzsprossungen ist keine 
andere als die Bewegung des Plasma’s und von dieser ist auch 
die Richtung der Sprossung abhängig. 

Schon am nackten Plasmodium hat das Plasma eine bestimmte 


*) Vgl. E. Hallier, Parasitologische Untersuchungen. Bezüglich auf die 
pflanzlichen Parasiten bei Masern, Hungertyphus, Darmtyphus, Blattern, Kuh- 
pocken, Schafpocken, Cholera nostras u. s. w. Leipzig 1868. Tafel I Figg. 
41—43. 


142 Ernst Hallier, 


Wachsthumsrichtung, wie Cienkowsky und Andere nachgewiesen 
haben. Diese Richtung kann schon bei’m Plasmodium sich ändern 
und vervielfachen. Der einzelne Strang des Plasmodiums kann 
an der Spitze plötzlich nach zwei oder mehren verschiedenen Rich- 
tungen fortwachsen, welche an die Stelle der bis dahin verfolgten 
einfachen Richtung treten. Ganz ebenso verhält sich das Plasma 
in der Zelle. 

Hier haben wir zunächst das apikale Wachsthum des Pilz- 
fadens näher zu betrachten. Jeder Pilzfaden, mag derselbe ein- 
zellig oder mehrzellig sein, wächst an der Spitze oder an den 
Spitzen nach bestimmter Richtung, die wir als Längsrichtung be- 
zeichnen können (sp. Fig. 11 Taf. L) Das Wachsthum und die 
Wachsthumsrichtung dieser Spitze sind ganz und gar abhängig vom 
Plasma. So lange der Faden noch wächst, ist sogar an der Spitze 
meist gar keine Membran vorhanden und in der nächsten Um- 
gebung der äussersten Spitze ist dieselbe gelatinös und im höch- 
sten Grade weich und dehnbar. De Bary behauptet zwar, dass 
selbst die äusserste Spitze des Fadens mit einer Membran ver- 
sehen sei, aber hier wie beim Plasmodium der Myxomyceten ver- 
wechselt er die Membran mit der Schleimhülle, welche fast jedes 
Plasma und jede jugendliche Zelle umgiebt. Julius Sachs hat 
dieses Verhältniss bei den Pilzen schon vor längerer Zeit richtig 
ernannt und ich muss ihm gegen de Bary darin durchaus Recht 
geben. Es ist zwar der Streit, ob eine Membran vorhanden ist 
oder nicht, insofern ein unfruchtbarer, als ohne Zweifel zwischen 
der bloss etwas dichteren Beschaffenheit der äussersten Schicht 
des Plasma’s und einer deutlichen starren Membran alle Zwischen- 
stufen vorkommen müssen und insofern wir durchaus keine Mole- 
kulartheorie des membranösen oder gelatinösen, ja noch nicht ein- 
mal des flüssigen Aggregatzustandes besitzen. 

Dass aber die Spitze eines Pilzfadens keine Membran besitzt, 
welche dem Plasma den geringsten Widerstand darböte, stärker, 
als der Druck, den das Wachsthum selbst ausübt, lässt sich in 
aller Strenge nachweisen. Bei zahlreichen Pilzen nämlich macht 
man die Beobachtung, dass bei einer geringen Zunahme der Feuch- 
tigkeit des Substrats das Plasma am Ende der Fäden aus einer 
meist sehr feinen Oeffnung ausströmt (Fig. 39 Taf. I). Ein sol- 
ches Ausströmen des Plasma’s findet bei den jungen Fruchthyphen 
jeder Mucorart statt, sobald man den Pilz in Wasser bringt. Sehr 
schön beobachtete ich diesen Process neuerdings bei den Keimlingen 


9 


Die Parasiten der Infeetionskrankheiten. 143 


der Schizosporangien des Scharlachhpilzes (Fig. 39 Taf. IV). Auf 
einem trocknen stickstoffreichen Boden bieten diese durchaus nichts 
Abnormes dar. Wird der Boden feuchter, so schnürt das Plasma 
an den Enden der Fadenzweige, aber auch an den Seiten, ein- 
zelne (Figg. 40. 41 Taf. IV) oder traubig gehäufte Macroconidien 
ab (Fig. 42 Taf. IV). Nimmt die feuchte Beschaffenheit des Bodens 
überhand oder setzt man auf dem Objektträger Wasser zu, so 
tritt das Plasma an den Zweigenden in Form eines äusserst feinen 
Stranges aus *) (Fig. 41 p. 2. Fig. 39 p. Taf. IV). Das ausgetre- 
tene Plasma zieht sich bisweilen sogleich zu einem kugeligen Bal- 
len zusammen (Fig. 41 z. p. Taf. IV) oder häufiger bildet es einen 
langen zähen, schraubig gewundenen Strang (p Fig. 39 Taf. IV), 
welcher erst gegen das Ende hin sich zu einer dicken Masse sam- 
melt. Gar nicht selten scheidet ein solcher ausgewanderter Plas- 
maballen nachträglich eine Membran aus (2 Fig. 41 Taf. IV) und 
wird dadurch zu einer Zelle von ganz gleicher Bedeutung wie die 
Macroconidien. 

Ueberhaupt ist die Aehnlichkeit der Entstehung einer Macro- 
eonidie als seitlicher oder endständiger Spross mit dem blossen 
Ausfliessen des Plasma’s ausserordentlich gross. Besonders auf- 
fallend ist diese Aehnlichkeit bei Macroconidien, welche seitlich 
am Faden hervorspriessen (Fig. 40 sm. Taf. IV). Hier tritt ein 
ganz kleines Plasmatrépfchen aus sehr kleiner Oeffnung hervor. 
Allmählig zieht sich aus dem Innern des Fadens mehr und mehr 
Plasma in das Tröpfchen hinein, dieses wächst und scheidet eine 
Membran aus, welche zuletzt die Macroconidie von dem Plasma 
im Innern des Fadens trennt. 

Diejenigen Fäden, welche Macroconidien zur Ausbildung ge- 
bracht haben, erhalten nach und nach durch Vacuolenbildung und 
Flüssigkeitsaufnahme ein immer dünneres Plasma, ja, oft werden 
sie zuletzt fast oder ganz leer. Bei unserem Mucor scarlatinosus 
bilden sich sehr kleine Vacuolen in grosser Anzahl, in denen äus- 
serst kleine Körnchen (Cocei) sichtbar werden, während man in 
dem dichteren Plasma nur sehr vereinzelte Körnchen antrifft. Am 
deutlichsten wird dieses Verhältniss beim Ausströmen des Plama’s. 


*) Natürlich kann hier nicht von einer Auflösung der Membran durch das 
Plasma die Rede sein, wie solche bei vielen Keimungen, bei’m Eindringen eines 
Pilzes in Pflanzenzellen und bei der Zweigbildung der Pilze häufig vorkommt. 
In den oben erwähnten Fällen kann man das Phänomen momentan durch Was- 
serzusatz hervorrufen. Es ist eben an der Spitze keine Membran vorhanden. 


io: 10 


144 Ernst Hallier, 


Fig. 39 Taf. IV. zeigt ein Fadenstück, an welchem zwei benach- 
barte Zellen (a und b) aufrechte Zweigfäden getrieben haben. 
An dem Faden der Zelle a ist an der Spitze (p) das Plasma aus- 
geflossen, daher sieht man in diesem zahlreiche kleine Vacuolen 
mit Körnchen, welche eine deutliche schraubige Anordnung zeigen : 
wogegen in dem weit dichteren Plasma der Zelle b und ihres Zwei- 
ges nur wenige Körner und gar keine Vacuolen erkennbar sind. 
Eine echte Sprosszelle dringt stets aus einer verhältnissmässig klei- 
nen Oeffnung ihrer Mutterzellenwand (a—d Fig. 43 Taf. IV.) her- 
vor. Anfangs ist sie natürlich mit dem Plasma der Mutterzelle 
verbunden (a b Fig. 43 Tat. IV). 

Sobald sie ihre volle Grösse erreicht hat (b Fig. 43 Taf. IV), 
sitzt sie natürlich mit sehr kleiner Basis der Oeffnung der Mut- 
terzelle auf. Nachdem sie sich nun mit einer Membran rings um- 
geben hat, ist sie dadurch auch an der Anheftungsstelle von der 
Mutterzelle getrennt und, da diese Anheftungsstelle eine sehr kleine 
Fläche ist, so bricht sie bei der geringsten Erschütterung ab. Man 
hat diesen Prozess „Abschnürung‘“ genannt, ein sehr unpassender 
Ausdruck, weil er ein Engerwerden der Basis voraussetzt, wovon 
gar nicht die Rede ist in den meisten Fällen. 

Wenn aber de Bary gar diese ,,Abschniirung mit der Zel- 
lentheilung durch Theilung des Plasma’s identifiziren will, so ist 
das wunderlich genug. Das Wesentliche bei der Sprossung ist das 
Ausströmen des Plasma’s aus einer engen Oeffnung an der Spitze 
des Fadens, wihrend davon bei der blossen Theilung nichts zu 
finden ist. Man müsste sonst consequenterweise die endständigen 
Macroconidien (i. f. Fig. 24, Fig. 33, a—d Fig. 43 Taf. IV) eben- 
falls als durch Theilung entstanden auffassen, was eine contradictio 
in adjecto wäre. In allen solchen Fällen nämlich entsteht die 
Macroconidie entweder durch echte Sprossung oder einfach da- 
durch, dass das Plasma sich an bestimmten Stellen zu einer ein- 
fachen Masse zusammenzieht (Fig. 32 Taf. III), welche durch Aus- 
sonderung einer Membran zur besonderen isolirten Zelle wird. 

Selbstverständlich können Sprossung und Zelltheilung gleich- 
zeitig auftreten, nicht bloss an einem und demselben Faden (i Fig. 
24 Taf. II), so dass z. B. einige Zweige desselben Endsprossen, 
andere dagegen durch Theilung entstandene Ketten tragen, son- 
dern es können auch während der Ausbildung einer Sprosszelle 
innerhalb derselben Theilungen stattfinden. Auf solche Weise ent- 
stehen z. B. endständige mehrzellige Macroconidien (Fig. 24 Fig. 


Die Parasiten der Infektionskrankheiten. 145 


43). Viele Schizosporangien (z. B. Fig. 23 a. b. Taf. III) entstehen 
als endständige Sprosszellen, in welchen dann nachträglich Thei- 
lungen stattfinden. 

Die Thatsache, dass derselbe Pilzfaden an einzelnen Aesten 
oder Zweigen Sprossungen, an anderen dagegen Theilungen bilden 
kann, ist von überaus grosser Wichtigkeit für die Morphologie der 
Schimmelpilze. Die Sporen aller echten Schimmelpilze entstehen durch 
Sprossung einer Zelle, der Stützzelle oder Basidie. Man kann die Spo- 
ren dieser Pilzformen daher Basidiosporen und Basidioconidien und die 
Morphen selbst basidiospore Pilzmorphen nennen. Die Brandformen 
oder Ustilagineenformen dagegen repräsentiren die reine Zellenthei- 
lung, ihre Sporen entstehen durch Theilung des Plasma’s. Wie wir 
später sehen werden, hat aber jeder Brandpilz eine basidiospore Mor- 
phe. Da die Ausbildung dieser Morphe lediglich von der Beschaffen- 
heit des Substrats und vom Luftzutritt abhängt, so werden natür- 
lich Mittelformen zwischen der Brandmorphe und der basidiospo- 
ren Morphe vorkommen. Solche Mittelformen haben wir schon 
bei den Macroconidien (Fig. 24 a—k. 40—45) kennen gelernt. Die 
Macroconidien sind, wie wir später sehen werden, unreife Brand- 
sporen, welche, je mehr sie vom Typus des Brandpilzes abweichen, 
desto mehr die sprossende Form annehmen. Aber auch bei Schim- 
melbildungen, die man als rein basidiospore Morphen anzusehen 
pflegt, wie z. B. bei Penicillium, kommen oft an einem und dem- 
selben Faden echte Sprossungen und Zelltheilungen neben einander 
vor. Figur 16 Taf. III zeigt einen solchen Fall beim gemeinen 
Pinselschimmel (Penicillium crustaceum Fr.). Die Zelle ist eine 
echte Stielzelle (Basidie oder Sterigma), welche am Ende eine 
Sprosszelle (sp) hervortreten lässt. Unter dieser entsteht eine 
zweite, darauf unter der zweiten eine dritte u. s. f. Es entsteht 
also hier eine ganze Kette durch Sprossung des Sterigma, also 
durch eine basale Bildung. Die Bildung der Kette dauert so lange, 
als das Sterigma noch Plasma enthält. An demselben Faden zer- 
fällt der Ast k dagegen durch Theilung des Plasma’s simultan in 
eine Anzahl von Conidien. Natürlich kann die nämliche Basidie, 
wie z. B. in Fig. 45 b Taf. IV, mehre Sprosszellen gleichzeitig an 
verschiedenen Punkten hervorbringen. In diesem Falle sind also 
die Sprosszellen simultan neben einander entstanden”), während 


*) Vergl. Hallier, Parasitolog. Untersuchungen Tafel II Fig. 33 e. Fig. 
30. Taf. I Fig. 36. 


LON 


146 Ernst Hallier, 


die Kettenglieder einer Penicillium-Art succedan abgeschnürt wer- 
den. Der nämliche Unterschied kann, wie wir bereits gesehen 
haben, auch bei der Theilung stattfinden. In einer Mucor-Kapsel 
(Figg. 35. 45) zerfällt simultan das ganze Plasma in eine Anzahl 
von Sporen, wogegen die Glieder des Mycothrix-Fadens (Fig. 1) 
succedan durch Zweitheilung entstehen. De Bary behauptet irr- 
thümlich, die succedane Theilung komme bei den Pilzen nicht vor. 
Sie ist ebenso häufig wie die simultane. 

Figur 46 Taf. IV dient zur etwas genaueren Erläuterung der 
Sprossung der Conidien bei Penicillium. st bedeutet das Sterigma 
(Stielzelle), aus dessen oberem Ende die jüngste Conidie (a) her- 
vorsprosst. Dieselbe Lage nahm ursprünglich die jetzt älteste Co- 
nidie (f) ein, unter welcher e, d, c, b und a succedan hervorge- 
treten sind. Noch vor der Vollendung der Zellenmembran tritt 
der neue Spross unter dem älteren hervor und schiebt diesen vor- 
wärts. Es fliesst also gewissermassen die ganze Kette aus der 
engen oberen Oeffnung des Sterigma’s aus. Die Trennung der 
Sporen erfolgt lediglich durch die Ausbildung der Membran, ein 
Process, für den das Wort „Abschnürung“ gewiss unpässend genug 
gewählt ist, da die Conidie von vornherein nur an einem kleinen 
Punkt mit dem Sterigma und mit der nächst älteren Conidie in 
. Berührung ist”). Wie die Conidien, so können natürlich auch die 
Stielzellen simultan neben einander entstehen und das ist gerade 
sehr häufig bei denjenigen Schimmelformen, welche wie Penicillium 
und Aspergillus ihre Conidien succedan abschnüren. 

So z. B. stehen bei Aspergillus glaucus Lk. die sterigmata 
(Stielzellen) stets in grosser Anzahl auf einem keulig angeschwolle- 
nen Fadenende (Basidie) simultan vereinigt. Jedes Sterigma endigt 
hier mit einer Kette, deren Conidien durch succedane Sprossung 
entstehen **). Auch bei Penicillium sind sehr häufig mehre simul- 
tan entstehende Sterigmata an einem Tragfaden vereinigt ***). 
Wir haben uns schon oben Rechenschaft darüber gegeben, dass 
die Theilung des sich bewegenden Plasma’s eine Spaltung dessel- 
ben veranlassen kann, gleichviel ob das Plasma schon eine Mem- 


*) Vergl. Hallier, Parasitolog. Untersuch. Taf. II. Figg. 31. 32. 

**) Parasitol. Unters. Taf. II. Figg. 3. 5. 

**) Die pflanzlichen Parasiten des menschlichen Körpers, für Aerzte, Bo- 
taniker und Studirende. Von Ernst Hallier. Tafel II Figur 1. kt, Leip- 
zig 1866. Parasitol. Unters. Taf. Il Fig. 26 p. 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 147 


bran ausgeschieden hat, also sich in einer Zelle befindet, oder nicht. 
Jede echte Astbildung durch Gabeltheilung des Pilzfadens entsteht 
durch gabelige Theilung des Plasma’s *). Ganz gewöhnlich sieht 
man solche Theilungen an den Hyphen der Mucores. Figur 32 
zeigt einen Faden von Mucor racemosus Fres. mit endständigen 
(m) und kettenständigen (mk) Macroconidien und ausserdem mit 
unfruchtbaren Zweigen (s), welche sich ganz wie nacktes Plasma 
gabelig verästeln und, in äusserst feine Enden auslaufend, sich als 
Saugfäden im Substrat verbreiten. Sehr schöne Spaltungen des 
Pilzfadens sieht man bei keimenden Ustilagineen, wenn die Sporen 
auf fast trockenem Boden liegen, so dass die Keimschläuche sich 
in die Luft erheben. In diesem Fall werden die Keimschläuche 
so schwach ernährt, dass sie sich nicht sehr lang entwickeln kön- 
nen. Sie spalten sich vielmehr durch Spaltung des Plasma’s in 
eine Anzahl schmaler fadenförmiger Fortsätze (Fig. 38 a—d. k. 
Taf. IV). Je nach der Stärke der Ernährung beginnt diese Spal- 
tung nach einer längeren oder kürzeren Entwickelung des Keim- 
fadens (Fig. 38. a, b Taf. IV). Die hervorsprossenden Fäden, zuerst 
von Tulasne, darauf von J. Kühn“*) aufgefunden und von die- 
sem Kranzkonidien genannt, sind anfänglich nicht mit deutlicher 
Membran versehen und sehr kurz (Fig. 38 a), sie verlängern sich 
aber rasch (Fig. 38 b) und fallen zuletzt ab, nachdem sie sich in: 
der Regel durch Fusionen je zwei und zwei verbunden haben. 
Bisweilen tritt gar kein Keimschlauch aus dem Epispor heraus, 
sondern es tritt sofort die Spaltung des Plasma’s ein (Fig. 38 d). 

Nachdem wir nun gesehen haben, wie aus der Bewegung des 
Plasma’s in bestimmter Richtung nicht nur das Längenwachsthum 
des Pilzfadens, sondern auch die Bildung von Sprosszellen und wie 
aus der Richtungstheilung des Plasma’s die Verästelung folgt, haben 
wir zunächst die Gesetze der Verzweigung in’s Auge zu fassen. 

Wir nennen Zweig jeden Pilzfaden, welcher von seinem Mut- 
terfaden seitlich ausgeht, nicht durch Spaltung des Fadens, wofür 
wir den Ausdruck Astbildung, Verästelung beibehalten. 

Die erste Anlage zu einem neuen Zweig besteht immer in 
einer seitlichen Aussackung der Mutterzelle. Diese kann auf dop- 


*) Vergl. E. Hallier, Die Leptothrixschwarmer und ihr Verhältniss zu 
den Vibrionen. Max Schultze’s Archiv für mikroskop. Anatomie Bd. I. 
Taf. V Figg. 51. 52. 1866. 

**) J. Kühn, Die Krankheiten der Kulturgewächse, ihre Ursachen und ihre 
Verhütung. Zweite Auflage. Taf. I. Berlin, 1859. 


148 Ernst Hallier, 


pelte Weise entstehen. Auf jeden Fall kann nur eine mit Plasma 
reichlich gefüllte Zelle Zweige zur Ausbildung bringen. Hat sich 
erst ein grosses Lumen gebildet, so hört die Zweigbildung auf. 
Nun ist aber entweder schon eine derbe Zellmembran vorhanden 
oder diese ist noch nicht oder nur schwach und gelatinös ausge- 
bildet. Im ersten Fall wird natürlich die Membran von dem Zweig 
durchbohrt*), ähnlich wie das Epispor bei der Keimung mancher 
Sporen (Fig. 38 Taf. IV). Weit häufiger aber ist bei der Bildung 
eines Zweigs die Zellmembran noch sehr jung oder noch gar nicht 
ausgebildet (Figg. 47. 48 Taf. IV). Vorzugsweise bilden sich natür- 
lich die Zweige an den Enden der Zelle, weil hier das Plasma 
am kräftigsten entwickelt ist (zw Fig. 47 Taf. IV). Es folgt das 
einfach aus der Wanderung des Plasma’s in der Richtung des 
Fadenwachsthums. Ist aber das Plasma in der Zelle reichlich und 
kräftig ausgebildet, so kann es an jedem Punkt der Zelle Zweige 
treiben (Fig. 47. z. Taf. IV). Oft ist die Zahl der Zweige einer 
einzigen Zelle sehr gross (Fig. 48 Taf. IV). Der Zweig verhält 
sich genau wie der Mutterfaden, d.h. er theilt sich in Zellen durch 
Theilung des Plasma’s, wobei die erste Scheidewand an der Mün- 
dungsstelle oder weiter gegen das Zweigende hin auftritt **). Die 
Pilzfäden bilden oft grössere Massen, compakte Pilzkörper, so z. B. 
bei den sogenannten Hutpilzen. Diese massenhaften Pilzkörper 
bestehen aber stets aus einzelnen Fäden mit ihren Verzweigungen, 
welche freilich oft so dicht verschlungen und durch einander ge- 
wirrt sind, dass es schwer ist, ein klares Bild von ihrer Zusam- 
mensetzung zu gewinnen. Schon die Schimmelpilze vereinigen 
häufig ihre Fäden zu regelmässigen Stammbildungen. Bei den unter 
dem Namen Pinselschimmel (Penicillium) bekannten Schimmelfor- 
men treten bei kräftiger Ernährung die Hyphen (Fäden) vieler 
zusammenstossenden Individuen zu einem Stamm zusammen, wel- 
cher sich senkrecht vom Substrat erhebt***). Dabei legen sich 


*) Natürlich trifft ganz dieselbe Unterscheidung auch die Astbildung. In 
meiner Arbeit über die Stammbildung der Schimmelpilze habe ich diesen Vor- 
gang an den Fruchthyphen von Aspergillus glaueus Lk. genau beschrieben und 
abgebildet (vgl. Botan. Zeitung 1866. Nr. 50.’ Taf. 13. Figg. 22. 25. 26. 29. 
30. 32). 

**) Vgl. E. Hallier, Mykologische Studien. Botanische Zeitung 1866. 
Nr. 20. Taf. VII Figg. 19 w. 20 w. 21 w. 32. 

**=) KE. Hallier, Die Stammbildung der Schimmelpilze: Coremium, Spo- 
rocybe und Chaetostroma. Botan. Zeitung 1866. Nr. 50. Taf. 13. Figg. 
1—6. 34. 36. 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 149 


die Hyphen entweder einfach und gerade dicht an einander *) 
oder sie winden sich vielfach um einander und senden Zweige aus, 
welche sich zwischen die übrigen Fäden schieben, ein oft unent- 
wirrbares Geflecht bildend **). In der That nennt man solche 
compakte Fadenmassen nicht Gewebe, sondern Geflecht (tela con- 
texta). Wir haben schon oben gesehen, dass von einem eigentli- 
chen Gewebe es in der Pilzwelt nur wenige schwache Andeutungen 
giebt. An die Stelle des Gewebes treten meistens Geflechte, und 
selbst bei den compaktesten Pilzen ist das Geflecht nicht viel 
complicirter zusammengesetzt, als bei den scheinbar so einfachen 
Schimmelmorphen ***). 

Das Pilzgeflecht wird noch dichter, fester und kräftiger, wenn 
zwischen seinen einzelnen Fäden Fusionen eintreten, d. h. wenn sich 
benachbarte Fäden durch kleine Zweige seitlich verbinden. Ich habe 
derartige Fusionen”) bei niederen Pilzformen bereits früher viel- 
fach beschrieben und abgebildet *****), sie sind aber auch, zum Theil 
schon vor mir, von Julius Kühn und Anderen erwähnt worden. 
Sehr häufig verbinden sich keimende Sporen durch einen seitlichen 
Fortsatz des einen Keimschlauchs (Bot. Zeitg. 1866 Taf. I Fig. 1) 
mit einander, oft in grosser Anzahl. Ebenso häufig ist das bei 
kurzen Fäden oder bei Conidien der Fall+). Nicht selten sendet 
die nämliche Fadenzelle zwei kleine Zweige aus, welche sich ver- 
binden) und seitliche Zweige treiben +77). 

Einige Male sah ich einen Zweig durch eine solche jochför- 
mige Verbindung, eine sogenannte Schnalle, hindurchwachsen ++Ff). 


*) Ebendaselbst Figg. 6. 34. 36. 

**) Ebendaselbst Fig. 3. 

*) De Bary’s Unterscheidung des zusammengesetzten vom einfachen 
Pilzkörper ist also gänzlich unzulässig zur Trennung seiner „einfachen Haplo- 
myceten‘ von den übrigen Pilzformen. Die „Haplomyceten“, d. h. die Schim- 
melformen, haben ausnahmslos, soweit sie überhaupt genauer untersucht wur- 
den, Stammbildungen und jene Eintheilung beruht nur auf mangelhafter Be- 
obachtung. 

*###) Der Ausdruck „Copulation“ wird besser auf diejenigen Fälle be- 
schränkt, wo das Produkt der Vereinigung zweier Seitenzweige eine Spore ist, 
ähnlich wie bei manchen niederen Algen. 

wee) Vergl. u. a. Botan. Zeitung 1866 Taf. I. Figg. 1. 5. 4. 5. 11. 12, 

+) Ebendaselbst Taf. I. Fig. 11. 12. 9. 

++) Das. Fig. 3. 


tr) Das. Fig. 4. 
+++) Ebendaselbst Fig. 5. 


150 Ernst Hallier, 


Bisweilen bilden sich durch Erguss von Plasma aus zwei‘ derarti- 
gen Zweiglein grosse Macroconidien *). Der Efiekt solcher Fusio- 
nen besteht immer, wie verschieden die Pilzfäden und die Fusio- 
nen auch seien, in einer Kräftigung und Verstärkung, welche de 
Bary höchst unpassend als „Düngung“ bezeichnet. Wir treffen 
sie daher häufig gerade da an, wo ein Pilz sehr schwächliche Aeste 
oder Zweige treibt. Wir haben schon oben die schwachen Keim- 
versuche näher betrachtet, welche der Weizenbrand (Tilletia caries 
Tul.) bei schwächlicher Ernährung in feuchter Luft macht. Die 
aus der Spaltung des Keimschlauchs hervorgehenden Kranzconidien 
(Fig. 38 Taf. IV) verbinden sich häufig je zwei und zwei oder mehre 
(Fig. 38 b. d. e. f) durch ein Querjoch. Sehr häufig bricht grade 
an dieser Stelle, wo die Fusion gebildet ist, ein neuer Keimschlauch 
oder eine seitliche Conidie (Fig. 38 f. Taf. IV) hervor. 

Aber auch bei den compaktesten Pilzkörpern kommen sehr 
häufig Fusionen vor, stärken die Verbindung des Geflechtes und 
fördern die Ernährung desselben. 

Wir sehen also, dass allerdings ein grosser Theil der Pilzfor- 
men aus Fäden (Hyphen) zusammengesetzt ist, welche einfach blei- 
ben oder sich verästeln, verzweigen, in mehre Zellen zerlegen, 
durch Spitzenwachsthum sich verlängern und sich durch Ver- 
schlingungen und Fusionen verstärken. Man würde aber in einen 
groben Irrthum verfallen, wenn man, wie de Bary**), die Pilze 
„mit Ausnahme einzelner zweifelhafter Fälle aus fadenförmigen 
Elementen“ ausschliesslich bestehend glaubte. Wir haben diese 
den Thatsachen direkt widersprechende Ansicht schon oben wider- 
legt und werden noch häufig Beispiele für Theilung in mehrfachen 
Richtungen anzuführen haben. Wenn de Bary weiter die Be- 
hauptung aufstellt ***): ,,Theilungen, welche Zellflächen und Zell- 
körper produciren, kommen nur bei gewissen Reproduktionsorga- 
nen vor’, so muss er entweder das ganze Mycelium der Ustilagi- 
neen zu den „gewissen Reproduktionsorganen‘“ rechnen oder er 
muss diese ganze Gruppe von den Pilzen trennen. Allerdings 


*) E. Hallier, Mykolog. Studien. 3. Aspergillus glaucus Lk. Stachylidium 
parasitans Bon. und Stysanus Stemonitis Corda. Bot. Zeitg. 1866. Nr. 21. 
Dat! 7) wiege. 12.18. 

**) Morph. u. Physiol. d. Pilze u. s. w. S. 1. Auf derselben Seite lässt 
de Bary den Pilzfaden ,,dichotom oder durch Seitenzweige von den Glieder- 
zellen aus‘‘ sich verästeln. Die polytome Verästelung ist ihm also unbekannt. 

aN Name 0218, 2, 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 151 


scheint de Bary sehr bereit, Alles das, was seinem Dogma im 
Wege ist, aus der Familie der Pilze auszustossen, wie er denn 
mit den Chytridieen*) bereits den Anfang gemacht hat. Wir wer- 
den aber weiter unten sehen, dass nicht gar viel übrig bleiben 
würde, wenn man alle Pilzformen eliminiren wollte, bei welchen im 
Thallus (rein vegetativen Pilzkörper) Theilungen nach zwei oder 
drei Dimensionen vorkommen**). Wir werden sehen, dass die 
Ustilagineen überhaupt keine für sich bestehende Gruppe ausina- 
chen, sondern dass sie aus Morphen zusammengestellt sind, welche 
sehr verschiedenen Pilzen angehören. Die meisten, ja vielleicht 
alle bisher unterschiedenen Pilzgruppen haben anäerophytische oder 
Brand-Formen (Ustilagineen-Formen), man müsste also nach Herrn 
Professor de Bary’s Prinzip alle Pilze oder doch jedenfalls die 
meisten von der Gruppe der Pilze ausschliessen. Zu solchen ab- 
surden Consequenzen führt es, wenn man, wie de Bary, statt 
aus den Thatsachen die sich von selbst ergebenden Gesetze abzu- 
leiten, mit der Aufstellung von Dogmen und Regeln beginnt und 
hinterher verlangt, dass sich die Thatsachen diesen selbstgemach- 
ten Regeln unterordnen sollen. Aber auch abgesehen von dem 
Pilzthallus (Mycelium) der Ustilagineen sind Zellentheilungen nach 
mehren Dimensionen bei den Pilzen häufig genug. Dass der Mi- 
crococcus verschiedener Pilze sich nicht selten flächenförmig oder 
in drei Richtungen vermehrt, habe ich mehrfach nachgewiesen ***). 

Deutlicher wird diese mehrfache Theilung bei den Sclerotium- 
bildungen. Die Sclerotien (Dauermycelien, wie sie unpassend ge- 
nannt wurden), sind bekanntlich Anhäufungen von Pilzzellen zu 
härteren und compakten oder zarteren und weicheren Körpern, 
welche seltener aus Pilzfäden, meist aus angehäuften Hefezellen 
oder Conidien hervorgehen. Werden nämlich solche Zellen in 
grosser Masse an einem Ort ausgebildet, wo sie nur dürftige Nalı- 
rung finden, so vermehren sie sich zwar fortgesetzt durch Thei- 


EA, as Or Sakae 

**) Auch die Schizomyceten und, wie wir bereits früher sahen, die Myxo- 
myceten, wirft de Bary aus der Pilzgruppe unbarmherzig heraus, weist ihneu 
aber trotzdem in seinem Handbuch einen Platz an. 

**) Der Micrococcus (Kernhefe) gehört nach der alten Systematik und 
Terminologie zu Nägeli’s Schizomyceten, einer Gruppe, welche aus Formen 
von Algen (Oscillarineen) und Pilzen (Hefegebilde) zusammengesetzt ist. De 
Bary lässt sie noch „theilweise dem Thierreich zugezählt werden“, worin ihm 
wohl kein Zoolog beistimmen dürfte. 


a9) : Cue 
152 Ernst Hallier. 


lung, aber sie kommen selten zur Entwickelung von Keimfaden, 
daher bilden sie massige Anhäufungen, welche ruhen, bis sie gün- 
stige Bedingungen zur Weiterentwickelung finden. In der Härte 
und Konsistenz sind die Sclerotien sehr verschieden. Selerotien 
einfachster Form bildet der Micrococcus. Wenn man auf einen 
trockenen animalischen Nährboden, wie z. B. auf ein menschliches 
Haar, Sporen eines Schimmelpilzes aussäet, und nun für feuchte 
Luft Sorge trägt, so bildet der Pilz in einer weiter unten genau 
zu beschreibenden Weise Kernhefe (Micrococcus) aus, welche sich 
fort und fort durch Zweitheilung vermehrt. Natürlich wird der 
Micrococcus an bestimmten Stellen, nämlich an denjenigen‘, wo er 
zuerst ausgesäet wurde, angehäuft, wodurch rings um das Haar 
oder auf demselben Haufen von Micrococcus entstehen *), welche 
um so fester und regelmässiger werden, je mehr sie zur Ausbil- 
dung gelangen. Während der Vermehrung schwellen die anfangs 
noch nackten Cocci zu grösseren Zellen mit einer zarten gallert- 
artigen Membran an**). Man sieht nun die weit grösseren Cocci 
sehr deutlich in Zweitheilung und Viertheilung begriffen ***), nach 
Art der Palmellaceen. Wie unter veränderten Umständen diese 
Zellen zur Keimung gelangen, werden wir weiter unten sehen; 
hier genügt es, auf die Viertheilung aufmerksam gemacht zu ha- 
ben, welche hier bei zahllosen unzweifelhaften Pilzzellen vorkommt. 
Beiläufig bemerkt, haben diese Haar - Sclerotien (Sclerotium Bei- 
gelianum, nach ihrem Entdecker, Herrn Dr. Beigel in London, 
genannt) eine grosse praktische Bedeutung, weil sie nicht selten 
spontan auf den Haaren bei Haarkräuslern, besonders auf den 
Haaren der Chignons, vorkommen. Es sind dieselben Gebilde, 
welche Rabenhorst unter dem Namen Pleurococcus Beigelianus 
beschrieben hat. 

Es mag gleich hier hinzugefügt werden, dass Theilungen he- 
feartiger Pilzzellen nach mehr als einer Richtung überhaupt sehr 
häufig sind. Wahrscheinlich gehört die Sarcina ventrieuli hierher, 
jedenfalls eine Reihe von Formen, welche dieser sehr ähnlich 
sind ****), Diejenigen Gebilde, welche ich als „zusammengesetzte 


*) Vergl. meine „Parasitolog. Untersuchungen“ Tafel II. Fig. 8. 24. 27. 

**) Daselbst Fig. 25. 26. 28. 

***) Hbendaselbst Fig. 25. 26. 

®+e*) Vol. E. Hallier, Neue Untersuchung der Sarcina ventriculi und Ver- 
gleich mit verwandten Organismen. Nobbe’s Landwirthschaftl. Versuchssta- 
tionen. Bd. 8. Chemnitz 1866. S. 411 — 420. Figur 19. 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten, 153 


Hefe“ beschrieben habe, sind jedenfalls den oben erwähnten Scle- 
rotien analog”). 

Für die Bildung von Sclerotien aus Conidien habe ich vor 
mehren Jahren ein Beispiel mitgetheilt**). Es jbildeten sich aus 
den Macroconidien eines Mucor, wahrscheinlich des Mucor mucedo 
Fres., grosse Haufen auf einem ziemlich trocknen stickstofireichen 
Nährsubstrat ***). Die Macroconidien vermehren sich rasch durch 
Theilung und bilden so ein anfangs winzig kleines weisses Häuf- 
chen, welches rasch wächst, härter wird und die äusseren Zellen- 
lagen zu einer Rinde ausbildet. 

Genauer und sicherer konnte ich die Bildung des Mutterkorns 
verfolgen****). Hier findet sich als erster Anfang zur Bildung 
der Sphacelia segetum Ley. eine grosse Menge von Hefezellen 
in der süsslichen Flüssigkeit an der Basis des Fruchtknotens. An 
der Oberfläche der gährenden Masse keimen die Hefezellen, indem 
der Nährboden mehr austrocknet, und bringen die Sphacelia her- 
vor. Unter dieser fahren die Hefezellen fort sich zu vermehren 
und bilden den unteren Theil des Mutterkorns, während der obere 
von den Conidien der Sphacelia gebildet wird. Für die Einzel- 
heiten muss ich auf die oben citirte Schrift verweisen. Bei’m 
Mutterkorn kommt es hie und da zur Bildung kurzer Fäden, die 
aber immer sofort wieder in Glieder zerfallen. 

Die Bildung der bisher beschriebenen Sclerotien besteht also 
einfach darin, dass Haufen von Zellen, welche in einer oder meh- 
ren Dimensionen in Theilung begriffen sind, unter eigenthüm- 
lichen räumlichen und die Ernährung betreffenden Bedingungen 
nicht im Stande sind, Keimschläuche zu treiben, sondern sich zu 
einem festen oder weicheren Körper zusammenballen, wobei oft, 
durch ihre gelatinösen Wände verklebt, die Zellen in sehr festen 
Verband treten. Der ganze Körper kann oft austrocknen, um 


- *) E. Hallier, Zusammengesetzte Hefe. Botan. Zeitung 1866 Nr. 37. 
Vergleiche daselbst die Figuren auf S. 286. 

**) EH. Hallier, Zur Entwickelungsgeschichte der Sclerotien. Botan. 
Zeitung 1866 Nr. 20 Taf. 7 Figg. 3— 27. Die Arbeit, bei welcher grosse 
Fehlerquellen unvermeidlich waren, bedarf jedenfalls einer Wiederholung. 

**) Ich nahm damals irrthiimlich die Macroconidien für Conidien einer 
Peronospora, denen sie allerdings oft täuschend ähnlich sind. 

es) Ki. Hallier, Phytopathologie. Die Krankheiten der Kulturge- 
wächse. Für Land- und Forstwirthe, Gärtner und Botaniker bearbeitet. Leipzig 
1868 S. 228 — 242. 


154 Ernst Hallier, 


nach längerer Ruhezeit sich auf’s Neue zu beleben. Diese Wieder- 
belebung findet auf sehr verschiedene Weise statt. Bei den zar- 
ten Hefe - Sclerotien, so z. B. dem Sclerotium Beigelianum, kann 
jede Zelle wieder selbstständig werden und keimen; dagegen die- 
nen die derberen Sclerotien znr Hervorbringung von Pilzstämmen, 
indem eine grosse Menge der im Innern befindlichen Zellen in der- 
selben Richtung Keimschläuche treibt. So bei’m Mutterkorn, wel- 
ches einen Pyrenomycetenstamm, die Claviceps purpurea Tul. 
erzeugt. 

Bei einzelnen Sclerotien, namentlich bei denjenigen, welche 
Pezizen hervorbringen, bilden sich die Zellen zu ziemlich deutli- 
chen und langen Fäden aus und es lässt sich überhaupt nicht 
läugnen, dass zwischen den Stammbildungen und den Sclerotien 
sich zahlreiche Mittelstufen vorfinden. Solche Zwischenstufen sind 
z. B. die Rhizomorphen, einfache oder verzweigte Pilzstämme, 
welche lange Zeit ruhen nnd dann auf's Neue zum Leben und zur 
Fruchtbildung erwachen. Ausgewachsene Sclerotien haben, wie 
aus ihrer Entstehungsweise folgt. auf Schnitten, namentlich auf 
Querschnitten, oft das Ansehen, als beständen sie aus einem pa- 
venchymatischen Gewebe; doch ist das niemals in so hohem Grade 
der Fall, als wie die Schriftsteller es oft abgebildet haben. So 
giebt schon Berg*) ein ziemlich schematisches Bild vom Quer- 
schnitt des Mutterkorns. Indessen ist das Berg’sche Bild im- 
merhin weit naturgemisser, als dasjenige, welches Julius Kühn 
mittheilt **).- Diejenigen Abbildungen von Sclerotium - Querschnit- 
ten aber, welche de Bary mittheilt und noch obendrein als dünne 
Querschnitte bezeichnet”), würde wohl Niemand für das halten, 
was sie sein sollen. wenn es nicht dabei geschrieben stände. Bei 
einem wirklich dünnen Querschnitt kann man fast immer den 
lockeren Verband der Sclerotium - Zellen leicht zur Anschauung 
bringen. Uebrigens kommt, wie wir gesehen haben, auch bei den 
Sclerotien nicht selten eine Theilung der Zellen nach mehren 
Dimensionen vor und an solchen Stellen wird natürlich das Ge- 
webe fast parenchymatisch. 


*) O0. Berg, Anatomischer Atlas zur - pharmazeutischen Waarenkunde. 
Berlin 1865. Taf. I. Fig. 1. J. K., ferner von demselben Verfasser: Darstel- 
lung und Beschreibung der in der Pharmacopoea borussica aufgeführten offici- 
nellen Gewächse. Leipzig 1863. Bd. IV. Taf. 32c. Fig. N.O. 

**) Die Krankheiten der Kulturgewächse. Tafel 5 Fig. 4. 

*#*) Morphol. und Physiol. S. 31. 35. Fig. 12. 13. 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 153 


Zur Bezeichnung der vegetativen Pilzfäden und ihrer Produkte 
hat man leider eine ganze Fluth von Namen vorgeschlagen, von 
denen wir nur die allerwenigsten kurz erwähnen wollen. Thallus 
ist der allgemeine Name für das vegetative Zellensystem der blatt- 
losen Pflanzen (achsenlosen Pflanzen, plantae aphyllae s. cellulares). 
Nach seiner Bedeutung ist nun dieser Ausdruck eigentlich für die 
Pilze ziemlich unpassend gewählt, deshalb findet man meistens den 
Ausdruck Mycelium an seine Stelle gesetzt, welcher die Gesammt- 
heit der vegetativen Fäden eines Pilzes bezeichnet. Nach Le- 
veillé unterscheidet man von dem Mycelium die fruchttragenden 
Fäden oder Fadenmassen als Receptaculum, ein ebenfalls höchst 
unpassend gewählter Ausdruck, der ausserordentlich verschiedene 
Dinge regellos zusammenzwängt. Der einzelne Pilzfaden wird 
auch wohl Hyphe und, wenn er unmittelbar Sporen oder Sporen- 
behälter trägt, Sporenhyphe oder Fruchthyphe genannt. Wir wol- 
len ausser dem allgemein eingebürgerten Wort Mycelium uns nur 
des Ausdrucks Fruchtträger in solchen Fällen bedienen, wo die 
Fruchthyphen Fadenmassen bilden, welche von den Mycelbildun- 
gen desselben Pilzes auffallend abweichen. Uebrigens ist es durch- 
aus nicht nothwendig, dass der Fruchtträger immer aus einem 
Mycelium hervorgehe. Bei vielen Pilzen geht derselbe unmittel- 
bar aus einem Sclerotium oder aus einem Plasmodium hervor, 
welches sich in Zellen zerlegt und dadurch die Beschaffenheit 
eines Sclerotium annimmt. Es wäre durchaus gezwungen, wenn 
man ein solches Plasmodium oder Sclerotium als Mycelium auf- 
fassen wollte”). Viele Agarici entstehen auf die hier angegebene 
Weise. Oft bricht dann nachträglich aus der Basis des Frucht- 
trägers ein Mycelium hervor und veranlasst zu der Täuschung, als 
sei der Fruchtträger Produkt dieses Mycelium’s, während es sich 
doch grade umgekehrt verhält. Dass ein Mycelium an der Basis 
vorhanden ist, beweist natürlich noch keineswegs, dass dasselbe 
das Ursprüngliche sei. Hier ist es aber durchaus gefährlich, an 
die Stelle sicher verbürgter Thatsachen geistreiche Kombinationen 
und Analogieschlüsse setzen zu wollen, wie de Bary und Andere 
es gethan haben. Grade für die Hefebildungen, welche de Bary 
als „zweifelhaft“ bezeichnet, ist jetzt von den verschiedensten For- 


*) De Bary behauptet (a. a. O. S. 17), der früherhin oft übersehene Ur- 
sprung des Fruchtträgers aus einem Mycelium sei jetzt „allgemein nachgewie- 
sen“, wunderlich genug, da wir bis vor Kurzem über die Entstehung der Hut- 
pilze so gut wie nichts wussten. 


156 Ernst Hallier, 


schern nachgewiesen worden, dass sie nur untergeordnete Morphen 
mycelbildender Pilze sind. 

Uebrigens lässt sich die Trennung von Mycelium und Frucht- 
träger durchaus nicht so streng durchführen, wie dogmatisirende 
Mycologen es wünschen. Nicht nur den „wenigen einfachen Pil- 
zen“, welche de Bary*) anführt, fehlt „die Gliederung in Frucht- 
träger und Mycelium“, sondern dem grössten Theil der Schimmel- 
bildungen, allen Brandpilzen im engeren Sinne des Worts und 
- vielen anderen Formen **). Die ganzen Mycelmassen, mögen sie 
nun rein vegetativ bleiben oder Fruchtkörper zur Ausbildung brin- 
gen, sind sehr verschiedenartig in ihrer Konsistenz je nach der 
Form und Grösse der Zellen, der Verdickung und Verholzung 
ihrer Wände, der Verklebung oder Verwachsung der Wände be- 
nachbarter Zellen, deren Verbindung durch Fusionen, durch Ver- 
schlingung und Verflechtung der Hyphen u. s. w. Man kann dem- 
nach die Mycelien als flockige, wollige, häutige, holzige u. s. w. 
unterscheiden. 

Häufig befestigen sich die Mycelfäden durch kleine Seiten- 
zweige von besonderer Gestalt auf ihrer Unterlage, wie wir weiter 
oben schon für Mucores ein Eindringen wurzelförmiger Fortsätze 
in das Substrat constatirt haben (Fig. 33 Taf. IV). Bei Schma- 
rotzern auf Pflanzen dringen solche seitliche Fortsätze oft in die 
Zellen der Nährpflanze ein und erweitern sich im Innern derselben, 
so z. B. nach de Bary bei den Peronosporeen. Man nennt sie 
in diesem Falle Haustorien. Oft bleiben sie auch ausserhalb des 
Substrats, demselben sich mit einer flach ausgebreiteten Anschwel- 
lung fest anheftend. Die Haustorien der Gattung Peronospora***) 
sind lange verästelte Fäden, den Saugfäden der Mucores überaus 
ähnlich. 

Die Mycelien der Pilze bleiben oft lange Zeit unfruchtbar, 
wenn die Bedingungen zur Fruchtbildung nicht günstig sind. Sie 
bilden dann Häute, Stränge, filzige oder feste Massen. Eine sehr 
einfache Bildung solcher Art ist früher oft unter dem Namen My- 


*) A. a. 0. 8. 17. 


des Pilzmyceliums im Gegensatz zum faktisch begrenzten Wachsthum der 
Fortpflanzungsorgane fällt nach dem, was wir oben über die Häufigkeit des 
Vorkommens vegetativer Zelltheilung mittheilten, von selbst weg. Zahlreiche 
Beispiele folgen weiter unten. 

***) Vgl. de Bary a. a. O. S. 19. Fig. 8B. 


Die Parasiten der Infeetionskrankheiten.' 157 


coderma beschrieben worden. Die Mycodermen sind hautartige 
Verfilzungen von Mycelien sehr verschiedener Schimmelformen. 
Keineswegs sind sie, wie de Bary glaubt*), immer auf Penicil- 
lium oder gar auf ein bestimmtes Penicillium zu beziehen. Wir 
werden weiter unten sehen, dass die Penicillien , obschon sie ein- 
ander sehr ähnlich sehen, doch gar verschiedenen Pilzen als Mor- 
phen angehören. Eine derartige Filzbildung kommt z. B. auf 
Flüssigkeiten vor, welche in Essigsäuregährung befindlich sind und 
als Mycoderma aceti bezeichnet worden **). Auch hier kann von 
einer bestimmten Pilzart natürlich nicht die Rede sein. 

Der Bildung von Stämmen geht schon bei manchen Schimmel- 
formen eine Strangbildung vorher. Es legen sich mehre der auf dem 
Substrat umherkriechenden Fäden fest an einander und verkleben 
mit einander durch gelatinöse Ausscheidungen. So bei Stysanus Ste- 
monitis Corda, wo diese Stränge plötzlich zu aufrechten Stämmen 
sich vereinigen. Die Erscheinung ist aber, wie wir oben sehen 
werden, eine allgemein verbreitete. An der Basis der Fruchtkör- 
per holziger Hutpilze aus den Gattungen Polyporus, Hydnum, 
Daedalea u. a. findet man häufig ähnliche Stränge, welche sich 
nicht selten weit im Substrat verbreiten. Ob sie das Ursprüng- 
liche sind oder ob sie erst nachträglich aus dem Fruchtkörper 
hervorgehen, kann hier ebenso wenig a priori beantwortet werden, 
wie bei den weichen Agaricis, wo übrigens ebenfalls das basilare 
Mycelium nicht selten breite Stränge bildet. De Bary glaubt 
freilich, auch hier a priori aburtheilen zu dürfen***). Ebenso wenig 
- Sicheres wissen wir von den Rhizomorphen, von deren Wachsthum 
und Zweigbildung de Bary eine, freilich sehr unklare, Beschrei- 
bung giebt****). Die Rhizomorphen sind dickere oder dünnere 
rundliche stammartige Stränge, die sich wurzelartig zwischen den 
Rissen der Rinde, sowie in den Klüften und Rissen vermoderten 


HA. 24028219: 

**) Wie bekannt, wird die Essigsäuregährung, sobald sie rein und ener- 
gisch ist, nicht durch die Mycoderma, sondern durch Säurehefe (Arthrococcus) 
hervorgerufen. Die Mycoderma ist stets ein Zeichen, dass das Substrat stel- 
lenweise in völliger Verwesung begriffen ist. 

==). N, 310. 18.120: 

*###) A. a, O. S. 23—28. Ob de Bary, wie er behauptet, wirklich eine 
bestimmte Art von Rhizomorpha vor sich gehabt habe, geht aus seiner Dar- 
stellung nicht hervor. Die Formen der Rhizomorphen sind so unbestimmt, dass 
sie, trotz grosser Aehnlichkeit im Bau, doch vielleicht sehr verschiedenen 
Arten als Mycelstränge angehören. 


158 Ernst Hallier, 


Holzes, in der Borke, zwischen Rinde und Holz u. s. w. verbrei- 
ten und verästeln, nicht selten sogar in die Ritzen von Steinen 
und Felsen in Kellern, Bergwerken, sowie in altes Zimmerwerk 
eindringen. Ihre Konsistenz ist bald lederartig, bald holzig oder 
hornähnlich. Sie erreichen nicht selten die Länge von mehren 
Fussen. Mitunter hangen sie frei vom Gewölbe eines Kellers, vom 
Gebälk eines feuchten Bauwerks u. s. w. herab. Sie besitzen oft 
knotige Anschwellungen, bisweilen eigenthümliche kurze, senkrecht 
abstehende Zweige, die man bisweilen für Früchte gehalten hat. 

Der Bau der Rhizomorphen erinnert bisweilen an denjenigen 
der komplizirter gebauten Sclerotien, d. h. es lässt sich zuletzt 
eine äussere oder Rindenschicht, oft durch abweichende Farbe 
unterschieden, von einer inneren oder Markschicht trennen. Besser 
wäre es freilich, die Ausdrücke Rinde und Mark ganz zu vermei- 
den und nur von einer äusseren relativ abgestorbenen und einer 
inneren mehr lebenskräftigen Schicht zu sprechen. Von der Ent- 
wickelung der Rhizomorphen ist gar nichts Sicheres bekannt. Was 
de Bary darüber mittheilt, bedarf noch genauerer Untersuchun- 
sen. Dass die Rhizomorphen Strangbildungen von Mycelien sehr 
verschiedener Pilze sind, geht schon daraus hervor, dass es 
zwischen ihnen und den echten Stammbildungen einerseits, sowie 
dem bloss strangförmigen Zusammentreten von Mycelfäden an- 
dererseits alle nur denkbaren Zwischenstufen giebt. Die Gat- 
tungen Dematium, Byssus, Fibrillaria, Ozonium u. a.*) sind nichts 
Anderes als derartige Strangbildungen und Mycelgeflechte. Wel- 
chen Pilzen alle diese Bildungen angehören, lässt sich natürlich 
nach den vorhandenen Beschreibungen gar nicht feststellen. Es 
bleibt hier nichts übrig, als entweder aus authentischen Exempla- 
ren der Sammlungen von Rabenhorst und Anderen durch Kul- 
tur die Früchte der betreffenden Mycel- und Stammbildungen zu 
erzielen oder umgekehrt, bekannte Pilze durch Kultur unter be- 
stimmten Bedingungen zur Hervorbringung der genannten Bildun- 
sen zu veranlassen. 

Nach dieser letzen Methode gelang mir die Anzucht eines 
dichten, zarten, braunen Pilzgeflechtes aus Cladosporium herbarum 
Lk., der Conidien-Morphe (im Sinne von Tulasne), der Pleospora 
herbarum Tul., welche als Russthau bekannt ist. Das erwähnte 


*) Vgl. L. Rabenhorst, Deutschland’s Kryptogamen -Flora. Erster 
Band. Pilze, Leipzig 1844. S. 60—62. 


Die Parasiten der Infeetionskrankheiten. 159 


Cladosporium befand sich in einem Holzkästchen, welches auf 
feuchten Sand gesetzt wurde. Die Keimfäden der Sporen ver- 
breiteten sich sehr bald durch den ganzen Kasten, ohne zu frukti- 
fiziren, denselben mit einem spinnewebenartigen Netzwerk über- 
ziehend, welches aus langgliedrigen dunkelbraunen Fäden bestand. 
Das Gebilde ähnelte demjenigen, welches unter dem Namen Ozo- 
nium parietinum Lk. beschrieben worden ist”), doch lässt es sich 
keinesfalls mit Sicherheit mit irgend einer bisher aufgestellten Form 
identifiziren, zumal bei der grossen Unbestimmtheit solcher Ge- 
bilde. 

Ausser den oben genannten Formen gehören noch die von 
Persoon aufgestellten Gattungen Hypha und Xylostroma, sowie 
die von Fries herrührende Gattung Lanosa hierher. Eine Gruppe 
der Dematieen oder Byssaceen giebt es also gar nicht, und das- 
jenige Gebilde,' welches de Bary unter dem Namen Dematium 


ständige Art, sondern eine ganz untergeordnete Form eines Pyre- 
nomyceten. Eine ganz ähnliche Form geht auf feuchtem Boden 
z. B. aus Cladosporium herbarum Lk. hervor ***). 

Ich habe schon erwähnt, dass die Rhizomorphen nicht nur 
zu den byssusartigen Fäden und Geflechten, sondern auch zu 
den Pilzstämmen und Sclerotien Uebergangsstufen bilden. So 
ist die Rhizomorpha, welche Berthhold Seemann von den 
Fiji-Inseln mitbrachte und von der ich einige Stücke der Güte 
des Herrn Dr. Luerssen in Bremen verdanke, mehre Linien 
dick, fest und stammähnlich. Eine schwarze Aussenschicht um- 
giebt das weisse innere Geflecht. Die Aussenschicht entsteht 
bei den Rhizomorphen ebenso wie bei den Sclerotien aus dem ab- 
sterbenden verholzenden Gewebe. 

Schon das Mutterkorn bildet bei seiner Entstehung bisweilen 
einzelne längliche Zellen, welche durch Quertheilung in rundliche 
Zellen zerfallen. Bei harten Sclerotien kommen sogar hie und da 
schwache Hyphenbildungen vor, wenn aber de Bary“***) behauptet, 
die Sclerotien entwickelten sich „alle aus einem zuerst vorhande- 
nen fädigen oder flockigen Mycelium“, so geht daraus nur hervor, 
dass er die frühesten Zustände der Sclerotien nicht kennt. Es 


*) So z. B. Rabenhorst a. a. O. S. 61. 


***) Vgl. meine Parasitolog. Untersuchungen Taf. I Fig. 25. 
DER A..2.:0, Dad 
12: ll 


160 Ernst Hallier, 


mag ausnahmsweise vorkommen, dass Mycelfäden an der Sclero- 
tienbildung theilnehmen, aber die normale Bildungsart ist die oben 
angegebene. 

Ueber die Dauer der Mycelien, Strang- und Stammbildungen, 
Sclerotien u. s. w. lässt sich heut zu Tage noch gar nichts sagen. 
Das Einzige, was wir darüber wissen, besteht in einzelnen Anga- 
ben von Tulasne. Schon aus dem früher Mitgetheilten, mehr 
noch aus den Thatsachen, die wir in den folgenden Abschnitten 
mittheilen, wird man sehen, dass man Allgemeines über diese 
Dinge erst wird sagen können, wenn man den Morphenwechsel 
des grössten Theils der Pilze kennen wird. Und wir heben es 
ausdrücklich hervor, noch kennen wir diesen für keinen einzigen 
Pilz vollständig. 

So beruht Alles, was de Bary über diesen Gegenstand mit 
dogmatischer Bestimmtheit hinstellt, auf ganz unvollständigen Be- 
obachtungen *). 


c) Die Fortpflanzung der Pilze. 


Da die Pilze zu den einfachsten aller Organismen gehören, so 
steht natürlich auch die Fortpflanzung derselben auf einer ver- 
hältnissmässig sehr niedrigen Stufe oder vielmehr umgekehrt, die 
Leichtigkeit, Einfachheit und Unbestimmtheit der Fortpflanzungs- 
organe berechtigt uns, die Pilze zu den niedrigsten Organismen 
zu rechnen. 

Je einfacher der Bau eines Organismus ist, desto unbestimm- 
ter und mannigfaltiger sind natürlich seine Formen. Das folgt 
einfach schon aus der Betrachtung der einzelnen Zelle und des 
nackten Plasma’s, welche bei den niedrigsten Organismen eine 
grössere Selbstständigkeit besitzen, als bei den höheren. Es kann 
daher virtuell bei den Pilzen und bei den niedrigsten Algen 
jede Zelle, ja jedes Plasmaklümpchen zum Fortpflanzungsorgane 
werden. 

Selbstverständlich ist das bei solchen Pflanzen, welche ein 
eigenthümliches Gewebe bilden, nicht möglich. Hier schränkt 
sich die Selbstständigkeit und das Fortpflanzungsvermögen der 
Zellen immer mehr auf bestimmte Punkte ein und erfolgt nach 
immer bestimmteren Gesetzen. Die Fortpflanzung der Individuen 
wird immer unabhängiger von der Vermehrung der vegetativen 


*) A. a. 0. 8. 41-48. 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 161 


Zellen. Die Fortpflanzungszellen entstehen nicht mehr überall, 
sondern immer mehr an bestimmten Orten, unter bestimmten Be- 
dingungen, in bestimmter Form. Der Grund davon ist leicht ein- 
zusehen. In dem compakten Achsenorgan einer dikotyledonischen 
Pflanze z. B. können die im Kambialzylinder sich vermehrenden 
Zellen aus einfach räumlichen Gründen nicht frei werden, ja sie 
sind sogar in ihrer Form abhängig von der Gestalt ihrer Mutter- 
zellen; eine Prosenchymzelle erzeugt durch Längstheilung wieder 
*Prosenchymzellen. 

Bei dem einfachen Pilzfaden dagegen kann noch jede Zelle 
unter günstigen Umständen zur Fortpflanzungszelle werden, ja, jeder 
Plasmakern (Coccus) kann frei werden und sich zur selbstständigen 
Zelle ausbilden. Auf die verschiedenen Modificationen der Aus- 
bildung des Plasma’s zum Micrococcus werden wir weiter unten 
genauer einzugehen haben; hier geniigt es, auf die Thatsache auf- 
merksam zu machen, welche sich bei sehr vielen Pilzzellen wie- 
derholt, dass in fliissigem Nährboden das Plasma durch simultane 
oder succedane (Fig. 22 a—f) Theilung zerfällt, dass die so ent- 
standenen Cocci frei werden (Fig. 12. 14 Taf. IT) und nun je nach 
den Umständen sich zu theilen fortfahren (Fig. 20 Taf. I) oder 
sich zu Zellen ausbilden. Genau derselbe Theilungsprozess findet 
aber auch, wie wir bereits oben gesehen haben, innerhalb einer 
Pilzzelle statt durch simultanes oder succedanes Zerfallen des 
Plasma’s, und wenn derartige neugebildete Zellen durch Auflösung 
der hier meist sehr zarten Mutterzelle frei werden, so zerfällt 
z. B. ein Pilzfaden in eine Anzahl von Zellen (Fig. 24 b, a, ¢ 
Taf. II). Jede solche Zelle, wie sie z. B. bei den unter Oidium 
beschriebenen Formen vorkommt, ist Fortpflanzungszelle. Aber 
selbst der Micrococcus, welcher aus dem Inhalte einer Mutterzelle 
hervorging, kann bei günstigen Bedingungen zur Bildung dersel- 
ben höheren Pilzformen Anlass geben, welche ihn hervorgebracht 
haben. So haben wir in Fig. 13 Taf. III. gezeigt, wie der Micro- 
coccus, welcher im Blut der Scharlachkranken vorkommt, durch 
Verbindung zahlreicher Individuen grosse Plasmaballen bildet, 
welche durch Keimung ohne Weiteres den Scharlachpilz erzeugen. 
Ebenso aber erhält man auf trocknerem Boden aus den einzelnen 
Micrococcis Keimlinge, nachdem dieselben allmählig zu Zellen sich 
ausgebildet haben. 

Der Micrococeus ist also die einfachste Form der Fortpflan- 
zung in der Pilzwelt, und wir wollen von dieser ausgehen. 

il 


163 Ernst Hallier, 


Die einfachste Fortpflanzungsart des Micrococcus ist diejenige, 
wo derselbe sich durch fortgesetzte Zweitheilung in einer Flüssig- 
keit vermehrt (Fig. 1. 20. Taf. UI). Hierbei können die neugebil- 
deten Individuen sofort von einander getrennt werden (Fig. 12 mk. 
Taf. III), wie das besonders im Innern von Flüssigkeiten und über- 
haupt bei Luftmangel vorkommt. Oder an der Oberfläche einer 
Flüssigkeit bleiben bei genügendem Luftzutritt die neugebildeten 
Individuen mit einander im Zusammenhang (Fig. 20 Taf. II) und 
stellen sogenannte Mycothrix- Ketten dar. Die soeben geschil- 
derte Vermehrungsweise ist offenbar eine rein vegetative und wir 
können uns nicht berechtigt glauben, diesen Fortpflanzungszellen 
besondere Namen als: Sporen, Conidien oder ähnliche beizulegen. 
Es ist eben der vegetative Pilzkörper selbst, welcher in eine An- 
zahl von Zellen oder Plasmakörpern (Cocci) zerfällt und dadurch 
sich vermehrt. Die einfache Bezeichnung „Glied“ wird die zweck- 
mässigste sein, namentlich in denjenigen Fällen, wo die neugebil- 
deten Individuen vor ihrer Trennung von einander kettenförmig 
verbunden sind oder, was dasselbe sagt, wenn die Individuen 
durch simultane oder succedane Theilung eines langgestreckten 
Plasmakörpers entstehen. Wir haben aber bereits oben gesehen, 
dass der Micrococcus sich ebensowohl nach mehren Richtungen 
theilen kann, wenigstens bei manchen Pilzen. Konsequentermassen 
sind wir aber berechtigt, auch so entstandene Individuen, wie z. B. 
diejenigen der Sarcina ventriculi, als Glieder zu bezeichnen. 

Dieses einfache Zerfallen in Glieder, wohin man natürlich auch 
die Zellenbildung der Sclerotien von Schleimpilzen, ja selbst ihre 
Sporenbildung rechnen muss, ist nun keineswegs auf das nackte 
Plasma beschränkt, sondern kommt nicht minder häufig bei dem 
schon zur Zelle entwickelten Coccus oder Plasmakörper vor. 
Sehen wir uns sogleich nach Beispielen dafür um. 

Wenn man den Micrococcus irgend eines Pilzes in eine der 
sauren Gährung geneigte Flüssigkeit bringt, so schwillt derselbe 
an, bekommt längliche Gestalt und zuletzt eine deutliche Zellen- 
membran (Fig. 21 Taf. III), mit einem Wort, er bildet sich zum 
Arthrococeus oder, was dasselbe sagt, zur Säurehefe aus. Die 
Arthrococcus - Zellen versetzen das Substrat in saure Gährung und 
vermehren sich ganz in derselben Weise durch Theilung des Plas- 
ma’s wie der Micrococcus. So zeigt Fig 49 Taf. IV. die Theilung 
desjenigen Arthrococcus, welcher die berüchtigte Krankheit der 
Seidenraupen, die Gattine, hervorruft, der Arthrococcus von Cla- 


, Die Parasiten der Infeetionskrankheiten. i 163 


dosporium herbarum Lk., dessen Entstehungsweise wir in Fig. 21 
Taf. III. kennen gelernt haben. Dabei können die Individuen ebenso 
in der Flüssigkeit gleich nach ihrer Bildung sich von einander 
trennen oder, bei stärkerem Lufteinfluss, im Zusammenhang blei- 
ben, längere oder kürzere Ketten bildend, die man unter den 
Gattungsnamen Torula, Oidium u. a. beschrieben hat. 

Solche Zellen können aber auch von der ausgebildeten Pilz- 
zelle, unabhängig vom Micrococcus, entstehen. 

Vegetirt ein Brandpilz (eine Ustilaginea) unter Bedingungen, wo 
er zwar kräftig ernährt wird, aber ohne seine Sporen reifen zu können, 
so zerfällt das Plasma des Pilzfadens in eine Anzahl von Glieder 
(Fig. 24 a. b. Taf. IIl.). Die so entstandenen Glieder kann man als 
unreife oder nicht zur Reife kommende Brandsporen ansehen, und 
wir werden weiter unten sehen, dass die Gliederbildung ganz all- 
gemein bei den Brandpilzen ist, sobald dieselben auf einen leicht 
sährenden, so z. B. flüssigen, Boden gerathen. Es lässt sich leicht 
denken, dass die Glieder sehr verschieden kräftig sein werden, je 
nach der Nahrung, und so entstehen die sehr verschiedenen Ket- 
tenformen, welche jeder Brandpilz unter solchen Umständen aus-. 
bildet (vergl. beispielsweise Fig. 24, c—k, Taf. III.) und welche 
man früher als Formen besonderer Gattungen: Oidium, Torula ete. 
betrachtet hat. Wir können hier schon anmerken, dass jeder ju- 
gendliche Pilzfaden in solche Oidium-Glieder zerfallen kann. Wie 
sich der Arthrococcus zu diesen in Ketten zerfallenden Pilzfäden 
verhält, werden wir in den folgenden Abschnitten sehen. Dass 
nur bei kräftiger Ernährung eine solche Bildung von Gliedern 
möglich ist oder, mit anderen Worten, dass ein grosser Ueberfluss 
von Plasma vorhanden sein muss, bedarf wohl kaum der Erinne- 
rung. Solche aus einem zerfallenden Faden hervorgehenden Zel- 
len, welche natürlich keimfähig sind und dieselbe oder unter gün- 
stigeren Umständen sogar eine höher entwickelte Pilzform, so z. B. 
den reifen Brandpilz, hervorbringen können, bezeichnen wir eben- 
falls am besten mit dem Ausdruck Glieder oder Gliedzellen. Aus 
einem später mitzutheilenden Grunde können sie auch Gliedeoni- 
dien heissen zum Unterschied von gliedartig abgeschnürten Sporen. 
Der Micrococcus kann aber auch keimen, wie wir gesehen haben. 
In diesem Fall vermehrt er sich nicht weiter durch Theilung, son- 
dern, wenn das Substrat trockner wird oder starker Luftzutritt 
stattfindet, so schwillt jeder einzelne Coccus langsam an und keimt 
oft ohne Weiteres, nachdem er zu einer grossen Zelle mit deutli- 


164 Ernst Hallier, 


cher Membran (Fig. 14 Taf. III) sich ausgebildet hat. Diese Zellen 
verhalten sich ebenso wie die Sporen und Conidien des betreffen- 
den Pilzes, sie keimen und bringen das nämliche Keimungsprodukt 
hervor; wir können sie daher als Sporoiden bezeichnen, ein Aus- 
druck, welchen ich bereits in meiner unter dem Titel „Parasitolo- 
gische Untersuchungen“ erschienenen Schrift angewendet und erläu- 
tert habe*). Oft verbinden sich die benachbarten schwellenden 
Cocci mit einander und bilden unregelmässige Sporoiden, wie 
wir das in Fig. 13 Taf. III. ausführlich dargestellt haben. Sie sind 
ebenso gut keimfähig und bilden meist kräftigere Keimlinge als die 
aus isolirten Coccis hervorgehenden Sporoiden. 

Die bisher geschilderten Vermehrungsweisen der Pilze werden 
also, wie wir sahen, nicht durch besondere Fortpflanzungszellen, 
sondern durch das vegetative Plasma und durch vegetative Zellen 
eingeleitet. Wir können hier unterscheiden 1) die Fortpflanzung 
durch grössere Plasmamassen oder Plasmodien, 2) die Fortpflan- 
zung durch Micrococcus, 3) die Fortpflanzug durch Sporoiden, 
4) die Fortpflanzung durch Gliedconidien und Arthrococcus. 

In diesen 4 Fällen beruht die Vermehrung lediglich auf der 
Theilung des Plasma’s, und es entsteht für uns die Frage, ob die 
Pilze sich nicht auch nach der zweiten Zellenvermehrungsart, der 
Sprossung, rein vegetativ vermehren können. Diese Frage ist in 
der That bejahend zu beantworten. Zunächst gehört hierher die 
unter dem Namen Cryptococcus oder Sprosshefe bekannte Hefe 
der geistigen Gährung oder Alkoholgährung. Wir haben gesehen, 
wie aus dem Micrococcus der Arthrococeus hervorgeht, sobald jener 
in eine der sauren Gährung geneigte Flüssigkeit geräth. Wir se- 
hen, wie unter solchen Umständen der Micrococcus anschwillt, sich 
verlängert und eine Membran ausbildet. Bringt man aber den 
Micrococcus in eine der geistigen Gährung geneigte Flüssigkeit **), 
so schwillt er zwar ebenfalls stark an, aber der zur Zelle ausge- 
bildete Coccus besitzt ein dünneres Plasma, und die so entstan- 
dene Cryptococcus-Zelle vermehrt sich nicht, wie der Micrococcus 
und der Arthrococcus, durch Theilung, sondern durch Sprossung***). 


*) Vgl. Parasitolog. Unters. Taf. I Fig. 2. 7. 12. 18. 26. 50. 53. Taf. I 
Fig. 12. 13. 

**) Ob saure Gährung, Alkoholgährung oder Fäulniss eintritt, das hängt 
bekanntlich vom Verhältniss der Kohlenhydrate zu den Proteinstoffen und vom 
Zutritt der Luft ab. 

***) Vol. Hallier, Gährungserscheinungen Fig. 15. 16. 18. 29. 33. 


Die Parasiten der Infeetionskrankheiten. 165 


Schon aus der Sprossung lässt sich ersehen, dass die Membran des 
Cryptococcus eine sehr derbe sein muss, und so ist es in der That. 
Beim Arthrococcus ist die Membran in der Jugend stets sehr zart 
und gelatinös, ja oft kaum nachweisbar, wogegen der Cryptococcus 
schon in der Jugend eine sehr derbe Membran besitzt. Die Spross- 
zellen trennen sich von der Mutterzelle, sobald sie ausgewachsen 
sind und sprossen nun ihrerseits an einer oder mehren Stellen, so 
dass der Cryptococcus sich rasch ungeheuer vermehrt. Wie der 
Arthrococeus unter starkem Lufteinfluss Ketten von Individuen 
bildet, so auch der Cryptococcus. Es entstehen dadurch die zier- 
lichen unter dem Namen Hormiscium bekannten Formen, ketten- 
formig oder baumartig verästelter Cryptococcus*). Sprossungen 
vegetativer Zellen sind sehr häufig, ohne dass sich immer alkoho- 
lische Gährung nachweisen liesse. Das ist auch bei der Allgemein- 
heit der Sprossbildung bei den Pilzen sehr begreiflich. So hat 
J. Sander schon vor zwei Jahren sehr schöne Sprossungen bei 
Penicillium-Sporen (Conidien) beobachtet. 

Aehnliches ist auch von mir und Anderen mehrfach beobachtet 
worden. Es kommt aber auch vor, dass Conidien durch Sprossung 
wirklichen gährungserregenden Cryptococcus hervorbringen, wie das 
zuerst Bail und Hoffmann entdeckt haben und wie wir es wei- 
ter unten nach meinen eigenen Beobachtungen näher kennen lernen 
werden. Häufiger und normal bildet sich aber der Cryptococcus wie 
der Arthrococcus aus dem Micrococcus. 

Wie also Theilung und Sprossung bei den Pilzen unselbst- 
ständige, d. h. mit der Mutterzelle im Zusammenhang bleibende 
Tochterzellen hervorbringen können, so gehen durch sie auch selbst- 
ständige Gebilde hervor. Es ist klar, dass man diese selbstständig 
sich fortpflanzenden Zellen und Plesmodien noch nicht ohne Wei- 
teres als Fruchtorgane auffassen darf, aber das ist eben das Merk- 
würdige bei den Pilzen und beweist, dass sie auf der allerunter- 
sten Stufe der Entwickelung stehen, dass es zwischen dieser ein- 
fachen Bildung neuer Zellen durch Sprossung und Theilung einer- 
seits und der unzweifelhaften Sporenbildung andererseits gar keine 
scharfe Grenze giebt. Es fällt damit aber auch jede Grenze zwi- 
schen Vegetationsorgan und Reproduktionsorgan. Jede selbststän- 
dige Pilzzelle, sei sie Micrococcus, Cryptococcus oder Arthrococcus 
oder endlich jedes Glied eines Fadens oder jede unbestimmt ge- 


*) Vgl. meine Gährungserscheinungen Figur 19, 


AG Ernst: Hallier, 


staltete Plasmamasse keimt, sobald man sie den dazu nöthigen 
Bedingungen unterwirft*). Sehr bald nach der Keimung können 
nun, je nach den äusseren Bedingungen, am Keimling Sprosszellen 
oder Theilzellen' (Glieder) auftreten, welche mit jenen Hefezellen 
noch die allergrösste Aehnlichkeit besitzen und doch schon durch 
ihre Anheftungsweise und ihr Verhältniss zum Faden an typische 
Conidien oder Sporen erinnern. 

So zeigt Taf. I Figur 14 im ersten Heft dieser Zeitschrift 
Fäden, welche aus gekeimtem Arthrococcus hervorgegangen sind. 
Die Gliederhefe beginnt zuerst unter dem Einfluss der Luft sich 
länger zu strecken und daher in längere, bald fadenförmige Glie- 
der zu zerfallen. Diese Form würde man schon fast als ein Oidium 
auffassen können. Bald verzweigt sich sogar der Faden und es wer- 
den nur noch seitlich und an den Enden der Zweige Glieder abge- 
stossen. Das ist schon ein Uebergang zur Sprossung, welcher auf 
noch stärkeren Luftzutritt hindeutet. Die Figur 14 (Taf. I. Heft I) 
zeigt diesen Uebergang deutlich an der Stelle, wo ein Faden sich 
gabelig verästelt und am Ende jedes Gabelastes eine Sprosszelle 
hervortritt. Man vergleiche dafür auch die Figuren 33. 38. 36 
derselben Tafel. Solche vereinzelte Sprosszellen (Heft I, Taf. II 
Figur 50 v, st, ferner das. Fig. 45 k, Taf. I Fig. 33 p. q. x) pflegt - 
man erst dann als Conidien oder Sporen aufzufassen, wenn sie in 
bestimmtere Gruppen zusammentreten und ein bestimmtes gewis- 
sermassen typisches Verhältniss zu ihrem Tragfaden einnehmen. 
Dass aber auch hier zwischen den regellosen Sprossungen und Ab- 
lösungen von Fortpflanzungszellen und den typischen Conidien gar 
kein: wesentlicher, sondern nur ein gradueller Unterschied statt- 
findet, dafür haben wir schon zahlreiche Beispiele mitgetheilt und 
bitten, das auf Taf. I Fig. 33 des ersten Heftes Abgebildete als 
besonders lehrreich zu vergleichen. Wir nennen nun zunächst Co- 
nidie jede nicht reife Fortpflanzungszelle, d. h. jede, welche kein 
derbes Epispor ausbildet und welche meistens sofort keimfähig ist. 
Die Conidien sind meist blass oder farblos, selten lebhaft gefärbt. 
Am häufigsten sind sie blassgrün, so dass sie in Masse gesehen 
jene eigenthümlichen den meisten Schimmelbildungen zukommen- 
den Farben geben. Dass sie entweder durch Sprossung oder durch 


*) Taf. I und Taf. II des ersten Heftes dieser Zeitschrift geben Beispiele 
dafür in den Figuren 14. 17. 18. 21. 23. 25. 29. 33. 52, wofür ich die Erklä- 
rungen zu vergleichen bitte. 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 167 


Abtrennung entstehen, haben wir bereits gesehen. Beides kann, 
durch die Umstände begünstigt, an demselben Faden vorkommen 
(Taf. I Fig. 33 Heft I). Schon daraus wird klar, dass mehre 
Arten von Conidien und Sporen an demselben Pilz auftreten kön- 
nen, denn Sprossung einerseits und Theilung andererseits sind oft 
die wesentlichsten Unterscheidungsmerkmale verschiedener Arten 
von Fortpflanzungszellen. Da nun jene beiden Arten der Zellen- 
vermehrung lediglich Folge der äusseren Einflüsse sind, so kann 
es nicht Wunder nehmen, dass man nicht nur oft an demselben 
Faden beide Formen antrifft, sondern dass auch zwischen zwei ty- 
pischen Conidien - oder Sporenformen alle Zwischenstufen vorkom- 
men. Mit einem Wort, es giebt bei den Pilzen keine streng ge- 
schiedenen Morphen oder gar nur Generationen, sondern es liegen 
zwischen je zwei scheinbar noch so extremen Formen ganze Vege- 
tationsreihen, wie ich das bereits vor mehren Jahren in meinem 
Buch über die pflanzlichen Parasiten des Menschen entwickelt habe. 
Diese Vegetationsreihen zeigen alle nur erdenklichen Mittelstufen 
zwischen den extremen Formen. Alle bis jetzt bekannten Conidien- 
formen sind nur unreife Zustände von Sporenformen und man 
kann diese letzterwähnten sehr leicht erzeugen, wenn man dem 
Substrat die richtige chemische Zusammensetzung und den gehori- 
sen Grad von Trockenheit giebt. Alle Conidienformen sind näm- 
lich Verwesungsformen oder, was dasselbe sagen will, Schimmel- 
formen. Die Nässe des Bodens und der Luft sind aber die Haupt- 
ursache aller Gährungsvorgänge und namentlich die Verwesung 
(Oxydation) verlangsamt sich bei zunehmender Trockenheit. 

Es ist daher möglich, aus jeder unreifen oder Schimmelform 
die reife Sporenform zu ziehen, welche sich wesentlich durch eine 
derbe, meist. dunkelfarbige Sporenhaut (Epispor) unterscheidet. 
Dass es zwischen der reifen und der unreifen Form ebenso gut alle 
möglichen Mittelstufen giebt, wie zwischen durch Sprossung oder 
Theilung entstandenen, begreift sich leicht. Ein auffallendes Bei- 
spiel für solche Zwischenstufen haben wir im ersten Heft Taf. I 
Fig. 34 mitgetheilt. Die reifen sowohl wie die unreifen Formen 
werden nun noch weiter unterschieden. Dazu kann man verschie- 
dene Eintheilungsgründe benutzen. Am häufigsten werden die Ent- 
stehungsart der Fortpflanzungszellen, die räumlichen und zeitlichen 
Verhältnisse, in Betracht gezogen. 

So unterscheidet man zuerst Basidiomyceten und Ascomyceten 
oder richtiger Basidioconidien, Basidiosporen und Thecaconidien, 


168 Ernst Hallier. 


Thecasporen, jenachdem die reifen oder unreifen Fortpflanzungs- 
zellen am Ende von Trägern (Basidien und Sterigmen) abgetrennt 
werden oder im Innern von Zellen durch Theilung des Plasma’s 
oder durch freie Zellenbildung zur Ausbildung kommen. So z.B. 
sind auf Taf. II Fig. 48 Basidioconidien, Fig. 40 dagegen Theca- 
conidien dargestellt. Beide Formen kommen bei allen genauer 
bekannten Pilzen vor, von einer Gruppe der Basidiomyceten und 
Ascomyceten kann also keine Rede sen. Zwischen den Basidien- 
formen und Thekenformen giebt es bei jedem Pilz noch Mittel- 
stufen, nämlich solche Formen, bei welchen Conidien oder Sporen 
weder am Ende von Basidien noch im Innern von Theken, sondern 
durch einfache Zelltheilung entstehen. Dahin gehören alle Brand- 
pilze, ja fast alle Staubpilze (Coniomyceten), so z. B. die auf Taf. 
II Figg. 46. 47 abgebildeten Formen. Da diese zahlreichen For- 
men sich nun in das obige Schema nicht einreihen lassen, so ist 
die Eintheilung in Basidiosporen und Thecasporen unzweckmässig, 
wenn man nicht noch eine dritte Form, etwa Merisporen oder Schi- 
zosporen hinzufügen will. Jedenfalls sind aber alle diese Aus- 
drücke, wenn auch nicht zur Eintheilung, doch zur gelegentlichen 
Bezeichnung von Fortpflanzungszellen anwendbar. Bei solchen Spo- 
ren, welche durch Theilung des Plasma’s entstehen, kommt es häufig 
vor, dass das Ganze nach der stattgehabten Theilung im Zusam- 
menhang bleibt, dass sich also ein in zahlreiche Fächer getheilter 
Körper ausbildet. Nun ist bei der Keimung der in den einzelnen 
Fächern liegenden Sporen nothwendig, dass der Keimschlauch die 
Wand der Mutterzelle durchbricht. Solche zusammengesetzte Spo- 
ren unterscheiden wir als Schizosporangien von den einfachen. 
Nach der Reihenfolge der Entstehung kann man die Conidien 
(und Sporen) als succedan oder simultan entstanden unterscheiden. 
Der Anordnung nach stehen sie einzeln, in Köpfchen oder in Ket- 
ten. In der Conidienkette eines Pinselschimmels (Fig. 46 Taf. IV) 
ist die unterste Conidie (a) die jüngste. Die Conidie f war zuerst 
ausgebildet und zwar als Spross der Stielzelle (st). Unter der 
Conidie f bildete sich dann ebenso die Conidie e, unter dieser die 
Conidie d u. s. f., so dass aus demselben Sterigma (st) zuletzt eine 
lange Kette von Aéroconidien hervorgeht. Man hat diesen Vor- 
gang als succedane Kettenbildung aufzufassen. Ebenso häufig ent- 
steht aber eine Kette simultan durch Quertheilung des Plasma’s 
in einer fadenförmig gestreckten Zelle (Taf. IV Fig. 33). Ganz 
dasselbe gilt für einzelne Conidien, die in Köpfchen angeordnet 


Die Parasiten der Infektionskrankheiten. 169 


sind; sie können gleichzeitig oder nach der Reihe, also simultan 
oder succedan zur Entwickelung kommen. Dieselben Unterschiede 
könnte man aber auch für die ganzen Ketten oder andere Frucht- 
stände anwenden. So z. B. entstehen die Aéroconidien-Ketten, die 
wir auf Taf. II Fig. 48 dieser Zeitschrift abgebildet haben, gewöhn- 
lich zu dreien neben einander als simultane Drillingsketten. 

Alle diese Unterscheidungen, so nothwendig sie sind zur schar- 
fen Bezeichnung, dürfen doch niemals zu systematischen Trennun- 
sen benutzt werden, da es bei den meisten Pilzen und Pilzformen 
von einer Conidienbildung bis zu einer davon sehr verschiedenen 
alle möglichen Zwischenstufen giebt. Gerade durch pedantische 
Systematisirung solcher Formunterschiede sind schon mehrfach ganz 
nutzlose Streitigkeiten in die Mykologie eingeführt worden. 

Weit durchgreifendere Bezeichnungen gewinnt man bei Berück- 
sichtigung des Verhältnisses der Fortpflanzungszellen zu ihrem Nähr- 
boden und zur atmosphärischen Luft. Entweder nämlich bedürfen die 
Fortpflanzungszellen der atmosphärischen Luft zu ihrer Entwicke- 
lung oder sie entwickeln sich im Nährboden bei grösserem oder 
geringerem Ausschluss der Luft. Man kann sie dem entsprechend 
Aéroconidien und Anäeroconidien, Aérosporen und Anäerosporen 
nennen. ‘Fast jeder Pilz besitzt beide Formen und die Ausbildung 
der einen oder der anderen Form hängt nur davon ab, ob der 
Pilz an der Luft vegetirt oder in’s Innere seines Nährbodens ein- 
dringt. Von beiden Sporenformen kann man noch die mehrkam- 
merigen Schizosporangien unterscheiden, welche im unreifen Zu- 
stande keine Kammern, sondern nur lose Conidien in einer grossen 
blasenförmigen Hülle ausbilden. Diese Conidien nenne ich Theca- 
conidien. In meiner Arbeit über die Muscardine des Kiefernspin- 
ners im ersten Heft dieser Zeitschrift habe ich alle diese Formen 
für den Pilz der Muscardine, d. h. für Fumago salicina Tul. ab- 
gebildet und beschrieben. 

Es ist noch die Angabe nothwendig, wie sich diese verschie- 
denen Sporen und Conidien zur früheren systematischen Nomenkla- 
tur verhalten. Die Bodenformen (Anaérosporen) hatte man zu 
einer besonderen Pilzgruppe der Ustilagineen erhoben, da aber 
jeder Pilz, soweit bis jetzt bekannt, Anaérosporen besitzt, so müsste 
man alle Pilze zu den Ustilagineen rechnen. Ebenso ist es mit 
den Aérosporen und Schizosporangien. Diese bildeten früher Gat- 
tungen von Staubpilzen (Coniomycetes), eine grössere Gruppe, der 
die Ustilagineen als Theil untergeordnet waren, 


170 Ernst Hallier. 


Die Coniomyceten sind also überhaupt keine natürliche Gruppe, 
sondern eine Sammlung von Formen, die zu sehr verschiedenen 
Pilzen gehören. Das hat Tulasne längst auf’s Schlagendste nach- 
gewiesen, aber Bary und die deutschen Mykologen, soweit sie von 
ihm abhangen, halten trotzdem immer noch Gattungen wie: Dema- 
tium, Stemphylium und unzählige andere für selbstständige Ge- 
nera von systematischem Werth. Das Systematisiren und Analo- 
gisiren ist diesen Herren nicht aus dem Kopf zu u. es ist 
eine wahre Erbsünde der Mykologen. 

Nicht anders verhält es sich mit den Conidienformen. Sie sind 
früher zu einer Gruppe der Schimmelpilze, Fadenpilze, Haplomy- 
ceten u. s. w. zusammengestellt und die Unterabtheilungen dieser 
Gruppe werden zum Theil noch jetzt von den deutschen Mykolo- 
gen festgehalten. Es sind aber alle Conidien lediglich Modifica- 
tionen der Sporen und kommen zur Ausbildung, sobald, besonders 
in Folge von Nässe, der Nährboden verwest; sie sind also als un- 
reife oder Schimmelformen der Sporen aufzufassen. So fällt denn 
auch die zweite Gruppe der Haplomyceten in Nichts zusammen. 
Man kann nun die Sporen ausser den oben aufgeführten Gesichts- 
punkten noch weiter nach Form und Bedeutung unterscheiden. 
So z. B. haben viele Pilze Sporen, welche sofort keimfähig sind 
und solche, welche einer Ruhezeit bedürfen oder doch für gewöhn- 
lich eine solche überstehen. Die letzten kann man Dauersporen 
nennen. Haben bestimmte Sporen die Bedeutung, die Pilzspezies 
zu überwintern, so hat man sie wohl Teleutosporen genannt, so 
z. B. die Puccinien-Frucht der Uredineen, einer noch höchst un- 
genau bekannten Abtheilung der alten Coniomyceten-Gruppe. Wir 
wollen hier aber vorläufig von diesen weiteren Unterscheidungen 
absehen und noch zwei Arten von Fruchtbildungen erwähnen. Die 
eine Form entsteht durch echte Copulation. Zwei Zellen eines oder 
verschiedener Fäden wachsen gegen einander und verbinden sich, 
wodurch eine Spore (Zygospore) entsteht. Sehr unpassend hat man 
diesen Vorgang als geschlechtliche Zeugung aufgefasst. Die Zygo- 
sporen scheinen überhaupt keine sehr wesentliche Bedeutung zu 
haben und es wäre ganz absurd, aus ihrem Vorkommen bei irgend 
einem Pilze schliessen zu wollen, derselbe könne ausser ihnen keine 
höher entwickelte Fruchtform besitzen, wie das in der That bis- 
weilen geschehen ist. Manche Fruchtformen von sehr hoher Ent- 
wickelungsstufe entstehen dagegen durch Vorgänge, denen man 
vielleicht mit etwas grösserem Recht die Bedeutung des Geschlechts- 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. al 


aktes zugeschrieben hat. Derartige Vorgänge sind von de Bary 
bei Peronosporeen, bei Erysibe, von mehren Forschern bei Sapro- 
legnieen, von mir bei Eurotium beschrieben. Durch eine noch 
dunkle Einwirkung einer Zelle eines Fadens auf eine andere wird 
diese in eine Spore oder in die erste Anlage zu sporenumschlies- 
senden Schläuchen (Asci) verwandelt. Da der eigentliche Vorgang 
hier noch ganz dunkel ist, so muss man sich wohl hüten, von einem 
Geschlechtsakt zu reden, so lange nicht die Spermatozoiden nach- 
gewiesen wurden und das ist mit Sicherheit bis jetzt nirgends ge- 
schehen. 

Die hier erwähnten Früchte sind aber als die Hauptfrucht 
des Pilzes aufzufassen. Dieselben sind entweder Sporen, so bei den 
Peronosporeen, oder es sind Schläuche, welche meist in grösserer 
oder kleinerer Anzahl von einer Hülle (Perithecium) umschlossen 
sind und ihrerseits die Qporen enthalten. Diese Formen bilden 
die natürliche Gruppe der Ascomyceten oder Schlauchpilze, die 
man in die beiden Hauptgruppen der Scheibenpilze (Discomyceten) 
und Kernpilze (Pyrenomyceten) zerlegt hat. Auf der ersten Tafel 
des ersten Heftes dieser Zeitschrift haben wir in den Figuren 30 
und 31 die Askenfrucht eines Kernpilzes, der Fumago salicina, ab- 
gebildet. 

Der Pyeniden, Schläuche mit Conidien von mehr untergeord- 
neter Bedeutung, und der Spermogonien, flache oder hohle Behäl- 
ter, in denen an den Fadenenden Keimzellen abgeschnürt werden, 
wollen wir vorläufig nicht weiter gedenken. 

Wenn wir die Pilze nach der so eben besprochenen wichtig- 
sten Fruchtform einer Revision unterziehen, so bleiben nur zwei 
natürliche Pilzgruppen für das Pilzsystem übrig, nämlich solche 
mit einfachen Sporen und solche mit Sporenschläuchen. Wir kön- 
nen diese als Sporomyceten und Ascomyceten unterscheiden. Die 
Ascomyceten zerfallen in Pyrenomyceten und Discomyceten. Die 
Haplomyceten (Schimmelpilze) und Coniomyceten sind, wie wir ge- 
sehen haben, keine selbstständigen Gruppen und die Bauchpilze 
(Gasteromyceten) und Hautpilze (Hymenomyceten) müssen wir so 
lange als ganz zweifelhaft ansehen, bis wir über ihre Fortpflanzung 
Genaueres erfahren. So viel ist aber wohlim Ganzen aus unserer 
Darstellung klar geworden, dass wir es bei den Pilzen mit einer 
sehr niedrigen Organisationsstufe zu thun haben, indem der ein- 
zelnen Zelle, ja selbst dem Plasmaklümpchen (Coceus) noch ein 
überaus grosser Spielraum, eine grosse Selbstständigkeit, gelassen 


172 Ernst Hallier, 


ist. Je höher ein Organismus entwickelt ist, desto unselbstständi- 
ger wird die Zelle. 

Ob wir nun die Pilzfamilie als Pflanzengruppe auffassen wol- 
len oder ob wir sie mit Häckel in’s Protistenreich stellen, das 
dürfte vor der Hand ziemlich gleichgültig sein, wenn wir nur fest- 
halten, dass wir es mit sehr niedrigen Organismen zu thun haben. 
Die nahe Verwandtschaft der Ascomyceten mit den Flechten dürfte 
aber empfehlenswerth machen, dass man vorläufig die Pilze als eine 
Vorstufe der Pflanzenwelt auffasst. Scharfe Grenzbestimmungen 
gegen die Flechtenfamilie wird man wohl niemals finden, ebenso 
wenig aber gegen die Algen und gegen die niedrigsten thierischen 
Organismen. 


ll. Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 


Schreiten ‘wir nun zum speciellen Theil unserer Aufgabe, so 
zerfällt uns dieser in zwei verschiedene Theile, nämlich in die Be- 
trachtung des Thatbestandes und die Erörterung der Bedeutung 
des letztgenannten. 

Der blosse Thatbestand lässt oft sehr schwer, ja oft gar nicht 
eine sichere Bestimmung der Parasitenspecies zu. Wenn man z. B. 
im Blut eines Säugethieres Hefezellen findet, so ist dieser Befund 
bedeutungslos, so lange man nicht weiss, welchem Pilz diese Hefe- 
zellen ihre Entstehung verdanken. Wenn aber der menschliche 
oder thierische Organismus ausser den Hefezellen gar keine Form 
des betreffenden Pilzes einschliesst, so kann dieser nur durch Kul- 
turversuche mit den Hefezellen enträthselt werden. Wir werden 
nun im Folgenden beide Aufgaben streng getrennt halten. Der 
erste Abschnitt unserer Arbeit wird den pflanzlichen. Thatbestand 
bei den Infectionskrankheiten von Menschen, Thieren und Pflanzen 
untersuchen. Darauf wird ein zweiter Abschnitt die Bedeutung 
dieses Thatbestandes erörtern. Die Besprechung der einzelnen 
Krankheiten halten wir getrennt, ebenso auch die Abbildungen. 


1) Der Thatbestand. 


a) Menschliche Krankheiten. 
Cholera. (Taf. IV Fig. 50.) 


Leider ist es mir zur unerlässlichen Pflicht geworden, die 
Sache, welcher ich diene, gegen die persönlich gehässigen und so 
recht vom Zaun gebrochenen Verdächtigungen und Angriffe meines 
Kollegen de Bary zu vertheidigen. 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 173 


Freilich bedürfte es in einer Sache, in welcher auch nicht 
einmal der Versuch zu einer Widerlegung gemacht worden ist, 
wo der Angriff von einem in der Sache völlig Unwissenden ge- 
macht wurde, kaum der Rechtfertigung, wenn nicht die Sache 
selbst so schwierig und verwickelt wäre, dass es leicht ist, durch 
einfache Behauptung der Unrichtigkeit meiner Untersuchung, die- 
selbe bei Vielen zu verdächtigen, denn wer sie wirklich kontro- 
liren wollte, dem würde es jahrelange Arbeit kosten. Ist doch 
selbst Virchow unvorsichtig genug gewesen, sich dem de Bary- 
schen Urtheil einfach anzuschliessen. 

Allerdings habe ich die Tendenz des Herrn Kollegen de Bary 
schon öffentlich zur Sprache gebracht in einer kleinen Schrift, die 
Jedermann gratis von mir beziehen kann*). Indessen genügt das 
nicht, um der Sache selbst ihr Recht zu schaffen, und das ist 
doch bei Weitem die Hauptsache. Ich habe, wie man in der 
Folge sehen wird, Mühe und Arbeit nicht gescheut, um meiner 
Arbeit jede nur mögliche Kontrole angedeihen zu lassen und den 
in meiner Schrift über das Cholera - Contagium mitgetheilten Kul- 
turen ist die Untersuchung von 5 anderen Fällen gefolgt. Ich 
lasse einfach die Thatsachen reden und werde diese mit den Be- 
hauptungen des Herrn de Bary vergleichen, indem ich ihn mög- 
lichst wörtlich anführe. 

Die von mir untersuchten Cholera-Stühle enthielten sämmtlich 
als Hauptbestandtheil, ja, wie ich mich jetzt überzeugt halte, als 
einzigen wesentlichen Bestandtheil, sehr kleine bewegliche oder 
bewegungslose Cocei in ungeheuren Massen, theils frei in der 
Flüssigkeit schwimmend, theils auf Epithelzellen angesiedelt. In 
mehren Fällen war ausser diesen Cocci, die wir vorläufig als Mi- 
crococcus bezeichnen wollen, keine Spur von anderen Pilzelemen- 
ten vorhanden. Der Micrococcus liegt oft in kugeligen Haufen 
beisammen (Tafel IV Fig. 50 a), oft sind diese Haufen noch von 
einer deutlichen Zellenmembran umgeben, in anderen Fällen da- 
gegen (Taf. IV Fig. 50, b) ist die Grenze des Haufens nicht mehr 
deutlich zu erkennen, in noch anderen schwimmen die Cocci schon 
ganz isolirt umher. Wie in allen ähnlichen Fällen können die 
kleinen Cocci, so lange sie noch nackte Plasmakügelchen darstel- 
len, Bewegungen ausführen oder erleiden. Die Gestaltveränderun- 


*) E. Hallier, Rechtfertigung gegen die Angriffe des Herrn Professor 
Dr. de Bary. Sendschreiben an deutsche und auswärtige Gelehrte. 


174 Ernst Hallier, 


gen und Ortsbewegungen sind allgemeine Erscheinungen nackter 
Zellen (Cocci) und Eigenthümlichkeiten des Plasma’s überhaupt; 
daher kann man sich nicht wundern, dass sie bei sehr verschiede- 
nen Organismen vorkommen. Ich fand den Micrococcus der Cho- 
lera-Stühle anfänglich nur im bewegungslosen Zustand, während 
er von Andern in lebhafter Bewegung (Form der Monas prodi- 
giosa) gesehen wurde. Meist sah ich ihn von gelblicher oder 
blassbrauner Farbe, doch ist vielleicht auch das nicht grade we- 
sentlich. 

Ausser dem Micrococcus in seinen verschiedenen Formen, über 
welche sogleich noch weitere Angaben gemacht werden sollen, 
fand sich in mehren der untersuchten Fälle keine Spur von. Pilz- 
bildungen und wenn de Bary behauptet *), die von mir ausge- 
säeten Materien „enthielten Micrococcus, Cryptococcus, Torula, 
Penicillium, Cysten,‘‘ so weise ich das als eine Erfindung zurück. 
In dem zuerst von mir untersuchten Berliner Cholerastuhl war 
weder Cryptococcus noch Penicillium vorhanden, was Herr de 
Bary, wenn er die von ihm kritisirte Schrift aufmerksam gelesen 
hat, recht wohl weiss**). Wenn aber auch Hunderte verschie- 
dener Sporenarten in den Cholerastühlen vorhanden gewesen wären, 
so würde sich daraus kein Einwand gegen die Keimfähigkeit des 
Micrococcus ergeben, da ich dessen Keimung direkt beobachtet 
habe, wie ich ausdrücklich hervorgehoben. Davon weiter unten. 

In den Cholerastühlen ist schon vor mir von Andern der Mi- 
crococeus.in Theilung beobachtet, und zwar wie er nach vorheriger 
Streckung quer in zwei kugelige oder gestreckte Glieder zerfällt, 
Auch hierauf komme ich unten bei Besprechung der Kulturen 
zurück. ~ 


Diarrhoe. (Taf. IV Fig. 51.) 

Der Stuhl eines 6 Monate alten Kindes, welches nach 14tä- 
sigem Genuss der sogenannten Liebig’schen Malzsuppe von leich- 
tem: Durchfall befallen wurde, zeigte die in Figur 51 abgebildeten 
pflanzlichen Vorkommnisse in grosser Menge, nämlich zahllose 


*) Botanische Zeitung 1868 Nr. 43 Spalte 717. 

**) Es ist höchst auffallend, wie leicht Herr de Bary und einige seiner 
Schüler es in der Polemik mit der Wahrheit nehmen. Weder das Berliner 
noch das Elberfelder Material enthielt Penicillium, sondern, wie ich ausdrück- 
lich (Cholera-Contagium S. 6) angegeben habe, nur die mit Erbrochenem ge- 
füllten Flaschen von Elberfeld. 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 175 


bewegliche und unbewegliche Cocci, zum Theil in Streckung und 
Theilung begriffen und längere Ketten (b) mit’oder ohne deutliche 
Gliederung. x 

Die Vorkommnisse sind also denjenigen bei der Cholera überaus 
ähnlich, und man könnte sogar geneigt sein, sie mit dem Cho- 
lera - Micrococcus für identisch zu halten. In dem hier erwähnten 
Fall fanden sich, was ich nur beiläufig erwähnen will, im Stuhl 
grosse Mengen von Sporen, welche grösstentheils zu Ustilago carbo 
und zu Tilletia caries gehörten und ohne Zweifel dem zur Liebig’- 
schen Suppe angewendeten Malzmehl und Weizenmehl ihren Ur- 
sprung verdankten. Auch bei Erwachsenen fand ich mehrfach bei 
Diarrhoe den in Figur 51 abgebildeten ganz ähnliche Vorkomm- 
nisse. Es darf aber überhaupt gar nicht verschwiegen werden, 
dass der Stuhl des vollkommen gesunden Menschen stets in 
grosser Menge solchen Micrococcus und daneben Bruchstücke von 
Mycothrix - Ketten enthält. Nur ist im Stuhl des gesunden Men- 
schen der Micrococcus seltener geballt (in Nester, Gallertstöcke 
oder Kolonieen vereinigt), während das beim Cholera-Stuhl fast 
immer‘ der Fall ist. Aber dass es nach dem blossen pflanzlichen 
Befund keinen Unterschied zwischen Cholerastühlen und den Stüh- 
len gesunder Menschen giebt, welcher für alle Fälle ganz sicher 
ausreichte, ist gewiss. Der einzige Anhaltspunkt sind vielleicht 
bei der Cholera die vom Micrococcus belagerten Epithelzellen, 
wenn es wirklich feststeht, dass die massenhafte Abstossung des 
Darmepithels bei der Cholera niemals fehlt. Dass und wie die 
pflanzlichen Organismen des Cholerastuhls sich aber in der That 
von denjenigen bei Diarrhoe und beim gesunden Menschen unter- 
scheiden , ist unten nachzuweisen. 

Es mag gleich hier Erwähnung finden, dass Affen und Hunde 
bei Durchfällen ganz die nämlichen Vorkommnisse im frischen 
Stuhl in gleich grossen Quantitäten zeigen, mit dem Unterschied 
jedoch , dass der Micrococcus sich in den Präparaten, welche ich 
von derartigen Hundeexkrementen angefertigt habe, unter dem 
luftdicht verkitteten Deckglas allmählig in Arthrococcus verwan- 
delt. Ob das (im Glycerin) immer der Fall ist oder nur in den 
speciellen von mir untersuchten Fällen, muss weiteren Unter- 
suchungen vorbehalten bleiben. 

In Affenexkrementen fand ich mehrfach Arthrococcus, was 
beim Menschen niemals vorkommt, wie es auch bei fleischfressen- 
den Säugethieren von mir niemals gesehen wurde. Die Affenexkre 

198 12 


176 Ernst Hallier, 


mente sind den menschlichen im Uebrigen sehr ähnlich. Vielleicht 
ist ein grosser Gehalt an Milchsäure und, was damit innig zu- 
sammenhängt, von Arthrococcus, durch die vorzugsweise vegeta- 
bilische Nahrung des Affen bedingt, Genaue Untersuchungen der 
Organismen in den Exkrementen verschiedener Säugethiere sind 
im höchsten Grade wünschenswerth. 


Ruhr“). (dab IV Eis. 52.) 

Natürlich sehe ich hier ab von einer Beschreibung der übri- 
gen charakteristischen Vorkommnisse in den Ruhrdejectionen und 
nehme bloss auf die vegetabilischen Rücksicht. 

Der Stuhl eines Ruhrkranken ist weit dichter als derjenige 
eines Gesunden mit Micrococcus erfüllt und zwar treten diese 
Cocci (Fig. 52 Taf. IV) zum grossen Theil in kleineren, meist aber 
recht umfangreichen Kolonieen (Gallertstöcken oder Nestern der 
Autoren) auf. 

In den Kolonieen sind die Cocci natürlich unbeweglich. Man 
findet zwischen den Kolonieen (Fig. 52 b—d)} nicht selten, blasse 
in Auflösung begriffene Conidien (a Fig. 52), deren Plasma sich 
in Cocci umgewandelt hat. 

Ausser diesem Befund, welcher ungemein grosse Aehnlichkeit 
mit demjenigen bei der Cholera hat, findet man kleine farblose 
kugelige Conidien (e Fig. 52) und in ziemlich grosser Menge eilan- 
zettliche einfache oder doppelte Sporen (f Fig. 52) von dunkel- 
brauner Farbe. Diese scheinen im Darm ihren Ursprung zu neh- 
men, denn man findet ihrer manche sehr jugendlich, blass und 
mitunter mit Mycel in Verbindung. Diese Notiz mag dazu dienen, 
die Herren Aerzte und pathologischen Anatomen zu einer genauen 
Untersuchung der Darmwand zu veranlassen. 

Der Micrococcus findet sich zwischen den Kolonieen auch frei 
in der Flüssigkeit vertheilt. Ausserdem sieht man die in der 
Flüssigkeit schwimmenden Blutkörperchen vom Micrococcus bela- 
gert in ganz ähnlicher Weise wie bei der Cholera die Epithel- 
zellen. 

Die braunen Sporen (f Fig. 52) scheinen mir besonders der 
Beachtung werth zu sein. Sie haben gewöhnlich gegen das eine 
Ende hin, welches man als den Anheftungspunkt erkennt, eine 


*) Vergl. Heft I, S. 1—12 und 5. 71 — 75 dieser Zeitschrift. 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 177 


Verschmälerung und Abstutzung, sind am entgegengesetzten Ende 
etwas breiter und mit stumpfer Spitze versehen. 

Noch will ich nicht unerwähnt lassen, dass Bruchstücke von 
Mycothrix -Ketten, wie sie in den Exkrementen gesunder In- 
dividuen fast nie fehlen, im Ruhrstuhl nur ganz vereinzelt vor- 
kommen. 


Darmtyphus. (Taf. IV Fig. 53.) 


Der Stuhl der Typhuskranken wimmelt von kleinen Organis- 
men, welche von denjenigen bei Cholera und Diarrhoe ebenso- 
wohl, wie von denjenigen der Exkremente gesunder Menschen 
leicht unterscheidbar sind. Es ist daher leicht möglich, dass man 
in den pflanzlichen Vorkommnissen im Stuhl der Typhuskranken 
ein neues Erkennungsmerkmal für diese Krankheit gewinnt. 

Der Micrococeus des Typhusstuhls (Taf. IV Fig. 53) ist stets 
der grösseren Menge nach in lebhafter Bewegung begriffen, und 
diese beweglichen Körper sind ungewöhnlich gross (vgl. Fig. 53). 

Die Cocci sind entweder fast kreisrund (Fig. 53 a), oder häu- 
figer mit verschiedenen kleinen kontraktilen Fortsätzen versehen. 
In der Mehrzahl der Fälle ist einer dieser Fortsätze ungewöhnlich 
lang (Fig. 53 b, c) und bewegt sich lebhaft hin und her; biswei- 
len sind zwei solche lange Fortsätze vorhanden (Fig. 53 d). Bei 
2000facher Vergrösserung sah ich bei den grössesten Individuen 
- deutlich, wie der Fortsatz als Verlängerung des Plasma’s aus einer 
Umhüllung hervorragte, ähnlich wie die Cilie eines Schwärmers 
-aus der Mutterzelle, so lange er noch nicht von derselben befreit 
ist. Ob man aber diese beweglichen Körper mit den echten 
Schwärmern oder nicht vielmehr mit den Monaden zu vergleichen 
hat, wie sicherlich in vielen anderen Fällen, mag noch zweifelhaft 
erscheinen. 

Im Blut findet sich bei Ileotyphus ebenfalls Micrococcus, doch 
ist er weit kleiner und tritt nicht sehr massenhaft auf; auch sind 
die Individuen hier häufiger in Ruhe und oft in Theilung begriffen, 
ja, lange Ketten bildend. Der Micrococcus im Darm ist zum Theil 
gelblich gefärbt, was bei den kleineren Cocci im Blut wenigstens 
nicht so deutlich hervortritt. 


Flecktyphus. 
Bei Flecktyphus fand ich im Blut in mässiger Menge schwär- 
mende Körperchen, welche den in Figur 53 abgebildeten durchaus 
DN» 


178 Ernst Hallier, 


ähnlich sind, durchschnittlich weit grösser und in lebhafterer Be- 
wegung, wie die im Blut bei Ileotyphus vorkommenden Cocci. 
Bei’m Flecktyphus habe ich nur das Blut untersucht, was hier 
nochmals ausdrücklich bemerkt werden mag. 


Febris recurrens. (Taf. IV Fig. 54.) 


Bei dieser Krankheit untersuchte ich nur das Blut wiederholt 
und zwar im Isolirhause zu Jena. Sowohl die rothen als auch 
die weissen Blutkörper waren stark mit Micrococcus besetzt. Die 
rothen Blutkörper erleiden unter der Einwirkung des Micrococcus 
eine merkwürdige Veränderung. Sie werden nämlich kontraktil 
‘und treiben nach verschiedenen Seiten (a Fig. 54) längere oder 
kürzere wimperartige Fortsätze. Bei den weissen Blutkörpern 
sind solche Fortsätze (g, h Fig. 54) seltener. Meist sieht man 
deutlich, dass jeder Fortsatz einem Coccus entspricht. Die Cocci 
sind in zitternder Bewegung, daher zeigen alle mit Micocroccus 
besetzten Blutkörper die nämliche Bewegung, wogegen die gesun- 
den (r Fig. 54) bewegungslos sind. An den weissen Blutkörpern 
(c—h Fig. 54) sind die Cocci meist kleiner, sie sind aber stets 
von der feinen granulirten Zeichnung leicht unterscheidbar. Ge- 
wöhnlich findet man die weissen Blutkörper schon mehr oder we- 
niger durch den Micrococcus zersetzt; oft verschwindet der Umriss 
des Blutkörperchens (e Fig. 54) und man erblickt im Blut grosse 
Ballen (f Fig. 54) von zusammengeklebten, in Auflösung begriffe- 
nen Blutkörpern. Die Cocci schwimmen auch frei in der Blutflüs- 
sigkeit (i Fig. 54), sie bewegen sich und besitzen einen oder oft 
mehre Fortsätze (m Fig. 54). Oft sieht man sie in Theilung 
(1 fig. 54), ja in Kettenbildung (k Fig. 54) begriffen. Sogar inner- 
halb des Blutkörperchens gewahrt man bisweilen den nämlichen 
Theilungsprozess (b Fig. 54). Wie unter den rothen Blutkörpern, 
so giebt es auch unter den weissen völlig gesunde ohne Micro- 
coccus. 

Masern. 

Im Blut der Maserkranken finden sich in ziemlich grosser 
Menge freischwimmende Cocci, meist mit‘ einem schwanzförmigen 
Ende. Sie sind beweglich und farblos, kleiner als diejenigen bei’m 
Typhus. Die nämlichen Organismen fanden sich in sehr grosser 
Anzahl in den Sputis der Maserkranken. 

Von den Blutkörpern sind nur einzelne vom Micrococcus be- 
lagert oder erfüllt. 


: Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 179 


Blattern. (Taf. IV Fig. 55:) 

Leider hatte ich bis jetzt nicht Gelegenheit, das Blut der Blat- 
terkranken zu untersuchen; doch besitzen wir darüber die interes- 
sante Arbeit von Salisbury, welcher nachweist, dass im Blut Or- 
ganismen vorkommen, die er genau so beschreibt und abbildet, wie 
die von mir in der Lymphe gefundenen. In der Lymphe befinden 
sich zahlreiche Cocci, an denen ich deutliche Bewegung nicht 
wahrnahm (Taf. IV Fig. 55). Dieselben schwimmen zum Theil 
frei in der Flüssigkeit, sind oft in Theilung begriffen und bilden 
sogar zarte Keimlinge (f. Fig. 55), Kettchen (e) und Fusionen (d). 
Dabei verschmelzen die Cocci in kleinerer oder grösserer An- 
zahl zu einem Plasmaklumpen. Fast alle Lymphkörper (a, b 
Fig. 55) enthalten im Innern Cocci in grösserer Anzahl und wer- 
den oft zerstört. 


Vaccine. 
Sowohl origmäre als übertragene Vaccine enthält kleine Cocci 
und Ketten derselben, in geringerer Menge jedoch als die Lymphe 
der Variola. 


Scharlach. (Taf. II Fig. 12.) 

Das Blut der Scharlachkranken enthält Micrococcus in unge- 
heuren Mengen, so zahlreich, wie kaum bei einer anderen Krank- 
heit. Derselbe tritt theils in Kolonieen (mh), theils einzeln und 
frei (m Fig. 12 Taf. I), theils innerhalb und an der Aussenfläche 
der Blutkörper (w und r Fig. 12) auf. Auch keimend und in kur- 
zen Ketten findet man ihn. 

Tripper. (Taf. IV Fig. 56.) 

Das Secret des Trippers enthält massenhaft Cocci, welche zum 
Theil frei sind, zum Theil sich im Innern der Eiterzellen (a Fig. 
56) befinden, in diesen Vacuolen bilden und sie zuletzt gänzlich 
zerstören (b, c Fig. 56). 

Ganz ähnliche Körperchen finden sich bei Tripper- Rheumatis- 
mus im Blut, besetzen die Blutkörperchen und dringen in diesel- 
ben ein. 


Schanker. 
Die Organismen im Sekret des weichen Schankers bieten ein 
sehr ahnliches Bild dar, wie bei’m Tripper. Die Cocci haben ohn- 
gefahr die nämliche Grösse, sind farblos und verhalten sich zu 


180 Ernst Hallier, 


den Eiterzellen genau so wie bei’m Tripper. Sie treten auch oft 
in nicht minder grosser Anzahl auf wie dort. 


Syphilis. 

Bei constitutioneller Syphilis ist das Blut sehr dicht erfüllt 
mit Micrococcus. Derselbe spielt den Blutkörpern gegenüber ge- 
nau die nämliche Rolle, wie derjenige im Scharlachblut, er dringt 
in dieselben ein, vermehrt sich darin, bildet Vacuolen und die 
Blutkörper treiben wimperartige Fortsätze und bilden unregel- 
mässige Gestalten. Die Vacuolen sind sehr gross und deutlich, 
während deren in den Blutkörpern der Scharlachkranken kaum 
nachweisbar sind. 


Verzeichniss der Abbildungen von Tafel III und IV. 
Tafel II. 


Fig. 1. Vermehrung des Micrococcus in den Kulturen des Seidenraupenpilzes 
der Gattine (Pleospora herbarum Tul.), a) Theilungsakt der Cocci, b) Ent- 
fernung der noch nicht völlig getrennten Paare von einander, c) Entfernung 
der nun getrennten Cocei eines Paares und der Paare unter sich, sowie der 
Doppelpaare. Die Hülle ist gelatinös, nicht membranös, obgleich oft schein- 
bar Scheidewände vorhanden sind. Vergr. 1970. 

Figg. 2—10. Fruchthyphen von Mucor mucedo Fres. 594 

Fig. 2. Scheidewand einer Hyphe mit wandständigem Kern (KR). 

Fig. 3 u. 4. Zwei Fragmente einer Hyphe mit Kernen (K, K‘, K“) und Ma- 
eroconidien (m) in verschiedenen Entwickelungszuständen. 

Fig. 5. Fragment einer Hyphe mit Längsfalten und Kernen (K‘, K”). 

Fig. 6. Ein desgleichen mit kleineren Kernen. 

Fig. 7. Bandförmiges, lufterfülltes Fragment einer Hyphe. 

Fig. 8. Fragment einer leeren Hyphe, bandförmig und längsfaltig. 

Fig. 9. Knickungsstelle einer Hyphe, um die bandförmige Beschaffenheit deut- 
lich zu zeigen. 

Fig. 10. Zarte Streifung (Faltung) in zwei sich kreuzenden Richtungen. 

Fig. 11. Angeschwollenes Ende einer Fruchthyphe von Rhizopus nigricans 
Ehrenb. mit einer langen, am Ende schwellenden Vacuole. 

Fig. 12. Micrococcus im Blut eines Scharlachfieberkranken. mh= Haufen, 
Nester oder Gallertstöcke des Micrococcus, m= freier Micrococcus, w= 
weisse Blutkörperchen, r= rothe Blutkörperchen mit Micrococcus, k= Keim- 
faden. Vergr. 54/, 

Fig. 13. Micrococctis aus dem Blut eines Scharlachkranken in verschiedenen 
Stadien der Keimung; a) Einzelne Cocci, ein wenig geschwollen, b) Einzelne 
Cocci, dünne Keimfäden treibend, c) Mehre Cocci, im Begriff sich zu ver- 
einigen oder zum Theil bereits vereinigt, d) Grössere, aus der Vereinigung 
mehrer Cocci hervorgegangene, Plasmamassen im Begriff Keimfäden auszu- 
senden, e) Noch grössere Plasmamengen desselben Ursprungs, f) g) h) Der- 
gleichen in Keimung. 

Fig. 14. Micrococcus aus einem Cholera- Stuhl, unter dem Deckglas zu Spo- 
roiden anschwellend. 

Fig. 15. Derselbe in einem späteren Stadium der Entwickelung. Viele der 
Sporoiden sind bereits gekeimt, bei f haben zwei Keimfäden sich mittelst 
einer Fusion verbunden. Bei e bilden die Keimfäden bereits Conidien, 
welche bald einzeln endständig, bald als Glieder des Keimfadens abgeschnürt 
werden. 


182 Verzeichniss der Abbildungen. 


Fig. 16. Aus derselben Kultur ein Conidien bildender Ast eines Keimlings. 
Die Conidien werden zum Theil als Sprosszellen von Sterigmen (st) abge- 
schnürt, zum Theil entstehen sie durch blosses Zerfallen des Fadens (k), 
also durch Abschnürung von Gliedern. 

Fig. 17. Macroconidien von Tilletia caries Tul. aus der Kultur des Cholera- 
Pilzes. Dieselben enthalten einen grossen Ballen Plasma (p), welcher sich 
durch Einwirkung von Glycerin von der Wand zurückgezogen hat, und in 
dem Plasma eine Oelmasse (0), welche bei o ihre Vacuole verlässt, um an 
einer verdünnten Wandstelle auszutreten. Aus der Macroconidie bei 1 ist 
sowohl das Plasma als das Oel ausgetreten ; sie ist leer. 

Fig. 18. Macroconidien aus einer anderen Kultur. Sie sind sehr schwach 
ausgebildet, haben fast gar kein Plasma, aber grosse Oeltropfen (0). 

Fig. 19. Fragment einer Hyphe von Mucor scarlatinosus mit schraubiger 
Verdickungsstreifung. Zeiss F/e. 

Fig. 20. Mycothrix -Ketten des Scharlachpilzes. Fe. 

Fig. 21. Bildung des Arthrococeus, d. h. der Körperchen des Cornalia aus 
dem Micrococcus im Darm der Seidenraupe. 1%). 

Fig. 22. Arthrococcus, durch fortgesetzte Zweitheilung des Plasma’s Micro- 
coccus bildend. 35%. 

Fig. 23. Schizosporangien von Tilletia scarlatinosa. Das Plasma ist in ver- 
schiedenen Stadien der Theilung. #%, 

Fig. 24. Macroconidien des Cholera-Pilzes, a—c in zerbrechlichen Ketten 
(Oidium lactis), d, e, g, h, k in Ketten, deren Glieder grösser und unselbst- 
ständiger sind, f und i einzeln endständig an unselbstständigen Fäden, bei y 
Theilung nach zwei Richtungen. 319. 

Fig. 25—31. Penicillium von Tilletia caries Tul., auf stickstoffreichem, aber 
zu trocknem Substrat. 

Fig. 25. Pinsel, dessen. Sterigmata blasenförmig aufgetrieben und unfruchtbar 
sowie leer sind. 

Fig. 26. Die Sterigmata sind schon aufgetrieben, bringen aber noch einige 
Sporen hervor. 

Fig. 27. Die Sterigmata schnüren am Ende je eine einzelne blasige Zelle ab, 
welche noch etwas Plasma enthält. 

Fig. 28. Die Sterigmata selbst bilden sich zu blasigen Zellen aus. 

Fig. 29. Ebenso, jedoch nur wenige sehr grosse Zellen an der Stelle der Ste- 
rigmata. 

Fig. 30. Jedes Sterigma zu einer grossen blasigen Zelle mit wenig Plasma 
entwickelt. 

Fig. 31. Jede Fadenzelle zu einer grossen Blase (unreifem Schizosporangium) 
angeschwollen. Es bilden sich in derselben wandständige Sporen, welche 
jedoch nicht zur Reife gelangen. Figg. 27—30 aus Culturen des Cholera- 
Pilzes. 

Fig. 32. Macroconidien von Mucor racemosus Fres., sowohl endständig als 
interstitiell entstehend. 


Tafel IV. 


“ Fig. 33. Cholera-Pilz aus einer Kultur, mit einer Kette von Macroconidien 
(mk), einer endständigen Macroconidie (n) und vielen Saugfäden (8). 


Verzeichniss der Abbildungen, 183 


Fig. 34. Zwei keimende Macroconidien mit Oeltropfen in den Keimschläu- 
chen (0). 

Fig. 35. Fruchthyphe von Mucor racemosus Fres. mit zwei Kapseln, von 
denen eine schon geplatzt ist. 


Fig. 36. Kapsel desselben Pilzes, dessen Plasma (p) nur zur Bildung weniger 
Sporen ausgereicht hat. 

Fig. 37. Fruchthyphe von Mucor racemosus Fres., um die Verästelung zu 
zeigen. Zeiss D/A. 


Fig. 38. Keimung von Tilletia caries Tul. in feuchter Luft. k= Kranzkör- 
perchen; dieselben sind bei a noch sehr kurz auf langem Schlauche, bei d 
brechen sie gleich aus der Spore hervor, bei b ist der sie tragende Schlauch 
mit kräftigem Seitenast versehen, e zeigt zwei abgefallene Kranzkonidien 
mit einer sie verbindenden sprossförmigen Fusion; f zeigt eine desgleichen, 
bei welcher der Fusion gegenüber ein Keimschlauch hervorbricht. 

Fig. 39— 45. Der Scharlach- Pilz. Zeiss F/. 

Fig. 39. Keimfaden eines Schizosporangiums. Die Zellen a und b haben jede 
einen seitlichen Zweigfaden getrieben; bei der Zelle a ist das Plasma an 
der Spitze aus sehr feiner Oeffnung ausgeflossen, das in der Zelle noch zu- 
rückgebliebene Plasma zeigt zahlreiche, sehr kleine Vacuolen mit Körnchen 
(Cocei), während das Plasma der Nachbarzelle b noch unversehrt, dicht ist 
und nur wenige Körner erkennen lässt. 


Fig. 40. Zweig eines Keimfadens mit einem Seitenzweig und einer endständi- 
gen Macroconidie (m). Daneben (sm) eine seitlich hervorsprossende Macro- 
conidie. 

Fig. 41. Zweig eines Keimfadens mit mehren Seitenzweigen. Aus den Zwei- 
gen p und z ist an der Spitze aus einer feinen Oeffnung Plasma ausgetre- 
ten, das Plasma bei z sondert eine Hüllmembran aus. 


Fig. 42. Keimfaden, aus dessen Zweigen seitlich und endständig Macroconi- 
dien hervorsprossen. 

Fig. 43. Keimfaden mit Macroconidien. a und b noch im Sprossen begriffen, 
c und d schon durch die Wand vom Tragfaden getrennt. 


Fig. 44. Keimfadenzweig, durch Theilung des Plasma’s Macroconidien (m) 
bildend. 

Fig. 45. Keimfadenzweig mit zahlreichen traubig angeordneten Macroconidien, 
meist zu 3—6 simultan aus einer Basidie (h) hervorspriessend, mit einer 
reifen Mucor-Kapsel (th) und einem jungen Mucor bildenden Zweig (h). 
Zeiss DJ. 

Fig. 46. Ein Sterigma von Penicillium (st), an dessen oberer Spitze die Co- 
nidien in der Reihenfolge f, e, d, c, b, a in Kettenform hervorgesprosst 
sind. Sehr stark vergr. 

Fig. 47. 48. Stücke von Keimfäden des Scharlachpilzes. z= junge und ältere 
Zweige, zw. Zweig, vom oberen Knde einer Zelle entspringend. 


Fig. 49. Arthrococcus von Pleospora herbarum Rab. 

Fig. 50. Micrococcus aus einem Cholera - Reiswasserstuhl. 9. 
a) in Form eines kugeligen Ballens. 
b) unregelmässig angeordnet. 54%. 


184 Verzeichniss der Abbildungen. 


Fig. 51. Pflanzliche Vorkommnisse im Stuhl eines am Durchfall erkrankten 
Kindes. a= Micrococcus. b= Mycothrix - Ketten. 

Fig. 52. Pflanzliche Vorkommnisse im Ruhrstuhl. a= Pilzzelle (Conidie), 
deren Plasma in Cocei zerfallen ist; b= Doppelkolonie (Gallertstock) des 
Micrococcus; c= unregelmässige Kolonie; d desgl., sehr umfangreich ; e = 
blasse Conidien; f= braune Sporen. 

Fig. 53. Micrococcus aus einem Typhusstuhl. a= Kugelige und unregel- 
mässig gestaltete Cocci, b) dergleichen mit einem kürzeren oder längeren 
schwanzförmigen Fortsatz, c) mit einem sehr langen Fortsatz und einzelnen 
Anschwellungen an deniselben, d) mit zwei Fortsätzen. 

Fig. 54. Micrococcus im Blut bei Febris recurrens; a) rothe Blutkörper mit 
Micrococcus und wimperartigen Fortsätzen, b) dergleichen mit sehr kurzen 
Auftreibungen und mit einem sich theilenden Coccus; c, d) weisse Blutkör- 
per; e) ein solches in Auflösung; f) ein Ballen aufgelöster Blutkörper; g, h) 
Blutkörper mit wimperartigen Fortsätzen; i) frei schwimmende Cocci; 
k) solche in Ketten; 1) solche in Theilung; m) solche mit mehren Fort- 
sätzen. 

Fig. 55. Pflanzliche Organismen der Blatternlymphe; a, b) Lymphkörper mit 
Micrococcus, c) freier Micrococcus, d) desgleichen, mehre Cocci zusammen- 
schmelzend, e) derselbe Ketten bildend, f) Keimling. 

Fig. 56. Micrococcus im Tripper-Eiter. a= Eiterkörper mit Micrococcus, 
welcher zum Theil in Vacuolen liegt, b, c) durch den Micrococcus zu Grunde 
gerichtete Eiterkörper. 

Fig. 57. Organismen im Blut eines rotzkranken Pferdes; a= rothe Blutkörper, 
b= weisse Blutkörper, c = freie Cocci. 

Fig. 58. Der Parasit der Zuckerkrankheit; a) Cocci, in Theilung, Kettenbil- 
dung und Schwellung begriffen, b) dem Cryptococcus ähnliche Zellen, 
c) Keimfäden, Keimungsprodukt der vorigen, d) gegliedertes Bruchstück eines 
Keimlings, e) algenartiger Faden eines solchen, f) kleine Keimlinge, g) An- 
schwellung des Fadens mit einem Sporangium, h) desgleichen mit anders 
gestalteten Früchten. 


Blutuntersuchungen bei Milzbrand. 


Eine parasitologische Studie 
von Dr. W. Bender, Physikus in Camburg. 


Während der Monate September und October vorigen Jahres 
traten in verschiedenen Ortschaften des hiesigen Kreises Fälle von 
Milzbrand auf, und es gab dies die Veranlassung, zahlreiche Blut- 
untersuchungen bei gesunden und erkrankten Thieren vorzuneh- 
men, zu welchen Herr Amtsthierarzt Fink hier sehr zuvorkom- 
mend das Material beischaffte. 

Bekanntlich wurden im Milzbrandblut von Fuchs und Pol- 
lender (1849) stäbchenförmige Körper gefunden; dieselben sind 
später von Brauell (Virchow, Archiv 1858) und dann von De- 
lafond und Davaıne (Recueil de medecine veterinaire, 1864) 
eingehender studirt worden. Durch die Versuche dieser Forscher 
ist die specifische Bedeutung der mikroskopischen Organismen für 
die Krankheit ausser allen Zweifel gesetzt, namentlich aber ist es 
erwiesen, dass sich der Anthrax durch Impfung mit diesen Stäb- 
chen auf gesunde Thiere übertragen lässt. Nur über die Natur- 
geschichte dieser Parasiten sind die Ansichten noch sehr different. 
Brauell spricht sich für die thierische Natur derselben aus und 
stellt sie zu der wissenschaftlich freilich noch sehr schwankenden 
Gattung der Vibrionen; Delafond hält sie für Algen aus dem 
Genus: Leptothrix, einer Gattung, welche durch die bahnbrechen- 
den Entdeckungen des Herrn Prof. Hallier auf dem Gebiete der 
Mykologie nunmehr als eine blosse Morphe verschiedener Pilze er- 
kannt und aus dem System gestrichen ist; Davaine bestimmt 
sie als Conferven niederster Ordnung, welche er mit dem Na- 
men Bacteridien bezeichnen zu müssen glaubt. Grade die Frage 
über die Natur dieser Elemente ist aber für die Aetiologie der 
Krankheit von höchstem Interesse, da erst mit der Lösung der- 


186 W. Bender. 


selben die Bedingungen des Auftretens der Epizootie klar werden 
können. 

In neuerer Zeit ist von Dr. Bettelheim (Wiener medicini- 
sche Presse, 1868) die Behauptung aufgestellt worden, dass sich 
auch in ganz gesundem Blut allerlei mikroskopische Körnchen und 
Fädchen vorfinden. Trotz zahlreicher vergleichender Untersuchun- 
gen von normalem Thierblut ist es mir nie gelungen, darin ein 
dem Anthraxparasiten auch nur entfernt ähnliches Filament zu er- 
kennen, und meinen Untersuchungen nach muss das Vorkommen 
von stäbehenförmigen Körpern für ein dem Milzbrand eigenthüm- 
liches, pathognomonisches Phänomen angesehen werden. 

Der Parasit, wie er sich während der beobachteten Epizootie 
im Blut der erkrankten Thiere vorfand, stellte sich als äusserst 
dünne, stark lichtbrechende Stäbchen von durchschnittlich 0,009 
Mm. Länge dar. Innen ganz homogen, schien nur bei sehr gün- 
stigem Licht eine leichte Längsstreifung hervorzutreten. Mitunter 
waren an den Enden, welche in der Regel abgerundet erschienen, 
sehr kleine bläschenartige Anschwellungen vorhanden, was weiter 
unten seine Erklärung finden wird. Leicht zu unterscheiden sind 
die Stäbchen von den Mykothrixkettchen, welche sich mit der Zeit 
in jedes aufbewahrte Blut einschmuggeln und bei sorgfältiger Ein- 
stellung des Mikroskops immer durch ein zartkörniges Ansehen 
kenntlich werden. Wenn das Milzbrandblut einige Zeit ruhig 
steht, so dass sich der grösste Theil der Blutkörperchen nach dem 
Boden des Gefässes zu senkt, dann treten die Stäbchen massen- 
haft an die Oberfläche der Flüssigkeit und werden dem unbewaft- 
neten Auge als ein zartes, schillerndes Häutchen, oder als ein aus- 
gebreitetes Fetttröpfchen sichtbar. Schon jetzt muss bemerkt wer- 
den, dass jedes Blut, welches mit dem Parasiten infieirt ist, seine 
Fähigkeit zu gerinnen total einbüsst; monatelang bleibt es flüssig 
und schön roth, während gesundes Blut rasch coagulirt und bald 
missfarbig und faulig wird. Dadurch lassen sich die Stäbchen sehr 
lange beobachten, sie scheinen sich sogar in dem stehenden Blut 
noch zu vermehren. \ 

Wie schon von Davaine beobachtet wurde, so liegen die 
Stäbchen in dem aus der Ader gelassenen und erkalteten Blut voll- 
kommen ruhig und bewegungslos da. Dies ändert sich jedoch, 
wenn das Präparat mässig erwärmt wird; dann tritt eine doppelte 
Bewegung des Parasiten zu Tage. Während sich nämlich das Ge- 
bilde in der Richtung seiner Längsachse fortschiebt, macht das 


Btutuntersuchungen bei Milzbrand. 187 


hintere Ende in einer und derselben Ebene pendelartige Schwin- 
sungen. Im Vergleich mit der Bewegung der Mykothrixkettchen 
und Schwärmer zeichnet sich die vorliegende durch eine auffallende 
Langsamkeit und durch den eigenthümlichen Umstand aus, dass 
sie ganz aufhört, wenn die Temperatur der umgebenden Flüssig- 
keit unter 15° C. herabsinkt, dann tritt eine Art von Erstarrung 
ein. Die Eigenbewegung wird übrigens, wie bei den mobilen 
Pilzmorphen, durch Carbolsäurelösung, durch Alkohol, durch 
viele Metallsalze und durch Siedehitze unwiederbringlich ver- 
nichtet. 

Um die Vegetationsthätigkeit des Parasiten zu studiren, wurde 
eine Reihe von Culturversuchen mit Milzbrandblut angestellt und 
zwar auf Eiweiss, auf Kleister, auf Zuckerwasser. Trotz längerer 
sorgfältiger Beobachtung blieben alle diese Versuche ohne Resul- 
tat; die Stäbchen erhielten sich unverändert selbst dann noch, als 
durch das wiederholte Oefinen der Culturgefässe die Flüssigkeiten 
sich nach und nach mit üppig vegetirenden Pilzelementen aus der 
Zimmerluft füllten und schliesslich dadurch zu weiterer Beobach- 
tung gänzlich unbrauchbar wurden. Ein interessanter Erfolg wurde 
aber erzielt, als vom Milzbrandblut einige Tropfen auf einem mit 
Kalihypermanganat desinfieirten und auf längere Zeit gekochtem 
destillirtem Wasser unter einer Glasglocke schwimmendem Kork 
eultivirt wurde. Schon nach 5 Tagen war das Blut leer von allen 
stäbchenfömigen Körpern; die Oberfläche des umgebenden Wassers 
zeigte das oben erwähnte, schillernde Häutchen, welches aus mas- 
senhaften Anhäufungen des Parasiten bestand und auf dem Kork 
lagerte eine grüne, kugelförmige Alge, ein Protococcus. Nicht 
allein die Menge der Stäbchen hatte sich beträchlich vermehrt, 
sondern auch die Dimensionen derselben waren andere geworden; 
viele waren der Länge und Dicke nach erheblich gewachsen, immer 
aber erschienen sie noch gerade, homogen, mit stumpfen Enden. 
Auch in diesem Zustande waren sie durch passende Temperatur 
leicht in Bewegung zu versetzen und bei einigen gelang es, die 
Art ihrer Vermehrung unter dem Mikroskop zu verfolgen. Es hat- 
ten sich nämlich bei mehreren der längsten Individuen in der Mitte 
zwei kleine Anschwellungen gebildet und zwischen diesen beiden 
Knötchen trennte sich während der Bewegung das Filament in 
zwei selbstständige Theile; bisweilen wurden dieselben in einem 
halb abgebrochenen Zustande längere Zeit zusammenhängend ge- 
sehen. Ganz dieselben Resultate wurden bei den Kulturversuchen 


188 W. Bender, 


erhalten, welche mit gesundem Blut angestellt wurden, wenn es 
nur mit einem Tropfen Anthraxblut gemischt war. 

Fortgesetzte Beobachtungen haben ergeben, dass stäbchenför- 
mige Körperchen, welche mit dem Milzbrandparasiten die grösste 
Aehnlichkeit haben, ja vielleicht damit identisch sind, auch gefunden 
werden, wenn man etwas von dem grünen schleimigen Ueberzug an 
den Wandungen hölzerner Brunnentröge in einem gut verschlosse- 
nen Gefäss einige Zeit aufbewahrt. Neben grünen und auch farb- 
losen, amöbenartig beweglichen Algensporen sind die Stäbchen bei 
hinreichender Vergrösserung leicht zu erkennen und ein Zusam- 
menhang dieser Formen mit dem damit zugleich vorkommenden 
Protococcus ist, wenn auch nicht thatsächlich erwiesen, doch ausser- 
ordentlich wahrscheinlich. Die Vermuthung, dass der Milzbrand- 
parasit seinen Ursprung einer Algenart und zwar einem Proto- 
coccus verdankt, kann somit nicht mehr zurückgewiesen werden. 
Die Ursache der Entstehung von Anthraxepizootien wird demnach 
lediglich im Trinkwasser zu suchen sein, und es müssen nicht allein 
unreine mit Algen reichlich beschlagene Brunnen, sondern auch 
alte hölzerne Trinkgefässe, Eimer u. s. w. beschuldigt werden. Als 
prophylaktische Massregeln beim Auftreten der Krankheit, wel- 
che sich in der Regel, wie dies durch Obiges leicht erklärlich 
wird, längere Zeit auf ein Gehöfte zu beschränken pflegt, ergeben 
sich, sofortiges Reinigen der Brunnen und Trinkgefässe, durch Aus- 
schöpfen, Scheuern und Desinficiren mit Carbolsäure und Verwen- 
dung von gekochtem Wasser zum Getränk. 

Schliesslich mögen noch einige Bemerkungen über das Ver- 
halten des Milzbrandblutes unter dem Einflusse des Parasiten Platz 
finden. Es wurde schon erwähnt, dass das Blut nicht mehr ge- 
rinnt; nicht allein das Blut von kranken Thieren, sondern auch 
das von gesunden, wenn es sofort nach dem Aderlasse mit einigen 
Tropfen Brandblut versetzt wird, bildet durchaus kein Coagulum. 
Es erklärt sich aus dieser Thatsache offenbar die Leichtigkeit der 
Transsudation in das Zellgewebe und in die Körperhöhlen, welche 
den Milzbrand klinisch charakterisirt. Eine weitere Eigenthüm- 
lichkeit des Anthraxblutes ist die, dass es nicht wie gesundes 
bei längerem Stehen höchst übelriechende ammoniakalische Fäul- 
nissgase entwickelt, sondern dass es fast reinen Schwefelwasser- 
stoff exhalirt, welcher sich neben seinem specifischen Geruch leicht 
durch seine Fähigkeit, Bleipapier zu schwärzen, erkennen lässt. 
Aus diesem Verhalten ist ungezwungen die Tendenz der Krank- 


Blutuntersuchungen bei Milzbrand. 189 


heit zur Carbunkelbildung abzuleiten, da es eine durch das Ex- 
periment festgestellte Thatsache ist, dass das Hydrothiongas, dem 
Organismus einverleibt, furunkuläre Hautentzündungen hervorruft. 
Die Ursache der Milzbranderkrankung ist der Parasit, die ein- 
zelnen Krankheitserscheinungen sind die nothwendigen Folgen der 
physikalischen und chemischen Veränderungen, welche das Blut 
durch denselben erleidet. 


Ueber die Vorkehrungsmassregeln gegen die 
Gattine-Epidemie. 
Von Julius Zorn, 


Assistenten am phytophysiolog. Privatinstitut und an der Versuchsstation fiir 
parasitische Krankheiten zu Jena. 


Da es fiir die Parasitologie von tiefgehendster Bedeutung ist, 
Mittel und Wege kennen zu lernen, den einschlagenden Krankhei- 
ten, wenn auch wol schwerlich allen Boden, so doch den epide- 
mischen Charakter zu entziehen, so dürfte in dieser Zeitschrift ein 
kurzer Bericht über die hinsichtlich der Gattine der Seidenraupen 
(Bombyx mori) erzielten Resultate am besten Platze sein. Um die 
in seiner Schrift über das Wesen der Gattine*) aufgestellten Vor- 
sichtsmassregeln auch in der Praxis als wirksam und lebensfähig 
darzuthun, resp. um die während und zu jener Arbeit gemachten 
kleinen Versuche auch im Grossen vorzuführen, gründete Prof. 
Hallier in Jena eine „Versuchsstation für Seidenbau.“ Mit eben 
so grosser Gewissenhaftigkeit als Freude kann ich nun die Resul- 
tate des hinter uns liegenden ersten Jahres als vollkommen ge- 
lungen und den bezüglichen Erwartungen entsprechend zur Mit- 
theilung bringen. 

Die 30 — 40,000 Raupen unserer Zucht gehörten, ausser 
vielfachen kleinen Proben, der grünen japanesischen Race an und 
entstammten zu ungefähr ?/, einer Reproduktion in Stettin, zu 
2/, einer solchen in Berlin und zu !/, einer directen Einfuhr aus 
Japan. So gering dieser Abstammungsunterschied auch erscheint, 
so warf er doch noch etliche ersichtliche Differenzen in den Zucht- 
verlauf, von denen namentlich die hierher gehören möchte, dass, 
obgleich die mikroskopische Untersuchung unter sämmtlichen Grai- 


*) Untersuchung des pflanzlichen Organismus, welcher die unter dem Na- 
men Gattine bekannte Krankheit der Seidenraupe erzeugt. Berlin, Wiegandt 
u. Hempel. 


Ueber die Vorkehrungsmassregeln gegen die Gattine-Epidemie. 191 


nes zahlreich inficirte nachgewiesen hatte, die Infection die eine 
deutsche Reproduction merkbar schwerer, die andere aber viel 
leichter getroffen hatte, als die Original-Japaner. Es folgt hieraus 
der Umstand, dass es nicht recht genügen will, wenn die mikrosko- 
pische Prüfung der Graines den Procentsatz der Kranken angiebt, 
sondern dass es wünschenswerth wird, auch die Stärke der Infection 
zu berücksichtigen. Um aber, gegenüber den 50—60 ®/,, die so 
mancher Züchter in den letzten Jahren von seinen Raupen zu 
Grunde gehen sah, eine greifbarere Angabe zu machen, füge ich 
gleich hinzu, dass unsere Versuchsstation an Verlust durch Krank- 
heit hei der schwerer infieirten Abtheilung nur bis 2°/, zu notiren 
hatte, bei den übrigen aber höchstens Angaben pro mille machen 
könnte. Es ist das ein Verhältniss, das den Muth selbst so weit 
berechtigt, dem Seidenbaue nicht nur die bisherigen Provinzen und 
Länder zu erhalten und zurückzugeben, sondern ihm auch neue zu 
gewinnen, eine Aufgabe, der sich die Versuchsstation bezüglich 
Thüringens auch sofort hingegeben hat. 

Wer nämlich das Wesen der Raupenzucht kennt, wird aus 
den bezeichneten Verlustsätzen sofort ersehen, dass hier nicht im 
Entferntesten von einer Seuche, sondern nur von ganz vereinzelten 
Sterbefällen die Rede sein konnte, zumal da ich versichern kann, 
dass wir in der Zuzählung von Unterdrückten und Quetschlingen 
zu den Gattinekranken nicht allzu ängstlich gewesen sind. Es dar 
somit angenommen werden, einmal, dass die Sprösslinge aus den 
zu schwer infieirten Graines nebst den Raupen, die im Verlaufe 
der eigenen Zucht durch pilztragendes Futter etwa zu stark ge- 
schädigt wurden, zu Grunde gingen, zweitens aber, dass die von 
Geburt aus nur leicht inficirten durch die Vorkehrungsmassregeln 
der Versuchsstation vor einer Steigerung des Infectionsprocesses 
bewahrt blieben. Ob wir sogar noch weiter gehen und sagen kön- 
nen, dass einschlägende Pflege der neuen Generation die in frühe- 
ren erfolgte Infection zu mildern oder gar zu beseitigen vermag, 
das muss der weiteren Prüfung der neu gewonnenen Graines noch 
überlassen werden. 

Das Hauptergebniss der neuen Zuchtmethode bleibt aber zu- 
nächst das, dass trotz der zahlreichen kranken Graines und trotz 
des Vorhandenseins von Gattine die Krankheit nie epidemischen 
Charakter annahm. Ich sage: der Zuchtmethode, — denn wenn 
man auch, angesichts der in diesem Jahre allgemeiner günstigen 
Berichte, einen Theil unseres Erfolges der Günstigkeit meteorolo- 

I, 2. 13 


192 Julius Zorn. 


gischer Verhältnisse zuschreiben wollte, — eine Gunst, von der uns 
der kaltnächtige und theilweise sogar kaltregnerische Juni gerade 
im Saalthale nichts hat merken lassen —, so bleibt doch festzu- 
halten, einmal, dass das Resultat der Versuchsstation in allererster 
Linie stehen dürfte, und zweitens, dass eben auch der allgemeinere 
Erfolg zum grossen Theile schon auf Rechnung der Hallier’schen 
Methode geschrieben werden kann. Veröffentlicht wenigstens sind die 
Grundsätze der letzteren bereits im Jahre 1868 (l. ec.) und bei der 
Rathlosigkeit, die die Seidenbauer damals erfüllte, steht zu erhoffen 
und vorauszusetzen, dass der Vereinsverkehr und der Schriften- 
austausch ihre Kenntniss selbst über Deutschland hinaus ausdehnte, 
mag man auch den (ausländischen ?) guten Rath nicht immer lau- 
ten Dankes werth erachten. Vor allen Dingen muss von Preussen 
als selbstverständlich angenommen werden, dass es ihn ebenso 
treulich befolgte, als es ihn erfreulich geehrt hat. 

Und diese Grundsätze, nach welchen der verrufenen Gattine 
der epidemische Charakter, also die gefährliche Spitze abgebrochen 
ist, sind leidlich fasslicher und handlicher Natur. Die bedeutungs- 
vollsten, die in der Versuchsstation zu Jena mit grosser Strenge 
zur Ausführung kamen, sind folgende: 

1) Züchtung bei möglichst niederer Temperatur. Ausgehend 
von den Thatsachen, dass künstliche Heizung erstens stets eine 
Luft erzeugt, wie sie nirgends dem Naturleben der Thiere ent- 
spricht, zweitens ein möglichst umfassendes Oeffnen des Zucht- 
lokals verbietet, und drittens die an sich schon rasche Fäulniss 
und Pilzwucherung bezüglich der Futterreste und Excremente be- 
schleunigt und vergrössert, — ausgehend davon, hat die Versuchs- 
station vom Eierauslegen bis zum Eierwiedergewinnen nur dann 
geheizt und die Fenster geschlossen, wenn die äussere Temperatur 
unter 14° R. fiel, aber auch dann nur geheizt bis zu 16°. Es steht 
das in grossem Gegensatze zu der alten Methode, die etliche bis 
hoch zwanzig Grad Wärme für unerlässlich erachtete, und wenn 
auch die unsere, bei dem Mangel eines künstlichen Forcirens, die 
kleine Unannehmlichkeit hat, dass die Zucht etliche Tage länger 
währt, ein Umstand, der namentlich und bedeutungsvoll von den 
Original- Japanern galt, — so glauben wir doch gerade dieser ihrer 
Abweichung einen grossen Theil des günstigen Abwehrungsresul- 
tates zuschreiben zu dürfen. Als weitere Hauptpunkte gelten: 

2) die häufigere Reinigung. Während die bisherigen Züchter 
und bezüglichen Schriftsteller es oft nicht nur eingestehen, sondern 


Ueber die Vorkehrungsmassregeln gegen die Gattine-Epidemie. 195 


sogar fordern, dass man erst nach mehren bis fünf Tagen je eine 
Reinigung vornehme, hat die Versuchsstation es durchgeführt, 
tagtäglich von der ganzen Zucht einmal die Excremente und das 
zweite Mal diese nebst sämmtlichen Futterresten zu entfernen. Die 
Bedeutung dieser Manipulation ist oben bereits gegeben und Hal- 
lier hat ihr in seiner Schrift ganz specielle Würdigung verschafit, 
wenn er sagt, dass sich ohne sie schon nach 24 Stunden verschie- 
dene Schimmelarten ungeheuer anhäufen, namentlich’ Aspergillus 
glaucus Lk., Penicillium crustaceum Fr., Cephalothecium ro- 
seum und Cladosporium herbarum Lk., letzteres meist stark vor- 
herrschend ; 

3) baldigste Entfernung der Kranken und Isolirung der Ver- 
dichtigen. Die niemals von Arthrococcus freien Fäcalmassen kran- 
ker Raupen bedecken nicht nur bei längerem Liegen sich und 
das umgebende Laub mit einem Pilz- Anfluge, sie wirken viel- 
mehr auch direct inficirend, indem sie durch Beschmutzung des 
noch zu verzehrenden Laubes dem Pilze Eingang in bisher noch 
gesunde Leiber verschaffen ; 

4) Desinfection der Lager und des Lokals. Sie erscheint na- 
mentlich vor und nach der Zucht unerlässlich, bezweckt die Zer- 
störung der aller Orten und Enden möglichen Vegetationen der 
Pleospora herbarum Rab., resp. ihrer Formen und geschieht in 
der Station bis jetzt für Luft und Wände mittelst Chlorgas, für 
Hürden und Gestelle durch Kali hypermanganicum. Dass das 
Zuchtlokal überhaupt so reinlich und staubfrei als möglich zu hal- 
ten sei, versteht sich von selbst ; 

5) Pflege der Meere und Ausscheidung kranken, d. h. 
mit Pleosp. herbarum Rab. besetzten Laubes. Die erste Hälfte 
dieses Punktes ist um so bedeutungsvoller, als die letzte dadurch 
beschwerlich wird, dass Niemand im Stande ist, alles Laub genügend 
zu untersuchen. Sie macht auch an sich die zweite immer weni- 
ger betonenswerth, und wenn ja durch krankes Laub Krankheit 
einzelner Raupen erzeugt wird, so sind eben die 4 erstgenannten 
Vorkehrungsmassregeln dazu da, den Uebergang der Einzelkrank- 
heit in Epidemie zu verhindern. 

Ohne hier noch auf ein Weiteres eingehen zu wollen, deute 
ich schliesslich nur darauf hin, dass wie bei der Gattine der Sei- 
denraupen, so auch gegenüber den näher oder entfernter ver- 
wandten Krankheiten der Thiere und Menschen Vorkehrungs- 

19% 


194 J. Zorn, Ueber Vorkehrungsmassregeln gegen die Gattine-Epidemie. 


massregeln zu finden sein dürften, die die epidemische Gestaltung 
ausschliessen. Mit der Aehnlichkeit des Infectionsweges sieht man 
auch bezüglich dieser Mittel eine Aehnlichkeit bis Gleichheit durch- 
schimmern, und so darf man wol hoffen, dass schon das erste Jahr 
unserer Versuchsanstalt wie dem Seidenbaue, so auch der Para- 
sitenkunde etwelche Dienste erzeugt hat. 


Ein neuer Ohrpilz (Otomyces Hageni) 


aufgefunden von Dr. Hagen in Leipzig und untersucht von Professor 
Hallier in Jena. 


Seit dem Beginn meiner Thätigkeit als Ohrenarzt habe ich 
dem Vorkommen von Pilzen im Ohre des lebenden Menschen 
meine volle Aufmerksamkeit gewidmet, aber in den meisten Fällen 
vergeblich nach einem solchen Parasiten gefahndet. Endlich war 
ich so glücklich, unter eigenthümlichen Verhältnissen einen Ohr- 
pilz und zwar nach den Ergebnissen der gütigen Untersuchungen 
des Herrn Professor Hallier m Jena einen bisher noch nicht 
beobachteten neuen aufzufinden. 

Am 11. März 1869 wurde ich zu Fräulein S. N., 18 Jahre 
alt, aus Leipzig, gerufen. Bei derselben hatten sich bereits am 
4. März reissende Schmerzen in den Zähnen des linken Unterkie- 
fers eingestellt, welche erst verschwanden, nachdem sich am 
6. März stechende Schmerzen im linken Ohre eingefunden hatten, 
denen sich bald Sausen und Klopfen im genannten Ohre zugesellten. 
Unter dem Gebrauche von Cataplasmen und Dämpfen war unter 
Nachlass der Schmerzen Ausfluss aus dem betr. Ohre eingetreten. 
Am 11. März traten die Schmerzen nur noch stundenweise auf, 
die subjectiven Geräusche aber bestanden noch unverändert fort 
und die Hörfähigkeit des linken Ohres war sehr bedeutend beein- 
trachtigt. Repetiruhr !/,“, laute Sprache 1° weit hörbar. 

Eine directe Ursache der Erkrankung war nicht zu ermitteln. 

Der Gehörgang war mit Eiter ausgefüllt und zeigte einen nicht 
pulsirenden kleinen Lichtreflex. Nach Entfernung des Eiters sah 
ich an der Mitte der hinteren Wand des äusseren Gehörganges 
einen Polypen, welcher das Lumen des Gehörganges ausfüllte 
und die vordere Wand eben beriihrte. Da ich zufällig einen Po- 
lypenschniirer nicht zur Hand hatte, quetschte ich den Polypen 
mittelst einer Pincette möglichst stark zusammen nnd verordnete 
Einträufelungen einer erwärmten Bleilösung. 


196 Hagen, 


Am 12. März wurde der bedeutend zsammengeschrumpfte 
Polyp durch wiederholte Einspritzungen lauen Wassers gänzlich 
entfernt und die Ansatzstelle desselben mit Höllenstein kräftig 
geätzt. 

Nach der Entfernung des Polypen war vom Trommelfelle und 
den Hammertheilen etwas nicht zu unterscheiden. Die mässig ge- 
rötheten Wände des Gehörganges näherten sich nach der Tiefe 
hin einander immer mehr und mehr und verengten sich wie zu 
einem Trichter. Gleichzeitig war nunmehr in der Tiefe ein klei- 
ner pulsirender Lichtreflex sichtbar und verordnete ich nunmehr 
die Anwendung einer schwachen schwefelsauren Zinksolution. 

Am 16. März hatte sich an der vorderen Gehörgangswand 
ein kleiner Abscess entwickelt. Die Zinklösung wurde weggelassen 
und der öftere Gebrauch von Anfüllung des äusseren Gehörganges 
mit lauem Wasser angerathen, nachdem die Incision verweigert 
worden war. 

97. März: Der Abscess ist verheilt und die durch ihn beding- 
ten Schmerzen sind verschwunden. In der Tiefe des äusseren 
Gehörganges aber sah ich nunmehr weisse, dicke Auflagerungen, 
welche sich durch Einspritzungen nur theilweise entfernen liessen. 
Die entfernten Massen wurden zwischen zwei Uhrgläsern behufs 
späterer Untersuchung aufbewahrt. Ordin.: laues Wasser wieder- 
holt einzugiessen. 

Am Abend des 27. Marz stellte sich heftiges Brennen im lin- 
ken Ohre ein und der bisher bestandene Ausfluss hörte ganz auf, 

30. März: Kein Ausfluss. Heftiges Brennen im Ohre. Die 
ganze vordere Gehörgangswand bis zum Eingang und weiter innen 
alle übrigen Gehörganswände mit einem gelblichweissen schimmel- 
artigen Beleg bedeckt. Nach theilweiser Entfernung desselben war 
die Haut des Gehörganges geröthet und etwas geschwellt. Der 
entfernte Beleg wurde ebenso wie früher aufbewahrt. Ordin.: 
Carbolsäure in Glycerin gelöst. 

31. März: Steigerung der brennenden Schmerzen. Der Beleg 
ist in gleicher Weise wieder nachgewuchert. Die Carbolsäure- 
lösung wird ausgesetzt, dafür der Gebrauch des lauen Wassers 
angerathen 

Unter dem Fortgebrauche dieses einfachen Mittels vermin- 
derte sich allmählig mit Nachlass des Brennens der schimmelar- 
tige Beleg immer mehr und mehr. 

Am 12. April war von demselben nichts mehr zu sehen; die 


Ein neuer Ohrpilz. 197 


Gehörgangswände aber waren noch mässig geröthet und ziemlich 
geschwellt, namentlich nach Innen hin; also noch trichterförmige 
Verengerung. Ausfluss nicht vorhanden. 

Die vollständige Heilung der Kranken erfolgte indessen noch 
nicht sogleich. Es entwickelte sich nämlich am 19. März nach 
vorausgegangenen heftigen stechenden Schmerzen ein neuer klei- 
ner Abscess an der oberen Gehörgangswand, welcher incidirt 
wurde. 

30. April: Der Furunkel ist geheilt, der Gehörgang nicht mehr 
trichterförmig verengt, das Trommelfell sichtbar, grauröthlich. 
Von Gehörknöchelchen noch nichts zu sehen. 

5. Mai: Proc. brevis und Manubrium mallei sind sichtbar. 
Trommelfell mattgrau angehaucht, ohne Lichtkegel, aber mehrere 
kleine Lichtreflexe an verschiedenen Stellen zeigend, welche von 
kleinen Vertiefungen in demselben herrührten. Die oben genann- 
ten subjectiven Gehörsempfindungen sind verschwunden. 

12. Mai: Trommelfell ganz aufgehellt und durchscheinend. 
Das Hörvermögen ist völlig zur Norm zurückgekehrt, sowohl für 
Flüstersprache (10°), wie für das Gehwerk meiner Uhr (5°). Die 
Patientin wurde hierauf als geheilt entlassen. 

Es bleibt noch Weniges über die Ergebnisse meiner mikros- 
kopischen Untersuchungen des in der angegebenen Weise aufbe- 
wahrten schimmelartigen Beleges nachzutragen. 

Schon das makroscopische Aussehen hatte in mir den Gedan- 
ken an einen Ohrpilz wachgerufen. Das Mikroskop brachte mir 
hierüber die positive Gewissheit. Ich fand bei der ersten derar- 
tigen Untersuchung deutliche — allerdings mir ganz unbekannte — 
Pilzformen, welche dem von Wreden abgebildeten Aspergillus ni- 
gricans wohl ähnelten, aber nicht völlig gleich waren. Ich brachte 
hierauf einen Theil des schimmelartigen Beleges auf Korkstückchen, 
welche zuvor mehrere Stunden in Alcohol gelegen hatten und 
hierauf getrocknet worden waren, verschloss diese zwischen zwei 
Uhrgläser, nachdem ich auf dem Boden des einen derselben zwei 
Tropfen destillirten Wassers geträufelt hatte, und setzte sie einer 
gelinden Wärme aus. Die auf diese Weise gezogenen weiteren 
Pilzgebilde veranlassten mich, dem Herrn Professor Hallier die 
Bitte um genaueste Untersuchung vorzulegen, welcher derselbe 
auch mit der liebenswürdigsten Bereitwilligkeit entgegenkam. 
Hierfür spreche ich ihm hiermit meinen ergebensten Dank aus. 

Nach mir vom Herrn Professor Hallier gewordenen gefl. 


198 Hagen, Ein neuer Ohrpilz. 


Mittheilungen ist der von mir aufgefundene und ihm zur Unter- 
suchung übersandte schimmelartige Beleg aus glem Ohre des Fräu- 
lein S. N. ein bisher noch nicht aufgefundener und noch nicht be- 
kannter neuer Ohrpilz. 

Herr Professor Hallier will die Güte haben, die Ergebnisse 
seiner umfassenden Untersuchungen und Culturversuche hier an- 
zureihen. 


Notiz zu vorstehender Arbeit über den neuen 
Ohrpilz: Otomyces Hageni. 


Von 
Ernst Hallier. 


Der von Herrn Dr. Hagen mir freundlichst zugesandte Ohr- 
pilz hatte in der Gestalt, in welcher ich ihn erhielt, die Form 
eines auf seiner Unterlage (Ohrenschmalz, auf Korkstückchen 
übertragen) üppig vegetirenden und fruktifizirenden Aspergillus. 
Da sich für mehre dieser antiquirten Gattung angehörige Formen 
gezeigt hat, dass sie gar keine selbstständige Bedeutung haben, 
vielmehr nur A&roconidien - Morphen verschiedener Pyrenomyceten 
sind, so durfte von vornherein die Frage aufgeworfen werden, ob 
das auch hier der Fall sei. 

Die mit Asken versehene Pyrenomyceten-Frucht (Perithecium) 
ist bis jetzt für zwei Formen der alten Gattung Aspergillus be- 
kannt geworden, nämlich zu Eurotium herbariorum gehört der 
früher sogenannte Aspergillus glaucus Lk. und zu Fumago salicina 
ein prächtiger Aspergillus, welchen wir auf Tafel I Fig. 35 und 
Taf. II Fig. 48 dieser Zeitschrift abgebildet haben. Diese beiden 
Pyrenomyceten: Eurotium und Fumago bilden im Nährboden 
Anäerosporen aus, welche bei beiden nach der früheren Systematik 
Ustilagineen aus der Gattung Ustilago bilden würden. Den Anäe- 
rosporen entsprechen bei beiden Aérosporen und Schizosporan- 
sien, die ersten in beiden Fällen zur antiquirten Gattung Clado- 
sporium, die anderen zu der ehemaligen Gattung Stemphylium ge- 
hörig. In unreifer oder Schimmelform bilden die Aérosporen sich 
zum Pinselschimmel (Aspergillus), d. h. zu Aéroconidien, die Schi- 
zosporangien dagegen zu Theken mit Thecaconidien aus, welche 
bei Eurotium der Gattung Mucor (Mucor mucedo Fres.), bei Fu- 
mago einem prachtvollen Rhizopus mit vioietten Sporenköpfchen 
entsprechen. 


200 Ernst Hallier, 


Wir erhalten demnach für die beiden Pilze folgendes Schema, 
wenn wir der neuen Bezeichnung die alte Nomenklatur beifügen: 


Eurotium herbariorum. 


Anderosporen. Aérosporen. | Schizosporangien. 
Ustilago carbo. Cladosporium sp. | Stemphylium poly- 
| | morphum. 
TP TEN & BEST. va a3 
Anäeroconidien. | Aéroconidien. | Thecaconidien. 
Oidium sp. | Aspergillus glaucus. | Mucor mucedo F res. 
Fumago salicina. 
Anäerosporen. | Aérosporen. | Schizosporangien. 
Ustilago sp. | Cladosporium Fumago Stemphylium sp. 
Anäeroconidien. | Aéroconidien. | Thecaconidien. 
Oidium sp. | Aspergillus sp. | Rhizopus sp. 


Fiir eine dritte Aéroconidien-Morphe, welche die Form eines 
Aspergillus hat, liess sich bis jetzt der Zusammenhang mit einem 
Pyrenomyceten nicht nachweisen, wohl aber mit einem Brandpilz, 
welcher in der Mitte steht zwischen den alten Gattungen Ustilago 
und Tilletia und dem ich vorläufig den Namen Leiosporium bei- 
gelegt habe. Der Micrococcus dieses Pilzes befindet sich im Stuhl 
der Ruhrkranken. Es lassen sich die oben im Schema angedeu- 
teten analogen reifen und unreifen Morphen leicht ziehen und 
wir werden in einer der nächsten Nummern dieser Zeitschrift 
genau darüber berichten. Die betreffende Aspergillus - Form 
ist durch die regelmissig dichotomische Theilung der Frucht- 
hyphen und durch die ganz eigenthiimliche Beschaffenheit der 
Aéroconidien von allen bisher aufgefundenen Formen wesentlich 
verschieden. 

Dasselbe miissen wir auch von dem durch Herrn Dr. Hagen 
im Ohr entdeckten Aspergillus behaupten. Seine Hyphen sind 
mannigfach verästelt, die Conidienképfe gross, mit blossem Auge 
deutlich sichtbar und nicht blaugriin, wie bei den Aéroconidien 
von Eurotium (Aspergillus glaucus Lk.), sondern fast grasgrün, so 
dass sich auf trocknem und feuchtem pflanzlichem Nährboden 
lebhaft grüne Rasen bilden. Die Conidien sind auch bei kräftig- 
ster Entwickelung völlig glatt, ohne warzige Zellenhaut, wie sie 


Notiz über den neuen Ohrpilz. 201 


die Aspergillus- Formen von Eurotium und von Leiosporium dy- 
sentericum zeigen. 

Der Pilz besitzt, wie die Aéroconidien-Reihe von Eurotium 
und Fumago eine Forma pusilla, welche man früher in die Gat- 
tungen Stachylidium oder Acrostalagenus gestellt haben würde. 
Zwischen dieser Form und dem typischen Aspergillus liegt, wie 
immer, eine stetige Vegetationsreihe. 

Die Aspergillus-Form lässt sich sehr leicht fast auf: jedem 
pflanzlichen Nährboden kultiviren und zwar in ganz kräftiger und 
normaler Gestalt, was bekanntlich bei Eurotium nur auf trock- 
nen Pflanzengeweben möglich ist. 

Auf kräftigem und etwas feuchtem Nährboden bringen die 
nämlichen Hyphen, welche die Aspergillus-Pinsel tragen, endstän- 
dig einzeln oder in Ketten Macroconidien hervor, welche keim- 
fähig sind und eine zur antiquirten Gattung Mucor gehörige The- 
caconidien -Morphe erzeugen. Die grossen Theken sind glatt und 
enthalten kugelige braune Conidien. Es ist sehr leicht, die drei 
genannten Morphen zur Reife zu bringen. Im Innern des Bodens 
erhält man statt der Macroconidien Ketten eines braunen Brand- 
pilzes (Anäerosporen) aus der früheren Gattung Ustilago. Die 
Anäerosporen sind kleiner als bei Ustilago carbo. 

An der Oberfläche des Substrats erzeugen die nämlichen Hy- 
phen Aörosporen - Ketten in Form eines Cladosporium und pracht- 
volle goldgelbe keulige Schizosporangien, die man früher zu Po- 
lydesmus Mtgne. gerechnet haben würde. Abbildungen dieser 
Morphen uud ihres Zusammenhanges hoffen wir bei baldiger Ge- 
legenheit mittheilen zu können. 

An den auf der Oberfläche des Substrats kriechenden Mycel- 
fäden bilden sich hie und da kleine Anschwellungen, welche an- 
fänglich den Macroconidien in Form und Anheftung gleichen, sich 
aber rasch zu bedeutender Grösse entwickeln, indem ihr Plasma 
sich in eine grosse Zahl von Zellen theilt. Im ausgewachsenen 
Zustand bilden diese Körper kugelige zellige Massen bis zur Grösse 
eines Nadelknopfes. Sie ähneln Sclerotien, welche aussen mit 
einer dichten Hülle brauner Zellen umgeben sind, von denen sich 
theils unfruchtbare, in hyaline Spitzen auslaufende Zweige, theils 
Aérosporen-Ketten erheben. Dieses Sclerotium ähnliche Gebilde 
erinnert sehr an einen Pyrenomyceten, kann aber wohl noch 
nicht die vollendete und höchst entwickelte Frucht des Pilzes 
sein. Weitere Formen des Pilzes durch Kultur zu erzielen, ge- 


202 Ernst Hallier, Notiz über den neuen Ohrpilz. 


lang indess bis jetzt nicht. Mit ausdrücklicher Erlaubniss des 
Herrn Dr. Hagen erlaube ich mir, für die ganze Ousia dieses 
neuen Ohrpilzes die Benennung Otomyces Hageni vorzuschlagen, 
mit dem Vorbehalt, dass der Name zurückgezogen werden müsste, 
wenn man früher oder später einen bekannten Ascomyceten als 
Hauptform des Pilzes auffinden sollte. 


Ueber die kleinsten mikroskopischen Pilzformen, 
insbesondere über den Faulbrutpilz*). 


Von 
Herrn Sanitätsrath Dr. Preuss in Dirschau. 


In der Bienenzeitung vom 1. October 1868 Nr. 19 habe ich 
die Resultate mikroskopischer Untersuchungen der Faulbrutmasse 
mitgetheilt und angegeben, dass sich in derselben ein zur Form 
Cryptococcus gehöriger Pilz befindet. Es wurde angegeben, dass 
der Cryptococcus rund sei und einen Durchmesser von 0,002 mm. 
habe. Im Herbst vorigen Jahres fand ich in vielen faulbriitigen 
Zellen neben dem Cryptococcus wesentlich kleinere, auch bei einer 
1000fachen Vergrésserung, bei welcher der Cryptococcus in Kugel- 
form erscheint, noch punktförmige, sehr zahlreiche Körperchen von 
durchweg gleicher Beschaffenheit. Ihr Durchmesser ist auf 0,0004 
mm. anzugeben. Es ist dies diejenige Form, welche Hallier mit 
dem Namen Micrococcus, Kernhefe, benannt hat. Ich habe faul- 
brütige Wabenstücke an den durch seine wissenschaftlichen Arbei- 
ten über Pilzbildungen ruhmvoll bekannten Herrn Dr. Bail, Di- 
rektor der naturforschenden Gesellschaft in Danzig, gesandt und 
hat derselbe sich von dem Vorhandensein zahlloser Exemplare des 
Micrococcus überzeugt. 

Wer hätte nicht vor der Erfindung des Mikroskops bei der 
Anschauung von Schimmelbildungen geglaubt, die niedrigsten Vege- 
tationen vor sich zu sehen! Das Mikroskop hat gezeigt, dass sie 
die höheren Entwickelungsstufen niederer Formen, dass sie ausser- 
dem die Träger kleiner, dem blossen Auge nicht sichtbarer Kü- 
gelchen, der Sporen sind, und dass jede Spore bei mächtiger Ver- 


*) In etwas anderer Form ist diese Arbeit schon in der Bienen - Zeitung 
(Eichstädt 1869 Jahrg. 25 Nr. 14) zum Abdruck gekommen; wir nehmen sie 
hier auf zufolge ausdrücklicher Aufforderung des Herrn Verf., weil ihr Inhalt 
weit über das Interesse der Bienenzüchter hinausgeht. 

Red. 


204 Preuss, 


grösserung sich als Kapsel darstellt, welche, wenn sie platzt, Tau- 
sende von Kügelchen entleert, die Bewegung zeigen, wenn sie in 
Flüssigkeiten gebracht werden. Diese Kügelchen stellen den Mi- 
crococcus dar, der also dem Samen der höheren Pflanzen ent- 
spricht. So zahlreiche Arten von Pilzen es giebt, ebenso gross 
ist die Zahl der Arten des Micrococcus. Diese Arten sind aber 
ihrer Kleinheit wegen auch unter den vorzüglichsten Mikroskopen 
durch den Anblick nicht von einander zu unterscheiden; nur durch 
die Produkte, welche aus ihnen entstehen und welche schliess- 
lich der Mutterpflanze gleich werden, stellt sich ihr Unterschied 
heraus. 

Der Micrococcus gehört zu den einfachen Zellen. Mit der 
einfachen Zelle haben wir die Grenze der Schöpfung erreicht, in 
welcher das ganze Geheimniss dessen liegt, was wir vegetatives 
Leben nennen. Wir können nur eine wichtige Thatsache anfüh- 
ren, die eine unermessliche Kluft zwischen ihr und dem Unorga- 
nischen bildet. Sie ist im Stande, sich zu vervielfältigen. Die 
Zelle besteht aus einer Schale und einem Inhaltskörper (Plasma). 
Zellenschale und Inhalt strecken sich, theilen sich und es werden 
aus der einen Zelle zwei, von denen jede sofort denselben Prozess 
wiederholt: der Micrococcus kann sich nun entweder in dieser 
Weise durch Zweitheilung in’s Unendliche vermehren, ohne in 
höhere Formen überzugehen, sich stets gleich bleibend durch Jahre 
und über weite Länderstrecken verbreiten, und hierüber soll später 
ausführlich gehandelt werden, oder er kann in höhere Formen 
übergehen. 

Die nächst höhere Umwandlung ist die, dass der Micrococcus 
einen Hohlraum (Vacuole) bildet, dass der punktförmige Körper 
sich in eine kleine Hohlkugel verwandelt. Diese Form stellt den 
Cryptococcus dar. Er vermehrt sich durch Sprossung. Es bildet 
sich an einer Stelle der Zelle eine knospenförmige Erhöhung, die 
rasch zunimmt und sich als besondere Zelle absondert, wonach der- 
selbe Prozess sich wiederholt. 

Die genannten Vermehrungsarten gehen ohne Zutritt der Luft 
vor sich. 

Die wesentlichen Erfordernisse der Vermehrung sind Tempe- 
ratur zwischen dem Gefrier- und Siedepunkte, Feuchtigkeit und 
Stickstoff. Die Entwickelung des Cryptococcus geht am besten 
bei geringem, die des Micrococcus nur bei starkem Stickstofigehalt 
der Umgebung vor sich. Wir kommen zu einer weiteren Ent- 


¢ 


Ueber die kleinsten mikroskopischen Pilzformen, insb. Faulbrutpilz. 205 


wickelung der niederen Pilzformen. Beim Micrococcus und Crypto- 
coccus trennten sich die Zellen rasch von einander. Unter gewis- 
sen Verhältnissen, besonders bei schwachem Luftzutritt, bilden sich 
höhere Formen mit zusammenhängenden Zellen, Formen, die man 
früher als Oidium bezeichnete. Bei vollem Luftzutritt endlich 
sehen wir die Bildung des vollendeten Schimmels, es geht an den 
Enden der Fäden bereits Fruchtentwickelung vor sich, es bilden 
sich kleine Sporen. 

Betrachten wir zunächst den Cryptococcus näher, da er der 
Erzeuger und stete Begleiter eines bekannten Prozesses, nämlich 
der geistigen Gährung ist. 

Wenn man ursprünglich unter Gährung eine mit Gasentwicke- 
lung verbundene Zersetzung einer Flüssigkeit verstand, so hat die 
Wissenschaft die Gasentwickelung doch längst als unwesentlich 
erkannt. Wesentlich ist dagegen, dass der in Gährung zu ver- 
setzende Körper organisch ist, wesentlich das Vorhandensein eines 
Ferments, mit dessen Hinzutritt die Gährung beginnt und nach 
dessen Entfernung sie aufhört. Dieses Ferment vermehrt sich wäh- 
rend der Gährung, doch geht nur ein Theil der gährenden Flüs- 
sigkeit, 1, 2 bis 1, 5 °/) in die Neubildung der Hefe ein. 

Untersucht man die gewöhnliche Bierhefe unter dem Mikroskop, 
so findet man, dass sie durchweg aus zahllosen ellipsoidischen, fast 
kugelförmigen Körperchen besteht, in welchen man sofort die Form 
des Cryptococcus wiedererkennt. Die gewöhnlichen Hefenkörper 
haben nach eigenen oft wiederholten Messungen eine Länge von 
0,008 mm., sind also grösser als der in den Faulbrutzellen vor- 
kommende Cryptococcus, der nur 0,002 mm. Durchmesser hat- 
Diese Kugeln vermehren sich, wie man unter dem Mikroskop deut- 
lich beobachtet, indem sich an einer meist neben der längeren 
Achse liegenden Stelle eine Knospe bildet, die sich rasch vergrös- 
sert, sich von der Mutterpflanze trennt und denselben Prozess be- 
einnt. Aus der obigen Auseinandersetzung über die Entwickelungs- 
geschichte der Pilzformen ersieht man leicht, dass man Hefe durch 
Aussaat von Schimmel erzeugen kann. Sobald einige Schimmel- 
pflanzen in zuckerhaltige Flüssigkeit gelangen, entleeren die Spo- 
ren derselben den Micrococcus, der gerade in Flüssigkeiten mit 
schwachem Stickstoffzutritt rasch anschwillt und sich zum Crypto- 
coccus, dem gewöhnlichen Hefenpilz, entwickelt. Wir haben uns 
die Abstammung jedes Hefenpilzes von einer bestimmten Schim- 
melform zum Verständniss der weiteren Auseinandersetzung genau 


206 Preuss, 


zu merken. Auf und in Substanzen, in welchen der Stickstoff vor- 
herrschend ist, geht der Inhalt der Pilzsporen, welcher aus den 
Micrococeus-Körnern besteht, nicht durch Anschwellung in den 
Cryptococcus über, sondern er behält seine Kernform und vermehrt 
sich durch Spaltung des Kerns in’s Unendliche, indem er den ihn 
umgebenden Stickstoff dazu verwendet. 

Abgesehen davon, dass man bei dem jetzigen Zustande der 
Wissenschaft und der Instrumente im Stande ist, diese kleinsten 
Formen und ihre Naturgeschichte direkt nachzuweisen, so werden 
durch die auf ihre Entdeckung gegründete Lehre auch alle Erschei- 
nungen, insbesondere die oft wunderbaren Arten der Ansteckung 
und Uebertragung vieler Krankheiten nach längerer Zeit oder 
durch Zwischenkörper, leicht erklärt. Wie sich alle Erscheinungen 
des grossen Weltalls nach Aufstellung des kopernikanischen Sy- 
stems leicht erklären lassen, so werden nach der Entdeckung der 
Wirkung dieser kleinsten Formen viele irdische Erscheinungen, 
darunter ganz insbesondere diejenigen, welche ansteckende und 
epidemische Krankheiten in der Thier- und Pflanzenwelt darbie- 
ten, leicht und mühelos erklärt. | 

Wenn die Gegner der Parasitenlehre sagen, dass die Anhän- 
ger der letzten über nichts mehr nachzudenken brauchen, so ist 
das wohl das grösste Lob, das dieser Lehre gegeben werden kann, 
Die Wahrheit ist überall einfach und leicht verständlich, sie ver- 
langt keine geschrobenen Erklärungen. 

Die Faulbrut der Bienen ist. das Absterben und Faulen der 
theils noch unbedeckelten, theils schon bedeckelten Brut. Man un- 
terscheidet eine nicht ansteckende und eine ansteckende Form. 

Bei der nicht ansteckenden Faulbrut sterben die Bienen noch 
als Maden ab; diese bleiben unbedeckelt und trocknen zu einer 
grauen, ziemlich leicht sich ablösenden Kruste zusammen. Diese 
Art entsteht meistens durch Verkühlung, indem die Bienen bei 
kühler Temperatur sich zusammenziehen und die äussersten Brut- 
waben verlassen. 

Die ansteckende bösartige Faulbrut tödtet die Bienen, obgleich 
sie unzweifelhaft schon vorher krank sind, erst im Nymphenzu- 
stande. Die bedeckelte Nymphe geht nach einiger Zeit in eine 
dunkelbräunliche brei- oder hefenartige Masse über. Der Deckel 
der Zelle sinkt ein und zeigt meistens ein kleines Löchelchen. Es 
ist wahrscheinlich, dass diese kleine Oeffnung zunächst durch ent- 
weichende Gase gebildet wird. Sie durchbrechen den Deckel an 


Ueber die kleinsten mikroskopischen Pilzformen, insb. Faulbrutpilz. 207 


dieser Stelle, da er hier am spätesten geschlossen und am schwäch- 
sten ist. Davon, dass sich während des Gährungs - oder Fäulniss- 
prozesses Gase entwickeln, überzeugt man sich leicht, wenn man 
faulbrütige Waben einige Zeit aufbewahrt. Frisch dem Stock ent- 
nommen, erscheinen die Zellen mit der Masse gefüllt, nach einigen 
Tagen findet man diese zusammengesunken auf dem Boden der 
Zelle, oder, nur eine Wand derselben bedeckend, die Zelle selbst 
scheinbar fast leer. Die faulbrütige Masse trocknet schliesslich zur 
schwarzen Kruste zusammen, die an den Zellenwänden sitzend zu 
Boden fällt. 

Wesen der Faulbrut. Das Wesen der ansteckenden Faulbrut 
besteht nicht in gewöhnlicher Fäulniss, sondern diese wird, wie die 
mikroskopischen Untersuchungen ergeben, bedingt durch die An- 
wesenheit kleinster Pilzformen m billionenfacher Zahl. Sie gehören 
den unter einander verwandten ersten Stufen der Pilzbildungen, 
den Micrococcus- und Uryptococeus - Formen an. Diese Pilzformen 
vermehren sich durch Zweitheilung und Sprossenbildung im uner- 
messlicher Zahl. 

Durch diese ausserordentliche Vermehrung sind sie verderb- 
lich, indem sie zu derselben den stickstofthaltigen Körper der Brut 
verwenden, ihn verzehren und schliesslich an seine Stelle treten. 

Die Ansteckungsfähigkeit der Krankheit beruht einzig und 
allein auf der Uebertragung dieser Pilzformen in andere Stöcke. 

Ob die Faulbrut bösartig und ansteckend ist oder nicht, lässt 
sich durch Impfversuche darthun. 

Ich sammelte mit einem feinen Hornspatel Faulbrutmasse aus 
den Zellen und that sie in eine mit destillirtem Wasser gefüllte 
kleine Arzneiflasche. Nachdem die Masse durch Schütteln im Was- 
ser aufgelöst war, verschloss ich die Flasche und stellte sie auf 
den Kork. Nach einigen Tagen setzten sich die Micrococcus-Zel- 
len, welche schwerer als Wasser sind, zu Boden. Ich öffnete nun 
den Kork ein wenig und liess etwas von der Flüssigkeit, welche 
den Micrococcus, wie ich mich unter dem Mikroskop überzeugt, 
massenhaft enthielt, in eine kleine Schale fliessen. Mit destillirtem 
Wasser wurde derselbe wiederholt gewaschen. Hiernach holte ich 
eine Wabe mit jungen Maden aus einer Dzierzonbeute, grenzte 
durch 4 Stecknadeln einen Raum, der 25 Zellen enthielt, ab und 
trug mit einem feinen Haarpinsel in jede dieser Zellen etwas von 
der die Pilze enthaltenden Flüssigkeit. Die Maden entwickelten 
und verpuppten sich. Von den 25 Zellen wurden 18 faulbrütig, 

1.2. 14 


208 Preuss, 


während 7 gesunde Bienen aus den Zellen krochen. Bei diesen 
7 war der Impfstoff wirkungslos gewesen. Eine Wiederholung des 
Versuchs wird jeder leicht anstellen können. 

Die Pilzformen des Micrococcus und Cryptococcus entstammen 
(wahrscheinlich verschiedenen) höheren Schimmel-, Brandpilz- und 
Pilzorganisationen, welche von der Wissenschaft noch näher fest- 
zustellen sind. 

Durch diese mikroskopisch bewiesenen Thatsachen werden die 
in den Schriften genannten vielen Ursachen der Faulbrut, von 
denen die meisten unzweifelhaft wohl begründet sind, auf eine ein- 
fache Grundursache zurückgeführt. Betrachten wir die einzelnen 
Angaben der Schriftsteller näher. 

In Gährung übergegangener Honig, insbesondere der ameri- 
kanische und polnische Tonnenhonig, wird von allen Schriftstellern 
einstimmig als Hauptursache der Faulbrut genannt. Bei der Ge- 
winnung jener schlechten Produkte wird bekanntlich die Brut und 
der Pollen nicht mit Sorgfalt vom Honig getrennt, es kommt also 
zu ihm noch eine stickstoffhaltige Substanz, und tritt nun irgend- 
woher noch Feuchtigkeit hinzu, so muss sofort der Gährungspro- 
zess beginnen. Die in der Luft zu Tausenden schwebenden Pilz- 
elemente nehmen in der Masse sofort die Form des Cryptococcus 
an, und beginnen ihre Vermehrung und damit die Gährung. So 
wird der Cryptococcus in den. Bienenstock getragen. 

Man hat neuerdings eine neue Lehre von der Faulbrut dadurch 
begründen wollen, dass man den Satz aufstellte: Sie entsteht 
durch verdorbenen Pollen, der, zum Honig gemischt und den Bie- 
nen als Futter gereicht, diese tödtet. Die Thatsache, dass verdor- 
bener Pollen Faulbrut erzeugen kann, ist durchaus nicht neu. 
Kalteich sagt (Berlepsch, Die Biene und ihre Zucht 2. Auf- 
lage 1869 S. 202): „Vorjährige Bienenwaben verbreiteten einen 
fauligen Geruch, die Tafeln waren nass und der Pollen hatte Schim- 
mel angesetzt. Diese Tafeln gab ich drei starken Völkern, alle 
drei wurden faulbrütig und gingen ein.“ 

Es ist im Eingange gesagt, dass sich in den faulbrütigen Zel- 
len nicht nur der Cryptococcus, sondern auch die verwandte klei- 
nere und überhaupt kleinste Pilzform, der Micrococeus, vorfindet 
und sich dort billionenweise vermehrt. In dieser Form gelangt 
der Faulbrutpilz jedenfalls als Inhalt der Sporen vieler Pilzbildun- 
sen in den Stock. Ob alle oder nur einige Pilzbildungen im 
Stande sind, durch den Inhalt ihrer Sporen Faulbrut zu erzeu- 


Ueber die kleinsten mikroskopischen Pilzformen, insb. Faulbrutpilz. 209 


gen, hat die Wissenschaft zu untersuchen und wird sich dies 
durch Experimente feststellen lassen: Auch werden die mit den 
Micrococcus- Körnern vorgenommenen Kulturen die Mutterpflanzen 
ergeben. 

Dass die Faulbrut durch die italienische Biene eingeführt ist, 
muss völlig bestritten werden. Ich habe sie auf einem Stande 
und in einer Gegend gesehen, in welcher niemals italienische Bie- 
nen existirt hatten, in Stöcken, die sicher von ächt altpreussi- 
scher Herkunft waren, und deren Vorfahren unzweifelhaft schon 
unsere heidnischen urpreussischen Ahnen mit Honig versehen 
haben. 

Ob, wie Leuckart meint, zwischen dem Faulbrutpilz und 
der Muscardine ein Zusammenhang besteht, wage ich nicht zu ent- 
scheiden. Es ist möglich, dass beide einen gemeinsamen Ur- 
sprung haben und auf eine gemeinsame Ursache zurückgeführt 
werden *). 

Ein Bienenzüchter in Baden hat mir schriftlich die Mitthei- 
lung gemacht, dass seine Bienen das Wasser aus Düngerpfützen 
holen und dass er glaube, dies sei bei ihm die Ursache der Faul- 
brut. Ich halte dies sehr wohl für möglich, da Pilzformen auch 
in den Düngerstätten wuchern und von hier durch die Bienen in 
den Stock getragen werden können. 

Verhütung der Faulbrut. Die Verhütung der Faulbrut ergiebt 
sich aus den angeführten Ursachen. In die Worte: „Man sorge 
für die grösste Sauberkeit nach allen Seiten hin“ lässt sich die 
Vorschrift zur Verhütung der Faulbrut zusammenfassen. Wie man 
dadurch schon die Wachsmotten fern hält, die überhandnehmend 
auch einer ansteckenden Krankheit gleich zu erachten sind, so wird 
man durch sie auch am sichersten der Einschleppung der klei- 


*) Man hat Professor Leuckart, der sich auf der Darmstädter Ver- 
sammlung 1868 für eine Verwandtschaft des Faulbrutpilzes mit der Muscar- 
dine aussprach, einen Vorwurf daraus gemacht, dass er damit die Parasiten- 
theorie anerkannte, während er sie 1866 in der Bienenzeitung bestritt. Es 
kann dies dem berühmten Naturforscher nur zu neuem Ruhm gereichen. Die 
Wissenschaft ist niemals eine abgeschlossene; die Instrumente haben in den 
letzten acht Jahren eine bedeutende Vervollkommnung erfahren und die unter 
dem Mikroskop auch bei 1000fältiger Vergrösserung noch punktförmig erschei- 
nenden Körperchen, die Micrococcus-Formen, waren in jener Zeit in ihrer 
hohen Bedeutung nicht erkannt. 


tal“ 


210 Preuss, 


neren Feinde der Pilzformen des Micrococcus und Cryptococcus 
vorbeugen. Speciell lässt sich Folgendes anführen: 

1) Man kaufe Stöcke nur von anerkannt gesunden Ständen. 

2) Man verwende womöglich nur allerreinsten Honig zur Füt- 
terung. Gewissenhafte Honigbereiter, wie ich sie in unserer Ge- 
send kennen zu lernen Gelegenheit hatte, sondern Brut und Pol- 
len enthaltende Waben sorfältig von den Honigwaben. Ein so ge- 
wonnenes schönes Produkt hält sich allerdings Jahre lang unver- 
ändert. 

Hat man nun schlechten verdorbenen Honig, so kann man 
ihn gleichwohl zum Füttern verwenden, wenn man ihn einige Zeit 
kocht und ihn sofort verfüttert. 

3).Man entferne aus dem Stocke Schimmelbildung und Alles, 
was sie begünstigt, todte Bienen, verdorbenes Wachs u. Ss. W. 

4) Man sorge für reines Trinkwasser. Auf jedem Bienenstande 
sollte sich eine mit Moos gefüllte grosse Schüssel vorfinden, in 
welche »täglich reines Wasser gegossen wird. Das ist den Bienen 
bequem und hält sie ab, Düngerstätten zu besuchen. 

Kur der Faulbrut. Entdeckt man in einem Stocke Faulbrut, 
so entferne man zunächst die Königin, um neuen Brutansatz zu 
verhindern und so der Krankheit den Boden zu entziehen. Sie 
wird später wieder zugesetzt und wieder entfernt, sobald sich 
Spuren der Faulbrut zeigen. Jedes faulbrütige Stück wird mit 
dem Messer weggeschnitten. Man sehe ferner, sobald man die 
Faulbrut auf seinem Stande bemerkt, die Stöcke oft durch und 
bringe, besonders während der heissen Sommermonate, die kran- 
ken in gereinigte Wohnungen. Diese Reinigung wird in der 
Weise bewirkt, dass man die Beute zunächst der Siedehitze aus- 
setzt. Man bringt sie entweder in einen Backofen oder wäscht 
sie wiederholt mit kochendem Wasser. Sind sie’ völlig getrock- 
net, so wäscht man sie mit Alkohol, Spiritus von 92— 97°. 
Gleichfalls von grosser Wirksamkeit sind, da sie alle niederen 
Pilzelemente tödten: 

1) Die Karbolsäure (Phenylsäure, Phenylalkohol). Sie tödtet 
noch im Verhältniss 1: 100 Wasser jeden niederen thierischen 
und pflanzlichen Organismus. 

2) Das übermangansaure Kali ist noch im Verhältniss von 
1:300 ebenso wirksam. 

Verdünnte Schwefel-, Salpeter- und Essigsäure sind nützlich, 


“ 


Ueber die kleinsten mikroskopischen Pilzformen, insb. Faulbrutpilz. 211 


kommen aber den vorgenannten Mitteln an Wirksamkeit nicht 
gleich. 

Der Boden auf dem Stande ist oft umzugraben und mit ver- 
dünnter Schwefelsäure zu begiessen oder mit ungelöschtem Kalk 
zu bestreuen. 

Innere Mittel, welche man behufs Heilung der Faulbrut rei- 
chen könnte, giebt es nicht. Man verliere damit keine Zeit. 


/ 


II. 
Kurze Mittheilungen. 


Weitere Notizen über die Krankheit des Zuckerrohrs. 
Nach brieflicher Mittheilung von F. M. Dränert aus Bahia vom 
28. April 1869. 


Von ganz besonderer Wichtigkeit erscheint der Umstand, dass 
sich Cryptococcus schon in dem frisch ausgepressten Zuckersafte 
kranken Zuckerrohrs findet, was zu wiederholten Malen durch 
mikroskopische Untersuchung nachgewiesen wurde. In demselben 
Safte finden sich jedoch in noch weit grösserer Menge jene kleinen 
Zellen (Fig. 58a, „wahrscheinlich dieselben, die Sie Micrococcus 
nennen“). 

Nach Verlauf einiger Stunden hatte sich schon eine Menge 
von Sprosshefezellen (Cryptococcus) entwickelt (Fig. 58 b), worun- 
ter sich schon Ansätze zu jenen gegliederten algenartigen Fäden 
(Fig. 58 c) fanden, die sich im Verlauf einiger Tage sehr schön 
und gross entwickelten. Von solchem Rohr wurde die gelbe Ma- 
terie gesammelt, welche, im Wasser gelöst, sich als Micrococcus 
zu erkennen giebt. Innerhalb 24 Stunden entwickelt sich daraus 
jener algenartige Faden, von welchem f Fig. 58 ganz junge Zu- 
stände zeigt. Diese Fäden sind um !/, schmäler als die vorhin 
erwähnten. Dieselben Fäden entwickeln sich, mit Zucker genährt, 
nach zweitägigem Wachsthum zu der in Fig. 58 d dargestellten 
gegliederten Form, häufiger aber zu verzweigten Fäden, die hin 
und wieder durch stark angeschwollene Glieder unterbrochen sind. 
Sehr beachtenswerth sind die von diesen Fäden getragenen kuge- 
ligen (g Fig. 58) oder lang gestreckten (h, i Fig. 58) interstitiellen 
Sporangien. 


Kurze Mittheilungen. 213 


Gegenerklärung von Ernst Hallier. 


Unter der Rubrik: Origmal-Abhandlungen befindet sich in 
Nr. 31 der Botanischen Zeitung eine „Erklärung“ von M. Reess, 
worin derselbe den Beweis begehrt für meine Behauptung *), 
„dass es ihm auf die Wahrheit nicht so sehr ankommt, sobald 
es gilt, ein tendentiöses Schulinteresse zu vertheidigen.“ Ich bin 
leider nur allzu sehr in der Lage, diesem Begehren entsprechen 
zu können. 

Die „Erklärung“ des jungen Reess ist hervorgerufen durch 
meine Recension seiner vorläufigen Mittheilung über Bierhefe. 
Dieser Artikel „Zur Naturgeschichte der Bierhefe‘‘ beginnt (Nr. 7 
v. 12. Febr. 1869 der Botan. Zeitung) mit einer Einleitung, welche 
von ungezogenen und ausfallenden Redensarten gegen ältere Bo- 
taniker in einer Weise erfüllt ist, dass ich meine Recension mit 
einer genaueren Erwähnung dieser Dinge nicht beflecken wollte. 
Wer ist denn Herr Reess, dass ihm solche Sprache zusteht? 
Die einzige Entschuldigung könnte man darin sehen, dass er viel- 
leicht durch Andere aufgereizt wurde. 

Gewiss aber durfte der junge Mann es als ein mildes Verfah- 
ren ansehen, dass ich über diese Dinge (Heft 1 8.96. Z.4.5 v. u.) 
einfach zur Tagesordnung überging. Die Unwahrheit aber durfte 
und musste gerügt werden, um so mehr, als dergleichen schon 
früher vorgekommen war. 

Herr Dr. Reess bedient sich in jener ausfallenden Einlei- 
tung verschiedener Schlagwörter, unter denen z. B. Cholerastuhl 
und „Reinkulturapparat“ figuriren. Wer solche Schlagworte ge- 
braucht, um Arbeiten oder Richtungen zu verdächtigen, von dem 
darf man wohl zweierlei fordern: erstlich, dass er die Person an- 
giebt, welche sich des Wortes bedient hat, oder auf welche das- 
selbe gemünzt ist; und zweitens, dass er nur solche Worte mit 
Anführungszeichen anführt, welche sich wirklich irgendwo gedruckt 
finden. Wer beides oder eins von beiden verabsäumt, der kommt 
mit Recht in den Verdacht, welchen wir nur als bescheidene Frage 
(S. 97 Z. 4. 5 Heft I dieser Zeitschrift) geäussert haben. Der 
junge Reess hat beides verabsäumt. Das Wort, welches er mit 
Gansefiisschen, also angeblich wörtlich, zitirt, kommt an der Stelle, 
auf welche er sich nachträglich beruft, nicht vor und das heisst 
eine neue Unwahrheit aussprechen und zugleich den Lesern, die ja 


*) 5. diese Zeitschrift Nr. 1. 8. 97 2.5 — 10. 


214 Kurze Mittheilungen. 


doch nicht alle Zitate, am wenigsten wo es sich um Personalien 
handelt, nachschlagen, Sand in die Augen streuen. Die beiden 
Zeilen, auf welche sich Herr Dr. Reess beruft, lauten: „Es wird 
darin ein einfacher Apparat beschrieben, mittelst dessen eine 
Reinkultur der Hefe..... möglich wird“. Der Apparat selbst wird 
später ausdrücklich „Gährungsapparat“ genannt”). Ich hatte 
grade Hoffmann’s und Bail’s grössere Arbeiten durchge- 
sehen. 


Hoffmann hat bekanntlich das Verdienst, ein ähnliches Prin- 
zip wie Pasteur bei seinen Apparaten, und zwar, wie er selbst 
sagt, unabhängig von Pasteur, zuerst in Deutschland in Anwen- 
dung gebracht zu haben. Jene oben citirte Stelle befindet sich 
nicht einmal in einer seiner grösseren und selbstständigen Arbeiten, 
sondern in seinen „Mykologischen Berichten“. Was nun die un- 
wahre Darstellung des Herrn Dr. Reess über die erste wirkliche 
Sitzung der Botanischen Section in der Naturforscherversammlung 
zu Dresden anlangt, so bemerke ich darüber nur Folgendes: 


Herr Dr. Bail hielt in jener ersten Sitzung einen Vortrag, 
an dessen Eingang er mich interpellirte, warum ich in meinen 
„Gährungserscheinungen“ so bestimmt die auf den Zusammenhang 
des Micrococcus mit anderen Pilzformen bezüglichen Thatsachen 
als erwiesen hingestellt hätte. Er forderte mich direkt zur Ant- 
wort auf, ebenso bezüglich meiner Ansicht über den Zusammen- 
hang. zwischen Penicillium und Mucor. Diese beiden Fragen be- 
antwortete ich, weil ich eben musste, gewiss so kurz und einfach 
wie möglich. 

Weiteres habe ich weder in dieser noch in irgend einer der 
folgenden Sitzungen gesprochen aus einem sogleich mitzutheilenden 
Grunde. 

Herr Dr. Reess berichtet über das soeben Gesagte: „Den 
Zusammenhang zwischen Micrococcus und Hefe hält er (Bail) da- 
gegen für noch nicht erwiesen, welche Aeusserung ihm entspre- 
chende Belehrung von Seiten des anwesenden Prof. Hallier 
zuzieht. 

Ich darf mich weiterer Bemerkungen hierüber wohl enthalten. 


Herr Dr. Reess fährt dann als Berichterstatter fort: „Dann 
wiederholt sich zwischen den zwei genannten Herren und Professor 


*) Bot, Zeitung 1865 S. 348 Sp. 2 Z. 19. 25. 


Kurze Mittheilungen. 215 


Famintzin die schon 1867 in Frankfurt zwischen Bail, Hoff- 
mann und Woronin geführte Discussion.“ 

Dieser Satz ist eine Unwahrheit von Anfang bis zu Ende. 

Die Sache war folgende: Bail hatte im Laufe seines Vortrags 
sich über das Verfahren de Bary’s, seinen Arbeiten und seiner 
Beweisführung gegenüber, beschwert. Herr Professor Famintzin 
trat gegen Bail als Vertheidiger de Bary’s auf in einer ziem- 
lich ausführlichen Auseinandersetzung. Mit dieser Angelegenheit 
hatte ich gar nichts zu schaffen und habe selbstverständlich dazu 
nichts gesagt. Eine „Discussion“ fand nicht statt. 

Nun könnte man glauben, es müsse mir gleichgültig sein, 
was man in Frankfurt gesprochen und dass man mir die Theil- 
nahme an einer solchen „Discussion“ zuerkennt. Wer aber weiss, 
was in Frankfurt vorgefallen, der wird begreifen, warum ich diese 
Unwahrheit rüge. Ich kenne die Vorgänge in Frankfurt nur aus 
den offiziellen und nicht offiziellen Berichten und aus mündlichen 
wie schriftlichen Mittheilungen. Dass aber, was man in meiner 
Abwesenheit über mich gesprochen, nicht sehr schmeichelhaft für 
mich war, sagt mir ein Brief des unvergesslichen Griesinger 
vom 4. Oktober 1867. Eine Stelle darin lautet: 

„Hätte ich gewusst, wo Sie wären, so hätte ich Ihnen von der 
„Frankfurter Naturforscher - Versammlung aus telegraphirt, hin 
„zu kommen. Dort wurden Ihre Untersuchungen über die Cho- 
„lera so getadelt, herabgesetzt und auf’s Bitterste angegriffen, 
„dass ich ausserordentlich gewünscht hätte, dass Sie persönlich 
„unter die Leute treten und ihnen die Sache aus einander setzen 
„könnten. Ich habe mich so verhalten, wie Jemand, der lieber 
„von der Sache nichts versteht, aber von dem Ernste und der 
„Gewissenhaftigkeit der Untersuchung lebhaft überzeugt ist.“ 

Diese Vorgänge brachten mich zu dem Vorsatz, um jeden 
Preis die Naturforscher - Versammlung zu Dresden zu besuchen, 
damit man nicht wieder hinter meinem Rücken über mich herfal- 
len möge. Ich nahm mir vor, in der Section so zurückhaltend 
wie möglich aufzutreten und liess mich durch die Bitten meiner 
Bekannten nicht zu einem Vortrag bewegen, um nicht unbeschei- 
den oder anmassend zu erscheinen. Es half mir nichts, wie obige 
Mittheilung über den Bericht des Herrn Reess zeigt. 

Ich sollte sprechen auf den Wunsch meiner Freunde, um 
Beweise für die Richtigkeit meiner Ansichten zu liefern und den 
Gegnern die Zustimmung abzuzwingen. Ich weiss aber überdies 


216 Kurze Mittheilungen. 


aus Erfahrung, dass man die schwierigsten aller mikroskopischen 
Arbeiten vor einer grossen Versammlung nicht einmal demonstra- 
bel, viel weniger beweiskräftig vorlegen kann. Das muss im La- 
boratorium auf genetischem Wege geschehen, und da habe ich 
noch Jedem Rede gestanden und bedeutende Männer von diesem 
oder jenem Zusammenhang unter den Thatsachen überzeugt. 

Gezänke in Versammlungen entscheidet nichts. 

Herr Dr. Reess entschuldigt die Unrichtigkeiten in seinem 
Bericht damit, dass er in der ersten Sitzung nicht anwesend ge- 
wesen und sich nach dem Tageblatt und mündlichen Mittheilun- 
sen habe richten müssen. Wir sehen davon ab, dass er diese 
Abwesenheit im Bericht selbst verschweigt. Im Tageblatt findet 
sich von den oben gerügten Dingen nichts. Hatte Herr Reess, 
wenn er nicht zugegen war, nicht um so mehr die Pflicht, alles 
Persönliche und Parteiische bei Seite zu lassen? Konnte er 
nicht überhaupt von Dingen, die er nicht gehört, ganz schweigen 
oder war kein erfahrenerer Botaniker anwesend, der den Bericht 
abfassen konnte? 

Wir sehen in Alle dem nur Parteiverblendung. Ich bin sehr 
geneigt, jungen Leuten in ihrem Streben allen möglichen Vor- 
schub zu leisten und ihnen die mildeste Schonung angedeihen zu 
lassen, aber die ungeheure Anmassung, mit welcher kaum den 
Studienjahren entwachsene Jünglinge über die schwierigsten Un- 
tersuchungen glauben aburtheilen zu dürfen, bedarf der Zurecht- 
weisung, die freilich oft mehr den Lehrern als den Schülern ge- 
bührt. Herr Reess meint, er sei fast mit jedem Botaniker im 
Einverständniss. 

So viel aber ist gewiss, dass die Schule des Herrn Kollegen 
de Bary, von der diese Dinge ausgehen, unbeschadet einzelner 
Irrthümer, denen jede menschliche Forschung unterworfen ist, 
binnen Kurzem die Hauptresultate meiner Arbeiten anerkennen 
muss, sie mag nun wollen oder nicht. 


Die Cholera - Untersuchungen der Engländer in Ost- 
indien. Von E. Hallier. 


Es ist in der That ein grossartiges Phänomen, wenn eine 
Nation, wie die Engländer, welche mit ihren Verbindungen den 
ganzen Erdball umspannt, sich einer wichtigen internationalen 


Kurze Mittheilungen. DIRT 


Aufgabe unterzieht, wie”die Auffindung der Endursache einer epi- 
demischen Krankheit. Der Cholera gegenüber haben gewiss die 
Engländer nicht nur das erste Recht, sondern auch die erste 
Pflicht, an’s Werk zu schreiten, da die Ursprungsstätte in einer 
ihrer weiten Besitzungen gesucht wird. 

Indessen sind wir gleichwohl der Ansicht, dass grade bei 
diesem Werke sich mehre Nationen hätten betheiligen müssen, 
wenn dasselbe von einem glücklichen Erfolg gekrönt werden 
sollte. 

Mag man nun der Parasiten - Hypothese beistimmen oder 
nicht, jedenfalls ist es durchaus nöthig, zu untersuchen, ob die 
vorgefundenen Parasiten bei’'m Cholera-Prozess eine Rolle spielen, 
und welche es ist. Für diesen Theil der Aufgabe hätten aber 
Gelehrte mehrer Nationen, namentlich Amerikaner, Deutsche, 
Franzosen und Italiener hinzugezogen werden müssen, wenn man 
auf irgend einen nennenswerthen Erfolg rechnen wollte. Es hätte 
sich die naturwissenschaftliche Untersuchung überhaupt nicht auf 
ein einzelnes Fach beschränken dürfen, vielmehr mussten Che- 
miker, Botaniker und vielleicht sogar ein Zoologe die Expedition 
begleiten. 

Statt dessen sehen wir zwei junge englische Aerzte nach In- 
dien reisen, um die Untersuchung allein, ohne die Hülfe von Fach- 
selehrten, zu unternehmen. Am Abend des 21. Oktober 1868 
langten die beiden jungen Leute, welche auserwählt waren, diese 
wichtige Kommission zu übernehmen, bei mir an. 

Ich fand in ihnen den Herın Dr. Douglas Cunningham 
und Dr. T. Lewis, zwei noch sehr junge, aber gut unterrichtete, 
gebildete und liebenswürdige Aerzte. 

Dieselben waren mehre Monate vorher durch einen Brief des 
Herrn Professor Parkes an der Army Medical School, Royal 
Victoria Hospital, Netley, bei Southhampton, bei mir angemeldet, 
mit dem Bemerken, dass sie in der Cholera-Frage meinen Unter- 
richt geniessen sollten und dass sie so lange bei mir verweilen 
könnten, als ich es für gut befände. 

Es setzte mich daher einigermassen in Verwunderung und 
entmuthigte die Hoffnung, die ich an diese wichtige Mission ge- 
knüpft hatte, als die Herren mir in Uebereinstimmung mit einem 
Schreiben des Herrn Professor Parkes, Secretär des Senates 
der Med. Militär- Academie, vom 1. Oktober 1868 ankündigten, 
dass sie höchstens 14 Tage in Jena bleiben könnten, 


218 Kurze Mittheilungen. 


Ich erbot mich, diese 14 Tage dazu zu benutzen, ihnen den 
srössten Theil meiner Präparate über die Cholera - Parasiten un- 
ter dem Mikroskop vorzuzeigen. Es gelang mir auch, ihnen we- 
nigstens die wichtigsten Formen meiner Cholerapräparate vorzu- 
führen und ihnen zur Erläuterung wie zum Vergleich einige wenige 
auf verwandte Pilzbildungen bezügliche Dinge zu zeigen, obgleich 
sie täglich nur etwa zwei Stunden lang das mikroskopische Sehen 
ertrugen. Die Verständigung hatte gar keine äusseren Schwierig- 
keiten, weil Herr Dr. Lewis recht gut der deutschen Sprache 
mächtig war. Dagegen litt das Verständniss an grösseren inneren 
Schwierigkeiten, weil die beiden Herren, wenn sie auch meine 
Arbeiten grossentheils gelesen und sich im den letzten Monaten 
mit mikroskopischen Untersuchungen ein wenig beschäftigt hatten, 
in der Botanik und insbesondere in der Mykologie völlig Anfänger 
waren. So ist denn auch ihr Bericht im Lancet *) nicht ganz frei 
von Missverständnissen geblieben. Einige wenige Unterrichtsstunden, 
welche sie kurz vor ihrem Eintreffen bei mir bei Herrn Professor 
de Bary genommen hatten, was sie mir, vermuthlich ihrer In- 
struction gemäss, sorgfältig zu verheimlichen suchten, konnten 
natürlich nicht ausreichen **), diesen Mangel zu ersetzen. 

Ich hielt es unter solchen Umständen gradezu für Pflicht, so- 
wohl ihnen als der Behörde, welche sie mit dieser wichtigen Mis- 
sion betraut hatte, offen auszusprechen, dass ich sie so, wie sie 
jetzt vorgebildet wären, durchaus nicht für befähigt hielte, den 
botanischen Theil der Aufgabe zu lösen. Da ich für die beiden 
jungen Herren ein lebhaftes Interesse fühlte, so gab ich ihnen den 
dringenden Rath, sich bei ihrer vorgesetzten Behörde die Erlaub- 
niss auszuwirken, ein Jahr oder, wenn das unmöglich, wenigstens 
einige Monate bei mir oder bei irgend einem älteren Mykologen 
ihre Vorstudien zu machen. Ich verhehlte ihnen nicht, dass da- 
von nach meiner Ueberzeugung das Gelingen eines Haupttheils 
ihrer Aufgabe abhange. Sie sagten mir, dass sie einen solchen 
Antrag bei ihrer Behörde stellen wollten. Ich selbst schrieb ebenso 
rückhaltlos an Herrn Professor Parkes, erhielt aber leider in 
einem Brief vom 2. November 1868 die Antwort: „Ich muss un- 
„endlich bedauern, dass unsere Anordnungen es diesen beiden 


*) The Lancet. Vol. I. No. I—IlI. London 1869. 
**) An ihren Fragen merkte ich sehr bald, dass sie bei de bary gewesen 
waren, und sagte es ihnen gradezu, worauf sie es zugaben. 


Kurze Mittheilungen. 219 


„Herren nich gestatten, eine längere Zeit bei Ihnen zu bleiben. 
„Wir hatten gemeint, dass 14 Tage ausreichend sein würden und 
„haben den Urlaub für dieselben nur für diesene Monat erhalten. 
„Am 12. December müssen diese Herren von England nach In- 
„dien abreisen und es ist uns unmöglich, deren Abreise zu ver- 
„schieben u. S. w. 

Wenn nun auch zweifelsohne derjenige Theil der Aufgabe, 
welchen ich nach meiner Stellung zu dieser Frage für den aller- 
wichtigsten, ja für den eigentlichen Kernpunkt halten muss, näm- 
lich die Aufdeckung der Beziehungen des Parasiten zum Krank- 
heitsprozess, durch solche Veranstaltungen nicht gelöst werden kann, 
so unterliegt es doch andererseits gar keinem Zweifel, dass die 
beiden Herren durch Einsammlung von allen möglichen Parasiten 
des Reises und möglichst vieler anderen Gewächse der Cholera- 
Regionen ein recht bedeutendes Verdienst erwerben würden, wenn 
nicht um die Cholera-Frage, doch jedenfalls um die Botanik; 
denn wie auf unseren einheimischen Gewächsen noch so häufig 
neue Parasiten aufgefunden werden, so ist noch weit weniger vor- 
auszusetzen, dass die parasitischen Cryptogamen Indiens auch 
nur annähernd vollständig bekannt sein sollten. Auch diese Bitte 
habe ich im Interesse der Sache wie der jungen Leute Herrn 
Professor Parkes vorgetragen, uud derselbe hat mir zu meiner 
Freude mitgetheilt, dass er den Herren Dr. Cunningham und 
Dr. Lewis davon Mittheilung gemacht habe. 

So wird denn ohne Zweifel nicht nur die ärztliche, sondern 
auch die rein naturwissenschaftliche Seite der Cholera-Frage ihrer 
Lösung um einige wichtige Schritte näher geführt werden und es 
steht zu hoffen, dass die englische Regierung bei einer späteren 
Gelegenheit in Angriff nimmt, was auf diesem Wege nicht erreich- 
bar ist. 


Ueber eine Pilzepidemie der Nonne (Liparis monacha) 
von E. Hallier. 


Der Magistrat der Stadt Usedom machte mir in einem Schrei- 
ben vom 20. Juli d. J. die Anzeige, dass in den städtischen For- 
sten von Usedom in Folge meines Gutachtens tiber die Kiefern- 
spinnerkrankheit die Vertilgungsmassregeln gegen diesen gefähr- 
lichen Feind der Kiefernwälder eingestellt worden seien und dass 


220 Kurze Mittheilungen. 


die Raupe, obgleich sie im Frühling noch in grosser Menge vor- 
handen gewesen, dennoch weiteren Schaden nicht gethan habe. 

Dagegen habe sich die Nonne in diesem Sommer in so grosser 
Menge gezeist, dass schon eine nicht unbedeutende Forstfläche 
kahl gefressen sei. 

Seit einigen Tagen habe man auch von dieser Raupe zahl- 
reiche todte und sterbende Exemplare gefunden, so dass die Ver- 
muthung nahe liege, dass auch diese Raupen von einer Krankheit 
befallen seien. 

ich erhielt im Ganzen 325 Raupen; davon waren 231 bereits 
todt, 85 noch lebend, aber zum Theil mit deutlichen Kennzeichen 
der Erkrankung versehen, 9 hatten sich verpuppt. 

Bei der Krankheit der meisten dieser Raupen war der Pilz 
der Fliegenkrankheit (Empusa muscae) thätig. Ich habe densel- 
ben einer ausführlichen Untersuchung unterworfen und werde, so- 
bald dieselbe sichere und vollständige Resultate ergiebt, darüber 
berichten. Für die Krankheit der Stubenfliege, welcher auch diese 
Raupen, wenn auch in etwas veränderter Form, unterliegen, möchte 
ich den Namen Muscine in Vorschlag bringen. 


Rundschau in der neueren Literatur über Parasiten 
in und auf dem Körper unserer Haussäugethiere. 


(Fortsetzung.) 


A. Thierische Parasiten. 


Aus der Familie der Strongylidea kommen, nach der bisheri- 
sen Annahme, in den Dauwerzeugen der Schafe 3 Arten vor, 
nämlich 

1) Strongylus contortus, der gedrehte Pallisadenwurm , welcher 

im Labmagen, 

2) Strongylus filicollis, der dünnhalsige Pallisadenwurm, welcher 
in den dünnen Gedärmen, 

3) Dochmius hypostomus, der Pallisadenwurm mit abwärts ge- 
kehrtem Munde, welcher im Dünn- und Dickdarm 

der Schafe schmarotzt. 

Der letztgenannte Pallisadenwurm wurde früher von Rudol- 
phi einfach als Strongylus hypostomus bezeichnet, darauf nannte 
ihn Dujardin Selerostomum hypostomum wegen seines bewatt- 


Kurze Mittheilungen. 221 


neten Mundringes, endlich reihte Diesing denselben in die Gat- 
tung Dochmius ein und zwar weil das Maui bei diesem Pallisa- 
denwurm nicht an der Spitze des Körpers, sondern etwas unter 
derselben, nicht endständig, sondern, am Ende des nach abwärts 
sebogenen Kopfes, unterständig sich befindet. 

Baillet weist nun in einem grösseren Aufsatze nach (ef. 
Recueil de Medecine vetermaire publie sous la direction de H. 
Bouley, Prof. & l’Ecole @Alfort 1868, 539, Note sur les stron- 
eyliens et les sclerostomiens de Tappareil digestif des bétes ovines), 
dass der schon von Creplin angeführte und zwar mit dem Na- 
men Strongylus cernuus bezeichnete Wurm, der bis jetzt als 
selbstständige Art von keinem Helminthologen anerkannt worden 
sei, wirklich im Dünndarm der Schafe vorkomme und als Reprä- 
sentant einer besonderen Art anzusehen sei. Baillet schlägt vor, 
denselben Dochmius cernuus zu nennen, führt auch weitläufig aus, 
wie dieser Dochmius cernuus durch den fehlenden Zahnbesatz am 
Mund, durch besondere Eigenthümlichkeiten im Bau der Ge- 
schlechtsorgane sowohl des Männchens als des Weibchens u. s. w., 
sich vollständig vom Dochmius hypostomus unterscheidet. Mithin 
kennen wir jetzt vier Arten von Pallisadenwürmern bei Schafen: 
Strongylus contortus, Strongylus filicollis, Dochmius hypostomus, 
Dochmius cernuus. 

In demselben Aufsatze verwirft Baillet den Vorschlag Du- 
jardins’, den Strongylus contortus und den Strongylus filicollis in 
eine Gattung zu vereinen. Die Unterschiede beider Arten sind zu 
sross, als dass dieses möglich wäre. Des Vergleiches halber eine 
kurze Beschreibung beider Arten. 

Strongylus contortus Rud. Zwar selten, doch dann in 
grosser Menge im Labmagen der Schafe vorgefunden. Länge des 
Männchens 5—8“‘, Länge des Weibchens 9— 18“; Dicke 1/4". 
Der Körper ist auf beiden Seiten, vorm etwas mehr als hinten, 
verschmächtigt, ferner etwas gedreht. Eiförmiger, abgestutzter 
Kopf mit endständigem Maul, ohne Flügel; 2 Papillen in einer 
kleinen Entfernung vom Mund. Schwanzbeutel des Männchens 
2lappig und 12rippig; 2 Spiculae. Das Schwanzende des Weib- 
chens spitzig, die Geschlechtsöffnung vor dem Schweifende; die- 
selbe durchbohrt einen kleinen Höcker, an dessen Ende 2 häu- 
tige Flügel befindlich, zwischen denselben eine dreieckige feine 
Klappe, die die Geschlechtsöffnung wie ein Deckel verdeckt. Die 
beiden Ovarien laufen parallel neben einander, den Darm mehr- 


222 | Kurze Mittheilungen. 


fach umschlingend; jedes Ovarium stösst an einen spindelförmigen 
Uterus, der in einem eigenen Oviduct endet. Die beiden Oviducte 
der zwei Fruchthälter (-abtheilungen ?) vereinigen sich zu einem 
semeinschaftlichen sehr kurzen Oviduct. — Aus den reifen Eiern, 
die in Wasser gebracht werden, schlüpfen Embryonen hervor, die 
ca. 29 Tage am Leben bleiben, ohne sich zu vergrössern. 

Strongylus filicollis Rud. In den dünnen Därmen der 
Schafe nicht selten. Länge des Männchens 4—5“, Länge des 
Weibchens 5 — 10; 1/4“ dick. Der Körper ist fadenförmig, doch 
hinten angeschwollen, vorn mehr nach Art eines Halses ver- 
schmächtigt. Der Kopf ist stumpf, mit zwei sehr schmalen Flü- 
geln. Schwanzbeutel des Männchens mit zwei länglichen sechs- 
strahligen Lappen, Schwanzende des Weibchens gerade und stumpf, 
Weibliche Geschlechtsötfnung nackt. Die Ovarien haben geschlän- 
selten Verlauf im Innern des Körpers und ringeln sich nicht um 
den Darm. Die Fruchthälter mehr cylinderférmig. — 

Rivolta beobachtete als Ursache eines (angeblichen) Herpes, 
der seinen Sitz am oberen Theile der rechten Halsfläche eines 
Hundes hatte, Embryonen von Filaria. Die Flechte soll sich als 
dunkelrothe, feuchte, geschwürige, thalergrosse Stelle dargestellt 
und die grösste Aehnlichkeit mit einem Herpes excedens (?) ge- 
habt haben. Beim Druck auf die ergriffene Stelle soll sich Blut 
und Eiter entleert haben. Die entleerte Flüssigkeit mikroskopisch 
untersucht, liess ausser Eiterzellen, kleinen Stückchen Hautpapil- 
len, Blutkörperchen, Haarfragmenten u. s. w. lebhaft sich bewegende 
Filaria-Embyonen erkennen. Als characteristische Eigenthümlich- 
keiten jedes dieser Embryonen nennt Rivolta: Nicht deutlich 
vom Körper: abgegrenzter, runder Kopf mit kreisförmigen Mund; 
der vordere Theil des Körpers ist dünner als der mittlere; der 
hintere Theil dünn, schweifartig, soll meist auf der einen Seite 
- getragen worden sein und durch Hin- und Herpeitschen die leb- 
hafte Bewegung dieser Filaria-Embryonen ermöglicht haben. Die 
Embryonen sollen der Filaria medinensis angehören (??). Die Be- 
seitigung der Krankheit ist durch ca. fünfmalige Einreibung von 
Unguent. hydrarg. einer. bewerkstelligt worden. (Il medico vete- 
rinario 1868 p. 300.) 

Auch von Mégnin ist neuerdings durch Experiment nachge- 
wiesen, dass die Räudemilbe der Katze (Sarcoptes minor) auf 
Pferde übergeht. Mégnin band einem Pferde ein Stückchen 
Haut, das von einer, wegen hochgradiger Räude getödteten Katze 


; 


Kurze Mittheilungen. 223 


stammte, auf das Widerriist. Nach 24 Stunden entfernte er das 
Hautstiick wieder. Erst 11 Tage nach der künstlichen Infection 
fing das Pferd an sich zu jucken und zu beissen, am 17. Tage 
fielen die Haare aus und zeigten sich specifische Räudeflecken; 
am 22. Tage hatten sich die Räudestellen bis zur Flankengegend 
des Pferdes erstreckt. Die Milben waren leicht aufzufinden. (Bul- 
letin de la Sociét. centr. de med. etc. 1868.) — 

Durch J anssen wird bestätigt, dass Hühnermilben (Dermanys- 
sus avium) auf Pferde übertragen, einen räudeähnlichen Ausschlag 
hervorrufen können, der sich durch inselartig verbreitete Borken- 
und Schrundenbildung auszeichnet. Die von diesem Ausschlag 
betroffenen Pferde zeigten ein starkes Juckgefühl. (Mittheilungen 
aus der thierärztlichen Praxis im preussischen Staate von Müller 
u. Moloff. (15.0 Jahrg. 29)) 


B. Pflanzliche Parasiten. 


Davaine impfte ein hochträchtiges Meerschweinchen mit 
Milzbrandblut. Das Thierchen starb zwei Tage nach der Impfung 
und im Blute desselben sowohl, als im Blute der Placenta fanden 
sieh in zahlloser Menge Bakteridien. Weder im Biute, noch in 
einzelnen Organen des Foetus waren Bakteridien aufzufinden. Es 
wurden nun 4 Meerschweinchen geimpft, und zwar eins mit dem 
Blute der Placenta, drei mit dem Blut aus dem Herzen, der Le- 
ber und der Milz des Foetus. Das erste Meerschweinchen starb 
am Milzbrand, in seinem Blute fanden sich wiederum die Bakte- 
ridien. Die andern drei Meerschweinchen blieben vollkommen 
intact und gesund. Davaine glaubt durch diese Experimente 
unumstösslich erwiesen zu haben, dass die Bakteridien Ursache 
des Milzbrandes sind und das Contagium derselben repräsentiren.: 
(Recueil de med. veter. etc. 1868. Davaine, Sur la nature des. 
maladies carbonneuses 199.) — 

Professor Leisering in Dresden musste „mit einer gewissen: 
Verschämtheit (vgl. Bericht über das Veterinärwesen im Königreich‘ 
Sachsen für das Jahr 1868 Seite 45 Zeile 39) das Geständniss ab- 
legen, dass er einen neuen Pilz gefunden habe.“ Genanntem 
Autor kam nämlich das amputirte Stück eines Schweifes zu Hän- 
den, welches einer Rappstute angehört hatte, die mit einer höchst 
hartnäckigen und bösartigen Schweifflechte behaftet war. Bei. der 
Untersuchung zeigte das von den Haaren grösstentheils entblösste 

10% 15 


224 Kurze Mittheilungen. 


Schweifstück eine dicke Kruste, welche aus zusammengeklebten 
Epithelien bestand, ferner noch dicke kurze von abgebrochenen 
Haaren herrührende Stümpfe aufwies. Die noch vorhandenen Haare 
liessen sich leicht ausziehen und waren an ihrer Wurzel von einer 
weichen, weisslichen Masse umgeben; bei den dicken Haarstumpfen 
war diese Masse am beträchtlichsten. An den weisslichen Massen 
besonders an denjenigen, welche man mit den Haaren herauszog, 
fanden sich regelmässig dunkle, fast bräunlich gefärbte Stellen, 
die sich bei der Untersuchung als Pilzanhäufungen erwiesen. Sie 
bestanden aus äusserst kleinen Sporen, die sich auch in den übri- 
sen Epithelialzellen und in den unförmlichen dicken und spröden 
Haarstumpfen nachweisen liessen. Leisering setzt hinzu, dass 
eine ähnliche Pilzflechte die Ursache des sogen. Rattenschweifes 
der Pferde abgeben dürfte. (Bericht über Veterinärwesen in 
Sachsen, 1868, Seite 39 u. 40.) 

In demselben Bericht über das Veterinärwesen (S. 43 u. s. w.) 
verwahrt sich Leisering dagegen, dass Virchow die Ansicht 
ausgesprochen habe, die im Milzbrandblut sich vorfindenden stäb- 
chenförmigen Körper seien Bluterystalle. Nicht Virchow, sondern 
er, Leisering, habe die bezüglichen Mittheilungen gemacht, an 
denen er noch festhalten müsse. Uebrigens bemerkt er, „dass alle 
Forscher hinsichtlich der Natur der stäbchenförmigen Körper noch 
im Kreise gegangen, und dass die neuesten Untersuchungen nicht 
gerade darnach angethan gewesen seien, das Dunkel zu erhellen.“ 
Dieses Dunkel wurde eigentlich schon einigermassen aufgehellt 
durch die Arbeit des genialen Prof. Julius Kühn zu Halle 
(Zeitschrift des Jandwirthschaftl. Centralvereins der Provinz Sach- 
sen, Mai 1864, Nr. 5), wenigstens wurde dort nachgewiesen, dass 
die sogen. Bakterien pflanzlichen Ursprungs sein müssten. Durch 
die, in vorliegendem Heft der Zeitschrift für Parasitenkunde ab- 
gedruckte, Arbeit Bender's dürfte leicht kein Zweifel über die 
wahre Natur der stäbehenförmigen Körper im Milzbrandblute mehr 
erhoben werden können. Referent glaubt, dass alle Diejenigen, 
welche die qu. stäbchenförmigen Körper für Bluterystalle ange- 
sehen haben, sich leicht eines Besseren hätten überzeugen können, 
wenn sie ihre frisch angefertigten Präparate erwärmt hätten; 
dann würde sicher eine Bewegung der vermeintlichen Crystalle 
nicht ausgeblieben sein. 

Zu der Bemerkung Leisering’s, dass Christot und 
Kiener „nun auch“ Bakterien bei der Rotzkrankheit aufgefunden 


Kurze Mittheilungen, 225 


haben (l. c. S. 35 Zeile 29) ist zu sagen, dass schon vor Jahren 
Müller in Wien Bakterien im Blut rotziger Pferde, und vor 
Christot und Kiener, die ihre Untersuchungen im Recueil de 
med. veterin. 1868 No. 12 u. 1869 No. 2 publieirten, Zürn Glei- 
ches (cf. Wochenschrift für Thierheilkunde und Viehzucht Nr. 25, 
18. Juni 1868) nachgewiesen haben. — Uebrigens müssen wir ferner 
Prof. Leisering vollständig Recht geben, dass, wenn man mit 
derselben „micrococeischen“ Aufmerksamkeit, mit welcher man 
bis jetzt pathologische Producte untersuchte, die Theile gesunder 
Thiere durchgemustert haben wird, man es als eine Merkwürdig- 
keit wird registriren müssen, wenn man keine Pilze gefunden. 
Denn unsere unmassgebliche Ansicht, die wir Niemanden aufdrängen 
wollen, ist, dass Pilze auch bei physiologischen Processen im nor- 
malen und gesunden Thierkörper eine Rolle zu spielen haben. 
Wir erinnern nur an Ptyalin, an Pepsin. Damit ist keineswegs 
zugestanden, dass gewisse specifische, zerstörend auf das Blut u. s. w. 
des Thierkörpers einwirkende Pilze, die mit physiologischen Pro- 
cessen nichts zu thun haben, nicht als Ursache gewisser Infections- 
krankheiten anzusehen seien. — 

Nach Berichten von Strerath (Mittheilungen aus der thier- 
ärztl. Praxis im preussischen Staate, herausgegeben von Müller 
und Roloff, 15. Jahrg. 31) ist die Uebertragung von Herpes 
tonsurans, welcher durch Trichophyton tonsurans bekanntlich her- 
vorgerufen wird, von Rindvieh auf Menschen vielfach vorgekommen. 

(Referent hatte zweimal Gelegenheit, Uebertragung derselben 
Flechte, welche bei Kühen an der unteren Bauchgegend sich ein- 
gestellt hatte, auf die Backen fauler Melkerinnen, die beim Melken 
aus Bequemlichkeit sich an den Bauch der Thiere angelegt hat- 
ten, zu beobachten.) LORE 


II. 
Literaturübersicht. 


1) Gährung, Hefebildung, Desinfektion, allgemeine Gesundheitspflege u. s. w. 


G. Balsamo Crivelli e Leop. Maggi, Intorno alla produzione 
del Leptothrix. Estratto dai Rendi conti del Reale Istituto Lom- 
bardo. Serie II Vol. I Fasc. If. Milano 1868. 

Dieselben, Sulla produzione del Bacterium Termo Duj. e del Vibrio 
Bacillus Duj. Ebendas. Serie II Vol. I Fasc. VII. Mil. 1868. 
Dieselben, Sulla derivazione del Bacterium Termo Duj. e del 
Vibrio Bacillus Duj. dai granuli vitellini dell’ ovo di pollo. Eben- 

daselbst Serie II Vol. I Fase. IX. Mil. 1868. 

Dieselben, Intorno alle cellule del Fermento (Hefezellen). Lette 
nella seduta del 4 giugno 1868 del R. istituto Lombardo di 
scienze e lettere. 

Dieselben, Sulla produzione di alcuni organismi inferiori in pre- 
senza dell’ acido Fenico. Estratto dai Rendi conti del Reale isti-. 
tuta Lombardo. Classe di scienze matematiche e naturali. Mil. 
1867, a 

Dr. G. Lindener, Königl. Preuss. Oberstabs- und Regimentsarzt, 
Andeutungen über die zur Verhütung von epidemischen Krank- 
heiten erforderlichen Maassregeln. Kriegerheil. Berlin, Juni 1869 
Nr. 6. 

Achill. de Giovanni, Assist. alla Clinica Medica nella R. Uni- 
versita di Pavia,. Sopra il Fermento Morbifero. Fstratto dal 
Giornale la Rivista clinica del 1869. 

G. Balsamo Crivelli e Leopoldo Maggi, Sulla Produzione 
di alcuni Organismi inferiori. Estratto dalle Memorie del Reale 
Istituto Lombardo. Vol. X. I della Serie HT. Classe di Scienze 
matematiche e Naturali. Milano 1867. 


Literaturübersicht. DT 


2) Parasiten des Menschen, Infektionskrankheiten u. s. w. 

B. H. Opitz, Beitrag zur Kaltwasserbehandlung bei Ileotyphus. 
Inaug.-Dissert. Jena 1869. 

John Murray, Report on the treatment of epidemie cholera. 
Calcutta 1869. 

R. Küchler, Einige Ansichten über die Entstehung der Cholera 
asiatica. Inaug.-Dissert. Jena 1869. 

M. A. Zundel, De la nature des Virus dans les maladies conta- 
gieuses. Resume des decouvertes les plus modernes notamment 
de celles de M. le Dr. Hallier. Lyon 1869. 


3) Parasiten an Thieren. 

Senator Dr. Kirchenpauer, Neue Bryozoen. Separat- Abdruck 
aus dem Katalog IV des Museum Godeffroy. Hamburg 1869. 
R. Hartig, Mittheilungen über Pilzkrankheiten der Insekten im 

Jahre 1868. 
Dr. Bail, Ueber Pilzepizootien der forstverheerenden Raupen. 
Danzig 1869. 


4) Parasiten an Pflanzen. 

F. Thomas, Dr., Oberlehrer an der Realschule zu Ohrdruf, Ueber 
Phytoptus Duj. und eine grössere Anzahl neuer oder wenig ge- 
kannter Missbildungen, welche diese Milben an Pflanzen hervor- 
bringen. Mit 1 Tafel. Sep.-Abdr. a. d. Zeitschrift für die ge- 
sammten Naturwissensch. Bd. 55. Halle a/S. 1869. 

M. Reess, Die Rostpilzformen der deutschen Coniferen. Halle 1869. 
Mit 2 Tafeln. 


IV. | 
Literarische Besprechungen, 


Fr. Thomas, Ueber Phytoptus Duj. und eine grössere Anzahl 
neuer oder wenig gekannter Missbildungen, welche Milben an 
diesen Pflanzen hervorbringen. Halle a/S. 1869. Mit 1 Tafel. 


In dieser fleissigen Arbeit findet man eine genetische Ueber- 
sicht über die den Gegenstand betreffende Literatur, eine Beschrei- 
bung der zahlreichen Missbildungen, welche Phytoptus an einer 
grossen Anzahl von Gewächsen hervorbringt, und einige Angaben 
über die Form- und Grössenunterschiede der Milben. Die Frage, 
ob die Thiere, welche so sehr verschiedene Missbildungen erzeugen, 
einigen wenigen oder sehr vielen Arten angehören, scheint wegen 
der im Ganzen geringen Formunterschiede noch eine offene zu sein. 

H. 


M. Reess, Die Rostpilzformen der deutschen Coniferen. Halle 1869. 
Mit 2 Tafeln. 


Wenn diese Arbeit auch noch zahlreiche bedeutende Lücken 
in der Morphologie, Physiologie und Systematik der betreffenden 
Rostpilze übrig lässt, so ist sie doch insofern eine recht dankens- 
werthe, als sie dem künftigen Bearbeiter dieser Pilzbildungen oder 
einzelner derselben als unentbehrliche Grundlage dienen wird. Man 
findet eine sorgfältige Benutzung der Literatur und einige neue 
Angaben über die Sporenbildung und Lebensweise. Die beigefügten 
Abbildungen von Chrysomyxa abietis Ung., von Aecidium conorum 
piceae Rss. und von Aecidium strobilinum (Aet. 5.) Rss. sind klar 
und einfach. \ 

Ueber den Inhalt geht folgende Uebersicht voran: 


Literarische Besprechungen. 229 


Verzeichniss der Arten und Formen. 
I. Arten mit abgeschlossenem Generationswechsel. 

1. Gymnosporangium fuscum (DC.) Oerst. 

2. - clavariaeforme (J acq. DC.) Oerst 

3: - conicum (Hedw.) Oerst. 

Il. Isolirte Teleutosporenformen mit directer Reproduction. 

1. Chrysomyxa Abietis Ung. 

IlI. Isolirte Aecidien noch unbekannter Teleutosporenarten. 
A. Formen der Gruppe Peridermium Fr. (Rinden- und Nadelnbe- 
wohner). 
a) Sporenentwickelung ohne Zwischenstücke. 

1. Aecidium elatinum A. et S. 
b) Sporenentwickelung ohne Zwischenstücke. 
Aecidium Pini (Willd.) Pers. 
c) Sporenentwickelung mit Zwischenzellen. 
Aecidium abietinum A. et S 

= columnare A. et 8. 

= coruscans Fr 

b. ‚Zapfenbevohnende bomen 
6. Aecidium conorum Piceae Rss. 

fie - strobilinum (A. et 8.) Rss. 
IV. Isolirte Sporenformen unbekannter Teleutosporen. 

1. Caeoma pinitorquum A. Br. 

Dr Abietis pectinatae Rss. 

Ueber die Einzelheiten sei noch Folgendes bemerkt. Der ab- 
geschlossene Generationswechsel, den Verf. z. B. für Gymnosporan- 
sium annimmt, ist natürlich eine blosse Voraussetzung, die an sich 
wenig Wahrscheinliches hat, selbstverständlich aber nicht ohne zahl- 
lose Kulturen und Beobachtungen angenommen werden durfte. Die 
Schimmel- und Hefemorphen hat Verf. ganz unberücksichtigt gelas- 
sen und einfach vorausgesetzt, dass solche nicht existiren. An Kul- 
turversuchen fehlt es überhaupt fast ganz. soweit es die Unter- 
suchungen des Verf. anlangt. 

Für Jodisoma rehabilitirt Verf., augenscheinlich mit Recht, 
wieder den älteren Gattungsnamen Gymnosporangium. Er lässt 
aber ausser Acht, dass seine ganze Nomenklatur nur eine vorläu- 
fige ist und dass man alle bisherigen Namen aufgeben müsste, so- 
bald sich herausstellt, dass die Uredineen ebenso wie die Ustilagi- 
neen Morphen von Sporomyceten oder Ascomyceten sind. dass sie 
also eine höhere Fruchtform besitzen, als die Uredineenfrüchte. Mit 


to 


Ct He 0 


230 Literarische Besprechungen. 


einem näheren Eingehen auf die Systematik, insbesondere auf die 
Artenbildung und Artencharakteristik, wollen wir den Leser hier 
nicht behelligen. Wer diese Dinge braucht, der muss jedenfalls die 
Schrift von Rees selbst nachschlagen. 

Bei Besprechung der Gattung Chrysomyxa wird der fleissigen 
Untersuchungen Moritz Willkomm’s in demselben hochmüthi- 
gen und absprechenden Ton erwähnt, welcher dem Herrn Verf. 
überall eigen ist. Nicht besser geht es den Herren Professor Mün- 
ter in Greifswald und Professor Karsten in Wien. Alle Drei sind 
ältere und zehnfach erfahrenere Beobachter, als Herr Dr. Reess; 
derselbe hätte sich daher immerhin eines bescheideneren Vorgehens 
gegen Jene befleissigen dürfen, um so mehr, als in Bezug auf den 
von Jenen behaupteten Zusammenhang von Chrysomyxa und Arthro- 
botrys bereits eine eingehende Besprechung und Kritik*) erschienen 
ist, was Verf. verschweigt. 

Den Micrococcus der Chrysomyxa, welchen Willkomm ent- 
deckt hat, verwechselt Herr Reess, sei es in Folge eines mangel- 
haften Mikroskopes oder mangelhafter Beobachtung, mit Oeltrépf- 
chen und nun dreht er den Spiess um, indem er Willkomm die- 
ser Verwechselung beschuldigt. — Der Micrococcus der Chryso- 
myxa ist bis jetzt einzig und allein durch Willkomm beobachtet 
worden; wenn daher Verf.**) von »diesen Autoren« spricht, so liegt 
darin eine tendentiöse Unwahrheit, denn der Leser wird dadurch 
veranlasst, die angebliche Verwechselung dieser Oeltrépfchen mit 
Pflanzenzellen auch auf andere Forscher zu beziehen. 

Jolt 


A. de Giovanni, Sopra il Fermento morbifero. Estratto dal 
Giornale la Rivista Clinica del 1869. 


Diese Arbeit ist im höchsten Grade wichtig bezüglich einiger 
-darin enthaltenen Thatsachen, und wir wollen uns auch lediglich 
auf Mittheilung einiger dieser Beobachtungen beschränken, ohne 
auf die allgemeinen Gesichtspunkte einzugehen. 

Verf. sah innerhalb der Blutkörper des Menschen winzige zel- 
lenartige Körperchen, welche zuletzt jene verlassen, dadurch frei 
werden und stark anschwellen, nachdem sie schon: innerhalb der 


*) Hallier, Phytopathologie. Leipzig 1868. S. 280—282. 
**) §, 80 Z. 5-7 v. u. 


Literarische Besprechungen. 231 


Blutkörper ihren Durchmesser bedeutend vergrössert hatten. Zuletzt 
sind sie zum Theil sehr gross. Sowohl ausgewachsene als auch 
kleinere vermehren sich kettenförmig. In der Blatternlymphe fand 
Verf. ebenfalls sehr kleine Körper, welche genau denselben Ent- 
wickelungsgang durchmachen. Aehnliches beobachtete er bei mehre- 
ren anderen Krankheiten. H. 


G. Balbiani, Etudes sur la maladie psorospermique des vers a 
soie. Extr. du journal de l’anatomie et de la physiologie de 
M. Ch. Robin. Paris 1867. 


In mehrfacher Beziehung ist diese Arbeit von der grössten Be- 
deutung. Verfasser hält die Körper des Cornalia, welche die Gat- 
tine der Seidenraupe erzeugen, für Psorospermien. Dieselben ent- 
stehen aus winzig kleinen Cocci oder Zellen von kugelrunder Ge- 
stalt, welche allmählig anschwellen und sich in die Länge strecken“). 
Die von Lebert (1858) entdeckte und neuerdings von Pasteur 
bestätigte Zweitheilung der Körper des Cornalia (des Arthrococcus) 
wird, offenbar mit Unrecht, von Balbiani bestritten. Der Parasit 
wird vom Verf. im Ei und durch alle Generationen hindurch nach- 
gewiesen, es hat daher Balbiani auch in diesem Punkt die 
Priorität für sich. Sogar im zellenfreien Embryo (Ei) findet Bal- 
bıani die erwähnten Körper; bis zur Ausbildung des Magens, 
welche später erfolgt als die des oberen und unteren Darmtheils, 
sah er die Pflanzenzellen (Psorospermies) nur in den Zellen des 
vitellus. Dann folgt (S. 6) folgende schöne Beobachtung: „a me- 
sure que les substances albuminoides et graisseuses du vitellus sont 
absorbées par les parois de l’estomac, pour les besoins de l’accrois- 
sement de l’embryon, les corpuscules devenus libres se trouvent en 
contact immediat avec la membrane épithéliale qui tapisse la face 
interne’ de cet organe“. Nun dringt der Parasit in die Magenwand 
ein und vermehrt sich ausserordentlich. Er zeigt sich später in 
allen Organen, sogar: „dans l’interieur des éléments de la glande 
sexuelle“. In der Magenwand und Darmwand, besonders in der 
Epithelialschicht, in der ,,tunique musculeuse‘“‘ hat der Parasit die 


*) Im Frühjahr 1868 wurde bekanntlich, unabhängig von Balbiani, 
diese Entstehungsweise des Arthrococcus aus dem Micrococcus nachgewiesen, 
zugleich aber auch die Theilung des ausgewachsenen Arthrococcus. Vergl. 
Hallier, Untersuchung der pflanzlichen Parasiten, welche die unter dem Namen 
Gattine bekannte Krankheit der Seidenraupen erzeugt. 


232 Literarische Besprechungen. 


Gestalt langer Züge oder Ketten, parallel den Fasern*). Schon 
das Meconium, wodurch die auskriechende Raupe das Laub be- 
schmutzt und dadurch die Verbreitung der Krankheit durch In- 
fection befördert, ist oft von Parasiten erfüllt. Seitdem ist be- 
kanntlich nachgewiesen worden, dass der (pflanzliche) Parasit ausser- 
dem durch das Futter in die ganz gesunde Raupe eingeführt werden 
kann**), Mit Recht polemisirt Balbiani gegen Pasteur, wel- 
cher die Körper des Cornalia- für Formelemente der Raupe hält. 
Er beruft sich auf die Arbeit von Vlacovich, welcher durch Al- 
kalien, Säuren und Jod die pflanzliche Natur des Arthrococcus der 
Gattine nachwies. Abgesehen davon hat aber Lebert schon vor 
11 Jahren, unterstützt von Nägeli, die Vermehrung der aus- 
gewachsenen Arthrococcus-Zellen durch Zweitheilung (Quertheilung). 
und damit die Pflanzennatur, nachgewiesen. Neuerdings ist der 
nämliche Beweis von Haberlandt und Hallier geführt worden 
und Beide haben unabhängig von einander die Entstehung des Ar- 
thrococcus aus kleinen Kernen (Micrococcus) beobachtet. Bekannt- 
lich beobachteten Bichamp und Hallier unabhängig von einander 
die Keimung der ausgewachsenen Corpuscula und Letztgenannter 
erzog aus den Keimlingen Formen, welche zu Pleospora herbarum 
gehören. Die Entstehung der corpuscula aus kleinen Kernen wird 
von Balbiani (S. 16) bestätigt, indem er sehr deutlich sagt: „Ils 
naissent par genese directe au sein du blasteme germinatif dans 
lequel se developpent les corpuscules, sous la forme de petites 
masses trés pales, d’abord arrondies, mais qui passent peu a peu 
a la forme ovalaire‘“. 

Das stimmt vollkommen mit den Angaben der deutschen For- 
scher und Balbiani gehört auch hierin die Priorität. 

Zu den Psorospermien rechnet Balbiani den Parasiten, weil 
derselbe bei gewisser Einstellung des Mikroskops eine Längslinie 
zeigt, welche beide Pole verbindet. Leydig hat dies für einen 
rein optischen Effekt erklärt und wir glauben ihm beistimmen zu 
müssen. Die Linie ist, wie Balbiani selbst sagt, sehr schwach 
sichtbar und kann auf alle Fälle daraus nur eine entfernte Aehnlich- 
keit dieser Pilzzellen mit Psorospermien erschlossen werden. 

HH, 


*) Vergl. Heft 1 Taf. I. 
xt) Hallver a. 4.20. 


Literarische Besprechungen. 233 


G. Balsamo Crivelli e Leop. Mazzi, Sulla produzione di al- 
cuni organismi inferiori. Estratto dalle Memorie del Reale Isti- 
tuto Lombardo. Vol. IX. I. della Serie III. Milano 1867. 


Diese Arbeit enthält die interessante Beobachtung, dass kleine 
Cocci, welche Verf. zu Bacterium termo Duj. zieht, aus blasen- 
formigen Pilzzellen, ähnlich dem Cryptococcus, entlassen werden, 
sich durch Zweitheilung vermehren, abermals zu grossen Zellen 
anschwellen und zuletzt wieder ihre Cocci entlassen. Verf. hat 
einen sehr zweckmässigen Isolirapparat angewendet, welcher statt 
der Luftpumpe mit einem Gasometer versehen ist. H. 


R. Hartig, Mittheilungen über Pilzkrankheiten der Insecten im 
Jahre 1868. 


Verfasser giebt nach mehrjährigen Beobachtungen wichtige Auf- 
schlüsse über einige Pilzkrankheiten. Wir heben das Wichtigste 
daraus hervor. Für Empusa weist derselbe die Keimfähigkeit der 
grossen schlauchförmigen Zellen (Sporen der Autoren) nach, welche 
dieser Pilz bekanntlich an der Oberfläche von Insectenleichen ab- 
schnürt. Die Zellen treiben auf feuchtem Boden an der Luft einen 
oder mehrere dünne, sich verzweigende Keimschläuche, was Ref. 
beiläufig bestätigen kann. In einer Flüssigkeit dagegen sah Verf. 
aus dem Plasma der grossen Zellen Micrococeus hervorgehen. Dieser 
Micrococcus vermehrt sich durch Zweitheilung. Bisweilen bildeten 
sich aus den Kernen (Cocci) grosse Hefezellen (Cryptococcus), welche 
Verf. mehrfach keimen sah. Oft entwickelt der Micrococcus sich 
bacterienartig, indem die Individuen lebhafte Bewegung zeigten. 
Zweitens giebt Verf. einen kurzen Bericht über seine auf die Kiefern- 
spinnerkrankheit bezüglichen Untersuchungen. Ganz objectiv und 
unparteiisch werden die von ihm aufgefundenen Facta neben die 
analogen Arbeiten von Bail, Bary und Hallier gestellt. Die 
Sporen der von den Insecten mit den Nadeln verzehrten Pilze bilden 
im Darmkanal Micrococeus aus; dieser durchdringt die Darmwand und 
gelangt so in’s Blut. Im Blute findet man den Micrococcus sowohl 
frei als im Inneren der Blutkörper. Bei Auflösung der Blutkörper 
bleibt ein Ballen Micrococcus zurück, „welcher nun die gestreckte 
Form der Bacterien ammimmt und eine scheinbar völlig willkührliche 
Bewegung erhält“. Die Krankheit besteht in saurer Gährung, zuletzt 
 Fäulniss. Auch den Arthrococeus beobachtete Verf. („grössere rund- 


234 Literarische Besprechungen. 


und eiförmige Pilzzellen“) und bemerkt‘, dass in diesem Fall (im- 
mer?) die Fäulniss fehlt. dagegen die Hefezellen unter Oberhaut, 
auch schon im Blute, keimen und ihre Keimfäden die sogen. Cylin- 
derconidien abschnüren. Verf. unterscheidet Infection von aussen 
durch die Haut und von innen durch den Darm. 

Die Micrococcus-Hefe kann alle Generationen durchwandern 
und macht dadurch die Krankheit erblich. 

Auch die Gattine wurde vom Verfasser beobachtet. Er fand 
Pleospora auf Kiefernadeln. Die Pilze kommen mit dem Futter 
in den Darmkanal wie bei der Muscardine und der Micrococcus 
dringt in das Blut ein. Vom Micrococcus im Blut und vom Arthro- 
coccus (Figg. 28. 29) giebt Verf. einfache verständliche Abbil- 
dungen. Selten sah Verf. den Pilz auf der Raupe zur Mycelent- 
wickelung gelangen, fand jedoch bei Lophyrus rufus das Mycel die 
Haut durchbrechen und Aérosporen sowie Schizosporangien hervor- 
bringen. 

Es folgt schliesslich eine Uebersicht über die Verbreitung der 
verschiedenen Pilzkrankheiten an einzelnen Forstinsekten durch die 
Forstdistrikte. H. 


Dr. Bail, Ueber Pilzepizootien der forstverheerenden Raupen. 
Mit 1 lithogr. Tafel. Danzig 1869. 


Nachdem Verf. über die bei verschiedenen Raupen auftretende 
Stubenfliegenkrankheit berichtet hat, kritisirt er Herrn Dr. Har- 
tig’s Promemoria ,,Ueber einen in den Raupen des grossen Kie- 
fernspinners schmarotzenden Pilz, Cordyaps militaris.“ 

Verfasser fand ,,auf den im Freien‘ gefundenen, in Cultur ge- 
nommenen bepilzten Insekten niemals Botrytis Bassiana und 1855 
und 1860—68 auch niemals die von De Bary gezeichnete Vor- 
form der Cordiceps militaris“. Er hält die von ihm gezogene Isa- 
ria für Isaria farinosa. Da es ihm niemals gelang, daraus Cordy- 
ceps zu erziehen,‘ so schliesst er mit Recht, dass die im vorigen 
und gegenwärtigen Jahr am häufigsten auf dem Kiefernspinner vor- 
kommende Isaria nicht zu Cordyceps gehöre und dass Hartig, 
durch de Bary’s Arbeit verleitet, den Pilz unrichtig bestimmt 
habe. Bekanntlich ist seitdem der Nachweis geführt worden, dass 
der betreffende Pilz als Stammbildung zu Fumago salicina gehört *). 


*) Vgl. Heft 1. S. 18—66 dieser Zeitschrift. 


Literarische Besprechungen. 235 


Bail macht auf die Aehnlichkeit der Isaria mit der Stammbildung 
eines Penicillium aufmerksam, die auch Ref. bezeugen kann. Man 
hätte nach der alten Nomenklatur diese Stammform mit ebensoviel 
Recht in die Gattung Coremium einreihen können. 

Ausser dieser sehr verbreiteten Isaria fand Bail in einzelnen 
Fällen diejenige der Cordyceps militaris. 

Die Hefebildungen im Innern der Raupe, welche Hartig und 
Hallier unabhängig von einander beobachtet haben, hat Bail 
übersehen und in Folge dessen ist er bezüglich der Schlussfol- 
gerungen über die Verbreitung und den Ausgang der Pilzepidemie 
weniger glücklich. Er dehnt sogar die im Regierungsbezirk Dan- 
zig gemachten Erfahrungen auf Pommern aus, während er Hartig 
den Vorwurf macht, nur von weither ihm zugesandte, vielleicht 
unterwegs gestorbene Raupen untersucht zu haben. 

Hartig und Hallier haben sich aber im Forstrevier Putt 
im Freien von der weiten Verbreitung der Epidemie selbst über- 
zeugen können. Ihr eleichlautendes Urtheil ging dahin, dass eine 
allgemeine Pilzepizootie beim Kiefernspinner vorherrsche, der dieser 
Raupe früher oder später in der raschen Verbreitung Einhalt thun. 
würde, ohne dass sich der Zeitpunkt genau angeben lasse. Natür- 
lich musste das Urtheil für verschiedene Reviere verschieden aus- 
fallen. Im städtischen Forstrevier Usedom hat der Kiefernspinner 
in Folge der Pilzepizootie so rasch abgenommen, dass diese Kaupe 
nach officiellen Mittheilungen im laufenden Sommer gar keinen 
Schaden mehr angerichtet hat, wogegen in anderen Revieren der 
Raupenfrass noch mehr oder weniger beträchtlich ist. H. 


Giornale di Anatomia, Fisiologia e Patologia degli Animali compi- 
lato da L. Lombardini e P. Oreste dell’ universita di Pisa 
con laiuto dei professori A Cristin (Torino), S. Falconio 
(Napoli), G. Generali (Modena). Pisa Tipografia Nistri. Anno 
I. Fascicolo I—III. Gennaia —- Giugno. 1869. 


Ein neues Zeichen der wissenschaftlichen Regsamkeit in Ita- 
lien! Die Zeitschrift scheint vorzugsweise dazu bestimmt zu sein, 
die deutschen, englischen und französischen Forschungen in Italien 
einzuführen, denn die Originalarbeiten sind in Bezug auf den 
Raum und Inhalt nicht grade im Uebergewicht. Von parasitelo-. 
logischem Interesse enthalten die 3 ersten Hefte Folgendes: 


236 Literarische Besprechungen. 


1) Originalarbeit: 

Sul demodex folliculorum e sulla dermatosi che determina nell’ 
uomo e nel cane. — Lettera del prof. P. Oreste al prof. Schrön. 
(Im ersten und zweiten Heft.) 

2) Literatur: 

Studj sperimentali sulle trichine e la trichinosi ne’ loro rap- 
parti con la zoologia, l’igiene e la patologia. Del prof. G. Colin. 
(Recueil de Médecine Vétérinaire Nro. 10. 1868), p. 30. 

La malattia da Echinococco nelle pecore, del prof. Dr. May 
in Veihenstepan (Oesterreich. Vierteljahrsschrift für wissensch. Vete- 
rinärkunde Bd. 30.) p. 35. 

Deserizione di una specie di ‘Trematode dell’ Elefante Indiano 
con avvertenze intorno alle sue affinita. Di T. Spencer Cobbold. 
(Quarterly Journal of microscopical Science N. 33 Jan. 1866.), p. 47. 

Ricerche intorno alla setticoemia ed ai caratteriche la distin- 
guono dalla malattia carbonchiosa. Del Dott. Carlo Davaino. 
(Comptes Rendus de l’Acad. des science. N. 4. 25. Jano. 1869). p. 49. 

Sulla virulenza del sangue d’animali affetti da malattie car- 
bonchiose. Nota del Sig. Lontot. p. 55 (Romles Rendus de l’Acad. 
des Sciences. 1. Fevr. 1869). 

Di una nota del Sig. Sanson sopra le condizioni della viru- 
lenza carbonchiosa. (Comptes Rendus de l’Acad. des Sciences 8 Febr. 
1869), p. 56. 

Porrigo in una vacca: per Anaker. (Der Thierarzt Nr. 1. 
Genuaio 1869), p 

Malattia da Echinococei per C. Harms (Wochenschrift für 
Thierheilkkunde und Viehzucht von Adam und Probstmayr 1. 
2. 3. 4 Genuajo 1869) p. 89. 

Su i Psorospermi del fegato dell’ Uomo e dei Cossigli (Hand- 
buch der patholog. Anatomie. 2. Lieferung. Berlin 1869. 8. 514), 
p. 101. 

Su i psorospermi del fegato per L. Stieda (Gazette médicale 
de Paris) p. 105. 

Vi & nel porco una malattia da Psorospermi? per R. Virchow 
(Archiv für pathol. Anat. ete.) p. 107 

Della virulenza e specificita della tuberculosi. Del prof. Vil- 
lemain (Recueil de Med. Veter. Nov. 1868 e Febr. 1869), p. 118. 

Malattia da psorospermi nelle pecore per Leisering (Vir- 
chow’s Archiv), p. 162. 

Interno alla storia dello soiluppo dei Psorospermi, per il dott. 


Literarische Besprechungen. 237 


Waldenburg (Virchow’s Archiv 40. Bd. 3.—4. Heft, Oester. 
Vierteljahrsschr. 29. Bd. 2. Heft 1868), p. 164. 

Un caso’ di malattia da psorospermi nella pecora per il dott. 
Carlo Dammann (Virchow’s Archiv 40. Bd. 1.—2. Heft, 
Oesterr. Vierteljahrsschr. 29. Bd. 2. Heft 1868) p. 165. 

Una Enzoozia fra i bovini fin’ora non conosciuta esattemente, 
per il prof. Vogel (Repertorium der Thierheilkunde von Prof. 
Hering. 2. Heft 1859), p. 166. 

La teoria dei germi dell’ atmosfera del D. Hughes Bennet 
(The Veterinarian Anno 1868. Nr. 484. 485. 486. 487. 488), p. 177. 

Ueber die Ausstattung der Zeitschrift sei noch Folgendes be- 
merkt. Druck und Papier sind gut. Abbildungen spärlich vertreten, 
aber gut ausgeführt in Steindruck und Holzschnitt. Das Format 
ist das übliche Octav-Format. 

Bei fremdländischen, d. h. nicht italienischen Citaten sind zahl- 
reiche Druckfehler bemerklich. Wir wünschen dem Unternehmen 
um so aufrichtiger einen günstigen Erfolg, je mehr wir von der 
Schwierigkeit desselben überzeugt sind. H. 


V. 
Anzeigen. 


Auf Präparate von Pilzen der Infectionskrankheiten sind Be- 
stellungen in so grosser Anzahl bei uns eingetroffen, dass wir nicht 
alle haben befriedigen können. Wir werden uns bemühen, allen 
an uns gemachten Anforderungen nach der Reihenfolge der Be- 
stellungen zu entsprechen und bitten die Herren Auftraggeber bis 
dahin um Geduld. 
Phytophysiologisches Privatinstitut. 

E. Hallier. J. Zorn 


i 
Original - Abhandlungen. 


Untersuchungen über die Natur der Gährungs- 
erscheinungen. 


Von 
Dr. Oscar Kloizsch. 


I. Hauptabschnitt. 
Was ist Gährung? 


Bei gewissen flüssigen organischen Stoffen wird unter Hinzu- 
tritt gewisser Bedingungen ein Prozess eingeleitet, den man Gäh- 
rung nennt. 

In der Wissenschaft wie im practischen Leben werden mehrere 
Arten von Gährung unterschieden. 

Eine der bekanntesten ist die beim Branntweinbrennen vor- 
kommende geistige Gährung. 

Um in der Brennerei den Prozess der Gährung hervorzurufen, 
bringt man die Maische, d. h. ein Gemenge von gekochten, ge- 
keimten und anders mechanisch veränderten Stärkemehlsubstanzen, 
vach ihrer Abkühlung in einen Bottig, setzt unter bestimmten Tem- 
peraturgraden eine entsprechende Quantität Hefe hinzu und lässt 
die Mischung bei Erhaltung der Temperatur ruhig stehen. Nach 
kurzer Zeit charakterisirt sich der eingetretene Gährungsprozess in 
folgender Weise: 

An der Oberfläche der Flüssigkeit entsteht ein weisser Schaum, 
der darauf hindeutet, dass sich Gase entwickeln; es beginnt ein 
lebhaftes Steigen und Fallen der Masse, Substanzen der Maische, 
die sich Anfangs gesenkt hatten, kommen an die Oberfläche, bilden 

le, Bi. 16 


940 Ooktowsechs 


eine Decke und der practische Techniker kann aus den Modifica- 
tionen dieses Vorganges die daraus resultirende Ausbeute an Spi- 
ritus vorherbestimmen. Langsames Steigen und schnelles Fallen ist 
eine giinstige Indication; viel Schaumerzeugung deutet auf einen 
geringen und ein Aufwallen unter der Decke auf einen schlechten 
Ertrag. : 

Unter entsprechenden Umständen kann die geistige Gährung 
erfahrungsgemäss auch in die s. g. saure übergehen. Andere Gäh- 
rungen kommen bei der Brotbereitung u.s. w. vor. Auch die Fäul- 
niss und Verwesung ist ein Gährungsprozess. Es unterscheidet sich 
die Verwesung dadurch, dass bei dieser, die nur langsam von stat- 
ten geht, Salpetersäure, bei der Fäulniss, die schnell verläuft, Am- 
moniak entwickelt wird, wie solches Reichardt in seiner Agri- 
cultur-Chemie gründlich nachgewiesen hat. 

Als Hauptbedingung aller Gährungsprozesse giebt sich zu er- 
kennen, dass sie nur durch die Einwirkung der sogenannten Fer- 
mente (Gährungserreger) hervorgerufen werden können, wenn gleich- 
zeitig die übrigen Bedingungen ihrer Verwirklichung vorhanden sind. 

Seit der frühesten Zeit, in welcher man den Ursachen der 
Gährungserscheinungen nachforschte, glaubte man, eine generatio 
spontanea annehmen zu dürfen. Pasteur wurde aber durch einen, 
obschon negativen Versuch darauf hingewiesen, dass sich die Keime 
der Gährungsmotoren bereits in der atmosphärischen Luft vorfinden. 

Deshalb konnte auch das, was für die Annahme einer genera- 
tio aequivoca sprechen sollte, von gelehrten Forschern nicht als 
begründet erachtet werden. 

Auf Seiten der generatio spontanea stehen: Pouchet, Notes 
sur les protoorganismes, végétaux et animeaux, nes spontanement 
dans Vair artificiel et le gaz Oxygene. Compte rend. T. XVII. 1858 
Nr. 25 p. 979—82. Pouchet et Houzeau, Expériences sur les 
generations spontanées. Ibid. p. 982—84. Gaultier de Claubry, 
Note relative aux generations spontanées des vegetaux et des ani- 
meaux. Tit. XIVIL. 1859 p. 334—36. Gaz. med. de Paris 1859 Nr. 9 
p. 141—42. Gientowsky, Sur mes preuves en favenr de la ge- 
nération premiere. Nouy. per T. 10, 1859 p. 286—87. 

Pasteur stellte seinen Versuch in folgender sinnreicher Weise an: 

Er nahm 4 Glaskolben, liess längere Zeit Wasser darin sieden 
und schmolz sie noch während des Kochens zu. 

Die erste liess er nach erfolgter Eröffnung !/, Stunde hindurch 
in der Stube stehen; mit der zweiten that er dasselbe auf der 


Untersuchungen über die Natur der Gährungserscheinungen. 241 


Strasse, mit der dritten auf dem Felde und mit der vierten auf 
einem Berge in der Schweiz. 

Nach dem Verschluss liess er sie einige Zeit ruhen. 

Bei der Wiedereröffnung fanden sich in der ersten die meisten 
Sporen, in der zweiten weniger, in der dritten noch weniger und 
in der vierten gar keine. 

Mir scheint nun folgender, von mir selbst angestellter Versuch 
darzuthun, dass die hier erwähnten Gährungstypen durch mikrosko- 
pische Pilze hervorgerufen werden. 

Ich nahm 8 Reagenzgläser, in jedem 1 Gramm Fleischextract 
und 10 Gramm Wasser, liess sie sämmtlich in demselben Zimmer, 
was nicht zu solchen Culturen diente, offen stehen und besäete sie 
mit reifen Sporen von Penicillium crustaceum. Zwei Gläser mit 
gleichem Inhalt an Fleischextract und Wasser stellte ich dort auf, 
ohne sie zu besäen. 

Nach Verlauf von 3 Tagen fand ich bei genauer Besichtigung 
in dem ersten der Gläser grosse Mengen der als Bacterien, Vibrio- 
nen u. s. f. bezeichneten Formen, die ich für Pilzbildungen halte, 
auch keimende Sporen, die dann an der Oberfläche fructificirten. 

Eine dreimalige Wiederholung dieses Versuchs hatte immer 
denselben Erfolg. 

Dies geschah aber auch bei den nichtbesäeten, wenngleich erst 
nach längerem Verlaufe und nicht in dem reichen Maasse, wie bei 
den besäeten, was sich durch die stets in der Luft vorhandenen 
Sporen erklärt, wie Duclaux bereits andeutet: Sur la germination 
des corpuscules organises qui existent en suspension dans l’atmo- 
sphére. Comptes rendus T. LVI. 1863 p. 1225—1227. In dieser 
Schrift berichtet der Autor, er habe die Schimmelsporen der atmo- 
sphärischen Luft in weinsteinsaurem Ammoniak mit Zuckerwasser 
keimen lassen und verschiedene, ihm unbestimmbare Pilziormen 
erhalten. 

Nach Liebig überträgt sich die chemische Molecularbewegung 
gewisser Substanzen auf andere dazu geeignete, die in einer gäh- 
rungsfähigen Mischung zugegen sind. Somit scheint ihm die Gäh- 
rung nur ein rein chemischer Vorgang zu sein. 

Dagegen behauptet Schwann, dass die atmosphärische Luft 
von Pflanzenkeimen und Infusorien bald mehr, bald weniger ge- 
schwängert sei und dass diese, wenn sie einen geeigneten Boden 
finden, sich in diesem ansiedeln und die mit ihrer Vegetation verbun- 
denen Veränderungen desselben hervorrufen, ihn in Gährung setzen. 

Gar 


249 0. Klotzsch. 


Pasteur stimmt insofern mit dieser Ansicht überein, setzt 
aber das Hauptgewicht auf Infusorien. 

Bei der Buttersäuregährung entstehen nach ihm gerade Stäb- 
chen, die oft an ihren Enden gekrümmt sind. Sie bewegen sich 
sehr schnell und man findet sie häufig zu Gruppen vereinigt. Am 
schnellsten vermehren sie sich im Zuckerwasser mit einem Zusatze 
von Ammoniak und verschiedenen Phosphaten; Oxygengas tödtet 
sie, wogegen sich die Kohlensäure neutral verhält. Er erklärt, 
dass die faule Gährung erst nach 24 Stunden eintrete, wobei sich 
nach ihm meist Monas crepusculum (einzellige Gebilde) und Bacte- 
rium termo (langgestreckte Zellen), die sich zu Gruppen bilden und 
central lagern, zu erkennen geben. 

Nach Hoffmann besteht die Hefe aus Wandelformen von 
Oidium, Monilia, Torula, die auf Früchten vegetiren, weshalb auch 
Weinbeeren Gährungsprozesse einleiten können. Alle Brandpilze 
sollen — nach ihm — Hefebildungen veranlassen. Aus Bierhefe soll 
Penieillium glaucum, aus Branntweinhefe sowohl dieses als auch 
Mucor racemosus entstehen. 

Um zu klaren Ueberzeugungen zu gelangen, stellte ich wieder 
eigene Versuche an. Ich bediente mich stets dazu der Instrumente 
von Gundlach in Berlin, die ich im Vergleiche mit anderen für 
die besten halte. 

Zunächst wurde folgendes Experiment von mir in Ausführung 
gebracht: 

Auf den Objecttisch legte ich statt des gewöhnlichen Trägers 
eine Spiegelglasplatte, auf welche ich einen unten abgeschliffenen 
Glaseylinder stellte, der oben mit einer dünnen, enganschliessenden, 
auch den Tubus des Mikroskops umfassenden Kautschuckmembran 
geschlossen war. 

Auf die Glasplatte brachte ich von mir selbst destillirtes Was- 
ser, weil das käufliche für diesen Zweck nicht rein genug ist, dann 
brachte ich in dieses einige Sporen von Penicillium erustaceum Fr., 
deckte das Präparat mit einem Deckglase zu und konnte, ohne dass 
ein Zusatz von Wasser nöthig wurde (bei 600- bis 1150maliger Ver- 
srösserung mit Immersion), die darauf gesäeten Sporen 8—12 Tage 
hindurch ununterbrochen beobachten. Die Sporen zeigten sich als 
runde, lichtbrechende Körper, welche bei einer Zimmertemperatur 
von 20—30° R. Folgendes manifestirten. 

Bis zum 2. und 3. Tage quollen sie stark auf und zeigten eine 
doppelte Contur, dann zog sich der Inhalt derselben zusammen, die 


Untersuchungen über die Natur der Gährungserscheinungen. 245 


Hüllen platzten und entleerten eine Menge kleiner lichtbrechender 
Körperchen, von nicht ganz runder Beschaffenheit. die eine eigen- 
thümliche. von der Molecularbewegung verschiedene Bewegung an- 
nahmen. 

Die Molecwarbewegung wurde 1830 von Robert Brown ent- 
deckt. Man findet’sie bei microscopischen Körperchen, die in einer 
für sie geeigneten Flüssigkeit umherschwimmen. Am leichtesten 
erkennt man sie, wenn man chinesische schwarze Tusche auf 
einen Objectträger, mit hinreichender Feuchtigkeit verdünnt, auf- 
trägt. Die feinen Kohlentheilchen nehmen dann eme vibrirende 
Bewegung an, die zwar den Anschein der Spontaneitat hat, aber 
durchaus kein Merkmal der Willkührlichkeit kundgiebt, wie es bei 
den Infusionsthierchen der Fall ist. Die Sporen der Algen und 
Pilze bewegen sich nach der Aussaat fast planetarisch in con- 
centrischer Spirale um einen nicht fixirten Punkt, bis sie end- 
lich zur Ruhe kommen. Dies kann man leicht an den Schwärm- 
sporen der Vaucheria, des Oedogonium u. s. f. wahrnehmen. 

Bei einem obenerwähnten Versuche wuchsen die ausgesäeten 
Sporen im Umfange und nahmen eine mehr eiförmige Gestalt an, die 
sich nach und nach weiter herausbildete. Später sah ich, dass sich 
die ovalen allmiihlig abschnürten, theilweise dann noch zusammen- 
hängend blieben, theils auseinanderfielen: Die abgeschnürten Neu- 
bildungen waren anfangs rund, nahmen aber in einer durch die 
Temperatur bedingten Zeit ebenfalls eine ovale Gestalt an. Durch 
fortgesetzte Theilung entstanden Reihen und selbst an einander 
sruppirte Verzweigungen. Unter eigenthümlich modificirten Um- 
ständen, besonders wenn man dem Gährungssubstrate Zucker und 
Ammoniak oder Stickstoff zusetzt, geht der Prozess nicht so regel- 
mässig von statten; die Zellen werden bisweilen von einer schlei- 
migen Masse umgeben, die oft den Charakter einer äussern Mem- 
bran annimmt, zuweilen strecken sie sich mehr und bleiben in der 
Zweitheilung. Ihre Bewegung, bei der bald das eine, bald das an- 
dere Ende vorangeht, ist dann nur von kurzer Andauer. Bisweilen 
zeigen sich auch Fadenbildungen, während im Innern der äussern 
Membran Zellbildungen sichtbar werden. 

Aus diesen Beobachtungen ergiebt sich, dass hier noch Vieles 
dunkel ist, was erst von dem Fortschritte der Zeit seine Aufklärung 
zu erwarten hat; mir scheint aber, dass die hier wahrgenommenen 
Bildungen identisch sind mit denen, welche Pasteur mit den Na- 
men Vibrio lineola. Bacterium termo, Spirillum, Monas crepuscu- 


244 0. Klotzsch, 


lum u. s. w. bezeichnet hat und dass diese Formen in einander 
übergehen, weshalb ich sie stets, wenn ich sie so bezeichne, nicht 
als Thiere, sondern als polymorphe Pilzformen auffasse. Besonders 
bei der faulen Gährung sind die Uebergangsformen deutlich wahr- 
zunehmen. Ebenso sah ich aus diesen Gährungselementen Lepto- 
thrisebildungen hervorgehen, welche mit obigen in inniger Ver- 
bindung stehen. Bemerkenswerth scheint mir noch, dass sich bei 
jeder neuangestellten Penicillium-Aussaat von vornherein, neben den 
Sporen derselben, schon sog. Bacteriumbildungen vorfanden. 

Mag sich nun die Sache verhalten, wie sie wolle, so steht 
wenigstens fest, dass die erwähnten Bildungen mit den zu Tage 
tretenden Gährungsprocessen im innigen Zusammenhange stehen. 

Ich verstehe daher unter dem Ausdrucke „Gährung‘ einen Vor- 
sang, bei welchem durch die Einwirkung von Pilzformen auf or- 
ganische Substanzen in diesen ein eigenthümlicher Zersetzungsprocess 
hervorgerufen wird. 

Dass Fäulniss durch Einwirkung von Pilzen hervorgerufen wird, 
beweist auch F. Mosler in seiner Abhandlung: ,,Mykologische 
Studien am Hühnerei“, Virchow’s Archiv Bd. XXIX, 1864, 8.510 
bis 525. Dieser fand in einem Ei Pilzvegetation und bewies ex- 
perimentell, dass diese von Aussen eingedrungen sei. Er spricht 
ferner die Ansicht aus, dass die verschiedenen Arten der Fäulniss 
mit den verschiedenen Entwickelungsstufen der mikroskopischen 
Schmarotzerpilze im Causalnexus stinden. W. M. Gunning et 
Donders, ,,Over schimmelvorning in eyeren“, Donders Onder- 
zockingen. Utrecht 1854—1855. p. 287—301, geben eine historische 
Uebersicht von Schimmelbildungen in Eiern und theilen hierauf ihre 
eigenen darauf bezüglichen Beobachtungen und Erfahrungen mit. 
Diese erläutern sie durch eine Tafel mikroskopisch gewonnener Ab- 
bildungen, und schildern den Erfolg ihrer Ansteckungsversuche durch 
künstliche Uebertragung von Schimmelbildungen. Schliesslich machen 
sie noch auf den Einfluss aufmerksam, den die feuchte Atmosphäre 
auf die Entwickelung der Parasiten ausübt. 

Um Wiederholungen und eine zu grosse Anhäufung des Ma- 
terials, als dem Zwecke dieser Schrift nicht gemäss, zu vermeiden, 
glaube ich hier Vieles übergehen zu dürfen, was in einer grösseren 
Abhandlung über den qu. Gegenstand erwähnt zu werden verdient. 

Im Verlaufe meiner weiteren Forschungen fand ich bei Indi- 
viduen, die von gewissen ansteckenden Krankheiten befallen waren, 
in der Haut und im Blute stets Hefenelemente verschiedener Art. 


Untersuchungen über die Natur der Gährungserscheinungen. 245 


Die Culturversuche, welche ich unter mannigfachen Bedingungen 
damit anstellte, werde ich später darlegen. Hier will ich nur Fol- 
gendes anführen: Albers, „Pathologie“. Bonn 1842, definirt das 
Contagium als denjenigen Krankheitsstofl, welcher, durch Berührung 
oder Einimpfung auf andere Organismen übertragen. in diesen die- 
selben Krankheitsprocesse zu Tage fördert. 

Von den Miasmen unterscheidet er die Contagien dadurch, dass 
jene unter entsprechenden Bedingungen durch das Medium der at- 
mosphärischen Luft übertragen werden, was bei diesen nicht der 
Fall ist. Er hält das Substrat des Contagiums für parasitisch, ins- 
besondere, da die Möglichkeit, die Evolutionsproducte desselben 
abwaschen zu können (z. B. bei der Syphilis), vorhanden ist. 

Natürlich kann ein Contagium den entsprechenden Krankheits- 
process bei einem Individuum nur hervorrufen, wenn dieses seiner 
Natur nach für die Ansteckung empfänglich und sein Reactions- 
vermögen nicht überwiegend ist. 

Dem Contagium. welches sich nur auf specielle Fälle beschränkt. 
kann man entgehen, wogegen das Miasma epidemischer Natur ist 
und um so mehr an Intensivität abnimmt, je weiter es der räumlichen 
und zeitlichen Ausbildung nach von seinem Ursprunge entfernt ist. 

Der Ansicht mehrerer seiner Zeitgenossen. dass die Pilze selbst 
Ansteckungsstoffe sind, kann Albers nicht beipflichten. sondern 
hält sie mit Anderen nur für die Träger der Krankheitsursachen, 
wogegen Klencke, dessen Ansicht ich theile, behauptet, dass die 
miasmatischen und contagiösen Krankheitsformen nur durch die in 
ihrer Form ausgeprägte Natur der Pilze bedingt werden. 

Ich fühle mich veranlasst. demnach folgende Bemerkungen hin- 
zuzufügen: 

Wir können uns natürlich nur an das halten, was sich dem Auge 
‘des aufmerksamen Beobachters bei der Untersuchung wirklich zu 
erkennen giebt. und müssen daher von allen imaginären, unsicht- 
baren Krankheitsstoffen völlig absehen, wenngleich nicht zu leugnen 
ist, dass Krankheiten auch durch rein dynamische Einwirkungen 
erzeugt werden können. Da aber die einwirkenden Spannungs- 
intensitäten oder Kräfte wieder von Stofisubstraten ausgehen, so 
kaun auch hier von abstracten Krankheitsursachen nicht die Rede 
sein. Selbst der die Verdauung störende Kummer kann so abstract 
und wesenlos nicht sein. wie es bei einer oberflächlichen Betrach- 
tung den Anschein gewinnt. 

Setzen Infectionen nach Albers immer eine Disposition dazu 


246 0. Klotzsch, 


von Seiten des Individuums voraus, so ist diese Disposition bei den 
sich mehr positiv verhaltenden Pflanzen immer eine der Art und 
Gattung entsprechende und wenn die Einimpfung gewisser Krank- 
heitsstoffe (z. B. der Pocken-Lymphe) die Disposition für eine ähn- 
liche Krankheitsform erfahrungsgemäss oft nur zeitweilig binweg- 
nimmt, so dass sogar bei Pockenepidemieen die Impfungen wieder- 
holt werden müssen, so traten doch die Pocken bei schon Geimpften 
stets in milderer Form auf, wie eine schon ausgegohrene Flüssig- 
keit die Eigenthümlichkeit zu erkennen giebt, dass bei erneuerten 
Gährungsbedingungen die Gährung derselben nie wieder so intensiv 
werden kann, als es zuvor der Fall war. Schliesslich fand Albers, 
dass bei einer starken Schleimhaut eine syphilitische Ansteckung 
weniger leicht erfolge, analog dem, dass Kartoffeln mit dicker 
Schale nicht so leicht von den Sporen der Peronospera durch- 
brochen werden. 

Wir gehen nun zu dem über, was uns Mühry in seinem 
Werke: „Ueber die Unterscheidung der contagiösen und miasma- 
tischen Krankheiten, besonders über die Contagien der Pest und 
des Typhus‘“. Zeitschrift für rat. Medicin 1855, VI. Bd. 2. Heft, 
mittheilt, ingleichen in der Schrift: „Ueber die Natur der Mias- 
men, als vegetabilische Organismen vorgestellt, aus geographischen 
Gesichtspunkte. Ebendas. V. Bd. 3. Heft, 1854. Nach ihm ist das 
Malaria-Fieber an einen humusreichen, thonigen Boden gebunden, 
welcher undurchlassend oft stagnirendes Wasser führt. Hierdurch 
wird eine langsame Gährung eingeleitet, welche der Gruppe der 
Verwesungen angehört. 

Ob diese und ähnliche Gährungen durch morphologisch ver- 
schiedene und mit einander im Causalnexus stehende Pilze hervor- 
gerufen werden, können nur weitere Nachforschungen und Beobach- 
tungen entschieden darthun. 

Zu diesem Zwecke empfiehlt Mühry, in der schlimmsten Fieber- 
zeit den Schlamm des Bodens mikroskopisch zu untersuchen und 
mit Carmin zu tingiren. Das gelbe Fieber hat nach ihm einen 
andern Grundcharakter, als die Malaria. Es entsteht aus einem 
anders modificirten Krankheitsstoffe, welcher an Küstenstrecken und 
in dem modrigen Holz der unteren Schiffsräume zu nisten scheint. 
Auch hält er dafür, dass der Cholera ein ähnliches Miasma zum 
Regenerator diene. Dasselbe tritt gewöhnlich localiter auf, ist an 
eine bestimmte Bodenbeschaffenheit gebunden und kann mechanisch 
übertragen werden, Seine Keimstätte ist nicht allein der Erdboden, 


Untersuchungen über die Natur der Gährungserscheinungen. 247 


sondern auch das Holzwerk an Schiffen, Häusern, Zimmern u. s. w. 
Bei der Uebertragung des Miasma auf eine andere Stelle bemerkte 
er stets eine epidemische Warte- oder Generationszeit von 8— 14 
Tagen, ein Zeitraum, dessen das Miasma bedarf, um sich in dem 
neuen Boden zu regeneriren. 

Nach alle dem halte ich die Miasmata für Gährungs-Regenera- 
toren, wie sie die gegebenen Umstände bedingen. Sie werden eben- 
sowohl durch gewisse mikroskopische Formen erzeugt, die an ge- 
wisse Pflanzen- und Bodenarten gebunden sind, als sie auch wiederum 
derartige Pilze erzeugen. Vielleicht giebt uns in unsern botanischen 
Gärten die Untersuchung der Parasiten exotischer Pflanzen bald 
gentigenden Aufschluss darüber. Es ist mir sogar höchst wahr- 
scheinlich, dass die indische Cholera durch eine Pilzart bedingt 
wird, die auch auf gewissen Obstsorten vegetiren kann. Die Regel, 
sich dadurch der Gefahr nicht auszusetzen, von der Cholera er- 
sriffen zu werden, dass man das Obst, welches man ge- 
niessen will, zuvor abwäscht, oder nach dem Genusse 
Spirituosa zu sich nimmt, kann leicht in der Natur der Sache 
begründet sein, nämlich insofern, als durch das Waschen eine 
mechanische Fortspülung, durch die Spirituosa eine Abtödtung der 
Keimlinge bewirkt wird. Aus diesem Grunde halte ich auch dafür, 
dass Obst zu phytopathologischen Versuchsculturen dem Kleister, 
Fleischextract u. s. w. vorzuziehen sei. Auch will ich einer Ansicht 
gedenken über die Entstehung der Miasmata im geschlossenen Raume. 

Römershausen suchte die von ihm selbst näher ermittelten 
Ursachen miasmatischer Krankheiten, insbesondere des "Typhus, in 
einer Schrift: „Das Miasma‘‘, Marburg 1865, darzulegen, denn das 
plötzliche Auftreten des Typhus veranlasste ihn, die Entstehung der 
Krankheit in geschlossenen Räumen näher zu verfolgen. Während 
im freien Luftraume alle Ausdünstungen fort und fort in die Höhe 
steigen, gestaltet sich hier die Sache anders. 

Im Zimmer steigen die Exhalationen an die Zimmerdecke und 
bilden dort eine stagnirende Dunstschicht. Nach und nach wird 
diese so verdichtet, dass sie sich als feuchter Dunst niederschlägt 
und sich mit den schweren Exhalationsgasen verbindet. Bei längerer 
Stagnation entwickelt sich auf diese Weise eine luftförmige, in 
Gährung übergehende Feuchtigkeit von solcher intensiven Beschaffen- 
heit, dass sie oft schon der Geruch verräth und die Utensilien da- 
von beschlagen. In dieser kann sich ein die Luft verpestendes 
Miasma entwickeln und sowohl durch die atmosphärische Luft, als 


248 0. Klotzsch, 


auch durch andere Träger kann sich das Miasma weiter verbreiten. 
Im Regen niedergeschlagen, kann es auch als Trinkwasser die In- 
fection bewirken oder sich auf günstigem Boden fortentwickeln und 
ausbreiten. Besonders fruchtbar für dasselbe sind die Cloaken. 

In dieser Weise sucht Römershausen den Hergang zu er- 
läutern. 

Dass die Cloaken, aber auch alte verfaulte Zäune und Holz- 
gebäude, wie selbst faule Bäume, die gefährlichsten Brutorte mias- 
matischer Krankheitsstoffe sind, wird wohl wenig oder gar nicht 
bezweifelt. Trotz all’ der voraufgegangenen Erörterungen muss aber 
zugestanden werden. dass. um streng wissenschaftlichen Anfor- 
derungen zu genügen, der unter mannichfachster Abänderung der 
Bedingungen auf mikroskopische Beobachtungen vielseitigster und 
zuverlässigster Art gestützte Beweis für die Richtigkeit der in der 
Gegenwart herrschenden Ansichten noch nicht zur unumstösslichen 
Gewissheit gediehen ist. Die Erfahrungen, die ich selbst aber in 
dieser Beziehung gemacht habe, scheinen mir die günstigsten Re- 
sultate zu versprechen. 

Ist erst einmal der morphologische Bau der verschiedenartigen 
Gährungserscheinungen und ihre ätiologische Entwickelung unter 
mannichfach abgeänderten Bedingungen zur Evidenz klar geworden, 
so würden daraus unberechenbare Vortheile, sowohl für die phy- 
sische Erziehungs- und Gesundheitslehre, als auch für die Heil- 
kunde und den Betrieb der praktischen Oekonomie hervorspriessen. 
Sowohl dem Ackerbau als auch dem technischen Betriebe anderer 
Gewerbe, insbesondere der Brennerei und Brauerei muss eine ge- 
nauere Kenntniss der Gährungsbedingungen, wie der unter ver- 
schiedenen Abänderungen derselben auch abgeändert von Statten 
gehenden Gährungsprocesse und ihrer Resultate von hoher Wichtig- 
keit sein. Mit Hülfe des Mikroskops würde man z. B. beim Bren- 
nereibetriebe sofort beurtheilen können, bis zu welchem Stadium 
die Gährung fortgeschritten und welcher Erfolg daraus zu erwarten 
sei. Dies würde die Procedur nicht nur sicher stellen, sondern 
auch bedeutend erleichtern. Dass übrigens bei der Gährung eine 
Umgestaltung der Hefenform wirklich stattfindet, scheint mir um so 
einleuchtender, da der von mir mit Penicillium crustaceum Fr. in 
der feuchten Kammer dadurch andere Resultate ergab, dass ich 
statt des destillirten Wassers andere Substrate nahm und hierdurch 
andere Formen erhielt. So z. B. in aufgekochtem saurem Frucht- 


Untersuchungen über die Natur der Gährungserscheinungen. 249 


saft die von Hallier mit dem Namen Arthrococcus belegte und 
von ihm durch Zeichnung veranschaulichte Pilzform. 

Ist nun auch die durch das Mikroskop zu Tage geförderte 
Wissenschaft von den mikroskopischen Pilzen als den Erzeugern, 
Conservatoren und Uebertragungselementen der contagiösen und 
miasmatischen Krankheiten noch in ihrer Kindheit begriffen, so 
sind doch gewaltige Geister beschäftigt, sie immer mehr herauszu- 
bilden und der Vollendung näher zu führen, und wir können wohl 
der Analogie nach es für wahrscheinlich erachten, dass die Keime 
derjenigen ansteckenden Krankheiten, welche sich bisher noch jeder 
Untersuchung unzugänglich erwiesen haben, im Gebiete der Gährungs- 
erscheinungen aufzufinden sein dürften, zumal da wir bereits wissen, 
dass der Gährungsprocess ein nicht bloss zerstörender Vorgang, 
sondern auch ein auf einen neuen Pfad überführender Schöpfungs- 
act ist. 


II. Hauptabschnitt. 


Bedeutung der Pilze im Haushalte der organischen 
Natur. 


Niemand kann bezweifeln, dass Schmarotzergebilde den Mutter- 
boden beeinträchtigen und ihn nöthigen, von seiner normalen Be- - 
schaffenheit abzuweichen, ihn also erkranken machen. Nicht zu 
leugnen ist, das die Schmarotzer selbst von einer gewissen Dispo- 
sition unterstützt werden. 

Der Einfluss der animalen Schmarotzer auf den Menschen ist 
bekannt und da der Gegenstand hier zu weit führen würde, ver- 
weise ich auf das treffliche Werk von Rudolph Leuckardt: 
„Die menschlichen Parasiten und die von ihnen herrührenden Krank- 
heiten‘, Leipzig 1863 und Fortsetzung. Mit strictester Präcision, 
evident und äusserst naturgetreu werden darin diese Verhältnisse 
an’s Licht gestellt. 

Das Dunkel herrscht meist noch im Gebiete der vegetabilischen 
Parasiten, die sich, unter ihrer Natur angemessenen Bedingungen, 
theils in Pflanzen, theils in Thier- und Menschen - Organismen an- 
siedeln und die Neuzeit belehrt uns, dass die epidemischen Krank- 
heiten unserer Culturpflanzen grösstentheils durch Schmarotzerpilze 
veranlasst werden. 

Speerschneider entdeckte zuerst das Eindringen eines Pilzes, 
Peronospora infestans, in gesunde Kartoffeln, nachdem eine Menge 


950 0. Klotzsch, 


Andere, insbesondere auch Schacht, der Ursache der Kartoffel- 
krankheit mit undenklicher Mühe nachgeforscht hatten. 

Nähere Aufschlüsse über den Entwickelungs- und Einsiedelungs- 
process dieser Pilzart gab uns de Bary in seinem Werke über die 
gegenwärtig herrschende Kartoffelkrankheit, Leipzig 1861. 

Uns genügt hier die Ueberzeugung, dass die Ursache der Kar- 
toffelkrankheit ein Pilz sei, dass durch Pilze unsere Culturpflanzen, 
wie auch wildwachsenden Pflanzen erkranken. Kühn in Halle zieht 
alljährlich auf dem landwirthschaftlichen Versuchsfelde durch Sporen- 
aussaat Claviceps purpurea, das in der Pharmacopea bekannte 
Mutterkorn. Dass Eindringen der Pilze, die Erkrankungen unserer 
Culturpflanzen herbeiführen, schliesst aber die Mitwirkung besonderer 
Nebenumstände nicht aus und es wird jetzt kein gebildeter Land- 
wirth sich noch der Ansicht zuneigen, dass jene Schmarotzerpflanzen 
möglicherweise nur eine Folge der Krankheiten sein möchten. 

Uebrigens will ich hier auf Willkomm verweisen, der am 
15. März 1867 in der Sitzung der ökonomischen Gesellschaft im 
Königreich Sachsen einen ausführlichen Vortrag hielt über die Frage: 
„Sind Schmarotzerpilze der Culturgewächse und gewisser Zucht- 
insecten als Ursache oder als Folge ihrer Krankheit zu betrachten?“ 
Er erklärt sich dahin, dass er durch Zusammenstellung der hierauf 
- bezüglichen mikroskopischen Untersuchungen und andern Forschungen 
die Ueberzeugung gewonnen habe, dass nur die Einwirkung der 
Parasiten die beregten Krankheiten erzeuge. 

Höchst auffällig ist das Auffinden der Pilzparasiten auf Insec- 
ten, wodurch dieselben erkranken und getödtet werden. 

So führt u. A. Robinet an, dass sich bei der unter dem Na- 
men Gattine bei den Seidenraupen vorfindende Krankheit folgende 
Symptome zeigen: 

Das Blut der Raupe ist, anstatt hell zu sein, braun oder schwarz. 
Die glänzend weisse Haut ist mit schwarzen, aus Pilzen bestehenden 
Schuppen besetzt, die Raupen sind schwach, liegen auf dem Rücken 
und gehen entweder in der ersten Häutung unter oder erreichen, 
unter Zunahme der Symptome noch das Stadium der Verpuppung. 
Nach dem Tode tritt statt der gewöhnlichen Vertrocknung, sofort 
die Fäulniss ein. } 

Ebenso beachtenswerth ist die Pilzkrankheit der Fliegen, welche 
Professor Lebert, Virchow’s Archiv Band 12 beschreibt. Ihm 
gingen hierin de Geer, Göthe, Nees und Cohn vorauf. * 

Nach Lebert finden sich die ersten Spuren der parasitischen 


Untersuchungen über die Natur der Gahrungserscheinungen. 251 


Pilzbildung schon im Blute der scheinbar noch gesunden Fliege. 
Aeusserlich zeigt sich der Pilzanfang erst einige Stunden nach dem 
Tode, während in der Leibeshöhle durch Einwirkung der Pilze be- 
deutende Verheerungen stattfinden. Cohn hat ihn mit dem Namen 
„Empusa“ belegt. 

Die von Lebert geschilderte Gattine wurde schon 1853 von 
Leydig im Coccos hesperidum wahrgenommen, ingleichen ein kleiner 
Parasit im Innern des Lynceus sphaericus und in Polyphemus oculus. 
Er zeigte sich in der ele der Ovarien, wo er eine weisse Masse 
bildete. 

Ganz neu sind die Untersuchungen des auf der Kiefernadel 
vorkommenden Fumago salicina, durch welche die Phalaena Bombyx 
pini erkrankt und getödtet wird. Ausführlich beschreibt die Krank- 
heit Hallier in der Zeitschrift für Parasitenkunde Heft 1, 1869. 

Nägeli hält jede der von Leydig aufgeführten Parasiten 
für eine einzellige Alge. Echo med. de Paris p. 116. 

Von mehreren bedeutenden Naturforschern wurden auch in Vögeln 
Schmarotzerpilze vorgefunden. Hier speciell darauf einzugehen, 
würde aber auch zu weit vom Ziele abführen, daher hier nur einige 
Notizen: 

Meyer und Emmert, Meckel’s Archiv Band IS. 510, fanden 
in den Luftröhren und Lungen des Holzhähers haarförmige Schimmel- 
bildungen. 

Jäger ebendaselbst Bd. 2 S. 354 machte bei einem Schwane 
dieselbe: Entdeckung. 

Theile und Heusinger, Zeitschrift für organische Physik 
S. 331, fanden bei einem Raben in den tuberkulösen Lungen elon 
die mit einem blaugriinen Schimmel bedeckt waren. 

Dr. Longchamp legte im Juni 1841 der Akademie des sciences 
a Paris eine Eidergans vor, bei welcher sich in den Luftröhren Pilz- 
bildungen vorfanden. 

Müller hatte eine an Kurzathmigkeit gestorbene Eule, bei 
welcher er in der Brust- und Bauchhöhle mikroskopische Pilzbildungen 
vorfand. Die Luftröhre und ihre Verzweigungen waren frei. 

Meyer, „Corresp.-Bl. rhein. und westphäl. Aerzte" Nr. 20, 
fand in der Membrana nictitans des Falco rufus eine conferven- 
ähnliche Pilzbildung. 

Dieses Wenige mag genügen, die Auffindung der Pilzparasiten 
bei Vögeln zu constatiren. 


252 0. Klotzsch, 


Die Zähne. 

Wir kommen nun zu den bei Caries der Zähne vorgefundenen 
Pilzen. 

Wie wichtig eine durch Gesundheit der Zähne bedingte Masti- 
fication der Speisen für die Verdauung und überhaupt für die Nutri- 
tion des menschlichen Organismus sei. sollte ein Jeder wissen. 

Vernachlässigung der Zahnpflege hat eine Menge übler Folgen. 

Dass auch die Schönheit, ja ich möchte selbst sagen Sittlichkeit 
durch gesunde Zähne bedingt werden und dass der Mangel der- 
selben Personen, die durch ihren Beruf in der Oeffentlichkeit auf- 
treten müssen, z. B. Kanzelrednern und Bühnenkünstlern, oft sehr 
nachtheilig und beschwerlich wird, ist eine anerkannte Thatsache, 
die dazu beiträgt. die Wichtigkeit des Gegenstandes in ein klares 
Licht zu stellen. 

Wir schreiten somit zu dem, was die mikroskopische Inspection 
cariöser Zähne ergeben hat, wollen aber auch die bisherigen Meinun- 
gen über diesen Gegenstand nicht ausser Acht lassen. 

Letztere gehen insofern aus einander, als die eine Partei che- 
mische, die andere parasitische Einwirkungen auf die Zähne als 
Grund ihrer Erkrankung aufstellt und es möchte wohl nicht zu be- 
streiten sein, dass beide die Zähne beeinträchtigen können. Zur 
Bekräftigung dessen darf ich wohl nur auf den zerstörenden Ein- 
fluss der Phosphorsäure in Fabriken, wie auch auf den der ver- 
schiedensten Säuren aufmerksam machen und es ist noch zu ent- 
scheiden, ob ein primäres Eingreifen, durch vielerei Ursachen herbei- 
geführt, der Entwickelung der Zahnpilze den günstigen Boden erst 
vorbereiten oder ob die Verderbniss derselben nur durch Einwirkung 
der Pilzparasiten bedingt und erhalten werde. ‘So viel steht nach 
eigenen Beobachtungen fest, dass in jedem cariösen Zahne ferment- 
artige Gebilde, nicht immer Säuren, angetroffen werden. 

Bruck in seiner Zahnheilkunde, Berlin 1856, will den Grund 
der Erkrankung der Zähne in Atrophie und Hypertrophie finden. 
Die Desreorganisation soll nach ihm durch Dyserasie und gestörten 
Chemismus erzeugt werden. Die Natur oder Entstehungsweise so- 
genannter Dyserasine schwebt aber noch sehr im Dunkeln und selbst 
der Ausdruck »gestörter Chemismus« hat eine sehr vage Bedeutung. 

- Nach Bruck kann die Disposition zu Zahnkrankheiten 'an- 
gezeugt, angeboren oder erworben, aber auch durch tellurische und 
andere Einflüsse herbeigeführt werden. | 

©. Wedl, „Ueber einen im Zahnbein und Knochen keimenden 


Untersuchungen über die Natur der Gährungserscheinungen. 253 


Pilz“, Sitzungsbericht der Akademie der Wissenschaften, Wien, 14. 
Juli 1864, fand, dass an ausgezogenen Zähnen, welche 10 Tage im 
Wasser lagen, sich in das Cement eingedrungene Pilze zeigten, 
während das Wasser von den Sporen derselben geschwängert war. 
Da Wedl keine cariösen Bildungen fand, erklärte er sich für die 
chemische Theorie. 

Magitot, ..Memoire sur les lésions anatomiques de l’&mail et 
de l’ivoise dans la curie dentaire‘“. Journal de l’Anat. et de la 
Phys. Nr. 6, hat die in der Neuzeit in vielen Gebieten des Lebens 
besonders vorwaltende chemische Begrifisweise, weshalb ihm auch 
die Entstehung des Cariöswerdens der Zähne ein chemischer Vor- 
gang zu sein scheint. Nach ihm reagirt der Inhalt der cariösen 
Zahnhöhle, wenn sog. feuchte Caries vorhanden ist, sauer, aber 
neutral oder alkalisch, wenn die Caries eine sog. trockene ist. Er 
fand im Innern der Höhle Schmelzprismen von dunkeler Farbe, 
Pflasterepithelium der Mundschleimhaut, Fettkügelchen, Schleim- 
körper, Leptothrix buccalis und Vibrio lineola. In seinem Buche: 
„Traite de la carie dentaire‘‘, Paris, ist Magitot der Ansicht, 
dass der Speichel allein das Cariöswerden der Zähne bewirken könne, 
wobei die Beimischungen der Crudititen der Mundhöhle ganz ausser 
Acht bleiben. Er fühlt sich geneigt, die Caries der aus Knochen- 
massen hergestellten künstlichen Zähne daraus herzuleiten. 

Lebert und Rottenstein, „Untersuchungen über die Caries 
der Zähne“, Berlin 1867, widerlegen die Entstehung der Caries der 
Zähne durch chemische Einflüsse. Sie zeigen. dass die in den ca- 
riösen Zähnen durch Hülfe der Mikroskopie entdeckten Pilze den 
Zerstörungsprocess unter günstigen Bedingungen einleiten und zu 
Ende führen. 

Dr. Lövinson in Berlin, der sich seit 25 Jahren in seiner 
ärztlichen Praxis der Erforschung der Ursachen der Krankheit mit 
besonderem Interesse hingab, erläutert den Evolutionsprocess der 
Zahncaries in folgender Weise: 

In den meisten Fällen giebt eine mechanische Verletzung des 
Zahnschmelzes die erste Veranlassung zum Cariöswerden der Zähne, 
doch kann dieselbe auch chemisch oder dynamisch stattiinden und 
ermöglicht dadurch das Eindringen der Pilzsporen. Es sind Lepto- 
thrixbildungen, die gleichzeitig mit ihrer Vermehrung den Zerstö- 
rungsprozess einleiten und weiter fortführen. Sind auch Neben- 
zähne auf irgend eine Weise schadhaft geworden, so verpflanzen 
sich die Leptothrixbildungen der cariösen auch auf diese, wie man 


254 0. Klotzsch, 


ja auch im gemeinen Leben zu sagen pflest, dass ein kranker Zahn 
die übrigen ansteckt. Häufig lässt sich im practischen Leben der 
Nachweis führen, dass nur Pilze, nicht Säuren, die Caries veranlas- 
sen, wie local auftretende Caries zeigt, wo jene Pilze beim Putzen 
mit der Bürste mechanisch gleichsam fineingefegt werden und dann 
schliesslich selbst die so feste Emailleschicht zerstören. 

Von der Richtigkeit dieser Ansichten habe ich durch mikrosko- 
pische Selbstschau die Ueberzeugung gewonnen und besitze eine 
Menge von Präparaten, durch welche ich Jedem, der es wünscht, 
den anschaulichsten Beweis führen kann, dass obige Erörterung 
treu der Sache entlehnt ist. Um die Resultate meiner eigenen Un- 
tersuchungen über die Fermenteulturen cariöser Zähne in’s Licht zu 
stellen, will ich zunächst die Einrichtung der Culturapparate an- 
geben, deren ich mich zu meinen Culturen bediene. 

Ich nahm ein s. g. Einmacheglas, versah es mit einem Kork, 
welcher gegen die Jahresringe geschnitten wurde, um dichter zu 
sein, durchbohrte diesen in der Mitte und führte ein nicht zu star- 
kes Glasrohr vom Kork 2 Zoll aufwärts, bog es und liess dasselbe 
senkrecht neben den Apparat, bis in die Bodengegend, sich senken. 
Das äussere Ende dieses Rohres wurde beim Anstellen der Cultur 
noch mit desinficirter Watte so verstopft, dass ein Luftaustausch 
möglich war, andererseits die Sporen der Luft filtrirt wurden. Beim 
Anstellen der Culturen wurde das Cultursubstrat in einen desinfi- 
cirten porzellanen Schmelztiegel gebracht, der zur Erleichterung der 
Untersuchung in den Culturapparat gesetzt wurde. (Vergl. letzten 
Abschnitt: Desinfection.) 

Hierauf wurde das Glasgefäss geschlossen und äusserlich a 
der Kork mit Beseler’schem Lack überzogen. Den Hohlcylindern 
sleiche Apparate, mit offenen Böden auf einem Teller stehend, ziehe 
ich diese Apparate vor, weil in jene die Pilze der atmosphärischen 
Luft häufig von unten eindringen, obgleich freilich dieser den Nach- 
theil hat, dass das Eröffnen mit Schwierigkeiten verbunden ist. 

Am 11. März d. J. entnahm ich aus einem cariösen Zahne einer 
Lebenden das Substrat und überzeugte mich, dass darin Dentinröh- 
ven, Leptothrixbildungen, Schwärmsporen und s. g. Bacterien mas- 
senhaft enthalten waren. Ich brachte unmittelbar vom Zahne in 
bereit gehaltene, 24 Stunden lang mit absolutem Alkohol desinfi- 
eirte Culturapparate auf ein Stückchen Kartoffel u. s. w., welches 
unter höheren Luftdrucke 20 Minuten gekocht worden war. Am 
10. Juni öffnete ich die Cultur. Es war während dieser Zeit in 


Untersuchungen über die Natur der Gährungserscheinungen. 255 


derselben, wie ich mich überzeugte, eine Temperatur von durch- 
schnittlich 26 Grad Celsius und nach August’s Hydroskop eine 
Feuchtigkeit von 25 Grad erhalten worden. 

Ich brachte die Culturergebnisse unter das Mikroskop. 

Die Körner der Kartoffelstiirke nahmen durch Jod noch die 
blaue Farbe an. Penicillium crustaceum Fr. bedeckte die bereits 
im Zerfallen begriffene Masse, deren Mycelium vielfach anastomo- 
sirte. Das Glas war von Innen sehr mit Wasserdunst beschlagen. 
Auf der Innenseite des Korkes wucherte Penicillium und Eurotium ~ 
herbariorum. Die Zellen der Kartoffel waren noch lose an einander 
gefügt, nach der Mitte zu von festerer Consistenz und von Bacte- 
rium sowie Spirillum umgeben. Der Geruch war dumpf. 

Eine andere Züchtung wurde auf einem Stückchen Citrone 
unter gleichen Verhältnissen und in gleicher Zeit ausgeführt. Die 
‘Citronenschale hatte behufs Desinfection eine Stunde vorher in ab- 
solutem Alkohol gelegen. Als Resultat ergab sich, dass von der 
Impfstelle aus eine Schimmelbildung stattfand. Am 18. Juni war 
die Citronenschale noch erhalten. 

Ein brauner, schwach sauer reagirender Saft umgab sie, Spo- 
renketten von Penicillium enthaltend, ausserdem viele Bacterien 
und Leptothrixketten, wie man es in cariösen Zähnen selbst findet, 
und färbten sich letztere durch Jod und Salzsäure violett. 

Die mit Penicillium und Pleospora herbariorum, Schimmelpilze, 
welche die Citrone überzogen, bildeten auf derselben einen grasgrü- 
nen Filz. Mucorformen konnte ich nicht auffinden. In die abge- 
sonderte Flüssigkeit legte ich einen aus einer Leiche entnommenen 
gesunden Zahn von recht starker Substanz, und werde ich den Er- 
folg bei den entsprechenden Versuchen mittheilen. 

Ein anderer Versuch wurde auf durch 20 Minuten gekochtem 
Stärkekleister ausgeführt. Die Aussaat geschah am 11. März, die 
Untersuchung fand am 22. Juni statt. Der Apparat war von jedem 
höheren Pilzgebilde vollständig frei. Spuren von Dentin fanden 
sich noch auf dem Kleister, welcher einen angenehmen, aromati- 
schen Geruch angenommen hatte. Die Stärke wurde durch Jod 
violett und im Innern des Kleisters fanden sich Sporen mit starker 
Membran, Sporen mit Vacuolen mit Plasmainhalt in runder und 
gestreckter Form und Leptothrixbildungen. 

Einen ferneren Versuch in gleicher Zeit und in gleicher Weise 
stellte ich auf nochmals eingekochtem Fleischextract an, wozu ich, 
wie zu allen meinen Versuchen, den Tooth-Liebig’schen Fleisch- 

I, 3. 17 


2356 0. Klotzsch. 


extract anwendete. Die Inspection ergab auch hier an der innern 
Korkfläche das Vorhandensein von Eurotium herbariorum und Asper- 
gillus glaucus. Im Innern des Fleischextracts sah ich einige von 
Hallier näher beschriebene Schizosporangien und Gährungszellen, 
die sich durch Sprossung fortpflanzten (Cryptococcus), Faden, welche 
einen Gehalt von Kernen verschiedener Dimensionen in sich trugen 
und vielfach unter sich verschlungen waren. 

Die Reaction des Substrats zeigte sich schwach alkalisch. 

Zu einem noch andern Versuche am 11. März verwendete ich 
einen ganzen Apfel, den ich zuvor eine Stunde lang in absoluten 
Alkohol legte. Auf diesen brachte ich die cariöse Zahnmasse, ohne 
sie einzuimpfen. Schon nach drei Tagen konnte man mit blossem 
Auge die vor sich gehende Theilung wahrnehmen. Von der Aus- 
saatstelle verbreitete sich in peripherischer Richtung ein Mycelge- 
webe von Penicillium crustaceum, was sich später, gruppenweise von 
Innen hervorschiessend, ablagerte. Die Hyphen anastomosirten, wie 
es Hallier in der botanischen Zeitung darstellt, und bildeten Co- 
remium, deren Stiele wie Bäume auf der Oberhaut des Apfels stan- 
den. Die innere Korkfläche war mit Eurotium überwuchert. Im 
Innern des Apfels, der noch am 30. Mai einen aromatischen, am 
Untersuchungstage — 30. Juni — aber einen dumpfen Geruch hatte. 
fanden sich durch Sprossung wachsende Gihrungszellen, reife Früchte 
von Aspergillus glaucus Lk. und keimende Sporen. 

Kine andere Versuchsreihe wurde in folgender Weise geführt: 

Ich nahm einen zarten Milchzahn, durchbohrte die äussere 
Schmelzschicht mit einem scharfen Instrumente und brachte darauf 
eine frische cariöse Masse. in welcher besonders viel Leptothrix 
bucealis enthalten war. Den Zahn leete ich in eine Porzellanschale 
und liess sie im geheizten Zimmer drei Wochen in der Nähe des 
Ofens stehen. Bei der mikroskopischen Untersuchung fand ich, dass 
die Leptothrixbildungen den Zahn von der verwundeten Stelle aus 
angriffen. Ferner steckte ich am 24. März auf einen Kork mehrere 
sesunde Zähne, nachdem sie sorgfältig gereinigt waren, brachte ihn 
unter einen der bereits erwähnten Hohleylinderapparate, der einen 
Luftzutritt gestattete und unten, auf einem Teller stehend, durch 
Wasser abgeschlossen war. Diesen Apparat versenkte ich zur Er- 
haltung einer gleichmiissigen Temperatur in ein im Keller dazu 
eigens angelegtes Mistbeet. Die Zähne selbst wurden mit einem 
Feilstrich verwundet, um den Pilzen zugänglicher zu sein (Anboh- 
rungen können zu Täuschungen Veranlassung geben). Ich verband 


Untersuchungen über die Natur der Gährungserscheinungen. 257 


carıiöse Zahnmasse mit einem Gemisch von Semmel und Fleischex- 
tract und belegte damit die Feilstellen. In dem Wasser war ein 
Thermometer angebracht, um die Temperatur danach beurtheilen 
zu können. Der Versuch missglückte insofern, als die höhere Tem- 
peratur des Mistbeetes nur von kurzer Andauer war, in der ersten 
Woche durchweg 30° Celsius, dann aber auf 15° fallend, später 
wechselnd und noch tiefer hinabsank. Auf den Zähnen bildete 
sich nach 2 Tagen Mucor Mucedo, der Früchte trug, die ein äus- 
serst stacheliges Ansehen hatten. Diese Sporangien platzten, die 
Sporen wurden zerstreut und keimten auf der Korkplatte. Neben 
diesen traten Pilzspecies auf, die sich häufig auf Düngerarten an- 
siedeln. Sämmtliche Sporangien des Mucor Mucedo zeigten sich 
auf unseptirten Fruchtträgern und verliefen in einer deutlichen 
Columella. An der Innenfläche des Korkes fand ich Botrytis Jone- 
sii Berk. und Ascophora elegans Corda, die als Mucor Mucedo 
ebenfalls zu bezeichnen sind (Woronin). 

Nach vier Wochen hörte die Mucorvegetation auf den Ansatz- 
stellen gänzlich auf und die Masse trocknete ein. Penicillium hatte 
sich gar nicht gebildet und ein Eindringen der Pilze in den Zahn 
hatte nicht stattgefunden. 

Um diese Zeit hatte ich Gelegenheit, einen von Dr. Lövinson 
erfolgreich ausgeführten Versuch zu beobachten. Dieser nahm den 
einem glaubwürdigen Manne ausgefallenen. noch ganz gesunden 
Zahn, wie solches bei s. g. usurirtem Zahnfleische vorkommt. Er 
beleste die obere Fläche desselben, wozu eine Vertiefung der Kau- 
fläche diente, mit frischer cariöser Masse, welche viel Leptothrix 
bucealis enthielt, legte ihn in eine Glasflasche, die er zum 12. Theil 
mit Brunnenwasser füllte, und stellte diese hinter den Ofen. Nach 
Verlauf von 10 Wochen wurde der Zahn herausgenommen und ma- 
kro- und mikroskopisch von uns untersucht. 

Auf der belegten Stelle hatte sich ein halbmondförmiges cariö- 
ses Loch gebildet, wie dies der wirklichen Caries charakteristisch 
ist. Nach einiger Zeit ging bei Fortführung des Versuchs die Fort- 
entwickelung der Caries nicht mehr von statten, erneuerte sich aber, 
als frisches cariöses Material wieder hinzugefügt wurde. - 

Es gelang also, in diesem Versuche die Contagiosität der Ca- 
ries, wie ich sie in allen diesen epidemischen Krankheiten vermuthe, 
mit zuverlässiger Sicherheit festzustellen. Das Einzige, was sich 
dagegen einwenden liesse, wäre, dass das Experiment an einem ab- 
gestorbenen Zahne vollzogen wurde, wobei der Nerveneinfluss nicht 

1hrfee: 


258 0. Klotzsch. 


mehr in Rechnung kommt; aber diese Einwendung fällt fort, wenn 
man sich überzeugt hat, dass Caries auch bei künstlich eingesetzten 
Zähnen, nicht einmal aus wirklicher Zahnmasse bestehend, von An- 
deren und uns beobachtet wurde. 

Hierauf benutzte ich die in jenem Experimente der Cultur auf 
Citrone ausgeschiedene Flüssigkeit, welche so stark mit Leptothrix- 
bildungen geschwängert war, zu einem neuen Versuche. 

Ich legte einen gesunden Zahn in qu. Flüssigkeit und an der 
Kaufläche, welche angefeilt war, sah man schon nach 4 Wochen ein 
Cariöswerden, nach 8 Wochen trat sehr deutliche Caries ein und 
schreitet die Cultur jetzt noch fort. 

Zur Controle meiner eigenen Versuche that ich noch Folgendes: 

Ich legte Elfenbein in Zuckerwasser, ingleichen in mit Salzsäure 
angesäuertes Wasser, dann in reines Brunnenwasser und endlich in 
mit Wasser verdünnte Kalilauge. Nach 2 Monaten revidirte ich, 
fand das Zuckerwasserpräparat unverändert. auf der stark sauer 
reagirenden Flüssigkeit zeigte sich Penicillium crustaceum Fr., wel- 
ches nach allen Richtungen in die Flüssigkeit vegetative Fäden mit 
Vacuolen entsendete. Der Salzsäureversuch war dagegen in einer 
verkorkten Flasche angestellt worden. Ich fand das Elfenbein zum 
Schneiden erweicht, also völlig entkalkt, das sauer reagirende Flui- 
dum aber pilz- und fermentfrei. Beim dritten Versuche war der 
atmospharischen Luft der Zutritt gestattet worden. Das Wasser 
enthielt Vorticellen, Pilzsporen, Keimungen. Die glatte Seite des 
Elfenbeines war unverändert, auf der rauhen zeigten sich Pilz- 
wucherungen, welche das Elfenbein stark angegriffen hatten, doch 
ohne eine cariöse Form anzunehmen. Beim vierten Versuche hatte 
die Kalilauge das Elfenbein in Pulver zerlegt. Es fanden sich in 
ihr weder Sporen noch Pilze vor. Die Caries entsteht also nur, 
wenn alle zu ihrer Entwickelung vorhandenen Bedingungen vereint 
sind. Auch ist es zwar auffallend, aber ganz in der Natur der 
Sache begründet, dass Obst, wie Dr. Lövinson zuerst experimen- 
tell beobachtete, zu faulen beginnt, wenn man cariöse Massen auf 
die Epidermis desselben bringt, und dass der Zersetzungsprozess 
dann von der belegten Stelle ausgeht. 

Das Mikroskop zeigt deutlich, dass die Pilze vegetative Keim- 
schläuche in das Innere des Nährsubstrates entsenden, welche die 
Epidermis an der belegten Stelle durchbohren und sich im Innern 
vegetirend ausbreiten. 


Untersuchungen über die Natur der Gährungserscheinungen. 259 


Die Haare und die Haut. 

Wir gehen nun zur Betrachtung eines Gegenstandes über, der 
sowohl als Zierde als auch zur Erhaltung der Gesundheit fast ebenso 
wichtig ist als die Zähne, nämlich das menschliche Haar. 

Haut- und Haarkrankheiten stehen erfahrungsgemäss im innigsten 
Connex mit einander, so dass Abschuppungen der Haut oft mit dem 
Ausfallen der Haare verbunden sind und gewisse contagiöse Haar- 
krankheiten auch die Haut krankhait afficiren, abgesehen davon. 
dass Haarkrankheiten mit innern Krankheiten in Wechselbeziehung 
stehen können. Wir können daher das Haar und die Haut nicht, wie die 
speculativen Kosmetiker, als blosse Luxusartikel betrachten, sondern 
wollen uns durch das Mikroskop wissenschaftlich über ihre Bedeutung 
unterrichten. 

Die Anatomie und die organische Morpbologie und die Physio- 
logie geben uns hinreichende Auskunft über die natürliche Beschaffen- 
heit des gesunden Haares und verweise ich hier besonders auf das 
Werk von Sonnenschein, „Handbuch der gerichtlichen Chemie“, 
Berlin 1869, ferner Pfaff, „Das menschliche Haar in seiner patho- 
logischen und forensischen Bedeutung“, Leipzig 1869, und bemerke 
die charakteristischen Unterschiede der Haarwurzeln der Männer und 
Frauen ja selbst an den einzelnen Körpertheilen im normalen Zu- 
stande. von welcher Richtigkeit ich mich überzeugte. 

Beiläufig will ich noch bemerken, dass ich bei meinen Haarunter- 
suchungen zweimal Körper auf dem Haarschaft fand, welche etwas 
Pilzähnliches zu sein schienen. Leider vermochte ich es nicht fest 
zu constatiren. 

Unter allen Haar- und Hautkrankheiten, weiche durch contagiöse 
und mikroskopische Pilze hervorgerufen werden, nenne ich zuerst 
den Favus. 

Nach Hallier wird der Favus als besondere Fruchtforn vom 
Penicillium erustaceum Fr. hingestellt, welche Fruchtreihe er mit 
dem Namen Achorionreihe bezeichnet. Dieser Pilz, Achorion Schoen- 
leini, nach dem Arzte Schönlein benannt, der ihn 1839 entdeckt 
hatte, besteht aus ovalen, stark lichtbrechenden. getrennten, oft 
aneinander gereiheten Pilzsporen. 

Simon in seiner Schrift. „Die Hautkrankheiten durch anatomi- 
sche Untersuchungen erläutert“. Berlin 1851, erklärt: „der Erb- 
srind, Favus Porrigo, besteht aus gelben Krusten, die entweder 
von einander getrennt, Favus dispersus, oder mit einander ver- 
schmolzen sind, Favus confectus. Man findet ihn meist auf behaarten. 


260 0. Klotzsch, 


doch, wenngleich selten, auch auf unbehaarten Stellen“. Eingehender 
beschreibt von Bärensprung, welcher unter Herpes Serpigo alle 
Hautkrankheiten versteht, welche eine contrifugale Ausbreitung zu 
erkennen geben, in seiner Schrift Herpes Serpigo, Ringwurm, Annal. 
der Berliner Charité VI. 2, 1855. 

Der Favus entwickelt sich nur oberhalb der Talgdrüsenmündung, 
die ihm den Nahrungsstoff zu liefern scheint, nicht in den Haaren 
selbst, wuchert dann nach oben über die Haarbalgmündung, sowie 
zwischen die Lederhaut und Oberhaut und dehnt endlich die Haar- 
bälge so aus, dass sie durch Druck zerstört werden, die Haare in 
Folge dessen ausfallen und Kahlheit die Folge ist. Die Entwickelung 
des Herpes Serpigo beginnt immer auf einem Punkte, schreitet von 
hier aus theils dadurch fort, dass die ursprünglich runde Eruption 
die Gestalt eines immer weiter werdenden Ringes annimmt, theils 
dadurch, dass sich in der Nachbarschaft nach und nach ähnliche 
Herde bilden, die sich in gleicher Weise ausbreiten. Dieses eigen- 
thümliche Wandern oder Fortkriechen auf der Körperfläche weist 
aber auf eine örtlich begrenzte Krankheitsursache hin und unter- 
scheidet die in Rede stehenden Hautkrankheiten auffallend von den- 
jenigen, welche für die Folge eines constitutionellen Leidens oder 
einer Blutentmischung gehalten werden. Nach der hier ausgespro- 
chenen Ansicht gehört also der Favus mit unter die Kategorie des 
Herpes Serpigo. 

Die Exanthemata haben übrigens ein so unreines Gebiet, dass 
die Naturforscher über diesen Gegenstand nicht so leicht in’s Reine 
kommen werden. 

Husemann, dessen Ansicht ich anderweitig entlehut habe, 
beobachtete bei einem elfjährigen Knaben, anscheinend gesund, mit 
nur geringer Anschwellung der Cervicaldriisen an der behaarten 
Kopfhaut dicke, polyedrische, trockene Krusten von unregelmässiger, 
trockener Oberfläche; auch über dem rechten Auge, von den Augen- 
braunen zur Glabella und am Nacken waren analoge Krusten in 
ziemlich ausgedehnter Weise vorhanden. Die Borken hatten nicht 
die gelbe, charakteristische Farbe der Favus-Borken, sondern waren 
rein weiss und am weissesten im Nacken. Die mikroskopische Unter- 
suchung ergab, dass in den Borken die Puceinia Favi die Haupt- 
masse bildete und das Achorion Schoenleini ganz zurücktrat. Nimmt 
man hier an, dass Puccinia eine zufällige Einmischung sei, so 
scheint dech die äussere Abweichung dadurch bedingt zu sein. 

Die einzige Beobachtung, welche ich hier machte, war die 


Untersuchungen über die Natur der Gährungserscheinungen. 261 


Uebertragung des Favus eines Knaben auf den Vater, wo sich bei 
dem Letzteren die unter dem Namen Mentagra beschriebene Haar- 
krankheit ausbildete. 

Das Mentagra ist eine andere exanthematische Form, wie die 
des Favus. Es bezeichnet einen Hautausschlag, welcher aus noch 
unbekannten Gründen meist die Haare am Kinne ergreift. 

Es treten unter stechendem Gefühl und schmerzhaft gerötheter 
Spannung stellenweise einzelne Pusteln hervor, ein Haar oder mehrere, 
oft bis über 20 sind Krankhaft afficirt und fallen später aus, resp. 
lassen sich leicht ausziehen. 

Anderson in seiner Abhandlung: „Un the pathology of the 
socalled Sycosis ollenti‘. Glasgow 1868, Jan. Edinburg Rev., fand, 
dass die Krankheit mit Erscheinung kleiner erythematischer Flecken 
beginnt. Diese zeigen das Eigenthümliche, dass sie im Centrum ab-, 
in der Peripherie zunehmen und in Folge dessen erhabene rosen- 
farbige Ringe, mit kleienartiger Abschuppung bedeckt. hinterlassen. 
Bei weiterer Entwickelung erscheinen die Haare mit afficirt und 
können leicht ausgezogen werden, während sich an den Mündungen 
viele Follikel, Papillen und Pusteln bilden. Auch die innere Structur 
der Haut wird mit ergriffen und zeigen sich darin kleine Verhär- 
tungen, welche von Pusteln überragt werden. Bei stärkerer Affi- 
eirung des Zellgewebes vom Umfange einer Nuss und darüber hinaus 
ist dasselbe häufig mit Krusten überdeckt, nach deren Entfernung 
srosse fleischartige Verhärtungen blosgelegt werden. Bei Zunahme 
des Exanthems werden die Haarsäcke stark afficirt, das Haar wird 
zerstört und man sieht kahle Flecke; die Haare der Umgebung sind 
in ihrem Wachsthume zerstört und brechen leicht ab, weshalb die 
Tuberkeln mit schwarzen Punkten besetzt erscheinen, auch kann 
man sie leicht ausziehen. Man findet an ihnen weder Wurzel noch 
Bale. Anderson beobachtete das Vorkommen dieses Exanthems 
am Kinn, auf der Brust und am Faustgelenke. Eine Selbstheilung 
hat er nie wahrgenommen. 

Gruby fand 1842 bei Sycosis eine Pilzart. welche er Micro- 
sporon mentagraphytis nannte. 

Bazin und mehrere seiner Landsleute überzeugten sich von 
der Richtigkeit seiner Angabe und schlossen aus der Form des 
Pilzes, dass er mit Tinea circinnata verwandt sei. 

Anderson fand den Pilz in allen Fällen und erklärte, dass 
Sycosis und Tinea völlig identisch seien. Nach Hallier ist die 
hier vorkommende Pilzform nichts Anderes als die Gliederpflanze 
von Penicillium (Oidium lactis). 


262 0. Klotzsch, 


Dr. Lövinson entdeckte bei seiner Untersuchung kranker 
Zähne, dass angeflogene Partikelchen von cariösen Zähnen auf 
glattrasirtem Kinne das Mentagra erzeugen, was durch directe 
Impfversuche bestätigt wurde. 

Ich selbst fand im Bulbus des Haares bei dieser Krankheit 
stets ovale Sporen, die, wie eins meiner Präparate zeigt, durch 
die Markhöhle des Haares einzudringen scheinen. Der Vollbart 
scheint einen Schutz zu gewähren, wohingegen die Anwendung 
des Rasirmessers die geöffneten Haarkanäle bloslegt und den Sporen 
das Eindringen erleichtert. Bei Personen, die lange mit diesem 
Uebel behaftet waren, fand ich bewegliche Sporen im Blute. Da 
ich oft Gelegenheit hatte, mit mit Mentagra und anderen Haar- 
krankheiten behaftete Individuen zu untersuchen, so schien sich 
mir die Ueberzeugung aufzudringen, dass Beide identisch seien. Bei 
Männern zeigte sich die Wirkung des Contagiums am Häufigsten 
als Mentagra, während bei Frauen und Kindern die Anlage zum 
Favus vorherrschte. 

Wir kommen jetzt zu der als Porrigo decalvans bezeich- 
neten Form der Haarkrankheiten, die ich an mir selbst seit 1863 
beobachtet habe. 

Es fallen an einer oder an mehreren Stellen des Kopfes die 
Haare aus und hinterlassen glatte kahle Stellen, die häufig in ein- 
ander fliessen und sich allmählig vergrössern. 

Gruby findet die Veranlassung dazu in der Ansiedelung crypto- 
gamischer Pflanzengebilde, Erlach v. C. in seinem Buche über 
eine neue Fructificationsform bei Porrigo decalvans und bei der 
Behandlung dieser Krankheit, Schweizerische Zeitschrift für Heil- 
kunde Bd. 2 S. 266, hält den Porrigo decalvans für ein Product 
von Mikrosporon. 

Eine von mir selbst oftmals unternommene Untersuchung be- 
stätigte mir die Richtigkeit der Ansicht, dass ein Pilz die Ursache 
sei und ist es jedenfalls eine Form unserer gewöhnlichen Schimmel- 
pilze. Bei zweckentsprechender, pilzvernichtender Behandlung gelang 
es mir zwar, das Uebel zu beseitigen, leider trat es aber an andern 
Stellen immer wieder von Neuem auf. Durch frühere Untersuchungen 
von Professor Hallier angeregt unternahm ich folgendes Experi- 
ment an mir selbst. 

Ich nahm Schimmel, der sich mir unter dem Mikroskop als 
ein Gemisch von Penicillium und Aspergillus zu erkennen gab, rieb 
mir eine Hautstelle, bis sie geröthet wurde und impfte mir die 
Sporen obiger Pilze durch fortgesetzte Reibung mechanisch ein. 


Untersuchungen über die Natur der Gährungserscheinungen. 263 


Nach Verlauf von 2—3 Monaten merkte ich häufig ein stechendes 
Gefühl, welches mit Brennen verbunden war, konnte aber selbst 
durch das Mikroskop an den schmerzhaften Stellen keine äussere 
Erscheinung wahrnehmen. Ich habe aber noch jetzt, nachdem 2 
Jahre darüber verstrichen sind, die Folgen davon nicht überwinden 
können; endlich gelang es mir, nach langem vergeblichen Suchen 
nach Sporen, durch Anwendung der Essigsäure an den auf den 
krankhaften Stellen ausgegangenen Haaren, durch Durchsichtig- 
machen solche aufzufinden. Ich entdeckte an diesen dieselben Pilz- 
sporen, welche ich bei Porrigo decalvans vorgefunden hatte, 
obgleich das Aeussere Makroskopische mit jenen durchaus nicht 
übereinstimmte. Mit solchen Haaren stellte ich einen Culturver- 
such an, zu dem ich mich des beschriebenen Apparates bediente. 
Ich brachte sie am 12. März auf frischgekochten Stärkekleister in 
den Apparat, in welchem ich eine Temperatur von 18° C. und 
eine Feuchtigkeit von 24° A. durchschnittlich erhielt. Am 28. Mai 
fand ich den Kleister mit ovalen Sporen angefüllt, auch war das 
Innere mit vegetativen Fäden durchwebt und die darauf gelegten 
Haare mit graugrünem Schimmel überzogen, der sich als Mycel 
von Aspergillus manifestirte. Aus diesem stiegen Fruchthyphen 
empor, auch Krystalle waren reichlich auf den Haaren verbreitet. 
Am Boden des Apparates fanden sich EKurotium-Kugeln und die 
Haare selbst waren in diesem und im folgenden Versuche an der 
Wurzel besenartig zerfasert. 

Ein anderer Culturversuch wurde in derselben Weise und 
gleichzeitig auf Zucker und phosphorsaurem Ammoniak ausgefiihrt. 

Bei der Untersuchung war die Flüssigkeit stark verdunstet, 
enthielt viel Eurotium-Kugeln und Krystalle und die Haare waren 
vom vorigen Versuche nicht zu unterscheiden. 

Ebenso wurde ein dritter Versuch auf Fleischextraet gemacht. 
Am 29. Mai waren die Haare mit Krystallen besetzt, höhere Pilz- 
bildungen waren nicht vorhanden und im Fleischextract fanden 
sich Bacterien, die aus den Schwärmsporen unter meinen Augen 
hervorgingen. 

Die vielfachen mikroskopischen Versuche und Beobachtungen 
veranlassen mich zu der Ansicht, dass Eurotium nichts Anderes 
sei, als die Dauersporen von Aspergillus, wie es überhaupt wahr- 
scheinlich ist, dass die vielen, von verschiedenen Schriftstellern 
mit besonderen Namen belegten Pilze nicht wesentlich, sondern 
nur der Form und Intensität nach verschieden oder nur Ent- 
wickelungstypen verschiedener Stadien der Pilzmetamorphose sein 


964 0. Klotzsch, 


möchten, Es sind nur Vermuthungen, die sich darüber aussprechen 
lassen, wie man auch die Vermuthung aufstellen könnte, dass jede 
Pilzform durch die besondere Modification ihrer Natur auch be- 
sondere Krankheitsformen hervorrufe oder dass die Verwandtschaft 
der mikroskopischen Pilzformen in einer innigen Beziehung zur 
Verwandtschaft der durch sie hervorgerufenen Krankheitsformen 
stehen. Es scheint mir daher der Sache gemäss, die Lichtung des 
innern ätiologischen Zusammenhanges all’ dieser Erscheinungsformen 
noch ein wenig zu vertagen. 

Eine der allgemein verbreiteten Haarkrankheiten, welche nach 
den Versuchen von Hallier auf Aspergillus beruht, ist die Pi- 
tyriasis, das Haar steht meist dünn, die Epidermis schuppt sich 
in weisser Farbe und sehr kleinen dünnen Blättchen ab, was sich 
immer in gleicher Weise wiederholt und ein äusseres kleiartiges 
Ansehen abgiebt. Diese Krankheit ist sehr allgemein verbreitet 
und wird in vielen Fällen kaum geachtet. Andere und wir sahen 
in allen Fällen Pilzsporen und Fäden, welche Erstere auf dem Ob- 
jectträger keimten. Hieraus folgt, dass die Ursache auch in diesem 
Parasiten zu suchen sei. Auch wurde stets mit gutem Erfolge 
eine äussere Alkoholbehandlung angewendet. 

Folgender von Dr. Lövinson behandelte Fall veranlasst uns, 
anzunehmen, dass die Psoriasis aus der Pityriasis hervorgehen 
kann, wenn nämlich die dazu erforderliche Disposition vorhanden ist. 

Qu. Patientin, ein 20 Jahre altes blühendes Mädchen, dessen 
Haare förmlich wie mit Kleie überschüttet aussahen, zeigte beim 
ersten Anblick, dass eine Aussaat von natürlichem Herabfallen der 
Schuppen über den Körper stattgefunden hatte. Am deutlichsten 
war dieses im Gesicht, dem Rücken, der Brust und den Armen 
ausgeprägt, während die vor der Aussaat mehr geschützten Theile 
frei von jeder Ausschlagsform waren. Die untern Körpertheile 
waren nur hier und da gering befallen. Die Ausschlagsform auf 
dem Körper, also auf den unbehaarten Theilen, gestaltete sich 
als Psoriasis. Es waren pustulöse, erhabene Flecke, welche mit 
weissen Lamellen bedeckt waren, die bei der Entfernung eine ge- 
schwollene, dunkel geröthete, «darunter liegende Schicht erkennen 
liessen. Eine kleienartige Abschuppung war stellenweise mehr, 
anderweitig minder ausgeprägt. Dazwischen unregelmässige, land- 
kartenartig erhabene Ringformen, die sich theilweise näherten, 
mit glänzend weisser Abschuppung bedeckten und die von Innen 
nach Aussen abheilten. Am Rande blieben sie bei der Abheilung 
längere Zeit stehen. Letztere Form entspricht dem Herpes circina- 


Untersuchungen über die Natur der Gährungserscheinungen. 265 


tus. Die ganzen Uebergänge von der Pityriasis bis hierher waren 
makro- und mikroskopisch auf das Deutlichste zu verfolgen. 

Startin, Pityriasis versicolor a contagious disease, Med. Tim. 
and Gaz. 1853 Dechr. Letzterer bestätigt die cryptogame Natur 
der Pityriasis versicolor in einer Reihe von Fällen, wo diese Krank- 
heit von einem Individuum auf das andere übertragen wurde. 

Dr. v. Bärensprung, „Ueber Herpes bei Haussäugethieren 
und seine Uebertragbarkeit auf Menschen“. Annal. der Charite 
Heft 1, 8, 74 und Deutsche Klinik Nr. 32 S. 310. 

v. Bärensprung hat durch Versuche nachgewiesen, dass 
eine Reihe von Ausschlagsformen, welche von den älteren Aerzten, 
wegen ihrer gleichsam kriechenden Verbreitungsweise auf der Haut, 
Herpetes genannt, von Willan als Herpes circinatus, tonsurans, 
Impetigo figurata, Porrigo scutalata, Pityriasis rubra beschrieben 
wurden, nicht nur im Wesentlichen überemstimmen, sondern auch 
durch denselben parasitischen Pilz erzeugt werden. In der vete- 
rimärärztlichen Literatur ist wiederholt von einer Fiechtenkrank- 
heit der Pferde und des Rindes: die Rede, die auch beim Men- 
schen Eingang findet und in runden oder ringförmigen Eruptionen 
auftritt. 

Die Pilze, welche diese Krankheit hervorrufen, sitzen in der 
Regel zwischen Haarschaft und Haarscheide, in einzelnen Fällen 
auch an Haaren. v. Bärensprung übertrug auf seinen Vorder- 
arm die von erkrankten Hautstellen eines Kalbes entnommenen 
Pilze. Nach einigen Tagen trat Jucken ein. Die Untersuchung 
ergab, dass bereits Herpes circinatus von der Grösse eines Zwei- 
groschenstückes entstanden war. Dieselben gewannen in 3 Wochen 
die Grösse eines Zweithalerstückes; in der vierten Woche entstan- 
den in der Nachbarschaft 3 neue und ein vierter am Oberarm. 
Aehnliche Versuche wurden von Gerlach ausgeführt. 

Franzer, W., Remarks ou a Common Herpetis Epizootic 
affection and ou its Alleged frequent. Transmission to the human 
subject. Dublin, quaterly Journ. Mag. 1864 p. 294. Franzer 
berichtet einen Fall, wo ein Kind von 4 Jahren von einem Kalbe, 
welches mit Herpes circinatus behaftet war, beim Spielen mit dem- 
selben angesteckt wurde. 

Dr. Galligo, Osservationi di erpete circinato communicato 
del cavallo all nomo. Gaz. med. ital. Stati sardi XI Nr. 10. 
Einen Fall der Uebertragung des Herpes circinatus vom Pferde 
auf den Kutscher erzählt Dr. Galligo. Der Kranke hatte ein 


266 0. Klotasch, 


Pferd gepflegt, das an der linken Seite des Kopfes und des Halses 
einen Ausschlag hatte: er war handgross und bestand theils aus 
isolirten, theils aus grösseren zusammenlaufenden Flecken mit 
srösseren und kleineren Bläschen, aus denen eme Feuchtigkeit 
ausschwitzte. Die Haare waren verklebt und das Ganze hatte das 
Aussehen einer Platte. Bei den Kutscher war auf der rechten 
Hand eine vasiculäre ringförmige Hauteruption vorhanden. 

Borgstedt, De Herpete circinato (Diss. inaug.). Berlin 1862. 
Vom Halse her waren bis zollgrosse begrenzte Flecke, welche 
landkartenartig zusammenflossen. Die Mitten der Flecken waren 
gelb, von Epidermisschuppen, die Ränder roth und flammig. Das: 
Mikroskop zeigte zartschnürige Pilzfäden. Die Uebertragung war 
durch eine Katze erfolgt und andere Impfversuche auf den Arm 
erzeugten Trichophyton tonsurans. 

B. Fonoglio, Osservatione di dermatosi squamosa con epi- 
crisi. Gaz. med. ital. Stati sardi, 1857, 23. Dr. Fonoglio giebt 
die Beschreibung einer Mittelform zwischen Pityriasis und Psoriasis, 
welche er an einem wohlgenährten und bezüglich seiner Functionen 
sesunden Priester beobachtete. Die Hautkrankheit war über der 
ganzen Körperfläche ausgedehnt und bestand in meist runden, ein- 
zeln stehenden, vielfach auch zusammenfliessenden, blassrothen und 
mit vielen weissen Schüppchen bedeckten Fleckchen. Der orga- 
nische Charakter derselben war der erythematöse, wie bei der 
Pityriasis; bei einigen Flecken jedoch, wie z. B. bei denen auf dem 
Handrücken, war die Haut einfach fleckenweise mit Schüppchen 
bedeckt und zeigte weder Farben noch Gewebsveränderungen; nir- 
sends war der Grundcharakter papulös, wie bei der Psoriasis. 

Wertheim. Ueber die Aetiologie der Psoriasis. Wochen- 
schrift der kais. königl. Ges. der Aerzte 1863 Nr. 50 und Wiener 
Med. Wochenblatt 1863 Nr. 51. Wertheim hält die Psoriasis 
für eine Circulationsstörung der peripherischen Laufbahn, da er 
vergebens nach pflanzlichen und thierischen Keimen im Blute 
suchte. Im Urin solcher Kranken fand er Pilzbildungen auf, welche 
meist Penicillium und nur einmal Mucor waren. 

Wertheim injieirte Hunden eine Emulsion von Penicillium 
in die Cruralvenen und nach 24 Stunden entstanden an den Füssen 
zahlreiche, getrennt stehende, entzündliche Flecken und Knoten, 
die sich noch bald darauf vermehrten. Einspritzungen mit Bier- 
hefeemulsionen lieferten gleiche Resultate. Verfasser glaubt dem- 
nach den Eintritt der Pilzelemente in die Blutbahnen, wodurch 


‘ 


Untersuchungen über die Natur der Gährungserscheinungen. 267 


die Hauptpapillaren verstopft werden, als die Quelle der Psoriasis 
ansehen zu dürfen. 

Hierauf stellte ich folgende Culturversuche an: 

Ich nahm der an Psoriasis Leidenden von der obern Brust- 
gegend eine Partie Hautschuppen, abgestorbene Epidermisschuppen, 
Sporen, Gährungszellen, welche durch ein Gemisch von Jod und 
Schwefelsäure unter dem Mikroskope dauernd gefärbt wurden und 
dann ihre Bewegung aufgaben. Nicht wenig wurden wir über- 
rascht, im Blute dieselben Gährungskörper aufzufinden, worauf 
wir, da nach einer äussern zweckentsprechenden Behandlung von 
Innen her wiederholte Nachschübe auftraten, gebracht wurden. 

Die Methode der Blutuntersuchung wurde von Dr. Lövinson 
zur bessern Beobachtung in folgender Weise ausgeführt: 

Mittelst einer Lancette wurde ein tief unter der Haut fort- 
seführter Einstich in die zu untersuchende Stelle gemacht, nach- 
dem dieselbe sorgfältig vorher mit absolutem Alkohol abgewaschen 
und gereinigt war, das Instrument wurde entfernt, der entsprechend 
reingemachte Objectträger darüber gehalten und so trat das Blut 
unmittelbar, ohne mit der Luft in Verbindung zu treten, aus der 
Wunde auf das Untersuchungsglas, wo es mit einem Deckglase 
geschlossen und verkittet wurde; ein daneben stehendes Mikroskop 
war mit einem Erwärmungstisch versehen, welcher bereits eine 
Temperatur von 40° C. enthielt, und welche durch zweckmässige 
Construction des Erwärmungstisches mehrere Stunden constant 
behufs der Beobachtung erhalten werden konnte. Weil nun die 
Haut mehr äusseren Verunreinigungen ausgesetzt ist, zog ich es 
vor, auf diese Weise gewonnenes Blut zu den Culturen zu ver- 
wenden und brachte es am 10. März auf die entsprechenden Sub- 
strate unter die bereits beschriebenen Culturapparate. Als Nähr- 
substrat wählte ich desinfieirte Citrone, 30 Minuten lang gekochten 
Kleister, eben so lange gekochte Kartoffeln und endlich Fleisch- 
extract. Die durchschnittliche Temperatur in der Culturzeit war 
22° C. und Feuchtigkeit 23° A. Am 12. Juni war die Citrone 
mit Pleonospora herbariorum überwuchert. Aus derselben war eine 
Flüssigkeit getreten, welche mit Gährungselementen angefüllt war, 
aber nicht sauer reagirte. Ebenso wie jener Pilz war Penicillium 
crustaceum Fr. vertreten. — Der Kleisterapparat zeigte beim 
Oeffnen des Korkes, an dessen Fläche Eurotium herbariorum, der 
Kleister war mit Penieillium überzogen, dessen Sporen den ganzen 
innern Boden des Apparates überdeckten. Der Kleister war mit 


968 0. Klotzsch, 


vegetativen Fäden durchzogen, die mit einander verwuchsen und 
sich copulirten. Die Reaction war sauer, der Geruch nicht un- 
angenehm. Bei der Kartoffeleultur war der Kork auf der innern 
Seite mit Penicillium überzogen, ebenso das Katoffelstück selbst, 
welches im Innern braun gefärbt war. Die Zellen derselben waren 
mit Mycelfäden durchwebt und Jod färbte die geplatzten Stärkemehl- 
körner nicht mehr blau. Der Fleischextract war sehr unverändert, 
nur Gährungsfermente darin, in Form der Monasketten, sonst war 
Apparat und Substrat vollständig rein von jeder Pilzvegetation. 
Der Fleischextract reagirte schwach sauer. 

Eine andere Versuchsreihe wurde schon früher, am 12. Januar, 
in gleichen Apparaten ausgeführt. 

In mit Salzsäure angesäuertem Wasser, welches als Nähr- 
substrat dienen sollte, fanden sich am 20. Januar viel gekernte 
Sporen; die Oberfläche der Flüssigkeit war sehr bacterienreich, 
während der Boden mit vegetativen Fäden bedeckt war. 

Eine Cultur auf Zucker und Ammoniak hatte gar kein Re- 
sultat ergeben. 

Eine Aussaat auf desinficirte Citrone liess am 27. Januar un- 
regelmässig geformte, zusammenhängende Massen erkennen, die 
mit einem Mycelgewebe. verbunden waren. Dazwischen befanden 
sich massenhafte Sporen. 

Eine Aussaat auf Kleister, welche, wie die übrigen, am 
12. Januar angestellt war, liess am 7. Februar einen Ueberzug 
von Mucor Mucedo erkennen. Hierzwischen fand sich Penicillium, 
doch immer auf einem eigenen Mycelium. Der Kleister selbst 
befand sich in Gährung. | 

Am 18. März wurde mit dem Blute von der Brust der oben 
Angeführten, welches die bereits beschriebene Beschaffenheit hatte, 
einem Kaninchen in’s Ohr geimpft. Am 14. April zeigte sich ein 
Geschwiir an der Impfstelle des Kaninchens, welches mit Hiter- 
zellen angefüllt war und in welchem sich stellenweise Sporenhaufen 
mit plasmatischem Inhalte zeigten, welche aber erst bei einer 
800maligen Vergrösserung mit Immersion hervortraten. Dieses 
Substrat, in Wasser gebracht, zeigte nach 14 Tagen viel Bildungen 
von Spirillen, die sich ungleichmässig drehten. Am 20. April säete 
ich von dieser Eitermasse auf Kleister. Der Culturapparat war 
am 3. Juni ganz rein von höheren Pilzen. Der Kleister war noch 
sehr feucht und in ihm einzelne Sporen, die stark lichtbrechend 
waren. Auf sekochtem Apfel hatte sich durchaus Nichts gebildet, 


Untersuchungen über die Natur der Gahrungserscheinungen. 269 


weder höhere Pilzformen noch Pilzfermente waren ausfindig zu 
machen. Fleischextract reagirte nicht sauer und liessen sich in 
ihm einige Leptothrixreihen erkennen. 

Bei noch 3 anderen Kaninchen wurden Impfversuche bei an- 
deren Körpertheilen. wie in’s Auge u. s. w., ausgeführt, waren aber 
erfolglos. 

Diphtheritis. 

Die Diphtheritis herrschte 1517 in Holland, verbreitete sich 
nach Basel und erschien später in Deutschland, Italien, Spanien 
und Frankreich, wo sie nach Roger mit gangranösen Epidemieen 
verwechselt wurde. In Amerika ist bekanntlich Washington an 
derselben gestorben. Dr. Samuel Bond in New-York erkannte 
zuerst 1771 die Natur dieser Krankheit. 

Bei der Pathologie der Diphtheritis handelt es sich zunächst 
um eine genaue Kenntniss des Exsudats. 

Bei der noch immer epidemisch herrschenden Diphtheritis hatte 
ich m der Praxis des Dr. Lövinson vielfach Gelegenheit, diese 
sefährliche Krankheit bei Lebenden und an Leichen zu untersuchen 
und sei es mir gestattet, sofort den mikroskopischen Befund hier 
folgen zu lassen. 

Die Untersuchung des Blutes, welches in derselben Weise, 
wie bei der Psoriasis gewonnen wurde, ergab eine Sporenanhäufung 
zwischen den Blutkörperchen, die auf den Blutkörpern selbst auf- 
trat. Sie waren stark lichtbrechend und meist beweglich. Zwischen 
den Blutkörpern trat bei dieser Krankheit eine Faserbildung auf, 
die wie Krystalle anschoss und das Gesichtsfeld des Mikroskopes 
in dieser Weise überzog und die andererseits erst bei 600maliger 
Vergrösserung deutlich zu erkennen war. Die mikroskopische Unter- 
suchung der Rachenhöhlsubstrate ergab auf der Oberfläche einen 
Complex von Epithelzellen aller Arten, sehr viel Eiter und selbst 
Blutkörper, auch Schleimkörper waren massenhaft vertreten. Die 
Epithelschieht war im Ganzen gehoben, zu häutigen Ablagerungen, 
oft baumartig gruppirt und unter sich durch das Secret verbunden. 
Ausserdem fand ich die Gährungsformen, wie Bacterien, Monasketten. 
Leptothrixbildungen, die ich sämmtlich als Pilzbildungen stets 
ansehe, sehr reichlich vertreten. Einige Male fand ich auf den 
Spitzen der baumartig gebildeten Epithelablagerungen runde Spo- 
rangien mit körnigem Inhalt, welche aber in den aufbewahrten 
Präparaten zusammengeschrumpft sind und wie sie Letzerich 
Jan. 1869 in Virchow 's Archiv Bd. 45 Heft 3 und 4 vorzüglich 
abgebildet hat. 


270 0. Klotzsch, 


Ein einziges Mal gelang es mir, in der Rachenhöhle eines 
diphtheritischen Kindes den von Hallier beschriebenen Pilz Di- 
plosporium fuscum zu finden. Ein weiteres Stadium der Krank- 
heit zeigte mir einen Ausschlag der untern Extremitäten, besonders 
der Schleimhäute, wie die der Scheide, des Afters, von wo es sich 
auf die Umgegend fortpflanzte. Die Pilzelemente der Gährungs- 
formen fand ich wie die des Rachens. In einigen Fällen fand ich 
ungeformte Massen, die mit Mycelfäden verbunden waren und die 
mit der Pilzbildung der Psoriasiscultur auf Citrone identisch waren. 

Durch das Auftreten der Diphtheritis glaubten wir annehmen 
zu dürfen, dass eine Verwandtschaft der Krankheit mit Herpes 
stattfindet. 

De Bary zeigt uns beim Brande des Getreides, dass ein 
und derselbe Pilz, auf verschiedene Pflanzen übertragen, auch ver- 
schiedene Krankheiten erzeugt. So ist es nicht unwahrscheinlich, 
dass eine Pilzart, die in verschiedene Menschen - Organismen ein- 
dringt, in diesen ebenfalls verschiedene Krankheitsformen hervor- 
rufen kann. 

Dr. Lövinson beobachtete, dass Diphtheritis häufig da vor- 
kam, wo sich, wie ich aus eigener Beobachtung constatiren kann, 
Herpesformen an Personen vorfanden, die mit den diphtheritischen 
in naher Beziehung standen. Ebenso wie ich mit Bestimmtheit an- 
nehme, dass unsere exotischen Pflanzen die Träger von derartigen 
Pilzschmarotzern sind, so können uns auch die zoologischen Gärten 
u. s. w. solche zuführen und wäre es der Mühe wohl werth, einmal 
gründliche Untersuchungen anzustellen. Rhufz, ,,Diphtherite chez 
les Poules. Bull. de ’Aacad. de Med. Seance du 29 Juillet 1861“. 
Rhufz legt der Akademie ein Huhn vor, welches im zoologischen 
Acclimatisationsgarten an Diphtheritis gestorben war. Dr. Regual 
erinnerte bei dieser Gelegenheit an das massenhafte Auftreten der 
Diphtheritis bei Hühnern in der Umgegend von Paris, insbesondere 
bei neu eingeführten. Häring beobachtete dasselbe in der dor- 
pater Gegend. Bei Kaninchen hat sich trotz der von Hüter ver- 
öffentlichten Impfversuche bei unsern Versuchen bisher kein po- 
sitives Ergebniss herausgestellt. 

Für das miasmatische Auftreten dieser Krankheit spricht G uille- 
mant, Considerations sur l’angine conneuse ou diphterique d’a- 
prés une epidémie observée & Lonhaus. These, Paris. Derselbe 
beobachtete mit semem Vater 2500 Fälle von Diphtheritis in 3 Jah- 
ren. Begünstigt wurde die Epidemie durch schlechte, dumpfige 
Lage des Ortes und waren z. Z. ungewöhnlich viele Pflanzenkrankheiten 


Untersuchungen über die Natur der Gahrungserscheinungen. 271 


zu bemerken. Dieser Epidemie ging eine Viehseuche, eine entzünd- 
liche Maul- und Rachen-Affeetion bei Kühen und Pferden voran. 

Um zweckentsprechende Culturversuche anzustellen, entnahm 
ich von einem 1'/,jährigen diphtheritischen Kinde 6 Stunden nach 
dem Tode das Substrat aus der Luftröhre. Das Kind, ein Mädchen, 
war in der letzten Zeit, leider aber viel zu spät, einer Alkohol- 
behandlung unterworfen worden, welche sich von dem, was ich 
gesehen, am zweckentsprechendsten bewährte, nachdem es vorher 
entsetzlich mit Höllenstein und anderen Beizmitteln tractirt worden 
war. Obgleich der Alkohol wirklich entschieden wirkte, war doch 
bereits die Krankheit zu weit vorgeschritten und der Tod trat ein. 
Nach Aussage der Eltern hatte sich die Krankheit in diesem Falle 
an den Schleimhäuten der untern Extremitäten zuerst gezeigt. Auch 
dieses Kind war mit andern Kindern, die mit Herpesformen be- 
haftet waren, in innigem Verkehr gewesen. Die Versuche wurden 
am 1. März in genügend beschriebener Weise auf Fleischextract, 
Citrone und Kleister, nachdem Alles möglichst gut desinfieirt und 
mikroskopisch die Gegenwart der Sporen auf dem Aussaatsubstrate 
constatirt war, angestellt. 

Nach 3 Monaten wurden die Culturapparate nachgesehen und 
hatten inzwischen unter einer durchschnittlichen Temperatur von 
24° C. und einer Feuchtigkeit von 22° A. gestanden. Der Geruch 
des Fleischextracts war von dem des gewöhnlichen nicht zu unter- 
scheiden, in ihm fanden sich Bacterien und runde einzellige Sporen, 
sog. Luftformen von Pilzen waren nicht vorhanden, wie überhaupt 
der Apparat sonst rein war. 

Die Citrone hatte einen gelben Saft ausgeschwitzt, war voll- 
ständig faul, so dass die Fäulniss die Gefässe derselben theilweise 
macerirt hatte, während sie äusserlich mit Penicillium, welches 
Coremium bildete, überwuchert war. Der ausgetretene Saft reagirte 
sauer und war mit dem von Hallier beschriebenen Arthrococeus 
angehäuft. Diese Masse beobachtete ich 2 Tage unter dem Mikro- 
skop auf gekochter, concentrirter Milch, Leptothrixbüsche traten 
hervor, wie sie stets auf der Zunge des Menschen anzutreffen sind. 

Der Kleister war vollständig zusammengetrocknet, mit Hyphen 
durchwebt, welche Penicillium erustaceum Fr. an die Oberfläche 
sendeten, womit auch der Culturapparat überzogen war. Auch auf 
dem Napfe des Culturapparats fanden sich Pilzbildungen vor. 

Die innere Korkseite war mit Aspergillus und Eurotium be- 
deckt. 

1723. 18 


272 0. Klotzsch. 


Eine andere Versuchsreihe wurde gleichzeitig in derselben Weise 
angestellt, aber das Aussaatmaterial, welches viel Schwärmsporen 
enthielt, von einem Geschwüre desselben Kindes am Oberschenkel 
entnommen, welches tief ausgeschält wurde und selbst später. ohne 
zu faulen, mumificirte. Die Culturen wurden auf folgenden Nähr- 
substraten vollzogen: auf Kleister, Citrone, Fleischextraet und ab- 
gekochten Kartoffeln. 

Der Kleisterapparat liess weder eine Luftform von Pilzen, noch 
Gährungsformen erkennen. Die Citrone zeigte schon nach 3 Wochen 
Coremienbildungen von Penicillium. Eine Absonderung der Flüssig- 
keit hatte nicht stattgefunden. Nach Verlauf von 3 Monaten. wo 
dieser und die übrigen Apparate untersucht wurden, zeigte sich 
neben diesen Schimmelbildungen Eurotium und Aspergillus am 
Korke. 

Der Fleischextract war mit weissen Flecken bedeckt, die sich 
als Krystalle zu erkennen gaben und die sich in Salpetersäure 
lösten. In ihnen fanden sich Bacterien und Schwärmsporen, während 
im Uebrigen der Apparat rein war. 

Die Kartoffel war mit Penicillium überzogen, der Kork mit 
Aspergillus und Eurotium. Die Kartoffel war nicht gefault und 
zeigte an einigen Stellen Cryptocoecuszellen. die sich. wie ich mich 
überzeugte, durch Sprossung fortpflanzten. 

Gleichzeitig mit jener Cultur wurde aus der Luftröhre des 
secirten diphtheritischen Kindes ein Substrat entnommen und damit 
ein Impfversuch auf ein Kaninchen gemacht; indem das Substrat 
Schwärmsporen und Eiterzellen massenhaft enthielt, wurde dasselbe 
mittelst Impfnadel auf dem Rücken des Kaninchens unter die Haut 
gebracht. Sechs Tage nach stattgefundener Impfung sah man qu. 
Kaninchen traurig. wenngleich die Fressluft bis zum Tode nicht 
aufhörte. Die nähere Untersuchung ergab, dass sich unter der 
Impfstelle 2 Blutunterlaufungen befanden, die sich später als Ge- 
schwüre zu erkennen gaben, auch an andern Stellen des Rumpfes 
und der hinteren Oberschenkel traten solche Geschwüre auf, indem 
sich kreisrunde, einen Zoll Durchmesser habende haarlose Stellen 
zeigten. Die Epidermis hob sich mit den Haaren: die Geschwürs- 
fläche war dunkelroth, missfarbig und die sich aussondernde Flüssig- 
keit bildete einen glänzenden Ueberzug, unter welchem sich in 
Zersetzung begriffene Gewebstheile befanden. Am 12. Tage nach 
der Impfung fand ich auf genannten Geschwürsflächen grosse Massen 
von Schwärmsporen, die sich in starker Bewegung befanden, grössere 
Sporen mit Kernen und mit Schizosporangien. Nach 14 Tagen 


Untersuchungen über die Natur der Gährungserscheinungen. 273 
* 

fand man das Kaninchen früh todt auf der Seite liegen. Aeusser- 
lich hatten sich noch mehrere Geschwüre gebildet. Das Thier hatte 
weder gehustet, noch sonst einen Laut von sich gegeben. Ich 
untersuchte sofort die geschwürige Haut und diese zeigte die be- 
kannten und beschriebenen Gährungsfermente, auch fand ich Schizo- 
sporangien und Leptothrixbildungen, deren Wände sich unter dem 
Mikroskop loslöseten, Sporen entliessen, die sich bewegten. Selbst 
Sporen, die dem Diplosporium ähnlich waren, fanden sich vor. 
Lunge, Leber, Nieren waren gesund, das Herz war blutreich, hatte 
Faserstoff abgesondert und enthielt Sporen. Die Luftröhre war 
makroskopisch gesund, aber mikroskopisch mit einem unseptirten 
Mycelgewebe überzogen. 

Einem andern Kaninchen wurde mit vorigem gleichzeitig das 
Substrat von dem diphtheritischen Geschwüre auf die Conjunctiva 
beider Augen gebracht, doch blieb dieselbe, wie auch bei andern 
Kaninchen, in einem spätern Versuche völlig intact. 

Am 15. März brachte ich sporenreiche Masse von den Ge- 
schwüren des obenbezeichneten gestorbenen Kaninchens in die 
Culturapparate und zwar auf desinficirten Fleischextract, Apfel, 
Kleister und Kartoffeln, welche ich nach 3 Monaten revidirte. Der 
Fleischextract war mit Aspergillus und Eurotium überzogen, welche 
auch den Apparat überwucherten. Ein ebenso unsicheres Resultat 
zeigte sich beim Apfel. Er selbst war in Fäulniss, zeigte Lepto- 
thrixbildungen u. s. w., Aspergillus, Eurotium und Penicillium. 

Ein zufällig m den Apparat hineingekommenes Kaninchenhaar 
war mit Aspergillus überzogen. 

Dieselben Pilze wucherten auf dem sehr sauern und in Fäul- 
niss übergegangenen Kleister. 

Die Kartoffel war im Innern noch gut erhalten, obgleich sich. 
Leptothrixbildungen massenhaft zeigten und Aspergillus im Innern 
der Kartoffel fructificirte. 

Die äussere Schicht war von Aspergillus und Eurotium filzig 
umzogen, unter welchem sich noch einige Haare vom Kaninchen 
fanden. Diese waren mit Aspergillus ebenfalls umwunden, stel- 
lenweise aber mit knotigen Verdickungen besetzt (Sclerotien von 
Aspergillus), welche bei Wasserzusatz in einzelne Sporen zerfielen. 
Im Innern des Haares sah man ebenfalls, aber kleinere, längliche 
und dunklere Sporen mit verdickten Enden, welche beim Wasser- 
zusatze des Präparates eine Strömung nahmen, wie sie in den 
Blüthenhaaren der Tradescantia bekannt ist. 

18 * 


274 0. Klotzsch. 
» 


Noch einem andern Kaninchen impften wir auf dem Rücken, 
welches Substrat dazu wir am 17. Mai von einem 2'/‚jährigen 
diphtheritischen Mädchen, welches 24 Stunden später starb, ent- 
nahmen. - Als Impfsubstrat hatten wir hier Blut genommen, das 
zahlreich mit Sporen angefüllt war. Gleichzeitig stellte ich auch 
hier eine Culturreihe an und gebrauchte auch hier als Nährsub- 
strat Kleister, Fleischextract und gekochte Kartoffeln. Nachdem 
dieselben 2 Monate in den beschriebenen Culturapparaten unter 
einer mittleren Temperatur von 27°C. und einer Feuchtigkeit von 
19° A. gestanden hatten, wurden dieselben revidirt. 

Der Kleister war noch sehr wasserhaltig, reagirte neutral und 
zeigte einige Fermente, sonst war der Apparat ganz und gar rein. 

Ganz dasselbe Resultat lieferte der Fleischextract und die 
Kartoffel liess gar nichts erkennen. 

Von demselben Kinde entnahm ich 36 Stunden nach dem 
Tode aus der Luftröhre schwärmsporenreiche Massen und brachte 
sie in derselben Zeit und unter denselben Bedingungen auf Klei- 
ster, Fleischextract und Kartoffeln. Der Kleister war bei der Un- 
tersuchung trocken und wie der Apparat ganz und gar rein. 

Fleischextract und Kartoffeln verhielten sich identisch. 


Syphilis. 


Ich kann nicht umhin, annehmen zu müssen, dass auch die 
Syphilis auf einem Schmarotzer beruht, in Folge dessen ich auch 
hiermit Culturversuche anstellte. 

So viel steht fest, dass diese Krankheit uns durch Columbus 
von Amerika herübergebracht wurde, gewiss Grund genug, um 
annehmen zu können, dass wir es hier mit einem Parasiten zu 
thun haben. 

Bei Untersuchung von sorgfältig gewonnenem Blute, unter 
dem Erwärmungstisch des Mikroskops beobachtet, unterscheidet 
sich das syphilitische von dem andern. Ebenso wie im Blute fin- 
den sich die Sporen in der Haut, besonders in den in der Psoria- 
sis syphilitica bezeichneten Hautexanthemen Syphilitischer. 

Von diesem machte ich folgende Culturversuche auf Kleister, 
Fleischextract und auf eine mit Alkohol desinficirte Apfelscheibe, 
nachdem sie in den vorher beschriebenen Culturapparaten unter 
einer durchschnittlichen Temperatur von 26° C. und einer Feuch- 
tigkeit von 21° A. gestanden, waren die Apparate an und für sich 
vollständig rein, ein Beweis, dass die Apparate die bekannten Ein- 


Untersuchungen über die Natur der Gährungserscheinungen. 275 


dringlinge zurückhielten. Der Kleister war noch sehr wasserhal- 
tig, enthielt Leptothrixbildungen und Sporen mit verdickter Mem- 
bran. Ganz und gar gleich verhielt sich der Fleischextract. 

Der Apfel war an der Impfstelle mit einer braunen, glänzen- 
den Masse überzogen, die sich nicht in’s Innere fortsetzte. Im 
Innern des Apfels war keine Fermentation wahrzunehmen. Diese 
braune Masse bestand aus Sporen mit starker brauner Membran, 
die auf Sporenreihen bei der Bildung deuteten, doch ist es ja be- 
kannt, dass man nach den Sporen allein die Pilzbildung nicht be- 
stimmen kann. Hierzu gehören Entwickelungsgeschichten, welche 
ich, so weit ich sie auch bereits vorgearbeitet habe, mir für eine 
spätere Arbeit vorbehalte. Ich glaube wohl, dass dies Product 
das eigentliche Contagium der Syphilis ist und werde ich einem 
Jeden, der sich für die Sache interessirt, das Präparat vorlegen. 

Eine entsprechende Culturreihe wurde von demselben Indivi- 
duum aus den syphilitischen Rachengeschwüren unter gleichen Be- 
dingungen auf Kleister, Fleischextract und auf mit Alkohol desin- 
ficirtem Apfel angestellt. Auf dem Kleister und in demselben 
hatte sich nichts gebildet. Die Stärkekörner färbten sich mit Jod 
blau. Das Substrat reagirte neutral. Ganz ebenso verhielt sich 
der Fleischextract und der Apfel. 

Am 23. Mai erhielt ich von Dr. Lövinson eine höchst aus- 
gebildete Form einer’ bereits tertiären Syphilis eines 20jährigen 
Mannes. Von dem Blute machte ich eine Cultur auf Keister. 

Der Apparat war bei der Untersuchung sonst rein und auf 
der Mitte der Oberfläche des Kleisters, also auf der Impfstelle, 
hatte sich eine Membran gebildet, auf der Sporenreihen lagen mit 
verdickter, brauner Membran, ganz so, wie die auf dem obigen 
Apfelpräparat eines andern Syphilitischen, und so bestärkte mich 
dieser Fund noch ganz besonders in der oben ausgesprochenen 
Ansicht. 


Masern, Scharlach und Pocken. 

Am 24. Mai brachte ich Maserschuppen, welche zahlreiche 
Schwärmsporen enthielten und am 13. Tage der Krankheit ent- 
nommen wurden, in Culturapparate. Zum Nährsubstrate dienten 
gekochte Kartoftelstiicke und, Fleischextract. Nach 5 Monaten bei 
einem durchschnittlichen Einfluss einer Temperatur von 27°C. 
und 19° A. war die Kartoffel mit Penicillium überwuchert und 
sehr stark in Fäulniss übergegangen. Ich kann wohl hier anneh- 


276 0. Klotzsch, 


men, dass, da die Luft des Krankenzimmers, welche ich nieder- 
schlug, massenhafte Schwärmsporen enthielt, welche sich vor mei- 
nen Augen, unter dem Mikroskop beobachtet, zu Leptothrixformen 
ausbildeten, jene Sporen sich unberufen eingemischt hatten. Der 
Fleischextract zeigte zwar nichts, aber wie aus diesem und andern 
Versuchen hervorgeht, scheint er ein schlechtes Nährsubstrat für 
Pilze zu bilden. 

Dieselbe Versuchsreihe wurde mit dem Blute des Maserkran- 
ken ausgeführt, deren Resultate dem obigen ganz gleich waren. 

Am 15. Mai hatte ich Gelegenheit, Scharlachblut in der Kran- 
kenstube am 14. Tage nach Ausbruch der Krankheit aufzunehmen 
und zu cultiviren, und führte dies auf Kleister, Fleischextraet und 
mit Alkohol desinficirtem Apfel aus. 

Leider ergab die 8 Wochen später erfolgte Revision gar nichts, 
während welcher Zeit sie einer durchschnittlichen Temperatur von 
25° C.-und 20° A: ausgesetzt waren. 

Einmal hatte ich Gelegenheit, schwarze Pocken auf concen- 
trirter Milch unterm Mikroskop zu züchten, aber auch dieser Ver- 
such war erfolglos. 

Zum Schlusse bemerke ich noch, dass die gebrauchten Nähr- 
substrate für Pilzeulturen nur ausnahmsweise eine Pilzbildung der 
bekannten Pilze producirten. : 

Prof. Hallier in Jena, der sich schon seit geraumer Zeit 
diesen Untersuchungen hingiebt, war es insbesondere, der in der 
Mykologie Veranlassung zu einer grossen wissenschaftlichen Streit- 
frage gab, indem seine Ansichten und zwar von sehr competenter 
Seite, wie De Bary, Hoffmann, Rees, Virchow, beanstan- 
det wurden. Nach Hallier gehen die Hefenbildungen, welche 
also die Gährung einleiten, aus Brand- und Schimmelpilzen her- 
vor. Sie bilden eine Grundform, welche er mit dem Namen Mi- 
crococcus bezeichnet und sind nach ihm einzellige Sporen, deren 
Plasmainhalt zu Schwärmsporen verfällt. Dieser Micrococcus lei- 
tet nach Hallier in einer zuckerhaltigen Flüssigkeit die alkoho- 
lische Gährung ein, indem sich aus ihm Cryptococcus oder Spross- 
hefe bildet. Bei weniger Zuckerzusatz des qu. Substrats bildet 
sich aus ihm Arthrococcus oder Gliederhefe, die nicht, wie jene, 
sich durch Sprossen, sondern durch Zerfallen vermehrt. Eine 
andere Behauptung Hallier’s ist, dass höhere Pilze, welche 
Krankheiten bedingen, besondere Mucor- und Penicilliumfor- 


Untersuchungen über die Natur der Gährungserscheinungen. 277 


men haben, die sich morphologisch von einander unterscheiden 
lassen. 

Es kann hier nicht meine Aufgabe sein, mich in diese Streit- 
frage näher einzulassen und abgesehen von derselben suchten wir 
Alles aufzubieten, um so unbefangen und vorsichtig wie möglich 
und ganz und gar vorurtheilsfrei die Sache an und für sich auf- 
zunehmen, zu welchem Zwecke sogar Dr. Lövinson nach Jena 
reiste, um sich von den Arbeiten und localen Verhältnissen Hal- 
lier’s daselbst zu informiren. Die Methode meiner Untersuchung 
wich von der Hallier’s insofern ab, als ich eine gewisse Zeit 
feststellte und dann das Resultat entgegennahm, während Hal- 
lier täglich die Apparate untersuchte, wobei nicht geleugnet wer- 
den soll, dass auch diese Methode ihre Vortheile bietet. Ich hatte 
es dabei aber so sehr mit eingedrungenen Pilzen zu thun, dass 
ich davon abstand. Auch muss ich erwähnen, dass der Cultur- 
raum meiner Apparate, getrennt vom Arbeitszimmer, mit Erfolg 
durch eine Luftventilation versehen wurde. 

Ohne vorgefasste Meinung hebe ich von meinen Arbeiten her- 
vor, dass diese so eingerichteten Culturapparate bezüglich des Ein- 
dringens fremder Sporen und der Desinfection sich bewährten, 
wie besonders daraus hervorging. dass die gebrauchten, unbesäe- 
ten Substrate nach drei und mehreren Monaten sich in den Ap- 
paraten weder verändert, noch mit Pilzen überzogen hatten. Die 
Substrate selbst verhielten sich ungleich. Während sich Kleister 
und Fleischextract als unzuverlässig bezeichnen lassen, hebe ich 
hartes Obst besonders als zweckentsprechend hervor. Bei den 
Zähnen und bei Syphilis habe ich die unbedingte Ueberzeugung 
gewonnen, dass ich es in den Culturen mit den krankheitsbedin- 
senden Parasiten zu thun hatte. 

Die Hallier’sche Ansicht, dass sich aus diesen Pilzen Mucor- 
und Penieilliumformen von bestimmtem morphologischen Bau un- 
terscheiden lassen, kann ich nach diesen meinen Untersuchungen 
nicht constatiren; immerhin sind aber alle dergleichen Unter- 
suchungen von wissenschaftlichem Werthe. Um jedoch einen 
durchschlagenden Beweis zu führen, muss eine Schritt für Schritt 
gehende Entwickelung des Parasiten unter dem Mikroskope und 
von Tag zu Tag nicht nur, sondern von Stunde zu Stunde aufs 
Sorgfältigste verfolgt werden. 


278 0. Klotzsch, 


III. Hauptabschnitt. 
Dies ene e.t10‘n. 


Wie die Pasteur’schen Versuche zeigen, ja, wie sich Jeder 
aus eigener Anschauung überzeugen kann, finden sich in jeder 
faulen Gährung Bacterien, . Vibrionen und Leptothrixbildungen, 
welche wir als Pilzbildungen unter der Bezeichnung ,,Ferment- 
körper“ zusammenfassen. Ich habe die Ueberzeugung, dass alle 
diese Fermentkörper morphe Formen höherer Pilze sind. Sie sind 
bei der Gährung und Fäulniss die Gährungserreger und sie ver- 
nichten, heisst „desinficiren“. Die Gerüche, welche bei der 
Fäulniss und Verwesung eintreten, sind erst Folgen der Zersetzung, 
chemischer Zerlegungen, welche die Fermente veranlassen, weshalb 
man fälschlich oft unter Desinfection die Zerstörung dieser Ge- 
rüche versteht. Nur durch das Mikroskop ist die Desinfeetion zu 
constatiren, während der Geruchssinn erst in zweiter Instanz Zeug- 
niss dafür ablegen kann. 

Flüssigkeiten sind oft geruchlos und doch noch fermenthaltig, 
wie man dies leicht beobachten kann, wenn einer faulen Gährung 
übermangansaures Kali zugesetzt wird. — Nach 15 Minuten an- 
dauerndem Kochen bei 120° C. sind jene Fermente, wie ich mich 
selbst überzeugte, nicht mehr fortbildungsfahig. Da nun aber 
eine solche Prozedur nicht überall anzuwenden ist, so suchte ich 
folgende Versuchsreihen anzustellen, welche erstere ich bei 20° C. 
Zimmertemperatur und 20° A. Feuchtigkeit ausführte. 

Es wurden stark mit Penicillium überwucherte Schinkenstücke 
unter Apparate gebracht, die eine weitere Zufuhr von Pilzsporen 
aus der Stube unmöglich machten, hingegen einen Zufluss von 
Luft gestatteten. Jedes Versuchssubstrat wurde 2 Minuten der 
Einwirkung eines Reagensmittels ausgesetzt und nach 36 Stunden 
die Revision unternommen. 

A. Die Pilzvegetation wurde eher befördert als un- 

terbrochen: 
1) Opium unterstützte die Wucherung der Pilze auffallend; 
2) Schwefelcyankalium zeigte durchaus keine Wirkung; 
3) Ammoniak verhielt sich ebenso; 
4) Chromsäurelösung desgleichen; 
5) Arsenik äusserte auch gar keinen Einfluss; 
6) schwefelige Säure desgleichen; 
7) Chlorkalk, die Ausdünstung desselben verhielt sich ebenso. 


Untersuchungen über die Natur der Gahrungserscheinungen. 279 


B. Die Wirkung war eine zweifelhafte: 
8) 10°/, übermangansaures Kali liess die Pilze fortvegeti- 
ren; 
9) 40° Spiritus ebenfalls; 

10) verdünnte Schwefelsäure beförderte die Leptothrixbil- 
dung; 

11) concentrirte Höllensteinlösung ätzte das Fleisch sofort 
weiss, wirkte aber gegen jede Erwartung höchst unvollstän- 
dig, so dass ich das damit behandelte Präparat in meiner 
Sammlung aufbewahre, welches trotz der Einwirkung des 
Höllensteins die Fortvegetation der Pilze deutlich zeigt; 

12) Alkohol und Schwefeläther zu gleichen Theilen, vernich- 
teten das Penicillium, aber nicht die Fermentkörper. 

C. Die Wirkung war eine hemmende: 

13) Buchenholz-Creosot bildete eine Haut, aus welcher aber 
wieder Pilze hervorsprossten ; 

14) Eisenchlorid beeinträchtigte die Pilzbildung; 

15) Jodlösung in Spiritus desgleichen; 

16) Garbolsäure wirkte auch nicht ganz vollständig, denn nach 
36 Stunden sah man neue Sprossungen hervortreten; 

17) Salpetersäure verhielt sich ähnlich; 

18) Kalkwasser liess eine Schwächung der Vegetation wahr- 
nehmen. 

D. Eine vollständige Wirkung erzielten: 

19) Concentrirte Kalilauge vernichtete die ganze Pilzbildung; 

20) verdünntere Kalilauge desgleichen; 

21) 96°/, Alkohol desgleichen; 

22) concentrirte Schwefelsäure vernichtete Alles. 

Folgende Versuchsreihe wurde hierauf unter gleichen äusseren 
Bedingungen unternommen: 

10 Gramm Wasser und 1 Gramm Fleischextract wurden in 
einem Reagenzglase aufgekocht, wodurch eine Lösung stattfand. 
Nach dem Erkalten wurde etwas von einem faulen Apfel zugesetzt 
und das Substrat dem Zutritte der Luft preisgegeben. Nach Ver- 
lauf von 1!/, Tagen sah ich bei einer 300maligen Vergrösserung 
Reste des Apfels und vegetative Mycelfäden, bei einer 600maligen 
Vergrösserung zeigten sich Leptothrixbildungen und sich punktför- 
mig bewegende Körper, die ich als Schwärmsporen bezeichne. 
Nach 3 Tagen fanden sich keimende Penicilliumsporen und fructi- 
ficirende Fäden, die zum Theil in Oidiumformen übergingen, Monas 


280 0. Klotzsch, 


crepuseulum, Bacterien und deren Uebergänge. Nach 5 Tagen 
war die Penicilliumkeimung noch: weiter vorgeschritten, während 
sich die andern Fermentbildungen noch mehr vermehrt hatten. 
Bei den Bacterien beobachtete ich hier, dass bei der Bewegung 
bald das eine, bald das andere Polende vorausging. Ich setzte 
1 Gramm Terpentinöl hinzu, welches nach 48 Stunden keinen 
Einfluss ausgeübt hatte. 

Frischer Fleischextract, nicht aufgekocht, zeigte bei der un- 
mittelbaren Untersuchung Leptothrixbildung. Säete man Penicil- 
lium darauf, so konnte man nach 2 Tagen die Masse mit fructifi- 
eirenden Hyphen überwebt und durchwebt finden. Mit Anwendung 
von übermangansaurem Kali, welches an jedem Tage dem Sub- 
strate zugemischt wurde, konnte die Pilzvegetation nicht unter- 
brochen werden, im Gegentheil sah man täglich neue Pilzfäden aus 
der Masse hervorsprossen. Ich nahm nochmals Fleischextract, 
brachte Gährungszellen einer faulen Birne mit ihm in Berührung 
und nach 12 Tagen war er sehr stark mit Penicillium überwuchert. 
Dann wurde jeden Tag, 8 Tage hindurch, 1 Gramm 10°, über- 
mangansaures Kali zugesetzt. Das Gefäss mit dem Substrate 
befand sich unter einer Glasglocke, um die Sporen aus der Luft 
des Zimmers fern zu halten, und nachdem nun der übermangan- 
saure Kalizusatz 1 Tag unterblieben war, sprosste weisser Schim- 
mel aus dem Substrate hervor. Die mikroskopische Untersuchung 
ergab, dass dies Penicilliumpinsel waren, während im Innern eine 
lebhafte faule Gährung stattfand. welche sich selbst durch den 
dumpfen Geruch charakterisirte. Uebermangansaures Kali, 
in Wasser gelöst und mit Penicillium besäet, lässt eine Bacterien- 
bildung zu, deren schleimige Umhüllung sich braun färbt und 
welche ihre Lebensfähigkeit durch muntere Bewegung zu erkennen 
siebt. Dass das übermangansaure Kali nicht völlig desinficirt, be- 
merkte schon Meyer in seiner Schrift: Untersuchungen über die 
alkoholische Gährung, den Stoffbedarf und den Stoffwechsel der 
Hefenpflanze. Heidelberg 1869. 

10 Gramm Wasser mit 1 Gramm Fleischextract bis zur Lö- 
sung gesotten und mit nichtfructificirendem Schimmel von einer 
Mohrrübe verbunden, blieb 3 Tage in einem offenstehenden Rea- 
genzglase. Es zeigten sich bei der Untersuchung Gährungsfer- 
mente, wie bei schwachsaurer Reaction. Wieder nach Verlauf von 
3 Tagen sah man theils zur Ruhe gekommene, theils sich bewe- 
sende Bacterien, durch welche die Flüssigkeit auffallend getrübt 


Untersuchungen über die Natur der Gährungserscheinungen. 281 


wurde. Am Rande der Flüssigkeit zeigte sich eine Pilzvegeta- 
tion. Wieder nach 3 Tagen fanden sich noch weit mehr Lepto- 
thrixbildungen; nun setzte ich 1 Gramm Arsenik hinzu. Nach 
2 Tagen war die Vegetation und die Bewegung nicht gestört 
worden und wurde ein starker fauler Geruch bemerkbar bei 
schwach alkalischer Reaction. In gleicher Weise wurden 5 Gramm 
Fleischextract in 50 Gramm kochendem Wasser gelöst und in 
5 offenen Reagenzgläsern dem Einflusse der Luft ausgesetzt. 
Nach 3 Tagen sah man bei 600maliger Vergrösserung Schwärm- 
sporen, wieder nach Verlauf von 3 Tagen Bacterienschleim, 
dessen Bacterien zum grossen Theil in gleichmässiger Bewegung 
waren. 

Drei Gläser wurden mit Schimmel einer Mohrrübe besäet, 
welcher nicht fructifieirte, die beiden übrigen mit Penicillium eru- 
staceum Fr. von einem Apfel. Nach 3 Tagen zeigten die 3 ersten 
Gläser Oidiumformen, Vermehrung von s. g. Monas und Bacterien. 
Zu einer von diesen setzte ich 1 Gramm 98grädigen absolu- 
ten Alkohol, zur zweiten 1 Gramm Kochsalz und zur dritten 
1 Gramm Schwefelkohlenstoft. | 

Der Alkohol zeigte zwar nach 36 Stunden am obern Theil 
der Flüssigkeit eine Beeinträchtigung, aber wegen der Verdünnung 
keine völlige Aufhebung der Vegetation. Einzelne Bacterien fand 
ich noch in Bewegung. Ein schwacher Fäulnissgeruch und schwach- 
saure Reaction, die sich am folgenden Tage noch vermehrte und 
mit welcher die Vegetation zunahm, wurde erkennbar. Das Koch- 
salz hatte sem Substrat nach 48 Stunden wenig beeinträchtigt, 
wiewohl die Einwirkung desselben nicht bezweifelt werden konnte. 
Es zeigte sich ein etwas fauliger Geruch und eine schwachsaure 
Reaction. 

Einige der in dieser Mischung vorhandenen Bacterien brachte 
ich auf eine feingeschnittene, gut desinficirte Korkplatte, die ich 
in die bereits beschriebene feuchte Kammer unter dem Mikroskop 
applieirte und bei einer 500maligen Vergrösserung 5 Tage lang 
ohne Deckglas beobachtete. Ich gewahrte eine Vermehrung durch 
Theilung, in welcher sich Uebergänge der Leptothrix deutlich aus- 
sprachen. | 

Das Ergebniss des Zusatzes von Schwefelkohlenstoff 
war eine Unterstützung der Vegetation, die sich durch das Auge. 
durch einen stark fauligen Geruch und saure Reaction zu erken- 
nen gab. — Die mit Penicillium besäeten beiden Reagenzgläser 


282 0. Klotzsch, 


zeigten nach 2 Tagen massenhafte Fermentbildungen. Dem einen 
fügte ich 1 Gramm 5°/, Kalkwasser, dem andern 1 Gramm Opium- 
tinetur hinzu. Das Kalkwasser verursachte zwar neutrale Reac- 
tion, doch der Geruch war faulig. Bewegung der Fermentkörper 
war vorhanden und somit keine oder geringe Wirkung. Die 
Opiumtinctur wirkte entschieden unterstützend auf die Vege- 
tation ein. Es zeigte sich sehr fauler Geruch, saure Reaction 
und massenhaftes Zunehmen der Gährungskörper. 

11 Reagenzgläser wurden in einer durchschnittlichen Zimmer- 
temperatur von 24° C. und 22° A. Feuchtigkeit, jedes mit einem 
Decoct von einem Gramm Fleischextract und 10 Gramm Wasser 
gefüllt und offen aufgestellt. Nach 2 Tagen fanden sich in dem- 
selben vereinzelte Sporen und Bacterienbildungen. Der Inhalt 
sämmtlicher Gläser wurde mit Penicillium vom Apfel besäet. Nach 
5 Tagen war die Vegetation sehr lebhaft im Gange und ich setzte 
folgende Reagenzien a 1 Gramm hinzu: 

A. Die Vegetation wurde eher befördert als unter- 

brochen: 

1) Schwefeleyankalium zeigte nach einigen Tagen sehr viele 
Bacterien, die sich durch Theilung, wie ich dies bei einer 
600maligen Vergrösserung beobachtete, vermehrten. Auf dem 
Grunde der Flüssigkeit fanden sich vegetative Fäden und 
keimende Sporen. An der Oberfläche waren viele zur Ruhe 
gekommene Schwärmsporen, Leptothrixbildungen, wie sie 
sich im Mundschleime vorfinden, und die Reaction dabei war 
schwach alkalisch. 

2) Aether zeigte keinen zerstörenden Einfluss. Die vegetativen 
Pilzfäden mit Vacuolen; die sich bewegenden Bacterien und 
die saure Reaction, wie der starke faule Geruch sprachen 
dafür. 

3) Chromsäure desgleichen, nur war der Geruch mehr dumpf. 

B. Die Wirkung war eine zweifelhafte: 

4) Buchenholz-Creosot zeigte sich fast unwirksam, indem 
sich 2 Tage nach dem Zusatze allerhand Gährungsformen 
und lebhafte Bewegung bemerkbar machten. 

5) Essigsäure verhielt sich ähnlich. Leptothrixbildungen wa- 
ren sehr viele vorhanden und auch Oidiumformen traten 
auf. 

6) Cantharidentinetur gab keinen grossen Finfluss zu er- 
kennen, wie bei saurer Reaction viel Gährungselemente, zum 


Untersuchungen über die Natur der Gährungserscheinungen. | 283 


Theil in sehr lebhafter Bewegung, und die vegetativen Pilz- 

fäden bekundeten. 

7) Alkohol verursachte einen dumpfen Geruch des Substrates, 
die Reaction war sehr stark sauer und der der Essigsäure 
ähnlich. 

8) Essigsäure. Leptothrix- und Oidiumformen waren massen- 
haft vorhanden. 

C. Die Wirkung war eine hemmende: 

9) Garbolsäure. Im Bodensatz fanden sich noch Oidiumfor- 
men, während sonst im Substrate die Bacterienbildungen in 
seringer Anzahl vorhanden waren. ° 

10) Sublimatlösung wirkte zerstörend auf die Pilzvegetation, 
doch dieselbe, wie die Bacterien- und Leptothrixbildungen 
und der saure Geruch wiesen auf eine unvollständige Des- 
infection hin. 

D. Eine vollständige Wirkung erzielte: 

11) die Kalilauge. Dieselbe gab in dieser ganzen Versuchs- 
reihe das einzig günstige Resultat, wenngleich ein dumpfer 
Geruch nicht zu verkennen war. Das Substrat war fast voll- 
ständig ohne Leptothrixbildungen, deren wenige durch einen 
nochmaligen Zusatz des verdünnten Reagens vernichtet 
wurden: 

Zu bemerken ist noch, dass die Fortentwickelung der Vege- 
tation in der feuchten Kammer andauernd und oft wiederholt von 
uns beobachtet wurde. 

Hierauf wurden folgende Versuche bei 26° C. und 23° A. 
Feuchtigkeit ausgeführt: 

21 Reagenzgläser wurden mit je 10 Gramm Wasser und 1 
Gramm Fleischextract aufgekocht. 10 wurden mit Penicillium- 
sporen und 11 mit Mucorsporen besäet. In beiden Versuchsreihen 
waren in 24 Stunden Fermente gebildet, doch enthielten die mit 
Penicillium besäeten mehr Bacterien. Von je einer Aussaat wurde 
1 Gramm übermangansaures Kali, 1 Gramm Kalilauge, 1 Gramm 
Carbolsäure, 1 Gramm Anilinroth (Fuchsin) und 2 Gramm Alko- 
hol zugesetzt. Nach 4 Tagen, wo ich die Gläser revidirte, fand 
ich beim übermangansauren Kali nur eine Färbung der keimen- 
den Mucor- und Penicilliumsporen. Auf’s Entschiedenste. wirksam 
war die Kalilauge, wo sich in beiden Fällen nur vereinzelte 
Pilzreste am Boden fanden, deren Sporen noch keimfähig waren. 
Bei einem nochmaligen Zusatze von je 1 Gramm Kalilauge wurde 


284 0. Klotzsch. 


Alles, wie das Mikroskop ergab, vernichtet. Die Carbolsäure 
war wenig beeinträchtigend. 

Das arsenikhaltige Fuchsin hatte die Fermentation unter- 
stützt, auch der Alkohol zeigte geringen Einfluss und bewirkte 
eine grosse Ausschüttung von Krystallen. Zu allen diesen Fällen 
verhielten sich die beiden Aussaaten zu einander gleich. 

Zu 4 Mucoraussaaten wurden noch folgende Zusätze a 1 Gramm 
gegeben: Salzsäure, Essigsäure, Glycerin, Eisenchlorid, während 
das eine Glas ohne jeden Zusatz blieb. Salzsäure beeinträchtigte 
die Fermentation etwas, doch fanden sich immer noch viele kei- 
mende Sporen. 

Essigsäure begünstigte auffallend die Leptothrixbildung. 

Glycerin wirkte sehr gering, vielleicht nur scheinbar; ebenso 
verhielt sich das Eisenchlorid. 

Das Glas ohne Zusatz war in wesentlich fortschreitender 
Fermentation und Pilzbildung und roch am stärksten faulig. 

Zu den mit Penicillium besäeten Culturen endlich wurde je 
1 Gramm folgender Ingredienzen zugesetzt: 

„Schwefelsäure, salpetersaure Silberlösung, concentrirtes, 

in Wasser gelöstes Arsenik, Arsenikseifenbrühe, wie sie zum 

Ausstopfen von Thieren benutzt wird, und Kalkwasser“. 
Von den 3 Letzteren je 3 Gramm Zusatz. 

Nach S Tagen fand ich, dass die Wirkung der Desinfection 
von Salzsäure grösser als die von Schwefelsäure sei. (Bei einem 
Pilze auf dem Weinstocke, Erisiphe, hat sich die schweflichte Säure 
mit sehr gutem Erfolge bewährt. Ein gleich günstiges Resultat be- 
obachtete Dr. Lövinson bei der Desinfection von Cholera.) Nach 
dem Geruch zu urtheilen, hatte die salpetersaure Silberlösung 
"unterstützend, nicht hemmend, gewirkt. Noch mehr war dies, wie 
auch die mikroskopische Untersuchung deutlich zeigte, beim Ar- 
senik der Fall. Viel vortheilhafter war das Resultat der Arsenik- 
brühe, während die Kalklösung fast erfolglos war. 

Die Fortsetzung all’ dieser Versuche ergab, dass sich die des- 
inficirende Wirkung nach und nach wieder aufhob. 

Weitere Untersuchungen mit Chloroform, Perubalsam, 
Tabaksabsud, je 1 Gramm auf eine Mischung von 1 Gramm 
Fleischextract mit 10 Gramm Wasser ergaben keine erfolg- 
reichen Resultate. 

Unter 23° C. und einer Feuchtigkeit von 22° A. wurden 
folgende Versuche ausgeführt: 


Untersuchungen über die Natur der Gährungserscheinungen. 285 


Provenceröl mit Mucor besäet liess nach 4 Tagen ein 
Mycelium, durch Sporen gebildet, erkennen, welche derbwandige 
Sporangien erzeugten, die 4 bis 8 Sporen enthielten und theil- 
weise schon geplatzt waren. Die Mycelfäden waren zum grössten 
Theil septirt. Ebenso verhielt sich die Aussaat auf Glycerin. 
Hier bildeten sich aber bald Schwärmsporen, die dem Oele fehlten. 
Die Sporen füllten sich mit Vacuolen und keimten. 

Die Aussaat auf verdünnter Essigsäure zeigte sehr viele 
Leptothrixbildungen. In verdünnter Höllensteinlösung 
zeigten sich Bacterienkörper, während sich am Rande keimende 
Sporen fanden. Jodlösung mit Mucorsporen besäet, zeigte nach 
5 Tagen die unveränderten Sporen, welche aber braun gefärbt 
waren. 

Aromatischer Essig fand sich in Folge der Aussaat mit 
Leptothrixbildungen überfüllt; unter dem Mikroskop sah ich Spo- 
ren in diesem Substrate anschwellen, platzen und Schwärmsporen 
entlassen. Mucor auf concentrirtes Arsenik gesäet, wuchs 
ungehindert und ebenso verhielt sich Eisenchlorid, Chrom- 
säure zog die Sporen zusammen und Keimungen mit ihnen miss- 
langen. 10°/, übermangansaures Kali mit Mucor besäet 
zeigte nach 48 Stunden viele Bacterien, die sich bewegten und 
braun gefärbt waren, auch Kupfer- und Eisenvitriol wider- 
standen nicht. 

Hieran schloss ich folgende Versuchsreihe: 

10 Stücke Rindfleisch wurden gleichfalls mit Mucor Mucedo 
übersäet und nach 10 Tagen waren sie damit überwuchert. Jedes 
der Stücke wurde 1 Minute lang der Einwirkung folgender In- 
gredienzien ausgesetzt und nach Verlauf von 3 Tagen die Resultate 
entgegengenommen; während dieser Zeit waren sie frei der Luft 
ausgesetzt: 

Carbolsäure liess die Sporen keimen. Zwischen den Fleisch- 
bündeln traf man Bacterien und Schwärmsporen an, so dass eine 
Beeinträchtigung, aber nicht völlige Hemmung der Vegetation statt- 
gefunden hatte. 

Geschmolzenes und krystallisirtes Chlorcaleium verhielten sich 
ganz ebenso, doch später mumificirte das Fleisch durch starke 
Wasserentziehung vollständig. Die Wirkung der Kalilauge war 
in diesem Falle zweifelhaft. Arseniklösung unterstützte die 
Pilzbildung und Faulniss. Sublimat vernichtete die Pilze nicht, 
aber die Bacterien und später stellte sich starke Fäulniss ein. 


286 0. Klotzseh. 


Höllensteinlösung bräunte das ganze Präparat, vernichtete 
aber weder die Pilze noch die Bacterien. Eisenchlorid schien 
gar keinen Einfluss zu äussern. Alkohol (98°/,) tödtete die 
Pilze vollständig, die Bacterien erst bei Abschluss des Präparats 
von der atmosphärischen Luft. Schwefeläther wirkte sehr 
schwach. 

Hierauf brachte ich sämmtliche in der angegebenen Weise 
behandelten Fleischstücke in eine Feuchtigkeits- Atmosphäre von 
40° A. und in eine Temperatur von 27° C. Alle unterlagen der 
Zersetzung, zerfielen in Muskelbündel, diese in die sogenannten 
Disks und Pilz und Fermentbildungen nahmen nach und nach zu. 

Eines Versuches will ich hier noch gedenken, welcher von 
praktischer Bedeutung ist. 

Ich legte in einen Keller, wo viele Spiritusfässer lagen und 
die Luft stark mit Alkohol geschwängert war, ein Mistbeet an, 
brachte Brut von Agarieus campestris wiederholt hinauf, aber 
jeder Versuch misslang, weder Champignon noch andere Pilze 
zeigten sich. 

Auch muss ich hier eines Resultats Trautmann’s gedenken, 
einer Schrift, welche erst später in meine Hände gelangte: „Die 
Zersetzungsgase als Ursache zur Weiterverbreitung der Cholera“. 
Halle 1869. Derselbe fand das Süver’sche Desinfectionsmittel, 
aus Kalk, Chlormagnesium und Steinkohlentheer zusammengesetzt, 
für zweckentsprechend. 

Wenn auch nicht zu leugnen ist, dass sich besprochene Retorten- 
versuche anders gestalten, wie die Fermente auf dem menschlichen 
Körper, so ist doch eine Bezugnahme ganz am Platze und scheint 
sich, was die Hauptsache ist, im praktischen Leben ein Nutzen 
ableiten zu lassen. 

Dr. Lövinson hat mit der Behandlung von absolutem (98 °/o) 
Alkohol bei Favus, Mentagra, Pityriasis, Psoriasis und Diphtheritis 
vorzügliche Erfolge gehabt, von welchen ich mich ebenfalls ganz 
und gar überzeugte. Der Erfolg des Alkohols war stets absolut, 
wenn er direct auf Pilzbildungen einzuwirken vermochte. Die Wir- 
kung geschah durch Entziehung des Wassers und Gerinnen des 
Eiweisses in den Pflanzenzellen. Weniger günstig ist die Wirkung 
des Alkohols auf die Blutbahn. So beobachtete ich besonders bei 
äusserer Behandlung der Psoriasis einen glänzenden Erfolg, aber 
einige Zeit darauf sah man von Innen her neue Exantheme auf- 


Untersuchungen über die Natur der Gährungserscheinungen. 287 


treten, was uns überhaupt, wie oben erwähnt, auf die Blutunter- 
suchung leitete. 

Die Anwendung des Arseniks hat sich nicht bewährt und scheint 
auch nicht pilztödtend, sondern nur den Stoffwechsel beschleunigend 
zu wirken. 

Bei der Caries der Zähne ist vor allen Dingen eine Methode, 
die Dr. Lövinson als Restaurirung derselben übt, und die mit 
der gemeinhin von den gewöhnlichen Zahnärzten „Plombiren“ ge- 
nannten Behandlung nur äussere Aehnlichkeit hat, nachdem die 
infieirten Stellen mechanisch beseitigt und die kranken Zähne desin- 
ficirt sind, das beste Mittel zur Erhaltung bereits im hohen Grade 
zerstörter Zähne. 

Werden die Sporen jedoch unter der Füllung nicht getödtet, 
so beginnen sie ihre Verheerung von Neuem und schonen weder 
Füllung noch Zahn. Was jetzt hier die Kunst leistet, ist nicht be- 
grenzt und theile ich nach den bei Dr. Lövinson gesehenen, über- 
raschenden Resultaten den von ihm aufgestellten Satz: 

„Kein Zahn ist auszuziehen, selbst der schlechteste ist zu 
erhalten uud dann immer noch dem besten künstlichen vor- 
zuziehen“. 

An meinem eigenen Körper beobachtete ich die Einwirkung 
von übermangansaurem Kali auf einen cariösen Zahn als unwirksam. 
Alkohol geht leicht in Essigsäure über und wirkt dann nachtheilig, 
indem dieselbe die Pilzbildung unterstützt. Am besten bewährte 
sich die medicinische Seife, wie auch Lebert und Rottenstein 
im bereits angeführten Werke constatiren, während aber auch diese 
das übermangansaure Kali hervorheben, so glaube ich, dass sie sich 
durch das Entnehmen des Geruchs haben täuschen lassen. Die 
Behandlung an und für sich muss ja stets dem Arzte überlassen 
bleiben und erlaubte ich mir nur diese Einschaltungen, da sie in 
innigster Beziehung zu den vorangehenden, morphologischen Be- 
trachtungen gehören, 


Fasse ich nunmehr die gesammten Ergebnisse der obigen Unter- 
suchungen zusammen, so stellt sich Folgendes heraus: 
1) Der Prozess der Gährung wird nur durch niedere Pilzformen 
eingeleitet und fortgesetzt. 
2) Dieselben in der Natur allgemein verbreiteten Pilzbildungen 
sind es, welche gewisse Krankheiten veranlassen können. 
I, 3. 19 


288 0. Klotzsch, Unters. über die Natur der Gährungserscheinungen. 


3) Durch bestimmte Factoren werden diese Pilzbildungen ge- 
fördert oder gehemmt und vernichtet. 

4) Die Hemmung resp. Vernichtung dieser Pilzelemente heisst 
Desinfection. 

5) Die Desinfectionsmittel müssen je nach der Natur der Sub- 
strate, auf denen oder in denen diese Keime vegetiren, ver- 
schieden sein. 

6) a. Auf trockenem Boden bewährte sich am besten der Al- 
kohol, 

b. in Flüssigkeiten zeichnete sich die Kalilauge besonders 
aus. 

7) Es lassen sich Apparate herstellen und Substrate wählen, in 

denen und auf denen mit Zuverlässigkeit Culturen dieser 

Gebilde gezüchtet werden können. 

Ehe jedoch nicht unmittelbar unter dem Mikroskope die Ent- 

wickelung solcher Fermentkörper bestimmt beobachtet und 

festgestellt ist, kann die Streitfrage über die Natur derselben 
nicht endgültig entschieden werden. 


8 


wa, 


Ueber das Gift der Maul- und Klauenseuche. 


Von 


Herrn Physicus Dr. Bender. 


„In den Efflorescenzen, welche sich bei der Maul- und Klauen- 
seuche an verschiedenen Körperpartieen der befallenen Thiere 
bilden, findet sich constant ein pflanzlicher Parasit und zwar die 
Anäerosporenform eines Pilzes vor. Die untersuchte Lymphe 
wurde nicht allein von verschiedenen Körpertheilen (Maul, Klaue, 
Euter) abgenommen, sondern auch aus verschiedenen Gehöften 
und selbst Ortschaften beigeschaift, immer ergab sich dasselbe 
Resultat. Die beobachteten Sporen zeichnen sich durch verhält- 
nissmässige Kleinheit aus, nichtsdestoweniger ist bei sorgfältiger 
Einstellung des Mikroskops auch schon bei schwacher Vergrés- 
serung ein gegittertes Epispor leicht zu erkennen, wodurch sie 
sich als eine Tilletia Tul. erweisen. Sehr rasch zerfallen sie in 
ihre Kokken und bilden eine Kernhefe, einen mobilen Micrococcus, 
welcher die faulige Gährung der Flüssigkeit einleitet; es ist diese 
Tendenz so ausgesprochen, dass selbst ein beträchtlicher Zusatz 
von Glycerin den Prozess auf die Dauer nicht aufhalten kann. 
In den auf den Pusteln sich schliesslich bildenden Schorfen finden 
sich die Sporen nicht mehr, wohl aber lässt sich aus denselben 
bei Zusatz von Wasser ein massenhafter beweglicher Micrococcus 
erziehen, der auf Milch eine sehr zarte Gliederhefe (Arthrococeus) 
ausbildet. In der Milch der erkrankten Thiere, wenn sie nicht 
mit Schorf zufällig inficirt worden war, konnte selbst nach Wochen 
ein parasitäres Gebilde nicht wahrgenommen werden; Blut war 
zur mikroskopischen Untersuchung nicht zu beschaffen. Bei einer 
Cultur der frisch aus den Pusteln entnommenen Lymphe auf 
einer mit gekochtem Zuckerwasser übergossenen Citronenscheibe 
ergaben sich am 5. Tag nach der Aussaat fleischröthliche Puncte, 
welche aus Conglomeraten eines kleinen Cryptococcus bestanden, 
der jedoch in seiner Entwickelung nicht verfolgt werden konnte, 

| 19* 


290 Bender, Ueber das Gift der Maul- und Klauenseuche. 


da er bald durch zufällig sich auflagernde andere Pilzbildungen 
verdrängt wurde. Weitere Morphen des parasitischen Myceten 
der Maul- und Klauenseuche konnten nicht erhalten werden, da 
die Krankheit im Bezirk plötzlich sehr selten wurde und frische 
Lymphe nicht mehr aufzutreiben war, so dass die Beobachtungen 
mit der Darstellung der 3 Hefeformen, Micrococcus, Cryptococcus, 
u. Arthrococcus aus der Tilletia aphthogenes vorläufig geschlossen 
werden mussten.“ 
Camburg, 16. Oct. 1869. 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 


Von‘ 


Ernst Hallier. 
(Fortsetzung vom 2. Heft Seite 117—184 dieser Zeitschrift.) 


a) Caries der Zähne*). (Fig. 1 Taf. VI.) 


Im Innern cariöser Zähne und insbesondere im Innern der 
Dentin-Röhrchen findet sich stets der Micrococcus eines Pilzes, 
welcher, wie Lövinson und Klotzsch experimentell nach- 
gewiesen haben, nicht nur die Zahnmasse direct zerstört, sondern 
auch andere vegetabilische und thierische Substanzen zur Zer- 
setzung bringt. Ich glaube namentlich schöne Bestätigungen für 
meine mit ganz anderen Pilzen vorgenommenen experimentellen 
Versuche über die Fäulniss des Obstes in analogen Experimenten 
der beiden genannten Forscher mit dem Caries-Pilz zu finden **). 

Der Micrococeus tritt im Innern der Zahnsubstanz meist in 
grossen Massen und in einzelnen oder in Theilung begriffenen 
Cocei auf, nicht in Ketten, wogegen die äusseren Schichten, welche 
mehr oder weniger mit der Luft in Verbindung stehen, längere 
oder kürzere Mycothrix-Ketten (in Fig. 1 Taf. VI.) einschliessen. 
Beide Formen befinden sich innerhalb der Dentin-Röhrchen und 
zwischen denselben und sind nach vorhergehender Maceration mit 
Salzsäure bekanntlich unschwer durch Jod blau zu färben. Ich 
besitze besonders schöne Schliffe von cariösen Zähnen, deren Mi- 
crococcus durch Jod gebläut ist, durch die Güte des Herrn Pro- 
fessor Dr. H. E. Richter in Dresden. 


*) Die hier mitgetheilten Thatsachen machen nach den Arbeiten von Wedl, 
von Lebert und Rottenstein und ganz besonders nach den neuesten Stu- 
dien von Lövinson und Klotzsch durchaus keinen Anspruch auf Priorität, 
beruhen aber auf selbstständigen Beobachtungen. 

**) E. Hallier, Das Faulen des Obstes. Landwirthschaftl. Versuchs- 
stationen. Bd. X Nr. 4. 5. S. 386, Chemnitz 1868. 


292 Hallier. 


Die Vorkommnisse sind also im Ganzen denjenigen auf der 
Oberfläche der Zähne (Leptothrix buccalis auct. vet.) sehr ähnlich. 

Die einzelnen Cocei erscheinen bei sehr starken Vergrös- 
serungen mit Immersionssystemen theils kugelrund, theils und 
zwar meistens in 1 oder 2—3 Schwänze ausgezogen (c. Fig. 1 
Taf. VD. Sie zeigen natürlich Molecularbewegungen, ausserdem 
aber Gestaltveränderungen, welche nur Folge eontractiler Eigen- 
schaft des Plasma’s sein können. 

Die längeren Ketten haben oft sehr deutliche Gliederung 
(m Fig. 1 Taf. VI), während in anderen Fällen die Gliederung 
auch unter den stärksten Systemen nicht deutlich hervortritt, son- 
dern sich nur aus dem Zerbrechen in scharfbegrenzte Fragmente 
von bestimmter Länge schliessen lässt. Zwischen den Ketten fin- 
det man aber auch wirkliche Keimlinge (k Fig. 1 Taf. VI), welche 
oft im Durchmesser nicht minder zart sind wie die Ketten, aber 
meist durch ihren unregelmässig gekrümmten Verlauf und durch 
ihren Ursprung von einem bestimmten, meist etwas angeschwol- 
lenen, Coceus leicht erkannt werden. 

Oft sind die Keimlinge auch mit starken Anschwellungen 
(a Fig. 1 Taf. VI), ja selbst mit abgesonderten Zellen (2 Fig. 1 
Taf. VI) versehen. In den Anschwellungen (a Fig. 1) zerfällt häu- 
fig das Plasma in eine grosse Anzahl einzelner Cocci. Auch sehr 
grobe, die Zahnsubstanz durchbohrende und durchwühlende Pilz- 
keimlinge, wie sie schon Wedl*) aufgefunden hat, sind nicht 
selten, doch weniger constant als der Micrococcus. Dieser scheint 
in cariösen Zähnen niemals zu fehlen, wenigstens fand ich ihn 
jedes Mal in grosser Menge. 


b) Krankheiten anderer Wirbelthiere. 
Schafpocken (Fig. 2 Taf. VI). 

In den Schafpocken fanden Zürn und ich sehr kleine beweg- 
liche Cocei (Fig. 2 Taf. VD. Ich habe dieselben in meinen para- 
sitologischen Untersuchungen mit dem System F. von Zeiss ge- 
zeichnet. Sie erschienen bei dieser Vergrösserung fast kugelig **) 
und punktförmig klein. Unter dem sehr schönen Immersions- 
system von Merz (Y,“ System) erscheinen sie nicht genau 


*) C. Wedl, Ueber einen im Zahnbein und Knochen keimenden Pilz. 
Sitzungsber. d. K. K. Academie der Wissenschaften. Bd. 50. 
**) Hallier, Parasitolog. Untersuchungen. Leipzig 1868. Taf. 1 Fig. 4. 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 293 


kugelrund, sondern länglich, mit einem oder mehren schwanz- 
formigen Fortsätzen (Fig. 2 Taf. VI). Häufig sind sie deutlich in 
Zweitheilung begriffen oder haben schon längere Ketten ausge- 
bildet. Dass sie eine eigenthümliche Bewegung besitzen, haben 
Zürn und ich bereits früher mitgetheilt. 


Lungenseuche der Rinder (Fie. 3. 4. Taf. VI). 

Während für die Untersuchung des Schafpockenparasiten uns 
ein ausserordentlich grosses Material vorlag, beschränken sich 
meine Untersuchungen des Parasiten der Lungenseuche auf zwei 
Fälle in Stuttgart und Berlin, die allerdings eine staunenswerthe 
Uebereinstimmung zeigen. 

Zuerst wurde ich auf den Parasiten der Lungenseuche durch 
Herrn Professor Dr. Weiss in Stuttgart aufmerksam gemacht. 
Ihm gebührt daher ganz unbedingt die Priorität der Beobachtung, 
was ich im Folgenden noch weiter ausführe, weil ein zwischen 
Herrn Professor Weiss und mir vorgekommenes an sich höchst 
unbedeutendes Missverständniss, von Personen, denen wenig an 
der Wahrheit, aber viel am Parteiinteresse liegt, in der wider- 
lichsten Weise literarisch ausgebeutet worden ist. 

Herr Professor Dr. Weiss schrieb mir unter’m 18. Januar 
1868 Folgendes: 


„Verehrtester Herr Professor, 


Vor einigen Tagen habe ich einige Tropfen der klebrigen 
Flüssigkeit, welche sich in grosser Menge aus den hepatisirten 
Theilen der Lungen von lungenseuchekranken Rindern aus- 
drücken lässt, mikroskopisch untersucht und gefunden, dass sich 
darin zahlreiche Gebilde auffinden lassen, welche aus paternoster- 
formig an einander gereihten kleinen Zellen bestehen, welche mit 
den von Ihnen in den „Gährungserscheinungen“ Figg. 5. 12 ab- 
gebildeten Leptothrix-Ketten grosse Aehnlichkeit haben. Andere 
Geschöpfe, die ebenfalls aus kettenartig verbundenen Zellen zu- 
sammengesetzt sind, die ich aber weniger zahlreich antraf, scheinen 
anderer Natur zu sein. 

Da man in der Flüssigkeit immer viele Blutkörperchen sieht, 
so lassen sich bezüglich ihrer Grösse die genannten Körperchen 
leicht mit den Blutkörperchen vergleichen. Letzte sind 3—4mal 
grösser als erste. 

Die von mir angewendete Vergrösserung war eine etwa 


294 Hallier, 


300malige (347 Hartnack). Da man neuerdings bei mehren 
ansteckenden Krankheiten mikroskopische Organismen aufgefunden 
hat und, wie Ihnen wahrscheinlich bekannt, die Lungenseuche 
des Rindes eine sehr ansteckende weit verbreitete und höchst ge- 
fährliche Krankheit ist, so ist es von grossem Interesse, zu er- 
fahren, ob wie bei anderen Krankheiten, so auch bei dieser, diese 
Gebilde in einer Beziehung zur Contagiosität stehen. 

Ich selbst verstehe von der Pflanzenwelt, zu der diese kleinen 
Körperchen gehören werden, nichts, deshalb nehme ich mir die 
Freiheit, Sie darauf aufmerksam zu machen, da Sie sich speziell 
mit diesem Gegenstande beschäftigen und die Wissenschaft mit 
den Resultaten Ihrer Untersuchungen in vortrefflicher Weise be- 
reichert haben. 

Da die Lungenseuche des Rindes leider! überall verbreitet 
ist, so wird es Ihnen leicht sein, zu etwaigen Untersuchungen das 
Material zu bekommen. 

Hochachtungsvoll empfiehlt sich Ihnen 
Dr. Weiss, 
Professor an der Thierarzneischule. 

Stuttgart, 18. Jan. 1868. 

In meiner Antwort bat ich Herrn Professor Weiss um ge- 
legentliche Uebersendung von Lunge lungenseuchekranker Rinder, 
weil im Jenaischen Saalthal die Lungenseuche nicht häufig vor- 
komme. 

Herr Professor Weiss schrieb mir am 22. März desselben 
Jahres: 

„Leider bin ich gegenwärtig nicht im Stande, Ihnen das 
gewünschte Material zur Untersuchung auf Pflanzen - Parasiten 
schicken zu können, weil die Lungenseuche, die bis vor Kurzem 
in hiesiger Gegend geherrscht, getilgt worden ist. Ich hoffe aber, 
mit der Zeit Ihnen Stücke von Lungen lungenseuchekranker Thiere 
schicken zu können, da die Krankheit überall und stets in unse- 
rem Lande herrscht. 

Auffallend ist mir, dass es mir bei meinen späteren Unter- 
suchungen der aus dem entarteten Lungengewebe ausgedrückten 
Flüssigkeit nicht mehr gelungen ist, die Parasiten, welche ich bei 
der ersten von mir vorgenommenen Untersuchung mit grösster 
Leichtigkeit und in jedem Präparate fand, wieder zu finden, ob- 
wohl ich stundenlang danach gesucht habe. Eine Selbsttäu- 
schung kann dabei nicht im Spiel sein, denn ich sah die Gebilde 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 295 


oft, bisweilen mehrfach in einem und demselben Präparate und 
habe sie mit einigen Bleistiftstrichen skizzirt. Dass sie von aussen 
in die Präparate hineingekommen sein sollten, ist mir nicht 
denkbar. 

So weit erinnere ich mich noch, dass die erste Lunge, die 
ich untersuchte, in einem vorgerückteren Stadium der Entartung 
sich befunden hat, als die späteren, welche von Thieren stamm- 
ten, die bald nach Feststellung der Krankheit geschlachtet worden 
sind. Es ist mir ein Räthsel, warum im ersten Falle Parasiten 
vorhanden waren und in den späteren fehlten. 

Für die freundliche Einsendung von Separat-Abdrücken Ihrer 
Arbeiten über Pilze, welche mich sehr interessiren, sage ich Ihnen 
meinen besten Dank und empfehle mich Ihnen 

Hochachtungsvoll 

Stuttgart, 22. März 1868. Weiss. 


Eine kranke Lunge erhielt ich etwas später durch die grosse 
Freundlichkeit des Herrn Professor Weiss. Sie war begleitet 
von folgenden Zeilen: 


Geehrtester Herr Professor, 

(Gestern Abend erhielt ich ein Stück Lunge von einem lun- 
genseuchekranken Rinde und ich säume nicht, es sogleich an Sie 
abzusenden, damit es möglichst frisch in Ihre Hände gelange. In 
den von mir untersuchten Proben der ausgedrückten blutigen 
und lymphatischen Flüssigkeit vermochte ich abermals nicht Spu- 
ren pflanzlicher Parasiten aufzufinden. Ob Sie wohl glücklicher 
sind ? 

Freundlichst empfiehlt sich Ihnen 

Stuttgart, 9. April 68. Weiss. 


Zürn und ich fanden auf zarten Querschnitten das ganze 
interloculare Bindegewebe der Lunge dicht erfüllt mit den in 
Figur 3 dargestellten Pilzgebilden. Es fanden sich kleine runde 
Cocei, in lebhafter Bewegung, ausserdem Ketten von 2 bis 100 
und mehr Individuen, alle in lebhafter schlangenartiger Bewegung. 
Es waren offenbar sogenannte Vibrionen in Form der Vibrio li- 
neola Ehrenb., aber nicht algischen, sondern pilzlichen Ursprunges. 
Die längeren Ketten hatten oft knieförmige Biegungen, um welche 
sie sich im Winkel hin und her drehten. Die Gliederung war 
bei einzelnen deutlich, bei anderen weniger. Sie waren sehr zart 


296 Hallier, 


indessen mit starkem Immersionssystem immerhin recht deutlich 
zu sehen. 

Ich stellte eine beträchtliche Anzahl von Kulturversuchen 
mit diesen Organismen an und gelangte auch zu einem bestimm- 
ten Resultat. Da aber voraussichtlich Jahr und Tag vergehen 
musste, bis ich zur Veröffentlichung desselben kam, so zog ich 
es vor, einstweilen Zürn um Veröffentlichung des Thatbestandes 
in der Lunge zu bitten. Ich versäumte dabei, Zürn mit dem 
Brief von Herrn Professor Weiss bekannt zu machen. Er wusste 
wohl nicht einmal, von wem ich das Untersuchungsmaterial er- 
halten hatte und ich war daher die Veranlassung zu einer von 
ihm ganz unbewussten Vernachlässigung der Priorität des Herrn 
Professor Weiss, dessen Verdienste ich bei meiner später be- 
absichtigten Veröffentlichung auf alle’ Fälle vorangestellt haben 
würde. 

Zürn veröffentlichte den Thatbestand in einer thierärztlichen 
Zeitschrift. 

Darauf erschien ein kleiner Artikel von Weiss, worin er 
sich über unsere Uebergriffe beklagte. 

Mir that es ungemein leid, dass er sich nicht zuvor schrift- 
lich bei mir beklagt hatte und ich erklärte ihm brieflich, wie die 
Sache zusammenhing. 

Darauf schrieb er mir: 


Geehrtester Herr Professor, 


Eine mehrtägige Abwesenheit von hier verhinderte mich an 
der früheren Beantwortung Ihres Briefes vom 19. d. M., ich muss 
deshalb um Entschuldigung bitten, dass dies nicht früher ge- 
schehen ist. 

Aus der Art der Mittheilung des Herrn Zürn in der Wo- 
chenschrift für Thierheilkunde musste ich zu der Ansicht ge- 
langen, es sei mein Name’in der Pilzangelegenheit absichtlich 
verschwiegen worden und deshalb sah ich mich veranlasst, 
die kurze Berichtigung einzusenden; da ich nun aber aus Ihrem 
Brief ersehen habe, dass es Sache des Zufalls war, so bin ich 
vollkommen zufrieden gestellt und bitte Sie, wenn Sie Ihre Er- 
fahrungen über den Pilz in der Lunge der lungenseuchekranken 
Rinder veröffentlichen, meinen Namen nur in der einfachsten Weise 
zu erwähnen. Ich habe seither keine Gelegenheit mehr gehabt, 
lungenseuchekranke Lungen zu untersuchen, sah aber kürzlich 


Die Parasiten der Infeetionskrankheiten. 297 


im Schleim der Darmschleimhaut des Hundes zweierlei oder drei- 
erlei Gebilde, von denen die eine Art Vibrionen, die anderen 
Pilze zu sein schienen und lege eine skizzirte Abbildung (unsere 
Figur 5) hier bei. Die mit a bezeichneten Formen sah ich schon 
früher auch im Darmschleim des Pferdes in Unzahl vorkommen; 
es sind stäbchenförmige Körperchen, welche bald gerade, bald 
zitternd und auch in wirbelnder Weise sich bewegen, was bei 
den anderen Geschöpfen nicht der Fall ist. Es scheinen diese 
Organismen bei ganz gesunden Thieren stets in Menge vorhanden 
zu sein und es hält nicht schwer, sie ünter den Schleimkörper- 
chen und Epithelialzellen des Darmschleims herauszufinden. 

Freundlichst empfiehlt sich Ihnen 

Stuttgart, 30. Juni 1868. Dr: Weiss. 

Vorstehendes zeigt, wie harmlos die Berührungen waren, aus 
denen Leute, welche gern im Trüben fischen möchten, so gehässige 
Auslegungen geschöpft haben. 

Der pflanzliche Befund in dem Innern der kranken Lunge, 
wie er auf zarten Schnitten bei 600facher Vergrösserung hervor- 
trat, bestand aus einzelnen oder zu zwei bis vielen kettenförmig 
gereihten Cocci (Fig. 3 Taf. V1). 

Sie waren sämmtlich in eigenthiimlicher Vibrionenbewegung. 
Bei den längeren Ketten war bisweilen die Gliederung sehr deut- 
lich (k Fig. 3), bei anderen dagegen weniger deutlich (b Fig. 3). 
Diese hatten besonders ein Bacterien oder Vibrionen ähnliches 
Ansehen und würden auch von Jedem anfänglich für solche Ge- 
bilde genommen sein. Alle längeren Ketten bewegen sich bald 
schlangenartig, bald im Zickzack und als ob sich Bruchstücke 
davon trennen wollten. 

In diesem Frühjahr erhielt ich durch die Güte des Herm 
Physikus Dr. Bender zu Camburg Lymphe von einem lungen- 
seuchekranken Rinde von Berlin. Es fanden sich darin genau 
die nämlichen Gebilde (Fig. 4 Taf. VI) in nicht minder lebhafter 
Bewegung. In beiden Fällen schwärmten eben sämmtliche vor- 
handene Cocci, gleichviel ob einzeln oder in Ketten. Mit Mole- 
kularbewegung hat diese vibrionenartige Bewegung nichts gemein. 
Sie kann nur Folge der Lebensvorgänge im Plasma, der Contracti- 
lität und Saftaufnahme sein. 

In Figur 5 geben wir ähnliche Gebilde, welche Herr Professor 
Weiss im Darmschleim des Hundes fand. Ich habe mehrfach 
gezeigt, dass im Darm des Menschen und der höheren Wirbel- 


298 Hallier, 


thiere und zwar durch den ganzen Nahrungskanal hindurch solche 
Gebilde vorkommen und dass sie bei der Verdauung von wesent- 
licher Bedeutung sind. Die von Herrn Professor Weiss gefun- 
denen Mycothrix-Ketten (Figur 5) sind aber von weit grösseren 
Dimensionen, insbesondere weit dicker als die bei der Lungen- 
seuche, denn sie sind bei 300facher Vergrösserung gezeichnet, 
unsere Figg. 3 und 4 dagegen bei 600facher und dennoch er- 
scheinen diese weit schmäler als jene. 


Rotzkrankheit. der Pferde (Fig. 6 Taf. VI). 


Bei’m Rotz befinden sich im Blut, in der Kehlgangdrüse und 
in der Stirnhöhlenschleimhaut Cocci von ganz gleicher Beschaffen- 
heit in grosser Menge. Die einzelnen Cocci (a Fig. 6 Taf. VI) sind 
fast ohne Bewegung, verändern aber ihre Gestalt. Sie sind nicht 
kugelig, wie sie bei mässiger Vergrösserung erscheinen, sondern 
unter dem Immersionssystem unterscheidet man an ihnen bald 
einen, bald mehre schwanzförmige Fortsätze. Bisweilen findet 
man die Cocei im Blut in Zweitheilung begriffen. Auf den 
Schleimhäuten befinden sich stets ausser den einzelnen Cocci zahl- 
reiche Mycothrix-Ketten, 2—vielgliederig. 

Es findet das einfach:in dem grösseren Luftzutritt seine Er- 
klärung und lässt sich von vornherein erwarten. 

Im Blut sind die Cocci oft zu grossen Ballen, sogen. Kolo- 
nieen, Nestern oder Gallertstöcken (h Fig. 6 Taf. VI) vereinigt. 
Selbstverständlich befinden sie sich dann ganz in Ruhe. Die 
Cocei sind im Ruhezustand, selbst im Blut, häufig in Keimung 
begriffen (k Fig. 6 Taf. VI). Zu den Blutkörperchen haben sie ganz 
dasselbe Verhältniss wie bei der Syphilis und beim Scharlach: 
sie vermehren sich auf den rothen und weissen Blutkörpern 
dringen in dieselben ein und fahren im Innern derselben fort, 
sich zu theilen. Wir geben in Figur 7 nochmals eine Abbildung 
der Blutkörperchen *). 

Die Figuren a—d bedeuten rothe Blutkörperchen, die Figg. 
A—F dagegen weisse. Der Parasit ist in Gestalt grösserer oder 
kleinerer meist einzelner Cocci sichtbar. Beide Arten von Blut- 


*) Vergl.: Mykologische Untersuchungen von Ernst Hallier. III. Un- 
tersuchung der Parasiten beim Tripper, beim weichen Schanker, bei der Sy- 
philis und bei der Rotzkrankheit der Pferde. Flora 1868 Nr, 19 5S. 289—-301 
Taf. II. 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. _ 299 


körperchen sind in ihrer Gestalt sehr verändert. Sie sind oft 
stark geschrumpft, stets mit Fortsätzen versehen, die entweder 
lang, fast wimperartig sind oder die Form sehr kleiner Ausbuch- 
tungen haben (B. C. Fig. 7 Taf. VI). An der Basis der längeren 
Ausbuchtungen sieht man häufig einen Coccus. Die Cocci bilden 
stets Vacuolen, die man oft sehr deutlich als umgebende Höfe 
wahrnimmt (A, B, C, F. Fig. 7. Taf. V1). 


Amerikanische Rinderpest (Figur 8 Taf. VI). 


Ueber diese merkwiirdige Krankheit berichtete mir zuerst 
Herr Professor Elisha Harris in New-York am 22. Sept. 1868 
Folgendes: 

Dear Sir, 

Permit me the privilege and honour to mention to you a 
discovery made by my assistant in pathological researches, under 
this sanitary Board, in the Malignant Score of Cattle that have 
become infected by Texas herds. 

This Epizootic suddenly burst forth „par explosion“ in the vast 
droves of fat beef cattle in the Western prairies about one month af- 
ter the arrival and intermingling of 40,000 wild cattle from Texas. 

I my earliest investigations I sought for Phytozoa or micro- 
phytes in all tissues and the blood and bill of the diseased cattle 
when slaughtered or dead. 

My work rewarded in the discovery of a simple form of 
spore-growth, which at first, we supposed to be a cryptococcus 
of some kind. And it was necessary to resort to your erudite 
brochures upon the parasitic Microphytes to ascertain what ground 
we were upon. 

I now believe that we have a cryptococcus modified in some 
Way spices vote It is so important that very exact scientific resear- 
ches be pursued in regard to this mycological mystery and this 
deadly epizootic, that I beg you to inform me if any pupil or 
expert coworker of yours is accessible to me in America that he 
may assist and advise in this study. 

All our efforts at culture are yet imperfect. From the rab- 
bits that have been killed by feeding on the bill of the diseased 
bullocks I have only obtained the cryptococcus gut. 

I will endeavour to forward specimens of bill to you. 

With great regard! 

Cor. Sec. 40 Reg. Elisha Harris M. D. 


300 Hallier, 


Nachdem ich Herrn Dr. Harris meine Bereitwilligkeit zu 
erkennen gegeben hatte, eine Untersuchung des fraglichen Orga- 
nismus vorzunehmen, sandte derselbe mir Galle von einem pest- 
kranken Rinde und schrieb dabei einen sehr ausführlichen Brief, 
welcher Folgendes von allgemeinem Interesse enthielt: 


I must not omit to mention to you how importantly, — per- 
haps causitively, — this spore — growth seems to be assosiated 
with the contagium and with the pathological results of this 
bovine pestilence. The blood is filled with the Cryptococci, ever 
for days before death as we have found by bleeding an infected 
bullock before death. And in the bile and biliary ducts the largest 
and most abundant crops of it are produced: some specimens 
give us examples that are quite similar to the Cryptococcus guttu- 
latus; and, by keeping the bill for 24 or 48 hours in a warm 
temperature, — say 78° Fahr. — we find the quantity in a single 
minimum of the fresh bile then multiplied manyfold. 

The unexampled engagement of the liver in this disease and the 
excessive production of bile when, by acute fatty change, the 
hepatic cells are half filled by fat and lastly, a beautiful demon- 
stration of reticular construction of the biliary radicles, — all 
go to show how important may possibly be the irritant or poi- 
sonous effect of the Cryptococcus and Micrococcus in bile and 
blood. 

The cattle die of acute and overwhelming Cholaemia and its 
results. The disease incubates during varying periods from 2 to 
3 weeks before the explosion or obvious symptoms of it are seen. 
Then death usually supervenes in about 48 hours. I have re- 
quested our excellent microscopist and histologist Dr. R. Cresson 
Stiles of this Board of Health to communicate to you in exact 
terms the discoverics he has made in this field, especially the 
results OL MIS ehortsat „Pilzeultur." ys cs) .: 


Der betreffende Brief war datirt vom 30. October 1868. 


Herr Dr. Harris übersandte mir zweimal Galle von pest- 
kranken Rindern in luftdicht verschlossenen Gläsern. In beiden 
Fällen war der botanische Thatbestand genau derselbe. 

Es liessen sich zweierlei verschiedene Elemente unterscheiden, 
nämlich erstens Micrococcus (a Fig. 8 Taf. VI). Dieser war in 
bei Weitem überwiegender Menge vorhanden, wie er denn im 
Blut ausschliesslich vorzukommen scheint. Wie die Figur zeigt, 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 301 


sind die Cocci meist einzeln, zum Theil in Vermehrung ee 
oft kleine stabförmige Ketten bildend. 

Ausserdem kommen in geringerer Menge weit grössere Zellen 
vor (A Fig. 8), welche der Form nach dem Arthrococeus ähneln, 
aber, zum Theil wenigstens, sich durch Sprossung fortpflanzen 
nach Art des Cryptococeus. Hie und da sieht man allerdings 
auch Individuen, welche sich durch einfaches Zerfallen in zwei 
Theile vermehren. Es scheint also hier eine Mittelform zwischen 
Cryptococcus und Arthrococcus vorhanden zu sein, ganz ähnlich, 
wie man sie an der Oberfläche des sauer werdenden Weines oder 
Bieres beobachtet. 

Der Inhalt dieser grösseren Zellen ist bald ein körniges Plasma, 
bei dem die einzelnen Cocci Vacuolen bilden, bald ein einzelner 
grosser Plasma-Ballen. 


Hundswuth (Figur 10 Taf. VI). 


Das Blut eines in Roda an der „stillen Wuth‘“ erkrankten 
Hundes bot den schauerlichsten Anblick dar. Fast sämmtliche 
Blutkörper (sp. Fig. 10 Taf. VI) waren in eine fettähnliche Masse 
verwandelt, oft zu grossen fettartigen Tropfen oder Ballen ver- 
einigt, oft in kleinere Fetttröpfchen zertheilt. Hie und da waren 
nadelförmige Krystalle zerstreut (k Fig. 10 Taf. VI). Ausser die- 
sen Vorkommnissen enthielt das Blut ausserordlich grosse Massen 
eines sehr kleinen unbeweglichen Micrococcus (m Fig. 10 Taf. VI), 
welcher bald einzeln, bald in Kolonieen auftrat. 


Milzbrand der Rinder (Figur 11 Tafel V]). 


Bei’m Milzbrand sind bekanntlich zuerst von Brauell, später 
von mehren Anderen sogenannte „Bacterien“ gefunden worden. 
Diese Bacterien sind nichts Anderes als Micrococcus, von dem wir 
jetzt noch dahin gestellt lassen, ob er von einem Pilz oder von 
einer Alge stammt. Der Micrococcus des Milzbrandes, oder, wenn 
man will, die ,,Bacterien dieser Krankheit (Fig. 11 Taf. VI) äh- 
neln durchaus den Vorkommnissen auf den Schleimhäuten bei der 
Rotzkrankheit und denjenigen im interlocularen Bindegewebe der 
Lunge lungenseuchekranker Rinder (Fig. 4 Taf. VI). Die stäb- 
chenförmigen Körper im Blute bei milzbrandigen Rindern (Fig. 11 
Taf. VI) haben aber eine sehr lebhafte Bewegung, wodurch sie 
leicht unterscheidbar sind. Keineswegs sind alle Cocei und Ketten 
stabförmig, vielmehr sieht man fast kugelige Cocei neben allen 


302 Hallier, 


Zwischenstufen (Fig. 11) bis zu langen meist sehr dünnen Stäb- 
chen. Die Bewegung, welche so grosse Aehnlichkeit mit derjenigen 
der Oscillarineen hat, ist lediglich Folge der Lebenserscheinungen 
des Plasma’s. Die einzelnen Cocei bewegen sich kreiselförmig, 
die längeren Stäbe sind stets gegliedert, wenn auch die Gliederung 
oft nur sehr undeutlich sichtbar ist. Natürlich hat jedes Glied, 
da es ein besonderer Coccus ist, seine Beweglichkeit und theilt 
sie der ganzen Kette mit. 

Die Kette (Bacterium) bewegt sich schlangenförmig oder rich- 
tiger als ein hin und her schwankender Stab, der in Folge der 
Gliederung hie und da in Folge des Schwankens Einknickungen 
erhält. Daher ist bei flüchtiger Betrachtung die Bewegung eine 
schlangenformige. Wer diese Cocci und Ketten mit Krystallen 
verwechseln kann, der ist überhaupt völlig unfähig, derartige 
Untersuchungen zu machen. Krystalle kommen wohl hie und da 
im Milzbrandblut vor, haben aber mit den pflanzlichen Vorkomm- 
nissen keine Aehnlichkeit. 


Milzbrand des Schweins (Fig. 12 Taf. VI). 

Die pflanzlichen Vorkommnisse sind denen bei’m Milzbrand 
des Rindes überaus ähnlich. Ich fand im Blut Cocci und kleinere 
oder grössere stabförmige Ketten derselben in ähnlicher Bewegung 
wie bei’m Milzbrand des Rindes. Die Stäbchen waren in den 
von mir untersuchten Fällen sehr zart und kleiner als bei’m Rinder- 
Milzbrand, auch weniger häufig; doch können diese Dinge nicht 
als wesentliche Unterschiede aufgefasst werden. Das Ueberwiegen 
der einzelnen Cocci war auffallend. 


ec) Krankheiten der Insekten. 
Gattine der Seidenraupen *). 
Im Frühjahr 1868 wurde mir von Herrn Oekonomierath 
v. Schlicht in Potsdam die ehrenvolle Aufforderung zu Theil, 
mich mit dem pflanzlichen Parasiten der berüchtigten Gattine der 
Seidenraupen zu beschäftigen. 


*) Vgl. E. Hallier, Untersuchung des pflanzlichen Organismus, welcher 
die unter dem Namen Gattine bekannte Krankheit der Seidenraupen erzeugt. 
Extra-Abdruck aus dem Jahresbericht über die Wirksamkeit des Vereins zur 
Beförderung des Seidenbaues für die Provinz Brandenburg im Jahre 1867—1868. 
Berlin 1868. 


Die Parasiten der Infeetionskrankheiten. 303 


Mit Freuden folgte ich diesem Auftrag, überzeugt, dass bei 
einem so einfachen Organismus wie derjenige der Seidenraupe es 
weit leichter sein müsse, die Rolle aufzudecken, welche der Para- 
sit bei der Krankheit spielt, als dies bei den Krankheiten des so 
komplizirt gebauten menschlichen Körpers der Fall sein kann. 
Ich wurde bei dieser Arbeit durch Materialsendungen von Seiten 
des Herrn Oekonomieraths v. Schlicht und des Königlichen 
Hoflieferanten Herrn Kommerzienrath Heese in Berlin sowie 
später des Herrn Töpffer zu Töpffer’s Park in Stettin freund- 
lichst unterstützt und sage diesen Herren verbindlichsten Dank. 
Meine Arbeit wurde in überraschender Weise.vom Erfolg belohnt, 
denn wenn auch noch mehre wichtige Fragen unbeantwortet bleiben 
und Chemikern sowie Zoologen zur Beantwortung empfohlen wer- 
den mussten, so gab doch der Parasit in Bezug auf die Frage 
nach seinem Ursprung eine so präzise und bestimmte Antwort, 
dass sich der Ort und die Art der Einwanderung desselben in 
den thierischen Organismus genau bestimmen liess, so dass man 
leicht Mittel und Wege angeben kann, wo und wie dem Uebel 
zu steuern sei. Später hat sich aus dieser Untersuchung ein be- 
sonderes Zuchtverfahren hervorgebildet, welches bereits in dieser 
Zeitschrift *) kurze Besprechung gefunden hat. 

Um nicht den Anschein zu geben, als wollte ich mir die Prio- 
ritit für die Entdeckung derjenigen Hefeform vindieiren, welche ' 
die Gattine hervorruft, bin ich genöthigt, eine kurze Uebersicht 
über die Geschichte dieser Krankheit zu geben. Dabei kann ich 
aber nicht umhin, mit der Geschichte der Muscardine zu beginnen, 
weil man früher beide Krankheiten sehr häufig verwechselte. 

Krankheiten der Seidenraupe sind schon seit der Mitte des 
vorigen Jahrhunderts bekannt; aber es dauerte 80 Jahre, bevor 
man die beiden wichtigsten seuchenartigen Erkrankungen der 
Seidenraupen wissenschaftlich unterscheiden lernte. Von diesen 
ist die Muscardine früher bekannt gewesen, die Gattine weit spa- 
ter. Nach Boissier de Sauvages soll eine Seidenraupenkrank- 
heit vor dem Jahre 1763 aus Piemont durch kranke Eier in 
Frankreich eingeschleppt sein. Er nennt sie Muscardine und be- 
schuldigt den Mangel an Lüftung im geheizten Raum als die Ur- 
sache. Für kontagiös hält er die Krankheit nicht. Der Saft der 


*) Bd. I Heft 2 8.190: J. Zorn, Ueber die Vorkehrungsmassregeln gegen 
die Gattine-Epidemie. 


1.73; 20 


304 Hallier, 


kranken Raupe reagirt stark sauer. Auch Pomier hält die 
Krankheit nicht für kontagiös, denn er sieht, dass kranke Raupen, 
den gesunden beigemengt, diese nicht anstecken. 

Schon zu Anfang unseres Jahrhunderts hatte sich unter den 
praktischen Seidenzüchtern die Ansicht verbreitet, dass die Mus- 
cardine Folge einer Schimmelbildung sei; aber von den Gelehrten 
wurde diese Ansicht lebhaft bekämpft, so namentlich 1808 durch 
Nysten, 1810 durch Paroletti, 1816 durch Dandolo und 
1818 durch Vincent de St. Laurent. Wahrscheinlich ist in 
den Arbeiten dieser Forscher mehrfach die Muscardine mit der 
Gattine verwechselt, worden. Fast gleichzeitig (1820) suchten die 
Italiener Fosearini, Confligliachi und Brugnatelli die Con- 
tagiosität der Muscardine nachzuweisen, und die letztgenannten 
beiden Forscher erkannten in dem Contagium einen Schimmelpilz. 
Bonafous, weicher im Jahre 1821 noch auf das Lebhafteste 
die Contagiosität der Muscardine bestritten hatte, gab diese doch 
8 Jahre später unbedingt zu. Den genaueren Nachweis, dass die 
Muscardine durch einen Schimmelpilz hervorgerufen wird, gab zu- 
erst Bassi im Jahre 1835. Balsamo nannte ihm zu Ehren den 
Pilz Botrytis Bassiana. Der Name „Muscardine“ entstand in der 
Provence durch einen Vergleich der Leiche des an der Krankheit - 
gestorbenen Thieres mit einer Art länglicher Kuchen, während 
‘ ‚Gattine“ ein Kätzchen bedeutet. Bei der Muscardine tritt bis 
kurz vor dem Tode durchaus keine Veränderung in der äusseren 
Erscheinung der Raupe ein und dadurch unterscheidet sich die 
Krankheit sehr leicht von der Gattine, wo der Körper ganz ein- 
schrumpft, missfarbig wird und zuletzt in Fäulniss übergeht. Ue- 
brigens haben wir bei Gelegenheit unserer Arbeit über die Muscar- 
dine des Kiefernspinners gezeigt, dass diese Unterschiede nicht 
streng stichhaltig sind. 

Vielmehr finden sich die verschiedenen Formen des Erstarrens, 
Einschrumpfens oder Faulens bei beiden Krankheiten, nur dass 
bei der Muscardine das Erstarren, bei der Gattine die jauchige 
Fäulniss am häufigsten ist. Niemals erscheint bei der Gattine 
der Pilz als Schimmel auf der Leiche. 

Bassi übertrug die Conidien der Botrytis Bassiana auf ge- 
sunde Seidenraupen und rief dadurch die Muscardine hervor. 
Audouine bestätigte und erweiterte diese Untersuchungen. 

Eine wesentliche Erweiterung fanden dieselben im Jahre 1836 
durch Montagne. Dieser produktive Mykolog wies nach, dass 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 305 


nach Aussaat der Sporen von Botrytis Bassiana auf die gesunde 
Seidenraupe sich in deren Körper schon am zweiten Tage eine 
grosse Menge von Fäden gebildet hat, welche an allen ihren Zwei- 
gen kurze cylindrische Fortpflanzungszellen abschnüren. Selbst- 
verständlich folgt daraus nicht, was Herr de Bary daraus hat 
folgern wollen: dass nämlich der Muscardine-Pilz stets von aussen 
eindringe. 

Weit später, nämlich im Jahre 1852, fand auch Vittadini 
die Abschnürung der zylindrischen Fortpflanzungszellen im Blut 
der Seidenraupen. 

Herr Bary hat im Jahr 1867, auf die Angaben Vittadini’s 
sich stützend, aber offenbar, ohne die Arbeit von Montagne zu 
kennen, jene Zellen unter dem Namen „Cylinderconidien“ aufs 
Neue beschrieben *). 

In der Form der Botrytis mit endständigen Conidien bricht 
nach Montagne wie nach allen späteren Forschern der Pilz erst 
nach dem Tode der Seidenraupe aus deren Körper, besonders 
aus den Tracheenöffnungen hervor. Keineswegs aber ist diese 
Erscheinung der Schimmelform auf der Leiche bei der Muscar- 
dine nothwendig. Sehr oft fault die Leiche; dann schimmelt sie 
nicht, sondern wird jauchig. 

Sehr richtig hat schon Montagne gesehen, dass die Conidien 
bald schembar in kleinen Köpfchen, bald in Ketten beisammen 
stehen. Er sagt aber ausdrücklich, und ich kann das vollkommen 
bestätigen, dass oft 2—5 Conidien simultan abgeschnürt werden 
und in kleinen Wirteln stehen. Herr Kollege de Bary, welcher 
das Gegentheil angiebt, hat hier einmal wieder äusserst flüchtig 
und unvollständig beobachtet. Turpin beobachtete 1836 den 
Muscardine-Pilz auf verschiedenen anderen Raupen. Montagne 
machte die Beobachtung, dass die Hyphen der Botrytis zuletzt 
wie bei einer Isaria stammförmig zusammentreten. Auch das 
habe ich vollkommen bestätigt gefunden. 

In dieses einfache Verhältniss hat de Bary durch seine An- 
gaben über Isaria auf Raupen eine gräuliche Verwirrung gebracht. 

Im Jahre 1837 schlug Bérard gegen die Muscardine Waschun- 
gen mit Kupfervitriol und Räucherungen mit Schwefel vor. Ich will 
bei dieser Gelegenheit nicht unbemerkt lassen, dass ich das An- 


*) Botanische Zeitung 1867 Nr. 1—3. 


20 * 


306 Hallier, 


brennen von Schwefel nach vollendeter Campagne für das beste 
Desinfectionsmittel des Zuchtlokals und der Apparate halte Ro- 
binet erklärte im Jahr 1843 die im Raupenkörper gebildete 
Säure für Milchsäure. 

Remak zeigte im Jahr 1845, dass bisweilen die an der Mus- 
cardine zu Grunde gegangenen Puppen keine Spur der Botrytis 
Bassiana, wohl aber andere Schimmelpilze erkennen lassen, so z.B. 
nach der Bestimmung von Klotsch: Trichothecium roseum Lk., 
Sporotrichum conspersum Fr., Sp. virescens Lk., Eurotium herba- 
riorum Lk. Unter diesen wurde das Trichothecium häufig, die 
übrigen Pilze nur je einmal angetroffen und wirklich ist unter 
allen Schimmelbildungen auf moderndem Maulbeerlaub das Tri- 
chothecium die häufigste. 

Eine vortreffliche Arbeit über die Muscardine erschien im Jahr 
1847 von Guérin-Méneville. Namentlich die äusseren Verän- 
derungen der Raupen und Puppen sind durch gute Abbildun- 
gen erläutert. Vier Jahre später beobachtete Guérin-Méne- 
ville an den Blutkörpern der an der Muscardine gestorbenen 
Raupen kontraktile Bewegungen. Das Blutkörperchen sendet kleine 
Fortsätze aus, verlängert und verkürzt dieselben u. s. w. Diese 
schöne Beobachtung ist später bekanntlich mehrfach, auch beim 
Blut des Menschen wiederholt worden, ohne dass man die Arbeit 
von Gu&rin-M&neville kannte, dem die Priorität zukommt. 

Eine sehr wichtige Beobachtung machte ferner Guérin- M éne- 
ville an den Blutkörperchen kranker Raupen. Er sah nämlich, 
dass dieselben Kügelchen von 0,001—0,002 mm. im Durchmesser 
einschliessen, welche die Blutkörper als amöbenartige Zellen ver- 
lassen. Diese Thatsache, welche von vielen späteren Beobachtern 
übersehen worden ist, habe ich für die Gattine durchaus bestäti- 
gen können und bekanntlich (Heft I Bd. I dieser Zeitschrift) habe 
ich später dieselbe auch bei der Muscardine konstatirt. 

Diese kleinen amöboiden Zellen oder richtiger Cocci, welche 
Guérin-Méneville ,,Hématozoides“ nennt, sind bei der Gattine, 
wie ich unten zeigen werde, ebensowohl wie bei der Muscardine 
der Micrococcus des diese Krankheiten hervorrufenden Pilzes. De 
Bary verwechselt diese kleinen Körper später mit den von Mon- 
tagne 1835 entdeckten, von Vittadini 1852 bestätigten, meist 
zylindrischen oder stabförmigen Fortpflanzungszellen (Cylinder- 
conidien), mit denen sie keine Aehnlichkeit haben und deren Ver- 
hältniss zu ihnen wir schon in der Arbeit über die Muscardine 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 307 


erorterten*). De Bary ist durchaus unfähig zur Beobachtung 
sehr kleiner Zellen oder Cocci, sonst könnte er dieselben unmög- 
lich übersehen haben. Sowohl Guérin-Méneville als auch 
Robert Hartig und ich haben jedes Mal bei der Muscardine 
den Micrococcus im Blut der Raupen gesehen; sie werden also 
wohl ein konstantes Vorkommniss bei dieser Krankheit sein. Sie 
vergrössern sich nach Guérin-Méneville und vermehren sich 
ausserordentlich. Auch das habe ich bestätigt, ebenso wie die 
endliche Keimung der zum Arthrococcus vergrösserten Cocci unter 
der Oberhaut der Raupe, welche ebenfalls schon von Guérin- 
Méneville beobachtet wurde. Dass man, wie zahlreiche For- 
scher schon bald nach dem Bekanntwerden des Pilzes gezeigt 
haben, die Muscardine durch Uebertragung der Botrytis auf die 
Haut erzeugen könne, beweist natürlich nicht, dass die Krankheit 
immer und nur auf diesem Wege entstehen könne und müsse; 
aber wenn auch wirklich das Eindringen des Mycelium in die 
Haut der Raupe der einzige Weg der Aufnahme wäre, so lässt 
sich doch gar nicht absehen, wie ein Pilz in das Innere einer zur 
Gährung geneigten Flüssigkeit eindringen sollte, ohne Micrococcus 
oder andere Hefeformen auszubilden. De Bary hat hier, wie 
überall, wo es auf sehr kleine Körper ankommt, höchst oberflach- 
lich beobachtet und höchst leichtfertig erklärt. 

Die kleinen Körper, welche von den Blutkörpern verschluckt 
-und transportirt werden, sind Micrococcus. Nachdem sie die 
Blutkörper verlassen haben, schwellen sie nach Guérin-Méne- 
ville allmählig zu grösseren eiförmigen Körpern, d.h. zu Arthro- 
coccus an und erregen saure Gährung. Unter der Haut der Raupe 
keimt endlich der Arthrococcus, die Keimlinge bilden durch Thei- 
lung und Abschnürung „Cylinderconidien“, welche abermals kei- 
men u. Ss. W. 

Robin**) hat im Jahr 1853 die Arbeiten über die Muscar- 
dine übersichtlich zusammengestellt. Die Gattine kennt er noch 
nicht als Pilzkrankheit. Später haben Vittadini, De Bary und 
mehre Andere einzelne Beiträge zur Kenntniss der Botrytis Bas- 
siana und verwandter Pilzformen geliefert. Noch ist hervorzuhe- 
ben, dass Montagne schon 1852 in einem Brief an Robin auf 


*) Vergl. diese Zeitschrift Heft I Bd. I Taf. I Fig. 1—14. 
**) Chr. Robin, Histoire naturelle des végétaux parasites qui croissent 
sur homme et sur les animaux vivants. A Paris 1853, 


308 Hallier, 


die grosse Aehnlichkeit zwischen Botrytis Bassiana Balsamo und 
Stachyidium diffusum Fries (Botrytis diffusa Dittmar und Gre- 
ville) aufmerksam macht. 

Wenn auch die praktischen Seidenzüchter schon früher die 
Gattine von der Muscardine unterschieden, so erregte jene doch 
die Aufmerksamkeit der theoretischen Forscher erst spät. Selbst 
Cornalia, welcher die seitdem so berühmt gewordenen Corna- 
lia’schen Körperchen im Jahr 1856 kannte und beschrieb, hielt 
sie für das Produkt einer Gewebsmetamorphose und verkannte 
ihre parasitische Natur. Charrel (1857) kannte die von Spä- 
teren so vielfach bestätigten sauren Eigenschaften des Saftes der 
mit Gattine befallenen Raupen und nannte die Krankheit Acéto- 
trophie. Wir haben aber schon gesehen, dass auch bei der Mus- 
cardine der Saft sauer reagirt, dass also hiemit gar kein Unter- 
scheidungsmerkmal für beide Krankheiten gewonnen ist. Es kann 
keinem Zweifel unterliegen, dass Lebert*) das Verdienst hat, zu- 
erst (1858) den Parasiten der Gattine m den Körpern des Cornalia 
mit Sicherheit erkannt zu haben. Lebert wies nach, dass die 
genannten eiförmigen Körperchen sich durch Theilung vermehrten 
und diese Beobachtung wurde von Nägeli bestätigt. Chemische 
Untersuchungen von Städeler zeigten, dass das Blut kranker 
Raupen weniger Benzin und Harnsäure enthalte als das der ge- 
sunden. Im Gegensatz zu anderen Forschern wird hiebei angege- 
ben, dass das Blut gesunder Raupen sauer reagire. Haberlandt 
hat die Untersuchungen bereits nicht nur bestätigt, sondern in 
mehren Punkten erweitert. Noch im Jahr 1866 ist er freilich 
geneigt, die Körper des Cornalia für eine Modification der Blut- 
körperchen zu halten**), aber 1868 weist er nach, dass es nicht 
nur mit der von Lebert entdeckten Vermehrung durch Zwei- 
theilung seine völlige Richtigkeit habe, sondern dass ausserdem 
diese Körperchen aus sehr kleinen Kernen durch allmählige An- 
schwellung entstehen können. Ich habe weiter unten zu zeigen, 
dass diese Beobachtung Haberlandt’s vollkommen richtig ist. 


In den letzten beiden Jahren haben auch die Franzosen und 
Italiener sich eifrig mit der Gattine beschäftigt, im Ganzen aber 


*) Jahresbericht über die Wirksamkeit des Vereins zur Förderung des 
Seidenbaues für die Provinz Brandenburg im J. 1856—1857. Berlin 1858. 
**) Die seuchenartige Krankheit der Seidenraupen. Wien 1866. 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 309 


mit geringem Erfolg, was zum Theil in ihrer gänzlichen Unkennt- 
niss der deutschen Literatur begründet ist *). 

Werthvoll ist die Beobachtung von Bechamp, dass die in 
kranken Seidenraupen vorkommenden Körperchen als Hefe Alko- 
holgährung, Essigsäuregährung u. s. w. einzuleiten vermögen **). 

Pasteur bestätigt die Theilung dieser Körperchen, welche 
schon so viel früher von Lebert und Nägeli nachgewiesen war, 
und ebenso liefert er den Nachweis, dass die Krankheit durch das 
Laub verbreitet wird und, was übrigens längst bekannt war, sich 
auf die Eier vererbt. Keimungsversuche gelangen zuerst Bé- 
champ. Die keimenden Körperchen des Cornalia brachten ein 
Mycelium hervor, welches offenbar einem entwickelteren Pilze an- 
gehören musste ***). Diese Entdeckung ist jedenfalls eine der wich- 
tigsten in der Geschichte der Gattine. Ueber die interessante 
Arbeit von Balbiani haben wir bereits im zweiten Heft dieser 
Zeitschrift (S. 231) ausführlich. Bericht erstattet. Gegen Pasteur 
und Béchamp bestreitet Balbiani die Vermehrung der Cor- 
puscula. Schon beim ersten Bekanntwerden der Gattine war in 
Italien die Ansicht aufgetaucht, dass eine Degeneration des Laubes, 
namentlich ein zu geringer Stickstoffgehalt desseiben, die Gattine 
hervorrufe. Nach den Arbeiten von Lebert, Haberlandt und 
Pasteur verdiente diese Ansicht kaum noch einer Erwähnung, 
wenn sie nicht auch in Deutschland neuerdings wieder aufgetaucht 
wire +). Nach dieser Ansicht wäre geringerer Stickstoffgehalt 
der Blätter die Ursache der Krankheit: Haberlandt hat schon 
auf das Schlagendste das Unrichtige dieser Vorstellung und der 
zu ihrer Rechtfertigung aufgestellten Berechnungen nachgewiesen. 
Er zeigte erstlich 77) durch Zusammenstellung sehr verschiedener 
chemischer Analysen des Laubes, dass gar kein Zusammenhang 
zwischen dem Stickstoffgehalte des Laubes und der Gattine nach- 


*) Es ist erstaunlich, dass Männer wie Pasteur über derartige Dinge 
schreiben, ohne die Arbeit von Lebert zu kennen. 

**) Es ist hier von einer scheinbar verschiedenen Krankheit, der „Pebrine“, 
die Rede, deren Verschiedenheit aber noch keineswegs auf einen sicheren Aus- 
druck gebracht. | 

***) Comptes rendus des seances de l’ac. d. sc. Paris 1867. Tom. 64. 

+) J. v. Liebig, Ueber die Seidenraupenkrankheit. 1867. Ferner: All- 
gem. deutsche Zeitschrift für Seidenbau. Bd. 4 Nr. 3. 4. 

ir) Vgl. dafür besonders: Neue Beiträge zur Frage über die seuchenartige 
Krankheit der Seidenraupen. Potsdam 1867. Ung. Altenburg 1866. 


310 Hallier, 


weisbar sei und dass die Raupen auch bei dem stickstoffärmsten 
Laube weit mehr Stickstoff erhalten, als sie assimiliren können 
und zu ihrer Ernährung bedürfen. Dass der Stickstoffgehalt des 
Laubes keine ätiologische Bedeutung habe, geht aus meinen unten 
mitzutheilenden Untersuchungen zur Genüge hervor. Es wird hier, 
wie so oft, die eigentliche Ursache mit den disponirenden Momen- 
ten verwechselt. Dass, wenn der Krankheitskeim schon vorhanden 
ist, die schlechte Beschaffenheit des Laubes disponirend einwirken 
kann, bedarf kaum der Versicherung. In einzelnen Fällen, näm- 
lich überall da, wo die Krankheit in Folge der Affection des 
Laubes durch den Pilz autochthon zum Ausbruch kommt, kann 
sehr gut Beides, nämlich Abnahme des Stickstoffgehalts im Laube 
und Erkrankung der Raupen, parallel neben einander gehen. Wer 
aber das Erste als Ursache des Zweiten ansehen wollte, der würde 
einen groben Missgriff begehen. Es haben vielmehr beide Er- 
scheinungen eine gemeinsame Ursache. Ich habe weiter unten zu 
zeigen, dass der Pilz vom Laube in die Raupen gelangt, dass er 
das Laub in dieselbe saure Gährung versetzen kann wie den Darm- 
inhalt der Raupe, dass er oft schon auf dem Laube vorhanden 
ist, wenn das blosse Auge noch keine Spur von ihm entdeckt. 
Analysirt also der Chemiker solches Laub, so kann sehr leicht 
der Irrthum sich einschleichen, als sei das Laub frei vom Pilz 
und der geringere Stickstoffgehalt die Ursache der Gattine. Solche 
Vorstellung kann sich aber niemals einschleichen, wenn ein Che- 
miker und ein Botaniker gemeinsam arbeiten, sondern nur dann, 
wenn der Chemiker allein an die Arbeit geht ohne Kenntniss der 
botanischen Untersuchungen und ohne Rücksichtnahme auf die- 
selben. 

Eine gewiss höchst anerkennenswerthe Bestrebung unserer 
Zeit ist die seit 1867 angebahnte Errichtung einer Versuchsstation 
für Zwecke des Seidenbaues in Oesterreich. Die Station soll nach 
dem Beschluss des Seidenbaukongresses die Bedingungen zur Ent- 
wickelung der Seidenraupenzucht überhaupt erforschen, Akklima- 
tisation fremder Racen vornehmen und die Ursachen der Krank- 
heiten der Seidenraupen aufdecken*). In Norddeutschland dürfte 
meine seitdem in’s Leben getretene Versuchsstation für Seidenbau 
zur Zeit wohl noch die einzige sein. 


*) Vgl. u. a. Preussische Annalen der Landwirthschaft. 1868. Die land- 
wirthschaftl. Versuchsstationen, herausgeg. von Prof. Fr. Nobbe. Bd.X. Nr. 1. 


Die Parasiten der infectionskrankheiten. 311 


Wenn es mir nun vergönnt sein mag, ein Wort darüber voran- 
zuschicken, wie sich meine Arbeit zu den Resultaten bisheriger 
Forschung und praktischer Erfahrung verhält, so muss ich beken- 
nen, dass sich auch hier wieder der alte Satz bewährt, dass die 
Praxis gewissermassen instinktiv ergreift, was die theoretische For- 
schung als richtig weit später nachweist. 

Ich habe als Ursache der Seidenraupenkrankheit einen Pilz 
nachgewiesen, der sich über den grössten Theil der alten Welt 
verbreitet, also wahrscheinlich auch in China und Japan nicht 
fehlt. Ich habe zu zeigen, dass dieser Pilz den Maulbeerbaum 
ebenso gut wie andere Holzgewächse befällt, dass er, von den 
Raupen gefressen, die Körper des Cornalia im Nahrungskanale 
zur Ausbildung bringt. Ich habe ferner zu zeigen, dass der Pilz 
in Folge seiner grossen Verbreitung in der Natur auch in die 
Zuchten gerathen kann, wenn diese auf irgend eine Weise, so 
z. B. durch Anhäufung von Laub, durch mangelhafte Lüftung, 
Feuchtiekeit, Unreinlichkeit u. s. w. die Schimmelbildung begün- 
stigen. Es folgt also aus dem Allen, dass die Chinesen eben des- 
halb weit seltener von Seidenraupenkrankheit zu leiden haben als 
wir, weil sie auf die Kultur des Maulbeerbaumes wie auf die Sei- 
denraupenzucht überhaupt eine ganz pedantische Sorgfalt verwen- 
den *). Nun wird es bei einem europäischen Kulturvolke, welches 
nicht unter dem unabweislichen Gebot pedantischer Lebensregeln 
und Vorschriften der Etikette steht, wie das chinesische, niemals 
an Einzelnen fehlen, welche durch Nachlässigkeit, Unreinlichkeit, 
Unordnung und Unwissenheit sich selbst um die Ernte oder einen 
Theil derselben bringen, und aus diesem Grunde wird die Krank- 
heit der Seidenraupen in Europa niemals aufhören. Aber es ist 
doch schon viel gewonnen, wenn der einzelne Züchter einsieht, 
dass es einzig und allein von ihm abhängt, ob seine Ernte eine 
vorzügliche oder eine minder gute sein werde. Es ist schon viel 
gewonnen, wenn man den Nachweis führen kann, welche Ursachen 
die Krankheit hervorrufen und durch welche Maassnahmen sie 
vermieden werden kann. 

Und auch in Deutschland ist auf manchen Uebelstand, der 
zu den disponirenden Veranlassungen der Gattine gehört, schon 
vielfach aufmerksam gemacht worden. Mehrfach hat man auf 


*) Vgl. E. Reichenbach, Ueber Seidenraupenzucht und Cultur des 
Maulbeerbaums in China. München 1867. 


312 Hallier, 


kühle Aufbewahrung der Eier und mässige Temperatur im Zucht- 
lokal hingewiesen ”). Ebenso giebt es für die Kultur des Maul- 
beerbaums manchen praktischen Wink, welcher allgemeine Befol- 
gung verdiente **). Ganz besonders muss ich betonen, dass der 
mehrfach gemachte Vorschlag, nur Blätter von Wildlingen zur 
Fütterung zu verwenden, welche an emem warmen, sonnigen, wo 
möglich nach Süden abhängigen Orte, auf mässig schwerem Bo- 
den stehen, völlig richtig ist. Nicht genug kann ich warnen vor 
Heckenanlagen, besonders an niedrigen Orten***), denn gerade 
solche hegen und pflegen den Parasiten. 

Eine sehr ausführliche Belehrung über den Maulbeerbaum, 
seine Cultur u. s. w. findet man in einem französischen Werke, 
welches von Séringe herrührt +). 

Noch auf einen Punkt in meiner unten mitzutheilenden Arbeit 
möchte ich ganz besonders aufmerksam machen, weil derselbe nicht 
bloss für die Seidenraupenkrankheit, sondern für die gesammte 
Parasitologie, insbesondere für die kontagiösen Krankheiten des 
Menschen von Bedeutung werden kann. Ich meine die Bestäti- 
gung der Beobachtung Guérin-Méneville’s bezüglich der 
Blutkörperchen. Es lässt sich in einem gewissen Stadium der 
Gattine nachweisen, dass kleine Cocci des Pilzes sich innerhalb 
der Blutkörperchen befinden, dass sie darin wachsen und sich zu 
kleinen Arthrococcus-Zellen ausbilden. Es dienen also die Blut- 
körperchen als Transportmittel der Pilzzellen durch den ganzen 
Raupenkörper, und nur so ist das Vorhandensein derselben im 
Fettgewebe, in den Muskeln u. s. w. erklärlich. Diese Beobach- 
tung gewinnt an Bedeutung im Verhältniss zu ähnlichen Vorgän- 
gen im Blut und Eiter bei Wirbelthieren, insbesondere bei’m 
Menschen. Die kleinen Cocci, welche die Wirkung des Speichels 
hervorrufen, dringen in die Speichelkörperchen ein, vermehren sich 
in denselben und verlassen diese wieder. Im Blute bei Syphilis 
fand ich auf und in den weissen Blutkörperchen den Micrococcus 
des Syphilis - Pilzes (Coniothecium syphiliticum), es fand sich der- 


*) Vgl. die Veröffentlichung des Seidenbauvereins für die Provinz Bran- 
denburg vom April 1867. 

**) Vgl. Allgemeine deutsche Zeitschrift für Seidenbau, berausgeg. von 
Ed. Wartig. Bd. I Heft. 1—8. 

=) Vol. ebendaselbst Nr. 5. 

+) N. C. Séringe, Description des Muriers, leurs especes, varictes, cul- 
ture, taille. Lyon 1855. Avec Atlas. 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 313 


selbe Micrococcus in den Eiterzellen bei’m harten wie bei’m wei- 
chen Schanker. Es kann also nicht Wunder nehmen, dass er in 
jedem leidenden Körpertheile bei Syphilitischen vorkommt. Bei 
der Rotzkrankheit der Pferde lebt ein Micrococcus im Innern der 
weissen und rothen Biutkörperchen, und Zürn nahm an solchen 
Blutkörpern kontractile Bewegungen wahr. Ebenso belagert der 
Micrococcus des Typhus-Pilzes die Blutkörperchen der Typhus- 
kranken. Mag man nun in alien diesen Fällen über das Verhält- 
niss des Pilzes zum Contagium denken, wie man will, soviel steht 
jedenfalls fest, dass die Natur sich der Blutkörperchen, Eiterkör- 
perchen und Speichelkörperchen als Transportmittel des Pilzes 
durch den gesammten Organismus bedient. Es mag immerhin 
sein, dass bei der Muscardine bisweilen das Mycelium durch sein 
Durchwachsen des gesammten Gewebes an der Penetration bethei- 
ligt ist, für die Gattine fällt jeder Versuch einer solchen Erklärung 
ganz weg, weil überhaupt nur äusserst selten unbedeutende Mycel- 
bildungen stattfinden und das jedenfalls niemals in den früheren 
Stadien der Krankheit der Fall ist. 

Diejenige Krankheitsform, welche die Franzosen Pebrine nen- 
nen, ist nur eine Modification der Muscardine und Gattine, die 
besonders darin besteht, dass Faulniss eintritt und daher die Mi- 
crococcus- Bildung vorherrscht. = 


d) Ursprung und Bedeutung der Körperchen des 
Cornalia. 


Es waren natürlich die Eier, die Raupen in ihren verschiede- 
nen Lebensstadien, die Puppen und die Schmetterlinge mit ihren 
Eiern zu untersuchen. 

Zur Untersuchung der Eier dienten kranke und gesunde 
Grains, welche mir der königlich preussische Oekonomierath Herr 
v. Schlicht gütigst zugehen liess. Erst in diesem Jahre war 
ich so glücklich, die Eier meiner vorjährigen und diesjährigen ei- 
genen Zucht und Eier von zehn verschiedenen Raten von Herrn 
Töpffer untersuchen zu können. Hier muss zunächst unterschie- 
den werden, was sich an der Oberfläche der Eier und was sich 
im Innern derselben befindet. Beiderlei Vorkommnisse können 
sehr leicht mit einander verwechselt werden, wenn man die Eier 
bloss zerquetscht urd den ausgetretenen Saft untersucht. In die- 
sem Falle mischen sich natürlich die der Oberfläche des Eies an- 
haftenden Körperchen mit dem Safte des Embryo. Es ist daher 


314 Hallier, 


durchaus nothwendig, die sorgfältig abgelöste Eischale für sich zu 
untersuchen. 

An dieser Eischale sieht man bei Eiern, welche von kranken 
Schmetterlingen stammen, am Rande häufig anklebende Körnchen 
von ausserordentlich geringen Dimensionen. Am deutlichsten sieht 
man diese kleinen, meist kugeligen Körner bei auffallendem Licht, 
verstärkt durch die Beleuchtungslinse, mit Hülfe starker Immer- 
sionssysteme. Ganz gesunden Eiern fehlen meistens diese Körn- 
chen gänzlich, auch sind sie keineswegs immer am kranken Ei 
sichtbar, man kann sie daher nicht zur Unterscheidung der kran- 
ken Eier von den gesunden benutzen. Als Unterscheidungsmittel 
sind sie auch deshalb unbrauchbar, weil sie der stärksten Ver- 
grösserungen von 1500 —2000fach lineare sowie der besten Be- 
leuchtung bedürfen, um deutlich sichtbar zu werden. Diese Körn- 
chen sind höchst wahrscheinlich Micrococcus- Zellen, welche sich 
im ersten Stadium der autochthon auftretenden Krankheit stets 
entweder allein oder neben den Cornaliaschen Körperchen im In- 
nern der Eier vorfinden. 

Ausser diesen Körnchen finden sich sehr häufig einzelne Spo- 
ren vor, welche ebenfalls der Aussenfäche der Eischale anhaften. 
Fig. 13 Tafel VI zeigt verschiedene derartige Vorkommnisse, wor- 
unter am, häufigsten braune oder blasse, längliche oder spindelige 
Zellen (Fig. 13 c—e, i, k, p—t) sind, die man unschwer als Glie- 
der von Ketten eines Cladosporium oder eines sehr ähnlichen 
Kettensporenpilzes erkennt. Auch grössere einfache (Fig. 13, n) 
oder septirte (Fig. 13, 0) Sporen mit zierlich punktirt warzigem 
Epispor sind ziemlich häufig. Seltener sind kugelige Pilzzellen 
(Fig. 13, a, b, f, g), die man mitunter.in Theilung begriffen findet 
(Fig. 13, h), und längere Glieder (Fig. 13, I) eines oidiumartigen 
Pilzfadens. Alle diese Vorkommnisse sind der Beachtung werth, 
weil sie möglicherweise Aufschluss geben können über den Ort, 
wo die Raupe inficirt wird, sowie über den Parasiten, welcher die 
Infection hervorruft. Jedenfalls müssen diese Pilzzellen ja entwe- 
der schon im Zuchtlokale sich befunden haben, was am wahr- 
scheinlichsten ist, oder sie sind später auf die Eier gelangt und 
an ihnen haften geblieben. Was die erste Annahme anlangt, so 
wird dieselbe schon dadurch im höchsten Grade wahrscheinlich, 
dass der Aussenfläche der kranken Raupe meist dieselben oder 
sehr ähnliche Pilzzellen anhaften. 

Im Saft der kranken Eier befinden sich meist zahlreiche äus- 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 315 


serst kleine und grössere Cocci, oft in Theilung begriffen (Fig. 14 
—16), wobei sich zuerst das Plasma theilt. Zum Theil sind diese 
Cocei von unmessbarer Kleinheit; Cocei von 0,0005 mm. im Durch- 
messer gehören schon zu den grösseren. Die kleinsten sieht man 
noch bei 1200facher Vergrösserung (Fig. 15) punktförmig, während 
die grösseren bei einer nahezu 2000fachen Vergrösserung den In- 
halt von der Membran oder Hülle deutlich unterscheiden lassen 
(Fig. 16). Bewegung sieht man an diesen Zelien anfänglich nicht, 
ausgenommen die gewöhnliche Molekularbewegung. Auch zeigt 
die stärkste Vergrösserung (1970 lineare) keine Bewegungsorgane- 

Sehr leicht kann man den Micrococcus mit kleinen Fetttröpf- 
chen verwechseln, welche stets massenhaft neben ihm in den Eiern 
vorhanden sind. Bei dieser Gelegenheit will ich nicht unterlassen, 
zu bemerken, dass in den unbefruchteten Eiern meist die Fett- 
masse bedeutend überwiegt, während die befruchteten Eier weit 
weniger Fett zu enthalten pflegen. So viel steht fest, dass oft die 
unbefruchteten Eier schon mit Micrococcus erfüllt sind, woraus 
hervorgeht, dass sie jedenfalls durch die Mutter infieirt werden 
können. Ob auch gesunde Eier durch den Coitus inficirt werden 
können, wäre eine sehr interessante Frage, die aber wohl von 
einem Zoologen an einem Orte gelöst werden muss, an welchem 
der Seidenbau in Blüthe steht. Ich habe im Sperma niemals Mi- 
crococcus auffinden können. ; 

Der Micrococcus ist keineswegs immer der einzige pflanzliche 
Befund in den kranken Eiern. Befruchtete, vollkommen ausgebil- 
dete Eier zeigen sogar stets noch andere Pilzzellen, wenn sie von 
der Krankheit infieirt sind. Diese Pilzzellen (Fig. 17) sind die 
berühmten Körperchen des Cornalia. Sie sind von verschiede- 
ner Grösse und in verschiedenen Stadien der Entwickelung. An- 
fangs sind sie kreisrund, fast kugelig. Im Wachsthum strecken 
sie sich immer mehr in die Länge, werden eiförmig, lanzettlich, 
ja stabformig. Im ausgewachsenen Zustand sind sie meist ei- 
förmig (Fig. 17), häufig an beiden Enden etwas abgeplattet. Sie 
sind in diesem Zustand niemals ganz stielrund, haben daher mit 
den von Montagne und De Bary beschriebenen Cylinder-Coni- 
dien*), welche bei der Muscardine vorkommen, keine Aehnlichkeit. 

Ist die Krankheit des Embryo noch in den ersten Stadien 
befindlich, so findet man diese Körper stets nur im Nahrungs- 


*) Botanische Zeitung 1867 Nr. 1—3. 


316 Hallier, 


kanal (Fig. 17). Erst im weiter vorgerückten Stadium der Er- 
krankung verbreiten sich diese Zellen durch den ganzen Körper, 
sehr häufig erst nach dem Auskriechen der jungen Raupe. Diese 
Beobachtung scheint nicht ganz unwichtig, da sie Aufschluss giebt 
über den Weg, welchen die Körper des Cornalia durch den Em- 
bryo und durch die junge Raupe nehmen. Man hatte sich bis- 
her damit begnügt, die Eier zwischen Glasplatten zu zerquetschen 
und den so gewonnenen Brei zu untersuchen. Es gelingt aber 
mit einiger Vorsicht leicht, die Eischale durch Präparation mittelst 
feiner Nadeln zu entfernen und den Nahrungskanal freizulegen. 

Demnächst findet man die Blutkörperchen inficirt. 

Ich sah sehr häufig sowohl in ihrem Innern als in ihrer 
Oberfläche (Figur 18) Micrococcus von verschiedener Grösse, d.h. 
in verschiedenen Stufen der Entwickelung. Dass diese Pilzzellen 
auch im Innern der blassgelben kreisförmigen Blutkörper vorkom- 
men, kann man leicht durch Einstellung auf die Mitte der Blut- 
körperchen konstatiren. Es mag gleich hier bemerkt werden, 
dass weder Jod noch Chlorzinkjod, noch Jod und Schwefelsäure 
den Micrococcus und die Körper des Cornalia färben. Die Mem- 
bran dieser Pilzzellen wird durch Chlorzinkjod stark gequellt, 
ohne dass blaue Färbung einträte und auch die braune Färbung 
des Plasma tritt nur sehr schwach hervor. 

Ueber die Grösse der Cornalia’schen Körperchen lässt sich 
Allgemeines kaum angeben. Man findet alle Mittelstufen zwischen 
dem Micrococcus und den ausgewachsenen Körpern des Cornalia 
(Figur 19), welche durchschnittlich etwa 0,002—0,005 mm. Länge 
haben. Doch sind sie meist kleiner, namentlich im Anfang der 
Krankheit. Schon Lebert*) hat in seiner Arbeit sehr richtig 
die eine Entstehung der Körper des Cornalia nachgewiesen. Diese 
lässt sich leichter beobachten, weil sie nur an ganz oder nahezu 
ausgewachsenen Individuen vorkommt. Ich meine die Entstehung 
und Vermehrung durch Theilung schon vorhandener Individuen, 
wie man sie so schön im Nahrungskanal kranker Embryonen 
(Fig. 17) beobachten kann. Schon Lebert musste es auffallen **), 
dass die in Theilung begriffenen Individuen grösser sind als die 
meisten anderen und dass man meist entweder nur Individuen 


*) Jahresbericht über die Wirksamkeit des Vereins zur Beförderung des 
Seidenbaues für die Provinz Brandenburg im Jahre 1856—1857. Berlin 1858. 
FA. 70 OMe 


Die Parasiten der Infeetionskrankheiten. 317 


ohne Theilungen beisammen findet (Fig. 19), oder dass sich die 
meisten in Theilung befinden. Eben dieser Umstand war auch 
der Grund, warum man so lange an der pflanzlichen Natur und 
an der pflanzlichen Vermehrung der Körper des Cornalia zwei- 
felte, weil man meist nur die jüngeren Zustände sah, bei welchen 
noch keine Theilung stattfindet. Da nun diese Jugendzustände 
der Körper des Cornalia oft nicht minder massenhaft beisammen 
vorkommen, wie die ausgewachsenen Individuen, so hat offenbar 
dieses Gebilde noch einen anderen Ursprung. 

Diesen Ursprung kennen wir durch Guérin-Méneville. 
Dieser ausgezeichnete Beobachter sah bei der Muscardine und 
auch bei anderen Krankheiten von Insekten die Blutkörper von 
kleinen Zellen belagert. Diese drangen auch in die Blutkörper 
ein, vergrösserten und vermehrten sich in denselben und ver- 
liessen sie in Gestalt der eiförmigen Körperchen des Cornalia. 
Diese Beobachtung stimmt völlig mit der unsrigen (Figur 18) 
überein. Später ist sie durch Herrn Professor Haberlandt 
vervollständigt worden”). Derselbe sagt: „Sonach entstehen die 
Doppelzellen aus kleinen kugeligen Sporen, die bei ihrer Fort- 
bildung entweder die Ei- oder die Birnform annehmen“. Ebenso 
konstatirte Haberlandt die Vermehrung durch Quertheilung 
der ausgewachsenen Individuen. De Bary hat dagegen die Kör- 
perchen des Guérin-Méneville mit den von ihm sogenannten 
Cylinder-Conidien verwechselt, mit denen sie keine Aehnlichkeit 
haben. Bei der Muscardine ist der Arthrococcus des Muscar- 
dine-Pilzes thätig. 

Es wird auch von Robin**) ausdrücklich hervorgehoben, dass 
das Blut der Raupen bei der Muscardine sauer reagire und ganz 
dasselbe ist bei der Gattine im höchsten Stadium der Erkrankung 
der Fall. De Bary hat also ohne Zweifel den Arthrococcus über- 
sehen, denn in einer sauer gährenden Flüssigkeit, welche über- 
haupt Pilzbildungen enthält, fehlt der Arthrococeus nie. 

Der Vorgang im Embryo des Eies ist also kurz folgender: 

Zuerst ist der Embryo mit Mierococeus erfüllt und der Saft 
reagirt schwach alkalisch. Die Alcalescenz des Saftes nimmt ab 


*) Fr. Haberlandt, Neue Beiträge zur Frage über die seuchenartige 
Krankheit der Seidenraupen. Wien 1868. Nr. 39. 

**) Ch. Robin, Histoire naturelle des végétaux parasites qui eroissent 
sur ’homme et sur les animaux vivants. Paris 1853. p. 569. 


318 Hallier, 


und die Micrococeus-Zellen strecken sich in die Länge, allmählig 
zum Arthrococcus sich ausbildend. Während dieses Stadiums 
findet keine Theilung der Zellen statt, man sieht daher nur ein- 
zelne Arthrococcus-Zellen (Cornalia’sche Körperchen). Erst 
wenn diese ausgewachsen sind, beginnt ihre Theilung und nun 
reagirt der Saft sauer. Im Darm des Embryo befinden sich sehr 
häufig Individuen, welche nicht nur einmal, sondern 2—6mal ein- 
geschniirt sind. Schon dieser, freilich bisher übersehene, Um- 
stand hätte die zum Systematisiren so bereitwilligen deutschen 
Mycologen belehren können, dass man es hier nicht mit einem 
allezeit einzelligen Organismus zu thun habe, sondern mit der 
einzelligen Form eines solchen. Wir könnten nun auch unserer- 
seits der systematisirenden Eitelkeit fröhnen und das mehrzellige 
Gebilde, mit einem prächtigen Gattungsnamen und einem irgend 
einen Freund feiernden Speciesnamen versehen in die weite Welt 
senden, wenn nicht die bescheidene Wahrheit sich uns aufdrängte, 
dass hier eine sehr untergeordnete Pilzform vorliest, morpholo- 
sisch von geringer Bedeutung, so gross auch ihre physiologische 
Wirkung ist. Die ganze Gruppe der Schizomyceten, ein würdiges 
Denkmal deutscher Systemwuth, besteht aus solchen unvollkom- 
menen Formen höherer Pilze. 

Um auf die Untersuchung der Eier zurückzukommen, habe 
ich noch hervorzuheben, dass man sehr häufig nur das letzte Sta- 
dium der Entwickelung, nämlich ausgebildeten Arthrococeus in 
den Eiern antrifit. Besonders ist das stets der Fall, wenn die 
Embryonen dem Auskriechen nahe sind. Jetzt reagirt der Saft 
kranker Embryonen stets sauer und die eiförmigen bis stäbchen- 
förmig-lanzettlichen Arthrococcus-Zellen sind meist schon in Ver- 
mehrung begriffen. Die ausgekrochenen kranken Raupen zeigen, 
wenn sie nur sehr schwach infieirt sind, den Arthrococcus stets 
zuerst und auch später am massenhaftesten im Nahrungskanal. 
Das Maulbeerlaub ist der Vermehrung des Arthrococcus sehr för- 
derlich. Die Raupe hat stets sauren Saft, so lange sie krank ist. 
Nur kurz vor dem Tode geht eine plötzliche Veränderung vor. 
Der Körper beginnt nämlich jetzt zu faulen und es entwickelt 
sich auf eine Weise, die ich später ausführlich mittheilen werde, 
aus dem Arthrococcus wieder der Micrococcus. Bald nach dem 
Tode des Thieres findet man in demselben nur noch Micrococcus 
und der Saft reagirt alkalisch. Eben diese starke Fäulniss ver- 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 319 


hindert die Ausbildung des Mycelium, und auch dadurch unter- 
scheidet sich die Gattine von der Muscardine. 
Die Vertheilung des Arthrococcus durch den Raupenkörper 


dass ich kaum etwas hinzuzufügen wüsste. Ich darf daher auf 
ihre angeführten Schriften verweisen. 

Vom Nahrungskanal aus scheinen immer zuerst das Blut- 
gefäss und die Malpighi’schen Gefässe ergriffen zu werden. Zu- 
letzt findet man aber den Arthrococcus im Fettkörper und über- 
all bis unter die Haut vorgedrungen, wo sogar die ersten Stadien 
der Keimung und Bildung von Gliederfäden vorkommen. 

Gewisse Krystallbildungen, welche diesen Gliedern sehr ähn- 
lich sind, verdienen jedenfalls eben so sehr eine gründliche chemi- 
sche Untersuchung wie der ganze Vorgang der sauren Gährung 
in dem kranken Insekt überhaupt. Die erwähnten tafelförmigen 
Krystalle sind übrigens keineswegs die einzigen bei der Krankheit 
vorkommenden, vielmehr tritt in verschiedenen Stadien eine grosse 
Mannigfaltigkeit derselben auf, wovon schon mehre von diesem 
oder jenem Schriftsteller Berücksichtigung gefunden haben. Die 
Krankheit der Raupen verkündigt sich bekanntlich, sobald sie erst 
stark zum Ausbruch gekommen ist, durch mannigfache äussere 
Zeichen. Kranke Raupen bleiben hinter gesunden merklich im 
Wachsthum zurück, mag die Krankheit nun vererbt oder erst 
später zum Ausbruch gekommen sein. Oft nehmen die Raupen 
sogar an Grösse ab, ja, wenn die Krankheit einen tödtlichen Grad 
erreicht hat, so ist das stets der Fall. Die Raupen schrumpfen 
dann stark ein, die Haut wird welk, schlaff und gelblich bis braun. 
Diese Verfärbung hat mit dem Pilz nur indirecten Zusammen- 
hang, sie ist nämlich lediglich Folge der gestörten Ernährung. 
Es ist eine einfache Necrose, der Vorgang des Absterbens, wel- 
cher hier schon am lebenden Thier beginnt. Die Haut scheint 
einer Oxydation unterworfen zu werden, weil sie von innen nicht 
mehr ernährt wird. . 

Der Prozess beginnt bekanntlich sichtbar zuerst am Horn- 
chen. Unter scharfer Lupe oder unter dem Mikroskop sieht man 
ihn ausserdem an der Spitze der Haare hervortreten. Diese der 


WA a. Oy Sem 
=) Fr. Haberlandt, Die seuchenartige Krankheit der Seidenraupen. 
Wien 1866. S. 19 ff. 
I, 3. 21 


320 Hallier, 


Luft am meisten ausgesetzten Theile der Haut bräunen sich, an- 
fänglich nur schwach, zuletzt immer stärker. Nun nehmen die 
Oberhautzellen ringsum an der Bräunung Theil und es entstehen 
bräunliche Flecke, die bald dem blossen Auge sichtbar werden 
und an Grösse und Dunkelheit beständig zunehmen. Eine regel- 
mässige Anordnung und Gestalt ist durchaus nicht an ihnen er- 
sichtlich, nur fiel mir auf, dass sie besonders dann stark zur 
Entwickelung kommen, wenn sie die Oeffnungen der Tracheen um- 
geben, was wiederum auf den Einfluss der Luft bei diesem Phä- 
nomen hindeutet. Uebrigens sind, wie gesagt, die Flecken ledig- 
lich ein äusseres Symptom der Krankheit, welches freilich schon 
auf ein vorgerücktes Stadium derselben hindeutet. Solche stark 
fleckige Raupen spinnen sich selten ein. Man sollte jede fleckige 
Raupe unbedingt aus den Zuchten entfernen. 

Auffallend war mir, dass die Krankheit bald im Steigen, bald 
im Sinken begriffen ist. Sehr oft sieht man Raupen, welche schon 
ganz im Wachsthum zurückgeblieben, schon vergilbt und schlaff 
sind, so dass man binnen wenigen Tagen ihren Tod erwartet, 
wieder zunehmen, praller und weisser werden, ja nicht selten die 
normale Grösse erreichen. Ich glaube zwar nicht, dass solche 
Raupen wieder ganz genesen können, aber lehrreich ist diese 
Thatsache jedenfalls, weil sie zeigt, dass man durch äussere Ein- 
flüsse stark auf den Gesundheitszustand einwirken kann. Der 
Krankheitsverlauf ist meist ziemlich langsam, oft aber auch er- 
staunlich rapid. 

Die Agentien, welche auf den Krankheitsverlauf am stärksten 
einwirken, sind: die Temperatur, die Luft und das Futter. Es 
steht unumstösslich fest, wie wir später sehen werden, dass die 
eigentliche Ursache der Krankheit die Pilzbildungen, nämlich der 
Micrococcus und der aus diesem hervorgehende Arthrococcus 
eines ganz bestimmten Pilzes sind; aber ebenso fest steht es, dass 
jene drei Agentien gewaltig auf den Krankheitsverlauf einwirken. 
Schwerlich wird man die einmal infizirten Raupen heilen können, 
aber sicherlich kann man durch sorgfältige Ueberwachung der 
Luftzufuhr, der Temperatur und des Futters die Gefahr für die 
Nachkommenschaft auf ein Minimum zurückführen, wenn nicht 
ganz vermeiden. 

Jeder plötzliche Temperaturwechsel verstärkt die Krankheit 
und beschleunigt ihr weiteres Umsichgreifen. Stagnirende Luft 
begünstigt die Pilzbildung und damit auch die Krankheit; man 


Die Parasıten der Infectionskrankheiten. 321 


hat daher für möglichst raschen Luftwechsel im Zuchtlokal zu 
sorgen. Man wird mir hier vielleicht einwenden, dass diese beiden 
Forderungen sich schwer vereinigen lassen? Ich glaube aber, 
dass das dennoch möglich ist und zwar einfach dadurch, dass 
man die Raupen an eine möglichst niedrige Temperatur gewöhnt. 
Das ist, wie die Erfahrung gelehrt hat, möglich. Nicht die nied- 
rige Temperatur an sich ist den Raupen so schädlich als vielmehr 
ein plötzlicher Wechsel, der allerdings in geheizten Lokalen bei 
der so nöthigen Ventilation schwer zu vermeiden ist. Je kühler 
aber das Zuchtlokal konstant gehalten wird, um so häufiger wird 
man lüften können, um so kleiner wird der Zeitraum werden, 
während dessen man alle äussere. Luft vom Lokal ausschliesst 
und um so seltener wird man heizen. Das Wichtigste ist aber 
das Futter. Freilich hat die Verschlechterung desselben oft schon 
in dem Mangel an Ventilation ihren Grund. In einem schlecht 
gelüfteten Zuchtlokal häufen sich überhaupt stets Pilzzellen im 
Staube an, die dann bei dem geringsten Zuge sich in die Luft 
erheben und auf das Maulbeerlaub niederfallen und unter diesen 
Pilzzellen stellt sich meistens auch sehr bald der Parasit der 
Gattine ein. 

Indessen kann, wie wir später sehen werden, das Laub auch 
schon am Baum infieirt sein. Am wichtigsten aber ist die mög- 
lichst häufige und schnelle Entfernung des Laubes, die möglichst 
häufige Zufuhr frischen Laubes, denn die Anhäufung des Laubes 
wirkt noch schädlicher ein als der Mangel an Ventilation. Da 
nämlich Pilzzellen niemals ganz fehlen, so geräth das Laub um 
so leichter in Vermoderung und Verwesung, je massiger es bei- 
sammenliegt und je länger es liegt. Ohnediess ist aber das welke 
Laub den Raupen bekanntlich nicht zuträglich. 

Unter den Krystallbildungen hebe ich besonders die Harn- 
siurekrystalle hervor. Diese sind meines Wissens zuerst von 
Lebert beobachtet und abgebildet worden *). Meist sind diese 
Krystalle ganz flach scheibenförmig oder tafelformig, so dass sie, 
auf die hohe Kante gestellt, stabförmig erscheinen. Sie erschei- 
nen von der grösseren Fläche gesehen parallelogrammatisch, 11/2- 
—2mal so lang wie breit, an beiden Enden durch sanft konvexe 
Linien begrenzt, wie es Haberlandt in der Schrift vom Jahr 
1866 (Fig. 10) sehr richtig abbildet. Ich erwähne dieser Harn- 


2) ING a, [07 Tafel 6 Fig. 96. 


322 Hallier, 


säure-Krystalle, welche ganz denjenigen gleichen, die man in den 
Exkrementen der Boa constrictor antrifft, deshalb ausdrücklich, 
weil dieselben von Unkundigen sehr leicht mit den Körpern des 
Cornalia verwechselt werden können. Sie sind aber weit grösser, 
meist doppelt so gross als diese, weit flacher und von etwas ver- 
schiedener Gestalt sowie von weit geringerem Brechungsver- 
mögen. Der Arthrococcus hat meist ziemlich starken Glanz, diese - 
Krystalle dagegen sind matt und blass. Natürlich lassen sie sich 
ausserdem mikrochemisch leicht unterscheiden. 

Als Erkennungszeichen der Krankheit kann man diese Harn- 
siurekrystalle gar nicht benutzen. Sie fehlen wohl selten in der. 
Raupe, wenigstens sind sie mir überaus häufig bei vollkommen 
gesunden Raupen aufgefallen. Sie finden sich in den Malpighi- 
schen Gefässen, mischen sich den Exkrementen bei, gerathen mit 
diesen auf die Oberfläche der Blätter sowie auf die Haut der 
Raupen. Diesem Umstand ist es wohl zuzuschreiben, dass Haber- 
landt sie für ein Häutungsprodukt der Raupe gehalten hat. Sie 
treten gewöhnlich in kranken Raupen massenhafter auf als in ge- 
sunden, jedoch kann man sie, wie gesagt, durchaus nicht als ein 
Kennzeichen zur Beurtheilung des Krankheitszustandes benutzen. 

Ausser diesen Krystallen fand ich noch andere von unregel- 
mässig tafelförmiger Gestalt, ferner sphärokrystallinische Bildun- 
gen, welche einem harnsauren Salze anzugehören scheinen, und 
die von Lebert*) und Anderen für die Muscardine beschriebenen 
Formen. Auch von Haberlandt sind diese Krystallformen be- 
obachtet worden”). 

Uebrigens muss hier ausdrücklich hervorgehoben werden, ‘dass 
die erwähnten Harnsäurekrystalle grosse Aehnlichkeit haben mit 
gewissen Pilzzellen, welche im Körper stark erkrankter Raupen 
niemals zu fehlen scheinen. Diese Pilzzellen (Fig. 29) sind bisher 
wohl niemals von den Cornalia’schen Körperchen unterschieden 
worden, noch häufiger mögen sie mit den Harnkrystallen ver- 
wechselt sein. Sie sind, wie die Figur zeigt, etwas verschieden 
von Gestalt, durchschnittlich grösser als der Arthrococcus und 
meist mit einigen kleinen Kernen versehen. Ihre Form ist oft 
der jener Krystalle sehr ähnlich, wenn man sie von der Fläche 
betrachtet. 


*) Lebert a. a. O. Tafel 6 Fig. 29 B. Robin, Atlas, Fig. 5 Taf. VII: 
**) Die seuchenart. Krankheit d. Seidenr. Wien 1866 Figur 9. d. 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 323 


Niemals fehlen diese Zellen dem Raupenkörper, wenn man 
die Raupen durch infizirtes Laub krank gemacht hat, dagegen sind 
sie gewöhnlich nicht vorhanden, wenn die Krankheit angeerbt ist. 
Sie entstehen, wie ich später zeigen werde, durch Schimmelbildung 
desjenigen Pilzes, welcher die Seidenraupen erkranken macht, und 
sind die Glieder einer oidiumartigen Form. 

Von den Harnsäurekrystallen lassen sich diese Oidiumglieder 
nur mikrochemisch sicher unterscheiden, denn die Kerne fehlen bis- 
weilen und dann ist die grössere Dicke das einzige morphologische 
Unterscheidungsmerkmal. 

Ganz besonders schwer unterscheiden sie sich, wenn das In- 
sekt schon dem Tode nahe ist. In diesem Stadium der Krankheit 
sind sie nämlich oft ihres Plasma’s beraubt und stellen nun flache, 
leere, zusammengefallene, blasse Hüllen dar. 

So lange die Raupe krank ist, sind die Exkremente bestän- 
dig mit den Arthrococcus-Zellen versehen. Man findet die kleinen 
Blattstücke meist noch der Form nach ganz unversehrt und zwi- 
schen wie auf ihnen zahllos den Arthrococcus zerstreut. Erst 
kurz vor dem Tode der Raupe findet sich im Darminhalt und in 
den Exkrementen statt des Arthrococcus immer mehr der Micro- 
coccus ein. Auch die Exkremente reagiren während der Krank- 
heit sauer, zuletzt aber alkalisch. 

Die Krankheit verbreitet einen ganz eigenthümlichen, unan- 
genehmen Geruch, besonders da, wo die Raupen in Masse bei- 
sammenliegen. Gleich nach dem Tode tritt ein anderer noch 
hässlicherer Geruch an die Stelle, dem etwas Süssliches und Brenz- 
liches beigemengt ist. Ebenso riechen faulige Puppen und an der 
Gattine gestorbene Schmetterlinge. 

Natürlich mussten auch die etwa in den Exkrementen ausser 
dem Micrococeus und Arthrococcus vorkommenden Pilzbildungen 
genau untersucht werden, weil diese ebenso leicht wie die pilz- 
lichen Vorkommnisse auf der Eischale für die Genesis des Arthro- 
coceus, d. h. der Körper des Cornalia, von Werth sein können. 

Im Darminhalt von Raupen, die ich, schon im kranken Zu- 
stand, durch die Güte des Herrn Heese in Berlin erhielt, fand 
ich die in Figur 20 dargestellten Pilzbildungen. Unter a sind 
rothbraune Sporen gezeichnet, welche mit den ähnlichen Gebilden 
auf der Eischale (i, k, p, q Fig. 13) übereinstimmen. Noch grös- 
sere Uebereinstimmung zeigen gelbbraune Cladosporium-Sporen 
(b, e Fig. 20) mit dergleichen Vorkommnissen auf der Eischale 


324 Hallier, 


Auch Sporidesmium-Früchte (Schizosporangien), wie die Figur 20 
d und f gezeichneten, kommen auf der Eischale vor, was um so 
wichtiger, als solche Früchte stets mit einer Cladosporium-Form 
verbunden vorkommen. Solche Sporidesmium-Früchte (f Fig. 20) 
zeigen häufig sehr schön das Zerfallen des Inhalts in Micrococ- 
cus. Das ist namentlich gleich nach dem Tode der Raupe der 
Fall. Dann sieht man nicht nur in den Exkrementen, im Darm- 
inhalt, sondern überall im Körper der Raupe den Arthrococcus 
in Micrococcus zerfallen. 

Ganz besonders schön pflegt diese Metamorphose im Kopf 
der Raupe stattzufinden. Man sieht sehr bald sämmtliche Arthro- 
coccuszellen in dem Zustand, wie ihn Figur 21 a, b zeigen. Vor- 
her findet man leicht die Entwickelungszustände auf, welche zei- 
gen, dass das Plasma des Arthrococcus zuerst zu 2 (ce Fig. 21), 
darauf nochmals zu 2 (d Fig. 21), hierauf zu 8 (e Fig. 21), zu 
16 (f Fig. 21) u. s. w. Theilen zerfällt, so dass bald statt der 
Arthrococcus-Zelle nur ein Haufen sehr kleiner Micrococcus-Zellen 
von der Form der sich auflösenden Mutterzelle übrig bleibt. 
Selbst mehrgliedrige Reihen (g Fig. 21) erkennt man noch deut- 
lich, während der Micrococcus in den Gliedern schon vollkommen 
entwickelt ist. Zuletzt vermehren sich die Zellen über die Grenze 
der ursprünglichen Mutterzelle hinaus und man sieht den Micro- 
coccus sich in’s Unendliche vermehren. 

Ueber die Art und Weise, wie der Parasit in der Puppe und 
im Schmetterling auftritt, hätte ich dem von meinen Herren Vor- 
arbeitern, insbesondere von den Herren Lebert und Haberlandt 
Mitgetheilten kaum etwas Wesentliches hinzuzufügen. Im Tode 
seht auch hier die Micrococcus-Bildung von Statten und es ent- 
wickelt sich der eigenthümliche faulige und süssbrenzliche Ge- 
ruch. Dass die Krankheit, wenn sie bei der Raupe nicht zum 
Tode führt, sich auf die Puppe, von dieser auf den Schmetterling 
und auf dessen Eier vererben kann, ist eine zu vielfältig konsta- 
tirte Thatsache, als dass sie hier noch besonderer Bestätigung 
bedürfte. 

Die Eier werden jedenfalls schon durch die kranke Mutter inficirt. 

Aber es giebt noch eine andere Infectionsquelle Das sind 
die der Eischale anhaltenden Sporen. Diese stammen meist von 
verschiedenen Pilzen her, zum grössten Theil aber immer von 
demjenigen Cladosporium, von welchem wir weiter unten sehen 
werden, dass die Cornalia’schen Körperchen durch dasselbe als 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 325 


Arthrococeus oder Säurehefe erzeugt werden. Diese Sporen, wie 
sie z. B. Figur 13, c—e, r—t abgebildet sind, ebenso die Schizo- 
sporangien (Fig. 20 d) desselben Pilzes kommen aber auch auf 
ganz gesunden Eiern auf der Schale vor; sie können mithin gar 
leicht die jungen, völlig gesunden Raupen anstecken, indem sie 
von ihnen verschleppt und auf das Laub übertragen werden. 
Wenn die Grains bei Aufbewahrung in einem feuchten kühlen 
Lokal schimmeln, so tritt ausser Schimmelpilzen, wie Penicillium, 
Aspergillus u. s. w., stets auch das Cladosporium herbarum Lk. 
auf, ja dieses bildet sogar den Arthrococcus aus, so dass man 
solche Grains, wenn man nur ihren Saft untersucht, mit diesen 
Zellen versehen und erkrankt glaubt. 

Ob die Grains ein kurzes Eintauchen in eine Lösung von 
Kali hypermanganicum vertragen können, weiss ich nicht, jeden- 
falls scheint es sehr der Mühe werth, den Versuch zu machen. 
Natürlich müssten sie sofort durch Abspülen in destillirtem Was- 
ser oder reinem Brunnenwasser gereinigt und rasch an der Luft 
getrocknet werden. 

Auf die Behandlung des Laubes kommen wir später zu 
sprechen. 

Die Voruntersuchung ergiebt also kurz zusammengefasst 
Folgendes: 

1) An der Eischale, auf der Haut u. s. w.. kommen beim 
kranken Insekt häufig anhaftende Sporen vor, unter denen 
diejenigen eines Cladosporium am häufigsten sind. 

2) Die Körperchen des Cornalia sind nichts Anderes, als der 
Arthrococeus eines höher entwickelten Pilzes. 

3) Der Krankheitsprozess besteht demnach in einer sauren 
Gährung, deren nähere Beschaffenheit eine chemische Un- 
tersuchung erfordert. 

4) Der Arthrococeus, welcher die Gattine erzeugt, wird ent- 
weder schon als solcher in die Raupe, in das Ei u. s. w. 
eingeführt oder in anderen Fällen entsteht er aus vor- 
handenem Micrococcus. 

5) Beim Tode des Insekts tritt stets Fäulniss ein, eingeleitet 
durch den aus dem Arthrococcus sich entwickelnden Micro- 
coccus. 

6) Der Arthrococcus und mit ihm die Krankheit geht vom kran- 
ken Schmetterling in das Ei über, von diesem in die Raupe, von 
der Raupe in die Puppe, von der Puppe in den Schmetterling. 


326 Hallier, 


7) In jeder der vier Generationen kann durch zu grosse Ueber- 
handnahme der Krankheit der Tod eintreten. 

8) Die Krankheit bewegt sich nicht bloss abwärts, sondern 
auch aufwärts, es können also kranke Insekten, wenn nicht 
völlig gesund, so doch weit kräftiger werden. 

9) Als Mittel zur Kräftigung der Raupen sind gesundes Futter, 
Desinfection der Lager, der Eier, ihrer Unterlage, Lüftung 
und gleichmässige Temperatur zu empfehlen. 

10) Als Kennzeichen der Erkrankung sind die Arthrococcus- 
Zellen, die Flecken der Haut und der Vertall anzusehen; 
die Krystallbildungen, besonders die Harnsäurekrystalle, 
kann man nicht als Krankheitzeichen auffassen. Entschie- 
den kranke Raupen sind aus den Zuchten zu entfernen. 

Ich muss hier nothwendig einer neuerdings über die Körper- 
chen des Cornalia erschienenen Schrift Erwähnung thun, weil die- 
selbe einerseits darauf Anspruch macht, neue Thatsachen über den 
Ursprung des Arthrococcus der Gattine mitzutheilen und zweitens 
gegen die von mir nachgewiesene Abstammung derselben von 
Pleospora herbarum Rab. polemisirt. 

Im vorigen Jahre hat Haberlandt selbst prophezeiht, dass 
man auf dem von mir eingeschlagenen Wege die Bedeutung und 
den Ursprung der Körperchen des Cornalia ausfindig machen 
würde; es ist also die leidenschaftlich gehaltene Polemik des Herrn 
Haberlandt in seiner neuesten Schrift: F. Haberlandt und 
E. Verson, Studien über die Körperchen des Cornalia. Wien 
1870. ziemlich auffallend und jedenfalls unvorsichtig, weil die 
Kaiserlich Oesterreichische Regierung nach dem Erscheinen meiner 
Arbeit, welche dem K. K. Ackerbauministerium noch unbekannt 
war, einen nicht unbedeutenden Preis auf die Auffindung und 
Vermeidung der Ursache ausgesetzt hat, welche die Gattine her- 
vorruft. Hätte Herr Haberlandt klug geschwiegen und abge- 
wartet, so würde er sich den Verdacht und Vorwurf der Partei- 
lichkeit erspart haben. 

Haberlandt hat Manches nicht gesehen, was ich sah, so 
z. B. die Entstehung des Micrococcus aus dem Arthrococcus. 
Wer aber so groben Täuschungen unterliegt wie Herr Haber- 
landt, dass er die Cornalia’schen Körperchen für Blutkörper 
hält, der darf sich nicht wundern, wenn ihm diese höchst feinen 
Gebilde gänzlich entgehen. 

Herr Haberlandt sieht aus dem Arthrococcus die Cocci, 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. DD 


„Kerne“, ausgestossen und sieht in der „Luftblase“ des Schmetter- 
lings alle Zwischenstufen vom Micrococcus bis zum Arthrococcus. 
Genau dasselbe beobachtete ich zwei Jahre früher, aber im Blut 
der Raupe, einem weit reinlicheren Objekt. Trotz der völligen 
Uebereinstimmung mit der seinigen muss meine Beobachtung auf 
Täuschung und Verwechselung beruhen. Wer denkt hierbei nicht 
an die 5000 Gulden der Regierung ? 

Haberlandt sieht stets in grosser Menge leere Hüllen des 
Arthrococeus, aus denen das Plasma ausgetreten ist und dadurch 
1—2 Oeltröpfchen, „einen oder zwei Kerne in Form heller Bläs- 
chen“ sichtbar macht. Er missversteht solche Bildungen völlig 
und sie bleiben ihm räthselhaft. 

Wenn Herr Haberlandt bisher noch nicht gesehen hat, dass 
im Innern des Eies der Micrococcus zum Arthrococeus anschwillt 
und dass man den Micrococcus schon an seiner Theilung sehr 
leicht von allen im Ei sonst vorkommenden Dingen unterscheiden 
könne, dann hätte er sich diese Thatsachen lieber recht genau 
ansehen sollen, bevor er in so verblendeter Weise einen Feder- 
krieg beginnt. Manche Aeusserungen, so z. B. diejenige (5. 21 
a. a. O.), deuten stark darauf hin, dass der Herr Verf. noch jetzt 
nicht ganz klar ist über die Körper des Cornalia, dass er viel- 
mehr dieselben häufig mit Krystallen verwechsele, wie er sie 
früher mit Blutkörpern verwechselt hat. Wir haben diese gewiss 
srobe Verwechselung früher nicht gerügt, weil wir gern das wirk- 
liche Verdienst überall anerkennen und über verbesserte Fehler 
gern mit Schonung hinweggehen. Herr Haberlandt hätte aber 
unter allen Umständen, seiner groben Beobachtungsfehler einge- 
denk, bezüglich der Beurtheilung fremder Leistungen vorsichtig 
sein sollen. 

Gradezu kolossal ist Folgendes: Haberlandt trocknet die 
Spinn- und Renalgefässe mit Körperchen im Wasserbade, zerreibt 
sie so fein wie möglich, dann extrahirt er sie mit kaltem, darauf 
mit siedendem Wasser. Darauf erschöpfte er sie mit verdünnter 
Salzsäure und brachte sie in ,,conzentrirte Ammoniaklösung, wel- 
che, wie wir früher erfahren hatten, die Vermehrung der Körper- 
chen zu begünstigen schien“. 

Diese Lösung steht etwa 2 Wochen „in einem zugedeckten 
Glase“, wird mit Salzsäure neutralisirt und enthält nun eine „Un- 
zahl verschieden langer Ketten, deren einzelne Glieder sowohl 
der Grösse als Form nach mit den Cornalia’schen Körperchen 


328 Hallier, 


vollkommen übereinstimmen.“ Mehre andere Pilzgebilde fanden 
sich ausserdem: Unter zehn Versuchen gaben nur drei diese 
Gebilde. 

Es bekundet nun doch wahrlich eine nicht geringe Leicht- 
eläubigkeit und eine nicht geringe Unwissenheit bezüglich der 
hier zu beobachtenden Cautelen, wenn Herr Haberlandt diesen 
Versuch als eine Kultur betrachtet. Für jeden mit solchen Un- 
tersuchungen Vertrauten versteht es sich ganz von selbst, dass 
durch die grossen hier stattgehabten Fehlerquellen alle möglichen 
Pilze in die Flüssigkeit gerathen sind, welche mit der Aussaat 
gar nichts zu thun haben. Ich habe eine geringe Menge Cor- 
nalia’scher Körperchen auf dem Objektträger kultivirt und den 
Zusammenhang mit den verschiedenen Formen der Pleospora her- 
barum direkt beobachtet. Welche von diesen beiden Methoden, 
die Haberlandt’sche oder die meinige, die richtige sei, kann 
ich ruhig dem Urtheil kompetenter Beurtheiler überlassen. 

Was Haberlandt über die „Vibrionen“ in den Raupen und 
in Infusionen mittheilt, ist so konfus, dass ich es dem Leser über- 
lassen muss, diese Dinge mit meinen Angaben zu vergleichen. 

Herr Haberlandt und sein Mitarbeiter haben Kulturver- 
suche gar nicht angestellt, denn das, was ich eben berichtet 
habe, kann nicht als Kulturversuch gelten. Ich habe dagegen 
nicht bloss aus dem Arthrococcus im Blut der Seidenraupen di- 
rekt Formen von Pleospora herbarum gezogen, sondern ich erbiete 
mich auch, eine ganz beliebige Anzahl von Raupen durch Fütterung 
mit Pleospora zu tödten. Diesen Versuch haben wir auf unserer 
Versuchsstation wiederholt gemacht. 

Die von mir aufgestellten Zuchtregeln für den Maulbeerbaum 
stützen sich auf eine fünfjährige Thätigkeit als praktischer Gärt- 
ner, wobei gar manche Maulbeerpflanze durch meine Hände ge- 
gangen ist. ; 

In unserer Versuchsstation fiir Seidenbau haben Julius Zorn 
und ich bereits 30,000 Raupen aufgezogen, ohne von der Gattine 
zu leiden zu haben; wir haben daher die praktische Erfahrung, 
gewissermassen das Probeexempel, gemacht. 

Wenn Herrn Haberlandt an der Wahrheit liegt und nicht 
Interessen ganz anderer Art bei ihm im Spiel sind, so möge er 
einen gewissenhaften Lehrling in unsere Versuchsstation senden. 
Wir garantiren ihm, dass dieser in wenigen Monaten durch unsere 
Methode die Gattine völlig zu vermeiden lernt. 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 329 


Was hat denn Herr Haberlandt in seiner Schrift Neues 
producirt? So gut wie gar nichts. Es lässt sich jedenfalls das 
Neue auf einer halben Seite zum Abdruck bringen. 

Das war aber auch gar nicht der Zweck seiner Schrift. Die- 
ser ist kein anderer als der, mich so viel wie irgend möglich zu 
verdächtigen. Ich kann auf die albernen Anschuldigungen, welche 
Herr Haberlandt auf jeder Seite der Schrift gegen mich in’s 
Feld führt, unmöglich näher eingehen. Wer meine und Julius 
Zorn’s Veröffentlichungen über diese Dinge beachtet, der wird 
über die Tendenz des Herrn Haberlandt nicht lange im Zwei- 
fel bleiben. Haberlandt und überhaupt Jeder, dem an der rich- 
tigen Erkenntniss der Gattine liegt, mag sich zuvor von meiner 
Beweisführung überzeugen. Ich bin bereit, unter Clausur den Zu- 
sammenhang der Körper des Cornalia mit Pleospora sowie ähnli- 
cher Körper der Muscardine mit Fumago nachzuweisen nach einer 
Methode, welche unwiderleglich und mathematisch sicher ist, . von 
welcher aber Herr Haberlandt keine Ahnung zu haben scheint. 


Die Muscardine. 

Diese interessante und vielbesprochene Krankheit habe ich 
genauer zuerst am Kiefernspinner zu studiren Gelegenheit gehabt 
und habe im ersten Heft dieser Zeitschrift Bericht darüber abge- 
stattet. Bei der Seidenraupe kommt die Krankheit jetzt nur sel- 
ten vor und konnte ich sie häufiger nur am Eichenspinner: Bom- 
byx Jama Mayu beobachten. Sie stimmt bei diesen Raupen genau 
mit der Muscardine des Kiefernspinners überein, mit dem Unter- 
schiede jedoch, dass häufiger als bei diesem der Pilz von aussen 
durch die Hant eindringt, ja es scheint das beim Eichenspinner 
sogar der gewöhnliche Fall zu sein. Im Uebrigen aber hat die 
Krankheit genau dieselbe Form und denselben Verlauf wie beim 
Kiefernspinner. Es bildet sich im Darm (seltener von der Haut her 
im Blut) aus den Sporen und Conidien des Pilzes der Micrococ- 
cus. Derselbe dringt in’s Blut und in alle Gewebetheile und 
durchwandert, indem er sich in Arthrococcus umwandelt und saure 
Gährung veranlasst, den ganzen Körper. Der Pilz, welcher diese 
Zerstörungen hervorruft, ist ‚Fumago salicina‘, ein Pyrenomycet, 
welcher als Russthau häufig das Laub der Bäume bewohnt. 

In Form und Verlauf hat die .Muscardine sehr grosse Aehn- 
lichkeit mit der Gattine. Selbst das schliessliche Hervorbrechen 
des Pilzes an der Oberfläche der Raupe ist kein constantes Merk- 


390 Hallier, 


mal für die durch Fumago hervorgerufene Krankheit. Wenn näm- 
lich die Raupe kurz vor ihrem Tode in Fäulniss gerätl, so ver- 
jaucht sie unter starker Micrococcusbildung, aber ohne Schimmel- 
bildung. Tritt keine Fäulniss ein, so wird der Körper im Gegen- 
theil brüchig (kalkig) und schimmelt, indem die Aéroconidien der 
Fumago in Form der Botrytis Bassiana sich von der Haut in die 
Luft erheben. Jene Form der Krankheit, wo nur Micrococcus- 
Bildung das letzte Stadium bei Muscardine und Gattine bezeich- 
net, nennt man in Deutschland auch wohl Schlaffsucht. 


Faulbrut der Bienen. 

Auf diese Krankheit wurde ich durch die Güte des Herrn 
Sanitätsraths Dr. Preuss aufmerksam gemacht, welcher im zwei- 
ten Heft dieser Zeitschrift seine eigene schöne Arbeit über die 
Faulbrut bekannt gemacht hat. Der Leser wird beim Vergleich 
leicht herausfinden, wo ich den fleissigen Herrn Vorarbeiter nur 
bestätige durch meine Arbeit, so dass ich nicht nöthig haben 
werde, seine Priorität bei jedem Punkt besonders hervorzuheben. 

Herr Sanitätsrath Dr. Preuss. versorgte mich mit schönen 
Materialsendungen von drei verschiedenen Bezugsplätzen. Die erste 
Sendung bestand in einem Fläschchen, in welchem der Inhalt faul- 
brütiger Zellen mit Glycerin vermischt war. Ich fand darin, ausser 
den gewöhnlichen Vorkommnissen, namentlich Pollenkörnern von 
verschiedenen Pflanzen durch die ganze Masse vertheilt, ungeheure 
Mengen von Micrococcus, wie ich ihn Taf. VI Fig. 36 abgebildet 
habe. Er ist, wie man aus der Abbildung sieht, äusserst klein. 
Die Cocci fand ich in keiner andern Bewegung als gewöhnliche 
Molekularbewegung. 

Ferner erhielt ich durch die Güte desselben Herrn faulbrütige 
Wabenstücke von Elbing und von St. Marein am Pickelbach, also 
von zwei sehr weit von einander entfernten Punkten. „Ausserdem 
erhielt ich ein völlig gesundes Wabenstück. Einige Zeit später 
sandte mir Herr Dr. Ottmar Hofmann aus Marktsteft bei 
Würzburg Wabenstücke aus Dettelbach, also von einem dritteu, 
von jenen beiden entfernten Bezugsplatz. Da vielleicht nicht allen 
Lesern dieser Zeitschrift die Faulbrut der Bienen bekannt ist, so 
verweise ich zunächst auf die im zweiten Heft dieser Zeitschrift 
befindliche Arbeit des Herrn Sanitätsraths Dr. Preuss und theile 
hier noch einige briefliche Angaben desselben mit: 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 331 


„Die Königin legt die Eier in die Zellen der Waben. Aus 
„ihnen entwickeln sich die Arbeitsbienen in 19 — 21, die Drohnen 
„in 24—26, die Königin in 16—17 Tagen. Das Ei entwickelt sich 
„in 3 Tagen zur Made oder Larve. 

„Diese wird von den Bienen 6 Tage gefüttert, spinnt sich dann 
„in der Zelle ein und wird bedeckelt. Wird der Stock faulbrütig, 
„so sterben die Nymphen, statt den Deckel zu durchbrechen und 
„als Bienen auszukriechen, ab und gehen in eine leimähnliche 
„breiige faule Masse über. Höchst wahrscheinlich sind schon die 
„Maden krank, sterben aber erst im Nymphenzustande ab. Die 
„Deckel sinken ein; der Stock ist an einem abscheulichen Geruch 
„erkennbar. Bald geht das Uebel auf andere Stöcke über und ist 
„dann oft jahrelang nicht auszurotten. 

„Der ganze Bienenstand geht zu Grunde, oft auch benachbarte 
„Bienenstände. Bisweilen kommt die Krankheit auf mehren 
„Ständen derselben Gegend zugleich vor. Die Bienenzüchter sind 
„darüber einig, dass sie von keinem grösseren Unglück betroffen 
„werden können und dass es bösartig wie der Rotz der Pferde und 
„andere höchst ansteckende Krankheiten ist. Durch die Wohnun- 
„gen, durch die Hände der Bienenzüchter, selbst durch die Blu- 
„men wird sie übertragen. Im vorigen Jahre fand ich (Dr. Preuss) 
„in der faulbrütigen Masse neben den ähnlichen organischen Zel- 
„len der Made einen zur Form des Cryptococcus gehörigen Pilz 
„und beschrieb ihn in der Bienenzeitung vom 1. October. Später 
„entdeckte ich (Preuss) Micrococcusformen, die ich bei vielfach 
„untersuchtem Material constant fand. Dr. Bail in Danzig, dem 
„ich Faulbrutmasse zuschickte, bestätigte es mir. Es scheint, dass 
„der Cryptococcus sich mehr in den Fällen von Faulbrut vorfin- 
„det, welche durch verdorbenen gährenden Honig entstanden, der 
„Micrococeus in denen, welche durch den Inhalt der Pilzsporen er- 
„zeugt werden, welche die Bienen mit dem Blüthenstaub und Honig 
„selbst in den Stock legen.‘ 

Ueber die eingesandten Waben bemerkt der Herr Sanitäts- 
rath noch Folgendes: 

1) Das -erste erhielt ich gestern vom Lehrer Tobias in EI- 
„bing. Er weiss keinen Grund anzugeben. Die Krankheit ist nicht 
„sehr verbreitet. In der Nähe seines Standes befindet sich eine 
„Abdeckerei und da die Bienen vieles und auch unreines Wasser 


„aufsaugen, ist dieser Umstand wenigstens nicht ausser Acht zu 
„lassen.“ 


332 Hallier, 


„2) Das zweite Stück erhielt ich heute aus St. Marein am 
„Pickelbach bei Graz in Oesterreich. Der Einsender Josef 
„Weitzl schreibt mir: Die Krankheit ist in Graz, 5 Stunden öst- 
„lich, im Jahre 1867 aufgetreten, auf mehren Bienenständen, aber 
„ohne grossen Schaden zn machen. 1868 und 1869 hat sie mei- 
„nen Stand von 48 Völkern auf 10 heruntergebracht. Es ging 1868 
„im Frühjahr mit Riesenschritten vorwärts, so dass im Juli fast 
„alles faul war. Ich habe in der Mitte ein Volk gesund erhal- 
„ten, dasselbe hat zwei Schwärme gegeben. Kranke Völker habe 
„ich in neue Wohnungen gebracht, wo sich aber schon wieder 
„einige Zellen krank zeigten, von den Bienen aber schnell geputzt 
„wurden. Auch offene Maden sterben ab.“ 

Sei es mir nun vergönnt, im Folgenden meine eigenen Beob- 
achtungen mitzutheilen, welche mit denen des Herrn Sanitätsraths 
Dr. Preuss bezüglich des Thatbestandes völlig übereinstimmen. 

Alle diejenigen Zellen, deren Inhalt sich bereits in eine zäh- 
schmierige übelriechende Masse verwandelt hat, wimmeln von Mi- 
crococcus, ganz ebenso wie in der Flüssigkeit des vorhin erwähn- 
ten Fläschchens, nur meist weit dichter (Taf. VI. Fig. 36). 

Es ist dabei ganz gleichgültig, ob die Bienenzellen noch be- 
deckelt sind oder ob der Deckel schon zerstört ist. 

Natürlich lag die Ansicht nahe, als sei die Faulbrut der Bie- 
nen eine epidemische und ansteckende Krankheit des Insekts sel- 
ber. Es war daher eine Untersuchung der Bienen nothwendig. Ich 
durchschnitt zu diesem Zweck die Waben so, dass die bedeckelten 
Zellen ihres Deckels beraubt wurden und nahm die Bienen aus 
ihren Zellen heraus. Dabei zeigte sich nun merkwürdiger Weise, 
dass der Darm sowohl als die Muskeln völlig frei von Micrococ- 
cus sowie von jeder anderen Hefebildung waren. Bisweilen war 
das Blut schwach inficirt mit dem niimlichen Micrococcus, dessen 
ich oben erwähnt habe. Aber, ich hebe es nochmals hervor, nir- 
sends im Gewebe zeigte sich Hefe. Mitunter waren die todten 
Bienen aussen beschimmelt und zwar wiederum in noch völlig ge- 
schlossenen Zellen. 

Da nun die Umgebung derjenigen Bienen, welche noch völlig 
frei von Hefe waren, vom Micrococeus dicht erfüllt war, so geht 
daraus hervor, dass die Biene selbst eigentlich ursprünglich nicht 
krank ist, sonderndass sie durch Fäulniss zu Grunde geht, weil ihre 
Umgebung sich in Gährung befindet. Die Made sowie das ent- 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. Boo 


wickelte Insekt sterben durch Fäulniss, welche sie von aussen er- 
greift. _ 

Es ist also dieser Zustand von der Gattine und Muscardine 
der Seidenraupen wesentlich verschieden. Während bei Muscardine 
und Gattine die Nahrung des Insekts das Gefahrdrohende ist und 
die Ansteckung durch die Exkremente vermittelt wird, wird die 
faulbrutige Biene von aussen nach innen in Fäulniss versetzt. Die 
zutragende Biene kann nur dadurch ansteckend wirken, dass sie 
den ihr anhaftenden Micrococcus aus einer Zelle in die andere 
trägt. Es ist also, streng genommen, die Faulbrut der Bienen gar 
keine Infektionskrankheit, sondern ein Fäulnissprocess ohne speci- 
fische Bedeutung. Man wird aber in der Folge sehen, dass die 
Organismen der Fäulniss mit denjenigen der Infektionskrankheiten 
grosse Aehnlichkeit haben; und dass die chemischen Vorgänge den 
Fäulnissprozessen analog sind, haben bedeutende Chemiker er- 
wiesen. 


2) Bedeutung und Abstammung der Parasiten der Infektionskrankheiten. 


Wir schlagen bei dieser Erörterung den umgekehrten Weg 
ein wie bei der Untersuchung des Thatbestandes. Ich gehe näm- 
lich hier von den Krankheiten der Insekten aus und schreite rück- 
wärts bis zu denjenigen des Menschen vor. Der Grund dafür ist 
leicht einzusehen. Bei zwei Insektenkrankheiten konnte ich Ur- 
sprung und Bedeutung des Parasiten so vollständig angeben, dass 
ich ganz willkürlich die Krankheit erzeugen konnte und damit den 
Beweis führen, dass meine Ansicht richtig sei. 

Es sind nämlich die Pilze, welche diese Krankheiten hervor- 
rufen, so bekannte und häufig vorkommende Pilze, dass es nicht 
allzu schwierig war, ihrem nachtheiligen Einfluss auf den thieri- 
schen Organismus auf die Spur zu kommen. Weit ungünstiger 
steht die Sache bei den menschlichen Krankheiten. Hier kennen 
wir den Ort der autochthonen Ansteckung nicht und selbst, wenn 
wir diesen kennten, so ist doch das Leben des Menschen ein so 
verwickeltes, dass wir nicht leicht dem Punkt der Ansteckung genau 
auf die Spur kommen würden. 

Da wir nun durch Cultur immer nur untergeordnete For- 
men des Pilzes erzeugen, so muss uns die Bedeutung und der 
Ursprung dieser Formen so lange räthselhaft bleiben, bis wir den 
Zusammenhang derselben mit irgend einer höheren Fruchtform 
nachweisen können. Dieser Punkt ist einer der schwierigsten in 


394 Hallier, 


der ganzen Parasitologie der Infektionskrankheiten und wir wer- 
den ihn später genau und ausführlich zu berücksichtigen haben. 


a) Krankheiten der Insekten. 


Faulbrut der Bienen. 
(Taf. VI Fig. 38.) (Vergl. Fig. 36.) 


Der Micrococcus der Faulbrut lässt sich ganz leicht zur Kei- 
mung bringen. Man kann denselben in seiner Fortentwickelung 
in der Camera humida auf dem Objektträger ganz gut verfolgen; 
es gehört dazu nur grosse Beharrlichkeit und Ausdauer. Die Cocci 
(Fig. 38 Taf. VI) schwellen allmählig an, bis sie ihren Durchmes- 
ser um das 8—10fache vergrössert haben (c Fig. 38). Nun ver- 
mehren sie sich anfänglich durch Zweitheilung wiederholt, so dass 
sie bald kleinere oder grössere Ketten hefeähnlicher Zellen bilden. 
Diese keimen dann zu langen Keimfäden (k Fig. 38 Taf. VI) aus. 

Nach einiger Zeit fruktifiziren die Keimlinge und zwar erhielt 
ich in jedem der vier von mir untersuchten Fälle einen anderen 
Pilz. Es waren vier Ascomyceten, deren verschiedene Sporenfor- 
men durch Modification des angewendeten Substrats leicht gezogen 
werden konnten. Merkwürdig ist es, dass ich von jedem der Wa- 
benstücke nur einen bestimmten Ascomyceten erhielt, welche Zelle 
ich auch zur Aussaat benutzt haben mochte. 

Es folgt daraus, dass die Ansteckung der Bienenstöcke jedes 
Mal an nur einer ganz bestimmten Lokalität stattgefunden haben 
konnte. 

Dass verschiedene Pilze mit ihrem Micrococcus die Faulbrut 
hervorrufen, bestätigt unsere Ansicht, dass die Faulbrut keine 
specifische Krankheit, sondern überhaupt Fäulniss der jungen Brut 
ist, veranlasst durch Micrococcus, welcher von Bienen in die Zelle 
getragen ist. Die Beschreibung der durch Kultur aufgefundenen 
Pilze werde ich bei einer anderen Gelegenheit geben. 


Muscardine der Raupen. 


Ich habe im zweiten Heft dieser Zeitschrift gezeigt, dass die 
Muscardine durch den Arthrococcus von Fumago salieina, einem 
bekannten, auf vielen Laubhölzern vorkommenden Russthaupilz 
aus der Gruppe der Kernpilze oder Pyrenomyceten hervorgerufen 
wird. Ich erinnere daran, dass im Darm der Raupe aus dem 
Plasma der Sporen sich Micrococcus bildet, dass dieser den Darm 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 335 


durchdringt und bei seiner Wanderung durch den ganzen Körper 
-sich zum Arthrococeus ausbildet. 

Bisweilen wird die Raupe im Tode trocken und schimmelt, 
indem der Arthrococcus im Blut der Raupe unter der Oberhaut 
keimt und, diese durchbrechend, an ihrer Aussenfläche Aéroconi- 
dien hervorbringt in Form der Botrytis Bassiana. 

Füttert man Sporen oder Conidien der Fumago oder über- 
haupt von Fumago belagertes Laub, so bekommen die Raupen die 
Muscardine, indem sich im Darm der Micrococcus ausbildet. Im 
Darm der gesunden Raupe findet man niemals Hefe, hier so we- 
nig wie bei der Gattine. Die Hefe der Muscardine wandert, wenn 
die Raupe nicht stirbt, durch alle Generationen und das Ei ist 
vom Schmetterling (Weibchen) mit der Hefe inficirt. 

So ist die Erblichkeit sowohl wie die Ansteckung und der 
epidemische Charakter der Krankheit lediglich Folge der Eigen- 
thümlichkeit des Parasiten, dessen Hefe mit dem Contagium iden- 
tisch ist. 

Genau so wie beim Kiefernspinner findet sich die Muscardine 
auch bei vielen anderen Raupen, namentlich bei der Seidenraupe. 
Bei Antherea Yama Mai und nach Bary’s Versuchen auch bei 
Sphinx euphorbiae dringt der Parasit nicht selten von aussen als 
Schimmelbildung durch die Haut ein und zerstört in diesem Fall 
die Raupe noch rascher. Es werden nämlich nun im Blut Anaéro- 
conidien abgeschnürt und ausserdem findet Hefebildung statt, so 
dass die Raupe gewissermassen durch zwei Vehikel ihrem Unter- 
sang zugeführt wird. Solche Raupen bleiben niemals am Leben, 
sie gehen stets vor der Verpuppung zu Grunde. Beim Eichenspin- 
ner verläuft im Uebrigen die Krankheit genau so wie beim Kie- 
fernspinner. Die Eier bergen schon Micrococcus oder Arthrococ- 
eus, welcher dann die Raupe erkranken macht. Oft stirbt schon 
das Ei ab und man findet nicht selten im Innern der geschlosse- 
nen Eischale auf dem Embryo den Arthrococcus zum Schimmel- 
pilz ausgekeimt, welcher Aéroconidien in Form der Botrytis Bas- 
siana trägt. Fällt die Ausleerung einer kranken Raupe des Eichen- 
spinners auf eine gesunde Raupe, so geht diese dadurch zu Grunde, 
dass die Hefe in den Exkrementen keimt und in die Raupe ein- 
dringt. 


103, 99 


336 Hallier, 


Gattine der Seidenraupen. 
Taf. VI Figg. 13—85. 39. 


Wir haben nach dem oben Mitgetheilten die Antwort zu su- 
chen auf die Frage: Welcher Pilz bringt den Arthrococcus der 
Gattine hervor? 

Dabei war zunächst zu erörtern: Ist es ein bestimmter Pilz, 
dessen Arthrococcus die Gattine hervorzurufen ausschliesslich im 
Stande ist, oder giebt es vielleicht, ähnlich wie bei der Faulbrut, 
mehre Pilze, welche diesen Krankheitsprocess erzeugen können? 

Zuerst haben wir nachzuweisen, dass die Hefe der Gattine 
überhaupt keimfähig ist. Zu diesem Versuch muss man sich noth- 
wendig der Camera humida bedienen und die Kultur beständig im 
Auge behalten. So, aber nur so, lässt sich die Keimung leicht 
und sicher beweisen, wenn auch hier wiederum grosse Geduld 
nöthig ist. Wer aber diesen zeitraubenden Versuch nicht gemacht 
hat, der hat kein Recht, mitzureden. 

Beobachtet man die Hefezelien aus einem Blutstropfen der 
gattinekranken Seidenraupe wochenlang unter dem Mikroskop, so 
sieht man noch einige Zeit den Arthrococcus in Theilung begrif- 
fen; dann aber tritt ein Zeitpunkt ein, wo die Hefezellen sich sehr 
in die Länge strecken und (Fig. 39 Taf. VI) zu Keimfäden aus- 
wachsen. Es lässt sich dieser Versuch jederzeit wiederholen und 
es ist damit unwiderleglich die Keimfähigkeit der Körperchen des 
Cornalia bewiesen. Uebrigens gebührt die Priorität dafür nicht 
mir, sondern Béchamp, dessen Arbeit Haberlandt ebenso we- 
nig kennt wie die von Balbiani. 

Die zur weiteren Entscheidung der Frage eingeleiteten Zucht- 
versuche bestanden in Aussaaten der Cornaliaschen Körper oder 
des Arthrococcus auf verschiedene Substrate, um diese Zellen unter 
dem Einfluss der Luft wo möglich zur Keimung zu bringen. Die 
Methode bei solchen Zuchtversuchen, die Art und Weise, wie fil- 
trirte, also pilzfreie, Luft zugeführt wird u. s. w. u. s. w., habe ich 
in meinen „Gährungserscheinungen“ *) ausführlich mitgetheilt und 
muss hier auf jene Schrift verweisen. 

Zu den Züchtungen wurden die Zellen der Eier, die Raupen 
und Theile derselben, insbesondere Blut, Excremente, Theile todter 
Puppen und Schmetterlinge verwendet. 


*) E. Hallier, Gährungserscheinungen. Untersuchungen über Gährung, 
Fäulniss und Verwesung. Leipzig 1867. 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 337 


1) Aussaaten der Hefe aus Eiern auf verschiedene Substanzen. 

Es wurden als Substrate theils völlig stickstofffreie Substan- 
zen, wie Zuckerlösung, Glycerin, theils stickstoffreiche Substrate, 
wie Eiweiss, Kleister, der mit gleichen Theilen phosphorsauren 
Ammoniaks bereitet war, und mannigfach zusammengesetzte Sub- 
stanzen, insbesondere Scheiben von Aepfeln und Zitronen ange- 
wendet. 

Auf allen Substanzen, welche nass oder flüssig, bildet sich 
zuerst Micrococcus aus dem vorhandenen Arthrococeus, ebenso ver- 
mehrt sich der vorhandene Micrococcus ausserordentlich. An der 
Oberfläche der Flüssigkeit bilden sich Myeothrix-Kettchen, d. h. 
die Cocei bleiben mit einander im Zusammenhang unter dem Ein- 
fluss der Luft. Diese Mycothrix-Kettchen (Fig. 22 Taf. VI) sind 
genau denen gleich, welche man, besonders gegen das Ende der 
Krankheit, im Darm der kranken Raupen findet. 

Die Cocci nehmen unter dem Einfluss des Lichtes schwärmer- 
artige Bewegung an. Diese Bewegung ist streng genommen die der 
Amöben und in der That haben auch diese schwärmenden Cocci 
mit Amöben die allergrösste Aehnlichkeit. 

Ausserordentlich stark wird die Bewegung des amöboiden 
Micrococeus im Sonnenlicht. Man sieht bei einer nahezu 2000- 
fachen Vergrösserung (Figur 23), dass die runden Zellen ihren 
starken Glanz (Fig. 16) verlieren. Sie zeigen deutlich, Contraktili- 
tät und einen oder mehre schwanzformige Fortsätze (Fig. 23), 
welche sich verlängern und verkürzen. Bei starker Sonnenbeleuch- 
tung ist die Bewegung pfeilschnell, sie verlangsamt sich aber im 
Schatten bedeutend. Bevor die amöboiden Cocei zur Ruhe kom- 
men, geht mit ihnen unter dem Einfluss des Lichtes eine eigen- 
thümliche Wandlung vor. Sie bilden nämlich einen Fortsatz (d Fig. 
24), selten mehre, bleibend aus, dieser verlängert und verdickt sich 
(e, f, g Fig. 24) und die ganze zuletzt stabförmige Zelle bleibt 
contraktil. Sie fährt fort, langsame, aber höchst wunderliche Be- 
wegungen auszuführen. Solche Gebilde sind unter dem Namen 
Bacterien bekannt. Sie haben zuletzt oft ganz wunderliche, un- 
regelmässige, in Folge der Contraktilität veränderliche Gestalten 
(h Fig. 24). Endlich kommen sie zur Ruhe, verkürzen und ver- 
dicken sich (a Fig. 24) und schnüren sich in der Mitte ein. So 
entstehen zwei Gieder einer Mycothrix-Kette (a, b, e Fig. 24), 
welche an der Luft im Zusammenhang bleiben und den Theilungs- 
process fortsetzen. Bisweilen sind bei der ersten Theilung die Zel- 

22 


338 Hallier, 


len noch contraktil (i Fig. 24). So bildet sich an der Oberfläche 
der Flüssigkeit eine dichte Mycoderma von Mycothrix-Ketten, wäh- 
rend im Innern der Flüssigkeit die Cocci nach ihrer Theilung so- 
fort zerfallen und sich rasch vermehren. Natürlich bilden sie je 
nach der chemischen Natur des Substrats verschiedene Hefefor- 
men aus, wovon weiter unten das Nähere. 

Die Kettenbildung liess sich mit dem starken Merz’schen 
Immersionssystem mit Hülfe des Sonnenlichts sehr schön verfol- 
gen (Fig. 25 a—d). Ganz besonders gute Bilder von der Vermeh- 
rung durch Zweitheilung erhält man nach Anwendung von Chlor- 
zinkjod. Die Gliederung wird dadurch sehr deutlich. Die Kerne 
werden nämlich durch das Reagens gelblich-grün und man sieht 
sie sehr deutlich theils kugelig (d Fig. 25), theils schwächer oder 
stärker in der Mitte eingeschnürt und länglich (a, b Fig. 25), theils 
im Begriff, sich zu halbiren (ce Fig. 15). Die Theile letzten Gra- 
des findet man stets am nächsten beisammen (c, d Fig. 25), die 
Glieder zweiten Grades (d Fig. 25) sind weiter von einander ent- 
fernt und die Glieder dritten Grades (Fig. 25 d) am weitesten. 
Diese sind meistens durch deutliche Scheidewand getrennt, so dass 
die ganze Kette gewöhnlich in 4gliedrige (2x 2gliedrige) Stäb- 
chen zerfällt. Diese Bruchstücke sind den Bacterien ähnlich, aber 
ohne Eigenbewegung. Sämmtliche Kerne sind, wie Figur 25 es 
andeutet, in eine gelatinöse Hülle gebettet und mit einer solchen 
ist auch der ruhende Coccus versehen. Die amöboide Form ist 
also nur ein vorübergehender unter dem Einfluss des Lichtes her- 
vortretender Zustand des Micrococcus. 

Der Micrococcus verhält sich in verschieden zusammengesetz- 
ten Flüssigkeiten ganz analog dem Micrococcus anderer Pilze. In 
einer sauer gährenden Flüssigkeit bildet sich binnen-Kurzem aus 
demselben der Arthrococcus, sowie bei geistiger Gährung Crypto- 
coccus zur Ausbildung kommt. 

Ebenso geht auch aus dem Arthrococcus Cryptococcus hervor, 
sobald jener auf einen der geistigen Gährung geneigten Boden 
geräth. So zeigt Figur 26 die Cornalia’schen Körperchen aus 
einem Ei, wie dieselben im Fruchtsaft zu sprossen beginnen, also 
zum Uebergang in Cryptococcus sich anschicken. 

Bei den Aussaaten sind natürlich, wenn man Reinkulturen 
des Arthrococcus (der Körper des Cornalia) beabsichtigt, die Ei- 
schale sowie die Haut der Raupen möglichst sorgfältig zu entfer- 
nen, denn, wie wir oben gesehen haben, hangen diesen stets Spo- 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 339 


ren verschiedener Pilze an. Unter den auf den Raupen häufiger 
vorkommenden habe ich noch kleine zweitheilige Sporen von der 
Gestalt des Cephalothecium roseum zu erwähnen. 

Auf den verschiedensten Flüssigkeiten keimen die Arthrococcus- 
zellen an der Oberfläche und am Rande, sobald man nur wenig Flüs- 
sigkeit nimmt. Am besten gelingt die Keimung auf einem Tropfen 
Glycerin oder Zuckerlösung auf dem Objektträger im Kulturappa- 
rate, der mit feuchter Luft gesättigt ist. Die Arthrococcus - Zelle 
schwillt zuerst ein wenig an und zeigt einen centralen glänzenden 
Plasmakern (a Fig. 27), darauf theilt sich diese in zwei Theile 
(b e Fig. 27), welche sich von einander entfernen, um sich aber- 
mals zu theilen (ce d Fig. 27). So entsteht ein Faden, der sich hie 
und da zu Gliedern einschnürt (e, f Fig. 27), bald aber auch zu 
einem förmlichen Myceliumfaden (g Fig. 27) ausgebildet wird. Die- 
ser Faden verzweigt sich und bildet an den Zweigenden Ketten von 
Sporen eines Cladosporium. Diese Sporen sind braun, wie auch 
der Faden selbst zuletzt sich bräunt; die Sporen sind im unteren 
Theil der Kette (ce Fig. 28) spindelig und häufig durch eine Scheide- 
wand getheilt, dann werden sie allmählig kürzer, zuletzt fast ku- 
selig. Man sieht, da diese Sporen sehr leicht abbrechen, viele der- 
selben umherliegen, bald kurz eilanzettlich (a Fig. 28) und dann, ab- 
gesehen von der Farbe, dem Arthrococcus sehr ähnlich, bald spin- 
delförmig (b Fig. 18) oder schmal lanzettlich*). 

Das in den Zuchten als Keimungsprodukt des Arthrococcus 
auftretende Cladosporium ist dem Cl. herbarum Lk. völlig gleich, 
indessen erfordert die Bestimmung bei der grossen Unbestimmt- 
heit einer solchen Form doch noch weitere Proben. 

Ich habe in meinen „Parasitologischen Untersuchungen“ "*) ge- 
zeigt, dass das echte Cladosporium herbarum Lk., welches, wie 
Tulasne nachgewiesen hat, der Fungus conidiophorus von Pleo- 
spora herbarum Rab. ist, nicht nur die beiden von Tulasne 
unterschiedenen Fruchtformen: Cladosporium mit Sporen in Ketten 
und Sporidesmium oder Helminthosporium mit Schizosporangien 
besitzt, sondern dass auch beide Fruchtformen auf einem in Gäh- 
uns oder Verwesung begriffenen festen Boden je eine Schimmel- 


a) Was Habentandit von der Aehnlichkeit der Cornalia’schen Körper 
mit Sporen der Pleospora sagt, zeigt, dass er diesen Pilz nie gesehen hat. 
Haberlandt’s Abbildungen von Bleosporn haben mit der wirklichen Pleospora 
von Rabenhorst und Tulasne keine Aehnlichkeit. 

**) Parasitologische Untersuchungen. Leipz. 1868 >. 8 fi. 


340 Hallier, 


form erzeugen. Dem Cladosporium entspricht ein Penicillium, wel- 
ches ich Penic. grande genannt habe und dem Schizosporangium 
entspricht der bekannte Rhizopus nigricans Ehrenb. 

Ich säete aus diesem Grunde, um nämlich zu erfahren, ob 
das‘ Cladosporium, welches die Körper des Cornalia erzeugt, wirk- 
lich Cl. herbarum sei, diese Arthroccus- Zellen auf Fruchtschei- 
ben, auf Scheiben von Aepfeln und Citronen und auf Kleister mit 
einer grösseren Menge phosphorsauren Ammoniaks. Diese Aus- 
saaten hatten durchaus den gewünschten Erfolg. 

In den Kulturen auf Citronen entwickelten sich schon bis zum 
sechsten Tage aus den Keimlingen des Arthrocoecus die Clado- 
sporium -Ketten. Wo diese in’s Innere des Substrats eindrin- 
gen, da bildeten sie aus stark anschwellenden Gliedern die Macro- 
conidien, welche keimten und kräftigen Rhizopus erzeugten. Fi- 
gur 30 zeigt ein Bruchstück vom Rhizopus bei schwacher Ver- 
grösserung. Man sieht einen Faden, welcher sich stolonenartig 
über das Substrat fortspinnt, an einem Punkt zwei junge Kapseln, 
an einem anderen drei reife Kapseln, von denen die eine schon 
geplatzt ist, auf langen Stielen tragend. So ist die typische, kräf- 
tige Form des Rhizopus. In schwächlichen Exemplaren, wie sie 
bei Kulturen nicht selten vorkommen, wird die Verzweigung un- 
regelmässiger und es müssen noch andere Kennzeichen hinzu 
kommen. 

Es giebt eigentlich nur einen Pilz, mit dem der Rhizopus 
leicht vewechselt werden könnte, das ist der Mucor mucedo Fres. 
Die Hauptunterschiede sind: Bei Mucor mucedo Fres. langstach- 
lige Kapseln, deren hornartige Stacheln auch im Wasser nicht 
sofort abfallen , eiförmig -längliche, farblose oder violette Sporen, 
septirte Hyphen; bei Rhizopus, kurz-stachlige oder kahle Kap- 
seln, jedenfalls gehen im Wasser die Stacheln sofort verlo- 
ren, kugelige oder unregelmässig kantige, braune oder schwärz- 
liche Sporen, selten septirte Hyphen. 

Ich habe in meinen „Parasitologischen Untersuchungen‘* eine 
möglichst genaue Beschreibung dieser Pilzform gegeben, auf welche 
ich daher hier für das Weitere verweisen darf. 

Das Resultat der Kulturen mit dem Arthrococcus kranker 
Eier ist also in der Kürze folgendes: 


*) K. Hallier, Parasitolog. Untersuchungen bezüglich auf die pflanzl. 
Parasiten bei Masern, Hungertyphus, Darmtyphus, Blattern, Kuhpocken, 
Schafpocken, Cholera nostras etc. Leipzig 1868 5. 3—21. 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 341 


Die Cornaliaschen Körperchen sind der Arthrococeus von 
Pleospora herbarum Tul., deren verschiedene Morphen, in’s beson- 
dere die beiden Schimmelformen: Rhizopus nigricans und Penicil- 
lium grande man leicht unter günstigen Verhältnissen aus dem 
Arthrococcus erziehen kann. Diese beiden Formen würden also 
nach unserer obigen Darstellung als Aéroconidien und Thecaco- 
nidien aufzufassen sein und bilden die unreifen Morphen der Aéro- 
sporen und Schizosporangien. 

2) Aussaaten von Theilen kranker, getödteter sowie an der 
Krankheit gestorbener Raupen, Cocons und Schmetterlinge. 

Diese Kulturen geben mit den vorigen genau übereinstim- 
mende Resulte. So z. B. entwickelte der Arthrococcus, welcher in 
frischen Raupenexkrementen vorhanden war, nach der Aussaat auf 
Citronen- und Apfelscheiben aus seinen Keimlingen das Clado- 
sporium herbarum Lk., von diesem wurden ebenso wie bei den 
Eier-Aussaaten die Macroconidien gebildet, welche in 8—14 Tagen 
Rhizopus nigricans Ehrenb. erzeugten. Ebenso bestand der Rhi- 
zopus aus dem Micrococcus des Darminhalts einer schon der 
Krankheit erlegenen Raupe. Hier, schwoll aber der Micrococcus 
erst zu Sporoiden an, welche keimten und das Cladosporium mit 
den Macroconidien und aus diesem den Rhizopus erzeugten. 

Diese Versuche wurden, sowohl mit den Eiern als auch mit 
Theilen des Raupenkörpers, der Puppen und Schmetterlinge viel- 
fach wiederholt und stets genau mit demselben Erfolg. Es kann 
also der Ursprung der Cornaliaschen Körperchen keinem Zweifel 
mehr unterliegen und es ist nun die zweite Frage zu beantworten: 
die Frage nach dem Ort der Infection der Raupen mit dem 
Arthrococeus von Pleospora herbarum Rab. oder genauer von 
Cladosporium herbarum Lk. 

Auf welche Weise und in welcher Form gelangen die Kör- 
per des Cornalia zuerst in das Insekt? 

Wir haben schon gesehen, dass die Cornalia’schen Körper, 
d. h. die Arthrococeus-Zellen von Cladosporium herbarum Lk. 
in dem Seideninsekt gewissermassen einen Kreislauf ausführen. 
Sie finden sich schon im jungfräulichen Ei, vermehren sich wäh- 
rend des Lebens der Raupe, gelangen in die Puppe, von dieser 
in den Schmetterling und endlich wieder in die durch ihre Mut- 
ter, vielleicht auch den Vater, infizirten Eier. Da nun aber die 
völlig gesunden Raupen keinen Arthrococcus führen, so muss es 
doch nothwendig irgend einen Ort und eine Gelegenheit geben, 


342 Hallier. 


wodurch die Raupen zuerst mit dem Arthrococcus versehen 
werden. Bei der ganzen Lebensweise der Raupen kann man die- 
sen Ort wohl kaum anderswo suchen als in der Nahrung, also 
auf dem Maulbeerlaub. 

Auf dem Laub kann aber der Pilz aus zweierlei Gründen 
entstehen. Entweder lebt derselbe schon als Parasit auf demsel- 
ben oder er befindet sich im Zuchtlokal, auf den Lagern, an den 
Wänden oder in der Luft und gelangt so auf das Laub. 

Da es sich nun um Pleospora herbarum Rab. handelt, so 
kann der Pilz in diesen Fall sowohl als Schmarotzer auf dem 
Laube eingeschleppt werden als auch im Zuchtlokal entstehen, 
sobald die für ihn günstigen Bedingungen vorhanden sind. 

Pleospora herbarum Rab. lebt als sogenannter Russthau, als 
schwarzer Ueberzug, auf den grünen Theilen sehr vieler Pflanzen, 
namentlich Holzgewächse, aber auch der Gräser und niedriger 
Kräuter, ganz besonders häufig auf dem Lolchgrase (Lolium per- 
enne L.). Gewiss durfte man von vorherein voraussetzen, dass 
dieser Halbschmarotzer, wie Tulasne ihn nennt, auch auf Morus- 
alba L. vorkomme. Ich berubigte mich indessen heineswegs bei 
dieser Annahme, sondern stellte nach besten Kräften Nachforschun- 
gen nach dem Vorkommen der Pleospora auf Morus alba an. 

Zuerst sandte mir Herr Kommerzienrath Heese in Berlin mit 
freundlicher Bereitwilligkeit scheinbar krankes Maulbeerlaub ein. 
Ich fand dasselbe an manchen Stellen missfarbig, gleichsam chlo- 
rotisch entfärbt. An solchen Stellen liess sich aber nur sehr wenig 
Mycelium eines Pilzes nachweisen. Auch einige wenige Sporen 
eines Cladosporium fand ich auf den Blättern, von denen sich we- 
der die Abschnürung an dem erwähnten Mycelium noch die Iden-. 
tität mit Cladosporium herbarum Lk. sicher nachweisen liess. 

Ich nahm solches krankes Laub auf Obstscheiben in Kultur 
und erzielte kräftige Rasen von Cladosporium herbarum Rab. und 
Rhizopus nigricans Ehrenb. 

Demnächst wurden in den kleinen Maulbeerpflanzungen der 
Umgegend Jena’s Nachforschungen nach dem Pilz angestellt. Die 
mir zunächst gelegene Pflanzung befindet sich im Garten des Spi- 
tals und zwar vorzüglich in der Umzäunung des Gartens, mit an- 
deren zum Theil weit hochwüchsigeren Gesträuchen und Bäumen 
untermischt. Diese Lokalität und Behandlungsweise ist nun für 
gegenwärtigen Zweck die allergünstigste, für die Seidenraupenkul- 
tur dagegen die ungiinstigste. Denn eine solche Lokalität, wo die 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 343 


Sträucher und Bäume zum Theil versteckt und dumpfig stehen, wo 
sie einen starken Schnitt erleiden müssen, ohne dass man darauf 
Rücksicht nähme, das natürlich massenhaft sich ausbildende dürre 
Holz zu entfernen —: eine solche Lokalität begünstigt die Ansie- 
- delung der Pleospora ganz ausnehmend. 

Es konnte daher auch nicht fehlen, dass ich fast an jedem 
Strauch diesen Pilz auffand. Als Halbschmarotzer siedelt sich die 
Pleospora auf dem dürren Holz des vorigen Jahres an. Im Spät- 
herbst pflegt bei feuchtem Wetter die Aussaat der Pleospora zu 
geschehen. Im Hochsommer hat sich der Pilz gewöhnlich auf dem 
Laube der Bäume und niedrigen Pflanzen angesiedelt, diese mit 
schwarzem Ueberzug bedeckend. Feuchtigkeit und Honigthau be- 
günstigen seine rasche Ausbreitung. Er bildet dann den Russthau, 
welcher ganzen Bäumen das Ansehen giebt, als seien ihre Blätter 
mit Russ bestäubt. Während des Laubfalls zieht sieh der Pilz 
auf das dürre Holz zurück, wo er überwintert. 

Auf den dürren Zweigen von Morus alba L. erblickt man den 
Pilz genau so, wie ich ihn in Fig. 40 Taf. VI*) abgebildet habe. 
Aus grossen unregelmässigen Schizosporangien oder aus dem Fa- 
den bricht ein Büschel dicker brauner Keimfäden hervor, welche 
theils einzeln, theils in Ketten die kleinen keuligen Schizosporan- 
sien (Fig. 31) tragen, welche früher zu den Gattungen Helmintho- 
sporium oder Sporidesmium gestellt wurden, bis Tulasne ihre 
Zugehörigkeit zu Pleospora herbarum Rab. nachwies. Es sind 
diese Früchte (Fig. 31) genau denen gleich, welche, wie wir weiter 
oben gesehen haben, so häufig im Nahrungskanal kranker Raupen 
(Fig. 20) vorkommen. An anderen Stellen der mit dem Russthau 
behafteten Zweige findet man die vollkommenen Früchte der 
Pleospora, welche Tulasne so ausgezeichnet beschrieben und ab- 
gebildet hat **), welche früher von Rabenhorst als Pleospora 
herbarum, von Persoon als Sphaeria herbarum und Pleospora 
asparagi beschrieben worden sind. Ebenso fehlen die Pycniden 
von Tulasne selten, welche Berkeley früher unter dem Namen 
Cytispora orbicularis beschrieben hatte (p Fig. 40 Taf. VD. Ich 
habe schon früher ***) gezeigt, dass auf Lolium perenne L., wenn 
es mit Pleospora behaftet ist, bei anhaltend nassem Wetter Hefe- 


*) Vergl. Parasitologische Untersuchungen Taf. I Fig. 31. 

**) Selecta Fungorum Carpologia Tom. II. Vergl. meine „Parasitol. Un- 
tersuchungen S. 18. 19. 

*##) Parasitol. Unters. 8: 16. 17 Taf. I Fig. 31. 


344 Ä Hallier, 


bildung und Fäulniss eintritt. Ferner zeigte ich au demselben 
Ort (Figg. 18, 19, 20), wie der Micrococcus der Schafpocken 
bei sauer gährendem Substrat Arthrococcus ausbildet. Wer die 
Figur 20 der ersten Tafel meiner parasitologischen Untersuchungen 
mit den Cornalia’schen Körperchen vergleicht, der wird an der 
Identität des Arthrocoecus von Pleospora herbarum Rab. mit 
diesen nicht zweifeln. Und jene Tafel wurde drei Monate früher 
gezeichnet, bevor ich zum ersten Mal in meinem Leben der Kör- 
per des Cornalia ansichtig wurde, ich konnte also damals von 
dieser Identität nicht die entfernteste Ahnung haben. 


Wie wir weiter oben sahen, gehen das Laub und die jungen 
Zweige von Morus alba L. sehr leicht eine saure Gährung ein, 
sobald Sporen von Pleospora vorhanden sind. Werden nun Sten- 
gel oder Laub nass, so bildet sich natürlich sehr bald der Arthro- 
coccus aus dem Sporeninhalt. Die im Nahrungskanal der kran- 
ken Raupen ihren Anfang nehmende saure Gährung nimmt also 
ihren Ursprung in der sauren Gährung des gefressenen Laubes. 
Da nun das im Nahrungskanal vorhandene Futter bekanntlich im 
Gewicht einen beträchtlichen Theil vom Gewicht der gesammten 
Raupe beträgt, so kann es nicht Wunder nehmen, dass der Saft 
der getödteten Raupe sauer reagirt, sobald die Krankheit einen 
merklichen Grad erreicht hatte. 


Die Säurebildung des erkrankten, d. h. mittelst der Pleo- 
spora in saure Gährung versetzten Laubes von Morus alba L. 
wird der chemischen Untersuchung wohl nicht so schwer zugäng- 
lich sein wie die Saurebildung im Körper der Raupe, denn das 
Maulbeerlaub ist ja eine mehr homogene Materie und es muss 
leicht sein, dieses Material in grösseren Mengen mittelst der Pleo- 
spora in Gährung zu versetzen. 

Dass sich die Pleospora auf dem Maulbeerbaum anders ver- 
halten sollte, wie auf jedem anderen Holzgewächs, kann man 
nicht annehmen, es ist also mehr als wahrscheinlich, dass bei 
feuchtem Wetter die Sporen auf dem Laub zur Keimung gelangen 
und dasselbe infiziren werden. Wenn das aber auch nicht ge- 
schieht, so fallen doch jedenfalls die Sporen von den dürren Sten- 
geln auf das Laub und infiziren dasselbe. 

Es folgt also hieraus die praktische Regel: dass die zur 
Seidenkultur bestimmten Maulbeerbäume stets ganz frei stehen 
müssen, dass sie sich in gehöriger Entfernung von einander be- 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 345 


finden müssen und niemals in den Schatten anderer Holzpflanzen 
sebracht werden dürfen. Dass man von Hecken kein gesundes 
Maulbeerlaub gewinnen kann, versteht sich hiernach von selbst. 
Noch wichtiger aber ist jedenfalls die Behandlung der Maulbeer- 
bäume. Es sollte das zur Fütterung bestimmte Laub stets mit 
scharfen Hand-Baumscheeren, wie sie auch zum Beschneiden fei- 
ner Obstbäume benutzt werden, abgeschnitten, niemals aber ab- 
gerissen oder abgebrochen werden, denn an solchen Bruchflächen 
oder Fetzen des abgefaserten Bastes siedelt sich der Russthau 
nur zu leicht an. 

Noch wichtiger aber ist das sorgfältigste Ausputzen aller 
dürren Zweige. Diese sollte zweimal im Jahre geschehen, zum 
ersten Mal vor dem Laubfall im Herbst oder gleich nach Beendi- 
gung der Fütterungen, zum zweiten Mal im Frühjahr vor dem 
Austreiben oder während desselben. Man erkennt dürre und mit 
der Pleospora versehene Zweige leicht daran, dass sie missfarbig, 
schwärzlich gefleckt sind und dass der Bast aufgefasert ist. Der 
Pilz zerstört nämlich stets Oberhaut und Rinde und siedelt sich 
auf den Bastfasern an. Da ich nun die Ursache der Krankheit 
der Seidenraupen in dem Arthrococcus der Pleospora herbarum 
Rab. aufgefunden hatte, so war zunächst durch Infektionsver- 
suche der Beweis zu führen, ob wirklich die Arthrococcuszeilen 
von Pleospora zur Hervorbringung der Krankheit genügen oder 
ob noch Anderes hinzukommen muss. Diese Frage und ihre Be- 
weisführung musste natürlich ziemlich genau zusammenfallen mit 
der Frage nach der Art der Infektion der Seidenraupen. Diese 
Fragen konnten nur durch Uebertragungsversuche gelöst wer- 
den. 

Als ich solche Uebertragungsversuche beginnen wollte, war 
ich zwar schon durch die Güte des Herrn Regierungs- und Oeko- 
nomieraths v. Schlicht mit gezüchteten scheinbar gesunden und 
verdächtigen, sowie japanesischen importirten Grains versehen, 
aber meine Züchtungen waren noch zu jung, um die Uebertra- 
sungsversuche schon zu einem sicheren Resultat führen zu 
können. 

Ich nahm deshalb zunächst verschiedene andere Insekten vor. 
Den Anfang machte ich mit Maikäfern. Sechs Maikäfer wurden 
durch einen Stich an den Brustringen mit Arthrococeus aus kran- 
ken Eiern geimpft und mit Zwetschenlaub gefüttert. Das zur 
Impfung bestimmte Material wurde durch Quetschung der Eier 


346 Hallier, 


mit etwas destillirtem Wasser gewonnen. Die Impfung nahm ich 
mit einer Lanzette vor. Am 4. Tage starben 5 der Maikäfer, der 
letzte starb am 6. Tage. Gleichzeitig unter denselben Bedingun- 
gen ohne Infektion aufgefiitterte Maikäfer blieben völlig gesund. 
Im Nahrungskanal der infizirten Maikäfer waren die Arthrococcus- 
Zellen massenhaft vorhanden und bildeten nach dem Tode sehr 
rasch Micrococcus aus. 

Hier konnte an den Tod in Folge der freilich sehr sorgsam 
vorgenommenen Verwundung gedacht werden. Ich brachte des- 
halb an drei weiteren Maikäfern die zerquetschten Eier nur aussen 
an, nämlich dadurch, dass ich den Brei an die Brust strich. Na- 
türlich beschmutzten die Maikäfer das Laub, über welches sie hin- 
strichen. Sie lebten die doppelte Zeit wie die geimpften, starben 
aber dann und ihr Nahrungskanal war dicht erfüllt mit Arthro- 
coceus und Micrococcus. Das Laub, welches zu ihrer Fütterung 
verwendet wurde, hatte sich an denjenigen Stellen, wo die Mai- 
käfer die Materie von ihrer Brust abgestreift hatten, mit einer 
schönen Vegetation von Cladosporium herbarum Lk., also von 
dem zu Pleospora gehörigen Kettenpilz überzogen. 

Ferner wurde eine grössere Anzahl von Raupen des Nessel- 
falters direkt durch das Laub infizirt. Ich nahm eine Partie 
Laub von der grossen Brennnessel: Urtica dioica L. in ein reines 
Glasgefäss. In dieses wurde ausserdem der Darminhalt von an 
der Gattine gestorbenen Seidenraupen und etwas destillirtes Was- 
ser gethan. Das Gefäss wurde nun mit einem dicht schliessenden 
Glasstöpsel geschlossen und tüchtig geschüttelt. Mit dem so in- 
fizirten Nessellaub fütterte ich die Raupen. Die noch jungen Rau- 
pen lebten sämmtlich nur noch wenige Tage. In ihren Exkre- 
menten fanden sich dieselben pflanzlichen Elemente wie bei der 
Gattine. 

Man könnte nach diesen Versuchen meinen, dass alle Insek- 
ten, künstlich infizirt, der Gattine zum Opfer fallen. Dem ist 
aber nicht so. Eine grosse Anzahl von der schönen blauen Chry- 
somela, welche auf Mentha silvestris L. lebt, fütterte ich mit in- 
fieirtem Laube dieser wilden Minze. Das Laub trug schöne Cla- 
dosporium-Rasen, die Käfer frassen aber monatelang von diesem 
Laub, ohne sichtbar zu erkranken. 

Bis zur Beendigung der Versuche mit den Maikäfern und 
Nesselraupen hatte ich für Anzucht von einigen Hunderten junger 
Seidenraupen Sorge getragen und war ausserdem mit einigen aus- 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. BAT: 


gewachsenen Seidenraupen durch die Güte des Herrn Kommerzien- 
rathes J. A. Heese in Berlin versehen worden. 
Die zu infizirenden Raupen wurden gefüttert: 
1) mit Maulbeerlaub, welche mit dem oben erwähnten infi- 
cirten Zwetschenlaub in einem Glase umgeschüttelt war ; 
2) mit Maulbeerlaub, welches mit dem aus an der Gattine 
gestorbenen Raupen bereiteten Brei geschüttelt war. 


Ausserdem wurde eine grössere Anzahl Raupen möglichst 
normal gefüttert und behandelt. 


Die Fütterung nach den beiden angeführten Methoden hatte 
sanz den nämlichen Erfolg. Die Raupen erkrankten schneller 
oder langsamer, heftiger oder schwächer, je nach dem Grade der 
Infektion des Laubes. Kranke Raupen, plötzlich mit gesundem 
Laub gefüttert, nahmen wieder zu und wurden bedeutend kräfti- 
ger, als andere, welche beständig mit krankem Laub gefüttert 
wurden. Einzelne der inficirten Raupen starben oft plötzlich, ohne 
dass sich ein besonderer Grund dafür nachweisen liess. Sehr 
leicht gingen die kranken Raupen, auch wenn sie noch ziemlich 
kräftig aussahen, kurz vor dem Einspinnen zu Grunde. Der Be- 
fund der kranken Raupen war stets sowohl äusserlich als im In- 
nern des Körpers der für die Gattine bekannte, Die nach der 
ersten Methode gefütterten Raupen führten stets einzelne der Spo- 
ren von Cladosporium im Nahrungskanal, und nicht selten ausser 
diesen auch Schizosporangien. 

Es wird also durch diese Fütterungsversuche zur Gewissheit, 
dass das mit der Pleospora behaftete Laub die Gattine hervor- 
ruft und man wird wohl schwerlich nach einem anderen Grunde 
des Ursprungs der Gattine zu suchen haben, als die Infektion des 
Laubes mit der Pleospora. 


Es ergiebt sich aus den früher mitgetheilten Thatsachen eine 
höchst interessante Folgerung, nämlich diese: 


Ich habe früher (Parasitol. Untersuchungen) gezeigt, dass in 
den Dejectionen von Typhus-Kranken stets ein Micrococcus mas- 
senhaft auftritt, welcher von Rhizopus nigricans Ehrenb. oder 
in erster Linie von Pleospora herbarum Rab. stammt. 


Dieser kommt zwar beim Ileotyphus in den Exkrementen 
eben nur als Micrococcus vor, vom Vorhandensein des Arthro- 
coceus kann dabei nicht die Rede sein. Ich habe aber in jener 
mehrfach erwähnten Schrift gezeigt, dass man auf einem der sau- 


348 Hallier, 


ren Gährung geneigten Boden sehr leicht aus dem Micrococcus 
des Ileotyphus den Arthrococcus ziehen kann. Es muss also auch 
im Körper der Seidenraupe aus diesem Micrococcus des Typhus 
der Arthrococcus, d. h. die Körperchen des Cornalia, erzeugt wer- 
den können. Mit einem Worte, man muss mit den Dejectionen 
der Typhus-Kranken die Gattine hervorrufen können. Das ist 
nun in der That der Fall. 

Ich infizirte mit den Stühlen von einem sehr heftigen Typhus- 
fall das Maulbeerlaub, mit welchem gegen 100 Seidenraupen ge- 
füttert wurden. Diese bekamen alle binnen Kurzem die Gattine 
in sehr heftigem Grade und unter den gewöhnlichen . äusseren 
und inneren Erscheinungen. Die Entstehung des Arthrococcus 
aus dem Micrococeus liess sich dabei sehr schön verfolgen. 

Es findet sich also im Darm des Typhuskranken eine Hefe- 
form des nämlichen parasitischen Pilzes, weicher mit einer anderen 
Hefeform die Gattine der Seidenraupen erzeugt. 

Zunächst wollte ich untersuchen, ob die Leichname der an 
der Gattine gestorbenen Maikäfer und Seidenraupen nicht aus 
dem entstandenen Micrococcus wieder irgend eine der Pleospora 
angehörige Schimmelform erzeugten. Zu diesem Zweck brachte 
ich die Leichen auf Glastellerchen in einen Isolir-Apparat, wie 
ich ihn in meinen „Gährungserscheinungen‘“ beschrieben und ab- 
gebildet habe. Die Maikäfer und die Seidenraupen kamen je in 
einen besonderen Apparat. Die Leichname trockneten langsam 
ein und bedeckten sich nach einigen Wochen mit einem zarten 
weissen Schimmel. Dieser (Figur 33) besteht sowohl bei den Sei- 
denraupen als bei den Maikäfern aus dem Mycelium, welches an 
seinen Zweigenden die Macroconidien von Rhizopus nigricans 
Ehrenb., bald einzeln, bald in Ketten (Fig. 33) trägt. 

Wir haben also die Frage: Auf welche Weise gelangen die 
Körperchen des Cornalia zuerst in das Insekt? ohne Zweifel da- 
hin zu beantworten: Die Infektion findet mittelst des mit Pleo- 
spora herbarum, mit dem Russthau, behafteten Futters statt. 
Dieser Pilz kommt hauptsächlich auf schlecht ausgeschnittenen 
Maulbeerbäumen oder bei dumpfiger, gedrückter Lage der Maul- 
beerpflanzung vor; er kann aber auch auf ganz gesunden Maul- 
beerbäumen sich ansiedeln, besonders dann, wenn Blattläuse vor- 
handen sind, welche Honig absondern (sogenannter Honigthan). 
Ausserdem kann sich aber der Pilz auch noch im Zuchtlokal auf 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 349 


dem Laube ansiedeln, eine Thatsache, die uns schon zur dritten 
der von uns aufgestellten Fragen führt. 

3. Wodurch ist die epidemische Ausbreitung der Krankheit 
der Seidenraupen bedingt ? 

Um diese Frage zu beantworten, müssen wir zunächst ge- 
nauer erwägen, auf welche Weise in den Züchtungen das Laub 
möglicherweise inficirend auf die Raupen wirken kann. Es ver- 
steht sich wohl von selbst, dass kein Züchter Laub zur Fütterung 
in Anwendung bringen wird, welches deutlich mit dem Russthau 
(Pleospora herbarum Rab.) befallen ist. Und selbst, wenn das 
seschähe, so wäre es sehr fraglich, ob die Raupen solches ge- 
schwärztes Laub fressen würden. 

Aber im frühesten Stadium des Befailenseins sieht man auf 
dem Laube noch keine Spur des Pilzes mit blossen Augen. Die 
Blätter sind gewöhnlich etwas hell und missfarbig und man er- 
kennt unter dem Mikroskop die ersten Anfänge des Pilzmyceliums 
mit einzelnen Sporen und Sporenketten. Solches Laub wird na- 
tiirlich die Raupen mit der Krankheit inficiren, sobald es von 
ihnen gefressen wird. Und grade dieses nur schwach befallene 
Laub wird man weniger leicht erkennen, denn ausser einer etwas 
helleren Färbung des ganzen Blattes oder einzelner Theile dessel- 
ben lässt sich meist mit blossem Auge gar nichts Abnormes wahr- 
nehmen. Eine Desinfektion des Futters mit Alkohol wird sich 
aber nur schwer in Ausführung bringen lassen. Es bleibt mithin 
nichts übrig, als die sorgfältigste Auswahl des anzuwendenden 
Laubes. 

Aber auch im Zuchtlokal kann nachträglich eine Infektion 
des Laubes stattfinden. Die Pleospora nämlich und die von ihr 
hervorgerufene Schimmelbildung: Rhizopus nigricans Ehrenb. 
sind ausserordentlich verbreitete Pilze. Die Pleospora herbarum 
Rab. findet sich z. B. ausser auf dem Baumlaub auch auf der 
Rinde unzähliger Holzgewächse, auf der Fruchtschale mancher 
Obstsorten, besonders des Kernobstes, wie Aepfel, Birnen, Zitronen 
u. s. w., aber auch des Steinobstes, besonders der Zwetschen. 
Selbst auf feuchten Gegenständen aller Art, auf feuchten Kalk- 
wänden, feuchtem Holz u. s. w. kann die Pleospora zur Entwicke- 
lung kommen. Namentlich in der Form des Cladosporium ent- 
wickelt sich dieser Pilz sehr leicht. Ausserdem bringt er auf 
faulendem Obst, auf Vegetabilien verschiedenster Art, sogar auf 
Fett den Rhizopus hervor. 


350 Hallier, 


Es folgt daraus, dass sehr leicht der Luft des Zuchtlokals 
Sporen von Cladosporium oder Rhizopus beigemengt sein können 
und dass ein feuchtes Lokal sogar derartige Vegetationen an den 
Wänden, auf den Lagern u. s. w. erzeugen kann. 


Ganz ausserordentlich vergrössert wird aber die Gefahr, wenn 
das Laub länger als höchstens 24 Stunden auf den Lagern liegt. 
Ich liess bei einzelnen meiner Zuchten absichtlich das Maulbeer- 
laub sich anhäufen. Hier bildeten sich stets sehr bald verschie- 
dene Schimmelarten. 


Dass solche Uebelstände durch Anhäufung der Exkremente 
kranker Raupen bedeutend vermehrt werden, versteht sich von 
selbst, denn da diese Exkremente ja niemals von Arthrococcus 
frei sind, so müssen solche nothwendig das noch so gesunde Laub, 
auf welches sie fallen, inficiren. Stets findet man in den Exkre- 
menten kranker Raupen Arthrococcus von Pleospora, fast immer 
auch die Glieder des Pilzes, die den gewöhnlich ebenfalls vor- 
handenen Harnsäure-Krystallen so sehr ähnlich sind, sehr oft fin- 
det man ausserdem Sporen der Cladosporium-Form und Schizo- 
sporangien. Liegen diese Fäcalmassen mehre Tage auf dem Laub, 
so überzieht sich ihre Oberfläche mit einem weissen Anflug von 
Micrococcus und ebenso bedeckt sich das Laub in der Nähe mit 
Micrococcus. 

Hier mag noch die Notiz Platz finden, dass auch die Raupen 
des Bombyx Yama Mai, welche Herr Professor Leuckart mir 
durch die freundliche Vermittelung des Herrn Dr. Brandt zu 
übersenden die Güte hatte, mit Arthrococcus erfüllt waren und 
einer der Gattine ähnlichen Krankheit erlagen. Ich nahm den 
Arthrococcus dieser Raupen in Kultur und erhielt in 14 Tagen 
schöne Vegetationen des Cladosporium herbarum Lk. und Rhizopus 
nigricans Ehrenb. Es ist also der Arthrococcus des Bombyx 
Yama Mai ebenfalls durch Pleospora herbarum Rab. erzeugt. 
Ausserdem leidet diese Raupe auch an der Muscardine, wie wir 
oben sahen. 


Bei diesen Zuchten, ebenso aber bei mehren der früher er- 
wähnten, beobachtete ich, dass bei eintretender Gährung und Ver- 
wesung das Cladosporium die Schimmelform des Penicillium (grande 
m) annimmt und dass diese bei üppigem Boden ein sehr zierliches, 
dünnstämmiges Coremium bildet. Ich habe in einer den Stamm- 


Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 351 


bildungen der Schimmelpilze gewidmeten Arbeit*) nachgewiesen, 
dass das Coremium glaucum früherer Autoren nichts Anderes ist 
als eine Stammbildung des Penicillium crustaceum Fries. De 
Bary bestätigt dieses Verhältniss, freilich ohne meiner Arbeit 
zu erwähnen **). Genau ebenso verhält sich die Schimmelform 
des Cladosporium, die ich als Penicillium grande von jenem ge- 
wöhnlichen Penicillium erustaceum unterschieden habe. Hier sind 
aber die Stämmchen der Coremium-Form weit höher, dünner und 
schlanker, nicht selten verästelt. Auffallend war mir, dass diese 
schlanken Stämme sehr starke Krümmungen gegen das Licht aus- 
führen. Es geht nun aus dem Vorstehenden hervor, dass zwar 
die Pleospora herbarum Rab. unwiderleglich als die eigentliche 
Ursache der Gattine anzusehen ist, dass aber die Krankheit ihren 
epidemischen Charakter durch die Verschleppung des Pilzes durch 
das Laub erhält. Es folgt ferner aus obiger Darstellung, dass 
schlechtes Futter, unreine Luft, unreines und feuchtes Zuchtlokal 
die Seuche verschlimmern, während aus demselben Grunde er- 
klärlich wird, weshalb die Gattine in nassen Jahren verderblicher 
aufzutreten pflegt als in trocknen. 


b) Krankheiten der Haussäugethiere. 
Hundswuth (Taf. VI Figg. 10. 41). 

Im Blut des tollen Hundes hatte ich Micrococcus gefunden, 
dessen Cocci meist überaus klein waren. Ich kultivirte denselben 
zuerst in der Camera humida, um die etwaige Weiterentwickelung 
der Cocci zu konstatiren. In den ersten Tagen sieht man den 
Micrococcus noch häufig in Zweitheilung begriffen, so dass er sich 
stark vermehrt. Bald aber hört die Theilung an manchen Stel- 
len auf und die Cocei vergrössern sich allmählig (Fig. 41 A 
Bat v7). 

Hat die Aussaat mit der nöthigen Vorsicht stattgefunden, 
so haben die Zellen zum Theil schon am 4. bis 5. Tage ihre 
volle Grösse erreicht und ihren Durchmesser um das 10—20fache 
verdoppelt. Sie vermehren sich jetzt durch Sprossung, wobei die 
Glieder sich bald von einander trennen oder kettenförmig ver- 
bunden bleiben. Ihre Vermehrung geht ungemein rasch. Am 


*) E. Hallier, Die Stammbildung der Schimmelpilze. Botan. Zeitung 
1866 Nr. 50 Tafel 13. 

**) Botanische Zeitung 1867 Nr. 2 8. 11. 

1.3; 93 


352 Hallier, Die Parasiten der Infectionskrankheiten. 


5. bis 6. Tage sieht man das ganze Gesichtsfeld mit hormiscium- 
ähnlichen Ketten erfüllt, wie Fig. 41 C Taf. VI sie andeutet. 
Etwa am 8. bis 10. Tage findet eine neue Veränderung statt. 
Die Zellen hören hie und da auf zu sprossen, wachsen dagegen 
abermals (C Fig. 41 Taf. VI) so bedeutend, dass sie ihren Durch- 
messer um das 2—3fache vergrössern. Einzelne strecken sich 
dabei in die Länge zu Keimfäden (C Fig. 41). 


(Fortsetzung folgt im nächsten Hefte.) 


Ueber mehrtheilige und schieftheilige Schizospo- 


rangien bei Puccinia graminis Pers. 


Von 
J3. Zorn. 


(Figur 42 Tafel VI.) 


Es dürfte wohl in mehrfacher Hinsicht nicht als überflüssig 
erscheinen, hier auf eine Erscheinung aufmerksam zu machen, 
die mir bei der Präparation von diesjährigen Schizosporangien 
der Puccinia graminis Pers.. von Gerste und Roggen entnommen, 
recht zahlreich entgegentrat. Man hat bekanntlich die Uredineen, 
Rostpilze, auch nach der Kammern- oder Scheidewand-Zahl ihrer 
Sporangien in Gattungen zerfällt, so dass zu Uromyces die un- 
eetheilten, zu Puccinia die einmal, zu Triphragmium die zweimal 
und zu Phragmidium die noch öfter getheilten gehören. Demnach 
nun würden Formen von Puceinia graminis Pers., wie ich sie 
eben in ziemlicher Häufigkeit fand und von denen Fig. 42 nur 
etliche wenige vorführen will, schwerlich an die rechte System- 
stelle zu stehen kommen, denn sie sind nicht nur zweimal, son- 
dern oft sogar dreimal getheilt, so dass sie, anstatt zwei Kammern 
(Sporen), deren drei und vier zeigen. Namentlich dann könnte 
aus der nur zu oft starren Nichtbeachtung solcher Modificationen 
etwelche Verlegenheit entstehen, wenn eine dieser mehrkammerigen 
Sporangien, wie das bei mykologischen Arbeiten nicht selten vor- 
kommt, in ein Präparat eingedrungen ist, dessen Natur erst fest- 
gestellt werden soll. Will ich nun auch mit diesen Daten durch- 
aus nicht am Systeme rütteln — denn die nur einmal getheilte 
Form herrscht unleugbar als normale vor, und zweitens hiesse 
das da Splitterrichten, wo noch mächtige Balken stecken —, so 
sind doch jene Modificationen häufig genug, dass der Gattungs- 
Diagnose der Zusatz nirgends mehr mangeln sollte: gar nicht sel- 


oO x 
Dae 


354 Zorn, 


ten auch zwei- und mehrtheilig. Solche Formen nun zeigt die 
schon aus wenig Präparaten so reichhaltig zusammengestellte Fig. 
42 neben der normal einkammerigen a in b, c, d, e und i als 
zweimal und in f, g, h und k als dreimal getheilte. Wie man 
übrigens bei i in gestaltlicher Hinsicht und in der Wirklichkeit 
auch nach dem Färbungsübergange aus dem Braun in’s Wasser- 
helle — noch geneigt sein durfte, die unterste Zelle noch als 
Spore und nicht als Basidium mitzuzählen, so dürfte in d und i 
die Andeutung einer Querwand innerhalb des letzteren gleichfalls 
noch Beziehung haben zur Ausbildung überzähliger Theilung. 

Wichtiger nun als die Frage, ob letztere sich in den aber 
wahrscheinlich nur seltenen Fällen noch höher zu steigern ver- 
möge, als unsere Figur sie zeigt, bleibt das zweite Moment, das 
aus dieser sofort in die Augen fällt. Ich meine das Auftreten 
von winklig zu einander gestellten Scheidewänden. Schon in h 
sind die Wandebenen nicht ganz parallel, in d und c aber treten 
entschieden spitze Winkel auf und in c, i und k sogar rechte. 
Vor allen Dingen sind i und k ganz abnorme Gestalten, die sich 
an Stelle von Querwänden theilweise entschiedene Längswände 
gestattet haben. Verräth auch in h und stärker noch in ce, d und 
e die Verkrümmung der Sporangien den wahrscheinlichen Grund 
der nun schiefen Wandstellung, nämlich den Mangel an Raum 
innerhalb des Bildungslagers, des Stroms, so dürfte doch für i 
und k solch eine Erklärung nicht ohne etlichen Zwang thunlich 
sein. Wenn man aber auch das zugeben und deshalb und wegen 
der grösseren Seltenheit für die schiefe Wandstellung keinen 
Zusatz für die Gattungsdiagnose fordern will, — so wird doch 
zurückgreifend Niemand versuchen, auch für die Mehrtheilung der 
Sporangien, Verkrüppelung und Krankheit als Grund aufzustellen. 
Hier bei dem grösseren Reichthume an Sporen scheinen wir es 
vielmehr entschieden mit einer ganz normalen Gestaltung zu thun 
zu haben, hervorgerufen durch einen recht günstigen Nährboden. 
Wie der von durchschlagender Bedeutung für die Gestalt der 
verschiedenen Morphen eines Pilzes ist, so muss er auch noch 
Bezug haben auf die kleinere Wandelbarkeit innerhalb desselben 
Organs. Wir sind eben im Reiche der grössten Wandelbarkeit! — 
Vielleicht auch, dass die atmosphärischen Verhältnisse, wie sie 
das Jahr 1869 allerorten der Pilzwelt geboten hat, der Fülle je- 
ner Formen besonders günstig war, was freilich mindestens nahe- 
zu auf ein und dasselbe hinauslaufen dürfte. 


Ueber mehrth. u. schiefth. Schizosporangien u. s. w. 355 


Ausdrücklich hebe ich noch hervor, dass in unserer Fi- 
gur die Zahl der schiefkammerigen durchaus in keinem Ver- 
hältnisse zu der der mehrkammerigen überhaupt stehen soll; 
jene sind, wenigstens in den entschiedeneren Gestalten, seltner 


als diese. 


Arbeiten der landwirthschaftlichen Versuchs- 
station Jena. Abtheilung für zoopathologische 
und zoophysiologische Versuche. 


Mitgetheilt vom Medicinalassessor Dr. Zürn. 


T. 


Herr stud. oec. M. hatte die Güte, mir einen Kreuzschnabel 
(Loxia curvirostra) zu überbringen, welcher unter den Flügeln 
und an der Unterbrust mehrere erbsen- — bohnengrosse gelbliche 
Cysten sitzen hatte. Machte man eine derartige Cyste auf, so fand 
sich in derselben eine feinkörnig aussehende, gelbweisse Masse 
vor, die sich bei mikroskopischer Untersuchung aus Hunderten 
und aber Hunderten von Krätzmilben und deren Eiern bestehend 
erkennen liess. 

Diese Milbe, deren Grösse auffällt, musste als Sarcoptes ni- 
dulans Nitsch. bestimmt werden. Nach meiner Beobachtung 
hat dieselbe folgende charakteristische Merkmale: 

Rundlichen schildkrötenförmigen Körper ; Kopf abgesetzt 
mit 4 Kieferhälften-Paaren; 2 Palpen, an deren Spitze 
drei starke nach abwärts gekrümmte, theilweis ausge- 
zackte, Haken befindlich sind; 8 Beine, 1. u. 2. Paar mit 
stark gebogenen Krallen versehen. Zwischen den beiden 
Haken der Kralle gehen vom Fussende aus mehrere feine 
Borsten, die kammartig gelagert sind. Einzelne Borsten 
und Haken oberhalb der Fussenden an den Gliedmassen. 
Tulpenförmige Haftscheiben, wie sonst bei dem Sarcoptes 
vorkommen, sind nicht wahrzunehmen gewesen; einzelne 
der feinen Borsten, die zwischen den Krallengliedern her- 


Arbeiten der landwirthsehaftl. Versuchsstation Jena. 357 


vorstehen, zeigen jedoch an ihren Enden keulige Ver- 
dickung. Die Hinterfüsse (2 hinteren Fusspaare) sind 
klein, wie verkümmert, mit sehr langen (3—4) Borsten 
versehen. Haut rillig mit verschiedenen Borsten und 
und Schuppen besetzt. 

Längsdurchmesser des Männchens 0,22 Mm. Querdurchmesser desselben 0,18 Mm. 
— — —  desWeibchens 089Mm. —- — — — 0,31 Mm. 
— —. — der Kier 0,47—0,241Mm. — — -— d. Kier 0,15—0,17 ,, 

Die Membran der oben erwähnten Cysten war aus Binde- 
gewebe construirt. Die Milben, welche sich auf dem betreffen- 
den Vogel angesiedelt haben, hatten die Epidermis durch- und 
die Cutis ziemlich weit angebohrt nnd dadurch Bindegewebswuche- 
rung veranlasst. In dem neuerzeugten Balge hatte die Fortpflan- 
zung der Thiere stattgefunden und waren die Eier gelegt worden. 

Es wurden verschiedene dieser Sarcoptiden auf die Haut 

eines Hundes, eines Schafes und eines Kaninchens (die zu anderen 
Versuchen noch benutzt wurden) übertragen. Beim Schaf und 
Hund starben sie sehr bald ab, ohne auf die Haut ihrer neuen 
Wirthe den geringsten schädlichen Einfluss ausgeübt zu haben; 
beim Kaninchen blieben die Milben länger leben, erzeugten auch 
eine ziemliche Hautröthung, verursachten weiter — wie es schien — 
dem Thiere Juckgefühl, doch hielt die Röthung nicht lange an 
und nach 6 Tagen war keine Spur einer lebenden Milbe mehr zu 
finden, ebenso wenig war auf der Haut des Kaninchens eine krank- 
hafte Veränderung zu bemerken. 

Sonach scheint der bei Vögeln häufiger vorkommende Sar- 
coptes nidulans bei Säugethieren keine Räude erzeugen zu können. 


IL. 


Nachdem Professor Dr. Roloff in Halle im Juliheft der 
Zeitschrift des landwirthschaftlichen Centralvereins der Provinz 
Sachsen in tiberzeugender Weise darauf aufmerksam gemacht 
hatte, wie die Traberkrankheit, jene so sehr gefiirchtete, in ihrem 
Wesen und beziiglich ihrer Ursachen noch so wenig richtig ge- 
kannte Krankheit der Schafe nicht allein — wie man bisher an- 
genommen — 

„nur ein Rückenmarksübel sei, sondern dass beim Traber 
das Gehirn im hohen Grade mitleide, dass ferner aus vie- 
len triftigen Gründen als wahrscheinlich angenommen wer- 
den müsse: Larven 


358 Zürn, 


der Schafbremse (Oestrus s. Cephalomia ovis) seien die 
erste Ursache der Traberkrankheit. Diese Annahme würde 
durch Folgendes begründet. Es stehe zunächst fest, dass 
bei vielen traberkranken Schafen Bremsenlarven in den 
Stirnhöhlen gefunden worden und man könne annehmen, 
dass die in der Schleimhaut jener Höhlen vorhandene und 
durch die Larven verursachte heftige Entzündung sich 
neben den Riechnerven durch das Siebbein auf die weiche 
Hirnhaut und von da aus in abnehmendem Grade auf 
weiche Haut des Rückenmarks und auf die Scheiden 
der Nervenwurzeln fortsetze, 

musste man es für geboten halten, Untersuchungen über die Tra- 

berkrankheit, im Sinne obengenannter thierärztlicher Autorität, 

anzustellen. 

Für den Verfasser dieser Mittheilungen war es recht schwer, 
sich ein traberkrankes Schaf zu verschaffen, einmal weil die Krank- 
heit in hiesiger Gegend fast gar nicht vorkommt und dann, weil 
anerkanntermassen diejenigen Herrn Landwirthe, welche in ihren 
Zuchtschäfereien die Traberkrangheit als constantes Uebel haben, 
leider nur sehr selten dahin zu bringen sind, überhaupt eine 
Mittheilung über das Vorhandensein der fraglichen Krankheit in 
ihrer Heerde zu machen (auch wenn sie überzeugt sein können, 
dass eine derartige Mittheilung streng als Geheimniss behandelt 
wird und dieselben sonst bezüglich anderer, doch ähnlicher Vor- 
kommnisse — wo ebenso gut Discretion nöthig — emem das 
volle Vertrauen schenken), noch viel weniger gern aber ein traber- 
krankes Thier zu einem Curversuch oder zu einer Untersuchung 
abgeben. 

Nach vielen Bemühungen gelang es endlich, em passendes 
Thier zu acquiriren. 

Ein dreijähriger traberkranker Hammel wurde mir durch 
die Freundlichkeit des Herrn Rittergutsbesitzers B. in P. zur 
Disposition gestellt. In P. wird eine sogenannte Göllschäferei *) 
getrieben. Das Gut liegt in der Nähe von kleineren Waldungen 
und die Weidereviere oft dicht an den Hölzern. 

Die Bremsenlarvenkrankheit ist in hiesiger Gegend bei Scha- 
fen nicht selten, auch in P. finden sich oft Oestruslarven in den 
Stirn- und Nasenhöhlen der Schafe. 


*) Gelte-Schäferei. 


Arheiten der landwirthschaftl. Versuchsstation Jena. 359 


Der betreffende im leidlichen Nährzustande befindliche Ham- 
mel befand sich noch nicht in einem vorgerückten Stadium der 
Traberkrankheit. Meinen Erfahrungen nach sind die ersten Sym- 
ptome dieses noch vollkommen räthselhaften Uebels: Schreck- 
haftigkeit bei lauten Geräuschen u. s. w.; 6fteres Zittern an ein- 
zelnen Körpertheilen (namentlich auch mit den Ohren); Zusammen- 
knicken und am Boden Liegenbleiben der Patienten, wenn man 
sie mässig in die Höhe hebt und dann wieder fallen lässt; breit- 
spuriger, etwas steifer Gang mit den hinteren Gliedmassen, die 
Thiere vermögen jedoch noch gut zu galoppiren und leidlich zu 
springen; eigenthümlich veränderte Stimme, ich möchte diese Verän- 
derung am liebsten „leichtes Heiserwerden“ bezeichnen. Juckreiz, 
Scheuern und Gnubbern am Hintertheile habe ich nie zu Anfang, 
immer erst im weiteren Verlauf der Traberkrankheit auftreten sehen, 
sehr oft kommen sogar vollkommene Traber vor, die nicht die 
Spur von Juckempfindung im der Kreuzgegend wahrnehmen lassen. 

Die erstgeschilderten Symptome, zeigte denn auch der Ham- 
mel, als er mir überliefert wurde. 

Ich nahm an demselben die Trepanation der Stirnhöhlen und 
zwar an den gewöhnlichen Stellen vor, ausserdem dann rechter- 
seits, etwas weiter nach oben, die Eröfinung desjenigen Theiles 
der Stirnhöhle, welcher unmittelbar unter dem Hornfortsatz des 
des Stirnbeins liegt. 

Es fand sich keine Spur einer Bremsenlarve und 
in keiner Weise eine krankhafte Veränderung der die 
Stirnhöhlen auskleidenden Schleimhaut. 

Der betreffende Hammel wurde noch geraume Zeit auf der 
Versuchsstation gehalten. Die vorgenommene Operation schien 
denselben nicht wesentlich irritirt zu haben. — Nach und nach 
kamen auch die bedeutenderen Kennzeichen der Traberkrankheit 
zum Vorschein. Schwäche im Kreuze, Unvermögen zu galoppiren 
und zu springen, der charakteristische eigenthümliche Trabgang 
u. Ss. w. waren zu beobachten. Ferner stellte sich jetzt — wenn 
auch nicht bedeutend — Juckgefühl im Kreuze ein; der Patient 
versuchte zuweilen sich an dem Gatter seines Stalles zu reiben, 
sehr selten habe ich ihn gnubbern sehen. Bei den Scheuerver- 
suchen sank der Hammel oft auf das Hintertheil nieder und ver- 
mochte dann erst nach einiger Zeit und mit Mühe sich wieder 
zu erheben. Auch wenn der Traberkranke aus dem Stall ge- 
nommen, auf den Hof gejagt und zum schnelleren Gehen ver- 


360 Zürn, 


anlasst wurde, kam es zuweilen vor, dass derselbe — in Folge 
der grossen Schwäche im Hintertheile — hinfiel. Die Fresslust 
hatte nur wenig bei dem Thiere abgenommen, doch war das Thier 
recht mager geworden. 

Dasselbe wurde endlich durch Oeffnung der Carotiden ge- 
tödtet. Die Section ergab: das Rückenmark war in seinem hin- 
teren Theile, da, wo es in den sogenannten Pferdeschweif über- 
geht, etwas weicher, als der Norm entspricht. Die weiche Haut 
des Rückenmarkes an derselben Stelle etwas vermehrt injicirt, 
ausserdem schien mehr seröse Flüssigkeit im kückenmarkskanal 
zu sein, als man sonst zu finden pflegt. Diese ganz geringen 
pathologisch-anatomischen Vorkommnisse waren das Einzige, was 
man vernünftigerweise mit der Krankheit in Zusammenhang brin- 
gen konnte. Auch die mikroskopischen Untersuchungen sowohl 
frischer als in Chromsäurelösung erhärteter Präparate liessen mich 
nichts Besonderes erkennen. Doch räume ich gern ein, dass meine 
Kenntnisse in der mikroskopischen Anatomie nicht so weit gehen, 
ganz geringe und winzige Veränderungen an so difficilen Präpara- 
ten, wie die vom Rückenmark sind, ohne Weiteres herauszufinden. 

Abnormales war. ausser den genannten Veränderungen, im 
sanzen Körper nicht vorzufinden, ich müsste denn in dieser Be- 
ziehung die Kennzeichen der Abzehrung und einen taubeneigrossen 
Cysticercus tenuicollis (langhalsige Finne), der im Netz des Thieres 
seinen Sitz aufgeschlagen hatte, als erwähnenswerth betrachten. 

Jedenfalls aber war weder ein Erkranktsein des 
Gehirns vorhanden, noch fanden sich Oestruslarven 
in irgend einer der Kopihöhlen vor, ebensowenig aber 
Veränderungen an der Schleimhaut der Stirn- und 
Nasenhöhlen, die auf die frühere Anwesenheit von 
Bremsenlarven hätten gedeutet werden können. 

Und doch war das Versuchsthier unzweifelhaft traberkrank 
gewesen! 

Es kann mir nun nicht einfallen, aus den gewonnenen Resul- 
taten dieses einzigen Falles zu schliessen, dass die von Professor 
Roloff aufgestellte Theorie über Entstehung der Traberkrank- 
heit falsch sei. Ganz gewiss können darüber nur sehr vielfältige, 
genaue und sorgsame Untersuchungen endgültigen Aufschluss geben. 
Ich veröffentliche Obiges auch nur, weil ich annehme, dass — bei 
der Wichtigkeit der Krankheit, bei dem Interesse, welches jeder 
Landwirth und Thierarzt für die alle Beachtung verdienende, auf 


Arbeiten der landwirtbschaftl. Versuchsstation Jena. 361 


höchst interessante Beobachtungen und Erfahrungen gegründete 
Hypothese Professor Roloff’s haben muss — auch Beobachtungen 
über einen einzigen Fall ihren — wenn auch geringen — Werth 
haben. 

Will man aber auf die oben erzählten Thatsachen für oder 
wider die Roloff’sche Ansicht einen Schluss zu bauen wagen, 
so ist blos zweierlei anzunehmen möglich, nämlich 

1) Die Traberkrankheit wird durch ganz andere Ur- 
sachen erzeugt, als dureh die Einwanderung von 
Bremsenlarven in die Stirnhöhlen der Schafe, oder 
der Hammel, welcher das Objekt obiger Unter- 
suchungen war, hat (worüber angestellte Recherchen 
keine Auskunft gaben) die Traberkrankheit ererbt. 
(Professor Roloff sagt im seinem in der Zeitschrift des 
landwirthschaftlichen Centralvereins der Provinz Sachsen, 
Juliheft 1868, publicirten „Zur Entstehung der Traber- 
krankheit‘ überschriebenen Aufsatz: 

„Es soll gar nicht in Abrede gestellt werden, dass die 
bei der Traberkrankheit ursprünglich durch Bremsen- 
larven hervorgerufenen krankhaften Veränderungen iin 
Gehirn und Rückenmark sich so zu gestalten vermögen, 
dass sie weiterhin durch Vererbung fortgepflanzt werden 
können‘). 


bo 
_— 


BER 

Nach den Untersuchungen von Pagenstecher in Heidel- 
berg, von verschiedenen Aerzten in Wien (Wiener Comite zur 
Erforschung der Naturgeschichte der Trichinen) und von Colin 
sollen Trichinen auf Fliegenlarven übertragen werden können; 
doch sollen die durch Verfüttern trichinösen Fleisches an Fliegen- 
larven übergeführten Trichinen sehr rasch von den Larven ver- 
daut werden; angegeben wird sogar, dass in einem Falle ein Ka- 
ninchen, zur Aufnahme trichinenhaltiger Fliegenlarven gezwungen, 
durch diese vollständig trichinös geworden sei. Herr Dr. Pf. in 
W. hatte die Güte, der hiesigen landwirthschaftlichen Versuchs- 
station sehr stark trichinenhaltiges Fleisch von einem Schweine, 
welches letzteres durch einen Fleischbeschauer in W. als trichinen- 
haltig aufgefunden und in Folge dessen von der dortigen Polizei 
confiscirt worden, zu übersenden. Mit demselben wurden 2 Ka- 
ninchen gefüttert. Das eine derselben wurde 52 Tage nach der 


362 Zürn, 


Fütterung getödtet. Es fand sich, dass die Muskeln desselben 
hochgradig mit Trichinen durchsetzt waren. In jedem kleinen 
Präparat aus dem muskulösen Theil des Zwerchfells fanden sich 
3—11 Stück der Parasiten. Die Trichinen waren bereits einge- 
kapselt. — Das Versuchsthier hat niemals eine Spur von Unwohl- 
sein zu erkennen gegeben. — Der Kadaver des Kaninchens wurde 
in einen gut vergitterten Kasten gelegt (so dass Katzen und der- 
gleichen Thiere nichts von demselben rauben konnten) und in’s 
Freie gesetzt. Zahlreiche Fliegen der verschiedensten Art legten 
ihre Eier auf den Kadaver und massenhaft bildeten sich Larven 
aus, die das Fleisch des Kaninchens durchwühlten. 

Von diesen Larven sind zu verschiedenen Zeiten und zwar 
sehr genau, in Summa circa 150 Stück mikroskopisch untersucht 
worden und hat sich in keiner einzigen eine Trichine 
auffinden lassen! 

Der etwaigen Finwendung, dass die in dem Kaninchenfleische 
befindlichen Trichinen nicht so vollständig entwickelt gewesen 
seien, dass eine Uebertragung möglich (nach Fuchs, Pagen- 
stecher, Kühn ist eine Infektion durch zu Junge Muskeltrichi- 
nen nicht zu bewerkstelligen), muss ich gleich jetzt dadurch be- 
veonen, dass die in den Muskeln des Versuchs-Kaninchens vor- 
handenen Trichinen ausgebildet waren, was schon ihr Eingekapselt- 
sein beweist; aber sie hatten auch die Grösse, welche man für 
ausgebildete Muskeltrichinen als erforderlich hält”), nämlich eine 
Länge von 0,s—1,0 Mm. und eine Breite von circa 0,045 Mm. — 

Bei dieser Gelegenheit möchte ich auf Nachfolgendes noch 
aufmerksam machen. 

Durch die sehr interessanten und wichtigen UntersiGnmees 
vone-Pagenstecher, welche in der Zeitschrift für wissenschaft- 
liche Zoologie von Siebold und Kölliker XIV. Band 8. 401 
veröffentlicht sind, steht es fest: 

„dass im Inneren der Larve einer Diptere, vermuthlich 
einer Cecidomyide eine zweite Generation von Larven auf 
ungeschlechtlichem Wege erzeugt wird.“ 

Obschon man solche Larven, welche im Leibe ihrer Mutter- 
larven auf ungeschlechtlichem Wege entstehen (und dieser merk- 
würdige Fortpflanzungsprocess dürfte auch bei andern Larven 


*) Vergl. Mittheilungen des landwirthschaftlichen Institutes der Universi- 
tät Halle. Prof. Kühne: Untersuchung über Trichinenkrankheit der Schweine. 


Arbeiten der landwirthschaftl. Versuchsstation Jena. 363 


als denen einer Cecidomyide vorkommen) nicht leicht mit Tri- 
chinen verwechseln kann, so kann vielleicht doch dieser Hinweis Die- 
jenigen, welche weitere Experimente mit Trichinisirung der Flie- 
genlarven anstellen wollen, vor etwaigen Täuschungen bewahren. 


IV. 

Da im Jenaischen Bezirk die Taenia mediocanellata bei Men- 
schen häufig, hingegen noch nie ein Landwirth oder ein Fleischer 
u. s. w. hiesiger Gegend bei einem ausgeschlachteten Rinde Cy- 
sticercen der genannten Tänie gesehen haben will, man sogar 
hier heftig zu bestreiten versucht hat, dass überhaupt Finnen 
beim Rind vorkämen, die in Zusammenhang mit dem oben ge- 
nannten Bandwurm stehen könnten, so fütterte ich am 6. August 
c. a. ein 3 Monate altes, gesundes, weibliches Kalb mit 57 Pro- 
. glottiden emer Taenia mediocanellata, die am 5. August von 
einem Menschen abgetrieben und mir in Folge der Güte des 
Herrn Geheimen Hofrath Dr. Gerhardt hier übermittelt wor- 
den war. Ich hatte zunächst die Absicht, ausgebildete Finnen 
in den Muskeln des Versuchsthieres zu erziehen, einestheils 
um den sich für derartige Fütterungsversuche Interessirenden 
diese Blasenwürmer zeigen zu können, anderentheils um Zweiflern 
ad oculos zu demonstriren, dass es Rinds-Finnen giebt und dass 
diese mit dem Bandwurm des Menschen, welchen wir Taenia 
mediocanellata nennen, in (demselben directen Zusammenhange 
stehen, wie die Schweinefinne mit dem ebenfalls beim Menschen 
vorkommenden Bandwurm, der Taenia solium heisst. 

Normaltemperatur des Kalbes war am Tage der Fütterung 
= 39,2°Cels. Schon am 4. Tage nach der Fütterung, also am 
14. August, stellte sich bei dem Versuchsthiere eine höhere Tem- 
peratur ein, nämlich 40,0° Cels. Das Kalb frass auch an diesem 
Tage wenig, zeigte einen etwas aufgeregten Puls, einen aufgetrie- 
benen Bauch, ferner beim Drücken an die Bauchwandung gab es 
Schmerzempfindung durch Stöhnen zu erkennen. Noch am selben 
Tage sank die Temperatur wieder auf 39,2°C. Anderen Tages 
wurde das Kalb wieder munterer, frass auch etwas und zeigte 
bis zum 15. August ausser Schmerzen beim Drücken an die 
Bauchwände und ausser leichtem Fieber (mit Temperaturerhöhung 
bis zu 40,3°C.) keine anderen wesentlichen Krankheitssymptome. 
Am 15. August stellte sich jedoch stärkeres Fieber ein (Tempe- ~ 
ratur = 40,7°C., Pulsschläge = 86, Athemzüge = 22 in der 


364 Zürn, 


Minute). Das Thier verlor seine Fresslust, die seit dem 11. Au- 
gust wieder leidlich vorhanden gewesen war, fast ganz. Es lag 
viel, stöhnte und ankte. Gewaltsam bewegt zeigte das Thier 
steifen Gang und sichtlich hatte es Schmerzen bei der Bewegung. 
Zuweilen sank es bei derselben in die Vorder-Kniee. Das Fieber 
nahm bis zum 23. August sehr zu (Temperatur bis 41,8°C.), mit 
ihm die Mattigkeit und Hinfälligkeit des Thieres, welches fast 
fortwährend lag, sich kaum ohne Hülfe erheben konnte und nur 
etwas Gesöff (mit Schrot) aufnahm. Durchfällige Entleerungen. 
Vom 25. August an nahm die Temperatur nach und nach ab, sie 
sank am Todestag des Thieres — den 29. August — auf 38,2°. 
In den letzten Tagen seines Lebens war das Kalb liegen geblie- 
ben, nicht im Stande, trotz aller Mühe die es sich gab, aufstehen 
zu können, ja es konnte kaum den Kopf erheben, um ein Weniges 
von dem Gesöfl, welches ihm vorgehalten wurde, einzuschlürfen. 
Dabei war die Zahl der Herzschläge reducirt, vielleicht um 10 
Schläge in der Minute. Am 29. August war der Herzschlag auf- 
fallend verlangsamt, obgleich deutlich fühlbar und prallend. In 
den letzten Tagen seines Lebens hatte das Versuchsthier oft 
Athemnoth gezeigt, am Todestag selbst starke Dyspnoe, der Tod 
aber trat unter den Erscheinungen einer vollen Herzlähmung ein. — 
Die Temperatur des Kalbes wurde im After gemessen. 
9. August Morgens 39,2°Cels. Abends 39,2 Cels. 


10. ” ” 40,0 N „ ” 39,2 ” 
U Whe; » 39,8° „ „ II 
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26. 99 9? 40,3 ß er) 9 40,0 h 99 


Arbeiten der landwirthschaftl. Versuchsstation Jena. 365 


27. August Morgens 39,8° Cels. Abends 39,6 ° Cels. 
) Mittags a 
28. 9 9 39,9 ° ” \ Abends 39,0 ° 
29) ir A 388 Walk St! ved: Todes 
Die Messungen sind mit einem guten Thermometer, gewissen- 
haft, einmal wie das andere Mal gemacht worden und haben diese 
allerdings merkwürdige Temperaturcurve ergeben. 

Die hauptsächlichsten Sectionsmomente waren ähnlich denen, 
wie sie von Leuckart, von Simonds und Cobbold, namentlich 
aber von Mossler*) beobachtet wurden bei Kälbern, die man ge- 
flissentlich mit reifen Proglottiden der Taenia mediocanellata ge- 
füttert hatte. Es waren dies die pathologisch-anatomischen Kenn- 
zeichen der sogen. acuten Cestoden-Tuberculose. In der Bauch- 
und Brusthöhle etwas röthlich gefärbtes Wasser. Das Unterhaut- 
zellgewebe serös infiltrirt. Die meisten Muskeln röther gefärbt, 
als der Norm entspricht, an einigen der weiter unten genannten 
Muskeln einzelne, vollständig dunkelrothe Stellen. Im Muskel-. 
fleisch des Herzens zahllose, Tuberkeln ähnliche, rundliche Kör- 
perchen, 1,5—3 Mm. lang, 1—2,5 Mm. breit, von weissgelber Farbe, 
zu vielen Tausenden in den Herzmuskel eingesäet. Selbst die 
Querbalken der Herzkammern, ja sogar einzelne Fäden der Val- 
vulae trieuspidales und der Valvulae mitrales waren nicht ganz 
frei von diesen Körperchen geblieben, ebensowenig das Pericar- 
dium. In diesen Gebilden, die man als Cysten mit einem schmie- 
rigen, kreidigen, gelben Inhalt bezeichnen könnnte, lagen einge- 
bettet junge Finnen. Einzelne derselben waren von rundlicher 
Gestalt, die meisten aber von flaschenförmiger Form, im Inneren 
rundliche Zellen und Fetttröpfchen haltend, an der Peripherie mit 
einer Membran versehen, die mir Stäbchenbesatz zu haben schien. 
Kopfzapfen waren noch nicht vorhanden. Im Durchschnitte waren 
die flaschenförmigen Cysticercen: 0,557 Mm. lang, 0,326 Mm. breit 
(grösster Querdurchmesser). Vergl. Taf. II Fig. 43. 

Das Herz war also am reichlichsten mit den Finnen versehen. 

In den Respirationsorganen keine Spur von denselben; im 
Blute vermochte ich ebenfalls keine aufzufinden. 


27 


*) Mossler, Helminthologische Studien und Beobachtungen. Berlin, 
Hirschwald. — Die beiden Zeichnungen, welche dem Werkchen beigegeben, 
geben ein treues Bild von dem Herzen eines mit Cestoden-Tuberculose be- 
hafteten Kalbes. Ganz so wurde das Herz bei dem hiesigen Versuchsthier 
angetroffen. — 


366 Zürn, 


Obgleich nun kein Muskel am ganzen Körper ohne diese 
Parasiten gefunden wurde, so zeichneten sich doch einzelne ganz 
besonders aus. Je nach ihrem Gehalte an Cysticercen will ich 
sie der Reihe nach hier anführen: 

Musc. masseter extern. u. intern. (Innerer u. äusserer Kau- 
muskel). 

Muse. complexus. (Riicken-Oberhauptmuskel). 

Muse. splenius capitis et colli. (Milzförmiger Muskel). 

Muse. quadratus menti. (Kinnmuskel der Lippe). 

Muse. stylo-hyoideus. (Grosser Zungenbeinastmuskel). 

Muse. cerato-hyoideus. (Kleiner Zungenbeinastmuskel). 

Musc. hyo-glossus. (Zungenbeinmuskel der Zunge). 

Muse. hyo-thyreoideus. (Zungenbein-Schildmuskel des Kehl- 

kopfs). 

Muse. phrenicus. (Zwerchfell). 

Muse. obliquus extern. u. intern. (Aeusserer und innerer 
schiefer Bauchmuskel). — 


Will man aus dem ersten Unwohlsein des Versuchskalbes 
und der ersten höheren Temperatur, die sich am 10. August ein- 
stellten, einen Schluss auf die Auswanderungszeit des Bandwurm- 
embryonen machen, so würden in dem hier beschriebenen Falle — 
die letzteren also am 4. Tage nach der Verfütterung der Pro- 
glottiden (unter denen auch gewiss unreife waren) in die Mus- 
keln eingewandert sein. — 

Vor Kurzem erhielt ich einen Bandwurm zur Bestimmung 
zugeschickt, welcher von einem Herrn stammte, der mehrere 
Jahre in Asien gelebt hat. Dieser Herr behauptet: er könne 
erst in Asien von diesem Parasiten heimgesucht worden sein. 
Der Bandwurm wurde ihm vor einiger Zeit abgetrieben. Der 
Kopf der Tänie fehlte, dennoch konnte und musste sie als Taenia 
mediocanellata bestimmt werden. Die betreffende Person ver- 
sichert in Asien, nie rohes Rindfleisch, öfters aber halb gahr 
sekochtes oder rohes Schaffleisch genossen zu haben. 


Obschon nun Versuche, Schafe mit Eiern der Taenia mediocan. 
finnig zu machen, ohne Erfolg vorgenommen worden sind, so 
slaubte ich doch ein Schaflamm und ein Ziegenlamm mit den 
Gliedern einer neuen mir zur Verfügung gestellten, frisch abge- 
triebenen, Taenia mediocan. füttern zu müssen, um so mehr als ja 
unser grösster Helmintholog — Leuckart — die Vermuthung 


Arbeiten der landwirthschaftl. Versuchsstation Jena. 367 


ausgesprochen hat, dass ausser beim Rinde möglicherweise auch 
noch bei anderen Wiederkäuern die Finnen der Taenia medio- 
canellata gedeihen können. 

Die Versuchsthiere befinden sich jedoch jetzt, 14 Tage nach 
der Infection, noch ganz wohl und sind vollkommen gesund. 

Da man oft genöthigt ist, eme vom Menschen stammende 
Taenia zu bestimmen, von der kein Kopf vorhanden, so möchte 
ich darauf aufmerksam machen, dass nach meinen Beobachtungen 
die Taenia mediocanellata am besten erkannt wird und zwar 
in erster Linie: 


a) 


durch die Anfangs-Glieder (der Wurm reisst bei Abtrei- 
bungsversuchen gern nahe am Hals ab), die wie Rosen- 
kranzperlen an einem Faden hängend sich zeigen. Es ist 


‘ dies ein Vorkommniss, welches wir bei T. solium nicht 


b) 


¢) 


wahrnehmen können. (Küchenmeister: Articuli anterio- 
res clarius emarginati, in formam ,,Patris nostri“ dehis- 
centes, ex forma et crassitie simillimi articulis Taeniae cras- 
sicollis felium) ; 

lässt man Proglottiden auf einem Objectträger eintrock- 
nen, so findet man bei den Gliedern der Taenia medio- 
canellata viel leichter und schneller die Fortpflanzungs- 
organe als bei Taenia solium. Der kurze, dicke Penis und 
die pigmentirte Vagina der T.; medioc. treten nach dem 
Eintrocknen sofort prägnant hervor; 

durch die Eier; die bei der T. medioc. sind mehr oval, die 
der T. solium rund. Erstere meist mit der primordialen 
Dotterhaut versehen (worauf Leuckart ausdrücklich auf- 
merksam gemacht hat); 


in zweiter Linie: 


a) 


durch die feisten und breiten unreifen Glieder, die bei der 
Taen. solium fast niemals so breit sind, nämlich bis zu 
12—16 Mm. breit (doch zeichnen sich alte Exemplare der 
Taen. solium auch durch recht breite und dicke Glieder 
aus); 


b) durch die grössere Menge der Seitenzweige des Uterus 


und die Eigenthümlichkeit, dass diese Seitenzweige meist 
nur gabelig gespalten, nicht, wie bei T. solium, mehr den- 
dritisch verzweigt sind. 


Zwei weitere Fälle von Ohrpilzen. 


Mitgetheilt von 


Dr. med. R. Hagen. 


In Folge der mir vom Herrn Prof. Dr. Hallier gewordenen 
Aufforderung, ihm wo möglich auch ferner erlangtes Material zur 
Untersuchung und Cultur zuzusenden, verdoppelte ich meine Auf- 
merksamkeit auf derartige Parasiten des Ohres und war nach 
kurzer Zeit in der erfreulichen Lage, dem betr. Wunsche ent- 
sprechen zu können. 


Im Nachfolgenden erlaube ich mir zunächst, eine Beobachtung 
zu veröffentlichen, welche einen von dem im 2. Hefte dieser Zeit- 
schrift beschriebenen verschiedenen Ohrpilz betrifft, und daran 
einen zweiten Fall anzureihen, welcher, wie es den Anschein hat, 
einen mit dem vorläufigen Namen Otomyces Hageni bezeichneten 
Pilz identischen geliefert hat. 


Erste Beobachtung. 


Herr Rerd»L..... , 34 Jahre alt, Chemiker aus Reichenberg 
in Böhmen, ist schon seit seinem 12. Lebensjahre, angeblich in 
Folge einer Erkältung bei einem kalten Bade, schwerhörig und 
wird seit mehreren Jahren von subjectiven Gehörsempfindungen 
gequält. 

Patient ist bereits zweimal von einem Specialisten , jedesmal 
mit einem einige Zeit anhaltenden Erfolge, behandelt worden, 
und vermochte die später wieder eintretende Verschlimmerung 
seiner Hörfähigkeit immer einigermaassen durch das Valsalva’sche 
Experiment aufzubessern, so dass er im geselligen Verkehr nicht 
wesentlich gehindert war. 

Der Ausgangspunct des vorhandenen doppelseitigen chronischen 
Mittelohreatarrhes sollte nach Angabe jenes Specialisten eine be- 


Zwei weitere Fälle von Ohrpilzen. 369 


stehende catarrhalische Entzündung der Rachenschleimhaut sein, 
welcher Ansicht ich beipflichte. 

In der ersten Hälfte des August d. J. unternahm Patient, nach- 
dem er schon seit einigen Tagen von Kitzeln und Jucken in beiden 
Ohren gequält worden war, per Wagen eine Reise nach Prag. Am 
Morgen nach seiner daselbst erfolgten Ankunft erwachte Patient 
zu seinem „grössten Entsetzen‘ mit bedeutender ,,Dumpfheit des 
Gehöres“ und „Völle, Druck und flüchtigen Schmerzen in beiden 
Ohren“. 

„Der Verzweifelung nahe‘ reiste Patient sofort nach hier, um 
mich zu consultiren. 

Die am 11. August a. c. angestellte Untersuchung ergab 
Folgendes: 

Rechtes Ohr: Kein Ohrenschmalz. Hintere und untere Gehör- 
sangswand lebhaft geröthet. In der Tiefe des Gehörganges weisslich- 
gelbliche, die Besichtigung des Trommelfells hindernde, feuchte 
Massen. Hörweite: für die Repetiruhr Null, für laut gesprochene 
einzelne Worte 7“. 

Durch Ausspritzen werden losgestossene Hautlamellen ent- 
fernt. Hierauf sind die Hammertheile angedeutet und die Gegend 
derselben geröthet. Auch der obere, hintere und untere innerste 
Abschnitt des knöchernen Gehörganges ist lebhaft geröthet. Die 
hintere Hälfte des Trommelfelles ist sichtbar geworden, der hintere 
untere Quadrant gelblich, der obere grauweisslich, die vordere 
Trommelfellhalfte grauröthlich gefärbt. Nach ausgeführtem Cathe- 
terismus war die Hörweite auf 3° Repetiruhr und auf 14” laute 
Sprache gestiegen. 

Linkes Ohr: Der Gehörgang zum grössten Theil mit Ohren- 
schmalz und losgestossenen weisslichgelblichen Hautlamellen an- 
gefüllt. Hörweite: Repetiruhr beim Andrücken an die Ohrmuschel, 
7 für laut gesprochene einzelne Worte. 

Nach Ausspritzen ist das Trommelfell bis auf den vorderen 
unteren Quadranten sichtbar geworden; es ist mattglänzend, grau- 
weisslich und fast undurchscheinend. Die Hammertheile sind sicht- 
bar, die Hammergefässe stark injicirt, die Wände des Gehörganges 
lebhaft geröthet. Der Catheterismus ändert das Aussehen des 
Trommelfelles und die Hörweite nicht. 

Obschon der Befund des Inhaltes beider Gehörgänge den Ver- 
dacht auf eine Pilzwucherung in denselben lenkte und ich diese 
meme Ansicht dem Patienten aussprach, wollte ich doch, bevor 

24° 


370 R. Hagen, 


ich zur Beseitigung des Leidens schritt, in dieser Hinsicht noch 
eine grössere Gewissheit erlangen und übertrug deshalb die aus 
den Gehörgängen entfernten Massen auf verschiedene Apfelsinen- 
scheibchen. 

Patient, welcher sich ganz der Ansicht hingab, dass sein 
Leiden nur durch den vorhandenen Rachencatarrh bedingt sei, 
der durch eine vermeintliche Erkältung während der Reise eine 
Steigerung erfahren habe, suchte hierauf durch anhaltendes Schwitzen 
sein Leiden zu mildern, jedoch ohne allen Erfolg. 

Bei der am 13. August wieder vorgenommenen Untersuchung 
hatten sich im rechten Gehörgange und auf dem Trommelfelle 
wieder weisslichgelbliche, feuchte Auflagerungen gebildet. Sie 
hafteten sehr fest an den betr. Stellen und liessen sich durch Aus- 
spritzen nur zum Theil entfernen. Da, wo sie sich abgelöst hatten, 
erschien der Grund lebhaft geröthet. Das Trommelfell liess sich 
von der Auflagerung nicht befreien. Die Hörweite war für die 
Repetiruhr wieder auf Nuli und für laut gesprochene einzelne 
Worte auf 7 gesunken. 

Im linken Gehörgange und am linken Trommelfelle sah man 
nur stellenweise einen ganz dünnen, weisslichgelblichen, fast trocken 
erscheinenden Beleg, welcher indessen ebenfalls sehr fest anhaftete; 
an den von einem solchen Belege freien Stellen war eine lebhafte 
Röthe bemerkbar. 

Patient, immer noch von seinen oben angegebenen Beschwerden 
gequält, blieb, trotzdem dass ich die Existenz eines Pilzes bestimmt 
aussprach, seiner vorgefassten Meinung über den Grund seines 
Leidens treu und liess sich noch nicht zu der von mir vorgeschla- 
genen antiparasitischen Behandlung bereden. Er benutzte, wie 
ich später von ihm erfuhr, die beiden nächsten Tage dazu, öfter 
heisse Wasserdämpfe — wiederum ohne jeden Nutzen — in beide 
Ohren einströmen zu lassen. 

Am zweiten dieser beiden Tage hatte ich die Existenz eines 
‚Aspergillus in beiden Ohren auf den zur Aussaat benutzten Pro- 
ducten mikroskopisch erkennen können. Als ich gegen Abend dieses 
Tages, von dem Kranken in seine Hötelwohnung gerufen, die 
Ohren desselben nochmals untersucht und beide Gehörgänge min- 
destens bis über die Hälfte mit weisslichgelblichen feuchten Massen - 
erfüllt gefunden, ihm das Ergebniss meiner makro- und mikro- 
skopischen Untersuchungen mitgetheilt und mit grösster Entschieden- 
heit, wenn er nunmehr meinen Anordnungen nicht folgen wolle, 


Zwei weitere Fälle von Ohrpilzen. 371 


jede fernere Behandlung abgelehnt hatte, versprach der im höchsten 
Grade Verzweifelte, Alles zu thun, was ich von ihm verlangen würde. 

Noch hatte ich zu damaliger Zeit keine Kenntniss von Med.- 
Rath Dr. Hassenstein’s*) Empfehlung der Alkoholbehandlung 
des Aspergillus glaucus im äusseren Gehörgange erlangt. Ich ver- 
ordnete, eine wässerige Lösung von Kali hypermanganicum noch 
am selbigen Abend zweimal, und am Vormittag des nächsten Tages 
dreimal einzuträufeln. 

Am Nachmittag des letzteren Tages fand ich die Wände des 
rechten Gehörganges frei von Pilzwucherung, aber von der Ein- 
träufelung dunkelviolett gefärbt, und nur in der Tiefe noch eine 
gelblichweissliche Masse dem Trommelfell auflagern. Durch Ein- 
spritzen gelang es mir, die letztere in Gestalt einer Handschuh- 
fingerspitze zu entfernen. Hierauf war das Trommelfell deutlich 
sichtbar geworden, weisslichgrau getriibt; die Hammertheile waren 
nur angedeutet. 

Im linken Ohre sah ich nur Niederschläge des hypermangan- 
sauren Kali, aber nichts mehr vom Pilze. Durch Ausspritzen 
lösten sich die Belege meist ab und hierauf erschienen die Gehör- 
gangswände viel weniger als anfangs geröthet. Auf dem Trommel- 
felle haftete der Niederschlag so fest, dass er nicht vollständig 
entfernt werden konnte. 

Zwei Tage später sah ich den Kranken wieder. Im rechten 
Gehörgange war nichts Krankhaftes mehr und am Trommelfelle 
waren nur noch die Zeichen eines chronischen Catarrhes wahrzu- 
nehmen. Vom linken Trommelfell liessen sich die Reste des Nieder- 
schlages leicht entfernen und zeigte dies ebenfalls nur die Zeichen 
eines chronischen Catarrhes; der Gehörgang war gesund. 

In beiden Ohren waren die oben angegebenen subjectiven Be- 
schwerden verschwunden. Hörweiten: rechts: 5” Repetiruhr und 
20” für mittellaute Sprache (einzelne Worte und kurze Sätze); 
links: 2” Repetiruhr und 14° für mittellaute Sprache. 

Patient reiste hierauf überglücklich über den Erfolg der Be- 
handlung, frei von Kitzeln, Jucken, Völle und Dumpfheit in den 
Ohren, und mit der Versicherung, den früheren Zustand seiner 
Hörfähigkeit wieder erlangt zu haben, wegen seiner nahe bevor- 
stehenden Vermählung eiligst nach Hause ab. 

Sieben Wochen später stellte sich mein ehemaliger Patient 


*) In dieser Zeitschrift S. 111—113. 


372 R. Hagen, 


mir nochmals vor und sprach wiederholt seine volle Zufriedenheit 
mit dem Curerfolge aus. Der Zustand des Hörvermögens war der 
zuletzt angegebene geblieben. 

Eine Ursache für die Pilzbildung in den Ohren dieses Kranken 
liess sich nicht nachweisen; vielleicht dürften Einträufelungen von 
Olivenöl, welche vor der letzten Erkrankung öfter gemacht worden 
waren, zu beschuldigen sein. 

Hatte im vorliegenden Falle schon das makroskopische Bild 
einen Unterschied von dem im 2. Hefte dieser Zeitschrift von mir 
beschriebenen gezeigt, so liess mich auch die Cultur des Pilzes 
auf Apfelsinenscheibchen, auf welchen er blassblaugrüne Rasen 
bildete, unter dem Mikroskop eine wesentlich andere Aspergillus- 
form erkennen. Herr Prof. Dr. Hallier, welchem ich die Objecte 
überschickt habe, stimmt mir in dieser Hinsicht bei und wird die 
Güte haben, die Ergebnisse seiner Culturen und Untersuchungen 
beizufügen. 

Während in dem früher a. a. O. mitgetheilten Falle der Pilz 
unter dem einfachen Gebrauche des warmen Wassers allein gänz- 
lich verschwand und nur ein Ohr (das linke) von demselben er- 
griffen war, haben in diesem Falle, wo beide Ohren gleichzeitig 
erkrankt waren, sowohl das Schwitzen als auch das Einströmen- 
lassen von Wasserdämpfen die Pilzwucherung offenbar begünstigt 
und ist letztere erst dem, wenn auch nur kurzen, Gebrauche einer 
wässerigen hypermangansauren Kalilösung in wenigen Tagen völlig 
und auf die Dauer gewichen. 


Zweite Beobachtung. 


Herr Ge Rss; , 49 Jahre alt, Fabrikant wollener Waa- 
ren aus Reichenbach im Voigtlande, hatte sich mir bereits am 
11. und 20. Mai d. J. wegen einer schon seit mehreren Jahren 
bestehenden und in der letzten Zeit verschlimmerten beiderseitigen 
Schwerhörigkeit vorgestellt. 

Nach Entfernung eines Ohrenschmalzpfropfes aus dem rech- 
ten und eines Wattenpfropfes aus dem linken Gehörgange zeigten 
sich beiderseits die deutlichen Zeichen eines chronischen Catarrhes 
der Paukenhöhle. Die Tuben waren durchgängig. Der Rachen 
gesund. 

Die Hörweite hatte sich rechts für die Repetiruhr nicht ge- 
bessert, sie war und blieb 4”; links dagegen, wo die Repetiruhr 
anfangs nur beim Andrücken gehört worden war, wurde sie nach 


Zwei weitere Fälle von Ohrpilzen. 373 


Entfernung des Pfropfes und Anwendung des Catheterismus 5” 
weit gehört. Rechts hatte die Horweite für laute Sprache anfangs 
2!/,° und links 6” betragen; nach Entfernung der Pfröpfe und 
der Anwendung des Catheters war sie rechts auf 5° und links 
auf 8° gestiegen. Patient, mit diesem Erfolge zufrieden, gab die 
weitere Behandlung auf. 

Am 2. October d. J. jedoch stellte er sich wiederum vor und 
gab an, seit ca. 8 Tagen ohne bekannte Ursache im linken Ohre 
Jucken und Kitzeln gehabt und seit 2 Tagen etwas Absonderung 
wässeriger Flüssigkeit bemerkt zu haben. 

Die angestellte Untersuchung ergab Folgendes: 

Rechtes Ohr: Der frühere Befund. Hörweite: 9“ Repetiruhr 
und 8° mittellaute Sprache. 

Linkes Ohr: Hörweite: 5‘ Repetiruhr und 1° laute Sprache. — 
Der Gehörgang ist zum grössten Theile mit einer weisslichen, 
seidenartig glänzenden, filzartigen Masse angefüllt, so dass vom 
Trommelfell nichts zu sehen ist. Von einer Absonderung flüssiger 
Art war nichts zu entdecken. Mit einer Pincette liess sich nur 
wenig der eben beschriebenen Masse, welche auf mich mit Be- 
rücksichtigung des ähnlichen Befundes bei dem im 2. Hefte dieser 
Zeitschrift mitgetheilten Falle sofort den Eindruck eines Pilzmy- 
celiums machte, entfernen. Erst durch wiederholte Einspritzung 
gelang die vollständige Entfernung der betrefienden Masse. Die 
vorher von dem Pilz bedeckt gewesenen Theile des Gehörganges 
und das Trommelfell erschienen lebhaft geröthet und geschwellt. 
Die Epidermisschicht des Trommelfelles war so aufgelockert, 
dass von den Hammertheilen nichts zu erkennen war. 

Die Aehnlichkeit des Befundes in diesem und dem früher 
a. a. O. beschriebenen Falle war so gross, dass ich mich ohne 
Bedenken für das Vorhandensein eines Pilzes im Gehörgange ent- 
schied und demgemäss zu Instillationen mit einer wässerigen Lö- 
sung von Kali hypermanganicum (0,05 ad 30,0 Aq. dest.) entschloss. 

Nach zweitägigem Gebrauche dieser Lösung und erfolgter 
Ausspritzung waren der Gehörgang und das Trommelfell frei von 
Pilzwucherung, Proc. brevis und Manubrium mallei waren ange- 
deutet und das Trommelfell erschien weissgrau und ohne Licht- 
kegel. Die Hörweite war für die Repetiruhr unverändert, für 
laute Sprache aber auf 5° gestiegen. Das Kitzeln und Jucken 
waren verschwunden. 

Patient reiste hierauf in seine Heimath ab, mit dem Ver- 


374 R. Hagen, Zwei weitere Fälle von Ohrpilzen. 


sprechen, wenn in seinem Zustand irgend eine Verschlechterung 
einträte, sofort wieder nach hier zu kommen. Da seit der Ab- 
reise des Patienten von hier drei Wochen verstrichen sind, bin 
ich wohl berechtigt, ein Recidiviren der vorhanden gewesenen 
Affeetion auszuschliessen. 

Die aus dem linken Gehörgang dieses Kranken entfernten 
weissen Massen hatte ich zur Kultur auf ein Stückchen gekoch- 
ter Kartoffel ausgesäet und unter passendem Verschluss aufbe- 
wahrt. Nach 48 Stunden konnte ich mit unbewaffnetem Auge 
deutlich auf einem Theile des dem Kartoffelstückchen aufliegenden 
Versuchsmateriales ein weisses feines Filzgeflechte (Mycelium) sich 
entwickeln sehen. Nach weiteren 24 Stunden waren alle Theile 
desselben mit Mycelium bedeckt und bald darauf stellte sich eine 
fast grasgrüne Färbung des gezogenen Productes ein, sehr ähn- 
lich derjenigen, welche Herr Prof. Dr. Hallier in der Notiz zu 
meinem ersten von mir im 2. Heft dieser Zeitschrift veröffent- 
lichten Falle beschrieben hat. 

In diesem Zustande sandte ich das Object dem Herrn Prof. 
Hallier, welcher die Resultate seiner weiteren Culturen und 
Untersuchungen später mittheilen zu wollen, mir gütigst zugesagt hat. 

Wird durch die Culturversuche des Herrn Prof. Hallier 
nachgewiesen, dass der in diesem vorliegenden und in dem zuerst 
veröffentlichten Falle beschriebene Ohrpilz identisch ist, so lässt 
sich aus dem Vorkommen desselben an räumlich weit von einander 
entfernt wohnenden Patienten wohl mit Recht der Schluss ziehen, 
dass der diesem Ohrpilz zugehörige Ascomycet eine sehr grosse 
Verbreitung haben muss. 

Der Nachweis des Vorhandenseins einer oder der anderen 
Aspergillusart im Gehörgange mag allerdings dem Öhrenarzte zur 
Bestimmung seines therapeutischen Handelns genügen; es erübrigt 
aber noch, durch Culturversuche und fernere Untersuchungen 
festzustellen, welchem Ascomyceten diese verschiedenen Asper- 
gillusarten angehören. Eine Lösung dieser Fragen hat Wreden 
in seiner Arbeit gar nicht versucht. 

Ich werde fortgesetzt den Ohrpilzen meine ganze Aufmerk- 
samkeit schenken und, so oft es mir unter gütiger Mithülfe des 
Herrn Prof. Dr. Hallier möglich ist, über etwaige fernere Funde 
Mittheilung machen. 


Vorläufige Notiz zu vorstehender Arbeit. 


Von 


Ernst Wallies. 


Bei dem ersten von Herrn Dr. Hagen mitgetheilten Fall 
von Herrn F. L. fungirt die Aéroconidien-Morphe eines Pilzes, 
höchst wahrscheinlich eines Ascomyceten. Man würde sie nach 
der antiquirten Nomenclatur in die Gattung Aspergillus gestellt 
haben. Derselbe bildet blaugrüne Rasen. Die Fruchthyphen sind 
verästelt, olivengrün-blassbraun und selbst in’s Violette spielend, 
die Basidien bilden eine ziemlich plötzliche kugelige Anschwellung 
der Hyphen. Sie sind mit dunkelolivenbraunen Sterigmen besetzt, 
welche Ketten ziemlich kleiner, kugeliger, fast glatter Conidien tragen. 

Der Pilz spaltet, wie alle Aspergillen, auf nassem Boden seine 
Hyphen und wird dadurch einem Penicillium, bei ganz magerem 
Boden einem Acrostalagmus ähnlich. 

Die Form ist mir ganz unbekannt und lässt sich ein sicheres 
Urtheil über den Pilz erst durch eine Reihe von Culturversuchen 
gewinnen. Dieselben sind bereits eingeleitet, aber noch nicht zu 
einem befriedigenden Abschluss gelangt. 

Der zweite Fall, welchen Herr Dr. Hagen beschreibt, zeigt 
einen Pilz, welcher allerdings bis zur Ununterscheidbarkeit dem 
im zweiten Heft beschriebenen Otomyces Hageni ähnlich ist, je- 
doch liegt nur die Aéroconidien-Form zur Beobachtung vor, von 
welcher allein noch kein sicheres Urtheil sich gewinnen lässt. Es 
sind daher auch mit diesem Pilz Culturversuche eingeleitet. 


Parasiten bei Haematuria brasiliensis. 


Mittheilung von 


Dr. J. B. Umersperger in München. 


Wir haben bereits in Nr. 9 des Bayr. ärztl. Intelligenzblatts 
(vierte literar. Beilage vom 4. März 1869 S. 14) Bericht erstattet 
über ethnische Pathologie der Haematuria intertropicalis nach den 
Beobachtungen des Dr. Otto Wucherer in Bahia aus der 
Gazita medica da Bahia Nr. 57 vom 15. Dezember 1868 S. 97. 


Nr. 76 vom 50. Sept. 1869 S. 39 setzt uns nun in den Stand 
darüber genauere weitere Mittheilungen zu machen, welche gleich- 
zeitig als ein interessanter Beitrag „zur ethnopathologischen 
Parasitenkunde“ dienen können. 

In seinen ersten Notizen über Hematuria no Brazil, deren 
wir oben erwähnten, sprach sich Dr. Wucherer dahin aus, dass 
die in Brasilien beobachtete Krankheit von der in Afrika be- 
obachteten verschieden sei — ferner, dass Distomum hematobium 
ein Trematoide durch Bilharz bei der in Egypten vorkommenden 
Hämaturia beobachtet und auch von weiteren Beobachtern nach- 
gewiesen, bei Hämaturien in Brasilien nicht vorkomme (d. 1. 
Bilharzia haematobia von Cobbold, Gynaccophorus haematobius 
von Diesing). 

Diesen Ausspruch wiederholt und bestätigt nun Dr. Otto 
Wucherer durch nachstehende Beobachtung: Im Februar 1. J. 
begegnete er auf der Strasse Herrn J. N. P., weissen Brasilier, 
Kaufmann, verheirathet, gross, aber mager, von sanguinischem 
Temperamente, wohnhaft in Bahia, welcher ihm klagte, dass sein 
Urin seit einiger Zeit eigenthümlich trüb sei. Er gab ihm den 
Bescheid, ihm den Urin zuzuschicken. 

Er war früh Morgens seinen Geschäften nachgegangen im 
Zustande voller Gesundheit, musste aber, Beschwerden wegen, 


Parasiten bei Haematuria brasiliensis. rer 


heimkehren und sich zu Bette legen, da er in seinem Comptoir 
angekommen, Fieberfrost und Schmerzen in der Lendengegend 
und im Hodensack empfand. Auf diese Angaben hin hatte Wu- 
cherer geglaubt, es mit einem Erysipelas scroti thun zu haben. 
Dem war jedoch nicht so. 

Der Urin, welchen Patient vor der Visite gelassen hatte, und 
welcher aufgefangen worden war, nachdem er ein Bad mit Brannt- 
wein genommen hatte, war hell und blass. Der Kranke klagte 
über heftige Schmerzen in den Lenden, einem neuralgischen 
Schmerz im Hoden und der rechten Hüfte. In keinem dieser 
Theile zeigte sich Geschwulst. 

Man leste Sinapismen in die Lendengegend, die bis Abends 
zwar die Schmerzen vermindert hatten, allein das Gesicht des 
Kranken war roth, der Puls frequent, die Hautwärme vermehrt, 
er hatte Urin gelassen, der mit viel Blut vermischt war. Die 
Verordnung war Ricmus-Emulsion. 

Der sehr früh am Morgen des andern Tags gelassene Urin 
war sehr bluthaltig, jedoch ohne geronnenes Blut. Wucherer 
nahm zur Untersuchung unter dem Mikroskope etwas Blut aus 
dem Gefässe, in dem es sich zu Boden gesetzt hatte. Schon bei 
dieser ersten Untersuchung entdeckte er einige Würmer, wie er 
sie bei früheren, an Hämaturie leidenden Kranken entdeckt hatte. 
Sie waren noch am Leben und machten sehr kräftige wellenför- 
mige Bewegungen; W. war genöthigt, seine Untersuchungen zu 
unterbrechen und konnte sie erst gegen 4 Uhr Abends wieder 
fortsetzen. Bis dahin hatte sich das Blut zu Boden des Glas- 
Gefässes gesetzt, und der darüberstehende Urin hatte die Farbe 
von trüben Molken. Ein Tropfen des herausgenommenen und 
unter das Mikroskop gebrachten Blutes, zeigte noch lebende Wür- 
mer; allein deren Bewegungen waren weniger lebhaft. 

Neben den Würmern zeigten sich noch Cylinder von Eiweiss, 
vollkommen durchsichtig und ohne alle Epithelial-Zellen, als Ab- 
lösungen der Tubi uriniferi, welche auf eine Nierenaffection hätten 
schliessen lassen. W. entleerte allen Urin mit dem Blute in ein 
Filter, und von dem Riickstande auf demselben untersuchte er 
mehrmals einen Tropfen unter dem Mikroskope. Stets fand er 
eine grosse Menge von Blutkügelchen, die oben schon erwähnten 
Eiweiss-Cylinder und jene Würmer. Das Filtrum mit seinem In- 
halte wurde getrocknet. 

Der filtrirte Urin hatte ein specifisches Gewicht von 1011, 


378 Umersperger, 
eine Temperatur von 29° Centigr.— erhitzt und mit Salpetersäure 
lieferte er ein dickes Eiweiss-Coagulum. 

Ohne Erhitzung und ohne Salpetersäure coagulirte er weder 
an diesem noch an den folgenden Tagen. Es war dieses eben der 
erste Fall von „Hematurie“, wobei der Urin nicht freiwillig coa- 
sulirte. In jenen anderen Fällen, wo freiwillige Coagulirung statt- 
fand, brachten Hitze und Salpetersäure noch stärkere Gerinnungen 
zu Stande. 

Der Urin des Kranken blieb hier mehrere Tage bluthaltig, — 
der Kranke ward sichtlich anämisch, empfand jedoch, Schwäche 
ausgenommen, keine besondere Beschwerden. 

Man verordnete ihm (3. März) Tet. perchloret. ferri zu 15 
Tropfen 3mal täglich. 

Am 5. d. M. schickte der Kranke Dr. Wucherer Urin zu, 
der ein Coagulum in Form eines langen Cylinders enthielt. Es 
hatte sich dieses in der Harnröhre gebildet und grosse Schmerzen 
und Beschwerden beim Abgange veranlasst. Seitdem gerann der 
Urin freiwillig und ward sehr milchig. Allmählig nahm er so- 
dann sein natürliches Ansehen an und die Würmer verschwanden 
darin gänzlich. 

Vom getrockneten Filtrum schnitt Wucherer am 2. März 
kleine Streifen ab und tauchte sie in eine kleine Portion Wasser 
ein. Er beabsichtigte damit, zu ersehen, ob die Würmer, wenn 
setrocknet, dennoch wieder durch erweichende Befeuchtung zur 
Untersuchung dienen könnten, um sie sodann in diesem Falle 
an Prof. Leuckart zu schicken. 

Nach einigen Stunden, nachdem die Papierstreifen gut in 
Wasser waren geschwemmt worden, nahm man sie heraus und 
liess die es trübmachenden Substanzen zu Boden setzen. Tags 
darauf nahm Wucherer vom Sedimente etwas heraus, um es 
unter das Mikroskop zu bringen. Dabei zeigte sich, dass die 
Würmer sich gut erhalten hatten, nur waren sie welk und klein 
geworden. 

Ein Stück dieses Filtrum, getrocknet und gefärbt wie Wein- 
hefe, sandte nun Wucherer an Prof. Leuckart. 

Am 28. August erhielt er hierauf eine Antwort datirt d. d. 26. 
Juli 1. J., worin derselbe schreibt: Ich kann Ihre Beobachtungen 
über Haematuria brasiliensis vollkommen bestätigen. — Keine Spur 
von Distomum haematobium — wohl Embryonen von Nematoiden- 
Art, die mir aber unbekannt ist, wahrscheinlich der Familie der 


Parasiten bei Haematuria brasiliensis. 379 


Strongyliden angehörig, den einen oder andern Theil der Harn- 
wege bewohnend. Ich vermuthe, dass dieses in den Nieren der 
Fall ist, und dass die beigemischten Eiweiss-Cylinder auf ein Lei- 
den dieses Organs hindeuten. So viel ist gewiss, dass der Wurm 
zur Zeit noch unbekannt ist — Autopsie muss ihn weiter an’s 
Licht bringen. 

Uebrigens glaube ich, dass die Harnwege ihres Hämaturisten 
noch einen „zweiten Parasiten‘ beherbergen. Wenigstens 
entdeckte ich einige Eier, die von einem andern Nematoiden, 
gleichfalls unbekannt, herstammen müssen. Sie sind sehr klein 
(1/30 Millim.) — die Hülle, kastanienbraun, und ihre am einen 
Pole abgeplattete Form charakterisiren deutlich diese Eier. Nur 
weitere Autopsien können uns hierüber Aufschluss geben, wozu 
Ihnen, wie ich hoffe, in kurzer Zeit Gelegenheit geboten wird. 

Die Eier, wovon Prof. Leuckart spricht, glaubt Wucherer 
schon bei einem Kranken, den er mit seinem Collegen Patersen 
beobachtete, gesehen zu haben (Mai 1866). 

Aus diesen Beobachtungen geht hervor, 

1) dass die Haematuria brasiliensis nicht von Distomum haema- 

tobium begleitet ist; 

2) dass die hematuria do Brasil mit einer Wurmart zusam- 

menfällt, welche von der vorigen ganz verschieden ist. 


Il. 
Anzeigen. 


Der Wintercursus in meinem phytophysiologischen Institut 
hat seit einiger Zeit begonnen und empfehle ich das Institut aus- 
wärtigen Naturforschern, Aerzten, Land- und Forstwirthen, Gärt- 
nern und Technikern zu geneigter Benutzung. Es wird Unter- 
richt im Gebrauch des Mikroskops bezüglich auf alle phytophysio- 
logischen und phytomorphologischen Untersuchungen ertheilt und 
nehme ich Anmeldungen (Leutragasse 110, Phytophysiologisches 
Privat-Institut) jederzeit entgegen. Ernst Hallier. 


Verkäufliche Präparate. 

Die bisher an mich gerichteten Bestellungen auf Präparate 
von Parasiten der Infectionskrankheiten sind nun sämmtlich be- 
rücksichtigt worden und es ist bereits auf’s Neue ein kleiner Vor- 
rath vorhanden. 

Zunächst biete ich die folgende Suite an: 

1. Micrococcus im Cholera-Stuhl. 

2. Cholera-Pilz auf dem Reis. 

3. Cholera-Pilz mit Macroconidien. 

4. Micrococeus im Ruhrstuhl. 

5. Arthrococcus des Leiosporium dysentericum. 

6. Mycel desselben. 

7. Febris recurrens. Blut mit Micrococcus. 

8. Thecaconidien des Masern-Parasiten. 

9. Micrococcus der Syphilis. 
10. Arthrococcus und Mycel aus demselben bei’m harten Schan- 

ker. 
11. Blut vom Tripper-Rheumatismus mit Micrococcus. 


Anzeigen. 38] 


12. Micrococcus des Tripper-Rheumatismus, in Vermehrung be- 
griffen. 

13. Mycelium des Parasiten bei’m Tripper-Rheumatismus. 

14. Aéroconidien desselben Parasiten. 

15. Thecaconidien desselben. 

16. Coniothecium gonorrhoicum. 

17. Thecaconidien vom ‘Tripper-Pilz. 

18. Aéroconidien und Anäeroconidien desselben. 

19. Macroconidien der Tilletia scarlatinosa. 

20. Thecaconidien derselben. 

21. Wurstgift-Anäerosporen. 

22. Rotzparasit. Anäeroconidien. 

23. Rotzparasit. Thecaconidien. 

24. Micrococcus der Hundswuth. 

25. Lungenseucheparasit. Thecaconidien. 

26. Parasit der Schafpocken. 

27. Rhizopus nigricans, d. h. die Thecaconidien von Pleospora 
herbarum, dem Schafpocken-Pilz. 

28. Monilia, d. h. Anäeroconidien desselben. 

29. Pilz der rothen Butter. 

30. Raupenblut mit dem Micrococcus von Fumago salicina, dem 
Parasiten der Muscardine. 

Ausser dieser Suite sind noch zwei ähnliche vorhanden. 


Da ich die Freude gehabt habe, meine Präparate auf der so 
reichen Lehrmittelausstellung zu Carlsruhe primiirt zu sehen, so 
schöpfe ich neuen Muth in meinem Streben, den Parasitenpräpa- 
raten eine grössere Verbreitung zu geben. 

Herr J. Zorn sorgt ausserdem für Phytoparasiten, von denen 
wir bis jetzt die folgenden, meist in zahlreichen Exemplaren, an- 
bieten können: 

Tilletia caries Tul. 
Ustilago carbo Tul. 
5 urceolorum Tul. 
Puccinia graminis Pers. 
a. Schizosporangien. 
b. Stylosporen. 
Puceinia coronata Cd. 
a Syngenesiarum Lk. 
Ki discoidearum Lk. 


382 Anzeigen. 


Puccinia compositarum Sch. 
senecionis Lib. 
galiorum Lk. 
umbelliferarum D.C. 
violarum Lk. 

LE glechomatis D.C. 

polygonorum Schl. 
redo polygonorum D.C. 
ra beige IL. Te. 

Uromyces euphorbiae. 
Uredo leguminosarum Lk. 
Phragmidium incrassatum Lk. 
Melampsora populina Leo. 
Cystopus candidus Leo. 
Erysibe guttata Fr. 
humuli D.C. 
aceris Tul. 

N communis Fr. 
Fumago salicina Rab. 
Pleospora herbarum Rab. 
Claviceps purpurea Tul. 
Stysanus stemonitis Cord. 
Cephalothecium candidum auct. 
Stachylidium auf Getraide. 
Pilz, in Weizen eindringend. 


Wir stellen den Preis einer Folge von 30 Präparaten nebst 
Kastchen und Emballage auf 6 Thaler und versenden dieselben fiir 
diesen Preis innerhalb des Postvereins portofrei. Einzelne Prä- 
parate können nicht abgegeben werden und bei Auswahl der 
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Ernst Hallier. 


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99 


Verzeichniss der Abbildungen. 


V. Tafel. 


Penicillium crustaceum Fr. Auf Apfel gezüchtet. Conidienträger mit 
Conidien. Gr. 600 mit Immers. 


Mucor mucedo Fres. auf Milch geziichtet. 

Stacheliges aufplatzendes Sporangium. Gr. 275. 

Sporangiolen tragendes Aestchen vom selben Mycelium des voran- 
gehenden Sporangiums. Gr. 275. 

Entleertes aufgesprungnes Sporangium. Gr. 275. 

Sporen. Gr. 450. 


(Nach Hallier sind diese beiden Formen Penicillium und Mucor identisch.) 


Fig. 3. Asperpillus glaucus Lk. auf Milch gezüchtet. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 
Fig. 


Fig. 


a. 


b. 


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3 


Conidientrager mit Conidien. Gr. 275. 

Mycelium, wo sich obiger Conidienträger abzweigt. Gr. 275. 

Sterigma des Conidienträgers. Gr. 450. 

Conidie. Gr. 450. 

intensiv gelbe Schlauchfrucht von Aspergillus, gewöhnlich als Eurotium 
herbariorum Card. beschrieben. Gr. 275. 


Pleospera herbarum Rab. auf der Epidermis gesunder Nadeln von 
Pinus sylvestris L. Gr. 275. 

Dentin mit Leptotrixbildungen und Schwärmsporen aus einem cariö- 
sen Zahne. 

Oidium Schönleinii von Favusborken eines 40 jährigen Mannes. G. 375. 

Bruchstücke von Haaren bei Mentagra (parasitäre Sycosis). 

Wurzel und Schaftansatz. Die Wurzel ist, wie gewöhnlich bei diesen 
Haaren, fächerartig aus einander gebreitet. Gr. 9. 

zeigt ein ähnliches Bild, die Wurzel ist mehr geschlossen und im 

Canal sieht man deutlich die Sporen. Gr. 95. 

stellt die Rasirschnittfläche eines Haares dar, in dessen Canal sich 
eine Spore eindrängt. Gr. 9. 

Bruchstücke gebrochner Barthaare. 

Bruchstelle eines Sehaftes, welcher auf 3 Centimeter Länge 7 solcher 
Stellen zeigte. Gr. 9. 

Erkrankte Stelle, noch nicht aufgetrieben, welche beim Durchschnei- 
den beiliegende Sporen austreten liess. Gr. 275. 


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384 Verzeichniss der Abbildungen. 


Fig. 9. Haare, welche durch künstliche Impfung mit Schimmelpilzen auf dem 
Körper zerstört wurden. 
a. Unteres Ende des Schaftes eines solchen Haares. Gr. 9. 
b. Der Haarsack ist noch vorhanden und sind die sich dort findenden 
Sporen mit Essigsäure aufgehellt. Gr. 275. 
Fig. 10. Keimende Sporen auf der Epidermis bei Pityriasis. Gr. 450. 
Fig. 11. Psoriasis. 
a. Blut einer Psoriasisleidenen. 
r. rothe Blutkörper. 
w. weisses Blutkörperchen. 
sp. Sporen. 
b. Hautschuppen von Psosiaris mit zahlreichen Fermentbildungen. Gr. 
600 mit Immers. 
Fig. 12. Diphtheritis. 
a. Vom Belag der Rachenhöhle eines diphtheritischen Kindes, welches 
einige Stunden später starb. 
e. Epithelzellen sind baumartig geschichtet. 
p- einzelne Epithelzellen. 
spg. Sporangium, ungefärbt und bei Wasserzusatz platzend. 

b. Sporangien mit starker brauner Membran, ebenfalls, aber nur einmal 
auf diphtheritischem Rachenhöhlenbelag gefunden. (Diplosporium 
fuscum.) 

Fig. 13. Syphilitisches Blut. 
r. rothe Blutkörper. 
v. desgleichen, durch Verdunsten der Flüssigkeit sternförmig 
werdend. 
w. Weisses Blutkörperchen. 
rsp. rothes Blutkörperchen mit einer Spore. 
sp. Sporen, welche in einer feinkörnigen Mssse liegen. 


VI. Tafel. 


Fig. 1. Vorkommnisse im cariösen Zahn, c verschiedene Cocci, bei m zu 
längeren oder kürzeren Ketten vermehrt, bei k Keimlinge der Cocci, bei a 
Keimlinge mit starken Anschwellungen, in deren Innerem sich Micrococcus 
ausbildet, bei z Keimling mit deutlicher Zellenabschnürung. 

Fig. 2. Micrococcus in der Schafpocke, zum Theil einzeln, beweglich, kon- 
traktil, zum Theil in Zweitheilung. 

Fig. 3. Pflanzliche Vorkommnisse im interlokularen Bindegewebe der Lunge 
vom lungenseuchekranken Rind aus Stuttgart. 

Fig. 4. Gleiche Vorkommnisse in der Lymphe von einem lungenseuchekran- 
ken Rinde aus Berlin. 

Fig. 5. Aehnliche Vorkommnisse, welche Herr Professor Weiss im Darm- 
schleim des Hundes fand. Originalzeichnung von Herrn Professor Weiss. 
Fig. 6. Vorkommnisse im Blut eines rotzkranken Pferdes; bei a einzelne 
Cocci von verschiedener Gestalt, beweglich, bei h eine Kolonie von solchen, 
durch schleimige Hüllen zusammengehalten, bei k verschiedene Keimlinge. 


Verzeichniss der Abbildungen. 385 


Fig. 7. Blutkörper aus dem Blut eines rotzkranken Pferdes, a—d rothe Blut- 
körper. A—F weisse Blutkörper. In allen Blutkörpern ist Micrococcus, 
grösstentheiis in Vacuolen, welche besonders deutlich sind bei A. B. C. F. 


Fig. 8. Vorkommnisse in der Galle eines mit der texanischen Rinderpest be- 
hafteten Rindes. Bei a Microccus, zum Theil sich zu grösseren Zellen aus- 
bildend, so z. B. bei b. Bei A die ausgewachsenen grösseren Zellen, durch 
Sprossung und Theilung sich vermehrend. 


Fig. 9. Pflanzliche Vorkommnisse im Scheiden- und Uterus-Ausflusse einer 
an Metritis septica leidenden Wöchnerin. Originalzeichnung von Herrn Pro- 
fessor Dr. v. Hessling in München. 


Fig. 11. Pflanzliche Organismen aus dem Blut eines am Milzbrand erkrank- 
ten Rindes. 

Fig. 10. Blut eines tollen Hundes mit Ueberresten der Blutkörper (sp), Kry- 
stallen (k) und Micrococcus (m). 

Fig. 12. Desgleichen aus dem Blut eines am Milzbrand erkrankten Schweins. 

Fig. 13. Pilzzellen, welche bisweilen der Schale der Seidenraupeneier aussen 
anhaften. 

Fig. 14. Micrococcus aus dem Saft kranker Eier der Seidenraupe. 

Fig. 15. 16. Dieselben bei sehr starker Vergrösserung (1200 lineare und 1270 
lineare). 

Fig. 17. Arthrococcus aus dem Nahrungskanal kranker Embryonen, in Ver- 
mehrung durch Theilung begriffen. 

Fig. 18. Blutkörper der Seidenraupe mit schwellendem Micrococcus. 

Fig. 19. Micrococcus im Blut der Seidenraupe, zum Arthrococcus heran- 
wachsend. 

Fig. 20. Pilzzellen und Früchte im Darm der Seidenraupe. 

Fig. 21. Arthrococcus im Darm der Seidenraupe, Micrococcus ausbildend. 

Fig. 22. Micrococcus aus dem Blut der kranken Seidenraupe, zu kettenförmi- 
gen Reihen (Mycothrix-Kettchen) sich vermehrend. 

Fig. 23. 24. Micrococcus bei sehr starker Vergrösserung (1970) in amöben- 
artiger Bewegung. 

Fig. 25. Micrococeus, in Theilung begriffen, bei derselben Vergrösserung. 

Fig. 26. Sprossende Arthrococcus-Zellen aus einem kranken Ei, in Crypto- 
coccus übergehend. 

Fig. 27. Keimung des Arthrococcus, d. h. der Körperchen des Cornalia. 

Fig. 28. Endzweig des aus den Keimlingen hervorgegangenen Cladosporium 
herbarnm (Aérosporen). 

Fig. 29. Glieder zerfallener Pilzfäden aus dem Innern des Darmes einer kran- 
ken Raupe. 

Fig. 30. Keimungsprodukt der Körperchen des Cornalia (Arthrococeus) mit 
Thecaconidien. 

Fig. 31. Früchte der Keimlinge im reifen Zustande: Schizosporangien. 

Fig. 32. Arthrococeus, gezogen aus dem Microccus von Pleospora herbarum. 

Fig. 38. Macroconidien von Pleospora herbarum Rab. 

Fig. 34. Eine reife Anäerospore derselben. 

Fig. 35. Verschiedene Formen von Schizosporangien derselben. 

Fig. 56. Microccus aus einer faulbrütigen Bienenzelle. 


386 Verzeichniss der Abbildungen. 


Fig. 37. Resultat der Kulturen mit dem Parasiten der Cholera. Keimung der 
Cocci, nachdem dieselben stark angeschwollen sind. 

Fig. 38. Keimung des Micrococcus der Faulbrut. Die Cocci schwellen zu 
Sporoiden an (c), diese vermehren sich ketienförmig und keimen zuletzt (k). 

Fig. 39. Keimung der Körperchen des Cornalia aus dem Blut einer an der 
Gattine erkrankten Raupe. 

Fig. 40. Pleospora herbarum Rab. auf Bastfasern von Morus alba L. Bei 
a Aérosporen in Form des Cladosporium herbarum, bei sch Schizosporangien, 
bei p eine Pycnide, im Begriff, ihre Conidien (c) zu entleeren. 

Fig. 41. Keimung des Micrococcus der Hundswuth. Bei A Anschwellung der 
Cocci. Kettenförmige Vermehrung der vergrösserten Glieder, bei B weiter 
fortgeschrittene Vermehrung, bei C Beginn der Keimung. 

Fig. 42. Abnorme Schizosporangien von Puccinia graminis. 


Druck der Friedr. Mauke’schen Offiein in Jena. 


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__Penicillium crustaceum Fr. 


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poren bei Pityriasis 


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Bruchstücke gebrochener Barthaare) NN 


Syphilitisches Blut, = 


Diphtheritisbeleg der Rachenhöhle. 


Bruchstüoke von Haaren, welche durch Pilzvegetation zerstört sind. 


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10. 20 Hundswith. A Parasit. B.Blut. Sp ; 9. 0 Metrilis soptiva. 


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13. Gattine. 


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40. Pleospora herbarum. j ; Kk» f = == 


14-35 Gattine der Seidenraupen. 


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37. 2% cholera 


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