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ZEITSO^EIFT
FÜR
RÖMISCHE PHILOLO&IE
HERAUSGEGEBEN
Dr. GUSTAV GROBER,
PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT STRASSBURG i. E.
^m^i
19
1900.
XXIV. BAND.
HALLE
MAX NIEMEYER.
77/78 GR. STEINSTRASSE.
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INHALT.
Seite
Johann Niederländer, Die Mundart von Namur (17.8. 99) . . • i. 251
WiLH. Brückner, Die Diphthonge germanischer Lehnwörter im Italie-
nischen (4. I. 99) 6£
Eugen Herzog, Geschichte der französischen Infinitivtypen. II. (13. i. 99) 77
Joseph Girardin, Le Fribonrgeois au XV^ siecle (15.4. 99) . . . . I99
Paul Marchot, Note snr le consonantisme de l'ancien fribourgeois
(9-6. 99) 249
Hugo Waitz, Nachtrag zu den in der , .Festgabe für Gustav Gröber"
herausgegebenen Liedern von Gillebert de Berneville (6.5.99) 310
A. TuvTiN, Der Konsonantismus des Rumänischen (20.6; 26.7. 99) 319. 489
O. ScHULTZ-GoRA, Der Kurzvers im Folcon de Caridie der Boulogner
Handschrift n» 192 (15. 7. 99) 37°
O. DiTTRiCH, Ueber Wortzusammensetzung auf Grund der neufranzö-
sischen Schriftsprache, Forts. (20.9.99) 465
Paolo Savj- Lopez, Studi d' antico napoletano (8. 10. 98) .... . 501
Georg Ebeling, Zu Friedwagners Ausgabe des Meraugis V. 300 — 2000
(12.9. 99) 508
A. Horning, Zur Behandlung von Ty und Cy (18. 10. 99) 545
TEXTE.
Otto Soltau, Die Werke des Trobadors Blacatz. II. (30.4. 99) . . 33
J.Ulrich, Neue Versionen der Riote du Monde (14. il. 98) . . . . 112
Walther Suchier, Ueber das altfranzösische Gedicht von der Zerstörung
Jerusalems (La Venjance nostre seigneur (22.9. 99) .... 161
A. Pellegrini, II Piccinino (4. 6. 99) 329
O. ScHULTZ-GoRA, Ein ungedrucktcr Saht d'ainors nebst Antwort
(3-6.99) 358
Wolfram v. Zingerle, Eine wälschtirolische Handschrift. (Um das
Jahr 1400) (6. 5. 1900) 388
VERMISCHTES.
i. Zur Litteraturgeschichte.
Ph. Aug. Becker, Jacques Grevin und Johann Sambucus (21.4. 99) . 121
O. SCHULTZ-GoRA, Eine weitere Anspielung auf Valema (12. 4. 99). . 122
2f Zur Textkritik.
Albert Stimming, Zu O. Schultz-Gora, Zwei allfranzösische Dichtungen
(1899) (13- 10. 99) 395
IV
Seit«
3. Zur Wortge schichte.
O. ScHULTZ-GoRA, Der altfranzösische Name Anfelise (12.4. 99). . , 122
— Li port de Gtiitsand im RolandsHede (12.4. 99) 125
H. SCHUCHARDT, Tessin. (Arbedo) papadüu (10. 8. 99) 127
Paul Marchot, a. fr. müou, ix. matou (5. 4. 99) 127
J. SuBAK, Franz. amarrer etc. (l. 3- 99) 128
W. Meyer -LÜBKE, Französisch envoye (5. n. 99) 400
— Französisch panne (30. 12. 99) 403
— "^ix. pieter, pieton, 2,ix. pietaille (30. 12. 99) 404
G. Baist, Tremousser {16.4. 1900) 405
— Lodier (16. 4. oo) ; 409
— Metivier (16.4. oo) 409
— u. H. Schuchardt, Tropare (13.4.; 19.4. 00) 410
H. Schuchardt, Franz. port. corme (5. i. 00) 412
— Ven. a7iguela (i. 5. 00) 413
■ — Voxi.fisga, md.-ital. ///.fc/nV/ (i. 5. OO) 415
— Schweiz.-franz. (wall.) cocale (17.2. 00) 417
— Zu o\)tx\\.'3\.horrer u. s. w. Rom. Etym. II, 132 (8.1. 00) . . . 417
— Zu hitärita Ztschr. XXIII, 419 f. (27.1. OO) 418
— Zu A. Ives I dialelli ladino-veneti dell' Istria (Strasbuigo 1900)
(9- 3- 00) 419
G. De Gregorio, Kwi. <i\c. sictinii, ■awX.Ax. septain (23.6. 99) ... . 421
Eugen Herzog, Zu \\.2X. chiovo, chiodo (11.2. 00) 426
F. Kluge, Afrz. ^-az//«;-^ .Gerste' (18. i. 00) 427
— MxL.port , Stadt' (18. i. 00) 428
R. Thurneysen, Yxzxii. suie ,Rufs' (3. u. 99) 428
G. Gröber, Zu Ztschr. XXII, 266 f. hibelot (2. 4. 99) 429
A. HoRNiNG, Sp. alechigar. Frz. suie. Frz. troche, trochet (1.8. 00) . 556
F. Ed. Schneegans, Neptunus - /m/?« (27.7.00) 557
O. Schultz -GoRA, Zu tSxz. la'is (5.6.00) 564
— Altfrz. escarimant (5. 6. 00) 565
H. Schuchardt, Die romanischen Namen der Glocke (15.7. 00) . . 566
— Zur Methodik der Wortgeschichte (15. 7. 00) 569
— Franz. calibre (22. 6. 00) 571
— Ragus. *foUe'r (22, 6. 00) 571
— Franz. ^Äz',? (zu Rom. XXIX, 200 f. 208) (16.5. 00) 572
— Zu ven. /0//0 Ztschr. XXIV, 416 (8. 8. 00) 572
4. Zur Formenlehre.
Adolf Zauner, Zum bearnischen Impf. II (5. 8. 99) 129
5. Zur Syntax.
Adolf Tobler, Mischung indirekter und direkter Rede in der Frage
(23. 10, 99) 130
BESPRECHUNGEN.
F. Ed. Schneegans, Carl Frey, Die Dichtungen des Michelagniolo Buo-
narrotti (22.2.99) '33
Seite
Alfred Schulze, Lars Lindberg, Les locutions verbales fig^es dans
la langue fran^aise (19. 3. 99) 135
W. Meyer -LÜBKE, Archivio Glottologico Italiano XV, i. 2 (5. 11. 99) 139
Berthold Wiese, Eugenio Rossi, Dalla mente e dal cuore di Gio-
vanni Boccaccio (7. 3. 00) 430
Pal^l Marchot, J. Zimmerli, Die deutsch-französische Sprachgrenze
in der Schweiz. III. Teil: Die Sprachgrenze im Wallis (23. 2. 00) 431
Eugen Herzog, Gust. Rydberg, Zur Geschichte des französischen 3
(::8. 12. 99) 434
G. Gröber, F.George Mehl, Introduction ä la Chronologie du Latin
vulgaire (4. 9- 99) 437
H. ScHUCHARDT, Hermann Osthoff, Vom Suppletivwesen der indoger-
manischen Sprachen. Erweiterte akademische Rede (21.3.00) 440
Moritz Goldschmidt, Brückner, Wilh., Charakteristik der germa-
nischen Elemente im Italienischen (25. 5. 00) 574
F. Ed. Schneegans, Alphonse Blanc, Le livre de comptes de Jacme
Olivier (30. 3. 00) 578
R. Zenker, Rudolf Tob 1er, Die altprovenzalische Version der Disticha
Catonis (3. 4. 00) 581
Ph. Aug. Becker, Otto Riese, Untersuchungen über die Ueberlieferung
der Enfances Vivien (29. 4. OO) 585
W. Meyer - LÜBKE , E. Freymond, G.G., Romania No. 108, 109, iio;
III, 112; 113 (5. II.; 15.12.; 30.12. 99; 7.4.00. — 27.8.;
27. II. 99; 8. 1. 00. — 3. 8.; I. 10. ; 5. Ii. 99; 10. 4. 00)
144. 441. 589
Berthold Wiese, Giomale Storico della Letteratura italiana. Anno XVII,
Vol. XXXIV, 1—2, 3; Anno XVIII, Vol. XXXV, i, 2—3
(19. 7.; 4. 12. 99; 13. 2.; 2. 8. 00) 153- 453- 587
0. Schultz -Gora, Revue des langues romanes. Tome XLI. Janvier —
decembre 1898. Tome XLII. Janvier — decembre 1899 (5.6. co) 448
W. Cloetta, Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Litle-
raturen XCVI — XCVIII (19. 5. 99) 456. 591
H. Schuchardt, Die Kritik einer , .Kritik" (zu Rom. XXIX, 438 — 440)
(6. 9. 00) 592
O. DiTTRiCH, Berichtigung (15. 10. 99) 160
Theodor Kalepky, Zu Ztschr. XXIV, S. 130 ff. (6.6. 00) 461
G. G., Ph. Aug. Becker, Neue Bücher (4. 10. 99; 20. 5.; 23. 3. 00) 159. 459
Berichtigungen 595
Register 59^
Die Mundart von Namur.
Die nachfolgende Arbeit beschäftigt sich mit der wallonischen
Mundart von Namur in Belgien. Diese Stadt, Hauptort der gleich-
namigen Provinz, liegt am Einflufs der Sambre in die Maas und
bildet den Mittelpunkt des an den Hennegau grenzenden Teiles
des Südwallonischen, dessen wesentliche Unterschiede von dem
Nordwallonischen (Lüttich) in der Arbeit mit behandelt sind. Die
Mundart ist im Gegensatz zu der von Lüttich bei den Einwohnern
nicht sonderlich in Ehren; sie wird noch fast ausschliefslich ge-
sprochen von dem kleinen Manne, den Landleuten, im Anschlufs
hieran von den Handeltreibenden, die auf den Verkehr mit jenen
Volksklassen angewiesen sind; ferner lebt sie, wenn auch in ge-
ringerem Mafse, in der familiären Sprache. Ueberall jedoch macht
sich der Einflufs des Französischen bemerkbar. In litterarischer
Beziehung steht Namur ebenso hinter Lüttich zurück. Zu Anfang
und um die Älitte unseres Jahrhunderts zählte es eine Reihe volks-
tümlicher Liederdichter, vgl. Vierset, Les poetes namwois, Lüttich
1888; die „Conf6d6ration wallonne" im Verein mit einigen drama-
tischen Gesellschaften sucht die Mundart auf diesem Gebiete zu
heben und veranstaltet sehr häufig Theateraufführungen, meist kleine
Komödien, Vaudevilles, die litterarisch keinen grofsen Wert besitzen
und manchmal nur eine Uebersetzung von Lütticher Werken bilden.
Kenntnis von der Mundart habe ich mir in den Ferien ver-
schafft, die ich seit mehreren Jahren alljährlich dort bei Verwandten
zubringe; die Notizen beruhen auf wiederholtem, genauem und
vergleichendem Abfragen folgender Personen:
1. Joseph Dutoy, commis au chemin de fer, 21 Jahre alt, aus
Namur gebürtig; er ist von seinen Grofseltern erzogen worden und
hat zu Hause immer die Mundart gesprochen und gehört.
2. Dessen Grofsvater, Joseph Stevaux, Landwirt, 82 Jahre alt,
aus Namur; er hat die Stadt nie verlassen und wohnt in Salzinnes,
dem jenseits der Sambre gelegenen Stadtteil; das Französische
kennt er nur sehr unvollkommen.
3. Adrien Oger, 27 Jahre alt, conservateur du musde archeo-
logique, aus einer alten, seit langen Jahren am Orte ansässigen
Familie stammend; er spricht mit Vorliebe seine Mundart, als
deren Kenner er gilt.
4. Mein Schwager, Eugene Halloy, Kaufmann, aus Namur,
36 Jahre alt; er spricht im geschäftlichen Verkehr sehr viel Wallo-
Zeitschr. f. rom. Phil. XXIV. i
2 J. NIEDERLANDER,
nisch und kennt auch infolge seiner häufigen Reisen eine Reihe
anderer Mundarten der Provinz Namur.
5. Jean Lantr6e, Strafsenkehrer, 40 Jahre alt; er hat Namur
nie verlassen und kennt auch kein Französisch.
Die Sprache der Umgebung der Stadt sowie einiger günstig
gelegenen Punkte zog ich zur Vergleichung heran; so erhielt ich
Auskunft über die Mundarten von Floreffe (Herr Haut), Tamines
(Herr Ledoux), Fosses (Frau Haut), Corroye-le-Chäteau bei Gem-
bloux (Fräulein Meurice); alle diese Orte gehören der Provinz
Namur an und sind nach dem Hennegau hin gelegen. Einigen
Aufschlufs über das südlich von Namur gelegene Gebiet verdanke
ich Herrn Marechal, professeur de rhetorique ä l'Athen^e royal.
Was den übrigen Teil der Provinz anbetrifft, so war ich für die
Haupterscheinungen auf die wissenschaftlich zweifelhaften Texte
der „Parabole de l'enfant prodigue" in Bidl. de la soc. lieg, de Hit.
wall. 1870 angewiesen; ich mufste aber zur Erklärung mancher
Thatsachen auf sie zurückgreifen, um auch die Beeinflussung durch
andere Mundarten zu erkennen, vgl. hierzu Bremer, „Deutsche Pho-
netik", der Einl. S. XI einige lehrreiche Beispiele für das nieder-
deutsche Sprachgebiet giebt.
Zur Sammlung von Beispielen standen mir hauptsächlich zur
Verfügung :
1. Li Mar mite, Wochenzeitung in Namurer Mundart.
2. Aurmonaque del Manniie, besonders von 1885, 1890, 1898,
1899.
3. Li Trovaille do Champette, Comidie en oti acke. 1894.
4. Li Rose do Roux-Muroi, Comedie en one acke. 1S93.
Einen ersten Versuch zur Behandlung der Mundart machte
Chav6e in seinem „Frangais et Walion, parallele linguistique", Paris
1857; einige sprachliche Untersuchungen lieferte Zanardelli im An-
schlufs an mehrere von ihm veröffentlichte Lieder aus dem 1 8. Jahr-
hundert in seiner bald eingegangenen Zeitschrift „Langues et Dia-
lectes".
Es standen mir indes zur Verfügung Arbeiten über andere
wallonische Mundarten, und in erster Linie:
Horning: Zur Kunde des Neuwallonischen, ZfrP IX, 480 ff.; er be-
handelt die Mundart von Lüttich (Seraing).
Marchot: Phonologie detaillee d^un patois walloji, Paris 1892; er
legt das „patois" von St. Hubert (Belg. Luxemburg) zu Grunde.
Feller: Phoneiique du patois Gaumet (Südl. belg. Luxemburg) in
Bull, de la soc. lieg, de litt. wall. 1897.
Z61iqzon: Die fratiz. Mundart in der preufs. Wallonie. ZfrP XVII,
419 ff.
Wilmotte: Le Wallon, Bruxelles 1893,
„ Notes sur le patois de Couvin (Südwestl. Prov. Namur)
in Rev. de l'instr. publ. belg. N. S. t. XXIX, 1886.
Altenberg: Versuch einer Darstellung der wall. Alundart. Eupener
Prg. 1880.
DIE MÜNDART VON NAMUR. 3
Für die Formenlehre insbesondere:
Stürzinger: Remarks on the Conßigation of the Wallonian Dialed
(für Malmedy). Baltimore 1886.1
G. Doutrepont: Tableau et Theorie de la conjugaison dans le wallon
liege ois. 1891.
Delaite: Essai de grainmaire wallonne (für Lüttich). 2 T. 1892.
1895.
Wilmotte: Notes sur la flexion wallonne (für die Provinz Lüttich)
ZfrSpuL. XXI, 1898.
Daneben für das lothringische Sprachgebiet:
Horning: Ostfranz. Grenzdialecte. Franz. Stud. V.
This: Die Mundart der frajiz. Ortschaften des Kantons Falken-
berg. Diss. Strafsbm'g 1887.
Zeliqzon: Lotimng. Mtmdarten. Metz 1889.
Wörterbücher für die Namurer Mundart sind nicht vorhanden,
aufser einem Versuch zu einem „Glossaire namurois-franyais" in
der Wochenschrift „Li Marmite" 1883, das nur bis zum Buch-
staben D geht; ich mufste mich daher auf die Lütticher Wörter-
bücher, wie Grandgagnage, Gothier, Villers u. a., sowie auf die
Sammlungen in den Bull, de la soc. lieg, de litt. wall, (passim) be-
schränken.
Sprachdenkmäler der älteren Zeit aus der Gegend von Namur,
die zum Verständnis und zur Erklärung der heutigen Sprache
herangezogen wurden, sind:
Gh. W. N. = Etudes de Dialedologie Wallonne, La Region Namu-
roise, von Wilmotte, Rom. XIX. Die behandelten Urkunden
gehören dem 13. Jahrh. an.
Glos. = Glases Wallonnes, in Etudes Romanes dedi^es ä Gaston
Paris, p. 23g; sie entstammen dem 13. Jahrh.
Gart. = Cartulaire de Namur, 3 Bde., von J. Borgnet und St. Bor-
manns, von 1118 — 1555 reichend; die älteste Urkunde in
franz. Sprache ist vom Jahre 12 14; es wurden besonders die
„Cris pu blies" und „Statuts des metiers" berücksichtigt. In
der Fachwissenschaft bestehen über den Wert von Urkunden
berechtigte Zweifel, da ihre Sprache meist nur einen officiellen
Charakter trägt; wenn dies auch z. T. für das Gart, zutrifft,
so glaube ich, es doch auf Grund der Ergebnisse der heu-
tigen Mundart in den Kreis unserer Betrachtungen ziehen zu
können. Zu diesem Punkte vgl. Bonnier's Behandlung der
Urkunden von Douai, ZfrP XIII, 431 ff. und Wilmotte, Rom.
XIX, 73.
C. d, v. = Co77iptes de ville, die noch nicht veröffentlicht sind
und sich auf dem Stadtarchiv befinden. Auszüge aus ihnen
bringt Borgnet in „Promenades dans Namur" und im „Bull.
de la soc. archdol. de Namur" (passim). Der älteste „compte"
ist aus dem Jahre 1364.
1 Der Verfasser hatte die Güte, mir das Werk für einige Wochen 7a\ leihen.
I*
4 J. NIEDERLÄNDER,
Cart. Dill. = Carhdaire de Dinant (1060 — 1449), l^rgg. v. Bor-
manns.
Cart. Cin. = Cartulaire de Ciney, hrgg. v. Borgnet.
Cart. Fosses = Cariiilaire de Fosses, hrgg. v. Borgnet.
Cart. Bouv. = Cartulaire de Bouvignes, hrgg. v. Borgnet.
Cart. Wal. = Carhdaire de Walcouri, hrgg. v. La Haye.
Hist. Flor. = Hisioire de Vabhaye de Floreffe. ) , p u-
Hist. Mal. = Histoire de Vahbaye de Malonne, \ ^''^^- ^- ^^''^16''.
Diese Ortschaften gehören alle der Provinz Namur an; bei
Beurteilung ihres Wertes ist es von Interesse, dafs der Süden
der Provinz, wie Dinant, Ciney, während des ganzen Mittel-
alters zum Bistum Lüttich gehörten.
Chr. v. Flor. = Chronik von Floreffe, Ueher Sprache mid Versbau
der — v. H. Peters, ZfrP XXI, i ff.; die Chronik gehört dem
15. Jahrh. an.
Man. nam. = Manuscrit na?tmrois du XV^ siede, hrgg. v. Camus,
Rdlr 1895.
Die beiden letzteren, die Chronik und das Manuscrit, wurden
mit berücksichtigt, wenn sie auch nach Wihnotte: „Notes
d'ancien Wallon" in Bull. d. l'Acad. royale belg, 1897, 3. s.
t. XXXIII, p. 240 ff. wohl mehr nach dem Lütticher Gebiet
hinzuweisen sein dürften.
Pasq. = Pasqueye de la Porte Hoyotd, vom Jahre 1731, in Na-
murer Mundart; z. T. veröffentlicht von Borgnet in „Prome-
nades dans Namur".
Lieder = Lieder des Abbe Grisard u?id des Sergeant Benoit, in
„Langues et Dialectes"; sie gehören dem Ende des vorigen
Jahrh. an.
Der Vollständigkeit halber zog ich für das Mittelalter den
„Münchener Brut" in Betracht, insbesondere Jenrich: Die Muiidart
des Mihichener Brtd, Diss. Halle 1882, der das Denkmal wohl mit
Unrecht der Provinz Namur zuweisen möchte (vgl. darüber Rom.
XVII, 545).
Lautbezeichnung.
Die im Folgenden angewandten Lautzeichen sind dem System
Boehmers (Rom. Stud. I) entnommen; neue sind im Sinne dieses
Systems gewählt.
a) Vokale.
Länge wurde durch ~ kenntlich gemacht. Kürze und Mittel-
länge aber nicht besonders bezeichnet, da die Aussprache der ein-
zelnen Personen zu sehr schwankte.
a = a-Laut; der kurze ist meist etwas heller als der lange in
lache.
ä = a-Nasal.
/ = offnes e.
e = ^-Nasal; der Vokal ist etwas offener als ;.^.
e = geschlossenes e.
DIE MÜNDART VON NAMUR. 5
(?' = geschlossenes e mit kurzem «-Nachklang.
e = ^-Laut, zwischen f und e gelegen.
/ = «-Laut. 7 = «-Nasal (s. § 21).
g = offlies 0.
p = geschlossenes 0.
S = ö-Nasal.
^ = offener <r-Laut wie in peur, setiL
qe = geschlossener (r-Laut wie in /i'eue.
^ = ein zwischen 0 und u liegender Laut, der nach der Natur
der umgebenden Konsonanten mehr nach der «/-Seite liegt
oder nicht. Vgl. zu diesem Laute Marchot § 99 und ZfrP
XX, 227.
u = «/-Laut.
ü = «y-Laut.
b) Halbkonsonanten.
ZV = Laut des englischen zu.
y = Spirans, die je nach den begleitenden Lauten stimmhaft
oder stimmlos ist, entsprechend in franz. payer und deutsch.
jeder,
c) Konsonanten.
k = Laut des c in car.
g = Laut des g in gare.
s == stimmloser j-Laut in sadre.
z = der s entsprechende stimmhafte j-Laut.
S = Laut des franz. ch in champ; er ist je nach den folgenden
Vokalen etwas verändert.
z = der zu s gehörige stimmhafte Laut.
n = mouilliertes n.
fs = Laut des englischen ch in church\ er ändert sich je nach
den folgenden Vokalen.
dz = der zu ts gehörige stimmhafte Laut.
Die übrigen Zeichen entsprechen in ihrem Lautwerte den
französischen; Abweichungen der einzelnen Laute werden bei den
einzelnen Punkten besprochen werden. Die Nasallaute zeichnen
sich durch starke Nasalierung des Vokals aus, s. § 3, 88 a.
LAUTLEHR E.i
Vokalismus.
a (= lat. ä, a).
Betontes.
L In offner Silbe.
I. Freies a wird zu e, das meist sehr geschlossen ist; in
wallonisch geschlossener Silbe ist ein «'-Nachklang hörbar, der sonst
1 Ich schliefse mich in der folgenden Darstellung der Einteilung an, die
Tbis giebt und die auch von Horning und Z^liqzon angewandt ist, um eine
6 J, NIEDERLÄNDER,
im Auslaut mehr oder weniger schwindet, pre}- (pratum); klTf (cla-
vem) ; kl'&r (darum); ne (nasum); mpgrc (malugratum). In den
Endungen des Infinitivs und I^art. pract. der I. Konjujation: isäfe
(cantare); sove (scopare); sute (auscultare) ; inivfvne (minare); m§me
(*messionare, glaner); trdne (tremulare) u. a.
-atum >> e\ isäle, sove u. a. Ueber 5. Pars, praes. -atis > e
s. § I2lb.
In wallonisch geschlossener Silbe: vifr (matrem); peh- (patrem);
t§r'&r (taratrum) ; gr'&r (aratrum). Für Florelfe zeichnete ich in
den beiden letzten Fällen i auf.
Die unbetonten Possessiva mea, tua, sua werden zu 7ni, ii, si,
s. § iio; die Form des Sing, praes. von habere s. § 142,8.
Ausn.: sxf (sapam); Endung -abam > (s/, dem zwar fff
(fabam) gegenübersteht; Genaueres s. § 122.
Die Gegend südlich von Namur hat statt des geschlossenen e
ein offenes; über die artikulatorische Erklärung des 2-Nachklangs,
der sich am leichtesten vor Dentalen einstellt, die dorsal sind, vgl.
Buscherbruck, „Die altfr. Predigten des hl. Bernhard", Rom. Forsch.
IX, AUg. Ersch. IV, und für seine Verbreitung in Mundarten über-
haupt vgl. Zeliqzon, Lothr. Mundarten p. 6.
Im Altwall., wie überhaupt im O. und NO. des franz. Sprach-
gebiets, findet sich ei aus a in offner Silbe stammend; für die geo-
graphische Verbreitung dieser Erscheinung s. Stürzinger, ZfrSpuL
XIV 2, 45. Wie demgemäfs zu erwarten steht, bieten die für die
Gegend von Namur in Betracht kommenden Sprachdenkmäler Bei-
spiele für diesen Vorgang, und auf Grund der heutigen Mundart
möchten wir auf einen Uebergang der anfangs offnen Aussprache
des e in ei in eine geschlossene schliefsen.
Ch. W. N. haben ei neben seltenem ee. Gart, und C. d. v.
schreiben ei, z. B. costeit, greis, porteir, fosseis u. a. Glos. 37 v" 2
seit (sapit). Cart. Din. 19 (1264) jueire. Gart. Gin. (1321) peires.
Ghr. V. Flor, hat vereinzelt die Schreibung ei, und Pasq. sowie Lieder
schreiben e.
2. Die Endung -atam wird zu ey\ bei den Verben, die im
Infinitiv i (s. § 8) haben, zu ly. Das y füllt den durch den Aus-
fall des / entstandenen Hiatus, vgl. Horning, ZfrP XIV, 384.
tsimncy (caminatam); dzur?iey (diurnatam); aney (annatam);
sapey (*excappatam) ; tsäiey (cantatam); ni'dey (*nubilatam, Wolke).
Diese Aussprache der Endung -ata findet man vielfach, wie
auch Chavce konstatiert, auf das Franz. übertragen; so hörte ich
sie ziemlich ausgeprägt von Herrn Dutoy.
-atam > zy (s. § 8), über i{i)e > ie', vgl. W. Foerster, Li chev. as
.2. esp. XXXVII und Venus la deesse d'amour p.5i; Gloetta, Rom.
Forsch. III, 63; Neumann, Zur Laut- und Flexionslehre des Altfr.
p. 56. Ueber den fallenden Diphthongen ie in unserer Mundart
s. § 7, 20,
Uebersicht zu erleichtern. In dem Falle, wo die Etymologie der Beispiele
zweifelhaft ist, wird das entsprechende franz. Wort gesetzt.
DIE MÜNDART VON NAMUR. 7
is^sty (captiatam); is^rdzty (*carricatam) ; payty (pacatam) u. a.
Diese zweifache Entwickelung der Endung -ata ist früh für
unsere Mundart belegt. Ch. W. N. haben eie, für das später ee ein-
tritt (Rom. XIX, 75). Glos. 37, 58 poiseü, daneben 37 v" 4g donnee.
Ebenso zahlreiche Beispiele in den Cart. und C, d. v.
Für -ata >> ü: Ch. W. N. iee >> le in stärkerem Mafse als die
Gegend von Lüttich (Rom. XIX, 76). Glos. 37, 25 mainie (*man-
sionatara); 40, 15 corcü (corruptiatam). Man. nam. blechie, saignie
u. a. Chr. V. Flor, hat ie (ZfrP XXI, 9). Ebenso bei Jenrich, 1. c. § 22.
In Lüttich sind beide Endungen heute ey (wie auch die Endung
-itam, s. § 37 b), indem bei den Verben nach Bartsch. Ges. Dissi-
milation eingetreten ist. Horning, Ostfr. Gr. p. 12, findet für das
Lothring. beide Formen nebeneinander und hält ty für die ur-
sprüngliche; so wird es sich auch für Lüttich verhalten, dessen
ältere Sprachproben ie zeigen, s. Rom. XVII, 556; bei Jacq.
d'Hemricourt (Mem. de l'Acad. royale belg. XLI, 86). — Huy (Pro-
vinz Lüttich) kennt nur ly (ZfrP XII, 25g).
3. a vor freiem Nasal ergiebt:
a) nach Labialen : we: pwe (panem) ; five (famera) ; dimive (de-
mane); mive (manum); satnwen (*septimanam).
b) sonst e: sire (stramen); gre (granem) ; dfre wie altfr. Ch.
W. N. derrain (dernier) ; d''välre (altfr. devantrain, tabuer).
-anam > ^«: gren (granam); Im (lanam); reu (ranam); fdten
(fontanam); em (amat); d§ren (*deretrianam).
In unserer Mundart fallen die Ergebnisse von fr. a -j- Nas. und
fr. .^-j-Nas. (s. § 2g) vollständig zusammen; dies zeigt im Reime
Chr. V. Flor. (ZfrP XXI, 12). Ch. W. N. haben die Schreibung ain,
doch daneben andere graphische Abweichungen; das Femininum
findet sich häufiger als in Lütticher Urkunden (s. Rom. XIX, 73)
aitme geschrieben, wo nn, wie auch sonst altfr., die nasale Aus-
sprache des Vokals bezeichnet, die ebenso heute stark ausgeprägt
ist. Man. nam. desgl.: rainnes. Pasq. und Lieder schreiben, wie
bei den heutigen Dichtern und Zeitungen, in neben ain. Der
Wandel nach Labialen zu we ist nur der Provinz Namur und an-
grenzenden Teilen von Lüttich eigen, vgl. Rev. de l'instr. publ. belg.
N. S. XXIX, 215, Melangcs Walions p. 2.'
4. a-\-l giebt:
a) = e^\ ke^ (qualem), fem. k&n (s. § 80); t& (talem); noyc
(natalem); se^ (salem); pl (alam).
b) = ö: ?no (malum); nio (*nidalem); dzurni) (Morgen Acker-
land, altfr. jornal); po (palum, doch selten); v^sö (*vissalem nach
Feller, putois; Älarchot % 2^) setzt Suffix -ardum an, das ebenso
unserer Mundart gerecht wird, s. § iib); sül (scalam).
Diese verschiedene Entwickelung ist allen wallon. wie lothring.
Mundarten gemeinsam, vgl. Ostfr. Gr. p. 8; ZfrP IX, 480; Marchot
1 Dieselbe Erscheinung in Givet (franz. Grenze), s. Une fable cn patois de
Givet, in „Rev. d'Ardenne et d'Argonne", 1899, p. 142 ff.
8 J. NIEDERLANDER,
§ 65; Feller § 11, 12; This I.e. § 4. Meyer-Lübke, Gram. I § 250
will in den c-Yoimen schriftsprachlichen Einflufs sehen; Buscher-
bruck 1. c. § 9 glaubt den Grund zu dieser Schwankung in der
Natur des / zu erkennen, ebenso Darmesteter, Gram. bist. I, 94.
Vielleicht wäre aber auch eine Einwirkung der Pluralform anzu-
nehmen. 1
Der heutigen Entwickelung entsprechend zeigen die älteren
Sprachdenkmäler denselben Vorgang. Glos. 38 v" ig viorieil (fem.)
neben niories; 37, 7 que. Gart, (passim) qtieil, teil. Chr. v, Flor, iei/s.
Ch. W. N. 7ör«a/ F/(i264). Gart. I, 1 1 {\2t^^ quartatd. Man. nam.
viaul, 7-oyaul, nietaul u. a.
5. a -j- P^^ii^ärem oder entwickeltem u ergiebt p über a« >»
ö« > g : klö (clavum) ; fö (fagum) ; kayö (frz. caillou). köf (cave) ist
gelehrt, so C. d. v. (1578) cauve; dazu das Verb ^kgvle (encaver).
Die Perfectformen der t^- Perfecta konnten nicht herangezogen
werden, weil die Mundart das Perfect nicht mehr kennt, s. § 120.
Die in Namur gebräuchliche Schrift drückt diesen Laut durch
au aus, wie wir ihn auch in der älteren Zeit finden. C. d. v. (1385,
1424) claux. Gart. III, 272 (1525) hois de faul x. Man. nam. caillau.
6. Bei a + /-Element treten folgende Veränderungen ein:
a) Die beiden Laute verschmelzen meist zu einem zwischen §
und e liegenden Laut e, (der natürlich schwankte) : vies (magistrum) ;
hrer (*bragire, vertritt frz. pleurer; so schon Gart. II, 88 (1366)
hraire)\ 7nek (macrum); ei (atrium, wie altfr. ; so G. d. v. (1364) aytres
und häufig in den Gart.); ?n'e (magis); daneben fand ich me, wo
die Nasalierung von dem vorausgehenden m herstammt, indem das
Gaumensegel den Nasenkanal nicht abschlofs, ein Vorgang, der
sich häufig im Lothring. findet (s. Ostfr. Gr. p. 77, This § 7); die-
selbe Form, die Grgg. als „surann6" bezeichnet, steht Pasq. men
und ist auch heute noch im Gebrauch, fast ausschliefslich auf dem
Lande wie in Tamines und Gembloux; mains (magis) für Lütticher
Urkunden (Rom. XVII, 566). Das altfr. mais = böse, so Aiol
V. 641, 1741; Venus p. 51, ist in derselben Bedeutung als mw§
(zü unter Einflufs des Labialen) 2 erhalten, dazu das Verb mw§zl.
re (radium, rayon de roue); (er (tacere); ple (placit); br2 (bracium,
orge germ6e; Gart. I, 44 (1294) hat bray).
e steht in fe (facit), Inf. fe^ wo man mit Horning, ZfrSpuL
XVI 2, 143; ZfrP XIX, 24 wohl *fare anzusetzen hat, im Gegensatz
zu pik. fer. Glos. 39, i fer\ Venus Str. 18 fer : ajuster; s. auch
§ 140, I. — Frz. fraise lautet yirpi.
Im Auslaut ist der z-Laut erhalten : vrcy (veracum) ; mey (maium) ;
pley (plagam).
b) Analog der altfr. im N. und NO. auftretenden Erscheinung
des Wandels ai zu a ist in diesem Falle ö eingetreten, wie
unsere Mundart mit Vorliebe meist a zu p verdumpft, s. § 11, 16;
» Vielleicht -ale >- e und alVi >> o. W. F. ^ ebenso in Givet (1. c).
DIE MUNDART VON NAMUR. 9
daneben findet sich auch a. Für die Verbreitung im Ahfr. vgl.
W. Foerster, Li chev. as .2. esp. XXIII; Wilmotte, Rom. XX, 479;
Cioetta, Poeme Moral p. 77; Suchier, Auc.3 p. 67.
öS (frz. aise) in bims (heureux); krös (*crassia, graisse); drqs
(frz. dreche); löm (lacrimam, miel), so Cart. II, 156; Chev. a. c. crasse
V. 28787. bös (Subst. zu bözi, s. § 17); böy (/> li dp-en — , mourir;
wohl Subst. zu bpyi^ bäiller).
Für pacem hörte ich nur von Herrn Oger pö, das in anderen
Mundarten vorkommt, s. ZfiP IX, 481; sonst war es pe.
Die Durchgangsform a bieten uns umliegende Ortschaften, so
Tamines und Sombreffe: kräs, sowie mehr nach Luxemburg zu,
RDPGR IV, 19; Gaumet, s. Feller § 3; auch dem Lothring. ist a
nicht unbekannt, vgl. Ostfr. Gr. p. 10. In Namur steht a in las
(frz. laisse), wohl vom Verb lasl (laxare) beeinflufst. — Die fol-
genden Fälle, in denen a steht, haben die Eigenschaft, dafs ein y
folgt: päy (pacat, in anderen Mundarten pö}')\ müy (maculam, frz.
maille); bäy (badium, bai); frz. haie ist äy. — Frz. braise lautet
br^s, qe aus 0 durch Einflufs von br entstanden.
imöis (image) und dikös (*dedicatium, allgemein für frz. ker-
messe gebraucht) sind gelehrte Wörter; Dial. Greg, dicaze.
Wie immer, spiegelt die alte Sprache den heutigen Zustand
wieder; wir finden: Glos. 37 v^ 2 taire; 39 yO 54 ;?zöm^ (magistrat);
40 vO 13 tret; 37 \^ i\(^ frale; 39 vO 50 doare (douaire). Gh. W. R,
Cart. sowie C. d. v. schreiben ai. Chr. v. Flor, reimt ai mit § (ZfrP
XXI, 9).
c) Ortsnamen auf -acum und -iacum s. Kurth, La frontiere
linguistique en Belgique et dans le nord de la France Kap. IV
(Mem. de l'Acad. royale belg. XLVIII, i). 5^/? (Ambelliacum) ; om
(Anniacum, Oignies); liil^ (Liniacum, Ligny); flqrey (Floriacum,
Floree), dzfrbüsey (Gilbertiacum, Gelbress6e) mit anderem Suffix. —
si?i^ (Ceunacum, Ciney) ; dziblü (Gemblacum, Gembloux). teplü (Tem-
pliacum, Temploux).
7. a) Das Suffix -arium wird J, nachdem auch r verstummt
war (s. § 77), und zwar über ie, das stark fallend war; dieser
Uebergang ist in unserer Gegend schon für den Anfang des
13. Jahrh. belegt. Ueber den fallenden Diphthongen ie s. Neu-
mann, 1. c. p. 55; anders Horning, Ostfr. Gr. p. 19; ZfrP XIV, 383,
der i infolge Assimilation von e an i erklärt.
prümi (*primarium) ; pqmi (pomarium); prilni (prunarium); kuyi
(cochlearium) ; ovri (*operarium) ; tsgrp§ti (carpentarium) ; dädzt (do-
minarium, hat die Bedeutung von ,,besoin"); sg^ii (*salnarium, frz.
sauniere). Besonders gebräuchlich ist das Suffix zur Bezeichnung
der Namen von Gewerbe und Bäumen. — armarium (frz. armoire)
ist arvier (Lehnwort).
b) -ariam ergiebt er, neben seltenerem lr\ fgtser (*filicariam) ;
goier (guttariam); t soder (caldarium); fümlr (*fumariam, fumee wie
altfr., Chev. a. c. v. 33305 fiwiire)', kqler (Art Dachrinne, *colum-|-
lO J. NIEDERLÄNDER,
ariam); briür, beim schnellen Sprechen: bnvcr (frz. bruyere) ; puser
(*pulsariam) ; ^zer (fr. osier).
Daneben -zr: lümtr, neben frz. lümyer; Chavce hat lumiere;
^örzr (*barrariam) ; j{/r.«r (*sortiariam) ; (5o/«?r (frz. boutonniere). Be-
merkenswert: kostri (*consuturariam, couturiere) mit Verstummen
des auslautenden r, infolge Analogie an das Masculinum, was im
Gebiete von Verviers Regel zu sein scheint, s. Melanges Wall. p. 31.
Für die Femininendung bieten Lüttich und St. Hubert ir; den
Wandel zu er werden wir dem Einflufs des r zuschreiben müssen,
wie auch Horning, ZfrP IX, 481 fand, dafs in Lüttich „i in der
Endung ir zuweilen etwas nach e neigt". Die altfr. nordöstliche
Form paissiule ist in St. Hubert ppzir mit Wandel des / zu r, in
Namur dagegen ppzer; iu wird regelraäfsig zu z über ieu >> ü,
S' § olf Glos, haben eine Form 39, 21 paisiere. Der Name einer
Strafse in Namur ist „rue de Graviere", in der Mundart graver;
in einem C. d. v. (1413) steht Gravire. Dafs dieser Wandel nicht
bei allen Wörtern eingetreten ist, wird sich wohl dadurch erklären
lassen, dafs diese seltener gebraucht werden.
Diese Suffixe sind in den Denkmälern überaus häufig anzu-
treffen. Gh. W. N. haben / (Rom. XIX, 76); Gart. I (12 14) chaiddires
(übers, lat. caldaria); I, 43 (1293) por louir donnant (locarium); I, 62
(1328) alh're; Gart. Din. 19 (1264) promirement\ 40 (1394) stir (*sex-
tarius, setier). G. d. v. (1385) ovrirs; (1394) mesagir; (1388) barire;
(1390) luinire. IMan. nam. chauldire, bruwyre, u. a. Ghr. v. Flor,
durch den Reim gesichert i (ZfrP XXI, 8).
c) Das Suffix -arera ist vertreten in: solf (sollarem), so Man.
nam. sokrs; G. d. v. (1571) soller. segle (singularem), Gh. W. N. XIV
saijiglers', Ghev. a. c. sengler v. 5478.
8. Die dem Bartsch'schen Gesetze folgenden Verben haben
die Infintivendung z,i wieder über le. p^tsi (peccare); tsfsi (*captiare);
bpzl (basiare); pfsl (piscare); kädzl (cambiare) ; tsykl (calcare); payj
(pacare); n^yt (necare); basi (*bassiare); asayl (*exagiaie); sayl ist
= goüter; i-abr§si (embrasser). Bei den Verben auf -icare (s. § 59c):
muni (*mandicare), Glos. 37, 49 mongie\ roTü (frz. ronger); funi
(*fundicare, wühlen); mosl (masticare), Ghev. a. c. massier v. 1025 i,
11907. kl§pi (*cloppicare, selten gebraucht); medi (medicare) in
der Bedeutung „soigner les betes malades"; r7igri (*renitidicare) ;
näsl (altfr. nachier, durchstöbern) ; ploki (*plumbicare) ; swarsl (*ex-
corticare, öcorcer); tprdzi (*tardicare) ; royi (*radicare, altfr. rayer);
ficyi (fodicare) ; spotsi (*expollicare, 6craser) ; isfrdzl (carricare). —
ployl (plicare); sqyi (secare, faucher); fkrpst (*incrassiare) ; froyl
(fricare) ; afroyt (tracer un chemin) ; satsi (altfr. sachier, tirer), so
Gart. I, 62 \\2^z^) sachire\ rätst (altfr. rachier, cracher); komesi i^cniw-
initiare); risivil (aiguiser, nach Grgg. vom lat. samia); afii (beifsen);
§di (adjutare); last (laxare); §voyi (inviare); noyt (negare); bqyl (frz.
bäiller); ady§rsi (*adirectiare, toucher droit au but, ri^ussir); kaledzl
• auch vertreten in Givet (1. c).
DIE MÜNDART VON NAMUR. II
(calumniare, mettre ä l'amende); fotsl (falcare); hitsi (coUocare);
§ployi (implicare), daneben §pl§yl. (= geben); rapozl (frz. apaiser);
aiidsi (adnuntiare); hani (balneare), das frz. nager vertritt; raviuyt
(*remolliare) ; fgadzJ (engager, germ. U.); /öjz (laqueare, lacer); süsi
(*suctiare, sucer); aiaisi (altaccare); disiaisi (*deextaccare); kles'i
(= pencher); j^«z (signare, bekreuzigen); aksfnJ {i. donner un coup
bien applique, 2. tuer qn. du premier coup, so bei Jean d'Outre-
meuse V, 27), Grgg, hat dieses Verb nur in der Bedeutung von
montrer, wie auch Zeliqzon, ZfrP XVIII, 247; hrotst (presser avec
force); k§ki (chatouiller); sasi (Verb zum Subst. echasses); kwasi
(*coactiare, ecacher); kaisl (cacher); l§yi (altfr. lauer, *la(r)gare,
laisser); rawizi (*reacutiare, aiguiser, vom Hufschmied gesagt); wfy'i
(vigilare); masi (*mixtiare, meler); o'/j/oj^^ (*deexligare) ; korst i^cox-
ruptiare); mim (altfr. mucier); pist (*pisciare); agasi (agacer); m§r-
viyi (merveiller) u. a. — Verba, in denen ein i in der vorhergehenden
Silbe: fiyi (fidare), rafiy'i (se rejouir); kriyl (quiritare); rovi (*reobli-
tare, oublier); sty§rni (sternutare; -ütare >> itare\ Gaumet hat tartnr).
Diese Verben haben auch 5. Pars, praes. 1, s. § 121b. cacare
hat tslr ergeben; canem >> ise (wohl über ist, s. § 21). Eine Aus-
nahme macht arene (*adrationare, aborder, in dieser Bedeutung
Chev. a. c. v. 32787); das Wort wurde im Gerichtsstil verwandt,
daher wohl die Abweichung. — Für die Entwickelung dieser Infinitiv-
endung gilt das über das Suffix -arius Gesagte; wir finden: Glos.
mongie 37, 49 (Inf.), gangir 38, 48; Gart. I, 47 (1298), Ch. W. N. XI
(1272) pair (pacare); Gart. I, 62 (1328) sachire.
IL In geschlossener Silbe.
9. Betontes a in geschlossener Silbe erscheint
a) als f unter Einflufs eines Palatalen: tsfs (*captiam); tsf
(cattura); br^ (brachium).
b) als a im Gegensatz zu Lüttich und dem lothring. Sprach-
gebiet; Gaumet hat auch a. sats (saccum); vals (vaccam); aials
(epingle, vom Verb atatsi); glas (glaciem); las (laqueum, lacet);
plas (plateam); agas (agace, germ. U.). sadzdam (sage-femme) ist
Lehnwort.
Aufserdem im Suffix -aticum >> als über -adigum -adju > adz,
das dann im wall. Auslaut stimmlos wurde; über die in den Aus-
laut tretenden Konsonanten s. § 57. So altfr. im O. -ache : age
Rom. XIII, 258. — frqmais (formaticum) ; vilais (villaticum) ; qrais
(auraticum) ; qvrals (operaticum) u. a. Dieses Suffix wurde auch zu
Neubildungen verwandt, z. B. abalats (Abschlagen der Baumfrüchte);
abrfvais (abreuvoir); rovyats (oubli, zum Verb rov'i); prüstats (prct,
zum Verb prüsie); pzv§lals (poil).
Der Unterschied von dem nördlichen -§ts scheint alt zu sein;i
denn für die Gegend von Namur findet sich im weitaus gröfsten
Mafse -age, das man wohl als franz. Einflufs erklären möchte.
^ Givet (1. c.) hat auch -ats.
12 J. NIEDERLANDER,
Glos. T,"]^ 7 corage, ebenso 39, 5; 39 v" 11. 37 v^ 27 damage,
auch 38 yO 4. Ch. W. N. -age neben seltenem aige (Rom. XVIII, 211;
XIX, 75), ebenso in den anderen überlieferten Denkmälern.
c) In einigen bemerkenswerten Wörtern: aqua lautet 'ew,'^ da-
von abgeleitet iwis (aqueux), in Tamines ist e unter Einflufs des
?^-haltigen Lautes zu «? geworden; die Entwickelung entspricht also
hier nicht der von -ellu (§ 23 a).
C. d. V. (1393, 1408) aiwe\ ebenso Cart. Chr. v. Flor. eaive\ die
Aussprache ist jedoch §ive, durch den Reim gesichert (ZfrP XXI, 9).
kat (quattuor) ; spal (spatulam) ; dra (drappum).
10. a vor /+Kons. wird:
a) zu p\ ts'/U (caballum); fg (fallit); pöm (palmam); pöi (pal-
mitem, 6pi) ; tsgs (calceam), davon p'i{d) tsö (pieds nus, dechaux) ; so
(salicem, altfr. salz).
Daneben: dzan (galbinum), Man. nam. 219 jane; ä (allium),
Man. nam. as', ^gallicam (Etym. nach Horning, ZfrP XV, 494) ist
gäy (Wallnufs).
b) zu !<!: ^t (alter), nqz7.1t (verstärktes betontes Personalpron.,
s. § 107); /s^ (calidum); ist/k (calcat); t/, y>t (altum, -am).
Für die ältere Sprache vgl. unter / § 83.
11. a) Durch Einwirkung des folgenden Labials wird a vor bl
zu g: fgf (fabulam); sigf (stabulum); ;-ö/'(*rabulum); /ö/" (tabulam),
davon abgeleitet: tgvya (tableau); igvley (r6union de personnes);
atgvle (attabler).
Das Suffix -abilem wird meist durch gelehrten Einflufs zu äp^
z. B. viinäp (miserable); doch fand ich die regelmäfsige Entwicke-
lung noch in: tsgrygf (*carricabilem, practicable pour les chariots);
profilgf (profitable); vayöf (en bonne sante, *valabilem); amislgf
(amicable, sympathique) ; pürdgf {eiv^di prenable); akomodgf {^.ccovao-
dable); visngf (*vicinabilem, bezeichnet einen abgelegenen Häuser-
komplex auf dem Lande; Herr Stevaux); fygf (etwa faisable, für
*fare, s. § 140, i); ?nungf {Qi^z. mangeable); kiingf [wird von einem
leichtfertigen Mädchen gesagt; zum Verb kuni); 7n§zürgf (mesu-
rable); prfzitg/ (pr6sentable) ; p ilnisüf {Qi\Jdi punissable); y§rdgf {zvcc
Bezeichnung eines von Herden benutzten Weges; Herr Stevaux).
Ausn.: dyal (diabolum, Kirchenwort!).
Die Adjectivendung ist in Lüttich weit häufiger vertreten,
s. Gothier, Dict. Während der Norden des Wallon. hinsichtlich des
auslautenden Konsonanten f^ übereinstimmt, zeigt der nach dem
Lothring. liegende Teil -öl\ über die Grenze zwischen f und / vgl.
RDPGR IV, 30 und Feiler § 14.
Wie verhält sich nun die Sprache der früheren Zeit? Auf
Grund der Ergebnisse der heutigen INIundart müssen wir ein -avle
bez. -auvle erschliefsen , und diese Thatsache wird uns durch die
mannigfachen Schreibungen in den alten Texten bestätigt. Vgl. für
das altfr. Gebiet: Tobler, Vrai Aniel XXXI; Suchier, ZfrP ü, 275.
1 ebenso in Givet (1. c).
DIE MÜNDART VON NAMÜR. I3
Glos, -mde neben gelehrtem -ahle: 37,41, tatde 39 VO36; do-
taule 37 v0 4g; daneben 38,48 doiable; 37 v" 1 1 profitable.
Ch. W. N. gelehrtes -abh vorwiegend (Rom. XIX, 81). Cart,
I, 22 (1272) estaule', parmejiauele (perpetuelle); II, 123 taule des
povres', dies Hist. Flor. 301 (1270) tavele. Das Diminut. tauvelial in
C. d. V. (141 1) fol. 29 v". C. d. V. (1576) fol. 22 (pierres) tJiurauves,
das auch heute noch als mcfröf, wenn auch selten, fortlebt (Herr
Stevaux).
b) p entsteht aus a vor r und s.
öp (arborem); bop (barbam); köi (cartam); isoi' (carrum); tsö
(carnem); /üts (largum); iör (tardum); lUr (ardum); kor (quartum),
0 in diesem Worte auch etwas oflfner; es vertritt frz. argent (Geld);
skpn (*excarneam, ecaille); sgr (*exsaritum) ; spon zum Inf. spornt
(germ. sparanjan); bor (barre; Verb barrer = gleiche Anzahl beim
Kegelspiel haben); sphiT) (6pinard); mosiöt (moutarde).
Suffix -ardum: riisö (*riccardum); br§yo (zu brTr, *bragire);
r'nö (renard); bayö (Bayard).
Ausn.: er (frz. arrhes) wie altfr.
s\ pgs (pastam); Ävö (crassum); jypr/^ (altfr. varlet); 7«ö/ (raascu-
lum); pök (Päques) ist Kirchenwort; analog ist a'^ g in gelehrten
Wörtern: mürgk (miracle); dzök (Jacques, als Jaiikes C. d. v. (1457),
Cart. III, 210 (1469). — bassum lautet ba; asinum kannte nur Herr
Oger als an, sonst scheint „bourrique" gebraucht zu werden.
Die Trübung des a ist früh belegt, und zwar ist sie, wie auch
heute, durch au ausgedrückt; in andern Mundarten steht a, siehe
ZfrP IX, 481; XII, 259. Beispiele für das Vorkommen von a bez. o
in nebeneinanderliegenden Dörfern des Kantons Flexhe (Lüttich)
giebt Wilmotte, RDPGR I, 28.
So: Ch. W. N. au, besonders in gelehrten Wörtern, Ende des
13. Jahrh. (Rom. XVII, 554; XVIII, 211; XIX, 75), Man. nam. craux
(crassum). Cart. II, 113 (1389) chautre (mehrmals, altfr. chartre, car-
tulam), auch Cart. Bouv. I, 15 (1313). Cart. Cin. 9 (1528) ivaurde,
waurder. C. d. v. (1400) espauce (häufig, espace). Lieder: tchaür
(carnem), vaürlet.
12. a vor gedecktem Nasal ist ä'. mäls (manicam); isä (cam-
pum); pläts (plancam); §fä (infantem); blä, bläk (blankum); ostä
(autant, etwa aussi tant, s. § 142 d). Die Endung -antem ist ä'.
tsätä (cantantem).
Suffix -aneam: aran (araneam), wie altfr. so Geste de Liege
aragne 12543; grfn (grange, nach Horning ZfrP XV, 495 *granicam);
so graigne Man. nam. X, Cart. Din. 15 (1535). Ueber n vgl. § 88 b.
a ist zu 0 geworden unter Einwirkung eines folgenden 6'-Lautes:
so (sanguem), dazu das Verb sdn (sanguino), schon altfr. sonneil
(sanguinatum) in einer Urkunde für Lüttich (Rom. XVII, 554); stron
(strangulo). Für muri (*mandicat) s. § 18. — canabem (chanvre)
lautet ts§n (s. § 91, 3).
Die Mundart zeigt in diesem Falle den Stand der älteren Sprache,
die im N. und NO. a -|- ged. Nas. und e + ged. Nas. deutlich im
14 J. NIEDERLÄNDER,
Reime scheidet, mit Ausnahme des Part, praes. -entern ; e -\- ge-
decktem Nas. ist e (§ 24). Vgl. Haase, Verhalten pik. und wall.
Denkmäler in bezug auf a und e vor gedecktem n, Halle 18S0;
Jenrich, 1. c. § 12; Horning, ZfrP XI, 542 ff.
Unbetontes.
13. Im Hiat bleibt 0, wie überhaupt mit Vorliebe im O.
(s. O stfr. Gr. p. 16; This § 13; ZfrP IX, 482), erhalten, awly (*acu
-f-iculam); fiaya (flagellum); faygn (faginam); awus (a(u)gustum) ;
tayä (taon, *tabonem) ; saye (sagimen) ; sayü (sabucum, sureau) ; awe
(aboyer, s. ZfrP V, 95). So auch im Mittelalter: C. d. v. (1364)
fol. 7v aiüoust, (1385) fol. 7v awilhe; INIan. nam. XV, 249 sayen.
Daneben steht abweichend: ra^r (maturum); /»ar (pavorem); so:
(saputum); ycf (habutum, dasji' ist aus der Satzphonetik zu erklären).
satullum lautet s^, das selten gebraucht wird, -atorem > q::
piscatorem > /p'(^, s. §46; -atorium > w^: lüiraXonnva '^ mürwe,
s. § 48; -aturam >- <«(r): Sftsa (secheresse), s. § 51c. — Für die
ältere Sprache vgl. Chr. v. Flor. (ZfrP XXI, 31 im Verse).
14. Zwischentonig ist a gefallen: Im Futur der ö-Verba: d7/rf
(donare habio); tsäCr§ (cantare habio), auch bei den Verben, die
dem Bartsch'schen Gesetze folgen (§ 8): kädzr^ (cambiare habio). —
Ueber den Vorgang bei Muta c. Liquida, z. B. el^r§, s. Formen-
lehre § 125. — mansi (*minaciare) ; lümso (limacionem) ; ahiy (ab-
baye), Gart. I, 43 (1293) ahbie\ Hist. Mal. 66 (1365) ebenso. Diese
Erscheinung häufig im Altfr., s. Poeme Moral p. 86. In Bildungen
mit -amentem ist a verstummt, z. B. plenme, wie Chr. v. Flor. (ZfrP
XXI, 29). Sind aber die Wörter dem Franz. entlehnt, so zeigt
das e Uebergang zu ü infolge des Labialen, wie sakrüme {^'ü.ci&oa^Vi'C).
15. Vortoniges a in offner Silbe:
a) bleibt vor Labialen, Dentalen und Liquiden: a»zz (amicum) ;
avu (apudhoc); aweii (habenam); ana (agnellum); aney (*annatam);
sawf (sapere); tnanot (*manu -f- ottam, menotte); ramo (*ramonem);
atatsi (*attaccare); asir (adsedere, s. § 141, 9); a7-an (araneam);
pare (parentem) ; malat ("'malabitura). *alauda + itta ist olw^t infolge
des ^-Lautes; trüvy§ (*traversum), ü bei v. — aratrum, taratrum
lauten: ^r'&r, t^re^r.
b) Nach Palatalen schwächt sich a in e und schwindet später:
/5]/ya (capillum); /A^yjy (claviculam); /s/ö (caballum). ^ steht ts§y'er
(cathedram); i bei folgendem i: tsinüs (caraisiam). — calorem >
isalar, wegen des / (aber r! s. § 77). *caveolam lautet gayol (cage).
16. Vortoniges a in geschlossener Silbe:
a) Vor Liquiden -f Kons, steht 0: nwgre (malugratum) ; vprcef
(valere habebat); sove (salvare); mprie (Martin); sprie (*saltullare,
sauter; analog in Bezug auf die Endung: gkpvle, s. §5); tspso (*cal-
ceonem); mqrdi (Martisdiem); morsal (Marcelle, in einem Strafsen-
namen); spprhi (epargner, germ. U.); mgriya (martellum); tqrdzi
(*tardicare); grde (*wardare, mit Abfall des w, s. §93a); tsgri'i
charron, etwa charlier); porti (partire); mostprdl. (moutardier, zu
DIE MUNDART VON NAMUR. 15
mosiüt); sovld (sabulonem, sable), C. d. v. (1364) fol. 13V. sauelow,
pqme (spasimare). calcare ist thfki.
a steht in: sarp§t (serpette); dzarde (jardin). — Die Trübung
des a ist zusammenzustellen mit der unter dem Ton (§ 10, 11).
b) Nach Palatalen erscheint g: is§rp§ti (carpentarium) ; ts§siyä
(castellum); tsgtw^r (*captoriam, Bienenstock); tsfrdo (cardonem);
tSfrfi (*carrum + ittara) ; Ispia (panier, *canacium); tsgrdzl (carri-
care); /i^^r^zü (carrucam) ; /5^r(5ö (carbonem) ; /s^jz (*captiare) ; — spndl
(samedi). Dieser Vorgang ist früh und häufig belegt. Ch. W. N. V
{i2b2)) sem?nedi, IK{i2y 2) cesh'a/, Ylll (12^6) bresseresse; Cart. II, 121
cheruwe; Cart. Cin. 65 (1627) chesser; C. d. v. (1364) fol. g chergier,
fol. 10 eher eile, chei-petier, fol. 12 cherhon, (1385) fol. 7 v. cherpetis u.a.
Man. nam. cherdon, chergie, etc. Auch im übrigen Altwall., so die
Dial. Greg, e nach Palatalen, wie cherbon, u. a.
17, Vor sekundärem i steht 0 aus a < ai: mpzon (*masionem) ;
ozl (aise); bpzi (basiare); ppzer (paisible, s. § 7 b); bgsfl (Mädchen,
altfr. baissele); royt (*radicare); §krosi (*incrassiare) ; krpsi (*cras-
siarium); bqzür (baisure, Anstofs am Brot.); rationem, sationem sind
franz. r§zd, s§zd\ sqzd und rozd sollen, wie Herr Oger mir mitteilte,
in der Umgegend auf dem Lande anzutreffen sein, ebenso in
Dinant (Herr Mar6chal); dafs sie bestanden haben, zeigen Pasq.
und Lieder: raujon. — brpzl (pr^parer le grain pour brasser, zum
Subst. bre, = orge germde). Unter dem Einflufs von br wird p
zu c£ in br(£Zl (braisier); die Aenderung des Vokals im Gegensatz
zu brozi ist wohl infolge der häufigeren Verwendung des Wortes
eingetreten.
Der Durchgangsvokal zu p ist a, indem der Diphthong in
unserem Gebiete fallend war; vgl. für vortonig ai'^ a Wilmotte,
Rom. XX, 480, der besonders einige Fälle bei benachbartem sj an-
führt; Rev. de l'instr. publ. belg. N. S. XXVIII, 256, Moyen Age
1890 p. 202; s. auch § 6b. Ch. W. N. II (1248) mason', Repertoire
de Namur (1483) crassier (marchand de graisse); Chev. a. c. en-
crassier v. 1344. Froissard (Po6sies): basseletle, 95.
Die Formen mit a bieten uns andere Mundarten; Tamines,
Sombreffe: §krasi\ Gaumet s. Feller § 2g mäzä, bäs§l\ ferner RDPGR
IV, 19. Daneben sei noch darauf hingewiesen, dafs bei den Wör-
tern, bei denen ein Labial vorherging, dieser auch zu der Trübung
beitrug; so steht ein rapouaigi für Bouillon (Dict. von Aubry, 1792),
für's Lothring. nnuahon, Ostfr. Gr. p. 18, 77. Vgl. Suchier, Gram.
§ 27 c einige Beispiele für 0/ aus ^z' nach Labialen. — Die Schreibung
au ist im Mittelalter selten zu finden (s. § 11). Lieder: ecraucheuve.
— Frz. raisin (racemum) ist zu roeze geworden, dem altfr. roisin
(Grgg., Dial, Greg. 34, 6) entsprechend; es wirkte das folgende ^""ver-
ändernd ein; raisin ist in Gembloux: iiv^zc, Tamines: jiwfZe;
Gaumet hat rüze.
Daneben findet sich a: lasya (*lacticellum), Man. nam. lachial;
basi (bassiare); asi (*axiculum, essieu). — g liegt vor in: tr§lw§
(tractorium, Trichter).
l6 J. NIEDERLÄNDER,
i8. ö 4- Nas. vor Kons, bleibt ä: X'äf/// (cambiare); tsäsü {cdt.n-
tionem); isale (cantare). — anguillam lautet nmy.
Von dem vorhergehenden Labial beeinflufst, erscheint *man-
dicare als mwn,^ das in Namur allgemein für „manger" gebraucht
wird; doch schon in Floreffe ist muht „grossier"; es wird nur von
Tieren gesagt, während man von Menschen medzt verwendet. In
Tamines, das auch nur medz'i kennt, kommt die ^-Form vor in:
pfl^snmn (Pellkartoffel). — Glos. 37,49 mongie (Inf.); Pasq. und Lieder:
mougni. Die Formen mit getrübtem Vokal scheinen besonders dem
Süden der Provinz anzugehören; s. Feller § 8. Ueber ii s. § 88b.
Mit folgendem /-Laut entsteht c: pledü zum Inf. plel (plangere).
IQ. Nachtoniges a ist verstummt und hat manchmal einen
schwachen Nachklang hinterlassen.
§ (= lat. e, ae).
Betontes.
I. In offner Silbe.
20. Freies offnes e wird zu J über den stark fallenden Diph-
thongen /^;i vgl. § 7; Poeme moral p. 63 ff.; anders Horning,
ZfrPXI, 413 ff.
pi (pedem); lif (leporem); ay'ir (*adheri); flf (febrem); vJ
(vetum), fem. jyzy, Cart. I 14 (1246) vie\ ppplr (*palpetram) ; fttr (\n-
tegrum); pir (petram); padrt (*perderetro, derriere); /r? (*inretro,
eloign6); bJr (biere); bt (biere, Katafalk, germ. U.); bl (bief); Itts
(Liege) u. a.
Ausn.: iseyer (cathedram); Lüttich und St. Hubert: ts0n bez,
ts§ytr\ über diese Aenderung § 7. caelum ist franz. syel\ in Lüt-
tich: sir.
dzal (gelat) unter Einwirkung des /. — Für iygn (tepidum),
wozu das Verb ty§7ii, s. Horning ZfrP XV, 495 und § 68 b.
Dieser Wandel des ie zu i ist ein dialektischer Zug des Wallo-
nischen und entspricht dem des a nach z-haltigen Lauten (s. § 7, 8).
Ch.W. N. haben i seit der Mitte des 13. Jahrh. (Rom. XVII, 556;
XIX, 76). Cart. Din. 20 (1265) piche de terre; sige do mollin. C. d. v.
(1385, 1407) pire, (1388) pice, Lige (Liege), (1386) derir. Cart.
II, 121 pissente (sentier, *pede semitam), heute: plsel.
2 1 . Freies e -\- Nas. ergiebt e über ?: be (bene) ; re (rem) ; te
(teneo); ve (venio).
Die betonten Possessiva 7fiek, tek, sek s. Formenlehre § ili. —
Den Laut 7, der, nach den alten Texten zu urteilen, der ursprüng-
liche gewesen sein wird, findet man wenige Kilometer nördlich bei
Vedrin (nach Prov. Brabant zu) und bei Gembloux. Glos. 38 v^ 2
bin; Cart. 36 (1289) bin (häufig). Lautlich ist ? -|- Nas. und / + Nas.
zusammengefallen, was Chr. v. Flor, im Reime zeigt.
1 ebenso in Givet (1. c).
DIE MÜNDART VON NAMUR. l^
Formen mit geschwundenem Nasal begegnet man in Tamines
und Umgegend: mek, re, le etc., vgl. Melanges Walions p. iio.
2 2. Freies, ebenso gedecktes ? + ^-Element ist meist zu z über
iei geworden: dis (decem); sls (sex); pri (pretium); pl (pejus); lir
(legere); §glls (ecclesiam); prry (precat); pls (*pettia); tertium > iyes
ist entlehnt, in Lüttich: tis.
Tritt dieses /-Element in den Hiatus, so steht e: ley (illaei,
eile, betont); nieyne (minuit); (Tmey (dimediam); ney (necat, zum
Inf. n^yi).
Daneben findet sich e\ le (lectum); pe (pectum, pis); — t§s
(Praes. sing, vom Verb i§si^ texere); r/i^ (r6ussir, *reexire; s. § 13Ö).
Das altfr. med Je (medicum), so C. d. v. (1428), ist erhalten im Verb
medt (soigner les betes malades, Herr Stevaux); für wall. med. s.
Horning, ZfrP XV, 494. sy.y ist nach dem analogischen Inf. sqyi
(secare), so C. d. v. (1407) soier^ gebildet; ebenso tu^y (nego) zu nqyu
Lüttich hat einen ähnlichen Vorgang, doch sind die ^-Formen
häufiger. Zu diesem Wandel von ?-j- /-Element im Ostfranz, vgl.
Horning, ZfrP XII, 255, 580; XIV', 377; Wilmotte, Rom. XVI, 122;
XVII, 314, 555. Die ^-Formen würden als Nachfolger des altfr.
östlichen ei zu betrachten sein.
Was zeigt uns nun die ältere Sprache? Glos. 37, 10; 37, "^t^
les', 37,13 lere\ 40,2g reles; 37,34 lies (lectum, /^-Schreibung!);
39,29; 40,34 despite; 38 VO32; 39,40 despities; 39,22; 40 v0 2i
mide (medicum). Ch. W. N. haben i (Rom. XIX, 76). Cart. ebenso
II, 72 siis; I, 1 1 glise u.a., doch für den Hiatus: I, 11 (1235) demey,
II, 136 (14 14) ley\ Cart. Din. 35 (1340) ley. C. d. v. (1364) demeie,
auch Hist. Mal. 66 (1365) (mehrmals). Chr. v. Flor, im Reime i,
daneben aber abweichend Schreibungen ie, e (ZfrP XXI, lo). Pasq.:
leye (illaei); Lieder: /// (lectum).
Demnach wäre man versucht, ein Verdrängen der ursprüng-
licheren ^-Formen anzunehmen.
22 a. ?-}- ^"Element : deum lautet dy§ {iu >■ ieu >> ie)\ so auch
erdy§ (arcumdeu, arc-en-ciel). sequere > sür, neben sür, altfr.
siure, macht eine Ausnahme von iu > z (§ 3 1 b). St. Hubert hat
die richtige Entwickelung (Marchot § 93); es wird sich i wohl früh
mit s 'iMi s verbunden haben. — Maihaeu, Atidraeu haben heute die
franz. Aussprache; doch findet man in den älteren Texten immer
Mathi, Andrir (C. d. v. und Cart.), die auch in anderen Mundarten
so fortleben (Bull, de l'Acad. royale belg. 3. s. t. 2)}>^ p. 1 1 1).
Glos, haben: 37, 14 dies; 3g vO 53 ensiere.
IL In geschlossener Silbe.
23. e diphthongiert zu^^i besonders vor r und s\ fy^r (ferrum);
fpiy§s (fenestram), daneben auch /^rifs] dzfuyfs (*genestam), wieder
Nebenform dzpi§s\ y§p (herbam); hy§s (*bestam); fy§s (festam);
mygs (honestum, Herr Oger); tygs (*testam), daneben die weiter-
* ebenso in Givet (1. c).
Ztschr. f. rom. Phil. XXIV.
l8 J. NIEDERLÄNDER,
entwickelte Form isfs, besonders bei den niederen Klassen; man
sucht natürlich diese Form zu vermeiden und bezeichnet sie als
„grossier". jvjv?/' (vermen) ; wj'fr (nervum) ; jy^ (servio) ; /jj'^/ (perdere) ;
yfs (essere), daneben: fs\ iy§ (versum); trüvyf (transversum); iy^n
(*terrinum, coliine) in vielen Ortsbezeichnungen; kuvyfi (*coopcrtam,
couvcrcle). — Horning, ZfrP IX, 483 führt drei Wörter an, die für
Lüttich (wie auch für St. Hubert) eine unregelmäfsige Bildung
zeigen; in Namur aber ist: perticam (Lüttich: pis) '^ pjfs, frz.
perche; persicam (Pfirsich, Lüttich: pts) '> pyfS; erpicem (herse)
lautet zwar in Namur selbst tp, doch in Floreffe, Gembloux, Ta-
mines findet man die regelmäfsige Form:j'^j. — i'vyer (hibernum)
mit geschlossenem <?.
Daneben steht f. Sft (septem; Ch.W. N. sief); t§r (terram, in
den Urkunden oft licrre), franz. Formen! — wespam ist w§sp\ Gem-
bloux hat was, Tamines ivasp.
Dieser echt dialektische Zug begegnet uns in allen über-
lieferten Denkmälern; er findet sich regelmäfsig in der zweiten
Hälfte des 13. Jahrb.; nach Jenrich, 1. c. p. 31 hat er sich allmählich
von der Pikardie aus über das wallon. Gebiet verbreitet. Ueber
die Diphthongierung selbst vgl, Horning, ZfrP XIV, 394 fF.
Glos. 38 v<* 21 />/<?;- (2. Pers. praes.), 3g, 31 piert, 40 v" 16 bieste.
Ch.W. N. ie, z. B. fieste, apties etc. Gart. I 22 (1272) fiesle, (1282)
pierie, iiere, iesire u. a., wie überhaupt zahlreiche Belege. C. d. v.
(1466) tiej-tie etc.
23 a. ? vor / 4- Kons. ergiebtjj'Ji über ea > ia, hierzu W, Foer-
ster, ZfrP I, 566; es ist einer der wesentlichsten Unterschiede zu
Lüttich und Luxemburg; Huy (ZfrP XII, 259) zeigt beide Formen
nebeneinander; vgl. Le Wallon p. 25. lya (bellum); pya (pellem);
j/Vj'ö/ (speltam, ipeautre). — Suffix -ellum >>;)'<z: /i^^j-Z^v; (castellum);
hier gilt dasselbe wie das über tesia (§ 23) Gesagte; die Nebenform
lautet ähnlich: tSftsa. ionya (tonnellum); vigrtya (martellum); rfslya
(rastellura); tsapya (capellum); vya (vitellum); saya (sitellum); flaya
(flagellum); batya (*battellum); lasya (*lacticellum) ; tsornya (*car-
pinum 4- ellum) ; panya (*pannum -f- ellum, chemise). — Steht ein
i^-Laut, so geht y in denselben auf: usa (os, nach Horning *oscel-
lum); vasa (vascellum, Sarg); uza (*aucellum, von einem leicht-
sinnigen Menschen gesagt; s. § 56 b). — Ausn.: *corbellum >
kwarbö mit franz. Endung. • — Verbindung zweier Suffixe: -ellum -{-
ittum (-am): kwarsl§ (corselet); sov'/fi (kleiner Besen, zum Verb
sove); dies im Altwal!., so Dial. Greg. 12, 13 corselet, vaisselet.^
ia findet sich früh belegt, und es ist immer, wie auch heute,
-ellum mit -illum zusammengefallen (s. §320). Glos. 37, 6; 38,8
bias; 37 vO 29 7iovias\ 38,24; 38,27 usias; 37 VO41 iovenescias.
Ch.W. N. ial bez. ia vor Kons.: I (1240) spiaie. Cart. I 6 (12 14)
ionial, 50 (130) [iTjO^) porchial, III 168 martials, coiitiah u.a. C. d. v. .
(1388) creiias, (1458) pia (pellem). Man. nam. lachial, pial u. a.
Hist. Flor. 250 (1254) spiate. — melius lautet mya}
^ Dieselbe Entwickelung in Givet (1. c).
DIE MUNDART VON NAMUR. I9
23 b. -ellam zeigt zweifache Entwickelung:
i) §1: b§l (bellam); -nqvgl (novellam) ; bgs§l (altfr. baissele);
füm§l (femellam); -ellam -}- ittam : mämz§l§t (mademoiselle).
2) ah pürnal (prunellam); nasal (navicellam) ; süral (*sur -|-
ellam, oseille); sgiral (*saltarellam); gn'izal {germ. grossei, grosseille);
brqkal (Zündholz); makral {%oxc\hxü, zu frz. maquereau); rwal (ruga
-j- ellam); mgyal (*mutellam); pqtal (kleines Loch in der Mauer);
bas mgrsal (Name einer Strafse, Basse Marcelle); ßfeV/a/ (bretelles) ;
trwal (truellam); dz^rmal (*gemellam, jumeaux), so häufig in den
C. d. V. (1407). Cart. II, 88 (1366) ruivalle, 134 rmvalle du Sauchi',
III, 89 rtialle des Wendcs. Cart. Bouv. I, ZTy (1383) ruwalle; Hist. Flor.
408 (1295) novalles. — al scheint demgemäfs die ursprüngliche
Form zu sein, wie auch heute in anderen Mundarten: St. Hubert,
s. RDPGR IV, 21; Lüttich, s. Melanges Walions p. 16.
24. ? -j- Nas. 4- Kons, lautet e\ pet (pendere); früme {ixwva&xv-
tum); se (sentio); dze (gentem, une personne); ardze (argentum);
pare (parentem) ; raiet (re + attendere) ; se (centum) ; pes (penso) ;
ets (incaustum, altfr. enche); »f" (ventum) ; ie (tempus); tq iep (= de
bonne heure) dürfte altfr. tempre gegenüberzustellen sein. Die Ad-
verbialendung -mente > vie z. B, ratme (rapidamente, vite).
*necentem > ne, als n — 7ie allgemein als Negation gebraucht,
so altfr. nieni. Glos, häufig; nient 37, 13; 37,45 etc., daneben die
Form ohne Nasal: nie 38,6; 36,17. — Die sonst im Altfr, übliche
Negation mie haben die Glos, selten, so 37, 18; sie lebt heute als
mi, vicf im Gaumet und Lothring. — Unter dem Einflufs des Labials
wird tremulo >- iron, zum Infin. trotte', in Lüttich: trgle.
Wie heute, ist in der älteren Sprache e vor Nas. -f-Kons. und
a vor Nas. + Kons, streng geschieden; ^ vgl. Haase, Diss. 1. c.
Unbetontes.
25 a. Vortoniges e in offener Silbe:
i) e erscheint als §\ ffftyfs (fenestram); nifyce (meliorem);
r§spdt (respondere) ; s§rizi (*cerasea -j- arium) ; n^voß (nepotem), fem.
nfV(ES etc.
2) Es wird zu i erhöht oder fällt: dziny§s (*genestam, auch
dz^nyfs), sowie in dem Prefix re-: rivtiü (revenire) ; rhvfyi (rcvigi-
lare); ripwaze (repausare); risür (recipere). — Daneben häufig ge-
schwunden: rn§ri (*renitidicare) ; rsimi (*resamiare, schleifen); v'nü
(venutnm); Cnü (*tenutum) u. a.
Im Hiat geschwunden: vu^l (meduUam); hj^li (*betullam-}- arium);
pil (peduculum). — Ebenso zwischentonig: owz (*operarium); abr^-
vals (*biberaticum, mit Metathesis des r). Suffix -ellum: kwars'lf
(corselet); sqv/ft (kleiner Besen); rfsll (*rastellarium). — a steht
wegen des folgenden / in: dzale (gelare), hieraus in die betonten
Formen: dzal.
' Givet (1. c.) scheidet gleichfalls; die Negation ist auch nd.
2*
20 J. NIEDERLÄNDER,
3) ? + -^-Element {^22): 0, dem altfr. analogischen oi ent-
sprechend: sgyt (secare), »oyi (negare). Daneben: nfyi (necare);
pn)n (precare); rfsü (Part, praet. zu tys); tfst (texere). secutum
ist sü. — Ueber Prefix ex s. § 71. — sextarium ist stl (s6tier);
Cart. Din. 40 (1394) stir.
25 b. Vortoniges e in geschlossener Silbe:
1) diphthongiert zw yf. sy§rmd (sermonem) ; zyfsprey (*vespe-
ratam); sy§rfüy (caerefolium) ; py§lri (perdicem); fy^sie (feter); pyp-dü
(perdutum); jj-^rz;« (servire) ; j/j^^r«7 (sternutare, über -Itare); sty§rni
(sternere). Bei den Verben ist Uebertragung aus den betonten
Formen anzunehmen; über Diphthongierung in vortoniger Silbe
vgl. Horning, ZfrP XVII, 22g. — Glos. 40, 18 siervir.
Daneben steht/: (5/r^z (*berbecem); ot/s«^ (*messionare) ; v§siy
(vessicam) ; perze (petroselinum, persil), das andere Mundarten, z. B.
Lüttich und St. Hubert, diphthongieren. — dzorjie (germinare) ging
durch eine Form mit a, das unter dem Einflufs des ;■ entstanden
war; quaerere entspricht kwlr (s. § 141, 6).
2) e wird zu a: samwen (septimanam), C. d. v. (1364) saviaiiie,
häufig; padrl (*perderetro) ; asayi (exagiare) ; parokf (perroquet);
asicej (Imp. Sing, zu y^s, s. § 140, 2). — i kommt vor in: dis/e
(*deexfare); dislqyl (*deexligare). — Durch Einwirkung von pr ist ü
entstanden: prüsie (praestare), dazu: aprüste, Subst. prüstais (pret);
Horning, ZfrP IX, 484 möchte 1 ansetzen.
26. 1 vor Nas. -}- Kons, ergiebt e, wie unter dem Ton (§ 24).
verdi (Venerisdiem) ; meto (mentonem); teprü (frühzeitig, cf. altfr.
tempre); venire habio ist ohne Nasal ver§, ebenso fer^, s. § 86 b.
e (lat. 2, z, ö?).
Betontes.
I. In offener Silbe.
27. ^ in offner Silbe wird zu w§, über ei — ai — oi — oe.
krwf (credo), kriver (credere) ; iriv^ (tres) ; fivf (fidem) ; swf (sitem) ;
kwf (quid); sakivf (etwas); divf (debeo), Inf. divü (Analogiebildung;
Näheres s. Formenlehre § 120), ähnlich: valü (valere), vqlü (*volere),
hiernach pglü (*potere). w^ (video), in der Frage v^, ebenso vf^si
(voici), Cart. II, 88 (1360) vechi; in Fosses (Enf. prod.): vf.
mwf (mensem); pwff (piperem); pwf (pisum); piver (piram);
awf (habere); satv^ (sapere); risw^ (recipio); hvf (bibo); Inf. bwär,
a unter dem Einflufs des r, wenn nicht franz. siwal (*stelam),
ionwär (tonitru), hiernach alümivär (Blitz, zum Verb alüme, wie
auch altwall, bei Jean de Stavelot 516, Jean d'Outremeuse I, 85;
V, 74), wieder beeinflufst durch die folgenden Konsonanten.
Das betonte Personalpronomen ist mi, ii, si (s. Formenlehre
§ 107), von mihi > mi.
Tritt oi in den Hiatus, so bleibt 0, das mehr als ^ erscheint.
sJ/y (setam); kr'^y (cretam); v^y (viam); fv^y (inviam, parti); many.y
(monetam); my.y (metam, meule, altfr. moie), daneben auch ?fiwey.
DIE MUNDART VON NAMUR. 2 1
kl^y (cletara, claie); syi.y (saie); vl^y (videre, über ve'i s. ZfrP XII, 258) ;
*siam (sois) lautet si^y, daneben sccy. — Ueber die Endungen -etis,
-ebam > 0 s. § 121b, 122.
Zum '^Unterschiede von Namur haben Lüttich wie auch Teile
des lothring. Sprachgebiets qe aus e; in dem Ergebnis des in den
Hiatus tretenden 1 aber, das y,y wird, stimmen alle überein. Be-
merkenswert ist, dafs der Sü. und SüW, der Provinz Namur eben-
falls diese ar-Formen zeigen. Wir finden so: Nimes bei Mariem-
bourg: krcx; hü {ü unter dem Einflufs des b). Chimay: dce (debeo);
frcp, dce (digitum); Frasnes-les-Couvin: fcx, tqe, sircf. Dinant: icf
(wie ja e und ^ -|- ^-Element übereinstimmen, § 28); ebenso: Wal-
court, Philippeville, Florennes. Auch im Lothring. kommen beide
Formen nebeneinander vor, die w^- Formen besonders nach La-
bialen; über die Entwickelung im Ostfr. vgl. Horning's Historischer
Exkurs über 1, Ostfr. Gr. p. 34 — 37.
Dieses w§ ist für die Namurer Gegend früh belegt sowohl
nach Labialen wie Nichtlabialen. Glos. 38, 51; 38, 63; 38, 67; 38 v^' 5 ;
39 vO I dues\ 38,55 due\ 38,26 deaiei\ 38,37 siies\ 39,19 buevre\
39,20 buevant. Ch.W. N. oe häufig neben oi (Rom, XIX, 78), IV
{izbi) Namuroes, ¥1(1264) (^o^i- Cart. Wal. 51 (1297) moes; desgl.
häufig in Cart. und C. d. v. Für das in den Hiatus getretene oi
findet man vielfach die Schreibung -oye: Cart. II, iio (1388) 7)ionoye;
Transports de Namur (1439) cloye. Cart. Din. 65 (1628); souie;
Lieder schreiben voie (viam); evoie.
Neben der Annahme, dafs die Formen nach Labialen (über
deren Wirkung s. § 3 a, 95 a) die übrigen beeinflussen konnten,
mufs man berücksichtigen, dafs die Namurer Gegend durch ihre
geographische Lage, wie auch durch ihre politische Stellung im
Mittelalter, mehr unter pikardischem Einflufs stand, dafs man also
auch diesem verschiedene Entwickelungen im Lautstande wird zu-
schreiben können.
28. Freies wie gedecktes ? -|- /- Element ergiebt wf. riv^
(regem); dw^ (digitum; dgy, digita = gros orteil war nicht be-
kannt); Iw^ (tectum); drzvf (directum); rwf (rigidum); striv^ (stric-
tum); nwär (nigrum), dazu das Verb nwari, unter Einflufs des r.
Daneben steht § aus w§\ fr§ (frigidum); yl-r^^ (crescere), Glos.
38 v" 36 crest. — Frz. seigle entspricht siv^l mit etwas veränderter
Bedeutung.
Tritt li in den Hiatus, so i^y (wie § 27): ryy (rigam, altfr.
roie, Kreidestrich beim Kartenspielen; in den Cart. die Bedeutung
„sillon"). fr70 (frico); brl^y (brico), ebenso Subst. (Instrument a rompre
le chanvre); />% (plico); §pli/y (implico); teca ist tik (Kissenüberzug,
frz. taie), Gaumet hat regelmäfsig iüy.
Für die Entwickelung des 2 + /-Element gilt dasselbe, wie das
§ 27 Gesagte; auch hier kennt der Süden der Provinz ^, so Dinant,
Spontin, Ciney (Enf. prod.).
*vicatam ist f'iy in kehifiy (vielleicht; das in Lüttich gebrauchte
mütwg (*multumtostum) war nicht bekannt), entsprechend dem Altfr
2 2 J. NIEDERLÄNDER,
Cart. I, 21 (1268), Cart. Cin. I (1321), Glos. 38, 15 fie, doch da-
neben 38, 17 fue.
fidicum (frz. foie) lautet /f/ (s. § 59 c).
29. Freies ? + Nasal wird:
a) nach Labialen zu we\ piven (poenam); iven (venam); aiven
(habenam); mwens (minus); Ch.W. N. rmäns.
b) sonst e: alen (alenam); ple (plenum); fre (frenum); se (sine,
Sans); plen (plenam).
Wie schon bemerkt, sind die Ergebnisse von freiem a + Nas.
und freiem ^ -f- Nas. vollständig zusammengefallen. Namur teilt
diese Entwickelung mit dem lothring. Sprachgebiet, während Lüttich
und Luxemburg (belg.) nach Labialen monophthongische Formen
mit 0 zeigen. — ein gehört altfr. dem Osten an, vgl. Cliges LXII.
30. Betontes 1 wird durch Einflufs eines palatalen Lautes zu i'.
plezi (placere); J§zt (Heere, HerrOger); payi (pajensem), dazu: payizä,
payizät\ hgrhi (*berbecem); sor'i (soricem); str (ceram); m§rsi (mer-
cedem). — recipere ist risih- (§ 142, 3), recoenat >• risün (für dieses
Verb im O. s. ZfrP XVIII, 227).
Bei Nasal steht e: rceze (racemum). — puUicenum hat andere
Suffixbildung: puyd.
31a. Suffix -iculum: soliculum entspricht solya, infolge Suffix-
vertauschung mit -ellum (§23a), was früh belegt ist: Cart. 1,41
(1293) solial levant, II, 136 (14 14) solial ahsco7isant. Diese Endung
ya findet sich auch in Hannut (Prov. Lüttich, M61anges Wallons
p. 4), Dinant, Tamines.
somniculum ist somey (franz.); ebenso consilium, franz. köscy.
-iculara >> (Jy; in Tamines: äy. boiVy (botticulam) ; kivarbey
(corbiculam) ; grey (auriculam).
31b. ^ + 6^- Element erscheint als t, über iti > ieu >> ie >• /,
wie überhaupt m in unserer Mundart zu l wird, s. § 37 a. st (sebum,
altfr. siu); rll (regulam, regle de mac^on); «J/ (nebulam, pain ä ca-
cheter); sirt (etrier, germ. U., für Jodoigne (Prov. Brabant) strgvir).
Von tegulam, Diminut. + ellum: tilya (carreau en terre cuite ser-
vant ä paver); das Lütticher tili (craie rouge, Grgg.) war nicht
bekannt.
Chr. v. Flor, riegle : euvangüe (ZfrP XXI, 10). Vgl. für's Altfr.
Wilmotte, Rev. de l'instr. publ. belg. N. S. XXVIII, 259 flf. Lüttich
hat für die letzten Beispiele (regula, tegula, nebula) ü statt /.
nivem ist ruf, zum Verb nivi (s. § 89 b), Geste de Liege
v. 32994 nyve.
II. In geschlossener Silbe.
32 a. e wird oflfen zu ^: dft (debitam); Ifl (litteram); vgls {\\r-
gam); s^k (circulum); v(:t (viridem, masc. u. fem.); krfs (cristam);
spg (spissum), dazu Verb raspgsi (epaissir); s§is (siccum, -am).
Suffix: -ittum > /?: sgrg (hareng-saur, *saur + ittum), Cart.
II, 157 sores', bokf (*bucca + ittum, morceau, über bucca, s. 58b, 2);
DIE MUNDART VON NAMUR. 23
kiijl^ (*cuneum 4- ittum, Stück Holz); kay f {chose, machin); losf [hz.
louchet); lilskd (luscum + ittum, louche).
32 b. -ittam > ^t: soviel (kleiner Besen); pir^t (noyau, *petram
+ ittam); rözü^/ (*redd + ittam , Zugabe), daneben aiv§t. sim!r§t
(Schaumlöffel, zu scumam); palgt (*palam + ittam) ; lap§t (dünner
Kaffee, zu frz. laper); kop^t (Bergspitze, *cuppa + ittam; besonders
in Ortsbezeichnungen) ; siz^t (*cisum + ittam, Schere) ; h§rw§t (*bis-
rotittam); (^;-ö/// (*braca + ittam); süsgt (chevre-feuille, zum Verb
SUSI, sucer); 7iük^t (loquette de beurre).
32 c. Suffix -illum ist mit ellum zusammengefallen; es wird
zu ya: ts'/ya (capillum); sya (ecceillos); zya (illos; Genaueres
s. § 107). — Femininum -illa: Zfl (illas, s. § 107); spi (ecceillam;
für />« § 79); maxillam ist masal (Wange), wie altfr., Gachet,
Gloss. z. Chev. a. c. v. 312g.
Den Zusammenfall von -ellum und -illum zeigen die ange-
führten Denkmäler: Glos. 38, 2g icias; Ch.W, N. das (Rom. XIX, 76),
ebenso Gart.
32 d. -itia > ^j: rils^s (richesse); viyfs (vieillesse). — -issam
> ^s: ts§r§s (chert6); mdnr§s (meuniere; masc. ist moni); vatsr§s
(fem. zu vacher).
33. I vor gedecktem Nasal wird e, ebenso wie e (§ 21). pret
(prendere); fet (Andere); sei (cinerem); piset (*'pede semitam); vet
(vendere); §tet (intendere); ses (ferrae, *censam); lew (linguam);
dhnpi (dies dominica, s. § 5g c); mein (*metipsimus). — Glos. 49, 22
laingue. Gart. Bouv. I, 12 (1301) dimengfie, wie häufig in den Gart.
Gh.W. N. VIII (1267) minmes. — Ebenso mit folgendem Palatal e:
disiet (*deextinguere).
33 a. Unter Einflufs von Labialen verändert sich der Laut.
f^m (feminam), so Gart. I, 22 (1272), III, 116 (1394)» H, 145 (1418)
feume. — ^son (insimul); son (simulat, zum Inf. sone) ohne Nasal ;t
ebenso rasone (rassembler), risone (ressembler). Schon Gh. W. N.
III, VII sotüerai; auch Gart. Bin. 18 (1263), Gart. Fosscs 7 (1267). —
Lüttich hat ^söl (insimul).
Unbetontes.
34. Vortoniges e in offener Silbe:
a) wird zu i oder verflüchtigt sich, was den südwallon. Mund-
arten besonders eigentümlich ist. divü (debere); divrl (5. Pers.
Gondit.); ^///(•ö>s- (*dedicatium, kermesse); Z//;/? (tcmonem); /»///(petit);
dimive (demane); divp-qef (Sing. Gondit. von devenire); disfä (de-
fendre) u. a. — d'vä (debemus); d''mät (demando); r'süvä (reci-
pimus); d've (dedans, altwall, devens s. § 144 a).
Eine Vorliebe für /' zeigt auch die ältere Sprache, s. Rom.
XIX, 79-
b) erscheint als f. v^yä (videmus); v§ra (veruculum, mit anderem
Suffix); b^vä (4. Pers. praes. von bzüär); bfvü (Part, praet.); —
^ ebenso in Givet (1. c.)
24 J» NIEDERLÄNDER,
krwQ'ä (4. Pers. praes. von krtvct^ und Fat. krw^rg zeigen Ueber-
tragung aus den stammbetonten Formen. — Zwischentonig ist e
gefallen: ts§rf (caderehabio) ; isädlces (*candelorum, s, § 77); dzüne
(jejunare), sür (securum) im Hiat, wie auch vya (vitellum); über
videre >> vc'i'^ vyy s. ZfrP XII, 258. — Das Fut. von videre zeigt
Diphthongierung vyp-§ (das Verb vT/.y s, § 140,4), die sehr häufig
in Cart. und Ch. W. N. belegt ist; vgl. über diese Erscheinung
Horning, ZfrP XVII, 29g. Ebenso: nyp-sd (*ericionem, h^risson),
interessant auch wegen des aus dem unbestimmten Artikel ange-
tretenen ;/; Gaumet und Malm6dy haben lürso.
c) ?-}- /-Element wird 0, unter Einflufs der betonten Formen:
loye (legamen); royd (von rigam, sillon); ployl (plicare); broyi (bri-
care); fi'oyi (fricare); fployt (implicare), daneben fpl§yl (in der Be-
deutung „geben"); loy'i (ligare). — Daneben steht zvf: wfyi (vigi-
lare), 7Vfze, neben 711 fze (franz.), wie unter dem Ton; /f^i, wo wf
> /. *vicinabilem (s. § 1 1 a) ist vihtgf. — Ueber -icare s. § 590.
d) e ist ü geworden: füm§l (femellam), strüme (strennatum,
6trenn6), viünüt (minute), beeinflufst vom Labialen. — risüne (re-
coenare, Vesper halten; s. ZfrP XVIII, 227); Cr6sus ist krüzüs.
e) a ist eingetreten: saya (sitellum); traye (tridentem); ardt
(hirundo, vor r), so altfr. Froissard (Poesies) II, 369; mazeis (me-
sange, germ. U.); skrame (6cremer); viansi (*minaciare) ; aiioyx
(*inodiosum, triste). Dieses a in den Urkunden, besonders für die
Gegend von Lüttich (Rom. XVII, 560).
35. Vortoniges e in geschlossener Silbe:
a) bleibt als ^: Vfsiy (vessicam); p^st (piscare); pgsd (piscio-
nem); 2^/5^0 (putois, s. §4a, ZfrP XVIII, 230); krgsä (Part, praet.
von krgs, crescere); f§tscr (*filicariam) ; pr§sti (pisturire, petrir), die
Gegend von Fosses unter dem Einflufs von pr: prüsti\ nifsadzt
(*missaticum + anum); spii (signare, sich bekreuzigen), indes: shie
(franz. signer, ohne Mouillierung).
a tritt ein: wärgla (verglas); masi (meler, *mixtiare, nach Hor-
ning, ZfrP XV, 560). — *crescionenen wird krüsö (cresson), viol-
leicht durch Einwirkung von kr. — Zwischentonig / in m§rviyl (mer-
veiller), wie altfr. besonders im No., vgl. Mussafia, ZfrP I, 409.
b) Vor Nasalen steht e wie betont (§ 33): segle (singularem);
efle (inflare); etre (intrare); vedü (vendutum). — ^Og^O (*singluttum),
beeinflufst von dem folgenden Laute.
Die Partikel m wird, weil vortonig, zu §\ §vyy (inviam); ^
(inde); §fä (infantem); §tet (intendere); §Sün (insiraul); §krost (*in-
crassiare); §ko, neben ko (encore); l§dimwen (indemane, lendemain);
§voyi (inviare) u. a. So schon in Glos. 37, 13 %tendre\ z (en)
37, 10, 14; 37, 35 efans (mehrmals); 38, 29 es/rr^s (instructus);
37 vO 27 essieuwe (insecutam).
Der Ausfall des n in der Partikel in ist auch anderen wallon.
Mundarten gemeinsam (s. ZfrP IX, 484; Marchot § 126). — pürdä
(4. Praes. von prendere) infolge des Labials, neben pirdä.
DIE MÜNDART VON NAMUR, 2 5
36. Eine Prosthese hat nicht stattgefunden; kommen aber
mehrere Konsonanten zusammen, so wird zwischen den ursprüng-
lichen ein 2 eingeschoben zur Vermeidung der Konsonantenhäufung;
hierzu Horning, Littbl. 1892, p. 342. spfn, aber gn sippi (spinam);
siöf (stabuhim); sol (scalam); skrij- (scribere); siüf (altfr. estuve,
Ofen, germ. U.); j/r^ (stramen); j/zo«/ (*stelam) ; j/»^ (spissum); spyat
(speltam, epeautre); j/^;/ (spatulam); siäpe {iätxe debout) u.a. Diese
EigentümHchkeit des wallon. Sprachgebiets zeigen Glos. 3g v^ 16
scriueni, 37, 52 stränge, das Einschieben des Vokals 37, 46 separge;
ebenso in Ch. W. N. (Rom. XIX, 564) und den übrigen Denkmälern.
In anderen Mundarten ist der eingeschobene Vokal «, s. RDPGR
IV, 31; Feller § 39.
i (lat. J).
Betontes.
37. Freies wie gedecktes t bleibt. Rom. dt in den Namen
der Tage: Iddi (lunaediem), mgrdl (Martisdiem), merkr§di, dzivfdl,
verdi, dimpi. — todi (tottumdiem, statt toujours, so immer in den
Cart.); dl (dico), dir (dicere); vtk (Praes. sing, von vike^ vivre,
s. § 143); avri (aprilem); skrir (scribere). — In der Infinitivendung
-ire: »?^// (mentire), j^/z// (sentire), «?^rz' (nutrire) ; (\oxxmx& \&\. dwarviü,
ebenso wie v^nü infolge von Analogie, s. § 120. -itum >» i'. vieli
(mentitum).
37 a. Dem altfr. iu entspricht ?, über ieu >> ie > i\ vgl. § 31b;
Marchot § 93; Marchot, Solutions de quelques difficult6s de la
phon6tique franyaise, Lausanne 1893, p. 86. -ivum > iu für's Wallon.
s. ZfrP II, 275. r'i (rivum); pgur (paisible, altwall, paissiule), wo e
aus / vor r entstanden, s. §7. Glos. 39, 21 paisiere, 37, 50 chaitil.
— Jenrich, 1. c. § 19: -ivum > iu. kril (cribrum, Sieb), altfr. criule
in der Cistercienserinnenregel. — filius (altwall, fiuz) ist fi, Glos.
37, 6 fis. Chr. v. Flor, fis : paus (ZfrP XXI, 14).
37b. Im Hiatus bleibt ?/ im Gegensatz zu Lüttich, das ly
eintreten läfst. -itam >> ty: portiy (partitam); viy (vitam); viy (villam)
in Ortsnamen: has nuviy (Basse Neuville, eine Strafse in Namur);
parjddviy (Profondeville) ; forviy (Forville); noviy (Noville), sonst ist
es vil\ über / s. §82. ably (habile); vgsiy (vessicam); niarty (marito).
-ia in: maladly (maladie); byfstrly (betise). inarisädis (marchandise)
ist entlehnt. — Durch Einflufs von Labialen erscheint ü\ püp (pipe);
li'un (limam), daneben: lim.
38. Die Endung -inum wird zu e, über i (s. § 21). k uz e (con-
sobrinum); ?fiaie (matutinum); ve (vinum); Wfze neben zvf^e (vici-
num); ?/io/e (*molinum); saye (sagimen). Ebenso: ve/ (viginti); sek
(quinque). Chr. v. Flor.: z'-(-Nas. reimt mit 2 + Nas. (ZfrP XXI, 12),
s. §21. — Das Femininum: -inam > ^«: far^n (farinam); sppt
(spinam); nar^n (narinam); fam§n (faminam); kiizpi neben kuz§n
(cuisine); ^j/?« (fumier, afr. Verb: ansainner). In Ortsnamen: tamgn
(Tamines); flaw^n (Flawinne); bonpi (Boninnes). — fay§n (*faginam,
26 J. NIEDERLÄNDER,
faine), ebenso lautet frz. fouine. ras^n (*radicinain). — Cart. II, 58
(1366) Flaiüenne, III, 240 (1494) faraines.
3g. z -4- /-Laut ergiebt V. asi (axiculum); awiy (*acu-}-iculam);
thviy (claviculara); strly (strigilat, zum Verb striyi)\ tsiniis (cami-
siam); bis (bise); gr§yi (grille, ob *craticulum?). filiam macht eine
Ausnahme; ähnlich, wie in Lüttich, (§ 2), ist ey eingetreten: fey,
indem auf das häufig gebrauchte Wort f verändernd einwirkte;
daneben steht fff\y (vgl. frz. fifi, s. W. Foerster, Franz. Kinder-
sprache, ZfrP XXII). Andere Mundarten, z. B. Sombreffe, haben
fiy. — famil (familiam) ist ein Lehnwort aus dem Franz. — Verbal-
endung -isco >" i\ iiuri (nutrisco). Frz. apprenti ist apürdis (altfr.
apprendis; über prendere s. § 141,5). — Vor n\ vin (vineam); lin
(lineam).
Unbetontes,
40 a. i ist geblieben: vilats (villaticum) ; sizgt (*cisam -}- ittam) ;
tiyü (tiliolum); fiyü (filiolum); mi§t, mygt (mica -f- ittam), das meist
frz. peu vertritt; ivyer (hibernum).
Zwischentonig ist z gefallen: tsimney (caminatam); vtznöf (^vic\-
nabilem); wz5«7 (*molinarium). Ebenso: ^'/(^/(dicebam) neben ^/iS/".
40b. / wird zu ü in der Nachbarschaft eines Labialen: prüml
(primarium), Glos. 38 v** 47 pi'omüre {0 wohl = es), Ch.W. N. prti-
mirez, C. d. v. (14 17) pnwiere; — printemps lautet preie (s. § 86 b).
mürw^ (*miratorium) ; lümso (limacionem); rafürle (*readfibulare) ;
Siifle (*sifilare) ; frz. compliraent ist koplüme, bätiment >> batüme.
g (= lat. ö).
Betontes.
I. In offner Silbe.
41. Offnes ö wird zu u^ über üo'^jie, und zwar mufs dieser
Diphthong, wie die heutige Entwickelung zeigt, fallend gewesen sein.
Ueber den Wert des ersten Bestandteiles des Diphthongen vgl.
W. Foerster, N'At de Mont XLVIII; besonders für das Wallonische:
Wilmotte, Rom. XVII, 558 Anm.; Moyen Age i8go, p, 178 ff.;
Cloetta, Poeme Moral p. 63; Marchot, Solutions I.e. p. 69 ; Hor-
ning, ZfrP XI, 417. — Die Entwickelung von lat. « s. § 51.
ü (ovum); bü (bovem); fu (foris, en dehors); kolüi (couleuvre;
nach Marchot § 48 *colotrara); avu (apudhoc); für (foin, germ.
fodr); Jiü (novum); nüf (novem); irüf (tropat); mür (morit); pü
(*potet); vü (volo); sü (soror); kür (*corera), daneben franz. k(er\
plü (plovit) zum Infin. plür\ müs (Mosam, Meuse); brü (Schmutz),
dem Dial. Greg. 57, 7 bruoc {== lacus) gegenüberzustellen ist. —
Ebenso Suffix -iolum > u: tiyü (tiliolum); fiyü (filiolum); iesü (*lin-
teolum, drap de lit), in dieser Bedeutung Cart. (1396) linchous\
spirü (*spiriolum, 6cureuil); vmyü (modiolum); capriolum >- s'vrqey
ist ein franz. Wort, wie auch die Behandlung von ca (§ 58a) zeigt.
' In Givet (1. c). auch ti in bu, u, uy, aber ü nach Labialen: vü, avü.
DIE MUNDART VON NAMUR. 27
-iolam > z7/: fiyül (filiolam); kwamd (corneolam); /mi7/ (*lineo-
lam, Zügel am Pfluge; in Lüttich: ligne, Angelrute); rovyül (*ru-
beolam, rougeole); räpyid (lierre, zum Verb rape)\ batrül (pilon
d'une baratte); säsrül (sangsue); boUTil (Nabel, alti'r. boteril).
Eine Ausnahme machen rasinol (lusciniolum) und gayol (*ca-
veolam, Vogelkäfig), die Lehnwörter sind; Lüttich hat hier ü.
rota (roue) lautet rc^iü, wie auch ruga; beim schnellen Sprechen
nähert sich der Lautwert mehr einem 0; in Lüttich ist es: raw
(ZfrP IX, 485). Das durch den Ausfall des / eingetretene hiatus-
tilgende w wirkte verändernd auf den Laut ein. — iuvenem ist dzdn.
Die älteren Denkmäler bieten für ö in offner Silbe verschiedene
Schreibungen. Glos.«*?: 37 v** 14 »z?^f/; 2)^,i^puet; 38VO16; 38,21
euer; daneben im Anlaut ive geschrieben: 37 vO 20 wet-, 38, 16 wes\
38, 18 wos; 38,45 vo/h. Ch. W. N. haben iie neben oii, das dem
Lautwert u entspricht (Rom. XIX, 78). Cart. tie neben oti: I, 27
(1282) nmef, Mtiese; 62 (1328) /ö?^;-; 11,72 (1352) Oiiltre Monsse
(= Jambes, Vorstadt von Namur auf dem rechten Ufer der INIaas);
112 (1388) pont de JMouze. C. d. v. (1364) fol. 21 p07it de Mouse.
Cart. Din. 15 (1255) ptiet, lrtieveni\ ig (1264) me soiir (soror). Pasq.
und Lieder: ou, so: soü, pout, foiir.
42. ö-f-Nas. ergiebt d\ bö (bonum), fem. ^0«; so (sonum); to
(tonum). Die Glos, zeigen auch Diphthongierung 37, 17 btion, neben
einfachem Vokal; ebenso die übrigen Denkmäler. Wenn die Diph-
thongierung bestanden hat, so ist sie wieder unter Einflufs des
Nasals geschwunden.
43 a. Freies wie gedecktes d -j- /-Element ergiebt ü über net
> üi. Für die Entwicklung im Walion. vgl. Horning, ZfrP XII, 255,
XIV, 377 ff.; Wilmotte, Rom. XVII, 560 ; Blarchot, Solutions 1. c.
p. 84 f. kü (corium), daneben kür\ b'ir (*coccre); kü (coctmn); püs
(*poteum), das Verb aber puii (s. hierzu ZfrP XV, 562); odzurdü
(hodie); yüi (octo); y aus der Satzphonetik; vgl, Ostfr. Gr. p. 85):
diziit (decemocto; üs (ostium; über den Wert des 0 im Ostfranz,
s. ZfrP XIV, 337). vüt (*vocitum), dazu Infin. vüdl und widl (verser
dans un verre).
Ausn.: ne (noctem), dem altwall. «0// entsprechend; davon lüicy
(selten); doch sagt man bm nüt (franz.). In Tamines: nü, Gem-
bloux: 7iü. kos (coxam, Zweig), wie auch in Lüttich, dazu Verb
askpsl (enjamber), beeinflufst durch den folgenden Konsonanten;
altwall, coisse Dial. Greg. 46, 22. — Frz. cuivre ist kcvf, Cart. I, 27
(1282) keuvre.
Verbindet sich der /-Laut mit dem folgenden Konsonanten,
so dafs der Vokal in den Hiatus tritt, so entwickelt sich u. füy
(folia); sypr/üy (caerefolium) ; üy (oculum), ebenso der Plural; *ab-
oculum ist av(£l (gelehrt); anüy (inodiat); trüy (trojam). — franz.
depuis ist dispä:y (vielleicht infolge des Labials); sü (""solum statt
solium); colligo ist kü. *ploviam ergiebt pl(£f, über eine Reihe
von Formen, in denen dieses Wort im Neuwallon. erscheint, s. Me-
langes Walions p. 82; über palatalisiertes v s. § 89 b; der Vokal
28 J. NIEDERLÄNDER,
wurde hier durch den Labial beeinflufst. Im Altwall.: Geste de
Liege: pJaive 3002g, pkve 38896, ploive 38955; Gachet, Chev. a. c.
phieve 3422. — Eine Ausnahme in allen Mundarten macht i^l
(olium), das als Lehnwort angesehen werden mufs. — medium
(bei Grgg. 77ioie) war nicht bekannt. — Ch. W. N. haben ui (Rom.
XIX, 77), daneben mehrmals Schreibung ivi, die immer im Anlaut
auftritt. Ob man deshalb auf einen anfangs steigenden Diphthongen
schliefsen kann?; heute kommt widl mit der differenzierten Bedeu-
tung „verser" vor. Ebenso: C. d. v. (1407) wider, Cart. III, 241
ividisscnt, doch Cart. II, 88 (1366) viideni\ C. d. v. (1364) fol. 12 piich,
(1513) uich\ Cart. II, 95 huys, III, 170 nnyt^ 2^0 puisch. — Glos,
haben keine Beispiele, doch ist ü -\- /-Element > ü, s. § 53. Chr.
v. Flor, ui im Reime mit ui aus lat. ü -f- /-Element, das seinerseits
häufig mit ü reimt (ZfrP XXI, 8, 11).
43 b. d-\-U wird ou > ^'« >> ^: fq: (focum); dz(^, Floreffe: dsr-,
I<f (locum), im Ausdruck: aivp ni f(^ ui l<x. — Glos. 37, 41 ioti\
Man. nam. y^z/^; Chr. v. Flor, im Reime _/« {\ viriu), das auch in
Mundarten vorkommt.
II. In geschlossener Silbe.
44 a. Gedecktes offnes 0 diphtongiert zu wa ^ über zio, das sich
im Lothring. findet (Ostfr. Gr. p. 41), besonders vor r und s] vgl.
Horning, ZfrP XIV, 394 ff.; G. Paris, Rev. de soc. ling. I, 292. pivat
(porto) ; hvär (tortum) ; rapwat (reportat) ; dwa (dormo) ; kivat (chor-
dam); pwas (porticum); wais (hordeum); fwas (*fortiam); viwär
(mortem); kwär (cornu); kwär (corpus); kwas (costam). Für die
Grenze nach dem Lütticher wf hin, vgl. ]\I61anges Wallons p. 7.
Daneben steht 0: fgs (fossam); nos (nuptiam); do (dossum);
gro (grossum); mo (mottum); tro (troppu); kot (coite, germ. U.);
klok (cloccam); parols {paroisse, Transports (14 13), paroche St. Leup).
-ottum: kopiso (Ameisenhaufen, zu kopis); kuro (ruisseau).
-ottam: liimrot (Sternschnuppe, von lumen); mattot (*manu -}- ottam,
menotte); pflot (Rinde). Für jios (noster), vos (voster) s. Formen-
lehre § 110.
44b. Vor / 4- Kons, steht ?/.: f^ (foUem); k?/ (colapum), dazu
Verb kt/pe\ kl/.r (*coIyrum, coudrier). — u tritt ein: mür (molere,
moudre) ; Ä'«/ (colligere, über coldre, so Cart. II, 158 (1424) coudre).
Den Laut ij. zeigen eine Reihe von Wörtern, die entlehnt sind:
kati^rs (quattuordecim); i^rk (orgue); sy.r, zu sip-ti (sortire).
Die Diphthongierung des gedeckten 0 >> wa zum Unterschiede
vom Lütticher w§ ist früh belegt. Glos. 40, 44 cuar (corpus); da-
neben 37 yO 50 mor. Geste de Liege: fouarge (forge) 24785, heute:
fwais. PcLsq. pua/e (portam); guar (corpus); mua re (mori). Lieder:
foace (force).
44 c. ö vor Nas. -{- Kons. : /di (tondere); /d (longum), fem. /ök
(Bildung an das jNIasc). o??2 (hominem); som (somnum). Vor s:
^ ebenso in Givet (1. c.)
DIE MUNDART VON NAMUR. 29
most§r (monstrat); koj (constat), s. § 85 b. longe ist lö\ sonium >
son (soin); tspion (canonicum, Cart. III, 180 chatiotme, Kirchenwort).
Glos. 37, 61 Ion.
Unbetontes.
45 a. Vortoniges d in offener Silbe bleibt als 0 : ngvya (no-
vellum); ?}iorü (morire); volü (*volere), hiernach gebildet: pglü;
kohlt (couleuvre) ; bgya (botellum); gvra/s (operaticum) ; wn (*ope-
rarium); onyfs (honestum); kglo (columbiun); volti (voluntarium) ;
mole (molinurü), dazu: moni (molinarium, Cart. III, 178 77touniers);
kohhi (columbariurü); oyi (hocillum); sole (solarem); ignwär (toni-
trum); kor als (coraticum); porya (porrum + ellum) ; frgmais (for-
maticum). — *formicem ist nicht bekannt; man sagt statt dessen
kopis (nach der Flüssigkeit, die die Ameise absondert ; pisi, pisser).
Das Wort findet sich aber wieder in frimiis neben friimus =
„Maulwurfhaufen", INIaulwurf ist ftinä (zum Verb fünf), und Ameisen-
haufen: kgpiso, vgl. auch RDPGR III, 273. k^nüy (*coluculam,
quenouüle). — a steht in: many.y (monetam). — focilem wird /«z//-,
das auch die Lieder kennen; Lüttich hat fizik, ebenso Malm6dy,
s. Zeliqzon, ZfrP XVII, 426, der die Form als Anlehnung an „phy-
sique" erklärt. — Zwischentonig gefallen in: maVio (afr. malot -f-
onem, Hummel); desgl. 110 v'la, p'la (voulons, pouvons). — Glos.
37,7 corage, 37 vO 2g novias.
45 b. Vortoniges 0 in geschlossener Silbe:
i) diphthongiert zu iva, infolge Uebertragung aus den Formen
unter dem Ton (§ 44 a): chvarmü (dormire); kivanie (cornare);
walber neben wärbel (*orbita -f- ariam , orniere; s. ZfrP XV, 496);
kwardya (corda -}- ellum , cordon); kwarbö (*corb-ellum); sivarsl
(6corcer); pwarte (portare); kwamzi (cordonnier, *cordubisiarium),
St. Hubert hat kwabzi; mwarll (mortarium); kwarslf (corselet). —
frz. öter ist roste mit r- Vorschlag (s. § 78 a); rovt (*re-oblitare).
2) ö erscheint als 71: duvy§ (*deopertum, nach den betonten
Formen), kiiyi (cochlearium); tisa (*oscellum); pursya (porcellum).
— vi^rf (volerehabio) ; sudür (soldat).
3) ö + /-Laut: kiizpi (cuisine) neben küspi; piizi (poteare),
zum Subst. püs\ Floreffe hat püzi. Bei den ?<- Formen wurde der
z-Laut durch z absorbiert; ü tritt ein als Anlehnung an die stamm-
betonten Formen. — ö^X'öSi (enjamber), z\xkos\ «?/0' (zu wt^, noctem);
anoyqs (inodiosum, triste):
"^ 4) ö vor Nasal 0'. sddzi (somniare). — Entsprechend altfr.
dangier, dädzl (dominarium, besoin).
g (= lat. öy ii).
Betontes.
I. In offner Silbe.
46. ö wird zu (£, über pu >> eu, das besonders vor r sehr ge-
schlossen ist: qsr (horam), dazu astisr (maintenant, wie altfr.); n^oe
30 J. NIEDERLÄNDER,
(nepotem), dazu fem. gebildet: n§vces\ la: (illorum); isäd'lqes (*can-
delorum), dieselbe Form in Gembloux, Floreife und im Gaumet.
C. d. V. (1364) fol. 2 chanJleuse; flqer (florem); pqe (pavorero); dqe
Muo), dazu dos (duodecim); g(£y (gulam, über /, s. § 82); hcts
(consuere, coudre, s. § 133, 2); sce (solum); d'zce (desuper, altfr,
deseur); sqer (excutere, altfr. esceure, s. § 141, 3). — Suffix -orem,
-atorem >> ce: tsätqe (cantatorem) ; iance (tannatorem); tsfs'öe ('^captia-
torem); p§S(x (piscatorem) ; m^yx (meliorem); skrisK (ecrivain, zu
skrir, s. § 141, 8). -osum >> qe\ anoy^ (inodiosum, triste); puyoe
(peduculosum) ; nüklf (zu nük, noeud); das Fem. ist -ces. — lupum
ist 1(£, Cart. 111, i8g (1454) Saint Leup; Transports (14 13) paroche
St. Leup. — demoro wird d'incsr, zum Infin. d^m§re. nos, vos >■
nOi vo s. § 107. — cauda entwickelt sich zu kq;w, daneben zeich-
nete ich auch kcw auf, Cart. II, 70 queuiüe, C. d. v. (1386) kemve',
Lieder: qneive. — nodum entspricht nük, das auf germ. U. zurück-
geht; Lüttich: nouk (Grgg.), Malm^dy: mk (ZfrP XVIII, 258); das
Verb ist nükl, dazu disnüki.
In den Ch. W. N. haben wir die Schreibung on >> eu ungefähr
seit dem Jahre 1264 (Rom. XIX, 78): deseur, seigneur, daneben
auch Oll und oi geschrieben; VII (1264) demereiit. Glos. Tj"]., 4 glo-
7-iousef)iefjt, ho7ior\ 37 vO 33 hiordotis, plusiior, phtsor; 30 v'^ 14 goule;
40 v" 20 labiire, wie auch sonst altfr., wo der Labial in Betracht
kommt. Denselben Wandel spiegeln die Cart. wieder, die frühen
ou, die späteren eu\ z. B. Cart. Din. (1235) maiour; (1263) signotir\
Cart. III, 171 gregneur; 173 maieur. Chr. v. Flor, hat eu im Reime
(ZfrP XXI, 7)'.
47. ö -f- Nas. wird zu 0'. tsäso (cantionem); sgvld (sabulonem);
meid (mentonem); basid (bastonem); pcso (piscionem); ny^rsd (*eri-
cionem); muso (muscionera, oiseau), in Lüttich hat dieses Wort die
Bedeutung „Sperling", der in Namur spvfrdya heifst; ramö (ramo-
nem); ts frbö {c^.rhox\em)^, is^rdo {cwcdonem); o-rö«? (Schnauze); liwisU
(liraacionem); riülo (altfr. nuiton, durch Volksetymologie statt netuti),
in St. Hubert: lütd\ no (nomen). — Die 4. Praes. endigt auf ä,
s. Formenlehre § 121a. — mgzon (mansionem) zeigt oralen Laut;
unbetont steht es in §md, das frz. chez vertritt, so Ch.W. N. V
(1263). — Bei fem. Endung: don (donat); ppson (personam); pom
(pomam). — Altfr. none ist nicht gebräuchlich. Das Walion. und
Lothring. zeigen ebenso d\ nur Gaumet in seinem nördlichen Teile
hat ä (s. Feller § 65). Die älteren Texte kennen nur on, so Ch.
W. N. (Rom. XIX, 79), Chr. v. Flor. (ZfrP XXI, 12). — Franz. taon
(*tabonem) lautet tayä.
48. d (freies wie gedecktes) -(-/-Element: wg (vocem), nach
dem Labialen; w(gi^ (nucem) ; ^rw'/ (crucera), Diminut. ;4ra'//?/ (*crucem
-|-ittam, aiphabet); bwg (frz. bois). — Suffix -orium: /r/^?£;/ (tracto-
rium, Trichter); mürw§ (*miratorium) ; mnkivg, daneben frz. vmswg
(*muccorium); kolwg (*colatorium) ; sgmw§ (*seminatorium) ; kqngs
(cognoscere, / aus wg). — o-^ny\ pun (pugnum), dazu das Verb
puni, Cart. III, 241 (1495) pug?nes', pd (punctu); /J/ (frz. pointe); dt
DIE MUNDART VON NAMUR. 3I
(ungere). — Suffix -uculura bietet: wo (genuculum) ; /i?^' (peduculum,
unter Einflufs des Labialen, wenn nicht *pedüculum); v^ra (frz.
verou) und aiv'iy (*acu -j- iculam) beruhen auf Suffixvertauschung.
lionüy (*coluculam, quenouille).
Mit Ausnahme von vocem >> ivf zeigt Lüttich «»-Formen, die
St. Hubert nur für -orium hat. Man wird diese Entwickelung der
von H (§27) gegenüberstellen und die 7£)/-Fonnen ähnlich erklären
müssen. Ch.W. N. (1257) croie (Rom. XIX, 80).
IL In geschlossener Silbe.
49 a) d wird offen zu 0: mnt (mulgere, melken); /o (*tottum),
verstärkt mit trans-: torto\ rots (rubium); dop (duplum); k,)s (con-
stat); fots (furcam); got (guttam); kros (crustam); for (furnum);
tos (tussem); tos (tusso); soglo (*singluttum, sanglot).
b) u ist eingetreten: hus (buccam, frz.; sonst cc~y ts; s. § 61, 2);
mus (muscam) ; h~et (cubitum) ; kü (co(ho)rtem) ; ptlr (pulverem) ; süt
(ausculto) ; Jnfn (formam , Leisten) ; büs (borsam) ; tiln (tornat) ; (tiü
(diurnum); /77r(curro); s/7 (altfr. escuers, giron; germ. U.). — Unter
Einflufs des s ist si'p (beche, germ. schuppe), in St. Hubert: step.
c) 7/ erscheint in: ;«?</ (meduUam) ; Zi«/f (betullam + arium); s?/
(satuUum). — Glos, haben no: 37 v*' 2t, buordotis; 38, 16 bourdere,
38, 21 huorde; 38, 4g tuoniet; 37 v*' 44 toi (fem.), 37 v*' 24 tos.
Ch. W. N. schreiben meist oJi (Rom. XIX, 79); Chr. v. Fl. on (ZfrP
XXI, 7).
d) Vor Nasal ergiebt d: pd (pontem) ; por (ponere); fro (fron-
em); i-ds (rumicem); arot (hirundo); add (altfr. adonc, alors); pld
plumbum), in Lüttich: plök (ZfrP IX, 493); ok (ungulam).
Unbetontes.
50 a. Vortoniges d in offener Silbe wird zu 0: Jon' (soricem);
solya (soleil); kozü (*co(n)sutum, fem. kozQ:ii'^\ kove (cubare); sove
(subinde). — Das Praefix cum > /co: y('0OT6^ (comment) ; kotnesl [c^xccl-
initiare). Geschwächt und gefallen in: ö^'«a (donons); dinifre (de-
morare); Glos. 38 v" 24 dener, ebenso Ch.W. N. — Ueber meum,
tuum, suum, die immer vortonig waren, s. Formenlehre § iio. —
Bei Labial: früme (froment).
50b. Zwischentonig ist d nach erfolgter Schwächung gefallen:
korst (*corruptiare) ; nifsne (*messionare) ; voltl (voluntarium) ; areiie
(adrationare) ; sgvlo (sabulonem); botmr (boutonniere); sotle (*sal-
tuUare); ^^öz;/^ (encaver); //i«.^ (*titionare). Glos. 38, 63 <rö;-ai?j (altfr.
corecier); C. d. v. (1364) fol. 13 saveloti; (1430) savlon.
50c. Vortoniges ö in geschlossener Silbe:
i) bleibt 0: (^oAy (*buccam -f- ittum, morceau); Z^?«/? (nominare) :
mostre (monstrare); koslr'i (couturiere) ; boiT'y (*botticulam); fortSft
(furca -f- ittam) ; disgoste (deexgustare) ; rovyül (*rubiu + eolam, rou-
geole); modü (Part, praet. von mot, mulgere); goter (*gutta-j-ariam);
kose (coussin). tornare ist iürtif.
32 J. NIEDERLÄNDER, DIE MUNDART VON NAMUR.
2) Bei Nasal d: andst (adnuntiare); geschwächt in: kaledzt
(calumniare).
3) erscheint als u besonders vor /: häe (auscultare) ; kulya
(cultellum); pusUr (*pulsariam) ; />z£)'ö (Dimin. \on püy, poule, s. § 82);
dztirrig (Journal de terre); hirü (currere), dazu: kuro (ruisseau).
C. d. V. (1430) kourot', kuvyf (*coopertum); jiuri (nutrire); *urticam
(orteil) ist ?/riiy. — Durch den Labialen beeinflufst : pqsmd (pulmo-
nem); — a erscheint in: rasinol (rossignol, Lehnwort).
4) ö-f-/-Laut: «öfi^z (*nucarium); X'rtei/?^ (aiphabet). Frz. moisir
entspricht isamosi, bei Sigart (Dict. von Mons): camousser; frz.
noyau ist tiavya; in Lüttich nawe, das Horning 1. c. auf nucalem
zurückführen möchte; für Namur wird wohl ein anderes Grundwort
vorliegen, froh (*frustiare, bei Grgg.). — Zwischentonig i, wie
altfr. allgemein üblich im N. und NO., vgl. ZfrP I, 40g, konisä
(4. Praes. zu konfs) ; asglinl (agenouiller), so auch in unseren Denk-
mälern: Cart., Chr. V. Flor. : cognissance.
(Schlufs folgt.)
J. Niederländer.
Die Werke des Trobadors Blacatz.
(B-ortsetzung; s. Ztschr. XXIII, 201 ff.)
Anmerkungen.
I.
Die Tenzone ist metrisch übersetzt von Diez, Poesie 2 p. 170.
I. ses Süden. Rayn. Vi 23 hätte nicht ein besonderes Sub-
stantiv sahen „savoir, science, connaissance" aufstellen sollen, da es
eben nur als Gerundium, bezw. Verbalsubstantiv nach Präpositionen
existiert. Das Gerundium als Casus des Infinitivs verwandt ist der
alten nord- wie südfrz. Sprache durchaus geläufig, wie fürs Afz.
namentlich dargethan von Tobler, Jbch. VIII 347 und Vermischte
Beiträge I 45 und von Stimming, Zs. X 527. Bez. des Prov. ver-
weise ich auf Diez, Gramm. III 260 und füge mit Rücksicht auf
unseren besonderen Fall noch die paar Belege bei, die ich mir
für ses -\- Gerundium angemerkt habe (Raynouard hat aufser unserem
noch einen aus Jaufre: ses vostre saben): Crois. Alb. 4154 Ses poder
e ses forsa e ses aver donans; Seibach, p. 122 XXX g Enric, eu crei
ses diäan (Hs. dutansa, was gegen den Reim); M.W. IV 147 v. 178
ses doptan (im Reim).
10. triar lo meillor, zu ergänzen etwa joc oder plait. So be-
ginnt die Tenzone Gr. 218, i (Appel, Chrest. 96) mit den Worten:
N'Eble, er chauzetz la vielhor (sc. pari oder parlida).
16. Blofses Schmachten und Werben, dessen Ende nicht ab-
zusehen ist, kommt dem Abgewiesensein gleich. Bekanntlich haben
sich auch andere Dichter gelegentlich in ähnlichem Sinne geäufsert;
es sei nur etwa erinnert an Peirol, Studj III 427, 43: Dompna, ren
non val ni enanssa En amor irop longa esperansa. — Cf. auch Blacatz
selber, Ged. IV 23 f. und Bernart, XI 17 und 52.
22. se esdire hat eigentlich die Bedeutung des gleichgebildeten
deutschen „sich herausreden", wird aber nicht wie dieses absolut
gebraucht, sondern verbindet sich mit Hilfe der Präp. de ein säch-
liches Objekt. Es heifst dann geradezu „leugnen, abstreiten"; cf.
Don. prov. esdiiz, esdiga „negat, neget" (p. 52, 30 und p. 65, 13).
So z. B. Dern. troub. p. 62, i . . . ieu vos atig meniir, Qiie Maria,
Aynes et Alazais, Mas sirvenias, — 7ion t^en podes esdir — Venoji
la nueh per tu servir; Zenker, F. v. Rom.' XI 8 D^aizo no vos podetz
esdire Que Vausberc e'l brau . . . Rendes ses colp ad un serven. —
Zeitschr. f. rom. PhU. XXIV. 5
34 O. SOLTAU,
Die Konstruktion in unserem Beispiel entspricht der noch heute
bei nier üblichen.
24. faitz in der abgeschwächten Bedeutung „Angelegenheit"
findet man in Appel's Chrest. (Gloss.) belegt,
34. Für jonhedor hat Rayn. III 598 nur ein Beispiel. Das Wort
ist in der That sehr selten. Immerhin läfst sich noch zitieren
Bartsch, Dkm. 5, 25 (Bertran Carbonel) Que'l jonheyres segon valor
Deu voler a so?i jonhedor Las armas se?nbians que el ha.
42. Ganz dasselbe bekommt Blacatz von einem anderen
Gegner im Streitgedicht, G. de S. Gregori, Ged. VII 22 zu hören.
Gleicher Ansicht ist P. Bremon (Seibach, § 85 VII 30) . . . fruit que
flor Mil tans preiz mais. Cf. auch Rev. XX 216 v. 1031 E si com
frugs val rnais que ^or[s], Val mais que beltat\s\ la valor\s\.
IL
2. Vielleicht ist für es besser er einzusetzen, wie das Rayn.,
Choix V 105 gethan hat.
chaptal hat schon Kolsen bei G. de Born. II v. 28 im Sinne
von „Gewinn, Vorteil" gefunden. So sagt auch Rieh, de Berb.
(Parnasse Occitanien 276, Str. 2): [Qu'')aitals fos mos captaus („Lohn")
De'ls trehalhs e de'ls 7naus.
5. 7. Dafs unter der „Dame von Trez" des Dichters Nichte
Guilhelmeta, die Gattin Jaufre's von Trez und Toulon, (f 1234)
zu verstehen ist, habe ich auf p. 30 und 53 meiner Schrift „Blacatz,
ein Dichter und Dichterfreund der Provence" gezeigt.
6. de'l mendre. 7neridre als Obliquus ist ungewöhnlich und
grammatisch nicht korrekt. Auch Arn. Guilh. de Marsan hat sich
diese Nachlässigkeit zu Schulden kommen lassen Bartsch, Dkm.
134, 59 und 135, 7: Qu'ieu vo'n farai apcndre Lo major mot (an
der 2. Stelle torf) e'l mendre, worauf bereits Levy im Litteraturblatt
1885 p. 422 aufmerksam gemacht hat. Das Gleiche begegnet bei
dem Katalanen Serveri de Gerona, cf. Kleinert, Vier bisher ungedr.
Pastor, d. Trob. S. v. G. (Halle 1890) p. 26: Pero ans c''anes aylor,
Tot lo tort gran e mendre Qu es entre leys e'l pastor . . . Demandey.
Dazu stellt sich ein Beispiel des Obl. mendre im Innern des Verses
bei Gavauda (M. G. 201, i): A la plus longa jiuech de Van Et a'l
menre iorn em vengug.
7. Rayn. IV 397 schreibt: La parenial volgra donar a vendre
mit zwei ganz ungerechtfertigten Abweichungen von der Hs. Pa-
reniat ist wie afz. parenie gemäfs .dem lat. Vorbilde stets männlichen
Geschlechts, und erst die Veimengung der beiden Suffixe -atiim
und -atein, die sich auf frz. Boden ja unter gleicher Form dar-
stellen mufsten, hat jene Wandlung des Geschlechts zum nfz. la
parenie zur Folge gehabt. — Ebenso willkürlich ist die Lesart donar
a vendre, denn die Redensart donar 0 ve?idre oder häufiger noch
donar e vendre ist eine beinahe stereotype Phrase der Trobador-
sprache. So sagt Guilh. de Gäbest, (ed. Hüffer, p. 61 Str. 6): Per
vendre 0 per donar vos ai estai\ Gaue. Faidit (M. G. 497, 4): {Que)
DIE WERKE DES TROBADORS BLACATZ. 35
vendre o dar Me pot\ P.Vid. (Bartsch 13, 41): Siä seus per vendre
per dar und (eb, 42, 12): {Quar) toiz sui seus per donar e per vendre',
Dona (Schultz, Prov. Dichterinnen II 27): . . . ab aital covinen Que
el fos 7nieus per donar e per vendre', Guir. de Born. (M. G. 68g, 6):
Litges per vendre e per donar Vos ai estat; Guilh. Adem. (Choix
III 195): ... midons . . . Cui sui hom per vendre per dar; Guir. de
Cal. (Diez, Die Poesie d. Troub., Zwickau 1826, p. 360): [Que) per
dar e per vendre S'es Mos cors vies En far et en aiendre Tot so
queus plaia; Ramb. Buval. (ed. Casini III 31): ... ela'm pot dar e
vendre. Ein wenig abweichend Peirol (Rom. XIX 539): E trobes
hom a comprar e a vendre. Man führt auch wohl des Nachdrucks
wegen das Bild noch weiter aus und sagt mit Amanieu de Sescas
(Appel, ehrest. 140, 139): • . • car mi podetz donar . . . 0 vendro en-
gatjar S Plus que si maviaiz comprat En la fieira 0 e7t mercat. —
Auch in der Rechtssprache ist diese Wendung heimisch; cf. z. B.
Romania XIV 539.
13 ff. „Wenn einer die Verwandtschaft (sc. mit der Dame von T.)
verkaufte, so würde ich sie nehmen; denn ich würde (damit) ein
Gesetz haben, gegen das sie (sc. die Dame) sich nicht zu wehren
vermöchte, und dann hätte ich Lohn für die Huldigung, welche
ich einer solchen darbrachte, die ihn (sc. den Lohn) mir nimmer
gewähren wollte." — Das verwandtschaftliche Verhältnis giebt das
Recht der freundschaftlichen Annäherung an den geliebten Gegen-
stand, des vertraulichen Verkehrs mit ihm; daran wird gewifs bei
der lei zu denken sein, auf die Peirol so grofse Hoffnung setzt.
15 — 16. Peirol erinnert sich hier des traurigen Ausgangs seiner
eigenen Liebesgeschichte. Die schöne Schwester des Dauphin von
Auvergne, der er seine Neigung und seine Lieder dargebracht,
hatte ihn am Ende von sich gestofsen und auf die mühselige Bahn
des heimatlos umherfahrenden Sängers gewiesen (cf. Diez, Leben
U.W.2 257).
1 6. Die Korrektur fi statt si der Hs. bedarf keiner besonderen
Rechtfertigung; der Sinn verlangte sie, und paläographische Be-
denken stellten sich ihr nicht entgegen.
III.
1. En Pelizer. Cf. Zs. XXIII 206 f., wo der Nachweis der
Identität des hier Angeredeten mit Peire Vidal versucht ist.
2. „e?nblars (Plural)?" Tobler.
II — 12. Durban. Seibach, §172 verweist aus Anlafs dieses
Namens auf Gr. 343, i. In diesem Gedicht wird Peironet von
Peire de Gavaret zu Herrn Peire de Durban 2 nach Savartes ge-
schickt, um diesen in einer nicht gerade sehr sauberen Sache um
sein Urteil und seinen Rat anzugehen. Gr. 340, i hören wir dann
Herrn P. de D. sich zu dem Fall äufsern. — Man ist in der That
1 Cort d'amor (Rev. XX 219 v. 11 25): Enguazar mi podes o vendre.
2 Durban im Dep. Aric^ge, Arr. de Foix.
36 O. SOLTAU,
versucht, in diesem Dichter und dem Durban unserer Tenzone ein-
und dieselbe Person zu sehen, denn das „quant er'aUah com nos"
scheint doch dahin verstanden werden zu müssen, dafs Durban ehe-
dem Sänger war (mehr Vergleichungspunkte finde ich nicht zwischen
Blacatz und Peire Vidal, es sei denn den, dafs sie beide zwei
Füfse hatten), später aber die Poeterei an den Nagel hängte, um
■ — V. 12 — auf anderen Wegen schneller Karriere zu machen. Ist
doch manch einer aus der Zunft der Trobadors und Jogiars diese
Bahn gewandelt. — Am Beispiel Durban's soll hier gezeigt werden,
wie irrig die Meinung derjenigen ist,, die Schusters Rappen als un-
entbehrliches Mittel der Fortbewegung hinstellen, da doch in Wirk-
lichkeit Ortsveränderung auf weit angenehmere und stattlichere
Art möglich ist. So dafs denn der verstümmelte Dieb den Ver-
lust seines Fufses garnicht tragisch zu nehmen braucht — wohl-
gemerkt (aber solche Kleinigkeiten darf ein Tenzonendichter schon
vernachlässigen), wenn er Pferd und Wagen sein eigen nennt, was
nicht notwendig aus dem Umstände folgt, dafs er Kapaunen ge-
stohlen hat. — Den Trobador Peire de Durban wiederum will
man mit dem gleichnamigen Herrn von Durfort i identifizieren, der
in der Chanson de la Croisade albigeoise figuriert (cf. P. Meyer,
Crois. Alb. II 308 Anm. 2) und in Urk. der Jahre 1223, 1238, 1241,
1244 (cf. auch Chabaneau, p. 164 Anm.) erscheint. Weitere ur-
kundliche Belege für diesen Peire de Durban wie auch für Per-
sonen gleicher Herkunft, aber anderen Namens findet man in der
Hist. Lang. VIII (cf. Index) und Gallia Christiana VI 203 D.
12. Appel, ehrest. Gloss. macht auf das Wortspiel deslrier —
destre (4) aufmerksam.
16. Die Not zwingt dem Blinden einen Begleiter, einen Führer
auf. Nach Peire Vidal's scherzhafter Auslegung freilich vielmehr
das Gebot standesgemäfsen, d. h. ritterlichen Auftretens. Noblesse
oblige! Als grofser Herr hat er natürlich nicht geringe Abneigung
gegen das Alleingehen, das Seinesgleichen bäurisch schalten. —
Cf. Chevalier au lyon (ed. W. Förster, Halle i8gi) v. 175 // avint
. . . Que je seus coj?ie pa'isam Aloie querant avantures.
IV.
2. per cahal. Rayn. II 325 hat diese Wendung nur an unserer
Stelle und übersetzt sie mit ,,principalement". Man werde ihm
darin wohl folgen dürfen, meint Levy im Suppl.-W., indem er aber
gleichzeitig durch neue Beispiele erweist, dafs diese Bedeutung
keineswegs überall ausreicht. Es ist schwer, bei solcher Auffassung
die Bedeutungsnuancen in den einzelnen Fällen zu fixieren, und
ich glaube daher nichts Ueberflüssiges zu thun, wenn ich zu Levy's
Belegstellen eine Reihe anderer hinzufüge. P. Vid. (Bartsch) 35, 17
Estiers mon grat am tot sol per cahal Leis que no'tn denha vezer ni
auzir', Stickney 16, 25 No7i a drechura per cahal Quvs te solamen
^ Darfort im Dep. Ariege, Arr. de Pamiers.
DIE WERKE DES TROBADORS BLACATZ. 37
de far mal; Studj III iio, 32 E qand ant (Subj. dompnas) baissalz
los meillors, Flac entendedor mentit Son per cabal recetibul; eb. 260,
Str. 3 Las! e viure qe'm val, Car tio vei a iornal M071 Fm-Joi- Na-
tural En lieich sotz fenestral ... Si c'amdxd per egal Mesurem per
cabal! (Choix III 52 abweich.); Rev. XXVIII 19 v. 254 Digatz, amic,
si Dieu z'os salv Vos que estaiz, tot per cabal Digatz si vis mäh om
passar; eb. 22 v. 337 Maria duna, Dieu vos sal, Per Dieu vos preg
nob (= no'us, gascogn.) det 7iu/h mal, QtCeu ay trobat Dieu per cabal,
Lo rey del cel esperital.
Meine eigene Ansicht von der Sache geht dahin, dafs wir in
diesem per cabal eine Bekräftigungsformel (etwa mit „traun" od. dgl.
zu übersetzen) zu erblicken haben. Das scheint mir wenigstens
einleuchtender, als was von anderer Seite von Fall zu Fall vorge-
schlagen ist (cf. Levy). — Erwähnt sei, dafs Mon Pe?-- Cabal als
Versteckname bei Guilh. de Bergueda (Studj III 575) auftritt. Auch
will ich bei dieser Gelegenheit anmerken, dafs die Wendung de
cabal aufser an der von Rayn. und Levy zitierten Stelle noch bei
Raim. de Mir. (Studj III 127, Str. 6) zu finden ist.
6 — 8. „Und wer, schon alt, seinen Sinn auf eine solche Stelle
richtet, an der er doch in der Jugend gleichfalls (nur) vorüber-
gegangen ist . . ." Sardou a. a. O. — und er nicht allein — hat
diese Stelle (namentlich das loc, das hier wie oft im Prov. und
übrigens auch im Deutschen 'Person' meint) mifsverstanden. Andere
behelfen sich in ihrer Uebersetzung oder Analyse des Gedichts
mit Umschreibungen.
12. Das -fn möchte ich für das der folgenden Labiahs ange-
glichene •» des Adverbs en halten und in ihm einen Hinweis auf
bon sen in 1 1 sehen: „wodurch in Bezug auf gesunden Menschen-
verstand genügend deutlich wird, wie es mit mir steht". Doch
ist •;// auch als Dat. eth. zu denken.
13. Herr Prof. Tobler bemerkt: „E s'aiQ) und Komma nach
14", womit denn allerdings eine bessere Satzverbindung gewonnen
würde.
15. Wer sich einmal in den Dienst einer Dame begeben hat,
mufs sich in Geduld fassen, bis ihm die Geliebte ihre Huld
schenkt; dünkt ihm die Wartezeit zu lange und macht er sich
davon, so ist er doppelt geschlagen, hat Zeit und Lohn verloren.
So Cadenet, M. G. 302, 3.
31 — 32. Cf. Raim. Vid. (Cornicelius, v. 657): . . . Pavefz (sc. lo
cor) tan /als e doptos Queras voletz, eras laissaiz, wozu aus Raim.
de Mir. (Gr. 406, 42) zitiert wird: Greu pot aver iauzimen De
dreicJiamor dj-utz biays, Qiiicr se det et huey sestrays. Aehnlich
sagt Guir. de Born. (Kolsen III 45): Si'lh ric se so galiador E tan
no7i ainon uei com er ...
V.
I. Ich schreibe im Gegensatz zu Kolsen (II 8 Anra.), der sich
zu Stimmin g's Schreibweise scnhe-n bekennt, seign'eri Blacatz, da
38 O. SOLTAÜ,
nach den Leys d'am. II i66 auch gesagt werden konnte mos seuh
Blacaiz, wo also von Ausfall des r vor anzulehnendem Konsonanten
keine Rede ist. Uebrigens müfste man zum mindesten senhe'n
schreiben, da Aphärese vorliegt.
!■ — 4. Bonafe höhnt Bl. also, er sei so heruntergekommen,
weil auf seine Gaunereien niemand mehr hineinfalle, und weil sich
die Einsiedler durch ihr Gebet Gottes Beistand gesichert hätten.
4. Rayn., Choix Viio giebt mit Qu'anc aiolz non sai mener
VI. u. die Lesart von K wieder, die aber offenbar verderbt ist;
Bartsch, Zs. II 200 schreibt: Qu^anc Ajols non sai menet m. u., und
ihm folgt Birch- Hirschfeld, p. 74 mit Q'anc Ajols, non sai, menet
VI. u. Damit wären denn die Belege für die Bekanntschaft der
Provenzalen mit dem Aiol- Stoffe (cf. Förster, Aiol et Mirabel,
1876 — 82, p. XXIV) um einen neuen vermehrt. An und für sich
wäre kaum etwas gegen diese Auffassung einzuwenden, denn da
es sich an unserer Stelle um ironische Darstellung der riqeza und
ufana des Blacatz handelt, so wäre ihre Illustration durch das Bei-
spiel des Aiol als durchaus glücklich zu erachten. Auch Guir. de
Cabr. in seinem eyisenhamen spielt auf jene bekannte Scene der
Aiol-Geschichte an, wie der junge Held beim Einzug in Poitiers
zum Gelächter und Gespött der Einwohner wird, weil er die aus-
gediente Mähre seines Vaters reitet und desselben zerhauene und
zerschlissene Rüstung trägt. — Vielleicht aber — und mir will das
als das Näherliegende erscheinen — ist aiols nur jene Nebenform
von aujols, die uns der Don. prov. (cf. Levy, Suppl.-W.) belegt
{aiols „avus"), und die auch Guir. de Born, in Gr. 242, 62 Str. 7
verwendet (M. G. 947): D\ivol aiol (D^^lKQUa, aujol CR) Par que
j-edtii Qiii ve Ni vi pagatz amanz (D^IK, demanz CQRUa) E 710 n'a
gaire datiz Que sei que pogrUnanz Far a'l auire secors Si ienia
per sors.^
In Parenthese sei mir hier eine Bemerkung gestattet zu einem
von Appel nicht verstandenen aiol oder miiol in folgendem Beispiel
(Appel, ehrest. 78, 3): L'utia fai drut quar estai en auioL Ich
schlage vor zu schreiben: e naujol („weil sie Langeweile — oder
Verdrufs — hat"), indem ich auf Mistral's allerdings weibliches
Subst. naujolo „ennui" verweise.
6. Zu Ahns = heutig. Aulps (aus lt. Alpes) cf. meine Dissert.,
p. 23 f. Dieser Ort im Dep. Var ist der Stammsitz des Hauses
Blacatz.
Q. Bl. wirft seinem Gegner vor, an ihm sei von Augen auch
nicht ein Partikelchen von dem Umfang einer Fischschuppe wahr-
zunehmen — natürlich, denn er war geblendet. Man braucht also
für diese Stelle nicht noch eine besondere, unbekannte Bedeutung
des Wortes escaia anzunehmen, wie Rochegude meint. Man vgl.
auch Jaufre 108^: E'ls uels ia7i paucs com un dejiiers.
1 Die Varianten nach Herrn Dr. Kolsen's freundlicher Mitteilung.
DIE WERKE DES TROBADORS BLACATZ. 39
Der Ausdruck huoüz del front entspricht unserem „Augen im
Kopf" und begegnet wieder bei Bern, de Vent. (M. G. 795, 4): Car
vuil mais perdrels hidh de'l fron sowie in einem von Klein im
Jahresber. d. Wiesbad. Stadt. Realschule (1887) p. 24 edierten Ge-
dicht der Hs. M : claure los hulls del fron.
1 1. Ein Verbum guirlandar „bekränzen" ist sonst nicht zu
belegen, findet sich jedoch nprov. als guirlanda (Mistral), ital. als
ghirlattdare (Petrocchi) und span. als guirnaldar (Salvä). — Wenn
Rayn. III 433 mit Bezug auf das Sbst. guirlanda (gewöhnlich gar-
landa) bemerkt, diese /-Form sei einer bestimmten Hs. eigen, so
denkt er dabei gewifs an I oder K (cf. z. B, B. de B.^ 18,4), doch
ist auch A diese Schreibung nicht fremd (B. de B.' 13,31 gm's-
landa). Hs. I hat einmal ger landa (M. G. 314, Str. 4).
pata ist bisher noch nicht nachgewiesen. Ich finde aber bei
Du Gange ein vlt. pata „turris (Genitiv) seu aedificii pars ima", und
zwar in den dort gegebenen Beisp. stets in der Verbindung pata
iornc Ilarum, wobei unter tornellcE, wie mir scheinen will, jene Ab-
trittstürmchen zu verstehen sind, von denen Viollet-le-Duc im
Dict. raisonne de l'architecture, t. 6 (Paris 1868), p. i63flf. Abbil-
dungen und genaue Beschreibung giebt; cf. auch Alw. Schultz,
Höf. Leben I 83.
Zu sus de la pata vgl. Studj III 88, 93 Sus d'aut cim Fui qand
nos vim los davallatz; M. G. 197, 4 Latz lo cor in es lagrima^ Que
sus de'l cor lägrim; M. G. 772, 3 ... .1. pom Que Adam pres de
l'arble sus de'l som. — Es begegnet auch de sus de; cf. darüber
Coulet, Le Troub. Guilhem Montanhagol (Toulouse 1898), p. 115,
Anm. 22.
1 2. forana. Fehlt in den Wörterbüchern. Aber Mistral :
fourano „latrines exterieures".
13. far paner. Tobler hat im Anhange zu seinen Verm. Beitr.
II p. 219 sehr richtig bemerkt, dieser Ausdruck sei zu der Bedeu-
tung „beschummeln" nur dadurch gekommen, dafs er an paiiar
„rauben" anklinge. Nachher ist Jeanroy, ohne von dieser Notiz
zu wissen, auf unsere Redensart aus Anlafs des deutschen „jem.
einen Korb geben" zu sprechen gekommen (Rom. XXIII 234). Er
meinte nämlich, in dem letzteren eine Entlehnung aus dem Prov.,
eine Uebersetzung des faire panier sehen zu dürfen. Diese Ver-
mutung hat Tobler, Zs. XVIII 560 mit Berufung auf Grimm's Wörter-
buch abgewiesen. Auch Jeanroy hielt es für wahrscheinlich, dafs
faire pamer auf pajiar anspiele, erhob aber dann selbst Bedenken
gegen seine Annahme, weil ihm für die äquivalenten Phrasen des
Afz. und Span, „faire jonchiere" (tromper), bezw. „dar calabazas"
(infliger un echec) dieselben Mittel zur Erklärung nicht bei der
Hand schienen. Die span. Redensart gehört, mein' ich, kaum hier-
her; wie es sich mit der frz. verhält, kann ich leider nicht ent-
scheiden, da ich nach den Einwürfen des Herrn Prof. Tobler gegen
meinen Versuch einer Ableitung des jonchiere von jociis statt von
juncus nicht mehr an derselben festzuhalten wage. — Faire panier
40 O. SOLTAU,
hat Rayn. IV 410 aus Raimb. de Vaq. nachgewiesen, und Tobler
a. a. O. hat dieselbe Ausdrucksweise bei Guir. de Born, aufgezeigt.
Ohne Zweifel gehört hierher auch Bartsch, Chrest. 212, 21: E taillei
borsas e vendei Plom per argen e pois meiiei Orps e deviiic redo?is e
gros E fui barbiers e paniers fas.
16. ab zur Bezeichnung des Mittels: mit Hilfe des Bogen-
schützen kam das Rofs zu stände, indem dieser nämlich das Stofsen
und Schlagen übernahm.
17. Wir haben hier einen der häufigen Belege für den im
Mittelalter verbreiteten Aberglauben, einem Unternehmen sei ein
unheilvoller Ausgang so gut wie sicher, wenn den Ausziehenden
gleich im Beginn gewisse Wesen begegneten. Cf. auch VI 11 — 12.
— Mancher war in diesem Punkte aufgeklärter. So ermahnt Daude
de Prad. sein Lied (Parnasse Occitanien 88): Vai fen, canso, no't
cal temer Fol augur de cat ni d'auzel.
IQ. Der weibl. Artikel hier und VI 17 in der ungewöhnlichen
Form des angelehnten /. Es scheint mir weit weniger bedenklich,
dieses / als mouilliert und also für ill stehend anzusehen, als in
ihm den konsonantischen Rest des Artikels la zu erblicken.
21. Noch immer stöfst man hie und da bei Herausgebern auf
Bedenken, ein Adv. segur gelten zu lassen. Dabei sind die Belege
hierfür keineswegs so selten. ^ Für die Stelle in Appel's Chrest.
3, 399 hat Schultz -Gora, Zs. XXI 143 die Appel zweifelhafte Be-
rechtigung des Adverbs bereits behauptet. Ich gebe im folgenden
einige andere Beisp.: Sordel XXI 35, XXVIII 49, XL 1004; R. d'Aur.
(Rev. XX 120 V. 49) Mas per so'm puesc segur gabar; Bartsch, P. Vid.
46, 40 Lau segur sa lauzor', Studj V138 v. 2171 Li sec fange soti
fer e dur, E pot los hom irencar segur', Bartsch, Dkm. 145, 27 Mas
aiian vos puesc dir segur E ses tot cug .... Ein Beisp. aus Jaufre
bei Levy, Suppl. -W. unter atur. Um über diesen Punkt schliefs-
lich auch die prov. Theoretiker zu Wort kommen zu lassen, setze
ich eine Stelle aus den Leys d'am. (II 412) hierher: „Item devetz
saber quez alqu adverbi can son abreviat semblo noms coma . mal .
greu . leu . segur . fort . et enayssi de trops autres". Eine bedauer-
liche Inkonsequenz verraten freilich dieselben Leys d'am., wenn an
anderer Stelle (III 10) anatz segur von ihnen als falsch (per segu-
ramen) bezeichnet wird.
25. Bonafe vos pais hom per thoina de neumata (rieuniatd) lesen
die Hss. Die Umstellung im Text — sie rührt von Herrn Prof.
Tobler her — ist erforderlich zur Beseitieunpr der überzähligen
^ Rayn. 's einziges Beisp., Marc. 23 Segur poirem cridar: Reial! E
paiana gen desconfir, ist sehr zweifelhaft. Ich bin der Meinung, das segur
sei in den Ausruf miteinzubegreifen, wie auch de Lollis XXIII 37 — 40 Anm.
dieser Annahme zuneigt, wenn er diese Stelle einem . . . ieu puosc . . .
Cridar: segur! merce de la gensor (Interp. von Schultz -Gora, Zs. XXI 254)
seines Dichters und P. Vidal's Ai qand poirai cridar: segur, Ni cora bena-
nans (lies mit Bartsch, P. Vid. 26, 33 bei veränderter Interp.: Ai! qi<an poirai
cridar: Segur! ni quoras serai benanans P) beigesellt.
DIE WERKE DES TROBADORS BLACATZ. 4I
Silbe, da ein enklitisches und direkt an Bo7iafe angelehntes vos
nicht möglich ist. — Ich habe einen Augenblick in thoma und
neumata Eigennamen sehen wollen und wagte die paläographisch
wenigstens durchaus unbedenkliche Vermutung, in dem neumata
möchte das noch immer nicht genügend erklärte Lieiichata {li = n,
ch = m) des Bertran de Born (Gr, 80, 16 v. 2g stecken); aber was
soll denn das bedeuten: „Man speist euch per Thoma de Neumata'''',
gesetzt auch man kennte eine solche Persönhchkeit? Ich bin jetzt
vielmehr der Ueberzeugung, dafs thoma identisch ist mit nfr. tomme
„gegohrner Quark" (Sachs) — und das um so mehr, als dieses Wort
nicht blofs dem heutigen Prov. geläufig ist (Mistral: toumo)^ sondern
auch der alten Sprache bereits angehörte (cf. Chabaneau im Glossar
zum Livre des Privileges de Manosque p. p. Isnard, Digne et Paris
1894. Bez. der Etym. cf. Puitspelu unter tommd). — mat im Sinne
des nprov. mat „lourd, ourde, compacte" (JNIistral) ist mir sonst
nicht vorgekommen. — Bemerkenswert ist noch die Verwendung
des per im Sinne von „statt mit"; doch hat wohl nur der Reim
die Placierung des de neu mata an das Versende und damit die
Verschiebung der natürlichen Folge de neu mata per thoma, bei der
die NichtWiederholung der Präp. de wenig Verwunderliches hätte,
veranlafst.
26. milgrana. Rayn. III 497 hat nur dies unser Beispiel. Für
die Phantasie der lyrischen Dichter hat der Granatapfel sich im
allgemeinen nicht nutzbar zu machen gewufst, um so mehr für
ihren INIagen. Daher findet sich das Wort milgrana zwar nirgends
in der Trobadorlyrik, dafür aber begreiflicherweise sehr häufig "in
Rechnungsbüchern u, dergl. So etwa im Leudaire de Saverdun
(Rev. XVI 107 u. öfter). — Im Vers kann ich es nur in der Prov.
Diätetik (ed. Suchier) v. 273: I\lilgra?ias 0 pomas aigretas, in den Auz.
Cass. (Studj V 170) V. 4200: Vescorsa de la milgrana und in einem
gleich zu erwähnenden Beispiele nachweisen. — Das Wort ist auch
gascognisch; cf. Les livres de comptes des freres Bonis p. Forestid
(Paris et Auch) II (1893), p. 20, 47 etc. Auf p. 47 Anm. i dieses
Werkes wird übrigens mitgeteilt, dafs Ledos im „Polybiblion" (Jan.
1892) Bedenken bez. der Richtigkeit der Uebersetzung von milgrana
durch „grenade" geäufsert habe. Diese Bedenken sind hinfällig.
In einem prov. Rezept (Romania XII 103 f.) liest man: Gallarum
halaiistiarum (Anm.: pour balaustiorum, de balaustium, fleur du gre-
nadier), qtie vol dire los botos en flor de las milgranas, und in dem
von P. Meyer, Daurel et Beton CHI ff. abgedr. Tractat de-ls noms
de la raayre de Dieu findet sich in der dem Gedichte angehängten
Liste der Namen Maria in lat. Sprache, unzweifelhaft mit Bezug
auf v. 253 Verges, hom ti compara, mantas gens, a melgrajias, der
Name Mala granata (P. Meyer a. a. O. CVIII Z. i^).
27. „Man steckt euch einen Aermel in die Hand statt eines
Hasen." — Man hat natürlich an einen jener grofsen, schweren
Aermel zu denken, die nach der Sitte der Zeit ans Gewand nur
angenestelt, nicht angenäht wurden (cf. Alw. Schultz, Plöf. Leben
42 O. SOLTAU,
I 470). — Herr Prof. Tobler bemerkt: „Auch ein Blinder wird
kaum einen Aermel mit einem Hasen verwechseln. Etwa: -^ (= En)
viatjga per lehre leissa 'in den Aermel (näml. vos inet hoiii) für einen
Hasen einen Hund'."
28. Rayn. IV 145 übersetzt: „(Vous met bien un dtront pour
grenade) et manche pour lievre, seulement que la lice ne glapisse."
Innere und äufsere Gründe, die nicht erst aufgeführt zu werden
brauchen, machen diese Auffassung unmöglich. Leissa, sol non glata,
gehört zu dem folgenden v. 28, und der Gedanke ist: „Man kann
euch einen Hund geben und, wenn er nur zu bellen unterläfst,
euch glauben machen, es sei . . .(?)."
30. „Und ein Kloster kann man euch machen aus einem
Backofen oder Misthaufen." — formorer, fornier, former bieten
die Hss. Man könnte annehmen, der Schreiber der Vorlage habe
sich durch das voraufgehende forn verleiten lassen, Gm formorer
an die Stelle des lautgesetzlichen _/i?;;?or^r zusetzen; doch ist m. E.
diese Annahme nicht notwendig. Ich denke, man kann die Form
formorer ohne weiteres gelten lassen: es wird zunächst Verdumpfung
des e vor der Labialis stattgefunden haben (man vgl. auch Rayn.
III 301 fomorie neben femorie) und alsdann vermöge einer Art At-
traktion ein r vor das m getreten sein (cf. Rayn. a. a. O. f er morier
neben femoi-ier').
33. „An dieser Abmachung glaube ich nicht, dafs gerüttelt
werde, dafs ihr . . ." Tobler.
34. „Beim hellen Tageslicht wagt ihr euch nicht heraus, erst
wenn der Mond am Himmel steht, vollführt ihr eure Helden-
thaten." — Rochegude übersetzt lugana an dieser Stelle mit
„garderobe, lunette, latrines", gewifs nach Analogie von lune:
lunette, aber wie er dann verstehen will, ist nicht abzusehen.
35. Rayn. IV 25 nach IK: „Les servants tiennent la corde et
la perche", was unverständlich ist. Gemeint ist: ,,Eure Leute sind
nicht mutiger als ihr, sie nehmen Reifsaus, wenn sie die Peitschen
(INIistral: cordo „longe d'un fouet") und Knüttel (oder Dreschflegel?
— Mistral: laio „longue perche, gaule pour battre le bl6") der
Bauernknechte zu sehen bekommen."
36. Unter crapana zitiert Rayn. II 506 als einzigen Beleg diese
Stelle und deutet „cräne, caboche". Ebenso Rochegude. Levy
fragt, ob man dabei bleiben könne. Gewifs nicht, sondern die
Lesart der Hs. D^ ist einzuführen , die das bekannte capzana
„Halfter" (cf. Levy, Suppl.-W.) bietet. Mistral giebt seinem cassano
u. a. auch die Bedeutung „col d'une chemise", und diese mufs
man auch für's Altprov. gelten lassen, um unsere Stelle zu ver-
stehen. Bonafe schildert hier mit einem Wort eine höchst drastische
Scene: Blacatz bricht wie ein gemeiner Schafdieb in eine Hürde
ein, bemächtigt sich eines Hammels, packt ihn bei den Beinen
und wirft ihn sich über die Schultern, sodafs der Leib des Tieres
an seinen Nacken gedrückt ist. Alle diese Vorgänge erraten wir,
wenn uns auch Bonafe nur ihre letzte Konsequenz, die Reaktion
DIE WERKE DES TKOBADORS BLACATZ. 43
des geängstigten Tieres auf den Schreck, vorführt. — Die Formen
crapana (1) und caprana (K) sind aus dem Lexikon zu streichen.
39. Die weniger volkstümUche Form berhiguier für gewöhn-
liches her gier fehlt in allen Wörterbüchern, begegnet aber aufser
an dieser Stelle auch Studj V 146 (= M. G. 955), wo es heifst:
\S'\eig7ier, ioi\z\ iems vos ai predicai Qe vendesem so maior porc faissat^
E vestissem mi e so berbegnier. — Neuprov. nur noch als Familien-
name (Mistral).
40. querre heifst ja auch „holen", und von hier aus ist nur
noch ein Schritt zu der vorliegenden Bedeutung „stibitzen".
42. Orbacha. Dieses Wort, das die Wörterbücher ebenfalls
nicht kennen, begegnet nur noch v. 53 und Gedicht VI v. 31. Man
möchte an einen Zusammenhang mit orp glauben, weil ja gerade
die Blindheit Bonafe's immer wieder für Blacatz' Angriffe herhalten
mufs. Doch ist eine Ableitung von diesem Stamme anzunehmen
schwerlich statthaft, da sich alsdann der Erklärung des weiblichen
Geschlechts die gröfsten Schwierigkeiten entgegenstellen würden.
Ich denke, wir haben es hier zu thun mit einer Weiterbildung von
obra mittelst des Pejorativsuffixes -aceus (cf. Diez, Gram. 11 315;
Meyer-Lübke II 459) — bez. der Schreibung mit ch ci. facha neben
fassa aus lat. faciani — und möchte also in unserem ^^'orte die
altprov. Entsprechung des ital. operaccia, des neuprov. oiibrasso
(„grosse oeuvre, mauvaise ceuvre", Mistral) erblicken. Die eigentüm-
liche Umstellung des r freilich kann ich in genau derselben Weise
sonst nicht nachweisen und finde sie namentlich weder bei obra
noch dessen zahlreichen Derivaten irgendwo (Herr Prof. Tobler hält
gerade deshalb meine Hypothese für verfehlt); aber ich möchte
doch anheimgeben zu bedenken, dafs wir garnicht im stände sind
zu beurteilen, in welchem Umfange die Beweglichkeit der Liquiden,
deren Stelle schon in der Schriftsprache so wenig fest ist (cf. Mahn,
Gram. p. 269; Meyer-Lübke I 481), im besonderen Dialekt (und
um eine dialektische Bildung handelt es sich allem Anschein nach
in unserem Falle) noch zugenommen haben mag. Was die Be-
deutung anbelangt, so sehe ich nicht ein, warum man jemanden
nicht ebenso gut „altes Machwerk" titulieren sollte wie etwa „altes
Geschöpf".
43. gargaia fehlt bei Rayn. Du Gange: „guttur". Rochegude
(ohne Beleg) „gorge, gosier". Mistral: gargato „gorge". Cf. Diez,
Etyra. Wörterb. unter it. gargaita, wo auch afz.-pik. gargate „Gurgel"
angeführt wird. Das Wort scheint prov. sonst nicht vorzukommen;
doch findet sich ein zu derselben Sippe gehöriges gargasson in
Suchier's Dkm. (Glossar: „Rüssel") und im Floretus („jugulus, guttur,
gurgulio").
45. Es hat mich Ueberwindung gekostet, die Ueberlieferung
anzutasten, und ich bekenne, von meiner Korrektur wenig befrie-
digt zu sein, da der Gedanke dadurch nach meinem Empfinden
^ Fehlt Rayn. — Mistral: porc faissa „cochon z^br^".
44 O- SOLTAU,
allzu brutal wird; aber wie will man sonst Sinn in die Stelle
bringen?
46. querre a alcu „jem. anbetteln".
53 — 56. Ich nehme für niar in 55 die Bedeutung des neu-
prov. nia, ttisa „nicher, faire son nid" (Mistral), des cat. niar „fer
niu" (Labernia) in Anspruch, obwohl ich dieses Verb im Altprov.
sonst nicht kenne. Auch bez. raler kann ich für die Bedeutung,
die wir hier brauchen, nur das Neupro v. heranziehen, das unter
rati^ eine Falkenart („cresserellette") versteht. Der Sinn des Ganzen
ist, wenn man meine Voraussetzungen gelten läfst, ganz klar: Bla-
catz will dem Bonafe bedeuten, bei ihm (Bonafe) sei auch beim
besten Willen nichts zu holen, weil er eben arm sei wie eine
Kirchenmaus — und er bedient sich dazu des ganz passenden
Bildes vom Taubenschlage, in dem sich Falken häuslich nieder-
gelassen haben, selbstverständlich nachdem sie zuvor den bis-
herigen Insassen den Garaus gemacht. — Will man — was ich
nicht empfehlen möchte — lieber ändern als ein niar, nizar an-
erkennen, so liefse sich etwa vianiat statt niat einführen, wodurch
an dem Grundgedanken natürlich nichts geändert würde.
VI.
2. Die von mir bezweifelte Bedeutung „surabondance", die
Rayn. V 242 dem sobreira an dieser Stelle giebt, weist Herr Prof.
Tobler auch Bartsch, Leseb. 93, 50 nach.
4. Einen Guillem de Barreira (wie man doch wohl lesen
mufs, um den Vers auf seine richtige Silbenzahl zu bringen) finde
ich nicht in der Sphäre unseres Dichters, und doch scheint es fast,
als habe er in enger Beziehung zu diesem gestanden, da ja Bonafe
Blacatz um Abtretung der Hoheitsrechte über jenen Guillem er-
sucht. Ein dominus de Barreiria ist zu den Jahren 121g — 1242
urkundlich nachzuweisen (Hist. Lang. VIII; Teulet II Index 668*=;
Gallia Chr. VI instr. 370C), aber der ist Lehnsmann der Grafen
von Toulouse, in deren Gefolge er stets auftritt. Ein anderer
Guillelmus Barreria beschwört im Juli 1193 den Vertrag zwischen
Alfons I. und dem Grafen von Forcalquier zu Aix „ex parte Do-
mini Regis" (Papon II pr. no. 29); er ist vielleicht identisch mit
dem Guillelmus de la Bayreyra, der dem Cistercienserkloster
B.Maria de Bona-Valle (dioc. Ruthen.) eine 1196 vom Bischof
von Rodez bestätigte Schenkung macht (Gallia Chr. I 25g A). Dafs
dieser letztere zu Blacatz im Abhängigkeitsverhältnisse gestanden
habe, wird nirgends berichtet und ist an sich sehr wenig wahr-
scheinlich. Bei alledem könnte an unserer Stelle an ihn zu denken
sein, da es nicht ausgeschlossen ist, dafs Bonafe an Blacatz eine
Bitte richtet, die zu erfüllen diesem auf jeden Fall unmöglich sein
mufste — denn so leicht ist es eben nicht, in der Freigebigkeit
einem „Raimon Oblacheira" gleichzukommen!
6. Ich habe lange vergeblich und nach meiner jetzigen Ueber-
zeugung unnötigerweise nach einem Rairnon Oblacheira gesucht.
DIE WERKE DES TROBADORS BLACATZ. 45
Es wird nie eine historische Persönlichkeit dieses Namens gegeben
haben. Vielmehr glaube ich , dafs es sich hier um eine freie Bil-
dung handelt, die man an Wörter wie oblaire, oblatio anklingen
liefs, um die Vorstellung des Darreichens, Schenkens wachzurufen.
7, saleira heifst eigentlich „Salzfafs", doch sei daran erinnert,
dafs neuprov. saliero (wie übrigens auch frz. saliere) daneben bedeutet
„creux qu'on observe au-dessus des yeux des chevaux et aux tempes
des hommes" (Mistral). Und gerade als solche leeren Löcher stellen
sich ja die lichtlosen Augenhöhlen des geblendeten Bonafe dar.
II f. Cf. V 17 Anm.
15. La Cadeira (Cathedra, heute La Cadiere) im Arr. de
Toulon, canton de Bausset gehörte der Abtei Saint -Victor zu Mar-
seille (cf. Guerard, Urk. no. 844 und no. 848).
16. Lo Toronet — Le Thoronet bei Lorgues in der Diözese
Fr6jus — ein altes Cistercienser-Kloster (Gallia Chr. I 448 C, Hist.
Lang. VI 243). Der Trobador Folquet de Marselha zog sich, wie
man weifs, hierher zurück und stand dem Kloster jahrelang als
Abt vor, ehe er Bischof von Toulouse wurde.
17 f. sc. „weil sie euch mit ihrem Gelde die leeren Taschen
füllen müssen".
IQ. Bonafe war also nicht nur geblendet, sondern auch ge-
brandmarkt worden, und zwar, wie wir jetzt erfahren, v/eil er Kauf-
leute auf der Messe bestohlen hatte. Die Strafe erscheint uns un-
verhältnismäfsig hart, war aber im Mittelalter ganz gebräuchlich.
Unter Friedrich L galt das Gesetz, ein Knecht, der bei einem
Diebstahl ertappt werde, sei zu scheren, zu prügeln und am Kinn-
backen zu brandmarken (cf. Ahv. Schultz, Höf. Leben II 222). Ein
Gegenstück zu unserer Stelle bietet die Tenzone M. G. 534, wo
Augier dem Bertran ein trübes Zukunftsbild malt, falls er die von
ihm verteidigte Theorie in die Praxis umzusetzen gewillt sei: {E)
vos lolez e raubaiz tan iro'l pecaiz Vos vieta en mas de vilas ab poUihs
liatz En ?nercaiz ho en feira, On hom vos frust e'us feira ; Pueis,
quan sereiz ben frnstatz, Traira'tis hom la Iwmieira (Hs. lumeneira). —
Cf. auch Gedicht III.
fronteira. Rayn. III 401 übersetzt ganz richtig „front", kann
aber als Beleg für diese Bedeutung wie für das Wort überhaupt
nur diese unsere Stelle anführen. Ich verweise auf Floretus, der
uniex frontiera die Bedeutungen „frontispicium, anterior pars templi;
fronteria" vereinigt. Fronteira im Sinne des neuprov. frountiero
(„Grenze") bezeugen Beisp. wie: Giraiäz . . . passava per Ja soa
terra en la frontera de Caslella e d'' Aragon e de Navarra (Biogr.
des Guir. de Born, in Hs. h, Rev. XIX 278).
21. „In der Meinung, am billigsten sei erstanden, was gar-
nicht bezahlt worden, stählet ihr die Ware auf der Messe, aber
nun hat man euch hinterdrein einen Kaufpreis gemacht, der in
keinem Verhältnis mehr zum Wert des entwendeten Gutes steht."
22 — 23. „. . . denn noch immer geht ihr infolge davon wider-
strebend auf dem Plan, und es zieht euch ein Zugband wie , . ."
46 O. SOLTAU,
Tobler. — Uran — //ra — iiraillz; cf. auch e7ioi 32 und 34. Der-
artige Spielereien gehören zu den Lieblingskunststückchen der Tro-
badors und sind von manchem bis ins Mafslose getrieben worden.
Nicht wenige Wörter hat die Sucht zu variieren bei solcher Ge-
legenheit erst entstehen lassen, und ich zweifle nicht, dafs auch
unser iirailh, das anderwärts nicht auftritt, eine solche Augenblicks-
bildung ist.
lebreira „canis leporina" (Don. prov. 61, 39).
25. Mir ist nicht recht deutlich, was der Vers besagen will,
und in welchem Verhältnis er zu dem folgenden steht. Ist Ana-
koluth anzunehmen und also in den drei Wörtern vostra domna
derreira das Subjekt eines alsbald aufgegebenen Satzes zu sehen?
31. Cf. V 42 Anm.
32. ta inostera in den Hss. läfst sich nicht halten. Wir haben
es vielmehr hier zu thun mit der Form amosneira für almosneü-a
mit nicht ungewöhnlichem Schwund des /. Paläographische Be-
denken gegen die Einführung derselben liegen nicht vor: Ver-
tauschung von n und // (mosnera — mostiera) gehört ja zu den
gebräuchlichsten Kopistenfehlern. — Aus unserer Stelle wohl im
Verein mit einer gleich zu erwähnenden zweiten hat Rochegude
Sinn und Form seines mosneira „bourse" erschlossen, das er leider
ohne Beleg irgend welcher Art aufstellt. Was hat es nun mit
diesem Wort auf sich? Ist es auch an jener anderen Stelle durch
amosneira zu ersetzen, oder hat es wirklich so existiert? Mir scheint
das letztere. In der Tenzone zwischen Guigo und Bertran d'Ala-
mano, einem Unicum der Hs. F (Stengel, Die prov. Blumenlese der
Bibl. Chigiana no. 181) findet es sich in folgendem Zusammenhange:
Guigo hat Bertran bei gewissen Damen schlecht gemacht, und
Bertran spricht ihm seinen Dank dafür aus, weil die üble Nach-
rede eines Schuftes dem Verleumdeten nur Preis und Ehre ein-
bringen könne. Darauf Guigo: ,,En Bertran, etz gauras (r undeut-
lich, sagt Stengel; zu lesen ist wohl ganres) sas de inos7ieira\ ich
lobe euch keineswegs, sondern schmähe euch in Wahrheit". — Ich
meine nun, man dürfe eine Erklärung dieses mosneira in der Weise
versuchen, dafs man auf das von Du Gange belegte und der Form
nach durchaus stimmende mosnerium „molendinum, Mahlstätte,
Mühlenhaus" verweist. In übertragenem Sinne w^äre dann unser
mosneira auf den Mund, die Mundhöhle^ zu deuten und gäbe m. E.
kein unpassenderes Bild für diesen Körperteil ab als etwa carcais, die
Bezeichnung des Köchers (cf. Levy, Suppl.-W.). Guigo hätte also
sagen wollen: „Eure Sprachorgane müssen aber vorzüglich in Ord-
nung sein, da euch solch ein Unsinn über die Zunge kommt".
34. E Penois dohVa teira. Für doblar als Intransitivum giebt
Levy im Supplement -Wörterbuch einige leicht zu mehrende Beispiele.
1 Ich hatte ursprünglich auch für unsere Stelle hier, v. 32, diese Be-
deutung angenommen, habe dann aber nach Herrn Prof. Tobler's Vorgang
lieber amosneira eingeführt.
DIE WERKE DES TROBADORS BLACATZ. 47
a teira eigentlich „nach der Reihe", am ehesten wohl ent-
sprechend unserem „von A bis Z", also „ganz und gar, durchaus".
So auch Rayn. I 440 {Quar) per valer Es hom valen a tieyra und
Parn. Occ. 129 Per qiiel mal\i\ me fug a tieira.
35 — 36. Was Blacatz seinem Gegner in diesen Versen sagt,
steht ganz aufserhalb des Zusammenhanges, schwebt in der Luft
und ist auch nur so in der Verlegenheit aufgegriffen; er hat im
Augenblick eben nicht gewufst, womit die Strophe füllen, und viel
Zeit zum Ueberlegen blieb ihm beim Improvisieren natürlich nicht.
35. enpenre heifst im allgemeinen zwar „unternehmen", ist
aber von Rayn. IV 630 auch im Sinne von „prendre, choisir" nach-
gewiesen. Ich habe es hier angenommen, weil man sich doch
nicht gerne dazu versteht, ein ganz ungehöriges pleonastisches en
zu dulden {e'n müfste man sonst schreiben, um dem tonlosen
Pronomen nicht die erste Stelle im Satz einzuräumen).
VII.
Die Tenzone ist metrisch übersetzt von Kannegiefser, Gedichte
der Troubadours (Tübingen 1852), p. 279. — Cornicelius, p. 9
macht darauf aufmerksam, dafs Raimon Vidal ein unserem parti7nen
ganz ähnliches Tenzonenmotiv in einer seiner Novellen verar-
beitet hat.
5. Senz far. Cf. Stimming, B. de B.i 7, 12 Anm.
de tan gran ricor umschreibt Diez, L. u. W.2 p. 325 mit „(das
Fräulein,) welches einer so hohen Herrschaft dient". — Mit Ein-
führung von (Taitan statt des de Imi der Hss. habe ich einen frage-
weise gemachten Vorschlag des Herrn Prof. Tobler angenommen.
19. Die falsche Uebersetzung bei Rayn. III 210 hat Levy,
Suppl.-W. berichtigt.
22. Cf. Ged. I 42 Anm.
24. „als dafs ich nur das andere sähe, das darin glänzt" Tobler.
30 — 32. „Denn manch eine Frucht kann der Dieb nehmen,
die nicht so milden Geschmack noch solche Süfsigkeit besitzt,
wenn man sie tief wie (wenn man sie) hoch pflückt", mit anderen
Worten: „Der Dieb nimmt die Früchte, wo und wie er sie langen
kann, oben oder unten, süfs oder sauer, denn zum sorgsamen
Wählen fehlt's ihm an der nötigen Mufse. Ihr nun seid nicht
wählerischer als so ein Dieb." — Je höher die Frucht und also
je näher der Sonne, um so saftiger und süfser ihr Fleisch: diesen
Gedanken finden M'ir in veränderter Einkleidung auch anderenorts
(Seibach, p. 122 XXX 13): ... St co'l frut (\ls. fruc) qui de Valbre
sohrier Son plus plasent e de sabor plenier ... — Zu Guilhem's de
S. Gr. Denkweise hätte sich übrigens Aimeric de Peg. gewifs be-
kannt, der einmal (M. G. 693, 3) sagt: Mais pres (schätze ich) lo
frug on ab las viatis ateingna Q'aisel qu'es aiitz, on lausar mi co-
veingna. — Kannegiefser hat unsere Stelle richtig aufgefafst, er
übersetzt: „Ihr lafst eure Hand euch leiten Dem Dieb gleich, ihm
kommt's nicht drauf an, Ob süfs ob sauer, so wie er kann".
48 O. SOLTAU,
^^. dcsmandar gewöhnlich „mandata revocare, mandare contra
mandatum" (Don. prov,), also zunächst nur mit sächlichem Objekt.
In gleicher Konstruktion nimmt es dann auch die Bedeutung „etw.
von sich weisen, von etw. nichts wissen wollen" an; cf. De Lollis,
Atti R. A. Lincei 131, Str. 3 Veils e (lies ah't) veüla s" aco7npag7ia E
ioves ab ioves van, Per q'eii veill domnei desman. Und in diesem
Sinne konnte es dann leicht das sächliche Objekt durch ein per-
sönliches ersetzen wie an unserer Stelle: Taiih donc q^om sa domna
desman? (dies Beispiel schon bei Schultz, Dichterinnen 3, i v. 5 Anm.
und Levy, Suppl.-W.) oder Studj V 251, 5: Ops es que vas me s'es-
claire O qe de'l tot me desmaji.
38. Ueber Reforsat oder genauer (cf. v. 41) Jaufre Reforsat
handelt Springer, Klagelied p. 76. Er giebt O.Schultz zu, dafs
unser Tenzonenrichter hier der Trobador Reforsat de Tres sein
werde, hält es dagegen für nicht geraten, diese dem Hause der
Vizgrafen von Marseille angehörende Persönlichkeit mit dem von
M6ry et Guindon (II 25 Anm. 3) als Podestä von Marseille zum
Jahre 1223 — 4 genannten Reforciat zu identifizieren. Grund zur
Ablehnung dieser an sich ganz ansprechenden Vermutung O. Schultz'
ist ihm eine Notiz bei Ruffi des Inhalts, dafs im Jahre 1223 die
Kommune von Marseille den Beschlufs gefafst habe, die Mitglieder
der vizgräflichen Familie hinfort aus ihren öffentlichen Aemtern zu
verbannen. — An der Richtigkeit der Notiz bei M6ry et Guindon
ist nicht zu zweifeln, denn in einer Urk. vom 14. Febr. 1224
(Gu^rard, no. Q24) wird ein dominus Reforsatus als potestas Massi-
liensis namhaft gemacht; Ruffi's Angabe kann ich leider nicht
nachprüfen. — Derselbe Jaufre Reforsat vermutlich der Schieds-
richter der Tenzonen Gr. 83, 2 und 366, 24 (cf. Springer a. a. O.).
39. Diesem in den Hss. unverständlichen Verse hat Herr
Prof. Tobler durch Einführung von 710 Sinn gegeben.
42. Ma ila) Bella-Capa. Derselben Dame ist Blacatz' einzige
Canzone (IX ^) gewidmet. Der Versteckname Capa begegnet im
übrigen nur noch an einer Stelle, in Gr. 167, 55. Rob. Meyer,
Das Leben d. Trob. Gaue. Faid. (Heidelberg 1876), p. 57 spricht
das Gedicht auf Grund der Attribution von R und dem Register
von C anstandslos dem Gaue. Faid. zu, ohne zu bedenken, dafs
die andere Hs., C, zugleich die einzige, welche die Tornada und
in ihr den Verstecknaraen bringt, vielmehr Albert de Sestaro als
Autor nennt, Ich setze das Geleit hierher: A 771a Capa 77ian E71
ma chanso chanta7i Ma hena7ia7isa gran, E lay en Loi/ibardia Gua7-
dieus de falhir Ric-de-Joy e samia Tant quant ieu dezir. Wem das
Gedicht gehört, kann ich nicht entscheiden, da weder Gaucelm
noch Albert die Namen Capa und Ric-de-Joy (nach Rob. Meyer
Gönner G.'s) ein zweites Mal erwähnen. Auch die Fragen, ob die
Capa hier und die Bella-Capa des Blacatz identisch seien, und
wen man hinter dem Verstecknamen zu suchen habe, mufs ich
offen lassen.
DIE WERKE DES TROBADORS BLACATZ. 49
44. „wenn Frauen oder Fräulein es thun (sc. richten)". Dies
die Auffassung von Herrn Prof. Tobler. Ich selbst hatte dem fan
eine andere Bedeutung (neuprov. faire „etre convenable, suffire")
gegeben, welche indefs die beigebrachten Belegstellen nicht hin-
reichend zu sichern geeignet waren.
VIII.
Dieses Bruchstück findet sich so in einem seit langen Jahren
bereits gedruckten, aber noch unedierten Werkchen des Jehan de
Nostradamus, betitelt Les rnots que ont use les poeies provensaulx en
leurs Oeuvres, und ist daselbst eingereiht in eine Sammlung von
Zitaten aus prov. Gedichten, angelegt zur Stütze der Behauptung:
„La plupart des poetes provensaulx, quand ils ont voulu faire com-
paraison d'ung qui a aim6 desesperement, ils ont toujours advance
Andrieu de Fransa".
Ich verdanke diese Angaben wie auch die Kenntnis des Frag-
mentes selbst Herrn Prof. Chabaneau, den ich um Aufklärung bat,
worauf sich eine von ihm Rev. XXXIl 214 gemachte Bemerkung
bezöge. An der genannten Stelle meint Herr Prof. Chabaneau
nämlich, man dürfe vielleicht (ich denke, sehr wahrscheinlich)
den escudier bei P. Vid. (Bartsch, P. Vid. 40, 25): Anc non amet
nulhs om tan folamen, Nets Vesciidiers qiia la tmila mori — mit dem
escudier Gauzeris unseres Fragments identifizieren. — Dieses letztere
hält Herr Prof. Chabaneau für einen Teil der Tenzone Gr. 97, 13,
gewifs mit Recht, denn bekanntlich war Hs. a, die das Gedicht
97, 13 enthielt, eine der Hauptquellen des Nostradamus. Ob nach
Gauzeris eine Lücke anzunehmen sei, fragt Herr Prof. Chabaneau.
Vielleicht läfst sich auch ohne diese Annahme auskommen. Sicher
falsch ist die Zeilenbrechung; man mag etwa so eine angemessene
Strophenform herstellen (ich verbessere gleichzeitig fehlerhafte
Stellen) :
7 a Senher, Andryeus de Paris
10 b Mourit amant, so que may hom no fez,
7 a E l'escudierj Gauzeris.
10 b De don Floris ay auzit mantas vez
10c ^ Que s'en fugit e laysset son repayre
? Per Blanchaflor.
Gesprochen hat diese Worte, wie die Anrede Senher vermuten
läfst, Pistoleta.
IX.
a.
Str. 3 druckt Chabaneau, Rev. XXIII 77 in einer ]2 offenbar
sehr nahe stehenden Fassung ab:
Donna vostra beutas
E las bellas faissos
Eis bels oils amoros
Eis gens cors ben taillats
Zeitschr. t rom. Phil. XXIV. »
50 O. SOLTAU,
Don sieu empresenats
De vostra amor que mi lia
Si bei trop aftansia
Ja de vos non partrai
Que major honor ai
Sol en votre deman
Que s'autra des beisan
Tot can de vos volria.
So nämlich sind diese Verse publiziert in dem Werk der M"«=
l'Heritier de Villadon {1705), wo sie den auffälligen Titel tragen:
Chanson en langue provenc^ale dont le commencement est de Blondel
et la fin du roy Richard. Chabaneau hat sich mit dieser Attri-
bution nicht einverstanden erklären wollen, andererseits aber be-
kennen müssen, dafs er selbst vergeblich nach dem wirklichen
Autor gesucht habe. — Müfste man nicht fürchten, dafs die An-
gabe der M"^ l'Heritier aus der Luft gegriffen ist und der realen
Unterlage ermangelt, so wäre uns dieses Beispiel der Verwechse-
lung unseres Dichters gerade mit Richard Löwenherz ein neuer,
schöner Beweis für die ungemein hohe Schätzung, deren sich
Blacatz in seinem Vaterlande erfreute.
25 ff. Anakoluthie. Den Dichter hat die Vorstellung aller der
Reize seiner Schönen begreiflicherweise aus dem Geleise ruhiger
Denkungsart geschleudert, und als er zum Ueberflufs in die Wirr-
nis der Relativsätze geriet, da blieb er stecken und gab als Mann
von Geistesgegenwart und Einsicht verloren, was nicht mehr zu
retten war.
31. W^ie mufs man den Vers lauten lassen? Schon Zs. XXIII
p. 239 ist bemerkt worden, dafs die Lesart von NS dem Original
am nächsten stehen müsse; dafür spricht auch, dafs sich irop oder
mindestens das eine oder andere seiner Elemente auch in den
Varianten der übrigen Hss. findet — abgesehen natürlich von D,
das in dem Bestreben, einen verständlichen, womöglich verbesserten
Text zu liefern, die nächst liegende Konjektur aufgegriffen hat,
ohne damit aber das Richtige zu treffen. Vielleicht darf man Si
be-m irop a fadia schreiben. Oder soll man NS verstehen : „ob-
wohl ich davon (sc. von euren Schönheiten) in zweckloser Er-
wartung singe (dichte)"?
41—42. Der Schreiber von D hat die Frage verkannt, aber
wohl gefühlt, dafs etwas der Art hierher gehört. Darum sein:
„Möchte mir doch . . . helfen!"
55. Ich wage lieber die Vermutung, das durch il vertretene
Subjekt sei aus dem ochaiszonatz in v, 53 herauszuziehen {ochaizo
„Schuld"), als dafs ich mich mit der abermals sehr deutlichen Les-
art von D [QuHl colpa non es mid) zufrieden gebe.
60. Ich habe im Augenblick für transitiven Gebrauch von
fugir in so alter Zeit keinen Beleg bei der Hand. Für spätere
DIE WERKE DES TROBADORS BLACATZ. 5 I
Perioden ist diese Verwendung gesichert; cf. Chabaneau, Rev.
XXXVII 483. Möglicherweise ist auch in Toiz iortz zu bessern.
61. Zu Bella- Capa cf. VII 42 Anm.
I — 4. Ich glaube also (cf, Zs. XXIII 210) keineswegs, dafs es,
wie man bisher allgemein angenommen hat, Isnart mit dieser Be-
hauptung Ernst gewesen ist. Es ist eben nicht denkbar, dafs nach
einer Melodie Canzonen so gut wie Retroenzas oder gar Descorlz
gesungen werden konnten. — lieber die reiroenza handelt P. Meyer,
Rom. XIX 36 ff.; Römer, Ausg. u. Abh. XXVI 45; Stimming in Grö-
ber's Grundrifs der rom. Philol. II 2, p. 27. P. Meyer nennt unsere
Stelle den ältesten Beleg für diesen Terminus; p. 37 Anm. 2 meint
er, retroenza sei hier wohl schon dreisilbig wie später als retroncha,
„ä moins qu'on prefere supprimer i". Er hätte hinzufügen können,
dafs wir weder Grund noch Recht haben, das vom Sinn geforderte
i zu unterdrücken.
5 f. Auch hierhinter steckt wieder Ironie, und gemeint ist
gerade das Gegenteil.
g. Man ist billig erstaunt gewesen, dafs Isnart sein Gedicht
eine Dansa nennt; aber wenn man meiner Auffassung beitritt, so
sieht man, dafs der Name ganz und gar nicht in der Absicht, die
Sache treffend zu bezeichnen, gewählt ist. Was Isnart in Wirklich-
keit dichtet, ist und bleibt ein Sirventes. Daran kann sein in v. 8
ausgesprochenes Bedauern, es sei ihm unmöglich, auf diese Melodie
einen Sirventes zu schreiben, nichts ändern; man mufs eben wieder
den Hintergedanken erkennen und verstehen: Auf jede vernünftige
Canzonenweise läfst sich, wie männiglich weifs, ein Sirventes dichten,
auf diese aber, die doch für jede beliebige andere Dichtgattung
wie geschaffen scheint, merkwürdigerweise nicht!
18. Die Hss. haben Almaria. Raynouard's Alamania, Mila's
Alemania machen den Vers zu lang. Ich stimme Chabaneau bei,
der Rev. XXVII 46 Anm. zu 22 hierin eine Anspielung auf ein
prov. Gedicht über die Einnahme von Almeria erblicken möchte.
Ueber dieses historische Ereignis handelt Milä y Fontanals, p. 'j'^.
Almeria (in Granada) befand sich in den Händen der Mauren,
bis es 1147 durch ein christliches Kreuzheer, dem sich mehrere
prov. Grofse angeschlossen hatten, wiedererobert wurde. Dieser
glückliche Feldzug wurde in lat. und in prov. Sprache dichterisch
gefeiert (Milä, p. 81 Anm. 57).
20. Los bauzes bertelai D^, los hait( hcrialai N. Die Lesart
von D^ pafst nicht in den Vers. Was Milä mit seinem la batizes B.
meint, ist nicht abzusehen. Ich habe bous in den Text gesetzt,
indem ich Bartsch (Zs. I 73) gefolgt bin, allerdings nicht ohne ein
gewisses Bedenken, denn« die drei Stellen, an denen auf dieselbe
Sache angespielt wird (2 Guir. de Born., i Lais Markiol; cf. Bartsch
a. a. O.), scheinen mir zu solcher Auffassung doch nicht zu zwingen.
— Die Geschichte selbst ist unbekannt.
52 O, SOLTAU,
22,. Dem Johanniskraut wohnen nach altem Volksglauben
allerlei geheimnisvolle Kräfte inne, worüber man Mistral unter
Erbo-de-Sant-Jan nachlesen mag und A. Maas, Allerlei Volksglaube
nach F. Mistral's „Mireio" (Berlin i8cj6), p. 40.
24. la pasca floria „Päques fleuries" (cf. Rayn. IV 445).
31. Unter dem Puoi Sainta Maria ist nach Chabaneau, Hist.
Lang. X 368 Anm. 2 vermutlich das bekannte Puy-en-Velay zu ver-
stehen, von dessen eigentümlichem Hofhalt mehrere zeitgenössische
Berichte Kunde geben (cf. darüber auch Diez, Poesie'^ p. 2 2flF.;
P. Meyer, Crois. Alb. II 399 Anm.). Es ist immerhin nicht ausge-
schlossen, dafs Isnart des Puy-en-Velay hier deswegen Erwähnung
thut, weil es zu seiner Zeit ein berühmter Wallfahrtsort war.
2^2. tiflas de roai D^, chiflas de roai N. Birch -Hirschfeld, p. 90
sieht ebenso wie Raynouard in tiflas einen Personennamen, den er
allerdings nicht unterzubringen weifs. Auch die Rezensenten seiner
Arbeit geben keinen Aufschlufs. Wenn schon die Lesart von N
an Rayn.'s Auffassung irre machen mufs, so werden zwei andere
Stellen, die auf dieselbe Sache anspielen, beweisen, dafs sie ganz
zu verwerfen ist. Das eine Beispiel liefert Peire Cardenal in M. G.
1245 (der Druckort ist übrigens Gr. 335, 14 nachzutragen). Er
spricht da von einem o?ihe>nen und giebt einen Bericht über die
eigenartige Zusammensetzung desselben. Dirai Vonhemen: De Jieula
e de ven Es tot lo pus et mays ; Uietila (lies nieulal) dura e lays Y
a Ines e sos gays E criiz d'escaravays E trufas de Roais, etc. (alles
Mögliche und Unmögliche wird bunt an einander gereiht und dabei
recht Wesenloses, Unanschauliches bevorzugt). — Rayn. V 437 hat
aus dem trufas de Roais ein trufas de mays gemacht, das er mit
„plaisanterie de mai" übersetzt. — Den zweiten Beleg verdanken wir
Guilhem Ademar, bei dem wir M. G. 906, 4 nach Hs. I (= 907, 7 C)
lesen: Eu non sai als que ni'en diia, Pois il soiorn'e s'engraissa. Et
eu rCai trebaill et aissa, Don inorai de dol e d^ancta; C'o?n pot dir
qtceu sui sei que pais Muzati las chuflas {trufas C) de Roais. — Wir
haben also die Formen tiflas, chiflas, chuflas und tr^ifas. Sind die
nun alle gleichwertig, oder ist etwa nur eine von ihnen statthaft?
Tiflas ist ohne Zweifel fehlerhaft und daher zu streichen, chiflas
und chuflas fallen zusammen, trufas ist ihnen synonym; cf. Rayn.'s
Beispiel : Adoncx dison las chuflas e los gabs e truphas e jonglas per
mays far de ofl'ensa a Dieu. Die Bedeutung „moquerie, raillerie"
kommt chufla, trufa unzweifelhaft zu, nicht so sicher aber ist, ob
sie in trufas [chuflas) de Roais angenommen werden mufs. Ich für
mein Teil weifs mit „Spöttereien (oder Possen) von Roais" nichts
anzufangen. Das hindert indefs nicht, dafs diese Bedeutung für
die Stelle bei P. Card, ausreichen mag — selbstverständlich auch
für die bei Isn. d'Antr. — ; dagegen scheint sie mir bei Guilh.
Ademar auf jeden Fall unzulänglich. Es mufs eine Möglichkeit
geben, trufas {chuflas) de Roais noch in einem anderen Sinne auf-
zufassen. Thatsächlich giebt es die, indem trufa ja nicht blofs
jene abstrakte Bedeutung hat, sondern aufserdem die sehr konkrete
DIE WERKE DES TROBADORS BLACATZ. 53
„Trüffel". Behält man das im Auge, so werden Guilh. Ad.'s Worte
verständlich: er gleicht einem, der von trufas satt werden zu können
meint, die doch mit den leckeren Trüffeln nur den Namen gemein
haben und, recht besehen, nichts als ganz unsubstanzielle chuflas
sind. — Wie nun gerade die trufas von Roais zu dieser eigen-
tümlichen Bedeutung gekommen sind, vermag ich so wenig zu
sagen wie, um welches Roais es sich handelt. — Das Wortspiel ist
im Deutschen nicht genau nachzubilden; doch möchte ich zum
Vergleich auf unser „Windbeutel" verweisen. Gesetzt, diesem Worte
wohnte auch die Bedeutung „Windbeutelei" inne, so hätten wir
ungefähr das obige Verhältnis. — Nach meiner Ansicht also sind
wir genötigt, als ursprünglich und allein sinnvoll trufas de Roais
anzuerkennen und in chiflas, chuflas Fehler der Kopisten zu sehen,
die nicht mehr verstanden und sich gleich den meisten Ange-
hörigen ihrer Zunft kein Gewissen daraus machten, synonyme Wörter
mit einander zu vertauschen.
3. „. . . welche ich (gewisse) Vögte machen sehe".
4. No'i mis, sc. in mein Lied.
6. soz-bailia, 11. sos-ma7i sind natürlich nur verächtliche Be-
zeichnungen, die im Munde des Feudalherrn Blacatz schon ver-
ständlich sind. Isnart hatte in Wirklichkeit kraft seines Amtes
grofse Macht und ausschlaggebende Stimme; aber er war doch
den Bürgersleuten Rechenschaft schuldig und insofern von ihnen
abhängig, als ihm seine Befugnis nur durch ihre Stimmen- über-
tragen war und durch ihre Stimmen wieder entzogen werden
konnte.
7 f. Bez. der Trennung des de Bariols von dem dadurch be-
stimmten seignoria cf. Appel, Ined. XXVII. — Zum Inhalt siehe Zs.
XXIII 204 f.
g. Ich schreibe mit D*"* que fai trotz der dann vorhandenen
Reimwiederhohlung (v. 20). Man könnte in dem ric deman eine
Beziehung auf Isnart's amtliche Thätigkeit finden (cf. Zs. XXIII
206), eher freilich wohl auf seine Bemühungen in eigenem Inter-
esse. Von einem Gegner konnte ihm leicht zum Vorwurf ge-
macht werden, was Elias de Barjols (Gr. 132, ii) an ihm lobt:
\N^'\Isnart, donan e meten Cr eissetz de ierr'e d'onranza. — Ich will
nicht unterlassen darauf hinzuweisen, dafs möglicherweise die Les-
art von N (nach der unbedeutenden Aenderung des que sai in
ques ai) das Ursprüngliche bewahrt. Man hätte dann anzunehmen,
Blacatz spiele auf eine grofse Forderung an, die er selbst an Isnart
habe, ein Gedanke, der übrigens an der letzten Strophe des fol-
genden Gedichts eine Stütze fände. Indefs will es mir vorkommen,
als ob die Wahrscheinlichkeit nicht auf Seiten dieser Möglich-
keit liegt.
12. Cf Zs. XXIII 203.
13. guarraigno „Hengst" fehlt bei Rayn.; aber Diez, Et. W. I
54 O- SOLTAU,
stellt zu ital. guaragtio, span. guararion (vom mit. waranio aus dem
Germ.) auch ein prov. guaragnon, das er freilich ebenso wenig be-
legt wie sein Gewährsmann Du Gange. Doch kommt das Wort
aufser an unserer Stelle noch Seibach, § 85 V 27 vor: Car i d^aquels
val may, neys s'era mutz, No fd!n Rosla?ih ab so vielh gtiaranho
n^ Aimeriguet. — Mit folgendem Beispiel weifs ich nicht recht etwas
anzufangen: M. G. 306, g Li orfanel van garaignos {guara?inos N),
Segott so que Marcabrus ditz, Trian los gratis tuest los ttieniitz (A ganz
abweichend). — Auch neuprov. noch garagtiouti „Hengst" (Mistral).
15. Cf. Zs. XXIII 204.
18 f. „...so heifse ich es durchaus gut, dafs er (sc. der
Hengst) in meinem Liede vorkomme, und (-nicht minder) dafs er
(sc. Isnard) seinen (eigenen) Namen wechselt" (?).
20 ff. Wie der Stallknecht den Herrschaften die Pferde über-
giebt, ohne dabei Geschäfte machen zu können (wie sie der Pferde-
handel ermöglicht), so hat Isnart eine Menge Pferde hergegeben,
ohne dabei zu verdienen, d. h. er hat sie verschenkt. Zu welchem
Ende? — cf. Anm. zu v. g.
22. ferrati, das der Regel nach zur Bezeichnung einer Farbe
von Pferden dient (so in Rayn.'s Beisp.), wird doch auch von der
menschlichen Haarfarbe gebraucht; z. B. De Lollis, Atti R. A. Lin-
cei 131, Str. 3 Miraval, violt tties estragtia Dotnptia pos ha'l pel ferran
oder Prov. Diätetik (ed. Suchier) 182 Que trop matij'ar outra saiso
Fai hotne canut e ferrati.
25. oblidar hier verwendet wie Gr. 155, 20 v. 4 (cf. Springer,
Klagelied p. 82 und p. 87 Anm. I); Seibach, § 85 XI 54 Mas de'l
tot es oblidatz, Sri ttirmetita e'l trebailla Amors; Studj III 481, 30
Que quand vos vei sui de'l tot oblidatz.
2'}. mesi I. pers. sg. perf. von tnetre, von Appel, Ined. XX zwei-
mal belegt. Die Leys d'am. 378 setzen ttiezi sogar ins Paradigma.
ttiais de dos. Es ist natürlich von vornherein ausgeschlossen,
dafs Blacatz hat sagen wollen, er habe nur zweier Freunde Isnart's
in seiner Canzone Erwähnung gethan. „Mehr als zwei" heifst „eine
ganze Anzahl", entsprechend unserem „mehr als einer". Ich erinnere
auch an die Verwendung des prov. „mehr als halb" im Sinne von
„ganz" (cf. Tobler, Zs. XI 134). Die Zahl zwei war übrigens nicht
obligatorisch, wie aus folgender Stelle bei Daude de Pradas er-
hellt: De doniptias hi a mais de tres Que qatid retniren lor color E
lor bcutat e'l tnirador No'is ciiioti que ttiais sia res (Studj III 354» 25).
Der Rest der Strophe ist höchst problematisch. — „Und wäre
Herr Amirat (? einer von Isn.'s cottipaigtios) in Bechal (? Isn.'s Wohn-
sitz), so würde ihm alsbald der Appetit abgewöhnt {desttiatigaz),
denn einmal [Que una v.) täglich, öfter nicht, gäbe er (Isn.) an
seinem Hofe zu essen — mehr will ich nicht sagen; und die
Heller, die er zählt {qu'es «.), gleiten ihm aus den schweifsigen (!)
Händen heraus (L'eisoti), weswegen er ein finsteres Gesicht macht."
(Dies letztere könnte bedeuten: Isn. giebt zwar, aber nicht, wie
die Dichter es gern haben und an anderen loben, mit freundlicher
DIE WERKE DES TROBADORS BLACATZ. 55
Bliene, sondern mit saurem Gesicht, das dem Empfänger die ganze
Gabe verleidet; cf. Studj III 610, 3g, wo von G. Aug. gerühmt wird,
er spende reichUch: e non 0 fai ges ab semblati dolen^ Per qen val
viais ja iani pauc non vietria) — Ich habe noch eine ganz andere
Vermutung, verzichte aber darauf, sie hier mitzuteilen, da sie noch
weniger mit allen Einzelheiten des Textes in Einklang zu bringen
ist. Ich kann nicht umhin zu gestehen, trotzdem ich wieder
und wieder an diese Strophe herangegangen bin, hab' ich der
Schwierigkeiten, die sie bietet, nicht Herr werden können. Wenn
ich bei alledem oben so etwas wie einen Uebersetzungsversuch
mitgeteilt habe, so geschah es einzig aus der Erwägung, dem
Leser möchte damit vielleicht ein Anhalt geboten werden, um sich
auf die richtige Spur zu finden, die mir verborgen geblieben ist.
Noch ein paar einzelne Bemerkungen. — 30. primaria hat
natürlich nichts zu thun mit dem adj. primeiran, zu dem es Rayn.
IV 644 stellt. Das hat schon Appel, Ined. Glossar bemerkt. Die
Bildung dieses Substantivs entspricht derjenigen von derrairia, das
Rayn. V 80 ganz richtig als sbst. verzeichnet. Primaria auch etwa
Crois. Alb. 2156, Rom. XXVI 262^ noch im Reim mit -ia.
^j"^. en cort heifst auch (hier aber kaum) „mit kurzen Worten",
was die Wörterbücher nicht angeben; z. B. Arch. L 275, XCIV Per
q^eu en cort vos die: etc.
36. faire cara mari{d)a wie sonst f. c. bruna, grisa etc. (cf.
Levy, Suppl.-W.); cara marria auch Crois. Alb. 1231.
d.
2. Die Form omeii als obl. sing, ist vom Alexander (Appel,
ehrest. 2, 78) bis herab zur Sancta Agnes (ed. Bartsch, Berlin
i86g, V. 1052) durch die gesamte Lyrik hindurch zu verfolgen und
keineswegs so selten anzutreffen, wie Zenker, F. de Rom. XIII 140
Anm. behauptet.
7. Was bedeutet hier das uins von D^ oder das iiius von N?
contrariar ist mir nur an einer Stelle noch in einer anderen
Form als dem häufigen Part. Präs. vorgekommen, nämlich Romania
XXVI 272 V. 255: E sei qiie vol anar (Jost) per via, Aqnesla molt li
contraria.
9. Ich habe den Text von D^ hier verlassen aus zwiefachem
Grunde: einmal um der Reimwiederholung vorzubeugen (D^ hat
freilich in 21 fai, aber hier bietet N unzweifelhaft die echte Les-
art) und zweitens um nicht eine dritte Person sai (sie als erste
aufzufassen, scheint mir auch der Sinn zu verbieten) einzuführen,
die mir — wenigstens im Reim — nirgends begegnet ist.
11. „Und ich lasse es dabei bewenden."
12. vials dirs D^, mal dirs N. Beides ist nach bekanntem
prov. Gebrauche richtig.
16. volria sos plaz („ich möchte Verträge mit ihm") lese ich
mit N gegen v. sil plaz von D-'^, was mir im Zusammenhange un-
verständlich ist. Aehnlich heifst es Studj III 537, 22: En Gui, trop
56 O. SOLTAU,
foz hen conseiUaiz Qati vengueiz qerre nostra patz und M. G. 544,
Str. 4 : E s'ieu soy encolpatz Car los (sc. los ioglars) ai accuzatz, Vos
cortes que anatz Per coriz, vi'en razonatz, Qu'ieti no vuelh ia lor patz.
— Daran, dafs wir platz haben statt plaitz {*placitos) darf man
sich nicht stofsen. Solche Tilgung des c-Reflexes ist eine Kon-
zession an den Reim, die keineswegs vereinzelt dasteht; cf. e.'mz. fatz
(Appel, ehrest. Gloss. u. Formenlehre) oder destruz (Gr. 335, 43).
17. Die Zeile fehlt in D^. An dem Text von N habe ich
nur die unbedenkliche Aenderung de träs für deiras vorgenommen,
eingedenk der Thatsache, dafs ein Zweig der Familie Blacatz in Trans
zu Hause war (cf. meine Dissert. p. 25 Anm. 2). Den Wert meiner
Konjektur schlag' ich nicht zu hoch an, ich gebe sie nur als eine
Möglichkeit. Möglich ist nicht minder, dafs es sich garnicht um
einen Namen handelt, dafs das i in v. ig (es ist ja überhaupt ge-
wissermafsen überzählig) zu streichen und in deiras das bekannte
adv. detras zu erkennen ist. Die Bedeutung „en ausencia d'aquell
de qui 's parla", die Labernia dem cat. deiras giebt, ist zwar für
prov. deiras noch nicht nachgewiesen, ergiebt sich aber aus Beisp.
wie Rayn. I 472 (Lanfr. Cig.): Qar denan ri e niostra far honor E
pois detras poing Vainic e'l gnerreia. — Danach hiefse unsere Stelle
also: „Denn hinter ihrem Rücken (ohne ihr Wissen) verkaufte er
die Herrschaft, welche seine Nichte besafs".
ig. ?ieza schreibt D^, 7ie(a N; gemeint ist stimmloser i'-Laut.
Rayn. IV 312 kennt nur die Formen nepta und tietsa', aber gegen
ein jiessa ist natürlich nichts einzuwenden, denn dies gerade ist
die eigentlich volkstümliche Wiedergabe von lat. neptia (zu diesem
Wort cf. Gröber in Miscell. Caix-Canello 46). Man vergl. prov.
nossas aus lat. ?mptias. — Rochegude scheidet nepta „niece" und
nessa (ohne Beleg) „belle-soeur, cousine germaine". Das ist Will-
kür. Cf. Floretus tiessa „fratrua, fratrualis, sobrina, sororia"; Bartsch,
Dkm. 53, ig Neps e jiessas /es venir davant si\ Arch. XXX 161 Z. 3
u. 5 Aquest avia wia sieit nessa, fiUia de un sieu fraire\ Appel, Chrest.
84, 33 . . . belha nessa plazens', Rom. XIV 4g5 v. 125 E manda vos
per Dicu{s) e'us prega Coinma sa nesa e s'amia.
20. „. . . womit er einen ehrenhaften Handel abschlofs", mög-
licherweise auch „worüber er einen ehrenhaften Streit anfing".
Natürlich ironisch gemeint.
21 — 23. Worauf hier wie schon im Vorhergehenden angespielt
wird, entzieht sich unserer Kenntnis.
25 — 30 fehlen 1, würden aber auch kaum die nächsten Zeilen
aufgehellt haben. Wird Blacatz mit dem — übrigens ganz unbe-
kannten — Herrn Espaza verglichen, wird von ihm ausgesagt, er
werde in der Art dieses Herrn verfahren, mit anderen Worten, ist
n' Espaza Subjekt zu volc („Um die Groschen, welche ich Herrn E.
1 Oder hat Isnart vielleicht tornadenhaften Abschlufs gewollt um anzu-
deuten, dafs er nicht gesonnen sei, den Streit weiterfortzusetzen? Dann wäre
auch die Reimwiederholung v. 20 und 32 unbedenklich.
DIE WERKE DES TROBADORS BLACATZ. 57
schuldete, wollte er lieber paktieren als seine treflfliche schätzbare
Haut zu Markte tragen")? Oder soll man's nicht vielmehr zu devia
ziehen („Um die Groschen, die ihm Herr E. schuldete, wollte er ...")?
X.
7 — 8. Dafs V. 7 der Hs, unecht ist erhellt i) aus der 2. Str.,
die an der entsprechenden Stelle einen tadellosen Text bietet,
2) aus der Wiederholung des Q'eu volrai in Str. I 9 der Hs. —
(Zenker, p. 88), 3) aus der Wiederaufnahme des Reimworts digaiz
(v. i). Appel, Litteraturbl. 1896, p. 169 will freilich die i. Str.
nicht der 2. zu Liebe ändern, weil er gerade diese für unklar
hält; doch sagt er nicht, worin er diese Unklarheit findet.
9. Die Korrektur rührt gleich der Mehrzahl der anderen von
Zenker her.
15. Ich habe nach Zenker's Vorgang den Vers auf die Länge
von I gebracht, aber lieber voill statt Zenker's 0 eingeschoben.
20 — 21. Cf. Zenker, F. de Rom. XIII 34 Vos me podez far e
desfar; De Lollis, Sordel XXX 37 {Qu')elha"m pot far 0 desfair e\
M. G. 1081, 4 (El. de Barj.) Vos me podetz far 0 delir.
XI.
3 — 4 will Bartsch, Zs. VII 163 mit Tilgung des De in 4 schrei-
ben: Cal volriatz a vosi/obs reteiür : Doas dovinas honas son s. f.,
wobei dann cal neutral zu nehmen ist. Ich habe vorgezogen, Herrn
Prof. Tobler folgend, durch Tilgung von son die richtige Silben-
zahl herzustellen.
15. S'eu tot. Also ist es dem Subjektspronomen gestattet,
sich zwischen die beiden Elemente, welche die Konjunktion sitot
zusammensetzen, einzuschieben. Dasselbe Verhältnis finden wir im
Deutschen, wo ein „ob ich auch, ob ich gleich" gäng und gebe
ist. Freilich geht das Deutsche weiter, indem es dem persönl.
Fron, auch im obliquen Casus diese Freiheit gestattet. Das ver-
bietet sich für das Prov. aus naheliegenden Gründen. Ich füge
noch ein paar Beisp. in der Art des unsrigen bei. Gr. 9, 1 1 Str. 6
Ansz voill mon cor tant celar e cobrir Qe, sieti tot mor, 7Wus vej nj
vos remir\ Zenker, F. von Rom. VI 3 E dirai de pretz on es, S'om
tot no-l demanda; Schultz, Prov. Dichterinnen 8,3 v. 40 S'om tot no'il
lanssa (Zusammenhang freilich dunkel). — Andere Stellen zitiert
Levy, Zs. XXII 254.
16. De Lollis XXI 20 sagt aus Anlafs von Qtien dreg d'amor
tenc chascun^a nieii, dreg sei in dieser Verbindung als Adjektiv zu
betrachten; Schultz -Gora, Zs. XXI 253 spricht sich dagegen aus,
indem er zugleich die von Mussafia, Sitzgsber. Wien. Ak. Wiss., phil.-
hist. Kl., Bd. 134 IX p. 12 vorgeschlagene Schreibweise endreg zu
Gunsten von de Lollis' e7i dreg ablehnt. Ob man gut thut, in
gewissen Fällen dreg als Adj. aufzufassen, sei dahingestellt; sicher
ist, dafs in vielen anderen nur das Subst. („Recht, Gesetz") be-
rechtigt ist. Beisp.: Gr. 10, 28 E Pero en drech d'avior iuiatz (C se-
58 O. SOLTAU,
gou lo dreg d'a. /'.). Cf. dazu Cornicelius 1045 Per quieu breiimen
Vos die e segon dreg d'amor und Bartsch, Dkm. igg, 5 Jiigge\ß\
qtien dreit absol lo fori, Per dreit se lia a la mort. Häufig nähert
sich cn dreg de sehr dem Werte von endreg und wechselt wohl gar
mit diesem. Da wird man dann besser endreg — ein Wort —
schreiben. Beisp.: Studj V p. 67, 9 E farai lo (sc. lo romans) endreii
d'amor De sels an plazon ausior. Cf. dazu Stickney, 4 cardin. virt.
97 I Non es cortes Nc endrech amor ben-apres (vgl. de Lollis XXXIIl 2
. . . tan stii endreig d^amor sabenz); Studj III 458 v. 28 endreich de
solatz, M. W. IV 212 V. 72 endreg de cantitat, eb. v. 76 endreg de valor.
— Die Zahl der Beispiele ist Legion, und de Lollis hätte darum
zu den bei Rayn. gegebenen Belegen nicht noch einen weiteren
beizubringen brauchen.
17. Cf. Zs. V91 (^f) matit ioi sunt perdid per lonc esper.
19 f. „Lieber möchte ich auf mein Wort ein Viertel weniger
nach meinem Gefallen als (nur) einen Tag im Jahr die (ganze)
Provence."
32. Dem •/ Beziehung auf domna in 29 zu geben, verbietet
die Form des Pronomens; ich nehme mit Herrn Prof. Tobler
an, es sei gleich lo und gehe auf das folgende pois nai zo qu'eti
deman.
43 f. Vermischung zweier Konstruktionen, d.h. Gedanken:
i) . . . mehr bereichern, als dafs je ... 2) ... so sehr bereichern,
dafs niemals ... — Us iors val Ttiais chis atts unter Umständen,
sagt der Weise und mit ihm auch Cadenet (M. G. 302, 3).
45. eti breumen. Suchier's Aenderung in eii b. lehnt Chabaneau,
Rev. XXIV 197 mit dem Hinweis auf den sehr häufigen Gebrauch
des eji gerade vor dem adv. breumen ab. Von einem „sehr häu-
figen" Gebrauch möchte ich indefs nicht sprechen, Beispiele dafür
sind in der Poesie, soviel ich sehe, verhältnismäfsig recht selten
anzutreffen. Mir sind nur die folgenden aufgestofsen (dazu eins
aus J. Rudel bei Rayn. II 257): M. G. 99, 5 Dompna rei'gna mieills
assaiz Qe'l seu acorr e breumen; Bartsch, Chrest. 261, 21 [Qu^)ieu en
breumen niacordaray; Appel, Ined. 253 v. 25 Joy aurai hieu, s'a Inj
plaj, e breumen; Rev. XXVllI 15 v. 129 Si no'l pusc Irobar en breumen;
eb. 19 V. 265 . . . m^o digaiz e breumen; Rom. XV 69 D'aytal mort
pendras fi En breujnent con faist.
48. Die Korrektur stammt wie die anderen (aufser 7, '^z, 34,
35, 44) von Suchier.
54. n^ Audiart. Welche Dame darunter zu verstehen ist, läfst
sich nicht feststellen, wie denn der Name Audiart, der in der prov.
Litteratur an verschiedenen Stellen wiederkehrt, noch immer etwas
Problematisches für uns hat. Zuletzt ist auf ihn Springer, Klage-
lied p. 52flr. zurückgekommen, hat jedoch im einzelnen sichere
Resultate nicht zu erzielen vermocht.
DIE WERKE DES TROBADORS BLACATZ. 59
Reim Verzeichnis.
-ai: fai farai morrai verai {bis) partrai ai desebrarai atrai aurai
apai amarai IX"''; sai farai Bertelai mai Roai Cambrai IX ^;
eschai fai (J)is) bai mai dirai IX '^; dirai fai plai [bis] sai
assai JX*^.
-aire\ vaire aire veiaire gaire contrastaire traire razonaire laire VII;
repayre VIII; emperaire faire retraire veiaire gaire chantaire
vaire desfaire refaire maire traire repaire X.
-al\ cabal venal descomunal natural val engal cal ostal IV.
-ah', chaptals leials {bis) aitals- IL
-an : baisan talan {bis) soan {bis) preian resplan cerchan desman
deman an fan VII; aman merceian dan benestan deman
baisan gran affan semblan denan tan prezan IX=*; benestan
aman an Johan deman enfan IX''; gran sos-man ferran
malestan nombran suan IX '^; chan aitan truan bran prezan
atrestan IX ^; an {ter) talan afan prezan doblan sospiran
gran {bis) deman san tan afan tan semblan XI.
-ana: hermitana ufana lana forana sobeirana semana milgrana
lugana capzana aurana sana V.
-a72za: venianza lanza malai:ianza megloranza III.
-aia: barata aplata escata pata rata escarlata mata glata abata
lata zabata gargata V.
-aiz: passatz natz gratz malvatz sapchatz cobratz proatz laissatz IV;
platz [bis) amatz enamoratz autreiatz solatz beutatz taillatz
empreizonatz honratz pagatz humilitatz patz volontatz Qchai-
szonatz IX ^; Blacatz {bis) faz plaz praz foillaz menbratz afilaz
amaz IX''; conseillaz solaz presaz foldaz passaz assaz obli-
datz enamiraz (?) desmongaz {lies desmangaz?) IX '^; Blacatz
mal-enseignaz foldatz armaz plaz sapc^a^ IX''; digatz Blacatz
natz pessatz sap9atz amatz beutatz solatz X.
-<?: re {bis) be {bis) mante conve {bis) iase ple fe rete se VII.
'§ira: queira sobreira verqueira Barreira enteira Oblacheira saleira
luraeira {bis) carreira feira {bis) eschacheira seigneira lobeira
Cadeira fumeira hospitaleira paubreira mercadeira fronteira
ribeira lebreira corseira derreira primeira soldadeira norri-
gueira formageira enqueira raensongeira amosneira sofeira
teira saumeira neira VI.
-m'. sahen gen partimen gauzimen conoissen solamen avinen
plazen soven guiren veramen ven I; sen aten ioven valen
atendemen gauzimen soven consen IV; joven veramen jau-
zimen valen {bis) mandamen plazen pren cen veramen talen
breumen aten gen avinen jutgamen XI.
-endre: despendre mendre vendre estendre pendrc defendre atendre
rendre II.
-enza: agenza remanenza Proenza entendenza conoissenza plai-
senza pcnedcnza Durenza X; aienza falenza conoissenza va-
lenza bistenza Proenza captenenza parvenza crezenza ben-
6o O. SOLTAU, DIE WERKE DES TROBADORS BLACATZ.
volenza entendenza failenza XI ; Proensa [bis) valensa agensa
mantenensa {bis) parvensa faillensa {bis) penedensa estenensa
entendensa atendensa vensa Gr. 97, 5 [s. Zs. XXIII 22^/.).
-§r, -§rs siehe -igr, -i§rs.
-ez: fez vez VIII.
-i: Gui mi {/er) afi di vi fi (bis) ausi aisi Gr. gy, $ [s. Zs. XXIII
-ia : cortezia amia sia {bis) drudaria cambia aucia lia fadia qerria
valria via dia escharia mia fuziria paria IX ^; faria sabia
coindia Almaria Lombardia floria Pavia Maria dia IX '^; soz-
bailia seignoria tenia sia cambia taingnia primaria dia maria
IX *^; dizia contraria folia seinoria tenia cavalaria devia com-
batria IX •^.
-i^r'. guerrer {bis) archer charner qarter paner destrier fer alba-
lestrer qer {quaier) moiller maceller chaitiver {bis) monester
formorer ner sabrer templer berbiger escacher cavaler pau-
toner dobler dener lainer clocher colunber rater V.
-i§rs'. menuders senestrers diniers mosters destorbers destriers con-
sirers volontiers IIL
-iv. chausir dir desir gauzir esdir grazir mentir delir luzir auzir
retenir sospir I; dir retenir grazir jauzir {bis) desir mentir
servir enantir chausir gequir enriquir XL
-is: Paris Gauzeris VIII.
-ö(«): tensson pron bon son razon guizerdon faisson don IV; pro
sazo bo razo VII.
-pr: amor honor meillor amador follor sordeior ador cobertor
ionzedor lauzor flor seignor I; amor ricor error amador flor
chalor sabor douzor VII.
-ps'. nos pros bos amoros II; lairos capos pros nos III; sazos
auyelos vos pros faizos amoros aventuros respos fos volon-
tos IX*; enveios chanzos (J)is) sos ros moutos IX '^; messios
baillos guarraignos espos compaignos dos IX '^; iros nos pros
temeros IX '^.
-uda: druda vencuda bruda refuda mantenguda saubuda nuda
cuda esconduda muda perduda aiuda I.
Otto Soltau.
Zu Ztschr. Bd. XXIII 201 ff.
S. 216 Z. 14 lies einmal I196, S. 221 Z. 3 v.u. 1. -ana, S. 224 Var.
stelle lo {so? Toller) zuV. 5, S. 230 Ged. I 40 1. muda, eb. II 5 despendre,
S. 232 Anm. Z. 5 atendres, S. 233 Var. zu 4 tapio N, S. 235 Var. zu 19
esclarlata, S. 237 VII 11 a'l, S. 241 Var. zu 39 sa pro N, S. 242 IXa 64
tan;, S. 247 XI 43 Ou'en.
o. s.
Die Diphthonge germanischer Lehnwörter im Italienischen.
Es ist bekannt, dafs die Wiedergabe des germanischen Voka-
lismus im Romanischen im Allgemeinen auf keine grofsen Schwierig-
keiten stiefs. Nur für einzelne Diphthonge, vor allem für ai, bot
die Vulgärsprache nichts genau Entsprechendes i, hier mufste also
eine Umwandlung eintreten; auch germ. au hat im Anschlufs an
latein. mi allerlei Veränderungen erlitten. An Hand möglichst zahl-
reicher Beispiele die Schicksale der germ. Wörter mit stammhaftem
Diphthong im Italienischen zu verfolgen, ist das Ziel dieses kleinen
Aufsatzes, wozu den Verfasser, der sich schon längere Zeit mit
einer Darstellung der germ. Elemente im Ital. beschäftigt 2, vor allem
ein Aufsatz Braunes im 22. Bd. ds. Ztschr. S. 197 veranlafst hat.
Als allgemeine Regel gilt, dafs in alten Lehnwörtern alle ger-
manischen Diphthonge monophthongiert worden sind; entsprechend
der gewöhnlichen Behandlung des lateinischen Diphthongs. So ist
das im German. und Latein, gleichmäfsig vorhandene au im Ital.
in betonter Silbe zu 0, vor dem Tone aber zu u geworden. , Der
in der Flexion der Verba daraus resultierende Ablaut au : u hat
sich freilich nur in odo : udire gehalten 3, sonst ist je nachdem zu
Gunsten der stamm- oder der endungsbetonten Formen Ausglei-
chung eingetreten. Unter den germ. Fremdlingen findet sich nun
aber eine ganze Anzahl von Wortpaaren, in denen sich die in
einzelnen Fällen scheinbar auffallende Differenzierung des Stamm-
vokals durch dieses Gesetz erklärt.
Solche Paare sind: roha , allerhand Waaren, Kleid etc.' und
rubare , rauben, stehlen', onta , Schande, Schimpf' und das wenig
gebräuchliche unire (für onire) , beschimpfen', ary-osto , Braten' und
bergam. rilsü neben rosti , braten' Tiraboschi, Vocab. dei dialetti
bergam. 11 12 und ferner hotto ,Stofs' und huilare , ausschlagen,
treiben, werfen'. Braune hat bei einzelnen der eben genannten,
sowie bei einigen, die später besprochen werden, das u der Verbal -
form aus einer germ. Form mit u, also rubare auj *rubön, butiare
aus *buttan oder bultun zu erklären versucht. Ils sind ganz ver-
schiedene Gründe, die sofort deutlich gegen dieses Verfahren
sprechen, allen solchen ital. Formen mit u ein germ. Etymon mit
1 Meyer -Lübke, Rom. Gr. I S. 36.
^ Vgl. die inzwischen erschienene Abhandlung ,, Charakteristik der germ.
Elemente im Ital." Progr. Basel 1899.
3 Meyer -Liibke, Ital. Gr. S. 234.
02 W. BRÜCKNER,
Stammhaftem ti zu Grunde zu legen. Erstens werden dadurch die
ital. Wörter in ungebührh'cher Weise aus dem Zusammenhang mit
den übrigen roman. Sprachen herausgerissen. Es ist ja freilich
bekannt, dafs verschiedene roman. Idiome gelegentlich dasselbe
Wort aus verschiedenen germ. Dialekten in nur wenig abweichender
Form übernommen haben, ja dafs sogar dasselbe Wort in ver-
schiedener Form in dieselbe Sprache zweimal eingedrungen ist.^
Allein bei solchen gemeinroman. Lehnwörtern, die dem Gebiet des
Kriegswesens angehören, die ohne Zweifel zur ältesten Schicht
deutscher Elemente im Roman, zu zählen sind 2, ist grofse Zurück-
haltung in der Annahme separater Entlehnung von nöten. Schon
aus diesem Grunde scheint es mir nicht ratsam, ital. ruhare von
span. robar, prov. ranbar, frz. rober aus ratibon zu trennen. Zweitens
ist zu beachten, dafs Braunes Erklärungsversuch bei vielen hierher
gehörigen Wörtern völlig versagen dürfte: tinire neben onire, berg.
rüsti d. i. rustire neben arrostire können nur auf haunjan, ^raustjan
zurückgeführt werden. Wenn aber diesen eine solche Form mit
au offenbar zu Grunde liegt, ist kein Grund ersichtlich, ital. rubare
nicht nach gewohnter W^eise aus raubon, buttare aus einem got.
*bautaii = ahd. pozan herzuleiten. Das wichtigste aber, was sich
gegen diese Herleitung von rubare aus *rtibdn u. ähnl. anführen
läfst, ist der Umstand, dafs solche Formen wie *rubdn, ^butta7i,
*busjan > bugiare überhaupt nicht oder wenigstens in älterer Zeit
nirgends zu belegen sind. Braune sucht freilich durch eine oft
fast verwirrende Fülle von jüngeren und ganz jungen Formen aus
den verschiedensten germ. Dialekten die Rlöglichkeit dieser Formen
in der älteren Sprache zu erweisen; allein trotz der grofsen Bil-
dungsfähigkeit der germ. Sprachen wird man eben doch gut thun,
sich, wenn es immer angeht, bei der Erklärung alter gemeinroman.
Lehnwörter auch an -die wirklich in älterer Zeit belegten Formen
wie got. {bi)raubö?t, altn. batäa = ahd. pözaii etc. zu halten, und
' Wenige Beispiele mögen genügen: Separate Entlehnungen sind ital.
bara aus Igbd. (= ahd.) bdra und prov. bera, altfrz. biere aus einer altern
westgerm. Form; ital. sinalto , Schmalz' und frz. etnaü, welch letztere Form
eine dem ahd. sntelzi entsprechende Grundform voraussetzt, Diez I (abweichend
Mackel, Die germ. Elemente in der frz. u. prov. Spr. S. 52); ferner ii3.\. grappa
.Klammer, Placke, Kralle' = span. prov. grapa, die deutlich auf ein got.
schwaches Masc. *krap{p)a zurückgehen, und afrz. grappon, crappon und
grappin, denen ein westgerm. schwaches Masc, etwa alindfrk. * crappo, -in
= ahd. chrapho, zu Grunde liegt. Für zweimalige Entlehnung desselben
Wortes in derselben Sprache ist ital. zaffo , Spund, Zapfen' aus Igbd. *zaffa-
(starkes Masc. = mhd. zapf Mhd. HWB 3, 1030) und flor. tappare ,verstopfen'
aus einer altern unverschobenen Form ein deutliches Beispiel.
2 Mackel S. 180 nimmt wohl mit Unrecht an, dafs afrz. robe und rober
wegen des erhaltenen b erst verhältnismäfsig spät aus dem Ahd. eingedrungen
seien. Wenn nicht etwa an Entlehnung des franz. aus einer südlichen Sprache
zu denken ist, wird der Grund für die Erhaltung des b in dem vorangehenden
au zu suchen sein; vgl. Meyer-Lübke, Gramm, d. r. Spr. I 358, 361. Zu den
dort angegebenen Beispielen für Erhaltung der Tennis nach au trage ich noch
nach prov. caiipir aus einem bürg. got. ^kaupjan :=■ md. keufen DWB V 324.
DIPHTHONGE GERM. LEHNWÖRTER IM ITAL. 63
dies um so mehr als eine grofse Zahl der von Braune angeführten
Wörter ganz anders zu beurteilen sind und durchaus nicht als Be-
lege für eine kürzere Stammform gelten können. Zu diesen ganz
unrichtig aufgefafsten Formen gehören u. a. mehrere, die als Beweis
für die Existenz einer Form *rubdn angeführt werden. Ich erwähne
nur, dafs mengl. robben aus dem frz. rober stammt ^ und dafs mndd.
roven selbstverständlich auf raiibon zurückgeht und nicht etwa mit
ö anzusetzen ist.2 Vollends ein ahd. röb aus dem Summarium
Heinrici sollte nicht als Beleg für eine kurze Stammform angeführt
werden, da rob für roub steht, wie ein Blick in jene Glossen-
sammlung zeigt.55
Im Einzelnen ist dann natürlich auch bei den schon citierten
Wörtern vielfach Ausgleichung der stamm- und endungsbetonten
Formen oder auch Neubildung von der einen Form aus eingetreten.
So ist, da roba aus germ. rauba^, von einer Bedeutungsnüance
ausgehend, die in älterer Zeit fürs German. mehrfach bezeugt ist,
im Roman, durchaus den Sinn ,Rock, Kleid, Zeug etc.' angenommen
hat, im Ital. mit Benutzung der Differenz des Stammvokals aus
dem Verb, rubare ein neues Subst. riiba ,Raub, Räuberei, Dieb-
stahl' gebildet worden. ^ Ferner ist unter dem Einflufs von onia
, Schande, Schimpf aus *haimi])a und der zahlreichen, daraus ge-
bildeten Ableitungen wie ontare, Ofitoso auch ofiire für wiire (aus
haunjan) allgemein geworden. Aehnlich ist rustire in der Schrift-
sprache völlig verdrängt durch arrosiire, das sich an das Subst.
arrosio, mundartlich (lomb. ven.) auch rost = prov. raust ,Gebra-
tenes, Braten' angeschlossen hat, verdrängt worden. Dafs hier der
Wechsel zwischen 0 und ti noch lange sichtlich unter dem Einflufs
des Accentes bestanden hat, zeigt besonders deutlich ein Beleg
aus dem altberg. Glossar (Lorck, Altberg. Sprachdenkm. Rom. Bibl.
X S. 123 f.): toreo, asso per cos a rost; tostns, assalus, assus cosa
rustida. Am ausgiebigsten trat die Ausgleichung ein bei der Sippe
von boito , Schlag, Stofs'; dem Subst. (Thema bmäa- = ahd. böz),
dessen unverschobenes / wohl für got. Herkunft spricht, mufste
1 Stratmann, A Middle-English Dict. S. 510.
2 Bei Schiller -Lübben, Mndd. Wb. ist die Länge des Vokals, weil in
ofiener Silbe, nicht bezeichnet!
3 Ich verweise blofs auf ogun, ogelin etc. Ahd. Gl. III 69. Auch in
andern Fällen hat Braune mit Unrecht jüngere deutsche Formen zur Erklä-
rung germ. Wörter im Roman, herbeigezogen. Nur ein Beispiel sei hier noch
angeführt. Zs. 22 S. 205 leitet er prov. estorn-s wegen des auslautenden n
trotz des danebenstehenden Verbums stormire aus einer Nebenform mit n, die
er in rahd. sturn erkennt, her. Nun ist ja aber mhd. sturn erst eine jüngere,
im Laufe der ahd. Periode durch den Wandel des auslautenden m in n laut-
gcsetzlich entstandene Form ; von einem Zusammenhange mit prov. estorn kann
also offenbar nicht die Rede sein.
* Germ, rauba ist mit Sicherheit als Grundform des roman. roba anzu-
setzen; vgl. Braune, Zs. 22, 197 und die dort citierte Litteratur; für die Be-
deutung sei verwiesen auf DWB 8, 211.
^ Eine Entlehnung dieser Sippe in zwei verschiedenen Bedeutungen an-
zunehmen, wie Kluge Et. Wb.^ 295 will, scheint mir unnötig.
64 W. BRÜCKNER,
lautgesetzlich botto entsprechen ' ; darnach wurde dann auch hotlare
in verschiedenen Compositis wie dibottare , unter einander schlagen'
gebildet. Umgekehrt gab auch das Verb, buttare mit seinen Corapp.,
wie ribiiitare »zurückstofsen', Anlafs zu Neubildungen: solcher Art
ist z. B. ributlo ,das Erbrechen'. Braune Zs. 19, 351 hat auch die
Sippe von ital. bottare auf germ. Stammformen mit kurzem 0 und u
zurückzuführen gesucht, die ja in verschiedenen germ. Idiomen
nachzuweisen sind. Das Festhalten an dem von Diez beigezogenen
bdzen = got. bauian scheint mir aber schon deshalb vorzuziehen,
weil aus dieser einen Form alle ital. Formen zu erklären sind.^
Braune gegenüber ist auch noch daran zu erinnern, dafs wir für
ital. boiio nicht einfach eine dem ndl. bot entsprechende Form als
Etymon ansetzen dürfen. Der unverschobene Dental macht für
die ital. Wörter gotischen Ursprung wahrscheinlich; got. wäre aber
eine Form mit 11 = westgerm. 0 anzusetzen, der doch wohl eher
ital. *bgito entsprechen müfste.^
Auch neben galoppare aus *gah!attpan^ scheint ursprünglich
eine lautgesetzliche Form mit u, '^galnppare, vorhanden gewesen zu
sein, denn galuppo ,der Beiläufer, Trofsbube' (schon vaXdA. gahippiis)
dürfte kaum anders zu erklären sein, denn als postverbale Bildung
aus eben diesem *galiippare, das sich dann aber völlig an die
stammbetonte Form galoppo aus *gahlaups (eine Bildung wie got.
ga/ahs, gafilh in Grimm, Gr. II 739) angeglichen hat.
1 Die Gemination des t nach kurzem (resp. gekürztem) Vokal hat nichts
Aufiälliges, s. INIeyer-Liibke, It. Gr. S. 153; sie findet sich auch in andern
germ. Lehnwörtern. Die mlat. Belege zeigen regelmäfsig noch einfaches /.
2 Von den übrigen roman. Formen sind natürlich prov. botar und butar
nicht direkt aus bautan herzuleiten, da au im Prov. erhalten bleibt. Sie
werden wohl aus dem Ital. oder AfVz. eingedrungen sein.
^ Ebenso erwähnt Braune nicht, aus welcher, an der Bereicherung des
ital. Wortschatzes beteiligten germ. Sprache das Verb, hotten := ital. bottare
übernommen sein soll, da *botta7i weder im Got. noch im Langobard. mög-
lich ist; auch die Differenzierung des Stammvokals in buttare und bottare
bleibt unerklätt, wenn man für beide (was Braune für möglich hält) eine
Form '^buttan oder ^button zu Grunde legt.
^ Diese von Diez I vertretene Etymologie ist vielfach , wie mir scheint
mit Unrecht, angefochten worden vor allem wegen der nordfrz. Form waloper,
obgleich anlautendes g schon durch galop des Rolandsliedes erwiesen wird.
Doch ist es mir unverständlich, wie man sich waloper als Ableitung von nd.
•wallen erklären sollte, Mackel 124; auch Braunes Ausführungen über dieses
Wort Zs. 20, 364 scheinen mir wenig förderlicli. Die richtige Erklärung der
nordfrz. Formen ist schon von Diez angedeutet worden, wenn er bemerkt,
g verirre sich dort gelegentlich in w: nach Mafsgabe von mundartlichen
Formen, wie warder, warnir = afrz. g{u)arder, g{u)arnir u. a. (s. Meyer-
Lübke, R. Gr. I S. 37), ist offenbar auch zu afrz. galoper, das mit Rücksicht
auf das erhaltene g leicht als g(u)aloper aufgefafst werden konnte (weitere
Belege für Erhaltung des Präfixes ga bietet Mackel S. 149), eine neue Form
waloper gebildet worden. Diese ist dann aus Nordfrankreich ins Mndl. und
Mhd. eingeführt worden und unter dem Einflufs der afrz. Litteratur auch im
Süden bekannt geworden; daher ital. gualoppare. In den nordfrz. Mundarten
fehlen weitere Beispiele für ähnliche Umbildungen nicht; ich erwähne nur,
weil hier ebenfalls das deutsche Präfix ga zu Grunde liegt, nach Godefroy
IV 239 waspaü für gaspail = gaspillage (vgl, Mackel 149).
DIPHTHONGE GERM. LEHNWÖRTER IM ITAL. 65
In der Mehrzahl zeigen selbstvertändlich die germ. Lehnwörter
mit stammhaftem au nur eine Form: den Substantiven kommt meist
0, den Verben aber die auf Grund der endungsbetonten Formen
verallgemeinerte Form mit u zu.
Für 0 sind Beispiele: emil. bios und sbioss , nackt, schmucklos'
(Biondelli, Saggio sui dialetti Gallo-italici S. 252) zu ahd. bldz und
lomb. emil. scoss ,Schofs und Schürze' mit mehreren Ableitungen
{Monti, Vocab. dei dialetti di Como S, 257, Biondelli 281) zu ahd.
scoz. Die verschobene Form des Dentals 1 läfst auf langobardischen
Ursprung dieser Wörter schliefsen ; wir haben also, da das Lango-
bard. au in allen Stellungen erhält, als Grundform *blauz und *scauz
anzusetzen. Ferner noch lomb. ven. boga ,Fufsfessel' (bes. der wei-
denden Tiere), das aus bauga (mlat. belegt bauca ,armilla') = ahd.
bouga ,Ring' zu erklären ist, Diez IIa.
Von Verben nenne ich zunächst das von Braune Zs. 22 S. 199
besprochene iuffare , eintauchen'. Dem ahd. ioufeji mufste im
Langobard., dem das Ital. offenbar das Wort entnommen hat,
*taufffja?i entsprechen; die dem Wort ursprünglich zukommende
Bedeutung , untertauchen' (trans.) ist noch im Mhd. erhalten und
mufs auch für das Lgbd. angenommen werden. Ein Grund also
für ital. Iuffare eine gar nicht belegte, in Bedeutung und Bildungs-
weise höchst bedenkliche Form ahd. *luphen anzusetzen, liegt nicht
vor.2 Ferner bussare , klopfen, schlagen', das offenbar die ver-
schobene, also aus dem Lgbd. stammende Form des oben ge-
nannten butiare ist; als Grundform ist demgemäfs lgbd. *bauzan =
ahd. pözan anzusetzen. Das Subst. bussa , Schlag, Stofs* ist, wie
auch hiffo ,das Untertauchen', erst aus dem Verbum gebildet.
Ferner gehört hierher aberg. äscusi (iniueor per ascusi Lorck S. 105),
auch rom. sgusi , sehen, erblicken, wahrnehmen' Biondelli 284 3, das
Lorck 179 gewifs richtig mit prov. c[h)ausir, genauer escausir zu-
sammenstellt. Wie diesem, so liegt auch dem ital. Wort ein got.
*kausja7i (zu kiusa?i, ahd. chiosaii , genau prüfen, kosten, wahrnehmen,
sehen') zu Grunde, dessen Existenz nach Kluge, Et. Wb.^ S. 196
auch noch durch eine slavische Entlehnung bewiesen wird; vgl. auch
Diez II c. Eine sekundäre Entlehnung ist daneben altital. ciaiisire
1 j = ahd. z, wie schon in langobard. Zeit; vgl. Spr. d. Langobarden
S. 165; Characteristik S. 18.
'^ Braune scheint auch daran Anstofs zu nehmen, dafs dem ahd. ioufe)i,
das doch wie got. daupjan zu den schwachen Verben der yr^-KLisse gehört,
nicht eine ital. Bildung auf -ire entspricht, wie handire, bahfire \\. a. Doch
ist dem gegenüber darauf aufmerksam zu machen, dafs j im Langobard., ähn-
lich wie im Ahd., nachdem es die Gemination des vorhergehenden Kon-
sonanten bewirkt halle, ausfiel; wir finden daher im Ital., bes. Isei voran-
gehender Muta, nicht selten Verba auf «/v, die germ. Verben der y'^-Klasse
entsprechen. Als Beispiele nenne ich sfnaccare .beschimpfen' = ahd. smalien
, schmähen', schiazzare , sprenkeln' zu mhd. hehletzen.
3 Nach Mussafia, Sitz.-ber. d. Wien. Ak. 67, 701 sinkt im Romagn. c vor
a, 0, u nicht selten zu g herab.
Zeitschr. f. rom. Phil. XXIV. e
66 W. BRÜCKNER,
, auslesen, wählen' = prov. chausir. Wie mit sgusi verhält es sich
offenbar mit com. lusl , ermatten* Monti 397, das mit lusl , leuchten*
nichts zu thun haben kann und, soviel ich sehe, aus dem latein.
Sprachgute überhaupt nicht zu erklären ist; denn luxare .verrenken*
pafst doch der Bedeutung wegen nicht und wäre wohl auch kaum
in eine andere Conjugationsklasse übergeführt worden. Vielmehr
scheint mir lusl auf ein formell genau entsprechendes got. lausjan
= ahd. löseafi , lösen* zurückzugehen. Die Bedeutungsentwickelung
von ,sich lösen* zu , ermatten' verlangt keine weitere Erklärung,
dient doch got. lausjan im Pass. auch zur Uebersetzung von tcs-
vovO&ai , entkräftet, zu nichte werden*. Ich hebe nur noch her-
vor, dafs insbesondere im Altnord. lauss{d föturn) von alten Leuten
gebraucht wird, die schwach auf den Füfsen sind. Von Substan-
tiven gehört wohl nur bugia, lomb. ven. busia ,Lüge' hierher. Die
auffallende Betonung der Endung, die sich im Prov. und Afrz.
ebenso findet (it. btigia = prov. bauzt'a, afrz. boi'sü »Hinterlist, Ver-
rat'), läfst mit ziemlicher Sicherheit eine germ. Form *bausi, wohl
= mhd. nhd. boese ,malitia', gebildet wie ahd. suozzi, scöni u. s. w.,
als Grundform voraussetzen. ^ Die Sippe scheint s. Z. in Frankreich
verbreiteter gewesen zu sein als in Italien, da sich z. B. im Prov.
auch bauza und baiizar finden, die direkt auf *bausa, bauson =
ahd. bosa, bosön zurückgehen können; vgl. Mackel S. 119. Es ist
übrigens bemerkenswert, dafs das Wort wohl nicht aus dem Got.
entlehnt sein kann, da die ganze Sippe speziell dem Deutschen zu
eignen scheint; es wird vielmehr in sehr früher Zeit, wie das er-
haltene prov. au zeigt, aus einem westgerm. Dialekte übernommen
worden sein. Es mag noch erwähnt werden, dafs it. bugiare (mlat.
bausiare ,an seinem Herrn Verrat üben') erst eine roman. Bildung
aus dem Subst. ist; einem germ. '^bausjan müfste, wie die oben
besprochenen Wörter zur Genüge zeigen, it. *busire entsprechen.
Unter den Belegen für altes au ist vielleicht auch noch romire
, brausen, lärmen' anzuführen. Diez IIa hat das Wort allerdings
auf hrdmian , rühmen* zurückgeführt, und da Ruhm und rühmen in
älterer Sprache mit der Bedeutung , Freudengeschrei, laut rufen,
jauchzen' belegt sind (DWB 8, 1441 und 1446), läfst sich wohl
auch die Bedeutung des ital. Wortes aus hromjan erklären. Ge-
nauer scheint mir aber in der Bedeutung das stammverwandte ags.
hn'eman zu passen, das von hream .Geschrei, wilder Lärm' abge-
leitet, in allgemeiner Weise .schreien, lärmen' bedeutet. Nach
diesem hrieman dürfen wir ein Igbd. *{h)raiitnjan ansetzen 2. dem
' Braune Zs. 22, 201 hat aucli biigia und bugiare auf germ. Formen
mit u, also *busja und *busjan, zurückzuführen versucht, ohne freilich die
Existenz solcher Wörter im mindesten nachweisen zu können. Von Unrichtig-
keiten will ich nur erwähnen, dafs eii in ndl. Wörtern wie beuzele7t w.s.w. i-
Umlaut von ö<^au ist; vgl. Jan te Winkel, Grdr. d. germ. Phil.^ I 807.
^ Für Igbd. Ursprung spricht in jedem Falle der Umstand, dafs das an-
lautende h vor r zur Zeit der Entlehnung schon geschwunden sein mufs; ältere
Lehnwörter sind an dem vorgesetzten a, das zur Erleichterung der Anlauts-
DIPHTHONGE GERM. LEHNWÖRTER IM ITAL. 67
it. ro7nire entsprechen könnte. Allerdings wäre dann den obigen
Beispielen entsprechend zunächst rtimire zu erwarten; doch kann
der Uebergang von u zu o durch den folgenden Labial veranlafst
worden sein; vgl. Meyer-Lübke, It. Gr. S. 73, 83, Grdr. d. r.Ph. I 528.
Allen bis jetzt angeführten Beispielen ist die Monophthongie-
rung des germ. Diphthongen eigen. Wörter, in denen sich der
Diphthong erhalten hat, müssen daher später, in nachlangobar-
discher Zeit, ins Ital. eingedrungen sein. Hier möchte vor allem
sauro »dunkelbraun' zu nennen sein, sofern die von Diez I bevor-
zugte Herleitung aus *saur == mhd. sör ,dürr, trocken, saftlos',
ags. seär zu Recht besteht. Da au sich auf deutschem Gebiet in
so später Zeit nicht erhalten hatte, so ist für sauro, wie für altit.
ciausire, Entlehnung aus dem Prov. anzunehmen, das altes au be-
wahrt hatte. Ob daneben soro, das dasselbe wie sauro und dazu
noch , einfältig, dumm' bedeutet, lediglich eine ältere Form des-
selben Wortes sei, wage ich nicht zu entscheiden.
Andere Beispiele für erhaltenes au stammen aus beträchtlich
späterer Zeit; einigemale liegt sekundäres nhd. au aus älterem /?
zu Grunde. Die betr. Wörter scheinen meist nur mundartlich zu
sein mit Ausnahme von salcräut , Sauerkraut', dessen erster Teil
freilich, wie in frz. choucroiite, eine volksetymologische Umbildung
erfahren hat. Mundartlich findet sich auch das einfache Kraut:
com. (Posch.) craut, berg. ven. cräuti mit nachgeschlagenem i, wie
in rätorom. Mundarten ; vgl. Schneller, Die rom. Volksmaa. in Süd-
tyrol S. 136.
Ferner erwähne ich berg. fräula, das nach Tiraboschi 565
eine scherzhafte Bezeichnung für die Frau eines deutschen Soldaten
ist; die Bedeutung charakterisiert zugleich die Art und Zeit der
Entlehnung. Es ist bemerkenswert, dafs diese Form offenbar auf
eine unumgelautete Form Frauli oder ähnl. zurückgeht, wie sie
in einzelnen schweizerischen und bairischen Dialekten belegt ist;
Schweiz. Id. I 1241 f., Schmeller, Bair. Wb. I 804. Im Ausgange ist
das Wort, wie auch rätorom. (tirol.) fraila .adeliges Fräulein', das
auf eine umgelautete Form zurückführt (Schneller a. O. 142) an die
grofse Masse der femin. Subst. angeschlossen worden; doch setzt
diese Aenderung natürlich voraus, dafs in dem betr. deutschen
Dialekte das Suffix lin schon eine wesentliche Kürzung er-
fahren hatte.
Neben diesen Wörtern mufs com. (Posch.) sgnqz , Schnauz,
Schnurrbart' (Monti 271) auffallen, da sich hier trotz nachweislich
später Entlehnung — schnauz ist erst nhd. zu belegen DWB 9, 120g
— au doch noch in 0 kontrahiert zu haben scheint. Die in einigen
oberdeutschen Dialekten vorhandene Form schmilz fördert die Er-
klärung nicht; ebenso wenig ist bei der genauen Uebereinstimmung
mit hd. schnautz in der Bedeutung an einen Zusammenhang mit
gruppe hr, hn u. s. w. eingeschoben wurde und das sich dann nach dem Ver-
stummen des li erhallen hat, kcnntlidi; %o aiiiigo, anappo, CharacUiist. S. 10.
68 W. BRÜCKNER,
hd. sc/inofz , Rüssel, Schnauze' zu denken; DWB g, 1210. Vielleicht
wird die Fortsetzung des Schweiz. Idiotikons noch eine Form bringen,
die das com. Wort erklären hilft.
Aehnlich wie au war dem Latein, auch eu bekannt, freilich
nur in wenigen Wörtern fremden Ursprungs. Im Ital. ist dieses eu
in volkstümlichen Wörtern zu e monophthongiert worden, wie /ega
und re?na zeigen. Auch unter den germ. Entlehnungen sind die
Belege für eu ziemlich spärlich. Es ist dabei bemerkenswert, dafs
nach den Beobachtungen von Wrede, Spr. d. Ostgot. S. 54, 167
(QF 68) für die Lehnwörter aus dem Ostgot. Grundformen mit eu
und nicht mit m (Meyer-Lübke, R. Gr. I 36) anzusetzen sind. Ent-
sprechend der Entwickelung des latein. eu ist, wie sich von vorn-
herein erwarten läfst, auch germ. eu zu e monophthongiert worden;
ein völlig sicheres und deutliches Beispiel ist grefo ,der trockene,
steinige Rand eines Ufers', das Diez IIa, wenngleich zweifelnd, so
doch sicher richtig, mit as. gn'oi = ahd, grwz ,Sand, Kies bes.
am Ufer' zusammengestellt hat.i Das auf urgerm. Lautstufe er-
haltene / beweist für die got. Herkunft des Wortes, während e in
Bestätigung der Beobachtungen Wredes eine Form des Diphthongs
mit e an erster Stelle voraussetzt. Diese ostgot. Grundform *greu/
(resp. *greoi) wird, sofern es überhaupt nötig sein sollte, durch
den Stammnamen der Ostgoten, Gretii[h)u7igi, Greotmgi, bestätigt
(vgl. Wrede a. O. 49). Nur vermuten läfst sich, dafs vielleicht die
neben neap. spito, berg. spit ,Bratspiefs' vorhandene Nebenform
mit e, wie berg. spet, ven. speo (Roerio, Diz. del dial. Venez. 614),
nicht lediglich auf *spitu- = ahd. spiz ,Bratspiefs' zurückgeht,
sondern dafs damit eine auf *spetila- = ahd. spioz ,Jagdspiers'
zurückgehende, dem prov. cspeui und afrz. espieut, espiet entsprechende
Form zusammengefallen sein könnte. Zu Gunsten dieser Ansicht
könnte auch noch angeführt werden, dafs im Mlat. spetum auch in
der Bedeutung ,pilu7?i, spüuhwi^ bezeugt ist; erhalten hat sich frei-
lich, wie es scheint, diese Bedeutung nicht.2 Ferner zeigt sich
dieses e aus eu, eo noch in tedesco , deutsch' aus Iheodiscus, aber
hier in vortoniger Silbe. Schon mlat. ist neben dieser Form auch
eine solche mit 0 zu belegen; so z.B. Chron. Salernit. c. 38 lingiia
iodesca, quod olim Langohardi loquehanlur. Dialektisch begegnet diese
Form heute noch: neap. todisco mit der vermutlich erst später ent-
wickelten Bedeutung , Zechbruder' (s. Diez s. v. trincare) und berg.
^ Flecliia's Auflassung (Ai eh. Glott. II 44), wonach g7-eio eine sj'nkopierte
Form sein soll {\xx ghiareta , Kiesgrund (eines Flusses)', -eC^glaretum zw glarea
scheint mir durchaus unhaltbar.
'•* Diez erwähnt neben spiio = span. espeto noch eine weitere Form, it.
spiedo ,Jagd-, aber auch wieder Bratspiefs' := span. espiedo, die weder aus
spit ;= ahd. spiz noch aus obigem *speut im Ital. selbständig entstanden sein
kann, die vielmehr offenbar aus dem afrz. espie{t) entlehnt sein mufs. Für
diese Annahme fällt auch die neben spiedo bestehende Form spiedc ins Ge-
wicht, die sich, da alle früh entlehnten germ. starken Masculina im Ital. auf -0
ausgehen, nur unter der Voraussetzung später Entlehnung erklärt; in dieser
Hinsicht ist z. B. norte aus afrz. nord, nort zu vergleichen.
DIPHTHONGE GERM. LEHNWÖRTER IM ITAL. 69
todesc, wovon todescä so ,parlare confusamente, welschen' (Tiraboschi
1361) abgeleitet ist. Dieser Wechsel von e und 0 in den aus theo-
discus durch JNIonophthongierung entstandenen Formen hat seine
genaue Entsprechung schon in den iangob. Namen des 10. Jhs.,
insofern sich hier neben Tedtnarius, Tederadus Formen wie Tode-
ricus, Todico u. a. finden. 1 Ob der Grund dieser eigentümlichen
Monophthongierung des eo in 0 lediglich in der Tonlosigkeit zu
suchen ist, oder ob etwa eine Accentverschiebung innerhalb des
Diphthongen selbst vorausgegangen ist, wage ich nicht zu ent-
scheiden.
Eine besondere Betrachtung verlangt neben den genannten
Wörtern schivare ,vermeiden' mit seinen gemeinrom. Entsprechungen,
das Meyer-Lübke I 36 unrichtig als alleinigen Vertreter von germ.
iu, resp. eu angeführt hat. Die gewöhnliche Erklärung, schivare
gehe auf skiuhan zurück mit Konsonantierung des u zvl v nach
Ausfall des h ist bekannt. Es ist aber wohl zu beachten, dafs
ahd. skiuhan ein schw. Verb, der /a- Klasse ist, dem nur Formen
wie afrz. eschivir, eschevir, eschuir (Mackel 126) und rätor. schivir
genau entsprechen. Ital. schivare und ebenso span. esquivar sind
also, wie übrigens auch afrz. eschiver, wohl erst auf roman. Boden
gebildete Ableitungen aus dem Adj. it. schivo , zurückhaltend, blöde'
= sp. esquivo, prov. esqiiiu, afrz. eschif, das seinerseits dem mhd.
schiech, ags. sceoh entspricht. Neben dem deutlichen greto geht es
kaum an, eine Grundform "^skiiiha- mit bibelgot. iic anzusetzen; ob
aber *skeuha- oder *skeoha- im Ital. über *skeua- wirklich zu schivo
werden konnte, scheint fraglich, man müfste denn annehmen, dafs
sich das e in skeua- unter dem Einflufs des folgenden ic vor der
Konsonantierung desselben zu i gewandelt hätte (Meyer-Lübke,
R. Gr. 1 II o). Aber nicht nur der Vokalismus, sondern auch der
Konsonantismus dieses Wortes bereitet Schwierigkeiten; denn neben
schivo findet sich schi/o, ohne dafs sich ein Grund für den Eintritt
des tonlosen Lautes an Stelle des tönenden erkennen läfst. Demi
wenn auch in nordit. Maa. für auslautendes v regelrecht f eintritt
(Meyer-Lübke, It. Gr. S. 159), so ist doch kaum anzunehmen, dafs
sich / von solchen Formen aus, wie berg. schif, verallgemeinert und
über ein weiteres Gebiet verbreitet hätte. M. E. lassen sich die
verschiedenen Schwierigkeiten kaum anders als durch die Annahme
sekundärer Entlehnung des ital. Wortes aus dem Afrz. heben; hier
bereitet zunächst das Adj. eschiu aus *skeuha- der Erklärung keine
Schwierigkeit, wie die Vergleichung von siu, tiiile aus tchiiin, iegula
zeigt (Meyer-Lübke, R. Gr. I 1 10), und die regelmäfsigen afrz. For-
men eschif, esqziif -ive konnten, da das Gesetz, das den Wechsel
von f und v regelte, in einer fremden Sprache nicht wirkte, Anlafs
geben zu der Bildung von schivo und schi/o.
Wie au ist auch eu in späterer Zeit nicht mehr monophthon-
giert worden. Aus dem Afrz. stammt durch die Vermittelung des
1 Vgl. Verf. Spr. d. Langob. S. iii.
70 W. BRÜCKNER,
Mlat. /endo .Ritlergut, Lehen', wohl ein gelehrtes Wort, dessen
immer noch nicht völlig aufgeklärte Etymologie uns hier nicht be-
schäftigen soll; ich verweise dafür auf Braune, Zs. lO, 268 und
Mackel 125. Eine viel jüngere Entlehnung direkt aus dem Deutschen
ist barg, criüsser (Tiraboschi 399), ven. craicer (Bocrio 1 63) .Kreutzer"
dem natürlich erst jüngeres, aus ü entstandenes eu zukommt. Die
ital. Formen geben offenbar, wenngleich die Schreibung der Wörter-
bücher nicht völlig deutlich ist, mundartlich verschiedene bairische
oder östreichische Formen waeder.
Von den germ. Diphthongen war ai dem Roman, unbekannt;
doch sind gerade hier die Verhältnisse besonders deutlich. In
alten Lehnwörtern ist ai auf dem ganzen roman. Sprachgebiet zu
a monophthongiert worden; jedoch hat dieses Gesetz, das ai auf
seinen ersten, stärker hervortretenden Bestandteil reduzierte, auf
den verschiedenen Sprachgebieten nicht gleich lange gewirkt. Eine
Ausnahme von dieser allgemeinen Regel sei hier gleich vorweg-
genommen: it. guai ,wehe' aus got. ivai (Diez I) hat, wie mai aus
7nagis als selbständiges Adverbium, ai im Auslaut erhalten; vgl.
Meyer-Lübke, R. Gr. I S. 241, It. Gr. S. 156. Die Beispiele für die
Monophthongierung des ai sind grofsenteils bekannt: afro ,herb,
sauer' aus einer Grdf. *ai/ra- = ahd. eiver, eifir , scharf, bitter'
(Notker), die mit aipar, eipar in grammatischem Wechsel steht; vgl.
Braune, Ahd. gr. § 139 anm. 5.1 guado , Waidkraut' (zum Blau-
färben) aus *zvaida- = ahd. weit dass. Ferner gala , Feierkleid,
Staatskleid' = ^ixz. gale , Munterkeit, Freudenfest', das Diez I ver-
mutlich richtig mit ahd. geili .Lustigkeit, Fröhlichkeit' zusammen-
gestellt hat; nur ist genauer keine dem ahd. geilt, sondern eine
dem mhd. geil{e) st. f. entsprechende Form *gaila zu Grunde zu
legen. Für die Richtigkeit der Diezischen Erklärung spricht noch,
dafs auch das ital. gala in einzelnen Wendungen die ursprüngliche
Bedeutung zeigt, so in di gala »munter, lustig' und fa 7- gala , lustig
und guter Dinge sein' (span. etwas anders hacer gala ,sich auf
eine Sache etwas einbilden'). Nur dem Franz. scheint auch das
Verb. afrz. galer ,Feste feiern, schwärmen', nfrz. ,lustig sein, hüpfen'
eigen zu sein = ahd. keilm , ausgelassen, fröhlich sein'; span. ital.
galante wird daher wohl aus Frankreich stammen. Weiter sind zu
nennen stambecco , Steinbock' zu ahd. stainboch, dessen zweites Glied
freilich durch das lautlich anklingende und in der Bedeutung über-
einstimmende becco ersetzt worden ist 2, und stamherga .schlechte
1 Auch afrz. afre ist wohl aus einer Form mit _/" herzuleiten, da b im
Franz. sonst nirgends durch y vertreten wird, s. Mackel S. 180. Die Her-
leitung des it. afro aus frz. afre , Schrecken', die Zambaldi, Voc. etimol. it.
Sp. 18 annimmt, ist unstatthaft wegen der von der Bedeutung des frz. Wortes
völlig abweichenden und mit der ursprünglichen deutschen übereinstimmenden
Bedeutung des ital. afro.
^ Ital. stambecco dürfte beträchtlich früher entlehnt sein, als das die
Kennzeichen späterer Entlehnung an sich tragende afrz. boiicestain (Mackel
118, 155). Dem deutschen Worte entspricht am genauesten rätor. stambuoch,
s. Diez IIa.
DIPHTHONGE GERM. LEHNWÖRTER IM ITAL. 7 I
Hütte', das Braune, Zs. i8, 51g f. unter Hinweis auf ahd. Zusammen-
setzungen wie stemhol, steinloch m. E. richtig auf *stainberga , Unter-
kunft in einem Fels, Felsschlupf, oder aus rohen Steinen errichtete
Unterkunft' zurückgeführt hat. Gelegentlich läfst sich die Herkunft
eines Wortes genauer bestimmen; so ist gotischer Ursprung wahr-
scheinlich für com. sguagni , heulen, klagen', das Diez IIb dem
Span, guanir , grunzen* gleichstellt, und fagno ,verschlagen, durch-
trieben, einer der sich dumm stellt, es aber hinter den Ohren hat'.
Für sguagiii kommt Herleitung aus dem Got. in Betracht, weil das
Wort den Sprachen der südlichen Halbinseln, die einst von Goten-
stämmen unterworfen wurden, gemeinsam ist, und weil sich vielleicht
im Got. von dem schwachen Verb. Huainjan, das s-guagnl voraus-
setzt, eine Form in der Interjektion ivainei ,dafs doch' erhalten
hat, wenn diese wie hiri u. a. (Grimm, Gramm. 3, 305) imperati-
visch aufzufassen ist. fagno hat Diez IIa mit ahd. f€ihha7i , arg-
listig, betrügerisch' zusammengestellt; die Bedeutung macht den
Zusammenhang evident, doch genügt eine der ahd. Form ent-
sprechende verschobene Igbd. Form *fathhan dem ital. Worte nicht,
da der germ. gutturale Spirant im Ital. stets durch cc wiedergegeben
wird.i Dagegen stimmt die ital. Form genau überein mit einer
unverschobenen, also dem Gotischen entnommenen Form */atbis
(/- oder y^-Stamm) = as. fekni, digs. faecne , hinterlistig', aXin.feikn
,verderbUch' etc.; denn die dem Roman, völlig fremde Konsonanten-
gruppe hu konnte offenbar kein anderes Resultat ergeben als das
einfache ;//.
Eine ziemlich beträchtliche Zahl der Belege für ai läfst sich
mit Sicherheit der Igbd. Schicht zuweisen. Zunächst zafia ,der
Korb' und biacca ,Bleiweifs', die beide aus einem Dialekte stammen
müssen, der zwar ai noch erhalten hat, aber doch an der sog. hd.
Lautverschiebung teilgenommen hat. zana"^ setzt eine Form *zaina
mit Vereinfachung der Gemination nach langer Silbe = ahd. zeinna,
zeina voraus, biacca dagegen geht auf *b/aicha, ähnlich dem ahd.
bleicht, zurück. Dafs das cc von biacca und andern, wie ricco aus
rieh, spaccare , spalten' = mhd. spacheji dass., nicht auf einfaches k
zurückgehen kann, lehrt ein Vergleich mit Formen wie buco Diez I,
recare , herbeischaffen, herbringen, darbieten' aus got. rikan , auf-
häufen, sammeln' (bei Diez IIa unrichtig aus ahd. recchen , recken'
hergeleitet), in denen einfaches c offenbar unverschobenen germ. k
entspricht. Zu biacca findet sich dialektisch auch das dem bleih
* Die genauere Begründung dieser Behauptung würde hier zu weit führen,
doch verweise ich auf das unten genannte biacca; vgl. auch Characterist. 13, 20.
2 Diez la leitet auch zaino , Schäfertasche', span. zaina , Beutel' von
ahd. zain oder zeina her, wozu Meyer-Lühke I S. 36 bemerkt, es müsse neben
za7ta jung sein, ohne freilich zu bedenken, dafs in nachlangobard. Zeit kein
einziger germ. Dialel<t den roman. Sprachen eine Form mit erhaltenem altem
ai mehr überliefern konnte. Ich halte die Zusammenstellung überhaupt für
unrichtig; die obigen Worte sind vielmehr, wie mir scheint, nicht zu trennen
von dem span. it. Adj. zaino »ganz schwarz, dunkelbraun' (von Pferden).
72 W. BRÜCKNER,
entsprechende Adj.: borg, blac und sblac , bleich, blafs' (Tiraboschi
i8o). Ferner sind zu nennen garone und gherotie mit dem durch
folgendes r veranlafsten Wandel des a zw e , eingesetztes Stück,
Fleck am Kleide, Zwickel (am Hemde)' und aghirone , Reiher', die
beide auf ein westgerm., also Igbd. schwaches IMasc. auf -o (mlat.
-0, -onis) zurückgehen, garone aus *gairo deckt sich mit ahd. gero,
ags. gdra »keilförmiges Stück Zeug oder Band', dessen gemeingerm.
entwickelte Bedeutung sich in nhd. Gehren erhalten hat, vgl. DWB
4, I, 2 Sp. 2544 f. aghirone , Reihe' stehe ich nicht an direkt auf
*haigiro zurückzuführen 1 = ahd. heigero schw. Masc, das sich zu
dem gewöhnlicheren ahd. heigir verhält wie ags. hrdgra zu ahd.
hreigir. Dann gehört \\\qx\\^x giiadagnare , gewinnen, verdienen, er-
werben', aus einer Grundform *waida7ijaji = ahd. weidenen ,weiden,
jagen', wogegen dem roman. Worte in der Bedeutung altn. veiöa
, erjagen, erbeuten' am nächsten kommt. Entlehnung gerade aus
dem Lgbd. wird wahrscheinlich durch das inlautende d, da gotischem
^ in *iüai])njan ein ital. / entsprechen müfste,^ und durch den
Uebertritt des germ. schwachen Verbums in die lateinische «-Kon-
jugation, da die got. Verba der ya- Klasse im Ital., wie sich aus
zahlreichen Beispielen ergiebt, in die /-Konjugation übergeführt
werden. 3
Neben diesen zahlreichen Belegen für die Monophthongierung
von ai zu a müssen zwei, freilich nur dialektisch erhaltene Wörter,
die noch mit Sicherheit aus dem Langobard. herzuleiten sind,
wegen der abweichenden Entwickelung des ai auffallen. Es sind
dies piem. parm. gajda, cremen, mant. berg. mail. gheda, meist Plur.,
, keilförmiges, eingesetztes Stück am Kleide' (bei Diez IIa s. v.
ghiera) und bresc. crem, h'eda , Besitztum von mehreren Feldern,
kleines Landgütchen '.* Ersteres geht zurück auf lgbd. gaida , Speer-,
1 Warum Meyer - Lübke, Gr. d. r. Spr. I S. 36 it. aghirone aus prov.
aigron herleiten zu müssen glaubt, entgeht mir. Selbst die Nebenform aimne,
ven. airon konnte auf ital. Boden selbständig entstehen, wie die spätlgbd.
Formen Taiprandus, Rainaldus u. a. für Tagiprandus, Raginaldus zeigen,
denen heutige Formen wie Raitnondo, Rainardo etc. entsprechen; vgl. Veif.
Spr. d. Lgbd. S. 159.
2 Auch für die span. port. Formen ist direkte Entlehnung aus dem für
diese Sprachen einzig in Betracht kommenden Gotischen nicht anzunehmen;
schon der Umstand, dafs sich hier Formen mit erhaltenem d und ohne d, mit
anlautendem gu und einfachem g neben einander finden, spricht für sekundäre
Entlehnung aus dem Ital. oder Prov. Franz. Insbesondere Formen wie port.
ganhar, alt guanhar, Subst. altport. gaanharia sind deutlich aus dem afrz.
gaagner herzuleiten, wie ja auch Dante das Verbum ringavagnare nach dem
afrz. regaagner braucht (Diez I). Auch die Bedeutung des aspan. guadanar
, mähen' spricht gegen direkte Uebernahme aus dem Germ., da , mähen' von
jWeiden, jagen' doch zu weit absteht; sie erklärt sich aber bei Annahme in-
direkter Entlehnung leicht, da im Afrz. gaaigner mit Uebertragimg vom Hirten-
imd Jagdleben auf den Ackerbau auch ,das Feld bebauen' heifst, woraus sich
dann bei weiterer Wanderung des Wortes leicht , mähen' ergeben mochte.
3 Ich verweise hier nur auf die oben genannten onire, rostire, ascusi,
lusl und vor allem auf sguagni.
* Weitere Formen bei Lorck S. 210,
DIPHTHONGE GERM. LEHNWÖRTER IM ITAL. 73
Pfeilspitze'. Für die Bedeutungsübertragung bringt Diez s. v. ghe-
rone eine Reihe analoger Beispiele bei. Dialektisch bezeichnet dann
gheda vielfach auch den ,Schoofs' als Teil des menschlichen Kör-
pers (Tiraboschi 596, Biondelli 263), und auch dafür, dafs ein
Körperteil nach dem Kleide oder dem Teile eines Kleides benannt
wird, wovon er bedeckt ist, lassen sich zahlreiche ähnliche Beispiele
anführen; ich erinnere nur an lat. siftus oder dtsch. Schoo/s. breda
geht auf das mlat. schon im 8. Jh. urkundlich belegte hraida zurück,
dessen Bedeutung sich ähnlich entwickelt hat wie die des hd. breite
(s. DWB II 358 f.), bair, brauen (Schracller I 370), das also ursprüng-
lich einen breiten, ebenen Platz, dann auch ein ausgedehntes (etwa
in einer solchen Breite gelegenes) Grundstück, Ackerland bezeich-
nete.^ Aus letzterer Bedeutung erklären sich bresc. crem, breda
, Besitzung von mehreren Feldern mit einem Bauernhaus' und ven.
(in der Gegend gegen Friaul zu, wo das Wort ebenfalls bekannt
ist) bräida , kleines Landgütchen, das verpachtet wird' (Boerio 68).
Eigentümlich ist nun, dafs die meisten Dialekte, auch solche, in
denen sonst a dem germ. ai entspricht, wofür z. B. an das oben
erwähnte berg. blac , bleich' erinnert sei, in diesen Wörtern e bieten.
Doch fehlen auch hier die regelmäfsigen Formen mit a nicht völlig.
Wie freilich piem. parm. gajda (Diez a. O.) zu beurteilen seien , wird
bei der eigentümlichen Schreibung nicht deutlich; mit Sicherheit
ist dagegen hier das abgeleitete Verb, romagn. sgade , schief, in
Zwickel schneiden' (Biondelli 282) zu nennen, dessen a sich in
vortoniger Silbe erhalten hat, während betontes a vor einfachem
Konsonant in diesem Dialekte zu e wurde.- Für braida findet sich,
von ferr. braja ,podereUi\ das sich dem sard. gaja vergleicht, abge-
sehen, mit a veron. la Brä, Name eines Platzes in Verona (alt
Braida, Schmeller a. O.). Zur Erklärung der Formen mit e weifs
ich nichts Sicheres beizubringen; nur vermutungsweise sei hier an-
gemerkt, dafs mail. berg. gheda"^ vielleicht aus einem der emilian.
Dialekte eingedrungen sein könnten, die ja betontes a zu ^ wandeln,
in denen also Formen wie mant. gheda nichts Auffälliges haben.
Für breda ist kaum an eine Beeinflussung durch südliche Maa. zu
denken, da das Wort seit alter Zeit im Lombardischen nachzu-
weisen ist. Eher läfst sich etwa vermuten, dafs noch in späterer
Zeit ahd. oder mhd. Formen mit ei auf die Gestaltung dieses
Wortes eingewirkt haben; vgl. S. 74.
1 Ich setze hier zwei alte Beispiele dafür hin: deiitde per ipsa via per-
currentes per arbores teclatos habentes litteras o) u.sque in /ossa Scaveriola
exiente in Braida de Noventa aus der Grenzbeschreibung eines an das Kloster
San Salvalore in Brescia geschenkten Landkomplexes HPM XIII 45 a 772 ;
und terra campiva in fenita Vallaringa qui dicitur Braida a Carpenedello
HPM XIII 160 a 847.
2 Sitzber. d.Wien. Akad. 67, 653 und 656.
^ Com. gheit (in der Val Verzasca nach Monti 97, jetzt veraUet) ist
natürlich nicht als alte Entsprechung von gaida mit erhaltenem Diphthong
anzusehen, da ei nur dialektische Weiterbildung von e ist; vgl. Meycr-Lübke,
It. Gr. S, 20.
74 W. BRÜCKNER,
Von besonderem Interesse für unsere Untersuchung, wenn-
gleich kein Vertreter von germ. ai, ist ital. guatare , anschauen,
beobachten', das den Itahenern durch die Franken übermittelt
wurde. In Urkunden des lo. und li. Jhs. sind gnaitare und guaita
zu belegen, die auf afrz. guaiiier, guaiie, prov. guaitar, guaita =
lüahten, ivahta beruhen.^ Es ist bemerkenswert, dafs ai in diesem
im 9. oder 10. Jh. aus Frankreich eingedrungenen Worte, dessen
verschiedene Ableitungen und Zusammensetzungen zum gröfseren
Teil im Afrz. ihre genaue Entsprechung haben, noch zu a kon-
trahiert wurde. Nur dialektisch hat sich ai hier vielfach erhalten:
com. hoxg. guailä und gz/a/ia ,spia, chi sta guatando\ auch scaraguaita
Bezeichnung der bei Hochwasser am Po und an der Etsch aufge-
stellten Wächter, = afr. eschargaiky mhd. scharwahle. Ebenfalls aus
Frankreich stammt Iaido ,häfslich' = frz. laid = ahd. /cid (INIeyer-
Lübke, R. Gr. I 36, 241). Da ai aber hier nicht mehr zu a wird,
mufs es später als guatare entlehnt sein.^
Im Ahd. ist ai, wo es erhalten blieb, frühzeitig zu ei geworden.
Analog der Entwicklung von ai zu a mufste ei in verhältnismäfsig
alten Entlehnungen zu e werden. Beispiele sind freilich hierfür nur
in äufserst beschränkter Zahl zu erwarten. Ich kenne nur den
Namen Enrico und die zugehörige Kurzform Enzio = ahd. Hein-
rich, urkundlich Heinricus, und Heinze. Mit Unrecht hat Caix, Riv.
II 176 Enrico neben Arrigo für eine ältere Form gehalten (vgl.
Diez, Anh. IIa s. v. hettola); das Gegenteil beweist nicht nur die
Erweichung von k'^ g, wie sie sich noch in Federigo findet, und
die Assimilation von mr >> rr, sondern vor allem auch das a von
Arrigo, das deutlich noch auf eine Form mit älterem ai, wie Haim-
ricus, zurückgeht.
In später entlehnten Wörtern ist ai, das sich schon in spät-
ahd. Zeit im Oberd. wieder aus ei entwickelt hat, nicht mehr
monophthongiert worden; wie die dialektischen Formen von ^w^/ari?
gezeigt haben, hat Monophthoiigierung von ai in verschiedenen
Maa. nicht gleich lang stattgefunden. Beispiele für erhaltenes ai
bieten ähnlich wie für au die nordital. Dialekte: lomb. cäis (in Val
Sassina) , unfruchtbare Ziege', com. (Valt.) cäis und cäisla^ ,ein-
1 Vgl. Verf. Hpr. d. Langobd. S. 8; Meyer-Lübke, R. Gr. I 241. Direkte
Entlehnung des ital. Wortes aus einem germ. Dialekte kann, von dem mlat.
und noch zu besprechenden raundartl. Formen abgesehen, schon deswegen
nicht staltgefunden haben, weil germ. ht, wie lat. et behandelt, tt hätte er-
geben müssen ; vgl. schiatta = ahd. slahta (Diez I), schietto = mndl. sticht
.schlecht, schlicht' (Diez IIa).
^ Mit Unrecht nimmt daher Kluge, Et. Wb.^ 233 sehr frühes Eindringen
dieses Wortes ins Roman, an. Auch die span. Verwandten stammen aus
Frankreich. Besonders deutlich spricht für diese Annahme aspan. = prov.
laizar .kränken'. Auch in Spanien ist nämlich ai in alten Lehnwörtern zu a
geworden, in später Zeit aber hat das Span, deutsche Wörter grofsenteils nur
auf indirektem Wege durch Frankreich erlangt. Den Grund, warum gerade
das Franz. germ. ai frühe zu monophthongieren aufhörte, hat Älackel 114
richtig erkannt.
^ Wegen der Bildung des Wortes ist &vii fraida, s. o. S. 67, zu ver-
weisen.
DIPHTHONGE GERM. LEHNWÖRTER im ITAL. 75
jähriges Lamm und noch niemals trächtiges Schaf aus bair. gai'ss
und gazssl, s. Schneller 147, Monti 381. Die Uebertragung des
Wortes von der Ziege auf das für jene Gegenden ungleich wich-
tigere Schaf hat nichts Auffallendes; sie findet sich ähnlich in tirol.
Maa., wo gai'sz, wie im Com., ein weibliches Schaf, bevor es Junge
gehabt hat, bezeichnet, vgl. DWB 4, I 2 Sp. 2801; vermutlich ist
also das Wort bereits mit dieser Bedeutung übernommen worden.
Ferner ist hier zu nennen berg. com. paissa , Lockspeise, Köder'
(für Vögel etc.), auch batza, paiza (Bormio) Monti 169, das Schneller
15g richtig mit mhd. beize, bair. bdis, paus ,das Zubereiten in einer
scharfen Flüssigkeit, dann die Lockspeise seelbst, Salzlecke (für das
Wild) etc.' (Schmeller I 287) zusammengestellt hat. Die ital. Dia-
lekte können das Wort auch aus den wälschtirolischen Maa. über-
nommen haben, die ja an bair. Bestandteilen ungemein reich sind
und die auch das Wort paissa?- , ködern', urkundlich schoji im
13. Jh. als paisare , jagen, hetzen' belegt, kennen, s. Schneller go;
für bair. Herkunft spricht deutlich das anlautende p für b. Neben
dem alten ei, ai hat sich dann im Bair. aus i ein neues ei ent-
wickelt; auch dieses wird in ital. Dialekten durch öz" wiedergegeben,
wie ven. Siaire in der Verbindung car?ie de Staire »Fleisch von
steirischen Ochsen' zeigt; Boerio 626.
Nur im Hiatus scheint ai auch noch in späterer Zeit, wenig-
stens in einzelnen Dialekten, auf den ersten Bestandteil reduziert
worden zu sein, wie berg. träer ,der Dreier' und bäero, baaresa
,Thaler bairischer Prägung' Tiraboschi 1373, 115 zeigen. Für bäero
läfst sich freilich an eine bair. Form mit ä aus ai als Grundform
denken (vgl. Weinhold, Bair. Gr. S. 52); für träer jedoch, dem sekun-
däres ei, ai aus t zu Grunde liegt, ist eine solche Erklärung nicht
zulässig. Es ist übrigens bemerkenswert, dafs träer dem Berg,
wiederum mit den Maa. Südtirols gemeinsam ist, vgl. Schneller 207.
Friaul. Maa. zeigen die dem Deutschen noch näher kommende
Form trajer, und damit stimmt überein die nach Valentini s. Z. in
Venedig gebräuchliche Form iräjero.
Es erübrigt noch ein Wort zu sagen über den im Laufe der
ahd. Periode aus 0 entstandenen Diphthong uo. Das Got. und das
Lgbd., aus denen der gröfsere Teil der genannten Elemente im
Ital. stammt, kennen beide diese Diphthongierung von 6 zu uo
nicht. Demgemäfs finden wir in alten Entlehnungen regelmäfsig 0
und gelegentlich dessen Vertreter uo: ven. siga ,razza di cavalli.
Stuterei' (Boerio 632) aus *sl6da = ahd. stuota , Herde von Zucht-
pferden', lomh.pio, aber g. p/o (Lorck 13g) , Pflug' aus \ghd. p/övus^
und spola, spuola , Weberschiffchen' zu ahd. spuola mögen als Bei-
spiele genügen. Diphthongierte Formen müssen also erst in ver-
hältnismäfsig später Zeit aus Oberdeutschland eingedrungen; sie
finden sich darum, wie zu erwarten ist, auch nur in den nrndlichen
Grenzdialekten und, ähnlich wie ai und ajc in jüngeren Entleh-
1 Weiteres s. bei Schneller 163, Diez I s. v. aratro.
76 W. BRÜCKNER, DIPHTHONGE GERM. LEHNWÖRTER IM ITAL.
nungen, so ist auch uo, resp. ue mehrfach als Diphthong erhalten.
Monti 384 und 251 belegt fürs Com. (Posch.) coat ,gut' und scioa
, Schuh', die auf ein obd. guot, guet und schuoh, schueh, am ge-
nauesten wohl etwa bair. gtiat und schtia, zurückgehen, Weinhold,
Bair. Gr. S. 105. In Tonlosigkeit und in mehrsilbigen Wörtern
auch unter dem Tone scheint freilich Reduktion des Diphthonges
eingetreten zu sein: so in sctuslar ,Schnhflicker' (Posch.) aus
schuosier und sciöber , Schuhmacher' (Valt), das wohl auf eine Form
*schuow€r, *schuober zu schuhen (vgl. den Namen Schueber) zurück-
geht, sowie in dem Verb. com. (Posch.) scioa , eifrig arbeiten', dessen
Bedeutungsentwickelung für die dortigen Schuster ein ehrenvolleres
Zeugnis ablegt als die des nhd. schustern. Darnach könnte viel-
leicht auch tess. mbdig ,pigro^ (Biondelli 73) auf ein obd. Schweiz.
mHedi[n)g = mhd. viüeding , armer elender Mensch' zurückgeführt
werden, wenngleich das fehlen des Umlauts Bedenken erregen
kann. Noch bedenklicher müfste es freilich sein, modig wegen des
erhaltenen 0 direkt auf ein Igbd. niödig = ags. f/iepig ,müde, er-
schöpft' zurückzuführen, solange sich das Wort nicht auch in
anderen Gegenden Italiens, die keinen Verkehr mit deutschen
Nachbarn hatten, nachweisen läfst. Weitere Beispiele sind unsicher
und mögen darum hier übergangen werden. Ich erwähne nur
noch, dafs ven. piem. lomb. bulo , Raufer, Schläger, Aufschneider,
auch Stutzer' (com.), schriftsprachlich ,giovijiof/o gahmie ed audace\
wenn die Herleitung aus mhd. buole richtig ist (Diez IIa), nur
einer hd. Form btih/e entsprechen kann. Dies mufs aber, obgleich
sich vielleicht der Umstand, dafs das Wort in den obd. Maa. gar
nicht volkstümlich ist, zu Gunsten der bei Diez gebotenen Etymo-
logie anführen liefse, berechtigte Zweifel an der Zusammenstellung
hervorrufen, die durch die rätorom. Form bullo ,der mit seiner
Stärke Prahlende' verstärkt werden, s. Schneller 124. Gerade die
rätorom. Dialekte Südtirols bieten im übrigen eine beträchtliche
Zahl sicherer Belege für dieses tic, resp. umgelautet üe; ich ver-
weise auf Wörter wie /»/jrj/w^fj^ , Brusttuch*, rtieta ,K\iie\ j/wt?/ , Stuhl'
fuera , Fuhre' Mx^d, fieterar , füttern' Schneller 57, 236, 141.
Für mhd. ie oder genauer bair. ia (Weinhold, Bair. Gr. S. 91)
kenne ich nur einen einzigen Beleg aus einem ven. Glossar des
15. Jhs.: vianaro ,wianaro, d.i. ein Wiener Pfennig', Mussafia, Beitr.
121, Schmeller 11932.
Auch diese zuletzt genannten Entlehnungen bestätigen die
schon oben gemachte Beobachtung, dafs die ital. Dialekte bei
späteren Entlehnungen die ihnen fremden deutschen Diphthonge
in der Regel nicht mehr zu monophthongieren vermocht haben.
WiLH. Brückner.
Geschiclite der französisclieii Infinitivtypen.
II.
Zweite Hauptkonjugation.
Hier begegnet uns grofse Vielgestaltigkeit des Infinitivs. Schon
im Lateinischen haben wir dreifachen Typus: Ire, ere, Ire. Für
das Französische ist nun namentlich die Betonung mafsgebend.
III b unterscheidet sich von den andern beiden Klassen, indem
der Infinitiv hier stammbetonte Form ist. In dieser Beziehung
gehen die Inchoativa mit III b. Das Französische hat nun zunächst
die vulgärlateinischen Verhältnisse beibehalten, zeigt jedoch ein
Streben nach Verallgemeinerung von III b und II inchoativ. Der
Einflufs des Infinitivs ist dabei nicht zu unterschätzen. Von ihm
in Verbindung mit dem Per f. und Part. Per f. geht die Annahme
der Inchoativflexion in zahlreichen Verben aus; das Per f. und
Part. Perf. allein hat diese Wirkung nur in vereinzelten und
zweifelhaften Fällen (vgl. unten vainquir, nasquir u. a.). Dabei wird
der Infinitiv nicht einmal vom Futur unterstützt; gorai, garrai
dauern bekanntlich noch fort, nachdem die Präsensformen schon
längst die Inchoativflexion angenommen hatten.
Diese Verhältnisse erleiden nun seit dem Mfrz. eine bedenk-
liche Störung.
/;- und ire.
II inchoativ steht, wie wir gesehen haben, in einer gewissen
Beziehung zu III b. Die Aehnlichkeit mufste noch gröfser werden,
wenn der Stamm des Illb-Verbs auf i ausging. Solche Verba
sind dire, Hre, rirc. Nun giebt es — abgesehen von den Perfekt-
und Partizipformen — drei Unterschiede zwischen diesen und
den Inchoativen, erstens das tonlose e im Infinitiv, zweitens ist der
Verbindungskonsonant hier s, dort (auch z. T. bei 7-ire) z, drittens
sind die Stämme hier mehrsilbig, dort einsilbig. Die Folge
war, dafs, wenn eine Bedingung nicht eintraf, die andern mit-
gerissen wurden; so konnten die Komposita von /»/i?;^' als einsilbige
Stämme gelten, da man em-, com-, rem- sehr wohl als Präfixe
fühlte. Die Folge war ein Infinitiv -plire für früheres -plir. Dieser
findet sich schon bei Gautier de Coincy (ML. § 125), durch Reim
gesichert und ebenso ist heute in Gegenden, wo -ire (gesprochen
-ir) und -ir (gesprochen -/) sonst getrennt ist, für dies Veib ire
78 E. HERZOG,
(gesprochen ir) bezeugt (Clairvaux, Franche-Montagne, Gorze); ähn-
lich mag sich benire (Rsp. 27 ff., Kr. 76) erklären, in dem man in-
folge der Bedeutung die Zusammensetzung recht deutlich fühlte.
Andrerseits mufsten Komposita, deren Simplex verloren gegangen
und deren erster Bestandteil vielleicht auch nicht recht verständ-
lich war, den Eindruck von Inchoativen machen und -ir statt -ire
hervorrufen. So erklärt sich ocir, circofictr, sougir, claufir, s. Rsp. 23,
zu occir auch Bg. II 186, zu circojidr noch c. : venir Mystere de la
passion ed. Richard 2552, c. : plaisir ebenda 261 1.^ Sehr beach-
tenswert ist auch, dafs heute in Bessin einem rire > itr ein sourire
>» suori zur Seite steht. Auch bei Wörtern, wo die zweite Be-
dingung abweichend war, mufste Schwanken eintreten; ich meine
jene Gruppe von Kompositis von facere, die ihre Vokalisation vom
Part. Perf., den bei ihnen am häufigsten gebrauchten Formen,
nahmen: suffecere"^ etc., das natürlich nicht wirklich bestanden
haben raufs, da die Umbildungen auch französisch sein können
(vgl. im O. SB. 15g, 24 soffeire, im W. desco7ifiere, sofiere im
RdeRou, soiiffiesans und souffiesaument bei Godefr.). Diese hatten
vielfach tonloses s, wie bereits von Mussafia und Risop erkannt
und zu erklären versucht wurde. So finden wir denn häufig des-
confir, rasoufir etc., vgl. Rsp. 1. c. und Foerster, Ch. .IL esp. LVIII f.
Dafs einfaches fi7-e nicht daneben bestand, mag wohl z. T. mitge-
wirkt haben. Ferner sind einige INIundarten des westlichen reichs-
deutschen Lothringens zu erwähnen, wo die wenigen noch be-
stehenden inchoativen Verba überhaupt ir (= ire) annahmen, da
hier s (2) und ss {s) in y^ zusammenfielen. 3
Nun finden wir aber auch sonst vereinzeltes ire neben ir, vgl.
afeblire bei Rsp. 16, departire, servire Rsp. ASNS 1894, 452. Weniger
beweisend der anglonorm. Reim issire : desire Jh. VII 57 Z. 34. Es
ist dies wohl der schriftUche Ausdruck dafür, dafs statt unfesten
(d. h. blofs vor Vokalen und in pausa gesprochenen) r durch Ein-
flufs von dire u. s. w. festes r eintrat. Die Erscheinung zeigt sich
hauptsächlich in der Picardie und Ile-de-France. Wir finden dem
entsprechend, dafs der Grammatiker Buffier noch im 18. Jh. sagt,
das r in loisir, plaisir und in den als Substantiv verwendeten
Infinitiven wie le repeniir sei stumm; so hat auch beispielsweise
S. Pol alle Infinitive auf ir wie bei dir ehr, aber das Substantiv
\v&\{^\ depJezi; in Lille />ar//r, dormir, kurir, aber/i/^zz' (: öj-/ = aussi).
oir und oire.
Ganz ähnliche Verhältnisse nun finden sich andrerseits zwischen
III b, insofern der Infinitiv auf -oire ausgeht, und III a. In der That
finden sich schon in alter Sprache ein paar Fälle, wo statt oir
1 Vgl. auch Kr. 12, 13, 15, 15 a.
* Hatzf.-Darmest.-Thom. s. confire.
8 Ueber eine ähnliche Verwischung ursprüngliclier Verhältnisse bei einigen
M-Stämraen S. 90 f.
GESCHICHTE DER FRANZÖS. INFINITIVTYPEN. 79
öire geschrieben und gereimt wurde. Die mir bekannt gewordenen
seien vollständig zusammengestellt.
avoire im Reim bei Stavelot 1 i, • -n- a
, . T> 1 • • n • r bei Risop 13 Anm.
sgavoire (zwei Belege; einer im Reim J ^
Dazu savoire in einer Urkunde aus Lüttich vom Jahr 1291
R. XVII 586 (zweimal) [hier mehr Belege, weil Gegensatz zu ci-oire\.
doloire Rsp. 51 (Coutumes d'Orchies).
remanoire Rsp. ASNS 1894, 452.
Dem entspricht die Thatsache, dafs nicht nur in der Pikardie, in
einem Teil der Normandie (Ezy: atj§r, valuer) und in der Ile-de-
France, sondern auch im wallon. Sprachgebiet bei jenen Verben,
die sich in dieser Konjugation erhalten haben, das r häufig ge-
sprochen wird.
Dies ist nun insofern recht auffallig, als oir ja Endung ist,
während oi in oire zum Stamm gehört, also endungsbetonte
Formen analogisch nach stammbetonten umgestaltet wurden. Um
so eher mufste die Analogie dort eintreten, wo infolge lautlicher
Vorgänge das oi wirklich zum Stamm zu gehören schien. In der
That decken sich voir und croire auf dem weitesten Gebiet. Be-
sonders deutlich ist die Analogie beispielsweise in Remilly, das v'ör
nach krör neben lautgesetzlichem vug hat, und an einem ganz ent-
gegengesetzten Punkt des Sprachgebiets, im Gavache du Sud, das
krayrd, vayr? (res. kr^yrd, v§yrd) mit noch nicht ganz verstummtem
e aufweist. Sogar in Lüttich, wo seit langem -oir durch -ir ver-
drängt ist, findet sich vor nach krör neben v^, v§yi. Dann noch
Clairvaux §voa, vuloa, aber vor wie kror, la Bresse azie, aber deser
ti§r wie kr§r; vür, aber rfuf^ in Melisey; tspr, vor, aber ^vu^ in
Boumois; isür, vür sonst -ua Baume-les-Dames; v'fyr? (wie dir? etc.),
aber sav'p- La P6ruse (Charente); in jedem einzelnen Falle, abge-
sehen von den drei ersten, wo deutlich Analogie vorliegt, wäre zu
untersuchen: Ist das Bleiben des r lautgesetzlich, durch die Ein-
silbigkeit bedingt, oder analogisch? Es wird nicht überall gleich
sein, aber das Resultat ist dasselbe. Verbleiben der ursprünglichen
Verhältnisse kommt im Normann. vor, so haben wir in Bessin ve
(gelängt wegen der Kontraktion und deshalb weniger den ana-
logischen Einflüssen ausgesetzt), aber ave dve puve vale einerseits,
kr§r andrerseits. Aehnlich in Montjean (Mayenne).
Der heutige Zustand ist nun der folgende: -oir hat sich er-
halten, ist jedoch auf Auxiliaria beschränkt; dazu kommen noch
in vielen Gegenden die Komposita von capere, soweit sie volks-
tümlich sind, und pleuvoir. Ein Teil des pikardischen Sprach-
gebiets macht eine Ausnahme, indem hier -oir weiter ausgedehnt
ist. Alles andere gehört zusammen in eine grofse Klasse und die
bisher vorgenommenen Einteilungen müssen vom Gesichtspunkt
des heutigen Formenstandes als vollkommen verfehlt be-
^ re -1- habere.
8o E. HERZOG,
trachtet werden, sowohl die Einteilung in -oir, -re und -zr-Verba,
der jede andere als blofs orthographische Berechtigung mangelt,
da so eng Zusammengehöriges wie voir : croire getrennt, anderer-
seits Verba, zwischen welchen wirklich noch wesentliche Verschieden-
heiden bestehen, in eine Klasse zusammengestellt werden, wie
voir : vouloir, venir : ßnir; als auch jene, die die Inchoativflexion als
„conjugaison vivante" den „loten" Typen gegenüberstellt. Denn
dort, wo das Infinitiv- r verstummt ist, haben wir Identität des In-
finitivs mit dem betonten Stamm, w^elche sich ja auch in Inf. ktir,
Pr. I — 3 kur findet, und auf das Fehlen des ;- darf man sich auch
nicht berufen, da ja dieselben Dialekte gröfstenteils rop, vät im Inf.
sprechen. Dort aber, wo r erhalten ist, besteht ja kein wesent-
licher Unterschied zwischen fini — finiso — finir einerseits und
ekri — ekrivd — ekrir andrerseits, wenigstens kein gröfserer als
zwischen letzterem und di — dizö — dir oder ri — rio — rir.
Auf das Perf. und Part, zu rekurrieren, nützt ebenfalls nichts; denn
Pr. fini: Pf. fini — Pt. fini verhält sich nicht anders als Pr. di\
Pf. di — Pt. di. Von der historischen Betrachtung, dafs fini ein-
mal ein schwaches Perfekt war, auszugehen, ist ja natürlich auch
verfehlt; für das jetzige Sprachgefühl (übrigens auch schon für das
mittelalterliche) ist es ein starkes (wie schon die Bildung einer
schwachen Form finisi beweist) und ebenso ist fini ein starkes
Part, trotz der Gleichheit von Masc. und Fem. ( — die jedoch in
alter sowie in neuerer Zeit von Dialekten vielfach durchbrochen
ist — ), wie ja auch fiii und Bildungen wie krü als solche anzu-
sehen sind. Noch unberechtigter ist der Standpunkt der Wort-
bildungslehre, denn was hat es für das Konjugationsschema zu
bedeuten, dafs gerade nur dieser Typus der ganzen Klasse neue
Adjektivableitungen etc. aufnimmt, die andern nicht? — Wir werden
sagen, dafs der Infinitiv entweder vom betonten Stamm
i^plaire, voir, fuir, krire, finir) oder vom tonlosen [suivre, vendre,
mettre) gebildet ist oder drittens eine eigene Form hat [prendre,
plaindre, coudre, paraiire, jnoudre) ; deshalb Klassen daraus zu machen,
geht wieder nicht an, da die Abgrenzung in Mundarten vielfach
anders ist, und die Perfekt- und Partizipbildung, die ja so gewal-
tige Unterschiede zeigt, sich gar nicht danach richtet. ^ Sich nach
letzteren Einteilungsgründe zu verschaffen, geht schon deshalb nicht
an, weil sie oft in Widerspruch miteinander sind. Blofs das Part.
ins Auge zu fassen, hätte den Nachteil, dafs — abgesehen von
den grofsen dialektischen Verschiedenheiten, die hier bestehen —
manches eng Zusammengehörige getrennt würde {confire : circoncire;
suivre : krire) und wieder anderes zusammengefallen wäre, was ver-
hältnismäfsig wenig Aehnlichkeit hat {plaindre -.faire', voir : croiire
: lire). Das Perf., das für die alte Sprache ja einen halbwegs be-
rechtigten Einteilungsgrund abgiebt, kann man aus denselben
1 Höchstens kann man sagen, dafs die erste Abteilung kein schwaches
Partizip kennt. Aber selbst das gilt blofs für die Schriftsprache.
GESCHICHTE DER FRANZOS. INFIMITIVTYPEN. öl
Gründen nicht verwenden, wozu noch kommt, dafs viele Patois es
überhaupt nicht kennen.
Eine Gruppe von Infinitiven hebt sich allerdings nun stärker
ab, die Infinitive mit der Endung -ir [fuir gehört nicht dazu),
also im Gegensatz zu den früher besprochenen stammbetonten
Nennformen endungsbetonte. Aber auch daraus dürfen wir keine
Klasse machen, wenn wir von dem Grundsatz ausgehen, dafs ein
einziges gemeinsames INIerkmaU noch nicht dazu hinreicht. Wir
werden also im folgenden die Verba nach Gruppen ordnen, die
sich durch den Stammauslaut unterscheiden, und da die Betrach-
tung eine historische ist, die lateinischen Stammauslaute zu Grunde
legen, wodurch allerdings nicht alle Uebelstände beseitigt, aber im
ganzen doch Zusammengehöriges beisammen erscheint.
jr -Verba.
Wenden wir uns nun gleich zu jener umfangreichsten Gruppe,
der mit -isc im Stammschlufs, so begegnen wir zunächst der auf-
fälligen Erscheinung, dafs viele Verba, welche lateinisch nicht der
Inchoativflexion angehörten, diese anzunehmen scheinen. Der all-
gemeinen Annahme zufolge geschah dies, um den Unterschied
von Flexionsbetonung und Stammbetonung in den Präsensformen
auszugleichen und folglich ursprünglich nur in den stammbe-
tonten Formen. Dem kann ich nicht unbedingt beipflichten, Vor-
liebe für ausgeglichene Formen mag ein Grund sein, warum eine
Form, einmal geschaffen, sich besser hielt, aber ein Grund für
Neuschöpfung kann sie allein nicht sein, wenn nicht eine ganz
bestimmte Analogie hinzutritt, wie beispielsweise bei der An-
nahme der «>- Flexion im Ladinischen, Mussafia, Zur Praesens-
bildung im Romanischen S. 1 2, oder bei Zustandekommen der ähn-
lichen Verhältnisse im Wallonischen, Doutrepont S. 40 ff. Aber ein
Typus, nach dem sich -isco : -wms gerichtet haben könnte, fehlt
vollständig. Das Französische macht noch besondere Schwierig-
keiten, da aufser im Lothr. sich nichts erhalten hat und man doch
wenigstens in jenen Gegenden, wo ein solcher Sinn für Ausgleichung
sich besonders stark kundgeben mufste, weil Verba der III b ihre
ursprüngliche Pluralbetonung behalten hatten, erwarten könnte,
dafs das Verhältnis gewahrt wäre. In der That, wenn finisco an
die Seite von finlmns getreten ist, des Ausgleichs in der Betonung
wegen, warum in Greyerz und Coligny (ML. II § 202) Formen, die
nur auf iscimus, iscitis beruhen können?
Ich denke mir die Sache so:
Zu Beginn der litterarischen Zeit war die Inchoativflexion noch
von geringerer Bedeutung; zahlreiche Verba, die sie später auf-
weisen, kennen sie noch nicht, die germanischen nehmen sie erst
allmählich an, so dafs man sich ganz gut denken kann, dafs ein
1 und sie haben sonst thatsächlich keines: vgl. venu, cueilli, acquis,
mort, ojtvert; je courus, sentis, vins, acquis.
Zeitschr f rom. I'hil. XXIV. 6
82 E. HERZOG,
oder zwei Jahrhunderte früher die Inchoativflexion bei diesen über-
haupt noch unbekannt war, viele Fremdverba aus dem Lateinischen
fehlen noch ganz. Sie dürfte also ursprünglich nur dort sich ein-
gefunden haben, wo sie vom lateinischen Standpunkt aus berechtigt
war, d, h. die Verba wirklich inchoativ waren: ein Versetzen
oder Uebergehen in einen dauernden Zustand bedeuteten, näm-
lich bei Nominalableitungen und in einigen Fällen wie dormiscere.,
perJscere, finJscere. Dabei gehört das Französische in jenes grofse
Gebiet, wo tscere die andern Inchoativendungen — (gewifs nur all-
mählich; Ansätze finden sich schon im Lateinischen) — aus dem
Feld geschlagen hatte; die näheren Gründe hiefür sind unbekannt.
Also *verdtscere für viridescere, *joventscere für juvenescere, abgesehen
von *fIonscere, wo ja schon lateinisch florire belegt ist. Den In-
choativen fehlen schon im Lateinischen eigenes Perfekt und Partizip
und auch das Imperfekt mochte blofs in wenigen Fällen oder gar
nicht zur Anwendung kommen, da die Idee des romanischen Imperf.
mit der Idee, die in einem Inchoativ liegt, meistens in krassem
Widerspruch steht. Etwas anders liegt die Sache beim Infinitiv;
dieser existiert für die Volkssprache hauptsächlich in Verbindung
mit Hilfsverben; nun ist es zwar logisch verschieden, ob ich sage
„ich will schlafen" oder „ich will einschlafen"; aber das praktische
Bedürfnis wird auf diesen Unterschied höchst selten Gewicht legen
und gegebenen Falls wohl immer beide gleichwertig nebenein-
ander gebrauchen können; das Gleiche gilt für die Umschreibung
des Futurs mit habere. Es wird also ire leicht als der richtige
Infinitiv zu einem Verb aufgefafst worden sein, das im Perf. ii,
im Part. Itii hatte, und die Sprache wird, nachdem sie eine Zeitlang
~ire und -iscere gleichbedeutend für den Infinitiv dieser Verba ge-
braucht und dann -ire auch auf solche übertragen hatte, deren
Simplex gar nicht nach II i geht oder überhaupt nicht mehr
existierte, sich für eine Form entschieden haben; natürlich leichter
für ir, das in so viel andern Verben einen Stützpunkt hat; aber
auch istre ist nicht unerhört; es hat sich in Morvan erhalten, wo
wir finitrs, miiritn, perlt 1-9 finden, wonach auch pönitrd, homttry
(vomo), förniirs; und deutliche Spuren sehen wir in den bekannten
Futurformen auf -istrai: esdarcisirat, peristrunt, rcgehisterat, ravis-
iroient in GD., garistra Am. Am. 2994, esjoistra Gdfr. III 473, es-
joisserunt SB, (Bl.) 42, lO. Eine wichtige Spur ist auch die Ein-
wirkung auf das alte Lehnwort benedicere; als das Wort aus dem
Kirchenlatein aufgenommen wurde, lag die -wr^r^- Flexion am
nächsten, und hier haben wir zahlreiche Reste von -istre'. s. Rsp.io,
wozu noch hene'istre Lais der MdFr. 70,417, hetiitre Meigret 9,20,
vgl. auch Kr. 76, hn1t{r) im heutigen Patois von Bourberain, höiütr?
Morvan; auch hier zahlreiche Futurformen auf -islrai aus allen
Gegenden.
Es war die Unterscheidung von -isco und -0 also nur von
^ Hieher dürften wohl auch ettvahir und trahir gehören.
GESCHICHTE DER FRANZÖS. INFINITIVTYPEN. 83
Wichtigkeit für die Präsensformen, miteinbegriffen vielleicht das
Part. Präs., resp, Gerundium. Nun wäre es freilich nicht undenk-
bar, dafs wie in den Sprachen, welche eine ausgeprägte -zre-Kon-
jugation hatten, nach Analogie anderer Verba vom -z're des Infin.,
-ü des Perf. und -Uut/i des Part., wozu dort noch Imperf. -z(3)a
kam, als die Inchoativbedeutung in den Worten allmählich ver-
losch, im Präsens statt der rückhaltlosen Formen -iscvnus, -tscilis,
-imus, -liis eingeführt wurde (der Konjunktiv -iscamus, -iscatis
pafste jedoch ganz gut ins Verbalsystem und hielt sich bekanntlich
auch in andern Sprachen länger; er wich dort erst, nachdem
schon keine andere endungsbetonte Form das Suffix mehr aufwies,
durch Analogie nach diesen). Aber wahrscheinlich ist mir das für
das Frz. nicht. Vielmehr wird das Frz., nachdem bereits -itis ver-
S(^hwunden und -itis auf ein paar Verba häufigsten Gebrauchs be-
schränkt war, aus -uciiis -iscelis, aus -iscvnus vielleicht -iscljnus ge-
macht haben, vgl. gurpisscm Pass. 508 und davon oder direkt nach
-isseiz -issons. So finden wir -eiz bei den Inchoativen, die eine
ausgedehnte Klasse bildeten und deshalb standhafter waren, als
es sonst schon meistenteils beseitigt war; so wenigstens im Oxf:?P,
der sonst überall -ez aufweist (nur zweimal im Konjunktiv saceiz
neben einmal sachez): immer beneis[s)eiz, estahlisseiz (einmal), rege-
hisseiz (umal neben einmal -ez) und 5 Kjkt. />^mjm 2, 12; ob nun
das frz. Imperf. direkt auf -iscebam beruhte, das sich ja auch in
Zeiten, wo das Inchoativum noch nichts von der inchoat. Bedeu-
tung eingebüfst hatte, etwa in konditioneller Bedeutung gerettet
haben könnte, oder ob zunächst -iham vom Perf. aus gebildet; dies
zu -ebam umgestaltet und hierauf erst -t'ssons, -isseiz das Inch. -Suffix
dazutrat, mufs dahingestellt bleiben; letzteres wird durch escarnie
Passion 288 neben escarnissent 187 und namentlich durch die
6. Imperf. devantceient CT 118, 148 (kann nicht I. Hauptkonjg. sein!)
wahrscheinlich.
Dem Italienischen entsprechende Vorgänge mufsten sich in
einem Dialekt ergeben, der -ibajn und -t/is bewahrte, wo also eine
deutliche -zW-Konjugation bestand: im Lothring. Hier wurde -iscitis
einfach durch -iz ersetzt und dann folgte natürlich i. Plur. -ons:
einige Beispiele (vgl. auch Rsp. 88):
perist 3. Pr. SB. (Bl.) 250, 2g, perisses 2. Kj. 123, 8,
aber: periez 5. Kj. SB. (Bl.) 50, 38.
deverpist 3. Pr. GE. 25, deuiiir pisse i. Kj. SB. 165, 28,
aber: devirpons 4. Pr. GE. 27, deiücrpiz 5. Pr. SB. (Bl.) 184, 45
u. s. w.; es würde sich fragen, ob sich noch heute ähnliche Ver-
hältnisse finden; 3. Pr. syüri^ neben 6. Pr. syurd in Giromagny,
nördlich von Beifort, liefse es als wahrscheinlich vermuten. In
einem grofsen Teil Lothringens sind die Inchoativformen, oflfenbar
ausgehend von den endungsbetonten, ganz aufgelassen worden und
es findet sich als 3. Pr, von fyüri fyür (Falkenberg), fyar (Augny) ;
' floriscere.
6*
84 E. HERZOG,
ferner nicht inchoative Formen von rasövi (re -f- achevir) etc. Wo
auf diesen Gebieten das Suffix vorkommt, verrät es sich durch die
lautUche Gestalt als Schriftfrz. ; vgl, Horning, Frz. Stud. V 470, 520.
Neben -iscere dürfte wohl auch -escere anfangs einige Verbrei-
tung gehabt haben; so finden wir im Osten zu dem Verb implere,
das hier vielfach als III b -Verb erscheint, vgl. italienisch empie7-e
[Altweiler r§p, La Bresse rgp? (Rdp. 1152; 3. Pr. r^/«?)], implescere:
äpyatr Montbel. \\.Yx. äpya, Yoxi.Vx. äpyasä, Far t. äpya, wohl nicht
lateinisch impletum, sondern nach Analogie anderer starker Part.],
Altkirch räpyatr, Bournois {r^äpyar (neben räpytr)^ wo / in An-
lehnung an faire und ähnliche aufgegeben sein wird, citpescere
findet sich in Franche-Montagne kvötr und Montbel. hvatrs (Part.
hvasä)} paresco ist als einziges wirkliches Inchoativum allgemein
geblieben. Doch auch hier finden wir im Norden Uebergang zu
-IscoP- denn dafs aparissoit GD. 30, 13; 35, 16, aparissant Bible de
sapience B. Chr.^ 98, g wirklich -isco ist, wird durch apa?-tr GDj.
337, 12 erwiesen.
In den Gegenden, wo -scere in dieser Form die weiteste Ver-
breitung hat, mufste man -ire als Infinitivendung empfinden, und
es wurde dies daher auch an andere als inchoative Stämme an-
gehängt. So findet sich süiire Morvan (sequere), catre Montbel.
(calere) ; siiet (neben sue) Guillon (Yonne), hßtrd Montillot (ebenda).
Wir finden ja auch -dre in gleicher Weise als Infinitivendung auf-
gefafst. Besonders auffällig aber ist das von Godefr. angeführte
rdpyatr3 replaire (la Bresse), da hier parailr-e puar? lautet (Rdp. II 174).
Dies Wort hat hier überhaupt recht merkwürdige Formen : ein Part.
Pr. puaryä, i.Pr. ptiaryj, \.\xi\'^{. puaryp, die sich vielleicht aus
paroissant 'P' proissant etc. durch Umstellung des r erklären, und
eine 3. Pr. py.a nach sich gezogen haben. Auch der Infinitiv wäre
nach Analogie dieser Formen und der Verlust des / würde sich
ähnlich wie oben rapycir erklären.
Das Gefühl für die eigentliche Bedeutung der Inchoativa ver-
lor sich allmählich; zunächst entledigte man sich der Doppelformen:
z. T. wurde, wenn Inchoativ und Simplex so ziemlich das Gleiche
besagten, das Stammverb {perir, finir) oder das Inchoativ
{mourir, auch emplir z. T. Rsp. 116, ferner äpl'i, 3- Pr. äpl'9 in Val
de Saire und die lothr. Formen r^/>, repi) aufgegeben; z. T. versah
171 -|- Simplex die Inchoativfunktion (emhrinir). Büfsten die Inchoa-
tiva dadurch manches ein, so erhielten sie von drei Seiten starken
Zuzug:
1) Die germanischen Verba nahmen allmählich -isc an,
wohl am frühesten noch solche, die Verwandtschaft in der Bedeu-
tung hatten, wie garir.
1 Um so auffälliger, da cuplre schon lateinisch (Neue, Formen!. II 415,
Gregor v.T. 426); nicht inchoat. couvir wird durch couf i.Pr. SB. 146, 26
erwiesen.
2 Uebrigens apparisco bereits vulgärlat.
GESCHICHTE DER FRANZÖS. INFINITIVTYPEN. 85
2) Die grofse Menge Fremdverba, die aus der Kirchen-
sprache und später aus dem Litterärlatein in die franz. Sprache
drangen, boten viele Formen, die am leichtesten in die Inchoativ-
flexion pafsten ; nicht nur Infin. pimire >> pünir, blatidire >• blatidir
(J)landissent SB. 18, 26 etc.), ähnlich condir, ordir, sondern punis,
pimit mit frz. Betonung am ähnlichsten mit pilnis, pünist, ebenso
exigit, fremit etc.; so war denn auch das Vorbild geschaffen für
die latein. Verba der III a, die kaum Anknüpfungspunkte mit der
frz. -m- Konjugation hatten: exercir, sorbir etc. Nicht überall wird
man mit Sicherheit sagen können , ob ein frz. Verbum ein Lehn-
wort ist oder ein wirkliches Inchoativ zu Grunde liegt (oder even-
tuell Punkt 3 vorliegt). Deshalb ist es uns besonders wichtig, wenn
etwa für sorbir durch die Reichenauer Glossen: sorbendiim bibeti-
diim 94, absorbet deglutiet 781, ahsorbuit deglutivit 783 erwiesen wird,
dafs Formen wie asorbir R. Forsch. V 592, 6, efisorbisl 3. Pr. GD.
272, 17 nicht direkte Fortsetzer eines lateinischen Wortes sein
können. — Viele derartige Bildungen mögen wohl Uebersetzer
verschuldet haben , denen das richtige frz. Wort nicht einfiel und
die nach bekanntem Schema solche Verba schufen. Dabei ver-
griffen sie sich wohl auch und bildeten Verba vom Perfektstamm
aus, wie engemnr und evanoui'r — wohl indem sie aus mangelhafter
Formenkenntnis den Zusammenhang von evanuit und ingenuit mit
evanesco und ingigno nicht kannten, sondern es für Bildungen
wie attribiiit, deinimät ansahen.
3) Als dritte und späteste Gruppe kamen dann die vom
Lateinischen übergekommenen Zn' -Verba hinzu und hier möchte
wirklich der oft angeführte Umstand eine Rolle spielen: einmal
gewagt, hatten die inchoativen Formen den ungemein grofsen Vor-
teil, dafs der Stamm gleich blieb, die zusammengehörigen Formen
auch äufserlich als zusammengehörend ins Ohr fielen. In der That
sind es nur wenige in Gruppen zusammenstehende Verba, die sich
immer und allerorts diesem Einflufs entzogen haben : venir, tenir,
die -7'/r-Gruppe: mourir, courir, qiierir (nicht aber feriri, merir^),
die Gruppe veir, seir, cair dort, wo der Infinitiv auf -ir gebildet
ist, und wie es scheint repenlir, sentir.
Die ganze Entwicklung ist bekanntlich meisterhaft von Rsp.
S. 99 ff. dargestellt worden.» Hier noch einige kleine Nachträge:
hair: Meigret sagt noch ausdrücklich, dafs hayeiit ebenso gut
sei als hatssenl, während Vaugelas das erstere verdammt. In den
Dialekten ist oft durchwegs Inchoativflexion eingeführt: in der
Normandie (beispielsweise Val de Saire), Saintonge (wenn zai da-
mit identisch ist, Jon. 228), z.T. im nördlichen Lothringen (Sablon,
Augny [neben nicht inchoativen Formen]). Nur die nicht inchoa-
tive Form in Falkenberg.
1 Rsp. T05. ßpri Rdmilly R. V 227 geht nach der inchoat. Flexion.
2 Rsp. 105. Aufserdcm merisse 3. Pr. Kj. HC. 94.
8 Vgl. auch Kr. 24—31.
86 E. HERZOG,
fiiir bis auf das Imperfekt inchoativ in Val de Saire.
boillir: inchoative Formen begegnen nur bei Kompositis (na-
mentlich esb^. Wenn sich also GD. 98, i; 210,4 ioUssant findet, so
fragt sich, ob wir es nicht mit einer Bildung zu thun haben wie
valissant, iordissant (s. Godefr.), wo -issant als eine Art Suffix ge-
fühlt wurde. Dafs übrigens dies möglich war, könnte sich kaum
so leicht erklären, wenn -issant erst sekundär an die Stelle von
-ant tritt; dagegen wäre es mit meiner Auffassung recht gut ver-
einbar, da dann das Part. Pr. — abgesehen von den Pluralformen
des Konjunktivs — einige Zeit lang die einzige endungsbetonte
Form mit -iss war. In moderner Zeit findet sich boillir inchoativ
in Falkenberg.
iolir war vor seinem Verschwmden inchoativ geworden; dem
entsprechend noch heute so in Clairvaux.
soffrir, covrir etc. Rsp. 115 f., wozu noch Inchoativformen aus
Amanweiler.
dormir: dor^nissoit \ aus der aus dem SO. stammenden Ystoire
servir: servissoit \ VII. s. 83,3; 195,1g. j-(?rz;?> vielleicht auch
in Sablon, nach dem Infin. s§rv~ir^ zu schliefsen; vgl. das von Rsp.
citierte endormissement.
saillir und faillir: Meigret kennt noch keine Inchoativflexion;
die sogenannte reine Flexion will er aber auch nicht anerkennen,
und so hilft er sich mit Annahme von f alter und sauter 105, iii.
mentir inchoativ im Osten: Morvan, St. Julien bei JNIetz, auch
im Walion. nach Doutrep. 99; Gavache, centrale Mundarten kennen
es ebenfalls.
plevir: nicht inchoative Form soll 3. Kj. plege Poema morale
349 d nach der Ansicht des Herausgebers sein; könnte nicht „plegier"
gemeint sein?
parti, sorti in der Gavache nur im Perf. inchoativ.
vestire: im Val de Saire sonst nicht inchoativ, jedoch Part. Pr.
vetisa (vgl. oben boillir).
Lire: lezi inch. Gavache, wohl Lehnwort aus dem Lat. oder Prov.
luire oder eigentlich luisir: lüzi Gav. Stg. (inch.).
marceo: der Infinitiv wäre regelmäfsig zu ?narcir geworden;
doch könnte vom Anfang an blofs die inchoat. Form bestanden
haben; jedoch begegnen deutlich inchoative Formen nur zweimal
(Gautier de Coincy, vgl. Godefr.), etwas häufiger das Part, marci,
auch enmarcit Dial. an. et rat, VI 7.
muceo > müisir\ jedoch auch hier wahrscheinlich nur mucescere
zu Grunde liegend; daher nicht der nach Analogie gleich gebauter
Verba zu erwartende Uebergang zu Illb. Vgl. musist 3. Pr. PM.
502 c, Inf. 7nöyJ Urimenil, 7)iözi Mirecourt, müzir Vallee d'Yeres;
Part, müzi Nordlothr. Zlqz. S. 96, mqxl Stavelot, 7nözi pik.
S. 78.
GESCHICHTE DER FRANZÖS. INFINITIVTYPEN. 87
Inf. knasi (cognoscere) 1 in Altweiler gehen vielleicht von /-Par-
Inf. krasi (crescere) j tizipien aus; wenigstens ist in Fonday
Inf. = Part, kraji belegt (neben Inf. knoy).
Umgekehrt könnte croislre für croissir nach conoisire gebildet
sein. In der That stimmen sämtliche Präsensformen zu diesem.
Es begegnet schon zeitlich (RdeRou, Huon de Bord., Rieh, li biaus).
Verbalstamm auf -ss.
tussire. Analogie nach conoistre, iistre u. ä. wird lulrs Bayeux,
tuoirs Val de Saire, tu3tr La Hague, lui neben tute bei Rennes
hervorgerufen haben.
Verba auf -x.
Zwei Verba, die begrifflich nichts miteinander zu thun haben,
aber lautlich einander sehr nahe stehen, sind texo und exeo. So
erklärt es sich, dafs einerseits ütre nach ttstre gebildet wird, aller-
dings nur vereinzelt: istre Ben. 14549; ziemlich späte Beispiele aus
Godefroy s. v. eisire und Kr. 53, wozu die Gleichheit des Futurums
das Ihrige beigetragen haben wird (Risop 8), andrerseits teissir
neben tistre, seit dem 14. Jh. belegt. Was exeo betrifft, so kennt
Meigret sowohl tlre als issir, ferner Perf. issi, Part. issu\ doch kennt
er keinen Singular des Präs. mehr; das Wort war bereits auf dem
Aussterbeetat: „vrey ^t qe Itre ne issir, ne sont pas fort regus".
In östlichen Mundarten ist es jedoch noch verbreitet (z. T. iare
Z. XXIII 373). Ebenso bezeichnet Meigret tltre und tisir als „inuzite"
und spricht ihnen einen Sing. Pr. Ind. ab. Es kommt aber ziemlich
weit verbreitet in Mundarten vor: tkytr la Hague, tet Loüvigne
(Ille-et-Vil.), i§tr la Guerche (ebda), trisire in der Pikardie veraltet,
t§i, ifli^ t§s in Lüttich, Malmedy, Pellaines, tej^ in Gerardmer (Lothr.).
Meistens hat es jedoch in Lothringen die erwähnte Wandlung zu
-ire gemacht: tdji Falkenberg, töyi Augny, tösi Fillieres. Ueber
-iare Z. XXIII 373.
Kons. + k.
Vinco', statt des bald ungebräuchlich gewordenen starken Perf.
und Part, wurden nach der bei Verben der 111 b üblichen Weise
Formen auf -?«', -utii geschaffen. Das k drang — wahrscheinlich
vom Part. Perf., das hier die gebräuchlichste Form sein mochte —
in die Präsensformen; auch in den Infin.: wenigstens im Lothr.
ist die X'-Form das Regelrechte, vgl. venkre Dial. an. et rat. XXXI 3,
besonders beweisend voiqiicre SB. (Bl.) 72, 8g, und vetitre ist hier
wohl blofs Eindringling aus dem Schriftfrz. Aber auch anderwärts
dürfte sich k finden: venkera 3. Fut. FFW. 25. Als nun — seit
dem 14. Jh. — das Vefbum in den Präsensformen ungebräuchlich
wurde, drang teils vom Perf., teils aus dem Latein, inchoatives
vahtquir ein (vgl. vainquissoit in einer Bibelübersetzung von 1530,
Godefr.), und so finden wir es im Wallonischen: vgki (inchoativ).
Es vergleicht sich dies mit Formen wie benesquir, nasquir Rsp. 22,
vesquir S. lOO f. ; 7tasquir s. a. Kr. 18.
88 E. HERZOG,
Von relinqiiir wird allgemein angenommen, dafs es Lehnwort
sei; immerhin könnte es auch ein Erbwort gegeben haben, von
dem relingne (: benigne) in dem Gebet des Theophihis 3. Kj. wäre;
es von dem viel später vorkommenden Buchwort relinquer abzu-
leiten, wie Godefroy thut, geht wohl nicht an. Dazu würden auch
manche Dialektformen passen: r?lekir Demuin, rjläki R6milly, rleld
la Bresse; mit dem bekannten Uebergang zu -iare: rltkye, nnike
le Tholy; r?l§ge sich senken (vom Wasser) Aunis. Aehnlich de-
linquer in der Juristensprache, ebenso d^Ifge Berryi haben wohl
gelehrten Ursprung.
torqueo^ schon vulgärlat. iorqtiere.
Kons. -j-^.
erdre, gewöhnlich aerdre. Käme es von adhaerere, was in der
Bedeutung vorzüglich pafst, so hätten wir einen Konjugations-
wandel. Man müfste dann zunächst vom Präsens aus adhaersi^
adhaersiim und von da gänzliche Umgestaltung nach *dernerdre'^,
espardre, terdre annehmen — mit dem letzterwähnten hat es einige
begriflf liehe Beziehung, da es gewissermafsen der Gegensatz dazu
ist — . Die Schwierigkeit dieser Ableitung fiel früh ins Auge, man
würde Spuren von Präsensbildungen ohne d erwartet haben, und das
Vokalspiel des Präsens hätte das Wort wohl eher zu quaerere ge-
führt, das überhaupt die nähere Analogie bot; ist die Ableitung
von adhaerlre wenig wahrscheinlich, so ist es die von ader{i)gere
— trotz der Erhaltung von 'er{i)gere im Prov.-Ital. — noch w-eniger,
da sich eine unüberbrückbare Kluft der Bedeutung aufthut und
das ahierdre der Pikardie (ahierdre : pierdre Rieh, li B. 4600) auf e
vveist.3 aherdoir (durch Reim gestützt) bei Mace de la Char. ist
Analogie nach ardoir.
expergisci verlor auf der Stufe esperyisco infolge von esperrexi,
esperrechim sein g {y)- esper {}■ wegen esper ir : ovrtr =^ * esper t : overt
nehme ich nicht an; man w^äre dann gezwungen von einem nicht
inchoativen Verb auszugehen {esperdre), das von der Gruppe lerdre
aherdre perdre zu stark gehalten worden wäre, als dafs es von
ouvrir — couvrir [sufferre offerre gehören nicht dazu) hätte mit-
gezogen werden können, mit denen es höchstens im Part. Perf.
Analogien hat, von denen es sonst durchwegs — namentlich in
den stammbetonten Präsensformen — abweicht. Da das Präsens
regelrecht inchoativ war, mufsten natürlich die abweichenden Per-
fekt- und Partizipformen bald verschwinden.
porr{i)go. *espordre oder *espuerdre darreichen ist für den
Osten aus folgenden Formen zu erschliefsen : espiir 2.1mp. SB. 44, i;
1 In Poitou hat es die Bedeutung „geringer, schwächer, alt werden" an-
genommen, Lal. 107.
2 subinersi : dinierst necati RGl. 262.
3 Vgl. jetzt auch Kirsch, Zur Geschichte des Konsonantenstammausl. im
Präs. etc. Darmst. 1897, ^- 40, wo allerdings nicht sehr beweisende Formen
mit -r- angeführt werden.
GESCHICHTE DER FRANZÖS. INFINITIVTYPEN. 8g
spttert 3. Pr. GE. 93; espcuj-t SB. (Bl.) 81, 5; 3. Perf, spuret espurit
(Umgestaltungen von porrexit) SB. 43,38, GE. 88; s. Mussafia, LGRPh.
1882, 103 f. Daneben //«Wi?/- di\i% porrigere, ind^va. porrigit '^ por-
rijit~^ puire den Anschlufs an la bewirkte {?). [propinatur : /örrz^//
RGl. 1049].
snrgere^ frz. sottrdre mufs im INIittelfrz. der Doublette surgir
Platz machen, wobei dann merkwürdige Bastardbildungen vor-
kommen: sourdir bei de la Bouthiere (1555), sourdissent 6. Pr. bei
Buffon. Die ungebräuchliche, veraltete Form sourd- galt offenbar
als die gewähltere, aber da man es nicht mehr zu konjugieren wufste,
versah man es mit den Endungen des neu eingedrungenen.
*colgere. Der Infinitv erscheint vielfach nach saillir, faillir
umgebildet, wozu die endungsbetonten Formen, namentlich auch
das Perf. den Anlafs bot. Die ursprüngliche Form blieb in zahl-
reichen Mundarten, des O. und N. namentlich, erhalten, INIL. II
§121; ferner Godefr. s. cucudre, acueiidre, rcctietidrc. Heute kör
Bourberain, kodr, aködr Verd.-Chal., kfiodr oder ködr Montbeliard,
Franche-Montagne, Sancey, koi wall. (St. Hubert u. s.), hä Namur,
r^küi Ardennen, ködr? IMons. Ferner küödr, ködr Cotes-du-Nord.^
mulgeo, vulgärlat. mulgere, davon moudre resp. 7noure, das sich
n nördlichen Mundarten erhalten hat,
Vokal -f c.
*Iuclre; {einex placere, tacere, nocere, jacere, durch lautliche Vor-
gänge Infinitive auf -ir besitzend, zeigen Neigung zu -r^-Infin.; die
ältesten Denkmäler kennen diesen Wandel noch nicht, und man
wird ihn deshalb in die historische Zeit verlegen dürfen; der Grund
ist eine Anbildung an faire, dtiire, construire^ eventuell dire, wobei
das Futurum eine Rolle gespielt haben mag; — dafs es sich wirk-
lich um Analogiebildungen handelt, ersieht man wohl am deutlich-
sten daraus, dafs jire aus jacere bedeutend später und örtlich be-
schränkt auftritt; es hatte eben kein genau entsprechendes Vorbild,
da es von lire, dire durch die Vokalisation des unbetonten Stammes
abwich.
Die Formen laire, plaire und desplaire treten zuerst gegen Ende
des 12. Jh. auf; der Chätelain de Coucy, Beneoit, Roman d'En^as
kennen sie bereits; die alten Formen bestehen in verbaler Kraft
bis ins 14. Jh. daneben. — In Gavache iaysd angelehnt an jiays?,
parayse, payse.
titäre, luire sind vielleicht ein klein wenig jünger, Eneas und
Beneoit bringen die ältesten Belege, liiisir hat sich im SW. ge-
halten: lüzi Stg., Gav., aufserdem §rlüyi Fouday (Lothr.). In Bour-
berain ist erst seit kurzem rlüzi durch rlür verdrängt.
loire (licere) kenne ich überhaupt nicht.2 Auf die von Burguy
u. a. angeführte Stelle im Rustebuef kann man sich nicht stützen,
^ Vgl. zu normannischem ködr: cuidre, acuidre in der Clef d'amour.
^ Unmöglich wäre es ja nicht, da entsprechende Futur- und Konditional-
formen bestehen.
gO E. HERZOG,
da das Gedicht nur durch eine Handschrift und in einer gerade
an jener Stelle vielfach verderbten und unverständlichen Gestalt
überliefert ist; knapp vor loire (im Reim) steht gloire, es kommt
noch die Möglichkeit einer Dittographie in dem höchst korrupt
überlieferten Vers hinzu (Ausgabe von Kressner i8o, 103). Auch
Belege für verbal gebrauchtes loüir fehlen mir, es mufs aber be-
standen haben, da es das Substantiv lieferte. Die einzige mir
untergekommene verbale Stelle ist loisoir GD. 61, 12; auch hier
könnte ein Textverderbnis, etwa Dittographie, zu Grunde liegen,
aber es wäre auch nicht unmöglich, dafs es als Hilfsverb sporadisch
einen andern Hilfsverben analogen Infinitiv gebildet hätte.
Wenn man von docere keine dem plaisir etc. entsprechende
Formen findet, so erklärt sich dies leicht aus dem frühen Zu-
saramenfall mit didre (ducere) in vielen Dialekten. Das heute in
den verschiedensten Gegenden 1 Frankreichs übliche düir^ teils =
„plaire" (wie schon im Altfrz.), teils = „maitriser" etc., kommt
wohl sicher von ducere (normannisch düir neben wöV).
jacere. Beispiele für gire Rsp. 52, Kr. 52 wohl durchaus dia-
lektisch, denn Meigret meint, die Formen j~i{s), ji{t) kämen „de
l'infinitiv jir inuzite". In modern lothring. Mundarten dzer mit
Varianten, Lüttich dsir, Malmcdy dyir.
Eine auf den ersten Blick auffallende Erscheinung ist prodüi
nach der Inchoativflexion neben dür = duire im Wallon. (Alten-
burg in 9). Das Wort ist Fremdwort aus dem Schriftfrz. Man gab
prodüir mit dem ungewohnten Diphthong durch zweisilbiges üi
wieder und dann lag die Auffassung als Inchoativ nahe.
cüi (coquere) in Ezy erklärt sich wohl aus Analogie nach *fiu
oder */>«/. bruir neben bridre Kr. 11.
Viel häufiger kommt der umgekehrte Fall vor: Die Gruppe
der Verba mit lautgesetzlichem uire zog einige Verba nach sich,
die ursprünglich u'ir hatten, das mit der Zeit diphthongisch
wurde; 2 die stamm betonten Formen des Präs. wiesen üi auf,
entweder ursprüngliches (fuit) oder durch Einsilbigwerden von
«V (inchoativ); z. B. mit, oder besonders deutlich bei dem im
Mfrz. aufgenommenen Lehnwort friür [fruys Yst. VII. s. 197 u. s.),
das sich in Ile d'EUe gehalten hat und dort früire lautet. Da kam
es dünn weiter nicht in Betracht, dafs die Stammesendkonso-
nanten der flexionsbetonten Formen verschieden waren [y, s — z).
Hieher gehört also von Stämmen mit:
1 Bessin, Vallee d'Yeres, St. Pol (hier veraltet), Rouchi, Gätinais, Viliers-
Saint-B^noit (Yonne), Morvan.
2 Dieser Diphthong selbst ist — obwohl lautgesetzlicli — schon ein
Zeichen des Einflusses der -uire -\Qxha.; d. h. hätte es keine solchen gegeben,
so wäre -uir durch den Einflufs der andern -/r -Verba davor bewahrt worden,
dem Lautgesetz folgend, einsilbig zu werden.
GESCHICHTE DER FRANZÖS. INFINlTiVTYPEN, QI
Vokal +^.
Vu\g'äT\at. /ugire [L. R. U. in der Z. V47; häufiger zX's, fuger e
bei Gregor v. T.; cedere \ fugire RGl. 378. Es erklärt sich durch
das vulgärlat. Perf. fügii, Part. Pf. ftigltu (effugivit, fugierunt Grg.)].
Im Mfrz. findet sich gemäfs dem oben Gesagten die Schreibung
fiiire 1, doch ist sie zu Gunsten der historischen Schreibung wieder
aufgegeben worden. Daher läfst sich in der Schriftsprache — aufser
durch die Einsilbigkeit (vgl. S. go Anm. 2) — der Einflufs der -uire-
Gruppe nicht erkennen, da ja alle -z>-Verba das feste r ange-
nommen haben. Anders in Dialekten, wo der Diphthong ui fallend
gewesen ist; hier ist die Analogie sehr deutlich: wall. yz7r; ebenso
im Norden der Franche-Comte'-^ Inf. für, Part. fü. Zu letzterem
vgl. fuire : avejüure LyY. 6g i, fuire : dure (dura) ebenda 1000.
Rsp. S. 12 nimmt für riiij-e und muirc einen ähnlichen Gang
an, gewifs mit Recht. Er bringt Belege für mmr (vgl. auch S. 102
— ein Beleg aus dem 14. Jh. bei Littr6 s. t)iugir), und auch für
nur finden sich in dem seither erschienenen siebenten Band von
Godefr. wenn auch späte Belege. Es geht dies wohl von inchoativ
flektierten Formen aus [ruissoieitt GD. 160, 20). So erklärt er ferner
eine Nebenform bru'ir hrou'ir von bruire. — riigir, ruigier sind
durch die Psalmenübersetzungen aufgekommene Fremdwörter; ähn-
lich wird auch mugir aus dem Lat. entlehnt sein. Ueber ptiire S. g5.
aiigeo; vulgärlat. adaugere ^ frz. aoire.
Vokal + qu.
sequere, frz. siuvre, jedoch mit einer Reihe -/;-- Formen. Zu-
nächst pikardisches, z. T. normannisches (?) sievir, sivir. Ich erkläre
mir die Formen als sehr frühe, vielleicht schon vulgärlateinische An-
lehnung an fugire, den begrifflichen Gegensatz. Die -//--Form
könnte ziemlich nach Süden gereicht haben {porshüir i2go in einer
Urkunde von Laon) und durch die poetische pikardische Littcratur
des 13. Jh. in die Ile-de-France gekommen sein, wo sie den
Dichtern des Reimes und Metrums wegen oft bequem sein mochte;
wir finden sie dort thatsächlich vom 14. — 16. Jh.3 sehr allgemein,
natürlich meist in der Form suivtr (wir sagen ebenso gut suivre
als suivtr, Meigr. iii). Eine spätere, aber sehr weit verbreitete
Anlehnung ist noch deutlicher: zw fuit \ fu'ir wird suii : su'ir ge-
bildet, um so leichter da der Infinitiv suivre sein v nach Analogie
von conduirc u. s. w. verlieren konnte {suire R. d. 1. viol.; suyrre Cl.
d' Am. 785; consuirre bei Godefr. s. consievre). Diese Form findet
sich sowohl im Osten {ensuir ?P 36; suir et fuir Dist. Cat. Z. XIX
88, 21), als im Norden (Geste de Liege s. Godefr. s. suir^, als im
Nordwesten (Aue. Nie. 24, 7), als im Westen (normannische Beisp.
1 Noch von Maupas (16 1 8) erwähnt, Kr. 39.
2 Le Puix, Giromagny, Montbeliard, Bournois, Sanccy, Franche-M.
3 Grammatiker kennen sie noch in der ersten Hälite des 17. Jh., Kr. 20.
92 E, HERZOG,
Godefr. s. v.), als im Centrum und in der allgemeinen Litteratur-
spracho (Eust. Desch. ; stiir : fuir Christ, de Pisan).
Die modernen Belege entsprechen diesen Thatsachcn. siuvir
mit dieser Vokalisation ist verschwunden, wie es überhaupt nur ein
Produkt der Litteratursprache zu sein scheint; bei süir, das —
namentlich in der Pikardie — häufig ist, läfst sich kaum ent-
scheiden, ob es sui{v)re oder sui?- entspricht (Vallee d'Yeres, St. Pol,
D6muin, Lille, Rouchi; ferner Berry, Franche-Comte); oft finden
sich Nebenformen mit erhaltener Labialis (Rouchi, St. Pol, Berry);
Alliancelles (Champ.) hat soy, das wohl sicher auf suir zurückgeht.
Wall, sür entspricht genau für. Schwer einzureihen ist Sfyr in
Aunis. sevi, r§sdvi neben ser, rfser in la Bresse scheint ein Ueber-
bleibsel von vulgärlat. seqtäre zu sein. In der Pikardie ist sievir
aufgegeben worden, lebt aber in einigen binnenländischen Strichen
der Norraandie als syövi (Joret, Melanges de phonet. norm. S. 49 f.).
Risop (ASNS 1894, S. 451) nimmt für pouj-suivre einen Infin.
poursuivoir an. Das halte ich nicht für rätlich; denn das einzige
Beispiel in Godefr. VI 3 1 1 porsuoir könnte ein Schreibfehler sein
(für porsuuir oder poisonh-); doch syövar nach habere etc. Bas-Maine.
Ein Wort noch verdient exsequi. Ich vermute das Wort in
lothr. essevir, pik. assevir mit Präfixtausch, „vollenden", 1 Vgl. die
Form esiivie Vie des peres u. a. Diesem Wort kam ein andres in
die Quere: assouvir, mit der Bedeutung „zufriedenstellen". Einen
Wunsch befriedigen, einem Befehl Genüge leisten war gleichbe-
deutend mit: einen Wunsch, einen Befehl ausführen, und thatsäch-
lich finden wir die beiden Wörter sehr häufig mit entsprechenden
Accusativen. Von der gegenseitigen Beeinflussung mag das Fol-
gende ein Bild geben.
I. assouvir. 2
I. Eigene Form: assouvir le desir de . . (Rusteb., B. Desperiers).
les granz gelees . . ., par P empeschemejit desquclles li talemelier de Paris
ne puisseiit assouvir la vilie de Paris (Livre des raet.). et ne sgaurois
estre assouvie de le veoir cent foys en une heure (Collerye). Aus
diesem Gebrauch baut sich der des heutigen assouvir auf.
1 Godefr. s. v. assovir, eschevir; Godefr. compl. s. asouvir; Littre s. as-
sowvir. Von hier sind die meisten Beispiele, die ich bringe.
^ Die Etymolof^ie des Wortes ist unklar. Dicz bekämpft, wie mir scheint
mit Recht, die von Körting wiederaufgestellte Etymologie *assopii-e (resp.
*assopucere); das Wort ist nirgends volkstümlich; die Bedeutungsentwicklung
hat Scliwierigkeiten, da sopire mehr zur Bedeutung „betäuben" hinneigt.
Aber assufficere, das er dafür vorschlägt, hat lautlich grofse Bedenken. Man
raüfstc annehmen, dafs esevir schon in früher Zeit den Wandel ^;>z' voll-
bracht hat, was wieder schwer zu glauben ist, da assouvir auf allen Gebieten
zu Hause ist. Könnte nicht assuescere ^ assuiscere mit bekannter v - Ent-
wicklung zu Grunde liegen? (jem. etwas zu einer gewohnten, erträglichen Sache
machen = befriedigen). Man müfste dann für assevir in derselben Bedeutimg
keinen Einflufs von exsequi annehmen (vgl. attenevir; inansevir neben man-
suir warnen [vielleicht von mansuescere einen zahm, milder gestimmt machen,
beschwichtigend auf ihn einreden (?)]).
GESCHICHTE DER FRANZÖS. INFINITIVTYPEN. 93
2. Fremde Form (? vgl. Anm.): jamais mes yeux ne verrat
aseuvts de regarder sa bele face (Coucy). 7nes cuers n'iert de joie
assevis: (Oudart de Lachen!). [Von einer Dame, der der Dichter
Liebesgenufs verdankt:] car du totit vi^a assevi et ravi (Eust. Desch.
B. Chr.6415,2).
IL exsequi.
1. Eigene Form: pcrseugrons ei Qssevirofis (Burg. Urk. 1292).
lor lache esuvie (Vie des peres). ?7tes dit votis en avons une grande
parlie et cnquore /erat tant que Vaie assievie (Gir. d'Am.). tex coni-
mence qui yie peut assevir (Sprichw.). assiverait et metrait a fin toutes
les perillouses aventures (St.-Graal). accomplir et de pomt en point
2ässeuvir (aus dem Jahre 1384).
2. Fremde Form: ü covienf que je asouvisse, ce que fai comencie
(St.-Graal). la tour assouvie (Wavrin). le livre est assouvi (Joinv.).
furent parfait et asso't (: o'i) (Mace de la Gh.). fox commence qui
ne peut assouvir (Sprichw. Gloss. de Joinv.). asovir et accomplir (1390).
assevi = assouvi („parfait").
Es scheint, dafs die Verwechslung zunächst im Inf., Perf. und
namentlich im Part. Perf. vor sich gegangen sei; Inchoativformen
wie asevisse etc. („vollenden") finden sich nicht, wohl aber solche
mit o[u). Im spätem Mittelalter findet sich für assouvir auch assou-
fir{e) unter Einflufs von soufir{e), das ja in der Bedeutung asouvir
ziemlich nahe stand. Und auch hier finden sich Beispiele von der
Bedeutung „vollenden": leiirs oeuvres assoufirent (Jean Le Maire).
Vielleicht hat sogar noch anderes mitgewirkt. So findet sich die
Schreibung acevir (in den Loher.). Das braucht keinen lautlichen
Grund zu haben, sondern falsche Etymologisierung könnte einen
Zusammenhang mit achever, achevir gesucht haben. Nun kommt
aber einigemal assever (I. Konjug.) vor und zwar in der Bedeutung
„unterwerfen" (dieselbe Bedeutung weist auch einigemal assouvir
auf: sie konnte sich aus der Bedeutung „vollenden, zu Ende
bringen" entwickelt haben). Da ist es nun höchst wahrscheinlich,
dafs achever, das ja häufig dieselbe Bedeutung hat, einwirkte. —
Einmal findet sich auch das Simplex souvi bei Christ, de Pisan in
der Bedeutung „satisfait".
Vokal + ^, /.
cado, sedeo, video. Hier begegnen die Infinitive ka'ir, ve'ir, se'ir
im wallonisch -pikardischen Gebiet, wo ich sie für laut-
gesetzliche Umbildungen von kaoir, seoir, veoir (Schwund des 0
oder vielleicht noch des e im Hiatus) halte.' ka'ir ferner gehört
auch einem Teil des Norm, seit alten Zeiten an, doch ist dieses
norm, kair vielleicht nicht lautgesetzlich, sondern erst vom Perf. ca'i
aus gebildet; vetr findet sich ebenfalls im Norm, und könnte eine
Umbildung nach oir sein, da mir wenigstens Belege von norm, seir
1 Vgl. Colin, Suffixw. 225,
94 E. HERZOG,
nicht untergekommen sind. Doch sind die Beispiele für ve'ir mit
Ausnahme von Karls R. 442, wo veer steht, ve'ir aber durch die
Assonanz verlangt wird, nicht beweisend. Die Formen ka'ir, ve'ir,
se'ir gehören vielleicht auch einem Teil der Champagne an oder
drangen zur Zeit des pikardischen Einflusses dahin, da sie Dichtern
bequeme Reime ermöglichten. Vgl, Rusteb. 241,861; Suchier Z.
IV 418; Alton Cl. u. L. 859, Nun die Details:
cadere. Wall, cheir neben chaoir in GD., heute isai Lüttich,
kei (neben k§r kontrahiert aus ca'ir unter Einflufs der -r^-Verba)
Mons u. s. — Pik. kair in Huon de Bord., Jul. C6s., Jean de Conde,
auch Garnier de Pont-Sainte-Maxence (: gesir), vielen pikardischen
Urkunden etc. Heute keir Maretz (b. Cambrai), Demuin, Rouchi,
dann mit ai'^ § unter Einwirkung der -r^-Verba ek§r in Ddmuin
(neben keir), §rker k§r neben keir in Lille, St. Omer und auch sonst,
ker Sissy. — Norm, sicher einmal die -zr-Form (neben dreimaligem
-eii) in Rol. (2034), chair : venir Lais d. Marie d. Fr. 2^2, 686. Auch
im Angionorm, acair '. tenir Jos. 17, che'ir FFW. 41. Doch findet
sich -eir überall häufiger; heute läfst sich nichts mehr erkennen:
s§ (neben sava) Souvign6 (Ille-et-Vil.), se Montjean (Mayenne), ke
Bessin, Val de Saire und mit Beeinflussung der -r^-Verba k§r,
kann aus kair (sair) und aus caer entstanden sein. Im Lothrin-
gischen sind -zV-Infinitive nicht vorhanden. Auf die Chans, des
Loher. darf man sich — abgesehen von der Frage der Lokalisie-
rung — nicht berufen, da hier die Notwendigkeit der vielen -z'-Reime
leicht zur Aufnahme fremder Formen führen konnte. In heutigen
Mundarten finden wir -ir nicht: höchstens Sfy in Gerbdpal, wo
jedoch eine ganz moderne Analogiebildung zu Grunde liegen kann
(vielleicht nach la: vgl. s^y [secare]). Auch Sfr Besanc^on kann
auf älterem sofr beruhen oder Analogiebildung nach /"fr etc. sein.
Die südwestlichen Dialekte haben Sfr, sör, stir.
seder e. Wallon. seir porseir in GD. kontrahiert in assir 119, i;
122,2. So lautet es auch heutzutage (nicht lautgesetzlich, sondern
analogisch [vgl. vetr'] nach dir [dir : di (Pt.) = asir : öj/]). — Pik. se'ir
Huon de Bord., Nouv. frc^ss. du XIIl^ s. 154, (: venir) Bast. Buill. 502.
daneben schon assir in Urkunden von 1287, 145 1, sir Adam de
la Halle, Th. frg. au m. ä. 67, Heute allgemein asir, asir, hier
lautgesetzlich. — Norm, assire in einer Urkunde des Dep. Maine-
et- Loire; heute asir in der binnenländischen Normandie (z. B.
Alenc^on) weit verbreitet, während die seewärts gelegenen Teile seer
festzuhalten scheinen (Mesnil-Auzouf ase? wie vei). Dieses asir3,
das sich auf viel weiterem Gebiet findet als -e'ir, geht wohl nicht
auf ase'ir zurück, sondern nach dire u. a. vom Perf. und Part. Pf. —
Es findet sich westlich von Paris, in der Pariser Volkssprache selbst
(Rdp. VIII86), ferner im Sw.: Anjou, Ile d'Elle, Aunis, Poitou,
Saintonge. asyer Bessin, St. Jannin (dort neben asir) u. s. sind
wohl nach /er pler von i. — 3. Sg. asye gebildet (ebenso asieyr la
Hague), asye Guernesey, Val de Saire weitere Umgestaltungen nach
I (a). sidrs in Berry beruht wohl auf sird, und das -drd ist die aus
GESCHICHTE DER FRANZÖS. INFINITIVTYPEN. 95
sudr9, viudr9, prädr?, s§dr? abstrahierte Infinitivendung, vgl. ML. II
S. 157 {södr3 auch in Franche Montagne). asislr neben asir (nach
Inchoativen?) im Bourbonnais.
videre. Wall, ve'ir GD. Daraus in Lüttich v^yi, v§y, letztere
Form in St. Hubert, Malmedy, Nassogne, vöy in Hannut, Bonnine-
lez-Namur, väy Verviers. — rüveyi (scheinbar I a) in Stavelot nach
RdPGR. II 91, vielleicht nach envoyer. Pik. vei'r, heute vir von
Mons bis Vall6e d'Yeres. — Norm, ve'ir Brut 10023, porveir : ve'ir
RdeRou II 703 können bequeme Schreibungen für veeir sein.^ Heute
keine Spur von -ir.
audire > oir hat frühzeitig seine Formen, von oy : voy (i. Pr.),
oye : voye (Konj.) aus, nach voir umgestaltet. Heute neben laut-
gesetzlichem oy in Lüttich ör in Anlehnung formell an klgr, begriff-
lich an dir — weiterhin an die ganze ^°^-r^-Klasse.
Umgekehrt scheint claudo dem Einflufs von o'ir in Poitou aus-
gesetzt gewesen zu sein. Inf. = Part, eklui. Von da aus scheint
es denn zur Inchoativflexion verleitet worden zu sein, wenigstens
im Part. Praes. (vgl. S. 86). Doch behält es sein j-- Perfekt ekiozi
(Lal. XXXIV).
Auch hair wurde im Wall, in die -r^-Klasse gezogen: her
Lüttich, her Malmddy nach fer ler wegen i. Praes. le : he.
Schon vulgärlat. der -F;r-Klasse gehört foir, joir an [fodlre
Inventio s. crucis ed. Holder). Statt födit wird man vulgärlat. /w/«/
gebildet haben; fod'itwn folgte; dann fodire. Aehnlich gaudere, wo
für das fehlende Perf. audio das Muster abgeben konnte, -Kört.
Formenb. 254.
potere. Das von Görl. VII 61 erwähnte poir einer bürg. Urk.
ist wohl sicher nur bequeme Schreibung, s. die Anm.; doch vgl.
Kirsch in der S. 88 Anm. 3 erwähnten Schrift (S. 58). La Plague
puvi, pui nach dem seinerseits analogischen vuli.
puir wurde wie fuir behandelt, indem sich bei Watriquet ver-
einzelt piiire fidet (Rsp. a. a. O.).
Bei den Verben mit erhaltenem / und d im Stamraschlufs
kann man ganz allgemein eine Neigung zur Annahme des -rt'-Inf.
konstatieren.
Konsonant -(- /.
poenitere. Frühzeitig repen{e)iire wegen incniire^ sentire (vgl. Perf.
penetivit Form. Senon. 223, 3). Im Lothringischen finden sich Formen,
die auf repentere zurückzugehen scheinen; da jedoch im Frz. alte
Belege dafür nicht zu erbringen sind — was allerdings nicht zu
viel beweist 2 — , so könnte man immerhin mit Ilorning moderne
Neubildung nach defal etc. drin sehen. rapäi Falkenberg, rpft
Blancherupt (neben rpfti), St. Blaise la Roche, Klein -Rumbach
(starkes Part, rspf), Gerardmer, la Bresse, St. Amc (neben rsp^ti),
1 Wie wohl sicher die Imperfektform poyt etc. für pooit, Görl. V 81.
"^ Jedoch repentir im Dial. an. et rat. XXIII 13.
9 6 E. HERZOG,
rpot, rpet Urim6nil, r?pat La Baroche. Starkes Part, kommt auch
in Fouday vor.
Bei set (sentire) Urimenil mag altes sentere zu Grunde liegen.
Godefr. bietet wenigstens einen Beleg für altes coitsenire.
gluitio. gloiäir samt Kompos. III b im Norden (nach fouire) :
engloire GDj. 360, 19, rengloutre : outre Baud. de Cond6, ferner das
von Rsp. beigebrachte eng/outre im Watriquet. Einfaches glout7'e
scheint nicht vorzukommen, wie überhaupt unter sonst gleichen
Umständen das zusammengesetzte, mehrsilbige Wort mehr zur -7'e-
Konjugation zu inklinieren scheint als das einfache. Vgl. oben die
verschiedene Ausdehnung von repetitre und sentre; ferner SB., wo
es blofs plaisir heifst, wohl aber desplaire (35, 5); vgl. auch aveindre
gegenüber veindre.
vestio. vestre namentlich im Süden, vitr Berry, Stge., Morv.,
rdvitr3 Ile d'Elle, s3 davltr Fresny, Courson (Yonne), devitr Morv.
Das von Risop zitierte desvestoir wäre sehr auffällig, ist aber
in Wirklichkeit nie vorhanden gewesen. Die einzige Stelle, an
der es vorkommt, steht bei Coucy im Reim auf veoir. Der pik.
Dichter hatte offenbar zunächst ve'ir : desves/i'r geschrieben. Bei der
Umschrift in weniger dialektisch gefärbte Sprache wurde vei'r durch
veoi'r ersetzt. Um dann den Reim herzustellen, mufste im nächsten
Vers natürlich desvestoh- geschrieben werden.
verto. v§rtr3 mit eigentümlichem Bedeutungswandel! in Aunis.
Sonst nur vertir nach pariir, sortir.
Konsonant -f- d.
iondere, respondere, ^mordere vulgärlat.
Vulgärlat. resple^tdere, frz. resplendre. Zwei Beispiele bei Godefr.
s. V., eines bei Risop 15, ferner resplaiidre GE. 73 vom Schreiber
in resplandir umgeändert. Ein Beweis der früheren Existenz dieses
Infinitivs und dafür, dafs man nicht erst neue Analogie nach prendre
annehmen mufs, bietet die 3. Perf. resplendied OW 117, 25, da -ied
sonst nur bei Verben der III b. vorkommt. Daneben oft resplendir
aus ^resplendiscere statt rcspJendescere [spl. RGl. 277) [gegen gelehrten
Ursprung spricht die Thatsache, dafs resplendcre äufserst selten ist.
Ferner die Glossen viica7-e : splendescere RGl. 277, nüetttes : sple7identes
RGl. 402].
refidre (laufen) und aprofondre durch Einmischung von rendre
(reddere), fondre Rsp. S. 15. Zwei neue Beispiele für rendre bei
Godefr. s. v. — grondre und groindre nach fondre und oindre. Von
letzterem gr^d Bessin, von ersterem grddr La Hague Rsp. S. 14.
ardere >> ardoir. Da aber espardre, weiterhin die ganze -rdre-
Gruppe diesem vereinzelten III a- Infinitiv gegenüberstand, bald
Uebergang zur -r^-Klasse und, wie es scheint, auf dem ganzen
1 il ne peut se vertre (von einem Kranken) = il ne peut pas se remuer,
il ne p. p. s'aider, s. E. Meyer, Glossaire de 1' Aunis S. 109. Ob vertir inchoat.
= suffire auch hieher gehört, ist mir zweifelhaft.
GESCHICHTE DER FRANZÖS. INFINITIVTYPEN, 97
Gebiet mit Ausnahme der Pikardie. — Lothr. ardre GE. 2 2. —
Wall, alte Beispiele fehlen mir. — Modern: Lüttich üt\ — Pik.
verhältnismäfsig junge Beispiele für ardoir Jb. XIV 251. — Norm,
hier das älteste Beispiel für ardre QL. II 172, ferner AN.: Hörn
CH. 2087 ardre. ardre ist ferner die gemein frz. Form des XV.,
XVI. Jh. (Meigr. 119, 35), woneben allerdings noch ardoir fortbesteht
(VII s. 14, 12 v.u.). Schriftfrz. arder, das die Wörterbücher an-
geben, ist mir nicht begegnet, jedoch in Dialekten, Z. XXIII 374.
Konsonant -j-/».
riwipo. roinpre^ das einzige Verbum nach III b, findet sich
mit -z>--lnf., wie Rsp. annimmt (S. 22), nach dem Perf. Die Bei-
spiele sind sehr vereinzelt, entrerumpir GD. 371, 22 könnte auch
gelehrt sein.
carpir, wohl nicht gelehrt, da term. techn. der Weberei, mit
Kompos. Könnte auf carpiscere beruhen, da nur inchoativ. — Nur
im Norden.
cospno. Für altfrz. {e)scopir eine Erklärung in ML. II S. 146.
Ob es inchoativ war oder nicht, kann ich nicht entscheiden. Heute
ekopi Val de Saire inchoativ.
Vokal +/>, b, V.
Die Komposita von capto (auch capio selbst, wenn es bestanden
hat, chevoir : estouvoi'r Gl. et L. 20294. — Ferner für capto nur noch
die von der Kritik sehr bestrittene Stelle ceu Dial. an. et rat.j vgl.
Foerster Z. I 398 und Suchier Z. I 556) nehmen im pik.-champ.
Gebiet im 12. Jh. die Infinitivendung der III a. an. Formelle An-
lehnung an devoir, moitevoir, begriffliche und formelle von recevoir
an ersteres und avoir, von concevoir an savoir können als Gründe
des Wandels angegeben werden. 1 Derselbe wird sich z. T. auch
auf die Normandie erstreckt haben. Im Rol. finden wir noch
receivre (11 78), ebenso QL., Benoit, Brut, Eneas, Urkunden etc.
Die Lais der Marie de Fr. dagegen zeigen einerseits receveir : aveir
4, 51; aparceveir : aveir 5, 65; id. : poeir 116, 74; andrerseits deceivre
: beivre 120,186, Der RdeRou hat zweimal receveir, zweimal apar-
ceveir neben dreimaligem receivre, zeigt aber an der einzigen Stelle,
wo metrisch beides möglich wäre, receivre (III 5703); receveir : de-
ceveir Ben. I 1679, Das eigentliche Anglonormannische hatte ur-
sprünglich, wie es scheint, blofs -ceivre: deceivre Jos, 918, (: beivre)
963, receivere R, XIII 522, receivre : beivre Reimpred, Anh. 15 f., re-
ceyvre FFW. 51, 53, Die heutigen Dialekte zeigen dasselbe
Schwanken: Bessin rssör und ap§rsör, woneben rhve ap§rs3v^ den
Eindruck nicht ganz volkstümlicher Formen machen; sicher fremd
ist kdsve. Aber Eure zeigt rsüve, Mesnil-Auzouf §rseve ap(rs§vc,
1 Liegt die Wandlung noch viel weiter zurück , als die Belege nach-
weisen, in eine Zeit, wo das Simplex noch gang und gäbe war, so wäre die
formelle Anlehnung an avoir, savoir noch viel leichter zu begreifen,
Zeitschr. t rom. Phil. XXIV. 7
98 E. HERZOG,
Hantot-Saint-Sulpice rs^ve, La Hague rehvae. Es scheint, dafs auch
in Gegenden, wo receivre volkstümlich war, die Dichter die Doppel-
gestalt der Formen zu ihrer Bequemlichkeit benutzt haben und so
zur Verbreitung von receveü' beigetragen haben, eine Form, die ja
um so leichter aufgenommen werden konnte, als sie bald den An-
schein eines gewöhnlichen Infinitivs der I. Konj. erwecken mufste.
Auch noch in Paris scheint -oivre das eigentlich Volkstümliche zu
sein: r?suavr? Nisard 236. Andrerseits sind die Formen der III b.
gewifs auch gerne in der pikardischen Dichtersprache verwendet
worden, s. die Belege bei Burg, aus Rom. de la viol. und Rom. de
Mahom., ferner auch Jacot de For. (Jehan de Tuim's Ces. 103, 16;
159,3). Heute jedoch blofs -oir: apersevue ziemlich allgemein;
femer rs3vuer Sissy, persevuar D6muin. Abgesehen wurde dabei
vom Hennegau, der in dieser Beziehung dieselben Verhältnisse
aufweist wie das wallon. Sprachgebiet {decoivre : apercoivre Jeh. de
Conde To. VII 343, neben decevoir: voir ebd. VII 350, recevoir: re-
movoir VII 437). In diesem läfst sich nämlich die eigentlich volks-
tümliche Form nach den mittelalterlichen Litteraturwerken gar nicht
entscheiden: rezoyvre GD, dezoivre GDj. 302,32. 304, 19. 20 neben
decivoir GDj. 302,36, concivoir GDj. 331, 14, recivoir im PM. und
zwar im Reim 296a, 415 b, 531 d, am Reihenschlufs I73d, während
an einer Stelle mitten im Vers, wo metrisch ebensogut recivoir
stehen könnte, r^zc/z^r^ sich findet 141b. Lüttichisch aparsür kdsür
risür gehen wohl von i. — 3. Praes. aus, rsslr in St. Hubert ist wahr-
scheinlich Analogiebildung nach asJr, dir (spinta analogica?). Sicher
können wir für das lothring. oivre als volkstümlich in Anspruch
nehmen: aperceoivre, receoivre, deceoivre GE., aperzoivre, rezoivre, de-
zoivre SB., recevre Dial. an. et rat. XXXV 11. — Dann ressoivre
?P 5, I, aber apercevoir ^"5, i, XVI, decevoir ?P 5, 10. 13, 3. 46, 14.
139,4 in einem Denkmal, das auch sonst schriftfrz. Formen bringt.
Dies im Verein mit den modernen Formen rdsy'ör Remilly, r^sör
Landrofif, ähnlich Amanweiler, r{d)sür Moselquellgebiet, Urim6nil,
Ban de la Roche weist darauf hin, dafs die volkstümliche Entwick-
lung bei -oivre geblieben ist, das jedoch nur regoivre sich gerettet
hat, die andern verloren gingen und durch zentralfrz. Formen er-
setzt wurden, vgl. kostier Urimenil aus frz. coiic'voir, wie übrigens
auch recevoir in Vagney (erspvo^r), Ornes [bei Verdun] {rspuqr),
Lun^ville [rpspvoa), Melisey {rfsfufr) aus dem Schriftfrz. stammen.
frsir in Neuweiler ist von frsi, dem lautgesetzlich so entwickelten
Partizip, beeinflufst. Im Burgund. scheinen ähnlich verworrene
Zustände zu herrschen wie im Norm, dcgoivre : mentoivre LyY. 1360,
porcevre Burg. Urk. Görl. Fr. St. VII 59, aber resevoir : savoir LyY.
1583, recevoir Nouv. frc^ss du XIII. s. 72. — rdsüdrd, rssödr? Mont-
b^liard, rpsidr Sancey, aber rsövo Bourberain, rssavua Baume-les-
Dames. Aehnlich im Bourbonnais rasevr?, aparseyvrd und aparsveyr.
Für den SW. endlich wieder -evre. aparcear (Deux-Sevres) [neben
aver'l scheint Fremdwort aus der Schriftsprache zu sein, aber rssevra
Poitou, Gav. du Sud.
GESCHICHTE DER FRANZÖS. INFINITIVTYPEN. QQ
An drei verschiedenen Stellen wurde sogar devoir in die -oi{v)re-
Klasse gezogen.^ Die i. — 3. Pr. Ind. doa hat analogisch den Abfall
des V von d{d)voa nach di : dir bewirkt. Besonders deutlich ist
dies in Lüttich: Infin. dör und dvor, i. — 3. dö. Nicht verschieden
davon wird wohl auch im SW. dör (Vienne, Arr. du Civray; Deux-
Sevres, Arr. de Mille) und im NW. doar („Schulden haben" in Vall6e
d'Yeres) zu erklären sein.
Aufs engste mit den Schicksalen der -f^zbr^- Gruppe ist das
Verb Ttietilevoir verbunden. Nach meritevez (mente + habetis) = de-
cevez etc. dann mentoi[f), mentois, menioii. Spuren des ursprüng-
lichen -evoir finden wir in den Dist. Cat. Z. XIX 87 {rammitevoir)
[dagegen ramentoyvre SB. 53, 13] und vielleicht im AN. amanttver
(Th. Cantb.), während sich sonst der Infin. aufs genaueste an die
Kompos. von capere anschliefst: ame?iteivre : receivre Ben. 10739
neben amanieveir I 1364 etc. Heute in der Pikardie überall ra-
mätevoar etc. (ebenso Vallee d'Yeres). ramantoivre neben -evoir bei
Ruteb., der für die Kompos. von capere — wohl nur zufällig —
blofs evoir hat.
7novere > movoir. muevre nach pluevre, weiterhin nach boivre^
degoivre in Burg., Lothr., Champ., östl. Pikardie, nicht aber, wie es
scheint, wallonisch: movoir GD. 11, 13. 23, 16 u. a. — Beispiele:
muevre : huevre LyY. 2o8'6, esmuevre : coluevre LyY. 588 (movoir
jedoch in Nouv. frgss du XIII. s. 60).
muevre GE. 82 (zweimal), 83; SB. 51, 28; reynuevre SB. 138, Z"^,
muevre : oeuvre Ruteb. II 216 (Jub,); Aub. 2456.
esmuevre Jacots Jul. Ges. S. 25 zu 3; moevre, tnueuvre Gillon le
Muisit; miovre Perceval ms. Mons; remuevre Guill. Pal. 6836, jedoch
reniouvoir : recevoir Jeh. de Conde ed. To. VIII 438, was nach dem
früher (bei -cevoir etc.) Gesagten nicht wunder nimmt.
Moderne Belege sind selten, entsprechen aber in der geo-
graphischen Lage der oben angeführten Verteilung: mur Hennegau,
hmör (exm.) la Bresse, emödr Franche-Montagne (unter Einflufs von
mödr = meiere, womit die stammbetonten Formen gleich waren).
movir^ das Burg, aus Villeh. 470c beibringt, wird wohl Lehn-
wort aus lat. movere sein.
Vulgärlat. />/oz'?/'i?. Die ursprünglichen Formen nach Illb finden
sich im ganzen Osten. Alte Belege für den Infin. waren der
Natur des Verbums entsprechend nicht aufzutreiben, pyor, pyör,
Montbel. pyäür, Sancey, Charmoille u. a. jurassische Patois pyövr,
Bourber. pyiJv, Clairv. plör und plöv, Berry. pyur Schirmeck -la-
Broque, pyür Landremont, pyuv Altweiler, pyör Urim^nil, Rexingen,
Sablon, Augny, Remilly, plür Landroff, pltir St. Hub., plür Lüttich,
Seraing, Malm6dy, Aber auch im Westen findet sich vereinzelt
III b erhalten, trotz pluveir RdeRou III 6404, plör? Gav. du Sud,
pl'ör Bessin, pl'ör Val de Saire, plädr (geschrieben plendre) Port-
Saint-Jean-sur-la-Rance (nach grddrl), was allerdings auch Neu-
7*
lOO E. HERZOG,
bildungen sein könnten.^ Dagegen hat die Pikardie (ebenso Vallee
d'Yeres) und das Zentrum -oir. Wir haben darin eine Anlehnung
an das andere Impersonal estouvoir, eventuell an vionvoir zu sehen.
Einzelne -/r-Formen in den Vogesen. pyoui la Baroche, Neu-
weiler, Klein -Rumbach, pyid Altweiler (neben pyuv), la Poutroie.
Ferner pytivir in Guernesey. Was der Anlafs war, kann ich nicht
finden.
sapio. ser neben sauo in Remilly nach dever, ler von i. —
3. Praes.
vivere. Um die östlichen Formen zu erklären, müssen wir
zunächst vom Perfekt sprechen. Man hat dasselbe {vesqiä) von
lateinisch vixi ableiten wollen, und zwar Entlehnung durch die
Kirche. Es wäre aber doch auffällig, dafs zu einem derart volks-
tümlichen Wort, wie vivre, das Perf. Lehnwort sei. — Auf evaiioidr,
engenuir darf man sich nicht berufen, im Gegenteil sie zeigen, wie
wenig Gefühl man für die eigentliche Bedeutung der lat. Formen
hatte : es sind frz. Wörter, die auf einzelne lat. Formen aufgebaut
sind, vesqtd wäre umgekehrt eine lat. Form, die zu einem frz.
volkstümlichen Wort getreten ist — dabei ist ja vixi kein so be-
sonders häufig gebrauchtes oder auffälliges Wort, dafs man es
ohne weiteres in die Sprache aufnimmt und eine ganze Konjugation
darauf aufbaut. Eher mag Körting recht haben, der vesqui nach
nasqid annimmt. Es läfst sich auch vesquit schwer von benesqtdt,
nasqidi trennen, und letzteres wenigstens kann doch nicht auf lat.
naxit zurückgehen, sondern ist deutlich nascidt und genau dieselbe
Bildung wie vainquit, ferner prov. irasquet, tesquei, esquet, also
gröfstenteils Inchoativa oder Verba, die v.'ie solche aussehen. Wir
können annehmen, dafs auf gallischem Gebiet vixit zu Grunde ge-
gangen war; in der That ist es ziemlich entbehrlich, da das Wort
seiner Bedeutung nach eher im Imperf. verwendet werden wird.
Nun gab es das inchoat. rtviviscere, das nach romanischer Sprach-
gewohnheit zu *reviscere werden mufste. Dieses bildete analog mit
nascere, vincere ein Perf. revisctd — denn hier war ein Perf. nötig.
Daraus revesqui, im Osten mit Dissimilation ravesqui, entsprechend
das Part, revescii, ravescu. Der Infin. des Verbums ist als revestre
bei Godefr. belegt, allerdings im AN. und erst im J. 1304. Aber
er kann ja nicht aus der Luft gegriffen sein; das Wort war wahr-
scheinlich früh veraltet und hat sich hier als Rechtsausdruck ge-
halten. Auch revesqidr, das das ganz genaue Gegenstück zu
vainqui?-, Jiasqidr, beneesquir bietet, findet sich einmal bei Deguile-
ville (s. Godefr.). — Da nun bald revivere an die Stelle von *re-
viscere trat, mufste revesqui das fehlende Perf. ersetzen, ebenso war
revescu Part. Nun war es natürlich sehr leicht vesqui und vescu
zu sagen, wenn man von vivere einmal Perf. oder Part, brauchte,
zumal da man von naistre — nasqid her gewohnt war, eine grofse
Formverschiedenheit des -j^-Perf. vom Präsens zu empfinden. —
^ Für letzteres spricht pl'ör neben pl'övae la Hague.
GESCHICHTE DER FRANZOS. INFINITIVTYPEN. lO I
Im Osten geht die Sache noch weiter, indem sk auch in die
Präsensformen dringt. So finden wir nicht nur raviscons GE. 57,
raviskissent 6. Pr. SB. 114,25, sondern auch veskivet SB. 114, 25,
viscons GE. 81, viskant ebenda 66.
Das Wort hat also hier die Inchoativflexion angenommen,
während es im Wallon. I folgt, vielleicht wegen vesciä : esiiit, da
lautliche und begriffliche Aehnlichkeit vorhanden war. Beisp. für
das Wallon. Z. VII 54; ferner vescat GDj. 299, 26 (aber daneben
veskttGD. 355, 24) — jedoch auch ein Part, nach der a-Konj. visheit
GD. 355, 40. Heute finden wir entsprechend vike und veki — an
vielen Orten besteht noch ravike, rdveki — und zwar derart, dafs
die cr^-Konj. in Lüttich, Verviers, St. Hubert, Hannut zu Hause
ist, andrerseits im südlichen Lothringen: Moselquellgebiet, la Ba-
roche, la Bresse, Urimenil (hier, ferner in Framont, Alt-jNIünsteroI
auch vif, vivr), Val d'Ajol, während das Gebiet südlich und süd-
westlich von Lüttich bis herab in das nördliche Lothringen viki
aufweist, vike ferner reicht auch noch etwas nach Westen, es
findet sich in Yonne, ferner in Morvan. — In einigen Fällen findet
sich auch la, wahrscheinlich durch sekundäre Palatalisierung nach k.
reviskier in der Vie St. Agnes bei Godefr., vik^i in Malmedy, ferner
vike in Ramonschamp (I a oder §, II i), Part, rattfk'ye Les Oranges.
Interessant mag ferner noch sein, dafs vpki (Inf.) auch im
Westen vorkommt, in Perche; vgl. Küppers, Ueber die Volkssprache
des 13. Jh. in Calvados und Orne etc., Halle 1889, S. 52. Vielleicht
auch in Anjou, Memoires de la societe academique de Maine et
Loire XXXVI S. 553. veki bei Dottin, Gl. du Bas-Maine.
Verba auf /, /'.
valeo im Quellgebiet der Mosel zu Illb übergegangen, vor
Adam S. 159, wohl von den Präsensformen i. — 3. Sg.
vali nach fali in Val de Saire, la Hague, dazu Fut. vaillira
Moisy, Dict. S. 651. Andere -2r-F0rmenJbRPh.il 153 nz-ckv fallir.
fallo. faillir wohl nach saillir. Für das unpersönliche faul
falloir in Anlehnung einerseits an valoir chaloir, andrerseits an die
Auxiliaria. Jedoch noch fali in der Bedeutung „falloir" in Val de
Saire. Einzelne Beispiele für f andre (nach soudre u. a. unter Mit-
wirkung des Fut.) bei Godefr, s. v. und Risop 9 ; heute in Mesnay.
assaudre u. s. w. auf dieselbe Weise gebildet. Beispiele wieder
bei Rsp. und Godefr. s. Iressaiidre; ebenso für batidre statt haillir.
Weiter verbreitet ist houdre für bouillir, weil direktere Nach-
bildung von moudre, soudre möglich war — bur, budr allgemein in
Burg, und Champ.^ Schon in älterer Zeit finden wir boiidre, esboudre
durch Reim gesichert bei Guiart, und Meigret sagt, der Infinitiv
bcmdre n'^t pas du tout habandon6 de l'uzaje 112,22. Auch im
Normann. findet sich III b: buidro in Sainte-Marie-Outre-l'Eau.
coudre, queudre S. 89.
* Verd.-Chal., Morvan, Yonne, Clairvaux u. s. Rdp. IV 126.
I02 E. HERZOG,
Den umgekehrten Weg schlägt hie und da moler e ein: einmal
molir und einmal mit Dissimilation muirir (?) in pikardischen Ur-
kunden von 1448 und 1240 bei Godefr. Ob es wirklich pikardisch
ist, läfst sich nicht sagen; die Sätze, in denen die Formen vor-
kommen und die bei Godefr. mitabgedruckt sind, weisen keinerlei
dialektische Färbung auf. Heute kommt neben vior m'ör nur m'öle
vor (Denom. zu meide), moli dagegen findet sich in Raon-sur-Plaine
(Lothr.) Hörn. Fr. St. V 524.
tollo seit den frühesten Zeiten tollir (wohl nach houllir, weiter-
hin salli)') [bereits in Eulalia]; nach Kört, hätte auch das gleich-
bedeutende saisir mitgewirkt. Daneben hat sich lollere in toldre
gehalten (oder neugebildet?) und findet sich auf pik.-champ.-burg.
Gebiet {toldre Ph. M. 29936, Desch. 26g; todre LyY. 1760; Palsgrave
erwähnt noch toiddre Kr. 60; ferner die Beisp. im Godefr.), vielleicht
auch im Normann. (ein Beisp. bei Wace). Auch toloir nach voloir,
oloir, doloir bei Christ, de P. und wohl auch sonst.
doloir — wieder einmal doiidre belegt Godefr.
Etwas häufiger findet sich dolir nach tollir Romvart 429, 2;
in der Handschrift V des Petit plet für doleir', einmal bei Rob. v.
Blois und in einer bürg. Urkunde von 1322.
heute noch deluar im SW.
oloir. Ein Beispiel für olir Ben. Troie, s. Godefr. V 593.
volare vulgärlat. zu voloir. vodr? neben vdle heute in Poitou.
vuli in Val de Saire, la Hague, wo auch suli (nach fali — vali').
«-Stämme.
Bei Verben, deren Stamm auf n endet, können wir wieder
ganz allgemein einen Hang zur Annahme der -ri?-Form bemerken.
maneo > inanoir, vielfach inaindre, zuerst im normannischen
Gebiet (seit der zweiten Hälfte des 12. Jh.) QL., CW.y En., Ben.,
remaindre und re?naneir RdeRou. Ferner auch in zentralen Mund-
arten nib neben III a: Ruteb. (neben manoir), Escanor, RdelaRose.
— Es ist eine Analogiebildung nach plaindre etc. Der Norden
und Osten scheint diese Form nicht gekannt zu haben, und ganz
vereinzelte Fälle wie mainre 'F. 8, 5 sind wohl erst Nachbildungen
der fremden Form. In der Pikardie kommen ebenfalls einige Bei-
spiele vor, aber es ist charakteristisch, dafs von den bei Behrens
Fr. St. III 368 aufgeführten fünf alle des Metrums oder Reimes
wegen nicht durch manoir ersetzbar sind. Palsgrave kennt remanoyr
noch als veraltete Form, „remaindre is nowe in use" Kr. 67. Im
Norden finden wir II: partnanir GD. 300, 2. 346, ig nach ve7tir,
tenir, heute rsmatti, dimani Lüttich, dmqni Malmedy. Dann im
Süden remanir Chron. Saint. 18, Ps.T. 311,2. 314,1. 311,7, wo
der weniger mundartlich gefärbte Codex 124 entweder in remaner
oder in remaindre ausweicht; vgl. remanir Altfrz. Prosaleg. M 54, 19,
— Andere Beispiele Rsp. 52.
Allgemein ist der Uebergang zu III b bei suhmonere, dem bei-
nahe in allen Formen gleichgebautes pondre zur Seite stand, so-
GESCHICHTE DER FRANZÖS, INFINITIVTYPEN. IO3
mondre schon Alex. 102 d, ähnlich RdeRou III 7163, Jos. 2522 etc.
Pik. semonre Jeh. de Cond6 ed. To. X 1 18, Jul. Ces. 203, 7. — Auch
sonst: s. : respondre bei Ruteb.; semortre in GE., SB., in einer Lütticher
Urkunde R. XVIII 580, GD. somtir, somor jetzt in Lüttich ver-
altet. — Rsp. und Schwan ' kennen ein scmonoir daneben , das ich
jedoch nirgends zu belegen vermochte. Es wäre zu wünschen,
dafs die Stellen, falls solche bestehen, bekannt gemacht würden.
Es giebt ein vereinzeltes semoner in älterer Zeit, dafs sich heute
in Berry, der Normandie u. s. w. wiederfindet. Ein Fremdwort aus
dem Latein, dürfte es wohl kaum sein, da es im Latein, sehr selten
ist; auch mit poner (Z. XXIII 374) dürfte es kaum auf eine Stufe
zu stellen sein, da sich schon mittelalterl. Belege finden. Es ist
vielmehr wahrscheinlich, dafs es als gerichtlicher Ausdruck in be-
stimmter Form erstarrte, etwa in der Eingangsformel: „Nos ....
semonoiis^'' und nun auf diese vereinzelte Form ein neues Verb
aufgebaut wurde.
le7ieo folgt sehr früh vento, vielleicht schon im Vulgärlatein
Galliens. Zwar auf tenire in den Form. Andec. ist nicht viel zu
geben [z^t, 16. 25, 32), denn hier beweist beispielsweise hahire 2g, 37,
dafs es sich blofs um verkehrte Latinisierung handelt, wie etwa in
den bekannten Fällen der Strafsburger Eide; da man nämlich gut
wufste, dafs dem Vokal in _/<?//, quei im Latein, i entspreche, so
schrieb man diesen Buchstaben auch manchmal, wo derselbe Laut
aus lat. e entstanden war; um so eher als man wohl gewufst
haben wird, dafs es lat. Infinitive auf -ire gab, jedoch nicht mehr
Latein genug konnte, um zu wissen, welchen Verben diese Endung
zukomme. Eher könnte man tenirent Grg. v. T. anführen. Doch
findet sich im Norden — geschützt durch Reim — die alte In-
finitivform tenoir: zwei Beispiele bringt Risop (R. d'Alix. 326; Raoul
de C. 3834, 5784, 6610), eines Godefr.; eines ferner [reienoir :
comendois) aus Renaut von Montauban (Rieh. Zwicks, Dissertation
über die Sprache dieses Denkmals (Halle 1884) S. 48) und eines
in dem Bruchstücke des Floovant RF.X 251,9. Daneben ziemlich
weit verbreitet Anlehnung an die -rt/W/-^-Gruppe: Remilly //?r (4. Ps.
tena) R. V 221. — Wall.: t^r oder ier in Lüttich, icr, oplfr, rl^r
in Hannut und wohl auch sonst. — Dann im Zentrum (vulgärpar.
s. Rsp. g; Berry iy§dr9, ty§rd)\ verwandte Formen in Maine, Anjou
ML. §125,4; Görl. Fr. St. V 402; t§dr3 Stge., zum Teil mag in
den zuletztgenannten Gebieten Vermischung mit ieindre oder tendre
eingetreten sein. In den Kompos. nämlich finden wir aidtü in der
Bedeutung „ateindrc" in der Saintonge, = „attendre" in Vienne
(Deux Sevres).
Auch für vetiire ist an verschiedenen Orten, die sich nur zum
Teil mit den oben genannten decken, Uebergang zu III b bezeugt:
in Lothr. vär in Saint -Blaise-la- Roche, vemi (?) Vienville; v§r in
Dombasle-devant-Darney. — ve{d)r3 in Berry, vgdr Saintonge, vyedr
1 2. Aufl. § 439. Jedoch nicht mehr Behrens - Schwan.
I04 E, HERZOG,
Bas-Maine. Ueber aveindre, das nach der bisher gegebenen Etymo-
logie eingereiht ist, S. 105.
sterno. Zunächst findet sich ein Perf. auf -Ivi in den Reichenauer
Glossen 77. Zu diesem könnte man für esterdre, das Godefr. zwei-
mal und zwar ganz in derselben Verwendung wie esternir belegt
[esierdre le bestail wie esternir les chevaux für das Vieh Streu aus-
breiten) und das wohl nicht ex-\-tergere ist (wohl aber das dritte
Beispiel: esterdre = stvepe) esternir gebildet haben, wodurch der
Stamm auch im Infin. deutlich ersichtbar war. Jedoch wäre auch
nicht unmöglich, dafs esternir auf inchoat. ^stemisco beruht, da sich
aufser dem Inf. esterdre nur Formen der inchoat. Flexion 1 finden.
Für gelehrt würde ich ein Wort, das als eminenter Ausdruck der
Bauernsprache noch heute im ganzen Norden und Osten „durch
Ausbreitung von Stroh, namentlich für Vieh, eine Lagerstätte be-
reiten" bedeutet, nicht halten, so lang nicht zwingende Gründe
dazu vorhanden sind; wohl aber das estenieir, das in GD. und
sonst im Walion. erscheint, obwohl hier auch das GIPP. S. 397
esterne neben estfrnir aufführt.
sternuo. Nicht darauf, sondern auf sternutare beruhen tranatio
Remilly, tarnuei Falkenberg, st§nue le Tholy, tanue Rexingen, Mailly,
yjt§nu§ Fouday, Neuweiler. Die Erhaltung des u erklärt sich durch
die am häufigsten gebrauchten stammbetonten Formen des Verbums.
Ob nun, wie Horning Fr. St. V 482 annimmt, in folgenden Formen
ein Uebergang des u zu i vorliegt oder ob sie auf *stern{ii)lre be-
ruhen, mit der Z. XXIU 370 ff. ausgeführten Erscheinung, vermag
ich nicht zu entscheiden: tenye Urimenil, fitene Vagney, ytanye la
Bresse. Höchst wahrscheinlich auf letzterem beruhen t^rni Landroff,
stypivi Malmedy, sproiii Doncols (mit durch Lautmalerei verändertem
Anlaut), st[y)frni Mons, eternir Lille, Rouchi, Vallee d'Yeres, epar-
?iir Berry.
-m-.
craindre tritt von Anfang an in dreierlei Gestalten auf; es
scheint, dafs aufser tr entere und der keltischen Wurzel auch
temer e"^ sich eingemischt hat. Nur dadurch kann sich cremoir,
cremeir (AN. cremer siehe Burg.) erklären, das sich im Westen und
Norden findet (St. Brandan, Marie de France, Th. Canterb.; Guill.
de Palerme, Ph. Mousqu.; GD.). Aber auch creniir tritt in den-
selben Gegenden auf (GD.; de l'emp. Cost., Jeh. de Cond6, Jul.
Ges., St. Brandan). Ursprünglich war wohl crient das Part, aus
tremitu, daneben cremu, beeinflufst durch *temu. Das Perf. cre?ni
dürfte direkt tremui entsprechen; von da aus wäre cremir gebildet.
Es könnte allerdings Analogiebildung nach te7nr, venir sein. Es
ist ja eine bekannte Thatsache, dafs Analogiebildungen über Arti-
1 Z. B. sternissent 6. Pr. GD. 319, 12.
2 Foerster, Anm. zu 5045 der grofsen Erec-Ausgabe. Vgl. auch die
Formen mit oi: atme : croime 3. Pr. Cj. in Mac6 de ja Chiar. PIs. P.
GESCHICHTE DER FRANZÖS. INFINITIVTYPEN. IO5
kulationsunterschiede manchmal rücksichtslos hinweggehen, wenn
sonstige Aehnlichkeiten vorhanden sind, criemhre in zentralen
Mundarten {criembre : rcembre Rusteb.). Dafs namentlich das Norm.
früh zu einem craindre kommt (RdeRou), ist begreiflich, da ja hier
das Perf, kry^ — kry§sis wie pl§ pl§sis gebräuchlich ist. Lothrin-
gisch existiert das Wort nicht. Hier tritt durchwegs douter da-
für ein.
Dieselbe Deutungsschwierigkeit und dieselben Deutungsmög-
lichkeiten ergeben sich bei raemir neben raemhre.
Das centralfrz. aveindre stammt von avenir, wie von Littr6
richtig erkannt und durch die Belege in Godefr. Suppl. S. 251
sowie durch die Bedeutung „atteindre" von a{d)mnir (zweimal bei
Godefr. I 527) wohl endgiltig nachgewiesen wurde. Es gehört also
zu veindre von venir S. 103 und verdankt seine weitere Ausbreitung
(Champ., Ile-de-Fr., Pik., Norm., Anjou, Poitou, Morv., Barry, Burg.)
der Anlehnung an atieindre.
gemir (gegenüber gieiidre aus gemere) und fremir beruhen ent-
weder auf gelehrter Herübernahme oder auf ge?niscere, frevüscere.
Die Verba mit stammhaftem r zeigen entgegen den sonst zu
bemerkenden Neigungen ein hartnäckiges Bestreben zu II überzu-
gehen, und dies läfst sich leicht erklären. Als das e im Inf. gänz-
lich stumm wurde, unterschied sich der Inf. dieser Verba kaum
von den stamm betonten Formen, ein Verhältnis, das sonst nir-
gends — namentlich bei konsonantisch auslautenden Stämmen' nir-
gends — vorlag, es wurde daher durch Analogiebildungen leicht
beseitigt und Stützpunkte für diese waren in ferire, merire (meri-
retur Grg. v. T.), viorire (Grg. v. T., L. R. U.), in zweiter Linie in
Operire, cöperire vorhanden.
Als erstes ist hier zu erwähnen quaerere (>> querre). querir
ist sicher schon in der ersten Hälfte des 13. Jh. da; es begegnet
bereits in Am. u. Am., Roman d'Ablad. (Z. XVII 222, :>ii\ bald nach
1258). querir und enquerir in den Nouv. fr^. du XIII. s. (45 zwei-
mal, 49, 192 f.) im 14. Jh., dann sehr häufig: bei Froissart, Cuvelier,
Desch., Machot, Brun de la Mont., T., geistl. Lieder : RF. F. V 6 1 6, 36.
Es verdrängt dann querre aus der Schriftsprache, doch steht acquerre
noch beispielsweise in Garn. Corn. 11 77 und Meigret nennt querre
an zweiter Stelle und verwirft nur gründlich als „bäuerisch" den
Inf. quierre. querre, requerre dann noch in Lafont., Ballade des
Aug. querir, resp. kri scheint auch wirklich die einzig übliche
Form in Champ. und Normandie zu sein (Ezy, Eure, Bessin,
St. Maxent, La Hague; Gätinais; Yonne, Clairvaux, Bercenay-en-
Othe, Courtisols, Riceton, AUiancelles, Sommepy), ferner in Bre-
tagne, Anjou, Vendce, Berry, Bourbonnais (?), Burg., Franche-Comte
und in einem grofsen Teil Lothringens (Mangiennes, Ornes, Lay-
Saint-R^my, Chätel, Saint -R6my-aux-Bois, Courbessaux, Luvigny,
Blancherupt, Saales {kuare\ Montbel., auch noch in Franche-Mon-
I06 E. HERZOG,
tagne). Doch hat sich querre in einigen Vogesenortschaften ge-
rettet (Les Oranges, Melisey, Plombieres, Schönerlach, la Brasse,
Senones {Jiiip' neben kiipt), Urimenil, St. Blaise-la- Roche, Lusse,
la Baroche). Ebenso hat Morvan kar neben kri. Ferner querre
nördlich und südlich von der bezeichneten Zone: in Nordost-
lothringen (Remilly, Metz, Augny); im wallonischen Sprach-
gebiet (St. Hubert, Nassogne, Ardennen und angrenzendes Gebiet,
Namur) — doch nicht ausnahmslos: ku§ri k§ri in Seraing, Jehai,
Lüttich (hier daneben hr, wenn ich Doutrepont richtig verstehe
S. 22) an der preufsisch-wallonischen Sprachgrenze; Hannut mit kui
ist unklar — ; auch in der Pikardie sind beide Formen belegt
und zwar nebeneinander in Mons, St. Pol, Vallee d'Yeres (nach
III b blofs rekör) und wohl auch sonst (GIPP. 527), nur querre in
St. Omer, Arras, Carvin, Demuin, Lille, Rouchi. — querre südlich
im Gav. du Sud als karr?, in einem Teil der Dep. Deux-Sevres
und Vienne als kar kyar k§r. Doch hat das übrige poitevinische
Gebiet wie die benachbarte Normandie kri{r).
curro bildet das Gegenstück zu quaero, nur ist die Annahme
von -ir später und nicht ganz so ausgebreitet wie dort. Doch
weist Risop an dem Fut. i-ecourriront ihn schon im 13. Jh. nach.
Sonst finden wir ihn erst seit der Mitte des 14. Jh.: Hugues Capet
135, ?P. 43, 15, le Fevre, Cuvelier 428, secourir Troilus 137, e7i-
courir Desch. 35. Für Meigret ist schon cotirir plus freq^nt qe
courre 1 10, 16; und obwohl die Gramm, burgund. des Pratel (17 15)
noch eine ganze Reihe von Redewendungen kennt, in denen letz-
teres üblich ist,' so ist es heute wohl nur mehr als Jagdausdruck
gebräuchlich. Die dialektische Verteilung ist eine etwas andere
als bei querir. Die Normandie hat wieder -ir (St.-]\Iaxent, Ezy,
Eure, Guernesey, Bessin, Val de Saire [hier auch ein Fut. kuorire],
la Hague — auch Ile d'Elle). Eine Ausnahme: kiir in Erc6 (bei
Liffre, lUe-et-Vil.). An die Normandie schliefst sich die Ile-de-
France und diesmal die Pikardie (Rouchi, Sissy u. s.), daran wieder
das Wallon. bis zur Grenze. Dagegen ist der SW. (Deux-Sevres,
Vendee, Gav, du Sud), Berry, Champagne (Yonne, Clairvaux, Ber-
cenay-en-Othe) konservativ. Morvan und Burg, kennt beide Formen
nebeneinander (jedoch hat Verd.-Chal. kori kuri; Bourberain,
Bannans u. a. kor) ; Lothringen zeigt wieder die verwickeltsten Ver-
hältnisse; man kann im allgemeinen sagen, dafs es ebenfalls bei
courre bleibt, doch Imdet sich II vereinzelt inmitten des III b- Ge-
bietes an verschiedenen Orten: La Baroche, Celles (Vogesen), Art-
sur-Meurthe (bei Nancy), Domremy-la-Pucelle (a. d. Maas, Vosges),
Sablon (bei Metz), Mangiennes (IMeuse).
viorior. mur für juuri (nach kur) vereinzelt im Morvan.
ferio'. ganz vereinzelt ist Bildung nach querre. Ein Beispiel
bei Burg. I 336, ein anderes aus einer Urk. von 1275 im Godefr.,
der auch fyör heute in der Franche-Comt6 u. zw. in Sauget kennt.
1 Vgl. auch Kr. 49.
GESCHICHTE DER FRANZÖS. INFINITIVTYPEN. IO7
Eine gegenseitig sich beeinflussende Gruppe ist sufferre, offerre
einerseits, operire, coopenre andrerseits. Während wir nun in einem
grofsen Teil Frankreichs (der westlichen Hälfte) Angleichung der
ersten beiden Verba an das zweite Paar (und zwar von allem
Anfang an) haben, erhalten sie sich in einem andern grofsen Teil,
zwar nicht in der lautgesetzlichen Form, sondern als soiifferre, offerre,
als ob sie von *sufferrere, *offerrere kämen, in Anlehnung an querre,
und ziehen operire, cdperire teilweise nach sich (und zwar ostpikar-
disch, champagnisch, lothringisch, wallonisch [z. T.]), aber durch-
aus nicht allgemein. Im Gegenteil scheint das ursprüngliche
Verhältnis längere Zeit gewährt zu haben, obwohl es sich nir-
gends mehr rein darstellt, so kennt Ruteb. sofferre (: terre) 22,142.
24, 35. 68, 29. 84, 152; offerre : conquerre 211, 189; sofferre : offerre
\ terre 217,421 (nur einmal ofrir:enirofrtr\J] 76,309); aber nur
ovrir, covrir, descovrir. Aehnlich, aber schon stark zu -ir über-
gehend, in GE., SB.: sofferre GE. 7, 85, 86 (zweimal), iii, 122,
SB. 119, 19; oferre GE. 41; cuverre GE. 61, 114; aber soffrir GE.
83, 117 (subst. 56), SB. 4,41 U.S., Dial. an. et rat. VII 13, Geistl.
Lieder Rom. Forsch. V 604, 34; offrir SB. 40, 15 u. s.; aovrtr GE.
3, 22, 97, 109; covrir GE. 32 u. ö., SB. 35,28 u. ö. Während also
in GE. die ursprünglichen Verhältnisse noch ziemlich gewahrt
bleiben, kommt im T. nur -ir vor, so ausschUefslich, dafs sogar
Part, ovri sich findet. Wallonisch in der Regel -ir, aber im PM.
zweimal im Reim sofferre 404 c, 459 d, champ., ostpik. Beispiele
bei Risop S. 10, aus Claris, Jourdain de Blaive, Flor u. Floriette,
ferner in einem, wie es scheint, champ. Trinklied BChr,6 387. Heute
kennt das Lothring. nur overre, devcrre (deoperire?) auf weitem Ge-
biet und wohl durch das Part, overt gehalten (wie es überhaupt
zur Erhaltung der -erre-Yoxnx viel beigetragen haben mag); auch
hier hat der lothr. Westen -ire\ ddvri Vittel, dövri INIarainville, tivri
Pierre-la-Treiche, nvre Trampot, twrai Liverdun und im Südosten;
Ramonchamp, la Bresse drövi; ferner LandrofF driivi (Norden); ofri
sofri kovri sind allgemeiii verbreitet. Zu den -zW-Formen ist dann
überall ein neues Partizip auf -/ getreten (vgl. ?P.); besonders in-
struktiv ist Remilly, wo sich zwei verschiedene Verba losgelöst
haben: ovri, Part. ovri\ d^ver, Part. ddve. Auch im Walion. sowohl
II als Illb. kuvri drovi in Seraing, ferner die ganze Gruppe auf -/
im Grenzgebiet gegen Preufsen Z. XVII 426, dagegen dovyer, kotier,
sufyer u. ä. Formen in Lüttich. Ferner findet sich noch im Rouchi:
ofer, sufer, kuver, uver. — soffrerir (neben öfters belegbarem sofferrir
s. Rsp. a. a. O.) Bücher der Macc. XII 43 wird sich wohl aus dem
Fut. erklären; es verhält sich nämlich zu soffrerai wie ferir : ferrai
— doch könnte es sich auch blofs um eine Dittographie handeln. —
Zu erwähnen ist noch kovrs in Burg, neben kovri, das sich wohl
daraus erklärt, dafs nach dem Vorbild von r-losen stammbetonten
Formen r auch in flexionsbetonten fiel, wozu dann kqvr? nach
boivre u. s, w. hinzugebildet wurde.
I08 E. HERZOG,
putreo. Das frz. Verb pourrir beruht wohl auf *puinsco für
putresco. Dafs im heutigen Lothr. nicht inchoative Formen vor-
kommen, beweist natürlich nicht dagegen (Z. XI 262).
7iutrio. Die Inchoativflexion ist nicht überall durchgedrungen
und wir finden sogar nach kur (Inf. = i. — 3. Pr.) einen neuen Inf.
nur (= I. — 3. Pr.) in Puysaie (Yonne).
Neue Typ en.
Uebersehen wir die Menge der bisher besprochenen Erschei-
nungen, so kommen wir zu dem Resultat, dafs es sich hauptsächlich
um Analogiebildungen handelt. Doch nicht jede analogische
Umgestaltung des Infinitivs gehört in den Bereich dieser Arbeit.
Wenn beispielsweise 2. Pr. di{s), 3. Pr. di{t), Inf. dire durch 2. Sg.
e{s)kri{s)^ 3. Sg. e{s)Ja'i{t) zu ({s)krtre statt £{s)krivre geführt hat, so
ist darin nur eine Umgestaltung des Stammes zu erblicken, der
Infinitivtypus ist derselbe geblieben, in gleicher Weise, wenn
zu boi{s)y boi{i) bot7-e nach croire, zu 2, 3 r^sö rdsör statt rssövr tritt.
Dagegen gehört die ganz verwandte Erscheinung: nach fais, fait
faire zu plais, plait [neben andern bei beiden Verben identischen
Formen] plaire statt plaisir hieher. Denn es ist hier die Infinitiv-
endung beeinflufst. — Die Analogiebildung geht entweder, wie
hier, von den stammbetonten oder von den endungsbetonten
Präsensformen aus (letzteres z. B. in espardons : ardo7is zu espardre
: ardre); seltener vom Per f. (vaviqtnr, rompir). In vielen Fällen
wird sie vom Futur, öfters vom Part. Perf. unterstützt. Sichere
Fälle von blofser Bedeutungsanalogie trafen wir selten {com-
mencir (?), sievir (?), osoir, as3gr§rd, vm§). Oefters war sie mit
Formanalogie verbunden {suir^ recevoir, boutre u. a.). Während
in diesen Fällen von demselben Wort beide Analogien aus-
gehen, schien es mir manchmal, dafs formelle Analogie nach
einem Worte, begriffliche nach einem andern zusammen-
gewirkt hätten {akmu§t^ ätri).
Die grofse Verstärkung eines Typus geht Hand in Hand mit
der Schwächung eines oder mehrerer anderer. Ja sie konnte sogar
bis zum Aussterben führen, doch ist das im ganzen selten; man
könnte das Aufgeben von -ier in Collin6e, inchoat. -ir in Lothr.,
-are in einem Teil von Poitou anführen.
Andere Erscheinungen, die uns begegneten, waren der lautliche
Zusammen fall zweier Typen {-are und -Ire in der Norm, -ier',
und -er in einem Teil von Frankreich) und die lautliche Spaltung
eines Typus \-^^^ <C .jgr)' Durch lautliche Spaltung kann ein
Typus teilweise in einen andern übergehen {-ere in plaisir).
Wenn infolge spezieller lautlicher Bedingungen ein Teil der
Verba eines Typus von den übrigen derart abweicht, dafs er sich
keinem der vorhandenen Typen anschliefst, so entsteht ein neuer
Typus. Oefter vereinigen sich Abzweigungen mehrerer Typen zu
einem neuen, hieher gehören die Verhältnisse der -are und -vare-
GESCHICHTE DER FRANZÖS. INFINITIVTYPEN. lOQ
Verba in Val de Saire und Guernesey, die bereits in anderm Zu-
sammenhang zur Sprache kamen. Bildung neuer Typen konnte
auch durch Analogie stattfinden, wenn ein gewisses Verhältnis
von andern Formen zum Infinitiv (z. B. Gleichheit) auf anders
geartete Fälle übertragen wurde, Hieher gehören die noch zu
erwähnenden Partizipial-Inf. auf iL
Auxiliaria.
Besonders schwierig sind die Verhältnisse bei den Auxi-
liaren; sie gehen meistens zusammen, und da wir auf alte Formen
verzichten müssen, sind die jetzigen in der Regel undeutbar.
fajf (= falloir und faillir), poyf^, vayf"^, vöyf"^ in Montbeliard
[geschrieben -0?'/].
pole (pouvoir), vole, di've in Jehay und Umgebung mit schein-
barem Uebertritt zu I.
vulye, ptivye, danach auch muvye in Guernesey, also Zusammen-
fall mit einer Abteilung von la. Die regelrechte Entwicklung zeigt
dvgr sav§r v§r. dvuer satmer rviier puvrier in substantivischer Ver-
wendung sind wohl Lehnwörter. Rätselhaft ist auch savör neben
erwähntem sav§r.
fpler vpler vuler peder diver ozer ([avoir] im Westen; der
Stamm ist der des Konjunkt.), §yier (esse; Part, ^yte) in Gavache
du Sud. Die Entwicklung könnte bei den ersten vier lautgesetz-
lich sein, während dtver lautgesetzlich divii§r heifsen sollte, vgl.
avti§r savii§r. §yter wäre etwa vom Imperf. aus nach den andern
gebildet.
sair für esse in Ile d'Elle. Vom Futur aus gebildet oder eine
Form von sedere (?).
^pfinitive auf i, e.
-T, -e nach Nasalen aus -ire. Im nördl. Lothringen: drömt
Sablon, Augny, drömis Falkenberg, drump'LB. Chaussee (c°" Vigneulles);
vmi: Landremont, Remilly, Sablon, Augny, Bouillonville, tsjüs Falken-
berg, vnf kovnf Metz; tni Remilly, Bouillonville, t^tuJ Falkenberg;
ähnlich vereinzelt in Burg, und Champ. vjje tne drdme (nicht mehr
gebräuchlich) Bourberain. fgorif furnf garnf vn^ ijif dormg vomf,
jedoch fini, wahrscheinlich nicht volkstümlich in Clairvaux, rsvnf
in Champlitte. Speziell in der Nordost-Champ. Alliancelles: {r3)vmf
tdn§ und räpl^, hier veranlafst durch den vorhergehenden Nasalvokal.
Auve (c. de Dommartin s. Yevre): {ör)vnf, Possesse (c. Heiltz-le-
Maurupt) vm^. Dagegen hat Sainte Menehould, das nach 7nf (mis)
dieselbe Erscheinung aufweisen sollte, örviii; der Zusammenhang
mit den übrigen -zV- Verben war also stärker als das Lautgesetz. —
Etwas ganz Entsprechendes finden wir auf ganz anderem Gebiet
im Westen: La Hague fi?if tenf, Val de Saire dornig vn^ tti§. Für
Mesnil-Auzouf können wir dasselbe sagen wie für St. M6n6hould:
pouvoir. 2 valoir. ^ vouloir.
HO E. HERZOG,
fnf{s), aber dornii vni. Auch Guernesey hat eine ähnHche Erschei-
nung; die Infinitive nehmen aber nicht teil, vielleicht weil sie das
r bewahrt haben. Etwas ganz Analoges im Negerfrz. bei Verben
von I: don^ gene lerne (aimer), auch kone (connaitre).
-110 scheint in Remilly aus -ere und -äre lautgesetzlich durch
Verschmelzung mit vorangehendem ti entstanden zu sein:
auo (neben mjy) sauo iuo (neben tui) hajw (neben hati3) [deutsch
hauen] irBnmw yotio (scopare) fuo (essuer); -3 ist Analogie nach I.
Etwas Aehnliches scheint in Docelles der Fall zu sein: yovua (sco-
pare) neben sonstigem § aus -are: Falkenberg auo sauo. — Auch
auf soiif Sablon, Augny, ^uf s§ii§ du§ Urim6nil, aue satie Tannois,
atif la Bresse, scheinbar I, werden lautgesetzliche Entwicklungen
von '^°^- -\- vere darstellen (höchstens in Tannois, wo wir sonst für
oi uf haben, mag der geschlossene Laut auf Analogie beruhen;
der Dialekt scheidet übrigens nicht scharf zwischen f und e).
-p, dann e aus -ere und -are in la Hague, wenn ein e vor-
ausging: ve^ ke siiersf^ (-sedere); agre. kre suple.
-ü.
-ü in Montbel. wohl lautgesetzlich aus -uer (-«<?): äbrü äfü
äbü', rayü (raccommoder, Etymon?).
Ganz etwas anderes sind die -zi'-Infinitve im Wallonisch-Lothrin-
gischen, die einfach -«-Part, sind, weil sonst Part, und Infin. in
den schwachen Konjugationen zusammenfielen.
Lothrg. batü Manoncourt.
vnü vmü La Chapelle, Mazelay.
[posse] pu§yii Vagney, Urim6nil, le Tholy, Neuweiler
(hier pgyi, da ü >> /).
[valere] valii Vagney; vqlü Urimenil, le Tholy.
[volere] vlü Vagney, Urimdnil, le Tholy; vli Neuweiler.
Walion. vnü St. Hubert, Hannut; vinü Nassogne (Luxembg.).
ovrü (ouvrir) St. Hubert.
duarniü Hannut. irovü St. Hubert Z. XXIII 366.
[habere] avii Seraing, Lüttich, Herve (auch avü nach stü
wird in Lüttich als Infin. verwendet),
[sapere] savu Seraing, Lüttich.
[habere, sapere] oyu uyu in Verviers und Umgebung;
oyü soyü Hannut.
volü im Nordwesten des wallon. Sprachgebiets.
risorhü (Charleroy) Dict. de Mons 314, sehr auffällig.
Vereinzeltes.
Ebenso ist dvei in Falkenberg und Amanweiler, scheinbar I,
nichts anderes als das infinitivisch verwendete Partizip; vgl. pei aus
GESCHICHTE DER FRANZÖS. INFINITIVTYPEN. I 1 1
perdit Falkenberg, das zeigt, wie die lautgesetzliche Entwicklung
des § vor r -f- Dental war.
äy (aller) neben r ahnöde etc. in Essarts-lez-Sezanne (c°" Ester-
nay, Marne) RdPGR. I 206 eine Kurzform?
Schliefslich sei noch erwähnt, dafs in einer gewissen Gegend
des Zentrums, hart an der Grenze gegen das Provenzalische, In-
finitive zu existieren scheinen , die gleich den stammbetonten
Formen sind; die deutlichste Stelle ist folgende (Bull, de la Soc.
d'emulation du ddp. de l'Allier XI 21): R disparait tres souvent
dans la finale des verbes en ir et en icr qu'on dit: t, te: vetu, lUe,
toujours dans celle des verbes en -er: ane, 7nenge\ aller,
manger (das soll doch wohl an, mes bedeuten) dans la zone de
Vendat et des deux rives de l'Allier, presque toujours dans les
monosyllabes fo, dti, ve (fort, dur, vert), En ce dernier cas, il re-
parait devant les voyelles: em komme f 6, ein for komme. La sup-
pression de VR donne une longue, excepte aux infinitivs en er.
Ich habe die Stelle, deren Mitteilung ich der Güte des Herrn
Dr. Roth verdanke, hier vollständig wiedergegeben in der Hoffnung,
Anlafs zur genauen Feststellung dieses Phänomens zu geben, ohne
welche seine Deutung ein Ding der Unmöglichkeit ist.
E. Herzog.
Neue Versionen der Eiote du Monde.
I.
Das Stück der Hss. von Bern und Epinal.
Es steht a) in der Hs. 205 der Berner Stadtbibliothek auf
fol. iiy"" — Ii8\ trägt den Titel: S'ensuyt la tiature de Vorne et
ses honnes condicions und zählt 133 Verse.
b) in der Hs. i8q von Epinal auf fol. 41 — 43 (cf. die Be-
schreibung dieser Hs. durch F. Bonnardot in: Bulletin de la Soci^te
des anciens textes frangais 1876, S. 84), trägt den Titel: Item,
contre pluseurs gens, zählt 1 1 Verse mehr als in Hs. B, während
ihm anderseits einige Verse fehlen, die in B stehen.
Ich gebe den Text nach B, füge die Verse von E in Klam-
mern bei und notiere Abweichungen von E wie Besserungsvor-
schläge unten. Rein orthographische Varianten sind spärlich mit-
geteilt. Ich mache darauf aufmerksam, dafs meine Lesarten von E
nicht immer mit denen Bonnardot's stimmen. V. 18 liest B. hitez
für hurez, was schon Godefroy unter hure gebessert hat.
la.
On m'a maintefoyz demandd
Que c'est [ne] qui m'a destourn^
A maintenir si com je sueil;
Ne scevent pas dont je me dueil.
5 Mais je croy bien, s'ilz le savoient,
Que pour excus6 me tendroient.
Nul ne scet faire contenance
Qui a chascun viengne a plaisance.
Je voy que, s'uns homs est preudons,
10 On dit que c'est ung droit moutons.
Et s'il est bons simples tenuz,
On dit que c'est ung droit Jesus.
Et s'il est sages et soubtilz:
Haro! qu'il a de mal apris!
15 Et s'il est preudons et viseux,
On dit qu'il est malicieux.
I on m'a B en ant (ant durchgestrichen) E 2 ne E destournez E
3 si com je sueil] ce que je seul E 4 deul E 5 c'il E 6 excusez E
II. 12 fehlen E 14-15 umgestellt E
NEUE VERSIONEN DER RIOTE DU MONDE. II3
S'il est chauve, c'est ung pele;
S'il a grant col, c'est ung hure.
S'il a lonc nez, c'est ung becus;
20 S'il a court, c'ess ung caraus.
S'il est espes, ung champion;
S'il est tendres, ung vession.
S'il est pensuz, c'est ung trippier;
S'il est maigres, c'est ung levrier.
25 S'il est riches, c'est ung merchant;
S'il est povres, c'est ung truant.
S'il est rez a rez chascun an:
Noant plus n'a il ouan (plus) qu'antan.
S'il gaste le sien ou despent,
30 On dit qu'il ne tient bram ne vent.
[S'il est large: c'est tont gastez;
S'il est eschars: c'est bien merdez.]
S'il boit voulentiers ou il feste,
On dit qu'il vit comme une beste.
35 Et s'il est larges viandier:
C'est son dieu que boire et mengier.
Et s'il veut vivre par raison:
On meurt de fain en sa maison.
Et s'il va souvent oir messe,
40 On dit: par ypocrissie esce;
Qu'il fait le beguin papelart.
Et s'il i va ou tempre ou tart, iiyv
On dit qu'il vient de mauvais lieu;
C'est ung bougre, il ne croit dieu.
45 Et s'il ayme les compaignons
Ou va souvent en lour maison [s]
Et du sien paie et riens dou leur,
On dit qu'il ressemble au jougleur,
Qui n'a pis fors qu'en son hostel.
50 Et s'il n'y va, on redit el:
[On dit que c'est ung droit couvaux,
Que couve pour cez yeulfz tenir chaux.]
S'il va droit, on dit qu'il s'estant;
S'il va courbe: il va contre vent.
55 S'il marche tost: com il s'affiche!
Dieu ! quil fait le gros et le riebe !
S'il entre coyement en l'uis:
17 chauve E chanuz B 18 col B toupe E 11 tendres B tenves E
vession B vetion E corr. vre (= vrai)scion/' 27 s'il est rez a rez B sil
a rest a rest corr. aus etwas anderem 28 noant B nen E plus fehlt E
29 ou ^ et £■ 30 bram B bren E 31 boit B boy E 37 fehlt E
40 par ypocrissie esce (= est ce) B que c'est ypocrisesse E ^1 '\ B ny E
44 croit B croit en E, vielleicht vorzuziehen 46 ou ^ et ^ 49 qui B
que E i^2, fehlt E 55 s'il marche tost B s'il passe fort E
Zeitschr. f. rom. Phil. XXIV. 8
114 J.ULRICH,
II semble qu'il ait les piez cuiz.
S'il parle attrait: c'est ung liegaux;
60 S'il se taist: c'est ung droit uniaux.
S'il parle hault a tost parier:
II ne fera que plaidoier.
S'il chante bien: c'est ung jougleur;
S'il dit beaux moz: c'est ung trouveur.
65 S'il ne chante ne esbanie:
II ne vault riens en compaignie.
S'il est honteux et peu parliers:
II n'est ne Hue ne Gaultiers.
S'il se vest bien et cointement:
70 II est si cointes qu'il se pent.
S'il ne se vest bien et souvent:
II se maintient trop nicement.
S'il se chausse estroit par raison:
II mect ses deux piez en prison.
75 S'il a grans soulers, on le moque:
C'est ung vilain, ung choqueroque.
S'ims homs mangue bien o boit;
Celluy la roffle quanqu'il voit.
S'au boire n'au mangier n'est preux,
80 On dit qu'il est trop dongereux.
S'il est souvent tempre couchant,
On dit que c'est ung dieu dormant.
Et se le dormir ne ly halte:
II ne dort point, c'est une gaite.
85 S'il gist en son lit estanduz,
On dit qu'il ressemble ung panduz.
[S'il rit souvent: c'est ung droit sot;
C'est ung meilin, c'il ne rit tost.
S'il (n')a mie: il enraige tout vif!
90 Et c'il n'a mie: c'est ung chetif.
Se ungs hons se met en mariage,
On dit qu'il ait ou corps la rage.]
S'il a bonne: c'est mescheance;
S'il a belle: il [est] en doubtance.
95 Et s'il a mauvaise assenee:
II a biens le deable espousee.
S'il ne se veult mar'ier point:
II n'en puet trouver nulle a poiut.
59 liegaux B nigaux E 60 uniaux E ajuyaux B 61 nach B S'il
parle tos[t] e[t] qu'es[i] giant parlier E 62 7iach B Ja ne finera de plä-
dier E 63 jougleur E jougloux B 65 peu B poc E 68 il n'est B ce
n'est E 71 bien B bei E 76 choqueroque E chocreroque (?) B 77 man-
gue B manjut E 78 roffle B riffle E 80 dongereux B dangereux E
83 ly B luy E 84 ^ dor E 86 panduz B pendut E 93. 94 a ^
l'a E 96 bien fehlt E 98 il n'en B ne ne -£'
NEUE VERSIONEN DER RIOTE DU MONDE. I 1 5
Ib.
Mais encores me fait il pis,
100 Car on parle sur les pa'is.
Je voys a dextre et a senestre,
Je ne S9ay de quel pa'is estre.
S'il est Fran9ois, malicieux;
S'il est Picart, trop enuyeux;
105 S'il est ort, c'est ung Alement,
Et grant buveur, s'il est Norment,
Et jureur, s'il est Bourguignon,
Et trop testu, s'il est Breton.
Fort a cognoistre: c'est Anglois;
HO S'il est Escot, trop felonnois.
S'il est Provenc(i)al, enquereur;
S'il est Lombart, il joue aux dez.
S'il est Romain, trop couvoiteux;
C'est Espaignot, luxurieux.
115 Et pour ce je me passe a tant,
Que je [ne] vous voise ennuy(s)ant.
IL
Mais j'ose dire en verite
Que, quant on a par tout este
Et essay6 le grant mesaise,
120 N'est il vie que d'estre aise
Ne maladie que de corps
Ne si grant destresse que mors
Ne bonte qui vaille de l'ame
[Ne beaut^ que de belle dame]
125 Ne sens qui vaille cellui d'omme
Ne dormir fors quant on a somme
Ne meschief fors que d'avoir fain
Ne dangier fors que de villain
Ne noblesse que de donner
130 Ne merderie que d'aver
Ne don qui vaille de courtois
Ne chanter que de bonne voix
Ne deduit qui vaille d'amant
Ne d'errer fors que par beau temps
99 encores B encor E 100 car B con E wohl zu änderti in quant
lOi voys E vif B 104 enuyeux E enuieux oder envieux B 106 s'il B
il E 107. 108 s'il B eil E 109 c'est B c'est ung E in Provencial B
Prouvencel E iii. i\2 B hat enquereur : joue aux dez E hat enquerrier :
pere au deniere enquerrier ist eine unmögliche Form. Sind Nominative her-
zustellen: enquerere : au dd jouerer* 114 Espaignot B Espaignoil oder
Espaignois E 115 me ^ m'en E 116 n& fehlt B ennuysant B ennui-
uant E 118 que quant] car quant B que que E 119 le .S \z. E
120 n'est B se n'est E 122 mors B de mors E 129. 130 umgestellt E
133 amant B amanz E 134 errer] desirer B d'aller corr. aus d'errer E
8*
1 1 6 J. ULRICH,
135 Ne joieux fors que d'estre lie
Ne travail que d'aler a pie.
Ne rien qui vaille bonne fin
Et dieu amer de bon euer fin,
Autrui amer an charit6
140 Autant com soy en verit^.
Qui ce fera parfeitement,
Se l'escripture ne nous ment,
En la fin aura paradis;
La nous maint le doulz Jesucrist.
Amen.
Explicit pulcra et gratiosa dicta.
Scriptor qui scripsit cum Cristo vivere possit.
II.
Das Stück von Metz 855 fol. 8''.
Ung doctour cedenucusse. (rot)
[8^] ^ui est celui qui ne doie troubler, estre iriez et courouciez, l,
quant il voit lez vertus ordoiez per crimenacion et per murmure?
Se ung homme est humble, il est appelleit de pluseurs vil et hemme 2,
de nyant.
Se ung homme s'eslieve per raison et per justice, on dit qu'il est 3,
orguilleux.
Se ung homme est raoings saige per sa nonsaichance, on cuide 4,
c'on se doit de lui moqueir et rire.
Se ung homme est rigoreux et penissant (sie) les malvais, il est 5,
tenus pour crueil.
Se ung homme perdonne per pitie les malz et les pechiez a ceulx 6.
qui se repentent, il est blasmei et reprin[s] de faulsetei, et dit od qu'il
[done] occoison de faire plus de malz, de pechiez et de legiereteis.
Se ung homme est simple, on le despite comme bestial et a des- 7
honorei.
.Se ung homme est aigre et appert en son droit soustenir, on le fait 8
comme homme bareteur et piain de malvistie.
Se ung homme est diUgent, on dit qu'il est piain de crueuseteis. 9
.Se ung homme laist son droit a soustenir, on dit qu'il est negli- 10
gent et nice.
Se ung homme est saige en faire sez besoingnes et cleirvoiant, on 1 1
dit qu'il est covoiteux et d'acquerir ardant.
[8 c] Se ung homme est repons, on dit qu'il est laisse et pereseux. 12
•Se ung homme est soubre et abstinent, on dit qu'il est eschars et 13
avaricieux.
Se ung homme vit honestement et largement, on dit qu'il est glouton 14
et difFameis.
135 joieux £ desir E 136 d'aller B deller £ corrigiert aus derrer
135. 136 umgestellt E 140 com B comme E verite B amytez E
144 maint B doint E.
NEUE VERSIONEN DER RIOTE DU MONDE. I I 7
Ung docteur dit. (rot) 15.
Je ne cuide mie qu'il ait personne a monde vivant qua plaice a
tous; et dit: Fais bien tant comme tu vis et ne fais force dez parolles
des malvais.
Ce sont les auctoritez de S'. et de grant maistre. (rot)
I\ nait {sie) dessoubz le ciel si belle ne si bonne compaignie come 16.
Celle de paradis.
I\ n'est dessoubz le ciel si bonne clergie comme de apprendre a 17.
morir et savoir vivre.
I\ n'est dessoubz le ciel si bonne chevalerie come d'acquerir vertus 18.
et vaincre lez vices.
71 n'est dessoubz le ciel si grande courtoisie come de son euer bien 19.
gardeir et afFaitier.
I\ n'est dessoubz le ciel si beaul royaulme come estre roi et sire 20.
de soi.
71 n'est dessoubz le ciel si beaul mestier comme de dieu servir, 21.
loer et merciier.
71 n'est dessoubz le ciel {ms. dieu) si grande franchise comme d'estre 22.
dessoubz dieu tant soulement.
71 n'est dessoubz le ciel {ms. dieu) si grande phi[8'l]losophie comme 23.
de soi congnoistre vraiement.
71 n'est dessoubz le ciel si grande seignorie ne joie ne soulas ne 24.
doulceur ne bonne vie comme de dieu ameir perfaitement.
C'est la fin de nostre pelerinaige. Pour ce est homme fait et ace 25.
doit il entendre. Faus est le pelerins qui de la fin de sa voie ne sceit
nyant ne nyant rien enquiert.
m.
Das Fragment von Paris.
Dasselbe steht auf dem Einband der Hs. 7609 fonds frangais
der Nationalbibliothek und ist von Fr. Michel in seiner Riote du
Monde (Paris 1834) pp. 44 — 45 abgedruckt worden. Bei der Selten-
heit dieses Opusculums wird es am Platze sein, die 35 oder
T^"] Verse hier abdrucken zu lassen.
[Car quant on a partout este]
Et esprovir biens et mesaise,
N'est il un fors que d'estre aise.
Bonte ne de a ries tant k'a l'ame
5 N'est biautes fors de bele dame
N'est sens qui vaille celui d'oume.
N'est dormirs fors quant on a somme.
N'est maladie fors de cors.
N'est si grant destrece que mors.
IG N'es[t] mengier fors quant on a fain.
N'est dangiers for[s] ke(s) de vilain.
2 corr. Et esprove 3 un] corr. vie 4 ne de a ries] corr. n'ede a riens
ii8
J. ULRICH,
N'est boires fors k6(s) de boin vin.
N'est cemise fors de boin lin.
N'est si biaus deduis que d'amit
15 N'est gesirs fors en un raol lit,
N'est caufers fors quant on a froit.
N'est repos fors ke(s) d'estre quoit.
N'est si biaus deduis que d'amans.
N'est alers fors ke(s) par bei tans.
N'est eürs iors que d'estre bon.
N'est parlers fors que par raisson.
N'est taires fors que par mesure.
N'est pires markans que d'usure.
N'est si fors castiaus que de pais.
N'est perius fors d'anter mauvais.
N'est deduis fors que d'estre liet.!
N'est painne fors d'aler a piet. /
N'est riens qui vaille boinne fin \
Et Diu amer qui est sans fin I
30 Et ses proismes en verit6 |
Autant con lui en carite. /
Qui che feroit parfaitement,
Se l'escriture ne nous ment,
En le fin aroit paradis:
35 La nous aimant Dius Jhesucris!
Amen, amen, fiat, fiat.
Ja enemis n'ait en moi part!
Explicit la Ruihote du Monde.
IV.
Die Hs. i8g von Epinal, von der ich unter I. redete, enthält
auf fol. yo^ folgende vier Verse nach allerlei Sprüchwörtern:
Nulle riocte n'entreprendes, je te prie,
A ton pareil(le), car chose est perilleuse.
A plus grant de toy c'est oultrage et folie;
A mendre et a foble est cliose honteuse.
V.
Wenn ich die Ztschr. VUI 275 — 28g und im Vorangehenden
veröffentlichten Texte übersehe, ergeben sich folgende Teile dieses
Spielmannsgedichts: 1
35 aimant] corr. maint
1 Die Sigel bedeuten: B = Bern 113.
Bj = Bern 205.
C = Cambridger Trinity College O. 2. 45.
E = Epinal 189.
H = Harleian 2253.
M = Metz 855.
P = Paris Nationalbibliothek 1553 fonds fr.
n = Paris Nationalb. 7609 (Einband).
NEUE VERSIONEN DER RIOTE DU MONDE.
119
A. I. Le Jongleur et le roi:
II. La vie du Jongleur;
III. La riote du monde:
IV. Ernsthafte Lehre des Jong-
leurs an den König:
V, Burleske Unterhaltung des
Jongleurs mit dem König;
des erstem Sprüche als
Abweiser
B. I. La riote du monde
IL Les proverbes elhniques
III. Les verites a) la bailade;
ß) Texte religieux;
Reimversion vv. i — 142 (H),
Prosaversion l — 36 (PC).
Reimversion vv. 143 — 188 (H),
Prosaversion 36 — 48 (PCB).
Reimversion vv. 189 — 379 (H),
Prosaversion 49 — 71 (PCB).
Reimversion vv. 38Ö — 405 (H).
Prosaversion 72 — loi (PCB),
Fragment von Epinal =
Prosaversion n" 41 (E).
Reimversion vv. i — 98 (B^E),
Prosaversion i — 16 (M).
Reimversion vv, 99 — 116 (BjE).
1) Reimversion vv, 117 — 144 (B^E),
2) Fragment von Paris (7t),
Prosaversion 17 — 26 (M).
AI bildete zunächst ein Stück für sich. Die Sammlung von
Wortspielen findet sich häufig, so in dem Mystere: Saint Cristophe,
von Chevalet, in dem P6dant jou6 von Cyrano de Bergerac, im
Ddpit amoureux Moliere's.^ Es ist charakteristisch, dafs es in B
fehlt. An AI wurden All und A III gefügt. Nach A III, BI der
rwie im engern Sinne gehen die Fortsetzungen auseinander, so
dafs wir von den bis jetzt bekannten Stücken folgendes Schema
entwerfen können:
AI
Dialog
Das Leben des Spielmanns
AIV A V
BI/9
In Worten ausgedrückt: das Centrum ist die rio/e du monde. An
diese werden in A oben zwei Stücke, unten je eins angefügt. In
1 L, Petit de JuUeville, Les Myst^res I 269.
1 20 J. ULRICH, NEUE VERSIONEN DER KIOTE DU MONDE.
B findet blofs eine Verquickung mit andern, ursprünglich unab-
hängigen Stücken statt, und zwar auf der einen Seite mit einer
weltlichen Ballade des verites, auf der andern mit dem Preise
eines gottesfürchtigen Lebens. In der ersten wird das Thema
BIß noch etwas weiter geführt durch B 1/9. BII« war ursprüng-
lich eine Ballade, deren Gegenstück in weit künstlerischer Form
sich bei Villon unter dem Titel: La bailade des contreverites
findet.^ Parallelen zu den Proverbes ethniques finden sich bei
H. Gaidoz et P. S6billot, Le Blasen populaire de la France.
Paris 1884.
Der Leser wird bemerken, dafs die sämtlichen Stücke für die
Lexikographie sehr ausgiebig sind.
' ed. Longnon S. 138.
J. Ulrich.
VERMISCHTES.
I. Zur Litteraturgeschichte.
I. Jacques Grevin und Joh. Sambucus.
In seiner Monographie über Jacques Grevin (Paris 1899,
p. 263) erwähnt L. Pinvert Grevins französische Uebertragung der
Embleniata des ungarischen Dichters Johannes Sambucus als
verschollen. Dem ist nicht so, wie aus Szabo und Hellebrant, Regi
magyar könyvtär III, i, 163 (Budapest i8g6) zu ersehen. Ein Exem-
plar besitzt die Königliche Bibliothek in Dresden, ein anderes be-
findet sich in der an solchen Ungarn berührenden, ausländischen
bibliographischen Seltenheiten besonders reichen Sammlung des
Grafen Alexander Apponyi, der mir dessen Benützung durch Ver-
mittelung der ungarischen Akademie in liebenswürdigster Weise
gestattete.
Es ist ein Sedezband von 237 Seiten, Bogen A — P. Der
Titel lautet: Les Emblemes du Signeur Jehaii Sambuais. A Anvers
de Vimpritnerie de Christophle Plantin M.D.LXVII. Datum des
Druckpatents: Bruxelles, le XXIIII jour de Febvrier. Das Vorwort
des Verlegers: U Anvers, de nostre imprimerie, ce XXV jour d^Octobre
MDLXVI. Die Bilder sind die des lateinischen Originals, ohne
die Einrahmung, wegen des kleineren Formats. Das Exemplar trägt
das Bücherzeichen des bekannten Lyoner Bibliophilen Yemeniz.
Chr. Plantin sagt im Vorwort: „Ayant par cy devant imprime
en Latin les Emblemes du S. Jehan Sambucus, gentilhomme non
seulement docte, mais avec cela autant amy, & pour sa qualit6,
liberal fauteur de tous ceux qui fönt profession de quelque art
DU discipline liberale que i'en congneusse iamais; & les ayant
faict traduire en langage Flameng, & depuis nagueres imprimes,
ie n'ay voulu faillir de faire le semblable en Fran^ois, tant pour
complaire a ceux qui n'entendent les autres langues, comme pour
faire apparoistre la fran<;oise n'est moins propre a traicter tel
argument . . ."
Grevin ist nicht genannt, er verrät sich auch nirgends, es sei
denn durch seine dichterische Art, seinen Wortschatz und seine
Versbehandlung (Inkonsequenzen im Wechsel des Reimgeschlechts
und bisweilen Inkongruenz der Strophen). Sonst ist über die
122 VERMISCHTES. II. ZUR WORTGESCHICHTE.
167 Gedichte wenig zu sagen. Es ist bei aller Geschicklichkeit
der Uebersetzung keine eigentliche dichterische Arbeit, sondern
ein geschäftliches Unternehmen. Die reine Begeisterung für die
Kunst scheint bei Gr6vin nur von kurzer Dauer gewesen zu sein,
sie fällt mit seinen Studienjahren 1558 — 1561 zusammen; nach
bestandenen Prüfungen widmet er sich der Ausübung des ärzt-
lichen Berufs und fachmännischer Schriftstellerei und arbeitet ge-
wissermafsen unter der Hand für zahlende Verleger; so schreibt
er für Plantin 1565 die französischen Dialoge für junge Vlam-
länder, 1566, vor seinem zweiten Exil, übersetzt er die Emblemata
unseres Sambucus, und gleich darauf die des Holländers Adrianus
Junius. Nicht entrifs ihn der frühe Tod der Poesie, schon vorher
haben ihn die praktischen Lebensinteressen davon abgezogen, wenn
auch nicht ganz untreu gemacht.
Ph. Aug. Becker.
2. Eine weitere Anspielung auf Valensa.
Bekanntlich wird von der Gräfin von Dia und von A. de
Maruelh ein Liebespaar Seguis und Valensa erwähnt, welches
wahrscheinlich im Mittelpunkte eines uns nicht erhaltenen Romans
gestanden hat, s. Chabaneau, Poesies inedites des troubadours du
P^rigord S. 6 und meine „Provenz. Dichterinnen" S. 32. An einer
Stelle der Strophen, welche L. Cigala an Lantelm richtet, glaube
ich eine weitere, m. W. noch nicht beachtete Anspielung wenigstens
auf Valensa allein zu erkennen:
£ comtaiz de Gui de Nantoill
en loc de Valenza
„ihr erzählt von G. de N., anstatt von Valenza zu erzählen". Von
jenen Strophen war lange Zeit nur der erste der eben angeführten
Verse bekannt (Choix II, 306 und daher auch Birch- Hirschfeld,
Epische Stoffe S. 70); abgedruckt wurden sie als nicht zurecht-
gemachter Text und auffallenderweise ohne den Schlufs von Seibach,
Streitgedicht S. iig, und dann vollständig in der Wiedergabe des
Codex H durch Gauchat und Kehrli, woselbst sie als No. 254
zu finden sind.
O. Schultz -GoRA.
II. Zur Wortgeschichte.
I. Der altfranzösische Name Äufelise.
Unter den zahllosen Personennamen, welche im Epos Folcon
de Candie begegnen, dürfte das meiste Interesse der Name der
sarazenischen Heldin Anfelise beanspruchen, der Schwester Tiebauts,
welche sich taufen läfst, den Folcon heiratet und diesem die Herr-
schaft über Candie verschafft. Hat der Dichter denselben etwa
O. SCHULTZ-GORA, DER AFRZ. NAME ANFELISE. I23
als einen in Nordfrankreich bekannten und verbreiteten vorge-
funden? Es möchte so scheinen, wenn man geneigt wäre, an
einen Zusammenhang mit dem Namen Felise zu denken und diesen
als aus jenem unter Annahme von Aphärese der ersten Silbe ent-
standen anzusehen; Felise erscheint nicht gerade selten: R, u. P.
III, 31 V. 9 (V. 2g, 67 Deminut, Felison), M6on, Nouv. rec. I, 268
V. 2425 (im fablel Trubert), Montaiglon-Raynaud, Rec. III, go, Re-
vue de rOrient latin i8g3 I, 416, 41g, 421, Livre de la Taille de
Paris (i2g2) S. 139 Sp. 2, 162 Sp. i. Allein die Grundlage hiervon
wird doch wahrscheinlich Felicia sein, das vermutlich unter dem
Einflüsse des Mannesnamens Felis (>< Felix) nicht zu Feiice, son-
dern zu Felise wurde. Den Namen Anfelise selber habe ich in
Urkunden nur einmal angetroflfen, und zwar im Cartulaire de Flines
ed. Hautcoeur, woselbst in den I2g2 geschriebenen Memoriaux der
Jeanne d'Avesnes eine dej?iisiele Anflise de Bierses erscheint, so
dafs man auf den Gedanken kommen könnte, es läge hier ein
litterarischer Name vor, der aus dem ,Folcon', dessen grofse Be-
liebtheit ja hinlänglich bekannt ist, geschöpft wäre; er begegnet
aber auch einmal erheblich früher in einer Chronik, nämlich bei
Albericus trium fontium, welcher eine Alfelisia als Tochter der
Elisabeth von Namur nennt (Monum. Germ. XXIII, 822, 5). Dafs
wir in Alfelisia nur eine andere Form des gleichen Namens zu
erkennen haben, erscheint mir wenigstens nicht zweifelhaft, und
auch der Umstand, dafs Gislebert im ,Chronicon Hannoniense'
Annchelisa für Alfelisia schreibt (Rlonum. Germ. XXI, 508, 28), spricht
nicht gegen die Namenidentität. Nun mufs aber die genannte
Dame schon in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts gelebt
haben, da ja Gislebert's Chronik nur bis zum Jahre 1195 reicht,
er aufserdem von Annchelisa als einer Erwachsenen spricht und
da der letzteren Bruder Roger von 11 75 — 1201 Bischof von Laon
war (s. Monum. Germ. XXIII, 822 Anm. 63). Es erscheint mithin
fraglich, ob unser Name zuerst im Folcon de Candie auftaucht und
erst von hier aus bekannt geworden ist, selbst wenn man die Ent-
stehungszeit des Epos mit G. Paris (Litt^rat. franc;. S. 70) schon um
das Jahr 1170 ansetzen will; es verdient auch die Thatsache Er-
wähnung, dafs mehr als einmal Anphlise {A?ipfl?se) in Wolfram's
,Parzival' und ,Titurel' begegnet (s. das Namenverzeichnis in der
Ausgabe von Bartsch), und da der Name bei Chrestien nicht an-
zutreffen ist, so wird Wolfram ihn wahrscheinlich aus der andern
Quelle, welche ihm vorlag, geschöpft haben.
Wie es sich nun auch mit der Priorität verhalten mag, es
bleibt die Frage nach der Herkunft zu beantworten. San-Marte
schon hatte den Namen zu deuten versucht, und zwar als afflise (?)
,die Betrübte* (Germania II, 3g2), während Bartsch lieber an ein
prov. afflicha oder auch an prov. afolida (weil im , Jüngeren TitureP
Anfolise) denken mochte (Germanistische Studien II, 138). Diese
Herleitungsvorschläge sind aus naheliegenden Gründen unannehm-
bar. Ich glaube, dafs man in Alfelisia, welches Albericus bietet,
124 VERMISCHTES. II. ZUR WORTGESCHICHTE.
die ursprünglichere Form des Namens zu erkennen habe und dafs
das Etymon nirgends anders als im Arabischen zu suchen sei. Wie
mir der bekannte Arabist Ahlwardt freundlichst mitteilt, wird in
arabischen (Original-) Wörterbüchern als nom. propr. fem. Haiisa
aufgeführt, und wenn, wie er hinzufügt, auch ein al-halisa (also
mit dem Artikel) nicht vorzukommen scheine, so sei dies doch
gemäfs der Bedeutung ,rein, frei von Zuthaten, auserlesen' wohl
möglich. Liegt, wie mir scheint, ein al-halisa zu Grunde, so wäre
arab. h, wie im Spanischen, durch f wiedergegeben worden, wobei
denn noch an die Herkunft von afrz. aufage'^ erinnert werden
mag; Beachtung dürfte auch der Umstand verdienen, dafs Gisle-
bert, wie wir oben sahen, mit ch schreibt: Annchelisa. Wie erklärt
sich das ?/ an Stelle von zu erwartendem ul Hat der Name ur-
sprünglich Aufelise gelautet und liegt in n für u ein Lesefehler
vor, wie in späterem Euriant für Euriaut (s. Tobler- Abhandlungen
S. 192)? So sehen wir im ,Mort Aimeri de Narbonne' V. 544,
1753, 1766 dieselbe Person bald Anfelis ha\d Au/elis {Aufeliii) ge-
schrieben, wie man neben Vaupatris ein Vampatris findet. Oder
haben wir es mit einem epenthetischen n zu thun, das sich bei
einem für Alfelise, Aufelise stehenden *Afelise frühzeitig einge-
funden und festgesetzt hätte (vgl. etwa acube, ancube für alcube,
aucube)'} Vielleicht hat am meisten die Annahme für sich, dafs
das erste / vor dem Wandel zu u Dissimilation zu 71 erfuhr. —
Es erübrigt noch zu bemerken, dafs in den verschiedenen Hand-
schriften des ,Folcon' für unsere Heldin nicht selten auch die
Namensform Anfelis auftritt ,2 doch ist dieselbe offenbar durch
metrische Bedürfnisse hervorgerufen worden, wie sich denn auch
das Anfelis im ,Ensenhamen' des Guiraut de Cabreira^ so erklären
wird; sie fällt so mit dem Mannesnamen Atifelis [Enfelis] zusammen,
der gleichfalls im ,Folcon' begegnet (also wohl <; arab. al-halis),
und zwar ist da zweimal von dem Panzer eines sobenannten Königs
die Rede, den Huon de Floirevile in seinen Besitz bekommen hat
und welchen er seinem Sohne Folcon übergiebt, als letzterer
Wilhelm von Orange zu Hilfe zieht (Hs. 25518 f. iiv", 26r'';
Hs. 778 f. I73r0 col. i, 178VO col. i). Von diesem Anfelis weifs
ich nichts Näheres anzugeben, und es ist nicht einmal ersichtlich,
ob er als sarazenischer oder christlicher König gedacht wird, an
dem Vorkommen des Namens aber ist, wiewohl die Boulogner Hs.
^ Schon Nyrop (trad. Gorra), Storia dell' epopea francese S. 356 bringt
die richtige Herleitung von arab. al-hachch, oder wie er transcribiert al-kädjdj,
indem er auf Devic in den Memoires de la societe de linguistique de Paris
V, 40 — 41 verweist, was Körting im Wörterbuch und auch Thomas in den
Essais de philologie frangaise S. 245 übersehen hat.
2 Die Form Anfeliz, auf welche wir z. B. in Hs. 25518 f. 13 v», f. 18 r"
treffen, ist ein Zugeständnis an den Reim. Die Schreibung Anfelix in der
genannten Handschr. f. 32 r° zeigt x für s, wie denn ebenda f. 23 r" und v" lox
und rescox für los und rescos steht. Der Form Anefelis in Hs. 778 f. iggv"
col. 2 kommt keinerlei Bedeutung zu, sie ist nur dreisilbig.
3 Vgl, Romania VH, 459.
O. SCHULTZ-GORA, LI PORT DE GUITSAND IM ROLANDSLIEDE. I25
an der ersten Stelle Anseis liest (fol. 2iivf' col. 2), nicht zu zwei-
feln, da er ja, wie wir oben sahen, auch im ,Mort Aimeri' ange-
troffen wird und er ferner im Ainieri de Narhonne (ed. Demaison)
V. 3608 (hier ist ein sarazenischer Fürst gemeint) begegnet.
O. Schultz -GoRA.
2. Li port de Guitsand im Rolandsliede.
In der Oxforder Handschrift des Roland lautet V. 1429:
De Besencun tresqiüas de Guilsand,
es fehlt also p07-z, das Michel nach den anderen Handschriften
ergänzt hat und das dann in die folgenden Rolandausgaben auf-
genommen worden ist. Ich möchte dieses porz durchaus nicht
anzweifeln, aber ich möchte wissen, wie die Herausgeber das Wort
hier verstehen; Müller äufsert sich nicht dazu, Gautier und Paris
verzeichnen die Stelle nicht besonders, sondern begreifen sie in
den Glossaren in ein „etc." ein, so dafs man nicht recht erkennt,
wie sie übersetzen. — Obwohl Wissant Küstenort ist, wird man
ra. E. an „Häfen" nicht denken dürfen, denn was sollte hier der
Plural? Vielmehr wird von der Bedeutung auszugehen sein, die
port so oft prov. und afrz. hat und die ja auch im Rolandsliede
auftritt: „Uebergänge über die Pyrenäen", dann auch „Alpenpässe".!
Von hier aus ist das Wort vermutlich sehr bald dazu gekommen,
die Berge der Pyrenäen oder Alpen überhaupt zu bezeichnen.
Dies weist für die Pyrenäen schon Gautier zu V. 657 seiner Roland-
ausgabe aus einer Urkunde nach, und man könnte versucht sein,
porz in V. 1703 und 1766 einfach als , Gebirge' zu fassen, wie
denn in V. 1422, falls man den Zusammenhang nicht aufser Acht
läfst, darunter nur , Ausgang des Gebirges' verstanden werden
kann; ebenso liegt es nahe, in Str. 5 des Carros des R. de Va-
queiras de sai los poriz geradezu mit ,diesseits der Alpen' zu über-
setzen. Und weiter, wie die Alpen und Pyrenäen im Westen und
Süden Frankreichs lange Grenzlinien bilden, so übertrug man den
1 Lat. angiportus ,enge Gasse' kann auf die Bedeutung nicht eingewirkt
haben: portus , Hafen' hat offenbar seinen Sinn erweitert zu ,enge Einfahrt in
den Hafen', dann zu , enger Durchgang' überhaupt; so scheint das Wort im
Ogier V. 9164 sos Saint- Ajosse passa un port a nef zu bedeuten. Singular
und Plural findet man nicht selten im Provenzalischen im übertragenen Sinne
— entsprechend unserem , enge Pforte des Todes' und nhz. pas {z. 'S», fr anchir
le dur pas de la inort) — , wofür Raynouard keine Belege giebt, so bei
G. de Bornelh : Quan sera lai passatz AI port on no s'escliay QiCom mertne
son esmay (MW. I, 205), bei G. d'Ieiras: Per qu^ieus requier humilmen ....
Que quan passarai los portz Vos mi donatz bonos sortz (MG. 7 Str. 4), bei
A. de Belenoi: Lo Jörn c'om passa los portz On tug van ses contradire
(MG. 901 Str. 3; jetzt auch bei Lowinsky, Zum geistlichen Kunstliede in der
altprov. Litter. S. 106 V. 24 — 5), bei F. de Romans: Qu^a passar nos er al
port On tug passen ab dolor (ed. Zenker S. 68). Vgl. auch Vie de Samt Alexi
in Romania VIII, 172 V. 259 und B, de Conde ed. Scheler S. 117 V. 276 — 7.
120 VERMISCHTES. III. ZUR WORTGESCHICHTE.
Ausdruck porz auch auf anderswo liegende Grenzen, so dafs denn
in Aliscans V. 1342 (ed. Rolin) von pors d' Alemaigne die Rede ist
[tien est si fei jtisqu'as pors d'Aktnaigne), wobei schwerlich an Eng-
pässe gedacht worden, sondern höchstens an die Gebirgszüge im
Osten (etwa die Vogesen), ja vielleicht nur Grenze überhaupt ge-
meint ist. Das letztere ist offenbar der Fall, wenn es ebenda
V. 3784 heifst: nen ot si sage jusqiias pors de Ltitise,^ also ,bis zu
den Wilzcn hin', oder im Folcofi de Candie zweimal (Boulogner Hs.
f. 2o6r'^ col. 2, Bibl. nat. 25518 f. lOv*'): diisqttas pors de Hongrie,
oder im Meraugis V. 44 (ed. Friedwagner) : dusqtües pors de Mace-
doine (diese Lesart von Hs. T ist in den Text zu setzen). — Die
Verbindung port d' Espaigne (z. B. Rol. V. 11 52; Gir. de Ross. ed.
Hofmann V. 4183), mit dem etwaigen Nebensinn ,spanische Grenze',
mag den Anstofs zu den anderen Wendungen gegeben, in denen
der Ausdruck, wie man sieht, formelhaft gebraucht wird, um die
Grenze eines meist recht entfernten Landes zu bezeichnen. 2 Es
kann darnach nicht Wunder nehmen, wenn nun der Plur. port auch
zu Städtenamen tritt, wenn also im Folcon de Candie (Bibl. nat. 778
f. 258 vO col. 2; 25518 f. 76 vO): port de Sebile und port de Belesgtce
(= Balaguer) genannt werden, oder im Garin nach Ducange (unter
portus)'. port de Nis?nes, oder im Guibert d'Andrenas: port de Salorie
(s. Ztschr. XXII, 41S Anm. 2), und so wird noch in manchen anderen
Verbindungen, in welchen ich den Namen nicht zu recognoscieren
vermag, an einen Ort gedacht worden sein, z. B. bei den porz de
Tornehrie im Aiol (ed. Förster V. 9977), den porz de Vauquois in
der Prise d^ Orange V. 1134, porz d'Orchoise im Folco7i (Bibl. nat.
25518 f. 33v0), porz de Montarssi (ib. Bibl. nat. 778 f. 249 vO col. 2),
porz de Golivent (ib. f. 250 vO col. 2), porz de Marsotine"^ (ib. f. 257VO
col. i), porz de Pynele (ib. f. 2']Zs^ col. 2); auch der Sing, port be-
gegnet vereinzelt,^ indem die Bedeutung ,Hafen' ganz ausgeschlossen
ist. In vielen dieser Fälle geht ein jusque vorher und der Name
bezeichnet einen Grenzpunkt, so dafs man etwa ,bis zur Gemarkung
von' übersetzen möchte, und so meine ich, dafs auch dusqu'as porz
de Guitsand zu verstehen sei, um so eher, als ja Guitsand den
nördlichsten Punkt Frankreichs anzeigen soll.
1 Die port de Lutis oder Leutiz erscheinen auch in der Alexandriade
S. 473 und im Folcon de Candie (Bibl. nat. 25518 fol. iSv«).
2 Im Folcon wird sogar der ganze Orient mit porz verbunden : diisqu^as
pors d^ Orient (Bibl. nat. 778 f. 250 v" col. 2), während bei den porz de Libe
im Eneas V. 276 (ed. de Grave) die Möglichkeit, dafs , Häfen' gemeint sei,
nicht ausgeschlossen ist (die Stelle fehlt im Glossar).
ä Man kann an Marsune im Rolandslied V. 2994 erinnern.
* Im Folcon (Bibl. nat. 778 f. I97r0 col. 1,2): au port de Balesgue [Ba-
lesguer); im Garin nach Ducange sub portus: des le port d'Aix.
O. Schultz - Gor A.
H. SCHÜCHARDT, P. MARCHOT, ETYMOLOGIEN. 12'J
3. Romanische Etymologien.
Tessin. (Arbedo) papadüu,
wozu Salvioni Rom. Jahresb. 1895 — 96 I, 182 noch trevis. papadör,
wen. papaör fügt und xen. papaüro hätte fügen sollen, bedeutet den
Haken unten an der Kesselkette der zum Aufhängen des Kessels
oder eines andern Gefäfses dient. Boerio sagt: „da papär, pren-
dere"; Salvioni in der Anm. zu Pellandinis Glossar S. 33: „sarä
realmente il sostegno della pentola in cui si cuoce la pdpa, cioe
la minestra o altro". Wie nahe auch räumlich der papador der
papa sein mag, dafs er nach dieser benannt sein könne, leuchtet
nicht ein; und als Ableitung von pappare „fressen" ist das Wort
ganz unverständlich. Anders verhält es sich mit tosk. pappatojo
„Frittlöffel" (bei den Glasbrennern). Das venetische Wort scheint
auf der Vermischung eines solchen von pappare gebildeten Wortes
mit einem von ganz andrer Herkunft zu beruhen. Dieses zweite
Wort liegt vor, worauf mich A. Ive hinweist, im istr. (dign.) papo,
(gales.) panpo, was meines Erachtens nichts Anderes ist als istr.
panpo, friaul. panipid, ital. pa7npano „Ranke".
Sard. (log.) ruspiare
„spucken" erinnert an das deutsche räuspern; die Aehnlichkeit ist
aber wie bei andern Wörtern ähnlicher Bedeutung, die verschie-
denen Sprachen angehören, eine zufällige oder nur onomatopoetisch
begründete. Ich vermute hier eine Vermischung von ^raccare (prov.
racar u. s. w. ; vgl. gallur. rascia, „Auswurf") und ^coitspuere (port.
cuspir), wie aus südfranz. esctipi -f- escracha lim. eic7-upi hervor-
gegangen ist.
H. SCHÜCHARDT.
4. a. fr. mitou, fr. matou.
Littrc se demande si l'on a affaire ä un derive de l'a. fr. ?niie
(cf. chatiemite). Diez I micio derive ces mots de l'a. fr. mite „chat".
Scheler enregistre cette Solution pour mitou et observe d'une fa9on
assez obscure que matou est probablement (comme l'a. fr. marcou
et le lorrain raoti{l)) un nom d'homme (peut-etre Maihieu) ou du
moins a ete „d'apr^s l'anc. ??iiioti assimile ä un nom d'homme".
M. Körting passe ces mots sous silence. Le Dictionnaire gmeral
d^clare matou d'origine inconnue, mais dit ä chattemite: „compos6
probablement avec chatte et un mot mite, qui parait etre le radical
de mitou, employ6 autrefois pour matou, et vient peut-etre du latin
mitis, doux".
La Solution de Diez mc parait etre la bonne, mais eile reclame
un compl6ment d'explication. D'oü vient la finale -ou et pourquoi
matou avec o? Mitou et matou sont tardifs et n'apparaissent qu'au
XVP si^cle, voy. les exemples de Godefroy. Mitou, pour moi, est
un compromis entre 7}iite et l'ancien marcou, comme les formes
128 VERMISCHTES. IL ZUR WORTGESCHICHTE.
septentrionales du domaine d'o'il marlon et marou (voy. ici, XVIII,
432 — 3) sont un compromis entre mark, marre (masculu) et
marcou^\ matou est un autre melange entre mitou &i ?narcou auquel
il prend son a.
Paul Marchot.
5. Franz. amarrer etc.
Das Wort kann wegen des rr- nicht zu holl. maaren gehören;
in Neapel gab man mir für 'Pflock zum Anbinden des Schiffstaues'
zvarra; das gehört zu harra und ein iji-barrare mufste ammarrare
werden, es bedeutet 'abbarrare', 'impedire', 'ingombrare', in letz-
terer Bedeutung vermischt es sich mit ammarrare von lat. marra
'ammucchiare terra con la marra'; im Neapolitanischen bewirkte
dann die Aehnlichkeit eines nur angebundenen (nicht verankerten)
Bootes, das hin und her schaukelt, mit einer nur angelehnten (nicht
eingeklinkten) Thüre den Bedeutungsübergang zu 'socchiudere',
den das Wort auch im Tarentinischen hat (De Vicentiis);^ dann
nahm es, vielleicht in der Sprache der Ca?iiorra, die Bedeutung
'accecare gli occhi' in der Verbindung ammarrä na fdn§siv, a. \t\e
ffdn§st9 an; es ist dann nach Spanien und Portugal (amarrar) und
ins Französische gekommen; in Frankreich ist amarrer im XIII. Jahrh.
belegt (Dict. gen.), davon bildete man das Gegenteil desamarrer,
weiters atnarre, amarrage u. s. w. ; man fafste anderseits amarrer
als Zusammensetzung von a\(i\ und marrer und bildete das Gegen-
teil nochmals demarrer,^ wie attaccher detacher neben sich hat; aber
auch das Primitivum marer bildete sich leicht durch Einflufs der
Ableitungen von mer mare wie marin u. s. w. Dieses französische
Wort wanderte wieder nach ItaHen; Tommaseo- Bellini hat nur
marre pl. 'Ankerhaken' (MichaeUs 'Ankerhände'), das 1607 und
16 14 belegt ist,5 das aber wegen seiner Bedeutung nicht das
Grundwort für it. amarrare sein kann; amarrare un cavo 'ein Tau
fest um etw. schlingen' (Valentini), aber doch nicht um den Anker,
sondern um den Pflock, dann auch amarrare un bastimefiio 'ein
Fahrzeug ankabeln' (ibid.), aus dem Verbum ist amarra 'Kabeltau'
genommen , wenn es nicht einfach das franz. Wort ist. Ich mache
darauf aufmerksam, dafs Gonzalez im Dizionario maritlimo italo-
^ A l'endroit cite, je tirais ?narou et marlon de Marulfus, mais on
m'a fait observer que Marulfus n'existe pas {Rom.., XXVI, 307).
2 span. amarrar zeigt, dafs es nicht nur graphische Verdoppelung ist.
2 ob es auch als Schifferausdruck vorkommt, weifs ich nicht. Scerbo
S. 103 hat nur mharrare 'impedire'.
* Die weitere Bedeutungsentwickelung 'vom Flecke bringen', 'sich vom
Flecke rühren' bleibt so wie bei der früheren Ableitung zu erklären, an Ana-
logien fehlt es nicht: decamper, deffuerpir, detaler.
5 Randaccio, Dell' idioma e della letteratura genovese [Roma 1894]; das
dort angeführte gen. a^narrä kann aus dem Französischen stammen und die
Wörter der it. Schriftsprache gegeben haben.
ADOLF ZAUNER, ZUM BEARNISCHEN IMPF. IL I29
portoghese [Venezia 1S82] portug. amarrar mit it. 'ormeggiare'
übersetzt, it. amarrare kommt bei ihm nicht vor; so erklärt sich
leicht, wenn die ital. Wörter mit m statt mit mm erscheinen, da sie
Fremdwörter aus dem Franz. oder Genues. sind, das letztere kann
sie aus dem Franz. haben oder aus Neapel direkt, wobei die Ver-
einfachung des mm regelrecht wäre.
Wir hätten also einen weiteren Schifferausdruck, der aus
Neapel stammt, zu ainener und goumhie zu fügen.
J. SUBAK,
III. Zur Formeulehre.
Zum bearnischen Impf. II.
In der Revue de Gascogne, Janv. 1899, S. 62 ilf. unterzieht
Hr. Ducamin meinen Aufsatz Ueber die Konjugation im Bearnischen
Zs. f. r. Ph. XX 443 fF. einer ausführlichen Kritik, in der er u. a.
meine Erklärung des bearnischen Impf. II a. a. O. S. 445 anfecht-
bar findet. Da diese Erklärung von Meyer -Lübke R. Gr. II § 259
angenommen worden ist, so sei es mir gestattet auf Hrn. Ducamins
Einwände einige Worte zu erwidern.
Ich habe a. a. O. angenommen, dafs das ursprüngliche Impf.
*metia durch meiei etc. ersetzt worden sei, um auch in II, so wie
in I und III den Charaktervokal der Konjugation, wie er in der
4. 5. Präs. Ind. hervortritt, einzuführen. Dagegen wendet nun Hr. D.
ein, dafs das Impf, tnetei offenes e habe, jnetem metets aber ge-
schlossenes; 'cette seule raison suffit, nous semble-t-il', fährt er
fort, 'ä ruiner la theorie de M. Z.' Dieser Einwurf ist indes, wie
sich gleich zeigen wird, nicht stichhaltig.
Der zweite Einwand gegen meine Auffassung ist, dafs die
Endungen des Kondizionales (-?' -es etc.) weder mit den beleg-
baren Formen {-ebi -§i) noch mit den von mir vorausgesetzten (-zö)
des Impf, übereinstimme. Aber gerade das Kondizionale scheint
mir ein Beweis -für meine Hypothese zu sein.
Die lautgesetzhchen Formen des Perf. von dedi sind: d^ (oder
vielleicht di), dist, d§, d§m oder (wegen der Nasalis wahrschein-
licher) dem, dcts, *d^ron, woraus später dfu oder vielleicht den. Hier
waren also ursprünglich ^ und e gemischt: Vereinfachung konnte
nicht ausbleiben, und sie trat denn auch wirkhch ein, denn Lespy
bemerkt ausdrücklich, dafs man im Pf. von da sowohl ^ als e
sprechen könne. Warum nun in metfi -§s u. s. w. gerade ^, im
Kond. aber e durchgeführt worden sei, läfst sich freilich schwer
sagen.
Dafs übrigens der Eintritt von tnetgi in die Funktion des Impf,
verhältnismäfsig alt sein müsse, ergiebt sich aus folgenden Er-
wägungen. Das Fut. der Vergangenheit wird in den romanischen
Sprachen, die hier in Betracht kommen können, aus dem Inf. und
Zeitschr. f. rom. Phil. XXIV. 9
130 VERMISCHTES. IV. ZUR SYNTAX.
dem Impf, von habere gebildet. Wenn nun das Bearn. die
Endungen -/ -es u. s. w. verwendet d. h. Endungen eines ursprüng-
lichen Pf., so geht daraus hervor, dafs habere ebenfalls schon
diese dedi -Endungen u.zw. schon mit Impf.-Bedeutung angenommen
haben müsse, als das Kond. gebildet wurde. — Wenn Hr. D. es
weiter merkwürdig findet, dafs das Bearnische aus zwei Typen drei
gebildet haben sollte, während doch die Analogie tine force emi-
neniment simplificatrice sei, so ist darauf zu erwidern, dafs das Wesen
der Analogie nicht das Vereinfachen ist; es besteht vielmehr eher
darin, dafs sie vorhandene Reihen löst und neue bildet, was frei-
lich häufig, aber durchaus nicht immer eine Vereinfachung der
grammatischen Schemata zur Folge hat. Ital. devve movve gehören
ursprünglich einer Reihe an, die genau der lat. debuit *movuit
entspricht; aus diesem einen Typus bildet die Sprache zwei, indem
das erste Pf. der Reihe der schwachen, das andere der der j-Verba
eingeordnet wird.
Adolf Zauner,
IV. Zur Syntax.
Mischung indirekter und direkter Rede in der Frage.
Theodor Kalepky beschäftigt sich in dieser Zeitschrift (XXIII, 4,
S. 491 ff".) ausführlich mit dem, was ich in der zweiten Reihe meiner
Vermischten Beiträge S. 7 Mischung indirekter und direkter Rede
genannt habe, er aber ,V. R.' d. h. nach S. 506 .verhüllte, verkappte,
verkleidete u. s. w. Rede' zu nennen vorzieht. Der Sachverhalt, um
den es sich dabei handelt, besteht darin, dafs i) der Sprechende
eine Frage ^ in derjenigen Satzform, mit der Wortstellung und
dem Ton ausspricht, die man seinen eigenen direkten Fragen
giebt, während in unserem Falle die Frage doch nicht als von
ihm, sondern als von einem andern und in der Vergangenheit ge-
than aufgefafst werden soll, und dafs 2) infolgedessen ein Präsens,
das in der direkten Frage, wofern sie sich auf Gegenwärtiges be-
zöge, stehen würde, nunmehr zum Imperfectum wird, wie dieses
auch bei Anwendung des indirekten Fragesatzes eintreten müfste,
wenn das zugehörende regierende Verbum in einem der Tempora
stünde, mit denen wir von Vergangenem berichten. Direkt: est-ce
donc vrai? Indirekt: il demanda si c'etait donc vrai. Mischung
(ohne ausdrückliche Aussage, dafs die Frage in der Vergangen-
heit gethan sei): etait-ce donc vrai? — Die von mir beobachtete,
gekennzeichnete und so wie oben gesagt benannte 2 Erscheinung
^ Es braucht nicht immer eine Frage zu sein; doch spreche ich hier der
Kürze wegen nur von diesem Fall, weil Kalepkys Einwand gegen mich sich
nur auf diesen bezieht.
2 Bis auf weiteres gedenke ich bei dem Namen auch zu bleiben, werde
es aber keinem verdenken, wenn er ,V. R.' vorzieht; mir scheint letzteres
weniger bezeichnend.
Ä. TOBLER, MISCHUNG INDIREKTER UND DIREKTER REDE. I3I
habe ich im Zusammenhang mit andern und nur im Hinblick
darauf behandelt, dafs bei der Umschreibung der Frage mittels
est-ce que dieses est nicht auch ins Imperfectum tritt i^etait-ce que
c'eiaü donc vrai?), wie man hätte erwarten können, und wie es
hätte geschehen müssen, wenn man sich des ursprünglichen Sinnes
der Umschreibung bewufst geblieben wäre; sondern dafs man, wie
in den andern dort dazu gestellten Fällen (nagulre, piiga, peut-etre
U.S.W.), beim Präsens bleibt. Von ,Tadel' und ,Vorwurf', die ich
nach Kalepky bei dieser Gelegenheit gegenüber dem französischen
Volke, das doch hier allein verantwortlich scheinen könnte, aus-
gesprochen hätte, ist mir nichts erinnerlich; ich pflege mich in
derartigen Fällen befriedigt zu fühlen, wenn ich begriffen habe.
Tadle ich schon zurechnungsfähige Individuen nicht ohne Not,
wenn sie von dem abweichen, was (Strenggenommen richtiger' ge-
wesen wäre, am wenigsten, sobald ich sehe, dafs sie aus ange-
borener oder sonst kaum zu ändernder Sinnesart heraus handeln,
wie sollte ich einem Volke gegenüber mir Vorwürfe erlauben in
Hinsicht auf das, was es in unbewufstem Sichgehenlassen an seiner
Sprache anders gestaltet, als es bei strenger Folgerichtigkeit und
sorgfältigem Achten auf sich selbst gethan haben würde? Hätte
ich mich a. a. O. nur mit dieser Mischung direkter und indirekter
Rede (Frage) zu beschäftigen gehabt, so hätte ich mich darüber
weitläufiger verbreitet und auch das berührt, was jetzt Kalepky
S. 509 ff, zutreffend bespricht. Da er das Richtige darüber bemerkt,
so braucht mir nicht leid zu sein, dafs ich davon geschvyiegen
habe. Wohl aber bedaure ich, an einer andern Stelle nicht aus-
führlicher gewesen zu sein; denn wäre ich dort es gewesen, so
hätte ich Kalepky und noch einem andern Leser meiner Beiträge
erspart, etwas durchaus Unrichtiges im Widerspruch zu mir zu
behaupten.
Mit Bezug nämlich auf jenes Verbleiben bei dem Präsens
est-ce que, wo strenggenommen ein etait-ce que richtiger sein würde,
hatte ich gesagt, es sei einzig gebräuchlich, und kein Franzose
denke daran, das Imperfectum zu setzen. Dies bestreitet Kalepky
und führt in der That drei Stellen aus Zola vor, wo Fragen der
oben gekennzeichneten Art mit etait-ce que beginnen. Dieser Ver-
such, meine nicht unbedachte, auf Grund ziemlich ausgedehnter
Lektüre ausgesprochene Behauptung zu widerlegen, beweist jedoch
nur, dafs mein Widersacher seinen Zola nicht mit der Sorgfalt
gelesen hat, die er zu meiner Freude auf das Studium meiner
, Beiträge' wendet. Sonst hätte er bemerken müssen, was ihm bei
einer Rückkehr auf jene drei Stellen nicht wird entgehn können,
dafs an denselben es sich keineswegs um die bekannte Umschrei-
bung der Frage handelt, sondern um das hier fragend und hier
im allein statthaften Imperfectum gebrauchte dest que, von welchem
bei mir S. lo die Rede ist, und das man je nach Umständen mit
,das liegt daran, dafs', ,das erklärt sich daraus, dafs', ,das be-
deutet, dafs' u. dgl. zu übersetzen hat. Mit andern Worten: wenn
132 VERMISCHTES. IV. ZUR SYNTAX.
Zola, Avas er ohne Änderung des Sinnes konnte, statt zur Frage-
form zur Form der in fragendem Ton zu sprechenden Assertion
gegriffen hätte, so hätte er statt zu sagen: etait-ce dotic que le catho-
licisme ne pouvaü ccder? gesagt: c'etait donc que le cathoHcisyne ne pou-
vait ceder ! Von dem Abb6 selbst ausgesprochen lautete die Frage:
est-ce donc que le catholicisme ne peut eider?, oder die Assertion: c'est
donc que u. s. w. Sollte an der Zola'schen Stelle aufserdem die Um-
schreibung stattfinden, dann ergab sich mit nicht grade schöner,
doch nicht unmöglicher Wiederholung des Verbums etre und des
que: est-ce que c'etait donc que le c. ne pouvait eider?
Da das Aufklärung einführende dest que (,das liegt daran,
dafs'), wie ich Bd. 11 S. 10 ff. gezeigt habe, bei der , Mischung in-
direkter und direkter Rede' Präsens bleibt oder doch bleiben kann,
so darf man auffällig finden, dafs es als Präsens in der Frageform
bei jener Mischung kaum vorzukommen scheint. Si on se re-
tournait pour la voir, etait-ce qu'elle etait belle (fragte sie sich) wird
man da finden, wo es sich um die Frage handeh, ob die (un-
zweifelhafte) Schönheit oder aber etwas anderes die Ursache der
Aufmerksamkeit gewesen sei. Wenn man in diesem Falle nicht
est-ce sagt, so liegt das wohl nur daran, dafs man geneigt und ge-
wohnt ist, dieses in anderem Sinne zu brauchen und zu verstehn,
nämlich in dem der Frage, ob etwas Thatsache sei oder nicht,
hier also in dem der Frage, ob Schönheit vorhanden sei. Einer
Zweideutigkeit ist im Präsens nicht leicht aus dem Wege zu gehn,
es sei denn man vertausche im einen Fall que mit parce que. Wo
es sich aber um Dinge handelt, die der Vergangenheit angehören,
ist auch im Falle jener Mischung volle Deutlichkeit dadurch er-
möglicht, dafs est-ce que nicht gesetzt wird, wo etait-ce que statt-
haft, und etait-ce que nicht, wo est-ce que zulässig ist. Ausländer
können freilich immer noch mifsverstehn , wie Kalepkys Beispiel
gezeigt hat, und vor ihm das Lars Lindbergs, dessen irrtümliche
Auffassung mehrerer mit etait-ce que beginnenden französischen Sätze
ich in der Besprechung seiner Locutions verbales figees im Literatur-
blatt f. germ. u. rom. Philol. 1898 Sp. 189 richtiggestellt habe. Wie
übrigens der Unterschied zwischen , affektischer ' und ,verstandes-
mäfsiger' Rede in der von Kalepky S. 497 angenommenen Weise
hätte wirksam werden können, das hätte er meines Erachtens ver-
suchen sollen einigermafsen begreiflich zu machen.
Adolf Tobler.
BESPRECHUNGEN.
Die Dichtungen des Michelagniolo Buonarroti herausgegeben und mit
kritischem Apparate versehen von Dr. Carl Frey. Berlin, G. Grote'sche
Verlagsbuchhandlung. 1897. 4"- XXVI, 546 S.
Die Art der Ueberlieferung der Gedichte M.'s bereitet dem Herausgeber
grofse Schwierigkeiten, an denen sowohl der GrofsnefFe M.'s als auch Guasti,
deren Verdienste um die Forschung der neue Herausgeber gebührend hervor-
hebt, doch gescheitert sind, so dafs eine Neubearbeitung notwendig war. Die
zahlreichen Handschriften, die bald Originale bald zeitgenössische Abschriften
enthalten, wurden von dem neuen Herausgeber einer peinlich genauen Durch-
sicht unterzogen. Durch Vergleich der Schrift in den verschiedenen Auto-
grapha M.'s ist es ihm gelungen die Entstehung der einzelnen Gedichte und
Abschriften in ihren Zwischenstufen zu verfolgen, innerhalb des Lebens des
Dichters verschiedene Perioden zu unterscheiden, in denen seine Schrift ein
dem Charakter der gleichzeitigen Werke des Bildhauers und Malers ent-
sprechendes Aussehen hat, immer grofszügiger und lapidarer wird und eine
ungefähre Datierung der Gedichte erlaubt, die mit Hülfe von historischen
Kriterien oder nach dem Inhalte näher bestimmt wird. Aus dem Charakter
der Schrift ist es ferner möglich flüchtige Entwürfe von den für die Heraus-
gabe oder für die Sendung an Freunde bestimmten Reinschriften zu unter-
scheiden, was wichtig ist für die Beurteilung der Arbeitsmethode M.'s. Zahl-
reiche Gedichte und Fragmente stehen auf freien Stellen von Briefkonzepten,
Rechnungen oder Zeichnungen und geben zu interessanten kimsthistorischen
Erörterungen Anlafs. Als wichtiges neues Ergebnis ist hervorzuheben, dafs
es dem Herausgeber gelungen ist innerhalb der Ueberlieferung eine Gruppe
von Gedichten auszusondern, die mehrmals von Freunden M.'s und deren
Schreibern abgeschrieben, von M. durchkorrigiert wurden und zeitlich zu-
sammengehören und mit einer besondern von derselben Hand stammenden
Nummerierung versehen sind. In diese Gruppe wurden nur Gedichte ohne
Anspielungen auf persönliche Erlebnisse aufgenommen; frühere Versionen
einzelner Gedichte bewahren uns die ursprüngliche aus der Tiefe des von
der Leidenschaft erschütternden Herzens hervorbrechende und deshalb poetisch
oft wertvollere Gestaltung der Gedichte. Die ganze Eigenart jenes in sich
verschlossenen, von der inneren Glut der Leidenschaft verzehrten, mit dem
Ausdruck ringenden Künstlers und Dichters offenbart sich in den für den
kleinen Kreis der Freunde oft für den Dichter allein bestimmten Bekennt-
nissen, die aufserhalb dieser Sammlung liegen.
134 BESPRECHUNGEN. F. ED. SCHNEEGANS,
Die Anlage der Textausgabe ist vortrefflich. Der Herausgeber verzichtet
auf eine Gruppierung der Gedichte nach ihrem Inhalt oder ihrer Form oder
den Adressaten, die notwendig zeitlich Zusammengehöriges auseinanderreifst
und bei dem oft imbestimmten Charakter der Gedichte ohne Willkür nicht
durchzuführen ist, sich für eine Uebersetzung wohl eignen dürfte, nicht aber
für eine wissenschaftliche Ausgabe. Er hat die einzig mögliche chronologische
Anordnung gewählt, die uns erlaubt das Denken und Fühlen des Dichters
in seinem Werden und Wechsel zu verfolgen. Freilich beruht die Datierung
sehr oft auf Vermutungen, da aber ihre Begründung in den Anmerkungen
ausführlich mitgeteilt ist, vermag der Leser im Einzelnen die Folgerungen des
Herausgebers nachzuprüfen. Für viele Gedichte besonders der für die Heraus-
gabe hergestellten Sammlung (No. CIX, l — 105) läfst sich nur die Entstehungs-
zeit der Abschriften und ältesten uns erreichbaren Versionen bestimmen, wäh-
rend die Urversion uns verborgen bleibt. Für den Text ist die letzte von
M. selbst verfertigte oder in den Abschriften seiner Freunde durchkorrigierte
Fassung der einzelnen Gedichte gewählt. Frühere Ansätze und wiederauf-
gegebene Fragmente sind in den kritischen Teil der Arbeit verlegt worden.
Es ist dies das einzig richtige Verfahren, da es galt die Gedichte möglichst
in der Form herauszugeben, die der Dichter für den Druck gewählt hätte,
mögen auch in vielen Fällen frühere Versuche und Fragmente frischer und
unmittelbarer auf den Leser wirken. Auch hier spielt das subjektive Em-
pfinden mit, der Herausgeber hat aber seine Aufgabe den Stoff vollständig
und übersichtlich zu ordnen trotz der grofsen Schwierigkeiten mit vielem
Scharfsinn und peinlicher Gewissenhaftigkeit gelöst. Die Fragmente giebt er
einzeln heraus und widersteht der Versuchung an einzelnen Teilen mosaik-
artig ganze Gedichte zusammenzustellen: auch darin giebt seine Ausgabe ein
richtigeres Bild des Textes als die von Guasti. So hat er für das innige
Klagelied M.'s um seinen Bruder und seinen Vater (No. LVIII) die ältere
vollständigere Version der dritten besseren aber fragmentarischen vorgezogen,
während Guasti beide willkürlich mit einander verarbeitet, ebenso wurde z. B.
von No. LXV die Urversion trotz ihrer Unvollständigkeit beibehalten, da
spätere wiederholte Versuche M.'s den schwerfälligen Text zu verbessern mifs-
langen und Guasti durch Verarbeitung der Fragmente „eine eigene nicht M.'s
Dichtung gegeben hat". Bei der eigentümlichen Ueberlieferung der Gedichte
ist eine einheitliche und durchgehende auf der Vergleichung der Hss. be-
gründete Bearbeitung des Textes, wie sie in andern Fällen möglich ist, nicht
diu-chzuführeu. Für jedes Gedicht ist das handschriftliche Material besonders
zu prüfen, da die einzelnen Gedichte vom Dichter und seinen Freundee ver-
schieden behandelt worden sind. Im Allgemeinen wurden die Autographa
M.'s zu Grunde gelegt, oft aber Abschriften mit M.'s Verbesserungen ihnen
vorgezogen. Der Text giebt die Schreibung M.'s mit ihren Inkonsequenzen
wieder, nur die Worttrennung wurde durchgeführt, die phonetische Silben-
trennung M.'s in den Anmerkungen verzeichnet. Ebenso wurden die zahl-
reichen Verdoppelungen der anlautenden Konsonanten im Satzzusammenhang
wie amme, addosso u. s. w. aufgegeben (warum aber No. LXVIII, v. 2 ollo ?),
Nicht ganz konsequent ist die Behandlung von c und g vor a, 0, u: CIX, 4, 3
ist guri beibehalten, CIX, 47, 3 wird dagegen giunta für gunta korrigiert,
LXVI, 12 giorno für gorno, während leggadra CIX, 55> ^ ^"^ Texte steht.
FREY, DIE DICHTUNGEN DES MICHELAGNIOLO BUONARROTTI. 1 3 5
Die textkritische Thätigkeit des Herausgebers beschränkt sich bei der Art der
Ueberlieferung auf die Wahl des Textes und auf die Verteilung der Inter-
punktionszeichen', Textverbesserungen sind nur sehr selten nötig. Der ein-
gehende Kommentar umfafst die Lesarten und für die Litteratur- und die
Kunstgeschichte gleich wertvolle Erklärungen 2. Bei der Dunkelheit vieler
Gedichte sind die zahlreichen Uebersetzungen und Umschreibungen einzelner
Stellen besonders willkommen, so der Urversion von No. CIX, 7. Besonders
lehrreich sind die Bemerkungen über die verschiedenen Adressaten, die Schei-
dung der an junge Freunde (Cavalieri) und der an Vittoria Colonna und an
eine unbekannte „donna bella e nel cor aspra e fera" gerichteten Gedichte,
sowie die Bedeutung der Anrede „Signiore" (Anm. zu No. XXXV). Hoffent-
lich wird der Herausgeber bald die in der Vorrede versprochene zusammen-
hängende Abhandlung über M. als Dichter und Mensch uns schenken. Zu
jedem Gedichte sind ferner Stellen aus den Werken von M.'s Vorbildern,
Dante, Petrarca, Poliziano u. s. w., angeführt. Eine Auswahl von Gedichten
an Michelangelo und Regesten und urkundliche Belege vervollständigen die
Ausgabe. Zwei Kunstblätter bereichern das prachtvoll ausgestattete Buch,
ein Idealporträt M.'s von A. Krüger und das Bild des greisen Dichters von
Francesco da Hollanda in Heliographie.
F. Ed. Schneegans.
Xiars liindbex'g, Les locutions verbales figees dans la langue fran-
9aise. Th^se pour le doctorat. Upsal, impr. Almqvist & Wiksell. 1898.
8«. 2BI., 117 S.
Durch das erste Kapitel der zweiten Reihe von Toblers Vermischten
Beiträgen angeregt, hat der Verfasser der vorliegenden Dissertation diejenigen
unter den erstarrten französischen Wendungen einer näheren Untersuchung
unterzogen, welche eine finite Verbalform enthalten. Als „figee" erachtet er
mit Recht eine Ausdrucksweise dann, wenn die Wendung in dem Mafse
1 X, V. II Punkt nach in Mauro. — LXXIII, 36 v. i Komma nach
splendore. — CIX, 66. 69. 70 v. 6 Komma nach inuola. — In dem Sonnett
CLXVII von Giovanni da Pistoja an Michelangelo ist v. 4 chome chi sognia
0 dorma mit ascese al cielo zu verbinden, also Komma vor chome, Punkt
nach dortna. — CLXXVII, 4 v. 11 ist dicon statt dican zu lesen.
'■' Ist es möglich das kraftvolle allegorische Gedicht LXIX, in dem in
farbenreicher Schilderung zwei Riesen vorgeführt werden, auf die Unruhen in
Pistoja zu beziehen? Die Figuren scheinen mir eine allgemeinere Bedeutung
zu haben: Berge sind unter den Füfsen des Einen wie Sandkörner, allerhand
Getier haust in dem dichten Haar an seinen Schenkeln, aber ein Halm, ein
Sandkorn oder Rauch, den der Wind in sein Cyclopenauge treibt, blendet
ihn und bringt ihn in Verwirrung. Aehnlich wird die faule, bösartige Riesin
und ihre Drachenbrut geschildert. Solche übergewaltige Wesen können nicht
auf die Wirren einer einzelnen Stadt allegorisch hindeuten. Sie müssen Laster
darstellen, deren Erscheinung freilich beim Gedanken an die Frevelthaten der
Pistojesen dem Dichter vor die Seele treten (das Gedicht scheint zeitlich mit
dem Sonnett gegen die Pistojesen zusammenzugehören). Aber keine der vor-
geschlagenen Erklärungen berücksichtigt den Umstand, dafs der Riese trotz
seiner Kraft durch ein Nichts sich blenden läfst (oder ist etwa doch an Or-
goglio, wie Aug. Conti vorschlägt, zu denken.'').
BESPRECHUNGEN. ALFRED SCHULZE
als sprachliche Einheit gefühlt und behandelt wird, dafs der Redende
ihr verbales Element den gerade vorliegenden Umständen anzupassen verab-
säumt, also z. B. piega sagt, wo piece ot am Platze wäre, oder andere von
Tobler a. a. O. aufgedeckte Sünden begeht. Zum Teil greift Lindbergs Unter-
suchung in das Gebiet der sogenannten „Flickwörter" über, insofern eine
Reihe von Imperativformen (tiens, tenez, voyons, allons u. a.) im Laufe der
Zeit eine von der ursprünglichen so weit abliegende Bedeutung gewonnen
haben, dafs die Annahme, der Sprechende sei sich ihres etymologischen
Wertes nicht mehr bewufst, unumgänglich ist. Das von L. gewählte Thema
gehört nicht zu den leichten: scharfe Beobachtungsgabe, philologisches Fein-
gefühl und ausgiebige Belesenheit dürfen dem nicht fehlen, der die Punkte
aufzuzeigen unternimmt, wo die sprachliche Entwicklung unerwartete Wege
eingeschlagen hat, der entscheiden will, welches Mafs von Leben Sprachformen
eines fremden Idioms im Bewufstsein der Sprechenden haben oder in ver-
gangenen Zeiten hatten. Man darf sagen, dafs Lindberg die Lösung seiner
schwierigen Aufgabe im ganzen wohl gelungen ist. Besonders in der neueren
französischen Litteratur beweist er grofse Belesenheit, auch das Italienische
und Spanische hat er nicht selten zu meist treffendem Vergleich herbeigezogen.
In der Regel ist es ihm auch gelungen das Wesentliche, das was die Er-
starrung verrät, herauszufinden, obschon der Punkt, wo sie einsetzte, oft
schärfer hätte bezeichnet, die Stufenfolge der Entwicklung klarer aufgezeigt
und die Beispiele sauberer hätten gesondert werden können.
Gleich bei den beiden an erster Stelle behandelten Wendungen ; toujours
est-il und quoiqiCü en soit bleibt der Vf. den Beweis für das Erstarrtsein
schuldig. Ich glaube, der moderne Franzose fühlt noch bei beiden Aus-
drucksweisen deutlich den Wert jedes Satzteiles, selbst den von en in
guoiqu'il en soit, das ich nicht mit L. als ä peu pres pleonasttque be-
zeichnen möchte. En hat die wichtige Aufgabe, zum Ausdruck zu bringen,
dafs der Redende der Vorstellung des Hörers völlige Freiheit nicht im All-
gemeinen, sondern grade mit Bezug auf ein bestimmtes Sein, über welches
eine Meinung schon geäufsert ist, einräumt, und wenn die ältere Sprache hier
und da unter übrigens gleichen Umständen ein guoi que soit oder quoi qu'il
soit für ausreichend hielt, so bedeutet es einen Vorzug der modernen, dafs
sie diesen wichtigen Hinweis zu unterlassen nicht mehr gestattet. — Was
S. 29 flf. über c^est que vorgetragen wird, ist nur zum Teil zutreffend. L. ist
der Ansicht, das c^est que in st c'est que jel puisse amender sei gleicher
Natur mit dem „aufklärenden" c'est que, von dem Tobler in den Vermischten
Beiträgen II 10 handelt. In beiden bedeute etre soviel wie exister, que sei
beide Male die Konjunlction, ce verweise beide Male auf den folgenden, durch
que eingeleiteten Satz. Und bei solcher Auffassung, meint L., trenne ihn nur
das von Tobler, dafs dieser ce als Hinweis auf Vorhergehendes, er selbst
aber als Vorwegnahme von erst Folgendem in Anspruch nehme, über etre
und que teile er Toblers Meinung. Das heifst nichts anderes, als dafs L.
Toblers Ausführungen mifsverstanden hat. Nach diesen ist wenigstens etre
bei aufklärendem c'est que keinesfalls gleichbedeutend mit exister, sondern
das gewöhnliche verbum substantivum wie in c'est mon frere. Und wenn
L. zum Erweise der Gleichartigkeit beider c'est que bemerkt, dafs die Natur
der c'est que einschliefsenden Sätze es sei, die in gewissen Fällen die in Rede
LINDBERG, LES LOCUTIONS VERBALES FIG:fiES. I37
stehende Wendung zu einer kausalen stemple, da z. B. schon das blofse
Nebeneinander der beiden Sätze Ce •vieillard jouit d'une bonne sante und
il s'est toujours iien soigne erkennen lasse, der Inhalt des zweiten habe das
im ersten Ausgesagte verursacht, so vergifst er, dafs das Gleiche für alle mög-
lichen Arten von Konjunktionen oder konjunktive Funktion ausübenden Wen-
dungen zutrifft; auch parceque z. B. kann doch gewifs nur Sätze verbinden,
deren Inhalt in ähnlichem Verhältnisse wie jene beiden von L. angeführten zu
einander steht oder mindestens stehen kann, ohne dafs man deswegen, weil
in vielen Fällen der Zusammenhang auch ohne Aussprechen von parceque klar
wäre, aufhören müfste, parceque als begründende Konjunktion zu bezeichnen.
Mit voranschreitender Entwickkmg sucht eben die Sprache die Mittel zu
mehren, welche die Sauberkeit der Rede erhöhen, ihre Mifsverständlichkeit
immer mehr einschränken. Sie läfst es daher bei jener Nebeneinanderstellung,
die nicht einmal bei dem von L. gewählten Beispiele falsches Verstehen aus-
schliefst ■ — mancher könnte ja vielleicht meinen, gute Pflege sei nicht der
geeignetste Weg zur Erhaltung einer guten Gesundheit, eher Abhärtung und
Anstrengung — nicht bewenden, sondern bringt auch zum Ausdruck, in
welchem Verhältnisse man das eine Sein zu einem zweiten vorzustellen habe,
bei parce que, indem sie das zweite als Vermittelung des ersten denken
heifst, bei aufklärendem c'est que, indem sie ein zweites als in seiner AVesenheit
mit einem an erster Stelle bezeichneten identisch erklärt. — Bei c'est pour-
quoi weist L. richtig darauf hin, dafs die Entartung an die Verkennung der
Natur des quoi anknüpft: es lag nahe, pour quoi in dem Satze c'est pour quoi
je l'ai dit ebenso aufzufassen wie in der Frage, auf deren Antwort jener Satz
hinweisen kann: Pour quoi l'as-tu ditP; hier und dort verschmolzen pour und
quoi im Bewufstsein des Redenden und daher auch äufserlich in der Schrift
zu einer Einheit, deren Elemente selbständigen Wert nicht mehr besafsen,
und wenn Lücking S. 429 Anm. 2 in dem pourquoi der Wendung c'est pour-
quoi ein besonderes relatives pourquoi erkennt, so ist dem entgegenzuhalten,
dafs, gäbe es thatsächlich ein solches, man etwa auch ein rien pourquoi oder
ein Satzgebilde wie pourquoi l'un fut banni, Vautre fut comble d'honneurs
für möglich halten müfste. War aber erst erreicht, dafs pourquoi in c'est
pourquoi für das Bestimmungsfragen einleitende Adverbiale gehalten wurde,
so war auch die Entwicklung von c'est pourquoi zu einem auf einen Grund
hinweisenden Adverb nicht aufzuhalten imd ganz in der Ordnung, dafs man
ihm , ähnlich wie donc, einen Imperativ zugesellte : c'est pourquoi pensez-y.
Die hierin liegende Anakoluthie steht deswegen nicht auf gleicher Stufe mit
der von Tobler V. B. I 25 als im Altfranzösischen üblich erwiesenen der Form
je te requier que me fai den, weil es sich in letzterem Falle um ein wirk-
liches Aufgeben der ursprünglich beabsichtigten Konstruktion handelt, während
bei dem Imperativ nach c'est pourquoi die zur Verwendung kommenden
sprachlichen Mittel bereits so abgeschliffen waren, dafs dem Redenden die
Anakoluthie nicht mehr zum Bewufstsein kommt, wenn auch die grammatische
Analyse sie herausfindet.
L.s Polemik (S. 83) gegen Marchots Artikel „qui = si Von" in dieser
Zeitschrift XX 525 ist mir nicht völlig klar geworden. Er wird zugeben,
' dafs sie nicht stichhaltig ist, wenn er erwägt, was lange vor Marchot Tobler
in den V. B, I 99 über denselben Gegenstand vorgetragen hatte. — Bei peut
138 BESPRECHUNGEN. ALFRED SCHULZE,
etre (S, 93 ff.) hätte es sich verlohnt, etwas näher auf die altfranzösischen
Vorstufen der Redensart einzutjehen. Was S. 93 f. als den ursprünglichen
Sachverhalt darstellend zusammengestellt ist, scheint mir recht verschiedenartig;
auch ist aus dem Umstände, dafs ein durch que eingeführter Satz 2i\xi peut-etre
folgt, auf einstmalige gröfsere Lebendigkeit der pcnit-etre zusammensetzenden
Teile nicht zu schliefsen, da ja noch heute gleiches statthaft ist. Vor allem
aber hätte auf eine Erklärung des altfranz. Puet cel estre nicht verzichtet
werden sollen. Neben diesem begegnet schon afz. eine die Erstarrung deut-
lich verratende Form: puecestre, das in der von mir herausgegebenen Ueber-
setzung von Predigten des h. Bernard \ii\.. fortasse wiedergiebt (z.B. 291,43;
293,59; 335,45 u. 335,47). — Ueber espoir bemerkt der Verf. zutreffend,
dafs der Uebergang von der Verbalform zum Adverb und damit das Erstarrt-
sein dort ersichtlich sei, wo espoir am Anfange eines Satzes Inversion des
Subjektes herbeiführe, wie bei Froissart: Espoir trouveroit eile en yaus tout
confort et bontte adrece, Dafs im Altfranz, aber die verbale Natur von espoir
gemeinhin doch gefühlt wurde, zeigen Fälle, wo anstelle von espoir ausführ-
licher je r espoir gesagt wird, wie MirND XVIII 557 (Voir d'aucten estes
deceue Qui vous en niaine, je Vespoir) oder si com j' espoir (Rencl. Mis. V 3).
— Zu sagen, qui sait vor indirektem Fragesatze sei allmählich zu der Be-
deutung peut-etre gelangt (S. 96), ist unrichtig, da ja doch qui sait si cela
n^est pas nicht bedeutet „vielleicht ist das nicht der Fall", sondern das
Gegenteil „vielleicht ist dem so". Und dazu kommt es auf die Weise, dafs
dem Hörenden durch die Frage qui sait, die weder er noch irgend jemand
zu beantworten im stände wäre, klar gemacht wird, Niemandes Wissen reiche
hin, die in dem Nebensatze aufgeworfene Frage zu beantworten, niemand also
könne das Nichtsein behaupten, womit denn gleichzeitig in vorsichtiger
Form die Möglichkeit des Seins hingestellt wird. Und noch weniger trifft
offenbar die Uebersetzuug von qui sait durch peut-etre das Richtige da, wo
sich eine indirekte Bestimmungsfrage daran anschliefst: qui sait, comment
an la jugeait dejä P In solchen Fällen wünscht der Redende durch qui sait
auf die Möglichkeit hinzudeuten, dafs die durch das Fragewort (comment,
pourquoi u. s. w.) bezeichnete Lücke in einem Vorstellungskreise in ganz un-
erwarteter Weise ausgefüllt werden könnte, dafs irgend welche bestimmte
Annahme in dieser Hinsicht zu machen Niemand im stände, also Vorsicht
im Urteile geboten sei. Selbst da scheint es mir verfehlt, qui sait als
ein „Adverb mit der Bedeutung von peut-etre" zu bezeichnen, wo ihm kein
indirekter Fragesatz folgt, sondern das worauf sich das Nichtwissen bezieht,
in der Form eines Hauptsatzes erscheint: Ah! qui sait? dit-elle, je finirai
peut-etre par m'habituer ä vous. Nicht deshalb allein, weil dieser Hauptsatz
in unserem Falle und vielen ähnUchen ein peut-etre bereits aufweist, neben
dem denn ein gleichbedeutendes qui sait überflüssig erscheinen würde: es ist,
glaube ich, die Funktion beider Wendungen nicht durchaus die gleiche.
Durch qui sait genügt der Redende dem Bedürfnis, seiner darauf folgenden,
zumeist unerwartet kühnen Behauptung die aus den vorUegenden Umständen
nicht zu erbringende, aber doch erwünschte Grundlage durch den Hinweis
darauf zu geben, dafs irgend welches bestimmtes Wissen über den Gegen-
stand Niemand besitze, Niemand also auch Einsprache zu erheben berechtigt
sei, während er mit peut-itre wohl die Form der Behauptung vorsichtiger
LINDBERG, LES LOCUTIONS VERBALES EIGNES. I39
gestaltet, im Grunde aber doch nur einer angreifbaren Aussage eine zweite
wieder anzufechtende hinzufügt.
Dafs der Uebergang der Imperative tiens, tenez, voyons, allons, allez,
va u. a. zu der interjektionalen Verwendung „se comprend sans commentaire
et n!offre que tres peu dHnterct" unterschreibe ich nicht, meine vielmehr,
dafs Lindberg sowohl wie Hosch in seinen ,, Flickwörtern" hier Anderen
noch manches Schwierige und Interessante zu thun übrig gelassen haben.
Die fleifsige Arbeit von Engländer über den altfranzösischen Imperativ (Bres-
lauer Dissertation von 1889) hätte der Verfasser nicht übergehen sollen, wo
er über voici und voilä handelt (S. 106), wie denn überhaupt etwas ausgiebigere
Benutzung der Fachlitteratur erwünscht gewesen wäre. Im Ganzen aber hat sich
Lindberg durch seine sehr fleifsige, anregende Arbeit aufs beste eingeführt.
Alfred Schulze.
Archivio Glottologico Italiano. Band XV, Heft i u. 2.
I — 82. E. G. Parodi, Studi liguri, Fortsetzung der XIV, i — lio be-
gonnenen Untersuchungen, enthaltend den Schlufs der Lautlehre, die Formen-
lehre, einige Bemerkungen zur Syntax und ein sehr reichhaltiges Glossar.
83 — 96, 226 — 235. N. Zingarelli, // dialetto dt Cerignola, Laut- und
Formenlehre einer in der Capitanata gelegenen Stadt, zugleich mit Vergleich
der Sprache der umliegenden Landbevölkerung. Beachtenswert ist, dafs die
Bauernsprache eine weitere Entwickelung zeigt, als die Stadtsprache, vgl. dort
a >• ei, e >• ai, 0 > au, hier ä, ei, ou, so dafs also wie anderswo die Vertraut-
heit mit der Schriftsprache und ihre Verbreitung zunächst zwar den Dialekt
nicht wirklich verdrängt, aber doch hemmend wirkt. Im Konsonantismus
dringt aber schon g im Anlaut an Stelle von c aus/ ein; aggyp 'ich habe'
wird analogisch nach voggya 'ich will' sein. Sonst ist namentlich bemerkens-
wert, dafs // zu rein dentalem dd wird, so dafs wir uns hier wohl auf einem
Gebiete befinden, dem der Wandel von II zu dd ursprünglich ganz fremd ist.
Sehr auffällig ist die Dehnung des Anlautes nach dem männlichen Artikel:
uppäne 'das Brod', auch ippäne, letzteres die vulgäre Form, aber auch nur
bei einer kleinen Zahl von Wörtern, endlich lu -vvuastB 'das Eurige' u. s. w.
Dies letztere ist verständlich, ob man nun illud (Rom. Gramm. I, S. 540) oder
ül'koc (Ascoli, Arch. Glott. XIII, 292) zu Grunde lege. Das erstere scheint
auf il- hinzuweisen, lu also eine jüngere, von angrenzenden Mundarten über-
nommene Form zu sein. Merkwürdig ist der Prohibitiv, der entweder wie im
Spanischen, Portugiesischen und Provenzalischen durch non mit dem Kon-
junktiv oder aber mit ire und dem Gerimdium gebildet wird, und nicht minder
merkwürdig die I. Sing., 3. Plur. sonds, die an das Rumänische erinnert und
die doch wohl zunächst nur als 3. Plur.: sunt-o mit Nachklang zu erklären
ist, besonders da ein tonloses so I. Sing., 3. Plur. daneben steht, also ur-
sprünglich I . Sing, betont *sono, tonlos so, 3. Plur. betont *sonto, tonlos so,
dann i betont nach 3 betont umgestaltet, weil i tonlos = 3 tonlos war. Die
2, Sing, si bildet dann nach sonda auch sindp.
97—130. C. Nigra, Note etimologiche e lessicali. I. ital. afnoscino,
can. tamassin bestätigt die Deutung aus damascenus; 2. piem. ansiinder 'an-
140 BESPRECHUNGEN. W. MEYER -LUBKE,
zünden' deutschen Ursprungs; 3. gen. ielletegar 'kitzeln', emil. hledger aus
vellere ■\-titillicare; 4. '\tiiS.. bietta, wahrscheinlich emilianisch, nicht toskanisch,
und dann aus hil'etta zu frz. bille; 5. branca u. s. w. wäre eines der ältesten
germanischen Lehnwörter durch Umstellung aus krampa entstanden, begriff-
lich sehr ansprechend , auch lautlich sehr wohl möglich ; 6. vicent. brombo
'Pflaume' zu ahd. brätnal; 7. ital. bucato u. s. w. gehören, wie schon Diez
gesehen hat, zxxbuca 'Loch', begrifflich die einzig mögliche Deutung ; 8. cacio-
cavallo ist eine Umdeutung von cazzoc; 9. cal-, weitere Beispiele zu den
früher (s. Zs. XXIII, S. 472) gesammelten; doch scheint mir siz. carcarazza
'Elster' nicht *coracea zu sein, sondern eine onomatopoetische Bildung;
10. verschiedene Namen für 'Falz an Fässern', vor allem gen. ziniia, mail.
gmna u. s. w., die an deutsches 'Zinne' erinnern, doch macht der Anlaut
Schwierigkeit; andere Ausdrücke sind deutlicher, zu dem schriftital. caprug-
gine stellt Ascoli in einer Note noch mit anderen Suffixen gebildete Dialekt-
ausdrücke; II. berg. carot 'Kuhglocke' zu gi/adrum (?); 12. berg. catelina
Tannzapfen': *'capitellinum'; 13. Verba auf -care: straccare aus tragicare,
frz. clocher aus claudicare oder aus *cloppicare zu cloppus, wie schon Diez
lehrt; 14. ^if:Xi\, cepp, {x\ä.w\. clipp ts.m's, tepidus xihtx tepulus, aqua tepula'^, wie
schon Flechia lehrte, s. Arch. Glott. IX, 198 Anm.; 15. frz. crapaiid zu ital.
grappa 'Glied', vgl. '\\.-ä\. zambaldo zu zampa, überzeugend, wogegen crecelle
aus *crapicena eigentlich 'Frosch' doch sehr fraglich ist, mail. satt 'Frosch'
entsprechend zu ven. zata ' Tatze ', rospo dagegen stünde für frospo und ge-
hörte zu deutsch Frosch Q); 16. piem. ^r/o 'stolz', 'herulus'; 17. ^lexa.fjama-
lesna 'Glut' aus flaimna und dem von Mussafia Beitrag 75 besprochenen lesna;
18. piem. gola, afr. jolif aus gaudiola, wohl richtig für das Piemontesische,
kaum für das Französische, da gaudiola hier nicht, wie Nigra meint, zu jojole
sondern zu joyole oder genauer joyuele geworden wäre, woraus *jole {*juele)
sich kaum erklärt; 19. ital. gorra 'Weide' zu einer adjektivischen Basis, die
'rötlich, rotbraun' bedeutet, der auch frz. göret 'Ferkel', span. gorra 'Mütze'
u. a. zuzuteilen seien, über deren Ursprung aber nichts feststeht; 20. ixz. gou-
pillon zu deutsch. 'Wisch' und den früher (s. Zs. XXIII, 477) von Nigra be-
sprochenen Wörtern; 21. frz. grivois zu griu (graecus) mit Suffix -ois;
11, romanische Wörter, die mit mhd. 'griuwel' zusammenhängen; 23. ital.
guaraguasco aus verbascum; 24. berg. creeles, bol. cridalesimi aus kyrie
• Um Mifsverständnissen vorzubeugen will ich doch darauf hinweisen,
dafs Aqua Tepula nicht heifst 'laues Wasser', sondern dafs es der Name
einer 125 v. Chr. von Rom auf das Capitol geführten Wasserleitung ist, über
dessen Bedeutung wir schlechterdings nichts wissen, ja deren Bezeichnung als
'Lauwasser' nicht einmal wahrscheinlich ist, wenn man Aqua Appia, Marcia,
Julia, Claudia, Augusta, Trajana, Severiana, Ajtio Vetus, Virgo u. s. w.
vergleicht. Und da ich das Wort berühre, will ich bemerken, dafs sich
W. Foerster einer merkwürdigen Unkenntnis der einschlägigen Litteratur
schuldig macht, wenn er Zs. XXII, 517 Anm. 2 schreibt: 'Der erste, der dies
(nämlich den Wandel von lab. + id zu lab. + ul) behandelte, war Salvioni im
Arch. IX, 198', während es an der betreffenden Stelle nur heifst, Flechia hätte
in tess. cep u. s. w. ein tepulo- (cfr. tepula aqua in den Wb.) gesehen, Salvioni
selber die Sache nicht 'behandelt'. Aber allerdings hat viele Jahre früher
Ascoli Arch. Glott. II, 408 und VII, 500 davon gesprochen und für Leute,
die sprachlich blind sind, im Index zu VII bei -ido in --olo noch ausdrück-
lich geschrieben 'preceduto da consonante labiale'.
ARCHIVIO GLOXTOLOGICO ITALIANO XV, I. 2. I4I
eleison; 25. Schweiz, lüvro aus über, auch loth. liv (s. Horning Zs. IX, 501,
Franz. Grenzdialekte Gloss.) hätte Erwähnung verdient; 26. meleze soll auf
meliginu oder melgin zurückgehen, doch ist mit jener Basis keine der ange-
führten provenzalisch-französischen Formen vereinbar, da in diesem Gebiete
zwischenvokalisches g nicht zu s wird. Ich möchte doch an melix (Zs. XV,
243) festhalten, kann aber augenblicklich nicht weiter auf die Sache eingehen;
27. ital. nicchio aus nidiculu Q), nicchiare 'stinken' aus nidiculare; 28. can.
pitro 'Kropf aus pectore, vgl. dazu Rom. Gramm. II, 214; 29. piem. pre
•Kropf der Hühner' aus *petrariu; 30. can. piissar 'Wasser schöpfen' zu
puteus; 31, zWz.raincier m\\.'S>t^xt'a.% z.\3l.% retenciare %\.dXX.recentiare\ 32. emil.,
lomb. ratta 'steiler Weg' zu rapida; 33. piem. rista ' Hanfstengel ' zu ahd.
rista mit Diez; 34. Bezeichnungen der Klatschrose: ferr. püpla, hexg. popona
zu pTipa; 35. can. sakun 'Stock' zu deutschem 'Zacken'; 36. piem. saljott
'Heuschrecke' zu salire; 37. can. sampatt zu sympathicus; 38. piem. zgag
'plötzlicher Schreck' zu ghiado; mail. skagg 'Herzklopfen' zu *excoagulu; piem.
ziöy 'Schreck' zu böy von bullire; 39. Bezeichnungen des Vogelbeerbaums:
sav. temell und verwandte Formen zu tr entere; 40. bol. stervetta 'Gamasche'
zu germ. streupa; 41. ital. traghetto zu traghettare = trajectare; 42. Fort-
setzer von vetere, z.T. schon anderswo aufgeführt, z.B. Rom. Gramm. II, 172;
43. ital. cocca, frz. coche zu *caudica; 44. itdX. froge 2i\x's, forbice, begrifilich
ganz wahrscheinlich gemacht, aber lautlich in der Gegend, der das Wort an-
gehört, schwer anzunehmen.
130. C. Salvion i, pazzo a.us patt'ens, sehr wohl möglich, namentlich
wenn man gelehrten Ursprung annimmt.
131 — 213. S. Pieri, Gli omeötropi italiani. Unter diesem Titel stellt
der Verf. Wörter zusammen, die man sonst als homonym zu bezeichnen pflegt,
d.h. gleiche Lautgruppen, die von verschiedener Herkunft auch verschiedene
Bedeutung zeigen. Giebt eine solche Untersuchung demjenigen, der sie unter-
nimmt, Gelegenheit zum Nachdenken über viele etymologische Probleme, so
hätte sie wohl nach einer anderen Seite hin noch fruchtbarer gestaltet werden
können, wenn der Verf. mehr nach vorwärts als nach rückwärts blickend die
Frage erörtert hätte, ob die Homonymität die Bedeutung beeinflufst habe.
Dafs schon lateinische Fälle im allgemeinen weggelassen werden, wird man
nur billigen können, doch hätte tempiale zu tempus 'Schläfe' und tempiale
'Spannbaum am Webstuhl' von lat. templa Erwähnung verdient, auch wenn
man templa statt tempora schon dem Lateinischen zuschreibt. Ein Fall, der
aber unbedingt hieher gehörte, ist nionna. Der Verf. unterscheidet i. 'ma-
donna' und 'scimmia', 2. 'moneta'. Das Verhältnis des letzten Wortes zu
der Kurzform ist auch mir unverständlich, so dafs ich mich frage, ob nicht
etwa ein mammona 'Mammon' dahinter stecke, und monna 'Affe' betrachte
ich vorbehaltlos als identisch mit ngr. fiatnovva, fxovva, türk. maimun, eine
Annahme, die auch Schuchardt Zs. XV, 96 macht. Mitunter bleibt die Ver-
schiedenheit des Ursprungs, auch wenn der Verf. für das eine Wort ein un-
richtiges Etymon aufstellt, so viirA fetta 'Schnitte' mit Cecchi aus cffetta her-
zuleiten sein. Für agghiaccio 'Helmstock am Steuerruder' weifs der Verf.
keine Deutung. Das Wort erinnert an prov., franz. jas (frz. auch jat ge-
schrieben) 'Ankerstange', also ein ähnlicher Bestandteil, daher wohl dasselbe
Wort, wie auch die Verschiebung vom Anker zum Steuerruder vor sich ge-
142 BESPRECHUNGEN. W. MEYER-LUBKE,
gangen sein mag. Dies jas wird nun freilich ursprünglich auch nicht die
hervorragende Stange des Ankers als solche, sondern einen Stützpunkt des
Ankers bezeichnet haben, denn dafs es Postverbal zu jacere ist, ist wohl
zweifellos. Wer mit den betreffenden Gegenständen und ihrer Manipulation
genauer vertraut ist, kann vielleicht auch die Bedeutungsverschiedenheit klarer
darstellen. — Ein schwieriges Problem bietet aguglia 'Adler', da auch ein
*aquüino zu aguglino schwer anzunehmen ist, jedenfalls dessen / nicht durch
das von saglire aus salire gestützt wird, wie der Verf. meint. Um eine i'-Ab-
leitung kommen wir kaum herum, also aculia statt acula, aber auch damit ist
der Vokal noch nicht erklärt, vgl. vorläufig Parodi Rom. XXII, 309 und
Guarnerio Diporti glottologichi S. 23. — Sodann wäre hier anzufügen aguto
I. ' Ferkellvaninchen', 2. 'langer dünner Nagel', jenes amerikanischen Ursprungs,
dieses acutus. Dann assetta, Dim. von asse, und assetta, Postverale von
assettare, beide bei Petrocchi unter dem Striche, beide bei Rigutini - Bulle
fehlend ,1 dagegen ist natürlich mit Recht assettare 'kastrieren' zu assettare
'in Ordnung bringen' gestellt. Für brustare 'sticken' wird kein Etymon
gegeben; das Wort ist identisch mit nix. broder, afr, brozder, die Verschieden-
heit in Vokal und Konsonant weist auf germanischen Ursprung imd zwar
dürfte brustare die langobardische, brosder die spätgotische oder frühfränldsche
Form darstellen, jedenfalls beweisen, dafs ^ an Stelle von altgotisch u älter
ist, als der Wandel von got. tönendem s zu ahd. r; im übrigen vgl. zu dem
germanischen Stamme Brugmann Grundr. II 1, § 505. Cucino ist allerdings
französisches Lehnwort, coussin sollte aber nicht mehr auf culcüinu zurück-
geführt werden, da coxinu zweifellos ist (Rom. XXI, 87); dafs dolo 'Trauer-
gewand' von dolor stamme, ist mindestens eine zweifelhafte Annahme, da es
ebenso wohl Postverbal zu dolere sein kann, ebenso sollte dunque nicht mehr
auf dönique zurückgeführt werden ; falena aus *faviHena würde ich noch ent-
schiedener abweisen, als es hier S. 140 Anm. geschieht, aber z.^x<^ favolesca
nicht z.vS. favillisca zurückführen (vgl. Rom. Gramm. II, 559); fratare 'olitare'
und ' annusare ' sind wohl ein und dasselbe Wort ; zu ergänzen ist frisone
friesisches Pferd' \mA. frisone 'Kernbeifser', letzteres la^t. friswne; lindo von
limpidu geht nicht, da das lateinische Wort nach Mafsgabe von rum. limpede
und anderen Formen kurzes i hat; logoro 'abgenutzt', logorare 'abnutzen'
zu lurcari ist begrifflich und lautlich schwierig, während lucrare formell und
begrifflich gleich gut pafst, vgl. Schuchardt, Litbl. 1893, 97; loja 'Schmutz'
ist nicht lürea zu luridus, sondern lor-ea, s. Zs. XI, 256; lonza oder besser
Plur. tant. lonze 'Weichengegend' ist, das glaube ich dem Verf. gerne, identisch
mit lonzo 'schlapp, kraftlos', aber doch nicht wohl lumbeus, da bj zu z auch
in den Mundarten nicht vorkommt, vielmehr ist, wie schon Diez für das Ad-
jektivum annahm, germanischer Ursprung sicher; 7nuso von morsus ist ent-
schieden zu verwerfen, vgl. jetzt Dict. general unter muser; hinzufügen würde
ich piglto 'Nehmen' und pi'glio 'Blick', da ich kaum glaube, dafs beide
gleichen Ursprungs seien; pitto 'Huhn' in der Kindersprache ist wohl schall-
nachahmend, nicht zu Würz. /// 'klein'; das Verhältnis \on porca 'Schwein'
1 Diez Wb. unter assettare kennt auch assetto 'Brettchen', das bei
Petrocchi fehlt. Ist es nicht verdruckt für assetta, so wäre noch ein Paar
assetto 'Brettchen' und assetto 'Einrichtung' anzusetzen.
ARCHIVIO GLOTTOLOGICO ITALIANO XV, I. 2. 143
z\x porca 'Furche' berührt den Romanisten nicht, da der Verf. aber letzteres
aus *porrica zu porricere = froicere entstanden sein läfst, so mag, ganz ab-
gesehen davon dafs porricere und proicere ganz verschiedene Bildungen sind,
erinnert werden, dafs porca sich Laut für Laut mit deutsch /«rcÄe und gall.
*rica (frz. raie) deckt, also eine Bildung aus der indogermanischen Urzeit ist;
dafs puttana ' von putidu getrennt und zu puttus gestellt wird , begrüfse ich
um so mehr, als ich schon wiederholt dieselbe Ansicht ausgesprochen und
auf das begrifflich Unpassende der Foersterschen Etymologie hingewiesen habe,
nur mufs ich gegen Pieri an der Ital. Gramm. S. 202, Rom. Gramm. II, S. 24
vorgetragenen Deutimg von -ana festhalten, da es kein Pejorativsuffix -ana,
wie er meint, giebt; für remolo führt Pieri zwei Bedeutungen an: Wasser-
wirbel, Windhafer, Rigutini- Bulle verzeichnet auch 'Kleie', letzteres wie
emil. romel zu remolare, vgl. Mussafia Beitr. 39; sodann ist hier einzusetzen
r^mora I. Hindernis, 2. Kielspur des Schiffes, 3. Schildfisch, zu i., dessen
Herkunft klar ist, auch r^mora 'Schlagholz im Mülenwerke', vgl. die Neben-
form remola und remolare 'verzögern'; 3. schon lat. remora, 2. .''; wenn sala
'Schilf, Riedgras' wirklich mit einem Worte für Weide identisch ist, so liegt
ahd. salaha (frz. saule) in mehr als einer Hinsicht näher als ein Nom. sali\x\;
scotta 'Schotten' ist ganz zweifellos excocta, wie schon Diez mit Gründen lehrt,
deren Nichtbeachtung durch Caix und dem ihm gedankenlos folgenden Körting
man schlechterdings nicht versteht, da sie jedes andere Etymon ganz aus-
schliefsen; stadico wird gegen Tobler mit Foerster auf hostaticum zurück-
geführt, was wohl nur daraus erklärlich ist, dafs der Verf. Toblers muster-
hafte semasiologische, auf die Texte gestützte Beweisführung nicht gelesen
hat; dafs tasso 'Dachs' hebräischen Ursprungs sei, ist ein Einfall Rönsch's,
der selbst dann nicht ernsthaft zu nehmen wäre, wenn die Tiergeographie
nicht so entschieden dagegen spräche; dafs tempus ^Z^ii' und ^^w/z« 'Schläfe'
verschiedenen Ursprungs sind, also wirkliche Homonyma, ist wohl zweifellos;
tema von timor 'mutato il genere' ist eine starke Zumutung, die nicht einmal
Ascoli, dem man doch nicht eine Abneigung gegen Annahme von Nominativen
nachsagen kann, stellt, s. Arch. Glott. XI, 439; und dafs manzo 'Rind' von
mansues komme, ist weder begrifflich wahrscheinlich noch lautlich möglich,
wie schon wiederholt und von den verschiedensten Seiten betont worden ist,
vgl. W. Tomaschek Bezz. Beitr. 9, 94; Litbl. 1885, 156; Rom. Gramm. I, 46;
G. Meyer Alb. Wb., Th, Gartuer Zs. XVI, 333, Anm. 2. — Endlich will ich
als Ergänzung noch aria i. 'Luft', 2. 'Weise' anführen, deren erstes lat. aer
ist, das zweite wohl Lehnwort aus afr. aire (debonnaire), betreffs welchen
Wortes ich am liebsten denen beipflichte, die darin dasselbe wie at're
Adlerhorst sehen. Zeigt sich der Verf. in einzelnen der angeführten und in
anderen Dingen (z. B. bei agio) nicht auf der Höhe der etymologischen For-
schung, so hat er als Ersatz mitunter eigene neue Etymologieen gebracht,
unter denen ich das über uggia Gesagte als besonders treffend bezeichnen
möchte.
^ [Ich habe '\\.zS.. puttana (Arch. f. lat. Lex. 4, 453) nicht von *putidana
abgeleitet, wie P. S. 185 anzunehmen scheint; S. 151 „coglta ^ culleus
anzieht da coleus", aber die Bedeutung von culleus steht ungleich ferner
und ist nicht im Einklang mit der speziellen Bedeutung von coglta und den
Weiterbildungen auf -oti-etn in den rom. Sprachen. G. G.]
144 BESPRECHUNGEN. E. FREYMOND,
214 — 220. S. Pieri, Note etimologiche: montal. annizzare 'hetzen' aus
inizzare zu izza; calcestruzzo 'Mörtel' calcis obstructio, nicht recht wahr-
scheinlich, wenn man die Seltenheit und die Bedeutung von obstructio im
Lateinischen (s- Georges) bedenkt. Auch erwartet man für einen derartigen
Begriff nicht ein Abstraktum auf -tio. Formell würde calcestructium besser
passen, eine Bildung wie aquaductium; cantalesare 'trällern' = cantare -{■
eleison; fr ugare nicht zws furcare, sondern a-MS foricare, womit das ^ besser
erklärt ist; frugnuolo 'Blendlaterne' = *furneolu zu furnus; fusciacca
'Schärpe' zw. fascia; gangola aus glandula mit Dissimilation l*gandula) und
Assimilation, gonga, gongola desselben Ursprungs, doch bleibt der Vokal
noch unerklärt, da der Hinweis auf manco : monco nicht stichhält; lucc. ^äz'^-
cola 'Wiege' aus vehiculum, vielleicht unter Einflufs von 'Wiege', interessant
auch weil das tonlose e korrekt zu i, das betonte i korrekt zu e wurde, i-e
dann aber nicht zweisilbig, sondern diphthongisch und nun (vgl. pi^no) mit f
gesprochen wird; aital. gonghia = gogna bestätigt die Herkunft aus vere-
cundia; lucch. gongolare 'schwimmen' aus deundulare; sen. intrettirsi 'sich
fürchten' zu trepidtis; marachella 'Fehler' durch Umstellung zu *tnaculella;
aret. marapeto 'Pechvogel' manurapidus; moscio 'schlaff' zu mosso, ohne
dafs 5 aus s irgendwie gerechtfertigt würde; muzzolare 'heulen' zu tnugire;
rigattare 'schelten' zu recaptare; scalpitare 'stampfen' zu scalpere; sen.
sciainato 'erschöpft' zu agina 'Tbätigkeit'; sciavero 'Abfall' zu *sciaverare
= sceverare (^); scivolare auch in der Bedeutung 'gleiten' zu sibilare, dafs
aber auch cigolare daher stamme, bleibt mir mehr als fraglich, da si zu ci
nach Bianchis glücklicher Deutung (Zs. XIX, 138) in cinghiale aus singulare
keine Stütze findet und noch weniger in dem Fremdwort ciarpa; montal.
toma 'geschützter Ort' zu tumor (?); trenfiare 'keuchen' aus de-re-inflare,
daneben tronfiare, wovon tronfia; eine Erklärung von t statt d wird nicht
gegeben ; trottola ' Kreisel ' aus derotulare (?) ; vivagno ' Rand ', eigentlich ein
Ausdruck der Weberei: march. orlovivo 'fili di tela non ricoperti', vgl,
carne viva.
221 — 225. G. I. Ascoli, Nachtrag zu dem Zs. XXHI, 478 angezeigten
Artikel.
236 — 246. S. Pieri, D^ un saggio toponomastico elbano, Kritik der
wie es scheint sehr dilettantischen Arbeit von R. Sabbadini über die Orts-
namen auf der Insel Elba, und Verteidigung von Betonung der viertletzten
Silbe von ON. gegen d' Ovidio.
W. Meyer -LÜBKE.
ßomania No. 108, Octobre 1898. No. 109, Janvier 1899. No, iio, Avril 1899.
No, 108.
F. Lot, Nouvelles etudes sur la provenance du cycle arthurien.
I. Glastonbury et Avalon. In engem Anschlufs an die Untersuchungen von
Baist und Thurneysen (s. diese Zeitschrift XIX 326 ff. XX 316 ff.) bespricht
Lot zunächst nochmals die zwei Passus aus Wilhelms von Malmesbiu-y Schrift
de antiquitate Glastoniensis ecclesiae, in denen von der ersten Besiedlung
Glastonias durch Laien, sowie von den verschiedenen Namen dieser „Insel"
die Rede ist {Ynisgwtriti, Glastynbury, Avallonia). Der erste Bericht ist,
ROMANIA Nu. Io8, I45
wie Thurneysen zeigte, einer Nenniushandschrift von der Gestalt des Har-
leian 3859 entnommen; hinzugefügt erscheint bei Wilhelm die Geschichte von
der Verfolgung der achtbeinigen Sau durch Glasteing. Thurneysen hatte die
Elemente dieser Sage in älteren irischen Texten belegt; die Ummodelung
dieser Sagenzüge bezw. ihre Anpassung an Ortsnamen in der Nähe von
Glastonbury stammt nach Lot von einem Mönch von Glastonbury, der eine
indirekt irische, direkt walisische Sage oder Erfindung benutzte, oder sie
rührt vielmehr — dieser Schlufs erscheint mir übereilt — von einem walisischen
Kleriker her. Im zweiten Passus hat Wilhelm den Namen Ynisgwtrin der
gefälschten Carta Patricü entnommen (s. dazu schon Baist 1. c. 329 f.), und
Lot hält den Fälscher für identisch mit dem Interpolator der Nenniushand-
schrift, aus der Wilhelm den ersten Passus entnahm, weil auch in der ge-
fälschten Carta zur Bildung der darin enthaltenen Fabel Ortsbezeichnuugen in
der Nähe von Glastonbury verwertet wurden. Lot bemüht sich, die irischen
und walisischen Quellen für diese Fälschung zu eruieren; er glaubt im Hin-
blick auf die zahlreichen anderen Schwindeleien des Klosters, die er bespricht,
dafs jene Carta Patricü zu Anfang des XII. Jahrh.'s fabriciert wurde. Auch
der Passus über die Etymologien von Avalen (== Aepfelinsel oder Insel des
Avalioc) soll von dem nämlichen Fälscher herrühren; die zweite Etymologie
zeige, dafs Avalon ursprünglich kein Orts-, sondern ein Personenname sei.
Wace habe das mifsverstanden und aus dem Personennamen einen Ortsnamen
gemacht, und von Wace hätten Marie de France (Lanval) und wohl auch
Crestien de Troyes (Erec 1955) diese Auffassung übernommen. Alle anderen
Texte, in denen von einer Insel Avalon die Rede ist, sollen direkt oder in-
direkt auf den vorhergenannten fufsen[??]. Lot versucht den Ortsnamen
Avalon als rein walisisch zu erklären, kommt dabei ohne ein französisches
Mittelglied nicht aus und mufs schliefslich zugeben, dafs die Herkunft des
Namens dunkel bleibe. Nicht speciell bretonischen, sondern allgemein-keltischen
Ursprungs sei der an Avalon geknüpfte Glaube an eine märchenhafte Insel,
in welche ein Held entführt wird. Die Insel, wo Avalloc mit seinen Töchtern
weile, sei nichts anderes als das Land, in welches der Ire Condle der Schöne
entrückt wird, und diese irische Sage sei wahrscheinlich von Wales oder
Cornwall aus nach der Bretagne gelangt. — Lot geht dann auf die Stelle der
gewöhnlich Caradoc von Llancarfan zugeschriebenen Vita Gildae ein, in
welcher Glastonia als urbs värea erklärt wird; er ist geneigt, in diesem
Caradoc denselben Fälscher wiederzuerkennen, der jene von Wilhelm von
Malmesbury verwertete Nenniusversion interpolierte [und von dem also auch
die oben erwähnte Carta Patricü herrühren soll] ; vielleicht sei derselbe Caradoc
auch der Verfasser jener Gesta illustrissimi regis Artiiri, aus der Wilhelm
seine Iderfabel hernahm; denn auch in der Vita Gildae werden wie in den
anderen genannten Fälschungen allerlei Schwindeleien ad majorem gloriam
der Abtei von Glastonbury vorgebracht. Lot hofft — auch wenn man seine
Idenlificierungen nicht gelten lassen wolle — gezeigt zu haben, dafs die Fälscher
von Glastonbury Kymren waren und dafs sie die Sagen über Glastonbury, die
Glasinsel, Melwas, Ider nicht fremden Quellen verdankten. — In einer Schlufs-
bemerkung berichtigt G. Paris einige Behauptungen Lots: weder Crestien de
Troyes noch Marie de France könnten ihre Kenntnis von der Insel Avalon
den Versen Wacens verdanken, denen, wie auch in anderen Fällen, niünd-
Zeitschr. f. rom. Phil. XXIV. in
146 UESPRECHUNGEN. E. FREYMOND, G. G.,
liehe Sagen breto nischer Herkunft zu Grunde liegen. — Auch mir scheint
Lot mehrfach zu weit zu gehen. Die von ihm vorgeschlagenen Identificierungen
sind ja möglich, aber keineswegs sicher; möglich ist es ja z. B., dafs
Caradoc, der — wie man aus den etwas umständlichen Auseinandersetzungen
des Verfassers schliefsen darf — Anfang des XII. Jh. 's die Carta Patricii
fabriciert haben soll, ca. I137 oder I138 von Galfrid von Monmouth am Schlufs
der Historia Britonum die Erlaubnis erhält, dieselbe fortzusetzen, aber sehr
wahrscheinlich ist das kaum; wenn auch kein Gegengrund zu der Annahme
vorliegt, dafs Caradoc in Glastonbury gewesen ist, so wird dafür doch auch
kein Beweis beigebracht. Dafs bei den Erklärungen von Avalon auch kym-
rischer Einflufs vorliegt, ist sicher; allein die Frage über den Ursprung des
Namens Avalon ist, wie Lot selbst zugiebt, noch nicht aufgeklärt.
E. Freymond.
G. Mazzoni, A. Jcanroy, Un nouveau ms. du Roman de Troie et
de V Histoire ancienne avant Cesar. Hs. des 14. Jhs, von italienischer Hand,
aus Privatbesitz in die Bibliotheque nationale, Nouv. acquisitions No. 6774,
übergegangen, der Pariser Hs. No. 375 des Trojaromans und der Pariser Hs.
No. 246 der Histoire ancienne sich merklich nähernd.
A. Piaget, Le chemi?i de uaillance de Jean de Courcy et V Hiatus de
Ve final des polysyllabes aux XI V^ et XV^ siecles. Inhaltsangabe der ein-
zigen in London befindlichen Hs. des enorm grofsen (ca. 40000 Verse) allego-
rischen Lehrgedichts vom Jahre 1426, an dem besonders das genaue Eingehen
auf die Kriegskunst der Zeit gerühmt wird, nebst Feststellung des Hiats bei
auslaut. stummen e, aufser bei Jean v. Courcy, auch bei andern Dichtern des
14. u. 15. Jhs., bei denen er nur z. T. erst bemerkt worden war, bei Guillaume
de Deguilleville, Francois Garin, Jean Regnier, Froissart, Oton de Grandson,
Lyonnet de Coismes, GeofFroi de Charni, Eustache Deschamps, Christine v.
Pisan, die ihn in revidierten Exemplaren ihrer Werke einzuschränken suchte,
Karl v. Orleans, Rene v. Anjou, Pierre v. Nesson, Martial d'Auvergne und
noch bei Dichtern des beginnenden 16. Jhs. Abgesehen von dem Falle der
lyrischen Cäsur im 10- und 12 silbigen Verse erscheint der Hiat selten; bei
weniger sorgfältigen Dichtern aber auch bei einer Konsonantengruppe vor e
oder vor einem einsilbigen Worte. Die Theoretiker im Anfang des 16. Jhs.
erklären sich für Elision oder Verschmelzung.
COMPTES RENDUS. Röttiger, Der heutige Stand der Iristan-
forschung (E. Muret); Linder, Plainte de la Vierge en vieux uenitien
(A. Pillet); G. Maccon; Note sur le mystere de la Resurrection attribue ä
Jean Michel (G. P.).
PERIODIQUES. Zeitschrift f. rom. Philologie XXII, 3 (G. P.)i; Re-
vue de Philologie fran^aise t. IX, l — XI, 4.
CHRONIQUE. Litterarische Nachrichten. — Kurze Besprechungen
neuer Schriften und Bücher. G. G.
^ Meine Bemerkung in Ztschr. 22, 429, dafs ein afrz. sanglent (aus san-
guilentum) fehle und Grammonts sanguinantem für frz. sanglant vorzu-
ziehen sei, beanstandet G. P. S. 629. Sie stützt sich darauf, dafs sangui-
lentum nicht sicher bezeugt ist. Es steht nur in dem einen Codex von Laon,
9. /ig. Jh., des Arztes Scribonius Largus 2mal, neben imal sanguinolentus,
und ist deshalb und wegen unüblicher Bildung (sangui-suga ist keine Ab-
ROMANIA NO. IO9. I47
No, 109.
F.Lot, Nouveaux essais^ sur la frovenance du cycle arthurien. II. La
Patrie des „Lais bretons". Die in drei Abschnitte zerfallende Abhandlung
ist eine Abwehr der heftigen, in nicht würdigem Ton gehaltenen Angriffe, die
Brugger gegen die Vertreter der wälsch-anglonormannischen Theorie vom
Ursprung der 7natiere de Bretagne richtete; vgl. dessen übrigens viel Scharf-
sinn zeigende Abhandlung „ lieber die Bedeutu?ig von Bretagne, Breton in
mittelalterlichen Texten"-, in welcher einleitungsweise die verschiedenen po-
pulär bezw. archaisch-gelehrt entwickelten Bedeutungen festgestellt werden, die
Bretagne und Breton im XII. und XIII. Jahrh. a priori haben können. Um
die Richtigkeit seiner Thesen, die er in den mittelalterlichen Texten genau
bestätigt zu finden glaubt, darzulegen, hatte Brugger unter Anderem Lots in
der Romania XXIV 497 ff. erschienenen Artikel ^ einer Besprechung unter-
zogen, auf welche Lot nun erwidert. Lot sagt m. E. mit Recht, dafs weder
Galfrid noch Andere Bruggers Unterscheidungen strikt beobachtet hätten, und
er geht nochmals auf die schon vorher behandelten Stellen bei Heinrich von
Huntingdon, Wilhelm von Malmesbury u. s. w. ein, um trotz Anerkennung
einiger Einwände Bruggers im Grofsen und Ganzen an seinen vorher ge-
gebenen Erklärungen festzuhalten oder sie nur wenig zu modificieren. Danach
können sich Britones, Britanni, getis Britannica an den betreffenden Stellen
auf Wälsche beziehen oder eine umfassendere Bedetitung haben. Er zeigt,
dafs zwischen Kymren und Franzosen schon seit dem XL Jahrh. freundschaft-
liche Beziehungen bestanden und dafs der Glaube an Arturs Wiederkehr
nicht exklusiv in der Petile Bretagne, sondern auch in Wales verbreitet war;
interessant ist die hierzu aus einer agn. gereimten Beschreibung Englands bei-
gebrachte Stelle S. 17, vorausgesetzt dafs sie, wie Lot meint, ca. II 50 ge-
schrieben ist; wenig beweisen dagegen ibid. Anm. 3 die Passus aus Giraud
von Barry und Beda. Man wird auch sonst noch nicht alle Ansichten Lots
teilen können; so ist mir S. 19 Anm. i unklar, freilich habe ich den dort be-
nutzten Text nicht zur Hand; weiter scheint mir, dafs Lot Zimmers allerdings
nicht ganz einwandfreie Unterscheidung zwischen Artur in der wälschen
Heldensage gegenüber dem romantischen Sagenhelden Artur bei den Bretonen
nicht so aufgefafst hat, wie sie Zimmer gemeint hat. Im zweiten Abschnitt
setzt sich Lot mit Brugger über die Frage auseinander, ob und inwieweit
leitung; vgl. pulv-er-ulentus) von älteren Kritikern (Stephanus) angefochten.
Sodann steht das Wort schon bei seinem ersten Auftreten im Rol. in ge-
mischten ^«Kons.-, awKons.-Tiraden (v. 1079. 1399. 171 1; nur 1586 in reiner
^«Kons.-Tirade) und wird schon dort sanglattt (v. 1056) neben sanglent
(v. 1507) geschrieben. Von einer Priorität der eti- vor der aw-Form kann
daher nicht die Rede sein. Es scheint keinen Text zu geben , in dem sanglant
nur mit «fyzKons. gereimt würde (vgl. auch Muret in Rom. 27, 613). In dem
fast ungemischt ^-nKons. awKons. gebrauchenden Brun de la Montaigne, wo
V. 65 und 754 sanglent in ^«^-Tiraden steht, bestehen die awKons.-Tiraden
aus Gesprächen oder verbreiten sich über Dinge, die den Begriff aufzutreten
verhindern ; übrigens schreibt der Schreiber so gut presant für present, wie
parlant für parlent, v. 490, 756 (vgl. auch Str. 56). Um solche umgekehrte
Schreibung kann es sich bei sanglant sanglent handeln , weshalb die Her-
leitung von sanguinant-em (Grammont) Beachtung verdient.
* Warum nicht Nouvelles ^tudes wie bei I.' vgl. oben S. 144.
2 Zeitschrift für französ. Spr. u. Litt. XX. 1898. S. 79 — 162.
8 s. diese Zeitschrift XX 554 f.
10*
148 BESPRECHUNGEN. E. FREYMOND, G. G., W. MEYER-LÜBKE,
man in den Lais aus dem Schauplatz der Handlung auf bretonische bezw.
wälsche Herkunft der Lais schliefsen könne; Brugger schreibt Galfrids Historia
einen grofsen Einflufs auf die Entwicklung der Lais zu und knüpft daran
einige z. T, wenig sichere .Schlufsfolgerungen : die Helden der Lais wurden als
Helden zu Arturs Zeit aufgefafst, und das soll eine Ortsveränderung in dem
Sinn nach sich gezogen haben, dafs Schauplätze der Handlung aus der Bre-
tagne in Arturs Reich, nach Grofsbritannien verlegt wurden. Dafs dgl. mög-
lich ist, will ich nicht leugnen, allein eine derartige Auffassung darf nicht
gleichsam zum Princip erhoben werden. Bei aller Anerkennung des Fort-
schritts, den die Frage nach dem Ursprung der rriatiere de Bretagne den
Untersuchungen von Orts- und Personennamen zu verdanken hat, kann man
doch unmöglich in den Lais ebenso wenig wie in anderen mittelalterlichen
Texten alle geographischen Angaben für baare Münze nehmen. Deutlich zeigt
sich das bei dem im Yonec erwähnten Städtenamen Caruent am Flusse
Dualas oder Duelas, den Brugger mit z. T. recht schwachen Gründen dem
Daoulas (Cotes du Nord) gleichsetzt, obgleich es keine Stadt Caeruent auf
dem Kontinent giebt, während Lot an der früheren Erklärung Caruent =
Winchester (Venia Belgarum) oder eher noch = Caerwent (Venta Silurum) in
Monmouthshire festhält, die aber beide nicht an dem gewünschten Flufs liegen;
der Flufsname = Douglas soll nach Lot aus Nennius oder aus Galfrid bezw.
Wace entnommen sein. Brugger brachte den Namen von Arturs Residenz
Carduel mit zwei winzigen auf dem Kontinent Hegenden Ortschaften Kerduel
oder Keridol zusammen ; das ist mit Lot abzuweisen.^ Carduel ist vielmehr
nach Lot und Anderen = Carlisle, und zwar aus der älteren Namensform
Carluel entstanden; die dabei vorliegende — übrigens zuerst von Windisch
vorgeschlagene — Dissimilation von l zn d ist nach Lot Franzosen zuzu-
schreiben, wobei Lot mit Recht schüchtern eine Kontamination mit afz. duel,
Schmerz, vorschlägt. Dafs das an Schottlands Grenze liegende Carluel (Car-
lisle) zu Arturs Residenz wurde, sei aus Sagen zu erklären, die unter einem
im Norden zurückgebliebenen Rest von Britten verbreitet waren. Dieser Ge-
danke, den der Verf. durch die eigenartigen Schicksale von Carlisle und durch
Heranziehung analoger aus dem Norden hergekommener Sagenelemente der
Artursage zu begründen sucht, ist interessant, nur hätte, wenn auch kurz,
angegeben werden können, wie und wann man sich die Wanderung dieser
Sagen nach Süden zu denken hat. Lot leugnet also, dafs der von Brugger
angenommene Scliauplatzwechsel dessen armorikanische Theorie stütze. — Im
dritten Abschnitt billigt er des Gegners Auffassung von der retrospektiven
Bedeutung der Bezeichnungen Bretagne und Bretons in Artustexten, allein
er findet darin ein Argument gegen die armorikanische Theorie und betont
von Neuem, vi^ohl mit Recht, dafs lai breton ein konventioneller Terminus
geworden sei; wenn auch Bretagne und Breton in den Lais sehr häufig
Aremorica und seine Bewohner bedeuten , so biete der Terminus lai breton
1 Wenn Lot sich aber darüber aufhält, dafs Brugger Belege für das
Vorkommen eines heiligen Aaron in Aremorica beibringt, so vergifst er, dafs
er selbst vorher [Romania XXIV 524) dies Vorkommen geleugnet hatte.
Nicht geschickt finde ich ferner S. 41 Anm. 3, wo Lot zunächst den Vorwurf,
Bretagne = Wales aufgefafst zu haben, zurückweist, um gleich darauf zuzu-
geben, dafs ihm das doch passiert sei.
ROMANIA NO. lOQ. I49
doch kein Kiiterium für die armorikanische Herkunft der betr. Lais. Lot
spricht sich schliefslich ganz kurz gegen Bruggers Theorie von der Entstehung
der Romane aus den Lais aus, teilt aber dessen Ansicht von dem grofsen
Einflufs Galfrids, was G. Paris zu einer kurzen Gegenbemerkung (S. 48) ver-
anlafst. E. Freymond.
G. Raynaud, Le dit des outils de Vhotel (ms. du Musee Conde). Neue
Ausgabe des die Hausgeräte für den weidlich gescholtenen Ehestand auf-
zählenden Dit's in Terzetten nach einer eine eigne Redaktion darstellenden
vollständigeren Hs., als sie Jubinal, Nouv. rec. 2, 162 zur Verfügung stand.
Die Ausgabe, versehen mit einem Glossar der begrifflich genauer zu bestim-
menden Wörter und begleitet von einer Erörterung über den Ursprung und
Sinn des Wortes ricochet, das Rayn. = roitelet deutet und zu prov. ricouca
hüpfen und recotcca wiederkäuen (vom Reden) stellt, während G. Paris für
möglich hält frz. ricocher abprallen etc. von prov, ricouca herzuleiten (prov.
recouca d.i. lat. recalcare, vgl. span. recalcarse selbstgefällig wiederholen,
gehört jedenfalls nicht in diesen Zusammenhang; schwierig bleibt das i der
ersten Silbe für altprov. Zeil). Das ; hinter V. 47 gehört hinter V. 48, da
sans demorer und or sich ausschliefsen. Dafs neben liiviiere eine Form
lumaire bestanden habe, ist zu bezweifeln, da -aire kein produktives Suffix
ist und nur bei gelehrten und Lehnwörtern vorkommt, zu denen auch die
alten le dotiaire = dotarium (nicht von dou-er) und le suaire = sudarium
(nicht von su-er, wie das Geschlecht anzeigt) gehören; daher ist der Reim/azV,?
: lumiere nicht anzutasten und für die Altersbestimmung zu verwenden. Auch
nois (Nufs) im Reim auf glous und ieveours wird man bei dem mangelhaften
Reim nicht durch das hypothetische 7ious ersetzen dürfen ; denn eine so späte
Form der Ableitung von nux wie 7iousille statt noisille berechtigt höchstens
zur Annahme eines um des Reimes willen ad hoc vom Verfasser geschaffenen
nous; auch den Mundarten scheint das in den Reim gesetzte nous fremd zu
sein. Uebrigens ist die Fassung des Terzetts in der besser ordnenden andern
Redaktion unanstöfsig. G. G.
O. Densusianu, Etymolog ies roinanes: rum. agurare 'voraussagen'
aus lat. atigurare; urare 'hassen' aus orare; frz. cambrer aus '^camurare von
camiir; frz. coron, rum. codrii aus quadrum, nicht neu, wenigstens was codru
betrifft, aber ohne dafs der Wandel von qua zu co irgendwie gerechtfertigt
würde, da er aus einem quodratus in Aegypten nicht folgte und vocare nicht,
wie D. meint, aus vacare entstanden ist; x\xn\. funingine aus /uligo durch
Anlehnung an fumus und weitere Dissimilation von f-rn zu f-71. Ebenso gut
könnte fuligme durch Assimilation zu "funigine geworden sein; intaritare
zu interitare, das C. Gl. L. IV, 105 belegt ist, und von interitus stammen soll.
Das letztere verstehe ich weder formell noch begrifflich, auch war zu erwähnen,
dafs mit dem rumänischen Worte sich afr. entarier, prov. etitaridd genau
deckt; vgl. jetzt auch H. Schuchardt, Zs. XXHI, 419; frz. ?7ia7iche geht auf
wirklich belegtes, nicht blofs erschlossenes manicus zurück; ital. (aven.) sco-
tegar, \Mxa. cutezare 'wagen' wird mit glücklichem Griff auf ;<;0TTt'^ffV zurück-
geführt; zada, ital. deda: die Grundform deda wird belegt.
G. de Gregorio, Ultima parola sulla varia origine del San Fratellano,
Nicosiano e Piazzese. Dem Verf. fehlt es entweder am Willen oder am
Können, den seinen entgegenstehende Ansichten zu würdigen und zu kriti-
150 BESPRECHUNGEN. W. MEYER -LÜBKE, G. G.,
siercn. Ich begnüge mich, auf den hier XXIII, 472 besprochenen Artikel
Salvionis zu verweisen. Auch was gegen Salvioni eingewendet wird, zeigt
den nämlichen Mangel, so dafs man nur wünschen kann, dafs der Artikel
wirklich die 'ultima parola' des Verf. in dieser Angelegenheit bleibe. Salvioni
selber antwortet übrigens Heft 1 1 1 der Romania.
C. Salvioni, Note etimologiche e lessicali: alhagia zu alba, gen. ar-
basia 'Morgenwind'; trent. ampazena 'Honigwabe', engad. ^a/wa zu *zw-
pagine; eng. ardaint 'nahe' wird mit dialektitalienischen Formen verglichen,
die auf radente oder haerente weisen; friaul. ariesi 'Grummet' zu resecare;
lomb. benis 'Konfekt' zu benisi 'segnen'; lomb. bondza 'Weinfafs' aus bi-
congius; obw. catla 'Krug' zu calathiis; oberital. canägola, gegen Nigra wird
canabida verteidigt; eng. chiarnatsch 'Riegel' zu catena; zu gagliardo wird
noch abr. guajarde, apiem. goagliardo verglichen; gnegnero zu iiigeniuw;
gufarsi zu cübare, also ein weiteres Beispiel für f gegenüber lat. b ; ^ mac-
care aus ^macicare zu macerare {}); inucchio zu *metula, metulare; lomb.
penaga 'Butterfafs' zu panna, z. T. in merkwürdigen Formen, die vielleicht
auf anderen Grundlagen beruhen; könnte tmaga nicht aus pnaga mit aller-
dings eigenartiger Umstellung entstanden sein?; friaul. reon 'Gewinn' zu dem
in arredo u. s. w. steckenden deutschen Stamme; nez'p. prejare 'tanzen' zu
piger; piem.^röM 'Art Fennich' zu pronus; tess. reskdna 'Gerät zum Trocknen
des Weizens' zu *resiccare; ressa von rixa mit Einmischung von pressa;
neap. servekkyone 'Kopfnufs' zu cervix; valses. skörts 'Bienenkorb' = ital.
scorza; arbed. skup(l 'enger Fufsweg' zu j^w^a 'stopfen', berg. serüdei ^l-.oc\iea!
zu cirrus; veron. sia "Gelehrsamkeit' aus scita; parm. smoma 'Nufsschale'
zu nordital. mama 'Mutter'; piem. smürce 'mischen' zeigt s-s zu s-r; ital.
taccio 'Beitrag' Lehnwort aus frz. tache; obw. tadlar 'hören', vgl. dial.
attechiare 'scharf hinhören' zu titulus; crem, trevis 'Krippe', Umstellung aus
tresiv zu praesepe; tess. vakoya 'Tannenzapfen' zu vacca mit vom Plur. -oi
aus -öli neugebildetem Singular, da der Sing, -öla zu -ora geworden wäre;
obw. vogara 'Gemeindestallung' zu vicarui; lomb. vot 'acht' statt voc nach
set; lomb. zia 'herstellen' zu agio. W. Meyer -Lübke.
A. Mussafia und G. Paris, A. fr. lais. M. sucht die von ihm aus
lä-^es (ipsu) gedeutete Form im Meraugis (nach G. P. aus lä jus) noch an
einigen andern Stellen des Textes plausibel zu machen; G. P. fügt weitere
aus dem \7.. — ^13. Jh. hinzu imd betont, dafs die Bedeutung an den meisten
Stellen lä-bas, lä sei; für die Annahme lä-jus (vgl. gaj'us Eust. Desch. 8,
S. 332 V. 2760) sei zu Iah geworden, wird auf aä = aiut verwiesen; die Be-
weisführung steht noch aus. G. G.
A. Thomas, Anc. ixzn(^. /eis = fesis erklärt den Schwund des j durch
Dissimilation, vgl. jetzt G. Baist Zs. XXII, 533, dessen Ablehnung ich zu-
stimme. W. Meyer -LÜBKE.
E. Troj el , Sur quelques pretendus manuscrüs latins et Italiens d' Andre
le Chapelain. Die Angaben, die dem Verf. über Hss. des Andreas vom Re-
ferenten des Lit. Centralblattes (-ier) über seine Ausgabe des Andreas gemacht
1 In der Anmerkung werden noch andere Fälle erwähnt, so mag hier
deim noch hingewiesen werden auf neap. 7norfe7ite 'Schneidezähne', das die
oskische Form von mordentes darstellen könnte. Freilich fällt dann die
übliche Zusammenstellung von mordere mit skr. mard.
ROMANIA NO. HO. 15I
worden waren, haben sich als trügerisch erwiesen; T. selbst kann zwei weitere,
eine in Berlin und eine in Krakaii befindliche, namhaft machen.
S. Berger, Uii cotnmentaire sicilien sur la Passion, d' apres S. Mathieu,
Hs. in Madrid vom Jahre 1373. Eine Textprobe.
COMPTES RENDUS. Wesselofsky, Quelques nouvelles versions
orientales du roman d'Alexandre (AnitchkofF) ; Becker, Der Quellenwerth
der Störte Nerionesi (R. Weeks); Maxeiner, Remarques sur le compte
rendu du Beiträge zur Geschichte der franz. Wörter im Mittelhochdeutschen
p. Piquet; Piquet, Reponse ä l'article precedent ; Bibliotheque de la Fa-
culte des Lettres de Paris III et IV über Dupont-Ferrier, Jean d' Orleans,
comte d' Angouleme d'' apres sa bibliotheque; Dauzet, Etudes linguistiques sur
la Basse-Auvergne (P. M.).
PERIODIQUES. Zeitschrift f. roman. Philologie XXII, 4 (G. P.). —
Bulletin de Geographie historique et descriptive 1897, No. 2: Funel, Les
parlers populaires des Alpes-Maritimes (P. M.).
CHRONIQUE. Personalnachrichten. — Litlerarische Mitteilungen. —
Kurze Besprechungen neuer Bücher. G. G.
No. HO.
A. Thomas, Varietes etymologiques. Afr. aacier zu lat. acies; prov.
aceia in der Flamenca zwar etymologisch identisch mit vulglat. aceia ' Schnepfe',
aber als Bezeichnung eines Fisches ; anciien von ainz mit dem gelehrten Suffixe
-iieyi; baillarc, Name einer Weizenart *balearicum; berlin, Bezeichnung einer
Muschelart, bretonischen Ursprungs; prov. bernigau 'Gefäfs' in verschiedenen
Anwendungen, dazu italienische und altfranzösische Formen, ohne Deutung;
bourgeon aus *bttrrione zu burra; breneche, identisch mit grenache, afr. ver-
nage, ital. -vernaccia; chebiche 'dürrer Stengel' aus *capicia; chenarde 'wilder
Safifran', Ableitung von canis; chevasson Name eines Fisches, von caput;
afr. (oule Name eines Spieles, auch soule imd coule geschrieben, letzteres f zu
lesen; prov. degeit bedeutet 'aussätzig', afr. degiet; afr. enchoistre 'häfslich'
= encausticus; entrevenieux Pflanzennamc, verdruckt, vgl. prov. entrevedieux
zu vitis; eprault, ostfranzösische Ablehnung von apium; südfrz. escabil 'Strunk'
zu spacus; %\ydSxz. escaut 'Knäuel' *escaptum Q); essief ^'^lodeW, postverbal
zu essever aus exaequare; laoW. fluwrjn 'Kissenbezug' aus 2Sx. fluine aus
*fluxina\ hoW. /ransij'n 'Pergament' aus ah./roncin; fuissel aus */uscellum;
afr. härene de Gernemue 'Häring aus Yarmouth', prov. grauloun von cara-
brone, aus welchem Anlafs Dissimilationserscheinungen besprochen werden;
T^xo\. greule 'Haselmaus' aus *gliriilus; h&arn. glusmet 'Knäuel' durch Um-
stellung aus glumuscellus; afr. honine 'Raupe' = deutsches Hündin (?);
jangier zu zinzilare; danser les jolivettes dasselbe wie danser les olivettes;
s'pai.n.. lamparilla Umgestaltung von no?npar etiles; lampresse 'Netze zum Lam-
pretenfang' aus lampreresse; leude aus licito; marpriine aus holl. maripriem;
die französischen Fortsetzer von papyrus; nieaisse aus metaxa; menevel aus
*manapellu zu manipulus; paltret 'Hackmesser' zu partir; passefleur 'Ane-
mone' umgedeutet 3.\xs pasque-ßeur 'Osterblume'; plaquesin = plaquer -\-sei7ig
(signum); port-chaise bedeutet nur 'Sesselträger' nicht 'Tragbahre'; pro-
moistre 'Rüssel' promuscide oder -a (weshalb das letztere.''); afr. recincier
'reinigen', Ableitung von quinque, begrifflich doch sehr bedenklich, auch ist
152 BESPRECHUNGEN. E. FREYMOND, W. MEYER -LUBKE, G. G.,
es nicht riclUij^, dafs nioclen. arzmzer lat. 1 verlange, vgl. vintron ans *veii-
trone, tindon = ital. tendone, sinter = sentiere, zindren = *cenerino u. s.w.;
afr. reelenghe 'Rechnungshof aus fläm. redening; reillere falsche Schreibung
für rarere zu raye; prov. reiscidar 'wecken' zu reexcitare statt reexcitare;
afr. remes 'Talg' aus *remissu7n; renformir von renformis = renformcis
irrtümlich neugebildet; repelon 'eine Gangart der Pferde' aus span. repelon
zu repclar; revendiquer irrtümlich aus rei vindicatio gebildet; savalle Fisch-
name in Martinique: span. sabalo; norm, velingue, Art Alge, für eh'ugue zu
mhd. slinge; vignon 'Stechginster' = engl, ivhinn; wibet 'Mücke* zu ags.
wibba. W. Meyer -Lübke.
Gaston Paris, Caradoc et le serpent. Die erste Fortsetzung von
Crestiens Perceval enthält bekanntlich die Episode von Caradoc, der für den
ehelichen Sohn des gleichnamigen Caradoc und der Isaune gilt, bis sich ihm
nach einem sonderlichen Abenteuer ein Zauberer als wix^klichen Vater zu er-
kennen giebt. Da Caradoc das seinem vermeintlichen Vater mitteilt, wird
Isaune in einen Turm gesperrt und rächt sich an ihrem Sohn dadurch, dafs
sie ihn einen Schrank öffnen heifst, aus welchem eine Schlange hervorschnellt
und sich an seinem Arm festsaugt, sodafs er in zwei Jahren sterben soll.
Cador, Caradocs Freund, zwingt den Zauberer ein Mittel gegen dies Leiden
anzugeben, und Cadors Schwester besteht aus Liebe zu Caradoc die Probe,
die darin besteht, dafs sie der Schlange ihre nackte Brust darbietet Kaum
hat sich die Schlange daran festgebissen, so schlägt ihr Cador das Haupt ab,
zugleich aber auch einen Teil der Brust, der später auf wunderbare Weise
durch einen goldenen ersetzt wird. G. Paris spricht sich zunächst über die
verwandten Versionen (ein gälisches Märchen und eine anglo-schottische Bal-
lade) aus, auf welche Mifs Harper [Mod. Lang. Notes 1898 Nov.) aufmerksam
gemacht hatte, und knüpft daran interessante Betrachtungen über den Bei-
namen Caradocs, Breichbras (breich =■ brachium, bras = stark), der auf dem
Kontinent unter volksetymologischem Eiuflufs erst nachträglich mit der ge-
nannten Episode in Verbindung gebracht worden sei und zu afz. Briebraz
{Kleinartn bei Wisse - Colin) führte, wofür Percevalhss. auch Bronbraz und
Brunbraz haben. Die Episode hat auch in einer jüngeren Triade eine Spur
hinterlassen, wo Caradocs Frau Tegau den Beinamen Eurvron = Goldbrust
führt. Caradocs Beiname, und zwar in der Form Brechbras, gehörte nach
G. Paris zunächst Caradauc, dem Haupt der sich im 5. Jahrh. um Vannes
(Aremorica) niederlassenden Britten an und in der Bretagne soll dieser histo-
rische Name mit der Episode in Zusammenhang gebracht worden sein ; von
hier aus sei die an denselben geknüpfte Sage einerseits in den Perceval, anderer-
seits im XI. oder XII. Jahrh. nach Wales gelangt. Die Episode selbst, ab-
gesehen von den Namen, soll in Irland entstanden und von hier aus
einerseits nach Schottland, andererseits nach der Bretagne exportiert worden
sein. G. Paris rekonstruiert dann die ursprüngliche Sage und kommt auf die
schon vorher herangezogenen Keuschheitsproben zurück, in denen Caradocs
Frau allein Siegerin ist; er ist geneigt, auch für dies Motiv (ursprünglich
Mantelprobe) irischen Ursprung anzunehmen, wofür freilich deutlichere
Beweise erwünscht wären; neben der Mantelprobe sei in Wales die Horn-
probe aufgekommen, und beide Versionen seien gesondert auf schriftlichem
Wege dem Kontinent übermittelt worden. Die verschiedenen an Caradoc
ROMANIA NO. HO. 153
anknüpfenden Episoden im Perceval mögen aber schon in der Quelle dieser
offenbaren Interpolation vereinigt gewesen sein. — Der Artikel, der nur eine
Skizze sein soll, enthält feine Beobachtungen; s. besonders S. 217 Anm. über
den Ursprung von Monstren, die der Zauberer mit verschiedenen Tieren
zeugte und welche in verlorenen Mythen eine Rolle gespielt haben sollen;
dem Eber Tortain wiid der Eber Twrch Trwth an die Seite gestellt, das
Pferd Loragor (Perceval) ist zweifellos mit dem Pferd Lluagor in Triaden
identisch. Die Arbeit soll zeigen, wie eine keltische (bretonische oder wälsche)
Sage mit vielleicht irischen Elementen in die französische Dichtung des
XII. Jahrhunderts gelangte. Einige Resultate werden aber soeben {Romania
No. 112) von F. Lot angezweifelt; nach ihm sind die Episoden von der
Schlange und von den Keuschheitsproben scotüscher Herkunft und gelangten
zu den Nordbritten, wo sie an Caradauc geknüpft wurden; schon abgeschlossene
Erzählungen über Caradaiic und Tegau kamen nach Wales, sollen aber in Are-
morica nie populär gewesen sein. E. Freymond.
A. Jeanroy, Note sur le Tornoiement as dames: l) ein bisher über-
sehener altfrz. Damenkampf, vermutlich der älteste und von dem bekannten
Trouvere des 12. Jhs. Richard v. Semili verfafst, aus Hs. Clairambault; die
erste Strophe ist verloren, die sechs anddVen (Alex, aaaaaa) teilt J. mit.
2) Wiederabdruck des Damentourniers des ungefähr gleichzeitigen Huon
d'Oisy, um die Gliederung des kompliziert gebauten Gedichtes (8 Str. zu 27
3 — 7silb. männlich gereimten Versen) zu veranschaulichen. In dem aufge-
stellten Schema ist der Wechsel der Reime a und b in der l., 3., 8. Str.
wohl zuzugestehen, da die gegebenen Eigennamen ihn veranlassen konnten;
nicht auffällig ist, dafs die als ausgefallen angenommenen Verse in beiden Hss,
und nur diese ihnen fehlen, da die beiden Hss. nahe verwandt sind.
P. Meyer, Trois nouveaux manuscrits des sermons frangais de Maurice
de Sully, Drei weitere Hss. Cambrai No. 246, Arsenal No. 3684, Charleville
No. 90 zu den früher von P. M. nachgewiesenen; genauere Angabe des übrigen
Inhalts dieser PIss. und Mitteilung von Proben.
MELANGES. L. Katona, A propos du Debat du corps et de Vdvie.
Berichtigung eines Mifsverständnisses Batiouchkofs in seinem Romania-Artikel
(Bd. 20), wo er statt das lat. demonum glohutn als Dämonenschaar zu fassen,
Dämonen einen Globus der Seele darbieten liefs.
E. Teich mann, Sur la consecration de la Cathedrale d' Aix-la-Cha-
pclle par le pape Leon III, zeigt, dafs Morfs Angabc, Romania 13, 214, wo-
nach Papst Leo III. bei seiner Anwesenheit in Aachen 804 — 5 mit der Weihung
der Marienkapelle ein Indiktum und Indulgenzen festgesetzt habe, auf unglaub-
würdigen, z. T. spät gefälschten Schriftstücken beruhe.
F. Lot, Helois de Peviers, sceur de Garin le Lorrain. Helois de
Peviers, im Herviz von Metz dessen Tochter, die „Peviers besafs", und die
einen Sohn hatte, der ,, Bischof von Orleans" war, der ,,mit seiner Mutter den
grofsen Turm zu Peviers bauen Hefs", wird in Uebereinstimmung mit älteren
Forschungen als wahrscheinlich dem 10. Jh. angehörig nachgewiesen, „wo
man anfing an der Loire die grofsen viereckigen Steintürmc zu bauen", wie
zu Pithiviers (Loiret) einer sich befand, der noch im Anfang dieses Jahrhs.
vorhanden war. Altfrz, Peviers (mlat. Petuaris) soll = ncufrz. Pithiviers
(mlat. = Pitvers) und keltisch sein, Petuaris (990 Pedeverius; Pedverius) quartus
154 BESPRECHUNGEN. G. G,, W. MEYER -LÜBKE,
bedeuten (nach Arbois de Jubainville). Die Herleitung ist nicht so gemeint,
dafs der Turm Pithiviers (le castel) von seiner viereckigen Form durch seine
Erbauerin den Namen erhalten hätte; — dann hätte man im lo. Jh. im
Orleanais noch keltisch gesprochen, was ja nicht der Fall war, — sondern wohl
so, dafs der daselbst gelegene ältere Ort Pithiviers {-le Vieil = Pitveris vetus),
aus irgend einem Grunde der ,, vierte" genannt, eine alte Keltengründung war
und den Namen für das nahegelegene Castel hergab. Danach würde der
Dichter der Lothringer, wo er von Helois und Peviers spricht, aufs neue einen
Beweis von seiner Ortskenntnis geben. Man wird jedoch durch eine Lücke
in der Beweisführung noch aufgehalten Lot beizupflichten , da die Frage un-
beantwortet bleibt, wie ei'klärt sich P'wMwiers als jüngere Form gegenüber
dem alten Ptviers des Gedichtes des 12. Jhs. und gegenüber dem lat. Ped(e)-
veriiis des 10. Jh. und dem gaulois /etuarw. In C6tes-du Nord (Bretagne)
giebt es einen Ort Saint- Pevei-; wie verhält sich diese petiiaris genau ent-
sprechende und augenscheinlich damit identische Namensform des mir unbe-
kannten Heiligen zu Pithiviers}
O. M., La vie de Saint Silvestre en vers frangais. Einige Stücke aus
dem Anfang der nur in einer Hs. im Privatbesitz aus dem Anfang des 13. Jhs.
bekannten Verslegende, deren Vorlage M. in der bei Mombritius gedruckten
Silvesterlegende erkennt. G. G.
G. Paris, cor rot, cor ine; jenes mit ital, corrotto nicht corruptum son-
dern cor ruptmn ; dieses eine Ableitung von cor^
J. Calmette teilt mit, dafs in Ferriere (Heraull) an eine einzelne Person
mit ou, an mehrere mit oui geantwortet wird, bei adversativem 'doch' ebenso
Sing, si, Plur. sifait, bei Verneinung Sing, non, Plur. nanni.
W. Meyer -LÜBKE.
COMPTES RENDUS: Studier i modern fratisk Spräkvetenskap I
(Vising); Kate Oelzner Petersen, On the sources of the Nonne Prestes
Tale (L. Foulet); R. Menendez Pidal, Catälogo de la R. Biblioteca. Manu-
scritos. Cronicas de Espaiia (Morel-Fatio); Weigand, Vierter jfahresbericht
des Instituts für ru7nänische Sprache, 1897; Fünfler fahreshericht 1898;
Ders. , Samosch- und Theiss- Dialekte; Ders. , Linguistischer Atlas des daco-
riimän. Sprachgebietes. Erste Lieferung (M. Roques); Bianu si Hodos,
• [Es ist mir zweifelhaft, ob es bei der Herkunft von corrot u. s. w. aus
cor ruptum ,, gebrochenes Herz" zu Ausdrucksweisen wie altfr. estre en
son courout, span. dieron corrotos, ital. comminciare, fare il corrotto
oder lat. levare corruptum (s. Ducange) kommen konnte, in denen der Grund-
begriff ,, gebrochenes Herz" mit dem Begriff des Verbums weder im Einklang
noch fühlbar ist; che diese Verbindungen möglich waren, müfste cor ruptum
schon den Sinn von Schmerz, Trauer, Zerknirschung u. s. w. angenommen
haben. Es giebt auch, wie mir scheint, in jenen rom. Sprachen kein zweites
Beispiel einer Verschmelzung von Subst. + Part. Pass. zur Einheit und zum
Substantivbegriff, wie sie hier vorläge; weder altfrz. terre rnoete oder ital.
terre inoto, noch frz. patte-pelxx. oder huis dos sind von derselben Art. Da-
gegen scheint mir ein auf animus in dem übertragenen Sinne, wie ihn ital.
aqua corrotta ,, verdorbenes" Wasser (oder appetito corrotto etc.) zeigt, be-
zogenes, durch Hinzudenken des Begriffs animus substantiviertes corruptus,
im Sinne z. B. des lat. anitnus aeger, aegrotus, den Bedeutungen wie der
Form und den oben erwähnten Konstruktionen der bisher auf corruptus
zurückgeführten Wörter Genüge zu thun. G. G.]
ROMANIA NO. HO. 155
'Bihliografia romanescä reche, 1508 — 1830, Fasel, 1508 — 1588 (M. Roqucs);
Studii de ßlologia romina publ. de O. Densusianu / (M. Roques).
CHRONIQUE. Personalnachrichten (lies Rudow, nicht Rudow). Kurze
Besprechungen neuer Bücher. G. G.
Giornale Storico della Letteratura Italiana. Anno XVII, Vol. XXXIV,
fasc. I — 2; fasc. 3.
Fase. I — 2.
A. Luzio-R. Renier, La coltura e le relazioni lettcrarie d^ Isabel hi
d' Este-Gonzaga. II. Le relazioni letterarie. Um ilire Darstellung übersicht-
licher zu gestalten, haben die beiden Verfasser diesen zweiten Teil ihrer Mit-
teilungen in sieben Gruppen zerlegt nach den einzelnen litterarischen Mittel-
punkten. Vorliegender Abschnitt behandelt die mantuaner Gruppe und enthält
wieder eine Fülle mannigfaltigster, neuer Nachrichten über eine ganze Anzahl
Persönlichkeiten aus dem Ende des I5ten Jahrhunderts und dem Beginn des
löten, insbesondere über Mario Equicola, Sigismondo Golfo, Francesco Vigilio,
Francesco Mariana, Giampietro Penzi, Pietro Pomponazzi, Bartolomeo Fossati,
Giangiacomo Calandra, Battista Fiera, Marcantonio Antimaco, Tolomeo und
Battista Spagnoli, Baidassar Castiglione, Matteo Bandello, Paride Ceresana,
Teofilo Collenuccio, Teofilo Folengo, Luigi imd Cesare Gonzaga und Filippo
Lapaccini.
R. Murari, 11 „de causis" e la sua fortuna nel medio evo. Contributo
allo studio delle fonti dantesche weist nach, dafs das von Dante mehrfach
angeführte und benutzte Buch „de causis", das unter diesem und anderem
Titel im Mittelalter weitverbreitete, Aristoteles zugeschriebene Buch sei. An
der Hand von Bardenhewers Untersuchung „Die pseudoaristotelische Schrift
'Ueber das reine Gute', bekannt unter dem Namen 'Liber de causis'" (1882)
spricht er dann noch über die Entstehung und Geschichte des Buches, eines
unter Benutzung des Proclos von unbekanntem Verfasser arabisch geschriebenen
Werkes, das Gherardo da Cremona am Ende des I2ten Jahrhunderts ins
Lateinische übersetzte, und das auch mehrfach ins Hebräische übertragen
wurde.
VARIETA:
G. Bertoni, // complemento del canzoniere provenzale di Bcniart
Amoros. In drei estensischen Handschriften aus dem fondo Campori hat Ber-
toni den fehlenden Teil des Cod. ricc. 2814, der Abschrift der verloren ge-
gangenen Handschrift des Bernart Amoros, gefunden und druckt die Vers-
anfänge mit einigen Bemerkungen ab. Den unbekannten Teil der Gedichte
beabsichtigt er herauszugeben. S. I19 waren verschiedene Arbeiten von
Schultz -Gora anzuführen.
F. Foffano, Postille itiedite di G. Baretti al „Bacco /« Toscana" del
Redt. Diese schwerlich für den Druck bestimmten Bemerkimgen finden sich
von der Hand des Pier Vittorio Aldini in einem Exemplar der dritten Aus-
gabe des Bacco in Toscana und sind die Abschrift der Notizen Barettis in
einem gleichen Exemplar. Für die gallige Art des Kritikers sind sie bezeich-
nend; an sich besitzen sie kaum Wert. Warum ist in Anm. i S. 144 nicht
156 BESPRECHUNGEN. B. WIESE,
durch einen Vergleich mit Redis Handschrift festgestellt, ob die fragliche Be-
merkung von ihm selber geschrieben ist? Die Notizen scheinen hier und
dort von Aldini ungenau abgeschrieben. S. 148 Z. 17 ist wohl ch' e zu lesen.
RASSEGNA BIBLIOGRAFICA:
// primo ceittenario di Giaconio Leopardi (Unter dieser Ueberschrift be-
spricht Losacco auf sechzig Seiten einige dreifsig Arbeiten über Leopardi, die
1898 erschienen). — Franceschini, Frä Simone da Cascia e ü Cavalca;
Mattioli, // Beato Simone Fidati da Cascia delV Ordine Romitano di
S. Agostino e i stioi scritti editi ed inediti (Galletti). — Bozzelli, // cavalier
Giambattista Marino, 1569 — 1625 (Damiani).
BOLLETTINO BIBLIOGRAFICO:
Schultz-Gora, Le epistole del trovatore Ramiaido di Vaqueiras al
march. Bonifacio I di Monferrato. Passerini, Collezione di opuscoli dan-
teschi inediti o rari. Persico, Diomedc Carafa uotno di Stato e scrittore
del sec. XV. Schiff, La pr emier e traduction espagnole de la Divine Co-
inedie. Cretella, U ideale di Salvator Rosa e le „Satire". Rinieri, Della
vita e delle opere di Silvio Pellico; Del Cerro, Cospirazioni romane (1817
— 1868). Marenduzzo, La versione delle „Georgiche" di Virgilio di Ber-
nardo Trento. Del Giudice, Carlo Troya; vita piihblica e privata, studt,
opere. Z a n o n i , Carlo Cattaneo nella vita e nelle opere. C r o v a t o , Della
vita e delle opere di Liiigi Carreri.
ANNUNZI ANALITICI, PUBBLICAZIONI NUZIALI.
COMUNICAZIONI ED APPUNTI:
P. Toynbee, Aristotle's „De animalibus" in Dante and other medicsval
writers zeigt, dafs man unter diesem Namen die drei Werke des Aristoteles
De partibus ajtimalium (4 Bücher), De historia aninialium (lo Bücher) und
De generatione anijnaliiun (5 Bücher) begriff, so dafs man 19 Bücher zählte.
Die Reihenfolge war nicht immer die gleiche. Bei Dante, Benvenuto da Imola
und Salutati ist sie die hier angegebene. — Derselbe, Aeneidorum in Dante' s
„De vulgari eloquentia". Dieser auffällige Genitiv pluralis war im Mittel-
alter allgemein gebräuchlich, da das Wort im Plural als Neutrum behandelt
wurde in Anlehnung an Georgica und Bucolica, wie letztere beiden umgekehrt
auch als Feminimum singularis gebraucht wurden. — L. Modona, Ancora
di Manoello romano 0 gindeo. Bemerkungen zu einer Recension Pellegrinis
im Gsli XXXII 3. 454, die zu keinem sicheren Ergebnis führen. — R. Sab-
badini, // suppleme7ito di Älaffeo Vegio all' Eneide weist daraufhin, wie sehr
die Drucke von Vegios 13. Buch der Aeneis von der Lesart des cod. vat. 1669
abweichen. Ob es sich um zwei Bearbeitungen oder um Interpolationen bei
den Drucken handelt, läfst er vor der Hand noch unentschieden. — L. Frati,
Una ballata sui dodici mesi dell' antio. Die aus dem Ende des 15. Jahr-
hunderts überlieferte Ballata in der Form aaab hat einige Aehnlichkeit mit
der von D'Ancona nach einer laurenzianischen Handschrift im Archivio per
lo studio delle tradizioni popolari Vol. II veröffentlichten. Der Text ist recht
schlecht erhalten. Strophe 5 liefse sich Zeile 4 bessern, indem man il fiore
statt lo piii belo liest. Auch Strophe 10 ist Zeile 3 ein Reim verdorben.
Assonanz konnte man durch Umstellung von rio sauore herbeiführen.
CRONACA :
Periodici, kurze Mitteilungen, warmer Nachruf für Carlo Merkel (V. Rossi).
GIORNALE STORICO VOL. XXXIV. I57
Fase. 3.
V. Cian, Un codice ignoto di rime volgari appartenuto a B. Casti-
glione. Cian bat in der Bibliothek der Familie Castiglione zu Casatico Zutritt
eriialten und dort durch das Auffinden eines Blattes ermutigt nach eifrigem
Suchen einen grofsen Teil — 107 Papierblätter grofsen Formates — einer
wichtigen Liederhandschrift aus dem 15. Jahrhundert wieder zusammengefunden.
Was noch fehlt — etwa lOO Blätter — , scheint leider unrettbar verloren zu
sein, und auch das Erhaltene hat durch Feuchtigkeit so sehr gelitten, dafs
dadurch ganze Stellen unleserlich geworden sind. Alle Blätter sind nach dem
glücklichen Entdecker bis auf sehr wenige in drei Absätzen von einer Hand
geschrieben. Der Schreiber stammte wahrscheinlich aus dem Venezianischen
und fertigte die Abschrift noch vor der Mitte des 15. Jahrhunderts. Einige
von ihm leer gelassene Seiten füllte Baldassarre Castiglione, der gegen Ende
des Jahrhunderts in den Besitz der Handschrift gelangt sein mag, in seiner
Jugend eigenhändig aus. Inhaltlich haben wir es mit einer der beliebten
Sammelhandschriften zu thun, die etwas von allem enthielten. Von Dichtern
vor Petrarca sind freilich nur Dante und Antonio da Tempo berücksichtigt.
Petrarca nimmt den gröfsten Teil der Sammlung ein, im übrigen sind vor-
herrschend Dichter aus dem Venezianischen vertreten: aufser Antonio da
Tempo Jacopo Sanguinacci, Lionardo Giustiniani, Lancilotto degli Anguissoli
und einige bisher unbekannte. Unter den Dichtern aus anderen Gegenden
finden sich Francesco Malacarne, Serdini und Giusto de' Conti. Viele Ge-
dichte enthalten keine Ueberschrift, lassen sich aber meist identificieren. Am
Schlüsse hat die Handschrift auch einige religiöse Gedichte. Der Beschrei-
bung des Codex folgt in vorliegendem Hefte zunächst die Tafel, die auch
bibliographische Nachweise enthält und die Verfasser der namenlos über-
lieferten Gedichte festzustellen sucht. Eine Anzahl Bemerkungen fast aus-
schliefslich zu den Liedern Giustinianis habe ich Cian für seinen Nachtrag im
nächsten Hefte überlassen und verzichte daher auf ihren Abdruck hier.
VARIETA :
J. Sanesi, II toscaneggiamento della poesia sicüiana. Um die Toska-
nisierung der Gedichte der sicilianischen Schule zu erweisen, vergleicht Sanesi
23 Lieder der Handschriften P., V., L. und C. sorgfältig auf die von ihnen
erhaltenen süditalienischen Formen hin und schliefst aus dem Umstände, dafs
die Handschriften in dieser Beziehung auf verschiedenen Stufen stehen, auf
eine wirklich stattgehabte Toskanisierung. Auch ich halte es für eine unbe-
streitbare Thatsache, dafs die süditalienischen Dichter von ihren heimischen
Dialekten ausgingen, die sie unter lateinischem und provenzalischem Einflüsse
veredelten.
G. Biscaro, Sordello e lo statuta trivlgiano „De his qiii jurant mtilieres
in abscondito". Der Artikel setzt die Entführung der Cunizza um 1223 an
und bald danach Sordels heimliche Ehe mit Otta da Strasso. Dafs letztere
schwerlich nach 1224 geschlossen werden konnte, schliefst Verf. daraus, dafs
1225, wie wahrscheinlich gemacht wird gerade aus Veranlassung dieser heim-
lichen Ehe, in Treviso ein strenges Gesetz für solche Fälle gegeben wurde.
Dies hatte vielleicht sogar rückwirkende Kraft und wurde so Veranlassung
zu Sordels Flucht aus Treviso. Es berührt höchst merkwürdig, dafs Herr
Biscaro in der Anm. i S. 368 die Arbeiten von Oskar Schulz - Gora über
158 BESPRECHUNGEN. B. WIESE,
Sordel, die doch De Lollis und anderen erst die Wege gewiesen haben, ein-
tacli mit Stillschweigen übergeht.
G. Arias, Nuovi documenti su Giovanni Villani. Die wichtigste der
drei Urkunden ist die erste. Florenz hatte um 1320 einen Handelsvertrag
mit Pisa geschlossen. Als die Pisaner diesen aber verletzten, erklärten die
Florentiner ihnen einen richtigen Zollkrieg und erwählten 1322 acht hervor-
ragende Kaufleute zu seiner Leitung. Zu ihnen gehörte auch Giovanni Villani,
ein Beweis, wie hoch er in der Achtung seiner Mitbürger stand. Am 14. Oktober
1338 hatte er ferner sein Gutachten in einer Repressalienangelegenheit abzu-
geben. Die dritte Urkunde betrifft einen Rechtsstreit, den er 1340 mit seinem
Bruder Francesco hatte, und in dem er schlecht wegkam, was Arias ein Be-
weis dafür zu sein scheint, dafs der Chronist nicht mehr dasselbe Ansehen
in der Kaufmannsschaft genofs wie früher. Thatsächlich bekleidete er in der
Folgezeit auch keine wichtigen Aemter mehr.
RASSEGNA BIBLIOGRAFICA :
Antonini e Cognetti de Martiis, Vittorio Alfter i, studi psicopato-
logici; Rossi, Getiio e degener azione in Mazzini; Bellezza, Genio e follia
dt Alessandro Manzoni; Patrizi, NelV estetica e nella scienza (Renier, ver-
ständige Aeufserungen). — Vivaldi, Storia delle controversie intorno alla
nostra lingua dal 500 ai nostri giorni. Vol. III; Derselbe, Discussioni
amichevoli a proposito di una niia storia delle controversie linguistiche in
Italia (FofFano). — Leggiardi-Laura, II delinquente nei „Promessi Sposi".
Ricerche d' antropologia e di critica scientifica con prefazione di Giuseppe
Sergi (Bellezza, richtige Würdigung dieses Machwerkes). — De Sanctis,
Scritti varii inedili o rari a cura di B. Croce. Volumi due (Bertana, richtige
Bemerkungen).
BOLLETTINO BIBLIOGRAFICO :
Passerini e Papa, Biblioteca storico-critica della letteratnra dantesca.
Sanesi, La storia di Merlino di Paolino Pieri, edita ed illustrata. Linder,
Pleinte de la Vierge en vieux venitien. Müntz, Leonard de Vinci, l'artiste,
le penseur, le savant; Solmi, Leonardo da Vinci, Frammenti letterari e
filosofici; Solmi, Studi sulla ßlosofia naturale di Leonardo da Vinci. Mol-
menti, Sebastiano Veniero e la battaglia di Lepanto. Piccioni, Studi e
ricerche su G. Baretti, con lettere e documenti i?iediti. Beneducci, Scam-
poli critici.
ANNUNZI ANALITICI, PUBBLICz\ZIONI NUZIALL
COAIUNICAZIONI ED APPUNTI:
G. Rossi, f/«' edizione delle rime di Serafino Aquilano sfuggita ai
bibliografi giebt die Beschreibung eines Bruchstückes eines bisher unbekannten
mailänder Druckes der Gedichte Serafinos vom 18. Juni 1505, das er auf der
Universitätsbibliothek in Bologna entdeckte. — E. Mele, // Cervantes tra-
duttore d' un madrigale del Bembo e di un^ ottava del Tansillo. Schon 1895
hatte Mele nachgewiesen, dafs das Don Quijote II 68 in den Mund gelegte
Liedchen eine wörtliche Uebersetzung eines Madrigals Perottinos aus dem
ersten Buche der Asolani ist. Hier fügt er hinzu, dafs die Uebersetzung
nicht einer vorhandenen Uebertragung entlehnt ist, sondern wirklich von Cer-
vantes stammt wie auch I, 33 die Ottave aus Tansillos Lagrime di San Pietro.
— G.B. Gerini, // cicisbeismo ritratto da Paolo Mattia Doria. Inhalts-
GIORNALE STORICO VOL. XXXIV. 159
angäbe eines 22 Jahre vor dem Mattino erschienenen Dialoges Dorias, der
den Cicisbeismus geifselt. — P. Bellezza, Manzoni, Giordani e Stendhal
weist nach, dafs Giordani nicht nur keine Abneigung gegen Manzoni hegte,
wie immer wieder behauptet wird, sondern dafs er ihn sogar hoch verehrte
und bewunderte. Umgekehrt ist es aber falsch von einer Bewunderung Sten-
dahls für den grofsen Lombarden zu reden, wie eine Anzahl Stellen in seinen
Werken beweisen.
CRONACA:
Periodici, kurze Mitteilungen, neuerschienene Bücher, Nachrufe für Graf
Carlo Lochis und Cornelio Desimoni.
Berthold Wiese.
NEUE BUCHER.
Matzke, John E., The question of free and checked vowels in gallic
populär Latin (in Publications of the Modern Language Association of Ame-
rica, Vol. XIII, No. i; 41 S.). Die gegen Menger (Publ. of the Mod. L. Ass. X)
sich wendende sorgfältige und klar geschriebene Abhandlung, die zu dem
Resultat gelangt, dafs im 6. Jh., wo die Diphthongierung einfacher A^'okale im
Franz. beginne, geschlossene Silbe bestehe bei mehr als Zweikonsonanz, bei
Gemination und bei den Zweikonsonanzen Liquida + Kons., j -|- Kons., t, d-\-
s, s, z, offene Silbe aber in den übrigen Fällen, löst noch nicht alle Schwierig-
keiten der komplizierten Frage, die eines noch eindringenderen Studiums be-
darf, hat aber manche derselben zu beseitigen vermocht. Unter andern jedoch
noch nicht die, die z. B. piege tnie^e {g = dz) neben äge (g = dz) mit un-
verändertem Vokal bereiten, oder die einsilbigen, die sich M. mit Behrens aus
der Offensilbigkeit erklärt, die eintritt, wenn diese Wörter vor vokalischen
Anlaut im Satze zu stehen kommen, oder die german. Oxytona auf auslaut.
einfachen Konsonanten, die nicht berührt werden. Dafs die Stellung jener
Wörter vor Vokal den Ausschlag gegeben hätte bei der Befestigung der einen
gegenüber der andern, vor Konsonantenlaut entwckelten Form, ist nicht von
selbst einleuchtend, wenn man erwägt, dafs der vokalische Anlaut in der
Sprache mehr als dreimal seltner und bei den vokalisch anlautenden Wörtern
doch thatsächlich ein noch viel ungünstigeres Zahlenverhältnis gegenüber denen
mit Konsonantanlaut besteht; auch war Liaison im ersten Falle auf begriff-
liche Kohärenz beschränkt. Als wesentlich hat sich mir für die frz. Diphthon-
gierung lat. Tonvokale (ich führe ä durch de, mit dem ai vor Nasal gleich-
wertig war, und durch fe zu ^i und ff; ai entsteht aus a -(- Palat.) seit
langem ergeben, dafs sie lang oder gelängt waren, wonach amätis habetis
auch auf der Stufe amäts avets ihren Tonvokal, trotz nachfolgender Zwei-
konsonanz, diphthongieren konnten; desgl. die einsilbigen und die germanischen
Oxytona mit einf. Schlufskonsonanten (zu rem: rien, sit: seit, par; per hat
man keine Nebenform wie sale zu sal zur Verfügung; ebensowenig ist sie an-
nehmbar bei cor cordis trotz itaL cuore, mel mellis, fei fellis oder
trans, rom. träs). Gegenüber tiede: tepidus und sSide: säpidus oder
fümne: f?mina und j«venem: jae/ne u.dgl. entsteht aber die Frage,
unter welchen Bedingungen wurde in Proparoxytonis der kurze Tonvokal ge-
längt, wann blieb er kurz, wann wurde der lange gekürzt, und, gegen-
l6o G. G., NEUE BÜCHER.
Über ses: säpis und z.B. sälis: sais (vgl. sei =^ säl salis etc.), die andre,
warum wurde im ersten Fall ä gelängt, im andern nicht u, s. w.
Wülker, R. P., Briefwechsel zwischen Adolf Ebert und Ferdinand
Wolf (in Berichte über die Verhandlungen der Kj^'l. Sächsischen Gesellschaft
d. Wissensch. zu Leipzig; Philol.-hist. Classe, 51. Bd., 1899, II S. 77 — 139;
Einzelpreis M. 1,60). Die pietätvolle Schrift über den ersten Romanisten an
der Leipziger Universität und den Begründer der ersten allgemeinen romanischen
Zeitschrift wird Schülern und Freunden des verehrungswürdigen Mannes und
Gelehrten willkommen sein, auch wenn sie wesentlich Neues über sein inneres
und äufseres Leben daraus nicht entnehmen können. Von den 125 Briefen
Eberts an Wolf (1851 — 64) werden 10 auf das Jahrbuch f. rom. u. engl. Lit.
bezügliche abgedruckt, der Inhalt der übrigen wird sorgfältig angegeben;
voraus gehen Mitteilungen über Eberts akademische Thätigkeit bis zu seiner
Leipziger Zeit u. a. Aufrichtiger Dank gebührt seinem Leipziger Kollegen
dafür, dafs er alles das den Ueberlebenden zugänglich gemacht hat und ihnen
nahe bringt, wie mancherlei in der Vergangenheit geschehen mufste, um der
Romanistik die Stellung zu erringen, deren sie sich in der Gegenwart erfreut.
Sexteenth annual report of the Dante Society (Cambridge, Mass.) May 18,
1897, enthält aufser einem Verzeichnis der Erweiterungen der Dantesammlung
der Bibliothek des Harvard College, von P. Toynbee eine Vergleichung des
Textes der Ausgaben Rajnas von Dantes De vulgari eloquentia mit dem der
Oxforder Ausgabe vom Jahre 1894. G. G.
Berichtigung.
Die Stelle Zs. 23, 546 Z. 11 — 18 könnte mifsdeutet werden; ich bitte sie
also durch folgende Fassung ersetzen zu wollen: „Da nun jedem solchen
physiologischen Gliede ein psychisches einstmals entsprochen hat oder actuell
entspricht, so ergiebt sich daraus eine unbegrenzte Variabilität auch des
psychischen Associationsprocesses bei der wiederholten Erzeugung einer dem
erstmalig gestifteten Vorstellungs- etc. -complexe ähnlichen Complication. Auf
die Sprache angewandt: Entsprechen den ausgef);\llenen oder eingeschobenen
physiologischen Gliedern Bedeutungselemente der Sprache (aufser Realvor-
stellungen auch Gefühle und Willensregungen), so resultiert Vergessen der
etymologischen Bedeutung oder Bedeutungswandel; entsprechen jenen ausge-
fallenen oder eingeschobenen physiologischen Gliedern Formelemente der Sprache
(Lautformvorstelluugen etc., s. S. 545 Z. i6f.), so ist das Resultat Lautausfall,
-einschub oder -wandel." O. Dittrich.
Ueber das altfranzösische G-ediclit von der Zerstörung
Jerusalems (La Venjance nostre seigneur).
I. ABSCHNITT.
Allgemeine Charakteristik des Gedichtes.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit einem altfranzö-
sischen Gedicht, welches das geschichtliche Ereignis der Zerstörung
Jerusalems durch Titus im Jahre 70 n. Chr. zum Gegenstande hat.
Eingehender ist noch nicht darüber geschrieben worden, ebenso
fehlt noch ein kritischer Text. Kürzere Aeufserungen liegen vor
von Paul Meyer im Bulletin de la Societ6 des anciens textes fran-
<;ais, i''^ annee 1875, S. 52 — 54, sowie von Paulin Paris in der
Histoire litteraire de la France XXII 412 — 416.
Auf die für speziellere Fragen in Betracht kommende Litte-
ratur wird an den entsprechenden Stellen verwiesen werden.
Inhalt.
Das Gedicht hat folgenden Inhalt.'
Der römische Kaiser Vespasian ist mit unheilbarem Aussatz
behaftet. Da sein Seneschal Gai von einem wunderthätigen Pro-
pheten gehört hat, den die Juden gekreuzigt haben, schickt ihn
Vespasian nach Jerusalem, um nach einer ReHquie von ihm zu
suchen. Dort erfährt Gai durch Jakob, den Vater der Maria Mag-
dalena, seinen Wirt, von dem Christi Bild tragenden heilkräftigen
Tuche der Veronika (Laisse i — 15). Nachdem ihm noch Pilatus,
der römische Landpfleger, die Zahlung eines Tributs, den sein Herr
Vespasian ihm durch Gai auferlegen liefs, verweigert hat, reist der
Seneschal mit der Frau nach Rom, wo er gerade zur Krönung des
Kaiserssohnes Titus anlangt. Veronika trifft dort den heiligen
Klemens, der die Römer, die als Muhammedaner auftreten, be-
kehren will, ohne bisher Erfolg gehabt zu haben (L. 16 — 28). Der
Kaiser wird nun geheilt, indem er, durch den Anblick von Christi
Bild ergriffen, das Tuch an sich drückt; dafür macht er Klemens
zum Papst und schwört, den Tod Christi an den Juden zu rächen
und sich nach Vollzug der Rache mit seinen Baronen taufen zu
lassen. Das Tuch wird von Klemens im Altar des heiligen Simeon
versiegelt. Vespasian fährt mit dem Heere ab, landet in Acre und
^ Der in der Histoire litteraire gegebene Inhalt ist nicht vollständig;
und enthält verschiedene Irrtümer.
Zeitschr. t rom. Phil. XXIV. 1 1
102 WALTHER SUCHIER,
läfst dann die Stadt Jafes durch Titus erobern; die Einwohner
werden getötet bis auf Jafel und einen andern, die in einem Keller
gefangen worden sind. Als dann die Römer vor Jerusalem ange-
kommen sind, hilft Jafel einer im Heere entstehenden Wassernot
ab, indem er mit den Fellen geschlachteter Zugtiere das Thal
Josaphat auslegen und in das so entstandene Becken das in
Schläuchen herbeigeschaffte Wasser giefsen läfst (L. 2g — 45). Nach
zwei erfolglosen Aufforderungen Vespasians zur Ergebung beginnt
der Angriff, dabei wird ein seit zwanzig Jahren über Jerusalem
Wehe schreiender Verrückter getötet. Jakob, von Pilatus gefangen
gesetzt, wird von einem Engel ins römische Lager geführt. Um
die Stadt auszuhungern, läfst Vespasian sie auf des Juden Rat mit
einem Graben einschliefsen. Die Belagerten wollen dies verhindern
und machen einen Ausfall, werden aber zurückgeschlagen (L. 46 — 62).
Sobald nun der Graben vollendet ist, entsteht in der Stadt eine
furchtbare Hungersnot. Verhandlungen, die Jakob mit dem in
der Stadt befindlichen christlich gesinnten Priester Joseph führt,
kommen zu keinem Ziel. Vielmehr steigert sich die Not derart,
dafs Marie, die Königin von Afrika, durch einen Engel dazu
aufgefordert, ihr verhungertes Kind ifst (L. 63 — 80). Verschie-
dene Gesuche der Juden um freien Abzug werden von Vespasian
abgelehnt, und die Lage wird so verzweifelt, d?fs sich der König
Archelaus tötet und die Juden sich ergeben müssen. Vorher zer-
kleinern und essen sie noch auf Pilatus' Rat ihre Kostbarkeiten,
um sie vor den Römern zu retten. Sie werden je dreifsig für
einen Denar, wie Christus für dreifsig, verkauft, und da das Gold
in ihnen bemerkt wird, getötet (L. 81 — 95). Die Stadt wird zer-
stört und der Rückmarsch angetreten. In Acre läfst der Kaiser
sechs „Denreen", die allein verschont worden sind, je zwei in
einem Schiff, aussetzen; sie kommen nach Deutschland, Flandern
und England und bevölkern diese Länder. Nachdem die Römer
heimgekehrt sind, lassen sich Vespasian, Titus, Jafel und Jakob
von Klemens taufen, ebenso auch der vom Kaiser verschonte Joseph
und das ganze römische Volk. Pilatus, der gefangen mitgeführt
war, wird verurteilt und nach Vienne in die Verbannung geschickt.
Zwei Jahre wird er dort in einem Brunnen gefangen gehalten,
dann wird er in ein Gefängnis gebracht und samt dem Hause
von der Erde verschlungen (L. 96 — 107).
Darstellungs weise.
Dafs der Untergang der Juden ein Strafgericht für die Kreu-
zigung Christi bedeute, diese Ueberzeugung herrscht im Mittelalter
allgemein. Auch der unbekannte Verfasser des Gedichtes steht
auf diesem Standpunkt und giebt z.B. in dem g., 13., 21., 24. Verse
des weiter unten abgedruckten Anfangs die venjance für Christus
als den Gegenstand seiner Dichtung an. Ihm gilt daher der Stoff
als durchaus christlich und geistlich, und er stellt sich mit ihm in
bewufsten Gegensatz zu weltlichen Dichtungen, deren er in V. 7,
AFRZ. GEDICHT VON DER ZERSTÖRUNG JERUSALEMS. 163
8 und IQ des Anfangs verschiedene erwähnt. Der in V. 7 ge-
nannte Auchier tritt V. 19 nochmals in Begleitung des Landri auf;
hierbei hat der Dichter einen uns nicht erhaltenen Text im Auge,
der auch noch anderwärts in der altfranzösischen Litteratur erwähnt
wird. Vgl. Paul Meyer, Romania VlI 451; im Roman de Renart,
Fortsetzung der ersten Branche, V. 2166 der Ausgabe von Martin,
Strafsburg 1882, lautet der zweite Name etwas anders:
Contes d' Auchier et de Lanfroi!
Birch- Hirschfeld, Ueber die den provenzalischen Troubadours be-
kannten epischen Stoffe, Leipzig 1878, S. 68 führt einige auf Landric
und Aya bezüglichen Stellen an , doch bezweifelt P. Meyer a. a. O.
einen Zusammenhang zwischen diesen und Auchier et Landri. Mit
Coslani in V. 7 wird vielleicht an den Dit de l'empereur Coustant
angespielt, den A. Wesselofsky, Romania VI 161 — ig8 herausgegeben
hat. Was mit der fable Marlin le . . . gemeint ist, weifs ich nicht.
Das in den Handschriften entstellte Beiwort hat, aus den Lesarten
zu schliefsen, wohl mit n.. angefangen.
Wohl um dem Gedicht eine gröfsere Verbreitung zu sichern,
hat der Verfasser ihm die Form der Chansons de geste gegeben,
einreimige Laissen. Gleich jenen scheint es zum Vortrag im Ge-
sang bestimmt gewesen zu sein, was sich z. B. aus V. 17:
Ne fu tel chan^on faite en cest nostre romant
Com vos ories anqui, s'il est qui la vos chant
entnehmen läfst. Noch an verschiedenen anderen Stellen wendet
der Dichter sich an Hörer. Eine weitere Entlehnung von jener
Dichtungsart bezeichnen die in unserem Gedicht häufigen Couplets
similaires; eine derartige Wiederholung des Inhalts einer Laisse
am Anfang der folgenden findet sich z. B. gleich in der i. und
2. Strophe, welch letztere mit einer abermaligen Anrede an die
Hörer anfangend zugleich ein Beispiel des Recommencement bietet,
auch in der 4. und 5. Am Ende der zweiten Laisse beruft sich
der Verfasser mit den Worten
Ens en Costantinoble devant Sainte Sofie
Poes trover l'escrit, que que nus vos en die
scheinbar auf eine ganz bestimmte Vorlage; da aber mit dieser
Angabe nicht viel anzufangen ist, dürfen wir vielleicht annehmen,
dafs auch hierin sich eine Einwirkung von Chansons äufsert, die,
um die Wahrheit ihres Inhaltes glaubhaft zu machen, sich auf eine
fingierte Quelle berufen. Wenn der Seneschal durch einen Traum,
er ginge nach Jerusalem, veranlafst wird, diese Reise zu unter-
nehmen, so würde diese Stelle vielleicht durch die Annahme eines
Nachklangs des Songe epique erklärt werden können.
Das Gedicht beginnt in der ersten Strophe mit einer kurzen
Inhaltsangabe, die in der zweiten noch etwas weiter ausgeführt
wird. Dann folgt in ziemlich weitschweifiger Darstellung die eigent-
liche Erzählung. Einen besonders breiten Raum nehmen dabei die
II*
164 WALTHER SUCHIER,
Reden ein, von deren Ausführlichkeit z. B. Str. 4, 5 und 105 (vgl.
den kritischen Text im II. Abschnitt) ein Bild geben. Die Schlufs-
laisse giebt, wohl auf Grund des im Gedicht über ihn Berichteten,
eine kurze Lebensbeschreibung des Gewährsmannes Joseph und
schliefst mit einem Gebet.
Die Ausdrucksweise weist einige formelhafte Wendungen auf,
vorwiegend in Bezug auf Personen oder bei Eigennamen. So wird
Vespasian oft bezeichnet als // gentils efiipcrere oder re?nperere de
Roine, sein Sohn als li noviaus etnperere. Mit Namensnennung heifst
es häufig et Titus ses chiers filz, Josephus li coriois, ei (oder ein
anderes einsilbiges Wort) Vaspasianus (vgl. V. 14, 25, 36, 55 des
Anfangs).
Verschiedentlich hat der Verfasser mittelalterliche Zustände
und Sitten auf seinen Stoflf übertragen. Am auffallendsten in
dieser Hinsicht ist die Bezeichnung von Vespasians Vertrautem
als Seneschal. Zwei weitere Beispiele entnehme ich der Histoire
litteraire: „Ainsi, quand Gui le s6nechal invite Verone ä le suivre
jusqu'ä Rome, il a soin de l'avertir qu'elle pourra se faire accom-
pagner d'une autre femme. A la table du Juif, la personne la
plus honorable est assise entre la maitresse de la maison et ma-
dame V6rone." Die Reise des Seneschals geht von Rom nach
Barlet, von dort zu Schiff nach Acre, und dann weiter nach Jeru-
salem, umgekehrt die Rückfahrt; entsprechend verläuft später der
Kriegszug der Römer und ihre Heimkehr. Dieser Weg ist wohl
von einer Kreuz- oder Pilgerfahrt auf Vespasians Unternehmen
übertragen -worden, das ja in der vorliegenden Gestalt einem
Kreuzzug nicht unähnlich sieht (vgl. noch die zweitfolgende Seite).
Form.
Die Form ist die der Chansons de geste: einreimige Laissen,
deren das Gedicht 107 enthält. Zuweilen läuft eine Assonanz mit
unter, so z. B. sicher in der 98. Strophe, wo sich unter den Reimen
auf -ois das Wort oirs findet; vielleicht ist auch für V. 42 des An-
fangs Assonanz anzunehmen. Das Versmafs ist der Alexandriner,
mit Zäsur nach der sechsten Silbe. Hiatus bei dumpfem e im
Auslaut mehrsilbiger Wörter findet sich innerhalb der kritisch be-
arbeiteten Stücke (vgl. IL Abschnitt B i) nicht.
Sprache.
Eine Untersuchung der durch den Reim oder das Versmafs
gesicherten Wörter ergiebt für die Sprache im wesentlichen fol-
gende Resultate.
Laute. Vokalismus. In der Endung -eiUe ist das e m. 0
übergegangen: Laisse mervoille (Str. 19 der im IL Abschnitt B 2
abgedruckten Laissentafel), wo solche Formen durch den Reim
mit s'agenoille festgestellt sind.
Unter den Reimen auf -aus (< -als) finden sich auch Wörter
AFRZ. GEDICHT VON DER ZERSTÖRUNG JERUSALEMS. 165
mit franzischem qu entsprechendem au: trax, rax, vielleicht auch
claus\ ähnlich Maus.
Das aus ei entstandene oi reimt sowohl mit pi {rois — crpis),
wie mit oi (voire — glqire). Dafs keine Vermischung der beiden
letzteren oi vorkommt, kann auf Zufall beruhen.
Konsonantismus, s und z werden im Reime vermischt. Es
finden sich z. B. neben den häufigen eigentlich auf -ez endigenden
Verbalformen Wörter wie nes, tres, neben rois — crois (statt croiz),
neben mar tax — assax (statt assauz).
Auslautendes / ist bewahrt worden in Wörtern wie foit, pale-
froit, die z. B. mit Verbalformen wie avroit gereimt sind.
Formen. Die Feminina der lateinischen dritten Deklination
haben überwiegend im Nom. sing, ein s angenommen: citez, veriiez,
parentez. Doch kommt z. B. tor als Nom. sing, ohne s vor. Ebenso
fehlt das s bei den Maskulinis.
Die erste Person plur. des Präsens Ind. geht im Reim stets
auf -on aus, im Innern des Verses kommt daneben selten eine
Form wie avomes vor.
Das Possessivpronomen scheint nur ganz selten statt als vosire
in der Form vo aufzutreten (vgl. V. 37 des unten abgedruckten
Schlusses).
Die Sprache des Gedichtes kommt daher dem Pikardischen
sehr nahe, doch ist der Uebergang von -eille zu -oille champagnisch.
Die sonst im Pikardischen häufige Zusaramenziehung von -iee zu
-ie findet sich im Gedicht nicht. ^
Alter.
Das Alter des Gedichtes ist wegen des Fehlens von Anspie-
lungen nicht leicht genauer zu bestimmen: Paul Meyer setzt es
im Bulletin in das Ende des 12. Jahrhunderts, während Gröber in
seinem Grundrifs IIa 658 statt dessen den Anfang des 13. annimmt.
Begründungen haben beide, ebensowenig wie die Histoire litteraire,
die nur allgemein das 13. Jahrhundert angiebt, nicht geliefert. Ein
Anhaltspunkt dürfte vielleicht in der Angabe des Weges nach
Jerusalem, über Barlet und Acre, zu finden sein. Da Barlet, ital.
Barletta in Apulien, Provinz Bari, im Mittelalter ganz unbedeutend
war, so wird man annehmen dürfen, dafs der Dichter die Kenntnis
dieses Ortes einer bestimmten Thatsache verdankt. Es ist schon
1 In der Einleitung (S. XXIV) zu den im Verein mit A. Bos heraus-
gegebenen Trois Versions rimees de l'evangile de Nicodemc, Paris 1885,
sowie etwas bestimmter in einem Discours lu ä la Seance publique de la
Societc des Antiquaires de Normandie le i^r Dccembre 1898, betitelt: La Litte-
rature Normande avant l'annexion, Paris 1899, S. 24/25 glaubte G. Paris auf
normannischen Ursprung des Gedichtes schliefsen zu dürfen. Diese Vermutung
stützte sich jedoch nur auf die Thatsache, dafs die meisten anderen in der an
ersterer Stelle behandelten Handschrift enthaltenen Stücke aus der Normandie
stammen. Das Gedicht weist in dieser Handschrift allerdings normannische
Formen auf, doch sind sie wohl nur auf den Schreiber, nicht auf den Dichter
zurückzuführen.
l66 WALTHER SUCHIER,
oben (zwei Seiten vorher) vermutet worden, dafs vielleicht einmal
eine Kreuzfahrt oder Aehnliches einen derartigen Weg genommen
hat. Ein Beleg dafür findet sich in L'Estoire de la Guerre sainte
von Ambroise, in der Ausgabe von Gaston Paris, Paris 1897, V. 507.
An dieser Stelle wird angegeben, dafs die Teilnehmer am dritten
Kreuzzug (aufser in Genua, Marseille, Venedig) sich zum Teil auch
in Barlete und Brandiz einschiffen. Der Kreuzzug war 11 90 — 92,
Ambroise schrieb wahrscheinlich 1196. Auch die Angabe von
Acre (gleich Akkon) als Landungspunkt der Römer stimmt zu dem
weiteren Verlauf jenes Kreuzzuges. Gleichwohl würde es immer
noch unerklärt bleiben, warum der Dichter aus den verschiedenen
genannten Orten gerade Barletta gewählt hätte.
IL ABSCHNITT.
Die verschiedenen Fassungen und ihre Handschriften.
A. Verzeichnis der Handschriften.
Von dem Gedicht sind die im Nachstehenden aufgezählten
zehn Handschriften bekannt. Sie sind zusammengestellt von Paul
Meyer im angeführten Bulletin S. 53 Anm. 1, wozu er noch zwei
weitere Romania XVI 56 hinzufügt. An der ersten Stelle hat er
unter Hinweis auf Sachs, Beiträge zur Kunde altfranzösischer, eng-
lischer und provenzalischer Literatur, Berlin 1857, S. 70 die Hand-
schrift 3657 der Bibliothek des Sir Th. Phillipps in Cheltenham
angeführt. Diese Angabe ist jedoch falsch. Die Handschrift ent-
hält nicht unser Gedicht, sondern einen altfranzösischen Prosaroman
über denselben Stoff (vgl. darüber den IV. Abschnitt).
i) Bibliotheque Nationale fr. 1374 (alt 7498^).
Beschreibung in Bibliotheque imperiale, Catalogue des manus-
crits fran^ais t. I. — Handschrift aus dem 13. Jahrhundert, enthält
das Gedicht auf Blatt 75 r« Spalte 2 — Blatt 90 v<' Spalte 2. Das
ganze Gedicht umfafst etwa 2372 Verse und ist überschrieben: Le
Roman de la prise de Hierusale\ni\. Ich bezeichne die Handschrift
mit A.
2) Bibliotheque Nationale fr. 1553 (alt 7595).
Beschreibung in Bibliotheque imperiale, Catalogue des manus-
crits fran(;ais t. I. — Handschrift aus dem 13. Jahrhundert (nach
der Angabe der Histoire litteraire um 1285 geschrieben), enthält
das Gedicht auf Blatt 379r0 Spalte i — Blatt 393V'' Spalte i. Das
ganze Gedicht umfafst etwa 2508 Verse und führt den Titel: De
Vaspasien. Ich bezeichne die Handschrift mit B.
3) Bibliotheque Nationale fr. 20039 ^'^ S. Germ. fr. 1454).
Kurze Beschreibung durch P. Meyer im Bulletin de la Soci^te
des anciens textes franc^ais, XXP annee 1895, S. 74, 76. — Hand-
schrift des 14. Jahrhunderts, 166 Blätter, enthält das Gedicht auf
Blatt \2^x^ — 164 vO, Das ganze Gedicht umfafst etwa 2080 Verse
und hat die Ueberschrift: Ci co?nmence lestoire de vaspasien qui fu
empereres de Rome comment ü fu gariz de la liepre par la sainte
AFRZ, GEDICHT VON DER ZERSTÖRUNG JERUSALEMS. 167
touaille que vero7ie la pticele li aporta a Rome. Ich bezeichne die
Handschrift mit C.
4) Bibliothcque Nationale fr. 2543g (alt la Valliere 87).
Beschreibung durch P. Meyer im Bulletin de la Soci^te des
anciens textes franc^ais, XXV*^ annee 1899, S. 37 ff. — Handschrift
aus der zweiten Hälfte des 1 3. Jahrhunderts, enthält das Gedicht auf
Blatt loovO — 138VO. Das ganze Gedicht umfafst etwa 2250 Verse
und führt den Titel: Romans commant la mort nostre setgiiour fut
vaingie de ceux gut lou crucifitcrejit. Ich bezeichne die Handschrift
mit D.
5) Bibliotheque de l'Arsenal 3516 (alt Beiles -lettres fran-
^aises 283).
Beschreibung im Catalogue des Manuscrits de la Bibliotheque
de l'Arsenal par Henry Martin, t. III. — Handschrift aus dem
13. Jahrhundert (nach Monmerque et F. Michel, Lai d'Ignaures,
Paris 1832, S. 36 1267 oder 1268 geschrieben), enthält das Ge-
dicht auf Blatt 76rf' Spalte i — Blatt 83V" Spalte 3. Das ganze
Gedicht umfafst etwa 2400 Verse und ist überschrieben: Apres
uieni le uenganche notre segnieur. Ich bezeichne die Handschrift
mit E.
6) Bibliotheque de l'Arsenal 5201 (alt Beiles -lettres fran-
vaises go).
Ausführliche Beschreibung durch Paul Meyer in der Romania
XVI 24 ff. — Handschrift aus dem letzten Drittel des 13. Jahr-
hunderts, enthält das Gedicht auf Seite 143 Spalte 2- — -Seite 165
Spalte I. Das ganze Gedicht umfafst etwa 1600 Verse und führt
als Ueberschrift folgende schlechten Verse (P. Meyer a. a. O. S. 57
Anm. i):
Cest li romanz de la uaniance
Que vaspasiens et tytus ses fiz
Firent de la mort ihesucrist.
Ich bezeichne die Handschrift mit F.
7) Biblioteca Nazionale di Torino L II 14 (alt g II 13, auch
fr. 36).
Beschreibung bei Stengel, Mittheilungen aus französischen
Handschriften der Turiner Universitäts- Bibliothek, Marburg 1873,
S. 1 1 ff. — Handschrift aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts (nach
Stengel 131 1 geschrieben), enthält das Gedicht auf Blatt 83 r"
Spalte 2 — Blatt 102 v" Spalte i. Das ganze Gedicht umfafst etwa
3400 Verse und ist überschrieben: Ensi que vapasiiens parla a gay
sen senescal pour eiivoiie7- querre maroiie vero7ine. Ich bezeichne die
Handschrift mit G.
8) Biblioteca Nazionale di Torino L IV 5 (alt g I 2, auch
fr. 12).
Kurze Beschreibung bei Stengel a. a. O. S. 3g. Gedruckt ist
die in dieser Handschrift enthaltene Fassung des Gedichtes bei
A. Graf, Roma nelhi memoria e nelle immaginazioni del medio
l68 WALTHER SUCHIER,
evo, Torino 1882/83, I 429 — 460. Handschrift des 15. Jahrhun-
derts, enthält das Gedicht auf Blatt I46r'> — i65r'\ Das ganze Ge-
dicht umfafst II 8g Verse und führt die Ueberschrift : Chi apries
scnssieuH la vcngaiue mesi7'e Jhesucrist faitte par Vespasien. Ich be-
zeichne die Handschrift mit H.
9) British Museum Additional 10289.
Beschreibung bei Ward, Catalogue of Romances in the de-
partment of manuscripts in the British Museum, Vol. I, 1883,
S. 179. — Handschrift des 13. Jahrhunderts (nach G. Paris et
A. Bos, Trois Versions rim6es de l'6vangile de Nicoderae, Paris
1885, S. XXI nach der Mitte des 13. Jahrhunderts in der Abtei
Mont-Saint-Michel geschrieben), enthält das Gedicht auf Blatt 82 r"
— 121 rO. Das ganze Gedicht umfafst etwa 2361 Verse. Ich be-
zeichne die Handschrift mit 1.
10) British Museum Royal 16. E. VIII.
Beschreibung bei Ward a. a. O. S. 176, Von dieser, jetzt ver-
lorenen Handschrift sind nur einige Textproben bei Ward und bei
Sachs, Beiträge S. 70 erhalten. — Handschrift des 13. Jahrhunderts,
enthielt das Gedicht auf Blatt 73rO — 102 v^". Das ganze Gedicht
umfafste nach Ward 2092 Verse (Sachs giebt „etwa 1950" an),
und war überschrieben: Ci commence le Hure Titiis et Vespasiamis.
Ich bezeichne die Handschrift mit K.
Von den Handschriften A und / lagen mir vollständige Ab-
schriften vor, von H der Abdruck bei Graf, von K die bei Ward
und Sachs erhaltenen Stücke, von den übrigen hauptsächlich die
Abschriften einiger Laissen je am Anfang und Schlufs.
B. Hilfsmittel.
I. Kritischer Text.
Wie sich schon aus dem zwischen 1200 und 3400 Versen
schwankenden Umfang des Gedichtes schliefsen läfst, bieten die
Handschriften nicht alle den gleichen Text; vielmehr hat die ur-
sprüngliche Gestalt verschiedentlich Bearbeitungen erfahren. Um
nun die Beziehungen zwischen den verschiedenen Fassungen und
den sie enthaltenden Handschriften aufzufinden, seien einige Stücke
des Gedichts in kritischem Text vorausgeschickt. Es sind die ersten
fünf und die letzten drei Laissen, auf welche ich bei meinen spä-
teren Ausführungen als auf K. T. I und K. T. II verweisen werde.
Als K. T. III teile ich noch eine Laisse einer späteren Bearbeitung
mit. Für K. T. I und II bildet die Handschrift E die Grundlage,
für K. T. III die Handschrift D. Einige umfangreichere Varianten
und EinSchiebungen, für die der Raum unter dem Text keinen
Platz bot, sind in einem Anhang am Schlufs der Arbeit diplomatisch
abgedruckt; doch konnten wegen der tiefgreifenden Umarbeitung,
die CD und z. T. auch G am Schlüsse erfahren haben, die dort
dem Text entsprechenden Stücke dieser Handschriften nicht mit-
geteilt werden.
AFRZ. GEDICHT VON DER ZERSTÖRUNG JERUSALEMS. 169
I. Kritischer Text der i. — 5. Laisse.
\. Laisse. I Or entendez, baron, chevalier et sergant
Et li home et les fernes et li petit enfant!
Qui veut oir chan^ön cortoise et avenant
Si laist ester la noise et se traie en avant;
5 Anqui orra tel chose, par le mien esciant,
Dont miex li porra estre a trestot son vivant.
Jo ne vos dirai mie d'Auchier ne de Costant,
Ne n'est pas de la fable Martin le ,
Ains est de la vengance al pere raemant,
10 Que Ju'i traveillierent, li culuert soldoiant.
En la crois le penerent, bien en soies creant.
.xl. anz en apres, ce trovons nos lisant,
En prist Titus vengance a l'acier et al brant
Et Vaspasianus, qui molt furent poissant.
15 Des puis que nostre sire fu nes en Belliant,
Die erste Strophe fehlt ganz in F. In G ist sie uyngearbeitet (j. An-
hang I). In B und G steht davor noch eine Laisse {s. Anhang II und III).
1 A . . mentendez, £ Or mentes B signor CD Or entendez trestuit,
II Signeurs or faittes paix, / Seignors or entendez, Ä" Or escotez seignur —
C li petit et li grant, H pour dieu le tout puissant
2 AJ^ Et li/ehlt BC ^K fehlt C homes K Homes / la fame H Che-
valiers bourgois femmes — AI li petit et li grant {A gant), B qui en diu
cont creant, H et enfans ( — 3)
3 fehlt H — A Suuet C estoire — K nouele et BD meruilleuse
(Z> coraigeuse) et vaillant
4 fehlt H ~ B Dont CDIK Laist ester le noisier — BCDIK si se
ABDK en fehlt
5 fehlt H — D orrez K tele (4-0 B An cui tel chose ora — E par m
6 fehlt H — K len D vous porroit — CD en D tretouz vous viuanz
7 A mie] pas H Che nest mie dOgier — A archier, E orel, K oiri
A contant, BI constant C derec ne de tristant, D daie ne de tritant,
H dAimont ne dAgoulant
8 fehlt DH — C Ce ^ la fehlt B Ne mencoigne ne, / Ne ce nest
pas la — A nonsachant, C reusant, E neusant, / neir ueant, K noisant {nach
Ward, nach Sachs: noriant) B ne vous irai contant
9 — B del pere, // le pere, D Jhesu B vraiamant, D veraiemant
10 A judeus {später auch judeu, juif), B juif {so auch später), C giu
(so auch später), D juif {so auch später, daneben yuit ), II juis {so auch
später), I jues {daneben später auch juef, jeue), K judeus {später auch judes)
II tourmenterent — A gloton, H felons HK mescreant
11 fehlt HI — ^^Z>Ä' pendirent — ^ en] i Ä' sunt ( — l) C ou
soffri painne grant, D ce croient bones genz
12 — A truuent clere (+1), B trouommes, K troue lem en {-\- \)
I luisant
13 ^ tytiis {so auch später) em prist D cytus {^0 auch später) —
A au pere roiaumant, BH a lespee trencant
14 A vaspasianus {so auch später, daneben vaspassianus), / vaspasienus
{meist wie oben), K vespasianus {später einmal vespasians) H Et Vaspasien
{so auch später) son pere — C lempereres K estoit / uallant D li preuz
et li vaillanz, H au coraige vaillant
15 fehlt H — BE Tres, CD Ainc, K One — CD nasqui AIK Bel-
leant, B Belyant, C Bethleent, D Beliehen}
170 WALTHER SUCHIER,
Ne fu tel chan^on faite en cest nostre romant
Com vos orrds anqui, s'il est qui la vos chant.
2. Laisse. Baron, ccste chan^on n'est mie de folie,
D'Alquier ne de Landri ne de
20 Dont il se guerroierent et porterent envie;
Ains est de la vengance al fil sainte Marie,
Que Jui traveillierent, la pute gent haie.
En la crois le penerent, ce fu grant felonie.
Titus en prist vengance a l'espee forbie
25 Et Vaspasianus a la chiere hardie.
Enpereor estoient de tote paienie,
Quite tenoient Romme et tote Lonbardie.
Icil murent la guerre envers la Juerie;
Pilate en fu destruis et la lor lois honie.
30 Dedens Jherusalem en ot tel chierestie,
16 fehlt H — — / com AK en tot {K cest) nostre viuant, B en cest
siede viuant, C par le mien escient, D en latin nen romans
X"] fehlt H — B Com vos pores oir, D Si com ponoiz oir — la]
B ie, EI le
Von K sind nur die Verse 18 — 25 erhalten.
\i fehlt H. F hat vor V. 18: Seignor oez estoire de grant ancesserie
— B Signor F Nest pas de fauble ( — 2), G Bonne gent ceste estore —
D net F ne de nule folie
l^ fehlt FH — ACDK Dauchier, / Dauquier, G Deoul C Martin,
G Coustant, / Costant ^ Ni a mot de mencoigne — ^ la folie ( — l),
B controuuerie, C faussenerie, D lancesserie, EK la fesserie, / lor festerie
G ne dautre fastrasie
20 fehlt BCFGH — D Dou A il se] le (—1)
21 fehlt H — B Chou est, G Quant cest — al] B dou, D lou, F 2. —
Vor V.1\ sind in B 7, in 6^ 15 Verse eingeschoben {s. Anhang IV und V).
22 fehlt H — F juef {so auch später), G juis {daneben später yuis) —
BG par {G a) tort et par enuie [folie
23 fehlt FHIK — ABDG pendirent — B grande folie, D mot grant
24 fehlt DH — A pris CFIK Em prist tytus {IK titus) — FK a] o —
Vor V. 24 haben CDFIK: .xl. anz en apres {F En apres .xl. anz) ne vos
mentirai mie {/ que que nus uos en die)
25 fehlt H — D Que G uaspazianus {daneben später uaspasianus,
vaspasiens) F Et vaspassiens ( — i ) {so auch später meist) — FK a] o G^ qui
ot meselerie
26 fehlt GH — ADF Ampereres estoit — AI romanie, D paienime
2-] fehlt BGH — A Qui tenoit ( — 2), D A quite tenoit, F Quitemant
tenoit ACDF Rome, / pulle — / tote] plene A paienie, CI lombardie
28 A Et eil G Esmurent chil, H Chils esmurent C muret, D pri-
rent B es esmurent (+l) guerre — D contre C genesie, / jeuerie E vers
le juierie, F uers lo roi damarie, H merueilleuse et pesaut — Vor V. 28 in
G eingeschoben: xl. ans apres chou que dx soufri harcie
29 A Pilates, BG Pylate, D Pylates, F Pilatre C honiz // Se de-
struisirent Pilatte (+1) — B et sa femme, F sa gent an fu C et sa geste
haie, G et lor lois abassie, H le cuyers soudoyant
30 B Deuens CI Jerusalem, E ihelnii, F ihel'rm — E ixs. A %\ grant
hachie, B tele estormie, C tel circstie, D si grant famine F ot si grant
cberestie, G ot puis grant estourmie, H fu famine si grant
AFRZ, GEDICHT VON DER ZERSTÖRUNG JERUSALEMS. I 7 I
Une dame i avoit, molt en fu afeblie,
De son enfant manga, ce fu grant derverie,
Mais 90 fist la famine, dont ele ert mesbaillie.
Ens en Costantinoble devant Sainte Sofie
35 Poes trover l'escrit, que que nus vos en die.
^.Luisse. Cil Vaspasianus fu molt gentils et her;
S'il volsist damedeu servir et honorer,
N'eüst meillor baren de 5a l'aigiie de mer.
Nostre sires le volt a sa loi atorner.
40 Tot li fist le viaire et le nes tempester
Et la barbe chaoir et le vis alieprer ;
Bien le manga le cancre dusqu'as denz maisselers.
Dans Gais li senescaus le prist a regarder.
31 fehlt H — A ^ une G manoit CDF La mere son anfant — G qui
si A qui molt fu affeitie, / mout fu afebloie, CDF por garantir sa uie
32 G Que BI mangier CD En manja voirement, F Maingai veraie-
ment, H Que de faim y menga — / fu mout F dauerie H la mere son
enfant
33 fehlt DH — CF la granz fains G Faire li fist — C estoit A est
mal, / eit mal B nolbaili, F esbaie G qui molt lot angoussie
34 ABHI Dedanz, D An en AD contantinoble, BH constantinoble,
C coustentinoble, F costantenoble, / costentinnoble G En constantinoble
est — BD sophye, C souffie, F soffie, G souphie A que que nus vos en
die, H la chite souffisant
'i'^ fehlt AGH — CDF Porrez F lestoire ^ E en trouueries kstoire
(4-1) — B coi que — H hat statt Fl 35:
En la lebrarie de leglise plaisant
Que on dist Sainte Souffie la li voit on trouuant
La certain cronicque ien ay veu lapparant
Von K sind nur die Verse 36 — 42 erhalten.
36 F Cil vaspasiens ( — i), H Chils rois Vaspasien — D mont G dont
vous moes conter, H don ie voy chi parlant — Vor V. 36 hat B ^, G
13 Verse eiftge schoben (s. Anhang VI und VII).
37 A deu croire, C damerdeu, H croire en dieu — / ne aorer G et
servir et amer, H le pere tout puissant — Vor V. yj hat H eingeschoben:
Fu preudons en sa loy moult fu sage e sachant
38 C un tel, D nul teil H dt \y — ^ de la, C iosqa, G diisca
CE la roge mer, D ne de la mer H en ce siecle viuant
39 II Tant qua sa loy le fist — Ä" torner ( — i) II atraire et atuurner
— Vor V. 39 hat II 7 Verse eingeschoben (s. Anhang VIII).
40 K viarie F Toz li fu li uiaires, H Tant li fist le visage — F et
li nex tcmpeste, H et le corps tempester — Vor V. 40 hat H 5 Verse ein-
geschoben (s. Anhang IX), CD FK haben eittgeschoben: Onques de tcx mira-
cles (DFK \.Q\\ (Ä' tele (+1)) miracle) noistes mais parier
41 fehlt CFK — A croir — E ahonter AB et la boche aleprer, D et
tout lou vis leprer, G molt sen doit effraer, H et la liepre aleprer
42 CDK Tout, F Toz, G Si, H Qui A la rape, BG la cranche, CD
la chancre, H la leure — ACD jusquas, BI dusques, E duscal, F jusques,
G quil not, H jusquau, K susca EGH dent BCEGHIK maisseler, D mais-
selez, F massele
43 F- 43» 44» 45' 4^ sind umgestellt in CD zu 44, 45, 43, 46, in F zu
44, 46, 43; a,^ fehlt F — E jais, F ysaies (+3) H Dangais EG ses
CD Li \D Ses) seneschax cm prist — AFI esguarder CD grant duel ^
demener
172 WALTHER SUCHIER,
Ainc ne veistes home si jjrant duel demener
45 Ne si tordre ses poinz ne ses cevels tirer.
S'il demaine grant duel, n'en fait mie a blämer,
Car qui bon seignor pert bien doit sovent plorer.
Ou voit l'enpereor, sei prant a apeler:
,Par Mahomet, biaus sire, por vos quit jo desver!
50 S'or vesquist li prophele dont j'ai o'i parier,
Que li felon Jui fisent en crois pener
Et ferir de la lance et plaier et navrer,
Par le mien escient, bien vos peüst saner
Et de cest grant malage et garir et monder.'
4. Laisse. 55 Quant Vaspasianus ot de son senescal
Qui por lui moine duel merveillos et mortal,
II meismes en plore, a qui fu plus coral.
Main a main sont issu de la sale roial,
AI perron s'aresturent par devant le portal.
44 / One H hommes F Onques mais ne veistes — BGI dolor mener
i^ homs si grant duel mener — Vor Fl 44 hat H eingeschoben: Quant en
ce point le vit se commence a plourer
45 fehlt F — AH Ne destordre H ses mains CDG Ne si ses poinz
detordre —
46 A dolor C Se il en mainne duel, D Se il la nioinne grant — EF
ne F fist CEF pas D Ne fait a demander
47 fehlt F — D som — A toz iorz, / por lui H il en doit bien plourer
48 AC II, B V BI uit F Auocque lemparor, GH A lempereour
vient {H vint) — D print, EI prist F lo prist a raisoner, H se li dist
sans cesser
49 BCDGH Mahommet i^ A la moie foi sire — H cui foursener
B dosner F por quit je desuier
50 ACF la H Vng prophette soloit — BE dont ai A conter // en
Surie regner — Vor V. 50 hat H 4 Verse eingeschoben {s. Anhang X).
51 fehlt F — E Q9 H Juis en une croix — H atachier et leuer —
Vor V.z^\ hat H eingeschoben: Le quel vot en son temps maintes viertus
moustrer Mais en Jherusalem le firent lappider — An Stelle -von K51 — 54
stehen in F \6 andere {s. Anhang XI).
l^ fehlt FH
53 fehlt F — ■ — G tost vos fesist B porent, H polroit — // hat
vor F. 53: Se creyez ou prophette dont chi moez parier
54 fehlt F — B ma, D ce, G^ uo G gSt malaise H De teile ma-
ladie — B saner et, CD aider et A mender, G tenser H dont ie vous
voy porter
Von K ist diese Strophe nicht erhalten.
55 F Quant lemparor uit ( — i), H Quant Vaspasien loit — B ot] ot ot
D oit, 6^ oi Z>6^ de fehlt D seneschaut F ysaie son seneschal (+ 2),
H si commence a plourer
^d fehlt H — B K.1 CDEF Por (^ S--) lui demaine {F demener) —
F delerous G dont il sentoit le mal
57 fehlt EGH — F meismes an plora — a qui] A cui' il, F cui il Ca
cu il fu, D au euer li fut — In G statt dieses Verses 5 andre {s. Anhang XII).
58 fehlt H — A Maint matin, D Maintenant F san issirent G Issi
hors de la cambre — F saule G ncut o lui amiral
59 fehlt H — i^ A G Mais iai lant seulement — AC defors, B deuat,
D dehors, F desoz G son bon ami loial
AFKZ. GEDICHT VON DER ZERSTÖRUNG JERUSALEMS, 173
60 ,Amis', dist l'enperere, ,jo vos tieng a loial,
A preu et a cortois et a noble vassal.
Tot vostre ancisor furent mi home natural.
Ales cherquier les terres et a mont et a val,
Tost et isnelement, et le pui et Tingal,
65 Se ja troverez mire ne livre mecinal
Qui me peilst aidier ne garir de cest mal;
Ja mais en vostre vie ne feres tel jornal.
Par moi efforceroient et li gieu et li bal.
De mon or li donroie tot cargie un ceval,
70 Et s'il veut autre avoir ne paile ne cendal,
Tot a cois li donroie; qu'en diroie jo al?
Nus hom n'a tant en terre, ne coivre ne metal,
C'ass6s plus ne donaisse de pieres de cristal.'
i^. Laisse. ,Amis', dist l'enperere, ,sez me tu conseillier?
75 Tu as tote ma terre et mon or a baillier.
Puls qua jo si te croi, molt me dois avoir chier.
60 H Et lui a dit Amis — FGI io] mout A tieg, F tient H je te
doy moult amer
61 fehlt H — F loial — D valsaut
62 fehlt GH — ^ uo — A mi] nostre mi
63 B Aler / cerchiez A fehlt les terres CD la terre H Mais se
tant poryes faire — a . . . a . .] ^ de . . . de . ., C/ da . . . da . . H par
terre ou par mer
64 fehlt H 6^ et le val, / et legal A et les puis et les val,
CDF le pui {D pin) et le costal
65 CD Se vos, G Vir se D troueez, EG troueries, F trouesiez
B mie, CDF home, / mies H Que pussies medechine — G herbe, / liures
H par decha rapporter
66 A garir H Dont veisse mon Corps — ne] BD a, CGI et A aider
DFG mon H de la liepre monder
67 G Ne feis en ta vie, H Jamals iour par Mahon — G nes un millor
iornal, H que ie doy honnourer — Es folgt in H der Vers: Naray honneur
Sans vous ie le vous voel iurer
68 fehlt FGH — DE Por AI enforceront — B das erste et fehlt
A pui, B juif AB val, D baul — In CD steht vor F. 68: Se pooie garir
biaus amis de cest {D ce) mal — G hat statt V.68 10 andere {s. Anhang XIII).
69 fehlt H — or li] A auoir, CD or en F donrai G kil voroit
donner dor — F toz D louz chargiez .c. cheuaus
70 fehlt CD FGH — E s'il] se
71 fehlt FGH — • AB ancois, C a es, Z> a sa ^ li donrai, B len
donroie, C le metroie, D volante, / len donez — qu'en] B an, CD que
72 fehlt AH — B C uns CD Ne nus B encore F Car nuns na tant
de coure, G V autre tant pesant — D metail B tant cortois liretal, F ne
de metal ( — 2), G que nus a de metal
73 fehlt AH — B Asses, F Que ie B nen D donnast, / li donge
G Donne sen contre pois — B piere D critail — Nach V. 73 hat G noch:
Por sante avoir par diu le spirital Plus deffais hons de lui ne jut a hospital
Von K ist diese Strophe nicht erhalten.
11^ A uuez, BE pues H me ses F molt me doiz avoir chier
75 fehlt H Dz. menor et, F tenir et a
"jd fehlt FH — G Pius CD si] tant A Et quant je sire croi —
AD tenir
174 WALTHER SUCHIER,
Ci me vois de mon cors cascun jor mehaignier,
Que ne puis entre gent aler ne chevalchier
Ne parier a mes homes ne boire ne mangier.
80 Ains, puis que jo laissai ma mere a alaitier,
Nen oi mais en cest siede nul si grant dcstorbier.
II nen a home en terre, s'il pooit porchacier
Ne le mirre porquerre qui me seilst aidier,
De demie ma terre nel fei'sse iretier;
85 Nen avroie sans lui vaillisant un denier.
Qui est icil prophete, garde nel me noier,
Dont tu parlas orains et tant fait a proisier?'
Cil li respont: ,Biaus sire, a celer nel vos quier.
Les leprous fist saner, les contrais redrecier.
90 En Jursalem le fisent li Jui" traveillier
Et pener en la crois et tot crucefiier.
Mout feroit grant proece qui le porroit vengier.*
77 fehlt H — j5 Se CDG Je me voi [G Tu me vois) chascun jor,
F Or me uoiz de mon mal — ABF empirier CDG de mon cors {G mal)
empirier — G hat vor V. 77 4 Verse eingeschoben (s. Anhang XIV).
78 fehlt H — G pius A auuec CD genz F Se ne puis o mes homes
— / venir AF converser CD ne boivre ne mangier
79 fehlt CDH — A parier F o
80 fehlt H — / One E pus D Ainz que ie puis laisai, F Onques
puis que laisai, G Que enfes nes de mere — BF a fehlt G cui on taut la-
leitier — - Vor V. 80 hat G 9 Verse eingeschoben {s. Anhang XV).
8 1 fehlt H — B Nen fu, C Noi ie, D Noic ie, F Ne ois / mais]
ie Z> ce G Ke pert tant com mes cors — ^ si tres, CDF un si F mal
CDFI ancombrier G que tu vois escaillier
82 CDF II nest (Z> not) nus / II na home sor G Sil estoit homs vi-
uans, // Sil estoit homme au monde — i^ se il pot, G qui paust AI sil
me pooit aider, H qui me puist aidier
83 fehlt H — ^ Ne le mechine querre, CD Mire ne saintuaire, F Ne
le mire querre ( — i), G Medecine por moi, / Et le mie conquerre — BCDF
peust A por mon cors aleger, G dont me peust alegier, / quait a mon
mal mestier [feroie
%\ fehlt H — F T>e diQ demie (+1) — D non feise, F lo ferai, G le
85 C Naueroie, D Nauroie mais, G Ja naroie FH Jemals sanz lui
naurai {H naroye) — AF lo vaillant dun, D vaillant quatre, H le monte
dun G vaillant un corsier ( — -i)
86 ACDFH fut ABCDI celle, F icist, G or eis, H dont ce — DFG
gardez D non, FG ne D noiez H que tay oit nonchier
87 fehlt II — G orains parlas CDF Molt (D Mont) par fu sainte
chose — G qui CF molt, D mont A toi, BCDI fist a, F fit et
88 / Et eil G Cil respondi A Et eil li respont sire, CDF Et dist li
seneschaus, H Sire ca dit Dangais — a] AI ia, F iai nel] D ne, F nu
G mentir ne vous en quier, H ne le vous quier noyer
89 A fist fehlt F garir G Maint contrec redreca, // Qui faisoit les
contrais — ■ CDEF et les contrais drecier, G ce vous puis affiier, H par droit
radrechier — Vor V. 89 hat H: Ce fut ung bon preudon que Juis firent
crucefiier [son mal alasquier
90 fehlt H ^ li] 1 — Vor V. 90 hat G: Et a maint dolereus fist .
91 fehlt FGH B tont por ^ et a tort cloficher
92 fehlt BGH — D Mont AB seroit granz — AC Xtn I portoit
D aidier — Vor V. 92 habe7t CD: Et ferir de la lance et le coste percier
(Z* costeil pecier)
AFRZ. GEDICHT VON DER ZERSTÖRUNG JERUSALEMS. I75
IL Kritischer Text der 105. — 107. Laisse.
105. Laisse. I Seignor, a cel termine dont vos dire m'o6s
Ert tels la lois a Romme tenue des senez,
Que ja nus hom ne fust pendus ne eissorbez;
Mais quant aicuns estoit vers Romme meserrez,
5 Erranment ert jugies, ou garis ou danpnes;
S'avoit mort deservie, a Viane ert menez,
Iluec ert justicies, detreiz ou lapides.
Ensement fu Pilate, qu'est el puis avalez,
Ja n'i verra soleil ne lune ne clartes.
10 Bien est par son mesfait a grant honte livrez.
D'unes buies pesans a les .ij. piez serrez,
II ne seroit delivres por .m. mars d'or pesez,
Et est d'un grant carcan estroit encha'inez;
N'a le jor c'un seul pain, eis n'est pas buletes,
15 Tels .iiij. en mengeroit, ains qu'il fust saolts;
Ja ne bevra de vin, n'a pas de l'aige assez.
Nuit et jor sc complaint, sovent s'est dementez.
,He las', fait il, ,doIans, chaitis desesperez!
Tant ai eil honor puis le jor que fui nez,
Die Strophe ist von K nicht erhalten, in CD infolge der Bearbeitung
nicht, in G nur von V.XI an vorhanden. Die in H ihr entsprechenden
Verse s. Anhang XVI.
1 fehlt A — / Seignors B tel F aicel terme — EF que B mores —
In G steht dieser Vers an der Spitze der letzten Laisse: Sjgnor a icel taiis
que vous dire morois
2 fehlt A — E \\ B Aq BI rome F Estoit il a costume — / sanez
F tenuz et confermez
3 fehlt A — F Que nuns homs par mesfait — E eiscorbez F nestoit
quant alez ( — i)
4 fehlt A — F Mais se li uns estoit — Bl rome F enuers lautre en-
combrez
5 fehlt AF — E Enranment — E danpns — F^ 5 ^t^fil in B nach
V. 7 : Vraiement ert iugies et garis et mondes
6 fehlt A — F Por iustise fidre estoit — B rome en, / uiene F a
uianne menez
7 fehlt AF — B icrt — ^ ou mort B v mors v
8 fehlt A — i? fist pilates F Ausi ont fait pilatre
9 fehlt AF — I ne
10 fehlt A — i^ Assez aurai mais honte — / a martire F nan iert
ia deliurez
1 1 fehlt AF — — ^ ot bien les pies fermes
12 fehlt AF — B nen / scront — G pese E por .xiiij. citez
13 fehlt AF — BG sest — BG tres bien E entor le col fermez
14 fehlt AF B mais B bulet'
15 fehlt AF — BG mengast iL {G bien)
16 fehlt AF — 6^ ni B Ne buvera — B nc, 6^ ne na (4-i) B lenee
ij fehlt AF — G Cascun iour, / Totens ( — l) — G asses B est
18 fehlt F — AI A las, E Her las AG chaitis, EI dolant — AG
dolanz, / chaitif A et abomez, G maleures
19 fehlt F — A dauoir, B donor, G hounors — B le] cel G tres
leure A lore
176 WALTHER SUCHIER,
20 Or et argent en plate et deniers moneez,
Vair et gris et ermines et bliäus engolds,
Chevals et palefrois et destriers sojomez
Et castiaus et doignons, viles et fermetez!
Hai Jherusalem, mar fus bone citez!
25 Com jo fui ja en toi cremus et redoutez
Et de rois et de contes soloie estre honoris!
Las, com plus ai eü honors et richetez,
Tant sui jo plus vilment trebucies et versez!
Voir se dist qui le dist, c'est fine veritez:
30 En la fin est li hom en ses fais esproves.
Fortune, molt est grans la vostre poestez.
Quant voles un caitif, issi haut le leves,
Que il quide estre dus ou rois ou amires.
Quant il est si en haut sor la roe montez,
35 Dont ne crient il nului, tos est aseürez.
Fortune, quant vos piaist, ja nel desfierez,
Vos, qui l'aves la mis, vo roe retomez,
La u vos le presistes a val le craventez.
Ce puis jo de moi dire, caitis maleürez.
40 Fols est eil qui vos croit, que goute ne veez.
Ensi m'aves baiUi par vos grans crueltez.
Las, ja mais ne serai nul jor reconfortez,
20 fehlt F — A 2l plante G plates
21 fehlt AF — BG Vairs / hermine — Gl gironnes
22 fehlt AF — E parlefrois
23 fehlt AFG — E castieaus / danions — B fremetes
24 fehlt F — / Ohi ierusalem — / mars
25 fehlt F — BE vos AG Molt {G Tant) ai este en toi {G vous) —
/ et cremuz et dotez
26 fehlt F AG seruiz et
27 fehlt F — / que A heuz — E honor B et asses ricbetes (+ 2)
28 fehlt F — /fui — Vor V. 28 hat A nochmal den V. 20, dabei
statt argent: arget
29 fehlt F — E Voirs G se] ce A dist eil A se fehlt I li vilains
le] ^ se, BG cho — ^ ce fine, B et si est
30 fehlt F — G Quen BE la] le — B meffais troues G de ses weures
proues, / et en ses fez proue
31 fehlt FI A toe
32 fehlt FI — G caitis — E aues si haut A esleuer
33 fehlt BFGI — A Quil {— i) A rois — A duc
34 fehlt BFGI — ^ si en] issi — ^ en cel honor E leuez
35 fehlt FI — G Que il ne croit A crent A ne ne lui, BG nul
home — A est] het B ki de mere soit nes, G tant est desseures
36 fehlt F — B Dame kant vos plaira — ^ si le trebuceres, G ia
mais ne fineres
37 fehlt F — A lauies mis — 6^ la B ioie A vostre roe tornez
38 fehlt F — ^ la — G et plus A la remetez / grauentez
39 fehlt F — A Dolanz ce puis ie
/[O fehlt F — — BE car — Vor F. 40 hat A: Fortune da asait la
uostre fausetez
41 fehlt AF — / uos fet G Et si maves ( — 2) — B fausetes
42 fehlt F — / James ne serai ( — i)
AFRZ. GEDICHT VON DER ZERSTÖRUNG JERUSALEMS. 177
Maleoite soit Teure, que jo onques fui nez!'
De la dolor qu'il maine s'est .iiij. foiz pasmez.
106. Laisse. 45 En si faite dolor com jo ci vos acont
Fu Pylate .ij. anz dedens le puis parfont.
Li max et li juners le destraint et confont,
II detort ses .ij. mains et ses cevels deront.
Droit al chief de .ij. anz Ten a on trait a mont:
50 Trestot avoit pelu le visage et le front,
Les pi6s ot si baillis des grans buies qu'i sont,
Qu'il n'esteüst desore por tot l'or de cest mont.
Li puis dont il fu trais estoit al pie del pont.
Sor un ronci le lievent, outre le pont s'en vont
55 Dedens une maison, la ou li prison sont
De cui on fait justice, quant vers Romme mesfont;
N'i avoit donc que lui, tot seul laissie Ti ont,
Li Roignes la 9aignoit alsi com un dromont.
Des que il furent fors, la maison tote fönt
60 A val ens en abisme, la ou li mal iront,
Ou il Sans nule fin en tenebres seront.
43 / Maloiete B leure fehlt F Maloite soit li höre — F '■\\ onques,
/ de mere G fuis onques A que ie fu engendrez
44 fehlt F — .4 ot, j5 a — ^ set
Die Strophe ist in CD infolge der Bearbeitung nicht vorhanden, eben-
daher auch in G nur V. I, 2, 4 vorhanden ; sie ist auch in H fortgefallen.
45 7^ A si Gl maniere — BE vos ci F ici uos cont K come io ci
uos cont
46 AIK pilate, B pilates, F pilatres B .iii., G .iiij. — A' un E pus
47 fehlt B — E fains FK la dolor et la fain — E destruit F de
raige lo, K durement le
48 F detordoit ses ABG poinz — G ses cheuiaus a tire
49 AFK a E des B .iij. — F trait Ion pilatre, / len en ont tret,
K len ont retrait A len ont trait contre mont
50 B velu FK II auoit tot palus {K pelu)
51 fehlt F — A Des A est, / ont Ä" a molt malades B baillies —
/ que A des buis ou il sont ( — i), B des buies qui i sont, Ä' des cheue-
rons ou il sont (+i)
52 fehlt F — A nesteut K en piez E Nesteroient gari, I Que il
nestast desus — AEK por tot lauoir {EK trestot lor) del mont
53 fehlt AFK — ^ pst / tret — / dun mont
54 F Sus B lanmainent F lient — / mont
55 ^ A la maison lanmainent — FK ou li prisonier sont
56 A Deui F Ve cui Ion E De cels fait on IK len — B ki AFK a
ABFK rome E mesfo't
57 B donc fehlt B que celui F Anz en cele maison, K Donc ni estoit
nis uns — B seul fehlt K 1 fehlt F tot sol le laisseront
58 fehlt AFK — B rosnes, / rognes BE le B rechoit — B deomont
59 B Lues, E Lors A Si tot com, F Quant ( — ^2) Ä' Quant il furent
toz fors — BF toute li maisons {F la maison), .AT et la maison ( — i)
60 A enfer, B labisme FK 'E.n enfer la ( — 2) (Ä' ala ( — l)) — E irot
FK ou il {K la ou) est plus parfont
61 fehlt AFK — ^ nul (— 1) E fuj
Zeitschr. f. rom. Phil. XXIV. 12
178 WALTHER SUCniER,
Tant com dex ait a vivre, li torment n'i falront,
El perdurable fu nuit et jor bru'iront.
Ens en cel puant lieu, u tos jors permanront,
65 Trebuceront li mal, mais li bon monteront
A raont ens el saint ciel, ou a joie vivront.
Deu en sa maieste doucement loeront,
.M. anz estre avoec lui nient ne lor sambleront.
Cil ponont bien chanter, mais li las ploreront,
70 Qui el puant enfer a val trebuceront
Ot le felon Pilate, dont ja ne resordront.
Dex en prist sa vengance ensi com jo vos cont,
Encor tornoie l'aigue ens el pertuis roont,
Maint home l'ont veü et voient et verront.
107. Laisse. 75 Ce conte l'escripture, dont la raisons est voire,
Qu'ensi prist sa vengance li puissans rois de gloire.
Grant paor puet avoir qui envers lui mesoire,
Car contre sa puissance n'avra ja nus victoire.
Josephus li cortois, qui fu a cel tempoire,
80 Fu a la grant famine, se Ten doit hon bien croire;
62 fehlt AFK — — B painnes ne lor, / tenebres ni
63 fehlt AFK — B 'an — E bruieront
64 fehlt AFK B 3. B mais seront
65 / las A Trebuche li malfez, FK La trabuchent li mal — ^ et
A tot sanz redemption, FK li (K et li) bon montent a mont
66 A en paradis, BI ens el (/ es) sains ciex FK Deuant Jliesum du
(K deu enz el) ciel — ^ et ^ ou tuit li bon seront, FK ou toz iors per-
maindront (K remandront), / en la ioie maindront
67 fehlt FK — A en] s
68 fehlt FK A dos iorz ne
69 A Cist F Cil i porront — F mais fehlt F li autre B ploeront
K mais li autre ploront
70 A parlbnt denfer F Auoc lo faus pilatre, yf O le felon pilate —
B descenderont
71 fehlt FK — A Ou E dont] v A resaudront, B sorderont
72 fehlt FK — ^ la — Ä en : si B dont
73 fehlt FK — A trouoie — ^ en un B pertruis parfont
74 fehlt FK — A lan / veue
In FK stehen statt V.JI — 74 6 andere {s. Anha7ig XVII).
Die Strophe fehlt in FK, in F steht statt dessen die Str. uangison
(s. Anhang XVIII). Die Laisse fehlt ferner in CDH und ist in G nur
■von V. 79 an da.
75 ^ Or B li estoire
76 / Que si A Que ainsi prist A sa fehlt ^ la — El poissant
/ rei A gloirj, B glore, E glorie
77 — — / meserre
78 B Que encontre se — E nauera E ja fehlt B victore, E victorie,
/ uitoire
79 / Josefus G Joseph li frans cortois — A droit a icel / ert BG
tempore, E temporie — G hat vor V. 79: Sjgnor a icel tans que vous dire
morois {vgl. II i).
80 / puet len B conques nen fu fordoire, E com quel ni ot
sordoire, G onques ni fist desoiure
AFRZ. GEDICHT VON DER ZERSTÖRUNG JERUSALEMS. 179
Molt fu granz et orribles, onques ne fu sordoire.
Por un pain donast on une grande cope oire
Altresi volentiers, com s'ele fust de voire,
D'un oef un marc d'argent, ,iij. besans d'une poire.
85 Li plus maistres d'eus tos volsist estre a Montoire.
Et quant il se rendirent, si vint la grant mortoire;
Por l'or c'orent mangie en morurent en oire
Plus de .xl. mile, ensi com 11 espoire.
II fu pris o Pilate dedevant le pretoire,
90 Palen l'en amenerent avoec lor grant estoire,
Et puls se baplisa a Romme el capitoire;
Plus sages clers ne fu tres le tans saint Gregoire.
II escrist ceste estoire, c'om tient en grant memoire;
De ce qu'il vit as iex ne li doit on mescroire.
95 Or prions le seignor, qui fist vent et tonoire
Et terre et mer et ciel et soleil, qui tant oire,
Que dedevant la mort, que si est laide et noire,
Nos doinst confession par bouche de provoire
Et son saint cors user et son digne sanc boire,
100 Por coi nos aions vie permenable en sa gloire.
Amen chascuns en die, ci define l'estoire.
81 fehlt BEGI
82 A grant, B rieh, E riebe A doire G tout der piain un cyboire
83
84 B cerf .iij. mars B äaxgent fehlt — BGI un besant
85 fehlt A — B cointes, G mestre / de toz — BG valsist E a
mont loire
86 fehlt A — ^ si vit le, BG fait en ont G desoiure — In B steht
V. 86 nach V. 99.
87 fehlt A — ^ ke il mangierent — B maint oire, G sans ioie
%Z fehlt A — B .XXX. milliers — BG iou E espoire:
89 B Fu pris od le G pylate — de] A droit, B par A la tempoire
G deuant le pretatoire — Vor V. 89 hat B: Josephus li bons clers et de
bone memoire, G Josephus li cortois qui fu a cel tempoire (vgl. II 79).
qo fehlt AG — — E auoeques lor E grzni fehlt B le
91 fehlt AE — G Puis fu il baptisies — C et fu el pretatoire — Vor
V. 91 steht in G V. 93.
92 / sage home A II est molt sages clers — / puis B del ( — i)
B grigoire A si descrit ceste estoire, G ne mais que sainz grigoires
93 G icis fist E estorie A Lestoire retenez, B Ceste estoire troua —
A et aiez en, G et le mist en B memoi — V. 93 steht in A hinter V. 94,
in G vor V. gi.
94 A De ce quil as huelz uit — ^ ne doit nus hom, B nel doit pas
( — l), G ne le doit nus, / ne doit len pas
95 fehlt Gl — A Kt proiez cel
96 fehlt Gl — .^ et ciel et mer
97 fehlt Gl — A deuant a E le — A tant
98 fehlt Gl A por, B a
99 fehlt Gl — u4 Et lait son cors pener
100 fehlt Gl B perdurable — A gloirj — B hat vor F. lOO
den V. 86 und den Vers: Lui humlement et fuir vainne gloire
101 fehlt Gl — B Chacuns en die amen — B car chi fine E ci fine
li estoire — B hat nach V. lOi: Prions por lescriuain li estoire est voire
l8o WALTHER SUCHIER,
III. Kritischer Text der 114. Laisse der zweiten Bearbeitung.
(s. S. 192).
m. Lc7isse. I Glorimanz s'en torna, qui preuz fu et leaiix,
Avecque lui .v. Türe sor les coranz chevaux.
II trepassent les puis et les monz et les vaux,
N'ont eure de sejor, aiuz fönt mont granz jornaux
5 Et furent a Vianne, ainz qua levat li chauz.
A la coit Nubien descendent des chevax,
Ou palais en montairent, qui fut et granz et biaux,
Mont est bien atornez de pierres de cristax.
Nubien salua Glorimanz li valsauz:
10 ,Sez tu or que te mande li rois emperiäux,
Ciz Vaspasianus, qui est preuz et leaux?
Pylate li anvoie sou gite de ses maux!'
Quant l'antent Nubiens, il et ses seneschaux,
Venu en sunt au puis s'i ostent les fermaux.
15 Pylate en ont gite, mais mont fut puz et viaux,
Onques si laide chosse ne vit nuns hons mortaux.
N'ot mie de mervoille, car trop a soffert maux,
Angoises et tormenz et poignes et travaux;
Des plains qu'il avoit fait estoit il trestout raux.
20 Les chevoux hericiez bien senbloit estre faux;
La barbe avoit chenue, lou vis ot plein de claux,
Les sorciz ot mousuz, les mains teix come chauz.
An la sale lai sus lou mainnent avec aux.
Die Strophe findet sich nur in CDG.
1 — — CG li prex et li loiaus
2 CG Ensamble o lui D t''s, G dus — 6^ lor D corranz
3 fehlt CG — — D mont
4 — ■ — G vont CG molt
5 CG vienent C viene, G vienue — C qant dut chanter G cantast
CG li gaus
b fehlt CG
7 C El CG descendirent — C est
8 CG Molt — C z D cristal
9 G Nubiien — CG Glorimans
10 CG Apres dist ce que mande
1 1 fehlt G — — C qui molt estoit
\z fehlt C — G Que li renvoist pylate — G qui tant est durs et faus
13 6^ Nubiiens — C ses] li
14 CG Lors {G II) sunt venu — CG sen
15 C Pilate G oste — C qui toz fu tainz et blaus, G qui fu et tains
et biaus
\(i C plus C rien, G riens ■ — Der Vers steht in CG vor K 23.
17 CG Nest
18 CG painnes
i() fehlt C — G fais — D trestou G et des cris estoit raus
20 fehlt C — G hurepes
21 fehlt G — C mellee — C traus
22 G solers ot musis C Les oreilles mossues — 6^ le C teles, G tainte
CG com G claus
23 G lenmainnent
AFRZ. GEDICHT VON DER ZERSTÖRUNG JERUSALEMS. l8l
Glorimanz lou saisi, li cortois naturaux,
25 Bien lou fait conreer et vestir de cendaux,
Apres s'en va vestir en ses chanbres roiaux.
Cele nuit lou laiserent, tant que vint li jornaux.
24 G Glorimant loc saisit
25 G lot
26 fehlt G
27 G lont laisiet — <? la
2. Laissentafel.
Um wenigstens eine oberflächliche Einsicht auch in den Zu-
stand des übrigen Gedichtes in den verschiedenen Fassungen und
Handschriften zu ermöglichen, ist im Folgenden eine Laissentafel
zum Abdruck gebracht. Sie enthält je das erste Reimwort jeder
Strophe der einzelnen Handschriften. Die erste Spalte giebt den
mutmafslichen Strophenbestand der vorauszusetzenden ursprüng-
lichen Gestalt des Gedichtes, wie er auf Grund der erhaltenen
Handschriften anzunehmen ist. Der Kürze halber werde ich vor-
kommenden Falls Laissen, die nicht durch Zahlen zu bezeichnen
sind, nach jenem Reimwort zitieren.
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C. Untersuchung.
I, Der ursprüngliche Text.
Wie schon oben kurz erwähnt, liegt uns das Gedicht in ver-
schiedenen Gestalten vor. Bei der Herstellung des kritischen
Textes hat sich nun gezeigt, dafs die dem Original vermutlich am
nächsten kommende Form die in den Handschriften ABEI ent-
haltene ist. Diese bilden eine erste Gruppe, auf die sämtliche
übrigen Bearbeitungen zurückgeführt werden können. Sie müssen
also in erster Linie uns das verlorene Original ersetzen, und die
im I. Abschnitt über das Gedicht gemachten Angaben betreffen
ausschliefslich diese Fassung. Schon die übereinstimmende (nur
zwischen 2400 und 2500 schwankende) Zahl ihrer Verse liefs einen
Zusammenhang zwischen ABEI vermuten. Eine Betrachtung der
Laissentafel zeigt denn auch, dafs der Strophenbestand in ihnen
der gleiche ist bis auf geringe, später zu erwähnende Ausnahmen,
die, unter Mithilfe der Textkritik, es uns ermöglichen, auch inner-
halb dieser Gruppe noch eine weitere Sonderung vorzunehmen.
Besonders nahe Beziehungen lassen sich zwischen B und E
erkennen, und zwar aus Folgendem. In beiden findet sich ein
und dieselbe Strophe (w^r) eingeschoben, in B zwischen der 67.
und 68., in E zwischen der 65. und 66. Laisse. Echt kann sie
nicht sein, dagegen spricht schon ihr Inhalt (eine vom bisher Er-
zählten vielfach abweichende Rekapitulation, dann Ausmalung der
Hungersnot und im Anschlufs daran eine Darstellung von Christi
Passion). Dazu tritt der Name des römischen Kaisers in der Form
Vaspasiens auf, während er sonst im Gedicht stets Vaspasianus
lautet. Gemeinsame Fehler im Text kommen, da E überhaupt
wenig Fehler hat, innerhalb des kritisch bearbeiteten Stückes nicht
vor. Nur in der drittletzten und letzten Strophe (vgl. K. T. II 7,
25, 40, '^2) habe ich BE einige übereinstimmende Fehler zu-
schreiben zu müssen geglaubt, worauf ich bei der Besprechung
von AI z. T. noch zurückkommen werde. Nach der für B und E
also anzusetzenden gemeinsamen Vorlage (etwa z) ist jede der
beiden Handschriften mit selbständigen Aenderungen abgeschrieben
worden. Genauer gesagt kann jedoch nur E unmittelbar auf z
zurückgehen; für B ist noch eine Zwischenstufe y anzunehmen.
Wie später gezeigt werden wird, geht die Handschrift G auf eine
B sehr nahe stehende Handschrift (etwa x) zurück, und es mufs
also für B und x die Vorlage y gesetzt werden.
Diese Handschrift y ist in einigen Punkten von z abgewichen.
Sie hat verschiedene Erweiterungen erfahren, wie sich aus deren
gemeinsamem Vorkommen in B und G ergiebt. Die dem Anfang
vorgesetzte Laisse canchon (in G beneicoii) erweitert die Einleitung.
Die Strophe esier (in G parier') bringt im Anschlufs an die in der
ihr vorhergehenden 104. Strophe erzählte Gefangensetzung des
Pilatus das an den Juden vollzogene Strafgericht in Erinnerung.
AFRZ. GEDICHT VON DER ZERSTÖRUNG JERUSALEMS. i8q
Kleinere Stücke sind z. B. in der 2. Strophe vor V. 2 1 sowie am
Anfang der dritten eingeschoben (vgl. Anhang IV, V, VI und VII).
Durch diese Einfügungen wird das Gedicht wohl schon in y um
die 100 Verse gewachsen sein, die auch B gegen AEI mehr
aufweist.
Ob die Handschrift B sich gegen y verändert hat, ist schwer
festzustellen; bedeutend ist es jedenfalls nicht gewesen. Vielleicht
hat sie die Laisse 7nors zwischen Strophe 86 und 87 eingeschoben,
die erzählt, wie Pilatus nach Archelaus' Tode den Kaiser um freien
Abzug bittet, dieser ihn aber verweigert. Sie bildet nur eine
Wiederholung des schon zweimal, in der 83. und 85. Laisse, ge-
brachten Motivs. Da diese Strophe, wie es scheint, in G nicht vor-
handen ist, wird sie vielleicht y noch nicht gehabt haben.
Die Handschrift E weist nur vor der 66. Strophe eine einge-
schobene auf, die Laisse assis. Ob diese, Klagen der hungernden
Juden enthaltende Strophe schon in z vorhanden war, läfst sich
ebenso wie die ursprüngliche Stellung der ihr vorhergehenden Laisse
mer nicht bestimmen. Die Strophen 42 — 44 fehlen. Sie enthalten
die Episode der Wasserbeschaffung und sind wohl mit Absicht
fortgelassen. Auch die 85. Laisse fehlt. Im übrigen bietet E von
allen vier Handschriften den besten Text, sodafs es zur Grund-
lage für die mitgeteilten kritisch bearbeiteten Stücke genommen
wurde.
Die beiden übrigen Handschriften A und / stehen mit BE in
keinem nachweisbaren näheren Zusammenhang. Schwieriger ist zu
entscheiden, ob Ä und / selbst enger zusammengehören. Zu diesem
Zweck kommen vor allem die Lesarten von K. T. II 25, 40, 82 in
Betracht, wo AI gegen BE stehen. Da gemeinsame Fehler in BE
ja nicht überraschen können, dagegen für AI angenommen einen
Zusammenhang zwischen diesen beiden Handschriften konstruieren
würden, der aus sicheren Stellen bisher nicht zu erweisen ist, so
habe ich dort die Lesarten von AI in den Text aufgenommen.
Von E konnte in diesen Fällen um so eher abgegangen werden,
als die Handschrift gegen Ende des Gedichtes hin verschiedent-
lich falsche Lesarten hat. Einige weitere Punkte, die etwa noch
aufzufindende beweiskräftige Zeugnisse für eine engere Verwandt-
schaft zwischen A und / allerdings unterstützen würden, sind die
Lesarten zu K. T. I 2, 43, 68, 82 sowie das auffallende Ueberein-
stimmen von A mit den / nahe stehenden Handschriften F und K
in K. T. I 2, 16, 78, 85; II 49, 53, 56, 58, 60, 61—64.
Die Handschrift A ist an verschiedenen Stellen erweitert worden.
Zwischen der 6, und 7. Laisse ist die Strophe ama eingeschoben;
sie wiederholt kurz die in der vorhergehenden Laisse berichtete
Bereiterklärung des Seneschals zur Fahrt. In der nach Strophe 41
eingefügten Laisse venir teilt der König Archelaus bei der Ankunft
der Römer vor der Stadt dem Pilatus seine Hoffnung mit, die
Feinde würden aus Wassermangel bald wieder abziehen müssen;
igO WALTHER SUCHIER,
sie ist durch den Inhalt der schon oben einmal erwähnten auf
sie folgenden Laissen 42 — 44 hervorgerufen. Mehrere Laissen
fehlen, so die 58., die das Verhalten Vespasians während der
Schlacht schildert. Sie und die folgende Strophe fangen beide
mit Motit fii gratiz li estors an , der Schreiber ist daher vielleicht
gleich zu der zweiten Stelle übergesprungen. Eher könnte man
das Fehlen der die Angabe über das Schicksal der in den drei
Schiffen ausgesetzten Juden enthaltenden 98, Laisse für beabsichtigt
halten, da nämlich auch die vorhergehenden und folgenden Laissen
stark gekürzt sind. Die 96. Strophe hat statt t^-^ nur 24, die 97.
statt 34 nur 5, und die 99. statt 27 nur 5 Verse; der 105. fehlt
auch ein grofses Stück (vgl. K. T. II i — 17).
In der Handschrift / findet sich nur eine gröfsere Lücke:
Von der 16. Strophe ist nur der erste Vers vorhanden, und es
wird unter Weglassung der Laisse matinee sofort zum 2. Verse der
18. Strophe übergesprungen. Hier liegt wohl nur ein Versehen
des Schreibers vor. Aufserdem fehlt das Gebet am Ende der
letzten Laisse (vgl. K. T. II 95 — lOi).
Mit Beziehung auf die in den Handschriften ABEI^ z. T. schon
in deren Vorlagen, sich findenden Erweiterungen mag hier noch
zusammenfassend gesagt sein, dafs ihr Inhalt die Annahme beson-
derer Quellen dafür entbehrlich macht. — Neben den vier erhal-
tenen Handschriften sind also noch sicher drei andere als vorhanden
gewesen anzunehmen, z, y, x. Dazu kommt noch eine im Fol-
genden zu erweisende Quelle von /, w.
2. Die erste Bearbeitung.
Die erste Bearbeitung, der das Gedicht unterzogen worden
ist, liegt in den Handschriften F und K vor; beide sind aus dem
13. Jahrhundert. Ihre nahe Verwandtschaft erweisen sie aus den
Lesarten zu K, T. II 47, 50, 55, 60, 65, 66, 70, ferner der Ein-
schiebung eines Verses zwischen K. T. I 39 und 40, sowie der An-
fügung von 6 Versen an die vorletzte Laisse (vgl. Anhang XVII),
und nötigen uns damit zu der Annahme einer gemeinsamen Quelle,
etwa einer Handschrift v. Aus der in FIK sich findenden Ein-
schiebung eines Verses zwischen K. T. I 2^^ und 24, auch der Lesart
zu K. T. I 81 (welcher Vers allerdings von K nicht erhalten ist),
läfst sich der Schlufs ziehen, dafs / und v aus einer und derselben
Vorlage, der schon erwähnten hypothetischen Handschrift w des
ursprünglichen Textes, herstammen. / selbst kann als Grundlage
für V nicht in Betracht kommen, dagegen spricht V. 1 1 von K. T. I,
der in / fehlt, aber in K vorhanden ist.
Aus der angenommenen Vorlage w ist die Handschrift v
hauptsächlich durch Verkürzung hervorgegangen. Wie weiter unten
nachgewiesen wird, mufs aufser F und K noch eine dritte (nicht
erhaltene) Handschrift (etwa u) aus v geflossen sein, in der aber
AFRZ. GEDICHT VON DER ZERSTÖRUNG JERUSALEMS. IQI
der Schlufs umgearbeitet wurde. Auf dieser Handschrift beruhen
die beiden erhaltenen Handschriften C und D. Indem wir nun
die Verszahlen der vier Handschriften FKCD einer Vergleichung
unterziehen und dabei die Verse des in CD umgestalteten Schlusses
und die des ihm in F entsprechenden Stückes von dem übrigen
Texte abscheiden, ergiebt sich folgendes Verhältnis: F 1600 (1425
+ 175) Verse, C 2080 (1580 + 500) Verse, D 2250 (1700 + 550)
Verse. K mit seinen 2092 Versen würde, gleichmäfsige Verkürzung
vorausgesetzt, der Zerlegung des Originaltextes (2400 Verse) in
20454-355 Verse entsprechend in 1783 + 309 Verse zerfallen. Da
also der Umfang des unveränderten Teiles des Gedichtes in K
und D fast derselbe ist, so ist es wahrscheinlich, dafs die Zahl
2100 (also rund 1780 + 310) schon v eigentümlich gewesen ist.
F könnte dann daraus durch eine neue Verkürzung entstanden
sein, und eine ebensolche Behandlung müfste der Text von u in
C erlitten haben. Was die Art der Verkürzung anbelangt, so können
wir aus den wenigen von K erhaltenen Resten nichts ersehen.
Eine Betrachtung von F giebt wegen der Verkürzung des Textes
von V auch keine sichere Auskunft. Wir müssen daher auf CD
weitergehen, und dürfen mit Rücksicht auf deren Zustand wohl
annehmen , dafs nur innerhalb der einzelnen Laissen gekürzt wurde,
ohne dafs ganze Strophen weggefallen wären. Nur die letzte Laisse
könnte ganz gestrichen worden sein. Sie fehlt in F und K und
ist, wohl schon in v, durch die am Ende der 106. Laisse in FK
angehängt sich findenden 6 Verse ersetzt worden. Auf Grund der
Uebereinstimmung zwischen F und CD ist ferner in v z. B. eine
Erweiterung der 10. Strophe um 6 Verse anzunehmen.
Die Handschrift K wird wohl nur geringe Aenderungen mit
der Vorlage vorgenommen haben, wenigstens ist die Zahl ihrer
Verse der für v vermuteten gleich. Nähere Aufklärung liefern die
erhaltenen Bruchstücke nicht.
Die Handschrift F hat, wie schon oben erwähnt, das Gedicht
einer abermaligen, besonders gegen das Ende hin tiefer eingrei-
fenden Verkürzung unterzogen und etwa 500 Verse beseitigt, sodafs
man sie eigentlich als eine zweite Bearbeitung anführen müfste.
Es fehlen die Laissen i, 12, 44, 60, 62, 66, 70, 82, 85, 88, 89,
90, 94, 99, lOl, 102, 103, 107. Hiervon sind einige ganz mit
ihrem Inhalte fortgefallen, so z. B. die Strophen 10 1 und 102, die
die Taufe Josephs erzählen; andere sind in benachbarte Laissen
verarbeitet worden, so die 94. in die 95., die 103. in die 100.
Mit gröfserer Kürzung sind die vier Laissen 87 — 90 zu der einen
a'ir zusammengezogen; dabei ist für den Römer, der den ersten
der verkauften Juden tötet und so das Gold in dessen Leibe ent-
deckt, Titus eingesetzt, aufserdem wird die Zahl der verschonten
Juden als 3 Denreen (im Urtext 6) angegeben. Im übrigen scheint
auch die Streichung innerhalb der Laissen weiter zu gehen als
in V. In einigen Fällen sind die Reime geändert, und zwar in
192 WALTHER SUCHIER,
der 7., 61., 86., 92. und 93. Strophe, womit nur unbedeutende
Aenderungen des Inhalts verbunden sind. Ein gröfserer Einschub
findet sich in der 3. Laisse nach V. 5 1 (vgl. Anhang XI). Die kleine
Strophe nangisoti am Schlufs (vgl. Anhang XVIII), die in K fehlt,
scheint ebenfalls ein späterer Zusatz zu sein, was schon P. Meyer
in der Romania XVI 57 vermutet hatte. Bemerkenswert ist noch,
dafs die Namen Vaspasiamis und Gais in Vaspasiens und Ysaies
geändert sind, und daher die sie enthaltenden Verse unvollständig
resp. überfüllt erscheinen (vgl. K. T. I 25, 36, 43, 55). In den
meisten vom Bearbeiter herrührenden Versen aber ist die Form
Vaspasiens die einzig mögliche (vgl. Anhang XVIII V. 3).
Auch für die in diesen beiden Handschriften vorhandenen
Erweiterungen ist die Annahme von Quellen nicht nötig. — Einige
auffallende, FK mit A gemeinsame Lesarten sind oben (drei Seiten
vorher) erwähnt. — Aufser den beiden erhaltenen Handschriften F
und K mufs also noch eine dritte Handschrift v dieser Bearbeitung
angesetzt werden, auf die jene zurückgehen.
3. Die zweite Bearbeitung,
Eine zweite Bearbeitung des Gedichtes findet sich in den
Handschriften C und D, erstere aus dem 14., letztere aus dem
13. Jahrhundert. Die Grundlage für beide mufs, wie schon er-
wähnt, eine verlorene Handschrift u gebildet haben, auf die z. B.
die CD gemeinsamen Einschiebungen zwischen K. T. I Ö7 und 68,
91 und 92, die Auslassung von V. 79, sowie die Lesarten zu
K. T. I 43 und 83 schliefsen lassen. Dafs weiter u auf v zurück-
gehen mufs, zeigen deutlich die zahlreichen Uebereinstimmungen
zwischen CD und FK. So weisen z. B. die vier Handschriften die
Einfügung eines Verses zwischen K. T. I 39 und 40 auf und gehen
auch in den Lesarten zu K. T. I 31, 32, 42, 43 — 46, 64, 87, 88
zusammen; von diesen Versen ist zwar nur V. 42 von K erhalten,
doch wird man wegen der nahen Verwandtschaft zwischen K und
F auch an den anderen Stellen beiden den gleichen Wortlaut
zuschreiben dürfen.
In die Handschrift u wird wohl der gröfste Teil des Gedichtes
(bis zur 96. Laisse) ohne bedeutende Aenderungen aus v herüber-
genomraen sein, wenigstens sind, wie auf der vorigen Seite
gezeigt, dafür in K und D fast gleich viel Verse anzunehmen.
Der Schlufs jedoch hat, und dies bildet die wichtigste Eigentümlich-
keit dieser Fassung, eine gänzliche Umarbeitung durchgemacht.
Schon durch die Länge (22 Laissen mit etwa 550 Versen gegen
1 1 oder 1 2 Laissen mit etwa 300) unterscheidet er sich von seiner
Vorlage. Die Bearbeitung setzt innerhalb der 96. Strophe ein und
hat dem Schlufs folgende Gestalt gegeben. Nach der Eroberung
und Zerstörung der Stadt wird ein Strafgericht an den Juden voll-
zogen, worauf Jakob seine Tochter Maria Magdalena, Jafel den
AFRZ. GEDICHT VON DER ZKRSfÖRUNG JERUSALEMS. IQJ
Joseph unter den looooo verschonten Gefangenen findet und be-
freit. Auch Maria, die Königin von Afrika, erhält mit ihrer Ge-
fährtin Klarisse durch Jakob die Freiheit wieder. Dann tritt das
Heer den Rückmarsch an. In Acre werden die verschonten Juden
in 30 Schiffen ausgesetzt, von denen nur drei dem Sturm entrinnen
und in Deutschland, Flandern und Spanien landen. Die Römer
laufen bei ihrer Heimfahrt in den Hafen von Brandiz ein und ziehen,
nachdem sie dort ein Fest gefeiert haben, nach Rom. Daselbst
wird Pilatus verurteilt und von Glorimant nach Vienne gebracht,
wo ihn Nubiien in den Brunnen wirft. Nach zwei einhalb Jahren
läfst ihn Vespasian, der Erbarmen mit ihm hat, nach Rom zurück-
bringen. Dort verschlingt ihn alsbald die Erde, und hierdurch er-
schreckt läfst sich der Kaiser mit seinem Volke durch Klemens
taufen, nur Titus schliefst sich aus.
Was den ersten Teil dieses Schlusses anbelangt, so ist er wohl
nur aus dem Bestreben des Bearbeiters entsprungen, die Schicksale
verschiedener in dem Gedichte auftretender Personen zu einem be-
friedigenden Ende zu führen. Von den Aenderungen des übrigen
Teils ist die wichtigste die Begnadigung des Pilatus und sein Tod
in Rom. Es wäre denkbar, dafs der Verfasser zu dieser Um-
gestaltung gegriffen hat, um die ja auch im ursprünglichen Text
erzählte Entfernung des Pilatus aus dem Brunnen irgendwie zu
motivieren. INIöglicherweise könnte ihm dabei eine ähnliche Stelle
aus der unserem Gedichte inhaltlich nahe stehenden Cura sanitatis
Tiberii vorgeschwebt haben. Es wird nämlich gegen Ende dieser
Legende (sie ist gedruckt in Stephani Baluzii Miscellanea, ed.
J. D. Mansi t. IV, Lucca 1764, S. 55 — 57, 58 — 60, nach anderen
Handschriften von Schönbach, Anzeiger für deutsches Altertum II,
1876, S. 173 — 180) erzählt, wie Nero den nach Vienne verbannten
Pilatus nach Rom bringen läfst, ihn dort über Christus verhört
und wieder zurückführen läfst. Zu der Annahme, dafs der Text
selbst etwa dem Bearbeiter vorgelegen habe, ist aber kein Grund
vorhanden. Vielmehr wird wohl doch der ursprüngliche Schlufs
die Grundlage der Umarbeitung abgegeben haben. Wörtliche
Uebereinstimmungen sind allerdings kaum nachzuweisen. Es findet
sich z. B. in der 103. Laisse ein Halbvers in CD, der dem inhalt-
lich in F entsprechenden Verse (in Str. 97) auch in der Form gleich
ist. Er lautet in CDF: A Acre soni venu . ., während in BEI (in
A fehlt der Vers) steht: A Acre est Pemperere [quatre jors sejornez).
Ein anderer Fall ist noch unsicherer. Die Taufe der Römer ist
an den Schlufs gestellt, und ein neues Motiv dafür eingeführt.
Wenn dabei die im Original in zwei ganzen Laissen erzählte Taufe
des Joseph weggebheben ist, ist der Grund vielleicht darin zu
suchen, dafs der Bearbeiter das Ende des Gedichtes durch diese,
eine im ganzen Gedicht doch verhältnismäfsig wenig hervortretende
Person zum Gegenstand habende Episode nicht noch weiter hinaus-
schieben wollte. (Auch F scheint diesen Punkt für unwichtig ge-
halten zu haben vgl. zwei Seiten vorher).
Zeitschr. f. rom. Phil. XXIV. I3
194 WALTHER SUCHIER,
Bei nur oberflächlicher Kenntnis der näheren Verhältnisse
könnte man vielleicht an die Möglichkeit denken, dafs dieser Schlufs
der ursprüngliche sei. Gegen diese Vermutung aber spricht vor
Allem wieder das Auftreten der F'orm Vaspasiens, die in dem um-
gearbeiteten Stück neben Vaspasianus vorkommt. Ferner steht der
Anfang dieses Schlusses im Widerspruch mit dem vorher Erzählten,
indem nach der Zerstörung der Stadt die Strafe an den Juden
nochmal vollzogen wird, die doch schon verkauft und getötet waren.
Die Handschrift D scheint ihre Vorlage ziemlich genau wieder-
zugeben. Die einzige bedeutende Aenderung betrifft die Laisse 86,
deren erstes Reimwort Archelax ist. Da nun der Schreiber für
diesen Namen die Form Arcalus gebraucht, hat er um des Reimes
willen die beiden ersten Verse dieser Strophe zu einer neuen, aus
4 Zeilen bestehenden umgearbeitet, mit dem Reime -iis (der aller-
dings nur in 2 Versen rein ist, die andern beiden gehen auf -u
resp. -uns aus). Es folgt dann die eigentliche 86. Strophe, mit
dem 3. Verse beginnend. Den Namen Titus giebt die Handschrift
in der Form Cyhis. Auch bietet sie noch eine merkwürdige Eigen-
tümlichkeit; sie hat verschiedentlich die ursprünglichen Reime in
Assonanzen verändert (vgl. K. T. 16, 11, 14, 16, 26, 30, 55, 61,
68, 69, 72, -ji, 86).
Die Handschrift C weicht etwas mehr von der Vorlage ab,
sie hat eine geringe Verkürzung erlitten. Wir müssen jedoch noch
zwischen u und C eine andere, verlorene Handschrift, etwa /, an-
setzen, welche für C und eine weitere nicht erhaltene Handschrift,
etwa s, die Quelle gebildet hat. Auf diese Handschrift s müssen
wir schliefsen aus Stücken, die in einer noch späteren, vorhandenen
Fassung G erhalten sind (vgl, darüber unten). Dafs C und s
enger zusammengenommen und aus einer Handschrift (/) abge-
leitet werden müssen, verlangen z. B. die Verse i, 2, 10 von
K. T. III, wo die Lesarten von CG denen von D gegenüberstehen.
Aus dem gemeinsamen Fehlen von K. T. III 3, 6 in CG können
wir vielleicht entnehmen, dafs die Verkürzung, die C aufweist,
auch s, und also schon ihrer beider Quelle / eigentümlich gewesen
ist. Die letzten Verse der 117. Laisse in D sind in C zu einer
neuen Strophe Vaspasianus umgearbeitet worden.
Die besprochene Fassung mufs also aufser in C und D auch
in den nicht erhaltenen Handschriften «, /, j gestanden haben.
4. Die dritte Bearbeitung.
In einer dritten Bearbeitung zeigt sich uns das Gedicht in
der Handschrift G aus dem 14. Jahrhundert. G mufs zwei Vor-
lagen benutzt haben, was sich daraus ergiebt, dafs es gegen den
Schlufs hin bald dem Texte der ursprünglichen Fassung, bald dem
der zweiten Bearbeitung folgt. Von den Handschriften der ersteren
steht G der Handschrift B am nächsten. Die Laisse beneicon am
AFRZ. GEDICHT VON DER ZERSTÖRUNG JERUSALEMS. I95
Anfang von G entspricht dort der Strophe canchon, ebenso G^s vor-
letzte parier der viertletzten in B ester. Weitere Parallelen liefern
z. B. die Verse K. T. I 22, 30, II 13, 15, 85, 88, sowie der vor
K. T. II 89 eingeschobene Vers. Es mufs also eine Handschrift {x)
benutzt sein, die mit B auf die gleiche Grundlage (jy) zurückgeht
(vgl. S. 28). Dafs B selbst nicht die Quelle von G gewesen sein
kann, ersieht man aus den Versen K. T. I 2g, 54, II 30, 35. Als
zweite Vorlage mufs die schon oben erv.'ähnte Handschrift s ange-
nommen werden. Es ist dort gezeigt worden, dafs diese der Hand-
schrift C nahe gestanden hat, doch kann C selbst nicht benutzt
sein, was aus K. T. III 12, 19, 20 folgt.
Meist schliefst sich G an x an, wie die vielen BG gemein-
samen Lesarten beweisen, doch läfst sich aus K. T. I 45, 77 (viel-
leicht auch dem vor V. 28 eingeschobenen Verse, der mit dem in
CDFIK vor V. 24 eingefügten Aehnlichkeit hat) erkennen, dafs
auch s ihm dabei vorgelegen hat. Eine stärkere Benutzung von s
scheint erst am Schlüsse stattzufinden. G stimmt dort bis zur
Mitte der 103. Laisse esploitie zu B, reimt dann aber plötzlich im
Anschlufs an Cs 1 10. Laisse iriez auf -ies weiter und folgt dieser
Handschrift (resp. s) auch in der nächsten Strophe pesant und dem
Anfang von parle. Dann geht G mitten im Zusammenhang wieder
auf X zurück, indem es mit dem Reim -es der 105. Laisse in B
entsprechend fortfährt, und nach 2 Versen auf -<?«/ (vgl. K. T. II 45
und 46) schliefst es die Strophe mit dem ursprünglichen Reim -e,
wobei es den übrigen Teil der Laisse parle, in deren Mitte • es ja
vorher abgebrochen hatte, bringt. Der Handschrift s folgt es dann
auch weiter in den drei nächsten Strophen iour, loiaus, leva, um
sich für die beiden übrigen Strophen wieder x anzuschliefsen. Der
Laisse parier entspricht in B die ester', die letzte Strophe stimmt
mit ihrem ersten Vers zum Anfang der drittletzten Laisse von B
(vgl. K. T. II i), im übrigen geht sie nach Laisse voire, doch fehlt
das Gebet am Ende. Das grofse aus s herübergenommene Stück
(dort Strophe 112 — 115) erzählt die Verbannung und den Tod
des Pilatus in der auf S. 33 angegebenen Behandlung.
Wie schon der Umfang des Gedichtes (3400 Verse) zeigt,
haben wir es hier mit einer Erweiterung zu thun; diese ist auf
verschiedene Weise erreicht. Von der Kombination mit der Hand-
schrift s war eben die Rede. Weiter ist ein gröfseres zusammen-
hängendes Stück eingeschoben und an die Stelle der 94. und
95. Laisse des ursprünglichen Textes gesetzt worden. Es umfafst
die 8 Strophen ceriain, furejit, eut, pleure, vis, vaspasianut, mors,
vendre und ist wohl frei erfunden. Die Strophen enthalten im An-
schlufs an die in der 93. Laisse erzählte Ergebung der Juden Fol-
gendes. Die Römer ziehen in die Stadt ein und werden von den
Bewohnern um Gnade angerufen. Der Kaiser und Titus besuchen
das heilige Grab. Pilatus, der sich in der Krypta des Tempels
versteckt hat, wird auf Anzeige der Königin Marie von Afrika ge-
13*
igÖ WALTHER SUCHIER,
fangen und gepeinigt. Die vesqiics und maisires, die Jesus verurteilt
hatten, werden hingerichtet. Auch alle anderen Juden sollen getötet
werden, werden aber vorher, da das gegessene Gold beim Töten des
ersten bemerkt wird, dreifsig für einen Denar verkauft. Das Folgende
wird dann wieder nach x erzählt. Dieser Einfügung stehen ver-
schiedene Zusammenziehungen gegenüber, so hat G statt der vier
in B vorhandenen Laissen 64 — 67 nur die eine son los, statt der
71. und 72. Laisse von B nur die eine porpens. In ähnUcher
Weise hat G auch zwischen Strophe 80 und go zwei Laissen fallen
gelassen. Eine dritte Art der Erweiterung betrifft die einzelnen
Strophen; auf ihr beruht wohl in erster Linie die hohe Verszahl
dieser Fassung. Während der Umfang einer Strophe im ursprüng-
lichen Texte im Durchschnitt 20 Verse beträgt, aber oft höher und
tiefer schwankt, sind die Strophen in G durchgängig auf 31 oder
32 Verse gebracht. Von dem verwirrten Schlufs abgesehen, der
sich immer eng an die beiden Vorlagen anschliefst, kommen nur
wenige Ausnahmen vor. Den Hauptbestandteil der einzelnen Laissen
bilden meist die entsprechenden Strophen der zu Grunde liegenden
Handschrift. Die an der Zahl 32 fehlenden Verse sind dann unter
den verschiedensten Gesichtspunkten eingefügt worden (vgl. An-
hang V, VII, XII, XIII, XIV, XV). Wurde dabei eine derartige
Einschiebung länger als nötig, so fielen dafür Verse der Vorlage,
besonders am Schlufs der Laisse (z. B. der i., 5.) weg. In 31 Stro-
phen sind die Reime geändert, und zwar meist in schwerere, wo-
durch der Ueberarbeiter dem Gedicht wohl eine gröfsere Kunst-
mäfsigkeit verleihen wollte. In solchen Fällen ist auch vielfach
die Wiedergabe des Inhalts eine freiere.
Das Gedicht hat noch eine besondere Eigentümlichkeit aufzu-
weisen, einen Prolog in Zehnsilblern, der in derselben Handschrift
auf Blatt 79rO Spalte 2 — Blatt 83r0 Spalte i steht. Er zerfällt in
zwei Teile. Der erste erzählt ausführlich die Geschichte der
Kreuzesauffindung durch Helena, die Tochter Vespasians, und ihren
Gemahl, den König David von Griechenland. Eine genaue Inhalts-
angabe dieses Stückes s. bei Richard Heinzel, lieber das Gedicht
vom König Orendel, Sitzungsberichte der philosophisch-historischen
Klasse der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, 126. Band,
Wien 1892, S. 60 — 65. Der zweite Teil berichtet, wie die christ-
lichen Römer durch Muhammed zum Islam bekehrt werden, wofür
Vespasian von Gott mit dem Aussatz bestraft wird. Dies Stück
ist abgedruckt von A. Graf im Giornale storico della letteratura
italiana XIV 205 ff.
5. Die vierte Bearbeitung.
Die Handschrift H bietet den Text des Gedichtes in einer
aufserordentlich stark verkürzten Form; er umfafst hier gerade halb
soviel Verse wie das Original. Die Verkürzung ist durchgehends
auf die Weise vorgenommen, dafs mehrere neben einander stehende
AFRZ. GEDICHT VON DER ZERSTÖRUNG JERUSALEMS. I97
Laissen zu einer einzigen zusammengezogen wurden. Daher ist
der Inhalt im allgemeinen derselbe geblieben, wenn auch die ur-
sprüngliche Gestalt der Verse meist grofse Veränderung erfahren
hat. Aus diesem letzteren Grunde ist es sehr schwer, nähere Be-
ziehungen zu irgend einer der vorhandenen Handschriften auf-
zufinden. Aus der einen Strophe repairies, in die der Schlufs
der Vorlage zusammengedrängt ist, läfst sich erkennen, dafs er noch
die ursprüngliche kürzere Gestalt gehabt haben mufs, also die zweite
und dritte Bearbeitung nicht in Betracht kommen können. Die
Annahme der Abhängigkeit von einer der Handschriften des Grund-
textes würde nur durch die H mit B gemeinsamen Lesarten von
K. T. I 13 und 28 [esTniirenl) zu stützen sein, aufserdem fangen
noch die dritte Strophe in B und die ihr in H entsprechende mit
dem gleichen Halbvers an (vgl. Anhang VI V, i mit Anhang VIII
V. 4). Während diese wenig besagen, lassen sich für eine Ver-
wandtschaft mit der ersten Bearbeitung stichhaltigere Kriterien an-
führen. Die Lesarten zu K. T. I 10 und 85 sind zwar auch nicht
sehr beweiskräftig, doch verdient Beachtung, dafs die 7. Laisse sos-
piraiiz in F und li übereinstimmend auf -ant ausgeht. In der
98. Strophe gaboi's findet sich in F wie in der ihr in H ent-
sprechenden Laisse oye das gleiche Misverständnis, das die Worte
£n tiesce terre zu en Aniioche verwandelt hat. Auch eine kleine
Uebereinstimmung im Inhalt ist beachtenswert. Während ABEI
die Zahl der verschonten Juden als 6 Denreen angeben, beträgt
sie in FH nur 3 Denreen. Nicht eben soviel ist darauf zu geben,
dafs in H sowohl als in F (wie auch in CDG) von der Taufe
Josephs nicht gehandelt wird, sowie auf den gemeinsamen Gebrauch
der Form Vaspasieii (in F Vaspasiens), die ja später allein üblich
ist. Das Wahrscheinlichste ist also, dafs H auf einer Handschrift
der ersten Bearbeitung beruht.
Kleinere Ein Schiebungen finden sich vielfach innerhalb der
Laissen (vgl. Anhang VIII, IX, X), eine ansehnlichere Erweiterung
findet sich jedoch nur am Ende. An den Bericht von dem Tode
des Pilatus, der hier nach vierjähriger Gefangenschaft im Graben
von Vienne stirbt, schliefst sich die in den zwei Strophen trayenes
und merueillani enthaltene Erzählung von den schädigenden Ein-
flüssen, die seine Leiche auf das umliegende Land ausübt, bis sie
in einem Fafs ins Meer geworfen wird. Eine ähnliche Schilderung
der Schicksale von Pilatus' Leiche findet sich schon in der Mors
Pilati (Tischendorf, Evangelia Apocrypha, 2. Auflage Leipzig 1876,
S. 456 — 458), die, wenn wohl auch nicht unmittelbar, die Quelle
des Bearbeiters dafür sein wird.
Zum Schlufs fasse ich das im vorstehenden Abschnitt Gesagte
in der Form eines Stammbaumes zusammen. Zuvor gebe ich noch
eine Zusamracnstclluns: der Handschriften nach ihrer Zuirehöriokeit
igS W. SUCHIER, AFRZ. GEDICHT VON DER ZERSTÖRUNG JERUSALEMS.
ZU den verschiedenen Fassungen. Ursprünglicher Text: z, y, x, tu,
A, B, E, I. — I. Bearbeitung: v, F, K. — 2. Bearbeitung: tc, t,
s, C, D. — 3. Bearbeitung: G. — 4. Bearbeitung: H.
O
y E
B X
u F : K
t D
H
-s C
(Schlufs folgt.)
Walther Suchier.
Le Vocalisme du fribourgeois au XV® siecle.
INTRODUCTION.
Dans un article de la Roinania (t. XXI, pp. 39 — 49) M. Paul
Meyer signale, pour l'etude de l'ancien fribourgeois, les documents
suivants: Comptes de dcpenses de la coiistruction du clocher de St.-Nicolas
ä Frihoiirg en Siiisse de MCCCCLXX ä MCCCCXC, publies et
annotes par J. D. Blavignac, architecte.i
«Ces comptes», ecrit le savant romaniste, «pleins de termes
techniques, rares par cons6quent, et de formes locales, n'ont point
et6 jusqu'a present utilises comme ils meritent de l'etre. II existe
d'autres documents fribourgeois en roman, d'une date plus ancienne,
mais ils sont plus impregn^s de franyais que les comptes de Saint-
Nicolas de Fribourg, lesquels pourtant ne sont pas d'un langage
tres pur.»
D'apres cette indication, je me propose de rechercher, en uti-
lisant les documents publi6s par Blavignac, l'etat du vocalisme dans
le dialecte fribourgeois tel qu'il 6tait parle au XV^ siecle. L'etude
complete du patois de Fribourg a cette epoque necessiterait des
materiaux plus nombreux et plus varies que ccux dont je dispose.
Ce n'est pas dans des comptes de fabrique que l'on peut retrouver,
par exemple, les diverses formes de la flexion.
Le manuscrit des comptes est depos6 aux archives cantonales
de Fribourg. J'ai pu le voir et l'examiner attentivement, tout en
ayant sous les yeux le texte imprime. Cette comparaison m'a
permis de faire quelques remarques et de relever un certain nombre
d'erreurs commises par Blavignac.
D'abord, l'^diteur n'a pas publik le manuscrit dans son entier.
II indique le nombre total des articles, mais il ne transcrit que les
plus interessants, ceux qui lui presentent des faits ou des mots
dignes d'attention. Je m'en suis tenu aux articles publi^s, parce
qu'ils offrent, ä mon avis, suffisamment de mat6riaux pour une
etude du vocalisme. En outre, dans la Zeitschrift für romanische
Philologie, a laquelle je destinais mon travail, je n'aurais pu inserer,
1 Paris, Tecbner 1858. — In -8«, XLVIII- 187 pages (Extrait des Me-
moires de la Societe d'histoire et d'archeologie de Geneve, t. XII). — II y a
dix comptes; dans chacun d'eux, les articles sont num^rot^s. — Dans la prä-
sente etude, le chiflVe romain renverra au compte et le chiffre arabe de-
signera Tarticle.
200 J. GIRARDIN,
a cause du manque de place, les trcis longues parties ineditcs du
inanuscrit.
Sous pr6texte «qua ce ne serait pas la peine de publier des
manuscrits, s'il fallait donner aux lecteurs tous les embarras que
necessite leur dechiffrement»! (reflexion assez plausible au fond),
Blavignac distribue arbitrairement un grand nombre d'accents, sou-
vent en se laissant guider par d'illusoires analogies. Corame ces
accents n'existent pas dans le manuscrit, j'ai cru plus simple et
plus sür de les suppriraer partout dans les exemples que je cite.
Blavignac commet encore d'autres erreurs. II 6cnt, par exemple,
<s.midyi), «Schötigen», lAlariva», «chalör». Or, sur i<midy» et sur
«Schöj}ge?i», les manuscrits portent bien {), mais sur «A/arwa» et
sur «chaior» ils portent visiblement (") et il faut lire «A^/ar/va»,
«cha/o"r» (Autariva, chaloiir).
En gendral, il est facile de distinguer les tremas de Xu super-
pose: le tr6ma est reprdsente ou bien par deux points ('), ou bien
par deux traits horizontaux ( ') ou bien par deux traits courbes,
dont la courbe est en haut {f^); Vu est represent6 ou bien par un
(") tres lisible, ou bien par un ti pointu en forme de (") ou bien
par deux jambages separes, mais obliques et dont la courbe est
tournde en bas et ä gauche ('^'^). Quant on examine attentivement
le manuscrit, il n'y a generalement pas moyen de s'y tromper;
la phonetique fournit d'ailleurs un contröle tres sür. Dans tous
les cas oü l'erreur de Blavignac est Evidente, je la corrigerai.
Dans les autres cas, je conserverai le tr6ma.2
L'^diteur des comptes n'a pas su lire correctemeut un certain
nombre de mots. La forme «orgme» du manuscrit doit remplacer
«orgm'e» (VIII, 104) du texte de Blavignac; de meme il faut lire
<i.emblaesy> au lieu de <i~eblaes» (11,33^'^), c.Cormenbouyj au Heu de
<iCoi'menbony> (IV, 13), «/ossous» au lieu de «/ossons» (I, 121), «cka//ü'»
au lieu de «c/ia/Iieny> (1,46). Pour «Markh> (IX, 22) je lis «A^iarlehr.
le contexte indique que c'est un nom de localite et dans le dic-
tionnaire des localites fribourgeoises on trouve deux d-Nierleby, le
mot du manuscrit designerait-il un de ces deux endroits? Pour
(s-chandole» (VIII, 84) il me semble qu'on peut tres bien lire «chan-
dele». Au lieu de «enbosson» I, 99 je lirais «enbossou».
Comme le dit M. Paul Meyer dans l'article de la Ro^nania
deja cite, la langue des comptes est un melange de fran^ais et
d'idiome fribourgeois. Le scribe visait ä ecrire en franyais, mais
il restait toujours plus ou moins en degä du but et n'y reussissait
pas completement. Etant donne le caractere de cette etude, les
comptes les plus int^ressants sont ceux qui s'61oignent le plus du
fran^ais, ceux qui contiennent le plus de formes et de mots patois.
A cet 6gard le neuvieme compte est le plus remarquable de tous:
1 Op. cit. p.VI. „
2 dtre IX, 45, doit aussi etre corrig^ en atre (= autre). C'est le seu
cas oü Blavignac ait transcrit 1'« (superposc) par un accent circonflexe.
LE FRIBOURGEOIS AU XVE SIEGLE. 20I
Torthographe bizarre qu'il presente d6note une plume peu habitude
ä dcrire le fran9ais; de meme, les termes dialectaux dont il four-
mille fönt pressentir une grande ignorance du parier litteraire.
Les exemples tires de ce document sont donc les plus probants,
aussi je m'y attacherai de preförence.
Ensuite viennent les comptes I et VIII; puis II et X dont la
valeur deja moindre que Celle des prec6dents est assez grande
encore. Les autres documents suivent ä peu pres sur le meme
rang; ils sont peu remarquables, si on les compare aux premiers.
Une question se pose. Qui a 6crit ces comptes? Ce n'est
certes pas une seule et meme personne: les diflferences d'ortho-
graphe, de langue et de style suffisent ä le prouver. D'ailleurs on
retrouve le nom de quelques scribes dans les articles oü est inscrit
le montant de leur salaire: le corapte V (ib., 36) est de Vuillaume
Meige, le compte VIII (ib., 106) est de Jacob Mursing, Bartholome
le clerc a redig6 le compte X (ib., 97).
Le dialecte dont on rencontre ä. chaque pas des traces dans
les documents, est-ce le dialecte de la ville ou de la campagne?
Les recherches et les comparaisons que j'ai faites m'ont porte ä
croire que le patois actuel de Fribourg est celui qui se rapproche
le plus des formes dialectales si nombreuses dans les comptes.
Les scribes devaient du reste habiter la ville.
Cependant, d'apres certains indices, il est permis de supposer
que des scribes etaient originaires de la campagne ou du moins
qu'ils y avaient s6journe. Pcrre (VIII, 102), pera (IX, 144a) cor-
respondent ä pera, forme usitee de nos jours seulement dans la
Gruyere, tandis qu'ä Fribourg on dit maintenant pyji7-a. Peirro
(X, 58, 59, 105), Pierre, parait etre aussi une forme gru6rienne, a
peu pres tomb^e aujourd'hui en desuetude.
A Praz et a Donatyre, le type aqua est devenu igs^. Or,
dans les comptes, je ne trouve que les graphies aigiie (I, 102;
II, 67, 89; IV, 43, 87) et egit (IX, 72) 6videmment plus voisines
de tg3 que du fribourgeois moderne ivtv^,
D'apres Haefelin^ les substantifs masculins qui finissent par -ic
atone en patois broyard et en patois quouctso se terminent par
-0 atone en patois gru6rien. Faut-il rapprocher cette Observation
de Celle que dans les comptes les formes en -11 sont propres au
IX^ document, tandis que dans tous les autres on ne rencontre
que des finales en -0? Le fribourgeois moderne ne connait que
les finales en -«3.
Quoi qu'il en soit de ces divergences, difficiles ä expliquer,
il semble acquis, en somme, que le patois des comptes est celui
de Fribourg.
^ cf. Zimmerli, Die deutsch-französische Sprachgrenze, II. Theil; Laut-
tabelle I.
^ Les patois romans du cantoti de Fribourg, p. 74.
' cf. le § 105 de cette 6tude.
202 J. GIRARDIN,
J'ai donc du choisir pour guide le dialecte fribourgeois mo-
derne. II me sert ä distinguer las formes fran^aises des formes
patoises. C'est u lui que j'ai recours pour trancher les cas doutöux.
Quand il m'est possible de citer le repr6sentant moderne d'une
forme interessante, trouvee dans les comptes, je ne manque pas
de le faire. Si parfois je m'en suis abstenu, c'est que le mot du
quinzieme siecle n'existe plus, du moins k ma connaissance.
M. Gauchat a 6crit, sur le patois de Dompierre, une etude
tres remarquable et tres appreciee, qui a paru dans la Zeitschrift
für ro7nanische Philologie, t. XIV, pp. 397 — 466. J'ai dispose la
matiere de mon travail d'apres le plan qu'a suivi cet eminent
dialectologue. Le patois de Dompierre differe assez peu du patois
moderne de Fribourg, de sorte que la connaissance du fribourgeois
ancien explique, dans la plupart des cas, ä la fois les ph^nomenes
du fribourgeois moderne et ceux du dompierrois.
J'ose donc esperer que mon 6tude ne sera pas inutile apres
Celle de M. Gauchat et que, sur plus d'un point, eile la completera.
Afin que la comparaison soit possible, j'adopte le meme nombre
de divisions que M. Gauchat; les paragraphes se correspondent
toujours. Pour quelques-uns, je manque d'exemplcs: voila pour-
quoi je les ai laiss6s de cöte.
Le patois, vivace encore a la campagne, disparaitra bientot
de la ville, oü les personnes qui le parlent sont peu nombreuses
et generalement äg6es de plus de quarante ans. Parmi les jeunes,
on ne l'entend plus que dans la bouche de quelques amateurs.
Je tiens mes renseignements de plusieurs personnes, mais la
plus grande partie m'ont ete fournis par un pecheur, nomme
Maurice Robert, habitant le quartier de la Neuveville, oü le „bolze",
comme on appelle le patois de Fribourg, s'est le mieux conserve.
Maurice Robert frise la cinquantaine; il est originaire de Fribourg,
Oll il a presque toujours vecu, comme ses parents. Dans le meme
quartier, j'ai interroge F61ix Aeby, couvreur, n6 a Fribourg, dont
il passe pour bien connaitre le patois. Je dois d'utiles renseigne-
ments ä Rodolphe Stempfei, mac^on, äge de cinquante-deux ans,
egalement ne ä Fribourg. Enfin j'ai consulte plusieurs autres per-
sonnes ägees, de fai^on ä controler mes renseignements les uns
par les autres.
Dans son ouvrage Les patois romayis du canton de Fribourg,
Haefelin s'est fort peu occupe du patois de la capitale. II donne,
au recueil de po6sies qui forme la quatrieme partie du volume,
trois pieces en patois de Fribourg. Je ne suis pas d'accord avec
Haefelin sur la prononciation de quelques mots. A Fribourg, par
exemple, j'ai toujours entendu dire pjesd et non ply§Q-3, däse et
non dä&e, sekäta et non d-ekäta. Quant ä la diphtongue que Hae-
felin note par äu, je crois la repr6senter plus exactement par qu
avec un g tres ouvert qui se rapproche de ä; j'ecris donc korgula
plutot que korüula, kolg^ et non kolä^'', etc.
LE FRIBOURGEOIS AU XVE SlfeCLE. 2O3
En terminant, on me permettra de reraercier M. le D"" Marchot,
qui m'a dirige dans mon travail et m'a soutenu de ses conseils.
Si je suis parvenu ä quelque resultat, c'est ä lui que je le dois.
Je me plais aussi ä remercier M. Michaut, ä qui je suis redevable
de remarques paleographiques importantes.
OUVRAGES SPECIAUX CITES DANS CE TRAVAIL.
Blavignac, voy. p. i.
Gauchat = Le patois de Dompierre par L. Gauchat (paru dans
la Zeitschrift für roynanische Philologie, t. XIV, pp. 397 — 466).
Haefelin = Les patois romans du canton de Friboiirg, par Fr.
Haefelin. Leipzig, Teubner 187g.
Odin =^ Phonologie des patois du canton de Vaud, par A. Odin.
Halle, Niemeyer 1886,
Zimmerli = Die deutsch-französische Sprachgrenze in der Schiveiz.
II. Theil, par J. Zimmerli. Bäle et Geneve 1895.
Urtel = Beiträge zur Kenntniss der Netichaieller Patois. I. Vi-
gtioble und Biroche, par H. Urtel. Darmstadt 1897.
OBSERVATIONS.
i) J'emploie le meme Systeme de transcription phonetique que
M. Gauchat. L'espace me manque pour exposer ici ce Systeme.
On le trouvera explique dans l'Introduction qui precede l'^tude
sur le patois de Dompierre, par M. Gauchat (Cf. Zeitschrift f. r. Ph.
XIV, p. 399—400).
2) Pour chaque mot, j'indique l'etymologie. Les etymologies
prec6dees d'un ast^risque sont reconstituees par induction. Je m'en
rapporte generalement aux dictionnaires suivants: Georges, Latei-
nisch-deutsches Wörterbuch, 7*^ ed., 187g; Körting, Latei7iisch- roma-
nisches Wörterbuch, l8gi; Kluge, Etymologisches Wörterbuch der
deutschen Sprache, 5* ed., 1894.
3) Quand un mot derive ne remonte pas ou ne parait pas
remonter au latin vulgaire, je me contente souvent de juxtaposer
ses Clements etymologiques, p. ex.: carru + ottu -f- one — char-
roton (= charretier).
4) Quoique pour les mots „savants" j'indique une etymologic
latine, il est bien evident qu'ils ont presque toujours passe par le
fran^ais avant d'arriver au patois.
Vocalisme du fribourgeois au XV© siecle.
A. VOYELLES TONIQUES.
1. a.
i au XV*^ siecle: a.
1 actuellement: a (comme ä Dompierre).
§ I. a) devant une dentale,
pratu — pra VII, 43; präs IV, 36.
ferratu — ferra I, 116; II, ^y, ferrar I, 162.
204 J. GIRARDIN,
pluraatu — phima I, 160.
quadratu — quarra X, 108.
filatu — filaz III, li.
*adminatu — a?)iena IV, 102; X, 87; amenar VII, 157; admena
II, 165; admenar I, 160.
mensuratu — misura IX, 128, 131.
pensatu — pesa II, 138; IV, 57.
coraputatu — cojita IX, 76, 86; compla I, 61; VII, 169.
*allatii — ala IX, 6; alle.
donatu — dona IX, 4, 124.
ordinatu influence par donatu (cf. Körting, Lat.-ro))i. Wörlerb.,
s. V. ordino) — ordona IX, 24, 78.
armatu — au pluriel armas II, 116.
raolator — moUarrc VII, 170; mod. molare, „aiguiscur", et non
„raeunier", sens de molator en latin.
tegulator — tioUarre VII, iii; tiolare VIII, 50; fabricant de tuiles.
tornator — iorrnarre I, 73; tornarre II, 26, 162; tourneur.
*cornator — corfiarre X, 48; homme qui joue du cor ou du cornet.
*arcionator — arsonnarreW, 2\\ arsonnares (pluriel) II, 16; sellier.
m. h. all. ungelt + ator — iimbgueltarre IV, 4g; ungeltare VIII, 59;
ö;/^i?//ßr^ VIII, 58; ((9«^^//t7?>-^ VII, 54, forme „francis6e") ; per-
cepteur de rohmgeld. Ce terme, qui ne derive pas d'un
verbe, est de formation analogique.
a. h. all. chahhala-j-ator (avec dissimilation) — qtietalare YK^ d>2;
en fribourgeois moderne htalare, potier fabricant de poeles
en pieces de terre cuite appelees ksialle, Urtel donne kakJar
potier, hahli pot (Gloss.); l'allemand suisse dit kacheli pour
kdiälle. M. Gauchat fait donc erreur en partant de scutella.
coprire...-i-ator — couvrcsare VII, 108; cruvessare I, 12; III, 17;
couvresarre VII, 147; criussarre X, 15; crivescere VIII, 18';
couvreur; mod. manque. Ce mot derive d'une forme inchoa-
tive de coprire.
matre — viare X, 12; mod. mare. A Fribourg, comme ä Dom-
pierre, les mots päre et itiare ne s'appliquent plus aujourd'hui
qu'aux animaux.
quadru? — carro, pL, II, 77; le sens prdcis de ce mot m'tichappe;
je ne le trouve pas en frib. mod.
*antius natu — ena IX, 109; ain6.
juvene-j-natu? — Jona IX, 126; jeune ou cadet, voy. le texte.
Ce mot, ainsi que le precedent, n'existent pas en frib. mod.
§ 2. Terminaison -ata,
Avec M. Gauchat, j'^tablis ici trois classes de mots:
1 Le manuscrit porte rivescere; evidemment, l'omission du c initial est
due ä une distraction du scribe. Cette forme est d'ailleurs „francisee".
LE FRIBOURGEOIS AU XVE SIEGLE. 2O5,
jO les participes feminins en -ata;
2^ les substantifs feminins en -ata, de sens coUectif;
3^ les substantifs feminins en -ata, qui n'ont pas le sens
collectif.
1 ^ classe : participes feminins.
-ata devient -aya ä l'^poque de nos textes et ä l'epoque actuelle.
taxata — taxaye VII, 28; mod. taksäy?, mot savant.
*colpatas — coppayes VII, 112; mod. kopaye.
operatas — ovraes IV, 7g; mod. manque.
involatas — emblaes^ II, 33 bis; mod. manque.
Je crois que les deux dernieres formes, malgre leur graphie
diff^rente, etaient prononcees comme les premieres: au sg. -ay?,
pl. -aye. II y a toutefois:
encrennata — aiicratuia V, 30; mod. manque.
2^ classe: mots collectifs.
Je ne trouve dans les comptes que cet exemple:
*carrata — charra III, 14; X, 74; charraz I, 66.
En frib. mod. -ata donne g6ncralement -ay?. Exemples:
*carrata — tseraya;
*vannata — vanay^',
*palata — paläys;
*pippata — püpay3\
comme a Dompierre.
3*^ classe: non collectifs.
Le fribourgeois du XV^ siecle semble avoir -a comme repre-
sentant de -ata. Le frib. mod. h^site, suivant les mots, entre -a
et -aya.
diurnata — jorna VIII, 67, 72.
diurnatas — jorna VIII, pass.; IX, pass.; Journal X, 58, 66; jour-
tials X, 50; journa VII, 145; VllI, 62, 63. INIais il y a jornae
VIII, 61, un plur. archaique?
intrata? — iiilra IX, iio; sens obscur.
recuperata (cf. §59) — recouvra VIII, 105; recouvrement. Le
mod. manque.
Voici quelques exemples pour le fribourgeois moderne:
diurnata — dzorna.
caminata — tswmiä.
*matutinata — matstiä. M. Gauchat ränge ce nom parmi les
collectifs.
Par contre:
*rosata — rozäys.
*conlrata — kdtrays.
intrata — etraya.
^ voy. introductioD , p. 200,
206 J. GIRARDIN,
Sur le traiteraent de -ata dans les trois classes, il y a dans
la Romania XXVII, 279 un nouvel article de M. Gauchat, Je ne
partage pas l'avis de ce savant, qui voit dans -ay? une adaptation
franyaise. -a doit etre la forme phonetique au singulier: -dtä
-da -d. Mais -ay? reste inexplique. Comme il existe dans les
villages les plus recul6s et partout, ce ne saurait etre une adapta-
tion du fran^ais -/(?. M. Marchot croit que -da, dans les participes,
est devenu -d? pour eviter la contraction en -ä, et raaintenir ainsi
une distinction entre les genres: -9 6tait l'autre finale feminine,
qu'on trouvait apres les palatales; il etait senti naturellement par
le sujet parlant comme une flexion föminine. II est ä remarquer
que nous ne trouvons pas au XV^ siecle -ay^ dans des mots non
participes. II s'y serait inlroduit depuis. On pourrait dire aussi
que -ays est une forme secondaire (ä c6t6 de ä), refaite sur le
modele du pluriel -aye = -aes <[ -atas.
§ 3. Finale -aticu.
viaticu — pluriel: vzages V, 35; mod. yadzu.
*intraticu — ititrage VII, i8i; entr6e.
de ponte — pofithonage X, 72; echafaudage.
*operaticu — ovraige I, 18, ii4d, 162; II, 85; ouvraige I, 48;
IV, 57; V, 2g. Au pluriel: ovraiges, pass.; ovrages V, 8.
*staticu — itaige II, 120.
Dans ces mots, la finale est „francisee"; on prononyait au
XV^' siecle, comme aujourd'hui: -adzti.
§ 4. ß) devant une labiale,
trabes — tra VII, 163; VIII, 117; traz I, 30; tras II, pass.;
poutres.
fabru — favre, pass.
*demorabat — desmorave X, 8 1.
§ 5. y) devant v.
claves — dar V, 15; VII, 102; VIII, loob; IX, 8g; clars I, 150;
V, 34.
nave — 7ia I, pass.; V, ig; IX, pass.; 7iaz VII, 147. Au pluriel:
7iaffs X, 3.
Exceptions:
clavos — clo VII, 150, 165; IX, 76; X, iio; cloz, pass.; mod.
yü; cf. § 76.
""caclavos — chillioz I, 113; cailloux; cf. § 76, Le mod. manque;
on a recours au mot fran(,-.ais.
§ 7. e) devant r.
Claru rivu — Clar Ruz VIII, 4g, 55; Clar Ru IX, 41; X, 35;
nom propre de lieu.
1 au lieu de desmorane, faute du scribe; le contexte indique un impar-
fait. Voy. Haefelin, p. loi.
LE FRIBOURGEOIS AU XVE SIEGLE. 20"]
Clara via — darevoye VII, 102. Au pluriel: clarevoye VII, 106;
clares voes III, 17; claires-voies.
collare — cular II, 36; coUier. Cf. le proven^al colar (clans
Raynouard), coular, etc. (dans le Tresor de Mistral).
man SU rare — tnesura VIII, 138,
ferrare — ferrar I, 164; II, 96; III, 46; X, 113; ferra VIII,
125, 126; X, 109.
*allare — alla IX, 3.
cribrare — cribia IX, 48; crihlar I, 29; III, 39.
miliare — f/ienarVll, 103, 106. Derive: amina IX, 118; ajne?ia
VIII, 130; aincnar I, 15, 141; VII, 163, 188; admenar I, 79;
II, 80.
meliorare — melliora VIII, 77, 125; milliorar III, 52; juellorar
111,11; 7nelliorar, Y>^%^'', melliorard lY,']o; meh'oraYUI, 8^3.,
96a; IX, 90, 104. Ce verbe est probablement d6rive du
repr^sentant patois de meliore; de meme, l'a. fr. meillorer
derive de meillor {Dict. gmer).
jactare — getar I, 137, 138; gdiar I, 19.
levare — levar II, 97; III, 28; V, 2"], 28.
*cappulare — chapplar I, 49; a. fr. chapler.
*exquadrare — escarrar I, lOi, 112; II, 116, 144.
portare — portar I, 56; II, lOi, 136.
obstare — ostar II, 88, 124; III, 16; V, 20.
pausare — posar I, 148; II, 68, 136, 137, 157; V, 9, 16.
germ. fodr-j-are — forrar 1,47,49; munir, garnir.
planare — plana VII, 89. D6riv6: apiana X, 80.
re-f-mutare — remtiar I, 104; V, 7, 13.
mantellu-f-are — inantellar VI, 10. Dcrivc: emnaiiteilar VI, 7;
couvrir, terme technique.
....-}- are — paiiar II, 178; tracer des portees de musique
(avec une patte).
deaurare — dora VIII, 97.
raixtione-|-are — 7nisthma IX, 48; mot savant.
dispensare — desperisar I, 43; mot savant.
Visit are — visitar I, 43; mot savant.
ponte-j-one-|-are — ponthenar II, 79; dresser des echafaudages.
germ. lokk-f ittu + are — loctar IV, 58; locher.
*capu -j- one-j- are — chavonar I, 148; II, 144; IV, 94; achever,
ad-j-substare — assotar II, 151; III, 16; mettre a l'abri. Cf.
Rotnania XXV, pp. 438 — 439 et Literaiurblatl für ger-
via7tische und romanische Philologie XVIII, c. 170.
a> =
XV^ s.: a.
actuell.: a (comme a Dompierre).
§ 8. d) devant une dentale ou une labiale,
germ. latta — pluriel: laie VIII, 119; lades I, 6, 15.
*plattas — plaies VII, 38; pierres plates?
germ. happa — hapes II, 90, 103.
208 J. GIRARDIN,
ß) devant s.
passu — pa (pl.) VIII, 37.
*casnu — c/iojio VIII, 82; chene; au pluriel: chanoz VII, 151;
chagnoz I, 150; II, pass. II est ä remarquer qu'en frib,
mod. on dit isänw, chag7ioz sera peut-etre d'un autre patois.
Pasquas — Paqiiet IX, 62; Paque IX, 141, 143; Pasque VII,
126 (2 fois), 203; Pasques, pass.
§ Q. y) devant r.
.... — bare pl. IX, 8q; harres VIII, 125; fr. barres.
a. h. all. sparro — esparres I, 12g; III, 43; V, 12, 29; especes
de barres.
Bernardu — Berna VII, 126; IX, 46, 56; Bernar X, 46; Ber-
nart X, 52; Bernhard VIII, 67.
die martis — dimar VII, 82.
lardu — lar VIII, 74a.
arbore — arberos (pl.) X, 71.
arca — ßr^;^^ II, 122; VII, 62, 63; VIII, 83; grand coÖVe.
arcu — ars (pl.) V, 21, 34.
quartu — quart VIII, loi.
quarta — quarta I, i6i; II, 74.
genn. *warda — garda II, 59; IV, 48.
Anomalies:
carru — eher, pass.
carne — chers III, 22; eher VII, 196.
Le fribourgeois moderne dit encore ts'e pour les deux mots.
M. Gauchat explique \e par Tinfluence combin^e de la palatale qui
pr6cede cette voyelle et de r qui la suit.
{au XV^ s.: ie probablement en train de
se r6duire a z par une 6tape i^ ou dejä
reduit a i.
. actuellement: J, comme a Dompierre.
§ 10. «) devant une dentale,
medietate — meiie II, 114, 135.
mercatu — marchie I, 133; IV, 103; IX, 90.
praedicator — pregiere IX, 85.
"^religator — relierre I, 28, 102; II, 67, 89, 102; fabricant de
vases ä douves en bois.
consiliator — conseillierre X, 9.
serraculu-j-ator — sarraliere VIII, 73, 90, 96; saraliere IX, 89;
sarrallierre II, 87, 145; sarralliere IV, 109; serrurier '.
*carricatu — chargie X, 54, 76.
religatu — reillie VII, 117.
' Ces quatre mots en pal.-j-ator se sont perdus en patois de Fribourg.
Je reviendrai sur le frib. mod. pyidzTii'' = praedicator e.
LE FRIBOÜRGEOIS AU XVE SIEGLE. 20()
cuneatu — conuü X, 76; cogne, arrange.
implicatu — empleye III, 46; V, 26; VIII, t^t^, 34.
castigatu — chasleye IV, 2"]; chateye IX, 29 et au pluriel chas-
teye II, 39; IV, 26.1
adjutatu — aydier VII, 161.
-ata se presente sous differentes formes ou graphies:
relaxata — relexie II, 6; relaixie IV, 17; relaxee VII, 203; re-
lexee VII, i ; veuve.
implicata — employa 11, 4.5, 104; IV, 68, 70, 99.
auctoricata — ouliroya IV, 46.
lineata — h'g?na IV, 46; /i^«z> IV, 43.
*trinicata — irinchi VIII, 79; frinchie VII, 98; (la) tranchee.
En frib. mod. *trinicata est tritsd; *relaxata, auctori-
cata, *lineata n'existent pas ou n'existent plus; implicata est
repr(isent6 par epieya. Pour les mots en pal. + -ata, le traitement
est d'ailleurs le meme qu'ä Dompierre.^
Relexie est savant et ne prouve rien. Au XV*^ siecle, le traite-
ment est -ia, mais l'accent est-il deja pass6 sur a? Employa et
ouliroya semblent le dire, et ligiiia s'y opposer, car on aurait ligna.
Peut-etre y a-t-il hesitation, comme ä Onex actuellement.3 Ce qui
semble confirmer que dans certains mots on avait encore -ia, c'est
irinchi, irinchie, lignie, que je regarde comme de simples adapta-
tions fran^aises de trintsia, ligfiia.
ß) devant une labiale,
in-f-t-um + initiabant — encommencievant IV, 58.^
§ 12. y) devant 1.
scala — eschiele I, 130.
scalas — eschieles I, 155; II, 126.
§ 13. 6) devant r.
medicare — viegir IV, 107 (2 fois); a. fr. megier.
in-f-germ. tas + iare — entechier II, 106; entasser.
fabricare — favargie VIII, 122, 123, 129, 131; favargier X, 1 13.
*carricare — chargie IX, 52, 83; chargier II, 129; III, 4.
taliare — taillie VIII, 132; X, 57; talie VIII, 122.
ad + tusu + iare — atusier I, 113; II, 119; faire des recoupes
(cf. espagnol atusar).
^ empleye, chasteye sont des graphies peu claires; rien n'empechc ile
leur attribuer la prononciation z« ou 7 i la finale.
'■^ Voyez, ä ce sujet, le recent article de M. Gauchat dans la Romania
XXVII, 270 SS.
8 cf. Gauchat, 1. c, 283.
* Le manuscrit semble plutöt porter encommencienant, comme a lu Bla-
vignac; mais le contexte indique clairement un imparlait et d^s lors il faut
corriger d'apr^s le frib. mod. kameHvä, Voy. Haefelin, p. 103.
Zeitschr. f. rom. Phil. XXIV. I^
2IO J. GIRARDIN,
ex + tüsu + iare — estusier \, iii, 114a, de mume sens que le
precedent. Je n'ai trouve ni Tun ni l'autre en frib. mod,
got. brikan — breyer I, 52, 69, 76, 153.
adjutare — aydie VII, 124; aidie-^ II, 129, 136; aydier VU, 194.
allongare — allongier VII, 183.
re + *fortiare — re forcier III, 11.
*aciariu4-are — acirier X, 113; assirie VIII, 124; acierer.
carru-j-izare — charreyr X,ii4; charreyeNW,\2^\ VIII, 127;
chareye IX, 30.
punctu + izare - — pointeye VIII, 123.
junctu-f-izare — joenteyer III, 34.
La simple graphie par i dans megir et charreyr est ä re-
marquer, car eile est un indice que la diphtongue V tendait,
comme je Tai dit, ä se rdduire ä i.
Ailleurs, la palatale n'a pas agi:
a. franc bukon — buya X, 73; VIII, 81; hiyaz IX, 87; huyar
X, 93; mod. büya.
t) devant s.
in casis — ^wf/«'^ pass.; /nc/ii'e IX, 124; enckief X, 76; mod. f /st.
§ 15. Noms propres de lieux en -iacu.
Montaniacu — Mon/am'e VIII, 30; Motitagnie IX, 30.'
Agiacu? — Agie VIII, 51, looa.
Marliacu — Marlie II, 41, 91, 165; III, 34; IX, 73; X, 108.
Favriniacu — Farvarnier II, 165.
? — Foucignie IV, 17, 107; Foucignye VII, 77, 82.
Eburiacu? — Avrie I, 146; IV, 17, 107, 108; VII, 193, 196;
VIII, 19 bis.
Altiniacu — Auiigrüe II, 165; IV, 42.
On a ici Ic mcme developpement que pour § -{- y, c'est-ä-dire
iei — ie et enfin /. L'accord des exemples, dont pas un ne pre-
sente i simple, prouve qu'on etait au XV^ siede a l'^tape ie avec
l'accent sur i (Cf. le § 32).
§ 16. Je trouve quelques verbes en -/ non pr6c6d6 de palatale:
*tirare — tirie IX, 51; mod. /<?;-/.
*corrosare — croisiez I, 132; croisier I, 137; mod. krozt.
En outre, en frib. mod., comme en dompierrois:
*virare — V9ri.
a + c, g =
au XV« s.: e.
actuellement: e (comme a Dompierre)
a) en syllabe ouverte.
§17. a) *tragere — traire I, 122.
facere — faire, pass.
1 Cf. pour ces noms en -iacu: Hölsclier, Die mit dem Suffix -acum,
-iacum gebildeten Ortsnamen. Diss. Strasbourg 1890.
LE FRIBOURGEOIS AU XVE SIEGLE. -aij
refacere — referre VIII, g6.
in-j-ecce + hac — enczay II, 51, 161; III, i; IV, 38, 99, 102,
109; V, i; VI, I.
§ 18. /3) *acqua — egit IX, 72; aigtie I, 102; II, 67, 89; IV,
43, 87; mod. iviüd.
Actuellement, on ne trouve ig9 que dans la Broye et encore
sporadiqiiement. ^ Dans ce mot, Xe est donc alle irr6gulierement
jusqu'ä i\ c'est une transformation qu'on retrouve aux §§ 30, 33,
dans deux mots du § 29 [demikru, kovtiii) et dans un mot du § 31
(;>/?). La graphie egit contredit l'hypothese de M. Gauchat, qui
pose le developpement: la divzvy — la '^tvivs — la iviV3 — Vivwd
oü n'apparait aucune forme avec e.
§19. /)magis — mex X, 4, 22; inais, pass.; maix VIII, 8, 52;
IX, 140, 141; X, ^-j, 42.
bracas? — brayes VII, 198; pieces de cuir servant ä attacher
le battant d'une cloche.
facit — fa IX, 123, 146; fat IX, 131, 133, 145 est, comme le
fait observer M. Gauchat, une forme due ä l'analogie ou
ä la phonetique syntaxique.
§ 20. b) en syllabe ferm6e.
d) fasce — faix I, 31; fait IX, t^t^ (plur.); mod. fe.
braciu — braix I, 129; I, 118, 120 (plur.); mod. bre.
*adjacia2 — aysez VII, 137 (pl.), environs, dependances. Le
frib. mod. dit dans ce sens: lez edzu d'dna mezS. Comme
on voit, le terme est actuellement masculin.
/3) saccu — sagk (pl.) X, 1 10; mod. s«.
*pactica — pasche I, 131, 133; II, 178; mod. päts? , march6.
M. Gauchat donne ä tort: pacta.
*rasica? — rächet II, 153; räche III, 52; IV, 69, 70, 71, croüte,
banc sup6rieur de la carriere.
Dans ces exemples, c n'a pas d6gage de yod agissant sur la
voyelle pr6c6dente.
a sous l'influence ( au XV^ s. : e.
d'un yod suivant = j actuellement: e (comme a Dompierre).
§ 21. a) maju — may IV, 46; mais VIII, loi.
ß) radios — raix II, 99; rais de roue.
*crassia — gressit IX, 95; grcsse II, 114, 164; VIII, 74a; X, 92^;
mod. gr~es3.
?4 — iesche II, 144; mod. tets3, tas de bois.
1 Cf. Zimmerli, Lauttabelle I.
2 Cf. Romania XXI, 506 ss. et Z. f. r. Ph. XVII p. 319.
2 II y a encore grässe IV, 60; grasse IV, 97, 99, qui est peut-etre
d'un autre patois.
* Le fran9ais tas d^rive de l'ancieii franc tas (cf. Körting 8063).
14*
212 J. GIR ARDIN,
% 22. Le Suffixe -ariu — -aria.
a) en ddveloppement normal,
-ariu est represent6 par las graphies -e, -ey, -eir.
-aria, par les graphies -ere, -erit, -eyre, -eire.
Quelle 6tait la prononciation cach^e sous ces orthographes
divergentes? De nos jours -ariu, -aria sont devenus e, er^.
Quelquefois cependant, surtout au feminin, on perv'oit apres e un
yod ä peine sensible. II en allait sans doute ä peu pres de meme
au XV^ siecle; de lä les diff6rentes graphies.
macellariu — masalley VII, 15 ; massalle IX, 95 ; masaUeir IV, 99;
viassalley VII, 26, boucher.
carbonariu — charhtine IX, 116.
*cappellarios — chappalleys VII, 14, chapeliers.
*candelariu — chaiidelley VII, 81, loi.
?> + ariu — es to ff eir II, 32; estoffe VIII, 26.
mortariu — viortey IX, 31; X, 24, 25; in07-te VIII, 32, ^t^, 34.
co(n)s(u)ere4- andu -j- ariu — Cosajideir 1,17; cosandeir 1,64;
cosandey X, 12; cosandeirs (pl.) X, 17; cossande (pl.) IX, 12;
marchand ou fabricant de veteraents sacerdotaux.
a, h. all. scoph-|-ariu — eccoffe (pl.) IX, 13, cordonnier.
molinariu — md^ne IX, 14 (sg.), ib. (pl.).
*pottariu — pottey X, 77.
*Iectorariu — leitrey VII, 127, pupitre, lutrin.
*deaurariu — dore VIII, 21, 97, 103; doreir IV, 21; (dorn
IX, 93, d'un autre patois?).
furnariu — forne VIII, 25, 35; IX, 24.
vitrariu — verre VIII, 77; IX, 90.
*bursariu — borse VIII, 82.
tabulariu — trahle VIII, 83.
*cordariu — corde IX, 78, 127; cordeir III, 32; I, 161; VII, 197;
X, 79; cordeir s (pl.) IV, 64.
*cordellarios — Cordale VIII, 51; mod. Kordale, Cordeliers.
petrariu — perre (pl.) VIII, 137, 138; perreir X, 47; perreirs
(pl.) X, 59.
germ. tunna + ariu — tunel VII, 183; tonnelier.
*deretrariu — dere IX, 24 (= *der(e)reir) ; derrier IV, i; frib.
mod. deri\ dernier. derrier et le frib. mod. sont sans doute
refaits sur premie et prumi (= pr im ariu). V. § 26.
?-|-arias — proleires I, 31, especes de claies pour les chariots.
*guttarias — gotteyres VII, 151.
vitraria — verreyre VII, 129.
petraria — perrerelY, 81; VIII, 76, 125, 137, 138; pererii Nlll,
132; IX, 47, 80; perreyre VII, 98, 154; perreire X, 57.-
* l'etymologie du fr. etoffe est incertaine.
2 perrey VII, 172 doit provenir d'une distraction du scribe.
LE FRIBOURGEOIS AU XVE SIEGLE. 213
b) en d6veloppement apres yod.
-ariu est represente par -ie, -ye.
-aria „ „ „ -ire, -iere.
En fribourgeois moderne, on a la prononciation -l, -ir?. Je crois
que la prononciation du XV^ siecle etait V et peut-etre quelque-
fois dejä l.
*aciariu — acie IX, 114.
*vervecariu — Bergie VIII, 22, 108, 120; X, 71, 72, 74, lOO.
*merciariu — mercye VII, 12, 132 (sg.), 1 1, 13 (pl.); VIII, 34 (sg.).
*plancariu — planchie I, 118; II, 155.
*cloccariu — clochie III, 18; VIII, loob, iii, 120; IX, 82;
X, 48, 67, 81, 99; clocMef, pass.; clochieff VII, 146, 148;
VIII, HO, 112, 117; docktest IX, 10 1.
a. franc bokk-{-ariu — bochie VII, 73; boucher.
*acquaria — aigire VIII, 93; aiguiere VIII, 88.
cochleare — cuUies (f. pl.) I, 149, especes de fiches.
Anomalies:
primaria — premie I, 69; mod. prwni. M. Marchot explique
cet Strange prumi, g<^n6ral dans toute la Suisse franco-
proven^ale, en supposant un primitif prhii qui, a cause
de sa forme monosyllabique, aurait 6le supplante par son
deriv6 prim-ür, form6 d'apres les noms en -ariu ä pal.
Ce n'est pas une iufluence de 1'/ protonique, car filaria
est traite normalement.
arcuballistarias? — arbdesires I, 154; arbaletricrs, poutres. Ce
mot serait Ie seul exemple oü st donnerait s\ ce doit elre
une faute (pour arbelestres ou arbeletiresl).
a. h. all. zubar-f-aria — siviere I, 117; dviercs (pl.) VII, 13S;
mod. S3vir3.
a combin6 avec 1 finale ( au XV^ s.: au.
ou 1 compliquee = | actuellement: ö (comrae a Dompit'rre).
% 22,' a) avec 1 finale,
caballu — chevaullY, 25, 107; VII, 193; dievaulx (pl.) VII, 123;
mod. tsevö.
ad valle — avaul I, 144, 129.
palu — pau VIII, 125, dans l'expression paii fert, mod. pö fe,
levier en fer.
porta-f-ale — poria^x IX, 98; portmdlW, 19; pourteaulWW, 181.
Cf. Ie fran^ais portail, en ancien fr. portal jusqu'au XVP s.
Voy. Ie Did. de Hatzfeld et Darmesteter.
hospitale — ospitaul I, 65; III, 27; VII, 187; IV, 82; X, 75;
ospüaulx ^, 22\ espiia^lx IX, 131; mot savant.
missale — messau VU, ii6, 117.
grad(u)ale — greauld IV, 109; greaux (pl.) VU, 128,
214 J- GIRARDIN,
*quinlale — quintatd X, 107, loS, 1 1 1 (2 fois); qticnlaul VIII,
130 (pl.).
*amirale — amirau VII, 48.
valent — vatilent X, 81, g6.
Comme on le voit par quelques-uns de ces exemples, meme
les mots savants, empruntes directement au franc^ais, suivent le
traitement phon6tique regulier.
/3) avec 1 compliquee.
calidu — chau, dans chauiemps II, 104; raod. isöle.
germ. marahskalk — mareschau VII, 156, 194.
altros — aVre IX, 45, 55, S-J.
alta ripa — y^^/anm IX, pass.; Ati/tariva, ■p^ss.; Au//anmz Will,
137; Aiätarive X, 57, 75.
calce — chO'x IX, 48; chau VII, 2^, 152; VIII, 36; chauz VIII,
100; chaux I, 22ii iio; II, 15g; chaulz V, 32; chaulx I, 26,
27, 44, 153; II, 143; IV, 89.
cal(i)ce? — chaux U, 37; espece de vase.
albas — aiibe VIII, 81; aubes VII, 115.
alta — haulta I, 122, 150, 161; II, 97, 133; III, 2^2.
Rami palmae — Rampaul II, 139; IV, 8; Rampau VIII, 96a;
Rampa^x IX, 61; dimanche des Raraeaux.
y) a devant 1 ( au XV« s.: a,
simple mödiale == j actuell.: a (comme ä Dorapierre).
palas — pallez I, 132; pales IV, lOi; pale VIII, 82.
alas — alez V, 33.
6) a devant j au XV« s.: a.
1 mouillee = ( actuell.: a (c. ä D.).
*scalias — challies I, 76; fragments de pierres.
battalia — battalie X, 65, 69.
t) Suffixe ( au XV« s.: -au, -ah.
-aculu, -acula = ( actuell.: ?, -äy?.
*battaculu — bataul VII, 195 (sg.), 205 (pl.); baleaul VII, 198;
battant d'une cloche. Le mod. manque.
serracula — saraille VII, 115; sarallie VII, 102; sarralie VIII,
73, 96; pluriel: saralie IX, 89; sarrallies II, 122. Mod.
saraya.
a Combine ( au XV« s.: an.
avec une nasale = | actuellement: ä (comme ä Dompierre).
§ 24. a) la nasale est absorbee.
*antianu — ancian IX, 75.
Sebastianu — Sebastian IX, 130.
*cappellanos — chappalan IX, 86; chapellans VIII, 83b; cha-
pelains.
LE FRIBOURGEOIS AU XVE SIEGLE. 2 1 5
*vineoIanu — wignyola7t X, ii; vinolan VIII, 19 bis.
castellanu — chataUan IX, 25.
pane — pan III, 12, 25; VII, 188; VIII, 95.
manu — man VIII, 30.
alamannu — alaman IX, 77.
sanctu — smit VIII, 73.
planca — Planchy VII, 163; Planche III, 27.
*manicos — 7nanges I, 132.
carapu — chmi VIII, 51.
m. h. all. laden — lan, pass.; lans^ pass.; planche.
quadragesima intrante — Carnienirand I, 140; Caresmenirant
II, 131; Karesmeniran X, 63; Caremei.
grande (f.) — grania III, 41; V, 33 (3 fois); granle I, 139; ^'rrtwto
(pl.) VIII, 125; forme analogique.
Camera — chambra II, 112.
jam — ja I, 47; III, 46; VII, 139.
b) la nasale persiste,
cannabu — chenevo ^^,2)3'^ chenevez III, 1 1; mod. ispuivu. Cf. § 94.
grana — graytne VII, 33.
a, h. all. rama — ratna VII, 83; ramma VII, 84; rame VII, 80;
metier ä fabriquer le drap. Cf. ramo, dans le Tresor de
Mistral,
lana — lanne II, 37; lannes (pl.) II, 14.
planu ad silva? — Plannasewa III, 13.
planu ad fetas — Plannafaye VIII, 49, 50; Planafaye IX, 41;
X, 35.
duodecim + ana — dozane I, 6; 11,93, 98, 100, 147; II, 18;
dozanne (pl.) VIII, iii, 119; dozanes (pl.) I, 88.
septimana — sepmanne VIII, pass.; simane IX, 142; simena
IX, 49; simene IX, passim. Ces deux dernieres formes sont
des adaptations du fran^ais.
Prononyait-on grana ou gränal On disait probablement gräna,
corame aujourd'hui.
Anomalies.
scalprum a donne, par changement de 1 en n, m\ eschanpro VIII,
124; eschampro IV, 84; eschanppres X, 113 (pl.); 6charapre.
II n'est pas certain que ces formes soient patoises car on
dit aujourd'hui en fribourgeois etsopru.
aniraa — arma VIII, 27; arme VII, 19; VIII, 25, 26; armes (pl.)
IV, 5; mod. ärf?ia.'^
1 Je trouve Carmentranda II, 7, 34 comme nom de persoune ou sobiiquet.
^ Voir Haefelin, p. S^'
2l6 J. GIRARDIN,
2. e.
au XV« s.: ?
actuellement: c^ ou c.
Je n'indique pas le traitement g6n6ral au XV*^ siecle, les
exemples etant trop peu nombreux et trop peu concluants.
§ 25. ? < =
a) § final et § devant une voyelle.
judaeu — Juef U, 41, 42; mod. dzr>\ fem. dz§ir?^ d'apres les
noms en -ariu.
deu — Diux IX, 44; mod. dyü.
§ 26. /3) devant une dentale.
de + retro — derrier VIII, 51; patois? mod. </e;/, derriere =
*deretrariu, dernier?, cf. § 22.
*sedicu — sieche IV, 93 n'est probablement qu'une orthographe
barbare de „siege"; mod. manque.
Petru — Pierro VII, 173; VIII, pass.; Pieriit IX, pass.; Piariit
IX, 147; Peirro X, 58, 59, 105.
petra — pierra, pass.; piera IX, 30, 34, 83, 133; VIII, 127; pera
IX, 144a; perre VIII, 102; piere (pl.) IX, 50. Les graphies
pera, perre sont curieuses, en ce qu'elles semblent indiquer
une prononciation e. Le frib. mod. dit P^eru, pyßra ; däns
la Gruyere on a Pcro et pera *. Pierro, pierra ne se sont
pas r6duits ä T*iro, p'ira, comme pie ä pi. Ils ne sont pas
traites non plus comme feru et similaires, diphtongues
partout, meme en Gruyere. Cf. Haefelin p. 30 et voir §31.
pede — pie (sg. et pl.) passim; piez (pl.) IV, 43, 45, 57; pies (pl.)
II, 88; IV, 42, 44; mod. pJ. Ces formes confirment l'hypo-
these de M. Gauchat qui suppose une ancienne diphtongue
ie, laquelle aurait etd reduite ä ~i dans une syllabe ouverte.
§ 28. y) devant r.
A cette Position ^ suit le meme developpement a Fribourg
qu'a Dompierre. Dans les comptes je trouve:
quaerit — quieri III, 20; querl X, 90. Ce mot a disparu du
frib. mod. qui dit: ts}rtse. A Cheyres et dans les environs,
on trouve encore l'infinitif k3rt. La graphie qiiert repre-
sente probablement une forme refaite sur querir, etc.
Cf. querir X, 75.
_ ( au XV= s.: e.
8 9' ? ^ i actuellement: /.
ß) devant r.
ferru — fer pass.; ferl II, 138; VIII, 82, 126 et dans pau fert
(=: levier en fer) VIII, 125; mod. y«^.
1 Voir l'introduction p. 201.
LE FRIBOÜRGEOIS AU XVE SIEGLE. 21"]
terra — terra III, 21; VII, 109, 131; VIII, 7; tera IX, 57; mod.
tfra.
versus — ver VII, 38; X, 8; mod. evf.
de versus — devirs pass., en proclise?!; mod. manque.
die mercuri — dimecreNW, 45; mecre X, 2g; mccredy IX, iio;
mod. demikru.
co(o)perculu — coverdo VIII, 83, 93; mod. kovi^n.
Comme on voit, dans ces deux derniers mots ^ > n'a pas
persist6 jusqu'ä nos jours, mais est devenu l. Ce n'est nuUement
par le fait d'une diphtongaison ie comme voudrait le faire croire
M. Gauchat. Dimecre avait perdu son ;■ au XV^ siede et n'aurait
plus eu de raison de se diphtonguer comme les autres mots en
er. Je ne crois pas d'ailleurs que, pour aucun de ces mots en er,
il y ait jamais eü de diphtongaison. Dimecre et coverdo qui perdit
aussi son r et devint *covedo, changerent leur e en i comme les
mots norabreux dont il est parle au § 30. Cet e devait etre long
et tres ferm6 par le fait de la chute de ;■ dans ces deux mots,
de la chute de s aux mots du § 30, de la chute de / aux mots
du § 33, de la chute de t dans */)'^ (§ 31).
, ^ (au XV« s.: e.
^ 30. 7) ? > devant s = j ^^^^^j,. . ^^^^^^ ^ Dompierre).
fenestra — feneslra I, 148; V, pass.; fenestre VII, 129; VIII, 77.
fenestras — fenestre VII, 114, 12C); fefiestry X, 80; ßiestre IX,
89, 90; fenestrcs X, 103; III, 42; IV, 88, 91, 95; V, 7;
VUI, 125.
vesperu — vespre (masc.) I, 44; soir.
festa — feste pass.
testa — testa VII, 24.
ad p essu — appres VIU, 3; aprest IX, 58, 59, 128, 131, 133;
mod. apri.
Silvestre — Sarvetrut IX, 85; mod. savtsu.
verbal de restare — resta II, 36; IV, 108; VIII, 133; IX, 29;
X, 36; r^j/^ pass.; r^j/VII, 57, 59 (2 fois); VIII, 76; IX, 110.
(au XV« s.: ie, i.
"b ö^- ?"rc, g I actugii . j (comme ä Dompierre).
a) en syllabe ouverte.
*vecla — vidie VIII, 29; villit IX, 88.
La graphie villit donne a croire que deja au XV« siecle la
prononciation 6tait I ou ä tout le moins F. J'explique ainsi la
forme actuelle: vecla — *vieTe — vile — vty9.
integru donne en frib. mod. eile.
legere — mod. yer>.
Dans integru, il faut admettre la chute de g'. *interu sera
devenu *entier, eh/e, comme caru est devenu *tsier, tse, et feruy^^,
' Voir le traitement de f initial § 85.
2l8 J. GIRARDIN,
a cause de la persistance de r pendant assez longtemps ä la fin
du raot^; *Iieire n'est pas devenu *hire raais *!yere, yerd, pro-
bablement sous rinfluence de fyera = ferere, comme le dit
M. Gauchat.
ß) en syllabe fermee.
*catalectu — challie I, 462; bois de lit.
lectu — yi frib. mod., aura aussi passe par la triphtongue iei:
*lyei — *Iye — *Iyi — yt. On etait a l'etape *lye'^.
decimas — diesmes VIII, 49; IX, 41; X, 35; diesme VIII, 50, 51,
55, looa. Si ce mot avait survdcu il serait probableraent
dyiim, comme dy'i (de ^dieis — *dies — dyi).
% 32. ^ sous rinfluence ( au XV^ s. : ie (dipht. d6croissante).
de yod suivant = | actuell.: 1 o\x i (comme ä Dompierre).
*diraediu, *dimedia — dimie pass.; diemie III, 47; demie VIII,
1354; mod. ddmi.
media — mye VIII, 74a.
permedia — per?nye VIII, 39.
Le patois moderne ne fait aucune diflference entre mediu et
media; les graphies de nos textes prouvent qu'il en etait de
meme au XV*^ siecle.
*cimeteriu — cyineiiero VIII, 71; simitierut IX, 92; mod. sim^-
tiru\ est un mot demi-savant.
mi(ni)steriu — mistir IX, 12, 13, 14, 15; misticrs (pl.) VII, 10;
mistier VII, 14; mod. miii'^.
*mo(ni)steriu6 — moiie IX, 102; mostier VII, 62, 113, 134, 147;
mod. moii''.
Comme on le voit, inislir est la seule graphie avec i\ partout
ailleurs les graphies portent ie ou ye. Je crois donc que l'on pro-
nonyait ie' diphtongue d6croissante qui vient d'un plus ancien iei.
Cf. les mots en -iacu § 15.
(au XV<= s.: e.
§ 33. § > devant 1 j aktuell.: i (comme a Dompierre),
capitellu — chevetel III, 28; V, 24, 27, 31; VI, 7, 10; cheveiez
IX, 92; chevetels (pl.) V, zy, cheveies (pl.) V, 25; avant-toit.
' Voir Gauchat §§ 15, 31. La 2«= forme de Dompierre etil represente
un entieir, oü la palatale a exerce son influence; cf, le traitement de decem.
'^ sur cette graphie, voir l'introd. p. 200.
3 Cf. §§ 20, 29.
* On trouve encore diemi pass. qui est fran9ais.
s J'ai entendu moti, mitt de la beuche de Robert (cf. Tintrod.) et de
plusieurs personnes ägees. II est vrai que l'on prononce souvent aussi mosi,
misi; c'est ainsi que disent Aeby, Stempfei, etc. Peut-etre Fribourg est-il
sur la limite qui separe les deux prononciations.
^ Le representant de ecclesia est fran9ais; il est frequent dans les
comptes: egiesse IX, lOO; egUesse IX, 74, 99; esgliese VII, 32, 4g, 60, 115,
122, 128; esglise IV, 4, 19, lOO; esglises II, 163. Ces deux dernieres graphies,
comparees aux autres, prouvent que dans les comptes ie peut repr^senter la
prononciation i, voy. § 36.
' mistir, ä la rigueur, peut representer la prononciation I«.
LE FRIBOURGEOIS AU XVE SlfeCLE. 2 ig
*fagustellos ' — /oic/z I, i6o.
*rotundellos — riondeh I, 3 ; riondelz III, 1 4.
*furnellu — fornel IX, 82.
*cordellos — cordelz I, 92.
novellos — novels IV, 86.
*manabellos2 — manevels I, 150.
a. h. all. brunno + ellu — borne IX, 47, 131; cf. l'a. fr. bournel.
*dominicellos — do7izeIs IV, 17.
raartellu — viarlell, 115; IV (pl.), 80; X (pl), 112; marteh (pl.)
X, 113; viartelz (pl.) I, 115; niariy VII, 192; VIII, 124;
martye VIII, 123.
Ces deux dernieres graphies sont remarquables. Sans doute,
la prononciation actuelle comment^ait ä s'introduire; //^;;^/ VII, 183
= *tunnariu prouve aussi que / etait dejä amuie.
pelles — peh II, -t^}^ bis.
spelta — espeta VIII, 54; X, 38, 40; epeautre^,
navicellas — yimisalles I, 149.
■""particellas (pour particulas) — persalles X, 34.
bella ripa — Balariva IX, 118, 119*.
En frib. mod. -§lla est encore repr6sente par -älla.
( au XV« s.: e'^.
§ 34. ? < devant nasale = j ^^^^^^^. . ^^^^^^ ^ Dompierre).
j au XV« s.: ä, souvent e^.
^ > devant nasale = j ^ctuell.: ä, souv. f- (comme ä Domp.).
«) syllabe ouverte.
tenet — /in IX, 113, 123; mod. /e.
tenuos — ienevo I, 47 est une forme oü l'accent parait etre
sur l'ant^penultieme, ce qui est rare en patois fribourgeois.
Quoi qu'il en soit, le mot s'est perdu.
ß) syllabe ferm^e.
A. calendas — challandes pass. ; chaUandez X, 8g; chalande
VIII, 85; IX, 53; mod. isaldde.
ferramenta — ferrementa 1,152; 11,87; VII, 175; ferreviente
11,138; ferrementes (pl.) I, 116; mod. ffr^mata, ensemble
des ferrures dans un engin quelconque.
paca + mentu — paemen IX, 24; mod. payeina.
1 cf. Odin, page 39.
"^ cf. Romania XXVI, 435. En frib. mod. vianvt desigue une espece
de treuil, employe ä serrer le foin sur un chariot.
3 Je laisse de cbiG tremaulx IX, 94 (=*tremellos) qui est le fran9ais
«trumeaux».
* tornellez X, 70 (= turrc + turnu 4- ellas) est «francis^». On trouve
encore actuellement le diminutif tornaleta.
5 Autant que possible, dans les cas douteux, j'6tablis la prononciation
du XVe s. d'apris la prononciation actuelle.
220 J. GIR ARDIN,
revesti + mentu — pluriels: revitemen IX, 87; revestemans X, 73;
möd, manque.
meliora + mentu — vieUiorement VII, 137; mellioremant VII, 140.
argen tu — argen IX pass.; argen t pass. ; mod. §rdzd.
serv(i)ente — serventa VIII, 23; servanta VIII, 24; mod. ser-
väta.
B, calidu terapu — chauiemps IV, 68; mod. tsot^.
merenda — marenda I, 36; marinda IX, 134; mod. marida.
veneris die — venredi III, 6; IV, 9; VII, 53; VIII, 7; X, 42,
est probablement du mauvais fran9ais. Le frib. mod. a
devidru.
3. e.
i au XV^ s.: e ou ei.
S 35' ? <• j actuellement: 5 ou ?'.
/?) devant une dentale.
*beffredu — heffrey II, pass.; VII, 166, 168; befrey VII, 158,
165; heffreh- I, 18; (^^fr^ VIII, 20.
*cleta — f/fy« I, 138; je n'ai pas trouve le correspondant
moderne,
creta — mod. krjya.
seta — mod. sfj'aK
Ces trois dernicres formes, phonetiques ä Fribourg, sont ano-
males ä Dompierre. En revanche, je constate l'irregularite:
planu ad fetas — Planafaye IX, 41; X, 35; Plannafaye VIII,
49, 50. En frib. mod. «brebis» se dit encore faya. On
expliquerait peut-etre cette irregularite en disant que fäya
a son point de depart dans un pluriel dissimile faye (au
lieu de */e}'e), le mot etant surtout usit6 au pluriel.
§ 36. /) devant une labiale,
sebu — schour I, 62, 72, 147; II, 114, 134; VIII, 74a; mod.
So", suif.
L'r finale est purement graphique. J'expliquerais le mot en
partant d'un ablatif: sebo, *seo, *syo, *so, puis sg", d'apres les
nombreux mots ayant 0" (= 9 et o latins, v. § 39).
libros — /ievre VIII, 91.
La graphie prouve une fois de plus que le scribe ecrit parfois
ü pour t. Du reste, nous avons ici ime forme fran^aise. Le frib.
mod. dit l^ivru.
% ?)!' t) devant s.
tres — tres I, 48; mod. Ire.
te(n)sa — teisa II, 47; teises (pl.) II, 47.
pe(n)su? — pex IX, 120; poids?
*france(n)se — frances II, 80; mod. fräse.
^ sa^x IX, 117 = soie? est uue graphie enigmatique.
LE FRIBOURGEOIS AU XVE SlfeCLE. 221
*Burge(n)se — Borge IX, 129; nom propre.
pe(n)sat — peise I, 61; III, 12\ V, 33.
pe(n)sant — peisent I, 114c, 142, 161; II, 133; IV, 95; V, 33.
quadrages(i)ma — kareme IX, 59; caresme 11, ly 2 ti; VIII, 74a,
81,94a; mod. kare/maK
§ 3g. Comme ä Dompierre ä^ tend ä se reduire ä ä, de meme
a Fribourg g* se rapproche beaucoup de e] cette transformation est
meme si avancee que souvent le second 616ment de la diphtongue
disparait completement, cf. § 22. Les rombreuses graphies avec
ei, ey semblent temoigner qu'ä l'epoque des comptes les deux sons
e-i etaient souvent sensibles,
II y a lieü de faire une remarque analogue au sujet de ö"
(= 9 et o libres) qui, en frib. mod., surtout a la fin des mots,
tend ä devenir ö: nevö", nevö .
§ 40. e sous l'influence ( au XV^ s.: i.
de yod pr6cedent = ( actuell.: i (comme a Dompierre),
cera — cire 1,56; II, 163; VII, 100, 120; cyre X, 95; mod. sir3.
*page(n)se — paist IX, 129; pay VIII, 58, 59; pnys pass.; mod.
payi.
cereu — cirjo VII, 105; cierjo VII, 120; cierge I, 56; X, 86, 90;
cierges II, 163; sierges II, 117; chierche VIII, 121; mod.
syjrdzu, qui est fran(^ais, ainsi que les formes anciennes
avec ie.
1 au XV^ s.: e.
8 4- ? ^ I actuellement: e (comme ä Dompierre).
a) devant une dentale.
*galittas — jalete IX, 32; VIII, 33, 34; jaleies II, 102; IV, 87;
jaleites I, 159; jaleyles X, 25; seau en bois.
*cameritta — chamhreta VIII, 77, 88, 93; chavihrete VIII, 90;
sacristie.
^Nicolitta — Nicoleta X, 93.
Villa 4-itta — Villeta IX, 23; nom de lieu.
germ. lim-j-ittas — lemetes 11,99; üi'Qons d'ün chariot.
— ? + itta — evete VII, 174; sens?
— ?-f-ittas — becheites II, 162; especes de machines.
*caldaritta (de caldariu) — cho^^dereie IX, 72; benitier en metal.
a. h. all. binda-f-ittas — bendetes 1,129; petites bandes.
littera — letra 1, 131.
jocu + ale + ittu — joialet VIII, 21; petit joyau.
*crocca-|-ittu — horchet (pl.) IX, 72.
— ?-j-ittu — bosset IX, 113, 121, 123 (cf. §§ 65, 66).
^ Le Suffixe fran^ais -ieme pas plus que le patois -imu ne remontent i
-esimu. Voir l'article de M. Marchot dans la Zeitschrift f. r. Ph., XXI
pp. 102 — III.
222 J. GIRARDIN,
germ. bank-|-ittu — bauchet (pl.) II, gg.
celt. brocc + ittu — brocket II, 67; broc, vase de bois.
cuneu-{-ittu — coinet VIII, 125; coin en fer.
trans-f- germ. buk + ittu — Irahichel I, 14g.
du kymr. gwas — vaulet pass.; vaiiles (pl.) I, 4g, 106, 1146;
III, 2y, VI, 3; valet.
verbal de *virare + ittu — viret II, 103; III, 43; V, 12;
VII, 102; X, 51; vyret X, 75 (sens obscur; voir le texte).
*carrittu — charret II, 146; charreis (pl.) VII, go.
a. franc bukk-|-ittu — Bochet I, 43, 7g, 141; nom de Heu.
/?) devant une labiale,
debita — Jcda VIII, 8g.
metipsirau — mesme VIII, 134; mod. mimu. Ce mot est trait^
comme fesia, etc. (cf. § 30).
/) devant s.
spissu — espe (pl.) VIII, 72c.
Franciscu — France pass.; Franse ^\M, 27: Franscey VII, 153;
X, 23; Francey VII, 17, 43, 135, ig2.
ö) devant r.
circulu — cercloz VIII, 12g, 130, 131; raod. sefii.
vir gas — verges I, 31; mod. vfrdz?.
viride — vert I, 134; verd II, 105; mod. vcr.
*virida — verda I, 42; II, 48, 71, 104, 121; IV, 68; mod. v^rta.
\ au XV« s.: ei, {e).
^42. e + c, g = I actuelL: e, (f).
Le frib. mod. a presque partout e. La reduction de la diph-
tongue semble exister aussi a l'epoque des textes, ä en juger par
quelques graphies: benetit, charre, etc.
Benedictu — Beyiey II, 75; III, g, 50; IV, 61; V, 10; VI, 8.
. tectu — tey I, lOI; III, 34; IV, 57, go; V, ig; X, (pl.) 15; teif
I, 104; II, gg, 158; teis (pl.) V, 24.
directos — dreit IV, 57.
secale — seila X, ^il-
pice — pex VIII, g4.
benedicta — benetit IX, 72.
applicitos — apples I, 84; outils, engins.
(fr. charroi) — charreiz X, g7; charrey X, 114; charreir V, 32;
VII, 107; charreirs I, 35, 41, 50; II, 12g; chare IX, 22;
charre VIII, 128.
s. verbal de vigilare — vellie I, g3; VIII, 74, 80; vellit IX, 6g,
116, 121, 132, 141; veillie I, i; II, 71; VII, 126.
situlas — sillies I, 102, seilies, est trait6 comme s'il venait de
situlas. II est possible qu'il y ait eu action du Suffixe
-Icla; voir Gauchat § 42. Je ne trouve pas ce mot en
frib. mod.
LE FRIROURGEOIS AU XVE SIEGLE. 223
j au XV^s.: ei, {e]
{ actuell.: f ou f.
, ^ , ( au XV^s.: ei, {e)
44. e devant 1 = \ __,...,, . ^,- .'_ V
telas — teillez X, 8; mod. t^ile.
candela — chandele VIII, 84, 102a; chandelles (pl.) VII, 100;
mod. isädgila ou tsädf/a 1.
( au XV^ s.: e"^
§ 45. e < devant nasale = < ^, ,, V / * , -p. . s
■^ ^"^ • ^ ( actuell.: e (comme a Dompierre).
e> devant nasale - ^ ^" ^^^ ^^ '
e > devant nasale _ ^ actuell.: e~.
a) en syllabe ouverte.
Je commence par poser une restriction importante ä la regle
ci-dessus. En frib. mod. et probablement en frib. du XV*= siede,
la nasale n'agit pas si eile est appuy6e par une voyelle. A Dom-
pierre (cf. Gauchat § 45) la nasale agit meme dans ce dernier cas.
*minat — jjieyne IV, 106; mod. jjifitie.
avena — avetia VIII, 53; avene IV, 107; X, 36; mod. av}ina.
arena — ar^wa I, pass. ; 11,142,165; IV, 102; VIII, 128; IX, 77;
aresm VII, 157.
pena — peina III, 11; pena VIII, looa; paimie VIII, 104.
catena — chene VIII, 73.
catenas — cheynes VII, 128; mod. tsjine.
Mais si e < se trouve dans la derniere syllabe du mot, la
nasalisation a Heu.
minus — ?«/« IX, 115 — myn X, 83,
in — iti IX pass.; VIII, 132; mod. e.
ß) en syllabe fermee.
Je n'ai que peu d'exemples pour le XV"^ siecle. En fribour-
geois moderne las exceptions ä la regle sont assez nombreuses.
A. die domin ica — dismenchi VII, 3; dimenchi VII, 3; dimenge
VIII, 3, 5; dimench VII, 178; dimenche X, 42; IV, 3, 5, 6,
7, etc.; mod. demidz3.
*cincturu — sendres 1,144; sindres pass.; sindrez V, 9; sindes
IV, 91; cintre; mod. sitru.
*pinctor — - paiire X, 82; mod. ptlre.
B. despensa — despinsa IX, 128; daspinsa IX, 60; despensa
IX, 141; X, 76; VIII. 85, lOoa; mod. depäsa\ mot savant.
censa — censa II, 169, revenu, b6nefice? mod. manque. C'est
un mot savant. On trouve aussi ceiise (sg.) VIII, 39; coise
(pl.) VII, 201; IX, 35, 37; censes (pl.) VIII, 40, 58; X, 27.
a. h. all. binda — bendes (pl.) III, 30; IV, 57; mod. bdde.
vendere — vendre III, 36; mod. vadu.
^ cf. l'introduclion, page 200.
2 Ici encore, dans les cas douteux, je restitue la prononciation ancienne
d'apr^s la moderne.
224 J. GIRARDIN,
feraina — fena IX, 124; fema IX, 122; ferne IX, 87; mod. fena\
ferne et fema sont des adaptations du fran<;ais.
4. i.
. ^ ( au XV^ s.: i.
^ 4 • } <- I actuellement: i [ii).
ß) devant une labiale et v.
a. h, all. scibai — sc/iiba II, 96; schibes I, 73, 114c; II, 162;
VII, 81; sibes I, 87, 143; mod. siba.
libra — livra I, 147; IX, 88; livre (pl.) VIII, 94; mod. üivra.
alta ripa — Aultariva I, 26 etc. (voy. § 2;^\ mod. ötaruva.
bella ripa — Balariva IX, 118, 119.
claru rivu — Clar Ritz VIII, 49, 55; Clar Ru IX, 41; X, 35.
rivu a donn6 d'abord '^riu devenu d6jA au XV^ si^cle rü.
En general, devant un v roman, i est devenu depuis le
XV*^ siecle ü\ lüvra et rüva.
y) devant r.
cooperire — cnwir pass.; cuvrir VIII, iio, iii; cuviy IX, 73,
98, 100; cruvry IX, 102; coiivri VII, 106, i lo; coiivry VII,
145, 146, 147, 148, 151.
*re + cooperire — recrtivir II, 158.
discooperire — descruvir I, 124; III, 19, 28; decnwi YIH, 120.
in -f- cooperire — encruvir II pass.
partire — pai-iy II, 42.
verbal de *virare — vire (f.) I, 139; sens?
verbal de girare — gii-e (m.) VIII, 90; toumiquet.
de-|-grossu-|-ire — degrossie X, 55.
§ 47- i > =
au XV^ s.: i.
actuellement: (f.
villa — ville 1,65; 11,45, 54! ^^f2)2', etc.; wille VIII, 39; Nouvä-
villa II, 45, 57; Montag Jii'e la Villa IX, 30; mod. v^lla.
*piccas — piches I, 124, 132; pioches; mod. p$ise.
i est en outre devenu entrav6 et a pris le son ce dans les
mots en -ina qui ont redouble ti. II semble qu'ici la transfor-
mation ait commenc6 a l'epoque des comptes, si Ton en juge par
la graphie Sarena du mot suivant:
Sarina — Sarena VII, 38; Sarina I, 82, 84, 86 2; riviere qui
passe par Fribourg.
germ. titta + ina — ietina IV, 24; redevance due par les
bouchers 3.
1 all. suisse actuel: stbs.
^ En frib. mod. on dit sdrna, sans doute abr^g^ de sdrp>ia; farina
donne egalement fdrna.
^ ne se dit plus.
LE FRIBOURGEOIS AU XVE SlfeCLE. 2 25
tina — tina I, 102; II, 89; IV, 87; Shvi^ cuve; mod. t^na.
cortinas — curtine VIII, 8i; rideaux.i
Actuellement, dans les mots de cette espece trisyllabes, l'accent
se trouve rejete sur rant6penultieme (comme a Dompierre). D'apres
M. Gauchat, ce changement d'accent fut posterieur ä l'alt^ration de
la voyelle ?', qui d'ailleurs n'aurait jamais 6te nasalis6e.
48. i + c, g =
au XVe s.: i.
actuell. : i (comrne ä Dompierre),
illic — ly III, 22\ IV, 40, 105, 108; VII, 93; IX, 71, 80, 83;
X, 29, 31.
per aeque sie — parensi X, ii4d; par ansi X, 114b; par ainsi
VIII, 139 c.
aeque sie — ensi I, 43, 45; IV, 49, 107; mod. iffs avec depla-
cement d'accent et apocope.
(au XV« s.: /.
» 49- 1 devant I _ j ^^^ygU . ^ (comme ä Dompierre).
*axile — assis II, 99; VII, 156, 174; mod. est, essieu.
filia — fillit IX, 90; fille X, 10; mod. ffys.
*buscu4-ilias — buchielies VIII, 20; buc Julies VIII, 22; mod.
bütsij'ep-
( au XV« s.: in.
§ 50. 1 < devant nasale = ^ ^^,^^^„ . . ^^^^^^^ ^ Dompierre).
äu XV« s.: ?
1 > devant nasale = j ^^^^^^ü . ^p ^^^^^^^^ ^ Dompierre).
a) syllabe ouverte.
vinu — vi7i pass. ; mod. ve.
vicinos — vissin IX, 22; mod. v^z^.
*clavinos — clavin VII, 149, 151, 165; VIII, 82, 114; IX, 76;
X, 90, iio; clavins I, 11; II, 154, 161; III, 44; IV, loi;
clous pour fixer les bardeaux.
sappinu — sapin VIII, 117; sappin X, 74.
*baccinu — benczin I, 51, 56; X, 90; benzin X, 2, 3, 4a; bencin
II, 163; IX, 2, 3, 5, 6, 7; bensin III, 20; VIII, 3, 6, 7; bansin
VIII, 5-
*caminu — chimin IX, 83; chemyns (pl.) X, 53; mod. ts?mi.
primu — prin I, iio; II, 108; III, 48; V, 8; prins (pl.) IV, 109;
menu, mince; mod. pre; au föminin:
primas — priijies I, 92; preymes II, 146; mod. preime.
Pour la finale -ina, voy. § 47.
/9) syllabe ferm^e.
hinc-j-que — enqiie I, 81; mod. ek = ici.
^ Le frib. mod. a kürl9Üa, mais seulement au sens de «tas de furnier >>;
il vient alors de cohorte4-ina.
2 sur -icula ou -ilia, cf. Meyer - Lübke, Gram, rojnaiie II, §422.
Zeitschr. f. rom. PhU. XXIV. I5
2 20 J. GIRARÜIN,
§51- 9 < =
5. 0.
au XV^ s.: ou.
actuellement: p", p (cf. § 39).
d) devant une dentale,
rota — riia II, 69; mod. rüva.
rotas — ruez IX, 51; rue VII, 156; rues pass.
Cette forme confirme l'hypothese de Pvl. Gauchat, qui admet
le developpement roä — ruä — rüd — rtia. On en etait pro-
bablement ä cette derniere 6tape au XV* siecle. Plus tard le v
fut introduit pour empecher l'hiatus.
/3) devant une labiale,
opera — ouvra 1,44, 141; II, 63; III, 2; IV, 51; V, 2; VII, 122,
134; mod. ouvra.
y) devant v.
novu — no^st IX, 10 1; noiiff X, 81; noii VIII, loob.
nova — nouve I, 143; nouva II, 69, 96, 146; IV, 87; V, :i)y, nova
X, 33-
novas — nouves I, 145; II pass.; IV, 95; V, 29, ^2)-
annu novu — annou IV, 7; a^nd^x IX, 54.
nova villa — NouvavWa II, 45, 57.
§ 52. ö) devant r.
choru — cour VII, 81, lOi, 114; chour II, 175; co^r IX, 89;
mod. ^p".
foris — fürs I, 84; fürt IX, 139; für VIII, 79; mod.y";7Z; n au
lieu de ^" ä cause de la proclise.
( au XV« s.: 0.
§ 53. 0 > devant r = j ^^^^^jj . ^-
mortuos — mor IX, 92; mod. mwä.
porta — poria I, 15, 129; VII, 102; poiirte VII, 102; mod. pivarta.
chorda — corda pass.; mod. kwarda.
*tortica — torche VII, 99; torches (pl.) III, 20; VII, 120; X, 86;
mod. ioris3 (frangais).
*gurgui de *tortica — Gor de la Torche I, 136; VIII, 76, 78,
138; mod. gwä de la iwartss.'^
? — Orba VIII, 28, 31; VII, 31; la ville d'Orbe.
forfices — forces VIII, 125; tenailles; mod. efwase, ciseaux.
forte — forta III, 41; feminin analogique; mod. manque.
ad-|- verbal de portare — apor IX, 50; a portee.
Comment s'est op6re, depuis le XV* siecle, la transformation
de 0 en wü devant rl Probablement par 0", 0*, 0", od, iid. Pourte
1 cf. Meyer -Lübke, Gram. rotn. II, § 35.
2 la forme ancienne twärtsa ne s'est conservee que dans cette expression
qui designe un endroit voisin de Ftibourg.
LE FRIROÜRGEOIS AU XVE SIEGLE, 227
doit etre attribue ä une fausse «francisation» sur le modele de
tor, fran^ais loiir; tot, fran^ais totä (§§ 6i et 62).
^54, 0 > devant s = , „ _ . , T^
" ( actuell.: // (comme a Dompierro).
fossa — fossa IX, 34; X, zy. fosa VIII, 46; Joses (pl.) VIH, 35;
mod. fusa.
ossu — osi IX, 92 (pl.); mod. ü.
Las mots suivants sont restes tels quels jusqu'a nos jours.
gros SU — groz III, 42; mod. grö.
grossa — grossa 1,90, 142; 11,89; HI, 12\ IV, ii; V, ^y,
VII, 139; mod. grosa.
Pentecosta — Penstecotia IX, 70; Pensiecolta IX, 3; Pensiecoile
IX, 131; Penthecosie I, ^y IV, lo; VII, 45, 199; X, 3, 29;
Penthecostes VII, 72; mod. Pälekola.
8 55- o-t-c, o — j actuell.: z^;?.
«) coquere — hver? en frib. mod.
apud hoc — avoii IX, 22, 90 prononce ot'zü/, comme en frib.
mod. Le frib. mod. dit aussi av^.
7) locu — hl IX, 83; mod. ß.
§ 56. 0 sous l'influence de j au XV« s.: tve (we^).
yod suivant = ( actuellement: 'we. '
a) coriu — queir U, 176, 177; qimrs 11, 175, 177; ^Lr VII, 116;
mod. kwe.'^ Je crois qu'au XV« s. la prononciation hesi-
tait entre kwe^ et kwe.
oleu — oyk VII, i'i5; ai7ud IX, 125; m7/e IX, 93; y/jv^ X, 82;
mod. e/u. La graphie oy/e r6pond ä. peu pres ä Wf/u; les
graphies a/Ä^öT et mV/e ä e/«. /'z^e/z^ a 6te per^u comme
etant /u ein d'oü la forme Z'e/«; je n'admets donc pas
tout i\ fait la s^rie de IM. Gauchat.2
modiu — mey II, 159; IV, 89; VII, zy meix I, 26, iio; me
VII, 152. imist IX, 138 represente le fr. «muid».
modios — mey N , i,i; meis IV, 89; me VII, 152; VIII, 100;
meix I, 26; II, 142, 159; mod. manque. On prononyait
m~e ou 7111^ \ la forme antcrieure fut ""mwl i^7nwe^)\ de meme
que *tnüe fut ant6rieur ä ne (= nocte).
ß) *inodiat — enuye, etc. et aütres formes modernes comme a
Dompiene.
7) horologiu — reloges (pl.) VII, 204; mod. orlddzu. Mot sa-
vant. II est possible que la forme de nos textes soit d'un
autre patois, ä moins que le mot actuel ne soit une adap-
tation du franyais.
queir, etc. = leuille ou cahier de parchemin; mod. kiv^ = cuir.
ölye n'est pas du patois; ce doit etre l'aocien fran^ais oä.
15
2 28 J. GIR ARDIN,
o ^ j .1 f ^^ XV= s.: ot(.
§ 57. o < devant 1 = | ^^^^^„ . -„^
(au XV^ s. : o.
" ^ ' \ actuell.: ?7 (comme a Dompierre).
a) syllabe ouverte.
? — brissoules II, gg; partie d'un char.
*Petreolas? — Piro^lle IX, 77; mod. Peroule\ lieu voisin de
Fribourg.
*ola (pour olla) — o^lla IX, 88; mod. mila; marmite.
sola — soula I, 135, 155; smdes (pl.) I, 60; ^ sole, piece qui
forme la base d'un engin.
Anomalies :
vir(i)olas — verroles V, 2g, viroles.
schola — escola III, 51; IV, 70.
Je crois que verroles ne parait irregulier que par sa graphie
d6fectueuse; il devait etre prononce varTjuIe comme aujourd'hui.
Quand a escola, mod. ekfda, il est encore actuellement irregulier.
C'est un mot savant.
;3) syllabe ferm^e.
colla — cola X, 102; colla IX, 7g; mod, küla.
*volta — volta V, 11; voltcs (pl.) VII, 178; on le trouve aujour-
d'hui dans l'expression m le Vüte = sur les Voütes,
00 1 1 \ ^^ XV* s.: 071.
§ 58. o devant nasale = { ^^^^^n_. . ^^^^^^^ ^ Dompierre).
d) syllabe ouverte.
bonu — ho7i VIII, 136, 137, 13g; IX, 141.
bona — hona IX, 133; bojina VIII, 134.
Pronon^ait-on bona'} C'est tres vraisemblable, comme le pense
M. Gaucbat; aujourd'hui la nasalisation a disparu et l'on dit buna.
ß) syllabe fermee.
ad monte — affion VII, 163.
domina — donna II, 36; IV, 17; mod. dona."^
modulos — monnoz I, 73; VII, 8g; moniie X, 80. On aura eu
*modnu, *monnu, etc. Le mod. manque.
6. o.
(au XV* s.: ott.
b 59- 9 < — j actuell.: p" ou q.
a) devant une voyelle.
du OS — do IX pass.; mod. du.
' saules est une faule du scribe, pour soules. Le mot manque en frib.
mod. II y a bien söula, chaise, dont l'origüie est sans doute difKrente :
*sed(e)ola?
2 ne se dit plus qu'ä la campagne.
LE FRIBOURGEOIS AU XVE SlfeCLE. 2 29
duas — diies pass.; duez I, 135; IX, 89; raod. düve. Corome
pour rota (§ 51), les graphies confirment l'hypothese de
M. Gauchat en justifiant !e ddveloppement qu'il propose:
*dije — düe — düve.
suu — so X, 114c; mod. so.
ß) devant une dentale,
flarn. schroöde — escroz I, 149; 6crou.
Cette graphie n'a rien qui surprenne si l'on admet que des
le XV^ siecle le second Clement de la diphtongue <J" se percevait
a peine ä la fin des mots, comme c'est le cas aujourd'hui. Voy.
le § 39.
y) devant une labiale,
cupru — couvro IV, 18; VIII, 88; mod. köuvru.
verb. de recuperare?* — recouvra VIII, 105.
6) devant f.
tofu — iouf, tau I, 83; 7b" IX, 16; Glaiide dou Ton I, 134;
III, 19; IV, 69; Jaquet dou Tau III, 52; IV, lOO; VII, 58;
mod. W''.
§ 60. c) devant r.
illoru — /ö"r IX pass.; mod. /ö", /p.
de illoru — delo^r IX pass.; deloiir VIII, 74, 80, 92.
calore — chalo^^r IX, 57; chalonr VIII, 7-
benefactore — bicnfactd"r (pl.) IX, 84; mot savant.
rectore — rectour VIII, i. Mot savant.
germ. waidanjan-}- ator e — ganid^r IX, 25; ganior IX, 2},.
seniores — seignio^r IX pass.; seignior (sg.) IX, 33; X, 6, 18;
seignyor (sg.) X, 9.
*candeloru — chandelouse VIII, 6; mod. tsädelöuza (la chande-
lou\r\ puis la chandelouse d'apres les feminins en -osa).
cohorte-j- a. h. all. muntboro — Corjttettbou IV, 3;^ Cormen-
houf I, 2Z\ mod. Kormebo^, petite localite dans les environs
de Fribourg.
g) devant s.
c(o)rrosu — crou VII, 172; Crou IV, 46; mod. /t;p".
f au XV^ %.: 0.
§ Ol. 0 > = I actuell.: 0 (comme ä Dompierre).
d) devant une dentale.
*tottu — tot pass.; td^t IX, 1233-, mod. to{t).
*tottas — totes IV, 5; VI, l.
ad *tottu — atoz IV, 21; [atous IV, 11, est fran^ais).
^ ou recuperata? cf. §2. Le mod. manque.
- Cf. l'introduction, p. 200.
3 toH doit repr(;senter Ic l"ran9ais «tout».
230 J. GIRARDIN,
a. nord. pott — pot IX pass.; mod. po.
germ. *kotta — cotta IX, 117; cotte.
germ. mott — moctes IV, 31; mod. mote, mottes.
ß) devant une labiale,
desubtus — desobs I, 127; mod, dezo.
cuppa — coppa VIII, 52, 54, 146, 149; IX, 146, 14g; X, 36, 38.
cuppas — coppe VIII, 52, 53; IX, 137, 146, 148, 14Q; X, 37, 39;
coppes X, 36, 37, 38; mesure pour les grains.
ruptas — rotte IX, 70.
verb. de substare — sotta I, 114; II, 115; mod. sota, abri; a. fr.
„soute". Cf. Romania XXV, p. 438 — 439; Litcraturhlatt f.
g. u. r. Ph. XVIII, c. 170 et § 7 de cette etude.
y) devant f.
? — moffles I, 145; mod. mofyu, moufles, machines.
^ , f au XV« s.: 0.
§ 62. 0 > devant r = | actuellement: wä .
turre — tor V, 21; VII, 190; mod. twä .
formas — formes IV, 108; VII, 127; Stalles; le proven9al mo-
derne formo a le meme sens.
diurnu — jor pass.; mod. dzwä .
burgu — Bor VIII, 42; Borg II, 55; Burg VII, 62; le Bourg,
un des quartiers de Fribourg.i
? — (le dimanche des) Bordes Y, 22; VIII, 70; le dimanche
des Brandons, le premier du Carerae; mod. raanque.
Friburgu — Fribor IX, 60; Friborg II, 29; Fribd"rg IX, 80;
Fribourg pass.; mod. Fribiva .
*tornu — tor pass.; espece d'engin.
Exception :
*bursa — burse VII, 24, doit representer la pronouciation fran-
^aise; mod. bosa.
Dans le mot troc VIII, 29, tron(;on, a. fr. tros, (= tursus) il
y a en metathese de r.
f au XV* s.: 0.
§63. o> devant s = (^^^^^^,1 . ^^
augustu — ö.?/ II, 83; IV, 3; VII, 134; oust VIII, 108; mod. ?^-.
oust est Sans doute fran(;ais.
*buscu — bo IX, 92; boz VIII, 127, 128; mod. bü.
„ . f au XV*^ s.: oe, oi (= ive).
§64. 0 + c, g =|actuell.: wl\
*buxida — boete VIII, 5, 44, 103; bo'ete U, 52, 53; boitit IX, 5;
boittit IX, 7, 93; boyty VII, 3; mod. bw§itd.
1 le moderne bur est «francise».
2 II esl difficile de d^cider si u est long ou bref.
LE FRIBOURGEOIS AU XVE SINGLE. 23 1
Les graphies des repr6sentants de *buxida attestent qu'il y
eut une 6tape we, qui a precede l'etape actuelle we^ ä Fribourg
(et wä^ a Dompierre). Cf. Gauchat, § 64.
Dans les mots qui suivent c (g) n'a pas agi sur la voyelle
precedente.
ju(g)u — geoti VII, 194; joux I, 112; mod. dzg'^', s'explique par
la chute du g.
*parochia — perroche I, 41; perroches (pl.) II, 165; X, 97; mod.
p§rotsd\ mot savant.
*clocca — doche'iS., 122; IV, 11; VII, 5, 197, 189 (pl.); VIII, 9;
IX, 9; dosches VII, 126 (pl.) ; cloches (pl.) pass. ; mod. ;fo/jp.
§ 65. 0 sous l'influence ( au XV^ s. : ?
de yod suivant = ( actuell.: lüe.^.
Je maiique d'exemples pour le XV^ siecle.
*puteat — pivjize en frib. mod., etc.
Exceptions:
rubeu — i'iige VII, }jy, mod. rodzu; rüge est sans doute une
graphie fautive du fr. «rouge».
*butt-|-ia? — bossit IX, 118, 119; tonneau.'
„ , , . f au XV^ s. : öJi.
§ 66. -onu = ( ^^^^^i,_. ^„_
fossorios — fossoux I, 124, 132; fossoiis I, 121-; mod. manque.
costatu + oriu — cotliour I, 161, appui; mod. manque. ,
Je trouve encore enbossou'^ I, 99, qui semble remonter ä une
forme en -oriu, comme cottiour et fossoux. Ce mot a la meme
origine que bosset ou bossü que nous avons dejä rencontres au sens
de «tonneau» (cf. §§41 et 65); il signifie «entonnoir»; ä propre-
raent parier c'est un instruraent qui sert ä verser un liquide dans
une «bosse».3 L'6tymologie de cos mots reste ä trouver.
§ 67. *tottos — tot IX, 71; /ö"/ IX, 86; totis pass. Ces deux
dernieres graphies sont fran9aises.
*tottos sanctos — Totsamt IV, 67; Totsains II, 107; IV, 5;
V, 20.
tl, forme du frib. mod., remonte a toti, comme l'admet
M. Gauchat.
, i au XV^s.: ?
§68. o<devant l=j ^^^^^^j,. ,
Les exemples manquent pour les deux epoques.
tegulas — thiolle VII, 106; tiolle VII, 107, 109; tiolks VII, 112;
mod. liole. Cf § 83.
^ On dit: ona bosa de ve = un tonneau de vin. Mais on cntcnd plus
souvent bosf {= bo^a -\- \ ttu). Cf. le fran^ais bosse = tonneau.
^ Voir l'introduction, p. 200.
^ Voir dans le Dtct. de i^atzfeld et Darmesteter les sens particuliers du
frau9ais «bosse».
232 J. GIR ARDIN,
f au XV^ s. : on.
^ 69. o devant Ics nasales = j ^^^^^j, . ^ ^^^^^^ .^ Dompierre).
«) syllabe ouverte.
titione — ttsoti I, 90; X, 103; tisson X, 72; bille de bois; mod.
*pisciones — pessons III, 22; mod. peso.
germ. bacco — bacoti VII, 196; lard; mod. bako.
messiones — messons I, 85; II, 81, 82; III, 7, 8; IV, 55, 56;
VI, 9; VII, 140; mod. meso.
benedictione — benission IX, 74; benision VIII, 80; mod. benisS.
sabulone — sahlon pass. ; mod. tsabyd, petit sable.
du kymr. gwas — valloton I, 8, 78; vallaton IV, 13; petit garc^on.
de carru — charrotofi I, 65; VII, 177; charrotons (pl.) II, 160;
charretier. Nom propre: Charrototi II, 41.
*macione — maczon pass.; masson pass.; ?nass(on IX, 15, 16,
20, 26 etc.; mod. })iasd.
factione — faczon II, 138; III, 46; VII, 168; fass^ofi IX, 92;
fasson VIII, 98.
de pressu — pressons I, 143; leviers en fer.
a. franc botan — boiioji X, 51, 75, 76; mod. boto, bouton.
? — pochon X, 77.1
de Cancer? — gangillmi I, 126; gond. Cf. le prov. ganguil.
ß) syllabe ferm^e.
plumbu — p/of! X, 77.
*ponte — poni X, 10; pon VIII, 20, dans l'expression Pon Murin,
qui r^pond probablement au Pont -Mure actuel (rue de
Fribourg).
sublungu — sceliin II, 10; selon.
truncu — troiig IV, 38; VII, 44; IX, 38; Irongt II, 50, 51; IV, 37;
tronck I, 103; VIII, 41; frone X, 2'^, 29.
punctas — poentes I, 115; IV, 77, 80, 84; V, 18; pointe VIII, 123:
X, 112; mod. pivet9.
junctas — joentes I, 149; U, 103. Le mod. zwe est franyais.
ungere — endre IV, 97; edrd ou ädrd'i Le moderne manque.
pugnas? — piignes I, 59; poign6e d'un engin? Le moderne
pünyä derive d'une forme en -ata: ^pugnata.
7. U.
( au XV« s.: iL
§ 70. 11 < = I actuell.: iL
ß) devant une dentale,
ungere -j-utu — endu IV, 60. ,
*villutu — vellur VII, 64, 76; mod. velü .
Paludem? — pelud IX, 83; nom de lieu.
^ A Fribourg, on dit: la potsa, cuiller i potage. Voir le Glossaire de
Grangier, ä l'aiticle poche, pochon.
LE FRIBOURGEOIS AU XV^ SftCLE. 2^^
*abbattuta — alxr^/a IX, 144; abatiez IX, 141; mod. alalyß.
Noiis avons ici un developpement analogne ä celui des mots
en -ita: partita — parlyß. On aura eu: -uta, *-?/«, *-üä, -yi.
§71. 6) devant r.
muru — mur pass.; mod. mü .
re-f-factura — raffeiura IX, 144; refaittura IX, 5g, 71; nourri-
ture, refection. Le mod. manque.
cincturas — sentü-es VII, 195; mod. yetsre.
*mod(u)luras — molires I, 47; mod. manque.
*ramura — ramire II, gg; ramiire V, ig; carcasse de la toiture.
Le mod. manque.
*levura — levire II, 150; mod. levdra, action d'elever une char-
pente.
II est probable, d'apres ces exemples, que dans un certain
nombre de mots en -ura, l'accent rejete d'une syllabe en arrierc
avait occasionne, des le XV^ siede, Tassourdissement de la voyelle
penultieme qui est figuree par i (quelquefois li) dans les graphies,
devenue d en fribourgeois moderne.
f) devant s.
susu — j« IX pass.; VIII, 20; stis VIII pass.; VII, 147; mod. sü .
„ j au XV^ s.: ul
^ ' ' ■ ^ I actuell.: u} (comme a Dompierre)
fuste — /uz I, 123; a pu etre prononce />/; mod. manque.
§ 73- ^ sous l'influence \ au XV^s. : ?
de yod suivant = ) actuell.: ?
*pertusiu — pert/i (pl.) VII, 164, Le frib. mod. dit per/e ou
p§rte.
. , ( au XV*^ s. : on.
§ 75. u devant une nasale = -^ ^^^^^j,_. . ^^^^^^^^^ ^ Dompierre).
alique-f-unos — aidcons 11,74; IV, 20.
lunae die — lojtdil, t,2; II, 125; IV, 100; loiidy IX, 128; mod.
delo.
quisque -}- unu — chascon IX pass.; chasscon IX, 142; chescun
pass.; mod. isakn. On trouve encore tm chescung VIII, 128.
Cf. le suivant.
unu — ung pass.; mod. d. La graphie wig prononcee ä, l'alle-
mande, peut bien quelquefois representer une forme pa-
toise d {/!).
Finales feminines,
una — urta pass.; mod. ona et j/üna. ona est refait sur le mas-
culin 0. Quant ä la graphie u?ia, je crois qu'elle ^quivaut
ä üna; plus tard un yod s'introduisit a l'initiale, comme
l'explique M. Gauchat,
alique -|-unas — aulconnes IV, 31; ä"cune IX, 80; mod. manque.
234 J« GIRARDIN,
8. au.
(au XV^ s.: o.
^ ' ' "^ I actuell.: u (corame ä Dompierre).
a) en finale.
fa(g)u — foz I, 157.
bellu fa(g)u — B elf od I, i6o; Belfoz II, 165; mod. Bifu.
clavu, puis *clau — do (pl.) VII, 150, 165; IX, 76; X, iio;
cloz pass.; mod. p7; cf. § 5.
*caclavos — chillioz I, 113; cf. § 5.
/3) devant une dentale,
laudes — os 11,170; Voz 111,22; IV, 105; VII, 93, 121; Vo
IX, 86; X, 89; r^compense; mod. manque. Comme il re-
sulte de ces differentes formes, */(? a ete pris pour Vo.
y) devant une labiale,
germ. *laubja — /ogß IX, 81; Zöge pass.; /ouge 1, 114; /ogef {pL)
IX, 73; /oges (pl.) pass.; espece d'abri.
germ. *raubha — roba pass.; rode VII, 7; rou5e VII, 97; au
pluriel: rodes pass.; rouöe Yll, 104; foudesYlI^g; mod. roda.
Les formes en oti ne sont sans deute que de fausses „franci-
sations", comrne poiirte du § 53.
(5) devant r.
aura — ore VIII, 117; vent. En frib. mod. üvra, avec un
V epenthetique, que j'explique comme M. Gauchat, par l'in-
fluence des nombreux raots en -vra.
auru — or VII, 64, 76; IX, 4, 8; ort VIII, 8; mod. ivä, qui a
dvolu6 avec les autres mots en -or du § 53. En effet, les
formes de „or" concordent partout avec le traitement des
mots en -or, (ä St.-Aubin, Montagny, Lechelles, etc.).
( au XV« s.: ?
§77- ^■^> = \^c^^x^\\.^. ?
fabrica — ix^^y. \Vi06.. favar dz? Qi fördz?. Je considere fordzs
comme une adaptation du frant^ais; favardz? serait le re-
presentant normal de fabrica. Cf. les deriv^s: favargerie
pass., favargeriWü., 153, favargiene (faute pour favargürel),
ouvrage du „favre" ou forgeron; cf. favargie (§ 13).
§ 78. au sous l'influence ( au XV« s.: 0.
de yod suivant = ( actuell.: ü.
a. germ. *aujö- (bas-latin Augia) — Oge 11, 11, 56; mod. üdzd-,
nom d'un quartier de Fribourg, en fran^ais VAuge, en
allemand Auquartier.
LE FRIBOURGEOIS AU XVE Sll;CLE. 235
B. VOYELLES ATONES.
I. Devant la syllabe tonique.
a) Dans la syllabe initiale.
§ 8i. La voyelle de la syllable initiale persiste. Las exemples
de syncope ou d'aph^rese sont tres rares:
directos — dreü IV, 57.
illu — lud IX pass. ; /<? IX, 96; X, 51, 81; /oz VIII, 82, 129, 130;
mod. /«.
Dans nos textes, nous trouvons parfois la voyelle de la syllabe
initiale reduite ä t; cet z se rapprochait probablement de p que
nous trouvons en fribourgeois moderne a la meme position. Ce
qui tend ä le prouver, c'est que cet z est quelquefois remplace
par e: mesura VIII, 138; misura IX, 131; mod. m^mra.
*caminu — chimm IX, 83; mod. tsaini.
c(l)avicula — chivillie I, 139, 143; II, 96; au pluriel: chivillies
I, 135, 149, 150; chivilliez X, 113; mod. ts(fV3y3.
Geneva — Gi?ieve VIII, 57; mod. Dzsneva.
*minare — mine VIII, 104; Jtienar II, 174; VII, 103, 106: mod.
m?na.
§ 82. La presence frequente de l'article devant un substantif
amene parfois des perturbations a l'initiale de celui-ci, tantöt sous
forme d'aph6rese (A), tantöt sous forme d'epithese (B).
A. ^Toreloge = lo reloge\ cf. les reloges VII, 204; § 56,1
Ftiehi = *lu elu — relu\ cf. § 56.
Dans le mot suivant 1 initiale a 6te prise pour 1 de l'article:
los = Vos (laudes); cf. § 76.
B. illas forfices — les forces VIII, 125; mod. les efwase.
Dans ce mot, l'epithese s'est produite depuis le XV'= siecle:
les forces (pl.) a ete pris pour ^Veforce (sg.), sur lequel on a refait
un nouveau pluriel.
Pour l'explication de *acqua — egit IX, 72, etc., voir § 18.
§ 83. tegulas — thiolle VII, 106, etc. (cf. § 68).
Dans ce mot, la chute de g medial a produit la fusion de e
(devenu yod) avec la tonique.
1. a.
. . . , _ i au XV^ s.: a.
§ 84. a mitial — j actuell.: a (comme a Dompierre).
macellariu — masalleir IV, 99, etc. (cf. § 22).
de damnu — dainager IV, 58; endomraager.
de trabe — traveson II, 120, 124, 165; III, 31; ensemblc des
poutres et des solives d'un plancher.
' Le frib. mod. {on) orlodzii est sans doute une forme plus rapprocbee
de «horloge».
236 J, GIRARDIN,
sappinu — mpin VIII, 117, etc. (cf. § 50).
*macione — maczon pass., etc. (cf. § 69).
tra(n)s-j- *passatos — trappasses 11,4.
factione — faczon 11, 138, etc, (cf. § 6g).
*angones — angons III, 42; gonds.
*baccinu — bansin VIII, 5, etc. (cf. § 50).
Exceptions et cas particuliers:
, , , , . I au XV^s.: ?
a) a < + nasale devient souvent '. ^^^^^w . ^
*caminu — chimin IX, 83; mod. ts?me\ cf. § 81.
/9) germ. latta — loto7i IV, 109; mod. loio, laiton, est difficile
ä expliquer; cf. Titalien /' oflotie.
/) *particellas (pour particulas) — persalles X, 34.
armariu — €rme?-o VIII, 83.
Ä\ al > = * ^" ^^' ^•* ^^ ^''"''^* ,
' ^ \ actuell.: ou (comme ä Dompierre).
*caldaritta (de caldariu) — c}io'^dereteYL,']2\ vaoö.. fsoiiderefa.
altare — o^far IX, 85; otifar IV, 45, 46; ' aulfer II, 169; auiar
VIU, 121; auter X, 78.
*va(ssa)llittos (du kymr. gwas) — vanlet I, 27, 68; VII, 135;
vaules I, 49, 106; III, 22,\ VI, 3.
saltuariu — soutier pass.; huissier, n'est patois qu'a l'initiale.
alique + unos, alique + unas, voir § 75.
Dans les graphies, on trouve donc ou, mais aussi au pour al
>» initial. Peut-etre atc se transformait - il ä cette epoque en ou\
ou bien au n'est qu'ime graphie seit etymologique, soit prise au
franyais.
au XV^ s. : che = tse.
actuell.: {se (comme ä Dompierre).
caballu — chtvaul IV, 25, 107; VII, 193; mod. tsevo.
capitellu — chevetel III, 28, etc.; cf. § '^2^.
Cet e devient / dans les textes, d en fribourgeois moderne de-
vant les nasales et parfois devant v.
*caminu — chimin IX, 83; mod. ts^mS.
c(l)lavicula — chivillie I, 139, etc.; cf. § 81.
Exceptions :
de cader e — chisue (= 6chue) II, 169; VII, 42; en frib. mod.
on retrouve la meme irregularite: Isizf (= tomb6), tsizfifa.
(= tombee). Cependant je trouve chesue (== tomb6es) VII, 38.
calendas — Challandes X, 60, etc.; cf. § 34.
de *capu — chavonast (= acheva) VII, 166; X, 51,
( au XV^ s. : cha = tsa.
^^ -^ I actuell.: tsa (comme a Dompierre).
*cappellanos — chappalan IX, 86, etc.; cf. § 24; mod. fsapaln.
*cappellarios — ■ chappaleys VII, 14; mod. tsapalf.
f) ca < =
LE FKIBOURGEOIS AU XVE SlfeCLE. 237
i au XV* s.: char = tsar.
car> = j actuell.: is§r.
carbonariu — charbutie IX, ii6; mod. ts§rhine.
*carrata — chärra X, 74, etc.; cf. § 2; mod. is§ray3.
de carru — charroton VII, 125, 177; I, 65; au pl. charrotons
II, 160; mod. tsfroto, charretier. Nom propre: Charroton
II, 41.
*carricare — chargie IX, 51, 83, etc.; cf. § 13; mod. ts§rdzi.
*carrizare — chareye IX, 30, etc.; cf. § 13.
2. e.
[au XV* s.: e, i = 3?
§ ö5- «) g == I actuell.: e, parfois p.
Exemples de e:
levare — /evar II, 97; III, 28; mod. lern.
de pressu — pressons I, 143; mod. presö; leviers en fer.
ferratu — fer rar I, 162; ferra I, 116; II, 73; mod. f§rä.
Exemples de i\
*pelliciarios — pilliciers\ mod. manque.
se(pti)mana — simane IX, 142, etc.; cf. § 24; mod. snäna.
fenestras — ßiesire IX, 89, etc.; cf. § 30; mod. fanttre.^
Dans ces deux derniers mots la nasale a sans doute agi.
Cf. le § suivant ß.
I au XV* s.: re = rp.
^®" \ actuell.: rs (comme ä Dompierre).
re + *fortiare — reforcier III, li; reforcer III, 25; IV, 63.
de re + tenere — retinirent I, 82 (= retinrent).
re + vestimentu — au pl.: revitemen IX, 87; revestemans X, 73.
_ f au XV* s.: 0?
p) e > + nasale — j actuell.: ä (comme ä Dompierre).
Pentecosta — Penstecotta IX, 70, etc.; cf. § 54; mod. Pätekota.
y) re-j-vestimentu — au pluriel: reviie/nen IX, 87; revestemans
X, 73-
de tenere — tetiirent VII, 78; tinrent.
de re-j-tenere — retinirent 1,82; retinrent.
Je place ici les deux mots suivants qui ont subi le traiteraent
de la proclise.
de + ex? ou de ipso? — dix pass.; de, ou depuis.
deversus — devirs pass.; cf. § 29.
6) medietate — rnetie II, 114; mod. m§iti.
messiones — ?nessons I, 85, etc.; cf. § 69.
_ r . f au XV* s. : ar.
s) er = parfois ^ actuell.: ar (comme a Dompierre).
merenda — marenda I, 36; marinda IX, 134; mod. mareda.
^ J'ai entendu dire fanisre ä quelques personaes. Cf. la note du § 32.
238 J. GIRARDIN,
merenda -j-onc — ?nar£7idon\,t^, 146, 156; 111,6, 29; IV, g 8;
marendons (pl.) I, 95. Merendontion VII, 166 est du evi-
demment ä une distraction du scribe.
*crmosina (pour eleemosyna) — armo^na IX, 28; mod. ar-
mdu?ia. Pour ce mot, il y a encore une foule de graphies,
qui sont frant^aises au moins ä rinitiale: aiimofie VII, 2, 60;
aumosne 1,56; 11,54,163; IV, 47; ansmonne \l^^^\ aiimonne
VII, 35, 60; aumoiisnes (pl.) IV, 16; atwiorus (pl.) VII, 64;
aumosnes (pl.) VIII, 47; aulmones (pl.) X, 19, 23a; IX, 19;
VIII, 19, etc.
p er so na s — pa7-soimes VU, 20.
serracula — sarailk VII, 115, etc.; cf. % z^^.
, n^ V f au XV^ s.: e.
^ 86. «) e = I ^^^^^11 . ^_
*villutu — j^^Z/wr VII, 64, 76.
'■■■pisciones — pessons III, 22; mod. pcso.
dispensare — despensar I, 43.
dispensa — despensa IX, 141, etc.; cf. § 45; mod. depasa; ces
deux mots sont savants.
Exceptions.
me(n)surare — mestira VIII, 138; mod. m?zura.
rae(n)suravit — misiira IX, 134.
me(n)suratu — fnisura IX, 131; misiire IX, 78, 132, 133; mod.
? — pitita IX, 8 1 ; mod. pJttla ; petita,
vicinos — vissin IX, 22; mod. vdze.
, f au XV«= s.: i = ^?
/?) e<devant nasale | ^^t^^ij. ^_
minare — mine VIII, 104; menar II, 174; VII, 103, 106; mod.
in9na.
denarios — diniers V, 35.
Geneva — Gineve VIII, 57; mod. Dzstüva.
y) *feriavit — feira X, 20, choma.
-^ f au XV^ s.: e.
6) en > = I 3^t^gi, . ~
*trinicata — trinchi VIII, 79, etc.; cf. § 10,
''■'trinica + filatu? — trinchifille IV, 59, repar^ par tranches ou
parties; mod. manque.
intrata? — intra IX, iio; cf. § 2.
intrante — intraniNH, 134.
de in + clausu — incloz VIII, 130; encloz VIII, looa.
*incrennata (de *crennu) — ancranna V, 30, semble «francise»
ä l'initiale. Le mod. est ekr^na, muni de crans.
LE FRIBOÜRGEOIS AU XVE SlfeCLE. 23g
inde-f-*allavit — (il se) endalla VII, 122; (il s') en alla. En
frib. moderne, inf. s'enald.
in + curatu — encure VIII, 73, 84, 102a; IX, 78, 128; eure.
4. i.
„ o X • f au X V^ s. : t.
§ 87. «) 1 = I ^^^^gi, . ^.
*vineolanu — vmolan VIII, 19 bis; wig-nyolan X, 1 1.
*ininare — mina IX, 77; mod. mina\ creuser.
cribrare — criblar I, 2g, etc.; cf. § 7.
lineata — ligtim IV, 46, etc.; cf. § 10.
titione — tisoji I, 90; cf, § 69.
tina-f-ariu — miiers III, 48. II est vrai que pour ce mot je
trouve les autres graphies le7iier (sg.) V, 8; ieniers (pl.)
II, 8g.
„, . , , f au XV^ s.: t.
ß) 1 devant 1, r =^ | ^^^^^u. ^_
Les exemples du XV^ siecle ont /', mais cette lettre peut bien
representer un son proche de ?, comme je Tai d6jä suppos6 ailleurs.
filatu — ß/az lU, ii; mod. /^/d; cf. § i.
verbal de *virare -}- ittu — vire/ II, 103, etc.; cf. §41; sens?
*virare — v^rf en frib. mod.
y) primariu — premie I, 69; mod. prumf.
6) *pinctare — penier X, 82; mod. peiä.
*quintale — queniaul VIII, 130, etc.; cf. § 23.
5. g.
§ öö. a) g I actuell. : 0 (comme ä Dompierre).
co(o)perculu — coverclo VIII, 83, etc.; cf. § 29.
*monisteriu — moiie IX, 102, etc.; cf. § 32.
molator — inollarre VII, 170; mod. jnoläre.
apertu + co(o)pertu — overt IV, 38; X, 29; ouvert. Au f6mi-
nin: overte X, 31.
mortariu — viorte VIII, 32, etc.; cf. § 22.
Anomalies :
*rotundellos — riondels 1,3; riondelz III, 14.
operatu — o^vra IX, 71, est refait sur les formes fortes, de
meme que ouvri I, 47, fausse «francisation». Voici encore
quelques graphies du meme verbe ou de ses d6riv6s:
operatas — ovraes IV, 7g.
operare — ovrer X, 21.
operarios — ovriers I, 44; IV, 105; V, 11, 15; ovries I, 146.
*operaticu — ovraige I, 18, etc.; cf. § 3.
240 J. GIRARDIN,
j- au XV^ s.: 0«?
y^ ^^ — \ actuell.: oii.
molinariu — mo^ne IX, 14; vumiers (pl.) I, 141; mod. inonj.
Je suppose le d6veloppement: *moicne — *mond — mon^.
Mimiers est fran<;ais, au moins par sa terrainaison.
molere habeo — moudri ir^.vaodi.
Exceptions :
*voltare — volta IV, 95; V, 6; voltar IV, 98; mod. viilä, a et6
influence par les formes fortes, cf. § 57.
collare — cular II, 36; cf. § 7.
Ö) o devient ü toutes les fois que la syllabe tonique a /.
Cette loi se verifie d6jä au XV^ siecle.
recoUigere — recullir I, 76; III, 21.^
c(o)operire — ctivry IX, 73, etc.; cf. § 46.
disc(o)operire - — descruvir I, 124; III, 19, 28; decruvi Vlll, 120.
collocarunt — cticliareiit VII, 196, forme tir6e de kiilsi =
coucher.
6. 0.
f au XV^ s.: ö.
§ 89. «) 0 =^ I ^^tuell.: 0.
d(u)odecim + ana — dozane 1,6, etc.; cf. § 24.
verbal de sufflare + ittu — sofßet VIII, 94a; IX, 70; VII, 96;
IV, 106; soflei VIII, 104.
*guttarias — gotteyres VII, 151.
furnariu — fonie VIII, 25, 35; IX, 24; fornier I, 55; IV, 44;
fortiiej's (pl.) II, 23.
*f urnellu — fornel IX, 82.
*diurnata — jorna VIII pass., etc.; cf. § 2.
frumentu — fromen IX, 137, 138, 14Ö. 148.
recuperatu — recovre VIII, 105.
d) cuneu-|-ittu — coinet VIII, 125.
*corrosiare? — croisier I, 137; croisiez I, 132; mod. krom.
£) *cortile — curiil VII, 29; mod. kürti.
*coxinu -j- ittu — cussinet VIII, 127.
Nous retrouvons ici la meme loi qu'au § 88 ö.
7. 11.
f au XV^ .s.: ü.
§ 90. IJ = -^ actuell.: ü.
murare — murar II, 140; mod. müra.
de l'a. franc bukon — buyaz IX, 87; buya VIII, 81; X, 73 ; buyar
X, 90; mod. büyä.
^ Cf. encore le parlicipe recullisues I, 65.
LE FRIBOURGEOIS AU XVE SIEGLE, 24 1
^ gi. au =
8. au.
au XV^ s.: 0.
actuell.: 0.
pausare — posar I, 148, etc.; cf. § 7; mod. pozä.
a. h. all. roubön — roube VII, 92; mod. rohä\ derob6.
Exception:
autumnu — ö^toti IX, 132; mod. oiäu.
La regle est donc au = 0: posar \ o^Hon est un mot demi-
savant, sans cela le / serait tombd. Roube est une mauvaise „fran-
cisation" (cf. § 76/3), puisque le moderne est robä. Les autres
formes du frib. moderne oroy3 (== *aurucula), ozi (= *aucellu),
etc. prouvent egalement que le traitement veritable est au = 0.
c) dans la contrefinale.
§ 93. La voyelle tombe regulierement, ä moins que Teuphonie
ne s'y oppose.
molinariu — mo^ne IX, 14.
*trinicata — irhichi VIII, 79, etc.; cf. § 10.
*cappulare pour capulare — chapplar I, 49; a. fr. chapler.
operatas — ovraes IV, 79.
*carricare — chargie IX, 52, etc., cf. § 13.
medicare — megir IV, 107.
collocarunt — cucharent VII, 196.
Plusieurs infinitifs oii participes ne perdent pas la voyelle
contrefinale, par influence des formes fortes ou pour 6viter une
accumulation de consonnes:
*adminare — amina IX, 118, etc.; cf. § 7.
ad-}- substare — assotar III, 16; II, 151; mettre a l'abri.
Le sentiment de la composition agit aussi en faisant con-
server toutes les syllabes du mot primitif:
*candeloru — chandeloiise VIII, 6, cf. § 60.
serraculu -|-ator — sarraliere VIII, 73, etc.; cf. § 10.
Regulierement, ä cette position, a persiste en devenant e
(quelquefois i dans les textes):
sacramentu — au pl.: sereinens W. '^2,%%.; IV, 39; seref)ie7it \X, t^C).
*trabatione — traveson II, 120, 124, 165; III, 31.
*manabellos^ — jiianevels I, 150.
*adcapatos — achiviz I, 98.
*adcapt5itu — achitaz I, 90; (pl.) I, 30; achile VII, 132; VIII, 82,
11-4, 130. Cf. encore le fem. achitee VII, 50, 180; l'inf.
ochite VU, 64.
*caldaritta — cho^^derele IX, 72.2
II y a aussi les mots savants qui peuvent garder la contre-
finale :
1 Voy. Romania, XXVI, 435.
'^ Cf. loutefois alamannu — alaman IX, 77.
Zeitschr. f. rom. Phil. XXIV. 16
242 J. GIRARDIN,
*ciraeteriu — cy melier o VIII, 71, etc.; cf. § 32.
pentecosta - PensiecoUa IX, 70, etc.; cf. § 53.
2. Apres la syllabe initiale,
a) dans la p6nulti6me.
§ 94. La voyelle tombe g6n6ralement:
debita — deda VIII, 89.
circulu — cercloz VIII, 129, 130, 131.
domina — donna II, 36; IV, 17.
c(l)avicula — chiviUie II, 96, etc.; cf. § 81.
die mercuri — dwiecj-e VII, 45; 7necre X, 29.
*pactica — pasche I, 131, 133; II, 178.
Exceptions :
*temporas — letipere IX, 70, 75; temperes II, 168, 170a, 172a,
173a; IV, 104; VII, 45; VIII, 94a; X, 78; tempores VUI, 86;
quart d'un appointement (paye tous les trois mois) ; le frib.
mod. manque.
organu — orgine VIII, 104;' IX, 70; orguy7ies VII, 89; orguin
VIII, 94 a. Ces graphies peuvent repr^senter une forme
örgdtid. Le frib. mod. orge est pris au franc^ais.
Jacobu — Jaqiiemo I, 74; HI, lO; IV, 45; VIII, 121; Jaqiiimo
Vni, 3; ce mot, perdu aujourd'hui, ne s'emploie dans les
comples que pour d6signer „saint Jacques". Le mot en-
core usite aujourd'hui: Dzatye, est aussi repr6sent6 dans
les documents: JaquetY^^ 53; VIII, 76, 86; VII, 58; Jaque
IX, 3; X, 107.
La conservation de la voyelle penultieme dans temperes, etc.,
orgine, etc. et Jaquemo [Jaquimo), doit etre attribuee ä une influence
savante. II n'en est pas de meme pour les mots dont je vais
parier.
cannabu — chenevo V, t^T)-, chenevez III, ii; mod. tsenevu; il est
difficile de savoir si ce mot 6tait encore proparoxyton ä
la fin du XV^ siecle. S'il ne Test pas rest6, cela tient
Sans doute ä une influence analogique.
*tenuos? (pour tenues) — ietievo 1,47; minces, tenus; le frib.
mod. manque. Faut-il supposer: *tetnios — *ienvos —
*tenevos — tenevo'^
*arboros (pour arbores) — arheros X, 71; cf. § lOi.
Parmi les substantifs proparoxytons ä la p^riode moderne, on
trouve des mots en -ina et en -ura (cf. §§ 47 et 71). Les formes
Sarena, sentires, ramire, molires oü la voyelle p6nulti6me s'est
assourdie, prouvent que le traitement moderne commen(pait ä s'in-
troduire.
^ Cf. l'introduction, p. 200.
LE FRIBOURGEOIS AU XVE SlfeCLE. 243
b) dans la syllabe finale.
1. a.
f au XV« s.: a.
§ 95- a — ^ actuelL: a.
? — birda IX, 105; bride?
terra — terra VIII, 7, etc.; cf. § 29.
nova — tiouva II, 69, etc.; cf. § 51.
opera — ouvra I, 44, etc.; cf. § 51.
causa — causa X, 6g, iiia; mot savant.
Nostra Domina — Nostre Dama IX, 99, d'aprfes le fran^ais.
Nostre Da IX, 116 est Sans doute une abreviation.
Dans les types infect6s de yod, a s'est change en un son
que nos textes repr6sentent par i, y, it, e. Ce son ne devait pas
beaucoup differer du moderne y que nous trouvons a la meme
Position.
A. yod existe en latin.
filia — fillit IX, 90.
*parochia — perroche I, 41, etc.; cf. § 64.
*acquaria — aigire VIII, 93, etc.; cf. § 22.
petraria — pererit IX, 47, etc.; cf. § 22.
*crassia — gressit IX, 95, etc.; cf. § 21.
butt--f-ia? — bossit IX, 118, iig.
germ. *laubja — logit IX, 81, etc.; cf § 76.
a. germ. *auj6- — Oge II, 11, etc.; cf. § 78.
B. yod s'est developp6 en roman.
*acqua — egü IX, 72, etc.; cf § 18.
benedicta — benetit IX, 72.
vetula — villit IX, 88, etc.; cf. § 31.
*r9cca = rö<r^// IX, 60, 140, 141, 144; RocheN,-^2\ Rochit\X,2q.
die dominica — dismefichi VII, 3, etc.; cf § 45.
c(l)avicula — chivillie II, 96, etc.; cf. § 84.
serracula — sarralie VIII, 73, etc.; cf. § 2^^.
*pactica — pasche I, 131, etc.; cf. § 20.
planca — Planchy VIII, 163, etc.; cf. § 24; la Planche, quartier
de la ville de Fribourg.
-ata a suivi un double ddveloppement:
a(t)a = a
a(t)as = "^aes puis äye, cf. § 2.
cera — «V^I, 56; II, 163; VII, 100, 120; fyr^X, 95; mod. .r/r?.
M. Gauchat explique sirs par une influence des mots en -aria
= -ir3, ou par un *ceria.
, „ f au XV^ s. : e.
^ 98. -as = ( ^^^^^„ . ^_
alas — alez V, ^2)\ niod. ale.
germ. *laubja — löget (pl.) IX, 73, etc.; cf § 76.
i6*
244 J' GIRARDIN,
germ, *raubha — robez (pl.) VII, 6, etc.; cf. § 76,
Pasquas — Paquet IX, 62, etc.; cf. § 8.
bonas — botmez I, 95.
palas — pallez I, 132.
grossas — grossez I, 140.
petras — pieirsz III, 16, etc.; cf. § 25.
parabolas — parolez IV, 27.
? — ramassez I, 46; mod. rumäse ou ramase, balais.
fenestras — finesire IX, 89, 90; cf. § 30.
Je manque d'exemples pour les verbes.
§ 99. -at = e (n'a pas chang6).
*demorabat — desmorave X, 8; cf. § 4.
§ 100. -ant = -ä.
in-{- cum-f initiabant — eticommencievant IV, 58; cf. § 12,
-ä s'est maintenu jusqu'ä nos jours ä l'imparfait. Mais au
present indicatif de la conjugaison en -are la forme en -ö semble
avoir pr^valu des le XV^ siecle:
restant — res ton VIII, 71.
*carrizant — charreotii VII, 90; cf. § 105.
2. e.
§ 10 1. -e disparait g6neralement, aux deux 6poques.
a) fasce — faix I, 31, etc.; cf. § 20.
*axile — assis VII, 156, etc.; cf. § 49.
nave — na IX, 102, etc.; cf. § 5.
calore — chalo^^r IX, 57, etc; cf. § 60.
*macione — maczoti pass., etc.; cf. § 69.
ß) ferrare — ferra VIII, 125, etc.; cf. § 7.
partire — party II, 42.
Lorsque e persiste comme voyelle d'appui, il prend un triple
developpement:
( A. -e.
-e = <! B. -u, a.
I C. -p.
A. Parmi les mots oü -e s'est maintenu, je signale:
matre — mare X, 12; mod. ?näre\ ne se dit plus aujourd'hui
que des animaux, cf. § i.
Les mots en -ator on refait leur finale d'apres les noms en
-ater (pater, mater, frater):
m. h. all. ungelt-|-ator — ungellare VIII, 59, etc.; cf. § i.
tegula-j-ator — iiollarre VII, iii, etc.
*molator — mollarre VII, 170, etc.
LE FRIBOURGEOIS AU XVE SIEGLE. 245
II y en a d'autres encore, cltes au § i.i Ces mots sont de-
venus rares en patois.2
B. J'ai quelques exemples pour le XV^ siede:
Silvestre — Sarvetrii IX, 85; mod. savtsu.
arbores — arberos X, 71; mod. äbru.
tenues — tenevo I, 47; cf. § 94.
*secale — seüa X, 37.
C. Je n'ai qu'un exemple probant:
*abbattere — ahairit IX, 60, 140; mod. ahatrd.
3. i.
§ 104. i est tombe ou a fait place a une autre voyelle
d'appui.
LV final que nous trouvons dans un certain nombre de graphies
ne remonte pas ä i latin; il repond ä d final du patois moderne,
dont il ne devait pas s'6carter beaucoup dans la prononciation.
turri — tor V, 21; VII, igo; mod. hve.
die Martis — dhnar VII, 82; mod. denia.
Mais:
die Mercuri — dimecre VII, 45; mecre X, 29 ecrit avec un e
d'appui; actuellement la voyelle d'appui est u: demtkru.
4. -o (-u).
§ 105. -o tombe, sauf quand il sert de voyelle d'appui.
pratu — pra VII, 43; pras IV, 36.
quadratu — quarr a X, 108.
capitellu — chevetel III, 28, etc.; cf. § t^^»-
Mais:
Petru — Pierro VIII pass.; VII, 173, etc.; cf. § 26.
co(o)perculu — coverclo VIII, 83, 93; cf. § 29.
cupru — couvro VIII, 88, etc.; cf. § 59.
scalpru — eschanpro, etc.; cf. § 24.
*cimeteriu — cy7neiiero, etc.; cf. § t^z.
armariu — ermero VIII, 83.
extraneu — etiranjut IX, 8; etranger.
baptisteriu? — bachitiero VII, 115.
calice-fu? gallicho VIII, 97; calice? Cf. aussi gallice VIII, 98.
Theodulu? — Thodollud IX, 5.
Claudu — Gla^-duc IX, 21, 27, 66; Glando VII, 122, 207.
1 II y a aussi:
magist er — mas(re^,i; /naisire pass,; tnestre pass.; mod. meire. Quand
aux autres graphies de ce mot, elles se rapprochent plus ou moins
de l'allemand «Meister».
^ Pour Dompierre, M. Gauchal n'en cite pas. — A Fribourg, on dit en
fran9ais populaire le «cibare» (= a. h. all. sciba + alor; cf. § 46).
246 J. GIRAKDIN,
? — gomo I, 28; gomoz I, 159; espece de petite pelle a rebords
pour remuer le mortier. Cf. Grangier, Glossaire fribour-
geois, ä l'article gotinie.
Je crois reconnaitre la meme voyelle d'appui 0 dans les noms
suivants, dont j'ignore d'ailleurs rorigine et le sens: buh 1,114;
II, 98; III, 18 (peut-etre „Bulle", ville de Gruyere); hoczo II, 28;
jiw VII, 174; peilo I, 118.
Pour l'article (il)lu, cf. § 81.
Comme on voit par tous ces exemples, u final ne se trouve
que dans le IX*^ compte; dans les autres comptes, on a 0 final
(qui ne se trouve represente que par un seul exemple dans Ic
compte IX: lo, 96). En frib. moderne la finale d'appui est tou-
jours ti.^
-OS se comporte comme -o.
passu — pa (pl.) VIII, 37.
modulos — monnoz I, 73, etc.; cf. § 58.
? — encello I, 5, 14, 78; II, 78, 91, 130; III, 13, 34; IV, 66;
V, 14; encerloz VII, 148; X, 81, 85; encerlo VII, 151; VIII,
112, 116; X, 83, 84; ^«cc;-/z^</ IX, 33, "jy, aisseaux; frib.
raod. äs§le.
quadru — carro (pl.) II, 77; cf. § i.
f au XV^ s. : 0«.
-unt I actuell.: d (comme a Dompierre).
de ardere — arson VII, 123; brülent.
de restare — restaron IX, 12; resterent.
de partire — partiron IX, 3, 6; partirent.
de *fallire — faUiron IX, 30; manquerent.
-unt a dcjä supplante, au XV'= siecle, -ant au prcbcnl de
l'indicatif:
restant — resion VIII, 71.
*carrizant — charreont VII, 90.
CONCLUSION.
Les modifications bien caract^risees du vocalisme fribourgeois
depuis le XV^ siccle sont, a ce qu'il me semblc, les suivantes:
1. — Une diphtongue decroissante ie se raccourcit en / dans
les noms en -iacu (§15) et dans les mots contenant ^■\-y (§ t^z).
2. — Un e, Sans doute tres ferme et long, passe ä l dans le
representant d'*acqua (§ 18), dans quelques mots en ^r + cons.
(§ 29), dans les mots en /j-j-cons. (§ 30), dans mesme (§ 41), dans
le representant de lectu (§31), dans tous les mots en -ellu (§ t^-^.
3. — La diphtongue romane au (provenant de al latin en-
trave tonique) se reduit ä ö (§ 23).
4. — i passe ä ü devant v roman (§ 46); il devient x dans
les mots oü en latin il 6tait entrav6 (§ 47).
' Cf. l'introducdon p. 201,
LE FRIBOURGEOIS AU XVE SlfeCLE. 247
5. — Dans or (= or et or latins + cons.) s'introduisent les
diphtongues ivä, ivä (§§ 53 et 62). On a ivä de meme dans or =
auru (§76), parce que wä < qr est anterieur ä z7 < 0 (= au lat.).
6. — Un 0, Sans doute tres ferme et long, passe a ü dans
le repr^sentant de clavu (§5, exceptions), dans les mots ayant
Oi" + cons. (§ 54), dans ceux ayant o/+cons. (§ 57^), dans do =
duos (§ 59), dans certains ayant o^ + cons. (§ 63), dans les mots
ayant la diphtongue latine au (§§ 76 et 78).
7. — Un V intercalaire s'introduit dans les descendants de
rota (§ 51) et duas (§ 59).
8. — A l'initiale, tsar = car lat. + cons. devient ts§r (§ 84 fin).
En outre une diphtongue we = n lat. + f, g parait s'elargir
en tvl^ (§ 64).
APPENDICE.
Liste de quelques mots qui n'ont pas trouve place
dans cette 6tude.
amhlaix I, 145; sens?
heche, passim; esp^ce de machine.
bodin VII, 26, 27, 76; boucherie?
cherier X, 87; charretier; mot refait sur eher', cf. § 9.
corent II, QO, partie de la beche (cf. sup.).
uiyt I, 63, 66, 109a, 132, 160, 163; ciiytz I, 157; morceau de
bois qui sert de coin ou de cale (?).
dagnic I, 58, 94, 104; daignie I, 135, 139 (2 fois); daignies I, 123;
daigne I, 94; espece de machine. Cf. le prov. mod. dagno
(Mistral, op. cit.).
dagnion III, 26; tronc d'arbre propre a faire une „dagnie" (?).
decupillie IX, 47; memo sens que le suivant (?).
dcsiupühr I, 71, 121; II, 70; III, 21; dcstupillier X, 48; degager,
desencombrer, deboucher. Cf. la. prov. destapar, deboucher
(Raynouard, Lex. rom), prov. mod. dcstoupa, etc. (Mistral,
Tres. du Felibr.).
deylaire VII, 64; sens?
empasthiene (ou ejnpasihievel) VII, 125; sens?
emif7i VII, 132; sens?
escot VIII, looa; recueilli? rcparti? (en parlant de dimes). Cf. le
fr. „ecot".
elraborQ) IX, 120; est une graphie indcchiffrable.
faiancie IX, 2y, sens?
filliestre IV, 14; beau-fils, gendre. Cf. l'a. fr. filliasire, l'a. prov.
filhastre, etc. On pourrait placer ce mot au § I3£.
frepes I, 155; III, 35) frettes.
funjallons II, 134; sens?
gletare (infin.) I, 120; sens?
{pa de) gre VIII, 37; peut-etre: marches d'escalier; gre serait
gra (= grados) „francisc". En frib. mod. „l'escalier" se
248 J. GIRARDIN, LE FRIBOURGEOIS AU XVK SlfeCLE.
dit le-z-egra, pluriel de *Pegrä, qui repr^sentait dcja un
pluriel latin: illos grados (cf. Gauchat §1).
vitres II, 99; jantes. Cf. le prov. mod. intro, jante.
juQ) IV, 20; sens?
lateret I, 10; II, 154, 161; VII, 150, 165; IX, 76; lacterel I, 39;
laueret X, 90, 95; laiteretz X, iio; (clous) de lattes. C'est
un adjectif.
lires I, 151; II, 1-1 6; lirres VII, 189; especes de cordes.
niaislase VII, 179; sens?
fuesse IX, 149; meteil (?); de mixtu + ellu (?). Ce serait le seul
exemple (cf. toutefois arhelesires % 22)^ oü st aurait donne
j au XV^ siecle.
viilHon II, 105; milHofts III, 21; {priii) mülion II, 108; III, 48; V, 8.
Cf. milhou = moellon, en Dauphinö (Mistral, op. cit.).
viii VIII, 52; mil, mais? Cf, le prov. viil (Raynouard, op. cit.),
mi, etc. (Mistral, op. cit.). Est peut-etre aussi mixtu, meteil.
nyvolla ^^'^y, nyvoUe III, 41; nyvoUes (pl.) I, 151, 161; II, 146;
nyvyoles (pl.) I, 144; espece de corde.
orhet VII, 130; aveugles? Cf. a. fr. orhe et a. prov. orb.
orsai I, 109, 149, 164; V, 30; sorte de machine, ourson. Cf. le
prov. orsat = ourson (Raynouard).
paiissu VII, 71; sens?
penot I, 155; partie de la „beche" (cf. supr.).
rebaissiere IX, 18; sens?
riede I, 34; II, 123; rede IV, 102; riedes II, 80, 123, 165 (3 fois);
VII, 157; redes IV, 102; redez IV, 102; ce mot designe
tantot un char (ä ridelles?), tantöt le transport effectue
avec ce char.
rot VII, 30, bris6?
schit I, 21; sens?
secu VII, 170; sens? Ce mot est employe en parlant des cloches
d'une 6glise.
torilis VII, 170. Ce mot, dont j'ignore le sens precis, est employe,
comme secii (cf. sup.), en parlant des cloches d'une 6glise.
iraf fites II, 99; partie d'un char. Cf. le prov. traficho sorte de
gros clou, etc. (Mistral).
Joseph girardin,
Erratum: Au § 31^?, nole 3, lisez: «cf. §§ 18, 29».
Note sur le consonantisme de l'ancien fribourgeois.
On me permettra, ä propos de 1 etude de M. Girardin sur
l'ancien vocalisme fribourgeois, de reunir quelques remarques sur
le consonantisme, qui pourront servir de points de repere et de
jalons pour les etudes ult6rieures.
I. C + a, G + a, e, J.
Le traiteraent actuel de ces consonnes est ts, dz, voyez
Zimmerli, tableau VIII. Je pense qu'au XV<^ siecle il n'6tait pas
different. Cela me semble prouve par le fait qu'a cote de ä Andre
et äMicho VIII, 78, 79, 133, on trouve ä Andre et ä Miczo VIII, 138;
qu'ä cote de Hanns Simizer VII, 15 et Hans Siviczer IX, 126, on
trouve Hanso Sivicher VIII, 46 et Haiisit Siviger IX, lOg; qu'enfin
les noms de lieux Zug et Oranges, village pres de Fribourg, sont
Berits Chug VII, 78, Granse VIII, 49 (un a peu pres pour Grandze).
II. GL, GL.
Voyez le traitement de ces groupes pour le cantoh dans
Zimmerli, tableau IX. Au XV^ siecle, je crois qu'ils 6taient en-
core intacts.
Pour le Premier, la chose est assuree: voyez dans I'etude de
M. Girardin les representants de claves clavos § 4, de claru
Claras § 7, de coperclu § 29, de circlu §41 fin, etc., etc.
Pour gl, les exemples manquent; on n'a que les representants
d'ecclesia (Girardin, % t,2 note), mot que je ne crois pas popu-
laire dans la Suisse romande, et dont Tun egiesse me parait simple-
ment une faute. G laude dou Tou (Girardin, § 59 rf), un nom propre,
ne prouve pas grand' chose. Mais il est permis de supposer que
gl aura commence a s'alt6rer en meme temps que cl; voy. aussi
la remarque ci-apres.
III. PL, BL, FL.
Ces groupes aussi restent inalteres au XV-^ siecle; voyez leurs
traitemenls actuels dans Zimmerli, tableau IX.
Pour pl: aplana X, 80, apples I, 84, pliwia I, 160, chapplar I, 49,
plates VII, 38, etc., etc.; en outre, les representants de Planu ad
fetas (ap. Girardin, § 24).
Pour bl: emhlaes II, i^^ bis, criblar I, 29, cribla IX, 48, trable
VIII, 83.
Pour fl, les exemples manquent. II est permis de supposer
qu'il s'est altere en meme temps que pl et bl.
250 P, MARCHOT, NOTE SUR LE CONSONANTISME DE L'A. FRIB.
IV. S romane, sourde et sonore.
Haefelin, dans ses textes, note pour Fribourg, par ,9 (ss entre
voyelles), «iine prononciation qui tient le milieu entre le § et Vs dur
des Fran^ais», et par s (entre voyelles) l'intermediaire «entre le z
et Vs doux des Fran(pais»; M. Girardin note partout franchement
pour l'epoque actuelle les sons s et i (mots patois passim).
Ces sons au XV^ siecle etaient encore s et z.
Pour s, en effet, on n'a Jamals la graphie sc/i comme dans
scliiba et schour. II est vrai qu'ä cote de schiba on rencontre deux
fois sibes (Girardin, § 46) et qu'on pourrait supposer que l'auteur
francise faussement schiba en sibe d'apres les ^quations si = fr. si,
si'i = fr. sur, etc., et qu'il avait par consequent le son s dans son
patois. Mais pour moi, il n'en est rien; je pense que sihe est tout
bonnement la forme franyaise, = cible. Quant ä schour (Girardin,
§ 36), il faut en tirer le s de sy. Dompierre, qui a j comme äqui-
valent de Vs francpais, dit stt.
Pour 2, voici des exemples tires de l'etude de M. Girardin:
des formes de «creuser» § 16, vissin § 50 (graphie allemande?),
chandelouse % 60, tison tisson § 69, mesura § 86, posar § 91, chisue
§ 84.
V. ST.
Le groupe st etait r6duit au XV'' siecle ä /; cela est prouv6
d'une fac^on peremptoire par des graphies comme assotar § 7 ad-
su(b) Stare, dont !e verbal est [/'«] sotia § 61, Sarvetrut Sil-
vestre § 30, inoiie § t^2, fotelz fagustellos (Odin, p. 39) § 33,
Pe7istecoita Peiistecolia § 54, cottiour *costatoriu § 66, ettranjut ex-
traneu §105. Le bizarre arbelesires = arbaletriers du § 22 fin
ne peut etre qu'une faute: il figure dans le meme compte (I) que
coHiour et fotelz et de plus -ire n'est pas le traitement de -aria
apres non palat. De nombreux mots presentent st (§§ 10, 30, 32, 54),
mais c'est l'orthographe 6tymologique, habituelle dans le franc^ais
du XV'^ siecle. Le traitement actuel de ce / est dans le canton
Selon les r^gions /, i9-, s et meme h (ä Montbovon), voy. Zimmerli
tabl. XII, ce qui n'est aucuneraent le traitement du / intervocal ordi-
naire (dans vite par exemple). La oii ce / a donne d-, s, etc., c'est
qu'il etait un peu palatal, alteration qui a pu se produire lors de
la chute de s,
VI. R finale.
i? finale etait tombee dans le fribourgeois du XV« siecle: voy.
chez Girardin les §§ 7, 13, Z2^ 467, 66, les formes de «Cormin-
bceuf» § 60, chandelouse § 60 qui n'a pu prendre naissance que
par un *isandelou; cf. en outre les graphies «contraires» avec r
paragogique de amenar admenar § l, dar clars § 5, charreir § 42,
schour § 36, vellur § 70.
VII. L finale.
De meme, / finale dtait tomb6e dans les groupes -el (§ 33)
et -il (assis § 49). p^uL Marchot,
Die Mundart von Namur.
(Schlufs.)
u (lat. u).
Betontes.
51. a) ti wird ü\ nü (nudum) ; ^r« (crudum); ^j/« (*festucum);
stuf (estuve altfr. , Ofen); pü (plus); sayü (sabucum); kü (culum).
Die Participialendung -iitum: /^'^ /-«'?>■ (perdutum); j-« (secutum); ts§yii
(cadutum); v'nü (venutum) u. a. Das latein. Pronomen tu ist //,
s. § 107. — Eine Ausnahme machen: yce (habutum), S(£ (saputum),
wo wohl Verschmelzung mit dem vorhergehenden Vokal eingetreten
ist (s. § 13). Part, praet. von *essere >> sti (entsprechend altfr. stiut,
s. Marchot, Solutions p. 86) ^ — Lüttich hat in diesem Falle u
statt w, vgl. Marchot, Solutions p. 81 ff.
b) Tritt dagegen u in den Hiatus, so wird es zu (£ vor dem
hiatustilgenden iv, besonders beim schnellen Sprechen lag der Laut
etwas nach 0 hin. Dieser Wandel ist den ostfranz. Mundarten ge-
meinsam, vgl. Meyer-Lübke, Gram. I § 61; Horning, ZfrP XI, 264 ff.
Hervorzuheben ist dabei, dafs unsere Mundart die analoge Ent-
wickelung von -itam >> ly nicht kennt (s. § 37b). — tsp'cfiv (car-
rucam); rmv (rugam); ebenso Endung -utam > (xiv: kozcKW (*co(n)-
sutam) u. a. Frz. suio (*sucidam, nach Horning, ZfrP XIII, 324) ist
snf, wo f aus dem hiatustilgenden 7t' entstanden ist — Eine Aus-
nahme machen von dieser Regel: silt (secutam), Komp. porsül;
risüt (zu risür, recipere), wie altfr. (s. § 66). Das w findet sich
häufig in den alten Texten: C. d. v. (1364) ruwe. Cart. II, 95 (1377)
temaves; II, 12 1 cheruwe. Grandgagnage : Coutumes (1482) reuwe.
c) Vor r tritt ebenso eine Veränderung zu (v ein: mcer (mu-
rum); Jiam^r (Namur); dq:r (dura(u)m); mfz<xr (mensuram), ebenso
das Verb; S(pr (sur, germ. sauer); maturum ist juasr. — -urara:
mut(r.r (mouture); dzdtqsr (jointure); sflsq; (s6cheresse; in anderen
Mundarten: sfiscej). Daneben steht«: i'wr (securum); kivazür {h\Q^-
sure, zum Verb kwasl) ; dqblür (doublure) ; so in St. Hubert, Marchot
§ 108; vgl. auch Feller § 70. bulyrum (beurre) ergiebt bür, wo
aber auch der Labial eingewirkt hat; Cart. Din. IV, 2 bure. Ueber
diese Erscheinung bei r auf dem nordöstlichen Sprachgebiet vgl.
W. Foerster, Venus la d6esse p. 51; Doutrepont, Jacques d'Hemri-
court, in Mem. cour. de l'Acad. belg. XL VI, § 65; Marchot, Solu-
tions p. 84, RDPGR IV, 84; Behrens, ZfrSpruL XII 2, 78 ff.
^ sti auch in Givet (1. c.)
252 J. NIEDERLÄNDER,
52. u vor Nasallauten ist ü, das nicht nasaliert ist. Hin
(lunam); /i;-«« (prunam); />/?/>/ (plumam); /g^/«w (enclume, incudinem);
dzün (jejunal); si^n (ecume, germ. U.), i infolge des i-Lautes; film
(fumat). — 0 (unum), absolut dk (s. § 88 c), on (unam), infolge ihrer
meist vortonigen Stellung, ebenso Iddi (lunae diem). Dies finden
wir in der älteren Sprache belegt: Glos. 38 vO 32 on\ 40, 25 one;
desgl. Ch. W. N. (Rom. XIX, 83); C. d. v. (1364) londL Andere wallon.
Mundarten kennen nur den o-Laut, s. ZfrP IX, 487; Marchot, So-
lutions p. 83.
53. tt + /-Element wird « über ?«. yr« (fructum); /«> (lucere);
kqdü (conductum) ; <//j-ü'?'/ (grand brüit, altfr. deduit); ö'/j/r^> (*distru-
gere). — Frz. lui lautet betont wie unbetont li (s. § 107).
Glos, haben ?«' > u\ 37 v** 38 atru (mehrmals); 38, 29 esstrus
(instructos); 38, 54 /»«jj^; 39, 24/«^/; 2^<^ s^ \\ entnis. Chr. v. Flor.:
conclure : reluire', consiriiire : sepidture (ZfrP XXI, 11).
54. Gedecktes u ist gleichfalls ü: dzüs (justum); pürts (purgat);
fü (fustum, franz., da s verstummt, s. § 70a). — Vor /: «üp/ (nullam,
nur Herr Oger), davon abgeleitet: fK^Ime.
Unbetontes.
55. a) u im Hiatus ist //, beim schnellen Sprechen mehr w.
tue (tutare); btäy (bucatam); tiwal (truellam); rwal (ruga + ellam);
hruer {bxnyh.xe)\ n'sive (*re + exsucare). — *mutellum ist Dtpya, fem.
mgyal; sternutare > styp-m über *stern-Itare.
b) Sonst ist ü geblieben: fümer (*fumariam); alibnwär (Blitz,
s. § 27); pürnal (prunellam); prihü (prunarium); püni (punire); dis-
dzüne (dejeuner); rnlley (*nubilalam, Wolke), roenii (rumigare, ru-
miner) unter Einflufs von vi. — d (unum) und Iddi (s. § 52). —
simr^t (Schaumlöffel) zu ,s/>«.
c) Ebenso «-{-/-Laut: ü\ distrüzä (detruisons) ; minüzi (minu-
tiarium).
d) Zwischentonig gefallen in : viaie (matutinum) ; pr§sti (pisturire).
56. a) Betontes äii: i) diphthongiert vor s\ was (auso); ripivas
(repauso). causam >> tsy.s ist entlehnt. — inclausum lautet fklo.
2) erscheint als if. py.f (pauperem); diskUp- (*deexclauderc);
r§klT^r (*re-inclaudere, renfermer). — Frz. robe ist ri^p. Glos. 38, i
povre. Bei folgendem «-Laut zu g über du > 0", s. § 5 : pö (pau-
cum); irö (*traugum). C. d. v. (1385, 1407) traus. Glos. 37 v** 24,
40, 1 1 poii. Ch. W. N. pou. Chr. v. Flor. pau. Die heutige Schrift
bedient sich des Zeichens au, um diesen ö-Laut wiederzugeben.
3) ö«-f- /-Element: öw (aucam); dsyty (gaudia).
56. b) Unbetontes au\ i) diphthongiert unter dem Einflufs der
stammbetonten Formen in: ivazü (*ausere; für die Infinitivendüng
s. § 120 a); ripwaze (repausare).
2) erscheint als o'. /orya (taurellum); orey (auriculam); disklqyü
(Part, praet. zu diskl^r); oyü (audire, s. § 120a). *traugatum >
DIE MUND ART VON NAMUR. 253
trawe, so Man. nam. 24g irawer; C. d. v. (1409) traivie. *aucellum
ist gewöhnlich durch miisd vertreten; das Wort findet sich aber
noch in der Redensart: ttza volä (von einem leichtsinnigen Menschen
gesagt; Herr Stevaux). Glos. 38, 24, 38,17 usias. — St. Hubert
hat ähnliche Entwickelung; Lüttich hat vor s w§ wie auch bei ge-
decktem ö (§ 44).
Konsonanten.
57. Wie allgemein im Osten gelten folgende Regeln: a) Die
in den wallon. Auslaut tretenden Konsonanten werden stimmlos,
z. B. öp (arborem); fromats (formaticum). Feller, Anm. zu § 58,
konstatiert nach langem Vokal einen gewissen Hang zu stimmhaften
Konsonanten. Besonders bei wiederholtem Nachfragen konnte man
die Absicht erkennen, stimmhafte Laute zu sprechen.
b) Tritt im Inlaut ein stimmhafter Konsonant zu einem stimm-
losen, so wird er ebenfalls stimmlos: z. B. ts'fö (caballum). Aehn-
lich im Franz., vgl. Passy, Sons du Fran^ais § 235.
C.
58. c vor a im Anlaut und hinter Konsonanten im Inlaut
wird, wie altfr., zu ts, im Gegensatz zum Pikardischen (Hennegau).
Ueber die Aussprache des ch im Altfr. s. Suchier, ZfrP II, 294 ff.;
über die heutige Grenze s. Meyer-Lübke, Gram. I, § 410.
a) Im Anlaut: tsäp (cameram); tsiniis (camisiam); fs^r^w (car-
rucam); isäso (cantionem); isf (cattum); isfslya (castellum); tsyp
(caballum); isö (carnem); is^/ya (capillum); isapya (*cappellum);
/S^jZ (*captiare) ; /s^ (calidum) ; /s^^^r (cathedram) ; /s^;-<5ö (carbonem);
iSfrp^ti (carpentarium); tsiikt (calcare, pousser), dazu: Isüktnär (cau-
chemar); /s^ (caveam, Taubenkäfig; für vy % 89b); ts§rdzi (carri-
care); in Floreffe, Gembloux: k§rdzi.
Der Regel entgegen steht einige Blale k: köf (cave, gelehrtes
Wort; C. d. v. (1578) cauve); kädzi (cambiare), dazu: kädzme, das
wohl als Lehnwort zu betrachten ist; denn in den von Borgnet
citierten „Transports de Namur" findet sich (1434) camhgi, in der
Bedeutung „mont-de-piet6", dazu cambgeur; auch bei Jacques
d'Hemricourt : cangier, discangier\ kaledzi (calumniare, mettre ä
Tarnende, als Ausdruck der Gerichtssprache); kastan (castaneam,
Lehnwort); k^kt (chatouiller); kmiada ist die Bezeichnung für die
Kartoffel; bei Zeliqzon, ZfrP XVIII, 315 ist die Frucht so nach
der Blüte benannt. Die Prov. Lüttich hat krop'ir (s. Le Wallon
P- 33)> wie auch in rheinischen Mundarten; kanada ist auch in
Raillicourt (franz. Ardennen) bekannt. — *caveoIa ist gayol.
Die ältere Sprache verhält sich ebenso; Ch. W. N. ch vor a:
chastel (Rom. XIX, 79). Gart. II, 121 cheruwe. C. d. v.: eher gier,
cherpetier, cherbon, etc. Glos. 39, 29 chose; 38, 30 pechiet. Chr. v.
Flor.: ch (ZfrP XXI, 13).
254 J- NIEDERLÄNDIlR,
b) Nach Konsonanten: i) Vor dem Ton: kuts'i (collocare);
/>^/Si (peccare); — Av/^^z (calcare, nach Meyer-Lübke, Gram. I, §410
wegen des vorhergehenden Vokals).
2) Nach dem Ton: pläts (plancam); ybA' (furcam) ; y'züa/i' (*fa-
bricam, forge); botst (buccarium) ; vais (vaccam); ets (incaustum,
altfr. enche); spts (siccam, ebenso das Masc, so Jonas 15 seche
(masc.)); bus (buccam, mit weiterentwickeltem 5^, wenn nicht ent-
lehnt), St. Hubert hat btiis; Dimin. bokf (buccam + ittum, morceau).
Daneben findet sich k: bläk (blancam, Bildung an das Masc. s. § gg);
Glos. 38, 25 blanke (fem.), dazu Verb. bläkJ\ ebenso fräk (*francam);
klok (cloccam), aber klotsi, so immer Cart. und C. d. v. — Die-
selben Ausnahmen Chr. v. Flor. (ZfrP XXI, 13).
5g. Intervo kaiisch ist c vor a sowohl vor als nach dem Ton
gefallen unter Entwickelung: a) eines j' bei hellen Vokalen: i) Vor
dem Ton: payl (pacare); afroy'i (*adfricare) ; soyn (secare); n§yi
(necare); bray§t (*braca -j- ittam) u. a.
2) Nach dem Ton: päy (pacat); sy.y (secat); v§siy (vessicam);
tiey (necat) etc. — Eine Ausnahme bildet: t'ik (thecam, taie), wo
Gaumet richtig entwickelt: tüy hat.
b) eines w nach labialen Vokalen: öw (aucam); ts§rqßw (car-
rucam); l§i(£w (lactucam), wie auch in unseren Denkmälern, z. B.
Cart. II, 121 cheruwe, u. a. Vgl. auch Hiatustilgung, § g4.
c) Suffixe -ica, -icare: Für ihre Behandlung im Osten, be-
sonders im Lothring., s. Horning, ZfrP XV, 4g4 ff. -ica: dimpi (dies
dominica); grpi (grange, *granicam); güy (*gallicam, Wallnufs); py§s
(perticam). — Wie auch im Folgenden, ist das c in dieser Ver-
bindung vor der Synkope gefallen; der entstandene jF-Laut hat
sich dann mit dem vorhergehenden Laute verbunden. Cart. Din.
I, 12 (1301) dimengne, wie häufig in den Cart.; Man. nam, gaille,
graigne\ Cart. Din. 15 (1535) graigne. — Hierhin zu stellen ist
auch pwas (porticum), altwall, porce, so Dial. Greg. 40, ig.
-icare: most (masticare, lothring. mwa^^tyi); Chev. a. c: massier
V. 10251, 11067; über st s. § 70 b. kl§pl (*cloppicare, selten ge-
braucht); über pj s. § 8g b. medi (medicare, in der Bedeutung
„soigner les betes malades '', Herr Stevaux) zu altnam. inedde (me-
dicum). r''n§ti (*renitidicare). nasi (*nassicare, altfr. nachier, durch-
stöbern), die Nasalierung infolge des vorhergehenden Nasals, wie
häufig im Lothring., vgl. § 6a bei 77u. ploki (*plumbicare, plonger),
plumbum ^ plo, aber Lüttich plgk (s. § 88 c), wohl von dem Subst.
gebildet. *formicare {frq:mqe, bei This § 58) scheint nicht bekannt
zu sein. — ts^rdzl (carricare), sivarsT (*excorticare, ^corcer).
-dicare: miim (*mandicare)i, hiernach rofil (ronger), funi (*fun-
dicare), dazu fufiä (Maulwurf), über « s. § 88 b. — rpyj (*radicare,
altfr. rayer); fuyl (fodicare). Bei vorausgehendem r: tordzi (tar-
dicare). — Glos. 37, 4g ino7igie. Ch. W. N. XI (1272) ?naigiiier.
Pasq. mougni.
1 ebenso in Givet (1. c).
DIE MUNDART VON NAMUR. 255
Anschliefsend hieran die Entwickelung von -icum: fet (fidicum,
foie); altnam. medde (medicum), so C. d. v. (1428), heute durch das
franz. Wort verdrängt. ts§nd7i (canonicum, Kirchenwort!); ptvas
(porticum) s. o.
Das Suffix -aticum ergiebt als, s. § Qb,
60 a. c vor e, i im Anlaut und nach Konsonanten im Inlaut
wird zu s.
i) Im Anlaut: sy§rfny (caerefolium) ; se (centum); sir (ceram);
risüne (recoenare); ses (*censam, ferme); dazu sest (fermier) u, a.
2) Nach Konsonanten: piirsya (purcellum); lasya (*lacticellum) ;
sya (ecceillos); ös (undecim); dos (duodecim); ny§rsd (*ericionem) ;
y^s (erpicem) neben ip (s. § 23); so (salicem, altfr. salz), wo s ver-
stummt, swas (*excorticem), wo s wohl aus Assimilation an das
erste s entstanden ist.
Alle in Betracht kommenden Denkmäler zeigen in diesem
Falle c mit seltenem pikardischen ch (vgl. Rom. XIX, 80).
60 b. Intervokalisch wird c vor e und i:
i) Vor dem Ton zu i: kuz§n (cuisine), neben küz§n\ plez'i
(placere); nqez'i (*nuciarium); /io/?r (paisible); ^/i<?>;/ (dixieme); rceze
(racemum); viznöf (*vicinabilem); w§ze (vicinum), entlehnt, neben
tv^ze; d'zä (dicimus); dizäf (dicebam); uza (*aucellum, in der
Redensart uza volä); kroez§l (*crucem-|-ittam); //-/j (licere). — Ueber
fyä (faisons) mit anderer Bildung s. § 140I.
In Lüttich wird unter diesen Bedingungen c zw h\ diese Ent-
wickelung bildet einen der charakteristischen Unterschiede zwischen
dem Namurer und Lütticher Sprachgebiet (s. § 73).
2) Nach dem Ton tritt der stimmlose Laut ein: s\ ««i (nucem);
dts (decem), vor Konsonanten di, bei Vokalen wieder der ent-
sprechende stimmhafte Laut ; ebenso hs (sex). Hierhin zu setzen ist
wohl auch frimus (Maulwurfhaufen), Horning hat ein friimii (*for-
micem), vgl. auch RDPGR III, 273. Dagegen ist der <r-Laut ge-
schwunden, wie auch in Lüttich und im Lothring.: wf (vocem);
krw§ (crucem); pl (pacem, franz.), neben seltenem pg\ b§rbi (*ber-
becem); sorl (soricem); py§tri (perdricem); dzini (juvenicem).
Für die Urkunden, die im nordöstlichen Sprachgebiet -cem
> j kennen, s. Rom. XVII, 562, XIX, 80; das Schwinden des Pala-
tals zeigt croie (crucem) Ch. VV. N. (1257).
Statt s hat Lüttich einen X'Laut, den Wilmotte, RDPGR
11, 38 ff. erklärt und dessen Grenze dem s gegenüber feststellt
(s. auch § 73b); in den Ch.W. N. (Rom. XIX, 80) kommt dieser
Unterschied als Merkmal der beiden Gegenden schon für das
13. Jahrh. vor.
60 c. cj wird s in jeder Stellung:
i) Vor dem Ton: manst (*minaciare) ; lasi (*laceare); rabrfsi
(embrasser).
2) Nach dem Ton: glas (glaciem); las (*laceum, lacet pour
les grives); brachium ist br? mit verstummtem s, das in Lüttich
lautet; Pasq. schreibt brh.
3) Nach Konsonanten: t^s (calceam).
256 J. NIEDERLÄNDER,
61. c vor 0 und u: a) Im Anlaut ist k: kiilst (collocare); kwär
(cornu); kü (corium); h^ (colapum); kür (*coquere); /^ö//(57 (*colum-
bariura); hvas (costam); kolül (colobram, s. §41); kos (coxam);
kür (*corem); kqrsi (*corruptiare) u. a.
b) Im Inlaut: 1) Intervokalisch : Vortonig w entwickelt in:
rawm (*re-acutiare); auny (*acu + iculam, C. d. v. (1385) aiüiUie). —
Nach dem Ton fällt es: /«? (locum); f(£ (focum); dzq£ (jocum); po
(paucum); fislü (*festucum).
Die Ortsnamen auf -acum s. § 6 c.
2) Nach Konsonant: Verbindung cc zu is nach palatalem Vokal:
s§is (siccum, ebenso das Femin.); Jonas 15 seche (masc), vgl. ZfrP
XXI, 228; (5//S (beccum), dazu Verb 3//5^2 (becqueter) ; j^/i- (saccum),
Dimin. satso (sachet); bats (frz. bac, Wasserstein). Frz. soc ent-
spricht si (Etym.?). — Nach dunklem Vokal: tntikwf (*muccorium),
daneben frz. muszvf, viokyo (Auswurf aus der Nase). — ccj: isamosi
(moisir), bei Sigart: camousser.
62. c vor Konsonanten:
a) Im Anlaut: k: /^/f (clavem) ; ^/t/ö (inclausum) ; krw§ {cc\XQ.&cix)\
kriver (credere). — Im Gegensatz zum Franz.: krö (crassum), dazu
Substant. krös, Verb: gkrosi. — klok (cloccam), dazu klotsV, kr§s
(cristam); krl^y (cretam).
g ist eingetreten: fgUhn (incudinem, enclume); fglJs (eccle-
siam); ^rö&öj (6crevisse, germ. U.); ^/-özc'i? (germ. krauen, gratter). —
claviculam lautet isivly.
b) Im Inlaut: i) Nach Vokalen: et: z;«7 (*vocitum) ; </j (dictum) ;
le (lectum); ne (noctem); yüt (octo); kodü (conductum) u. a. — er:
dir (dicere); kür (*cocere); Um (lacrimam, miel). — Ueber cl vgl.
-iculum, -uculum § 31a, 3g, 48, und für x § 71b.
2) Nach Konsonanten bleibt c als k: sökle (sarculare); dk
(avunculum); S(k (circulum); Verbindung: nct: pd (punctu); pot
(pointe). Für sc s. § 7 i a.
63. Geschwunden ist c in: öZ7^ (apudhoc) ; vZ'si{yo\c\)\ es steht
k in den Lehnwörtern: prmonak (almanach); stomak (stomachum).
Q-
64. qu vor a hat meist die Aussprache k: X-a/ (quattuor) ; kor
(quartum, argent); kä (quando); ke^ (qualem). — kw steht in: kwa-
rfm (careme) ; kiver (quaerere, s. § 1 4 1 6) ; saktvä (einige ; nach
Feller '^siquanti).
aqua ist ew, davon abgeleitet : avis (s. § 9 c) ; sequere lautet
sür, sür (s. § 22).
Dafs früher die Aussprache kiv allgemein galt, wie heute in
anderen Mundarten (Lüttich, Lothring.), bezeugen: Pasq., Lieder:
q^wan. Herr Oger sprach ebenfalls immer kwä.
Glos. 38, 57 kmit neben sonstigem quarit. Ch. W. N. frühe
Schreibung mit k: keil, kant.
DIE MUNDAKT VON NAMUR. 257
G, /.
65 a. Im Anlaut: i) Vor a, e, i wird g zu d£: dzäp (gambam);
dza7i (galbinum); d§§r§ (frz. jarret); dze (gentem); dzale (gelare);
</#^/7«ö/ (*gemellam) ; rt'i/? (diurnum) ; «//^f« (juvenem); ö''i«V.^ (jurare).
Eine Ausnahme macht gäy (*gallicam), in Lüttich und St. Hubert
regelmäfsig dz. — genuculum > no, wo g mit n verschmolzen
ist, wie allgemein wallon.; das Verb ist asglinl. — gat (Ziege) ist
germ. U.
Analog der Entwicklung von c haben Ch. W. N. g, j (Rom.
XIX, 80), daneben auch Schreibung gh. (Ueber die Willkür der
Schreiber s. Wilmotte, Bull, de l'acad. royale belg. t. 33, 1897, p. 256.)
2) Vor o, u und Konsonanten bleibt g\ got (guttam); gcey
(gulam); disgqste (*deexgustare); ggvyo (gobionem); grä (grandem);
^rf~(granem), davon ^/»«z (granarium) ; ^/m (glisser); grüzya {gx^€)\
glas (glaciem).
65b. Im Inlaut: i) Intervokalisch. Analog der Entwicklung
von c entsteht zur Tilgung des Hiatus y bei hellen und zv bei
dunklen Vokalen: a) Vor wie nach dem Ton: n7/y (negat); r^y
(rigam); /o:)'<?~(legamen); /oyJ (ligare); «ojJ (negare) ; /öj^a (flagellum) ;
/flj)'^« (faginam); //jiv (*la(r)gare); ja;v (sagimen), Man. nam. XV, 429
sayen. — rw§ (regem) ist franz.
ß) zu tritt ein: rt^zv (rugam); /razve (*traugatüm); azvus (augu-
stum). So in den überlieferten Texten: C. d. v. (1364) ruzve, azvus/;
(1409) irazjüie, wie häufig in den Cart. und Ch. W. N. In fö (fagum)
und trg (*traugum) bedingte der nachtonige ^-Laut die andere
Entwicklung (s. § 5).
2) In Verbindung mit Konsonanten: a) gd: fr§ (frigidum);
rzv§ (rigidum); gl: regula, tegula s. §3ib; zv^yl (vigilare); striyi
(strigilare). gn wird n: ptin (pugnum); Ipi (lignum), auch vor dem
Ton: spn (signare, sich bekreuzigen); akspii (donner un coup bien
applique, tuer, s. § 8); ana (agnellum). Die Mouillierung ist ge-
schwunden, weil aus dem Franz. entlehnt, in: j/«^ (signer); manifik
(magnifique). — cognoscere ist kqn§s\ viginti > vel. — gs\ nies (ma-
gister), Glos. 39 vO 54 mause (magistrat); jne (magis). — gr: hrer
(*bragire, weinen); «zmr (nigrum); ^/zr (integrum); wo/ (*margilam,
altfr. marle). — ng: so (*sanguem), davon sdne (saigner); strdne
(slrangulare), in Lüttich: j/ro/t'; /^"zt; (linguam), dazu : /t^a/s (langage).
— ngl: segle (singularem), im Auslaut: ok (ungulam). — ngr: plel
(plangere); pet (pingere); dzöl (jüngere, toucher), Ch. W. N. ajonte. —
lg7-: mqt (mulgere, melken), Part, praet. tnodü.
ß) Vor Vokalen, analog wie im Anlaut; der stimmhafte Kon-
sonant wird im Auslaut stimmlos : v^/s (virgam) ; lö/s (largam, ebenso
masc). — ?/rlo/s (franz., horloge); wiu/s (franz., image). Id, fem.
Idk (longum, -am).
T, D.
66. Der durch Ausfall von d oder / entstandene Hiatus wird
hinter palatalem Vokal durch y oder hinter labialem durch zv ge-
Zeitschr. f. rom. Phil. XXIV.
17
258 J. NIEDERLÄNDER,
tilgt, Vgl. ZfrP XIV, 384. V f yg (videth); /s fyä (cadimus)-, gyü {audire,
s. § 120); sqya (sitellum); isfyer (cathedram); s^y (setam); -atam
> ey s. § 2.
w tritt ein: kqsw (caudam); r^w (rotam); Endung -utam > qew
s. § 51. — Das / ist nicht gefallen in: süt (secutam), Komp. />orj«7;
rtsüt (zu risür, recipere). — Es ist Bildung an das Masc, wie in
unserer Mundart auslautendes / lange gewahrt wird, s. § 68 a, oder
Analogie an Partie, mit / und vorhergehendem Konsonant. —
Keine Hiatustilgung, im Gegensatz zu Lüttich, in: »2^/ (meduUam);
bi^lt (betulla -|- arium). — sternutare ist sty§rni (über *sternitare) ;
polü (*potere), Analogie an *volere, s. § 142 1^. — Diese dem O. und
NO. eigentümliche Erscheinung finden wir das ganze Mittelalter
hindurch. So: Ch.W. N. (Rom. XIX, 80); Cart. II, 95 (1376) ienu-
wes (tenutas); Cart. Din. 35 (1340) perdtnve', 41 (1399) veymves;
Chr. V. Fl. (ZfrP XXI, 17).
67 a. Intervokalisches //', das vor dem Ton gemeinfranz. zu z
wird, ist z. raivizl (*reacutiare) ; sgzo, rosd (s. § 17); puzi (*po-
teare); iizne (*titionare, attiser); mniüzl (*minutiarium). — arene
(*adrationare) ist gelehrtes Wort (Rechtspflege!). — Im Auslaut
nach dem Ton: s: piis (*poteo), aber püs (*poteum, s. hierzu ZfrP
XVII, 232; Littbl. 1897 p. 231); über sti s. § 72. — di^ y: nüyrie
(media nocte); aspuyl (appuyer).
67b. Nach Konsonant ist ti^' s: /was (*fortiam) ; isfs (*captiat);
lesü (linteolum); korsl (*corruptiare) ; adyfrs'i (*adirectiare) ; kqmesl
(*cuminitiare) ; di\ wals (hordeum).
67 c. //: gqt (guttam); tot (tottam); tr\ peh (patrem); ?«?>
(matrem); bei Verben: et§r (intrat) s. § 125; //: j/ö/ (spatulara). —
d z\x /in: py§tri (perdicem).
68a. Auslautendes /, d ist verstummt: sivf (sitem); «« (nu-
dum); es ist gehalten in: yüt (octo); vel (viginti). -ardum > g
s. § IIb. Ueber st s. § 70, nd § 87b; -aticum > ais s. § 9b;
-ticare, -dicare s. § 59 c. — Alle in Betracht kornmenden Denk-
mäler zeigen / im Auslaut länger bewahrt als sonst; so Ch. W. N.,
im Gegensatz zu den Lütticher Urkunden (Rom. XIX, 81). Chr. v.
Flor, ebenso im Reime, jedoch schwankend (ZfrP XXI, 7).
68b. d, das in den wallon. Auslaut tritt, wird stimmlos: pret
(prendere); py§t (perdere); vel (vendere). — nük (franz. noeud ent-
sprechend) scheint germ. U. zu sein, s. Grgg. in Lüttich : nouk^ bei
Z61iqzon, ZfrP XVIII, 258 nok\ das Verb ist 7iüki, das Adjekt. nükx.
— tepidum ist typi, so auch im Gauraet; vgl. ZfrP XV, 495.
S, X.
69a. Anlautendes j ist stimmlos: sl^y (setam); s^ls (siccum)
u. a.; es ist s eingetreten, beeinflufst durch den folgenden Vokal;
SIS (sex), wo auch der Auslaut eingewirkt haben kann; sür (*se-
quere, über *siure), neben sür\ dazu: süt; süfle (siffler, *sifilare,
wo ü durch den Einflufs des y entstanden); sufflare ist jo/?^ (souffler).
DIE MÜNDART VON NAMUR.
259
sofie (simulare); fsoft (insimul); rasgne (rassembler) ; risone (res-
sembler); asir fadsedere, s. § 1410)"; a/ siS (gegen Abend, vgl.
RDPGR III, 273). ^
69 b. Intervokalisch wird s stimmhaft: zvazü {*ausare); ripivaze
(repausare); «^^/(^cisam + ittam); /^^z.^ (pe(n)sare). — In /ööfeo (*per-
desubtus) nach stimmhaftem Konsonant; petroselinum > /.^/-k ohne
Diphthongierung des e s. § 25bi. -osum > ^ s. § 46. 's, das in
den Auslaut tritt, wird stimmlos: kms (*co(n)suere), dazu Part, praet.
kozü; ivas (auso). -osam > ä^ s. § 46. — Ein s erscheint wegen
des vorhergehenden Vokals in: pris (frz. prise). — s ist zu r ge-
worden in: vorlf (Dim. von vassal), so auch altfr. und häufig^'in
den C. d. V. — s ist lautbar in: mives (minus).
70a. 6^ vor Konsonanten ist, ausgenommen sc (s. § 71), er-
halten in der Verbindung st und sp: Im Anlaut (s. auch § 36):
siof (stabulum); sire (stramen); spal (spatulam) u. a.
Im Inlaut: i) Vor dem Ton bleibt: pruste (praestare); t's^stya
(castellum); r/^/^a (rastellum), aber r^j/z(*rastellarium); mostre{mo\\-
strare); /^oj/^ (constare); ;w/^(6ter); /j/-ö, /^j/p (sommes, etes) ; w«>/ya
(Schienbein der Tiere); vyfsprey (*vesperatam) ; respdi (respondere);
nifspn (*mespilarium), dazu nifsp; Brost e (frz. brouter); nifstJ (mi-
nisterium).
2) Nach dem Ton wird st>s: pös (pastam); hvas (costam);
kr OS (crustam); fpiyfs (fenestram); mos (monstrat); kos (constat);
nos, vgs (noster, *voster); mes (magister); aivtis (augustum); bvfs
(*bestam); iyfs (*testam); sp in: ivfsp (guepe), doch Gembloux hat
2vas\ mfsp (*mespilum). Ueber sti s. § 72. — s ist geschwunden in
gejehrten Wörtern wie: pük (Päques); vidi (masculum), in Lüttich:
7n(jy, über l>y s. § 82; mem (*metipsimus). — Eine Ausnahme,
die dem gröfsten Teil des wallon. Sprachgebiets eigen ist, ist das
Verb vike (vivre, vom Perfektstamm gebildet, s. § 143), Glos. 37, 4
v/skasen, nur Walcourt (Enf. prod.) hat ein raviskons, aber daneben
2X viko?is. Das auffällige Verstummen wird man franz. Einflufs
zuschreiben müssen, denn die Urkunden zeigen hier häufig beide
Formen nebeneinander. — Was die historische Entwicklung an-
langt, so haben die Denkmäler den heutigen Stand der Sprache,
Glos. 38, 2, 40, 7 mesties\ nach dem Ton: 39 v» 54 7naisse (ma-
gistrat); Pasq. und Lieder wie heute. Franz. bourgmestre, das in
den Urkunden stets „maieur" heifst, lautet bourgmet.
71a. jf wird vor allen Vokalen zu 6'. Im Anlaut: so/ (scalam);
sove (scopare); sule (auscullare); sü (alfr. escors, giron); sim (scu-
raam); som (scamnum). — Im In- und Auslaut: Pfsi (piscare); pfsD
(piscionem); r{t)fasi (ein Kind wickeln, *refasciare) ; pisi (pisciare):
/w;^.y(cognoscere); kr^'s {cxescera); (//öV/ (descendere) ; w^(dechirer,
germ. skeran); vasa (vascellum); usa (*oscellum); ?nusd (muscionem).
— In der Verbalendung -isco: finisa. — lasi (*lascare); eine Form
lokj wurde mir als bei den Sarabreschiffern gebräuchlich bezeichnet
(diese kommen aus dem Hennegau).
17
r*
2bo J. NIEDERLÄNDER,
b) Ebenso .v zu s in: iusö (buxonem); X'oi (coxam); /^sz
(texere); pasd (*paxonem); sis (sex); /fsi/ (*lixivam); rfs (*reexire,
rcussir, s. § 136), dazu Part, praet. rfsü. — *fraxinum, *caxinum
'^fren, isen, wie franz. — s steht in: masal (maxillam) ; asl (axi-
culum); Iw^s (*buxidam, boite). — Vorsilbe ex-, exe-: sqer (ex-
cutere); swars'i (*excorticare) ; — disiet (extinguere, Praefixvertau-
schung!); ristel (= repasser); rispgme (*reexpalmare, rincer); risive
(essuyer, *reexsucare); asayl (*exagiare), sayi (= goüter); sor (*ex-
saritum).
Daneben findet sich sk\ skol (scolam), gelehrtes Wort; skpii
(*excarneam, ecaille); »/^jAy« (allgemein = Dienstmagd), in diesem
Sinne: Cart. III, 241 7nesquinne\ Cart. Din. 40 (1393) meskine, viel-
leicht kam sie aus der Pikardie; skony (*excorigatam, fouet); Mske,
fem. lüsk§i (louche), wie auch in St. Hubert; skr§n (echine). — Zur
Erklärung dieser Abweichungen mufs man wohl berücksichtigen,
dafs Namur an den Hennegau grenzt, und die JÄ'-Formen aus anderen
Dialekten stammen können. St. Hubert (Marchot § ig) hat einen
ähnlichen Vorgang; vgl. auch ZfrP XV, 561. — askosi (enjamber) ist
zum Substant. kos zu stellen. — Ch.W. N. (Rom. XIX, 80) wie Cart.
und C. d. V. haben häufig Formen wie conischant, deschendoit. Glos,
hat 39 v*^ 56 saies (exagias).
72 a) S-{-y wird im Inlaut vor dem Ton zu z: mpzon (man-
sionem); ngzi (*nauseatum nach Horning, müde), Pasq. naugi\ tamzi
(*tamisiare, tamiser); sfrizt (*ceresia-f-arium); kivamzi (*corbisiarium,
cordonnier); brcezi (braisier, germ. U.); gzl (franz. ais6); bati (ba-
siare); hgzür (frz. baisure, Anstofs am Brot).
Tritt dieses z in den Auslaut, so wird es s : isimis (camisiam) ;
br^S (braise); bis (*bisiam, bise); grls (*grisiam, grise); bös (Subst.
zu bozi)\ 3/«M (heureux, zu pzi)\ j/rf 5 (*ceresiam) ; ^^/?ä^ (ecclesiam,
Pasq. eglige).
72 b) ss-\-y wird s: basi (bassiare); §krpsi (*incrassiare); kros
(*crassiam); m§sne (*messionarc, glaner); raspfs'i (*respissiare); v(:SQ
(putois, s. §4b); st-\-y: ?is (ostium); _/"/'oi^z (*frustiare); ;«(7iz (*mix-
tiare, meler). — Ohne folgendes y bleibt s: v§siy (vessicam); pase
(passare); bas (bassam); tos (tusso); sp§s (spissam); krös (crassam).
73 a. Zwischen s-r ist kein sogen. Gleitlaut eingeschoben.
k(£s (*co(n)suere, coudre); kr§s (crescere); kon§s (cognoscere); y§s
(essere), neben seltenerem §s\ pasi (pascere). — texere ist t^sl.
73 b. In Lüttich wird sowohl s-^y als auch ss-\-y inlautend
zu h, auslautend zu -^ (ZfrP IX, 490); in der verschiedenen Be-
handlung von sy und ssy stimmt Namur mit St. Hubert, Gaumet
wie auch mit dem Neulothring. (cf. This, 1. c), das h bez. y^ zeigt,
überein. Ueber die Grenze und Natur des z, s bez. //, y^ vgl. M6-
langes Wallons p. iii (Karte); RDPGR II, 38 ff.; Rom. XIX, 80.
DIE MUNDART VON NAMUR. 201
R.
74. ;• wird /: tvalber (*orbita -f- ari'am nach Horning, ZfrP
XV, 496, orniere), daneben hörte ich von einer Frau aus der Um-
gebung von Namur (Cognelee) : warbel\ plädier (*prandiariam, Mit-
tagsruhe; bei Zeliqzon, ZfrP XVIII, 266: prädyir); molt^iv (morue);
krll (cribrura, crible; altfr. criule). — Umstellung des r hat statt-
gefunden: prfsti (pisturire) ; gürin (*granarium) ; />«>««/ (prunellam);
pürdcff^ (Imperf. von pret^ prendere, s. § 141^); (7/)«W/j (apprenti) ;
parfd (profondum); iorio (*transtottum) ; abürtal (bretelles); bp-w§t
(*bisrotettam, brouette), C. d. v. (1364) berowettes. — r ist einge-
schoben in: miverne (*minare, mener); pormwern^f (Imperf. von
proraener). Diese Einschiebung kennt auch Pasq.: moirnee\ sie ist
ebenfalls bekannt in Floreffe, Tamines und Dinant (Bull, de Folk-
lore, 1892, p. 274). ofürle (*adfibulare; so altfr. in der Cistercien-
serinnenregel), vielleicht geriet bei der Artikulation des hohen ü das
Zäpfchen in Schwingung. dz§rmal (*gemellam, jumeaux), so oft in
den C. d. v.; bei Zeliqzon, ZfrP XVIII, 251 dygnne; skrpi (scinam,
echine, wie auch in Lüttich); rümatris (rhumatisme) ; py§lri (perdi-
cem); katrezim (catechisme). — r ist geschwunden: niayo (Liebchen,
etwa Marion), Edits (1498) Maion de Mons (Eigenname), ebenso
Cart. II, 241 (1495); mayan (Marianne). — r zu ?/: nw§ze (race-
mum) in Tamines. — Ueber die Einschiebung von ^ in der Ver-
bindung tr, wie el§r (intrat), s. § 125. — inter (Präp.) ist elür.
75. Im Inlaut gelten die von Horning, ZfrP IX, 492, für Lüttich
aufgestellten Regeln: a) r nach Vokal und vor Konsonant schwindet
nicht vor dem Ton: py§rdil (perdutum); piirsya (porcellum) ; mortya
(martellum); sty§rtn (sternutare) ; sypvil (servire); pwarte (portare);
divarmü (dormire); ny§rsd (*ericionem) ; ts§rdd (cardonem); syp-füy
(caerefolium) ; sy§rind (sermonem); kwarne (cornare); swars't (ecorcer);
isfvbo (carbonem). — In bäele (in Lüttich beiirkr bei Goth., beugler,
germ. brüllen), hvamzi (*cordubisiarium), kivanfd (corneolam), wohl
Angleichung an betonte Formen (s. § 75 b).
b) In der Tonsilbe (mag stummes e folgen oder nicht) verträgt
sich r mit keinem erhaltenen Konsonanten, op (arborem) ; tot (tar-
tam); köt (cartara); py§s (perticam); y§p (herbam); dtva (dormo);
sy§ (servio) ; v§t (viridem) ; füm (formam, Leisten) ; tun (tornat) ; lots
(largum, s. § 103); hvas (ecorce); ty§n (*terrinum); y§s (erpicem),
daneben ip\ dzüp (gerbe, germ. garba); lötn (lacrimam, miel); mivai
(mortuam); fivats (fabricam, forge). Die schwache Artikulation des
r, die das Verstummen herbeiführte, spiegelt sich altfr. in den
Texten des N. und NO. wieder; vgl. W. Foerster, Rieh, li biaus XI
(im Reime); Wilmotte, Rev. de l'instr. publ. beige N. S. XXVIII, 260.
— Für die Gegend von Namur finden wir: Glos. 37 v" 4 descode
(Praes); unmittelbar folgend: acordera (Fut.) mit vortonig gebliebe-
nem r. Cart. Din. 40 (1393) guatouse (quatorze). Chr. v. Fl. zeigt
häufig r im Reime vernachlässigt (ZfrP XXI, 16).
' Givet (1. c.) ebenso kdpürdf.
202 J. NIEDERLÄNDER,
76. Hinter der Tonsilbe schwindet r nach Konsonanten, be-
sonders nach Muten. T)p (arborem) ; ///" (febrem) ; isäp (caraeram);
/// (leporera); lif (librum); /// (litteram); f§ny§s fenestram); pygt
(perdere); "et (atrium); m'es (magister); pret (prendere); disct (de-
scendere); m§t (mittere) u. a. Dieses Verstummen ist früh belegt:
Glos. 37,47 ratnembans; 39,54 mause (magistrat); Cart. I, 61 (1328)
prvide; C. d. V. (1390) fettüstes; Ch.W. N. (Rom. XVII, XIX); Chr.
V. Flor, im Reime (ZfrP XXI, 22). Diese Erscheinung ist dem
ganzen Wallon. und Lothring. eigen und, wie bekannt, auch dem
Franz., besonders der familiären Sprache, nicht fremd.
77. Auslautendes r ist verstummt; wie die Denkmäler zeigen,
mufs der Vorgang schon im 12. Jahrh. eingetreten sein. In den
Suffixen: -arium > F s. §7; -orium > w^ s. § 48; -orem > ^ s. § 46.
— In isädl^s (chandeleur, C. d. v. (1364) chandeleuse) möchten wir
nicht wie Feller § 91 Wandel von r z\x s annehmen, der ja an
und für sich möglich wäre, aber sich in unserer Mundart sonst
nicht findet: ts§y~er (cathedram); h§rik (*bericulae, b6sicles, ge-
lehrtes Wort). Wir möchten vielmehr in der Form Analogiebildung
sehen an -osum, -osam, da das Wort als Femininum (mit festa)
gefühlt wurde und -orem, -osum schon früh gleich lauteten. —
iifvcf (nepotem) bildet ein Femin. jj^vxs. — Ferner in den Infinitiv-
endungen: -are > e bez. i (s. g 8): tsäte (cantare); frqyl (fricare),
-ire > i: pprti (partire); divarmil (dormire). -ere: plezl (placere):
IfZi (licere); voUi (*volere); divil (debere, s. § 120).
Glos, haben eine Reihe von Infinitivendungen, wo r nicht ge-
schrieben oder durch andere Konsonanten ersetzt ist. 34, 49 mo7igie\
38, 51 deportet\ 38, 66 espargies; 38, 69 sormofites; 40 v^ 16 dole\
37, 20 volenties. — r wird gesetzt, wo es keine Berechtigung hat:
38 v'' 33 noier (Part, praet.); 40, 7 deservir (Part, praet.) u. a. — Für
das Altfranz. (Pik.) vgl. Wilmotte, Rev. de l'instr. publ. belg. N. S.
XXVIII, 259.
rr >■ r: kür (curro), Inf. kurü\ fyer (ferrum). r bleibt in ein-
silbigen Wörtern, wenn es gestützt war: tör (tardum), aber -ardum
>ß s. § IIb. pör (partem); Inr (*laridum) ; /zc^^r (fortem); mtvär
(mortem); vyer (vermem); nyer (nervum). — Verstummt in: isö
(carnem); dzü (diurnum); kü (corium); sü (soror); fu (foris); p(ß
(pavorem); pa (per); pq (pro), pqr (vor Vokalen); kq (encore), auch
§ko, kor (vor Vokalen). — In den Infinitiven: duvyf (*deopertum,
ouvrir); kuvy^ (*coopertum). — r steht gegen die Regel in niq:r
(maturum, franz. mür). — Suffix -ariam > ?r s. § 7. florem > flcsr
ist franz. — Geht ein Konsonant vorher, so bleibt r, da ein Stütz-^
angetreten war. Bei den Infinitiven: dir (dicere); lir (legere); brei
(*bragire); jwr (*sequere) ; >^?i'';- (*cocere) ; risür (recipere); kriver{cxQ-
dere) u. a. — tser (cadere), asir (*adsedere) wohl Analogiebildung
an die vorhergehenden, s. § 141 '\ videre wird vy.y (s. § 140'*); _/e
geht auf *fare statt facere zurück (s. § 140^); pleuvoir lautet //«;-.
— Bei Substantiven: pfr (patrem); tnfr (matrem); ebenso ^Itr (in-
DIE MUNDART VON NAMUR. 263
tegrum), nwär (nigrum), wie auch im Lothring,, Ostfr. Gr. p. 6g. —
In den Glos, erscheint häufig ;■/ als r geschrieben: 37 vf» 50, 50,38
mor; 38,5 per; 38,22 ar; i(), ^ for; 39,13 reqtiier.
78 a. Allgemein ist die Erscheinung verbreitet, Verben mit
vokalischem Anlaut ein r vorzusetzen, vgl. ZfrP IX, 494; Ostfr. Gr.
p. 84, sowie auch J. Dory, Recueil de wallonismes p. 324 (in Bull,
de la SOG. lieg, de litt. wall. 1880). ratet (attendere); rovJ (*oblitare);
roste (oter); riswe (exsucare); risppme (*expalmare, rincer); rabr^si
(embrasser); rapozt (apaiser); ramuyt (raouiller); rawizi (aiguiser)
u. a. Auch bei Konsonant: rn§ti (nettoyer) u. a. So Glos. 39 viJ 14
rostes\ Gart. II, 127 roste (öte, übersetzt lat. delet); 11,88 (1366)
rosteir (mehrmals). Vgl. hierzu Meyer-Lübke, Gram. II §613.
78b. Auf dem Lande und z.T. noch in der Stadt scheint
Zungen-r gesprochen zu werden (Mitteilung des Herrn Oger).
L.
79. / wird zu r: ds^rbüsey (Gelbressde, s. § 6 c); ormonak
(alraanach); pozer (paisible, für das Etymon s. ZfrP XV, 5 29)," alt-
wall, patsiule, Glos. 39, 21 paisiere; walber (omiere, s. § 74); pp-pi't
(*pulpitulum, pupitre); karküle (calculer); purisinfl (polichinelle). —
/zu «: spi (ecceillam); kmiso (caleyon); nükft (loquette); ^son (in-
simul); so?ie (simulare), dazu rasone, risqne', trone (tremulare). —
Entgegen dem Franz. ist: livya (libellum, niveau), tml (*margilam,
marne, altfr. marle). — / stammt aus dem Artikel in /z'^o/ (hoquet;
in Lüttich: ik^t\ In bluk (bucculam, boucle) hat das zweite / das
erste veranlafst. Eingeschoben ist / in: s^ly§t (scie); das Verb ist
sqyi, ebenso bei Marchot § 38.
80. In den Auslaut tretendes / schwindet: sf (salem); /c'
(talem); i (illum) vor Konsonanten; mö (malum); ts^ö (caballum);
«»ri'.^ (natalem); j»^ (solum). Suffix -alem s. § 4; -ellum, -illum >ivz
s- §233, 32. qyi (hocille, oui); kf (qualem), aber das Femin. ist
kfn, so auch in anderen Mundarten, vgl. Melanges Walions p. 9;
ZfrSpruL XX 1, "]■>,. Es wird sich hier nicht um den Wandel von
/>«, sondern um ein analogisch angetretenes ;/ handeln, was
auch die alte Sprache kennt, vgl. Rom. XVII, 566; ZfrP XllI, 329.
Für den Abfall des Konsonanten bieten die Glos, eine Reihe
von Beispielen: i-],"] que; 38 v« 4 morte; 40,38 nu', 37 v" i ichi;
38, 6, 29 t (ille).
81. Zwischen l-r wird kein sog. Gleitlaut eingeschoben':
v?/r^ (voudrai)); forcef (faudrait); mür (molere, moudre); mur§
(moudrai); pur (pulverem), daneben franz. prit\ vor§ (vaudrai); ky,r
(corylum, coudrier). — Bei Igr dagegen: kiit (coUigere), Gart. II, 158
(1424) coudre; wo/ (mulgere, melken). — Das Nichteinschieben des
d ist für das Wallon., wie auch für das Pikard. und Lothring.,
charakteristisch und immer in den Denkmälern belegt. Glos. 39, 40
^ In Givet (1. c.) ebenfalls kein Gleitlaut,
264 J. NIEDERLÄNDER,
voroies. Cart. I, 1 1 (1235) vorro7Ü\ I, 58 (1322) muerrons. Cart.
Din. 20 (1265) moure, C. d. v. (1407) poure\ Man. nam. poulre,
volrez u. a. Ebenso Chr. v. Flor. (ZfrP XXI, 17),
82 a. Mouilliertes 1 wird zu y über /: fey (filiam) ; /«j (folia);
tiyü (tiliolum); fiyü (filiolum); ramüy (molliat); sy§rfüy (caerefolium) ;
w§yt (vigilare). — Suffix -iculum s. § 31a, -Iculum § 39, -uculum
§ 48. — filium \?Xfi, allium > ä. — familia zeigt keine Mouillierung;
es ist ein gelehrtes Wort, ebenso: fl'iri"/// (juillet), ^rz/zö/ (grosseille).
82 b. Intervokalisches 1 ist meist geblieben, z. B. valü (valere),
volü (*volere), doch finden wir auch einige Beispiele des von Flor-
ning, Zfi-P XV, 560 ff., Littbl. 1892 p. 342 besprochenen Wandels
von 1 bez. 11 zu y über /: pUy (pullam, poule), Dimin. piiyd\ gäy
(Wallnufs, nach Horning *gallicam), in Lüttich: dzey] g(xy (gulara);
grly (grele, gracilem, schwach) ; pnyil (poileux, etwa *pilutum), doch
pwflais, während Lüttich beide Male Anbildung an das Subst. pöy
(pilum) hat, das Namur nur als pwfl kennt, vayöf (en bonne sante,
etwa *valabilem). Interessant ist villam, wo i der Mouillierung
günstig ist; im Gegensatz zu anderen INIundarten (Marchot § 34,
Feller §91) ist villam > w/, *villaticum > ot7ö/s, wohl unter dem
Einflufs des Franz., denn in Namur selbst heifst eine Strafse bas
7iuvly (Basse Neuve-ville), ebenso in einigen Ortsbezeichnungen:
paf/ödviy (Profondeville), fqrviy (Forville); noviy (Noville-Taviers). —
Franz. habile ist ah'iy.
Sonst steht /: eH (alam); hval (telam); mgl (masculum), bei
denen sich wohl der für Namur stärkere Einflufs des Franz. geltend
gemacht hat. ^/ (olium) ist ein gelehrtes Wort. — »/«/ (medullam);
h'i/.li (*betullam -f- arium) ; hqtnil (nombril , altfr. boteril). — Suffix
-ellam, -illam s. § 2}^, 32.
Die älteren Texte zeigen häufige Verwechselung von / und Ih,
wo Ih die Mouillierung ausdrückt; so Ch.W. N. (Rom. XIX, 84);
Glos. 39, 40; 40,15 //// (eile); 39 v« 3g vilhege\ 38,31 ivilh; 37,4
teilh u. a.; desgl. Chr. v. Flor. (ZfrP XXI, 15). Pasp. schreibt taye
(taille), cavayes (cavaliers), was die Aussprache des / schon als
y zeigt.
83. L vor Konsonant. Ist / gefallen oder hat es sich zu u
vokalisiert? Der erstere Vorgang bildet ein Merkmal der alten
Sprache, das die Gegend von Lüttich ziemlich durchgeführt hat,
vgl. Rom. XVII, 565. In Namur mufs man wohl, von der heutigen
Mundart ausgehend, eine etwas verschiedene Entwicklung an-
nehmen.
i) Nach J. Wilmotte, Rom. XVII, 565 zufolge ist fiuz ebenso-
wohl wallonisch wie pikardisch. Dementsprechend steht Ch. W. N. X
(1282) fiuz-, die Glos, aber haben /j- 37, 6. Da nun allgemein in
unserer Mundart z«>/wird, s. § 22a, 31b, t,"], und die Glos.,
^^'iß % il gezeigt, die weiter entwickelten Formen kennen, so kann
das heutige fi auf flu zurückgehen.
2) Nach e zeigen alle Denkmäler Uebereinstimmung; es ent-
steht immer ia; für die Beispiele s. § 23a, 32. In den Ch.W. N.
DIE MUNDART VON NAMÜR. 265
trifft man auch Formen mit vokalisiertem / an, doch sind sie wohl
dem pik. Einflufs zuzuschreiben, und die Zahl der anderen Formen
ist mehr als doppelt so grofs.
3) Nach a\ Die Ch. W. N. haben in diesem Falle ebensoviele
Formen mit a als mit au; auch die Glos, haben überwiegend a.
Es fragt sich nun, ob / nach a gefallen oder nach der Vokalisie-
rung mi zu a geworden ist. Auf Grund der Glos, möchten wir
uns für den letzteren Vorgang entscheiden; denn diese bieten
39 vO 3 case, 40 v^ 5 chases mit Uebergang des fallenden Diphthongen
au zu a. Chr. v. Flor, zeigt im Reime Schwund des /, doch nicht
konsequent (ZfrP XXI, 14). a hätte sich dann wie überhaupt in
unserer Mundart (§ 1 1 b, 17) zu 0 bez. yi. verdumpft. fö (fallit), \d
(alter) u. s. w., s. § lOa, b; galbinum ist dzan.
4) Nach 0 wie 0 ist / zu u geworden. C. d. v. (1407) poure;
Cart. Din. 20 (1265) moure, analog der heutigen Sprache. Ueber
die Vokalisierung selbst vgl. Buscherbruck 1. c. § 80 (p. 696). Für
die Beispiele in der heutigen Sprache s. § 44 b, 49 b.
84. Im Auslaut ist / nach einem Konsonanten vor stummem e
geschwunden, stöf (stabulum); iöf (tabulam); fgf (fabulam); vgl.
§ IIa, auch für Suffix -abilem > df. ök (ungulam); dop (duplum);
ök (avunculum), meist immer monok (s. § iio). — / ist erhalten in
dyäl (diabolum, Kirchenwort). — Die Verbindung m-l hat keinen
sog. Gleitlaut, da bei der starken Nasalierung unserer Mundart
(s. § 88) das Gaumensegel den Nasenkanal nicht zu früh verschlofs.
Irone (tremulare); §son (insimul), sone (simulare), rasone, risone, wo
die nasale Aussprache des Vokals geschwunden ist, die Marchot § 37
auch bei diesen beiden für St. Hubert aufzeichnet; Lüttich dagegen
hat keinen Nasal bei erhaltenem / (ZfrP IX, 493). — Ch.W. N. VII
sonlerat. Aehnlich: slrdne (strangulare), in Lüttich: siröle. — Dafs
/ in dieser Stellung altfr. im NO. verstummt war, zeigen Reime wie
ojtcle : adonqiie u. a. bei Ph. Mousket, vgl. Link, Ueber die Sprache
der Chronique rimee des Ph. M., Erlangen 1882 (Diss.) p. 5.
85. Die Verbindungen bl, pl, fl sind erhalten: blä (*blancum);
plqef (*pluviam), das Verb ist plür\ pläts (plancam); /»/J/ (plantam);
§pl(yyi (implicare); flaya (flagellum); gofle (conflare); eßc (inflare).
Frz. faible entspricht flöiv, das Verb floitn\ Vasq. ßauive (ob germ. U.?).
— plus lautet pü (wie auch in der frz. Volkssprache). Ueber cl, gl
s. § 62, 65 a, b2. — *reoblitare ist rovl, in St. Hubert rovyf.
In Verbindungen, die sekundär sind: -abilem > äv/e > 0/
s. § IIa; sov/d (sabulonem), C. d. v. (1364) savelon, (1430) savlon. —
Nach i und //: nüley (*nubilatam, Wolke); rafürh (*readfibulare);
pgur (altwall, paisiule, s. § 7); frz. trouble (truble), Fischnetz, ent-
spricht irül, Dimin. irülya, so Hist. Flor. 377 (1288) peissier a trule.
— houblon lautet tibyd (aus einer anderen Mundart, oder andere
Bildung mit -illon, vgl. ZfrP IX, 493).
Auslautendes bl, fl im Verbum wird durch ( getrennt, das
dann betont ist: z. B. rdf§l (ronfle), s. § 125.
266 J. NIEDERLÄNDER,
M, N.
86a. mn wird m\ sam (scamnum); fc^jn (ferainam); damals
('■'"■damnaticum); Irwie (nominare); f dorne (*intaminare, entaraer); —
germinare ist dzqrne. — Vom Franz. abweichend heifsen mispulum
> m§sp, dazu m§splt\ mappam >> map, Cart. Din. 40 (1393) mappes.
n zu m nach labialem Vokal in strüme (^trenn6). — n zu /: lome
(nominare), so altfr. mehrere Beispiele im Chev. au cygne; biiloni
(bonhomme); ^rt/o?/.^ (canonner); Boninnes, ein Dorf bei Namur, ist
bol^n. Frz. chenille entspricht al§n, altfr. honine, bei Godefr., s. Me-
langes Wallons p. 76. — m zu n assimiliert m.: §snn (insimul), sone,
rasone, risone, vgl. § 84, irone (tremulare). — Angetreten ist n aus
dem unbestimmten Artikel in: ny§rsd (*ericionem, hdrisson). — Im
Anlaut hat Tamines ein n\ nü (noctem, in Namur ni), ähnlich wie
im Volksfranz., vgl. Passy, Sons du Fran^ais p. 100.
86 b. Vokal vor gedecktem m und n wird zum Nasalvokal.
Beispiele s. unter den Vokalen, § 12, 18, 24, 26, t^^i^ 35 b, 44 c,
45 b 4, 49 d, 50b 2. — In vortoniger Silbe tritt Ausfall des n ein:
verf (viendrai); ilrg (tiendrai); d^r§ (donnerai), so auch altfr. —
Besonders vor s\ m§sti (ministerium); mosire (monstrare), koste (con-
stare), dann auf die betonten Formen übertragen: most^r (monstrat),
kos (constat); — mosü (monasterium); pürdrf (prendrai), neben
püdr§\ bolfdzt (bolengarium) ; ts§rp§ii (carpentarium) ; preie (prin-
temps); kol^bi ("columbarium), dazu kol§b(x (Taubenliebhaber); grlpe
(frz. grimper). Desgl. in den Praefixen: in >> /', s. g 34b; cum >
ko: kgdü (conductum) u. a.
Diese Erscheinung auch in den älteren Texten: Glos. 37, 31
cobaite; 38,35 reprel; 38VO31 demostre\ 39 v^ 1 1 apredre. C. d. v
(1385) cherpetis. Cart. 40 (1393) cerpetis.
86 c. Der umgekehrte Vorgang, n einzuschieben, was altfr. auf
unserem Gebiet belegt ist, vgl. Rom. XVII, 566, findet sich in: ägonl
(agonie); äbürial (bretelles), in Tamines, während Namur abürtal
hat; simelyer {pxn.&\\hxQ), das neben ?/ (atrium) vorkommt; ///^"(magis);
näsi (durchstöbern, altfr. nachier) bei vorhergehendem Nasal (s. § 6 a).
Man. nam. cwientiere.
87a. In der Verbindung n-r ist, wie überhaupt im O. und
NO. des frz. Sprachgebiets, kein d eingeschoben, indem der Nasen-
kanal nicht zu früh verschlossen wurde, verdl (vendredi); pdr
(ponere, pondre); ter (tenerum); ver§, terf (viendrai, tiendrai) mit
geschwundenem Nasal s. § 85 b, — Eine Ausnahme macht sei (ci-
nerem), das auch im Lothring. den Gleitlaut kennt, s. Ostfr. Gr.
p. 77, wohl Lehnwort; in den Ardennen zwar Sfn (Feller § 114),
doch wohl aus sed; über nd > « s. § 87 b.
d (im wallon. Auslaut: /) stellt sich dagegen ein in dem Nexus
ngr: dzdt (jüngere, toucher); pet (pingere); plit (plangere); dtstet
(dteindre). — b wird eingeschoben bei m-r: isäp (cameram), aber
nicht bei m-l, s. § 84.
DIE MUNDART VON NAMUR. 267
Alle in Frage kommenden Denkmäler zeigen diesen dialek-
tischen Zug: Ch. W. N. (Rom. XVII, 566, XIX, 82). Cart. I, 14 (1246)
venredi; 11 (1235) tenrotit, remawroni; 11,157 (1424) ieitres; 125
(1405) converroü (conviendrait). Cart. Din. 17 (1263) venroni\ 42
(1399) parverront. C. d. v. (1364) venredi; ebenso Chr. v. Fl. (ZfrP
XXI, 17) und Man. nam.
87 b. Unsere Mundart kennt auch den von Horning, ZfrP
XV, 500 besprochenen Wandel von nd zu «; vgl. zu dieser Er-
scheinung: Littbl. 1892 p. 342, 1895 p. 344; ZfrSpruL XIX2, 81.
dm (dinde); ßf litt (fievre lente); k^len (contentam; oder Anbil-
dung an das Masc). — Für weitere Beispiele im Walion. s. die
citierten Stellen.
88 a. Ein charakteristisches Merkmal der Mundart ist, dafs bei
Nasalvokal + fem. e im Gegensatz zum Franz. auch der Vokal nasa-
liert gesprochen wird, wie dies altfr. der Fall war und durch die
Doppelschreibung nn ausgedrückt wurde, len (lanam); gren (gra-
nam); samiven (septimanam); s. §30, 29 a, b.
Ch.W. N. (Rom. XIX, 83) haben häufiger als die Gegend von
Lüttich Schreibung mm, tm zur Bezeichnung der nasalen Aussprache.
Glos. 37 VO53 pknnemeni\ 38, 50 cerlemie; 39, 19 sovretme.
88b. Mouilliertes n ist ;7 nach wie vor dem Ton: nj > «:
i) Nach dem Ton: aran (araneam); vfu (veniat); ifu (teniat); vifi
(vineam); Im (lineam); tm (tineam); kwafi (coin); zuaü (gain,
germ. U.); skon (*excarneam, 6caille).
2) Vor dem Ton: //;7/7/ (*lineolam, Zügel): /(wa«/7/ (corneolam) ;
iifiqe (tineosum); kufif (*cuneum-|-ittum); spp?nl (6pargner); asgimi
(agenouiller); gane (gagner); bani (balneare). — Für ffnyfs (fe-
nestram), dzfnyfs (*genestam) kommen auch die weiter entwickelten
Formen vor: fptfs, dz^n^s.
Franz. 71s entspricht ;7, wie auch altfr. auf unserem Gebiete,
vgl. W. Foerster, Li Chev. as 2 esp. LI, und Jahrb. XIII, 198. grpi
(grange); fan (fange); murn (manger); rmi (ronger). — Strange
ist franz.; somniare ist sddzt.
Die in Betracht kommenden Texte spiegeln diesen Zustand
in der Schreibung wieder. Cart. Din. 19 (1264) revengne: 17 (1263)
estrangue; 40 (1393) detengnet. Chr. v. Flor, im Reime (ZfrP XXI, 15).
gn > «: piin (pugnum, poing), das Yexh ptmi-, Ifh (lignum);
ana (agnellum); sfm (sich bekreuzigen), akspii (donner un coup
bien applique). Wie schon ^65b- erwähnt, haben die aus dem
Franz. entlehnten Wörter keine Mouillierung: sinf (signer); manifik
(magnifique). Cart. Din. 40 (1393) lengne.
ng: strdnr (strangulare); sd (sanguem), dazu: sdti/^ (saigner),
s. § 12; altfr. sonneil (Rom. XVII, 554).
88 c. unum in absoluter Stellung dk, wo k wohl aus dem im
hinteren Munde gesprochenen Nasal entstanden ist; ebenso: mek
(betontes Pronomen) s. § in. Lüttich hat ebenfalls den /i-Laut,
2 68 J.NIEDERLÄNDER,
und zwar bei Formen, bei denen der Nasal geschwunden, wie ök,
snk (sang), daneben: plök (plurabum, in Namur pld)-^ ähnlich im
Lothring., vgl. This § 52. Die Dia). Greg, zeigen plunc 255, 15.
B, P, F, V.
8g a. Intervokalisches p, b ist: i) Vor hellen Vokalen zu v
geworden: wyer (hibernum); dwü (debere); sove (subinde); kove
(cubare); sove (scopare); duvj'f (*deopertum) ; kuvyf (*coopertum) ;
savä (4. Praes. von sapere, aber 6. Praes. mit auffallendem p in
sfpnü (§ 142 1^ analogisch!). — l§sif (*lixivam), scef (sapam), is'fö
(caballum); is^fya (capillum), nach § 57. Itvär (bibere), Anbildung
an Praes. sing. — Endung -abara >• cef; -ebam s. § 122.
2) Vor dunklen Vokalen: Gefallen mit hiatustilgendem j': layä
(*tabonem); sayil (sabucum); aber: sk (saputum); yüe (habutum); pct
(pavorem) s. § 13. — h§vü (*bibutum), d\ni (debutum) sind als
Analogiebildungen an die endungsbetonten Formen aufzufassen. —
apudhoc ist avu\ nepotem >■ n§vqe.
8g b. Die palatalisierten Labialen haben eine vom Franz. ab-
weichende Behandlung erfahren, wie auch sonst im Walion., vgl.
Wilmotte, Etudes romanes p. 241.
pj: sfp (*sapiam, sache), hiernach Konj. Imp. sfpls, s. § 1421^;
cp (hache, germ. happja); krep (ergehe, germ. krippja); api (*apia-
rium, rucher); kl§pi (*cloppicare, clocher; jedoch selten neben
sonstigem sale, Herr Stevaux). — Das Lütticher apr§pt (*adpro-
piare) ist nicht bekannt.
t>j* gP'"y<^ (gobionem, goujon); rovyül (*rubeolam, rougcole),
bei Z61iqzon, ZfrP XVIII, 261 r}vyrd\ aber es steht </i: kädti (cam-
biare); rndzi, zum Adjekt. rols (rubeum); ar§dzi (enrager). Ueber
habeat > «jF s. § 142^.
vj: islf (caveam, nur für Tauben; sonst wird cage durch
gayol (*caveolam, § 41) vertreten); iiivl (*niveare), Substant. «z/";
/^/^ (pluviam), s. § 43 a. Diese Erscheinung kennen Glos. 40 v" 10
seps (*sapias). Geste de Liege nyve 32gg4.
go. Im Wortausgang vor u, o wie e sind die Konsonanten
verstummt, -ivum s. § 37 a. rl (rivum, altwall, riu); ü (ovum); nü
(novum); klo (clavum); kl& (clavem); bü (bovem); /qs (lupum); s~i
(sebum, s. § 3 1 b). — novem ist nüf als Zahlwort.
gi. In Verbindung mit Konsonanten: pp: dra (drappum); map
(mappam). — a) Vor Konsonanten: i) Vor dem Ton: ovrl (*ope-
rarium); avri (aprilem); arf neben qrf (Fut. von habere, s. § 142 s).
— 2) Nach dem Ton : lif (leporem) ; ßf (febrem) ; pxvff (piperem) ;
llf (libram) u. a.; für r in diesem Falle s. § 75 b. Ueber fl, pl, bl
s. § 85; hinzuzufügen ist: krll (cribrum, altfr. criule). — populum
ist franz. p(fp, Glos, haben 3g, 3g puele. — In sekundären Ver-
bindungen ist der Labial gefallen: n7/»/# (*rapidamente, vite); 7iasal
(*navicellam) ; dzSn (juvenem); bräme (*bravemente, beaücoüp).
DIE MÜNDART VON NAMÜR. 269
b) Nach Konsonanten: i) Vor dem Ton: ls§rbd (carbonem);
sy§rvü (servire); popir (*palpetram). — 2) Nach dem Ton; im Aus-
laut stimmlos bei urspr. folgendem a: hgp (barbara); y§p (herbam).
— Sonst verstummt: 7iy(ir (nervum); kivär (corpus); ki/. (colapum).
canabem (chanvre) lautet ispi, über is§nve s. ZfrP XV, 500.
c) Zwischen Konsonanten: Die Labialis bleibt vor Liquiden:
öp (arborem); m§sp (misp(u)lum); tep (temp(o)re, altfr. tempre). —
Sonst geschwunden: dzaii (galbinum); isgrnya (*carpinum -f- ellum,
Charme); y^s (erpicem), daneben ip, s. § 2y, pur (pulverem). — In
kwamzi (*cordubisarium, St. Hubert: kwabzi) scheint b zu in ge-
worden zu sein.
Q2. Anlautendes v wie franz. zu b\ b§rhi (vervecem); zu /'.
fiy (*vicatam) in kehifiy (== vielleicht). — Durch Verschmelzung
mit u ist v zu iv geworden, ein Zug, den das Wallon. mit dem
Lothring. (This § 92) teilt, iv^ (video), aber vc si {\oic\); wf (vocem);
awf (habere); sawf (*sapere); awen (*avenam); wfyt (vigilare); wen
(venam); wfZe (vicinum), neben franz. WfZe.
W.
93 a. Deutsches w ist erhalten: zü?r (guere, altfr. waires); Wfsp
(Wespe); zu'ett (regarder, germ. wachten); ivalo (Wallon); waye (re-
gain, germ. U.); ivazo (gazon); ivasis (gächis); wale (germ. wallen);
wasot (machine ä laver). — In gaTii (gagner), gä (gant) ist die
franz. Aussprache eingetreten, Herr Oger sprach ivä. — Beeinflufst
durch den folgenden Vokal ist w gefallen in: qrde (garder, germ.
warten); öf (gaufre, germ. waffel) in der Umgegend von Gembloux,
Namur hat wöf. Wie zu erwarten ist, zeichnen sich alle angeführten
älteren Sprachdenkmäler durch Schreibung des den ostfranz. Mund-
arten besonders eigenen w aus, auch da, wo heute der Einflufs
des Franz. sich geltend gemacht hat.
Glos. 38, 50 ivangier. C. d. v. (1364) fol. 18 ivanz (häufig).
93b. Germ, h lautet nicht, im Gegensatz zu Lüttich: am§de
(chätrer); y^rdi (*herda -|- arium , vacher), &c\zw y§rdöf (s. § iia);
alpi (chenille; s. Mdlanges Wallons p. 77); än^t (nuque, in Lüttich:
han§t)\ ^«a (verre, altfr. hanap); f/> (hache, happja). — Franz. hoquet
entspricht likot (/ aus dem Artikel, s. § 79).
94. Der durch den Ausfall eines Konsonanten entstandene
Hiatus wird bei hellen Vokalen durch y, bei dunklen durch iv ge-
tilgt, saya (sitellum); isgrcpw (carrucam). Beispiele s. § 2, 37b,
51b, 59, 65 b, 66.
95. Vorhergehende oder folgende Konsonanten wirken auf die
Vokale ein; besonders: a) bei Labialen, die ein w entwickeln,
s. § 3a, 17, 27, 29. — Bei folgendem Labial s. § 1 1 a, -i^i^ 34d,
40b, 43a. 5ob3, 122.
b) Bei Nasalen, die den folgenden Vokal nasalieren (was in
unserer Mundart seltener ist als im Lothring.), s. § 6a, 86 c. —
Ueber folgenden Konsonant s. § 88 a.
270 J. NIEDERLÄNDER,
FORMENLEHRE.
A. Nomina und. Pronomina.
I. Substantivum.
g6. Wie das Neufranz, besitzt die Mundart von Namur nur
einen Fall; es wurden keine Spuren der alten Flexion angetroffen.
97. Im allgemeinen scheint das Geschlecht der Substantiva
dasselbe zu sein, wie das, welches sie gemeinfranz. haben; einige
Substantiva haben das Geschlecht, das sie im Latein, oder doch
im Altfranz, hatten, behalten. Eine gewisse Vermischung mufste
auch eintreten, da der bestimmte Artikel H für beide Geschlechter
gleichlautete (s. § 112). Im Gegensatz zum Gemeinfranz, sind Fe-
minina folgende Substantiva: d^l ispi (canabem) = du chanvre
(vgl. § 12, qib^). — on sä (salicem) = un saule, altfranz. saux
(s. § 10, 66 a 2). — üs f. (ostium) = huis, m. (s. § 43 a). ■ — ■ on bon
er = un bon air. — on bfl a/s = un bei age, on grät orats =
un grand orage, wie altfr. -aticum >■ age früh als Femin. gefühlt
wurde. — on käls = un echange. — d^/ sipyat (s. § 36, speltam)
= de l'^peautre. — on prmonak = un almanach. — on osley =
un outil. — //zer f. = osier m.
Masculina sind dagegen: 0 de (dentem) wie altfr. = une
dent. — ö stöf = une etable. — d hiyi = une cuiller, — u boiik
= une boutique. ö rll (s. § 3 1 b) = une regle. — Eine Reihe von
Beispielen, die allgemein für das Wallon. gelten, giebt Delaite II, 23 ff.
98. Ob ein Substantivum im Sing, oder Flur, steht, ist aus
dem Artikel zu erkennen, nachdem das Plural -j verstummt ist.
s ist noch lautbar in der Verbindung mit einem Worte, das mit
einem Vokal beginnt, z. B. l§ byaz ffä (les beaux enfants), zum
Sing, li bya f/ä (le bei enfant).
II. A d j e c t i v u m.
99. Diejenigen Adjectiva, deren stammauslautender Konsonant
in der Masculinform verstummt ist, sind doppelgeschlechtig, z. B.
bd, bon; frf, frfi [k'igidnm); spf, ^/»^j (spissum); krö, ^/w (crassum);
blä, bläk (*blancum; das Femin. ist Anbildung an das Masc, wo ^•
ursprünglich lautbar war), ebenso frä, frak (*francum), lu, lök (lon-
gum); Glos. 38, 25 blanke (fem.). rw§, nvfl (rigidum); küi-, kfit
(court); mivar, jjnvarl (mort); striv§, slrw^t (strictum); — Endung
-osum: anoyqe, anoycfs (inodiosum, s. § 46). — Ebenso: -antem:
plezä, plezät (plaisant); bya, bgl (bellum, s. § 23 a, b). — contentum
ist kdie, fem. kdten, wohl weniger Anbildung an das Masc. als
Wandel von nd > n, s. § 87 b. — qualem ist kf, fem. kehi (s. § 80).
100. Die Part, praet. auf«? (-atum) haben fem. ey bez. ly (nach
Bartsch. Ges.), s. § 2, 8. -arium: prüml, prünier (s. § 7). -inum:
iv§ze, WfZin, neben Wfze (s. § 38); plü', plen (plenum); dp-e, dp- in
(dernier, s. § 3).
10 1. Die Part, praet. auf -utum haben ü, fem. (£W (s. § 51);
indessen haben : risü, risüt (recipere) ; sü, süt (*sequere) ; porsü, porsüt
DIE MUNDART VON NAMÜR. 27 I
(poursuivre), die sich auch altfr. auf unserem Gebiete finden und
als Bildung an das Masc. zu erklären sind (s. § 66).
102. Un geschlechtig sind die Adjectiva, die im Masc. auf
einen Konsonanten ausgehen: z. B. lö/s (largum, Bildung nach der
Femininform); j-^/5 (siccum ; so Jonas 15; vgl. ZfrP XX, 228; §5852);
vfi (yiridem, masc. und fem., nach späterem viridam); ebenso: vtit
(*vocitum, vide), in anderen Mundarten: wi' (masc); binös (content,
cf. aise); di^r (durum): sür (securum); nwär (nigrum); ftlr (inte-
grum, s. § 77).
103. Für den Plural der Adjectiva gilt dasselbe, was über die
Substantiva gesagt ist. — Vor einem folgenden Konsonanten lautet
das auslautende Feminin -<? wie e (halboffen), wenn das Adjektiv
dem Substantiv vorausgeht, z. B. If h§le fmm (les heiles femmes).
Diese Aussprache kennt Horning, ZfrP IX, 494, und ebenso Delaite
II, -i"]. Wilmotte (Etudes romanes p. 244) vermutet diese Erschei-
nung schon in Schreibungen der Glos. 38 v" 26 peiite de chose. Vgl.
für diesen Vorgang: Moyen Age III, 20; Arch. glott. ital. III, 51;
Rom. IV, 2Q^y, Le Walion p. 30.
Noch hervorzuheben ist, dafs das Adjektiv immer dem Sub-
stantiv vorangeht; über dieses allgemein wallon. Gesetz s. Delaite
II, 27 ff.; J. Dory, Recueil de wallonismes p. 90 (im Bull, de la soc.
lieg, de litt. wall. 1880).
104. Der Komparativ und Superlativ der Adjectiva wird, wie
im Franz., durch pü und li pü gebildet. — Reste der alten Kom-
paration: mfyqe (meliorem); mya (melius); pi (pejus); tnwes (minus,
mit lautbarem s).
III. Zahlwort.
105. Grundzahlen: i == ?Ä' (absolut, s. §88c); sonst: o, cm
(s. § 1 12b); 2 = (/,^; 3 = trw§, 4 = kai\ 5 = sek; 6 = sis, vor
Konsonanten si\ 7 = s§i\ 8 z=z yül\ 9 = nüf\ 10 = als bez. dt\
\\=ds\ \2 = dos] 13= /r^j; id^ = kai^rs; ie^ = kes: ib =z ses-,
17 = dis^t; 18 = disüt; 19 = diznüf\ 20 =; vel\ 21 = ve/dk;
30 = /re/; 40 = karä/; 50 = se/iä/; 60 = szvfsä/; 70 = sepfd/
{p Einflufs der Schrift); 80 = ka/rve (so auch in Lüttich, s. Delaite
II, 46 gegen sonstiges belg. huitante)\ 90 = nmäl\ 100 = se\ 1000
= mil. — Die entlehnten Wörter machen sich durch ihre Form
erkennbar.
106. Ordnungszahlen: Aufser prümi (premier) werden die
Ordnungszahlen gebildet mit dem Suffi.x -em, das dem franz. Suffix
-ieme entspricht; hierbei werden die in den Inlaut tretenden, im
Auslaut stimmlosen Konsonanten wieder stimmhaft; z. B. dcezein.
III a. Negation.
106 a. Die Negationspartikel ist «' — tu^ entsprechend altfr.
nient (*necentem); für die ältere Sprache s. § 24.
* Desgl. in Givet (1. c).
272 J. NIEDERLÄNDER,
IV. Pronomina.
I . Personalpronomen.
a) Betontes.
107. Das betonte Personalpronomen lautet, wie folgt:
Sing. Plur.
1. Pers. mi ng, ngzl^t
dl mi dl no
a 7)11 a no
mi no.
• *'
An Stelle von di tritt häufig da (< de + ad), also da mi etc.,
ein, wie auch im folgenden; «02?//, Verstärkung von «0 mittels
altri, wie überhaupt in den franz., ital. und span. Mundarten.
2. Pers.
di ti
neben iw§
vo,
dl vg
vgzy.t
a ti
a vo
ti
vo.
ii ist „grossier"; Chav6e (1. c.) kennt für Namur nur //, sodafs also
iiv§ noch ziemlich jung ist.
3. Pers. Masculinum.
Sing. li (in Lüttich: lii) Plur. z§l
di li di Zfl
a li a z§l
li z§l.
Femininum.
ley (illaei, s. % 22) Zfl (wie masc.)
di ley di z§l
a ley a z§l
ley z§l.
Die Mundart zeigt hierin die Behandlung des betonten Per-
sonalpronomens, wie dasselbe sich besonders in den pik. und wallon.
Texten findet. So: Glos. 37, 23 //(mehrmals); 37 \'^ /i^ ti mime\ für
die 3. Sing.: 37 v« 53 /«; 38, 7 lu mime. Chr. v. Flor. (ZfrP XIX, 18)
hat im Reime gesichert : ;///, //, // (masc), neben den franz. Formen.
Die 3. Sing. masc. li ist als Weiterentwicklung des früh belegten
lü aufzufassen. Für ley s. % 22. — Wie ist 3. Plur. zfl (masc. und
fem.), das sich ebenso in Lüttich und auch in Malm6dy (ZfrP
XVII, 433) findet, zu erklären? Vorauszuschicken ist, dafs z der
zur Tilgung des Hiatus fälschlich gebrauchte .f-Laut ist, der sich auch
im Lothring. (This § 107) findet; vgl. Behrens, ZfrP XIII, 406. Der
lautlichen Entwicklung unserer Mundart gemäfs mufs illos > ias
werden (§ 32 c), das auch in den Ch. W. N. belegt ist; die richtige
Form wäre also zya. Diese kommt thatsächlich heute noch vor,
und zwar im westlichen Teile der Provinz, in Couvin (vgl. Wil-
motte, Notes sur le patois de Couvin, Rev. de l'inst. publ. belg.
N. S. XXIX, 220) und in der Umgegend von Fosscs (Herr Haut);
DIE MUNDART VON NAMÜR.
273
bemerkenswert ist, dafs Grgg. II, 491 zia als von Zoude, dessen
Manuskript gebliebenes Dictionnaire von Namur aus dem Anfange
dieses Jahrh. (Grgg. I, 4) benutzt ist, herstammend anführt, ein Be-
weis dafür, dafs die Form auch in Namur gebräuchlich gewesen
ist; die Lieder haben schon nur z§]. Herr Oger allein kannte eine
Form zya neben z§l aus der nächsten Umgebung nur als im
Scherze gebraucht. Wilmotte, ZfrSpruL XX', 73, erklärt §1 in zgl
= illi, doch unser belegtes zya deutet auf den Obliquus hin; Delaite
II, 67 sucht wenig glücklich masc. z§l aus einer unbetonten, seltenen,
inklinierten Nebenform „eis" statt „les" herzuleiten (s. g 108). Wir
werden vielmehr ein Eintreten der Femininform, die richtig §1
(eles) lautet, annehmen müssen, was wenigstens dem Altlüttischen
nach Scheler, Grgg. II, 491, bekannt ist, und wobei dann die ein-
heitliche Form der i. und 2. Pers. Plur. eingewirkt haben dürfte.
Diese Bildung wird zuerst da eingetreten sein, wo -illum und -ellum,
wie in Lüttich, § wurde (s. ZfrP IX, 483; § 23a), und sich all-
mählich, nach dem heutigen Zustande zu schiiefsen, weiter ver-
breitet haben. — Die Trennung zwischen Masc. und Fem. kennt
auch Marche (Belg. Luxemburg), das in der Entwicklung von e, i
vor I-j-Kons. mit Lüttich übereinstimmt; es hat nämlich für das
Masc. z§ (Mitteilung des Herrn Marechal).
b) Unbetontes
108. Sing.
I. Pers.: dzi, dz' (vor Vokalen
wie Konsonanten).
In der Frage: tsätdzü (chante-
je?); vTils (veux-je?).
7711, 171
(me)
2. Pers.: //, /'
In der Frage assimiliert: vüs
(veux-tu?); P ves (le vois-tu?)
//, /' (te)
Plur.
nq, 7iqz, 71 , ti'z {7iqz, 71z vor
Vokalen)
In der Frage : z. B. avä7i (avons-
nous?, s. ZfrSpruL XX', ']2).
dzi statt tio scheint nicht be-
kannt zu sein.
ttq, 7iqz, 71 , 7iz (nous)
vo, voz, v\ vz
vq, vqz, V, vz (vous).
3. Pers. Masculinura.
/, j! (vor Vokalen) t, iz (wie in der franz. Volks-
sprache, vgl. ZfrSpruL. XX^, 1 63
Anra.)
Ii (lui) ht (leur)
li, /' (le) /^, Ifz, Vz (les)
Femininum.
// (lui)
//, /' (la)
Zeitschr. f. rom. Phil. XXIV.
los (leur)
If, l§z, Vz.
2 74 J- NIEDERLÄNDER,
Im Dativ H (3. Sing.) ist, wi? altfr., // gewahrt; eine aus der
alten Sprache bekannte Form ille statt eile, so Glos. 3g, 1 5 ilh (mehr-
mals), die in anderen Mundarten (s. ZfrSpruL. XX', 72; Delaite
II, 55) vorkommt, ist nicht gebräuchlich. Allgemein verbreitet ist
die Inklination, z. B. dzflwf (je le vois); mi pe'r fV za (mon pere
les a), besonders bei mehrfacher Konsonanz; Beispiele und Regeln,
die überhaupt für das Walion. gelten, s. Delaite II, 5g ff. Die von
INIeyer-Lübkc, Gram. II § 83 p. 105 besprochenen Bildungen ^Izi,
Ifzi (für ihre Verbreitung s. Delaite II, 64) scheinen nicht gebräuch-
lich zu sein, doch traf ich verschiedene Male eine Form flzqs an,
z. B. ds §hc£ dqn (je le leur donne, so Herr Oger, Dutoy, Marechal) ;
es hätte dann gewissermafsen eine Verschmelzung der Formen §lzi
und Iqe stattgefunden.
Die heutigen Formen begegnen uns in den angeführten Texten.
Glos. 38, 6, 2g; 3g, 7 i; 38, 66; 38, 6g te häufig neben franz. tu.
Chr. V. Flor. (ZfrP XXI, 18) t\ — le statt la ist dem N. und NO.
eigentümlich und so immer in den Cart. anzutreffen; das heute
eingetretene //, wie auch dzi, ii, mi etc., ist aus der unbetonten
Satzstellung zu erklären, da unsere Mundart mit Vorliebe vor-
toniges e zu i erhöht, vgl. § 25b, 34a. Pasq., die den heutigen
Gebrauch hat, kennt 3. Plur. masc. ü in // etichetine, sodafs iz aus
dem Franz. entlehnt zu sein scheint.
2. Reflexivpronomen.
log. Lat. se kommt nur unbetont als si, s' vor. Das betonte
Reflexiv wird, wie altfr. und auch noch heute im Osten, durch
das Personalpronomen ersetzt, z. B. sakä po li (chacun pour soi).
3. Possessivpronomen.
a) Unbetontes.
HO. Sing. (Masc. und Fem.):
mi, ?«'
ii, /'
si, j'
nos, Tiosl (vor Vokalen).
vos, vosi „ „
lä (= leur).
Plur. (Masc. und Fem.):
mf, m§z (vor Vokalen).
t§, t§z
Sf, SfZ
no, ngz
vo, voz
Iqt, l^z.
Die von Wilmotte, ZfrSpruL XX •, 73 der Namurer Gegend zu-
geschriebene, häufig in den Ch. \V. N. (Rom. XIX, 73) auftretende
DIE MÜNDART VON NAMUK. 275
Form m{e)n fand ich in Namur selbst nicht, doch ist sie in der
Umgegend nach Norden hin vor Vokalen anzutreffen; so sagt man
in Rhines (Eisenbahnstrecke Namur -Bruxelles): s'f nin om (c'est
mon homme), desgl. in Gembloux: /«'« §fä und in Morialm6
(Entre Sambre-et-Meuse, Folklore wallon p. 114). Auch in den
„Aurmonaques" erscheint hier und da vor Vokalen w'«, /'«, s'n
geschrieben. Die Formen der älteren Sprache, die uns die Ch. W. N.
(Rom. XIX, 83) und Cart. bieten, sind men, ien, sen für das Masc.
und nie, te, se für das Fem. Die Masculinformen wurden früh vor
Konsonanten zu me, ie, se geschwächt, sodafs sie mit dem Femi-
ninum zusammenfielen; so Glos. 37, 15 te pere\ ie ?nere', 37 vO 17
te femme; 2)'li 25 te mainie. Analog dem dzi^ ti (§ 108) wurden
die Formen vortonig zu vii, ti, si erhöht, die dann schliefslich, für
die engere Gegend von Namur wenigstens, ?«'//, /'«, s^7i vor Vokalen
verdrängten; schon Cart. I, 27 (1282) si\ Chr. v. Flor, si R. 2274
neben sonst üblichem ses.
Die Ch. W. N. (Rom. XIX, 83) und auch Chr. v. Flor, haben
viele Beispiele für die unbetonten, gekürzten Formen von noster
und voster, welche hauptsächlich die Pikardie zeigt; diese kommen
in Tamines, das mehr nach jener Gegend hinliegt, vor, z. B. no pe^r,
nq 7ne>r. — Die franz. Formen md, via sind vorhanden in Ver-
bindung mit Familiennamen, z.B. mi viasü (soeur); mi tnonök (oncle);
Dory, Recueil de wallonismes p. 264, bezeichnet diese Wendung
als „terme de politesse".
b) Betontes.
III. Sing. Masc. li ?nek Fem. li mpt
li tek li t§n
li Sek li spi
li nqs li nos
li vqs li vqs
li Iqer li Iqtr (franz.).
Ebenso lautet der Plural, nur mit dem Artikel //.
Delaite II, 72 giebt für Lüttich für Masc. wie Fem. folgende
Formen an: li f?iqen, li tok, li sdk, denen Wilmotte, ZfrSpruL XXS 73
tok, sok zufügt; der erstere kennt auch eine seltene Nebenform niek,
die mit Unrecht als „d'origine flamande" bezeichnet wird. Das
Wort verdankt seine Form der absoluten Stellung, ebenso wie
unum absolut dk, s. § 88c; tek, sek sind Analogiebildungen an tnek;
nqs, vqs sind regelmäfsig entwickelt (st >• j, s. § 70a 2), in /«/■
verrät r die Entlehnung. — Tamines hat Formen ohne Nasal:
niek, tek, sek.
4. Artikel und Demonstrativpronomen,
a) Artikel.
u) Bestimmter.
1 1 2. Sing. Masc. //, /' Fem. ebenso
dq; di /', dU vor Vokalen dpi
q\ al „ „ al.
18*
276 J. NIEDERLÄNDER,
Plur. Masc. und Fem. 1§, Ifz (vor Vokalen)
df, dfz
p, gz.
Diese Formen des Artikels sind früh belegt; Glos, kennen das
Zusammenfallen von Masc. und Fem., ebenso Ch. W. N. (Rom.
XIX, 83) und Cart. Glos, zeigen:
Nom. (fem.) 37 vO 4g // vie
Acc. 38, 30 le vie
Gen. masc. 38, 28 do pain; 39, 20 do vin
39, 39 do ptiele.
Nom. fem. //" wurde nach dem Nom. masc. gebildet; Acc. fem. le
(wie auch masc.) fiel nach Erhöhung des vortonigen e zu /(§ 108,
iio) mit dem Nom. zusammen. — Eine auffallende Eigentümlich-
keit zeigt Tamines, indem es vor Konsonanten dem Art. Plur. ein
e zufügt, z. B. Ifze fg;m (les femmes); nach Dory, Recueil de wallo-
nismes p. 180, der dieses e auch bei dem unbestimmten Artikel
notiert, scheint dieser Vorgang besonders dem Hennegau eigen
zu sein.
ß) Unbestimmter.
Masc. d (in der unbetonten Satzstellung, s. § 52).!
Fem. on (in Lüttich: ine, s. Delaite II, 7).
So in den alten Texten: Glos. 38VO32 on; 40, 25 one. Cart. I, 11
(1235) on; 39 (1291) otie. Ch.W. N. on (Rom. XIX, 79).
b) Demonstrativpronomen.
113. Das adjektivische Demonstrativpronomen lautet Masc. wie
Fem. im Sing, si, s'; sä, sU vor Vokalen, im Plur. sf bez. sfz; be-
sonders häufig wird dabei das hinweisende si (franz. ci) mit dem
Substantiv verbunden (Herr Oger und Dutoy).
114. Das substantivische Determinativpronomen ist:
li sya (celui): ; // spi (celle)
If sya, daneben: ; If s§n (celles)
l§ Sek (ceux).
Die Lütticher Formen sind von diesen verschieden (s. Delaite
^I> 75)- — ^y^ ist ecceillos mit regelmäfsiger Entwicklung, wie
schon Ch.W. N. (§32c), das dann aus dem Plur. in den Sing,
drang; sfn ist ecceillam mit Wandel des 1 zu n (s. § 79); Sing,
und Plur. werden durch den Artikel geschieden. Die Nebenform
Sek ist unregelmäfsig; es ist vielleicht eine Analogiebildung an 77iek,
wie Wilmotte, ZfrSpruL XX', 73, eine ähnliche für qualera (fem.)
>» kek für eine Ortschaft der Provinz Lüttich konstatiert, besonders
da die Femininform schon übereinstimmte (s. § 1 1 1).
^ Givet (1. c): in.
DIE MÜNDART VON NAMUR. 277
115. Das substantivische Demonstrativpronomen lautet:
s{t)/ist (celui-ci) ; sffm (ceux-ci)
süf/si (celle-ci) ; s§t§lsi (celles-ci)
s{f)iila (celui-lä) ; s§lila (ceux-lä)
sii§la (celle-lä) ; s§t§la (celles-lä).
1 1 6. Franz. cela ist sa.
Lüttich bietet wieder eine verschiedene Bildung (Delaite II, 74);
der erste Teil dieses hinweisenden Fürworts ist wohl ecceiste-f-ille;
si und la entsprechen den franz. Formen.
5. Relativ- und Interrogativpronomen,
a) Relativpronomen.
117. ki ist das Pronomen für alle Kasus; vor einem Vokal k\
Dafs Norain. und Acc. zusammengefallen, ist wieder eine Folge
der Eigentümlichkeit unserer Mundart, unbetontes e zu ;' zu erhöhen;
wir finden ki statt „que" bereits Glos. 38, 69 und auch sonst. —
Der franz. Brauch, bei dem auf Sachen bezüglichen Pronomen mit
vorhergehender Präposition „lequel" zu setzen, ist unbekannt; man
sagt, wie auch in Lüttich, s. Delaite II, 77: // töf ki dz'a poisi d'sü
(la table sur laquelle j'ai saute).
b) Interrogativpronomen.
118. ki (qui); ki (que); kw^ (quid); lequel ist like^k, laquelle
> like^n. — Lüttich kennt regelmäfsig masc. like; k in likfk ist
wohl wieder analogisch (vgl. kek ZfrSpruL XX', 73 und ke^k =
quelque).
6. Indefinite Pronomen.
119. 0 (franz. on); dk (unum, abs., s. § 88c); ^/ (alter); re
(rem, rien); ke^k (quelque); chacun ist sakw, aus dem Franz. ent-
lehnt, da s statt ts und a:- Nasal, den die Mundart sonst nicht
kennt; in Lüttich: tsaskdk. — tq (tout), und verstärkt mit trans:
torto (Lüttich: iürio), altfr. eine gewöhnliche Form, die auch heute
noch in den meisten franz. Patois erhalten ist. — mein (meme);
te} (talem); saki (jemand); sakiv§ (etwas); sakivä (einige, *siquanti
nach Feller); p§rson (personne).
B. Verb um.
1 20. Mehr als der bisher behandelte Teil der Formen zeigt
das Verbum viele auffallende, charakteristische Unterschiede im
Vergleich zu dem der Lütticher Mundart. Die Flexion ist, wie
überhaupt im Neuwalion., durch Anbildung vereinfacht; die Endungen
sind im Sing, auf eine reduziert, der Plural hat meist zwei oder
drei Formen erhalten. Der Sing. Praes. sowie einige Part, praet.
sind stamrabetont, während alle anderen Formen endungsbetont
sind. Die erhaltenen Zeiten sind im allgemeinen dieselben wie im
278 J. NIEDERLÄNDER,
Franz.; doch die Mundart kennt im Gegensatz zu der von Lüttich
und Mahucdy, wie das Neulothr. (s, This § 120), kein „Passe d6-
fini", das sie durch das Imperfect oder noch häufiger durch das
„Pass6 inddfini" ersetzt. Schon Chavee (1. c.) konstatiert das gänz-
Uche Fehlen des „Passe defini", von dem sich nur noch spärliche
Reste in den „Liedern" zeigen, auf die ZanardelH 1. c. hinweist, z. B.
ieu (eut); ordonnit, trovit, trovi, wo wohl Angleichung anzunehmen
ist, vgl. Imp. Conj. § 122 c; Suchier, Auc.3 p. 74. Vor allem hat die
Analogie stark eingewirkt; so sind besonders die Infinilivendungen
— die der L Konjugation weniger — , verändert unter dem Einflufs
des Part, praet., bedeutend mehr, als dies für Lüttich (s. ZfrSpruI^
XXI, 74) der Fall ist; diese Erscheinung findet eine Erklärung,
wenn man in Betracht zieht, dafs Infin. und Part, -are, -atura, -ire,
-itum schon früh gleichlauteten; vgl. für ähnliche Vorgänge in
heutigen Mundarten des Ostens Meyer-Lübke, Gram. II § 128.
duvyf (ouvrir, nach *deopertum), kiivy§ (couvrir), diese beiden auch
Neulothr., s. Ostfr. Gr. p. 96; vqlii (vouloir), hiernach pqlü (pouvoir);
valü (valoir); v'yiü (venir); ftiü (tenir); hirü (courir); divü (devoir).
Zu diesen ist getreten : irqvü (trouver, ebenso Part, praet. für Roche-
fort, Enf. prod.); rüazü (oser); mqrü (mourir); qfrü (offrir); d-ivarmü
(dormire); sy§rvii (servir); qyil (ouir, audire, so Pasq. oiii). — In
die I. Konj. tritt: vike (vivr'e, s. § 143); in die IV.: styfrni (ster-
nere, wie lothr., s. Meyer-Lübke, Gram. II § 121). — Andere Ab-
weichungen vom Franz., die auch schon der älteren Sprache eigen
sind, werden bei den einzelnen Verben besprochen werden.
121. Abgesehen von dem Sing. Praes., Ind. und Konj., sowie
dem Part, praet. sind die Endungen, die allen Konjugationen ge-
mein sind und an den Stamm angehängt werden, folgende:
Praes. 4. Pers. -ä; in der Frage: -an.
5. „ -e in der I. Konjug., -i bei den Verben nach
Bartsch. Gesetz; sonst -0.
6. „ -7iü, das betont ist.
Imp. Sing. -«/", daneben -f.
Plur. 4. Pers. -in
5- » -'^
6. „ -in.
Futur. Sing. -/.
Plur. 4. Pers. -ä
5- » -q
6. „ -d.
Condit.: Endungen des Imperf.
Givet (1. c.) hat Inf. vqli.
DIE MUNDART VON NAMUR. 279
Konj. Praes. 4, Pers.
5- „
6. „
-äs
-fS, bez. -OS
-nüs.
Konj. Imp.:
Sing.
Plur. 4. Pers.
-IS
-es
5- ..
6. „
-Is
-es.
Imperat.: Endungen
des Praes.
Part, praes.
-cf.
121 a. 4. Praes. -ä ist fast allen wallon. und lothring. Mund-
arten eigen; eine befriedigende Erklärung ist schwer zu finden.
Zeliqzon, Lothr. Mundarten p. 35, nimmt -emus an, das aber mit
den Lautgesetzen des Wallon. nicht im Einklang steht. Stürzinger,
ZfrP XVI, 511, der auch die Grenze zwischen ä und d beschreibt,
will es als Anlehnung an die Perfectendung -a?nes erklären, von
der sich im Altwall. Nebenformen mit -ofis finden. Diese Annahme
weist Horning, ZfrP XVII, 316 wegen des seltenen Gebrauches der
Perfectendung zurück, er möchte dagegen ein Substrat -^anwies zu
Grunde legen; ebenso Marchot, ZfrP XX, 512. Die älteren Denk-
mäler für Namur haben diese Endung nicht, dagegen kennen Pasq.
und Lieder nur -atis. Eine 4. Fut., die der 4. Praes. gleichlautet,
ist belegt in einer Urkunde von Lüttich aus dem Jahre 1261
porajis (Rom. XVIII, 213); einige Formen mit -ans hat auch Gorlich,
Die nordwestlichen Dialecte der langue d'oil p. 79 (in Franz. Stud.V).
— In der Frageform -an, z. B. fyän (faisons-nous?), stammt n aus
nos, das Doutrepont p. 1 1 7 in diesem Falle für das Altwallon. als
nes kennt.
121 b. 5. Praes. Es steht: i) e bei den Verben auf -are.
2) i bei denen, auf die das Bartsch. Gesetz eingewirkt hat (s. §8).
3) 0 bei den Verben der übrigen Konjugationen. 0 scheint grofse
Lebensfähigkeit zu besitzen, sodafs diese Reihe häufig durch-
brochen wird, indem q die beiden anderen zu verdrängen sucht;
es wird hierbei wohl begünstigt durch die 5. Praes. der Hülfs-
verben, avq und fstq, sowie durch das charakteristische savo (sapetis),
das nach jeder kleineren Anrede gesetzt wird (der häufige Ge-
brauch im Franz. von angehängtem „savez-vous" verrät den Belgier,
s. auch Dory, Recueil de wallonismes p. 340). Einer Mitteilung
zufolge, die ich Herrn Marechal, professeur de rhetorique ä l'Athent^e
royal, verdanke, hat 0 im Süden der Provinz unumschränkte Herr-
schaft, wie auch Enf. prod. für die einzelnen Orte zeigt, z. B. Beau-
raing, Dinant, Spontin, Ciney; s. auch M6langes Wallons p. 5. Schon
Chav6e, I.e. p.98 sagt für Namur: „(^a et lä -02", die „Aurmonaques"
haben häufig die bestätigten Formen: chantoz, alloz, marioz u. a.;
0 an Stelle von i hörte ich nur von Herrn Oger. Und in unserer
Mundart würde q wohl stärker eingedrungen sein, wenn nicht der
2 8o J. NIEDERLÄNDFR,
Einflufs des Franz. sich geltend gemacht hätte; so ist o auch in
Malmedy (ZfrP XVII, 435) und in der Umgegend von Verviers
(s. INI^langes Wallons p. 41), während Lültich umgekehrt <? für alle
Konjugationen hat; nur nach der Grenze der Provinz Namur hin
citiert Wilmotte, ZfrSpruL XX', 74, schon eine Reihe o-Forraen.
Wir möchten in 0 mit Stürzinger (1. c.) altfr. oiz sehen, das
im Osten sehr verbreitet war, — s. Tobler, GGA 1874 p. 1047;
W. Foerster, ZföG 1874 p. 523; Behrens, Die Endung der 2. Pers.
Plur. des altfr. Verbs, Diss. Greifswald i8go, p. 19 — , im Gegen-
satz zu Wilmotte, der 1. c. auf den verschiedenen Uebergang von
<? >> ß? in Lüttich hinweist. Für die verschiedene Entwicklung
von e, das hier ja in der Endung steht, s. § 27; der Wandel
von Ol > 0, wo der Diphthong fallend war, ist häufig, besonders
in wall, und pik. Texten (Ch.W. N.; Poeme Moral; Dial. Greg, u.a.)
belegt. Zwar giebt Imperf. -ebam (s. § 122) in Lüttich bei den
Hülfsverben av(£, §si(e, doch zeigen Mundarten für diese Verbal-
form in unserer Gegend q\ so Rochefort (Enf. prod.) aiirot (Condit.);
Bouillon (Dict. von Aubry 1792) esto, avo (Imperf.); Feller, § 44, avq,
asio für mehrere Dörfer des nördlichen belg. Luxemburg; ebenso
nach Brabant zu: Gembloux (Enf. prod.): avot, estot, arot', Wavre
(Enf. prod.): avot, estot, arot; Nivelles (Enf. prod.): avotit, stoiit. —
Diese Formen des Imperf., das in Namur eine andere Endung
(§ 122) hat, sprechen wohl für unsere Auffassung; eine abschliefsende
Erklärung wird erst eine genaue Erforschung der heutigen Mund-
arten bieten. Schliefslich sei noch auf das Lothring. hingewiesen,
das seinen Lautgesetzen zufolge -etis hat, auf alle Konjugationen
ausgedehnt, vgl. This, Z6Iiqzon (§ 121).
Die Formen mit e stellen den regelrechten Wandel von -atis
dar; das t bei den Verben nach Bartsch. Gesetz erklärt sich laut-
gesetzlich, s. § 8. — Pasq. und Lieder bieten zahlreiche Belege
der Endung 0.
121 c. 6. Praes. -nü, bildet eines der interessantesten und
charakteristischsten Merkmale der Namurer Mundart sowie noch
eines Teiles der Provinz; für die Herkunft aus lat. Formen wie
danunt, solinunt, ferinunt u. a. vgl. W, Foerster, Zur toskanischen
Endung —^«ö, ZfrP XXII, 522 ff. Die Entwicklungsreihe wäre dann:
-ununt > -enent^ -etiait (wo die Endung betont) > -{e)ne^ -{e)rie (bei
folg. Kons.) > -nee > nü. Das Nordwalion. (Lüttich, s. Doutrepont
p. 47) hat f, z. B. / tsät^, wo, wie in Namur, die Endung den Ton
bekam und die nasale Aussprache verlor. Diese merkwürdige
Endung ist früh belegt: Ch.W. N. (Rom. XIX, 84) pu/ene (*potunt
nach volunt), nu/ene (volunt). Gart. I, 1 1 (1235) güsene; descen-
denent (zweimal) übersetzt lat. descendentis bez. descendunt. Gart.
I, 50 (1303) (Statuts des bouchers) mostrenent. Glos. 37, 57 diene
(dicunt); 39, 25 vi7ie (veniunt). Genau diese Formen kommen vor,
z. B. tsätne (e halboffen), wenig nördlich von Namur, in Cognelee,
einige Kilometer entfernt, und in Jodoigne, an der Eisenbahn-
DIE MUNDART VON NAMUR. 28 1
strecke von Namur nach Tirlemont; Namur hat dieses e zu ü weiter
entwickelt, über qe, das mehr westlich vorkommt, wie in Charleroi
(s. Melanges Walions p. 108).
Das Volk fafste den Endungen der 4. und 5. Praes. gegenüber
-nü als Endung der 6. auf, die bei den Verben aller Konjugationen
gesetzt wird. Die „Lieder" kennen nur nü, z. B. pidnu (prennent),
flinu (fönt) u. a.
Die Grenze dieser merkwürdigen Endung nach der Provinz
Lüttich und nach dem Süden von Namur hin ist noch nicht fest-
gestellt, doch bereitet Herr Marechal eine solche Untersuchung
vor. — Wie das Fut. (s. § 122b), zeigt diese Person bei einigen
Verben den Vokal der stammbetonten Formen.
122. Iraperf, Sing, -cef.
Diese Endung ist allen Konjugationen gemeinsam, auch bei
den Verben, die sich nach dem Bartsch. Gesetze entwickelt haben;
Lüttich hat dagegen -ef bez. if, ebenso Malmedy, nur mit Aus-
nahme des Imperf. von habere und *essere, die avce und §si(K
bilden, vgl. Doutrepont p. 53, 55; Delaite I, 52. Sie entspricht
dem altfr. auf unserem Gebiete gebräuchlichen -eve (-abam), das
dann auch auf die übrigen Konjugationen ausgedehnt wurde; so:
Jonas 8 auardevcl; Pasquet: Sermons de careme, 16 Beispiele, in
Mem. de l'Acad. royale belg. XLI, 14; Dial. Greg. (Einl. p. IX); in
den Urkunden (Rom. XVII, 567; XVIII, 218). Vgl. auch: W.Foerster,
Rom. Forsch. II, 204 fr.; Suchier, ZfrP II, 275; Risop, Archiv 92,
p. 464.
In dieser Namurer Form -cef, die sich auf ein verhältnismäfsig
kleines Gebiet erstreckt, sehen wir die Weiterentwicklung von -ef
unter dem Einflufs des /. Chav6e, 1. c. p. g8 nimmt -(ff für die
Stadt Namur besonders in Anspruch neben -ef, das sich „(,-a et lä"
(p. 83) findet. Dieses -ef haben Mundarten in nächster Nähe, so:
Floreffe, Gembloux, Tamines, Fosses.
-(«/haben noch: Bonnines-lez-Namur (Cledat's Rev. VI, 208):
avcef, disedqpf; Ciney (Enf. prod.); Hannut (Prov. Lüttich, C16dal's
Rev. V, 208) vq}(ff, aber avoe, psice, wie Lüttich; ähnlich Jodoigne
(Brabant). F"ür die Einwirkung eines Labialen s. § 95 a; sapam ist
säf\ fabam lautet zwar fef (ob volkstümliches Wort?, das Volk
sagt viäztu; auch bei Dory, Recueil de wallonismes p. 252), doch
fäf in anderen Mundarten, s. Meyer-Lübke, Gram. I § 270, Feller
§ 853, der auch ähnlich />'^(leporem) kennt, während sonst Gaumet
freies e '>y§ hat. — Eine Herkunft des -<xf, -ef aus lat. -ebam,
wie M61anges Wallons p. 4 angenommen wird, ist von vorneherein
zurückzuweisen, da diese Endung nach Ausweis des Proveno, und
Ital. nur als *ea nach Gallien gekommen sein kann.
Bemerkenswert ist, dafs Pasq., die sonst den heutigen Wandel
der Mundart besitzt, -eve zeigt, wie voleve, asteve, aveve u. a., was
wohl mit dem oben erwähnten Zeugnis Chavee's auf die erste
Hälfte des vorigen Jahrb. als die Zeit des Uebergangs von -ef in
282 J. NIEDERLÄNDER,
-cßf hindeutet, da die Lieder schon nur das letztere kennen; Ge-
naues läfst sich natürlich bei den spärlichen Uebcrlieferungen nicht
feststellen. Dafs neben dieser Endung -cef seltener -§ steht, wird,
wie so häufig, dem franz. Einflufs zuzuschreiben sein; Pasq. hat
diese Nebenformen; über das Imperf. Sing, der Hülfsverben in der
Umgegend von Namur s. § 121b.
122 a. Imperf. Plur. 4. Fers, -en, über in (s. § 21). Diese Form
entspricht der altfr. Endung -iens im N. und NO. (vgl. Suchier,
ZfrP II, 281), die in allen Denkmälern häufig belegt ist, so Cart.
I, 16 (1264) aviens, 21 (1268) demandüfis; in den Ch. W. N. etc.
Gegenüber der 4. Praes. ä (s. § 1 2 1 a) wäre das n als aus der
Frage eingedrungen zu erklären, vgl. auch Meyer-Lübke, Gram. II
§ 258. Für die Einsilbigkeit des ü im NO. s. Aue.'* p. 72.
5. Pers. -I, regelrecht aus -ebatis, entsprechend den Laut-
gesetzen unserer Mundart über zez (§ 7, 8).
6. Pers. -.?>/, wohl an die 4. angeglichen.
Es braucht kaum noch erwähnt zu werden, dafs Pasq. und
Lieder diese Formen kennen. Interessant ist wieder der Unter-
schied von den nördlichen Mundarten; Lüttich und Malm6dy haben
für alle 3 Personen J. Thatsächlich lautete auch in Lüttich im
vorigen Jahrhundert die 4. und 6. -ins [e), vgl, Doutrepont p. 58 ff.,
der zahlreiche Belege giebt, so dafs Namur hier einen älteren
Sprachstand darstellt. Die Endung -in bieten andere Mundarten,
so, wie § 2 1 erwähnt, Vedrin und Corroye-le-Chäteau.
122 b. Fut. und Condit., gebildet aus dem Infiinitiv und den
Tonsilben des Praes. und Imperf. von habere (s. § 142^), doch
der Sing, des Futurs ist -f in allen 3 Personen, wogegen Sing.
Praes. von habere nur a kennt. Doutrepont p. 63 sucht das /,
das allgemein wallon. ist, als eine Entlehnung aus dem F'ranz.
darzustellen; die Form der i. Pers. wäre dann auf die übrigen
übergegangen. Horning, ZfrP XVII, 300 hält ein Uebergreifen der
I. Pers. für möglich; vgl. Meyer-Lübke, Gram, II §321. — Pasq.
schreibt immer, wohl zum Zeichen der offenen Aussprache, -et, so
I. Pers. serc/, chairei (= tomberai) u. a. ; 3. Pers. direl. Wie eine
Reihe der später angeführten Verben zeigt, haben diese im Fut.
den Vokal der stammbetonten Formen.
122c. Konj. Praes. und Imperf.
Zunächst mufs festgestellt werden, dafs der Konjunktiv selten
angewandt wird, indem für ihn der Indikativ eintritt, der dem
Volke geläufiger ist; manchmal wird auch der Konj. Imperf. durch
den Konj. Praes. ersetzt, wie auch in Lüttich (Littbl. 1893 p. 12);
s. femer Dory, Recueil de wallonismes p. 229. — Der Konj. Praes.
Sing, ist ohne Endung und meist regelrecht entwickelt; der Konj.
Imp. Sing, hat die Endung -is für alle Konjugationen, so auch in
St. Hubert: mimis (C16dat's Rev. V p. 41), Littbl. 1892 p. 343; alich
(in einem Stücke in Folklore Wallon p. 48). Diese Form entspricht
dem altfr. auf unserem Gebiete vorkommenden Konjunktiv auf -isse,
DIE MNDART VON NAMÜR. 283
der allen Konjugationen gemein wurde; vgl. hierzu Suchier, ZfrP II,
284 ff, Auc.3 p. 74; W. Foerster, Chev. as 2 esp. LVIIl, ZföG 1875
p. 542, Erec, Anm. zu v. 144Q. Zahlreiche Belege in den älteren
Denkmälern: Ch.W. N. XI, XII auissent. Cart. I, 31 (1284) donnissiens\
62 (1328) allisi; II, 88 (1366) posisl; 97 (1377) sewist (= süt);
110 (1388) vousist; 137 (1415) meiisl; 111,2 12 (1470) achelisseni;
241 (1495) lüidisseni. C. d. v. (1389) pozissenl; (1408) icjiisseni;
(1573) faisist. Cart. Din. 35 (1340) eivist; 36 (1348) powissent.
Hist. Flor. 364 (1285) falisäejis; 370 (1287) alisÜJis, raporiisicns.
Man. nam. absorbist.
Aus SS wurde zunächst im Plural lautgesetzlich bei dem vor-
gehenden i ein s, das dann auf den Sing, übertragen wurde, vgl.
auch Horning, Littbl. 1892 p. 344; schliefslich fafste man s als
Zeichen des Konjunktivs überhaupt auf und bildete den Konj. Praes.
und Imp. Piur. dadurch, dafs man s an die entsprechenden Per-
sonen des Indikativs anhing. — In Lüttich sind diese Formen
ganz verschieden, vgl. Doutrepont p. 49, 62, 66; Delaite I, 62, 68;
Wilraotte, Littbl. 1893 p. 12. Für die eigentümliche Bildung des
Konj. in den östlichen Mundarten vgl. Meyer-Lübke, Gram. II § 307.
122 d. Die Endung des Part, praes. ist ä für alle Konjuga-
tionen ; das Part, praet. ist endungsbetont, abgesehen von den Part,
einiger starken Verben.
123. Im folgenden schliefsen wir uns betreffs der Einteilung
an Diez an; es sei nochmals daran erinnert, dafs jeder stimmhafte
Konsonant im Auslaut stimmlos wird.
I. Schwache Konjugation.
I. Klasse.
124. Diese Konjugation umfafst die Verba der lat. ersten; die
Infinitivendung ist e (bez. e% und i bei den Verben, die dem
Bartsch. Gesetze folgen (s. § 8). Das Part, praet. fem. ist ey bez. iy\
der Vokal der stammbetonten Formen ist meist auf die endungs-
betonten übertragen. Beim Fut. wird der Vokal der Infinitivendung
ausgestofsen, was auch altwall. (Cart., Poeme Moral) bekannt ist.
Paradigma,
Inf. Isäte^ (cantare).
Praes. Sing, tsäi PI.: tsälä, Isäle (^), tsätnü
Imp. ,, tsätqef „ isäten, Isäli, tsäien
Fut. „ tsdlrf „ fsä/rä, tsälrOi tsäird
Cond. „ isälrcpf ,, fsä/ren, tsälrl, tsätren
Konj. praes. „ isät ,, /sä/äs, Isätes (os), tsätnüs
„ imp. „ /säü's „ tsätes, tsätls, isätes
Part, praes. tsä/ä, praet. Isdic, tsnley (s. § 2).
Imperat. wie Praes.
pwarte (portare; hierbei Regel über r s. § 75a, b)
Praes. Sing, pivat PI.: pivariä, pivarle, pwatnü
284 J. NIEDERLÄNDER,
Imp. pwarfqef etc.
Fut. pivatrf.
Bei 6. Praes. und Fut. zeigte sich Schwanken hinsichtlich des r;
die übrigen Formen wie bei tsäte.
Von den Verben nach Bartsch. Gesetz (§ 8):
priyl (precare, s. § 22).
Praes. Sing, priy PI. 5. priyt
Fut. priyr§ etc.
Part, praet. priyi, fem. ly (s. § 2)
kädzi (cambiare) hat Fut. kädz'r§ etc.
Verba auf -icare (s. § 59 c). r^n^ti (*renitidicare).
Praes. Sing. rn§iiy PI.: rn^t'yä^ rufit^ rn§ilynii
Imp. „ r'n^t^ycef etc.
Fut. rn§tir§ „
Besondere Bemerkungen.
125. Geht der Stamm auf Mut. c. Liqu. aus, so wird in den
stammbetonten Formen und im Futur ein § eingeschaltet; in Lüttich
ist es meist «, vgl. Doutrepont p. 43 ff., M^langes Walions p. 39;
ähnlich im Lothring., s. This § 125, Ostfr. Gr. p. 92. In anderen
Mundarten ist der eingeschobene Vokal «, z. B. riniure in Beau-
raing (Prov. Namur, Enf. prod.). Bei der Erklärung mufs das Ver-
legen des Accentes auf die letzte Silbe in Betracht gezogen
werden, also dz'elf'r, süf§l gegen töf (table), s. Stürzinger, ZfrSpruL
XIV 2, 48; §88."
etre (intrare).
Praes. Sing. el§r PI. eträ, etre, etfrnü
Imp. etr(f/ etc.
Fut. etft'f „
Kondit. etp'cef „
Andere Verba dieser Art sind: mqstre (monstrare); sofle (suf-
flare); efle (inflare); gofle (conflare); rdflc (ronflare); süfle (siffler);
solle (sauter, s. § 1 6 a).
126. Unsere Mundart auch zeigt Beispiele des Accentwechsels
im Praes. Sing, bei gewissen Verben, der ebenso in Lüttich (s. De-
laite I, 39; Doutrepont p. 42), Malmedy (Stürzinger 1. c), sowie im
Lothring. (Ostfr. Gr. p. 93) bekannt ist. Er ist wohl mit Horning,
ZfrP XXII, 95 als Nachfolger der altfr. i. Praes. auf -ois zu be-
trachten, auf die schon W. Foerster, Lyoner Yzopet XL hinge-
wiesen hatte; vgl. auch Meyer-Lübke, Gram. II § 206, Stürzinger,
ZfrSpruL XIV2, 47.
aste (acheter):
Praes. Sing, astly', Fut. aste/rf etc.
pruste (praestare):
Praes. Sing, prüsfey; Futur, prüsieyrf —
DIE MUNDART VON NAMUR. 285
Von isfrwe (carrucare) ist:
Praes. Sing. ls§rwey\ Plur. isfrwä etc. —
Von mari'er ist:
Praes. Sing, mariy, „ maryä — niariynü
Fut. mari?-^.
12-j. Die stamm- und endungsbetonten Formen gewisser Verben
sind nicht mehr so streng geschieden wie in Lüttich und Malm6dy
(Doutrepont p. 87 if., Stürzinger 1 c). — So waren z. B. Formen
wie /w' (levo), cnV (crepo) u. a. nicht vorhanden; es war vielmehr
der Vokal der endungsbetonten Formen eingedrungen. Ich zeich-
nete auf: päy, payl (pacare); asäy, asay'i (exagiare); trüf, trove
(trouver), das Fut. truv'r§\ d'7ncer, dim§re (deraorare); U, Ifyi (altfr.
laier, *la(r)gare), Cart. Din. 99 (1264) lay (= laisse); say, soyt {se-
care); plyiy, phy'i (plicare); afn0, afrqyi (*adfricare); ly.y, Iqyi
(ligare); hri^, broy'i (broyer).
Die übrigen Verben auf -are, die Doutrepont p. 87 ff, für
Lüttich anführt, hatten keinen Vokalunterschied mehr.
128. ah (ambulare; hierfür neuerdings W. Foerster, ZfrP XXII,
p. 515) hat, wie im Franz., Formen vom Stamme ambulare, vadere
und ire.
Praes. Sing, va Plur. alä, ale (0), vo
Im per f. allxf etc.
Fut. ir§ „
Konj. Praes. vy.y Plur. aläs, ales, vi/yriüs.
Frz. il s'en est all6 wird ersetzt durch // §st fvyy (= inviam).
12 g. riswe (exsucare) bietet keine Unregelmäfsigkeiten.
2. Klasse.
130. Diese Klasse hatte ursprünglich im Infinitiv -re; da aber
hinter der Tonsilbe ;• nach Konsonant bei folgendem, stummem e
schwindet, so ist die Infinitivendung gefallen. Das d des Stammes
ist Praes. Sing, verstummt; das Part, praet. ist ü, (£iü (§ 51).
vel (vendere).
Praes. Sing, ve Plur. vedä, vedq, vednü
Fut. vedr§ etc.
Konj. Praes. vel „ vedäs, vedos, vednüs
„ Imp. vedis „ vcdes, vedls, vedes
Part, praet. vedü, ved(fw.
Weitere Beispiele sind: fet (findere); disJUl (defendere); pel
(pendere); disel (descendere); rfspdl (respondere).
131. An diese Verben schliefsen sich die Verba mit il im
Stammauslaut aus lat. ng wegen Gleichheit des Infinitivs und des
Praes. Sing.; d ist in alle Zeiten eingedrungen: z. B. p<~t (pingere);
disiet (extinguere); plet (plangere), Part, praet. / sa pledii (wie die
Reflexiva überhaupt mit „avoir" verbunden werden; für das Altfrz.
286 J. NIEDERLÄNDER,
im N. und NO. vgl. W. Foerster, Ille und Galeron, Anra. zu v. 1817);
dzüt (jüngere, toucher).
Praes. PI. pleJä etc.
132. p)'ft (perdere; hierbei Regel über r § 75 a, b).
Praes. Sing, py^ Plur. pypdä, py^rdo, py^Jnü
Imp. pyfrdaf etc.
Fut. py^drf „
Konj. Praes. Sing, pyft „
Part, praes. py^rdä, — praet. py^rdü, py§rdqetü.
6. Praes. ohne r (s. § 124).
Von pdf (ponere, pondre) heifst Part, praet. ponü, wie altfr.
Isolierte Verba.
133. i) sür, daneben sür (*sequere, s. § 22a, 69a).
Praes. Sing, sü Plur. süvä, süvo, süvnü
Imp. süvqef etc.
Fut. sür§ „ Konj. Praes. sü/ etc.
Konj. Imp. süz'i's
Part, praet. sü, fem. sü/, wie auch altfr. (s. § 66).
Ebenso geht porsür; Part, praet. fem. porsüt.
2) kqts (consuere, coudre, § 73 a).
Praes. Sing, kx Plur. kqzä, kqzo, kqznü
Imp. kqzqef etc. Fut. k(xzr§
Konj. Praes. kces Plur. kqzäs etc.
Part. Praes. kozä, — praet. kqzü, kqzaiv.
3) kür (*cocere).
Praes. Sing, kü Plur. küzä, küzq, küznü
Imp. küzxf etc. Fut. kürg
Konj. Praes. küs etc.
Part, praet. kü, fem. küt.
Ebenso gehen: disirür (detruire), kodür (conduire), lür (lucere).
4) brer (*bragire, vertritt frz. pleurer, so Cart. II, 58 (1366)).
Praes. Sing, bre Plur. br^yä, br^yq, breynü
Fut. br^r§ etc.
Part. Praes. brfyä, — part. bre.
3. Klasse.
134. Wir haben zu unterscheiden zwischen reiner und ge-
mischter Form.
a) Reine Form.
Der Infinitiv dieser Verben ist meist i, einige dagegen haben ü
(s. § 120).
vieti (mentire).
Praes. Sing, me Plur. meiä, meto, inetnü
Imp. müqef etc. Fut. melt'rf
DIE MUNDART VON NAMUR. 287
Konj. Praes. Sing, met etc.; — Imp. melis
Part, praet. 7neti.
Ebenso gehen: seti (sentire) und ripeti\ ersteres hat aber, wie
altfr., im Part, praet. selü.
2) dzüar?nü (donnire; Regel über r s. § 75 a, b).
Praes. Sing, diva PI. divarmä, dzuarniq, divamnü
Imp. dwarmqef etc.
Fut. dwatnr^ neben dwarvi r§
Konj. Praes. divam u. s. w. Part, praet. dwartnü.
Ebenso: 3) sy§rvü (servire).
Praes. Sing. sy§ PI. syfrvä, sypvq, syfvnü
Imp. sy§rv(xf.
Fut. syfvrf
Konj. Praes. syff etc. Part, praet. syp-vü.
135. kut (coUigere, so Cart. II, 158 (1424) coudre).
Praes. Sing, ku PI. kudä, kudq, kudnü
Imp. kudqef Fut. kudrf
Konj. Praes. kut etc. Part. Praes. kudü.
136. duvy§ (ouvrir; Bildung nach dem Part, praet. Meopertura,
s. § 120).
Praes. Sing, düf PI. diwyä, duvyo, diiviiü
Imp. dtcvycef etc.
Fut. duvW§
Konj. Praes. düf. Part, praet. duvy§, duvyft.
Ebenso geht: kuvyf (couvrir).
q/rü (offrir) hat im Fut. qfrirg, im Part, praet. ofri\ von Herrn
Ogier hörte ich dazu Fem.: ofyp-i (wohl franz.).
rfs (*reexire, s. § 22), in der Bedeutung „venir au bout", „reussir".
Die ursprüngUche Bedeutung ist vorhanden in Fosses (Enf. prod.)
rechi = sortir, ebenso bei Aubry, Observations sur le patois de
Bouillon, 1792; soll man in dem Namurer Infinitiv eine Neubildung
an Praes. Ind. annehmen, wie einige Fälle im Lothring., s. Ostfr.
Gr. p. 96?
Praes. Sing, r^s PI. rfsä etc.
Fut. rfhf Part, praet. rfsü, rfSqsiu.
Das Verb scheint alle Zeiten zu besitzen.
b) Gemischte Form.
137. püni (punire).
Praes. Sing, piini PI. püntsä, pünisq, pimtsnü
Imp. püniscef etc. Fut. pünir§
Konj. Praes. Sing, pünis etc. Part, praet. püni.
Frz. ouir (audire) hat Infin. qyil (s. § 120), so Pasq. oiu\ Part,
praet. qyü. — Beschränkter Gebrauch wie im Franz.
138. Wie pütii gehen eine Reihe anderer, dem Franz. ent-
lehnter Verben, z. B. iswfzi (choisir).
288 J. NIEDERLÄNDER,
IL Starke Konjugation.
13Q. Die eingetretenen Veränderungen werden bei den ein-
zelnen Verben besprochen.
I. Klasse.
140. i) fe (*fare statt facere, vgl. hierzu Horning, ZfrSpruL
XVP, 143; ZfrP XIX, 74), im Gegensatz zu pik./^r; Glos. 39, \ fer.
Praes. Sing, fe Fl. fyä, pyq, feynü Pasq. : fio
Jonas: feeni 27, vgl. dazu ZfrP XXII, 95.
Imp. Sing, f'ycf/ PI. f'yen, f^yi^ f'yen Pasq. : nos fietis
Fut. f'rf etc.
Konj. Praes. Sing, fey PI. f'yäs etc.
„ Imp. „ f'yis etc. Praet. Praes. f'yä
Part, praet. fe, /et, wo die Femininform wohl analogisch sein
dürfte, s. auch § 66.
Die endungsbetonten Formen sind von dem Stamme fe ge-
bildet.
2) yfs (*essere), daneben fs.
Praes. Sing. i. so 2., 3. /? 3. aber fst vor Vokalen
PI. fstä, fst(}, so; Nebenformen 1 : astä, as/g
Pasq. hat l. so 5. aslo
Imp. Sing, fs/aef PI. fsfen, fs/l, fs/(~n, daneben wieder Formen
mit a statt f
Fut. sfrf etc.
Konj. Praes. Sing, saey, neben s^ty, von *siam; letztere Form ist
lautlich die für unsere Mundart regelmäfsige ; in Lüttich:
s^y. — Lieder haben seui'e — PI.: sgyäs, soygs, sgynüs,
daneben wieder die Formen mit 01.
Konj. Imp. Sing. füs\ als neugebildete Form: füsi's. Pasq. hat
fuche. — PI. füses, ßisls, füses.
Ueberhaupt haben Konj. Praes. und Imp. stark aufeinander ein-
gewirkt (s. § I22c), sodafs mannigfache Nebenformen entstehen;
so finden sich: Praes. PL: sqcsäs, mit s des Imp.
Imp. PI. füsä, füs'i oder füsis, fühiüs (so bei Chavee); ferner
füsäs, füsgs, füsnü.
Die Folge dieses Schwankens ist, dafs eine ziemliche Ver-
wirrung herrscht; Lüttich kennt wieder für den Konj. ganz ver-
schiedene Formen, vgl. Doutrepont p. 115 und ZfrSpruL XX ^, 76.
Imperat. Sing, füs, daneben söey PI. füsä, füs'i
Part. Praes. fstä', — praet. sti, in Lüttich: stü.
Die 4., 5. Pers. Praes., das Imperf., das Part. Praes. sind neu-
gebildet von dem Stamme fst-\ die Nebenformen mit a statt /, die
man oft in den Urkunden antrifft, so C. d. v. (1364) asfoient, sind
heule besonders dem Süden der Provinz eigen, wie in Dinant
• Diese in Givet (1. c).
DIE MUNDART VON NAMUR. 289
(Bull, de Folklore wall. 1892 p. 269), Beauraing, Walcourt (Enf.
prod.). Part, praet. sii entspricht altwall, sliut (§ 5 1 a), s. Marchot,
Solutions 1, c. p. 86; für iu s, § 31b.
3) v'nü (venire; Infin. s. § 120).
Praes. Sing, ve PL vtiä, vno, vpi{ji)ü
Imp. "oncef u. s. w.
Fut. Sing. ver§ PI. verä, vero, verd; ver§ ist die für unsere
Mundart lautgesetzliche Form (§ 86 b)
Kond. vercef etc.
Konj. Praes. Sing, v^n PI. v'näs, v?i0St vpt{fi)üs
„ Imp. „ vis „ wie sonst
Part, praet. v'nü, fem. v'n^w; man braucht das Hülfsverb awf
(habere): ds'a v'nü (je suis venu).
Ebenso geht /';«i" (tenere).
4) V7/y (videre; nach Horning, ZfrP XII, 258 aus altwall, vei
mit Umspringung des Accentes vei). Die Lütticher Form ist vf}'i,
daneben jedoch vä;y.
Praes. Sing, wf (§ 27) PI. vf)'ä, v§yo, v~j/y7iü
Gembloux, Tamines haben 6. Pers. wgynü
Imp. v§y(xf etc.
Fut. vy§r§ etc., daneben auch w§r§
Konj. Praes. V70 PI. wie sonst.
„ Imp. v§yis „ „ „ Part, praet. vfyü.
Das Futur zeigt, wie auch in Lüttich, Diphthongierung, s. § 34 b.
2. Klasse.
141. i) dir (dicere).
Praes. Sing, di; 3. Pers. in der Frage: dis/ i (dit-il)? PI. d{J)zä,
d{i)zq, disnü
Imp. dizcef etc. Fut. dir§
Konj. Praes. diy, Glos. 40, i, 12 die\ PI. wie sonst
„ Imp, dizis, in den Gart, häufig disisse
Part, praet. di.
2) Iir (legere, in Lüttich: ler, s. % 22) geht wie dir) das z in
der 4. und 5. Pers. Praes. sowie im Imp. ist an die entsprechenden
Formen von dir angeglichen; Part, praet. lautet im Gegensatz zum
Franz. // (wie altfr.).
3) S(er (excutere, secouer).
Praes. Sing. S(£ PI. soyä, soyo, sqynii
Imp. soyqef etc. Fut. sqer§
Part, praet. sqyü.
4) ;;/// (mittere, mettre).
Praes. Sing, mg PI. vi§tä, inglq, m§lnü
Fut. mglrg etc.
Part, praet. m§tü, nach -utum gebildet.
Zeitschr. t rom. Phü. XXIV. I9
290 J. NIEDERLÄNDER,
5) pret (prendere).
Praes. Sing, pre PI. pürdä, pürdo, püdnü, wo statt ü sel-
tener i steht.
Imp. pürd^f etc. Fut. pürdrf neben püdrf
Konj. Praes. Sing, prei PI. wie sonst.
Part, praet. pri, fem. pris (§ 69 b).
Beachtenswert sind die Formen mit ]\Ietathesis des r und Aus-
fall des Nasals in vortoniger Silbe (§ 74, 86b); auch in St. Hubert:
pürde (C16dat's Rev. V, 43).
6) kivlr (quaerere) scheint nur im Infin. erhalten zu sein, z. B.
ah kwer\ in Gembloux, Floreffe ohne r: kvde.
7) Franz. traire wird ersetzt durch inot (mulgere, melken), das
wie m§t konjugiert wird; Part, praet. mqdü.
S)skrJr (scribere).
Praes. Sing, skri PI. skrizä, skrizq, skriznü
Imp. skrizäf Fut. skrir^
Konj. Praes. Sing, skris etc.
Part, praet. skri, skrit.
Die Formen mit z sind als Anlehnung an die entsprechenden
von dir zu erklären; ein neugebildetes Subst. ist skrizx (ecrivain).
9) aslr (*adsedere, entsprechend der altfr. Form im NO., so
C. d. V. (423) assir), daneben: asit (v/ohl analogische Bildung).
Praes. Sing, asi PI. asitä, asito, asiUiii
Imp. asiicef Fut. asitrf
Part, praet. asi', doch daneben steht asit (masc), so „Aurraonaque
del Marmite" 1899 p. 10; im Lothr. ähnlich ein unorga-
nisches / (Ostfr. Gr. p. 97); fem. asit, daneben asly (Herr
Oger). Lüttich kennt das / in den endungsbetonten Formen
nicht; es stammt aus dem analogischen Infin. asit.
10) rlr (ridere).
Praes. Sing, ri PI. riyä, riyq, rmii
Imp. riy^f Fut. rir§ etc.
3. Klasse.
142. i) hivär (bibere, § 27), daneben Itüej.
Praes. Sing. biü§ PI. hgvä., hgvq, b§vnü
Imp. h(v^f Fut. lwp-§
Konj. Praes. Sing. b§f PI. wie sonst.
„ Imp. „ bgvis „ „ „
Part, praet. bfvü, Neubildung an die endungsbetonten Formen.
2) tser (cadere, abweichend vom Franz., wie auch sonst im O.,
s. Meyer-Lübke, Gram. II § 127).
Praes. Sing. tsT- PI. tsfyä, tsfyq, iseytiü
Imp. tsfyqsf etc. Fut. tse7y, Pasq. chairet
Part, praet. ts^yü, -(£W, Cart. III, 74 (1356) cheyuz. Tamines hat
Part. fem. ts^t, das den § 51 erwähnten Verben zuzuzählen ist.
DIE MUNDART VON NAMUR. 29 1
3) risür (recevoir, altfr. recoivre), ebenso in Lüttich; Doutre-
pont p. 105 möchte Einwirkung von sür (§ 133) annehmen.
Praes. Sing, r^wf, in Corroye-le-Chäteau: r{t)sü', PI. r'süvä,
rsüvo, r'süvnü', statt ü auch /.
Imp. r'süvxf Fut. risiir^
Konj. Praes. Sing, r{i)süf etc.
Part, praet. risü, fem. risüt; für / s. § 66.
4) kriü<^r (credere).
Praes. Sing, krw^ PI. kriv^yä, knv^yq, kiwpiü
Part, praet. kriv^yü, wieder Neubildung.
Die übrigen Formen sind regelmäfsig gebildet.
5) krfs (crescere).
Praes. Sing, krf PI. krfsä, kr§sq, kr^snü
Fut. kr^h'f etc.
Part, praet. kr§m, infolge von Neubildung an -utum.
6) kurü (courir; für die Bildung s. § 120).
Praes. Sing, kür PI. kiirä, kuro, kurnü
Fut. hirf
Part, praet. kurü.
7) divü (debere, s. § 120).
Praes. Sing, dwf PI. d'va, d^vo, diivnü (il vor Labial
und bei folgendem ü).
Fut. d^vr^ etc.
Konj. Praes. Sing, divff PI. wie sonst.
Part, praet. divü, wieder Neubildung.
8) awf (habere; in Lüttich: avqer und avü).
Praes. Sing, a; PI. üvä, avo, 0; im Sing, ist die i. Pers. den
beiden anderen angeglichen; Chr. v. Fl. a: decha (im Reime).
Imp. aväj etc.
Fut. or§ neben ür^ in der Umgebung, Gembloux, Tamines; so
häufig in der alten Sprache: Glos. 39 vO 12 aras\ Man.
nam. ar07it, arat; Cart. Din. 99 (1264) aront und in den
Cart.; vgl. W. Foerster, Anm. zu v. 248 im Free.
Konj. Praes. S^ng. qsy, daneben qss PI. (xyäs, qsyos, oeynüs
„ Imp. „ (TS, neben aesis PI. aesäs, ossis, qsses. Pasq.
hat: euches, enge. Es gilt hier dasselbe wie das bei *essere
Gesagte; beide Zeiten beeinflussen sich gegenseitig. — Für
die ganz verschiedenen Lütticher Formen s. Doutrepont
p. 109; ZfrSpruL XX 2, 77.
Imperat. ay, qnyä, ceyi, daneben wieder: qes, <xsä, (xst
Part. Praes. osyä; — praet. yce (s. § 51a).
Mit dem Hülfsverb aiv^ werden sowohl die intransitiven als
die reflexiven Verben konjugiert, wie auch altfr. im N. und NO.
(vgl. W. Foerster, Ille et Galeron, Anm. zu v. 1817, Yvain, Anm.
zu V. 2795).
19*
292 J. NIEDERLÄNDER,
g) mür (molere, ohne Gleitlaut, s. § 81).
Praes. Sing. t7iü PI. ?nqlä, moh, inolnü
Imp. mqlxf Fut. mür§ etc.
Konj. Praes. Sing. 7nql PI. wie sonst.
Part, praet. mqlü.
10) inqrü (mourir).
Praes. Sing, mür PI. mqra, mqrq, rnurm'l
Imp. viorcxf Fut. 7nü7-§
Part, praet. mivär, imvat; daneben il a morü.
11) liqn§s (cognoscere).
Praes. Sing. kq7i§ PI. kqnisä, kom'so, konisnü
Imp. kqyiisief Fut. kofiirf (Plerr Oger, Dutoy).
Konj. Praes. kqn^s PI. wie sonst.
„ Imp. kqnisis „ „ „
Part, praet. kqnü. — Für zwischentoniges t im Praes. PI. s. § 500*;
ob Fut. kqnir§ über konisrfi
12) pla- (placere).
Praes. Sing, ple PI. pkzä, pJezq, pJeznü
Imp. plezctf Fut. pler§
Konj. Praes. Sing, ples etc.
„ Imp. „ plezis etc.
Part, praet. pU, abweichend vom Franz.
Ebenso geht ier (tacere).
13) paitre entspricht Inf. pasi (pascere).
14) plür (pluere).
Praes. plü Imp. ploväf
Fut. plür§ Part, praet. plu.
15) polü (*potere, / in Anlehnung an *volere, so schon Diez,
Gram. II ^ 24g; häufig in den Texten belegt).
Praes. Sing, pü PI. p[q)Iä, p[q)h, pqlnü
Imp. p{q)hff Fut. /^;-^ (wie V7/?-f, voudrai).
Konj. Praes. Sing, pns poläs etc.
,, Imp. „ pusis, von dem Konj. Praes. gebildet.
Part, praet. p{q)iü.
i6) sa7Vf (sapere).
Praes. Sing, se PI. savä, savo, se^pnü (mit auffallendem />) ; über
eine Reihe merkwürdiger Formen dieses Verbums s. Me-
langes Wallons p. 52.
Imp. saväf etc. Fut. spr§, neben sarg, analog wie bei ar§\
Glos. 38, 5 I saron.
Konj. Praes. Sing, se^p PI. wie sonst.
„ Imp. „ sepis, wohl vom Praes. gebildet. PI. wie sonst:
saves etc.
Part, praet. soc (§51 a).
Glos, haben im Konj. Praes. eine Form seps (sapias); über /y
s. § 8gb. — Doutrepont, p. 106, hat im Infin, eine Nebenform:
sipi, die wohl zu unserer 6. Praes. zu stellen ist.
DIE MUNDART VON NAMUR. 293
17) valü (valere, s. § 120).
Praes, Sing, vö PL vaJä, valq, valnh
Fut. vqr§ Part, praet. valü.
18) vqlü (*volere, s. § 120).
Praes. Sing, vü PI. v{(^lä, v{q)lä, vqlnii
Imp. vqlxf etc. Fut. vy.r^ (s. § 81)
Konj. Praes. Sing, vql PI. regelmäfsig.
„ Imp. „ vqlis „ „
Part, praet. vo/i'l.
Unregelmäfsiges Verbura.
143. z'i'ke (vivre), in anderen Mundarten vi/ci, auch Lothring.
(s. This § 143), vom Stamme vesc-, wie heute Part, praet. im Franz.;
diese Form ist uns schon in den Glos, belegt: 37, 4 viskaseti, und
Cart. 1,11(1235) vexhuerat. vike ist in die I. Konjugation überge-
treten; für das Verstummen des J s. § 70 b.
Praes. Sing, vik PI. viliä, vikq, viknü
Imp. vik«/ Fut. vilir§
Part, praet. vike.
C. Die inflexiblen Wortarten.
(Vgl. Delaite II, 79 ff., da dieselben meist allgemein wallon. gelten.)
I. Adverbien.
144, Die von Adjectiven stammenden Adverbien werden ge-
bildet durch Anhängung von -nie, z. B. raime (vite).
a) Adverbien des Ortes:
la (illac); d^ve (dedans, sporadisch, besonders auf dem Lande;
so altwall. C. d. v. (1364) devetis und in allen überlieferten Texten,
auch Dial. Greg.); fu (foris, dehors); divä (devant); padrt (*perde-
retro, derriere); iö (longe, loin, s. § 44c); d'zie (dessus, en haut);
d'zq (dessous).
b) Adverbien der Zeit:
kä (quand); astq:r (= ä cette heure, maintenant, so häufig in
franz. IMundarten); ayir (hier, *adheri); aväy'ir (avant-hier); dimive
(demain); belq (bienlöt); ior (tard); iqdi (toujours, wie altfr.); sqve
(souvent); kekfiy (quelquefois); Vj/.ifly (autrcfois); pqriä (pourtant);
tqlep (tot, de bonne heure, cf. altfr. tempre).
c) Adverbien der Bejahung und Verneinung:
oyi (hocille, oui), in Lüttich: awg; sia (si); nd (non), verstärkt
nqiia; soenne (sans doute); n'-ne, afr. nient, s. § 24; li-pü (ne-plus).
d) Adverbien des Grades:
pö (paucum); wer (guere); vivües (moins, mit gesprochenem j);
trq (trop); he (bien); kqm (comme); qstä (autant; lothr. ayjä bei
Horning, Oslfr. Gr. p. 68, der „aussi tant" vermutet); mein (mcme); mö
(mal); §sqn (ensemble); pii (plus); qsi (aussi); kozü (quasi, presque).
294
J. NIEDERLANDER,
e) Adverbien der Interrogation:
pokwf (pourquoi); höbe (combicn); kqtne (comment).
2. Präpositionen.
e (en); </W (dans); elür (entre); d'zQ (sous); sü (sur); vy^^
dfvyf (vers); pa, par (par); pQ, pgr (pour); a (a); pnd (chez, s. § 47);
avu (apudhoc); adle^ (adlatum, pres de); se (sans); kdt (contre);
/»«(/rJ (*perderetro, arriere); ^rJ (*inrctro, en arriere de); disptry (de-
puis, s. § 43a; in Lüttich: dispö}')'; viogre (malgre), .« milä (au milieu,
Etym. s. ZfrP XVI, 383); a irihy§ (a travers) u. a.
3. Conjunc tionen.
§ (et); §kQ, kQ (encore); ,^/(que); nie, neben w^~(magis, s. § 6a);
ka, kar (car); pQrtä (pourtant); dd (donc); ado (= alors, wie altfr.;
so Glos. 37, 10); kä (quand); fsm^iä ki (Etym.? en attendant que;
ob mit altfr. esdementre zusammenhängend?); di sip-t ki (de sorte
que, franz.) u. a.
4. Interjectionen.
a (ah!); e (hein); iväy\ n/', korats', adyg (adieu); hddzü', hgiiüi',
u. a. (s. Delaite).
Glossar.
Die Zahlen verweisen auf diejenigen Paragraphen, in denen die Wörter
behandelt sind.
a I, 1428 habe, Pracs. Sg.
ä loa, 82 Knoblauch.
äy öh Hecke.
abatats Q b Abschlagen der Baum-
früchte.
äbiy 14 Abtei.
ably 37 b, 82 b geschickt.
abürial 23 b, 74 Hosenträger.
äbürtal 86c „
adle^ 144^ neben.
adygrsi 8, 67 b gelingen.
adö 49 d, 144^ dann.
afürle = rafürle.
agasJ 8 foppen.
agas 9b Elster; Hühnerauge.
ayir 20, 1441b gestern.
akgmQdof iia verträglich.
aksßi 8, 65 b 2, 88b 2 töten.
ale 128 gehen.
algn 86a, 93b Raupe.
alen 2g b Atem.
alümwär 27, 55b Blitz.
amfde 93 b chätrer.
anii 15 a, 37 a Freund.
amisiüf 1 1 a sympathisch.
aney 2, 15a Jahr.
angt 93 b Nacken.
ah IIb Esel.
aha 15 a, 65 b 2, 88 b Lamm.
am 8 beifsen.
angyx 45 b 3, 46 traurig.
anosl 8, 5002 ankündigen.
aiiyiy 43a langweilt, Praes. Sg.
ägQni 86c Todeskampf.
äspi 38 Mist.
<7/>J 89 b Bienenhaus.
aprüsie 25 b2, 70a zurecht machen.
apürdis 3g, 74 Lehrling.
arö« 12, 15 a, 88b Spinne.
ardzi 24 Silber.
arfdzl 8g b rasend werden.
arene 8, 50b, 67 a anreden.
armlr 7 Schrank.
ar?/ 34a, 4g d Schwalbe.
DIE MUNDART VON NAMUR.
295
asayi 8, 25b2, 71b, 127 versuchen.
asg/ini.\8, 50b, 65 ai, 88b-nieder-
knieen.
askpsi 43 a, 45b3j 71b über-
schreiten.
ast 17, 39, 71b Radachse.
aspnyi 67 a stützen.
astcer 46, I44*a jetzt.
as'ir 15 a, 6g a, 77, 141^ sitzen.
asle 126 kaufen.
alats Qb Stecknadel.
aiatsl 8, 15a befestigen.
ais 97, f., Alter.
-als 9 b -aticum.
atovle, s' IIa sich an den Tisch
setzen.
aväyir 1441b vorgestern.
avqsl 43 a blind.
avri 37 a, 91a April.
avu 15 a, 41, 63, 892, 1442 mit.
awe 13 bellen.
aw^ 27, 92, 142* haben.
arf 91, Fut. Sg.
aiven 15 a, 29 a, 92 Hafer.
aiüiy 13, 29, 61 bi Nadel.
aivus 13, 65 bi, 70a 2 August
(Monat).
^<2, bas IIb, 72b niedrig.
^irv 6 b braunrot.
bayö IIb Bayard (Pferd).
bafii 8, 88 b schwimmen.
bäsll 7, zu ^ö'j, Korbmacher.
bastd 47 Stock.
^öA7 8, 17, 72b niedriger stellen.
baiya 23a Schilf.
bairül 41 pilon d'une baratte.
bats 61 b2 Wasserstein.
batüme 40 b Gebäude.
^.^g^aj 61 b 2 Schnepfe.
be 21, I44id wohl.
be/p 1441b bald.
b^rbi 2^h^, 30, 6ob2, 92 Schaf.
b^rwft 32 b, 74 Schiebkarre.
bfts 61 b2 Schnabel.
^^/5z 6 1 b 2 schnäbeln.
hl 20 Mühlbach.
^z 20 Bahre.
(5z«ös 6 a, 72 a, 102 glücklich.
blr 20 Bier.
bis 39, 72a scharfer Nordwind.
bya, b§l 2^a, b, 99 schön.
byfs 27), 70b Tier; dumm.
by^siriy 37 b Dummheit.
by§trüme 74 Bartholomäus.
<5/<?, ^/(7/& 12, 58b 2, 99 weifs.
bläki 58b 2 weifsen.
bliik 44 a, 79 Schnalle.
böy, fe li dfreii — 6 b sterben.
bpyt 6 a, 8 gähnen.
böp IIb, 91b Bart.
bgre 1 1 b gleiche Anzahl haben
(beim Kegelspiel).
bp}-Jr 7 Schranke.
bös 6b, 72a Kufs.
bösfl 17, 23b Mädchen.
bpzi 8, 17, 72a küssen.
bgzür 17, 72a Anstofs am Brot.
bgk^ 32 a, 50c 1, 58b 2 Bissen.
hQlgdzl 86 b Bäcker.
bo, bqn 42, 99 gut.
hQtey 31a, 500! Flasche.
bQtik 97, m.. Laden.
bQhnr 7, 50b Knopfloch.
bQtrül 41, 82 Nabel.
bQtsi 7, 58b 2 Metzger.
bcele 75a brüllen.
bray§t 32b, 59a 1 Hosenschlitz.
brame 91a viel.
3/-^ 6 a orge germee.
br§ 9 a, 60 c 3 Arm.
^/-^^ö IIb, 77 weinerlich.
bnr (:i2,, 62b 2, 77, 133-1 weinen.
brqyl 34 c, 127 Hanf abschlagen.
brl0 27, Praes. Sg.
bri^y 27 Werkzeug zum Ab-
schlagen des Hanfes.
brgkal 23 b Zündholz.
brgsie 70a grasen.
brgist 8 zerdrücken,
^rö/? 17 pr6parer le grain pour
brasser.
brqszi 17, 72a Kohlenkasten,
brü 41 Schmutz.
bruer 7, 55 a Ginster.
b^lJ 35a 2, 49c, 66, 82b Birke.
296
J. NIEDERLÄNDER,
bü 41, go Ochse.
buey 55a Wäsche.
biilgm 86 a Biedermann.
biirgmct 70a 2 Bürgermeister.
büs 49 b Börse.
bus 49 b, 58b 2 Mund.
busd 7 I b Busch.
blir 5 1 c Butter.
bwär 27, 89 t, 142" trinken.
bwf 27 Part. Sg.
bfvü 34b Part. pt.
hwf 48 Holz.
3zf ^^ 7 I b Büchse.
damals 86 a Schaden.
ä?5(/i'? 7, 45 b 4, awg — nötig
de 97, m., Zahn. [haben.
den 87 b Truthenne.
dpe, dfren 3b, c, lOO letzter.
dft 32 a Schuld.
dtkös 6 b, 34 a Kirchweih, Kirmefs.
d(i)mäl 34 a frage, Praes. Sg.
d(i)niey 22 halb.
</;>«^« 33, 37, 59c Sonntag.
d{i)m§re 46, 127 bleiben.
d{i)m^r 46 Praes. Sg.
dimwe 3 a, 34 a morgen.
</z/- 37a, 40a, 77, 141 1 sagen.
dizäf 60 b i Imp. Sg.
disdü 53 Lärm.
disdziine 55b frühstücken.
<//>^/ 105 siebzehn.
disfe, / 25 b 2 aufgehen.
^/j/>7 34a, 130 verbieten.
disgQsle 50 c^, 65 a 2 Widerwillen
haben.
diskJy.r 56 a, 62 a aufgehen.
disklgyn 56b 2 Part. pt.
dislgyi 8, 25 b 2 lösen.
disnükl 46 lösen.
dispxy 43 a, 1442 seit.
disiatsi 8 losmachen,
ö'/j/^/ 33, 131 auslöschen.
distrür 53, 55 c, 133^ vernichten.
dts 22, 60b 2, 105 zehn.
diset 71a, 76 hinabgehen.
d{{)vä 1441a vor.
d{i)ve 144'a drinnen.
divü 27, 34a, 120, 142 7 müssen.
divf 2^ Praes. Sg.
dlzem 60 bi, 106 zehnte.
dtznüf 105 neunzehn.
d'izüt 43 a, 105 achtzehn.
dyäl 1 1 a, 34, 84 Teufel.
dy§ 22 3. Gott.
dQ 44 a Rücken.
dgblür 5 1 c Futter.
dgp 49a, 84 doppelt.
dgs 46, 60a 2, 105 zwölf.
di-a 9 c, 91a Tuch.
drös 6b Malzschrot.
drtv^ 28 gerade.
dt^r^ 14, 86 b Fut. Sg. von done
geben.
du 43 a Trauer.
duvyf 45 b 2, 77, 120, 136 öffnen.
d\^Stre 3 b Schürze.
divarmü 37 a, 45b', 120, 134
schlafen.
div§ 28 Finger.
d'z(£ 46, 144'a oben.
-e I Inf., Part. pt.
-e 1 2 1 b 5. Pers. Praes.
-e 7 -arem.
-^ 122b Fut. Sg.
-ey 2 -atam.
-er 7 -ariam.
^ 35b, 144 'a in.
§di 8 helfen.
(dorne 86 a anschneiden.
^/J 12, 35 b Kind.
fgadzi 8 engager.
/^»•/Ji 22, 62a, 72a Kirche.
(glüm 52, 62 c Ambofs.
pkln 55a, 62 a abgezäunter Platz.
fkQ, kg, A-()r35b, 77, 1448 noch.
fkpvie 5, 50 b in den Keller
bringen.
§krosi 8, 17, 35b, 62a, 72b
mästen.
iH 4 a, 82 Flügel.
§1 108 sie (Pron.).
§md 47, 1442 bei.
m 3 e liebt, Praes. Sg.
(na 93 b Becher.
DIE MUNDART VON NAMUR.
297
Ifle 35 b, 85, 125 aufblasen.
-en 122a. 4,, 6. Pers. Imp.
eifr^ 14, 125 Fut, von eintreten.
e/re 35 b, 85
e/s 24, 58b 2 Tinte.
e/ür 74, 1442 zwischen.
eiviß' 18 Aal.
ep 8g a, 93 b Hacke.
^p/fyl 8, 34 c geben.
§plQyi 8, 34 c anwenden.
§pJyLy 28 Praes. Sg.
Ir \\\> Aufgeld.
er 97, f., Luft.
erdy§ 22a Regenbogen.
§re^r i, 15 a Pflug.
fri 20, 1442 entfernt.
^j/5 4. Praes. von ;i'^j.
^j/(> 5- » » n
^5p« 29c, 69a, 79, 84, 86a zu-
It 6 a, 76 Kirchhof. [sammen.
§i«i ZI, 35t> hören.
§fir 20, 65b 2, 77, 102 ganz.
gvQyi 8, 35 b schicken,
§-vvy 27, 35 b, 128 weggegangen.
Iw 9 c, 64 Wasser.
eivis 9 a, 64 wässerig.
fay§n 12, 38, 65 b* Buchecker;
Marder.
fanifii 38 Not.
famil 39, 82 Familie.
fah 88 b 2 Schlamm.
/ör/« 38 Mehl.
fe 6 a, 140I machen.
föf I, 122 Bohne.
y?^' f(f\y 395 S2 Mädchen.
ffnais 9 b Heuernte.
ffnyfs, fpys 23. 25 ai, 70b, 76
Fenster.
A"'^ 33i 130 spalten.
/^/ 28, 59 c Leber.
fi 37a, 82a Sohn.
fif 20, 76 Fieber.
/fyF 8 vertrauen.
fiyü 40a, 41, 82 Enkel.
finisä 7 1 a 4. Praes. von fini (be-
endigen).
ßstü 51a, 61 b 1 Strohhalm.
fyä 60 b ' 4. Praes. von _/>.
y^'t'^ 23 Eisen.
y^'^j 23, 70b Fest.
fyfsie 25 bi feiern.
y^ö/ 1 1 a, 1 40 1 machbar.
flaj'a 13, 23 a, 65 b 1 Dreschflegel.
flow 85 schwach.
fl^r 46, 77 Blume.
/p 5, 65 bi Weide.
fp loa 834 mufs, Praes. Sg.
föf IIa, 84 Fabel.
fdten 3 c Quelle.
fgr 49a Backofen.
/pj 44 b Graben.
fgts 49a, 58b 2 Heugabel.
fgtsi 8 mähen.
fgrtsft 50 c 1 Gabel.
y^ 43 b, 61 bi Feuer.
/(^m 33, 86 a Frau.
frä, fräk 58 bi, 99 off'en.
y>7 28, 65 b2, 99 kalt.
fre 29 b Bremse.
freu 71b Esche.
frimtis 60 b 2 Maulwurf häufen.
/r()yJ, fl/;-(>;7 8, 34c, 59a 4, 127
bahnen (e. Weg).
frQmats 9b, 57a Käse.
frd 49 d Stirn.
frQsi 50c*, 72b briser (Grgg.)
frii 53 Fracht.
frünie 24, 50c "^ Weizen.
fi^ 44 b verrückt,
y« 41, 77, 144 *a draufsen.
füy 43 a, 82 Blatt.
fiiy'i 8, 59 c graben, wühlen.
fuM 59 c Maulwurf.
füm 49b, 75b Schuhleisten.
fufii 8, 59 c wühlen.
y«r 41 Heu.
fü 54 Fafs.
füjn 52 raucht, Praes. Sg.
füm§l 23b, 34 d Weibchen.
fünier 7, 55b Rauch,
//i'zi/t 45 a Flinte.
fivas 44a, 67 b Kraft.
fivais 58b 2, 75 Schmiede,
yzt'^ 2"] (jlauben.
fzve 3 Hunger.
298
J. NIEDERLANDER,
gay loa, 590, 65 a' Wallnufs.
govol 15 b, 41, 58a, 89b Käfig.
gä 93 a Handschuh.
gane 88b, 93 a gewinnen.
gat 65 ai Ziege.
gQbly 65 a 2 Fetzen.
gü/le 85, 125 anschwellen.
gQier 7, 50c ^ Dachrinne.
gQt 49 a, 65 a 2, 67 c Tropfen.
govy3 65 a2, 89b Gründling.
gcey 46, 65 a2, 82 b Maul.
^/(7j 9 b, 60 b 3, 65 a 2 Eis.
güsl 65 a 2 gleiten.
glQryqe, -qes 99 rühmlich.
grä 65 a 2 grofs.
gravas 62 a Krebs.
graive 62a kratzen.
^rr>' 82 b schwach.
^r/jj 39 Feuerrost.
gre 3b, 65 a 2 Korn.
gren 3c, 88a Samenkorn.
^r^« 12, 59 c, 88 b 2 Scheune.
^;-?)!'.^ 86 b klettern.
gri, grls 72a grau.
grg 44 a dick.
grgnd 47 Schnauze.
grüzal 23 b, 82 Johannisbeere.
grüzya 6532 Hagel.
gürni 65 a 2, 74 Speicher.
-J 7 -arium.
-i 8 Inf, nach Bartsch. Ges.
-i 121 b 5. Praes. n. Bartsch. Ges.
-/ 122a 5.1mperf.
-i 6 c -iacum (Ortsnamen).
-ly 2 -atam.
-?>^ 37 b -itam.
i 80, 108 er, sie (Fron.).
imgis 6b, 65 b 2 Bild.
ip 23, 60a 2 Egge.
-is 122c Konj. Imp. Sg.
ivyer 22,, 40a, 89 a^ Winter.
-y- 94 hiatustilgend.
-ya 23 a -ellum.
yfP 23, 75 b, 91b Kraut.
yfrdi 93 b Hirt.
y^rdöf iia, 93 b von Herden
begangen.
y§s {fs) 23, 1402 sein.
yfs 23, 60a >, 75 b, 91c Egge.
yqe 13, 51a, 142^ gehabt.
yüt 43 a, 62 b', 68a, 105 acht.
kayf 32a chose, machin.
kayö 5 Kieselstein.
kaledzi 8, 5002, 58a Geldstrafe
auferlegen.
kalQne 86 a bewerfen.
katiada 58a Kartoffel.
kansd 79 Unterhose.
X'<? 64, 1441b wann,
/^^rt'/f 8, 58a, 89a, 124 ändern,
wechseln.
käd^me 58a Wechsel.
kä/s 97, f., Austausch.
karküle 79 rechnen.
kasey 2 zerbrochen.
kasiafi 58a Kastanie.
kat 9 c, 64, 105 vier.
katrezim 74 Katechismus.
katrve 105 achtzig.
/('a/S2 8 verbergen.
kafi/rs 44 b, 105 vierzehn.
/^'pS Xy?« 4a, 64, 80, 118 welcher,
kpk 1 19 irgend ein. [Interr.
kfkfiy 1441b manchmal.
kfki 8, 58a kitzeln.
ken/iy 28, 92 vielleicht.
kes 105 fünfzehn.
ki 1 1 6 Relativum.
ki 1 1 7 Interrogativum.
kl& I, 62 a Schlüssel.
kl est 8 beugen.
/t/j?/)J 59 c, 89b hinken.
kle^r I deutlich.
klö 5, 90 Nagel.
/^/p/4 44a, 58b 2, 62a Glocke.
k/gtsi 58 b 2, 62a Glockenturm.
kr?/y 27 Weidengeflecht.
kQdii 53, 62 bi, 86b Rinne.
köf 5 Keller.
y^(}//3J 45 a, 61 a, 86 b Taubenhaus.
kQlfbä 86 b Taubenzüchter.
kgler 7 Dachabfiufs.
kqld 45 a Taube,
/^p/«/ 41, 45 a, 6ia, 91a Natter.
DIE MUNDART VON NAMUR.
299
kQhv§ 48 Sieb.
kQine 50 a, 144'c wie.
komesi 8, T,T,, 50a, 67b anfangen.
kgrifs 48, 65bi, 71a, 73a, 142 n
kennen.
kgtu'sä 50 b, 4. Praes.
kQti^y 45a, 48 Spinnrocken.
kdpliime 40b Grufs.
kdsTy 31a Rat.
X'?/(f, /'ö/if« 87 b, 99 zufrieden.
kgpfi 32b Bergspitze.
kgpis 45 a Ameise.
kgpisQ 44 b Ameisenhaufen,
^ör IIb, 64 Geld.
kgrsi, s' 8, 50b, 6ia, 67b sich
erzürnen.
kgse 50 ci Kissen.
kgste 44 c, 49 a, 86 b kosten.
kgs 70 a 2 Praes. Sing.
kqstri 7 Näherin.
>?'()5 43 a, 6ia, 71b Ast.
köt IIb, 75b Karte.
kgt 44 a Unterrock,
kgve 50a, 89 1 brüten.
kpzä I44id fast.
kaf 43 a Kupfer.
km 46, 69b, 73a, 133- nähen.
k(fw 46, 66 Schwanz.
kre^p 89 a Krippe.
Xr^j 32 a, 62 a Kamm, Plaube.
kr§s 28, 35 a, 71a, 142 ^'' wachsen.
kriyi 8 schreien.
knl 37 a, 91a Sieb.
krö, krös 1 1 b, 62 a, 72 b, 99 fett.
krgs 49 a, 70 b Kruste.
krös 6b, 62a, 72b Fett.
krpsl 17 Fetthändlor.
krqezgi 48, SOc*, 60b' Alphabet.
krqew 5 1 b, 66, f., roh.
kr^y 27, 62a, 66 Kreide.
krü 51a, 99 roh.
krüsd 35a Kresse.
krüspe 40 b Krispin.
krüstal 40b Kristall,
^rzü^ 48, 60b 2, 62 a Kreuz.
krw^r 27, 77, 1424 glauben.
k^ 44 b, 6ia, 91b Schlag.
kype 44 b schneiden.
/•j<r 44b 81 Haselstrauch.
kü 49 b Hof.
kuyi 7, 45 b2 97, m., Löffel.
kuiif 32a, 88b Stück Holz.
kür 41, 6 1 a Herz.
kür, kut 99 kürz.
Xv^rr) 44 a, 50 c 3, 61 a Rinne.
X7/;-«49b, 50c 3, 120, 142 6 laufen.
kut 43a, 44b, 81, 135 pflücken.
kül 49 b Ellenbogen.
kuiya 23 a, 50c 3 Messer.
kutst 8, 58 bi, 61 a hinlegen.
/^?<^;;^'/77,89a',I20, 136 bedecken.
knzyft 22, Deckel.
kuze 38, 100 Vetter.
kiizfti 100, f., Cousine.
>^^' 43 a, 6ia, 77 Leder.
klir 43a, 61 a, 77, 133^ kochen.
krizpi {kuzpt) 38, 45 b 3, 60b i
Küche.
kwanm 45 b', 72 a, 91c Schuster.
kwati 88 b Ecke.
kwanül 41, 88 b Kornelkirsche.
kwär 44 a, 91b Körper.
kivär 44 a, 61 a Hörn.
kwarbey 3 1 a Korb.
kwarhg 23a, 45 b* Rabe.
kwardya 45 b^ Schnur.
kwarpfi 64 Fastenzeit.
kwarne 45 b •, 75 a tuten.
kwarsl§ 23 a, 45 b Weste.
kwas 44 a, 6ia, 70b Seite.
kwasi 8 zerquetschen.
kwat 44 a Seil.
kivazür 5 1 c Quetschung.
kzvf 27, 118 was.
^•zf^r 25 bi, 62 a, 64, 141 holen,
suchen.
lap^t 32b dünner Kaffee.
las 9 b, 60 b'' Schlinge.
last 8, 60 b 3 schnüren.
lasya 17, 23 a, 60 a 2 Milch.
las 6 b Leine.
lasl 6 b, 71b loslassen.
le 22, 62 b' Bett.
//? II 2 die, Art.
/^ 108 sie (Pron.).
?00
J. NIEDERLANDER,
Ifdiviive 35 b folgender Tag.
l§dzer 7 leicht.
l§yi 8, 65b', 127 lassen.
ley 22^ 107, f., sie (bet).
legats 65 b'- Sprache.
len 3c, 88a Wolle.
len, Jtf — 87 b schleichendes
Fieber.
kn 65 b 2 Holz.
lesü 41, 67 b Betttuch.
lew T,i, 65 b 2 Zunge.
hsif Til^ 71b, 8g-ai Wäsche.
l§t 32 a Brief.
l§tqew 59 b Lattich.
Igti 30, 34 c, 60 b 2 Mufse.
// 53, 107 er (bet. Pron.).
// 108 ihm, ihn; ihr, sie.
// 112 der, die, das, Art.
hf 20, 76, 91a Hase.
— 91a Pfund.
— 76 Buch.
like}k 118 welcher, Subst. Inlerr.
like^n 118 welche, „ „
likot 79, 93b Schlucken.
lih 39, 88b Leine.
linül 41, 65 b 2, 88 b Zügel.
lir 22, 77, 141 2 lesen.
lits 20 Lüttich.
livya 79 Niveau.
iQye 34c, 65 bi Band.
iQyi 34c, 65 bi, 127 binden.
lötn 6b, 62b', 75b Honig.
Igme 50 b, 86 a nennen.
W 44 c, 65 b 2, 144 1 weit.
Id, lok 44 c, 65 b 2, 99 lang.
IMt 37 a, 52 Montag.
/ör IIb, 77 Speck.
iQsf 32b Grabscheit.
/ö/i^ IIb, 65b 2, 75b, 102 breit.
Ict 1 10 ihr, ihre.
l^ 46, 108 ihnen.
/«r 1 1 1 bet. Possess.
/^ 43 b, 61 b^ Ort.
Ige 46, 90 Wolf.
lüm 37 b Pfeile.
lümir 7 Licht.
lümrgt 44a Sternschnuppe.
/«wj5 40 b, 47 Schnecke.
Hin 52 Mond.
^''■'^ 53. 133^ leuchten.
lüskf, lüsk^t 32 a, 71b schielend.
hvan 102 verrückt.
lw§ 28 Gesetz.
»2ÖJ 6 b Masche.
mayan 74 Marianne.
7;zöj('5 74 Liebchen.
makral 23b Hexe.
maladty 37 b Krankheit.
w<7/o/ 15a krank.
rnaUd 45 Hummel.
mamzflft 23 a kleines Mädchen.
7nanifik 65b 2, 88b prächtig.
matiQt 15 a, 44 a Handfessel.
maiiovrl 45 a Handlanger.
mani^y 27, 45a INIünze.
w;ö«J2 14, 346, 67 b drohen.
mäts 12 Stiel.
}!iüp 86 a, 91a Tischtuch.
?narty 37 b, 126 heirate, Praes. Sg.
?nartsädls 43 a Ware.
masal 32 c, 71b Wange.
?;wsJ 8, 35a, 72b mischen.
mate 38 Morgen.
niazets 34 e Meise.
mäztii 122 Art Bohne.
»?/, »i^z 1 1 o meine.
mc, meöa, 65 b 2, 86 c, 144^ aber.
medi 22, 59c Tiere heilen.
mey 6 a Mai.
meyne 22, 67a Mitternacht.
ffifyx 25 a*, 46, 104 besser.
mek 6 a mager.
rnekr§di 37 a Mittwoch.
/;?/« III, f., bet. Possess.
mek II, 88c, III, m., bet. Poss.
mein ^^^ii 7ob, 119 selbst.
meti 37 a, 134 lügen.
meto 26, 47 Kinn.
mfr I, 67 b, 77 Mutter.
m§rsi 30 Dank.
m§rviy'i, s' 35 a sich wundern.
mes 6, 65 b 2, 70 b, 76 Herr,
Lehrer.
m§sadzi 7, 35a Bote.
vifskfn 7 1 b Dienstmagd.
DIE MUNDART VON NAMUR.
?OI
m§sp 70b, 86a, gic Mispel.
jn§spli 70a, 86a Mispelbaum.
ni§sit 70 b, 86 b Handwerk.
in§sne i, 25b 2, 50b, 72b Aehren
lesen.
m§t 76, 141 * stellen.
in§tü 141^ Part, praet.
m§Z(fr 5 1 c Mafs.
m§zürT)f 1 1 a mefsbar.
mi 1 10 mein.
7}ü 107 ich (bet.).
mi loS mir, mich.
inigl 40 a wenig.
mil 105 tausend.
minüzl 55 c, 67 a Schreiner.
;;/;'a 22, 104 besser.
mö 4 b Uebel.
mQ 44 a Wort.
tnggre i, l6a, 65 a 2 trotz.
niQkyd 6 1 b 2 Auswurf.
mgkw§ 48, 61 b2 Taschentuch.
;«fy/^, ?«ö>'ö/ 23 a, b, 55 a stumm.
mal IIb, 70b, 82 männlich.
möl 65 b 2, 79 Mergel,
»zp/^ 38, 45 a Mühle.
mQlcßw 74 Stockfisch.
mQndk 84, 110 Oheim.
monl 7, 40a, 45a Müller.
ntönr^s 32 d Müllerin.
niprdi i6a, 37 Dienstag.
wör/^~ i6a Martin.
mpriya i6a, 23a, 75a Hammer.
viprsal i6a, 23b Marcelle.
7;/pr« 45a, 142 10 sterben.
mpsi 8, 59c kauen.
viQstt 86 b Kloster.
mgstordl löa Senftopf.
mQstgt 1 1 b Senf.
inQstre 44 c. 86b, 125 zeigen.
»20 j 70b Praes. Sg.
niQt 49 a, 65 b 2, 81, 141 7 melken.
7nQdü 50 c' Part, praet.
'"^^^ 13) 5 IC, 77 reif.
rn^r 5 1 c Mauer.
m(^röf 1 1 a zur Mauer gehörig.
mi^y {fHwey) 27 Schober.
micl 25 a 2, 49 c, 66, 82 Mark.
muyü 41 Radnabe.
mum 8, 18, 59 c, 88 b essen.
Jiiunöf IIa efsbar.
7«/7r 41 sterbe, Praes. Sg.
niür 44b, 81, 142" mahlen.
müs 41 Maas.
miisl 8 verkleiden.
vius 49 b Fliege.
?/«^s5 47, 71a Vogel.
mut^r 5 1 c Mengkorn.
münüt 34 d Minute.
mürök IIb Wunder.
mürw^ 13, 40b, 48, 77 Spiegel.
müstj'ä 70 b Schienbein der Tiere.
mwär 77 Tod.
mwär, mwat 44a, 75 b, 99 tot.
mwarti 45 b ^ Mörser.
/«zei^ 27 INIonat.
;«zf;^ 6 a böse,
i7nüe 3 a Hand.
mwerne i, 74 führen.
^«zü^j 69 b, 104, i44d weniger.
niw§zl 6 a zornig werden.
7iam(£r 51c Namur.
7/ä'sJ 59 c, 86 c durchstöbern.
7ia7-fn 38 Nasenloch.
Ttasal 23 b, 91a Kahn.
Ttavyä 50 c* Kern (e. Frucht).
7te 43 a, 62 bi Nacht.
7/e I Nase.
7ifyl 8, 25 a 3, 59 a ertrinken.
7tey 22, 59a 2 Praes. Sg.
7ie 24, io6a nicht, Neg.
7ietey, al — 43 a gegen Abend.
7i§v^ 25 ai, 46, 77, 89 a 2 Neffe.
7i§vqes 46, 77, 99 Nichte.
«2/" 31b, 89 a Schnee.
7nl 3 1 b Oblate.
7iivi 31b, 89 a schneien.
7iylir 22i^ 91b Ncrf.
7iy§rsd 34b, 60a 2, 86a Igel.
7iy() {tm) 4 b kl. Nest.
tiQ 46, 107, 108 wir.
71Q 110 unsere.
7ipye 4a, 66, 80 Weihnachten.
7igyl 8, 22^ 25 a^, 65 b' leugnen.
«j(y 22 Praes. Sg.
Tiö, 7iQna 144 'c nein.
302
J. NIEDERLÄNDER,
iiQnät 105 neunzig.
«2i 47 Name.
nos 44 a Hochzeit.
nQs, TiQsl 44a, 70b, HO unser.
tiQs III bat. Possess.
ngvya 45 a, gg neu,
fiQVfl 23 b, 7 g Neuigkeit.
«pzj^/ lOb, 107 wir.
npzl 72a müde.
nqsl 54 niemand.
««■s 48, 60b 2 Haselnufs.
na'Zi 500* Haselnufsstrauch.
nü 41 neu.
nüf ^\, 57a go, 105 neun.
«?^;7' 37a 3g, 50c3 ernähren.
-?«i' 1 2 1 c 6. Praes.
nü 5 1 a nackt.
nük 46, 68b Knoten.
ftükft 32b Stückchen.
nüki 46 knüpfen.
«z//^« 46, 68 b knotig.
niiley 2, 55b, 85, gia Wolke.
nüid 47 Kobold.
mvär 28, 65b 2, 77, 102 schwarz.
mvari 28 schwärzen.
fiq 48, 65 ai Knie.
-0 121 b 5. Praes.
pdzurdü 43 a, 1441b heute.
-gf IIa, 84 -abilem,
ofrü 120, 136 anbieten.
qyi 80, 144^0 ja.
07« 56b 2, 66, 120, 137 hören.
olw§l 15a Lerche,
om 44 c Mann.
qny§s 23, 70b ehrbar.
ö, 0« 52, 112, iig ein.
dk 52, 88 c, abs., ein.
ok 62 b 2, 84 Oheim.
dk 62 b 2, 84 Nagel.
5j 60 a 2, 105 elf.
dt 48 schmieren.
öp iib, 51a, 75b, 76, gic Baum.
qrats gb, g7, f, Gewitter.
/)r</^ i6a, g3a achthaben.
qrey 31a, 56b 2 Ohr.
grmqnak 63, g7, f, Almanach.
osi i6a, 144 ' d auch.
qsiä 12, 144 'd ebenso.
oj/^r g7, f., Werkzeug.
qv7-ats gb Arbeit.
qvri 7, 45a, gia Arbeiter.
öw 56a 3, 5g b Gans.
ozi 17, 72a leicht.
-^f 122 Imp. Sg.
«y 1428 habe (Konj.).
(£r 46 Stunde.
ces 142^ hätte (Konj.).
-«zf 51b, 10 1 -utam.
pa 77, 1442 durch.
padrt 20, 25 b2, 144 'a hinter.
padzq 6g, 1441a drunten.
payi 2, 8, 5g bi, 127 zahlen.
päy 6b, 5g a 2 Praes. Sg.
payi 30 Land.
payizä, payizäl 30 Bauer, Bäuerin.
pal§t 32b Kohlenschaufel.
panya 18, 23 a Hemd.
/>ar^~ 15 a, 24 Eltern.
parp 74 tief.
parQk§ 25 b 2 Papagei.
parqls 44 a Pfarrei,
/ȧji? 72b passieren.
^<7sZ 73a, 142 15 weiden.
/i^s5 7 I b Weideplatz.
p2 [po) 6 b, 60 b 2 Ruhe, Frieden.
pe 22, 62 b 2 Euter.
Pf Igt 44 a Rinde.
pel 65b 2, 131 anstreichen.
/^/ 24, 130 hängen.
pes 24 denke.
pe'-r I, 67 b, 77 Vater.
pppü 7 g Pult.
Person 47, 6gb iig niemand.
perze 25 bi, 38 Petersilie.
p§ll 8, 35 a, 71a fischen.
pfsd 35 a, 71a Fisch.
pff« 13, 46, 77 Fischer.
p§tsi 8, 58 bi sündigen.
p§ze 6g b wiegen.
/>! 20 Fufs.
/>? 22, 104 schlimmer.
pisel 20, 33 Pfad.
pir 20 Stein.
/>/r^/ 32b Kern.
pts 22 Stück.
DIE MUNDART VON NAMUR.
303
pisel 2>2i Pfad.
pist 8, 7 1 a harnen.
p({)ti 34 a klein.
pya 23a Fell.
py§t 23, 68b, 75a, 132 verlieren.
py§tn 25 bi, 60b 2, 74 Rebhuhn.
Py?^ 23, 59c Stange.
pyfS 2^ Pfirsich.
plädier 7, 74 Mittagsschlaf.
plas gb Stelle.
pläts 12, 58b 2 Brett.
pley 6.a Wunde.
ple, plen 29b, loo voll.
plenme 14 voll (Adv.).
plet 18, 65 b 2, 131 klagen.
pler 6a, 142 12 gefallen.
plezi 30, 60 b 1 Vergnügen.
ployt 8, 34c, 59a • falten.
ply^y 28 Praes. Sg.
pld 49 d, 88c Blei.
/»Mz 59 c tauchen.
plqsf 43a, 85, 89 b Regen.
plür 41, 77, 1421-' regnen.
plüm 52 Feder.
/>ö 4 b Pfahl.
/S 56a2, 61 b', 144 ^d wenig.
pdk IIb, 70b Ostern.
pokwf 144^ warum.
/"O/^i" 27, 66, 120, 143'^ können.
pü /\i Praes. Sg.
pöm loa Handfläche.
pqm 47 Apfel.
ppme, / 16 a in Ohnmacht fallen.
pomi 7, 50a Apfelbaum.
p5 48, 62b 2 Punkt; nicht.
pd 49 d Brücke.
pdr 49 d, 87a 132 legen.
pul 48, 62 b 2 Spitze.
pop'ir 20, 9 1 b Augenlid.
pur 77 Teil.
porya 45 a Lauch.
pormwenie 74 spazieren gehen.
porsiir 51, 66, lOi verfolgen.
/'O/'/ä 1441b dennoch.
porli i6a, 77 weggehen,
/ö^ IIb, 70b Teig.
pöt loa Aehre.
pqlal 23b Loch in der Mauer.
pozer 7, 60b, 79, 85 ruhig.
pce 13, 46, 77 Frucht.
pqemd 50C"^ Lunge.
p(£p 9 1 a Volk.
pre'' I Wiese.
/'''^~^ 2)?)y 68 b, 141 5 nehmen.
/>m 69 b Part, praet. f.
pürdqef 74, 86 b Imp. Sg.
pürdrf 86 b Fut. Sg.
prl 22 Preis.
priy'i 22, 25a 3, 124 bitten.
prfsii 35 a, 55 d, 74 kneten.
prete 49 b Frühling.
prfZetöf IIa empfehlenswert.
profiiüf 1 1 a nützlich.
prümJ, prünier 7, 40b, lOO erste.
/>;«« 52 Pflaume.
prüjii 7, 55b Pflaumenbaum.
prüstais 9b, 25 b 2 Darlehen.
pruste 25 b2, 70a leihen.
/>?^ 56a arm.
pUy 82 Huhn.
//(j'ö 30, 82 Küchlein.
puyqe 46 lausig.
piin ^^, 65b 2, 88b Faust..
ptcfit 48, 65 b 2, 88 b ergreifen.
pur 49 b, 81, 91c Pulver.
purisingl 79 Possenreifser.
pursya 23a, 45 b 2, 60 a 2 Schwein,
/üj^r 7 b, 500^' Staub.
puzi 43 a, 45 b 3, 67 a schöpfen.
pü 25 a2, 48 Laus.
pü 51a, 85, 104 mehr.
püni 137 bestrafen.
pünisöf 1 1 a strafbar.
/>?i)5 37 b Pfeife.
pürdgf IIa, 74 nehmbar.
pürnal 23 b, 55 b, 74 Augapfel.
pürts 54 reinigt, Praes. Sg.
püs 43a, 67a Brunnen.
pwarle 44a, 45b l, 75a, 124
tragen.
pwas 44a, 59c Thor.
pw^ 21 Erbse.
pw§f 27, 91a Pfeffer.
pw^lats 9 b, 82 Maar (d. Tiere).
pwgl 82 Haar.
/»zü^ 3 a Brot.
304
J. NIEDERLANDER,
pwen 29 a Mühe.
pwer 27 Birne.
rabrfsi 8, ga, 60b 3, 78a küssen,
rafiyt, s' 8 sich freuen.
rafürle 49b, 74, 85, 91a warm
kleiden.
ramd 15 a, 47 Besen.
ra})iuyl 8, 78a benetzen,
räpyUl 41 Epheu.
rapozl 8, 17, 78a beruhigen.
rapivat 44 a bringe zurück, Praes.
ras§n 38 Wurzel. [Sg.
rasinql 41, 50 c^ Nachtigall.
raspfsi 32a, 72b verdicken.
rasone 290, 69a, 79, 84, 86a
sammeln,
ra/i^/ 24, 78a warten.
raime 24, 91a schnell.
raisl 8 ausspucken,
röw^/ 33b Zugabe.
rawizi 8, öib^, 67a, 76a
schleifen.
razwf 15 a Rasiermesser.
rS 6 a Radspeiche.
7'fklür 55 a, 62 a einschliefsen.
re 21, 1 19 nichts,
r^« 3 c Frosch,
r^j/z 25 a 2, 70a Rauf.
rfspol 25 ai, 70a, 130 antworten.
ffs/ya 23a, 70a Rechen.
rfS 22, 25a^ 71b, 136 gelingen.
ri 37 a Bach.
r{t)/asi 71a Kind wickehi.
;■?/ 31b, 97, m., Richtscheit.
r{i)nf/I 25 a 2, 59c, 124 reinigen.
rlr 37 a, 141 10 lachen.
rispgme 7 i b aufwaschen.
ripwaze 25 a^, 56b', 69b aus-
r/'.r/^/ 7 I b bügeln. [ruhen.
risüne 30, 34 d, 6oai Vesper
halten.
risür 25 a^, 30, 34a, 77, 1428
empfangen.
risivf 27 Praes. Sg.
ristii 55b, 66, loi Part. pt. f.
riswe 55a, 71b, 78a, 129 ab-
wischen.
risinii 8, 25 a 2 schleifen.
risqne 29 b, 69 b, 79, 84, 86 a
ähneln.
rilsfs 32 d Reichtum.
ritsT) 1 1 b, 77 reicher Mann.
riviiü 25 a2 zurückkommen.
riw§yi 2^3.^ aufwachen.
r'fiö 1 1 b Fuchs.
rod^i 89 a erröten.
70/ 1 1 a Kratzeisen.
rpp 8, 17, 59 c wegreifsen.
ro}'d 34 c Furche.
rqni 8, 59 c, 88 b nagen.
rd/f/S^, 125 schnarcht, Praes. Sg.
/■?j 49 d Brombeerstrauch.
rpsfe 45bi, 70a, 78a wegnehmen.
rofs 49 a, 89 a rot.
rqvt 8, 45 bi, 78a, 85 vergessen.
rovyais 9 b Vergessen.
rovyül 41, 89 b Röteln,
r.oij 17, 67a Recht.
rqemi 55b wiederkäuen.
rceze 17, 30, 6obi Traube.
rc^w 51b, 65 b 1 Strafse.
r^zü 41, 66 Rad.
rijp 56a Kleid.
rl^y 28, 65 bi Kreidestrich.
rürnatris 74 Rheumatismus,
rzm/ 23b, 55 a Gasse.
rw§ 28 König.
77^/ 28, 65 b 2 straff.
jfl 116 dies.
sadsdam 9 b Plebamme.
j-a/,7 119 jemand.
sakrüme 14 Sakrament.
sakwa 119 einige.
Wv,7f;/ 27, 119 etwas.
saya 23 a, 346, 66, 94 Eimer.
saye 13, 38, 65 b^ Schmalz.
sayi 8, 7 1 b kosten, schmecken.
sayü 13, 51a, 89a2 Holunder.
salat 15 a Salat.
säsrUl 41 Blutegel.
sarpfl i6a Gartenmesser.
sats 9b, 61 b2 Sack.
satsl 8 ziehen.
jö/Sö 6 1 b 2 Säckchen.
DIE MUx\DART VON NAMUR.
305
sawf 27, 92, 142 16 wissen.
savä 15a 4. Praes,
se^p 89 a Praes. Konj. Sg.
jc'/»;s 89 a Imp. „ „
st* 4 a, 80 Salz.
Sf, s§z HO sein (Possess.).
s§k 32 a, 62b 2 Reifen.
s§mdi i6b, 37 Samstag.
sfmwf 48 Säetuch.
j-^« 32c, 79, 114 diejenige.
sfit III bet. Possess. f.
j^ 29b ohne.
se 24, 60a 1, 105 hundert.
^^Sh 7> 35b, 65b 2 Wildschwein.
Sek 2 1, III bet. Possess.
Sek 1 1 4 diejenige.
Sek 38, 105 fünf.
sekät 105 fünfzig.
jw 33, 60a' Pachthof.
sesi 7, 60 ai Landwirt.
^^^ 33^ ^7^ Asche.
^f^^ 37 > 134 fühlen,
.y«? 24 Praes. Sg.
sfM, s' 35 a, 65 b 2, 88 b sich be-
kreuzigen.
s^ptät 105 siebzig.
s§rizi 253!, 72a Kirschbaum.
sls 105 sechzehn.
s§t 2;^, 105 sieben.
j-^/^/a 115 jene f. pl.
s fielst 11^ diese f. „
Scilla 1 1 5 jene m.
s§tisi 115 diese m.
s§ts 32a, 58b2, 61 b2, 69a, 102
trocken.
s§lS(£ 13, 51c Trockenheit,
sJ 31b, 90 Talg.
st, s' 109 Reflexiv.
st, s' HO sein; 113 dieser.
sia 144*0 ja.
similyer 86 c Kirchhof.
sine 35 a, 65 b 2 unterzeichnen.
str 30, 60 a* Wachs.
sit§la 1 1 5 jene f.
sUflsi 1 1 5 diese f.
sii)tila 1 1 5 jener.
s{i)tisi 1 1 5 dieser.
j/s^/ 32b, 40a, 69b Schere.
Zeitschr. f. rom. Phil. XXIV.
sya 32 c, 60 a 2, 114 diejenigen.
syel 20 Himmel.
sy§rfüy 25 bi, 43a, 82 Kerbel.
sygrtnd 25 b* Predigt.
sy§rvü 21, 25 bi 75a, 120, 134
dienen.
skql 71b Schule.
skpn IIb, 71b, 88b Schale.
skoriy 71b Peitsche.
skrayiie 346 absahnen.
skr^n 71b, 74 Rückgrat.
sk7'tr 36, 141^ schreiben.
skrizä 46, 141'^ Schreiber.
SQ loa, 60a 2, 97 f Weide.
sofle 69 a blasen.
sqglq 35 b, 49 a Schluchzen.
sqy'i 8, 25 a3, 59 a', 127 mähen.
st^y 22, 59^2 Praes. Sg.
sokle i6a, 62b 2 ausjäten.
sole 7, 45 a Schuh.
sqlya 31a, 50a Sonne.
sqm 44 c, sqttiey 31a Schlaf,
.r? 12, 65 bX 88 b Blut.
so 42 Schall.
sone 12, 65b 2, 88b bluten.
södzi 45 b^, 88 b träumen.
son 44 c Sorge.
soni 7 Salzbehälter.
sör IIb, 71b Brachfeld,
jor/ 32a Häring.
sqri 30, 50 a, 60 b 2 Maus.
solle i6a, 50 b springen.
sotral 23b Heuschrecke.
i'W.^ i6a retten.
sqve 89 ai, 1441b oft.
sgvld i6a, 47, 50b, 85 Sand.
spv§rdya 47 Sperling.
sce 13, 51a, 142!'^ gewufst.
See 46, 80 allein.
sqenne 144IC sicher.
S(£r 5 1 c sauer.
S¥ ^3) 49 c betrunken.
st/där 45 b 2 Soldat,
jj^y 27, 66, 69a Seide.
sy.y 27, ja/i?, Kratzbürste.
ST^y {säy) 2'j, 1402 Konj. v. yfs.
s?/lyft 79 Säge.
s^rii 44b hinausgehen.
3o6
J. NIEDERLÄNDER,
spal 9C, 36, 67 b Schulter.
spi 32 a, 36, 72 b, 99 dicht.
sp^li 36 buchstabieren.
sp§n 36, 38 Dom.
spinT) 1 1 b Spinat.
spirü 41 Eichhörnchen.
spyai 21^, 36, 97, f., Spelz.
sppiTn IIb, i6a, 78b sparen.
siape 36 stehen.
Sit 25 bi Getreidemafs.
sti 51a, 1402 gewesen.
siyfrm 8, 25 b>, 55a, 66, 75a
niefsen.
siy§rni 25 b^, I20 streuen.
stdf IIa, 36, 84, 97, m., Stall.
slomak 63 Magen.
stti 31b Steigbügel.
ströne 12, 65 b 2, 85, 88b er-
würgen.
sirüme 34 d, 86a etwas zum ersten
Male gebrauchen.
siriv§ 28, 99 eng.
stiif 36, 51a Ofen.
sü 41, 47 Schwester.
masü 1 10 „
sü 43 a Schwelle.
siif 51b Rufs.
j?i;- 22a, 64, 69a, 133 1 folgen.
Sil, sül 51a, 66, lOi Part.pt.
sJir 34 b, 51c sicher.
süj-al 23 b Sauerampfer.
süsft 32b Geifsblatt.
SUSI 8 saugen.
jzü^ 27, 67 b Durst.
swfl 28 Gelreideart.
swfsät 105 sechzig.
/aA'<? 1 19 jeder.
sam 71a, 86 a Schemel.
sapey 2 entkommen.
sasl 8 auf Stelzen gehen.
S^t 32 b Stück Holz.
5z 61 b^ Pflugschar.
sim 52, 71a Schaum.
simrfl 32 b, 55 b Schaumlöffel.
sip 49 b Schaufel.
5/5 22, 69 a, 7ie, 105 sechs.
SIS, al — 69 a gegen Abend.
sül 4 b, 71a, f., Leiter.
sone 29c, 33a, 69a, 79, 84, 86a
scheinen.
sqve I, 71a, 89 al fegen.
sovlfl 23a, 32b kl. Besen.
s«r 46, 71b, 143^ schütteln.
S/7 49 b Schofs.
suie I, 49 b, 71a hören.
süfle 40b, 69 a, 125 pfeifen.
sür 69 a folgen.
süre 71a zerreifsen.
süt 69 a Folge.
s'vrqey 41 Reh.
hvarsi 8, 45 b', 59 c, 71b zer-
reifsen.
swas 60a 2, 75b Rinde.
iayä 13, 47, 8932 Pferdefliege.
iamzl 72a durchsieben.
ianqe 46 Gerber.
/e' 4 a, 80, 119 solcher.
if 110 deine.
ifn III, f., bet. Possess.
tek III, m., „ „
te 24 Zeit.
tep, teprü 24, 26, 9 1 c frühzeitig.
ier 24, 87 a zart.
tlr 6 a, 142^2 schweigen.
/fr 23 Erde.
ter§ 26, 86b, 87 a Fut. V. /'«//.
i§rfr I, 15a Bohrer.
i{8i 22, 25 a3, 71b weben.
//■ 107 du (bet.); 108 dir, dich.
//, /' 1 10 dein.
tiyü 40 b, 41, 82 Linde.
iik 28, 59a 2 Kissenüberzug.
i'ilya 31b Art Ziegelstein.
timd 34 a Deichsel.
im 88b Räude.
tin(£ 88b räudig.
tizni 67 a Feuer anschüren.
ty§n 2^, 75 b Anhöhe.
iypi 20, 68 b lauwarm.
iyfm 20 „ werden.
iyes 22 Drittel.
iy§s {isfs) 21, 70b Kopf.
fnü 25 a, 120, 1403 halten.
ie 2 1 Praes. Sg.
i§n 88 b Praes. Konj. Sg.
DIE MUNDART VON NAMUR.
307
iq 49a, 119 jeder; tot, f., 67b.
tqdl 37a, 144 'b immer.
iöf IIa, 84 Tisch.
ionya 23a Fafs.
iomvär 27, 45 a Donner.
/y 42 Ton.
idt 44 c scheren.
iör IIb, 77, 144 'b spät.
fordet 8, i6a, 59 c verzögern.
torya 56b 2 Stier.
tqrlya 23 a Kuchen.
iqriq 49 a, 74, 119 alle.
iqs 49a Husten; 72b huste.
m 75 b Torte.
iqiep 144 la früh.
tqvya 1 1 a Gemälde.
iüvley IIa Tischgesellschaft.
/?'(r('^ 346 Lärm.
trawe 56 b 2, 65 b 1 durchlöchern.
/r^/ 105 dreifsig.
trls 105 dreizehn.
tr§tvj( 17, 48 Trichter.
/rö 52a2, 65 bi Loch.
/ro 44a zu viel.
trqve \21 finden.
trüf 41 Praes. Sg.
/r«>' 43a Sau.
irlil 85, 91a Netz.
trülya 85 „
trüvyf 2^, 1442 hindurch.
trwal 23 b 2 Maurerkelle,
/rw^ 27, 105 drei.
tue 55a töten.
/z7r«.^ 50c' drehen.
tun 49b, 75b Praes. Sg.
twal 82 Leinwand,
/züär 44 a Unrecht.
tw§ 28 Dach.
tiv§ 107 du (bet.).
tsalqsr 15b Hitze.
tsamost 50 c*, 61 b^ schimmelig
A'J 12 Feld. [werden.
tsädlqes 34 b, 46, 77 Lichtmefs.
tsäp 58a, 76, 87 a Zimmer.
tsäsd 47, 58 Lied.
/6"5/^ I, 18 singen.
tsätr^ 14, 124 Fut. Sg.
tsapya 23a, 58a Hut.
tse 9a, 58a Katze.
tsef 58 a, 89 a Vogelkäfig.
tsey'er 15b, 20, 58a Stuhl.
tsgna i6b Korb.
/i/?« 12, 91b, 97, f., Hanf,
tspidn 44c, 59 c Domherr.
Ise 3 b Hund.
tseti 7 I b Eiche.
tser 34b, 77, 1422 fallen.
ts§yä 66 4. Praes.
ts§rbd l6b, 47, 58a, 91b Kohle.
ts§rdd i6b, 47 Distel.
isprdzi 2, 8, i6b, 58a, 59 c be-
ts^rfs 32 d Teurung. [laden.
tsfrft i6b kl. Karren.
tspyöf 1 1 a fahrbar.
is§rp§tt 7, i6b, 58 a, 86 b Zim-
merer.
ls§r(fw l6b, 51b, 58a, 59b, 94
. Pflug-
ts§rwe 126 pflügen.
tsfs 9 a Jagd.
tsfsl 2, 8, i6b, 58a, 67b jagen.
tsfsqs 46 Jäger.
tsfstya i6b, 23a, 58a, 70b
Schlofs.
tsftw^r i6b Bienenstock,
/^/zy {tsiviy) 15 b, 39, 62 a Pflock.
/5^a 15b, 32c, 58a, 89 ai Haar.
isyg loa, 15b, 57b, 58a, 89
Pferd.
tsimis 15 b, 39, 58a Hemd.
ihr 8 chür.
tsö IIb, 58a, 77 Fleisch.
tsoder 7 Kessel.
tsökmär 58a Alpdrücken.
isör IIb Karren
/Sör/« 16 a Fuhrmann.
tsprnya 23 a, 91c Weifsbuche.
tsös loa Strumpf,
/söi'? i6a Socke.
ts^i lob, 58 a warm.
tST/ki 8, lob, 58a, 58b* stofsen.
ts^is 56 Sache.
i/ia/<? 20, 25a 3, 65 a* frieren,
ü?;?«« loa, 65 a', 83 S 91c gelb.
20*
3o8
J. NIEDERLANDER,
dzäp 65 a^ Bein.
dzarde i6a, 65 a^ Garten.
die 24, 65 aS f., Person.
dz§rf 65 a* Kniekehle.
dzfrmal 23b, 65 a', 74 Zwillinge.
dzi 108 ich.
dzint 60b 2 junge Kuh.
dziny§s {dzfnfs) 2^^, 25 a^ 653',
70b, 88 b Ginster.
dzök 1 1 b Jakob.
dzöp 75b Garbe.
dzdn 41, 65 aS Qia jung.
dzöt 62 b2, 87 a, 131 berühren.
dzötcfr 5ic Knochengelenk.
dzprne 25 b^, 86a keimen,
i/i^ 43 b, 61 bi Spiel.
</i?/j>/ 56a 3 Freude.
dzü 65 a', 77 Tag.
dzurney 2, 65 a^ Tag.
dziirnö 4 b Morgen Ackerland,
ö'i«/^/ 82 Juh.
dzüne 34 b, 52 fasten.
dzüre 65 a^ fluchen.
</i«j 54 gerecht.
dzw§di 37a Donnerstag.
?^, ?<:/ 10 b hoch.
^l 43 a, 82 Oel.
i^rk 44 b Orgel.
7/rIols 65 b 2 Turmuhr.
^/r/Ty 500^ Brennessel.
^t lOb, 83^, 119 anderer.
1/zer 7, 97, f., Weide.
ü 41, 90 Ei.
/^3)'? 85 Hopfen.
üy 43 a Auge.
usa 23a, 45 bi, 71a Knochen.
uza vqlä 23 a, 56 b, 60 b 1 leicht-
sinniger Mensch.
-ü 51a, 10 1 -utum.
üs 43a, 72b, 97, f., Thür.
vayöf IIa, 82 gesund.
valü 27, 82, 120, 142 1^ wert sein.
vasa 23 a, 71a Sarg.
vats 9b, 58b 2 Kuh.
vatsr§s 32 d Kuhhirtin.
z^/" 38 Wein.
vi 24 Wind.
^'(frd'z 26, 37 a, 87 a Freitag.
Z'f7 33, 68 b, 130 verkaufen.
vel 38, 68a, bi, 105 zwanzig.
velok 105 einundzwanzig.
v§ra 34b, 48 Riegel.
v§r§ 26, 86b, 87a Fut. Sg. von
vi^si 2"], 63 hier. [y'««.
z'^jzy 25b', 37b, 59a 2, 72b Blase.
vßg 4 b, 35 a Iltis.
vfi 32 a, 75 b, 102 grün.
v^/S 32 a, 65 b 2 Rute.
vJ, viy 20, 100 alt.
vly 37 b Leben,
z/iy (w/) 37 b, 82 Stadt.
viy^s 32 d Alter.
vike 37 a, 70 b, 120, 143 leben.
vilais 40a, 82b Dorf.
vin 39, 88b Weinstock.
z.'/i;/ö/ 1 1 a, 34 c, 40a, öob' ab-
gelegener Häuserkomplex.
vhvart 7 Althändler.
vya 23 a, 34b Kalb.
S7>'^ 21, 1442 gegen,
zrj'^r 23, 77 Wurm.
vy^r§ 34b Fut. Sg. von vyy.
vy§sprey 25b', 70a Abend.
v^nü 25 a, 120, 1403 kommen.
z'^ 2 1 Praes. Sg.
vpi 88 b Praes. Konj. Sg.
vq 46, 107, 108 ihr, euch; iio
eure.
vqlli 45 a, 50 b gern.
iqlii 27, 82, 120, 142 •* wollen.
vü 41 Praes. Sg.
ri/.r§ 44 b, 81 Fut. Sg.
vprl§ 1 1 b, 69 b Ackerknecht.
vpr7ne 1 44 ' c sicherlich.
vor§ i6a, 81, 142!'^ Fut. Sg. v.
valü.
vqs 44a, 70b, iio; vqs/ iio
euer.
vos 1 1 1 bet. Possess.
vyy 27, 77, 140"* sehen.
vfyq 66 5. Praes.
wf 2y Praes. Sg.
DIE MUNDART VON NAMUR.
309
v^y 27 Weg.
vrey 6 a wahr,
vüdi 43a leeren.
ml 43 a, 62 a, 102 leer.
-w- 94 hiatustilgend.
waye 93 a Grummet.
walber, ivarbel 45 b', 79 Wagen-
spur.
lüale 43 a hin und her bewegen.
walö 93a Wallone.
ivan 88 b Gewinn.
ivärgla 35 a Glatteis.
wasis 93 a Kot.
wasot 93 a Waschmaschine.
wals 67 b Gerste.
wazö 93 a Rasen.
zfaz/V 56a, b, 69b 120 wagen.
U!f}'i 8, 34c, 65 b'^, 82 wachen
wen 29 a, 92 Ader.
wer 93 a wenig.
Wfsp 23, 70b, 93 a Wespe.
7vetl 93 a hinsehen.
WfZe (zvfze) 34c, 38, 60b',
100 Nachbar.
7Vidi 43 einschenken.
^'9f 93^ Waffel.
2// 32c, 107, f., sie (bet.).
zya 32c, 107, m,, sie (bet.).
92,
Es sei mir gestattet, meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Geh.
Rat Prof. Dr. W. Fo erst er in Bonn, für die Anregung und Förde-
rung, die er mir bei der Abfassung vorliegender Arbeit in liebens-
würdiger Weise hat zu teil werden lassen, meinen herzlichen Dank
auszusprechen. Herrn Universitätsbibliothekar Dr. E. Seelmanii in
Bonn bin ich ebenfalls für manchen praktischen Wink, den Herren
A. Oger, bibliothecaire de la ville de Namur, und A. Marechal,
professeur de rh6torique ä l'Athenee royal de Naraur, für manche
freundliche Auskunft zu Dank verpflichtet.
J. Niederländer.
Berichtigungen,
p. 7 Z. 8 1.: *corriiptiatam st. corruptiatam; p. 7 Z. 20 1.: septimanam
st. * septimanam; p. 9 Z. 9 (v.u.) 1.: primatium st. *primarium; p. 13 Z. 1 1
1. lardum st. ardum; p. 14 Z. 26 Labials; p. 15 Z. 33, p. 24 Z. 21 1. Froissart
st. Froissard; p. 18 Z. 8 vermem st. vermen; p. 19 Z. 7 (v. u.) *venutum st.
venutum; p. 19 Z. 33, p. 20 Z.4: Praefix st. Prefix; p. 20 Z. 4 u. p. 10 Z. 22
selier st. silier; p. 21 Z. 7 (v.u.): theca st. teca; p. 25 Z. 18: se/i st. send;
p. 28 Z, 15 füge (jocum) hinter dz(^; p. 28 Z. 19: diphthongiert st. diphton-
giert; p. 31 Z. 23/24 fronlem st. fron- cm; p. 32 Z. 8: rasui^l st. ras/nol.
Nachtrag zu den in der „Festgabe für G-ustav Gröber" heraus-
gegebenen Liedern von Gillebert de Berneville.
Die folgende Untersuchung über die Sprache, welche in den
Liedern und den Hss. der ersten Gruppe (s. Festgabe p. 3g) vor-
liegt, konnte wegen Mangels an Raum in der Festgabe nicht ge-
druckt werden und mag, wenn auch an anderer Stelle veröffent-
licht, doch in Zusammenhang mit jener Arbeit betrachtet werden.
Ich bespreche
I. Die Resultate, welche sich aus den Reimen ergeben.
1. ie zeigt sich als fallender Diphthong in der Sprache des
Dichters, indem
a) ier ies nicht mit er es, sondern unter sich reimen, s. I, 4
esmaies : gries', greves : honores. 5 envoüs : lies', afanies : delivres.
6 sachüs •./achtes; asses : prendes. S. ferner IX, XV'II, XXIV, XXIX,
XXXII (cf. Neumann, Zur Laut- und Flexionslehre d. Afz. p. 5g;
Foerster, Chev. .II. esp. XXXVI).
b) indem der Dichter ier sowohl mit ier, als mit ir reimen
läfst; s. IX, 2 eniier : plegier, wobei der Schreiber von T das ihm
vielleicht geläufigere c/iiir schreibt, wie auch einige Zeilen vorher
eniirement. Ebenso reimt XXIX, 2 eniiere : fiere. Andererseits reimt
V, 4 entir : sotivenir, desir (NK schreiben hier cntir, OVX enticr').
Ist hier der Uebergang von ie zu / belegt — freilich ist immer
lediglich entir das Beweisstück — , so gilt der bekannte Uebergang
von iee zu ie, wie für den ganzen Osten, so auch für die vor-
liegenden Gedichte, z. B. ahessie : rnie III, 4; prisie : servie VII, l.
2. Die Nasalen. Der Dichter macht, abgesehen von einigen
auch sonst bei picardischen Dichtern bekannten Ausnahmen, einen
Unterschied zwischen e und a vor gedecktem Nasal. Diese Aus-
nahmen sind folgende: ialent reimt III, 2 zu enie7ide7nent, X, 3 zu
ensement, aber XX, 2 zu grant. Ebenso reimt XXV, 2 fioiatit : criant,
XXIX, I noient : liement. XX, 3 reimt csciafit : cr'eant, XXXII, 4 escient '.
helement. XXVIII, 4 reimt getit auf -ß«/, XXXI, 7 auf -ejit [juge-
ment). Aufserdem reimt prent : -ant {semhlani) XX, 3. Ferner finden
sich XXVIII Adverbien auf -7nent im Reim zu -a7tt (2 ligement : ta7it,
4 loiautnent, maleTuent, pretniere?7ie7ii : joiant, 5 vraieme7it, doubleTuent :
chaTit). Endlich ist noch zu bemerken joiant : s'apent (IV, 5). Nun
reimen aber in I ens : ens, in 111, X, XIV, XIX, XXIX, XXXI,
NACHTRAG ZUR „FESTGABE GRÖBER". 3II
XXXII eilt : ent, in V ens : etis und etil : enl, in VI ani : ant, in VII
und VIII ance : a«c^, in XV ajis : ««j, ent : f«/, a/«/ : aint; in XXII
reimen die drei ersten Strophen ant : ant, die folgenden bei ver-
änderter Reimstellung ent : fw/. Zieht man ferner in Betracht, dafs
die picardischen Hss. — mit Ausnahme von tans (XV, i, 3), assam-
bler (XVIII, 2, 7), >ra//i^/<? (XVIII, 3, 7), sa?nblans, T j(7«/a;zj (XV, 3, i),
essamplaire (XIV, 2, 6) — e und a streng auseinander halten, so wird
man schliefsen müssen, dafs jene Ausnahmen, welche eine Ver-
mischung beider Nasale bezeugen, dem Einflufs anderer Dialekte,
des centralfrz, oder lothringischen, zuzuschreiben sind (cf. Meyer-
Lübke, Gram. d. rom. Spr. I p. 105). In ähnlicher Weise findet auch
Foerster (Chev. .II. esp. XLVII), dafs en und an nicht miteinander
reimen, mit einziger Ausnahme von tans und chaiens. Wenn ich
nach den mir vorliegenden Hss. urteile, so scheinen zu der Zeit,
in welcher dieselben geschrieben wurden, e und a vor Nasalen in
gleicher Weise u. z. mit dem c-Laut ausgesprochen worden zu sein
in einem Teil Lothringens. Die Hs. U schreibt ausschliefslich a
vor Nasalen, z. B. comaiidematit (III, 2, 2), RX comandement, NP com-
mandement, M XXIX, 2,6 commandement. U primi'ereinant (\\1, l, 2),
comancemant {III, i, 4), RPXN premier erneut comencement (PN conmen-
ceinent). Dies sind nur einige von mir herausgegriffene Beispiele,
welche sich durch eine Vergleichung der Lesarten beliebig ver-
mehren lassen.
3. Zu den Palatalen. Hier ist zu bemerken, dafs in VIII
franche mit cheanc\K\e pesanc\K\e reimt. Dies zeigt, dafs in der
Mundart unseres Dichters c vor ursprünglichem a, das zu e, ie
übergegangen, zum gemeinfrz. Zischlaut geworden war, welcher
mit dem aus lat. ti-\-voc. entstandenen pic. Zischlaut reimt. Dafs
die Mundart der Schreiber in dieser Hinsicht nicht von derjenigen
des Dichters abwich, zeigt die in den Hss. beobachtete Ortho-
graphie, wie später nachgewiesen werden wird (cf. Tobler, Vrai
aniel XX ff.; Rom. VI p. 617). Wenn hier aus lat. //+ö der pic.
Zischlaut sich entwickelte, in II aber servise, prise (pretiat), justice
zu Frise, gnise reimen, so hat es eben seine besondere Bewandtnis
mit servise, justise auch in der centralfrz. Mundart (s. Horning in
R. Zts. 18, 240); die Form servise bestand neben dem pic. serviche
(a XXII, 5, 7).
4. Von den viel besprochenen Formen in -age, -aige und der
Abstofsung des auslautenden / bei der i. Pers. sing, liefern unsere
Gedichte ebenfalls einige Beispiele. In XII reimt trovai je mit sage
message etc.; in IX findet sich sa ge im Reim zu gage ostage. Wir
haben es hier also mit zwei verschiedenen Fällen zu thun: i) der
Entwickelung von i vor einem Palatallaut und 2) der Auslassung
von / in der i. Pers. sing. Was den ersten Fall betrifft, so findet
M. Raynaud in den Chartes von Ponthieu, dafs man in jenem Teil
der Picardie age sprach und nicht aige, indem Formen auf -aige
nur ganz vereinzelt vorkommen (cf. auch Neuraann 1. c. p. 1 3 fT.).
Dasselbe Resultat gilt für die uns vorliegenden Lieder Gillcbert's.
312 HUGO WAITZ,
T schreibt in IX durchgängig -(Ji;r; nur a hat in XII neben corage^
avantage, passage, outrage, hontage, iisaie, irelaje, vasclaie, servaie,
arieraje, damaie, langaie, barnaje, haiisaige, also eine einzige Form
auf -aige, da /, j den gleichen Lautwert wie g bezeichnen. Aufser-
dera hat a nur einmal eine Form mit ai vor Palatalem: glaicans
XV, 5, 3. Ebenso vereinzelt finden sich solche Formen in T: saice
(XVIII, 2, q), saichant (XXII, 2, 2; 3, 7) (a sach.ant\ T^ amaisse
(X, I, 3), aber Tj amasse. Die Schreibung in M ist ebenfalls durch-
gängig age (IX, XII). Ganz vereinzelt findet sich in M i vor j-Laut
entwickelt in amaisse (X, i, 3), chantaisse (XXIX, i, 5).
Von den nach der Champagne gehörenden Hss. hat nur O
längaige coraige neben den anderen Formen in -age (XII).
Dagegen ist ai statt a vor einem Palatal- oder .y-Laut, wie
auch vor anderen Konsonanten aufser Nasalen, eine ganz beson-
dere Eigentümlichkeit des lothringischen Dialektes, also der Hss.
C, U, I (vgl. V. Seydlitz-Kurzbach, Die Sprache d. afz. Lhs. No. 389
der Stadtbibl. zu Bern, Halle a. S. i8g8 p. 5 ff.). Ich führe folgende
Formen an: C: XII durchgängig Formen in -aige: usaige, eritaige
etc. Aufserdem findet sich in I; ait 1,2; i, 8; pairens 2, 8; aisseis
5, 2; dandenairde 4, 5; saichies 6, 3; faiscies 6, 4. In V: saichies pais
2.2. In III: pais 1,5; 4,4; ait 2)^2)'^ P^"' 6,3; aurait 6,5; erairt
6,8; faice 6,4. In XX: aissis 2, 11; ^7/4,5; saichies ^, y, paisse
4.3. In XXVII: ait 1,3; porchaiscie 2,y, faice 2,4; aisisse 5,3.
In XXXII: chaistels 4,6; enhraiscier "] , y^ chaippel 3,6. — U: I: ait
1,2; 1,8; dadenairde 4,5; aber sachiez 4,7. In lU: ait\,Y, 3,3;
5) 3; P<^^^ i> 5; hclais 4, 3; pairt 6, 3; faicet 6, 4; aurait 6, 5; erairt
6, 8; aber pas 4, 4. In XVI: pairs 1,8; aber asseis 4, 2 ; 4, 3 (Les-
arten). In XVII: ait 3, 8. In XX: ait i, 7; 4, 5; saiueis 4, 3
(C saueis); aber asis 2, 11; sachies 2)^ 3'y passet 4, ^. In XXVII: ait
1,3; pais 4, 3 (Lesarten); aber porchasie 2, 3; fasies 2, 4. In XXXIII:
saiges i, Q; ait \,\\; 2, 11; 3, 11; amaise 3, i. — I: In XXXII;
ait I, 7; 5, 2; aber <7jj^/j 1,8. In XXXIII: iamaixe 3, i. Es scheint,
wenn man die eben angeführten Beispiele in U in Betracht zieht,
a an Stelle von lothringischem ai besonders in unbetonten Silben
sich zu finden.
Die Neigung, i bei der i. Pers. sing, des Zeitwortes — nicht
nur nach a, sondern auch nach 0 — abzuwerfen, macht sich nun
ganz besonders in einem Teile von U bemerklich, nämlich in den
drei Gedichten XVI, XVII und XXVII, von denen das erste auf
fol. 144, das zweite in zwei Kopien auf fol. 153 und 158, das dritte
auf fol. 140 steht. In den Gedichten I (fol. 114), III (fol. 115),
XX (fol, 1 10) und XXXIII (fol. 92) kommt dagegen Abfall von i kaum
vor. In I findet sich nur einmal atira (2, 12) neben aurai, sai etc.;
in XX /era 2,5; a 2,8; sonst J'ai 1,1 etc. XXXIII, i, 3 hat 0
statt oi, sonst nur regelmäfsige Formen mit /; ja, es steht ai statt
a in amerai4,6; gaibai ^,b. Wir haben es hier offenbar mit
Nachlässigkeitsfehlern zu thun.
Ganz überwiegen hingegen die Formen mit abg('worfenem /
NACHTRAG ZUR „FESTGABE GRÖBER". 313
in XVI: cidda 1,3; pora 1,6; a i,g; 2,5; morra 3,8 (Lesarten);
ia 4, 3 (Lesarten). Ferner do 2, 6 statt doi. Vgl. auch </ö;/j/ 2, 8
(NP fl'^«/, KP 4, 8 donf). Daneben finden sich nur einige Formen in
ai'. 2, 9 und 3,9 (Lesarten). Es ist zu bemerken, dafs gerade in
diesem Gedicht der Schreiber grofse Nachlässigkeit zeigt , wie
Strophe 3 und 4 beweisen. Ebenso überwiegt a in XVII: U1U2
amera 1,5; }i.,y, seriiira 1,6; dira 3,2; U] vancra V^vancrai 2,5;
U] recroira U2 recrorai 2,6; U^ a U.2 ai 4,4; U1U2 acokra 4,5»
Uj vaira U2 vara 4, 6. Daneben kommen noch einige Formen auf
ai vor: Uj acoenlai U2 regardai 3,6 (im Reim zu vrai); UjUo <?/
2, 1 und einmal <?/ im Geleit, das unter den Lesarten nach X mit-
geteilt worden ist. In XXVII yVra 1,5; fa 2,5 und 4,2 (Les-
arten); dona 4,6; äiira 4,6 (Lesarten) neben ai 2,3; 2,4; 4,5
(Lesarten) und morrai 4, 6 (Lesarten),
In den Gedichten, in denen sich Neigung zur Abwerfung des
auslautenden i findet, bemerke ich auch die Tendenz, inlautendes i
nach Vokalen (<?, 6) auszustofsen; beide Erscheinungen stehen viel-
leicht in Zusammenhang miteinander. Beispiele hierfür sind: XVII:
X^-ifare 1,8; U2 7-ecrorai 2,6; XXVII: ioe 1,6; /öß/ 4, 4 (Lesarten).
In denjenigen Gedichten dagegen, in welchen auslautendes i nicht
abgeworfen wird, findet auch nicht Ausstofsung von inlautendem i
nach Vokalen statt. Beispiele: \\ faire 2,4. III: faire 5,7; ioie
3,5; loiamant 3,7. XX: ioie i, 10. XXXIII: dcloial 3,5 (aber /^(t/
1,6); Ioie (für ioie) 2,7; recroirai 1,9. Ich bin mir wohl bewufst,
dafs die wenigen von mir angeführten Beispiele nicht beweiskräftig
sind und dafs, um die Frage zu entscheiden, ein umfangreicherer
Teil der Hs. geprüft werden müfste. Ich teile daher diese von
mir gemachte Beobachtung nur mit, um auf die Frage aufmerksam
zu machen.
In C und I treten Formen der i. Pers. sing, mit Abwerfung
von /' nur ganz vereinzelt auf, C: XX, 1,9 0 (habui) und XXXII,
1,8 ö (audio) cf. V. Seydlitz- Kurzbach I.e. p. 16. An der letzt-
genannten Stelle hat auch I 0 und ebenso, aber in der Bedeutung
„habui" XXXIII, 1,3, während diese Hs. sonst in den wenigen mir
zu Gebote stehenden Strophen i bei der betreffenden Form nicht
abwirft: XXXII, 5,1; 5,9 ja?' (sapio); XXXIII, i, i ai\ 1,7 serai;
1 , 8 ferai\ i , 9 retrairai.
In den pic, Hss. finde ich nur ein Beispiel für abgestofsenes /,
nämlich T IX, 3, 6 sa ge, wo die Schreibung wohl durch das darauf
reimende gage geboten war.
In den der Champagne angehörigen Hss. finde ich nur zwei
Fälle: N XVI, 5, g und V XX, 1,90 statt ai (im zweiten Fall fehler-
haft statt oi).
Aus dem Vorstehenden ergiebt sich, dafs weder die Form auf
-aige statt -age, noch auch die i. Pers. sing, auf -a sich in irgend
einem Umfang in denjenigen Hss. nachweisen lassen, welche der
gegenwärtigen Arbeit zu Grunde liegen, wohl aber auf dem Ge»-
314 HUGO WAITZ,
biete Lothringens, so zwar, dafs die zweite Tendenz sich in einem
beschränkteren Umfang geltend zu macheu scheint als die erstere.
Dafs unser picardischer Dichter aber kein Bedenken gegen diese
Formen hatte, zeigen die Reime sa ge : gage, Irovai je : sage, von
denen die Untersuchung ausging. Diese Formen mochten in einem
Teil der Picardie geläutig sein, wie ja auch Foerster (Chev. IL esp.
XXXIII) zahlreiche Beispiele der i, Pers. auf -a auf pic. Gebiete
nachweist, doch wird man annehmen müssen, dafs sie aus dem
benachbarten Lothringen, dem sie recht eigentlich angehörten, ein-
gedrungen sind.
Ferner war inlautendes a statt ai dem Teil der Picardie, dem
meine Hss. angehören, fremd, während dieser Gebrauch sich eben-
falls besonders auf lothringischem Gebiete stark entwickelt hatte
(cf. ]\Ieyer-Lübke 1. c. 209 § 236).
IL Charakterisierung der Handschriften.
Ich werde mich auf die Besprechung der Hss. M, T, a, b,
welche der Gruppe s I angehören, und der pic. Hs. Q beschränken.
Dafs M, welches nach Schwan's Vermutung vielleicht für den König
von Frankreich Philipp IV. angefertigt wurde (Schwan, Afr. Lieder-
hss. p. 255 f.), sich auf eine pic. Hs. gründet, in welcher der pic.
Zischlaut vor e und i durch ch ausgedrückt wurde, lassen mich
zwei Varianten (s. Anm. zu XI und XIV) vermuten. Dafs c vor e
und 2 (z. B. in cel XII, 5, 6 etc.; eist XI, i, 7 etc.; nierct XVI, 5, 5
etc.) das gemeinfrz. f und nicht den pic. Zischlaut ausdrückt, zeigen
Formen wie sachefit XVIII, 2, g; XV, 4, 4. ch kommt in jenem Falle
nicht ein einziges Mal vor. Wenn der Schreiber im Reim znfranche
ch'eance pesance (VIII) schreibt, so bedeutet dies nicht, dafs er c und
ch ohne Unterschied verwendete, sondern vielmehr, dafs er sich
der centralfrz. Orthographie befleifsigte. c vor a — mag dasselbe
erhalten oder zu e, ie geworden sein — ist in den gemeinfrz. Zisch-
laut übergegangen. Aufser den auch in den anderen pic. Hss, ge-
bräuchlichen changon chanter führe ich an chaitis X, i, 5 (T auch
chältis, Q XXXI, 3, 8 cait/s); eschaper XVI, 5, 8 (a eskaper); hier mag
auch erwähnt werden laschctez XII, 5, i (a lasquestes). Also in Bezug
auf die Palatalen, welche im Pic. so sehr von den übrigen Dia-
lekten abweichen, gelten für M die centralfrz. Regeln und die
centralfrz. Orthographie.
Häufig wird in M auslautendes j durch z ausgedrückt, nicht
nur, wenn, wie in refusez XIII, 1,1; toz XV, 6, 5, es sich auf s mit
vorhergehendem Dental gründet; wir finden auch pluz XV, 1,2;
douz XIV, 2^2\ jamaiz XIII, i, 5 etc. z und s werden ganz ohne
Unterschied vom Schreiber verwendet: soulas XXJI, 2, 5; solaz XXIX,
5,8; sanz XXIX, 1,4; sans XXU, 2, 9 etc. Bekanntlich kennt der
pic. Dialekt nur s im Auslaut.
Der weibliche Artikel ist Nora. sing, la XI, i, 10 etc. Acc. la
XVm, 5,4 etc.
NACHTRAG ZUR „FESTGABE GRÖBER". 315
Ich halte also 1\I für eine Uebertragung aus dem pic. in den
centralfrz. Dialekt, eine Annahme, welche durch Lesarten, die ich
bei Besprechung von T mitteilen werde, gestützt wird.
In den eigentlich pic. Hss. kommt, wie in der Einleitung zu
den Liedern bereits bemerkt wurde, die pic. Mundart nicht in
gleicher Weise zum Ausdruck. Dies schreibe ich namentlich dem
gröfseren oder geringeren Einflufs anderer Dialekte, besonders dem
des centralfrz. zu. Natürlich machte sich dieser Einflufs mehr gel-
tend in den höheren gesellschaftlichen Kreisen, während in den
niederen Schichten der Bevölkerung sich die Mundart noch rein
und unvermischt erhielt. So ist es vielleicht kein Zufall, dafs
Formen wie watis XXI, 5, 5 und dourotimes XXI, 5, 6 gerade in
einem Schäfergedicht vorkommen und einem Schäfer in den Mund
gelegt werden, und dafs in demselben Gedicht der pic. Palatallaut
vor a strenger und consequenter durchgeführt wird als in irgend
einem andern Gedichte in a. Ueberhaupt sind es besonders die
Palatallaute, durch welche sich das Pic. von dem Centralfrz. unter-
scheidet und bei denen sich der nivellierende Einflufs der centralfrz.
Mundart geltend machte; es ist daher nicht zu verwundern, dafs
gerade bei ihnen sich eine so grofse Inkonsequenz in den Hss. zeigt.
Repräsentiert INI die centralfrz. Mundart, so liegen in T pic.
Sprachformen vor; es ist jedoch die Orthographie nicht mit der-
selben Konsequenz durchgeführt wie in ]\I und, wie später gezeigt
werden wird, in a und Q. Der pic. Zischlaut wird im allgemeinen
durch c ausgedrückt: ocirra XV, 3, 8 (a ochirra); f^X, 6, 5; XVIII,
4,2; XXXI, 5, 2 etc.; eis XI, l, 7; 4,9 (a chis); cele XI, 6, 4 etc.
Dafs c vor e und / diesen Lautwert hatte, beweisen Formen wie
sacent XV, 4, 4 ; XXXI, 7> 5 > sacics XXXI, 4, 3 (Q sacies)\ saicc XVIII,
2,9 (Ma sacke?}!), ch erscheint aber in /»^rf^e'w;«/ XXII, i, 4; merchi
XIII, I, 12 neben merci XIII, 4, 9; ferner merchi XXIII, 4, 8; XXV,
2, I T2 neben merci XXIII, 2 8; XXV, 2, i Ti ; richcUs XXXI, 2, 8
(Q ricetes). Ebenso drückt auslautendes c diesen Zischlaut aus in
fac (facio) XV, 4, i (M /72); cuc (habui) X, 2, i (M oi)\ XUI, 3, 8
(M eu)\ XXV, 1,3; (die Form oi kommt vor XI, 4, 3); peuc (potui)
XXV, 2, 3; dotic doc XXV, 4, 3 (M douz); douc XXIII, 2, g. Bei dem
Pronomen cou IX, 3, 9; XIII, 2, 2; XXXI, 2, 7 etc. hat natürlich c
denselben Lautwert wie in ce XXXI, 5, 2 etc. In den nach T heraus-
gegebenen Gedichten habe ich in diesem Fall c in ch geändert,
um dadurch den entsprechenden Lautwert anzugeben, wie ja auch
cha XV, 5, 8 (von ecce hac) sich geschrieben findet.
Sind diese Formen picardisch, so erscheint andererseits c vor
a teilweise, wie im Centralfrz., als Zischlaut, durch ch ausgedrückt,
teilweise als pic. Palatallaut {c): chanter XXIII, 1,1; chan/ai XI, i, 2;
chancons XI, 3, 2; chanter ai XIII, 1,6 u. s. w.; chaitis X, 1,5; XXXI,
3,8. Daneben aber: cangier IX, 2, 2; cascun IX, 2, 3; XXXI, 4, 5 ;
canchonete XIII, 6, i; cancon XXIII, 1,3 T2; cancons XXIII, 6, i T2.
Ist ursprüngliches a zu ie geworden, so tritt der gemeinfrz.
Zischlaut ein: chier XI, 1,6; riche X, 1,8; franche XIII, 5, i; mes-
3i6 HUGO WAiTZ,
chf'aus XXV, 1,5; Chevalier X, 6, i. Derselbe wird durch c ausge-
drückt in pecie XI, 5, 9.
Der weibliche Artikel ist Nora. sing, la XIII, 2, 7 und // XI,
1,10. Der Acc. la XXII, i, 8 und le XVIII, 5, 4; X, 3, 3. Das
Fron. fem. le IX, 4, i; 6, 6 (M la). Ich bedauere, dafs an dieser
Stelle sich ein Druckfehler in den Text eingeschlichen hat; es ist
le statt les zu lesen.
Im Auslaut erscheint nur s, nie 2: clames XXXI, 2,4; asses
XXXI, 2, 5 etc. Von anderen pic. Eigentümlichkeiten, durch welche
sich T von M unterscheidet, erwähne ich noch: Dem. pron. Nom.
sing, eis (aus cist-\-s, s. Suchier, Aue. u. Nie. p, 62) XI, 1,7; 4,9
(M eist). Dem. pron. pl. ciaus, M ceus X, 1,9; M VII, 2, 6. Pron.
pers. aus (illos), M eus XIV, 3, 7 (s. Suchier 1. c. p. 64). Fehlen der
Uebergangslautc h und d: sanlatis XV, 3, i (M samblanz), aber TM
samhlant XV, 4, i; tenrai (M tendrai) X, 5, 2. Das Plusqpf. _/^mj^
(M fasse) XV, 1,1. Schliefslich sei noch erwähnt die Darstellung
von 71 zu m vor Labialen in folgenden Fällen: em pri (M en pri)
XI, 3, 8; em pecie (M e7i pechie) XI, 5, g; s\m prie (Ma s^en prie)
XVIII, 2, 5; €7)1 hien (Ma eyi bieti) XVIII, 2, 7; em present (M en pre-
sent) XXII, 6, i; 771 em prie und 77101 prie XXIII, i, 2.
Was a betrifft, so wird in den Liedern XI, XII, XIV, XV,
XVI, XVII, XVIII und XXII, die auf fol. 80 bis 93 stehen, der
pic. Zischlaut durch ch ausgedrückt, z. B. XVIII: che 1,7; 3, 7;
ehest 2,8; sache7it 2,9; cHest 3,9; achieiier 4,7; esperanche 4,8 etc.
Als einzige Ausnahmen sind zu bemerken XI, i, 7 eis neben XI, 2, 2
chis und XIV, 4, 6 7nerci. In XXIV hingegen, das auf fol. 112, in
einem Teile der Hs. steht, für welchen Schwan (p. 72) eine andere
Quelle, X2, annimmt, ist derselbe Laut durch c wiedergegeben:
doiicete 4, 6; vaucel 4, 3; r^/ 4, 4; ci 4, 7; <^est 5, 4; merci 6, 7. Dafs
dieses e den Zischlaut ausdrückt, wird bewiesen durch die Formen
sacies 3, 7 und der 5, 2. Wenn 3, g recoumen^e steht für recoumetiQe,
so kann dies wohl nur als ein Fehler angesehen werden. In dem
auf fol. 113 stehenden Lied XXI kommt nur eine einzige Form
vor, die hier in Betracht zu ziehen ist: frece 3, i. Ich möchte
dem c auch hier die Bedeutung eines pic. Zischlautes zusprechen,
obwohl die streng pic. Form freske sein würde; denn, wie in T,
so ist auch in a der Palatal vor ursprünglichem a, wenn dasselbe
in e, ie übergegangen war, zum Zischlaut geworden, z. B. ehier
XI, 1,6; pechies XI, 5, 9; achiever XVIII, 4, 7; chief XXI, 3, 4. Wenn
in den beiden eben besprochenen Teilen der Hs. a, fol. So bis g3
einerseits und fol. 1 1 2 andererseits, c und ch verschieden ange-
wendet werden — die in acht Gedichten vorkommenden beiden
Ausnahmen eis und 77ierci dürften kaum in Betracht zu ziehen sein
und müssen wohl auf Rechnung eines Versehens oder einer Nach-
lässigkeit gesetzt werden — , so ist es vielleicht nicht zu gewagt,
von Gedicht XXIV einen Schlufs zu ziehen auf den von diesem
zweiten Schreiber herrührenden Teil und anzunehmen, dafs gerade
NACHTRAG ZUR „FESTGABE GRÖBER". 317
der verschiedene Gebrauch von c und ch ein charakteristisches
Unterscheidungsmerkmal der beiden Schreiber bilden möchte.
Bei dem centralfrz. Zischlaut (pic. Palatal) vor erhaltenem a
zeigt a keine konsequente Behandlung. Fast streng ist der pic.
Palatal durchgeführt in XXI: cante kahmele {tjalemelt) 1,8; 2,8;
3, 8; 4, 8; 5, 8 ; caiiioit 3, 6; cant 3, 7; cascun 4, 5; cattte 5, 3. Doch
daneben sind drei Ausnahmen zu verzeichnen: chapiau 3,3; chacune
3,4; chascuns 4,2. Ueber den populären Charakter dieses Ge-
dichts habe ich bereits gesprochen, und wir dürften in dieser
Schreibung vielleicht eine Hindeutung darauf erkennen, dafs in
den niederen Klassen des Volkes die palatale Aussprache des c
vor a sich erhielt, während in der Sprache der Gebildeten der
centralfrz. Zischlaut mehr und mehr Boden gewann. In XXIV steht
neben chanler i, 10; 3, 10; 5, 10; 6, 10 canler 2, 10; 4, 10. In XI
neben chatitai i, 2 canchon 3, 2. Ebenso in XIV neben chaiile i, i
chmis 1,8 canchon 1,6. Die Lieder XVII und XXII weisen nur
Formen mit ch auf: chayitans XVII, i, 10 etc.; chascnn XVII, 2, 4.
Endlich erwähne ich noch XVI, 4, 6 eskaper, und auch eskieuer XVI,
3, 5 (INI eschüier) mag hier angeführt werden.
Art. fem. Nom. sing. // XI, i, 10 etc.; la XXIV, 1,9 etc.; Acc.
la XI, 4, 5; XXIV, 6, 5; le XVIII, 5, 4. Pron. 3. Pers. fem. Acc. la
XXIV, 1,8; le XXIV, 2, i; 2, 8; 3, 2. Dem. pron. pl. chiaus XVI,
2,ö; 5,3; illos giebt, wie in T, aus XXI, 1,7; 4,7.
Im Auslaut erscheint, wie in T, nie z, sondern ausschliefs-
lich s.
s vor Konsonanten ist in folgenden Fällen ausgestofsen: diika
XIV, 4, 10; XXI, 1,4; desvetus XV, 3, 10 etc.; totidis XVI, 1,3; boidie
XVIII, 3, 9. Andererseits findet sich unorganisches s in umisliie
XI, 5, 5 und lasqiiestes XII, 5, i.
Der Uebergangslaut d ist ausgelassen in mahilou-ai XVII, i, 6
und n ist vor Labialer zu m geworden in empri XI, 3, 8. Schliefs-
lich erwähne ich noch die echt pic. Form vauc (volui) XXIV, 3, 2.
Auf eine eingehende Besprechung von b werde ich verzichten
müssen, da nur ein Gedicht (XXX) in dieser Hs. vorliegt und in
diesem zur Gewinnung eines Urteils nicht genug Anhaltspunkte
gegeben sind. So viel möchte ich nur sagen, dafs die Sprache in
ihren Hauptgrundzügen nicht pic, sondern centralfrz. zu sein
scheint; so: eschtue 4, 10 (vgl. XVI, 3, 5 M eschiuer, a eskieuer;
XXIII, 3, 4 T esqiuer eskieuer), woraus ich schliefsen möchte, dafs
dem c vor t, e {c'iert 1,7; ce 2, 8 etc.) die centralfrz. Aussprache
zukommt. Auch die vielen z im Auslaut {gardez 1,1; parlez 1,3
etc.) weisen wohl darauf hin, dafs wir es hier nicht mit pic. Formen
zu thun haben.
Am reinsten zeigt sich der pic. Dialekt in dem Gedicht XXXI,
welches der Hs. Q angehört. Vor a ist der pic. Palatallaut er-
halten: caitis 3, 8; cascun 4, 5; caiit 4, 8. Der Zischlaut wird vor e
und i durch c ausgedrückt, vor anderen Vokalen durch ch'. chou
3l8 HUGO WAITZ, NACHTRAG ZUR „FESTGABE GRÖBER".
2,7; 5,2; riceies 2,8; sacies 4,3; sacent 7,5. Als pic. Formen
möchte ich hervorheben: mix (T viils) 2,3; fatis (T fols) 2,4;
deus (duo) 4, 2 (T //); vaurroie (von voloir) 8, 2 (T valroie). Weiter
führe ich an boins 3, 8 (T buens)', boine 5, 5 (T <5ö«^). Der Diphthong
ie erscheint an Stelle von gedecktem e in piert 2, 7 (T /dfr/), eine
Eigentümlichkeit des artesischen Dialektes.
Im Auslaut erscheint j; nur einmal kommt z vor: refiisez 3,9.
y im Auslaut an Stelle von i ist verwendet in drei Fällen: foy
2, i; loy 5, 10 und quoy 6, i. Sonst /: doi 2, 4; ^«w 2, 9 etc.
Artikel Nom. sing. masc. und fem. // 1,8; i, y, 3,4.
Hugo Waitz.
Der Konsonantismus des Eumänisohen.
Vorbemerkung. Was Zeitschr. XII 460 in Bezug auf die in
meinem „Vokalismus des Rumänischen" gebrauchte Transkription,
Terminologie u. s. w. gesagt wurde, findet auch auf nachstehende
Untersuchungen Anwendung. Nur schreibe ich den offenen guttu-
ralen Vokal nicht ä, sondern a (betont a), wie allgemein üblich,
und setze den Akut auch auf auslautenden Tonvokal.
I. Die Liquiden.
a) /.
1. Erhalten im Anlaut, aufser vor i (Nr. 7): hipfe lacte, leg
ligo, löc locus; nach Konsonant, aufser nach c, g, t (Nr. 6): plec
plico, süflu sufflo, niierla merüla; vor Konsonant: älb albus, müU
mültum, cälc calco.
2. Lat. einfaches / wird zwischen Vokalen zu r: burele boletus,
ferice fellcem, säri'it salüto; scärä scala, y"/r fllum, bisen'cä basilica;
lingurä lingula, sece7-e sicilis, nö{u)r nübilum. So auch in /lere,
mlere aus *fele, *mele für fei, mel, wie im Ital. Mit jüngerem
Ausfall des Vortonvokals: vred *volere.
Nicht hierher gehören ürlu ulülo, wo r schon gemeinromanisch,
und cärturänü *chartularius, das, wie die ältere Nbf. cartuläriü
lehrt, Lehnwort ist und sein / erst spät dem beiderseitigen r an-
geglichen hat.
An dem Vorgang nehmen auch eine Anzahl uralter Ent-
lehnungen teil: äbiir, tnagurä, nidzare (mac. niddzare Kav.), mügur,
stmbure^ vuzure, denen im Albanesischen dvul (uralb. nach G. Meyer
*dbul), mdgulye, ?nöÖ2ih, miigul, diimbuls sümbuly, vjeötile ent-
sprechen. Aber auch die aus dem Mittelgriechischen stammenden
patrafir tJciXQaxrjXiOV und trandafir TQiarzdfßvXXov zeigen r für /.
Dagegen dürfte in maturä, pacurä = ksl. metla, piklü der un-
rumänische Ausgang durch einen üblichen ersetzt worden sein, in
zdrzdr (woneben zdrzäl bei Gorjan) = türk. zerdalü (ngr. t;iQL,alov,
bulg. zarzal etc.) Assimilation vorliegen.
In aleg eligo und aludt elevatum scheinen sich Formen mit
*all- eingemischt zu haben.
Wandel zu n (über r?) z€\%\. funingine fullginem, mit Anglei-
chung an das n der Endsilbe '; ferner (a)sedmim (as)similo und
asijnenea simile, vielleicht nach sedmän semino.
^ Eine andere Erklärung versucht Ov. Densu^ianu, SludiT de filol. ro-
minä 57. Er nimmt Einflufs von füm fumus an und läfst f-m durch Dis-
320 H. TIKTIN,
Früher Schwund eines benachbarten Vokals stützte das / in
i'mblu ambülo, *veglu vcghm vigilo, sälce salicem etc.; ebenso Kon-
sonantierung des folgenden e, i in ^tdlye täe taleat, *filyu fim filius,
*mulyere muere mulierera etc.i Die Lautregel war nicht mehr in
Kraft, als b in oblito vokalisiert wurde, daher ült über *«///// *«?'/.
In stabülum und subüla war nachtoniges u geschwunden, wogegen
b noch bestand {*stablu, *subla), somit konnte / sich auch hier
dem Wandel entziehen: sidul, sülä.
3. r steht vereinzelt für gedecktes / in mürsä 'Honigwasser'
mulsa, scdrpin *scalpIno, särbed nb. dial. sdlbed exalbidus ; vgl. auch
cürpen 'wilde Rebe', dem alb, külypw (= colüber 'Schlange'?) ent-
spricht, und altr. ursmic 'Sammt', das vielleicht von o?.oöt]QLx6v
herstammt.
4. Für / findet sich bisweilen n. So in gdngur galgülus und
prieten ksl. prijateli, dieses wohl mit rumänisiertem Ausgang (nach
cärpen, gdlben etc.); dann dial. in mac. ningä longo (vgl. siebb^
p-fngä = pe /i'figä, also wohl Prosthese wie in mac. fiz'ncä = fticä),
mac. nisör Boj. (sonst li^öf) zu levis, mold. ahhit (in celaldnt etc.),
mac. aldntu illum alterum, mold. ndnt in-altus, istr. mumg mulgeo,
istr. inünt multum, mac. [p7')itnnu, istr. aomu (per)ambülo2 gegen-
über nordr. li'ngä, (i)u^ör, aldlt, vidlt, 7milg, muH, imblu, primblu.
5. Lat. // schwindet in dem Ausgang -ella, -illa: st cd Stella,
mäsed maxilla, ^d sella, td lUa, cds-a casa illa, minie-a mente illa;
ferner in niadüä [-düo, -dtiha, -duvd, dann auch maduä etc. mit der
Betonung von vädiiä etc. vidua). In allen anderen Fällen ist //
als einfaches / erhalten: odlä (nb. 0/) olla, sdtnlä Fem. von satnl
satullus; cäldre *caballarius, viaduldrlü ^meduUarius, moldkc *molla-
tlcus; cdl caballus, _/öiz7^ foUis; vor i weiter zu ly entwickelt (Nr. 7):
mac. gdlyinä gallina, cdlyi caballl = nordr. gälnä, cdi.
Abweichende Bildung zeigen scintee (mac. scintedlye) scintiUa,
das auch in der ersten Silbe schwierig, und pi'üä [pi'o, pt'vä), falls
es auf *pilla für pila beruht, wofür allerdings />///^^ 'Stöfsel' spricht.
Man erwartet dort scuiied, hier pi'e, vgl. gingie gingiva, lesje lixiva.
Die Feminina der Nomina auf -cl nehmen regelrecht die Endung
-m an: cä^el — cäted, frumusel — frtimusd, väcl ■ — viid, cel — ced.
Dem nordr. sied (dial. st^, sie) stehen in den Mundarten
Formen gegenüber, deren Ausgang einen labialen Vokal enthält:
mac. stedo, in Vlacho-Livadhon sowie nordr. im westlichen Sieben-
bürgen stedüd^ istr. ^10 (nb. f//). Ferner wird Stella illa allgemein
similalion zu f-n werden, wie in furnlca foinüca. Doch sind die Fälle
nicht gleich.
^ Demnach ist hisurd 'vorschuheu' nicht ^''insoleäre, sondern *insoläie,
vgl. Dicz Wb. s. V. suolo. Ebenso geht sdriii nicht direkt auf salio zurüclc,
sondern hat sein r aus den übrigen Flexionsformen (sdri salis, säre salit etc.)
herübergenommen.
^ Ich teile durchaus den Standpunkt Schuchardls (Zeitschr. XXIII 325),
der für alle ambulo nach Laut und Sinn ähnlichen romanischen Wörter dieses
allein als Grundwort annimmt.
DER KONSONANTISMUS DES RUMÄNISCHEN. 32 1
durch s/i'doa, stedüa, slf'ua u. ähnl. wiedergegeben. Und schliefslich
ist die Form 0 des Personalpronomens der einzige Ueberrest von
illam. Es lag nahe, in dem Labial aller dieser Formen den Reflex
des // zu erblicken und sted als jüngere, durch Abfall der Endsilbe
entstandene Stufe zu fassen. Meine von der herkömmlichen Auf-
fassung abweichende Darstellung Vokal. Nr. 122 (Zeitschr. XII 442 ff.),
wo ich den Nachweis führe, dafs notwendig von sted auszugehen
ist, und das 0, u in stedöa etc. als hiatustilgenden Einschub er-
kläre, ist auf heftigen Widerspruch gestofsen, zuerst von Seiten
Schuchardt's (Zeitschr. XIII 317), der prinzipiell die Möglichkeit
eines derartigen Einschubs in Abrede stellt, dann von Seiten
E. Gorra's, der in seiner schätzenswerten Abhandlung „Dell' epen-
tesi di iato" (Studii di filol. romanza 1893 S. 466 ff.) meine Beweis-
führung zu entkräften sucht. Es sind zwei Fragen, um die es sich
hier handelt. Erstens, welche der verschiedenen Entsprechungen
von Stella ist die ältere, für das Urrumänische anzusetzende? Und
zweitens, wenn es sied ist, wie sind dann die übrigen sowie das
artikulierte stedda entstanden? Was die erstere Frage betrifft, so
halte ich unverrückt an meiner alten Auffassung fest, mufs also
den Vorwurf der „pertinacia", den mir Gorra (S. 543) und nach
ihm Gaston Paris (Romania XXIII 599) macht, auch ferner auf mir
sitzen lassen. Es würde zu weit führen, wollte ich Gorra's zwanzig
Seiten einnehmender Kritik meiner Theorie eine ebenso ausführ-
liche Replik entgegensetzen. Zum Teil hat mich auch Ov. Den-
susianu dieser Mühe enthoben, siehe dessen Aufsatz „Asupra forme!
steauä" in seinen Studii de filol. rominä, Bucur. 1898 S. 43 ff., wo
Verf. Gorra's Ausführungen bekämpft und sich völlig auf meine
Seite stellt.i Ich will mich auf folgende Bemerkungen beschränken.
Gemeinrum. lyd {ui, ?/, le) levat, ui lila etc. gegenüber plödo
[plddüä, plöüä etc.) *plovat liefern den unumstöfslichen Beweis, dafs
die verschiedene Behandlung von e-a und ö-a ins Urrumänische
hinaufreicht. War aber der nachtonige Konsonant in levat, illa
schon im Urrum. geschwunden, so ist a priori kein Grund vor-
handen, seine Erhaltung als Vokal im Nomen (*greva, Stella etc.)
bis über die Trennung der Mundarten hinaus anzunehmen. Warum
sollte auch das gred, sied der Schriftsprache, das wir bis tief ins
16. Jahrh. hinein verfolgen können, eine jüngere Entwicklungsstufe
darstellen als das mundartliche gredo, stedo, das sich meines Wissens
erst gegen Ende des vorigen Jahrh. s (in Kavallioti's Vokabular,
1770) nachweisen läfst? Aufmerksame Betrachtung der rumänischen
Mundarten zeigt, dafs sich in ihnen nur wenige archaistische Züge
erhalten haben, die nicht in altfen Schriftdenkmälern wiederkehrten.
^ Wenn Dens, zu Gunsten meiner Theorie vadttä vTdua anführt, welches
lehre, dafs steüä. nicht zu stedüa geworden wäre, so ist er freilich im Irrtum.
In vädiiä ist u plenison (das Wort wird stets dreisilbig ausgesprochen), in dem
präsumpliven ^stdüä aber semison. In drittletzter Silbe tritt aber die Brechung
des Tonvokals nicht ein, wie z. B. negurä nebüla zeigt. Der Schlufs von
väJuä auf '^steüä ist mithin unberechtigt.
Zeitschr. f. rom. Phil XXIV. 01
:^2 2 H. TIKTIN,
Wenn also das mundartliche siedo ein solcher Archaismus ist, so
darf man sich füglich wundern, wie es kommt, dafs sich im alt-
rumänischen Schrifttum von dieser Form keine Spur entdecken läfst.
Wer j/rt7 aus stediiä herleitet, mufs Abfall der Endsilbe an-
nehmen. Es ist merkwürdig, dafs sich keiner der Vertreter der
sthiüä-Th&ox\e die Mühe gegeben hat, eine lautgeschichtliche Er-
klärung dieser sonderbaren Kürzung zu versuchen. Thatsächlich
fehlt für einen solchen Vorgang im Rumänischen nicht nur jede
Analogie, sondern es kann auch mit ziemlicher Sicherheit behauptet
werden, dafs, wenn jemals eine Neigung zur Beseitigung des -üä
vorhanden gewesen sein sollte, dieselbe gerade in dem Falle von
steduä unterdrückt worden wäre. Um zu erklären, warum o sich
in mac. siedo etc. gehalten habe, in mac. id etc. aber gefallen sei,
sagt Gorra S. 55g : „Un completo dileguo [delT 0, fiä] su tutto il
territorio rumeno poteva difficilmente accadere in una Serie di voci
nelle quali 1' ua ricompariva ogni volta che ad essa si fosse aggiunto
r articolo {sledoa nel nord e nel sud). Questa forma articolata
deve aver salvato dal completo dileguo V 0 e 1' ua delle forme
meridionali, non solo nei sustantivi, ma anche nelle aggettivi. Ma
un siffatto impulso alla conservazione non esisteva ne pel pronome
il/a, \\h per aceä che lo contiene, ne pel verbo." Ein noch besseres
Argument hätte Gorra aus dem Verhältnis der artikellosen zur
artikulierten Form in den andern Deklinationslypen [cdsä, ininte :
cds-a, minie- a) ziehen können, welches auf s/Pdiid : siedü-a erhal-
tend wirken mufste. Aber was dem Macedonier recht ist, sollte,
meine ich, dem Nordrumänen billig sein. Ich kann mir nicht
denken, dafs dieser und nur dieser von
cdsä — cds-a
minie — minie -a
nödiiä — nödü-a
steduä — stedii-a
zu
cdsä — cds-a
7ninte — minte-a
nödiiä — nddü-a
sied — siedü-a
übergegangen sein und so einen bereits bestehenden Parallelismus
zerstört haben sollte. Das widerspräche aller Erfahrung, die wir
von dem Wirken der Analogie haben. Sind somit die Anhänger
der steduä -TheoÜQ nicht in der Lage, den Abfall des -üä glaub-
würdig zu machen, so kann dagegen derjenige, der mit mir an-
nimmt, dafs schon im Urrum. //, v, b in Stella, *greva, zaba ge-
schwunden seien, sich auf völlig analoge Erscheinungen sowohl im
Rum. selbst als auch in anderen Sprachen berufen. So für den
Ausfall aller drei Laute auf gemeinrum. id illa, lyd id levat, jurd
juräbat etc., für den des / auf port. candea, md = candela, mala
etc., zakonisch yridzea, yd = xQixeXa, yäXa etc.
DER KONSONANTISMUS DES RUMÄNISCHEN. 323
Jene Feminina, welche im Nordrumänischen auf betonten Vokal
ausgehen, werden in allen Mundarten gemeiniglich nach dem Muster
von Stella abgewandelt. So von Erbwörtern zt dies, cureä corrigia,
cucuved (vgl. it. cuccuveggia), red rea, gred *greva, med mea, td
tua, sd suai, von Lehnwörtern alle diejenigen, welche in der Ur-
sprache den Ausgang -e, -d haben, wie z. B. cafed, ahd = türk.
kahve, abä^. Also nordr. 2/, ziöa {zlüa, ztia), zile, zilele wie sied,
sieddCf siedle, siedlele (jetzt steh, stehle)', mac. dztio {dzüa), dzüa, dzi'h,
dzi leh wie stedo (stedüa), stedoa {stedüd), siedle, stedleh; istr. zi, zile"^
wie ^//, f///i?. Wo schliefslich im Norden Stella durch stedüä wieder-
gegeben wird, wie im Banat und einem Teile Siebenbürgens, da
spricht man auch ziüa, curdüä etc. Dafs hier Analogiewirkung zu
Grunde liegt, sieht auch Gorra ein. Er sagt S. 553, nachdem er
zw aus *diva, einer unglücklichen Konstruktion Miklosich's, zu er-
klären sucht, folgendes: „Ma delle alte voci riferite dal Tiktin non
si puo dare una spiegazione puramente fonetica: in esse deve
vedersi 1' effetto dell' analogia: sul tipo di stedda, gredöa ecc. si
foggiarono non solo curedda, rodoa, cucuvedöa, donde ciiredo, räo,
cuciivedo, come sieao, greao, ma anche ca/edöa, abdoa ed altre parole
turche in -e, che assunsero in rumeno, per effetto di una pro-
pagazione analogica, la desinenza -'ed. E questa spiegazione po-
trebbe essere ammessa anche per zioa, zw da chi non volesse
accettare quella data qui sopra. In tal caso si potrebbe dire: zi,
per essere il solo nome rumeno in -i tonico, fu presto attratto
nella serie numerosa di quelle che uscendo in vocal to-
nica [ich sperre diese Worte] offrivano una forma articolata in
-oa.'^'' Wenn ich Gorra recht verstehe, so will er sagen, dafs die
auf betontes -d ausgehenden cured etc., denen sich später auch zi
hinzugesellt habe, zunächst in der artikulierten Form nach dem
Typus der den nämlichen Ausgang habenden sted, gred etc. ge-
bildet worden seien, also curedda nach stedda, woraus dann als
artikellose Form ctiredo hervorgegangen sei. Gorra anerkennt also
selbst, dafs die Uebereinstimmung der Ausgänge in den Reflexen
von corrigia einer- und Stella andrerseits für beide eine endungs-
betonte Form voraussetze, wobei ihm allerdings entgeht, dafs er
damit die von ihm verteidigte Theorie „urrura. stedüd, nicht sted"
^ Das Pronomen lautet so allgemein, nicht medo, tdo, sdo, was, wie
oben bereits angeführt, darin seinen Grund hat, dafs demselben die artiku-
lierte Form fehlt, daher nicht, wio von zioa auf zio, von niedoa auf medo ge-
schlossen werden konnte. Doch ist auch hier die Analogie stellenweise schon
siegreich durchgedrungen, wie die Texte in Weigand's Aromunen II zeigen,
wo ?nedd mehrfach , tdo einmal vorkommt.
^ Die Turcismen auf -/, -d werden im Süden als Masculina behandelt
(un pard, dal parat), kommen also hier nicht in Betracht. Zu haräo ngr.
'/U()u finde ich bei Petresai, Mostre II 18 und 20 den artikulierten PI. ha-
reele, hareile, hareilor, der vielleicht nach dem von sdo sella gebildet ist:
seT. nb. ^dle, ^e/e, so wenigstens im Norden (wie mac.?).
3 So hörte ich selbst in Berdo. Die artikulierte P'orm lautet abweichend:
Sg. zlya, PI. nach Gärtner, Miklos. Unters. I 72, zlyele, dieser richtig wohl
zilele.
21*
324 H. TIKTIN,
Über den Haufen wirft. Es ist klar: wenn dies (ich wähle dieses
Wort, weil hier eine auslautbetonte Stufe *<// durch it. afrz. </;',
rätor. di, dzi gesichert ist) auf dem gesamten rumänischen Gebiete
der Analogie von Stella folgt, so müssen diese Wörter vor dem
Eintritt der Analogiewirkung einander im Urrum. einmal in irgend
einer Weise ähnlich gewesen sein, und eine solche Aehnlichkeit
— Ausgang auf bet. Vokal — liegt Ihatsächlich in den Formen
zi, sied des Nordens vor. Mithin ist auch für das Urrum. sied
und nicht siedüä anzusetzen.
Ich komme nun zur zweiten Frage: wie sind mundartl. sledo,
stedüä etc. und gemeinrum. stedda, stidüa etc. entstanden? Meine
Erklärung ist bekanntlich folgende. Zwischen den bet. Auslaut von
sied Stella und den Arikel a illa trat hiatustilgendes semisones 0 («).
So entstand sied-d-a (sied-u-a). Zu diesem wurde dann mundartl.
eine artikellose Form siedo {siediia) neu hinzukonstruiert, indem von
cdsä, viinte, nodo {nddüa) : cds-a, minle-a, nödö-a {twdü-d) auf siedo
{stedüä) : stedö-a {stedü-d) geschlossen wurde. Ich nehme demnach
den Einschub eines Lautes zwischen zwei Vokalen an, „der weder
latent in einem von ihnen, noch in analogisch wirkenden Formen
enthalten ist". Schuchardt hält dies für unmöglich. Ueber die
Sache läfst sich ja natürlich ebenso streiten wie über die Frage:
„Lautgesetz oder Lautneigung?" Dort wie hier werden sich
zwingende Beweise wohl kaum beschaffen lassen. So wird sich
für die Fälle, die ich zur Stütze meiner Annahme angeführt habe
und noch anführen könnte,^ schliefslich immer noch eine mehr oder
minder befriedigende Erklärung finden lassen, die einen Hiatus-
tilger in meinem Sinne entbehrlich macht. Wie dem aber auch
sein mag, so sehe ich ein, dafs es jedenfalls mifslich ist, die Ent-
scheidung in einer Spezialfrage der rumänischen Lautlehre von
dem Standpunkte abhängig zu machen, den man in einer strittigen
Prinzipienfrage der allgemeinen Sprachgeschichte einnimmt. Den-
jenigen, die in letzterer den Standpunkt Schuchardt's teilen, bieten
sich verschiedene Auswege dar, um der Annahme eines hiatus-
tilgenden 0 in stedda zu entgehen, ohne dafs man deshalb für das
Urrum. siedüä ansetzen müfste. // ist ja sicherlich nicht so ohne
weiteres geschwunden, es trat vielmehr zunächst ein Halbvokal an
seine Stelle, u. zw., denke ich, kein labialer, wogegen die Erhaltung
des // vor Labial [el illum) zu sprechen scheint, sondern ein guttu-
raler, wie z. B. im Englischen an die Stelle des Auslaut-r. Be-
zeichnen wir diesen Laut mit «^ so wurde Stella zu sie^^a, Stella
[i]lla zu sißa^a. In ersterem fiel dann 5 und es trat Synizese ein:
stecta stea sied, in letzterem beschränkte sich diese Entwicklung auf
die erste Silbe, während die zweite, die als Artikel empfunden
wurde, erhalten blieb: steäd^a stea^a sted^^a. Das semisone 5 der
1 So finde ich im Olympo-Walachisclien a-o-dltadz illa altera dies neben
a med illa mea. Weigand (Ol. -Wal. 84) leitet das o aus / ab. Wie ist dies
mit gemeinrum. aldlt illum alterum, cdldre caballärius etc. zu vereinbaren?
DER KONSONANTISMUS DES RUMÄNISCHEN. 325
letzteren Form, das nach rumänischer Lautregel hätte schwinden
müssen (Vokal. Nr. 8), was das Zusammenfallen der artikulierten
Form mit der nichtartikulierten zur Folge gehabt hätte (sted^a sfeda
sied, vgl. juräbat *jurda jurd), wurde schliefslich zu 0 verstärkt:
aus sted^a wurde stedöu. Oder nimmt man an, dafs die Vokali-
sierung des // jünger sei als die Verdumpfung des unbet. a zu a,
so mag Stella die Stufen siellä stßä steä stee ste sted durchschritten
haben,! sted-^a aber in der vorstehend angegebenen Weise durch
sted-oa ersetzt worden sein.
Was schliefslich 0 illam betrifft, so verweise ich auf die Vokal.
Nr. 86 gegebene Erklärung und die im Zusatz daselbst gegebenen
Belege für die Schreibung d.
6. In primärem und sekundärem cl, gl der Erbwörter wird /
mouilliert 2 und fällt dann nordr., so dafs nur 1 bleibt (das vor e, i
nicht geschrieben zu werden pflegt): chän clamo, ?ftchiti inclino,
hichide includit, ghitulä glandem, gJn'i7i glomus, cJfuig aus coagulum
*caglu *clagu, öchlH ocülus, vccJüü vetülus, vighiü vigilo; mac. clyem,
glyem, öclyii, veglyu etc.; istr. clyän, glyindf, öclyti, vtglyti etc.^
Dieselbe Entwicklung zeigt ^chuiü 'Bulgare' mlat. S(c)lavus,
wogegen in jghläb ksl. zlebü die Mouillierung auf Rechnung des
folgenden Palatals zu setzen ist, vgl. dagegen zglobiü ksl. zlobivü
mit erhaltenem /. Zu mac. sclyi/u7'ä sulphur vgl. alb. skjufur. Im
übrigen bleibt fremdes cl, gl: cltiü, glds = ksl. klej, glasü etc.
Nach Labial erleidet / keine Veränderung, siehe Nr. i; pidiä
platea ist aus Italien, mac. plyümh Conv. lit. II 387 wx^di flydcä *fa-
cüla Kav. aus Albanien eingeführt.
Die Stufe cly, gly ist weder in den nordr. Mundarten der
Gegenw^art — entgegen Miklosich's Behauptung Cons. II 58 —
noch im älteren Schrifttum nachweisbar. Wohl aber wird ihre vor-
litterarische Existenz bezeugt durch ruth. klyag = chidg und durch
den in slavischen, in der IMoldau geschriebenen Urkunden des
15. Jahrh. vorkommenden Eigennamen Urekle, = ureche, womit
Ungiul cu Freszetti = mighiul cii frdse7ii (?) in einem lateinischen
Dokument v. J. 1392 aus Siebenbürgen allerdings im Widerspruch
steht. Die Belege siehe bei Nädejde, Ist. limbei si lit. rom. 226
und 2 2Q f.
7. Erhaltenes, d. h. nicht nach Nr. 2 zu ;-, ;/ gewordenes lat. /
erweicht sich vor romanischem / (d. i. vor i, 7, 7e aus lat. 1, z'-f-Vok.,
e, ae) ebenfalls zu ly, wofür dann im Norden wiederum i eintritt.
^ Dann könnte auch für alle andern Fälle von ?a aus e-a und e-e ana-
loge Entwicklung angenommen werden: gr^d aus *greva über greuä greä
gree gre; bed aus bibit über beue bee be.
2 Ich erinnere daran, dafs ich Mouillierung durch nachgesetztes y be-
zeichne: ly = mouilliertes /.
3 Hier mag cald 'Hufnagel' Erwähnung finden, das man auf lat. *clavella
zurückführt und mit it. caviglia etc. clavicula vergleicht. Aber wie ist in
der ersten Silbe a statt des lautgesetzlichen a zu erldären? Das Wort scheint
eher türkisch zu sein, siehe mein Wörterbuch.
326 H. TIICriN,
Also: in llnum, nt llbcrlo, gaina galllna, cl illl, -/ [ijlll, muere rau-
lierem, diüre aliubi, fim filius, ferner (furc lepörem, uiü levo, lusör
zu levis, i1 -~t *[i]liaei über iupore etc.; mac. lyin, lyirtii, gälyinä,
ily\ -fy, mulydre, lyti etc.; istr. lyin, galyirf, e/y, ?nulyf're, lyüre etc,'
Hierher gehört auch diminirea nb. ahn- und am- aliamente. Da-
gegen stammt vöiü, wie mac. v6l (nicht v6lyu\) zeigt, nicht direkt
von *voleo her, sondern ist aus *vörm zu erklären, mit r aus veri
jetzt vel, vor etc., also wie in sdriii sdlü salio (Nr. 2, Anm.).
Vor dem / des PI. findet die Erweichung nur in Erbwörtern
statt: cdt, ti, sättä, möi, vai (mac. cdVy, ely etc., istr. cdly, ely etc.),
nicht aber in jüngerem Sprachgut: veseli (ksl.), hamdli (türk.), colo-
nili (frz.), oder wo / selbst jung, wie in -eli nb. älterem -ele PI.
des Suffixes -'edlä (ksl. -eli). Doch göi nb. älterem goll ksl. golu.
Der PI. zu copil 'Kind', nach G. Meyer's Vermutung *copIlis zu
copa, lautet copil, der zu altrum, cöpil 'Bastard' (ksl. kopilü) cöpill.
In Konjugation und Stammbildung verharrt /: speli, hi^eli
2. Pers. Sg. Präs. von spdid ex-perlaväre, inseid *inselläre; cdleli,
copiliß, miselie, molicu'me von cd^ä catellus etc.
Vor i aus älterem e (== lat. 1, i) bleibt / unverändert: linte
lentem, limbd, lingiird aus lingua *lengua, lingula *lengula. Ebenso
bleibt fremdes nicht mouilliertes / vor ?': lin, lipesc aus ksl. lini,
lepiti. Daher kann gd'ilä 'Häher' nicht ksl, galica 'Dohle' sein,
sondern ist zu dem gleichbedeutenden prov. gais, frz. geai zu
stellen.
8. Von ksl. und magy. ly bleibt im Nordr. ebenfalls nur i
zurück: luhesc, scölcd, crdm aus ksl. Ijubiti, skoljka, kralj; ^öim, cim-
pöm, Odorhem aus magy. sölyom, csimpolya, Udvarhely. Früh aus
dem Griechischen entlehnt oder vermittelt sind condem xovövXiov,
temtiü d^ifiiXiov (ksl. temelj), Mihaiü MiX(^i']l (ksl. Mihalj), bosUc
ßaoi/iix6v (bulg. bosiljok etc.). Altes ly steckt auch in oXi./dsntü,
mac. fasülyu Dan. = fasöle, vgl. serb. alb. pasulj, ngr. cpaöovlL
etc., sämtlich aus phaseolus.
Die d/zd, cluceriü, tnöl'ie, lil'idc 'Fledermaus' = ksl. bljudo, klju-
carl, molT, liljakü zu Grunde liegenden Formen dürften kein ly
enthalten haben.
Q. Der Schriftsprache sind die Mouillierungen ly, ry, ny fremd. 2
Wo in derselben /, r, n vor i enthalten ist, werden reine oder
doch nicht ausgesprochen palatalisierte Laute gehört. Dies gilt
auch von li, ri, m (in göli, ceriü, bunt), die nicht etwa als ly, ry, ny
anzusehen sind 3, sondern Verbindungen von /, r, n mit einem
1 Dafs sich ly im Norden gehalten habe, wie Mikl. Cons. I 45 und nach
ihm Meyer-Lübke Rom. Gr. I § 515 angiebt, ist Irrtum. Die angefiihnen Bei-
spiele sind teils mac. oder Lehnwörter, diese dann mit reinem /,
2 Nur ny läf:>t sich in allen banaler Denkmälern nachweisen, z. B. vinie
(sprich vinye) vinea und veaiat, siehe unter n.
8 Dies thut z. B. Philippide Conv. lit. XVIII 209. Er sagt: ,,Sunetul z
la sfir^itiil cuvintelor nu arc proprie articulatie, ci inseamna numai inmuerea
consunantei prccedente." Ich vermag indessen beim besten Willen in ^ö/I, mdrl.
DER KONSONANTISMUS DES RUMÄNISCHEN. 327
flüchtigen ;' darstellen. Daher sucht man dem ly, 7iy der Schwester-
sprachen durch h, 111 oder auf andre Weise gerecht zu werden:
coitliöfty canlöiä, vaniTi'e, campdni'e, detail nb. detäliii. Fremde, bes.
slavische Vermittlung zeigt der Laut in hilet (russ. biletQ), täler
idlger = it. tag Her 0 u. a.
Wie die Schriftsprache verhält sich auch die des Volkes in
jenen Gebieten, wo nicht überhaupt vor jedem e, i mouilliert wird
(siehe die folgende Nr.). Für Walachei und Moldau kann ich dies
selbst bezeugen: man spricht vor i reinen Konsonanten nicht nur
im Auslaut {göh, ceriti, hhii, grdjdiü, Strct'iii), sondern auch im
An- und Inlaut (mold. pop. hdgä, trldcä, rildm = ledgä, tredcä,
nedm; Iiulf, tidc, tiutltni, Inide = luled, töc, tutün, lüde); ja auch
dort, wo der Laut ny (als Vertreter von m vor i) vorhanden,
unterscheidet man streng zwischen pöny (== pömi) und bihii. Wie
es mit der Aussprache in den übrigen Landschaften beschaffen ist,
darüber geben die Berichte keine sichere Auskunft. Die mundart-
lichen Texte in Weigand's Publikationen geben zwar im Auslaut
//, 77, m meist durch die Zeichen der entsprechenden Mouillierungen
wieder. Doch halte ich es, bis ich ausdrücklich eines Besseren
belehrt werde, für unwahrscheinlich, dafs etwa büny und bünil, bwiicä
oder püny und püne, piimärri nebeneinander beständen. Natürlich
kommen die Fälle, wo sich älteres ly, ny mundartlich erhalten hat
(mac. cdly, ban. ci'iny = schriftr. cdl, a'nu)^ hier nicht in Betracht.
10. Im Banat und im südlichen Teile Siebenbürgens erfahren
die nicht schon, wie c*, g^, gemeinrum. mouillierten Dental-Palatalen
vor <?, i ebenfalls Mouillierung. Der Umfang der Erscheinung ist
je nach der Natur des Lautes verschieden. Allgemein unterwerfen
sich /, r, « der Regel: lyemti, gryd, rnhiyie, tdryA Die Spiranten
s (t), z (dz), ff j haben sich gegen die Veränderung dadurch ge-
schützt, dafs sie, wie in vielen andern Gegenden (Vokal. Nr. 25b, c),
e [ea), i frühzeitig zu ä (0), i trübten: säe, dzace, orasä (sdcä, päzd-
scä etc.), fi'e, päzi ?n, sluji t\ mit gesetzmäfsig verstummtem Aus-
laut-j': vedZf tö{, grdf, grij. Dasselbe geschieht hier aber auch nach
st', lestä, std, povesti = e'ste, sied, povesti\ ferner in den Präpositionen
da, dm nb. dye, dyin, und in das- [dä^chid)^ also wie in der
Walachei {da, din, da^chiz, Vokal. Nr. 26 c). Im übrigen tritt ty, dy
(bzw. c*^, g^ oder chy, ghy, siehe unter /) für /, d ein: dyiniye, plä-
tydm, grdjdy. Die Schreibungen t§, d§ bei Weigand für fcd {id tua),
ded (det) sind entweder als tä, da mit offenem a (wie in ^a, sta =
fd, sted) zu fassen oder aber der Konsonant wurde hier durch die
übrigen Flexionsformen [iäü, ddü etc.) festgehalten.
bürii keine andern Konsonanten zu hören als in gölii, märil, bünil, und dafs
in letzteren Formen /, r, n mouilliert gesprochen würden , dürfte auch Ph.
nicht behaupten wollen.
1 Weigand's banaler Texte Jahresb. III geben re, rea, rJ fast immer
durch rye, rya, ry wieder, wogegen ryi für ri nur ausnahmsweise erscheint.
Indessen lehrt muryi nb. muri in demselben Liede S. 265, dafs auch hier
die Mouillierung wohl vorhanden, aber nur schwach wahrnehmbar sein dürfte.
328 H. TIKTIN, DER KONSONANTISMrS DES RUMÄNISCHEN.
11. Im Istiisclu'n fällt, insoweit die Berichte' übersehen lassen,
sowohl gedecktes als ausl. /: ddb, od/, pdmä, cadf're, scüt, y^, cod,
Siilii = nordr, dlb, dlt, pdlmä, cälddre, asciilt, el, cdl, satül. Im In-
laut jedoch nur dann, wenn in der nächsten Silbe kein /, c^, g^
folgt oder ehemals folgte. Es bleibt also in albirä (bei Maior.),
dulyce = nordr. albhiä, dnlce; odblyi {dlb Gartn., odlbl Weig.), ödly{
[dlt Gartn., ddl{ Weig.), cd/ys (bei Gartn.) = nordr. dlbt, d/fi, cd/zf,
wonach dann auch ri/ys (bei Gartn.) PI. von rid."^ Doch hörte ich
scii^ = nordr. ascu/(7, wo also das vereinzelte / unter dem Drucke
der übrigen Konjugalionsformen zum Schwinden gebracht wurde.
Fremdes Gut wird ungleich behandelt. Neben dem gesicherten
z)ö/f = it. volta, den Slavismen bd/ä, becmg, bovdn = nordr. bd//ä,
helciüg, bolovdn bei Maior., fatö, ma^te = it. fazzolo, mastello bei
Gartn. weisen die Quellen sold, soldodt, calfetf, miil, badi'I, ^Irigh^l
etc. auf.
12. Das ausl. / des enklitischen Artikels ist in der Volks-
sprache fast des ganzen Nordens geschwunden. ^ Auch der Ge-
bildete sagt, wenn er sich gehen läfst, öinu, und im Munde eines
Bauern würde onuil affektiert klingen. Somit unterscheidet sich
der volkstümliche artikulierte N. A. ^%. der ^^-Deklination von dem
nichtartikulierten entweder nur durch das plenisone u {6m, pälü,
böü — ömii, pälu, böti) oder gar nicht {socrii — sdcru).
In Istrien ist das / des Artikels nicht nur in dem vorbe-
sprochenen Falle verstummt, wo der Schwund auch nach Nr. 1 1
begründet ist, sondern merkwürdigerweise auch im N. A. des männ-
lichen Plurals, obwohl ausl. /y sonst verharrt. Man sagt also im
Sg. ohne Artikel dm, spir, pt'ily, cod, mit Artikel ömu, sptru, ptilyu,
codlu; im PI. ömir, spir, püly, codly, frödt — ömiri, spiri, pidyi,
cödlyi, frdd(i.
Nur der Macedonier hält das / des Artikels durchweg fest:
söcrul, söcrily; ömlu, ödmenlyi. Auch in cdlu, pidyu ist / nicht etwa
abgefallen, sondern mit dem des Stammes verschmolzen.
* Aufser meinen eigenen in Berdo gemachten Aufzeichnungen benutze
ich I. Maiorescu's Vocabular, lasl 1874 (nicht immer verläfslich) und das von
Gärtner, Ive und Andern in Milvlosich's Rumun. Unters., von Weigand in
Romania XXI und Jahresb. des rum. Seminars I Gebotene.
2 M^ = nordr. üit oblilo macht keine Schwierigkeit, wenn man von den
endungsbetonten Formen utä etc. ausgeht, da auch altrum. ultd.
3 Nach Weigand Jahresb. IV 290 wird das l noch gehört {omul) „im
Gebiete von Mechie^ in der Nähe von Bälgrad und unter den Motzen, näm-
lich von Cämpeni den Aranjosch aufwärts".
(Fortsetzung folgt.)
H. TlKTIN.
II Piccinino.
(Fortsetzung; s. Ztschr. XXIII, 382.)
III.»
I. Per cui ho giä tante lagrime sparte
Vergine bella in cui e mia speranza,^ Non mi lassar^ redurre cosi solo;
Madre e figliola del tuo figlio e sposa,^ L' alta mia fantasia da me si parte
Donna di grazia piena e di possanza* Se non m' aiuti, Stella, mar, sirena,
Che li nostri lacci sciogli, o gloriosa,^ La quäl conforto se' d' ogni mia pena.
Sempre mi specchio in nella tua sem-
bianza
3.
TT j- 4. „■ • • • ar ■ • ß • Che tu m' aiuti, prepo, o Polimena,
h, dl tutti 1 miei atianni quine" e posa; j < f t, > >
Air ^- ■ ■ 1,- j •<.>•!,• E tu Mimoria^o il mio Stile accom-
Alh miei prieghi o madre si t inchina
Benche io sia terra e tu del ciel / ^
- Che cantar possa con faccia serena
reiua.' ...
Del Piccinin e de' suoi baron magnii"^
2. E de' Lucchesi la letizia piena;
Per lo parto gentil del tuo figliuolo Come sopra i nemici fer guadagni,
AI tuo Alessandro fa di grazia parte, Del campo rotlo e della gente presa
Per quella croce a te fu tanto duolo** In questo canto dirö alla distesa.'^
1 Nei Mss. 1661, 2629, questo canto porta il N. 21, come i due canti
precedenti, che per noi vanno sotto i N' I e II, portano rispettivamente i
N» 19 e 20. Ciö si spiega quando si pensi che per gli amanuensi dei Mss.
cit., questi canti costituivano il seguito del poema che ci presentarono sotto il
titolo di „Croniche".
2 Petrarca (Ganz, cit.): „Vergine, in cui ho tutta mia speranza". — Dante
(Parad. XXXI, 79): ,,0 donna in cui la mia speranza vige".
3 Petrarca (Canz. cit.): „Madre, figliuola e sposa — Del tuo parto gentil
figliuola e madre". — Dante (Parad. XXXIII, i): „Vergine madre, figlia del
tuo figlio".
* Petrarca (Canz. cit.): „Vergine Santa d' ogni grazia piena". — Possanza,
per potere.
3 Petrarca (Canz. cit.): ,, Donna del Re che nostri lacci ha sciolta".
^ Qiiine, per quivi; voce antiquata come ine, forma del dialctto senese.
'' Petrarca (Canz. cit.):
al mio prego t' inchina;
Bench' i' sia terra, e tu del ciel regina.
* Leggi: che a te fu di tanto dolore.
* Lassar per lasciare.
'*' Mimoria, per memoria.
" Älagni = grandi. Parola lat. usata spesso dal poeta,
^^ Alla äistesa: distesamente,
330
A. PELLEGRINI,
4.
Signori, io vi lassai, se '1 dir non
mentc,
Sul fiume il Piccinin armato in sella:
Dodici centinaja di franca gente,
E non gib. piü; di pedonaglia bella
Assai ve n' e, ma il fiume possenle
Passar non li lassö per tale appella
Peroccb^ egli era fuor per tal misura
Sieche a passar ognun avea paura.
Allor si mosse il giovinetto Astöre
Per voler contro di Stefanen gire.
Giä era Stefanen del fiume fuore
E 'n vet' Lucha cominciava a fuggire,
Astor gli entrava innanti con ru-
more^
E Stefanen fermossi, a non mentire:
La lancia abbassa et Astore ha ferito;
Di sella non mutö^ '1 baron ardito.
5-
II capitano, appella Stefanone
Ed elli andö a lui sanza dimoro.'
Quando fu giunto, si li comandone
Che r fiume passi per cotal tenoro
E '1 suo cavallo tocchi dello sprone
Se^ potesse a Lucchesi far notoro^
L' ambasciata che innanti v' ho con-
tato:
„Che ognun stia in punto e molto bene
armato."
Stefanone va innanti francamente,
E suoi trenta compagni ognun seguia,
E come prode fue; et ubbidiente
Del Serchio 1' acqua a forza ricidia;*
Come uom sperto^ nell' arme e pos-
sente,
E la brigata sua dirieto via,^
II Serchio prestamente oltrepassava.''
Fino alla sella e piue 1' acqua li dava.
„Alla morte, gridar, sanza dimoro."
Verso de' trenta, ciascun si distese;
Ma pur sene fuggiron du' di loro,
Alla cittä tutto feron palese
Quella ambasciata del capitan loro,
E gli altri presi für sanza contese.
Vedendo il capitan si mala festa,
Nel Serchio entrö con furia e con
tempesta.
9-
E passö '1 Serchio piü arditamente
Che elli*o avesse cuor per tre lioni,
Poi disse a suoi: „Passate ardita-
mente."
Allor passar tutti i suoi baroni;"
De' fanti a pie assai ne für dolenti,
Che assai n' annegar di que' pedoni.
Avendo il fiume il capitan passato
Tutta sua gente tosto ebbe ordi-
nato.
1 Dimoro per indugio. Dimorare (dal latino antiquato demoror) oggi
si adopera nel senso di abitare. Anlicamente, nel senso piü largo di indugiare.
2 Intendi: per vedere se potesse etc.
3 Notoro per notorio.
* Ricidia per ricideva.
^ Sperto per esper to.
* Dirieto via. Intendi: dietro cavalcava via. Via e particclla di gran
forza ad esprimere la sua non interrotta continuazione.
' ifc certo che per le prime passarono il fiume le soldatesche del Picci-
nino, ma con lo scopo di „foreggiare" (Vedi: Tre anni di guerre tra le
R. di Firenze e di Lucca, per A. Pellegrini-Period. cit.).
* Rumore. Usato metaforicamente per iscalpore, trovasi spesso in questo
poemetto.
^ Non mutb: non si mosse. Mutarsi per »zMOZ/^rjJ e antico francesismo,
1'^ Che elli. Intendi: come che egli avesse etc.
" Baroni. Qui e altrove, questo vocabolo, e usato nel significato di
signori.
IL PICCININO.
33^
E fe' du' ale, il meglio che poteva/
E poi parlava lor con vista viva,^
Del ben far ciascliedun ammonia:
„Uomini siate e non gente cattiva."^
II signor di Faenza ne* venia
Con la sua gente di lungo la riva
Et all' incontra allotta^ si voltone;
II Piccinin incontra a lui n' andone.
II.
Allor trombette, naccari^ e tamburi
Sonaron forte da una e d' allra parte;
Fermaron li caval come sicuri
Cavalier, tutti gridando: „Iddio
Marte";
I cittadini' assai* su per li muri
Scoccando le bombarde da ogni parte,
E insieme si scontrar tutte e due genti
I primi colpi*^ colle lance pungenti.
12.
Quanti in quel punto se ne scavalcaro
Con gran romore e cosi gran tempesta
Che fino al ciel le voci risonaro !
Poi colle spade ciaschedun s' investa/"
Molto vendevan 1' un all' altro caro
I colpi loro, a deslra et a sinistra;
Nel cominciar, assai ve ne nioriro
Ai piimi colpi quando e' si feiiro.'^
13-
Del corpo suo meraviglia facea
Quel signor di Faenza poderoso,
E la sua gente ciascun ben feria,
Seguendo il lor signor franco e glorioso;
A quei del Piccinin li davan via:
AUotta fu lo studio '^ curiöso
Del franco Piccinino pien d'ingegno;
Un' ala fece muover con isdegno
14.
Di quelle due ch' al fiume fatte avea
E Niccolö Guerrier fu '1 conduttore.''*
Dali' altra Niccolö Braccio muovea
Per aiutare il giovinetto Astore;
Qui für le grida asprissime m
Che di battaglia ciascun vuole onore.
Niccolö Braccio nello stormo^* entrava,
Quanti ne scontra si ne scavalcava;
15-
Colpi mortali feria da gire al fondo
E se non fosse il franco capitano
Che sostenia delle battaglie il pondo,i^
Confortando^^ ciascun baron sovrano!
Ma niente valea quando il giocondo
1 Intendi: fece due ali e fece il meglio che potesse fare.
2 Con visia Viva; cioe: con ardore. Vis/a per vtso. Come da video si
fece VISUS, donde il nostro viso; cosi da vedere, part. visto, vista.
^ Cattiva per dappoca.
* Ne = lat. inde.
^ Et alV incontra allotta. E di contro allora etc. AUotta per allora.
Voce fior. antiquata.
^ Naccari, cXoh naccare = castagnette; pezzetli di legno o di avorio
che si legano alle dita e si fanno battere insieme scuotcndo le mani.
' Sott.: stavano.
^ Assai invece di molti, aggettivo, comune agli scrittori dci sec. XIV e
XVI; oggi e quasi caduto di uso.
9 Sott.: dando.
10 5' investa per s' investe.
'* Si feriro, cio^, si urtarono. In questo seuso, secondo 1' uso lalino,
k frequente negli antichi.
1'^ Studio, alla latina, per esercizio.
13 Nota la differcnza tra capitano e condoltiero. II primo guida 1' eser-
cito, r altro una squadra.
*♦ Stonno per mischia.
*^ Pondo per peso, alla latina.
1® Confortando, cio6, facendo coraggio a; dal basso latino coiifortare^
quasi render forte.
332
A. PELLEGKINI,
Baron sua lancia si rccava in mano.
Qucl Niccolö Guerrier valente e artHto
In nello stormo cntrava invelenito.
i6.
E colla lancia sua n' abhalte in terra
AI primo Iratto/ quel franco campione,
E poi un altro della sella isfcrra
Siccbe li fece baciar il sabbione^
E inorto cadde ? piü non fece guerra:
Allo stocco^ forbito, man caccione;
A un menö una piinta trivellata
E il corpo li passö con la corata.^
17-
E quasi cominciarono a fuggire
Vedendo i colpi del baron perfetto,
Ma Bernardino, il graziöse sire,*
Mosse la schiera sua con gran dispetto:
Verso i nimici vien con sommo ardire,
Alla battaglia entrö sanza difetto
E con la lancia assai ne misse al piano,^
Siccome d' arme maestro sovrano,'
i8.
E la sua gente ben lo seguitava:
Or questo or quello givano abbaltendo.
Allotta fresco in nello stormo entrava
Niccolö Orso per ala fendendo.
II caval punge e la lancia abbassava
Et un gran colpo a Ranieri sten-
dendo,
Ch' era parente al signor di Faenza:
In terra cadde sanza sofferenza.^
19-
Fatto quel colpo cominciö a gridare:
„Voi siete tutli morti o Fiorentini".
Or qui vedevi il bello:^ iscavalcare ">
A seile vote cavalli e ronzini.
Vedendo ciö non volse piü indugiare
II conte Dolce, per cotal latini;
Alla battaglia entrava a mano a mano*'
Con esso il Fornarino da Fabriäno;
20.
Alla battaglia si entrö su poi
D' Urbin il conte di valor fiorito
Gagliardamente confortando i suoi,
E que' pedon ciascun ben 1' ha seguito,
Gridando tutti: Or guadagnerem noi",
Ferendo ognun come barone ardito
Tanto che fenno'^ i nostri rinculare
Verso le mura , e '1 campo abban-
douare.
21.
Quel di Faenza faceva gran cosa,
Niccolö Braccio sua forza mostrando
Cacciando i nostri con pena nojosa'*
E Bernardin 11 venia consumando.'*
II conte Dolce con mente gioiosa
Verso le mura li venia incalcando:
Veggendo que' di drento tale affare
Incomincion le bonibarde a scoccare.
22
Pill di quaranta bonibarde ad un tratto
Scoccavan dalla terra e dalle mura,'^
' AI prijno tratto, cioe: al primo colpo,
2 Intendi: Gli fece baciare la terra. Sabbione: Vedi Dante (Inf. XIII, 19).
3 Stocco: arma da punta.
* Corata: parti intorno al cuore,
5 Sire per signore. Oggi sire non si dice piü che al re,
" AI piano, cioe, in terra.
' Sovrano per grande.
8 Intendi: Ini il colpo cosi bene aggiustato che Ranieri cadde senza
aver nemmeno il tempo di sentire il dolore.
9 Or qui -vedevi il bello : anche oggi e in uso il motto ; or viene il bello,
cio^, lo straordinario il meraviglioso.
1° Sott.: vedevi, e leggi: vedevi cioe scavalcare etc. etc.
11 A mano a mano: successivamente, senza interruzione , quindi vale
anche, di subito.
'* Fenno per fecero.
1' Noiosa. Noia si usava non solo nel senso di fastidio, ma anche in
quello di dolore, e quindi, noiosa, intendi dolorosa.
1^ Consumando: qui vale, distruggendo.
1^ II Ms.: scoccava.
IL PICCININO.
333
E poi si aperse la porta di fatto
E '1 populo usci faor sanza paura,
Ognun armato e destro a cotal fatto,
Contro i nemici sanza guardia o cura:
Archi,^ balestre, lance con targoni'-'
Spingarde, quadrella^ e verettoni.
23-
Egli eran quasi presse alla terra
Di Lucha, que' nimici tutti quanti;
Or qui si cominciö la cruda guerra
Quando i Lucchesi si trasseno avanti,
Morir facendo della gente fella
Onde indireto* traendo tutti quanti.
E '1 Piccinin allor prese gran cuore
E verso i suoi parlö con gran linore.
24.
Con viso lieto ver' lor riguardava
Dicendo: Ognun ferisca francamente"
E con belle parole confortava;
A Dio si raccomandava umilmente
Et ultima vergogna dubitava^
Perclie vedea di fuor tutta la gente,
E stando verso il Ciel con viso collo^
Poscia verso i suoi si fu rivolto.
25.
E cosi disse lor con vista viva'
E con maP piglio cominciava a dire:
,,Or non siate come gente priva,''
„Ov' e fuggito il vostro grande ardire?
„Grande vergogna adosso ci si annida ;
„Che cotal gente si faccia fuggire,
„Torniam adunque e brighiam di ferire,
„Facciam fuggir chi ci ha fatto fuggire."
26."
E '1 suo grosso cavallo ha speronato
Verso i nimici coli' animo reo;
La lancia abbassa, quel baron pregiato,
Primo che scontra in terra percoteo.
La gente sua vedendol ritornato
Si fieramente, ciascuno il seguio;
AI primo giunger fer si bella mostra
Ch' ognun abbatte in sulla prima giostra.
27.
Or chi vedesse Niccolö Guerrieri !
Con una massa'i a ferro al campo
andava
Ferendo forte ciascun cavalieri
Et abbattendo quanti ne incontrava
E spcsso cpnfortando suo guerrieri,
E del ben far, tutti rincoraggiava
E donando arme a chi bisogno avesse
E rimontar facendo chi cadesse.
28.
E *1 Piccinino con lo stocco in mano
Sopra i nimici feria arditamente
E ben mostrava suo valor sovrano.
In questa presa^- fu villanamente
Scavalcato del cavallo al piano
II signor di Faenza pro' '•'^ e valenle
E abbattuta fu per cotal convegna
Quella bandiera ch' era d' onor degna;
29.
Quivi feria quel franco paladino
II conte Anton, quel gentil Pisano;
Tutta sua possa mettea in quel Camino
Arditamente, quel guerrier sovrano:
1 Sott.: di.
* Targone: targa grande, specie, cioe, di scudo di legno o di cuoio.
3 Quadrella = dardi. Plurale di quadrello.
* l7tdireto per indietro.
5 II Piccinino, temeva di dover subire 1' ultima vergogna, di vedere, cioe,
entrare i nemici perfino dentro la cittä. II verbo dubitare, talvolta, ha un
senso affine a temere. Perche dubitare e proprio di chi ha paura, ma e un
pö meno del fernere, un che fra star sospeso e sospettare.
ß Colto. Foise, raccolto.
' Con vista viva, c\oh, vivamente, con forza.
8 Mal. Alla lalina, cattivo.
^ Come geilte priva : come gente dappoco.
•0 Nel Ms. 1661, le ott.^ 26, 27, 28, 29, 30, 31 sono collocate fra quelle
che per noi portano il N° 37 e 38.
** Massa per mazza. '^ Sostantivo.
'ä Pro' : 6 la forma semplice da cui deriva la voce composta prodest, che
ha partorito prode.
334
A. PELLEGRINI,
Chi aspetlava lui, bene ^ meschino.
O quanti il giorno* ne mandava al
piano!
E chi giungea colla sua spada salda
Sentia la morte che fredda h, non calda.
30.
E dalla Pergola feria il gentil conte
Antonio, figliol d'Agnol"'^ pregiato;
Con la sua lancia, Ira 1' elmo e la
fronte,
Feritte il conte Dolce a tal mercato
Che del cavallo a terra a suo mal conte ^
Villanamente 1' ebbe iscavalcato,
E poi addosso al Fornain s' afferra
Si ch' elli fa cadere in plana terra.
31-
Sua lancia anco non nippe quel cam-
pione,
Un altro n' abbatte disteso in terra
E poi lasso la lancia, quel barone,
Perche era stretto in nella foltaguerra;
Allo stocco forbito man caccione.
In nello stormo piü folto si serra
E vidde Stefanon che s' 6 menato;*
Verso di lui ne va '1 baron pregiato,
32.
E poi fra gli altri con furia si lancia.
Guai a colui che al campo 1' aspettava!
Ad un passö 1' usbergo con la pancia
E malamente si 1' immannava;^
Niccolö Orso vedendo tal mancia,
Di sua virtii® assai si rallegrava
E stava a rimirarlo con diletlo
Vedendo i colpi del baron perfetto.
33.
Corae im liön da poscia si mettea
Drento nel campo, quel baron possente;
Quanti' si scontra tanti ne abbattea.
E cosi combattendo francamente
Bernardin dalla Carda che vedea
I colpi suoi, non vuole star niente:^
La lancia abbassa, quel barone ardito,
E 'n verso Niccolö Orso fu ito.
34.
Niccolö Orso venir lo vedea,
La lancia ver' di lui ebbe abbassata
E '1 suo cavallo delli spron pungea;
AI giunger che si fenno in sulla strata,®
Le lance al petto 1' un 1' altro ponea.
La corazza e 1' usbergo hanno ficata,
Fino alle carni andar i colpi crudi,
Ginocchiarsi i cavalli per lor virtudi."*
35.
Molto eran ambedue di gran prodezza
E le lor spade taglienti e affilate,
A ferir si tornaron con prestezza
E r arme lor 1' uno al 1' altro ha ta-
gliate.
Combattendo costoro in della pressa,*'
Niccolö Piccinin con sue magnate,*^
Incalcando i nimici, ivi fu giunto.
Partirsi Bernardin sanza star punto.^^
36.
Istanco e lasso giunse in altra parte
Per non spettare il franco Piccinino
Perchfe cognosce molto ben sua arte
E le prodezze di quel paladino:
Non vuol suo colpi, ciö dicon le carte,
1 Intendi: quel giorno.
2 Agnol: nome che ricorre anche nel c. II olt. 84: Agiiolo per Anj
con colorimento dell' e in o. Ora non si direbbe senza affettazione.
* A suo mal conte, Forse: a suo mal conto.
* Che s' e tne?iato; cioe, che si e fatto avanti.
s Immannava, manca nel Ms, 942. — Immannava per ammannava.
ö Virtü per valore. Usato alla lalina.
' Sott.: con.
* Star. Usato alla latina per attendere.
® Strala. Intendi: slrada.
10 pgf. igy zurtudi: per il valore dei cavalieri.
*i Pressa = mischia, ressa.
*2 Magnate per grandi. Sott.: soldatesche.
^^ Sanza star, cio^, senza aspettare.
IL PICCININO.
335
Ma ben giurava all' alto Dio divino
Che 'n altro luogo vorrh ritrovare
Niccolö Orso e con liii riprovare.
37-
Della battaglia non parti nitinte,
Anzi feriva come pro guerriere.
Niccolö Braccio dell' arme possente
S' era fermato sopra il suo deslriere
E ben cognosce e vede fermamente
Aver di guerra peggio, quel guerriere,
Ma nondimanco sua gente isgridava
E come prode il campo rinfrancava.
38.
La forza sua manifesto facia
E spezzando e rompendo cgni arma-
tura.
Del Picciuin, sua bella baronia,
Quasi niente di lui avea paüra;
Niccolö Piccinin con vigoria
Li confoitava, quando 11 puon cura,*
Dicendo: „Arditamecte combattete
„Che la vittoria tostamenle avrete."
39-
Molto durava il Piccinin travaglia
Per poter sua gente rimbaldire,^
E cosi la teneva alla battaglia
Mostrando la sua forza e '1 grand' ar-
dire
Che cui colpia non vale scudo o maglia
Che subito li convenia morire.
De' suoi gran colpi ciaschedun dot-
tava^
E via gli davan* ovunque egli andava.
40.
Niccolö Braccio vedendol si pieno
Di suoi prodezze e cosi smisurato,
AI suo cavallo die, quanto vuol, freno
E nel piii folto stormo fu cacciato ;
La forza sua tutti quanti^ temeno^
E data gli era via in ogni lato,
E cosi combaltendo fu avvenuto'
Dove Aslor di Faenza era abbattuto,
41.
E ben si difendeva giustamente
Colla sua spada tagliente e affilata,
Ma sua difesa non valeva niente
(Tanto e la gente sopra lui spietata)
Quando il soccorse Niccolö possente
Gon seicento caval di gente armata:
Cou tal furor entrö 'n nella battaglia
Che* rimisse a caval, se Dio mi vaglia.
42.
Essendo rimontato quel barone,
La ducal gente forte ridottava,^
Perche a ferir parea proprio un dragone
Tanto era il suo colpir forte et amaro;
Alla sua forza non val guarnigione.
Morto era chi colpia quel baron caro ;
E cosi combattendo, ebbe trovato
Batlista del Fornaro iscavalcato.
43-
Come lo vidde, presto si fermava;
Colla sua spada, ch' h pesante e grieve,'"
Quanta armatura tocca si tagliava
Come se fusse di ghiacclo o di nieve,
Per forza quella gente isbarattava.^*
1 Quando li puon cura: quando loro pone mente.
2 Rimbaldire, cioe, rinvigorire.
3 Dottava per temcva.
* E via gli davan: e gli aprivano il passo.
* Ms. quanto.
8 Temeno per temevano.
' Fu avvenuto per fu arrivato. Francesismo.
8 Sott.: lo.
8 Ridottava: temeva. L'Albeiti vuole che questo vcrbo significhi paura
piii foite che temere. E usato dal Caval. (op. cit. I, 408).
*" Grieve per greve: grave. In molti vocab. il dittongo ie si e con-
servato; in altri si h perduto. Cosi piii sotto : nieve, ora, neve, e brieve,
ora, breve,
^* Isaharattava per sbaragliava.
336
A. PELLEGRINI,
Battista ch' cra dell' arme piü brieve*
Un caval voto prese, sanza lardo,^
E SU vi monta, quel baron gagliardo.
44.
E Fornaino veggcndo tal maniera
Che rimontü suo buon compagnone,
La briglia d' un cavallo alla primiera
Egli ebbe presa, ma il gentil barone
Che in su quel grosso caval morello cra,
AI Fornain una punta menone,
Ma il buon Battista che e da Fabiiano
A lui die un colpo e '1 fe' cader al
piano.
45-
Tanto Battista fe' che rimcttea
In sul cavallo il Fornaino armato;
Poi fra i nimici ciascun si stendea,
Assai ciascun di loro e ridottato.^
II carnpo per ciascun si manlenea,
Ciascun francava bene lo suo lato,*
Ognun cerca vittoria a tal mestieri
Pill che non fer gli erranti cavalieri.
46.
E la battaglia crescea tuttavia
Pcrche da ogni parte crescea gente;
Di Fiorentiui assai piii vi moria,
Bontä del Piccinin tanto possente.
11 signore di Faenza che vedia
Come sopra di loro cra mordente
II Piccinin, che parea che inghiottire
I Fiorentin volesse con suo ardire,
47-
Quel di Faenza, fuggir vede i suoi,
Addosso al Piccinin si si cacciava
E ruppeli la lancia addosso, e poi
Colla tagliente spada il ritrovava;
II Franco Piccinin verso di lui
Un grieve colpo in sull' elmo li dava.
Che mai tal duol non ebbe, e con
molta ira
Verso sua gente presto si ritira.
48.
Niccolö Braccio e sua brigata fina
Con Bernardin si misseno a difesa
Contra del Piccinin, qui la rovina
Fu di battaglia la mortal contesa,
Le faville de colpi^ una fucina
Parea che fusse nuovamente accesa
Chfc ciaschedun difendea sanza fuggire
II luoco suo con valoroso ardire.
49-
^ Niccolö Guerrier con gran furore
Et ira acceso, il baron tanto bello,
Vedendo i^ Fiorentin tanto valore,
Quinci percosse con un bei drappello ;
Confurtando i Lucan con gran vigore
Li caccia contra di quel popul fello
E 'n verso il conte Dolce a tale
effetto '
Felli** votar la sella a suo dispetto.
50.9
E poi la spada fuor con sua man misse
Ferendo gl' inimici ad ambe mani,
Tanto che indietro al campo li rimisse
Col grande aiuto di que' buon Lucani.
Tanta vinü di popul mai si scrisse
Con le balestre colpi aspri e villani
Uomini d' arme e cavalli abbattendo
Sieche i nimici assai di lor temendo.
5'-
Meraviglia era a veder la prodezza
Del Pisan conte e del buon Pettcrlino,
E di quel della Pergola 1' asprezza
E d' un meraviglioso paladino,
Niccolö da San Piero per certezza;
D' altra parte, il gran conte d' Urbino
' Brieve. Spiegherei, inferiore.
* Sanza tarda: senza ritardo.
3 Ridottato per temuto.
* Ciascuno rinforzava bene il proprio lato.
^ Sott.: per, e leggi: per le faville dei etc.
" Leggi : vedendo nei etc.
' Nel Ms. 942 leggesi invece, con dispetto.
^ Felli, per gli fe'.
9 Nel Ms. 1661, le ott.e 50, 51, 52, 53, 54, 55, 56 son collocate fre
quelle che per noi portano il N. 61 c 62.
IL PICCININO.
337
Col buon Niccolö Braccio, baron
franco,
Ambeduo questi sosteneano il campo.
52-
Giä si sfuggia '1 sol iq nell' Occidente
Per coricar suoi cavalli affannati,
In gran battaglia e tutta la gcnte
Nel folto campo insieme mescolati;
Niccolö Piccinin baron possente
CoUa sua baronia stretti e serrati
Addosso al Fortebraccio si cacciava
Perch' era quel che lo stormo francava.i
53-
Niccolö Piccinin, baron sovrano,
Punse il destrier siccome uom pien
d' ardire;
Niccolö Biaccio giä non fu villano^
Veggendol ver' di se cosi venire,
Sua grossa lancia si recava in mano
E sopra il Piccinin giva a ferire:
Diensi du' colpi dispietati e forti
Ch' e meraviglia che non cadder morti.
54-
Ciascun si ruppe usbergo e sopravesta,
Niccolö Piccinino, il baron forte,
Trasse la spada fuor con gran lempesta.
Niccolö Braccio vedendo tal sorte
Volse il cavallo e non li parve festa
Perche cognosce ch' elli darä morte.
Sopra i niniici in altra parte gia^
E come primo campion sempre feria.
55-
Allotta funno i nostri si possenli
Che '1 campo Fiorentin voltar per forza;
Niccolö Orso Guerrier si eccellenti
Irato sopra i nimici ammorsa,*
Chiünque giugne toslo fa dolente;
E '1 conte dalla Pergola si sforza
Far d' arme contra lor perchfe vedea
Che al campo piü nessun durar potea,
56.
E Niccolö Guerrieri vede il limore,
Forte isgridava il Pisan conte ardito:
,,Or mostra mo'^ come tu äi valore
,,Che noi abbiam ormai vinto il partito,
,,Costor si fuggiran con gran romore."
Oltra* si caccia il cavalier ardito,
Addosso al Fornaino ei si disserra.
Siecht di netto il manda in plana terra;
57.
E poi un altro per terra cacciava.
II Pisan conte seguita la traccia:
Quanti ne scontra, per terra mandava;
Sopra di que' d' Urbin forte si caccia
E fortemente li molesta e grava
E chi nie' puote a darli via procaccia,'
Nissun non tasta ver' di lui niente
E lui sopra di lor fere francamente.
58.
Di quanto facea d' arme quel barone!
E turbato era forte in nella mente;
A cui da un colpo non ne volea piune^
Tanto era in arme feroce e possente,
Ch^ cui giungea fa baciar lo sabbione.
Niccolö Orso e Pettolin valente
Ognun feriva forte alla battaglia,
Alli nimici dando gran travaglia;
59-
E 'I Piccinin col suo tagliente brando
Feria addosso con tutta la forza
Indietro i fiorentin ritornando^
E del campo cacciarli ben si sforza
' Franca-va, cio^, salvava. Francare: Vocabolo usato in questo senso
anche dal Cavalc. (op. cit. ; I, 213).
2 Viilano, per isgarbalo. Intendi: non fu tanto sgarbato da rifiutare di
venire a tenzone col Piccinino.
* Gia, cioe, andava intorno.
* Ammorsa = da il morso; e quindi intenderemo: si getta sopra etc.
^ Mo', per fnodo = ora. Voc. latina.
* Oltra, per oltre.
^ Intendi: tutti quelli che potevano, cercavano di aprirgli il passo.
" piune, z\oh, di piü.
* Ritornando, cio^, facendo ritornare.
Zeitschr. f. rom. Phil. XXIV. --
338
A. PELLEGRINI,
E la suä gente sempre seguitando
Contro di lor non vale armi una scoi za
Tanto avean preso gran baldanza e
cuore 1
Tagliando gl' inimici con dolore,^
60.
E per lo campo abbattendo e correndo
In qua e 'n li come gente sicura;^
E 1' inimici appena lor venendo *
Per far difesa con gran guardia e cura;
II Piccinin allor questo veggendo
Li seguitava metlendo a tortura,
Fine alli lor pennen sempre incal-
ciando,
I nimici abbattendo e scävalcando;
61.
E tanto forte lor si misse addosso
Che non poteron appena far testa
Come si usa di far, per lor riscosso^
E si ferian con tanta tempesta
Ch' ognun parea un drago furiöso
Facendo lor portar pena molesta,
E con tanta baldanza gli feriäno
Che la piü parte di lor si fuggiäno.
62.
Ogni duchesco^ stava fresco e ardito
E la battaglia sempre rinfrancava.
Ma niente valea cotal partito
Se '1 populo Lucchese non aitava'
Che '1 numero di lor era infinito
E Tun perl' altro sempre s'infrescava,
Ma Niccolö Guerrier signor facea
Chi a quello stormo veder lo potea.
63-
Nfe altrimenti fra le pecorelle
Si gitta il lupo per fame rabbioso,
Cosi non** cura quel guerrier covelle^
Del popul Fiorentin trislo erittoso;!"
E '1 Piccinin non stava a dir novelle :
Colla sua spada fra loro furioso
Collo suo stocco fra lor^i ferendo
Or questo or quello pel campo ab-
battendo.
64.
Del Fortebraccio abbatter la bandiera
E simil^2 quella del buon Bernardino,
Stanti^* a pie fuggiron alla primiera.
E '1 commissar del comun Fiorentino
La guerra rinforzava, ed era sera ;
Veggendo ciö quel gran conte d'Urbino
Volta le spalle e briga di fuggire
Perche sua gente non puö piii soffrire.
65.
Cosi fuggendo come in isconfitta
Sanza altra prova'* quel gran capitano,
Oue' combattenti avean mortal trafitta
E ciascheduno abbandonava il piano;
Vedendo che non v' e piü insegna
ritta
Ogmm si tien della battaglia gramo^^
Cosi fuggendo con grieve tormento,
E '1 Piccinin 1^ seguia con ardimento.
1 Cuore. Manca nel Ms. 942.
2 Con dolore. II Ms. 942 dice, con doglianza.
3 Sicura. Dal lat. securus, cioe, senza timore.
* Appena lor venendo. Intendi: a mala pena verso di loro venivano,
^ Riscosso per riscossa, cioe, rivincita.
^ Duchesco, cioe, i soldati del Piccinino che era appunto stato mandato
dal Duca di Milano.
' Aiiava, cioe, aiutava.
8 Sott.: si.
^ Covelle, per quasi niente.
"* Rittoso, leggi: riottoso.
11 Fra lor. Nel Ms. 1661 leggesi: di punta.
12 Simil: avverbio illustrato ne' vocabolari con diversi esempi.
1* Stanti. Ritti in piedi. Sott.: gli.
1* Prova, nel senso di lotta.
^^ Gramo, cioe, dolente.
« Sott.: li.
IL PICCININO.
339
66.
Or chi vedesse quel populo alpestro
Di Lucha, ciaschedun gagliardo e dolto
Clie del ferire pareva ognun maestro,
A molti fer quel di accordar lo scotto
Sopra i nimici ognun ferendo presto,
Tanto che 'I campo ebber per forza
rotto
E ciaschedun fuggia ver' Librafatta;^
Non v' e piü chi difenda o chi com-
batta.
67-
E 'l Piccinin sempre 1' ha seguitali
Speronando suo forte destrieri,
E i suoi compagni ch' eran bene ar-
mati
Facean quel che a prode uom si ri-
quieri^
E i cittadin non pareano affannati,
Ma come buon pedoni e balestrieri
Si conducean con ardire e maniera
Che meraviglia n'avea chiunque v'era.
68.
Elli pareano usciti dell' Inferno,
Si feria francamente ciascheduno
E de' nimici facendo isquaderno:^
Si crudelmente combattea ognuno.
Piü di trecento, siccome io discerno,
Furo abbatluti e non vi avea niuno*
De' nimici che non dicesse „Io temo",
Vedendo far di lor cotanto sciemo.^
69.
La gente d' arme del ferir si sforza
Vedendo a i cittadin tal vigoria
Sopra i nimici mostrando lor forza,
Si che 'n quel punto assai ve ne moria
Perche lor arme non vale una scorza
E ciaschedun quanlo potea, fuggia,
E i nostri davan lor colpi aspri e gi-avi
Come baroni in arme esperti e savi.
70.
II Piccinin quanto per ben 1' avea (?)
Vedendo de' Lucchesi il grande ardire
E fra se stesso godendo dicea:
„Deh prestaci vittoria dolce Sire!"
Poi tutte le suoi forze raccogliea
E furioso si lassava gire gire,^
Adosso a un di si gran forza il fiere '
Ch' egli il gitlü per morto dal destriere.
71-
E Niccolo Guerrier grazioso e pio
Sopra il suo buon destriere riformossi
E lutto quanto ardendo in del desio
D' aver vittoria, focoso cacciossi
Tra 1' inimici, e '1 primo che ferio
Alli suoi piedi morto coricossi,
E simil fece a piü degli altri fare
Perche nessun 1' ardiva d' aspettare.
72.
Questi isconfitti attendono a fuggire
E mai contra i nimici nessun volta.
AI ponte di Montuolo, allo ver dire,
Era passato di lor gente molta
Quando que' di Nossan,^ con grand'
ardire,
Taglionno il ponte, onde la via fu tolta.
Ma giä, era passato quel d' Urbino
E della Carda il franco Bernardino;
73-
E piü di cinquemilia, a tal riparo,
Passato avean il ponte e si fuggiero
A Librafatta e quince si posaro.
* Librafatta, cioe, Ripafratta: frazione del comune dei Bagni di S. Giu-
liano in provincia di Pisa. Tanto di questo paese, come per gli altii, vedi:
S. Bongi (op. cit.).
2 Riquieri. Nel Ms. 1661 leggesi: richiedi.
' Isquaderno. Squadernare, si usa per volgere attentamente le carte di
un libro e nel senso anche di spalancare, Usato nel senso come vorrebbe il
poeta, non si trova nel diz.
'* II verbo avere, usato per il verbo essere, trovasi anche nel Boccaccio
(Nov. IV).
^ Sciemo, oXoh, sciemamento.
" Gire gire, per gire intorno.
' Fiere, per ferire. * II Ms. dice: Nossano.
22*
340
A. PELLEGRINI,
E quando gli altri a quel ponte giun-
gero,
Veggendol rotto, assai si sgomentaro;
Ma prestamente si preson pensiero
Di ben difender, siccome valenti,
Onde ne furo assai di vita spenti.
74.
Allotta si voltar di buona voglia
Chi con la lancia e chi con la spada,
Gridando: „Voi sentirete pena e
doglia."
Alquanti n' abbatteron sulla strada
Ma sempre omai tremavan come foglia
Chfe nessun sa dova' si fugga o vada
Che di battaglia i Lucchesi eran usi
E d' ogni parte 1' han serrati e chiusi.
75.
Da nissun lato non potean fuggire
Tanto eian d' ogni parte asserragliati;
Lor convenia difendere o morire
Od esser nel ferir bene avvisali^
Chfe i Lucchesi ferian con grand' ar-
dire.
Lor quanto possan si sono aiutati,
Ma non possendo' piü, assai s' aren-
dero
Dando la fede di star prigioniero.
76.
E molti altri si se ne fuggiro
Verso di Pisa per aver riparo;
Per le montagne costor se ne giro
E per Ig bosco assai se n' appiattaro,
E li Lucchesi sempre li seguiro
Giü per 1' Ozzori* che 1' assediaro
E a un passe te 1' ebbeno aggiunti;
Assai ne für allor di morte punti.
77-
Chi avea buon destrier li bisognava
Se da morte scampar vole a suä vita
E giä niente 1' un 1' altro aspettava.
Ma come gente stolta e sbigottita,
Me' che potea, ciascuno speronava.
Alcune donne vedendo la stampita,*
Fuori della cittä presto correäno
E dirieto a nimici si metteäno.
78.
Nessuna ve ne fu si dolorosa ^
Che non menasse a casa du' prigioni,
E volunlä di Dio fu questa cosa
Per dare esempio a tutte le legioni
Di popul che non sia superba e ontosa.
Or ritorniamo alli nostri baroni
Che i Fiorentin sempre vanno incal-
ciando
E di molti prigion givan pigliando.
79.
Declinato era il sole, e gito il giorno
E si venia su la notte scura,
Quando quel capitan valente e adorno,
Niccolö Piccinino sanza paura,
A ricolta' facea sonare il corno.
Tutti i Lucchesi colla mente pura
Furon d' intorno al baron pien di
gloria
Lodando Iddio dell' avuta vittoria.
80.
La gente d' arme ch' era in abbandono
Udendo il corno a dietro die la volta,
Dinanzi al capitan lor tutti sono
Con lor ragioni e la ricchezza molta
Che lassavan i nimici in abbandono
Li quali essi seguian con furia molta.
1 Dova, per dove,
'•* Avvisati, intenderei, attenti.
3 Possendo. Si trova qualche esempio nella lingiia del sec. XIV di
Jossen per potea e cosi possendo (usato dal Boccaccio) h per analogia da
posse infin. lat.
* Ozzori. ^ un canale.
* Stampita. Qui significherä orma. Significato, del resto, che credo le
darebbe il nostro poeta.
^ Dolorosa. Voc. usata in senso passivo.
' Ricolta, da ricogliere, per raccolta.
IL PICCININO.
341
Quando vieler sonar quegli istormenti,^
Ricolscnsi, e lassön gire i fiiggienti.
81.
Püi '1 capitano in verso la cittade
Con allcgrezza grande ritornava;
In puntö acconciö Uitte le squadre
E fuor della cittä si s' accampava
Co' suoi prigioni e con le sue masnade,
E piü di mille prigion si trovava.
Dentro, la sera non volse albergare
Siccome savio di cotal affare.
82.
E li Lucchesi con la mente pura
Fuoco facean su per ogni torre
Perche avean vinto la guerra sicura
E '1 campo avean creduto' d' inde^
torre
E missi i lor nimici a gran tortura;
AI capitan presentare ognun corre,
Poi inteseno i feriti a medicare
E disarmati andonsi a riposare,
83.
Facciasi omai primo battagliatore
Dardano che fu primo sanza fallo
A metter briglia o freno con valore,
E primo fu che sellasse cavallo
Nino figliol del re figlio maggiore;
Facci Laumedonte a cotal ballo
Ascanio, Samuel, Greudeo Fiero
Quovo e '1 Re Saul cotanto altero.
84.*
Or taci di David o forte re,
E* quel Golia che fu de' Filistei,
Ercole con Sansone e Giosue
E Roboam che fu de' Maccabei
Con Oloferno che tanto pote
E i primi quattro buon Roman de Dei ;
Sapere che messon Roma in alto seggio
Questi di fama non ebber pareggio.
85.
Tacciasi omai Priäm padre pregiato
D' Ettor di Troila'' valente campione,
E vo' Cesare tanto ricordato,
Pompeo e Cassio e '1 grande Scipione,
E quel Papirio e Attilio pregiato,
Valerio Regolo con Stimaleone,
Corvino e Curzio e 'I gran Rutiliano,
Regolo et Appio cgualmente sovrano.
86.
Or taci tu per Dario Persiano
E quel superbo cieco Evandro re,
Mutio e Silvio, che fu si sovrano,
E Marzio Curzio che cotanto fe'
Per iscampare il populo Romano;
Tarquin superbo e 1' avolo che ve' ^
E Cibro Tedesco e quel Roman Mau-
ritio,
Sabino Ombrone e Varo con Fabritio.
87.
Tacciasi qui Anton Valente e Marco
Cornelio, Teodosio^ et Adriano
E Fulvii duo, ciascun di valor carco;
Pirhys, Turnio, Theseus, Protas e
Fano,
Trojano imperador di valor carco,
Anlinos, Tito con Vespasiäno,
Manlio, Volsco e il possente Alamino,
Dionisio che per Cesar fu tapino.
88.
Di Macedonia Filippo ove s' e stato
Conquistator di Cicilia e Marcello
E Marcantonio e 1' un e 1' altro Cato,
Aruso re baron cotanto bello
Bruto che tutta Spagna ha soggio-
gato,
Tiberio e Caio che fu tanto snello
E 1' Asiatico Scipion e Anton Pio,
Anton Lucio e '1 suo valente zio
* Istornienti, per strumenti.
2 Creduto. Nel Ms. 1661 si legge: veduto.
ä Z)' inde = di li. Voc. latina.
* Nel Ms. 1661 mancano le Ott. 82, 83, 84.
5 Sott.: di.
^ Troila, per Troia.
' Ve. Se sta per vedi, noterai un' apocope non püi dell' uso.
^ Teodosio. Nel Ms. 1661, leggesi: Tedesco.
342
A. PELLEGRINI,
89.
II quäle chiamato fu *1 buon Gordiano;
E quel che il fiume fe' vermiglio tanto
Per nome fu chiamato il gran Villano,
Comodo con Severo or taci intanto,
Turno e tu Druso con Valleriäno
E 1' un e r altro Bruto stia da canto
E Marco Sergio e Mario e Asdrubäle,
E Claudio Mutio, Regolo e Annibale,
90.1
Clarulo e Sceva e quel Lucio Dentato,
Arisades,2 Giugurta e i du' Marcelli
E que' du' Decii ch' e ciascun pregiato,
E Manlio con Torquato franchi e snelli,
Nerva, Traian che fu si ridottato,
Sergio, Flamincio e Brenno baron belli,
Leönidas, CatuUo e Alcibiades
Graccus, Roscius, Solön e Meleciades;^
91.
Or non si parli piü del gran Teseo,
Di Massinissa e di Siface,
Del forte Achille che tanto poteo,
Di Menelao e del possente Aiace
E d' Antiloco che cotanto feo,
D' Aganiennon che fu cotanto aldace
E Diomede, Aiace, Ulisse forte
Che spinsou giä i Trojan dentro le
porte,
92.
Quel Paris, Deifobo e Polidoro
E '1 buon Enea, Amerione gagliardo
Et Archilao e '1 franco Brettinoro
E Pansagione con suo feroce sguardo,
E Filamenio, Jufenio e Polidoro,
Ausido e Proter nostri, in arme saldo.
Panduro e Caparel, valente e destro,
E Pislropo che fu in guerra maestro.
93-
Tacciasi omai quell' Emilio manerchio (?)
Volupno, Gruco, Filo e Cincinnato
Virginio cieco e Leno stanno a cerchio,
Cornelio Teödosio si pregiato
Fate onore a colui che ruppe al Serchio
II popul Fiorentin tanto arrabbiato,
Jane, Lacedemon, Filippomene
Pautasilea, Demofonte con sene.
94-
Or taci tu Alessandro imperatore
E similmente il franco Costantino,
Ottavio il valente campiöne
E tu Lalardo franco paladino
E re Artii col suo Tristan barone
E Lancilotto che fu tanto fino,
Buoco d' Antonia, e '1 forte re Fio-
rello,
Fiorenzo re del Parigino ostello;
95-
Or taci Fioravante e tu Gisberto
Del fier visaggio e '1 franco re Pipino,
Re Carlomagno che in arme fu sperto,
Millon d'Anglante, Orlando paladino;
Rinaldo et Ulivier taci per certo
Don Chiaro e Don Boso cavalier fino,
Bernardo di Chiarmonte quel barone
E '1 re Almonte feroce campiöne.
96.
Quivi si era il duca Gottifredi,
E 'I duca di Lancastro era con elli,
Et un Lucchesi armato senza eredi:
Chiamato fu Castruccio Interminelli,
E Braccio dal Montan segne suoi
piedi;
II Cerchio stringon d' esti baron belli
Che d' arme e di virtii portar valore:
,,A1 Perugin, dicean, facciam onore."
97-
Non si ragioni piü di gagliardia
Chi lassa a dir le mirabil prodesse
Del campion Piccinin, le valentie
Che a Lucha fece con suoi grandi
aspresse,
E non durö pur du' ore del die,
Che a me medesmo a dirlo par ma-
tesse (?)
1 Nel Ms. 1661, questa ott. e le seguenti mancano.
2 Arisades, cioe, Aristide.
3 Meleciades, cioe, Milziade.
IL PICCININO.
343
E le prodesse e '1 terribile affanno
Che in un di non sarä basto^ un anno ;
98.
E perö 'n ogni cosa vuol misura
Intendo far qui fine al terzo canto;
E nell' altro dirö sanza paüra
Come entrö dentro in Lucha il baron
franco
E come poi con sua gente sicura
Camino verso Siena senza manco,
E come e che le castella che prese
E come fece^ rompere il Senese.
Finilo lo terzo canto del Piccinino.
IV.
Ricorro a te de' pcccalor consiglio
O saldo scudo di crisliana gente, ^
Che tratti ci hai da si crudel periglio
Per la incarnatiön tanto potente
Di Dio che '1 verbo suo fece a te figlio,
Vergine, '1 concipisti veramente;
E Vergine, '1 portasti e parturisti,
Vergine sine^ macula vivesti,
Vergine bella al mondo sanza esempio,''
D' ogni fedel nocchier fidata guida'
AI nostro Dio sacrato e vero tempio,*
La mia persona in te sempre si fida;^
O del popul Lucan vera defensio i"
Che discacciasti con ru'ine e strida
II popul Fiorentin con pena e danno,
Per te e Lucha fuor d' ogni suo affanno.
Miserere, chiamo, misero e vile,
A te cui Gabriello fe' si dolce ave,
Miserere di cuor contrito e umile,"
E dammi grazia che di quella nave
Possa cantar con mia rima gentile
Del gran conduttoi^ col tempo soäve
E d' Alessandro Streghi il gran pe-
riglio,
Come condusse il gran di quel naviglio.
E del gran capitan poi canteroe,
Niccolö Piccinin prode e valente
Come in nella cittä di Lucha entroe;
E poi ver' Siena con sua armata gente
Quel capitan valente s' avviöe,
Del gran conquisto " che fe', quel
possente,
Sopra de' Fiorentin con grand' ardire,
Quel valoroso conte e nobil sire.
5.
In primamente vo' dir della nave
Doria, la quäl condusse molto grano,
La quäl ver' di Palermo andö soäve,^*
Come al primo cantar noi vi leggiamo,
E ritornata in men che dicesi ave
1 Basto: participio di bastare.
2 Sott, a, e leggi: a irrompere nel Senese.
3 Questo canto, nel Ms. lööi, porta il N. 22. — Vedi nota i del c. III.
* Petrarca (Canz. alla Vergine): „O saldo scudo dell' afflitte genti".
5 Sine. Voc. lat. — Macula. Akra voc. lat.
6 Petrarca (Canz. cit.): „Vergine sola al mondo senza esempio".
■' II verso e tolto dalla Canz. cit. del Petrarca.
s Petrarca (Canz. cit.): „AI vero Dio sacrato e vivo tempio".
9 „ „ „ „Ma pure in te 1' anima mia si fida".
1" Defensio. Voc. lat. che sta per, difesa.
11 Petrarca (Canz. cit.): „Miserere d' un cor contrito, umile".
12 Condutto, per trasporto.
18 Nel Ms. 1661 mancano le prime quattro ottave di questo canto.
'* Conquisto, per conquisla.
1^ Soave. Avv. per soavemente.
344
A. PELLEGRINI,
In porto Vener* siccome io rispiano.^
II di che '1 Piccinin con sua brigata
A Lucha giunse, il di la nave entrata'
6.
In porto Veneri, gratioso porto,
E Lorenzo Buonvisi 1' ha spiäto
Per voler dare alla cittä conforto.
Per Alessandro Streghi ebbe mandato,
Per parte del comuii li parlö scorto:*
Se li piace quel grano aver guidalo
A Pietrasanta e farlo scaricare,
E dal comun ti farö meritare.''
7-
Ditto Alessandro si li lispondea:
Che non cercava merito nessuno,
Per lo suo comun andar presto volca
Durar fatica sanza prender muno.^
Proferte assai, Lorenzo li facea,
Alessandro cognosce suo costume;
Per lui un passo mutato non avrebbe,
Ma per lo comune aitar si v' andrebbe.
8.
Lorentio forte' si nel pregava allora
Onde Alessandro parlö al torregiano®
„lo son contento andar sanza dimora",
Et un compagno con lui si chiamaro
E concordato fu 'n manco^ d' un' ora.
Et Alessandro e lui si s' inviäro
AI molo e quive entrati furno in mare;
A porto Veneri ebbon poi a posare.
A Pietrasanta andö a star Benedetto
Per ricevere il gran che sia mandato.
Alessandro con cuor puro e perfetto
Prima che sposi i" il gran, ebbe parlalo
A Francesco Asalo, e tanto ha detto
Che quel Francesco fussi concordiato.
Era costui del re governatore,
Una lettera fe' in tal tenore :
Che nessun uomo del re di Ragona**
Non possa il ditto gran fare intesire ^^
N6 convenire Alessandro in persona;
Contra di lui nessun si debbia udire
Ne dazio alcun non paghi alla Corona
Ma si il portaggio *^ a chi vorrä ire.
E detta carta sempre fu osservata
E per nessun non fu mai contrastala,
II.
Ben vi si misser piü volte alla pruova
Per voler far detto grano intesire.
Come veniva in su la carta nuova
Nessun ozava piü di ripetire,
E si ne feci ancor, come si trova,
Molte altre barche in mio nome stesire.**
Come avuto ebbi la lettera, avaccio ^^
Alla nave n' andai senz' altro impaccio.
12.
Giunto alla nave la fei isgomberare
E in suUe saettie.i® senza dimoro.
1 Nel golfo di Spezia.
'^ Jiispiano, cioe, ridico.
3 Sott.: fu.
* Scorto. Avv., per chiaramente.
5 Meritare, per ricompensare.
^ Muno. Dal lat. mutius. E leggi: e volea durar fatica etc.
' Forte. Avv., per fortemente.
® Nel Ms. l66i si legge: parla alto e caro.
^ 'N manco, cioe, in meno.
1" Sposare, per posare. Quistione forse di pronunzia; come i Fiorentini
che in molti casi profferiscono la sillaba ce per sce; p. es. scene, per cene.
^1 Alfonso il Magnanimo.
*' Intesire, per staggire, ciod, sequestrare. Vi sono es, in una cronaca
pistoiese del sec. XV e ne' bandi lucchesi.
1' Portaggio: Nel Ms. l66i leggesi „pedaggio".
1* Stesire: probabilmente dal verbo 'iovjj/l(i = ordinäre. Manca nel Ms. 942.
*^ Avaccio. Avv. d' incerta origine, che significa subito. '^ usato piü
volte da Dante (Inf, X, 106; XXXIII, 106; Parad., XVI, 70).
1"^ Saettie: palischermi lunghi stretti etc.
IL PICCININO.
345
Tutto quel grano feci caricare;
E poscia ai marinar diceva loro
Che non rincresca un poco 1' aspettare
Che voglio scorta e voglio andar con
loro:
,,E scaricato, poi ritornerete
„Et io con voi e si ricaricherete."
13-
Non fu una volta o due o tre 1' andate,
Ma furon piü di venti; e la misura
Del gran, per certo, vo' che voi sap-
piate:
Cinquanta miglia staja, chi pon ben
cura,
Furo in du' nave, giuro in veritate;
Quante saettie bisogna a tal misura
Ognun lo stimi chi sa navigare.
Or^ Alessandro mi convien tornare:
14.
La prima gita fe' scorta il possente
Da Greco^ Biagio con la sua galea.
A ritornar che fe' poi di presente
Giovan da Ghivizzan quivi giungea:
Mille ducati die, se '1 dir non mente,
Ad Alessandro, e '1 dice che li dea''
Ad Asano'* Vivaldi e poi partio;
E noi per 1' allo mar con gran disio,
15-
E camiuaudo ognun per mar giocondo,
II tempo, il vento, il mar, tutto era
buono ;
Prima che al Corbo fusson, parve il
mondo
Intenebrato^ e scuro con gran tuono,
Di6 nella vela il vento con gran duolo®
E la corrente in contra, il ver ragiono;
A piover cominciö, e gragniolare
E 1' onde gonfian forte per lo mare.
16.
II tempo era si fortemente scuro
Che gran paüra avea '1 padrone adorno
E ciaschedun quäl v' era piü sicuro ;
La vela calar giu senza soggiorno
Che non la rompa lor lo tempo duro,
E la galea girava intorno intorno
In qua e in lä; e poscia in sul mattino
Drento il canal noi fummo di Piombino.
Alzar le vele per voler dar volta
E veramente andare a pigliar porto
ChS 'n sul canale era trista ricolta.
E di una cosa farö chiaro e scorto
Ciascun di voi, perche fortuna molta
Piü cadasto(?) perche nostro conforto
Sarebbe stato il canal di Piombino
Ma tenea allor col comun Fiorentino,
18.
Onde che si cacciorno in alto mare,
E la fortuna tanto ha tempestato
Che 1' arboro' e 1' antenna fe' fiaccarc,
Sülle fornicol® fu per ispezzare
II legno nostro, ma Quel che non ha
pare.
Per sua pietä di li ci ebbe scampato
E 'n porto Vener fummo a salva-
mento ;
Alla Galea fe' fare il guarnimento.
19.
E in porto Vener ritornammo poi
Che la galea del tutto fu fornita
E Biagio da Greco con tutli suoi
A Genova si fu la lor ridita.*
E vo' che certo sia ognun di voi
Che Alessandro presto 'n quella gita
A Biagio detto, ducati cinquanta;
D'averli avuti*" ancor non se ne vanta.
1 Sott.: ad.
2 Nel Ms. 1661, leggesi: Giereo.
^ Dea, dia: forma fiorcntina che piacque a Dante (Inf., XXXIII, 125).
* Asano. Nel Ms. 1661 leggesi: Aiigustin.
5 Intenebrato, parola per gli antichi, di senso assai vago. Qui intendi,
annuvolato. ^ Duo/o: il Ms. 1661, dice pondo.
' Arboro, per albe«o si usa nel dialetto lucchese.
* Foriiicole, per formiche: scogli bassi e aggruppati.
® Ridita = ritorno. Dal lat. redire, di cui conserva il significato,
1" Avuti, cioe, riavuti.
346
A. PELLEGRINI,
20.
E mezza forza fugli quel prestare.
Or ritorniamo a Alessandro pregiato
Che r altro grano tutto fe' portare
Et Agostia Vivaldi ebbe pagato
Di que' mille ducati, a non cianciare.i
E con iscorte sempre accompagnato
Da galeötte e galee Catelani
vSol per condurre a salvamento i grani,
21.
Sempre pagando e dando beveraggio^
A que' che scorta fanno al detto grano:
Trenta e cinquanta fiorin per viaggio.^
Le gran fatiche durate lassiamo
Per mare e porti, per ogni rivaggio;
Queir Alessandro di valor sovrano
A salvamento come e che si fusse
Cinquanta miglia staja di gran con-
dusse.
22.
Delle fatiche suoi ü^ greve pondo
Non si potrebbe in un anno contare,
E questo e noto a ogni cittä a fondo.
Le^ malattie che poi ebbe a portare
E d' ogni cosa sta allegro e giocondo
Poiche la sua cittä libera stare
Vede, e di ciö crede esser gran cagione
Alessandro; di ciö v' era ragione:
23-
Se il Piccinin avesse ogni di' rotto
Campi trecento (che veniva a dire
Tal quel che ruppe), che se '1 gran con-
dotto
Non fosse stato, convenia perire
Questa cittä di essere al disotto,
I-o ingegno grande mai prima dire
Non si polrä per quel giovine ardito,
Ch' e con gran senno e con virtii perito,
24.
Perche de' Fiorentin le lor galee
Stavano in mar sempre dannificando;^
Dal porto Vener riceveano spie,
Onde si furon mossi poco stando.
E presto chariche dieci saettie
Del gran che conducea detto Ales-
sandro
Tutte riscosse furo a tal latino,
Bontä del capitan buon Piccinino.
25-
Perche 'n quel tempo lui si ritrovoe
A Pietra Santa e senti la novella,
Due Galeötte subito egli armoe.
Abbreviändo qui la storia bella,
Tutto quel grano si si riacquistoe.^
AI Piccinin con la mia rima snella
Vo' ritornar e dir della sua entrata
Che fece in Lucha, colla sua gente
armata.8
26.
II capitan con sua gente di vaglia
Lo gonfalone ä teso e dispiegato,
In Lucha entrö tutto coperto a maglia
Con tutti i suoi baroni'' a tal mercato
Dirieto al capitan senza travaglia,
Et al palagio^" poi fu dismontato;
Come fu in terra quel baron adorno
E '1 populo Lucan tutto ha dintorno.
1 Cianciare, vale, scherzare.
2 Beveraggio (francesismo da breuvage), Spesso vale, medicina: qui
il poeta intende dir merenda.
3 Sott.: costavano.
* II Ms.: in.
s Le, leggi: delle. Portare. Intend.: sopportare.
^ Dannificando. Latinismo. Int.: apportando danni.
' Sembra adunque che i Fiorentini avessero rubate dieci saettie cariche
di grano.
^ Mentre il 3 di Dicembre giungeva a Firenze la triste novella della
sconfitta, il Piccinino entrava trionfante in Lucca. Vedi anche la descrizione
che ne fa il Cavalc. (op. cit. ; C. IV).
^ Sott.: che venivano.
" AI palazzb dove si riunivano gli Anziani per deliberare.
IL PICCININO.
347
27.
Ogni Lucchese con gran teneressa,
Chi man, chi i panni e chi '1 viso
baciava
AI capitan che tralti di gravessa
GH avea, e tanto ciascun 1' onorava;
Scriver non si potre tanta allegrezza,
Non 1 Isdrael quando il popul cavava
Di man di Faraön di servitue
Che di Lucchesi assai piii festa fue.^
28.
Poi SU 'n palagio andava '1 baron pio
E coi signori desnö^ quella mattina
Dove onorato fu con gran disio;
Con riverenza ciaschedun 1' inchina.
Poicbe* desnato, si prese congio*
Che cavalcar volea verso Sina;^
Volse parlar quel capitan possente
Ma con Pietro Cenami primamente
29.
Perche sapea che Pietro erä cagione
D' aver il popul sempre sostentato,
E gran fatica e gran tribulazione
Per francar^ la cittä avea portato,
Ch' era stato un Lucchese Catone,
Ovver Salusto, che tanto e pregiato,
E Titu Livio. Pietro vi digrada
Col senno** ä fatto questi e colla spada.
30.
Pollet (?) consiglio a chi nega natura
L' esser possente il buon Cato te '1
narra
E 1' uno e 1' altro ebbe di par misura
Pietro che verso di Catone isgarra
Di sua giustizia e di sua dirittura;
Non era al capitan nuova tal arra,
Per tanto si '1 pregiava con istantia
Che tegna ferma sua viril costantia.
31.
Poi si accomiata col nome di Dio
Da Pietro e poi dalla comunitate;
A suoi scudier comanda con disio:
„II carriäggio fuor tosto menate,"
Poi a caval di subito salio
(Tutte sue gente giä eron montale)
Poscia a Lucchesi disse: „E mi con-
viene
„Andare a Siena piii per vostro bene."
32.
Fuor della porta il capitano armato
Con tutti i suoi pregiati cavalieri,
II conte Anton da Pisa ebbe chiamato,
Et egli andö a lui ben volentieri:
Per antiguardia avanti V ha mandato^
E verso Calci i» preseno il sentieri;
E que' di Calci, Pisan valorosi,
D* uscir di servitü voluntarosii
33-
Preser lo commessar lor Fiorentino,
AI conte Anton le chiavi si portaro.
Qui rinfrescossi alcun a suo domino.
Poi verso la Caprona s' inviäro:
Una fortezza^i che serra il camino.
In uno spaccio ^^ ü baron la pigliaro '^
E passar 1' Arno poi sanza contesa:
„Santa Maria inTrebbio ebbono presa."
^ Int.: Non si fece tanta alleggrezza, quando cavava il popolo etc.
2 Leggi: Tre anni di guerre tra le R. di Firenze e di Lucca di A. Pelle-
grini (period. cit.).
3 Desnö, per desinö.
* Sott.: ebbe.
^ Congio, per congedo.
^ Sina, per Siena.
^ Francare, nel senso di salvare, usato pure dal Cavalc. (op. cit.; I, 213).
® Sott.: tanto, e int.: la fama di Catone, Sallustio e T. Livio e oscurata
da Pietro Cenami, tanto questi ha operato col senno e colla spada.
"^ Fu ai primi di Aprile del 143 1.
"> Intorno alla presa di Calci, vedi Registro (inedito) di Scritture (Ar. 58
— N. 24, Vol. B — Arch, di Stat. di Lucca).
" Sott.: era. ** In uno spaccio = subito.
'^ Lettera degli Anz. del 7 Aprile 1431 (Carteg. degli Anz. ; Arch. di
Stat. cit.).
34»
A. PELLEGRINI,
34.
Que' conladin 1' ard^n di voluntate.*
Poi verso Cani preson lo sentiero:
Per simil modo 1' ebbon in veritade.
Teigia e Montefoscoli si diero,*
Marti e Palaja, ch' e mezza cittade,'
Tutti si ribellar sanza pensiero.
Tra *1 di e la nette la brigata bella
Egli ebbe presa venlidii castella.*
35-
Poi '1 capitan^ chiamava il paladino,
Quel robil valoroso conte Antone:
„Perch^ tu se' del paese vicino
„Ti lasserö Cinquecento persone,
,,Fa che guardate sien sera e mattino
„Queste caslella a tua difentiöne,*'
„Et io di verso Siena me n' androe
„E 'n questi pochi di ritorneroe."
36.
II conte Anton co' suoi fussi ristretto'
Per le parole quali udito avea;
Dal capitan si accumiatö di netto
E la sua stanza a Lari si prendea
E poi fornir" facea ogni ricetto
E 'n ogni luogo come me' potea ;
E '1 capitan tuttora cavalcava
E 'n verso Siena sempre speronava.
37-
Punto far vo' per non esser biasmato.
Mentre che il capitano a Lucha fue
I Genovesi ebbero ordinato
Imbasciaria, e uom pien di virtiie
Tra lor in nel consiglio hanno chia-
mato
(Da Spinola Francesco detto fue
Uomo prudente e savio e valoroso
D' ogni vtrtü pcrito e graziöso).
38.
A Siena fu per suo comun mandato
Per farli insieme e con lor collegare
E con Lucchesi, per cotal mercato;
Prima a Piombin ebbe questi arrivato
E lanlo col signor ebbe parlato,^
Contra de' Fiorentin il fe' voltare ;
I'öi sen' andö a Siena ove il suo dire
Nulla valea ne '1 suo bei profferire.
39.
E se messer Anton non fusse stato,
Figliol di Checco Rosso il cavalieri,
Del duca di Milan, omo fidato,
Clie si trovava allor Gonfalonieri,
Mai quella lega sarebbe fermato;!**
L' altra cagion si fu '1 Piccin guerrieri
Che ruppe verso Arezzo con sua gente,
Qual cavalier ch' 6 d' arme si possente.
40.
Come si sia, la lega si bandia,
Trentuno e mille quattrocento lue
D' April che si bandi per ogni via
Col lustro: Prince primo pronunzioe,
Genovesi e i Lucchesi poi seguia,
Siena poi terza come detto l' 6e,
E malcontenti für di tale affare.
AI capitan, col mio dir vo' ritornare,
41.
Tacito cavalca il franco Piccinino
Che alla porta di Siena fu arrivato,
Ne mica vi posö quel baron fino
Ma verso Arezzo sempre ha cavalcato
Senza restarsi, il franco paladino,
1 Arden, per arsero. Lett. degli Anz. del 7 April. 1431 (Carteg. cit.;
Arch. di Stat. cit.).
2 Lett. cit. (Carteg. cit.; Arch. di Stat. cit.).
' Ibidem.
* Ibidem.
5 N. Piccinino.
ß Difentiöne, E un latinismo.
' Ristretto, ciod, raccolto in s^.
^ Fornir. In senso militare significa, fortificare.
^ Gherardo d' Appiano, figlio di Jacopo, era in quel tempo signore di
Piombino.
1° Si collegarono il 16 Aprile 1431, Lucca, Genova e Siena contro Firenze
(Riformag. cit.; Arch. di Stat. cit.).
IL PICCININO.
349
Ch^ nelle mani avea un bei trattato
D' alcun* d' Arezzo, siccome io vi
spiano:
Dar la voleano al duca di Milano.
42.
E men di dieci miglia fu scostato
Da Siena, che per lo camin trovoe
D' Arezzo un fante'^ il quäle ebbe
parlato
E tutto quanto il fatto li contoe:
Come 1' afFar tutto era rivelato.^
II franco Piccinin se n' adiroe
Quando quel disse che senza piü resta *
A quattro vidde tagliar lui la testa
43.
E che molti altri n' erano in prigione.
II Piccinin per questo non restava,
Ma 11 suo caval pungea dello sperone
E la sua gente ben lo seguitava;
In sun un monte viddeno un girone
D' una fortezza che 'n sul poggio stava:
Charconsa,^ la fortezza si fa dire,
Di quel d' Arezzo, dico a non mentire.
44-
Tanto cavalca con sua bella gente
Che alla fortezza arrivö '1 cavalieri;
Poi ordinö sua brigata valente,
Targoni innanzi, e poi li balestrieri,"
E in sun un alto poggio prestamente
Mandö una squadra de' suo buon
guerrieri.
Quando que' del castello questo avvi-
sava,''
La campana a martel tosto sonava.
45.
La terra tutta si levö a romore:
„AU' arme all' arme, su buon terras-
sani."
Armar» si corser tutti con furore
Con lor balestra, gli arditi villani;
Ma giä non valse lor quivi il valore
Ch^ i nostri li uccidevan come cani;
Come traen dal merlo fuor la testa
Inaverati* egli eran con tempesta
46.
E ben gittavan giii de' grossi sassi
E i nostri miga ^'^ non parean codardi: ^^
Verso le mura, chi me' puote, fassi;
Come baron valorosi e gagliardi
Ruppon le mura , non giä come
lassi;^*
Drento saltaron come Leöpardi:
Que' della rocca con ismisuranza^*
Traevan sassi di somma possanza.
I Capo della congiura era il conte Mariotto da Arezzo, padre a quel
Francesco Aretino, traduttore delle lettere di Falaride, e un tal Lanci
„a' quali fu Tagliato la testa in sul prato dinanzi alla casa del capitano d' Arezo.
Gli altri aderenti al trattato si fugirono; infra gli altri fu uno suo figliuolo
del detto conte Mariotto, giovane doctissimo." — Morelli (Ricordi cit.; p. 98).
* Vocabolo moltisenso.
ä I nomi de' delatori sono nel Morelli (Ricordi cit.; p. 98) e nell' Ammi-
rato (Histor. Fior. ad anno): Michele di Conte Marsuppini, e uno da Pontaneto.
* Senza piü resta = senza indugio.
5 Nel Ms. 1661, leggesi: Chergotiza. Ma nel diz. del Repetti e anche
nel Malvolti (quando parla di questa andata del Piccinino), leggesi: Gargonza.
ö Int.: mettendo innanzi quei che portavano i targoni (specie di scudi
grandi).
' Avvisava per avvisavano; cioe, scorgevano.
8 Sott.: ad.
9 Inaverati; voce usata spesso anche dal Cavalc. -
parola spiega, ira/itti, feritt (1; igo, n. ^). L' origine,
da veru ; secondo il Grassi, da ferrum.
1" Miga. Voce dialettale, per mica.
II Codardi. Nel Ms., cadardi,
12 Non giä come lassi: non giä come baroni stanchi.
lä Ismisuranza, per dismisura. Le terminazioni in anza o in enza sono
proprie specialmete dei provcnzali e francesi e abbondano in certi scrittori
antichi che piü ritrassero da loro.
— II Polidori a questa
secondo la Crusca, h
350
A, PELLEGRINI,
47.
Un giovinetto sanza codardia
Ando verso la porta del terasso,
E per voler mostrar sua gagliardia,
Ma per cio far non li venne in solasso;
Di sulia torre un gran sasso venia
E rotolando con un gran tramasso
E^'n sulla testa diede a quel barone
Che carne et ossa tutto fracassone
E le cervella li caddero in bocca.
Morto cadde di botlo^ per certano,
E Luccliesi era, come dire scocca,
E Nicolö da Piastra quel sovrano
Era chiamato, e la fortezza troppa^
Cara costolli al valente Lucano.
Or brevemente, tanto combattero
Ch' egli ebber la fortezza, a dire il vero.
49.
Rimaser vincitor nostri baroni,
A sacco si la misser con gran festa;
Arditi si partin come liöni
E 'n verso Arezzo van per la foresta
E giunsen a Ciancian^ que' com-
pagnoni :
Un bei castello; li fen 1' altra festa:
Misselo a sacco e prigion via menaro.
Or quanta robba deutro vi trovaro!
50.
Que' d' Uliveto* sentendo il baratto
Clie ricevuto avean que' di Ciauciano,
Le chiavi al capitan portar di fatto,
Sempre fedeli, e cosi, vi giuiiamo,
Alla Badia al Pin corsen di tratto
E brevemente la misson al piano.
Poi '1 Battifülle-' d' Arezzo ebber
preso,
II quäle allor non fe' molto conteso.^
51.
Sotto il Battifolle si ridusse
Con la sua gente; che hello accam-
pare !
Ognun correa li dove arbori fusse
Per far frascati da potervi stare,
^la poco tempo quivi si condusse
Che un valletto se n' ebbe arrivare
E novelle portö che prestamente
Sia a Milan quel capitan possente.'
52.
Udendo il Piccinin questo richiamo
Radunar fe' tutta la sua brigata
Dicendo lor: „Bisogno e che partiamo
„ , Anti" che 1' alba diman sia chiarata,^
„In verso Siena e poi gire a Milano
„Sol per seguir del Duca sua pensata."
Breviter*'' funno a Siena sanza noja
Et entron dreuto con gran festa e gioja.
53.
Et al palagio se n' andava a brando
E la sua gente ciascun lo seguia.
Tanto fe' co' signor, che mandar bando
Come la guerra per lor si rompia
Contra de' Fiorentin^^ poi fe' comando
Alla sua gente ch^ ciascun s' invia.^^
Cosi fu fatto com' c comandato.
Rimase alquanto il capitan pregiato
^ Di botto: di tratto. Nel dial. veneto, de boto.
2 Troppa. Assonanza, in vece della rima, come non di rado nella
poesia popolare.
3 Nel Ms. i66i si legge: Veggiano. Ma devesi dire Cieggiano (Morelli;
Ricord. cit.; p. 98).
* V. Morelli (Ricord. cit.).
5 V. Morelli (Ricord. cit.).
® Questi due ultimi versi mancano nel Ms. 942.
' Vedi Cavalc. (Op. cit.; p. 447).
^ Anti, da ante.
^ Chiarata, per chiarita.
^•^ Breviter. Voc. lat., per brevemente.
11 Vedi a questo proposito, oltre le storie di Firenze e di Siena, anche
i Ricordi cit. del Morelli.
^^ 5' invia, per s' invii.
IL PICCININO.
35»
54-
E i Senesi pregavano il guerrieii
Che facci lor mandar di molta gente
Che voglion far la guerra volentieri
Poiche sono in del ballo viiilmente.
Diceva il capitano a tai mestieri:
„Di queso non dottate voi di niente."i
Pol ver' la porta il cavallo sperona
Et ebbe giunta^ sua brigata biiona.
55.
Dicea il capitan sanza dimora:
„Per cortesia, baron miei, cavalchiamo
„Che'l signor nostro^ bisognoso e ora."
A Lucha bella für giunti tostano/
Per 1' altra porta sen' usciron fuora
E tanto caminar per nionte e piano
Ch' a Milan giunser al nome di Die,
E '1 capitan al duca se ne gio.
56.
E quando il Duca, graziöso sire,
Ebbe veduto quel nobil campione,
Ad abbracciarlo corse con desire:
„Rinfrancamento^ della mia magione",
(Pietosamente comincioUi a dire)
„I Venetiani con grande offensione
„Di galeöni^ un grande assembro'^
han fatto
„E vogliomi disflire a questo tratto,
57.
„Onde ti prego, caro e dolce figlio,
„Che tu provegghi^ verso di coloro
„E sopra a ciö come ti pare il meglio."
Ed ei rispuose a lui sanza dimoro:
„A tale impresa, signor, darö di piglio
,,E certo vincitor sarai di loio."
Partissi, e il galeon face caricare
In Po, e sua gente vi fe' su montare,
58.
Poi montö su quel capitan pregiato;
Mossosi e girno^ a trovar le brigate
De' Venezian, e 1' un 1' altro ha scon-
trato :
„AUa morte", gridar quelle masnate.i"
A Venezian tal cosa non fu a grato
Vedendo tante genti quinci armate
E cosi 'n punto che gii nol credeäno
Ne di tal gente lor niente sapeäno;
59.
Or pure urtarsi insieme con ardire,
Ognun di lor faceva gran difesa,
Non v' e giä luogo di poter fuggire ;
Ognun combatte quince alla distesa.
E lor gran colpi ognun facea senlire
Mostrando ognun come morte li pesa;
Ciascun ferendo con ingegno et arte
Pugnant utraque viriliter parte,
60.
Mala stanza^i a chi fusse d' arme nudo
Che i veretton volar spessamente,
Ma '1 populo Venetiano aspro e crudo,
Della battaglia ha '1 peggio veramente,
E i nostri addosso con sommo studo,^^
Sieche riniase il Venetian perdente.
A fuggir cominciaro in veritade;
Seguiali il Piccinin, sanza pietade.
61.
Lor forza di vogare fan atto e scorto
In volta sempre brigando al fuggire,
E '1 Piccinin come barone accorto
Con la sua gente li mette al martire;
1 Di questo non dottate: di questo non temete, etc.
2 Giunta, cioe, raggiunta.
3 II Duca di Milano.
* Tostano. Rapidamente. E della lingua del sec. XIV,
•'' Rinfrancamento: questa parola h. usata altre volle dal nostro A. —
Trovasi in questo senso anche nel Cavalcanti (Op. cit. ; I, 428). — Vellut. ;
Cron. ; 26: „guadagnavano bene e francavano la loro vita".
ß Galeoni. Nävi grandissime.
■^ Assembro: assembramento.
** Provegghi: provveda.
^ Girno = andarono.
i** Masnate, per masnade. In questo senso oggi non si userebbe piü.
^1 Sott.: toccava. E intendi: veniva male a chi etc.
'^'^ Studo, cioh, studio. Sott.: andavano.
352
A. PELLEGRINI,
In breve tutto il lor naviglio 6 tolto
Dal Picciuino, il valoroso sire,
Che di lor marinar ne compagnone
Non ne scampö che non fusse prigione.
62.
Quando ebbe li prigioni su ligati^
Oh che ricchezza d' ariento e d' oro
Ebbeno in su qua' navigli trovati
Che a quel tratto tutti ricchi foro!
E li prigioni a Milan für mandali
E i galeoni in Po tutti afFoudoro;
Una gran rotta fu al Venetiano
E francamento al duca di Milano.
63.
Se ciö non fusse,'^ cadea 'n Lumbardia
La parte Guelfa senza niün tardo,
E Dio non volse che tal signoria
Fusse di sopra del sangue Lumbardo
E '1 Piccinin con sua gente glolia^
In Voltolina volse suo stendardo.
Or mi conviene il Piccinin lassare
E a i Lucchesi vi vo' ritornare
64.
Che non posati ancor del primo affanno
I Fiorentin tradimento ordinaro,
E di Ferrajo* fu, se non m' inganno,
Nel trendadue, e di questo son chiaro.
I Fiorentin per dar loro il malanno
Tutti lor capitan si radunaro
E far di tutti capo Micheletto^
Da Cutignola, quel baron perfetto,
65.
E comandor che la notte movesse
In verso Lucha e sua gente schierata
E alla Imperial 8 si si metesse
E la cittä di li abbia scalata
E che le mura di sotto rompesse:
„E questa Imperiale al fiume guata;'
„Non dubitar che dentro non v' h gente
„Salvo che i cittadin veracemente.
66.
,,I tanti forastieri e contadini
,,A Sarezana* son giti per grano;
„Fate che siate tutti paladini
„In questa notte e di ciö vi preghiamo."
Dunde^ avesser saputo tai latini,
Parmi il migliore che questo tacciamo.
Micheletto e sua gente cavalcava;
Alle quattr' ore di notte arrivava.
67.10
La gente fu, che di Firenzeii parte,
Qualche dumilia cavalieri armati
E pedonaglia assai destri a tal arte.
Questi für primo ^^ avanti oltre cacciati,
E alla Imperiale, dicon nuove carte,
Appi^ le mura son tutti fermatl,
E i buon Lucchesi non san tal pärtita.
Aiuta Volto Santo e santa Sita!*^
68.
Cantare intendo, signor, questa volta
Siccome Lucha e fortissima e magna,
Che mai citlä non fu si ben raccolta
^ Nel Ms. 1661, leggesi: ,,giiand' ebbe li prigion tutti svaligiati."
2 Sott.: stato.
^ Giolia; leggi: giuliva.
* II 29 Febbraio 1432.
* Di questo condottiero parlono il Cavalcanti (op. cit. ; I); il Bracciolini
(R. I. S,; XX); Neri di Gino Capponi (Racc. cit.; XVIII); Scipione Ammirato
(op. cit.); il Morelli (Ricordi cit.) ed altri.
ö Imperiale. Cosi chiamavasi anche una porta della ciltä.
' Guata. Guardare con sospelto; e in questo senso e ancor vivo in
Toscana sulle bocche de' contadini.
^ Sarezana, ovvero, Sarzana.
8 Dunde = donde: da quäl parte.
1" Tutte le seguenti ottave di questo canto, mancano nel Ms. 1661.
** Sott.: faceva.
i'^ Primo. Latinismo.
^ä Protettori della Cittä. Sita, per zita.
IL PICCIiNINO.
353
Intorno intorno a se'migliai montagna,
Che gente non puö entrar mollo folta
Se v' e chi beti difenda la campagna;
I fossi larghi e grosse et alte mura''
Di tutto il mondo non avre paura
69.
Essendo drento chi la difendesse.
Presso vi corre un fiume a meraviglia
Che mena Irote e ciaschedun buon
pesce;
Da luiigi , il fiume, vicn cinquanta
miglia :
Chiamasi il Serchio, a chi cio nol sa-
pesse ; *
E prati e campi e boschi,* ove si
piglia
D' uccellagioni e d' ogni salvagina:
Di tutte r altre terre ella e reina;
70.
E ben lo cognoscean que' traditori
Che pigliar la volean con tanto frodo!^
0 Fioreutin di superbia maggiori,'
II vostio orgoglio in gola farii nodo;
Dirolti uno exemplo qui per tuoi
disnori
E di provaitel me /' ö' posto in sodo:
Diabulus pro superbia, ciö mi pare.
Che super astra Dei volse saltare
71-
Et egli andö nel cupo fondo in giü''
E vinse Christo con humilitate:
„Discite a me, quia ego mitis sum."
1 buon Lucchesi 1' hanno ben nolate.
Quel comun, ver' di te semprc mai fu
Humile sempre con benignitate
E Dio 1' ha conservati con viltoria,
Voi traditor^ per eterna memoria.
72.
E come detto ho, era all' Imperiale
Quel Micheletto e sua gente sicura,
I fanti a pie ognun ponea le Scale
E chi saliva su quell' alte mura;
Dormian le guardie allor in guisa tale
Che i primi montator sanza paüra
Segar la gola alle guardie che v' era :
Presero la Imperiale in tal maniera.
73.
Sempre montava su la pedonaglia
Quanto poteano a tutto lor potere
E gente d' arme tutti arniati a maglia
Montavan su sanza nlssun temere;
Preson tre torriöa sanza battaglia,
(Piü di dugento merli, al mio parere)
Di quelle mura con grand' ardimento
E giä saliti v' eran Cinquecento.
74-
Le mura sempre sotto si tagliava
Che ci eran buon maestri a tal mestieri,
Ma tutto lor pensier quivi fallava;
Le mura^'' grosse, non giovö esser fieri;
Plana e quieta tal cosa si andava,
Sanza parlar facean quei lavorieri
Che la credean cheto cheto rubarc :
Non volse Iddio cosi dovesse andare.
75-
Su per le mura andar suole un notajo
Visitando le guardie ad isvegliare;
Fu ser*^ Agnello, un giovinetto gaio,
1 Sott.: di.
'■* Leggi: per i fossi larghi etc.
3 Anticamente il Serchio dicevasi anche, Esare, da aiiser. Ha origine
nella parle Meridionale del Modcnese negll Appenuini e si perde nel Tirreno.
* Sott.: vi sono. Salvagina, per selvaggina.
* Frodo, per frode.
^ Maggiori, qui sta per macstii.
' II Ms. 942 dice, do.
^ La nota leggenda di Lucifero.
^ Int.: e voi ha dichiarato traditori etc.
^ö Sott.: Essendo.
11 Ser da senior : messer (come altra volta abbiamo trovato), cio^, meo
sere. Oggi non si dice piü affatto, sebbene h lo stesso che il monsieur
francese.
Zeitschr. f. rom Phil. XXIV
23
354
A. PELI.EGRINI,
Lucchese cittadiii, sanza fallare;
A dare nella rete fu il primaio.
A Micheletto * falto appresentare,
Poi a Fiorenza fu presto mandato
E ne le marcie Stinche'* impn'gionato.
76.
Tutti montaron su, lupi mordaci;
Per la cittä dormiva ogni persona;
II Volte Santo e suoi santi veraci
Veri Lucchesi mai non abbandona:
Un giovine spirö' dei piü sagaci
Che fussi in campo, e presto s' ab-
bandona
Et a porta di Borgo fu arrivato
E pianamente la guardia ha chiamato.
77.
Trovoisi qnivi un nobil cittadino,
Domenico Spetial questi e chiamato,
Rispondendo dicea: „Chevuoi vicino?"
— „Quattro parole vorrei dir celato."*
Domenico mandö giü lo scophino.
Considerando il savio uom pregiato
AI palagio per chiavi non andoe
Ma come savio su presto '1 tiroe.
78.
Quel giovinetto affannato cotanto
A Domenico disse: „Per mia fede
,,Le vostre mura piene in ogni canto
„Son di nemici, ende presto provede;
„Da Cinquecento in su io mi dö vanto
„Che suUe mura sono, chiaro il crede." *
Domenico non crede suo parlare:
„Se non e ver, dicea, fammi impiccare."
79-
Fede gli die vedendol si arrogante
E in ver' palagio andö con gran romore
E dietro sempro 1' andava quel fante;
Giunto al palagio con magno furore
Tutto quel fatto fe' contar davante^
L' Antiani et il Gonfalonier maggiore
E la campana al popul fe' sonare.
Anco non si potean perö svegliare.
80.
E di casa Cenami un giovanetto
Usci con furia andar' sempre gridando,
E ben fe' come giovane perfetto
E molto popul venne risvegliando;
Guisfredi il nome di lui era detto.
Forte e gagliardo va molto gridando;
Le campane e '1 gridar e '1 gran ro-
more ^
Ognun armato di casa esce fuore'
E prestamente ai ripari attend'iano,
Et alla porta ferma molla gente,
E tutto il resto alle mura poi giano,
Buon balestrieri sanza fallir niente;
Molto legname lä portar faciano
Sotto la torre presa primamente,
Poi diervi un faoco il quäl tosto si
apprese
Che contra quello non valea difese.
82.
Nostri Lucchesi davan la battaglia
Per terra e sulle mura con sapere;
Ferendo 1' inimici con travaglia,
Molli feriti per terra cadere
Faceano i nostri, di quella canaglia:
Due giovani vi für di gran potere
Che 'n sulle mura avanti agli altri
stanno
Durando contra lor di molto affanno.
1 Sott.: fu.
* Le Stinche erano a Firenze le carceri pei debitori e i condannati a
vita, denominate dal Castello delle Stinche, preso e distrutto (1304) dai Fio-
rentini. — Ne parla il Cavalcanti (op. cit. ; I; p. i).
3 Spiro, per inspirö.
* Celato. Usato avverbialmente.
s Chiaro. Usato avverbialmente.
8 Davante, per davanti,
'' Andar; leggi andando.
•* Intendi: al gran rumore delle campane e del gridare etc.
* Fuore, per fuori.
IL PICCININO.
355
8S-
Lorenzo da Menabbio 1' un chiamato ^
Che in quella notte fece francamente,
Jacopo Turchi 1' altro nominato;^
Jacopo detto, se '1 cantar non mente,
Con un uom d' arme di \h fu afferrato
Et caddon tutti e due di parimente:
Jacopo fu feiito in tal maniera
Di rilevarsi in possanza^ non era.
84.
Uomini e donne, vecchiardi'' e piccini^
Alle nnira correano a tal partito
AI gran romor de' poveri mcscliini.
Se Die tiionasse non si saria udito;
A la morte, a la morte Fiorentini,
Che combattendo ognun fianco etardito
Abbandonar conviene il torriöne;
AI fuoco messo non val difensione.
85.
Onde^ che stavan poi alla scoperta
Oh SU vedesi allor hello impennare!
L' aria di vervetton' sempre coperta,
Que' citladin facean gran balestrare
E li nimici come gente sperta*
Canton di muro e pietre, a non cian-
ciare,
Gittavan sopra alla Lucana gente,
Sempre gridando lor ferocemente:
86.
„Or vi arrendete sanza contrastarne
,,Et si^ avrcte poi del pane assai."
E i Lucchesi gridavan : „Carne, carne"
In maggior grida che si udisse mai
Ferendo come fa sparvieri e starne.
Furvi de' cittadin, come udirai,
Sanza forlezza, stolti e sbigottiti,
Quai si fer frati e quai si fer romiti^"
87.
Che parea lor la cosa dubbiösa;
Giä non cercava di morire a onore,
La quäl morte e fortezza virtuösa
A non voler ricever disonore
E la memoria sua^i sempre famosa;
Della patria 1' onor con gran valore
Sempre si de' difender con ardire,
Per quella non curarsi di morire.
88.
Que' che cio fan son bene discacciati^^
D' ogni virtü, secondo i buon dottori;
O voi moderni o 1' antichi passati,
Qui si accordan li altor grandi e mi-
nori:'*
Son piü che morti, tali spaventati.
Voglion poi esser antiquii' o maggiori
E giudicar chi durato ha fatica.
Non potrö far che piü oltre non dica
89.
Che si vorrenne a segne saettare
Chi per la patria sua non vuol morire
Che non si puö cittadino appellare.
Vattene a Catro e udrai suo bei dire,
A Lutio e al Petrarcha dichiarare
E Marco Curjo armato sul destriere,
Vattene poi al dottore Ascolano
E quince leggi o cittadin Romano.
^ Sott.: cra.
^ Ibidem.
3 Leggi: che non era iu potere di rialzarsi.
* Vecchiardi: vegliardi.
^ Piccini, cioe, ragazzi.
^ Onde: mentre.
' Vervetton; leggerei, verrettoni. Sott.: e.
" Spc'tta : sperimentata.
,, ^ ^ ^'^ ^'- ^ eppure, come il lat. etsi. Modo tuttora in Toscana e nel-
1 Emilia usitatissimo.
>" Forse il poeta intende dire che vi furono dei cittadiui che in quella
sera per paura preferirono di rimanere in casa.
11 Sott.: e.
^^ Intendi: coloro che si mostrano vili sono ben privi di ogni virlii etc.
*ä Altore. per autore. Uno de' soliti arcaismi.
^* Antiqui. Latinismo.
23"
356
A. PELLEGRINI,
90.
Cosi non fe' quel Pielro valoroso
Ch' 6 de' Cenami e quel da Ghivizzano,
Nicoiao Turchi e Pier Gentil famoso;
De' Seite, i sei del populo Lucano
Contra i nimici fu ciascun furioso
Pill che Creönte in del sangue Tebano;
Lorenzo da Menabbio prode e forte
Jacopo Turchi che si misse a morte.
Non fe' mai tanto il populo Romano
Quanto fenno i Lucchesi ciltadini;
Con lance e cou balestre, come io spiauo,
Assai facean de' nimici tapini.
II parlar che di sopra dichiariamo
Di que' possenti e franchi cittadini
Che si fer frati, io vel vo' dichiarare
Chiuso,^ non so se sai inlerpetrare:
92.
E N. ^* prima nome glorioso^
Cosi non e colui ch' el nome porta
B la casata del nostro virtuoso.
L' altro che drieto a questo fece
scorta,
E F.* e fa 1' arte del vittorioso
Giotto ch' ogn' altra fama fece morta,
Era in quel tempo costui de' Signori,
E di molti altri in cui non fo sentori.
94.
Gii se ne andava via la notte bruna
E rischiarando vien montagne e piani,
I Lucchesi commissi^ alla fortuna
Feriano sopra i traditor villani
E tutti quanti si misseno in una*
Adosso lor come baron sovrani
Ferendo con ismisurato ardire
Si che ne fero assai di lor morire.
95.
Essendo lor di subito assaliti
Da que' Lucan, come dice il cantare,
Divenner quasi tutti isbigottiti,
Le mura comincionno abbandonare;
I Lucchesi ferian siccome arditi,
Giü delle mura li facean saltare,
Chi si fiaccava gambe, mani e braccia,
Ei'' buon Lucchesi seguitasi la traccia.
96.
Lorenzo da Menabbio, quel valente,
Facea di lor un crudo macellare
E fra que' traditor pare un serpente
Che li volesse in tutto divorare;
Tutti i Lucchesi ferian francamente.
Sieche le mura lor fenno spacciare
E rimaserne morti una partita
Che iu suUe mura abbandonar la
vita.
93-
Or ritorniamo ai veri e buon Lucchesi:
Co' Fiorentin lor valor dimostraro
Sempre ferendo, i cittadin sovrani.
Molti de' Fiorcntiui inaveraro.
Et essi difendean con ambe mani;
Ma Pietro piü uon anno a tal riparo
E que' Lucchesi ognun forte e ga-
gliardo
Combatte ciaschedun feroce e saldo.
97-
Io non racconto molti avvizzamenti*
Che feron que' Lucchesi graziösi
Per esser sopra i nimici vincenti
Onde isconfitti furon que' dogliosi
E cou vittoria i Lucchesi valenli
Con libertä rimasen gloriösi,
Poi feron tutti quei morti impiccare:
A merli delle mura ci fu '1 mon-
tare.
' Io ve Io voglio dire solto metafora.
^ Nicoiao Burlamacchi (Da una nota del Ms. 942).
' Leggi: il cui nome fu prima gloriose.
* Francesco Minutoli (Da una nota del Ms. cit.).
^ Commissi, da commitio, vale affidati.
^ In 7ina: insieme.
^ Leggi: e dai buon etc.
^ Avvizzamenti. Forse il poeta intende dire : avvisaglie, cic^, sconlri.
IL PICCININO.
357
Mai si sentio di populo del mondo
Tanta fortezza al gran disturbamento
Che della fame portavan gian pondo,
E poi forestaia^ non v' era drento,
Ne' contadino, '1 ver non vi nascondo;
A Saresana giti per formento^
E ciaschedun li dileggia e discaccia
E serrano lor porte suUa faccia
99.
E si dicevan lor: Andate a Lucha,
„Come veniste cosi ve n' andate,
„Non ci vogliamo niuno trappasucca.
„Ah! questa volta dentro vi trovate
,,Marsocco^ vostro che vi si pilucca." *
Dite oramai signer quel che pcnsate,
Che prima lor ci avean permisso il
grano :
Tradimento ci fii, questo e certano.
100.
Di tutto ci provvide 1' alto Dio
Per la cittä di Lucha liberare;
Del grano a Pietrasanta con dizio
Assai venuto ve n' era per mare,
Sieche ciascuno al tornar si fornio.
Sempre qualche Lucano a navigare^
Per trar la lor cittae di servitue,
Si che del grano assai condutto fue.
Finito lö quarto
Bartolomeo dal Portico^ chiamato
Cittadino e che ne condusse assai,
Niccolao Rodolfi nominato
Per iscampar la sua terra di guai
E questi il diede assai a buon mercato,
Cristofano Ricciardi per tal lai;''
Ben ci fu un che '1 nome al gran
cambiava :
Di recar grano, ed ei grano arrecava,
102.
Ma fu buona ragione in fede mia,
La faccia 1' uomo fa sbianchito e morto
E con la grana tinger lo volia
Per farlo suscitar, quel zoppo accorto;
Che^ Johanni Burlamacchi mi dicia.
Questo il soccorso e questo fu il conforto
A populo Lucan d' ogni dolore
Che da un coltel li sia passato il cuore.
103.
Lassiamo ormai questo ragionamento
Che avete udito della gloriösa
Viltoria avuta dello scalamento;
A questo mio cantar vo' far posa.
Delle galee dirovvi a compimento,
E del venir' la maestä gioiösa
Re di Buemmia, sacro imperadore,
E della rotta de' nimici il tenore.
canto del Piccinino,
1 Forestata: forestieri.
"* Sott,: erano. — Formento, per frumento.
* Marsocco = Marzocco. II leone sedente e reggente con una branca
la fiorentina arme del giglio.
* Si pilucca: si lecca, si monda; da pilum. Questo vocab. fu usato
anche da Dante (Purg. ; XXIV, 39).
s Intendi: sempre qualche Lucchese navigö per quel mare per etc.
** Per la famiglia Dal Portico, vedi il Ms. cit. del Baroni (Bibl. Pub. cit).
■^ Lai: lamenti; parola francese: lai, lais etc. (Dante; Inf., V, 46; Purg.;
IX, 13).
" Che, cioe, la qualcosa.
' Intend.: e della venuta della maestä etc.
(Continua.)
A. Pellegrini,
Ein ungedruckter Salu d'amors nebst Antwort.
In dem Artikel von P. Meyer über den Salut cVamour (Bibl.
de l'ec. d. eh. 1867) wird eines Gedichtes nicht Erwähnung gethan,
das gleichfalls ein salu d'amors ist und in derselben Handschrift
steht (Bibl. nat. f. fr. 837), welche uns die anderen nordfranzösischen
jLiebesgrüfse' aufbewahrt hat. Nach P. Paris, der schon Mss. fr.
VI, 413 nO 189 unser Gedicht aufführte und die beiden ersten
Zeilen mitteilte, hat m. W. zuerst Naetebus, Die nichtlyr. Strophen-
formen ... S, 183 wieder darauf aufmerksam gemacht. Ich habe
dann in meiner Ausgabe von Zwei altfranzösischen Dichtungen
(Halle, i8gg) S. 26 kurz davon gesprochen auf Grund einer Ab-
schrift, welche Suchier die Güte gehabt hatte für mich anzufertigen.
Es ist mir nicht bekannt, dafs sich das Gedicht irgendwo gedruckt
findet, und somit lege ich es hier vor. Einer Veröffentlichung
scheint es mir aus verschiedenen Gründen nicht ganz unwert zu
sein. Zwar trägt es inhaltlich den gleichen conventioneilen Character
wie die übrigen Specimina dieser Gattung, allein am Ende jeder
Strophe finden wir einen Refrain, der sich als , fremd' kennzeichnet;
ferner schliefst sich an das eigentliche salu noch eine Antwort der
Geliebten, deren Strophen gleichfalls mit solchen Refrains ge-
schmückt sind; endlich interessiert auch die Strophenform und die
Art der Verknüpfung des Refrains mit der voraufgehenden und
der nachfolgenden Strophe. Ueber den letzteren Punkt habe ich
a. a. O. S. 20 — 6 aus Anlafs der Chastelaine de Saint Gille ausführ-
licher gehandelt und wahrscheinlich zu machen gesucht, dafs Ge-
dichte mit fremden Refrains und solcher Strophenverkettung zu-
gleich erst aus späterer Zeit herrühren; ich brauche daher hierauf
nicht näher einzutreten, doch ist meine dort gemachte Angabe,
dafs unser salu das gleiche Schema wie die Chastelaine de Saint
Gille und der strophische salu des Philippe de Beaumanoir auf-
weise, nämlich aabbccd, dahin zu ergänzen, dafs dies nur für
die ersten fünf Strophen gilt, indem von da ab sich der Verfasser
die Sache bequemer gemacht hat und der Strophe nur fünf Zeilen
(aabbc) + Refrain giebt. In der Regel erscheint das letzte Wort
des Refrains als Anfangswort der folgenden Strophe; zuweilen
kehren auch mehrere Wörter wieder. Manchmal ist die Verknüpfung
nicht so strenge durchgeführt, z. B. in der Antwort der Geliebten
zwischen Str. 2 und 3, und auffallenderweise fehlt die Correspon-
EIN UNGEDRUCKTER SALU D AMORS NEBST ANTWORT. 359
denz ganz zwischen V. 1 1 7 und 1 1 8 des eigentlichen saht und
zwischen V. 43 und 44 der Antwort. Die Refrains sind wohl aus-
nahmslos entlehnt; in den Anmerkungen weise ich mehrere der-
selben als anderweitig in gleicher oder annähernd gleicher Gestalt
auftretend nach — von der Registrierung blofser Anklänge habe
ich abgesehen — , doch ist mir lange nicht bei allen eine Re-
cognoscierung gelungen. — Was die Antwort betrifft, so wird die
Attribution fingiert sein und sie wird vom Dichter selbst herrühren;
im Uebrigen ist mir im Nordfranzösischen nur noch ein salu (in
der Hs. als complainie bezeichnet) bekannt, mit dem eine Erwiede-
rung verbunden ist, s. Bibl. de l'ec. d. eh. 1867 S. 148. Auch hier
mifstraut die Dame Anfangs dem Liebhaber, um dann milder zu
werden und ihm etwas in Aussicht zu stellen, doch erklärt sie
sich lange nicht so rückhaltlos und entschieden als unsere Dame,
die nach landläufiger Art den a?}ii ihrem Manne, der ein vilain
ist, vorzieht. Eine Eigentümlichkeit in unserer Antwort ist es, dafs
V. Q — 14 wieder der Dichter spricht, um dann der Dame ganz
und gar das Wort zu lassen und erst am Schlüsse als den Refrain
sagend zu erscheinen. — Zur Fixierung der Heimat des kleinen,
anonym überlieferten Denkmals fehlt es an sicheren Anhaltspunkten,
doch weisen die Fermen prendez (I, 129) und miaus (II, 44 im
Reime, s. Meyer-Lübke, Gr. I, 154) nach einer nördlichen Gegend
hin; vo (I, 138) steht im Refrain. — Die Ueberschrift Salut d'atjiors
rührt von einer Hand des 14. Jahrhunderts her; dieselbe Hand
hat auch vor et respont la damoisek geschrieben: Salus damours
feminin, was ich unberücksichtigt gelassen habe; sabii in Explicit
salut damors steht auf Rasur. — Die Abkürzungen der Handschrift
habe ich aufgelöst; die paar Textänderungen, welche mir nötig
schienen, sind angezeigt worden; bei einigen Refrains mufste von
der Zeileneinteilung, wie sie die Handschrift bietet, abgewichen
werden.
Salut d'amors.
(Bibl. nation. f. fr. 837.)
fol. 271a Amors qui m'a en sa justise
et mes cuers qui s'entente a mise
a la plus bele de cest mont
me prie et enseigne et semont
5 d'estre jolis et envoisie,
et por ce ai je commencie
ceste chancon que je dirai.
jf^ai, j'ai amoretes au euer
qui me tienent gay,
IG Gay me tient amors et joli
et tout mon euer a si saisi
I iustice
560 O. SCHULTZ- GORA,
qu'aiitre part ne le puis torncr:
tüut de novel m'estuet penssrr
a une dame de valor,
15 cortoise et plaine de doucor,
fol 27 1^ de sens et de jolivete.
La plus savouroiisete du mont
ai mon euer done.
Done li ai testout mon euer
20 com eil qui ne puet a nul fuer
durer, s'ele n'i met conseil;
mes d'une chose me merveil,
se c'est amors qui me destraint,
qui si me descolore et taint,
25 ou autres maus: las, je ne se.
En non Dien, ce sont amors,
autre mal n'e,
gut me sont parmi les lex
ou euer entre.
30 Entre me sont parmi les iex,
si m'en devroit bien estre miex,
s'a ma douce dame plesoit.
Trop grant cortoisie feroit,
se mon hommage veut recoivre,
35 qu'ele se puet bien apercoivre
que je l'aim de fin euer entir.
Mes fins euers tn'a lessie
per ma dame sei'vir.
Servir la veut et lionorer.
40 De ce ne le doit nus blasmer,
qu'il ne puet greignor bien avoir
qu'estre du tout a son voloir;
quar en li est toute biautez.
Por ce s'i est abandonez
45 mes cuers sanz partir a nul jor.
yai done mon euer j'oli
a loial atnour.
Amors, voirs est, done li ai,
mes ne sai se ja troverai
50 pitie a nul jor de ma vie ;
quar tant redout sa seignorie
que merci ne porrai trover.
S'ele n'a de moi merci,
je n^i puis durer.
12 trouer
EIN UNGEDRUCKTER SALÜ D'AMORS NEBST ANTWORT. 36 I
55 Durei ? Certes, ce ne puis mon,
doiice dame de grant renon
et plaine de grant cortoisie;
se vous plest, ne m'ociez mie,
tout mon fin euer done vous ai.
60 Diex! s'amors on j'ai mesperance
me tient cointe et gay.
Gay et cointe s'amors me tient,
quant de la bele me sovient
qui me fet plaindre et dolouser.
65 E! Diex! qui m'i porroit aler
qui cest mot en chantant li die:
fol. 271C Aitni, aimi, ahm, Diex!
aftioretes m'ocient.
M'ocient, et qu'en puis je mais,
70 quant la tres bele qui est rais
et clartez de toute valor
ne veut entendre ma dolor
ne le mal que je sent por li?
Ma douce damoisele,
75 en chantant vous requier merci.
Merci, rien plus ne vous requier,
quar des lors que vous vi premier
fui je por vostre anior penssis:
a ma color et a mon vis
80 s'en puet bien chascuns percevoir.
He! Amours!
trop m^i fetes doloir.
Doloir, nus ne porroit soufrir
la dolor qui me fet languir,
85 s'esperance nel soustenoit.
Por ce chascuns fins cuers se doit
pener d'estre Icaus toi jors.
En bone esper a nee
servira? amours.
90 Amors servirai de euer fin
qu'a nule autre rien ne m'aclin
fors qu'a ma douce amie bele,
qui m'a au euer mis I'estincele
par coi morir me covendra.
95 Bien doit fere a son plesir
amer cele qui man euer a.
Mon euer a ma dame et m'amor,
que ja n'en partirai nul jor
des puis que tout li ai doqe.
j62 O. SCHULTZ -UORA,
100 Or en face sa volente
ou del morir ou del gaiir.
ye suis si jolis qu'amors m'i demaine
(out a son plesir.
A son plesir amors me maine
105 si qu'il n'a jor en la semaine
.c. foiz ne me face trambler
a la tres bele remirer
qui le euer a jolif et gay.
Mesdisant creverorit,
T 10 ja ne savront
la j'oie qiie j'ai.
Que j'ai — ; c'est por la jolivete,
c'est de la plus savorousete,
et de la plus simple plesant
1 1 5 qui soit en cest siecle vivant.
Harou! Diex! s'amors souspris m'a.
jfe ne pens fors a servir
fol. 27 id la bele qui mon ctier a.
He! Diex! que porrai devenir,
120 se cele qui me fet languir
ne me veut ces maus alegier?
He! Diex! qui li porra noncier
m'angoisse et ma tres grant dolor?
He ! Diex ! qui dira la bele
125 qu'ele a mon euer et tn'amorP
M'amor et tout mon euer ensamble
a la plus bele, ce me samble
que Diex et nature ait formee;
franche de euer, simple et senee,
130 prendez garde de mon afere!
Alegiez mes maus,
simple et debonere!
Debonere, franz cuers et dous,
je ne puls plus durer sanz vous;
135 quar vous prenge pitie de moi
que por vous sui en grant effroi!
Ne puis garir se par vous non.
Ma douce damoisele,
mon euer avez en vo prison.
140 En vostre prison l'avez mis,
si ne m'en doit pas estre pris,
puis qu'il s'i mist de son bon gre,
EIN UNGEDRUCKTER SALU d'aMORS NEUST ANTWORT. 36,
ainz doit grant debonerete
trover en vostre fin euer douz.
145 De debonairete
vient amours.
Amors vient de euer debonere
qui por rien ne deveroit fere
se toute eortoisie non,
150 Por ce di je qu'en euer felon
ne se doit ja nus hom fier.
J'oi le roxingnol sor Varbre fueilli
j'oie mener.
Joie oi le roxingnol mener,
155 qui me fet plaindre et dolouser
por les maus que je sent por li,
qui sor l'abre chante a haut cri :
oci, oci vilaine gent!
yolis ciiers doit bien amer
160 ■par amours joliement.
Joliement doit l'en araer
et sanz vilonie pensser
a cele dont biens puet venir.
Por ce ne me puis plus tenir
165 que je ne pensse nuit et jor.
Je m'en vois parmi Vauiioi
pe?issant d'amour.
fol. 272 a D'amour vois penssant nuit et jor
por la plus bele et la mcillor
170 qui soit el roiaume de France.
Ha ! dame de douce aeointance,
quar vous prenge pitie de moi.
Ma dame a cui je sui,
soviegne vous de moi.
175 De moi vous devroit bien membrer
come eelui qui sanz fausser
vous ai si longuement amee
et tante dolor cnduree
sanz ce que guerredon n'en ai.
180 Trop in'i demeure la revenue ;
tres douz Diex! quant la verrat P
Quant la verrai je, Diex, m'amie,
por qui je maing si dure vie?
Por poi que mes cuers ne me part.
185 Quant je m'en vois et je m'en part,
166 lannoi
364 O. SCHULTZ-GORA,
lors me sont luit mi mal double.
Diex, ele m'a et mon euer et tna vie
tout etnble.
Emble m'a mon euer a toz jors,
190 quar je ne puis pensser aillors,
et se n'i puis trover merci.
Amors, quar vien et si m'oci!
c'est las qui ainsi se complaint.
ye 7n'en 7'ois, mes je n'en port mie
195 7no7i euer, ma dame, ainz vous remaint.
II vous remaint a toz jors mais.
Du partir ja mes est il pais?
Ce ne porroit estre a nul fuer,
En la fin, ma tres douce suer,
200 mon euer et m'amor vous otroi.
Fins euers douz,
avrez tous tnerei de nioiF
Ci respont la damoisele.
Biaus amis, qui si me proiez,
je ne cuit pas que vous soiez
si destroiz por moi com vous dites,
car trop de losenges petites
5 savez por la gent decevoir,
Hoiiis soit qui a dame dira
qu^il Vaint, s'il ne dit voir.
fol. 272b ,)Voir, dame, don n'i pert il bien
que je n'aim autant nule rieu
IG com je faz vous por qui je sui
plus destroiz c'onques mes ne fui?
Or alt merci qui merci crie.
Je iie nie faing mie de bien amer,
ne ne ferai ma vie."
15 En vostre vie, biaus amis,
des puis que vous avez tout mis,
euer et eors et vie et amor,
droiz est je parte a la dolor,
s'en dirai ceste chanconete:
20 Diex! j'ai u euer une amorete
qui me tient trop joliete.
Joliete m'i tient amors
por mon douz ami savorous,
20 Für u T^igt die Handsehrift .1.
EIN UNGEÜKUCKTER SALU D'aMORS NEBST ANTWORT. 365
qui si longuement m'a amee,
25 n'onques mes ne soi sa penssee,
ainz l'a celee a soii pooir.
La jolivete de moi
fera vilain le euer doloir,
Doloir se porra li vilains.
30 De ce soit mes amis certains
qua ja mes vilain n'amerai;
en despit de lui clianterai
ceste chancon jolivement:
Onqties tnais que j'oi ami,
35 Diex, rCamai tant
mon mari come Jevant.
Come devant? Ce ne fis mon.
Et dont n'ai je bone reson?
Qu'il n'est nul solaz de mari.
40 Miex vaut sanz plus le non d'ami
que toz 11 avoirs au vilain.
Dont ne siii je tniex ainsi
qu'entre les braz a mon vilain?
Oil, ceites, je aim trop miaus
45 que mes ties douz amis loiaus,
de qui je sui en grant error,
ait mon euer et toute m'amor
que eil a cui Ten me dona.
Cest grant deiils et grant domages,
50 quant vilains bele fame a.
Granz deuls est, quant vilains atouche
a nule savoreuse bouche
a dame qui par amors aime,
quar maintenant la fet vilaine
55 li vilains, quant touchie i a.
Ostez le moi cel vilain la !
se plus le voi, je morrai ja.
fol. 272c Se plus le voi, je criem mourir,
quar mon euer ne peut consentir
60 que je l'aime ne tant ne quant,
qu'amors m'en a .1. mis devant
qui m'amor et tout mon euer a.
J'ai bei ami, ce poise tel i a ;
li roxingnols du bois le ni'acointa.
65 Li roxingnols le m'a tramis,
celui qui est mes douz amis,
366 O. SCHULTZ -GORA,
de cjui je sui en grant cffroi,
qu'il me samble qiiant je le voi
qne j'ai quanques desirre ai.
70 Vo/ts le iri^i deffendez, Vanier,
nies par Dien je Vamerai.
Je l'amerai, mon douz ami;
ja nel lerai por mon mari
ne por nul qui parier en sache,
75 quar il a sor loz avantage
de valor et de cortoisie.
Biaus douz amis, se voxis vi'amez,
si tie m^oiibliez mie.
Ne m'oubliez pas, s'il vous plest,
80 quar je vous ai tout entreset
m'amor donee et euer et cors;
toute autre amor ai gete fors,
fors la vostre tant seulement.
Biaus douz amis, mon euer est
85 en vostre commandement.
Eu voslre commaudement est
mon euer qui si ades se met
d'obeir a vostre plesir,
quar joie ne me puet venir
90 se de vous non a cui me rant.
„Douce dame, gram merciz!
et je plus ne demant."
Explicit salut d'amors.
Anmerkungen.
I.
V. I. Naetebus hat a. a. O. auf den fast gleichen Anfang eines
Liedes hingewiesen (Raynaud n^ 1632): Amours vüa en sa justise,
doch hat dieses von Jeanroy in der Rev. d. lang. rom. 1896 S, 253
publicierte Lied nichts weiter mit unserem sahi gemein.
V. 5. envoisü. Die Accusativform an Stelle der Nominativform
bemerkt man noch II, 39 {iiul), 40 (Je tion), 49 [graut), 59, 84, 87
[rnott euer), doch kann an unserer Stelle auch der Reim einge-
wirkt haben.
V. 8 — 9. Am meisten Aehnlichkeit dem Wortlaute nach zeigt
Cour d'amonr (Romania X, 522): Loiaus amoreies ai au euer Qui me
tienent gai. Was das doppelte j'ai betrifft, so finden sich ja der-
artige Wiederholungen in den Refrains nicht selten, nicht nur
solche von Interjektionen und jodlerartigen Ausrufen, sondern auch
von anderen Wortarten, darunter auch Verbalformen, z. B. Rom. u.
Fast. I, 72 V. 8, II, 42 V. 9, Rec. de mot. I, 154, 164, Ren. le nouv.
EIN UNGEDRUCKTER SALU D'aMORS NEBST ANTWORT. 367
{R. de Ren. ed. Meon IV) 8,414, Ztschr. X, 464, Barbazan-Meon
111, 106, Archiv Bd. 99 S. 340 n*^6; mehrfacher Wiederholung von
fai, wie sie hier vorliegt, begegnet man Rom. u. Fast. II, 42 V. 28.
V. 17 — 8, ebenso lautend in einer Handschrift des Ren. le
nouv. (M6on IV, 418), nur dafs der Refrain dort mit a beginnt.
V. 25, 27 se : ne. Für auslautendes ai findet sich nur an
dieser Stelle die phonetische Schreibung e.
V. 55. Für vion in der Antwort, das auch II, 37 begegnet,
s. Schulze, Dir. Frages. § 305.
V. 67 — 8, in identischer Gestalt wiederkehrend Rom. u. Fast.
II, 2-] N. 61 — 2 (Rec. de mot. 11, 80).
V. 69. M'ocient. Der Umstand, dafs hier ein Aussagesatz mit
dem tonlosen Pronomen beginnt, erklärt sich aus dem Wieder-
holungszwange. Das Wiederholte fügt sich nicht in die Construktion
ein; ebensowenig ist das der Fall V. 83 und V. 112.
V. 109 — II. Derselbe Refrain mit ganz geringer Abweichung
(ne ja se savront) in einer Frosabearbeitung des Ovid (Hist. Litter.
XXIX, 480) und mit etwas stärkerer Abweichung in der Lieder-
handschrift von Montpellier (Rec. de mot. I, 174): Mesdisant creve-
1-ont Quant il savront La joie que j^ai. In ganz gleicher Gestalt
trifft man ihn noch in der Cour d''amour (Romania X, 524); wenn
Raynaud dazu bemerkt: La pike toute entüre dotit ces trois vers
forment le premier, le huilieme et le dernier vers, se lit dans le maiiuscr.
fr. 845 de la Bihi nat. foL 190 et dans le ms. Douce 308 fol, 245,
so ist wenigstens der letztere, für mich controlierbare Verweis nicht
richtig, s. Archiv Bd. 99 S. 381 — 3.
V. 145 — 6. Derselbe Refrain im Salu ä refrains des Philippe
de Beaumanoir (ed. Suchier II, 314) und in der Liederhandschrift
von Montpellier (Rec. de mot. I, 61).
V. 146. Amours bildet mit douz (144) einen ungenauen Reim;
weitere ungenaue Reime sind amors : savorous (II, 22 — 3) und sache
: äva7ttage (II, 74 — 5).
V. 154 — 6. Der Dichter scheint zu meinen, dafs der Gegen-
satz zwischen dem freudigen Gebahren der Nachtigall und seiner
eigenen trüben Stimmung ihn besonders zur Klage voranlafst.
V. 158 Oct, oci vilaine §;ent! Ein weiteres Beispiel von den
dem Gesänge der Nachtigall untergelegten Worten, deren Deutung
Crestien Legouais giebt (Hist. Litt(^r. XXIX, 497), vgl. Friedwagner
zum Meraugis V. 4361. Wie hier schliefst sich auch Rom. u. Fast.
I, 66 V. 4 — 6 ein Objekt dem od an: . . ßer, fier, oci, oci Ceus par
cui sunt eshahi Fin amant.
V. 166 Vaunoi. So habe ich handschriftliches hvinoi geändert,
wiewohl man Rom. u. Fast, II, 55 V. 7, 14, II, 36 V. 6 mehrmals
wenigstens anoi liest.
V. 173 — 4. Am Schlüsse eines Gedichtes aus der Liederhand-
schrift von Montpellier (Rec. de mot. I, 107) findet man unseren
36S O. SCHUMZ-GORA,
Refrain wieder: Ma daine a cui je sui, Soiwiegjie vous de mi; bei
Raynaud sind diese Verse nicht wie sonst durch kursivem Druck
als Refrain kenntlich gemacht.
V. 187 — 8 begegnen wiederum gleichlautend am Ende eines
Gedichtes bei Raynaud, Rec. de mot. I, 103, ohne daselbst kursiv
gedruckt zu sein.
V. IQI. el se ,und doch'.
V. 194 — 5. Vgl. Rec. de mot. I, 34: Toni mon ctier voz remaint,
0 7)101 ne Vem port niie.
V. 197. Pais raufs hier , Möglichkeit, Freiheit etwas zu thun,
Erlaubnis' bezeichnen, eine Bedeutung, die Godefroy wenigstens
einmal belegt (Rom. de Rou),
V. 201 — 2. Vgl. in der Prison d'amors des Baudouin de Cond6
(ed. Scheler S. 353): Ma douce dame, Avrez vos Ja Merci de moi? —
Zu fins cners s. meine Anmerkung zu V. 197 der Chastelai7ie de
Sai?ti Gille.
II.
V. 18. Pariir a la dolor ,am Schmerze teilnehmen' hat hier
den etwas specielleren Sinne »Mitgefühl, Erbarmen haben mit dem
Schmerze', in der Weise, dafs die Dame, um den Schmerz des
Liebenden zu beseitigen, ihm ihre Liebe zu schenken geneigt ist.
V. 20 — I. Vgl. Rec. de mot. I, 47: _/'<?/ tme amotuetc a mon gre
Qtii vre tient jolive.
V. 27 — 8. Derselbe Refrain Rom. u. Fast. II, 67 V. 26 — 7, nur
dafs hier der Artikel vor euer fehlt, den Bartsch nicht mit Recht
gegen drei Handschriften beseitigt hat.
V. 44. Miaus, s. S. 359.
V. 56 — 7 in gleicher Gestalt in der Chasielaine de Saint Gille
V. 8 — 9 (/'/ statt le), s. meine ,Zwei altfranzösische Dichtungen'
S. 10, wo weitere Anklänge verzeichnet sind.
V. 70 — I gleichlautend wiederkehrend im Liedercodex von
Montpellier (Rec, de mot. I, 245) und im Ren. le nouv. (Meon IV)
S. 4 1 9 (hier ce für le).
V. 79 — 80. Plesi : entreset. Ueber das Verstummen von s vor /
(ebenso in ^j/ V. 86) im 13. Jahrhundert, das nur dem Wallonischen
fremd ist, s. G. Paris in Romania XV, 621.
V. 83. Weitere Beispiele von tant senlement ,nur' findet man
in meiner Anmerkung zu V. 220 des Chevalier an barisei.
V. 86 — 7. Est \ met. Ueber diesen Reim s. Walberg in der
Romania XXVII, 146, der ihn als bei Philippe de Thaon begeg-
nend auf Grund der Londoner Handschrift des bestiaire in Frage
zieht. Man begegnet ihm auch bei Berol, doch erscheint er auch
hier nicht als gesichert, s. Siichier, Altfrz. Gram. S. 2 1 Anm. i.
Jedenfalls ist er für die Zeit unseres Gedichtes nicht auffallend,
da um die Mitte des 13. Jahrhunderts ursprüngliches _? < ? gewifs
zu g geworden war, also ein mgl mit (st reimen konnte, welches
EIN UNGEDRUCKTER SALU d'aMORS NEBST ANTWORT. 369
letztere ja, entgegengesetzt dem provenz. es, immer f gehabt hat.
Wegen Verstummens des s s. Anm. zu V. 79 — 80.
V. 88. Das de in d'oheir ist recht auffallend, indem soi melre
voraufgeht.
V. 91 — 2. Auch diese Verse dürften nicht eigenes Gut sein,
wenigstens erscheint die zweite Zeile in Rom. u. Past. II , 115
V. 10 — 1: Puis qtie bele dame vi atme, Je ne demant plus.
O. SCHULTZ-GORA.
Zcitschr. f rom. l'hil. XXIV.
24
Der Kurzvers im Folcon de Candie der Boulogner
Handschrift ii° 192.
Die namentlich in letzter Zeit vielbehandelte Frage, ob die-
jenige Ueberlieferungsgestalt einer Reihe von Epen des Aimeri-
und des Wilhelm-Cyclus, welche am Ende der Laissen einen kurzen
Vers aufweist, die ursprünglichere sei oder nicht, wird sich nicht
so allgemein beantworten lassen, sondern mufs von Fall zu Fall
untersucht werden. Eine solche Untersuchung möchte ich im Fol-
genden bezüglich des Folcon de Candie anstellen, indem mir hier
die Verhältnisse so zu liegen scheinen, dafs man zu einem be-
stimmten Ergebnisse zu gelangen vermag. Ich nehme zu diesem
Zwecke die älteste Handschrift, welche den Folcon überliefert, Bibl.
nat. f. fr. 25518, greife aufs Geratewohl eine gröfsere Anzahl von
Laissen heraus — 20 auf einander folgende vom Anfange, 20 aus
der Mitte und 20 aus dem Ende dieser Handschrift — und ver-
gleiche ihren Ausgang mit demjenigen der entsprechenden Laissen
der Boulogner Handschrift, die bekanntlich als die einzige in unserer
Dichtung den Kurzvers aufweist. Es wird sich also darum handehi,
bei jeder dieser Laissen zu prüfen, ob der lange Schlufsvers der
Pariser Handschrift (Pi) aus einem Kurzverse, wie er in der Bou-
logner Handschrift (B) steht oder in deren Quelle stand, zerdehnt
sei, oder ob B den langen Schlufsvers von P^ oder deren Quelle
gekürzt, beziehentlich einen kurzen Vers angehängt habe.
i) Wilhelm ist auf der Flucht vor den Sarazenen, unter denen
Bauduiz ihm auf den Fersen folgt. Der Schlufs der Laisse lautet
in P' (mit Auflösung der Abkürzungen):
Reclama Dm qid fist de Vaigue vin
quatit sist as noces lo roi archiirecUn,
kar motit redote le gloton de pul lin.
B hat an Stelle des letzten Verses: que de 7norl le defende. Ange-
nommen, dieser Kurzvers wäre das Ursprüngliche und der in diesem
Falle vorauszusetzende Redaktor von P' oder deren Quelle hätte
ihn zu einem Langverse zerdehnen wollen, so würde er im An-
schlüsse an seine eben supponierte Vorlage wahrscheinlich ge-
schrieben haben: que le defende del gloton de put lin, aber nicht
kar mout redoie l. g. d. p. l. Umgekehrt liefse es sich besser er-
klären, wie B zu einem abweichenden Wortlaute gelangte, denn
DER KUKZVER.S IM FOI.CON DE CANDIE. 37 1
ein kar le gloton redote empfahl sich dem Redaktor vermutlich des-
halb nicht, weil die Beziehung von blofsem gloton ihm nicht klar
genug erschien, und da sich der Langvers kaum anders unter teil-
weiser Beibehaltung des Wortlautes zusammenziehen liefs, so bildete
er mit anderen Wörtern einen neuen Satz, den er von reclama
abhängig machte.
2) Pi; Cil vint a hii qut 7iot soitig de gaber.
Cesie batailU fist mout a 7'edoter.
B: El eil le sieul qui na soing d' aresler,
car formcnt le desire.
Wenn die Lesung von B oder Quelle das Ursprüngliche wäre, so
hätte P' oder Quelle unter Festhalten wenigstens von desire leicht
den Kurzvers vervollständigen können. Umgekehrt, wie hätte der
Redaktor von B den letzten Vers von Pi in einen weiblichen Sechs-
silbner umwandeln sollen, wenn er nur einigermafsen beim Wort-
laute bleiben wollte? Es war das kaum möglich, also mufste er
ganz abweichen, und diese Abweichung zog zugleich im vorauf-
gehenden Verse die Aenderung von gaber in aresler nach sich.
3) P': Li ber se drece que lo bran ni oblie.
Or orroiz la balaille bien fornie.
B: Li quens se drece qiii le branl tii oiiblie
et li paiens ne se retarge mie.
Ore eres la balaille.
Pi konnte gewifs ebenso leicht den Kurzvers mit dem landläufigen
bien for)iie erweitern {Ja ist Adverbium), als B den langen Vers der
beiden Wörter kürzen, allein man sieht nicht, warum Pi den Vers
et li paiens ne se retarge mie, wenn er in der Vorlage gestanden,
fortgelassen hätte, während es sich umgekehrt erklären läfst, wie
der Redaktor von B oder dessen Quelle zur Einführung desselben
kam: es erschien ihm vermutlich für balaille nicht genügend, dafs
vorher nur Wilhelm allein genannt wird, daher schritt er zur
Bildung einer neuen Zeile, bei der ihm ein bald folgender Vers
der neuen Laissc [eil vint a lui qui se vost targiei) geholfen
haben mag.
4) Bauduiz hat das Rofs Wilhelm's getötet; dafür aber hat
dieser seinen Gegner mit einem Schlage übel zugerichtet. Bauduiz
sagt nun in
P': Mahomct sire, bien nie devez aidier,
que ainz qui muire, nie cuit vendre mout chier.
B: Mahoni, dist il, cor ine venez aidier;
en vous ai grant fiance.
Wäre der Kurzvers das Ursprüngliche, so hätte P' ihn mit teil-
weiser Benutzung erweitern können, etwa: en vous nie fi, si vous
doi avoir chier, während der ganz abweichende Wortlaut, wie wir
ihn ebenda finden, überraschen müfste. B hingegen konnte es
24*
37-2 O. SCHULT/,- GORA,
nicht leicht fallen, den Langvers von P' in einen Kurzvers mit
ähnlichem Wortlaute zusammenzuziehen, daher denn ein Vers
anderen Inhaltes erscheint, dessen Neubildung im Uebrigen wenig
glücklich ist, denn dafs Bauduiz gerade nachdem ihm Wilhelm
eben einen ordentlichen Hieb versetzt hat, sein grofses Vertrauen
zu ]\Iahomet bekunden soll, entspricht wenig dem Zusammenhange.
5) P*: Vüit au cheval, si se prent a Va7-co7i;
ploraiit s\n vait ioz seux se?iz compaignon.
B: Vint al cheval, si Va pn's par Varchon,
isnelcmejit i vionte.
Eine Vergleichung dieser Ausgänge scheint mir weder nach der
einen noch nach der anderen Richtung hin etwas zu ergeben.
6) Wiihelm's Lage gegenüber den nachsetzenden Feinden wird
immer kritischer.
P': M. foiz se pasme, a la iierce se saigtie;
lors s^eti vait eil qtii hardemenz engraigne
que 7nauvestiez en son cors ne parvaigne.
B: .ni. fois se pasme, a la quarte se saigne,
si se met a la voie.
Wir haben hier zwei Langzeilen und einen Kurzvers dagegen. Ist
es wahrscheinlich, dafs Pi jene zwei Verse auf diesen aufgebaut
habe, indem doch schon die erste Langzeile mehr als den Inhalt
des Kurzverses wiedergegeben hätte? Umgekehrt konnte ein Re-
daktor von B unmöglich den Inhalt der grammatisch zusammen-
gehörigen Langzeilen in die kleine Form eines Sechssilbners pressen,
einen neuen Kurzvers aber zu bilden war schwer, da ja schon
gesagt worden, dafs Wilhelm seine Flucht fortsetzte; so begreift
man wohl, dafs er nur den Anfang der ersten Langzeile verwertete,
der ja zur Fortführung der Handlung genügte, und dafs er das
Uebrige einfach fortliefs.
7) Wilhelm wird noch immer von den Feinden verfolgt.
P': N^i a celui del ferir ti'ail talant.
Cil lo coiidtiie qtii forma Moysant;
ja au ferir iiel tenroni por anfatit.
B: N^U ait cclui iiait de ferir ialeiit,
s\itaindre le peuseitf.
Den Kurzvers hätte P' allerdings nicht leicht benutzen, dagegen
sehr wohl fortlassen können. Sollte ein Redaktor statt dessen
zwei neue Ver.se fabriziert haben? B hingegen konnte den letzten
Langvers ganz und garnicht für eine Kurzzeile gebrauchen und
auch den vorletzten schlecht verwerten; ingleichen war es ihm
nicht bequem, jenen beiden Langzeilen einen Kurzvers anzuhängen,
denn wie sollte dieser ungefähr gelautet haben? Daher liefs er
den Schlufs von P' fort und fügte schon an die drittletzte Zeile
einen Kurzvers, dessen Inhalt denn nichtssagend genug ausfiel.
DER KURZVERS IM FOLCON DE CANDIR. 373
8) Guiborc sieht von den Mauern die Sarazenen herannahen
und sagt, in einem Satze fortfahrend
P': E Sarrazin porprenent la riviere,
n'en \Tt\tront mais si avra mainte biere.
B: Se Sarrazin porprendent la riviere,
nous i arons dainage.
Es ist klar, dafs B den letzten im Ausdrucke ziemlich originellen
Vers von Pi schwer in einen Sechssilbner umwandeln konnte, auch
die Anfügung einer Kurzzeile war nicht leicht, da schon ein guter
Sinnesabschlufs der Laisse vorlag, also wurde an Stelle der letzten
Langzeile ein neuer Kurzvers (der sich recht farblos ausnimmt)
gebildet und durch gleichzeitige Veränderung von e in se mit dem
Voraufgehenden verbunden. Wenn umgekehrt der Kurzvers das
Ursprüngliche gewesen wäre, so hätte P2 ihn wohl erweitern können,
etwa: 710S i avrons damage et mai7iie biere.
9) Wilhelm und seine Verfolger sind der Stadt Orange nahe
gekommen.
P': De celx dedans a ja es inurs ?}ioniez,
traieni saietes et quarr tax ejipenez ;
eil lo conduie qui por nos fu penez:
s''or ist de paine, en graignor est entrez.
B: De celx dedens i a as mtirs asez,
por la vile defejtdre.
Die Schlufszeile von Pi wird man dahin zu verstehen haben, dafs
Wilhelm nunmehr durch die Geschosse der Seinigen selbst sehr
bedroht ist. Die Umwandlung derselben in einen Kurzvers war
gewifs für B schwierig; aus der vorletzten Zeile konnte allerdings
leicht ein Damediex le conduie gemacht werden, allein dieses hätte
ohne weiteren Zusatz wenig befriedigt, da doch eben vorher von
den die Stadt Verteidigenden die Rede war. So erkläre ich mir
den einen Kurzvers in B an Stelle der drei Schlufszeilen von P',
und auf alle Fälle scheint mir die Annahme eines solchen Sach-
verhaltes einleuchtender als das Umgekehrte, nämlich dafs P' durch
den Kurzvers von B zur Bildung von drei neuen Zeilen gelangt
sein sollte.
10) Es erhebt sich in Orange ein grofses Wehklagen unter
den Frauen.
P ' : Qui ce jor fust en la sah pavee,
tattte danie veisi descoloree,
d'ire et de duel mainte lerme ploree,
dont Ja vies riiert la perde rcstoree.
B: Qui le jor fust en la sale pavee,
tattt gente ferne veist descoloree,
d'ire et de duel tante lärme ploree,
piiie Pen pcust prcndre.
374 O- SCilUITZ-GORA,
Wäre der Kiirzvers das Ursprüngliclic, so hätte freilich ein Re-
daktor von Pi einige Mühe gehabt, einen Langvers daraus zu
machen, und so könnte nian meinen, dafs er zu einem ganz anderen
Wortlaute gegriffen hätte, allein man möge erwägen, dafs die Satz-
fügung in B zu Bedenken Anlafs giebt, sowohl wenn man den
Kurzvers als selbständigen Hauptsatz fassen will, als auch wenn
man den zweiten Vers in asyndetischer Parallele zum ersten Verse
stehend und daher den Nachsatz erst mit der Kurzzeile beginnend
ansieht, während in P' der Nachsatz, wie es das Natürliche ist,
mit iante dame anhebt.
11) Pi; Ne fu tex dieJx ne oiz ne veuz
com lo jor fti en Oret7ges rendiiz.
B: Tel diiel ne fu ainc en tere vcus
com mainent en Orenge.
Hieraus dürfte sich nach keiner Seite hin etwas ergeben,
12) Wilhelm ist verzagt; Guiborc sucht ihn anzufeuern, indem
sie zugleich ihren Worten eine spöttische Färbung giebt.
Pi: „Ja ne Pavras im jor com abaie,
ne la (sc. Orange) desfanz a Vespee fo7'bie."
Faii li cuens: „Dame el vtiil ge c'om me die,
ci n'a mestier gas ne losengerie."
B : „Ne le tenras nul jor comme aheie
tant comme Tielatiz vive."
Wir haben hier wie bei Laisse 9 drei Langzeilen gegenüber einer
Kurzzeile. Bei Annahme von Ursprünglichkeit des Kurzverses
raüfste ein Redaktor von Pi oder deren Quelle drei neue Verse
gedichtet haben, und dies ist wenig wahrscheinlich, wenn man jene
Verse auf ihren Inhalt ansieht. ^
13) Pi; Li her se drece, am. f oiz la baisa:
lors li fu vis qiie tote sa gcnt ra,
a poi n'cscrie qua elx se combaira.
B: // quejis le drece, .tiii.fois le baisa:
dont li fu vis que tous ses home (sie) ra,
quant la dame ot baisie.
Mit elx in P' sind natürlich die Feinde gemeint. Die letzte Lang-
zeile liefs keine Kürzung zu, allerdings wäre es auch umgekehrt
schwer gewesen, den Sechssilbner zu zerdehnen, aber man sieht
sofort, dafs der letztere nicht nur etwas Ueberflüssiges bietet, son-
dern auch eine lästige Wiederholung darstellt, während die Lang-
zeile in Pi von durchaus charakteristischem Ausdrucke ist, den
man nicht ohne Weiteres einem Redaktor zutrauen kann.
^ Die Form desfanz statt eines das Versmafs nicht störenden desfandes
überrascht, wiid aber auch von P^ (= Bibl. nat. f. fr. 778) gebracht und
dürfte sich aus Uebertragung erklären.
DER KURZVERS IM FOLCON DE CANDIE. 375
14) Guiborc sagt, ein Bote sollte zu Bovon nach Comarcis
gehen, ihm von der Gefangenschaft seiner beiden Söhne und dem
Tode Viviens berichten und ihn zur Rache auffordern, dann fährt
sie fort in P':
Iceste guerre durer a mais ioz dis,
ja ne faura tresqiCaii jör del Jais.
Für diese Verse hat B:
Ce dist Gtiillaume: „Trove ert a envis
mesage qiie i voi'se.*^
Die Lesung von B hat etwas Bestechendes, denn die folgende
Laisse beginnt in beiden Handschriften: Fait Guibors: „Si're, trove
ai un message"; jedenfalls ist sie glatter, aber zu verwerfen ist
darum noch nicht was Pi bringt: Guiborc meint, dafs zwischen
dem Geschlechte Airaeri's und den Sarazenen kein Friede sein
könne, dafs man da vielmehr auf fortwährenden Krieg rechnen
müsse, vgl. Laisse 12. Gesetzt den Fall, B wiese das Originale auf,
warum sollte Pi es fortgelassen oder dafür etwas dem Zusammen-
hange nach nicht so leicht Verständliches eingesetzt haben, da das
Andere doch so bequem zum Folgenden herüberleitete, und da
eine Zerdehnung des Kurzverses nicht schwierig war, etwa: uns
buens messages qui voise a Cornmarcis (vgl. den Anfang der Laisse)?
Umgekehrt mochte ein Redaktor von B die Verse in Pi auffallend
gefunden haben und daher zu einer Neubildung geschritten sein,
welche ihm durch den Anfang der folgenden Laisse nahe gelegt
und erleichtert wurde; dazu stimmt wenigstens ganz das sonstige
Verhältnis von B zu Pi, von dem nachher noch kurz die Rede
sein soll, indem an zahllosen Stellen B das leichter Verständliche
anstatt der schwierigen Lesart von Pi aufweist.
15) P': Cil les vos rande qui celx sauva en Parche
dont sunt estrait et li fol et li sage.
B: Cil les vous rendc qui vous fist a s' Image,
car il le puet bieti faire.
Eine Umwandlung war in beiden Fällen schwierig, so dafs sich
aus diesem Momente nichts ergiebt, allein der Kurzvers in B er-
scheint nicht nur überflüssig, sondern wegen der Selbstverständ-
lichkeit des Inhaltes recht einfältig, während in P' eine ziemlich
originelle Wendung vorliegt; die letztere wird durch arche : sage
nicht verdächtig gemacht, denn solche ungenauen Reime begegnen
wie bekanntlich in anderen Dichtungen so auch im Folcon mehrfach.
16) P*: Se plus tardast sol am.jorz passez,
pris[t) fust a force et il et la citcz.
B: Se il se targe seul .xv. jors pases,
Orenge ert prise et li viurs crave fites
et la tere esillie.
Hieraus dürfte sich nichts ergeben, wiewohl der reimlose Vers den
Eindruck des Angeleimten macht.
376 O. SCHULTZ -GORA,
17) f^s ist von dem Schiffe die Rede, auf dem der Bote
Girart zunächst zu Huon de Floirevile fahren soll.
P' : Des qiiiert en Vaigue de la ri've esloigni'e,
ne s't lanroü arondele vne archie.
Cest duel savra cele qui en ert irie
a Floirevile en sa chamhre jonchie
au matinet quant ele ert esvoillie.
B: Quant \est^^ en l'aighe de la terre eslongie,
si cort co7nme tempeste.
Die Verhältnisse liegen hier so, dafs mehr für die Ursprünglich-
lichkeit der Lesart von B zu sprechen scheint als umgekehrt. Zwar
würde, auch wenn man annähme, dafs die entbehrlichen drei letzten
Zeilen in Pi interpoliert wären, daraus noch nichts für die Priorität
des Kurzverses folgen, allein man sieht nicht recht, warum, wenn
Pi das Ursprüngliche böte, B sich die Sache nicht leicht gemacht
und aus dem zweiten Verse nicht die Kurzzeile ne s'i tanroit aronde
gebildet haben sollte.
18) Die Sarazenen sehen das Schiff abfahren.
Pi; Fait Vuns a Vautre: „Vez quel enchantement,
ceste iert en France ancois Vaube aparent.'^
B : Dist Vuns a Vautre: „ Vees encantemeni,
eil ert en France ancois Vaube aparant;
por le socors en väit isnelement,
ves com li vens Ven maine."
Ein Redaktor von B hätte für den Schlufsvers in Pi ganz gut
schnnben können: cesle iert mout tost en France, aber offenbar er-
schien ihm die Sache nicht deutlich genug, indem jener Schlufs-
vers von Pi nicht ausdrücklich sagt, dafs die Sarazenen vermuten,
das Schiff fahre ab, um Hilfe zu holen; daher bildete er einen
dritten Vers, der dies ausdrückt, und infolgendessen mufste denn
noch eine Kurzzeile mit anderem Wortlaute fabriziert werden.
19) Der Bote Girart trifft Huon in der Nähe von Floirevile
auf der Jagd und übergiebt ihm einen Brief von Wilhelm; dann
heifst es in
P': Et eil lo prent, sei haille (0) un chapelain;
or a grant joie, s'en avra lo euer vain.
B: [Ft] eil le prent, sei baille a. capelain,
si li commande a lire.
Der Schlufsvers von Pi ist dahin zu verstehen, dafs Huon sich
freut, Nachricht von Wilhelm hören zu können, vgl. seine Worte
in der nächsten Laisse: messagier s frere, volenliers vos esgart; etwas
auffällig ist nur die asyndetische Nebeneinanderstellung der beiden
Sätze der Schlufszeile, indem man ein s'or erwartet, wie solches
denn auch P3 (= Bibl. Nat. 778) schreibt. So gut wie unmöglich
ist es hingegen, dafs der Kurzvers in B ursprünglich sei, denn
DKR KURZVEK? IM FOLCON DE CAXDIE. 377
auch in B liest der chapehi'n noch lange nicht den Brief vor, da
in den folgenden Laissen erst die Scene erzählt wird, welche sich
in Floirevile zwischen Huon's Gattin und ihrem Sohne Folcon ab-
spielt, darauf noch berichtet wird, dafs Huon mit seinen Jagd-
genossen und Girart in die Stadt zurückgekehrt sind und darauf
noch eine kurze Wechselrede zwischen Huon und Folcon stalt-
findet.
20) Diese Laisse fehlt in B.
Ich betrachte nunmehr zwanzig auf einander folgende Laissen
aus der Blitte der Hs. P' und vergleiche ihre Ausgänge mit den-
jenigen in B.
i) Girart und Salatre sind als Boten von Candie nach Orange
gegangen, um Wilhelm von der Bedrängnis der Belagerten zu
unterrichten und seine Hilfe zu erbitten. Sie kommen vor Orange
an und werden von Guiborc empfangen; es ist von Guiborc die
Rede und es heifst:
P' fol. Siv*^: Ainz ne veistes plus heh Sa7-razvie,
Rots Tibauz oi eit li male voisme.
Por dafi Guil/aume lo coüli en haine ;
ainz put's n'ama paie7i ne sa doctritie,
7nais Deti servi et fti au conte acline :
scanne en est sauve, toz siecles li destine.
B fol. 247 vO col. 2:
Aiiic ne veistes plus hele Sarrazine
ne miex fust enseignie.
Es ist wohl ebenso gut möglich, dafs Pi an Stelle des Kurzverses
einen anders lautenden Langvers gesetzt und die übrigen Zeilen
hinzugefügt als dafs umgekehrt B für die zweite Zeile von Pi
einen neuen Kurzvers gebildet und die übrigen Verse fortge-
lassen hat.
2) Guiborc spricht zu den Boten.
Pi : Responi Guibors: „Cillor (sc. den Belagerten) rcnde salu
qui es deserz mostra si graut vertu
qua de .v. pains .m. homes a pau!
Et vos soiez ambedui bien venu."'
B hat für die beiden letzten Verse:
Car de .v. pains ot .m. honwies peu;
ce fist Diex nostre sire.
Der Kurzvers kennzeichnet sich hier ohne Weiteres als reine Floskel,
die es deshalb besonders schwer fällt für das Ursprüngliche zu
halten, weil ja eil . . . qjii . . . nur eine Umschreibung für Christus
ist und nun mit einem Hauptsatze ein ganz ungebührlicher Nach-
druck auf den Inhalt des vorangehenden Relativsatzes gelegt wird,
vgl. den Sachverhalt in Laisse 15 des Anfanges. Man kann es
wohl als odenbar hinstellen, dafs B nichts Besseres für den Lang-
378 O. SCHULTZ -GOKA,
vers in P', der der Umwandlung in einen Kurzvers widerstand,
einzusetzen wufste und dafs ihm die Anfügung eines Sechssilbners
an den Laissenschlufs in Pi gleichfalls Schwierigkeiten bereiten
mufste.
3) Als Guiborc die Unglücksbotschaft hört, verlassen sie
die Kräfte.
P': Tant se sent floive, st s'est assise el pre;
une liiiee outre sa volente
ne puet mot dire, si ot lo euer sarre.
B: Tant afebloie qu'elle s'assj'st el pre;
d'une loce, tant ot le euer serre,
ne pot .1. mot respondre.
Hieraus ergiebt sich nichts, denn Pi könnte ebenso gut umgestaltet
haben als B.
4) Guiborc kommt wieder zu Kräften und sagt am Schlufs
der Laisse in
P': ,,G'/", fait Guibors, „qui Longis fist pardofi,
toz les defende (sc. die Belagerten) de 7?wrt et de prisen,
qiCau secors voient dan Bernart et Bovo7i,
qui en Candie lor metrotit garisori."
B: „Gl", fait la danie, „qui Lo7igis fist pardon
tant le desfende (sc. Bertran) de mort et de prison
c'al secors viegne et Bernart et Buevon
et Loeys de Franche."'
Bei dem Texte in P' ist Alles in Ordnung, denn Bernart und
Bovon befinden sich in Orange und dafs diese den in Candie Be-
lagerten zu Hilfe ziehen werden, hält Guiborc für so gut als aus-
gemacht. Der Kurzvers in B ist hingegen dringend verdächtig
der Posteriorität, denn es befremdet sehr, wie Guiborc schon jetzt
zu den Boten, von einem Beistande von Seiten des Königs Ludwig
reden kann, indem sie doch erst erheblich später bei der Eröffnung
des Briefes von der Bitte erfährt, welche die Belagerten an Wilhelm
richten, Ludwig um Hilfe anzugehen.
5) Es wird Guiborc von dem Streite zwischen Bertran und
Guischart berichtet; Bertran habe deshalb nur um so tapferer ge-
kämpft.
P^: Biefi lo conurent Alamant et Baivier
eil qui ose reut lor lances pecoier ;
sa gra7iz p7'oece iluec lor ot mestier.
B hat die gleichen Verse und schliefst daran die Kurzzeile an:
Ce sachicz sa7iz douta7iche. Diese Zeile ist gewifs ganz überflüssig
und trägt den Charakter eines in Not fabrizierten Flickverses, allein
ein Beweis für ihre Nichtursprünglichkeit ist damit noch nicht
erbracht, und denkbar wäre es doch, dafs P* sie einfach fort-
gelassen hatte.
DER KUKZVERS IM FOLCON DE CANDIE. 379
6) Der Bote Girart erzählt weiter von der Ergrimmtheit
Tiebaut's.
Pi : Plaiz neu iert faiz por or ne por argcnt.
Ce a jure M ahoin et Tervagäiü:
les micrs fraindra par son esforcement ;
mielz vielt morir ques i laist longuement.
B : Plais 71671 ert fais por or ne por argent,
ce a jure Mahotti et Tervagani
et Apol/in so7t sire.
Es ist wahr, dafs B den vorletzten Vers von P' zur Bildung eines
Kurzverses benutzen und schreiben konnte: les murs frawdra a
force^ indem dann, wie in Pi, ein Kolon hinter Tervagaiit zu setzen
wäre, allein ist es andererseits glaublich, dafs ein Redaktor von P^
für ein etwa Ursprüngliches et Apollin son sire die beiden Verse
neugeschaffen haben sollte, da er doch ganz bequem unbeschadet
des Sinnes und der Construction {ce bezöge sich dann auf das
Vorangehende) den Kurzvers fortlassen konnte? Und sollte der
Elexionsfehler sire in B ursprünglich sein und sieht nicht vielmehr
daraus erklären, dafs B einen weiblichen Versausgang brauchte?
7) Der andere Bote schildert nun die bedrängte Lage der in
Candie Eingeschlossenen.
P': Se eil 7iel fait qui toz nos a {fait) formez,
ja tnes tm seul de voz ielz 7ie verrez.
B: Se eil 7iel fait qui tos nos a Joi-mes,
7ies verreis eii vo vie.
Hieraus ergiebt sich nichts.
8) Diese T^aisse fehlt in B.
g) Bernart de Brusban erfährt jetzt auch die Hiobspost, ist
aber unverzagt und sagt mit Hinblick auf seinen Sohn ßertran,
der sich in Candie befindet:
P^: Moster rai li a ni'cspee trenchajit
qui ferra inielz del pere et de Penfant.
B: Mousterrai lui a l'espee tre/ichant
qui miex ferra del pei-e et de Venfant,
quant serons en bataille.
Der Kurzvers wirkt wie ein überflüssiger Schnörkel, doch gehe ich
nicht soweit, altein hieraus ein Argument für seine Nichtursprüng-
lichkeit herzuleiten.
Die folgenden Laissenausgänge beweisen gleichfalls nichts.
10) Wilhelm ist auf der Jagd; es wird ein Hirsch erlegt.
P': „Ele (sc. beste) sera daine Guibor c te7idue ;
alo7is nos en, cornez la recreue."
B: „Ele sera da7iie Guiborc rendue,'^
Puis 7'etornent ariere.
380 O. SCHULlZ-dORA,
11) Wilhelm ist zurückgekehrt, um dann die schlimme Nach-
richt zu vernehmen.
P ' : Desceni li cucns, la ;««'/ oi tel voir
qtii enuia au haron mon espoir.
B: Descent li qiims, la ntiit oi iel voir
qui bien ne li plot niie.
1 2) Wilhelm übergiebt den Brief des Boten dem chancelier.
P': Lo parchcmin reiidie au chancelier;
eil lo recoit quil sot airomancier.
B: Lc parchemin rendi au canchelier,
si li com7na7ide a lire.
13) Diese Laisse fehlt in B.
14) Pi; Alez en Fratice au roi, si l'essaiez;
ne vos faiwa, en Deu vos en fiez.
B: Aleis en France al roi, si l'essaiez;
il ne vous faura mie,
15) Pi; En France au roi son secors requer ez,
hastivement voz nevetiz delivrez.
B: En France aleis, le secors requer eis,
secoreis vo lignage.
16) Guiborc rät Wilheln nach Paris zu gehen; Ludwig und
die Seinen werden die erbetene Hilfe leisten und dafür am jüng-
sten Gericht belohnt werden.
P': Lo guerredon avront a la vespree
al gratit joise ou mainte atne ert sauvee.
B: Le guerredon avront a la vespree
au grant juise ou niauüe atne ert salvee;
ja n'en aient doutajice.
17) Wilhelm entschliefst sich, Ludwig um Hilfe anzugehen;
wenn er sie nicht gewähre, wolle er ihn des Landes berauben.
Darauf sagt Guiborc zu ihm:
Pi; Merci, heax sire, tenez vos de parier;
nel feriez ?nie deseriter.
B: Merci, biaus sire, teneis vous de parier;
ice (sc. deseriter) ne f er eis mie.
18) Wilhelm versichert, dafs, wenn der König nicht helfen
wolle, es beim Abschiede schlimm zugehen werde.
Pi: Mout ert greveus de nos .ii. li congiez ;
eil qui plus Vaime en sera plus iriez.
B hat genau die gleichen Verse und dahinter die Kurzzeile:
\a\71cois que je men parte. Dieselbe macht durchaus deu Eindruck
DER KUKZVERS IM FOLCON DE CANDIE. 38 1
des Angeklebten, denn im ersten Verse ist ja schon vom congie
die Rede und was da gesagt wird ist vollkommen deutlich und
bedurfte nicht einer wiederholenden Umschreibung, welche das
Wirkungsvolle des Laissenschlusses nur beeinträchtigt.
ig) Wilhelm kommt in Paris an; es gehen ihm viele vor dem
Königspalaste entgegen, die ihm feindlich gesinnt sind.
P': Tel x. lo heent qtit stmt e?ico7itre ale.
B: Teil .c. le heent qiä sont encoutre ale,
qui ose)- nel laissierent.
Wäre der Sechssilbner das Originale, so hätte ihn ein Redaktor
von Pi wohl nicht fallen lassen, da er ihn leicht zerdehnen konnte,
etwa zu bien lo lalssassertt, inais il ne Vont ose.
20) Wilhelm redet den König mit sehr energischen Worten
an und sagt am Schlufs der Laisse:
P*: De vosire bauche vueil es Ire responduz.
B: De vosire bouche voeil eslre respondus
taut mamtena7tt ci, sire.
Der Kurzvers ist gewifs entbehrlich, allein darauf ist kein Gewicht
zu legen; Pi kann ihn ebenso gut fortgelassen als B hinzugefügt
haben, denn eine Umwandlung war von keiner Seite leicht.
Es mögen endlich 20 Laissenausgänge vom Schlüsse der Hs. P'
folgen und mit ihren Correspondenzen in B verglichen werden.
Wir haben jetzt Alexandriner.
i) Folcon sieht wie der Povre Veu und Tiebaut mit einander
kämpfen, und da er für das Leben des ersteren fürchtet, sprengt
er heran, um die beiden zu trennen.
P' fol. löiv^: A cest mot point ei broche des esperons Rufin
por depariir cez .ii. qui si pres sutii voisin.
B fol. 278 ro col. i:
A cel poini poini ei broche des esper 07is d^or fin ;
il li saui de ravine.
D'or fin in B an Stelle des zweifellos ursprünglichen Rufin — so
heifst das Rofs Folcon's — hat zur Folge, dafs ein aus dem Vor-
aufgehenden poiJii et broche zu entnehmendes chcval als Subjekt des
Kurzverses gelten niufs. Das mag noch hingehen, aber wie soll
man glauben, dafs /'/ //' saut de ravine das Ursprüngliche gewesen
und dafs der letzte Vers in pi, der durchaus sinngemäfs und eigent-
lich ganz notwendig ist, etwas Posteriores sei.-* Umgekehrt erklärt
sich die Sache sehr leicht. Ein Redaktor von B konnte den
letzten Vers von P* unter Beibehaltung des Wortlautes nicht ver-
kürzen und auch nicht einen Kurzvers mit anderen Worten aber
gleichem Sinne einsetzen; der Zusammenhang machte es auch
schwierig, einen Kurzvers anzufügen, und so kam an die Stelle des
Schlufsverses in P' eine inhaltsleere Floskel zu stehen.
382 O. SCHULTZ-GOKA,
2) Folcon richtet ein grofses Blutbad unter den Feinden an.
P': 7iel (1. nes) pol gan'r Mahons nc la soe vertuz.
I/uec fii laidafigiez des vielz et des cheniiz,
und nun folgen noch sechs Zeilen, welche eine Scheltrede der
Sarazenen auf ihren Gott bringen. Für die ganze Stelle hat B nur:
Nes pot gai'ir Mahotn ne la soie verliis
ne morussetit a honte.
Hier hat es den Anschein, als ob B das Ursprüngliche aufweise,
denn die Verse in P^ sind entbehrlich, doch giebt dieser Umstand
noch keinen Beweis ab.
3) Renier, ein früherer Gefolgsmann Tiebaut's, bittet Folcon
ihm den besiegten und gefangenen Tiebaut zur Bewachung zu
überlassen.
P': Se je an paveiUon tot lie ne lo te reut,
con Jelon traitor fai de moi vengement,
B : So Jon ai (1. aii) paveillon tot loie 7iel vous rcnt,
com felon trai'to?- fai de moi ton latent,
Oll trainer ou peyidre.
Diese Vergleichung läfst keinen Schlufs zu, denn Pi könnte ebenso
gut ton latent in vengement geändert und den Kurzvers fortgelassen
als B für vengement: ton latent gesetzt und einen Sechssilbner an-
gefügt haben.
4) P': Et ti Francois les chacent, maint en fönt trahuchier
qui puls norent latent del chastel (sc. Arrabtoi) chalongier.
ß: Et li Francois les cachent, mont en fönt trehichier
tollt froit morl a la terre.
Auch hieraus ist nichts Rechtes zu entnehmen.
5) Tiebaut, der von Renier bewacht wird, erinnert diesen
daran, dafs er früher in seinem Dienste gestanden und Wohl-
thaten von ihm empfangen habe; er hält ihm vor, dafs er, Renier,
ihn verlassen habe, ohne ihm Feindschaft anzusagen, und so eines
Treubruches schuldig sei.
P': Puis repartis de moi et de ma compaignie
qiüainz ne me desfias de toi ne de faie.
Se ne me lais aler, la foiz sera tnentie.
Quant tu avras ce fait, adonc si me desfie;
puis si r avras ta foi aquitee et garie.
B: Puis departis de moi et de ma compagnie
que ne me desfias de toi ne de faie.
fe te proi, dous amis, aide a salver ma vie,
si feras cortoisie.
Die drei letzten Verse in Pi sind notwendig, denn es würde der
logische Zusammenhang fehlen, wenn Tiebaut dem Renier seinen
Treubruch vorwürfe und dann mit einem Male, wie dies in B ge-
DER KURZVEKS IM FOLCON DE CANDIE. 383
schiebt, bäte, ihn freizulassen. Tiebaut will ihm eben klar machen,
dafs er, Renier, eigentlich noch immer in seinem Dienste stünde,
er ihm also helfen müsse; erst wenn er das gethan, könne er
seinen Dienst aufkündigen und ihm Feindschaft ansagen. Ein
Redaktor von B hat offenbar einen Kurzvers schlecht anbringen
können, infolgedessen setzte er an Stelle der drei enge zusammen-
gehörigen Verse in Pi einen neuen Langvers und gab ihm auf
Grund der ersten Hälfte des drittletzten Verses von P^ einen der-
artigen Wortlaut, dafs sich ein Kurzvers bequem anschliefsen liefs ;
dabei bedachte er aber nicht, dafs er dadurch die Verbindung mit
dem Voraufgehenden zerstörte.
6) Renier entschliefst sich, den Tiebaut entwischen zu lassen,
und verabredet die Art, welche für beide die vorteilhafteste wäre.
P': Se pos poez isnel sor le destrier monier
aticois que je ine piiisse redrecier ne lever
st qiie ja ?ie inen piässent utile rien demander,
fttiez vos en aiot taut com ptiel randoner.
B: Se votis poes hien tost sor vion cheval monier,
anchois que je me pulse ne drecier ne lever,
meles vous a la voie.
Es ergiebt sich hieraus nichts Bestimmtes. Einerseits ist der vor-
letzte Vers in Pi nicht unwesentlich und man mifst ihn ungerne;
auch sieht man nicht recht, warum P' nicht den etwa originalen
Kurzvers als erste Hälfte eines Alexandriners beibehalten haben
sollte. Andererseits ist aber auch nicht deutlich, welchen Grund
B hatte, den vorletzten Vers von P' zu unterdrücken.
Noch weniger beweisen die beiden folgenden Laissenausgänge.
7) Tiebaut wird von den Seinen für tot gehalten und beklagt.
Pi; Motit en fu granz U dielx de Turs et d'' Arrahiz
et de juenes puceles et des anfanz peliz;
et des uns et des aulres fu Mahomez maudiz.
B: Äfout en fu graits li dels enlre les Arrabis;
forment le regreterent.
8) Die Franzosen kehren zu ihren Zelten zurück.
P': Taut ont ale le piain par sehne tin vaucel
qtüil vienent a lor tentes, st descendent isnel.
B: Tant ont ale le piain par dales le castel
qiiil viettent a lor tentes, descendti sont isnel;
motit demainent grant joie.
q) Baudoin, der gleichfalls zur Bewachung Tiebaut's bestellt
war, gehl zu Folcon, um ihm von der Verräterei Renier's zu be-
richten.
P* : Conta li dt Renier qui parla en grezois
a Tiebaut V Arrabi, qu'a gari del defois.
384 O- SCHULTZ -GüRA,
B : Conla hii de Renier qiii parla cn grejois
au roi Tiehaut d^Arrabe.
Das qua gari del defois würde man nicht gerne entbehren, doch
da Renier in der folgenden Laisse, die den Hergang des Näheren
erzählt, m()chte ich kein besonderes Gewicht darauf legen.
10) Folcon ist sehr ergrimmt über das Geschehene; er be-
schliefst, dem Könige und Bertran die Sache vorzutragen, welche
das Verhalten Renier's aburteilen sollen.
Pi; Lors fu niandez U rois par im luen mess agier
et Berlranz ei li aiitre qui sevent plaidoier.
B: Lors fu mandes li rois par un hon messagier
et Bertrans et li autre.
Wiederum kann hier ebenso gut Pi ausgefüllt als B fortgelassen
haben,
11) Baudoin will, falls Renier leugnet, die Wahrheit seiner
Aussage durch einen Zweikampf erhärten; Renier nimmt denselben
an unter Ueberreichung seines Handschuhes und bittet die Richter
einen Tag dafür anzuberaumen.
P ' : Mais taut vos vueil prier que jor nos cn dotiez.
B : Mais taut vous puis prier que jor nos en donez
diisqiCa autre termine.
Der Kurzvers ist nicht nur überflüssig, sondern geradezu sinnlos
und eine unbefangene Betrachtung wird ihn sofort als posterior
erkennen.
12) Ludwig sagt mit Bezug auf Baudoin und Renier:
P': Et ces .ii. que ci voi metrai en tel roele
que li uns traira r autre Ic euer ou la boele.
B: Et ces m. que ci voi metrai en tele ydele (sie)
dont Ptms en traira Vautre le euer sos la inamele,
anchois que il ni'escapeiit.
Auch hier ist der Kurzvers offenbar angeflickt, denn wie soll
Ludwig vernünftigerweise auf den Gedanken kommen, dafs Baudoin
und Renier ihm entwischen könnten, da sie sich beide zum Zwei-
kampf erboten haben und nicht die geringste Veranlassung vor-
liegt zu glauben, dafs sie sich demselben zu entziehen beab-
sichtigten?
13) Tiebaut und andere arabische Grofse befinden sich auf
den Zinnen der Burg Arrabloi.
Pi; Et Tichauz as latailles vait les Frans esgarder,
et sunt ensamhle 0 lui .xv. roi, tuit Escler,
qui vont par ces creneax por leur cors deporter.
Quant lor plait, si s^en vont por sejor au disner ;
les napes furent mises, si sunt ale laver.
La veissiez grant bruit et grant Joie mener.
DER KURZVERS IM FOLCON DE CANDIE. 385
In B lauten die drei ersten Verse ebenso (mit unbedeutenden Ab-
weichungen), und dann kommt nur noch ein Kurzvers:
Et puis vont a la vile.
Der Anfang der folgenden Laisse, welche in Piß beginnt: El chaslel
d^Errahloi (B Arrehloi) menoieiü (B i7ienerenC) grant baudor, schliefst
sich besser an den Text von P* an, doch ist dies kein beweis-
kräftiges INIoment.
Auch die beiden folgenden Laissenausgänge kann man als
indifferente bezeichnen.
14) Die Bestürmung von Arrabloi wird fortgesetzt.
P': Ejiire lo pont turcois et la terre viaior
est la terre coverte et des ?ioz et des lor.
B ebenso, nur dafs noch der Kurzvers herantritt: Soveitt i a bataille.
15) Es ist vom Povre Veu die Rede.
Pi : Sa bataille rengee viiit vers lo pont turcois,
QU qu^il set Sarrazin et les rens plus espois.
B: Sa bataille rengie vint vers le pont turcois,
per assalir la vile.
16) Tiebaut ist in bedrängter Lage und läuft Gefahr, wiederum
in der Schlacht gefangen genommen zu werden, als Hunez d'Or-
canie ihm zu Hilfe eilt.
Pi: Quant Hunez d'Orcanie, uns paiens ?nescreuz,
a .Vit. c. Chevaliers est del chastel issuz.
B: Quant Cherpaus d'Orcanie i est poig7iant vefius,
c
ä .VII. Chevaliers i est poignant venus,
c
a .vn. Chevaliers sunt del castel issus,
por son seignor secorre.
An Stelle des zweiten und dritten Verses in B darf natürlich nur
c
ein Vers stehen: A .vii. Chevaliers est del castel issus, aber auch auf
diesen Fehler kommt es hier nicht an, sondern auf den Kurzvers.
Wiewohl der letztere, falls er ursprünglich war, von Pi fortgelassen
werden konnte — notwendig war es nicht, da er leicht, etwa mit
Hilfe von i est poignant venus, in einen Alexandriner zu zerdehnen
war — , so ist doch umgekehrt zu beachten, dafs der letzte Vers
weder eine Kürzung noch eine Fortlassung vertrug, mithin B nichts
anderes übrig blieb als einen neuen Wortlaut für den anzufügenden
Kurzvers zu suchen, dessen Inhalt, weil selbstverständlich, bedeu-
tungslos ist.
17) P': Or sachent bien paien et si est veritez:
7nar i fu hui li potiz turcois par elx passez.
B: Or sachent bien paien et si est veritez:
il i aront gra7it perte.
Zeitschr. f rom Phil. XXIV. 2$
386 O. SCHULTZ- GOR A,
Sollte P' für den etwa originalen Kurzvers eine neue anders lau-
tende Zeile gebildet haben, die entschieden besser zu dem Vorauf-
gehenden pafst? Umgekehrt konnte B den SchUi fsvers von P^
nicht kürzen.
18) P': Poieyi cloenl /es porics et vonl lor duel menant,
et Francois s\m reloriient baut et he et joiant.
B: Paten eloetit /es partes et vnnt /or dtiei/ 7nej]ant,
et Frajwois retornereut.
Obwohl haxit et /ie et joiant nicht überflüssig ist, so liegt doch die
Möglichkeit vor, dafs P^ zerdehnt hat. Natürlich kann auch anderer-
seits B gekürzt haben.
19) Tiebaut ist vom Povre Veu schwer verwundet worden; er
wird von den Seinen auf ein Bett gelegt.
Pi; AU. foiees se pasme, aitiz qiCü reric/e raison;
/ors commence son duet qnant vient de pasmoison.
B: .niu fois se pasma trestot en .?. randon;
mout grant do/or demaine.
Der Sechssilbner pafst nicht recht zum Voraufgehenden, indem
doch eben gesagt ist, dafs Tiebaut viermal hinter einander in
Ohnmacht fiel. Wäre er ursprünglich, so sieht man nicht, warum
P' seinen Wortlaut nicht beibehalten und daran quant vient de
pasmoison angefügt haben sollte. Umgekehrt ist wohlbegreiflicb,
dafs B nicht schreiben konnte: /ors moiit grant diie/ demaine, denn
/ors wäre ohne den folgenden von quant eingeleiteten Satz nicht
verständlich.
20) Tiebaut verliert noch einmal das Bewufstsein.
P': Apres cest mot se pasme, ne sai m. foiz ou .iii.;
entre ses braz /o preJtt Va/prins de Monga/ois.
B: A ice/ mot se pasme.
Hieraus ist nichts Sicheres zu entnehmen.
Fassen wir zusammen was sich aus unserer Betrachtung er-
giebt. Von den 60 Laissen, welche wir herangezogen haben, fallen
drei aus, nämlich I, 20, II, 8, 13, die in B fehlen, so dafs im
Ganzen 57 Laissenausgänge verglichen werden konnten. In einer
erheblichen Anzahl von Fällen ergiebt sich, wie wir sahen, nichts,
was einen Priori tätsschlufs nach der einen oder anderen Richtung
hin zuläfst. Bei ungefähr 18 Laissenausgängen spricht mehr oder
weniger dafür, dafs P' das Ursprüngliche aufweise, während es nur
dreimal den Anschein hat (I, 14, 17, III, 2), als ob der Kurzvers
in B das Originale sei; etwas Beweisendes läfst sich aber auch
bei dieser Gruppe nicht ins Feld führen. Dagegen liegen nun bei
8 Laissenausgängen (I, 19, II, 2, 4, 18, III, i, 5, 11, 12) die Verhält-
nisse so, dafs die Posteriorität des Kurzverses schwer geleugnet
DER KURZ VERS IM FOLCON DE CANDIE. 387
werden kann, ja sie ist, wenn man etwa noch II, i8, III, i aus-
nimmt, aus inneren Gründen evident, wie ich dies an den be-
treffenden Stellen dargelegt zu haben glaube. Es folgt daraus,
dafs der Kurzvers in der Version des Folcon de Candie, welche uns
in der Boulogner Handschrift vorliegt, nicht als ein Zeichen von
Altertümlichkeit angesehen werden kann. Nicht behaupten will
ich, dafs erst ein Redaktor von B denselben eingeführt habe; er,
oder ein Kopist, kann ihn vielmehr schon in seiner Quelle vor-
gefunden haben, allein die Hauptfrage wird dadurch nicht berührt.
Zu obigem Ergebnis stimmt auch eine andere Erwägung,
welche das Verhältnis der Handschriften Pi und B zu einander
betrifft. Ich will kein Gewicht darauf legen, dafs B erst aus dem
Jahre 1295 stammt, während Pi aus sprachlichen und paläo-
graphischen Gründen zugleich der Mitte des 13. Jahrhunderts zu-
gewiesen werden mufs, allein eine Ausgabe ds Folcon wird zeigen,
dafs, wie ich schon zu Laisse I, 14 bemerkt habe, sehr oft eigen-
artige Ausdrücke oder Wendungen wie überhaupt schwierige Stellen,
welche Pi aufweist, in B entweder ganz fehlen, oder durch etwas
Glatteres und leichter Verständliches ersetzt sind, und wenn Herbert,
der Verfasser unseres Epos, auf jene Schwierigkeiten anspielend,
von seinen Versen sagt (Pi fol. gov"):
N^est pas vilains qiiis entent ne desponge
(die Stelle fehlt in B), so ist es, für mich wenigstens, unglaublich,
dafs die Version von P' der ursprünglichen Fassung der Dichtung
nicht erheblich näher stehe, als diejenige von B.
O. Schultz -GoRA.
25*
Eine wälsclitirolische Handschrift.
(Um das Jahr 1400.)
Im Innsbrucker Statthalterei- Archive, Abteil. Trientner latein.
Archiv C. 68 n^ 226, h'egen in einem Urbare der Güter des Schlosses
Campo in Judicarien, im Südwesten Tirols, vom J. 1406 zwei
Papierheftchen in 40, das eine, A, mit 12, das andere, B, mit
21 Blättern,
B enthält verschiedene lat. hauswirtschaftliche Aufzeichnungen
(Zinse, Schulden) aus den Jahren 1400 — 1406 von einer Hand
nebst Nachträgen von 1408, 141 4, 1417, 1423 von der gleichen
und anderen Händen.
A ist ein Schulheft aus der gleichen Zeit, wohl von derselben
Hand und in verschiedenen Absätzen und mit verschiedener Tinte
geschrieben, wahrscheinlich vor B. Vier Blätter sind nur für Buch-
staben als Schreibeübung, ein Teil für lateinische Uebungssätze
und häusliche Aufzeichnungen verwendet.
Daneben findet sich fol. i^ und 2'' ein kleines lateinisch -
romanisches Glossar, fortlaufend geschrieben; fol. 3'' ein Brief,
vielleicht einem Forraelbuche entnommen, romanisch und lateinisch,
der jomanische wohl nach dem lateinischen ziemlich frei über-
setzt; fol. 5^' und 6"^ steht eine Passion, nach Art der „laude"
(s. auch vor dem 3. Verse „responsun") ursprünglich in achtsilbigen
Versen mit Reimen resp. Assonanzen abgefafst und ebenfalls fort-
laufend geschrieben. Mit Ausnahme der ersten Strophe und des
Endes zeigt diese lauda dieselbe Form, wie die lauda dei Disci-
plinati di Pieve del Cadore, sec. XIII, bei E. Monaci „Crestomazia
ital. dei primi secoli" fasc. II, Citta di Castello 1897, p. 471 (aus
G. Carducci „Antiche laudi cadorine", Pieve del Cadore, 1892).
Dieselbe wurde, wie auch das Vorhergehende, nach einer Vorlage
abgeschrieben , wie schon aus fälschlichen Wiederholungen von
Wörtern und Stellen hervorgeht. Leider hatte schon diese Vorlage
einen verderbten Text. Die Schrift dieser Hefte ist eine schlechte.
Nun erwähnt Chr. Schneller „Statuten einer Geifsler-Bruderschaft in
Trient aus dem XIV. Jahrhundert" (Zeitschrift des Ferdinandeums
für Tirol und Vorarlberg, Innsbruck 1881) S. 7, dafs im J. 1383 ein
Simon de Campo Syndikus der Bruderschaft in Trient war, und S. 11,
dafs eine solche zu Lomaso in Judicarien bestand. Es ist nicht
unmöglich, dafs diese Geifsler auch unsere „pasio" gesungen haben.
EINE WÄLSCHTIROLISCHE HANDSCHKIFT. 389
Geschrieben wurde unser Heft auf Schlofs Campo selbst und
zwar von einem Jüngeren, der damals Latein lernte. Nun war der
einzige Knabe, der um 1400 dort hauste, Nicolaus, der Sohn des
bereits verstorbenen Marcus von Campo. Sein Onkel, Graciadeus
von Campo, wurde 1401 vom Bischof von Trient als Vormund
des pupillus Nicolaus, tutoris nomine, mit den Gütern des ver-
storbenen Marcus belehnt. Graciadeus sorgte jedenfalls für eine
gute Erziehung seines Neffen. Nicolaus lebte noch im J. 1423.
Der letzte Sprosse derer von Campo starb 1457.^
fol. I V hoc Caput
liic capilus
hoc sinciput
hec timplus
5 hoc occiput
hec auris
hie uisus
hie oculus
hoc supercilium
10 hec palpebra
hie cincignus
hoc albumen
hec piipila
hoc momentum
15 hec naris
hec maxila
hoc OS G. huius
hie nasus
19 hoc OS G. huius
unde uersus : os
20 hie mento
hee mandibula
hec genorbida
hie dens
i. e. lo cavo
lo cazieil
lo gufo
la tetnpla
la copa del ciuio
la recla
lo uis
lo ochel
lo sorageo
la papedra
lo calcagnil del cego
lo blanco de P oclo
la lusiola de P oclo
lo baire de V oclo
la ri's
la gouta
la boca
lo naso
l' OSO
oris loquitur, os osis uestitur
i. e. lo barbozo
„ gangabla
„ la barba nouela
,, dento
' Ich verdanke diese und andere Notizen der Güte des Herrn Statt-
hallerci- Sekretärs C. Th. Postinger in Rovereto.
6 So Nonsberg, Gärtner, Raetorom. Gr. §200, G. Ochiert, Alt-Vero-
neser Passion, Halle 1891, Z. 107; venez. la rechüi.
8 Nonsberg o(t)y_cl, PI. okli, Gärtner ibd.
10 palpedra, aus palpetra, auch cremon. ferr. romg., s. Mussafia, Beitrag
zur Kunde der nordital. Mundarten im 15. Thrh., in Denkschriften der Wien
Akad. 1873 S. 185.
1 1 cincignus wohl für cincinnus, wie in nordital. Dialekten agtii für
anni etc., wo freilich folgendes i — it. calcagno, die Ferse, cego (vgl. oben
sorageo, friaul. cel); it. cigito; also vielleicht der Ansatz der Brauen.?
15 Vielleicht nur versehrieben für la [^na]ris; la ris im Dialekt.
16 S. Mussafia, Beitr. galta.
20 S. Mussafia, Beitr. barbizuolo.
21 Vgl. it. guancia und gancio, oder ganascia.
22 Du Gange, Gloss. gernoboda, genorbada s. v. grani.
390 WOLFRAM V. ZINGERLE,
hoc malum „ lo arhor de la nauo
25 hec apes ,, la mosca da la tnelo
hie bonbes „ lo uermo da la seda
hoc apiarium i. e. lo buso da le aue
hoc cunabulum „ la cuna del puto
lo leto di gradionli
la caiiicla de la porta
la foiada
lo cosongelo
lo ualo
hie letus
30 hec circontus
hoc laganum
hie pastilus
hie ualnus
in[de] uenit vano uanas per uander
35 hie eunus i. e. lo gaueio
hec merga „ la forca dal lodati
hoc fosorium ,, lo badil
hec obleecio (sie) „ /' oferta
hoc ofertorium ,, /' oferta eeiam
40 hee pila per lo pilast\r'\o del ponto
hec pila per la hala
hec pila per la tauerna
hec pila i. e. la canela da la prido
hec pila per i larigofii unde iiersus:
24 lat. malus, i, Mastbaum.
25 mel als Femin. s. Mussafia, Beitr. S. 179, Meyer -Lübke, Ital. Gr.
S. 187.
29 Wohl lat. lectus, Bett, und grandioli (venez. ?), gröfsere Knaben, im
Gegensatz zu cuna del puto.
30 circontus fehlt in lat. Lex., wohl zu circumeo, Ptz. circumitus; cavicla,
it. cavicchio, cavigUa, Holzzapfen, Rundholz; also die alte hölzerne Sperre
der Thüren.
31 Altbergam. foyada, ostlomb. emil. fojade (aus foliata) eine Art
Kuchen; s. E. Lorck, Altbergamaskische Sprachdenkmäler (Roman. Biblio-
thek X), Halle 1893, Gloss. 801 Anm.
32 lies casongelo; s. Lorck 796 ol casonzel und Anm.
33 lat. vannus und vallus, Futterschwinge; s. Mussafia, Beitr. z'alo und
vander.
35 lat. cunnus, und gaveio = lat. vulva} Diese Bedeutung pafst aber
auch dem Sinne nach nicht in die Wortgruppe; es ist friaul. bvesc. gavei.
Viertel eines Rades, com. gavel, gekrümmtes Holz, s. Chr. Schneller, Die
roman. Volksmundarten in Südtirol, Gera 1870, s. v. gavel; V.Ricci, Vocabo-
lario trentino-ital., fasc. IV, Trento (1900) p. 210: gavel-quarto {d'una ruotd).
36 die Älistgabel; it. letame; friaul. ledam, ledan; venez. leame, loame;
auch in Monumenti antichi di dialetli italiani, pubbl. da A. Mussafia (Sitzungs-
berichte der Wiener Akademie Bd. 46), Gloss. loamo; s. Meyer-Lübke, Ital.
Gr. § 140.
41 ital. palla, ven. bala.
43 Cherubini, Vocab. milan., erklärt canella mit spianatojo con che si
tramesta la pulenda und Malaspina, Vocab. parmigiano-ital. , canela de la
polenta mit mesione, bastone ritorto per trajnestar la polenta; pruto, das im
folgenden lat. Vers dem pultes entsprechen sollte, dürfte daher in polenta zu
ändern sein.-* kaum aus lat. pultem, it. polta, rtr. pult; doch s. G. Goetz,
Corpus gloss. latin. vol. V, Lipsiae 1894, p. 380: pulenta-brug; Diez, WB.
II: bru.
44 lanqoni Lanzen, häufig; s. B.Wiese, Eine altlombard. Margarethcn-
Legende, Halle 1890, Gloss.
EINE WÄLSCHTIROLISCHE HANDSCHRIFT. 3g I
est pila pes pontis, pila ludus, pila taberna,
pila Icrit pultes, sed pila feriuntur in ostes.
45 tepeo tepes per destuar
hoc cadauer i. e. lo corpo
[ho]c bustum ,, la sepoltura dt morti
hec spiramis pro eadem
calama i. e. la legnola
50 hoc stilicidium „ la stregoga
[st]ilo stilas per gogar
conslilo constilas per pergogar
fol. 2 >■ hec bibendis i. e. la manera
hec dolobra pro eadem
55 hoc lauiua i. e. la songa
hie pauonis „ lo pauo
hoc uestimentum ,, la iiestimenta de V omo
hec uestis „ la iiestimenta de la feniena
unde [ver]sus: fcmina uult iiestes sunt iiestimenta virorum.
60 hie iginbolus i. e. lo tribolo
hie felis ,, el mantes
hoc uertipruninm ,, la paladalgo
hec pruna „ la brasa
et hoc aptamen „ lo bugatel
65 aptamino as sta per bugatar
hie artipestis i. e. lo {lo) soplador
hoc circocinium „ lo bugatel
hoc crebum „ lo drago
hoc furfur „ la crusca
70 hoc polis ,, la farina del formento
hec pedisica ,, la fantesela
45 Vgl, it. asciugare; judic, ven. sugar.
49 lat calamus, das Rohr, die Angelrute; vgh Lorck Gloss. 1659 lineola
— liniola und Anm.: com. legnola.
50 Dachtraufe, -rinne; judic. stragüza, Verbum straguzar, s. Gärtner,
Die judicarische Mundart (Sitzungsber. der Wiener Akad., Bd. 100) S. 875.
53 lat. bipennis,
54 lat. dolabra.
55 lauiua} songa it. sugna.
60 lat. ignibolum (Forcellini Suppl.) = thuribulurn, it. turribolo.
62 uert. fehlt in lat. Lex., es bedeutet wohl Glut-, Aschenschaufel ; daher
vielleicht in pala dal fo [fogo) zu ändern? Friaul. algo = qualclie luogo
wird da nichts zu thun haben.
64, 65 aptamino wohl das Gegenteil von contamino; im altberg. Gl. 967
heifst es: atamen, ol bugat; atamitio per abugata; bugatel = Sieb-, Seih-
Laugentuch zur Wäsche, s. Lorck, Anm. 189.
66 Auch artipestis (od. arcipesiis}) finde ich, wie das folgende circo
cinium, in lat. Lex. nicht; soplador Blasebalg; s. neuspan. soplar, bologn
soppiare, venez. supiar. Vgl. Diez W. B. 297 sofßare. Gröber, Archiv f. lat
Lexik. V 484.
68 lat. cribrum. Dem. cribellum, it. crivello das Sieb; Gärtner, Judic
Mundart, dray; friaul. draz, gx^Au. drac etc.; s. Schneller, Die roman, Volks
mundarten s. v. drazar; V. Ricci, Vocab. draz = vaglio.
70 lat. pollis, peilen.
392 WOLFKAM V. ZINGERLE,
fol. 3 r AI perfido e maluasio homo niachiJes soldan de habelonia, amaor
de malicia e de niquita. fniser no bonensegna^ capetanio e segnor gener al
de .T. de .V. de ,M. e de .VW? e de tute le altre? desiro re^ j/ß (?) e de
tuti i so segiianti. facet^ a sauer che domenega proxima che de uegnir,
che tu sie apresta cum le arme, ti cum tuti i to^ beneuoienti et amisi, a toa
possanga; sapiaiito^ che in tal di e sero sul to destreto cum des tnilia caualeri
e cum artanti'' peoni. per che entetid che le terre e le cita po a de et ai
cristiani, o per forga o per engegno, segnoregar. e se tu uoi seguer de, el
quäl no crem, e la nostra fe onencontentcr (?) e pax e diligencia enter ito sera.
mandanen^ diganto^ ciun le toe letere. autraineiiter'^'^ no entendem al p {^)
de opteng?iir tute le conse^^ soura scrite.
Perfido et pesimo viro machidesio soldano balelonie {sie) amatori malicie
et uanitatis. Nos boninsigna dominus et capotaneus generalis ciuitatum T. V
M. et V'r. et ceterarum lombardie mitimus et optamus signum pesimi amoris
omnibusque sequentibus. Notificamus quod die dominico proximo uenturo sis
tuo pose armis ofensilibus quoque defensibilibus preparatus cum tuis beneuolis
et amicis. siendo {sie) quod in eo die uestra dominatio in tua dioccsi aderit
suo pose. quoniam intendimus ciuitatibus castris terris et dominationibus tuis
dei et cristianorum uel ui uel ingenio dominari. et si tu uis sequi deum quem
continue sequimur et oramus nobis tuis literis debeas destinare. aliter omnino
intendimus optinere omnia su[pra scripta].
fol. 5^ Pasio domini ttostri Yesu Cristi.
Plange'^'^ coi ocli e col bo7i cor la pasio del saluador !
Resposun: cli^^ la plangera col so bon cor da deo n'' aura saluacio.
plange la uergene maria del gran dolor,
che la dona aueua del so fiolo, ch' ela ueeua tradi da iuda traditor.
I Noi Messer Bonensegna; Bonisigna ein sehr aller noch heute existie-
render Familienname, der z. B. in einem Urbare aus Sulzberg vom J. 1200,
in einer Urkunde aus Judicarien 1247 vorkommt; s. Schneller, Tridentinische
Urbare aus dem 13. Jahrb. (Quellen u. Forschungen i. Geschichte, Litteratur
u. Sprache Oesterreichs Bd. IV.), Innsbruck 1898, S. 136, 265.
'^ Wohl Treviso, Venezia, Mantova, Verona, wenngleich sie nicht zur
Lombardei gehören.
* Hier ist sicher eine Lücke anzunehmen.
"* desiderio reo, entsprechend unten dem lat. pesimi amoris.
^ faccioti.
^ tu con tutti i tuoi.
"> venez. = altanti, altrettanti; mit ebensoviel Fufsvolk.
s =^ tnandamen, mandamene} Im Nonsberg sagt man zwar noch inan-
ddne für 7nandateci.
^ Das bekannte, bes. veron. Gerundium, s. Meyer-Lübke, Ital. Gr. § 108.
Mussafia, Mon. ant. S. 127; G. Oehlert, Alt- Veroneser Passion, Halle 1891, §49;
B.Wiese, Altlomb. Margarethen- Legende kommen -ando und -anto vor, wäh-
rend rein venez. -ando war, oder nach A. Lindner, Plainte de la Vierge en
vieux venitien, Upsala 1898, p. cxvji auch -endo.
1° autra ist venezianisch und -menter {mentre) venetisch.
II cose, bekannter Einschub von n.
12 2. P. Imp. PI.
13 Wohl Chi.
EINE WÄLSCHTJROLISCHE HANDSCHRIFT. 393
5 fiolo meo delicha, iiida traditor si ti' a^ engatia
per trenta difier, che el u' a da inter"^ le tnano dig^ pecator.
plange la uergeiia maria del gran dolor,
che la dotia auea del so fiolo, cK ela ueeua star stt la croso con do ladro.^
fiolo meo delicao, li cani gudei v' a^ pres e liga,
10 ig u' a batu e flagela per li pecati deg^ pecator.
che no plangetio gento dura?'' plange lo sol, mori la liina,
tuto lo mondo sen scura e la tera ven e gran tremor.
che no plangeuo gento amara, voi che saue amor de fanti?
se(l) 7iol saue, or V enpretide,^ quant e V dolor che sta al me cor.
15 0 gent, c' anda per me la uia!^ vegni, vede sto dolor meo
del me fiolo, com, el ave morto^'^ ä tort per dar a uo saluacio.
Cani gudei donde e so nata, semper w' aue desconsolata,^^
morto m" aue lo tneo fiolo.
Quand ueno in V ora de la prima, el ge^'^ fo data la deseplina
20 et una vena seia'^^ versa el sango in tera a gran furor ;
et quand ue in V ora de la terga et el ge fo data la deseplina,^^
i uol ch' el mora senga intencio^^ suso la croso con do ladro.
quand el ue e V ora de la sesta, el signor deo inclijta ^^ la testa,
clavia san goano el guagnelista (sie): eo te recomando la mader mia.
25 quand el uen e /' ora de la tiona, el signor deo crida ad alta vos,
el diso,^'' ch' el era consunia quel ch' el profeta profetiga,
querif^^ da beuer, el ge fo da fei et aseto destetnpera.
deo gracias amen.
1 vos habet.
2 inter für in häufig in lomb. und ven. Denkmälern, s. Lorck S. 51, auch
Schneller, Statuten S. 51.
* dei; venez.-veron. wird Uli zu igi, ig, s. Meyer-Liibke, Ital. Gr. § 385,
vgl. unten ig und deg.
* Auffallender Plural, so weiter unten.
5 vos habent; dialektisch bekanntlich 3. P. Sg. auch für 3. P. PI.
* del in deg corrigiert.
' che 710 plange voi gente dura F . . si oscura e la terra viene . . ;
könnten der Form nach auch Pcrf. sein, wie unten veno, ven, ve.
^ lernet, von enprendere.
^ „qui transitis per viam"; per me = per inezzo. So Monaci 1. c:
„Qetite c' andä for per la via" und in andern ital. und französ, Texten.
10 ave, venez., = ebbe, s. Meyer-Liibke, Ital. Gr. S. 250 ; hier morto =
morte, Subst.
1* Der Vers ist vom Schreiber wiederholt; semper auch Schneller, Sta-
tuten S. 50.
^^ lomb. -venez. Form für den Dat. der 3. P. des toiil. I'r.
^' seia = sua, nach *mcia umgebildet; Meyer-Liibke, Ital. Gr. S. 214
giebt Beispiele von sea, sia.
** Dieser Vers wohl statt eines anderen fälschlich nochmals wiederholt.
'^ Sie wollen, dafs er sterbe ohne Aufscliub.''
*^ Bekanntlich endigt die 3. P. Sg. Pf. der Vcrba auf -are im Altvenez.
auch auf -ä, ebenso im Veron. (Oehlert S. 55) und Lomb. (Lorck S. 54, Wiese
S. xcv), so dafs man manchmal zweifeln könnte, ob man das Präs. oder Perf.
vor sich hat.
" könnte der Form nach auch Präs. sein.
1^ 3. P. Perf. von querir; s. Lorck V. 216, Älussafia Monum. ant. Gloss.;
über das /-Perfekt bei den ^-Verben Meyer-Lübke Ital. Gr. S. 245.
394 W. V. ZINGERLF, EINE WÄLSCHTIROL. HANDSCHRIFT.
Die Sprache dieses Sprachdenkmals ist die altvenezianische,
speziell die altveronesische; auf Verona weisen z. B. die Feminina
der 3. Deklination, wie morto, croso; Verbalformen, wie diso, veno,
und der Umstand, dafs überhaupt auslautendes e mit Vorliebe zu 0
wird. Ostlombardisch sind Formen, wie pasio, saluacio, ladro u. s. w.,
wo 71 abfällt, lombardisch auch Formen, wie tort, querit. Ladi-
nischer Abkunft dürften nur einzelne Wörter sein. Es treffen sich
also Ostlombardisch und Veronesisch. Dies ist leicht erklärlich,
da in früheren Zeiten nur zwei Verkehrswege bestanden, die das
von Bergen eingeschlossene Judicarien mit der Aufsenwelt ver-
banden, entweder über den Durone-Pafs nach Arco und Riva an
den damals veronesischen Gardasee — Riva war seit 1349 durch
den Bischof von Trient an Mastino della Scala, Herrn von Verona,
verpfändet — , oder zum Idrosee und nach Brescia in die lombar-
dische Ebene. Gerade von Stenico, resp. Schlofs Campo, aus war
der Hauptverkehr nur nach Riva.
Gärtner (Die judicarische Mundart S. 84) sagt mit Recht, „dafs
ihm Judicarien ein lombardisches Thal scheint, in das sich das
Vencdische seit Jahrhunderten eindrängt."
Wolfram v. Zingerle.
VERMISCHTES.
I. Zur Textkritik.
Zu O. Schultz -Gora, Zwei altfranzösische Dichtungen.
(1899.)
Im Litt. Central-Blatt (1899, 1038 — 9) habe ich bereits mein
Urteil über die oben bezeichnete Ausgabe der „Chastelaine de Saint
Gille" und des „Chevalier au barisei" kurz vorgetragen, habe dort
aber darauf verzichten müssen, alle Einzelbemerkungen, die ich
mir beim Durchlesen des Buches aufgezeichnet habe, anzuführen.
Ich bin daher dem Herausgeber dieser Zeitschrift sehr dankbar,
dafs er mir Gelegenheit gegeben hat, dies nachzuholen.
In der Einleitung zu I heifst es auf S. 3 1 : „In joie müfste
das 0 gemäfs seiner Herkunft aus lat. au offen sein, aber das Wort
macht eine Ausnahme und reimt hier (83, 104, 181, 315), und
anderswo mit Wörtern, deren oi ein geschlossenes 0 hat, da es
auf älterem ei beruht, das lat. 1 oder 1 zur Grundlage hat.'* Aber
das aus ei hervorgegangene oi hat offenes 0 (s. Suchier, Gram. S. 5 1),
so dafs hier keine Ausnahme vorliegt. In der zu II wird bei den
sprachlichen und metrischen Bemerkungen nicht zwischen dem Ab-
schreiber und dem Dichter unterschieden. Wenn wir z. B. auf
S. 78 erfahren, dafs „in unserem Denkmal kein Lautunterscliied
zwischen >r und 2 besteht, wie die umgekehrten Schreibungen, z. B.
remez (155) u. a. beweisen", so sind letztere doch nur für den
Kopisten beweisend. Dafs aber der Satz auch für den Dichter
zutreffend ist, zeigen aufser dem aufgeführten Reim ta7is (tempus) :
grans zahlreiche andere wie cors : descors 25/26; grains : rempains
437/38; maidis : dis 567/68; amiis \ vuis 851/2. Die Bemerkung:
„bei puct : seid 183/4 hat man sich wohl zu denken, dafs im ersten
Worte schon der durch eu dargestellte Laut eingetreten war", läfst
nicht erkennen, welcher Laut gemeint ist. Es ist ö anzunehmen,
wie aus dem Reim deus (Verbalsubst. von dolere) : deus (duos) 788/g
hervorgeht. Auch sonst hätten noch einige weitere Reime be-
sprochen w'erden können, z. B. niche : riche 39/40, eslanche : rcpen-
lance 833/4 '^- '^•'t ebenso die Form inouverai v. 164, welche für
drei Silben zählt. Biaus in Le vis qu'il avoit der et biaus v. 548
erklärt der Hrsg. (S. 79) für einen durch den Reim veranlafstcn
grammatischen Fehler. Der Nom. entspricht aber einem bekannten
396 VERMISCHTES. I, ZUR Tl-XTKRtTIK.
syntaktischen Brauch (s. Tobler, Vrai aniel zu v. 147), so dafs auch
der mit dem Flexionszeichen versehen werden mufste.
Was den Text betrifft, so ist der von I tadellos überliefert,
konnte also genau so beibehalten v/erden; dagegen befriedigt der
von II nicht in allen Punkten. In v. ^i"^ sqq. hat die zu Grunde
gelegte Handschrift: Et les nomiains et les converses, O plus erent a
dieu aherses, Ceiis fesoit il a honte vivre, Quant il les tenoit a delivre.
Et les daines et les pnceles Et les veves et les anceles. Der Hrsg. liest
wegen ceiis in v. 35 im Anschlufs an die Hs. 1553 convers und ahers.
Diese Aenderung ist jedoch abzuweisen. Nachdem in v. 28 — 32
die Unthaten des Ritters gegen die Männer, nämlich Pilger, Kauf-
leute und Geistliche aller Art aufgezählt sind, folgen in v. 33 — 38
solche, die er sich gegen die verschiedenen Klassen von Frauen
hat zu Schulden kommen lassen. Demnach ist das Masculinum
convers dazwischen unmöglich. Das 0 in v. 34 erklärt sodann der
Hrsg. für „ziemlich befremdend", fafst es jedoch als lokal auf,
„indem man sich vorzustellen hätte, dafs der Gewaltthätige in die
Klöster eindrang und mit den Insassen an Ort und Stelle übel
umsprang". Da aber nirgends von Klöstern die Rede ist, so ist
auch diese Erklärung unmöglich. Es liegt vielmehr unzweifelhaft
die Gleichstellung zweier Comi)arative (proportionaler Vergleichungs-
satz) vor, so dafs in v. 35 plus statt ceus zu lesen ist. Dafs in
diesem Falle beim ersten Comparativ neben com (wie hier auch
die Hs. 1553 liest) und quant auch das Ortsadverb (prov. on) ver-
wandt wird, lehrt schon Diez, Gr. 111, 396 (vgl. B. de Borni Anm.
zu 9, 42).
Die Verse 246 sqq. lauten: Por taut me porriez decoler Que vous
ja mes m'eschapissiez Por riai que fere peussiez, Si nt'avrez dite vostre
vie, und werden so übersetzt: „Um so viel würdet ihr mich ent-
haupten können, als ihr mir fernerhin entschlüpfen würdet (d. h.
als ich Euch entschlüpfen liefse), um irgend etwas, das ihr thun
könntet, bis . . .". Diese Uebersetzung ist aber unrichtig, denn ein-
mal heifst por tatit nicht „um so viel", sodann müfste, wenn Que
zu Por tant gehörte, in beiden Sätzen dasselbe Tempus stehen.
Da nun si nur nach negativen Sätzen in der Bedeutung „bis"
vorkommt, so ist iCeschapissiez zu lesen, por tant mit ,, deshalb" zu
übersetzen und der Satz mit que als ein modaler {== ohne dafs)
aufzufassen, wie in v. 300, 328, 469, 518 u. a.
341 James ne quier a vous parier Ne veoir de Vueil que je aie.
Der bestimmte Artikel vor ueil ist sehr auffällig; es ist besser mit
Hs. 1553 ne vous veoir d'ueil que je aie zu lesen.
509 que je tout piain ne li raport. Die Erklärung, dafs // sich
auf den Eremiten beziehe, der doch in der ganzen Rede nicht
vorkommt, ist wenig wahrscheinlich; es ist wohl /'/ zu schreiben.
In V. 658 lag kein Grund vor, von der grammatisch rich-
tigeren Lesart der Handschrift 837 abzugehen.
782 sqq. lauten: Diex, ne suefres que sa povrece Soit perdue . .,
I\Jes tornez Vi a penitance! In der Anm. heifst es: „Das i in /'?
A. STIMMING, ZU SCHULTZ-GORA, ZWEI AFRZ. DICHTUNGEN. 397
geht wohl auf peniiance, obschon ich kein Beispiel eines solchen
in unmittelbarer Nähe dessen , auf das es hinweist, stehenden i zur
Hand habe." Eine derartige Verwendung von i erscheint undenk-
bar. Vielmehr ist wohl li zu lesen im Sinne von la li {la auf
povrece bezogen), so dafs torner transitiv gebraucht wäre = „ver-
wandeln", eine Bedeutung, die das Wort noch heute im Englischen
aufweist.
Bei V. 807 sqq. steht in der Hs. 837, die dem Text gewöhn-
Uch zu Grunde gelegt ist: Et je .. N''ai mie e?i moi taut d'atnistie
Qiie feiisse de moi pitü Et ü eti est st adolez. In v. 808 liest der
Hrsg. mit Hs. 1553 Que je en aie nes pitie und erklärt, die ver-
worfene Lesart sei stilistisch nicht unbedenklich und entspreche zu
wenig dem Sinne des ganzen Zusammenhanges. Er übersetzt seinen
Text: „Ich habe nicht so viel Güte in mir, dafs ich mit seinem
Jammer (um inich) wenigstens Mitleid empfinde (das eit in v. 809 geht
auf pcchiez in v. 805)." Es ist aber unmöglich, dafs sich die beiden
en in v. 808 und 80g auf verschiedene Dinge beziehen sollten. In
V. 809 steht e7i aber sicher für de moi, daher auch in v. 808 ; es
handelt sich doch hier auch nur um den Sünder, nicht um den
Mönch. Da demnach die Hs. 837 den gleichen Gedanken aus-
drückt wie Hs. 1553, nur noch deutlicher, so liegt kein Grund
vor, deren Lesart zu verlassen.
Auch die Anmerkungen geben zu einigen Ausstellungen
Anlafs. Die zu // despont (I, 2-^) „Der Acc. le „es" ist, wie oft,
vor // fortgelassen" läfst die falsche Auffassung zu, als beschränkte
sich der zu Grunde liegende Brauch nur auf le „es" und auf //.
25. In quanques vous dites soll das erste s mit dem in oiiques,
sanz u. s. w. gleichen Ursprunges sein. Es liegt näher, darin das
Nominativzeichen zu sehen, indem qnanqiie als ein Wort gefühlt
wurde.
'^'^. Die Form mangions als l. Plur. Ind. Präs. statt man Jons ist
wohl nur ein Druckfehler.
51. Bei doloir ist nicht das Reflexivpronomen fort geblieben,
sondern das Verbum ist hier intransitiv gebraucht.
60. Der Satz „fort zählt zu den Adjecliven, welche die Stelle
eines Adverbs einnehmen können" pafst wohl für den nfrz. Sprach-
gebrauch, für den alten ist er schief.
97. il me souvicnt , d. h. die unj)ersönliche Verwendung von
se Souvenir ist auch im Nfrz. noch gebräuchlich.
102. Die Erklärung von en regardant „indem ich mich um-
sehe" ist sehr unwahrscheinlich. Der Gedanke ist: „meine Ge-
danken und Blicke richten sich fortwährend auf sie", vgl. v. 107 — 8.
122. Als Etymon von sire ist nicht senior, sondern *sejor
anzusetzen.
171. li maus d'amer me ticnt. Dazu wird bemerkt: „Tenir ist
neben demeiier ein sehr gebräuchlicher Ausdruck von der Liebe,
die Jemanden beherrscht." Ich kenne wohl demencr duel, joie u. dgl.,
von Personen gesagt, aber die hier behauptete Bedeutung des
398 VERMISCHTES. I. ZUR TEXTKRITIK.
Vcibiiras ist mir nicht bekannt, dürfte auch wohl kaum „sehr ge-
bräuchlich" sein.
202. // vilains H fii a Vcstrivier soll bedeuten: „der Bauer
war an seiner Seite". Es heifst einfach: „er kam zu ihm an den
Steigbügel, d. h. war ihm beim Absteigen behülflich".
221. „Aiisi co?)i ,,als ob" hat immer den Conjunctiv nach sich;
nfrz. comme si c. Ind." Diese Worte lassen die Deutung zu, dafs
„wie wenn, als ob" im Afrz. nicht durch com se ausgedrückt würde,
während dies gerade das gebräuchliche ist.
271. De mi ne cuü je qiiil ait komme Qiii soit 7nananz de si a
Romme A ctii ü soit pis avenu. De mi soll von pis abhängen , das
erst zwei Zeilen später folgt. Dies ist nicht möglich; vielmehr be-
deutet de hier, wie mehrfach, „in Bezug auf", während das zu
„übler" gehörige „als mir" sich aus dem Zusammenhange ergiebt.
284. esc'ient in mien escient ist nicht von sciente, sondern von
sciendum abzuleiten.
304. qiiani ce vint au congie prendre, La pucele . . les avoit a
dien comandees. Die auffällige Verwendung des Plusq. hätte hervor-
gehoben werden müssen. Dies Tempus findet sich nämlich im
Afrz. zuweilen als erzählendes Tempus, also in der Bedeutung des
D6fini oder des Perf., z. B. Entre ses dens k p?-insi a dolouser Et
avoit dit la hele motilt sotief: Taut mar i fii Jourd. de Bl. 1406 sq.
Ebenso auch das Passe ant., z.B. Enveie fw-cjit li ovrier; Granz
lastimenz . . / orejit fait (== firent) en poi de tens Ducs de Norm.
10990; Et Renars s'en vet meinlejiant; Mais il nout gaire ale avant,
Ainz jure .. qiiil ejigignera son cotipere Ren. 11, 82 u.a.
II, 24. // «I? pooit trover nuhii Qii^il ne feist honte du cors „ohne
dafs er einen Schimpf am Leibe angethan hätte, nämlich am Leibe
des Betreffenden". Der Hrsg. fafst also que als modale Con-
junction; wäre dies jedoch richtig, so würde unzweifelhaft ein h
in dem Satze eingefügt sein. Que vertritt hier vielmehr den Dativ
des Pron. rel., also cui, was auch sonst vorkommt, z. B. Qui est eil
sires, gardez nel nie celez, Que je voz voi si grant joie mener? Am.
et Am. 274g; Pour Vamour Corbarant do?i mist sus träisojt Bast, de
Bouillon 556; ähnlich ib. 6494 u. ö.
53. In tant par fust de put afere soll tant sich auf den Inhalt
des Ganzen beziehen, par dagegen zu de put afere gehören. Beide
aber verhalten sich ganz gleich, denn auch par kann zur Ver-
stärkung eines Verbalbegriffes dienen, vgl. Cist duels Pavrat encui
par acorede Alex. 400. Mit tant vereinigt: David, cui Deus par
amat tant ib. 7.
81. ,,Que gehört zu si \n v. 78." Danach würde es heifsen
„so, in solchem Grade ist Charfreitag, dafs .."; que ist vielmehr
consecutiv zu fassen.
10 1. Im Altfranz, kann der Imperativ auch dann sein Pro-
nominalsubject bei sich haben, wenn es sich nicht um einen Gegen-
satz handelt, z. B. tu garis hui mon cors Aiol 6891; vous penssez de
Vesploitier Fabl. 1, 40; dites, nel vos celez ja Clig^s 1606 u. a.
A. STIMMING, Zu SCHULTZ-GORA, ZWEI AFRZ. DICHTUNGEN. 399
114. iie hat die Bedeutung „und" doch nur in bestimmten
Fällen.
225, oraiiojiem ergab nicht „regelrecht" oraison, das vielmehr
jünger ist; s. Rom. i8, 551 Anm. i.
260. Das / in dant (dominum) ist anders zu erklären als in
tirant, wo einfach Suffixvertauchung vorliegt.
300. „ja riens dire ne morrez."' „Si fcrez^ Man vcrmifst einen
Hinweis auf das auffällige ferez, für das man /erat erwartet. Es
ist also construiert, als ob der Ritter gesagt hätte: rietis ne dirai.
303. en bedeutet nicht „von Eurem Leben", sondern „von
Euch", wie v. 496 „von mir".
434. le reboute Eti la foniaine por emplir. Der pronominale
Acc. le soll bei emplir angeblich deswegen fehlen, weil er als un-
betontes Pronomen nicht vor dem Infinitiv stehen konnte und nach-
gestellt Reim und Metrum zerstört haben würde. Eine sonderbare
Begründung! Die in Rede stehende Auslassung entspricht viel-
mehr dem afrz. Sprachgebrauch und hat vermutlich darin ihren
Grimd, dafs die substantivische Natur des Infinitivs damals noch
deutlicher empfunden wurde; einige andere Beispiele: gmitif ala au
monstier, Moult i ot dammes por convoier (zum Begleiten) jourd. de
BI. 2374; as forces le meinent por pendre Ren. i, 1835; Tot en sm
je pres de desfendre (sc. mich) ib. 6, 507; // cuens dut la detnoiselle
espouser, et li dut on amener pour espouser Joinv. 80 u. a. .
435. Atnz . . ne. Es liegt nicht ainz (antius), sondern ai7ic-\-s
vor, vgl. 535, 567, 583.
492. Wenn im Reim die Form ent (inde) vorkommt, so handelt
es sich nicht um blofsen Augenreim, sondern das / wurde doch
unzweifelhaft auch gesprochen.
495. Se vous de moi öez parole, Ne leur en dites nule escole.
Bemerkenswert ist das leur, das der Verfasser braucht, gerade wie
wenn er vorher gesagt hätte: „wenn die Leute von mir sprechen,
nach mir fragen"; vgl. Anm. zu v. 300.
637. ausi que tout le häisscnt, Le ledcngent et escharnissent. Die
Stelle ist mifsverstanden worden, denn ausi que wird im Glossar
durch „so wie" übersetzt und häissent in der Anm. als Inchoativ-
form, also als Präsens, erklärt; ausi que heifst hier aber „wie wenn"
(s. Klapperich, Bedingungssätze im Afrz. S. 26), und daher ist häissent
höchst wahrscheinlich der Conj. Imperf. Anders verhält es sich
mit: Se Sarrazin fi'ussent pris, S'es tu assez povres et 7ius, das mit
„Angenommen, dafs die Sarazenen dich gefangen (und ausgeplün-
dert) hätten, so bist du doch (dafür) recht ärmlich und entblöfst"
übersetzt wird. Hier handelt es sich um die anakoluthische Con-
struction, welche Tobler in seinen „Vermischten Beiträgen" 11, 92 sq.
bespricht.
732. Que t^ai mesfct? Hierin wird que für ein interrogatives
Adverb im Sinne von „inwiefern, warum?" erklärt. Es ist jedoch
neutrales Pron. interr. und Accusativobject, da mesfaire ein transi-
tives Verbum ist; vgl. v. 848.
400 VERMISCHTES. II. ZUR WORTGESCHICHTE.
78g. Lesse moi , . en aventure. Aveulure wird durch „Ungefähr"
übersetzt. Es heifst aber auch hier, wie gewöhnlich, „Gefahr, Not,
traurige Lage", da der Klausner ja mit dem unglücklichen Manne
tauschen will.
Zu V. 977 — 9 Si s'eit issi (sc. die Seele aus dem Körper) si
escuree, Si ires nete et si esmeree Quil 71 i remesi pechie ne lache wird
die Anm. gemacht: „Logischer wäre es gewesen zu sagen: Die
Seele war so gesäubert, dafs kein Flecken an ihr geblieben war,
und so rein trat sie aus dem Körper heraus." Es ist nicht klar,
worin sich dieser Gedanke von dem des Textes unterscheidet, das
/ in V. 979 bezieht sich doch auf die Seele.
Zum Schlufs erwähne ich noch, dafs auch die Interpunktion
an einigen Stellen einer Besserung bedarf und dafs mehrere Druck-
fehler stehen geblieben sind.
Albert Stimming.
II. Zur Wort?escliiclite.
I. Französisch envoye.
Tiernamen, namentlich die Bezeichnungen vieler Reptilien
bieten dem Etymologen oft schwer entwirrbare Probleme. Die
relative Gesetzmäfsigkeit, die wir sonst zumeist im sprachlichen
Leben antreffen, fehlt hier, volksetymologische Umdeutungen, Mifs-
verständnisse, Wanderungen von einem Orte zum anderen, wohl
auch absichtliche Verdrehungen spielen eine so grofse Rolle, dafs
man sich vielleicht fragen kann, ob es sich verlohne, auf Kleinig-
keiten einzugehen, w'ie die ist, die ich hier bringe.
Dafs frz. etivoye mit anguis zusammenhänge, hat zwar noch
nicht Littre, wohl aber Prinz L. L. Bonaparte erkannt, ohne sich
freilich über das Suffix zu äufsern, vgl. dessen im folgenden ver-
wertete Zusammenstellungen von romanischen Namen der 'Blind-
schleiche', Transactions of the philological society 1882 — 1884
S. 322 — 324; sodann hat A. Plorning aus Anlafs von lothr. ävö
bemerkt: 'Die Endung führt auf Suffix -ensis oder -ori/an, das sonst
freilich zur Bildung von Tiernamen kaum verwendet zu werden
scheint (vgl. etwa piitois). Damit identisch ist dävud, das ich in
Jung- und Alt-Münsterol hörte. Contejean hat danvoi, Littre em'oye.
Vielleicht ist das Wort eine Ableitung von angiiis' (Zs. IX, 510).
Erhalten wir also auch hier keine oder wenigstens nicht be-
friedigende Auskunft über das Suffix, so geht nun C. Salvioni weiter,
indem er, das Wort auch im Provenzalischen und in Piemont nach-
weisend, angueiiim ansetzt (Zs. XXllI, 5 19). Ich habe dagegen zu-
nächst morphologische Bedenken. Gewifs kann sich -ctimi auch
mit Tiernamen verbinden und kann sogar, wie Salvioni zeigt,
Diminutivbedeutung annehmen, aber die Voraussetzung bleibt doch
immer der Begriff der Herde, der Menge. Nun ist dieser Menge-
begriff" zwar bei Mücken, Ziegen, Wölfen, den von Salvioni bei-
W. MEYER-LÜBKE, FRZ. KNVOYE. 4O 1
gebrachten Parallelen, ja ohne weiteres zuzugeben, nicht aber bei
der }31indschleiche, die, soviel nair bekannt ist, sich zumeist einzeln,
seltener truppenweise findet. — G. Körtings Reihe dngvia, angvta
(Lat.-Rom. Wb. Nachtr. Nr. 559) sei der Vollständigkeit wegen hier
noch genannt. Einer Widerlegung bedarf sie nicht.
Ich habe Rom. Gramm. I, 84; II, 418 auf Dialektformen hin-
gewiesen, die mir auf '*LmgtüUu statt cjigiülla zu beruhen schienen,
und damit auch envoye zusammengebracht, was Salvioni offenbar
entgangen ist, obwohl envoye sowohl im Wortverzeichnis als auch
im Sachverzeichnis bei den Lehnwörtern aus INIundarten verzeichnet
ist. Dafs anguilla, nicht angiälla anzusetzen ist, steht aufser Zweifel.
Gerade das mit e scheinbar widersprechende bearn. anele ist mit
afigullla schlechterdings unvereinbar, da // zu r geworden wäre, ?ig
sich gehalten hätte. Wie cstele aus Stella, ule aus ölla zeigen, verlangt
intervokalisches /, das auf lat. // beruht, langen Vokal, also anguilla,
daraus anguila, sodann wie vila zu viela auch angidla zu anguiela,
daraus weiter angiela, mit Tonverschiebung angiela und schliefslich
aiiele. Auch bologn. anguella zeigt ganz regelmäfsig e aus romanisch
gedecktem /, endlich fri. migiidele, ven. anguela zeigen auch sonst
Abweichungen, so dafs sie nicht weiter in Betracht kommen.
Die mir bekannt gewordenen Formen nun sind die folgenden:
lothr. ävv (A. Horning Zs. IX, 50g, Ostfranz. Grenzdial. Glossar),
dävuä; Montbeliard äve, däve, dävue (Bonaparte, die dritte Form
auch Contejean); franche-comt. äve (Dartois), ävo, äva, äve, däve,
dävue, ^Jw (Bonaparte) ; Fourgs äva (Tissot); hnig. lavö, m.oiw. iävia
(de Chambure), Yonne lävo (Jossier), Forez anivei (Gras), delpli.
argeu (Bonaparte), «r^t*/ (Mistral) , \\'a.ai\. ävue (eb.), genf. läzvi (eh.),
Vionnaz äve (Gillieron), Albertville lävi'u (Brächet), tarant. äviü
(Pont S. go), nprov. arge/, urgei (Mistral), urgel' , urgel, urgüei
(Bonaparte), piem. anvei; berry. ägii, lägii, anö, anö^ (Bonaparte),
poitev. ägenöi, a?iüei, anöi (Laianne), saintong. niöl (Bonaparte).
Was sich aus dieser Uebersicht zu allererst ergiebt, ist zweier-
lei, dafs nämlich das Wort dem Osten Frankreichs angehört, dafs
es sich auf der Grenze zwischen französischem und provenzalischem
Sprachgebiete nach dem Westen hinüberzieht, dafs es von Savoyen
her auch nach Piemont dringt, sonst aber dem italienischen Wort-
schatze abzusprechen ist; und dafs die Form, die irgendwoher in
die schriltfranzösischen Wörterbücher gedrungen ist, falsch sein
mufs, da sie die einzige weibliche ist: sie ist ein mifsverstandenes
Vävoä oder Väviie irgend einer Mundart, kann also für die Frage
nach dem Suffixe gar nicht in Betracht kommen.
Nicht auf e beruht zunächst lothr. ävö. Hornings Ansatz von
1886 beruht auf einer mangelhaften Kenntnis des Lothringischen,
auf die nicht mehr angewiesen zu sein wir Horning selber ver-
danken. In den ostfranzösischen Grenzdialckten nämlich lernen
wir, dafs e zu U nur dem nördlichsten Striche angehört, während die
südlichen nach Labialen wie also hier w§ zeigen, vgl. pwer (pera),
mw§ (mese) in Rupt-sur-Moselle, vvü§r (vitru), fwer (feria), five
Zeitschr. f. rom. Phil. XXIV. 26
402 VERMISCHTES. II. ZUR WORTGESCHICHTE.
(vice) in La Bresse, beides Ortschaften, aus denen ävö belegt ist.
Die Quellen des ö sind hier nur -griti, -oriti, -fl, d. h. ü vor erhal-
tenem Konsonant, vielleicht auch / in derselben Stellung, vgl. ^nds
(junicia) in La Putroye (Grenzdial, § 76). Von allen diesen Grund-
lagen kann nur die letzte in Betracht kommen: anguilla über ävil
zu ävil, ävöl, ävö. Eher könnte man bei montb. dävnd an -elu
denken, da na hier der reguläre Vertreter von e ist. Allein die
Nebenformen mit e und die östlich nicht fernen in der Frei-
grafschaft weisen darauf hin, dafs entweder *anguittu zu Grunde
liegt oder dafs at}gu-\-x durch oivei beeinflufst wurde, also ävi
und nun mit einem weit verbreiteten Einflüsse von v auf folgendes
e auch äviie. Den nämlichen Typus zeigt auch die Form aus
Fourgs, da hier e stets zu a wird. Ueber bürg, lävo vermag ich
nichts Sicheres sagen. Es schliefst jedenfalls -etu aus und dasselbe
gilt natürlich von yon. lävo und von morv. lävia, welch letzteres mit
fia aus filius reimt, sich aber von aneä aus agnellus und sulä aus
soliclus scheidet, also mit Sicherheit auf angtiillus weist. Ob for.
atiivei überhaupt hieher gehört, ist fraglich, sein Ausgang sehr viel-
deutig, delph. argeu entzieht sich ebenfalls meiner Beurteilung,
jedenfalls aber enthält es kein /. Waadtl. ävtie dürfte kaum mit vue'i
zu vergleichen sein, das Odin Phonol. des patois du cant. de Vaud
S. 34 für den gröfsten Teil der Waadt belegt, da es dann wohl
anvuait geschrieben wäre, nicht afivuet, doch läfst sich auch hierüber
nichts Bestimmtes sagen, bis die genauere Herkunft ermittelt ist,
vionn. äve kann auf -iliu, -idu und -§lbi. beruhen, vgl. dole 'kleines
Fafs', Fem. doleia, sole (soh'clu), keute {cullellu), nicht aber auf c,
das zu ai wird; vergleicht man V3h aus villa, -?Ö9 aus ida, so ist
auch -ilhi nicht ohne weiteres unmöglich. — Für genf. lävüi scheint
jede andere Grundlage ausgeschlossen zu sein, tarent. äviü ist
wieder nicht zu beurteilen, da der Ausgang -iü in der Pont'schen
Sammlung nur noch in saviü aus satnbucus vorkommt, hier vielleicht
durch Umstellung aus ^savüi entstanden ist. An sich ist wohl
denkbar, dafs dieses iü wie das von Albertville auf -illu zurück-
geht, jedenfalls ist es mit -eltim schlechterdings unvereinbar. Die
provenzalischen ^/-Formen endlich scheinen wie die piemontesische
auf -idu zu beruhen, doch hat jedenfalls in urgüei sich der Ver-
treter von ociilus hineingemischt. Endlich die westfranzösischen
Formen scheinen wieder durch ociihis bestimmt oder mit -qlus ge-
bildet zu sein.
Noch sei auvergn. arzüi (Mistral), rouerg. ozüel odüel (Bona-
parte) erwähnt, da Salvioni in dem ersteren angiiis zu erkennen
meint, indem er mant. anza damit vergleicht. Allein dieses afiza
bedarf selber noch weiterer Aufklärung, und so mag denn die
Frage vorläufig offen bleiben, wie das z entstanden sei.
Wir haben also eine Anzahl von Formen, die auf -illu hin-
weisen, andere, deren Suffix mehrdeutig ist, andere, die -etlu vor-
aussetzen, einzelne, die auf -jclu oder -eolu beruhen, fast keine,
die unbedingt auf -eium weisen. Da nun -eltu, -eolu, -jclu roma-
W. MEYER-LÜBKE, FRZ. PANNE. 403
nische Suffixe sind, -illu nicht, so wird man die damit gebildeten
Formen als die ursprünglichen betrachten, sobald das Lateinische
den Typus erklärt, die anderen als spätere Umbildungen erklären,
und man kommt so zu der von mir schon vor zehn Jahren ge-
gebenen Deutung aus angiiilhi.
W. Meyer -LüiiKE.
2. Frz. j)anne.
Im Dictionnaire gen^ral werden vier verschiedene panne ange-
führt, nämlich i.a) 'Felbel', b) 'Segelwerk', 2. 'Schmeer', 3. 'Dach-
pfette', 4. 'Hammerpinne'. Was die Etymologie betrifft, so gehöre
I a zu lat. pefijia, i b stamme aus dem Provenzalischen , sei aber
vielleicht ein anderes Wort, 2 vielleicht zu pan, doch widersetze
sich die alte Form patie, 4 von deutschem 'bahn'.
Von diesen Deutungen ist i a wohl richtig und schon von
Diez mit guten Gründen verteidigt, zu 2 habe ich nichts zu be-
merken, aufser etwa, dafs span. pina 'Schafs- oder Lammsfell mit
der Wolle' die Deutung zu bestätigen scheint, dagegen halte ich
die Erklärung von i b, 3 und 4 für unrichtig.
Wäre I. panne in beiden Bedeutungen ein und dasselbe Wort,
so müfste es im Süden e zeigen. Nun findet sich allerdings ein
Marineausdruck prov. pena, ital. ppina, allein nach Rigutini- Bulle
bedeutet es vielmehr 'Pink, oberer Stock der Lateinrahe', auch
'das kleine Segel, das bei geringem Winde ganz oben am Mast-
baum aufgezogen wird'; dazu siz. pinna, nach Traina 'nome di
una piccola vela che si usa quando fa bei tempo' und 'la estre-
mitä superiore dell' antenna', ven. pena nach Boerio '1' estremitä
superiore dell' antenna opposta al carro' und 'quell' angolo della
vela latina che corrisponde alla penna dell' antenna medesima'.
Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, dafs es sich um einen
Fortsetzer von lat. pimia und zwar in der Bedeutung 'Mauerspitze,
Zinne' handelt, vgl. noch portg. pennas 'Enden der Segelstangen',
wobei gleich erwähnt werden mag, dafs portg. pen7ias do moinho
'Schaufel am Mühlrad' dem \dX. phmae in derselben Bedeutung bei
Vitruv 10, 5, I entspricht.
Wäre es an sich nicht ganz undenkbar, dafs das frz. panne
diesem pnina entspräche, obschon die Bedeutungsentwickelung et-
welche Schwierigkeit bereitet, so zeigen doch die verwandten
Formen im Süden, dafs ein ganz anderes Wort vorliegt. Man sagt
nämlich auch ital. meitere in panna una nave 'ein Schiff back legen',
mettere vi panna le vele 'die Segel beidrehen', Traina erklärt meUiri
in panna mit 'disporre le vele, che una parte di esse faccia avanzar
il bastimento e l'altra lo faccia retrocedere', ebenso gen. vielte in panna.
Also hier liegt ein Wort mit a vor, am ehesten ein Kollektivplural
von Pannus, das die Bedeutung 'Segel' hätte. Allerdings hat die
Sache einen Haken. Die ja zweifellos sehr nahe liegende Be-
26*
404 VERMISCHTES, II. ZUR WORTGESCHICHTE.
deutungseinschränkung des Wortes paimus finde ich nur im Porlu-
giesischen, vgl. panno de vela 'Breite eines Segels', navegar a oder
C0771 lodo 0 patino 'mit vollen Segeln schiffen', dar panno s 'die Segel
beisetzen', correr a iodo panno 'mit vollen Segeln fahren', wohl
auch por-se a panno ' ausreifsen ', und gerade im Portugiesischen
fehlt panna. Vielleicht erklärt sich die auffällige Erscheinung nur
aus einem Mangel der mir zugänglichen Dialektwörterbücher.
Panne 3 ist identisch m\\. panne 'Querbalken unter dem Triumph-
bogen am Eingange des Chores zur Aufstellung von Kerzen' (Sachs),
bei Du Gange penna und panna. Die Bedeutung weist auch hier
2i\xi pinna 'iNIauerzinne'.
Endlich panne 4 bezeichnet im allgemeinen das, was wir im
Deutschen als Pinne bezeichnen, also den vorderen Teil des
Hammers, nicht die flache Rückseite, die 'Bahn' heifst, so dafs also
begrifflich die Zusammenstellung nicht geht. Nur beim 'Schmiede-
hammer' entspricht panne entgegen dem sonstigen Brauche der
'Bahn', ohne dafs ich den Grund dafür angeben könnte. Die
Pinne heifst nun aber auch auf italienisch petma, siz. pinna, und
damit ist jeder Zusammenhang mit 'Bahn' ausgeschlossen. Selbst-
verständlich deckt sich aber frz. panne, ital. penna mit dem deutschem
Worte, das, trotz der mir im Anlaut nicht ganz klaren Nebenform
'Finne', lateinischen Ursprungs sein wird und wiederum ZM.i pnma
führt, das wir danach wohl schon als die lateinische Bezeichnung
des betreffenden Hammerteils betrachten dürfen und das natürlich
wieder identisch ist mit pinna 'Schwanzfeder'.
W. JNlEYER-LÜBKE.
3. Nfr. j^ieter, pieton, afr. pietaüle.
Das französische pü^/er bedeutet 'laufen, rennen' von der
Wachtel, der Schnepfe, dem Rebhuhn, sodann beim Kegelspiel
'Fufs halten', in der Färberei 'einen blauen Grund zu Stoffen
geben', in der Gärtnerei 'den Rasen ganz unten abschneiden', in
der Marine 'die Ahming (ein in Fufs geteiltes Mafs) am Vorder-
und Hintersteven machen'; endlich se pieter 'sich steifen, sich auf
die Hinterbeine stellen' und danach nun auch objektiv 'jemanden
zum Widerstände bewegen'.
Im Dictionnaire gen^ral wird für alle Bedeutungen (die drei
letztgenannten giebt es übrigens nicht an) pied mit jenem / ange-
setzt, das seit dem XV. Jahrh. je länger je mehr zwischen vokalisch
auslautenden Stamm und vokalisch anlautendes Suffix tritt. Kann
man dem im ganzen beistimmen, so möchte ich doch das erste
pieter ausnehmen und darin vielmehr eine Bildung wie voleier oder
besser wie jambeter, coeter, culeter, latigtieter, haleter aus aleter
(A. Tobler, Sitzber. d. Berl. Akad. 1893, 17 f.) sehen, eine Annahme,
zu der mich die Bedeutung sowohl wie die bei Godefroy aus dem
XV. Jahrh. belegte Schreibung pielter veranlafst.
W. MRYER-LÜP.KF, NFR. PIETFR, PIETON, AFR. PIETATLI.E. 4O5
Auch in pieton vermag ich nicht dieses / zu sehen , freilich
noch weniger mit Diez und Körting peditone, da man ja doch das
französische Wort nicht wohl von lat. pedo, ital. pedotie, prov. pezö
trennen kann, da es aufserdem erst im XIV. Jahrh. begegnet, d. h.
zu spät, um ein nicht belegtes peditone zu rechtfertigen, zu früh,
um ohne weiteres als pie-t-on gefafst zu werden. Ich denke mir
die Sache vielmehr folgendermafsen. Von lat. pedes pedilis ist in
vorfranzösischer Zeit *pediiah'a 'Fufsvolk' gebildet worden, daraus
mit Anlehnung an piet das afr. pietaille. Daneben stand afr. pio7i
'Fufssoldat' aus pedone, das dann später unter Einflufs von pietaille
zu pieton umgestaltet wurde und in dieser Form bis heute geblieben
ist, wogegen pietaille sich verloren hat.
W. INlEYER-LÜHKe.
4. Tremousser.
Ebenso wie Bugge Rom. III, i6o bei vrille nahm Paris Rom.
VI, 133 une r simplejiient epenthitique im Anlaut einer Reihe franzö-
sischer und genug anderer romanischer Worte an. Mit diesem r,
das eintritt, wo es ihm Vergnügen macht, und die Worte meidet
welche ihm mifsfallen, haben sich ausführlich Geijer und Euren
beschäftigt; sie erklären (Recueil Paris 12) breuille aus hotiiliis u.s. w.
als une certaine tendence ä renforcer le son initial de ces mois. Paris
Rom. XIX, 119 lehnt nunmehr die Mehrzahl ihrer Fälle ab, fügt
aber einige neu hinzu, und beschränkt das r adventice auf b-, _/-, v-,
zweifellos hervorgerufen durch den häufigen Wechsel von ler-, fer-,
ver- mit bre-, fre-, vre-A Im Gegensatz hiezu sieht Tobler die
Sachlage ungefähr im Sinne Eurens an, wenn er Berl. Sitzungsber.
iSgö, 860 tremousser aus iumultiare gewinnt. Es ist somit ange-
zeigt nochmals auf die Sache zurückzukommen, umsomehr als sie
auch über das Romanische hinaus für die Beurteilung von engl.
spcak deutsch sprechen und anderes von Bedeutung ist. Wir be-
schränken uns dabei auf die erbrachten Belege.
Von aufserfranzösischen Fällen ist innerhalb dieser Erörterung
nur frnstagno neben fustagno ausdrücklich genannt worden , ein
entlehnter Stoffname, bei dem das • vorzugsweise vom Tuch ge-
brauchte heimische frusto sich einmischt. Die französischen sind
nach Euren breuilles, broue, briiler, fronde, fringale, /res tele, fr eine he,
gringalet, tresor, vrille. Breuilles im Garin ist, falls es wirklich
existiert, mit Paris als Kreuzung von buille boille — botula mit
brouaille zu fassen, dessen Herkunft von dem Glossenwort burbalia
schon M6nage bemerkt hat. „Altfranz." broue für boiie mufs, bis
es belegt wird, als neuer Schreib-, Druck- oder Lesefehler gelten.
Von einem *bustulare ist im Romanischen nichts zu sehen, und
Storni hat deshalb bei der Bildung von brusciare briiler etc. überall
1 Seine reichhaltijje Besprechung des inlautenden -r- bewegt sich er-
ledigend im Sinn der folgenden Darlegung, so dafs es, bei Reserven im Ein-
zelnen, nicht nötig ist im Ganzen darauf zurück zu kommen.
406 VERMISCHTES. II. ZUR WOKTGESCHICHTE.
starke Einwirkung von deutschem hrunst angenommen: richtiger
wäre gewesen comhirere ganz aus dem Spiel zu lassen und zu
sagen, dafs in Italien aus dem dort als hrusta erhaltenen german.
Femin. brwists ein *brush'are, daneben in Italien und Gallien unter
dem Einflufs des rumänisch erhaltenen iistulare ein brtisiulare ge-
zogen wurde. Fronde für fonde tritt erst in einer Zeit auf, in der
die Wurfmaschine aufser Gebrauch kommt (die Handschleuder ist
überwiegend eslüigue) und steht unter dem Einflufs des ii^iX. fromha,
das bekanntlich romha-\- fonda ist; schon etwas früher \s2cax fran-
dole, flondel/e aus frojiihola. „Frmga/e est tm mot empninte dans ce
such mix parlers meridionaux, ou il existe ä cdie de fangale fangane,
lesquels paraissent se raiiacher au grec fpäyaiva (paytöaiva: l' In-
sertion de Vr ici tuest pas franfaise." Sie würde uns trotzdem
interessieren. Aber ave la fn'ngalo stammt deutlich von fringoida
(di^x. fritigaler, ftingue etc.) in der Wendung hu vcntre me fringouia
„k venire me grille'''' und nicht von dem in seiner Herkunft ganz
dunkelen fangano.'^ Ueber freluquet s. Paris 1. c. Fresiele hängt
nach demselben mit dem Krankheitsnamen yr^j/^ — festre — festle
zusammen. Es ist das jedenfalls so aufzufassen, dafs, wie medici-
nisches fistula statt ßsla im spätesten gallischen Vulgärlatein be-
stand, auch durch irgend welchen gelehrten Einflufs ein fistulella
statt fistella existiert habe. Das Warum ist nicht ganz klar, um
so mehr als die fistula des Glasbläsers (Theophilus) die regel-
mäfsige Vulgärform in feie zeigt.^ Aber gehören die Worte über-
haupt zusammen, so ist jene Auffassung zwingend; die Bevorzugung
des Diminutivs kann sich als kirchliche Differenzierung erklären,
da hier noch die fistula als Abendmahlsröhrchen im Gebrauch war;
die Ursprünglichkeit des -s- wird gegen fretel Wace Brut 10829
durch I. Reg. 10, 5 gesichert. Fatnfrcluche, freluche gehören aller-
dings mit ital. faiifaluca, aber auch noch mit verschiedenen bei
Körting 3120, 3135, 3144 unter falschen Köpfen erbrachten oder
fehlenden Worten zusammen, einer Benennung des vom Wind ge-
tragenen Kleinzeugs, Stamm falfal oder far/ar, bei dem Kreuzung
zwischen Differenzierung und erneuter malender Reduplicatiou
mannigfache Varianten hervorgerufen hat; das r ist hier nichts
weniger als epenthetisch. Troviper gehört zu triumphare, wenn auch
nicht mit der von Settegast angenommenen Begriffsentwickelung. Es
ist von der den liturgischen Schriftstellern geläufigen Bedeutung
der dreimaligen Wiederholung desselben musikalischen Satzes aus-
zugehen — Boucherie, Vie de Ste. Euphrosyne 52 erinnert dazu an
^ Das griechische Etymon haben die Aerzte schweilich in anderer Be-
deutung gekannt als die latein. Wörterbücher: pliagedaena, espece d'uicere;
fangalo ist wohl das ältere, entspr. irz. faimvalle , faimcalle , -ano durch
famcanino bestimmt, -galo, -calle erinnert an galagu, galavard, galie, ga-
lafre, alle = goulu; --valle, schon in Thebes, ist deutlich gleich gale. Ge-
fördert wird man durch diese angenehme Reichhaltigkeit der Ueberlieferung
in gar nichts.
* Ein bemerkenswertes Zeugnis für das Fortleben der Technik auch im
Norden,
G. RAIST, TREMOUSSER. 4O7
den Gesang der arvalischen Brüder. Wie triumphare atittphonani etc.
mufs man man auch triumphare hucinam gesagt haben ; das Verbum
löste sich dann ab. An Stelle der ziemlich spät auftretenden vrille
(bem. neben vrii/ce Winde auch die Form vreille) steht fraglos älter
in beiden Bedeutungen eine lat. vitida > veticla entsprechende Form,
für Ranke ville bei Cotgrave, und vehille a. d. J. 1542 bei Godefroy
s. V. nille, für Bohrer im 14. und 15. Jh. in Urkunden und Roy
RIodus (Ste. Palaye und Ducange s. v. vigilid) vnile, vcille (o. veilk'i),^
vislc, veilleite, vilklte, und vil/ebrequin.'^ Daneben hatte aber *virare
genau denselben Begriff entwickelt, wie das von viii's völlig unab-
hängige vroncelle (gleichbedeutend mit vreille, vrillee) zeigt. Vriller
viridare wird nur die Bedeutung ranken gehabt haben, womit sich
erklärt, dafs es erst bei Richelet [variile; Littre) zum Vorschein
kommt. Die Bevorzugung durch die Orthoepisten erfolgte wegen
vi/Ie — villa; nur vilehreqidn durfte etwas beschädigt weiterleben.
„Gringa/ei'^ ist ein rein litterarischer Irrtum bei dem poetischen, durch
die lesenden Klassen eingeführten Fremdnamen, 3 der auf der
graphischen Identität des abgekürzten gtii mit gri beruht, die
mittelalterlichen und neuen Kopisten mehr als einmal gefährlich
geworden ist. „Tresauriis^' findet sich romanisch zwar nur an
Stellen, an die es aus Frankreich kommen konnte; aber sein hohes
Alter wird durch das Germanische festgestellt, altsächs. irestihüs,
ahd. ireso, iresohus, treso/az, mhd. trese u. s. w., nie ohne das -;--.
Einmischung von Irans halte ich für völlig ausgeschlossen, es fehlt
ja jede begriffliche und funktionelle Beziehung, jede Kontaktfläche.
Der festländisch-germanische Stamm Iresji wird wohl entlehnt sein,
auf einem Weg und unter einer Analogiewirkung, die sich nicht
mehr bestimmen lassen; aber von ihm erst ist das -r- in das
Französische und Romanische gedrungen. G. Paris, während er
sich gegen alle erörterten Fälle ablehnend oder skeptisch verhält,
nennt seinerseits bruc, brar und refreitoir, „ei beaucoup d'exentples
dans les patois^^. Das nur Durmart 633g vorliegende brars ist, falls
echt, Praesonanz. Zu dem afr. bru (Benoit, Norm. II, 27536), bur,
burc (Foerster zum Lyon. Ysopet 486 und Gdf. bu) kommt noch
das von Ducange-Carpentier Bruciis aus einer Urkunde v. J. 1385
erbrachte ,,/<z poinle du coiistel liii entra en (1. eti) corps en la parlie
de son venire cn (1. eii) Heu que on dii bruschei ou environ^^', also ein
recht altes Diminutiv mit auffällig enger Bedeutung, neben dem
ein biichei fehlt. Aufserdem bietet das Prov. brusc (P. Cardin.), brut
(Fierabr.), daneben für buc Bienenstock brusc (Rayn. II, 267), wäh-
rend ihm gleichzeitig riisca auch Bauch bedeutet; endlich steht
^ Die -veilles : cornilles in den Crieries de Paris (Zts. f. vcr^l. Sprachf.
XXIII, 415) gehören schwerlich hierher, da sie eine Handels- und Efswaare
sein müssen.
2 Rob. Etienne u. s. w. , zweifellos Zusammenset zun<^ mit dem dunkeln
brequin; vibrequin s. XV bei Littre, vibriquet Gdl. sind lautlich klare Ent-
wicklungen, daher span. bcrbiqtii; catal. belabarqiii mit Wahrung des l. Vire-
brequin mit Anlehnung an virer.
^ Einer der kleinen festen Punkte in der Geschichte der Tafch'unde.
408 VERMISCHTE?. II. ZUR WORTGESCHICHTE.
hier Irucar und hiircar für afr. buqucr. Man kann weder von
einer analogischen Begriffserweiterung von riisca noch von goth.
brtisis ausgehen; aber dafs hier Analogiewirkungen vorliegen und
nicht etwas Lautliches ist ganz evident. Refreitoir nebst den zahl-
reichen Verwandten beruht dagegen auf einem ganz deutlichen
psychologischen Vorgang; zwischen geläufigem Praefix und Suffix
pflegt ein geläufiger Stamm zu stehen: 7-efaitour, refraitour, refrolor,
refrictur etc. zeigen wie das Wortgedächtnis unwillkürlich nach
einem solchen sucht.
Nach diesem völlig negativen Ergebnis würde man, um tre-
mousser aus "^teinotisser zu ziehen, eine Analogiewirkung nachweisen
müssen. Bei tresmuer ist der Bewegungsbegriff franz. und prov.
ein anderer; burgundisch se tremiiai für sc r emuer (Godefr.) unter-
steht jungem Einflufs von refnuer. Eher würde tremhler — tremir
passen. Indessen vermifst man einen Beleg nicht nur für temöiisser,
sondern auch für die an sich mögliche Begriffsverschiebung: der
fehlenden Zwischenglieder sind zu viele. Das von Meyer -Lübke
befürwortete ^iranstjioviiiare hat von vorne herein denselben ent-
scheidenden Grund gegen sich wie das von Diez angenommene
*transmoiiare; es konnte hier nur stimmhaftes s entstehen, wie in
Qcutiare und minutiare, transmovitiat wäre tremovoise, iransmovUiare
tremovisier und tremovoisiet-^ geworden. Viel eher liefse sich von
afr. tremuele Erdbeben (einmal bei Godefroy, vgl. ital. tremuoio) aus
ein tretnoler erschliefsen , das nach barboter barboicsser, esclabotcr
esclabousser"^ Suffixvertauschung erlitten hätte. Im erweislichen Zu-
sammenhang indessen steht das Wort mit dem von Paris Rom.
XXV, 623 vermuteten treniie trhnodia; trimticiwn vom Mühltrichter
bei Ducange stellt das sicher. Die verschiedenen Varianten von
mlat. trimodia, neben iremoea (12 17), tremida (so zu lesen statt
tretimid) auch tremula, iremellum (afr. ire77iel), tremiüa (1164), dazu
afr. tremoire, zeigen zugleich dafs tremere"^ und selbst das ange-
zogene tremuete hereingespielt haben.
Man wird nach diesen Resultaten auch für die aus den franz.
Patois noch zu erbringenden scheinbaren Epenthesen eine andere
Erklärung suchen als die aus dem häufigen Wechsel zwischen ber-,
fer-, ver- und bre-, fre-, vre- (vor Consonant), der doch nur dann
zu bre- aus be- führen könnte, wenn zugleich assimilatorischer
Schwund, bres-, bers- zu bes-, brel-, berl- zu bei- häufig wäre. Ob
man in den bei Kluge, E.W. Wasen zusammengestellten germa-
nischen Fällen an Entstehung eines Uvularen (besser als labialen)
r nach Labialer oder an Assimilation zu denken hat steht auf
^ Wie hattoison, hattison etc. Die Quantität des i ist dabei für das
Franz. völlig gleichgütig, i und l ergeben in dieser Stellung reduciertes e,
das vor einfacher Consonanz fällt, vor jeder schweren bleibt, je nach der
Heimat vor dem mouillierten Laut verschieden entwickelt; der Accent bleibt
notwendig an seinem Ort.
2 Dazu wohl clabosser anscheinend gleich clabauder in Rabelais III Prol.
^ War etwas stärker als afr. prov. tremir erkennen lassen, wie mhd,
tremen „schwanken" zeigt.
G. RÄTST, LODIFR. METIVIER. 4O9
einem anderen Blatt. Die Epenthese existiert nicht. Phot_ lisch
ist bei den französischen Worten nur das eine zu bemerken, dafs
in den Kreuzungsvorgängen r wegen seiner Schmiegsamkeit leichter
überspringt als irgend ein anderer Consonant. Das gilt auch für
die übrigen romanischen Sprachen, mit Einschlufs von Michaelis,
Studien 247. (.^ j3^^g.^_
5. Lodier
Decke wird von Diez II "^ zu deutsch Loden (ags. loÖa, an. höi)
gestellt, lodier Landstreicher eher aus Lotter, ags. loddere, als durch
Uebertragung des ersteren erklärt. Die von ihm vermifste historische
Annäherung der Begrifte wird indessen durch die Bed. einer Tracht
gegeben, wie sie Godefroy definiert „sorie de surcot ample porte par
les gens de petit ^ial" entsprechend seinen beiden ältesten Belegen.
Und man wird sich schwer entschliefsen Homonyme, die erst spät,
14. Jh., und dabei gleichzeitig auftreten, von einander zu trennen,
wenn Berührungspunkte gegeben sind. An sich ist beides möglich,
dafs das Scheltwort von der Tracht, und dafs die Tracht von dem
Scheltwort komme, näherliegend das erstere, von Diez ausschliefs-
lich erwogene. Ganz ausgeschlossen wird Herleitung der Tracht
vom Mann durch die Uebereinstimmung der Bed. des frz. Wortes an
jenen Stellen einerseits, andrerseits des ags. loÖa „grober Mantel",
an. lodi „rauhes zottiges Ueberkleid" mit einer angelsächsich - mittel-
lateinischen, der französischen ganz nahe stehenden Form, die bei
Duc. gegeben, wenn auch teilweise falsch gedeutet war. Die Vita
Gutlaci c. 31 (A. SS. März ii) erzählt Mitte des 8. Jh., dafs der
Heilige ein luteritim melotinae getragen habe, entsprechend der An-
gabe ib. c. 16 dafs er weder Wolle noch Linnen mehr gebrauchte;
und übereinstimmend heifst es in der (mir nicht zugänglichen) Vita
S. Aidani 26: Quidani leprosiis peliit ab eo eleemosynam, tum rex
ludarium calvum et fulvum dedit. Also ebenfalls ein Fell als Klei-
dungsstück und von geringem Wert, also Gewand aus Schafsfell.
Ganz klar ist die Sache freilich auch so nicht, da die Endung
ags. dunkel bleibt. Damit aber mufs sich der Germanist ausein-
andersetzen. Q Batst
6. Metivier.
Horning Zts. XIX, 1 04 will afr. mestive auf tnessis aestiva zurück-
führen — als ob die Franzosen eine Winterernte hätten; Paris
Rom. XXIV, 3 1 1 denkt an ein Participium ^inestum von meiere. Das
Wort ist einfach, wie vuteil etc., eine Ableitung von Duc. jnixtum
2 und 6, so entwickelt, dafs mestiva zunächst die Abgabe an Ge-
treide bezeichnete, mesttvare von da aus auch ernten , mestive Ernte
vom Vcrbura aus kam. r-^ -p
4IO VERMISCHTES. II. ZUR WORTGESCHICHTE.
'*'' 7. Tropare.
Mit dem Nachweis von coniropare, contropatio in der Bedeutung
vergleichen, vergleichend bestimmen, schätzen im Westgothenlateini
(Zls. XII, 265) war bei der nicht zu bezweifelnden Zugehörigkeit
zu prov. trobar, frz. irouver festgestellt, einmal dafs die von G. Paris
versuchte begriffliche Erklärung des westromanischen Wortes unzu-
lässig sei, da sie sich mit der Bedeutung des spätlateinischen nicht
in Einklang bringen läfst, dann dafs prov. b frz. i\ entsprechend
der Lautregel, auf /> zurückgehe. JNIan durfte ferner schliefsen dafs
dem Begriffsinhalt nach das Wort entweder lateinisch oder germa-
nisch sein müsse, und eben nach dem Begriffsinhalt auch dafs es
nicht germanisch sein könne, da ein solches gothisch- fränkisches
Abstractum den Germanisten ohne weiteres klar sein würde. Her-
kunft von tropus allerdings glaubte ich ablehnen zu müssen, weil
sich die semasiologische Verbindung in dem gegebenen Rahmen
von Zeit und Gebrauch nicht herstellen lasse; ebenso wie Schuchardt,
Wiener Sitzungsber. 141, 3, 57, der daraufhin hirbare wieder auf-
nahm: während Paris Rom. XVII, Ö25 an dem griech.-lat. Wort zwar
festhielt, aber ohne eine Erklärung geben zu können.
In der That ist auch nicht direkt iropus die Quelle, sondern
TQOJto?Mysiv in der spät kirchlichen Bedeutung allegorice mter-
pi-etari\ dafs dies als tropare latinisiert wurde lehrt das Compositum
bei Arnobius jun. (ca. 460) in psalm. 37: Be7ie qiiidevi voluit attropare,
m beati lob passionem istum psahnum exponendo : sed qui passioneni
lob legere et scire desiderat, melius facit si ipsitm ejus libruin discutiat.
Ducange^ s.v. Adtropare und nach ihm Forcellini erklärt tropice, per
iropologiam loqui, scribere, besser als bei Georges „einen Ausdruck
tropisch nehmen". Denn es ist bei Arnobius nicht mehr ein Wort
oder Ausdruck, sondern ein ganzer Text der in den andern hinein-
gedeutet wird. Solches attropare, ein gutes Stück der Theologie
und der Predigt, erfüllte in gröfster Ausdehnung die christliche
Dichtung, der Bibel und dem Heidentum gegenüber. Die höchste
Aufgabe der Poesie schien es zu deuten und zu umschreiben. Die
Verschiebung des Begriffs, deuten zu dichten überhaupt, enthält
ein Stück Litteraturgeschichte, eine Ergänzung zu Nordens glän-
zender Erklärung des Reims. Das Vergleichen der Urkunden er-
giebt sich aus dem Vergleichen der Bibeltexte, von dort aus weiter
das vergleichende Abwägen, das Abschätzen des Schadens. Die
Entwicklung zu „finden" kann von „dichten", „erfinden" oder von
dem gerichtlichen „schätzen" ausgehen; kann die Verbindung von
invenire und carmeii cotnpoiiere in mhd. vindeti bestimmt haben oder
von ihr bestimmt sein. Wahrscheinlicher ist an sich die Herleitung
^ Einige weitere Belege aus derselben Quelle bei Schuchardt, Wien. Sb.
141, 187 nach Zeumer.
- Er vergleicht aus Guibert, De vita sua I, 16: Ita tnoralem executus
sutn in omnibus tropum (= Paraphrase), nt peiiitus immutato locutionufn
ordine initia continuarentur ac supremum.
G. BAIST, H. SCHUCHARDT, TROPARE. 4II
des deutschen Sprachgebrauchs aus dem nordwestromanischen, aber
nicht sicher, es fehlt die Documentierung. Für Entwicklung in
der Gesetzsprache würde churwälsch tnivar „Recht sprechen" an-
zuführen sein, wenn dies nicht einer der zahllosen dort heimischen
Germanismen wäre, mhd. ein urteil vinden; afr. irouver wie loi ist
eben doch andersartig, irouver le jugement wäre denkbar, ist aber
nicht gebraucht worden. Das einfachste bleibt die Annahme dafs
tropare gleich dem in Spanien ja auch wieder untergegangenen
co7ilropare in Gallien vorhanden war, und infolge der Invasion des
germanischen Rechts abstarb, während der Schöfsling um so leichter
blieb als er sich mit der Nachbarschaft der poetischen Bedeutung
ausgezeichnet vertrug. G. Batst.
Der Verfasser der vorstehenden Auslassung über tropare ist so
liebenswürdig gewesen es zu ermöglichen dafs mit ihr zugleich
meine Erwiderung darauf veröffentlicht wird. Der letztere Ausdruck
scheint auf den ersten Blick nicht zutreffend zu sein, da ich ja
nicht direkt bekämpft werde; aber eben dafs ich nicht direkt be-
kämpft werde, ist das Wesentlichste was ich entgegenzuhalten habe.
Ich habe mich über die methodische Erörterung wortgeschichtlicher
Fragen in meinen Roman. Etym. I und II wie ich denke genügend
ausgesprochen. Sollte trotzdem Jemand meinen dafs sich in ge-
wissen Fällen die IMetamorphose eines Wortes ebenso mit Evidenz,
das heifst durch unmittelbare Beobachtung feststellen lasse wie z. B.
die Metamorphose eines Tieres, so würde er doch sicherlich unter
solche Fälle weder turbare \ trovare, noch *tropare \ trovare einreihen.
Die Begründung des Einen überhebt nicht der Widerlegung des
Andern.
Dem Umstand dafs im lateinischen Wörterbuch ein adtropare
aufgefunden worden ist, vermag ich keine Bedeutung für unsere
Angelegenheit beizumessen. Denn nicht deshalb habe ich trovare \
^tropare abgelehnt weil dieses unbelegt ist. Das zum Romanischen
fortschreitende Latein konnte von jedem Substantiv ein Verb auf
-are bilden; die Ableitung reicht an diesem wie an manchem
andern Punkt an die Allgemeinheit der Flexion heran. Wir brauchen
also adtropare nicht, um * tropare anzusetzen. Wichtig aber wäre
für die Ilerleitung von trovare aus '^'tropare der Nachweis von der
Häufigkeit dieses; den kann wiederum das einmal bezeugte, viel-
leicht nur einmal, als Nachbildung eines griechischen Verbs, ge-
brauchte adtropare nicht gewähren. Es ist die Bedeutungsent-
wickelung von ^tropare \ trovare welche Anstofs bereitet; ich mufs
dabei an das scherzhafte Wort denken mit dem man hierzulande
den Weg nach Amerika beschreibt: „bis nach Judendorf gehts
leicht; dann aber ziehts sich". „Deuten" } „dichten" will ich mir
gefallen lassen; aber für „deuten" j „vergleichen" und noch mehr
für „dichten" } „finden" und für „schätzen" } „finden" verlange ich
Analogieen, nicht mehr und nicht andersgeartete als ich sie für
„stören" } „finden" beigebracht habe. Die Beziehung auf das mhd,
412 VHRMlSCmES. 11. ZUR WORTGK5-CHICHTE.
vindoi versiehe ich nicht; dieses ist ja von der allgemeinen Be-
deutung („finden") zu den besondern („Verse finden" und „Recht
finden") gelangt, nicht umgekehrt.
Nun noch einiges Untergeordnete. Zunächst: setzt adtropare
mit Notwendigkeit ein *tropare voraus? ist nicht eher adtrop-are als
ad-tropare abzuteilen, wie ja adaer are, adaquare, appectorarcy assolare
u. a. (von romanischen Fällen wie ^adripare zu schweigen) nicht
auf *aerare, *aquare u. s. w. beruhen, sondern auf ad aes, ad aqiiam
u. s. w.? Ich vermute dafs es in der That so viel ist wie „zu
einem Tropus machen". Betrachten wir hingegen adtropare als
eine Zusammensetzung von Iropare, so fragt es sich welche Begriflfs-
schattierung ist mit dem ad- verknüpft? Wir mögen nun von
diesem Unterschied ganz absehen und adtropare = tropare und
beide = TQOJzoXoyeTv setzen, so bleiben immer zwei Bedeutungen
möglich: „figürlich reden" und „figürlich verstehen", wie ja auch
aXh/yogeir, allegorizare, alkgorizzare, al/egoriser in entsprechender
doppelter Verwendung vorkommen. Bei der Stelle des Arnobius
(an der übrigens quidam, nicht quidem überliefert ist) bin ich in Un-
gewifsheit, und es scheint mir nicht überflüssig zu untersuchen
welches Verhältnis zwischen den Leiden Hiobs und dem 37. Psalm
angedeutet werden soll. Und ebenso mufs vmtersucht werden
welche von diesen beiden Bedeutungen am leichtesten zu der:
„dichten" hinüberführt; mich dünkt es ist die: „sich figürlich aus-
drücken", und nicht die: „figürlich erklären", „deuten".
Sucht man in trovare ein ^iropare, so müfste man eigentlich
in der gewifs sehr alten romanischen Nebenform attrovare (so ital.
nach Tommaseo- Bellini, wo es als im Ven. lebendig angegeben
wird; altvic. alrobare, altfranz. atrovcr, altprov. kat. atrobar, südfranz.
atrouba) das getreue Abbild von adtropare begrüfsen. Ich für meinen
Teil bin der Meinung dafs die Präposition das imperfektive trovare
„suchen" zu einem perfektiven Verb gemacht hat (vgl. unser auf-
suchen, aussuchen, zusammensuchen), bis dann auch jenes für sich
zu dieser Bedeutung gelangte.
H. SCHUCHARUT.
8. Franz. port. conne.
Franz. port. cormc, Frucht von cor7nier, cormeiro „Sperberbaum"
(sorbus domestica) ist j altgr. xofiaQOV {comaron bei Plinius), Frucht
von xdiiagoc „Erdbeerbaum" (arbutus ünedo). Verwechselung
zwischen Sorbus und Arbutus hat auch sonst stattgefunden (so
neap. suorvo peluso = arbutus u., lothr. erbet, arboua = sorbus d.
[aber altport. ervodo, gal. herbedo == arbutus u.]); formale Vermischung
in morv. berr. genf. rc/-(5^ [corbcrius, 12. Jhrh., bei DC), rover. bresc.
mant. corbll^, raod. curbila = sorbus d. (wegen der Endung vgl. bol.
^ Was ist (sorio) ciavardello = bresc. (corhel) salvädegh G. Rosa
Voc, S. 24?
H. SCHUCHARDT, FKANZ. PORT. COKME. VEN. ANGUELA. 413
sorbel, dass.) und in tosk. corbezzolo (Fr. auch corbezza) = arbutus u.
(das ich somit anders erkläre als INIeyer-Lübke Ztschr. XXIII, 416 f.).
Sorbus hat im Romanischen mehrfache Entstellungen erfahren, z. B.
abruzz. cioreve, friaul. cierbul, logud. superva neben (span.) suerva,
Südfranz, (lang.) serbü, cissotirbi^, (prov.) esperbie, asperbte, (alp.) espa-
rouvie (diese letzten Formen mit Einmischung von aspre, wie umge-
kehrt sourbous die Bedeutung von aspre hat), morv. epeuriaii. Hierauf
beruht das ^Q,\xi?>c\\QSperberba:im [Speierling, Spierling, Sperbe/ u.s.w.),
mit dessen Zurückführung auf mhd. sp'erboiim sich Kluge begnügt.
Das altgr. y.öy,aQOV lautet neugr. 'aoviiüqov (Fr.), davon y.ov-
ftagiä (B.) und weiter xovxovfiaQa, -agicc, alb. kukwnare, bov. cu-
cümmarii, sonst kal. cacmnmaru, siz. aüminim (Traina: agumara),
worüber G.Meyer Alb. Wtb. S. 194 ausführlich gehandelt hat. Die
sizilischen Formen verhalten sich wie die für camomüla, nämlich:
{camiwadda), caciimidda, agmnidda, amnidda; wegen cac- \ coc- s. meine
Rom. Etym. II, 26 f. tr o ,
•^ ' FI. SCHUCHARDT.
9. Ven. anguela,
C. Salvioni Postille italiane S. 4 gibt die lecc. siz. sard. [friaul.]
Form von anguilla an und setzt hinzu: «Ma il ven. anguela (friul.
angudele) dev' essere un acuiella in cui s' e immesso angiiiUa.y> Dem
Zusammenhang nach mufs man annehmen dafs auch ven. attguela
„Aal" bedeute und wegen des dem l nicht entsprechenden e be-
merkt werde; berg. romagn. anguela, mod. bol. anguella sind nicht
angeführt, da sie zu anguilla stimmen. Aber das ven. Wort be-
zeichnet den Ährenfisch (atherina hepsetus), der mit dem Aal nicht
die geringste Aehnlichkeit hat. *Acutella pafst auf den einen Fisch
so wenig wie auf den andern und wird auch in der That durch
das friaul. angudele nicht gestützt; die Friauler haben den Namen
dieses Salzwasserfisches (dessen Auftreten \anguelä\ in G. Nazaris
bellunoschem Wtb. ich nicht recht verstehe) aus dem Munde der
Venezianer übernommen und anguela zu angudele nach der Ana-
logie von baiua : balude u. s. w. umgestaltet. Boerio verrät in zwei
aufeinanderfolgenden Artikeln einige Unsicherheit: i) «Anguela ...
Specie di Aterina, delto da altri Pesce argenlino: benche questo
nome sia dato nel nostro vernacolo ad altro pesce. . . . Pesce mi-
nuto di mare, di laguna e di valli maremmanc, detto da Lin. Athe-
rina Hepsetus.» 2) <Anguela agonä . . . che nell' Istria dicesi Agun,
ed a Trieste Garäl. Pesciatello di mare, eh' e forse una varieLä,
deW At/ierina Hepsetus sopra indicata, benche sia molto piü grande
Neil' Istria e comune, ma raro fra noi.» Bestimmter A. P. Ninni
Giunte e correzioni I, 11: «Anguela — Piccolo pesce comunissimo in
laguna. E il latterino o Atheritia mochon, Cuv. — Anguela de mar
o Anguela agonäda — Atherina hepsetus (L.). Questo piccolo pesce
non fu mai trovato in laguna.» C. de Marchesetti La pesca lungo
le coste orientali dell' Adria S. 42 sagt: «Anguella o Angudella
414 VERMISCHTES. 11. ZUR WORTGESCHICHTE.
(Atherina hepsetus L., Bojeri Rss. e mocho Gnt.).» A. Krisch Die
Fischerei im Adriatischen Meer S. 37: «Der gemeine Ährenfisch
{Atherina hepseius), ital. Gerat oder Gerao, slav. Gavwi» . . . «Der
kleine Ährenfisch {Atherina ?}iochon), ital. Anguella oder Angudella,
slav. Girica.» E. Kosovitz Diz.-voc. del dial. triestino^: v.AiiguJela,
anguela . . . latterino comune — atherina mocho.» B. Chiarelli Voc.
del dial. ven. con rig. sp. alla pr. di Treviso: <!.AnguUa ... pesce
argentino, athe^-ina mochon.» In Istrien heifst, wie wir gesehen haben,
der Ährenfisch agon, und zu Venedig wird deshalb, Boerio zufolge,
für anguela agonä auch agdn d' Istria gesagt. Der gleiche Name findet
sich im Süden. O. G. Costa Voc. zool. verzeichnet: «Agone, Bari
{Atherina hepsetus)» — <<.Lagdne Nap.» (dass. ; bei Andreoli = athe-
rina kurzweg) — <i.Lagdne sardaro, Gaeta [Atherina brevirostris,
Roux)» — aLagdtie capuzzone, ivi {Ath. hepsetus).» Das serb. gavun
(zu Spalato gaim) wird aus agon entstanden sein. L. Zore O ribanju
po dubrovackoj okolici S. 340 giebt zwar: «gavufi (il gavone)», und
auch das Wtb. der Agramer Akademie setzt zu gavun „atherina
hepsetus" ital. gavone. Aber ein ital. oder ven. gavone ist mir nicht
bekannt, aufser durch den Zusatz zum Artikel gavotichio (Meeraal)
bei Tommaseo-Bellini: «Nel Ven. Gavon, Pesce piccolo, per lo piü,
da friggere.» Indem man das serb. gavun mit dem ital. gavotichio
= gongro verwechselte, kam man seit dem ly.Jahrh. dazu es mit
gongola wiederzugeben (so noch Popovic), welches ja nicht einen
Fisch, sondern eine Muschel bezeichnet. Nemnich sagt, er wisse nicht
warum man den Ährenfisch mit einer Kornähre [ad-iiQ) verglichen
habe. Die Sache scheint mir einfach; der Fisch oder doch die
eine oder andere Art desselben ist sehr durchsichtig, man sieht
hier also schon am lebenden Fisch der ganzen Länge nach die
Gräte, die ja mit der Ähre gleich benannt zu werden pflegt. Aus
demselben Grunde konnte man ihn auch agoiie ,, Nadel" benennen,
wie aus andern Gründen andere Fische (so oberital. agone, gen.
agun „Else"; lat. acus, ital: ago, aguglia, gen. agun „Nadelhecht",
„Hornhecht"; franz. aiguillon „junger Hecht"); und hierzu stimmt
dafs bei Nemnich, Patriarchi, Contarini spillancola als andrer ital.
Name für den Ährenfisch erscheint (H. de la Blanchere La peche
et les poissons S. 58 setzt ital. spillancosa — gewifs ein Druck-
fehler — der atherine joel [atherina Boieri, Risso] gleich), wäh-
rend Valentini, Rigutini- Bulle u. A. dies mit „Kaulbarsch" über-
setzen. Tommaseo-Bellini läfst die Sache im Unklaren: <iSpillafi-
cola ... Pesce piccolissimo che si trova ne' fossi, e che ha alcune
spine nella schiena e nella pancia.» Ich denke nun dafs der Ähren-
fisch (wie der Hornhecht) bald agone bald aguglia hiefs und dafs
das Letztere sich mit anguilla vermischte, obwohl wie gesagt beide
Fische gar Nichts miteinander gemein haben. Von gleicher Seite,
aber mit mehr Berechtigung wurde der Name des Hornhechts be-
einflufst; dem röm. acucella (Nemnich, Valentini) entspricht ven.
angusigola (die östreichischen Gewährsmänner bieten angusigolo),
welches ein ^acucicula darstellen würde, wenn nicht vielmehr die
H. SCHÜCHARDT, PORT. FISGA, MD.-ITAL. PÜSCHIA. 4 I 5
Endung eines *agusela (vgl. friaul. gusele „Nadel") sich dem gleichbed.
serb. igla [iglica, jaglicd) angepafst hätte. Im Bretonischen heifst
dieser Fisch akuiletemi-vor, aber auch (nach Rolland Faune pop.
III, 134) angueillet (Plur.), (nach de la Blanchere S. 564) miguilleienc.
Uebrigens läfst das n von anguela sich auch anders erklären; aus
agone konnte durch Silbenassimilation *angone werden (vgl. altvic.
aiigon „Nadel", vic. ver. arigonara „Nähfaden").
H. SCHUCHARÜT.
10. Port, fisga, md.-ital. puschia.
Diez vergleicht zu port. (span.) fisga „Fischgabel", Vb. fisgar:
goi. ßskon, ahd. ßsker {fisk-ger}); und man hat sich, soviel ich sehe,
dabei beruhigt. Aber Diez vergleicht nur, ohne auseinanderzusetzen
wie man sich die Herkunft der romanischen von den germanischen
Wörtern zu denken habe. Das ist nämlich keineswegs an sich klar;
wenn fisker dem Sinn nach pafst, so nicht dem Laut nach, und
wenn fiskön dem Laut nach, so nicht dem Sinn nach, da. fisgar
zunächst nicht, wie die Wörterbücher angeben, „fischen", sondern
„die Fische mit der Gabel, dem Dreizack anspiefsen" bedeutet.
Und überdies würde es ebenso wunderbar sein dafs die Süd-
europäer von den Germanen eine gleichsam nur mundartliche
Variante von pi'scan, als dafs sie ihnen den Ausdruck für ein
Werkzeug entlehnt hätten das sie selbst von jeher in mannigfacher
Gestalt und Verwendung kannten. Fisgar gibt sich deutlich als
ein Wort lateinischen Ursprungs. J. Ulrich hat Ztschr. IX, 42g das
richtige Grundwort entdeckt, allerdings nur für span. fisgar „ver-
spotten", dessen Bedeutung sich auf anderem Wege entwickelt hat
als die des dem Stamme nach verwandten franz. se ficher. Es ist
*fixüare, das auch im lang, fisca erhalten ist, welches Mistral unter
fica {*figicare) verzeichnet (bei Piat finde ich \ar\g. ficsa für sonstiges
fissa). Gestützt wird diese Deutung durch kat. (span.)y?'/i9/-ö, südfranz.
fichouiro j *ficioria für *fixoria „Fischgabel". Sachs giebt ixam. fichilre
in diesem Sinne; es ist dies aus Littr6 entnommen, welcher seiner-
seits das Wort aus einer Verordnung von i68i anführt, mit Be-
ziehung auf die südfranzösische Gerätschaft. Aber hier waltet ein
Mifsverständnis ob : fichure bezeichnet die Fischerei mit der Gabel,
so bei Duhamel du Monceau Trait6 general des Peches I, iii (177 1),
8=*, 8^ 10^. ii6^ während die Gabel selbst bei ihm S. 3. 8^ lo"*
fichoire (w.) oder weniger richtig S. 8 '^. 116*^ fichoir (m.) heifst.
H. de la Blanchere La peche et les poissons (1885) S. 310 schreibt:
«Fichoir et fichouira. — Nom proven^al de la Foene.y> — Port, fisga
mit der Bed. „Spalte" wird wohl für *fesga \ */issica stehen.
Ich frage nun ob zu jenem fisga in irgendwelcher verwandt-
schaftlichen Beziehung das puschia steht womit in den östreichi-
schen Gewässern der Adria eine Art Angel für Tintenfische und
Kalmare bezeichnet wird. A. Krisch Die Fischerei im Adriatischen
4l6 VERMISCHTES. II. ZUR WOKTGESCHICHTE.
Meere (iQOo) S. 171 bildet zwei Formen der puschia ab (Fig. 42
und 43); S. 172 (Fig. 44) die der ersteren ganz ähnliche hrajicarella,
ebenfalls für Tintenfische. Er beschreibt die />?<jc///a S. 172 als «ein
an einer Schnur angebundenes, 10 — 12 cm langes hölzernes Stäb-
chen, an dessen unterem Ende ein Kranz von 16 — 25 nach oben
abgebogenen spitzen Nadeln oder Angelhaken befestigt ist» (auf
den Abbildungen ist die Zahl der Haken viel geringer). C. de
Marchesetti La pesca lungo le coste orientah dell' Adria (1884)
S. 76 sagt von den puschie'. «constano di una asticella di legno,
ad una estremitä della quäle trovasi assicurato un serto di ami;
all' allra viene attaccato un lungo filo di spago o di crine di
cavallo.» Das Wort läfst sich so wie es ist, weder aus dem Ita-
lienischen, noch aus dem Serbischen (oder Kroatischen) erklären;
ich vermute dafs es im Anlaut slawisiert ist, für *fuschta. Das
könnte bei einem der Ausdrücke welche der italienischen und der
slawischen, zum grofsen Teil zweisprachigen Fischerbevölkerung ge-
mein sind, nicht Wunder nehmen; die Venezianer sagen umgekehrt
folpo (daher tar. vurpo) für polpo, indem sie dies für ein slawisches
Wort hielten. Puschia oder ein ähnliches Wort finde ich in L. Zores
Abhandlung über die Fischerei von Ragusa und auch des übrigen
Dalmaziens (O ribanju po dubrovackoj okolici u. s. w. 1 869) nicht,
insbesondere nicht da wo von den Angeln und Gabeln die Rede
ist (S. Zi-)' Auch den beiderseitigen Wörterbüchern fehlt es; am
ehesten war es noch in dem Triester von E. Kosovitz (1889) zu
erwarten. Was den begrifflichen Zusammenhang zwischen puschia
und fisga anlangt, so darf man nicht sagen dafs Angel und Gabel
ganz verschiedene Dinge seien. Ich will kein Gewicht darauf legen
dafs Zore S. 330 f. die Zugehörigkeit der Fischgabeln [osii) zu den
Angeln behauptet und begründet; wohl aber darauf dafs A. A. Bal-
daque da Silva Estado actual das pescas em Portugal (1891) S. 275
von den den puschie in Gestalt (man vergleiche die Figur daselbst
mit der Fig. 43 bei Krisch) und Verwendung (für Tintenfische und
Kalmare) genau entsprechenden taloeiras sagt: «constituem verda-
deiras fisgas». Auch bei den aktiven Fangwerkzeugen kommen
aufwärts gerichtete oder zurückgebogene Haken vor. Der hicheiro
das lampreias bei Baldaque da Silva S. 3 1 7 unterscheidet sich als
quirlförmig von der ebenda abgebildeten rechenförmigen fisga das
lampreias und gleicht so der puschia Fig. 42 bei Krisch oder noch
mehr, geradezu vollkommen, der hrancareUa Fig. 44 ebend., da bei
dieser die Schnur wegfällt. Die Kreisstellung der Haken, die bei
den Angeln sich von selbst ergiebt, bleibt den Gabeln nicht durch-
aus fremd; man sehe bei H. de la Blanchere S. 332 Fig. 391 die
nordische «foene en bouquet».
Fisga (kat. fisca = fitora) könnte auf dem Seeweg nach dem
fernen Osten gelangt sein; wegen des -u- wäre s,\xd^xsinz. fouchoiciro
I fichouiro zu vergleichen , -ia für -a würde auch kein besonderes
Bedenken erregen. Indessen steht noch eine andere Möglichkeit
zur Verfügung, nämlich *fuschia auf ein *fuscula zurückzuführen,
H. SCHÜCHARDT, SCHWEIZ.-FRANZ. (WALL.) COCALE U. A. 4 I 7
das sich schon in alter Zeit aus dem im sonstigen Romanisch und
auch im Venetischen fortlebenden fuscina umgebildet hätte oder ein
Deminutiv von *fusca wäre. Ein solches ^ßisca würde zu fuscina
vorauszusetzen sein nach Analogie von/asds : fasclna, fiscus : fiscina.
Hätte das Dict. gen. Recht wenn es fuscina als Deminutiv von
furca bezeichnet (u. d. W. Fouine), so wäre die Sache noch ein-
facher. Man dürfte vielleicht auch eine Verschmelzung voa fusctna
und furcula vermuten; furca wird ja ebenso wie jenes für „Fisch-
gabel" gebraucht (vgl. %\i^{xzxiz. fourchouiro \ fouchouiro). In diesen
Fällen vavX'sX.^ fisga \on puschia getrennt werden; denn von diesem zu
jenem wären zu viel Veränderungen anzunehmen: *fuschia } *fusca
(vgl. izx.foscia \ neap. fösccna) \ (kat.) *fisca (vgl. ■dz. fiscina \ fuscina)
\fisga (vgl. port. visgo, musgo). j^_ Schuchardt.
II. Schweiz. -franz. (wall.) cocale.
Diese von mir Rom. Etym. II, 31 angeführte Wortform ist nicht
als ^coccala zu fassen, da in der betreffenden Mundart, der des
Bagnesthales intervokalisches / nur ausnahmsweise bleibt (z. B. dla
\ ala), sondern, analog dem u. A. dazu gestellten südfranz. cacai
(= ^coccaliuni) als ^coccalia (vgl. bagn. murale u. s. w.), in welchem
eine Vermischung von ^coccale und .^cocc-ilia zu erblicken ist. Dem
letzteren, franz. coquille, entspricht im Wallisischen von Vionnaz
ktikeöe, bei Bridel (Alpes) coukellhe. Comu konnte, dem Laut- nach,
bagn. cocale auf *co(nJcacula zurückführen; warum dies aber auch
Gillieron mit vionn. kuke'öe thut, verstehe ich nicht — das wäre
doch höchstens durch cofnjchicula zu erklären gew'esen. — Wenn
ich a. a. O. S. 1 94 südfranz. gangoulho u. s. w. mit gangaulo verknüpfe,
so ist dabei die Form des Stammes mafsgebend gewesen; ich habe
natürlich nicht verkannt dafs die Endung die gleiche ist wie in
südfranz. cagoulho. Die von mir mit 16 und 17 bezeichneten cochlea-
Typen mischen sich mehrfach miteinander.
H. Schuchardt.
12. Zu oberital. hörrer u. s. w. Rom. Etym. II, 132.
Ich habe die Ableitung dieser Verben von ahd. bürian abge-
wiesen, aber auch für die von abhorrere mich nicht erwärmt; die-
jenige Vermutung die ich wirklich hegte, verschwieg ich, nämlich
die onomatopoetischen Ursprungs. Sie befestigt sich jetzt in mir,
da ich wieder an die Sache erinnert werde. Wir haben im Deutschen
eine Interjektion burr!, purr!, die u. A. das Aufschwirren von Vögeln
oder Insekten bedeutet (mit bur! scheucht man dem D. Wtb. zu-
folge die Vögel auf); davon burren, purren, das, trotz dem D.Wtb.,
mit burian, büren Nichts zu thun hat, intrans. „aufschwirren" (von
einem Maikäfer, von Rebhühnern), „schwirren" (z. B. von einem
Zeitschr. f. rom. Phil. XXIV. 27
4 1 8 VERMISCHTES. II. ZUR WORTGESCHICHTE.
Spinnrad), und trans. (M. Heyne vermutet hier mit Unrecht ein
andres Verb), wohl zunächst von dem das Federwild aufschwirren
lassenden Jäger, „aufstöbern", „aufrühren", „stochern", „schüren",
„reizen" u. s. w. Die Bedeutungen jener romanischen Verben stim-
men dazu im Wesentlichen ; aber diese sind schwerlich aus dem
Deutschen entlehnt, sondern es war wohl beiden Gebieten die
Interjektion gemeinsam, aus der sich hier und dort die Verben
selbständig entwickelten. Auf romanischem kann ich sie allerdings
nicht unmittelbar nachweisen, wir sind aber überhaupt noch sehr
mangelhaft über die romanischen Interjektionen unterrichtet.
H. SCHUCHARDT.
13. Zu intärita Ztschr. XXIII, 419 f.
Ich bin zur Überzeugung gelangt dafs dieses rumänische Wort
mit der Nebenform mtarta in der That einem lat. *mterrilare ent-
spricht, welches die Bed. „aufschrecken" (also = *exterriiare) ge-
habt haben mufs. Es bestimmt mich dazu dafs im Neapelschen
nterretare {rüerreliare) von Galiani, Puoti, d'Ambra, Andreoli mit
demselben Sinne und nur mit ihm verzeichnet wird: „adizzare,
animare, istigare, sedurre, mettere in moto, provocare, incitare,
commuovere, stuzzicare, stimolare, metter su, inzipillare, inuzzolire".
Im Norden wurde aus diesem ^interntare durch Vermischung mit
irritare : *miernlare^ (so würde sich die Glossenform interitant „la-
cessunt" fassen lassen), und daraus, entweder durch den Einflufs
eines andern Wortes oder wie port. estarrecer = altspan. terrecer
„Schrecken einjagen", ast. tarrecer = terrecer „sich fürchten", „An-
stand nehmen" : *intarritare, *mtariiare (auf altfranz. eniarier hat
Meyer -Lübke Ztschr. XXIV, 14Q hingewiesen). Im Baskischen finden
sich aufser dem schon angegebenen iharriia-tu (es ist besser die
Partizipform zu wählen) im Sinne von „irritare" noch iherrtta-iu,
iirrita-Ui, hirrila-lu, narrita-iu, narrilza-iu, narri-tu.
H. Schuck ARDT.
14. Zu Ztschr. XXIII, 423 fT.
Försters Ausführungen über franz. permaine erschöpfen das
Sachliche und Formale. Doch hätte sich vielleicht noch ein Beleg
für die besondere Pflege des Apfels im Parmaschen und für seine
Ausfuhr von dort beibringen lassen; A. Ive erinnert sich schon
in seiner Kindheit zuhause, in Istrien, ausrufen gehört zu haben:
pomi di Modena, pomi di lira,2
pomi di Parma, chi vuol comprar?
1 '^Interr'Lto\interr~ito -^ irr'ito ist gewifs nicbt befremdlicher als /r/VaVz;«
■\- inlun\privatim, welches in Graz eine sehr verbreitete Aussprache ist.
* Wohl eine entstellte Beziehung auf den Preis der Äpfel.
H. SCHÜCHARDT, ZU INTARITA. ZQ ZTSCHR. XXIII, 423 FF. U.A. 4 1 9
Anderseits wäre nicht ganz unpassender Weise aus Varros De
lingua latina die Stelle angeführt worden: «Vocabula quae ab no-
minibus oriuntur, si ab similibus nominibus similia esse debent,
dicemus, quoniam gemina sunt Parma Alba Roma, Parmenses ; aut
quoniam est similis Roma Nola Parma, dicemus ut Romani Nolani,
sie Parmani» (VIII § 56 ed. A. Spengel, Berol. 1885). Wie immer
sie ausgebessert werden mag, ein volkstümliches Pannanns läfst
sich natürlich nicht herauslesen; auf dieses kommt es uns aber
auch nicht an. Allein Parmensis mochte auch Varro auffallend
finden, da hier nicht wie in Corto7iensis, Cremoneiisis, Mediolancnsis,
Mtäinensis, Veronensis u. a. mit einem 71 der Stamm endet, und ein
Zusammenstimmen mit Cumatms, Romanus u. s. w. zu erwarten ge-
wesen wäre. Und so konnte denn das Ausland leicht zu einem
Parmanus kommen. Das Französische besitzt auch ein Wort par-
main als Kunstausdruck der Maurer: «sorte de pierre tendre dont
le grain est tres-fin». Vielleicht ist das ein Parmasandstein; die
Sache wird unschwer zu ermitteln sein - — doch überlasse ich das
^^^^^"- H. SCHUCHARDT.
15. Zu A. Ives I dialetti ladino-veneti dell' Istria
(Strasburgo 1900).
Eine Durchsicht der lexikalischen Abschnitte dieses Buches,
das uns so reichen und wichtigen Stoff vorlegt, veranlafst , mich
vorderhand — Anderes bedarf noch gründlicher Erwägung — zu
folgenden Berichtigungen und Ergänzungen.
adrän S. 121 { lat. alaternus.
de^kömio S. 160; vgl. wegen der Betonung friaul. escömio, ven.
cögnito.
dragdl „dicker krummer Zweig" S. 86. 121 { slow, drkelj, drkol
„Knüttel", drgoldca „Knorrenstock".
dräga „eiserner Hebel" S. 86 { franz. drague, engl, drag (woher
ja auch ital. draga „Schlammräumer").
gada „Faden in der Nadel" S. 172 } ital. agala, dass. von ago.
galija „Tausendfufs" S. 137 ist in der That so viel wie „Ga-
leere", wie sich insbesondere aus südfranz. galh'o, engl. gaUy-worm
ergibt, welche die erstere Bedeutung haben; s'^Axz.wz. galere, engl.
galley-fish „Qualle".
IcK^pio, rt'^^pio „faulig" (vom Geruch des Fleisches) S. 65. Wenn
an deutsches lispchi erinnert wird, so hätte eine solche Metapher mit
Beispielen belegt werden müssen, wie pav. sonä, lucc. cuccare (eig.
„Kukuk sagen") „faulig riechen" (auch das angeführte lucc. rigno
„f. G." bedeutet eig. „Knurren"). Wegen der Formen mit ;-- war
auf Span. port. rispido „rauh" (Rom. Etym. I, 27) zu verweisen, und
anderseits neben lispio, rispio die gleichbedeutenden veron. vispio,
berg. ispio (hier auch /-, r-) zu stellen. Dabei läfst sich an bis-
btgliare, wispern oder an vispo (tosk. vispero, vispolo) denken (das
27*
420 VERMISCHTES. II. ZUR WORTGESCHICHTE.
Fleisch wird gleichsam munter, macht sich bemerkbar). Übrigens
bedeutet zu Vicenza lispio auch „Moos", insbesondere „Baummoos",
wofür das Kalabrische und Sizilische lippu (tar. lippo bedeutet
„Decke von Wasserpflanzen") haben; jenes sagt von einer Frucht
wenn sie bitter schmeckt: sa de lu lippu (vielleicht mit besonderer
Beziehung auf das isländische Moos).
lodöTio , .Zürgelbaum" S. l6l = span. lodono dass. { *lo(-omtis.
löniza „Topf" S. 172 | slow, lonec, kroat. lonac dass.
manarola, maner- „sorta di legume" S. 123; es war dies näher
zu bestimmen; s. S. 107 wo das Wort (auch als jnanarni) in Ver-
bindung mit ^ez, ^iz \ cicer erscheint. Vgl. friaul. vienaruele „vicia
sativa" (auch „lathyrus sativus"?), südhanz. f/ienuvf/io „pisum arvense",
menuz'i'/ioun „vicia sativa".
paratigäl „Langleine" (zum Angeln) S. 14g, auch %\z. palangarti
und im Franz. Südfranz. Kat. Span. Port, palangre oder ganz ähnlich.
pi^iüna „Wasserschildkröte" S. 105 = ])u^iuina S. 74; wegen
des Anlauts vgl. siz. pisciacozza dass.
talpön „sorta di alberello" in Valle, „sorta di abete" in Pola,
Dignano, tidpöh das Letztere in Fasana S. 107. Auch friaul. talpon
bedeutet „Pappel"; s. Ztschr. XV, iiof. Anm. 2.
iülpo „Dummkopf" S. 125 von dem dazugcstellten ven. lolpo,
tolpon „Baumklotz"; vgl. friaul. talpon dass. und „Klotz" vom Men-
schen, welches mit älterem deutschen Dolh, Dolbe, Tölpel „Kolben",
„Klotz" (das letzte auch im übertragenen Sinn) zusammengehört;
s. die eben angegebene Stelle.
zerno „Handmühle" S. 107 ' slow, zrnev dass.; zerni \ zriii'ti
„auf der Handmühle mahlen".
ziro ,, Ährenfisch" (atherina hepsetus) = ital. zero S. 70. Was
das ital. Wort betrißt, so wird es in den Wtbb. als ein kleiner der
Sardelle ähnlicher Seefisch gedeutet. Unmittelbar dazu zu stellen
sind noch triest. geräl, geräo, latterino sardaro, atherina hepsetus =
serb. gaviiii (Kosovitz, Krisch), sowie serb. girica „kleiner Ähren-
fisch" (atherina mochon) = ital. anguella (Krisch); s. oben S. 413 f.
Der Name dieses Fisches berührt sich mit dem eines ganz verschie-
denen, der Schnauzenbrasse, sparus smaris L., smaris vulgaris Cuv.,
lat. gerres [girres), gerricula. J. Bauquier hat in der Rom. VI, 266 ff.
ausführlich, aber doch nicht erschöpfend über die romanischen
Fortsetzungen dieses lateinischen Wortes gehandelt; es lassen sich
verschiedene Formen nachtragen, wie ital. zerro, gerro, neap. cierro,
siz. cirru, sard. zarreiin. Bemerkenswert sind die Formen mit ein-
fachem r, wie ven. girola, -0, zirolo (Rondelet, im lö.Jhrh., verzeichnet
latinisierend ^/rö/z' und ^^rr«// für Venedig) = serb. gtra, gera, gera,
girica, gerira. Es sind also im Osten teilweise die Namen beider
Fische ganz zusammengefallen; Zore hat „gira ili gerica, girica'^
(ohne ital. Übersetzung — aber das folgende gritna wird mit marida
wiedergegeben, und das ist eben smaris vulgaris).
H. SCHÜCHARDT.
G. DE GREGORTO, ANT. SIC. SICTINU, ANT. FR. SEPTAIN. 42 I
16. Ant. sie. sictinu, ant. fr. septain.
La voce sictimi si trova in un manoscritto membranaceo molto
iraportante, intitolato „Cojisiietudmes ei statuta nohilis civitatis Messatie".
Questo manoscritto fu ofterto, poco tempo addietro, dal libraio
Rosenthal di Monaco, per il prezzo di L. 3000, all' Archivio di State
di Palermo, che, non avendo fondi a ciö destinati, dovette decli-
nare 1' invito. Se non che il Direttore di questo, barone Raffaele
Starrabba, che e allo stesso tempo deputato alla Biblioteca Comu-
nale, vista 1' importanza del codice, ha continuato le trattative
neir interesse di questa Biblioteca, che coi fondi del INIunicipio, di
cui e dotata, non si lascera certo sfuggire 1' acquisto.i^
E stato appunto lo Starrabba a rilevare nel codice la interes-
sante voce di cui ci occupiamo, voce, che a lui, tanto conoscitore
degli antichi statuti e dell' antico dialetto di Sicilia, riesce presso
che nuova. Informandoci di tale scoperta, egli ci ha gentilmente
comunicato le sue idee rispetto la eta del codice, e ci ha per-
raesso an che di leggere, nel codice stesso, i passi, in cui si rin-
viene sictinu.
II codice dunque puo ritenersi appartenga alla fme del se-
colo XV. Infatti, tra' documenti da esso contenuti, il piü recente ha
la data del 14 17, mentre, confrontando il testo delle consuetudini
contenutevi con le edizioni volgate, ed anche con quella datane
dal Dr. Otto Hartwig, vi si rileva la mancanza degli ultimi statuti,
emanati al 1516. Infine, lo Stile calligrafico c decorativo del codice,
che e quello proprio della seconda meta del sec. XV, viene anche
piü particolarmente a precisarne 1' epoca.
E degno di nota il fatto, che la nostra voce non ha una
forma varia, quäle potrebbe aspettarsi da chi conosce il frequente
scambio di et con pt e t nei testi antichi. Ne la lettura di essa
puö dar luogo a disparitä di opinioni, occorrendo sictinu una ven-
tina di volte nel capo sotto la rubrica „hicipit cäbella car7tium"
(p. 60 verso — 62 recto), e occorrendo sictineri, derivato di sictinu,
pur frequentemente e sicuramente, nel luogo stesso. Citiamo solo
questi passi: „/« cabellotu non di acquista dirictu di sicti?iu si non
qtiandu lu auchidi & fandi carni (p. 60 verso) ; lu sictineri per in-
troyiu di la bistiami non acquesta lu dirictu si non quandu la bestia
si auchidi &" fassi carni, per vindiri a ininutu oy si vinda a la lirta
comu esti dictu di supra" (ibid.).
1 Dobbiamo ora aggiungere, che il codice ^ stato realmenle acquistato
dalla nostra Biblioteca com., che lo Starrabba ne ha dato nolizia, iadicandone
minutamente il contenuto (Di U7i codice delle consuetudini e dei privilegi della
cittä di Messina, in Archiv, stör, sicil., N. S. a. XXIV, 1899, pp. 285— 309),
e che lo sta pubblicando (Tipogr. Boccone del Povero, Palermo) in uno splen-
dido volume, munito di fac-simile c note. Tale pubblicazione sarä anche
importante per la rettifica della grafia di alcune voci dell' antico siciliano.
Cosi, la yoQ.^ ferracanem, citata da Mich. Amari, Guerra del Vespro siciliano,
viene corretta (p. 41 dell' ed.) \n serratnnetn {ch.'\i. cerretano da cerritaneus
secondo Kört. 1814), in cui j- proviene dalla pronunzia alla spagnuola; la voce
adducitnento in aduamento (p. 95), cambio per 1' esenzione del servizio militare.
422 VERMISCHTES. IL ZLR -WORTGESCHICHTE.
Da qui parrebbe rilevarsi", che il diririu di siciinu debba espri-
mere qualche cosa come „dritte sulla macellazionc", mentre la
„gabella della Beccheria . . . data in Sicilia dall' epoca della domi-
nazione normanna'V ^ „il dritte di questa gabella si riscuoteva
suUo spaccio delle carni, sulla macellazione e sulla sosta delle
mandre, detta jnandragio'''' P-
La voce sictinu, non e registrata dal Vocahularhivi tiehrissense
di Christoph. Scobar, ne da altri meno antichi dizionari siciliani.
Per quanto e a nostra conoscenza, non ha continuazione nel mo-
derno dialetto,^ sebbene Sittineri esista nella onomastica dei nomi
gentilizi siciliani e specialmente palermitani,^ e sebbene agli autori
particolarmente versati nella storia amministrativa del Comune di
Messina la voce non riesca per nulla nuova, tanto che essi giun-
gono a italianizzarla in settino.
Quanto all' uso della voce in altri codici, dobbiamo rammen-
tare un diploma del ig Genn. 1370, emanato dal re Federico III,
nel quäle sono ricordati i proventi cahcUartim siitini ei campt victiia-
litini di Messina (R. Cancelleria, vol. 12 f. 33), come ci fa sapere
il gentile quanto dotto paleografo prof. Gius. Cosentino dell' Archi-
vio di Stato di Palermo.
Si tratta di una gabella, ossia di un dazio, riscosso dai Comuni,
che a Messina, secondo ci comunica il preclaro Barone Arenaprimo,
informatissimo degli atti di quel comune, fu abolito nel 1678,
dopo la riforma del Municipio, effettuata dal Conte di S. Stefano.
Era molto considerevole, rendendo circa annue Onze 53,303
(= £ 679,613,25), come si rileva dal „Regolamento da osservarsi
in Messina per 1' ammontare della gabella del Patrimonio urbano",
impresso in Messina, nel 1753, per Francesco Gaipa. Tale dazio
era, secondo questo Regolamento, nella ragione di piccoli due per
ogni rotolo (grammi 800) di carne macellata e venduta in cittä.
Di autori reccnti che usino la nostra voce, possiamo citare
Caio Domenico Gallo, che negli Atifiali della ciiiä di Messina (ib.
tip. Filomena, 1877, vol. I p. 344) scrive: „Fu imposta in questo
tempo (1452) la gabella del settino ordinario e straordinario della
carne che si macella e vende in cittä, in tutto di grano uno a
rotolo".
^ Quint. Sella, Pandetta delle gabelte e dei dritti della curia di Messina,
Torino, Slamp. reale, 1870 p. 21.
2 Sella, op. cit. p. 23.
3 Ne a San Fratello, ne negli altri dialetti gallo-it. di Sicilia rinveniamo
riflessi di septenus. Sulla questione della varia origine di questi lunga-
mente ci siamo occupati noi, che pur li facemmo conoscere alla scienza.
L' aver noi dissentito (in Arch. stör, sicil. 1897, 390 — 439 e Romania 1899,
70 — 90) da quanto scrivea W. Meyer -Lübke (in It. Gramm. 6 — 8) spiega le
sue parole in Ztschr. XXIV, 149. Del resto torneremo all' argomento nel
2" vol. degli Studi glottol. ital. (Torino, Loescher 1900), riesaminando con
serenit^ di giudizio non solo le opinioni degli altri ma le nostre.
* Tra gli atti dello Stato Civile di Palermo di oggi stesso, 23 Giugno '99,
figura una richiesta per matrimonio di Vilo Settineri di Salvatore di anni 24.
G.DE GREGORIO, ANT. SIC. SICTINU, ANT. FR. SEPTAIN. 423
In nessun dizionario letterario italiano troviamo tal voce, ma
solo troviamo seitina, che e certo un riflesso di un derivato da
Septem. Su cio ci fornisce qualche particolare importante il pre-
loclato S'' Cosentino; e ci piace riprodurre testualmente le sue parole.
„Nel Regasco, Dizionario del litigtiaggio italiano storico ed amministra-
tivo, Firenze, 1881, sono enumerati la seitina, nel 1440, e la novina
nel 1434 in Firenze; parimenti e indicato il settiniere, che eviden-
temente e 1' ufficiale deputato alla riscossione della seitina'^
Pare che il sie. siciinu sia piü particolarmente del messinese.
Infatti noi non riusciamo a trovare tal voce nelle Atitiche consuetu-
difu delle ciitä di Sicilia di Vito La Mantia (Palermo, Reber, igoo,
pp. cccii, 356). Per es., nelle Consuetudini di Palermo invano la
rintracciamo ove si accenna alla facoltä dei cittadini di vendere al
minuto, nel limite di tre capi per anno, „quascumque carnes ani-
malium suorum ad petias et ad pondus", senza che „teneantur
proinde solvere aliquid curie vel civitati pro iure scannature vel
aliquo alio iure".
Facendo pei primi notare 1' importanza della voce, non pos-
siamo dispensarci di tentarne 1' etimologia.
Siccome sictinu designa la tassa percepita sulla macellazione,
fa subito pensare a sectare tagliare, tanto piü che dal contesto
sembrerebbe potersi arguire, che la tassa non colpisse qualunque
vendita di animali vivi, o a la liria,^ ma 1' atto o 1' ufficio del
tagliare la carne a pezzi, per venderla al minuto, e cioe non
1' ufficio del hucheri, o del vindituri, ma quello del taglaturi. Se
non che la morfologia non ci permette di accettare tale supposi-
zione, perche il suffisso non puö essere accoppiato a radice verbale.
Noi non troviamo esempi del genere in nessuna lingua romanza;
-inus essendo aggiunto a radici nominali (di sostantivi o aggettivi),
sia quando serve alla formazione degli aggettivi, che quando serve
alla formazione dei sostantivi.- II siciliano puo bensi formare
sostantivi a mezzo del suff. -ina, ma aggiungendolo al tema parti-
cipiale; cosi forma ad es. tagghiat-ina il taglio, sirratina 1' atto del
segare, cirnitina 1' atto del crivellare o cio che resta dalla crivellatura.
Or, da sectare si avrebbe avuto un ^sictatina, non mai sictinu.
Eliminata la etimologia in base a sectare, ci si presentano
due etimi, ciascuno dei quali, per le sole ragioni di fonetica,
potrebbe convenire: septum sbarra, recinto, e septera sette.
Infatti, la tonica delle riduzioni siciliane '^settu, seiti, divenuta atona,
per r aggiunta del suffisso, deve regolarmente essere passata in i
(cfr. heddu — biddizza, sentu — sintia etc.); la grafia et dei codici
spesso nasconde un doppio /, nato per assimilazione di bt, pt,
o per altra causa ^ (cfr. nello stesso cod., a p. 60 v., hnictissi, itro-
1 Anche questa voce lirta, che oggi non csiste in nessun dialello sici-
liano, offre speciale interesse.
* Diez, Gra7nm. des langg. rom. Il3iosegg.
3 G. De Gregorio, // Libro dei vizii e delle virtii, teste sicil. inedito del
sec. XIV, Torino, Loescher, 1893 P* ^S^-
424 VERMISCHTES. II. ZUR WORTGESCHICHTE.
vuciiri); infine 1' attuale tonica i, accennante a e o T,i va messa
fuori quistione, perchc riflette la prima vocale del suffisso.
Vedi'amo quäle dei due etimi sia da prcferirsi per le ragioni
del significato e per quelle della morfologia. Se da septum fosse
dcrivato un *septinu-, septena-, coUo stesso suo senso, un
certo appiglio ideologico si potrebbe scorgere, in quanto che
diriciu di siciüm avrebbe valore analogo a „dritte di stalla", „dritto
di camera", e via. Ma siciinu nel nostro cod. e spesso sostituito
dalla voce cahella (nella espressione „hi drictu di la dicta cabella"),
e si trova in carte frasi (come: rajtmi di sictimi, exercituri di lu
diciu siciinu), che non permettono gli si attribuisca altro senso che
quelle di „tassa speciale". D' altra parte poi, noi non potremmo
sopra r uso particolare di una voce, in un dialetto, fondare le
nostre reintegrazioni latine. In secondo luogo, e accertato che
-enus -a non puö a rigore considerarsi come suffisso, se non
quando serve alla formazione dei numerali.^ Infine, se sulla base
di septum volessimo appigliarci a -inus, incontreremmo altre
difficoltä. Fatta astrazione dal suo valore speciale per la forma-
zione dei diminutivi, che qui non puö interessarci, noi osserviamo
che le formazioni di coxinus da coxa, padrinus da pater
hanno una ragione nel bisogno di esprimere nuove cose o idee a
mezzo di vecchie voci; ma nel caso nostro tant' era dire drictu di
siciinu, che dire drictu di *seciu. Finalmente i raffronti coUe forme
corrispondenti , o analoghe alle nostre, dell' antico francese ven-
gono ad ammonirci che il nostro punto di partenza non puö
essere *septinus, ma deve essere septenus.
Corrispondente a capello con sictviu ci sembra P afr. seplain,
legittimo rappresentanto di septenus, che da Du Gange 3 e dato
collo stesso senso, „eadem notione", di septena, e che pare
abbia tutto il dritto di figurare nel lessico romanzo. La Curne*
da a sepfain tra gli altri sensi quello di „droit sur le sei" („droits
d'embouchures, de passe ports, de tirage, septains, attributions
d'officiers" M6m, de Sully, X p. 230).
Questo significato speciale, a tutta prima, distoglie la mente
da Septem. Ma piü ancora la distoglie il significato di un' altra
voce parallela a scptain, cioe dell' afr. septaine, „banlieu, district,
Jurisdiction d'une ville",^ che parrebbe non rifletta septena, „septima
pars fructuum ex agris vineisve domino persolvenda".^ Cosicche la
origine di septena, oltre che „a septimo miliario", parrebbe potersi
ripetere „a septis urbis".'^
* G. De Gregorio, Säggio di Fonetica siciliana, Palermo, Clausen, 1890
§ 17, 18.
2 W. Meyer - Liibke, Rom. Gra7nm. II § 451.
3 Lexicon etc. v. septenus, septena.
* La Curne de Saint Palaye, Dfct. liistor. de Vanc.frang., Niort, Favre,
IX p. 395.
^ La Curne, v. septaine.
^ Du Gange, v. septena.
' Du Gange, /. cit.
G. DE GREGORIO, ANT. SIC. SICTINU, ANT. FR. SEPTAIN. 425
Per essere cauti nei nostri giudizi, ci e sembrato opportuno
d' interrogare, sulla forma e 1' etimologia di queste paroli francesi,
r illustre prof. Paul Meyer di Parigi, che gentilmente ci ha comu-
nicato i dati che seguono: i^) 1' afr. septein o sepiaiii (anche setein,
prov. setet^ viene da septenus, che denota un dritte di un settimo
sulle raccolte;
20) non pare possibile di ammettere una derivazione da
septum, se non ferse rell' appellazione speciale, a Bourges, del
territorio dipendente dalla cite. V. in Godefroy sedaine, che e la
cattiva forma, e septaijie che e la buona.
Dopo cio la luce sembra sia fatta sulla intima connessione tra
I' asic. siclinu e 1' afr. septain (da septenus), che ha forma corrispon-
dente e significato affine. Septena, qualunque origine possa
avere, va messo fuori questione, anche perche le nostre voci postu-
lano una base maschile.
Tale connessione non puö esser turbata da cio, che in Francia
septenus designava piü particolarmente il dritte sul sale, mentre
in Sicila designava il dritte sulla macellazione. Ne possono pre-
occuparci le vicende subite dal significato della voce, che essende
in erigine „dritte di un settime" pete divenire cel terape „dritte
percepito in una misura qualunque", e certo in una misura di-
versa affatte di un settimo del valore.
Su queste riguarde verrebbe 1' idea che septenus non signi-
fichi „dritte di un settimo", ma „dritte su cio che resti dalla
divisione in sei parti". Infatti ciascuno puo censtatare, che la
tariffa della tassa della macellazione rechi una cifra cosi piccola,
che non equivale neppure a 1/200 ^^ valore degli animali. Cosi,
questa tassa e per „omni boy oy vacca ki si vinda . . . tari unu et
grana dichennovy" (cod. cit. p. 62 verse), cioe a dire circa L. 0,82.
In cio si potrebbe vedere una seria difficoltä per 1' etimologia
da septenus, difficoltä tante seria che indurrebbe le Starrabba a
ricercare nell' arabe la erigine della voce. Nc ferse potrebbe
superarla chi tentasse intravvedere un rapporte cel sistema dei pesi,
delle misure e delle monete.
Resta, che nei attribuiamo a septenus il significato alquante
diverse di quelle di „un settime", che sepra indicamme.
A ogni modo non possiamo dispensarci d' indagare se esista
in siciliano qualche formazione analoga, anche allo scope di stabi-
lire se sidinu sia voce indigena o esogena. Diciame subito che
septenus da *sitiinu, asic. sictinu, secondo le rigide esigenze della
fonetica e della grafia dei cedici.
Delle formazioni analoghe in -eiio mancano all' italiano comune,
mentre solo si rinvengono nei testi antichi dell' Italia settentrienale
(es, cinqueno, sexeiio, seteno etc. in Bonvesin), non che nei dialetto
odierne prevenzale-catalane.i II siciliano non possiede *cinchinu,
*seinu, *ottinu etc.; ha pero soltante tridicinu „piccola moneta
1 W. Meyer -Lübke, op, cit. II 561,
426 VERMISCHTES. II. ZUR WORTGKSCHICHTE.
antica, Ikchino, ciaccino". Qucsta voce parrebbe deponga a favore
dcUa idca, sopra enunziata, che anche sictimi dipenda dal sistema
di divisione, o forse anche di numerazionc popolare, basato sul
dodici, sistema che quaUinque causa si abbia, e tanto penetrato
nelle abitudini, da costringere il popolo a comprare per dozzina
i capi della biancheria, le sedie, le stovigHe etc. Ciö che restava
dalla divisione in dodici parti si sarä chiamato tridicinn, come cio
che restava dalla divisione in mezza dozzina, o in sei, si sarä
chiamato sictinu.
Se non si accettasse questa idea, si dovrebbe ammettere che
siciimi non abbia conservato neppur 1' ombra del significato di
„im settimo", solo essendo impiegato a designare la „imposta sulla
macellazione". 11 trovarsi in siciliano iridichm in perfetta analogia
con sictinu, distoglierebbe dal bisogno di ricorrere alla mediazione
francese, tanto piü che le esigenze della fonetica sono sodisfatte,
e per quanto limitato sembri 1' uso della voce sictinu.
Questo resta dimostrato, a ogni modo, che sictinu, sia imme-
diatamente che mediatamente, riflette septenus.
GiAC. De Gregorio.
17. Zu ital. chiovo, chiodo.
Die Lautgestalt von chiovo, chiodo erregt Erstaunen, da man
von lat. clavus nur chiavo erwarten könnte; sie wurde auf zwei
Arten zu erklären gesucht.
Flechia, Arch. Gl. 11 334, sieht darin eine Neigung des a sich
vor y zu ö zu assimilieren und eine zweite des v zwischen Vokalen
zu d zu werden. Mit einer solchen Neigung ist nun nicht ge-
holfen, so lange sie sich nicht in einem bestimmten Gesetz formu-
lieren läfst; dies zu thun, hindern Worte wie chiave, tavola.
Es hat nun D'Ovidio (Grundr. I 500) an eine Einmischung von
claudere gedacht. Eine solche läfst sich aber nur dort zugeben,
wo eine bedeutende lautliche oder eine begriffliche Aehnlichkeit
vorhanden ist. Die erstere ist aber gar nicht so grofs, die zweite
fehlt ganz. Es wäre verständlich, wenn claudere aus einer clavis
eine *chiode gemacht hätte; aber eine Einwirkung auf clavus ver-
steht man nicht.
Die Warnung der Appendix Probi: avus non aus (29) läfst den
Schlufs zu, dafs im Vulgärlat. in der Verbindung ävu v gefallen
sei.i Die Form claus also, die man längst für das Französische
verlangt hat, ist auch für das Ital. zu fordern. Sie ergiebt, ein-
silbig geworden, regelrecht *kyo. clavi dagegen blieb kyavi. Ein
solches Verhältnis von Sing, und Plur. konnte nicht lange be-
stehen; es wurde zu *kyo, kyovi ausgeglichen, worauf dann ein
analogischer Sing, kyovo eintrat.
' S. auch Solmsen, Studien zur latein. Laulgeschichte. Slrafsburg 1894,
S. 45 f.
E. HERZOG, ITAL. CHIOVO, CHIODO. F. KLUGE, AFKZ. BAILLARD. 427
Nun scheint es im Ital. ein Gesetz gewesen zu sein, dafs d
zwischen zwei e oder o nach betonter Silbe ausfiel; pü PI. picdi;
fe; sü, du s. Grundr. I 531. Für 0 findet sich freilich nur mo aus
modo und modus; man hat das als Kurzform betrachtet, was jedoch
nur beim Adv. angeht; daneben existiert noch das Subst. in aller-
hand Redensarten wie: k falle a quel mo' ,es ist nun einmal so';
a tno' e a via ,in derber, tüchtiger Weise (durchprügeln)'. ^ Das
Wort mit D'Ovidio Grundr. I 522 für gelehrt zu halten, verbietet
in dieser Verwendung die echt volkstümliche Bedeutung; gerade
der Umstand, dafs wir eine dem toskanischen Volksmund ent-
nommene Redensart vor uns haben, erklärt wohl den Mangel des
Diphthongs. 2 Nach dem Muster pü : piedi; mo' : viodi bildete man
zu *chio chiodi, worauf ein neuer Sing, chiodo aufgebaut wurde.
Mit dieser meiner Annahme stehen auch die von Flechia
a. a. O. angeführten Dialektformen und Fälle wie biodo nicht in
Widerspruch. ^^^^^ ^^^^^^^
18. Afrz. haillarc ,Gerste'.
Die Behandlung dieses Wortes durch A. Thomas Romania
XXVIII 1 7 1 geht in der Beurteilung des engl, harley fehl und wird
dann auch dem afrz. Worte nicht völlig gerecht. Die Annahme
engl, harley wäre eine Zusammensetzung von har angls. bere , Gerste'
und ley für leek , Lauch' ist aufzugeben; das seltsame Wort hat
bisher grammatisch grofse Schwierigkeiten gemacht. Es ist der
Entlehnung verdächtig. Die mittelengl. Normalform, die schon um
1200 bei Orrm gilt, ist bärll und im 12. Jahrhundert, also spät
angls., erscheint als ältere Form barlic (= schott. harlick); das
Endungs-/ ist durch nichts als lang zu erweisen; unbetontes -ic
wird correct zu i entwickelt, vgl. me. ne. / aus ae. ic ,ich'. In
der I. Silbe gilt a (resp. daraus entstandenes <y), nicht das e von
bere , Gerste'. Man darf den Verdacht norm. Entlehnung hegen,
auch wenn schon am Ende des 10. Jahrhunderts barhc bezeugt
ist: die Periode der afrz. Entlehnungen beginnt schon vor 1000,
jedenfalls lange vor der norm. Eroberung, vgl. diese Ztschr. XX,
327 und Engl. Stud. XXII, 179. Würde man einen vulgärlat. Typus
reconstruieren, so könnte der nur bärahcmn lauten. Und dieses
baralirum sieht doch dem von Thomas vorausgesetzten halearirum
sehr ähnlich. Der Liquidentausch r — / : / — r hat hinlängliche Ana-
loga; daran wird sich niemand stofsen. Die afrz. Nebenform ballarc
weist zudem auf halarlaim und so ist die Gleichheit mit dem
* Rigutini- Bulle sub t?w'.
2 Vielleicht erklärt sich auf analoge Weise der auffallende Laut von
7igdo; gab es einmal ein Verhältnis Sg. *np : PI. *ngdi, so konnte ersteres
leicht *7tq werden, da fi sonst nicht im Wortauslaut vorkam, wohl aber q : so,
i.Fut., 3. Perf. ; davon dann natürlich ngdi, wozu ein neuer Sg. nndo. Alan
beachte auch bei den Buchstabennamen ^, aber o.
428 VERMISCHTES. IT. ZUR WORTGESCHICHTE.
eben construierten iaralicum evident. Das engl. Wort wird also
mit dem afrz. Wort in ganz naher Beziehung stehen. Allerdings
bleibt die Mouillierung in afrz. haillarc resp. der von Thomas vor-
ausgesetzte Typus balearicum in seinem Verhältnis zu dem Typus
ba/ariawi noch näher zu bestimmen.
F. Kluge.
19. Afrz. port , Stadt'.
Diese Bedeutung hat O. Schultz -Gora oben S. 126 für das
afrz. Wort belegt und dabei eine Bedeutungsentwicklung ange-
nommen, die mir unwahrscheinlich erscheint. Es ist Schultz-Gora
entgangen, dafs lat. porlus nicht blofs in einigen afrz. Belegen so
zu fassen ist, dafs es auch auf german. Boden als Entlehnung
durchaus mit dieser Bedeutung auftritt. Ich habe in Pauls Grdr.
1^343=^ kurz darauf hingewiesen und der Umstand, dafs \a.i. portus
in England und in den Niederlanden die Bedeutung , Stadt' hat,
setzt für das romanisierte Nord -Gallien auch ein portus , Stadt'
voraus. Franck Etymolog. Woordenb. 747 bespricht mndl. poort f.
, Stadt' und leitet es aus lat. porius , Hafen, Stapelplatz' ab. Für
das Angls. bietet Bosworth -Toller 776'' ein reiches Belegraaterial:
angls. /»or/ m. n. bedeutet , Hafenstadt' und überhaupt , Stadt'; diese
letzte Bedeutung ist sehr reichlich belegt, zeigt sich aufserdem in
zahlreichen Zusammensetzungen wie porictvm, portgeat, portgerefa,
portgeriht, poriinan, poristrcei, poriware (= mndl. poorter\ poriweall:
port , Stadt' ist dem Angls. des 10./ 11. Jahrhunderts ganz geläufig.
Wahrscheinlich ist aus der Bedeutung , Hafenstadt' an der gallischen
Seeküste die Bedeutung , Stadt' überhaupt hervorgegangen.
F. Kluge.
20. Franz. suw ,Rufs'.
Salvioni's Artikel über suie und Verwandte (Zs. XXIII 530)
zeigt mir, dafs das keltische Grundwort den Romanisten noch nicht
bekannt geworden ist. In den sehr alten irischen Philargyrus-
Glossen, deren Vorlage wohl in's siebente Jahrhundert zurückgeht,
wird lat. fuUgine durch ir. 0 stiidi glossiert, i das schon der Heraus-
geber Stokes mit frz. suie verglichen hat. Er setzt (bei Fick, Vergl.
Wörterb. II'* 298) kurzes, aus 0 entstandenes u an und stellt das
Wort zur Wurzel sed- , sitzen'. Aber das u wird als lang erwiesen
durch neuir. sügha (und süithche) ,Rufs' bei Foley, das auf den
Araninseln sui gesprochen wird im Unterschied von sis , sitzen' aus
altir. süide (Finck), gäl. süiih manx sooee sooie. Das altirische Fe-
mininum süide ,Rufs' würde in gallischer Lautform *südia oder
' Stokes KZ. XXXIII 65 u. 73, Revue Cell. XIV 228.
KLUGE, AFRZ. PORT. THURNEYSEN, FRZ. SUIE. GRÖBER, BIBELOT. 429
*südia lauten, genau die Form, welche frz. suie und wohl auch
die meisten, wenn nicht alle Dialektformen als Grundlage voraus-
setzen. An eine frühe Entlehnung aus dem Galloromanischen ist
bei einem irischen Worte solcher Bedeutung nicht zu denken, somit
der keltische Ursprung von siiie und Verwandten sicher.
Der Vokalismus von ir. süide ist allerdings auffallend, wenn
man anord. angelsächs. s6t engl, soot altbulgar. sazda (aus *sadja)
litau. südzei lett. sndeji ,Rufs' vergleicht; doch kann man sich etwa
mit der Annahme eines ursprünglichen Ablauts sdtid- [söd-] süd-
helfen. Merkwürdig bleibt aber auch so der Stammvokal der ent-
sprechenden britannisch -keltischen Wörter kymr. huddygl breton.
hiizel ,Rufs'; denn u geht in einheimischen Wörtern in der Regel
zunächst auf den Diphthong öu (oder öi) zurück, während irischem
ü britannisch /, ursprünglichem d britann. ö {aw, eu) entspricht. Hat
hier etwa das Adjektiv kymr. htidd , dunkel, düster' eingewirkt?
R. Thürneysen.
21. Zu Ztschr. XXII, 266 f. &«Mo^.
Eine weitere zu den dort verzeichneten altfrz. Stellen und zu
den von Godefroy im Complement s. v. biblol angeführten Belegen
aus dem 15. Jh. ist eine Definition des Wortes in Baudet Herenc's
Dodritial de la secojide retorique vom Jahre 1432, die E. Langlois
in seiner lat. These De artibus rhet. rhythmicis, 1891, S. 38 aus
einem der Wörterverzeichnisse der Seconde retorique ausgehoben hat,
wo es heifst: Bibelos, qui sunt choses d'estatn eti mercerie.
G. Gröber.
BESPRECHUNGEN.
Eugenio Rossi, Dalla mente e dal cuore di Giovanni Boccaccio.
(Per la storia del Decameron). Bologna, Zanichelli 1900. 279 S. 8''. Lire 5.
Aufser einer Einleitung enthält der Band drei Aufsätze: Dal Filocopo
(sie!) al Decameron, Maioris coactus imperio und La divulgazione del Deca-
meron, welche die innere Entwicklung darzustellen versuchen, die Boccaccio
von dem Erstlingswerke an bis zur Vollendung des Decamerone durchgemacht
hat: daher der Haupttitel des Buches. Die Einleitung legt kurz den Geist
der Einführung zum Decamerone dar und geht dabei insbesondere den Spuren
der neu anbrechenden Zeit darin nach. Der erste Aufsatz sucht dann zu er-
weisen, wie alle Werke Boccaccios vom Filocolo bis zum Ninfale Fiesolano
schon die Keime des Decamerone enthalten und zeigt die geistige Entwick-
lung Boccaccios an ihnen auf. In dem zweiten Aufsatze Maioris coactus imperio
deutet Verf. diese Worte Boccaccios in dem Briefe an Maghinardo dei Caval-
canti von 1373 in eingehender Darlegung mit Recht auf Amore und spricht
über die Entstehung des Decamerone, dessen Kern er bereits, aber natürlich
noch nicht in der vorliegenden Vollendung, in Neapel entstehen läfst. Dafs
dem so sei, ist begreiflich und auch schon von anderen ausgesprochen worden,
hier aber unter geschickter Benutzung aller einschlägigen Stellen in Boccaccios
Werken hübsch dargelegt. Zum Schlufs kommt Verf. auf die Frage zurück,
ob und welche geschichtlichen Personen sich hinter den Mitgliedern der Ge-
sellschaft des Decamerone verstecken, ohne über Albertazzi im Wesentlichen
hinauszukommen. Im letzten Aufsatz endlich spricht Verf. von der Einwirkung
der bestehenden Lilteratur auf das Decamerone und will dann in Boccaccios
Werke auch einen allegorischen Sinn aufdecken, der ihm namentlich in der
Rahmenerzählung ausgeprägt und aus dem Roman de la Rose sowie dessen
italienischen Fortsetzungen zu kommen scheint. Dies Sich-Anpassen an eine
bei seinen Zeitgenossen beliebte litterarische Gattung, das der Verf. beweisen
zu können glaubt, führt dann zu einer Untersuchung über die Aufnahme, die
das Werk bei den Zeitgenossen fand. In diesem Abschnitte geht der Verf.
in der Absicht das Decamerone von allen Makeln zu säubern entschieden zu
weit, und auch sonst enthält das Buch recht anfechtbare Aufstellungen, vor
allem die Auffassung der Fiammetta als Satire S. 135 ff. Gaspary's und Cres-
cini's Deutung ist psychologisch viel treffender. Des letzteren Ausdruck
"Vendetta hat Verf. mifsverstanden (S. 139 Anm. i) oder vielmehr das immagi-
naria davor übersehen.
Neues bietet das Buch nicht viel, aber es liest sich, von einigen Längen
abgesehen, ganz unterhallend. Leider sind viele Druckfehler stehen geblieben.
Berthold Wiese.
ZIMMERLI, DIE DEUTSCH-FRZ. SPRACHGRENZE IN D. SCHWEIZ. 43 I
J. Zimmerli, Die deutsch- französische Sprachgrenze in der
Schweiz. III. Teil: Die Sprachgrenze im Wallis. Nebst 17 Lauttabellen
und 3 Karten. Bäle et Geneve, H. Georg, 1899. 154 pp.
M. Zimmerli a mis au jour le troisieme volume de son bei ouvrage,
bien connu. Cette troisieme partie offre les memes qualites de conscience,
d'erudition , d'impartialite que les deux premieres. L'auteur continue ä mettre
fructueusement ä prolit histoire, geographie, memoires, documents de toute
sorte, archives communales et paroissiales, noms de Heux, de famiiles, etc.
D'apres ce que nous apprend M. Z., ä l'epoque romaine, le Valais avait
^te entierement „romanise", jusqu'aux sources du Rhone. A partir du
IXe siecle, il se produisit de fortes immigrations allemandes venant de l'Ober-
land bernois, que la domination savoyarde fut impuissante ä repousser, les
quelles, au cours du XV^ siecle, se trouverent assez fortes et assez impor-
tantes pour assujettir tout le Valais. EUes garderent l'administration jusqu'ä
la revolution fran9aise. C'est ce qui explique que le Haut -Valais parle alle-
mand. Du IXe siecle ä la Revolution donc, la frontiere linguistique avan9a
progressivement le long du Rhone vers l'Ouest et depassa certainement la
ligne qui la forme actuellement, pas d'une maniere tres sensible pourtant.
Depuis la Revolution, l'allemand est en recul (la partie romande etant plus
peuplee et plus riche); il se fait chaque jour plus rare ä Sion, Sierre est ä
moitie francise.^ Actuellement la frontiere part de l'Oldenhorn, suit la chaine des
Alpes bernoises jusqu'au Wildstrubel, ä partir duquel eile traverse la Vallee
du Rhone k la hauteur de Sierre et de Chippis, et de lä la chaine qui separe
le Val d'Anniviers de la vallee de Tourtemagne jusqu'ä la Dent d'Herens.
La partie de l'ouvrage qui Interesse plus particulierement les romanistes
est naturellement l'etude de la phonetique de douze patois valaisans: ceux
d'E%'ionnaz, Liddes, Ardon, Nendaz, Saviese, Vex, Evolene, Ayent, Montana,
Chaley, Pinsec, St.-Luc. C'est sur cette partie, que j'ai specialement examinee,
que j'exposerai ici un certain nombre de remarques purement grammaticales.
I. Le participe passe des verbes de I en non palat. (am ata) est en
Valais comme dans toute la Suisse franco-proven^ale en -a/p. M. Girardin a
d^jä exprime ici (XXIV, 206) mon opinion sur cet -a/p. Je ne crois pas k
la possibilite de la seconde explication de M. Girardin, ä savoir que cet -a/p
pourrait etre tir^ du pluriel phonetique -aies = -atas. De cet -a/e(s) on
aurait pu tirer deux sing, -aip et -a/a, et il semble que c'est le second
qu'on eüt forge de preference, car les mots feminins oii la finale est -a de-
passent beaucoup en nomljre ceux oü eile est -p (lesquels sont ceux qui
contiennent une palat.). Et pourquoi ne retrouve-t-on nulle part cette finale
*-a/a ? Le Valais confirme mon explication que -ap aurait pris naissance dans
les participes, pour maintenir une forme feminine, differeute de la masculine,
et de lä dans certaines r^gions (Fribourg par exemple) se serait dans une
mesure plus ou moins large ^tendu aux substanlifs (coUcctifs ou non). Car en
Valais la regle pour les participes est -a/p, mais pour les substantifs, c'est,
abstraction faite de rarissimes exceptions, -a (i>), voy. de Lavallaz , Essai sur
le patois d'' Heremence,"- Paris 1899, § 514, et le Patois de Viomiaz, p. 25.
^ Voyez aussi Brunot, Litt, frangaise de Petit de Julleville, VIII, 865.
* Je constate avec grand plaisir que M. de Lavallaz est tombe sur la
432 BESPRECHUNGEN. P. MARCHOT,
II. Lcs traitements de pede et focu confirment partout la belle thcorie
de M. Gauchat sur -atu prdcdde de / exposee dans la Rotnania, XXVII,
278 ss.i
III. Pour le traitement de non pa].+ -ariu -aria, il est ä remarquer
qu'jl co'incidc partout absolument avec celui de febre lepore (tabl. III et V).
Je repete donc (voy. ici XXI, 299) qu'il faut mettre ä la base du franco-
proven^al un -er(i)u -er{i)a avec un e de qualite ambigue (comme Ve de
febre).
IV. Les representants de ,,premier" vont en Valais comme dans le
reste de la Suisse franco-proven^ale avec les mots en pal. -|- -ariu. M. Gi-
rardia a expose ici, XXIV, 213, une opinion que j'ai eue autrefois, mais que
j'abaudonne: premier serait un ancien '^prbnAr le sufF. -ier empruute des
noms en -ariu ä pal. Disons d'abord, apres Girardin, que Zimmerli se
trorape en invoquant l'action de Vi protonique, car ,,filaria est traite nor-
malement". L'opinion que les formes de „premier" sont prises au fran9ais
ne se soutient guere pour un mot aussi commun. Et pourquoi alors nulle part
le phonetique preineir premeire, meme dans les villages les plus recules echap-
pant forcüment ä l'influence du fran9ais? Un remaniement sur „dernier" est
inadmissible, celui-ci tire de *deretrariu etant tout ä fait regulier (derreir
derreire). Mon ancienne opinion ne me satisfait plus, parce que de *prim
on aurait tire plutot un premeir qu'un premier (d'apres derreir) et qu'en
definitive dans un territoire aussi vaste que la Suisse franco-proven^ale on
retrouverait sans deute 9a et lä la vieille forme pri9n prima. „Premier" allant
toujours avec les noms en -ariu i pal. reporte en somme comme ceux-ci ä
i ■\- aru, car ceux-ci remontent ä une finale -ier -iere, et non ä une finale avec
triphthonge -ieir -ieire (laquelle existe dans certaines regions ä la fois dans
le Nord et le Midi de la France). Je crois qu'il faut en realite pour le
franco-proven^al poser un tlieme *primiaru. Ce *primiaru peut se concevoir
comme une metathese de primariu, et si Ton voulait absolument se rendre
compte des causes de cette metathese, il serait possible d'invoquer sur pri-
mariu l'action de praemiu, dans lequel on peut decouvrir comme une lointaine
parente de sens, ,, premier" pouvant etre parfois la meme chose que ,,prime".
V. Je desire dire un mot de l'importaute question du k dit parasitaire
en Valais, question tout ä fait neuve. On le trouve ä la fois ä l'int^rieur du
mot et en finale.
A l'int^rieur du mot. II peut provenir soit d'un /, soit d'un u an-
tdrieur. Voici le tableau des faits obtenu en coordonnant les mat^riaux des
pp. 153 et 149. Le phcnomene existe dans quatre villages dont trois, les
Premiers du tableau, sont tres rapproches. Le trait indique une forme avec k,
le blanc une forme manquant de k.
meme explication (§ 169). Sa these (de Lausanne) est de la fin de juin 1899,
je ne Tai re^ue, par l'obligeaiice de AI. Bonnard, et lue qu'en fevrier 1900.
J'ai note mon explication sur le ms. de M. Girardin en mai 1899 (peu apres
la reception par M. Gröber pour le compte de la Ztschr.), donc avant l'appa-
rition de la these.
^ M. de Lavallaz dit (§ 48) en mentionnant cette theorie: ,,C'est ab-
solument ce que j'avais d^couvert pour ce qui concerne le patois d'H^rd-
mence." Voilä M. Gauchat depossedd de son bien!
ZIMMERLI, DIE DEUTSCH-FRZ. SPRACHGRENZE IN D. SCHWEIZ. 433
St.-Luc Chaley Pinsec Evolene
ripa — — —
lepore —
libra — — — —
vivere — — — —
legere — — — —
ratione —
caldaria — —
ascultare — —
cultellu —
falcicula — ■ — —
pulvis -\- a — — — —
dulce — — —
pollice —
pulice — — —
bullicare — — —
coUocare — — —
aiiricnla — — —
autumnu — — —
duos (p. 151) — —
La k devient naturellement ^, la sonore correspondante, si une sonore
suit. A noter qu'ä Montana, les themes qui ont un u primitif (ceux consti-
tuant la seconde serie du tableau) presentent p (b devant sonore): c'est une
autre transformation de u. Ces phdnomenes de i'^ k et u'^k, sont. bien,
comme ou voit, des plienoraenes veritablement phonetiques: /]>-^ est la regle
ä St.-Luc, Chaley et Pinsec (rigoureuse surtout ä St.-Luc), les trois villages
rapprochös et formant un groupe. A Evolene, village 61oigne, il se rencontre
pas mal d'exemples, mais ils ne constituent pas la regle, il y a dualite de
traitements.
En finale. Le k en finale vient aussi de / et de 11 (lequel 11 h. Montana
devient p comme ä l'intcrieur du mot). Ce f de Montana noUg prouve que
pour nudu etc., il faut bien restituer une etape prenii^re fiuu ant^rieure ä
yiiik et des lors on doit bien admettre un processus semblable pour venire
etc., c'est-ä-dire une etape *vem''~. C'est ce qu'on pouvait dejä apercevoir du
reste par les autres themes (siti, zelosu), dont le traitement primitif est ei.
ou : fr.-prov. sei[t), dzaloii{s). Voici le tableau des faits obtenu en relevant
les materiaux de la p. 152:
St.-Luc Chaley Pinsec Evolfene
venire — —
amicu — — — —
siti — — — —
digitu — — — —
frigidu —
directu —
tectu —
pisu —
pilu —
Zeitschr. t rom. Phil. XXIV. 28
434 BESPRECHUNGEN. E. HERZOG,
St. -Luc Chaley Pinsec Evol^ne
nive — — —
*punectu — — —
nocte —
Montana *
zelosu —
lupu —
nepote —
nodu —
nudu — — — — —
perdutu — — — — —
vendutu — — — — —
vidutu — — — — —
duru — — - —
maturu — — —
Comme on le voit, c'est Evol^ne, le village isol^, qui ici tient la corde,
tandis que pour le k interieur il n'offre qu'une dualite de trailements. C'est
bien ce que dit M. de Lavallaz, § 338, qui ne considerant que le k final, le
seul existant ä Heremence, nous apprend qu'ä Evol^ne „le k est encore plus
en vogue". C'est chez M. de Lavallaz qu'il faut chercher les plus complets
renseignements sur le k pavasitaire (en finale seulement). D'abord, il a bien
vu, Sans connaitre pouitant Zimmerli, qu'il provenait toujours de / et de 11
(§ 33^)- Rousselot ayant observe de ces phönomenes sporadiques et ayant
dit que k est purement organique et du ä la „brusque delente des oiganes",
de Lavallaz fait observer qu'on trouve aussi k ä l'intdrieur et que selon lui c'est
plutot un effet de la „tension" des organes (§ 336). On trouvera les r^gles
de l'emploi de k final ä Heremence aux §§ 326, 327, 328, 329, 334, 335 et
338 ^li^^^'-^ '• PAUL MARCHOT.
Rydberg, Gust., Zur Geschichte des französischen a. IL 2. Ueber-
sicht der geschichllichen Entwickelung des 9 in alt- und neufianzösischer
Zeit. Die vorlitlerarische Entwickelung der frz. Monosyllaba. Upsala, Alm-
qvist u. Wicks. 1898. 8.203—408-^11. 8".
Nach den zwei bereits erschienenen Teilen von Rydberg's Arbeit (vgl.
Zs. XXIII 466 — 9) sollte ein dritter die Geschichte des dumpfen Lautes in
tonschwachen Monosyllabis (de, ne etc.) darstellen. Da kam es zunächst darauf
an, sich Einsicht in den Stand der Dinge bei Beginn der litterarischen Periode
zu verschaffen, und dazu war wieder das Studium der Verhältnisse in der
Zwischenzeit notwendig. Der Verf. sammelte also ein reiches Material aus
der einzigen Art Quellen, die dafür zu Gebote stehen, den spätlateinischen
Hss. und gelangt auf Grund desselben zu beachtenswerten Ergebnissen. Bis
nun liegt diese Untersuchung allein vor. Sie zeigt uns, dafs ein gründlicher
Einblick in die Litteraturdenkmäler bedeutend mehr Wert hat als man ge-
wöhnlich anzunehmen geneigt ist.
* Le trait indique une forme avec p, le blanc une forme sans p.
RYDBERG, ZUR GESCHICHTE DES FRANZÖS. 9. 435
Da die Folgerungen des Verf. sich mit zwingender Notwendigkeit aus
seinem Material ergeben, so genügt es hier, sie kurz zu resümieren, ohne dafs
namhafte Einwendimgen zu erheben wären: Für de, me, te, se zeigen in ge-
nügender Anzahl anzutreffender Assimilationen an den folgenden Tonvokal
{da causa, du rupi etc.), dafs sich der Vokal ,,in der späteren Hälfte der
galloromanischen Periode" zu 3 gewandelt habe. Die Dative mt, ti, si, ton-
schwache einsilbige Formen des Possessivs, erscheinen belegt; weniger be-
friedigend waren die Ergebnisse für ego (zwei neue Belege für eo, mehrere
umgekehrte Schreibungen ego für eo, alle in einer Umgebung, die ihren Wert
zweifelhaft erscheinen lassen). Der Grund dafür liegt wohl darin, dafs bei
einem so gebräuchlichen Wort auch die ungebildeten Schreiber die richtige
lat. Form kannten. Für itott erscheinen vor Konsonanten Schreibungen, die
auf die Aussprache no schliefsen lassen; später und weniger zahlreich Belege
einer Aussprache ne (fip). Für fiec dagegen erscheint ne ziemlich früh, zunächst
vor ^-Laut und Liquiden, später vor andern Konsonanten, ganz spät vor
Vokalen. Anders steht es um sie, das die Form si gerade zunächst vor
Vokalen ausgebildet zu haben scheint; dieser Unterschied hängt mit dem
stärkeren Accent zusammen, den letzteres Wort im Salz zu tragen pflegt.
se statt si (wenn, ob) zeigt sich zuerst vor Konson. und i; in späterer Zeit
beweisen dann vorvokalische Verwechslungen mit sed, dafs bereits von que —
tjifed her Analogie wirksam war. Zahlreiche Beispiele belehren uns über die
Verdrängung der andern Relativpronomina durch qm', qiie, als willkommene
Bestätigung dessen, was hier bereits früher von manchen Seiten postuliert
wurde. Ganz neues Licht jedoch wird auf die Vorgeschichte der Konj. que
geworfen; es zeigt sich nämlich, dafs quia, das bekanntlich im Spätlat. " neben
quod viele Funktionen annahm, die ihm im klass. Lat. noch nicht zukamen,
sich seit dem 6. Jh. in zwei Formen gespalten hat, eine ursprünglich vor-
vokalische qui und eine vorkonson. qua (die eine Stütze in qua<^quam be-
kam), wovon die erste schliefslich die Oberhand gewinnt und die andern in
den Hintergrund drängt, so dafs es kaum mehr einem Zweifel unterliegt, dafs
que wirklich darauf beruht.
Ein besonders ausführliches Kapitel, das allerdings mit dem eigentlichen
Gegenstand nur in loser Berührung steht, ist den Verstärkungen des Demon-
strativpronomens gewidmet; es wird hier gezeigt, wie man von ecce ego,
ecce tu, ecce nunc, ecce hie etc. allmählich zu ecce iste, ecce ille gelangte;
wie diese Verbindungen, ursprünglich oft durch andere Worte getrennt, all-
mählich in eine Einheit zusammenschmelzen; wie dem Typus ecce ille etc.
eine Zeitlang von ipse ille Konkurrenz gemacht wird. Auch für andere Ver-
bindungen zweier Demonstr. werden zahlreiche Beispiele vorgeführt; wichtig
namentlich Fälle wie in id ipsum monastyrio, in id ipsain rem, durch die
die Etymologie von it. desso aus id ipsu sicher gestellt wird.
Nur in einem wesentlichen Punkt bin ich anderer Ansicht wie Rydb. :
bei seiner Erklärung des Nom. Sg. Uli etc. Der Verf. geht von den schwach-
tonigen Formen elle-abet aus, das nach ihm nicht zu ellabet werden konnte
in Fällen, wo Distinktion der Geschlechter nötig war. Daraus wäre elli-abei
geworden; elli wäre dann auch unter dem Hochton eingeführt worden, hätte
dort zu /'/ geführt, was nun seinerseits verallgemeinert worden wäre. Dagegen
läfst sich — abgesehen von der UnWahrscheinlichkeit der zweimaligen Umbil-
28*
436 BESPRECHUNGEN. G. GRÖBER,
düng in entgegengesetzter Richtung — manches sagen; Lag auf dem Subjekt
kein Nachdruck, so war die Aussetzung des Pron.jedenfalls noch ungebräuchlicli;
wollte man aber die Person oder ihr Geschlecht hervorheben, so griff man zu
der betonten Form, in der das a des Fem. gewifs auch vor Vok. ausgesprochen
\vurde, also Mask. und Fem. hinreichend unterschieden waren. Kam es wirklich
in vereinzelten Fällen zu einem Mittelding zwischen beiden , so ist kaum anzu-
nehmen, dafs die Gelegenheit dazu so häufig war, dafs diese Form auf andere
einzuwirken vermochte, umsoweniger als nach der Betonung differenzierte Formen
ja gerade beim Pron. nicht vermieden zu werden pflegen. Wichtiger aber ist,
dafs il gerade in einem Teil des Gebiets als Fem. fungiert, ja wie es scheint,
hat mancher prov. Dialekt mask. el neben fem. ilh. Aehnlichen Distinktions-
trieb nimmt Verf. auch zur Erklärung von li (Art.) an; auch hier läf-st sich
Gleiches sagen: Man sieht noch weniger ein, warum gerade im Rektus die
Geschlechter unterschieden wurden, im Obl. nicht; warum das Franz. keine
Spur eines vorkonson. mask. le hat, während doch im Obl. zwei Formen be-
stehen konnten: /' und lo; warum auch hier für das Fem. U in Dialekten
eintritt. — Auch bieten die Beispiele Rydb.'s gar keine Veranlassung zu der
Annahme; es finden sich gleichzeitig vorvokalische und vorkonsonantische
und ferner viele entschieden hochtouige wie Et Uli 'gratias^ inquid in
Greg. V. T. Bei diesem Schriftsteller stehen Uli und ipsi als Nom. Sg. ver-
hältnismäfbig selten; dagegen im Nom. PI. und im Dat. Sg. häufig die Schrei-
bung nie. Rydb. hat, glaube ich, unrecht, in dieser Schreibung eine Schwächung
des Auslautvokales anzunehmen. Es ist einfach verkehrte Schreibung. Der
Schriftsteller wufste, dafs er in gut lat. Autoren oft ille gelesen hatte, wo er
Uli gesagt hätte; das will er nachahmen: es entschlüpft ihm auch wirklich
nur selten eine -z'-F'orm im Nom. Sg. ; dagegen setzt er nun -^-Formen, wo sie
nicht berechtigt waren. Damit vollkommen im Einklang steht, dafs die weniger
von der Schriftsprache beeinflufsten formulae etc. Uli als Nom. Sg. unge-
mein häufig, ille als Nom. PI. selten aufweisen. — Ich halte also daran fest,
dafs Uli von qui beeinflufst ist, allerdings nicht so sehr von dem relativen,
was allerdings schwerer begreiflich wäre (Rydb. S. 261, oben), als von dem
interrogativen. Auf die Frage qui a{be)i isla kasaP lag nahe mit Uli zu ant-
worten.^ Uli auch als Fem. ist so besonders leicht zu verstehen. Das fiele
natürlich vor die Zeit, wo sich der Artikel vom Demonstr. völlig ablöste,
Aehnlich ist ja wohl die Form des obl. ilhii entstanden: Auf cui es fil'usF,
cui a{be)s aportata ista reinP war Uli oder illo mit der Zeit eine unklare
Antwort geworden; illui konnte sich bald einstellen. Rydb. nimmt hier aller-
dings einen Einflufs von cui an, aber erst, nachdem das Verhältnis Uli : qui
schon gebildet war, setzt also letzleres früher (S. 279); dem widerspricht aber
sowohl der Umstand, dafs illui bereits vor Nom. Sg. Uli nachweisbar ist, als
auch die weitere Verbreitung von illui. Da nun neben diesem auch illo (wohl
illu gesprochen) noch üblich war, so bildete sich nach illit : illui zum Fem.
ille «[ illae) illei.
^ Das ist natürlich nicht so zu verstehen, als ob notwendigerweise gerade
in diesen Fragen und Antworten der Ausgangspunkt gesucht werden müsse.
Es konnte sich nur hier besonders leicht das Gefühl ausprägen, dafs i das
Charakteristikum des Nom. Sg. sei, da qiü me vedet neben qu^in vedesP cui
plak'esP sehr ins Ohr fiel. Eugen Herzog.
MOHL, INTRODUCTION A LA CHRONOLOGIE DU LATIN VÜLG. 437
Mohl, F.George, Introduction ä la Chronologie du Latin vulgaire.
Elude de philologie historique. Paris 1899, Libr. E. Bouillon. 8". XII, 339.
(Bibl. de l'Ecole des hautes etudes, I22e fasc.)
Der Titel des anregenden Buches, eine Vorbereitung auf eine vom Verf.,
einem Schüler Breals, in Aussicht genommene historische Grammatik des
Latin vtdgaire, bezeichnet hinreichend deutlich, dafs es sich um Stellung der
Frage, um die Vorstellung des Verf.s von römischer Volkssprache, um Er-
örterung der Mittel und Wege zur Lösung der Aufgabe, wozu ihm selbst nach
S. 281 jedoch Mittel wie Fähigkeiten gebrächen, handelt, und dafs es ihm
darauf ankommt zu zeigen, wie die Untersuchung anzufassen und wie sie zu
führen sei, ohne dafs er neue Thatsachen der Laut- und Formengeschichte
des Volkslateins mitzuteilen beabsichtigte. Er geht aus von der von mir
(Wölfflins Archiv I) in Erwägung gezogenen chronologischen Verschiedenheit
des gesprochenen Lateins, billigt sie und verbindet damit, die Vorstellung
einer uniformen lateinischen Sprache bekämpfend, die von Sittl anfangs nach-
drücklich vertretene, dann aufgegebene Idee eines mundartlich verschiedenen
Lateins, eines Provinziallateins, das durch die Berührung des Lateinischen mit
den italischen Dialekten ausgebildet, in den romanischen Sprachen noch
ebenso fortwirke wie das archaische Latein der vorlitterarischen Zeit des
römischen Volkes. Diesen italischen Einflüssen geht der Verf., gestützt auf
von Plantas schönes Buch, ohne das er, wie er andeutet, nicht vorwärts ge-
kommen wäre, mit besonderem Eifer nach, ohne zu bemerken, dafs dieser
Gedanke so neu nicht ist, da man doch schon lange südital. nn <^ 7id mit
italischer Mundart in Zusammenhang gebracht und daher auch keineswegs in
seinem Sinne allgemein ein uniformes Volkslatein gelehrt hat.
Was er über die Chronologie desselben Annehmbares vorgefunden und
weiterhin durch eigne scharfsinnige Erörterung ermitteln konnte, stellt er au
S. 281 ff. zusammen. In einer ersten Periode, von der Zeit der Bildung der
lat. -italischen Dialekte bis auf Hannibal (im Süden bis auf Sulla), sind , wie
wir alle wissen, Ergebnisse aus Inschriften, Glossaren, Ortsnamen zu gewinnen.
Die zweite Periode, bis auf Augustus und weiter, ist die Zeit der Constitution
du latin general d^Italie, der Aufnahme von Wörtern u. s. w. der ital. Mund-
arten in dasselbe und die Zeit des Verschwindens der ital, Dialekte. In sie
fällt die auf italische Mundarteinwirkung zurückgehende Palatalisierung und
Assibilierung des k, g vor e, i, die auch Breal im 2. Jh. v. Chr. eintreten liefs,
während G. Paris im Hinblick auf die germanischen Wörter latein. Ursprungs
mit l\ z. B. Kirsche, Keller, Pech u. dgl., auf Fortbcstand der lat. A'-Artiku-
lation bis ins 5. Jh. n. Chr. schlofs. Wenn M. hiergegen, übereilt, behauptet,
schon die gothischen Wörter mit ke, ki, die ins Romanische übergegangen
seien, bewiesen, dafs ke, ki früher sibiliert worden seien, so rettet er seine
These allerdings nicht, denn er führt kein solches gothisches Wort an, und
er kann es nicht, weil es keins giebt. Freihch zeugen ja auch die deutschen
Wörter lateinischer Herkunft mit ke, ki nicht gerade für das 5. Jh., denn
der Nachweis fehlt, dafs sie erst seit dem 5. Jh. in deutscher Sprache vor-
handen waren. Ebenso hinfällig ist die von M. aus ital. jozzö <; sucidus ge-
zogene co7iclusio7i irrefutable zu Gunsten der frühen volkslat. Sibilicrung des
ci, denn dafs c in sozzo nachwirke, ist gänzlich unerwiesen (s. Schuchardt,
438 BESPRECHUNGEN. G. GRÖBER,
Rom. Etymol. I, 41, Sitzb. d. Wien. AK-, Bd. 138). Auch inleivok. g ^va^ sclion
Eodr; des 2. Jh. v. Chr./ (S. 310), ^o-<[ego ist umbrische Einwirkung u. s. w.
In der dritten Periode, bis zum 4. Jh. n. Chr., der Zeit des Verfalls des litte-
rarischen Lateins, dringen litterarische und offizielle Wertformen in die vulgäre
Rede; nach Nordfrankreich kommt eine durch das litterarische Latein ge-
reinigte Sprache, wozu gehört cogfioscere für conoscere etc. ; ^perfacere, frz.
parfaire, ist altes Latein an Stelle des offiziellen perficere u. s. w. In der
vierten Periode wird das Vulgärlatein der Kaiserzeit aufgelöst; die Sprachen
der Eingeborenen gewinnen mit dem Untergang Roms jetzt (erst?) Einflufs auf
das Lat. der Provinzen; im Anfang des 6. Jh. liefern Dokumente romanische
Wortformen.
Diese Einteilung der Geschichte der lat. Volkssprache ist durchaus an-
nehmbar, denn eine solche ergiebt sich bei jeder Sprache, die sich mit fremden
Sprachen berührt und eine Litteratursprache entwickelt, von selbst. Zu leugnen
ist nur, dafs sie auf geschichtlichen Daten für die lat. Volkssprache beruhe. Da-
von kennen wir leider nur wenig. Die zuverlässigen sind doch nur der Inschrift,
dem Grammatikerzeugnis, der Beobachtung der Texte und geschichtlichen
Thatsachen und hierauf begründeten Schlüssen abzugewinnen. Wenig werden
die Lokalnamen ergeben, auf die der Verf. hinweist, und deren Studium in
der That ebenso mit Unrecht vernachlässigt wird wie das der Bestandteile des
lat. Wortschatzes, der ja nicht blofs in Latinisch mit griechischen und kel-
tischen Beimischungen aufgeht. Weit entfernt daher, dafs die angestrebte
Chronologie der lat. Vollvssprache das wissenschaftliche Fundament der roma-
nischen Sprachgeschichte wird bilden können, wird diese vielmehr Bausteine
zur trümmerhaften Ueberlieferung jener hinzufügen und Licht in das Dunkel
bringen müssen, das für uns über die lateinische wie über jede Volkssprache
der Vergangenheit gebreitet ist, und nur durch ein entgegenkommendes Zu-
sammenarbeiten von beiden Seiten wird sich Ahnung hier wie dort in Wissen
verwandeln lassen.
In Einzelheiten, die oft interessant erörtert werden, gelangt M. kaum zu
einem höheren Grad von Probabilität. Seine Ueberzeugung, in allen Graden
und Formen der Assertion vorgetragen, kommt weit mehr zur Geltung als
der Beweis, und nicht müde wird er seine Ueberzeugung gegen andere Auf-
fassung auszuspielen. Freund und Gegner wird dabei mit einer mehr oder
weniger schmeichelhaften Charakteristik bedacht; Schuchardt wird wegen einer
Bemerkung über Steinmetzen verlacht (S. 20), Tobler wegen Behauptung a
priori getadelt (S. 26 f.) und schlechthin heilst es von den Romanisten, dafs
sie jede roman. Form zurückführen le plus souvcnt meine sans tiecessite, ä
un pretendu prototype vulgaire reconstrtiit de toiites pieces u. s. w. (S. 22).
Danach befremdet nicht, dafs der Verf. die Ansichten anderer auch ungenau
wiedergiebt, um seine Klugheit zu zeigen. Ganz neu ist mir, dafs ich irgend
etwas von dem gesagt habe, was auf S. 165 steht, wo vom uniformen Latein
gesprochen wird, während der Verf. von meiner Idee eines chronologisch ver-
schiedenen Lateins, das sich selbstverständlich an den Orten, wohin es ver-
pflanzt wurde, seit seiner Verpflanzung auf eigne Weise weiter entwickelte,
den Ausgangspunkt für sein Buch nimmt.^ S. 240 heifst meine chronologische
^ In seinem neuen, mir vor kurzem von ihm zugeschickten, ebenfalls
MOHL, INTRODUCTION A LA CHRONOLOGIE DU LATIN VÜLG. 439
Theorie, der zufolge Rückschlüsse aus der Stellung der roman. Sprachen zu
einander in der Laut- und Formenentwickelung im Zusammenhang mit den
Daten der Verpflanzung des Lateinischen nach den Provinzen möglich sind,
in einem Punkte inexakt (vgl. auch S. 8 und S. 3). Der Punkt ist aber von
Herrn M. selbst konstruiert, während ich vor demselben, d. h. vor einer mecha-
nischen Anwendung meiner Theorie an derselben Stelle (S. 216 ff., s. auch
Arch. f. lat. Lex. 7, 54) warne, wo zu ihrer Veranschaulichung Formeln (S. 213 ff.)
angedeutet sind, in denen Herr M. diesmal meine ganze Einsicht niedergelegt
erblicken möchte, während er sie anderwärts richtig fafst und (S. Ii) anerkennt,
qu'elle est la seule qui reiide scientifiquement compte, dans leur ensemble,
des incontesiahles rapports d'dge que chacun remarque infaillihlement entre
les divers dialectes romatjs. Nichtsdestoweniger soll dem Verf. bestätigt
werden, dafs seine mühereiche, in Lob und Tadel nicht immer klug berech-
nete Arbeit, mit Vorsieht benutzt, in die schwierigen Probleme der Chrono-
logie der lat. Lautgeschichte einzuführen vermag, die Fragen klärt und geeignet
ist Alt- und Neulateiner für den Gegenstand nicht nur einzunehmen, sondern
ihnen auch eine gute Strecke den Weg zu weisen.
Zur Beurteilung der romanistischen Dinge reichen die Kenntnisse und
das Unterscheidungsvermögen bei ihm nicht immer aus. Z. B. wird auf S. 3
der Schein erweckt, als ob ital. temeva meiner Annahme einer archaischen
lat. Form /^w^a ]>■ temebam entgegenstünde ; dem ältesten Italienisch aber
ist das -/-a-Imperfekt geläufig. — S. 4 argumentiert der Verf. mit Fortsetzern
des in Appendix ad Probum auftretenden oricla ^ auricula im Sard. und Port,
gegen mich iu dem Sinne, dafs ich den Bestand des oricla bis 200 v. Chr.
und von da die Alleinherrschaft des au(ricla) hätte ansetzen müssen, was mir
allerdings nicht möglich war, der ich Arch. I, 2 1 5 deutlich meine Meinurig über
au und o ausgesprochen habe, der ich 1. c. nur von laulregelmäfsigen Ver-
tretungen handle, dem 0 für au als volkssprachlich weder durch den be-
kannten Scherz in Suetons Biogr. Vespasians c. 22 über plaustra : plostra und
den Pedanten Florus, noch durch das inschriftliche Pola von 218 v. Chr. u.a.m.,
noch auch durch den Verf. S. 276 erwiesen wird, und der ich weifs, dafs das
vortonige au im Sard. rcgelmäfsig 0 wird, port. ou aus au in vortoniger Silbe
aber nur noch in endungsbetonlen Verbalformen vorkommt, bei denen Ana-
logisierung nach den stammbetonten stattgefunden haben kann. — S. 6. Zum
Ansatz von blber (st. lat. fiber), für das ich selbst auf Georges (vgl. auch
Forcellini, s. v.) verwies, statt blber, hätte ich mich gern aufgeschwungen, wenn
ich ital. bevero (M. schrieb mir den Druckfehler b^vero nach), altspan. befrc (e!)
ohne das regelmäfsige ie und mit dem unregelmäfsigen f, und das einem e
sonst nicht entsprechende i in span. port. bibaro, ital. bivaro und neuprov.
vibre folgendermafsen zu „erklären" den Mut gehabt hätte: In dem i sehe
ich nur germanischen Einflufs einer „offenbar" viel spätem Epoche; das Span.,
das das alte befre für bibaro aufgegeben hat, macht ,, meiner Ansicht nach
diese Erklärung sehr wahrscheinlich"; in prov. vibre „kann man vermuten",
interessanten Werke „Les origines rotnanes" (1890) wird diese Idee auf eine
Aeufserung Büchelers (1882) von ganz anderem Sinne zurückgeführt und in
Bezug auf mich gesagt, que quelques annees plus tard (1S83!) Gröber devait
si tnagistralejnent developper dans ses heiles etudes sur les Vulgärlat, Sub-
strate.
440 BESPRECHUNGEN. H, SCHUCHARDT,
dafs „das" alte *vehre (vgl. vebrinum, Isidor. Gl.) „einfach" seinen Wurzel-
vokal unter Wirkung des german. biber verändert hat." Wenn das nur alles
so leicht ginge, wie's geschrieben wird. — S. 9. Im Umbrischcn regiert post
den Ablativ; lat. post morte auf Inschriften der Kaiserzeit „zeigt dieselbe
Rektion"; also war c\n posi eis {nr posfea möglich, daher s^rd. pustts, frz.
pu/s U.S.W. Mathematisch streng ist das nicht; aber es könnte Herrn M. zu
Liebe doch am Ende so gewesen sein.
G. Gröber.
Osthoff, Hermann, Vom Suppletivwesen der indogermanischen
Sprachen. Erweiterte akademische Rede. Heidelberg 1900. 4°.
S. 95-
Zu seiner Gelegenheitsrede hat sich OstholT einen sehr dankbaren Gegen-
stand erkoren und durch dessen Behandlung in der That auch unsern Dank
verdient. Er hat nämlich eine Gruppe von Spracherscheinungeu die uns von
allen Seiten her nahe liegen und vielleicht gerade deshalb bisher nicht hin-
länglich beachtet worden waren, uns in jedem Sinne nahe gerückt, sodafs wir
sie in ihrem Umfang und Wesen aufs Beste zu erkennen und begreifen ver-
mögen. Es handelt sich um jene Vergesellschaftungen wie bo/ius — melior
— optimus, OQCuo — h6ov — onwna, die bei unserer ersten Berührung mit
fremdsprachlicher Grammatik unsere schmerzliche Aufmerksamkeit erregten
und deren Ursachen wir gewifs schon damals nachgespürt haben würden wenn
wir die Aussicht gehabt hätten damit die Wirkungen aufzuheben.
Man hat hier von „Defektivwesen" gesprochen; Osthoff kann einer
solchen „Auffassung und Terminologie . . . eine innere Berechtigung nicht zu-
gestehen" (S. 4), er zieht es vor von „Suppletivwesen" zu sprechen. Allein
suppliert wird doch nur das Defektive oder, auf deutsch gesagt, ergänzt wird
nur das was fehlt, mag es noch fehlen oder schon fehlen, und ob man den
früheren oder den späteren Vorgang als den wesentlichen betrachtet, das hängt
von der Wahl des Standpunktes ab. Osthoff sagt: „Wir werden uns aber
doch nicht etwa zu der Auffassung verstehen wollen dafs die in Vater,
Bruder, Sohn erscheinenden Stämme oder Wurzeln defektiver Natur seien,
weil aus denselben nicht auch die Bezeichnungen der entsprechenden Feminina
Mutter, Schwester, Zbc/z/^/- hervorgingen" (S. 4 f.). Gewifs nicht; aber sie ge-
hören auch in kein Suppletivsyslem hinein; das verrät sich schon äufserlich:
Vater und Mutter u. s. w. unterscheiden sich nur im Stamme voneinander,
gut und besser u. s. w. im Stamm und durch die Endung.
Beide Arten von Fällen haben ohne Zweifel ihr Gemeinsames; beide
beziehen sich auf ,,dem seelischen Interesse des sprechenden Menschen näher
liegende Vorstellungsobjekte" (S. 41), und es werden „die Dinge der Vor-
slellungswelt desto schärfer und individueller erfafst je näher sie dem Em-
pfinden und Denken des Sprechenden treten" (S. 42). Was Osthoff sodann
über die beiden sich entgegenarbeitenden Tendenzen, die individualisierende und
die gruppierende bemerkt, das möchte ich in die Formel zusammenfassen dafs
OSTHOFF, VOM SUPPLETIV WESEN DER INDOGERM, SPRACHEN. 44 I
unmittelbare Unterscheidungen sich in stammverschiedenen Wörtern verkörpern
(wie Vater — Muffer), Unterscheidungen innerhalb einer Einheit in stamm-
gemeinsamen, durch die Motion auseinandergehaltenen Wörtern (wie Löwe —
Löwin) und dafs die Mittel dieser Motion (Ableitung oder Zusammensetzung)
irgendwie aus jener Stammverschiedenheit gewonnen sind. Dafs die Unter-
scheidung bei Wortpaaren wie Vater — Mutter eine unmittelbare ist, er-
giebt sich aus der Verbreitung durch alle Sprachen; wenn Sohn — Tochter
im Lateinischen durch filius — filia vertreten werden oder f rater — soror
im Spanischen durch hermano — hermana,^ so kann das natürlich die Be-
urteilung nicht beeinflussen. Ich verstehe es darum durchaus nicht, wenn
OsthofF eine Aufzählung dieser , »uralten Ausdrücke für die nächsten Familien-
verwandtschaftsgrade" mit den Worten abschliefst: ,,Das ist denn ofTenbar
auch die blühende Herrschaft des Suppletivwesens mit seinen unecht- stoff-
lichen Gruppen" (S. 16).
Inwiefern gut — besser, oqÜoj — eiöov u. s. w. als defektiv oder sup-
pletiv zu fassen sind, das bedarf keiner Erläuterung. Allerdings denkt nun
Osthoff über diese Wortgesellschaftcn abweichend von Andern, und bringt
sie hierdurch mit den vorher erwähnten unter einen Hut, aber ohne ein
anderes Ergebnis als dafs nicht auch für jene, sondern nicht einmal für diese
die Suppletion als charakteristisch angenommen werden kann. Er hebt unter
den stammverschiedenen Komparativen diejenigen hervor welche ,,des be-
sonderen suffixalen Ausdrucks der Komparativbildung ermangeln" (S. 23), so
kymr. da „gut" — gwell, drwg ,, schlecht" — gwaeth. Der Komparativ
scheint hier mit dem Positiv gleichzeitig zu sein; das darf uns nicht Wunder
nehmen, findet sich doch der Komparativ zuweilen, besonders bei den Ad-
jektiven die sich auf räumliche oder zeitliche Ordnung beziehen, sogar als das
Frühere, so gerade im Keltischen : kymr. is „niedriger" — isel, uwch „höher"
— uchel. Man vergleiche franz. il est mon cadet, il est mon atne. Dafs
diese Fälle mit Vater — Mutter u. s. w. dem innersten Wesen nach zusammen-
gehören, darin stimme ich mit Osthoff überein; nicht darin dafs sie zum
Suppletivismus gehören. Es wäre hier ganz passend gewesen zu erwähnen
dafs im Brelonischen neben gwell und gwäz sich auch die wirklichen Kom-
parativformen gwelloc'h und gwasoc'h vorfinden, und dafs im Baskischen in
entsprechender Weise der Komparativ zu on „gut" höbe und hobeago lautet.
Müssen wir nun alle slammverschiedenen mit Komparativendungen versehenen
Komparative auf nur stammverschiedene zurückführen? Sogar was die in
doppelter Gestalt vorhandenen Komparative anlangt, ist es nicht undenkbar
dafs die kürzeren auch dem Sinne nach als Positive gedient haben. Das scheint
wenigstens die Ansicht von Victor Henry zu sein: „Que ce comparatif [^wa^] ait
et6 jadis un simple posilif, c'est ce qu'atteste encore ncttement l'existcncc du
1 Was Osthoff S. 16. 50 über ein lomb. //« [so, nicht /;-ß/t-] — frala
,, Bruder" — , .Schwester" sagt, beruht auf einem Mifsvcrständnis des ital.
frate und suora; es handelt sich um geistliche Titel. Eher hätte er das von
von Tappolet (s. S. 60) aus einem Orte der Hautes Pyrenees beigebrachte
fray — fraya „Bruder" — „Schwester" anführen können; in den Basses
Pyrenees, in Ossau, Oloron werden die Bewohner von Aspe spottweise ray-
rets — rayretes „Brüderchen" — „Schwesterchen" genannt.
442 BESPRFXHÜNGEN. H. SCHUCHARDT,
supcrlatif ^W'isa et du vrai comparntif gwasoc'h" (Lcxiquc clymologique du
bieton moderne, 1900, S. 148 Anm. 3). Unser deutsches vorzüglich hat doch von
Haus aus einen so bestimmt komparativen Sinn wie ilin ein Wort nur haben kann,
und wir brauchen es nur als Positiv, indem wir dazu den Komparativ vorzüg-
licher bilden. Gwell aber wenn es mit wählen und wollen zusammenhängt,
muCs ursprünglich ,,wählenswert", ,, vorzüglich" bedeutet haben. Osthoff will
die Annahme einer graduellen Bedeutungsverschiedenheit zwischen gut und
besser durch den Hinweis auf fein als ,, Elativ" zu gut und schön in der
heutigen deutschen Umgangssprache anschaulich machen. Seine Beispiele
(,,eine schöne Stadt", ,,eine feine Stadt" — ,,gut schlafen", ;,fein schlafen")
machen mir persönlich zwar einen fremdartigen Eindruck; aber das ist gleich-
güllig, ich weifs dafs in Waarenankündigungen feiti mehr ist als gut, ohne
der Steigerungen hochfein, feinst, extrafein zu ermangeln. Würde auf dieser
Grundlage sich je eine Rtihe: schön oder gut — feiner — feinst aufbauen,
so setzte das meiner Vorstellung gemäfs eine zeitweilige oder irgendwie be-
dingte Gleichwertigkeit von fein mit gut oder schön voraus.
OslhofF wendet nun offenbar die gleiche Erklärungsweisc auf die Sup-
pletivbildungen an die uns in andern Wortkategorieen, vor Allem im Verb
begegnen. Er beruft sich dabei auf* Delbrück (S. 45), rückt ihm aber doch
die UnVollständigkeit des von ihm behandelten Materials vor (S. 55). In Wirk-
lichkeit kommt es hier weniger auf die T»Ienge als auf die Art an; was wir
vermissen, sind verbale Analogieen zu Ja — gwell. Ich würde zwar keines-
wegs bestreiten dafs wenn die „Aktionsarten" überhaupt temporale Geltiing
gewinnen, diese Möglichkeit auch da vorhanden ist wo sie nicht durch Prä-
figierung oder Suffigierung, sondern durch den Wechsel des Stammes ausge-
drückt werden. Allein nur die Aufzeigung positiver und nicht ganz ver-
einzelter Thatsachen wird uns der Meinung abwendig machen dafs OQaw —
iiSov u. s. w. die Bruchstücke vollständiger Konjugationen sind die sich zu-
sammengelhan haben. Ich verlasse damit keineswegs den psychologischen
Boden auf den sich Osthoff gestellt hat; unsere ISIeinungen befinden sich
nicht einmal im wirklichen Widerstreit. Die Differenzierung der Bezeichnungen
für das Nächstliegende zieht schliefslich eine Identifizierung der Bedeutungen
nach sich; die feinen Unterschiede der Dinge oder der Auffassungen verlieren
sich oder verschieben sich — es bilden sich eine Reihe von Synonymen, das
heifät, untereinander vertauschbarcu Ausdrücken. Dieser überflüssige Reich-
tum vereinfacht sich wieder, und wenn von synonymen Konjugationen nicht
die einen ganz schwinden, die andern ganz fortleben, sondern sie sich mit-
einander mischen, so mag das zum Teil wohl auf Rechnung der ursprünghchen
Bedeutungen kommen, die in dem einen Tempus dieser, in dem andern
jener Form das Ucbergewicht verliehen haben. Ich schalte also aus der Auf-
stellung Osthoffs nur die schon anfängliche Beschränkung eines Stammes auf
ein Tempus und damit den „sekundären und pleonastisclien" Gebrauch des
Tempuszeichens aus. Aber es giebt noch andere Umstände welche bei dieser
Mischung mitspielen.
Die romanische Sprachforschung ist, dank den Mitteln über die sie ver-
fügt, eine gute Lehrmeisterin für alle andern Sprachforschungen. Osthoff ist
sicher der Letzte dem das gesagt zu werden braucht; aber im einzelnen Falle
OSTHOFF, VOM SUPPLETIVWESEN DER INDOGERM. SPRACHEN. 443
veigifst oder verleugnet er es doch. la Bezug auf das ro-.nanisclie Misch-
system für „gehen" äufsert er sich folgendermafsen: „Da im Latein die Mutter-
verba Ire und vädere ungemischt ein jedes für sich bestehen, möchte man
vermuten dafs durch irgend einen uns nicht mehr offensichtlichen Ntbenkanal
der vulgärsprachlichen Überlieferung die romanischen Konjugationsverhältnisse
mittelbar auf die Tradition des alten Suppletivwcsens bei dem Verbalbegriff
, gehen' sich zurückleiten" (S. 9). Zunächst hätte er doch fragen müssen:
läfst sich der romanische Sachverhalt auf den lateinischen zurücklcilen? und
darauf wäre eine ganz zuversichtliche Bejahung erfolgt. Am einfachsten stellen
sich die Dinge im Spanischen und Portugiesischen dar. Von ire waren ver-
schiedene Formen wegen ihrer Lautgestalt kaum noch lebensfähig; sie wurden
durch die entsprechenden von rädere ersetzt. Dafs dieses nicht auch das
Perfekt abgiebt, dafür trägt schon das Lateinische die Verantwortung; an
seiner Statt liefeite es esse. Wie sehr auch Cuervo sich der grammatischen
Ueberlieferung widersetzt, se fue al etnperador zeigt zu deutlich das Perfekt
zu irse. Wenn wir im Deutschen sagten — und vielleicht sagt man irgendwo
so: ich bin zum Kaiser ge-Wzsen — ich bin nach Wien gewesen, so würde
das ein neues Perfekt von gehen sein, dem kein Präsens (wie im Mittel-
deutschen: ich mache nach IVeimar — ich bin nach IVeimar gemacht) ent-
spräche; denn ich bin zum Kaiser — ich bin nacii Wien wird selbst schon
im perfektischen Sinn gesagt. Neben diesem ire + vadere 4- esse bleibt im
Spanischen und Portugiesischen ^ambitare {a?idar) noch selbständig; anderswo
dient es oder sein mundartlicher Zwillingsbruder atnbulare (aller) zur Aus-
füllung des Perfekts sowie der andern Lücken die durch den Wegfall von
z';v-Formen entstanden [ibam z. B. konnte im Spanischen, nicht im Franzö-
sischen sich am Leben erhalten). !Man bemerke dafs die Bedeutung von atn-
bulare und *ambitare, die imperfektiv war (wie auch die von io walk gegen-
über to go) dabei gar nicht in Betracht kam.
Wird hierdurch Osthoffs Vermutung ganz beiseite geschoben, so war
sie doch schon an sich nicht hinlänglich gefestigt. Sie bezieht sich auf eine
Vererbung des Suppletivismus (wohl zunächst von keltischer Seite her), wie
er sie auf dem ganzen Gebiet der avischen Sprachen gelten läfst. Die alten
Umrisse bleiben ; der ausfüllende Stoff wechselt. In dem „Zusammenhang
mit der Eigenart der bezeichneten Wortbegriffe" sieht Osthoff den „Schlüssel
für das Verständnis der Erscheinung" (S. 6). Wenn aber der Schlüssel für
das ganze arische Haus pafst, warum sollte er nicht auch für dessen einzelne
Zimmer passen? Er pafst ja auch für andere Häuser, wie dies Oslhoff
selbst, wenn auch mit einiger Zurückhaltung, anerkennt, er „gewärtigt Ana-
logieen zu unserm Suppletivwesen" in nichtarischen Sprachen (S. 49). Er
hätte wohl hinzusetzen müssen: in denen welche irgend etwas unserer Flexion
und Ableitung Entsprechendes aufweisen. In den Anmerkungen wird dann
von Bezold (und Nöldeke) Auskunft über semitische Suppletivbildungen ge-
geben (S. 75 ff.). Zu den Worten: ,, Suppletivformen bei der Adjektivsteigerung
sind im Semitischen nicht nachzuweisen" möchte ich mir die Frage erlauben:
auch im Vulgärarabischen nicht.'' Gilt nicht z. P. vielerorten ahsan von
ungebräuchlichem hasan „schön" als Komparativ zu t(^jjib ,,gut".'' Dafs auch
Im Baskischen „gut" und ,, besser" stammverschieden sind, habe ich schon
444 BESPRECHUNGEN. E. FREYMOND,
erwähnt; die K(>njvi;:;ation des transitiven wie des intransitiven Tlülfsverbs
bildet sich hier mit Hülfe verschiedener Stämme. Ebenso verhält es sich im
Magyarischen mit der von „sein"; und im Georgischen mit derselben und
der von andern Verben (wie „gehen"). Und diese sowie sonstige nichtarische
Sprachen liefern auch Belege für den Suppletivismus im Gebiete der Pro-
nominalflexion, der Adjektivsteigerung und der Zahlwortbildung. Was die
Grundzahlwörter anlangt, so wären wohl die besoudtrn Ausdrücke für „zwanzig"
auch dem allgemeinen Gesichtspunkt der Zählweise unterzuordnen und ihnen
andere Zahlenausdrücke beizugesellen gewesen. Die Suppletion geschieht bei
den Zahlen nicht nur mit den INIitteln der eigenen Sprache; es müssen auch
fremde Sprachen herhalten , so stammt bask. hogoi, ogei „zwanzig" wohl aus
dem Keltischen. Umgekehrt wird bei den Sprachen die keine Motion kennen,
ausnahmsweise oder gelegentlich ein fremdes Suffix entlehnt, so georg. mtha-
wrina von mthawari ,, Fürst", bask. jaincosa von jainco ,,Gott".
!Mögen nun die von Osthoff besprochenen Bildungen suppletiv oder de-
fektiv heifsen, mögen sie es wirklich sein oder nur scheinbar, ich denke man
sollte hier weniger von einem System oder Wesen welches sich in bestimmten
Sprachgruppen ausgestaltet habe, reden als von einem allgemeinen Faktor der
Sprachentwickelung, der sich unter gegebenen Bedingungen immer und überall
entfaltet. Auch in den Fle.'äonsendungen der arischen Sprachen, wo ja
V. d. Gabelentz das eigentliche Defektivwesen sucht. Osthoff hätte besser ge-
than ihm in der Sache beizupflichten (S. 53 f.) als ihm jenes Wort nachzu-
bilden. Warum bescheert er uns, noch dazu schon auf dem Titel, das Wort-
ungeheuer ,, Suppletivwesen", da doch er selbst daneben ,, Suppletivismus" und
„Ergänzungswesen" gebraucht ?
H. SCHUCHARDT.
Romania. Ko. in, Juillet 1899. 112, Octobre 1899.
No. III.
F. Lot, Nonvelles ehides sur la provenance du cycle arthurien. I II. Mor-
gue la fee et Morgan-Tnd. In diesem nicht ganz klar geschriebenen Artikel
tritt der Verf. zunächst Loths Ansicht bei, wonach der zweite Bestandteil des
Namens Morgan-Tud mit breton. teiiz. Elf, zusammenzubringen sei. Den
Namen Morgan können die Franzosen wegen seines g, das lange vorher zu i
geworden war, unmöglich auf mündlichem Wege den Wälschen oder den
Bretonen entnommen haben; er sei wohl irischer Herkunft: in einer spätestens
dem X. Jahrh. angehörenden irischen Erzählung erhält ein Mädchen den Namen
Mnirgen=^enfant de Li tner oder Muir geilt -^^f olle (ou sauvage) de la mer.
Dieser irische Frauenname sei nach Wales gelangt, und Galfrid werde den
Namen Morgen in seiner Vita Merlini eher einer walisischen (auf irische Quelle
zurückgehenden) Erzählung als direkt entnommen haben. Woher Crestien, der
erste Franzose, bei dem sich der Name Morgue findet, denselben hat, sei
unsicher. Es läfst sich allerdings nicht mit Bestimmtheit sagen, ob für Crestien
die P'ee Älorgain, die Geliebte Guingomars im Erec 1957 ff. mit der ibid. 4218
und 4220 genannten arzneikundigen Morgue, der .Schwester Artus', identisch
ROMANIA NO. III. 445
ist; ich möchte aber bemerken, dafs im Livre d'Artus diese Identität vorliegt,
(vgl. Zs. f. frz. Spr. u. Litt. XVII 13 ff.). — Lot giebt S. 323 Anm. 2 keinen
Grund dafür an, warum er es für wahrscheinlicher hält, dafs in V. 631 des
Lais Tyolet {Evain le fils Morgain) Morgain dem brittischen Mannesnamen
Morgan entspreche. Allerdings liefse sich sagen, dafs in solchen Fällen eher
der Name des Vaters als der der Mutter angeführt wird; Lot wurde aber
vermutlich zu seiner Auffassung dadurch geführt, dafs bei Galfrid XI, 2 Evetitiis
als Sohn des Urianus bezeichnet wird. Ich verweise darauf, dafs im Merlin-
Huth Yvain der Sohn des Urien und der Morgain ist. — IV. Melvas. Mael-
vas ist die walisische Uebersetzung des irischen Tigern-Mas ^= König des
Todes. — V, Guillaume de Reiines, autetir des Gesta Reguni Britanniae,
Diese bisher einem Pseudo-Gildas zugeschriebene, zwischen 1234 und 1237 in
lateinischen Hexametern verfafste, 1 862 von F. Michel für die Cambrian Archaeo-
logical Association edierte Uebertragung der Historia Galfrids soll von einem
Bretonen herrühren, und zwar schliefst Lot aus den Worten des Explicit per
nianum [nb.] Guilelmi, dicti de Redonis, inoiiaclii auf Wilhelm von Rennes,
einen Dominikaner, der in der ersten Hälfte des XIII. Jahrh.'s einen Apparatiis
in Sutninatn domini Raymu7idi de poeniteniia et triatrimonio schrieb. In
einer Note bezweifelt G. Paris diese Ansichten und glaubt, wohl mit Recht,
in jenem Explicit den Namen des Schreibers erkennen zu sollen. — VI. Uepi-
sode des larmes d'Emde dans Erec. An dies auch anderwärts vorkommende
Motiv erinnert ein Passus bei Galfrid, Historia XII. 2. 3: Cadwallawn, der
an der Brust seines Neffen ruht, wird durch dessen Thränen aus dem Schlaf
geweckt und läfst sich dazu bewegen, seinem Jugendfreund, dem Sachsen
Edwin nachträglich die Königskrone zu verweigern. — VII. Le Chevalier
Alban. So heifst ein Ritter in einer Fassung des Prosa-Tristan. Der Name
soll nichts anderes als der geographische Name Alban sein, mit dem die
Scotten Irlands noch im IX. Jahrh. das heutige Schottland und ganz Grofs-
britannien bezeichneten und der später (im XI/XII. Jahrh.) auf den Nordwesten
Schottlands beschränkt wurde. Zu den Wälschen sei der Name entweder von
den Nordbiiiten oder aber von den Scotten gekommen; armorikanische Herkunft
sei ausgeschlossen. Sollte man nicht mit mindestens demselben Recht jenen
Ritternamen Alban trotz Erhallung von /kons, auf den gleichen PIciiigennamen
zurückführen.'' — VIII. Blederictis de CornwaU, Den Namen des bei Gal-
frid XI. 13 vorkommenden Bledericus dux Cornubiae, der mit dem von Giraud
de Barry genannten yiziw/rt/öA- identisch sei, trägt auch in der Form Bledri
ein Bischof von Llandäv (973 — 1022) und er findet sich in Tre-Bleri, einem
Ortsnamen in Cornwall; man könne daraus auf eine kornwallischc Quelle
Galfrids schliefsen. — IX. Dinas Emreys. In der Historia Biittonum des
Nennius spielt sich die Sceiie zwischen dem wahrsagenden Ambrosius und
König Vortigern in montibus Hereri, d. i. auf dem Siiowdon ab; Ambrosius
erklärt dort bleiben zu wollen und erhält die Burg und Ländereien vom König
zugesprochen. Diese Lokalisierung ist nach Lot aus dem Namen eines am
Fufse des Snowdon liegenden Felsen Dinas Einrys d. h. Festung des Ambrosius
zu erklären, der sich unter anderen bei Giraud de Barry (1188) findet; nach
einer Lokalbeschreibung v. J. 1844 stehen auf dem Berg Ruinen. Der Insel-
britte, der ca. 679 die Historia Brittonum kompilierte, habe wahrscheinlich
440 BESPRECHUNGEN. E. FREYMOND, G. G., W. MEYER -LÜBKE,
eine ursprünglich irische Erzählung unter Einllufs einer Ortsetymologie um-
gestaltet und dadurch einige Widerspiüche am Schlufs der Episode veranlafst.
Den Einwand, dafs der Name Dinas Emreys unter Nennius' Einflufs entstanden
sei, weist Lot zurück; die dafür vorgebrachten Argumente sind m. E. wenig
überzeugend (S. 340 f.). — Der engl. Name Snowdon selbst erkläre sich auf
volksctymologischen Wege: im ursprünglichen Namen Hereri oder Ereri
glaubte man walisisches eira, Schnee, zu erkennen; eine andere vielleicht bessere
Etymologie bringt diesen Namen mit eryr, Adler, zusammen. — X. La Table
et la Chaire d'' Arthur en Corw^all. In dem in den letzten Jahren öfters
herangezogenen Reisebericht des Hermann von Laon, in welchem Cornwall als
Arthurs Land bezeichnet wird, ist von dem fiirnus und der cathedra Arthurs
die Rede, In einem walisischen Text wird der Tisch Arthurs in Dyfnaint
(das lieifse nicht blofs Devonshire, sondern auch Cornwall), in einem anderen
werden sein Hof und Stuhl in Kelli-iuic erwähnt, die letztgenannte Residenz
Arthurs sei mit Bodmin in Cornwall identisch. E. Freymond.
G. Hu et, Siir Vorigine de Floire et Blanchefleur, sucht an wesentlichen
Bestandteilen der Fabel in Fl. u. Bl. nachzuweisen, dafs Thema und Sitten
darin aus arabischen Erzählungen und dem Cyclus von lOOi Nacht entstammen
{Haremseinrichtung; Eifersucht des Sultans, der sich den alleinigen Besitz
einer Frau für ein Jahr sichert ; Errichtung eines Grabmals für die angeblich
gestoVbene Geliebte; Verkleidung des suchenden Geliebten als Kaufmann, der
unter Kaufleuten zuerst Kunde von der verkauften Geliebten erhält etc.; Ein-
dringen des Geliebten auf verborgenem Wege in den Haiem, wo die Geliebte
sich befindet u. dgl.). Nach einer in den Akademieschriften von Turin 1892
von Pizzi veröffentlichten Abhandlung gäbe es ähnliche Parallelen zu Fl. u.
Bl. auch im Persischen.
S. Berg er, Les Bibles castillanes. I. II. Der verdiente Erforscher der
Bibelte.xtgeschichte hat seine Untersuchungen jetzt auch auf Spanien ausgedehnt
und unterrichtet zunächst über zwei Hauplfurmen der spanischen Bibelbearbei-
tung auf Grund der zahlreichen Manuskripte, die er in Spanien geprüft hat
und hier genau bekannt macht, über die von Alfons dem Weisen veranlafste
spanische Historienbibel, Hisioria general, für deren Inhalt, biblische sowie
fremde Bestandteile und für deren Einrichtung des Petrus Comestor Historia
scholastica mafsgebend wurde , und die in mehreren z, T. auf kompUziertem
Wege entstandenen Redaktionen vorliegt, — Proben gestatten Einblick in den
paraphrasierenden Charakter der Uobersetzungen des Bibellextes, und 2. über
die Ueberse tzungen der lateinischen Bibel, deren älteste, unvollständige Hs.
der aragonischen Mundart sich bedient; die Uebersetzung des Psalters wird
darin dem lat. Uebersetzer des Aristoteles, Hermannus Alemanus (1240- 1256)
beigelegt; andere Hss. enthalten den 2. Teil der Bibel; als Entstchungszeit der
ganzen Uebersetzung wird das Ende des 13. oder Anfang des 14. Jhs. an-
genommen. Jünger ist eine andere Uebersetzung des Alten Testaments;
nur aus Citaten bekannt ist die Evangelienübersetzung des Magister
Martin de Lucena für den Marquis von Santillana, vor 1458.
C. Salvioni, Ancora de i gallo -italici di Sicüia, Auseinandersetzung mit
G. de Gtegorio's Artikel über den Gegenstand in Romania, 28. Bd. S. 70 — 90;
s. dazu hier Bd. 24, S. 149.
ROMANIA NO. 112. 447
MELANGES. A.-G. Krüger, Les manuscrits de la Cha7ison du Che-
valier au cygne et de Godefroi de Bouillon. Nähere Angaben über die von
B. V. Reiffenberg nicht benutzte Hs. von Lyon, vom Jahre 1469, und über
die von v. R. benutzte aus der Zeit nach der Mitte des 15, Jhs. sowie über eine
dritte aus derselben Zeit, die durch Citat bekannt ist.
P.M., La Plainte de Notre-Dame ; L'Ave Maria paraphrase ; Trope
de S. Etienne, en provenzal. Auf einem in schlechtem Zustande befindlichen
Pergamentblatt aus dem Anfang des 16. Jhs. (Carcassonne) überlieferte provenz.
Bruchstücke. Davon erkennt P.M. das erste als einen Teil der von ihm im Recueil
d'anciens textes No. 32 herausgegebenen Klage Marias am Kreuze mit etlichen
in der bisher allein bekannten Hs. fehlenden Strophen, sowie im vierten eine
sprachliche Verjüngung der alten bei Bartsch, Chrest. prov. S. 21 gedruckten
Stephanusepistel ; in einer Anmerkimg ergänzt M. seine früher veröffentlichten
bibliographischen Angaben zu dem sehr verbreiteten geistlichen Gedicht. Nu. 2
ist ein sog. Marientrentenari, No. 2 ein Ave Maria. G. G.
G. Paris, ahrier, ahri denkt mit Rücksicht auf afr. desbrier und die
älteste Bedeutung von ahrier 'mit einem Kleidungsstück und dgl. bedecken'
an einen vielleicht keltischen Stamm hri.
G.Doncieux, Les verbes /atins en -ulare et les noms en -ulus, -ula
dans le provenqal, zeigt, dafs -ulare, -ulu in ziemlich weiten Anfange im. pro-
venzalischen sein -«- behält und es nun naturgemäfs betont. Die Auffassung,
dafs lat. -ullü vorliege, ist natürlich, wie dies auch von G. P. in einer Note
geschieht, abzuweisen.
G. Doncieux, Roucouler aus prov. roucoular entlehnt, das, wie G. Paris
hinzufügt, aus rouculare durch Assimilation entstanden ist.
W. Meyer -LüßKE.
COMPTES RENDUS. Crescini, 11 Cantare di Fiorio e Biancifiore
edito ed illustrato (G. P.); ßotermans, Die hystorie van die seuen wifse
mannen van Romen, Text; Ders., Die hystorie etc., Dissertation; Plomp,
De tniddelnederl. bewerking van hat gedieht van den VLI vroeden van hinnen
Rome .... Dissertation (G. P.); Cloetta, Die Enfances Vivien, ihre Ueber-
lieferuvg, ihre cyklische Stellung (R. Weeks).
PERIODIQUES. Zeitschrift f. rom. Philologie XXIII, 1—2 (G. P. ;
P.M.; Jeanroy). — Revue de philologie et de litterature XII, i — 4 (P. M.).
— Bulletin de la Soci^td des anciens textes 1898. — Zeitschrift für franz.
Sprache u. Litteratur Bd. XIII— XIX.
CHRONIQUE. Nekrologe (Joaquin Rubio y Ors; Cli. Marly-Laveaux).
— Nachrichten über den Verkauf der Asburnhambibliothek und über die
Bibliothek Phillipps (P. M.). — Litterarische und Per.sonalnachrichten. —
Kurze Besprechungen neuer Bücher. G. G.
No. 112.
L.Brand in, Le manuscrit de Hanovre de la Deslruction de Rome et
de Fierahras (avec deux h^liotypies, zwei Hs.-Seiten). Beschreibung und
Collation des von mir in der Romania 1873 veroftcntlichten Textes. Damals
hatte die Romania weder Raum für eine Beschreibung der 103 Miniaturen,
448 BESPRECHUNGEN. G. G., E, FREYMOND,
die freilich weder künstlerisch noch sachlich unter den zahllosen Bildern in
frz. Hss. des 13. Jhs. irgend welches hervorragende Interesse bieten, noch für
Angabe der Abkürzungen der Hs. (s. die bez. Anmerkung von G. Paris darüber,
Romania II S. 5) oder für Anführung jedweder verkehrten Schreibung eines
anglonormannischen Textes. Nach 28 Jahren liegen die Dinge günstiger. Da
kann Herr Br, jedes luy = lui der Hs. abdrucken, das ich mich nach Weisung
der Redaktion z. Z. begnügen durfte als plus souvent (S. zu V. Ii) vor-
kommend zu bezeichnen, jedes roy (= roi, vgl. meine Bemerkung zu V. 66),
jedes huy (== hui, vgl. zu V. 64) ; er kann seine Auflösungen von Abkürzungen
z. B. mlH (vgl. bei mir zu V. 74) alle mitteilen; jedes q (reliqe) für von mir
gesetztes qii notieren, wo ich in meinem, nach damaligen Gebrauch, ortho-
graphisch regulierten Text — die Zeit war für diplomatische Abdrücke selbst
der Oxf. Roland Hs. noch nicht gekommen — schon aus Raumrücksichten
auf diese Buchstabenwiedergabe einer Handschrift gewöhnlichster Art verzichten
mufste. An anderen Stellen löst B. eine Abkürzung anders auf, als ich,
z. B. 288 Normundi (!), oder liest andres aus undeutlicher Schreibung heraus,
wie V. 17. 18. 75. 184. 248 etc.; unrichtig ist nach meiner Abschrift der Hs.
vom Jahre 1871 z. B. V. 123 von B. gelesen, bei V. 261 1484 (desc) steht genau
in meinem Text bez. darunter die Lesart, die B. abdruckt; hinter 232, emplent,
mufs in seiner Lesartenliste 233 eingeschaltet werden, u. s, w. Es bleiben im
wesentlichen Berichtigungen von Druckfehlern übrig, für die ich B. persönlich
dankbar bin. Doch es hat vielleicht für Andere Interesse auch aus der De-
struktion de Rome zu erfahren, mit wie Wertlosem für Sprach- und Text-
geschichte ein gedankenloser anglofranzösischer Schreiber gleich anderen seiner
Zeit uns bekannt machen kann. Diesem Bedürfnis entgegen zu kommen ver-
hinderte mich zur Zeit teils die Tendenz meiner Publikation (Romania II S. 5)
teils die mir am Orte auferlegte Beschränkung, während meine genaue Abschrift
mich vollständig in den Stand gesetzt hatte, schon vor 28 Jahren ein solches
Interesse zu befriedigen und den Text so buchstabenmäfsig zu edieren, wie es
noch keinem gleichartigen Text in der Romania begegnet ist. Aber Herr B.
hat die Genugthuung mich auch sonst noch zu berichtigen und zu belehren.
Ich habe zwar in dieser Ztschr. IV, 163, auch vor der geraumen Zeit von nun
20 Jahren, auf Grund einer im Jahre 1880 vorgenommenen Prüfung der
hannoverschen Hs., in Bezug auf deren Alter ich in der Romania Bd. II nur
den Angaben Bodemanns und seines Kataloges der hannöv. Handschriften
folgen konnte, ausdrücklich erklärt, „dafs die Schreiber von Destr. und Fiera-
bras" in der hannöv. Hs. „verschieden sind"; „denn die Destr. ist um die
Mitte des 13. (14 ist verdruckt), der Fierabr. am Ende dieses Jhs. geschrieben";
das hindert Herrn B., der in den Conferences seines Lehrers G. Paris * eines
andern hätte belehrt werden können, aber nicht zu schreiben: „M. Grcaher
croü que le manuscrit est (out entier d'une meme ecriture^^ und seinerseits
zu lehren : „La Destr . . . remonte au dernier tiers du XllJe s, et ne depasse
pas Van 1280"; „Uecriture du ms. de Fie fabras ... date des premieres
' Herr G. Paris stellte, Romania 1880 S. 480, zwar in Aussicht auf jenen
Artikel über die Stellung der Destr. und Fierab. prochainement zurückzu-
kommen; es ist aber bislang unterblieben.
ROMANIA NO. 112. 449
annees du XIV* s.", was meiner Schätzung sehr nahe kommt, wofür aber
seine Beobachtung über das lange s durchaus nicht zureicht. Die so nötige
Konlrole für seine Behauptung mit Hilfe der Beobachtung der anglonorman-
nischen Orthographie hat er sich erlassen, obwohl er nach S. 503 auf Sorgfalt
en matiere d'eruditioti Gewicht legt. Ebenso sorgfältig ist er verfahren bei
seiner Angabe über Romance und estoire de Fierenbras (S. 490, Anm.), wo
er in Anschlufs an eine Stelle in Romania II i, mich sagen läfst, was ich
nach Bodemann eitlere. Noch gröfsere Sorgfalt bekundet der Paläograph
Herr B., der von der litterarischen Seite des Gegenstandes gehört, jedoch
nicht selbst darüber schon nachgedacht hat, wenn er, wieder mit Unkenntnis
meiner Ausführungen in der RZts. 1880,1 eröffnet: „C'est en effet en sc basant
d'une pari sur certaines diffciilles, siir certaiiies bizarreries" (recht bequem,
diese litterarische Kritik !) que preseiite le debut du Fierabras, et d'autre
part sur la reunion de la Destr. de R. et du Fierahras en un seul ms. que
M. Gr. a conclu: l" que le Fierabras etait la suite d'une chanson de geste
qui devait etre fort populaire ; 2** que la Destruction de R. n^ etait autre que
cette chanson precedente", was ich nie und nirgends gethan und gesagt habe,
und wenn er danach fortfährt „les preuves que M. Gra:ber a cru trouver
sont d'une valeur ä peu pres nulle", denn er hat sie gar nicht gelesen.
Vielleicht benutzt Herr B. seinen Aufenthalt in Deutschland um sich eine
bessere Kenntnis des Deutschen und soviel Verantwortlichkeitsgefühl an-
zueignen, um durch so dreiste Nachlässigkeit, wie er hier bekundet, nicht
ferner die Romania bloszustellen.
S. Berger, Les Bibles castillanes. HI — V. Hier bespricht B. drei Hss. aus
dem 14. und 15. Jh. mit der Ueber&etzung des ganzen alten Testaments oder
mit Teilen desselben nach der hebräischen Bibel, die Bible du Grand maitre
(Luis de Guzman), der 1462 den Rabbi Mose mit ihrer Ausführung be-
auftragte, und die 1553 zu Ferrara gedruckte spanische Bibel nach ihren Be-
ziehungen zum Grundtext und zu den andern spanischen Versionen. Ein Anhang,
von Frau Dr. C. Michaelis de Vasconcellos und S. Berger verfafst, giebt Kunde
von seit dem 14. Jh. vorhanden gewesenen portug. Bibelübersetzungen, über
die noch Nachrichten vorhanden sind. Eine Bibliographie am Schlufs stellt die
Litteratur zur span. und portug. Bibel zusammen und beschreibt das Aeufsre
der 35 gekannten span. und einer portug. Bibelhandschrift. G. G.
F.Lot, Caradoc et Saint Patern. Dafs der sagenhafte Caradoc auf
einen historischen, im V. Jahrh. um Vannes sich festsetzenden Brittenfürsten
zurückgehe und dafs daher Caradoc den Wälschen durch die Bretonen be-
kannt geworden sei, hatte G. Paris (vgl. diese Zeitschiift XXIV 152) aus der
Vita S. Paterni (XL Jahrh.) und aus einer, wie er glaubte, davon unabhängigen
Stelle einer ca. 1200 in der Kirche von Vannes gehaltenen Predigt geschlossen.^
1 Ebenso wie Herr Lauer in den Melanges d'Archeol. et de Litt. Bd. XIX,
der sehr alte Ueberlieferungen in der Destruction entdeckt, meine Auffassung
von ihrem Alter aber, obgleich nur sie mit seiner Entdeckung sich verträgt,
manquee findet, weil aach er sie unvollkommen kennt.
2 Unabhängig von G. Paris gelangte ziemlich zu gleicher Zeit auch
H. Zimmer zu einem ähnlichen Resultat; s. W. Foerslers Ausgabe des Karren-
ritters S. CXIII f.
Zeitschr. f. rom. Phil. XXIY. 29
450 BESPRECHUNGEN. W. MEYER -LÜI^CE, G. G.,
Die Prcdigtstclle beruht aber nach Lot auf dem Tlcilifjcnlebcn und dieses
rührt nicht von einem Wälschcn her, der Sagcnclcmente bretonischer Emi-
granten verwertete, sondern vielmehr von einem Armorikaner, der frei einen
verlorenen, ca. aus dem IX./X. Jahrh. stammenden walisischen Text benutzte.
Der historische Caradoc war ein im VII. Jahrh. lebender Nordbritte, der
ca. im IX./X. Jahrh. in Wales bekannt wurde ; armorikanischer Einflufs liege
also nicht vor, erst jüngerer geistlicher Einflufs brachte Caradoc mit Vannes
zusammen; daher heifse Caradoc im Perceval König von Va7tnes, wofür die
Variante Nantes wahrscheinlicher sei. Der Turm bufois (Perceval 15051), in
den Isaune de Carhaix eingesperrt werde, könne, wie G.Paris nachträglich
erfuhr, mit dem i. J. 991 gebauten Schlofs Bouffay in Nantes identificiert
werden, Nantes sei als wichtigste Stadt der Bretagne gewählt,^ und Carhaix,
Isaunes Geburtsort , sei der Tristansage entnommen (Iseut mit den weifsen
Händen stammt aus Carhaix). Die Caradocepisode im Perceval gehe also auf
eine mündliche oder geschriebene walisische Quelle zurück. — Lot gelangt
zu folgenden Schlüssen: i) die Episode von der Schlange und beide Keusch-
heitsproben (Mantel imd Hörn) sind scottischcr Herkunft.^ 2) sie wurden
wahrscheinlich von Nordwestschottland aus den benachbarten Britten von
Strathclyde und Cumberland übermittelt. 3) diese übertrugen sie auf einen
ihrer Haupthelden, nämlich Caradoc Breichbras, vielleicht des Beinamens
wegen. 4) von den Nordbritlen kamen die an Caradoc und seine Frau Tegau
Eurvron anknüpfenden Episoden wohl schon zusammenhängend nach Wales.
5) nichts spreche für populäre Erzählungen über Caradoc in der Bretagne.
— An die letzte These anknüpfend sei bemerkt, dafs selbstverständlich jene
von Lot angenommene walisische Erzählung von Caradoc nicht die direkte
Vorlage für die Percevalepisode gewesen ist; man hätte gern gehört, wie
sich Lot in diesem Fall die weitere Verniittelung vorstellt.
E. Freymond.
J. Visin g, Vamuisscment de Vr final en Frangais. Der ■ Verfasser
nimmt die These Anderssons auf, dafs r, bevor es schwand, zu z geworden
sei, glaubt aber dafs dieser Wandel und Schwund nur nach e, i, ü eingetreten
sei, nicht nach a, 0, 11, ü, und dafs er mehr der niederen Volksprache an-
gehört habe, daher Wörter der Gebildeten noch heute das -r zeigen, so
namentlich die Abstrakla auf -eur, wogegen Andersson die Satzphonetik zu
Hilfe genommen hatte. In einer Replik und Duplik verteidigt jeder der beiden
Autoren seinen Standpunkt. Dafs that^ächlich r zunächst zu -z wurde, kann
man gegenüber der ausdrücklichen Versicherung Coyfurellys nicht wohl be-
zweifeln, dagegen scheint es mir mehr als zweifelhaft, ob man das zu dem
bekannten intervokalischen Wechsel von r und z in Beziehung setzen darf.
In der That nämlich stimmt das Material zu Visings Beobachtungen, wogegen
zwischen Vokalen die Qualität des Vokals nicht in betracht kommt, ferner
schwindet -r auch auf Gebieten , wo -r- nie zu -s- geworden ist. Sind aber
die Bedingimgen für den Auslaut andere als für den Inlaut, so hat auch die
Satzphonetik nichts zu thun. Endgültig kann die Frage freilich nur unter
^ vgl. Zimmer ibid.
^ Der Verweis auf Stern ist nicht ganz zutreffend.
ROMANIA NO. 112. 451
Hinzuziehung der Mundarten gelöst werden , denn wenn z. B. das italienische
velluto als velou übernommen und in der Schriftsprache zu velours umgestaltet
wird, so setzt das, da -our an sich kaum häufiger i't als -u, voraus, dafs eine
•u für -ur sprechende Sprachgenossenschaft die Vermittlerin gespielt habe.
J. Leite de Vasconcelhos, Phoiiologia Mirandesa. Der Begründer der
portugiesischen Mundaitenkunde ist mit einer gröfseren Arbeit über den
Dialekt von Miranda, mit dem er vor Jahreu seine Studien begonnen hatte,
beschäftigt und giebt nun zunächst einen Teil, der von dem Ganzen das beste
hoflfen und den Wunsch aufkommen läfst, dafs das Hauptwerk nicht zulange
ausbleibe. Vorläufig erhalten wir eine Beschreibung der Laute, woraus ich als
besonders bemerkenswert hervorheben will, dafs ou zu öu und dafs ^ zu ij,
ii oder / wird, o dagegen zu n, nur im Affekte zu iitc.
W. Meyer -LÜBKE.
COMPTES RENDUS. G. Mari, / trattati medievali di ritmica latma
(G. P.); Stengel, Die altprov. Liedersammlung c der Laurenz, in Florenz;
M. Palaez, // canzoniere provenzale c Laterenziano (L.. 'Brandin) ; E.Moore,
Sltidies in Dante, First Series, Second Series (P. To)'nbee).
PERIODIQUES. Zeilschrift für rom. Philologie XXHI, 3 (G. P.). —
Literaturblatt f. germ. und roman. Philologie 1897 J^^'i — i8g8 Dezember (E. M.).
CHRONIQUE. Nekrolog (Kölbing). — Litterarische Nachrichten. —
Kurze Besprechungen neuer Bücher. G. G.
Revue des langvies roinanes. Tome XLI. Jauvier-decembre 1898.
S. 109 ff. Bibliographie. Besprechung von Castets et Berthele, No-
tice siir les anciens inventaires des Archives rnujticipales de Montpellier
(A. V.), G.Pult, Le parier de Sent (M. Grammont). — Romania XXVI,
3—4, XXVir, I (Constans).
S. 239— 271, XLH, 56 — 70, 301 — 304. J.Ulrich, Traduction du nou-
veau testament en ancien haut engadinois par Bifrun. Evangelium Johannis.
S. 286 ff. Bibliographie. Besprechung von A. Lindström, üanalogie
dans la declinaison des substantifs latins en Gaule (M. Grammont), vgl. Zlschr.
f. rom. Phil. XXIII, 352.
S. 349 — 380. E.Stengel, Le Chansonnier de Bernart Amoros. Ab-
druck der Hs. a (Riccardiana n" 28 li]), also der teilweisen Kopie, welche
Jacques Tessier de Tarascon i. J. 1589 von der grofsen Liedersammlung des
Bernart Amoros anfertigte. Ilinzugenommcn sind 38 Gedichte, die in der Vor-
lage von Hs. a gestanden haben, die aber Tessier beim Kopieren ausgelassen
hat; 37 derselben werden nach der Hs. c geboten mit den Varianten, welche
Piero di Simon del Nero aus der Sammlung des Bernart Amoros in c^ ein-
getragen hat (vgl. Stengel, Die altprovenzalische Liedersammlung c der Lau-
renziana in Florenz, Leipzig 1899, Vorbemerkung), eines nach pa mit den aus
gleicher Quelle henührenden Varianten. Der Abdruck ist umso erwünschter,
als vor kurzem zur Ueberraschung der Romanisten die umfangreiche Fort-
29*
452 BESPRECHNGEN. O. SCHULTZ - GORA,
Setzung von a in Modena aufgefunden worden ist (s. Berloni im Gwrnale
stör. d. lett. ital. XXXIV, ii8 ff.) und eine Herausgabe erfahren soll, so dafs
man denn Alles bequem zugänglich beisammen haben wird.
S. 381 — 401. L'Hermitte, Chartes fran^aises du \y siede, tirees des
archives de Vhopital de Seclin (Nord). 15 Urkunden aus den Jahren von
1247 bis 1285. S. 396 Z, 4 1. vente für rence. In den Urkunden li — 15 wird
immer hi avenir sunt geschrieben, während doch in Urk. 10 richtig a venir
steht. Wenn Denisain dou Flos in Urk. 11 sich, wie die Anmerkung will,
auf ein männliches Wesen beziehen soll, so hätte dieser Accusativ eine Be-
merkung verdient. L. diues für dives in Uik. 14, s. Romania XXIX, 305.
S, 453 — 446. F. Castets, / dodici canti, epopee romanesque du XVI'
siede. Eine von der Arsenalhnndschrift n° 8583 überlieferte Dichtung, die
laut Aufschrift von Luigi Alamanni herrühren soll. Litterarhistorische Unter-
suchung (die Frage der Verfasserschaft bleibt unentschieden). Inhaltsangabe.
Text der beiden ersten Gesänge.
S. 550 ff. Bibliographie. Besprechung von Livet, Lexique de la langue
de Meliere durch E. Rigal (3. Artikel). — Romania XXVII, 2 — 4 (Constans).
Tome XLII. Janvier -decembre 1899.
S. 5 — 43- E.Stengel, Le chansoniiier de Bernart Amoros (Fortsetzung).
S. 44 — 55. F. Castets, / dodici canti (Fortsetzung).
S. 70 ff. Bibliographie. Anzeige des Cartulaire de Gellone p.p. Alans,
Cassan et Meyuial (enthält verschiedene Urkunden in der Vulgärsprache
aus dem 12. Jahrhundert).
S. 89 — 108. A. Blanc, Narbonensia. I. Changement de i provengal
en ie. Der Entwickelung eines e oder auch a nach betontem i vor b, v,
welche sich vokalisieren, oder vor / wird schon von Diez, Gr.* I, 389 Anm.
gedacht. Blanc zeigt, dafs dieselbe Erscheinung auch vor m, n, r, s im Nar-
bonesischen vom 13. Jahrhundert ab sich findet, und sucht sie aus Analogie-
wirkung von Dieu, juzieu etc. aus zu erklären. 2. Passage de g et j ä y.
Die Schreibung y für g und 7" wird aus dem 13. — 15. Jahrhundert urkundlich
nachgewiesen.
S. 129 — 160. F. Castets, / dodici canti (F"ortsetzung).
S. 161 ff. Bibliographie. Anzeige von Guy, Essai sur la vie et les
ceuvres du trouvere Adan de la Haie.
S. 201 — 231. A. Vidal, Les Statuts et les coutumes de la Commander ie
de Saint- Andre de Gaillac (Tarn). Nach einer Inhaltsangabe der lateinisch
geschriebenen Statuten dieses Hospitals werden die costumas et ordenansas
abgedruckt, die von 1391 datiert sind imd in eingehender Weise die Speisen
und Getränke festsetzen, welche den die Kranken pflegenden Brüdern von
ihrem Oberhaupte zu gewähren sind. Der Text bietet verschiedene merk-
würdige Wörter und Wortformen, zu deren Erklärung der Herausgeber etwas
mehr hätte thun sollen. In Ait. 5, 8 und 72 ist dej'uns und dejunar zu
schreiben. Cogas in Art. 45 wird unzutreffend xi\\\. gateaux gedeutet; es mufs
ein Gemüse sein, wie der folgende Wortlaut lehrt: vielleicht ist cogordas zu
lesen, s. Levy, Supplementwörterbuch. In Art. 57 Z. 2 verlangt der Zusammen-
hang für das erste am ein om^; für Carmantrans ebenda konnte &\xi dimergue
REVUE DES LANGUES ROMANES XLI. 453
de Cannantrans in Art. 75 und 76 verwiesen werden, wiewohl freilich der
Sinn an unserer Stelle dadurch kaum klarer wird. Was soll totz ges in
Art. 58 bedeuten? Von Zeit zu Zeit wird eine andere Lesart aus einer anderen
Kopie angeführt, ohne dafs von einer solchen vorher etwas gesagt ist.
S. 236 — 275. Anglade, Notice sur un livre de comptes de Veglise de
Foiirnes {Aiide). Dieses Recbnungsbuch bietet dadurch ein gewisses Interesse,
dafs man sieht wie allmälig im Laufe des 16. Jahrhunderts das Französische
an Stelle des einheimischen Idiomes trat. Der Herausgeber hat grammatische
Bemerkungen und ein Glossar angeschlossen.
S. 276 — 282. F. Castets, / doiici canti (Fortsetzung).
S. 282 ff. Bibliographie. Anzeige von P. Gehrt, Zwei alifranzösische
Bruchstücke des Flovant { Anglade); 1. Courtain für Courtaine.
S. 305 — 344. E.Stengel, Le Chansonnier de Bernart Amoros (Fort-
setzung).
S. 371 ff. Bibliographie. Besprechung von R. Beer, Zur Ueberlieferung
altspanischer Lilleralurdenkmäler durch Ducamin. — Romania XXVIII, l — 2
(Anglade),
S. 385 — 387. Nouvelles bibliographiques. Hinweis auf die Entdeckung
der Fortsetzung von Hs. a durch Bertoui (s. oben) und im Anschlüsse daran
Mitteilung einer von Chabaneau aufgestellten Liste der dort enthaltenen zahl-
reichen neuen Gedichte. Das an fünfter Stelle aufgeführte Lied (R. de Va-
queiras, Lancan vei verdeiar) dürfte identisch sein mit Gr. 392, 4 Ära qiian vei
verdeiar. L. 462 statt 461. Diese Liste erfährt eine willkommene Ergänzung
durch eine zweite gleichfalls von Chabaneau herrührende und S. 566 — 568
mitgeteilte, in welcher die anderweitig anderen Dichtern zugeschriebenen Ge-
dichte zusammengestellt werden. Lies hier unter P. 436 statt Gr. 461, 28:
Gr. 461, 138. Was ist bei P. 490 mit einem Hinweis auf Gr. 124 en note
gemeint.' Chabaneau hat vielleicht seine eigene in den Biographies S. 138
Anm. 2 gegebene Anmerkung im Sinn, wo das bei Bartsch fehlende Lied
nachgetragen ist.
S. 393 — 403. A.Blanc, Narhonensia. Toponyinie et etymologie popu-
laire. Ganz interessante Beispiele von mifsversländlicher Umwandlung von
Ortsbezeichnungen: ^gor Gatäier (gurgitem Gauterii) für gorc autier — pla
des Enfidels, dann place des Infideles für ursprüngliches pla d^en Fidels —
pech de l'Agnel für pueg de n' Amielha — Levrette, französische Namensform
einer Meierei bei Narbonne für prov. Lebretos (<^ Lapidetum) — Rieumar,
das eine Zeitlang für Ranmar infolge merkwürdiger Kontamination gesagt
wurde (die für Ranmar vorgeschlagene Etymologie ist schwer annehmbar; es
dürfte ein Eigenname germanischer Herkunft vorliegen).
S. 436— 471. F. Castets, / dodici canti (Fortsetzung).
S. 471. M. Grammont, pyessiire. Die hier vorgetragene Herleitiing
von *frustiatura {zh. froisseure) läfst sich zwar lautlich rechtfertigen, allein
die Bedeutung bietet doch Schwierigkeiten dar, über die Gr. zu leicht hin-
weggeht.
S. 472 ff. Bibliographie. Anzeige von Niederländer, Die Mundart
von Namur (Anglade). — Ztschr. f. rom. Phil. 1896— 1897 (Anglade).
454 BESPRECHUNGEN. B. WIESE,
S. 489 — 499. A. Jcanroy, Dciix fiagiuents des chansons iVAntioche
et du Chevalier au cygne. Zwei Fragmente aus dem 13. Jahrhundert von je
135 und 112 Versen, die Herr Pasquier bei einem Antiquitätenhändler in
Toulouse entdeclct hat. In I, 78 hat die erste Vershälfte eine .Silbe zu wenig;
Komma nach sacies in V. 129.
S. 500 — 508. E.Stengel, Lc Chansonnier de Bernart Auwros (Fort-
setzung).
S. 508 — 535. J.Ulrich, La traduction des Actes des apotres en haut
engadinois.
S. 536 — 561. F. Castets, / dodici canti (Fortsetzung).
S. 562 fF. Bibliographie. Anzeige von Schuchardt, Romanische Etymo-
logieen (Grammont).
O. Schultz - GoRA.
Giornale Storico della Letteratura Italiana. Anno XVIII, Vol. XXXV,
fasc. I.
F. Fabbrini, Iiidagini sul Polifilo. Dieser Aufsatz, der gleichzeitig
mit dem Gnolis in der Rivista d' Italia und unabhängig davon verfafst wurde,
unternimmt es erfolgreich, der Hypncrotomachia Poliphili ihren rechten Platz
in der italienischen Eitteratur anzuweisen, aufzuzeigen, dafs das Werk nicht
eine merkwürdige, unerklärliche sporadische Erscheinung ist, sondern vielmehr
eins der letzten Glieder einer langen Kette, nämlich der vom Rosenroman
ausgehenden allegorischen Darstellungen. Auf den technischen Aufbau und
selbst auf die Ausdrucksweise hat, wie eingehend nachgewiesen wird, Dantes
Komödie einen besonders starken Einflufs geübt; die mystische Liebe ist aber
geschwunden imd die sinnliche an ihre Stelle getreten, ganz wie in der ita-
lienischen Litteratur des 14. Jahrhunderts: Boccaccios Einflufs ist nicht zu
verkennen , auch im Stile, und Polia ist die wirkliche Geliebte Francesco
Colonnas, Lucrezia (Ippolita) Lelia aus Teramo. Ursprünglich wird das Werk
in Versen verfafst gewesen sein, ist dann aber bei einer Ueberarbeitung zwischen
1467 und 1499, die auf Wunsch der Geliebten geschah, in Prosa umge-
schrieben. Der Umstand, dafs Colonna seinen allegorischen Stoff mit kunst-
geschichtlichem verquickte, hat seinem Buche, dessen erster Druck von 1499
schon mit schönen Holzschnitten geschmückt war, so grofse Verbreitung und
hohe Schätzung in Frankreich eingetragen.
D. Perrero, Le due pritne Filippiche sono opera dt Alessandro Tassoni.
Der Artikel des kürzlich in hohem Alter verstorbenen Gelehrten bekämpft in
sehr geschickter Weise Ruas Auffassung von der Entstehung der beiden
ersten Filippiche (Gsli XXXH S. 28ifl".) und will die Schriften endgiltig als
Tassonis Werk anerkannt wissen.
V. Cian, Uti codice di rinie volgari appartenuto a B. Castiglione.
Appendice. Hier folgen der Abdruck und die Kollation einiger Gedichte aus
der Handschrift, das alphabetische Verzeichnis der Anfangsverse der Gedichte
und eine Reihe von Zusätzen zu den im Band XXXIV gegebenen biblio-
graphischen Bemerkungen (vgl. Ztschr. XXIV S. 157). In den ganz abge-
GIORNALE STORICO VOL. XXXV. 455
druckten Slücken finden sich manche Besserungsvorschläge, doch sind die
Verse nicht durchgehends auf das richtige Mafs gebracht, was meistens keine
grofsen Schwierigkeiten bieten würde. S. 56 v, 31 liegt Non sdegnar näher.
Die Lesart der S. 59 ff. unter VI abgedruckten Ballata minima finde ich durch-
aus nicht immer viel korrekter als die der pariser Hs. 1069. An manchen
Stellen hat letztere sicher das Ursprünglichere und Bessere, z. B. 47, wo dort
der Reim verdorben ist, v. 73 und 74 und sonst (vgl. auch weiter unten). Dem
pariser cod. fehlen ferner einerseits zwar drei Strophen, andrerseits hat er
aber vier, die in Casligliones Hs. fehlen, und eine Strophe (55 — 58) steht in
ihm sicher an richtigerer Stelle. V. 9 gehört e che V consente noch zu der
Rede, welche die Mutter hört: „Sieh dich doch mal um, wer läfst denn so
etwas zu.'"' che ist also = chi wie auch sonst zu belegen. V. 18 1. adoiirar.
V. 28 ist mit dem pariser cod. tu sey si zu lesen. V. 29 seneta auch bei
Giustiniani für junges Ding. Diesen Sinn hat es auch hier. V. 99 ist colorita
im cod. par. wohl das Richtigere. Bei der Lesart coraleti vermifst man li
oder i. Strophe 103 — 106 ist in der Lesart des cod. par. ganz klar:
„Z>' un roseto son acorta,
Se tu voy lume di sorta:
Chola grana uoy esser morta,
Se sey dl non dural ä."
,,Icli weifs ein Rot, wenn du irgend Belehrung {lume dl sorta) willst: ich
will sterben, wenn es mit Karmoisin nicht sechs Tage hält." V. 114 L quando;
bei se würde eine Silbe fehlen. Auch v. 117 bleibt der Vers eine Silbe zu
kurz, V. 130 wird er eine zu lang. Li dem Liede X ist 49 — 51 der Reim
verdorben. V. 61 ist durch die Aenderung von durieza zu durieze der Schaden
geheilt, farge v. 105 ist richtig: ge = uns (vgl. z. B. Tobler, Ugu^on 41a,
Mussafia, Katharinenlegende S. 12). V. 216 vosemo ist mchi Tociamo sondern
indic. praes. von volere: pur che vosemo „wenn wir nur wollen". Von der
Form habe ich im Literaturblatt für germ. und roman. Philologie XIV {1893)
Sp. 20 bei Gelegenheit eines Beispiels in der altvenezianischen Brandanlegende
gesprochen.
RASSEGNA BIBLIOGRAFICA :
Garnett, A history of Italian Uterature (Galletti; es ist unglaublich,
wie Reccnsent schreiben kann: „L' informazione del G. e quasi sempre sicura
. . . non vi e data o fatto che egli affermi senza averne prima riccrcato 1' essat-
tezza, ne queslione storica di qualche importanza di cui mostri non conoscere
i termini e la soluzione probabile, o almeno lo stadio attuale, se cssa e ancora
suh judice. Insomma ... gli crrori di fatto son rari" (S. 97), wie er von
nur ,,alcuui pochi errori di fatto" (S. 100) sprechen, und wie er ferner die
beiden Kapitel über Dante ,,eccellenti" (S. lOi) nennen kann. Er mufs das
Buch nur ganz oberflächlich gelesen haben, denn sonst wäre er wohl zu dem
entgegengesetzten Urteil gelangt. Vgl. meine Anzeige in der ,, Deutschen
Litteraturzeitung" 8. April 1899 Sp. 544 — 48, wo ich gezeigt habe, was von
der wissenschaftlichen Vorbereitung Garnetls zu halten ist). — Lisio, Nic-
colb Machiavelli, II principe, testo critico con introduzione e note (Cian). —
Landau, Geschichte der italienischen Litter atur im achtzehnten Jahrliundert
(Concari, mit manchen Einwendungen).
456 BESPRECHUNGEN. W. CLOETTA,
BOIXETTINO BIBLIOGRAFICO:
Wiese und Pdrcopo, Geschichte der Italienischen Litter atttr von den
ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Lo Parco, Aulo Giano Parrasio.
Grilli, Le Egloghe Pescherecce di Jacopo Sannazaro e altre poesie latine
dei secoli XV e XVI recate in versi italiani. Vossler, Benvenufo Cellini's
Stil in seiner „Vita". Di Giacomo, La prostituzione tn Napoli nei secoli
XIV. XV e XVI. Falchi, Angela Maria Ricci, la sua vita e le siie opere.
Fornaciari, Luigi Fornaciari (Un uomo d'' antica prohitä). — Episiolario
scelto e illustrato pel centenario della sua nascita. Barbiera, Figur e e
ßgurine del secolo che muore. Conti, Firenze vecchia. Sioria, cronaca ane-
dottica, cosiumi (17^9 — 1859)*
ANNUNZI ANALITICI, PUBBLICAZIONI NUZIALI.
COMUNICAZIONI ED APPUNTI:
L. Frati, Rime inedite del Tebaldeo e di Francesco Quercente. Sie
finden sich in einer Hs. der Universitätsbibliothek zu Bologna. Frati giebt
die Anfangsverse der Gedichte Tebaldeos, die sich sonst nicht unter seinem
Namen gedruckt finden, und die sämtlichen Anfangsverse der Sonette (77)
und Capitoli (8) Quercentes, dazu druckt er drei Sonette ab. H. Hauvette,
Les „Dodici Canti" attribues ä L. Alamanni zeigt, dafs Castcts dies jammer-
volle Gedicht Alamanni ohne jeden Gmnd zuerteill: weder bezeichnet es die
Hs. als sein Eigentum, noch hat Alamanni selbst die PIs. geschrieben, noch
endlich treffen die aus den Dodici Canti für deren Verfasser zu gewinnenden
Lebensnachrichlen auf Alamanni zu. Bertana, Postilla Manzoniana ; la
tnonaca di Monza. B. hält es nicht für ausgeschlossen, dafs aufser Ripamonti
und Diderot noch andre Schriften eine Anregung zur Ausgestaltung der Epi-
sode der Monaca di Monza gegeben haben können und erinnert besonders an
Passeronis Cicerone, aus dem er einige Stellen anführt.
CRONACA:
Periodici, kurze Mitteilungen, neuerschienene Bücher, Nachrufe für Do-
menico Perrero, Luigi Padiin, Carmelo Call (R. Sabbadini) und Bernardo
Morsolin. „
Berthold Wiese.
Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Litteraturen.
Bd. XCVI (1896, I.Halbjahr).
Dieser und die folgenden Bände sind herausgegeben von Aloys Brandl
und Adolf Tobler.
ABHANDLUNGEN. Käthe Schirmacher, Theophile de Vuiu, S. 97
— 156 imd 269—310 (Schlufs folgt).
KLEINE MITTEILUNGEN. O. Schulze, Desaix' erster Feldzug in
Aegypten und die Darstellung desselben bei Thiers, S. 179 — 187. — Alfred
Bauer, Doppelter ethischer Dativ im Französischen (. . . 'eile te vous le
flanque par dessus bord' .. .), S. 342.
SITZUNGEN DER BERL. GES. etc. Kabisch, die Herkuuft des
Liedes: 'Ein Mädchen das auf Ehre hält' = 'II ^tait une fille, Une fille
ARCHIV F, D. STUD. D. NEU. SPR. U. LITT. XCVI — XCVII. 457
d'honneiir', S. 346. — Tobler, über Guillaumes de Dcguileville 'Pelerinnge
de Z'ie ktimaine', S. 347 f. — Röttgers (untl Lücking, Tobler), über die
Stellung der französ. Pronomina, S. 350. — Kabis ch (Tobler u.a.), über
die Bedeutung und Herkunft der franz. Praeposilion des [= de ex? nach
Tobler befriedigt für die Bedeutung blofs die Ableitung von de ipso],
S. 354 f. — Tobler, autographile etc., S. 359 f. (s. im folgenden Band
S. 375 ff. und jetzt Vermischte Beitr. z. frz. Gramm., IIT. Reihe, S. 141 ff.). —
O. Schultz-Gora, über mehrere von den französischen Romantikern 7nit
Vorliebe gebrauchte Wörter und Ausdrücke [orfraie, alcyon, fils, fille, belle
äme), S. 360 f. — Ho seh, 'Flickwörter im. Französischen' {au tnoins, du
moins, Tnoins, pas moins ; parbleu ; parfaitemertt. Krüger hebt allerdings
mit Recht hervor, dafs der Ausdruck 'Flickwörter' hier nicht angebracht sei),
S. 361 f.
BEURTEILUNGEN. S. 208 — 210 Creizenach, Geschichte des neueren
Dratnas. Battd I : Mittelalter und Frührenaissance {W.Cloeiis). — 222 — 230
Gotlfr. Hartmann, Merope im ital. und franz. Drama, Erlangen und Leipzig
1892; A. C. Albert, Die Sprache Philippes de Beaumanoir in seinen poeti-
schen Werken, 1893; R.Peters, Paul Scarrons 'Jodelet Duellisfe' und seine
spanischen Quellen etc. 1893 [= Münchener Beiträge zur roman. und engl.
Philologie hgg. v. Breymann u. Koeppel IV. V. VI.] (Wilhelm Cloetta). —
230 f. Le Patois Neuchätelois. Recueil de dictons et de morceaux en prose
et en vers, e'crits par divers auteurs du pays. Neuchätel 1895 (Hermann
Urtel). — 232 — 234 // 'Gelindo', dramma sacro piemontese della nativitä
di Cristo, edito ... da Rodolfo Renier. Torino, Clauscn, 1896 (Adolf
Tobler). — 234 Li Proverbe au vilain ... hgg. v. Ad. Tobler. Leipzig,
Hirzel, 1895 (Adolf Tobler; berichtigt einige Druckfehler und verweist
auf seine Vorträge in der Berliner Gesellschaft für das Stud. der neueren
Sprachen, Archiv Band 71, 417; 88,398 und 94,280). — 3^5 f- W. EUmer,
Rabelais' Gargantua und Fischarts Geschichtklitterung [XXIII. Jahresber.
des Realgymn. zu Weimar. Ostern 1895] (Ludwig Fränkel). — 427 — 433
Melanges de Philologie romane dedies ä Carl Wahlund ... \j janvier 1896].
Mäccn (Adolf Tobler). — 433 f. August Kubier, Die suffixhall igen roma-
nischen Flurnamen Graubündens ... I. Theil: Liquiden- Suffixe. Erlangen
und Leipzig 1894 [= Münchener Beitr. VIII] (Adolf Tobler). — 434 f.
Raimon Vidal, La Chasse aux fnedisants. Poeme allegorique [aus der ersten
Hälfte des 14. Jahrb., ca. 1338] p.p. M. A. Mercier [= Extrait des Annales
du midi, tome VI']. Toulouse 1894 (Ad ol f Tobler). — 436 — 446 J. Oster,
Cours superieur de grammaire frangaise ä l'usage des ecoles allemandes.
Dresde 1895 (G. Cohn). — 448 Michele Scherillo, La prima tragedia del
Manzoni (il conte di Carmagnola). Milane 1895 \Estratto daW Annuario
della R. Accademia Scientifico- Letter aria di Milano, anno 1894 — 1895] (Adolf
Tobler). — 448 — 46C Rigutini e Bulle, Nuovo dizionario italiano-tcdesco e
tedesco-italiano. Leipzig, Tauchnitz (O.Heck er).
Bd. XCVII (1896, 2. Halbjahr).
ABHANDLUNGEN. Käthe Schirmacher, Theophile de Viau
(Schlufs), S. 35 — 100. — Die altfranzösische Prosafassung des Montage
458 BESPRECHUNGEN. W. CLOETTA,
Giiillatime, \^^'^. v. Georg Schläger. /. Text. S. loi — 128 und 241 — 282
(Die AbhaniUung dazu folgt im nächsten Band). — Die aUfranzös. Lieder-
handschrift der Bodleiana in Oxford, Douce 308, diplomatisch abgedruckt
von Georg Steffens, /., S. 283— 308. — Emil Koeppel, Zur Quellen-
kunde des Stuart-Dramas (i. König Heinrich IV. von Frankreich im Spiegel
der zeitgenössischen englischen Bühne; 2. Die Quellen von Thomas Heywoods
Drama 'The Captives; or, The Lost Recovered' ; 3. Ein Vorbild für Shak-
speres Statue der Hermione. — Alle drei Abschnitte greifen auch auf roma-
nisches Gebiet über), S. 313 — 332.
KLEINE MITTEILUNGEN. AdolfTobler, Aus Anlafs des franz.
Wörterbuchs, S. 375 — 387 (s. jetzt Verm. Beitr. zur frz. Gramm., III. Reihe,
S. 141 ff.)-
BEURTEILUNGEN. S. 183—189 Guiraut von Bornelh, der Meister
der Trobadors, hgg.v. Adolf Kolsen : i. Die drei Tenzoncn nach sämtlichen
Hss. 2. Drei bisher unbekannte, ihm zugeschriebene Gedichte [= Berliner
Beiträge zur germ. und roman. Philologie, VL. Romanische Abteilung Nr. l].
Berlin, C.Vogts Verlag, 1894 (Carl Appel). — i8g — 192 Karl Voretzsch,
Die französische Heldensage, Heidelberg, Karl Winter, 1894 (Alfred Ri-
sop). — 196 — 204 Leon Cledat, Grammaire raisonnee de la langue fran-
gaise. Avec preface de Gaston Paris. 4"'« cdition. Paris, Le Sondier, 1894
(J. Jean j aqu cl). ^ — • 204 — 211 G.Strien, Schulgra?nniatik der französischen
Sprache. 2^ Abt.: Satzlehre. Ausgabe B : Für Gyn n. und Realgymn. Halle,
Eugen Strien (O.Schulze). — • 228 — 230 Lautrecho, eine ital. Dichtung aus
den y. 1521 — 1523, hgg. v. H. Varnhagen. N'ebst einer Geschichte des französ.
Feldzugs gegeji Mailand im J. 1522. Erlangen, Fr. Junge, 1896 (Richard
Wendriner). — 232 — T.t^i^'Y.WxS.xx, Rtmiänisch-deutsches Wörterbuch. Liefg.X.
Bukarest, Staatsdruckerei, 1895 (AdolfTobler). — 400 f. Arturo Farinelli,
Grillparzer und Lope de Vega. Berlin 1894. 333 ^- (Max C. P.Schmidt).
— 429 — 431 A. Thumb, Handbuch der neugriechischen Volkssprache. Gram-
matik. Texte, Glossar. Strafsburg, Trübner, 1895. XXV, 240 S. 8». (W.
Meyer- Lübke). • — 431 — 433 Carl Appel, Frovenzal. Chrestomathie mit
Abrifs der Forme }il. und Glossar. Leipzig 1895 (O. Schultz-Gora). —
434 f. Maurice Grammont, La dissimilation consonantique dans les langues
europeennes et dans les kuigues romanes. Dijon 1895. 215 S. 8". \Tliese pre-
sente'e ä la Faculte des Lettre s de Paris'] (AdolfTobler). — 435 — 437
Emil Keller, Die Sprache der Reimpredigt des Pietro da Barsegape, Frauen-
feld 1896. VIII, 63 S. 40, \Beilage zum Progr, der Thurg. Kantonsschule
1895/96] (AdolfTobler; verschiedene Berichtigungen zu dem im übrigen
verständigen Buche). — 437 f. Georges Gourdon, Guillaume d'' Orange, poenie
dratnatique. Preface de M. Gaston Paris . . . Paris, Lemerre, 189Ö. IX, 70 S.
8". (A dolf Tobler). — 438 — 441 Z<? chevalier du papegau, ... hgg. v.
F. Heuckenkamp. Halle 1897. LXIII, 143 S. 8«. (AdolfTobler; inhalts-
reiche Bemerkungen und Besserungsvorschläge zu der tüchtigen Ausgabe). —
441 f. Louis P. Betz, Pierre Bayle und die 'Nouvelles de la Republique des
Lettres' 1684— 1687. Zürich, Müller, 1896. XVI, 132S. 8». (Adolf Tobler).
— 443 — 447 H. Schneegans, Geschichte der grotesken Satire. Strafsburg,
Trübner, 1894. ^V, 523 S. 8". (H. Morf; hervorragende Arbeit). — 448 f.
ARCHIV F. D. STUD. D. NEU. SPR. U, LITT. XCVII. 459
Gustav Tobler, Vincenz Bernhard Tscharner (1728 — 78). \_Neujahrsh!aU der
litterar, Ges. zu Bern auf das J. 1896]. Bern, K. J. Wyfs, 1895. 65 S. 4».
(H. Morf). — 461 — 464 Andre Cheuier. Auswahl . . . hgg. v. Oscar Schultz.
Halle 1891. 78 S. 8". (Gustav Krueger). — 465 f. Agrippa d'Aubigne,
Les Tragiques. Livre I : Miseres . . . p. p.W. Bouigiu, L. Foulet, A. Garnier,
Cl.-E. Maitre, A. Vacher, eleves de l'Ecole normale superieure. Paris, Colin
et Cie, 1896 (A dolf Tobler). — 466 — 468 I principali episodi della Can-
zone ^'Orlando tradotti in versi italiani da Andrea Äloschetti, con un pro-
emio storico di Vincenzo Crescini. Torino, Clausen, 1896. CXII, 122 S. 8".
(Adolf Tobler: die Uebersetzung zeigt nicht das geringste Gefühl für den
volkstümlichen Stil des Originals, dagegen ist Crescini's Einleitung vorzüg-
lich). — 468 f. Girardo Pateg e le sue Note, testo inedito del primo dugento.
Nota del s. c. Francesco Novati. \_Estratto dai 'Rertdiconti' del r. Ist. Lomb.
dl sc. e lett., Seriell, Vol. XXIX, 1896]. 27 S. S». (Adolf Tobler ; Ab-
druck der von Novati entdeckten Noie mit einem andern provenzalischen Stück,
das zu der Gattung gehört, die bei den Provenzalen plazer hiefs. Dazu eine
Einleitung des Herausgebers). — 469 — 471 Michele Scherillo, Alcuni capitoli
della biografia di Dante. Toiino, Loescher, 1896. XX, 529 S. 8". (Adolf
Tobler; treffliches Buch, das eine ansehnliche Zahl nur zum Teil früher
schon veröffentlichter Monographien, die aber dann vervollständigt und ver-
bessert erscheinen, vereinigt). — 472—477 Giacomo Leopardi, Operette mo-
rali. Ricorrette sulle edizioni originali con inlroduzione e note ad iiso delle
scuole da Nicola Zingarelli. Napoli, Luigi Pierro, 1895 (O. Hecker).
W. Cloetta.
NEUE BUCHER.
Östberg, H. O., Les voyelles velaires accentuees, la diphtongue au et
la desinence -avus dans quelques noms de lieux de la France du Nord. Upsala
1899 (Diss.) 8". 100 S. Darlegung der nordfrz. Entwickeluugen ans betont, ö.ü,
o, ü, au, avus in nordfrz. Ortsnamen in weitrcm Umfange als sie in laut-
geschichtlichen Untersuchungen verschiednen Orts bisher geboten wurde; dabei
gelegentlich Erörterung von Lautübergängen, über die noch keine Einigkeit
erzielt wurde. Die Produkte der Grundlaute sind natürlich dieselben wie im
Appellativ Wortschatz auf gleichem geographischen Gebiete. Die vorhandene
Litteratur ist mit verständigem Urleil benutzt, den Entscheidungen des Verf.
hat man selten Grund die Zustimmung zu versagen. Gelegentlich hätte er die
ZulängHchkeit der Grundlagen frz. Ortsnamenform nicht ungeprüft lassen sollen,
wie 5. 38 bei Durocas, Baiocas, Eburocas, Viducas = Dreux, Bayeux etc., wo
der oxytone Städtenamen sich nicht mit der Endung -as verträgt und Formen
zu Grunde gelegt sind, die nur auf Münzen erscheinen, also vielleicht abgekürzt
sind (für Baiocasses u. s. w. ; Baiocas indessen belegt Holder, Alt-cellischer
Sprachschatz, der hätte benutzt werden sollen). Von Druckfehlern sei be-
richtigt S. 38^: 1. Romania 3,382; S. 64, 65, wo Farster st. Gröber steht,
S. 71 wo Mussafia (nicht Mussafier) st. Gröber zu lesen ist.
Croce, Benedetto, Di alcuni principi di sintassi e stilistica psicologiche
del Gröber; nota letta all' Accademia Pontaniana, 1899 (Sep.-Abdr. 12 S,);
460 G. G., PH. AUG. RECKER,
Ders. Le cates^orie rctloriche e il pro/. Gröber [Estr. daUa „Flegrea", vol. IT;
6S); Aiiseinandcrsetzunj^cn über intuitive litterarische Kritik vom Standpunkt
der Modernen und über psyclio!of,'ische Stilbetrachtung, aus Anlafs von
Vofslers Abhandlung über Benvenuto Cellini's Stil in den Beitr. z. roman. Philo-
logie und seine Besprechung der ersten Schrift Cioce's. Es ist hier nicht der Ort
und würde vergeblich sein, den Bekenner moderner Intuition von der Existenz-
berechtigung der schwierigen psychologischen Stilbetrachtung zu überzeugen,
daher genüge es, die beiden dem Referenten zugesandten Schriften zu ver-
zeichnen.
Don Quixote de la Mancha. Primera Ediciön del texto restituido Con
Notas y una Introducciön /0/- Jaime Fitzmaurice-Kelly y Juan Orms-
by(+). I. II. Lcndres 1898. 1899, David Nutt. Editor. 4", LXu. 510; XIII
n. 556, S. geb. Die eiste kritische Ausgabe des Don Quijote, eine monumen-
tale Ausgabe, wie sie noch keinem Werk der spanischen Litteratur in oder
aufserhalb Spaniens zu teil geworden ist; um so gröfsre Ehre für die Heraus-
geber und für den durch seine glänzenden Veröffentlichungen weithin bekannten
Verleger. Die gemessene, in allen Teilen überzeugende Einleitung giebt eine voll-
ständige Texlgeschichte des ersten und zweiten Teiles des Werkes, ermittelt
die erste Ausgabe vom Jahre 1605 M.^drid des ersten Teiles als denjenigen,
wenn auch vom Drucker verwahrlosten Druck, der Cervantes' Ms. am zu-
verlässigsten darstellt, und ebenso den Druck des zweiten Teiles Madrid 1615,
der einzige, der bei Cervantes' Lebzeiten veröffentlicht wurde, als denjenigen,
der einer kritischen Ausgabe zu Grunde zu legen sei. Die Varianten der
jüngeren nicht nachweisbar aus andern abgeleiteten Ausgaben werden unter
dem Text mitgeteilt, beim zweiten Teil namentlich auch die Textverbesserungen
der Ausgaben der Academia espanola und Hartzenbusch's, die, wie auch andere
im ersten Teile nur soweit in den Text aufgenommen wurden, als dort wirk-
liche Fehler der ältesten Drucke anzuerkennen waren; gar manche ursprüng-
liche Lesart retten die Herausgeber für den Text in der Einleitung und in den
Anmerkungen. Die ungeregelte Orthographie der ersten Ausgabe ist nicht
beibehalten, doch auch hier wurde nur vorsichtig reformiert; in die Inter-
punktion ist Konsequenz gebracht, beim Dialog durch Zeilenabsatz Rede und
Gegenrede kenntlich gemacht. Definitiv erscheint die Ausgabe auch durch
ihren ausgezeichnet korrekten Druck. Man wird lernerhin den Don Quijote
mit keinem anderen Texte drucken dürfen. Dafs er aufser durch diese Luxus-
ausgabe in wohlfeilerem Druck zugänglich und allgemeiner verbreitet werde,
ist dringend zu wünschen. G. G.
Otto Zimmermann, Die Totenklage in den altfranzösischen Chansons
de geste. (Berliner Beiträge XIX, rom. Abt. 11.) Berlin, Ebering, 1899. —
130 Seiten. Klar disponiert und fliefsend geschrieben, schildert die vorliegende
Arbeit die stummen Aeufserungen des Schmerzes, analysiert die Klagen nach
der Person des Verstorbenen und ihrem Verhältnis zum Ueberlebcnden, stellt
die Elemente der Klage (Trauer, Nachruf, Fürbitte, Trostspruch) zusammen
und gedenkt anhangsweise der leblosen Gegenstände und der Klage um sich
selbst. Es zeigt sich auch hier, wie beharrlich und gewandt die mittelalter-
lichen Epensänge das stereotype Thema variieren , und wie nachhaltig ins-
besondere das Pathos des Rolandslieds nachwirkte.
Ph. Aug. Becker.
NEUE BÜCHER. 46 I
Zu Ztschr. XXIV, S. 130 ff.
Auf die unter der Ueberschrift „Mischung indirekter und direkter Rede
in der Frage" im vorigen Heft dieser Zeitschrift {XXI V, i S. iJofF.) von
Herrn Prof. A. Tobler zu einem in Br.nd XXHI, Heft 4 S. 401 ff. von mir
veröffentlichen Artikel gemachten Ausführungen kann ich nicht umhin einiges
zur Klarstellung und Berichtigung zu erwidern.
Zunächst mufs ich Einspruch gegen die von H. A. T. in Anm. i, S. 130,
aufgestellte Behauptung erheben , dafs ich mich in meinen Darlegungen nur
gegen seine Auffassung des Fiagefalles [est-ce que . . .) gewandt halte. Nicht
nur zeigt die Ersetzung der von ihm gewählten Bezeichnung „Mischung u. s.w."
durch die von mir gewählte V. R. (Verkleidete Rede) an , dafs sich meine
Einwände gegen sämtliche als Alischung u. s. w. bezeichnete Fälle richten,
sondern ich habe das auch gleich zu Anfang (S. 491) mit den Worten aus-
gesprochen: „Es handelt sich, wie wohl erinnerlich, um die im Neufranz, so
überaus häufige Verwendung der Formeln est-ce que, nebst qiii est-ce qiii {que),
qu'est-ce qui {que); ferner c'est que, c'est ... que." Ich brauche danach
nicht weiter auszuführen, wie auch die einzelnen zur Begründung meiner Auf-
fassung und zur Bekämpfung der gegnerischen ins Feld geführten Argumente,
insbesondere die allgemeinen Darlegungen von S. 505 bis S. 508 unvereinbar
sind mit der Annahme, ich hätte es nur mit dem Falle der Frage zu thun.
Dafs dieser (vgl. das Beispiel: Est-ce que l'abbe Ranvier ne s'etaü pas
permis . . .) im Vordergrunde der Diskussion steht, hat seinen Grund in dem
zufälligen Umstände, dafs H. A. T. diesen Fall als ersten aufführt und an ihn
alles das knüpft, was er über das Wesen der sprachlichen Erscheinung, wie
es sich ihm darstellt, zu sagen für nötig gehalten hat. Freilich wird dem
Fall der ausgesprochen affektischen, d. h. Verwunderung oder Entrüstung be-
kundenden Frage von mir (S. 509) eine Sonderstellung insofern zugewiesen,
als in ihm das Präsens als „das einzig Angemessene, das einzig Richtige" be-
zeichnet wird. Aber auch bezüglich der anderen Fälle besteht zwischen
H. A. T.'s Auffassung und der meinigen der Gegensatz, dafs H. A. T. in ihnen
das Präsens, wo es sich eben findet (denn oft begegnet man hier auch dem
Imperfektum) als unrichtig, von mir aber als durchaus gerechtfertigt hin-
gestellt wird.
Als zweiten Punkt habe ich das in Anm. 2 (S. 130) von H. A. T. Ge-
sagte zur Sprache zu bringen: ,,Bis auf weiteres gedenke ich bei dem Namen
(Mischung u. s. w.) auch zu bleiben, werde es aber keinem verdenken, wenn
er V. R. vorzieht; mir scheint letzteres weniger bezeichnend" insofern, als
diese Bemerkung die Vorstellung zu erwecken geeignet ist, als habe es sich
in meinen Ausführungen lediglich um den Vorschlag einer anderen Be-
zeichnung an Stelle der von H. A. T. gewählten gehandelt. Eine solche
Vorstellung wäre irrig. Das, worauf meine Darlegung abzielte, war vielmehr,
nachzuweisen, dafs die von H. A. T. vorgetragene Ansicht von dem Wesen
der Sache nicht zuträfe und durch eine andere ersetzt werden müsse, so dafs
bezüglich der diese grundverschiedenen Ansichten zum Ausdruck bringenden
Benennungen ein Nebeneinander überhaupt nicht, vielmehr nur ein „Entweder
= Oder" möglich ist.
462 TH. KALEPKY,
Eine ebenso grofse Gefahr des Mifsversländnisses scheint mir für die
S. 131 anzutrefTenden Worte zu bestehen: „Von , Tadel' und , Vorwurf, die
ich nach Kalcpky bei dieser Gelegenheit gegenüber dem französischen Volke,
das doch hier allein verantwortlich scheinen konnte, ausgesprochen hätte,
ist mir nichts erinnerlich." Nach meiner Empfindung mufs ein Leser
dieser Stelle, der meine Ausführung nicht kennt, zu der Ansicht gelangen,
ich hätte mir bezüglich des von mir befehdeten Artikels unrichtige Bericht-
erstattung zu schulden kommen lassen. Ich glaube mir daher die Erklärung
schuldig zu sein, dafs ich kein Wort von einem Vorwurf oder Tadel gesagt
habe, den H. A. T. der französischen Sprache oder gar dem fran-
zösischen Volke ausspräche, sondern dafs ich vielmehr mit peinlichster
Genauigkeit die Ausdrücke wiedergegeben habe, deren sich H. A. T. selbst
bedient, nämlich (vgl. S. 492) ,, nicht das Richtige", „strenggenommen nicht
richtig" und „unrichtig" (T. II, S. 7 und 13). Ich hätte noch hinzunehmen
können: (T. II, S. 7) ,, ein Präsens ist hier durchaus nicht an seiner Stelle."
Wenn ich dann fortfahre: ,,Doch vergegenwärtigen wir uns zunächst, wie der
H. V. seinen Vorwurf begründet" (S. 492) oder später (S. 496) sage ,, Un-
mittelbar auf das verwerfende Urteil folgt die Begründung ..." oder
(S, 497) ,,die drei Gründe, auf welche T. II, 7, das tadelnde Urteil über
est-ce que in der erörterten Ausdrucksweise gestützt worden . . ." u. s. w., so
ist für den Leser jeder Zweifel darüber ausgeschlossen, dafs die Ausdrücke
»Vorwurf, ,Tadel' nicht von H. A, T. gebraucht worden sind, sondern ledig-
lich meine eigenen Wertungen seiner genau wiedergegebenen Worte sind.
Wenn H. A. T. dieselben unrichtig fand, so hätte er m. E. nur sagen können:
„Die von mir gebrauchten Ausdrücke ,, nicht richtig . . ., durchaus nicht an
seiner Stelle" sind weder ein Tadel, noch ein Vorwurf, wie Kalepky meint"
oder dem Aehnliches. Hiervon abgesehen, erkläre ich fügsam, dafs seine Zurecht-
weisung nicht verloren sein soll; und nur als einen Versuch der Entschuldigung
meines Fehlgriffs bitte ich es anzusehen, wenn ich bei dieser Gelegenheit, einige
andere Stellen heranziehend, gestehe, dafs ich z.B. ebensowenig geschwankt
haben würde, die Bezeichnung ,,häfsliches </^" (T. I, 181 in der Wendung:
gti'il fait hon de vivre) als , Tadel', oder den Anfang von T. I Art. 28 ,,Mit
gutem Fug wird dem Französischen nachgerühmt, dafs es in höherem Llafse
als manche andere Kultursprachen für seinen Satzbau Mittel besitze und
regelmäfsig verwende, die gestatten, der Aussage alle irgend erforderliche
Sauberkeit, völlige Unzweideuligkeit bezüglich ihres logischen Wertes zu
geben" als Lob aufzufassen, oder wenn ich darauf hinweise, dafs Herr Alfred
Schulze, der mit Herrn A. T.'s Anschauungsweise und Wortgebrauch — denn
auf eine Frage des Wortgebrauchs scheint mir die ganze Meinungsverschieden-
heit hinauszulaufen — doch wohl noch vertrauter ist als ich, S. 136 (Bd. XXIV,
Hft. T) nicht Bedenken trägt, gar von , .Sünden" zu sprechen, die H. A. T. in
dem uns hier beschäftigenden ,, Beitrag" aufgedeckt hätte. Schliefslich darf
ich vielleicht noch dies zur Entschuldigung meines Fehls geltend machen,
dafs ich zu jenen unrichtig qualifizierenden Wörtern hauptsächlich aus dem
Grunde gegriffen habe, weil sie, gegenüber dem schwerfällig wiederholenden :
„Herrn A. T.'s Behauptung, dafs das Präsens in diesem Falle nicht
richtig sei", eine willkommene, ja wie ich nunmehr gestehe, allzu will-
kommene Verkürzung darstellten.
zu ZTSCHR. XXIV, I30ff. 463
Viertens: Die Behauptung H. A. T.'s (S. 131), ich hätte „meinen Zola"
nicht mit der gleichen Sorgfalt gelesen wie seine Vermischten Beiträge, ist
ebenso irrig wie die in dem darauf folgenden Satze ausgedrückte Annahme,
dafs mir die „richtige" Auffassung der angeführten etait-ce qiie-'üiX.zt einfach
„entgangen" wäre. Alle in meiner Abhandlung vorgebrachten Zola -Stellen
sind, wie es sich in der Auseinandersetzung mit einem Manne von der Be-
deutung H. A. T.'s ziemt, von mir aufs Sorgfältigste gelesen, geprüft,
durchdacht worden, nicht ein Mal, sondern ein halbes Dutzend Male. Und
sollte auch dies nach dem thatsächlichen Ergebnisse Herrn A. T. nicht aus-
reichend erscheinen, so steht wenigstens so viel fest, dafs die darauf von mir
verwandte Sorgfalt in keinem Punkte hinter derjenigen zurücksteht, mit der
ich die ,, Beiträge" durchgearbeitet habe, und bezüglich deren 11. A. T. zu
meiner Freude sich ja ausdrücklich für befriedigt erklärt.
Jene andere, von H. A. T. als einzig und zweifellos richtig — so zweifel-
los richtig, dafs er ein Wort stützenden Beweises für überflüssig erachtet —
geltend gemachte Auffassung der drei etait-ce que -Sätze [etatt-ce donc que le
catholicisme ne pouvait ceder u. s. w.) ist mir nun nicht nur nicht „ent-
gangen", sondern sie war diejenige, die sich mir beim ersten Lesen der ange-
führten Stellen (unter dem Einflufs des ,, Sprachgefühls") aufdrängle. Da ich
aber der französischen Sprache gegenüber ,, Ausländer" bin und Ausländer,
wie H. A. T. S. 132 trefiend bemerkt, , .immer noch mifs verstehen können",
so hielt ich es vor definitiver Acceptierung dieser Auffassung für geboten,
den Sachverhalt einer sorgfältigen Nachprüfung zu unterziehen, unter ge-
nauester Berücksichtigung der von H. A. T. selbst gegebenen Definitionen
und Unterscheidungen ; und wenn ich bei dieser Nachprüfung, bei der es sich
ja nur um die Frage handelte, unter welche der von H. A. T. aufgestellten
Kategorieen unsere Sätze gehörten , zu einem unrichtigen Ergebnisse gelangt
sein sollte, so kann ich wenigstens so viel mit gutem Gewissen erklären, dafs
ich nur durch die von ihm selbst gemachten Aufstellungen und Angaben zu
meiner irrigen Meinung geführt worden bin.
Ich will hier den Leser nicht mit einer ausführlichen Darlegung aller Einzel-
heiten jener Nachprüfung ermüden, für die auch, wie sich herausgestellt hat,
der in diesem Heft noch verfügbare Raum nicht ausreicht. Was dieselben
darthun würden, ist, dafs es für mich keineswegs so nahe lag, die in Rede
stehenden Sätze aus Zola als fragende Fälle des aullclärenden" c'est que auf-
zufassen, wie es nach H. A. T.'s hartem Urteile, das für die von mir ange-
setzte Deutung nur Mangel an Sorgfalt der Lektüre als Ursache zuläfst,
scheinen könnte. Ich will vielmehr einzig und allein das anführen, was mir
die von ihm gegebene Erklärimg jener Sätze mit seiner Gruppierung der in
Betracht kommenden Fälle als völlig unvereinbar erscheinen liefs. Es ist die
T. II, 10 bezüglich des c'est que gegebene Definition, dafs dieses ,,an die Auf-
stellung einer Thatsache die einer zweiten fügt, die nach des Sprechendtn
Dafürhalten die erforderliche Aufklärung für das Bestehen der ersten giebt".
Hiernach handelt es sich in Fällen dieses c'est qiie also stets um zwei That-
sachen, und wenn auch weiterhin in der jener Stelle beigegebenen Anmerkung
das Wort ,, Thatsache" zu ,, unmittelbar klarem Sachverhalt, von dem man
annimmt, er sei bekannt, zugegeben oder doch ohne weiteres annehmbar" ab-
464
gesclivväclit wird — ich mochte jene Zola -Stellen wenden wie ich wollte, es
erwies sich mir als absolut unmöglich, in ihrem zweiten Gliede ,, Sachverhalte"
der angegebenen Art, geschweige denn ,,Thatsachen" zu entdecken. Und diese
Unmöglichkeit besteht heute für mich nach erneuter Prüfung jener Stellen noch
genau so, wie seinerzeit bei der Niederschrift meines Artikels VII. Soll ich
mich also, wie ich angesichts der ungewöhnlichen Beherrschung des Franzö-
sischen auf allen seinen Entwickelungsstufen durch H. A. T. gern möchte,
seiner mit solcher Entschiedenheit geltend gemachten Auffassung jener Zola-
Stellen unterwerfen, so bedürfte es dazu vorerst einer entsprechenden Modi-
fikation der von ihm in betreff des c'est que gemachten Aufstellungen oder
der Darlegung, wie seine Deutung jener mit diesen in Einklang gebracht
werden kann.
Theodor Kalepky.
Ueber Wortzusammensetzung,
auf Grund der neufranzösischen Schriftsprache.'
(S. Ztschr. XXIII, 288.)
Vor allem eine Auswahl von Belegen für das i. Genus der
2. Untergattung der Erinnern ngsnamen 2;
1. Art: Die repr. Vorst. wird im Stadium ib als ein
Ding aufgefafst, welches von früher wahrgenommenen
oder gedachten oder von gegenwärtig in Berührung mit
ihm aufgefafsten andern Dingen seiner Art bezüglich
einer seiner Eigenschaften abweicht. Das i. Element ist
dann entweder a) ein geläufiger Eigenschaftsname oder b) der
Name eines Orientierungsobjekts, zu dem die repr. Vorst. in Be-
ziehung steht; das 2. El. giebt im Falle a an, in welcher Beziehung
die durchs i. El. ausgedrückte Eigenschaftsvorst. von früheren .ihrer
Art abweicht, im Falle b dagegen entweder d) in welcher Be-
ziehung die repr. Vorst. zu diesem Orientierungsobjekt (das auch
aus mehrere Teilobjekten bestehen kann, z. B. Q\\ire.-sabords) steht
oder gedacht wird, oder ß) in welcher Beziehung das durchs i. El.
ausgedrückte Orientierungsobjekt von früheren seiner Art abweicht;
im Falle ba haben wir es also mit den Zs. 23, 291 Anm. i er-
wähnten rücklaufenden Bildungen (;-/) zu thun. Wegen des 3. Stad.
verweise ich auf Zs. 2t„ 304 iT. Da in jedem Falle das Endresultat
der Ausdruck einer Eigenschaft der repr. Vorst. ist, so steht nichts
im Wege, die hieher gehörigen Bildungen nach den bereits Zs.
^ Xiitteraturnaehträge: W. Grünberg, Der objektive Accusativ in den
ältesten franz. Spiachdcnkniälern, in Rom. For.sch. III 517 ff. ; M. Schwob el
G. Guieysse, Etüde sur l'Argot fian9ais, 1889; E. Tappolet, Die romanischen
Verw,;ndt<chaftsnamen, 1895; G. N. Olcolt, Studies in the Word-formalion
of tlie Latin Inscriptions, 1898; II. C. Muller, Beiträge zur Lehre der Wort-
zusammensetzung im Griechischen, mit Excursen über Wortzusammensetzung
im Idg. und in verschiedncn andern Sprachfamilien, 1897; ^- J'^S'^'» Die sla-
vischen Composita in ihrem sprachgeschichll. Auftreten, in Arch. f. slav. Philol.
XX; M.Glaser, Die zusammengesetzten Nomina bei Pindar, 1898; O.Richter,
Die unechten Nominalcomposita des Altind. u. Altiran., in Idg. Forsch. IX;
L. Lindberg, Les locutions verbales figees dans la langue fr^aise, 1898; Diez,
Gemination und Ablaut im Romanischen, in Ilöfers Zs. III 397 ff.; W. P'örster,
Bibelot, in Zs. 22, 269 ff. u. 513 ff. ; mit ,,Zs. 23 . . ." und Zs. 23 . . ." verweise
ich auf meine früheren Aufsätze in dieser Zs.
2 Vgl. Zs. 23, 301 u. 312.
Zeitschr. f. rom. Phil. XXIV. 30
466 O. DITTRICH,
2 2, 443 ff. gewonnenen Kategorien einzuteilen. Die Oberkategorien
„bestimmte und unbestimmte Unterscheidung" fallen weg, da nur
die bestimmte Unterscheidung vertreten ist.
I) Vorstellungselemente der repr. Vorst.: — A) Qua-
litative Eigenschaften: 1) vermittelt durch peripherische
Reizung der Sinnesorgane und die sich daran schliefsenden psy-
chischen Processe; z.B. a) allgemeiner Sinn: hesaigue^; h) Ge-
sichtssinn: rouge-bord"^, quadricö/ör •', septko/or*. — 2) vermittelt
durch centrale Reizung im Gehirn: a) Ü^ von räumlichen Be-
ziehungen: a) compagfion^, g cor^^^zbwnaire ; ß) rl: sons-dotninante'^ ,
{oxbati^, ]\ox&-d'oeuv}-e'\ sous- h'eu^efia/ii^^, prefet, -ordre ^^, subre-
cargue^^, sans-C(r«r '■', g pro//t'^i^, \\datne^^\ b) Wirkungsbezie-
hungen: ß) ionic-saine^^', g T^cLxaffine^', las d^ailer^^; ß) rl: anti-
pyrine^^, contre-potson, -approches'^^, -aitaques, contrebande-^ contre-
sol"^'^, -vent'^'^\ c) Zweckbeziehungen: rl: a.touß'^, paragaanle'^^,
g hyph(?«26j (i^ Aehnlichkeit: rl: g similcr^', g alcalo'ide, soleno-
^ Vgl. Zs. 23, 291 f. — 2 MC: verre ä boire rouge jnsqu'au bord, plein
jusqu'au bord de vin rouge. • — ^ Dieses u. das folg. nach lat. Adj. rawUicolor;
Gr.: nom donne par Buffon ä un Passerau d'Australie; Buff. : Noiis lui don-
nons le nom de quadiico/cr, qui suffira pour le distinguer de tous les autres
et qui lui convient tres bien, parce que c'est un bei oiseau peint de quatre
couleurs vives, egalement eclatantes: ayant la tete et le cou bleus, le dos, les
ailes et le bout de la queue veiis, une large bände rouge en forme de sangle
sous le venire et sur le miiieu de la queue, et, enfin, le reste de la poitiine
et du venire d'un brun clair ou couleur de noisette. — * Callistes lalao; Buff.:
son plumage est varie de sept couleurs bien distinctes. — ^ Vgl. Zs. 22, 445
Z. 14 ff. — ® DHT.: vlt. *com/>a«ionem; der durch das Brot mit Andern zu-
sammen ist. — ^ Be.: la quatrieme nole d'un ton, celle qui est immediatement
au-dessous de la dominante. — ^ DHT.: corsaire; proprt., qui est hors du
ban, qui agil sans autorisation. — ^ DHT. : ce qui est en dehors de l'ceuvre,
du sujet, ce qui lui est accessoire. — ^"^ Be.: officier du garde immediatement
inferieur ä celui de lieutenant. — ^^ Be.: celui qui est souniis aux ordres d'un
aulre. — 1^ Span, sohxecargo; Be.: prepose special nomme par un armateur
pour veiller ä la conservation . . . des marchandises embarquees. — ^^ Be. :
lache, fain(5ant, qui n'a pas de coeur, de sentimcnt, d'honneur. — 1* L. : organe
en forme de pied, qui s'observe chez certaines larves d'insectes; nach dem
Typus ^roconsul <^pro consule; vgl. g ycoprefet L.: hist. rom. : lieutenant
d'un prefet. — *^ Kirchenlat. viceJominus, Parasynth. ; davon scheint die
ganze Sippe vicomte, \ice-amira/, -hailli etc. ausgegangen zu sein, die es sogar
zu einem \ice-Dieti gebracht hat ; alle diese können natürlich nicht mehr als
Parasynth. angesehen werden. — ^^ Bot.: Heil aller Schäden; Be. : [plante]
nommee ainsi parcequ'elle etait fort utile en medecine. — i' DHT.: compose
avec le lat. parum affinis, qui a peu d'affinite (pour les autres corps). —
'* DHT.: faineant; der schon vom Gehen müde zu sein vorgiebt. — ^^ S. Zs.
23, 311 Anm. 7. — -" DHT.: Iravaux de defense que les assieges opposent
aux travaux d'approche des assiegeants. — -* DHT.: it. contrabbando, proprt,
contre le ban. — ^^ Be.: abri pour proteger certaines plantes contre les rayons
du soleil. — 2^ DHT.: volet de bois place ä l'exlerieur. — 24 DHT.: au jeu
de cartes, couleur qui l'emporte sur les autres; die repr. Vorst. Mittel, zu
Allem zu gelangen; vgl. (DHT.:) quant il se virent si assiegez, si jouerent a
tout. — '^^ Span.; DHT.: röcompense d'un service, proprt., argent pour
s'acheter des gants. — ^^ Bindestrich, vgl, Zs. 23, 309 Z. 33 f. — ^^ Be.: com-
position m^tallique formde d'un melange de cuivre et de zinc, et ayant en
quelque soite l'aspecl de l'or.
UEBER WORTZUSAMMENSETZUNG. 467
'ide etc.i; ap/'o;//ement 2, ^nriie'^. — B) Räumliche Eigenschaften
der repr. Vorst.: 1) Ort der repr. Vorst.: a) in Beziehung auf ein
andres Ding: a) rl: a.vä.Y\i-ma2n^, -corps''', -port^'; arriere-zwaz« MascJ,
-boutique^, -corps^, g raeiacaipe^^, -tarse^^, -physique^"^; sus-naseau^^,
surdos^-^, -/ö«/i''; e\ncondyk^*'>; sous-men/onniere^'', -ven/nere^"^, -iois'^^,
-cdpe^'^, -main'^^, aoucoupe, sous-verge'^^, g sous-j/j'/aire 22 ; g exos/ose,
Q enö^/ose23; contre-^«?'//t?24^ -platitie'^^, -clef'^^, -empoise'^'^, -heurtoir'-'^,
-pa?itieio7i'^'^, -poüite'^^^; g ^Gncarpe^^, -cräyie'^'^, -chondre^'^, -sperfiie"^^,
-gone'^'^, -anihe"^^'', chez-j-öz'^", g adj'^r^e^"; p^ri^/e«'-', p6ri/^//ie^o und
ihre Gegensätze apo^/e, q apq/öz/e (x apogee)^^, ap/^Z/ie; g h.xocet^'^;
1 Von alcali, ao?.?jV Röhre; nach griech. Parasynth. (Adj.) d^eo-eiS-)]q,
XiOOO-fiö-i'jg (als Subst. g cisso'ide, courbe du 36 degre, formee de deux
branches symmetiiques, ins Franz. übergegangen). — ^ S. Zs. 23, 308 Z. 28. —
^ Be.: sillon compose de plusieurs raies de terra relevees par la charrue [L. :
sillon fort large]. — ^ S. Zs. 23, 295. — ^ DHT.: pariie d'un edifice qui est
en saillie sur la face principale. — ^ DHT.: sorte de rade, de bassin qui se
trouve en avant de certains ports. — ''S. Zs. 23, 295 Anm. I ; vgl. unten
S. 476 Z. I. — ^ DHT.: piece qui se trouve en arriere d'une boutique. —
^ Vgl. avant-cör^j oben Z. 3. — '^^ Mexti hinter, xaQnoq Handwurzel; vgl.
Zs. 23, 309 Z. 47. — 11 Älittelfufs; xuQOÖq Fufswurzel. — ^^ DHT.: lat.
scolast. ratt.a.physica, cette science ayant ete ainsi appelee parce que dans les
Oeuvres d'Aristote eile vient apres la physique; vgl. Zs. 23, 309 Z. 44. —
13 L. : la partie qui est au-dessus des naseaux. — 1* Be. : bände de cuir qui
porte sur le dos du cheval de carrosse. — i^ ße. : parce qu'on le met par-
dessus de tous les autres habits. — ^^ Be. : tuberosite . . . au-dessus de la petile
tete du condyle. — - i' S. Zs. 23, 311 Z. i f. — ^^ L.: ce qui croit sous les bois,
les forets. — ^^ Be.: feuille de cigare placee immediatement sous l'enveloppe
exterieure [cape\. — ^o ßg . papier que l'on place sous la main en ecrivant
pour garanür la feuille sur laquelle on ecrit. — ^^ Be. : cheval de droite, sans
cavalier, dans les attelages oü l'un des chevaux est monte; verge fouet. —
22 Zeigerlinie der Sonnenuhr; style Zeiger; vgl. Zs. 23, 308 Z. 44 f. — ^^ S. Zs.
23, 311 Z. lOf. — 2* DHT.: piece de bois longiludinale de moindre epaisseur
que la quille, qui la rcnforce ä la partie superieure; vgl., auch wegen contre-
flatine, -clef, -empoise, Zs. 23, 306 Z. 30 f. — ^^ DHT.: plaque de fer placee
du cöte oppose ä la platine du fusil. — "^^ DHT.: claveau contre lequel
s'appuie ä (Iroite et ä gauche la clef de la voüte. — ^'' DHT.: piece de fer
contre laquelle s'appuie l'empoise. — 2** DHT.: piece de fer sur laquelle vient
frapper et resonner le heurtoir d'une porte. — 29]3j^x,: dans un volet qui se
referme i riulerieur, platine evidee fixee sur le bord et dans laquelle entre
le panneton de l'espagnolette. — 2" DHT.: pariie tranchante que presente le
dos de la lame d'un sabre, pr^s de la pointe. — ^^ S. Zs. 23, 309 Z. 47f. ;
DHT.: tout ce qui entoure la graine d'un fruit. — ^'^ S. Zs. 23, 309 Z. 48;
Xcräne; DHT.: perioste [membrane; "Neuir. v. neQiÖoxeog um die Knochen]
des OS du cräne. — ^3 ße. : membrane fibreuse qui revet tous les cartilages
\^'/6rd()og Knorpel] non articulaires; vgl. Zs. 23, 310 Z. 31. — ^* DHT.: tissu
ccllulaire veg6ial place sous l'episperme; o7ii(j^ua Same; vgl. Zs. 23,310 Z. 31. — -
2* Be.: envcloppe ... des organes sexuels d'une plante; yövoQ Zeugungsglied,
vgl. Zs. 23, 310 Z. 32. — ^'^ DHT.: lat. des botan. periaw//^um; «a'üog Blüte',
ensemble des enveloppes florales; TtSQiavd/jq dagegen: ring sutnher blühend. — '
*'' DHT.: interieur oü l'on vit. — ^^ S. Zs. 23, 309 Z. 46. — ^^ DHT.: point
de l'orbite de la lune ou d'une planete qui r^pond ä la plus petite distance
\nf\n bei] de cet astre de la terre [}'//]; niQiy^Loq ist rttigs um die Erde
gehend, z. B. ui^Q. — ^*^ DHT.: point de i'orbile d'une planete oü eile est
le plus rapprochee du soleil ; Xperigee. — ^^ DHT.: point de l'orbite des
satellites de Jupiter oü ils sont le plus eloignes de cette planöte. — *'■* '/i'^üJ-
xoizog [xolxii Lager] ein Seefisch, der zuweilen ans Land geht.
30*
468 O. DITTRICH,
rez-de-chaiissie^; — ß) über einige vielleicht hieher gehörige Para-
syntheta wie etnpalement etc. s. Zs. it^, 308 Z. 26 fF.; b) in Beziehung
auf mehrere andre Dinge (sämtlich rl)\ g m\.^xvaUe'^\ erxixe-colonne'^,
-co/ofmemer\t^, -sabords^, -sourcüs^, -deux''; ferner (vgl. Zs. 23, 30g
Z. iiff.) enirefesse(s)'^, -nerf{s)^, -filet{s)^^, -cote^^, entrW/12, entre-
cw'sse^^, g mesen/^re^^; contre-/fl/'/e(j-) 15, -aube^^', -hiloire^'^, -lobe^^,
-marche^'^', e) räumliche Ordnung der repr, Vorst.: i. El. Ordnungs-
zahl (s. Zs. 22, 452 Z. 32 flf.), 2. El. Objekt: premier-Pans'^-^\ —
2) Räumliches (Nicht)zusammensein: a) terve-pkiu'^, g commefi-
sa/-"^', — ß) rl: sans-c«/ö//df-3, -peau-^, -fleur'^^, -dent'^''''; g sin-
ombre'^''. — C) Zeitliche Eigenschaften der repr. Vorst.: 1) in
Beziehung auf einen Zeitpunkt oder Vorgang: ;-/: avant-m//^"^^,
-duc'^^, apres-mt'di, -dmer^^, -souper, -soupc{e)\ s,\xxlende77iain; g 6pÄ<?<5f3ij
zifaire'^'^, avem'r^'^; — 2) in Beziehung auf mehrere angrenzende
Vorgänge: r/: entx'-ac/t^^'^, g intevsessi'on^^.
II) Gefühlselemente der repr. Vorst.: toute-^ö«//.? 36^ l^on-
bo7i^'', belle-de-Joti?''^'^, -de-fiuiß'^ -d'hofize-haires^^\ -d\m-jonr^^.
' L. : surface d'un lerrain, de niveau avec une chaussee. — ^ S. Zs.
23, 309 Z. 19 f. — 3 DHT.: Intervalle vide entre deux colonnes consecutives;
ä l'imitation du lat. '\\\itxcolumn\wxn. — * Unsicher; s. Zs. 23, 308 Z. 22 fF. —
^ Be. : nom des bordages qui recouvrent exterieurcmenl la muraille d'un bäti-
ment, dans l'intervalle qui separe les sabords d'une batterie. — ^ Be. : se dil
quelquefois de l'espace compris entre les deux sourcils. — "^ DHT. : espace
qui separe deux choses. — ^ DHT.: l'eniredeux des fesses. — ^ DHT.: inter-
valle entre deux nervures sur le dos d'un livre. — i"* DHT.; paragraphe entre
deux filets. — ^^ DHT.: morceau de viande coupe entre deux cotes. — ^^ Be. :
parlie de la face qui se trouve entre les deux yeux. — ^^ DHT.: entredeux
des cuisses. — ^* MeoerTi^-iov [^I'vtsqov Darm] Gekröse, das sich zwischen
den dünnen Därmen befindet; ivx i Qiov htihi Scham giied. — ^^TtTriT.: tringle
de bois fixee en travers des chevrons pour soutenir ks lattes d'un toit. —
^^ DHT.: plancheite qui dans certaines roues de moulin est fixee h plat contre
la jante, dans l'intervalle qui separe deux aubes; vgl. Zs. 23, 306 Z. 31. ■ —
" L. : bordage de chene, pves des hiloires, de chaque cote des ecoutilles. —
^** D?IT. : dans la rosace ogivale, le trefle ou la partie rentrante qui separe
les' lobes. — ^^ DHT.: dans un escaher, partie qui remplil l'intervalle, la
hauteur entre une marche et la suivante; vgl. Zs. 23, 306 Z. 31. — -" MN.:
premier (article) sur Paris. — ^^ Be. : terrain eleve et soutenu par des mu-
railles; I. El.: Zusammensein, quantitative Bestimmung; 2. El.: ausfüllendes
Ding. — ^2 DHT.: mit. comwd-wjalis; l. El.: Zusammensein (mit andern Per-
sonen); 2. El.: Ort des Zusammenseins; vgl. Zs. 23, 309 Z. 56. — ^^ L. : parce
qu'ils repoussaient la culotte courie de l'ancien regime et portaient le pantalon.
— 2* S. Zs. 23, 305 Z. 49. — « S. Zs. 23, 305 Z. 48. — 2c s. Zs. 23, 305
Z. 20. — 2^ ]\IN.: nouvelle lampe astrale, Descr. des brevets, 1810, K^ söiie
t. Xm p. 22. — 28 DHT.: le jour qui precede la vieille. — ^9 DHT.: pilo-
tage etabli au bord d'une riviere avant la construction [duc, vgl. aqneduc]
d'un pont. — ^^ DHT.: partie de la journee apres le dlner; auch -dinee. —
^^ "EipTjßog; rjßt], STil bei. • — ^^ Faire in der Zeit zu erreichendes Ziel; ä
Richtung auf dieses Ziel. — ^^ Venir künftige Handlung der repr. Vorst. ; ä
Richtung auf diese Handlung. — 3* Vgl. Zs. 23, 309 Z. 11 ff. — ^^ Be.: espace
de temps entre deux sessions d'une assemblee. — ^^ Art Birne; Muskateller-
salbei; tonte Intensität. — ^' DHT.: mot par lequel les enfants designent
toute friandise; Intensität durch Reduplikation ausgedrückt; vgl. die Erklärung
von Förster Zs. 22, 269: „gut-gut sagt man dem Kinde, wenn man ihm
Süfsigkeiten reicht'*. — ^^ DHT.: nom vulgaire du liseron dont la fleur, de
UEBER WORTZUSAMMENSETZUNG. 469
2. Art: Die repr. Vorst. wird im Stadium lö als ein
Ding aufgefafst, welches von früher wahrgenommenen
oder gedachten oder von gegenwärtig in Berührung mit
ihm aufgefafsten andern Dingen seiner Art bezüglich
eines seiner Zustände abweicht. Das i. El. ist stets ein ge-
läufiger Zustandsname, dessen Formgebung im 3. Stadium sich
darnach richtet, ob die repr. Vorst. a) als Subjekt des Zustandes
oder b) als Produkt, Resultat oder Objekt der Thätigkeit eines
andern Dinges aufgefafst wird. Das 2. EI. fällt verschieden aus,
je nachdem zur Unterscheidung von den durchs i. El. mitbezeich-
neten Zuständen i) der Zustand selbst als ein corapliciertes Vor-
stellungsgebilde aufgefafst und nun ein unterscheidungskräftiges
Element aus ihm herausgehoben wird, oder 2) der Zustand in
seinen Beziehungen zu andern Wahrnehmungs- oder Denkinhalten,
die nicht zu seinen Elementen gehören, ins Auge gefafst wird.
I. Unterart: Die repr. Vorst. wird als Subjekt des Zustandes
aufgefafst. Das i. El. ist ein geläufiger Zustandsname in activer
Formi; das 2. EL ergiebt sich, indem
I) durch bestimmte Unterscheidung — 1) ein Element
des Zustandes selbst herausgehoben wird, und zwar A) ein Sinne s-
empfindungselement: cha7ite-clair'^\ U: ^touge-creux"^, noir-voyani^;
B) ein räumliches Element, z. B. die Richtung der Bewegung:
a.\ant-courair^, chassavaiit^\ passavanO\ eveque^, g ephz(7//i?'J; grimpeii-
lumi^'^; tournc-ä-gauche^^; die räumliche Ordnung: g 'p^oiostaie'^-;
C) ein räumlich-zeitliches Element, die Geschwindigkeit: court-
vite^'^, g xeXocifh'e^^, -ptqticuse^'^; tnäche-dfu^^, avale-dru, g brady-
couleurs variees, s'epanouit pendant le jour et se renferme au coucher du
soleil. — ^ä DIIT. : nom vulgaire o) de la nyctage faux jalap, dont les fleurs
s'epanouissent apres le coucher du soleil, b) de la rousseroUe ou rossignol de
riviere. — ^" DliT. : nom vulg. d'une varieie d'oinithogale dont les fleurs
b'ouvrent vers ouze heures du maiin. — *'^ DIIT. : nom vulg. d'une variete
d'hemerocalle, dont la fleur est ephemere. — ^ Ob Imperativ, ob Indicativ
oder Stammform oder nomen actoris (vgl. Zs. 23, 308 Z. 46flr.), ist dabei gleich-
güllig ; dafs eine grofse Zahl von franz. Bildungen ebenso wie es in andern
Sprachen der Fall ist, vom Imperativ ausgegangen sind, ist ja besonders nach
Darmesteters Untersuchungen gewifs; ebenso sicher aber scheint es mir [wie
auch schon Darmest. MC. 203] zu sein, dafs in weitaus den meisten hieher
zu ziehenden modernen Bildungen der Imper. nur analogische Form ist, wäh-
rend der Gedankeninhalt, adäquat ausgedrückt, den Indic. oder Stamm fordern
würde, wie es ja auch thatsächlich an solchen Bildungen nicht fehlt: court-
vite; vgl. Zs. 22, 327 Anm. I. — - L. ; nom du coq dans le roman du Renart.
3 L.: homme qui, affecLanl de beaucoup songer, entretient conlinuellement des
pensees chimeriques; creux adverbial, vgl. DHT. : songer creux; gleichbedeu-
tend reve-creux. — * Vgl. Schwarzseher. — ° S. Zs. 23, 308 Z. 46 ff. —
8 DHT. : employe chavg6 d'acliver, de surveiller les travaux des ouvriers. —
' DHT.: acte qui aulorise ä laisser passer les marchandises qui ont acquitt^
le droit; passer = faire passer. — ^ ^xoniio, inr, enioxon-og; sttiöxotisco
von inlaxoTCog. — '•• Be.: cauchemar; eig. Auf Springer; luXXio, ini. —
'" L.: genre de petits oiseaux qui grimpent le long des arbres. • — '^ L.: levier
ä oeil, servant ä tourner d'autres oulils. — ^'^ Be.: phalangisle grec qui etait
le premier homme d'une file; jiQüJToazuT-ijg (tOTtj/id.). — ^^ DHT.: et, in-
correctement, coure-vite; Gr.: courvite: ou a donn6 ce nom ä des Echassiers,
470 O. DITTRICH,
pote^; passc-volani'^; — 2) ein zu dem Zustande in Beziehung
stehender andrer Wahrnehmungs- oder Denkinhalt, und zwar:
A) in (gleichsam) räumlicher Beziehung: a) Ort des Zustandes:
d) mit Angabe der Beziehung: croquemhourhc'-'', pisse-en-lit, chie-e?i-
lit, sültimbanqut'^ fou!lie-au-pol''\ ß) ohne Beziehungsangabe: iraine-
btiissoji^, -rharrue^, trotte- chemiii'^; <^ {u\\a?nbule'^; passe -partotil^^;
b) Ziel der Thätigkeit: a) mit Beziehungsausdruck: botäe-ä-port^^,
-en-courroie^"^, totiche-ä-tout^^, täte-au-pot^^\ U^^: botite-€n-1rain^^\
ß) ohne Beziehungsausdruck: Tire-monde^'^; c) Gegenstand, der die
Richtung der Bewegung bestimmt: tournesol, g hB'iotrope'^''^; B) in
zeitlicher Beziehung: Zeit des Zustandes: martin-/)«/?«/;-'", peche-
7)iartin^^, reveille-matin'^^; g somnamöu/e, nocia?nbii!e; C) in Be-
dingungsbeziehung: a) Resultat der Thätigkeit: allume-feii'^^ ,
babeurre'^'^, coupe-cercle'^'^; ^ dramat?^r^^24^ historio^Tc?/',^c25^ hydro-
g^ne"^*'; vanrten'^', gagne-pet/'t-'^; pisse-froid'-'^, g Jac-stmi/P^, g oxy-
g^ne^^; b) Objekt der Thätigkeit. Mehrfache Versuche, die hieher
ä cause de la rapidite avec laquelle ils courent. - — i* MN.: voiture (Descr.
des brevets, 1803). — ^^ MN. : Art Nähmaschine. — 1^ DHT. : fort mangeur.
— 1 MC: homme qui boit peu; nöxtjq Trinker, ßQaSvq langsam. — ^ DHT.:
Soldat ou marin de rencontre que les capitaines faisaient passer en revue
pour completer l'effectif et dont ils touchaient indüment la solde; L.: celui
qui passe volant comme qui dirait: celui qui passe courant. — ^ DHT.:
croque-en-bouche, pätisserie croquante. — * It. saltimbanco: TB.: ptrche di
solito fa le prove di destrezza e di forza da tavola o luogo alto per meglio
daisi a vedere. — ^ DHT.: marmiton; die wühlende Hand im Topf gedacht.
— ® L.: un des noms vulgaires de l'accentor modulaire; Be. : parce qu'elle
a l'habitude de se coulcr dans le pied des haies et des buissons. — ' Stein-
schmätzer, Weifsschwanz; Be.: . . . qu'on voit ordinairement ä, la suite d'une
charrue. — * Be. : nom vulg. du ttaquet, qui se perche sur les mottes des
grandes routes. — ^ S. Zs 23, 309 Z. 45; funis, ambulare. — ^^ L. : clef qui
peut ouvrir plusieurs portes; partout adv. — 11 DHT.: officier charge de
faire ranger les baleaux qui arrivent dans un port. — *'^ L. : escamoteur;
courroie ceinture, bourse. — 1^ L. : celui qui touclie ä tous les objels. — ** Vgl.
'^oi^igiicker. — ^^ S. Zs. 22, 445 Z. 29. — 1^ DHT.: celui qui met en train, en
gaiete ceux avec lesquels il se trouve. — 1^ DHT.: Madame T., sobriquet
populaire donne aux sages-femmes. — ^^ HXiOXQ07tiov\ vgl. Sonnenw^wi/«?
( Pflanze). — '^ Eisvogel; bleibt, wenn das Wasser niclit zufriert, selbst im
Winter \inartin: Martinifest, am 1 1. November], stöfst von seinem Sitz am
Ufer aus pfeilschnell auf vorüberschwimmende Fische; pecher. — ^" L. : petite
piece sur laquelle on fait du bruit pour revciller les religieux, afin d'aller ä
malines. — -' DHT.: piece resineuse pour allumer le feu. — '-'■ DHT.: pour
bat-heiirre, bäton qui sert ä battre la creme dans la cr^me dans la baratte
pour faire le beurre. — ^^ DHT.: compas dont une des branches, ä extr6mite
Iranchante, sert ä ddcouper des cercles sur des feuilles de papier, de carton. —
^* /jQa/xaTOi'Qyvg (f ()>'-) dramatischer Dichter. — ^5 S. Zs. 23, 309 Z. 31 f., 49;
ferner hibVio^rapke ßißXioyQäffoq Kopist; Itxxcographe Xe^ixoyQätpoQ;
Tpsewdographe [B.: qui ecrit des faussetds; ipsvSoi; I.ügc]. — '-^ Älorveau,
Nomencl. chimique (1787) p.33: Nous l'avons appcle hidrogene [sie!] c'est-ä-
dire engendrant l'eaii. — ^^ L. : homme qui ne vaut rien. — ^^ DHT.: pettt
= peu; remouleur qui va par les rues pour aiguiser les couteaux. — *' L. :
homme faible et sans vigeur morale; froid Eigenschaft des Produkts der
Thätigkeit. — ^^ Vgl. Amn. 29. — ^i j)^ jjg Produkte der Verbrennung in
Sauerstoff häufig saurer Natur sind, nannte Lavoisier das Element Säure-
erzeuger; darnach [vgl. die Klage Darmesteters MN. 243] cyd.xiogene Kohlen-
stickstoff, photo^t'wt? aus Stein- oder Braunkohlen dargestelltes Brennöl.
UEBER WORTZUSAMMENSETZUNG. 47 I
gehörigen sehr zahlreichen Bildungen zu classificieren, haben mich
zu der Ueberzeugung geführt, dafs eine befriedigende Einteilung
erst möglich sein wird, sobald eine psychologische Untersuchung
der objektiven Beziehung vorliegt, die sich nicht nur auf die in
Compositis auftretenden Verba erstreckt, sondern auf alle transitiv
anwendbaren Verba. Eine solche Untersuchung, zu der eine be-
deutsame Vorarbeit W. Grünberg in Rom. Forsch. III 517 — 628 ge-
boten hat, giebt es aber noch nicht, und ich könnte, selbst wenn
ich sie jetzt anzustellen vermöchte, schon aus Raumrücksichten
nicht einmal deren Resultate hier vorführen; ich begnüge mich
daher vorläufig damit, einige typische, zum Teil bereits früher in
anderem Zusammenhange erwähnte Beispiele zu geben, die ich
nach formalen Gesichtspunkten ordne: — a) sogen. Imperativ-
namen': die Zs. 53, 306 f. erwähnten bouieroue'^, iriquehalle"^, chassc-
poignee'^, -potnie^, -ßeuree^, iire-cendres'^, perce-neige^, ratisse-caisse'\
pince-balle'^^, viouille-bouche''-^, passe-soie^^, brise-lwieiies ^^, couvre-face^^,
chasse-bosse^'^, -rage^*', garäe-p/aü'ne^'', garäe{-)robe, chasse-maree^^,
bratile-queue^'^; batte-qtieue'-^, -lessive-^; ierner porte-pürre'^'^, -balle'^'^,
engoukveni-^, perce-terre'^'^, -orejlle'-^\ tranchefil'^', chauche-branche'^'^.
^ Vgl. S. 469 Anm. I. — 2 DHT.: borne plac6e aux angles des bäti-
ments, le long des garde-fous, pour les proteger contre le frottement de l'essieu
des roues. — '^ Be. : machine [L. : voiture] propre ä transporter les pieces de
canon. — * Giifltriebel (der Schwerlfeger). — ^ DHT.: lige de fer dont on
appuie la partie inferieure sur une pointe, un clou qu'on veut enfoncer [chasser].
— ^ Nicht, wie Zs. 23, 306 Z. 53 leider verdruckt, classe-ßeure'e; DHT.:
planche avec laquelle le teinturier enleve l'ecume [fl'iuree] qui se forme dans
la cuve au bleu. — '^ L.: nein donne ä la tourmaline, qui, chauffee, attirc les
cendres et autrcs corps Icgcrs. — ^ DHT.: fleurit des la premiere fönte de
neige. — ^ L. : planche avec laquelle le fondeur rassemble le sable de la
caisse ä monier. — ^^ L. : lenaille avec laquelle on prend les boulets rouges
sur le feu pour les transporter jusqu'ä la piece d'ariillerie. — " DHT.: espece
de poire fondanle. — ^'' L.: lame de fer percee de trous, par lesquels on fait
passer le soie, ä mesure qu'elle s'etend sur les aiguilles du melier ä bas. —
"3 DHT.: nom vulg. de l'euphraise et la centauree bluet, plantes qui passent
pour guerir les maladies d'yeux et rendre ainsi les luneUes imitiles; casse-
lunettes id. — " Vgl. Zs. 23, 306 Z. 57 ff. — is DHT.: nom vulg. de la lysi-
machie, plante employee autrefois contre la peste [afr. bosse\. — ^^ DHT.:
plante crucifere employee autrefois contre la lage. — 1^ DHT.: piece de
metier ä bas qui garantit les platines du contact de la presse. — '^ Vgl. Zs.
-3, 306 Z. 38 ff. — ^^ Bachstelze. ■ — "^^ L.: un des noms locaux de la berge-
ronnette. — ^^ Wäscherin ; lessive linge rais ä la lessive. — '^^ S. Zs. 23, 305
Z. 20. — 23 s. Zs. 23, 305 Z. 19. — 2* Vgl. Zs. 23, 298 Anm. 4; Buffon: „j'ai
conserve ä cet oiseau le nom ^^engoulevent qu'on lui donne en plusieurs pro-
vinccs, parce que ce nom, quoiqu'un peu vulgaire, peint assez bien l'oiseau
lorsque, les alles deployees, l'ceil hagard et le gosier ouvert de toute sa lar-
geur, il vole avec un bourdonnement sourd ä la rencontre des insecis dont il
fait sa proie et qu'il semble engouler par aspiration". — ^^ '^^ 2s. 22, 459
Anm. I. — ^^ Ohrwurm; L. : nom vulg. de la forficule auriculaire, dite perce-
oreille, par suite d'un prcjuge, car cet insecte est inoffensif, il ne peut percer
que les fruits. — ^7 \ji^, Zs. 22, 458 Z. 6; Be. : Instrument pour former les
veloutes des tapis de Turquie. — ^^ Vgl. Zs. 22, 456 Z. 7; DHT.: nom vulg.
de l'engoulevent, qui perche en s'appuyant [chaucher fouler] sur la branche
dans le sens de sa longueur.
472 O. DITTRICH,
aide -hourr call, -majori, avale-iotii-cru'^, couperu"^, fainiant^, happe-
loiirde^y 7noquoiseau^\ passepoil', boute-ioui-aiire^, icoute-s' il-pleut'^\
matamore^'^\ parasol^^', rejctteau^-, morpion^"^, becfigtie, Für. becca-
figue^^, Hrol^^; — ß) mit Indicativ "': teint-vin^', boit-tout^^, tord-
nez^'\ lorcol"^^, iord-boyaux'-^, rompt-pierre—, pe7-d-sa-qiietie'^'^y bacul'-'^.
1 Für.: est un officier de guerre qui sert aupres du major, et qui en
fait la fonction en son absence; gegen MC. 141; vgl. adjudant-inajor, das wie
Ueutenant-colonel etc. Zs. 22, 460 Z. I zu beurteilen ist. — - Be.: grand man-
geur. — 3 DHT. : petite nasse pour prendre le poisson des ecluses ou cour-
tines, quand l'eau n'est pas entiereraent retiree; ru ruisseau. — * Vgl, Nichts-
thuer; fai alter Imper. v. faire. — ^ DHT.: pierre qu'on fait passer pour
pierre precieuse; O.slhoff 258: ,,was eine dumme Person (lourde) anzieht". —
^ L.: espece de cerise blanche [Be. : que les oiseaux ne mangent pas, ne la
croyant pas müre]; moquer äffen. — ' Vorstofs, Litze; passer vorragen
über . . ., poil partie velue du drap, du velours. — ^ DHT. ; dissipaleur, pro-
premt, qui met tout ä cuire, qui consume tout. — ^ DHT.: par plais., moulin
ä eau qui semble altendre qu'il pleuve pour pouvoir tourner. — ^^ DHT.:
esp. JSIatamoros, nom propre forme plaisamment de matar, tuer et Moros,
Mores; faux brave de la comedie espagnole (se vantant d'avoir tue des Mores).
— '^'^ Ital. parasole, von parare abhalten, ablenken und sole Sonne; von
diesem Worte ist eine ganze Reihe frz. Bildungen ausgegangen, wobei volks-
tümlich, wie bereits MC. 225 Anm. 2 bemerkt, para- in par-a \_pare v. parer
u. a] zerlegt wurde; wir haben es also bei diesen Nachbildungen mit , .Zu-
stand -1- Ziel des Zustandes + Beziehung" zu thun, also Ü von der oben S. 470
Z. 7 ff. erwähnten Kategorie auf das Gebiet der Wirkimgsbeziehung, wobei
das Objekt als auf das Subjekt des Zustandes wirkend und das Subjekt als
gegenwirkend gedacht wird; ich führe die wichtigsten an: parapbiie, -foudre
[L.: qui sert ä remedier aux effets de la foudre], -tonnerre [dies in der
Bed. _/ö«(/7-^], -grele, -vent Windschirm, -jour [L.: objet qui, dans un pano-
rama, projette sur les spectateurs une ombre ferme], -balle [Be.: appareil qui
sert ä mettre ä couvert des balles d'un tir], -glace [L. : garniture de planches
ou de pieces de bois mobiles ou fixes, desiinee ä garantir un bätiment du
choc des glaces], -chute Fallschirm; also sämtlich ^-Bildungen (vgl. Zs. 22, 444
Z. 38); pare-ä-faux [vgl. oben Z. 23; Be, : (monnayage:) piece qui empeche
les coups portes ä faux d'atleindre et de briser les coins]; parapet ist ital.
parapetto, wo parare „(gegen etw.) schützen" bedeutet (vgl. parare alcuno
da qc), und darnach q parados [L. : traverses elevees en arriere de certaines
batteries de siege, pour les mettre ä l'abri ees coups qui pourraient les prendre
ä revers, ou pour proteger les cannonniers contre l'eclat des projecliles creux].
— i'-ä Auch rejeteau; DHT.: pour rejette-eau, moulure pratiquee au bas d'une
fenetre pour rejeter l'eau de pluie. — 1* DHT.: sorte de pou tenace qui
s'attache aux endroits poilus du corps de Thomme; mord anc. impcr. de
mordre, et pion, ce pou ayant infeste surtout les anciens corps d'infanterie, —
^* DHT,: petit oiseau, variete de bec-fin; pour beque-figue [du verbe bequer
piquer avec le bec]; la forme de Fiiret. semble indiquer un emprunt ä l'ital.
beccafico. — ^^ DHT.: et licou; her, col; courroie qu'on met autour du cou
d'un cheval, etc., pour l'attacher ä l'ecurie, etc. — ^^ Vgl. MC. 191. — ^' L. :
nom vulg. de l'airelle myrtille [Heidelbeere], dont le fruit est employe par les
marchands de vin ä teindre le vin blanc. — i** DHT.: celui qui depense tout
son argent ä boire. — ^^ L. : Instrument dont on se sert pour assujettir le
cheval pendant certaines Operations. — *" Gr.: Buff.: ,,cet oiseau se reconnait
au premier coup d'ceil par un signe ou plutot par une habitude qui n'appar-
tient qu'ä lui: c'est de tordre et de tourner le cou de cote et en arriere, la
tete renversee vers le dos et les yeux ä demi fermes." — "* Schlechter Brannt-
wein, vgl. Rachen/«^2t'r. — 22 Vgl. ^\.(t\wbrech. — 23 l . nom yulg. de la
mesange ä longue queue. — 24 DHT.: bat (de battre), et cul; large croupiere
qu'on met aux betes de trait.
UEBER WORTZUSAMMENSETZUNG. 473
abat-faim^i -jour, -vent, -voix, rabat-{l'-^eau'^, rabat-joie"^; bat ä
bourre^; — y) mit Particip: \ieu/e?ian/, aya?its droit, ayaiiis cause =^,
battant-V oeil^\ g lithon/r/(^i9« '^ ; — d) Parasyntheta: a^.Vi.gsue'^, oxfraie'^,
soua'i"; diwberge^^; statkouder^^; ferner die g Bildungen parrif/ö'^13^
muscadiwr^ 1^, agricok^^, üori/^ge^'', fa.lsi/'rage'^'', foramini/^rc'j '^,
Q casquetti/i^rfjiö, üU/ire^'^, p6dicure^^, sycop/iante"^-, hxtxophante'^'^,
chor^^^24^ strat^^^25^ a,gronoffie-'\ cosmo-, chronog raphe'^'', patri-
arc/ie'^^, archimafidnte'^^^ iAolätre^^\ iconoc/aste^^, Uthoc/aste^-, litho-
g/yp/ie^^, hihUoph'te'i*, lophop/wre^'^, poly /ogtie-^*', poly Ais tor^'', hoT/oge^%
1 DHT. : plat de resistance servi au commencement du repas. — ^ DHT,:
morceau de feutre, de cuir, appliqu6 au-dessus de l'auge d'une meule pour
arreter l'eau que le mouvement de la meule fait jaillir contrc l'ouvrier. —
3 DHT.: personne, chose qui vient troubler la joie. — * L. : instrument de
bourrelier pour battre la bourre. — ^ DHT. : ceux auxquels les droits d'un
autre ont ete Iransmis. — ^ DHT.: bonnet de femme dont la garniture re-
tombe sur les yeux. — '' Be. : poudre que l'on croyait propre ä dissoudre la
pierre dans la vessie; zQt'ßu) zerreiben; vgl. Zs. 23, 310 Z. 24. — ^ Ygj_ 2s.
23,308 Z. 4f. und 309 Z. 21. — 8 Vgl. Zs. 23, 309 Z. 39f. ; DHT.: pygargue,
oiscau de proie, dit aussi aigle de mer; über die interessante Geschichte des
Wortes s. Schultz-Gora in Zs. f. frz. Spr. 20, 280 fF. — ^ Sonnenblume; sol-
sf^uium [sequi"]. — ^^ DHT.: prv^. auhergo, anc. alberga, ahd. \xQX\berga
P'eldlager \heri Heer, bergan bergen]. — ^^ Schel.: holl. stad/zowc/^r Statt-
balter. — 1^ S. Zs. 23, 309 Z. 44; parriai/a, dem fratriczi^a, homiaü?a, infanti-
cid2k zur Seile stehen, woraus frz. g fratriaVfi? etc., imd darnach ohne lat. Vor-
bild regicz'tff, i.xvicide, wozu Zs. 23, 310 Z. 29 zu vgl. — ^* Gr.: surnom donne
ä, un genre de Pigeons (Carcophaga), parce qu'ils se nourrissent de noix mus-
cades au temps de leur maturite; vgl. Zs. 23, 310 Z. 31. — i^ y Zg_ 2,3, 309
Z. 43; darnach vinicö/«', vgl. Zs. 23, 310 Z. 29. — '^^ Neulat. florii?^^ium, vgl.
Zs. 23, 309 Z. 46 und g antho/ö^ie {av^oq,, Af j'to]. — ^^ S. Zs. 23, 310 Z. 30 f.;
frangere. — ^^ Art Protozoen; forainen OefFnung; vgl. signiyfr Zs. 23, 309
Z. 17. — 13 MN, 220 aus Balzac, Le pere Goriot: ,,rabus des plaisirs en f\iisait
un mollusque anihropomorphe \ classer dans les casquettiy^r^.f" ; casquette. —
^'^ MN. : outil propre ä enfiler les aiguilles, dit ^\\fere\ ferre einführen. —
21 Fufsarzt; pes, curare. — ^^ ^vxocpüvTtjq, s. Zs. 23, 309 Z. 50; Angeber;
eig. Feigenzeiger [ovxoi', (faivo)'], ein Aufpasser, der diejenigen ausspürt und
angiebt, welche gegen das Verbot, Feigen aus Attika auszuführeu und zu ver-
kaufen, handelt. — ^^ IsQOifävxrjq der den Gottesdienst (iSQu) zeigt od. lehrt.
Weih-, Oberpriester. — -* XoQTjyöq [xoiiöq, ayoj] Chorführer. — "''^ Slfja-
TTjyog Heerführer. — 21; 'Ay^ov6/.(oq [ay()6q, i'f,»cw] Aufseher über die Stadt-
ländereien. — '^'' Koo^o-,XQovoy(in<f()q; y^^fafw beschreiben; darnach anthropo-,
hydro^^ra^/^<?. — ^s JlaxQiaQyijQ über kirchenlat. palriarcÄ«; naxQla Ge-
schlecht, UQyio herrsche. — ^^ Vgl. Zs. 23, 309 Z. 56; /««vtJ^fi Kloster; DHT.:
(eglise grecque:) superieur d'un monasterc de premier ordre. — ^'^ S. Zs. 23, 309
Z. 50; ?.aT^)£V(0 diene; Götzendiener; darnach die Zs. 23, 310 Z. 33 f. er-
wähnten hugotdfre, Janinlätre. — ^i ElxoroxXüariiq ; dyuöv, xXÜüj ; DHT. :
heretique qui brise les saintes Images. — ^^ sorte de lilhotrileur destinc ä
briser les calculs de la vessie; /.i&cq, xXäoi. — ^^ AiS^oy/.vipoq Steinschneider;
yXv(po}. — ^* BißXlov, (piXüv; darnach ichthyo/iA^7f Fischliebhaber (Brillat-
Savarin); dindono-, negro-, rnssophi'le, sämtlich q und hybrid. — ^^ Gr.: nora
donne par Temminck ä un Gallinace de l'Himalaya et forme des mols grecs
Xö<poq [Helmbusch] et (peQOJ, ä cause de la huppe d'un vert mctalliquc qui
surmonte sa tete. — ^^ Be.; celui qui sait parier sur plusieurs sujets; qui
Joint i\ une Instruction varice une grande fiicilitc d'clocution; noXvXoyoq ist
Adj. und bedeutet geschwätzig. — ^7 g_ Zs. 23, 309 Z. 36 f. ; nolv, 'lazwQ
kundig, wissend [trffü']. — ^^ S. Zs. 23, 309 Z. 41; eig. Stundensager.
474 O. DITTRICH,
litho/ö/«(?i, mcironome-, galacto-, actino-, m^ixom^re^, noematacho-
ynitre^, clepsydre^, Chronologie'; hybrid Mihofracieur'^. Sodann, um
wieder an S. 470 Z. 12 anzuknüpfen: c) Ursache des Zustandes:
meiirt-de-faim'^\ d.) Hülfsmittel der Thätigkeit: «) mit Beziehungs-
ausdruck: volauvc7it^^, va-de-la-gi4eu/c^^, li olte-ä-pied^-, va-dc-pied'^'^;
ß) ohne Beziehungsausdruck: hmrne-ven/^^, iurgien^^; g ventri-
loque ^^, barodrome 16.
II) Das 2. EU ergiebt sich durch unbestimmte Unter-
scheidungi^: en/au/^\
2. Unterart: Die repr. Vorst. wird als Produkt, Resultat
oder Objekt der Thätigkeit eines anderen Dinges aufge-
fafst (vgl. Zs. 22, 461 Z. 1 1 ff.). Das l. El. drückt hier stets den
Zustand aus, in den die repr. Vorst. durch die fremde Thätigkeit
gebracht worden ist (Formgebung im 3. Stad.: Partie, perf. oder,
z. B. bei g eu/vjinei", nomen actionis in passivem Sinn mit Suffix,
oder, z. B. bei telegrawme, Vortäuschung eines Erkennungsnamens,
s. Zs. 2^, 307 Z, 15 ff.); das 2. El. ergiebt sich zufolge dem oben
S. 469 Z. g ff. Gesagten z. B., indem — 1) ein Element aus dem
1 DHT.: instrument employe autrefois pour diviser la pierre de la vessie,
oü on avait pratique une incision; aujourd'hui, instrument employe pour in-
ciser la vessie et en extraire la pierre; rl/uvoj; gr. f.i&ozv^uog ist aus Siein
gehauen. — ^ MtXQOV, vij.uo, eig. Taktregler. — ^ Milch-, Strahlen-, Takt-
messer; hybrid radio-, cvilonmetrc; ferner die von mir Zs. 22, 462 Z. lyf. irr-
tümlich unter die Eikennungsnamen eingereihlen chrono-, thermo-, aero-, poly-,
bare-, baromacrowi?//-^'; vgl. zu allen diesen Zs. 23,304 Z. 18 f. mit der dortigen
Anm. 2. — "* Be. : instrument serv.int ä mesurer la dutee d'une Operation psy-
chique elemcntaire; vötj/^ia, xä^oq. — ^ Pauly, Realencycl, s.v. horologium:
die xk^il'VÖQfi bestand aus einem gläsernen, kugelförmigen GefäCs, das eine
kleine Oefl'nung halte, durch welche das Wasser flofs, sich gewissermafsen
stahl fich meine: Ding, welches das Wasser heimlich entführt]; nach ihr
wurde die Zeit bestimmt, welche einem Redner vor Gericht zum Sprechen ge-
geben wurde; v6ojq, xlinxü); s. Zs. 23, 309 Z. 51. — ^ XQOvoXoyia v. -/^QÖvoq
u, Xiyoj; dazu viele Nachbildungen: cosmo-, zoo-, patho-, morpho-, phono-,
ideo-, Mxhologie, hybrid mineralo-, sepulcro/o_^/t' ; vgl. Zs. 23,310 Z. 36 u. 31 1
Z. 12. — ' Be.: m61ange explosif tres energique; XlH-oq, frangere. — * DHT.:
le, la ;«., celui, celle qui n'a pas de quoi se nourrir; mit Beziehungsausdruck
de; darnach (j meurt-de-soif ivrogne MN. 167. — ^ L.: pätisserie; pour vole-
au-vent, ä cause que la pätisserie est si legere qu'elle semble voler. — i" Be. :
V., va-de-la-bouche, personne qui mange avidement et qui trouve du plaisir ä
manger. — ^^ Be. : s'est dit pour volet de pied, messager; trotter ursprüngl.
nur vom Pferd u. Reiter. — 12 l . domestique ä pied. — ^^ L.: tuyau re-
courbe et mobile qu'on met au-dessus d'une cheminee; tourner sich drehen;
7'«?«/ nicht Objekt, wie Darmest. MC. 224 will. — " S. Zs. 23, 310 Z. 20;
Xf^iQOVfiyöq [£(>}'] ^^^ ^^"^ Hand verrichtend, arbeitend, o y. Wundarzt. —
1^ Vgl. Bauch/Vf/wf^-; L. : on croyait autrefois que ces inJividus parlaient du
venire; s. Zs. 23, 309 Z. 45. — ^^ Be. : nom donncc ä une voiture destinee ä
rouler d'elle-meme; ßÜQoq Schwere, (S^aftsTr laufen. — i' Vgl. Zs. 22. 443
Z. I ff. ; die N egation enthält eine unbestimmte Disjunction, vgl. WL.^ I 138 f.
— 18 Lt. mfantcm x. fari; der nicht reden kann, unmündiges Kind; die
Herbeiführung des I. El. fari erfolgt in einer Weise, die der Zs. 23, 300
Z. 26 ft'. geschilderten analog ist; nur ist es eben keine contrastierende Gegen-
slandsvorst., um die es sich hier handelt, sondern eine Zustandsvorst., die
der repr. Vorst. nicht, wohl aber andernDingen ihrer Art [Menschen] zu-
kommt. — >9 S. Zs. 23, 311 Z. 7; li-aiq, £V.
UEBER WORTZUSAMMENSETZUNG. 475
Zustande selbst herausgehoben wird, und zwar a) ein Vorstellungs-
eleraent: g t(d\6gra/n///e^; b) ein Gefühlselement: g eu/ysine; —
2) ein zu dem Zustande in Beziehung stehender andrer Wahr-
nehmungs- oder Denkinhalt: a) die Zahl, wie oft die fremde
Thätigkeit auf die repr. Verst. eingewirkt hat 2 : hiscui/, hisrol/e 3 ;
g his/or/e^, diglyphe'^; b) das Subjekt der fremden Thätigkeit;
hier einmal ausnahmsweise ein Eigenname: Dieuö'ö««*'''; c) das Re-
sultat der fr. Thät. : g coM^gue''; d) das Hülfsmittel der fr. Thät. :
oui-dire ^.
3. Art: Die repr. Vorst. wird im Stadium \b als ein
Ding aufgefafst, welches von früher wahrgenommenen
oder gedachten Dingen seiner Art oder von gegenwärtig
in Berührung mit ihm aufgefafsten andern Dingen be-
züglich eines andern "Wahrnehmungs- oder Denkinhaltes
abweicht, zu dem es in Beziehung steht oder gesetzt
wird oder nach der Meinung des Namengebers gestanden
hat. Das 1. El. ist dann entweder a) ein geläufiger Name jenes
andern Wahrnehmungs- oder Denkinhalts (z, B. in rouge-^ör^^),
oder b) [7?-Bildungen, s. Zs. 22, 444 Z. 44 ff., nur bezieht sich hier
das R auf das erste Element, s. Zs. 23, 296 Z. 22 ff.] der Name
einer Erinnerungsvorst., die durch jenen andern Wahrnehmungs-
oder Denkinhalt herbeigeführt worden ist (z. B. in blanche-röz^*?) ;
das 2, El. giebt a) an, in welcher Beziehung die durchs i. El. aus-
gedrückte Vorstellung von früheren ihrer Art abweicht, oder b) [r/-
Bildungen, s. Zs. 23, 291 Anm. i] in welcher Beziehung die. repr.
Vorst. zu der durchs i. El. ausgedrückten Vorst. steht.
I. Unterart: Die repr. Vorst. wird im Stad. \b als ein Ding
aufgefafst, welches von andern Dingen bezüglich der in (gleichsam)
räumlicher Beziehung zu ihm stehenden Vorstellungen
abweicht:
I. Species: bezüglich des Ganzen, dem die repr. Vorst. als
Teil angehört. Das i. El. ist ein geläufiger Name des Ganzen,
das 2. El. bedeutet (wir haben es hier durchweg mit Erkennungs-
namen vortäuschenden rZ-Bildungen zu thun) z. ß.:
A) die Lage der repr. Vorst. innerhalb des Ganzen: bas-wa/-',
mdt de hutie'\ h^'&-venlre'^^\ g epiderme^^ -dermide^^, -n?me^~; q avant-
1 Typus *Tij?.8-yQäfX-fza, T//Af fernhin, yi>ä(pw. — ^ S. Zs. 22, 453 Z. 6 ff.
— 3 DHT. : tranche de pain au lait sechee dans le Ibur; fem. (ait d'apres
l'ital. h'x^cotio, biscuit. — * DIIT. : mit. hi-itortd [torqiiere]; Be. : plante vi-
vace des montagnes et des pres clevcs, du genie renouce, dont les racines
sont tortues et rcpliees les unes sur les autres. — ^ L. : Archit. : console ou
corbeau qui a deux cannelures; dl^, yXixpo) nieifseln. — " Nach Deodatus. —
' S. Zs. 23, 309 Z. 44; der durch Wahl [ledere'] mit [dies das Resultat des
legere"] den andern Gewählten ist. — ^ 1^.: et qu'on ne sait [out] que par
le rapporl [dire] d'une aulre personnc. — " S. Zs. 23, 301 Anm. 9. — '" DHT.:
r^gion infirieurc du ventie. — i' S. Zs. 23, 310 Z. 19; f,7/, (Si(}/na Haut. —
1- Be.: (Bot.) partie superieure du filet Ivij/ia Faden, Garn] des ctamines,
dans les fleurs composees; vgl. Z. 23, 310 Z. 32.
476 O. DITTRICH,
scine^; avant-bras-, -7nain Fem.^, -pied'^, -train^', arricre- ;;/<?/« Fem. 6,
-train', -bonche^, -pori"^^, -sdne^^^\ centre droit, c. gauche^^; Q.w\xQ.bdt'^'^\
contre-Zirt/trÄf '•*; g acxosliche'^^, endocar/t^i^; ^ von räuml. Lage:
basse-A2z7/c'i'', q haute-to//^ '', ha'i-dessus'^^, contra//ö '•'; — B) die
Gröfse der repr. Vorst.: petit ventre'^''\ petite-ö/^'^i; mit Einführung
einer Zahlbestimmung: devai-aune--, -brigade'^'^, -cercle, -baslion"^^;
demi- oder semi-/o«25; demi-<5a/^2(i; „ d6ci-, centi-, unWmetre^-'' ; —
C) eine zeitliche Eigenschaft der repr. Vorst.: nouveau monde'^^.
2. Species (vgl. oben S. 475 Z. 31): bezüglich eines Teiles,
zu dem die repr. Vorst. im Vehältnis des Ganzen steht, oder
mehrerer gleichartiger solcher Teile; wir haben dann folgende
Unterabteilungen :
I) Das I. El. ist ein geläufiger Name des Teiles der repr.
Vorst.; das 2. El. bedeutet: — A) eine Eigenschaft dieses Teiles;
z.B. (vgl. Zs. 22, 445 ff.): 1) Vorstellungselemente: a) qualita-
tive Eigenschaften: a) vermittelt durch peripherische Reize: bec-
dur'^'-\ d\ixe-peau'^'^, g malaco/>/(?;;j'^iens3i; reg/isse^-; rouge-gorge'^'^
und die andern Vogelnamen gorge-blanche, -bleue, -jaune, -noire;
1 S. Zs. 23, 308 Z. 55 f.; oxt]vi]. — 2 Vgl. Vorderarm. — ^ g. Zs. 23, 295
Anm. I. — ■* DHT. ; metatarse. — ^ Vorderteil eines Wagens; train L. : ce
qui porte le corps d'un carrosse, d'un chariot. — ^DHT. : revers de la niain;
vgl. oben S. 467 Z. 3. — ' Vgl. Anm. 5. — ^ DHT.: partie posterieure de
la bouche. — ^ NLar. : partie la plus reculee d'un port. — ^" Vgl. Hinter-
bühne; vielleicht q nach 2,vz.xx\.-scene; das Wort ist von Anfang an B'em. —
1"^ Vgl. rechtes, linkes Centrum. — ^'- Be.: le milieu du bat d'une bete de
somme. — ^^ DHT.: (Blas.) dans une breteche de deux emaux differents,
partie d'un email qui s'oppose ä l'autre. — 1* S. Zs. 23, 309 Z. 48; Vers-
anfang; oxi'/OQ Vers, uxQÖq äufsersl. — ^^ DHT.: (Bot.) une des trois couches
ou membranes qui composent l'envelnppe {■pmcarpe) du fruit, celle qui forme
la surface interne (vgl. i;^\carpe, mesocarpe); xaQTiOQ Frucht, ti'öov darin. —
^^ L. : taille, autrefbis, partie vocale intermediaire enti'e la basse et la haule-
contre; hasse-taü/e, c'est le tenor grave; on distinguait les tailles elevees et
les basses-tailles. — ^^ L. : par oppos. ä basse-taille. — '** Zweiter Sopran,
Diskant; tf*?^^«^ Sopran überhaupt. — ^^DHT. : ital. contra//^, chez les femmes,
la voix la plus grave; vgl. Zs. 22, 446 Anm. 2. — ^" Magen; vgl. lat. ventri-
ciilus. — ^^ L. : ce qu'on retranche d'une oie quand on l'abille pour la faire
rotir; Gänseklein. — ^'^ S. Zs. 23, 301 Anm. 9. — -^ L.: nom donne, pendant
la premiere republique fr^aise, ä ce qui etait auparavant et ä ce qui fut de-
puis dit regiment d'infonterie et d'artillerie. — 2* DHT.: partie d'un front
bastionne qui ne prcsente qu'un flanc et une face. — -^ Be. ; la moitie d'un
ton [intervalle entre deux notes consecutives de la gamme, excepte l'intervalle
du mi au fa, et celui du si ä Viit\ ou ä peu pres [vgl. Zs. 22, 454 Z. 32 ff".]. —
28 DHT.: (Mar.) poutrelle qui entre dans l'assemblage d'un bau. — '-' Deci-
inetre scheint mir *decim-w^i'r<? zu sein, woraus sich DHT. 's ,,abreviat. arbi-
traire de decimus"' erklären würde, vgl. decima pars; Aecimetre machte dann
den Eindruck eines aus dece?n und nietre gebildeten Compositums mit dem
bei lat. Bildungen geläufigen Compositionsvokal -/-, und führte centi-, milli-
tnetre herbei, die also ()-Bildungen wären. — ^^ Vgl. die Neue Welt; nou-
veau: decouverl apres (l'ancien continent). — ^^ DHT.: varietc de gros-bec. —
3" L. : Variete de raisin — ^i §_ 2s. 23, 308 Z. 46; vgl. Weichy/öj^er; TtTf-
Qvyiov Fsosse, fiaXaxoq weich; Darmest. schlägt MC. 255 als Ersatz des g
Wortes vor: nageoires-molles. — 32£)pj'p_. \i_liqinri/ia, y).vxvQQi'C.aXliquor;
^/(^a Wurzel, yi.vxiq; vgl. ZaA'A-iVs«?, das denselben Ursprung hat; ausdauerndes
Kraut mit süfser Wurzel. — ^3 Vgl. RotX'^Ä/chen.
UERER WORTZUSAMMENSETZUNG. 477
peau-bleue^; tete-bletie"^; ox\pemi^\ die i?-Bildungen bec-de-cire^, -de-
corail, -de-plomb, -d'argeiii, g chxy&ocome^', — ß) vermittelt durch
centrale Reize: raifort^'», esprit fort; bec-tranchant'\ g cxyi^\og7-amme'^\
b) räumliche Eigenschaften: bec en J'ourreau'^ barbatw/;io, g p^ri-
derme^^, endoc/iröme^-, -sperme^'^, amphip/ere^^; long-;/^0i5; haut-
bor d^^; oreüle-grande^' \ gros-bec^^, chegros^^; bec-fitt"^^; bec-allofige'^^',
bec pointu'^'^; cul-roiid'^'^; lele-p/aie'^^; bec-courbe'^^', qiiefie-aigue"^^''; tete-
fourchue'^'^; bec-croise'^'^; 7?-Bildungen: bec en cuiller'^'^, bec-en-ciseaux'^^\
^^r-a'f-Ä«7c//(? Strandelster, g pediwawt'^'i; c) zeitliche Eigenschaften:
mit Einmischung einer Zustandsvorstellung: g prestiö/^^z'/ateur«*-;
d) Zahl: double-«j^3^ -aigmUon^^, double decime'^^, double dka-
litre^^\ halance'^"^ , be^öc^^s^ „ bisJöf^'J, brouette^^; g 6.ispondee^\ di-
^ Fisch- und Muschelart. — ^ Schmetterlingsart; Fich, auch g cyano-
cephale v. xvavög blau u. xSipaX?]. — ^ DHT. : fil ou feuille de laiton polie,
qui de loin brille commc de l'or, et dont on fait des otnements; afr. ori'e
aurea goldig. — * Gr.: la couleur de son bec a valu ce nom ä un petit
Astrild {Aegintha tetnporalis). — ^ Vgl. GoXAhaar; s. Zs. 23, 309 Z. 50 f. ;
DHT. : plante e.xotique ä fleurs d'un jaune d'or, formant un genre de la famille
des composees. — •* Retlig; afr. rais (radicem), ybr^. — ' DHT.: nom vulg.
du pingouin; tranchant qui peut trancher. — ^ DHT.: ce qui est ecrit en
caracleres secrets, chiffres, etc. ; y^jäiif^iu Buchstabe, ;<(JV7lXog geheim. —
^ Gr, : chionis; parce que la mandibule superieure de son bec est ä moitie
recouverte ä sa base par un fourreau de substance cornee. — i" L. : oiseau
grimpeur; NLar. : il a ä la base du bec des poils assez longs qui simulent
une barbiche. — ^^ S. Zs. 23, 310 Z. 32; Be. : genre de Champignons sur les-
quels on observe une membrane qui recouvre tout le conceptacle; ÖBQßa,
nsQi ringsum. — ^'^ S. Zs. 23, 310 Z. 31 f.; L.: (Bot.) cellule qui, dans les
ajgues filamenteuses, contient la matiere colorante de chaque segment; ^QWfia,
svöov darin. — ^^ DHT.: (Bot.) petit org.me faisant fonction de cotyledon;
OTlhQua Same. — '* NLar.: figure de fantaisie representant uu serpent ou
plutöt un dragon m.uni de deux alles; nxSQÖr Flügel, ayupi zu beiden Seiten.
— 1^ L.: espece de serpent de Surinam; poisson de l'ozean Atiantique. —
^^ L. : vaisseau de haut bord; bas bord petit bätiment plat. — '^'^ Vulgärname
des Thunfisches. — 1* Vgl. YixcVschnabel (Kernbeifscr). — '^ Pechdraht der
Schuhmacher; chef bout. — 2° DHT.; famille de passeraux dentirostres. —
2^ DHT.; poisson du genre chetondon. — -- DHT.: raie blanche. — ^^ DHT.:
grand bateau pScheur ä poupe arrondie. — 2* L. : espece de gecko. — ^^ Säbel-
schnabler. — ^^ L. ; genre d'oiseau. — ^' L.: basiiic d'Amboine. — ^^ Vgl.
'Kjcfüzschnabel. — ^^ Gr.: nom vulg. du Savacou, dont le bec a la mandibule
superieure bombee et faiblement courbee en forme de cuiller renversee. —
3" Vgl. ScheerenjcÄwä^/er ; Buff.: on a voulu indiquer par ce nom la maniere
dont tombent l'une sur l'autre les deux moilies inegales du bec, dont Celle
d'en bas creusee en gouttiere, relevee de deux bords tranchants, re^oit celle
d'en haut qui est taillee en lame. — ** DHT.; animal qui, comme la sarigue,
a le pouce des pieds opposable. — ^'-^ S. Zs 23, 308 Z. 45f. ; digitus, preste,
Zustandsvorst. im Suffix -ateur. — ^* L. : de sur lequel l'as est r6p6t6; ähn-
lich doubl e-fft'MX, -cinq, -six domino qui porte deux fois le point deux, cinq,
six. — ^'^ DHT.: d.-aig., -epine, epinn-double, poisson du genre baliste, ä
nageoire dorsale armee de deux aiguillons. — ^^ DHT.: surtaxe de deux de-
cimes [dixieme partie du franc] par franc. — ^^ DHT.; mesure contcnant
deux decalitres. — ^' DHT.: vlt. *\Ala7tc\.x (cl. bi/fl-w^em), bis, lanx Wag-
schale. — '^^ S. Zs. 23, 309 Z. 40; bis, Saccus Sack; DHT.: sac de toile fendu
en long par le milieu et dont les extremites forment deux poches [sacs]. —
39 S. Anm. 38. — " S. Zs. 23, 31 1 Z. i. — *» S. Zs. 23, 309 Z. 49; 6iq, onuv-
dtloi^; Doppe]spo>ideus.
478 O. DITTKICH,
atidno.^, di(Pme2, Irifle"^', \xd\?>-mäts'^, iremail'^; quatre-^ö/wj"; huit-
ressorts'; hecto-, kilo-, myrinm^lre"^; va\\\G-feuiile'\ -püJs^^''\ g poly-
aciis^^, -corde^'^, -^dre^'^, -po?-es^^, -jöc'^, -zoJiile^^'\ — 2) Gefühls-
elementc: c\\\cheface^'^, va3\e.bouche^^; h&X csprü^'^K — B) Das 2. El.
bedeutet einen Zustand des Teiles, und zwar wird der Teil 1) als
Subjekt des Zustandes aufgefafst: balle-^«^??^^-^', h^gueule'^^, fripe-
lippe'^"^, creve-vessü-'-\ claquedenß*, -bots'^^, ionrne.- 07-eüle'^^; cul-
luisatit"^'' ; 2) als Objekt (früherer) fremder Thätigkeit gedacht:
cou-co7ipe-^, ceil-peinC-'^ , bec-onverß^. — C) Das 2. El. bedeutet einen
andern Wahrnehmungs- oder Denkinhalt, zu dem der Teil
in Beziehung steht, gestanden hat oder gebracht wird: huppe-col^'^ ,
g rinoft'Vöj 32 j g lago/'^^c'^a^ ornitho/'(r,^)>'«l7;^^3^, %2iQ.xoramphe'^^\ joues-
cuirassees'^^\ g n^vroptere^'^.
1 S. Zs. 23, 309 Z.56f. ; von Linnes Pflanzenklassen die mit zwei Staub-
gefäfsen. — ^DHT.: lat. des naturalistes dioecia cUq, olxoq; classe de plantes
dont les fleurs mäles et les fleurs femelles sont sur des pieds distincts. — ^ Afr.
Xrefeuil; tri/o/ium Plin.; tres, folium. — * Vgl. Yiitimast^x, — ^ S. Zs. 23, 30g
Z. 40 u. Kört. 8366. — ö MN. : mouchoir. — ' MN. : voiture de luxe, tres
suspendue. — ^ S. Zs. 23, 304 Anm. 2; vgl. MN. 247. — 9 S. Zs. 23, 308
Z. 54f. ; DHT.: plante de la famille des Synantherees, dont la feuille a de
nombreuses decoupures. — ^^ S. Zs. 23, 308 Z. 55; vgl. ri^yx\■^pode \tCOvc,,
f.iVQan'], Tauicndßt/s. — i^ S. Zs. 23, 310 Z. 22 fF. — 12 5. Zs. 23, 310 Z. 32;
Be. : ancien Instrument de musique ä cordes; noXvQ, /O^J?/'. — ^^ EÖQa
Basis; noXvfSQoq heifst vielsitzig. — i* S. Zs. 23, 308 Z. 45 ; nÖQoq Oeff-
nung. — 15 s. Zs. 23, 308 Z. 57. — 1« S. Z. 23, 311 Z. 6. — " Hist. litter. de
la France XXIII 247: Chinchefache ou Chiche face (vilaine mine), espece
d'anlmal fantastique ou de loupgarou, toujours pret, dit-on, ä dcvorer les
femmes, lorsqu'elles ont le tort de ne pas contredire leurs maris. — 1^ Läster-
maul; von Maleboucke, Person aus dem Roman de la Rose. — '^ DHT.:
personne qui a ou se vante d'avoir la distinction dans les choses de l'esprit. —
*" S. Zs. 23, 306 Z. 18 f.; Bachstelze. — '^^ DHT.: pour hö.^gueule, proprt.,
Celle qui reste beuche beante. — ^'■' Leckermaul; yrz^<?r avaler goulüment. —
23 DHT. : vase ierme par une vessie qui creve sous la pression exterieure de
l'air lorsque ä l'interieur on a fait le vide. — ^4 DHT.; gueux, miserable
dont les dents claquent de froid. — ^5 DHT.: sorte d'harmonica formee de
dix-sept touches de bois graduees qu'on fait resonner avec une baguette. —
28 L.: espece de charrue dont le versoir [oreille^ est mobile. — -' L. : femelle
du ver luisant. — ^* Gr.: l'amadine ä collier (Amadina fasciata) a ete nommee
par les oiseliers cou-coupe ä cause de la bände roiige qui s'etend d'une oreille
ä l'aulre, en passant sous le cou, et qui simule une ligne sanglante. — 29 l .
oiseau du Mexique. — '" Art Reiher; Gr.: le bec de cet oiseau est, en effet,
entierement beant sur les deux tiers de sa longueur; les deux mandibules, se
dejetant dans un sens oppose, laisscnt entre elles un large vide et ne s'adap-
tent qu'ä la base et ä la pointe. — ^^ Gr.: nora donne ä un oiseau-mouche,
ä cause des plumes qui forment une huppe de chaque cote de son cou. —
32 S. Zs. 23, 309 Z. 36; vgl. NasÄor«. — ^3 g. Zs. 23, 310 Z. 34 f.; Gr.: nom
donne ä cet oiseau parce que ses pieds, garnis de poils, ont une certaine
ressemblance avec ceux du lievre. — ^* Schnabeltier; Qvyxoq Schnabel,
OQviq, -iS-oq Vogel; Darmest. schlägt MC. 255 bcc-d^ oiseau als Ersatz des
g Wortes vor. — ^5 Qj-^ . jjom cree par Dumeril pour ddsigner le Condor, par
allusion au bec charnu \_()üft(poq, <JÜq§ Fleisch] de ces rapaces. — ^'^ DHT.:
famille de poissons, dont les os sous-orbitaires sont plus ou moins etcndus
sur la joue. — 2' DHT.: insccte dont les ailes [yiTf^JOv] prdsentent des ner-
vures [i'SvQov'l disposees en reseau, comme la libellule; Darmest. MC. 255
schlägt dafür g nervi^^«««? vor.
ÜEBER AVORTZUSAMMENSETZUNG. 479
II) (Vgl. oben S. 475 Z. igfl".:) analog der i. Untergat-
tung der Erinnerungsnamen; das 2. El. bedeutet z.B. A) eine
Eigenschaft des Teils: h\ar\che-co2ff'e\ noir-man/eau'^, öou/on-noir^,
-rougt^, bonnet noir^; drapeau-espagnol^'; pas-d'äne"^, larmes-de-Job"^;
paüle-en-quene^f -en-cul'^; B) andre mit dem Teil in Beziehung
stehende oder gebrachte Wahrnehmungs- oder Denkinhalte:
terre-«ö/ari"; pour/>2"^r 11.
3. Speciesi2: die repr. Vorst. weicht von andern Dingen bezüg-
lich eines andern Dinges ab, das zu der repr. Vorst. weder
im Verhältnis des Ganzen noch des Teils steht: i. El. ein
geläufiger Name dieses Dinges, 2. El. z. B. eine seiner Eigenschaften
ausdrückend: robe-noire^'^, pantaloti rouge^^; courie-boite^^; double-
chaine 1*"' ; chaperon fourre ' ".
2. Unterart (vgl. oben S. 475 Z. 27): Die repr. Vorst. wird
im Stad. i b als ein Ding aufgefafst, welches von andern Dingen
bezüglich der in zeitlicher Beziehung zu ihm stehenden
Vorstellungen abweicht: A) bezüglich des Zeitganzen, dem
die repr. Vorst. als Teil angehört: i. El. ein geläufiger Name dieses
Zeitganzen, das 2. El. giebt die Lage der repr. Vorst. innerhalb
dieses Zeitganzen an (also r/-Bildungen '^): mi(//'9, xmnuit'-^ , mi-
carivie'^^, q'. -aoüß-, -??iars'^'^, -septenibre'^'^ etc. ', Bas- Etnptre'^^; B) be-
züglich eines andern Zeitraumes oder -punktes, der sich un-
unmittelbar an die repr. Vorst. anschliefst oder zugleich mit ihr
beginnt; i. El. ein geläufiger Name dieses Zeitraumes, 2. El. a) eine
Eigenschaft oder b) einen Zustand dieses Zeitraumes ausdrückend:
a) nouvel-<2« -4, nouvelle /une'^^, g n^ow/tvne^'!; b) careme-prenajif-'.
^ S. Zs. 23, 303 Z. I. — 2 L . espece de goeland; vgl. ma7iteaii bleu,
m. noir Mövenarten, m. gris Krähenart. — ^ DHT.: belladone commune. —
* DHT.: gainier du Canada. — ^ DHT.: fauvelte ä lete noire. — ^ Gr.:
surnom donne par las oiscleurs au Cacatois de Leadbeater, parce que sa huppe
est composee de plumes rouges et jaunes qui presentent les memes dispositions
que les couleurs du drapeau espagnol. — ' L. : nom vulg. du tussilage, ä
cause de la forme de la feuille; pas Fufsspur. — * L.: gramin^e dont les fruits
renferment une semence grosse comme iin pois, d'un beau poli et de couleur
jaunätre, tirant sur un brun rouge. — ^ L. : oiseau de mer dont la queue a
deux longues plumes etroites; Buff. : „son caractere Ic plus frappant est im
double long brin qui ne parait que comme une paille iniplantee ä sa queue;
ce qui lui a fait donner le nom de paille-en-queue .^'^ — w Vgl. Y^x^tiiifs; die
Wurzelknollen fast nufsarlig. — ■ 'iDHT.: \\.. ^\\\\\pedem ; Portulak; Be. : parce
que sa feuille ressemble au pied d'un poulet; sie heifst auch pied de poulet.
— 12 Vgi_ Q|,en S. 475 Z. 31, S. 476 Z. 9. — i3 l_. prelre, par denigrement.
— '* Soldat. — '5 DHT.: homme bas sur les jambes. — k* dHT.": for9at
dangereux ä qui l'on met une chaine double. — " MC. 52; Cent. nouv. nouv.:
ce chaperon fourre, au Heu de dire ce seigneur de parlament, devint amou-
reux ä Paris de la femme d'un cordonnier. — *" .S. Zs. 23, 291 Anm. I. —
1^ Afr. mieif/Fem.; Erkennungsnamen vortäuschend, s. Zs. 23, 302 Z. 43; wegen
des Geschlechts s. Zs. 23, 305 Z. 3 ff. mit Anni. i. — 20 ^fj- xnK&nuit, vgl.
Anm. 19. — -1 Vgl. M\\.\f asten; ähnlich M\\vwoch, MitternacÄ^, s. Zs. 23, 310
Z. 47. — 22 DHT.: le milieu du mois d'aoül, de mars, de seplembre, etc.;
das Genus nach mi-careme. — ^^ Letzte Periode des osiröm. Reiches. —
^*L. : le commencement de l'annee. — ^'•' Lune mois lunaire; vgl. Neuwö«</. —
2^ Ntoi^njv-la; /a'irt] Mond; vgl. .\nm. 25 und Zs. 23, 309 Z. 57. — ■ -'' DHT. :
480 O. DITTRICH,
3. Unterart: Die repr. Vorst. wird im Stad. ib als ein Ding
aufgefalst, welches von andern Dingen bezüglich der in räum-
lich-zeitlicher Beziehung zu ihm stehenden andern Vor-
stellungen abweicht: z.B. die repr. Vorst. wird als Ort eines
Vorganges aufgefafst: A) das i. El. bezeichnet diesen Vorgang,
das 2. El. eine Eigenschaft dieses Vorganges: malegoiwerne^; B) das
I. El. bedeutet einen bei dem Vorgange beteiligten Gegenstand,
das 2. El. die Richtung der Bewegung: püä-ä-/erre'^; C) das l.El.
drückt den Vorgang, das 2. El. das Objekt des Vorganges aus:
prie-Dieii'^, vide-poches^; D) das i. El. drückt das Subjekt des Vor-
ganges, das 2. El. den Vorgang selbst aus: passe-jö/tf ^ ; mit Ein-
mischung einer Zweckbeziehung: passe-^ß/A- ^'.
4. Unterart: Die repr. V^orst. wird im Stad. ib als ein Ding
aufgefafst, das von andern Dingen bezüglich der in Bedingungs-
beziehung zu ihm stehenden andern Vorstellungen ab-
weicht:
I) Zweckbeziehung: A) Zweck, dem die repr. Vorst. dient,
wozu sie bestimmt ist: das i. El. bezeichnet dann z. B. eine Thätig-
keit der Person , die sich der repr. Vorst. zur oder bei der Er-
reichung dieses Zweckes bedient, das 2. El. z. B. a) ein räumliches
Element dieser Thäligkeit: passavanl' ; g ie\escope^, -graphe''\ -phone'^^,
-mUre^^\ b) das Objekt dieser Thätigkeit: g horojfö/>^i2 und die
Zs. Z}), 304 Z. 17 f. erwähnten g baro-, anemo-, electroi'^ö/»^'^; g
pseudojco/idf 1^ ; g autorama^^, polyoröwza **>; g denü/rice ^'' ; hrtiie-
careme qui va prendre, commencer; les Irois jours gras qui precedent le Mer-
credi des Cendrcs, spec. le mardi gras. Vgl. Du C. s. v. caremeutrannus:
„carynentnin Occitanis, le Mardi gras. Charta ann. 1196 in Probat. Hist.
Sabaud. pag. 45 : A Natali Doniini usque ad Carementrannum. Tabularium
Ecclesiae Viennensis fol. 71: Septem . . . gallinas de Quaresmentranno 20. et 8.
panes, etc. Quadrigesima intrans, in Tabulario pvioratus de Domina in Del-
phinatu non seniel; Coaresme entrant, in Foris Beneharn. Rub. de Ferias,
art. 3. Joinville in S. Ludov. : Le Mardy de Caresmentrant, supva Caresme-
prenant." S. v. Caramantrant: ,,Dics Martis ante diem Cinerum, Gall. Mardy
gras", belegt 135 1. — -^ Vorhof in Klöstern, auf dem die Ordensregel nicht
gehalten zu werden brauchte. — ^ L.: endroit oii l'on met pied ä terre. —
3 Betstuhl; L. : ... oü l'on s'agenouille pour prier Dieu. — ''L. : petit meuble
dont on se sert pour y dcposer les objets qu'on porte habituellement dans les
poches, — ^ L.: lame de fer percce de trous, par lesquels on fait passer la
soie, ä mesure qu'elle s'etend sur les aiguilles du metier ä bas. — '' I-.: ancien
nom d'un instrument servant ä verifier le calibre des balles; ^z.'s.it-boulet id.;
ähnlich passe-ööwöi? [Be. : lunette ä deux poignees qui sert ä mesurer le ca-
libre des bombes]. — ' DHL.: partie du pont superieur servant de passage
entre l'avant et l'arriere du navire. — ^ T;/Af in die. Ferne, axoTlEiv schauen.
— ^ rQä<p£iV schreiben. — i" 'PcüveZv sprechen. — ^^ Be.: instrument ä
l'aide duquel on mesure la distance d'un point oü l'on ä acces a un autre
point inaccessible. — ^^ y_ 2s. 23, 309 Z. 47; Steph.: inslvumentum sine machina
quae horarum rationem aspicientibus commonslrat, id quod ai^o?A)yiov et
ib(JOi'ö/iinv, und zugleich (Passow:) Instrument für die Nativitälssteller, um
die Geburtsstunden zu beobachten. — ^* Weitere Beispiele dieser Reihe s.
MN. 228 ; ferner g chronoscope [DHT. : instrument ä evaluer les intervalles de
temps tres petits], microscope \_f^ix^6g klein]. — ^* Be. : sorte de stereoscope
dans lequel ce qui est en creux parait en saillie et reciproquement; ^'tvdijq
UEBEK WORTZUSAMMENSETZUNG. 48 I
bout^, passepoi't'^, passe-montagne"^, -canal^, -h't^; c) das Hülfsmittel
dieser Thätigkeit: g 6.aciy\ographe^''', d) ein räumliches Element und
das Hülfsmittel dieser Thätigkeit: ielecixoscope'', — B) Dinge, die
für die repr. Vorst. bestimmt sind: trente-jö?/j^; — C) Dinge,
mittelst deren die repr. Vorst. ihren Zweck erreicht : 1 500 francs ■'.
II) Wirkungsbeziehung: A) Vorstellungen, die dadurch zu
der repr. Vorst. in Beziehung treten, dafs sie als Subjekt einer
Thätigkeit aufgefafst wird, durch welche sie an andern Dingen
eine Wirkung hervorbringt: 1) das i. El. bedeutet das Objekt dieser
Thätigkeit, das seinerseits wieder als Subjekt einer durch das 2. El.
ausgedrückten Thätigkeit erscheint: passera^^^*^; 2) das i. El. be-
zeichnet eine Thätigkeit des von der Wirkung der repr. Vorst. be-
troffenen Objekts, das 2. El. a) das Resultat dieser Thätigkeit des
Objekts: pisse-sang^'^, b) das Objekt dieser Thätigkeit des Objekts:
leche-doigls^'^, inangc-iout^'^; 3) das i. El. drückt eine Eigenschaft
aus, die von der repr. Vorst. an dem Objekt hervorgebracht worden
ist, das 2. El. die Intensität dieser Eigenschaft: trop-^/t/«!^. —
B) Vorstellungen, die dadurch zu der repr. Vorst. in Beziehung
treten, dafs sie als Resultat, Objekt oder Mittel fremder
Thätigkeit aufgefafst wird: 1) als Resultat fremder (d. h. mensch-
licher oder Natur)thätigkeit; die repr. Vorst. kann dann von andern
Dingen abweichen bezüglich der Dinge, deren sich der Erzeuger
bei ihrer Erzeugung als Mittel bedient hat; i. El. ein geläufiger
Name dieses Mittels, 2. El. a) Ursprung des Mittels ausdrückend:
orfroi"^^, b) eine quantitative Eigenschaft des Mittels in Beziehung-
falsch. — ^^ Be. : instrument d'optique qui semble mettre sous les yeux les
objets eux-nnemes [ccvxöq selbst, OQävXoQaiJ.a\. — ^^ Be. : espece d'imi-
tation de la natura en mouvetnent oü les points de vue changent ä chaque
instant et se montrent fuyant ä peu ptes comme lorsqu'on s'eloigne dans une
barque; noXvq viel; vgl. noch "panorama \näv Alles], g^orama \_yij Erde],
cosnwrajna [xöaf^ioq Welt]; das letzte hatte ich Zs. 22, 462 Z. 18 fälschlich
als Erkennungsnamen angesehen. — ^"^ DHT. : denti/rzV'ium [dens, fiicarc]
Zahnpulver; s. Zs. 23, 309 Z. 46. — 1 Auch brüle-tout; L. : sorte de bougeoir
court, garni d'un rond qui fait bobeche, et surmont6 d'une pointe sur laquelle
on fiche le bout de bougie ä brüler. — ^ L. : permission de passer en des
Ueux oü autrement on ne pourrait aller; DHT., L.: fort passage, issue; vgl.
Littrd im Histor. {15. Jh. :) „un batellier tenant en sa main une passeporte
(Du C. s. V. passare)". — " Be.: bonnet dont les coLes se rabattent sur les
oreilles et les öpaules. — * L. : bateau avec lequel on peut traverser un canal.
— ^ L. : sorte de construction qui servait ä franchir certaines passes des fleuves,
— ® DHT.: clavier dont chaque touche correspond ä une lettre de l'alphahet,
invenl6 pour servir de communication entre les sourds-muels et les aveuglcs;
öuXTvXoq Finger. — ' Elektrischer Fernsehapparat; electro- aus electricite
entnommen. — ■ ^ MN. : garde national qui pendant la guerre recevait une
solde de trente sous par jour. — ^ MN. : engagd conditionnel d'un an qui
doit, au moment de son engagement, verser une somme de 1500 francs i\
l'Elat. — 10 L.: plante crucifere qu'on croyait bonne pour la rage; pnsser
intr. — 11 Be. : nom vulgaire de la fumeterre, parce qu'elle a la propri6le de
colorer en rouge les urines [also mit R (vgl. Zs. 22, 444 Z. 15) im 2. El.]. —
^'^ MC: restes de repas. — ** DHT.: (ce dont on mange tont:) vari6t6 de
pois, de haricots, dont on mange la cosse avec le grain. — ^* L. : ce qui
excede la capacite d'un vase, ce qui en deborde. — ^^DHT. : bordure brodee
Zeiuchr. f. rom. Phil. XXIV. j 1
482 O. DITTRICH,
auf die repr. Vorst.: g i)ar\creas'^, c) eine räumliche Eigenschaft des
Mittels und zugleich der repr. Vorst. selbst nach Einwirkung der
fremden Thätigkeit: g \)\anisp/i^re'^; 2) die repr. Vorst. wird als
Objekt der fremden Thätigkeit aufgefafst; sie kann dann von
andern Dingen abweichen a) bezüglich des Subjekts der fremden
Thät: a) i. El. Standesname, 2. El. Eigenname dieses Subjektes:
reme-c/aude^; ß) i. El. Name dieses Subjektes, 2. El. Name der fr,
Thät.: pousse-pied^, marchepüd^; b) bezüglich des Ziels der fr.
Thät.: I. El. dieses Ziel ausdrückend, 2. El. die Beziehung der
repr. Vorst. dazu: r/ enj'eu^; 3) die repr. Vorst. wird als Mittel
der fr. Thät. aufgefafst; sie kann dann von andern Dingen ab-
weichen a) bezüglich des Resultates der fr. Thät., dessen vorläufiger
Name durch das i. El. ausgedrückt wird, während das 2. El. eine
Eigenschaft dieses Resultates angiebt: beau presenO\ b) bezüglich
einer andern fr. Thät., die durch die fr. Thät., deren Mittel die
repr. Vorst. ist, vorbereitet wird; i. El. z, B. das Objekt jener andern
fr. Thät. ausdrückend, 2. El. die Beziehung der gegenwärtigen fr.
Thät. zu jener künftigen angebend: avant-^;/^«*.
2. Genus (vgl. Zs. 2}^, 301 Z. 27 ff.): Die repr. Vorst. weicht
durch mehrere hemmende Merkmale von andern ihrer Art ab:
Wieder können die hemmenden Merkmale a) Eigenschaften,
b) Zustände, c) andre mit der repr. Vorst. in Beziehung stehende
oder gesetzte Wahrnehmungs- oder Denkinhalte sein ; im Stadium 1 b
der Namengebung werden die geläufigen Namen der Eigenschaften
etc. als Elemente des künftigen Compositums appercipiert; das
2. Stad. fällt, wie bereits Zs. 23, 293 Z. 5 ff. bemerkt, fort; im 3. Stad.
erfolgt die Agglutination und eventuell noch (vgl. poinl et virgule)
die Apperception einer die Agglutination ausdrückenden Wortvorst.;
bezüglich der Form der in dieses Genus gehörigen Bildungen
kann ich auf Zs. 2^, 304 ff. verweisen.
1. Art: Die repr. Vorst. wird im Stadium ib als ein
Ding aufgefafst, welches von früher wahrgenommenen
d'or ; pour orfrois, du lat. mirutn Phrygiuvi, or de Phrj'gie (ä cause de la
celebrite des etofFes brochees d'or dites vestes Phrygiae). — ^ S. Zs. 23, 30g
Z. 36; DHT.: glande de l'abdomen, secretant un suc qui concouit ä la di-
geslion ; Enc. : le paBcr/ai- a ete ainsi nomme par les anciens, parce qu'il
leur a paru n'etre conipos6 que de chair \xQ{:aq; Tiäg ganz]. — 2 piani-
sphaet-ium, s. Zs. 23, 309 Z. 46f. ; Darstellung der Kugel auf einer Ebene;
eine stereographische Polarprojection der Himinelskugel auf einer Ebene. —
^ L. : ha reine Claude, de qui on donna le nom ä ce fruit; diese (Gemahlin
Franz I.) soll sie sehr geliebt haben. — * L. : tres petit bateau, pouvant
porter deux hommes, et assez 16ger pour qu'un matelot le fasse glisser sur la
vase, en tenant ä l'int^rieur une jambe appuyee sur le genou, et en posant
l'autre dans la vase afin de pousser le bateau du pied. — * DHT.: dernicr
degre de l'estrade d'un autel, d'un trone, etc., sur lequel celui qui est devant
l'autel, sur le trone, pose le pied; marcher afr. trans. presser avec le pied. —
* DHT.: argent qu'on met au jeu. — '' MC: espece de poire, mit der ein
schönes Geschenk gemacht werden kann. — ^ NLar. : sorte de vrille t\ l'aide
de laquelle on perce des trous pour y enfoncer des clous assez forts, sans
s'exposer ä faire 6clater le bois.
UEBER WORTZUSAMMENSETZUNG. 483
oder gedachten oder von gegenwärtig in Berührung mit
ihm aufgefafsten andern Dingen seiner Art durch mehrere
seiner Eigenschaften abweicht: z.B.: chaud-froid^; douce-amere'^',
clair-obscur"^', notr-aurore^, vert-dore^, R rtibis-topaze^.
2. Art: Die repr. Vorst. wird im Stadium ib als ein
Ding aufgefafst, welches von andern Dingen seiner Art
durch mehrere seiner Zustände abweicht: z. B.: va-ei-vieiiO ,
ioimievire^.
3. Art: Die repr. Vorst. wird im Stadium \b als ein
Ding aufgefafst, welches von andern Dingen seiner Art
durch mehrere andre Wahrnehmungs - oder Denkinhalte
abweicht, die mit ihm in Beziehung stehen oder gesetzt
werden:
1. Unterart: Abweichung durch in {U: gleichsam) räum-
licher Beziehung zur repr. Vorst. aufgefafste andre Vorstellungen:
A) Teile der repr. Vorst.: point {et) vtrgule'\ ex-libris^^; Ü poids
et mesures^^; B) angrenzende andere Vorstellungen: nord-est^"^.
2. Unterart: Abweichung durch in zeitlicher Beziehung zur
repr. Vorst. aufgefafste andre Vorstellungen: A) Wortvorstel-
lungen, die gleichzeitig mit der repr. Vorst. oder unmittelbar vor-
her oder nachher aufgefafst werden. Fünf Fälle kommen in Be-
tracht: 1) Die Worte werden von der repr. Vorst. selbst gesprochen,
oder sie wird so gedacht, als ob sie sie spräche: vive-la-joie (s. Zs.
2Tj, 2Q2 Z. 8 if, und ebenda die Anm. 3 über VuU vidi), ramasse-
ion-bras'^'^, goddani^^, vergissmeinnicht und dessen Uebersetzung ne
^ DHT. : mets delicat fait de volaille, de gibier, prepare ä chaud pour
etre mange ä froid dans une gelee, une mayonnaise qui l'enveloppe; also
Eigenschaften der repr. Vorst. in verschiednen Stadien ihrer Herstellung. —
2 L. : sous-arbrissean du genre morelle, dont les tiges, d'une saveur un peu
amere, laissent un arrieie-gout sucre; vgl. Bittersüss. — ^ Vgl. Helldunkel;
DHT.; effet qui rcsulte de la distribution des lumieres et des ombres sur les
objets representes dans un tableau. — * L. ; gobe-mouche d'Amerique; vgl.
noir-bleu, ebenfalls ein Kolibri. — ^ Qi-_ . nom donne par Buffon au Merle ä
longue queue du Senegal, par allusion aux reflets de son plumage. ,,Sur le
venire et les jambes, c'est un vert changeant en une couleur de cuivre de
rosette; dans presque tout le reste, c'est un beau vert dore, comme indique
le nom que j'ai donne ä cet oiseau" (Buffon). — ^ Gr. : nom donne pjar Marc-
grave h. un oiseau-mouche. ,,De tous les oiseaux de ce genre, celui-ci est le
plus beau et le plus elegant; il a les couleurs et jette le feu des deux pierres
precieuses dont nous lui donnons les noms" (Warcgrave). — ' L. : partie de
machine qui va et vient d'un point ä un aulre, lorsque la machine est en
mouvement; bac qui sert ä traverser une riviere etroite. — * Be.: cordage
sans fin enroule de plusieurs tours sur un cabestan. C'est \ la tournevire
qu'on fixe solidement le cäble lorsqu'on veut lever l'ancre, ou d'autres poids
tres lourds; tourner, virer. — ® Vgl. Strichpunkt; s. oben S. 4S2 Z. 27 ft". —
'" DHT.: inscription que quelqu'un met sur les livres de sa biblioth^que pour
marquer qu'ils lui apparliennent; Anfangsworte der Inschrift. — ^^ Vgl.
Mass und Gewicht. — '^ DHT.; point de l'horizon situc entre Ic nord et
Test; ähnlich nord-ouest, 7tord-nord-est [DHT.: enlrc le nord et le nord-est],
etc. — 13 L.: fanfaron. — '* L. : nom donne aux Anglais d'apres Icur juron
favori.
31*
484 O' DITTRICH,
77i''ouhIiez pas^, 7io/i-ni£-ia7igere'^, snivez-7)ioi jeu7ie ho77i7iie'^ , 7ie-ie-ge7ie-
pas-da7is-Ie-parc^; 2) die Worte werden vom Namengeber oder (als)
von einer Person gesprochen (gedacht), welche mit der repr. Vorst.
in Beziehung steht oder vom Namengeber mit ihr in Beziehung
gesetzt wird. Ob der Namengeber oder jene andre Person in
Frage kommt, ist kaum je sicher zu entscheiden, ich vereinige also
alle Fälle in dieser einen Rubrik: revefiez-y'°, venez-y-voir'^, idlez-y'^,
gratie{z)-niois dans le dos'^, pi7ice[z)-77ioi-ga^, decroche-moi-(a^^, decrochez-
moi-(a^^, hale-bas, -dedaTis, -dehors^'-', vielleicht gobe-77iotiio7i^'^, 77107--
geÜTie'^^', sodann die g vade-/7iecu7/i, ve7ii-7iiecum'^^, vade-üi-pace^*^, sal-
va7ios^'^, faciotu77i^'^, ecce homo^^; va-toiit^''^; fairc-le-fauf^^, sot-Vy-
laisse-^, fol-Py-laisse-^; ?/«7o;-</22j mort aux rats, 771. aux 77iouches''^,
771. aux chie7is'^^; 3) ein geläufiger Name der repr. Vorst. wird an
lautlich anklingende andre Wörter der Sprache angelehnt, wobei
öfter auch thatsächliche oder phantastische Beziehungen der repr.
Vorst. zu den durch jene Wörter bezeichneten Realvorstellungen
unterstützend eingreifen: cha7ite-pleure-'', wozu Scheler s. v. bemerkt:
eh. est un de ces mots populaires fa^onnes de maniere a donner
une forme plus saisissable ä des mots incompris; vgl. Fafs RF.
III 497; ob Schelers cha77ipleure das Etymon ist, bleibt zu erweisen;
cha7ite-pleti7-e ist (nach DHT.) durch den „bruit qua fait le liquide
en coulant" herbeigeführt. Ferner clou ä porte'^^', trois-giiarts"^', chat-
^ MC. 266: la fleur magique qui, dans une tradition mystique allemande,
ouvre les rochers recelant les tresors, prononce elle-meme cette formule, pour
avertir celui qui s'en est servi qu'en l'oubliant il court le risque de voir les
rochers se refermer sur lui" (Littre s. v.). — 2 l_. j) plante dont les capsules,
ä repoque de leur maturite, s'ouvrent au moindre contact, et alors les graines
s'elancent avec raideur, ä la grande surprise de celui qui ignore ce pheno-
mene; 2) ulcere que les divers moyens therapeutiques employcs ne fönt
qu'irriter. — ^ ^^C. 174: double ruban descendant du chignon le long du
dos. — * Lindb.: veston court. — ® DHT.: ce qui fait qu'on revient avec
plaisir ä un plat. — ^ L. : iron.: bagatelle. — ' Lindb. 18: coeur que portent
les jeunes filles au cou. • — ^ MC. 174: corset ä baieine. — ^ MC. 174, 227:
nceud, au bas de la taille, dans le dos, avec de longs rubans qui retombent. —
'** MC. 174: marchand fripier. — ^^ MC. 174: chapeau d'occasion. — ^^ DIIT.:
cordage pour faire descendre le foc, etc., pour haier le foc en dedans, en
dehors; Kommandoworte beim Gebrauch dieser Taue. — ^-^ MC. 176: la
nourriture des moutons; gobe cela, mouton. — 1* DHT.: alsine, plante re-
cherch^e des poules; mord anc. imper. de mordre, geline. — '^ MC. 177:
manuel. — '^ MC. 177: cachot d'un cloitre; Worte beim Eintritt des Ge-
fangenen. — '^ Vgl. Zs. 23, 309 Z. 25 ff. — 18 DHT.: paroles prononcdes,
d'apres l'Evangile, par Pilate en presentant au peuple J^sus-Christ couronn^
d'epines; represent.ition de J.-Chr. couronne d'epines. — '* L.: la vade ou le
renvi de tout l'argent qu'on a devant soi. — 2<* DHT. : chose qu'on ne peut
se dispenser de faire. — -^ DJTT. : morceau delicat de la volaille qui se trouve
de chaque cote au-dessus du croupion. — ^^ DHT.: 7ny lord, titre qu'on
donne ä un lord anglais quand on lui parle. — ^^ DHT.: substance (arseni-
cale) dont on se sert pour faire mourir les rats, les mouches. — ^^ DHT.:
colchique d'automne. — ^^ DHT.: grand entonnoir qui sert ä transvaser le
vin, le cidre, etc., dans un tonneau. — ^6 Kellerassel; nach Fafs RF. IH 490
<Ccloporte. — *' L. : <:i_ttocart; für L.'s und Schelers trois-carres habe ich
keinen Beleg.
UEBER WORTZÜSAMMRNSETZUNG. 485
huant^; auch courl-bouion'^ und orpailleur"^, die ich Zs. 22, 328
Z. 23 fälschlich als auszuscheiden bezeichnet habe, gehören hieher;
ferner ist choucroufe (Anlehnung an choii und croüte) von Zs. 22, 446
Z. 8 hieher zu ziehen; endlich das interessante Wort tettechhvre^;
4) ein geläufiger Erkennungsname der repr. Vorst. wird dadurch
zum Erinnerungsnamen, dafs diejenigen Wortvorstellungen, welche
ihn zum Erkennungsnamen machten, ausgeschaltet werden (histo-
rische Ellipse, vgl. Zs. 22, 318 Z. 47 ff. und Zs. 23, 547 Z. 14 ff.).
Beispiele sind: (limette de) iongue viie^, iremois^, {chariot) porie-pierre',
{chevroiaiii) porte-7nusc^; g {chiriirgien-)peJicu7'e'^-*, [herse) tric)'cle^^\ con-
irepomt^^] {charbon) toiit-venaftt^"^; [poule od. coq) dinde^^, (inousseline)
de laine^^, {bleu d^) ouiremer^^; (rossolis de) mille-fleurs^^; vielleicht
stellt sich bei genauerer Durchforschung der Litteratur dieser Bil-
dungsprocefs auch noch für andre oben als direkte Erinnerungs-
namen aufgeführte Bildungen heraus. Voraussetzung für den
psychologischen Compositionscharakter dieser Wörter ist allerdings,
dafs in dem Momente, wo z. B. aus dem ursprünglichen Complexe
„Gegenstand -|- haieüe de longiie vue'' nur noch „Gegenstand -f- longue
Tme^" appercipiert wird, die Wörter longue und vue noch mit ihren
entsprechenden Realvorstellungen verbunden werden können, also
ein etymologisch klares neues Compositum entstehe. Für die
obigen Beispiele kann dies wohl angenommen werden. Dabei ist
es aber durchaus nicht nötig, dafs auch die Beziehung, in welcher
die durch die Elemente des neuen Compositums bezeichneten Real-
vorstellungen zur repr. Vorst. stehen oder gestanden haben mögen,
dem Namengeber klar zum Bewufstsein komme; gilt diese Bemer-
kung auch schon für die unter 3 erwähnten Bildungen, so trifft
sie vollends 5) bei Wörtern wie bas-bleu^"^ zu. Als die Bezeichnung
^ DHT.: le mot parait etre une alteration arbitiaire de chouan, ä cause
du cri de cet oiseau et de quelque ressemblance entre sa tete et celle d'un
chat. — '^ DHT.: le mot cotcrbeton, recueilli au XVIIIe s. par Trevoux et mal
saisi, a ete ecrit d'une fa^on absurde court-bouton et figure dans tous les
dictionnaires sous cette forme; es stammt aus einem westlichen Dialekt. —
^DHT. : <C^{h)arpailleur; wegen or und paMe{((e), denn orpaü/eur ist (DHT.:)
celui qui recueille et lave les sables auriferes pour en separer les paillettes
d'or. — * Vgl. Ziegenw^/>&er; Zs. 23, 298 Anm. 4; Mikl. Vgl. Gr. II 348:
,,wie Ziegenmelker, allaite-tsivra im Patois der roman. Schweiz, dem lat. capri-
7nnlgiis nachgebildet, das dem misverslandnen utyi9-(cX).o^, Diminut. von
ai'ytihog, seine Entstehung verdankt. ,Es giebt noch heutigen Tages Menschen,
welche den Namen Ziegenmelker wörtlich nehmen', Brehm 3, 675." — ^ DHT.:
lunette d'approche. — ® Georges: {triticum od. hordeum) trimense. — ' L.:
chariot ou coffre qui porte la pierre, dans la presse lithographique. — ^ L.:
l'animal qui produit le musc. — * DHT.: celui qui soigne les pieds, extirpe
les cors, etc. — '" MN. 219: herse ä trois roues. — ^^ L.: bas-lat. {cantus)
contrapunctus. — ^'^ Be. : houille non choisie ni triee. — '•' DHT.: dinde,
abrev. de poule d'Inde, coq d'Inde. — i* MN. 133. — ^^ DHT.: bleu d'azur
fait de lapis-lazuli. — ^^ DHT.: oü il entre beaucoup de fleurs distillees. —
1'' DHT.: expression venue, dit-on, du salon littcraire de Lady Montague,
qu'on avait appele blue stocking club, ;\ cause d'un M. Stillinglleet qui en
etait l'oracle, et qui portait loujours des bas bleus; NLar. : de lä vint l'usage
d'appliquer le nom de bas bleu d'abord aux femmes qui frequentaient ce club,
plus tard ä. toutes les femmes qui affichaient des pretentions litteraires.
486 O. DITTRICH,
hhie stockmg (wovon bas-hleu ja nur die Uebersetzung ist) aus hlue
siockmg club abstrahiert wurde, brauchte dem Namen geber die Be-
ziehung durchaus nicht mehr klar zu sein, welche zwischen den
hluc slockiiigs des Mr. Stillingfleet und dem litterarischen Salon der
Lady Montague bestand; um blue stocking „Mitglied des blue siocküig
club"' zum Compositum zu stempeln, genügt es (vgl. oben S. 485
Z. I5ff.), dafs der Namengeber aus dem ursprünglichen Complex
„Gegenstand + blue stocking club"' den Complex „Gegenstand + blue
stocking"' appercipiere, wobei „Gegenstand" im ersten Falle „die
Mitglieder", im zweiten Falle „ein Mitglied" bezeichnet. Der neue
Erinnerungsname ist also hier dadurch entstanden, dafs aus dem
geläufigen Erkennungsnamen eines mit der repr. Vorst. in Beziehung
stehenden Gegenstandes (der ]\Iontague- Gesellschaft) zwei Wort-
vorstellungen (plue, stocking) als Elemente des neuen Compositums
{blue stocking) appercipiert und agglutiniert wurden. — B) Andre
Gehörs vorst eilungen, in welche vom Namengeber Wortvor-
stellungen „hineingehört" werden: sicher scheint mir hier nur
b{i)enteveo 1.
3. Unterart: Abweichung durch in Bedingungsbeziehung zur
repr. Vorst. aufgefafste andre Vorstellungen: — A) die repr. Vorst.
wird als Resultat fremder Thätigkeit aufgefafst und kann dann
z. B. von andern Dingen ihrer Art abweichen durch die Mittel
der fremden Thätigkeit : 1) Stoffe, aus denen die repr. Vorst. ge-
macht wird oder besteht: gom?7ie-rcsitie, -copal'^; g hydi-oinel"^'^
2) diese Stoffe und ihre Anordnung nach Einwirkung der fremden
Thätigkeit: ganagranwie^; 3) Zahlen, die beim Zustandekommen der
repr. Vorst. eine Rolle spielen : irois-six ^•, — B) die repr. Vorst.
wird als Mittel fremder Thätigkeit aufgefafst und kann dann von
andern Dingen ihrer Art abweichen z. B, durch das Resultat der
fremden Thätigkeit: forte-piano, piano-forte^\
Damit ist die Behandlung der substantivischen Gegenstands-
namen endlich abgeschlossen; bevor ich jedoch in die Betrachtung
der übrigen substantivischen Composita eintrete, bedarf es noch
in Ergänzung des Zs. 22, 328 Z. 14 ff. Gesagten einiger Ausschei-
1 Gr. : cet oiseau a ete nommc h{7)enteveo par les Espagnols de la riviere
de la Plata, par Imitation de son cii qui rend assez bien les mots espagnols
hien te veo je te vois bien. — ^ DHT.: substance composee de gomme et de
resine (copal), qui decoule de certains arbres. — ^ Vgl. Zs. 23, 309 Z. 52;
DHT.: breuvage fait de micl dissous dans l'eau. — * Vgl. Zs. 23, 309 Z. 51;
DHT.: mot forme par la tränsposition des lettres d'un aiitre mot; yQcc/iifta
lettre, urä qui indique renversement; uvaytiärpo) heifst „aufschreiben", ist
also nicht das Etymon. — ^ L. : esprit-de-vin du commerce, h trente-six de-
grcs. Cette expression derive d'un ancien mode d'evaluation des liquides
spiritueux qu'on rapportait autrefois b. l'alcool dit preuve d'HoUande, marquant
190 de l'areometre Cartier et renfermant environ la moitie de son volume
d'alcool absolu: un alcool dont 3 mesures ajoutöes ä 3 mesures d'eau faisaient
6 mesures d'esprit ä 19" etait un esprit trois-six. — * DHT.: Instrument ä
clavier . . . qui perraet de renforcer ou d'adoucir le son ä volonte.
UEBER WORTZUSAMMENSETZUNG. 487
düngen: A) Alcade'^, algibre'^, alchhm'e^, alcove^, alcoran^, etc.;
eldorado^'i lendiP, lotioß, lierre'^, laudier ^^, luetie^^, httdeinain^'^.
Diese Wörter können, wenn man den psychischen Vorgang bei
ihrer Schöpfung ins Auge fafst, nicht als Composita, sondern
müssen viehnehr als Simplicia angesehen werden. Denn es kann
nicht die Rede davon sein, dafs bei ihrer Bildung, wie es bei
der Schöpfung eines Compositums unumgänglich ist, zwei oder
mehrere Wortvorstellungen zunächst getrennt appercipiert und nach-
her agglutiniert worden seien; hier wurde vielmehr der ganze
Wortvorstellungscoraplex [alcalde, algebra, etc.) in einem Akte auf-
gefafst, und psychologisch handelt es sich also thatsächlich um
die Apperception einer Wortvorstellung als Zeichen der Gegen-
standsvorst, d. h. um die Bildung eines suffixlosen Simplex. Dafs
dem so ist, wird dadurch bewiesen, dafs bei einheimischen Bil-
dungen dieser Klasse [lendi't etc.) der eine Teil des angeblichen
Compositums ein etymologisch unklar gewordener Name der repr.
Verst. ist, der andre Teil der Artikel; wäre nun wirklich zunächst
l-\-endit appercipiert worden, so hätte diesem Complex unmöglich
nochmals der Artikel vorgesetzt werden können {le lendit). Den
Folgerungen nachzugehen, die sich daraus für den Unterschied
zwischen der rein historischen und der psychologisch -historischen
Sprachbetrachtung ergeben, mufs ich mir an dieser Stelle leider
aus Raummangel versagen. — B) 13 Der Kindersprache entlehnte
Wörter {papa, mama[}i], bibi^^, nowiou^^, lolo^^, dede^"^, tuiti'^'^, fan-
fan^^, fifi[lle\'^^, iaian''-\ tonton''-'^, tante"^^, pipi"^^, iolo'^^, coco''-^, caca'^^\
gaga^"^, pepe'^'^, meme'^^\ peplre'^'^, 7}iemere'^'\ boubouche^^, poupoule^^,
etc.) und solchen nachgebildete [zouzou'-^-, vielleicht gogo'^^), kind-
liche {tou/ou u. loulou'-^'^, moumouie'^^, etc.) und anderweitige Ono-
matopoetica [coticou, crincrüi'^^, vgl. noch die Liste bei Plattner
Ausf. Gramm. I 239). Kann man bei joujou (jouet) noch zweifeln,
ob man es nicht mit einer emphatischen Wiederholung des Impe-
iDHT. : span. alcalde, dies aus arab. al gaäi der Kadi. — • " DHT.:
mit. a/gebra <^a.xab. al dzebr die Reduction. — ^ DHT.: mit. alchymia <^
arab. al kitnia die Chemie. — *■ DHT. : span. alcoba <^ arab. al kobba das
Schlafzimmer. — ^ DHT.: arab. al qorarn die Lesung. — ^ DHT.: span.
eldorado; dies <Cel Dorado das Goldland. — ' DHT.: pour Vendit; endil <^
indiclum; foire. — ** DHT.: pour lorwl<dl'oriol; on'ol<^v\t. *aur/olum;
passereau ä pkimage jaune. — ^ DHT,: pour l'zerre; ierre <^kederam. — -
^o DHT.: <C afr. andicr; grand dienet de fer des anciennes cuisines. — *' DHT.:
pour l'uette; teelle <^\\t. *uvittam. — ^^ DHT.: pour l'endemain; endemaiti
ein zu S. 468 Z. 12 ft". zu stellendes afrz. Compositum. — ^^ Vgl. über die
meisten der folgenden Wörter Foerster Zs. 22, 269 ff. ; der Art, wie dort das
Zustandekommen dieser Bildungen erklärt wird, stimme ich fast durchweg
zu. — ^* Foerst. : wie das Kind sich selbst bezeichnet. — ^^ Nourrice. —
1« Lait. — " Doigt. — i« Cul. — i» Enfant. — 20 Pils, fille. — 2' L.: tante.
— 22 L.: oncle. — «3 Vgl. auch Gauchat Zs. f. frz. Spr. 18 2, 206. — 2* Urine
{pisser); poule. — ^5 Cocorico. — ^6 L^t. cacare; excrements. — 27 Gäteau;
Passy's Einwand Zs. 22, 515 scheint mir nicht stichhaltig. — 2« p^re. —
29 M^re. — ^ Bouche. — ^^ Poule. — ^2 Zouave. — *3 Gosier; vgl. Schwob-
Guieysse S. 18. — ^* Hund. — ^^ Katze. — ^^ DHT.: mauvais violon; hier
kann ich Foerstcrs Erklärung nicht beistimmen: crin pafst nicht als Etymon.
488 O. DITTRICH, UEBER WORTZUSAMMENSETZUNG.
ralivs joue zu thun habe (in diesem Falle würde das Wort oben
S. 484 Z. 2 fF. einzureihen sein), so steht es bezüglich aller übrigen
aufser Zweifel, dafs der Name „Compositum" nicht auf sie anwend-
bar ist. Auch bei der Schöpfung dieser Wörter hat nämlich
nirgends eine successive Auslösung und nachherige Agglutination
von Wortvorstellungen stattgefunden, wovon man sich leicht über-
zeugen kann, wenn man diese angeblichen Compositai in ihre an-
scheinenden Elemente zerlegt: man erhält dann stets mindestens
ein Element {^pe aus peph-e, etc.), das mit keiner Realvorstellung
verbindbar ist, also auch nicht als Wortvorst, gelten kann; sehr
oft aber sind beide Scheinelemente so beschaffen [pa-pa etc.);
immer entspricht nur der Wortvorstellung {papa, peplre, etc.) als
Ganzes die durch sie bezeichnete Gegenstandsvorstellung. So auf-
gefafst, liefern insbesondere die hieher gehörigen Onomatopoetica
ein starkes Argument für die Annahme zwei- und mehrsilbiger
Wurzeln.
1 Darmesteter hat sie ja gröfstenteils, aber mit schiefer (MC. 235) oder
o;ar keiner Begründung (MC. 236) ausgeschlossen, Mätzner dagegen (Gramm. ^
245, 310) und Andere lassen sie gelten.
(Fortsetzung folgt.)
O. DiTTRICH.
Der Konsonantismus des Eumänisclien.
(Fortsetzung. S. Ztschr. XXIV, S. 319.)
b) r.
13. Anlautend bleibt r stets, inlautend meist erhalten: rar
rarus, crede credit, vdrgä virga.
14. In altrum. Denkmälern wird anlaut. r bisweilen verdoppelt:
rreä, rruginä, rrSäsä, rrided etc.^ Ebenso schreiben Kav. und Dan.
sowohl im Anlaut als zwischen Vokalen häufig qq für r und rn
(Nr. 33): QQOGöiov, SQQCc, fl(XQQ£, KXQQa = TLOvdr. rö^iü, erd, ?ndre,
idrnä', einmal auch vor Kons.: öccQQfia = nordr. /ärff/ia 'Brocken',
vgl. alb. -d-EQQmön}' 'verkrümle'. Es ist das stark gerollte r der
Albanesen, das auch von ihnen durch qq dargestellt wird. Nach
Weigand Arom. 176 werden zweierlei r heutzutage nur noch bei
den Rumänen der Manjana (Akarnanien) unterschieden, und zwar
steht das stärkere r, bei dem „die Zunge frei schwebend in heftige
Vibration versetzt wird", nur intervokalisch: arrös, drre, curninä.
15. r, das im Rum. alveolar ist, welchselt häufig mit den
physiologisch verwandten / und «. Die Fälle von r aus / sind
oben Nr. 2 und 3 besprochen worden, die von r aus 11 kommen
Nr. 24 und 25 zur Behandlung. Nachstehend soll der Uebergang
von r in « und / erörtert werden.
Intervokales r gleicht sich im Norden folgendem « an: cunünä
Corona, altr. ban. fäninä (neur. fäina) farina, mimine 'Wunder' zu
mir miror, senm serenus. Auch in fiiningine fullginem scheint «
aus sekundärem r entstanden zu sein, siehe Nr. 2. Auffallend ist
altr. ari7tä arena.
Ferner steht nordr. zwischen Vokalen « für r in h'mec lubrTco,
suspin suspiro, ptmötn nh. pur ö'iü zu pus -ris, Jmdpätt 'Zwergkiefer'
junTperus.2 In Siebb. hört man stellenweise auch fanä statt färä
foras Weig. Jahresb. IV 327, dieses im Anschlüsse an /««tZ nh. päru
paene-ad (Nr. 24). Ob mold. guitmdrm nb. wal. gtüurdtü 'Schnupfen'
= gutturälis, altr. ursi?iic 'Sammt' = ' dXoö7]Qixöv ist, kann nicht
ausgemacht werden; ebensowenig, ob in dem dunkehi gdurä
'Loch', gäunös 'hohl' r oder n der ältere Laut ist.
1 Zu den von Hasdeu Cuv. I 249 geg;cbenen Belegen füüic hinzu rred
Indr. 87 und §epte Tarne in Cip. Anal. 215.
2 In shh.färlna, serin, jncdpär dürfte r nicht ursprünglich sein, sondern
auf älterem « beruhen, siehe Nr. 25. Jung ist ein'iper 'Wachholder'.
490 H. TIKTIN,
Der Macedonier spricht curüna, färina, suschir, arinä, aber
giutudpine', inim'ine und Itinec fehlen (dafür cmdie und arrächisü), die
übrigen in Betracht kommenden Wörter kann ich nicht belegen.
Im Istrischen ist r lautgesetzlich, da es auch für tt eintritt,
siehe Nr. 25.
16. / steht für r im Anlaut in mac. lindurU *hirundüla (Dis-
similation); vor Kons, in {a)tilm, adi'dmec nb. adtirinec 'wittre' zu
ürtnä 'Spur', mold. tülbtire für iürbure *turbülus, mold. ulciör für
iircwr 'Krug' urceölus, entweder nach odlä oder nach ulciör 'Gersten-
korn am Auge' *ulceolus (wofür wal. wieder urdör), tölbä tülbä
'Köcher' (nb, törba 'Jagdtasche') slav. torba mit Einflufs des gleich-
bedeutenden tulü; nach Kons, in timplä 'Schläfe' tempöra (schon
vlat. *templa) und sa {in)ii'mplä 'es ereignet sich', falls es =
tempernt. Ein dunkles Wort ist credngä crd?igä 'Zweig', wofür sbb.
auch cledngä. In a/dtjia 'Messing' nb. ardmä 'Kupfer' aerämen
vermutet man eine Scheideform, womit freilich nichts erklärt ist.
Sbb. almäriü armarium kann entlehnt sein: magy. almariom etc.
17. Vor i, sowohl silbigem als unsilbigem, zeigt ;- im Allge-
meinen keine Veränderung: viarit marlto, perl piri, calddre caldaria,
ajutörlii adjutoriura. Nur in peire nb. perire (aber nur pert) ist r
wegen des folgd., in wal. gulurdm nb. mold. gutunärlü gutturälis (?) ^
wegen des vorhergehenden ;-, in niscalvd nescio qualis viilt, wonach
dann auch JiiscäT. nb. niscdre, wegen der schwierigen Lautfolge ge-
fallen.2
Um so merkwürdiger ist es, dafs r in der Konjugation vor
-ui, -~ie (aus lat. -eo -io, -ea -ia) schwindet. Folgende Vcrba nehmen
an der Erscheinung teil: I. spared expavere (od. *-voriäre?); II. diw'cd
dolere, pdred parere, vreä *volere; III. cere quaerere, das quaero,
-rat nach Analogie von II. durch *quaereo, -reat ersetzt; IV. peri
perire, sdri salire. Also l. Pers. Sg. Präs. spd'iü, pdlü, vom, dm,
pleiü, sdlü; 3. Pers. Konj. sä spde, döäe, pde, vöde, cee, piee, sde. Da-
nach dann auch, wie bei den Verben auf 7t (Nr. 26), 2. Pers. Sg.
spdi, pdl, vei, cel, plei, sät nb. älterem spdri, pdrt, veri etc., ferner
altr. Ger. pahid, cemd, piemd, Adj. verb. pmiöritl, sowie die Ableitung
pieiäüne. Formen mit erhaltenem ;- sind selten: cirtü Coresi Psalt. 2Ö
Zeile 7; so. viä spdre Biblia Bucur. 1688 Neh. 6, 19; aus banater
und sbb. Mundarten bringt Weig. späriü, sdrlü sariü Jb. III 238
und IV 295; Dem Wandel entzieht sich auffallenderweise muri
*morIre [?nör'iü, sä mddrä, ferner acoperi cooperlre und suferi *suf-
ferlre {acöper, süfer, sä acöpere, sä si'ifere), wo r in die zweite
nachtonige Silbe zu stehen kommt. Neben den aufgeführten
1 Der Ausgang ist nicht klar, es mag Suffixwechsel vorliegen wie in mac.
märdlyu nb. nordr. mardnü ßü^ad^QOV und umgekehrt in mold. vatrdriü nb.
wal. vatrdiü slav. vatralj.
* supt'id nb. suptire sublilis kann direkt auf *subtiliäre zurückgehen.
Danach dann suptietdte und supüime nb. suptirime. Dunkel sind die Bil-
dungen ascultöm 'gehorsam' bei Dos., wohl kaum aus ascultdtörlü gekürzt,
und dulös 'wehmütig', das anscheinend zu dör, dured gehört.
DER KONSONANTISMUS DES RUMÄNISCHEN. 49 1
Formen stehen, im Gegensatz zu den Verben auf n (Nr. 26), schon
in den ältesten Urkunden solche, in denen r analogisch wieder-
hergestellt ist: spar,^ pdr, a'r, pu'r, sdr; sä sparä, dödra, pärä,
cedra, pldrä, sdräP- So z. B. sä cedrä Ap. Vor., sä pidrä Cron. Mo.\a
(Gaster Chrest. I 5g). Heutzutage sind die organischen Formen in
der Schriftsprache wohl endgültig beseitigt, aber auch im Volke im
Schwinden begriffen.
Man könnte meinen, zunächst wäre nicht r, sondern / in den
bezüglichen Formen von *volcre, dolere, sallre erweicht worden,
und erst dann wäre das r der übrigen Verba gefolgt, indem pdre,
sä pde aus sdre, sä sde gefolgert wurde. Dem widersetzt sich aber
mac. istr. völ, nicht v6ly. Es scheint vielmehr die analoge, aber
lautgesetzliche Behandlung der Verba auf n (Nr. 26) hier einen
gewissen Einflufs ausgeübt zu haben. Doch bleibt der Vorgang
dunkel.
18. Vorrum. ist der Ausfall des gedeckten r in dös dorsum,
jös deorsum, süs sursum (aber ürs, vurs, drs etc.); jung in mac.
nyeg, istr. meg und mac. aldg = nordr. mirg mergo, alerg zu
largus.
Ob mu^c 'beifse', woneben istr. miiäc bei Ive Mikl. Unters.
1 5 f., mit mtirsec morsico, dae nur vom Bisse wilder Tiere ge-
braucht wird, identisch, ist zweifelhaft, ebenso ob mac. istr. mti^dt
•schön' zu morsus zu stellen ist. Letzteres möchte ich eher als
Kürzung von ^frumusdt fassen. Dagegen ist vaa.c. phye^ca = nordr.
pursecä persTca sicherlich aus dem Alb. entlehnt; als Erbwort hätte
es chydrsicä lauten müssen.
ig. In der Auslautsilbe ist r geschwunden nach / in dlt alte-
rum, vidärat in-de-retro (vgl. it. mdietro, frz. derrüre etc.) 3, rösi
rostrum, cordstä, ban. ciirdstä nb. cordsträ Prav. Govora 1640, olt.
roldslrä, moXd. cordslä colostra, mo\d. feredsiä im feredsträ fenesträ,
sbb. nöst, vöst für nösiru, vöstru, sbb. cäiä für cäirä contra, mac, tu
nb. iru intro, mac. ki nb. ira trans; ferner in pe nb. älterem pre^
per, petilru per intro, peste nb. altr. prespre per-super, wogegen stets
spre super. In mdarät, rast, cordstä, feredsta bewirkte das vorher-
gehende r den Schwund, in den übrigen Fällen that es die
Schwäche [dlt, nöst, vöst) oder der gänzliche Mangel {cätä etc.) des
Wortaccents.
Sonst bleibt r in dieser Stellung: pdtru, albdstru, dspru,
pidträ etc.
' spärTd (auch spered) ist das einzige Verbum I. Konj. auf -ed. Daher
trat in neuerer Seit die verlänfjerte Form spärid (spcrid), Präs. spdrun [spt'ruü),
dafür ein, welche nunmehr allein schriftüblich ist.
* Das Präs. von vr7-d wurde in anderer Weise umgeformt. Es reimt
in seiner neueren Gestalt mit dem von bed : vredü etc.
' Darf trotz mold. sbb. 'indärdpt nicht, wie Wcig. Jb. IV 332 thut, mit
directus zusammengebracht werden. Das läfst schon die Bedeutung nicht zu.
Auch kennen die altsiebenbürgischen Denkmäler die Form mit p noch nicht,
das sich offenbar aus derept 'gerade' directus eingeschlichen hat.
* Daher noch jetzt prin, printre, nur mold. pin, pintre.
492 H. TIKTIN,
20. Auslaut, lat. r fallt: /rate frater, sör soror, wipärät impe-
rStor, dör dolor. In letzteres mag sich jedoch dolus eingemischt
haben. Durch Umstellung geschützt wurde r in pätru quattuor,
Intre intcr, pre per, spre super. In viilhir, viillür vultür -ris hat
Deklinationswechsel stattgefunden.
II. Die Nasalen,
a) n.
21. Mit « werden in der Schrift zwei Laute bezeichnet, velarer
Nasal vor Gutturalen [müticä, ling, brönhie), alveolarer in allen
übrigen Stellungen. Beide Laute erfahren dann vor Konsonant
zwei weitere Nüancierungen, die wiederum von der Natur des
letzteren bedingt sind.
Folgt nämlich erstens dem n kein Verschlufslaut, so wird auch
der dem « zukommende Verschlufs an den Alveolen bzw. am
Gaumensegel nicht wirklich ausgeführt, sondern nur durch die
entsprechende Enge^ markiert, so dafs Laute entstehen, die ich
als spirantische Nasale bezeichnen möchte, wobei der vorhergehende
Vokal eine gewisse nasale Färbung erhält [on in mönstru klingt
ähnlich wie in frz. monstre). Dieses reducierte n hört man also
vor Spiranten (sinfonie, canvä, ti'ms, ri 7izä, vian^ön, injkp'e, brönhie),
Liquiden [Monliü, Etiric) und Nasalen (jfincc, m?}ior?ii?ntdre). Auch
in den Verbindungen nl, nn legt sich die Zunge erst bei Beginn
der zweiten Silbe an die Alveolen.
Die zweite Veränderung, welche 11 erfährt, ist die, dafs es
vor mouillierten Lauten palatale Färbung erhält, also in atund,
linge, linchlü, unghie, brönhie. Der «-Laut des letzteren Wortes
wäre mithin genau als velarer spirantischer mouillierter Nasal zu
bezeichnen.
Der Einflufs des Konsonanten auf vorhergehendes n macht
sich ganz in derselben Weise auch dann geltend, wenn dieses im
Auslaut, jener im Anlaut steht: n ist velar in un cört, spirantisch
in din sät, mouilliert in in cer.
22. n bleibt unversehrt im Anlaut: 7iäs nasus (doch istr. dis-
simuliert vor m in lihne nomen) ; vor Konsonant aufser s\ arnnc
erunco, ninge ningit, mi'inie montem, ci nd quando (doch siehe
Nr. 2Q); nach Konsonant: cäme carnem, sömn somnus, länn llgnum.
2;^. nti wird vereinfacht: dti annus, pdna penna. Doch bleibt
in- {din-) nicht nur vor n: innöd innodo, sondern ruft sogar vor
Vokal ein zweites n hervor, das aber in der neueren Orthographie
nicht mehr zur Darstellung kommt: innalt in-altus, innainte {din-
7iainte) in-ab-ante, ifinihitru {diiinüntni) in-intro. In Fällen wie ^i-7i
7ial ^aptelea \an\ Biblia Bucur. 1688 Deut. 15, 12, in 7ia7/üdzäzi 3 Reg.
1 Ob sich die Zunge dabei z. T. seitwärts an die Decke legt und nur
in der Mitte einen Durchgang läfst, wäre noch zu untersuchen. Möglich
auch, dafs beide Arlikulalionsarten vorkommen. Bei mir selbst findet, wie
ich glaube, keine Berührung mit dem Gaumen statt.
DER KONSONANTISMUS DES RUMÄNISCHEN. 493
2, 16, den-na diredpta 4 Reg. 23, 13, wo in Präposition ist, wird das
unorganische zweite « jetzt nicht mehr gehört.
24. Intervokales n geht in Erb Wörtern, die noch ein zweites «
enthalten, also durch Dissimilation, meist in r über, in auffallendem
Widerspruch mit dem Nr. 15 beobachteten, mutmafslich einer älteren
Sprachperiode angehörenden Vorgang. Dabei verdankt das zweite
n seine Entstehung grofsenteils eben jenem ersten, dessen Wandel
zu bewirken es berufen ist. In diese Kategorie fallen gemeinrum.
cänint *canütus, mold. amerhit nb. amelinf *minäcio, nuiruntäe minu-
talia und rarnnchiü *renucülum, sbb. gerünchm *genucülum, jurlnca
(nach Weig. Jb. IV 286) *junica für junicem und märünchiü (nach
Cip. Gram. I 92) *manucü!um für manipülum, wal. päri'ng -ring
(sbb. parinc nach B.) panicum. Aufser cäri'mt und pärffig, welch'
letzteres aus dem Westen zu stammen scheint, stehen diesen
Wörtern in den übrigen Gebieten heimische Formen mit erhaltenem
n zur Seite: a?ne}im{, rdnwiclüü etc. In manfnc mandüco, wo ;/
aus 7id *fin hervorgegangen, ist es dem r überhaupt nicht einzu-
dringen gelungen. Dafs der Grund der Erscheinung in dem fol-
genden ti zu suchen ist, erhellt aus wal. genüchiü, junicä, mäm'icJiiü,
rtni'chlü (reniculum), neben denen es kein gerüchiü etc. giebt.
Fälle von r vor oder nach primärem n sind: mold. arm nb.
wal. anin, in dem ja wohl alnus steckt, rnorminl monumentum, wo
möriü, möärte mitbestimmend wirkten, mac. verin venenum; altr.
nivierea für nimenea neminem, wozu G. D. mold. noch heute «/-
mar Hl für inmämu, altr. 7iümere nomina, vielleicht nach nümere
numeri, phigdri 'entweihen', das zu pägi'71 pagänus gestellt wird,
rindured nb. -ned *hirundinella, si'nger sanguino (dazu singer
'Cornus sanguinea' und sfngerös). Nicht von virginem, sondern
von *virgüla ist abzuleiten altr. vergurä, oder aber es ist, schon
wegen ve- statt vä-, dem Alb. entnommen, vgl. alb. vtr^'fri 'Jungfern-
schaft'. In fereästrä fenestra scheint Angleichung an folgd. r vor-
zuliegen. Sbb. irhnä für inwtd anima stammt offenbar aus dem
Motzengebiete (Nr. 25). Endlich mold. pärä für pätiä paene-ad
hat sich oiTenbar an färä foras angeglichen, wie umgekehrt in
Siebenbürgen (Nr. 15). Dafs cocör 'Kranich' auf ciconia beruhe,
ist wenig wahrscheinlich.
Wie unsere Darstellung zeigt, beschränkt sich ;- für « fast aus-
schliefslich auf Moldau und Siebenbürgen. Von letzterem Gebiete
wird in folgd. Nr. des Weiteren gehandelt werden. Was die Moldau
betrifi't, so scheint es, dafs auch hier r einst in viel weiterem Um-
fang gebräuchlich gewesen und erst später in die beschriebenen
Grenzen zurückgedrängt worden sei. Darauf deutet die Schreibung
einiger Eigennamen, die sich in alten slavischen Urkunden der
Moldau vorfinden: Fintircali Mnd GHamar 1453, Riitnarula 1089 =
Füll im: die, Gtdmdn, Ruinijml, siehe Hasd. Cuv. II 1 3 f.
25. Die im Vorstehenden nur an wenigen Worten nachge-
wiesene Neigung, intcrvokales n durch r zu ersetzen, hat sich in
zwei Gebieten zu einem durchgreifenden Lautgesetze entwickelt,
494 M* IIKTIN,
nämlich in einem Teile Siebenbürgens und in der Mundart
Istriens.
Wie schon loan Maiorescu wufste (siehe dessen Itinerar in
Istria, las! 1874, S. 16 und 30) und in neuerer Zeit durch die von
Frmcu-Candrea an Ort und Stelle angestellten Nachforschungen
(Rotacizmul la Moti §i Istrieni, Bucur. 1886, und Rominii din mun^ii
apuseni, Bucur, 1888) festgestellt wurde, geht in einigen am oberen
Aranyos gelegenen, von Motzen 1 bewohnten Ortschaften inter-
vokales « in Erbwörtern regelmäfsig, seltener in fremdem Gute in
r über: a/öira, btir, ci'repu, gdlber, irel etc.; agorisi, c reinere, hdträ,
hodiri (^ odihni, pop. hoditii) etc. neben voink, pomeni, nazdrdvdn,
cälräni, bolovän etc. Bei an annus darf vielleicht auf das ursprüng-
liche mi verwiesen werden, siehe weiter unten. Dafs in serin und
verin (aber serirJs, verird, verirös) das zweite n geblieben ist, kann
w'iederum auf Dissimilation beruhen. In dem fremden slanyira =
sldninä endlich ist das erste « durch Palatalisierung geschützt
worden, die also wohl schon vor der Aufnahme bestand. Auf-
fallend bleiben aber aivme, hnpulinä, tnavtiti, mfäinosd, vitimpind,
nunie, rdzhund, sirin (= slrein), sowie das slavische hivinovdti neben
nevirovdt. Es sind z. T. augenscheinlich in jener Gegend nicht
heimische Wörter. Nach Präfix bleibt n\ anumit, nenorocire. Ebenso
bewahren es tm, m'. un öm, in dpa (Fr.-C. verzeichnen zwar ir,
dem widersprechen aber die Texte); doch irdnt {= indli), irainte,
irapöl, dirainte, dinraüniru, wie leicht begreiflich. Zwischen « und
r steht die Stufe «r, für welche das Verzeichnis bei Fr.-C. nur
drei Beispiele bietet: dinräi'miru, linrös, ünre (= nnde) nb. lirös^
üre. lieber die Natur dieser Lautgruppe wird nichts berichtet, doch
vermute ich, dafs beides alveolare Laute sind u.zw. der Nasal in
der Nr. 2 1 beschriebenen Weise mit unvollkommenem Verschlufs
zwischen Zunge und Alveolen gebildet wird. Bei einzelnen Wörtern,
wie den schon oben angeführten irima, jnedpär, genhicJüü, verin,
wozu auch färinä und serin mit wahrscheinlich jungem r (siehe
Nr. 15) zu zählen sind, ist der Wandel nach Pompiliü Conv. lit.
XX 1003 und Weig. Jb. IV 285 auch in benachbarte Gebiete ge-
drungen oder umgekehrt in ihnen noch erhalten.
Das hohe Alter dieser Erscheinung, die nach den Berichten
in raschem Schwinden begriffen ist, wird durch drei Handschriften
bezeugt, die zu den ältesten Denkmälern des rumänischen Schrift-
tums gehören, dem Codex Sturzanus, gröfstenteils reproduciert in
Hasd. Cuv. II, der in seinen uns hier interessierenden Teilen nach-
weislich um 1600 in Mähaciü, einem Dorfe südlich von Turda in
Siebenbürgen, also in der Gegend der heutigen Heimat des Rota-
cismus geschrieben wurde, dem Apostol von Vorone|, veröffentlicht
von Sbiera, Cernäu|i 1885, und dem Psalter von .'pchela, in Fac-
1 Die rumänischen Bergbewohner Siebenbürgens werden unterschieden
in Mocani, die vornehmlich Viehzucht treiben, und Mo^T, die sich mit Berg-
bau und Anfertigimg von Holzgeräten beschäftigen.
DER KONSONANTISMUS DES RUMÄNISCHEN. 495
simile herausgegeben von Bianu, Bucur. i88g, welch letztere offen-
bar aus derselben Zeit und Gegend, vielleicht sogar von derselben
Hand herrühren wie das erstgenannte Schriftwerk, i Von diesen
dreien setzt nun der Ap. Vor. aufser in aitiänatu, anu, ctmoscu,
vianie, putinu und dem enklitischen -7iä (nobis, nos), die stets mit
n erscheinen, in Erbwörtern durchwegs 117- oder r für intervokal «.
Sogar für m, diu steht vor vokalischem Anlaut inr ir, difir. Nur
U7t verliert in dieser Stellung den Anlaut völlig: tc omu, genau wohl
ü 077UI, wie ja auch in der heutigen Volkssprache (Nr. 30), In den
beiden andern Handschriften wechseln «, 7ir, r miteinander ab:
pune, punre, pia-e. Im Cod. Stu. begegnen wir einem aus pure kor-
rigierten/««^ (Cuv. II 456), was uns über das Verhältnis der Schreib-
weisen zu einander den besten Aufschlufs giebt: « war die allge-
meine, r (bzw. 7ir) die lokale Aussprache. Auch hier giebt es
einige Wörter, die den Wandel nicht mitgemacht haben. So fand
ich z. B. im Psalter anu^- ctmoscu^ -7jä nur mit ?;, ebenso das früh
aus dem Griech. eingeführte 77iä7ne, Vb. 77iä7iiä, alle in Ueberein-
stimmung mit Ap. Vor. und der heutigen Mundart. Allen drei
Denkmälern gemeinsam ist ferner, dafs sie Slavismen nie und natür-
lich noch weniger jüngere Entlehnungen an dem Lautwandel teil-
nehmen lassen. Selbst so volkstümliche Wörter wie clwm, g07ii\
hiclt'd7iu, hrdtiii, le7ii, meiil, porneiii, rdtiä, vhia, vomicu etc. kommen
nur in dieser Schreibung vor.-* Dafs die Mundart jetzt weiter geht,
haben wir oben gesehen.
Istrien zeigt ganz dieselben Verhältnisse wie das Motzische.
In heimischem Gute tritt r regelmäfsig, in fremdem fast nie ein:
bih; du77t!rekf, Ö77iir (= däme7ii), 7iidi-dtic etc., ferner ur vor Vokal,
im vor Kons.: ur 6m, tut löc, aber rc/«^, go7ij, sla7ti7ie, pmes etc.
Die Ausnahmen stimmen mit den bei den Motzen beobachteten
überein: dn, cu7iösc, wozu noch jdn^ = ged/ia hinzukommt, das ich
bei jenen nicht belegen kann. Letzteres dürfte auf *genna für
gena zurückgehen, worauf die Behandlung des Tonvokals hin-
deutet (Vocal. Nr. 28), sich also zu d/i annus stellen (penna ist im
Istrischen nicht erhalten, dafür per pllus). Von Lehnwörtern finde
ich bei Maior. mit r verzeiclmet mirtd nb. m?nid, das motzisch
nur 71 hat, pelir und S7nhili ra, letzteres nach Fr.-C. auch bei den
Motzen. Endlich ist auch die Zwischenstufe «r nicht ganz ver-
loren gegangen. Sie hat sich im Reflex von /« vor Vokal erhalten,
^ Die Ansicht der Herausgeber, dafs ihnen ein weit liöhcres Alter zu-
zuschreiben sei, ist durch nichts begründet.
2 Der art. Phiral hat häufig die Gestalt annü (ANN'ill), was wohl nicht
blofser Zufall ist.
^ Es darf wohl daran erinnert werden, dafs hier « auf gn beruht.
■* Demnach wären die dunkeln genüne 'Ocean' und leägan 'schaukle,
wiege' unter die vorslavischen Elemente des Rum. zu setzen. Denn sie
werden in den Handschriften mit nr, r gesclirieben : geroe (verschrieben für
gerure) Cod. Stu. Cuv. II 191, getirure, gerure Ap. Vor., 7ieleganrata das.,
leagare (Konj.) Psalt. 16, 5. Daher auch motzisch ledgar.
496 H. TIKTIN,
das sonst uji lautet: en ra se calle, en rä sä cassa Mikl. Slav. El. 58
= nordr. m a sa edle, rn a sa cdsä, är 0 ostarie 'in ein Wirtshaus',
är 0 bacv§ *in eine Bütte' Weig. Jb. I 136 u. 144 (aber an ostarie,
also r wohl nur vor dem Artikel), inre^itie INIaior., sonst reniye =
nordr. hiainte.
Es bedarf schliefslich wohl kaum der Erwähnung, dafs kon-
sonantisches i den Uebergang des 11 in r nur dann verhindert,
wenn Vokal folgt oder folgte, nicht aber, wenn es im Auslaut steht.
Also allgemein cüny cuneus, vinye vinea, aber bürl bi'ir boni, dämert
ömir homines.
Den merkwürdigen Lautwandel versucht Weig. Jb. III 211 zu
deuten. Er meint, n hätte den vorhergehenden Vokal nasaliert
und r sei „weiter nichts als der Rest eines im Nasalvokale ver-
schwindenden n, das schliefslich so leicht und kurz artikuliert wird,
dafs nur ein einziger Zungenschlag an den Alveolen ausgeführt
wird, und sich als solches in der jüngeren Generation weiter ent-
wickelt." Die Erklärung befriedigt mich nicht sonderlich, doch
führe ich sie an, weil ich selbst keine bessere zu bieten vermag.
26. Vor plenisonem i erfährt n keine Erweichung: juni{ti)cä
*junica für junicem, rmichiü renicülus, venire venire. Daher, von
den bald zu erörternten Konjugalionsformen abgesehen, auch vor
dem Auslaut-/, das ja einst silbig war und es vor Enclitica noch
heute ist: pirii, hüm, gevieni, riigaäünl, mit Art. piiii-i, pini-Ior,
riigäclüni-le, rugaciüni-lor. Eine auffallende Ausnahme bildet dial.
ä~i anni, mit Art. äi-i, äi-lor, das schon im Altrum. • häufig und
noch heute in der Moldau sehr verbreitet ist.
Wir kommen nun zu den Fällen von « vor z'-f- Vokal. Zu-
nächst seien die Reflexe von lat. ne erwähnt, das lautgesetzlich nu
ergeben sollte. Es ist aber "i gefallen in nee neco, inel anellus
etc. (Vocal. Nr. 21), n in mi'ti agnellus über *a?milelu, an das sich
Iälo?ni(a für *-Tnni(a aus slav. jälovnica anschliefst.
Im Uebrigen wird lat. (intervokales) n vor semisonem i stets
palatalisiert und fällt dann im Norden 2 mit Ausnahme des Banats.
Also eüiü cuneus, vie vinea, ban. mac. istr. cüny, vinye', Suffix -öiü
*-onius für -önem, Fem. -öde, ban. mac. -6ny{u), -odnye. Abweichend
strein striin extraneus, dessen Lautgestalt überhaupt schwierig ist;
es scheint Attraktion vorzuliegen.
^ Nicht schon in den altmotzischeu Denkmälern, die ja n vor i auch
dort bewahren, wo es sonst im Norden geschwunden, siehe weiter unten. Das
im Psalter von §cheTa einige Mal neben ani, anni vorkommende ann für dm
(ohne Artikel!) ist nicht, wie der Herausgeber thut, aii zu lesen, sondern für
aiUI verschrieben. Denn vor Volval wird nach der alten Orthographie, die
auch der Schreiber des Psalters streng beobachtet, nicht n, sondern 1 gesetzt.
Letzterer hätte also, wenn er aii meinte, a'ill geschrieben.
2 Dafs n in der Walachei noch gehört werde, wie Picot Doc. 17 be-
hauptet, beruht auf einem Mifsverständnis: tine, vhie (ban. fmye, vinye) re-
flektieren tenit, venit, ^ie, vie (ban. Hnä, vina) teneat, veniat. Picot wirft
beide Modi durcheinander.
DER KONSONANTISMUS DES RUMÄNISCHEN. 497
Von Verben kommen hier folgende nebst ihren Komposita in
Betracht: II. mmeä manere, timd tenerc, IV. veni venire, denen
sich III. pwie ponere anschliefst. Also i. Pers. Sg. Konj. m'i'iU, tim
(jetzt tili), ptiiü, viiü (jetzt viu)\ 3. Pers. Konj. sä mi e, ii'e, püe, vie.
Danach wurden dann Ger, und Verbaladj. gebildet: ?)iiind, tiind,
puind, viind, dieses neben dem organischen ventnd, das durch venim,
veni, venit etc. gehalten wurde; tiitöriü, puitöriü, vütörlü {jniiiöriü
ist ungebräuchlich). Dem Beispiele dieser Formen ist später auch
die 2. Pers. Sg. gefolgt: jni'l, til, piu, vii. Dem Präsens von mhüä
haben sich überdies die von mtnä minäre und amind 'aufschieben'
*admanäre (zu mane) oder adminäre angeglichen: miiil, mu, sa
mi e, amiiii, aviil, sä amf e, woneben aber auch die regelmäfsige
Flexion besteht.
In diese Verhältnisse, die uns im älteren Schrifttum ausschliefs-
lich entgegentreten, hat nun die Analogie weiterhin noch mannig-
fache Verwirrung gebracht. Nur die Walachei hält die alten Formen
bis heute fest. Dort, wo n vor i nicht fällt, also im Banat, in
Macedonien und Istrien, wird nach dem Schema der sogen, regel-
mäfsigen Verba konjugiert: mt'71, imnl, sä trii nä, imni nd, mtnätöriü.
Der Moldauer setzt wohl in der i. Pers. Sg. ebenfalls den reinen
Verbalstamm: min, (in, pi'in, vin, behält aber im Uebrigen die her-
gebrachten Formen bei: mil, sä tie, puind, vütörlü. Die neuere
Schriftsprache endlich perhorresciert im Allgemeinen die „unregel-
mäfsigen" Bildungen, läfst aber doch die 2. Pers. Sg. in der alten
Gestalt: nul etc., ebenso die isolierten tiitodre 'Maitresse',, viitör
'künftig, Zukunft'.
Schliefslich sei noch das Suffix -lör genannt, vor dem hei-
misches wie fremdes n im Nordr. schwindet: bätriiör, gälb'iör, eftiör,
rumeör von hätri'n, gdlben, eftin, rümen. Im Banat verharrt natür-
lich ny. gälbi?iy6r Weig. Jb. III 27g, gälbenyör 300. Aus dem Süden
sind mir keine Belege zur Hand.
Der Schwund des n ist im Norden früh vor sich gegangen.
Der einstige Lautstand spiegelt sich in den ältesten Schriftwerken
siebenbürgischer Herkunft wieder, wobei nya, nye, nyi, nyu durch
n'ia nea, nie ne, ni, nni dargestellt werden. Am zähesten hält die
Palia, Orästia (d, i. Broos) 1582, den Nasal fest, dann kommen
Ap. Vor. und Psalter von Schcia, während bei Coresi das palatali-
sierte 71 nur selten erhalten, im Cod. Stu. schon völlig verstummt
ist. Aus ersterem Texte ^ führe ich beispielsweise an intänlu, vinea,
pustinie = tnti'iü, via, pustie, ferner folgende Conjugationsformen:
I. Sg, Präs. spuniu; 3. Konj. sä punie, vinie, räminie -ne, spiine, (iiie,
also in der Schrift nicht immer von 3. Sg. Ind. geschieden; Ger.
punind, tittind, räminied (verdruckt für -nind) ; Verbaladj. {inetoflu,
vinetoriu. Das n der 2. Sg., das ja nicht vor /-f" Vokal stand, nahm
zunächst an der Erweichung nicht teil, weshalb es einerseits den
^ Die hier folgenden Beispiele gebe ich meist nach Cip. Aiuil. und
Princ. 143 f.
Zeitschr. f rom PhU. XXIV. ,2
498 H. TIKTIN,
Wandel zu nr, r (Nr. 25) mitmachen konnte: spunri k-^Nox., andrer-
seits sich noch lange hielt, nachdem das 71 der anderen Formen
geschwunden war: rUnimi Noul Test. Belgrad 1648.
Wir können demnach in der schriftrumänischen Flexion der
hier in Betracht kommenden Verba folgende vier Phasen unter-
scheiden:
I. Ende des 16. Jahrh.'s: piinyu^, pi'mi [pi'inri püri), pnne [pünre
pure) etc.; sä pt'mye\ punyind, pmiyetöriu.
II. Anfang des 17. Jahrh.'s: ptini, püni, pihic etc.; sä püe;
puind\ puitör7u.
III. Vom 17. bis zum 19. Jahrb.: piaü, piä, pi'me etc.; sä pue\
puind; puiiöriü.
IV. Ende des 19. Jahrh.'s: piin, pm, püne etc.; sä pi'mä; pü-
ni 7id\ pimäiör.
Auf der letzten Stufe ist 71 analogisch wiederhergestellt: pim,
sä pt'mä etc. nach dtk, sä di'icä etc. Ebenso sind in jenen INIund-
arten, welche 71 bewahren, püti, sä pi'mä etc. als analogische Neu-
bildungen zu erklären, die älteres pi'myu, sä pi'mye etc. verdrängten.2
27. Slavisches und magyarisches ny wird genau so behandelt
wie heimisches «?-|- Vokal: bäe, ban. bä7iye ksl. banja, tämi'e, ban.
iä7ni7iye aus *temany für slav. temjan = gr. ü-Vfiiafia, secn(7)ü
stcriü, ban. säcritiy magy. szekreny = lat. scrinium.
Was mit jüngerem ny geschieht, ist. Nr. 9 gelehrt worden.
28. Vor s ist 71 schon im Vlat. unter Dehnung des vorher-
gehenden Vokals gefallen: 7iiäsä, des, 77iüst)u aus *mesa, *desu,
*m5stro für mensa etc. In p7'ms prehensus, iilns tonsus etc. und
den danach gebildeten Zeiten [prinse, pri/isese) ist, wie {rä)mds
(re)mansus zeigt, der Nasal nicht ursprünglich, sondern aus den
anderen Flexionsformen wieder eingeführt, indem man nach dem
Muster 7-1 d rts, torc tÖ7's, 7}it'ilg 77iiils etc. auch pri7is zu prind bil-
dete. Der Macedonier sagt lautgerecht pres, ies, Perf. preäse, tedse,
bewahrt aber den Nasal im Perf. der Verba, die das Part, auf /
bilden: ascii77ise, pli'mse, agii'anse, Part, asci'mit, plt' mi, agnimt etc.
Nur 171 hält sich als Präfix wie als Präposition: msem7i, inseredzä,
mseiät etc., während umgekehrt co7t-, das schon in der Ursprache
den Nasal grofgenteils verloren hatte, ihn allgemein (zunächst wohl
vor s, f, v) aufgiebt: ctiscru, cufünd, cuv?'7tt, cutreTUur, cuce7'esc
(= conquiro) etc.
Der Vorgang wiederholt sich vor gedecktem j in den Sla-
vismen ^fVcz gasika, giscän *gasikanü, vf slä *v^slo (vgl. serb. vjeslo,
vjaslo) für veslo nb. gi7iscä, g/7iscd7i, vi'ns/ä; vgl. dagegen gmsdc
^ In den Formen der ersten zwei Phasen setze ich ira Auslaute i, u,
ohne jedoch damit in der Frage, ob die Laute noch plenison oder schon zu
i, ü gekürzt waren, eine Entscheidung treffen zu wollen.
^ Miklosich, der überhaupt die Neigung hat, den mundartlichen Erschei-
nungen ein höheres Alter zu vindicieren, als ihnen thatsächlich zukommt,
meint (Cons. I 61), es habe schon urrum. pünu neben pünyu bestanden. Ich
kann dieser Ansicht nicht beipflichten.
DER KONSONANTISMUS DES RUMÄNISCHEN. 499
*g[^sakü nur mit n. Doch ist wohl auch hier, wie in den folgenden
Fällen, die Wirkung des gutturalen Vokals mit in Anschlag zu
bringen.
2g. In den Gruppen ani, ?nl fällt der Nasal vor dem Tone
in pafldginä plantaglnem, dann in den oft bzw. stets proklitischen
ci't quantus, aif t eccu-tantus, cäirä contra. Das Mac. bietet c?' t
nb. nisci ntii näsc- nescio- quantus, für ati t tritt hier ahtfntu ahi iit
ahi i ein, cäträ lautet wie im Norden.
30. 71 ist gefallen in frt'ü frenum, gri'u granum und dem
dunkeln brt ü 'Gürtel', also in der Gruppe i nu, sowie in grai'/nt
'Korn' *granuciura.i Aber PI. fri'ne, gri'ne, brfne, ferner infrind,
grinete, hirnet, brinisör. Ob mac. fri nü, grf?ji/, brinü das n be-
wahrt haben oder aus dem PI. erschlossen sind, bleibt dahingestellt.
Dagegen sind umgekehrt neumold. PI. fne, gri'e, brfc, sowie t>i-
fruiä unzweifelhaft Neubildungen.
In Flexion und Ableitung von manus wird, dank dem Sg.
minii, der Nasal festgehalten: PI. altr. nu7i, artikuliert ml'mde,
mänii^ä 'Handschuh', vünusita 'Händchen'.
Schwund des 11 zwischen Vokalen zeigt ferner das proklitische
0 una, womit deutsch dial. e, a = ei7ie zu vergleichen. Derselben
Erscheinung begegnen wir in mold. pop. (und altmotzisch, siehe
Nr. 25) u für u7i unus vor Vokal: ti öi7i, wobei aber 71 eine nasale
Färbung beibehält.
31. Lat. 7ici, 7ix (d. i. 7ics) wird bald durch 771t, 771s bzw. 77ipt,
77ips, bald durch ;//, 71s wiedergegeben, wobei zweierlei in Frage
steht: erstens ob c hier, wie nach Vokal {ppt octo, coäpsä coxa),
zunächst zu p geworden und erst dann gefallen sei oder aber 7ict,
71CS wie in anderen Sprachen des mittleren Lautes verlustig ge-
gangen sei, das velar gebliebene 71 aber vor /, j ebenso Labialisierung
erfahren habe wie das homorgane c, in welchem Falle dann p in
mpt, 77ips nur Uebergangslaut wäre (Meyer-Lübke Gramm. I 393);
und zweitens ob von vornherein die Sprechungen 7ii{p)t, 7n{p)s und
7i/, 71S nebeneinander bestanden haben oder der Nasal sich erst
nachträglich dem Dental wieder angeglichen habe.
Die thatsächlichen Verhältnisse sind nun folgende. Im Norden
ist der Labial bis auf einige Spuren verschwunden: shi 771t 'eng'
*strinctus, das allgemein so lautet; frlmt *franctus Cor. Psalt. 33
Zeile 32, inßmit Caz. Gov. 1642 Gaster Chrest. I 99, frwise *franxit
nach Cip. Gram. I 91, sonst fri 771t etc.; endlich Sh7izie7ie (ban.
Shndziätye) nb. Shiziäie Sanctus Joannes. Aber 7171t 'Butter' unctus,
Slntilie Sanctus Elias, Shitrimäria Sancta Maria etc., und so die
sigmatischen Verbal formen: stri'ns slriTise, i'ms thise, siins slhise,
ajihis ajüiise etc. Das ;« ist dann auch in einige Fälle von ur-
sprünglichem 7it eingedrungen: allgemein simi sentio, ferner altr.
^ Mikl. verzeichnet aufserdcm Cons. I 68 chyiü pinus, das in tler Bulco-
wina leben soll, soust pin ckyln. Er diirlte falsch berichtet sein.
32*
5 00 H. TIKTIN, DER KONSONANTISMUS DES RUMÄNISCHEN.
häufig sfmt sunt nebst den daraus abgeleiteten simtem, si'mtep. für
sfnt etc., wofür Gaster Chrest. I, cxxvii zahlreiche Belege giebt.
Der Älacedonier hält an dem alten Laute viel treuer fest, was
seinen Grund augenscheinlich in dem Umstände hat, dafs in Mac.
die Participia auf / nicht, wie meist im Norden, durch sigmatische
ersetzt sind. Vor / ist aber, wie unter c gezeigt werden wird, die
Labialisierung des Gutturals Regel, vor s Ausnahme. Von Nomina
gehören hierher si'intu sanctus, sirfm{p)/ti 'eng', nm[p)tu 'Butter',
von Verben agl!'im[p)iu, str?'m[p)tu, Thn[p)iu, /rf7n[p)tu, plim[p)lu,
sih7i[p)tu, pim[p)tu (pictum), titn[p)tu (cinctum), Perf. agh'im{p)se etc.,
zu denen noch ascnm{p)iu (absconditus), -m{p)se hinzutrat. Aufser
in letzterem Beispiel steht ml für «/ noch in atihntea tunc-ce,
frf7n{p)te frontem, vmtu ventus. Dunkel sind alyümtrea 'anders',
su7}isdärä 'unter dem Arm' und ciüntinä 'aufhören'; letzteren beiden
entspricht im Norden suptiöärä supsudärä und co7itenL Neben den
Formen mit ;«(/>) bestehen z.T. auch solche mit «: aglimse, st7-inse,
viniu, aiimtea.
Aus Istrien kann ich nur sh-hif, ünl, plans belegen, von denen
aber das erstcre vielleicht it. stri7ito ist.
32. Vor 3, p tritt Labialisierung ein in limbä lingua, Si77ip~iäru
Sanctus Petrus (vgl. dagegen Sintilk, Sinväsüü, Shitcuiiarid), sowie
in den mit In zusammengesetzten Verben: wibiin, tmpi'pig etc. Auch
ausl. 71 wird in der Volkssprache angeglichen, wofür schon die alte
Litteratur zahlreiche Beispiele bietet: um pärinte Cod. Stu. (Hasd.
Cuv. II 82), dem pädure Psalt. Seh. 3, 5, V7i bätri7ie{e 70, 18 etc. Der
Gebildete spricht hier 71, setzt aber doch den Labial in Verbin-
dungen wie wiprej'i'i/', h7ipreima, tmpot/'ivä.
Vor y, V, 7)1 bleibt « als alveolarer Laut in der Nr. 2 1 be-
schriebenen Gestalt: mflorire, invät, ttimiii, oder wird durch ein in
ähnlicher Weise, also ohne vollkommenen Verschlufs gebildetes m
ersetzt, was wohl beim Volke allgemein geschieht und im älteren
Schrifttum bisweilen auch graphisch zum Ausdruck kommt {t/7ivät),
während die moderne Orthographie es bei ?}i- streng verpönt und
auch sonst nicht gern gestattet: i'mflu, mgmfdt, fÖ7if, weniger gut
ihnßu, highnfdl, f677if. In Lehnwörtern wird die fremde Schreibung
beibehalten, was aber an der Aussprache nichts ändert: simfonie
(frz.) oder sinfoTiie (it.), cdmfor (frz.) oder cdnfor (it.), ca7ivd, a7)ivö}i,
chi77ivdl, 7ti/7ifä etc.
33. Bei den Rumänen Albaniens gleicht sich 71 vorhergehen-
dem r an: a7T{clyu, asterru, cdrre, zd7-rä, ferner ^tu7Tuiedzu Kav.,
vä7'7-ii Dan. = nordr. rhiichiü, asler7i, cdrne, ld7-7ia, sidr7iüt, vre-tm',
mit einfachem r: gärit Kav. Dan. *granlcium (= nordr. grdi'mt).
Daneben finden sich in den nämlichen Quellen Formen mit rn:
cd7-7ie Kav. Dan., corTiu Kav.
34. Im Auslaut fällt lat, 71: hme, Tiihiie. Nur iti bewahrt es,
wie leicht erklärlich.
(Fortsetzung folgt.)
H. TlKTIN.
Studi d' antico napoletano.
I. L' infinite coniugato.
Che r infinite possa, in certe speciali condizioni, diventar
suscettibile di un intero sistema flessionale, e ben noto per 1' esem-
pio del portoghese: ma ne 1' uso vivente di altre favelle romanze
ne la notizia storica che ne abbiamo offrono riscontro a quella
singulare eccezione della comune norma romanza. Tuttavia chi
vada sfogliando le carte del quattrocento napoletano avrä occa-
sione d' imbattersi quasi ad ogni passo in alcune forme note-
volissime, le quali mostrano una fiessione embrionale non pure
deir infinito, ma anche del participio e del gerundio. Su quest' ar-
gomento Vittorio Imbriani lesse il 24 maggio 1885 una memoria
all' Accademia Reale di Napoli; memoria che ho ricercata invano
negli atti e nei rendiconti accademici, e che forse non vide altri-
menti la luce. Un cenno fugace ne fecero per caso il D' Ovidio
e il De Lollisi; ma la stranezza e la novitä di quest' apparizione,
rimasta ignota perfino alla gramraatica romanza del Meyer -Lübke,
mi parvero meritare uno studio che ne rischiarasse alquanto la
genesi e la durata.
Adunque, 1' infinito, il gerundio, il participio presente possono
— quando il soggetto della proposizione sia di numero plurale — -
assumere una desinenza personale, -mo o -no secondo che si rife-
riscano alla prima o alla terza persona. Possono, non debbono:
che anzi la coniugazione, anche in quei testi ove piü abbonda, e
ben lungi dall' estendersi a tutti i casi in cui potrcmmo aspet-
tarcela.
A queste due persone se ne potrebbe aggiungere un' altra,
di cui non ho trovato che un solo esempio, per 1' infinito, e questo
in Loise de Rosa 2; un essere che prende per desinenza il pro-
nome enclitico -vo i^vd) il quäle nella fiessione di alcuni tempi
' II primo nel libro Le correzioni ai Promessi sposi e P unitä della
lingua, Napoli, 1893, pag. 173; il secondo nel glossario della sua edizione
di alcune novelle deltuppiane.
2 Loise de Rosa e di gran lunga il piü popolare fra <^li scrittori del
quattrocento napoletano; i suoi scritti, bizzarra compilazione piena di leggende
storiche e di vanitä autobiogralica, sono tuttora in buona parte inediti. Sul suo
dialetto lio gii pronlo uno studio, che farä parte d' un volume intorno a La
lingua letteraria napoletana del 1400.
502 PAOLO SAVJ- LOPEZ,
serviva c scrvc a distinguere la seconda persona plurale dalla se-
conda singolare: „tiitty andate per boccha de spata esserove tagliate
per ly pieccze".
Ecco del resto alcuni esempi, spigolati in vari scrittori del
periodo aragonese, che comprendono tutte le varietä del fenomeno.
I pers. pl. — Del Tuppo, nella lettera che precede 1' ed. della
Divina Commediai: „tenemo, secundo la santa fe catholica, esse-
remo stati non homicidi li occidituri, ante vendicature . . .". Qui
dovrebb' essere invece la 3^ pers. pl. essereno; ma 1' analogia di
ienet?io ha trascinato 1' infinite ; se pure non e un semplice errore
di scrittura o di stampa.
De ]\Iajo, nel trattato De Majestäte, pag. 10 versoS; „Dirimo
aduncha quanti e quali sono li offitii e le onorate parte di questa
magnanima maiestate, per posseremo contemplare . , .".
Id., pag. 24 verso: „la durecza de la cruda morte . . . non de-
vemo timere, essendomo in tale abito adusati".
II De Rosa ha solamente poUremo.
III pers. pl. — Del Tuppo, fab. XXX dell' Esopo: „et era a
loro necessario donare la terra a lo inimico, et de po loro esse-
reno tucti morte". Altre volte essertto, eserno.
De Majo, op. cit, pag. 2orecto: „Con loro eserciti oscerono a
la campagna ad fareno di se 1' ultima prova.
De lennaro, a pag. 2)^ de' Rimatori napoletaiii del Mandalari^:
Quisti danno sta provenda
Per potereno cavalcare.
De IMajo, pag. 42 recto; „essendo lo animo d' infinite laude piü
digno del corpo, et de lo animo essendone sole le virtute ....
Inoltre, esseiidono, avendono, ecc. Similmente si puö trovare pel
participio specianteno, timenteno, ecc.
Assai piü organica e complessa e, come ognun vede, la fles-
sione portoghese, sebbene sia limitata all' infinito. In essa 1' in-
finito in -ar, -er, -ir, per la sua affinita con la prima e la terza
persona singolare del futuro congiuntivo [amar, ceder, partir) con-
tiriua ad accordarsi con questo anche nelle altre persone, assumen-
done costantemente le desinenze; cosi che amar, infinito, puö
essere secondo i casi a?nares, amarmos, amar des, amarem; e cosi via.
Una spinta analogica produsse anche il fenomeno nel napo-
letano; ma invece di seguire un modello particolare, si prcsero
senz' altro le desinenze -mo, -vo, -no che servivano comunemente
a formare le persone plurali; non altrimenti il pronome toscano egli
s' era aggiunta una desinenza verbale facendosi eglmo. Quest' alte-
razione analogica non s' estese anche al singolare, perche qui il
1 Questa lettera fu ripubblicata recentemente da G. Persico Cavalcanti
nella Rivista delle Biblioteche, Gennaio 1898.
2 Questa trattato di un retore quattrocentesco si conserva, inedito, nella
Nazionale di Napoli.
3 Rimatori napoletani del '400, Caserta 1885.
STUDI D' ANTICO NAPOLETANO. 503
dialetto confondeva quasi sempre la desinenza personale nel co-
mune 3 che raccoglieva le antiche vocali. Una volta sola trovo
nel De Rosa un esse7-e trascinato suU' analogia non verbale ma
nominale ad essera: „eo de so multo contenta essera amata"; che
fra due voci desinenti in -a puo credersi 1' effetto d' un involon-
tario scorso di penna.
Anche il Sannazaro, ne' tersi sdruccioli della sua Arcadia con-
discese alcuna volta all' usanza comüne:
Sovra un grand' olmo iersera, e solitario,
Due tortorelle vidi il nido farnosi;
Ed a me solo e il ciel tanto contrario.
Quand' io le vidi oime si amiche starnosi,
Se respirai non so: ma il duol si avvinsemi,
Ch' appena in terra i pie potean fermarnosi.
{Are, egl. VIII, v. 48.)
E nel '500 troviamo ancora le ultime tracce dell' infinito coniugato
nel Candelaio di Giordano Bruno '. Ma d' altronde va ricordato
che nel secolo XIV 1' infinito il participio il gerundio non ancora
piegavano sotto il giogo della flessione; e se qualche esempio se
ne trova nella Cronaca di Partenope manoscritta'^, questo codice e
del secolo successivo, contemporaneo quasi della stampa, in cui
la flessione e largamente rappresentata 3. Fu dunque un' appari-
zione durata poco piü d' un secolo, svoltasi al tempo in cui nella
lingua s' incrociavano tante opposte tendenze senza che ancor ne
risultasse fissato un tipo costante. E come si trovano voci strana-
mente semidotte, che certo nessuno ha pronunziato mai; come le
forme letterarie si sovrappongono alle popolari in un connubio che
certo non usci mai dalla scrittura, cosi la coniugazione dell' in-
finito sorse e si affermö letterariamente^, magari con 1' ingenna
pretesa di migliorar la natura, accordando 1' infinito col soggetto.
Ed e naturale che una volta consacrate queste forme, acquistassero
un' autorita tradizionale, e s' insinuassero anche in qualche scrittore
piü consapevole. Ma poicho vissero d' una vita breve e, direi,
sporadica, senza riscontro nei dialetti affini, ignote al piü antico
napoletano non meno che all' uso presente, bisogna indubbia-
mente scorgervi un segno di spropositata coerenza grammaticale,
che non ebbe le sue radici nella parlata popolare.
*
Non ho accennato, in queste note, alla particolarita dell' in-
finito veglioto d' unirsi con la particella -me: zerme 'andare', seii-
1 Atto II, scena IV: ,,avendono dunque ad andar a Roma . . .".
2 In un codice della Nazionale di Napoli, con la segnatura XIV D. 7.
La cronaca fu compilata sul linire del secolo decimoquarto.
^ Questa prima stampa vide la luce sul declinar del quattrocento ; ma
h priva di data, e si argomenta posteriore al 1476, menlre il codice citato e
del 1471.
•* Tanto vero, che abbonda nelle scritture relativamcnte piü colte, come
quelle di Del Tuppo e De Majo, e scarseggia invece in Loise De Rosa.
504 PAOLO SAVJ- LOPEZ,
iirme 'sentire', öngarme 'ungere' ecc. (v. Ascoli, Ar eh. I, 440), senza
che ne derivi alcuna modificazione del significato. AI -me puö
aggiungersi ancora -se: espojarmese, come osservö 1' Ive nel suo
studio sul dialetto veglioto 1. ]Ma queste enclitiche non hanno alcun
valore flessionale; piuttosto il -yne ricordö all' Ascoli „l' elemento
ch' e un singolar modo prepostö e suffisso negli infiniti albanesi
di dialetto ghego".
II. -ez e.
Studiando uno de' piü antichi testi di poesia abruzzese — la
leggenda di tanta Caterina verseggiata nel secolo XIV da Buccio
di Ranallo — il Mussafia^ s' imbatte in alcuni vocaboli, che sem-
brano continuare il suffisso latino -itia con la riduzione -eze; ri-
duzione che si rivela a tutta prima singulare per lo scadimento
della vocal finale. E se il plurale di questi vocaboli fosse modellato
sul paradigma della I decl. fem,, si che al sing, -eze rispondesse
un plurale anche in -e, V acuto indagatore della 'Katharinenlegende'
avrebbe creduto ad un semplice scadimento, ad una 'Abschwächung'
di -a nel singolare; ma il plurale suona -i'zi, cosi che siamo invece
nello Schema flessionale della III decl. feminile. «Annahme einer
Endung -ities, egli scrive, scheint gewagt. Einflufs des Hiatus -i
auf -a (in welchem Falle Plur.-/ durch Analogie aus dem secundär,
Sing.-^ zu erklären wäre) zeigt sich auf unserem Gebiete nirgends».
Queste le parole del Mussafia; il quäle non disponeva allora se
non di quei pochi esempi del suo testo, poiche nel Regimen Sani-
iatis napoletano ch' egli stesso studio profondamente^, non e traccia
di tali forme, che si potevano credere straniere al napoletano pro-
priamente detto.
Ma fra le peculiaritä onde 1' uso piü o meno letterario
deir antico abruzzese si distingue da quello dell' antico napoletano,
non va compresa codesta di -eze. Giä ne' BagTii di Pozzuoli, una
scrittura che anc.he rimonta al secolo XIV 4, se ne trovano alcuni
esempi. Nei versi
Chillo che chesta bagnora — spisso frequenterae,
De magre9e sua cöthena — illo no temerae
(v. 67-8)
e appunto notevole — oltre quella bella formazione neutrale cosi
comune ne' nostri dialetti — il magrere, cui nel medesimo testo fanno
buona compagnia le voci gravege, scorege tutte al singolare, che
italianamente sarebbero 'magrezza', 'gravezza', scurezza'. A queste
fanno riscontro voci sorelle col suffisso piü comune -eca: inagrega,
letega, sordcga^.
1 V. Arch. glottoL, IX, 161 e segg.
2 Sitzungsber. der Wiener Akadetnie, CX, 1884: Zur Katharinenlegende.
3 Eiti nlt-neapoLitanisches Regimen Satiitatis, ibid., CVI, 1883.
* / Bngni di Pozzuoli, poemetto napolitano del sec. XIV, pubbl. da
Erasmo Percopo, Napoli, Furchheiin 1887.
s Cfr. i vv. 137, 425, 369, 56, 585, 298.
STÜDI D ANTICO NAPOLETANO. 505
In un codice quattrocentesco della Cronaca di Partenope, com-
pilazione di varie scritture storiche del '300 1, si legge fin da' primi
capitoli 'Az largeze, soa grande reccheze, de loticheze\ accanto allo
spagnolesco yör/^/Z^Zö, a recheza, largeza. Un plurale: prodizi. Come
si vede, e fra le due forme una continua oscillazione; la quäle si
rivela ancora, ma con grande prevolenza della finale -a, pl. -e,
nella prima stampa della Cronaca, pubblicata a Napoli in sul finire
del secolo XV, dove noto 11 pl. richizi: „el quäle doto et arricchi
de grande richtzi^\ ed il probabile singulare nella fräse: „aveno
gran conlenteze^^ II codice che ho citato, sebbene sia, come fu
osservato, quasi contemporaneo della stampa, riproduce assai meglio
di questa la redazione antica, e nessuna meraviglia e che vi sieno
piü abbondanti le forme anomale.
Ma ancora in opere originali del '400 non manca un po' di
messe da spigolare. Loise de Rosa ci presenta insieme co' nomi
in -eccza \-eza\, reliquie tardive come la parenteccze, la allegreccze,
una forleccze, la largeccze, domcsiecheccze. 11 Codice Aragonese pub-
blicato dal Trinchera^ ci dci: essere in alcuna umhreze [altra volta
umbrezä = sdegno]; ?ion habia mala conteiiieccze; simo certi averrite
havuta cerieze; alcime parole iri graveze del honore suo. E cosi altre
scritture 3. S' intende che oltre a queste cui son venuto accennando,
in ogni antico testo si hanno le consuete formazioni semidotte con
-icia, -Uta, -iza, delle quali e inutile discorrere. Ma per quanto
riguarda -eze, si tratta adunque di apparizioni sporadiche, giä va-
cillanti nel secolo XIV, conservate qua e lä in testi piii limpida-
mente dialettali del secolo successivo, destinate a soccombere nel
prevalere dell' altro suffisso; e se negli scrittori troviamo ancora,
per esempio, un richize al plurale, c dubbio se sia da scorgervi
uno scadimento della vocal finale dell' antico richizi, di cui ripar-
lererao, oppure un plurale semidotto in cui la conservazione dell' i
sia dovuta a semplice affettazione latineggiante anzi che ad 'Um-
laut' come in richizi. Ma non latineggia probabilmente il De
Rosa, quando scrive accanto al sing, largeccze il pl. largiccze, e cosi
sey für Herze; ma anche pl. le capeccze.
Quando il Mussafia espresse il dubbio, che nella vocal finale
del suffisso -eze avesse influito il trovarsi -i- in iato innanzi ad
essa, avverti egli medesimo che un siraile fenomeno sarebbe nel
nostro domin io affatto nuovo; e ognun vede che se si trattasso
d' una Vera o propria legge fonica, assai men limitata c piü co-
stante ne sarebbe 1' applicazione. Che si trattasse invece di' un
semplice indebolimento di -a, non parve al Mussafia possibilc,
avendo riguardo al pl. -izi, che si allontana, come avvcrtiramo,
^ V. piü sopra. Su questa cronaca cfr. Capasso, Fonti della storia delle
prov. napol., in Archivio storico napoletano, I, 592 e segfj.
^ Napoli, 1886 — 74. Sono Icttere della corte aragonese, fra cui molte
scritte dal Pontano.
^ Ter esempio: la mia giovineccze, a pag. 162 dei Rimatori 7iapol., ed.
citata.
506 PAOLO SAVJ- LOPEZ,
dalla prima declinazione: del resto si puo aggiungere che per il
napoletano codesto indebolimento non par molto verosimile, ne
so di quali prove potrebbe giovarsi ^
INIessa cosi la qucstione, una cosa resta a vedere : se vera-
raente non abbiarao in -ese una reliquia del suffisso -ities. Certo
che in un dialetto itaUano il sospetto puö sembrare, come sembro
al Mussafia, azzardato; ma questa continuazione — o almeno pro-
babile continuazione — di -ities non sarebbe isolata in terreno
romanzo, ed avrebbe appunto riscontro in quei linguaggi della
penisola iberica, che per tanti rispetti s' accordano col sistema
fonico napoletano: il portoghese e lo spagnuolo continuano paral-
lelamente -itia ed -ities. Per un genovese -t'^e da -ities, cfr.
Parodi, Shidi liguri, in Arch. gloli. it., XIV, io8. Puo parere strano
tuttavia, che nei testi napoletani lo stesso nome si presenti talora
col duplice esito suffissale -eze, -eza\ com' e, ad esempio, il caso di
largeze, largeza nel codice della Cronaca di Partenope, e di umbreze,
nmbreza nel Codice Aragonese. Da questa duplicitä qualcuno potrebbe
essere indotto a non credere genuina la prima forma: ma si osservi
che quanto piü si risale lontano nel tempo, tanto piü ricco si trova
r uso di -eze, si che dai testi del '300 in giü e una continua e
lenta diminuzione — come fu gia ricordato — e si avrä cosi la
prova della sua esistenza reale, non dovuta certo all' errore di un
copista. Forse fu, un tempo, assai piü diffuso di quel che a noi
ora si riveli: ma poi venne man mano soggiogato dalle correnti
italianeggianti e latineggianti che imponevano concordi -a finale.
Anche latineggianti, dico: perche nel latino comune, nel latino
corrente delle scritture, il suffisso -ities continuato volgarmente
dal nostro -eze era gia stato sostituito dal piü comune -itia; e
chi avesse dovuto, scrivendo in latino, scegliere fra nequitia e
nequities, non avrebbe esitato un istante. E naturale ehe un
1 A questo proposito giova ricordare due voci die hanno al singulare
-e finale per -a italiano; entrambe per ragioni che dirö morfologiche, piu che
fonetiche. La prima, comune a tutti gli scrittori dell' antico napoletano, e
mogliere (ital. mogliera). In tal modo, evidentemente, si continua inalterato
1' obliquo latino mulier e-; ma perche questa voce non ha seguito 1' analogia
dei nomi in -a della I declinazione? Credo che la causa vada ricercata
nell' apparente somiglianza di muliere- con le parole che rendevano -arius
mediante la risoluzione — non indigena — in -iere. Data questa confusione,
non sarebbero potuti sussistere insieme il dittongo -ie- e la finale -a: perche
da -arius si aveva bensi -iere, ma da -aria, invere, -era; nap, mod. ca?»,-
)nariere, cammarera,
L' altra voce con -e presenta maggiori difficoltä. II de Rosa ha ripe-
tute volle al singolare lettere (una lettere, la lettere, chesta letterc; abbastanza
spesso da escludere un errore casuale di scrittura. II plurale e littere. Come
spiegare -e finale del singolare? Cho sia derivato in via semidotta dal latino
litterae, che, sebbene in altro senso, era tanto piü comune del singolare?
Littere plurale gotrebbe essere latinismo crudo; ma il trovar sempre nel popu-
larissimo de Rosa -e- nel singolare, -/- nel plurale, accenna piuttosto ad
'Umlaut' per -i finale. Sarebbe, dal sing, lettere, il pl. litter i, come dal sing.
raione il pl. raiuni (raiuna).
STUDI u' ANTICO NAPOLETANO. 507
tal contrasto determinasse 1' oscillazione che ci appare dalle antiche
carte napoletane,
Lo scorgere in -eze un diretto rappresentante popolare della
quinta declinazione, e confortato da una prova di molto valore.
In un luogo della sua cronaca Loise De Rosa scrive: „lo tradi-
miento ey chisto, volere sadesfare lo vostro appetito con vergon-
gnia dela facczie mia"; ed altrove: „quando messer Odo fo ale
porte delo mercato, le foro serrate in facczie". Faze, sempre sin-
gulare, ha Del Tuppo. Anche in questa voce riccamente con-
fermata da' vari codici del tempo piü popolari, e un legittimo
avanzo della V declinazione, e — cosa singulare — anche qui il
napoletano s' accorda con lo spagnuolo [-^az'] ed il portoghese
[face] 2.
Confesso anzi che m' e venuto per un momento il dubbio,
che per noi quella parola non fosse altro che uno spagnolismo.
Ma se a prima vista la grafia cz o z non sembra corrispondere
alla moderna pronunzia, anche dialettale, di facYa, va ricordato
che tutti gli antichi testi roeridionali hanno prima g, e poi cz o z
per ^'-j-voc. ; e non solo i meridionali, Tutto sta poi ad inten-
dersi sul valore di questa grafia, che molto probabilmente fu, a
seconda de' casi, sibilante o palatile. Ma a rimuovere ogni dubbio
d' influsso spagnuolo interviene 1' autoritä dei Bagni di Pozzuoli,
scritti in un tempo in cui ancora tacevano per noi le voci d' oltre-
mare. Per un solo faga (v. 35Ö), abbiamo fage (v. 115 e 587),
fagie (v. \\b\ fagie e faccze nella prosa^. Non era propria neces-
saria 1' opera degli spagnuoli! e possiamo sicuramente mettere
questa parola accanto al nostro remoto -eze. II quäle era ancor
tanto distinto da -itia e da' suoi continuatori, che pote avere una
flessione propria: i nomi con quello formati vennero ad imbran-
carsi nella gran famiglia de' feminili in -e, che prendono -/ nel
purale; e la tonica -T- di -ities, mutata in / regolarmente nel
singolare, subi al plurale 1' azione metafonetica della desinenza ~i.
Nei testi meridionali, fin da' piü antichi, il plurale feminile ed
anche maschile della III decl. ha molto piü spesso la desinenza -e
che non quella -/, cosi che verrebbe il sospetto d' una continua-
zione regolare di -es latino, se non fossero i mutamenti della
tonica: lege, pl. lige; paretite, parieiile; raiojie, raiiaie. Invece -izi
e conservato abbastanza fedelmente, tanto che -ize sembra piuttosto
un latinismo rispondente al singolare semidotto ~iza; quando pero
non si trovi in uno scrittore generalmente immune — come Loise
de Rosa — dall' influsso perturbatore della latinitä.
1 Lo spagnuolo h;i la rorina con -a nella preposizionc hdcia e ucll' ita-
lianismo facha.
2 Una sola volla trovo nel de Rosa -v.: facczia.
3 Ed. cit.
Paolo Savj- Lopez.
Zu Friedwagners Ausgabe des Meraugis
V. 300 — 2000.
Ueber die Bedeutung von Friedwagners sorgfältiger Ausgabe
des Meraugis habe ich mich im Archiv für neuere Sprachen ge-
äufsert (103, 403 flf.). Aus Mangel an Raum konnte ich dort nicht
alles geben, was ich zu sagen willens war, und lasse daher hier
die Besprechung von V. 300 — 2000 folgen. Sie ist etwas umfang-
reich ausgefallen. Es schadet, denk' ich, nichts. Kommt es doch
leider so gut wie nie vor, dafs von den Jüngeren einer das Wort
ergreift, um philologische Bemerkungen zu altfranzösischen Texten
zu machen.
303. Que mout fu bons mit T, da W abweicht.
311. en, das in TW nicht steht, ist nicht notwendig.
313. A conter en la verite ist wegen der Stellung des Für-
worts bemerkenswert, s. Tobler Verm. Beitr. II 83.
314. Beachte fürs Altfranzösische repeler in W, ebenso 858;
beide Stellen hat schon Littre.
316. Si mit T, da W abweicht. — par non ,mit Namen'
s. zu 122,
318. Taulas, un chevalier . . . Vemporta (vgl. dagegen 349/50).
Da im Meraugis gar nicht selten der Öbliquus anzutreffen ist, wo
man den Nominativ erwartet, so darf man das auch hier annehmen.
320. Car mit T.
322. Setze Komma vor qui.
326. Si Ven porierent tuit garant Por fere a li sott du estable
bereitet für das Verständnis Schwierigkeit. Der Hg. versteht son
dit als ,sein ihr gegebenes Wort', was ich nicht für richtig halte.
Ich möchte son auf li plus (320) beziehen. Taulas trägt den Preis
davon; denn die Mehrzahl stimmte ihm zu ,und alle leisteten ihr
(der Dame) dafür Bürgschaft, um ihr, der Dame, die Entscheidung
der INIehrzahl {son dii) zu einer dauerhaften, sicheren zu machen'.
Doch bin ich mir nicht sicher.
328. contrariahle mit T (?), wenn es heifst ,würdig, dafs man
sie streitig macht'. Von Flüchtigkeit des Dichters zu reden, liegt
keine Veranlassung vor.
330. (Alle hielten sich) a son acort. Geht son wiederum auf
li plusl ,alle hielten sich an die Vereinbarung der Mehrzahl'.
zu FRIEDWAGNEKS AUSGABE DES MERAUGIS. 509
331. Da die Hss. alle abweichen, wird die gemeinsame Vor-
lage schon nicht in Ordnung gewesen sein, wie öfter. Vielleicht
hatte diese das von T Gebotene Qiiü ont jiigie sor lui le mis, was
dann V und W andrerseits zu ihrer Aenderung veranlafst hat. Der
Fehler steckt aber vielleicht in mis, wofür pn's auch paläographisch
nahe liegt, ,denn sie haben ihm den Preis zuerkannt'. Zur Kon-
struktion vgl. La rereguarde avez sur mei jugiet RoI. 754 und sonst.
2i2>^. conseil mit T. Die Freunde rieten zu dieser Ent-
scheidung.
334- Et (T) kann zur Not bleiben, wenn auch Car besser ist.
Der 334/5 zum Ausdruck gelangte Gedanke war schon 321/2 aus-
gesprochen worden.
339. Der Plural richeces in T kann bleiben.
342. NU oi Chevalier . . . C/n tresiot sol vgl. 1329 f.
353- Q^^ mout Famoit et celui lui. Also celui in Funktion des
Nominativs, was man anerkennen müfste, wenn es handschriftlich
gesichert wäre. Da es aber nur in V steht, W abweicht und T
il eil hat, so wird man icil in den Text setzen dürfen.
356. celel 1. 7mle mit T.
358. En genz qui rieiis iie s'entrefussent ,in Leuten, die gar
nicht mit einander verwandt gewesen wären' — nicht richtig im
Glossar gedeutet, ,in Beziehung zu einander stehen' — erwähne
ich darum, weil ich diese Stelle zu Auberee 432 (Ende) früher
falsch verstanden hatte, worauf mich Tobler mündlich aufmerksam
machte, vgl. zur Wendung auch Foerster zu Aiol 5201.
360. Mit T.
362. (Die beiden Freunde liebten sich so) Que tuit lor gaain
et lor pertes Et lor chatel ereilt tot un. tuit und gaain stehen in
keiner Hs. V hat den Singular toz lor gaainz, wozu der Hg. be-
merkt, dafs man neben dem Plural pertes , logischer Weise' den
Plural erwarte. Allein einmal mufs ich .logischer Weise' bean-
standen. Um das, was die Logik verlangt, kümmert sich die
Sprache, wie wir immer mehr einsehen lernen, in vielen Fällen
überhaupt nicht. Zudem ist es Thatsache und durch Beispiele zu
erhärten, dafs die alte Sprache unbedenklich Singular und Plural
von Abstrakten paart: Ne ja a mo7i linage ne sera reprove Vojt i
truisse boisdie ne lasqueies Aiol 310, wozu der Hg. bemerkt, der
Plural sei neben dem Singular unpassend. Zu ändern halte ich
nicht für richtig. Vame se habandonne A felonnie et (der Druck hat it)
a viltes Ov. mor. 73; vgl. nel cerchio secondo s'atmida Ipocrisia, lusinghe
e Chi affattura, Falsitä, ladroneccio e simonia, Ruffian, baratti (was
ich nicht = barattiere fasse, wie Blanc im Wb. thut) e siinile lor-
dura Dante Inf. XI 57. Wechsel im Numerus bei Konkreten, in
Saragosa . . . ovom si lanza A spade e lariza in terra 0 mare Giac. d.
Lent. Monaci Cr. 51, 36. So würde ich, wenn nur V vorhanden
oder diese Hs. die beste wäre, unbedenklich mit ihr lesen. Da
aber T (ohne tuit) lor gaignes (d. i. gaaignes) et lor pertes hat und
dieses durch W {gaaignes) bestätigt wird, so ist gaaigries einzu-
5IO GEORG ERELING,
setzen. Das weibliche Verbalsubstantiv führt Burguy an, braucht
noch Marot, s. Littrc unter gain, ital. guadai^na belegen Tommaseo-
Bellini mit zwei Stellen, vgl. barate neben barat Clig. 4446/7.
363 1. estoit statt erent mit TW. — In iot un sieht der Hg.
einen Plural. Aber dann müfste doch nach alter Syntax iuii stehen.
Es ist Neutrum, ,war alles eins', vgl. sa valor et sa beauU Est tot .1.
(in V) 94S; je te renvi Au gieii ou nos metron chascun Toi contre
tot, tot iert a un 4586; Met tot a un giebt Burguy II 179 aus Benoit;
Vestuz se fu d'un burel gris, Coie, et sorcot, et chape ensamhie, Qui
tout fu d'nn, si com inoi samble Boivin MR. V 52; Du relief demoura,
bien le puis tesmoingnier, Douse corbeüles plat'nes en un vaurrent laissier
Bast. 2491; Ne leur en dites nule escole, Ne un ne el, tie ce ne cot
Chbarisel 496; noch heute c^est tout un. Die neutrale Verwendung
ist auch italienisch nicht selten: et il dir le parole e Vaprirsi e '/
dar del ciotto nel calcagno a Calandrino fti tutto imo Bocc. Dec. VIII 3.
F. II 206; E viesso il grano nella tramoggia, e cominciato a niaci-
nare, e Nutino postosi a sedere appresso, fu tutt' uno Sacchetti No-
velle CXCIX 1 84. So noch immer abbandona7idosi su di una scranna
alla sponda del letto, si raccolse nella preghiera, 0 nella meditazione, che
forse h tuti' uno Barrili Val d' Olivi 269 (daneben oft tutt'' una).
Spanisch, y el decir esto y el darle con la punta del cuchillo los lomos
de un conejo fiambre, todo fue uno Cervantes Don Quij. I 50 (S. 358
Baudry). Katalanisch, Veurela y ferse 7 propösit de possehirla tot
fou hu Pin y Soler Jaume 58. • — in uno: . . . si gettava con le braccia
al collo di Fausto, singhiozzando: — Faiisto, Fausto, come f amol
Amami, Fausto l — dichiarazione, grido di soccorso e preghiera dispe-
rata in uno Capuana Fausto Bragia 15; s. fürs Deutsche Grimm
Gram. IV 1255, Nachträge zu IV 122 (Neudruck), wo ich zu meiner
Freude das spanische und ein italienisches wiederfinde.
364. Zu chasctm Esgardent vgl. die einleitende Bemerkung im
Archiv 103, 411.
369. Da l''a7na in VT steht, so würde ich es belassen. Der
Tempuswechsel stört mich nicht.
370. de tote la loiaute. Die Uebereinstimmung von sa statt la
in TW beweist schon darum nichts für eine Gruppe, weil W in
den folgenden Versen abweicht.
372. An sich ist die Wortstellung in V nicht auffällig, wie
der Hg. meint. Spät nachgebrachtes Subjekt ist zu Auberee 84
wiederholt belegt, vgl. in unserm Texte noch 3200, 4203, 5563,
ferner Anmi la cort au vavassor, Cui Deus doint et joie et enor Tant
com il fist moi cele tiuit, Pandoit une table Chlyon 211; A Guinesores
sanz redot Furent au los et a Votroi Mon seignor Gauvain et le roi
Le jor feiles les esposailles Clig. 2350. So auch provenzalisch,
Mas son cor gasta e cofon E son sen met en nonchaler Dotia que
cuia pretz aver Aman RVidal So fo 817; fa mais no cug ques desen-
crim, Quar trop s^a levat pejor crim Que'l de Ca'im, om qui l'amor
Del ric senhor De Toloz'era's tuelha GMontanhagol 3, 25. Italienisch,
Fannomi 7ioja e pesanza Di voi, 7nia vita piagie7iie. Per t7ia7itenere loro
zu FRIEDWAGNERS AUSGABE DES MERAUGIS. 5 1 I
usanza La nojosa e falsa gienie Odo Collonne Monaci Crest. S.76, '^t^.
So noch bei Rosini, Col duhbio che la Superwra spiasse i suoi movi-
menti, coW imrnagine de IIa morte che st aggirava colla sua falce in-
torno ai recinti del convenio, bassi ed immobüi teneva gli occhi Geltrude
Monaca di Monza I 13 (Le Monnier).
Mit Zugrundelegung von T könnte man, wenn cors : amors 122"]
richtig ist, lesen Ainie ses cuers d'ainors son cors oder noch besser
Atme ses cuers d^ amors a cors , liebt sein Herz sogleich wahrhaftig';
a cors begegnet so 431.
376. Car mit T.
378. por li'\ Aber auch hii in TW läfst sich halten, indem
es auf esper vier geht.
381, Oest la plus gente, com (mit T) devis.
384. Tant plus . . . et plus mit T, da jede Hs. für sich steht.
Zwei Beispiele gleicher Art findet man bei Tobler Verm. Beitr. II 54,
wenn auch die Zergliederung mir wenigstens Schwierigkeiten macht.
W: Et plus . . . et plus . . . et plus stellt sich in willkommener Weise
zu der einen a. a. O. aus Guil. d'A. angeführten Stelle.
390. Bien les mit T. — 392. Car mit T.
395. Por la joie s''en conjoioit Gorvains Cadruz. Das pafst zu
397 nicht recht, wo der plötzlich von Liebe Ergriffene ganz be-
troffen zurückweicht. Es steht auch nur in V. W weicht ab, und
die beste Hs. hat untadeliges Por ce en a joie et ses conjoit, hinter
welches Wort der Hg. ein Ausrufungszeichen setzt, 1. conjot : amot
mit öfter begegnendem Reim, s. Einleitung LXVII und vgl. Mout
les conjot, grant joie en a 3438, wozu mit Recht auf Risops Studien
hingewiesen wird. Selbst conjoit : amoit wäre zur Not möglich,
s. Risop loi und Tobler zu Prov. vil. 18, 7. Zur Elision von ce in
Por ce vgl. 2782, 5303, 5386 u. a., Tobler Versbau'^ 57. Danach
also Punkt, 396 Komma.
399. ost mit TW gefällt mir besser.
400. s'esmerveille mit T. — outi'epense (ohne si) T könnte leicht
das Ursprüngliche sein.
403. Zu s'en vole et ca et la, vom Herzen gesagt in W, vgl.
Mes cuers est si jolis, Por un poi qtiil ne s\fi vole ChGille 179 und
die Anmerkung von Schultz -Gora dazu.
406. 3Iout est mit TW und Flexionsvcrletzung, wie öfter.
407. ('ai mon] 1. c'est mon mit T. Was mag nur die Herkunft
von mon , fürwahr' sein? Diezens munde, das Littr6 billigt, ist nicht
annehmbar. Dafs man in diesem Falle in gewissen Dialekten niont
erwarten würde, sagt schon Burguy II 306 f. Seine eigene Her-
leitung aus got. ?imns , Meinung, Ansicht' befriedigt nicht. Ich sehe
darin bis auf weiteres griech. y,mv, an das schon Diez gedacht,
das er aber mit der Bemerkung abgewiesen hat, das französische
Wort drücke keinen Zweifel, sondern Bestimmtheit aus. nwv, ent-
standen aus /^^ ovv ,doch nicht'; umv ri ßovAsvsi veov; ,du
beschliefst doch nicht etwas Neues?' nimmt von selbst die Bedeu-
tung von ,vielleicht beschliefst du etwas Neues' an. ficöv, kann
512 GEORG EHELING,
man sagen, heifse gleichsam .vielleicht'. Und dafs nun ein Wort,
das .vielleicht' bedeutet, dazu verwendet werden kann, eine Be-
kräftigung auszudrücken, zeigt die Parallele von peut-elre, je lüai
pas peiir peiä-elre ,ich habe ganz gewifs keiae Furcht', das Tobler
Archiv 97, 385 ff. deuten gelehrt hat. Haases Deutung Syntax
S. 152 ist jedenfalls nicht befriedigend.
409. Si nel cuide avoir] In den Berichtigungen S. 293 wird
vorgeschlagen Si, nel cuide avoir. — Gewifs ist si hier nicht =
jwenn', wie es der Hg. anfangs gefafst zu haben scheint. Allein
man braucht darum noch kein Komma zu setzen. Auch einfaches
si zur Einleitung von Sätzen begegnet im Sinne von ,und doch',
s. Mätzner Altfrz. Lied, zu IV 3, Tobler zu Vr. An. 158. — Zu der
Bemerkung, dafs V nur se = ,wenn' kenne, vgl. 4762. — Viel-
leicht Codi etil? — Non! ,Wie, du weifst es nicht? — nein!'
411. aencrez mit T.
412. N^en doil pas eslre miens li grez. Letzteres würde ich
nicht mit , Annehmlichkeit, Vorteil' wiedergeben, sondern mit , Gunst,
Huld'. Wenn ich jetzt nicht den Mut habe, es ihr zu sagen, dann
habe ich auch kein Recht, auf ihre Gunst Anspruch zu erheben.
414. vez la ci! im Zwiegespräch mit sich selbst, ist beachtens-
wert; denn in vez — vgl. 1403, 3367, 5894 u. s. w. — sehe ich
die 2. Plur., die bei der partikelartigen Verwendung früher Kon-
traktion erfahren hat.
420. Die Form presentemml aus alter Zeit ist willkommen, sie
stellt sich zu den Verm. Beitr. I 79 angeführten altfranzösischen
Bildungen auf -enlemenl.
424 ff. Die Hss. gehen auseinander. Der Hg. ist auch hier kon-
sequent bei V geblieben und druckt: Eh, Vamor ne se puel repondre
(425) Qid eti ?noi esl, qiiel 7ie s apere (426) Sanz ce qtie ele poinl
lii pere. (427) Que je si li ferai savoir. 426 soll eine tautologische
Wiederholung von 425 sein. Das kann ich nicht finden. Ich mufs
die Fassung vielmehr als anstöfsig bezeichnen. Der Hinweis auf
2556/7 ist nicht zutreffend. Und 1426 ist Friedwagner selbst ge-
zwungen, den Ausfall von 2 Versen anzunehmen, an die sich dann
427 arischliefsen kann. Aber T bietet, wenn man ganz unbedeu-
tende Aenderungen vornimmt, wiederum einen guten Text, wie der
Hg. in der Anmerkung auch zugiebt. Den darf man daher für
ursprünglich halten. Weil par Sainl Pere in der dritten Zeile steht,
liegt doch wahrlich keine Veranlassung vor, die Fassung nicht für
echt zu halten. In der letzten Zeile Autres qiiele le saveroit würde
man dann, wenn man saveroit dem Dichter nicht zutrauen darf,
vgl. XLVIII Anm. l, ainz mit V einführen, Autre que ele ainz le
savroil. 424 haben alle Hss. Et, was also bleibt, ,und doch'. —
Zur Einleitung des eingeschobenen Satzes Et si en cuit faire savoir
(428) vgl. Bele, quar halez — et je vous en pri — Et je vous ferai
le virenli ChGille (ed. Schultz -Gora) 234.
431. tost in VT konnte bleiben, tost a cors mit asyndetischer
Zusammenstellung sinnverwandter Wörter, s. Tobler Verm. Beitr. II
zu FRIEDWAGNERS AUSGABE DES MERAUGIS. 513
149 f. Zudem scheint mir die Interpunktion in dem Verse nicht
in Ordnung. Ich schreibe St tost a cors mit Komma danach, und
verstehe ,so schnell, dafs, wenn ich es nicht sage, die grofse Liebe,
die in mir ist, hervorquellen wird'. Der Hg. übersetzt: ,doch!
und zwar sogleich', les granz amors . . . seront desrotes (V) scheint
mir nicht angemessen. Das Glossar übersetzt es mit , zerstören'.
Aber das ist hier nicht gemeint. Untadelig ist wiederum die beste
Hs., soronderoiit , austreten, über die Ufer gehen', so dafs man auch
in der folgenden Zeile mit ihr lesen mufs.
438. (Als dafs ich es einen andern wissen lasse) Qiii mestiei-
ne nCi puet avot'r] TW haben Que, was auch richtig ist, »unter den
Umständen, dafs'.
441. [Je li dirai) .IL moz por li apercevoir Que je l\nm. Zur
hyperbolischen Verwendung von zwei (und nur für diese Zahl) 'vgl.
Puis li ad dit deus moz par cortesie Rol. 1206 in der Lyoner Hs.,
vos ine laires Nicolele, tne douce amie, taut vc'ir, que j'aie m. paroles
u trois 0 li parlees Aue. 8, 35, ganz ähnlich 10, 51; Gascelin l'ot,
et tint le chief enclin. Dist a son oiicle deus -mos e7i son latin (Aubri)
von Bekker zu Fier, 354 aus anderer Veranlassung angeführt. So
heute: Täche de der ober quelques instants ä ies travaux, si tu n'es
pas trop fatigut, pour jeter deux viots sur le papier: deux inols seule-
mcnt, qui me disent que tu vas hien et que tu niaimes Prevost Dern.
lettr. d. femmes 60 (in zwei Worten wird er das kaum sagen
können) ; // ne pouvait pas dire deux viots sans rougir et saus bcgayer
Daudet Sapho 189; Vest donc bien loin, ce Dechelette? ... — ■ Mais
iion, rue de Rome . . . ä deux pas eb. 113; Deux mots, et je finis!
Pailleron Cabotins II 4 S. 94 (wo auch nicht wörtlich zu verstehen
ist); Hugoft, deux mots! eb. III 6 S. 148. Bekannt ist aus Corneilles
Cid, A moi, comte, deux mots II 2, das auch Littre unter deux 2
anführt. — Ich lese im Neuprovenzalischen, _/'« que voudrian, inoussu
lou fiouläri, vous dire dous viol Roumanille Conte prouven^au 157;
Dous mot soulamen, car counvhi pas, ie diguire, de vous trop destourba
eb. 158. — Sehr häufig ist due parole, due passi u. dgl. im Italie-
nischen, guarda se volesse far due passi C07i te e coti Daniele Fo-
gazzaro Daniele Cortis 356; ed era statu lei a mandare Marcella a
far due passi Farina Amor bugiardo 83 ; poteva tirarsi indittro due
passi ders. Piü forte 114; Franco la vide, salid sul pofite, corse a lei
che fece due passi avanti Fogazzaro Piccolo mondo 559; Fatti due
passi nella camera si fermb eb. 441; fece due passi brancohvido nel
huio eb. 489; se dura la buofia stagione, anderb a fare due passi nel
giardino GGiusti Lettere II 454; Una mattina spazzando colse il mo-
mento che Schiller s^era allontanato due passi dalla porta, e vi offerse
un pezzo di pan bianco Pellico Prigioni 64; Meltiamo tutlo in due
parole Fogazzaro Malombra 138; Aveva con due parole perdonate tutte
le amarezze soff er te da lui De Marchi Pianelli 261; Ecco, in due
parole D'Annunzio Piacere 297 (und nun folgt eine lange Ge-
schichte); non ho a dire che due parole Fogazzaro Piccolo mondo 431;
In due parole vi sbrighiamo. — Due puroline, e non piü, Signore
Zeitschr. f. rom. PhU. XXIV. ^l
514 GEORG ERELING,
Goldoni Locandiera II 12 (es werden aber doch mehr); aus älterer
Zeit, t'o vengo adesso, com^ ho delto dica parole qui a messer Andronico
Cecchi Figliuol prodigo IV 6 S. 44 (Milanesi). Aber natürlich auch
bei andern Substantiven, volle aticora che bevesse due dita di feriiet
Rovetta Baby 227; Vo cantar du Rispetii all' improvviso Tigri Canti
pop. toscani^ S. 5 {ein paar); Quesla 'gli i la casa delF Orco, e se
vi trova vi 7nangia in du' hocconi Nerucci Sessanta Novelle S. 112;
Dove tu vuogli, la cosa pub csser raccoticia in due tratti Cesari No-
velle XIV 134; älter A fedc! Che io mi sarei iolto anco, oiia fu, dua
Coltellaie d' accordo! Cecchi Rivali IV 2 (I 249). Ebenso in den
andern romanischen Sprachen, 710 podemos ni es razon que nos de-
tengamos ä oir cosa algima, si ya no es tan breve que en dos palabras
se diga Cervantes Don Quij. I 52 S. 366 (Baudry); Por vida vuestra,
amiga, que me hägais placer que vos y Preciosa t?ie oyais aqui aparte
dos palabras, que serän de vuestro provecho ders. Nov. ejempl. S. lO
(Brockhaus); se acercö, le hablö dos palabras al oido Märmol Amalia
I 220; dormia tranquila d dos pasos de Amalia y de Eduardo eb.
I 231; esiaban d dos pasos de los primer os que hemos descrito eb.
I 263. Portugiesisch habe ich leider keinen passenden Beleg zur
Hand; denn wenn es bei Garrett in der Sobrinha do marquez
Sc. XIV (S. CII in der Ausgabe des Theaters des Dichters, Lissa-
bon 1877) heifst pois eniäo diga. Quantas palavras? und Luiz ant-
wortet Duas so. Eu morro, so sind es ja thatsächlich nur zwei,
und so wird auch S. CIV Diias palavras so gemeint sein. Dagegen
kann ich die Verwendung von ,zwei' aus dem heutigen Katalanisch
belegen, E oncle Larramendi, lo confideni del Jaume, n' hi tord duas
parauletas Pin y Soler Jaume 104; en dos cops de tralla som al pöble
Vilanova Cuadros populars 15g. Rätoromanisch: Dameun, cura
cJi el vegni menaus ora alla viort, sehe deigi el rugar il retg, de schar
tschinischar el dus plaids, avon che murir Decurtins Rätorom. Chrest.
II 10, 28; Usiera, Junfr Ustera, dal gio faiti a meis chavä . . . et
tschantschai duos pleds coji mai Volkslied, Decurtins Litteraturgesch.
in Groebers Grundr. II 3, 224; O chera, 0 bella! eu vuless bain ir
tiers vus Quista saira ün po tard, A ischafitschar duos pleds cun vus
Flugi Volkslieder des Engadin S. 64. Der Rumäne verbindet gern
doi trel ,zwei drei' in solchem Falle mit einander: ocoli de vre-o
doue trei ort cercetänd fie-care camerä Ispirescu Basme 10; sä mäi
pune?n douc trel zavoduri ^i se dtice dracuhä Crasescu Schi^e I iio.
Oder er braucht, um eine unbestimmte kleine Zahl auszudrücken,
dol (2) mit vorgesetztem vre-o, also dem unbestimmten Artikel (wie
der Italiener un quindici giorni), Omul se sculä, bojbaind prin intu-
nerec se apropie de lädilä si isbind cu piciorul despritise vre-o doue
scändurt Crasescu Schite I 198; Vasile se sculä buimac, se tnverti de
vre-o doue ort prin casä, tfi luä päläria ji ep eb. 221; . . . a zis
vre-o doi "hm, hm" Popovici Convorbiri hterare XXVU 199 (1893);
ea nu a putut sä dee feti{elor altä demmcare, decit vre-o doue gälu^ti
abia muiate in unsoare eb. 217; dätidü peste densidü mnomolit äncä
in 7ioro!ü, porunci la vro doi ostap de-lü scöse d' acolo Ispirescu
zu FRIEDWAGNERS AUSGABE DES MERAUGIS. 515
Basme 170. Doch auch einfach ,zwei', Dar a ranias 0 clipä ui-
cremenitä ^i apoi färä sä vrea s' a dat doi pasi mnapoi eb. 219, wo
doch auch wohl nicht nur ,zwei* gemeint sind. Diez III 18 hat
merkwürdiger Weise die kleineren unbestimmten Zahlen ganz un-
erwähnt gelassen. In der Anmerkung 2 erwähnt er nur, worauf
ihn Mussafia aufmerksam gemacht hat, dafs im Italienischen quattro
unter solchen Umständen üblich ist, Vockeradt § 365, 4 erwähnt
wenigstens diie und führt far due oder quattro passi an, ohne aber
einen Beleg zu geben; Fornaciari in seiner Sintassi^ S. 45 hat ein
Beispiel aus Castiglione. Bei Bello-Cuervo-'' finde ich im Augen-
bhck darüber überhaupt nichts, auch nicht im Wörterbuch von
Tollhausen.
por H apercevoir , damit sie bemerke', wie auch das Glossar
richtig übersetzt. Aber nach den Berichtigungen S. 294 scheint
Friedwagner apercevoir kausativ zu fassen = faire apercevoir, was
nicht richtig ist. Es handelt sich um das Hinzutreten des Subjekts-
accusativs zum Infinitiv, wovon Tobler Verm, Beitr. I 74 gehandelt
hat, oder Et poicr la pais esire mix confremee Fu iine chartre estraite
et bien ditee Auberon 354; Por le vilain crever d^envie Chanterai de
euer liement ChGille 168. (Die in der Anmerkung vom Herausgeber
angeführte zweite Stelle aus dieser allerliebsten Dichtung Ati des-
cendre la pucelete Ot assez dames et puceles 301 rechne ich nicht
hierher, sondern fasse descetidre transitiv, wie Salue et desgandii Vont
Chlyon 4678.) Hierher gehört auch Erec 5220 Lars por revenir
sa color Le comancierent a beignier, welche Stelle Foerster nicht
richtig auffafst, wenn er sagt, es sei eine , merkwürdig knappe
Wendung' i\vc faire revenir. Vielmehr , damit seine Farbe zurück-
kehrte'; übrigens schon von Tobler a. a, O. in diesen Zusammen-
hang eingereiht.
446. Gorvains meint, wenn er der Geliebten seine Liebe ge-
stände, würde sie es für Thorheit halten: Porquoi? — Qiie pas
ne me creroit. — Creroit? Non devroit ele fere? Mir so nicht recht
verständlich. Ist die Interpunktion in Ordnung? Ich würde hinter
fere einen Punkt setzen. ,Warum? — Denn sie würde mir nicht
glauben. Sie würde nicht glauben? Das würde sie gewifs nicht
thun'. Zu dem fragenden Creroit nach vorhergehender negativer
Behauptung (yie 7ne creroit") vgl. Fet cele qui pas neji jo'i — foi? —
No7i voir 2go6; donc nel vit Lidoine . . .? — Vit? Nenil 4796;
fa mes ne vendrai jusque la . . ./ Vetidrai? Non voir 5328.
449. ... Li vet dire tot mainte7iant (folgen Worte), so V.
Ist das aber ursprünglich, dann ist nicht recht zu begreifen, wie
T und W zu ihren Lesarten gekommen sind. T coment itant, W
Ltä dit en chantant et coment. Sieht man sich T, das schon wieder-
holt Gutes geboten hat, näher an, so kommt man damit in der
That aus, wenn man interpungiert ... Li vet dire: — Coi7ient? —
iia7it ,er sagt zu ihr: — Wie denn?' — , Soviel'. Mit echt Raoul-
scher lebhafter Ausdrucksweise.
459. Mit TW.
33*
51 6 GEORG EBELING,
460. Mit T. — 461. et tant mit T.
462. Que vos co7ioistre et vos veoir Me plest mout ist darum
beachtenswert, weil hier das betonte Pronomen vor dem reinen
Infinitiv steht, während es sich sonst um präpositionalen handelt,
so je vueil aler Lasus amofit vioi depo?-ter 4927; ü ne porroit Nos
acorder 457^-
464. haut mit T. — 470 ff. vgl. zu 106.
475. Cist ama laut d'auti'e partie Sa valor u. s. w.] d^a. p. müfste
heifsen , andrerseits', wie es in der von Littre aus Chd'Orl. citierten
Stelle gebraucht zu sein scheint. T hat Patiire partie ,die andere
Seite* ihrer Vorzüge, die geistigen, was einen guten Sinn giebt
und in den Text gehört. Ebenso II.
477. esvoisies d. i. envoisies mit T.
478. desvoies mit TW vom Verliebten, vgl. 483 und N'est pas
amoiirs, mais fine desverie D'un desirier ardant outreciddie, Ki ?noti
ciie?- a si formeilt desvoie, Que jou 7ie sai k'est sefis ne qest folie
Mätzner Altfr. L. XXI 27.
Zu x. tanz plus . . . que wird mit Recht auf Tobler Verra. Beitr.
I 150 ff. verwiesen. Zu den dort S. 152 angeführten Sprachen (zum
Provenzalischen s. auch Stimming zu BBorn 3, 20, ferner üu n'ai
Mil tanz q'ieu non semenai Appel Poesies prov. S. 66, 17; a iotz si
fetz mil tans grazir Que larons qiien la terra fos RVidal So fo 24;
auch Appel im Glossar unter tan) kommt hinzu das Spanische
ciento tanto mds de lo que dejö s. Bello-Cuervo Nota 38 und das
Portugiesische, zum mindesten in alter Zeit, entrou hüua tarn grande
claridade, qjie fez 0 paa(o dous tanto mais claro, ca era ante SGraall 17.
482. Durement est amors maniere\ Vielleicht steckt in T Douce-
vient, was in den Zusammenhang passen würde. Nach S. XLIII
erwartet man a7nor gedruckt; maniere ist doch wohl Adj. fem.;
,denn Liebe ist in sanfter Weise fähig, im stände, Leute zu über-
raschen *.
484. — 489 recht umständlich.
489 fasse ich zusammen, also Komma nach 488, und lese
7nout mit T.
494. Mes quant il vont parlant andui, Si li resforcent ses dolors'\
qua7it nur in V. Wiederum ist T unanstöfsig M.qua7iqu'il v. p.
,aber während sie beide sprechen', qua7ique in diesem Sinne belegt
Tobler Zs. XVIII 407 mehrfach.
495. renforccnt mit T.
502. le puet mit TW, womit vielleicht la gemeint ist, ,die
Liebe'.
506. d'a77iors espris in VW. Da diese, wie ich glaube, auf
eine Vorlage zurückgehen , so darf man der besten Hs., die e77iplis
hat, um so eher den Vorzug geben, als auf diese Weise der Reim
z : s wegfällt. Simplex und Kompositum dürfen ja reimen.
voirs ,wahrlich' mit adverbialem s stünde, wie in fo 7ie sai
veirs 7iul hii77ie Rol. 381.
Zu FRIEDWAGNERS AUSGABE DES MERAUGIS. 517
508. Ja Den ne place (wenn er auch nur Abschied nehmen
kann) scheint mir etwas auffälh'g. Wiederum ziehe ich T vor,
Ja Dens iii ait pari, da W abweicht; d. h. so wahr Gott an ihm
Anteil haben möge, konnte er nicht einmal Abschied nehmen.
511. Ich würde enmi drucken mit Tobler.
512. De euer et de sens in W meint De euer et des eus, zuerst
ohne Artikel, dann mit ihm, s. Toblerabhandlungen 343 gleich-
artige Beispiele. Zu der Ausdrucksweise Dou euer et des ieuz la
convoie vgl. Des ex et del euer Je convoiejit Julian (ed. Tobler) 1218
und die in der Anmerkung dazu angeführten Stellen.
515. revint mit TW. Der Terapuswechsel stört mich auch
hier nicht.
517, Remonte TW lehnt der Hg. mit der Bemerkung ab, es
sei nirgends gesagt, dafs er vom Pferde gestiegen war. Allein ein-
mal braucht der Dichter doch nicht alles zu sagen, und sodann
kann er 487, wo er zurückgeblieben war, sehr wohl als unberitten
gedacht werden, remonte aber heifst ja nicht blofs ,er steigt wieder
auf', sondern auch ,er steigt seinerseits zu Pferde', welche bekannte
Verwendung auch in dieser Dichtung häufig ist, 582, 933, 935,
972, 2012 u. s. w., Suchier zu Aue. 16, 31. Auch italienisch, E
quando avea consenttto cid, io mi ripensava siccome dalla ragione mosso
Dante Vita nuova XXXIX 7 (D'Ancona) ,dann dachte ich hin-
wiederum, andrerseits', wo es Fraticelli unrichtig mit rkredersi er-
klärt und Casini ebenso unrichtig mit meditava, rifletteva piu ripo-
satotnente. Das Richtige hat schon Dionisi geahnt ,w peiisava
aW opposto'-, doch pafst sein Hinweis TixS. rinmoversi, riprendersi nicht.
S2 2J^. Sätze mit giie beim gleichen Subjekt nach semb/er,
vgl. zu 300.
523. Qu et doie viieuz queles valoir. Auf wen soll eles gehen?
Nur V. W steht für sich. T hat qiiasses, was eine echt altfran-
zösische Ausdrucksweise ergiebt, die schon Mätzner in seinen zu
wenig gekannten und citierten Altfrz. Lied. S. 297, 16 nachgewiesen
hat, Plux vos ain c^aisseis; . . . 31 e Jait doloir plus quassez. Wenn
Friedwagner bemerkt, assez würde durch keine andere Hs. gestützt,
so verstehe ich das nicht, da hier ja jede der Hss. für sich steht.
525. s'or mit T?
530. Car qui samor entanieroit. Letzteres ist mit , entfachen'
wohl nicht ganz richtig wiedergegeben.
537. Se ,auch wenn' zu 182. — deable im Nominativ ohne j,
s. Einl. — [S^ele ert) Janlosme. Dieses als Nominativ eines männ-
lichen Substantivs — ebenso 4387 Fu Janiosme, 4388 cest Jan-
tosme — würde zwar an sich in diesem Denkmale, das so oft die
Flexion verletzt, nicht auffallen, begegnet aber auch in Dichtungen,
die in dieser Hinsicht sehr sorgfältig sind, z. B. bei Chretien, Ce
Ju Jantosme, se dcvient Clig. 4750, so dafs man dem Substantiv auch
weibliches Geschlecht zuschreiben darf, das Tobler Zs. VllI 297
zur Stelle durch zwei Belege sicher stellt. F^in paar weitere Stellen
5l8 GEORG EBELTNG,
hat Cohn Zs. XIX 56 beigebracht, dem auch unsere Stelle nicht
entgangen ist.
542. Ca du mit T.
546. Man könnte auch hier bei T bleiben.
54g. [Par maintes foiz) M'avez conseillü et je vos. Im Grunde
gehört der zweite Gedanke ,und ich habe euch beraten' gar nicht
hierher. Aber man sieht öfter, dafs sich an einen ersten Gedanken
ein zweiter anreiht, der unter den jeweiligen Umständen gar nicht
angebracht ist, der sich nur darum eingestellt hat, weil er sich
unter andern Umständen zwangslos von selbst ergiebt. Hingewiesen
ist wohl darauf noch nicht. So, (der Vater fordert den Sohn auf,
den Leuten in der Schlacht beizustehen) Ja ni fieres tu home ni
autres ti, s'il te voient entrax, si desfenderont il mix lor avoir et lor
cors et te tere et le miue Aue. 8, 17, wo ni autres ti unter diesen
Umständen gar nicht angemessen ist. Noch deutlicher scheint
mir: Or ne quidih vous qtiil pensast n^a hues n'a vaces ti'a civres
prend}-e, ne qu'il ferist cevalier ne autres liii! eb. 10, 6, wo ich zwar
begreifen kann, wie die letzten drei Worte konnten hinzugefügt
werden, sie darum aber doch hier nicht für angebracht zu halten
vermag. Auch aus dem Italienischen liefsen sich Parallelen bei-
bringen.
564. Vielleicht mit T, wenn auch unbedeutend.
565. Gorvain sagt, er liebe Lidoine nur um ihrer Schönheit
willen: Tot en claim qiiite le sorplus, Car por itant sui ses amis.
Car steht nur in der schlechtesten Hs. T und V haben beide
Fors por itant s. s. a., was der Hg. als unzulässig bezeichnet. Ich
glaube doch, dafs die Ausdrucksweise sprachlich richtig ist. Es
hätte heifsen können 7ie sui ses a?nis fors por itatit. Indem nun
aber die Einschränkung vorausgestellt wird, tritt danach, indem
sich der positive Gedanke, dafs er doch thatsächlich ihr Freund
ist, vordrängt, statt der eigentlich zu erwartenden negativen Aus-
drucksweise die positive ein. Vgl. Dont Vostat de laenz, et cani il
Ven geita Ne mais ke quinze jors al secle demora Po. mor. 420^,
welche Stelle Tobler Zs. XX 64 anführt. Auch hier hätte es, nach
meiner Kenntnis des Altfranzösischen, heifsen können fors quinze
jors al s. demora. Und wenn wir sagen ,nur darum bin ich ihr
Freund', so liegt im Grunde, wenn man bedenkt, woraus ,nur'
entstanden ist {ne-cücere), eine ähnliche Erscheinung vor.
568/g ziehe ich unbedingt zu 570.
571. ... meti puis ?nerveillier ,ich habe Anlafs, mich zu wun-
dern', Tobler zu lUe 328 (Archiv 91, 107); ferner Li vilains s'en
puet hien doloir ChGille 310, mout se pot desconforter Chbarisel 864,
vgl. Weiteres in meiner Besprechung von Schultz - Goras Ausgabe
in dieser Zeitschrift.
582. du mien in T ist wohl möglich.
588. Ja se li torz ne vient de vos, De moi n^istra il (mit T)
ja avajit. ja zweimal in demselben Satzgefüge in allen drei Hss.
hätte eine Bemerkung verdient. Dergleichen begegnet auch sonst,
zu FRIEDWAGNERS AUSGABE DES MERAUGIS. 51g
wenn es auch, wie ich glaube, noch nicht hervorgehoben ist. In
Ja Concorde ... N'ürt ja por chose qui aviegne 4472 steht doppeltes
ja dagegen in keiner Hs. Aber: E las! ja vic je ja tel eure, Se
je morusse a droit na tort, Que Diex fust blasmes de ma mort
nie 17 10, wo es der Hg. nachlässig findet und abändern möchte,
was ich nicht billigen kann. So piiis: Onques puis que per du vous
oi, Joie ne repos ainc puis n'oi Fl. u. Bl. 2463; puis que de lor terre
issi Lor fils, ainc puis tiorent sojor Julian 141 2. — ]\Ies\ Ainc ynes
hom si dessovenuz Ne fu mes en si petit d^etire Barat et Haimet MR.
IV 103, wo ich doppeltes mes in zwei der drei Hss. (A und C) ab-
zuändern mich nicht entschliefsen kann, \g\. ottc: 07tques el royaiime
de France N'en oi onc nul de sa puissance JConde II 270, 95, oder
provenzalisch, anc valer Non poc anc res mens d'aquestz dos RVidal
So fo 1225, oder italienisch doppeltes mai: pensa che inai costoro
no7i poteano mai essere diliherati, se non fossono diliherati per la pro-
dezza di messer Tristatw Tavola ritonda 328. — Oefter bei ancois,
ainz'. Mais anchois ot erri assez Et si fu tous li ans passez Anchois
que trouver le peust Rieh. 3287; K' ancois qtüil soient au degre Peus-
sies ains avoir alee Utie grant liue longe et lee Ille 3426; Meinte
meslee et meint estor Firent ainz Griu contre les lor Ainz que il
onques recovrassent Troie 9413. — nis: Nis la ou va par le chemin,
Pautonier et f aus pelerin E apeloient nis li querattt Julian 609, wo
man allerdings den ersten Vers auch zum Vorhergehenden ziehen
könnte. — ci: Tost se vendroient ci enbatre Ci entre nos trois lou ou
quatre Ren. VIII 287. Auch an doppeltem einsi in Et son seignor
ainsi conta Einsi con l'aventure ala Espervier MR. V 50 würde
ich keinen Anstofs nehmen. — Plus: Jo vos en donrai plus d^avoir
Dous tans ou trois plus qiCil ne vaiit Julian 868. — Ades: Adls
avoit Sans nul secor Trestot ad es a grant sojor Trente sergans de sa
inaisnie eb. 1529. — totus begegnet so nicht ganz selten: E car
non podo dins intrar, Comessero tug a cridar, Egabnen tug en auta
vos Alexius 1098 in Suchiers Denkm. S. 155, wo wiederum der Hg.
ändern möchte, vgl. aber Toz mos amics prec a la 7110 rt Queil vengan
tuit e vü onren fort GPoitiers bei Bartsch Chr. 34, 9, oder italienisch,
Se tutta la getite che ssotio (so würde ich nicht auflösen) istati et
sono et fino, fossono tutti in paradiso . . . Cento Novelle ant. CVIII
104; Gli altri tutti che alle tavole erano, clü (wo Mussafia den
Accent in seinen Osservazioni 40 mit Recht beseitigt) v' avea di
volenti uomini, tutti insieme dissero Bocc. Dec. X 4, F. II 357 und
so heute im Volkslied E tuti uceli che vola per V aria Non sono
tuti di im osador Volkslieder aus Venetien, Sitzungsberichte der
Wiener Akademie 1864 S. 336, ebenso in der dort mitgeteilten
Variante Tuti uceli che sono nele f rasche, Non sono tuti di mi ca-
ciator. Ein portugiesisches Beispiel wäre E toda rem, que etitendco,
por que aquella corte seeria inais ui(Osa e mais leda, todo 0 fez fazer
SGraall i. Deutsch, Schön Suschen steht noch wie ein Stern, Doch
alle Werber sind alle fern Goethe Joh. Sebus; und derselbe im
Faust (Chor), Liebliches Kind, All' unsre Herzen sind AU' dir
520 GEORG ERF.riNG,
geneigt. Diese Wiederholungen sind echt volkstümlich. So sagt
der gemeine Mann in Wildenbruchs Quitzows 111 1 1 : Wenn ik
denn also reden soll, so sage ick nur so viel: ich weifs zwar von
dem Hohenzollern, was der neue Markjraf is, noch zwar nischt —
aber ... [S. IV lo liest man: Gieb mir meinen Glauben Mir
wieder!] Damit habe ich nur Einiges von dem mitgeteilt, was ich
mir angemerkt habe. Auch darauf darf man doch bei seiner Lek-
türe achten.
590. Detis ... ne ni'avant. Diese Form des Konjunktivs von
avancier begegnet auch sonst, z. B. Tesiez, 07tcles, Diens vous avant!
Boivin MR. V 60.
5Q2. Mit T.
599. Eiifi7i (T) kann ich bei meiner Auffassung des Hand-
schriftenverhältnisses in den Text setzen, vgl. 507, 560, 643, 765,
799, 811, 815, 1075, 1090, 1913, 4153 U.S.W. .1907 ist Enfin
ganz am Platze.
604. Zu vilainie vgl. zu 27.
605. Unter den geistigen Vorzügen, um deren willen Meraugis
die Lidoine liebt, erscheint auch der ,süfse Name', ebenso 651.
606. Atissi mit TW.
626. Vielleicht hat T auch hier das Ursprüngliche bewahrt,
Qiie nostre amor a entredeus Mout grani, wenn man verstehen darf
, denn unsere Liebe hat dazwischen (zwischen sich) sehr Grofses
d. h. zwischen eurer Liebe zu Lidoine und der meinigen besteht
ein sehr grofser Unterschied. Doch bin ich mir nicht sicher. Zur
adverbialen Verwendung von entredeus vgl. Tobler Verm. Beitr. II 98
Anm. Aus dieser Lesart würden sich die Abweichungen der
beiden andern Hss. ganz von selbst erklären. W hat übrigens
keine Silbe zuviel. Oder soll man Qti^eti 7iostre a. u. s. w. (mit T)
lesen? ,bei unserer Liebe giebt es dazwischen sehr Grofses'.
627. Ich würde drucken Et se biau (resp. bei) (mit T) la depart.
Dahinter keinen Gedankenstrich, wie auch 629 nicht. Ich verstehe
,und wenn ich sie (die Liebe) richtig scheide, derart, dafs Ihr sie
auf einer Seite und ich auf der andern liebe, so brauchen wir
überhaupt nicht zu streiten'. Meraugis meint, da sein Gefährte
Lidoine nur um ihrer Schönheit willen, er selbst sie nur ihrer
geistigen Vorzüge wegen liebt, so brauchten sie sich gar nicht zu
zanken, da sie überhaupt keine Nebenbuhler sind.
629. a autre in TW ist wohl auch richtig.
633. [Cesie ten^on) Torra a certes , dieser Streit wird zu einem
Ernstfall werden', vgl. 4058/9, wo die Wendung durch den Gegen-
satz a gas (im Scherz) klar wird, und Tobler zu Formula honestae
vitae (ed. Irmer) 488 im Archiv S. 454.
640. Quant vos por son cors ne clamez (letzteres mit T) halte
ich für das Richtige, ,da Ihr um ihres Körpers willen keinen An-
spruch erhebt', clamer absolut gebraucht; /, wie es 634 steht, ist
nicht notwendig.
zu FKIEDWAGNERS AUSGABE DKS AIERAUGIS. 521
64g. doit mit TW.
^53- P^^^ (bereit) mit a und Inf., kurz vorher 646 mit de.
659 f. Perfekt mit TW.
662. Beachte fürs Attfranzösische aiitant de mcsprison N^orcnt
. . . veüe, vgk 1861.
664. grant amor i ot eile, i , unter ihnen'. Dafs sich i auf
eine Person bezieht, begegnet auch sonst, wenn auch Diez III 56
sagt, dafs es ,kaum persönliche Beziehung gestattet'. Das eine
von ihm angeführte provenzahsche Beispiel er don per dien sa vid'e
la y prezen aus Choix IViio ,und bringe es ihm dar' gehört
nicht hierher, weil es sich um la y = la li handelt, vgl. übrigens
seine eigene Anmerkung. Altfranzösische Belege hat er überhaupt
nicht. Solche sind: A la dame tost envota Savoir s'il i porra parier
Espervier MR. V 46, i = mit ihr; der Einsiedler sagt zum Ritter,
man müsse doucement a Dien penser. Der Ritter erwidert: S'i penssez
büfi — qui votis desfant? — Que je ni pensscrai neatit! Chbarisel
204, mit Aenderung der Interpunktion, i ^^ a Dien, ,so denkt
doch an ihn recht sehr — wer wehrt es euch denn! — unter den
Umständen, dafs ich an ihn nicht denken werde; qne ist modal.
Wohl auch, En cel bois a un inout samt komme, On les genz se vont
confesser Qni de lor maus vuelent cesser ; Alons, si nous i confessons
eb. 104, wo ich i mit dem Herausgeber auf den heiligen IMann
beziehe; De ma dame ai un donz pensser, Dont je ne piiis mon euer
oster; Ades i pens ChGille 100, i = a la dame, s. des Hgs. An-
merkung zu 97; a nostre sanior qui bien s'i vult tenir, asseiz plus en
grant aise, s^il vult, le puei sofrir Po. mor. 467^, / = zu unserm
Herrn; Sire, fait li visquens, ce poise nioi qiiil i va ne qiiil i vient
ne qu'il i parole Aue. 4, 10, i =■ Nicolete, vgl. die gleichartigen zu
Auberee q8 (S. 77) angeführten Stellen und hier zu 127, auch
Foerster zu Aiol 36, dessen Bemerkung mit Bezug auf / aber etwas
zu weit gefafst ist.
671. Se vueillent ocirre et combatre mit T. Belege für Hysteron
Proteron sind zu Auberee 515 gegeben. Weitere wären nicht
schwer beizubringen. Auch Beispiele aus andern romanischen
Sprachen gebe ich hier nicht.
683. Honi seriojis mit T.
686. eil mit T.
695. {chascutts let) Cheval aler. Die F.rklärung für das Aus-
bleiben des Artikels giebt Tobler Verm. Beitr. II 96 ff. — Zu sentre-
vienent Es escuz vgl. Dedens l'escu trestout se ioint Rieh. 845 mit der
Anmerkung; auch eb. 2760.
698. Si qu'il en fönt croissir les es Des escuz. croissir ist im
Glossar hier mit , krachen, bersten' übersetzt. Ich würde es lieber
mit , knirschen' wiedergeben, s. auch Tobler zu Besant 2277; croi-
sier in T würde sich mit seiner luidung (i. Konj.) zu it. crosciare
stellen.
70S. Et mit TW. — s\ntresont entrassa!lli'\ Zum doppelten
e7ttre vgl. zu 294.
522 GEORG EBELING,
7 I o. Chascwis Vescu devant son chief. St s\ntrevienetit au devant
würde ich so nicht verbunden haben. Ich würde 710 zum Vorher-
gehenden ziehen und daher nach 709 ein Komma, dagegen nach
710 Semikolon setzen. Da aber die Hss. alle von einander ab-
weichen und T eine gute Lesart bietet, Ch. mel Vescu sor le chief,
so ist bei diesem zu bleiben.
715. plus tost que vent. Zum Accusativ nach que vgl, zu 88.
Allein es steht hier und in der gleichen Wendung 5903, soviel
ich sehe, nichts im Wege, vent als Nom. Plur. zu fassen, ,als Winde*.
Und wenn es 4477 heifst si s'eslessent Für et hardi plus que Hepar z,
so braucht hier, wie der Hg. anzunehmen scheint, wiederum nicht
der Accusativ vorzuliegen. Es kann, denk' ich, Nom. Sing, sein,
, kühner als ein Leoparde', vgl. 4485. — Uebrigens kann man auch
hier mit T lesen Errerent tost, pbis tost que vetit.
718. De quanque hraz pueeiit estendre, S'enirepaient giebt zu
denken. Und et ce fu tost (: dhm acost) nur in V. TW haben
mes ce sont cos ,sie bezahlen einander, aber mit Schlägen', was un-
anstöfsig ist; denn der Obliquus in Funktion des Nominativs über-
rascht bei unserm Dichter nicht, s. Einl. XLIII Anm. 2 und meine
Bemerkung dazu. Also = Text. Und dann am Schlüsse der
folgenden Zeile et es dos mit T.
724. plus fier chayyip'fon N'assemblerettt'] Da gar nicht selten,
wie wir auch eben erst wieder gesehen haben, der Accusativ für
den Nominativ eingetreten ist (durch Reime sicher gestellt), so
halte ich es für gewagt, hier, wo alle Hss. chanipions haben, die
alte Nominativform herzustellen. Danach auch in der vorher-
gehenden Zeile come lions mit VW.
729. (Wie kühne Ritter) S^entratendent et s'entracopent. Letz-
teres vermisse ich im Glossar. T hat s'entrecapcnt von caper =
cauper = couper wie Ehe 2627.
730. depiecent, das alle drei Hss. haben, hätte ich nicht in
despiecent geändert, depecout steht z. B. schon Rol. 837 und sonst
nicht selten. Das Gleiche gilt für 1747, 1750 u. s. w.
732. Ja fust nc sai li queus vaincuz; Qu'il ne peiissent plus
durer. Mes la pucele o'i conter ... Ich würde lieber nach dem ersten
Verse ein Komma, nach dem zweiten ein Kolon setzen: , alsbald
wäre der eine von beiden besiegt worden, denn sie hätten nicht
länger stand halten können, wenn nicht das Fräulein gehört
hätte' . . . Zur Ablösung der Protasis eines irrealen Satzgefüges
durch einen Hauptsatz mit mais vgl. Ja se noiast, mes on la tient
3280; 1458 und zu Auberee 439. So auch in den andern roma-
nischen Sprachen. Provenzalisch: vas luy venc endemis, E li dera
tal colp; nias el li defalis Que no-l poc acossegre Fer. 355; E fora
hellazor dos ta7is, Mas non fo, prop a de set ans, Ses ira ni ses con-
sirier Jaufre bei Appel Chr. 3, 135; eu Jora lai a Sur, so vos afi;
Mas laissei men, quar . . . BBom 4, 9, zu welcher Stelle Stimming
weitere Belege aus diesem Trobador beibringt. Altkatalanisch z. B.
mit mas que: En vole?itat fo del rey, que Na Rrenart e sos com-
zu FRIEDWAGNERS AUSGARE DES MERAUGIS. 523
panyofis Jossen de sa cort c de son concell, e fora fet, mas que l leo-
part dix al rey secretatnenl estes paf'aules RLull Tierepos i'j2>, b ,und
es wäre auch geschehen, wenn nicht . . .'. Italienisch: Mo' niollo
volenter le niisero fugi7-ia, JSlai el iion po far niento Mon. ant. B. 253
Jetzt würde der Unglückliche sehr gern entfliehen, wenn er es
thun könnte'; e passato averiano legiermetite el fosso tutta la gente
de Pompejo, ma Scieva, uno cavalieri de Cesar . . . s' abandonb a la
morie Cont. ant. Cav. S. 48; Un villano tenta d' ingannare un dro-
ghiere, facendosi dare alctine libbre di cera, che non sarebhero poscia
pagate. Ma il droghiere scopre la tricffa Cesare Novelle XVIII 150.
Heute nicht anders: Avrebbe fatfo fnollo di piu, avrebbe messo la
propria borsa a disposiziofie delle siie parenii ; ma le sue Offerte erano
inesorabihneiiie respinte Castelnuovo Bottega del Cambiavalute 5g,
um nur ein Beispiel zu geben. Spanische hat, glaub' ich, Gessner
in seiner Arbeit über die Bedingungssätze im Spanischen gegeben.
Auch rumänisch habe ich mir mehrere angemerkt; hier nur eins:
Ponte ar fi fast inchis, dar banii ist fäcurä st aicea datoria Crasescu
Schite I 228. Fürs Lateinische s. Dräger II 220.
740. Li Chevalier s'estoiejit . . . combatu. Hält man sich streng
an das Princip, dann mufs, da V und W das Reflexivura nicht
haben, / gestrichen werden.
753. mau fet mit WT, d. i. mal fet.
758. fönt de honte, vgl. die von Littr6 unter fondre ange-
führte Stelle, Par ung poi que je ne fons d'ire Rose 4049 u. a.
oder Uire et de hunte qiiida fundre Bartsch Chr.2 103, 13.
762. Da V und T den Nominativ haben, so könnte man ge-
neigt sein zu lesen Vez toz li pueples qui est ci Assemblez mit At-
traktion des Substantivs an den Kasus des folgenden Relativums,
vgl. 4776, 5820 (Var.) und Tobler Verm. Beitr. I igg und derselbe
zu Beaudous 383, wenn es sich auch in diesen Fällen in der Regel
um das determinierende eil handelt. Doch könnte man auch noch
an anderes denken..
764. Honi somes, bien poon dire. poon nur in V. W ist un-
annehmbar und T hat pueent, was vorzüglich pafst. »Geschändet
sind wir, können sie mit Recht sagen', nämlich toz li pueples, auf
das ja 762 f. ausdrücklich hingewiesen wird.
770. ja 7iel pensez mit T.
771. Itant vous di mit TW. Was in der Anmerkung zu
Gunsten der Lesart von V gesagt ist, scheint mir nicht stichhaltig.
Wenn Fr. auf 808 verweist, so kann man andrerseits wieder auf
787 verweisen.
775. Beachte Au Noel mit Artikel, aber 843 a Noel. Mehrere
Beispiele giebt Littre.
778. Vielleicht kann La mit V bleiben, ,dort' d. i. an dem
Hof des Königs.
787. Das nach 78g gesetzte Kolon würde ich schon nach
Ltant vos di setzen. se Dens ??te gart gehört nicht zu den eben
angeführten Worten, sondern bekräftigt die Aussage 790 f. Die
524 GEORG FBELING,
Satzstellung ist etwas verschränkt. Die natürliche Folge wäre: se
Dens me gart, Cil qui en vendra au desus Sott par hataille ou par
esgari M'amera lors par mon congie, S'il ne me plest a fere plus.
794. tort ist zwar die regelrechte Form. Aber V und T haben
beide torne, und dieses könnte hier vielleicht doch der Indikativ
sein, ,das wendet sich euch nicht zu irgendwelcher Erbitterung'
d. h. das braucht euch nicht mit Hafs zu erfüllen, vgl. 7ie vos chaut
d\'smaiier, prov. no'iis cal, auch altital. no ve cal ,ihr sollt nicht*
(ähnlich cosl va deito, hier wird gerollt und manches andere).
797. desi qiCau jor ,bis zu jenem Tage'. Der Artikel deiktisch,
wie öfter. de ci au jor (so W) bereitet für die Analyse keine
Schwierigkeit, de si que (Beispiele bei Burguy II 371) hat wohl
sein que erst von dem synonymen dusquau jor erhalten.
799. Man könnte auch perdii schreiben.
806. Apres cest mot, obwohl eine ganze Reihe von Worten
vorhergeht, vgl. zu Auberee 315. So auch provenzalisch: Ad aquesta
paraula cay del caval plasmatz Fer. 120, wo wiederum mehrere Worte
vorhergehen, so ital. in questa par da Pecorone I 2 S. 16, vgl.
auch 857.
808. Itant sachiez sa7iz nul arrest: J'irai druckt der Hg., hegt
aber in der Anmerkung selbst Zweifel. Was er zu Gunsten seiner
Auffassung anführt, hat mich nicht überzeugt, sanz 7iul arrest ist
mit certainement nicht gleichbedeutend, sondern heifst ,ohne irgend-
welchen Aufenthalt*, gehört also zu dem Folgenden. Daher setze
ich hinter sachiez Kolon und streiche es am Ende der Zeile. Die
Wortstellung hat für Raoul, wie Fr. selbst sagt, nichts Auffälliges.
Doch fallen die Parallelen 92 und 1935 für mich weg, vgl. hier
814/5.
812. Die Uebereinstimmung von TW in der Zeitform (Futur),
die nicht wohl in den Text gehören kann, beweist für ein Zu-
sammengehen noch nichts.
814 f. Ich lese bis auf ein Wort mit T Et bien sachiez, qui
que il soit Enfin au jor, je i serai ,wer es nur immer sein mag*
nämlich der den Sieg davonträgt.
823. Tifidrent senipres chascuns lor voie hätte eine Bemerkung
verdient, vgl. Etnpres la mort de lur honur N'out chascuns fors que
sa lungur Rou I 55. Eine provenzalische Parallele wäre e li aucel
Chanion, chascus, en lor lati Appel Chr. 10, 2.
824. Si com lor daf?ie les convoie Vont . . . cerchant u. s, w. con-
voiier in seiner gewöhnlichen Bedeutung , geleiten' pafst nicht, weil
Lidoine schon 821 fortgegangen ist. Das Glossar übersetzt es
hier mit ,auf den Weg weisen'. Aber kann es das heifsen? V hat
etivoie, was keine Schwierigkeit macht. Vielleicht ist avoie das Ur-
sprüngliche, indem die Abkürzung von con mit a verwechselt wurde.
Beide Verba stehen nicht selten im Reime mit einander. Ein Be-
weis für das Zusammengehen von TW wäre damit noch nicht er-
bracht, da ja der Fehler schon in der gemeinsamen Vorlage ge-
standen haben kann, den dann V in seiner Weise besserte.
zu FRIEDWAGNERS AUSGABE DES MEKAUGIS. 525
831. bie7i puet reinanoir cestui ,wohl kann diese Sache unter-
bleiben'. Wäre cestui als Nominativ mehr gesichert, so müfste man
es hinnehmen. Da es aber nur in V steht — in T fehlt der Vers
zufällig — und W bien poons laissier cestui hat, so würde ich das
in den Text setzen.
839. Ich halte lor jorz für ursprünglich, wenn es auch nur
in T steht, vgl. viiidrent a lor jor 853.
842. Da ja nur in V steht und T vraiemetit hat, was nicht
unter die orthographischen Varianten gehörte, so ist/« zu streichen
und veraiement (die ältere Form) einzuführen.
844. car mit T. — Warum wird oslel in VT in hostel ge-
ändert?
852. // se furent inis el repere. Letzteres wird im Glossar
hier mit , Aufenthaltsort, Wohnsitz' gedeutet, vielmehr , Rückweg', wie
N'i avons ore plus que feire, Si nos metomes au repeire Clig. 5651.
854. la bataille mit T.
861. comande hat der Hg. aus W eingeführt, statt demande der
beiden andern Hss., weil in der folgenden Zeile demande steht;
wohl mit Recht. Doch könnte man zur Not demande halten, wenn
man Verschiedenheit der Bedeutung annimmt, i) fordern, 2) bitten.
86g. Zu öianz ioz s. die Anmerkung zu 5481.
875 f. Wenn VW übereinstimmen, während T abweicht, halte
ich allerdings im Princip ersteres für das Richtige. Hier aber
möchte ich fast glauben, dafs T doch das Ursprüngliche bewahrt
hat, so dafs schon die Vorlage von VW Unrichtiges bot: Por meire
pais le di ge ancois ; Ce que nus ni metra des mois u. s. w. ,um
Frieden zu stiften, sage ich es vielmehr; was keiner dabei in
Monaten zu stände bringen wird, wenn nicht' u. s. w.
879. Beachte loch (laudo) in T.
882. cometit ce prendra ,wie das ausschlagen wird'.
886. Man könnte versucht sein, auch hier T den Vorzug zu
geben: Et tafit quil ont assez parle, vgl. zu 160. Dazu stimmt
auch, dafs TW im folgenden Verse eine Initiale haben. Danach
ein Punkt. Auf diese Weise erklärt sich die Abweichung der
beiden andern Hss. leichter als umgekehrt.
904. Mes puceles dont j'ai ades] Letzteres würde ich nicht
grade mit ,viel' übersetzen. Man kommt mit , immer' aus. Die
Grundbedeutung ist ,in einem fort'. Dafs in es ipsum steckt, dessen
e durch Anlehnung an apres offen geworden ist, wie man schon
gesagt hat, kann man annehmen. Aber adipsum kann es, wie
schon gleichfalls gesagt ist, wegen des erhaltenen d nicht sein.
Ich führe es auf adde ipso zurück, wo ipso für das untergegangene
eo eingetreten ist: il parole ades heifst also wörtlich ,er spricht,
füge dem hinzu' d. h. die Thätigkeit des Sprechens hat man sich
als eine fortgesetzte zu denken. Das ergiebt dann den Sinn ,er
spricht in einem fort'; adde ist für mich auch in rum. adicä (alt
adecä) erhalten = adde quod. Tiktiu bemerkt in seinem vorzüg-
526 GEORG EBELING,
liehen Wörterbuch, man rate auf adeo qiiod, id est quod, was ich
nicht für richtig halte.
go8. Veez com cez rohes avienent. Die Verwendung von dl,
wo für uns der blofse Artikel ausreichen würde, hat wohl zuerst
IMätzner Altfrz. Lied, zu II 8 beobachtet. Diese Stelle zeigt, dafs
auch cisi so verwendet wurde, während Diez III 79 nur von eil
spricht, obwohl sein letztes Beispiel et par ces pres ces flors renoveler
auch eist aufweist. Dafs es auch aufserhalb des Altfranzösischen
vorkomme, ist in Toblerabhandl. 343, 2 gesagt, wo man ein paar
weitere Stellen für eist findet; ferner Haubers desront, ces escus fraint
Julian 2169; Ces ebnes fent, haubers desmaille eb. 2422. Man be-
gegnet der Erscheinung auch im Italienischen: Et abbia?ido naue-
gado .11. höre, vna grandissima forttma uenne iti mar, con grande
plohba sciiriaiido lo ero (die Luft), quel mar faggando graridissimo
romor Apoll, di Tiro 7, 35, ohne den geringsten Hinweis , indem
das Meer grofsen Lärm machte'. Li lo quäl Udo quello appollonio
stagando Jtudo, et uecgando che quello mar era abonagado disse eb. 8, 3
,das Meer'. In diesem Denkmale ist quello überhaupt an die Stelle
des Artikels getreten; Allora quello Re con alliegro uiso raguardando
quello appollofiio li disse eb. 10, 6. Und so auf Schritt und Tritt
quella tharsia ,die Th.'. Und gehört es nicht hierher, wenn es bei
Serao zu Anfang einer Erzählung heifst: nella grande e strana dol-
cezza di quell' aprile, tutlo il vasto parco era fiorito, fra la collina e
il mare Gli amanti 87, einfach ,des April'. Es geht wohl von der
Vorstellung aus .jenes April, mn den es sich hier handelt, in dem
die Geschichte spielt'. Aber hat die Erzählerin daran noch ge-
dacht? Könnte der Deutsche, könnte der Franzose heute hier
noch sein Demonstrativum verwenden? Darum reihe ich das Bei-
spiel hier an.
909. vgl. 5931. — ceste mit T.
910. Ainc mit T.
914. Sour de uoier qui y pleüst in T ist nicht so unbrauchbar.
Sour wird allerdings durch Sol zu ersetzen sein. (Oder steckt fors
darin?) uoier dialektisch = veoir', qui meint, wie oft, cui. Also
lese ich Sol de veoir, cui i pleüst . . . , was V sehr nahe kommt.
,Der blofse Anblick der vielen schönen Frauen hätte Stoff genug
zu einer grofsen Beschreibung gegeben', was einen guten Sinn
ergiebt.
918. Ca .X., ca .XX. mit T; ga in einem altfranzösischen Texte
zu drucken, könnte ich schwer übers Herz bringen.
925 wohl ci mit T.
gzöjj. teus . . . Qui, wie bekannt.
928. tot de bot .sogleich', so Glossar; Belege geben Littre
unter debout mit nicht überall richtiger Deutung und die Heraus-
geber zu Münch. Brut 462. Ferner £ contre Mi furent de bot
Bestiaire (ed. Reinsch) 630; Üesperite vos enverrai, Qui vos enseignera
trestot, Que vos devez faire de bot 2178; Meis ce me resmaie de bot,
Que cest une parole usee Clig. 4432. Die Bedeutung , sogleich*
zu FRIED WAGNERS AUSGABE DES MERAUGIS. 527
pafst keineswegs für alle Stellen, wie es denn Foerster an der
letzten im Glossar der kleinen Ausgabe mit , gänzlich' wiedergiebt.
Auch an unserer Stelle mag es ,ganz und gar' heifsen.
929. Li nmrmures konnte im Glossar angeführt werden, weil
Littr6 nur ein Beispiel aus dem XIII. Jahrhundert hat. Daneben
das Femininum la murmure, Quant Ciiges autant la murrnure Clig.
5663, wie auch eb. 4924 zwei Hss. das weibliche Substantiv bieten.
934. Auch hier würde ich ades mit ,in einem fort' übersetzen,
nicht mit , genug',
936. se tesi\ setze das Perfekt mit TW.
937. TW haben keine Initiale.
941 f. machen textkritisch Schwierigkeit. Da T die beste Hand-
schrift ist, mufs man auch hier auf sie mehr hören. Ich vermute,
dafs mit geringfügiger Aenderung Galvaie : or me resmaie das Ur-
sprüngliche ist: ,Mich meinerseits {re) läfst der Umstand in Bezug
auf die Entscheidung nicht zur Ruhe kommen, dafs' . . . Zum Aus-
druck vgl. die ganz ähnliche, eben zu 928 angeführte Stelle
Clig. 4432. Der Schreiber hat re nicht gleich verstanden und
daher weggelassen und esmaie als erste Person gefafst und in es?nai
ge aufgelöst - — ■ wie z. B. or rate chier Aiol 584 als rai je zu ver-
stehen ist und öfter — und infolge dessen in dem Reimwort ein
g eingeschoben. Bei dieser Sachlage wird mir die Abweichung
der andern Hss. begreiflich.
944. chäscims l'aime par moiiiez ,zur Hälfte'. Der Plural ist
auffällig.
949. Ich lese mit T {sa valor et sa beaute) Est tot en im; tot
tient en li (danach Punkt) ,ihr innerer Wert und ihre Schönheit ist
ganz und gar eins, es sitzt ganz und gar in ihr fest'. Wegen en
un vgl. zu 362. Für quant in VW bleibt kein Platz, was bei
meiner Auffassung des Handschriftenverhältnisses keine Schwierig-
keit macht.
954. est mit T?
956. s'il in T kann wohl bleiben. Die Uebereinstimmung von
VW, die nach dem Zusammenhang Unrichtiges bieten, scheint mir
für eine Zusammenfassung dieser beiden Hss. zu sprechen.
963. ce mit T.
964. de loinz mit adverbialem s, und zwar z, wie schon
Alexius 95 '^ ^ tantes feiz pur tei an luinz guardet. — Ici de pres,
non pas de loinz I covient pefiser et entendre. I nur in V. T und
W IL Der Hg. bemerkt, unpersönhche Verba stehen gern ohne il,
was etwas wunderlich klingt, und zweitens brauche man ein Objekt
zu pe7iser, nämlich /. Ich kann nicht zustimmen, i stört gradezu;
denn ici de pres und de loinz sind, wenn man sich so ausdrücken
darf, Objekte zu penser. Also setze // ein, ,auf das Naheliegende,
nicht auf das Entfernte mufs man sein Augenmerk richten'; wie
man sagt penser aillors ,an anderes denken', zu Auberee 80 und
Stimming zu BBorn 38, 13. Dafs die Wortstellung für Raoul nicht
unmöglich ist, sagt der Herausgeber selbst.
528 GEORG KBELING,
968. Et je vos dirai fochoison, nur in V. ochoi'son, das der Hg.
hier mit »Sachverhalt' (?) wiedergiebt, sclieint mir nicht einmal recht
angemessen. Da alle Hss. auseinandergehen, raufs man bei T
bleiben, das guten Sinn giebt, Ei ce vos di et ce jiigon ,und Fol-
gendes sage ich euch, und darüber wollen wir unser Urteil ab-
geben'.
970. Die Wendung Ne se met de riejis par defors hätte im
Glossar Erwähnung verdient. Der Sinn mufs sein: ,er setzt sich
über nichts hinweg'.
971. Ainz veut par tant tot V aiih'e avoir'\ tot Vautre müfste hier
Substantiv sein, ,all das Andere', wofür ich kein Beispiel zur Hand
habe, ne puet aiitre estre (4236) u. dgl. ist nicht ganz parallel. —
veut avoir ist an sich gut altfranzösisch, Avoir le wet cascuns a forche
Rieh. 3748; Le Chevalier avoir voloit Chev. as II esp. 11915, andere
bei Weber Ueber devoir S. 26. — Man kann aber zur Not tot Va.
avoir als ,all die andere Habe' fassen d. h. in diesem Falle ,all
die andern Vorzüge'.
977. esgart ist wohl i. Person, nicht Substantiv.
978, 989. La queiis amor, aber alle Hss. haben La qtiele, was
bedenklich macht, ähnlich 979, vgl. Einl.
980 f. mit T Lcist poinz par le droit doii gieu La donra a
l''un qu.
985. (Ihr sagt) La verite qiCil i covieni ist beachtenswert, weil
man an dem Relativ qiie erkennen kann, dafs das Erforderliche im
Accusativ hinzutritt, also subjektlos, während ursprünglich persön-
liche Konstruktion vorlag. Tei cuvient ca7iz Oxf. Ps. 64, i, te decet
hymnus; granz iert, tnes bien li covenoit a la tcille que bone aveit
,aber die Gröfse pafste zu seiner Gestalt' Troie 5405; itiult covint
(Troilus) a chevalier ,er war die geeignete Persönlichkeit, um als
Ritter aufzutreten', welche drei Stellen Tobler schon vor langen
Jahren in seinen Vorlesungen über französische Syntax angeführt
hat und von denen man die erste bei Gebhardt ,Zur subjektlosen
Konstruktion im Altfranzösischen' in dieser Zeitschrift XX 33 wieder-
findet. So auch provenzalisch: Ben sai c'a iiulla re mas orgueils
non cove Appel Poesies provenipales S. 18, 379, qe'l segnier n'es de tot
forfaglz A cid en cove7i castiars eb. S. 111,34. ^^^- ^^ unserm Ge-
dichte noch lOil, 1764, 2791.
991. Selonc lor dit. Wessen? Doch wohl auf Gorvain und
Meraugis gehend.
992. (Ich vermag nicht einzusehen) Que eil i doie clamer part
in V. T: doie ia avoir p., was eine Silbe zuviel und W ebenso
ohne Ja, was eine zu wenig ergiebt. Ich vermute danach, dafs
doie ravoir p. das Urs;.rüngliche ist, ,dafs jener seinerseits {re) dabei
Anspruch haben darf, indem re, das sonst vor dem Hilfsverbum
zu stehen pflegt, wie schon IMätzner Altfrz. Lied, zu XXXVIII 5
beobachtet hat, hier vor dem Infinitiv steht, was ich nicht für un-
möglich halte, und was, eben weil es viel seltener ist, für die
Schreiber Veranlassung zur Abänderung gab, vgl. die verschiedene
zu FRIED WAGNERS AUSGABE DES MERAUGIS. 529
Stellung von etitre beim reciproken Verbum, zu 294; sonst: . . . ;'
redoie avoir p.
996. n^i voi je meillor ,ich sehe dabei nichts Besseres'. Wir
neutral, aber fürs Französische ist meillor maskulines Substantiv,
vgl. Preit le 7neilloj- 2185; S'il vous piaist, le meillour prenez Mätzner
Altfrz. Lied. XLVI 4, was der Hg. im Glossar als Neutrum bezeichnet;
Pmsqu'ele est eschapee, au meillour nous tenons Berte 665; Le millour
en avons sans faille Rieh. 2090, worin der Hg. wiederum ein Neutrum
sieht. Mit attributiver Bestimmung, (ich bitte euch) S'onkes ot en
vo cors ne loiaute tie foi, Ke vos nien portes tost, car nul meillor ni
voi Rom. u. Fast. I 58, 67 ,ich sehe dabei nichts Besseres'. Mit
Possessivum, Passez vos an la outre, vostre meillor n'y voi, was Littr6
unter meilleur aus Ch. Sax. LXXI anführt. Stünde in diesen Fällen
statt des Accusativs der Nominativ, so würde an der Flexion sofort
das Masculinum zu erkennen sein, li niieudres ,das Beste'; so Mes
mieudres, a ce que je voi, Certes est ce que je me tue Cleom. 9120
,das Beste, was ich thun kann' und das von Tobler Verm. Beitr.
11 178 angeführte Beispiel c'est li mieudres que g'i voie Ruteb. I^ 313.
997. Die Verwendung von Mes que ist beachtenswert. Nach
der Bedeutung der Hss. mufs les crucefiz in den Text, ,als dafs
man die Kruzifixe liebt'. Die Verwendung des Wortes scheint
mir hier nicht unangemessen, was in Bezug auf die Anmerkung
gesagt sei. Die Form mit z begegnet auch in einer von Littr6
aus dem 14. Jahrhundert citierten Stelle; , schön, wie ein Kruzifix'
glaube ich gelesen zu haben.
1000. Beaute s'assiet co?n ambleüre. Die beiden letzten Worte
sollen nach dem Herausgeber wörtlich ,im Pafsgang, im leichten
Trabe' und dann »leichthin, oberflächlich, zufällig' bedeuten. Aber
com heifst doch afrz. nicht ,mit, in'. Fafst man come, wie zu 213,
so müfste man annehmen, dafs amhleüre für an (oder d) ambleüre
stehe, mit «jro xon^ov des Lautes, vgl. Tobler Verm. Beitr. I 187
Anm. Doch mufs ich die Ausdrucksweise nach dem Stande meiner
Kenntnisse als merkwürdig bezeichnen.
So findet sich in diesen ersten tausend Versen auch nicht
eine Stelle, die für ein Zusammengehen von TW spräche. Zu-
gleich hat sich die Vorzüglichkeit von T an sehr vielen Stellen
ergeben.
Im folgenden greife ich nur noch ein paar Stellen heraus,
die zur Kritik Veranlassung geben, wie ich glaube, und füge hier
und da einige Bemerkungen über alten Sprachgehrauch hinzu.
1009 f. empire : mii-e bleibt mir fraglich.
1046. Si le proverai desloiaus, wofür zum Teil mit T Sei pr.
a d. zu lesen sein wird. Das in der Anmerkung über den Nomi-
nativ Gesagte ist nicht zutreffend, il est tenuz a desloiaus oder //
se tient a desloiaus (Passiv und Reflexiv) sind sprachlich richtig, bei
den besten Schriftstellern anzutreffen und durch Tobler überzeugend
erklärt. Zum Nominativ nach Präpositionen vgl. beiläufig vilr toter
mhd., das JGrimm Gram. IV 690 Aura. 3 (Neudruck) (= 593) an-
Zeitschr. f. rom. Phil. XXIV. 34
53© GEORG EBELINO,
führt, vür toter gesaz er an daz gras. Aber damit hat unsere Stelle
und 1094, wo es sich nm transitives Verbum handelt, nichts zu
thun. Hier liegt vielmehr, wie bei Raoul auch sonst, Nominativ
in Funktion des Accusativs vor.
1083, (Zu Berichtigungen 8.293) Erec 1232 steht nicht atort
a mal sondern a mal li tort.
1102. ce derriere va devant, zum Ausdruck und zur Verwen-
dung des Demonstrativums vor einem Adverb vgl. zu Auberee 335
oder Lors commenca a regarder Diversement, et a parier Paroles ce
devatit derriere Cleom. 7671; Pour cou est la mors drotturiere, Qu'ele
met cou devant deriere 3 Freunde in Zs. XXII 50, 34; il tourner ent
ce devant darieres et s'en fouirent Joinville 156 (kleine Ausgabe);
tarne ce desos deseure Julian 1224; Li siecles perist touz, Ce desus vait
desouz Prov. vil. 89, i; ein paar weitere altfranzösische Stellen für
die letztere Ausdrucksweise giebt Suchier Denkmäler S. 524 zu 260
(Ende). Provenzalisch: e'l vostra cavalaria Venra tota ad un dia
Qua7tt er cho de7ian detras, L'avols bos e'l hos malvas Appel Po6sies
prov. S. 46, 5 ; tenhä donar ubert Que'l roda no's vire So desus desotz
FRom. VI 32, vgl. bei Dante, {Qui) discernesi il bene Per che il
mondo di su quel di giü torna Par. IX 107. — [il ohlie) Tot ce de-
fors 3700.
1109. et si ai droit, man könnte auch lesen s'i.
1121. Et qui donc joianz se lui nonl lui, obwohl man den
Nominativ erwartet, den T hat (il), wäre an sich nicht unmöglich
— von betonter Form hätte ich nicht gesprochen — , weil das
sich unter gleichen Umständen findende fors eingewirkt haben
könnte, nus ne fiist joianz fors lui, wie denn auch nach ne inais
que die Accusativform sich einstellt, wo man den Nominativ er-
wartet. Taut se lievent ne mais Kaus trois Fl. u. Bl. 171 6, wo Tobler
Verm. Beitr. III 82 mit Recht Einflufs von. fors annimmt, vgl. zu 185.
1126. Kolon ws^ch. Lidoine und daww ceste s. Li ferai ge mit T.
1128. Die Verwendung von a tant, vgl. 2226, ist beachtens-
wert. Oder ist das Semikolon nach 1 129 zu streichen und a tant . . .
mit Que zu verbinden?
1155. plest mit reinem Infinitiv brauchte in der That nicht
geändert zu werden, vgl. 462. Dafs das vorkommt, sagt schon
Mätzner Altfrz. Lied. S. 191, 18. An dem Wechsel (1157) ist kein
Anstofs zu nehmen, vgl. meine Bemerkung zu 653.
II 60. Ain je mit T?
Ii6i würde ich zusammenfassen. — ii77- En mit T.
1182. Die in der Anmerkung gegebene Deutung von iiiecine
bleibt mir zweifelhaft. Dafs der Dichter es ablehne, von dem Kusse
zu sprechen, scheint mir sogar durch 1 191 ff. ausgeschlossen, in
welchen Versen ausdrücklich von der Wirkung des Kusses die
Rede ist. Ich wäre geneigt, mecine obscön zu verstehen und viel-
leicht ist 1180 .<4 statt Par zu setzen, letzteres vielleicht von dem
gleichen Anfang, 1177, eingedrungen, sich beziehend auf mecine,
wie im Sprichwort a chascun mal n'a pas mecine, , gegen diesen Kufs
zu FRIEDWAGNERS AUSGABE DES MERAUGIS. 53 1
(gegen die Verwundung durch den Kufs) würde es anderswo eine
Abhilfe geben', nämlich durch geschlechtlichen Verkehr. Dazu
würde auch 1184 gut passen: Ven escoute poior sermon Mainte foiz
,man bekommt noch ganz andere Dinge zu hören'. Und auch
das Folgende schliefst sich ganz gut an.
II 97 mit T, mit kleiner Aenderung.
1201. [li statt le li) von .Unterdrückung' würde ich nicht
gern sprechen und Fälle wie Un baston dont ü a done Au bon
destrier desus la teste (2178) stehen damit nicht auf einer Stufe,
doner ist intr., wie auch im Glossar richtig erklärt wird, vgl.
zu 1950.
1227. Nenil'\ T hat Neti al, hinter das der Hg. ein Aus-
rufungszeichen setzt, nenal als Nebenform erwähnt Burguy II 334
und belegt Littre unter nenni. Man hat ja auch oal Burguy II 310
neben o'il.
1232 if. macht Schwierigkeit: par teus roiz com sont li oeil
(33) Pescha le euer qtCil desiroit (34) Des gar z dont cele se cuidoit
(35) Garder; nies il tetidi devant. Der Hg. versteht: , Durch ein
solches Netz, wie es die Augen sind, fischte der Blick, vor welchem
jene sich zu hüten wähnte, das Herz, welches er ersehnte'. Der
Blick des Meraugis fing das Herz der Lidoine. Aber :ifT^ haben
V Li cors, T ly cuers, also beide den Nominativ, und 34 hat die
gesamte Ueberlieferung den Accusativ L'esgart {IJ es gar der), wobei
man bleiben mufs, also , durch ein solches Netz, wie es die Augen
sind, fischte das Herz (des Meraugis); denn es ersehnte den Blick
(der Lidoine), in Bezug auf welchen jene sich zu hüten wähnte'.
Bei dieser Auffassung ist auch Et que prist il {12 ;^ö) angemessener;
denn erst hier wird das Objekt des Fischens angegeben, f/ies il
tendi devant versteht Fr. ,aber er hielt ihr das Netz hin', also ab-
solut. Aber nur in V. T hat nies ytant die avant (und auch W
hat dire), was man beibehalten kann. Damit beginnt ein neuer
Gedanke. Entweder als Frage ,aber soll ich soviel weiter sagen?'
mit einer Verwendung des Konjunktivs, die der alten Sprache
durchaus entspricht, wie in 1857 Jel vos die? Oder man streicht e:
nies Haut di avant ,aber soviel sage ich weiter', recht im Stile
Raouls, danach Kolon ,Und was fing denn das Herz?' Des amors
tant Qu' uns autre s'en feist a mains. Der Hg. ,er fing mit seinem
Netze soviel Liebe, dafs ein anderer alle Hände voll zu thun ge-
habt hätte', ohne von der Uebersetzung befriedigt zu sein. In den
Berichtigungen dagegen 293 erklärt er ,dafs ein anderer Dichter
sich mit vollen Händen daran gemacht hätte' d. h. eine weit-
schweifige Beschreibung geliefert hätte. Beide Deutungen scheinen
mir sowohl sprachlich, als auch dem Sinne nach anstöfsig. soi
faire a mains (minus) d'auc. r. heifst 'von etw. abstehen, verzichten
auf, wie Tobler Zs. XXI 165 == Verm. Beitr. III 104 nachweist;
vgl. ital. fare a meno s. Petrocchi {tion se ne piiö far a meno) und
Rigutini- Bulle. Auch non potere a meno: quando ti vedo perdere,
dird cosi, il buon senso e anche il senso coniune, 7ion posso a meno di
34*
532 GEORG EBELING,
farti rifletlere che se st voltano le spalle a Domeneddio, si fanno dt
questi gtiadagni Fogazzaro Piccolo mondo 545.
i24ifF. Se je r anlasse, Ja de m'amor ne li donasse Trieves.
Für letzteres (V) hat T damoiir, worin doch wohl clamor steckt,
und dieses könnte vielleicht ursprünglich sein; , Anspruch'. Wer
jemand Anspruch auf etwas zuerkennt, giebt ihm die Sache nicht
sofort, sondern stellt sie ihm erst in Aussicht. Also: wenn ich ihn
liebte, dann würde ich ihm meine Liebe nicht erst in Aussicht ge-
stellt haben, sondern würde mich ihm sofort hingegeben haben.
1245. s^en vei'] T laime; sollte damit — denn Pavne wäre
doch etwas zu kühn — etwa intransitives lance gemeint sein , stürzen,
eilen'? Die Lesart dieser Hs. ist bei ihrer Vorzüglichkeit immer
mit besonderer Rücksicht zu behandeln.
1250. Lidoine hat Meraugis die Annäherung erst übers Jahr
zugesagt, und alsbald bereut sie die lange Frist. (Es ist ihr nicht
recht) Qtie li a mis terme a .1. an, Ainz se demente de cel an. Letz-
teres, nur in W, ergiebt ein Wort im Reim mit sich selbst, was
der Hg. selbst befremdlich findet. Dafs sich aus der Ueberlieferung
das Richtige nicht mehr erkennen lasse, kann ich nicht zugeben.
Freilich V de noiant ist unannehmbar. Aber T hat den coan, was
so sinnlos ist, aber wiederum zeigt, wie streng sich T an seine
Vorlage hält, um sie unter Umständen mechanisch nachzuzeichnen.
Ich vermute darin d^ancoan. ancoan heifst , übers Jahr', was be-
sonders aus 2367 klar wird, Einst com eles sont oan, Covendra
qu ancoan i soient Totes , dieses Jahr — übers Jahr', wo T wiederum
seine Vorlage nicht verstanden hat, da es en co en schreibt, vgl.
auch 2490 und Var. Also hier: ,vielmehr klagt sie sich in Bezug
auf das , übers Jahr' an. Zu dieser Ausdrucksweise vgl. ele me het
plus orandroit Que niile rien, et si a droit. D'orandroit ai je dit que
sages Chlyon 1433 ,in Bezug auf das , jetzt' habe ich verständig
geredet'"
1253. Die Bemerkung über ain : aifu bei Chretien ist nicht
ganz zutreffend.
1267. li matigiers vint. Zur Verwendung von vetiir vgl. (der
König) demanda L'eve; ele vint 5082 und so provenzalisch Setnpres
venon de totas partz Candelas e falhas ardens Jaufr6 bei Appel
Chr. 5, 300.
1273 keine Gedankenstriche.
1275. {Ez vos) ... ./. nains si lez\ Gegen die beiden besten
Hss. V und T. Der Accusativ nain . . . let ist zu belassen, vgl.
Diez III 189.
1292. escornee würde ich mit ,verringert, geschmälert um' über-
setzen, noch nfrz. In der Anmerkung 1. scornare. In W ist wohl
esco(u)ver MR. II 211 gemeint, eigenthch , auskehren, rein machen',
it. scopare, span. prov. escobar, lat. scopare.
1298. Komma nach Di.
1306. tu ne prenz autre conseil vgl. 1954, zur Verwendung von
autre vgl. Tobler Verm. Beitr. III 73.
zu FRIEDWAGNERS AUSGABE DES MERAUGIS. 533
1315. Sanz faule, hui diitüvenir! würde Hiat ergeben. Den
würde ich zwar, wenn er von allen Hss. geboten würde, ruhig be-
lassen. Aber er steht thatsächlich in keiner! Denn V hat Hui
sauz f. d. u. s. w. Und WT haben S. f. hui dut rnes niez veriir,
wozu der Hg. bemerkt, + i> '^^^s ein Versehen sein mufs; es sind
nur 8 Silben. Die Lesart gehört also wieder in den Text.
1 3 1 8 f. tattt fu plains de mautalant . . . que boche nel puet dire.
Aber TW haben ne puet d. Es scheint dabei ein le zu fehlen.
Aber das begegnet auch sonst, so dafs die letztere La. als die
bedeutend seltenere, aber sprachlich zulässige beibehalten werden
kann. Durch diese Stelle wird Chlyon 290 f. gestützt: Eittsi tres
leide creature, Qtian 7ie porroit dire de boche. Eine dritte wäre «Tanl
est li miens cuers plains de joie'», Dist li vilains, «que ne puis dire>'>
ChGille 83. Vielleicht erklärt sich das Ausbleiben des le aus der
daneben stehenden Wendung mit dem Komparativ; vgl. z. B. plus
a ses volentes Que ne saroit ceurs d^ovie ne dire ne penser Aiol 5496.
1331. Zur Verwendung des Relativsatzes statt des konseku-
tiven Gefüges s. Tobler Zs. IV 161.
1332. Der Vers ist vielleicht vom Herausgeber mifsverstanden.
1334. Der Zwerg sagt, man würde Gawain an einem be-
stimmten Orte finden, Ou se ce non, ce est la fin; Que ja mes neu
orrez avant. Das Semikolon nach fin scheint mir nicht angemessen.
Ich setze Komma dafür. Das sehr häufig begegnende ce est la fin
heifst ,das ist ausgemacht, sicher'. ,Oder wenn das nicht der Fall
ist, dann ist es eine ausgemachte Sache, dafs ihr' u. s. w., vgl. 2530.
Äussi vuel je, ce est la fins, Moi essaiier et esprover Clig. 4248; chaii-
toit '■dex, ke ferail C'est la fitts, cai ke nuns die, j^amerai Rom. u.
Fast. I 53% 7; Ne crestiens ne Sarrazins Ne fu sa pers, ce est la fins
Flor. u. Lir. 187; Bieti sai de l'arbre, c'est la fins, Que ce estoit li
plus biaus pins Qui onques sor terre creüst Chlyon 413. Hierher
gehört, denk' ich, Aue. 10, 55 ff. Et sele estoit ja ci, je Varderoie en
un fu, et vos me'ismes porries avoir tote paar (lauter Furcht). — Est
ce tote la fins? fait Aucassins ,Ist das ganz ausgemacht?' Das
Glossar giebt für diese Stelle nur ,Ende', was nicht pafst.
1338 a mout hardi einzuführen.
1343/5. ■^^^•5' solemeiit hätte eine Bemerkung verdient. Verra.
Beitr. III 77?
1384. Zum Sprichwort vergleiche, wenn es auch keineswegs
gleichartig ist, Mieuz vaut savoirs que soz paroir Prov. vil. 25g, 7
und Anm. Oefters verwendet auch Walter v. Arras Sprichwörter.
1392. ne se Joe mie mit T, nach kleiner Aenderung.
1396. Die mit einem Ausrufungszeichen versehene Form tour
iours in T begegnet auch sonst, so in der Hs. H der Auberee 217.
1398. Mes d'itant sont mout despointie Vostre gabois et a pou fi,
Que toz li mo7iz dit de vos fi sagt der Zwerg zu Keu, der auch
hier von seiner spöttischen Art nicht lassen kann. Die Reimwörter
der beiden ersten Verse machen Schwierigkeit, despoititic übersetzt
das Glossar mit , abgenützt, abgestumpft' — nfrz. heifst dipointer
534 GEORG EBELING,
,ein Stück Zeug aufschneiden' — und a pou ß mit .belanglos,
unbeachtet (?)*, was beides aber zu dem dritten Verse nicht einmal
recht zu passen scheint. Und dafs letzteres an de ft erinnere, kann
ich nicht finden. Beides nur in V. T hat für ersteres rehoisie, was
das Gl. durch .täuschen* mit einem Fragezeichen wiedergiebt, eine
Bedeutung, die hier zum mindesten nicht angemessen wäre. Vielleicht
ist es = nfrz. reboiser, Ableitung von bois = planter ou semer des
arbres sur des terrains oii ont d6jä existd des forets (Littr6). Hier
also »aufgepfropft*. Der Spott wird eben auf etwas anderes auf-
gesetzt. Ist mit dem Reimwort des folgenden Verses abotsy in T
etwas anzufangen? Also: ,Aber in der Weise sind eure Scherze
gut aufgepfropft und daraufgesetzt, dafs alle Welt über euch pfui
sagt*, büji ironisch. — In apeuri in W vermag ich weder apeuri
noch apevri = apovri zu sehen, wie der Hg. will, sondern nehme
Ableitung von poivre an, , gepfeffert*, vgl. enpevrer ,mit Pfeffer zu-
bereiten', das Tobler im Glossar zu den Mitteilungen mehrmals
belegt, ferner Et ont grues et ganies et poons enpevrez KReise 411.
1420 f. Wiederum kann ich T nicht für verderbt halten. 1420
ist mit vtnt: vit gemeint, und setzt man dieses ein, dann ist T
völlig glatt. Dafs nun 1421 Lenain, 1422 Li nahis, 1424 li nains,
1425 // nains hinter einander steht, würde uns zwar anstöfsig er-
scheinen und ist auch hier und da von den Herausgebern bean-
standet worden, mit Unrecht, wie ich glaube. Die alten Franzosen
aber berührte die Wiederholung desselben Wortes dicht hinter ein-
ander nicht unangenehm: Ta7it est de vos la chose alee Que ma
dame Ja chose sei Chlyon igi2 (Foerster: , unleidlich'); (Seid Ihr
von Sinnen, fragt die Königin Keu) Que la vostre langtie ne fijie?
La vostre latigue soit honie, Que tant i a d'escamonie! Certes, vostre
langue vos het eb. 614 (hier vielleicht absichtlich); Puis monte el
pale fr Ol crenu; Ez vos le palefroi venu. Quant Erec le palefroi
vit, Ne le loa mie pelit Erec 141 5; vgl. noch Mer. 5866 ff. 4 mal Joie
(hier vielleicht wieder beabsichtigt) und 3668/9 (porte); par .1. matin
... au maiii . . . Que solaris au matin se lieuue — Richars li biaus
au main se lieuue Rieh. 11 13 ff., ja Richart! wird man sagen, aber
auch sonst. Provenzalisch, Elh van lo cavalh gent armar E vaft
lo cavalh presentar, De pari la dona, a'n Chabert GBarre 943.
Dreimaliges Dietc, digay lor qu^ieu ab cor fi Crezi Dieu el verges
Maria, E preguaray Dieu tot lo dia Que Dieus los gar de d^encom-
brier eb. 926, und so noch öfter. Auch in lateinischen und grie-
chischen Texten hat man bisweilen an der Wiederholung Anstofs
genommen, aber mit Unrecht. Darum, dafs uns etwas unange-
nehm berührt, hat man noch kein Recht anzunehmen, dafs es auch
das Mittelalter und das Altertum unangenehm berührt haben mufs.
1437. Mes je 71 ai de la honte point. Der Artikel ist nicht auf-
fällig (so der Hg.), da er auf 1434 Bezug nimmt, ,von der Schande,
von der du sprichst'.
1454 mit T.
1463. cor7iue mit T, von der Haartracht, s, A. Schultz Höf.
zu FRIEDWAGNERS AUSGABE DES MERAUGIS. 535
Leben II 181 oder im Sinne von ,dick, stark*, worüber Scheler zu
Bast. 1350, vgl. auch Littre im Historique.
1465. Mes de si grattt a'i'r estoit Qiie toz li monz geh de froit
Et el chevauche desfublee ist etwas merkwürdig, ,aber sie war von
solchem Ungestüm (Breuer), dafs die ganze Welt friert und sie ohne
Mantel reitet'. Der erste Satz mit que ist doch nicht die Folge
des Hauptsatzes, sondern erst der zweite. Wir müfsten den ersten
Nebensatz dem zweiten unterordnen, ,dafs, während alle Welt friert,
sie ohne Mantel reitet'. Zudem bleibt mir wegen cur ein Zweifel.
T hat nun Que toz li motiz la desiroit, was so, soviel ich sehe,
keinen Sinn giebt. Aber wir wissen, dafs T mehrmals mechanisch
seine Vorlage nachgezeichnet hat. Hat diese hier etwa desivoit
gehabt, das T als desirroit las, für welches es die Form mit einem
r einsetzte? soi desiver d'auc. r. ,sich einer Sache entziehen' be-
gegnet in Et dl encor ciertainement, S'ü ne se veut trop malemeni
De bien a faire desciver, K' encor li couvient esciver Deseur toute ricns
avarisse BConde 50, 131 ,wenn er sich dem nicht entziehen will,
Gutes zu thun'; vgl. die Anmerkung. Also könnte vielleicht desiver
auctin bedeuten ,sich j. entziehen, ihm ausweichen'; ,sie war so
ungestüm, dafs ihr jeder auswich, aus dem Wege ging'. Interessant
ist, dafs in der mitgeteilten Stelle nach Schelers Angabe die von
Jubinal benutzte Handschrift wiederum, wie hier T, desirer hat.
Also ist nach 1466 ein Punkt zu setzen. In diesem Falle müfste
V und W auf eine Quelle zurückgehen, was mit meiner Ansicht
übereinstimmt.
1478. blanc de regdin ,weifs, wie Grummet' = , gebleicht vor
Alter', wie der Hg. deutet, bleibt mir sehr zweifelhaft. Kann de
so verwendet werden? Und ist Grummet weifs? INIit gain hat
sich Thomas Rom. XXV 86 ff. beschäftigt, der Foersters Anmerkung
zu Erec 3128 nicht berücksichtigt. Ich hatte mir noch Joufrois 1624
angemerkt, Poissons orent et pains et vin Ei boji formages de gain.
regarin in W, nach dessen Deutung der Hg. fragt, wird sich be-
züglich des r zu devorer aus devotare, afirer : afier u. s. w. stellen,
auf welche Fälle Tobler Kuhns Zs. N. F. III 414 ff. aufmerksam ge-
macht hat, s. jetzt auch Körting Formenbau des frz. Nomens 308 ff.
rega'imer, s. die Beispiele bei God. unter regaaignier, bedeutet
,wiedersprossen, nachwachsen', davon regdin Verbalsubstantiv, wie
auch Thomas a. a. O. 87 annimmt, ,das Nachwachsen'. Nun haben
die beiden andern Hss. blonc (/), ,die Haare waren blond infolge
von Nachwachsen' scheint mir schon an sich nicht recht angemessen,
und zudem ist das doch kein Unglück [rneschief). Ich vermute,
die gemeinsame Vorlage war hier, wie auch sonst, schon verderbt,
und dafs zu lesen sei lofic de regain, ,aber beim Reifaufsetzen war
das Unglück, dafs die Haare infolge von Nachwuchs lang geworden
waren'; wir würden sagen ,zu lang'. Der Reif diente ja dazu,
das Haar festzuhalten, s. A. Schultz Höf. Leben * I 185; und wenn
es gar zu üppig war, so konnte er es nicht gut fassen. Zu lonc
,zu lang' vgl. A tart aves, dame, cest consoil pris Rom. u. Fast. I
536 GEORG EBELING,
62, 16 (zu spät); Do7tc diral, ?}iais a tari: Cum 7?ial baili'z je sut
Po. mor. i^t"^, thatsächlich ist es schon zu spät; Tart en venra a
repentir Se seid a seul la puet ienir Cleom. 6867; A iart ferme on
P es table, qiiafit li chevaus est perdiiz Prov. vil. 4g, 7, vgl. die Varianten
in der Anmerkung. Schon Mätzner Altfrz. Lied. S. 284, 72 hat tart
richtig gedeutet und mehrfach belegt, auch schon eine provenza-
lische Stelle angegeben. Andere wären, E pueis venc iart la re-
peiitia FRom. XIII 184; Ar feyra la batalha volontiers, so sapialz.
Trop ses tarzatz lo ducxs, e tart s'es perpensatz Fer. 748. Katalanisch,
ells respongueren e di'gueren que tart era que poguessen percasar vianda
Lull Tierepos S. 176, 3. Rumänisch, Tot fumul diu cap i se diice
dar era tärdiü sä mal facä ceva Crasescu Schi^e I 133 ,es war zu
spät, um etwas zu thun'. Dafs das aber nicht blofs bei tart be-
gegnet, zeigt das von Tobler Verm. Beitr. I 122 angeführte Cotirte
li fuit d^wi piet aus BSeb. XII; und so neuprovenzalisch, Sogro, fai
alor ä sa bello-7naire, aqueli hraio ?ne sotm longo, se nie ie fasias un
pichot aussei! Roumanille Conte 148 , diese Hosen sind mir zu lang'.
Altspanisch, Quiquier que fizo el manto era bien ?)iesurado, Niii era
gratit nin chico, nin liuiano nin pesado Alex, gi^ Italienisch noch
heute, (der Hausherr erscheint) con un paio di calzoni corti per lunghi,
e lunghi per corti, che gli stavano alla cintola attillati come le foglie
d'Adamo GGiusti Lettere I 23g. Ein ganz modernes wäre: (es hat
jemand das Kleid einer Magd angezogen, um sich zu verkleiden)
II suo travestimento andava veramente 7?iale, la sottaiia era corta, il
fazzolettone 71071 gli 7iascondeva abbasta7iza la faccia Fogazzaro Piccolo
mondo 503, um wenigstens einige Beispiele von vielen, die ich
mir angemerkt habe, anzuführen; vgl. lat. sero ,zu spät', oder pro
multiiudi7ie autem hotninum et pro glo7-ia belli atque fortiiudinis a7i-
gustos se fines habere arbitraba7itur Caesar Bell. Gall. 2, 5 ,zu enge
Grenzen'; griechisch, rmüq, yaq txi vioi, mgrE tooovto jiQÜyfia
öieXeOü^ai Plato Prot. 314*^ ,zu jung'.
1484. Zur Verwendung von se7-vir vgl. 5633 und zu Aube-
ree ig5.
15 10. ja 7ie re7i 7iienrez e7i pes Se par force 7iel 7ne tolez stellt
sich in willkommener Weise zu der einen von Tobler Verm. Beitr.
III 72 beigebrachten Stelle, en pes sollte eigentlich in solcher Rede-
weise nicht auftreten. Der Erscheinung begegnet man auch im
älteren Italienisch öfter, was hier nur angedeutet sei. Und gehört
es nicht hierher, wenn einem der Schaffner einer Pferdebahn beim
Aufspringen sagt: ,Hier ist kein Platz, wenn nicht vorne Platz ist'.
Auch hier wäre doch zunächst nur zu erwarten, ,es ist kein Platz,
wenn nicht vorne Platz ist'. Und indem dieser Gedanke sprach-
lich zum Ausdruck gebracht werden soll, mischt sich der andere
ein, ,hier ist kein Platz'.
15 16. cest tre/'\ Aber ersteres in keiner Hs. V und T haben
ce, und W cel. Ob man so ce, das schon früh erscheint, in cest
ändern darf, bleibt mir doch fraglich.
15 17. eil mit TW.
zu FRIEDWAGNERS AUSGABE DES MERAUGIS. 537
1542. Der Zwerg sagt zu Meraugis: Je n^ai pas jor a hui De
ce que vos nie demandez. Die Deutung des Herausgebers, ,ich habe
für heute keine Ansage, keinen Termin' will mir in diesem Zu-
sammenhang nicht recht zutreffend erscheinen. Dafs jor .fest-
gesetzter Tag, Termin' heifsen kann, bestreite ich nicht. Ich fasse
jor a hui als einen Begriff , einen Tag giebt es heute' = heute.
,Ich habe heute nicht von dem, was ihr von mir verlangt' d. h.
ich kann euch heute noch keine Auskunft geben. Ich denke an
Je ne rtiangai hersoir, qiii valust mout petit, Non hui est li tiers iors
Aiol 5429 (so auch Tobler) und Je ne mengai hersoir ne hui trois
iors i a eb. 5626 mit Tilgung des Kommas nach hui, vgl. Verm.
Beitr. II 3.
1546. escorgiee zur Anmerkung vgl. Diez s. v. scuriada. Das
von Foerster angeführte scoreggiata (so zu lesen) ist aber nur dem
Stoffe nach dasselbe, nicht dem Sinne nach. Littre und Sachs
haben auch ecourgee.
1548. nel puet plus prendre~\ nel in keiner Hs. Ich würde
lieber n'en gesetzt haben, nach Anleitung von V.
1574. riLen plorent eles ja ist doch wohl als Aufforderang zu
verstehen, , darum mögen sie nicht weinen*.
1586. Or cuidai je mit WT.
^595- Vg'- 1020 und Anm. zu 2384.
1598 mit TW. — 1600. ci in T kann bleiben.
1607. je vos covenanz] Da je vos covenant, so WT — V kommt
nicht in Betracht — thatsächlich vorkommt und für die folgende
Zeile — // meschiis soit granz ■ — Flexionsverletzung — TW haben
graut — auch sonst nicht selten in der Dichtung begegnet, so ist
die Aenderung nicht unbedingt notwendig.
16 17. Komma nach Non.
1631. coardise TW, das zudem nicht unter die orthographischen
Varianten gehört, würde ich in den Text gesetzt haben.
1650. Ja mit T.
1653. Tenez nos pes ist willkommen, vgl. ienes yne pais Julian
3963 und Toblers Anmerkung dazu.
1656. Je ne de7nant qtie guerre non in T ist sprachlich nicht
unmöglich. Es wäre Mischung aus ne d. que guerre und ne d. se
g. 7ion, wie VW haben; vgl. C'o7i ti'aime Jors que Pavoir non JCond.
II 35, 1130, auch von Scheler in der Anmerkung hervorgehoben,
nur hätte er nicht von einer Verstärkung durch 71071 sprechen sollen.
Und jetzt giebt Tobler Verm. Beitr. III 89 ähnliche Fälle. So könnte
es leicht, weil seltener, das Ursprüngliche sein, das die beiden
andern Hss. durch das landläufige ne . . . se . . . 7ion ersetzten.
1657. Stelle nach TW um.
1662. n'i mit T kann bleiben.
1665. se puet . .. merveillier s. hier zu 571. Uebrigens pot
mit TW, Tempuswechsel.
1701. Fors s. Tobler Verm. Beitr. III 88, (Mätzner Altfrz. Lied.
S. 236, 12).
538 GEORG EBELING,
17 13. qui mit T. — i?!?- car niit T,
1731 f. Meraugis ruft dem Ritter zu: Esta! que veus? Ne
faprochier De moi! Remonfe en ton des t Her, Aber De moi steht in
keiner Hs. VT haben Di moi! was bleiben kann. In der Er-
regung, mit der die Worte gesprochen werden, kommen die Ge-
danken nicht in der Reihenfolge zum Ausdruck, wie sonst bei
ruhigem Sprechen. Di moi gehört zu que veus? ,Steh still, was
willst du? Sag es mir! Nähere dich nicht!'
1736 mir nicht ganz deutlich.
1737. Guides tu que per ce ie faille Guerre? W kommt nicht
in Betracht. T Grever, hinter das der Hg. ein Ausrufungszeichen
setzt, ist nicht so unmöglich, , belästigen, zusetzen'. Der Infinitiv
als Substantiv, ,dafs dir darum Unannehmlichkeit fehle'.
1742 f. Auch hier kann man bei T bleiben, wenn man inter-
pungiert A pie descent; enmi la voie S^entrevienent par grajit es/orz.
1750. redespiece et fent zeigt, dafs einmaliges re genügt, vgl.
zu Auberee 582.
1753. Damdeus in V! ich lese Des deus mit T, zum Vorher-
gehenden gehörig.
1756 ff. steht V gegen TW, Der Hg. setzt ersteres in den
Text. Dann würden allerdings TW eine Gruppe bilden müssen.
Aber ich kann nicht finden, dafs letzteres irgendwie anstöfsig
wäre. Der Stil wird sogar noch etwas lebendiger. Also: {rnes plus
est encore) Meraugis. — Preuz et fiers est ore (denn)? — O'/l! —
Por quoi? Hardi le trueve; Tant qiien la fin — si bien se prueve —
Le vaint Meraugis et conquiert Si outre que eil li requiert Merci. si
bien se prueve fasse ich als Zwischensatz ,so wacker zeigt er sich',
vgl. 3565. Von Verderbnis (so der Hg.) finde ich keine Spur.
Zur Frage in 1756 vgl. 4796.
1762. Die Ueberlieferung verlangt m statt moi und que ce
senefie (Aenderung der Interpunktion).
1763. n^esperon mit TW. — 1772 mit T. — I773- sa mit T.
1776 würde ich zum Vorhergehenden ziehen. Der Plural in
177g ist auch so möglich.
1783. de tot l'an ne porteroit Hauberc ,das ganze Jahr'. Das
Glossar thut nicht ganz recht daran, wenn es unter de diese Stelle
und noch zwei andere einfach als Belege für de von der Zeit an-
führt. Ich sehe freilich auch sonst so gut wie immer von diesem
de gesprochen, ohne dafs des ungemein wichtigen Umstandes ge-
dacht wird, dafs es immer nur im negativen Satze möglich ist.
Man prüfe — Beispiele in gröfserer Zahl sind, glaub' ich, noch
nicht gegeben — // ti et pleu de tot este Clig. 1485 ,den ganzen
Sommer'; De tot le mois ne fu haitie Ren. XIII 1300; Ne finerent
d''une semaine De venir d'aniont et d^aval Ren. XXIII 1454! J(^ de
cest ior ne nie veres iscir Alisc. 180; la dame . . . Devini malade et
acoucha; De .III. semaines ne leva Cheval. confesseur MR. I 178;
onques tiot dormi de Vueil De tote la nuit Braies au cordelier eb.
III 277; A la terre est cheüe pasmec Et tie disi mot d\me loee Pr6
zu FKIEDWAGNERS AUSGABE DES MERAUGIS. 539
tondu eb. IV 157; De la die ne se remne^ü Uuit jors Chev. as .II. esp.
12324; S'orreiz com Troie fu assise Qui de .x. ans ne fu ptcis prise
Troie 249 ,zehn Jahre lang'; Molt fu la mers fiere et orrihle: Onques
d^oit jorz ne fu pesible eb. 5051; Tel li domia, de sei sememes Ne
furent pas ses plaies seines eb. 9871; De tot le jor mangie 7i^avoit
Ren. XIII 874; Se je vie peoie tenir D'omme acoler et de joir, Ke je
de sept jors ne parlaisse . . . Par tant me poroie sauver SSag. 545 ;
onques de irois ans tuen issi (3 Jahre lang) Lars (ich vermute Hors,
was, wie ich nachträglich sehe, vgl. XL VIII, auch die Hs. wirklich
hat) des rues de la cite Ne de sott palais hounere eb. 3277; D\m mois
ne fu sa plaie seine Ren. 1*^ 2596; eb. V216 (danach) haben 2 Hss.
N'en istra mes de ceste anee; Pour moi lüicrt hots de cesle anee
JConde I 276, 173; One de .vii. nuis ne prist sotnmeil Ov. mor. S. 55;
De demie liuee plaine N'i senii on fu ne alaine Blanc. 361 1; ne se muet
De tout cel jor puis k'il ajorne Chev, as .II. esp. 11078; vgl. auch
das zu Auberee 306 oft belegte de semaine (ebenfalls nur negativ).
Hierher gehört auch das de in dem sehr häufig begegnenden des
tnois: Ne vos conoistroie des mois, Se je nomer ne vos ooie Chlyon
2276; Phis dolent liome ne verres vos des mois Mitt. 121, 27. Ein
paar Beispiele giebt auch Scheler zu Bast. 1603, wo aber wiederum
der wesentliche Faktor (die Negation) nicht erkannt ist. Und so
auch heute: je nai pas dormi de toute la nuit, dagegen j''ai dormi
toute la nuit, wo ein de unmöglich wäre : la fade senteur de cette
pike que Von n^a pas aeree de toute la semaine Bourget Andre
Corn. 70; Le piano du salon, eile ne pouvait y songer de tout le jour
Daudet Sapho 157; und so bei sans'. pendant quarante ans im menage
est reste ... sans se quitter d'un jour Golo Rev. de Paris IV 382.
Hierher gehört auch Puissent les dieux, de mes larmes contents, A
mes tristes regards ne l'offrir de longtetnps! Racine Iph. IV 10; il tie
viendra pas de sitöt; je ne Vouhlierai pas de longtemps; une faute,
comme il ne s'eti fait pas quatre dans un sihle et qiüon ne reverra
de longtemps Figaro 13. März 1896 (es handelt sich um das Stand-
bild der Jungfrau von Orleans). — So auch provenzalisch, Le mezel
li queric ./. gage Que no s'eti anes dels . VHL jorns. Aber unmittel-
bar darauf: .VLII. jorns estec a bels sojorns GBarrc 3020; Anc de
tota esta noit no fi mas perpensar Bartsch Chr. 185, 42; Lai Ihi pren
malaudia don fon grejatz Que de .LXXX. dias non fo levatz GRos-
sillon 6683; Ges no's pensava que d'un an Pogues aver de sidon tan
Appel Chr. 4, 241, wo d\in an nur wegen des negierten Haupt-
satzes möglich ist (vgl. auch d\l non irobarai razo De la valensa
d^un boto 9, 133); e'l ßum creg aquela nuit de .IIL. pes d'aut, so que
mays non avia fag de tot l'an eb. 121, 50; per qieu non creiria d'un
an C'aissi'us ames per negun plai, Si bes no ni'en degues avenir Appel
Po^sies prov. S. 117, 54. — Und wenn man nun liest baizera'lh la
boca en totz sens, Si que d'un mes hi paregra lo sens Appel Chr.
18, 39 ,so dafs einen Monat lang das Zeichen zu sehen wäre', so
spricht das nicht gegen das Gesagte, sondern zeigt nur, was auch
sonst nicht ganz selten vorkommt, dafs anstelle der negativen, im
540 GEORG EBELING,
Grunde einzig berechtigten Ausdrucksweise die gleichwertige posi-
tive eingetreten ist. Es wird mit d\in mes begonnen, als ob fort-
gefahren würde ,würde das Zeichen nicht verschwinden'. So wohl
auch: Por x. livres mot ne de'ist; Uune grant piece en fu toz mus
Tresces MR. V 142 statt Uune grant piece ne pooit parier^ wie es
Cleora. 371g heifst: De gratit piece mot ne somia. Dafs die Be-
stimmung mit de beide Male dem Verbum vorangeht, wird kein
Zufall sein. Dieses de ist m. E. nicht temporal, sondern partitiv,
, nicht einen Teil der ganzen Nacht'. Man hat sich vor dem de
die kleinere Einheit zu denken. Bei Jahren und Monaten etwa
,Tag', bei Tag und Nacht , Stunde' u. s. w., vgl. dazu N^iert jors
des viois ne m'en soit pis Beaud. 1126; N^iert ?nais jors de ceste se-
maine Que por Blancandin ne se duelle Blanc. IQ38; Douce amie, que
il nen (von den Eiern) rent Nul niois de Van que .II. ensamble
Escuiruel MR. V 105; Ne nie verres ja mais jour de vo vie Aub. 600;
Ke jai nul jor de 7non aei De m!amor ne lau boiserai Rom. u. Fast.
I 70, 38. (Ich sehe nachträglich, dafs Tobler in seiner Vorlesung
, Erklärung provenzalischer Denkmäler' dieses de ebenfalls für partitiv
erklärt.) Damit hat das de in de jor, de nuit nichts zu thun. Auch
Diez III 163 sondert die beiden Verwendungen nicht reinlich.
Ebenso wenig Littre unter de A 8, der genug gethan zu haben
glaubt, wenn er de mit pendanl wiedergiebt. Und wie wenig befrie-
digend charakterisiert Mätzner ^ S. 474, wenn er sagt, dem Adverb
jamais sei die Zeitbestimmung de la vie assimiliert: Je tie lui par-
donnerai de la vie, und auch andere Zeitbestimmungen habe man
so behandelt. Je ne soriirai de trois jours, wobei über das de nichts
verraten wird!
Uebrigens hat T 1781 — 88 eine eigene Fassung, die von
dem seine Vorlage mechanisch nachschreibenden Kopisten ganz
gewifs nicht herrührt, sondern ältere Ueberlieferung sein mufs.
Wegen veu (votum) : leu (löcum) s. meine einleitende Bemerkung.
Sie ist sprachlich unanstöfsig — fisi 82 ist verlesen oder ver-
schrieben für sisi; 8/^ L ja — ja ist nicht falsch, vgl. zu 588, um
so weniger, als es hier in zwei verschiedenen Sätzen steht. Das
letzte qui meint quii — entspricht ganz dem Stile des Dichters
und könnte, wenn anders V und W auf eine Vorlage zurückgehen,
wie ich annehmen möchte, doch ursprünglich sein. Das Fragment
M, das hier zufällig erhalten ist, würde sich dann zu VW stellen.
I7Q2. et si lor mit T.
18 10 ff. je Jeroie Tel veu que nus n'oseroit Jere Autel: lor dis,
ses fis toz tere. Dann würde aber lor an der Spitze des Satzes
stehen, was nach einem nicht ganz unbekannten alten Brauche
nicht angeht. Also Punkt nach Jere und Autel lor dis zusammen,
,ein Gleiches sagte ich ihnen (wie es die andern gethan hatten),
nämlich, dafs ich das ganze Jahr hindurch keinen Zügel benutzen
würde', autel nähert sich adverbialer Verwendung wie autretel in
Car il Vacole, baise et plore, Et l'apostoles autretel lUe 4543 ,in
zu FRIEDWAGNERS AUSGABE DES MERAUGIS. 54 1
gleicherweise, ebenso*; provenzalisch altrelal: De na Faidid' atreta
Vuolh sas Bellas deftz en dos BBorn^ 12,51.
1823 f. Wieder mufs ich einer Bemerkung des Herausgebers
in der Anmerkung widersprechen. Darum, dafs er besiegt ist, weifs
er doch noch nicht, wo er sich am Abend befinden wird. Das
hängt doch von Meraugis ab. Und dafs in diesen Versen von
dem Zustande vor dem Kampfe die Rede ist, glaube ich nicht.
1834. la mit T.
1857. Zur Verwendung von Jel vos die? ,ich soll es euch
sagen?' vgl. auch Avoi! por Den, nti dites mie! — Ne die ce que
fai veu? Espervier MR. V 49 ,ich soll nicht sagen?* dicam? non
dicam?
1869. Tteporquant: hardement, vgl. meine Bemerkung in der
Einleitung.
1880. voire?neni T.
1885. (// veut que li iorz aille) Devant le droit par son oulrage.
Letzteres deutet der Hg. ,um dem Rechte einen Schimpf anzu-
thun*. Aber par in allen Hss. ! Ich verstehe , durch sein über-
mütiges Handeln'.
1888 mit TM.
1893 ff. Dafs diese Verse dem Meraugis in den Mund gelegt
werden könnten, halte ich für unmöglich. Beachte 1897 par tant
di orendroit! Der in der Anmerkung gemachte Hinw'eis auf 1839,
1924, 1944 ist nicht stichhaltig. Auch 1889/90 gehören zur Rede
des Besiegten. Und will man aus den Versen 1885 ff. etwas dem
Meraugis zuschreiben, so kann es nur 189 1/2 sein. Auch 1899 ff.
beginnt nicht die Rede eines andern, sondern es fährt nur der
fort, der die vorhergehenden Verse gesprochen hat.
1894. Man weifs nicht, welches // fehlt.
1908. Autant avint li dieus d'am.ors Qiii fet les dtirs cuers sos-
ploiier (für welches ich die Schreibung der zu Grunde gelegten Hs.
souploiier bewahrt hätte, da dem Wort kein s zukommt, vgl. Ains
commenca a lermoiier Et duremeiit a souploiier Cleom. 6173 und pro-
venzalisches soplegar) Qiiil li covint d'amors proiier Une dame\
Autant hat der Hg. selbst in der Anmerkung zurückgenommen,
indem er aus der Ueberlieferung Antan herausliest, gewifs mit
Recht. Fr. versteht: ,Vor einem Jahr — denn so würde ich hier
übersetzen — kam der Liebesschmerz (Liebesgott?) — gewifs
letzteres — , der die harten Herzen dergestalt gefügig macht, dafs
u. s. w.' Aber kann avenir so gebraucht werden, kann es einfach
, kommen' heifsen? Ich möchte hinter avitit ein Komma setzen
und vermute, der Dichter habe ursprünglich sagen wollen ,vor
einem Jahre ereignete es sich, dafs — «7?/^ ist ja nicht nötig —
der Liebesgott, der die harten Herzen demütig macht, ihn zwang,
einer Dame die Liebe zu erklären'; also etwa Lui fist proiier une
dame. Nachdem er aber an // dieus d'a?7iors einen Relativsatz ge-
schlossen, verläfst der Dichter die ursprüngliche Konstruktion und
542 GEORG EBELINO,
fährt anakolulhisch fort il li covint und setzt davor que, als ob der
abhängige Salz noch nicht begonnen hätte. Nicht ganz unmöglich
wäre es auch, // dieus bis soiiploiier als Einschub zu fassen und
zwar als Nomen -f- Relativsatz nach Verm. Beitr. I 204 f.: ,Vor einem
Jahre ereignete es sich — der Liebesgott macht die harten Herzen
demütig — , dafs er einer Dame die Liebe erklären rnufste'. Der-
artige Einschübe begegnen in der Dichtung auch sonst, freilich in
der gewöhnlichen Form Subjekt + Verb.
1915 würde ich am Ende ein Komma setzen — sospris er-
fordert keine Ergänzung, vgl. Si sui soupris que ne mert puis retraire
Mätzner Altfrz. Lied. 111 16 — und in der folgenden Zeile mit TW
Des amors lesen, zum folgenden Relativsatz gehörig, wobei en
pleonastisch steht, wie häufig, vgl. 1236.
1924. Et plus vout ele quil feist?\ Ich kann nicht glauben,
dafs Meraugis diese Worte sagt, wie der Hg. annimmt, vermag
vielmehr darin nur eine Frage zu sehen, die der besiegte Ritter
in seiner lebhaften Erzählung selbst stellt und selbst beantwortet.
1929. sen li avoit feie. Das Particip verändert, obwohl das
Fürwort im Accusativ gar nicht dasteht, wovon zu Auberee 655
S. 139 ein paar Beispiele gegeben sind, oder Gar7ieme7is demanda
ciers, Oti li a aparellies Aue. 9, 5.
1933. cele pl. T.
1936. Estes vos que sa desreson Corra parlot et ceste ajigoisse!
que nach Estes [Ez) vos begegnet in dieser Dichtung noch 5834,
ein anderes Beispiel bei Burguy 11 286, was darum erwähnt sei,
weil es bei Diez 111 i8g fehlt, der nur neufranzösisches voici que,
voilä que hat; ital. ecco che (alt und noch immer). Auch portu-
giesisch begegnet eis que, s. Lang zu Denis 1257, 5, und rumänisch
eatä cä\ Tocmäl cänd voi sä se scöle ^i sä plece spre a inerge sä-fi
incerce ^i elü noroculü, itä cä Brösca fi^ti odatä Ispirescu Basme 35, —
corre fafst das Glossar hier transitiv = treiben! Warum nur?
Warum nicht die gewöhnliche Bedeutung? Es wird sich nur
fragen, ob nicht auch hier hinter der Lesart von T: sa desreson
Est departis, die ja schon grammatisch nicht möglich ist, das
Richtige steckt, etwa Est par deforsl ,Sieh da, nun ist seine Un-
vernunft draufsen, frei', nämlich dadurch, dafs Meraugis den Schild
zu Boden geworfen hat. Vorher war der Ritter durch seinen Eid
gebunden, vgl. dazu auch i960 f. — Was soll nun et ceste angoisse
in diesem Satzgefüge? Es steht auch nur in V. W kommt, wie
so häufig, nicht in Betracht, und T hat paj- ceste angoisse, was
einen guten Sinn giebt, wenn man es mit dem Folgenden ver-
bindet: p. c. a. N'est nus si hardiz qid u. s. w., infolge dieser Angst
d. h. infolge der Angst davor, vor der desreson, ist keiner so kühn,
dafs er sich dem Schilde zu nähern wagte!
1950. (Weifst du etwas darüber?) O'il, et si conois niout bien.
Cele sanz faille li vet dire. Ich glaube allerdings, dafs der Punkt
nach dem ersten Verse zu streichen ist und Cele das Objekt zu
conois ist. Also nach Cele Semikolon. Wenn der Hg., der in der
zu FRIEDWAGNERS AUSGABE DES MERAUGIS. 543
Anmerkung diese Möglichkeit erwägt, auch sanz faule zum Vorher-
gehenden ziehen möchte, so geht das wieder darum nicht an, weil
dann das tonlose li an die Spitze des Satzes treten würde.
1952 mit T, wie auch in der Anmerkung gefragt wird; nicht
als Frage, es spricht derselbe,
1957. Jusqiie mit T.
1959. cell T.
i960. Danach schwächere Interpunktion, vgl. zu Vr. An. 158.
1970. Auiant com cele . . . Het bieti, hee7it cesies rouirage\ Ist
der zweite Vers so ursprünglich, was ich dahingestellt sein lasse,
dann hätte die Form cestes in der Anmerkung oder in der Ein-
leitung S. XLV Erwähnung verdient; hier allerdings absolut, wie
Je gart si cestes Chlyon 341. Dagegen ist sie adjektivisch vor
einem Substantiv sehr selten, obwohl sie Diez II 109 als einzige
Form ins Paradigma setzt. In der ersten Auflage II 87 erwähnt
er die fast ausschliefslich gebräuchliche Form cez nicht einmal.
Erst in der zweiten II 10 1 und dann in der dritten bemerkt er
„sehr üblich aber ist cez für cestes^\ was eben die Sache nicht
richtig darstellt. Nicht ganz richtig auch bei Bartsch Chr.2 S. 507.
Falsch ist auch die Darstellung bei Mätzner Gram.^ S. 154, der
fürs Altfranzösische cestes, ces ohne weitere Bemerkung neben ein-
ander anführt. Dagegen giebt N. de Wailly in seiner Notiz über
die Sprache Joinvilles (kleine Ausgabe 1886) S. XV richtig ces fürs
Fem. Plur. an und bemerkt auf der folgenden Seite, dafs sich in
einer Urkunde auch cestes fände, ohne anzugeben, ob vor Sub-
stantiv oder absolut. G. Paris in den Extraits d. 1. Ch. d. Roland ^
S. 32 giebt nur icestes und bemerkt, dafs auch eine kürzere Form
ohne i vorkomme, hat also cez überhaupt nicht, obwohl diese
Form in den von ihm ausgewählten Abschnitten mehr als ein-
mal vorkommt, z. B. 235 A cez paroles. Meyer-Lübke II 118 setzt
wiederum nur cestes ins Paradigma und sagt S. 120, dafs daneben
eine Kurzform cez, ces vorkomme, die schon im Roland begegne!
Nach Körting Formenbau des Nomens S. 282 entspricht die De-
klination von eist, ceste ganz der von eil, cele, was nicht richtig
ist. S. 283 e fügt er dann hinzu, dafs sich früh die lautunregel-
mäfsig gekürzten cez, ces einstellten, für die er zur Erklärung
neben der Proklisis auch den Einflufs des Masculinums annimmt,
was ich nicht glaube. Dem gegenüber hatte schon Foerster zu
Aiol 949 hervorgehoben, dafs cestes sehr selten sei, auf Gessner
verwiesen und einige wenige Stellen aus Greg. Dial. angeführt.
Dafs es aber nicht blofs absolut erscheint, wie er vermutet, zeigen
die beiden schon von Burguy I 156 angeführten Stellen, wozu
Passion 126^ hinzukommt, N^os cestes pugties non avem.
1991. Nach der Ueberlieferung mufs das proleptische le in
den Text.
Ich breche ab. Indem ich die übrigen Seiten des Textes
mit dem Auge nochmals überfliege, sehe ich leider an so mancher
544 GEORG EBELING, ZU FRIED WAGNERS AUSGABE DES MERAUGIS.
Stelle eine Bleistiftberaerkung, die anderes will, als der Heraus-
geber gesetzt hat. Hier und da sind stärkere Versehen mitunter-
gelaufen, die nicht ganz unbedenklich sind. Der Text bedarf noch
an vielen Stellen der Besserung. Auch das Glossar giebt Ver-
anlassung zu Ausstellungen.
Habe ich so oft widersprechen müssen, so ist mir dabei wahr-
lich nicht wohl zu Mute gewesen, schon darum nicht, weil ich der
Jüngere bin. Aber darf man anders verfahren? Kennt die Wissen-
schaft anderes als Wahrheit? Kennt sie Rücksichten?
Und wenn man den Blick von diesen Ausstellungen im ein-
zelnen wieder auf das Allgemeine richtet, so bleibt es doch, wie
ich zu Anfang gesagt habe, eine tüchtige Leistung. Liegt die
Dichtung auch noch nicht überall in dem Wortlaut vor, der ihr,
wie ich glaube, zukommt, so besitzt man ja durch Friedwagner
das gesamte handschriftliche Material. Man ist so durch ihn
selbst in stand gesetzt, an jeder Stelle von sich aus zu bestimmen,
was in den Text gehört. Freilich eine zusammenhängende Lektüre
ist so nicht wohl möglich. Aber dem läfst sich ja abhelfen.
Foerster hat wiederholt nach seinen gröfseren Ausgaben kleine
Textausgaben veranstaltet. Warum sollte Friedwagner nicht das-
selbe, thun? Damit ist die Möglichkeit einer neuen Recensio ge-
geben, und ich wünsche dringend, dafs Fr. uns mit einer solchen
beschenke. Aber natürlich auf Grund von T, das ist condicio sine
qua non.
Zu der Fortsetzung der Raoulausgabe aber rufe ich dem Her-
ausgeber ein herzliches Glückauf zu. Sie ruht in guten Händen.
Georg Ebeling.
Zur Behandlung von Ty und Cy.
Es wurde in dieser Zeitschrift (i8, 241) behufs Erklärung einer
Reihe auffälliger Erscheinungen in der Behandlung von nachtonigem,
intervokalen iy und cy (frz. servize, jiiize) die Vermutung ausge-
sprochen, dafs in gewissen Gesellschaftskreisen und zu einer be-
stimmten Zeit, in sogenannten halbgelehrten Wörtern cy, ty, ce{t)
in der Aussprache z (sanftes s) zusammenfielen, während in eigent-
lichen Buchwörtern jene Lautgruppen zu f (zy) wurden. Für die
Richtigkeit jener Hypothese glaube ich heute den Beweis beibringen
zu können. Ich gebe zuerst die m. E. gesicherten Belege, um dann
zur Besprechung weniger sicherer Fälle überzugehen.
In Sassari (in Sardinien, vgl. AGI — Archivio glottologico
italiano 14, 149) sagt man spaziti, grazia, oziu (otium), biddezia
ibellezza), gul])izia (giustizia): man vergleiche damit nozl ,noce', krozi,
piazeri, vizinu, wo ce zu Grunde liegt. Buchwörter sind orazioni,
piniddenzia, Erbwörter piazza, palazzu, pozzo, — vor dem Ton : razoni,
slazoni; auch cy wird zu zz: brazzu, minazza. Das Galluresische und
Korsische kennen die Erscheinung nicht: grazia [z hat den Laut-
wert is), spaziu, ozwA Bemerkenswert ist S. 169 gallur. (und auch
\ognd.) /ehzi, /elizu (dagegen />^«' pacem, boa -vocem, acetn, vianu;
ferozu, innuzenti); nach S. 141 weist auch vortoniges e statt /' in
felizi auf gelehrten Ursprung.
In Sicilien (s. H. Schneegans, Lautentwicklung der Sicilischen
Dialekte, S. iio/iii) kennen einige Mundarten giustizia, licenzia,
sirvizuP- {a)stuzia, sazerdotu (also z = ce), spiziali (Apotheker, also
z = cy): sonst zz: biddizza, palazzu, minazza, brazzu. Gelehrt sind:
ozziu, prezziosii, sirvizzu, co7isolazio)ie, facci (facies); ce{i) wird zu c, c,
nicht zu z.
Aus Catanzaro (Calabrien) giebt Scerbo (Sul dialetto calabro):
serbizzu, ligorizza und rigolizza (it. regolizid), sazziare, sazzu, sazz
(sazio), vizziosu, vizzu, vizzarru; mit cy: spezzeria (farmacia), spezziale
und spusalizzu sponsalicius.'* Sonst zz: pozzo, addirizzare, capizza,
valeutizza, stizzare.
1 In gallur. hi(i<\,esa, hruttesa {s scharf) neben pozzu, vizzu ist Sulfix
-itia der Entlehnung verdächtig; dagegen cors. vunezzci ,bonlä'.
2 Bemerkenswert ist -zu, nicht -ziu, daher in gelehrter Form sirvizzu,
nicht -zziu; vgl. im nächsten Absätze vizzu neben vizziosu, sazzu neben
sazziare.
2 Nach AGI 4, 165 sagt man im Neapolitanischen und Apulischen
aizejone (nziorn:), juslizz^ya; dssgraiz^ye in Teraino, AGI 12, 18.
Zeitschr. t rom. Phil. XXIV. 33
546 A. HORNING,
Eingeschaltet sei hier eine Bemerkung über eine Erscheinung,
die deutlich zeigt, wie die halbgelehrten Wörter ihre eigenen Ge-
setze ausbilden. In Gombitelli (AGI 13, 318) wird in halbgelehrten
Wörtern (voci semiletterarie nennt sie Pieri) iy vor dem Tone zu
zi, graziöse, nach dem Tone zu sj {gi), grasia, avarisia. Sonst zz\
Piazza, pozze. Aehnlich in Lucca und Pisa (AGI 12, 117. 147) ap-
parission, grassioso, dagegen grasia, judisio, negosio {s scharf) und
in Sassari (AGI 14, 149) prczu ,prezzo' (gallur. presii) gegenüber
dispriziä, priziosu.
Aus dem Altnorditalienischen seien genannt: servixio, juslixia;
mitrj': offixio, iuixio, fidiixia, fitixia (.v = c), AGI 14,228, piemont.
fiüsa. — Im Altprovenzalischen sind gesichert: servizi, durch die
Nebenform auf -igi (s. meine Schrift Zur Geschichte des lat. C,
S. 71) und espdzi durch die Nebenform espäri (s. Literaturblatt
18, 232). — Im Altfranzös. : servize, juize, saci'efizc; mit z aus ce\
Saint-Feli^^ : eglij^ Renart III 317; pecherij^ peccatricem, Predigt.
Bernh. 163, 13. 32 (vgl. noch Literaturbl. 11, 107). — Im Altkata-
lanischen haben sich juy, serviy, servcy, o/ey, espay aus älteren
Formen mit z entwickelt {servezi begegnet oft), da nur z, nicht f,
ausfallen konnte, nachdem es sich zu h verflüchtigt hatte ; juyhi ist
Revue des Langues Romanes 10, 234, Z. 3 bezeugt.i — Im Portu-
giesischen gehören hierher yw/iö, Galiza, feuza, Luzia (s. noch Lat. C,
S. 102), wobei z, nicht zi bei den drei ersten beachtenswert ist; 2
in Erbwörtern wird iy zu c. — Im Spanischen: jiiyzio, Gallizia und
wohl auch iiuza, obgleich in dieser Sprache die eigentümlichen
Schicksale von cy das Urteil erschweren.
Die Thatsache, dafs in sämtlichen Sprachen'^ dieselbe Wort-
gruppe mit unwesentlichen Abweichungen den Wandel von iy, cy
zu i zeigt, beweist, dafs wir es auf dem gesamten Gebiete mit
einer und derselben Erscheinung zu thun haben; dafs ferner in
jedem einzelnen Falle nicht besondere Einflüsse (Anbildung,^ Ent-
lehnung, Einwirkung der Auslautvokale) wirksam waren, sondern
dafs der Uebergang in den sanften Laut an sich ein eigenartiges
Merkmal halbgelehrter Bildungen war. Unberechtigt ist daher der
Einwand Meyer-Lübke's, Rom. Gram. II 5 2 1 ,dafs mit der Annahme
-ise sei gelehrt,^ das z schwer vereinbar sei'. Eine Erklärung jener
* Neben Dalmay Dalmatius und espay kommen auch Dalmau und
espau vor; s. Grundrifs I 678.
2 Meyer -Lübke bemerkt, RGr. I 435, dafs wie n zeige, ^oxi. granizo
nicht Erbwort sein könne. Dafs das Wort halbgelehrt ist, lehren die rätischen
Formen: neben gran^ts garn(tsi, graunetsa, grnits (Lat. C, S. 108. HO).
3 Nur das Rätoromanische hat nichts Aehnliches aufzuweisen, abgesehen
etwa von grddzdya gratia neben grdtstya (s. Gärtner, Rät. Gram., S. 9).
* Gegen die Lehre Meyer-Lübke's juise sei an franchise angebildet,
habe ich mich Literaturblatt 18, 232 ausgesprochen. Es kommt hinzu, dafs
-ise in franchise als weibliches Suffix gefühlt werden mufste, und auch aus
diesem Grunde ist die Annahme Meyers unwahrscheinlich.
* Vielmehr halbgelehrt. Den Ausdruck gebe ich gern preis. Der Unter-
schied selbst zwischen gelehrten und halbgelehrten Wörtern ist wichtig und
wird durch sass. grazia einer-, orazioni anderseits veranschaulicht.
ZUR BEHANDLUNG VON TY UND CY. 547
Erscheinung vermag ich nicht zu geben; ^ es wäre dazu eine ge-
naue Kenntnis der Verhältnisse nötig, unter denen jene Wörter
in die Volkssprache Aufnahme fanden.
Kann der Wandel iy, cy > z in einer Reihe von halbgelehrten
Wörtern als gesichert betrachtet werden, so ist es anderseits nicht
leicht, den Umfang der hierhergehörigen Wortgruppen genau ab-
zugrenzen. Zunächst fragt es sich, ob das italienische und fran-
zösische Suffix -igia, -ise zu derselben gehört. Was -igia betrifft,
so gebe ich zuerst, um eine sichere Grundlage für die Erklärung
zu gewinnen, einen Ueberblick über dessen Ausbreitung. Abge-
sehen von den Fällen, die in der Schriftsprache vorkommen [gran-
digta, Tiefand-, alier-, franch-, salv-, cupid-, vigord-, cont-, guarent-
s. AGI 13, 435, alttosc. noch comandigia und acomandigid) findet
sich das Suffix heute im Wailändischen und Friaulischen. Salvioni
(Fonetica del dialetto di Milano, S. 167. 165. 66) giebt folgende
Belege: lestizia, svelt-, veg- (vecchiaja), scoriizia (accortezza), morant-"^,
lochizia (sbadataggine), von Idee, net-, jnajestr-, spertizia (avvedutezza),
dapoch- (dappocaggine), largh-, tiüchizia Halsstarrigkeit, zu nücca,
und bäurisches niarüvizia ,7naiuranza\ — Nach Pirona, Vocabolar.
Friulano s. v. balordisie ist ,questa desinenza frequente nelle voci
astratte': Hanchisie, nei-, mond-, tesiard-, mgiird-, bilisie (bellezza),
unglisie (pipita), valisie (valentia); dazu sporcizie nach AGI I 512.
Das Altnorditalienische besafs valentisia, cupidixia, stanchisia,
fraiiehisia, ingiirdisia, immondisia (s. Zur Geschichte des latein. C,
S. 113); dazu kommen noch ligur. prestixia, pegrtxia AGI 14, 108,
altbergamaskisch zentilisia (Lorck, Altberg. Sprachdenkmäler " 1952)
und in den Gallo -Italischen Predigten, Romanische Studien 4, 57
riquisia, flevolisia, altisia, nicisia (zu nudus), cobetisia [-eza nur in
a/erelza).
Für ausgeschlossen halte ich es, dafs -tgm eine Bildung der
Volkssprache sein könne: dem steht entgegen das betonte z statt e,
ferner der auf das z folgende /-Nachklang im Mailändischen und
Friaulischen: mit netizia vergleiche man mail. geza (chiesa), sireza,
caniiza, friaul. camize. Dieselben Gründe sprechen auch gegen die
Annahme -igia sei -itiem-j-a. Dafs -igia aus dem Französischen
stamme, wie Meyer-Lübke will und ich selber früher angenommen
1 Man könnte an eine Verwechslung mit z'^ce (t) denken; doch pafst
dies nicht für das Sicilianische und Calabresische. Als Beispiel einer der-
artigen Verwechslung kann rät. pre/s pretium gelten (s. Lat. C, S. 109. 107.
108), wo ty wie cy behandelt ist; obcri. pretsi zeigt, dafs das AVort der
eigentlichen Volkssprache fremd war. Dasselbe gilt von oberl. stirvets ser-
vitium, im Münslerlhale servezzan. Im Portugiesischen (s. Reinhardstoettners
Gramm. § 14O) kommen neben contessa auch haroneza, duqueza, priiiceza,
poetiza, prophetiza vor, wo Suffix -itia unter Verkennung seiner eigentlichen
Funktion die Funktion von -issa mit übernahm (die Auffassung Meycr-
Lübke's RGr. II 413 ist mir nicht recht klar); ebenso erkläreich afr. duchoise
statt duchesse.
^ nurantizia ist auch aus Piaccnza bezeugt, und zwar aus dem contado
(Ztschr. 14, 148).
35*
548 A. HORNING,
habe, ist möglich, aber schwer zu beweisen. Immerhin mögen
franchigia, guareuiigia, comaiidigia fremden Ursprungs sein; damit
ist aber noch nicht gesagt, dafs diese Eindringlinge den Anstofs
zu den zahlreichen Neubildungen im Mailändischen und Friau-
lischen gegeben haben. Für die Wahrscheinlichkeit, dafs wir wenig-
stens in einem Teile der Wörter auf -igia auf italienischem Boden
entstandene halbgelehrte Bildungen anerkennen müssen, sprechen
sie. sard. justizia, tristizia, welche, wie Guarnerio sagt, ,di certo
non popolari' sind, ferner die Thatsache, dafs, wo aufserhalb Nord-
italiens ingordigia vorkommt, dasselbe in gelehrter Gestalt erscheint:
waldens. 'ngurdigio, dagegen bUego (bellezza) und ricego (AGI 12, 342);
lecces. ingurdizia AGI 4, 12g; abruzz. ' ?igurdenizie', calabr. ngordizza.
Unter allen Umständen lehren die mailändischen und friaulischen
Formen, dafs das Vorhandensein von -igia, resp. -ise in Mund-
arten noch keine Gewähr dafür bietet, dafs -ise eine volkssprach-
liche Bildung ist.i
Was franz. -ise -itia betriift, so sei nochmals darauf hinge-
wiesen, dafs dasselbe auffälligerweise schon in ältester Zeit an
Verbalstämme, Participien und Substantive gefügt wird, während
-ece in zahlreichen Neubildungen gleichwie lat. -itia nur Adjektiv-
abstracta bildet.- Ich erinnere an demayidise, ama7idise, cofnt?iafidise,
hafitise, cuvise, feintise, crainiise, renardise, maislrise, pretrise, mar-
chandise. Eine besondere Erwähnung verdient ostise, die Wohnung
des ,oste' (s. Godefroy), das im Renclus de Moiliens (s. Van Hamel,
Gloss.) mit -ise (marceandise) und mit -isse (vice, delice) gebunden
ist. Letztere Form wird durch Ostiche ,village du Hainaut beige'
bei Godefr. bestätigt — eine auch in so fern lehrreiche Angabe,
als sie zeigt, dafs Ortsnamen in gelehrter oder halbgelehrter Form
auftreten können. Ueber jene eigenartigen -;!rd?-Bildungen hat sich
keiner von den Gelehrten geäufsert, die in -ise ein erbwortmäfsig
entwickeltes Suffix der Volkssprache sehen. Jene Bildungen werden
erst bei der Annahme verständlich, dafs -ise ein halbgelehrtes Pro-
dukt der Sprache ist, welcher das richtige Gefühl für die Bedeutung
und Verwendung desselben abhanden gekommen war.3 Jene Er-
scheinung ist übrigens nicht auf Frankreich beschränkt: hierhin
gehört aus dem Friaulischen: valizie ,valore*, von Ascoli AGI I 512
besprochen, doch nicht erklärt, und imglisie (pipita) — aus dem
Waldensischen guligio (gula + itia) AGI 12, 342, — aus dem Spa-
1 Ueber lothr. -ise vgl. Literaturbl. 18, 232. Audi im Wallonischen, wo
z. B. efantise neben lautgerechtem efantihe (enfantillage, s. Grandgagnage)
vorkommt, hat das Suffix halbgelehrtes Gepräge.
- Vereinzelter Suffixumtausch in vaniece (s. Godefr.) neben vantise ändert
hieran nichts.
^ Ztschr. 18, 240 wurde die Frage aufgeworfen, ob nicht commandise,
garantise u. a. durch Vermittlung von justise zu erklären seien, das selbst
als Postverbal zu justisier aufgefafst wurde. Möglich ist auch, dafs durch
Suffixwechsel und Suffixverkennung älteres comandie, guarentie sich zu co-
mandise, guarentise umgestaltete. Lat. C, S. 34 ist ein Verzeichnis solcher
Doppelbildungen gegeben.
ZUR BEHANDLUNG VON TY UND CY. 549
nischen, v/o -da (vgl. cahcgd) nicht erbwortmäfsig entwickelt ist,
caleza u. ä. {s. Meyer -Lübke, RGr. II 520),! — aus dem Portugie-
sischen natureza gegenüber sp. naturaleza.
Franchise und richise (letzteres nur im Poema morale) konnten,
wie Schwan Ztschr. für französ. Sprache u. Litteratur 13, 196 be-
merkte, frühestens am Ende des 5. Jahrhund, von den germanischen
Adjektiven gebildet werden [kk, (n)k wurde wie überhaupt in ger-
manischen Wörtern vor e(i) zu (/)s).^ Dafs nun das in diesen
beiden Wörtern nach k lautgerecht entwickelte -ise die Endung
-oise -itia in allen andern verdrängte, während richoise gerade
jenes -oise gegen -ise vertauschte und unter allen einschlägigen
Bildungen fast allein festhielt, ist die höchst unwahrscheinliche Er-
klärung Muret's, der auch Schwan seine Zustimmung versagte.
Sollte man ferner in dem Umstände, dafs die Wörter auf -ise
fast durchweg Neubildungen sind, den Beweis finden wollen, dafs
-ise ein volkssprachliches Suffix sei, so läfst sich darauf erwidern,
dafs das Mailändische und Friaulische gleichfalls reich an Neu-
bildungen auf -izia und -isie sind und dafs in diesen beiden Mund-
arten das Suffix sicher nicht einheimisch und volkstümlich ist. Wenn
endlich Meyer-Lübke, RGr. II 520, bemerkt, dafs Frankreich recht
eigentlich das Gebiet von -ise sei, so ist dies richtig, jedoch mit
der Einschränkung, dafs das Suffix erst allmählich die Ausbreitung
gewonnen hat, die es heute besitzt: im Altfranzösischen tritt -ece
keineswegs hinter -ise zurück: während z. B. in den Dialogen Gre-
gor's, im Münchener Brut, in den Predigten Bernhard's -ece zahl-
reich vertreten ist, kommt -ise nur in wenigen Belegen vor.
Richoise und prooise^ sind m. E. gleichfalls halbgelehrte Bil-
dungen: die Diphthongierung des Z zu ^^'/öe, die nur in wenigen
mit Suffix -itia gebildeten Wörtern bezeugt ist, beweist das Gegen-
teil nicht; dieselbe ist vielmehr zu beurteilen wie vereinzeltes afr.
jiisteizier (s. Godefroy v. justisier; justoisier ist nicht belegt) und
covoise (drei Belege giebt Godcfr.) neben covise, aprovenz. jiisietia,
Livre de l'Epervier 36, 185, v\^\i?L\. justesia (s. Wendriner, Die Pa-
duanische Mundart bei Ruzante, S. 36) und jtiexio AGI 14, 108,
altkatal. justesia Rev. d. Lang. Rom. 8, 62, servezi, ofey, rät. ladezia,
pkinezia, richczia, iristezia AGI I 54 und giudff/si, sacrifetsi, uffeisi,
berief r'tsiy s. Zur Geschichte des Lat. C, S. 108. Das Gefühl für die
Gleichung ? !> /? schwand eben erst spät aus dem Sprachbewufst-
sein und war in den Kreisen nicht erloschen, in denen iy, cy z
gesprochen wurden.
1 Wenn M.-L. sagt, Suffix -eza sei im Spanischen erst zu einer Zeit
übernommen worden, in der zwar 1 noch zu e werden konnte, die Entwick-
lung von ty aber bereits abgeschlossen war, so giebt er damit zu, dafs der
sanfte Laut i ein Merkmal nicht rein volkstümlicher Bildung sein könne.
2 Schwan meint, man müsse vom Feminin ausgehen: dadurch würde
die Sache noch verwickelter.
^ Devaux, Essai sur la Langue vulgaire du Dauphind, giebt S. 302 noch
planezi planitiam und siibtileyse, letzteres schon durch das h (dieselben
Texte haben sox4ti, soiitimeii) als halbgelehrt gekennzeichnet.
550 A. HORNING,
Des Weiteren fragt sich, wie altnordital. palaxio, prexi'o, it. bar-
bigi, menugie zu deuten sind. In bellinzon. paläzi (singular), AGI
14, 228, tergestinisch /«Arj/ (singul.) AGI 4, 361 beweist das /, dafs
das Wort halbgelehrt ist; halbgelehrt nennt Lorck Altbergamaskische
Sprachdenkmäler 8.51 mit Recht altbergam, /a/ßj-zö,! das er mit
fasol, ceresa, rnasone vergleicht. Dasselbe gilt von prexio und wohl
auch von pregio. Man beachte altbergam. apresiata (I. c. S. 48),
lombard. despresi AGI 14, 228, in Piacenza dasprizi (offesa) Ztschr.
14, 148: nachtoniges i weist hier überall auf gelehrten Ursprung.
Das Wort hat übrigens auch im Spanischen (asp. pregio). Sardi-
nischen, Rätischen keinen volkssprachlichen Charakter.
Da die halbgelehrte Herkunft von justixia, servixt'o, o/fixio,
juixio, fiuxia, palaxio, prexio entweder erwiesen oder sehr wahr-
scheinlich ist, so liegt die Vermutung nahe, dafs barhigi (erwartet
man nicht 1 > el) und niinugie ähnlich zu deuten sind. Zur Stütze
der von Meyer -Lübke aufgestellten Lautregel, dafs nachtoniges
"///, ^tie zu gi, ge werde, fehlt es an einer ausreichenden Anzahl
von gesicherten Belegen. Fraglich ist auch, ob ijidugio, itidugia
ihr g aus endungsbetontem i7idtigiare bezogen haben. Einmal ist
*induzzo, *indnzza völlig unbezeugt (dagegen aguzzare, atlizzare),
ferner hat sich indutia in keiner andern romanischen Volkssprache
erhalten, endlich spricht friaulisch indtisie f. neben ghamtse (camicia),
ceriHc (ciliegia) für halbgelehrten Ursprung des W^ortes. Erinnert
sei zuletzt an das von Salvioni, Romania 28, gi, besprochene alt-
italienische albägio ,bianchiccio', mail. albäs, das mit Recht auf
albatius zurückgeführt wird (iat. dealbatiores ist bei Augustin.
überliefert), das aber als Erbwort albazzo lauten müfste (vgl. piem.
lavässa, friaul. lavdzz lapäthium). Altprov. albaysia stammt wohl
aus dem Italienischen.
Als halbgelehrt betrachte ich auch eine Gruppe von franzö-
sischen Wörtern auf -ais, -aise = -atium, -atia, unter denen
palais das wichtigste ist. Was zunächst die Geschichte von pa-
1 atium betrifft, so ist nach Suchier, Grundrifs I 665, prov. palais
ein sehr altes Lehnwort aus dem Französischen; alt- und neuspan.
palagio ist gelehrt; auch altnordital. palaxio, rät. palazi, mentones.
palassi, rum. palat statt palat sind keine Wortformen der Volks-
sprache. Erbwortmäfsige Gestalt zeigen nur südital. tosk^an. palazzo,
portug. paro, während katal. palau verschiedener Deutungen fähig
ist. Es gehört demnach das Wort, wie dies auch seine Bedeutung
erwarten läfst, nicht zu den ältesten Schichten romanischer Volks-
sprache,2 und die Annahme, dafs palais halbgelehrt sei, darf nicht
als willkürlich bezeichnet werden. — Servals (der Name eines
Heiligen, Bischofs von Tondern, nödlich von Lüttich, t 384) ent-
stammt der Kirchensprache (eine Ortschaft Sl.-Servais befindet sich
'^ Das Genuesische hat paxo wie fiüia.
■ Nach Kluge's EW. kam pal atium im fränkischen Gallien im Ver-
laufe des 7. Jahrhunderts auf.
ZUR BEHANDLUNG VON TY UND CY. 55 1
in der Nähe von Namur); dasselbe gilt von Pancraise neben Pati-
crace, Ztschr. 6, 365. 366 in einem Texte, der ^ (2) und s sorgfältig
auseinanderhält und auch Morise (Mauritius) kennt; pancrais m. als
Bezeichnung einer Pflanze, nach Sachs ,Gilge, Narzissengattung',
giebt Littre im Supplement, und als damit gleichbedeutend pa7i-
cratter (gesprochen: -assier). Es ist das griechisch-lateinische, schon
im Altertume eine Pflanze bezeichnende pancratium; in gelehrter
Form kennt das Italienische pancrazio , Meergilgen', das Spanische
pancraiiero. — In cymaise (gr. xt\udria, Belege in Godefroy's Com-
pl^ment) ist die Behandlung der ersten Silbe (bei vollständiger
Assimilierung des Wortes durch die Volkssprache würde dieselbe
CO- lauten) und die technische Bedeutung zu beachten. Im Italie-
nischen, welches das Wort in halbgelehrter Form besitzt, dmasa
(daneben gelehrt cimazio, sp. cimado), kennen es auch die Mund-
arten,! lomb. simdsa, u. s. w.: s. Salvioni, Nuove Postille al Vocabol.
Latino-Romanzo; — ie/a/s, das nur einmal im Raoul de Cambrai
in der Assonanz belegt ist, beruht, gleichwie das oben besprochene
it. albagio, auf einem organischen latein. Comparativ und wird schon
deshalb der eigentlichen Volkssprache nicht angehört haben; —
das von Bugge Romania 4, 352 besprochene calais ,espece de
panier' ist das griech. Demin. xalädiov zu x«Aai9-oc. Es stammt
aus dem Süden: das Sardinische hat kalasu ,cassetto' AGI 14, 391,
welches nach Caix das katal. calat'x sein soll. Im Katalanischen
würde man übrigens calau oder calay erwarten; — privaise gehört
nach Meyer -Lübke, RGr. II 451, zu einer Gruppe von Adjektiv-
abstrakten auf ~ia, die durch entsprechende germanische Bildungen
{Gröfse neben gro/s) in's Leben gerufen wurden, und mufs daher
in verhältnismäfsig später Zeit entstanden sein in Gesellschafts-
kreisen, in denen ty > z gesprochen wurde. Denselben Ursprung
weise ich dem Ortsnamen Sarmaize an, wenn das Substrat wirklich
Sarmatia ist, denn Einfälle der Sarmaten in Gallien sind historisch
nicht bezeugt.2
Der Tragweite des Einwandes, dafs man palais-e, Servais-e,
u. s. w. erwartet, wenn diese Wörter halbgelehrt sind, verschliefse
ich mich nicht. Allein entscheidend ist dies nicht. Es giebt Bei-
spiele von halbgelehrten Wörtern, die jenes e nicht aufweisen: Wie
das oben besprochene paticrais und Pancraise verhalten sich Denis
neben Detiise Dionysium, häufiges Beatrix neben seltenem Beatrice
(s. Sierat, C vor e, i im Pikardischen, S. 16); ich weise noch auf
eissil, tapiz, servis servitium bei Devaux, Essai sur la Langue du
Dauphin^ S. 162. 171, edefiz aedificium {;. desconfiz) Cliges 4399.
1 Das Wallonische (s. Grandgagnage) hat simä {= xv/tr'(Tiov) ,corniche
ou tablette de chemince; sorte de petit plancher dans les maisons pauvres,
sur lequel on place des ustensiles'; in Namur fem. simaiije ,partie du man-
teau de la clieminee'.
2 Devaux, Essai sur la langue du Dauphind, erwähnt ein 920 urkund-
lich bezeugtes Salpatia (später Salpasia), auf welches er das heutige Sar-
pezi zurückführt.
552 A. HORNING,
Die Aufnahme von palais mufs vor dem Abfall der Auslautvokale
erfolgt sein: derselbe vollzog sich in verhältnismäfsig später Zeit,
wie die Geschichte der Diphthongierung lehrt {tiens, aus tenes,
nicht aus tens).
Zu der Annahme, dafs Suffix -ist und die soeben besprochene
Gruppe von Wörtern auf -ais, -aise halbgelehrte Bildungen sind,
wurde ich durch die Wahrnehmung geführt, dafs in einer nicht
unbeträchtlichen Anzahl von Erbwörtern lateinischem nachtonigen
intervokalen iy f entspricht. Diese Bildungen sind von den Ge-
lehrten, welche die Ansicht vertreten, dafs ^ > s ergab, entweder
nicht erklärt {pus, pik. pus, aiice, die normannischen Formen, prov.
irtssar, waldens. iiguri), oder die gegebene Deutung ist unwahr-
scheinlich (cap-icium, da doch das Französische ein Suffix -Icium
nur in Verbindung mit -er kennt), oder es wird endlich die Ueber-
lieferung geändert (*mattea, *plattea, *capicium, *arbuttea).i
Wenn auch jede einzelne von diesen Aenderungen an sich zulässig
sein mag, so mufs doch, zumal bei der geringen Anzahl der für
die Behandlung von ty beweisenden Belege, die wiederholte An-
wendung des Verfahrens bedenklich erscheinen. Zu jenen Wörtern,
in denen iy '^ ^i die Ztschr. i8, 2^2 ff. besprochen sind, gebe ich
hier ein paar ergänzende Bemerkungen.
Literaturblatt 18, 232 habe ich aus Thibaut's Glossaire du Pays
Blaisois und Fertiault's Dictionnaire du Langage Verduno-Chalon-
nais, welche sanftes und scharfes s sorgfältig scheiden, inemisserie
,vetille, bagatelle' angeführt (neben menüserie ,menuiserie'). Nach-
träglich sehe ich, dafs menusserie auch bei Jaubert, Gloss. du Centre,
und Dottin, Gloss. du Bas-Maine, steht; eine analoge normannische
Bildung ist agucherie (s. auch Godefroy s. v. menuiserie).
Cotearius liegt nicht nur wallon. cohi, sondern auch poitevin.
cousit cotisc, cousu' m. ,Wetzsteinfafs' zu Grunde; s. Lalanne's Glossar;
daneben couaee, coiiai, couail m. cotarius; poitev. cosse s. f. ,pierre
calcaire tendre' kann sehr wohl cotea sein; von kundiger Seite
wird mir mitgeteilt, dafs mit Silikaten vermischter Kalkstein als
Wetzstein Verwendung findet.
Neben birotium , zweirädriger Wagen' (dazu engad. hröz und
lothring. bro mit der Ableitung brossie) kommt in der Umgegend
von Neuchätel birotia vor: in der Neuchäteller B6roche: beröss^,
in Cressier berdss(e): das Wort bedeutet dort ,Wagenleiter', ,ri-
delles': ö tse a berössf (un chariot ä ridelles). Auch ein Verbum
ist vorhanden: eberossl (aus Colombier) ,den Leiterwagen fertig
machen, aufleitern'. Die Mitteilung dieser Formen verdanke ich
Herrn H. Urtel, der sie an Ort und Stelle gesammelt hat (vgl. das
Glossar der Abhandlung Urtels: Beiträge zur Kenntnis des Neu-
chäteller Patois, I, Darmstadt, 1897). — Aus Cortaillod bei Neu-
chätel geht mir von befreundeter Seite die Mitteilung zu, dafs
1 Mit welchem Rechte wird bei Schwan -Behrens für Ecosse Scottia
angesetzt? Du Gange giebt nur Scotia, einmal Scotti.
ZUR BEHANDLUNG VON TY UND CY. 553
weder der Wagen an sich, der dort vierräderig, im Gebirge aber
wohl zweiräderig ist, noch die Leitern berosse genannt werden,
sondern ,1a transformation du char en voiture ä foin par les
echelles'. Die älteren Leute bedienen sich noch des Ausdrucks
, faire la berosse\ Nicht klar ist, wie berosse zu dieser Bedeutung
kam. Hat man etwa ursprünglich im Gebirge, um den Wagen be-
weglicher zu machen und auf den steilen Abhängen das Heu holen
zu können, bei der , transformation', d. h. bei der Anbringung der
Leitern, dem Wagengestell die Vorderräder weggenommen und so
eine berosse, d. h. ein zweirädriges Fuhrwerk hergestellt?
Das lat. Adjektiv viteus (= afrz. viz »Schraube') lebt auch
im rum, vi^a fort (vgl. Gust. Meyer, Indogermanische Forschungen
111,65). Die Deutung Meyer-Lübke's RGr. II, 71, derzufolge viz
der Plural vites' sein soll, wird dem männlichen Geschlecht der
französischen Dialektformen und dem provenzalischen visso nicht
gerecht, erklärt aber vielleicht das schwierige nprov. vise.
Afrz. gluz (auch im Obliquus), das Meyer -Lübke RGr. II 28
in ähnlicher Weise wie viz erklären möchte, führe ich auf gluteum
zurück, womit auch das männliche Genus des afr. Wortes erklärt
ist (vgl. Littrd).
Godefroy's Compl6ment giebt zwei Belege für den Reim atice:
vice : malice. Auf den zweiten, aus Benoits Chron., hatte schon
Suchier, Reimpredigt 66 hingewiesen. In einer dritten, gleichfalls
schon von Suchier erwähnten Stelle aiice : herice aus dem Renart
hat nur die Handschr. B atice, die andern haben entice, und dies
steht bei Martin III 470. — Auch ein Reim entise : franchise findet
sich bei Godefroy.
Ztschr. ig, 104 wurde nizz. coiigousso f. ,caboche, tete' von
cucutium, resp. cucutia abgeleitet. AGI 14, 2)22 setzt Bianchi
für it. cocüzzolo cucutium als Etymon an (vgl. auch it. cuciizza).
Ueber afrz. blaice, norm, blaiche *blatea s. Ztschr. 22, 482.
Jorets Deutung von norm, ruchie ,lancer des pierres' = ru-
tiare wird durch norm. rue{f) , jeter des pierres' erwiesen; s. Me-
moires de la Societ6 de Linguist. 4, 324. Für dasselbe Wort halte*
ich russer ,glisser', auch erusser erutiare bei Orain, Gloss. d'Ille
et Vilaine. Bei Godefroy (v. reuser) wird aus Quimper ruser
,glisser, tomber' angegeben: j'ai ruse sur cette chose et j'en ai
tombe; rtiser les pieds par terre; mit afrz. reuser hat das Wort
nichts zu thun, ist vielmehr rutiare [ti zu s vor dem Ton). Das
Wort ist transit. oder intransit.; vgl. DG. s. v. rutare: in terram
mortuum rutavit = ,deiicio, prosterno'. Dasselbe Wort ist poitev.
(s. Laianne) eru(ai ,d6tacher les feuilles d'une branche d'arbre en
la serrant d'une main que l'on tire ä soi'; s. auch Godefroy s, v.
erucer : erusser le chanvre ,arracher le grain'.
A. Thomas hat Roman. 25, 388 prov. arbousso auf *arbuttea
statt arbutea zurückgeführt. Allein die romanischen Formen
* Fraglich ist, ob eine Ableitung von cHesem inz ss (v/'sser) hüben kann.
554 A. HORNING,
dlbatro, irvedo u. s. w. verlangen arbutum (s. Körting s.v.), nicht
*arbuttum. Wenn derselbe Gelehrte, Essais de Philologie fran^aise,
S. 75, sagt: ,les d6rives arboiisset, etc., montrent qu'on a affaire ä
un radical avec // et non /', so vermag ich die Beweiskraft dieses
Satzes nicht anzuerkennen. Gab capitium chevez mit scharfem z
wie das z von solaz, so haben die Ableitungen von chevez, z. B.
chevecier, den scharfen Laut wie solacier von solaz. Wurde dagegen
capitium zu cheveiz wie crucem zu croiz mit einem z, das nicht
an sich, sondern nur in der Pause scharf war, so mufste man
chevezier ebensogut wie croizier erhalten. Die principielle Frage
nach der Behandlung von iy kann also durch die Ableitungen
nicht entschieden werden. Erst wenn dieselbe auf Grund einer
umfassenden Untersuchung gelöst ist, können die Ableitungen im
Einzelfalle lehrreiche Aufschlüsse gewähren.
Ich bilde mir nun keineswegs ein, die zahlreichen Schwierig-
keiten, die mit der Frage nach den Schicksalen von ty verbunden
sind, gelöst oder auch nur sämtlich besprochen zu haben. Insbe-
sondere verdienten die Ortsnamen mit dem Ausgange '^"'^tium eine
eingehende Untersuchung, die ich indessen competenteren Fach-
genossen überlassen mufs. INIan gestatte mir über diesen Punkt
nur wenige Bemerkungen. Die erste Frage ist die nach der rich-
tigen Ueberlieferung der Ortsnamen. Nach einer freundlichen Mit-
teilung von Prof. Gröber ist althandschriftlich statt Sarmatia : Serrnoise
(Nievre) Sarmasia überliefert, für Amboise Ambacia; die übhche
Form statt Wormatium ist Wormacia Go7'maise\ wenn hier ci
nicht wohl richtig sein kann [a wird erbwörtlich nicht zu i), welche
Gewähr haben wir, dafs in andern Wörtern ty und nicht vielmehr sy
das Ursprüngliche ist? Des Weiteren mufs die Möglichkeit in Be-
tracht gezogen werden, dafs gewisse Endungen wie -ize in Decke
(alt Deceze) Decetia durch Suffixe beeinflufst worden sind. Nach
Thurneysen, Keltoromanisches S. 17, sind j-Suffixe im Keltischen
überaus häufig, -asio -esio -isio -iisio. Von der gröfsten Wichtig-
keit ist endlich die Frage, ob wir zu der Voraussetzung berechtigt
sind, dafs keltisches iy in Cotia Cutse, Decetia Dedze, Corretia
Correze dasselbe Produkt ergeben mufste wie lateinisches iy. Ich
glaube, man ist ebensowenig dazu berechtigt wie zu der Annahme,
dafs germanisches iy wie lateinisches behandelt werden mufste.
Die Endung -etia findet sich in dem noch unerklärten nordital.
Venexia, tose. Venegia Venetia wieder (im Gegensatz dazu nur
Venectani). Ist Venetia eine schon keltische Bildung, und haben
wir in dem sanften i-Laut eine besondere keltische Aussprache
des iy anzuerkennen? Oder ist Venexia eine halbgelehrte Bil-
dung, was durch das gelehrte Veneciani nahe gelegt wird? Dann
mufs die Ueberlieferung des Wortes im Volksmunde eine Unter-
brechung erlitten haben, und warum sollte dann diese Annahme
nicht auch für Decetia Decize gestattet sein?
Das Ergebnis, zu dem ich auf den ersten Seiten dieses Artikels
gelangt bin, halte ich für gesichert, nämlich, dafs in halbgelehrten
ZUR BEHANDLUNG VON TY UND CY. 555
Wörtern /y und cy sich zu s gestalteten, und zwar in einem sehr
grofsen Teile des romanischen Sprachgebietes. Sollte sich heraus-
stellen, dafs, der von mir vertretenen Ansicht entgegen, im Fran-
zösischen intervokales, nachtoniges fy in volkssprachlicher Behand-
lung zu z wurde, so wären zwei Wortreihen auseinander zu halten:
erstens die Erbwörter mit ty > z und zweitens die halbgelehrten
Bildungen mit iy > z. Es bedürfte dann immer noch einer beson-
deren Untersuchung, um festzustellen, welcher von beiden Reihen
die Bildungen auf -ise -itia zuzuteilen sind.
A. HORNING.
Nachträge.
S. 548, A.i -?se, nicht lautgerechtes -ihe, resp. -ige haben bei Grandgagnage
noch, frehise .endroit "hnmidit' , fondise ,bougie filee', nam. ronchise ,ter-
rain plein de ronces'.
S. 552, Z. 10. Nach Ztschr. 24, 232, Z. 5 spricht man in Freiburg tfso ,tison'.
S. 552, Z. 12 V. u. Auch das Lombardische kennt den Plur. haroza (Literatur-
blatt 21, 144). Das friaul. birozz bezeichnet gleichfalls einen vierräderigen
Wagen. — Die nachtonigen einfachen Konsonanten werden in Doubs,
Jura, Neuchätel nicht geschärft.
S. 553, Z. 27. cosse, cousse ,courge' in Doubs und Jura ist cucutia (Rev. de
philol. fran9. et de littcrat. XIV (1900), S. 64); vgl. Roquefort, s.v.
VERMISCHTES.
Zur Wortgeschichte.
Sp. alechigar
,dulcificar, suavizar' ist allecticare und bestätigt die vor Jahren
in dieser Zeitschrift gegebene Erklärung von frz. alUcher, die neuer-
dings mit unzureichenden Gründen in Körtings Nachträgen be-
kämpft wird.
Frz. suie.
Ztschr. 24, 428 führt Thurneysen suie auf ir. suidi zurück, das
in sehr alten Glossen (deren Vorlage wohl ins 7. Jahrhundert
zurückgeht) überliefert ist; da bei einem irischen Worte solcher
Bedeutung an frühe Entlehnung aus dem G alloromanischen nicht
zu denken sei, so sei der keltische Ursprung des Wortes sicher.
Die Prüfung dieser Schlufsfolgerung auf ihre Richtigkeit überlasse
ich andern. Aber einige Bedenken kann ich nicht unterdrücken.
Im südlichen Teile der Vogesen, in der Franche-Comte und
bis in die Dauphine hinein lautet die dem frz. suie entsprechende
Form socs (älter j«'/s), sütse, sucht {s. Ztschr. 13, 2)^y^ Roussey, Glos-
saire de Bournois; Revue de Philologie fran^. et de litterat. 14, 52;
Mistral v. sujo). Dafs die von Thurneysen angenommene gallische
Lautform stidia einerseits zu suie (also mit einer dem lat. di ent-
sprechenden Behandlung), anderseits aber zu soets geworden sei,
letzteres noch dazu in einem Gebiete, das, abweichend vom Nord-
lothringisch-Wallonischen, die auslautenden Konsonanten nicht
schärft, halte ich für unwahrscheinlich. Für soeis bietet sich eine
Erklärung aus dem Lateinischen: in den Südvogesen wenigstens
(ob auch in der Franche-Comte, mufs noch untersucht werden)
legen meiiche , humide', mucidus, flache flaccidus es nahe, seuche
(alle diese Formen giebt Haillant, Glossaire d'Urimenil) auf sucidus
zurückzuführen. Auch altprovenz. suga, neuprov. sugo (ni^.), eissugo
läfst sich nicht aus sudia deuten, wohl aber aus su(di)ca. Dazu
kommt, dafs der Vokalismus von altir. süide auffällig ist, da die
verwandten Sprachen und Mundarten 0, ^, nicht ü erwarten lassen:
und was Th. zur Hebung dieser Schwierigkeit beibringt, scheint
ihn selbst nicht recht zu befriedigen: in lat. sücidus ist ü gegeben.
A, HORNING, FRZ. SUIE. FRZ. TROCHE, TROCHET. 557
Das von G. Paris Romania 29, 136 aus den Gloss. Cassinenses
gewonnene vulgärlateinische sugia scheitert gleichfalls an soets,
suga. Das dunkle lyonnes. souefi wird durch keines der beiden
neu vorgeschlagenen Etyma aufgehellt.
Dafs das von Salvioni Ztschr. 23, 530 beigebrachte lomb. sciugia
(phon. süga) gegen sucidus entscheide, kann ich einstweilen nicht
zugeben. Ich möchte fragen, ob dasselbe nicht aus einer Form
wie nordital. susia ,lana sucida' hervorgehen konnte, das Salvioni
selbst Postille Italiane al Vocab. Latin. Rom. von sucidus her-
leitet; oder es läfst sich Entlehnung aus dem Provenz. südzyo an-
nehmen, zumal bis jetzt süga ,Rufs* nur aus einer italienischen
Ortschaft nachgewiesen wurde.
Es wurde früher gezeigt, dafs in einem Teile des Gebietes
der Ausgang unseres Wortes in ähnlicher Weise behandelt wird
wie in den Vertretern von ficatum, fidicum , Leber': ich ver-
weise noch auf suijel im Glossar zu Suchiers Denkmälern (ygX.fetge
bei Raynouard) und auf ycr^iö, säsdze bei H. Urtel, Beiträge zur
Kenntnis des Neuchateller Patois, 1897.
Frz. trocJie, trocJiet.
Troche, trochet, wall, iroke ,branche garnie d'un bouquet de
fruits' geht mit it. tralce, tralcio auf (tradux) traducem zurück.
Genaueres über die Vertreter des Wortes in den italienischen
Mundarten findet sich bei Lorck, Altbergamask. Sprachdenkmäler
S. 203 und Salvioni, Postille und Nuove Postille al Vocab. Lat. Rom.
V. tradux, wo tros, troza, U-avsa u. a. verzeichnet ist. Die speciell
italienische Bedeutung ,sermento con grappoli' giebt Jaubert, Glos-
saire du Centre, iroche de raisvis, , brauche de vigne composee de
tous les raisins qu'elle porte'. Die lautlichen Verhältnisse liegen
wie bei it. tralcio nicht ganz einfach: traducem wurde früh zu
traucem {dies schon in einer Handschrift der langobardischen
Gesetze, s. DG. s. v. tranex); in Frankreich trat wie in vielen ita-
lienischen Mundarten, doch früher, vor der Assibilierung des c, die
Endung -ö(w) an Stelle von -ein. Troche beruht unmittelbar auf
traudca mit Umstellung des d, denn tra(d)uca hätte troe er-
geben; au wurde zu 0 wie in chose, dose.
A. HORNING.
Neptunus-lutin.
Der etymologische Zusammenhang des Götternamens Neptunus
über altfranzösisches netun mit lutin wurde von A. Boucherie in
der Besprechung von Constans' Legende d'Edipe 1 als wahrschein-
lich erkannt, nachdem Constans in V. 6008 des Roman de Thebes:
d^Unicum in „de Nitum = Neptunum" verbessert hatte. Suchier
1 Revue des langues romunes XVIII (1880) S. 304.
558 VERMISCHTES. ZUR WORTGESCHICHTE.
hat im Grundrifs der romanischen Philologie I S. 634 diese Etymo-
logie seinerseits neu begründet durch Hinweis auf die altfranzo-
sischen Formen neutim und nuiton, noitim „mit Anlehnung an nuit
Nacht oder an niiire schaden". Für die Bedeutung „Wassergeist"
weist er auf Benoit hin, der im „Trojaroman 14680 noituns mit
monstres marins^ gleichsetzt", und auf „luiton de mer", im 17. Jahrh.
noch gebräuchlich. Auf welchem Wege drang der Name Neptunus
in die Sprache und Litteratur ein und wie ist der römische Wasser-
gott zu einem Kobold, einem farfadet, follet geworden? O. Schultz 2
bezeichnet den Fall als Uebertragung des Namens „eines in seiner
Natur nur noch undeutlich erfafsten mythischen Wesens auf ein
anderes Phantasiegeschöpf, das als gewöhnlich in seiner äufseren
Erscheinung als Tier auftretend gedacht ist". Diese Namensüber-
tragung läfst sich, glaube ich, etwas genauer verfolgen und dürfte
einiges Licht auf einen interessanten Fall des Fortleben vorroma-
nischer mythologischer Vorstellungen in der französischen Volks-
phantasie und Litteratur werfen. Antike Namen und mythologische
Vorstellungen treten in der mittelalterlichen Sprache und Litteratur
in dreifacher Form auf: Als rein gelehrte Entlehnungen bei wissen-
schaftlich geschulten Schriftstellern oder in wunderlicher Travestie-
rung in den Epen über antike Stoffe, Mehr oder weniger deutlich
schwebt hier noch die Vorstellung von einer fernen Vergangenheit
vor, von der man sich durch Sitten und Glauben getrennt fühlt,
die aber in der Erinnerung der Nachwelt poetisch verklärt weiter-
lebt. Einzelne Gestalten der Götterwelt, Venus, Amor, haben sich
zu Abstraktionen verflüchtigt und bilden zusammen mit den Tugenden,
Lastern, Honneur, M6rite und andern Abstraktionen Cyklen von alle-
gorischen Erzählungen. Andere Namen und Göttergestalten sind
aber tiefer in das Volksbewufstsein eingedrungen, das Gefühl der
zeitlichen Trennung schwand, antikes Heidentum und mittelalter-
liches NichtChristentum vermischten sich, die antiken Götter drangen
in die Vorstellungen des Abendlandes über die muhamedanische
Religion und es bildeten sich die halbgelehrten Mythen über
Apolin, Jupin. Einzelne Namen und Göttervorstellungen endlich
wurden so früh eingeführt, dafs sie sich mit einheimischen heid-
nischen Göttergestalten verbanden und in dieser neuen Form selt-
same Verwandlungen durchmachten. So leben in den Feen des
französischen Volksglaubens und ihren Namen bonnes, bonnes danies,
in den Hexen, den bonae mulieres , den bonae res, die römischen
Matres, Bonae fort.3 Dahin gehört auch Neptunus und seine roma-
nischen Nachkommen.
Der Göttername Neptunus kommt in den drei oben berührten
Verwendungen vor: in der gelehrten mittelalterlichen Litteratur
1 Im Texte findet sich das allgemeinere „noituns ne monstres perillous".
'■* Zum Ueberganfj von Eigennamen in Appellativa (Zeitschrift für roma-
nische Philologie XVIII, 1894 S. 135 Anm.).
3 Beispiele in Grimm, Deutsche Mythologie* Bd. 2, 885. Maury, Croyances
et legendes du moyen-äge. Les fees du moyen-äge, nouv. ed. Paris 1896 S. 25.
F. ED. SCHNEEGANS, NEPTUNUS-LUTIN. 559
metonymisch zur Bezeichnung des Meeres nach Vorbild der latei-
nischen klassischen Dichtung.^ Dann werden die alten germanischen
Götter, besonders Odin, und ebenso keltische Götter als Neptunus
von gelehrten, zumeist geistlichen Schriftstellern bezeichnet. End-
lich lebten unter dem Namen Neptunus und den späteren aus ihm
entwickelten Formen vorromanische mythische Gestalten fort, so dafs
jede Spur der ursprünglichen Bedeutung des Namens sich ver-
wischte und der Eigenname schliefslich als Appellativ gebraucht
wurde. Auffallend ist nun, dafs auch mittelalterliche lateinische
Texte Neptunus gebrauchen zur Bezeichnung von Wassergeistern
oder Kobolden, also in der romanischen Bedeutung von nehm, luiioti
u. s. w., und ohne dafs der Schreiber Kenntnis von der ursprüng-
lichen Bedeutung des Namens verrät, während doch die Kleriker,
die heidnische germanische Gottheiten als Neptunus, Juppiter oder
Mercurius bezeichnen, offenbar wissen, dafs es ursprünglich antike
Götternamen sind. Aus den altfranzösischen Formen netun, noitun,
nuiton u. s. w. kann die Form Neptunus kaum rekonstruiert sein:
die Formen sind zu verschieden, ein Zusammentreffen mehrerer
Schriftsteller in dieser etymologischen Deutung ist unwahrscheinlich.
Man mufs wohl annehmen, dafs Neptunus in der Bedeutung „Wasser-
geist" in den volkstümlichen sagenhaften Vorstellungen und zu-
gleich in der gelehrten Tradition sich erhalten hat, etwa in Capi-
tularien und bischöflichen Bestimmungen gegen heidnische Gebräuche
oder in Heiligenleben und Wundergeschichten. Dafs wir es aber
mit echt volkstümlichen Gestalten zu thun haben und nicht mit
gelehrten oder halbgelehrten Entlehnungen aus der lateinischen
Litteratur, ergiebt sich daraus, dafs in dem netun, dem Wassergeist,
der altrömische Neptunus fortlebt, wie er vor dem Eindringen
griechischer Göttervorstellungen von den Römern verehrt wurde.
Herr Prof. v. Domaszewsky hat in einer Notiz, 2 auf die er die Güte
hatte mich hinzuweisen, überzeugend nachgewiesen, dafs ,,die Auf-
fassung des Neptunus als Herrscher des Meeres . . . dem römischen
Volksglauben völlig fremd" ist, dafs Neptunus ein Quellgott ist,
mit den Nymphen verehrt wurde und in dieser Eigenschaft am
deutlichsten bezeichnet ist in der Inschrift des Nymphaeum von
Lambaesis C. I. L. VIII 2653, in Quellinschriften des wasserarmen
Nordafrikas. Mehrere Inschriften beweisen, dafs er als Gott der
fliefsenden Gewässer von piscatores, nautae, negotiatores, molinarii
verehrt wurde. Auf Brücken, so auf der Neckarbrücke bei Heidel-
berg, stehen seine Heiligtümer. Das Vorkommen des Neptuncultus
^ so: Nepturne, qui est sire des vents, in Chronique de Primat traduite
par Jean de Vignay, Hist. des Gaules XXIII, 82. Adami Gesta Hammaburg,
eccl. Pontificum lib. II. — Pertz M. G. SS. VII, 312 ist „cernitur Neptunus tri-
plicis naturae" wohl ebenso als metonymische Bezeichnung des Meeres zu
fassen, das in drei verschiedenfarbigen Strömungen die Insel Wollin berührt,
und nicht als ,,Sclavorum deus" wie das Glossar vermutungsweise erklärt.
2 Correspondenzblatt der westdeutschen Zeitschrift für Geschichte und
Kunst XV (1896) S. 233 ff., wo das Inschriftenmaterial zusammengestellt ist.
560 VERMISCHTES. ZUR WORTGESCHICHTE.
an den Alpenseen liefse sich daraus erklären, dafs „eine ein-
heimische, keltische Gottheit zum Neptunus umgetauft ist, ebenso
wie seine Begleiterinnen, die Aquatiles und Vires einheimische
Wassergeister sein werden". 1 Dieser altröraische Quellgott wurde
von den römischen Soldaten in Gallien eingeführt, verband sich
mit einer keltischen Quell- und Flufsgottheit und lebte in dem
mittelalterlichen Volksglauben als Wassergeist weiter. Den ältesten
Beleg in der mittelalterlichen lateinischen Litteratur finde ich in
der bekannten sagenhaften Erzählung von der Geburt Merowigs
bei Fredegar 2; „fertur super litore maris aestatis tempore Chlodeo
cum uxore resedens, meridiae uxor ad mare labandum vadens,
bistea Neptuni Quinotauri sirailis eam adpetisset. Cumque in con-
tinuo aut a bistea aut a viro fuisset concepta, peperit filium nomen
Meroveum." Kurth (Hist. poet. des Merovingiens p. 150 s.) hat
in der „bistea Neptuni" einen „dieu marin" erkannt'^; genauer
werden wir darin einen Wassergeist sehen, wie sie in deutschen
und französischen Sagen vorkommen und Frauen, Stuten und Kühe
überfallen. Besondern ausführlich berichten über die „Neptuni"
zwei von Ducange Glossarium s. v. Neptunus angeführte Stellen.
Aus der einen ^ Stelle erfahren wir, dafs Thomas Cantimpratensis
' Diese Vermutung ist durch die Entdeckung der Reste einer Kultur-
stätte des „Bindus- Neptunus" an der Privilicaquelle bei Bihac im Japodengau
(Dalmalien) bestätigt worden. Auch hier ist im Binnenland Neptunus mit
einem einheimischen Quellgott Bindus identificiert worden cfr. C. Patsch,
Archäologisch -epigraphische Untersuchungen zur Geschichte der römischen
Provinz Dalmatien. Dritter Teil, S. 2 ff. und 1 1 Anm. I (Wissenschaftliche Mit-
teilungen aus Bosnien und der Hercegovina VI. Bd. 1898).
* Chron. Fredegarii III. Pertz M. G. Scriptorum rerum Merovingicarum
11 p. 95, 5.
2 In „Quinotauro similis" sieht K. eine Anspielung auf die Hörner,
welche bei den Germanen und den antiken Völkern diese Gottheiten tragen.
* Thomas de Chantimpre, Bonum universale de apibus II Cap. LVII 10
in der von Georgias Colvenerius, Douai 1627, besorgten Ausgabe 8.5435.:
De Neptunis daemonibus. Non nisi singulariter Neptunus ponitur ab Aristo-
tele licet Neptunos pluraliter hie ponamus. De Neptunorum factis multa ridi-
culosa et magna mirabilia referuntur et certa fides est quod frequenter audiuntur
ab hominibus et videntur, rarius tarnen nostris temporibus, postquam fides
caepit enucleatius praedicari.
De puero gentili a Neptuno occisi, qui revixit et postea Praedicatorum
ordini sociatiis est, narravit mihi quod subjungo vir bonus et sanctus sacerdos-
que et frater ordinis Praedicatorum nobilissima ducum prosapia oriundus de
gentibus Comanorum. Hie ad fidem Christi conversus fuit illo tempore, quo
gens ipsa Comana percussa et fugala est a populo Tartarorum. Hie puer
adhuc gentilis, ut referebat mihi, annorum fere septem, cum sororibus suis et
puellis aliis in ripa fluminis iocabatur et subito inter ludendum de aqua
egressus quasi vir teterrimus et pilosus, ludentes invasit dicens: Quid me
hie inquietalis, 6 pueri? Cunctis ergo fugientibus dictum puerum in luga
ceteris tardiorem in dorso clava percussit et mox occidit, et regressus in aquam
saltavit. Sorores autem mortuum puerum rapientes ad tabernaculum detule-
runt. Nondum enim Comani domibus utebantur. Sed ante mediam noctem
cum multa sororum suarum letitia mortuo restituta est vita. Credo fidentius,
sicut postea potuit, quod ex tunc in puero salutis opus divina praedestinationis
benignilas causabatur.
F. ED. SCHNEEGANS, NEPTUNUS- EUTIN. 56 1
zwar noch weifs, dafs Neptunus ein Einzelwesen ursprünglich be-
deutet — wie mangelhaft seine Kenntnis ist, zeigt die seltsame
Bezugnahme auf Aristoteles — , dafs er aber das Wort im Plural
als Appellativ zu gebrauchen pflegt zur Bezeichnung von ,,Dae-
monen", über die der Aberglaube besonders früherer heidnischer
Zeit Wunderbares erzählte, an deren Existenz er offenbar glaubt.
Aus der folgenden Wundergeschichte erfahren wir, dafs ein Knabe
vom Stamm der Comanen, als er auf dem Ufer eines Flusses mit
seinen Geschwistern und Gespielinnen scherzte, von einem dem
Wasser entstiegenen, einem „vir teterrimus et pilosus" gleichenden
Unhold überfallen wurde und einen Keulenschlag im Rücken er-
hielt, worauf er tot nach Hause gebracht wurde und in der Nacht
wunderbar wiederauflebte. Thomas de Chantimpre will diese Wunder-
geschichte von einem Dominikanermönch gehört haben, der zur Zeit
der siegreichen Einfälle der Tartaren i (Mongolen) in dem nördlich
vom Schwarzen JNIeer gelegenen Comanien zum Christentum sich
bekehrte. Da der Knabe selbst Dominikaner geworden ist, fällt
diese wunderbare Geschichte in die nächste Vergangenheit. Thomas
bezeichnet das in Comanien hausende Wesen mit dem ihm ge-
läufigen Namen Neptunus. Der Angriff des Neptunus auf die
Kinder, die am Ufer lärmen („quid me hie inquietatis, 6 pueri?")
entspricht dem, was auch sonst der Aberglaube über Wassergeister
erzählt.2 In die Moselgegend bei Trier, also auch in eine Gegend
mit ursprünglich keltischer Bevölkerung führt eine Stelle des Sup-
plementum historiae miraculorum S. Mathiae Apostoli Auetore Ano-
nyme Monacho Benedictino Coenobii S. Mathiae Treviris (Pez,
Thesauri anecdotorum novissimi Tomus II Pars III p. 26). Ein
Jüngling sucht einen „juxta pontem Mosellae" ertrunkenen Knaben
zu retten, mufs aber zweimal den Verunglückten fahren lassen
„maligno spiritu retrahente, quem Neptunum vocant". Grimm
(Deutsche Mythologie I S. 411) fügt dieser Stelle andere bei, wo
Wassergeister ähnlich Ertrunkene an sich ziehen.^ Während in
diesen Stellen Neptunus einen Wassergeist bezeichnet, erscheint er
in einem merkwürdigen Kapitel von Gervasius Tilleberiensis: de
otiis imperialibus,* auf das Ducange bereits hingewiesen hatte,
1 a. 1237 zog Batu, der Enkel Dschengischau's, nach Norden vom Kas-
pischen Meer aus und eroberte und zerstörte Moskau.
2 Grimm, Deutsche Mythologie I* S. 409.
ä vergl. auch Grimm, Deutsche Sagen Nr. 61, 62.
* cap. 63: AngHa daemones quosdam habet, daemones, inquam, nescio
dixerim an secretas et ignotae generationis effigies, quos Galli Neptunos, Angli
Portunos nominant. Ulis insitum est quod simplicitatem fortunatorum colo-
norum amplectuntur et cum nocturnas propter domesticas operas aguut vigilias
subito clausis januis ad ignem calefiunt, et ramunculas e sinu projectas pruni.v
impositas comedunt, senili vultu, l'acie corrugata, slatura pusilli, dimidium
pollicis non habentes, panniculis confertis induuntur, et si quid gestandum in
domo fuerit aut onerosi opcris agendum, se ingerunt citius, humana l'acilitate
expediunt. Id ilHs inditum est, ut obsequi possint et obesse non possint.
Verumtamen unicum nocendi modulum habenl; cum enim inier ambiguas
noctis tenebras Angli solitarii quando equitant, Portimus nonnumqiiam invisus
Zeitschr. f. rom. Phil. XXIV. ^(j
562 VERMISCHTES. ZUR WORTGESCHICHTE.
mit den liebenswürdigen und schlechten Eigenschaften, die deutsche
Kobolde und französische luitons, lutins auszeichnen. Die Neptuni
sind Hausgeister (s. Grimm, Deutsche Mythologie I* S. 413 ff.),
zünden das Feuer an, helfen bei schwierigen Arbeiten, sind daumen-
hoch, bunt gekleidet (panniculis confertis, die Kobolde tragen rote
spitze Hüte), sehen alt und runzelig aus. Diesen Hausgeistern
(Neptuni, Portuni) schreibt Gervasius ferner Eigenschaften zu, die
eigentlich den Irrwischen (s. Grimm 11* S. 762 f.) zukommen. Sie
führen nächtliche Wanderer irr und, wenn diese im Sumpfe unter-
sinken, hört man ihr unheimliches Gelächter. Eine Verwechselung
dieser Gestalten des Aberglaubens, die zwerghaft und unsichtbar
sind, lag nahe; so sehen wir auch die gutmütigen Hausgeister die
Menschen foppen und durch Gelächter verhöhnen (Grimm S. 422, 424.
Hugo El ard Meyer, German. Mythologie 1891 S. 119). Als endlich
die Erinnerung an die heidnischen Wassergötter verschwand, konnte
wohl die Bedeutung von Neptunus erweitert werden und die ver-
schiedenen Gattungen von Kobolden bezeichnen. Wir sehen also,
dafs schon zu einer Zeit, wo der lateinische Ausdruck noch lebendig
war, Neptunus bald Wassermänner, bald Kobolde bezeichnete. 1 Das-
selbe Schwanken der Bedeutung zeigen die entsprechenden alt-
französischen Formen. Es mögen hier einige Beispiele, die sich
sicher vermehren liefsen, folgen:
Neptunus ergab regelrecht nehm, das sich in der alten Be-
deutung eines mit einem irdischen Weibe Riesen zeugenden Wasser-
mannes Chev. au Hon ed. Foerster v. 5271 ff., 5513 ff. findet (v. 5514
im Reim mit ?/«) mit den Varianten nuiton, luiton, nuitun; einem
neifim, noituns marins Und einer Stute entstammt ein wunderbares
Pferd, das Roman de Thebes v. 6005 ff., 8968 ff. beschrieben wird.
Wegen der ungewöhnlichen Endung -un und der veränderten
Bedeutung, die Anlehnung an nuit, miire nahelegte (s. Suchier,
Grundrifs I S. 634), wurde das Wort verschiedentlich umgestaltet:
Ph. Mousket in einer von Godefroy citierten Stelle Chron. 25125
(ed. Reiffenberg) kennt ftuihins (: cascuns) als einen Kobold, der
sich unsichtbar machen kann. In der Beschreibung des mit leben-
den Statuen ausgerüsteten Zimmers von Aubastrie (Roman de Troie
v. 14670 ff.) werden „granz serpenz, volanz, hisdous — Nottuns ne
monstres perillous" erwähnt, wo von dem ursprünglichen Wesen
nur die Vorstellung des Ungetüms übriggeblieben ist.^
equitanti se copulat et cum diuüus comitatur, eundem tandem loris arreptis
equum in lutum ad manum ducit, in quo dum infixus volutatur, protinus
exiens cachinnum facit et sie hujuscemodi ludibrio humanam simplicitatem
deridet.
1 Liebrecht (Des Gerv. von Tilb. Otia Impeiialia, Hannover 1856 S. 131),
der den Zusammenhang von nuten mit Neptunus nicht kennt, möchte die
Verwandhuig der Wassergötter Neptunus und Portunus aus der Klangähnlich-
keit von Neptunus und nuton und Portunus und etwa dem schottischen
Worte brownies erklären.
2 Variante: luitons.
F. ED. SCHNEEGANS, NEPTUNUS-LUTIN. 563
Die Form nuton mit Suffixvertauschung ist nach Gachet, Glos-
saire du Chevalier au cygne s. v. hcitoti im Wallonischen erhalten
zur Bezeichnung von Kobolden.
Aus 7itiiiun entstand dann durch Dissimilation zunächst luihm
(Jeiim scheint zu fehlen), das im Roman de Rou (ed. Andresen
II, 4591 ff.) einen dienstbaren Geist bezeichnet, der den wegen
Raub verbannten Erzbischof von Rouen, Malger, begleitet. Der
Dichter bezeichnet ihn zunächst als „diable prive" und fragt sich,
ob er wohl ein „luitun" i war. Er hiefs Toret und war unsichtbar.2
Für Wace ist also wie für Mousket niiitun, luitun ein Kobold, der
moderne lutin.
Die beiden Bedeutungen, Kobold und Wassermann oder all-
gemeiner Ungetüm, haben sich in der noch von La Fontaine ge-
brauchten Form luiton erhalten. Es folgen hier einige Beispiele
(s. Godefroy, La Curne de Ste. Palaye, Littre s. v. lutin). In ein
Meerungetüm ist Malebruns verwandelt, den Huon de Bordeaux
auf seiner Abenteuerfahrt trifft.3 Yx wird einem luitoji verglichen,
„schwimmt rascher als ein Salm im Meer", Huon setzt sich auf
seine „crupe" (v. 5363). Der Dichter stellt sich unter liäton also
ein Tier etwa in Drachengestalt vor, nicht mehr einen „Wasser-
mann". Ganz ähnlich wird in einer von Godefroy citierten Stelle
aus Mathieu d'Escouchy Chron. II 143 (Soci6t6 d'histoire de France)
ein „monstre" als „en luiton mout estrangement deffigure" be-
zeichnet.'i Eine ungeheure Schlange, die vor Jerusalem das Heer
der „Taffurs" angreift und von Peter dem Eremiten mit seinem
Pilgerstab erlegt wird, wird hiiion genannt.^ Im späten Mittel-
alter und im 16. Jahrh. ist luton ein Ungetüm, über dessen Gestalt
man keine klare Vorstellung hat. In einem Debat de Charite et
d'Orgueil (Rec. de poesies fr. des XV. et XVI. s. XI 304) wird Orgueil
ein luton genannt. Für Cretin ist Cerberus „l'ort infernal luton".
Andere fassen luit07i als Kobold auf. Im Prosaroman von Perce-
forest (s. Littre) wird der luiton definiert als „ung esprit qu'on ne
peut veoir et se delecte a decepvoir les gens". J. d'Arras, der
Verfasser des Roman de Melusine,*' spricht von Geistergestalten,
die den Alten (nos anciens) erschienen und von den Einen luifons
von Andern „les faes", von Andern „les homies datfies^'' genannt
wurden. Im Dictionnaire fran<;ois latin definiert Robert Estienne
„ung luiton ou Gobelin ou Follet" als „ung esprit qu'on ne peult
veoir et se delecte a decevoir les gens, Lemures" (cf. Perceforest).
lutift, das seit dem 14. Jahrh. (bei Eustache Deschamps) im
Gebrauch ist, scheint von Anfang an die moderne Bedeutung zu
» Var.: luitia Hs. C, lutin Hs. D.
^ Plusors le(s) poeient oir — Mais nuls d'cls ncl poeit choisir.
* Huon de Bordeaux ed. Guessard-Grandmaison (Anciens poötes fran-
9ais) V. 5314 ff.
* vgl. Huon de Bord. v. 5320 ,,en guise estoit d'un luiton figures".
^ Chevalier au cygne ed. Reiffenbcrg-Boiguet IH v. 20366 ff.
* s. Leroux de Lincy, Introduction au livre des legendes p. 171 ss.
36*
564 VERMISCHTES. ZUR WORTGESCHICHTE.
haben und helfende oder neckische, polternde Kobolde zu be-
zeichnen.
So haben sich aus dem Dunkel heidnischer Vorzeit in dem
jielim zwei mythologische Gestalten erhalten, der altrömische Wasser-
gott und ein keltischer Quellgeist. Das ursprüngliche Wesen ist
noch deutlich erkennbar in den lateinischen Erwähnungen des
Neptunus und in den mythisch gefärbten Schilderungen des Che-
valier au lion und des Roman de Thebes. Dann scheint die
Gestalt des derben lüsternen und gewaltthätigen „Wassermanns"
aus dem Volksbewufstsein geschwunden zu sein; Neptunus wurde
als hiiton, luiion de vier ein Seeungetüm und drang in den Schatz
mythologischer Vorstellungen ein, aus dem die christlichen Roman-
dichter den poetischen Schmuck ihrer Werke schöpften, wie spätere
Dichter aus der römisch- griechischen Mythologie. Lebendigere
und der Volksphantasie näherstehende Geister und Kobolde, deren
geheimnisvolles Treiben man in der Stille der Nacht in den fernen
Stimmen der Natur zu erkennen glaubte und die sich dem Auge
der Menschen entzogen, vermischten sich mit den ursprünglichen
Gestalten des Neptun und es entstand die Doppelbedeutung, die
sich bei den zahlreichen ihrer Klangähnlichkeit wegen vermengten
Formen des Wortes findet. Endlich trug die Form lutin den
Sieg davon. p_ ^Äi. Schneegans.
Zu afrz. Idis.
Den von G. Paris (Romania XXVIII, 113 ff.) und Tobler (Archiv
Bd. 103 S. 156 ff.) im Anschlufs an Mussafia's Betrachtung über lau
(Rom. XXVIII, 112 — 3) beigebrachten Belegen möchte ich noch
drei weitere anfügen.
Sie finden sich im Folcon de Candie der Hs. Bib. nat. f. fr. 774.
Anfelise blickt aus den Fenstern des Turmes von Candie auf das
Kampfgetümmel herab ; sie redet Fausete an (fol. 1 1 6 rO '') :
„Za vioie amie, dont tiavez \yous\ poor
de vosire ami? Je Vai de mon seigtior;
la'is aval les voi en grant dolor. '■'■
Etwas weiter sagt sie:
^^Une riens pens gut auques tient a moi;
se jel vous dt, gardez qiiil i ait foi:
la'is aval delez cel baille voi
e7itre ces autres mon seignor inu et quoi."
Die beiden letzten Verse stehen schon fol. 116 vO\ An den ent-
sprechenden Stellen des Folcon in Hs. Bibl. nat. f. fr. 778 fol. 205 r" ^
findet man für Idis beide Male la ius; desgleichen an der zweiten
Stelle in der Boulogner Hs. fol. 244 r*» ^, während an der ersten
Stelle der betreffende Vers zusammen mit dem folgenden fehlt;
O. SCHULTZ-GORA, ZU AFRZ. LAlS. AFRZ. ESCAKIMANT. 565
die Hs. Bibl. nat. f. fr. 25518 kommt nicht in Betracht, da unsere
Verse in die dort vorhandene grofse Lücke fallen.
Die dritte Stelle steht fol. 138 v** », Saligot überbringt der
Ganite, welche sich in Montire befindet, die Nachricht, dafs ihr
Geliebter der Povre veu mit vielen Kriegern nahe:
„ Vemiz vous est veoir 0 .xxx. d armez;
delez .1. petit lois s'est la'is arestez,
qiie por l'esirange gent riestormist la ciiez."
Hier fehlt die Correspondenz in den anderen genannten Hand-
schriften, da für diese Partie die Stoff behandlung eine ab-
weichende ist.
Wir sehen an den beiden ersten Stellen laYs in Verbindung
mit aval, ebenso wie an verschiedenen von G. Paris angeführten
Stellen, der es auch besonders bemerkt hat. Dies sowie la ins an
den correspondierenden Stellen stützen weiter — falls eine Stütze
noch nötig ist — des letzteren INIeinung, dafs la'i's und la ins das-
selbe Wort sind. Q^ Schultz -GoRA.
Altfrz. escarhnant.
In der Romania XIII, 130 sagt G.Paris, dafs er nicht wisse,
woher escari'mant komme; auch ist mir nicht bekannt, dafs seitdem
sich Jemand mit dem Worte beschäftigt habe. Zwar hat P. Meyer
ibid. "XIII, 15 bemerkt, dafs der Verfasser der Faiis des Romains
das Carmanosqtie duces der Pharsalia (III, 250) mit li Escariman
wiedergiebt, und die Meinung ausgedrückt, dafs man von hier aus
zum Verständnisse von palie escariman gelangen könne, allein da
er nicht wieder darauf zurückgekommen ist, so wird er wohl ge-
sehen haben, dafs man mit dem erwähnten li Escariman nichts
anfangen kann. — Ich glaube kaum fehl zu gehen, wenn ich als
Etymon für afrz. escarimant, das bei Körting fehlt, das griechische
6xaQäy,ayxov bezeichne, welches Du Gange in seinem , Glossarium
ad scriptores mediae et infimae graecitatis' als bei verschiedenen
mittel griechischen Schriftstellern vorkommend anführt; es wird auch
im .Glossarium mediae et infimae latinitatis' als scaramanga, scara-
mangum verzeichnet und unter den abendländischen Chronisten
Liutprand als älteste Quelle namhaft gemacht. Die Bedeutung ist
offenbar , Gewand' gewesen, und zwar sagt Du Gange, dafs es,
nach den griechischen und lateinischen Schriftstellern zu urteilen, ein
weites den ganzen Körper bedeckendes Gewand bedeutet habe;
auch führt er im griechischen Wörterbuche den Lcunclavius an,
welcher in seinem ,Onomasticum ad Hist. Musulm.' sich noch ge-
nauer äufsert: scaramangum, vox persica, quae veskm pluviam sigtii-
ficat, hoc est eam quae pluviis superici vesiibus solet.
Obiges scheint mir für unseren Zweck zu genügen und ich
halte es nicht für nötig, dem Worte weiter nachzuforschen. Be-
566 VERMISCHTES. ZUR WORTGESCHICHTE.
kanntlich begegnet escarimant recht oft im Altfranzösischen, doch
tritt es nicht früher auf als in Karl's Reise, und bezeichnend ist,
dafs es gleich hier als griechischer in Constantinopel gebrauchter
Stoff erscheint (V. 290, 337).
Es ist gewifs, wie G. Paris bemerkt, nicht richtig, wenn Kosch-
witz escharwianl für handschriftliches escarwiant (V. 337 escarimaii)
einsetzt, denn das Wort kommt immer nur mit dem Anlaute
esca... vor, indem man wohl einen von Godefroy angeführten, für
mich nicht controllierbaren Beleg eschariman aus der Oxforder Hand-
schrift des Hörn unberücksichtigt lassen kann; diese Thatsache
erklärt sich auch sehr gut aus der natürlich ziemlich späten Ent-
stehung des Wortes. Aus Obigem geht hervor, dafs die Bedeu-
tung ,scharlachfarben', welche Koschwitz frageweise im Glossar
ansetzt, nicht haltbar ist; auch brauchte das d in dem handschrift-
lichen la teie descarimant (= descarmatti) nicht beseitigt zu werden
(V. 290). Es erhellt ferner aus unserer Herleitung, dafs die Schrei-
bung ohne / am Ende die etymologisch richtige und ursprüngliche
ist. Dafs V, 337 von Karl's Reise blialt hinzugesetzt ist und später
nicht selten paile, erklärt sich daraus, dafs man das fremde Wort
deutlich machen wollte. Als einigermafsen auffällig bei der fran-
zösischen Wortform bleibt nur das konsequent erscheinende i übrig,
wofür ich keine ganz genaue Parallele zur Hand habe.
O. Schultz -GoRA.
Die romanischen Namen der Glocke.
Die Liebhaber des Lateinischen und die des Romanischen
müssen immer in engster Fühlung miteinander bleiben. Wir die
wir der „matre pulchrä filia pulchrior" unsere Aufmerksamkeiten
widmen, werden uns gern zurechtweisen lassen, sollten wir unwill-
kürlich den Ansprüchen der Mutter zu nahe treten; ja wenn wir
uns zu einer Aufmerksamkeit gegen diese selbst erkühnen, wenn
wir ihr etwa ein Geschenk machen, rübidus „rauh" oder sonst ein
ungebuchtes Wort, dann wünschen wir geradezu zu erfahren ob
wir etwas Passendes oder Unpassendes gethan haben. Da ich mich
mit den romanischen Namen der Glocke beschäftigt hatte, so war
mir sehr willkommen was E. Wölfflin über sie und die lateinischen
sagt und zwar an drei Orten: Zeitschr. für deutsche Wortf. 1 65 f..
Münchener Sitzungsber. 1900, I, 3 ff. und Arch. f. 1. L. u. Gr. XI, 536 ff.
Die einen Wörter gehen unter : tititinnabulum, nola, die andern gehen
auf: clocca, campana, Signum.
Die älteren Zeugnisse welche Wölfflin für clocca beibringt, sind
nicht unbekannt; so ist u. A. die Stelle aus Adamnans Vita Co-
lumbae in Holders Altceltischem Sprachschatz mitgeteilt. Wenn
Wölfflin zufolge im Französischen das „deutsche" Wort Glocke ob-
siegte, so scheint er meine Herleitung desselben aus dem Latei-
H. SCHUCHARDT, DIE ROMAN. NAMEN DER GLOCKE. 567
nischen nicht annehmbar zu finden, aber auch die ältere aus dem
Keltischen nicht. Und ich hatte gehofft dafs aus den Thesaurus-
excerpten die oder jene Bedeutung von Cochlea herausspringe welche
dieser und überhaupt der mannigfachen Begriffsentwickelung des
Wortes im Romanischen irgendwie präludierte!
In Bezug auf den Ursprung von campana teilt Wölfflin die
herrschende Ansicht; dafs sie nicht die ausschliefsliche ist, ersehe
ich aus einer Äufserung Hübners (an einer unten näher zu bezeich-
nenden Stelle) dafs „der christliche Gottesdienst damit die pagani
und campani zur Kirche rief". Bedenken wie sie hiergegen vor-
gebracht werden können, ist die Annahme nicht ausgesetzt dafs
die Bedeutung von campana „Gefäfs aus kampanischer Bronze"
sich auf „grofse Glocke", „Kirchenglocke" verengerte (durch Ver-
mittlung von „Schallbecken"; vgl. campantim, xvunavov Gloss.),
und sie wird gestützt durch die parallele Bedeutungsverengerung
die in campa7ia „Schnelhvage" vorliegt. Dafs dasjenige Wort welches
im Süden der Romania nur für die kleine Glocke gilt, clocca, im
Norden auch die grofse bezeichnet, das scheint auf einer etwas
verschiedenen Entwickelung der Sache in beiden Gebieten zu be-
ruhen : innerhalb der südlichen Kunstüberlieferung werden auch
die Kirchenglocken von Anfang an eine schönere Gestalt, einen
gröfseren Umfang gehabt haben. Der erst jüngst gewonnene
älteste Beleg für cavipajia ,, Glocke" wird von Wölfflin jetzt wieder
beiseite geschoben und mit Recht; wenn in einer Inschrift aus der
Zeit Domitians von campanis et urnalibus die Rede ist, so wird
auch das in campanis bei Plinius H. N. i8, 360 sich im Allgemeinen
auf Gefäfse aus kampanischem Erze beziehen. Wölfflin liefert uns
einen wertvollen Ersatz, einen Beleg für campana „Glocke" aus
einem Briefe des karthagoschen Diakons Ferrandus an den neapel-
schen Abt Eugippius, der in den Anfang des 6. Jhrhs. fällt. Also
in Afrika und Süditalien war das Wort schon gang und gäbe, in
Spanien vielleicht noch nicht, da fast ein Jahrhundert später Isidor
von campana nur im Sinne von „Schnellwage" spricht. Wölfflin
hatte zu campana anfangs /(^/z'/j ergänzt (II); dann erkannte er dafs
es der zum weiblichen Singular gewordene neutrale Plural {;vasa Ca?n-
pand) sei. Campa7mm (nämlich vas oder aei) erscheint übrigens im
Mittellatein neben campana; möglicherweise ist darauf ital. campano
zurückzuführen.
Auch sigtinm „Glocke" (eig. „Glockenzeichen") weist Wölfflin
schon im Anfang des 6. Jhrhs. nach: signo tacto (Nonnenrcgel des
Caesarius von Arles).
Über tintinnahuliim bemerkt Wölfflin: „Man könnte wohl ver-
muten dafs die grofsen Kirchenglocken aus den Klingeln oder
Scheuen hervorgegangen seien, den sogenannten iintinnahida. ....
Allein die Sprache zeigt uns keinerlei Verbindung der beider-
seitigen Namen, wie sie doch durch Augmentativ- und Deminutiv-
suffixe leicht herzustellen gewesen wäre" (II; ähnlich III). Aber
ich nehme in der That, auf Morillots Untersuchungen fufsend, an
568 VERMISCHTES. ZUR WORTGKSCHICHTE.
dafs wenigstens im Norden die Kirchenglocken aus den Klingeln
hervorgegangen sind; die Sachgeschichte braucht ja nicht immer
durch die Wortgeschichte bestätigt zu werden. Übrigens geschieht
dies hier doch, nicht zwar bei tintitinabulum , aber bei clocca, das
zunächst jedesfalls die kleine Glocke bedeutete, dann die grofse.
Die Ersetzung von itntmnabulum durch clocca, der Bezeichnung nach
dem Geräusch durch die nach dem Aussehen kann nicht Wunder
nehmen. Jene ist allerdings die nächstliegende, und in clocca selbst
schwand bald die ursprüngliche Bedeutung aus dem Bewufstsein
und wurde ein Postverbale zu cloccare „läuten" gefühlt. Aber lin-
tvmabidum oder eine andere Ableitung von demselben Stamm zeigte
sich durch Umfang und Bildung der hohen und herrschenden
Rolle wenig gewachsen welche die christliche Glocke im Vergleich
mit der antiken Klingel spielte. Die Lautnachahmung trug hier
in der Verdoppelung einen kindlichen Charakter und blieb immer
lebendig, weshalb auch das i sich nicht „lautgesetzlich" wandelte:
ital. tintin7iare, -ire (aber wo der Schall gänzlich hinter die ihn
hervorrufende Bewegung zurücktrat: tentennare), und auch noch von
romanischen Schriftstellern tmtm(?iJabulo verwendet worden ist, von
Gautier sogar iüitintiabtiler. Und franz. thitin, welches früher wie
im Ital. auch von den Glocken gebraucht wurde, hat in dieser
Verwendung eine Reihe von frischen Schöfslingen neben sich, wie
dindin, ditidatt, dindon, tinrelin, tüirelentht, dreiin u. s. w., vor denen
es seine lateinische Herkunft kaum geltend machen kann.
Mit viel mehr Recht hätte man das Fortleben von nola im
Romanischen erwarten dürfen, das aus alter Zeit kaum ein INIal,
häufiger aus dem Mittelalter belegt ist. Ndla kann nicht vom Stadt-
namen Nöla herkommen; das scheint auch Wölfflins Meinung ge-
wesen zu sein (II), leider hat er sie geändert, offenbar durch
eine Stelle Catos verführt, der die vasa ahenea Capuae, Nolae
rühmt (III). Die Messung Nölanus bei Prudentius beweist nicht
das Geringste für ein Nöla, sie erklärt sich nur aus romanischer
Aussprache; wenn aber diese Nolanus und Nölamis zusammen-
fallen läfst, so scheidet sie N'öla und ndla streng als Npla und
nola. Auch bleibt nola für 7iolana zu erweisen; ich wüfste nicht
dafs die Sitte die Namen der Städte für dort gefertigte Dinge zu
setzen [fdience, arazzo u. s. w.) ins Latein hinaufreicht. Woher nola
kommt, wissen wir freilich vorderhand nicht; wir denken dabei wie
bei mora, rota, toga u. s. w. an ein zugehöriges Verb, und das
könnte nur eines mit der Bed. „schallen" sein, wie ja von unserem
schallen selbst Schelle, von franz. sonner son7iette gebildet ist. Im
Germanischen haben wir ein ähnlich lautendes in knallen = engl.
knell, knoll, und dieses letztere bedeutet „läuten" (Subst. „Glocken-
schall"); aber selbst wenn wir in nola ein *gnola erblicken wollten,
würde es uns kaum gelingen die Verbindung mit jenem herzu-
stellen.
Aufser diesen vier Wörtern erwähnt Wölfflin noch eines, aber
nur ganz kurz: caccabulum auf einer römischen Glocke von Tarraco
H. SCHUCHARDT, ZUR METHODIK DER WORTGESCHICHTE. 56g
und verweist auf den Arch. Anz. 1894 S. 187. Ich habe die Stelle
sofort nachgesehen und darauf das lebhafteste Bedauern empfunden
sie nicht schon gekannt zu haben als ich Rom. Etym. II, 48 f.
drucken liefs. Die betreffende Mitteilung rührt von E. Hübner her.
Jenes Wort steht nicht etwa allein auf der Glocke, sondern es ist
nur das erste einer Inschrift, die nach den Zügen der Buchstaben
ins ausgehende 2. Jhrh. gehören würde. Sie lautet: cacahuhis sacrts
Augustis vernadus nuntius iunior seculum honum S. P. Q. R. et popido
Ro7?iano felix Tarraco. Das verjiaclus nunlius iunior ist mir, trotz
Hübners Kommentar, etwas dunkel; aber an der angenommenen
Bedeutung von cacaliihis kann schwerlich gezweifelt werden. Aus
cacabellus sei span. cascahel hervorgegangen, meint Hübner. Hieran
schliefsen sich dann sprachgeschichtliche Aufklärungen A. Toblers.
Cacabellus (welchen Sinn das Wort in einer Urkunde aus Justinians
Zeit hat, kann ich augenblicklich nicht feststellen) hat sich im altfranz.
cachevel, chachevel ,, Hirnschädel", caquevel „Gipfel" erhalten; das s
von cascabel stammt aus span. port. casco. Auf Grund dieser Dar-
legungen nehme ich nun eine etwas breitere Berührung zwischen
caccabus und Cochlea, bez. ihren Fortbildungen an als ich zuerst zu
thun geneigt war. ^^ Schvcuardt.
Zur Methodik der W^ortgeschichte.
Unter den Etymologieen die uns den Eindruck hinterlassen:
„es kann sein, es kann aber auch nicht sein", sind die auf Wörter
engerer technischer Bedeutung bezüglichen wohl die zahlreichsten.
Das franz. gabieu hat Meyer -Lübke Ztschr. XIX, 94 in lautlicher
Hinsicht scharfsinnig und fein, wenngleich nicht überzeugend, in
begrifflicher jedoch nicht mit derselben Sorgfalt behandelt. Er
scheint seine ganze Kenntnis von dem Worte aus Sachs geschöpft
zu haben, welcher es definiert als „gestutzten Holzkegel zum
Drehen der dreiduchtigen Taue". Aber selbst daraus war nicht zu
folgern dafs diese Bedeutung sich mit der des ital. guaffile „sehr
eng berühre", dafs es sich „beide Male um ein Werkzeug handele
auf welchem ein Faden aufgewunden wird". Auf dem gabieu wird
nicht aufgewunden; es dient einer ganz anderen Verrichtung als
das guaffile. Auf ihm sind drei oder vier tiefe Längsfurchen,
Rinnen, „Rummeln" angebracht, und in ihnen liegen die Litzen,
Kardeelen, Duchten aus denen die Seile oder Taue zusammen-
gedreht werden. Das beigefügte Bildchen mag das veran-
schaulichen. Es genügt indessen nicht eine klare An-
schauung von einem Werkzeug zu besitzen um eine einzelne
Bezeichnung desselben mit Wahrscheinlichkeit zu erklären;
die Augen der Fachleute sehen viel anders als unsere — wir
müssen innerhalb eines weiteren Kreises die verschiedenen Be-
zeichnungen kennen lernen. Darunter werden sich solche finden
die für einen fernen Standpunkt geradezu unwahrscheinlich sind.
570 VERMISCH 1 ES. ZUR WORTGESCHICHTE.
Das deutsche Lehre, welches dem franz. gahieu entspricht, ist zuerst
ein Abstraktum; dann bedeutet es soviel wie Modell, Kaliber,
Muster, und erhält schliefslich in den einzelnen Handwerken eine
ganz besondere Verwendung. Eine solche Lehre in der Seilerei
kommt Manchem so wunderlich vor dafs er vorzieht Leere zu
schreiben. Auf die Funktion des Gerätes bezieht sich der andere
deutsche Ausdruck Leitholz, wie wohl auch span. serrador und port.
comedor, falls diese bei Krünitz richtig angegeben sind. Die all-
gemeine Stellung innerhalb der ganzen Mechanik, insbesondere
den Punkt des Zusammenlaufens deutet wohl LLaupt, meist in
niederdeutscher Form Hoofd an, zu welchem engl, laying- oder
rope-top, dän. top, schwed. topp stimmen. Wolf, das so mannig-
fache Geräte und Teile solcher bezeichnet, ist auch in dieser Be-
deutung nicht recht klar, kehrt aber in slawischen Sprachen wieder
(tschech. vik, slow. volk). Der Italiener wählt die Benennung nach
der Gestalt: pigna. Betrachten wir nun die französischen Synonyme
von gabieii, so stofsen wir zuerst auf cochoir ,, Rinnending", sodann
auf viasson = südfranz. massoim, das sich wohl eher auf „Schlägel"
als auf „Bündel" gründet, wie das südfranz. maüt, ebenfalls „Lehre"
vermuten läfst. Dafs neben dem gleichbed. piac. und parm. mass
die Form mazz im eigentlichen Sinne besteht, beweist nur dafs
jene aus einer andern INIundart übernommen worden sind. Süd-
französisch ist auch cabre = cabro für „Lehre", wiederum in dunklem
Zusammenhang mit dem Tiernamen. Es bleiben übrig sabot und
toupiii, eig. „Kreisel", die für den „stumpfspitzen Holzkegel", wie
die Lehre im D. Wtb. beschrieben wird, sehr passend erscheinen
(vgl. engl. dän. top, tschech. vlk „Kreisel" und „Lehre"). So ist es
wohl auch gerechtfertigt wenn ich bei gabieu vor Allem an central-
franz. gabiUo7i, gabignon „Kreisel" denke. Wie dieses zu deuten
ist, darüber habe ich freilich keine bestimmte Ansicht. Dem Laute
nach, aber nicht der Bedeutung fügt sich gut dazu rouerg. gabilho
„Radfelge", das sich von dem gleichbed. galloitalischen gavell, gävid
u. s. w. (auch nach Toskana als gavello, gavto eingedrungen) in
formal entsprechender Weise abzweigt wie neap. gaveglia, welches
auch die Bedeutung des ital. cavicchio hat (umgekehrt de Vincentiis
Voc. del dial. tar. S. i6i: „razze, pezzi di legni che uniscono il
mozzo alle caviglü^''). Auch über die Herkunft dieses Wortes sind
wir noch nicht aufgeklärt; wenn andere Wörter für „Radfelge"
(u. A. auch in den galloital. Mdd.) von kelt. gamb- \ camb- abge-
leitet sind, so möchte man geneigt sein dem gav- einen gleichen
Ursprung anzuweisen (im Mittellatein finden wir das Wort auch
mit c geschrieben: cavile, cavilia, cavilld). Und doch mochten die
Romanen einen alten eigentümlichen Namen für „Radfelge" gehabt
haben, wenn nämlich das von Valentini gebuchte volga mit valgiis
oder mit volgiola zusammenhängt, wodurch wiederum die Deutsch-
heit von Felge verdächtig würde. Das führt allerdings weit ab
von „Lehre" und „Kreisel", und ich will diesen Pfad nicht ver-
folgen, auch andere Möglichkeiten nicht erörtern die sich für
H. SCHUCHAKDT, CALinkE. RAGUS. *FOLLEK. 57 I
gabteu noch darbieten. Denn es kommt mir in diesem Augenblick
ebenso wenig darauf an besser zu machen wie zu kritisieren, son-
dern darauf zu ermuntern. Die ungemeine Breite der Untersuchung
welche der schwierigere Ausdruck irgend eines Handwerks zu er-
fordern pflegt, stellt es, im Interesse der Arbeitserleichterung, als
wünschenswert dar dafs das Sprachliche der einzelnen Handwerke
im Zusammenhang betrachtet und erklärt werde. Unter den
Jüngeren herrscht heutzutage ein grofser Drang nach Neuartigem.
Nun so möge denn der oder jener von ihnen sich die Grenzen
für den zu bearbeitenden Sprachstoff einmal in anderer Weise
stecken als in den bisher beliebten. Er möge sich zunächst mit
einem Handwerk leidlich vertraut machen, und das wird, da das
Praktische hier keine Rolle spielt, leicht und rasch geschehen,
sodann dessen geschichtlicher Entwickelung nachgehen, die Modi-
fikationen der Werkzeuge und der Verrichtungen in den ver-
schiedenen Gegenden feststellen, und nun erst sich zu dem Studium
der Wörter wenden die sich an alles dies Einzelne knüpfen.
Italien bietet dafür die günstigsten Umstände, nicht blofs weil
sich hier Römisches noch am Ehesten erhalten hat, sondern auch
weil wir über das Aussehen der Geräte und über ihre Benennungen
durch Bilder und Schriften besser unterrichtet sind als dies bei
andern Ländern der Fall ist.
H. SCHUCHARDT.
Franz. calibre.
Ich stofse im Dict. gen. S. 334 unter , Calibre' mit Erstaunen
auf die Worte: „L'arabe qälib, forme, moule, qu'on a propose, n'est
pas plus satisfaisant que la locution lat. qua librä. Peut-etre alte-
ration de cpquih'briwn'^ Die beiden Herleitungen aus dem Latei-
nischen sind so phantastisch dafs sie keinesfalls erwähnt werden
durften; welche gerechte Bedenken gegen die aus dem Arabischen
vorliegen könnten, sehe ich nicht ab. Wer das niedergeschrieben
hat, dem sind gewifs türk. qdlyb, neugr. xaXovJti, alb. kalnp, kalep,
rum. calüp, serb. bulg. kalup, tschech. kadlup „Modell", „Gufsform"
unbekannt gewesen, und alle darauf bezüglichen Stellen bei Cihac,
Miklosich, Matzenauer, G. Meyer u. A. entgangen.
H. SCHUCHARDT.
Ragus. *folUr.
Das magy. filier (älter auch füller, f dller), das man bisher
vom deutschen Vierer abgeleitet hat, leite ich von dem Namen
einer byzantinischen, insbesondere Ragusaer Isinnze follarus, follaris
ab; s. Magyar Nyelvor, Aug. 1900.
II. SciU'CHAKDr.
572 VERMISCHTES. ZUR WORTGESCHICHTE.
Franz. fhie
(zu Rom. XXIX, 200 f. 208).
Wenn ich Rom. Etym. II, 41 fhü geschrieben habe, und jetzt
wieder so schreibe, so gründet sich das darauf dafs ich das Wort
als französisches überall mit h gefunden habe, nicht nur im Dic-
tionnaire von Trevoux, sondern auch bei Azais, Mistral, Piat,
Sachs und sonst. In der Schreibung mufste ich den Andern
folgen; in der Herleitung von ^keca brauchte ich es allerdings nicht.
Ich that es weil die Bedeutungen, was ja auch A. Thomas an-
erkennt, auf das Beste zueinander stimmen, die Laute aber sich
nicht durchaus widersprechen. Franz. iaz'e { i/ieca habe ich keines-
wegs übersehen; doch wollte und konnte ich an jener Stelle darauf
nicht eingehen. Es ist wohl nicht allzu kühn für die lateinische
Volkssprache eine Doppelform von {)-7jxr] anzusetzen: /eca gemein-
romanisch „Scheide", „Schote", ffca provinziell „Spindelaufsatz",
vielleicht an itgere angelehnt. Thomas knüpft ihie an engl, tie mit
der Bed. „attache, crampon" an: „qui est tout ä fait en harmonie
avec l'office s6culaire de la tie du fuseau". Da das Wort, wie es
scheint, auf den mittleren Westen von Frankreich beschränkt ist,
konnte es sehr wohl den Engländern noch in später Zeit abgeborgt
sein. Nur sieht man nicht recht ein warum ein Ding das ganz ebenso
in Südfrankreich und in andern romanischen Gebieten vorkommt,
und offenbar schon seit den Zeiten der Römer, einen germanischen
Namen erhalten hätte, und zwar einen solchen der in dieser be-
sonderen Bedeutung sich nicht nachweisen läfst. Zur Entscheidung
kann die Frage nur auf Grund eines gründlichen Studiums des
Spindelaufsatzes bei Germanen und Romanen gelangen.
H. SCHUCHARDT.
Zu ven. foli^o Ztschr. XXIV, 416.
Meyer -Lübke fragt mich ob in ven. folpo nicht ebenso wie
in bol. ßopa \püpuliis Dissimilation vorliege? Ich bin ihm für diese
Erinnerung dankbar; er hat in der That Recht. Aber auch ich
habe nicht Unrecht; ein Endweder-oder giebt es nämlich hier
nicht. Kein Lautwandel läfst sich aus einer einzigen Ursache ge-
nügend erklären; oft sind die Förderungen und Hemmungen sehr
allgemeiner Art und treten nicht scharf hervor; zuweilen aber
dürfen wir geradezu von einer kombinierten Aktion gleich
starker Kräfte reden. Es besteht die Neigung gleiche Konsonanten
im Anlaut zweier aufeinanderfolgender Silben zu dissimilieren; es
bleibt zu entscheiden wie dissimiliert wird. In einzelnen Fällen
ergiebt sich das anscheinend von selbst, indem ein Laut bestimmt
als der nächste Verwandte des abzuändernden Lautes gefühlt
wird (so / — r), oder indem die Dissimilation unmittelbar aufein-
anderfolgender Konsonanten vorbildlich wirkt (so / — w nach Im).
H. SCHUCHARDT, FRANZ. THIE, ZU VEN. FOLPO. 573
Hingegen kann p — p auf mehrfache Weise dissimiliert werden;
es kann das erste, es kann das zweite p abgeändert werden; es
kann die labiale Tenuis in die dentale Tennis übergehen (dieser
Vorgang kommt gerade bei pdpulus vor; s. Ztschr. XV, 11 1 Anm.)
oder in die labiale Media oder in die labiale Spirans. Irgend
eine Analogie bestimmt dieses; wir werden dieselbe nicht immer
nachzuweisen vermögen — deshalb aber existiert diese Wirkung
doch, das betrachte ich als ein logisches Postulat. Von folpo darf
man sagen: es beruht auf dem Einflufs slawischer Aussprache, der
durch den Dissimilationstrieb begünstigt wurde, oder: es beruht
auf dem Dissimilationstrieb, und vom Slawischen aus wurde die
Richtung gegeben in welcher er sich bethätigte.
H. SCHUCHARDT.
BESPRECHUNGEN.
Brückner, Wilh., Charakteristik der germanischen Elemente im
Italienischen, Wissenschaftliche Beilage zum Bericht über das Gymnasium
in Basel. Schuljahr 1898/99. Basel 1899. 4". 34 S.
Die wissenschaftUchen Untersuchungen über die germanischen Elemente
in den romanischen Sprachen sind um einen sehr wertvollen Beitrag vermehrt
worden. Ueber die in der französischen und provenzalischen Sprache ent-
haltenen germanischen Elemente hatte uns Mackel 1887 gründlicher und sorg-
fältiger als alle seine Vorgänger unterrichtet, und gleichzeitig hatte auch Ref.
den ersten Versuch seit Diez gewagt, einiges zur Kritilv der altgermanischen
Elemente im Spanischen beizutragen. Die hierher gehörigen Veröffentlichungen
der folgenden Jahre behandeln meist die romanischen Sprachen in ihrer Ge-
samtheit, so Kluge 's Abhandlung: Romanen und Germanen in ihren Wechsel-
beziehungen (Grdr. d. r. Ph. I), auch Th. Braune 's Beiträge zur Kenntnis roma-
nischer Wörter deutscher Herkunft (Ztschr. Bd. XVIII, XX ff.). Einzelheiten
finden sich natürlich auch in den etymologischen Untersuchungen unserer
romanistischen Zeitschriften und sonst, allerlei Bausteine zu dem germano-
roraanischen Wörterbuche, das zu schreiben niemand wagen kann, ehe nicht
die verschiedenen Einzeluntersuchungen zu einem einigermaCsen befriedigenden
Abschlufs gelangt sind. Eine solche Einzeluntersuchung bietet uns Brückner,
Nachdem er 1895 in den Quellen und Forschungen die „Sprache der
Langobarden" behandelt hatte, reizte ihn die Aufgabe, den Spuren der Lango-
barden in der italienischen Sprache nachzuforschen und diese langobardischen
Elemente von den italienischen Wörtern germanischer Herkunft zu sondern,
die durch andere germanische Völker oder auch aus anderen romanischen
Sprachen nach Italien gekommen sind. So ergab sich auch für Brückner
die Notwendigkeit, wie für Mackel, seinen Stoff nach Schichten zu ordnen.
Während aber M. das Wort Schicht nicht immer in dem streng geologischen
Sinne verwendet — denn ein und dasselbe Wort reiht er einmal der ersten
Schicht, ein ander Mal der zweiten Schicht ein — , sucht B. genau zu be-
stimmen, in welchem Zeitpunkte die betreffenden Wörter in die italienische
Sprache aufgenommen sind. Er unterscheidet germanische Lehnwörter
l) die bereits in vorgotischer Zeit in das Vulgärlatein eingedrungen sind
(S. 6-8),
a) solche, die bei den alten Autoren des i. — 5, Jhs, belegt sind,
b) solche, die auf Grund lautlicher Erscheinungen dieser ältesten
Schicht zuzuweisen sind.
BRÜCKNER, GERMAN. ELEMENTE IM ITAL. 575
2) aus dem Gotischen (S. 8 — 16),
3) aus dem Langobardischen (S, i6 — 22),
4) solche, die nicht direkt aus einer altgermanischen Mundart, sondern aus
dem Französischen bezw. Provenzalischen eingedrungen sind (S. 22 — 28),
5) aus der Zeit der Römerfahrten der deutschen Kaiser (S. 28 — 29),
6) aus den Kriegszeiten des 16. Jhs. (S. 29),
7) aus neuerer und neuester Zeit; die hierhergehörigen Lehnwörter finden
sich weniger in der Schriftsprache als in den oberitalienischen Dialekten
und sind hauptsächlich bairischen Ursprungs (S. 29 — 33).
Die zu I a) gehörigen Wörter sind von Kluge im Grdr. d. germ. Philol.
I^ 327 f. (==!' 306 f.) zusammengestellt; m_erkwürdigerweise sind nur wenige
von ihnen in den romanischen Volkssprachen erhalten.
Der Schicht i b) reiht B. solche gemeinromanischen Lehnwörter ein, die
sich insbesondere in den Sprachen Spaniens finden und trotzdem nicht zum
gotischen Lautstand stimmen. Hierher rechnet er Wörter wie ital. uosa =
aspan. huesa, ital. rocca, span. fieltro und span. yelmo, die auf germ. Wörter
mit o resp. e zurückgehen, während die got. Formen u resp. i aufweisen
würden.' Diese Wörter mögen westgermanischen Ursprungs sein, könnten
aber auch ebenso gut aus dem vorwulfilanischen Gotisch stammen, dem viel-
leicht noch das ursprüngliche 0 resp. e zukam. Der Auslaut des schwachen
Masculinums auf -a, wie er sich in dem germ. '^rokka (= ital. rocca, span.
ruecd) zeigt, ist nach Brückners Bemerkung S. 14 ein besonders deutliches
Merkmal des Gotischen, da die anderen germ. Dialekte hier o zeigen. Das
ist doch sicherlich ein neuer Beweis für den gotischen Ursprung jenes Wortes.
Span, fieltro würde freilich auf eine westgerm. Form zurückgeführt werden
müssen, wenn Pogatschers Deutung Ztschr. XII 554 des ableitenden r aus
dem ursprünglichen Stammauslaut s, dem im Westgermanischen r entspricht,
richtig ist.
Dagegen kann ich auch heute noch nicht einsehen, warum Lehnwörter
dieser vorgotischen Schicht zugewiesen werden müssen, weil sie zufälhg in
dem einen uns nur bruchstückweise erhaltenen gotischen Sprachdenkmale nicht
aufzufinden sind. Hierher rechnet Kluge Grdr. d. r. Phil. I 387 und mit ihm
Brückner S. 7 das Wort guisa, das auf ein germ. wisa zurückgeht; da Kluge
im Grdr. a. a. O. das Vorhandensein nordischer Worte als Zeugnis für das
Gotische verwertet, so hätte er schon aus dem von ihm im Etym. Wtb. s. v.
„Weise" belegten anord. visa auf ein got. wisa schliefsen müssen, wenn wir
ein solches nicht schon aus dem Vorhandensein des span.AVortes vermuten
dürften (s. auch „Zur Kritilc der altgerm. Elem. im Span." S. 50 Anm.). B.
sieht sich übrigens S. 9 selbst genötigt, für das ital. melma ein got. Etymon
*milma anzunehmen, während in dieser Sprache nur malma belegt ist.^
Dafs ital. griso, grigio „grau" jener vorgolischen Schicht angehören
1 Das nur einmal in der aspan. Litteratur belegte clmo (Alex. 544) braucht
nicht aus dem got. hilms zu stammen; es könnte ja auch Lehnwort aus dem
portug. (Imo sein. Ueber die Qualität des e im span. elnio sind wir ja nicht
unterrichtet.
2 So brauchte B. auch Ztschr. XXIV 66 das prov. hauza nicht auf ein
westgerm. hausa zurückzuführen, wenn auch ,,die Sippe speziell dem Deutschen
zu eignen scheint".
5/6 BESPRECHUNGEN. M. GOLDSCHMIDT,
sollen, da sich für dieses Wort weder im Gotischen noch in einem anderen
germanischen Dialekt (abgesehen vom deutschen Greis) eine Entsprechung
findet, erscheint auch B, S. 7 wegen des Vorhandenseins des span. port. gris
bedenklich, die ja offenbar auf das französ. gris zurückführen. Auch die ital.
"Wörter werden wohl aus dem Französ. entlehnt sein, wie bereits W. Meyer
im Ltbl. f. germ. u. rom. Phil. IX (1888) S, 103 für grigio angenommen hat
(ital. f = frz. z, wie in damigella).
Wenn B. bei dieser Gelegenheit meint, dafs span. Lehnwörter, die keine
Endung aufweisen oder auf e ausgehen, nicht unmittelbar aus dem Gotischen
stammen, sondern sekundäre Entlehnungen aus dem Französ. bezw. Provenz.
sind, so hat er vollständig Recht. Die Beobachtung ist freilich nicht neu.
Ich habe schon früher (Zur Kritik S. 13) darauf hingewiesen, dafs span.
arenque wegen des Auslauts aus dem Frz. abzuleiten sei. So ist auch aufser
den von Brückner a. a. O. angeführten guante^, faraute, lote, estoque, escote
noch gigote (= frz. gigot, s. Zur Kritik S. 61) hierher zu ziehen, ebenso asp.
ganivete = nsp. canivete, canavete, für die bereits Diez im EW. II c s. v. canif
Entlehnung aus dem frz. ganivet, prov. canivete annimmt, roquete „Chorhemd"
aus frz. roquet (nach Sachs = kiu-zer Mantel), choque aus frz. choc, bosque
aus prov. bosc (s. Tobler- Abhandlungen S, 166), esquife aus dem erst im
16. Jh. belegten frz. esquif, das seinerseits nach Mackel S. 127 aus dem ital.
squifo abzuleiten ist. Jedenfalls geht das span. Wort nicht auf das ital. zu-
rück, da es sonst ^esqui/o lauten müfste. So rührt wohl auch das span. port.
esmalte von einem frz. *estnalt her, für das in den altfrz. Texten nur esmal
und esmail belegt ist. Jenes steht z. B. in Elie St. Gille 1467 in einer A-Tirade,
auch in der Karlsreise 429, wo es aber der Herausgeber in esmail ändert,
wozu er vielleicht berechtigt war, da sich auch Aiol 10779 das Wort esmail
in einer A-Tirade findet. Diese neuere Form ist von Mackel a. a. O. S. 52
vortreftlich erklärt worden. Jedenfalls liegt keine Veranlassung vor, das ital.
smalto und frz. email mit Diez EW. I smalto und Brückner Ztschr. XXIV 62
Anm. I aus zwei verschiedenen Grundwörtern abzuleiten.^
Dies auslautende e tritt nicht zu, wenn das frz.-prov. Wort auf eine
Liquida ausgeht, so bei span. batel aus dem gleichlautenden afrz. Wort, bei
hedel = prov. hedel (s. Brückner S. 9 Anm. 4), bei dem freilich seltenen esparvel
(etwas eingebürgerter ist esparavan nach Baist Z. f. frz. Spr. XIII 189; das
gewöhnliche Wort ist gavilan) aus afrz. esparvier, ebenso auch bei jardin
(s. Zur Kritik S. 61).
Wenn B. S. 9 Anm. 4 behauptet, dafs d im Span, nur nach dem Tone
1 Dafs das Wort wanteji, aus dem das frz. gatit stammt, dem Westgerm,
durchaus nicht fremd ist, wie Kluge Grdr. d. r. Ph. I 387 behauptet, sondern
sich in niederdeutschen Mundarten findet, habe ich vor Behrens Ztschr.
XIII 414 aus Breusings für Seemannsausdrücke sehr wichtigem Aufsatz im Jb.
f. ndd. Sprachf. V 17 nachgewiesen (S. 50).
2 Wenn ich Zur Kritik S. 47 in dem von mir S. 13 richtig erklärten
arenque, vertrauend auf Eigennamen wie Amanurtcus = * amanuggs , eine
direkte Herleitung von got. *hariggs nicht zurückweisen zu dürfen glaubte,
so bin ich jetzt natürlich längst anderer Meinung. Auch das a. a. O. S. 47
erwähnte espUnque „Fessel" ist als sekundär entlehnt, vielleicht aus prov.
espercnc, aufzufassen; derselbe Wandel r^/ in sy^zxi. flete, ^poxi. freie aus
frz. fret.
BRÜCKNER, GERM AN, ELEMENTE IM ITAL. 577
ausfällt, so ist, wie der Zusammenhang lehrt, vor dem Tone gemeint (vgl.
nspan. ser = aspan. seder, ebenso creer, caer u. dgl.). Uebrigens fällt d in
manchen modernen Dialekten auch nach dem Tone aus, so im Kastil. und
Aragon, in der Endung -ado (Storm , Englische Philologie^ 154)- ^i*^ aspan.
Formen guiar u. s. w. werden wohl aus dem Frz. entlehnt sein.
Zu S. 10 Anm. i ist hinzuzufügen, dafs sich im Prov. neben tregua auch
treva findet, z. B. bei Raimon Vidal (s. Bartsch Chr.* 223, 3).
Dem S. 1 1 erwähnten prov. guaragnon entspricht im Span, nicht ^ua-
ranon, wie Diez EW. I s. v. guaragno angiebt, sondern nur ganinon. bereits
im Altspan, belegt (s. Zur Kritik S. 50). Was die Herleitimg anbelangt, so
ist jedenfalls das von Meyer -Liibke Rom. Gr. I 36 angenommene Grundwort
hrainna nicht richtig. Es könnte das von Er. angeführte *wranjis zu Grunde
liegen, da *wranjo (Mackel 53) im Ital. ^guaragnone ergeben haben würde.
Doch könnte ja das ital. Wort aus dem Prov. entlehnt sein.
Warum span. port. gardingo „Richter, Edelmann" gerade von gards
,,Haus, Hof" abzuleiten sein soll (Br. S. 14), kann ich nicht recht einsehen.
Bekanntlich sind unmittelbare Ableitungen dieses Wortes im Span, imd Port,
sonst nicht erhalten, da ]dL j'ardifi htzw. jarditn aus dem Frz. entlehnt sind.
Booch-Arkossy erwähnt gardingo in der Bedeutung ,, Wächter"; jedenfalls ist
keine Veranlassung, das Wort nicht zur Sippe guardar zu ziehen.
Wegen Vermischung der Stämme bannum ^x^a& ha7zdum (S. 15 Anm. 2)
vgl. die Bemerkungen Foersters Ztschr. XXII 265.
Die Geschichte der Sippe scirm u. s.w. (S. 17) ist auch durch Br. noch
nicht aufgeklärt. Mit Recht leitet er schermo ,, Schirm" aus Igbd. ahd. scirm
ab. schermire „fechten" setzt ein Grundwort skirmjan voraus (s. Mackel
S. 103), dem auch afrz. prov. escerniir entstammt. Durch Metalhesis ist
daraus escremir (afrz. prov.) entstanden. Ob afrz. prov. escirmir, escrimir
immittelbar aus dem ahd. Wort abzuleiten sind oder sich erst sekundär ent-
wickelt haben, wie Mackel a. a. O. meint, wird schwer zu entscheiden sein.
Span. port. esgrimir (auch span. esgremir) gehören ebendahin.^ Neben den
Formen auf -ire stehen solche auf -are, so ital. schermare, das Br. aus ahd.
Igbd. skirmen ableitet; diese ital. Form ist nicht zu trennen von nfrz. escrimer,
cat. escrimar, span. port. Hauptwort esgrima, ebenso ital. scrima, frz. escrime.
Nach Br. ist die ital. Form aus dem Frz. entlehnt, nach Mackel S. 103 escrimer
aus ital. schermare. Möglich wäre ja wohl Igbd. skirmen'^'xK^. scherrnare
^ frz. escrimer, escrime ^ ital. scrima, wenn auch der unmittelbare lieber-
gang von frz. escrimer aus ital. schermare schwer begreiflich ist. [Es hätte
wohl *eschermer ergeben.]
Der Wandel von sl"^ sei, wie er im Ital. für schippire aus ^-slipjan,
schissä aus slizan (Br. S. 18 Anm. 3) anzunehmen ist, findet sich auch sonst
bei german. Wörtern, die in roraan. Sprachen eingedrungen sind, vgl. Zur
Kritik S. 58.
Die Herleitung des h-i. quille (Br. S. 27) aus luW. kiel erscheint mir sehr
^ Das g ist auffällig genug, da lat. scribere'^ s^i\n. escribir geworden
ist. Doch findet sich g für c vor r auch sonst, so span. gramallera aus frz.
cremaillire, port. garupa = frz. Croupe; aber auch abgesehen von diesen
Lehnwörtern aus dem Französ. finden wir es, so in span. gruta aus griech.
XQvnxa u. a. m.
Zeitschr. f. rom. Phil. XXIV. 37
578 BESPRECHUNGEN. F. ED. SCHNEEGANS,
unwahrscheinlich. Denn es giebt kein sicheres Beispiel für f <[ /. Das von
Mackel S. 187 auf an. sila zurückgeführte afrz. silier zählt er selbst S. 1 1 Z
unter den unsicheren Fällen auf; bei an. trylla, wenn dies wirklich das
Grundwort zu afrz. truiller ist, liegt Doppel-/ vor. Guille <^ Wili erklärt
sich nach Mackel aus „räumlicher Artikulationsverschiebung, und guille „Be-
trug", das M. an jener Stelle nicht erwähnt, das aber Diez auf wile zurück-
führt, geht wohl auf *wigila zurück (s. Tobler- Abhandlungen S. 167). Da
nun die Annahme eines germ. Grundwortes *kilja (s. Zur Kritik S. 34) für
das frz. quille (des Anlauts wegen) nicht pafst — jenes Wort müfste ja seiner
Form nach schon früh in eine romanische Sprache gedrungen sein — , so
scheint das Wort zunächst durch die Normannen (im 10. Jh.) nach Italien
gekommen zu sein imd ist wohl aus dem Ital. in das Frz. und Span, über-
gegangen. — Wenn Br. zur Erklärung des nach ihm bei quille aus kiel vor-
liegenden Genuswechsels auf das analoge frz. digiie aus germ. dtk (= ae. die,
ndd. dtk m.) hinweist, so ist das bedenklich, weil auch der Ursprung dieses
Woites durchaus nicht aufgeklärt ist. Mackel hat es merkwürdigerweise gar
nicht erwähnt. Das span. port. digue (masc.) ist offenbar aus frz. oder prov.
*dic entlehnt," das ja regelrecht dem germ. Worte entspricht. Digue kann
aber nicht direkt aus diesem Worte stammen. Vielleicht bestand neben dem
gewöhnlichen masc. auch ein fem., wie es Mackel S. 8 in an. i-önd (neben
masc. raitd) als Grundwort von randa nachweist. Eine andere Erklärung
giebt Brückner selbst an die Hand, wenn er S. 29 sagt, dafs, da das Italie-
nische keinen konsonantischen Auslaut kennt, an Wörter fremden Ursprungs
manchmal a angetreten ist, wodurch Geschlechtswechsel eingetreten sei, so bei
fudinga f. = Pudding. So könnte sich denn auch das ital. diga erklären,
woraus dann erst sekundär das frz. digue entstanden wäre, das dann ur-
sprüngliches *dic verdrängt hat. Dann würde freilich eine Beeinflussung der
frz. Seemannssprache vorliegen, die übrigens für manche Fälle auch Br. S. 26
zugiebt, wenn auch nach seiner Ansicht die meisten italienischen Seemanns-
ausdrücke germ. Herkunft erst sekundär aus dem Französischen entlehnt sind.
scellino ,, Schilling", das Br. S. 29 von frz. scheliing ableitet, dürfte eher
noch auf eine frz. Form *eschelin zurückgehen , eine Nebenform von escalin,
das offenbar auch die Grundform des span. escali?t ist. Das frz. Wort führt
Braune Ztschr. XXII, 203 auf ahd. ^skalling zurück.
Brückners Abhandlung schliefst mit einem sorgfällig gearbeiteten Ver-
zeichnis der besprochenen italienischen Wörter. Es ist schade, dafs er nicht
sämtliche italienische Wörter germanischen Ursprungs einer Untersuchung
unterzogen hat. Die Mundarten hat er nur nebenbei verwertet. Es wäre zu
wünschen, dafs Br. seiner Programmabhandlung recht bald eine ausführlichere
Darstellung folgen liefse, in der er den Einflufs der Germanen auf Italiens
Mundarten untersuchte. Welch interessante Ergebnisse möglicherweise aus
einer solchen Arbeit hervorgehen würden, hat er ja selbst schon in einer
Schlufsbetrachtung angedeutet.
^ Nach Diez I diga belegt Raynouard ein prov. masc. die in dieser Be-
deutung; ob mit Recht — Diez selbst bezweifelt es — , kann ich mit meinen
Hilfsmitteln nicht entscheiden.
Moritz Goldschmidt.
BLANC, LE LIVRE DE COMPTES DE JACiME OLIVIER. 57g
Xie livre de eomptes de Jaeme Olivier marchand narbonnais du XIV^ siicle
public avec une intioduction, un glossaire, des notes et des tables par
Alphonse Blanc. Tome second l^e partie. Paris. Alphonse Picard et fils
edileurs. 1899 in-8". VI S. + 672 S.
Das vorliegende Werk ist ein Teil einer gröfseren Arbeit, die an der
Hand des wertvollen Rechnungsbuclies Jacme Olivier's in einer bereits im
Erscheinen begriffenen Einleitung (in „Bulletin de la Comission archeologique
de Narbonne") zugleich Streiflichter auf die politischen, industriellen und
commerciellen Verhältnisse von Narbonne im 14. Jahrb. werfen soll. Die Aus-
gabe des Rechnungsbuches ist sehr sorgfältig, die Verbesserungen des recht
defecten Textes glücklich, leider läfst sich in den einzelnen Fällen nicht immer
feststellen, ob es sich um Auflösung von Abbreviaturen oder Ergänzung im
Texte fehlender Buchstaben handelt, was fiir die Beurteilung der Orthographie
und Aussprache des Schreibers von Wichtigkeit sein kann ' (so bei sehr
häufigem Fehlen des r in pestey oder aUel = aprilem). Die Würdigung des
Textes als Denkmal der Geschichte des Handels und Gewerbes, des Münz-
wesens im 14. Jahrh. entzieht sich dem Urteil des Philologen, wir dürfen sie
wohl von der in Aussicht gestellten Einleitung erwarten, während zahlreiche
kaufmännische und sonstige technische Ausdrücke im Glossar ihre Erklärung
finden werden. Besondere Erwähnung verdienen die sich jährlich (1381 — 91)
im Rechnungsbuch wiederholenden Angaben über die durch Tuchsendungen
nach dem Orient verursachten Unkosten. Die Reise geht nach Alexandria
oder Damaskus {Bornas) oder nach Beirut (Barut); Einzelheiten wie der Name
des Transportschiffes z. B. zu a. 1385 ,,am la nau Sant Johan e ssanta Mag-
dallena" erhöhen das Interesse dieser für den Laien an sich trockenen Rech-
nungen. Da eine sprachliche Untersuchung des Textes nicht in Aussicht ge-
nommen zu sein scheint, möge hier kurz auf einige Eigentümlichkeiten dieser
auch in der Hinsicht wertvollen kaufmännischen Notizen hingewiesen werden.
Wie aus den Anmerkungen des Herausgebers hervorgeht — eine Beschreibung
der Handschrift fehlt — , ist der Text nur z. T. von der Hand Jacme Olivier's,
die Schreibung ist ziemlich willkürlich und nachlässig:
t imd « zeigen in betonter offener Silbe die Brechung zu ü und uo, so
/j}'c-l (filum), ahryel (oft abrel geschrieben), viens S. 134, viems S. 159 (wohl
vinum), muolas in einer auf Olivier bezüglichen im Nachtrag mitgeteilten
Rechnung.
a ist zu o verdunkelt vor ;;/ in Domas (Damaskus) passim.
1 An einigen Stellen konnte die Lesart der Handschrift im Texte bleiben,
so S. 2 otal, S. 83 cotan, S. 96 fretey, die in ostal, costan, prestey corrigiert
werden, wälirend S. 9 aquet bleibt. S. 1 1 wird das übcrlitferte jenir (für
jenier = jenuarium) verbessert, während S. \Z jener beibehalten wird, S. 15
Chaurer in Chaurier verbessert, während der Text auch sonst -ier zu -er
oder -ir zusammenzieht. — S. 20 corr. lo lendeman statt lo sendeman, oder
liegt etwa Dissimilation vor? — Eine Form \s\^ jiiily {t= july) S. 48 durfte
im Texte bleiben, ebenso S. 55 foren, S. 89 En Johan Avylioxa. per la paga . . .
— S. 80 ist sa hi7it (Na Riesen que esia sa hint den que ly bayley per com-
prar I vel etc.) in das mir unverständliche sa hunf corrigiert, während S. 109,
224 hint mit Recht beibehalten wurde, — S. 124 Z. 5 von unten corr. az
Avyhon. — S. 218 Hs. adoha la mit Unterdrückung des r des Infinitivs kann
bleiben.
37
*
580 BESPRECHUNGEN. F. ED. SCHNEEGANS,
Auffallend ist die Behandlung von nachtonigem br in octobrem, das immer
otoyre lautet (neben vortonigem febryer).
Intervocales v vor und nach dem Ton fällt aus in 7ioembre passim,
secundäres v ebenso in deon S. 22, 30, prcar, prohava {h dient oft zur Be-
zeichnung der Gleitlaute), laor (laborem) neben devem.
Der Uebergang von s, z (aus intervocalem d, lat. s, lat. t in etpara =
espaza, lat. c z. B. derembre) zu r und selten von r zu ^ [lauzador S. 133)
ist nach P. Meyer, A. Thomas, Chabaneau eingehend von dem Herausgeber
des Rechnungsbuches selbst in Revue des langues romanes Bd. XXXX (1897)
S. 48 — 64, 120 — 139 (Narbonensia, Passage de j, 2 ä r et de r ä i', 2) be-
handelt worden auf Grund von Urkunden aus Narbonne (darunter Olivier's
Livre de comptes). Es folgt kurz aus seinen Tabellen und Bemerkungen, dafs
der Uebergang von r z\i s und j zu r zeitlich begrenzt ist, ganz vereinzelt
schon im 13. Jahrh. vorkommt (1235, i-55)> sehr häufig im 14. und beginnen-
den 15. Jahrh. Für das 17. und 18. Jahrh. sind zwei Fälle verzeichnet, r zu
s, z kommt früher vor und hört früher auf als s zu r, und die einzelnen
Denkmäler bevorzugen die eine der beiden Schreibungen. Der Wechsel der
beiden Laute ist nicht an die intervocale Stellung gebunden, das unmittelbare
Zusammentreffen mit einem vorausgehenden oder folgenden Vocal genügt (z. B.
quinre, penze, borcz =^ bosc, sastre = sartre, 1. c. p. 54, 138). — Interessant
sind die Schreibungen rafio in einer der beigefügten Urkunden aus Narbonne
von 1300 S.611 und die Form Toloja aus Tolora corrigiert S. 163: h und/
sind individuelle Versuche, den Uebergangslaut vom Reibelaut 2 zum r zu
bezeichnen.
Auf die bedeutende Rolle der Salzphonetik in diesen die Schwankungen
des gesprochenen Wortes getreu wiedergebenden Schreibungen hat A. Blanc
1. c. S. 137 hingewiesen: et a Foufrega (Livre de comptes S. 93) wird über
ez a zu er a, cordas e fyl zu cordar e fyl.
r vor s fällt auch in der Schrift meistens aus, so in der Formel del cos
sant (= Heiliger), senhos, denies, pas sabatas passim, Massela S. 15, pre-
ricados S. 28, faychyes S. 189, laurados S. 193. Im Auslaut besonders im
Infinitiv verstummt r vor consonantisch anlautendem Wort: /a S. 149, adoba
S. 218, cuele S. H2, regonoyche S. 124, ostal mage S. 19, lybre 7nage S. 176.
Der leicht bewegliche Laut r springt hier oft um, so: presonas S. 20, pur-
meyrament S. 102, forlar S. 106, cran \=^ carnl) S. 172, perstey S. 184.
r — r wird zu r — n dissimiliert in revenensya S. 4, 6.
j vor Consonant war im Schwinden begriffen und fehlt oft, so in otal
S. 2, aquet S. 9, tot S. 55, cotan S. 83. Uebergangsstufen zeigen die Formen
tantort S. 96 und vor tönendem Laut traylatar S. 50, 236. Meistens wird
j vor Consonant durch t ausgedrückt, zunächst wohl vor t: etteron S. 55,
Ettasy (neben iS'.ftej-j S. 78) S. 53, ettans (neben estams) S. 4, ettrenar S. 176,
wo / als ein sehr unvollkommener Versuch anzusehen ist den aus j gebildeten
Laut wiederzugeben. Dasselbe Zeichen wird mm auch vor andern Consonanten
gebraucht: eisarmentar S. 174, etpachat S. 160, etcripturas, et etcryg S. 51,
218, etpara (espaza) S. 78, etcomergar S. 125, etcut S. 134 etc. Durch Kreuzung
mit der etymologischen Schreibung entstand die seltsame Form: osttal S. 26.
Die Schreibung -stz für -tz der Endung in acolorastz S. 4, versiz S. 89
etc. kommt auch sonst häufig vor.
RLANC, LE OVRE DE COMPTES DE JACME OLIVIER. 58 1
Die mouillierten Laute l, n werden vereinfacht zu / und y: moJer S. 10,
Masela S. 15, verviel S. W, fyl S. 20, fila S. 56, filol S. 57, filola S. 58, trebal
S. 20 neben molker S. 271 und der umgekehrten Schreibung rolhos' S.i^o.
n ist zu y reduciert, Schreibungen mit «ä sind selten; der entstandene
Laut wird durch h ausgedrückt: coinpaha S. 29, compahon S. 248, Avyhon
S. 32 neben v4z'zWÄo«, Perpehan S. 146, sehos S. 39, zyha S. 64 (neben J<?n/zo/-,
vinha), leha S.236, tehe, tiheire S. 28, 29 (neben tenher, tenhit), Espaha
S. 176.
Auffallend ist die Schreibung regoneysensa S. 71, regonoyche S. 124,
regonoys S. 203, 579, wo c den Einflufs der umgebenden Vocale zeigt (ein-
mal: payselar e gontar S. 133). Spuren einer Veränderung des anlautenden c
vor a zeigen die vereinzelten Schreibungen chalon S. 124, Santa Hataryna
S. 192. Es seien noch erwähnt j'etüer = jenuarium und der Heiligenname
Aostasy neben Avastasy S. 172.
Sehr häufig ist die "Verdoppelung anlautender Consonanten in engen
Wortverbindungen wie de Ha, cors ssant, nos ssalve, S. Johan e ssanta Mag-
dallena (als Schiffsname) S. 86, per Har e ffiel, a IVefant etc.
Dem Texte des Rechnungsbuches Jacme Olivier's sind als Nachtrag
einige auf Olivier bezügliche Rechnungen anderer Kaufleute von Narbonne
beigefügt. Lateinische, den Handel Narbonne's und die Beziehungen der
Stadt zu den Nachbarstädten betreffende Urkunden bereichern als „pieces
justificatives" zu der zusammenfassenden Einleitung diese interessante für die
provenzalische Dialektforschung wichtige Publication.
F. Ed. Schneegans.
Rudolf Tobler, Die altprovenzalische Version der Disticha Ca-
tonis. Berlin 1897. (104 S.)
Von einer vermutlich dem Ende des 12. oder der ersten Hälfte, event.
Mitte des 13. Jh. angehörenden provenzalischen Bearbeitung der Disticha
Catonis in 6-silbigen, gepaart gereimten Versen wurden neuerdings Fragmente
in zwei Handschriften aufgefunden: zwei kürzere Stücke von 138 — diese aber
z.T. völlig unlesbar — und 1 17 Versen auf Pergamentblättchen der Pariser
Nationalbibliothek, die P. Meyer in der Romania Bd. 25 publicierte, und ein
umfangreiches Fragment von 748 Versen — das zweite Pariser Fragment mit
enthaltend — in einer aus dem 13. Jh. stammenden Handschrift, welche die
Königliche Bibliothek zu Berlin im J. 1894 von einem italienischen Antiquar
erwarb. Die vorliegende Erstlingsarbeit eines jungen Romanisten, eine Strafs-
burger Dissertation, bietet eine sorgfältige kritische kommentierte Ausgabe
dieser Bruchstücke und läfst ihnen eine allseilige philologische Beleuchtung
angedeihen. Die mit sicherer Methode geführte sprachliche Untersuchung
liefert das Ergebnis, dafs beide Handschriften unabhängig von einander in
Norditalien geschrieben wurden, und dafs die Berliner, wie es scheint, dem
Original ferner steht als die Pariser. Inhaltliche Gründe bewegen Tobler,
die vorliegende Version nicht für die ursprüngliche zu halten. Aus der That-
sache, dafs die einzelnen Disticha von dem Bearbeiter mit sehr verschiedener
Ausführlichkeit behandelt werden, folgert er, „dafs nicht alle Abschnitte auf
den gleichen Autor zurückgehen, dafs vielmehr ein Uebcrsetzer die kurzen,
582 liF.SPKECHUNGEN. R. ZENKER,
an das Ori):;inal anschliefsenden Absclinitte verfafste, während ein anderer die
breiten, oft weit abschweifenden Ucbersetzungen schrieb". Er nimmt an, es
hätten zwei vollständige Versionen existiert, die, im Laufe der Zeit mehr und
mehr lückenhaft geworden, schlicfslich von einem dritten zusammengeschweifst
wurden, ja, es sei vielleicht ein viel gröfserer Teil des Gedichtes erst nach
der Zusammenfügung der beiden ersten Versionen hinzugekommen. Er glaubt
in der Lage zu sein, auch sprachliche Unterschiede nachzuweisen. Die ,, erste
präcise Fassung" ,, könne in korrektem Provenzalisch geschrieben sein, das
Uebrige aber scheine von einem Italiener verfafst, der die Sprache von
Languedoc und Provence gelernt, vielleicht aber nie gesprochen hatte".
Für diese ganze Hypothese scheint mir ein irgendwie ausreichender
Grund nicht vorzuliegen. Der provenzalische Text macht durchweg einen
vollkommen einheitlichen Eindruck, Unterschiede in Stil und Darstellungs-
weise konnte ich nicht bemerken. "Wenn die provenzalische Version bisweilen
nur eine präcise Uebersetzung der Distichen giebt, in anderen Fällen aber
umständlicher zu Werke geht, Erläuterungen beifügt und den Gedanken weiter
fortspinnt, so nötigt das doch keineswegs zur Annahme verschiedener Ver-
fasser. Ich meine, es ist nur natürlich, dafs der provenzalische Bearbeiter
nicht über jede dieser zahlreichen Klugheitslehren auf Grund eigener Lebens-
erfahrung oder eigenen Nachdenkens etwas Neues zu sagen hatte: wo ihm
etwas einfiel, da machte er Zusätze, — und wo ihm nichts einfiel, da liefs er
es bleiben; ein solches Verfahren hat doch durchaus nichts Auffälliges.
Ebenso ist es vollkommen begreiflich, dafs es ihm nicht überall gelang, den
prägnanten Gedanken der lateinischen Vorlage in gleich knapper Form
wiederzugeben; bisweilen glaubte er, ausführlicher sein zu müssen, um recht
verstanden zu werden, und dann machte er eben mehr Worte. Gelegentliche
Wiederholungen haben bei einem mittelalterlichen Autor auch nichts zu be-
sagen. Was das sprachliche Moment betrifft, so mifst Tobler diesem selbst
keine entscheidende Bedeutung bei: er erblickt in den mangelhaften Reimen,
Assonanzen und Augenreimen in den nicht der ersten präcisen Fassung an-
gehörigen Stellen nur eine Bestätigung des aus dem Inhalte gewonnenen Re-
sultates. Aber er selbst mufs zugeben, dafs schon jene hypothetische ältere
Fassung den mangelhaften Reim ors — fors V. 288 aufweist, und was die
Reime fedels — cels V. 222 und cala — mala V. 690 angeht, so bleibt es
zweifelhaft, ob nicht auch sie als ungenügend aufzufassen sind; bezüglich des
ersteren bemerkt Tobler S. 17, der Reim sei mangelhaft, „wenn wir nicht für
fezel ein Schwanken der Qualität des e annehmen wollen", und was cala —
mala betrifft, so sagt er S. 22, ,,wenn nicht andere Gründe, die am Schlufs
besprochen werden sollen [eben die inhaltlichen], für die Annahme mehrerer
Verfasser bei unserem Gedichte sprächen, so würde die erstgenannte Möglich-
keit, dafs in den fraglichen Fällen [zu denen eben jener Reim gehört] nur
Assonanz vorliege, unbedenklich vorzuziehen sein" Dazu kommt eventuell
noch captenimens — sens V. 688, vgl. S. 19, das sich auch in der präcisen
Fassung findet. Somit läfst sich ein Unterschied bezüglich der Reinheit der
Reime in den verschiedenen Abschnitten m. E. mit einiger Sicherheit nicht
nachweisen , und es liegt auch von dieser Seite kein Anlafs vor, die Einheit
des Verfassers in Frage zu ziehen.
Das Gedicht besitzt unstreitig einen gewissen selbständigen litterarischen
TOBLER, DISTICHA C ATONIS. 583
Wert. Wie aus dem Gesagten schon hervorgeht, handelt es sich durchaus
nicht um eine blofse Uebersetzung, vielmehr haben wir vor uns eine meist
ganz freie, von Geist und Phantasie zeugende Bearbeitung, welche die Ge-
danken der lateinischen Vorlage in der Regel sehr geschickt, mit grofser
Selbständigkeit im Ausdruck, oft geradezu überraschend einfach und prägnant,
wiedergiebt, vielfach dieselben aber auch weiter ausführt und an sie eigene
Reflexionen anknüpft, so dafs dann das Distichon gewissermafsen nur das
Thema oder den Ausgangspunkt eines kleinen poetischen Essays bildet. Es
gewährt einen eigenen Reiz, die — von Tobler mit abgedruckten — latei-
nischen Disticha mit der provenzalischen Version zu vergleichen: Dort der
würdevolle Gang des klassischen Hexameters, hier der graziöse, hurtige Tritt
des paarweise gereimten 6-Silbners; dort alles abstrakt, der Gedanke in seiner
allgemeinsten prägnantesten Form: hier concrete Anschauung, Bilder, Ver-
gleiche, aus dem Leben gegriffene Beispiele, verbunden oft mit einer gewissen
behaglichen Breite, die aber nie zur Weitschweifigkeit wird und stets fesselt.
Ich gebe ein paar Beispiele: Das Distichon (II, 23) mahnt ganz allgemein, im
Unglücke standhaft zu bleiben. Der provenzalische Bearbeiter erinnert an die
armen Heiligen der Vorzeit, die in Zeiten der Not nicht mutlos waren und,
wenn ihnen Gewinn blühte, nicht übermütig. — Das lateinische Distichon
(in praef.) mahnt kurz, man möge sich aus den folgenden Versen Lehren
fürs Leben entnehmen. Der provenzalische Bearbeiter erteilt den gleichen
Rat, erläutert das Gesagte aber dann noch, indem er auf die Spiegel verweist,
die die Frauen haben und in denen sie ihr Haar, ihre Augen, ihr Antlitz und
ihre ganze Toilette betrachten, diese „Dinger ohne Verstand", die ihnen doch
verkünden, was ihnen gut oder schlecht ansteht; solch ein Spiegel wolle für
den Leser auch dies Büchlein sein. — Das Distichon (IH, 19) warnt, beim
Gastmahl {inter convivas) allzu viel zu reden. Der Provenzale: „Thöricht,
wer mit vollem Munde sich aufs Reden verlegt!" — Der Stolz (orgoil)
wird vom Bearbeiter verglichen mit dem Feuer, das Wärme und Licht spendet,
so lange man es beherrscht, das aber, wenn es sich der Fessel entrafft (pois
d'el perdras poder), uns und alle unsere Habe verzehren würde, wenn ihm
das gelänge. „Aber so hoch steigen nicht Rauch, Wärme und Licht, dafs
sie nicht, rasch oder langsam, ebensoweit wieder nach unten kehrten ....
Ebenso geht es mit dem Stolze etc." ^V. 557 ff.). Im lateinischen Original
findet sich gar nichts dieser Stelle Entsprechendes. So wird die abstrakte
Lehre auf Schritt und Tritt durch Anschauung und Bild belebt; die Version
stellt sich dar als das Werk eines feinsinnigen, selbständigen Kopfes, der die
fremden Gedanken, die er in sich aufgenommen, mit Glück zu reproduzieren
und mit eigener Prägung zu versehen versteht.
Die Anmerkungen, zu denen Adolf Tobler und Gröber Einiges beige-
steuert haben, sind durchweg wohl erwogen und lassen nichts unerörtert, was
irgend der Erläuterung bedarf. Nachstehend ein paar Vorschläge zur Inter-
pretation des Textes.
M 1 1 Se tu tenias car
zo que ves desdeinar
e'n ist abandonatz,
quant ne sera cardatz,
15 no-1 tenc per avareza,
jii parra cobeeza.
584 BESPRFCHUNGEN. K. ZENKER,
Tobler bemerkt, Gröber weise darauf hin, dafs das Tempus tenias ungewöhn-
lich sei, da es sich gar nicht um einen irrealen Konditionalsatz handle.
,, Vielleicht darf man annehmen, dafs hier eine zweite Pars. Sg. ohne s gebildet
und zu lesen ist: tes ni as. Dann wäre der Sinn: ,,wenn du festhältst und
wert achtest, was du verachten siehst, und es von dir giebst, wenn Mangel
daran ist, so halte ich es nicht für Geiz, noch wird es als Habgier erscheinen"
u. s. w.". Die Emendation ist sinnreich, aber m. E. überflüssig: tenias ist
einfaches Imperfektum, nicht Tempus des irrealen Konditionalsatzes: ,,Wenn
du — ehedem — wert achtetest, was du verachten siehst (das Präsens kann
hier stehen für das zu erwartende Imperfektum, weil der Sinn ist: was man
zu verachten pflegt) und — dann später : — es von dir giebst u. s. w.".
T I Mais, se 1 fais ab amor,
as ne grat e lausor.
Se tu fais mai senblant
que non as en talant,
5 passar i potz trop meinz,
si be"l semblant li feinz.
Die vorausgehenden Verse sind nicht erhalten. Es war in ihnen, dem latei-
nischen Distichon zufolge, gesagt: Wer eine Ausgabe machen müsse imd
zaudere, der habe nur den Schaden davon. T. bemerkt, V. 3 — 6 seien unklar,
sie bedeuteten wörtlich: ,,Wenn du dir mehr den Anschein giebst, als du Lust
hast, kommst du viel weniger daran vorbei, wenn du ihm auch eine verstellte
Miene zeigst". Damit läfst sich in der That kein Sinn verbinden; wie sollte
einer dazu kommen, „sich mehr den Anschein zu geben, als er Lust hat"?
Ich vermute für mai — mal und fasse que als ,,dafs": ,,Wenn du eine un-
freundliche Miene zeigst und zu erkennen giebst, dafs du keine Lust dazu
hast (nämlich: zu geben), dann kommst du noch viel weniger darum herum,
wenn du dich auch zierst". Man könnte aber auch bei w«i bleiben und dann
verstehen: ,,Wenn du dir mehr den Anschein giebst, dafs u. s. w.", d.h. mehr
diesen als den gegenteiligen. Allerdings erwartet man in beiden Fällen: „dann
kommst du deshalb doch nicht darum herum".
Zu V. 183 ff.: Fein te fol multas vetz
per tems aici co't letz;
185 mult es grantz sav'ieza
en locs feiner foleza,
wozu T. vergleicht Arnaut v. Marueil: Onrada follia Val en luec mais que
sen (Rayn., Lex. IV, 89), ist auch zu verweisen auf Peire Rogier, Str. V
und VI seines an Raimbaut v. Orange gerichteten Begrüfsungsgedichtes (Appcl,
P. Rogier S. 63) :
No'us fassatz de sen trop temer,
per qu'om digua: „trop es senatz",
qu'en tal luec vos valra foudatz
on sens no'us poyria valer etc.
V. 241 Trobam dels paubres santz
qe son passat enantz
qe anc no's cambieron,
se ben trop s'esperderon;
TORLER, DISTICHA CATONIS. 585
245 nes se gazainz lov venc,
d'orgoil no lor sovenc.
Tobler übersetzt V. 244: „so sehr sie auch in Not gerieten". Die Hs. hat
aber trop sas perderon und ich denke, dafs hierbei zu bleiben und zu lesen
sein wird: trops as perderon, ,,wenn sie auch viele Asse verloren"; es scheint
ein vom "Würfelspiele entnommenes Bild vorzuliegen; wir erhalten so auch
einen besseren Gegensatz zu gazainz ,, Gewinn, Geldgewinn": sie verzagten
nicht, wenn sie verloren, und wurden nicht übermütig, wenn sie gewannen.
Allerdings kann ich den Ausdruck ,,Asse verlieren" sonst nicht belegen.
Das Distichon 11, 25 a ist vom Bearbeiter offenbar mifsverstanden worden:
die res adversae wurden gefafst als „verkehrte, ungeeignete Dinge", das
animum sübmittere = ,, seinen Sinn auf etwas richten". Wie V. 261, 62 aus
dem zweiten Hexameter gewonnen wurden , vermag ich allerdings auch nicht
zu sagen.
V. 349 ist mit Se vols aver dreitura der lateinische Ausdruck wieder
mifsverstanden; cum rede vivas ist gefafst im Sinne von: ,,wenn du recht
leben willst".
V. 368 ist für ta vergonia doch sicher sa vergonia zu lesen: ,,sage nichts,
was ihm zur Unehre gereicht"; vergl. V. 22.
V, 614 tot wohl nur Druckfehler für ton,
V. 747 Mais te val lein e foc
ton coltel en un loc.
Tobler meint, man erwarte: „Mehr nützt dir Holz und Feuer und dein Messer
zuweilen", was mir aber auch keinen rechten Sinn zu geben scheint. Sollte
nicht zu lesen sein: Mais te val leinz e [=■ en) foc ,,mehr nützt dir Holz
im Feuer", d.h. Holz, das du zur Heizung verwertest, als solches, das unge-
nützt liegt; letzteres etwa müfste in V. 748 gesagt sein, den ich freilich nicht
verstehe. r. Zenker.
Otto Riese, Untersuchungen über die Ueberlieferung der Enfances
Vivien. Diss. Halle 1900.
Die erneute Prüfung des Handschrifteuverhältnisses führt Riese dazu,
einen andern Stammbaum aufzustellen als seine Vorgänger, woraus sich eine
Reihe wichtiger Folgerungen ergiebt. Die aus dem romanischen Seminar in
Halle hervorgegangene Arbeit erfreut durch ihre klare Präcision, aber über-
zeugend ist ihre Beweisführung nicht.
Die Frage dreht sich um die drei Texlrecensionen B = Boulogner Hs.,
A = Pariser Hs. I448, x =: c (Pariser Hss. 1449. 774. 368, Trivulcianus) + d
(Londoner Hs. Pariser Hs. 24369). Bisher stellte man A und x gegen B;
Riese fafst B und A zusammen und hält sie x entgegen. Diese Gruppierung
rechtfertigt er (p. 10 s.) durch solche Stellen, an denen B und A gemeinsame
Fehler, x hingegen die richtige Lesart aufweisen; denn es sei nicht anzunehmen,
dafs X alle diese Fehler gemerkt und verbessert habe. Hier ist einzusetzen.
Zunächst fällt v. 456 weg; denn die lückenhatte Zeile in A raurai ge
sain et sauf le duc kann ebenso leicht nach x raurai ie dont tot sai?i et sauf
le duc als nach B raverai ie saiti et sauf Garin le duc ergänzt werden.
586 BESPRECHUNGEN. PH. AUG. BECKER,
Für V. 1437 bieten c und d zwei verschiedene Lesarten: c mais le levrier
fut plus de Cflurre isnel, d viais li levrier s fut mout de courre engrez;
es ist schon aus diesem Grunde ungewifs, ob sie die echte Fassung be-
wahrt haben, oder ob zwei ähnlich ausgefallene Versuche vorliegen, sich
eines schlechten Verses zu entledigen. Auch A hat zu verbessern gesucht,
wie sein schwerlich ursprüngliches // cort qui mout fut bes (!) zeigt. Der
von B gebotene Vers mais li levriers li court bien ce fjct bei ist unschön,
aber nicht geradezu falsch. Da nun im Prinzip die glattere Lesart keinen
Anspruch darauf hat für original zu gelten , so liegt kein Grund vor, diesen
unebenen Vers dem Archetypus abzusprechen; denn ähnliche Caesuren bot
er auch sonst, z. B. v. 465 ne pot ester sor piez, ainz est cheu (nach c, von
BAd auf verschiedene Weise umgestaltet).
Bei V. 2963. 2975 f. bietet x nicht für diesen oder jenen Vers die gute
Lesart; sondern an Stelle einer häfslich entstellten Tirade steht eine kürzere
korrekte. Nun ist aber eine verderbte Tirade im Archetypus unserer drei
Recensionen nichts undenkbares; denn dieser war mit dem Original des Ge-
dichtes keinesfalls identisch, sondern ist zunächst als Stück einer zyklischen
Handschrift anzusehen , in der sich unser Epos, wie die Untersuchung ergeben
hat, in einem ziemlich trostlosen Zustand befand. Genau betrachtet, dürfte
die Tirade LXV, wie sie B und A bieten , aus den Ueberresten mehrerer
Tiraden zusammengeschweifst sein. Aus der Fassung von x lassen sich die
Korruptelen nicht erklären; hingegen ist die Annahme, dafs der Redaktor
von X verbessernd vorgegangen ist, um so wahrscheinlicher, als nicht die eine
Tirade allein, sondern Tir. LXIII — LXVI im Zusammenhang abgeändert
worden sind.
Die Lesung von v. 3235 in B und A dist li dus Namles: biaiis sires,
nos feromes ist sicher falsch, die von x bar ort, ce ne feromes richtig; allein
die letztere ist der Ausgangspunkt der unrichtigen Variante nicht, wir müssen
vielmehr ein sire, non feromes oder dgl. voraussetzen. Die Fassung von x
kann nur eine beabsichtigte Korrektur sein.
Bleibt also v. 3937 Lors descendi Vivien . . . Le guichet ceuvrent, eil i
entrent andui, wo x richtig ceuvre liest (A hat ourent), und v. 3981 il Test
Vauberc, lace Velme agu, wo x den Hiatus durch si (et) lace l'eaume agu
getilgt hat. Haben diese Beweiskraft?
Mit Ausnahme des so leicht zu korrigierenden ceuvre ist für keine dieser
Stellen der Beweis erbracht, dafs x den beiden andern Recensionen gegenüber
die echte, die ursprüngliche Fassung bewahrt hat, mag auch seine Lesart
sinngemäfser sein. Im Gegenteil, für v. 1437. 3235, Tir. LXV springt es in
die Augen, dafs x hier einen holprigen Vers, dort einen sinnwidrigen Satz,
dort eine unannehmbare Tirade bewufst verbessert hat. Unebenheiten der
Art konnten einem etwas aufmerksamen Redaktor nicht gut entgehen. Dafs
der Redaktor von x sich thatsächlich zahlreiche Abänderungen seiner Text-
vorlage gestattet hat, zeigt eben jene Reihe gemeinsamer Lesarten von B
und A, die Riese p. II — 14 aufführt. Im vorliegenden Fall werden B und A
den ursprünglichen Wortlaut bewahrt haben, und das hat nichts Auffälliges an
sich; denn trotz ihrer Jugend gehen beide Handschriften auf verhältnismäfsig
alte Vorlagen zurück.
Nach dem Gesagten stehe ich nicht an, mich zum alten, auch an andern
RIESE, ENFANCES VIVIEN. 587
Epen des Wilbelmzyklus bewährten Stammbaum zu bekennen, und fahre fort
A und X als Vnlgata dem für sich stehenden B gegenüberzustellen. Diese
Auffassung hat jedenfalls den Vorzug der Einfachheit für sich. Jede andere
wird gekünstelt und führt zu Schwierigkeiten. Von diesen sei nur eine be-
rührt. Nehmen wir nämlich Rieses Handschriftengenealogie an, so ergiebt
sich, dafs der von A und x gebotene Anfang des Liedes, die Anknüpfung
an Roncevaux, schon im Archetypus unserer drei Recensionen, folglich auch
in der Vorlage von B stand. Dann hätte der Redaktor von B nicht nur den
gegebenen Anfang durch einen andern ersetzt, was an sich denkbar wäre,
aber nicht recht motiviert erscheint; sondern er hätte mit einer Peinlichkeit,
die ihm sonst nicht eigen ist, alle im Liede zerstreuten Anspielungen auf
Roncevaux bis auf die leiseste Spur getilgt. Ist das wahrscheinlicher als die
Annahme, dafs der Redaktor von x hin und wieder Unebenheiten seiner Vor-
lage gemerkt und verbessert hat?
Ph. Aug. Becker.
Giornals Storico della Letteratura Italiana. Anno XVIII, Vol. XXXV,
fasc. 2 — 3.
A. Luzio-R. Renier, La coltura e le relazioni letterarte di Isahella
D^ Este Gonzaga. 2. — Griippo ferrarese. Vi si discorre di: Antonio Tebal-
deo {Timoteo Bendedei; Jacopo Filippo Faella ; Antonio dalV Orgatio). —
yacopo Gallino. — - J. Guarini. — Niccolb Panizzato. — G. Battista Pio
{Ercole Pio ; Alberto Pio). — Niccolb Lelio Cosmico. — Matteo Maria Boiardo
e famiglia. — Ludovico Ariosto. — // Cieco da Ferrara. — Bernardo
Tasso. — Niccolb da Correggio, — Ercole Strozzi. — Celio Calcagnini. —
Giiido Püstumo Silvestri. — Lelio Manfredi. — Frate Francesco da Fer-
rara. — Pellegrino Prisciani.
Aus der Fülle der Notizen sind besonders die über Tebaldeo hervorzu-
heben und die Berichtigung, dafs Ariosto am 6. Juli, nicht Juni 1533 starb.
A. Della Torre, La prima ambasceria di Bernardo Bembo a Fireme,
behandelt in anziehender hier und da freilich etwas zu ausführlicher Weise
die Beziehungen, welche Bernardo Bembo während seiner ersten Gesandl-
schaft in Florenz dort angeknüpft hat. Besonders eingehend berichtet D. T.
über Benibos Verhältnis zu Marsilio Ficino, Cristoforo Landino und Alessandro
di Rinaldo Braccesi und über seine platonische Liebe zu Ginevra de' Benci.
Letztere feiern sechs Elegien Landinos und vier Braccesis, die im Anhange
abgedruckt werden.
VARIETA :
P. Toynbee, ,,Seneca morale" {Inferno IV, 141). Dante verstand, wie
seine ersten Erklärer, darunter den Philosophen, den er von dem Tragöden
trennte.
V. T-abate, La prima conoscenza della „Divina Commedia" in Sicilia.
In einer kleinen Schrift über Niccolö Speciale hatte L. ausgeschlossen, dafs
dieser sicilianische Chronist des 14. Jahrhunderts die Göttliche Komödie ge-
kannt habe. Nach reiflicherer Ueberlegung will er ihm nun doch diese
Kenntnis zusprechen. Beweiskräftig ist m. E. einzig und allein die letzte der
588 BESPRECHUNGEN, h. WIESE,
angeführten Stellen (S. 352), und die übrigen können höchstens angesichts
dieser als bescheidene Stützen der aufgestellten Ansicht gelten,
G. Rua, l/na antica rivista politico-umoristica d' Italia imbastita sopra
un sonetto del Petrarca. Aus Anlafs des Krieges von Älonferrat (1613 — 15)
hat ein geistreicher Politiker, dessen Name nicht überliefert ist, die vierzehn
Verse des Sonettes Petrarcas Pace non trovo e non ho da far giierra als
satirische Motti zu satirischen Emblemen unter die hauptsächlichsten Be-
teiligten verteilt. Rua druckt den Scherz mit einleitenden Bemerkungen über
die Imprese ab.
RASSEGNA BIBLIOGRAFICA:
Melodia, Studio su „I Triojiß"; Scarano, Alctini fonti romanze dei
„Trionfi" (Pellegrini). — Luzio, Studi folenghiani (Renda, sehr eingehend
und beachtenswert). — Rua, Poeti della Corte di Carlo Emanuele I di Sa-
voia. — Lodovico d'Aglie, Giambattista Marino, Alessandro Tassoni, Fiilvio
Testi; Damiani, Sopra la poesia del Cavalier Marino (Belloni).
BOLLETTINO BIBLIOGRAFICO :
Gorra, Fra draimni e foemi Saggi e ricerche. Passerini e Papa,
Biblioteca storico-critica della letteratura dantesca. Disp. 6 — 10. Arena,
S. Agostino e Dante. Saggio. Segre, // ,,mio segreto" del Petrarca e le
,,cotifessioni" di Sant' Agostino. Rossi, Dalla mente e dal cuore di Gio-
vanni Boccaccio {Per la storia del Decameron). Zippel, // Filelfo a Fi-
renze (1429 — 1434). Saggio. Agostinelli, Lettere di Francesco Filelfo
volgarizzate dal greco, con prefazione e note di Giovanni Benaddiici. Ago-
stinelli e Benadduci, Biografia e bibliografia di Giovan Mario Filelfo.
S e g a r i z z i , La Catinia, le orazioni e le epistole di Sicco Polenton, umanista
trentino del secolo XV. {Bibl. storica della letteratura italiana diretta da
Fr. Novati). Luiso, Stiidi su V epistolario e le traduzioni di Lapo da
Castiglionchio juniore. Pintor, Delle liriche di Bernardo Tasso. Salza,
Delle commedie di Lodovico Dolce. Fraschetti, // Bernini, la sua vita,
le sue opere, il suo tempo. Gerboni, Un umanista nel Secento. Giano
Nicio Eritrea. Mango, Varietä letterarie. Vittori, Clementino Vannetti.
Studio del secolo passato, edito per cura della Societä degli Studenti trentini.
Calograsso, £/«' usanza letteraria in gran voga nel settecento. Della
Pergola, Terenzio Mamiani e le sue poesie. Lozzi, Patria, poesia e musica
in Terenzio Mamianii, con alcune sue lettere inedite,
COMUNICAZIONI ED APPUNTI:
V. Cian, // Giubileo del 1300 nei versi d^ un contetnporaneo fiorentino
macht auf ein bei Muratori t. XIV gedrucktes lateinisches Gedicht auf das
Jubeljahr 1300 aufmerksam, das einige merkwürdige Parallelen zu Dante
bietet und druckt es der Bequemlichkeit halber ab, allerlei nützliche Bemer-
kungen hinzufügend. R. Sabbadini, Dante scriveva "Virgilio" o „Ver-
gilio" P Eine Prüfung von neun Stellen in 57 florentiner Handschriften teils
des 14., teils des 15. Jhd. ergab, dafs zwei Drittel Virgilio lesen. Dante
wird dies? gelehrte Form — Vergilio war für die Italiener die volkstümliche
Form — verwendet haben. P. Rajna, Polemica intorno al testo critico del
„Principe" . Verteidigung der Lesart si fussi suto lasciare ingannare, der
lateinischen Ueberschriften und in beschränkter Weise der latinisierenden
GIORNALE STORICO VOL. XXXV. 589
Schreibung in Lisios kritischer Ausgabe des Principe gegen Cians Einwände.
Des letzteren Antwort weist darauf hin, dafs der Principe nicht druckfertig
vorliegt, und dafs Machiavelli beim Druck wahrscheinlich geändert haben
würde. Latinismen in der Schreibung will er garnicht zulassen.
CRONACA:
Periodici, kurze Mitteilungen, neuerschienene Bücher, Nachrufe für Sal-
vatore Bongi (I. S.), Gaudenzio Claretta, Francesco Falco imd Bartolommeo
Capasso.
Berthold Wiese.
Romania. No. 113, Janvier 1900.
P. Meyer, Notice du ms. Rawlinson Poetry 24 1; früher Rawl. Miscell.
No. 473, unter welcher Ziffer Stengel nach Aufzeichnungen vom Jahre 1870
eine von kurzen Auszügen begleitete Inhaltsangabe in der Ztschr. f. franz.
Sprache 14. Bd. (1892), I S. 128 — 138 veröffentlicht hatte, was Meyer ent-
gangen ist, der sich auf den ersten 84 Seiten des Romaniaheftes über die fiist
lauter anglofrz. Inedita des 13. Jhs. enthaltende Sammelhs. der ersten Hälfte
des 14. Jhs. mit dankenswerter Ausführlichkeit, unter Mitteilung einiger kür-
zerer Texte oder von Teilen von Texten, verbreitet. Dahin gehören: ein noch
in anderen Hss. begegnendes Gedicht über die wahre Liebe, den Hafs, die
Sünde und die Reue, das William von Waddington in sein Sündenhandbuch,
Ende des 13. Jhs., aufnahm, und das für eine Dame geschrieben wurde. Ferner
die drei Wunder des Everard von Gatole (Gateley) mit Beigabe lat. Texte
dazu; das Lehrgedicht Le mariage des fieuf ßlles du diäble mit einer prov.
Prosaversion ; sodann La petite Philosophie, ein neues Gedicht vom Antichrist
und dem jüngsten Gericht, der Liinaire Salomon u. a. (der auch noch in
Hs. Bibl. nat. 152 19 steht). Ein grofser Teil der Hs. wird von den Exeinpeln
aus Williams von Waddington Sündenbuch gefüllt, die als daraus entnommen
erst Meyer erkannt hat.
W. A. Neilson, The purgatory of cruel bcauties. A note an the
soiirces of the 8'^ novel of the 5'* day of the Decameroti. In der Wald-
scene, die der von der Geliebten nicht erhörte Nastagio degli Onesti erblickt
und seine Geliebte mit dem Erfolg sehen läfst, dafs sie in die Ehe mit ihm
willigt, erkennt N. sehr einleuchtend eine Anwendung von der Vorstellung
verfolgter oder sonst bestrafter liebefeindlicher oder hartherziger Frauen, wie
sie im Lai du trot, bei Andreas Capellanus, Richard von Fournival {Cofiseil
d'amour), Helinand u. s. begegnet.
G. Huet, La traduction frangaise des Martins de Maerlant. PI. be-
stimmt die Entstehung einer frz. Bearbeitung der Marlinsgcspräche des Jacob
van Maerlant (f 1291), von der nach und nach eine grofsere Anzahl gedruckter
Bruchstücke gefunden wurde, dahin, dafs dieselbe gegen 1450 von einem des
frz. Vocabulars, aber nicht der frz. Formen genügend mächtigen Niederländer,
vermutlich aus Brügge, herrühre, der die Wallonen mit einem Werke des be-
rühmten Niederländers bekannt machen wollte. Interessant ist der Hinweis
H.'s auf den analogen Bau des anglofrz. Verses. Der Niederländer bildet un-
willkürUch die Vierhebungsverse seiner Vorlage zu einer Art frz. Ilebungs-
590 BESPRECHUNGEN. G. G., W. MEYER -LÜBKE,
Verses von 6 — 9 (10) Silben, die Dreihebunjrsverse zu Versen von (5) 6 — 8 Silben
um; er stellte also entsprechend der Gewöhnung seines Ohres einen auf der
Schwere und Leichtii^keit der Silben beruhenden Rhythmus her und betonte
dabei die frz. Silben anders als der Franzose.
MELANGES. f. Lot, Asselin. Eme Stelle bei Ordericus Vitalis 12, 12,
wo ein Asselin II 19 die Andelys (Dep. Eure) den Franzosen ausliefert, um
sich an dem Erzbischof Gotfrid von Ronen zu rächen, scheint erklären zu
können, warum im Couronnement Louis der Verräter Asselin zum Normannen
geworden ist.
G. P., Un fragment epique. Es handelt sich um das von Mone im
Anz. f. Kunde der dtsch. Vorzeit Bd. IV mitgeteilte, von Foerster im 4. Band
seiner Crestienausgabe in Erinnerung gebrachte Bruchstück in Alexandrinern,
das mit dem Guillaume d'Angleterre in Verbindung gebracht worden war.
G. P. zeigt, dafs es ein Stück aus den Enfances Godefroi ist.
G. P., La 7nort de Siger de Brabant, stellt aus einer Stelle der Bra-
banter Fortsetzung des Marlin von Troppau fest, dafs das im Durante, //
Fiore, von dem der Ketzerei bezichtigten, bei Dante im Paradies durch Thomas
von Aquino gepriesenen Pariser Theologen imd Philosophen Siger von Brabant
gebrauchte morire a ghiado wörtlich zu verstehen ist, da S. nach jenem Chro-
nisten a clerico suo quasi detnenti perfossus periit.
A. Piaget, Quelques vers du Cardinal Pierre d'Ailli. In einer Hs.
der Bibl. nat. No. 25434 hat P. mit dem Namen Peters von Ailli, von dem
bisher nur die 4 Strophen des Contredit de Franc Gontier (s. Romania 27, 64)
bekannt waren, zwei Spruchstrophen von 14- und 24-Silbnern über die Wider-
sprüche im ph}'sischen und geistigen Menschen und über die Notwendigkeit
des Leidens entdeckt. (Das erste Stück ahmt in 8-Silbnern die Hexamelri
ventrosi nach.) G. G.
L. Ilavet, Abri, Ailleurs, hält für möglich, dafs zu der Ztit, da. aprisco
zu abrigo geworden war, unter dem Einilufs von ab-rumpo, ab-ripio u. s. w.
falsch getrennt, ab als Präfix gefühlt und so das b bewahrt worden sei, wo-
gegen einzuwenden ist, dafs die lateinischen Bildungen mit ab- dem Roma-
nischen gänzlich fehlen, also frühzeitig in der Volkssprache aufser Gebrauch
gekommen sind, und betrachtet es als notwendig, dafs das französische Sprach-
bewufstsein aillors in zwei Teile, einen Stamm auf -n und eine Flexions-
endung -s zerlegt habe — eine Notwendigkeit, die vielleicht der reflektierende
Linguist auf dem Papier empfindet, die für die gesprochene Sprache aber denn
doch besserer Beweise bedürfte, zudem voraussetzt, dafs ailleurs ein Buchwort
sei, da die volkstümliche Form aliosum lautete (Zs. XXIII, 41 1). Havet ver-
gleicht noch viers aus versus in Guernesey, doch steht das Wort nicht ver-
einzelt, vielmehr handelt es sich um eine Brechung von ( vor ?--f Kons., wie
die Beispiele Zs. XIII, 378 zeigen. W. Meyer- Lübke.
COMPTES RENDUS. Beiträge zur romanischen Philologie; Festgabe
für Gustav Gröber (G. P. und J. Loth ; G. P. sagt von den Beiträgen: tous
sont interessants; quelques-uns ont une veritable importance); Stimming,
Der anglonorm. Boeve de LIauintone (G. P.); Cesareo, Le origini della
poesia Urica in Italia (Jeanroy); Decurtins, Raetoronianische Chrestomathie
II. Bd. (Ulrich).
ARCHIV F, D. STUD. D. NEQ. SPK. U. LITT. XCVIII. 59 I
PERIODIQUES. Zeitschrift f. roman. Philologie XXIII, 4 (G. P.);
Archiv für d. Studium der neueren Sprachen Bd. LXXXVIII — CI (S. D. G.).
CHRONIQUE. Personal- und Utterarische Nachrichten. — Kurze Be-
sprechungen neuer Bücher. G. G.
Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Litteraturen.
Bd. XCVIII (1897, I.Halbjahr).
ABHANDLUNGEN. Georg Schläger, Die alt/ranz. Prosafassung
des Moniage Guillaume. II. Abhandlung, S. I — 45. — Wilhelm Cloetta,
Die Stellung des Prosaromans in der Ueb er liefe rung des Moniage Guillaume,
S. 45 — 58 (in den beiden vorstehenden Abhandlungen wird u. A. nachzuweisen
gesucht, dafs das Mon. Quill, in Prosa auch zum Alan. Gtiill. I und zum
Ogier in Beziehung steht). — Die altfranzös. Liederhandschrift der Bod-
leiana, Douce 308, diplomatisch abgedruckt von Georg Steffens. I.Fort'
Setzung, S. 59 — 80; 2. Fortsetzung, S. 34.3— 382. — Johannes Bolte, Die
Wochentage in der Poesie. /., S. 81— 96; II., S. 281 — 300 (Schlufs folgt). —
Alfred Schulze, Zur neufranzösischen Grammatik, S. 383 — 396 (l. Puisque
an der Spitze selbständiger Sätze. 2. Pourvu qiie 'wenn nur', 'hoffentlich'.
3. Die Satzerweiterung durch etre{ C'est .. qui in verschiedenem Sinne; c'est
gue; ce n'est pas qui; ce ri'est pas que etc. 4. Catherine le Grand, aber
La grande Catherine. Vgl. jetzt zu C. le Grand den Nachtrag Alfred
Schulze's im Archiv CI, S. 151 f.).
KLEINE MITTEILUNGEN. G. Schleich, Guido von Alais, S. 398
— 400.
SITZUNGEN. Risop fährt französische, italienische und provenza-
lische Wörter an, die an irgend einer Stelle ein ursprünglich nicht vor-
handenes r aufweisen {tenvre <Ci\.Qnn&m u.s.w.), S. 4llf. — Hecker, über
die Schicksale der Bibliothek Boccaccio' s, S. 4l2f. — Pariselle, über die
Gebrüder Goncourt, S. 4l5f. — Brandl, über die Einrichtung des Shake-
speareschen Theaters, S. 416 — 418 (jetzt gedruckt im I.Bande der von Brandl
besorgten Neuausgabe der Schlegel-Ticckschen Uebersetzung von Shakespeare's
dramatischen Werken, Leipzig, Bibliographisches Institut). — Schultz-
G o r a , Neuere Litteratur über f. J. Rousseau, S. 418 f. — Risop, das
Praedikat in der Mehrzahl hei einem Subjekt in der Einzahl (pn, chacun,
personne, rien, un u. s. w.), S. 422 f.
BEURTEILUNGEN. S. 174—182 G. Körting, Neugriechisch U7id Ro-
manisch. Berlin, W. Gronau, 1896. 165 S. 8° (W. Mey er- Lübke: das Buch
hat keinen wissenschaftlichen Wert). — 182 — 201 Evangile aux Femmes ...
ed. ... by George C. Keidel. . . . Baltimore 1895. 3 "• 94 S. 8" (G. Cohn). —
202 — 207 Cesare de Lollis, Vita e poesie di Sordello di Goito [Roman.
Bibl. XI] (G. Naetebus). — 207 — 210 Rudolf Zenker, Die Gedichte des
Folquet de Romans [Roman. Bibl. XII] (G. Nae t eb us). — 2iof. Pictro
Toldo, Contrihuto allo studio della novella francese del XV e XVI secolo
C07zsiderata specialmente nelle sue attinenze con la letteratura italiana. Les
Cent nouv. nouv., Heptameron, Les comptes du monde adventureux, Le grand
parangon des nouv. nouv., Les joyeux devis. Roma, Loescher, 1895. XIII,
153 S. 8" (Adolf Tobler). — 212 f. Jos. Oesterreicher, Beiträge zur Ge-
592 H. SCHUCHARDT,
schichte der jüdisch -französischen Sprache und Litter atur im Mittelalter.
Czernowitz, Pardini, 1896. 32 S. 8" (A do If Tobler). — 213 f. Michele Lo-
sacco, Per V interpretazione di alcuni passi leopardiani. Trani, Vecchi, 1896
\JEstr, dalla Rassegna pugliese, anno XIII]. 18 S. 8" und Contributo alla
storia del pessimismo leopardiano e delle szte fonti. Parte I. Trani, Vecchi,
1896. 123 S. 8» (A dolf Tobler). — 214—219 Dantes Vita Nova. Krit.
Text ... von Friedr. Beck. München 1896. LV, 136 S. 4" (Adolf Tobler).
— 219 f. Le Rime di Serafino de' Ciminelli dall'Aquila, a cura di Ma^-io
Menghini. Vol. I. Bologna, Romagnoli, 1894 \Collez. di opere inedite o rare^.
CIX, 343 S. 8" (Adolf Tobler). — 454 — 456 Paul Schmid, Beiträge zur
Erklärung von Corneille's Polyeucte. Abhandlung zum Jahresbericht der
Fürsten- und Landesschule zu Grimma 1896 (O. Schultz-Gora, mit einer
Anm. auf S. 455 f. von Ad. Tobler über pouvoir qiie mit Inf. in Anlehnung
an savoir que). — 456 f. G. Delcsalle, Dictionnaire argot-frang. et f rang. -
argot. Paris 1896 (O. Schultz-Gora). — 457 — 462 Histoire de la Langue
et de la Litterature frang. des origines ä 1900 . . . publ. sous la direciion de
L. Petit de Julleville. Paris 1896, die 6 ersten Lieferungen (Adolf Tobler).
— 462 — 467 Georg Stier, Französ. Syntax. Mit Berücksichtigung der älteren
Sprache. Wolfenbüttel, Zwifsler, 1897. VIII, 475 S. 8" (Adol f Tobler). —
467 f. F. Johannesson, Zur Lehre vom französ. Reim. I. Teil [Wiss. Beilage
z. Jahresber. des Andreas -Realgymnasiums zu Berlin. Ostern 1896]. Berlin,
R. Gaertner, 1896. 26 S. 4" (Felix Kaie pky). — 468 — 471 La Divina Com-
media di Dante Alighieri illustrata nei luoghi e neue persone a cura di
Corrado Ricci . . . Milano, Hoepli, 1896 — 97, Fase, i — 12 (Adolf Tobler). —
471 f. Alfred Bassermann, Dantes Spuren in Italien ... Mit einer Karte von
Italien und 67 Bildertafeln. Heidelberg, Carl Winter, 1897. VII, 303 S. gr. 4".
40 M. (Adolf Tobler: Der Dante -Gemeinde ist lange kein gleich schönes
ErbauuDgsbuch dargeboten worden).
W. Cloetta.
Die Kritik einer „Kritik"
(zu Rom. XXIX, 438—440).!
A. Thomas stellt mich den Lesern der „Romania", denen ich schon be-
kannt zu sein glaubte, mit einigen empfehlenden Worten vor, um sodann
warnend den Finger zu erheben; er bedauert es mich „voir faire trop bon marche
de la phondtique". Er bedauert es „respectueusement". Nein, vor Jemandem
den man einer so schweren Sünde zeiht, in welcher er noch dazu grau ge-
worden ist, und aus deren Schiingen er sich kaum je befreien wird, vor dem
hegt man keine Hochachtung, und dann geradezu Mifsachtung gegen ihn
wenn man für eine solche Beschuldigung auch nicht ein einziges Beweisstück
vorbringt, vorzubringen sich bemüht. Thomas befürchtet dafs ich in dem
Bestreben die Welt für die Dame Semantik zu erobern, nur Ruinen auf meinem
Wege säen werde. Ich könnte ihm erwidern dafs auch ein Streiter für die
1 Fern von allen wissenschaftlichen Büchern, mit Ausnahme des letzten
Heftes der ,, Romania", bin ich auf mein Gedächtnis angewiesen, und kann
nicht Alles sagen was und wie ich es möchte.
DIE KRITIK EINER „KRITIK". 593
Dame Phonetik nicht sicher vor dieser Gefahr ist, und dafs man mich dazu
beglückwünschen müsse mir eine Dame erkoren zu haben die nicht durch
äufsere Reize glänzt, sondern mit ihren inneren Vorzügen ihre Verehrer zu
feinen Huldigungen ermutigt. Allein ich habe mich der Semantik aus einem
andern Grunde angenommen: nämlich weil sie ein Aschenbrödel ist; dadurch
dafs ich ihre Rechte wahre, beeinträchtige ich nicht die der Phonetik. Laut
und Begriff verbinden sich im Worte aufs Innigste; die Gesetzmäfsigkeit der
Entwickelung ist für den einen nicht um ein Atom gröfser als für den andern,
mag sie auch, vielleicht nur vorderhand, dort deutlicher erkennbar sein als
hier. Das liegt freilich auf dem Gebiete der Prinzipien, und es wird also das
davon zu gelten haben was Thomas in einer andern Anzeige (S. 434) sagt:
,,comme les grandes questions ne gagnent rien ä Stre traitees sous forme de
compte rendu, il vaut mieux les reserver". Aber darüber erfahre ich nun
nicht inwiefern ich es mit der Phonetik leicht nehme, und bin genötigt die
Meinung von Thomas vermutungsweise zu ergründen. Wir alle sind doch
darin einig dafs für die „Lautgesetze" Ausnahmen, Durchbrechungen, Hem-
mungen oder wie es ein Jeder nach seiner Auffassung benennen mag, be-
stehen; wir Alle rechnen beständig mit ihnen, ja, wie ich schon früher einmal
bemerkt habe, selbst die welche sich der strengsten Observanz rühmen,
scheuen sich nicht Wortgleichungen aufzustellen bei denen das Lautliche noch
der völligen Aufklärung harre. Vielleicht meint Thomas dafs ich der an
sich erlaubten Mittel mich im Uebermafs bedient habe; das hätte er aber
dann an einer Auswahl aus den zahlreichen Elymologieen die ich in den
letzten Jahren veröffentlicht habe, erläutern müssen. So viel ich sehe, hat
der gröfste Teil derselben Zustimmung gefunden, einige sind von Einigen ab-
gelehnt worden und davon wieder eine oder zwei mit wirklicher Begründung.
Entsprechende Verhältnisse zeigen sich überall zwischen den Forschern; auch
ich bin keineswegs immer mit der Art und Weise einverstanden wie das
Lautliche von Andern behandelt wird. Zu meinen „Romanischen Etymo-
logieen" (der dritte Teil ist noch nicht veröffentlicht) bin ich durch den Wider-
spruch angeregt worden den G. Paris dreien meiner Wortgleichungen entgegen-
gesetzt hat. Ich frage nun zunächst: wer nimmt es leichter mit der Phonetik,
der welcher die Erweichung des intervokalischen f in malifatius zu malvagio,
mauvais (vgl. delicatus zu delgado, deugie u. s. w.) behauptet oder der welcher
sie leugnet? Das Dict. gen. bemerkt zu mauvais: ,,origine inconnue". Dafs
sage „lautgesetzlich" nicht aus *sapius entstehen konnte, hatte schon Gröber
dargethan, ich nur etwas weiter ausgeführt; G. Paris nimmt weder hiervon
noch von meinen Gründen für saj>idus [sage Notiz, sondern meint kurz, es
sei nicht nötig hier von *saj>ius abzugehen. Das Dict. gen. gibt *saj>ius als
Grundwort zu sage an. Ich meinerseits habe die Bedenken welche gegen
tu7-bare[trouver vorgebracht worden sind, keineswegs vernachlässigt; ich habe
sie so sorgfältig geprüft dafs mir auch diejenigen die ich nicht überzeugt
habe, nicht nachsagen werden ,,d'avoir fait bon marchc de la phoneiique".
Wohl aber gilt das von denen die meine Ausführungen gar nicht berück-
sichtigt haben. Das Dict. g^n. hätte, seinen sonstigen Grundsätzen gemäfs,
hier anmerken müssen: ,,origine inconnue"; statt dessen wird auf *tropare
verwiesen, das lautlich durchaus, begiitTlich gar nicht befriedigt.
Nach einer kurzen Inhaltsangabe meiner Rom. Etym. II , .analysiert"
Zeiuchr. f. rom. Phil. XXIV. 38
594 H. SCHUCHARDT,
Thomas den Paragraphen cocla, weil er so am Besteu meine etymologische
Methode kennen lehre. Ich fürchte mich nicht vor Stichproben; aber die be-
treiTende ist für den bezeichneten Zweck sehr schlecht gewählt. Meine etymo-
logische Methode habe ich auf das Allerbestimmteste, in Abteilungen und
Unterabteilungen, mit Zahlen und Buchstaben sowohl bei sage als bei trouver
dargelegt. Wenn Thomas sagt: ,,M. S. ne semble pas avoir l'id^e que le
lecteur puisse eprouver de scrupules ä le suivre", so behaupte ich dafs dem
aufmerksamen Leser der formale Unterschied zwischen meinen beiden Studien,
der über Cochlea und der über turlare gar nicht entgehen kann ; nicht um-
sonst habe ich die erstere in die Einleitung gesetzt. Mir geht es wie dem
,, Müller mit seinem Sohn" : erst sah ich dafs man meine Argumentationen
zu arm an Thatsachen fand, dann dafs die Verbindung einer Fülle von Argu-
mentationen mit einer Fülle von Thatsachen auch dem Geschmack Vieler nicht
entsprach, so habe ich es denn schliefslich einmal mit der letzteren allein
versucht. Aber ich habe damit ausdrücklich auf diejenige Darstellungsweise
verzichtet die ich als die endgültige betrachte, ausdrücklich auch auf die
Widerlegung der Hcrleitungen Anderer. Warum verwundert sich also Thomas
dafs ich weder dem Diezschen (ra/cz////j-{ cÄa//, noch der ,,ingenieuse mais peu
convaincante hypothese" von Meyer -Lübke betreffs caillou (die auch mir vor
langen Jahren bei meinen kymrischen Studien vorgeschwebt, die ich aber
aus bedeutungsgeschichtlichen Gründen wieder aufgegeben hatte) nicht die Ehre
der Erwähnung widerfahren lasse?
Thomas will nun die Bedenken die jener Paragraph in ihm erweckt hat,
zur Sprache bringen und zwar nur in Bezug aufs Französische. Es sind zwei.
Das erstere erscheint in der Gestalt einer Frage: ,,quel rapport y a-t-il entre
^caclo et cocla}" Diese Frage ist aber schon ausführlichst in meiner Ab-
handlung beantwortet, der Wechsel zwischen o und a durch eine Reihe von
Formen belegt worden, mag er wie immer erklärt werden. Thomas sagt
hierzu: „On en croira ce qu'on voudra." Das Muster einer kritischen Be-
merkung! Das zweite Bedenken lautet folgendermafsen : „rien ne peut legitimer
l'hypothese d'un deplacement d'accent necessaire pour passer de *caclagu ä
caillou^K Auch diese Gelegenheit hat Thomas nicht benutzt um zu der Zu-
versichtlichkeit der Behauptung den Versuch der Beweisführung hinzuzufügen.
Kommen wirklich nirgends Akzentverlegungen vor? Und ist wirklich cocläca
und nicht cocläca gesprochen worden? Darauf heifst es schliefslich: „Je
ne continuerai pas cet examen critique". Es ist unmöglich Etwas fortzu-
setzen was man gar nicht begonnen hat.
Ich ersuche Thomas diese meine Aeufserungen nicht übel zu nehmen;
ich schätze ihn sehr, so sehr dafs ich mir nie erlauben würde eine Arbeit von
ihm mit einer so oberflächlichen Anzeige zu bedenken wie er es mit der
meinigen gethan hat. Jedes meiner Worte folgt mit Notwendigkeit aus einem
der seinigen, und wenn ich meine Stimme etwas zu laut erheben sollte, so
liegt es daran dafs es mir bisher nicht gelungen ist sie vernehmlich zu
machen. Dafs es ohne Subjektivität in unsern wissenschaftlichen Erörterungen
nicht abgehen kann, das versteht sich von selbst; wir berühren fortwährend
eine Menge von Punkten zu denen wir unser Verhältnis nur dogmatisch aus-
zudrücken im Stande sind, auch ist reicher Anlafs zu Schulzeugnissen ge-
geben die natürlich immer einen mehr oder weniger persönlichen Charakter
DIE KRITIK EINER „KRITIK". 595
traj^en. Aber die kurzen und von keinen Gründen begleiteten Ablehnungen
stellen sich zu oft da ein wo sie ganz unzulässig sind, und gegen diesen Dog-
matismus habe ich mich gleich zu Anfang meiner Rom. Etym. I gewendet.
Den Lesern dieser Etymologieen, das heifst den aufmerksamen, überlasse ich
es zu entscheiden ob Thomas Recht hat zu sagen: „M. S. revendique ficre-
ment la liberte de traiter l'etymologie ä sa guise". Es ist nicht meine Weise
die hier in Frage kommt, es ist die Weise mit der alle Welt einverstanden
sein mufs, weil sie das Bedürfnis nach einer gründlichen und leidenschafts-
losen Austragung der etymologischen Fragen befriedigt. Ich verlange einfach
dafs Punkt für Punkt das Für und Wider durchgenommen und dem so be-
liebten Ueberspringen und Ignorieren ein Riegel vorgeschoben werde. Ich
sehe nun dafs ich ganz in den Wind gesprochen habe. Thomas sagt: „je ne
crois pas du lout h tiirbare, et pour rieu au monde je ne dcserterais *tropare,
que la phonetique peut seul avouer". Glaubensbekenntnisse, Liebesschwüre,
Hindeutungen auf ein geheimes Dossier — Alles, nur nicht die Sprache der
Wissenschaft! H_ Schuchardt.
Berichtigungen.
S. 250 1. Z. 35 citer statt vite. P. Makchot.
S. 590 Z. 28 lies: aprico; Z. 34 einen Stamm auf -r.
38*
Sachregister.
Aberglaube: Vorbedeutung durch
Tiere 40. — Wunderkraft des Jo-
hanniskrautes 52.
Aiol, über eine zweifelhafte Erwäh-
nung A.'s in einem Gedichte von
Blacatz 38.
Anfelise, der altfranzös. Name A.
122 — 4. Schwester Tiebauts in Fol-
con de Candie. Anfelis 1 24 f.
Artus romane, Untersuchungen zu
den A. (Recensionen) 144 — 6, T47
— 149, 152 f, 444—6, 449 f.
n'Audiart, als Tenzonenrichterin
angerufen 58.
Boccaccio: Eugenio Rossi, Dalla
niente e dal cuore di Giovanni Boc-
caccio (Recens.) 430.
Blacatz, die Werke des Trobadors
B. Anmerkungen zu den Bd. XXIII
veröiTentlichten Texten 33 — 60. —
Reim Verzeichnis 59 f. — Berichti-
gungen zu Bd. XXIII, 201 ff. 60.
Cervantes: Don Quixote de la
Mancha. Kritische Ausgabe (Recens.)
460.
Chanson de Geste s. Folcon de
Candie; Li port de Guitsand im
Rolandsliede 125 f.; Zimmermann,
die Totenklage in den altfrz. Chan-
sons de geste (Recens.) 460; s. En-
fances Vivien.
Chastelaine de Saint-Gille,
textkritische Bemerkungen (zu O.
Schultz -Gora, Zwei altfranz. Dich-
tungen) 395—400.
Chevalier au barisei s. Chaste-
laine de Saint-Gille.
Dante: Sexteenth annual report of
the Dante Society (Cambridge, Mass.)
May 18, 1897 (K.ecens.) 160.
Disticha Catonis: die altproven-
zalische Version der D. C. (Recens.)
581—5.
Ebert (Adolf), Wülker, R. F., Brief-
wechsel zwischen Adolf Ebert und
Ferdinand Wolf (Recens.) 160.
E n f a n c e s Vivien, Untersuchungen
über die Ueberlieferung der E.V.
(Recens.) 585—7.
Folcon de Candie, der Kurzvers
im F. de C. der Boulogner Hand-
schrift No. T92, 370—87.
Franco-provenzalisch: Le vo-
lisme du fribourgeois au XV^ siecle
198 — 248. — Note sur le consonan-
tisme de l'ancien fribourgeois 249 f.
— wall, ata = aij 431. — wall.
-ariii, -aria, premier 432. — wall.
Z > -^ KP)' V > ^ iP) iul'i"t. 432 f.
auslaut. 433 f.
Französisch: deutsch-franz. Sprach-
grenze: J. Zimmcrli, die deutsch-frz.
Spr. in der Schweiz. III. Teil: Die
Sprachgrenze in Wallis (Recens.)
431—4-
Lautlehre: anlaut. w für g im Nord-
französischen 64 Anm. 4 ; zur Diph-
thongierung lat. Tonvokale 159 f-;
e und a vor gedecktem Nasal im
Picardischen 3iof. ; -age,-aige, A.h-
stofsung des auslaut. i der i.Pers.
sing., des inlaut. z' nach rt, o 311 — 4;
Rydberg, Zur Geschichte des franz.
p il, 2 (Recens.) 434 — 6; Öslberg,
Les voyelles velaires accentuees, la
diphtongue au et la dcsinence -avus
dans quelques noms de lieux de la
France du Nord (Recens.) 459;
Suffix -ise, -ais, -aise 547 ff. ty'^g
552 ff.
Formenlehre: Die Mundart von Na-
mur I — 32, 251 — 309; Geschichte
der französischen Infinitivtypen (cfr.
Zeitschr. XXIII, 352—81) 76— iii
(zweite Hauptkonjugation 76 — 108.
-ir, -ire 77 f. -oir, -oire 78 — 81.
i-c-Verba 81 — 87. Verbalstamm auf
-SS 87. Verba auf -x 87, auf Kons.
+ /& 87 f. Kons. 4- <?• 88 f. Vokal + c
89 f. Vokal +^ 91. Vokal 4- ^?<
91 — 93. Vokal4-rf,/93 — 95- Kons.
+ 1 95 f. Kons. + ^ 96 f. Kons. Arp
97. Vok. +/, i!», 7' 97 — lOi. Verba
auf/, /' lOi f. «-Stämme 102 — 104.
SACHREGISTER.
597
w-Stämme 104 f. Verba auf -r 105
— 108. Neue Typen 108 — iio.
Auxiliaria 109. Infinitive auf 7, e
logf., auf -7/0 IIO, auf -p iio,
auf -ü HO. Vereinzeltes iiof.);
3. Plur. Pron. Pers. zel im Wallo-
nischen 272 f.; Ueber Wortzusam-
mensetzung auf Grund der neufranz.
Schriftsprache (s. Zeitschr. XXIII,
288) 467 — 88; cestes, cez 543.
Litteraturgeschichte : der altfranzösi-
sche Name Anfelise in Folcon de
Candie s. Anfelise. — Li fort de
Guüsand im Rolandslied 125 f. —
Auchier et Landri oder Lauf rot 163.
Metrik: der Kurzvers im Folcon de
Candie der Boulogner Handschrift
No. 192, 370—87.
Syntax: Mischung indirekter und di-
rekter Rede in der Frage 130 — 2,
461 — 4. — Lars Lindberg, Les lo-
cutions verbales figees dans la langue
fran^aise (Recens.) 135 — 9. c^est
que, c'est fourqtioi I36f.; feut-
etre, espoir, qtii sait 138; Plusq.
als Tempus der Erzählung 398 ; tant,
par zur Verstärkung eines Verbal-
begriffes 398; Auslassung des Pro-
nomens beim präposition. Infinitiv
399 ; Hinzutreten des Subjektsaccu-
sativs zum Infinitiv im Afr. 515;
betontes Pronomen vor dem reinen
Infinitiv 516; afr. i auf eine Person
bezogen 521 ; partitives de mit Zeit-
bestimmungen in negativen Sätzen
(Typus: je n'ai pas dormi de toute
la nuit) 538 ff.
Stilistik: an einen ersten Gedanken
reiht sich ein zweiter an, ,,der unter
den jeweiligen Umständen gar nicht
angebracht ist, der sich nur darum
eingestellt hat, weil er sich unter
andern Umständen zwanglos von
selbst ergiebt" (afr. Beispiele) 518.
Wortgeschichte: porz 125/"., 428. —
Neptunus-/?///« 557- 64.
Ctilturgeschichte und Folklore: dem
Gesang der Nachtigall untergelegte
Worte 367; Neptunus-lutin 557-64.
Freiburg (Patois von) s. Franco-
provenzalisch.
Gauzeris, l'escudiers G., starb vor
Liebeskummer wie Andryeus de
Paris und Floris (Blacatz), wohl
identisch mit dem von P. Vidal er-
wähnten ,,escudiers qu'a la taula
mori" 49.
Germanisch: Brückner, Charakte-
ristik der germanischen Elemente
im Italienischen (Recens.) 574 — 8.
Gilebert de Berneville, Nach-
trag zu den in der „Festgabe für
Gustav Gröber" herausgegebenen
Liedern von G. de B. 310 — 8. Reim-
untersuchung 310 — 4, Charakterisie-
rung der Handschriften 314—8.
Grevin (Jacques) und Joh. Sambu-
cus 121 f.
Guillem de Barreira, vermeint-
licher Vassall Blacatz's 44.
Indogermanische Sprachen:
Osthoff, Vom Suppletivwesen der
indo;;ermanischen Sprachen (Recens.)
440-4.
Istrien, Berichtigungen und Ergän-
zungen zu A. Ives, I dialetti ladino-
veneti dell' Istria (Strasburgo 1900)
419 f.
Italienisch. Laut- und Formen-
lehre: die Diphthonge germanischer
Lehnwörter im Italienischen 60 — 76;
cc aus germ. gutturalem Spirant 71;
Suffix -igia 547 ff.; Verba auf -are
aus germ. Verben der/a-Klasse 65
Anm, 2.
Dialekte: Studi d' antico napoletano
501 — 7. Flexion des Infinitivs, des
Gerundiums und Partie, praes. im
Altneapolitanischen 501 — 4. -eze im
Altneapoiitanischen 504 — 7.
Hss.-Nach-dieise : ,,Consuetudines et
statuta nobilis civitatis Messane"
(Hs. der Biblioteca Comunale in Pa-
lermo) 421 u. Anm.
Jaufre Reforsat, Tenzonenrichter,
mit dem Trobador Reforsat de Tres
und wohl auch dem Podestä von
Marseille, Reforciat, identisch 48.
Konsonantendissimilation (über)
572 f.
Lateinisch. Formenlehre : Perso-
nalpronomen in spällat. Hss. 435 f.
Michelagniolo Buonarroti, die
Dichtungen des, herausgegeben von
C.Frey (Recens.) 133—5.
Namur, die Mundart von N. s. Fran-
zösisch.
Narbonne s. Provenzalisch : Dia-
lekte.
Peire de Durban, provenz. joglar
35 f.
Piccino (II) Fortsetzung (s. Ztschr.
xxm, 382) 329-57.
Pilatuslegende (zur) 193, 197.
Provenzalisch. Formenlehre: weibl.
Artikel la in der Form des ange-
lehnten / 40. ■ — Subjectspronomen
zwischen si und tot in s^eu tot 57.
— Zum bearnischen Impf. II 1 29 f.
Litteraturgeschichte : Stehende Wen-
598
STELLENREGISTER.
(lunfjcn und Phrasen in der Trou-
badourlyrik: „Qtie lottg'amors es
refuda" 33. — „... ieii am trop
maisfruich queflor" 34. — ,,donar
e vendre, donar o ve7idre" 34 f. —
„... es engans proatz — S' uoi
eiiqueretz e deman 0 laissatz" 37. —
„htioilz de'l front" 39. — „je höher
die Frucht, je näher der Sonne, um
so saftiger ihr Fleisch" 47.
Syntax: Gerundium als Casus des
Infinitivs verwandt 33. — sus de,
de siis de 39.
Dialekte : Le livre de comptes de Jacme
Olivier marchand narbonais du 14.
siecle, ed. A. Blanc (Recens.) 579
-58 r.
Rätoromanisch. Eine wälschtiro-
lische Handschrift 388 — 94 (latei-
nisch-romanisches Lexicon 389 — 91.
ein Brief, lateinisch und romanisch
393. Pasio domini nostri Jesu
Cristi 392 f.). Venezianisch-lombar-
discher Einfliifs in Judicarien 394.
Raimon Oblacheira, bei Blacatz
erwähnt, Avohl als allegorischer Ver-
treter der Freigebigkeit 45.
Reforsat s. Jaufre R.
Riote du mondc (Neue Versionen
der) 112 — 120.
Romanisch: hyperbolische Verwen-
wendung der Zweizahl 5 1 3 IT.; Volks-
tümliche Wiederholung von Par-
tikeln', totiis U.S.W. 518 fF.; Ver-
wendung des Demonslrativums statt
des Artikels 526; Verwendung des
Demonslrativums vor einem Adverb
(Typus: ce devant derriere) 5 30.
Lautlehre: Zur Behandlung von Ty
und Cy [ty, cy^s ia halbgelehrten
Woltern) 545—55-
Zur Wortgeschichte : die romanischen
Namen der Glocke 566 — 69.
Rumänisch. La^itlehre: Konsonan-
tismus 319 — 28, 489 — 500; zum
Schwund des lat. //, v, b [sted,
stediia) 320 — 5; intervokales n zu r
im Motzischen und in Tstrien 493 — 6.
Sambucus (Joh.) s. Grevin.
Salu d'amors, ein ungedruckter S.
d'amors nebst Antwort 358 — 69.
Spanisch. Lautlehre: inter vokales
d vor und nach dem Ton 576 f.
Syntax: Croce, Di alcuni principi di
sintassi e stilistica psicologiche del
Gröber (Recens.) 459 f.
Valensa, Eine weitere Anspielung
auf den verlorenen Roman V. 122.
Venjance nostre seigneur: Ueber
das altfranzösische Gedicht von der
Zerstörung Jerusalems (La Venjance
r.olre seigneur) 161 — 198 (Inlialt
161 f., Darstellungsweise, Form 162
— 164, Sprache, Alter 164 — 6, die
verschiedenen Fassungen und ihre
Handschriften 166 — 8. Kritischer
Text der ersten fünf und letzten drei
Laissen 169 — 79, der 11 4. Laisse der
zweiten Bearbeitung 180 f. Laissen-
tafel 181 — 8. Untersuchung über
die verschiedenen Bearbeitungen des
Textes 188—98).
Verstecknamen bei provcnz. Tro-
Ivadors: Bella-Capa, Capa 48. Ric-
de-Joy 48.
Villon. Ballade des contreverites
120.
Vulgärlateinisch. Mohl, Intro-
duction ä la Chronologie du latin
vulgäre (Recens.) 437 — 40.
Lautlehre: Matzke, John E., The
question of free and checked vowels
in gallic populär Latin (Recens.)
I59'f.
Wallonisch s. Französisch.
Wolf (Ferdinand) s. Ebert.
Wortgeschichte: Zur Methodik
der W. 569—71.
Stellen
Französiscli.
Oxf. Rol. v. 1429 — 125 f.; Roman
de Ren. (ed. Martin) 2166 — 163;
Textverbesserungen u. Erklärungen
zu Chaslelaine de Saint Gille und
Chevalier au barisei (ed. Schultz-
Gora) — 395 — 400; Textkritische
Bemerkungen zu Meraugis v. 300 —
2000 (ed. Friedwagner) S. 508 — 44;
Po. mor. 420 a — 518; zu Folcon
de Candic 564. f.; Voy. de Charl.
V. 290, 337 — 566
r e g i s t e r.
Italieniscli.
Berichtigungen zu Cian, Un codice di
rime volgari appartenuto a B. Casti-
clione (Giorn. Stör, della Lett. Ital.
XXXV) 454 f.
ProTenzaliscli,
Erklärungen und Berichtigungen zur
allprov.Version der Disticha Catonis
583 — 5. Peire Rogier Begrüfsungs-
gedicht an Raimbaut von Orange
Str. V, VI 584.
WORTREGISTER.
599
Lateiniscli.
adtropare (mlat.)
410 — 2.
aqua (in Namur) 12.
*anguillu 400 — 3.
arbutus 412 f.
artipestis (od. arci-
pestis?) 391 Anm.
bauca (mlat.) 65.
*bauga 65.
bausiare (mlat.) 66.
braida (mlat.) 173.
*briistiare 405 f.
*brustulare 405 f.
caccabuhim 568 f.
campana 567.
cincignus 389 Anm.
circocinium 391
Anm.
circontus 390 Anm.
clocca 566 f.
*fixicare 415 — 7.
* inten Ttare, inter-
rltare 418.
ludarium (mlat.)
409.
luteriura (mlat.) 409.
mixtum 409.
nola 568.
phagedaena 406
Anm.
pinna 403 f.
*sanguinanlem 146
Anm.
septenus 421 — 5.
Signum (Glocke) 567.
sorbus 413.
spetum (mlat.) 68.
*teca 572.
tintinnabulum 568 f.
tremoea, tiemuia
408.
tremula, tremellum
408.
tremuta 408.
Iresaurus (mlat.)
407.
*trimodia 408.
Iropare (mlat.)
410—2.
vertiprunium 391
Anm.
Italleniscli.
aduamento (asiz.)
421 Anm.
afio 70.
aghirone 72.
Wo r t r e
aguglia 142.
albägio (altit.) 550.
ammarrare 128.
anguela (ven.) 401,
413—5-
anguella (bologn.)
401.
aria 143.
arrostirc 63.
ascusi (aberg.) 65.
attrovare 412.
bäero, baaresa
(bei-g.) 75.
bara 62 Anm.
biacca 71.
bios (emil.) 65.
blac, sblac (berg.)
72.
boga (lomb. vcn.)
b6rrer(oberit.)4l7 t.
la Brä (veron.) 73.
bräida (ven.) 73.
braja (ferr.) 73.
breda (bresc. crem.)
72 f.
brustare 142.
bulo (ven. piem.
lomb.) 76.
busia (lomb. ven.)
66.
bussa ( ^
bus.sare f ''
buttare 64.
cacumidda (siz.)
413.
cäis (lomb.) 74.
cäisla (lomb.) 74.
calcestruzzo 144.
chiovo, cbiodo 426 f
ciausire (altit.) 65.
cimasa 551.
coat (com.) 76.
coglia 143 Anm.
craicer (ven.) 70.
craut (com.) 67.
cräuli (berg. ven.)
67.
crfeiisser (berg.) 70.
dolo 142.
ecco che 542.
Enrico, Enzio 74.
fagno 71.
faze (aneap.) 507.
feudo 70.
folpo (ven.) 572 f.
fräula (berg.) 67.
frugare 144.
g i s t e r.
gajda (piem. parm.)
72.
gala 70.
galoppare 64.
galuppo 64.
garone, gherone 72.
gheda (crem. mant.
berg. mail.) 72.
gheit (com.) 73 Anm.
grappa 62 Anm.
greto 68 Anm.
griso, grigio 575 f.
guadagnare 72.
guado 70.
guai 70.
guailä, gnäita (com.
berg.) 74.
guatare 74.
guisa 575.
kalasu (sard.) 551.
Iaido 74.
lettere (aneap.) 506
Anm.
lusi (com.) 66.
mass (piac. parm.)
570.
mo, modo 427.
modig (tess.) 76.
mogliere (aneap.)
506 Anm.
monna 141.
morfente (neap.) 150
Anm.
nodo 427 Anm.
onire 63.
paissa (berg. com.)
75.
palaxio (altit.) 550.
pancrazio 551.
panna 403.
papaör, papaüro
(ven.) 127.
papador (trevis.)
127.
pappatojo (tosk.)
127.
pedone 405,
pena (vcn.) 403.
penna 403 f.
pigna 570.
pinna (siz.) 403 f.
piö (lomb.) 75.
plo (aberg.) 75.
porca 143.
puschia (md. ital.)
415— 7-
putlana I43.
remolo, remora 143.
ributto 64.
ringavagnare (bei
Dante) 72.
rocca 575.
romire 66.
rost (lomb. ven.)
rubare 61.
ruspiare (sard.
log.) 127.
rustire 63.
sala 143.
salcräut 67.
sauro 67.
sbioss (emil.) 65.
scaraguaita 74.
scellino 578.
schermare 577.
schiazzare 65
Anm.
schivare 69.
scingia 557.
sciöa (com.) 76.
sciöstar 76.
scöber (com.) 76.
scoss (lomb. emil.)
scotta 143.
scrima 577.
serratanem (asiz.)
421 Anm.
sgadi (rom.) 73.
sguoz (com.) 67.
sgusi (rom.) 65.
sictinu (asiz.)
421 — 6.
smaccare 65 Anm.
smalto 62 Anm.
speo (ven.) 68.
spet, spit (berg )
68.
spiedo 68 Anm.
spito (neap.) 68.
staire (carne de)
(ven.) 75.
stambecco 70.
stamberga 70 f.
stoa (ven.) 75.
simäsa 551.
tappare (llor.) 62
Anm.
todesc (berg.) 69.
träer (berg.) 75.
triijcro (ven.) 75.
tralcc, tralcio 557.
tridicinu (si/..)
425 f.
tullare 65.
6oo
WORTREGISTER.
vianaro (ven.) 65.
warra (neap.) 128.
zaffo 62 Anni.
zana 71.
Französiscli.
ades (alV.) 525 f.
afre 60 Anm.
allecher 556.
amarier 128 f.
Amboise 554.
Anfelise, Anfelis
122 — 4.
anivei ^for.) 402.
arbona (lothr.) 412.
assevir (pik.) 92 f.
assire (norm.) 94 f.
assouvir 92 f.
alrover (atr.) 412.
ava (P'ourgs.) 402.
2vö (lothr.) 401.
baillarc (afr.) 427 f.
belais 551.
bibelot 429.
biere (afr.) 62 Anm.
boucestain (afr.)
70 Anm.
brars (afr.) 407.
breuilles (afr.) 405.
broder 142.
broue 405.
bru, bur, burc (afr.)
407.
brüler 405 f.
bruschet (afr.) 407.
buquer (afr.) 408.
cachevel, chachevel
(afr.) 569.
caquevel (afr.) 569.
Calais 551.
calibre 571.
clabauder 408 Anm.
clabosser 408 Anm.
cochoir 570.
corme 4 1 2 f.
coron 149.
corrot (afr.) 154
Anm.
craindre 104 f.
crappon 62 Anm.
cymaise 551.
dävuä (monlb.) 402.
digue 578.
dindan, dindin 5^8.
email 62 Anm.
envoye 400 — 3.
erdre 88.
escarimant 565 f.
eschif Gg.
escirmir 577.
escrimer 577.
esmal, esmail (afr.)
576.
csperir 88.
espieut (afr.) 68.
essevir (lothr.) 92 f.
estes (ez) vos que
542.
esterdre, esternir
104.
famfreluche
feie
freluche
freluquet 406.
frestele
fringale
fronde
gaaigne 509.
gaaigner (afr.) 72
Anm.
gabieu 569.
gabillon 570.
^ain 535.
gale 70.
gluz (afr.) 553.
Gormaise 554.
grappin, grappon
62 Anm.
Gringalet 407.
istre 87.
jas, jät 141.
kair (wall, pik.) 93 f.
la'is (afr.) 564 f.
lävia (morv.) 402.
lävo (bürg, yon.)
402.
lodier 409.
long („zu lang")
535 f-
lutin 557—64.
masson 570.
matou (afr.) 127 f.
meleze 14I.
mestive (afr.) 409.
metivier 409.
mitou (afr.) 127 f.
mon („fürwahr")
511 f.
Morise 551.
neutun, noitun 557
—564.
pancrais 551.
Pancraise 551.
panne 403 f.
parmain 419.
permaine 418 f.
pi^ter 404 f.
pielaille (afr.) 404 f.
pieton 404 f.
pion 405,
port 125. 428.
privaise 551.
quille 577 f.
refreitoir 408.
rega'in 535.
relinquir 88.
ruchie (norm.) 553-
sabot 570.
sanglant 146 Anm.
Sarmaize 551. 554.
seir (wall, pik.) 94 f.
septain (afr.) 421 -5.
Servals 550.
simä (wall.) 551.
siuvre 91 f.
suie 428 f., 556 f.
tart („zu spät")
535 f-
thie 572.
tistre 87.
toupin 570.
tremel (afr.) 408.
tremoire (afr.) 408.
tremousser 405 — 9.
se tremuai)
tremuete ) '
Iroche, trochet 557.
Iromper 406 f.
trouver 410 f.
veir (wall, pik.) 95.
ville, vehille 407.
villebrequin 407
Anm.
vrille 407.
waloper (ndfr.)|
waspail (ndfr.) j '^'
ProTenzallscL
aiol, auiol 38.
albaysia 550.
anale (bearn.) 401.
arbousso (nprov.)
553 f.
argei, urgei (nprov.)
401 f.
arzüi (auverg.) 402.
atrobar 412.
bera 62 Anm.
berbiguier 43.
botar 64 Anm. 2.
breumen (en) 58.
brucar, buroir 407.
brusc, brut (aprov.)
407.
cabal (per, de) 36 f.
cabre (nprov.) 570.
capzana 42 f.
caupir 62 Anm.
chaptal 34.
chilla, churta 52 f.
contrariar 55.
cort (en) 55.
desmandar 48.
detras 56.
dreg (en d. de) 57.
eicrupi (lim.) 127.
eissugo (nprov.)
55('.
escausir 65.
escirmir 577-
esdire de rflx. 33.
espeut 68.
estorn 63 Anm.
ferran 54.
forana 39.
fringouia (nprov.)
406.
fronteira 45.
gabilho (rouerg.)
570-
gangoulho
(nprov.) 417«
gargata 43.
grapa 62 Anm.
guaragnon 577.
guarraigno
(uprov.) 53.
guirlandar 39.
jonhedor 34.
maiet (nprov.)
570.
mais de dos 54.
massoun (nprov.)
570-
mal 4I.
milgrana 40.
mosueira 46.
nessa, nepta 56.
nia (nprov.) 44.
orbacha 43.
oziiel, odüel
(rouerg.) 402.
palais 550.
paner (far) 39 f.
pata 39.
pena 403.
pezö 405.
rater 44.
raust 63.
saleira 45.
segur (adv.) 40.
seign'en 37 f.
sobreira 44.
suga 556.
teira (a) 47.
thoma 41.
tiraillz 46.
trufas de Roais
52 f.
vise (nprov.) 553.
WORTREGISTER.
60 1
Franco-proyenzaliscL
argeu (delph.) 402.
ävue (waadtl.)
402.
cocale (wall.) 417.
läwi (genf.) 402.
premiev 432.
Spaniscl.
alecbigar 556.
amanar 128.
batel 576.
berbiqui 407 Anm.
bosque 576.
cascabel 569.
choque 576.
cirnacio 551.
dique 578.
elmo (aspan.) 575
Anm.
escalin 578.
esgrimir 577.
esmalte 576.
esparvel 576.
esquife 576.
fieltro 575.
ganivete (aspan.)
576-
garanon 577.
gardingo 577.
gigote 576.
grapa 62 Anm.
guadanar (aspan.)
72 Anm.
herbedo (gal.) 412.
laizar (aspan.) 74
Anm.
pala9io 550.
pancratiero 551.
pena 403.
roquete 576.
rueca 575.
serrador 570.
sguanir 71.
zaina 71 Aum.
Kätalaiilsc]!,
atrobar 412.
belabarqui 407
Anm.
escrimar 577.
niar 44.
pal au 550.
Porlugiesiscli,
amarrar 128.
comedor 570.
corme 412 f.
dique 578.
eis que 542.
ervodo (apoit.) 412.
esgrimir 577.
fisga 415—7-
gaanharia (aport.)
72 Anm.
ganhar 72 Anm.
gardingo 577.
pennas 403.
Rätoromaniscli,
angudele (friaul.)
401. 413-
buUo 76.
fieterar 76.
fuera 76.
paissär (tirol.) 75.
pampul (friaul.) 127.
papadüu (tessin.)
127.
perstuech 76.
rueta 76.
stambuoch 70 Anm
stuel 76.
trajer (friaul.) 75.
truvar (churw.) 41 1.
Rmäniscli,
adicä 525 f.
aleg (eligo) 319.
aluäl (elevatum)
ämnu (istr.) 320 u.
Anm.
asemenea 319.
caiä 325 Anm.
eati cä 542.
funingine 319 u.
Anm., 489.
insurä 320 Anm.
intarila 418.
maturS 319.
päcurä 319.
palat 550.
piüä 320.
sariü 320 Anm.
scint^e 320.
(a) Seaman (as-si-
milo) 319.
320 f.
steä (nordr.)
steäo (mac.)
steäüä
st^u I
ftermaniscli.
Stamtn =»=aifra- 70.
bais, paiss (bair.)
75-
barley (engl.) 427.
*bausi (germ.) 66.
bauta (altn.) 62.
bautan (got.) 64.
*bauzan (Igbd.) 65.
beize (mhd.) 75.
bekletzen (mhd.)
65 Anm.
*blaicha 71.
bloz (ahd.) 65.
bouga (ahd.) 65.
böz (ahd.) 63.
burren, purren 41 7 f.
chiosan (ahd.) 65.
dik (germ.) 578.
*faikns 71.
*gahlaupan 64.
gaida (Igbd.) 72 f.
*gairo 72.
geili (ahd.) 70.
griot (as.) 68.
guot, guet (obd.) 76.
Haupt 570.
Hoofd ^niederd.)
570.
hrieman (ags.) 66.
*kausjan (got.) 65.
lausjan (got.) 66.
laying-top (engl.)
570.
Lehre 570.
Leitholz 570.
lo&a (ags.) 409.
lo2fi (an.) 409.
losean (ahd.) 66.
müedi(n)g (obd.
Schweiz.) 76.
plovus (Igbd.) 75.
poort (mndl.) 428.
port (ags.) 428.
pozan (ahd.) 65.
(bi)raub6n (got.) 62.
*(h)raum3an
(Igbd.) 66.
rope-top (engl.) 570.
(mhd.) 67.
schiech (mhd.) 69.
schuoh, schueh
(obd.) 76.
*schuower,
*schuober 76.
scirm (Igbd. ahd.)
577-
scöz (ahd.) 65.
skiuhan (ahd.) 69.
smähen (ahd.) 65
Anm.
*spenta = spioz
(ahd.) 68.
spuola (ahd.) 75.
stainboch (ahd.)
70.
*st6da = stuota
(ahd.) 75.
toufen (ahd.) 65.
tremen (mhd.)
408.
trese (mhd.) 407.
treso, tresohus,
tresofaz (ahd.)
407.
tresuhüs (alts.)
407.
trylla (an.) 578.
vinden (mhd.)
410.
Stamm *waida-
70.
*waidänjan 72.
wainei (got.) 71.
*wainjan 71.
Wanten 576 Anm.
Wolf 570.
* zaina = zeinna
(ahd.) 71.
Keltiscli.
huddygl (kymr.)
429.
huzel (breton.)
429.
büide (ir.) 482 f.
Eüizelne spraclen.
x6(.La(jov (griech.)
412.
tilKr (magy.) 571.
Druck von Ehrhardt Karras. Halle a. S.
PC Zelt Schrift für romanische
3 Philologie
Z5
Bd*24
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