ZEITSCHRIFT
FÜR
EOIAIISCHE PHILOLO&IE
HERAUSGEGEBEN
Dr. GUSTAY GROBER,
PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT STRASSBURG i. E.
1901.
XXV. BAND.
HALLE
MAX NIEMEYER.
77/78 GR. STEINSTRASSE.
igoi.
INHALT.
Seite
L. F. D. Blöte, Der historische Schwanritter (3. 11. 99) i
F. Ed. Schneegans, Ueber die Sprache des Skizzenbuches von Vilard
de Honnecourt (19.4. 00) 45
P. TOLDO, Etudes sur la poesie burlesque fran9aise de la Renaissance.
(19.2.00) • • • 71- 215. 257. 385. 513
H. ScHUCHARDT, Franz. caülou } coclaca, — Über Laut- und Bedeutungs-
wandel (10. II., 29. 12. 00, 24. 2. Ol) 244
Theodor Kalepky, Zur französischen Syntax (31. 5. 00) 322
Hugo Albert Rennert, Ueber Lope de Vega's El Castigo sin Ven-
ganza (8. II. 00) 4U
Elise Richter, Zur Syntax des rumänischen Possessiv -Pronomens
III. Person (9. 11. 00) 424
Eduard Wechssler, Bemerkungen zu einer Geschichte der französischen
Heldensage (20. 10. 00) 449
B, Jaberg, Pejorative Bedeutungsentwicklung im Französischen. Mit
Berücksichtigung allgemeiner Fragen der Semasiologie (18. 5. Ol) 561
W. Meyer -LÜBKE, Oskisch dat, ital. da, sard. dae (i. 3. 01) . . . . 602
Eugen Herzog, Zusammenfassendes lo im Spanischen (n. 3. 01) . . 705
George C. Keidel , Notes on ^sopic Fable Literature in Spain and
Portugal during the Middle Ages (17. n. Ol) 721
TEXTE.
Walther Suchier, Ueber das altfranzösische Gedicht von der Zerstörung
Jerusalems La Venjance nostre seigneur (Schlufs) (22. 9. 99) . 94
J. Zeidler, Der Prosaroman Ysaye le Triste (23. 12. 00) . . 175. 472. 641
A. Pellegrini, II Piccinino (4.6. 99; 16. 6. 00) 230. 686
Carolina Michaelis de Vasconcellos, Randglossen zum altportugie-
sischen Liederbuch. Forts. (18.4. oo) . . . 129. 278. 533. 669
Emmanuel Walberg, Deux details du Bestiaire de Philippe de Thaun
(19. 2, Ol) 697
VERMISCHTES.
1. Zur Textkritik.
Hugo Andresen,' Zur Karlsreise (4. 8. 00) IIO
2. Zur Lautlehre.
A. HoRNiNG, Die betonten Hiatusvokale im Vulgärlatein (28. 10. 00) . 341
A. Zimmermann, Zum Uebergang von intervokalischem / zu ^ im Vulgär-
latein {23. 12. 00) 731
IV
Seite
A. Zimmermann, Ueber ?'-Epenlhese im Italischen bezw. im Vulgärlatein
(I-4- Ol) 735
— Lesefrüchte aus dem Bereiche der römischen Inschriften, den Ro-
manisten zur Beurteilung vorgelegt (1.4. Ol) 735
A. HoRNiNG, Zur Behandlung von Ci und Ti (24. 6. 01) 736
3. Zur Wortgeschichte.
G. Pfeiffer, Zu Rudows Rumänischen Wörtern Ztschr. Bd. XIX und
XXII (27.3. 99) 112
GiACOMO De Gregorio, Ant. sie. {a la) lirta (9. 10. 00) 113
H, ScHUCHARDT, Ecclesia (30. II. 00) 344
— Yx2i^ü.^.bouee\^x^^.bouchen (20. i. 01) 345
— Yxzxiz. glaive (20. I. Ol) 345
— Franz. hretelle, bretelliere (20. i. oi) 346
— Franz. //z'^ , .Scholle" (20. i. 01) 346
— YrdiViz. turbot)(d. Dornbutt) (20.1. 01) 349
— Ischl] InsulaP (20. I. Ol) 349
— ¥xz.xiz. permaine (20. I. Ol) 353
W. Meyer - LÜBKE, Itzl. saia, saio, Ixz. sa'ie (28. Ii. 00) 354
— Ital. uscio, frz. huis (13. I. 01) 355
H. ScHUCHARDT, Lat. torta, tartaru?n (zu Ztschr. XXIV, 250 f.) (4. 3. Ol) 490
— xäXvfx.(jLa, xo).v(xßav, (?) X(X?.(og im Rumänischen (4.3. 01) . . 490
— Franz. guideau (4.3. Ol) 498
— Franz. bceuf, vache (Fischerspr.) (4. 3. 01) 498
— Oslital. togna; ital. volantino (Fischerspr.) (4.3. 01) 502
— Span, cazarete, port. cagarefe (Fischerspr.) (4. 3. Ol) 503
A. HoR>flNG, Frz. Glaise, voges. brossey (3. 12. 00) 503
J. Ulrich, Andare, aller (6. 12. 00) 506
— A. engad. cupitz (14. 11. 00) 507
— Engad. padimer (I4. II. OO) 507
W. Meyer -LÜBKE, Frz. scieur de long (1.3. 01) 611
A. HoRNiNG, Voges. lur, burgund. lovre (17. 2. 01) 612
— Afrz. heuce, nfrz. esse (17.2. Ol) 614
H. ScHUCHARDT, Ficatum, fecatum\ ficotum ■\- hepate P (15. 7. 01) . . 615
A. HoRNiNG, Span, lelo (24. 6. Ol) 738
— Sp. emperador (24. 6. Ol) 739
— Sp. pg. rozar (24. 6. 01) 740
— Provenz. desco, poitevin. daiche (24. 6. Ol) 740
— Rätorom. rnagliar (24. 6. Ol) 74O
— Faluppa im Romanischen (Nachtrag zu Ztschr. 21, 192 ffg.) (3. 8. Ol) 741
— Span, marica (3. 8. Ol) 742
— It. indugia (3. 8. Ol) 743
GiAcoMo De Gregorio, It. olta (15.6. 01) 744
— Sic. mattanza (15. 6. 01) 746
— It. bazza, sp. baza, cat. basa (15.6. Ol) 747
— Siz. bazzariotu (15. 6. 01) 747
BESPRECHUNGEN.
Paolo Savj- Lopez, Pio Rajna, Le fonti dell' Orlando Furioso
(25. 6. 00) 114
V
Seite
G. Weigand, G. Alexici, Texte din literatura poporanä rominä
(16.6.00) "6
P. DE MuGiCA, Anibal Echeverria y Reyes, Voces usadas en
Chile (13.3. 00) 118
Diccionario de la Lengua Castellana por la real Academia Espanola
(6.3-00) 119
G. Weigand, Teutsch u. Popea, Lehrbuch der rumänischen Sprache
zum Schul- und Selbstgebrauch (16. 6. 00) 359
Ph. Aug. Becker, Paul Runge, Die Lieder und Melodien der Geifsler
des Jahres 1349 nach der Aufzeichnung Hugos von Reutlingen,
nebst einer Abhandlung über die italienischen Geifslerlieder
von H, Schneegans und einem Beitrage zur Geschichte der
deutschen und niederländischen Geifsler von H. Pfannen-
schmid (20. 7. 00) 3^0
— Carl Voretzsch, Epische Studien (16.8. 00) 3^5
Theodor Gärtner, Genelin, Dr. P., Germanische Bestandtheile des
rätoromanischen (surselvischen) "Wortschatzes {19.12. 00) . . 617
— Huonder, Josef, Der Vokalismus der Mundart von Disentis
(1.4. Ol) 622
— Candrian, J. J., Dei Dialekt von Bivio-Stalla (1.4. 01) . . . 627
E. KOSCHWITZ, Eugen Herzog, Materialien zu einer neuproven^alischen
Syntax (4. I. 01) 630
Em. Walberg, Andr6 G. Ott (de Zürich), Etüde sur les couleurs en
vieux fran^ais (19.2. 01) 633
M. Friedwagner, Emile Delignieres, Nouvelles Recherches sur le
lieu d'origine de Raoul de Houdenc (26.2. 01) 74^
Eugen Herzog, Dr. Leo Wiese, Die Sprache der Dialoge des Papstes
Gregor (17.3. 01) 757
W. Meyer-Lübke, E. Freymond, G. G., Romania No. 114, 115, 116
123. 380. 508
O. ScHULTZ-GoRA, Berthold Wiese, Giornale Storico della Letteratura
italiana. Anno XVHI, Vol. XXXVI, fasc. 1—3; Anno XIX,
Vol. XXXVII, fasc. 1—3; Supplemento 3 . . . . 121. 376. 510
W. Cloetta, Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Litte-
raturen XCIX (19. 5. 99) 127
Heinrich Schneegans, Studi glottologici italiani diretti da Giacomo
de Gregorio. I. (4.9. 00) 636
D. Behrens, Publications of the Modern Language Association of America
V0I.V, VI, VII ediled by James W. Bright (18. i.; 7.4. 01) 758
G. G., Neue Bücher 128
W. Suchier, Nachtrag zu Zeitschr. XXV 94 — 109 256
Berichtigung 384
Berichtigungen zu SS. 633 — 5 762
Register 763
Der historische Schwanritter.
(II. Artikel.»)
In dieser Zeitschrift habe ich vor einiger Zeit darauf aufmerk-
sam gemacht, dafs wir in dem Schwanritter wahrscheinlich den
Reflex einer historischen Person zu sehen haben. Eine Familien-
tradition, die sich um Roger von Toeni, einen normannischen Frei-
herrn der ersten Hälfte des ii.Jhds., gebildet hatte, habe man
mit Balduin von Boulogne, dem Gemahl der Enkelin dieses Roger,
verbunden, und diese Verbindung sei die Ursache geworden, dafs
Gottfried von Bouillon und seinen beiden Brüdern zur Zeit des
ersten Kreuzzugs und nachher ein Grofsvater zugeschrieben wurde,
den ein Schwan in das Land gebracht haben sollte. Der Ge-
dankengang aber, wie er in dem Aufsatz niedergelegt war, berück-
sichtigte im wesentlichen nur eine Seite des Themas. Er stellte
nur diesen Roger in den Mittelpunkt der Betrachtung, ging auf
eine Klarlegung anderer die Herkunft der Sage berührender Fragen
nicht ein und erfuhr daher eine ablehnende Besprechung von
G. Paris, indem dieser den hypothetischen Charakter einzelner
Glieder der Beweisführung hervorhebend die Lösung des Problems
um keinen Schritt weiter gefördert erachtete.^ Es sei mir gestattet
noch einmal auf die Sache zurückzukommen. Jetzt freilich etwas
ausführlicher. Ich glaube, dafs ich zu zeigen vermag, dafs auch
andere, von der Persönlichkeit des Roger von Toeni vollständig
unabhängige Erwägungen in die von mir bezeichnete Richtung
hinüberleiten, und dafs infolgedessen das Resultat dieser Er-
wägungen in Verbindung mit dem, was wir von Roger von Toeni
und seinen Nachkommen ermitteln können, von neuem ergiebt,
dafs die Sage vom Schwanritter eine lothringische Umbildung ist
der normannischen Familientradition. —
Die ersten Abschnitte der folgenden Untersuchung beschäf-
tigen sich mit der Frage, ob es vor Gottfried von Bouillon eine
lothringische Ueberlieferung von einem Schwanritter gegeben haben
kann.
I.
Wenn je ein mächtiges und weitverzweigtes Geschlecht im
12. Jhd. historisch prädestiniert schien, seine Herkunft mit dem
1 Vgl. Ztschr. 21, 176 ff. - Romania 26, 5 80 f.
Zeitschr. f. rom. Phil. XXV. I
2 J. F. D. BLÖTE,
Schwanritter in Verbindung zu bringen, so war es das Geschlecht
der Grafen und Herzoge von Limburg, das von der Mitte des
II. Jhds. bis an das Ende des 13. eines der angesehensten Häuser
Niederlothringens war. Unter seine Vorfahren zählte es die gleichen
Geschlechter wie Gottfried von Bouillon ; ' zwei Herzoge (Grafen)
dieses Hauses waren als Herzoge von Niederlothringen die un-
mittelbaren Nachfolger Gottfrieds.'- In den Ardennen lag ihr Ge-
biet, und zur Zeit, da die Sage vom Schwanritter blühte, führten
sie im Volksmunde und offiziell den Titel 'Herzoge der Ardennen',-^
wie die Herzoge von Niederlothringen des 11. Jhds. aus dem Hause
der Ardennen genannt wurden und wie der Schwanritter in einer
Version zu einem Herzog der Ardennen gemacht ward.^ Zwei-
einhalb Jahrhunderte bestand das Geschlecht in ununterbrochener
Fortdauer und konnte es auf ebenso reiche Verbindungen weisen als
Brabant, mit dem es rivalisierte. Welche günstigen Umstände, die
Erinnerung an eine Herkunft vom Schwanritter zu wecken und
lebendig zu halten, falls der Keim dazu schon vorher in diesem
Geschlechte bestanden und bis dahin nur geschlummert hätte!
welche günstigen Verhältnisse für eine Verknüpfung mit der Her-
kunft, falls diese nur ein willkürliches Gewebe der Volksphantasie
gewesen wäre, das sich beliebig an den günstigsten Fleck heftete,
oder von einer Familie aus behebig auf eine andere hätte über-
tragen werden können! Wohl reichten die Herzoge ihre Herkunft
bis auf Karl den Grofsen hinauf.^ Aber zu dem Geschlecht des
Schwanritters rechneten sie sich nicht, und auch andere rechneten
sie nicht dazu. Dafs es sich hier nicht um ein zufälliges Fehlen
irgend welcher Aufzeichnung handelt, zeigt folgendes.
Das limburgische Haus erlosch zwar 1283 mit dem Tode der
kinderlosen Ermengardis, aber trotzdem hat kein lothringisches Ge-
schlecht eine so mannigfaltige genealogische Entwicklung aufzu-
weisen als Limburg in Verbindung mit Luxemburg (letzteres seit
12 14). In der Nähe des Stammlandes die Häuser Montjoye,
Valkenburg, Berg, Reifferscheid , Wildenberg. Waleran IV. nennt
in einer Urkunde v. J. 1253 unter seinen Verwandten die von
1 Der Vater Gottfrieds von Bouillon und die Grofsmulter Heinrichs I.
von Limburg (f 1119) mütterlicherseits waren Geschwister, Kinder Eustachs I.
von Boulogne und der Gerberga von Löwen (Brabant). Der Stammvater der
Herzoge von Niederlothringen war Wigerich , Graf von Bedgau und Trier,
unter Karl dem Einfachen Pfalzgraf von Lothringen (f nach 926). Sowohl
durch seinen Vater als durch seine Mutter gehörte der genannte Heinrich zu
dem Geschlechte dieses Wigerich.
-' Heinrich I. (-f- 1119) und dessen Sohn Waleran H. Paganus (+ I139).
Auch Heinrichs I. Grofsvatcr, Friedrich von Luxemburg, war Herzog von
Niederlothringen gewesen, 1048 — 1065, zur Zeit, da Herzog Gottfried aus dem
Hause der Ardennen, Gottfrieds von Bouillon Grofsvater (f 1070), sich gegen
die kaiserliche Gewalt auflehnte.
3 Zeugnisse bei M. S. P. Ernst, Histoire du Limlourg, Liege 1837 — 1847,
t. II S. 52, t, III S. 99. III. 117. 139.
* Grimm, Deutsche Sagen, No. 545 'Der gute Gerhard Schwan'.
6 Ernst, a. a. O. t. II S. 64.
DER HISTORISCHE SCHWANRITTER. 3
Luxemburg, Berg, Jülich, Wassenberg, ReifFerscheid , Montjoye.i
Aus der Ehe Walerans 111. mit Ermensinde von Luxemburg (12 14)
ging das luxemburgische Haus hervor, das dem deutschen Reiche
vier Kaiser gegeben hat, von denen drei auch Könige von Böhmen
waren, einer König von Ungarn. In Frankreich führten eine Anzahl
hoher Familien ihren Ursprung auf Limburg zurück.2 Aber bei keiner
einzigen läfst sich nachweisen, dafs sie sich von der Schwanritter-
herkunft betrachteten, es sei denn durch eine spätere Verbindung
mit Brabant.3 Und was vom 1 2. Jhd. an für sämtliche Nachkommen
gilt, erlaubt den Rückschlufs auf das Stammhaus: es hielt sich
nicht von der Abstammung vom Schwanritter, und auch andere
gaben ihm diese Auszeichnung nicht.^
Das Haus Limburg (und Luxemburg) hatte keine Herkunft
vom Schwanritter. Dieses Ergebnis führt zu folgenden Schlüssen:
1. Für die Herzoge von Niederlothringen aus dem
Hause der Ardennen oder Verdun: Die Sage vom Schwanritter
ist keine von Anfang an ererbte uralte Haussage der Vorfahren
von Gottfrieds von Bouillon ]\Iutter, denn wäre sie schon mit
Wigerich (f nach 926), dem Stammvater aller ardennischen Ge-
schlechter verbunden gewesen — wie die Herkunft von Karl dem
Grofsen und Troja — so hätte sie sich auch in dem limburgischen
Haus zeigen müssen, wo alles dem Fortleben der Sage günstig war.^
2. Für die Grafen von Boulogne: Die Sage stammt auch
nicht aus dem Hause der Grafen von Boulogne vor Gottfried von
1 Ernst, a. a. O. IV, 238. 2 Ernst, a. a. O. IV, 76.
3 Im Jahre 1412 war Edmond von Dynter im Auftrage seines Herzogs
(Anton von Brabant) bei Wenceslas, König von Böhmen. Dieser führte den
Gesandten in einen Saal, wo Kaiser Karl IV. (1346 — 1378), Wenceslas' Vater,
die Bilder aller Herzoge von Brabant bis auf Johann III. (1312 — 1355) hatte
aufhängen lassen, und sagte zu ihm 'quod illa sua esset genealogia, quodque
ipse de propagine Trojanorum et signanter sancti KaroH Magni imperatoris
et inclite doinus Brahancie descendit, et quod Heinricus de Lucemhurgo
Imperator, proavus suiis, habuit filiatn prinii ducis yokatitiis Brabancie, ex
qua genuit avutn suum Johannem Bohemie et Polonie regem' {Chronique
des Ducs de Brabant par Edmond de Dynter, publice par P. F. X. De Ram,
Bruxelles 1857, t. III p. 74 ff.). — Man beachte die Zusammenstellung 'Troja,
Karl der Grofse, Brabant'. Die Erwähnung von Troja und Karl dem Grofsen
führt zu der Folgerung, dafs Wenceslas bei dem Namen 'Brabant' an den
Stammvater dieses Geschlechtes dachte, d. h. an den Schwanritler, um so mehr,
da die brabantischen Herzoge sich auch schon insbesondere von Troja und
Karl dem Grofsen rühraien, sodafs dieses besondere Nennen von Brabant
nicht nötig war. Erwägt man nun, dafs Wenceslas auch Heinrich von Luxem-
burg erwähnt, und dieser ein Enkel war Walerans von Limburg und Ermen-
gards von Luxemburg, und Limburg und Luxemburg sich auch schon von
trojanischer und karoUngischer Herkunft hielten, so hat das 'Brabant' einen
besonderen Sinn. Durch Brabant konnte Wenceslas sich nicht nur auf Troja
und Karl den Grofsen berufen, sondern auch auf den Schwanritter. Nur
Brabant kannte er den Ursprung zu, nicht Luxemburg oder Limburg.
* So gestatten z. B. die Häuser Hessen und Heinsberg Rückschlüsse auf
Brabant Vgl. Verf., Das Aufkommen des clevischen Schwanritters, in der
Ztschr. f. deutsches Altertum und d. Litt. 42, 41 ff.
5 AVir finden sie ebensowenig bei den Grafen von Salm, von Bar, die
gleichfalls von Wigerich stammten.
4 J. F. D. BLÖTE,
Bouillon. Denn hätte Gottfrieds Vater Eustach IL sich dieses Ur-
sprungs gerühmt, wie er sich durch seine I\lutter Mathilde von
Löwen (Brabant) karolingischen Geblütes nennen konnte,^ so hätte
auch seine Schwester Gerberga, Heinrichs L von Limburg Grofs-
mutter, die Herkunft in das limburgische Haus hinüber geleitet.
3. Für die Entstehung der Geschlechtssage: Das Fehlen
der Herkunft im Haus Limburg trotz der aufserordentlich günstigen
Verhältnisse zur Aufnahme derselben führt zu der Vermutung, dafs
die Herkunft von einem Schwanritter in anderen Häusern nicht
auf willkürlicher Volksphantasie beruht, sondern dafs sie sich auf-
baute auf irgend einer reellen Grundlage.^
Die in dieser Weise gewonnenen Folgerungen haben deswegen
einen hohen Grad der Wahrscheinlichkeit, i. weil der Ursprung
von Karl dem Grofsen durch die weiblichen Linien in den ver-
schiedenen Familien vermittelt wurde, wofür Brabant, Namür, Bou-
logne Beispiele sind; 2. weil die Geschlechter Brabant, Cleve,
Heinsberg'^, Arkel nur durch eine ihrer Frauen zu der Abstammung
von einem Schwanritter gelangten.
Im J. II 13 stirbt die Ida, die Mutter Gottfrieds von
Bouillon. In der Lebensbeschreibung^, die zwei oder drei De-
cennien nach ihrem Tode abgefafst wurde, wird berichtet, wie sie in
besonderem Rufe der Keuschheit, Frömmigkeit und Wohlthätigkeit
stand und Wunder verrichtete während ihres Lebens und sogar nach-
her. Ihr Mann, Eustach IL von Boulogne, ist 'genere nobilissvnus,
Carolo eiiam regt consanguinilaie proximus' , Ida selbst wird mit der
üblichen Formel ' nobilissima exorta prosapia'' bezeichnet. Aber der
Autor dachte sich die Eltern und die Vorfahren der Ida echt mensch-
lich: 'pater ejus siipra poientes atqiie fama majores cor am Imperator e
Ale7nannorum gradiim altiorem et quasi Privilegium digtiitaiis atque
^ Autoren aus der ersten Hälfte des 12. Jhds. nennen ihn von karo-
lingischer Herkunft. Vita B. Idae, cap. I 'geitere nobüissinnis, Carolo etiam
regi consangiiinitate proximus'' (Migne 155, 439); Ord. Vital. 1. IV c. 3 (ed.
Le Prevost) 'erat magnae nobilitatis, ex prosapia scilicet Caroli Magni Fran-
corutn strenuissimi regis' .
2 Eine 4. Folgerung finde hier in der Note ihren Platz. Wenn die
Redaction der Sage von Gerhard Schwan nach Grimm DS. No. 545 den
Schwanritter zu einem Herzog der Ardennen macht, und Albrecht in dem
'Tilurel' zwischen 1260 und 1270 ihn in Luxemburg (so wenigstens nach
Grimm DS. No. 543; nach ed. K. A. Hahn Str. 5960 'Lizabune', welches seit
Lohengrins Tod 'Luthriitgett' hiefs; vgl. noch die verwirrten Angaben in
diesem Gedicht, wie Lohengrin in diesem nämlichen Gebiet als Herzog von
Kasperie 5918, Basper 5920 erscheint; Belaye ist aus Cornvale 5921) sterben
läfst, so ist, abgesehen von anderen Gründen, hier nur an die allgemeine
Richtung des Ardennerwaldes zu denken, d. h. mit Erinnerung an Bouillon,
welches in den Ardennen lag.
8 Das Aufkommen des clevischen Schwanritters, a. a. O. S. 18 ff. Ueber
Brabant handle ich nächstens in einer besonderen Schrift 'Das Aufkommen
der Sage von Brabon Silvius, dem brabantischen Schwanritter'.
* Migne 155, 437 ff.
DER HISTORISCHE SCHWANRITTER. 5
poiestatis obtitictis fnü, ttomhie Godefridus, mafervero ejus, non minus
egregia, Doda vocabaiur'. Der um 1136 oder etwas später, jeden-
falls vor II 53 entstandene Ausspruch spezialisiert für Idas Vater
nicht weiter, was wir unter dem ^gradum altiorem et quasi privi-
Icgitwi dignitaiis atque poiestatis' zu verstehen haben. Aber es ist
historische Thatsache, dafs Idas Vater, Gottfried mit dem Bart
(t 1070), zuletzt eine weit gröfsere Macht inne hatte als irgend
einer seiner direkten Vorgänger: in seiner Hand lag die Herrschaft
über Nieder- und Oberlothringen und über reiche Gebiete in
Italien, die er sich durch seine zweite Ehe erworben hatte. Dafs
in dem 'gradum altiorem et quasi Privilegium dignitaiis atque poiestatis'
nicht die Andeutung einer besonderen Herkunft verborgen liegt,
ergiebt sich aus des Autors Mitteilungen: Idas Vater nennt er
Gottfried, als Gattin giebt er ihm die Doda, die ^non minus
egregia' als ihr Mann ist, er erkennt ihm 'majores', also nieder-
lothringische Vorfahren, zu, was dem Wesen des Schwanritters
widerstreitet, er fafst ihn auf als einen Fürsten über ererbtes Ge-
biet, denn die Doda tritt ganz zurück, der Autor weist also auf
verbürgte historische Verhältnisse hin. Dafs auch Idas Vater nun
seinerseits nicht von einem göttlichen Ahnherrn abstammte, liegt
in demselben Satz, denn Gottfried übertraf seine Vorfahren in
Würde und Macht. Und doch wollte der Autor die Ida besonders
verherrlichen. Er deckt den Glanz ihrer hohen Herkunft auf, aber
Wunderbares weifs er nur in den Wundern, die sie verrichtete.
Was ihm bekannt ist, sagt er von ihr. Er erwähnt sogar zwei
Züge, die wir nachher in der Sage wiederfinden: sie sollte nach
göttlicher Verheifsung drei Söhne gebären und stillte diese Kinder
selbst. Nach ihrem Tode noch heilte sie die Enkelin von ver-
zehrender Fieberkrankheit. Ihr Grab hat der Autor offen gesehen,
unversehrt lag sie darin. Trotzdem hat er nichts von einer wunder-
baren Herkunft zu berichten. Sein Schweigen wird unter diesen
Umständen beredt: die drei Söhne der Ida und die Ida selbst
ererbten die wunderbare Abstammung nicht als Familiengut, die
Herkunft von einem Schwanritter ist ihnen von aufsen her aufge-
tragen worden.
3-
Die zeitgenössischen Aufzeichner der Ereignisse des ersten
Kreuzzugs schweigen ohne Ausnahme bei Gottfried und seinen
Brüdern von der wunderbaren Herkunft, ebenso wie frühere Autoren
davon bei den niederlothringischen Herzogen schwiegen. Aus den
Berichten, die gleich nachher entstanden und fast noch als zeit-
genössisch gelten dürfen, hebe ich dennoch eine Notiz über Balduin
heraus, die durch die Eigentümlichkeit ihrer Vorstellung der Dinge
und durch den Charakter des Schreibenden mindestens den Schlufs
erlaubt, dafs Gottfried und seine Brüder sich nicht als Nachkommen
eines Schwanritters betrachteten, und dafs in den höheren Schichten
der kleinasiatischen Abendländer die angebliche Abstammung ent-
weder nicht bekannt oder der Erwähnung unwert erachtet wurde.
6 J. F. D. BLÖTE,
Radulf von Caen geht 1107 nach Palästina, dient zwei
Jahre unter Bohemund, wird darauf Secretär bei Tancred und
verfafst seine Gesta Taficredi aus den Aussagen derer, die die
Dinge von 1095 an mitgemacht haben. Die Charakteristik, die er
in diesen Gesten von Gottfried entwirft, besagt für unseren Zweck
nichts und ist in wenig Worten zusammenzufassen: Bouillon habe
ihm Namen und Würde gegeben, diese Würde werde erhöht durch
göttliche und weltliche Tugenden, in welchen er sich als das Kind
des tapfern Vaters und der frommen Mutter bewähre (cap. 14).
Wichtig ist aber der Passus über Gottfrieds Bruder, Balduin L,
König von Jerusalem. Radulf hält Balduin offenbar für einen
Mann von höherer Bedeutung als Gottfried. Das Blut Karls des
Grofsen, den Thron Davids, das Leben Alexanders des Grofsen
nimmt er für Balduin in Anspruch: '. . . tot vitae intervallis ornari,
quae a Francoru?n scepiro lucem ingressa, ab Hürosoly)7iitanorum erat
egressura; atque liquidius dar et, a magno illo rege Carolo genus
trahens super solium David sessurus divinitiis trahehatur. Jure
ergo ac merito Alexandruni vwebaf, cujus illustrahant Carolus ortum,
David occasum; nee degener are dehebat gladius hebes, cujus sie fulge-
rent cunae et tumulus^ (cap. 37). Hier wäre doch, sollte man meinen,
neben Franken und Jerusalem, neben einem Ursprung von Karl
dem Grofsen, dem Sitzen auf dem Thron Davids, neben dem Leben
wie Alexander der Grofse, neben der göttlichen Führung, neben
der glänzenden Wiege und dem glänzenden Grab, ein Hinweis
auf eine höhere, besondere Herkunft angebracht gewesen. Radulf
ist freilich ein Skeptiker. Man sieht es aus seiner Stellung zu der
hlg. Lanze (cap. loi), die er sogar einen Betrug nennt (cap. 108).
Hat Radulf geschwiegen von der wunderbaren Herkunft Balduins,
weil er nicht darum wufste, oder hat er sie übergangen als eine
unnütze Fabel? Die Lanze, die soviel Aufregung hervorrief, konnte
er nicht übergehen, sie war ein Stück Geschichte von eingreifender
Bedeutung, das manche als ein Wunder betrachteten. Die Volks-
meinung über Balduins Herkunft, falls sie damals schon bestand,
hatte diesen Wert nicht. Aber eins folgt aus den Worten Radulfs.
Eine Haussage der Plerzoge von Niederlothringen aus dem Hause
Verdun war die Tradition nicht. Sie wäre alsdann zur Zeit Gott-
frieds allen Niederlothringern bekannt gewesen, und lobend oder
tadelnd hätte Radulf etwas davon in die Charakteristik Balduins
einfliefsen lassen.
Und zu dem gleichen Schlufs führt die Chronik Alberts von
Aachen (um 11 25), der wir den ausführlichsten Bericht über den
Anteil der Lothringer an dem Kreuzzug verdanken. Im Gegensatz
zu Radulf, für welchen Balduin gröfsere Bedeutung hatte, verherr-
licht der Aachener Kanoniker den Gottfried übermäfsig, sieht in
ihm das auserwählte Rüstzeug Gottes, späht nach Zeichen, Wundern
und Träumen, aus denen sich das Leben und die Thaten seines
Helden schon vorher ableiten liefsen. Ein Geistlicher Aachens hat
in einem Traume Gottfried in der Sonne gesehen, unzählige Vögel
DER HISTORISCHE SCHWANRITTER. 7
aller Art kamen auf den Herzog zugeflogen, von denen sich ein
grofser Teil ihm zur Rechten und zur Linken setzte; die Sonne
wurde alsdann durch die strahlende Klarheit des Herzogs ver-
dunkelt, endlich versank der Herzog mit seinem Stuhl und mit
ihm fast alles Geflügel (l.VI c. 36. 37). Würde ein ]\Iann, der
solches in seine Darstellung aufnimmt und deutet, eine wunderbare
Herkunft Gottfrieds oder eines seiner Ahnen nicht mit in Rechnung
gezogen haben, würde er sie nicht als ein neues Moment auf-
gegriffen haben, seinen Gottfried über alle anderen hinauszuheben,
wenn wir in der Abkunft eine alte Haussage der Herzoge hätten?
Von den Vorfahren der Brüder ist charakteristisch genug bei Albert
überhaupt nicht die Rede. Eine neue Andeutung, dafs Albert von
einer alten Haussage nichts bekannt war.
Gottfried von Bouillon und seine Brüder waren von Haus aus
keine Nachkommen eines wunderbaren Vorfahren.
4-
Die Herkunft war demnach keine den Herzogen von Nieder-
lothringen oder dem Gottfried von Bouillon ursprünglich ange-
borene. Dies folgt aus den limburgischen Verhältnissen, aus der
Lebensbeschreibung der Ida, aus den Berichten eines Radulf von
Caen und eines Albert von Aachen.
Der nächste Gedanke ist jetzt wohl der, dafs in Nieder-
lothringen eine von dem Geschlecht der Herzoge unabhängige
Volkstradition bestanden habe, sei es als eine in der Tiefe des
Volksglaubens ihr stilles Dasein fristende, sei es als Herkunftssage
einer anderen lothringischen Familie, so dafs von dort aus die
Herkunft auf Gottfried von Bouillon übertragen worden sei, ent-
weder aus hoher Verehrung seiner Person oder aus einem anderen
uns weiter nicht bekannten Grund. Und von diesem Gedanken
aus läfst sich dann Weiteres folgern. Wenn um 1 100 in Lothringen
die Anschauung bestand, dafs einst ein unbekannter Ritter mit
einem Schwan erschienen sei und noch erscheinen könne, um wie
ein Retter in den Geschicken des Landes aufzutreten; wenn da-
neben märchenhafte Vorstellungen im Umlauf waren, nach welchen
Kinder in Schwäne und umgekehrt verwandelt werden konnten:
greift dann eine solche Tradition mit ihren Wurzeln nicht tief in
die alte heidnische Zeit zurück, liegt ihr Keim dann nicht in der
bei uncivilisierten Völkern häufig beobachteten Ansicht, die übrigens
auch ihre deutlichen Spuren in der ägyptischen und in der israe-
litischen Cultur hinterlassen hat, dafs eine enge Verwandtschaft
bestehe zwischen Mensch und Tier, die sich u. a. auch bethätige
in dem gegenseitigen Wechsel der Gestalt vor oder nach dem
Tode, — kurz, ist dann die Sage vom Schwanritter nicht ein Rest
von einstigem Totemismus? Und wenn dem so ist, so steht die
Volkstradition noch unter der Einwirkung einer Zeit, von der aller-
dings nur spärliche Kunde auf uns gekommen, aber ist sie eben
deshalb alsdann ein wertvolles Zeugnis von der ]Macht und Zähig-
8 J. F. D. BLÖTE,
keit uralter Anschauungen, die immer wieder unter günstigen Um-
ständen durchbrechen, sich anschmiegen an neue Verhältnisse und
erneuten Beifall finden und begeisterten Glauben.
Und wirklich scheint einiges diesen naheliegenden Gedanken
und seine Folgerungen zu stützen. Für die totemische Natur der
Sage bieten sich als Parallelen das Märchen von den Schwan-
kindern, das gewöhnlich mit unserer Sage verbunden vorkommt,
und die Berichte von Menschen und höheren Wesen, die sich nach
germanischem und keltischem Volksglauben in Schwäne und andere
Tiere verwandelten. Für eine alte vorgottfriedische lothringische
Volkssage läfst sich die Art und Weise geltend machen, wie Johannes
von Alta Silva und der Chronist von Brogne die Sage vom Schwan-
ritter mitteilen.
Und dennoch: wie naheliegend der Gedanke, wie folkloristisch
und moderner Auffassung gemäfs die Folgerungen auch sein mögen,
Gedanke und Folgerungen stehen auf unsicherem Grunde, noch
mehr: sie weisen in falsche Richtung.
Prüfen wir zuerst einmal, ob Johannes von Alta Silva und
der Chronist von Brogne, welche doch bei all dem stützenden
Material faktisch die einzigen sind, die sich mit dem Schwanritter
beschäftigen, in ihren Angaben wohl etwas für eine alte lothrin-
gische Sage von einem Schwanritter beweisen.
5.
Johannes von Alta Silva läfst in seinem frühestens 11 79,
vermutlich aber ca. 1 1 84 verfafsten ^ Dolopathos einen der Sieben
Weisen die Geschichte von den Schwankindern erzählen als Bei-
spiel von einem Fall, der 'quotidarn accidit, nt mulieris malitia de-
tegatur'' (ed. H. Oesterley S, 73). Als nun die Geschichte bei dem
Punkte angelangt ist, dafs einer der Schwäne durch die schadhaft
gewordene Kette nicht mehr in die menschliche Gestalt zurück-
kehren konnte, da findet sich der Zusatz 'cignus permanens uni
socio r um adhesit fratrum. Hie est cignus, de quo fama in eternum
perseverat, quod cathena aurea militem in navicula trahat armaium'
(ebd. 7g), worauf dann die Erzählung in wenigen Zeilen (6 in
bester ley's Ausgabe) noch berichtet, dafs der Vater die Kinder
als die seinen erkannte, seine Gattin in ihrem Rechte wieder her-
stellte, die böse Mutter aber zu derselben Strafe verurteilte, als
vorher über die Gattin verhängt worden war. —
Was sich bei Johann v. Alta Silva von einem Schwanritter
findet, ist also wenig, und das Wenige sehr unbestimmt.
Nun ist es allerdings richtig, dafs die Version von den Schwan-
kindern bei Johann v. A. S. ältere Züge aufweist, als die anderen
Redactionen ,2 dafs der Dolopathos die einzige von den uns er-
1 H. Oesterley, Johannis de Alta Silva Dolopathos, Strafsburg 1873,
Einleitung S. XI: 1184/5; G.Paris, Roma7iia 19,317; vers I190; G. Gröber,
Grundrifs der rom. Phil. II, i S. 321: vor 1200.
2 G. Paris, Romania 19, 319 f.
DER HISTORISCHE SCHWANRITTER. 9
haltenen Fassungen von den Sieben Weisen ist, die das Märchen
von den Schwankindern erzählt, und dafs mit hoher Wahrschein-
lichkeit die Benutzung der Schwanensage in dieser Rahmenerzählung
von Johann herrührt. Es ist ferner richtig, dafs in dem Zusatz
über den Schwanritter die historischen Bezüge zu den Herzogen
von Niederlothringen oder zu anderen Häusern fehlen, und dafs
das 'cignus, de quo fama in eterniim pe^severat . . .' einen gewissen
rhetorischen Schwung zeigt. Aber, wenn aus alledem geschlossen
werden sollte, dafs namentlich in Anbetracht der älteren Züge der
Version von den Schwankindern das Fehlen der historischen Be-
züge in den Worten über den Schwanritter doch wohl auf gröfsere
Altertümlichkeit auch dieser Materie bei Joh. weisen könnte, auf
eine Periode, da die Sage vom Schwanritter noch nicht mit einer
historischen Persönlichkeit verbunden war, so schliefst man doch
wohl etwas voreilig. Zunächst besagen die älteren Züge in dem
INIärchen von den Schwankindern gar nichts für den Zusatz vom
Schwan ritter, denn die Verbindung von Schwanritter und Schwan-
kindern war zur Zeit des Johann v. A. S., d. h. 1179 oder nachher,
noch sehr jung,i so dafs von den Schwankindern aus keine Schlüsse
auf Altertümlichkeit von Johanns weiteren Angaben gemacht werden
können. Und ferner findet sich in der Redaction der Elioxe-version
der Schwankinder, die einige gleich alte Züge aufweist und der
gleichen Zeit angehört, 2 nur die Verbindung mit dem Schwanritter
Bouillons.
Aber wir kennen aufserdem den klar ausgesprochenen Zweck
der Erzählung und den Charakter des Erzählers. Wie die anderen
Erzählungen im Dolopathos geht auch das Märchen von den
Schwankindern kaum einen Schritt über diesen Zweck hinaus.
Alles spitzt sich auf ein Umstimmen des Königs, damit er den
Sohn nicht dem Flammentod preisgebe. Nicht die Mitteilung einer
in sich abgerundeten Redaction von der Schwanensage ist das
Ziel des Mönchs von Haute-Seille, obgleich sich an den älteren
Zügen zeigt, dafs er seine Quelle in den Hauptmomenten genau
wiedergegeben haben mufs. Sondern: einer der Weisen soll aus
seiner Erzählung hervortreten lassen, wie es einst geschah, dafs
die Bosheit einer Frau aufgedeckt wurde, oder wie er nach Be-
endigung der Erzählung sagt, wie grofs die Bosheit einer Frau sei.
Nur in dem Märchen von den Schwankindern wird die Bos-
heit der Frau aufgedeckt. Die Geschichte von dem Schwanritter
hatte für diesen Zweck keinen Werk. Und angesichts dieses Zw-eckes
ist es begreiflich, dafs Johann v. A. S. nur wenige Worte für den
Schwan ritt er hat, Blofs das Allernötigste wird gesagt. Es folgt
auch sofort in seiner Erzählung nach dieser Andeutung auf den
Schwanritter die Rückkehr zu den Schwankindern. 'Recognovit
ergo recepitque paler fili'os ....'. Die wenigen Worte über den
Schwanritter beweisen also nicht nur nichts für ein älteres Stadium
* S. unten S. 16 f. ^ G, Paris, Rortiania a. a. O,
lO J. F. D, BLÖTE,
der Sage vom Schwanritter, sondern die Plaltung der Erzählung
und ihr Zweck erlauben keinen anderen Schlufs, als dafs Joh, v.
A. S. mehr von dem Stoff wufste, dafs das Allgemeine, das Unbe-
stimmte in dem Satz eine Folge ist von der Bedeutung, die Joh.
V. A. S. dem Märchen von den Schwankindern beilegte.
Und hier ist, dünkt mich, nicht ohne Bedeutung, dafs Joh.
V. A. S. durch sein 'cignus, de quo fama in etenwjn perseveraf dem
Zusatz vom Schwanritter einen gewissen rhetorischen Schwung ver-
leiht. Seine Worte weisen darauf, dafs er von einem Factum
spricht, das auch andere kennen, ihn selbst aber mit Bewunderung
erfüllt. Und das schliefst ein, dafs der Autor sich nicht an einem
blofsen Märchen begeistert hat. Sein rhetorischer Schwung deutet
auf eine Beziehung, an deren Existenz man glaubte, die in den
Augen des Erzählers etwas Grofses, etwas Ungewöhnliches hatte.
Und das kann für 117g oder kurz nachher nur die Beziehung ge-
wesen sein zwischen dem Schwanritter und Gottfried von Bouillon.
Denn die Herzoge von Oberlothringen, wie die von Niederlothringen
seiner Zeit stammten nicht von einem Schwanritter. Aufserdem
war die Verbindung zwischen Schwanritter und Schwankindern
kaum einige Jahrzehnte alt. Und nur ein dichterischer Kopf voll-
zog sie, denn es scheint, dafs am Ende des Schwankinder-
märchens Aenderungen vorgenommen worden sind, damit die Ver-
bindung möglich sein konnte. 1 — Was Johann v. A. S. zu dem
Ausruf 'hie est cignus, de quo fama in eiernum perseveraV brachte,
ist ihm auch wohl kaum aus Begeisterung für Lothringen ein-
gegeben. Er war Geistlicher und überall in seinem Büchlein be-
wahrt er seinen Charakter als Geistlicher: die Hand Gottes greife
ein, von den Frauen rühre das gröfste Unheil in der Welt. Auch
in der Schwanensage und was mit dieser bei ihm zusammenhängt,
zeigen sich diese asketischen Züge. Ihn, den Geistlichen, wird
der Schwan als göttliches Wunder begeistert haben, wie wenige
Jahre nachher Lambert von Ardres und etwas später der Chronist
von Brogne den Schwan oder den Ritter als besonders von Gott
gesandt betonen. Hätten wir es mit landschaftlicher Begeisterung
zu thun, so wäre es gewifs nicht bei der vagen Andeutung ge-
blieben, es würde sich wohl ein Hinweis auf Lothringen gefunden
haben. Und dabei darf nicht vergessen werden, dafs das Kloster
Alta Silva nicht in dem Gebiet lag, das Gottfried von Bouillon
einst verwaltet hatte. Und so ist das Präsens nicht mehr auf-
fallend in 'Hie est cig7ius, de quo fama in eternuvi perseverat, quod
cathena aurea militem in navicula trahat armatum\ Nach der Vor-
stellung Johanns könne der Schwan jeden Tag von neuem er-
scheinen, das Wunder also sich jeden Tag erneuern. Und eine
solche Vorstellung konnte der Verfasser aus der Sage vom Schwan-
ritter gewinnen, wie sie die damaligen französischen Versionen
boten: noch liefs man den Schwan nicht in seine menschliche
1 G. Paris, a. a. O. 325.
DER HISTORISCHE SCHWANRITTER. II
Gestalt zurückkehren, noch wufste man nicht von einem Wieder-
finden des weggezogenen Schwanritters. Die vage Angabe Johanns
V. A. S. ist demnach, ebenso wenig als der Bericht des Brogner
Chronisten, wie wir gleich sehen werden, ein Beweis für die
Existenz einer uralten lothringischen Version des Schwanritters:
das Allgemeine der Angabe, der Zweck der Erzählung, zu der sie
nur ein unbedeutender Zusatz ist, die Zeit, in welcher der Ver-
fasser des Dolopathos schrieb, der geistliche Charakter des Autors,
sein rhetorischer Schwung, das Stadium, in welchem sich damals
die französischen Versionen befanden, das alles weist auf keine
andere Form der Sage, als die wir aus den französischen Versionen
kennen, — und diese knüpfen ausnahmslos an Gottfried von
Bouillon an. —
Mit grofsem Feuer spricht ein Chronist des Klosters
Brogne (oder St. Gerard südlich von Namür) um 12 ii von der
Errettung der erhabenen Mutter der Lothringer und ihrer
Tochter durch einen Ritter, den Gott, alte Wunder erneuernd,
unter Führung eines Schwanes nach INIainz sandte. Dieser Ritter
habe an eben diesem Orte den unverschämten Fürsten von Sachsen,
den Bedränger der beiden Frauen, getötet und die Tochter ge-
heiratet. Aus dem Samen dieses Ritters seien Gottfried von
Bouillon und dessen Brüder hervorgegangen , wie auch eine
Schw-ester Gottfrieds, die INIutter des Manasses, des Herrn von
Hierges.i — Wie es um diesen Bericht und die Zuverlässigkeit
desselben steht, werde ich in einer besondern Arbeit zeigen, da
die Auseinandersetzung hier zu weit führen würde.- Ich gebe hier
nur die Resultate. Die Begeisterung findet bei dem Chronisten
nicht etwa ihren Grund in der Verehrung des Schwanritters an
sich, oder in seinem lothringischen Patriotismus, oder in besonderer
Bekanntheit mit lothringischer Folklore und lothringischer Ge-
schichte, sondern seine Begeisterung ist nur ein Ausflufs einer be-
greiflichen Verhimmelung des Manasses von Hierges. Dieser hatte
dem Kloster Brogne eine wertvolle Reliquie mitgebracht — ein
Stück des echten Kreuzes — und ihm andere Schenkungen ver-
macht. Und das Kloster hielt dafür den Manasses in dankbarem
Angedenken, zu urteilen wenigstens nach dem Chronisten. Die
Chronik handelt nur von Manasses und der geschenkten Reliquie.
Der Chronist sucht also jedem Vorkommnis in des Manasses Leben
eine besondere Bedeutung beizulegen. Ob der Lobredner bei
diesem Verfahren die historischen Thatsachen schief interpretiert.
1 Die Chronik ist 1780 in Basel herausgegeben von Le Paige in seiner
Histoire de V Ordre hereditaire du Cygne. Ein Auszug daraus bei Reiffen-
berg, Chevalier au Cygne, Bruxelles 1846, S. 147 ff. Ergänzende Besprechung
dazu von Eug. del Marmol in Annales de la Societe Archeologique de Namtir
t. V p. 261 ff.
* In der Ztschr. f. deutsches Altertum u. d. Litt. Bd. 45.
12 J. F. D. BLÖTE,
macht ihm wenig Sorgen. Der Himmel und die höchsten welt-
lichen Mächte stehen in Beziehung zu seinem Manasses. Die
Jungfrau Maria liefs ihn in einem unbekannten Winkel geboren
werden und ihn doch der höchsten irdischen Ehren geniefsen.
Nach seinem Tode greift Gott selbst ein, als des Manasses Sohn
sich weigerte, die Reliquie herauszugeben, wie sein Vater ihm ge-
boten hatte. Manasses stammt von dem sagenhaften König Marcus
und von dem gottgesandten Schwanritter, er ist eines Blutes mit
den Herzogen von Lothringen, den Vorfahren seiner Mutter und
der Könige von Jerusalem. Er wird nach Jerusalem gerufen: die
Königin -Witwe, seine Cousine (einst die Gemahlin König Fulkos),
hat von seinem Ruhm gehört und bedarf seiner. Er wird ihre
Stütze in der Regierung und erzieht ihren Sohn, König Lothar
und König Ludwig loben ihn, als sie nach Jerusalem kommen. —
Aber der gröfste Teil der Herkunft ist Fabel. Wohl war Manasses
durch seine Mutter ein Neffe Balduins IL von Jerusalem (i 1 18 — 1 131),
dieser aber war kein Nachkomme des Schwanritters. Der Chronist
fafst ferner diesen Balduin IL und dessen unmittelbaren Vorgänger
Balduin I. (i 100 — 1118), den Bruder Gottfrieds von Bouillon, als
eine Person auf. Und so begreift es sich, wie Manasses bei ihm
zu einem Nachkommen des Schwanritters wird. Und dafs die
Herren von Hierges nicht etwa durch sich selbst schon von dem
Schwanritter abstammten, zeigen des Chronisten Worte, dafs Ma-
nasses nur durch seine Mutter Schwanritterblut hatte, indem
diese Mutter eine Schwester Gottfrieds von Bouillon war. — Was
an Schwanritterstoff geboten wird, gehört also nicht zum INIanasses
und kann nach dem Charakter dieser Chronik nur ein aufge-
bauschter Nachhall der Sage von dem Grofsvater der drei Brüder
sein. Ein Zug läfst sich geradezu als falsch erweisen: Mainz als
Ort der Landung und des Kampfes.^ Wie es scheint, folgte der
Chronist der sehr verbreiteten Beatrixversion vom Hörensagen (eine
silberne Kette zieht das Boot, bei Alta Silva und in der Elioxe-
version eine goldene). Er schrieb 121 1, d, h. ein volles Jahrhundert
nach Gottfrieds Tod. — Aus seiner Darstellung ist demnach kein
Beweis zu schöpfen für die Existenz einer vorgottfriedischen lothrin-
gischen Sage oder für ein besonderes Stadium der Tradition vom
Schwanritter.
7-
Wenn aus den soeben behandelten Berichten ein Schlufs auf
die Existenz einer lothringischen Sage vor Gottfried nicht gestattet
ist, so berechtigt dies keineswegs das Bestehen einer solchen Tra-
dition ohne weiteres in Abrede zu stellen. Die Untersuchung ver-
langt also eine Antwort auf die Frage, ob aus irgend einem Um-
stand gefolgert werden kann, dafs im 11. Jhd. oder anfangs des
1 2. Jhds. in Lothringen eine solche Sage vom Schwanritter möglich
1 Ztschr. f. deutsches Altertum u. d, Litt., a. a. O.
DER HISTORISCHE SCHWANRITTER. I3
oder nicht möglich war. Und dabei sind zwei Fälle zu erwägen.
Gab es eine lothringische Sage vom Schwanritter vor Gottfried, so
war sie entweder unabhängig von irgend einem Geschlecht, oder
sie war eine Haussage irgend einer anderen lothringischen Familie.
In dem einen wie in dem anderen Falle wurde alsdann die Her-
kunft zur Zeit des ersten Kreuzzugs oder, was wahrscheinlicher
wäre, nachher auf Gottfried von Bouillon und seine Brüder über-
tragen.
In der Verbindung der Sage mit Gottfried und seinen Brüdern
haben wir ein Mittel über eine solche vorherige Existenz der Sage
ins Klare zu kommen.
Erste Annahme.
Die Sage bestand zuvor unabhängig von irgend einem Ge-
schlecht und ward nun um oder nach 11 00 mit Gottfried von
Bouillon und seinen Brüdern verbunden, Gottfried allein oder
einer seiner Brüder oder sie alle zugleich müssen alsdann speziell
zu der Verbindung Anlafs gegeben haben, denn sonst hätte die
Verbindung sich an ihnen ebenso wenig vollzogen als an ihren
nächsten Vorfahren oder als an anderen ihrer lothringischen und
sonstigen Zeitgenossen. Eine sehr gewöhnliche und verbreitete
Ansicht ist die, dafs die Lothringer ihrem Gottfried, d. h. dem
Manne, der das Teuerste, was die Christenheit kannte — Jeru-
salem und das heilige Grab — , den Heiden entrifs und dann an
dem heiligen Ort König war, durch die Verbindung eine über-
natürliche Herkunft verleihen wollten. Und diese Ansicht scheint
berechtigt zu sein, obgleich ich dafür bis jetzt noch nirgends eine
ausführlichere Motivierung gefunden habe. Kein einziger der anderen
Kreuzfahrer kam ja zu dieser Herkunft; Gottfried war der Anführer
der Lothringer und gelangte durch den Zug zu hoher Bedeutung,
während er als Herzog von Niederlothringen (seit 1089) keine
Rolle gespielt hatte; ^ nur lothringische Historiographie fafste ihn
in den ersten Decennien des 12. Jhds. als einen gottgesandten
Führer auf; 2 kein einziges Factum aus dem Leben der nächsten
Vorfahren Gottfrieds ist bekannt, das zu der wunderbaren Her-
kunft hätte Anlafs geben können, ja, es läfst sich geradezu zeigen,
dafs die Herkunft von einem der nächsten Vorfahren nicht her-
rühren kann;-* und schliefslich: haben wir nicht analoge Fälle an
den gotischen, angelsächsischen, schwedischen Königen, an den
griechischen und römischen Heroen, Familien und Fürsten u. ä.,
dafs zu deren Verherrlichung eine ähnliche Verbindung mit der
Gottheit erfunden wurde? Und so hat es in der That den An-
schein, dafs die Lothringer Gottfried mit dem Schwanritter in ' Be-
ziehung setzten, um ihn in dieser Weise vor allen Grofsen und
1 H. Pirenne, Geschichte Belgiens Bd. I, Gotha 1899, S. 100.
2 Zuerst bei Albert von Aachen; nicht bei den Zeitgenossen anderer
Nation. Vgl. H. v. Sybel in Allg. Monatsschrift f. Wissenschaft u. Lilteratur,
Jali 1851, S. 48f.
ä S. unten Anfang des 9. Abschn. S. 26 f.
14 J. F- D. BLÖTE,
Fürsten zu erheben, mochten diese nun an dem heiligen Krieg
teilgenommen haben oder nicht. — Eine solche Ansicht von der
Entstehung der Herkunft schliefst aber notwendig die Voraus-
setzung ein, dafs die Lothringer vor Gottfried oder zur Zeit des
ersten Kreuzzugs und noch nachher in dem Schwanritter eine be-
sondere Persönlichkeit erblickten, dafs speziell die Niederlothringer
um 1 100 zu dem Schwanritter aufschauten wie zu einem Volks-
heiligen oder zu einem schützenden Landesgenius oder zu einem
Wesen von ähnlicher hoher Bedeutung, von dem abzustammen in
den Augen der damaligen Lothringer ein hohes begehrenswertes
Gut, vielleicht das höchste Ideal ward, ebenso als die angelsäch-
sischen Könige von ihrem Wodan, die schwedischen von ihrem
Frey, die gens Julia von INIars und Venus und Kaiser Augustus
von Apollo 1 abstammten. Denn die Verbindung Gottfrieds mit
einem landläufigen Märchen liegt aufserhalb der vorausgesetzten
Verehrung.
Aber die Bedenken gegen diese Ansicht sind so grofs, dafs
sie nicht aufrecht gehalten werden kann. Die Lothringer können
vor Gottfried und in der ersten Zeit nachher in dem Schwan-
ritter keine besondere, von Gottfried unabhängige Persönlichkeit
erblickt haben, und infolgedessen Gottfried nicht dadurch haben
verherrlichen wollen. Die Bedenken sind folgende:
1. Liegt es wohl in dem Charakter des letzten Jahrzehnts des
II. und der ersten Hälfte des 12. Jhds. mit ihren Kreuzzugs-
tendenzen und Kreuzzugserinnerungen, dafs sich in Lothringen
eine Anschauung Bahn brechen konnte, die einen christlichen
Helden infolge speziell christlicher Thaten als Nachkommen eines
Wesens auffafste, dem gegenüber die Kirche als Kirche sich ganz
neutral verhielt? Neutral, denn Männer geistlichen Standes, wie
Johann von Alta Silva und der Chronist von Brogne, betrachteten
mehrere Jahrzehnte nach Gottfried den Schwanritter zwar als ein
göttliches Wunder, aber der schroffe Helinand erklärte ihn um
dieselbe Zeit für eine Ausgeburt der Hölle, für ein beweisendes
Beispiel zu seiner Meinung, dafs der böse Geist einen fruchtbaren
fleischlichen Umgang mit einem menschlichen Wesen haben könne,
wie ihm nach Vincenz von Beauvais und sodann die Hexenbücher
seit dem ausgehenden 15. Jhd.2 Und hätte die Kirche den Schwan-
ritter als besonderes Wesen anerkannt, so würde er gewifs nicht
mit Gottfried verbunden worden sein, es sei denn dafs Gottfrieds
Vorfahren schon von dem Ritter ihre Abstammung hergeleitet
hätten, was aber nicht der Fall war.
2. Liegt es wohl in dem Charakter einer Gruppe oder eines
einzelnen ihren gefeierten Helden so kurz nach seinem Tod zu
einem Nachkommen eines Wesens zu machen, von dem man bis
1 Nach dem Aegypter Asclepiades von Mendes, bei Sueton, Octav. c. 94.
2 S. für den Schwanritter als Dämon Verf. Das Aufkommen des cle-
vischen Schwanritters a. a. O. S. 6 f. Anm.
DER HISTORISCHE SCHWANRITTER. 15
dahin wufste, dafs es keine Nachkommen hatte? denn Gottfried
und seine Brüder waren die ersten, die Nachkommen des Ritters
wurden. Und dies im Widerspruch mit aller germanischen, kel-
tischen, griechischen und römischen Tradition, die uns lehrt, dafs
aus der Ehe von unsterblichen Vätern mit sterblichen Müttern
Söhne geboren werden, so dafs wir erwarten müfsten, dafs die
Brüder durch ihren Vater Enkel des Ritters wären.
3. Liegt es wohl in dem Charakter einer sagenbildenden Zeit
überhaupt, ein Wesen, das bis dahin in nebelhafter Ferne lebte,
fortan als den Grofsvater eines Mannes zu betrachten, der soeben
erst gestorben war, dessen Vorfahren nicht mit diesem Wesen in
Verbindung standen? Oder falls in der That ein Wesen existierte,
das als Landesgenius oder ähnlich aufgefafst wurde, das also nach
landläufiger Anschauung zu jeder Zeit erscheinen könne, lehren
uns dann andere Ueberlieferungen nicht, dafs ein göttliches Wesen
selbst der Vater wird und zwar durch wunderbare Befruchtung
der Mutter? Der keltische Lug zeugt so den Helden Cüchulainn,
der römische Mars den Romulus und Remus und nach Ascle-
piades von Mendes ward Apollo der Vater des Augustus, indem
der Gott als Drache die Atia überraschte. So dafs es auffällt,
dafs nichts Wunderbares mit Ida stattfindet und auch die beiden
anderen Brüder mit in die Verherrlichung gezogen werden.
4. Kann überhaupt von Erhöhung die Rede sein, wenn die
französischen Chansons, die die Herkunft Gottfrieds um ihrer
selbst willen erzählen und die Stimmung bewahren, in welcher der
erste französische Redactor den Stoff um 1160 oder etwas später
vorfand, das Factum von dem Auftreten des Ritters berichten wie
andere Erzählungen der gleichen Art, nicht den Ritter wie eine
Wundererscheinung vorführen, die in der höchsten Not von Gott
gesandt die Entscheidung bringt, sondern ihn begleiten, wie jeden
anderen Ritter, der in solchen Romanen auf Abenteuer auszieht?
Ja, sie fassen den Ritter so menschlich auf, dafs er seinen Geg-
nern kaum gewachsen scheint, ebenso wie die sonstigen Ritter
dieser Kategorie. Sie betrachten die Sache so wenig als eine
göttliche und den Ritter so wenig mit der Gottheit in Verbindung
stehend, 1 dafs die ältesten Versionen den Zweikampf des Ritters
mit dem Bedränger der Frauen als die erste That seiner Jugend
berichten, und dafs der Ritter aufserdem mit den Schwankinderu
vereinigt wurde. — Ein jedes von diesen vier Bedenken weist
^ Allerdings sagt der Engel, der Ida in der Hochzeitsnacht erscheint:
'Dex le t'a envoie par son commandement;
Bien le deves amer, quant vo terre vos rent
Et il vos a ost6e de deseritement.
II est plus jentiex hom, por voir le vos creent,
Que ne soit l'emperere, ä qui Cologne apent.'
(ed. Hippeau I, S. 154.)
Doch wohl nichts Anderes als ein Zusatz vom Dichter unter dem Einflufs der
Erzählung. In der Handlung selbst tritt von der göttlichen Natur des Ritters
nichts hervor.
l6 J. F. D. BLÖTE,
darauf, dafs eine vorherbestehende Tradition nicht absichtlich mit
Gottfried zu seiner Verherrlichung verbunden wurde, dafs es ein
anderes Band gewesen sein mufs, ein natürliches, das ihn mit
einem Schwanritter verknüpfte.
Es giebt aber noch Anderes.
5. Mit der hohen Bedeutung etwa als der eines Schutzgeistes
des Landes ist ferner in Widerspruch, dafs die märchenhafte Vor-
stellung vom Schwanritter im Verborgenen lebte, denn nirgends
hat sich eine Andeutung über sie erhalten aus der Zeit vor dem
letzten Viertel des 12. Jhds., in keiner Chronik des 10. und 11. Jhds.,
sogar nicht in der Geste der Loherains, während von ca. 1 1 80 an
reichliche Zeugnisse vorliegen. Man halte dagegen die Herkunft
der germanischen Könige von Wodan und Frey und die Ab-
stammung der griechischen und römischen Geschlechter und Heroen
von ihrem Zeus, Apollo u. ä., auch ohne diese Abstammung kennen
wir die Bedeutung dieser Götter. Und der Schwanritter hat sogar
keinen Namen, denn Helyas, Loherangrin, Brabon Silvius sind Be-
zeichnungen späterer Zeit. — Die märchenhafte Vorstellung kann
ferner schwerlich auf die günstigste Gelegenheit gewartet haben
hervorzubrechen, denn die vorangehenden Herzoge von Lothringen,
Gozzillo 1 1044, Gottfried der Bärtige f 1070, Gottfried der Höckrige
t 1076, übertrafen sowohl ihre Zeitgenossen als auch Gottfried an
Macht und Ansehen, und die beiden letzten fanden aufserdem
ihren Platz in den französischen Epen vom Schwanritter. Nach
den Chansons soll der Ritter übrigens erst nach Gottfried dem
Höckrigen erschienen sein. Und mit der vorherigen Verborgen-
heit des Daseins des Schwanritters steht denn doch das hohe An-
sehen in Widerspruch, das der Ritter vor Gottfried genossen
haben sollte, indem man ihn würdig erachtete ein Vorfahr Gott-
frieds von Bouillon zu werden, damit man Gottfried vor allen
anderen verehren könne. —
6. Während sie so im Verborgenen lebte, bestand neben der
Tradition von der höheren oder niederen Gestalt des Schwan-
ritters auch das Märchen von den Schwankindern. Ein oder
mehrere Jahrhunderte gingen die beiden Stoffe trotz einzelner Be-
rührungspunkte neben einander her, ohne dafs sie sich gegenseitig
beeinflufsten. Als aber die Verbindung mit Gottfried stattgefunden
hatte, schlössen die beiden sich zusammen, und zwar wie mir
scheint erst nachdem sich die französische Dichtung des Stoffes
vom Schwanritter bemächtigt hatte.i Und dennoch sah ein Johann
1 Es hat Chansons vom Chevalier au Cygne gegeben, die die Schwan-
kinder nicht kannten: i. Berner Ms. 627 (vgl. dazu A.G.Krüger, Romania
23, 445 ff.); 2. der französische Dichter, der die Version von den Schwan-
kindern, in welcher die Mutter dieser Kinder Beatrix heifst, verbunden brachte
mit der Geschichte vom Schwanriiter, glaubte der erste zu sein, der erzählen
könne, woher der Schwanritter kam:
'Signor, or escout^s, franche gent assolue,
S'or^s bone chan9on qui n'est mie seile . . .
Del Chevalier au chisne aves chan^on oüe:
DER HISTORISCHE SCHWANRITTER. I7
von Alta Silva in dieser Vereinigung nichts Auffallendes, denn die
Verbindung war für ihn etwas Unzweifelhaftes. Gerade er, der
Lothringer, hätte sich beleidigt fühlen müssen, dafs man den alten
von ihm hoch gehaltenen Schwanritter • mit einem Ammenmärchen
zu verbinden wagte. — Da die Anschauung, dafs Kinder, Frauen
und höhere Wesen sich in Schwäne verwandeln können, uralt ist
und bezeugt wird in der keltischen und germanischen heidnischen
Zeit, so mufs das Märchen vom Schwanritter zur Zeit der Ver-
bindung mit den Schwankindern das Neue gewesen sein, das Alte
schlofs sich an das Neue, Kräftigere an und mufste sich deswegen
eine Aenderung2 gefallen lassen.
Die höchste Ehre für ein niederlothringisches Geschlecht des
II. und 12. Jhds. und nachher war zu stammen von Troja und
von Karl dem Grofsen, der höchste Titel war von königlichem
Geblüt genannt zu werden. Erst um die Wende des 12. und
13. Jhds., als der Schwanritter als Ahnherr Gottfrieds von Bouillon
allgemein gefeiert wird, fängt Brabant, das durch eine Vermählung
mit Boulogne das Recht auf diese Abstammung erworben hatte,
an, sich auf diese Herkunft zu berufen. Um dieselbe Zeit er-
hebt Lambert von Ardres das Haus Boulogne wegen eben dieses
Ursprungs, aber Flandern, sagt er, reiche nicht an diesen gött-
lichen Ursprung, obgleich es seine Abstammung von Kaisern und
Königen ableite. So wenig willkürlich war die Verbindung. —
Ein schwebendes Märchen — denn dies wäre doch am Ende die
Sage vom Schwanritter gewesen, wenn wir ihre geschlechtslose
Existenz vor Gottfried voraussetzen — konnte nicht zur Erhöhung
irgend einer Persönlichkeit beitragen. Bestand in Lothringen um
1 100 eine Sage vom Schwanritter, unabhängig von irgend einem
Geschlecht, so hat man diese Sage nicht als Herkunft für Gottfried
benutzt, um damit Gottfried verherrlichen zu wollen. Bestand
in der That eine solche Tradition vorher, so war der Grund der
Verbindung ein anderer.
Wer übrigens eine absichtliche Verbindung annimmt, wird wohl
immer geneigt sein, von der Hoheit des Schwanritters auszugehen.
Und dennoch: wenn wir seit dem letzten Viertel des 12. Jhds. in
einigen unserer Quellen den Schwanritter als höheres Wesen ge-
feiert finden, welche Bürgschaft haben wir, dafs sich diese Ver-
ehrung nicht erst bildete, nachdem die Verbindung mit Gottfried
sich vollzogen hatte? Denn die Begeisterung, mit der um 1184
ein Johannes von Alta Silva, um 11 98 ein Lambert von Ardres,
um 121 1 ein Brogner Chronist von der Erscheinung sprechen, ent-
II n'i a si vieil home ne ferne si chenue
Qui onques en o'ist la premiere venue,
De quel terre 11 ert n6s; mais or sera seüe:
Je le vous dirai bien, se Dieu piaist et s'aiue.
(G. Paris, Romania 19, 323.)
1 S. oben Abschnitt 5, S. 10.
2 G. Paris, a. a. O. S. 325.
Zeitschr. f. rom. Phil. XXV. 2
lö J. F. D. BLÖTE,
scheidet doch nichts für die Frage, ob die Verbindung zur Er-
höhung Gottfrieds geschaffen wurde. Die Entwickhmgsjahre dieser
Männer liegen in einer Zeit, da die Verbindung schon Thatsache
war. Sie vernahmen das Wunderbare, Unglaubliche und gaben es
wieder, jeder nach seiner Auffassung. Ihre Begeisterung erlaubt
nicht den mindesten Rückschlufs darauf, dafs man Gottfried zu
ehren, diesen mit dem Schwanritter verbunden hätte, abgesehen
noch davon, dafs ihre Vorstellungen, namentlich die Lamberts und
des Brogner Chronisten, uns zu unrichtigen Anschauungen führen,
und Helinand den Ritter um dieselbe Zeit einen Dämon nennt.
Wenn die Verbindung von Gottfried mit einer vorherigen von
ihm unabhängigen lothringischen Volkstradition nicht auf einer be-
absichtigten Verherrlichung Gottfrieds beruht, so mufs — voraus-
gesetzt, dafs es vorher eine von jedem Geschlecht unabhängige
Tradition von einem Schwanritter gab und diese auf die Brüder
übertragen wurde — durch irgend welchen Umstand in dem Leben
der drei Brüder oder ihrer nächsten Vorfahren die Volksphantasie
oder die Phantasie eines einzelnen dazu angeregt sein, sie mit
dieser Tradition zu verbinden. Wir hätten alsdann einen ähnlichen
Fall wie bei Beowulf, der nach dem angelsächsischen Epos mit
seinem Onkel Hjjeläc sich an einem Kriegszug nach Hattuarien
beteiligte, einem Zug, der sich durch eine Nachricht von Gregor
von Tours u. d. J. 515 als historisch erweist, so dafs Beowulf sehr
wahrscheinlich eine historische Persönlichkeit ist, die in der Er-
innerung der Juten und Dänen frühzeitig mit dem mythischen
Beöwa, dem Besieger Grendels und des Drachen, verschmolzen
ward.' Einen ähnlichen Fall also wie in der Nibelungensage, in
welcher die drei burgundischen Brüder mit ihrer ihnen von der
Ueberlieferung gegebenen Schwester Ildico, der Gattin Attilas, für
dieselben gehalten wurden als die mythischen Nibelungen mit ihrer
Schwester.2 Haben wir bei einem Vorfahren Gottfrieds eine ähn-
liche Identifizierung?
In der vorauszusetzenden vorgottfriedischen Tradition selbst
war der Schwanritter zeitlich unbestimmt. Die Festlegung in dem
nahen verwandtschaftlichen Verhältnis eines Grofsvaters war nur
möglich unter zwei Bedingungen, die sich genau angeben lassen.
I. Einer der nächsten Vorfahren mütterlicher- oder väterlicherseits
erinnerte durch irgend einen Zug an die Persönlichkeit des Mär-
chens und gab so zu einer Uebertragung Anlafs. Dieser überaus
günstige Fall liegt nicht vor. Denn a) der Schwanritter ist in der
Herkunftssage Gottfrieds ein namenloser Ritter oder heifst nachher
Helyas, nicht Gottfried oder Eustach, und die Namen dieser Vor-
fahren lebten ja in Lothringen fort, sogar in zwei der Brüder
selbst; b) die Herkunftssage würde gewisse Züge nicht aufweisen,
da jeder der nächsten Vorfahren sich als Nachfolger seines Vaters
' B. Symons, Germanische Heldensage, in Pauls Grundrifs der germ.
Pliil.2 III S. 645 fF. (SA. S. 40 £f.). 2 ebd. S. 658 ff. (SA. S. 53 ff.).
DER HISTORISCHE SCHWANRITTER. IQ
betrachtet hatte und nicht wie ein Fremder im Lande erschienen
war, der die Tochter des verstorbenen Landesfürsten heiratete. —
2. Der nächst günstige Fall, und sonst giebt es keinen anderen,
so weit ich zu sehen vermag, der zu einem Grofsvater hätte führen
können, wäre, dafs die Gattin eines der drei Brüder einen nahen
Vorfahren gehabt hätte, von dem man Aehnliches, wie von dem
Helden der Volkstradition erzählte, und man hätte nun in Lothringen
das, was von der Gattin galt, auf den Gatten und sodann auch
auf die anderen Brüder übertragen und zugleich die lothringische
Landessage oder das lothringische Märchen zu weiterer Aus-
schmückung oder unwillkürlich mit der Tradition von einem der
nächsten Vorfahren oder dem Grofsvater vereinigt.
Gab es einen solchen günstigen Umstand, so fällt nicht weiter
auf, dafs der Bericht über diesen Grofsvater weiblicherseits lothrin-
gische Lokalfarbe annahm, so dafs von dem fremdartigen Ur-
sprung nichts für uns Erkennbares übrig blieb. Aber, so müssen
wir gleich hinzufügen: da die vorgottfriedische geschlechtslose
lothringische Volkstradition oder ein solches Märchen keine er-
wiesene Thatsache ist, sondern nur eine Annahme, weil sich sonst
keine Lösung für die seltsame Herkunft zu bieten scheint, ganz
anders also wie etwa bei dem mythischen Beöwa in dem Beowulf,
welche Bürgschaft haben wir, dafs eine Contamination dieser Art
einst vor sich hat gehen können, und dafs die Herkunft sich nicht
vielmehr aus Erinnerungen an eben solchen Vorfahren der Gattin
entwickelte?
Die Bürgschaft haben wir nicht. Im Gegenteil. Die Bedenken
sind auch hier wieder zu grofs, als dafs wir auch in diesem zweiten
günstigen Fall noch ferner auf der Existenz einer vorherigen lothrin-
gischen Landessage oder eines vorherigen lothringischen Märchens
bestehen dürften.
Falls es vor Gottfried eine Tradition unabhängig von irgend
einem Geschlecht gab, so mufste auch nach dem Bekanntwerden
der durch den Vorfahren weiblicherseits aufgekommenen wunder-
baren Herkunft Gottfrieds und seiner Brüder die lothringische
Tradition noch eine Zeitlang ohne Gottfried fortbestanden haben.
Gerade die Aehnlichkeit einzelner Züge dürfte die von altersher
bekannte Tradition um so lebhafter haben hervortreten lassen.
Was nun aus dem Nebeneinandergehen beider Traditionen in den
wenigen Decennien nach Gottfrieds Tod durch gegenseitige An-
passung geworden wäre, läfst sich unschwer ermitteln. Die fran-
zösischen Chansons zeigen, dafs ihr erster Autor den Stoff aus
Lothringen bezog, vielleicht selbst ein Lothringer war. Wenn der
erste französische Redactor (oder dessen lothringische Quelle schon)
den sagenhaften Grofsvater Gottfrieds nach Gottfrieds wirklichem
Grofsvater, nach Gottfried mit dem Bart und nach dessen Sohn
Gottfried dem Höckrigen auftreten läfst, so weist das nicht nur
darauf, dafs der sagenhafte Grofsvater damals schon unlösbar mit
Gottfried von Bouillon verknüpft war, sondern auch, dafs eine in
•7*
20 J. F. D. BLÖTE,
Lothringen auf der Hand liegende Identifizierung mit dem wirk-
lichen Grofsvater nicht stattgefunden hatte. So fest war das sagen-
hafte verwandtschaftliche Verhältnis geschmiedet, dafs der wirkliche
Grofsvater nicht identifiziert, sondern kurzweg um zwei Stufen
hinaufgeschoben, d. h. zum Grofsvater der Gemahlin des Schwan-
ritters gemacht wurde, und nachher das Märchen von den Schwan-
kindern sich ein paar äufserliche Aenderungen mufste gefallen
lassen, um dann vor das Ganze gesetzt zu werden, als ein wei-
teres Ausspinnen der Herkunft, ohne dafs eine innere Verkettung
angestrebt wurde, so dafs die Verbindung auf den ersten Blick in
die Augen fällt. Und das giebt uns einen Hinweis, wie die Ver-
einigung zwischen einer etwaigen vorgottfriedischen Tradition und
der Herkunft eines Grofsvaters von weiblicher Seite innerhalb des
kurzen Zeitraums von etwa 50 Jahren ausgefallen wäre: nicht eine
Mischung, sondern eine Aufeinanderfolge, nicht zum Grofsvater
wäre der Schwanritter irgend einer vorgottfriedischen lothringischen
Sage geworden, sondern auch in der Verbindung hätte er eine
selbständige Rolle bewahrt. Und dafs er diese selbständige Rolle
nie gehabt hat, zeigt die Vorsetzung des Märchens von den Schwan-
kindern. — Und gesetzt, es hätte eine energischere gegenseitige
Anpassung stattgefunden, sollte da die Concurrenz zwischen der
Landessagc einerseits, die keine Nachkommen gekannt hatte und
von der wir anzunehmen haben, dafs sie lange vor Gottfried bekannt
war und auch nach ihm bekannt blieb, und der Herkunft Gottfrieds
von einem Grofsvater andererseits, von welchem er ein Nachkommen
genannt wurde, und welcher an sich ein Grofsvater einer der
Gattinnen der Brüder war, den man aber für einen wirklichen
Grofsvater der Brüder hielt, sich um 1 150 schon so ganz zu Gunsten
des übertragenen Grofsvaters entschieden haben, dafs man die
wirklichen Vorfahren Gottfrieds nur um einige Stufen hinauf ge-
schoben hätte, um dem sagenhaften Grofsvater Platz machen zu
können? Von dem man doch nach der alten Landessage wufste,
dafs er lange vor diesen Gottfrieden erschienen war. Wie lehr-
reich sind hier die oben schon angeführten Genealogien! ohne die
Abstammung von Wodan, Frey, von Zeus, Apollo u. s. w. in ge-
wissen Familien, würden wir doch die Bedeutung dieser Wesen in
dem einstigen Götterglauben kennen. Von dem Schwanritter weifs
man nichts als durch Gottfrieds Abstammung. Und ein uraltes Wesen
hätte gewifs einen Namen gehabt, und der Ritter ist anfangs
namenlos. Auch bei energischerer Anpassung wäre das Produkt
in dem kurzen Zeitraum Aufeinanderfolge gewesen und nicht Iden-
tifizierung. — Und noch einmal: keine einzige Version aus der
Zeit bis etwa 1250 läfst sich anführen, die die Sage zweifellos un-
abhängig von Gottfried von Bouillon giebt. — Und auch hier
spricht die Verbindung mit den Schwankindern gegen eine Con-
tamination von einer Ursage mit den Erlebnissen einer historischen
Person. Die Verbindung scheint mir, wie ich oben angab, ein
Erzeugnis aus der Zeit, da der Schwanritter schon in der franzö-
DER HISTORrSCHE SCHWANRITTER. 21
sischen Litteratur seinen Dichter gefunden hatte. Wäre eine Tra-
dition von einem Schwanritter uralt gewesen, so hätte sich die
Verbindung mit den Schwankindern, d. h. mit einem iNIärchen von
hohem Alter, nicht erst so spät vollzogen. — Die Ansicht, dafs
die sagenhafte Herkunft der Brüder eine Contamination wäre aus
dem, was man etwa von einem Grofsvater weiblicherseits erzählte,
und einer vorauszusetzenden alten lothringischen Tradition, die un-
abhängig von irgend welchem Geschlecht bestand, ist unhaltbar. —
Wir waren von der Annahme ausgegangen, dafs es eine ge-
schlechtslose vorgottfriedische Sage vom Schwanritter
könnte gegeben haben. Diese Annahme hat zu dem Resultat ge-
führt, dafs es eine solche Sage nicht gegeben hat.
Zweite Annahme.
Die Sage war vielleicht eine Haussage irgend welcher lothrin-
gischen Familie und wurde jetzt zur Zeit des ersten Kreuzzugs
oder kurz nachher auf Gottfried von Bouillon übertragen. — War
es wiederum eine absichtliche Verbindung, so denken wir dabei
zunächst daran, dafs ein solcher wunderbarer Ursprung für höher
als jegliche andere Abstammung gehalten wurde. Da die vor-
nehmen Familien Lothringens um diese Zeit ihren höchsten Stolz
in Abstammung von Kaisern und Königen setzten und womöglich
auf Troja und Karl den Grofsen sich beriefen (Flandern, Brabant,
Namür, Limburg, Hennegau, Holland), Brabants und Namürs An-
sprüche auf den Schwanritter erst im 13. Jhd. sich entwickelten,
so mufs es also eine lothringische Familie von geringerem Ansehen
gewesen sein, in welcher die Sago lebte und aus der man den
Ursprung für Gottfried schöpfte.
Aber: ein Volk, das seinen Helden wirklich ehren will, und
ein einzelner, der seinen Liebling besonders auszuzeichnen begehrt,
greifen nach dem Höchsten, was sie kennen, und das konnte doch
nicht die an sich dunkle, auch für jene Zeit (man denke an die ab-
lehnende Haltung sämtlicher Chronisten des 12. Jhds., etwa Lambert
von Ardres von ca. 1200 ausgenommen) sehr problematische Her-
kunft eines Geschlechtes sein, das von weitem nicht an das Ansehen
eines Gottfried von Bouillon auf und nach der Kreuzfahrt reichte.
Gerade die Sonderstellung Gottfrieds in den Augen der Lothringer
steht im Wege, wie wir sie aus Albert von Aachen ca. 1125 kennen
lernen. — Und ferner, wenn diese willkürlich übertragene Ver-
bindung, nachdem sie einmal erfunden worden war, im 12. Jhd.
so leicht allgemeinen Glauben fand, warum gingen dann Limburg,
Hennegau, die Könige von Jerusalem seit Balduin IL, d. h. seit
II 18, und Robert von Flandern leer aus? Das mit Brabant riva-
lisierende Limburg, von welchem zwei Grafen, wie wir oben
sahen, in der ersten Hälfte des 12. Jhds. den Titel Herzog von
Niederlothringen führten und unmittelbare Nachfolger Gottfrieds in
Niederlothringen waren oder sich als solche betrachteten. Henne-
gau mit seinem in den Kreuzzug gesandten Balduin IL, der im
hlg. Land spurlos verschwand, aber nachher eben deswegen 'von
22 J. F. D. BLOTE,
Jerusalem' genannt wurde. Die Könige von Jerusalem nach
Balduin I. (f 1 1 1 8), die so recht doch als Nachfolger Gottfrieds
und Balduins sich ohne weiteres die Herkunft hätten beilegen
können. Robert II. von Flandern (1093 — 11 11), der 'durch
religiöse Begeisterung in den ersten Kreuzzug getrieben' 'ruhm-
bedeckt' aus Palästina zurückkehrte, der in dem Gesang von An-
tiochien in den Mittelpunkt gerückt wird, dessen Vater Robert der
Friese 1083 schon durch seine Fahrt nach dem hlg. Land und
dann durch andere Thaten eine gefeierte und sogar gegen Ende
seines Lebens sagenhafte Persönlichkeit geworden war,i und dessen
Nachkommen trotzdem, wie Lambert von Ardres ausdrücklich be-
tont, von keinem Schwanritter stammten. Man füge hinzu, was
ich schon oben bemerkte, dafs erst Gottfried und seine Brüder
dieser Ehre teilhaft wurden, und nicht einer ihrer Vorfahren; dafs
uns von einem Schwanritter erst mit Gottfried von Bouillon be-
richtet wird; man erwäge, dafs bei den Familien, die sich seit dem
13. Jhd. gleichfalls vom Schwanritter nannten (Brabant und Cleve),
die Herkunft durch eine Vermählung entstand, ebenso wie bei
anderen von Karl dem Grofsen, — und es läfst sich keine andere
Folgerung ziehen, als dafs Gottfried nicht durch irgend welche
willkürliche Uebertragung aus einer oder der anderen lothringischen
Familie zu seiner Herkunft von einem Schwanritter gekommen ist.
Aber hat das Lothringen des 12. Jhds. angesichts der ins
Ideale sich hebenden Gestalt Gottfrieds seinem geliebten Helden
nicht um jeden Preis eine wunderbare Herkunft geben wollen?
Was fragte es denn danach, ob die Herkunft anfangs nur ein
schwebendes Märchen war, oder eine Haussage eines anderen Ge-
schlechtes? Zur Not schleppte es eine Tradition von auswärts
herbei, erdachte sich vielleicht selbst diesen einzigartigen Ursprung,
wenn die Herkunft nur wunderbar war und sich dadurch der
Schein einer Verbindung zwischen der Gottheit und Gottfried oder
überhaupt etwas Fremdartiges herstellen liefs. — Gegen dies alles
spricht zunächst schon der Zweck. Wer verehrt, greift nicht nach
dem ersten Besten, sondern nach dem, was in der Umgebung als
etwas Hohes betrachtet wird. So wurden Germanen und Römer
mit den Göttern verbunden, setzten Franken ihren Stolz in troja-
nische Abstammung. Sodann ist immer das eigentümliche ver-
wandtschaftliche Verhältnis zwischen dem Schwanritter und den
drei Brüdern im Wege. Bei allen anderen Geschlechtern, die
später einen autochthonen Schwanritter besafsen, wird das Auftreten
des Ritters verlegt in weite Vergangenheit, in das 8., 7., 6. Jhd.
n. Chr., sogar einmal in die Zeit J. Cäsars. Der brabantische, cle-
vische, arkelsche Ahnherr steht fast an der Spitze des Geschlechtes.
Nicht anders in dieser Beziehung die Abstammung anderer histo-
rischen Persönlichkeiten. Absichtliche genealogische Familiendichtung
führt in die Ferne, oder macht das göttliche Wesen zum Vater
1 H. Pirenne, a. a. O, S. 115 f.
DER HISTORISCHE SCHWANRITTER. 23
der historischen Person. Gerade der Schwanritter als Grofsvater
und zwar durch die Mutter, gerade dafs auch die beiden anderen
Brüder mit in die Verherrlichung gezogen wurden, am auffallendsten
Eustach, der in Lothringen fremd war, mahnt daran, dafs an eine
absichtliche Verbindung von welcher Art auch nicht zu denken ist.
Eine absichtliche Verbindung mit irgend welcher vorher
schon bestehenden lothringischen oder fremden oder erfundenen
Tradition ist ausgeschlossen. Eine unwillkürliche Uebertragung
einer lothringischen Landessage oder eines lothringischen Märchens
auf Gottfried hat nicht stattgefunden. Es gab vor Gottfried eine
solche Tradition in Lothringen überhaupt nicht. Dies Resultat ist
im Einklang mit dem Schweigen der Berichte von einem Schwan-
ritter vor ca. II 80 und mit der Thatsache, dafs es in der germa-
nischen und keltischen Mythologie kein göttliches Wesen gab,
dessen charakteristisches Attribut oder Merkmal ein Schwan ist.^
Ein ganz bestimmter Umstand mufs unwillkürlich dazu Anlafs
gegeben haben, dafs den Brüdern ein Schwanritter zum Grofsvater
mütterlicherseits gegeben wurde. Aus einem historischen Factum
mufs ihnen die Herkunft erwachsen sein.
In dem vorhergehenden Abschnitt habe ich wiederholt den
Schwanritter als Grofsvater der drei Brüder betont. Ich schalte
hier eine kurze Erörterung über diesen Punkt ein.
Die französischen Chansons führen den Schwanritter nur als
Grofsvater Gottfrieds auf. Andere Fassungen — freilich nur
kurze, oft sind es nur Andeutungen — geben das genauere Ver-
wandtschaftsverhältnis zwischen dem Ritter und Gottfried nicht an.
Weist das Nichtangeben der engeren Verwandtschaft nicht etwa auf
ein ursprünglicheres Stadium?
Bei dieser Frage läfst sich eins schon gleich constatiercn. Aus
nicht einem Zug der Fassungen und Andeutungen mit der fehlenden
Bezeichnung der Verwandtschaft zeigt sich, dafs das Fehlen seinen
Grund hat in einer von den Chansons verschiedenen Vorstellung des
Grades der Verwandtschaft: alle heben andere für ihre Darstellung
wichtigere Züge hervor und berücksichtigen infolgedessen den ge-
nauen Verwandtschaftsgrad nicht. Von Johannes von Alta Silva
war oben die Rede. Er hat nur ein paar Worte für das weitere
Schicksal des Schwans, der nicht mehr in seine menschliche Ge-
1 Ich habe 1894 hi der Ztschr. f. deutsches Altertum u. d. Litt. 38, 280 f.
die Vögel, welche Lug nach einer irischen Legende vorausschickt, als er den
Helden Cüchulainn erzeugen wollte, als Schwäne gedeutet. Wenn die da
geäufserte Vermutung über diese Vögel richtig ist, so bleibt noch die schwie-
rige Frage, ob die Legende eine irische Erlindung ist oder ob sie auf einer
allgemein keltischen Ansicht beruht. Die Aufzeichnung dieser Legende soll
dem Ende des 11. Jhds. angehören. Lug erscheint sonst immer ohne Vögel. —
Die Erzählung von dem faröischen Höni (übersetzt bei K. Simrock, Handbuch
d. deutschen Mylh.^ S. 103 ff.) gehört nicht hieher. S. Verf. a, a. O. 287 f.
24 J. F. D. BLOTE,
stalt zurückkehren konnte. Von einem Verwandtschaftsverhältnis
zu Gottfried oder zu einem anderen Geschlecht spricht Joh. v. A. S.
nicht. Zweck seiner Darstellung war ja, die Bosheit einer Frau
zum Ausdruck zu bringen, und dazu genügte das Märchen von
den Schwankindern. — Sein französischer Uebersetzer Herbert
hebt um 12 lO den Ritter hervor, aber hat von diesem nur den
Zusatz 'Puis tmt de Boillon In dnchie\ Von Nachkommen ist auch
bei ihm nicht die Rede. — Wilhelm von Tyrus geht ca. 1184
in seiner Historia IX, 6, nachdem er von Idas Prophezeiung von
den zukünftigen Titeln ihrer drei Söhne gesprochen hat, geflissent-
lich nicht auf die Fabel von dem Schwan ein, '■licet id verum fuisse
phirimoriim astruat narratio\ und darum lag es ihm fern von dem
Verwandtschaftsgrad zu sprechen. — Lambert von Ardres sieht
ca. II 98 in seiner Begeisterung für den Ursprung seiner Grafen
von Guines in dem boulognischen Haus des 10. Jhds. sogar schon
göttliche Herkunft durch den Schwanritter, entgegen dem wirk-
lichen Thatbestand (Boulogne kam erst durch Eustach III. zur
Sage), entgegen aller Tradition, entgegen der Ankündigung seines
Prologs, dafs er nur Wahrheit berichten wolle. Seine Mitteilung
hat er freilich nicht aus einer Chanson, sonst würde er den Ana-
chronismus und den genealogischen Fehler nicht gemacht haben:
er glaubte, indem er über das wahre Verhältnis nicht genauer Be-
scheid wufste, dafs die Herkunft des Hauses Boulogne seiner Zeit
schon einem früheren Zeitraum angehörte. Von dem Schwanritter
berichtete er auch nur, dafs er vom Himmel kam: 'Cicni non phayi-
tastici sed veri et divini diicaiu celitus advectus' (MG. SS. 24, 570). —
Helinand ist ca. 1200 derart von dem Zweck, zu welchem er den
Schwanritter in seine Weltgeschichte (sie ging bis 1204) aufnimmt,
erfüllt, dafs er nur die Züge, die er für diesen Zweck geeignet
glaubte, erwähnt. Der weltverachtende Geistliche war einst ein
weltfroher Sänger gewesen, der bei keiner Festlichkeit gefehlt hatte. 1
Die Lieder über den Schwanritter fallen in die Zeit seines Sänger-
tums. Wenn Helinand auch selbst nicht davon gesungen hatte,
der Stoff war ihm bekannt. Jetzt, da dieser Sänger fromm ge-
worden, ist ihm der Ritter gerade noch gut genug, um mit aufge-
führt zu werden unter einer Gruppe von Beispielen, durch welche
gleichsam ad oculos demonstriert werden soll, dafs auch Dämonen
Menschen von Fleisch und Blut erzeugen können. Daher die Her-
vorhebung des Beglaubigten (viele Fürsten seien in einem grofsen
und berühmten Schlofs am Rhein, Juvamen geheifsen, zugegen ge-
wesen und kannten dennoch den Fremden nicht), daher die Erwäh-
nung, dafs der Fremde sich später eine edle Gattin nahm, bei
der er Kinder gewann, die Betonung des Dämonischen in seiner
Ankunft und wie er endlich zufällig wiederum in dem Schlofs ver-
^ In der Epistola ad Galterum clericum (lib. de reparatione lapsi), Migne
212, 748, sagt Helinand von seinem weltlichen Leben; 'non scena, tion circus,
non theatrutn, tzon amphitheatrum, non amphicircus, non forum, non platea,
nnn gymnasium, non arena sine eo (sc. Helinando) resonabat'.
DER HISTORISCHE SCHWANRITTER. 25
weilend den Schwan mit Boot und Kette wiedersah und sich sofort
in das Boot stürzte, daher die Allgemeinheit des mit Rücksicht auf
den Zweck für Helinand und seine Leser wichtigen Schlusses 'pro-
genies eins usqtie hodie perseverat'.^ — Wolfram von Esche nbach
hat eine Verwandtschaft, die ganz deutlich weit über den Grofsvater
hinausreicht. Aber irgend welche beweisende Kraft liegt in seiner
Darstellung nicht dafür, dafs er das ursprüngliche Verhältnis wieder-
giebt. Infolge der Composition seines Parzival brauchte der bairische
Dichter oder seine Vorlage einen Ritter, der nach Vorschrift des
Grals geheimnisvoll in einem Land erscheint, wo man seiner bedarf,
wo er sich eine Gattin nimmt, Kinder zeugt und dem Lande zum
Segen wird. Die Sage vom Schwanritter ist demnach bei Wolfram
in den Dienst des Ganzen getreten. Sein Schwanritter mufste ein
Gralritter sein, und so machte er ihn zum Sohne Parzivals und
somit zum Zeitgenossen König Arthurs. Aufserdem verdunkelte
Wolfram das verwandtschaftliche Verhältnis, indem er für das
überlieferte Bouillon Brabant einsetzte. 2 — Der Chronist von
B r o g n e nennt ca. 1 2 1 1 die drei Brüder von dem Samen des
Schwanritters. Aber auch er verfolgt einen Zweck. Dieser Zweck
beherrscht ihn vollständig: die Verherrlichung des Manasses von
Hierges, des Wohlthäters seines Klosters. Indem er Balduin II.
von Jerusalem verschmilzt mit Balduin L, läfst er INIanasses von
einem Schwanritter stammen. Seine schwulstige Version mufs der
Nachklang irgend einer französischen Version sein, ein Nachklang,
der, wie ich oben im 6. Abschnitt schon andeutete, der Gewissen-
haftigkeit des Chronisten wenig Ehre macht. Das Verschweigen
des genaueren Verwandtschaftsgrades erlaubt bei ihm demnach
keine Schlüsse. — Philippe Mousket sagt mit seinem 's'en fu
Godefrois, ce sei-on, ki fu de Jherusalem rois''^ zwar nicht ausdrück-
lich, dafs Gottfried der Enkel des Schwanritters war, aber erstens
weisen die Jahre, in welche er die Erscheinung fallen läfst (um 1025),
und sodann die Nebenumstände, die Mousket erwähnt, auf das-
selbe Verhältnis wie in den Chansons. —
Das also sind die frühesten Versionen,* die von dem genauen
Verwandtschaftsgrad schweigen, obgleich ihnen der Schwanritter
1 Bei Vincenz von Beauvais, Spec. Natur. II, 127. — Vgl. über die
Helinandstelle Verf. Das Aufkommen des clevischen Schwanrilters a. a. O.
S. 6 — 8.
2 Bei Gerbert, der den Schwanrilter auch mit Percheval in Beziehung
bringt, ist der Ritter ein ferner Nachkomme Perchevals. Gerbert hält aber
fest an dem Grofsvatertum des Schwanritters in Bezug auf Gottfried v. B. —
Vgl. über Wolfram v. E. und über Gerbert Verf. a. a. O. S. 18 ff. 47 ff.
^ Reiffenberg, Chevalier an Cygne, Bruxelles 1846, S. 150.
* Einer späteren Zeit angehörig ist die Prosaeinleitung zum Sone von
Nausay. Diese kennt den Schwauritter als Gemahl der Beatrix nach der
Tötung des Sachsen zu Nimwegen und als Vater der Ida, läfst ihn aber nach
der Frage nach Kleinasien ziehen, wo er an einer zweiten Gemahlin, der
Herrin von Baruch, drei Söhne gewinnt (M. Goldschmidt, Sone von Nausay,
216. Publ. d. Litt. Vereins, Tübingen 1899, S. 554, wo in 'Elyas ochist le
Sesne Animaye' für 'Animaye' zu lesen ist 'a Nimaye' d. h. 'zu Nimwegen').
26 J. F. D. BLÖTE,
als Herzog von Bouillon vorschwebte. Sie sind sämtlich entstanden
nach II 79, d.h. nachdem die französische Dichtung sich schon
des Stoffes bemächtigt hatte. Sieht man ab von Herbert und
Ph. Mousket, deren Meinung in unserer Frage wohl ohne weiteres
auf das Verhällnis in den Chansons hinweist, so erzählt kein ein-
ziger der besprochenen Berichte die Sage um ihrer selbst willen.
Alle betonen nur die für ihren Zweck wertvolleren Züge, so dafs
sie unwillkürlich (Wolfram allerdings absichtlich) den genaueren
Verwandtschaftsgrad nicht zum Ausdruck bringen. Und kein anderer
Zug berechtigt bei ihnen zu der Annahme, dafs sie ein Stadium
der Sage vertreten, welches im 12. Jhd. den Schwanritter anders
denn als den Grofsvater Gottfrieds kannte. Sie stehen in Bezug auf
diesen Punkt in keinem Widerspruch zu der Angabe der Chansons.
Damit ist freilich nicht ausgemacht, dafs die Angabe der
Chansons ursprünglicher ist. Aber es ist zweifellos, dafs der Re-
dactor, der zuerst den Stoff französisch in der Gestalt behandelte,
wie wir ihn aus den Chansons kennen lernen, das Verhältnis vom
Grofsvater zum Enkel hatte, denn alle ausführlichen Redactionen,
die nach ihm entstanden und sämtlich im letzten Grunde auf seine
Bearbeitung zurückgehen, haben das Verhältnis. Da ferner nur
in Lothringen Gottfried schon früh als gottgesandter Führer auf-
gefafst wurde, während er bei den Berichterstattern anderer Ge-
genden ein gewöhnlicher, wenn auch tüchtiger Anführer ist, und
andere Völkerschaften andere Helden des Kreuzzugs feiern, 1 wie
z.B. Flandern den Grafen Robert, so stammt der Stoff aus Lo-
thringen, worauf auch ohnedies das Historisch -Locale weist. So
fest nun mufs das Verhältnis von Grofsvater zu Enkel gewesen sein,
dafs der erste französische Redactor oder dessen Quelle schon den
historisch überlieferten wirklichen Grofsvater Gottfried den Bärtigen
um zwei Grade in der Verwandtschaft hinaufrückte, damit der
sagenhafte Grofsvater seinen Platz fände. Ein Zug, wie der eines
Grofsvatcrs, und zwar von der mütterlichen und nicht von der
väterlichen Seite, ist übrigens, wie wir schon im vorigen Abschnitt
sahen, zu charakteristisch, als dafs er beliebig statt eines willkür-
lichen Vorfahren eingesetzt worden wäre. Der Redactor der ersten
französischen Chanson vom Schwanritter hat demnach nur ein Ver-
hältnis wiedergegeben, das er vorfand.
9-
Die Erlebnisse des Vorfahren der drei Brüder, der zu der
Sage Anlafs gab, müssen unwillkürlich in den Gesichtskreis der
Lothringer des 1 2. Jhds. getreten sein, mag dieser Vorfahr nun ein
Grofsvater gewesen sein oder nicht. Und dennoch scheint diese
Erwägung uns um keinen Schritt weiter zu führen. Denn weder bei
den Vorfahren väterlicherseits noch bei denen mütterlicherseits des
1 1. ]hds. finden wir etwas berichtet, woraus sich die wunderbare Vor-
1 S. S. 13 Anm. 2.
DER HISTORISCHE SCHWANRITTER, 2"]
Stellung von einem Schwanritter hätte entwickehi können. Ununter-
brochen schreiten aufserdem die Geschlechter Verdun (dieses bis 1076)
und Boulogne von Vater auf Sohn, ein einziges INlal auf den Bruder.
Eine Frauenregierung kommt nicht vor. Kein Fremder drängt sich
hinein, der sich vermählt mit der Tochter des Fürstenhauses und
fortan Herr des Landes ist. Und zudem: in keiner Version führt
der Schwanritter einen Namen, der an einen Fürsten aus einem
der beiden Häuser erinnert, wie man doch erwarten dürfte, wenn
einer der Vorfahren den Schwanritter abgegeben hätte. Die
Chansons bewahren manches Historische. Sie nennen Gottfried
den Bärtigen, Gottfried den Höckrigen, Eustach II. von Boulogne,
die Ida, die drei Brüder. Sie scheiden genau in den Titeln
zwischen einem Grafen von Namür, einem Herzog von Löwen,
von Limburg , von Lothringen. Sie wissen , dafs Löwen und
St. Trond zusammengehören. Nur der Schwanritter und die be-
drängte Witwe sind namenlos, oder haben später einen Namen,
der in dem Haus der Ardennen und in dem Geschlecht der Grafen
von Boulogne nicht vorkommt, nicht vorher und nicht nachher.
Eine Betrachtung der Vorfahren der drei Brüder führt zu
keinem Ziel. Und doch mufs die Tradition sich aus Vorstellungen
entwickelt haben, die an sich nicht so ganz weit von den Brüdern
abgelegen haben können. Waren auch die Thatsachen, welche
diese Vorstellungen erzeugten, den Zeitgenossen und denen nach
ihnen unklar, es war doch soviel davon bekannt, dafs dadurch die
Phantasie der Masse oder des einzelnen angeregt wurde. Es mufs
ein Fall gewesen sein, wie er in ähnlicher Weise bei Lambert von
Ardres und dem Chronisten von Brogne begegnet. Man — um
dieses allgemeine Wort zu gebrauchen — wollte nicht absichtlich
fälschen; man deutete aber falsch.
Da wir also bei den Verwandten der Brüder bleiben müssen,
so giebt es nur noch als letzte Möglichkeit, dafs die Abstammung
einer Gemahlin eines der drei Brüder eingewirkt hat. ]\Ian —
mehrere oder ein einzelner — hätte alsdann irrtümlich dem Gatten
zuerkannt, was rechtens nur der Gattin gehörte. Die Verwechs-
lung mufs aus irgend einem Grunde leicht gewesen sein. Von da
aus erfolgte dann die Uebertragung auf die drei Brüder zusammen.
Wir hätten also etwas Aehnliches wie bei Wolfram von Eschenbach,
der dem Haus Brabant einen Schwanritterursprung zuschrieb, der
erst für die Herzogin von Brabant seiner Zeit, eine boulognische
Gräfin, gelten konnte, oder aus der Verwechslung zwischen den
Herzogen von Niederlothringen aus dem Haus Verdun mit denen
aus dem Haus Löwen hervorging. i
Gottfried von Bouillon selbst war nie verheiratet. — Eustach III.,
1 Ueber das Aufkommen und die Entwicklung des biabanüschen Schwan-
ritters wird eine besondere Arbeit erscheinen. Für jetzt gestatte ich mir zu
verweisen nach Verf.'s Das Aufkommen des clevischen Schwanritters a. a. O,
S. 18 ff.
28 J. F. D. BLÖTE,
der älteste der drei Brüder, Graf von Boulogne nach dem Tode
seines Vaters, hatte Marie, die Tochter Malcolms III., Königs von
Schottland, zur Frau. Aber auch wenn die Könige von Schottland
eine wunderbare Herkunft gehabt hätten, so wäre das alles doch
ohne Wert für den Ursprung unserer Sage gewesen: denn Eustach IIL
stand den Lothringern fern, er machte den Kreuzzug nicht mit
ihnen mit, er brach später auf mit den französischen Herren und
gelangte über Italien vor Antiochien. Und was jegliche Möglich-
keit abschneidet: erst nach seiner Rückkehr aus dem hlg. Land
heiratet Eustach IIL, im J. 1102. So dafs speziell die Lothringer
keinen Anlafs gefunden haben können, eine etwaige Herkunft von
seiner Gattin auf ihn und seine Brüder zu übertragen.
Bleibt übrig der jüngste Bruder, Balduin, der nach dem Tode
Gottfrieds König von Jerusalem wurde {iioo — 11 18).
Balduin war dreimal verheiratet. ]\Iit der ersten Frau —
Godehilde von Toeni — hatte er sich, kurz bevor er zum Kreuzzug
aufbrach (August 1096), vermählt. Sie begleitete ihn auf der Fahrt,
starb aber nach monatelanger schmerzlicher Krankheit bei Maresia
in Lykaonien (Juli 1097), noch ehe das Hauptheer vor Antiochien
gelangte. — Das zweite INIal heiratete Balduin in Edessa eine arme-
nische Fürstin, von der er sich aber wiederum trennte, obgleich
ein Grund der Trennung, der ihn dazu berechtigte, nicht vorlag.
Einige sagen — fährt Wilhelm von Tyrus XI, i fort — , dafs der
tiefverschuldete König eine reichere Frau nehmen wollte; andere,
dafs sie ihre weibliche Ehre nicht genug wahrte. Balduin steckte
sie in ein Nonnenkloster in Jerusalem; als sie durch List entkam,
floh sie aus dem Reiche und soll weiter ein gemeines schlechtes
Leben geführt haben. — Die dritte Gemahlin war die Gräfin von
Sicilien, eine edle und mächtige Frau, die Witwe des Grafen Roger
Bursa, eines Bruders von Robert Guiscard. Dreizehn Jahre lang
lebte sie mit Balduin in kinderloser Ehe. Dann liefs er, in seinem
Gewissen geängstigt wegen seiner Ehe mit der zweiten Frau, sich
von ihr scheiden. Dieses Unrecht war zur Zeit des Wilhelm von
Tyrus noch unvergessen bei den Erben ihres Sohnes, der nach
dem Vertrag König von Jerusalem hätte werden müssen, weil seine
Mutter kinderlos geblieben war (Wilh. v. Tyrus XI, 29).
Die Ehe mit- der dritten Frau fällt in eine Zeit, da die welt-
erschüttemden Ereignisse vollbracht sind. Gottfried ist gestorben,
die meisten Abendländer sind wieder nach der Heimat zurück-
gekehrt, Balduin ist seit einigen Jahren König in Jerusalem. Die
Wogen der Begeisterung haben sich gelegt und mit nüchternem
Auge werden die Dinge im INIorgenlande betrachtet. Und auch
wenn die Gräfin von Sicilien eine fremdartige Familientradition
gehabt hätte, — so manches Jahr hat die Umgebung Balduins
und die anderen den Balduin ohne eine seltsame Herkunft ge-
kannt, dafs eine etwaige Uebertragung auf ihn nicht mehr statt-
gefunden haben kann. Zudem weisen die unvergessenen An-
sprüche der Erben des Sohnes aus der ersten Ehe der Gräfin
DER HISTORISCHE SCHWAN RITTER. 2 9
darauf, dafs die Abkunft der sicilischen Gräfin und die Balduins
nicht vermischt wurden.
Schwieriger ist eine Entscheidung für die zweite Ehe, denn
die Vermählung mit der armenischen Prinzessin fällt noch in die
Zeit der Aufregung. Allerdings darf man auch hier geltend machen,
dafs, wenn bis dahin auf dem Zuge niemand aus der lothringischen
Umgebung von einem fremdartigen Ursprung Balduins gehört hatte,
auch jetzt nach zweijährigem Zusammensein eine fremdartige Ab-
kunft der zweiten Gemahlin auf Balduin nicht mehr übertragen
worden wäre. Man darf ferner geltend machen, dafs die Ver-
bindung mit der armenischen Prinzessin für Balduin eine rein
äufserliche gewesen zu sein scheint, weil er sich dadurch einen
festen Halt in seinem neuerworbenen Gebiet zu verschaffen hoffte.
Sodann, dafs eine Uebertragung einer kleinasiatischen Abkunft, die
die neue Gemahlin mitbrachte, bei der abendländischen Umgebung
keine feste Wurzel geschossen hätte, besonders nicht, da diese
Frau zuletzt zur Zeit, da Balduin schon König war, von ihm ver-
stofsen wurde. Aber das alles macht eine Uebertragung wohl
sehr zweifelhaft, an sich aber doch nicht ganz unmöglich. Wir
werden zu dieser zweiten Ehe zurückkehren müssen, falls die Ehe
mit der Godehilde von Toeni keine wichtigen Folgerungen ge-
stattet. —
Das, was sich gegen eine Uebertragung einer Herkunft der
zweiten und dritten Gattin anführen läfst, trifft bei der ersten nicht
zu. Godehilde und Balduin treten gleich am Anfang des Kreuz-
zugs beide vereint in den Gesichtskreis der grofsen Masse der
Lothringer. Nur wenige Lothringer mögen die beiden getrennt
gekannt haben. 1 Ihre kurze Ehe durchleben Balduin und Gode-
hilde auf der Reise von Lothringen aus in der Zeit, da ihre Um-
gebung und sie selbst sich an den Thaten der Vergangenheit be-
geistern für die Thaten der Zukunft. Hatten Godehildens Vorfahren
einst gegen die Heiden gekämpft, so erfuhr die Umgebung davon.
Binnen Jahresfrist verschwindet Godehilde nach langem Kranken-
lager. Balduin macht bei seinem Eintritt in Kleinasien mit seiner
Schar eine Unternehmung auf eigne Faust. Getrennt von dem
Hauptheer sucht er sein eignes Glück. Und dann kommt der
Strom der grofsen Ereignisse, an deren Hauptmomenten auch
Balduin sich wiederum beteiligt, mit ihren Perioden der Verzagung
und der Aufrichtung, wo das Pleer der Christen die Gottheit sicht-
barlich eingreifen sieht. In solchen Zeiten tritt die Vergangenheit
rascher als sonst in weite Ferne zurück. Die Massen, wie die
Einzelnen, leben durchweg in einer geistigen Atmosphäre, die fast
zu jeder Zeit Gelegenheit giebt, dafs unklar aufgenommene Vor-
stellungen sich zu eigentümlichen wunderbaren Gebilden abrunden,
^ Nach Wilhelm von Tyrus X, i war Balduin früher ein Geistlicher ge-
wesen, der wegen seiner edlen Geburt Präbenden in Rheims, Cambrai und
Lütlich erhielt, dann aber aus unbekannten Gründen K.viegsmann wurde. An-
fangs der 90-ger Jahre war er schon kein Geistlicher mehr.
30 J. F. D. BLÖTE,
die ihre Gläubigen finden. Und hier sind aufserdem die verschie-
densten Völker wiederholt zusammen. Ein jedes sieht in seinem
Anführer den trefflichen Helden. Es lassen sich kaum günstigere
Umstände zu einer Sagenbildung denken: die mit Balduin zugleich
auftretende Godehilde, ihr baldiger Tod, die darauf folgende Sonder-
existenz Balduins, seine Beteiligung an den grofsen Ereignissen, sein
neues Zurücktreten bis zu seinem Königtum. —
Was wissen wir von Godehildcns Vorfahren?
Das Geschlecht der Toeni fängt an mit Radulf I., f ca. 1020.
Es rühmte sich im ii.Jhd. abzustammen von Rollos Vaterbruder.
Von Radulf I. erfahren wir nur einige seiner Streitigkeiten. Etwas
mehr aber von seinem Sohn, Roger L, dem Grofsvater Godehildens,
den Balduin nach üblichem Sprachgebrauch auch seinen Grofsvater
genannt haben wird. Was wir wissen, ist eine Combination von
dem, was der Aquitanier Ademar von Chabannais, die normannischen
Chronisten Orderic Vitalis und Wilhelm von Jumieges oder dessen
Fortsetzer berichten, verbunden mit einzelnem aus ein paar Ur-
kunden.i Dies ist alles. Aber merkwürdiges Factum! Dieser
Grofsvater macht eines Tages Erlebnisse durch, die einigen dem
Schwanritter der Sage eigentümlichen Zügen entsprechen. Nur ist
alles in ganz anderer Umgebung, an ganz anderer Oertlichkeit,
in ganz anderer Beleuchtung. Auch fehlt diesem Grofsvater das
Elegische des Schwanritters der Sage. Er ist ein wilder, gegen
seine Feinde erbarmungsloser normannischer Krieger. Und damit
wir schon das Wichtigste vorwegnehmen: in den Quellen, die im
II. und in der ersten Hälfte des 12. Jhds. von ihm berichten,
findet sich nichts von einem Schwan.
Dieser Roger von Toeni, der erste seines Namens, dieser ver-
wegene, unruhige, stolze normannische Freiherr, zieht 1018 an der
Spitze einer Schar Normannen nach Spanien mit dem Zweck die
Saracenen zu bekämpfen.^ Es ist die alte normannische Thaten-
lust, die zu gleicher Zeit einen anderen Haufen dieses Stammes
nach Italien und Sicilien treibt. In gröfster Bedrängnis ist in
diesem Jahre die Grafschaft Barcelona. Graf Raimund- Borrel ist
kurz zuvor (10 17) gestorben, und die Mauren stehen bis vor die
Stadt. Ermessinde, die Witwe, ist nach dem Willen ihres Gemahls
Herrin des Landes. Sie ist Mutter von wenigstens drei Kindern,
von denen zwei Töchter sind, auch das älteste. Da erscheint
Roger mit den Seinen, rettet das Land von dem Untergang und
vertreibt die Heiden, so dafs das Land auf Jahre hinaus in Sicher-
heit ist. Zum Lohne und wohl auch um ihn zu fesseln, giebt
Ermessinde ihm ihre Tochter Godehilde zur Frau. — 1035 bei
1 Für die Zusammenstellung dieses Materials s. Ztschr. 21, 181 fF.
2 So nach dem Zeitgenossen Ademar von Chabannais (f ca. 1031). Seine
Geschichte entstand wahrscheinlich 1028. Der Zug machte von sich reden, da
Ademar ihn besonders verzeichnete. Nach Wilh. v. Jumieges VII, 3 scheint
Roger später mit Herzog Robert (1028 — 1035) noch einmal in Spanien ge-
kämpft zu haben.
DER HISTORISCHE SCHWANKIITER. 3I
dem Tode des Herzogs Robert von der Normandie ist Roger
wieder in seiner Heimat und findet den Tod in den Parteikämpfen
bei der Thronbesteigung von Richards minderjährigem Sohn, dem
späteren Eroberer von England. — Seine Unternehmung und sein
Aufenthalt in Spanien brachten ihm in der Normandie den Zu-
namen des Spaniers ein, wie wir aus Orderic Vitalis an mehreren
Stellen erfahren. Die Nachkommen fingen im 12. Jhd. mit ihm
das Geschlecht an, und die Mönche des Klosters Conches in der
Nähe seines Schlosses hielten ihn als den Gründer ihres Hauses
in hohen Ehren.' Soweit das Thatsächliche, für soferne wir es
erreichen können.
Vergegenwärtigen wir uns nun die Umgebung und die Züge,
unter welchen in Conches, der normannischen Residenz der Toeni,
die Erinnerung an diesen Roger den Spanier gegen Ende des
II. Jhds., als Balduin von Boulogne um die Godehilde warb, gelebt
haben mufs. Herr von Toeni war damals noch der älteste Sohn
dieses Roger aus der Ehe mit Godehilde von Barcelona, Radulf II.
(f 1 102/3). Minderjährig als sein Vater fiel, hat er sich dennoch
entwickelt wie ein Sohn seines Vaters: unruhig, kühn in Aben-
teuern, freigebig in Schenkungen an die vom Vater gegründete
Abtei Conches.2 Wie sein Vater heiratet er erst spät, und auch
seine Gattin übertrifft in ritterlichen Spielen und ritterlicher Unter-
nehmungslust ihre Umgebung.'' Und wohl mag er sich den Vater
zum INIuster genommen haben: der Name des Spaniers hielt ja
die Erinnerung an die Thaten Rogers wach, nicht nur in der
Familie, sondern auch auswärts. Und mit den Thaten und dem
Namen deckte sich in der Familie die Ueberlieferung, wie einst
der Vater sich seine Gattin erwarb. Eins gehörte untrennbar zum
andern. Und so müssen in der Familientradition der Toeni wenig-
stens folgende Züge gelebt haben: i. Radulfs Vater zog einst nach
Spanien zur Vernichtung der Saracenen, 2. er rettete die bedrängte
Witwe von Barcelona und die Ihrigen, 3. er erhielt die Tochter
zur Frau, 4. er zog wieder in die Heimat zurück. Dafs noch
mehrere andere Züge dazu gehört haben, ist selbstverständlich. Die
Ueberlieferung aber läfst uns darüber in Zweifel, von welcher
Natur sie waren.
Und in diesem Kreis wird Balduin von Boulogne der Gemahl
der einzigen Tochter. Es folgen die Vorbereitungen zum Kreuz-
zug. Balduin tritt durch seine Fahrt nach dem hlg. Land in
Parallelismus zu dem Ahnherrn der Toeni. Godehilde hiefs nach
der Godehildis von Barcelona, ihrer Grofsmutter, und Balduin stand
im Begriff aufzubrechen um zu kämpfen gegen die Heiden, wie einst
Roger. Soeben hatten die Toeni den ältesten Sohn durch den
Tod verloren, jetzt sahen sie ihre einzige Tochter davonziehen.
1 Gallia Christ, t. XI2 (1874) S. 637 ff.
* S. namenllich Ord. Vital, (ed. Le Prevosl) t. II S. 121. 148. 297. 401;
t. III, 25. 238. 262. 296. 346 ff.; t. IV, 67. — Will. Gemm. I.VII cap. 24.
8 Ord. Vital, t. III S. 345.
32 J. F. D. BLÖTE,
Wohl mag da an den berühmten Spanier erinnert worden sein.
Sollten die jungen Leute, Balduin und Godehildis, nicht von ähn-
lichem Ruhm geträumt haben? Müssen nicht Balduin und Gode-
hilde auf der langen Fahrt zu ihrer Umgebung gesprochen haben
von dem kühnen Vorfahren? Nachricht von diesem Grofsvater
der Godehilde mufs auf jeden Fall in die Menge der lothringischen
Kreuzfahrer gekommen sein.
Der Gang unserer Untersuchung führte uns zu einem Vor-
fahren der Godehilde von Toeni. In Roger von Toeni, dem Grofs-
vater der Godehilde, lernten wir eine Persönlichkeit kennen, deren
Erlebnisse ihre Entsprechung finden in einigen Zügen des Schwan-
ritters, den die Sage den Grofsvater Balduins und seiner Brüder
nannte. Die Familienerinnerung der Toeni — denn von Balduins
zweiter Gemahlin dürfen wir jetzt wohl absehen — war also der
Same, der unter die treibende Kraft der wunderbaren Verhältnisse
der Jahre seit 1096 kam. Und wenn dem so ist, so mufs Roger
etwas mit einem Schwan zu schaffen gehabt haben. Denn der
Schwan bildet in der Sage vom Schwanritter ein Hauptmoment.
Ohne den Schwan würde die ganze Herkunft unbemerkt vorüber-
gegangen sein. Aber die Chronistik des 11. und 12. Jhds. schweigt
von einem Schwan, mit dem Roger verbunden war, ebenso wie
die Historiographie des 12. Jhds., mit einer einzigen Ausnahme,
auch das Schweigen bewahrt über die wunderbare Herkunft Gott-
frieds von Bouillon.
10.
Ich habe in dieser Zeitschrift 21, 177 ff. auf zwei Stellen bei
englischen Autoren gewiesen, in welchen die Toeni, die seit der
Eroberung (1066) mächtige Grundbesitzer in England waren, mit
dem Schwanritter oder mit Rittern, die Schwan hiefsen, in Ver-
bindung gebracht werden. Ich bringe diese Stellen noch einmal
zur Sprache, da sie durch das Vorhergehende in ein anderes Licht
treten und auch aus sich selbst heraus, namentlich die zweite,
wichtigere Folgerungen gestatten, als mir in dem früheren Artikel
deutlich war. — Die eine Stelle — sie ist vom J. 1300 und findet
sich in einem Gedicht von vorzugsweise heraldischem Inhalt, das
die Edeln aufführt und charakterisiert, die mit Edward I. im Juli
1300 den Kriegszug nach Schottland mitmachten — besagt von
Robert von Tony (er war der letzte des Geschlechtes), dafs dieser
durch die Farbe seiner Rüstung 'gut zeige, dafs er vom Schwan-
ritter sei'.i Wir dürfen diesem Passus wohl ohne weiteres ent-
' Blanche cote et blanches alettes,
Escu blanc et baniere blanche
Avoit o la vermeille manche
Robert de Tony, ki bien signe
Ke il est du chevalier a eigne.'
N. IL Nicolas, The Siege of Carlaverock,
London 1828, S. 42. Vgl. ebd. S. 369 f.
DER HISTORISCHE SCHWANRITTER. 33
nehmen, dafs nicht blofs der anglonormannische Dichter, der als
Augenzeuge berichtet, meinte, der Tony, von dem er spreche, leite
seine Herkunft ab von dem sagenhaften Grofsvater Gottfrieds von
Bouillon. Auch dieser Tony selbst, so scheint es nach den wenigen
Zeilen des Gedichts, mufs der Ansicht gewesen sein, er stamme
von dem in den Liedern gefeierten Helden. Er galt nach eigner
und anderer JMeinung für einen Nachkommen des Schwanritters.
Aber zu keiner Zeit halte sich einer der Barone von Tony mit
einer Tochter aus dem Hause Boulogne vermählt, wodurch sich
die Herkunft erklären liefse, wie sich aus der Genealogie des
Hauses Boulogne leicht ergiebt. Gleichfalls mit keiner Tochter
aus den Häusern Brabant oder Cleve, obgleich diese und andere
Häuser für diesen Zeitraum noch nicht in Frage kommen können.
Dafs die Tony, weil Godehilde sich mit Balduin von Boulogne
vermählte, sich dadurch die Abstammung beigelegt haben sollten, i
ist deshalb nicht anzunehmen, da in keinem Lande die ehelichen
Verbindungen durch die Erblassungen und Schenkungen urkund-
lich so fest bewahrt blieben und dadurch Recht oder Unrecht auf
einen Titel so festgehalten wurde als bei den Normannen in Eng-
land. Auf dem Kontinent sieht man die Abstammung vom Schwan-
ritter oder von Karl dem Grofsen nur dann auf ein Geschlecht
übergehen, wenn wirkliche Verwandtschaft bestand. Einen Schwan
im Wappen hatten die Tony seit dem Aufkommen der erblichen
Wappen nicht,^ wodurch sie, wie die Bohun in England im 14. Jhd.,
zu der Abstammung gelangt sein könnten. Aus unserer Stelle
würde also dieses folgen: die Herkunft der Tony geht nicht auf
Gottfrieds sagenhafte Abstammung zurück; es bestand ursprüng-
lich unabhängig von Boulogne und Gottfried bei den englischen
Tony eine verwandtschaftliche Beziehung zu einem Schwanritter in
irgend welcher Gestalt; im Laufe der Zeit verblafste die richtige
Vorstellung davon in der Familie, die Erinnerung aber blieb;
diese Erinnerung lebte wiederum auf, als Gottfrieds Grofsvater zu
dem gefeierten Ritter gemacht ward, und es allmählich dann für
ruhmvoll galt, von diesem Schwanritter abzustammen. — So weit
die Deutung aus der Stelle von 1300. —
Die zweite Stelle findet sich bei Matthaeus Paris in der
Lebensbeschreibung der Aebte seines Klosters, die er um 1250
ausarbeitete. Bei Leofstan, dem 12. Abt von St. Alban (nach
1046 — 1064), wird erzählt,^ wie dieser Wege zum Kloster anlegen
^ G. Paris, Romania 26, 58 r.
2 Sie führten einen roten Aermel in Silber.
3 Ed. Guill. Wats, London 163g, S. 45 f. Durch H. Th. Riley's Ausgabe
der Gesta Abbatuni Alonasterü SanctL Albaiii a Thoma Wahingham Vol. I,
A. D. 793 — 1290, London 1867, in welcher der Herausgeber den dem Matth.
Paris gehörigen Teil nach Colt. Ms. Nero D. I bezeichnet, auch mit steter
Vergleichung von Wats' Ausgabe, ist für unseren Zweck ein Hinweis auf
diese handlichere Ausgabe genügend. Der uns angehende Teil findet sich
daselbst S. 39 — 41.
Zcitschr. £ rom. Phil. XXV. 1
34 J- F- D- BLÖTE,
liefs und, damit die Frommen unbehelligt das Kloster besuchen
konnten, einem sehr tüchtigen Krieger Tumothus und dessen Ge-
nossen Waldef und Thurman auftrug, mit ihren Leuten die dichten
Wälder des Klosters von wilden Tieren und Räubern, die sich in
grofser Zahl dort aufhielten, zu säubern, dem Turnothus und den
beiden Genossen aber dafür den Hof Flamstude um einen geringen
Preis abtrat; wie die Krieger und danach ihre Erben dem Auftrag
treu nachkamen, bis zur Zeit der Eroberung; wie sie sich aber
alsdann dem normannischen Regiment nicht fügen wollten und
lieber den Besitz aufgebend sich unbezwungen in den Wäldern
festsetzten und den Normannen durch Mord und Brand allerlei
Schaden zufügten. ^Sed prosperanle Rege me7norato (sc. Willelmo),
omnes vel ad pacem qualem qtialem redierunt, vel capti, sictä seqimis Jiar-
ratio dec/arabil, perierunt. Veriinlamen qiiidam nohilis, ^ Roger us de
Tho7iV no?}ii?ie, au successit in sortem distributionis illiid maneriiim,
noluit jus Saudi Albani auferre, et servitium praedictmn strenue adim-
plevit.' Und nun folgt der für uns wichtige Passus. 'Erat enim in
armis clarissimus, et genere, natione No7-matmus ; ab Ulis famosis
viilitibus traheris propaginem, qui a Cygni nomine ijititu-
lantur. Sed haec siio loco pkjiiiis cotiscribentur.' — Nach dieser
Mitteilung über das Verhältnis zwischen Flamstead und St. Alban
giebt der Autor noch eine kurze Bemerkung über den Abt Leofstan
(die Erwirkung von Privilegien durch die Freundschaft König
Edwards, den Tod des Königs und des Abtes), in Riley's Aus-
gabe 6 Zeilen.
Ich habe die Stelle etwas ausführlicher gegeben, damit der
Leser sich bei der folgenden Auseinandersetzung ein selbständiges
Urteil bilden kann. Denn die Vitae Abbattim des Matthaeus Paris
beruhen für die älteren Aebte auf einer Rolle, die früher Adam
dem Kellermeister, einem hochangesehenen Bruder des Klosters, an-
gehört hatte, welcher schon 1138 als Mönch St. Albans vorkommt
und zur Zeit des 20. Abtes (Warin de Cantebrugge 1183 — 1195)
zu den Gestorbenen gehörte. ^ Wir haben jetzt zu entscheiden, ob
die soeben gegebene Charakteristik des 'Rogerus de Thoni' sich
schon auf der älteren Rolle befand oder ob sie erst von Matthaeus
Paris eingefügt worden ist.
Wats, der erste Herausgeber der Vitae, konnte zu seiner Ausgabe
von 1639 drei Hss. benutzen. Von diesen ist jetzt eine verschollen.
Von den beiden erhaltenen gehört die eine (Brit. Mus. Cott. Nero
D. I) dem 13. Jhd. an, die andere (Brit. Mus. Cott. Claud. E. IV) dem
14. Jhd.2 Die verschollene Hs., die zur Zeit des Wats im Besitz des
gelehrten Spelman war, hat bei den ersten Aebten mehreres nicht, was
sich in den beiden anderen Hss. findet. Nun hat sowohl Ms. Spelman
als Cott. Nero D. I am Anfang die Bemerkung 'Secundum antiqtiiwi
Rotulum Bartholomaei Clerici: qui cum Domifio Adam Cellarario diu
« Riley, a. a. O. Pref. t. I S. XIV ff.
2 Th. D. Hardy, Descriptive Catalogue, Vol. III, London 1871, S. 141.
DER HISTORISCHE SCHWANRITTER. 35
fuei'at, servieiis ei, et ipsutfi rohdian sihi retinuit, de scripiis suis hoc
sohim eligens\'^ Daher kommt es Wats, der in seiner Ausgabe das-
jenige, was in Ms. Spelman nicht gefunden wird, eingeklammert
hat, und nach ihm auch Riley, dem Herausgeber der Gesta Abbatuni
St. Albani Walsinghams, wahrscheinlich vor, dafs die Hs. Spelman
sich in der älteren Partie näher als die anderen Hss. an die alte
Rolle anschlofs. Von allem, was sich nun beim Abt Leofstan in
den anderen Hss. findet, fehlte in dem Ms. Spelman nur der Satz
*Sed haec suo loco plenius C07iscrihentiir^ am Schlufs des Kapitels
über die ursprüngliche Beziehung zwischen Leofstan und Flamstead.
Dieser im Ms. Spelman fehlende Zusatz bezieht sich aber auf die
Erzählung von der Empörung der Engländer gegen den Eroberer
und ihrer Niederwerfung, wie sich aus der Vita des folgenden
Abtes Frethericus ergiebt, denn von dieser in der ed. Riley 5 Seiten
umfassenden Erzählung (S. 44 — 49) ist wiederum im INIs. Spelman
nicht die Rede. So dafs nach dem vermutlichen Verhältnis der
handschriftlichen Ueberlieferung die Vita des Abtes Leofstan schon
auf der alten Rolle stand, und zwar — mit einer kleinen Ab-
weichung durch den Zusatz ^Sed haec etc.' — in der Gestalt, wie
sie Matthaeus Paris bietet. Und somit auch die Charakteristik
Rogers von Thoni, da der Einschalter des 'Sed haec etc.' diesen
Passus erst nach der Charakteristik setzte, d. h. an das Ende des
Kapitels, während der Zusatz doch faktisch hinter die Mitteilung
von dem Aufenthalt in den Wäldern um Flamstead hingehört.
In die gleiche Richtung weist eine Prüfung des überlieferten
Textes, der von Leofstan und im besondern von der Herkunft
Rogers von Thoni handelt.
1. Matthaeus Paris sagt in seiner Historia major, dafs König
Edward 1066 ^in vigilia Epiphaniae Domini, feria quinta, pro j-egno
temporali commutavit aeternum'. Obgleich es nun in den Vitae heifst,
dafs der Abt Leofstan '■bienjiio ante Conquaesttan, also 1064, und
'annis duodecim et amplius'^ vor dem Tode seines Nachfolgers (1077),
d. h. vor 1065, stirbt, lassen die Vitae ihn trotzdem ^cito posf'^
nach König Edward, also 1066, aus dem Leben scheiden. Und dieser
Widerspruch ist um so auffallender, als die Vitae Abbatum als eine
Ergänzung zur Historia major bestimmt waren und ursprünglich in
den gleichen Band mit dieser aufgenommen werden sollten. ■* Wir
lernen daraus, dafs diese Daten nicht das selbständige Werk von
Matthaeus Paris sind und dafs er sie unrevidiert aus einer anderen
Arbeit aufnahm : diese andere Arbeit war aber nach der Bemerkung
in zwei Hss. die alte Rolle Adams des Kellermeisters. Für uns
aber ist von Wichtigkeit, dafs dieser Widerspruch beim Abt Leofstan
begegnet, in dessen Leben sich der Passus von dem Thoni findet.
2. Das einzelne, was bei Leofstan von dem Verhältnis zwischen
dem Kloster St. Alban und dem Hof Flamstead berichtet wird.
1 Riley, a. a. O. S. 4. Vgl. ebd. S. XIV.
2 ebd. S. 44. 3 ebd. S. 41. « ebd. S. XI f.
36 J. F. D. ÜLÖTE,
mufs auf mündlicher Klostertradition beruhen, es kann nicht aus
zeitgenössischer Aufzeichnung oder aus Urkunden hervorgegangen
sein. Darauf weist, dafs sowohl die Namen des Turnothus und
seiner Genossen, die kurz vor der Eroberung Flarastead besafsen,
als auch das Kloster St. Alban als frühere Eigentümer Flamsteads
im Domesdaybook fehlen. Ferner, dafs Rogerus de Thoni als
erster normannischer Besitzer Flamsteads aufgeführt wird, statt
Radulfus de Thoni, wie das DB. angiebt.i Endlich die allge-
meine Erscheinung, dafs die älteren Aebte, unter welchen auch
I.eofstan, ohne Regierungsjahre behandelt werden, während erst
nach der Zeit der Eroberung die Daten eintreten ; wir sahen soeben,
wie zweifelhaft noch die Zeitangabe des Antritts der Verwaltung
durch Leofstans Nachfolger war. Nun war allerdings niemand mehr
als Matthaeus Paris in der Lage sich das meiste und zuverlässigste
historische Material zu verschaffen. Das Kloster war ein Centrum
geschichtlicher Bildung der damaligen Zeit und Matthaeus Paris
der Mittelpunkt in diesem Centrum. Eine reiche Bibliothek stand
ihm zur Verfügung. Er überragte seine Zeitgenossen an Kennt-
nissen und in der Kunst die Ereignisse ansprechend mitzuteilen.
Mit den Grofsen seiner Zeit stand er in lebhafter Beziehung. Aber
schon vor Matthaeus wurde im Kloster St. Alban schriftstellerisch
Tüchtiges geleistet, und durch seine Historia major haben wir einen
Einblick in die Methode seines Schaffens: bedeutend ist Matthaeus,
wo er als Berichterstatter des Selbsterlebten auftritt, oder wo er
aus dem Urkundenschatz mitteilt; für die ältere Zeit copiert er
eine vorhandene Chronik, nennt den Namen ihres Verfassers nicht,
betrachtet sie vielmehr als klösterliches Eigentum, macht aber Zu-
sätze, die er wiederum anderen Quellen entnimmt. — Nun gab
es vor seinen Vitae eine alte Rolle, die von den ältesten Aebten
handelte, zwei Hss. weisen mit ausdrücklichen Worten auf die Be-
nutzung derselben hin; von der Entwicklung des Verhältnisses, das
einst zwischen Flamstead und St. Alban bestand, war zur Zeit des
DB. schon nichts mehr urkundlich bekannt. Es liegt also auf der
Hand, dafs die alte Rolle die mündliche Ueberlieferung schon ver-
zeichnet hat und somit auch die Mitteilung über den Thoni ent-
hielt, die notwendig zu dieser mündUchen Ueberlieferung ge-
hörte. —
3. In Verbindung mit diesem allgemeinen Charakter der Vita
Leofstans hat nun ein spezieller Zug in dem uns näher angehenden
Passus besondere Bedeutung: die in der Charakteristik Rogers
(1. Radulfs) von Thoni gegebene Vorstellung von der Herkunft ist
im Widerspruch mit den Anschauungen, die um die Mitte des
13. Jhds. in der litterarischen Welt und bei den Tony um 1300
über den Schwanritter henschten und demnach auch im Wider-
spruch mit dem, was wir von Matthaeus Paris voraussetzen müssen.
Sie ist — und darin liegt ihre besondere Bedeutung — überhaupt
1 Ztschr. 21, 179 f.
DER HISTORISCHE SCHWANRITTER. 37
im Widerspruch mit einer Auffassung, die von dem Schwanritter
der Sage ausgeht.
'Ab Ulis famosis militibus trahens propaginent, qui a Cygtii
710 min e i7iiitulaiiturj Es heifst nicht, dafs der erste nor-
mannische Besitzer Flamsteads von einem berühmten Vorfahren
stammte, sondern er leitete seine Herkunft ab von einer Gruppe
berühmter Ritter. Und der Wortlaut des 'niilitibtis, qui a Cygni
nomine intiiulaniiu-^ weist an sich nicht auf Ritter, die einst Schwäne
waren, wie man sich die Sache zurechtlegen möchte, sondern
auf solche, die eben aus irgend einem Grunde 'mit dem Namen
des Schwanes genannt, bezeichnet, betitelt, angeredet werden','
analog etwa einem '*tnilitibus, qui a Plantagenistae no7?iine intitu-
lantur^ für die englischen Könige aus dem Haus Anjou. Und
doch mufs auch in England zur Zeit des Matthaeus Paris der Stoff
vom Schwanritter verbreitet gewesen sein, und mufs es auch da
für eine besondere Ehre gegolten haben, sich von dem wunder-
baren Ursprung nennen zu können, wie aus unserer ersten Stelle
und aus der Aufnahme der Herkunft im Geschlecht der Bohuns
um oder nach 1300 hervorgeht, und nicht anders möglich ist
durch die Berührungen zwischen anglonorraannischer und franzö-
sischer litterarischer Bildung. Von mehreren Schwanrittern im
Sinne der Sage war damals nichts bekannt: die Entstehung auto-
chthoner Sagen in Brabant und Cleve gehört späterer Zeit an. 2
Also der Wortlaut des Passus schon macht es bedenklich, den
Zusatz dem Matthaeus Paris oder einem solchen Vorgänger des-
selben zuzuschreiben, der zur Blütezeit der Sage lebte, als hätten
sie im allgemeinen Sinn die Herkunft vom Schwanritter der Sage
bezeichnen wollen und unter den berühmten Rittern Helyas und
seine Brüder verstanden. Dazu kommt, dafs Matthaeus in seinen
anderen Werken kein Wort verliert über die alsdann gleiche Her-
kunft Gottfrieds von Bouillon und die der Königin Mathilde, wäh-
rend er bei Roger von Thoni den Zusatz hätte für nötig erachten
sollen. Dafs Matthaeus Paris gerne alles berichtete, was er von
den Thoni in Erfahrung bringen konnte, kann man gar nicht
sagen: ein bei Wats vorkommender und von diesem vermutlich aus
Ms. Spelman genommener Passus über einen Robert von Thoteneio,
der die Kirche 'Cellae de Bealvero' gründete und 1088 starb,^
findet sich ferner bei Matthaeus Paris nicht. Erst von den Thoni
des 13. Jhds., seinen Zeitgenossen, meldet er einiges in seinen
beiden gröfseren Werken.
1 Du Gange hat für die Bedeutung von ' intitulare' nur eine auf unsere
Stelle passende Bedeutung: 'mtitularV = 'titido decorari',
2 Das Aufkommen des clevischen Schwanritters a. a. O. — Auch die
Romane von Balduin von Sebourg und dem Bastard von Bouillon gehören
dem 14. Jhd. an. Allerdings spricht der Schlufs der Elioxe-Version der Schwan-
kinder davon, dafs alle Brüder auf Abenteuer ausziehen {La naissance du
Chevalier au Cygne, ed. H. A. Todd, Baltimore 1889, S. 92). Die Angabe
cheint mir aber eine Phrase des Dichters zu sein,
3 Riley, a. a. O. S. 66.
38 J. F. D. BLÖTE,
Wie man sieht: in Verbindung mit der vermutlichen hand-
schriftlichen Ueberlieferung, mit dem altertümlichen Charakter des
sonst über Leofstan Mitgeteilten, kann Matthaeus Paris der Urheber
der Charakteristik Rogers (d. h. Radulfs) von Thoni nicht sein. Die
Charakteristik mit ihren Rittern ' qtii a Cygni nomine iniitiilantur'
scheint einer Zeit anzugehören, da eine andere Auffassung als die
unserer Sage bestand.
1138 war Adam der Kellermeister, der Besitzer und wahr-
scheinlich auch Verfasser der alten Rolle, schon Mönch des Klosters
St. Alban. Zum letzten Male wird er 1166 handelnd erwähnt 1
und unter dem 20. Abt (1183 — 1195) werden Vorschriften ge-
geben zur Feier des Erinnerungstages seines Todes. Während
seines Lebens — obgleich von ihm vielleicht unbemerkt — geht
die litterarische Entwicklung der Sage vom Schwanritter vor sich.
In dem ersten Decennium seines Klosterlebens und noch manches
Jahr nachher war die Welt noch nicht voll von dem Grofsvater
der drei Brüder, am allerwenigsten in England, obgleich doch
damals das einzige Kind eines der drei boulognischen Brüder,
Mathilde, die Gattin König Stephans, auf dem englischen Thron
safs. Erst um die Glitte des Jahrhunderts, eher später als früher,
tritt der Stoff von den Vorfahren Gottfrieds von Bouillon in die
französische Litteratur ein und mag darauf bald nach England
gelangt sein. Da also die Sage von dem Grofsvater Gottfrieds
erst nach 1150 in England aufgetreten sein kann, und die Familie
Toeni durch die Nähe Flamsteads und das Verhältnis, das zwischen
Flamstead und St. Alban einst bestanden hatte, im Kloster be-
sonders bekannt war, so hätte Adam, falls die Herkunft der Toeni
im Sinne der continentalen Sage erst mit dieser aufgekommen
wäre, doch eine längere Periode erlebt, in welcher die Toeni
keinen Ahnherrn dieses Charakters kannten. Da ferner die Toeni
in der zweiten Hälfte des Jhds. allem Anschein nach der Herkunft
gar keine Bedeutung beilegten — denn beim Aufkommen der
erblichen Wappen nahmen sie nicht einen Schwan, sondern einen
Aermel als unterscheidendes Zeichen an — , so kann der Verfasser
der Rolle nicht durch die festländische Sage oder durch die zeitge-
nössischen Toeni beeinflufst worden sein.- Und schliefslich : da wir
in der Vita Leofstans nur mündliche Klostertradition constatierten,
so beruhen demnach auch die Worte ^qui a Cygni jwtnine iniiiu-
lantur^ auf mündlicher Ueberlieferung. Und so können diese Worte
1 ebd. S. 182.
2 Aufserdera scheint die alte Rolle anfangs nur bis zu dem Tode des
15. Abtes (Richard 1097 — 1119) gereicht zu haben, weil das Ms. Spelman
— zu urteilen nach Wats' Bezeichnungen — nur bis zur Regierung dieses Abtes
Auslassungen hat. Die Abfassung der ersten Vitae dürfte also in die erste
Klosterzeit Adams fallen, vermutlich unter den 16. Abt Gaufridus (1119 — 1146).
Nachher wird Adam Fortsetzungen gemacht haben, die seinem Ms. hohen Wert
verliehen. Auf ihn als Autor weist vielleicht auch der ausführliche Bericht
über die Küche unter dem soeben genannten Abt Gaufridus (Riley, a. a. O,
S.73ff.).
DER HISTORISCHE SCHWANRITTER. 3 g
keine andere Bedeutung haben, als dafs nach eben dieser Ueber-
lieferung der erste normannische Besitzer Flamsteads sich verwandt-
schaftlich zu den Rittern rechnete, die aus irgend einem Grunde
'Schwan' hiefsen und durch ihre Tapferkeil unter dem anglo-
normannischen Adel einen besonderen Ruf hatten. Nun liebten
die Normannen Zunamen. Häufig spottend. Hugo von Avranches
nannte man 'Wolf, Radulf von Gace 'Eselskopf '2, Wilhelm von
Poitiers sogar 'Wergkopf' 3, Herbert I. Graf von Maine f 1036
' Hundewecker '^ u. s. w. Vergleichen wir aber die Plantagenets, so
kann das 'a Cygni nomme' nichts anderes besagen wollen, als
dafs der erste englische Toeni von Rittern abstamme, die sich
durch ein Schwanzeichen von anderen unterschieden und dadurch
'Schwan' hiefsen. Vermutlich führte er mit seinen Leuten auf
seinen vielfachen Kriegszügen dieses Zeichen auch selbst,^"» und war
dies die Ursache, dafs die Ueberlieferung in St. Alban gerade
diese Eigentümlichkeit bewahrte und hervorhob. Es war also ein
Fall, wie bei Thomas von Woodstock f 1397 und Humphrey Plan-
tagenet t 1446, die nach ihrem Abzeichen (badge) Schwan genannt
wurden, 6 und andere anders." — So aufgefafst, bewahrte die noch
zur Zeit König Stephans (1135 — 1154) oder vielleicht zur Zeit
Heinrichs II. (1154 — nSg) entstandene Rolle eine ursprüngliche
Bezeichnung für die Toeni, die allmählich verloren gegangen war.^
Sollte ich etwa zuviel aus den Stellen von 1300 und 1250
geschlossen haben?
Da greift nun zu endgültiger Entscheidung nicht nur dasjenige
ein, was wir von Roger dem Spanier wissen, sondern in erster
Linie das Hauptresultat unserer Untersuchung in den vorangehenden
Abschnitten. Dieses liefs uns — wir dürfen von Balduins zweiter
Gemahlin, der armenischen Prinzessin, absehen — keinen anderen
Weg offen, als dafs von Roger dem Spanier die Sage von dem
1 Pluquet, Roman de Rou, t. II S. 242 Anm. 2. 2 g^j^ s. 252 Anm. 2.
3 ebd. t. I S. 115. 1 Ord. Vital, t. II S. 102. 252.
^ Eine ähnliche Auffassung hatte vor 75 Jahren Aug. Thierry, als er
den neuen Besitzer Flamsteads mit einem Schwan auf dem Schild sein Gut in
Besitz nehmen läfst. Hist. d. l. Conquete de V Angleterre t. II S. 23 (ed. 1839).
^ Für Thomas von Woods tocli: 'Thorw the bush a swan was sclayn'
{Political Poejtts and Songs, ed. by Th. Wright, Vol. I, London 1859, p. 363);
'The Swan ffailed' [Richard the Redeless, ed. by W. Skeat, Oxford 1886,
Vol. I p. 617) U.S.W. — Für Humphrey Plantagenet: 'The Sivanne is
goone'' {Political Poems o. c. Vol. II, 1861, p. 221).
' ebd. an anderen Stellen.
^ Ich habe bei dieser Untersuchung eine Stütze nicht berücksichtigt, da
sie sich in zweierlei "Weise deuten läfst und ihre Documentierung erst spät
auftritt. Roger der Spanier hatte noch einen zweiten Sohn, Robert, welcher
als Robert von Stafford der Begründer des Geschlechtes der StafFord wurde.
Edward von Buckingham nun, Herr von Stafford, nannte sich ca. 1500
'lineally descended'' von Helyas dem Schwanritter. Als die Staffords von
Stafford einen Helmschmuck annahmen (das älteste uns erhaltene Siegel ist
allerdings erst v. J. 1403, wie Hr. E. Maunde Thompson vom Brit. Mus. mir
gütigst berichtete), war derselbe ein Schwan. — Eine Studie über den Schwan-
ritter in englischen Häusern hoffe ich nächstens vorlegen zu können.
40 J. F. D. RLÖTE,
Grofsvater der drei boulognischen Brüder ihren Ausgang nahm. In
den Berichten, die von diesem Roger handeln, fanden wir freilich
keinen Schwan erwähnt. Aber: wenn die energische That des ver-
wegenen Mannes, die ihm die Gattin und bei den Zeitgenossen
und Chronisten den Namen des Spaniers einbrachte, ihre Ent-
sprechung findet in charakteristischen Zügen des Schwanritters
der Sage; wenn dieser Roger der Grofsvater ist der Godehilde von
Totini, wie der Schwanritter der Grofsvater Balduins von Boulogne;
wenn die Sage keine Erinnerung oder Modifizierung einer vor-
gottfriedischen lothringischen Landes-, Familien- oder Volkssage
sein kann; wenn der erste Kreuzzug eine Zeit der Erregung herauf-
brachte, in welcher aus unklar aufgenommenen Vorstellungen ein
sagenhaftes Gebilde ein üppiges Wachstum finden konnte: so folgt
schon daraus, dafs Roger der Spanier das Urbild des Schwanritters
war, und legt es den Schlufs nahe, dafs Roger etwas mit einem
Schwan zu schaffen hatte. Wenn nun gar in einem von Matthaeus
Paris fortgesetzten Werk berichtet wird, dafs der erste Besitzer
Flamsteads, der wie wir wissen der Sohn des Spaniers war, seinen
Ursprung von Rittern ableitete, 'quia Cygni nomine iniitulontiir\ und
dafs mehrere Anzeichen darauf schliefsen lassen, dafs diese Aussage
sich auf einer alten Rolle vorfand, die zm* Zeit König Stephans
oder König Heinrichs geschrieben ward; wenn ferner ein Tony von
1300 sich des Ursprungs vom Schwanritter rühmte und kein Zu-
sammenhang mit einem sonstigen Geschlecht vom Schwanritter der
Sage besteht, wie sich für Brabant, Cleve und Arkel nachweisen
läfst: so sehen wir unsere Schlufsfolgerung bestätigt, dafs Roger der
Spanier in irgend welcher Weise mit dem Schwan verbunden war,
und dafs die Berufung der englischen Tony ursprünglich unabhängig
von der Herkunft der drei boulognischen Brüder war und bis in
die Zeit vor der Eroberung hinaufreichte, wie auch der Passus des
Matthaeus Paris zum Ausdruck brachte.
So erhellen die Stellen des Matthaeus Paris und des Wappen-
dichters, die Berichte über Roger von Toeni und die Sage vom
Schwanritter sich gegenseitig und greifen für unsere Erkenntnis
ergänzend in einander ein. Die Erinnerung an Godehildens von
Toeni Grofsvater ist also in der That der Same, aus welchem zur
Zeit des ersten Kreuzzugs auf dem Kontinent die Sage vom Schwan-
ritter hervorsprofs. —
Ich sprach oben im Anschlufs an die Plantagenets die Ver-
mutung aus, dafs Roger und wohl auch sein Sohn Radulf auf
ihren Kriegszügen sich und die Ihrigen durch ein Schwanzeichen
unterschieden oder ein Schwanzeichen führten. — Roger von Toeni
war wie sein Sohn Radulf 'signifer toiiiis Normati?iiae\^ Wir be-
gehen also keinen Anachronismus, wenn wir annehmen, dafs ent-
weder Roger in seinen Privatunternehmungen auch seinen signifer
1 Ord. Vital, t. II S. 401. II, I2i; Will. Gemmet. VII, 3; Roma^i de Rou.
ed. Pluquet, t. II S. 195.
DER HISTORISCHE SCHWAN RITTER. 4!
hatte oder dafs er und seine Leute an einem besondern Zeichen
erkennbar waren. i Wir haben uns den Schwan bei Roger von
Toeni also als ein Kriegszeichen vorzustellen.
Und auf einen Schwan als Kriegszeichen weist noch etwas
Anderes. Ich wiederhole hier die Vermutung, die ich schon in
dem ersten Artikel S. 158 ff. als eine sehr berechtigte angeführt
habe. Balduin von Boulogne wurde vor seinem Königtum an
einem besondern Zeichen, das leider nicht beschrieben wird, er-
kannt.2 Nun hatte er bei seiner Fahrt nach dem Orient einen
ähnlichen Zug angetreten wie der Grofsvater seiner Frau ; bei
beiden war der Zweck und das Ziel Kampf gegen die Heiden.
Balduin war der jüngste Sohn des Hauses Boulogne, er hatte sich
soeben erst mit der einzigen Tochter der Toeni vermählt, die ihn
auf der Reise begleitete, und kein Toeni nahm an dem Kreuzzug
teil: alles Grund genug, das Zeichen des gefeierten Spaniers als
einen glückanbringenden Talisman gleichfalls als unterscheidendes
Zeichen anzunehmen. Und ferner: die einfache Erzählung, dafs
der Grofsvater ein Schwanzeichen geführt hatte, wäre wohl in den
bewegten Zeiten des Kreuzzugs verschollen, wenn nicht etwas An-
lafs gegeben hätte, den Gedanken daran in der Umgebung und
in weiteren Kreisen festzuhalten. Und dazu eignete sich vor allen
Dingen ein sichtbares Schwanzeichen. Der Grund, weshalb Bal-
duin gerade dieses Zeichen gewählt hatte, wurde gleich anfangs
bei seiner Umgebung bekannt. Und als Godehilde nun durch
Siechtum zurücktrat und binnen einem Jahre starb, war die Ver-
wechslung zwischen Balduins und Godehildens Grofsvater ein
Leichtes, wenn dieselbe nicht schon eingetreten war. Dadurch
erklärt sich auch, dafs gerade nur das Allgemeine aus der Familien-
tradition der Toeni festgehalten wurde: wie der Grofsvater mit
seinem Schwan rettend in dem Lande erschien, der Witwe zu
ihrem Rechte verhalf, die Tochter zur Frau nahm. Das genauere
Locale drang nicht in die Menge, oder wurde bald spurlos ver-
wischt. Und so nahm der Stoff, als der Schwanritter als Grofs-
vater Balduins und nicht seiner Gattin aufgefafst wurde, leicht
lothringische Färbung an.
Dafs die normannischen Chronisten von Rogers Zeichen
schweigen, ist nicht auffallend. Wilhelm von Poitiers, der aller-
dings der Einzelnheiten wenige bietet, Wilhelm von Jumieges,
Orderic Vital, Robert von Monte schweigen sogar von den Zeichen
und Farben der normannischen Reichsfahne. Aus ihnen und den
sämtlichen Chronisten des 12. und 13. Jhds., Wilhelm von Tyrus
ausgenommen, erfährt man gleichfalls nichts von der wunderbaren
Herkunft Gottfrieds von Bouillon und seiner Brüder. Noch mehr:
aus den normannischen Chronisten vernehmen wir über Rogers
1 Dafs es zur Zeit der Eroberung und vorher unterscheidende Kriegs-
zeichen gab, davon haben sich Berichte erhalten. Vgl. Ztschr. a. a. O. S. 181.
2 Albert von Aachen IX, 9. Wilhelm von Tyrus III, 20.
42 J. F. D. BLÖTE,
Fahrt nach Spanien nur, dafs er in Spanien gewesen ist und dafs
er seitdem den Namen des Spaniers hatte. Hätten wir den mit
Roger gleichzeitigen Bericht Ademars nicht, wir würden auch für
die Erlebnisse Rogers in Spanien vollständig im Dunkeln tappen.
Und so wissen wir von Roger dem Spanier auch zu wenig,
um feststellen zu können, ob die beiden merkwürdigen Züge der
späteren Sage — der Zweikampf und das Verbot der Frage —
nicht schon in der Tradition, die sich um seine Person in der
Familie Tocni entwickelt hatte, vorkamen. Dafs diese Züge aus
altertümlichen Anschauungen hervorgegangen sein müssen oder be-
liebige dichterische Zusätze sein sollten, ist ebenso wenig notwendig,
als dafs die Sage vom Schwanritter aus alten heidnisch-mythischen
oder gar ursprünglich totemischen Anschauungen hervorgegangen
wäre. Nur in der Gestalt, wie wir sie in den Aufzeichnungen seit
den Chansons kennen lernen, sind sie uns auffallend. Roger kann
einen Zweikampf in Spanien bestanden haben und so besonders für
das gute Recht der Witwe' eingetreten sein. Roger kann aus irgend
einem Grunde auf diesem Zuge oder sonst verboten haben, nach
seinem Namen zu fragen, er war ja zu Sonderbarkeiten geneigt.
Auch Erlebnisse verschiedener Zeiten können sich zu dem Gesamt-
bild vereinigt haben. Die Familientradition kann unserer Sage in
diesen Zügen schon ähnlich gewesen sein. Aber Material zu sichern
Schlüssen ist nicht auf uns gekommen.2 —
Die Erinnerung an den Spanier und sein Zeichen machte in
der Familie Toeni im Laufe der Zeit verschiedene Phasen durch,
die sich aus gewissen Kennzeichen bestimmen lassen. Unter seinem
Sohn Radulf II., f 1102, lebte die Familientradition in ihrer ganzen
Kraft, wie Roger den Namen des Spaniers erwarb, wie er zu seiner
Gattin kam, mit welchem Zeichen er damals und sonst auszog.
Die Uebertragung der Familientradition der Toeni auf Balduin
weist darauf, dafs Balduin vermutlich dieses Schwanzeichen annahm.
1 Sie war die Erbin, s. Ztschr. a. a. O.
2 Was ich in Ztschr. a. a. O. S. 183 f. aufstellte, waren Vermutungen. —
Ob wir, um das Verbot der Frage und das Wegziehen des Ritlers zu ver-
stehen, an einen (oder zwei) der keltischen Heldensage entnommenen gess zu
denken haben (Ed. AVechssler, Die Sage vom heiligen Gral, Halle 1898, S. 131),
kommt mir angesichts der Entstehung der Sage vom Schwanritter sehr un-
wahrscheinlich vor. Nachdem das Rohmaterial unserer Sage in die dichte-
rische Sphäre gerückt war, konnte sich freilich bei der Weiterbildung manches
anschliefsen, und das Märchen von den Schwankindern ist dafür ein charakte-
ristisches Beispie], obgleich bei diesem Märchen zu betonen ist, dafs es durch
die Schwäne etwas Verwandtes hatte. — Das Verbot der Frage und das
Wegziehen des Ritters lassen sich übrigens verstehen als eine Weiterentwick-
lung der lothringischen Auffassung von einer geheimnisvollen Ankunft des
Ritters: eine geheimnisvolle Ankunft bedingte bei weiterer Abrundnng der
Sage ein geheimnisvolles Wegziehen; das geheimnisvolle Wegziehen verlangte
sodann eine Motivierung, und dafür lag die Verwendung des alten Motivs auf
der Hand, dafs ein wunderbares Wesen eine Frage nach seinem Ursprung
nicht gestattet. Ebenso entwickelte sich nachher, jetzt aber wahrnehmbar,
der willkürliche Zusatz von einem Wiederfinden des Ritters, —
DER HISTORISCHE SCHWANRITTER. 43
Nach Radulfs IL Sohn, Radulf III. f 1126, mufs eine allmähliche
Verdunklung in der Erinnerung eingetreten sein, die bis nach der
Entstehung der englischen Familienwappen gedauert hat, denn
wäre in der zweiten Hälfte des 1 2. Jhds, in der Familie die Er-
innerung an die Thaten Rogers in voller Lebendigkeit gewesen
wie im ii.Jhd., oder hätten die Tony aus dieser Zeit auf die
Tradition mit dem Schwanzeichen besondern Wert gelegt, so hätte
das Geschlecht wohl einen Schwan in sein Wappen aufgenommen,
nicht einen Aermel. Die in dem Kloster St. Alban entstandene
Rolle verzeichnete um 11 50 die Erinnerung an das einst gefeierte
Zeichen. - — • Als nun die französische Dichtung sich des Stoffes
bemächtigt hatte, und der Stoff dann nach England drang, mag
auch zuletzt bei den Tony wieder lebendig geworden sein, was
nur noch als dunkle Tradition in ihrer Familie lebte, d. h. dafs
einst einer ihrer Vorfahren und die Seinen einen Schwan als
Kriegszeichen führten. Und was Wunder, dafs unter dem Einflufs
der bedeutenderen Tradition von dem Schwanrilter der Sage die
Erinnerung der Tony sich der glänzenderen Vorstellung der Her-
kunft assimilierte, als eine Folge der nur unklar fortlebenden Er-
innerung an ihren einstigen Vorfahren. —
Für den Anfang der litterarischen Entwicklung der Herkunfts-
sage der drei Brüder scheinen mir die Daten nicht unwichtig, die
wir durch Radulf von Caen, Albert von Aachen und den Verfasser
des Lebens der B. Ida erhalten. Der Keim der Herkunft wurde
zur Zeit des ersten Kreuzzugs gelegt; nur für die Lothringer hatte
es Bedeutung sich gerade mit der Herkunft Gottfrieds und Balduins
zu beschäftigen, und die nachherigen Gedichte vom Schwanritter
verraten niederlothringische Quelle. Wenn nun um 11 25 Albert
von Aachen die Herkunft nicht erwähnt, wiewohl er nach pro-
phetischen Zeichen für seinen Gottfried spähte, so sind wir sicher,
dafs es um diese Zeit noch keine ausführliche litterarische Beliand-
lung der Herkunftssage gab, welche etwaige Angaben Alberts in
dieser Materie hätte documentieren können. Auch nicht im hlg.
Lande, wie Radulf von Caen 1118 zeigt. Vermutlich noch nicht
um II 36 in Lothringen, da ein Verherrlicher der Ida nach geeig-
netem Material ausgeschaut haben mufs. Nach den angeführten
Daten kann die litterarische Entwicklung der Sage also frühestens
in dem zweiten Viertel des 12. Jhds. ihren Anfang genommen
haben. Es gab demnach in Lothringen eine Periode mündlicher
Tradition, die mindestens ein Vierteljahrhundert, vermutlich aber
länger dauerte.
Dies sind die Gedanken, die ich über den Gegenstand vor-
lege. Ich glaube die Resultate in folgenden vier Sätzen zusammen-
fassen zu dürfen:
I. Die Sage vom Schwanritter ist keine alte vorgottfriedische
lothringische Tradition oder ein Ausflufs einer solchen.
44 J- F- ^- BLÖTE, DER HISTORISCHE SCHWANRITTER.
2. Sie ist die Umbildung und Ausschmückung der Erlebnisse
Roo-ers von Toeni, des Grofsvaters der Godehilde, welche die Ge-
mahlin Balduins von Boulogne wurde.
3. Diese Umbildung ist von Lothringern während und kurz
nach dem ersten Kreuzzug vollzogen worden.
4. Die französischen Chansons bewahren im gewissen Sinn das
richtige verwandtschaftliche Verhältnis, nach welchem der Schwan-
ritter Grofsvater der drei Brüder war.
J. F. D. Blöte.
Berichtigung.
Auf S, II Anm. 2 ist zu lesen Bd. 44.
Ueber die Sprache des Skizzenbuches von
Vilard de Honnecourt.
In der Galerie Mazarine der Nationalbibliothek zu Paris wird
das den Archäologen und Architekten wohlbekannte Skizzenbuch
eines Baumeisters des 13. Jahrhs., Villard de Honnecourt, ^ auf-
bewahrt. Mit sicherer Hand hat der alte Meister auf seinen Kunst-
reisen einzelne Bauteile berühmter Kirchen, Kirchengeräte, Statuen,
Freskenbilder kopiert, Zeichnungen nach lebenden Tieren, einem
Löwen, Bären, Schwan, einer Heuschrecke, gemacht, Gewandstudieu
von auffallender Schönheit gezeichnet. Diese zum eigenen Ge-
brauch ausgeführten Skizzen wird er nachträglich zusammengestellt
haben mit der Absicht eine Art Lehrbuch etwa für seine Mit-
arbeiter und Schüler daraus zu bilden; die Zeichnungen wurden
mit einem erläuternden Text versehen. Aus der einleitenden Be-
merkung geht hervor, dafs das Skizzenbuch ein Traktat über
„maconerie", „carpenterie" und „portraiture" (Zeichenkunst), „ensi
come li ars de iometrie le commande et ensaigne" werden sollte.
Li der That finden wir nach einer Reihe von Zeichnungen, welche
dieser Definition nicht entsprechen, einige Blätter mit Skizzen von
Maschinen (engiens), verschiedenen Gebälksystemen und eigentüm-
lichen Versuchen Menschen- und Tiergestalten in geometrische
Figuren einzuzeichnen und zu schematisieren. Ein späterer Schreiber
(s. unten) hat diese Zeichnungen z. T. mit Erklärungen versehen,
vielleicht sind einige Maschiuenzeichnungen sogar diesem jüngeren
Bearbeiter zuzuschreiben. Den Schlufs des Buches bilden wieder
Zeichnungen, die rein künstlerischen Absichten ihre Entstehung
verdanken. Schon diese eigentümliche Anlage zeigt, dafs die
Handschrift nicht in der ursprünglichen Gestalt erhalten ist. Wenn
wir ferner bedenken, dafs die einzelnen Hefte, aus denen das
Buch zusammengesetzt ist, von sehr ungleichem Umfange sind und
z. T. aus losen einzelnen zusammengenähten Pergamentblättern be-
stehen, so werden wir annehmen, dafs Villard ein Handbuch aus
seinen Studienblättern zusammengestellt hatte, dafs dann etwa nach
^ Album de Villard de Honnecourt, architecte du XIII. siede, manuscrit
public an fac-simile annote, pr6c6d6 de considerations sur la renaissance de
l'art fran^ais au XIX. siecle et suivi d'un glossaire par J. B. A. Lassus,
ouvrage mis au jour, apres la mort de M. Lassus et conform^ment ä ses nianus-
crits par Alfred Darcel. Paris, Imprimerie imperiale. 1858. XVIII, 232 p.
46 F. ED. SCHNEEGANS,
seinem Tode die Blätter getrennt, z. T. zerschnitten worden sind,
um als Zeichenvorlagen zu dienen und dann aus den Trümmern
die uns erhaliene Handschrift wiederhergestellt wurde; viele Blätter
waren aber verloren gegangen. Die Reste des Traktats über „car-
penterie", „maconerie" und „portraiture" wurden mitten unter andern
Zeichnungen untergebracht. Noch im 13. Jahrb., wie der Heraus-
geber Lassus richtig bemerkt hat, wurden die ersten Blätter durch
Buchstaben auf r*^ und v^ bezeichnet, nach fol. Sr^ hört diese Pagi-
nation auf; fol. g, h ist nach dieser Seitenbezeichnung spurlos ver-
schwunden, vor einer spätem Seitenbezeichnung aus dem 15. Jahrb.,
die nur r" der einzelnen Seiten mit Buchstaben bezeichnet und
die Lücke fol. g, h nicht berücksichtigt. Diese zweite Zählung geht
ohne Störung bis T (entsprechend unserm fol. igr'^), ist dann unter-
brochen und fol. 20 r^ mit römischen Ziffern VI bis XVIIII fortge-
setzt; zwischen fol. 32rO (bezeichnet XVllIl) und fol. 33 r» (= XXVIl)
fehlen wenigstens 7 Seiten. Ueber die Lücke zwischen fol. igr"
und fol. 2Or0 (T und VI) läfst sich nichts Bestimmtes sagen. Ein
späterer Besitzer J. Mancel ^ bemerkt auf der letzten Seite der Hs.
„En ce livre a quarante et i feuillet"; da der jetzige Text nur
33 Seiten zählt, sind seit dem 15. Jahrb. 8 Seiten, nämlich die jetzt
fehlenden S. XX — XXVI und eine Seite wohl nach fol. 33 vO ver-
schwunden. Aufserdem sind vor der zweiten Zählung mehrere
Seiten ausgeschnitten worden, deren Reste noch vorhanden sind,
im ersten Heft i Blatt (zwischen öv^ und yr"), im zweiten Heft
5 Blätter (zwischen 8 und g, 10 und 11, 12 und 13), im dritten
Heft 2 Blätter (zwischen 14 und 15 und 17 und 18; Lassus nimmt
ein drittes fehlendes Blatt an, von dem ich keine Spuren gefunden
habe), im vierten Heft 2 Blätter (vor fol. 18), im fünften Heft 1 Blatt
(zwischen 30 und 31, Lassus nimmt eine Lücke am Anfang dieses
Heftes an, die ich nicht bemerken konnte); mit der oben nach-
gewiesenen Lücke von 8 Seiten würden vor der letzten Seiten-
bezeichnung im 15. Jahrb. 19 Seiten (nach Lassus 21) verschwunden
sein. Dazu kommt ein Blatt, das bereits im 13. Jahrh. fehlte, und
die Lücke von etwa 10 Seiten, die wir zwischen der Seitenbezeich-
nung nach Buchstaben und der nach römischen Ziffern annehmen
müssen. Es würden somit etwa 30 Seiten fehlen. Die Verluste
waren aber offenbar viel gröfser, denn 1 1 einzelne lose Blätter und
2 Fragmente lassen das Fehlen von weiteren 13 Seiten annehmen,
also zusammen etwa 40 Seiten.
Lassus hat die Handschrift eingehend und sorgfältig be-
schrieben, nur in der Verteilung der Blätter auf die einzelnen
Hefte stimme ich nicht mit ihm überein. Ich entnehme seiner Be-
schreibung folgende Angaben; „L'album de Villard de Llonnecourt,
^ J. Mancel kann nicht die Zälilung der Seiten zugeschrieben werden,
wie Lassus annimmt, wegen der Unterbrechung der Zählung nach T; die
fehlenden Seiten müssen verschwunden sein, bevor er die Seitenzahl auf 41
berechnete.
SKIZZENBUCH VON VILARD DE HONNECOURT. 47
conserve ä la Bibliotheque imperiale avec les manuscrits qui pro-
viennent de l'abbaye de Saint-Germain des Pres et cot6 S. G. latin
II 04, est compos6 de 33 feuillets de parchemin de qualite infe-
rieure, noircis par l'usage et irr^gulierement coupes. Ces feuillets,
qui mesurent o "",232 ä o "^240 de hauteur sur o"\i55 de lar-
geur en moyenne, form^s d'une feuille de parchemin pli6e en
deux, sont proteg6s par une peau de truie dont Tun des cötes se
rabat sur l'autre, et relies en six cahiers solidement cousus aux
nervures qui garnissent le dos du volume. Cette reliure, sous la
garde de laquelle on a inscrit la date de 1560, doit etre du
XIII. siede, mais posterieure aux dessins qu'elle conserve, car, bien
que chaque feuillet serve de champ a un ou plusieurs dessins
complets, il en est un qui gagne d'une page sur l'autre. Ainsi
l'on peut voir pres de la tete de l'un des deux personnages assis,
planche XXVI (der Ausgabe = fol. i4r''), les fers des lances que
portent les cavaliers de la planche XV (fol. Sr") qui, dans l'Album,
fait partie de la nieme feuille de parchemin" (Einl. S. 55).
Die wertvolle Handschrift ist bis jetzt nur von Künstlern und
Archäologen untersucht worden, die für die Erklärung des oft
schwierigen Textes und die Deutung der Zeichnungen wertvolles
Material geliefert haben. Der Text hat aber für die Erforschung
der Sprache des Mittelalters den seltenen Vorzug ein Originalwerk
zu sein, entschieden dialektisch gefärbt, genau lokalisiert und datier-
bar und ausführlich genug zu sein, um Stoff zu einer sprachlichen
Untersuchung zu bieten. Er verdient also wohl auch in der Be-
ziehung bearbeitet zu werden. Ein Vergleich der Handschrift und
die Untersuchung der Sprache lassen aufser Zweifel, dafs wenig-
stens drei zeitlich und ihrer Bildung nach verschiedene Schreiber
an dem Texte gearbeitet haben, eine Beobachtung, die merk-
würdigerweise den bisherigen Bearbeitern des Textes entgangen
zu sein scheint, für die Beurteilung der Leistungen Villard's
aber nicht ohne Wichtigkeit ist. Leicht erkennbar ist die Schrift
Villard's (ms. i), schöne, sorgfältig geformte Buchstaben, mit cha-
rakteristischem keilförmigem oberm Ansatz der Zeichen /, h, b,
Schriftzüge, die von der hohen Bildungsstufe des Schreibers zeugen.
Die Schrift ist sehr gleichmäfsig ebenso wie die Orthographie, am
Schlufs fol. 33 rO (dem medizinischen Rezept) ist sie etwas gröfser
als gewöhnlich. Die Inschrift fol. 3v'^ „orgieus si cume il tribuche.
humilite" ist von einer andern Hand (ms. 2); die Buchstaben sind
mehr gerundet und schmaler, der Ansatz des h, des / ist ver-
schieden, auch das Abkürzungszeichen für et. Derselben ms. 2
möchte ich auf fol. lyr^ die Inschrift „ce est un imaie de iu si
cume il est cheus", sowie fol. 2 1 v" die beiden Rezepte für die Zu-
bereitung von Töpfererde und eines Enthaarungsmittels („on prent
kaus et tyeule mulue de paiens" etc., „on prent vive kaus bolete"
etc.) und auch den erklärenden Text zu fol. 31 v" zuschreiben.
Der gröfste Teil des Textes stammt von ms. i. Sehr verschieden
von ms. i und ms. 2 ist die viel nachlässigere, auch rundere Kursiv-
48 F. ED. SCHNEEGANS,
Schrift (ms. 3) des Textes zu den Skizzen der „force de le maco-
nerie" fol. 20r'', 20 v^^, 2ir" und gelegentlich zu andern Skizzen,
die ms. I bereits mit Erklärungen versehen hatte, so iol.i^v^, i6r0.
Es ist offenbar die Schrift eines Mitarbeiters Villard's oder eines
späteren Besitzers seines Skizzenbuches, den besonders die archi-
tektonischen und rein technischen Zeichnungen interessierten, also
wohl eines Werkmeisters. Diese Schrift (ms. 3) wird gröfser und
derber, da wo der Raum es gestattet, so fol. 22vO, 23r0, öv" („cest
li raasons don orologe"). In dem folgenden Abdruck des Textes
nach dem Original der Nationalbibliothek sollen ms. 2 durch ge-
sperrten Druck, ms. 3 durch Kursivschrift unterschieden werden.^
1. fol. I v". Ci poeis v(os) trover les agies des .XII. apostles en seant.
Wilars de honecort v(os) salue et si proie a tos ceus qui de ces engiens
ouverront, c'on trovera en ccst livre qu'il proient por s'arme et qu'il lor so-
viengne de lui. Car en cest livre puet o(n) trover grant^ consel de le grant
force de maconerie et des engiens de carpenterie, et si tioveres^ le force de
le porlraiture, les trais ensi come li ars de iometrie le (co)ma(n)de* et ensaigne
2. fol. ar". (sehr verblafst) de Honnecor eil qui fut en Hongrie.
3. fol. 3vO. ms. 2. orgieus^ si^ cume il tribuche. humilite.
4. fol. Sr". Maint ior se sunt maistre despute de faire torner une ruee
par 11 seule; ves ent ci c'o(n) en puet faire par mailles nonpers u par vif-
argent.
5. fol. ör". De tel maniere fu li sepouture d'un Sarrazin q(ue) io vi
une fois.
6. fol. 6 v". c'esi li masons d'on orologe.
Ki velt faire le maizo(n) d'une ierloge ves ent ci une q(ue) io vi une
fois. Li p(re)miers'' estages de desos est quares a .IUI. peignonciaus. Li
estages deseure est a .VIII. peniaus, et puis covertic, et puis .IUI. peignon-
ciaus; entre .II. peignons .1. espasse wit. Li estages tos deseure s'est q(ua)res
a .IUI. peignonciaus^, et li co(n)bles a .VIII. costes. Ves aluec le portrait.
7. fol. 7r*>. Ki velt faire .1. letris por sus lire evangille, ves ent ci le
mellor maniere que io sace^: pr emiers a p(ar) tierre .III. sarpens et puis ime
ais a .111. conpas deseure et par deseure .III. sarpens d'autre maniere, et co-
lonbes de le haulure des sarpens, et p(ar) deseure .1. tria(n)gle. Apres v(os)
vees^" bien de confaite maniere li letris est: ves ent ci le portrait; en mi liu
des .III. colonbes, doit avoir une verge q(ui) porte le pumiel sor coi li
aile siet.
8. fol. gr". Ves ci une cantepleure c'o(n) puet faire en .1. henap e(n)
tel maniere, q'ens en mi le lienap doit avoir une torete et ens cn mi liu de
le tourete doit avoir .1. behot q(ui) tiegne ens el fons del henap, mais q(ue)
li behos soit ausi Ions co(n) li henas est p(ar)fons, et eus en le torete doit
avoir .III. travecons p(ar) soutre le fons del henap, si q(ue) li vins del henap
' Die Interpunktion des Originals, die die Pausen des gesprochenen
Satzes getreu wiedergiebt , wurde beibehalten, nur wurden die Punkte durch
die entsprechenden modernen Zeichen ersetzt.
Abweichungen von dem Text in Lassus' Ausgabe: ^ graud ^ troueres
* comand ^ orgieul ^ Hs. csi ' premierz * peignonciaux ^ face ^" veez
SKIZZENBUCH VON VILARD DE HONNECOURT. 49
puist aler al behot, et p(ar) deseur le torete doit avoir .1. oizieli q(ui) doit
tenir so(n) biec si bas q(ue) qant'^ li henas iert plai(n)s qu'il boive; adont s'en
cona li vins p(ai) mi le behot et p(ai) mi le piet del henap q(ui) est dobles;
et s'entendes bien q(ue) li oiziaus^ doit estre crues.
9. fol. 91"*. Et se v(os) voleis faire .1. escaufaile de mai(n)s vos fereis
ausi come une pume de keuvre de .II. moities clozeice, Par dedens le pume
de keuvre doit avoir ,VI. ciercles de keuvre, cascuns des ciercles a .II. to-
reillons et eus en mi liu doit estre une paelete a .II. toreillons. Li torello(n)*
doivent estre cangiet en tel maniere, q(ue) li paelete al fu demeurt ades droite.
Car li uns des toreillons porte l'aut(re) et se v(os) le faites a droit si (co)me
li letre le v(os) devize^ et li portraiture, torner le poes quel part q(ue) v(os)
voleis ia li fus ne s'espandera. Cis engiens est bons a vesq(ue), h(ar)diement
puet estre a grant messe car ia ta(n)t com il tiegne cest engieng entre ses
mains froides nes ara, ta(n)t co(m) fus puist durer en cest e(u)gieg n'a pl(us).
Cis engiens est fais p(ar) tel maniere quel p(ar)t q(u'i)l tort ades est li
paelete droite.
10. fol. 9vO. J'ai este en m(o)lt de tieres si co(n) v(os) pores^ trover
cn cest liv(re); en aucun liu, onques tel tor ne vi co(m) est cele de Loo(n):
ves ent ci le preni(ier) esligemeut, si con des p(re)mieres feueslres. A cest
esligement est li tors tornee a .VIII. arestes, s'en s(un)t les .IUI. lilloles
quarees, seur colonbes de trois. Puis si vienent arket et entaulemens se
resunt les filloles p(ar)ties' a .VIII. colonbes, et e(n)tre .II. colonbes saut uns
bues. Puis vienent arket et entaulemens; p(ar) deseure sunt li conble a
.VIII. crestes; en cascune espase a tme avkiere por avoir clarte. Esgardes
devant v(os) s'en vereis* m(o)lt de le maniere et tote le montee, et si co(n)
les fiUoles se cangent; et si penseiz car si v(os) voles^ bien ovrer de tor'"
grans pilers forkies v(os) covient avoir q(ui) ases aient col. Prendes garde^^
en vostre afaire si feres q(ue) sages et q(ue) cortois.
11. fol. lOv". Ves ci une des formes de Rains des espases de le nef
teles com eles sunt entre .II. pilers. J'estoie mandes en le tierre de Hongrie
qant io le portrais por co l'amai io miex.
12. fol. I2r<'. Ves ci l'une des .II. damoizieles de q{ue)i- li iugemens
fu fais deva(u)t Salemon de leur enfant, q(uc) cascune voloit avoir.
13. lol. 14 vo. Ves ci une glize desquarie ki fu esgardee a faire en l'or-
dene de Cistiaus^^.
Ves ci l'esligement del chavec nie dame Sainte Marie de Canbrai, ensi
com il ist de tierre. Avant en cest livre en trouveres les montees dedens et
dehors, et tote le maniere des capeles et des plains pans autresi, et li maniere
des ars boteres.
14. fol. 15 r". ms. 3 Istudbresbite)iu{m)'^^ invet2er{un)t Ulardus de Hiine-
cort et Petrus de Corbeia i\n)t (sie!) se disputando.
Istud est presbiteriu[t7i) S(an)c{ti) Pharaonis in Miaus'^^.
ms. I Ves ci l'esligement de le glize de Miax de Saint Estienne. — De-
seure est une glize ^"^ a double charole, k(e) A'ilars de Honecourt trova et
Pieres de Corbie.
Lassus: ^ oisiel ^ quant ^ oisons * toreillon ^ devise *> porez ^ porties
* vereiz ^ volez i" de toz ^^ gard 1- qui ^^ Cisliaux " piesbiterium
15 Maus 1^ glise
Zeitschr. f. rom. Phil. XXV. a
50 F. ED. SCHNEEGANS,
15. fol. l$\°. ms. 3 C/ii prennes tnatere d^oii piler ynetre a droite
loisons.
ms. I J'estoie une fois en Hongrie la u ie mes maint jor la vi io le pa-
vement d'une glize de si faite maniere.
ms. 3 Ista est fenestra in te{m)pIo s{an)c{t)e Marie Carnoti.
16. fol. lör". ms. I C'est une reonde veriere de le glize de Lozane.
ms. 3 Ista est fenestra in Losana ecci(es)ia.
17. fol. lyr". ms. 3 Istud est presbiterium beute Marie Vecellensis
eccl{es)ie ordinis Cisterci{e)n{sis).
ms. 2 Ce est un imaie de J(es)u^ si cume il est cheus.
18. fol. lyv". Or poes veir .1. bo(n) conble leg(ier)2, per hierbegier de-
seur une chapele a volle.
Et se v(os) voles veir .1. bon conble legier a volte de fast prendes
aluec garde^.
Ves ci le carpenterie d'une forte acainte.
Ves ci une esconse q(ui) bone est a mones por lor candelles porter
argans; faire le poes se v(os) saves torner.
19. fol. i8rO. ms. 3 Chi commence le tnate de la portraiture.
Incipit materia porturature.
20. fol. iSv". ms. I Ci comence li force des Irais de porlraiture si con
li ars de iometrie les ensaigne, por legierem(en)t ovrer, et en l'autre fuei s(un)t
eil de la maconerie.
21. fol. igv". En ces .IUI. fuelies a des figures de l'art de iometrie,
mais al conoistre covient avoir g(ra)nt esgart ki savoir velt de q(ue) cascune
doit ovrer.
22. fol. 20 r". ms. 3 a) Par cu pre[n) um la grosse d'one colonbe que
on ne voit mie tote.
b) \_P'\ar chu trov'om le point en mi on canpe a conpas.
c) [P]ar chu tail'ojn le mole d'on grant arc dedens .111. pies de tere.
d) \_P'\ar chu fait om on cavece a .XII. vesrires.
e) [P](zr chu vos^om U7ie arc le cintreel devers le ciel.
f) [PJar chu tail'om erracenmetis.
g) \_P']ar chu fait om cheir deus pires a un point si Ions ne seront.
li) \P\ir chu tail'om vosure d'estor, de machonerie roonde.
i) [Pjar chu tail'otn vosure besloge.
j) \_P'\ar chu fait om on pont desor one aive desus^ de .XX. pies
de'-' lonc.
k) [/'jar chu fait om on clostre, autre tant es voies com el prael.
1) \_P'\ar chu prent on la largece d'one aive, sens paseir.
m) \_P'\ar chu prent om la largece d'one fenestre ki est Ions,
u) [/-*]ßr chu assiet om^ les .IUI. coens d'on clostre sens pionc e
ssens linel.
o) \_P'\ar chu partis om one pirre que les .II. moities sont q[ua)reies'',
P) 1.^1^^ '^'''" '^''^ ^"^ ^^ ^'•*' d'on persoir.
q) \^P'\ar chu fait om .II. vassias , que li ons tient .II. tans quo^
li atres.
Lassus: * Deiu 2 leger ^ gard * fus ^ d "am ' a queres * que
SKIZZENBUCH VON VILARD DE HONNECOURT. 5I
r) [_P^ar chu tail'on vosure riuleie.
s) Totes ces figures sunt estraites^ de geotnetrie.
23. fol. aov". a) Par chu tail'on pendans'^ riules, metes le has el haut.
b) En si prendes^ one roonde, en on agle s'en ares le grose.
c) Par chu fait on one clef del tijrc^ et justice one scere.
d) Par chu tail'on one clef del quint point.
e) Par chu fait on on piler de quatre cuins venir a loison.
f) Par chu taiVon uosors par esscandelon.
g) Par ceste raison mont'om^ Vaguile d'one toor et taille les moles.
h) Par chu taiVom vosure pendant.
i) Pa chu p{re)nt om^ le hautece d'one toor.
j) Par chu »lo/it'oni^ duus pilers d'one hautece se/is plom et se/is livel.
24. fol. 211". a) Pa chu inet om on capitel d'uit colonhes a one sole
s'en ti'est /nie si en conbres, s'est li machonerie hone.
b) Par chu met om on oef dessos one poire par mesure, que li poire
chice sor l'uef.
c) Par chu portrait om one toor a chinc arestes.
d) Par chu trov'om"^ les poins d'one vosure taillie.
e) Par chu don'om on vosoir se tunieie, sens molle.
f ) Par chu bev' um erracement jagij's sens molle, par on membre.
g) Pa chu tail'om vosure engenolie.
h) Par chu fait om trois fnanires d'ars, a conpas ovrir one fois.
25. fol. 2iv0. Ves la .II. lestes de fuelles.
Ves ci desos les figures de le ruee de fortune, totes les .VII. imagenes^.
On prent kaus et tyeule mulue de paiens, et feres kume
autretant del'une cu(n) de l'autre, et un poi plus del tyeule de
paiens taunt come ses color vainke les autres. Destemprez'^ ce
ciment d'oile de liuuse, s'en poez faire un vassel pur enge tenir.
On prent vive kaus bolete et orpieument se le met on en
enge bollans et oile. Cist unnemens est bon por pail ostier.
26. fol. 22 v". Par chu fait om une soore soir par li sole.
Par chu fait om une arc ki ne faut.
Par chu fait om un angle tenir son doit ades vers le solel.
Par chu fait om on des plus fors engiens ki soit por fais lever.
Par chu fait om dorner la teste de l'aquile vers le diachene kant list
la vengile.
27. fol. 23 ro. Par cest e}igie?i recop'oji estaces dedens une aie por une
sole asir sos.
Pur chu fait om V enbraceme{n)t d'one roe sens l'arbre endamer.
En si poes ovrer a one tor u a one maison de bas si sunt trop cor.
Par copresse de ceste manine poes redrescir une maison ki pent d'one
part ja si pesans ne sera.
2S. fol. 24 r". De l'ensaignement del Hon v(os) vel ge p(ar)leir. Cil q(ui)
le lio(n) doctriue, il a .11. chaiaus;"> quant il velt le Hon faire faire aucune coze
se li comaude; se li Hons groigne, il bat ses kaiaus, dont a li lions g(ra)nt
Lassus: ^ estrasces ^ jj^. pen'dans ^ prendez * tijre ^ Hs. montom
ö Hs. p'>ntoni ' Hs. trouom " imagene ^ destempres " ; fehlt in der Hs.
4.*
52 F, ED. SCHNEEGANS,
doutance qant il voit les kaiaus baue; se refraint so(n) corage et fait co c'o(n)
H comande^, et s'il est corecies sor co ne paroil mie, car il ne feroit por nelui
ne tort ne droit. Et bien sacies q(ue) eis lions fu contrefais al vif^.
29. fol. 24 V''. Vcs ci .1. lion si com on le voit p(ar) devant et sacies
bien q(u'i)l fu contrefais al vif.
Ves ci .1. porc espi, c'est une biestelete, q(ui) lance se soie qant ele
est corecie.
30. fol. 27r". Ves ci le labitement Saint Come, et saint Domijen.
31. fol. 27 V'', Ves ci une legiere poupee d'uns estaus a .1. entreclos a
tote le clef.
32. fol. 29 r". Se v(os) voles bien ovrer d'une bone poupee a uns estaus
a cesti v(os) tenes.
33. fol. 30 r". Se v(oi5) voles faiie le fort engieng c'on ajnele trebucet
prendes ci garde^. Ves ent ci les soles si com il siet sor tierre. Ves la de-
vant les .II. windas et le corde ploie a coi on ravale le verge. Veir le
poes en cele autre pagene. II i a grant fais al ravaler, car li co(n)trepois est
m(ou)t pezans. Car il i a une huge plainne de tierre, ki .II. grans toizes a
de lonc et .Villi, pies de le, et .XII. pies de p(ar)font. Et al descocier de
le fleke penscs et si v(os) en dones* garde^. Car ille doit estre atenue a cel
estancon la devant.
34. fol. 30 v". Ves ci le droite mo(n)lee des capeles de le glise de Rains
et toute le maniere, ensi com eles sunt p(ar) dedens droites en lor^ estage.
Ves ci les voies dedens et les orbes arkes.
Et en cele autre pagene poes v{os) veir les montees des capieles de le
glize de Rains par deliors, tres le comeucement desci en le fin ensi com eles
s(un)t. D'aulretel maniere doivent estre celes de Canbrai s'o(n) lor lait droit.
Li daerrains entau]eme(n)s doit faire cretiaus.
35. fol. 31 v". Entendez bien a ces montees: devaunt le covertiz
des accaintes doit aver voie, sur l'entaulement et desur le combe
des acaintes redoit aver voie, devant les v(er)reres et un bas cre-
teus si cume vosveez, en lepurtraituredevant° vos, et sur le mors
de vos piliers dait aver'' angeles, et devant ars buteret. P(ar)
devant le g(ra)nt conble en haut redoit^ aver voies, et creteus
desur l'entauleme(n)t, k'en i puit aler pur peril de fiu, et en
l'entaulem(en)t ait^ nokeres por l'eve getir; pur les capeles
1 e vos d i 1°.
36. fol. 32 r". Ci poes v(os) veir l'un des pilers toraus de le glize de
Rains, et .1. de ceus d'entre .II. capieles, et s'en i a .1. del piain pen, et
.1. de ceus de le nef del moustier; par tos ces pilers sunt les loizons teles
com eles i doive(n)t estre.
Ves ci les moUes des chapieles de cele pagne la devant, des formes et
des verieres, des ogives et des doubliaus, et des sorvols p(ar) deseure.
Lassus: ^ comand ^ Rabelais (Gargantua cap. Il) zählt unter den Jugend-
spielen seines Helden auf: „battoyt le chien devant le lyon". ^ gard * donez
* los ^ Hs. scheint devaut zu haben, 1. devaüt? ' piliers doit * conble bis
doü stark verwischt. Das h von haiit aus a corrigiert. ^ aü unter cancel-
liertem des. Lassus 1. ait des ^° pur bis di auf fol. 321°.
SKIZZENBUCH VON VILARD DE HONNECOURT. 53
Ves ci les montees de le glize^ de Rains et del piain pen, dedens et
dehors. Li premiers estaulemens des acaintes doit faire cretiaus si q(u'i)l puist
avoir voie devant le covertic. Encontre ce cov(er)tic sunt les voies dedens,
et qant ces voies sunt volses et entaulees adont revienent les voies dehors
c'o(n) puet aler devant les suels des verieres; en l'entauleme(n)t daerrai(n) doit
avoir cretiaus^ c'on puist aler devant le covertic. Ves aluec les manieres de
totes les montees.
37. fol. 33 r". Retcneis co qua io v(os) dirai: prendes' fuelles de col
roges, et sanemonde — c'est une erbe c'on clainme galio(n) filate — ■ prendes une
erbe c'on clainme tanesie et caneuvize — c'est semence de canvre — , estanpes
ces .IUI. erbes si qu'il n'i ait nient pl(us) de l'une, q(ue) de l'autre. Apres si
prendeis warance .II. tans q(ue) de l'une des .IUI. erbes et puis si l'estanpes
puis si meteis ces .V. erbes en .1. pot et si meteis blanc vin al destenprer
le meillor q(ue) v(os) poes avoir auq(ue)s tenpreement q(ue) les puizons ne
soient trop espesses* si c'o{n) les puist boire; n'en beveis^ mie trop en iine
escargne d'uef en ares^ v(os) aseis' por q(u'e)le soit plainne; quel plaie q(ue)
v(os) aies v(os) en garires. Tergies vo plaie d'un poi d'estoupes metes sus
une fuelle de col roge, puis si beveis des puizons al matin et al vespre .IL fois
le ior, eles valent miex destemprees de moust douc q(ue) d'autre vin, mais
q(a'i)l soit bons si paerra li mous avec les erbes; et se v(os) les destenpres
de vies vin laissies les .IL iors ancois c'o(n) en boive.
Cuellies vos flors au mati(n) de diverses colors ke l'une ne touce a
l'autre, prendes une maniere de piere c'o(n) taille a ciziel, q(u'e)le soit blance
molue et deliie; puis si meteis vos flors en ceste poure, cascune maniere p(ar)
li si duerront vos flors en Ior colors.
Honnecourt, der Heimatsort Vilard's, liegt zwischen Cambrai
und Vaucelles und gehörte zur Grafschaft Vermandois, zum Amts-
bezirk St. Quentin (cfr. P. Benard, Recherches sur la patrie et les
travaux de Vilard de Honnecourt in den Travaux de la societe
acad6mique des sciences, arts, belles-lettres, agriculttire et Industrie
de St. Quentin, 3^ Serie, Tome VI, 1864 — 6, p. 260 — 80). Ueber
die Lebenszeit und Thätigkeit Vilard's erfahren wir aus seinem
Skizzenbuch und den Untersuchungen namhafter Archäologen, be-
sonders Quicherat's,^ folgendes: Alle Zeichnungen Vilard's, soweit
sie sich auf Denkmäler beziehen, deren Entstehungszeit bekannt
ist, verweisen uns auf die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts. Eine
Bemerkung fol. 31 r" beweist, dafs V. irgendwie an dem Bau des
Chores von Cambrai beteiligt war (Lassus, Ausgabe des Album,
Notice p. 45 if. nimmt an, dafs V. den Bau als Architekt leitete):
zu einer Zeichnung des Chors der Kathedrale von Reims bemerkt
der Künstler, dafs die Kapellen von Cambrai denen von Reims
gleichen sollen „s'on Ior fait droit"; der Chor von Cambrai wurde
Lassus: ^ glise - crenaus ^ prendez * espessez ^ beveiz ^ arez
' aseiz
^ Quicherat, Notice sur l'album de V. de H. Revue archeologique 1849
A VI, 65— 80, 164 ff., 211—26. Viollet-le-Duc, Revue archeol, 1863 Bd. VIL
E. Renan, Hist. litter. de la France XXV, l — 9. Eitelberger, Mittheil, der
k. k. Central-Commission zur Erforsch, u. Erhalt, der Baudenkmäler IV (1859).
54 F. ED. SCHNEEGANS,
zwischen 1230 und 1250 gebaut; die auffallende, von Lassus (ib.
p. 46) nachgewiesene Aehnlichkeit der Choranlagen von Reims und
Cambrai macht es wahrscheinlich, dafs V. die betreffende Zeichnung
foL3ir^ vor 1250 und wohl schon vor Beginn der Arbeiten in
Cambrai, also vor 1230, auf einer Studienreise in Reims gemacht
hat. Später, zwischen 1241 und 1257, der Bauzeit des Schiffes
der Kathedrale von Reims, wurde eines der Fenster „por co l'amai
io miex" skizziert: damals war V. auf einer Reise nach Ungarn
begriffen, wohin er als Architekt berufen war „j'estoie mandes an
le lierre de Hongrie"; er genofs also schon einen guten Ruf als
tüchtiger Architekt und stand wohl in vollem Mannesalter. Man
hat versucht die Zeit dieser Reise nach Ungarn genauer zu be-
stimmen. Quicherat, der Vilard an dem Bau von Cambrai als
Architekt arbeiten läfst, setzt diese Reise zwischen 1244 und 1247
an, während einer Unterbrechung der Arbeiten in Cambrai, und
bringt sie mit der Thatsache zusammen, dafs mehrere im I3.jahrh.
entstandene ungarische Kirchen nordfranzösischen Einflufs zeigen
und die Beziehungen der heiligen Elisabeth von Ungarn mit Cambrai
die Berufung Vilard's nach Ungarn erklären könnte. 1 Für die An-
nahme, dafs V. vor 1230 in Reims zeichnete, sprechen Abweichungen
seiner Zeichnungen von dem späteren Bau, der ca. 1230 bei der
Wiederaufnahme der Arbeiten in Einzelheiten umgestaltet wurde.
In Ungarn blieb Vilard „maint ior" (fol. I5v0). Nach seiner Rück-
kehr zeichnete er „le pavement d'une glize", gemusterte Backstein-
fliese, die er dort gesehen hatte. Der Ausdruck „j'estoie une fois
en Hongrie la u ie mes maint jor" läfst darauf schliefsen, dafs er
die Mitte des 13. Jahrhs. überlebte und im Alter diese Skizze und
wohl noch andere aus dem Gedächtnis zeichnete oder sein Skizzen-
buch damals revidierte und z. T. mit dem erklärenden Text versah.
Weitere Skizzen von Teilen der Kathedralen von Laon, Lausanne,
Vaucelles, Chartres zeigen Vilard mitten in der künstlerischen Be-
wegung in der Zeit der höchsten Blüte der Gothik, wohlbewandert
in der Bautechnik und in den Hülfswissenschaften, besonders der
Mechanik.
Der Text seines Skizzenbuches, ein Denkmal der Sprache von
Vermandois in der ersten Hälfte des 13. Jahrhs. (ca. 1230 — 1260),
soll im Folgenden derart untersucht werden, dafs die Sprach-
eigentümlichkeiten der drei Schreiber unterschieden und, da es
sich um einen Originaltext handelt, besonders bei ms, i auch auf
orthographische Erscheinungen hingewiesen wird.
LAUTLEHRE.
Vokalismus.
/.
Vortoniges t'-\-gm wird üu in orpieument (ms. 2) 25.
^ Renan und Eitelberger 1. c. setzen die ungarische Reise zwischen 1260
und 1270 an.
SKIZZENBUCH VON VILARD DE HONNECOURT. 55
E.
ms. I. Freies e wird zu oi: avoir 7. 8. 12. 21. 36. 37; doit
7. 8. 36; doivent 34. 36; soit 8. 37; boive 8. 37 u. s. w.
Vor Nasal: plains 8. 13. 36; plaimie 34; ic'a/wj 11. 34. 36.
Dieselbe Schreibung vor n: etisaigne i; e?tsaigncmeni 29.
Vortonig dagegen: peigfion ö; peignonciaus 6.
<? vor epenthetischem 2': fois 5. 6; ü?r()z'/ g. 28; droite 34;
froide q; ^^/ö/i? 33. — Vor Nasal: acazn/e 19. 36; rcframt 28. —
Vor /: consel i.
(? vor gedecktem Nasal ist von a -\- ged. Nasal geschieden:
lahitement 30; dedens 34; dedens 34; comencefiietit 34; entaulemens 34
und immer ^«/.
Die Entwickelung von <?/+ Kons, zu za?^: ist unserem Texte
unbekannt: cetis i. 31.
Vortoniges freies e'. peniaus 6; ^t^v/z 37; veir 18. 36; — vor
epenthetischem i: damoi'zieles 12; loizons 36.
ms. 2 hat neben doit und zicz'^ 35 für betontes freies e'. ai
und e in: </ö?'/ 35; /a/7 25; <iz;^r (2mal) 25.
Vor Nasal in gedeckter Silbe: tmnemeiis 25; orpienment 25;
eniaulemeiü 35. — £•-!-«<:/ ergicbt -(7z«: accaintes 35. — tegula wird
/>'(??//<? 25.
ms. 3 hat in freier Silbe: /öz'r^ 24; w?V wzVj 22.
In gedeckter Silbe vor Nasal: sens zt^. 24; dedens 9. 27; ens 9;
^«/r^ 6; emhracement 27; /»rev?/ 22.
Vor epenthetischem i: droite 15; vortonig loison zt^.
regula wird riules 2^,, davon rinleie 22 x.
E.
<
ms. I. Freies betontes f wird ie: siet 7. T,y, iert 8; piet 8;
pies T^y, piere 37; Pier es 14.
^ in gedeckter Silbe erscheint in doppelter Gestalt als e:
fenestres 10; capeles 13; chapele 18; candelles 18; /(TjA'j 25; ^r(5^ 37;
^j/;-^ g. 34. 36; vespre 37;
als ie: pumiel 7; öz'z/i?/ 8; biec 8; der des 9; //'ifr^'i' 10; //f/r^
II. 13. 33; apiele '^y, capieles 34. 36; diapieles 36; f/2/V/ 37.
-^//«j wird -iaus: peignondaus 6; peniaus 6; oiziaiis 8; kaiaus
chaiaus 28; cretiaus 34. 36; doubliaus 36; Cistiaus 13; Miax 14.
Gedecktes ^ vor Nasal: destcmprez 37.
^ vor epenthetischem z' erscheint als z'^ in engiens i; engien 9. 33
{engieg 9 s. Aiol ed. Foerster p. LI); ;//zkv il. 37 und natürlich in
den analogischen Bildungen: sovieg?ie i; /zV^«^ 8 (nach den endungs-
betonten Formen sind gebildet proie, proient i neben /zr^ 7, ^//sö
14 u. s. w.).
Vortoniges ^ vor r wird zu a in sarpens 7.
ms. 2 scheint die Diphthongierung des § in gedeckter Stellung
unbekannt zu sein: vassel 25; capeles 36 (Ende der Notiz 35). —
-ellus ist einmal durch -eus wiedergegeben in creteus 35.
56 F. ED, SCHNEEGANS,
ms. 3 entwickelt in offener Silbe ie zu i: pires 22\ pirre 22;
ebenso iijrc 22,.
In geschlossener Silbe kennt ms. 3 nur e: feste 26; iere 22;
vers 22. 2b\ fenestre 22; scere 23; prael 2y, capilcl 24; cintred 22.
-elliis zu iaus geschrieben ias in vassias 22.
vor epenthelischem ?': engie7is 26; engien 27 neben /w/ 26.
gedecktes / vor Nasal: pendant 23; /f«/ 27.
^ vor epenthetischem i in vortoniger Silbe: soir (secare), soore
(secatoria) 26.
Der central französische Diphthong ie erscheint in ms. 3 oft
vereinfacht, meist zu i (vgl. oben i aus § in pires u, s. w.), mag der
Laut aus lateinischem a nach Palatal entstanden sein: soii- 26;
redrescir 27 oder aus dem Suffix -arius: vesrires 22; manires 24;
manine 27 neben einmaligem maier e 15 und verstümmeltem mate 19
{die vielleicht als Latinismen aufzufassen sind nach materia), ebenso
wird ai vortonig zu a in masons 6; vassias 22 q, neben maison 27;
raison 23.
(9.
c
ms. I. Freies 0 wird «£■: /»z/:^/ i; ruee 4. 25; ö/?^^^ 6; rrw^j 8;
^«^j 10; ebenso 0 vor 1: fiiel 20; fuelles 21. 25. 27; j-w^/j 36; vor-
tonig cueillies 2>1' — Vorhergehendes v absorbiert den ?i;-Laut in
velt b. 7. 21. 28; vei 2^ (vgl, die Schreibung ivel in Tailliar, Actes
wallons n'^ 47 Urkunde von Preux-au-Bois bei Avesnes, welleiit in
dem Livre Rouge de St. Quentin ed. Bouchot et Lemaire, St. Quentin
1881, s. F. Neumann, Zur Laut- und Flexionslehre S. 48).
locus, focus werden iiu 7. 10, aber /z^ g.
0 in gedeckter Silbe vor Palatal wird ui: puist 8; puizons 37;
zvit (vocitum) 6, wo der anlautende konsonantische Laut durch
Assimilation an den ersten Bestandteil des Diphthongs halb-
vokalisch wird.
Für ö/+Kons. = au fehlen Beispiele, volet wird velt.
monachus wird mofies 18; orologium: ierloge 6.
In ms. 2 wird 9lea zu oile 25; focus zu fiu 35.
0 vor l-\-s wird iew. orgieus 3.
ms. 3 hat für freies 0 bald tie bald oe: tief 24. 37; oef 24;
roe 28. In gedeckter Silbe vor Palatal: uit 24.
O.
ms. I hat für freies n die Zeichen 0 und eii: seiile 4; setcre
6. 36; cantepJeurc 8; seur 8; keuvre 9; demeurt c^ neben sor 28. 33;
mellor 7; yförj, colors 37.
Vor Nasal schreibt ms. 1 ?^: /»«/«^ 9, vortonig picmiei 7 (neben
maizon 6); «/«/ (aber «tö/«^ i. 9), wodurch wohl der nasalierte Laut
ausgedrückt wird (in den von Raynaud herausgegebenen Urkunden
von Ponthieu wechseln die Schreibungen -oimn, -oum, -umm, -uii,
-on ab. In Gui de Cambrai's Barlaara reimt pume mit omme. Die
Urkunden von St. Quentin, Bibl, de l'^cole des Chartes XXXV, ge-
SKTZZENBUCH VON VILARD DE HONNECOURT. 57
brauchen neben -im überwiegend die Schreibung -otm: maizoun,
sount, founs u. s. w.).
Vor n wird o zu oi\ groigne 28.
In gedeckter Stellung wird g durch o, seltener durch ou, nie
durch « wiedergegeben: tos i; iom 4; dohles 8; ior \o\ formes
I. 36; soii'oh 36; roge 2il u. s. w. neben Honecourt 14; douhh 14;
ioute 34; estoiipe 37; moiist, touce 37.
ö/-j- Kons, wird öz^ in ü'ö/^c 37; daneben die Schreibungen sor-
vols, volses 36.
ms. 2 hat nur r^/ör 25. In geschlossener Silbe steht w. cume
17. 25; «^/« 25 neben coDie 25.
ms. 3 hat für freies p 0 und ou: color 26; </^jö;- 22; sole (solam)
24. 26; dous 22,.
Für ö in gedeckter Silbe steht 0: grosse 22. 2y, mole 22. 23;
/ö/^, tort (tort om), />/ö;« 23, 00 in /(?ö;- 23. 24 soll wohl den
Doppellaut ausdrücken.
Der Diphthong oi wird von dem ungebildeten Schreiber durch
0 und a wiedergegeben: vosor 23; soore 26; bas 27, bleibt aber
vor Nasal coetis 22; cuins 23; /»c/z/j 24.
Im Vorton wird der aus p und 0 entstandene Laut in ms. i
mit 0 ausgedrückt: pocis trover trovera i; coveriic 6; voJeis 9; torner
4. 10. 19; torele 8; clozeice 9; cortois 10 u. s. w.
Vor z' findet sich auch 0;^: trouvercs 13; ouverront i; ebenso
in poupee 31; motistier 36.
ms. 2 hat 0 und m: /z^?- ^ö/f/^ wz/A/^ ufmemens 25; ebenso ms. 3
vosure 22\ ovrer 27; trov'om 22 neben cu (ecce-hoc) chu 22. 2^. 24.
Für om hat ms. 2 t';/ (wohl = ä) 35, ms. 3 auch um 22.
Vilard zeigt also auch in diesem Punkte sein Bestreben
eine konsequente Orthographie durchzuführen und scheidet scharf
zwischen dem Zeichen u (für ü und für 0 vor Nasal) und anderer-
seits dem ihm wohl weniger geläufigen Zeichen ou und 0. Die
Schreiber von ms. 2 und ms. 3 behelfen sich mit den unvollkom-
menen Zeichen 0 und u.
A.
ms. I. Freies betontes a wird bald durch e bald durch ei
wiedergegeben:
e: tel ^. 8. 9; quel g', autretel 2,^', ö/i?r 8; quares 6; quarees 10;
esgardes 10; torner 4; trover i; prendes 18. 34; /»Oi-J 18. 33. 34;
poupee 31 u. s. w.
ei', poeis i; w/«> 9; fereis 9; penseis 10 ; parleir 28; reteneis
prendeis meteis beveis aseis meteis t,"].
-lata wird Z^: corecie 29; />/ö?'^ 33; «/(^/«(^ 37.
freies a vor Nasal: viains 9; clainme 37; daerrain 36; hinter
Palatal Domiien 30.
gedecktes ß vor Nasal: espander a 9; />ö«j 13; comande doutance
quant 28; /(7«f^ 29; 3/r7;;c 37; vortonig estancon 38; estanpes ZI- ~^
Daneben steht zweimal pen 36.
58 F. ED. SCHNEEGANS,
a vor epenthetischcm i: ais 7; Canbrai 13; contrefais 28. 29;
plaie 37.
Das Suffix -arius, -a7-ia wird -icr, -iere: pr emier 10. 36; pre-
viiere 10; mamere 13. 15. 34. 36; veriere 16. 36.
Vortoniges « ist erhalten in packte 9.
Für aquila hat ms. i die interessante Form aile, wohl nur eine
orthographische Variante (s. unten /) zu dem oft überheferten aille.
ms. 2 scheint ei für freies betontes a fremd zu sein : destcmprez
poez 25; entendez vccz akr 35.
Für freies a vor Nasal nach Palatal hat ms. 2 iens: paiiens 25.
Für a in gedeckter Silbe vor Nasal schreibt ms. 2 rr.v in taiint
25; dcvannl 2)bi neben aiürelant 2^; devant (3 mal, di^.zVi devaut, viel-
leicht für dcvan{ii){) 35.
-ö7-/a wird -ere in verreres 35. — aqua erscheint als ^«^^ 25
(2 mal) und ^z^^ 35.
vortoniges ai zu a in vassel 25.
ms. 3 schwankt wie ms. i zwischen e und ei für freies be-
tontes a'. paseir quareies riideie 22; inmeie 24, neben riules prendes
ares clef piler Und 2^; ovrer poes 27. — -iata = ie: engenolie 2^.
Für gedecktes a vor Nasal hat ms. 3 nur ati: canpe (campus)
22b; tafit 22; atigle 26. — aqua wird aive 22', aie 27.
U.
ms. 3 hat für unus una oti one neben tinc. sursum wird sos 27.
Konsonantismus.
Die wichtigste Erscheinung betrifft die Palatallaute.
ms. I hat c vor a meist erhalten: carpenierie i. 18; cantepleure 8;
escaufaile cascuris cangiet 9; Canbrai 13; capeks 13. 35. 37; can-
delles 18; kaiaus coze 28; arkes 34; capieles 37; cf/ caneuvize canvre
escargne touce blance t,"].
vor £", /^ aus a\ arkiere forkies 10; descocier 2)Z' ^^^ wenigen
Ausnahmen sind technische architektonische Ausdrücke, die Vilard
auf seinen Reisen mit der centralfranzösischen Aussprache hörte:
chavec 13; charole (Choruragang) 14; chapele 18; chapieles (mit picar-
discher Behandlung des §) 36. Auffallend ist chaiaus 28 neben
kaiaus.
ms. 2 scheint zwischen c-\-a und ch vor f, ?"d? aus a zu scheiden:
/^a?/^ 25, aber (T/^fz^j 17; tribuche 3.
ms. 3 cö«^^ cavece 22; esscandeloji 2y, capitel 24; estaces 27;
erracenmens 22. 24, neben f^^zV 22; <:/;/V^ (Kj. Praes. mit dem auch
sonst aus ie entstandenem i) 2/^.
Schwierigkeit bereiten die Laute c -\~ e, i und /?'+ Vokal, ms. i
gebraucht für beide Laute anlautend und hinter Konsonant aus-
schliefslich c: c-\-i, e: ci ceus ces cest 1; inaconerie i. 20; clozeice
(Adj.) 9; CO II. 28; acainte 19; lance 29; cesii 2^2; cel 33. — ti-\-
Vokal: iravecons 8; comence 21; force i. 20; corecies 28; estancon
33; co??2ence?}ietit 2)\', warance semence ancois 2)T> einmal ss: espasse b.
SKIZZENBUCH VON VILARD DE HONNECOURT. 59
Auslautend wird der Laut mit c bezeichnet in covertic 6. 36;
chavec 13; douc 37; aber _/ö?>.
ms. 2 hat ebenfalls c in ciment eist 25; ces ocaintes 35; einmal
auslautend z in coveriiz 35.
ms. 3 schreibt «: und ch\ c'est 6; conmence ig; <:« (= ^ö) r^z^^cc
ctn/reel ciel 22; «j/^ justice 2y, c'esl redrescir ly; chice 24 neben
chi 14. ig; mo.chonerie 22', chti, stets in der Formel />(?/- (r/;?^ t7//7/<: 24.
Im Auslaut s: Jagjis 24.
Dasselbe Zeichen c findet sich ms. i für />/ + Vokal in sace 7;
sacics 28. 2 g.
Erwähnt sei noch die picardischer Orthographie entsprechende
Form argans 18, wo g lateinisches di darstellt (cfr. Suchier, Aue.
und Nicol.^ S. 66).
/ im Auslaut nach Vokalen ist meist abgefallen: le ^2>f auch
in der 3. Sing. Perf. _/« 5. 13. 2g. ftit steht einmal in der ganz
verblafsten, sicher nicht von ms. i stammenden Inschrift zu fol. 2r*'.
t ist erhalten in cangiet (Part.) g ; pict 8. Nach Konsonant ist / ab-
gefallen in ms. 3 cor 2J.
Für das dem Picardischen eigentümliche Fehlen der Hülfs-
laute d, b zwischen / — r, n — r, vi — / findet sich nur ein sicheres
Beispiel: poure (pol're) 37; daneben conhles 6. 10. 18. 35 (ms. 2)
und coiibe 35 (ms. 2).
t-\-'s im Auslaut ist in ms. i meist nach picardischer Art zu s
geworden: tos i. 6. 36; ars i; poeis i; trais i. ig; ves 4 (so immer);
mailies 4; qua res 6; costes 6; sarpens 7; vees 7; ejis entendes fons
behos 8 u. s. w. {va. penseis 10, aseis beveis 37 ist für s ein 0- ähn-
liches Zeichen gebraucht, das aber auch in pre?niers 6 und espesses
ptiizons 37 angewandt ist).
ms. 2 hat auslautendes s in fcrcs unnemcns 25 neben z in
desteinprcz pocz 25, etitcndez veez 35.
ms. 3 kennt nur s\ prennes 15; crraccmcns 22; arcs 2^; pesans
27; fors 26.
-sls wird s im Auslaut: eis g. 28; mous (== mousts) 37.
Vor Flexions-j fallen die Konsonanten c, p aus in Ions 8. 22
(ms. 3); ars 13. 24 (ms. 3); hetias 8. e/igicng -\- s wird eugiens i.
s verstummt vor Konsonant in cretiaus 36; piiit ereleus 35 (ms. 2);
erraeeiwient 22 L 24 f. (ms. 3).
r verstummt mehrmals im Auslaut in ms. 3: pn chti 24.
In ras. 3 fällt / vor Konsonant aus in vosure 22; vosor 2y, vo-
soir 24; atres 22; neben haut 22,.
Der mouillierte ^^Laut wird im Wortinnern in ms. i durch ill
oder // ausgedrückt: mailies 4; mellor 7; toreillons torellon g; filloles
10; fuelles 21. 25. 37; ineillor 37.
ms. 2 hat bollans 25; ms. 3 taiPon 22; taille 23; iaillie 24;
engeriolie 24. — Im Auslaut haben die drei Texte einfaches /:
consel i; fuel 20; zv/ 28; peril 35 (ms. 2); jö/if/ 26 (ms. 3).
Germanisches zu ist erhalten in Wilart i; windas ^^y, warance
37; neben gar de.
60 F. ED. SCHNEEGANS,
Folgende Einzelheiten seien noch erwähnt:
b für p in dem gelehrten Worte labiiemmt 30 (ms. i), die
roerkwürdigen Schreibungen dorner 2g, endamer 30 in ms. 3, aus
denen man schliefsen möchte, dafs der Schreiber von ras. 3 kein
geborener Franzose ist, was seine unbeholfene Sprache und tastende
Orthographie erklären würde; freilich finden sich ähnliche Formen
[entrecouderenl) in der Handschrift des Chevalier as deux espees
(s. Ausg. von Foerster p. LI).
FORMENLEHRE.
Für den bestimmten Artikel weist ms. i folgende Formen auf:
Masculinum. Femininum.
Sing. Nom. li Sing. Nom. li
Acc. le Acc. le, einmal // 13
Flur. Nom. // Plur. les.
Acc. les (des)
In ms. 2 finden sich die Formen: Masculinum Sing. Acc. le,
Plur. Acc. les', Femininum Plur. les. Für Sing, im Femininum ein-
mal del 25 (cfr. Meyer-Lübke II S. 126).
ms. 3 hat:
Masculinum. Femininum.
Sing. Nom. // 22 Sing. Nom. H, le [le inate 20)
Acc. le Acc. la, le.
ms. 1 führt die Regeln der Deklination mit Konsequenz durch:
Nom. Sing, der Masculina hat immer das Flexions-j bei Substan-
tiven und Adjektiven (sowohl in prädikativer wie in attributiver
Stellung). Im Accusativ steht c\Vim.-^nxi\xva\\(:h. Jiielks de col roges '^'j
neben richtigem col roge. Der Nominativ Pluralis der Masculina
steht regelmäfsig ohne s [sages 10 wird wohl als Nom. Sing, auf-
zufassen sein),
ms. 2 hat
Masc. Sing. Nom. c/ietts 7 . unnemens 25 neben öon
Acc. le Cover Uz 35
Plur. Nom. angeles 35
Acc. ars bideret 35 un (wohl für tins) bas creteus 35
Fem. Sing. Nom. un imaie 17 ses color 25
Acc. kaus 25.
ms. 3 hat im Nom. Sing. Masc. li ons, li atres 27, im Nom.
Plur. der Masculina cor (von curtus) 2-], im Fem. Sing. Nom. li
masons 6, pesans 27, im Plur. Nom. Ions, Acc. a droiie loisojis 15.
Der Text bietet folgende Pronominalformen:
Personalpronomina :
I. Pers. Sing. Nom. io 5. 6. 7. 11
3. Pers. Nom. Fem. ille 2^"^ Plur. eles 34
Dat. JNIasc. lui i (satzunbetont // 28)
Fem. li 4. 26 (ms. 3).
SKIZZENBUCH VON VILARD DE HONNECOURT. 6l
Possessivpronomen :
3. Pers. Fem. Sing, scanne i se soie 29.
I. Pers. Fem. (Mehrzahl) vo plaie 37.
Demonstrativpronomen :
Masc. Sing. Nom. eil 2 (ms. 2?). 28 Acc. cel -^t^
Fem. Sing, cele 34.
Pluralis ceus i
Masc. Sing. Nom. eis 9. 28 eis 25 (ms. 2) Acc. eest i
Fem. eesie 27 (ms. 3) Dat. ccsli 32
Pluralis ees.
ecce-hoc wird eo 37 [chii, eti in ms. 3) und ee 25 (ms. 2). 36.
Von 7iul findet sich die Obliquusform 7ielui 28.
Konjugation.
Indic. Praes, i. Pers. Sing, paroil 28 zeigt Anbildung an die
/-Verba.
In ms. 3 ist die Behandlung der 3. Pers. Sing. Praes. Indic. vor
dem unpersönlichen on, om, um beachtenswert. Formen wie trov om
21. 22, tail om 22. 24, io7-t om (Hs. ior io7n) 22, 711071t 0771, do7i 07i,
lev 71711 24. geben die Aussprache [Ior io77i) des litterarisch unge-
bildeten Schreibers wieder mit Ausfall des Schlufs-5 und Behand-
lung des Stammvokals und Stammkonsonanten wie in endungs-
betonten Formen und im Inlaut {trov 0771).
ms. I hat einige Futura von Verben I. auf Kons. -|- r und r mit
Umstellung des ,?: oiivcrro7it i, ducrro7it yj und Futura mit Hülfsvokal
espa7idera 9 und zugleich Umstellung paerra 37 (neben eorra 8).
Erwähnt sei Imper. 2. Pers. PI. pre7ides 18. 2^-^^. 37, während
ms. 3 pre7i7ies 15 hat.
ms. I hat stets den Infinitiv veir 18. 2^2,. 34. 36; ms. 2 neben
avcr, gciir und ostier; ms. 3 eheir.
Besondere Erwähnung verdient das Participium arga7is von
ardere analogisch nach Konj. arge. Aehnliche Uebertragungen finden
sich auch sonst in picardischen Texten, so argoit (Tailliar, Textes
wallons nO 164, Urkunde der Abtei Auchin). Die artesische Chronik,
ed. Funck- Brentano (Collection de Textes pour l'enseignement de
l'histoire 1899) hat neben Konj. Praes. arge7it S. 57 argoie7it S. 68,
die Chansons et dits artesiens ed. Jeanroy XXI, 64 arga7is ent-
sprechend torja7it, s. W. Kirsch, Zur Geschichte des consonantischen
Stammauslauts im Präsens S. 38, 68.
Für die Sprache Honnecourt's ergiebt die Untersuchung des
Skizzenbuches folgende dialektische Züge, die wir kurz zusammen-
stellen:
1. e, § vor Nasal und a vor Nasal werden auseinandergehalten,
zweimal aber 0« durch e7i ersetzt [pe/i).
2. Freies e und a vor Nasal fallen in ai7i zusammen. Die
Schreibungen plai7me, ctai7ime, die den ursprünglichen Nasalvokal
treu wiedergeben, finden sich mit ziemlicher Konsequenz in picar-
62 F. ED. SCHNEEGANS,
dischcn und wallonischen Texten, so in Gui de Cambrai's Badaam
und Josaphat, in den Urkunden des Livre rouge de St. Quentin
[clavime, clahnme n^ 34), in den Urkunden von Ponthieu {avainne,
mainne), im Poeme moral.
3. Gedecktes § wird bald durch e bald durch ie bezeichnet.
Die Sprachgrenze ist für diese Erscheinung durch Suchier
(Grundrifs I S. 602) bestimmt worden. Er giebt als äufserste Vor-
posten des Gebietes Aire, Lille, Douai, Cambrai, Avesnes, Mau-
beuge an. Das Vorkommen des ie in Honnecourt erlaubt uns
die Grenze etwas genauer zu bestimmen. Da St. Quentin den
zV-Laut nicht kennt, ^ wird die Grenze in der Gegend von Plonne-
court sich hinziehen, vielleicht z. T. mit der südlichen Grenze des
Erzbistums von Cambrai (zu dem Honnecourt gehört) überein-
stimmen. Von da scheint sie sich stark nach SW. zu wenden,
denn der Laut ie ist in Cappy (Airondiss. Perronne) bezeugt durch
eine Urkunde von 1202 (Tailliar, Actes wallons n** 6). Den älteren
Texten von Arras ist ie unbekannt. Ein weiterer Grenzort ist
Henin-Lietard (Charte communale et serment des echevins de H.-L.,
Tailliar S. 387 ff.).
4. <?/-{- Kons, wird eii, nicht ian. Die einzige Form ceus'^ wird
als individuelle Ansprache W.'s aufzufassen sein, denn die Texte
von St. Quentin und Cambrai führen den picardischen Laut durch,
5. § -\- epenthetischem i wird ie.
6. Freies a wird zu e und ei (cfr. Grundrifs I S. 602).
7. -arius wird -ier; -iata wird ie.
8. Freies 0 diphthongiert zu ue.
g. -ieii in locus, focus wird zu iu, u (cfr. Suchier, Aue. und
Nic.^ S. 70), daneben ieu.
10. Beispiele des Wandel von o/+Kons. zu an fehlen.
11. Freies 0 erscheint als 0 und eu. p vor Nasal wird durch
u wiedergegeben.
12. c + « ist erhalten.
c-\-i, e, //-{-Vokal sind stets durch c ausgedrückt, das den
f/i-Laut bezeichnet, ebenso wie in sace, sacies. Den Beobachtungen
O. Siemt's (Ueber lat. c vor e, i im Picard. S. 18 ff.) entsprechend,
schreibt Vilard einmal espasse. fois hat auch sonst in picardischen
Texten -s (s. Siemt S. 17).
13. t-\-s im Auslaut wird durch s wiedergegeben, ebenso -j/j.
14. /im Auslaut ist z. T. noch erhalten. Die Texte der dia-
lektisch Honnecourt nächstliegenden Orte Cambrai und St. Quentin
1 Die Durchsicht der genauen Urkunden des Livre rouge de St. Quentin
(cd. Bouchot et Lemaire, St. Quentin 1881) und der Archivcs anciennes de la
Ville de St. Quentin (ed. Lemaire I a. 1076 — 1328, St. Quentin 1888) bestätigt
die Thatsache. Im Livre rouge fmde ich nur einmal quarriel n" 53 und den
,,lieu dit": au pierge de Venevilar, wo gedecktes ^ vorzuliegen scheint.
^ Formen auf -eu kommen gelegentlich auch sonst in picardischen Texten
vor, s. Haas, Zur Geschichte des / vor folgendem Consonanten im Nordfran-
zösisclien, Freiburger Dissert. 1889, S. 67 f.
SKIZZENBLXH VON VILARD DE HONNECOURT. 63
zeigen ziemlich konsequent Erhaltung des t (besonders das Livre
rouge de St. Quentin und die Archives anciennes ed. Lemaire).
15. Das mouillierte / im Auslaut ist durch einfaches / wieder-
gegeben.
16. Der Hülfslaut d fehlt zwischen Ir in poure, b findet sich
dagegen in comble, das wohl als technischer Ausdruck der Bau-
kunst die centralfranzösische Form aufweist.
Texte aus den verschiedenen Gegenden der Picardie zeigen
eine auffallende Konsequenz in der Auslassung des Hülfslautes,
der nur in bestimmten Wörtern vorkommt: in Cambraii (Tailliar
n^ 215. 260. 268. 108), in St. Quentin 2 finden sich neben den
Formen ohne Hülfslaut samhiable (Livre Rouge LXI), appartendroit
(ib. LXIV), ensamble (ib. LXXIII). In der Charte communale de
Philippe-Auguste für St. Quentin (Anf. des Xlll. Jahrhs. Livre Rouge
Appendice nach einer Abschrift des XIIL Jahrhs.) stehen nur
Formen ohne Hülfslaut.3 Arras, Douai, Valenciennes, Lille, St. Omer
(z. B. humelement^), Aire und die Texte von Ponthieu (ed. Raynaud)
weisen ebenfalls nur Formen ohne den Hülfslaut auf, aufser den
Vertretern von insimul und simulare, denen zugleich die Aussprache
ä und entsprechende Schreibung mit an, am eigentümlich ist.
17. Die Artikelformen sind Masc. // — le, li — les, Fem.
// — le, les.
18. Die Deklinationsregeln sind noch konsequent durchgeführt.
19. Das Possessivpronomen weist die picardische Form se
(Fem. Sing.) und die verkürzte Form im Fem. 720.
20. ms. I weist folgende Erweiterungen der z'-Verba auf: paroil,
argans.
Der Infinitiv von videre lautet veir.
Das Futurum zeigt Formen mit Umstellung des e bei Verben I
auf Kons, -f- r und Eintritt des Hülfsvokals in espandera, paerra.
Die angeführten Beispiele zeigen, mit welcher Genauigkeit
und Konsequenz Vilard de Honnecourt die Laute seines ange-
borenen Dialektes wiedergegeben hat im Unterschied zu den beiden
andern Schreibern. Erwähnt sei noch die Anwendung des Zeichens
z zum Ausdruck des tönenden inlautenden s^ in Sarrazin 5, maizo7i 6,
oiziel 8, clozeice devize 9, glize öfters (einmal glise 34), coze 28 u. s. w.
neben espasse 6, espesses ases laissies 37.
'^ s. auch Droits seigneuriaux dus aux eveques de Cambrai a. 1275 ed.
Finot (Bulletin arclieologique du Comite des travaux historiques et scienti-
fiques 1891 S. 432 fF.).
2 Livre rouge de St. Quentin und Archives anciennes ed. Lemaire. — •
Chartes du Vermandois in Bibl. de l'ecole des chartes XXXV.
^ Dagegen in einer Urkunde von Herbert, Graf von Vermandois (f 1081)
nur Formen mit Hülfslaut.
* Mem. de la Societe des Antiquaires de la Alorinie XIX, 1884 — 5,
S. 323 f. (Coutumes de St. Omer).
s z für tönendes s erscheint in den von Raynaud behandelten Urkunden
von Ponthieu erst seit 1283.
64 F. ED. SCHNEEGANS,
ms. 2 weist folgende dialektische Züge auf:
1. der Diphthong -üu ist erhalten in orgieus, orpieiiment, iyeule\
focus wird aber fiu.
2. f in offener Silbe wird zu oi und ai, e.
3. gedecktes e und gedecktes a vor Nasal sind geschieden.
4. gedecktes / diphthongiert nicht, -ellus wird -eiis.
5. gedecktes a vor Nasal ist öfters durch -aiin wiedergegeben.
6. -arius wird -ere.
7. vortoniges ai wird zu a.
8. für aqua finden sich die Formen eve, enge.
Q. olea wird oile.
10. c bleibt vor a, wird vor dem aus a entstandenen e durch
ch ausgedrückt.
11. c-\-e,i, //-j- Vokal werden durch c wiedergegeben, im Aus-
laut in dem einzigen Beispiel durch z.
12. Der Artikel lautet im Masc. le, im Femininum ist del über-
liefert (cfr. Aleyer-Lübke II § 104).
Folgende Infmitivformen sind erhalten: aver, getir, ostier.
Soweit aus den wenigen Formen ein Schlufs zu ziehen ist,
läfst sich vermutungsweise als Heimat des Schreibers von ms. 2 der
Süden des picardischen Gebietes bezeichnen, ms. 2 schreibt aufser-
halb des Gebietes, auf dem gedecktes § zu ie wird. Für die Nähe
der Champagne spricht der Wandel von ai zu a (s. Wilmotte
Romania XX 47g ff.). Die Schreibung aun für gedecktes a vor
Nasal ist nicht mafsgebend ; sie findet sich nicht allein in der Nähe
des normannischen Gebietes.^ Auch die Behandlung von ieu bietet
keinen Anhalt.^
Ziehen wir die Behandlung von freiem e, das ai und oi wird
und auf die Nähe der lle de France hinweist, hinzu, so läfst sich
als Heimat des Schreibers von ms. 2 die Gegend bestimmen, wo
lle de France, Champagne und Picardie zusammenstofsen.'^
Die Form enge ist wohl identisch mit dem auf picardischem
und flandrischem Gebiet weitverbreiteten eiave aus aqua, wo tu
den Uebergangslaut zwischen dem aus etia entstandenen Diphthong
cu und 9 darstellt.4 Das g von enge könnte entweder aus einer
Kreuzung von etiwe und aigue entstanden sein oder ist aus dem
auch sonst in picardischen Urkunden bezeugten Wechsel der
^ So z. B. Oorkondenbock van Holland en Zeeland ed. Van Den Bergck
S. 357-
2 üu und tu begegnen nebeneinander auch in den von F. Neumann be-
handelten Urkiuiden, so dafs ütc als eine jüngere Form anzusehen ist (s. Zur
Laut- und Flexionslehre des Altfranzösischen S. 42).
^ In Cambrai fmden sich neben Formen auf oi, oe und 0 auch Beispiele
von ai, ei aus e (s. Tailliar n° i Arethoes, oiivoet = habebat, 7no = mensis,
n° 18 estait, deit. In den Briefen des Bischofs Wilhelm von Cambrai (Pertz
M. G. SS. VII, no CXXI) estait.
* Vgl. euwes (habutas) in ,, Etablissement d'une franche fete i Douai par
la Comtesse Marguerile de Flandres et de liainaul" (Tailliar n"i77), auwes
(auca) Urk. von Douai ib. n''i23. 196.
SKIZZENBUCH VON VILARD DE HONNECOURT. 65
Zeichen zv und g^ zu erklären; es hat wohl sicher nur ortho-
graphischen Werth (vgl, die Verkürzung eve 35). Die Form euge
könnte gegen die eben vorgeschlagene Lokalisierung des Textes
ms. 2 angeführt werden. Denn euzue scheint besonders in einer
nördlichen Zone des picardisch-wallonischen Gebietes, zu dem Cam-
brai nicht mehr gehören würde, und in Flandern vorzukommen. 2
Für ms. 3 ergeben sich folgende Spracheigentümlichkeiten:
1. üu wird tu.
2. ü aus freiem f, aus a nach Palatal und -arius wird /.
3. in geschlossener Silbe unterbleibt die Diphthongierung von §.
4. vortoniges ai und betontes und vortoniges oi werden zu a
und 0 (einmal d) vereinfacht.
5. e und a in gedeckter Silbe vor Nasal sind geschieden.
6. freies o wird nicht zu cu diphthongiert.
7. freies a wird bald durch e bald di
8. u in unus, una, sursum wird zu o.
Q. c bleibt vor a, wird durch ch wiedergegeben vor e, ie aus a.
10. c-\-e, i und //-}- Vokal werden ch (in der Schrift bald c
bald di), im Auslaut zu s.
11. t-\-s ivn Auslaut werden zu s.
12. / verstummt meist vor Konsonant.
13. silbenanlautendes / wird zweimal zu d.
14. ms. 3 kennt die Artikelform // für das Femininum.
Auch der Schreiber von ms. 3 gehört dem picardischen Sprach-
gebiet an. Nach dem Osten weisen 2 und 6 hin.
Die Behandlung von n in on, one ist im Norden weit verbreitet.
ANMERKUNGEN.3
10. Dem Texte sind drei Zeichnungen beigegeben: eine
Fensterskizze, der Grundrifs des Turms im ersten Stockwerk mit
den vier Vorbauen, die jeder je zwei Ecktürme haben (die .VIII.
aresies und .IUI. filloles). Die coJonbes de irois sind Säulenbündel,
deren Querschnitt auf der Zeichnung zu sehen ist und die das
^ Vgl. lanwe neben langhe in den Chansons et dits artesiens ed. Jean-
roy 3. 5- .
2 Hdnin - Lietard (Tailliar p. 432), Douai: ewwe, euwage (ib. 145. 146),
Arras: Ewwillerie (ein Quartier der Stadt Arras: Chansons et dits artesiens
XV, 26), Lille: euwe (Tailliar n" 208 und 262). Für Flandern ist die Form
bezeugt durch Tailliar n° 206. In einer Urkunde von Cappy (Somme) finde
ich aige, aigue, in Cambrai bei Gui de Cambrai, Bari, und Jos. ewe, eve,
euue, aighe, in den Gesta episcoporum Cameracensium (Pertz M. G. SS. VII)
yauwes, ebenso in St. Quentin (Livre Rouge: Passelyaiie 53, iauve 196. 197;
in den Archives anciennes: yaus), in Valenciennes aiuwes (Charte de la frairie
de la halle des draps de Valenciennes ed. Caffiaux, Mem. de la Soc. des anti-
quaires de France 38 p. i ff.).
3 Es sei audrücklich auf den trefflichen technischen Kommentar und das
Glossar der Lassus'schen Ausgabe hingewiesen, die für die obigen Erklä-
rungen, die nur das Verständnis einiger Stellen erleichtern sollen, reichlich
benutzt wurden.
Zeitschr. f. rom. Phil. XXV. C
66 F. ED. SCHNEEGANS,
Gewölbe der Vorbaue tragen. Das zweite Stockwerk ist in zwei
Abteilungen geteilt, die Vorbaue der unteren sind als arkei et en-
taulevmis, die der oberen (offen, auf acht Säulen und mit vor-
springenden Ochsenleibern verziert) als fiUoles bezeichnet. Die
arket et entaidcmetis (oberer Abschlufs des Stockwerkes) tragen die
.VIII. crestes, zwischen denen sich die schmalen Fenster befinden
{arkiere, eine ist auf der Zeichnung sichtbar).
15. d'on piler metre a droite /o/sons = „mit richtigen, passenden
Fugen", gemeint ist die Verbindung der dem Pfeiler angefügten
Säulen zu einem Säulenbündel.
22 b) „par ce moyen trouve-t-on le milieu d'un champ decrit
au compas" L.; Ergänzung von 22 a. In beiden Problemen handelt
es sich um die Auffindung des Mittelpunktes eines Kreises (in 22a
des Querschnittes durch eine Rundsäule) mit Hülfe zweier Punkte
der Peripherie.
22 g) L., der auf die Erklärung des Problems verzichtet, über-
setzt „Par ce moyen fait-on arriver deux pierres ä un point, si
alles ne sont pas 61oignees"; es heifst doch eher „mögen sie auch
entfernt sein".
24 f) „Par ce moyen on biaise les arrachements jauges pour
chaque membre sans modele" L. Nach Quicherat's geistvoller Er-
klärung, der sich L. anschliefst, handelt es sich um einen Bogen-
träger, von dem die verschiedenen Gewölberippen [memhre) in
spitzen Winkeln {bev'ojn) ausgehen und um ein Mittel die Form
des Trägers zu bestimmen. Die Zeichnung stellt einen Querschnitt
durch einen Träger dar,
25. vive kaiis holete et orpieumeiit: boUle (von hole, Kugel) kann
nicht gemeint sein; zu diesem „teigartigen" Schönheitsmittel gehört
„gestofsener Kalk (kein Stückkalk, den das Wasser nur zerbröckeln
würde)", „ungelöschter Kalkstaub" oder „Kalkmehl". Man denkt
an buleter (nfr. bluter), bolete et könnte irrtümlich für buletee et stehen.
Schwierigkeit bereitet aber der o-Laut, da sonst ms. 2 nicht 0 für
lat. ü kennt und altfr. nur buleter vorzukommen scheint; vgl. aber
wallon. boti = bluter (Grandgagnage).
31. Das Blatt weist zwei Zeichnungen auf, einen einfachen
Kirchenstuhl oben, unten einen mit Rankenwerk verzierten, der
auf einem der folgenden Blätter in noch reicherer Schnitzarbeit
wiederholt und als bone poupee 2^2 bezeichnet wird. L. möchte den
ersten Teil der Inschrift 31 auf die untere Zeichnung beziehen
und erklärt poupee als „rinceau, enroulement, espece de cloison
feuillagee, quelquefois avec figures terminant un rang de Stalles";
den Rest der Inschrift a .1. entreclos a tote le clef bezieht er auf
die obere Zeichnung, die einen Kirchenstuhl in der Mitte der
Reihe, zu der die untere poupee den Abschlufs bildet, darstellt;
denn die reichverzierte poupee kann nicht die Scheidewand zwischen
zwei Stühlen bezeichnen, die immer einfach ist nach Art der oben
skizzierten. Er erklärt clef als „accoudoir assembl^ avec la piece
SKIZZENBUCH VON VILARD DE HONNECOURT.
67
courante qui forme le dossier". Ich würde lieber unter clef einen
auf der oberen Zeichnung sichtbaren Stift verstehen, der den be-
weglichen Sitz mit der Rückwand des Stuhles verbindet.
34. orbes arkes sind innere gewölbte Gänge längs den Fenstern
des ersten Stockwerkes, welche die weit vorspringenden Gewölbe-
pfeiler durchbrechen.
36. Ves ci les moUes des chapieles de cele pagne = „Das sind
die Modelle (Querschnitte), die in der hier behandelten Kapelle
vorkommen". Mit loizons ist die Verbindung der Halbsäulen mit
dem Pfeiler zum Säulenbündel gemeint.
GLOSSAR.
acainte , accahite: Schirmdacli 18;
Seitenschiff eineV golliischen Kirche
35; s. Du Gange s.v. accincta.
agies: Haltung, Bewegung i; s. Gode-
froy s. V. agies, agiez.
aguile: Turmspitze 23 g.
aile: Adler 7; aqtiile 26.
aive: Wasser 22 j. 1; ai'e 27.
angle: Winkel 23 b.
arbre: Radachse 27.
arc: Bogen 22 c. 24 h; arc boteret:
Strebebogen 13. 35.
arke: Gewölbebogen, gewölbter Gang
34-
arkiere: Schiefsscharte, schmales Fen-
ster 10; s. Godefroy s. v. archiere.
art: Kunst I. 20. 21.
atenir: festhalten 33.
aulre taut — com: sowohl — als
auch 22k.
bas: Holz, Holzbalken 27.
behot: Röhre 8.
bever: schräg ansetzen 24 f.
bolete: s. Anm. zu 25.
boteret, buteret s. arc.
Canbrai 13.
caneuvize : Hanfsamen 37; s. Godefroy
s. V. canebuise (bezeichnet den Hanf-
samen in der Gegend von Douai).
cangier: abwechseln lassen 9.
canpe: Feld, Fläche 22 b.
cantepleure: „robinet quelconque lais-
sant ecouler l'eau peu äpeu; arro-
soir" L. ; s. Du Gange s.v. canta-
plora.
capitel: Säulenkapitäl 24 a.
Cartioti {S. Maria): Giiartres 15.
Carole, charole: Chorumgang; s. Du
Gange s. v. carola (clathros seu co-
lumellas fabrefactas, olim in quibus-
dam Galliarum provinciis in Nor-
mandia saltem, dictas Garoles) und
Godefroy.
carpenterie: Zimmerhandwerk i; Bal-
kenwerk 18.
chavec, cavece: Ghor 13. 22.
ciment: Gement 25.
cintreel: Bogen 22 e.
ciziel: Meifsel 37.
Cisterciensis ordo 17.
Cistiaus 13.
clef: Schlufsstein des Spitzbogens
23 c. d. — Teil eines Kirchenstuhles
s. Anm. zu 32.
clozeic adj.: verschlossen 9; s. Gode-
froy s. v. closeis.
clostre: Kreuzgang 22 k.
CO (por): deswegen weil li.
col: ,,saillie du contre-fort" L. 10.
col roge: Rotkohl 37.
colonbe: Säule 7. 22.
conble: Dachstuhl, Gewölbe lO. 18. 25.
Come (S.) 30.
conpas: Zirkel 22. 24 h; Kreis {une
als a .III. conpas: Dreipafs) 7; cfr.
Du Gange s. v. compassus; Gode-
froy.
consel: Anleitung i.
5*
68
F. ED. SCHNEEGANS,
contrefaire : abzeichnen (al vif: nach
dem Leben) 28. 29.
copresse: Stütze 27.
Corbie [Pures de) 14,
covertic: Dach 6. 35. 36,
creste: Spitzlürmchen 10.
cretiel: Zinne, zinnenartige Brüstung
34. 35-
descoscJer: abschitfsen 33,
desputer {se) de: konkurrieren um 4.
desquari: eckig 13.
destenprer: mischen mit 25.
devizer: erklären 9.
doctriner: abrichten (einen Löwen) 28.
Domijen (S.) 30.
douhliel: Pfeilergurt 36.
droit (a) adv. : richtig 9.
cfibracemetit: Yierpafs (vierteiliger
Rahmen um eine Radachse) 27.
enconbre: Häufung 24 a.
endanier : anschneiden 27.
engenolie [vosure) : „voussoir profile
suivant une courbe" L. 24.
engieng: Baumaschine l. 26; Wurf-
maschine 23.
etitaulement : Stockwerk 10. 34. 35.
entaule adj.: gepflastert 36.
entreclos: Scheidewand (zwischen zwei
Chorstühlen) 32.
erracenment; Träger, Gewölbeansatz
22 f. 24 f.; s. Godefroy s.v. esrache-
ment.
esscandelon: Stufe 23 f.
escaufaile: Wärmer, Händewärmer 9.
esconse: Blendlaterne 18.
esligement: Grundrifs lO. 13. 14,
espandre: ausgiefsen 9.
espasse f.: Säulenzwischenraum 10.
estace: Grundpfahl 27.
estancon: Stützbalken (Teil einer
Wurfmaschine) 33.
estanper: zermalmen, zerstampfen 37.
Estienne 14.
estor: Fenster 22 h.
estoupe: Werg 37.
euge: Wasser 25.
fillole: Türmchen, s. Godefroy.
force Technik einer Kunst i. 19.
forkiet [piler): Strebepfeiler 10 („con-
tre-forts d'angle faisant la fourche"
Lassus).
forme: Fensterlorm 11. 36.
fust: Holz 18.
galion filate: Levkoje 37; s. Du Gange
s.v. gariofilata, fr. giroflee; Gode-
froy s. V. gariofilee.
getir: werfen, ausgiefsen 35.
grosse: Dicke 22 a. 23 b.
hautece: Höhe 23!.
hauture: Höhe 7.
hierbegier: auf der „herberge", dem
oberen Abschlufs einer Scheidemauer
zwischen zwei Nachbargebäuden,
aufbauen 18.
Honecourt l, Hon7iecor\r\ 2, Huue-
cort 14.
Hongrie II. 15,
huge: Kasten 33.
Humilite: Demut (als personifizierte
Tugend) 3.
jagijs adj.: ausgemessen 24 f. Gode-
froy hat ein Beispiel von jaige s.f.
(,,pour ung pie et une jaige de
grans voulseurs" aus einer Quittung
eines Werkmeisters in Dijon. jaige
scheint hier eine Längenmafsbe-
zeichnung zu sein).
ierloge, orologe: Uhr 6.
ioinetrie: Geometrie i. 20. 21; geo-
metrie 22 s.
justicier: richtigstellen 23 c.
kaiel: Hündchen 28.
kaus: Kalk 25.
labitement: Steinigung 30.
largece: Breite 22 1.
letre: Text, Beschreibung 9.
letris: Lesepult 7; s. Du Gange s. v.
lectricium.
linel: Lot 22 v.
SKIZZENBUCH VON VILARD DE HONNECOURT.
69
livel: 23 j.; Lassus übersetzt „niveau,
ligne, cordeau ä diviser".
loison: Fuge 23 c. 36.
lonc: entfernt 22 1.
Loon 10.
Lozane 16.
machonerie: Baukunst l. 19; Bauart
22h. 24a.
ntaillet: Hammer 4.
rnaizon: Behausung, Behälter 6.
?namere: Bauart 5. 7. 8. 10. 13. 34;
manine 27.
tnenbre: architektonisches Glied 24 f.
mesure qice {par): auf die Art dafs
24 b.
matere: Stoff, Anleitung 15. 19.
Miax 14.
mole: Modell 52. 23 g. 246. 36.
?nontee: Aufrifs 10. 13. 34. 35. 36.
mors: Krönung. Abschlufs, nfr. amor-
tissement 35.
moii stier: Kirche 36.
nokeret: Dachrinne oder Wasserspeier
35 ; s. Godefroy s. v. nochiere, no-
kiere, nochere.
ogive: Spitzbogen 36.
orbe: dunkel, verborgen 34.
Orgieus: Hochmut (Personifikation) 3.
orpieument: Operment 25.
paelete: Pfanne 9.
pan (piain): Mauer 13. 36.
pavement: Fliese 15.
peignon: Giebel 6.
peignonciel: Giebel 6.
pendant: Hängebogen 23 a.
peniel: Fläche 6.
persoir : Presse 2 2 p.
Pieres de Corbie: ein Architekt, der
mit Vilard konkurriert 14.
piler forkiet: Strebepfeiler 10.
Pharao {S.): die Farokirche in Meaux
14.
plotn: Senkblei 23J.
point: Mittelpunkt 24 d.
porc espi: Stachelschwein 29.
portraire: zeichnen, skizzieren 11. 24 c.
Portrait: Zeichnung 6.
portraiture: Zeichenkunst l {portti-
ratura 19) 20; Zeichnung 9. 35.
poupee: Rankenverzierung an einem
Kirchenstuhl 31. 32.
poure: Pulver 37.
prael: Klosterhof 22 k.
pumiel: Knopf, Knauf 7.
quint point: ,,arcade qui a pour
centre de chacun de ses arcs un
des points divisant sa base en cinq
parties egales, ce point etant le
cinquieme ä partir de la naissance
de l'arc" L. 23 d.
recoper: Pfähle unter Wasser absägen,
nfr. receper 27.
redevoir unpers. : wieder, ebenfalls
sollen 35.
redrescir: aufrichten 27.
roonde: runde Säule 23 b.
Salemoti: König Salomon 12.
sanemonde : Levkoje 37; s. Godefroy.
Sarrazin: Sarrazene 5.
scere: Winkelmafs 23 c.
soie: Borste 29.
soir: sägen 26.
sole: Terrasse 27. 33.
soore: Säge 26.
sorvols: Rippe (an einem Gewölbe) 36.
soutre (par): unten 8.
tanesie: Rainfarn (tanacetum) 37; s.
Godefroy s. v. tanisie.
tergier: bestreichen 37.
tyeule: Ziegel 25.
tijrc: Spitzbogen, nfr. tiers-point, 23 c.
toize: Klafter 23.
toral: zum Turm gehörig 36.
toreillon: Drehzapfen 9.
torete: Türmchen, turmartige Verzie-
rung 8.
torner: drechseln 18.
trait: Linienführung i. 19.
travecon: Ouerstab 8,
70 F. ED. SCHNEEGANS, SKlZZENULCll VON VII AKl) DE HONNECOURT.
trebucet: Wurfmaschine 33.
tribucher: zu Falle kommen 3.
tumeie s. f. : Schnitt 24 c.
unnement: Salbe 25.
Vecellensis (5. Maria) Vaucelles 17.
rerge: Stab 7; Stange (Teil einer
Wurfmaschine) 33.
veriere: Glasfenster 16. {vesrire 23.)
35- 36-
vif (al): nach dem Leben 28. 29.
vif argejit: Quecksilber 4.
vis: Schraube 22p.
voie: Gang 22 k. 34. 35.
vols; gewölbt 36.
volte: Gewölbe 18.
vosor: Gewölbstein 23 f.; vosoir 240.
vosure Schlufsstein 22 h. i. 246. g.
ivarance: Färberröte, Krapp 37.
IVilart de Honnccourt i; Ulardus 14.
■windas: Winde, Feder (zum Spannen
einer Wurfmaschine ; mehrere Bei-
spiele dieses Gebrauchs bei Gode-
froy s, V, guindas) 33.
F. Ed. Schneegans,
;^tudes sur la poesie burlesque fran9aise de la Renaissance.
C'est une veril6 demontree desormais ä l'evidence que la litte-
rature franyaise du XVP siede, naquit et se d^veloppa sous la
double influence classique et italienne. On peut ajouter aussi,
Sans crainte d'exagerer, que cette derniere l'emporte de beaucoup,
au moins dans la plupart des genres, sur les inspirations puisees
directeraent aux chefs - d'ceuvre de la Grece et de Rome, ces
chefs-d'oeuvre que tout le monde declarait bien vouloir suivre de
pres, mais dont l'imitation paraissait en effet difficile, ä une epoque
Oll l'art et la langue ^taient encore dans leur enfance. On ne
saurait donc parier de poesie burlesque ou bernesque, sans que
ces noms meines, qui n'ont pas d'ailleurs identit6 de sens, ne nous
indiquassent leur patrie d'origine. C'est lä une production tout-i\-
fait italienne, mais les poetes fran^ais burlesques, lein d'avouer
franchement leurs emprunts, les dissimulent avec art, preferant se
declarer redevables de leurs inspirations, ä des auteurs grecs ou
latins, dont ils ne connaissaient fort souvent que le nom. Ce fait
que j'ai eu l'occasion de constater autre part pour la comddie est
evident ici encore et d'ailleurs bien naturel. Les classiques for-
maient, pour ainsi dire, un patrimoine commun, sur qui tout le
monde pouvait vanter les memes droits et que l'ecole de Ronsard
ne cessait de recommander ä l'imitation, tandis que les Italiens
etaient des contemporains, que l'on n'aurait pu piller librement
sans s'exposer ä l'accusation de plagiat.
L'imitation italienne, dont je parle, n'est pas d'ailleurs toujours
servile ou litterale. Elle consiste plutöt dans la repetition des
memes sujets, que dans la dependance de la forme; les fran^ais
chantent ce que les italiens avaient chante avant eux, la goutte,
par exemple, la fievre, la galere et pis encore, mais les modeles
ne sont, que fort rarement, suivis ä la lettre et l'on peut meme
parfois croire ä une simple r6miniscence. C'est lä ce que nous
allons constater dans les chapitres, qui suivent et que j'ai divises
Selon les genres (une division quelque peu vague, mais la seule
qui soit possible), afin que les types caract6ristiques de la poesie
burlesque se trouvent en plein jour.
Mais c'est sur ce nom de poesie burlesque qu'il faut faire
tout d'abord quelques restrictions. J'^carte les poemes burlesques,
parce que l'^tendue de leurs sujets et le caractere de parodie, en
72 P. TOLDO,
font un genre a part. Et la parodie parait evidente. Didon par-
lant le langage des Halles, Enee transform6 cn bon bourgeois
„gras et fleuri", les vers hero'iques de l'epopee du peuple roraain
appliqu6s ä. des situations plaisantes ou ridicules, enfin !a vulgarit6
la plus plate, s'opposant a la grandeur du modele classique, voilä
ce qui constitue le burlesque de ce genre, tel que nous le retrou-
vons chez le Lalli en Italie et chez Scarron en France et qui con-
siste dans la d6gradation ou la caricature des heros. Je laisse de
c6t6 aussi les caiüi carnascialeschi, bien que le burlesque y joue
parfois un certain röle, de meme que la poesie ä la hurchia, qui
eut en France beaucoup de succes, j'6carte enfin avec soin tout
ce qui ne rentre par directement dans ce sujet, si riebe, si vari6
et que l'on n'a pas encore etudid, dans son ensemble, d'une ma-
niere satisfaisante.
L'amour et les femraes.
C'est ä elles la place d'honneur, mais il faut le declarer tout
de suite, la place que les poetes burlesques leur ont assignee ne
m6rite pas du tout ce titre. Des courtisanes, des maquerelles, des
femmes, vendant leurs baisers ou ceux de leurs amies, avides, me-
chantes, sales et souvent grandes sorcieres, voilä ce qui se pre-
sente d'abord ä notre vue. Mais ce sont surtout les vieilles,
hideuses, repoussantes, cachant leur laideur sous le fard ou l'^ta-
lant avant cynisme, Celles qui sont en butte aux plaisanteries fort
outrees et fort ind6centes de ces poetes. Le mepris des vieilles est
Sans doute issu de l'imitation classique; on n'avait qu'ä ouvrir les
Oeuvres d'Horace, d'Ovide et de Martial, pour en trouver des modeles
plus ou moins acheves. Mais il y a lä aussi une consequence du
mepris qu'on avait pour la femme au moyen äge, mepris du ä des
pr6occupations religieuses de chastete, se melant ensuite, d'une ma-
niere etrange, aux Souvenirs epicuriens du classicisme, La femme,
etant pour les uns une tentation obs6dante et diabolique et pour les
autres un simple instrument de plaisir, ne pouvait s'elever pour la
plupart des gens de cette epoque a la dignitd de mere et de com-
pagne fidele de l'homme. Le printemps de la vie passe, sa mission
etait finie et l'on assistait en riant ä sa degradation. Chez le Berni
et chez plusieurs poetes formes ä son ecole il y a aussi une vive
reaction contre les p6trarquistes et sous ce rapport les vieilles re-
presentent une parodie de la lyrique amoureuse, de meme que les
poemes burlesques nous offrent, ä leur tour, une parodie de l'epopee
classique et chevaleresque. Mais avant le Berni, on avait d6jä
chante maintes fois les grimaces de la vieillesse.* II suffit de rap-
peller ce qu'on lit dans un recueil public par M"" Casini,^ les sonnets
^ cfr. l'article de Mr Clan ,,Un codice ignoto di rime volgari appartenuto
a B. Castiglione" dans le Giorn. Stör, della lett. ital. XIII p. 310 — 316. Yoyez
aussi un article de M" Vittorio Rossi dans le meme Journal (XXVI p. 39)
sur le poete Strazzola.
- dans les „Rime dei poeti bolognesi del sec. XIIP" dans la Scelta di
curiositä letterarte, disp. CLXXXV p. 42.
POESIE BURLESQUE FRAN^AISE DE LA RENAISSANCE. 73
attribuds ä Cecco Angiolieri et cites par M'' Ciani et ceux de
Rustico di Filippo, 6crivain de la premiere moitie du XIIP siecle.2
Ce dernier est le representant le plus accompli de ce genre,
dans la litterature italienne des premiers siecles. On n'a qu'a lire
ce sonnet, oü le tableau est dejä acheve:
„Dovunque vai con teco porti il ciesso,
oi bugieressa vechia puzolente,
che quäl umque persona ti sta presso,
si Iura il naso e fugie jnmantenente.
Li denti le giengie tue menar gresso,
che li tasena 1' alito putente:
le seile paion lengue d' allcipresso
jn ver lo tuo fragor, tant' e repente :
Che par che s' apran mille monimenta
quand' apri il cieffo; perche non ti spolppe?
o ti rinchinde ssi c' 6m non ti senta?
Perö che tute '1 monddo ti paventa;
jn corppo credo filglinti le volppe,
ta 'lezo n' escie fuor, soza giomenta!"
Ailleurs il parle de sa belle „la donna mia", qui montre ses
tresors consistant en „cispa d' occhi" poux, punaises, gale et autres
raerveilles de ce genre. Cene de la Chitarra d' Arezzo^ peint, a
son tour, una „vegla nera vizza e rancha"; Franco Sacchetti s'amuse,
a ce sujet, dans des ballades bien connues et le Pistoia* a un
sonnet d'une beaute merveilleuse sur une dame de quarante-sept
ans, qui n'a pas encore renonce ä la coquetterie:
„Lei pare un carboncin mezzo di foco;
O che bei donnellin creato in fretta!
Che belle carni purpurine e rance!"
Bernard Bellincioni, le poete courtisan de Laurent le Rlagni-
fique, se moque d'un amoureux d'une femme borgne'' et il pr(^-
lude par lä ä une foule de compositions pareilles, savoir Tamant
d'une bossue, l'amant d'une negresse etc., qui eurent beaucoup
de vogue, dans les siecles suivants. C'est en parlant de sa propre
maigreur, que le Bellincioni se sert d'une image, que nous retrou-
verons ensuite chez le Berni et chez beaucoup de poctes franc^ais:
„Chi vuol far notottiia
Di muscoli, di nervi e poi del drento,
Di fuor mi guardi, e resterä contento."
On ne s'en rappellera que trop et l'anatomie burlesque nous pre-
sentera des modeles aflfreux et vivants d'histologie et de momi-
^ ibidem p. 312.
^ cfr. bibl. stör, letter. ital. Bergamo, 1899, edit. Federici, p. 30, 33.
3 cfr. vol. CLXXII de la scelta di curiositä letterarie, son. 2.
* / sonetti del Pistoia ed. Renier, Torino, 1888, p. 106.
^ cfr. scelta di curiositä lett. livr. XXIV son. 171«, 34.^.
74 ''• lOLDO,
fication. Dans „la istoria della Beca", attribuee ;\ Louis Pulci,
nous avons affaire a une paysanne, dont les appas ne sont gätes,
que par quelques petits d6fauts:
„I.a Beca mia h solo im po' piccina,
E zoppica ch' appena te n' adresti.
Neil' occhio ha in tutto una tal magliolina,
Che shi non guardi, tu non la vedrcsti,
Pelosa ha inlorno quella sua bocchina,
Che proprio al barbio 1' assomigliaresti,
E conie un quattrin vecchio proprio h bianca."
D'autres invectives qui n'ont pas toujours un caract^re burlesque
et plaisant, sont lanc^es contra les vieilles, ayant le tort de ne
vouloir pas servir ces poetes dans leurs amours, ou veillant sur la
vertu des jeunes fiUes confiees ä leur garde. Pour ces auteurs, les
femmes n'ayant plus les charmes de la jeunesse, sont obligees ä
un autre metier; courtisanes ou maquerelles voilä leur destin^e. Et
les maquerelles ne sont epargnees non plus, car ces poetes sont
vraiment incontentables. Rappeions ce que le Politien 6crit m attum,
l'Arioste in lenam, le Moiza in aniun importunam, et la description
d'une vieille entremetteuse, due ä. la pluine du Burchiello.i
C'est lä le genre oü l'Aretin occupe le premier rang. Nous
venons de constater l'existence de la description burlesque de la
vieille avant le Berni, mais ici, comme dans toute sorte de com-
position burlesque, il faut bien lui donner la premiere place. Son
sonnet sur les
„Chiome d' argento fine, irte ed attorte
Senz' arte, intorno ad un bei viso d' oro"
devint bientöt le modele de tout portrait d'une femme laide et
vieille aux dents d'ebene et aux „luci torte" et on lui emprunta
aussi, pour l'appliquer aux beaut6s fanees, ce qu'il avait chante
d'un certain jnessere, qu'il appelle „una lanterna viva" un „carcame",
un sujet sur qui, comme Bellincioni, il invite ä etudier la „notomia".
Que l'on ajoute ce que le poete chante de sa servante:
,,Balia del Turco, e suocera del boia"
decrite depuis les pieds jusqu'ä la tete et ressemblde ä une
„cosmografia"
,,Pien d' isolette d' azzurro, e di bianco,
Commesse dalla tigna di tarsia."
Rappeions aussi ce qu'il dit de son „innamorata", dont les grands
pieds avaient touche son coeur.
Dans son m6pris pour la vieillesse, le poete Italien s'en prend
aussi, avec son manque de sentiment moral et filial, ä sa mere, ä
ses tantes et ä ses oncles:
„E dicon, che non voglion raai morire,
La morte chiama, ed ei la lascian dire."
1 ^d. de Londres, 1757, p. 112, 147.
POESIE BURLESQUE FKANC^-AISE DE LA RENAISSANCE. 75
Le Mauro dans ses „donne di montagna", que l'eau n'a jamais
connues et qui obligent l'Amour de courber la tete, ajoute d'autres
traits mais plus vulgaires ä ceux de son maitre:
,,E i capei folti, bosco da pidocchi,
E gli denti smaltati di ricotta,
E le poppe, che van fin' a i ginocchi."
Lo Strascino da Siena nous fait admirer sa dama, decrite eile
aussi dans les moindres d6tails, INIesser Agnolo Firenzuola com-
pose un capitolo „sopra le bellezze della sua innaraorata" et il
commence des cheveux, des oreilles et des yeux pour arriver
jusqu'oü je ne dirai pas. Enfin le Lasca a de meine que le
Berni, une servante, qui ferait perdre la patience ä Jacob, a Isaac
et ä lob, lui-meme:
,,L' Ancroia e 1' Arpalista
Ebber men brutta cera.
L' e lunga, vecchia, secca, grinza e nera,
Ch' ella par la versiera,
Anzi una furia, una strega, im' arpia."
G. F. Ferrari, dans ses rimes burlesques (reimpression de Ve-
nise, 1570) et suivant les Paradossi d'Ortensio Lando, aborde une
autre forme du meme sujet. II chante les louanges de la fcrame
laide, parce que la beaut6 de la femme forme le d^sespoir des
maris; en outre le temps d6truit cette beaute trompeuse, tandis
que la laideur ne saurait empirer, Que l'on ajoute les Souvenirs
de tous les malheurs caus6s par les belles femmes, depuis Helene
jusqu'ä nos jours, tandis que les femmes laides restent tranquilles
a leur place et se contentent de fort pcu.i Ce sujet tel que le
Ferrari l'a developpe se trouve en rapport direct avec un autre
bien plus connu encore de Tantiquite classique, celui des malheurs
de la vie conjugale, sujet qui est, il est vrai, surtout satirique,
mais que la poesie burlesque sait exploiter a son tour. Lorsque
le Berni, par exemple, dans son sonnet, qui commence:
„Cancheri, e beccafichi magri arrosto"
nous fait Tenumeration de tous les malheurs possibles, pour con-
clure que le pire de tous est celui „d"aver moglie" il a dvidemment
l'intention de tenir en suspens l'attention du lecteur, jusqu'aü der-
nier vers, dans un but tout ä fait plaisant et la satire passe en
seconde ligne. II en est de meme du Lasca, qui dans un sonnet,
dont le d6but est moins plaisant que celui du Berni, mais dont
la m6thode et le but rappellent de pres ceux de son pr6d6cesseur,
r6sume, ä son tour, tout ce qui peut rendre malheureux un homme
pour conclure que:
1 Pour les louanges de la vieille femme voyez le secentisia Murtola,
qui se propose cependant un but difFerent; cfr, Belloni: // Seicento, p. 66.
76 P. TOLDO,
„Chi vuol mutar costumi, opere e voglie,
Chi vuol d' ogni error suo far penitenza,
E d' ogni ben privarsi, tolga moglie."
Sous un autre point de vue Cesar Bentivoglio, suivant de pres
Horace et se moquant de ceux, qui fönt de la femme le but de
tous leurs d6sirs, sujet d6velopp6 d6jä, entre autres, par Cecco
Angiolieri,' conclue que le mieux qu'il a trouve c'est de se con-
tenter de sa propre servante, tres simple et qui ne se fait pas trop
prier, ainsi que les dames de la cour. Cette Inspiration classique
et italienne nous la retrouverons fort exploit6e par les poetes
fran^ais. Parfois les ecrivains de la Peninsule pr6f6rent ä celui
des femmes un autre amour, dont ils ne fönt aucun mystere;
Berni, Dolce et plusieurs autres de ces poetes burlesques avouent,
avec un cynisme repoussant, et pas seulement pour plaisanter, leurs
passions honteuses; on chante le ragazzo, sans le moindre volle,
lorsqu'on ne croit plus conv6nable, de faire un tour au bordello et
de suivre de pres l'inspiration de Petrone.
C'est par l'amour de la servante oppos6 ä celui des dames,
que nous pouvons aborder l'examen de la poesie burlesque de la
France. Ronsard est lä sur le seuil de la Renaissance, avec son
bagage petrarquesque, chantant la beaute de la femme, sur tous
les tons, mais on aurait tort de prendre trop au s6rieux cet en-
thousiasme d'emprunt. En d'autres compositions, en evident con-
traste avec sa lyrique amoureuse, il s'en prend a ce sexe si volage,
qui ne sait apprecier au juste ses grands merites et ses ardents
soupirs et il artive par lä ä conclure que l'amour le plus commode
est encore celui chante par Horace et par le Bentivoglio.
,,Mon Dieu que sert d'aimer ä la cour ses princesses?
Jamals teile grandeur n'apporte que tristesses,
Que noises que debats; il faut aller de nuit,
II faut craindre un mari, toute chose leur nuit . . .
Quant ä moy, bassement je veux toujours aimer."
Et en eflfet, dans une de ces ödes {^t^'^)^ il se declarc epris de sa
servante, sans qu'il y ait dans cette sorte de passion, aucune idee
elcvee ou poetique:
„Si j'ayme depuis naguiere
Une belle chamberiere
He, qui m'oseroit blasmer?
De si bassement aimer?"
II appelle ä son secours, n'oubliant pas les preceptes de son ecole,
une foule d'exemples, tir6s de la mythologie et il ajoute:
* cfr. le sonnet qui commence:
„!' sono innamorato, ma non tanto,
Che non men passi ben leggieremente:
Di ciö mi lodo, e tegnomi valente,
Che all' Amor non son dato tutto quanto,"
POESIE BURLESQUE FKAN(,:AISE DE LA RENAISSANCE. 77
„L'amour des riches princesses
Est un masque de tristesses;
Qui vent avoir ses esbats
II faut aimer en lieu bas."
Le bas et la bassesse triomphent donc chez lui et sa decla-
ration ne sera pas perdue pour ses contemporains et pour ses
imitateurs. On n'a qu'ä ouvrir le Cahinet satirique pour y retrouver
l'apologie „du plaisir d'une servante" due a la plume du cadet
Angoulevent:
„Fasse qui voudra l'amour
A ces maistresses de cour,
Quant a moi je me contente
De caresser nuict et jour
Le teton de ma servante . . ."
Qu'il me soit permis d'interrompre tout de suite notre poete,
qui pousse trop loin sa plaisanterie, pour passer a une autre cora-
position, sur le meme sujet du meme cadet Angoulevent' et
qu'on lit dans ses satires bastardes (1615), pele-mele Strange, oü
Ton rencontre parfois aussi de beaux vers. Ici, par exemple, dans
„rAraour des chambrieres" apr^s avoir lou6
„La beaute qui point ne se farde"
il conclue avec beaucoup d'inspiration po6tique:
„Estant au village nourrie,
Elle se laisse apprivoiser,
Et Sans me causer facherie,
Me fait pres d'elle reposer.
Follastrement dedans ma bouclie,
Depuis le soir jusques au matin,
Je me rends maistre de sa couche,
De ses flancs et de son tetin.
Ore dessoubs le verd boccage,
Ore dans un pre fleurissant,
Au son du rossignol sauvage,
La belle me va cherissant."
Maynard, un contemporain d'Angoulevent (1613), ddclare ä son
tour, qu'il se rend avec plaisir ä la campagne, oü il pourra jouir
ä son gre des beautes champetres et salue avec mepris „les pom-
peuses demoiselles" cachees sous le fard. Mais le cadet d'Angou-
levent ne s'est pas borne ä chanter l'amour des „chambrieres". 11
a aborde aussi le sujet de la vieille femme; une femme que Tage
a rendue aftreuse, mais avec laquelle il \\\. en rapports intimes, ä
cause de ses richesses, declaration qui n'est pas faite pour lui
captiver notre estime bien qu'il l'expose avec un sans-gene ad-
mirable. Enfin s'il se moque en vers de cette maitresse, toujours
Nicolas Joubert sieur d'Angoulevent.
78 P. TOLDO,
est-il qu'il la caresse en prose, ce qu'il avoue des le debut de
la pifece :
„Image de la mort, vieille sempiternelle,
Que vous sert-il d'user tant de cruautez,
Ikia foy vous vous trompez de faire la cruelle,
Car j'aime vos escus et non pas vos beautez"
et il conclue fort galamment:
„Un bois vieil et trop sec n'est bon que pour brüler" ^
Le cadet d'Angoulevent, que nous venons de citer, excelle dans la
description des vieilles et ce qui rend plus piquants ces recits,
c'est qu'il se met en scene, lui-meme, ä cöte d'elles. Ainsi apres
avoir presentd dans la Poriraicture d'lsabeau une des varietds in-
finies du. sonnet du Berni, apres avoir dedie soixante-neuf vers ä,
une autre vieille sempiternelle, des vers, tous commen9ant par ce
mot de vieille, qui les inspire, dans Xadvenlurt de Polidore, il nous
expose comment il se trouva entre les bras d'une magere epou-
vantable, qu'il avait crue tout d'abord une fiUe jeune et charmante.
Ce qiiiproqtio est une source de burlesque, tres exploitee ä cette
6poque.2 Mais la poriraicture de la vieille commence en France
bien avant notre cadet, et en laissant de cöte la representation
de la vieille au moyen-ä.ge,3 celui qui aborde, le premier, d'une
maniere nette ce sujet c'est Villon dans une bailade en viel langage
oü il chante que „toujours vieil singe est desplaisante". Clement
Marot dans des vers assez connus, r6pete ces injures:
„Veux-tu vieille ridee entendre
Pourquoy je ne te puis aimer?
Amour, l'enfant mol, jeune et tendre,
Tousjours le vieil sang trouve amer . . ."
1 Tout cela ne lui empecha point de chanter 'serieusement ainsi que
Murtola la belle vieille, sujet developpe ensuite par Menage {Aeg. Menagii
poemata ed. de Paris, 1658).
2 La fortraicture d'Isabeau s'inspire evidement aux modeles Italiens,
que nous venons de citer. En voici le debut et la conclusion:
„Jeune beaute qu'en rougeur surpasse,
Le fond vermeil d'une vineuse tasse,
Qui as les dents plus belies qu'un rasteau
Et le nez iaict tout ainsi qu'un marteau . . .
He donc pourquoy ne pourra-t-elle plaire
A mes doux yeux qui en sont plus espris,
Que tous les chats des rats et des souris.'"'
Voici encore le debut de la vielle sempiternelle:
,, Vieille ha ha, vieille ho, ho,
Vieille chouette, vieil hibou,
Vieille grimasse de marotte
Vieille gibeciere de Juif . . ."
Pas trop d'esprit, ou le voit bien, dans ce debordement d'injures.
2 cfr. G.Paris: La litt, f rang, au moyen äge, Paris 1888, p. 168 et
Gorra dans sa preface i la reimpressicn du Fiore (Voyez Mazzatinli, Mss.
ital. delle bibl, di Francia, Vol. III).
POESIE BüRLESQUE FRAN^AISE DE LA RENAISSANCE. 79
Apres Marot, c'est Ronsard qui s'en prend aux vieilles au moins
si c'est bien du ä sa plume la satire sur la belle Calm
„Chancreuse et noire les dents"
qu'on lit dans le cahinet satyrique (6d. 1859 — 1860), et apres Ron-
sard, ou peut-etre dans !e memo temps, Joachim du Bellay, qui
d^dia a ce sujet des vers dont l'ispiration italienne parait evi-
dente. Je n'ai qu'a citer le sonnet qui commence:
„O beaux cheveux d'argent mignonnement retois!
O front crespe et serein: et vous face doree!
O beaux yeux de coral! 6 grand bouche honoree
Qui d'un large replis retrousses tes deux bords",
pour que le type du Berni se präsente ä nos yeux. II y avait
evidemment en Du Bellay, aussi bien que chez son pred^cesseur
italien, une reaction plus ou moins vive ä la lyrique amoureuse
de son 6poque, car, dans une autre composition, il s'en prend
aux Petrarquistes, oubliant, pour le moment que c'etait lä, oii son
maitre Ronsard avait fait cueillette de lauriers. 11 s'y plaint de
ce qu'en France l'amour, dans sa representation litt6raire, a pris
„Thusque nature" et que les poetes ne savent chanter autre chose
que le fin or, les perles „le crystal, le marbre, l'yvoire, les fleurs,
lis, oeillets et roses" de Celles qu'ils supposent d'aimer, peinture, a
ce qu'il ajoute ä faire „rougir la carte blanche". Pour moi d6clare-
t-il j'aime un amour plus positif et je me moque de tous ces
vains soupirs.i
Je rappeile encore que dans le sonnet cite, Du Bellay n'oublie
pas les belles dents d'ebene, les ongles dorees et les membres de
glace; et que Melin de Saint Gelais se plut ä son tour a la
peinture des:
„Cheveux d'argent refranges et retorts,
Espars autour d'un visage dore."
Saint Gelais ajoute l'enumdration des appas de Celle qu'il aime,
savoir:
„Le front refronci qui m'as decolore
Te voyant butte et d'Amour et de Mort"
les dents toujours d'ebene, l'oeil qui fuit „a grand tort" le nez
de porphire et d'autres merveilles de ce genre. Cette imitation
directe devait continuer assez longtemps et Desmarets dans ses
Visionnaires (A. 1 S. IV) chantera, ä une epoque plus rapproch^e
de nous, le coral des yeux, l'azur de la bouche, l'or du teint,
1 Un autre ^crivain du XVIe siecle, Nicolas Le Digne composa un
„Discours satyrique de ceux, qui ecrivent d'amour" oü il se moque ainsi que
son confrere de ceux, qui chantent des maitresses imaginaires:
„(Ils) ont fort peu, ce me semble, ou n'ont jamais aimd,
Mais se fantasians une dame en idee
Sur un sujet en l'air leur amour est guidee,
Qui n'estant rien de soy qu'imagination
Ne peut monstrer le vray de leur affection."
8o P. TOLDO,
l'argent des cheveux et l'cbene des dents de la jeune beaute qu'un
de ses personnages adore. Mais entre Du Bellay et Desmarets il
y a une foule d'autres compositions inspirees a la meme pensee
et dont nous allons bientot faire la connaissance.
D'aprcs Martial (X livre, 6pigr. 75*=), Du Bellay se moque aussi
d'une „vieille affectee" dont il n'a pas toutefois l'air de repousser
l'amour. Ailleurs il fait conter ä une vieille courtisane les aven-
tures de sa vie, les arts de sa toilette, ses charmes pass6s et ses
repentirs inutiles. Un jour, du temps de Päques eile 6prouve toute
l'horreur de sa condition, se jette au pied d'un autel, prie le bon
Dieu de lui pardonner tout son pass6, vend ses biens, les donne
a l'eglise et se fait religieuse, mais, peu de temps apres, ramour
de sa vie libre renait dans son äme, et ayant quitt6 le convent
roule de vice en vice, de corruption en corruption. Pour surcroit
de malheur eile s'eprend d'un amour passionne pour un jeune
homme, et Du Bellay lui met dans la bouche les expressions les
plus tendres les plus vives de ce sentiment, qui la souleve ä
une idealit6, dont sa vie de debauches paraissait avoir du tarir la
source pour toujours. On voit la malheureuse rodant autour de
la maison de celui qu'elle aime, en proie ä la Jalousie, qui l'aveugle;
on voit cette main qu'elle voudrait saisir, pour se sauver de Tabime,
la repousser durement et cette äme qui n'a eprouv6 qu'un seul
amour, dans un corps souille par mille hontes, se replie sur elle-
meme et la vie hideuse recommence, pour aboutir ä la honte extreme.
La voilä fouettee par le bourreau, dans les rues de Rome, la voilä
en proie a cette maladie affreuse, dont V6nus punit ses adorateurs
et la jeunesse qui s'en va, fait le desert autour d'elle. Cette cour-
tisane, dont nous parle le poete fran^ais avec son esprit superieur,
est bien celle, qui parait dans la vie et dans la litterature de la
Peninsule, Je ne rappelle pas meme en passant, les courtisanes
celebres de l'Italie, poetes elles-memes et dont des 6crivains
illustres ont chant6 les charmes; je remarque seulement que Du
Bellay represente son h6roine ä cheval, splendidement ornee, la
fait chanter, jouer de divers Instruments et lui fait dire
„Et ne se fust nul autre peu vanter
De s9avoir mieulx le Petrarque chanter."
La vieille courtisane de Du Bellay, se detachant des compositions
plates des poetes de son temps, et oü la degradation de la femme
n'offre aucun Clement de burlesque, nous a quelque peu eloignds,
de notre sujet, mais il fallait en faire la connaissance pour faire
saisir la difference des genres chez le meme poete et sur le meme
theme. Jacques Tahureau avec sa vieille maquerelle, contre laquelle
il lance les injures les plus vulgaires et Jean de la Jessee avec
plusieurs compositions dans ce goüt, vont nous remettre en route.
Ce dernier dans La bigotte nous peint urie „infame maquerelle" qui
lui a onleve celle qu'il aime:
POESIE BURLESQUE FRANCAISE DE LA RENAISSANCE. 8l
,,On peut voir son hydeus visage
Plus deffait qu'une vieille image,
Noires ses dentz, puant son nez . . ."
et je fais gräce aux lecteurs de ce qui s'ensuit. Le verisme le
plus outre de nos jours, se trouve souvent depasse par ces poetes.
Antoine de Ba'if chante par exemple une „vieille carcasse saupou-
dr6e" et une autre „que le vieil äge a minee et pourrie" et dont
il repousse les tendres sentiments. Dans ses „nouveaux satires et
exercices gaillards", Angot l'Ep^ronniere s'en prend ä son tour ä
une certaine Jacqueline qu'il appelle l'image de la mort et qu'il
gratine d'une foule de titres savoir „vieil gouffre infame, usuriere
execrable" etc. II y a, dans cette composition, un certain mouve-
ment lyrique, lorsque le poete nous peint cette malheureuse, qui,
avant de mourir, adresse ses adieux aux biens qu'elle doit quitter
pour toujours:
„Cheres vaches h lait que j'ay si bien nounies!
Vous moutons bien-aimes! mes brebis plus cheries!
Petits cocbons niquets, qui grondiez apres moy,
Lors qu'ä votre besoia je vous portois de quoy,
PouUes, pouUets, poussins, vous mes autres volailles
Que ma main nourrissoit et de grains et de pailles . . .
Terrines, pots ä beurre, et vous pots pleins de miel,
Lard, sidre, h\6, lanfaiz, vous mes cheres cotelles . . .
Adieu meubles, adieu, dont le souci me blesse,
Puis qu'en laissant le monde, il faut que je vous laisse."
Les vieilles hideuses, repoussantes, ä l'haleine infecte, puUulent
dans les oeuvres de ce poete aussi bien que dans celles de Claude
de Pontoux, son pr6decesseur (Lyon, 1579) et de Pierre Le Loyer
maitre, dans ce genre (Paris, 1579).
Claude de Pontoux avait decrit le malheur qui lui etait arrive,
se laissant surprendre par une vieille femme, dont il n'avait pas
connu Tage fort respectable, ä cause du fard, qui la rendait „plus
vermeille qu'une rose".i Pierre Le Loyer, l'auteur de la Nephilo-
cociigie, oü il s'inspira ä Aristophane, nous peint, avec beaucoup
de verve, une dame de son epoque fort peu jolie et encore moins
respectable, dans un sonnet qui commence:
,, D'une audace süperbe aller guydant ses pas,
Monstrant dessus le front sa perruque retorte"
et oü il l'accuse de s'abandonner a toute sorte de voluptes. II
celebra aussi, en deux ödes distinctes et contraires, Vamour des
vieilles. Dans la premiere, il d6clare qu'il n'y a rien de plus hon-
teux et de plus repoussant, que de s'abandonner entre les bras
d'une vieille femme; dans la seconde il exalte ce qu'il vient de
blämer, toujours avec la meme convinction et c'est le cas de voir
^ Ce sujet lui fit repandre des torrents de larmes et d'iujures en fran^ais
et meme en Italien, dans un sonnet d'ailleurs fort faible.
Zeitschr. L rom. Phil. XXV. 6
Ö2 P. TOLDO,
apres un flot de mots grossers contre les cheveux que Tage a
blanchis, ce que ce poete, d'un m6rite assez distingu6, sait dire
en leur honneur, Le Loyer commence par apaiser la colere des
„bonnes vieilles", que sa muse vient d'offenser et ensuite il s'aide
de Souvenirs mythologiques. De lä il passe a la description de
ce qui constitue le charme de cet äge:
,,La vieille k la pomme ressemble
Qui est douce et salubre enscmble
Quand plus est ridee sa peau,
Estant pour un metz delectable,
Plutost mise dessus la table
Que ne seroyt un fruict nouveau."
Personne ne saurait mieux que notre bonne vieille s'entendre aux
plaisirs de V6nus, dont eile a fait si souvent les epreuves:
„Qui avec eile se marie
N'est point espris de jalouzie,
Et le nom de Cocu ne craint."
Elle a soin du menage, aime celui qui la rend heureuse, epargne
son argent, se contente en tout et partout de bien peu de chose;
enfin c'est un tresor qu'on a tous les torts de mepriser.i C'est lä
le sujet du Ferrari, mais developpe d'une maniere fort diflferente.
Qu'il me soit permis, puisque mon sujet parait l'exiger, de
donner im coup d'oeil aussi ä Vt'/oge de la laideur, tel que nous
le retrouvons, dans la litterature burlesque en prose. „La laideur
et deformite du visage" inspire une des fantaisies de Bruscamhille
(Paris, 1612) et c'est toujours la meme methode, c'est-ä-dire l'ex-
position des maux que la beaut6 a caus6s, pour en tirer une con-
clusion favorable ä ce qui lui est oppose.
„C'est grand piti6 que d'estre beau et parfaict de tous ses
membres; car on dement ces anciens proverbes, qui contiennent
verite par ces mots: Non omnia possumus omnes. Et encores:
NuUus ubique potest felici ludere dextra, aut nihil est ex omni
parte beatum. II n'y a rien de parfait de tout poinct. Tel aura
le visage beau faict, qui aura le corps mal faict, les jambes droictes,
et les cuisses esbauchees . . . bien heureux sont ceux qui sont
imperfectionnez en toutes les parties de leurs corps. Car il n'y
a rien que la beaute qui nous soit dommageable, et qui engendre
plus de dissentions, querelles, meurtres et violances. La laideur
est ferme rempart de chastet6; la laideur conserve les femmes en
leurs pudicitez et les filles en leurs virginitez", et ici l'auteur appelle
ä son secours tous les Souvenirs des legendes anciennes, Helene
^ Toujours, dans le meme goüt, apres avoir combattu dans une ode
plusieurs sortes d'amour, dans Yode au contraire, Le Lo)-er loue ce qu'il
vient de blämer, savoir Tamour de la „paillarde", de „la pucelle", des filles
„de bas äge", des servantes, et surtout des veuves. C'est ä ce dernier sujet
que Pierre Le Brach venait de s'inspirer, vers la meme 6poque (Bordeaux,
1576), dans son amour des vefves.
POESIE BURLESQÜE FRAN(;:AISE DE LA RENAISSANCE. 83
et Paris, qui causent la ruine de Troie et il exalte la laideur de
Socrate, accompagnee par la vertu.
II y a ^videmment dans cette apologie des Souvenirs directs des
Paradoxes du Lande, dont nous ferons sous peu la connaissance.
II an est de meme du „bläme de la beaute" d'un contemporain
de Bruscambille, Bertrand Harduin de Saint Jacques, mieux connu
sous le nom comique de Guillot Gorgeu, debitant lui aussi des
prologues facetieux sur le theätre, pour amuser le public et lui
faire prendre en patience le retard de la representation.i Parmi
ces prologues, on trouve „son bläme de la beaut6", oü Gorgeu
ajoute de nouvelles raisons ä celles de son camarade; il fait, par
exemple, l'eloge de la bosse, parce que c'est la la forme de la
terre, il trouve que la laideur indique le merite parce que les
animaux les moins beaux sont aussi les plus utiles et d'apres
Ferrari il declare que la laideur en vieillissant augmente son prix,
tandis que le temps detruit toute beaute.'- D'ailleurs est-ce parmi
les belles qu'on pourra retrouver la vertu? Ne sied -eile pas
„parmy les halliers, parmy les buissons"?
Revenons maintenaint sur nos pas, car Regnier est lä. en
pleine Renaissance, etalant sa galerie de femmes affreuses, oü
quelques types nouveaux vont se presenter ä nos regards. D'apres
Ovide,3 il avait declare, dans sa septieme satire, qu'il ne repoussait
l'amour d'aucune femme, tout en gardant une antipathie extreme,
de meme que ses devanciers, pour les rides de la vieillesse. II
en a donc aux vieilles, mais lä oü il excelle le plus c'est dans la
representation des maquerelles hypocrites. Tout le monde connait
sa Macette, qui n'ayant eu, dans sa jeunesse
„Autre ciel pour objet, que le ciel de son liet"
s'est, dans son äge avance, tourn6e ä la devotion:
„Son oeil tout penitent ne pleure qu'eau beniste."
1^ cfr. Recueil des pi^ces du temps ou divertissement curieux etc., La
Haye 1685.
2 Un anonyme en 1731 (ed. de Paris) dedia ä une certaine demoiselle
Honesta, V Eloge de la mechante fetnme, composition con^ue toujours dans
le mSme goüt. „On entend, dit-il, ordinairement par mechante femme, une
femme emportee et d'un aspect acariätre, un dragon de vertu, une honnete
diablesse qui gronde et tempete depuis le matin jusqu'au soir qui bat tous les
jours ses domesliques et ses enfans, qui querelle ä tout moment ses voisins,
qui tient la bride courte ä son mari, qui ne lui passe rieu, qui le preche ä
table, qui le damne au lit, qui meme dans l'occasion lui jette un chandelier
ä la tele ..." Eh bien! une femme pareille loin d'etre un malheur forme la
benediciion de l'homme qui l'a eue en partage et qui doit partant remercier
la providence de ce cadeau si precieux. C'est eile en eff'rt qui guerit les de-
fauts de son mari le rendant humble, et patient par ses reprimandes, liberal
par ses demandes, chaste le faisant fuir du lit et sobre, lui empechant de
manger et de boire. Dans le Cabinet satirique on lit „la louange de la bosse
en faveur d'une maistresse"; c'est lä un sujet que nous connaissons dejä et
l'on chante en France, de meme qu'en Italie, ces louanges ironiques des de-
fauts physiques des femmes.
* L'^legie du ii^ livre des Amours.
6*
84 P. TOLDO,
Ses arts la rapprochent de la Celestine espagnole, mais eile garde
aussi une physionomie bien italienne, celle des heroines de TAretin
et de la com6die de la Peninsule, en laissant de cote ce qu'Ovide
avait deja chant6 a ce propos.i Dans sa onzieme satire, Regnier
nous mene dans une maison suspecte, üu il rencontre Irois me-
g^res, maquerelles de la pire espcce et reduites dans un tel etat
de maigreur que Michel-Ange, lui-meme, selon la declaration de
l'auteur, ne saurait composer un Corps entier en reunissant tous
leurs membres. L'une de ces vieilles rappeile de pres le portrait
du Berni:
„(Elle) ressembloit transparente une lanterne vive"
et la description du cabinet de toilette est en rapport direct avec
le caractere de ces sorcieres. On attribue ä Regnier une autre
poesie, adressee encore ä Macette et ici Macette etale sous les
yeux du lecteur ses cheveux ressemblant „a. des meches d'arque-
buse" et sa voix aussi douce que „les cordes d'un rebec". Ailleurs,
en s'adressant ä une autre pecheresse, dont Tage a detruit tous
les Charmes, Regnier ajoute:
„De moy tu n'auras paix ny tresve
Que je ne t'aye veue en Gresve . . ."
La vieille est pour lui de la souche de Tartufe et apparentde au
roi des t6nebres.
La description minutieuse du corps de la vieille forme une
des inspirations les plus communes de notre poete et de ses
camarades. Les contemporains de Regnier rafifolent de ce genre.
Voici tout d'abord Sigognes, dans Le cabinet satirique avec ses
pieces, portant pour titre: la vieille ridee, la vieille dkrepitee, la por-
iraicture dhme vieille etc., et c'est toujours le meme type, decharne
et momifie:
„Elle a beaucoup de l'air d'une antique Marotte,
Son teint est delicat, comme un vieil brod^quin,
Son Corps est embonpoint autant qu'un mannequin,
Et chemine aussi gay, comme un li^vre qui trotte . . .
Bref, c'est un marmouset habill6 d'un rabat,
Un balay escourte d'une vieille sorciere
Car qui la monteroit iroit droict au sabat."
En parlant d'une „respirante momie" et de son „cuir transparent",
Sigognes se propose d'en faire „l'anatomie", et il commence par
sa prunelle „louche et liserne", sans 6paigner aucun detail de
ses horreurs. On reste 6tonn6 d'ailleurs lorsqu'on apprend qu'il
a pu, de meme que la cadet Angoulevent, devenir la dupe de
cette magere et c6der ä des appas si fänes. C'est que les jeunes
femmes demandent et que les vieilles donnent.
Ailleurs, Sigognes ecrit contre une dame sah, conire une dame
maigre
„Esquelette de peaux et d'os"
^ livre XIII des Atnours.
POKSIE HURLESQUE FRAN(;-ATSE DE LA RENAISSANCE. 85
et se plait a la description d'une certaine Perretle maquerelle, veri-
table sorciere, qu'il suit dans les cimetieres et dans les caveaux.
La scene cesse d'etre burlesque pour d6venir tont-ä-fait lugubre:
„Souvent pour exercer l'art de ton sorcelage,
Tu vas changee en louve au carrefour d'un village,
Cruelle devorant les petits et les grands,
Du tout inexorable aux pleurs et ä la plainte,
Puis la panse remplie et ta maclioire teinte
Tu despouilles ton charme et ta forme reprens.
Ou bien des trespassez ouvrant les sepultures,
Tu te formes un corps de leurs vaines figures . . ."
Voici, toujours dans le Cabinet satiriqiie, le sieur Maynard avec ses
pieces contre wie vieille ridee et contre une vieille courtisane (voyez
ddition de ses ceuvres, 1613)
„Ton lict, Margot, a perdu ses chalans;
Et tu n'es plus qu'un miserable reste
Du premier siecle et des premiers galans"
voici encore une piece anonyme contre une vieille decrepiice, ou il y
a, de merae que dans celle du cadet Angoulevent, soixante-sept
vers, commen^ant par le mot vieille, voici la description de INIacette
„plus claire qu'une lanterne", les malheurs de Perrette devenue:
„Maigre, laide, pauvre et nue
N'ayant ny cheveu, ny dent"
voici enfin le hordeau de Louison qui:
„A plus exerce de mestiers
Que l'Aretin n'a de postures,
Que l'Espagne n'a de doublons,
Que l'Affrique n'a de sablons.
Et que le diable d'impostures."
Tous ces collaborateurs du Cabinet, Motin, Sigognes, Maynard,
Berthelot etc. (ed. 1859 — 1860), dedient ä l'envi leurs vers a ce
sujet et leur exemple est suivi par le sieur d'Esternod, qui, dans
son Espadon satyrique, nous presente plusieurs Varietes de la meme
inspiration. Je rappelle, en passant, Le paranymphe de la vieille
qtii fait im bon office et dont les arts raagiques ont une teile
puissance, que:
,,Si dessus un troupeau de chevres
Quelques mots sortent de ses levres,
En humeur sont tous les bouquins."
II s'en prend aussi a une vieille fille du Languedoc, avec laquelle le
poete d6clare avoir fait p6nitence de tous ses p6ches et dont il
nous decrit la laideur, et les compositions de ce genre s'ensuivent
dans son oeuvre, l'ambition dhme fille exemple de ioiit vicrite, la belle
Magdelaine, l'hipocrisie d^une femme qui feignoit düstre devote et ftit
trouvte p . . . ,, Fode satirique d^un amoureux ä sa maistresse, le di-
86 P. TOLDO,
vorce du mariage etc. Dans cette derniere piece on cntend un
dialogue fort peu aimable entre un mari et sa femme, et le mari
en la quittant, cite deux vers Italiens qüe je n'ose reproduire. Le
caract^re de ce d6bat peut se comprendre par les vers suivants:
(la femme) (le mari)
„Mais vous avez de ma jeunesse Ronger les os ja ne m'advienne,
Mange la chair, si qu'en detresse Madame, si vous estes chienne,
Ronger les os il vous convient." Ne croyez pas que je sois chien." ^
Desportes, lui aussi {Cahinet satirique), s'adresse plus tard ä une
vieille pour lui rappeler son beau temps pass6 et la misere, qui
l'attend :
„Qu'est devenu ce premier äge,
Oü sont les fleurs de ton visage?"
Hors de ces portraidures, mais toujours dans un but burlesque, ces
gais confreres du Cabinet nous fönt assister ä des scenes erotiques
et aux combats entre des courtisanes plus ou moins fänc^es. Tels
sont „le combat d'Ursine et de Perrette aux Augustins" composd
par Sigognes, „La reponse de Motin", „Le combat de deux courti-
sanes" dö ä la plurae d'un anonyme et il va sans dire que ces'
lüttes commencent par des flots d'injures et finissent, le plus sou-
vent, ä coups de poing.
Avec De La Croix (Paris, 1629), nous sommes dejä en plein
XVIP siecle, mais l'inspiration demeure toujours la meme. Nous
avons affaire ä un disciple tres fidele de Regnier, qui nous offre
une portraicture d'une vieille femme, copie assez plate de ses de-
vanciers.2 Cette vieille est vierge de corps, ayant kXk. repouss6e
de tout le monde, mais son äme est un abime de corruption.
Ses dehors sont ceux de Macette, sa maison Celle des trois megeres
de R6gnier.3 Les articles de sa toilette nous sont aussi bien
connus. II y a lä:
„De toutes sortes d'eaus, pour empescher les rides
Pour nettoier la face et teindre les cheveus,
Pour donner quelquefois un breuvage amoureus,
Pour endurcir le sein, et l'empecher de croistre,
Pour composer un fard, qui ne puisse paroistre,
Pour foire choir le poil, pour le faire tenir",
et la description continue longtemps et l'on comprend, d'apres ce
que nous venons de voir, que ce n'est pas pour eile que la vieille
1 Tout ccla rappelle les debats nombreux et trös anciens sur le mariage.
2 Je rappelle „le teint d'une noire teinture" l'„ancienne Idole", la des-
cription de son front, de son nez, de ses yeux, de sa bouche etc. toujours
dans le goüt du Berni.
^ Dans cette chambre, on voit:
,,uu lict sans couverture,
Sans rideaux et sans draps, confit en pourriture"
et
,,Un escabeau tout seul pres de la cheminde
(qui) Achevoit ä trois pieds sa dure destin^e,"
POESIE BURI ESQUE FRANC^ATSE DK LA RENAISSANCE. 87
sorcicre travaille ä sa chimie. Ce sont lä les misteres de la toi-
lette des jeunes femmes, qui ont le malheur de lui preter oreille.
Une troisieme description est celle de la bibliotheque de la
megere. On y voit les oeuvres de Saint Fran^ois ä cote de
l'Araadis :
,,Un livre d'oraisons pour le soir et le matin,
Avoit choisi sa place a%'ecque l'Aretin.
Le triste de Bändel, et le second d'Astree,
Retenoient entre eus deus la Legende doree,
Le jSIarchand converty, Rabelais, Tabarin,
Un recueil de sermons de Garasse et Guerin,
Les fideles amours de la bergere Aminte,
Les devoirs du chrestien en la sepmaine saincte,
L'Arioste, Marot, le Romant des Romans . . ."
C'est toujours, on le voit, la souche de Tartufe.
Dans les meslanges heroiques et burlesques du Chevalier de l'Her-
mite, on iit, ä la meme 6poque, d'autres stances sur la vietl/e /aide:
„Vieille carcasse decharn^e
Qui n'as rien d'humain que la voix . . .
Ton Corps a plus vescu que le ciel ne vivra;
Et lors que No^ s'enyvra,
C'est ta main qui versoit ä boire."
C'est la le commencement, mais on ne saurait suivre l'auteur dans
l'anatomie qu'il fait des horreurs de ce pauvre corps.
II faut faire une place ä part ä Brebeuf, qui nous laissa cent
cinquante epigratnmes contre une femme fardee, oü il y a des
Souvenirs de Catulle et de Martial, mais oü il y a aussi une cer-
taine originalite, au moins dans l'etendue qu'il donne ä son sujet.
La belle qu'il chante emprunte ses appas de tous les pays de
l'Europe:
„Rome a fait les gands qu'elle porte . . .
Londres son habit de campagne,
Le Gange a vu naitre ses dents
Et son teint brillant vient de l'Espagne."
Un jour Alizon en sortant ä la häte, oublie sur la toilette „ses
gands, ses dents et son visage"; une certaine Iris a vingt ans le
jour et cinquante la nuit; le fard se charge de tout transformer et
de tromper les amants, mais le poete se charge ä son tour d'ar-
racher ce masque et d'en reprdsenter la laideur repoussante. Et
le d6fil6 des vieilles continue.
Dans le Parnasse des poHes satyriques par Th6ophile (1625),
on Iit le tesfameni d'une courtisane et une foule de pieces diri-
gees contre de3 vieilles ou des courtisanes avides. Theophile
se detache de ses pr6decesseurs en ce qu'il chante une vieille
grasse et trapue, mais le tableau n'est pas plus joli que celui de
la maigreur la plus d6sesp6rante. Et Theophile, sans oublier pas
ö8 P. TOLDO,
pourtant les dents d'ebene, se plait a dccrire Ics couches de la
graisse, retombant les unes sur les autres:
„Le menton qui pend sous un autre
Dessus le sein flac vous descend,
Ce sein sur le venire vous pend,
Et dessus les genoux le ventre."
Th6ophile ne fit pas 6cole. Maitre Adam, le menuisier de Nevers,
dans son Villehrequin et dans ses Chevilles, revient h. la represen-
tation d'un „fantosme d'ossemens" et le sieur Auvray nous offre
ensuite une autre carcasse d'os, qui a toutefois assez d'attraits,
pour qu'il n'en dddaigne pas l'amour. C'est que le sieur Auvray
appartient lui aussi au groupe de ces poetes, qui sont la dupe du
fard de ces femmes rusees, si ce n'est l'interet qui lui fait prendre
son coeur ä deux mains. Ses idees deviennent, entre le bras de
cette belle, on ne pourrait plus lugubres:
„Des la premiere nuict de nos embrassements
J'imaginay sa chambre estre un grand cimetiere.
Son Corps maigre sembloit un monceau d'ossements
Son linceul un suaire et sa couche une biere!"
Les paroles qu'il adresse ä cette amoureuse seculaire, dans la nuit
qu'ils passent ensemble, sont toutes, dans le meme goüt. 11 assure
que sa mere dut la mettre au monde en disant son chapelet, car
son Corps „n'est que de paternostres" et il declare reconnaitre sa
beaut6 „au cliquetis des os", sur lesquels un barbier pourrait
etudier „l'anatomie".
II parait que le poete 6tait persecutd par les vieilles. II s'en
prend ä une autre, qui mddit de lui, aupres de Celle qu'il aime
et il en decrit une troisieme, qui a le malheur de s'eprendre de
lui, et dont il ne inanque pas de faire la portraictiire'.
„Un oeil de chaliuan, des cheveux Serpentins,
Une trongne rustique ä prendre des coppies,
Un nez qui au mois d'aoust distille les roupies,
Un riz sardonien ä charmer les lutins.
Une bouche en triangle ou comme ä ces mastins
Hors ceuvre oü (l'on) voit pousser de longues dents pourries,
Une levre chancreuse ä baiser les Furies,
Un front plastre de fard, un boisseau de tetins,
Sont tes rares beautös execrable Thessale . . ."
Ailleurs il ecrit des jambes contre une medisante
,, Rouge menade ä la vineuse trongue"
et contre une foule de courtisanes et de maquerelles, ce qui ne
donne pas une id6e favorable des mccurs de notre po^te et du
milieu oü il vivait.
Mais j'ai hfite d'en finir avec cette peinture si 6co3urante de
la femme. Je laisse de cote partant d'autres descriptions pareilles
POESIE BURLESQUE FRAN^AISE DE LA RENAISSANCE. 89
et j'arrive ä la vieiUe dajjie ca?7ipagnarde, de celui qu'on appelle le
prince des poetes burlesques de la France. Ici toutefois le genre
parait dejä trop" 6puise, pour que Scarron puisse y trouver des
inspirations nouvelles. Nous sommes toujours a la pr6sence d'un
membre de cette nombreuse famille, rid6e, grise, maigre et puante
et il en est de meme d'une autre vieille, que le poete nous pre-
sente dans un de ses sonnets, aux „dents noires comme de l'dbene",
appelee pour la rime Hdlene, mais qu'on pourrait appeler Macette
ou Perette, et sur qui on peut Studier cette „anatomie" mise a la
mode par le Berni. Ce m6pris pour celles, qui s'approchent du
couchant de la vie est bien peu noble et genereux, il faut en
convenir et il faut reconnaitre en meme temps que l'art, s'amusant
u la repr6sentation de la grimace et de la laideur, porte en lui-
meme les germes de sa d6cadence. Cette sorte de muse burlesque,
peu d'annees apres sa naissance, etait aussi hideuse et d6cr6pite,
que les vieilles qu'elle peignait et le tableau des vices de l'^poque,
des courtisanes et des maquerelles, 6tait lui aussi vicieux et cor-
rupteur, ne laissant presque jamais paraitre, sous la plaisanterie,
et sous les apostrophes, la noble Indignation qui nait au coeur de
l'homme vertueux. Tous ces ecrivains nous promenent dans les
bourdeaux et dans les compagnies les plus honteuses et lorsqu'on
n'a pas devant soi les rides de la vieillesse, on est sür de voir
toujours Celles bien plus repoussantes de la debauche.
A cette description des femmes se rattachent d'autres com-
positions contre l'amour, les plaisanteries sur les mesaventures
conjugales, et les eloges du maquerellage. Voici, par exemple,
Amadis Jamyn, chantant VLiconslance. Comme s'ecrie-t-il toutes
les choses naturelles varient, les Saisons, les plantes et tout ce qui
a ete crce, il n'y rien d'etonnant si nos goüts varient de meme:
„He! comment nostre amour seroit eile Immortelle
Quand mesme en Jupiter amitie n'est pas teile,
Qui ne monstre en ses faits rien que mutation?"
Et le poete conclut en invoquant ces lois de nature, qui servenl
si ä propos a la plaisanterie de nos poetes:
,,Qui ne veut point faillir doibt suivre la nature.
On ne paist toujours d'une mesme pasture:
Rien ne donne plaisir tant que la nouveaute."
Mais le fort de notre poete c'est plutöt le contre. Aussi ecrit-il contre
la Riguetir et contre VAmour, dont les titres rappellent d'autres
compositions italiennes sur les memes sujets que nous verrons bien-
töt, mais tout se borne au titre et ä quelques rencontres dues pro-
bablement ä. l'identicite du theme. Sa piece contre la Rigueiir n'est
que r61oge du contraire c'est-ä-dire l'apologie de la douceur, recom-
mandee surtout aux dames; celle contre Y Amour n'est ä tout prendre
qu'une Plegie, oii le poete, apres avoir fait l'^loge de l'inconstance,
se plaint de celle de sa belle. Selon lui l'amour est la cause de
tous les malheurs de rhumanite: la raison, ä son approche, est
90 1'. TOLÜO,
forcce de demenager et personne ne saurait se fler a ce Pruthte
changeant. De lui naissent la Jalousie, la haine, et il resurae
toutes les raiscres de la vie:
„Ensemble fuir et pursuivre,
Ensemble en un mourir et vivre,
Ensemble espoir et desespoir,
Ensemble crainte et assurance,
Ensemble joye et doleance,
Ensemble tcnir et n'avoir . . ."
Ueloge des Cornes (c'est la le titre choisi par nos poetes) se
prete davantage ä la plaisanterie et se trouve rep6tc par maint
po^te. Le Lande avait dejä celebr6 la femme infidele lorsque
Remy Belleau entreprit de passer en revue tous les exemples
mythologiques, pour demontrer qne les Sganarelles de son temps
ont beaucoup de tort lorsqu'ils se plaignent de cet ornement de
leur front. Jupiter ne s'est-il pas transform6 en taureau?
„Et la Deesse qui respand
Et verse aux hommes la richesse
D'une tant prodigue largesse,
Tient-elle pas entre ses dois
La riebe corne d'Achelois?"
Et dans cette galerie tres riche de maris malheureux nous voyons
passer aussi sous nos yeux, le capricorne et le taureau Celestes,
les faunes et les satyres au front arm6 de bois, le bouc honneur
de la tragedie, les cornes des armees:
„L'Itale en desrobe son nom,
La mer Aegee son surnom,
Et son nom la pecune sainte
Des animaux qui ont emprainle
La corne sur leur front chenu . . .
Les bouts sont encornez des arcs
Les bouts sont encornez des dars,
La lanterne en est encornee,
Le paternostre en est tournee . . ."
On voit que tout l'esprit du pocte consiste dans une enum6ration
minutieuse et ennuyeuse.
Jean Passerat, a peu pres vers a la meme epoque, avait chant6
la Corne d^abondance, oü il s'agit toujours du meme sujet d6veloppe
toutefois avec plus d'^rudition mythologique et se pretant bien
entendu a l'equivoque. Outre les exemples que nous venons de
voir, l'auteur nous presente Bacchus chang6 en bouc, le dieu Apis
des Egyptiens, la corne d'lsis et de Diane et Neptune se transfor-
mant en animal cornu pour ravir Proserpine. Ulysse, si Ton veut
ajouter fois a Passerat, assi6geait Troie, pour venger le des-
honneur d'un de ses arais;
POESIE BURLESQUE l'RANC^AISE DE LA RENAISSANCE. QI
„Pendant que des mnguetz la courlizane trope
Entretenoit sans luy sa bonne Penelope."
Quant au mari d'Helene, il devait etre bien aise de son etat si
„desireus de ses cornes monstrer
Feit dedans mille nefs toute la Grece entrer."
Et il continue cette sorte de travestissement de l'histoire ancienne,
que la lecture d'une foule de badinages Italiens de ce genre,
pouvait lui suggerer, mais oü toutefois il n'y a rien qni soit imite
ä la lettre et oü l'on trouve en revanche, independamment de la
frivolit6 du sujet, beaucoup de vervc et d'esprit. Pour toute con-
clusion, Passerat nous assure que:
,,Par cornes on acquiert et credit et richesses,
Accolades, bons jours et trcs humbles caresses",
et c'est la souvent la meilleure des m6thodes pour parvenir a la
fortune.
Comme il a pr6sent6 cette sorte de capitolo sous la forme
d'une Vision, il conclue plaisamment:
„L'Aurore se levoit, lors que je suis venu
A la trop courte fin de mon songe cornu,
Par la porte de corne: et qui ne le veut croire
II prent l'autre chemin de la porte d'ivoire."
Dans les Muses frangoises rallues (Paris, 1599, par Despinelle), un
anonyme revient sur ce m^me sujet, en employant ä peu pres les
memes argumentations de ses pr6decesseurs. Dans cette „con-
solation pour les cocus", il n'oublie pas les rayons lumineux du
front de Moise et il donne un caractere nouveau et gai a sa
piece en feignant d'adresser ses vers ä un de ses amis:
„Vous souvient-il pas, mon Compere
Lors qu'estiez en si grand' colere?"
VOUS aviez tort, ajoute-t-il, de vous plaindre des equipdes de votre
femme et quand meme tout le monde se moquerait de vous, la
corne de l'abondance saurait vous d6dommager des autres:
„Bref, Compere, si les escus . . .
Nous avions de tous les cocus,
Au Türe pourrions faire la gucrre."
Vers la meme epoque, Passerat revient ä la charge {Muses Gaü-
lardes, Paris, 2™^ ed., 1609) et son exemple est suivi par d'autres
poetes, en plein XVIP siecle. Dans un autre recueil, le Cabinet
saiyriqne (ed. de Paris, 1859 — 1860), INIotin aborde un sujet non
moins vulgaire. Son „hymne au maquerellage" est un vrai fatras
mythologique et ennuyeux.
Jupiter aurait ete, au dire de Motin, l'inventeur de ce „sage
mestier" et Junon donna eile aussi des preuves de son penchant,
pour ce genre d'affaires. Et les exemples mythologiques ne se
bornent pas lä. Ils sont suivis par ceux des m6decins, qui
92 P, TOLDO,
ont ennobli ce mutier, devant employer „en leiirs rcceptes" tout
ce qu'il faiit:
„Pour cschauffer, pour concevoir,
Pour estressir, pour faire avoir
Le teint plus beau, les dens plus nettes . . ."
Les avocats, les prctres, les magistrats, les musiciens, enfin lout le
monde, y joue un role plus au moins important:
„Parfumeurs, perruqueurs, orfevres,
Faiseurs de miroirs, emailleurs,
Gantiers, barbiers, brodeurs, tailleurs,
Tous artisans qui par leurs ceuvres
Servent aux dclices humaines,
A l'Amour consacrent leurs peincs."
Le ciel lui-meme, couvrant a la nuit de son ombre et de son
mystere les couples amoureux, parait aussi se plaire a ce rölc,
mais ceux qui remportent sur tous, ce sont les courtisans:
„Qui sans foy, sans ames et sans honte,
Du macquerellage fönt gloire
Comme les Allemans de boire."
Dans cette conclusion on pourrait retrouver une Intention de Sa-
tire, mais que l'on ne prenne pas trop au serieux cette apostrophe
plus ou moins violente aux courtisans „sans äme et sans honte".
Les poetes de l'epoque, vivant a la cour, tiraient bien souvent de
ce genre de Services plus de gain que de leurs vers et dans cette
longue Enumeration, Motin a eu tort de les oublier.
Un de ses amis, par exemple, le sieur de Sigognes, accuse
de servir aux amours de son maitre n'essaye pas meme sa defense,
et il se borne ä accuser ses accusateurs des vices les plus honteux:
„Pourceau le plus eher d'Epicure,
Qui contre les loix de nature
Tournez vos pages ä l'envers . . .
Vous dites que j'ai fait la poule,
Et des dames fendu la foule,
De mon maistre le messager . . .
Si s^ay faict d'amour le message.
Je n'ai point viol6 l'usage
Ny la coustume de la cour ..."^
La declaration est, on ne pourrait plus, claire, et rappelons, pour
en finir, la „louange satirique en l'honneur du maquerellage" due
a la plume d'Angoulevent et renfermant l'apologie des bätards:
„Adiousle qu'on engendre aux larcins de Cipris,
Des enfans mille fois mieux nez et mieux appris
Qu'on ne fait soubs himen, pour autant qu'on espreuve
Cent fois plus de plaisir en une chose neuve."
» On trouve dans le meme recueil une aulre „louange du maquerellage".
POESIE BURLESQüE FKAN^AISE DE LA RENAISSANCE, 93
Vieilles, courtisanes, entremetteuses, femmes infideles et eftron-
tees ce sont la les sources auxquelles puisent les burlesques et
auxquelles puisent aussi, froidement et sans conviction, les poetes
satiriques de l'^poque. Souvent le meine poete compose dans les
deux genres et lorsqu'il ne s'inspire pas directement a son temps,
il repete ä l'ennui, comme un pur exercice de rhetorique, ce que
Juv6nal avait dit de Messaline et de ses contemporaines. Aussi
la Satire et le burlesque paraissent-ils parfois sc compI6ter entre
eux, surtout lorsqu'il est question d'amour et de mariage et mal-
heureusement les deux genres se ressemblent aussi dans la pauvretd
et dans la monotonie de l'inspiration.
A suivre.
P. TOLDO.
lieber das altfranzösisclie Gredicht von der Zerstörung
Jerusalems (La Venjance nostre seigneur).
(Sclilufä; s. Ztscbr. XXIV i6i ff.)
III. ABSCHNITT.
Die Quellen.
Seinem Inhalte nach zerfällt das Gedicht in drei Teile. Der
erste (Strophe i — 34) behandelt die Heilung Vespasians, der mitt-
lere (Haupt-) Teil die Belagerung und Zerstörung Jerusalems
(Str. 35 — 102), der letzte die Bestrafung und den Tod des Pilatus
(Str. 103 — 107). Es ist nun die Frage, ob der Verfasser diese
Stücke schon in einer einzigen Quelle vereinigt vorgefunden hat,
oder ob er selbst verschiedene Vorlagen kombiniert hat. Wenn
er von einer Quelle spricht, so thut er dies doch nur so allgemein,
dafs man daraus nicht entscheiden kann, ob diese ihm nur für
den betreffenden Teil, oder für das ganze Gedicht vorgelegen hat.
So lautet z. B. K. T. I V. 1 2 :
Quarante anz en apres, ce trovons nos lisant;
V. 34—35:
Eus en Costanlinoble devant Sainte Sofie
Poes trover l'escrit, que que nus vos en die.*
In Str. 96 heifst es:
[La chan^on . . .]
Ele n'est pas de fable ne faite de folie,
Ains est traite d'estoire de grant anciserie;
und in der letzten Laisse (K. T. II 75):
Ce conte l'escripture, dont la raisons est voire.
' Einer nachträglichen Auskunft, die ich einem türkischen Freunde ver-
danke, entnehme ich, dafs die Hagia Sofia in Konstantinopel wirklich eine
Bibliothek mit Handschriften besitzt; diese enthält aber nur persische, ara-
bische und türkische Werke, indem die sonstigen Handschriften, wie z. B. die
griechischen , in die Privatbibliothek des Sultans überführt worden sind und
sich jetzt im Palast Top-Kapou befinden. Man könnte nun daran denken,
dafs mit obigem escrit vielleicht irgend eine Handschrift des Josephus gemeint
wäre, die der Dichter, der ja, wie schon Ztschr. XXIV 165/6 bemerkt, wohl
Beziehungen zum Orient gehabt hat, etwa in Konstantinopel benutzt haben
könnte. Eine Bestätigung für diese vage Vermutung, welche dann die ebenda
S. 163 versuchte Erklärung umstofsen würde, dürfte kaum zu erhoffen sein;
wenigstens habe ich von dem Bibliothekar jener Palastbibliothek keine Aus-
kunft über eine derartige Handschrift bekommen können.
AFRZ. GEDICHT VON DER ZERSTÖRUNG JERUSALEMS. 95
Wie nun später gezeigt werden wird, nennt das Gedicht an ver-
schiedenen Stellen den Geschichtsschreiber Josephus als Quelle,
und gehen in der That die Angaben des mittleren Teiles auf
diesen zurück. Zu der Annahme, dafs eine Kombination der drei
Teile etwa unter dem Namen des Josephus gegangen sei, liegt
kein weiterer Anhaltspunkt vor. Folglich mufs das Gedicht noch
andere Vorlagen benutzt haben. Die oben gegebenen Zitate würden
dann entweder verschiedenen Texten gelten, oder man müfste auch
sie auf den mittleren Teil, und damit auf Josephus beziehen. Dem
Zusammenhange nach würde dies ganz gut möglich sein, und wenn
er dann auch so im Allgemeinen, und scheinbar in Hinsicht auf
das ganze Gedicht, als Quelle genannt würde, so wäre dabei doch
zu berücksichtigen, dafs das Mittelstück gerade der gröfste und
wichtigste Teil der Venjance ist.
P. Meyer scheint in dem schon öfter genannten Bulletin anzu-
nehmen, der Dichter hätte seinen Stoff schon in einer lateinischen
Vorlage vereinigt gefunden. Er forderte diese mit Rücksicht auf
die verwandten, besonders altfranzösischen Prosatexte, doch ist das
wohl nicht nötig, da diese Fassungen teils auf dem Gedicht selbst
beruhen (vgl. den IV. Abschnitt), teils zu sehr davon abweichen,
um die Annahme einer gemeinsamen Vorlage gerechtfertigt er-
scheinen zu lassen. Dazu ist, wie Meyer selbst sagt, von einer
solchen nicht das Mindeste bekannt.
Man mufs also für den ersten und letzten Teil besondere
Vorlagen ansetzen, oder vielmehr wohl nur eine. Denn die in
diesen Stücken enthaltenen Legenden von der Veronika und von
Pilatus kommen schon seit etwa dem 7. Jahrhundert verbunden
vor, wie Schönbach im Anzeiger f. d. A. II 165 annimmt. Was nun
die als benutzt in Betracht kommende Fassung dieser Legende
betrifft, so scheint Schönbach nach dem Stammbaum auf S. 170
die in Rede stehenden Teile des Gedichtes von der Cura sanitatis
Tiberii ableiten zu wollen. Da aber dieser Text verschiedene Er-
weiterungen enthält, die das Gedicht nicht hat, und dieses sich
keiner der bekannten Formen der Sage näher anschliefst, so möchte
ich eher vermuten, dafs die anzunehmende Vorlage ohne Vermitte-
lung einer der erhaltenen Versionen auf die ursprüngliche
Fassung zurückgeht, wie sie Schönbach a. a. O. S. 165 für die ver-
bundene Veronika- und Pilatussage aufstellt: „Der Kaiser in Rom
ist krank. Er hört von dem grofsen Arzte Christus in Jerusalem.
Er sendet um ihn einen Boten an den Landpfleger Pilatus. Dieser
berichtet vom Tode Christi. Es gelangt zur Kenntnis der Boten,
dafs in Jerusalem Frau Veronika sich aufhalte, welche ein Bildnis
Christi auf einem Tuche (den Repräsentanten des nicht mehr
lebenden) besitze, dem Heilkraft inne wohne. Sie veranlassen, dafs
Veronika mit der Reliquie nach Rom fährt. Der Kaiser wird ge-
heilt. Pilatus, den man zur Verantwortung nach Rom gebracht
hat, wird hingerichtet."
Zu diesem Kern sind dann im Gedicht, oder vielleicht schon
96 WALTHER SUCHIEK,
zum Teil in dessen Vorlage, im wesentlichen folgende Episoden
hinzugefügt.
Der Aufenthalt Gais im Hause Jakobs. Nach Heinzel, Ueber
die französischen Gralromane, Wien i8gi, S. 106 ist dieser Jakob
wohl der Bruder Christi, Jacobus minor, der „als Bischof von
Jerusalem seiner Frömmigkeit, Gerechtigkeit und Güte wegen einen
grofsen Ruf erwarb und auch von den Juden verfolgt wurde".
Verschiedene Angaben des Gedichtes erklären sich daraus,
dafs der Verfasser unter Einflufs der Geschichte die Ereignisse
40 Jahre nach Christi Tod vor sich gehen läfst. Daher ist Vespa-
sian der kranke Kaiser, während es in den älteren Fassungen
Tiberius ist. In eben diesen ist auch der Tod Christi noch nicht
in Rom bekannt, im Gegensatz zu unserer Venjance, wo der Sene-
schal mit dem Auftrag eine von jenem hinterlassene Sache, und
nicht ihn selbst, zu holen nach Jerusalem geht. In den verwandten
Berichten wird Pilatus wegen der Kreuzigung Christi bestraft, im
Gedicht aber ist davon gar nicht die Rede, vielmehr wird den
Juden allein die Schuld daran zugeschoben. Wenn nun Vespasian
dem Pilatus einen Tribut auferlegen läfst, den dieser aber ver-
weigert, so ist wohl eine derartige Erzählung aus dem Bestreben
des Dichters zu erklären, dem Landpfleger eine Schuld gegen
den Kaiser aufzubürden, die seine schliefsliche Bestrafung recht-
fertigte.
Die Krönung des Titus.
Die Episode des Klemens in Rom. Hierfür liegt wohl eine
Legende zu Grunde, die an Klemens I., Romanus, einen der sogen,
apostolischen Väter angeknüpft hat. Er ist nach altkirchlicher An-
sicht ein Schüler des Petrus und von diesem als Bischof von Rom
eingesetzt worden (vgl. Langen, Die Klemensromane, ihre Ent-
stehung und ihre Tendenzen, Gotha i8go).
Die Versiegelung des Tuches durch Klemens im Altar des
heiligen Simeon. „Das älteste Zeugnis für die Anwesenheit der
Reliquie in Rom fällt in das Jahr 705, in welchem Jahre Papst
Johann VII. in der Peterskirche vor der Kapelle der Maria" [nach
Zöckler in Plerzogs Realenzyklopädie für protestantische Theologie
und Kirche, 2. Aufl., XVI 362 S. Maria Maggiore] „ein Tabernakel
zur Bewahrung des Schweifstuches errichtete" (Creizenach, Legenden
und Sagen von Pilatus, Paul und Braunes Beiträge I q6).
Das Schicksal des Pilatus ist infolge verschiedener Einflüsse
umgestaltet. Er wird nicht hingerichtet, sondern nach Vienne in
Südfrankreich verbannt. Dasselbe Geschick hat als geschichtliches
Faktum den jüdischen König Archelaus getroffen, und ist von
Flavius Josephus in dem zweiten Buche seines Werkes „Ueber den
jüdischen Krieg" (in der Ausgabe von Naber Kap. 7 Abs. 3 §111)
erwähnt. Dafs Pilatus an jenem Orte in einem Brunnen gefangen
gehalten wird, beruht wohl auf Einflufs der Mors Pilati (Tischen-
dorf, Evangelia Apocrypha S. 458), die als Endschicksal seiner
Leiche die Versenkung in einen Brunnen in den Alpen erzählt
AFKZ. GEDICHT VON DER ZERSTÖRUNG JERUSALEMS. 97
(vgl. Schönbach, A. f. d. A. II 198 und Du M6ril, Poesies populaires
du moyen äge, Paris 1847, S. 356 Anm. 7).
Es wäre nicht ausgeschlossen, dafs in der anzunehmenden
Vorlage auch schon in allef Kürze, etwa ähnlich wie in der Vin-
dicta Salvatoris (Tischendorf, Ev. Ap. 471 — 486) von der Zerstörung
Jerusalems die Rede gewesen ist, wodurch dann der Dichter ver-
anlafst worden wäre, das Werk des Josephus heranzuziehen.
Für den mittleren, die Belagerung und Zerstörung Jerusalems
behandelnden Teil ist also das Werk des Flavius Josephus „lieber
den jüdischen Krieg" benutzt. An verschiedenen Stellen wird
darauf hingewiesen, so heifst es in Str. 60 von seinem Verfasser:
II est mout sages clers, ceste estoire escrira;
und in der Schlufslaisse (K. T. II 93):
II escrist ceste estoire, c'om tient en grant memoire.
Ich vermag nicht zu entscheiden, ob dem Dichter das Werk selbst
vorgelegen hat, also auch nicht, ob er es etwa in der lateinischen,
gewöhnlich dem Rufinus zugeschriebenen Uebersetzung, oder viel-
leicht in der freieren, vielfach unter dem aus Josephus entstellten
Namen Hegesippus gehenden lateinischen Bearbeitung vor sich
gehabt hat. Jedenfalls ist die Benutzung eine sehr freie. Nur die
Hauptereignisse des Feldzugs und der Belagerung sind daraus ent-
nommen, daneben noch einzelne Episoden. Ich stelle alle diese
Punkte im Folgenden zusammen, indem ich dabei auf die ent-
sprechenden Abschnitte des griechischen Originals nach der Aus-
gabe von Samuel Adrianus Naber, Flavii Josephi Opera omnia,
vol. V et VI, Leipzig 1895/6 verweise. Die Anordnung der folgenden
Stellen ist die des Gedichtes; aus den Verweisungen läfst sich er-
sehen, dafs es die Thatsachen verschiedentlich umgestellt hat.
Einnahme von Acre ohne Kampf: Buch III Kap. 2 Abs. 4
§ 30 — 32, wo das Gleiche von der Stadt Sepphoris erzählt wird.
Die Eroberung von Jafes durch Titus bildet eine Kombination
der Eroberung von Japha durch Titus (Buch III Kap. 7 Abs. 31)
und der von dem dabei gelegenen Jotopata durch Vespasian
(Buch III Kap. 7 Abs. 33 — 3Ö).
Die Gefangennahme des Jafel in einem Keller bei der Erobe-
rung von Jafes und seine Begnadigung : Buch III Kap. 8 (Gefangen-
nahme des Josephus in einem Brunnen bei der Eroberung von
Jotopata) und Buch IV Kap. 10 Abs. 7.
Zweimalige Aufforderung Vespasians an Pilatus, sich zu er-
geben, worauf dieser ihn herausfordert: Buch V Kap. 9 (Titus er-
mahnt die Juden zur Ergebung und läfst sie dann noch einmal
durch Josephus dazu auffordern, worauf die Juden in Schmähungen
ausbrechen).
Tod des seit 20 Jahren Wehe schreienden Verrückten: Buch VI
Kap. 5 Abs. 3 § 300 — 309.
Einschliefsung der Stadt durch einen Graben, um sie aus-
Zeitschr. L rom. Phü. XXY. y
gÖ WALtHER SüCHIER,
zuhungern: Buch V Kap. 12 Abs. i, 2 (Einschliefsung durch eine
Mauer zu dem gleichen Zweck).
Ausfall der Juden, bei dessen Zurückweisung sich Vespasian
auszeichnet: Buch V Kap. 1 1 Abs. 4 — 6 (Titus wirft an der Spitze
seiner Soldaten die ausgefallenen Juden zurück).
Der auf Seiten der Juden am i.\usfall beteiligte Joseph wird
dabei verwundet: Buch V Kap. 13 Abs. 3 (Josephus, der vor der
Stadt die Juden zum Frieden ermahnt, wird durch einen Stein-
wurf verletzt).
Hungersnot in der Stadt: Buch V Kap. 12 Abs. 3.
Vor Hunger essen die Juden Leder: Buch VI Kap. 3 Abs. 3.
Pilatus gestattet seinen Leuten sich Nahrung mit Gewalt zu
verschaffen. Marie ifst, nachdem sie durch einen Engel im Namen
Gottes dazu aufgefordert worden ist, ihr verhungertes Kind. Pilatus,
der nach dem Gebratenen forschen läfst, erfährt durch seine ent-
setzten Boten den Sachverhalt: Buch VI Kap. 3 Abs. 4 (Es fehlt
hier die Person des Pilatus, die Aufforderung durch den Engel
und der Name der Mutter; diese tötet auch selbst ihr Kind).
Vespasian schlägt eine Bitte der Juden um freien Abzug ab:
Buch VI Kap. 6 Abs. 3 (hier Titus an Stelle Vespasians).
Essen des Goldes. Diese Episode ist hervorgerufen durch
Buch V Kap. 13 Abs. 4 (Die syrischen Truppen des Titus bemerken,
wie ein Jude aus seinen Exkrementen Gold holt, und schneiden
daher 2000 Juden auf).
Ueber das Schicksal der gefangenen Juden ist Buch VI Kap. g
Abs. 2 nur gesagt, dafs sie teils getötet, teils als Sklaven verkauft,
teils zum Triumph aufbewahrt, teils nach Aegypten zur Arbeit ver-
schickt werden.
An Erweiterungen und Aenderungen, die z. T. auf andere
Quellen zurückzuführen sind, weist der mittlere Teil des Gedichtes
folgende auf.
Die Ueberleitung von dem ersten Teil zum folgenden bildet
in der 35. Laisse die Prophezeiung Christi über Jerusalem (frei
nach Lukas ig, V. 43 und 44).
Abfahrt der Römer von Rom, resp. Barlet: bei Josephus bricht
Vespasian von Antiochia aus gegen Galiläa auf (Buch III Kap. 2
Abs. 4 § 2g). (Vgl. noch Ztschr. XXIV 165/6).
Wasserbeschaffung. In Bezug auf diese Episode sagt Paulin
Paris in der Histoire litteraire: „Peut-etre cette Imagination vint-
elle aux pelerins ä la vue des ruines de quelque aqueduc qui
traversait la vallee de Josaphat, et fournissait anciennement d'eau
iiltr6e la ville de Jerusalem". In der That findet oder fand sich
im Josaphatthale ein „Teich der Leitung" (Siloahteich), in den der
Siloahkanal von dem oberen Gilion (Marienquelle) her Wasser zu-
führte. Da dieser Kanal auf einer Karte in Meyers Konversations-
lexikon 5. Aufl. IX 545 als „Tunnel" bezeichnet ist, war er viel-
leicht unterirdisch.
AFRZ. GEDICHT VON DER ZERSTÖRUNG JERUSALEMS. QQ
Die Erzählung von der Gefangensetzung und wunderbaren
Befreiung Josephs beruht, wie schon in der Histoire litteraire ge-
sagt ist, auf Stellen der Acta Pilati, in der Ausgabe in Tischen-
dorfs Evangelia Apocrypha auf Kap. 12 § i und Kap. 15 § 6 der
Fassung A (S. 210 ff., in B, S. 287 ff., Kap. 12 § i und Kap 15 § 5),
wo das Schicksal Josephs von Arimathia behandelt ist.
Das Gelöbnis des Vespasian bei dem Ausfall der Juden, er
wolle Christ werden, wenn ihm Gott den Sieg verleihe, erinnert
an das ähnliche Verhalten Chlodwigs in der Schlacht gegen die
Alamannen vom Jahre 496. Vielleicht war dem Verfasser unseres
Gedichtes dieses Ereignis bekannt.
Die Angabe, dafs bei der Verfolgung der Juden nach ihrem
Ausfall die Sonne gewartet habe, geht zurück auf eine Stelle im
Buch Josua 10, V. 12 — 13.
Ueber die Herkunft des langen Gesprächs zwischen Jakob und
Joseph vermag ich nichts zu sagen. Es wäre nicht ausgeschlossen,
dafs es der Dichter erfunden hätte.
Für den Selbstmord des Archelaus fehlt mir eine Quelle.
Er findet sich auch in der Vindicta Salvatoris {bei Tischendorf
S. 471 — 486, § 12), doch weicht diese sowohl in der Angabe der
näheren Umstände der That wie auch im übrigen stark von
unserem Gedichte ab, sodafs ich auf diese Uebereinstimmung hin
nicht ohne weiteres eine Benutzung der Vindicta durch die Ven-
jance annehmen möchte. Uebrigens findet sich in § 1 7 der ersteren
die gleichfalls im Gedicht vorhandene, auch anderwärts vielfach
begegnende Angabe des Preises von einem Denar für je 30 ver-
kaufte Juden.
Die Ergebung der Juden, die ja unter Pilatus' Führung dem
Kaiser vor die Stadt entgegenziehen, steht im Gegensatz zu dem
Bericht bei Josephus (Buch VI Kap. 8 Abs. 4, 5), wonach die Stadt,
oder vielmehr nach der allmählichen Eroberung aller übrigen Stadt-
teile die Oberstadt von den Römern erstürmt wurde.
Ebenso widerspricht die im Gedicht erzählte Verschonung des
Tempels (neben der des heiligen Grabes und des Turmes Davids)
der Mitteilung in Buch VI Kap. 4 Abs. 5 — 8 von dem Abbrennen
des Tempels. Allerdings war es gegen die Absicht des Titus ge-
schehen, der auch vergeblich Löschversuche machen liefs. Nach
Buch VI Kap. g Abs. i blieben aber drei Türme, darunter nach
Schürer, Geschichte des jüdischen Volkes Bd. I, Leipzig i8go,
S. 533 Anm. 122 der später sogenannte Davidsturm, bei der Zer-
störung stehen.
Die Nachricht von der Aussetzung der verschonten Juden
durch Vespasian in drei Schiffen geht zurück auf eine alte jüdische
Sage, welche die Entstehung eines gewissen Bufsgebetes erklären
will und aus den Rechtsbescheiden der Gaonen stammen soll. Als
Landungsorte nennt sie Lyon, Arles und Bordeaux (vgl. Zunz, Lite-
raturgeschichte der synagogalen Poesie, Berlin 1865, S. 17). Woher
der Verfasser der Venjance sie kennen mag, bleibt ungewifs.
100 WALTHER SUCHIER,
Auch die schliefsliche Taufe der Römer scheint Eigentümlich-
keit unseres Gedichtes zu sein.
Ueber das Personenverhältnis betreffende Verschiedenheiten in
Gedicht und Vorlage ist Folgendes zu sagen. Während im Josephus
Vespasian nur den Anfang des Krieges leitet, später aber dem
Titus den Oberbefehl übergiebt, führt im Gedicht der Kaiser den
Feldzug durch, Titus tritt fast ganz zurück. Die historische Person
des Josephus auf Seiten der Römer vertritt im Anfang Jafel, bis
dann Jakob nach seiner Flucht aus der Stadt diesen Platz ein-
nimmt. Nach der Zerstörung der Stadt tritt auch er in den Hinter-
grund vor Joseph. Während ihres Aufenthaltes in der Stadt sind
Jakob und Joseph wenig hervorgetreten. (Vgl. Heinzel, Ueber die
französischen Gralromane S. loö.)
Schwer ist zu entscheiden, ob man auch für die beiden Führer
der Juden, Pilatus und Archelaus, nach Entsprechungen aufserhalb
des Gedichtes suchen soll. Mit den beiden historischen Tyrannen
Jerusalems während der Zeit der Belagerung, Johannes von Gis-
chala und Simon Bar-Giora (vgl. Schürer, Geschichte des jüdischen
Volkes I 525) wird man sie wegen des Fehlens übereinstimmender
Handlungen und Schicksale nicht identifizieren dürfen. In jedem
Fall ist natürlich das Auftreten des Pilatus leichter zu verstehen
als das des Archelaus. Sollte vielleicht der im Neuen Testament
verschieden neben Pilatus erwähnte Herodes (Agrippa I.) mit He-
rodes dem Grofsen verwechselt worden, und mit Rücksicht auf die
seit Christi Tod verflossenen 40 Jahre dessen Sohn Archelaus an
diese Stelle gesetzt sein? Sein Selbstmord bliebe allerdings auch
dann noch unerklärt, und ebenfalls würde noch die ganze Parallele
mit der Vindicta Salvatoris des Aufschlusses bedürfen.
IV. ABSCHNITT.
Die Prosaauflösung.
Unter den verschiedenen altfranzösischen Prosaschriften, die
ähnliche Stoffe wie das Gedicht behandeln, findet sich auch eine
Prosaauflösung des letzteren. Mir sind die folgenden Handschriften
davon bekannt 1, sämtlich aus dem 15. Jahrhundert, nur 13) aus
dem vierzehnten.
1 Um Irrtum zu vermeiden, führe ich an, dafs das unter ähnlichen Titeln
in den Handschriften B. N. fr. 969, 12445, 25549, 25553, Ars. 5366 enthaltene
Werk ein anderes ist, wenn auch verwandten Inhalts. Die wenigen mir davon
vorliegenden Textproben lassen es möglich erscheinen, dafs diese Prosa mit
einem in der sogen. Bible en fran^ois des Roger d'Argenteuil enthaltenen
Stück identisch ist. Näheres über das Verhältnis der beiden Stücke zu ein-
ander vermag ich nicht anzugeben. Ueber Rogers Werk vgl. Paul Meyer,
Notices et Extraits XXXIII i^e partie S. 71 — 75, der davon die drei Hand-
schriften B. N. f. Moreau 1715 — 1719, fr. 1850 und Bibl. roy. de Belg. 10578
angiebt. — Nichts mit der Prosaauflösung zu thun haben auch die ähnlich
betitelten Stücke, wie sie in den Handschriften B. N. fr. 181, 187, 413, 1555
i) Bibl. Nat. fr, 979
12)
2) Bibl. Nat. fr. 980—981
13)
3) Bibl. Nat. fr. 1370
14)
4) Bibl. Nat. fr. 2273
15)
5) Bibl. Nat. fr. 17061
16)
6) Bibl. Nat. fr. 24438
17)
7) Bibl. Nat. n.a. fr. 1357 (un-
18)
vollständig)
19)
8) Bibl. de l'Ars. 2 114
20)
9) Bibl. de Lyon 864
10) Bibl. de Lyon 918
21)
11) Bibl. de Lyon 1235
AFRZ. GEDICHT VON DER ZERSTÖRUNG JERUSALEMS. lOI
i) Bibl. de Carpentras 464
j) Bibl. de Grenoble 50
|.) Bibl. de Salins 12
j) Bibl. de Valenciennes 541
)) Bibl. in Bern A 260
7) Bibl. Naz. di Torino L IV 10
l) Vatik. Bibl. Reg. 1728
)) Brit. Mus. Add. 32090
)) Bibl. des Sir Th. Phillipps
Cheltenham 3657
21) Handschrift im Besitz meines
Vaters Hermann Suchier
Bei drei weiteren Handschriften, einer aus Besan9on (vgl.
G. Paris et L. Pannier, La Vie de S. Alexis, Paris 1872, S. 336),
einer seiner Zeit im Besitz Panniers befindlichen (vgl. ebenda
S. 339) und einer aus Oxford, Douce 337 (vgl. Stengel Mitteilungen
S. 24) habe ich nicht feststellen können, ob das darin enthaltene
Stück wirklich die in Rede stehende Prosafassung ist.
In provenzalischer Fassung steht der Roman in der Hand-
schrift B.N. fr. 25415, vom Jahre 1373 (Beschreibung durch P. Meyer
s. im angeführten Bulletin S. 50 ff. Der Text ist gedruckt von
Chabaneau in der Revue des langues romanes XXXII 581 — 608,
XXXIII 31 — 46, 600 — 609).
Eine katalanische Version ist gedruckt von Prospero de Bo-
farull in der CoUeccion de documentos ineditos del archivo general
de Aragon XIII i — 52 (vgl. auch O. Denk, Einführung in die Ge-
schichte der altkatalanischen Litteratur, München 1893, S. 149 — 152).
Sie ist nach einer Annahme P. Meyers im Bulletin wohl eine Ueber-
setzung des provenzalischen Textes. Der Druck beruht auf der
Handschrift 155 des Klosters Ripoll. Nach Morel -Fatios Angabe
in Gröbers Grundrifs der romanischen Philologie IIb 88 enthält
auch die Handschrift B. N. Esp. 509 die katalanische Fassung.
Eine englische Version soll nach Stengel a. a. O. S, 24 in der
Handschrift Oxford Laud 662 enthalten sein.
Später ist der französische Roman öfter gedruckt worden,
meist unter dem Titel: Desiriiction de Jerusalem. Brunet, Manuel
du libraire II col. 654 — 656 zitiert neun verschiedene Drucke. Ein
Exemplar der zweiten von den drei ersten Ausgaben ohne Jahres-
und Ortsangabe ist auch erwähnt und beschrieben in Picots Cata-
logue des livres composant la bibliotheque de feu M. le Baron
James de Rothschild 11 179. Von der an fünfter Stelle genannten,
von Denis Meslier 1491 in Paris gedruckten Ausgabe befindet sich
ein Exemplar auf der Bibliotheque de l'Arsenal, Histoire no. i86g.
sich finden. — Dafs die folgenden 21 Handschriften den gleichen Text ent-
halten, schliefse ich aus dem ihnen gemeinsamen Anfang: Apres quarante
ans que Jhesucrist fut mis en croix en yherusalem u. s. w.
I02 WALTHEK SUCHIER,
Ein Exemplar der sechsten dort angeführten Ausgabe befindet sich
in der jetzt dem Institut de France gehörigen BibHothek des Her-
zogs von Aumale in Chantilly, fol., signiert C III. Einen weiteren
Druck habe ich in Bernard Quaritch's Catalogue: Monuments of
printing, comprising books produced by ihe earliest presses in Ger-
many, the Netherlands, Italy, France, Spain, and England from
1455 to 1500, London 1897, S. 214 gefunden: La deslrudmi de
iherusakm u. s. w., gedruckt in Lyon 1504 von Jaques ArnoUet.
Eine kastilianische Uebersetzung ist nach der Angabe Morel-
Fatios in Gröbers Grundrifs IIb S. 88 in Sevilla 1498 gedruckt
worden. Vgl. dazu Sachs, Beiträge S. 7 1 . Der in Gröbers Grund-
rifs IIb 88 erwähnte und S. 214 besprochene portugiesische Druck
vom Jahre 149Ö, Lissabon, scheint den ursprünglichen Prosatext
mit Momenten aus einem Gralroman vermischt zu haben.
In einer niederländischen Fassung liegt mir unsere Prosa als
Volksbuch vor: De Historie vafi de Deerlyke Destrticiie en Ondergang
der Siad Jerusalem Door den Keyser Vespasiaan, Amsterdam, Hendrik
Rynders, ohne Jahreszahl. Der von van den Bergh, De Neder-
landsche Volksromans, Amsterdam 1837, S. 65 — 69 behandelte
Druck scheint eine andere Ausgabe desselben Textes zu sein.
Um das Verhältnis der Prosa zum Gedicht festzustellen, habe
ich für erstere die provenzalische Fassung als die zugänglichste zu
Grunde gelegt. Ob diese oder der altfranzösische Text ursprüng-
licher ist, das zu entscheiden würde eine genaue Untersuchung
der beiden erfordern, was hier nicht meine Aufgabe sein kann.
Doch habe ich durch Vergleichung mit der Handschrift meines
Vaters die wesentliche Identität des provenzalischen und altfran-
zösischen Textes festgestellt.
Die Abhängigkeit der Prosa von der Venjance erhellt daraus,
dafs sie bis auf einige später zu erwähnende Ausnahmen sich
genau dem Gedichte anschliefst. Der in der ursprünglichen Gestalt
vorhandene Schlufs läfst erkennen, dafs als Quelle nur eine Hand-
schrift des Grundtextes oder der ersten Bearbeitung in Betracht
kommen kann. Sehr auffällig ist eine Uebereinstimmung mit der
Handschrift A des Gedichtes. Es findet sich nämlich in der Prosa
(Rev. d. 1. r. XXII 597) ein Hinweis des Archelaus auf den den
Römern drohendeii Wassermangel, wofür sich einzig in der nur
in A enthaltenen Laisse venir (nach der 41. Strophe eingeschoben)
eine Parallele findet (vgl. Ztschr. XXIV S. 189/90).
Die wesentlichsten Eigentümlichkeiten der Prosa sind die
folgenden:
Klemens wird gleich im Anfang als in Rom befindlich er-
wähnt, und die Kenntnis Gais vom Propheten, die im Gedicht
nicht näher motiviert war, wird bestimmt auf die Wirksamkeit des
Klemens zurückgeführt (Rev. XXXII 583).
Die den Tod des Verrückten behandelnde Episode ist ver-
schoben und in die Schilderung des Ausfalls eingefügt worden
AFRZ. GEDICHT VON DER ZERSTÖRUNG JERUSALEMS. IO3
(Rev. XXXII 607), doch entspricht auch diese Stellung, ebenso
wenig wie die im Gedichte, der Anordnung bei Josephus.
Das in der Venjance die Strophen 68 — 71 umfassende Ge-
spräch zwischen Jakob und Joseph fehlt.
Die Königin von Afrika ifst ihr Kind erst, nachdem vorher
das ihrer Gefährtin von dieser und Marie gegessen worden ist
(Rev. XXXIII 34).
Als die Stellen, wo die ausgesetzten Juden landen, werden
Narbonne, Bordeaux und England angegeben (Rev. XXXIII 42).
Hiermit stimmt die Prosa besser zu der auf S. 9g angeführten
Grundlage dieser Sage, als das Gedicht.
Die in den zwei Laissen loi und 102 erzählte Taufe Josephs
fehlt der Prosa.
Als Quelle wird Jafel (im Gedicht Joseph) genannt, der per
cosselh de Jacob e de Joseph geschrieben habe (Rev. XXXIII 46).
Ich möchte noch erwähnen, dafs die behandelte Prosaauflösung
auch zu einer Art Bilderbuch umgestaltet worden ist. Mermet,
La Vie de l'homme, poeme de 1509, etc., Vienne 1838, giebt
einen Neudruck des folgenden livre d'heures: Heures ä lusaige de
Romme iout au long sans riens requerir, avec /es figures de la vie de
Ihonime: et la destructmi de hierusalem, gedruckt 1509 in Paris von
Giliet Hardouyn. Dies Buch enthält also in seinem zweiten Teile
einen kurzen Auszug aus dem Prosaroman, und zwar bildet jeder
der 43 kurzen Paragraphen, die den Text ausmachen, die Erläu-
terung zu einer jedesmaligen darunterstehenden Vignette. Daher
beginnen fast alle Paragraphen mit Coniment . . ., z. B. lautet der
zweite in der von Mermet modernisierten Orthographie:
Comment l'Empereur devint Mesel et manda son conseil, lequel ordonna
qu'il envoyät en Jerusalem pour trouver aucunes choses qui ont touche au
Saint proph^te Jesus-Christ, et demander le tribut ä Pilate. Gay, son sdne-
chal, en fut messager.
Das dazu gehörige Bild stellt dann Vespasian in seinem Bett, von
seiner Dienerschaft' umgeben, vor. Näheres s. in der Einleitung
zu Mermets Buch. Bei der Kürze des Textes sind natürlich viele
Episoden fortgelassen, doch ist zuweilen auch einmal eine hinzu-
gefügt. Gleichwohl zeigt die Anordnung des Ganzen und die Be-
wahrung verschiedener Einzelheiten, dafs der Prosaroman direkt
oder indirekt die Quelle sein mufs.
Zum Schlufs habe ich noch an verschiedene Gelehrte meinen
Dank zu richten. Herr Prof. Trautmann in Bonn hatte mir eine
vollständige Abschrift der londoner Handschrift zur Verfügung ge-
stellt, Fräulein Pellechet in Paris verdanke ich Auskunft über einige
Drucke des altfranzösischen Prosaromans, der Vermittlung des Herrn
^ Ich übersetze Mermets Ausdruck ,serviteurs', der aber, da im Text
ja von , conseil' die Rede ist, nicht recht zu passen scheint.
I04 WALTHER SÜCHIEK,
Prof. Kautzsch in Halle Angaben über die Episode von der Aus-
setzung der Juden, Herrn Prof. Gröber in Strafsburg den Hinweis
auf die Vatikanische Handschrift des Prosaromans, Herrn Oliver
Prior in London Mitteilungen über die Handschrift 3657 aus
Cheltenham.
Anhang zum kritischen Text.
I. G. (Zu K. T. I Str. i.)
Signour or mentendes nel deues contredire
q onques ot cbanter ceste chancon ou lire
On len doit ascouter uolentiers le matire
Car cest coument juis furent mis a martire
Par lempereur de roume qui leur moustra son ire
II et titus ses fis et eil de son empire
Pour uengier dameldieu qui se laisa despire
Pour coi esmeut chou a sauoir le desire
Pour cou que lempereres cant vous en uoel descrire
Estoit adonc malades ne pooit trouer mire
Que li peust aidier si sen tint bien de rire
li maus molt langoussoit toute jor a tire
Che mal li a fait diex quil uoloit quil se mire
Auant ou uironique dont en cor nertespire
lempereres de romme qui li mals fist defrire
Son cors et son baudrier come li feus la cire
Ot un urai senescal qui damour uraie entire
Amoit lempereor et pour samour souspire
Maint jor et mainte nuit pour luj ses cauiax tire
Pour cou que cascun jor ce li sambloit empire
Au senescal sanloit par nuit quil aloit gire
Dedens jhil'm la uit de nostre sire
Sa fourme et la portoit sen garisoit son sire
Diex a cuj on offri or et echeus et mire
Sana lempereour ensi com mores dire
Dont joie ot lenpereres et pour cou desconfire
les faus juis mauuais nule gen ne sont pire
IL B. (Zu K. T. I Str. i.)
Signor piaist uous oir une bonne canchon
toute est de uraie estoire si com dist la lecon
ni a mot de mencoigne ne de controuison
ja mais nores parier de plus tres urai sermon
au tans dauid et au tans salemon
furent juif em pris et de molt grant renon
ki or sont en seruage et en chaitiuison
pour le fil diu kil prisent par nuit en trahison
pour chou le deseruirent li encriesme felon
car vilment le trahirent asses plus cun larron
AFRZ. GEDICHT VON DER ZERSTÖRUNG JERUSALEMS. 105
ja mais ne sera iors nen aient retracon
apries li escopirent el vis et el menton
puis le misent en crois par molt male raison
tytus lala vengier ke defit le set on
eil mist aus en la terre a feu et a carbon
onques ne daigna prendre auoir ne raencon
ensi com vous ores es vers de la canchon
III. G. (Zu K. T. I Str. i.)
Tout chil et toutes celles aient beneicon
Qui uorront ascouter de moi ceste chancon
Ou il na mot de faus ne de controuuison
Toute est de uraie estore il ni a se uoir non
Et pour chou en doit on bien entendre le ton
De celui qui le dist et en fait mention
Plus doit plaire a oir ne face de charlon
Qui espaingne conquist ensi que bien set on
Par ses bons cheualiers dont il auoit fuisson
Rolant et oliuier et ogier le baron
Et turpin lacheuesque et le cö namlon
Plus furent de ualeur que dire ne puet on
Chil qui sont ore endroit ne ualent un bouton
De lor panche encrassier a chescuns henguison
Solas de dames chier en ont labandon
Or larai diaus ester car auenir uoit on
Que par les defallis maintes fois a noion
Et pour chou que je sui de chou en soupechon
Canoie ne uous aie de ma prologuison
Vous dirai chou dont mest sans nule arestison
Au tans le roi dauid et au tans psallemo
Furent juis em pris molt les honneroit on
Or sont il en seruage et en chaitiuison
Car il le deseruirent li encrieme felon
Pour le fil dieu qui prisent par nuit en traison
Molt vilment len menerent a guise de laron
Ja mais ne sera eure nen aient retracon
De chou quil lescopirent el uis et u menton
Puis le mirent en crois il firent mesprison
Titus lala uengier cores en la chancon
Et mist jaus et lor terre en fu et en carbon
Onques nen daigna prendre auoir ne raecon
Ains les fis trestous metre a grant destruction
IV. B. (Zu K. T. I 21.)
toute est de \Taie estoire nient de mencoignerie
de la mentacion et de la pphesie
en deuine escriture le demostre yzaies
moyses li prophetes helyas geremies
I06 WALTHER SUCHIER,
eil jougleour en canlent mais il nen seuent mie
vns lais hom Ics muet primes qui lestore ot oie
vns clers connut lestoire ki molt la enmieudrie
V. G. (Zu K. T. I 21.)
II nest nus qui en doiue faire sa moqueiie
Qui conques le feroit ce seroit musardie
II naroit mie en luj gaires de courtoisie
II me sanlo une grans asnerie
De disconter a ceus qui m prestent oie
Diaus larai je nai eure dantre leur ruserie
A ceus dirai ma rime qui heent uilonnie
Qui nont eure dorguel ne mainnent gloutenie
. Mais plus chier a oir ont ceste prophesie
Con trueue en escriture si le dist ysaye
Moyses li prophetes eliot et elye
Chis jougleor le chantent nen dient la moilie
Un lais homs les mut primes la matere a laisie
Ne le sot ordener or la apropriie
Un eles qui pas ne voet lestore seit perie
VI. B. (Zu K. T. I 36.)
Signor or faites pais si me laissies parier
eanchon qui de diu est doit on bien escouter
en un saint euuangile lai oi raconter
li liom ki bien velt diu seruir et honerer
de lui et de ses oeures ot volentiers parier
VII. G. (Zu K. T. I 36.)
Signour qui set bien dire il le doit demoustrer
iüj. mos vous dirai ne fönt a oublier
li primiers est que drois doit tort arier bouter
li secuns eom ne doit le poure houme gaber
Pour lamiste dou rice ce vous uoel enorter
li tiers que nus ne doit mais auoir goulouser
Si comme de lautruj ne tolir ne reiiber
Pour acroistie le sien la ne doit nus viser
li quars est que tout dis deuons dieu reclamer
En la sainte ewangille ai oi recorder
li homs qui en son euer voet damcldieu amer
De luj et de ses oeures ot uolentiers parier
Ne puet ens en sa fin maise uoie trouuer
VIII. H. (Zu K. T. I 39.)
Mais puis le volt Jhesus par son digne commant
Atourner a no loy par vng malage grant
Ainsy que vous orez recorder ou romant
AFRZ. GEDICHT VOX DER ZERSTÖRUNG JERUSALEMS. I07
Seigneurs or faittes paix pour dieu le droiturier
Chelui Vaspasien dont vous moez plaidier
Fut empereur de Rome se leut a gouuerner
Moult lonc temps fut payens mais dieu le volt amer
IX. H. (Zu K. T. I 40.)
Mais anchois le conuint moult grant paine endurer
Par vne maladye que vous morez nommer
Le liepre lappellent sergant et baceller
Ce est meselerie au iustement parier
Ainsi volt Jhesucrist qui tous nos volt sauuer
X. H. (Zu K. T. I 50.)
Nest Duls hoins qui ia mais sancte vous puist donner
Non pourquant ie me suis pris a pourpenser
Je ne scay senuers moy vous en vauries yrer
Mais ie le vous diray se vollez escoutter
XI. F. (Zu K. T. I 51.)
Qui descendit du ciel et se uint ombraer
Ea la uirge marie ainsi loi nommer
Et puis nesqui de li a un ior de noer
Vne estoile aparut en oriant sor mer
.iij. rois qui lo conurent lalarent uisiter
Offerande aportarent cest por lui presanter
Ou flun iordain se fit baptisier et lauer
Et puis apres .xxx. anz laissa son cors pener
A ce felons iuef qui ne voudrent amer
Mais ce fit il por nos que il nos uot saluer
Et des poinnes denfer nos uot toz racheter
Je sai que il est uoirs se lo volez amer
II uos guerra trestot se vos fera sauuer
Car iai par nul auoir que vos saichoiz doner
Ne vos uarez garir ne de mal repasser
Se eil ne vos garit don vos moez parier
XII. G. i;L\x K. T. I 57.)
Ains nus hons ne senti je croi plus tres crual
Not eure desgarder a celuj point nul bal
Ne destrument oir cains pourpensast juual
Qui soit toute musique fix fu u nies noal
lempereres de roume qui not euer liberal
XIII. G. (Zu K. T. I 68.)
De ma court te ferai tout maistre principal
Plus te ferai signour cains ne fust perceval
Qui ot de proimete descange le greal
Nies ert al roi peskeur sa terre tint roial
I08 WALTHER SUCHIER,
Apres cou quil fust mors par son frere agloual
Manda le roy artu li rois de son ostal
I mena les plus pres feste i ot fait ioial
Cou disoit lenpereres qui al uis dun portal
Estoit estans tous drois de iai fist apoial
Sor son col son brac destre encor disoit tout al
XIV. G. (Zu K. T. I 77.)
Nensoingne ne dois querre que errant sans detrier
Ne voises mon confort v que seit encerkier
Car on doit tenir lomme pour fol et pour lanier
Ki faut son bon signour sil a de lui mestier
XV. G. (Zu K. T. I 80.)
Ne se ie gis souums souflfrir le redreder
Dame ne damoisele naimme nient desuoier
Nes vne ce voi iou nen vuet a moi plaidier
Mais lues que mont veu sen retraient arrier
Quant cou fönt molt feroient durement grant dangier
Se iou vne en voloie acoler v baisier
Nes li plus de mes hommes selonc le mien cuidier
Se eis mals me tient longes me lairoient effraier
Droit aront bien ce puis pour verte tesmoignier
XVI. H. (Zu K. T. II Str. 105.)
Car la coustume estoit en ce temps ce sachies
Que nuls homs ne moroit mais il estoit iugies
En la fosse en Vianne estoit mis et muchies
Ensi le tenoit on a Romme et ens es fies
Et lempereur si est volentiers ottriies
Par trente cheualiers y fu tost enuoyes
De karkans et de fiers fu il tres bien lyes
La ne veoit clarte de nului nest aidies
XVII. (Zu K. T. II 74.) F.
Or prions tuit a deu qui tot forma le mont
De la dolor denfer et des poinnes qui sont
Nos deffende trestoz et la ioie nos dont
Que il done a ces qui son seruise fönt
Deuant lui en lau ciel ou toz ior permaindront
Ensamble toz les anges don ie mais nan istront
K.
Or prion tuiz a deu si come il fist le mont
De la dolor denfer. des peines ou il sont
Nos defende trestoz. et la ioie nos doint
Quil a done a ciaus qui son seruise fönt
Deuant lui enz el ciel a toz iors permaindront
En la compaignie as angels dont ia mais nen istront
AFRZ. GEDICHT VON DER ZERSTÖRUNG JERUSALEMS. IO9
XVIU. F. (Zu K. T. II Str. 107.)
Li romanz faut ici quest de la uangison
que nostre sires prist de maint iues felon
Vaspasiens de rome et tytus ]i baron
A rome remestrent en la lor region
De ihesu lo prophe lo romant dit auons
Or li deprions tuit qui nos face pardoii
Et nos mate a sa destre en laute region
Ou pais et gloire ai et habilacion
Walther Suchiek.
Nachträge und Berichtigungen zum ersten Teil
(Ztschr. XXIV 161 ff.).
S. 166 Z. 5 V. u. ist nachzutragen eine neue Beschreibung der Handschrift
Bibl. Nat. fr. 20039 in: Henri O.nont, Bibliolheque Nationale, Catalogue gene-
ral des manuscrits fran9ais, Ancien Saint-Germain fran^ais t. III, Paris 1900,
S. 467 — 468.
S. 174 in den Lesarten zu K. T. I 78 tilge: G pius.
S. 191 Z. 13 lies 320 statt 310.
Zu S. 193 Z. 26 vgl. noch die kritische Ausgabe der Cura sanitatis Ti-
berii in: E. von Dobschütz, Chrisiusbilder, Untersuchungen zur christlichen
Legende, Leipzig 1899, 2. Hälfte, Beilagen, S. 163** — 189**.
Auf S. 195 halte die Druckerei meine Korrekturen der Verweisungen:
S. i88 statt S. 28 auf Z. 6, und: S. 193 statt S. 33 auf Z. 14 v. u., nicht aus-
geführt.
VERMISCHTES.
I. Zur Textkritik.
Zur Karlsreise.^
V. II 8. Hs.: karV i enirat ben out al queor g'*nt ioie. Der
Herausgeber setzt El Charles i etiirat', Suchier schlug vor Cum
Charles i enlral. Allein das fehlende Wort scheint mir eher Quant
zu sein; dieses konnte vom Kopisten vor karP leicht vergessen
werden, zumal wenn es nicht wie gewöhnlich Quant oder Q'^nt,
sondern etwa wie V. i6 Kaunt geschrieben war.
V. 164. Hs.: E le chef samt lazare uuf frai aporter. Der
Herausgeber schreibt mit geringer Aenderung Et le chief saint La-
zare vos ferai aporter. Dies ist sicherlich nicht die ursprüngliche
Lesart, denn der Name Lazarus liegt hier in einer Form vor, die
zwar ins Neufranzösische Eingang gefunden hat (sie ist mit Ver-
letzung des Accents zu Stande gekommen wie Asie, Arabie, Ltalie,
ori'gine, hostie, altfr. Aise, Arabe, Itaile, auch Llaire, orine, oisle),
aber für ein altfr. Denkmal nicht angenommen werden darf. Hier
lautet der Nominativ Ladres Renclus de Moiliens I S. 50, II, 155,
der c. obl. Lasdre Atre periil. S. 168, Ladre Amis et A. 287g, öfter
Lazaron"^ Roland 2385, G. de Viane 2403, Gui de Bourgogne S. 30,
121, Renaus de Montauban 277, 10, dritte Redaktion der Alexius-
sage S. 299, Renclus de Moiliens II, 156, G. de Coincy 176 V. 612,
Chanson des Saxons II, 32.'-' Eine ältere Form von Ladre ist
Lazere in einer pikardischen Urkunde, die Neumann, Zur Laut-
und Flexionslehre des Altfr. S. 105 anführt, Lazre ebd., Leben des
1 hrsg. von E. Koschwilz. 3. Auflage. Leipzig 1895.
* Mit Flexions-J begegnet Lazarons als Nominativ im Renclus de Moiliens
II, 157, 158; auch das unveränderte Lazarus kommt vor {: Jesus), z. B. in
der Vie de Madeleine des Guill. le Clerc (Herrigs Archiv 6^, 87).
^ Die Form Ladre (als Eigenname; als Adjektiv hat sich ladre bis zum
heutigen Tage erhalten) ist noch im 15. Jahrhundert üblich: Ladre ir.on frere
point ne lieve, Jubinal , Mysteres inedits du quinzieme siecle II, 150, Ladre,
vien hors! ebd. 154, Ladre, cor nous conpte la peine D'e?ijer ebd. 170.
Andrerseits läfst sich beobachten , dafs Arnoul Greban in seinem grofsen
Mystere de la Passion (p. p. Gaston Paris et Gaston Raynaud, Paris 1878)
diese Form nicht mehr anwendet; er gebraucht vielmehr für beide Casus nur
die Form Lazaron; so 14027 (: obligeron), vgl. Lazaron, vien hors! 15072,
Lazaron 15592 (: savon), 16109 (: resurrection), 20052 (: demonstracion).
HUGO ANDRESEN, ZUR KARLSREISE. I I I
heil. Thomas hrsg. von I. Bekker S. 28. Allein bei Einsetzung der-
selben wäre der Vers noch um eine Silbe zu kurz, während Le
chief Samt Lazaron der Silbenzahl genügen würde.
V. iq6. Hs.: Ore iieit li pat'archef deuf i fait uerlul. Text:
Or Veit li patriarches Deus i fait granz vertuz. Näher liegt es an-
zunehmen, dafs nach patriarchef der Schreiber ein qiie ausgelassen
hat; also vermutlich: Or veit li patriarches que Dens i fait vertut.
V. 231. Hs. : Si fift il puf car ben en gardat fa fei. Der
Herausgeber setzt Si fist il puis encore, biefi en guardat sa feit. Das
Wörtchen car zu unterdrücken und andrerseits das steife encore
einzufügen empfiehlt sich nicht. Statt car hat wahrscheinlich carT
in der ursprünglichen Ueberlieferung gestanden == Carlemaignes,
wie 365 und 400, und es wird zu lesen sein: Si fist puis Charle-
maignes, bien en guardat sa fei.
V. 238. Hs.: Cü il liit entendut fi orent le queref mPt leez\
Text: Com il Pont entendut, liez ont les coers assez. Eine so starke
Aenderung der überlieferten Lesart geht nicht wohl an. Die Besse-
rung mufs sich zunächst auf das in der Assonanz stehende Wort
beschränken und von der Frage ausgehen, ob leez nicht aus einem
andern ähnlichen Worte entstellt sein kann. Dies Wort scheint
mir levez zu sein, und der Vers könnte gelautet haben: Com il
Vont e?itendut s' orent les coers levez. Vgl. Auberi (Toblers Mitteilungen)
60, 2g: Li portiers Foit, li cuers li est leves.
V. 322, Hs.: Si fenz garde remaint io creiin q ele foit ^due.
Text: Se senz guarde reinaint, criem qtiele seit perdue. Diese Emen-
dation wird deshalb abzuweisen sein, weil das jo im Nachsatze vor
criem kaum fehlen darf. Andrerseits ist aber das Pronomen ele
nach altfr. Sprachgebrauch entbehrlich, daher zu lesen: Se senz
guarde remaint jo criem que seit perdue.
V. 381. Wegen brasme s. Ztschr. XXII, 84 Anm,
V. 384. Hs.: Mrt fut gref U oragef -] hiduf 1 coftif Sollte
vielleicht in coftif, mit dem nichts zu machen ist, restis „unbändig"
stecken? r und e in reftif brauchten nur schlecht geschrieben zu
sein, um die Verderbnis hervorzurufen.
V. 430. In dem Namen der Fee Mafeuz sieht Suchier das altfr.
Mahelz oder Maheuz = Maihildis. Dasselbe hatte schon E. du
Meril (Etudes sur quelques points d'arch^ologie et d'histoire litte-
raire S. 398) gethan und zugleich die beachtenswerte Ansicht auf-
gestellt, dafs hier eine freilich unklare Reminiscenz an die Königin
Mathilde, die Gemahlin Wilhelms des Eroberers, vorliege, die ja
der Tradition nach bei Herstellung der berühmten Stickerei von
Bayeux in hervorragender Weise beteiligt war. Haben wir die
Sache in der That so aufzufassen, so ist statt des handschriftlichen
Li cmi'turef fud bonf q Mafeuz uuerat vielleicht zu lesen Li cover-
tors fut bons que Maheuz aovrat.
V. 508. Hs.: Veez cele grant pelote unc grein^ ne ui meif Der
Herausgeber fafst (in der dritten Auflage wenigstens, in den beiden
vorhergehenden nicht) die erste Hälfte des Verses als Frage auf
1 1 2 VERMISCHTES. II. ZUR WORTGESCHICHTE.
und unterdrückt gratit vor pelote. Ersteres ist nicht notwendig,
Letzteres, schon wegen graignor, kaum statthaft: grant kann
nicht gut entbehrt werden. Wohl aber ist es erlaubt zu lesen Vez
cele grant pelote, onc graignor ne vi ??iais. Vgl. V. 95 sowie Ztschr.
XI, 351, wo gezeigt ist, dafs die Schreibung vez für veez häufig
begegnet.
V. 675. Hs.: De/ ga q; er sair defiftef g'hit folie ftid. Der
Herausgeber verbessert diesen um eine Silbe zu kurzen Vers da-
durch, dafs er nach dem Vorschlag von Suchier (Ztschr. IV, 4 1 2)
grande für grant setzt: Des gas querseir desistes gratide folie fut.
Diese Besserung kann man sich gefallen lassen, da die Form grande
V. 788 durch die Assonanz gesichert ist. Trotzdem möchte ich
glauben, dafs tresgrant folie zu lesen ist, denn grade tres kann
vom Kopisten vergessen worden sein wegen der Aehnlichkeit mit
der letzten Silbe von defiftef, besonders wenn er es etwa wie V. 57
in der Abkürzung ff vor sich hatte.
V. 732. Hs.: E vi fit al palaif u carleüi seait. Der Herausgeber
liest // e7i vint al palais la oii Charles seeit. Eine einfachere Eraen-
dation der ersten Hälfte des Verses giebt V. 747 an die Hand
[Vint errant), nämlich Errant vint al palais \ für die zweite Hälfte
empfiehlt sich die Emendation Foersters: u Charles se seeit. Der
ganze Vers würde demnach lauten: Errant vint al palais ou Charles
se seeit. ..-, ,
Hugo Andresen.
II. Zur Wortgeschichte.
1. Zu Rudows Rumänischen Wörtern
Ztschr. Bd. XIX und XXU.
ar§in weifser Baumwollenstoff (XXII, p. 222)
stimmt lautlich genau zu russ. arsin = Elle. Die Bedeutung,
welche das zu letzterem gehörige Adjektiv arsinnyi {ai'sinnyi towar
= Ellenware) sowie das Derivatum arsinnic (= EUenwarenhändler)
haben, leitet auch begrifflich unschwer zu der Bedeutung des rum,
Wortes hinüber, sei es dafs dieses zunächst Ellenware überhaupt
oder von vornherein eine häufig gebrauchte besondere Sorte von
Ellenwaren bezeichnet hat.
corban, daneben curbam Opfer (XIX, p. 422).
Hebräisch qorban, ein in Levit. und Num. nicht selten wieder-
kehrender Ausdruck, bedeutet gleichfalls Opfer und zwar ganz im
allgemeinen sowohl das blutige wie das unblutige, eigentlich Dar-
bringung. Freilich denkt man bei einer Entlehnung aus dem Se-
mitischen zunächst an ein arabisches Etymon. Ein solches wird
nun allerdings bei Gesenius, Hand-Wtbuch für das A. Test., unter
qorban nicht gegeben; dagegen wird bei dem zu Grunde liegenden
G. DE GREGORIO, ANT. SIC. (a LA) LIRTA. I 1 3
Stamm qarabh eine Entsprechung aus dem Arab. aufgeführt, und
so darf man das rum. Wort vielleicht doch als ein Lehnwort aus
dieser Sprache betrachten. Jedenfalls ist sein semitischer Ursprung
^^cher. Q_ Pfeiffer.
2. Ant. sie. (« la) lirta.
La voce /irfa del modo avverbiale dato nel titolo, e anche
in quello di alliria, si rinviene nel codice delle Consuetudini di
Messina, di cui abbiam dato notizia in Zischr.f. rom. Philo!. XXIV 421.
Noi r abbiamo giä citata occasionalmente (ihid. 421, 423) e dichia-
rata importante, senza indicarne 1' etimo, che soltanto ora riusciamo
a scoprire con sicurezza. Dal contesto si vede che la vendita
degli animali a la lirta equivalga a vendita di animali "in piedi",
"vivi", o, come si direbbe oggi in sicil., "a//' aggriiia". Questa
voce non ha perö da fare con lirta, che invece, secondo il nostro
parere, fondato sulle ragioni fonetiche e semantiche, si connette
coli' it. air erta {per es. nella fräse: sentinella aW erta! Achtung,
Posten!), sost. erta, col fr. alerte, coUo sp. alerto. II significato piü
genuino di queste voci e quello che rimane al sostant. it. erta,
luogo per il quäle si va all' insu, o luogo ripido, "eretto", che
appunto ha rivelato 1' etimo *er(c)tus, Part. P. P. di *ergo =
erigo (Cfr. Körting N. 2833). — Che 1' iniziale / non appartenga
alla radice della voce, ma solo rappresenti 1' articolo concrezionato,
come nel sie. {Id) Uddira, {la) lapa, it. ellera, ape, lo mostrano anche
i riflessi del francese, che accanto a alerte, ant. alairte e alerte
(spagn. port. alerid) ha ä l'airte, ä Perthe, che da La Curne {Dict.
hist. de l'anc./r.) e da Littre [Dict. de la lang.fr) si sono appunto
attribuiti all' it. all' erta.
La tonica /, rispecchiante e chiuso del lat. volg., e regola-
rissima per 1' epoca a cui risale il codice (Cfr. De Gregorio, Saggio
di Fonetica siciliana § 17), e piü genuina del moderno ^ di all' erta,
che proviene dall' italiano.
GiACOMO De Gregorio.
Zeitschr. t rom. Phil. XXV.
BESPRECHUNGEN.
Pio Rajna, Le fonti dcll' Orlando Furioso; ricerche e studi; seconda
edizione corretta e accresciuta. In Firenze, G. C. Sansoni, Editore, 1900;
pp. XIV-631.
Ripresentando dopo un quarto di secolo questo libro cosi universal-
mente noto e tenuto in pregio, 1' A. mostra come dall' idea di "una semplice
ristampa con un certo numero di aggiunte" sia passato al piü largo pro-
posito "di una revisione accurata ... dal principio alla fine". Ma h pur da
notare, che se rivedendo 1' opera sua ba potuto giovarsi e di nuove ricerche
proprie e di nuove pubblicazioni , ben raramente gli occorre di modificare i
risultati a cui venne si gran tempo addietro; questo ei prova come anche
potendo sembrare qua e lä suscettibili di qualche ringiovanimento o accresci-
mento, le Fonti delVO. F. avevano sfidato con la lor fibra robusta i danni
dell' etä.
Non molto di nuovo e nell' Introduzione, dove oggi come allora 1' A.
puö lamentare la mancanza di uno studio complessivo rigorosamente cri-
tico sul ciclo brettone, intorno al quäle "tanta e ancora 1' oscuritä che le
piü antiche tracce delia presenza della materia di Brettagna nel mondo ro-
manzo paiono fino a qui scorgersi in Italia, ossia in un paese che non pre-
sume sicuramente di contestare alla Francia la prioritä". Di molte ginnte,
specialmente bibliografiche, s' arricchisce la notizia dei romanzi francesi ed
italiani che servirono all' Ariosto e che egli poteva in buona parte trovare,
come mostrarono indagini recenti, nella libreria estense o in quella dei Gon-
zaga di Mantova. Ma piü interessa veder opportunamente confermati quegli
apprezzamenti generali sul poema, che il Canello ebbe a combattere viva-
mente da queste pagine. "Per 1' Ariosto 1' arte stessa diventa fine", e il
parere dei Rajna, come fu giä dei de Sanctis, dei Gaspary, dei Carducci: se-
condo il quäle "la finalitä dei poema romanzesco e in se stesso", mentre il
nostro rimpianto romanista cercava di scorgervi alti intendimenti civili.
Non h possibile, nel breve spazio che ci e concesso, notare tutte le
giunte e le modificazioni che occorrono quasi ad ogni pagina; basti far cenno
di alcune novitä introdotte intorno a qualche episodio piü rilevante. Ad
illustrare, p. es., "P aspra legge di Scorzia" da cui e minacciata Ginevra
1' A. puö giovarsi ora di un romanzo spagnuolo dei quäle non aveva potuto
conoscere innanzi che la versione italiana: la Historia de Grisel e Alirabella,
di Juan de Flores. E quella novella degli Hecatommiti {Intr. nov. IX) che
parrebbe ispirata dall' episodio ariostesco di Ariodante e Ginevra, deriva pur
essa direttamente da un romanzo spagnuolo a cui 1' Ariosto attinse, Tirante
PIO RAJNA, LE FONTI DELL* ORLANDO FURIOSO. I I 5
el Blanco; un romanzo che Isabella d' Este leggeva nel 1500 e che Niccolö
da Correggio cominciö a tradurre molto prima che Lelio Manfredi pubblicasse
la traduzione sua il 1538. — Facendo un salto a' soggiorni di delizia come
quello d' Alcina, h notevole 1' osservazione, che non in Italia ha cominciato a
trasformarsi il carattere originariamente nordico di quelle descrizioni (cfr. gli
haus pins del Roman de la Rose che divengono gli altissimi pini della
Teseide), ma giä nella Francia medesima; dove singolarmente meridionale, o
addirittura Orientale, h una descrizione di Renaut de Beaujeu nel Bei Desconeu.
E poich^ ho citato il Boccaccio, ricorderö che nell' episodio di Astolfo tras-
mutato in mirto il Rajna osserva un rapporto col Filocolo il quäle influi
anche, almeno in parte, sulla metamorfosi cui sono condannati da Alcina i
propri amanti. A proposito di Alcina troviamo anche qualche nuova notizia
bibliografica suU' interpretazione allegorica del poema; allegorie affini a quella
del famoso episodio avevano adoperate poco innanzi nei loro poemi Girolamo
Benivieni e Oltaviano Fregoso. D' altra parte, nuova messe di riscontri e di
fonti illustra le muraglie luminose di Logistilla. L' apparizione di Melissa,
con mutate spoglie, a Ruggiero, per strapparlo alla voluttuosa chiavitü, deriva
— com' era giä noto dalla prima edizione — dall' apparizione di Mercurio
T!i€^^ Eneide e da un' altra del Mambriano; se io mettessi accanto a questi
due antenati un episodio della Teseide, sarebbe soltanto perche il nome del
Boccaccio ricorre spesso altre volte nelle pagine del Rajna. E notevole che
se Melissa si trasforma come ha fatto giä. Malagigi nel Mambriano, si tras-
forma anche 1' ignoto dio che apparisce a Teseo; il quäle
Nel dolce tempo che il ciel fa belle
Le valli e' monti d' erbette e di fiori {Tes. II, 3)
se ne sta "in un Giardin pensando a suo diletto", come Ruggiero starä solo
a godersi ". . . il mattin fresco e sereno Lungo un bei rio" {Orl. Fur.Yll, 53).
Fra le pagine piii arricchite e rinnovate sono quelle intorno alla novella
di Giocondo ed Astolfo,^ grazie ad indagini recenti sul libro delle Mille e
una notte ed a nuovi riscontri orientali; e ricordata una novella del Sercampi
(n. 84, ed. Renier 1889), che viene a mettersi accanto all' ariostesca, senza
esser legata a questa da alcun rapporto diretto, bensi derivando entrambe da
un progenitore comune.
SuUe considerazioni generali che chiudono il volume, il Rajna non in-
dugia piü che non abbia fatto nella prima edizione, e questa misura non parrä
eccessiva o chi pensi come l'indagine, fatta a questo modo, non solo contiene
tutti gli elementi pel giudizio estetico, ma dice per sfe stessa piü di qualunque
apprezzamento generale. Accompagnano il volume due nuovi indici; 1' uno
segue passe per passo il poema, rimandando alle pagine corrispondenti ; 1' altro
h. un elenco delle fonti e dei riscontri che giova anche come quadro comples-
sivo a mostrare i vari aftluenti, le fonti maggiori, i piü modesti rivoli che
versano le loro acque nella riviera ariostesca. Cosi ora, piü che mai, il Car-
ducci potrebbe ripetere un giudizio dato giä. sulla prima edizione, alcuni anni
or sono: "im libro ove nulla, credo, si desidera".
1 A proposito di Astolfo e del suo viaggio lunare, place veder acceltato
dal Rajna 1' acuto parallele che B. Zumbini fece fra 1' episodio ariostesco e la
Stultitiae laus di Erasrao da Rotterdam.
Paolo Savj- Lopez.
8*
1 1 6 BESPRECHUNGEN. G. WEIGAND,
G. Alexici, Texte din literatura poporanE lomina. Budapesta 1899.
Verfasser, Privatdozent für Rumänisch an der Budapester Universität,
bietet uns S. i — 270 eine Reihe von Liedern aller Art mit Ausnahme der
lyrischen Gattung nebst einigen Prosatexten, die er auf Ferienwanderungen
in einem Zeiträume von 15 Jahren unter den ungarländiscben Rumänen ge-
sammelt hat. Sieht man genauer zu, so findet man, dafs dem Umfange nach
die Produkte aus Straja im Banat beinahe die Hälfte des gesamten Materials
bilden, dann ist das Arader Komitat durch mehrere Gemeinden vertreten,
aufserdem noch einige wenige Gemeinden in Bihor und sonst zerstreut, eine
besondere Mannigfaltigkeit darf man also nicht erwarten. Die angewandte
Transskription ist so unkonsequent wie nur möglich, angeblich hat der Ver-
fasser sich nach Miklosich gerichtet, aber davon merkt man gar nichts. Die
Palatalen werden z. B. wiedergegeben durch f , d', V (in der Vorrede S. XIII
steht infolge eines Druckfehlers /), n (warum nicht n), s (warum nicht s,
beide sind doch ektypische Zeichen), z = /, ge si gi {z mufs also s und 2
vertreten, denn es kommt doch auch in den besuchten Gemeinden i vor: /a/^,
jupan etc.); e bedeutet langes offenes e («■), vertritt aber auch den schweben-
den Diphthong ea [(), also schreibt er grale für graJea und daneben in dem-
selben Stücke graia\ Seite 95 u. 97 steht „lestä =■ ist" aus Straja, an andern
Stellen, z. B. S. 56, aus demselben Orte tesi'el Derartige Ungenauigkeiten und
Fehler finden sich genug in dem Buche, was auch nicht zu verwundern ist,
denn S. 293 giebt Veif. an, er habe Stenographie beim Niederschreiben be-
nutzt. Wie dabei eine phonetische Genauigkeit erzielt werden soll, vermag
ich nicht einzusehen. Sandhi-Erscheinungen sind gänzlich vernachlässigt. Da
er das rumänische Publikum besonders im Auge hat, wäre wohl die phone-
tische Umschrift überhaupt überflüssig gewesen, umsomehr als das meiste aus
dem Banater Dialekt stammt, eine einheitliche Bezeichnung durch die gewöhn-
liche Orthographie recht gut möglich war, wenn in der Vorrede auf die Be-
sonderheiten der Aussprache hingewiesen worden wäre. Etwas anderes ist
es, wenn man sehr verschiedenartige Dialekte behandeln will, da mufs man
mit der gewöhnlichen Orthographie gründlich brechen, sonst müfste man mit
demselben Zeichen mehrere Laute bezeichnen, was unbedingt vermieden
werden mufs. Mit der willkürlichen Kompromifsorthographie hat A. weder
dem Fachmanne, noch dem Publikum einen Gefallen gethan. Hätte der Ver-
fasser sich in der phonetischen Litteratur mehr umgesehen, würde er gefunden
haben, dafs weder Miklosich, noch ich eine eigne Schreibweise erfunden haben,
die von uns angewandten Zeichen sind dieselben, und zwar die fast allgemein
üblichen. Den untergestellten Kreis zur Bezeichnung der gedeckten Kehllaute
haben Diez, Miklosich, G. Meyer und andere vor mir angewandt, ich habe
nur mehr derartige Laute kennen gelernt, als die genannten, daher auch das
Zeichen öfter anwenden müssen. S. 274 — 294 bringt Alexici eine Reihe von
Bemerkungen zu den mitgeteilten Liedern, deren Wert darin besteht, dafs der
mit der magyarischen und serbischen Sprache vertraute Verfasser die betreffende
Litteratur zum Vergleiche heranzieht; in der vergleichenden Folkloristik liegt
überhaupt die Stärke des Verfassers. In einem zweiten Bande wird A. das
lyrische Material behandeln, ein dritter soll die Grammatik und das etymo-
logische Wörterbuch enthalten. Hoffentlich läfst der letzte Band nicht zu
I
G. ALEXICr, TEXIE DIN LITERATQRA POPORANA ROMINA. II7
lange auf sich warten , denn der Leser vermifst gar oft die Erklärung dia-
lektischer Wörter, ein wenn auch nur kurzes Glossar wäre gewifs schon beim
ersten Bande am Platze gewesen. Was mir am wenigsten an dem Buche ge-
fallen hat, ist die Sprache des Verfassers, die in der Vorrede und in den Be-
merkungen am Schlüsse zum Vorschein kommt. Nicht nur Germanismen und
stilistische Fehler, sondern grobe grammatische Fehler sind so häufig, dafs
man manchmal bezweifeln mufs, ob der Verfasser ein Rumäne ist. In der
Widmung cartea aceast ist Druckfehler, ebenjo S. X Schwerr statt Schnorr,
aber ebenda Zeile 5 von unten nutnai streinatatü, S. XI 8 v. u. intie statt
intiele oder cele dintnu, S. XIII 2 v. u. aceste statt acestea, S, 127 auzitä
dintr''un ^äran (raagy. -toi), p. 278 doaue Variante a resptnditului stibiect,
ebenda Zeile 6 Interesant u observa, S. 279 Z. 23 sirul doilea etc. etc. sind
für einen Rumänen unverzeihliche Schnitzer.
G. Weigand.
Anibal Eeheverria y Reyes, Voces usadas en Chile. Santiago, Im-
prenta Elzeveriana, 1900. XXII, 246 p. 8°.
La historia del estudio de nuestros dialectos es tan reducida, que pocas
lineas bastan para resiimirla. Borao empezö a dar vida al movimento dia-
lectal con su obra sobre el aragones, de mucha utilidad por cierto. Wolff
consagröse ä investigar el andaluz, en el que äun queda gran terreno por
labrar; Sbarbi y Rodriguez Marin han seguido sus huellas. Munthe, en el
corto tierapo que visiiö la parte oeste de Asturias, hacia Cangas de Tineo,
recogiö datos preciosos, y los recopilö en un trabajo que diö ä luz en sueco.
Simonet, no creo debe ser excluido de esta lista somera; en su glosario hay
formas dialecticas muy interesantes. Jovellanos despertö en su pais la aficiön
al estudio del asturiano. Caveda le ha seguido en el, con su colecciön de
poesias. Vigil, con su obra magna de antiguos textos y documentos. Rato
de Argüelles publicö una obra imporlante, calificada de algün tanto de-
fectuosa. Acevedo, su critico, ha escrito mucho en periödicos, sobre el astu-
riano tambien, y es quizä el que mejor sabe el bable. Araujo diö ä conocer,
en forma galana, una serie de vocablos salmanlinos, en la revista de Vietor.
Men^ndez Pidal ha escrito un trabajo sobre el Dialecto de Lena (Asturias).
Yo he recogido voces santanderinas y vizcainas en una obrita, que no cita el
Sr. Eeheverria, aunque otras tres mias han merecido acogida en la respetable
lista de bibliografia, que ocupa 20 päginas. No raenciona tampoco el notable
Vocabulario dialectolögico del concejo de Colunga (provincia de Oviedo) por
Braulio Vigön.
En la peninsula, casi nadie se ocupa de estas labores, teniendo infiuitos
elementos vivos que examinar, los cuales nos llevan al conocimiento del len-
guaje antiguo. No tenemos un grupo de filölogos entusiastas como en Chile,
naciön que da ä Espana quince y raya en punto a romanismo. A un espanol
aficionado al estudio de los dialecto«, tiene que procurar verdadero placer
dar con una obra tan pacienzudamente acabada como la que es objeto de
estas lineas. En la imposibilidad completa de ocuparme del libro entero, que
cucnta 246 päginas, me Hmitare ä lo mäs esencial e importante, el vocabulario,
Il8 BESPRECHUNGEN. P. DE MUGICA,
en el cual empiezo por echar de menos un estudio etimolögico, que falta en
todo el texto. Por ejemplo: achicharrar y achucharrar, de achuchar, dar
achuchones (voz nueva en el diccionario academico); achunchado, atontado;
aro, igual d jhalo!; arroUar, arrullar, de rolla, ninera; la idea de barreno,
figurada, se relaciona con la francesa scie, sierra; batea, artesa, es un femenino
de bateo, pronunciado asi en francds antiguamente, por el actual bateau.
Del castellano antiguo: abajar, acetar, agora, aguaitar, amatiste, aojar,
asecho, aume?ttaci6n.
Palabras y acepciones castellanas: acaparador, acaparar, accidentado,
tomar acta, afeitarse, agredir, ajenjo, ametralladora, amodorrado, amolar,
andar, anüina, animalada, antiescorbütico (admitida), ano escolar, armöniiim,
arnero [harnero, harinero), arnes {harnes, del frances harnais), arrempujar,
arrope, asafetida, ascensor, asistente, atenazar, atracön (hartazgo), barbaridad
(gran nümero).
No por dejar de haber admitido la Academia, son dialecticas las voces
sigiüentes : acreencia, alambrar, alcaldear , alemanizarse, anestesiar, anticons-
titticional, antidiluviano, antifebril, antinatural, antipirina, antirevolucio-
nario, antisifilitico, automövil, avalancha, bacteria.
Como en todas las repüblicas hispanoamericanas, hay en Chile muchos
galicismos: äbsurdidad, adresse, alienado, amateur, argot, arriere pensee,
attache, au revoir, bacard, baignoire, Bale, ballet, banal, battalidad.
Anglicanismos: all right, association football, at home, baby, back,
ball, bar.
Italianismos : bambino.
Alemanismos : apollinaris.
Dialectismos usados tambien en Vizcaya: almohadilla por acerico, ama
seca, apa, arismetica.
Los vocablos no admitidos por la Academia (6 mal explicados por ella,
por ejemplo, avenida, azafate), debiö haber colocado el autor en capitulo
aparte, por no ser verdaderos dialectismos v. gr. los que he enumerado en el
tercer grupo; los extranjerismos, merecian tambien capitulo aparte; las voces
y acepciones castellanas estän de mäs. Esta confusiön es peligrosa para un
filölogo extranjero, quien tomarä por chilenismo lo que es castellano puro, 6
vez admitida, aunque forastera. Ademäs, en pimto ä la ortografia, lo mejor
habria sido, aparte del texto de explicaciön, seguir la academica para no
aumentar el enredo, escribiendo, v. gr. ;halo!, jharo! Conforme con el autor
en mencionar los vocablos indecorosos, cuya malicia tanto mäs pierde cuanto
mäs gane la explicaciön etimolögica, Me extrana no cite, v. gr. coj'otiudo, que
pndo ver en dos obras mias, donde notö, v. gr, acacharse, aj'iaco (admitido
ahora), alienado, andada, anexionar, apesar. En punto ä erratas, he visto
una en la päg. 127, en aperos.
Examinado en conjunto, es el trabajo excelente, y por el doy la enhora-
buena ä mi paisano, de apellido al menos.
P. DE MUGICA.
ECHEVERRlA Y REYES, VOCES USADAS EN CHILE. I I Q
Diceionario de la Lengua Castellana por la real Academia Espanola.
I3.a ed. Madrid 1899. 22 pesetas.
En estos 30 anos, la lengua ha ganado considerablemente en vocablos
modernos, y el romanismo ha adelantado de un modo portentoso. Pero si
algiiien quiere conocer el novisitr.o lenguaje, no acuda al tal Idxico. Si el
diceionario academico debe ser reflejo fiel de la manera de pensar y hablar
de mi pais, hay que confesar que el ültimamente aparecido es muy mal espejo
para esas reflexiones. Quien posea la anterior ediciön, que no adquiera la
actual, tan rematadamente mala como aquella.
En la Academia hay varios academicos ä la moderna, pero como si no
existiesen; ni ellos mismos se ocupan del vocabiilario. En primer lugar, Galdös
es im modernista, aunque parezca extrano, estando en el "club de los inü-
tiles". De haberse admitido sus modernismos corrientes, hoy el lexico tendria
unas cuantas päginas mäs. Pereda moderniza la lengua con antiquismos
pasados por dialectismos. Valera, de la colecciön de momias del diceionario,
moderniza tambien. El P. Fita, etimologista eterno, vive en el limbo.
Para un alemän, deben ser interesantes estas etimologias: alfarda,
ant, al. Farfjan, tinte; aliso, al. Else, ant. alto al. Eliza; atrever, al. an-
streben; hanco, ant. alto al. Bank; banäa, godo Bandi; brindar, al. bringen;
cleda, al. Kleid; china, göt. Stein; deslizar, göt. sliuthan; eperlano, al. Spier-
ling; esbardo, al. Bär; escanciar, al. schenken; escaramuza, ant. alto al. sker-
man, combatir; esquivar, ant. alto al. skiuhan; estaca, al. Stach; fideos, al,
Fäden; fino, a\. fein; fornecer, göt. Fruma; frac, &\. Frack; fraguar, godo
vurkj'an, trabajar; garviii, al. Haar y binden; gerifalte, al. Geierfalk, de
Geier y Falk; goldre, al. Holfter, vaina; grij'a, al. Gries; grimpola, al.
Nimpel; guaita, ant. al. wathan, asechanza; guardar, ant. alto al. warten;
guarentigio, al. waratit; guarir, göt. warj'an, proteger; guiar, germ. vitan;
hincha, al. Feindschaft; huta, ant. alto al. Hutta; lastre, al. Last; muceta,
al. Mütze, del ant. verbo muozan, adornar; mueca, al. Mäulchen; otear, göt.
■waht, vigilar {so watl); pieza, al. Fetzen, pasando por el latin; pifiar, al.
pfeifen; ralea, al. Reihe; randa, al. Rand; ropa, ant. alto al. rottbön, de
rauban; rufiän, al. rufer, de rufen. jQue sapiencia!
Faltan miles de vocablos y de acepciones, ademäs de los miles que
consigne en mi critica del diceionario anterior. Solo hablare de dos ö tres.
Ignoro si Sagasta es ö no autoridad en la Academia; pero ä veces
maneja bien la lengua, v. gr. al decir: "podria yo hablar con mäs despacio"*
Un vocablo excelente no estä aün admitido: "siete anos de diferencia-
ciön ha tenido el Sr. Silvela con el Sr. Cänovas del Castillo". Ni esta
acepciön: "los pobres de espiritu censuran a Canovas porque no ha dimitido
al duque de Tetuän".
E?nbrollo es abroj'o, marana, enredo, confusiön, embuste. Con sobrada
verdad dice un critico de mi "Marana del Diceionario", oeupändose de la
que han armado los inmortales en su mamotreto lexicografico: "el diceionario
de la Academia es un embuste inventado para enredar 6 descomponer el
negocio del idioma", del cual negocio hablo en otra revista alemana. Em-
buste era antes del griego. Y marana tambien del griego, lätigo, correa, lo
que se necesita para destruir la marana del diceionario, y empleö el critico
I20 BESPRECHUNGEN. P. ICE MUGICA,
Valbuena, cl ünico que ha conseguido se corrija algo. Ahoia embuste es
impostura y maraHa miscelanea. Aqui de Cervantes: " yo sabia toJa su
marana y embuste" .
En punto ä gramäüca, sabido es que la Acadeniia la conoce mal, vaci-
lando constantemente, y aferrandose lo mäs posible d las antiguallas, sin
hacer caso del desarrollo de la lengua. Solo aducire un par de ejemplos.
Dice que fin es de ambos generös, y no es cierto en absolute; es solo feme-
nino en la fräse "la fin del mundo", nada mäs. "Za, suele anteponerse ä
nombres propios de persona de este mismo genero"; falta anadir "de personas
del pueblü, del teatro y de la nobleza madrilena". Que tnagüer equivalga
piecisamenle ä aunque (aun que) no es cierto, v. gr. : "tnagüer que" {aunque
que\) "era blanco, negro se va tornando" (Poema de Alejandro); mejor seria
poner como equivalente no obstante. En maravedl, no nos dicen si se usa
6 no el primero de los tres plurales: maravedis; yo puedo asegurar que hoy
en dia es el ürico empleado. Remanir es plancha; el participio remanido,
del Poema del Cid, les llevö ä los usias ä ese infinitivo, que es retnaner,
del Poema de Alejandro. Primera espada, escribian antes, no primer, como
se dice y escribe siempre; ahora ponen prtmer, ö primera espada.
Tocante al lenguaje usado en las definiciones, es un revoltijo de varias
dpocas, habiendo en ellas vocablos cuyo significado actual es ya distinto de
todo punto. Arromadizarse es "contraer romadizo", esto es, resfriarse.
Lastimarse, "dolerse del mal de uno", es decir, condolerse.
Otra plaga, combatida rarisima vez. El diccionario sigue remiliendo del
vocablo moderno al antiguo, v. gr. de anticipo ä anticipaciön, de empalago ä
empalagamiento, de hendidura ä hendedura, de sallar a sachar.
En la ortografia, no me quiero meter ä fondo. Tengo una lista larga
de voces sin h que la llevan en la etimologia academica, y ä la inversa.
Solo entresacaremos: abelmosco, acd (de Äa^!), acerico {^z fcu:ies\), aciche (de
asciaX), afice, aina, airön (de heigere\), alabarda, alacena, alache (y alece,
aleche), alaj'ü, alamar, alara, albergue, alentar, aleto, almete, aloque, alto,
ambleo, anafe, anguarina, ansa, anseätico, ana, anacea, aquel (de hic\ ille),
etc. Lo mismo digo de la ö y la t': abano, abigarrado, abigar rar, abogado,
abogador, abogar, etc. Cita hibernal, hibernizo, hibiernal, hibiernar, ser la
estaciön de invierno, hibierno; pero no hinbierno ö himbierno. Este es el
inconveniente que tiene meterse en lios etimolögicos respecto ä la escritiu'a
pedantesca; y eso, etimologizando mal.
La Academia debiera haber adoptado este lema, de Fray Gerundio:
"Huye cuanto pudieres de voces vulgares y comunes, aunque sean propias."
Solamente en la A, se dejö en el tintero lo menos 200 vocablos novisimos
corrientes.
Erratas no anotadas: päg. 106 echas por echar (en aterrar), päg. 228
citaredo por citarero (ö acaso error), p. 229 clanga (ö error), päg. 325 des
segundo artiailo contarcc. por contracc. , päg. 349 fr. ausent por auvent,
päg. 599 lat. levite \>ox fr., päg. 916 slluriano por siluriano, päg. 996 unir
(del unire), falta latin. Dicen que es errata prismätica por piraraidal; eso
se Uama error. Y espirar por expirar; la errata no existe tampoco, sino
el error. Y que donde dice ambajes debe leerse ambages; icömo ha de
corregirse?; ese es un tercer error. P. de Mugica.
DICCIONARIO DE LA EENGUA CASTELLANA. 121
Giornale Storieo della Letteratura Italiana. Anno XVIII, Vol. XXXVI,
fasc. I — 2.
G. B ertön i, Stiidi e ricerche sui trovatori niinori di Genova. Wir
erhalten hier die erste Ausbeute des bekannten glücklichen Fundes Bertoni's.
Neun neue Gedichte, wovon acht Tenzonen sind, bilden ziisammen mit einem
Sirventes von Luquet Gatelus (n" X), das, wenn auch nur teilweise leserlich
und unter anderem Namen von r überliefert, schon publiciert war, die Unter-
lage für eine erneute, mit Sorgfalt vorgenommene und hier und da noch ein
unbekanntes Datum beibringende Untersuchung über die Lebensverhältnisse
der kleineren genuesischen Trobadors, nämlich von Percival Doria, Jacme
Gril, Luca Grimaldi, Scot, Simon Doria, Luquet Gatelus ; nebenbei wird auch
L. Cigala behandelt (S. 15 — 18). Etwas mehr Vorsicht wäre stellenweise ganz
erwünscht gewesen: wenn es auch gut möglich ist, dafs der Guilhem, mit
welchem L, Cigala eine Tenzone wechselt, Guilhem de Montanhagol gewesen
(S. 17), so verbietet es doch die philologische Methode, ein \de Montanhagol']
in der Ueberschrift hinzuzufügen (S. 35); die sonst nicht gestützte Angabe
Crescimbeni's von der Verwandtschaft zwischen Simon und Percival Doria
mufste, wenn überhaupt, mit Vorbehalt wiedergegeben werden (S. 14); die
vorhandenen Anhaltspunkte genügen nicht, um zu sagen, dafs Lantranc Cigala
con tutta prohabiUtä ein Bruder des Nicola Cigala war (S. 16); ein Beweis
dafür, dafs Sordel an der Schlacht bei Benevent teil genommen habe, wird
durch das Sirventes des Gatelus nicht geliefert (S. 55); ist es so sicher,
dafs der letztere Trobador mit dem Herrn von Lesbos und Aenos (nicht
Xeno) identisch sei (S. 21)? Die S. 14 stehende Anm. 2 gehört an den Schlufs
des Abschnittes über P. Doria, denn erst hier drückt B. klar seine Mei-
nung aus, nämlich dafs zwei Percival Doria gedichtet haben , von denen der
erste Ghibelline und auch italienischer Dichter, der zweite Weife (für diesen
ist nur Nostradamus Zeuge) gewesen sei. Dafs der Vater von Luca Grimaldi
Hugo hiefs und dafs Luca 1257 Podestä von Florenz war, hatte ich schon
Zs. f. rom. Phü. IX, 406 nachgetragen (S. 12). Den Simon Doria, welchen B.
zum Jahre 131 1 nachweist — es ist keine Urkundenstelle — kann ich nicht
als mit dem Trobador identisch ansehen, der schon 1253 urkundlich erscheint
— sein Vater war damals tot — und der mit L. Cigala tenzoniert; es erscheint
mir daher auch recht fraglich, ob der Albert, mit welchem Simon eine Ten-
zone wechselt, wie B. vermutet, ein Alberto Scotto sein kann, welcher erst
131 8 starb, und ob nicht doch Albert de Sestaron in Betracht kommt, um so
mehr als die Worte in der Tenzone Vetriperador non evei Frederic (Seibach
S, 106) nur auf Friedrich IL als einen Lebenden gehen können. ^ Ist 1266,
welches Jahr S. 16 als letztes Datum für L. Cigala angeführt wird, nicht etwa
ein Druckfehler? Das Sirventes, welches r überliefert (n** i bei Rajna) und
das nach Rajna 1267 oder 1268 fällt, findet keine Erwähnung. Wenn S. 17
vom Sirventes des Gatelus gesagt wird, dafs es gegen 1272 entstanden
sei, so steht das in einigem Widerspruch zu dem S. 55 Bemerkten, wo es
1 Die von mir einmal angezogene Stelle, auf welche mich B. verweist,
darf m. E. nicht in Parallele gestellt werden , denn hier werden von P. Vidal
mehrere tote Herrscher genannt; sie trägt einen generellen Charakter: ,ich
will nicht ein solcher Mann sein, wie Ludwig, Manuel, Friedrich es waren'.
122 BESPRECHUNGEN. O. SCHULTZ-GORA, B. WIESE,
heifsl cade tra ü 1261 e il 1273 (1261 mufs hier Druckfehler sein für 1267
oder 1268), wobei ich übrigens 1273, weil Sordel vorkommt, für ein reichlich
spätes Datum halte. B. wundert sich, dafs man immer n'Adonella schreibt
und nicht na Donella, allein seine Meinung, dafs der Name ein Deminutiv
von donna sei, ist unannehmbar; wenn Donella allein begegnet, so dürfte es
erst die aphäresierte Form von Adonella sein, das mir zu einem aus dem Ger-
manischen stammenden Adone zu gehören scheint (ein Madonella, das B. noch
zur Stütze anführt, hat wieder einen anderen Ursprung). Das Sirventes von
Duran Sartre de Carpentras, das S. 18 Anm. aus dem Cod. Campori ange-
führt und dem in MC erhaltenen, MG. 105 stehenden Gedichte gleichgestellt
wird, kann, wie die mitgeteilten Verse lehren, nicht mit letzterem identisch
sein, ganz abgesehen davon, das ja hier Wilhelm von Baux gerade angegriffen
wird (s. Zs. f. rom. Phil. IX, 126 Anm.); es wird vielmehr dasjenige Gedicht
sein, auf welches Duran MG. 105 Str. 4 selbst hinweist imd das bis jetzt noch
nicht bekannt war. Ponzio Amato von Cremona, der nach Restori identisch
sein soll mit dem porc armat in dem bekannten Sirventes des G. de la Tor,
gehört nicht in eine Linie mit Taurel und Alberico von Romano (S. 21 Anm.).
Ueber einen Namen Panza sollte man erst dann reden, wenn man das vorauf-
gehende Calega klargestellt hat; der Verweis auf die Annalen des Giusliniani
genügt nicht (S. 23 Anm.); übrigens ist die Ausgabe des Noslradamus, welche
B. ciliert, noch immer nicht erschienen, — B. hat zu seinem Artikel einen
Nachtrag geliefert unter Communicazioni ed appunti (Giorn. stör. XXXVI,
459 — 461). Was hier noch von Biographischem beigebracht ist kann ich
nicht als glücklich ansehen. Mit der Stelle im Sirventes des Aimeric de Pe-
gulhan, wo ein Persaval erwähnt wird, ist nichts anzufangen; ich habe schon
längst in dieser Zeitschrift VII, 205 gesagt, dafs an Perceval Doria nicht zu
denken sei. Auch in einem zweiten Punkte hätte B. besser gethan, Torraca
nicht zu folgen; zwar hat er gewifs Unrecht gehabt S. 16 Anm. 4 zu sagen,
dafs in der treva Beatrix von der Provence genannt werde, und wenn er mit
Bezug darauf im Nachtrage S. 460 auf meine Anmerkung in der Ausgabe der
Briefe Rambauts (ital. Uebers.) S. 170 Anm. 2 verweist, so hat er diese nicht
genau gelesen oder sie mifsverstanden , allein wenn Torraca, der sich neuer-
dings mit der treva besonders beschäftigt hat, einfach den Text ändert, für
moiller ein sor einsetzt und darauf seine Datierung gründet, so wird sich
schwerlich irgend ein Philologe mit solchem Verfahren einverstanden erklären.
Das S. 490 Anm. bezüglich Gr. 10, 35 Bemerkte setzt voraus einmal, dafs
Guillem Raimon nicht mit Raimon Guillem identisch sei (Zs, VII, 231), und
ferner, dafs Aimeric identisch sei mit Aimeric de Pegulhan, was noch nicht
ausgemacht ist; für das gegen Zingarelli Gesagte sei auf die metrische Be-
merkung bei Appel, Prov. Inedita S. 227 verwiesen.
Was die Texte betrifft, so hat es B. an Mühe nicht fehlen lassen; dafs
er schwieriger Stellen Herr geworden wäre, war nicht zu verlangen, aber
einige Fragezeichen mehr vermifst man in den Anmerkungen, namentlich zu
dem letzten Gedichte; so ist mir z. B. von I. 5 — 6, X, 6, 11 — 12, 16, 31 der
Sinn dunkel. Chabaneau hat im Nachtrage schon eine Anzahl Besserungen
gegeben; hier nur noch ein paar Bemerkungen: schreibe eti für e''n VIII, 8
(Komma nach sia), ia mais getrennt II, 20, ser (= , dient') für s'er IX, 30,
s. Appel, Chrestom. S. XXI; ves que Vlll, 69 ist doch wohl umzustellen und
1
GIORNALE STORICO VOL. XXXVI. I23
dann amor unverändert zu lassen; IX, 50 scheint mir für non stehen zu
müssen mon; im verallgemeinernden Concessivsatz X, 29 wird ein Conjunctiv
verlangt. An ein vic <^ vivit glaube ich nicht (Anm. zu I, 7); es dürfte =
■vidi sein. Die in Anm. zu VII, 5 gemachte Annahme ist unnötig; de Lollis,
auf den B. sich beruft, hat die betreffende Stelle syntaktisch nicht richtig auf-
gefafst, da ein Pronomen daselbst nicht zu stehen braucht.
O. Schultz - GoRA.
P. Savj -Lopez, Sülle fonti della „Teseide". Verf. zieht einige Stellen
aus dem Roman de Thebes und dem Roman de la Rose an, die Boccaccio
benutzt haben kann, um daraus zu schliefsen, dafs der Dichter kein Epos in
klassischem Stile habe schreiben wollen, sondern nur etwas Aehnliches, aber
Feineres, als eiwa der Roman de Thebes. Dem widerspricht entschieden
Teseide XII, 84, wo Boccaccio zu seinem Buche sagt:
,,Ma tu, mio hbro, a lor [alle Muse] primo cantare
Di Marte fai gli affanni sostenuti,
Nel volgar lazio mal piü non veduti."
Er wollte also thatsächlich ein Kunstgedicht in klassischem Stile schreiben.
Ob er seine Absicht wirklich erreicht hat, ist freilich eine andere Frage und
mufs verneint werden: die Teseide blieb ein romantisch -ritterliches Gedicht,
dem der klassische Mantel nur lose umgehängt ist.
G. Rua, Di niiovo intorno alle „Filippiche" attribuite ad A. Tassoni.
Rua weist Perronis geschickten Angriff (Gsli XXXV S. 34 flf.) auf seine An-
sicht über die Entstehung der ersten beiden Tassoni zugeschriebenen Filip-
piche (Gsli XXXII S. 281 ff.) auf allen Linien siegreich ab und bringt sogar
noch Manches zur Verstärkung seiner eignen Stellung bei. Einstweilen bleibt
es also bei seiner durchaus einleuchtenden Darstellung der Verhältnisse (vgl.
Ztschr. XXIII S. 345).
VARIETA:
G. Fraccaroli, Ancora suW ordinainento morale della ,,Diz'ina Cotn-
7nedia". Anknüpfend an einige Aufsätze im zweiten Bande von Moores
,,Studies in Dante" setzt F. nochmals mit grofser Klarheit seine bekannte,
ansprechende Auffassung auseinander, dafs die Ordnung des Höllenreiches
und des Fegefeuers von einander unabhängig ist, da dort die Thaten, hier
die Gesinnungen bestraft werden. Das gemeinsame moralische Princip der
Einteilung in Hölle und Fegefeuer ist Purg. XVII zu finden: die sündigen
Gesinnvmgen sowohl wie die sündigen Thaten entspringen den drei Arten der
verkehrten Liebe; während sich erstere aber mit den sieben Hauptsünden
decken, mufste für letztere eine andre Einteilung gefunden werden und wurde
des Aristoteles Ethilv entnommen.
E. Carrara, U7t peccato del Boccaccio. Carrara will auch in der Liebes-
geschichte von Affrico und Mensola einen autobiographischen Kern finden
und erblickt darin das Bekenntnis Boccaccios, in seiner Jugend eine Nonne
verführt zu haben. Die Selbstbeschuldigung des Dichters in der 15. Ekloge,
dafs er Gott einstmals eine Färse geraubt habe, bestätigt ihm dies. Die Er-
klärung hat entschieden etwas Bestechendes. Schon Zumbini in seinem be-
kannten Aufsatze (Abdruck in der Biblioteca Critica della Letteratura Italiana
N. 14 S. i8fF.) kam der Gedanke, dafs Boccaccio hier eine wirkliche That-
124 BESPRECHUNGEN. W. MEYEK-LÜRKE, G. G.,
Sache behandelt liaben könnte. Dafs übrigens, was C. S. 126 für ausgeschlossen
hält, der Diana Keuschheit versprochen wurde, und dafs ein Brechen dieses
Gelübdes Todesstrafe nach sich zog, zeigt Zumbini in demselben auch von
C. angezogenen Aufsatze S. 14.
RASSEGNA BIBLIOGRAFICA :
II primo centenario di Giuseppe Parini (Bertana, eingehende Besprechung
von 24 im Jahre 1899 erschienenen, Parini betreffenden Schrifien). — Moore,
Studies in Dante, second series: Miscellaneous essays (Renier, besonders ein-
gehende Besprechung des Aufsatzes über die Echtheit der Quaestio de aqua
et terra. Er hält die vSchrift nach wie vor für eine Fälschung, und ich gebe
ihm völlig recht). — Carducci e Ferrari, Le rime di Francesco Petrarca
di SU gli originali (Sicardi, mit einer ganzen Reihe guter Besscrungs- und
Erklärungsvorschläge). — Lacombe, Introduction ä Phistoire litteraire
(Gentile, Ablehnung der Grundanschauungen der Schrift).
BOLLETTINO BIBLIOGRAFICO:
Alessio, Storia di San Bernardino da Siena e del suo tempo. Bona-
ventura, La poesia neo-latina in Italia dal secolo XIV al presente, Saggio
e versioni poetiche. Grilli, Gli epigrammi idillici „Lusus pastorales" di
Marc' Antonio Flamini 0. Passerini, Raccolta di raritä storiche e letterarie.
Pastor, Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittelalters, III. Band,
III u. IV, vielfach umgearbeitete u. verbesserte Auflage. Cipollini, Scelta
di poesie e prose di Carlo Maria Maggi nel secondo centenario della sua
morte. Galletti, Un poeta romantico ; Carlo Tedaldi Fores. Mantovani,
II poeta soldato. Ippolito Nievo, 1831 — 1861. Con memorie, poesie e lettere
inedite. Torraca, Biblioteca critica della letteratura italiana. Disp. 22 — 35-
Salvo-Cozzo, I codici Capponiani della biblioteca Vaticana descritti. Croce,
Di alcuni principi di sintassi e Stilist ica psicologiche del Gröber.
ANNUNZI ANALITICI, PUßßLICAZIONI NUZIALI.
CRONACA:
Periodici, kurze Mitteilungen, neuerschienene Bücher.
Berthold Wiese.
ßomania. No. 114, Avril 1900.
A.Thomas, Etyma! ogies fr angaises. I. affier von aptificare; 2. dial.
aiger 'Hanf rösten' dasselbe wie das Zs. XV 344 besprochene naisier, von
Thomas auf nasiare zurückgeführt, ohne dafs dieses Substrat erklärt oder
Einwendungen gegen die ältere Deutung gegeben würden; 3. dial. amiau
aus '*hatnellum' ; 4. bignon 'trampe' aus bennione tj); 5- ^^gh butteris aus
afr. bouterez; 6. engl, buttres dasselbe; 7. cagouille zu Cochlea, * coculea;
8. chaintre aus cancere; 9. prov. chancera 'Brautausstattung', lim. tsanse
ebenfalls cancer; 10. chanciere aus *eanceria; 11. clin, ein Marineausdruck
aus holl. 'klinlvwerk'; 12. coumere 'Art Schwämme ' aus *columella; 13. dial.
fr. ertuson 'Holzwurm' = artison; 14. morv. esnoillie 'Sonnenstrahl', ge-
wissermafsen essoleillee, *exsoliclata; 1 5 . fr. estoinc Marineausdruck, entsprechend
englisch studding-sail ; 16. afr. estrenc 'Tau' vgl. isl. strengr, engl, string;
17. afr. estrichier 'die Segel streichen' ebenfalls germanischen Ursprungs; 18. afr.
ROMANIA NO. 114. 125
genevelle 'Fensterband' *gendbella von geiiu; 19. nprov. ginoiisclo 'Wolfs-
milch' *lactinuscula; 20. afr. giernote, auch ernote, anord. *jördhnot 'Erd-
nufs'; 21. afr. gloutrenie wie ital. ghiottornia nicht, wie ich meinte (Ital.
Gr. p. 290), durch Umstellung entstanden, sondern *glutturnus wie taciturniis
voraussetzend; 22. air. j'arce 'Lamm', im Karolingerlatein gertnia unbe-
kannter Herkunft \_gremia 'Schofskind'?]; 23. dial. h. Jargon 'Stachel' zu
j'arce, jarcier, nfr. gercer\ 24. ly. jouclie ' Jochriemen ' *juxtula; 25. npr.
lachusclo 'Wolfsmilch' *lactuscla mit einem Suffix -^sc-, das in labrusca, asi-
nusca alt ist und das Thomas noch anderweitig nachweist; 26. engl, lawn
'Leinwand' von Laon, eine Erklärung, die auch bei Kluge -Lutz zu finden
ist; 27. morv. louateure 'Strick zum Garben binden' ^retortature; 28. lumi-
gnon *liminione Q); 29. maroute wohl *amarustra neben afnarusca (vgl. ital.
abrosto neben labrusca); 30. moison 'Zehnten': modiatione ; 31. ^ro\. pergam
'Pergament' *pergamen; 32. afr. petre aus pyrethra; 33. morv. quieräme
'kesselhacken' * cretnaschtm ; 34. retnoulade aus ital. remolata zu remolo
'Kleie'; 35. ly. rodo 'streifen': rasitare; 36. rubtcan Lehnwort aus ital. ra-
bicano, das seinerseits aus span. rabicano ' Weifsschanz' stammt; 37. rustine
aus 'Rückstein'; 38. dial. salburosse 'Dreifufs für ein Waschfafs' = seile
bueresse; 39. serron aus span. seron; 40. siguette aus ital. seghetta; 41. afr.
sofaschier ^subfascare; 42. afr. i'o«_^«o/^ ' Hebel, Schlüsselbein' \on. ciconiola;
43. afr. sordent 'Ueberzahn', von Godefroy falsch übersetzt; 44. souchet. Post-
verbal zu souchever \ 45. sourdon 'Art Muschel' von sourdre; 46. soutre 'Notiz-
block', Postverbal zu soutrer (*substrare); 47. afr. tacre, Ausdruck der Ger-
berei: zu hol!, daker, nhd. decker, tn^. dicker, bedenlvlich wegen des Vokals,
da das holl. a jung ist; 48. taranche von dem seit dem VL Jahrh. belegten
tarinca, das wohl gallischen Ursprungs ist; 49. tenais, bei Cotgrave 'the slip
of a plant', von tenax; 60. tie ' Spindelfuttcral' zu tiuhan; 51. tiretoire Um-
gestaltung von tretoire aus tractoria; 52. tire-veille 'Seil an der äufseren
Leiter eines Schiffes', umgestaltet aus älterem tire, vieille; 53. titre 'Auf-
stellungsplatz für die Jagdhunde', afr. trist re von an. treysta, doch ist die
Wiedergabe von ey durch « mir schwer verständlich; 54. tre'teau zu tristegum,
vermischt mit transtrum, iranstellutn; 55. trevin enthält nicht tres = trois,
sondern tres; 56. tringle, afr. tingle aus holl. tengel; 57. träniere aus span.
tronera; 58. iympre aus deutsch. 'Tümpel'; 59. velanede, ve'lani, auch val-
lone aus ßaXävt, ßakavlöi. W. Meyer -Lübke.
G.Paris, Sur Huon de Bordeaux. Erläuterungen zu einigen Stellen
seines in der Revue germanique vom Jahre 1861 erschienenen Aufsatzes über
H. v. Bord., der in durchgesehener Form in G. Paris' neuem Buche „Poemes
et legendes du m. ä." (1900) wiederholt wurde. Insbesondere nimmt G. P.
Stellung zu den in der Zwischenzeit veröffentlichten Arbeiten über das Epos
und die Oberonsage von Longnon u. a. Er hält daran fest, dafs Auberon
und der deutsche Alberich identisch sind, die Erzählungen von ihnen im frz.
Huon und im deutschen Ortnit denselben deutschen Ursprung haben, und ist,
in Anschlufs an P. Rajna, der Ansicht, dafs in der Quelle des Huon Auberon
H.'s Vater war, wie Eiberich der Ortnits. Sie entstand, wofür Hugo v. Toul
einen Anhalt gewährt, im halb wallonischen, halb germanischen Hennegau,
wo Oertlichkeiten im MA. den Namen Auberon trugen, die Hauptstadt des
ersten fränkischen Königs (Tournai) liegt und die Gestalt des heidnischen
126 BESPRECHUNGEN. W. MeYER-LÜBKE, G.G.,
Lichtgottes Alberic mit einem fränkischen Helden Hugo in Verbindmig ge-
bracht werden konnte, dessen Gleichnamigkeit mit dem Sohne Seguins von
Bordeaux (ca. 845) die Verschmelzung eines fränkischen Auberon- Hugo -Ge-
dichts mit der Geschichte von dem Fürstenmörder Huon von Bordeaux und
dem Mörder des Sohnes Karls des Kahlen, Aubouin, herbeizuführen ver-
mochte. Der artesische Verfasser des Huon von Bordeaux hätte so den Stoff
aus der nächsten Nähe geschöpft. Die Lokalisierung der Auberonsage ist in
der That geeignet, die Berührungen zwischen Huon von Bordeaux und Ortnit
und das Fortleben eines germanischen Lichtgottes im christlichen frz. Epos
verständlich zu machen, wenn der Gang der Dinge bis zum Huon von Bordeaux-
Epos sich auch nicht Schritt für Schritt verfolgen läfst.
G. Doncieux, La chanson du roi Renaud, ses derivees romanes, sa
parente celtique et scandinave . Sehr interessanter Versuch einer Rekonstruktion
der Vorlage der (60) romanischen Fassungen der berühmten Renaudballade
nach den von G. Paris früher entwickelten Grundsätzen ausgeführt, unter An-
gabe Vers für Vers der die Rekonstruktion stützenden Texte in der Weise
des Variantenapparats bei kritischen Ausgaben. Es ergeben sich 21 vierzeilige
Strophen aabb mit Neigung zur Cäsur nach der 4. Silbe ,, wie in der Passion"
und männlichen Reimen „wie im Leodegar". Eine historische Anspielung,
der Gebrauch des entendre -^-Xxii. und des vor dem 16. Jh. nicht belegten
Wortes racommoder bestimmen D. das Lied in die erste Hälfte des 16. Jh.,
andere Gründe es nach der Grenze zwischen bretagnischer und frz. Sprache
in der Bretagne zu verlegen. Folgen noch, in frz. Wiedergabe, die Textfest-
slellungen der armorikanischen, der bask., venetian., katalan., span. Fassung,
worunter der arm. gwerz als die Vorlage des frz. Gedichtes sich herausstellt,
die selbst aber aus dem in ganz Skandinavien populären Volkslied vom Ritter
Olaf, oder vom Elfenschlag, (bei Grundtvig etc.) flofs, handschriftlich schon
1550 dänisch überliefert. Logischer als in diesem ergreifenden düstern Lied
ist die Sage (schon bei Gervasius von Tilbury) von der Feenrache an dem ab-
trünnigen Geliebten vor seiner Hochzeit im deutschen Ritter von Staufenberg
um 1480 dargelegt. Stärker verbreitete sich die mystische, aus derselben
Volksanschauung selbständig erwachsene skandinavische Formulierung.
MELANGES. H. Suchier, Quelques passages du Fragment de la
Haye, bespricht im Anschlufs an seine neue Rezension des Haager Fragments
in seiner Ausgabe der Narbotifiais einige von Havet anders gefafste Stellen,
mit denen sich derselbe in seiner Ausgabe des Querolus (1880) beschäftigt
hatte. Dazu einige Berichtigungen und Nachträge zur Einleitung der Nar-
bonnais,
A.Thomas, La mention de Waland le forgeron datts la chronique
d'Ademar de Chabannes, stellt fest, dafs der Strich im d des Namens Vua-
land in der Hs. des Ademar nicht als er aufzufassen, der Name also nicht
Walander (so noch Jiriczek, Deutsche Heldensage), sondern vielmehr Walandus
zu lesen und dafs das an derselben Stelle erwähnte, von W. geschmiedete
Schwert Corto als Name des Schwertes Ogiers Courtain in den altfrz. Epen
aufzufassen ist. G. G.
G. Paris, Guet-apens. Wird zutreffend als ä agait ä apens gedeutet.
Ch. Joret, Des suffixes norfnands (i)co(t) et (t)bo(t). Bringt mit den
genannten Suffixen gebildete Wörter und sieht in -ot das übliche Suffix, in
ROMANIA NO. II 4. I27
c und b einen ähnlichen Konsonanten, wie das t in abriter u. s. w, ; nicht
ganz überzeugend. W. Meyer -Lübke.
COMPTES RENDUS. Mohl, Introdiiction ä la Chronologie du latin
vulgaire; Ders. , Romänskä dvojice Lui (Roques); Suchier, Aucassin und
Nicolete. 4. Aufl. (G. P.); Butler, Legenda aurea (P.M.); Guj-, Essai sur
la vie et les ceuvres litt, du trouvere Adan de le Haie (Jeanroy); Gu erlin
de Guer, Essai de dialectologie normande (J. G.).
PERIODIQUES. Revue des langues romanes 4^ ser. X No. 6 — 5^ ser.
II 3—4 (P. M.). — Zeitschrift für roni. Philologie XXIV, i (G. P.). — Lite-
raturblatt f. germ. und vornan. Philologie XX (E. M.). — Studi glottologici ita-
liani I (Roques).
CHRONIQUE. Litterarische Nachrichten. — Kurze Besprechungen
neuer Bücher. G. G.
Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Litteraturen.
Bd. XCIX (1897, 2. Halbjahr).
ABHANDLUNGEN. Johannes Bolte, Die Wochentage in der
Poesie. III. (Schlufs), S. 9 — 24. — Die altfranzös. Liederhs. der Bodleiana,
Douce 308, diplomatisch abgedruckt von Georg Steffens. 3. Fortsetzung
(mit einem Faksimile der Hs.), S. 77^100; 4. Fortsetzung. Schlufs, S. 339 —
388. — Alfred Schulze, Ueber einige Hilfsmittel französ. Bibliographie,
S. loi — 120. — A. G.Krüger, Eine angebliche isländische Bearbeitung der
Schwanenrittersage, S. 241 — 252. — A. L. Stiefel, Die Nachahmung spa-
nischer Komödien in England unter den ersten Stuarts, S. 271 — 310 (schliefst
sich an den Aufsatz in den Roman. Forsch. V, 193 — 220 an). — Hermann
Oelsner, Aenderungen voji Lafontaines Hand an seinen 'Amours de Psyche
et de Cupidon\ S. 389 — 394. — Ric hard M. Meyer , Die Technik der
Goncourts, S. 395 — 416.
KLEINE MITTEILUNGEN. Johannes Bolte, Hiobs Weib, S. 418
— 422. — G. Schleich, Ueber die Quelle von Lydgates Gedicht 'The
Charte and the Bird', S. 425 — 435.
BEURTEILUNGEN. 191 — 205 Berliner Beiträge zur german. und
roman. Philol. veröff. v. Ehering. Roman. Abth. II: Hermann Springer, Das
altprovenzal. Klagelied mit Berücksichtigung der verwandten Litteraturen
etc. 1895. ^^^- Philipp Simon, Jacques dAmiens. 1895. IV. Moritz Werner,
Kleine Beiträge zur Würdigung Alf red de Mussets {Poe'sies nouvelles). 1896.
V. Albert Maafs, Allerlei provenzalischer Volksglaube nach F. Mistrals 'Mi-
reio' zusammengestellt (Alfred Risop; schätzenswerte Beiträge und Paral-
lelen des Rezensenten, besonders zu Nr. V). — 205 f. Carl Voretzsch, Das
Mero-wingerepos und die fränkische Heldensage. [Philologische Studien. Fest-
gabe für Eduard Sievers. Halle, Niemeyer, 1896] (O. S chultz - Gora). —
206 — 208 Friedrich Kraus, Ueber Girbert de Montreuil und seine Werke.
Diss. Würzburg 1896 (Adolf Tobler). — 223 — 225 Un testament litteraire
de J. J. Rousseau, p.p. O. Schultz -Gora. Halle 1897. 46 S. 8° (Eugene
Ritter; Rez. hält das Testament nach wie vor für unecht). — 228 Nicola
Zingarelli, La persofialitä siorica di Folchetto di Marsiglia nella 'Commedia'
128 BESPRECHUNGEN. ^^^ CLOETTA.
dl Dante. Napoli 1897 [_Extr. dal -vol. XIX degh Atti delV Acad. dt archeo-
login, lettere e belle arti\ 40 S. 4" (Adolf Tobler). — 228 — 230 Oskar
Hecker, Die italienische Umgangssprache in systematischer Anordnung und
mit Aussprachehilfen dargestellt. Braunschweig, Westermann, 1897. XII,
312 S. 8° (Adolf Tobler). — 456 — 459 Wilhelm Degen, Das Patois von
Cremine. Diss. Basel 1896. 36 S. und eine Karte (Hermann Urtel). —
459 f. Die neuprovenzali sehen Sprichwörter der jüngeren Cheltenhamer Lieder-
handschrift .. . Ä_^^. T/. Alfred Pillet. Berhn, Ehering, 1897. 130 S. 8" (Adolt
Tobler: tüchtige Arbeit). — 460 — 462 Beat Ludwig Muralt, Lettres sur les
Anglais et les Frangais (1725), hgg. v. Otto von Greyerz. Bern, Steiger &
Co., 1897. XXI, 299 S. 80 (Adolf Tobler). — 478 — 481 O. Glöde, Die
französ. Interpunktionslehre. Marburg, Elwert, 1897. XII, 47 S. (George
Carel). — 481 f. Ed. Schwan, Grammatik des Altfranzös., ^f Auß. neu be-
arbeitet V. Dietrich Behrens. Theil I: Die Lautlehre. Leipzig, Reisland.
120S. (A. Risop). — 482 f. Franco Ridella, Una sventura postuma di Gia-
como Leopardi. Torino, Clausen, 1897. XIX, 512 S. 8" (Bruno Schnabel).
W. Cloetta.
NEUE BUCHER.
Pompeu Fabra, Contribuciö a la gramatica de la llengua catalana.
Barcelona 1898. Tipografia L'Aven^. 8°. 112 S. Darstellung von Ortho-
graphie, Laut und Form der gegenwärtigen catalanischen (ostcatal.) Schrift-
sprache mit Rücksichtnahme avif Altcatalanisch und Lateinisch, die gute
Dienste dem Leser neucatalanischer Texte zu leisten geeignet ist, und 1896
auf den Joes florals in Barcelona durch einen Preis ausgezeichnet wurde. An-
gestrebt wird durch das Buch zugleich die Herbeiführung einer einheitlichen
catalanischen Rechtschreibung.
A. Vidal et A. Jeanroy, Comptes consulaires d'Albi, 1359 — 1360.
(Bibliotheque meridion. ire «er. tom. 5), Toulouse 1900, Privat. 8". CI, 270 S.
Die Rechnungen der Stadtverwallung von Albi in den beiden Jahren, von
V. geschichtlich beleuchtet und erläutert, von J. in Kürze grammalisch ana-
lysiert, gleich wertvoll als kulturgeschichtliche, wie als mundartliche Sprach-
denkmäler.
Jul. Poewe, Sprache und Verskunst der Mysteres ine'd. du XV. s.
(abgedr, v. A. Jubinal, Paris 1837). I^iss. Halle. 8°. 95 S. Sprache, Vers
und Reim erfahren in den Mysteres noch eine zwiespältige Behandlung. Alte,
neue und mundartliche Sprachform, reicher und unvollkommener Reim wird
noch zugelassen. Der beabsichtigte Vers ist in der Hs. oft nicht richtig ge-
schrieben, konnte aber leicht auf die richtige Norm gebracht werden. Eine
Vergleichung der Hs. ergab viele Flüchtigkeiten in J.'s Ausgabe.
G. G.
Kandglossen zum altportugiesischen Liederbuch.
Einleitung. II. Ein Mantel-Lied. III. Vom Mittagessen hispanischer
Monarchen. IV. Penna-veira. V. Ein Seemann möcht' ich werden. VI. Gi-
netes — Non ven al Maio. VII. Eine Jerusalempilgerin und andre Kreuz-
fahrer. VIII. Teil' Affonso de Meneses. IX. Wolf- Dietrich. X. Das Zwie-
spaltslied des Bonifazio Calvo. XI. Im Nordosten der Halbinsel. XII. Romanze
von Don Fernando. XIII. Don Arrigo. XIV. Guarvaya. XV. Vasco Martins
de Resende. XVI. Der Sang von der Wachtel. XVII. Grafen -Enkelinnen.
XVIII. Grüne Augen. XIX. Oh pino pino ! pino florido ! XX. Zebrareiter.
XXI. Frauen- und Mädchenlieder — Cantos de ledino. XXII. Serranilhas.
XXIII. En im tiefnpo cogiflores. XXIV. Cantigas de viläo. XXV. Flicken-
lieder. XXVI. Provenzalisches und Altfranzösisches. XXVII. Sei dissi mal.
XXVIII. Maios e Maias. XXIX. Tristan und Isolde und andre bretonische
Stoffe. XXX. Livros de Linhagem. XXXI. Die Apokryphen der altportu-
giesischen Litteratur. XXXII. Langzeil -Gedichte und allerlei Metrisches.
EINLEITUNG.
Mit der Veröffentlichung meiner Beiträge zur kulturhistorischen
und sprachlichen Ausdeutung der gallizisch- portugiesischen Lieder-
bücher fahre ich gerade jetzt fort.i um den Caticioneiro da Ajuda,
zu dem die Stoffmassen allzu sehr angewachsen sind, zu entlasten;
gleichzeitig aber, um gewisse im Einleitungsbande dazu enthaltene
Thesen durch eingehende Erörterung von darauf bezüglichen
Einzelnheiten heller zu beleuchten.
Abgeschlossen ist freilich kaum eine dieser Randglossen. Dazu
hätte ich die Geschichtsquellen viel genauer durchforschen müssen,
als es mir während der textkritischen und litteraturgeschichtlichen
Studien zum Liederbuche mit den mir in der eignen Werkstatt
und in nächster Nähe zu Gebote stehenden Hülfsmitteln möglich
war. Nur als Materialiensammlungen wolle man sie betrachten.
Regen dieselben gerade durch ihre Unfertigkeit in Spanien
oder wo sonst man über die notwendigen Urkunden- und Chro-
nikensammlungen verfügt zu Widerspruch und Ergänzung an, so
ist die Zeit und Mühe, die ich an den spröden Stoff gewendet
habe, keine verlorene gewesen.
1 Der Anfang {Randglosse I: Der Ammenstreit) erschien 1896 in Zeit'
Schrift XX, 145 ff. — Weiteres, über die 32 oben genannten Stoffe hinaus,
wird nachfolgen.
Zeitschr. f. rom. Phil. XXV. n
130 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
Dafs ich dem Leser die erläuterten Texte der Regel nach
vorführe, so wie ich sie nach langem Umgang damit, leider aber
ohne CV und CB vor Augen zu haben, zu restaurieren vermag,
wird man billigen, da ja eine brauchbare kritische Ausgabe des
Gesamt- Liederbuches noch nicht vorliegt. Desgleichen dafs ich
selbst einiges Garstige nicht umgehe, wenn es zur Feststellung der
Wahrheit beiträgt.
Ich beginne mit Liedern Alfons' X. oder auf ihn bezüglichen,
weil er als König, als Gelehrter, als Mensch und als Dichter un-
gleich tieferes Interesse verdient als alle übrigen Troubadours zu-
sammen.
Cesare de Lollis, der sich mit den profanen Gedichten des
Kastilianers in erspriefslicher Weise beschäftigt hat, und Ernesto
Monaci, dem wir die erste Erschliefsung der Liederbücher ver-
danken, seien diese Blätter gewidmet — aus Dankbarkeit für ihre
Leistungen, aber auch mit der ausgesprochenen Absicht, sie zur
Veröffentlichung der ganz unentbehrlichen Lesarten aus dem Can-
cioneiro Colocci-Brancuti und damit zur indirekten Bestätigung
oder Verurteilung meiner Restaurations- und Interpretationsversuche
zu bewegen.
II. Ein Mantel-Lied.
So aufserordentlich sorgfältig Cesare de Lollis seine Unter-
suchung über die uns leider in beklagenswert schlechtem Zustande
erhaltenen weltlichen Gedichte des gelehrten Alfons von Kastilien
auch geführt hat,i so werden dieselben doch noch für lange Zeit
Anlafs zu Erörterungen und Berichtigungen hergeben. Auch zu Nach-
trägen, da keineswegs alles Nötige von dem italienischen Gelehrten
in Betracht gezogen worden ist. Abgesehen von den zahlreichen
Liedern, in denen ein Rey, ohne Angabe seines Namens und seines
Reiches, vorkommt,- sowie von den seltneren, wo etwas bestimmter
ein König Alfons, ein König von Kastilien, ein König von Leon
und Kastilien erwähnt wird, scheint mir besonders erwägenswert,
wer jener Rey oder Senhor — Rey dort Affonso — gewesen sein
mag, der in einigen unbeachtet gelassenen Tenzonen als Dichter
auftritt.
1 Cantigas de Amor e de Maldizer de Alfonso el Sahio, Re di Castiglia
in Stiid. Fil. Rom. vol. I 31—66 (1887).
2 CV 37. 45. 157. 334. 347. 419. 420. 422. 424. 458. 466. 505.
509. 519. 520. 534. 553. 572. 578. 597. 609. 613. 631. 632. 633. 634.
638. 639. 707. 708. 752. 755. 756. 758. 759. 853. 854. 885. 910.
915. 921. 932. 947. 953. 962. 963. 1015. 1024. 1032. 1036. 1037. 1038.
1043. 1053. 1054. 1082. 1084. 1103. 1131. U43. U57. 1172. U75. U84.
1186. U89. U93. 1202. ~ CB 104. 464. 465. 475. 1506. 1512. 1514.
1516. 1518. 1520. 1521. 1524. 1525. 1531. 1532. 1538. 1550. — Ohne
Scheidung solcher, in denen von Königen von Portugal (Sancho II., Al-
fons III., D. Denis, Alfons IV.), Kastilien und Leon (Ferdinand IIL, Al-
fons X., Sancho IV., Alfons XI.) oder Aragon (Jaime I.) die Rede ist.
RANDGLOSS&N ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. I3I
Drei einschlägige Stücke (CB 385, CV 1158, CB 357) habe
ich bis jetzt untersucht und spreche sie, nach eingehender Ueber-
legung, Alfons X. zu. Das, welches wir als Mantellied bezeich-
nen dürfen, ist überschrieben:
Vaasco Gil Jez esta cantiga i d'escartih! ^ e de maldizer.
Es lautet: , ,
Rei don Alfonso, se Deus vus pPirdon,
d' esto vus venho [ora] preguntar
[e pe^o] que punhedes de mi dar
tal recado que seja con razon:
5 iQuen da seu manto, que Ih' o guard' alguen,
e Ih' o non da tal quäl o deu, por en
que manda [en] o Livro de Leon}
„Don Vaasco, eu fui ja clerizon
e degredaes soia estudar:
10 enas escolas u soia enlrar
dos maestres aprendi tal 119011:
que manto d' outren non filhe per ren;
mais se o m' eu melhoro, fa90 ben
e non söo por aquesto ladron."
15 Rei don Alfonso, ladron por atal
en nulha terra nunca charaar vi;
nen vos, senhor, non o oistes a mi,
ca se o dissesse, diria mal.
Ante tenho-[o] por trageitador
20 — jse Deus mi valha! nunca vi melhor —
quen assi torna pena de cendal.
„Don Vaasco, dizer-vus quer' eu al
d' aqueste preito que eu aprendi:
01 dizer que trageitou assi
25 ja üa vez un rei de Portugal:
e por se meter por mais sabedor
ouv(e) un dia de trageitar sabor . . .
fez-se cavaleiro do Espital." (CB 1512 = 385.)
Lesarten, die ich berichtigt habe: i cätiga — 2 edescarnhe — Z. 3
venho preguntar quer ora punhade — 7 Solche pleonastische Wiederholung
von in ist nichts Seltnes; doch könnte man auch lesen: que manda(n) eno
livro de Leon? — 8 derizon — () E degreda — i^ o m' eu mit ethischem
Dativ? oder 0 meu? Mir scheint die erste Deutung einen passenderen Sinn
zu enthalten — 17 vistes würde besser ins Versmafs passen — 22 qrea al —
28 fez — Die üblichen Schlufskadenzen , in denen das Facit gezogen zu
werden pflegt, fehlen.
Don Va SCO Gil hat in den Händen eines Königs Alfons seinen
Mantel belassen. Wie er sagt, zur Aufbewahrung. Nehmen wir
an, da man einem König doch nicht so ohne weiteres seinen Um-
hang zum Aufheben übergiebt, dafs er sein Eigentum dem Herrscher
zum leiblichen Schutze ausgeliefert hat, im Feldlager, auf der Jagd,
9*
132 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
bei Unwetter oder aber zum moralischen Schutze bei irgend einem
nächtlichen Abenteuer. — Daraus ersieht man, dafs er zu den
Vertrauensmännern des INIonarchen gehörte [Privados oder Va/idos).
Ein solcher aber wufste auch, wie willkommen dem musenfreund-
lichen Monarchen eine lustige gereimte Behandlung jedweden Vor-
kommnisses zu sein pflegte. Darum wirft der Höfling scherzend,
als er das Kleidungsstück in veränderter Gestalt, anscheinend neu
hergerichtet, zurück erhält, die Frage auf: „Wenn Einer Einem den
Mantel borgt und erhält ihn nicht so zurück, wie er ihn her-
gegeben hat, mit welcher Strafe belegt ihn dann das leonesische
Buch?" — „Zwar habe ich in Scholarentracht dereinst Decretalien
studiert und von den IMagistern gelernt, man solle Niemand seines
Mantels berauben. Dafs aber ein Dieb sei, wer ihn verbessert,
das habe ich nicht gelernt." — So ungefähr lautet des Königs
Antwort. Das Wort Dieb weist der Vertraute des Herrschers
natürlich zurück. Vielmehr nenne er den einen Tausendkünst-
ler, der es verstehe, Zindel in Pelzwerk zu verwandeln. Als histo-
risches Beispiel ähnlicher Taschenspielerei wird dann noch auf
einen König von Portugal hingewiesen, der einst, aus Schlauheit,
den Hospitaliter- Mantel angelegt habe. —
Dunklen Stoffs genug für den Kommentator. Zu viel sogar
für einen, der, den Quellen nahe und doch so fern, über so dürf-
tige historische Hülfsmittel verfügt wie ich. Eine Ueberzeugung
drängt sich freiUch sofort auf. Ein König Alfons, zu dem von
Gesetz und Rechtspflege gesprochen wird, und der selbst auf seine
kirchenrechtlichen Studien Bezug nimmt, kann kein andrer sein
als der gelehrte Schöpfer des encyklopädischen Setenario, des
Fuero Real mit den Nuevas Leyes, des Espejo de todos los derechos,
sowie der berühmten Sieie Partidas — der eifrige Förderer der
Universität Salamanca, und zu gleicher Zeit der fruchtbarste Poet
seiner Tage.
Trotzdem mufs der Nachweis erbracht werden. Das Im-o de
Leon, der portugiesische 'König-Hospiialiier, cendal wie pena, maesires
wie degredaes geben aufserdem noch zu suchen. Ob auch zu
finden?
Zunächst, was wissen wir über den in so vertrauten Beziehungen
zu König Alfons stehenden D. Vasco Gil, der sich in dieser Ten-
zone rechtsbeflissen zeigt, und vom Partner an eine portugiesische
rechtslcräftige fagatiha erinnert wird? Der König giebt ihm den
Z>ö«-Titel.i Und da die Tenzone zwar eine scherzhaft spöttelnde,
aber doch mafs- und formvoll ist, müssen wir die darin enthal-
tenen Angaben für wirkliche, nicht aber, wie in einigen schmähenden
Streitgedichten, in denen Spielleute wie Pero da Ponte und Lou-
ren90 gehänselt werden, für Persiflage halten. 2 Jener Hinweis
1 In der Textüberschrift und im Index fehlt derselbe.
•'■ CV 68 und 1034.
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. 133
sowohl wie der Name Vaasco deutet auf einen vornehmen Portu-
giesen. Nur von einem solchen berichten aber die Adelsbücher
der Troubadour-Epoche, und nur ein solcher tritt als Dichter in
den Cancioneiros auf. Er gehört zu einer jener kleinen Dynastien
aus der Nordprovinz {Entre Doi'ro e Minho), die in den ersten
Jahrhunderten den Regenten ihr Herrscheramt streitig machten.
Sein Vater ist der alte, zu Pombeiro begrabene Landgraf Gü
Vasques de Soverosa, der von 1200 bis gegen 1240 am portugie-
sischen Hofe unter drei Königen eine der vornehmsten Rollen ge-
spielt hat,i zuletzt als einer der wenigen treuen Berater und Kriegs-
genossen Sancho's II. 2 Ein Halbbruder somit des Recken D. Martim
Gil, des vielgehafsten Vertrauten jenes Monarchen, als dessen
Kämpe er im J. 1245 die Schlacht bei Porto gegen die Partei
der Bischöfe und des Grafen von Boulogne leitete und gewann.
Während dieser D. Martim Gil aus der ersten Ehe des alten Egt-
dius Ve/asci oder Valasquiz mit D. Maria Ayres de Fornellos stammt 3
— und somit den, ihrer ersten Jugendliebe zu Sancho I. entsprosse-
nen Königssohn D. Martim Sanches seinen Halbbruder nannte ' — ,
ging Vasco Gil aus der zweiten, bzw. dritten Ehe mit D. Sancha
Gon9alves d' Orvaneia'' hervor, die man um 12 10 wird ansetzen
dürfen (spätestens). Durch noch eine Ehe mit einer Giroa, sowie
durch eine seiner zahlreichen leiblichen Schwestern — D. Teresa
Gil, die in der Königsburg zu Leon längere Zeit als Favoritin
Alfons' IX. thronte, während eine der Bastardtöchter dieses Paares
später im Palast Alfons' X. glänzte, und eine andre im Nordosten
der Halbinsel im Stammschlofs der Herren von Cameros reg:ierte'' —
1 Motu Lus. XV c. 4; XVI c. 52. — Herculano, Hist. Port. II 358. 388.
495. 496. — In den Jahren 1235 — 1240 war Gil Vasques Statthalter von
Sousa (tenens Saiisam, s. Mon. Lus. IN, Escrit. XIV); 124O gehörte er noch
zu den Lebenden. — Seinen Namen liest man unter zahlreichen der in den
P. M. H.: Leges 35 1 — 620 mitgeteilten Urkunden, nämlich unter fast allen
von Alfons II. bestätigten Ortsrechten.
2 Während der Minderjährigkeit des Monarchen war er ein gewalt-
thätiger Länderusurpator gewesen. — S. Herc. II 500 — 506 und Nova Malta
I § 275 und II § 187.
3 Dies Bündnis mus vor 1200 geschlossen worden sein.
* D. Martim Sanches verliefs Portugal 121 1, beim Ableben seines Vaters,
um sich dem Hasse des Thronerben zu entziehen. Am leonesischen Hofe
kam er natürlich zu hohen Ehren, und ward mit drei oder vier Grafschaften
belehnt: 1219 verwaltete er Limia und Sarria (Risco, Htst. Leon. Ap. 6
p. 402); 1222 Limia, Toronho und Montenegro [Esp.Sagr. XLI Ap. 29 p. 357).
Dafs er auch Trastämar regierte und freiherrlich einem gallizischen Adligen
überantwortete, wird im Grafenbuch (P. M. H.: Script. 198. 294) behauptet,
und von den meisten späteren Geschichtsschreibern wiederholt, z. B. von
Duarte Nunes de Leao in seiner Genealogia (Schott, Hisp. Illustr. II 1257).
Von seinen Kriegsthaten und dem ritterlichen Sinn, den er an den Tag legte,
wenn er gegen Portugal zu Felde ziehen mufste, berichtet der Graf von
Barcellos {Script. 1. c). — Lucas von Tuy gedenkt des Sieges bei Tejada
(Schott IV 114), der in die letzten glorreichen Tage Alfons' IX. fällt. Vgl.
auch Esp. Sagr. XXXVI App. p. 142.
^ Orbanelia in lat. Dokumenten.
6 Vgl, Randglosse XI und CA Kap. VI Biogr. 58.
134 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
waren die damals üblichen Verbindungen mit den ausländischen
Dynasten und Vasallen hergestellt. i — An der Seite des Vaters
und des älteren Bruders erscheint Vasco Gil am portugiesischen
Hofe.2 Als Valascus Egidii unterzeichnet er 1238 einen Ausgleich
zwischen dem König und dem Bischof von Porto, D. Pedro Sal-
vador.3 Dafs er im Bürgerkrieg die Schicksale des Bruders teilte,
für seinen rechtmäfsigen Herrn das Schwert zog,^ bei dessen Sturze
ihn nach Kastilien begleitete, ebendort, während Sancho als büfsen-
der Mönch den kurzen Rest seines Lebens zu Toledo verbrachte,
in der Nähe des kastilischen Thronerben am ruhmreichen andalu-
sischen Feldzug mitwirkte, ist mehr als eine blofse Vermutung.
Vasco zählt nämlich zu den 300 Adligen, unter welche Alfons X.
nach seinem Regierungsantritt die 1248 eroberte Stadt Sevilla ver-
teilte.s An Macht und Ansehn hat er jedoch dem Martim Gil
den Rang nicht abgelaufen. Während jener in KastiUen verschie-
dene Schenkungsurkunden unterzeichnet — z.B. 25. Mai 1254 die
Urkunde, durch welche die Ortschaften Cabra und Santisteban an
1 Script, 176. 197. 293. Die daselbst verzeichneten genealogischen An-
gaben sind nicht frei von Widersprüchen. Das zur Kenntnis der Troubadour-
Epoche Wesentlichste ist folgendes.
Aus der ersten Ehe des Alten von Soverosa mit der verlassenen Geliebten
des Königs gingen Martim Gil und Teresa Gil hervor. Das Livro Velho (153)
nennt noch einen Fernäo Gil, den das Livro do Conde als Sohn zweiter Ehe
bezeichet. Martim Gil vermählte sich in Leon mit einer Castro, aus dem Ge-
schlecht der Pertigueiros de Santiago. Von ihnen stammt der erste Herr von
Albuquerque ab. — Teresa Gil, die mit dem Bruder 121 1 nach Leon über-
siedelte, schenkte dem unverwüstlichen Alfons IX. vier oder fünf Kinder:
darunter Martim Affonso, der einer portug. Sousa die Hand reichte und Maria
Affonso, mit welcher, als junger Wittwe des Alvaro Fernändes de Lara „o que
jaz em Fiteiro" (cf. Rod. Toi. IX c. 9), Alfons X. Beziehungen anknüpfte, denen
das Königskind Bringueira entstammt (vgl. Randglosse X).
Zu den Kindern aus zweiter Ehe mit Sancha Gon^alves d' Orvaneia —
im Livro Velho {Script. 176) kommt sie erst in dritter Reihe — gehört aufser
unserm Vasco eine D. Guiomar, und ein Manrique (im Livro Velho Anrique),
von dem weiter unten die Rede sein wird (Anm. 5).
Die dritte bzw. zweite Gemahlin, die Spanierin Maria Gon9alves Giron,
brachte der Familie einen Zuwachs von weiteren fünf Kindern, von denen
nur eines, D. Dordia (d. i. Dordea == Dorothea), für unsere Untersuchungen
in Betracht kommt.
Mit ihr und der Halbschwester Guiomar beschäftigt sich Joäo de Gui-
Ihade im 37. Liede des CV, das ich am Schlüsse mitteile.
2 Herc. II 358 und 496.
3 Diss. Chron. IV 2 App. No. 3.
* In einem Kampfe unweit Leiria's, über den nichts Näheres bekannt
ist, geriet er 1245 oder 1248 in Gefangenschaft. — Herc. II 412 Anm. 2: 414
und 425.
^ Mon. Lus. XV c. 4 nennt in der Liste der portug. Sevilla - Streiter,
gleich nach dem Infanten D. Pedro, unsern D. Vasco Gil und seine Brüder
Manrique und Joäo. — In der Urkunde, wie D. Pablo de Espinosa sie in der
Segunda Parte de la Historia y Grandeza de la Gran Ciudad de Sevilla
druckt (1630), steht der Infant unter den Fürsten (f. I), die drei Brüder Gil
aber gleich zu Anfang der portug. Ritter, imter welche Gelmus verteilt wurde
(f. 7V), Zu den Granden, welche 1250 das Fuero de Sevilla unterzeichneten,
gehört er nicht.
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. I35
Ubeda fielen, in Gemeinschaft mit zwei andern portugiesischen
Sevilla-Kämpfern 1 — , kann ich wenigstens Vasco's Namen unter
solchen Schriftstücken nicht nachweisen. Und ebenso wenig in
der Heimat, wohin beide zurückgekehrt zu sein scheinen, nachdem
des Grafen von Boulogne Thronrecht mehr als durch päpstlichen
Machtspruch durch Sancho's Tod unumstöfslich, und weitere Oppo-
sition gegenstandslos geworden, momentane Eintracht Portugals mit
Kastilien aber durch Alfons' III. Ehebund mit einer Tochter Al-
fons' X. hergestellt war.
Martim Gil finden wir seit 1255 in der Nähe Alfons' III.'-
Von Vasco wissen wir nur, dafs er sich in Portugal mit einer
Tochter des D. Fernand' Eannes (mit dem Zunamen Cheira) aus
dem Geschlecht derer de Riba de Vizela e de Cambra, ge-
nannt D. Froilhe Fernandes, vermählt hat.'-' Kaum später als 1255,
da einer seiner Söhne, als er 1277 in dem von neuem entfachten
Bürgerkriege im Kampfe bei (iouvea fiel,4 bereits ein Töchterchen
besafs, D. Guiomar Gil IL, mit welcher sich gegen Ende des Jahr-
hunderts ein Joäo Rodrigues de Briteiros vermählte, der in einer
späteren Randglosse wieder auftauchen wird.^
Der Zeitabschnitt, in dem also der historische D. Vasco Gil
mit König Alfons in Kastilien zu dichten Gelegenheit gehabt hätte,
umfafst die Zeit von 1247 bis etwa 55. Da der Fürst jedoch als
König angeredet wird, verkürzt sich die Frist, in der die Tenzone
entstanden sein mufs, auf die ersten vier Regierungsjahre. An
Alfons IX. zu denken, dessen Beziehungen zu den Soverosas laut
S. 134 Anm. I ebenso intime waren wie die Alfons' X., ist somit
nicht zulässig, trotzdem die Bezugnahme auf das Livro de Leon
dazu zwang, ihn zuerst nicht aus den Augen zu lassen.
1 Nobl. And. 11 c. I. Vgl. ebenda c. 9 die Schenkungsurkunde über die
an Baeza abgetretene Torre de Gil de Olit. Freilich kann es sich hier, und
in allen einschlägigen Fällen, auch um einen andern gleichnamigen portug,
Magnaten handeln, den Sohn des Gil Martins de Riba de Vizela. Um so
mehr als in der letztgenannten Urkunde dieser unmittelbar vor D. Martim Gil
unterzeichnet.
2 Herc. II 412. — P. M. U.: Leges 665. 683.
3 Script. 153. 176. 199. 295. — Cheira wird im Spottlied CV 1080
erwähnt.
* Nova Malta I § 183; II § 149. 198 u. 54. — Ueber den Bürgerkrieg
gegen Ende der Regierung Alfons' III. s. Herc. III 150. — Mon. Lies. XV c. 4
und Script. 4: Era MCCCXV feria V<* comissmn fiiit bellum inter Petrum
stephani de thaauare et fernattdwn alfonsi de Caambria in quo bello ex parte
fernandi alfonsi (seines leiblichen Vetters) nobilis guida?n nomine donus
Egidius ualasci solus interiit et nullus alius (Chron. Conimbr.).
5 Gil Vasques II. war mit Aldon9a Annes da Mala vermählt (cf. Nova
Malta I § 235), deren Reize Alfons III. bestrickt haben sollen. — Ein andrer
Sohn des Dichters, D. Martim Vasques, fiel 1286 bei Alfaiates an der
Seite des rebellischen Alvaro Nunes de Lara. Script. 295 und Mon. Lus,
XVI c. 51 (wo übrigens sein Name nicht erwähnt ist). — Eine seiner Töchter,
Sancha Vasques, heiratete Fernam Fernandes de Lima e Baiao, mit dem Bei-
namen Päo-Centeio = Roggenbrod. Beider Sohn, D. Joäo Fernandes de
Lima — des Vasco Enkel also — vermählte sich mit einer Tochter des
Troubadours D. Joäo d'Aboim.
136 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
Die fragende Erwähnung dieses Gesetzbuches, gleichviel ob
das Fuero Juzgo oder das Fuero de Leon gemeint ist, in die Zeit
1252 — 55 zu verlegen, geht auch darum sehr wohl an, weil sich
der König gerade damals aufs eifrigste seiner grofsartigen gesetz-
geberischen Thätigkeit widmete. Noch vor 1253 wurde das Fuero
Real nebst den Nuevas Leyes sowie der Espejo de todos los derechos
redigiert (d. h. ehe Alfons den Titel de Algarve angenommen hatte),
worauf von 1256 — 63 an dem umfassenden, als Ä'i?/^ /*ö;7'/ö'öj welt-
bekannten Ltbro de las Leyes gearbeitet wurde.
Noch einen Zug aus dem Leben des Vasco Gil vermag ich
anzuführen, der dafür spricht, dafs wir ihn mit dem rechtskundigen
Poeten identifizieren dürfen, der König Alfons anredet. Ursprüng-
lich war derselbe nämlich zum Geistlichen bestimmt gewesen. Wie
das Grafenbuch angiebt, hatte er die ersten Weihen bis zum Sub-
Diaconus empfangen: foy d' episiola; vertauschte dann jedoch das
lange Gewand os longos pannos mit dem Ritterharnisch. Gleichwie
der König aber hätte er dementsprechend sagen können:
eu fui ja clerizon
e degredaes sola estudar,
denn ein Adliger wie er hatte Anwartschaft auf die höchsten Prä-
latenwürden, und mufste regelrechte Studien absolviert haben.i
Anscheinend könnte man zweierlei unter dem Livro de Leon
verstehen. Das Livro Juzgo und das Fuero de Leon."^ Das west-
gotische Gesetzbuch blieb bekanntlich in Leon Jahrhunderte lang
rechtskräftig, selbst noch nach der endgültigen Vereinigung von
Löwe und Turm unter Ferdinand IIL, ja selbst noch nachdem
Alfons X. seine reformatorische Thätigkeit entfaltet hatte, in dem
idealen Bestreben, den allmählich den Mauren entrissenen Pro-
vinzen und ihren mit Sonderrechten verschiedenster Art privile-
gierten Städten und Städtchen ein einheitliches nationales Recht
zu geben, aus römischen Gesetzen, Westgoten -Sitte, Kirchen-
satzungen und dem in den Foraes und im Fuero viejo nieder-
gelegten traditionellen Brauch kunstvoll in einander gearbeitet.^
1 Aus den Schenkungen, welche Gil Vasques der Alte und sein Sohn den
Hospitalitern und speziell dem Kloster Pombeiro zuwies, darf man nicht fol-
gern, dafs der Dichter dem Orden zugehörte. Zum Teil waren dieselben
nichts als Herausgabe von königl. Besitztümern, welche während der Minder-
jährigkeit Sancho's II. usurpiert worden waren. Das gilt z. B. von der Villa
de Sesmires e toda a terra de yalles. Der Monarch hatte dieselben seinem
Kapellan geschenkt; dessen Sohne wurden sie vom Herrn von Soverora ent-
rissen, der sie, als es zum Sterben kam, den Hospitalitern vermachte. Nova
Malta I § 183 und 275; II 98. 149. 187.
2 Oder noch ein drittes? Ist das Liber Legis oder jfudiciutn Legionense,
das in § 15 der Cortes de Leon v, J. 1188 erwähnt wird, nur ein andrer Name
für das Fuero Juzgo} Oder ist darunter eine Sammlung zu verstehen, in
welche die bonos mores, faganhas, d. h. Rechtssprüche, eingetragen wurden,
die für spätere Fälle als Vorbild dienen sollten?
3 Auch was der Grofskanzler Kastiliens in seiner Chronik Peters des
Grausamen zum Jahre 1351 (c. 19) berichtet, verdient Beachtung. Der Schlufs-
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. 137
Man erinnere sich ferner, dals das Liber Judicuvi auch über Leon
hinaus Gültigkeit erlangte; dafs noch Ferdinand III. es für Car-
mona und Cordova in die Vulgärsprache umsetzen liefs,i sowie dafs
es etwas später auch auf Murcia ausgedehnt ward; und drittens
dafs im gallizischen Santiago de Compostella und allen ihm unter-
stellten Orten wenigstens Appellation an das Lihro gestattet war.2
Seine Gültigkeit war freilich eine stark beschränkte. Beschränkt
eben durch das aus dem Gewohnheitsrecht hervorgegangene, für
das Volk bestimmte Livro de Leon, welches Alfons V. — el de los
Buenos fueros — auf der 1020 nach Leon berufenen Prälaten- und
Magnatenversammlung redigieren und bestätigen liefs. jNIit seinen
49 bedeutsamen, weltliche wie geistliche Bedürfnisse gleichmäfsig
berücksichtigenden Dekreten ward es rasch mehr denn ein blofser
Freibrief für die Stadt, ein das Fuero Juzgo z. T. vervollständi-
gendes, z. T. ersetzendes Corpus juris für das ganze sich dehnende
und entwickelnde Königreich ^ und, wie der ältere Kodex, hinaus
über die eigentlichen Grenzen des Landes,'* und blieb es bis ans
Ende des 13. Jhs. und noch ins 14. hinein (bis etwa 1356).
Ich meine — mit dem Vorbehalt, der sich aus S. 136 Anm. 2
ergiebt — , dafs die Troubadours dies letztere im Sinne hatten,^
nicht aber den ja auch in Portugal herrschenden Goten -Kodex
allein. Zwar wird derselbe in den alten Handschriften und von
den Benutzern bald Liber, bald Forum genannt. Der Zusatz de
Leon kann jedoch von Rechts wegen nur den jüngeren Kodex,
und zwar vornehmlich Kanon 20 — 48, charakterisieren. Dafs man
auch diesen unterschiedslos bald Liber, bald Foro genannt hat,
beweisen zum Ueberflufs unsere Cantigas.
satz lautet: E llama-se, en Toledo, Castellano todo aquel que es de tierra
del senorio del Rey de Castilla do non se juzga per el Libro Juzgo. Des-
gleichen in der alten Chronik Alfons' X. (c. 9) die auf des Gelehrten Ge-
setzesspiegel bezügliche Stelle: mandd facer el fuero de las leyes, en que
asutnmö muy brevemente muchas leyes de los derechos. E diö lo per ley e
por fuero a la ciudad de Burgos e a otras cidades e villas del regno de
Castilla, ca en el regno de Leon avian el Fuero Juzgo que los Godos
ovieron fecho en Toledo.
1 Schäfer, Geschichte Spaniens II 412 — 418; Amador de los Rios II 410;
Baist, Grundrifs § 24.
- An welches Libro die Richter von Santiago de Compostella appellieren
durften, ob an das Fuero de Leon, oder an das Fuero Juzgo, ist noch heute
eine Streitfrage. — Zu Esp. Sagr. XXXV c. V (mit Anhang) s. Lopes Fer-
reiro, Fueros Mujiicipales de Satiiiago, 1895. — Cf. Rev. crit. I 131.
^ Rod. Toi. (f 1247) sagt von ihm: leges gothicas reparavit et alias ad-
didit qucB in regno Legionis etiam hodie observanttcr (V 19. Cf. VI 9 u. I3).
— Luc. Tud. 89 : Dedit ei bonos foros et mores quos debet habere tarn civitas
quam totum legionense regnum a flumine Pisuerga usque ad extremam
Gallaeciae partem in perpetuum.
* Aguirre, Concilia Hisp. IV 386. — Marina, Ensayo Hist. Crit. 156.
— Esp. Sagr. XXXV c. V u. Ap. 12 u. 16. — Aschbach, Spanien und Por-
tugal unter Almoraviden und Almohaden S. 365. — Schäfer, Gesch. Span.
II 414. — P. M. H.: Leges I 135.
^ Die leonesischen Richter, an welche appelliert werden durfte, hiefsen
Jueces del Libro y del Fuero.
•138 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
Der Bezeichnung liv ro de Leon bedient sich, aufser D. Vasco
Gil, noch ein gallizisch- portugiesischer Dichter, wie ich zeigen
werde.i Vom foro de Leon sprechen mehrere.^ Alle natürlich
ohne des Gesetzes Inhalt und Wortlaut genau im Kopfe zu haben;
vielmehr mit dichterischer Freiheit in Fällen, wo sie ebenso gut
kurzweg das Gesetzbuch, das Gesetz hätten sagen können —
eine Verallgemeinerung, die bis 1255 begreiflich ist^ — , und länger,
da, wie gesagt, das grofse philosophierende Hauptwerk Alfons' des
Gelehrten niemals Anwendung fand, selbst in Kastilien nicht.
Wo ein gallizischer segrei — Affons' Eannes do Cotom,
dessen Hauptthätigkeit sich am Hofe Ferdinands III. und Alfons' X.
abspielt — in einem burlesken Schmutzlied ausdrücklich versichert
pero juro-vus que non sei
ben este foro de Leon,
ca pouc' ä que aqui cheguei *
meint er nichts als „ich kenne die Landessitte hier in Leon
nicht", gerade so wie ein andrer Dichter einmal a for de Casiella
im Sinne von „nach kastilischer Art" verwendet.^
Wo hingegen Ayras Peres Vuitorom, der eifrigste Ver-
teidiger Sancho's II,, der mit Vasco Gil sicher bekannt war, von
einem zu Unrecht freigesprochenen Verräter handelt, der wegen
aleiv^ e traigon nach leonesischem Gesetz Todesstrafe verdient hätte,^
und auch wo der Admiral Pay Gomes Charinho von gewissen
Vorrechten redet,' ist die obige Auslegung nicht statthaft.
Und erst recht nicht, wo ein andrer Gallizier, der mittelalter-
lich rüde aber lustige Schelm Joäo Ayres de Santiago, in einem
unsaubren Spottliede auf das Livro de Leon verweist. Er stellt sich
darin liebeskrank; klagt die Schöne, die an seinem Tode Schuld
ist, des Mordes an; und verlangt in zweideutiger Weise Anwendung
einer die Volksphantasie naturgemäfs erregenden, grausigen Kriminal-
bestimmung, nach welcher der Todschläger im Grabe lebendig
unter seinem Opfer zu liegen kam: sepeliaiur viviis et inier fedus
super cum projkialurfi
Diese Bestimmung findet sich jedoch keineswegs in dem Texte,
auf den der Spötter sich beruft, sondern, auf hispanischem Ge-
biete, in den Ortsrechten von Cuenca, Sepulveda, Baena, Plasencia,
und, auf portugiesischem, ausschliefslich im foral des fränkischen
1 Joäo Ayres de Santiago, CV 1076.
2 Ayras Peres Vuiturom CV 1096. — Aflons' Eannes do Co-
tom CVU13. — Pay Gomes Charinho CV U58.
3 Nach diesem Datum wurde das fuero real verschiedenen kastilischen
Städten verliehen und der Espejo oft zu Rate gezogen.
* CV 1113. — Darin handelt es sich in gröbster Weise um das Wort:
Und sie soll vom Manne gebären.
s CV 1028.
^ CV 1096. — S. am Ende dieser Studie den Liederanhang (3).
'' CV 1158. — Es bildet den Gegenstand von Randglosse III.
8 CV 1076. — S. Liederanhang (4).
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. I39
Ortes Lourinhan und in Marmelar.i im Fuero de Leon § 24 wird hin-
gegen, wie schon im Westgotenrecht, Mord durch eine Geldsumme
gesühnt: 100 — 500 Solidos, oder die Hälfte der fahrenden Habe
des JNIissethäters ; und auch das nur, falls derselbe innerhalb neun
Tagen ergriffen werden konnte.
Eine Bestimmung über den INIanteldieb enthält übrigens das
Fuero de Leon ebenso wenig wie das Fuero Juzgo. Ich würde
eine solche eher in den Aufzeichnungen vermuten, welche die
Grundlage des Fuero viejo bilden. 2 Wenigstens findet sich die
entsprechende Verfügung auf portug. Boden in einem Adelserlafs
Alfons' III. Stabelecimento em como as casas dos filhos d^ algo devem
ser guardadas. Sie lautet:
Item : quemquer que filhar capa ou ^erame ou pele ou alguma vesti-
dura ou cobertura, peyte-a en dobro, ataa IX dias. E se o nom peytar
fique eno consentimento (sie! — statt cousimento = remaneat in caiisimentd)
do meyrinho e peyte a mim por cada huum, dous maravedis.'
Den Doppelwert hat der königliche Mantelempfänger unsrer
Tenzone genau genommen wohl nicht gezahlt. Jedenfalls aber
einen höheren: schweres Pelzwerk {pend),^ an Stelle von leichtem
Seiden -Zindel [cendal],^ der nur für bestimmte Kleidungsstücke,
wie Frauenblusen oder -rocke, den Modeforderungen entsprach,'' als
1 Leges 448 u. 48g. — Herc. IV 86. 461; I 403.
2 Ueber das traditionelle Gewohnheitsrecht des kastilischen Adels siehe
Lafuente I 382.
2 Leges 191. — Cf. ib. 190: Dtcrettim Domini Regis. Qiiicumque acce-
perit aliciii capani zuramen pelletn aut aliquant uestetn aut aliquod coope-
rimentum pectet ipsum in duplo usque ad nouetn dies, et si illud non pecta-
uerit remaneat iti catisimento de meirino et pectet mihi pro unoquoque II
morabitinos. — Cf. Mon. Lus. XV c. 13.
* Ueber pennas s. Leges 192 — 196. — Vgl. Randglosse IV u. XIV.
'•' Wären diese Randglossen speziell für Portugal bestimmt, so müfste ich
über cendal, zendal, sindal Längeres und Breiteres mitteilen, da ein so gründ-
licher Kenner des Mittelalters wie Gama Barros I 534 bekennt, er wisse nicht
was das im Elucidario fehlende Wort bedeute. Da ich dem Ausland jedoch
nichts wesentlich Neues über Stoff", Farbe, Wert und Verwendung zu bieten
habe, verweise ich die hiesigen Forscher auf Fr. Michel's Recherches sur les
Etoffes de soie (Paris 1852) und P. Meyer's Anmerkungen zum Flamenca-
Roman; Du Gange s. v. cendabts, zendadus. — Was Portugal betriiTt, so sei
nur bemerkt, dafs cendal auff'allenderweise in der Preistabelle vom J. 1253
nicht vorkommt, wohl aber in der Kleiderordnung Alfons' IV. Im Lieder-
buch begegnen wir ihm in CV 847 und 948 (in Braga's Ausgabe auch noch
in No. 1031); bei Alfons X. in CM 292, 14. — Als Futterstoff" steht es
meist gegensätzlich der penna, d. h. dem Pelzfutter gegenüber. Wo es sich
um Wertangabe handelt, neben Sammet und Purpur oder Scharlachtuch.
* CV 948: E pesa-m' ^n e e mi mal
que Ih' escarniron seu brial
que era nov' e de cendal.
Im unmittelbar folgenden Spottlied wird dasselbe Kleidungsstück als brial de
Sevilha bezeichnet. Aus den voranstehenden (945 — 947) haben wir erfahren,
dafs es zur Weihnachtszeit einer schönen Infangöa geschenkt worden war.
Wieder ein andres Gedicht (CV 796) klärt darüber auf, was für ein Oberkleid
der Frauen -6r/aJ gewesen sein mufs.
I40 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
Schmuck des Mantels eines Rico-homem aber dem Monarchen mifs-
fallen, wenn nicht gar gegen einen Paragraphen der Kleiderord-
nung verstofsen mochte. Ich sage als Schmuck {gtiarni^äo), und
stelle mir vor, es handle sich um eine Einfassung — wie sie die
hochinteressante Preistabelle Alfons' III. vom J. 1253 unter cum penna
oder scotada cian penna versteht.!
An einen Mantelparagraphen wie den obigen aber dachten
Alfons X. und Vasco Gil, aller Wahrscheinlichkeit nach. Das por-
tugiesische Dekret war bald nach den Cörtes de Guimaräes (1250)
erlassen worden.- Den entsprechenden und gewifs vorbildlichen
hispanischen Text vermag ich nicht anzuführen, zweifle aber nicht
an seinem Vorhandensein schon vor den Cörtes de Valladolid vom
J. 1258. Auch eine Art Kleiderordnung mufs an beiden Höfen
damals erlassen worden sein, mit Einzelbestimmungen ähnlich den
von Alfons IV. verfügten. 3 Das schliefse ich aus einem Spott-
liede des CV, worin einem filzigen Infa?igon von demselben alfon-
sinischen Troubadour, der sich mit den Schwestern unsres Vasco
Gil beschäftigt hat,* vorgeworfen wird, er übertrete des Königs
Gebot — 0 degredo del rey\ denn dieser habe verfügt, der Mantel
des Infanco7i solle alle zwei Jahre erneuert werden, er aber trage
den seinen nun schon im dritten oder vierten Jahre. •'»
Das Studium der Dekretalien, auf das König Alfons sich
in seiner Entgegnung bezieht, könnte man mit einiger Wahrschein-
lichkeit in die Epoche der Vorarbeiten zur Gesetzes -Reform ver-
legen, in der die Tenzone entstanden ist, um so mehr als schon
Ferdinand III. dieselbe geplant und zu ihr angeregt hatte. Der
Wortlaut zwingt jedoch, an vergangene Zeiten, also an des Ge-
lehrten Mo ce da des, zu denken. Zwar wurde Salamanca erst
1254 (durch die Bullen Papst Alexander's IV. vom 25. INIai, 13. Juli
und I. Oktober) erweitert und den drei europäischen Estudos Ge-
neralis — Paris, Oxford, Bologna — gleichgestellt, nachdem Alfons
^ Für ,, Futter" wurde ybrro, für „gefüttert" Joöra^fo gesagt, Leges 196.
Von der garnacha, dem tahardo und inanto cum penna und sine penna ist
daselbst mehrfach die Rede. Und in der imgedruckten Verordnung von 134O
findet sich sogar com petina ou com cendal mit Bezug auf tabardo, manto
oder pan7tos (im Sinne von ,, Anzug") Dutzende von Malen, -svo auseinander-
gesetzt ist, welches Tuch, welcher Schnitt und welcher Besatz dem König und
der Königsfamilie, dem Rico-homem, dem Cavalleiro, Escudeiro und Cidadao
erlaubt war, und wie oft er sich beim Schneider neu einkleiden durfte. Siehe
Gama Barros I 533 — 536.
2 Die Hauptdekrete Alfons' III. über seinen eignen Haushalt und den
seiner Unterthanen fallen in die Zeit von 1250 — 1261 {Leges 192 — 210).
2 Es wird darin imter vielem andern festgestellt, der Magnat dürfe sich
jährlich drei Anzüge com penna ou com cendal, der Ritter ihrer zwei, der
Escudeiro sich jährlich einen neuen Anzug sem penna nem cendal zulegen.
— In der ungleich einfacheren und sparsameren Zeit Alfons' III. mufste, dem
Anschein nach, ein Anzug selbst dem Rico-homem und Infanzon ganze zwei
Jahre dauern.
* Joäo de Guilhade, CV 37.
^5 CV U03. S. den Liederanhang (5). Vgl. CV 1169.
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. I4I
zwei Jahre zuvor (g. November 1252) die Statuten ausgefertigt hatte,
kraft deren er vier Lehrstühle für Juristerei stiftete und reichlich
dotierte.^^ Doch war kanonisches Recht ebenda schon früher in
der 1220 von Alfons IX. errichteten und 123g von Ferdinand III.
erweiterten Theologie -Schule von ausländischen Doctoren gelesen
vvorden.2 Und nicht minder in der bereits 1 20g zu Palencia unter
minder glücklichen Auspicien gegründeten kastilischen Akademie.'^
Die Selbstaussage des Königs in unsrer Canzone — brauchbar
als Beweis dafür dafs er thatsächlich eine Hochschule besucht
hat — zeigt nicht, ob das in Leon oder Kastilien geschehen ist;
doch hört man in seinen eignen Liedern und in denen der Zeit-
genossen sowie in Prosawerken des 13. Jhs. immer nur von escholas
und eschola?-es de Sala7?iancaA Nie aber von den escholas de Palencia,
die durch das rasche Aufblühen der jüngeren Schwester bald in
den Schatten gestellt wurden.
Ob des Königs Maestres die gleichen gewesen sind, die er
später zur Ausarbeitung seiner Ideen heranzog? Mestre Roldan?
Jacome Ruiz? Mestre Martin?
Dafs er als Student das Gewand des Klerikers getragen hat,
darf man als selbstverständlich gern glauben. Clerizon — übrigens
eine hispanische, keine gallizisch-portugiesische Bildung^ — benennt
heute den Chorknaben {inonacillu), während die Scheideform cleri-
zonie allgemeiner auf denjenigen angewendet wird, der, ohne ordi-
nierter Priester zu sein, in geistlicher Tracht einhergeht; im tadeln-
den Sinne auch auf den Kleriker, der im Aeufsern und im Be-
tragen den Anforderungen guter Sitte nicht nachkommt. Im Portu-
1 Mando e tengo por bien que haya un maestro en Leyes e yo le de
quinientos maravedls de salario por el ano: e que haya un Bachiller Le-
gista. Otrosl tnando que haya un Maestro en Decretos e yo le de trescientos
maravedls cada ailo. Otrosl mando que haya dos Maestros en Decretales e
yo que les de quinientos fnaravedls cada ano. Ordenangas Reales X 51, I
in den Adiciones zur Partida II 31, l — II, wo Ausführliches über die Estudios
Generales steht.
2 Vidal, Alemoria Hist. sobre la Universidad de Salamanca 1869. —
Braga, Hist. Univ. I 76. — Luc. Tud. (in Schott IV 113) sagt: Hie [= Adefonsus
Rex Legionis'] salutari consilio evocavit magistros peritissimos in sacris
scripturis 6^ constituit scholas fieri Salmantice.
3 Luc. Tud. (Schott IV 109) Eo tempore (vor der Schlacht bei Las Navas)
Rex Adefonsus evocavit magistros theolog icos et aliarum artium
liberalium &= Palentice scholas instituit procurante reverendissimo &• nobi-
lissimo viro Tellione eiusdem civitatis episcopo. Quia ut antiquitas refert,
se?nper ibi viguit scholastica sapientia, viguit dr' militia, — Rod. Toi. VIII
c. 34 ... sapientes a Gallis et Italia convocavit ut sapientice disciplina a
regno suo nujiqtiayn abesset et magistros om^iium facultatum Palentice
congregavit quibus et magno stipendio est largitus : ut omni Studium cupiettti
quasi inanna aliquando in os injlueret sapientia cuiuslibet facultatis. Et
licet hoc fuit Studium interruptum, tamen per Dei gratiam adhuc durat
(Schott II 128). Vgl. Risco 382.
* CM 291. Vgl. Script. 285. — CV 410. 1131. 1197 ist von einem escolar
die Rede.
^ Auch dadurch ist der Rei Don Alfonso als Kastilier gekenn-
zeichnet.
142 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
giesischen diente das entsprechende chrigon vorwiegend zur Be-
nennung des Scholaren, dessen longos pa7inos geistlichen Zuschnitt
gehabt haben und noch heute bewahren. •
Nicht dem straffälligen Manteldieb, dem geschickten Gaukler
will der Vasall seinen König gleichstellen. Das für denselben vor-
geschlagene Wort trageitador, das nicht zu den verpönten Schmäh-
worten, sondern dem usuellen Volkswörterschatze angehört ,2 war
und ist noch heute, neben estrugeitante, die übliche Bezeichnung
für den Jongleur, Taschenspieler und Nekromanten.^
Welcher unter den vier Königen von Portugal, die vor 1255
zu den Toten gehörten, mag dem König Alfons als Typus des
Muster-Gauklers und INIantel tauschers vorgeschwebt haben? Die
Antwort: natürlich der, welcher den weifsen Mantel mit dem roten
Kreuz der Hospitaliter getragen hat, scheint einfach; und ist es
doch nicht, bei unsrer erstaunlichen Unkenntnis über das Leben
der altportugiesischen Dynasten und ihr Verhältnis zu den Ritter-
orden.
Sancho II. (f 1248), an den man zu allererst denkt, weil es
der einzige ist, von dem die Geschichte meldet, er habe im Leben
wie im Tode jenes geistliche Gewand getragen, dem er den Zu-
namen Capello dankt, ist ausgeschlossen. Alfons, der ihn von An-
gesicht zu Angesicht gesehen, ihn von Portugal nach Kastilien ge-
leitet und das Schwert für ihn gezogen hatte,* konnte wenige
Jahre später unmöglich vergessen haben, in welcher ungewöhnlichen
Tracht der im Kriege so tapfre, im Frieden lässige Monarch ein-
herging. Um so weniger als sein Grabmonument, das ihn als
^ In fi-de-derigon (CV 1201) hat es böse Nebenbedeutung.
2 Mit Recht wird im Glossar zu den MarienUedern des Königs das prov.
trasgitar trasgiet trasgitamens neben trasgeito CM 77 gestellt (wozu noch
tragitador käme); mit Unrecht aber wird behauptet, die gallizische Form sei
Lehngut. Das ist sie ebenso wenig wie das kastilische trasechador (Alex. 1822).
3 Vgl. Ordenagoes Äff. III 15. 18, wo vom trageitador gehandelt wird.
Trageitos sind alle Gaukeleien — bei Soropita (16. Jh.): sabe tnais tregeitos que
um cigano — , aber auch spottende Geberden. Im alten Gemeinderecht der Stadt
Evora (14. Jh.) findet sich z. B. in einer kuriosen Verordnung über böse Weiber-
zungen (§ 113 Renda das bravas) die Bestimmung: e mandarom que 7ief}i per
tregeytos neni per renioques nein per cantigas se nom doestem (Doc. Ebor,
I 150) und (ib. 189): E porem ordenou e mandou que daqui endiante qualquer
molher que em praga ou em rua . . . doestar per pallavra ou trejeito ou
per almara (?) nu em remoque . . . pague por a primeira vez 50 rs. ; e por
a segunda seja presa e da cadea, jazendo hi tres dias, pague 100 rs.; e per
a terceira vez seja enfreada e degradada pubricainente com o freo na boca
fora da cidade e seos termos, ataa tnerce del Rey. — Heute ist die Wendung
tregeitar esgares (= Fratzen schneiden, Faxen machen) recht beliebt.
* Die portug. Chroniken berichten nur, Alfons habe ihn geleitet: E des
alli emviou Rey dom Sancho pol/o ifante dom afomso filho del Rey dom fer-
nando de castella, e de leam, e el foy com el cotn muy gram cauallaria e
leuou ho consigo pera castela {Script. 31). Andre Schriftstücke beweisen, dafs
es 1248 zum Kampf gekommen ist. Die Cron. Gett. kann ich nicht zu Rate
ziehen. Das ganze Kap. 7 in der spanischen Cron. Alf. ist unbrauchbar.
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. I43
Franziskaner mit Kutte, Kapuze, Strick und Sandalen zeigt, in
Toledo vor den Augen beider Dichter stand. i Unmöglich konnte
er auch von Sancho mit aprendi und oi dizer berichten. Und ge-
rade einem der treuesten Vasallen des verleumdeten Entthronten
gegenüber, dessen Schicksal den König so ergriffen hat, dafs er
noch im Alter, verlassen nicht nur von seinen Vasallen, sondern
von den eignen Kindern, ausrief:
Nunca assi foy vendudo
rei don Sanch' en Portugal.^
Es mufs sich um einen vor Lebzeiten oder in der ersten
Kindheit Alfons' X. verstorbenen handeln:
Nicht um Alfons II. (f 1223), den harten Bedränger des
Klerus, der sich den Hospitalitern durchaus nicht geneigt zeigte
und ihren Uebergriffen auf dem Gesetzeswege entgegentrat.-^
Es bleiben somit nur Sancho I. (f 121 1) und Affonso I. Hen-
riques übrig (f 1 1 85). Beide, besonders aber der jüngere, räumten
dem Orden grofse Freiheiten ein und beschenkten ihn mit Län-
dereien und Geldmitteln.'* Von keinem aber wissen wir, dafs er
ihm beitrat. Von keinem auch, dafs er dadurch irgendwelche Vor-
teile hätte erringen können.
Die Frage bleibt also ungelöst.
Die unbestimmte Form, wie der tenzonierende Monarch seine
Anspielungen auf eine ihm gerüchtweise zu Ohren gekommene
1 Andre de Resende erzählt in seinem Briefe Ad Barth. Kebedum
(p. 215), er habe den Entthronten zu Toledo in schemate monachi ex divi
Francisci in qiiod propetisns fuerat institutnni gesehen. — Auch der Name
Capello, der nicht erst im 14. Jh. im Grafenbuch auftaucht {Script. 255), son-
dern schon im 13. üblich war (ib. 21 u. 22 und Cron.Alf. c.7; cf. Herc.
II 328) und von den Zeitgenossen, wahrscheinlich im Heerlager des „Grafen",
wie Alfons III. damals hiefs (CV 1088 u. 1089), geprägt worden ist, spricht
deutlich genug. {Capeludos und Capuchos = Kapuziner oder Kapuzer nannte
das Volk später die Jünger des Heiligen von Assisi). — Frei Manuel de
Esperau^a in seiner Cronica Serafica I 4 c. 36, § 3 und D. Jos6 Barbosa im
Catalogo das Rainhas p. 147 legen den Sachverhalt verständig dar. — Das
Bestreben des unzuverlässigen Nicolau de S. Maria nicht nur Sancho II., son-
dern auch Sancho I. und Affonso Plenriques dem Augustiner -Orden einzu-
reihen, hat keine historische Grundlage {Chron. dos Conegos Regrantes), ward
aber trotzdem von anderen geteilt, z. B. Anaceph. 99; Aschbach II.
2 CM 235.
3 Leges 170. 555. 718.
* Von Affonso Henriques heifst es in der Chron. Breve: E este Rey
dorn affonso comegou a hordem de Santiago e deu ao esprital de Jerusalem
oiteenta niil marauidis em ouro pera coniprar herdade de tania renda per que
dessem aos enffermos da enfferrnaria senhos paäes guentes e senhos uasos de
uinho porqne metessem cada dia em oragom este Rey dom affonso. — Im
Grafenbuch, wo sie mit sachlichen Varianten und natürlich auch in veränderter
Orthographie erscheint {Script. 255), wird noch hinzugefügt: e deu gramdes
liberdades aa dita ordern do Espital no prior ado de Portugal. Ueber das
Thatsäch liehe erhält man Auskunft in Gama Barros' trefflicher Hist. da Ad-
mtnistragäo 1 367 ff. — Sancho I. schenkte den Hospitalitern die Feste Belver
(ib. imd Mon. Lus. IX c. 11). — Vgl. iVöZ'ß Malta.
144 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
Mantel-Anekdote vorbringt, berechtigt jedoch zu folgender Ver-
mutung, Sie kann den einzigen Fürsten aus dem burgundisch-
portugiesischen Königshause, der thatsächlich dem Orden angehört
hat, betreffen: den im Jahre 1207 verstorbenen XX. Grofsmeister
D. Affonso de Portugal, einen Bastardsohn des ersten und
Halbbruder des zweiten Königs. 1
Was Wunder, wenn mehr als ein halbes Jahrhundert nach den
Ereignissen (11 94 war er Meister geworden) die Sage sich des
abenteuerlichen cavalleiro do Espital aus königlichem Geblüte be-
mächtigte und die heute unbekannten Gründe zu seinem Eintritt in
den Orden als Gaukelei oder gelungenen Schelmenstreich ge-
deutet hätte, ihn obenein noch mit seinem gleichnamigen Vater
(D. Affonso I.) verwechselnd?
Der Gedanke, der Mantel, mit dem Alfons X. die Dienste des
D. Vasco Gil belohnt hat, sei der einem Commendador do Hospital
zukommende gewesen, liegt nahe.2 Aber pafst dazu, dafs Pelzwerk
{pena) an demselben zu sehen war?
Im Liederbuch findet sich noch eine Tenzone von bitterböser
Art, in der ein D. Vaasco mit einem unbekannten Spielmann
Pero Martliz die Entartung des Ordens geifselt.3 Auf die Frage,
wer Meister {commendador) in der Knauserei, in Lüge, in Unzucht
und in der Verleumdung sei, wird zuerst entgegnet, der Mal-
dizenies seien an die tausend; dann aber werden die hervorragend-
sten in den übrigen drei Lastern namhaft gemacht. Darunter
ein Don Roy Gil. Ein Prior dieses Namens regierte den Orden
von 1233 — 1244, bestätigt von Sancho IL^ 1238 finden wir
D. Vasco Gil in dieses Königs nächster Umgebung. Kein andrer
D. Vasco tritt als Dichter in den Liederbüchern auf. Die Ten-
zone ward unter den Liedern des D. Joäo Soares Coelho auf-
bewahrt, der, wie unser Poet, sowohl am portugiesischen als auch
1 Hist. Gen. I 61. — In der St. Johanniskirche zu Santarem (S. Joäo de
Alporao) lautete seine Grabschrift:
In cBra MCCXXXV Kaiendjs Martii ohiit Frater
Alphonsus Magister Hospitalis Hierusalem.
Quisquis ades qui ntorte cadis perlege plora
Sum qiiod eris, fueram quod es, pro nie precor ora.
Seit 1845 wird der Grabstein im Klosterhof von S. Francisco auf bewahrt. —
Andere haben gelesen : Era MCCXL V. X Kai. Martii.
2 CVU32.
3 CV 1020.
* Figueiredo, Nova Malta I 256 u. 295 — 301; II § 15. — Die Schenkung
von Palmella, Alcacer, Cezimbra an den Ritterorden von Santiago und die
von Arronches an Sancta Cruz de Coimbra unterzeichnen (1235 und 1236)
unter andern Rodericus Prior Hospitalis, D. Egid. Velasci tenens Sau-
sam und D. Mart. Egidii tenens Ripam Minii, d. h. der Vater und der
Bruder des Dichters. — Herc. II 495. 496. — Der in der Tenzone gleichfalls
geschmähte Roy Martins könnte der so genannte Commendador de Tavara
sein, der noch 1251 in der Nähe Alfons' III. auftritt {Leges 190), doch be-
sonders unter dem Vorgänger von sich reden machte. S. Figueiredo, Nova
Malta, Lisb. 1800, I § 290.
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. I45
am kastilischen Hofe, und zwar scheinbar in engen Beziehungen
zu den hier wie dort regierenden Königen nachgewiesen ist. Es
ist also sehr wohl möglich, dafs D. Vasco Gil Verfasser der Ten-
zone ist. Doch nur möglich. Und stände es fest, so wäre auch
damit weder erwiesen, dafs der Mantel, der den Gegenstand
dieser Glosse bildet, zum Ornat eines Hospitaliter-Komthurs ge-
hört hat, noch dafs D. Vasco Gil wirklich jemals ein solcher ge-
wesen ist.
Aus den übrigen Versen des Vasco Gil ergiebt sich nichts
über sein Leben und Wirken. Weitere Spottlieder fehlen. Seine
Liebeslieder aber (CA 144 — 156) sowie das einzige erhaltene
Mädchenlied (CV 266) unterscheiden sich durch keinerlei Sonder-
züge von denen seiner Zeitgenossen. Ob sie in Portugal unter
Sancho II., oder am Hofe des Gelehrten, oder nach der Heimkehr
entstanden sind, als der Dichter um D. Froilhe Fernandes warb,
mufs dahingestellt bleiben. i
Liederanhang.
(2.) CV37.
Joäo de Guilhade.
Deus! como se foron perder e matar
mui bSas donzelas, quaes vus direi:
foi Dordia Gil [es] e foi Guiomar
que prenderon ordin! Mais, se foss' eu rei,
5 eu as mandaria por en [a] queimar
porque foron mund' e prez desemparar!
Non metedes mentes en quäl perdi9on
fezeron no mund' e se foron perder?
Com' outras arlotas viven na ra9on,
10 por muito de ben que poderon fazer.
Mais eu por alguen ja mort' ei de prender
que non vej' e moiro por alguen veer.
Outra bSa dona que pelo rein'(o) ä
de bou prez e rica e de bon parecer,
15 se mi-a Deus amostra, gran ben mi farä,
ca nunca prazer verei sen a veer.
^Que farei, coitado? moiro per alguen
(que non vej' e moiro por veer alguen)
[jjue ja non me pode fazer nenhun ben].
CV. 2 mui — boas — 3 Oordia gil. Das Patronymicum hat sich nicht
eingebürgert. Um die fehlende Silbe zu gewinnen, wende ich die Form an,
die dem lat. Egidii der Urkunden genau entsprechen würde. — 7 pdico —
8 fezon — 9 arllotas — racon — 10 podom faz — 13 ouc doä — Beyno —
^ Danach mufs präcisiert werden was in Gröbers Grundr. IIb S. 109 und
bei Lang, CD. p. XXVIII und XXXV über Vasco Gil ausgesagt wird.
Zeitschr. f. rom. Phil. XXV.
146 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
18 Die reimlose Zeile ist Wiederholung von 12. Ein offenbares Schreiber-
verschen, das hoffentlich durch Einsicht des CB zu berichtigen sein wird —
besser als durch meine Konjektur.
Mit dem naiv - häretischen Inhalt vergleiche man (CB 1528)
die Klagen des Grafen Gil Peres bei einem ähnlichen Anlafs. Aos
olhos de viidios näo tinham tahez grande sabor de hereticas as palavras
do trovador J. de G. quando affirmava que se fosse rei, mandava
queimär as donzellas Ordia Gil e Guiomar porque se forarn per der
e matar eni religiäo — so schliefst Gama Barros seine Darlegung
der Kloster -Entartung im 14. Jh. und der Weherufe des Frei Al-
varo Paes. — Dafür dafs auch im 13., zur Zeit Guilhade's und des
Vasco Gil, die Sittenlosigkeit der Mönchs- und Ritterorden Anlafs
zu Klagen gab, enthalten die Liederbücher und die Adelsbücher
Beweismaterial die Masse.
(3.) CV1096.
Ayras Peres Vuiturom.
Joan Nicolas soube guarecer
de mort' un cm' assi per sa razon
que foi julgad' a foro de Leon
que non devia de mort' estorcer.
5 e socorreu-s' assi con esta lei
„que non deve justi9a fazer rei
en ome que na mäo [non] colher'."
E pois el viu que devi' a prender
mort' aquel om' assi, disse-lh' enton:
10 „ponho que fez aleiv' e traizon
e cousa ja per que dev' a morrer."
Dizede vos, se a terra leixar'
que me non achen i a justi9ar,
^se poden en mi justi9a fazer?
I Johan incholas — 4 demo castorger — 5 efa correu fsafsy —
6 rustiga — 14 rustigar — 14 podera.
(4.) CV1076.
Joao Ayras de Santiago.
Ay, Justi9a, mal fazedes que non
queredes ora dereito filhar
de Mor da Cana porque foi matar
Joan Ayras, ca fez mui sen razon.
5 Mais se dereito queredes fazer,
ela so el devedes a meter,
ca o manda o livro de Leon.
Ca Ihi queria gran ben e des i
nunca Ihi chamava se non „senhor"'
10 e quando Ih' el queria mui milhor,
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. t^J
foi o ela logo matar ali.
Mais, Justi9a, pois tan gran torto fez,
metede-a ja so el üa vez,
ca o mandan, e dereit' e assi.
15 E quando mais Joan Ayras cuidou
que ouvesse de Mor da Cana ben,
foi o ela logo matar por en
tanto que el en seu poder entrou.
Mais, Justi^a, pois que assi e ja
20 metan-a so el, et padecer-ä
a que o a mui gran torto matou.
E quen-nos ambos vir' jazer dirä:
„beeito sej(a) aquel que o julgou".
3 In Zeile 16 steht caua. Braga nennt die Heldin dementsprechend Cava;
doch wird Cana das Richtigere sein, da es ein gallizischer Orts- und Familien-
name ist, der auch sonst noch im Liederbuch vorkommt — 8 qra — 9 se^io^
— 10 qra — 13 solle — 14 e7io manda d d' eyte asfy — 17 mara —
20 mef ana (das wäre meteran-na, wodurch die Zeile um eine Silbe zu lang
wird) — 21 tro — 23 beeyto
Wie man sieht, stellt sich Joäo Ayres als sterbend vor Liebe
hin, klagt Mor da Cana des Mordes an, und verlangt vom Richter
Anwendung des Gesetzes, auf das ich im Texte Bezug nahm. —
Wäre im Liede irgend ein Hinweis auf Krieg und Kriegsrecht, so
könnte man an die Gesetzbestimmung im Espej'o de todos los derechos
denken (III 8, 4; Opus. Leg.Y 123), durch welche für Unruhstifter
im Feldlager angeordnet wird: Et qui matare a olro, nietanle so el
muerto.
(5.) CVU03.
Joao de Guilhade.
Par Deus, infanzon, queredes perder
a terra, pois non temedes el rei;
ca ja britades seu degred', e sei
que Ih' o faremos mui cedo saber;
5 ca vus mandaron a capa, de pran,
trager dolju^s anos, e provar vus an
que vo'-la viron tres anos trager.
E provar- vus -ä das cames quenquer
que duas carnes vus mandan comer
10 e non queredes vos d' üa cozer;
e no degredo non ä ja mester
nen ja da capa non ei a falar,
ca ben tres anos a vimos andar
no vosso col' e de vossa molher.
15 E farä el rei corte este raes
e mandaran-vus, infanzon, chamar
e vos querredes a capa levar
e provar -an -vus, pero que vus pes,
IG*
148 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
da vossa capa e (do) vosso gardacos
20 en cas del rei vus provaremos nos
que an tres anos e passa por tres.
I Par den — 3 hirtades — 6. 7. 13 awo — 14 deue/sa — 16 emädam
uos — 20 emas — 21 trano — /•
Die Anspielung auf die zwei Fleischgerichte, die auf des Ritters
Tische aufgetragen werden durften, betrifft die Verordnung vom
II. April 1258 § 14 {Leges 209). Cf. Randgl. III.
(6.) CV1220.
Pero Martiiz, ora por caridade
vos que vus teedes por sabedor
dizede-mi ^quen e comendador
eno Spital ora da escassidade?
5 QU na franqueza? ou quen no forniz?
QU quen en quanto mal se faz e diz?
Se o sabedes, dizede verdade.
„Pois, don Vaasc\ un pouco m' ascoitade:
Os que mal fazen e dizen son mil;
10 eno forniz 6 [mestre] don Roy Gil;
e Roy Martiiz e [o] na falsidade;
e (e)na {e)scasseza e-o seu prior.
Non vus pod' om' esto partir melhor;
se mais quiserdes, por mais perguntade."
15 Pero Martiiz, mui ben respondestes,
pero sabia-m' eu esto per mi,
ca todos tres eran senhores i,
das comendas comendadores estes;
e partistes-mi-o tan ben que m' e mal.
20 Alais ar quer' ora de vos saber al:
que (mi) digades de quen o aprendestes.
„Vos, don Vaasc\ ora me cometestes
d' outros preitos. Des i ar dig' assi ;
non mi deu algo, pero Ih' o pedi,
25 o priol; e f..i e vos f.. estes
con Roy Gil(es); e mens preitos talhei
con frei Rodrigu' e mentiu-m'os; e sei
per aquest' a sa fazenda d' aquestes."
Pero Martiiz, respondestes tan ben
30 en tod* esto que fuistes i con sen
de trobador; e cuid' eu que leestes.
Vos, don Vaasco, tod' esso m' e ben (?)
ei sis' e sei trobar e leo ben;
jmais que tärdi que mi-o vos entendestes!
I martuz. Die Dichtenden sprachen den Namen bald zweisilbig (l. Ii.
29), bald dreisilbig. — 2 teedes — 5 Aus der Antwort in Z. II entnehme
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. I49
ich, dafs hier falseza stehen müfste. — 6 y«2 — 9 mal — 10 Man könnte
auch Rodrigo statt Roy setzen — 11 m'tiiz — 12 p'ol — 14 quisedes —
15 respondedes — 16 min — 19 epar ustos mho — 26 roygal — 27 men-
tiumuh<^ — 2,0 foystes — 31"? trob. — 32 Der Reim ist nicht in Ordnung.
Die Findas sind überhaupt nicht regelrecht gebaut.
UI.
Vom Mittagbrod hispanischer Könige.
Die zweite Tenzone, als deren bis heute unerkannten Mit-
arbeiter ich Alfons X. betrachte, geht von einem hochstehenden
Beamten aus, der seinen Herrn ohne nähere Bezeichnung mit
Senhor anredet.
Dieser Beamte, der zu fragen anhebt, ist ein gallizischer
Edelmann, von dessen Thaten die Chroniken Alfons' X., seines
Nachfolgers und seines Enkels, mancherlei zu berichten wissen. * Da
ich sein Leben schon anderwärts mit möglichster Genauigkeit er-
zählt habe,- sei hier nur das Wesentlichste erwähnt. Der 1295
durch die Gewaltthat eines politischen Gegners aus dem Weg
geräumte Pay Gomes Charinho hat im J. 1284 unter Sancho IV.,
und vielleicht auch schon unter dem Vorgänger, als Flottenadmiral
Dienste geleistet. Laut Angabe eines seiner Lieder 3 war er bei
der Belagerung von Jaen {1246) mit thätig. Nach Aussage seiner
Grabschrift hat er an der Einnahme von Sevilla (1248) hervor-
ragenden Anteil gehabt. Er ist Verfasser des höfisch mafsvollen,
doch charakteristischen politischen Sirventes, in welchem ein König
von Kastilien und Leon in Tadel und Lob mit dem Ozean ver-
glichen wird, unter Anerkennung seiner grofsartigen Freigebigkeit
sowie seines hohen Sinnes, aber auch unter Betonung seines Wankel-
muts und Jähzorns.^ Damit kann nur der gelehrte hispanische
Dichterkönig gemeint sein.
Und da keiner von seinen Söhnen Poet w'ar, in Z. 9 aber
das Wort rey fällt, aus dem Munde des Antwortenden und mit
deutlicher Bezugnahme auf ihn selbst,^ scheint mir die Urheber-
schaft gesichert.
Doch hören wir das nicht ohne weiteres klare Gedicht.
(7.)
Ua pregunta vus quero fazer,
Senhor, que mi devedes a solver (?).
jPor que veestes jantares comer
que ome nunca de vosso logar
1 Cron. Alf. c. 76. — Croii. Sancho c. 7. — Cron. Fern. c. I.
2 In der Einleitung zum CA Kap. VI Biogr. xxvii.
3 CV 429.
* CA 256.
5 Sonst hätte man in dem Senhor den Kronforderer und Infanten
D. Juan suchen dürfen, in dessen Diensten Charinho stand und von dem
sein Tod gerächt wurde.
150 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
5 comeu? Esto como pode seer?
ca vej' ende os erdeiros queixar.
„P[a]ay Games, quer' eu vus responder
por vos fazer a verdade saber:
iouv'-aqui reys [e] de mayor poder
10 en conquerer e terras guaanhar,
mais non quen ouvesse mayor prazer
de comer, quando Ihi dan bon jantar!"
Senhor, por esto non digu' eu de non
de ben jantardes, ca e gran razon;
15 mai'-lus erdeiros yo/-' an de Leon:
guerreian vosco, porque an pavor
d' aver sob(re) (l)o seu con vosc(o) enten9on
e xe Ihis parar outr' anno peyor.
„P\a\ay Games, assi Deus mi perdon,
20 muy gran temp' ä que non foi en Carrion,
nen mi deron meu jantar en Mon^on;
e por esto non s3o pecador
de comer ben, pois [que] mi-o dan en don,
ca de muy bon jantar ei gran sabor."
(CVU58 = Ind. 1624.)
Ohne erklärende Prosaübersclirift, wie fast alle aus Kastilien stammenden,
der präalfonsiniscben oder alfonsinischen Zeit angehörigen Texte. — Ich habe
mehrfach nachbessern müssen. Im diplomatischen Abdruck des CV steht iu
Z. I hüa — 2 afazer — der Schreiber hat also irrtümlich das Reimwort aus
Z. I wiederholt — 3 noiestes — 5 esto que pode seer, so dafs eine Silbe
fehlt — 7 (u. 19) Pae, so dafs abermals die Zeile zu kurz gerät. Die gute
alte Form Paay findet sich im Index vor No. 145; in der Ueberschrift zu
CB 144 (= 116) und sonst öfters — 8 preuo — 9 c5 q^rer e en tiräs q. —
15 foi\ — 16 quarian — Etwa querianl Dann müfste man die unwahrschein-
liche Lesart annehmen: mai'-lus erdeiros foro de Leon \ qtierian vasco —
18 auf na — 20 gm tera — 21 foi, als I. Sg. statt des später allein üblichen
fui, wie dutzendfach in den mitgeteilten Texten. — carrhau für carrhofi, die
alte Schreibart von Carrion — 11 e p' esto ttö söo p. — 24 bdo, vgl, V 4.
Die Dichter spielen mit dem Worte jantar. Dasselbe bedeutet
bekanntlich aufser dem gewöhnlichen Mittagsessen auch die Ab-
gabe, welche auf der Halbinsel in Friedenszeiten (einmal jährlich,
oder mehrfach, anfangs in Naturalien) für den Unterhalt der Könige
von den Gemeinden und Klöstern gezahlt wurde, wo jene gerade
mit grofsem oder kleinem Gefolge rasteten, ' später aber in Soldos
• Die übliche Erklärung lautet: certa imposigäo de mantimenta para a
casa e pessoa del rey quando hia fazer j'ustiga pelo reyno; oder: para jantar
dos Reys quando väo pellas terras fazer justiga [Elucid. s. v.). — Ueber die
yantares in Spanien vgl. Schäfer, Gesch. Span.W ä,~j\. 514; in Portugal Her-
culano IV 402 — 408; Gama Barros I 342 — 349; Schäfer, Gesch. Port. I 274 u.
I 166; s. auch Elucid. s. v. jantar — colheita — censo — parada — ser-
vi(o — comedura — cotneduria; — J. P. Ribeiro, Diss. Chron. IV 2 p. 124;
Reß. liist. I 58. — Man. Lus. XVI c. 27 {mit Bezug auf die erste Reise des
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. 15I
und Maravedis. Einesteils wird scherzend auf die gesegnete, kurz
vor Abfassung der Tenzone wieder einmal bewährte Efslust des
Königs hingewiesen;! andrenteils auf unberechtigte Einforderung
der yi^w/ör- Abgabe. Bevorberechtete , die unerlaubterweise zur
Leistung herbeigezogen worden waren, hatten dieselbe teils erfüllt,
als grofsmütige Geber [en don), teils sie abgewiesen: in beiden
Fällen aber gemurrt und Beschwerde geführt.
Genannt werden Carrion und Monzon. Da es sich olTenbar
um nahe beisammen gelegene Plätze handelt, die nach einander
vom reisenden Rechtspfleger besucht wurden, denke ich an Carrion
de los Cojides und das in derselben Gegend gelegene Monzon de
Campos, früher gemeinhin Monzon de Palencia genannt.^
Hier mufs ich eine Parenthese machen. Mit meiner Bemer-
kung über Monzon stehe ich in Widerspruch zu C. de Lollis.'^ Die
Klage oder Anklage des dichtenden Königs
71071 mi der 071 77ieu jantar e7i Mong07i
erinnerte den belesenen Hispanisten offenbar an eine hübsche Stelle
aus den angeblichen Memoiren En-Jaime's des Eroberers, worin
derselbe, die Verarmung des Reiches schildernd, unter anderm sagt:
e no hauiem a j dia qitant 710s entra7n en Montfo que 7ne7ijar, si era
la terra destroyda e enpe7iyo7-adaA Darum vermutet er, mit der in
unserer Tenzone genannten Ortschaft sei die aragonesische Festung
gemeint, aus welcher der künftige Eroberer von Valencia noch im
Knabenalter entfloh (12 10). Und dieser Einfall verleitete ihn
weiterhin dazu, da?, Jantar zum bovage umzuwandeln, ^ einer seit 121 1
(und noch 121 7) in Aragon von jedem Ochsengespann und später
auch vom Kleinvieh erhobenen Steuer.6 Als ob nicht auch in
Aragon das jantar Sitte gewesen wäre.' Als ob Jaime mit Carrion
zu thun gehabt hätte! Als ob Charinho an seinem Hofe erschienen
Königs D. Denis durch sein Land , 1 279). Dazu Nova Malta passim ; Esp.
Sagr. passim (z. B. XXI 65. 66. 82). — In Spanien sagte man übrigens la
yantar, wie u. a. aus den weiter unten mitgeteilten Texten erhellt.
1 Einen andern Hinweis auf seine Efslust findet der Leser in einem
Scherzliede Alfons' X. gegen einen Geistlichen, dessen Passions-Predigten ihm
zu lang diinkten (CV 73). Er spricht darin von gutem Salm und Ourenser
Wein. Es beginnt:
Com^ eil em dia de pascoa qiieria ben cotner,
assi queria bon son legeiro de dizer,
pera nieestre Joan!
2 Rod. Toi. VII c. 2.
3 Stud. Fil. Rom. I 37 Anm. Vgl. meine Einwendungen in Randgl. XI.
* En Jacme c. T I .
5 AncJie Payo Gotnes Ctiarrinho (sie) al n. I158 che e una cantiga
d' escarnJio probabilmente occasionata daW imposta straordinaria del bovaggio
(12 17) r kor da questa specie di reclusionc di GiacorTio I alludendo piu speci-
ßca^nente alla miseria che circotidb ü povero re nel recinto di Monzon.
6 Schäfer, Gesch. Span. III 290. — Schmidt, Gesch. Arag. 171 u. 450. —
Fueros de Aragon p. 104.
' Nur führte er im Osten den Namen cena. Vgl. Schäfer 1. c. und
Schmidt 1. c.
152 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
wäre! Als ob der aragonesische Monarch gedichtet hätte! — noch
dazu gallizisch -portugiesisch — und zwar in seiner bedrängten
Jugendzeit! — Da der Zusammenhang, in dem ich meine Auf-
fassung darlege, zur Genüge zeigt, dafs es sich um Alfons X. und
um Monzon de Palencia handelt, • darf ich die Parenthese
schon hier schliefsen.
Dafs und wann der König von Kastilien und Leon die be-
treffende Strecke seines Reiches rechtsprechend durchzog, und
ob er dabei Monzon und Carrion betreten hat, kann ich freilich
nicht dokumentarisch nachweisen. Doch ist es aller Wahrschein-
lichkeit nach geschehen, als er die, nach 15jährigen Erfahrungen
mit dem Espejo de los derechos, drohende Rebellion der mit der
neuen Gesetzgebung gleichmäfsig unzufriedenen leonesischen und
kastilischen Granden und Ritter, die bereits nach Helfershelfern in
Navarra und Granada Umschau hielten, zu beschwichtigen ver-
suchte.2 Von Lerma und Burgos, wo er längere Zeit, zwischen
1270 und 127 1, versveilte, wird er auch den Ritt über den Pisuerga
von Palencia nach Monzon und Carrion und weiter bis zum Esla
in das Herz des Zwillings-Kronreiches hinein unternommen haben,
ob auch die Chronik über diese Einzelnheiten und über den Kampf
um die jantares schweigt.^ Gebucht sind nur die Hauptanklagen,
wie sie 1274 auf den Cortes zu Burgos und dann zu Almagro for-
muliert wurden — in dem Satze gipfelnd, König Alfons achte die
alten Freiheiten nicht: qiie desaforaba a Casiilla e Leon. Privilegien,
die von der uns beschäftigenden Abgabe, befreiten, waren relativ
selten, und konnte die Verletzung derselben nur von einer Mino-
rität empfunden werden. Denn das janiar (ein altes Stückchen
Civilliste) gehörte von Alters her zu den vier Dingen, deren die
Landesherren in Kastilien sich nicht entäufserten : justicia (Gerichts-
barkeit) — fonsadera (Landesverteidigung) — moneda (Münze) —
yaniar (Dynastenverpflegung) 4 — oder doch nur ganz ausnahms-
weise. Wie grofsen Wert sie darauf legten, geht daraus hervor,
dafs selbst bei Schenkungen von Schlössern, Burgen und Villen an
Königs -Frauen und -Kinder sie sich der jantares nicht zu ent-
äufsem pflegten. ^
' In CV 037 ist thatsächlich die Cinca-Stadt gemeint. Vgl. Randgl. XI.
2 Crom'ca c. 20 — 58. — Im Resum6 bei Lafuente I 426. — Eine andere
Reise durch sein Reich, besonders durch Leon, behufs Rechtspflege unter-
nahm er im J. 1277 [Cron. c. 69).
^ Die servicios bilden nebst den dineros einen wesentlichen Teil der
Anklage. Das j'antar trug in Portugal bisweilen diesen Namen; doch handelt
es sich in den span. Texten, wie aus Croji. Alf. X c. 12. 21. 25 imd Cron.
Fern. IV c. 20 erhellt, um Kriegsdienst und Kriegsabgaben.
* Estas quatro cosas son naturales del senorio del Rey qiie non deve
dar a ningun home nin las partir de si que fertenescen a el por razon del
senorio fiatural: justicia moneda fonsadera e sus ^antares. Aus den Orde-
namientos der Cortes von Ndxera (1138) ging dieser Satz in das traditionelle
Gewohnheitsrecht von Kastilien über und blieb bis 1356 gültig. — Fuero
Viejo I I. — Cf. Herc. IV 402; Gama Barros I 81; Schäfer, Gesch. Span. I 166.
5 Im Friedensvertrag von 1206 bedingt sich der König von Kastilien
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. I53
Um solche Ausnahmen leonesischen Ursprungs, die der König
nicht geachtet hatte, mufs es sich bei Charinho natürlich handeln.
Von einer Stadt, der solche Mifsachtung widerfuhr und die sich
dagegen aussprach — ehe die gemeinsame Erhebung der Ge-
schädigten stattfand — und der auch Alfons ausdrücklich versprach,
nach dem Rechten zu sehen, sobald er sie auf seiner Reise be-
träte, hat sich wenigstens Nachricht erhalten. Und zwar handelt
es sich gerade um die Hauptstadt des alten Reiches: Leon.
Otrosi se querellaron los personeros del concejo que el obispo les
tomaba la yantar del rey . . . e desian que el concejo debia haver esta
yantar . . . por donacion de los leyes & amostraron previllejos delrey
D. Alfonso de Leon & del Rey D. Fernando sobre esta rason . . . en que
yasia escripto que eslos Reyes daban al concejo generalmente quanto de-
recho havian en la alfos de Leon . . . e quando el Rey veniese a la tierra
que el obispo lle diese yantar.*
Der von Sevilla aus im J. 1266 und 1269 vom König er-
gehende Bescheid lautet, man solle warten:
fasta que el Rey veniese en la tierra e estonces que el concejo le diria
!a verdad del fecho & que el Rey faria y como seuor lo que por bien
toviese.2
Dafs die leonesischen Freiheiten nicht aufgehoben wurden,
brauche ich hier nicht zu wiederholen. Noch 1293, als die Ge-
meinden sich verbrüderten zur Wahrung ihrer Hoheitsrechte, und
dem König seine vier Naturrechte nicht vorzuenthalten schwuren,
schränkten sie dieselben mit Bezug auf die comestiones ein.
Yantar ali du la solian haver los reys de fuero una vez en el ailo
quando venieren al logar, assi como la daban al rey D. Alfonso de Leon el
bueno, que venciö la batalla de Merida & a so fijo el Rey D.Fernando;
e non a otro ninguno si non al merino mayor una vez en el ano en aquellos
logares du la deben dar de derecho, guardando los previllegios & las cartas
que los concejos han en esta razon.*
von seinem leonesischen Vetter aus, dafs derselbe von den ihm überlassenen
Schlössern keinerlei Dienstleistung zu verlangen habe aufser Aem jantar: sino
que coma en ellos una vegada cada ano [Esp. Sagr. XXXVI Ap. p. 134). —
Als Alfons IX. im J. 1209, wie ich im CA Kap. VI, Biogr. XXXVII erzählt
habe, Ardon, Rueda und Villarpando an seine Gemahlin abtrat, verzichtete
er nicht auf sein ya«/ffr-Recht noch auf die iIiö«(?(fa-Abgabe: excepto quod
retineo in ipsis vülis comestionem moderatatn et meam nionetam sicut
in alio regno meo {Esp. Sagr. XXXVI Ap. p. 147). — • Alfons X. verfuhr
ebenso, als er 1283 der Königin von Portugal, seiner Tochter Beatrix, die
Städte Serpa, Moura, Noudar und Mour2o zusprach {Mon. Lus. XVI c. 27).
1 Esp. Sagr. XXXV Ap. xn p. 434 — eine über altleonesische Rechts-
gebräuche ergiebig unterweisende Urkunde.
2 Ib. 144.
^ Ib. XXXVI Ap. LXxn p. 162: Carta de hermandad que los concejos
del reyno de Leon y de Galicia hicieron en las cortes celebradas en Valla-
dolid, ano de 1293.
154 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
Ob Carrion leonesisches Recht hatte, habe ich nicht feststellen
können. Es ist wahrscheinlich. Wie schwankend die Ostgrenze
lange Zeit blieb, dafs das ftiero de Leon bis zum Pisuerga Gültig-
keit hatte,! und dafs die Supplement-Gesetze der Königin Urraca
(1109) Carrion mitbetrafen, sind wichtige Einzelnheiten.
Damit ist erklärt, wie in der Jantar-Tenzone vom foro de Leon
— in dem schon in Randglosse II berührten, weiteren Sinne —
die Rede sein durfte.
Die zweimalige Erwähnung von erdeiros als solchen, die durch
des Königs Ansprüche oder durch seine neue Gesetzgebung be-
einträchtigt w'aren, könnte verleiten an Unterkunft l^pousadd) in einer
der grofsen Kloster -Herbergen zu denken, wie sie gewöhnlich
nebst dem König nur den Stiftern und ihren Nachkommen — den
padroeiros, erdeiros oder naturaes — zukam.2 Natürlich veranlafste
die Verpflichtung zu derlei janiares sowohl ungesetzliche Forde-
rungen, als auch Klagen, Streitigkeiten und Mifsbräuche ver-
schiedenster Art. Alle möglichen Bastarde und Agnaten verlangten
\\\x janiar. Die Berechtigten stellten sich häufiger ein, als es sich
gebührte; brachten Gesellschaft mit, sogar weibliche; dazu grofsen
Dienertrofs mit Pferden, Falken, Hunden, und verlangten auserlesene
Speisen. Es gab Klöster — in Portugal, das ich jetzt mit in Be-
tracht ziehe — die jährlich für mehr als 300 Diners zu sorgen
hatten. Darauf bezügliche Verordnungen Alfons' III. vom J. I26i3
stellen unter anderm fest, dafs in sämtlichen Cisterzienser- Abteien
Portugals der König allein und sonst niemand in seiner Eigenschaft
als padroeiro und herdeiro zu bewirten sei.^ Auch in diesem Falle
werden andre mir unzugängliche hispanische und aragonesische
Parallelstücke als Vorbilder gedient haben.
Originell und individuell scheint mir hingegen die kernige
Verfügung einer biderben Klostergründerin aus der Provinz Enlre-
Doiro-e-Minho, die an solch frevlem Gebahren Anstofs nahm. In
ihrem Testament bestimmt (1268) D. Chamoa Gomes:-^ „Verlangt
Eine oder Einer meiner Sippe als Erbberechtigter Unterkunft in
diesem Kloster — im reizenden fruchtbaren Entr -ambd -los rios — ,
so gebe man ihm einen Spaten in die Hand, ihr aber Wolle nebst
* Luc. Tud. in Schott IV 89: Dedit ei bonos foros et mores qiios debet
habere tarn civitas quam totum legionense regnum a flumine Pisuerga iisque
ad extremam Gallcecice partein in perpetuuni.
2 Ueber erdeiros unterrichtet Gama Barros I 342^ — 9; Herc. III 93; Elucid.
s. V. casamento — defensor — igreja — natural — herdeiro. — Schäfer,
Gesch. Port. I 166. — Ein Unterschied zwischen naturaes und erdeiros be-
steht nicht, trotz gegenteiliger Behauptung.
8 P. M. H.: Leges 198—210.
* Iteyn manda nosso senhor ElRey que os inosteiros de (^istel do seu
rreino seiarn enparados e nen/iuum nom pouse en eles come padrom ?iem
herdeiro, e nenhuum nom seia padrom desses mosteiros nem herdeiro senom
ElRey (Leges 209).
^ Chdmoa <C Flammula {Llatnbra Lambra).
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. I55
Rocken und Spindel; dazu ein Stück Brod, und Wasser so viel sie
trinken wollen." ^
Doch zurück zu den Dekreten Alfons' III. Sie enthielten u. a.
genaue Angaben über das Menü, aus dem das obligate Kloster-
Jantar der Erdeiros zu bestehen habe; und ferner über diejenigen
Speisen, welche Ricos-homes und Inj mildes ihren Rittern, Knappen
und Mannen zu bieten verpflichtet waren.'- Nimmt man dazu, was
über des Königs eigenen Tisch bemerkt wird, so sehen die portu-
giesischen Mafsnahmen wie ein Nachklang derer aus, die im Nach-
barlande 1258 von den Cortes zu Valladolid ergingen. Einsicht
in die bezüglichen Texte notgedrungen für später aufsparend, sei
nur verzeichnet was ein Vulgarisator dazu bemerkt, weil es der
Efslust des Monarchen zur Folie dienen kann:
En las [cortes] de Valladolid se Uegö a poner tasa a los gastos de la
casa real, se asignö para comer al rey y a la reina 150 maravedis diarios
y se previno que mandase a los que se sentaban a su mesa que comiesen
mas mesuradamiente y que no ficiesen tanta costa como facian.^
Die Jantar-Abgabe wurde natürlich sehr verschieden berechnet.*
Alfons IX. giebt in dem Friedenspakt von 1206 den von den ab-
getretenen Schlössern zu leistenden Betrag genau an — Valderas
z. B. zahlte 60 Maravedis.^ Beim Regierungsantritt Ferdinands IV.
(1295) erkannten ihm die kastilischen und leonesischen Gemeinden
je 30 Maravedis jährlich zu. 6 Dem rebellischen Thronforderer und
Infanten D.Juan, zu dessen Partei unser Charinho gehörte, wurden
noch in demselben Jahre die Eiawohner von Palencia abtrünnig,
weil er 5000 — 6000 Maravedis von ihnen verlangte." — Die Un-
kosten in den portug. Klöstern wurden für jeden Adligen nur auf
2 — 10 Maravedis geschätzt.^ — Wenn der Merino im Namen des
Königs als Rechtspfleger reiste, hatte er in Ciudad Rodrigo, und
1 J. P. Ribeiro, Refl. Hist. I 57.
* S. unten.
^ Lafuente I 467. — D. Jaime hatte für seine Staaten schon 1234 zu
Tarragona Verordnungen über den gleichen Gegenstand erlassen.
^ Im portug. Staatsarchiv soll es ein Buch mit Preisbestimmungen für
die von den verschiedenen Städten, Orden und Klöstern zu liefernden Königs-
Jantares geben.
5 Esp. Sagr. XXXVI Ap. 147.
« Esf. Sagr. XXXVI Ap. 162.
' Cron. Fern. c. I: en las cortes de Valladolid fuera ordenado per todos
los de la tierra que fion diesen al Rey por su yantar en cada vüla mas de
30 maravedis de la buena tnoneda que era estonces [que corria cada maravedi
l%0 7naravedis) e que el infante don Juan tomaba agora por yantar en cada
villa cinco 0 seis mill maravedis e que asi lo avia fecho en cada lugar do
fuera e que bien cuidaba que asi lo faria e lo demandaria agora en Palencia
cuando y llegase. — Cf. Benavides, Memorias de D. Fernando IV, II p. 3 u. 7,
wo aufser der Carla de hermandad de los concejos de Leon y Galicia die
Carta de Herrn, de los C. de Castilla abgedruckt ist.
^ Leges 209.
156 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
hatten die mitbeschäftigten Alcalden (im J. 1209) je eine Henne
oder ein halbes Zicklein und dazu Brot und Wein zu fordern.i
Da es nicht meine Absicht ist, einen kulturhistorischen Aufsatz
abzurunden, sondern nur die zum Verständnis unserer Tenzone
nötigen Aufklärungen zu bieten, breche ich hiermit ab.
An Spottgedichten auf Jau/ares im gewöhnlichen Sinne — wenn
auch das Juridische mit hineinklingt, da es sich um offizielle
Leistungen des pendäo e caldeira führenden Nobile handelt — giebt
es ein reichliches Dutzend.- Knauserige Ricos-homes und Infanrdes,
welche ihren Mannen und gelegentlich auch den gastierenden Trou-
badours und Spielleuten schlechte Herberge und ein karges INIittags-
mahl vorsetzten, besonders an Fasttagen (die sich im ganzen auch
damals keiner übermäfsigen Beliebtheit erfreut zu haben scheinen);
— oder die gar einen solchen wandernden Cercalmon, wenn
er zur Essenszeit an den Thorweg klopfte, mit Hunden hetzen
liefsen,3 werden weidlich durchgehechelt. Einmal sehen wir in ent-
gegengesetzter Art die undankbaren Gäste selbst aufs Korn ge-
nommen,-* denen keine Gastfreundschaft gut genug ist, und die
sich, wenn überhaupt, so nur der Mutter Gottes und Sanct- Julian,
dem Schutzpatron der Hospitaliter, verpflichtet glauben, wenn es
ihnen auf Reisen in unwirtsamen Länderstrichen wohl ergeht. Eine
Anspielung auf ein portug. Dekret über das Jantar der Riros-homes,
in der Satire des lustigen Guilhade, die ich als Anhang zur
vorigen Glosse mitteilte, kennt der Leser bereits. Als solche fasse
ich wenigstens die Drohung auf:
E provar-vus-ä das carnes quenquer
que duas carnes vus mandan comer
e non queredes vos d' ua cozer.^
Ist nun der Paragraph selbst auch nicht erhalten, so kann man
schliefsen, wie ungefähr er gelautet haben mufs, wenn man in der
königl. Palast -Ordnung liest:
Enna cozinha delRey nom adubem senom de duas carnes e a huma
seja de duas guisas . . . Em no dia do pescado para o jantar de tres
pescados, oii de dous; e huum pescado seja adubado de duas guisas.®
^ Leges 890.
2 CV 1001. 1002. 1027. 1029. 1046. 1047. 1084. 1103. U63. UÖÖ.
1167. U68. U70. 1171. U77.
^ CV 994 von Ruy Queimado; und ib. 1002 von Gon9ar Eannes
do VinhaL
* CVIOOI.
5 CV U03.
6 Leges 199 § 14. Natürlich betraf die Verordnung nicht des Königs
eigene Tafel. — In § 16 heifst es Em na cozinha dElRey de seit corpo adubem
■j>ara seu corpo como el mandar. — Von einer Mahlzeit Alfons' III. erfahren
wir, dafs es an Brot, Wein, Kapaun, mariniertem Lendenbraten und jungem
Zicklein nicht gefehlt hatte (CV 1084).
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. I57
Und dem entsprechend in den Erlassen über die Klöster:
que non comham no dia da caine se nom duas carnes, e huma carne seia
adubada de duas guisas; e em aquel dia que as comerem nom comham
pescado .... E sem[elh]auilmente no dia do pescado comham de tres
pescados ou de dous, e huum seia adubado de duas guisas; e com estes
pescados comham truytas e bogas ou solho, irze (etc.).^
Auch auf dem Gebiete der Jantar-Satyre scheint übrigens der
kastilische Rei-Trovador — oder sagen wir lieber ein peninsularer
Rei-Trovador, da es noch unentschieden ist, ob Alfons X. oder
sein Grofsvater, der Leonese, Verfasser der Liedergruppe CB 456
— 466 ist — seinen Höflingen und Söldnern mit tonangebendem
Beispiel vorangegangen zu sein. Wie er lachend in gewandten
Reimen einem seiner Magnaten nachsagt, derselbe habe als einzigen
kulinarischen Genufs einen gekochten halben Hammelschwanz auf-
tragen lassen:
Direi - vus d' un ricome
com' aprendi que come!
Mandou cozer o vil ome
meio rabo de carneiro :
assi com' o cavaleiro !
das kann der Leser, falls es ihn interessiert, in Randglosse I nach-
schlagen.2 Statt das Lied zu wiederholen, biete ich ihm die übrigen
Speiselieder.
Freilich, selbst die königlichen spöttischen Gelegenheitsverse
waren unter der südlichen Sonne nichts Neues. Einer der schmäh-
süchtigsten und brutalsten Troubadours provenzalischer Zunge, der
Held zahlreicher Skandal- und Schurken -Anekdoten ,3 der mehr als
abenteuerliche Katalane Guilhem von Bergadan oder Bergue-
dan, der gegen Ende des I2. Jhs. am Hofe Alfons' VIII. wie auch
im Palast zu Leon Gastrollen gegeben, hatte einst ein ähnliches Thema
angeschlagen."* Ob er ein Heft mit Schmähliedern eigner und
fremder Komposition zurückliefs (untermischt mit den erotischen
Gedichten des Grafen Wilhelm von Poitou), ähnlich demjenigen,
welches Alfons X. in den Händen des Dechanten von Cadiz wufste?^
Ob aus diesen der gelehrte Beschützer aller realistischen Lieder-
dichter den Anstofs zu seinen unflätigen Cantigas de escarnh' e
maldizer empfangen haben mag? Jedenfalls steht der provenzalische
Verfasser der Schmähreime auf einen filzigen Edelmann,^ was Sinnes-
» Leges 199 § 15. — In CV 1027. 1029. 1166 hören wir von truytäs,
pescados, peixotas, salmon, linguado, fancca.
» Ztschr. XX 165.
3 Eine der Cento novelle antiche beschäftigt sich bekanntlich mit ihm.
* S. über ihn Milä, Trovadores 284 — 322; Bartsch im Jahrbuch VI
231 — 288 u. VIII 126. — Seine Lieder veröffentlichte A. v. Keller schon 1849.
5 CV 63.
ö Milä p. 317 No. 19. — Keller No. 11. — Es beginnt:
Eu non cuidaba chantar,
quar rason non avia,
mas Arnautz del Viglar
158 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
art, Lebensführung, volksmäfsige Sprache, die metrische Gestaltung
seiner Lieder,^ das Schmähen von Personen, unverfrorene Be-
nutzung niedriger Worte, sowie dunkle Anspielungen auf heimische
Gebräuche und Unsitten betrifrt,^ den gallizisch- portugiesischen
Dichtern so nahe wie wenige andre Troubadours.
Doch das gehört in ein andres Kapitel.
Liederanhang.
(8.) CVIOOI.
Gon9al' Eannes do Vinhal.
En gran coita andamos coa el rey
per esta cerra u con el andamos,
se non fosse que quis Deus que achamos
infan95es — quaes vus eu direy —
5 que entran nosqu' en dSas cada dia
e jantan e cean a gran perfia
e burlhan corte cada u chegamos.
Taes, par Deus, infan95es non sey
e todos nos d' eles maravilhamos ;
10 e pero os infan95es chamamos,
vedes, amigos, tanto vos direy:
eu per infan95es non os terria,
mais son-x', a gra9a de sancta Maria
e san Juyäo con que albergamos.
15 E sempre por sa vida rogarey,
e dereit' e que todo'-lo fa9amos,
pois d' eles todos tant' amor filhamos
en sa terra — quanto vos eu direy:
qualquer d' eles nos fez quanto devia,
20 mais tant' e grande a nossa folia
que nulhas gra9as Ihis ende non damos.
I andaram^ — 5 döas — 6 ceam — 8 baruas infanzöes coes. Oder
bedeutet es vielleicht: Näo conhego Infafigoes que sejam taes barvas d.i. que^
sejam homens täo honrados} — 9 etod'^ uo — IG. il. atnigus — 15 E stemp
des — 16 fazamQ — 17 cätamor — 18 tira — 20 qnda
m' en a mes en la via
c' audi 1' autrier clamar
de mon sogre ab la corona
qu' el no '1 det a 1' ora nona
del peis, e fe 1' amaguar!
' Bei ihm findet sich z. B. Bezugnahme auf den hispanischen Glauben
an Vogelschau, der im gallizisch - portugiesischen Liederbuch einen so breiten
Raum einnimmt.
2 Alfons' X. hurtiges Kriegslied O geriete Pois remete 0 alfaraz cor-
redor (CV 74), wonach das Leonoreta-\Ä&di des Lobeira gemodelt ist, hat
sein metrisches Vorbild im 24. Liede des Guühem von Bergadan: Un trichaire
Preste laire Vol que chan pus suy chantaire. Vgl. Rajidgl. VI.
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. I59
(9.) CV1002.
Von demselben.
Non levava un dinheiro (?)
ogan' u oüvi-a passar
per Campos, e quix pousar
en casa d' un cavaleiro
5 que se ten por infan^on,
e soltou-mi-un can enton
e mordeu-mi-o seendeiro.
Por meu mal enton senlheiro
oüvi ali a chegar
10 — que non chegass'! — a logar
u atal fais [cava]leiro,
ca el se fosse 9aton (?)
non fora ao vergalhon
roso (?) do meu seendeiro.
15 Non vistes peyor parado
albergue do que achey
enton quand' a el cheguey;
nen vistes mais estirado
ome ca fuy d' un mastin,
20 e fez-mi tal o rocin
que semelhava lobado.
Non fuy eu ben acordado,
poi'-lo da porta catey
dentro: porque o chamey,
25 pos-mi-o gran can enri9ado
que nunc' a [morder] fez fin
ata que [el] fez en min
quäl fez no rocin lobado.
I 7ien Julheyro — 2 ogane hu o ui pafsar — 9 ouualy a eh. — II fais
leyro — 12 (;atc>. Vielleicht santon} — 17 ele — 25 enrricado. Zu enrizar
= „hetzen" von '^irritiare statt irritarel (cf. astur, enridar) vgl. Fuero Juzgo
VIII 4. 19. — 28 lobado ,,vom Wolf in Angst versetzt".
(10.) CV1027.
Roy Paes de Ribela.
Veend' un ricome cen truitas
6n compra duas por muitas . .
e coz' end' a üa.
Por quanto xi quer, apenas
5 compra 6n duas pequenas . .
e coz' end' a Oa!
l60 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
Venden ccn truitas vivas
e compra in duas cativas
e coz' end' a üa!
I Ven hü r. dastruytas — 2 que — 4 ebenas — 7 cruytas
(11.) CV1029.
Joao Servando.
Comeron infan^öes | en outro dia
apartados na feira | de sancta Maria,
e deron-lhi linguados | por melhoria
que nunca vi tan bSos | desque naci.
5 Eu con OS apartados | fui enton i
apartado da vida, | e non comi.
Direi-vus como foron | i apartados:
deron-lhis das fanegas | e dos pescados
atanto per que foron | rauy lazerados,
10 que des quando foi nado, | nunca chus vi.
Eu con OS apartados ] fui enton i
apartado da vida, | e non comi.
Apartaron-se d'eles | por comer ben,
melhor que conierian | en almazen,
15 e pois quando ao erger, | non podian 6n,
tirar mui ben as | pernas arcassy (?)
Eu con os apartados ) fui enton i
apartado da vida [ e non comi.
I infangdes — 3 por nu Ihoria — 4 pontos — 6 dauida — Etwa
d^ aj'uda} Oder da vital Ich verstehe den Gedanken nicht. — 8 dis —
e dos pafcados. Ob wir dez fanegas e dous pescados zu setzen haben? —
II cd uos — entahy — 1 5 OJ erger — l"] eu com co arar tados
(12.) CV1046.
Roy Paes de Ribela.
Preguntad' un ricome
mui rico que mal come,
porque o faz?
El de fam' e de sede
5 mata ome; ben (o) sabede,
porque o faz.
Mal com' e faz nemiga!
Dizede-lhi que diga
porque o faz.
(13.) CV1047.
Roy Paes de Ribela.
Un ricomaz, un ricomaz
que de maos jantares faz!
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERRUCH. l6l
Quanta carne manda a cozer,
quand' ome vay pola veer,
5 se s' ante muito non erger,
sol non pode veer u jaz!
Un ricomaz, un ricomaz
que de maos jantares faz!
Quen vee quäl cozinha ten
10 de carne, se s' i non deten,
non poderä estimar ben
se x' est carne, se [e] pescaz!
Un ricomaz, un ricomaz
que de maos jantares faz!
5 merger
(14.) CV1084.
Ayras Peres Vuiturom.
Don (E)stevan, eu eyri comi
en cas del rey — nunca vistes melhor —
e cantarei vo'-lo jantar aqui
c' acha ome de falar i sabor:
5 non viron nunca ja outro tal pan
os vossos olhos, nen ar veeran
outro tal vinho quäl eu i bevi.
Nen vistes nunca, se Dens mi perdon
melhor jantar, e contar vo'-lo ei:
10 d dez anos que non vistes capon
quäl eu i ouve, non vistes, ben sei
melhor cabrito, nen vistes atal
lombo de vinh' e d'alhos e de sal
quäl i a mi deu un de criazon.
15 Nen vistes nunca nulh' ome comer
com eu comi, nen vistes tal jantar,
nen vistes mais vi^os' ome seer
do que eu sevi en nenhun logar,
ca a min non minguava nulha ren,
20 e mais vi^os' ome de comer ben
non vistes, nen avedes de veer.
I estauam — 4 caxa — 6 uosfus — 7 a quäl — 91? cötaruo'{l)e_y —
14 ^ /ki natni deu hi hü de criazon — 20 uyzosome
Der Spott gilt der Kurzsichtigkeit des D. Estevam, und nicht
dem Essen an Königs Tisch.
(15.) CVU63.
Pero da Ponte.
Un dia foi cavalgar
de Burgos contra Carrion
Zeitschr. t rom. Phil. XXV. 1 1
162 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
e saiu-m' a convidar
no caminh' un infan9on,
5 e tanto me convidou
que oüvi logo a jantar
con el, mal que mi pesou.
U m' eu de Burgos parti
log' a Deus m' encomendei,
10 e log' a el proug' assi
que un infan9on achei,
e tanto me convidou
que oüvi-a jantar logu' i.
com el, mal que mi pesou.
15 E se eu de corazon
roguei Deus, baratei ben,
ca en pouca de sazon
äque-m' un infanzon ven,
e tanto me convidou
20 que oüvi-a jantar enton
con el, mal que mi pesou.
E nunca (ja) assi comerei
com' enton con el comi,
mais u eu con el topei
25 quisera-m' ir e el i
atauto me convidou
que sen raeu grado jantei
con el, mal que mi pesou.
3 7ne cotiuydal — 7 conele — 11 infancon
(16.) CVU66.
Noutro dia en Carrion
queria[n] im salmon vender,
e chegou i un infanzon;
e tanto que o foy veer,
5 creceu-lhi d' el tal corazon
que diss' a un seu om' enton:
,,Peix ora quer oj' eu comer,
Ca muit' ä ja que non comi
salmon que sempre desejei;
10 mais pois que o ach' or(a) aqui
ja custa non recearei
que oj' eu non cömia, de pran,
ben da peixota e do pan,
ca muit' ä que ben non ceei.
15 Ca pois aqui salmon achei,
querrei oj' eu mui ben cear,
ca non sei u mi-o acharei
RANDGLOSSEN ZUM ALTPOKT. LIEDERBUCH. 163
des que me fcr d' este logar;
e do salmon que ora vi,
20 ante que x' o leven d' ali,
vay - m' Qa peixota comprar.
Non quer' eu custa recear,
pois salmon fresc(o) acho siquer (?),
mais quer(o) ir ben d'el assOar
25 e enviar a mia molher
— que morre por el outrossi —
da balea que vej' aqui,
e depois quite quen poder!
I cairhon für carrhon. Das Versmafs verlangt: En outro dia —
12 comha — I4 ceei — 16 cear — 20 ieiie — 21 müha — copr'' —
23 sitiher — 25 /'' — 28 quitar dehdas = Schulden bezahlen.
Als Lachsverkäufer haben wir den gallizischen Dichter nicht
zu betrachten. Daher die Konjektur quen'an in Z. 2.
(17.) CVU67.
D' un tal ricome vus quero contar
que noutro dia a Segövia chegou
de como foi a vila a refe9är,
pois o riconae na vila entrou ;
5 ca o manjar que antes davan i
por dez soldos ou por maravedi,
logu' esse dia eine soldos tornou.
Ricome foi que vus Dens enviou
que vus non quis assi desamparar,
IG que vus a vila assi refezou
poi'-lo ricome veo no logar;
ca nunea eu tan gran miragre vi
polo azougue refe^ar assi
mentr' o ricome mandava comprar.
15 E a Dens devemos gra9as a dar
d' este ricome que vus presentou,
de mais en ano que era tan car'
com' este foi que ogano passou;
ca pois este ricom' entrou aqui,
20 nunca maa careza entrou i
mentr' o ricome na corte morou.
7 gine saldo eor noh — cinco würde die Zeile um eine Silbe zu lang
machen. Die übliche alte Form war cinque. Vgl. duc — 10 qno —
13 azougme — 14 mandara — 9/1 r' — \^ Ca des — 17 ^ä caro im Reim
zu dar
Offenbar ein herber Spott auf einen Machthaber, der für die
Speisen, auf deren Ankauf er ein Recht hatte, zu wenig bezahlte.
II*
164 CAROLINA MICHAELIS UE VASCONCELLOS,
(18.) CV1168.
Quen a sesta quiser dormir
conselhä-lo-ei a razon:
tanto que jante, pense d' ir
ä cozinha do infanzon.
5 E tal cozinha Ih' achara,
que tan fria casa non ä
na oste de quantas i son!
Ainda vus eu mais direi:
eu que un dia i dormi
10 tan b5a sesta non levei
des aquel dia 'n que naci
como dormir en tal logar
u nunca Deus quis mosca dar!
E a mais fria ren que vi!
15 E vedes que ben se guisou
de fria cozinha teer
o infanzon, ca non mandou
des ogan' i fog' acender.
E se vioho gäar d' alguen,
20 ali Ih' o esfriaran ben
se o frio quiser bever!
4 conzinhado — 1 0 festa — 1 4 ena — 1 6 teer — 1 9 gäar
20 effriarä
Satire auf die kalte Küche eines geizigen Junkers.
(19.) CVU70.
Sueir' Eanes, este trobador,
foi per jantar a cas d' un infanzon
e jautou mal, mais el vingou s' enton
que ar ajan os outros d' el pavor,
5 e non quis el a vendita tardar:
entanto que se partiu do jantar,
trobou-lhi mal, nunca vistes peior!
Eno mundo non sei eu trobador
de que s' ome mais devess' a temer
10 de X* el mui maas tres cobras fazer,
ou quatro, a quen Ihi maa barva for.
Ca desque vo'-lh' el cae na razon,
maas tres cobras ou quatr' e o son
de as fazer muit' e el sabedor !
15 E por esto non sei no mundo tal
ome que Ih' a el devess' a dizer
de non, por Ihi dar mui ben seu aver,
c'a Sueir' Eanes nunca Ihi fal
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. 165
razon, des que el despagado vay,
20 en que Ihi trob' atan mal e tan lay
por que o outro sempre Ihi quer mal.
4 aia mos — 9 deuafse — 16 deuafsadizer — 18 suereanes — desgu'e
Satire auf ein Mittagsessen, mehr aber noch auf die schlechten
Verse des Sueir' Eannes. Vgl. CV 1117. 1179. 1184.
(20.) CV U71.
Quand' eu d' Olide sai
preguntei por Ayvar
e disse-mi log' assi
aquel que foy pregimtar:
5 „senhor, vos creed' a mi,
que o sei mui ben contar :
Eu vus conto quant' ä
d' aqui a cas don Xemeno-
un dia mui grand' ä i , .
10 e un jantar mui pequeno,
Disse-mi u (nie) d' el parti:
„quero-vus ben conselhar;
a Jornada que d' aqui
vus oy queredes filhar,
15 serä grande, pois des i
cras non ^ ren o jantar:
por en vus conto quant' a
d' aqui a cas don Xemeno:
un dia mui grand' a i . .
20 e un jantar mui pequeno.
I dolide — 7 Wohl qiianto d}
Wie ich die navarresischen Ortschaften Oliie, Ayvar und Don
Xemeno in Zusammenhang mit einander bringe, habe ich im CA
Kap. VI in der Biogr. XXXV des Pero da Ponte mitgeteilt. Hier
genügt es zu verzeichnen, dafs Don Xemeno de Ayvar zu den
Navarresen gehörte, die mit König Sancho am Siege von Tolosa
1 2 1 2 teilnahmen.
(21.) CV1177.
En almoeda vi estar
a un ricom' e diss' assi:
„quen quer un ricome comprar.'"'
E nunca i comprador vi
5 que o quisesse, nen en don,
ca dizian todos que non
darian un soldo por si.
l66 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
E d' este ricome quenquer
vus pod' a verdade dizer.
10 Pois non apres nenhun mester,
^quen querrä i o seu perder?
ca el non faz nenhun lavor
de que nulh' om' aja sabor,
nen sab' adubar de comer.
15 E u foron polo vender
preguntaron-no en gran sen:
„^ricom, que sabedes fazer?"
e o ricome disse: „ren!
non amo custa nen misson,
20 mais compro müi de cora9on
erdade, se mi-a vend' alguen."
E pois el diss' esta razon
non oiivi molher nen baron
que por el dar quisesse ren!
2 ouin — 12 cal el — 1 7 ricome — Vielleicht : ricome, que sabes fazer P
(22.) CB 1503.
Joao de Guilhade.
Vi eu estar noutro dia
infan^öes con un ricome
posfa^ando de quen mal come,
e dix' eu que os ouvia:
5 Gada casa favas lavan!
Posfa9avan d' un escasso,
foy-os eu ascuitando;
eles foron posfa9ando
e dixi-m' eu pass' e passo:
10 Gada casa favas lavan!
Posfa^avan d' encolheito
e de vil e de spantoso
e en sa terra lixoso,
e dix' eu enton dereito:
Gada casa favas lavan!
3 u. 8 posfagädo. Das Metrum zwingt uns posfagand' a quen mal come
zu lesen und in Z. 7 ^ eu os foy ascuitando zu vermuten — 9 pasJen pasfo
— II posfacauä — 1 3 tirä. — 14 dizeu
Das Sprichwort bedeutet so viel wie: cd e M mds fadas ha —
und soll besagen, dafs es im Hause der JSIaldizentes, was den Tisch
betrifft, nicht besser bestellt war als anderwärts. Vielleicht liegt
\n favas auch noch ein direkter Hinweis auf spärliche Kost: Alle
Tage Saubohnen? — Ob man meu passo e passo noch im Be-
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. IÖ7
wufstsein der substantivischen Natur von passo gesagt hat? Sonst
kommt im Liederbuch an ähnlichen Formen nur potiqu e pouco und
mans' e ?nanso vor.
(23,) CB 1552 (= 425).
N u n e s.
Un infan^on mi-ä convidado
que seja seu jantar loado
par mi; mais (eu) non-no ei guisado
e direi-vus por que mi aven:
5 ca ja des antan' ei jurado
que nunca diga de mal ben.
Diss' el: „poi'-lo jantar foi dado,
load' äste jantar onrado."
Dix' eu: „faria-o de grado;
10 mais jurei antan' en Jaen
na oste quando fuy cnizado
que nunca diga de mal ben!
CB I Nun Infanc'on 7nha couiäado — 2 doado — 8 onirado — 10 Die
übliche alte Form ist Geen.
Ob Ayras Nunes der Verfasser ist?
IV. Pennaveira.
Das dritte Streitgedicht, mit dem ich mich beschäftigt habe,
lautet:
(24.)
Ua pregunta queir' a el rey fazer
que se sol ben e aposto vistir:
^•porque foi el pena veira trager?
Veer-lh'-an bon pan' e queremos riir,
5 — eu e Gon9alo Martüz, que e
ome muit' aposto, per böa fe —
e ar quere' -lo-emos en cousir.
„Garcia Perez, vos ben cousecer
podedes: nunca, de pran, foi falir
10 en querer eu pena veira trager
velha eu Corte, nen-na sol cobrir(?);
pero de tanto ben a salvarei:
nunca me d' ela en corte paguei,
mais estas guerras nos fazen bulir."
15 Senhor, mui ben me vus fostes salvar
de pena veira que trager -vus vi;
e pois de vos a queredes deitar,
se me creverdes, faredes assi:
l68 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
Mandade logu' est, e non aja i al!
20 deitade-a logu' en un muradal,
ca peyor pena nunca d' esta vi.
„Garem Perez, non sabedes dar
bon conselho — per quanto vus oi —
pois que me vos conselhades deitar
25 en tal logar esta pena; s' assi
o fezesse, faria mui[to] mal;
e muito tenh' ora que me mais val
o dä'-la eu a un coteif aqui. /qb 435 __ 357.)
1 HTia preguntar gtr — 3 pegna — 4 Ich lasse veer und rür stehen.
Es bleibt dem Leser überlassen, welche von beiden Formen er kontrahieren
will — 5 goncalo nlrtjz — () falqidr — \0 en querer en — 14 oftas —
20 Data loguen hun — 21 peyior — 24 con fofhades — 25 Eutal logar esta
peqna cajfi — 26 offezeffe faria ■tntii mal — 27 ^ inuj m9 ual — 28 Endata
Ein König, der sich schmuck und gut zu kleiden pflegt, hat
ein minderwertiges, mit Buntwerk besetztes oder gefüttertes Gewand
getragen, wird darob lachend angegriffen, entschuldigt sich damit,
nicht bei Hofe, sondern im Kriege habe er den alten schlechten
Pelz angelegt, hört, obwohl der Angreifer seine Verteidigung gelten
läfst, die Aufforderung, denselben sofort auf den Kehrichthaufen
an der nächsten Mauer zu werfen, erklärt das für einen schlechten
Ratschlag und zieht vor, das abgetragene Stück einem seiner
Troupiers zu schenken.
Textkritisch bietet diese vierte Königstenzone keine sonder-
lichen Schwierigkeiten. Nur das Reimwort von Z. g, an das ich
rühren mufste, bleibt fraglich, und unverständlich der Schlufs
von Z. II. 1 Daran, dafs wir in Z. 3 und 25 pena zu lesen haben,
ist nicht zu zweifeln, da pequena weder in den Zehnsilbner pafst,
noch die zwei Adjektive ohne Substantiv einen Sinn geben, veira
als Hauptwort aber im Portugiesischen nicht nachzuweisen ist.-
^ Ob cobrir alg. c. gleichwie cobrir-se de alg. c. bedeuten kann: ,,sich
einer Sache als Decke bedienen , sich mit einer Sache bedecken" ? Dann
hätten wir zu verstehen: „ich habe nimmer den Fehler begangen, Bunt-
werk bei Hofe als Kleid zu tragen, und nicht einmal, solches als Decke oder
Hülle zu gebrauchen", nunca fui falir e?i trager pena veira na cörte, nen
sol (= nein tampouco) en {n)a cobrir P — In einem Spottgedicht Alfons' X.
(CV 66), das sich um einen diebischen Pilger dreht, tritt cobrir dreimal als
Reimwort auf — möglicherweise gleichfalls mit Bezug auf Pelzwerk {gris).
Doch ist die Bedeutung von Gris nicht sicher. Vielleicht ist Gris oder
Agris der Name des Bestohlenen:
dagris furtaran que por en
non Ihi leixaran que possa cobrir,
und
e sol non caialn] conio gris jjoh ten
\_Jol\ nunca cousa de que se cobrir.
Oder bedeutet Z. 11: ,,und nicht einmal Buntwerk zu bedecken — d.h. es
versteckt und bedeckt als Unterfutter zu verwerten"?
2 Ueber die Entwicklung von varius und variare im Portug. spreche
ich in Randgl. XVI, aus Anlafs der Olhos verdes, wie schon gesagt ward.
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. 169
Und pena veira steht ja unverfälscht in Z. 10 und 16, uns den
Weg weisend.
Sachlich staunt man im ersten Augenblick darüber, dafs diese
Pelzsorte, die man gewohnt ist in Schilderungen und Verordnungen
als kostbaren Luxusstoff in einem Atem mit Zindel, Brocat, Schar-
lach, Sammet genannt zu sehen, 1 von einem Troubadour so ver-
ächtlich behandelt wird, als sei sie nicht gut genug für seinen
Herrscher. Man mufs sich erst darauf besinnen, dafs wir am
glänzenden, mit des Orients Kostbarkeiten prunkenden Hofe eines
peninsularen Fürsten weilen, und dafs auch der Teilnehmer an
unserer Scherz-Tenzone kein auf Lohnung durch buntes Tuch be-
dachter Spielmann oder Berufsdichter, sondern ein fürnehmer Herr
sein mufs — wie aus dem Gegenstand und der besonnenen Rede-
weise, mehr aber noch aus der Fassung der königlichen Entgeg-
nung hervorgeht. Drittens und hauptsächlich dreht sich der Disput
um einen alten verbrauchten Pelz, nicht um pena veira an sich,
wenn wir auch in der Angriffsstrophe die betreffende Angabe ver-
missen.
Darüber dafs im Süden im 13. Jh. und heute wiederum nicht
blofs zur Winterzeit, sondern selbst für Sommertrachten Pelzwerk
aufserordentlich gesucht war 2 — man unterschied Saisonpelz: penna
de sazon und penna de veräo',"^ was sich von dem alten Brauch im
nationalen Hirtenleben erhalten hat {(amarro, gafdes nebst garräo
oder ziirräo); welche heimischen und welche ausländischen Sorten
hier Verwendung fanden ;i wie für die zarteren kostbareren Gattungen
die aus der Provence übernommene Bezeichnung penna mit ihrer
hübschen bildlichen Gleichstellung des Hermelin, Nörz, Zobel,
Bunt- und Grauwerk mit Taubenflaum und Eiderdunen benutzt
ward,-'' für die daheim gewonnenen Felle aber pellis;^' was die
Preistabellen und Kleiderordnungen uns über das Gewerbe der
Schneider und Kürschner" verraten, darüber liefse sich unter Ein-
1 Belegstellen bei Du Gange, Godefroy.
2 Im Elucidario findet sich nichts Brauchbares. S. aifanehe und anina.
3 P. M. H. : Leges 192.
* Leges 192 — 196 erfahren wir von der Haut des Hirschkalbes {aenio,
neuportug. enho, vom lat. hinneus), des Damhirsches [gamito), Lammes {cor-
darzo), Kalbes (tenrom). Zickleins {cabrito), die wir nicht als Pelzwerk zu
betrachten gewohnt sind; dann von Katze (gato de casa), Wildkatze {gato
fnontes), Fuchs {gulpina), Frettchen (fuina und totiräo), Otter (luntria),
Marder {marterenia), Gineta {geneta) und einem mir unbekannten biberno, in
dem ich luhezno, einen jungen Wolf, vermute; ferner von vestidos de coelho.
Alle diese als pellis. — Die zarten flaumartigen pennas stammen von Her-
melin [arminium), Otter {luntria), Haselmaus (de lirionibus) und Hase. —
Aufserdem wird ein Unterschied gemacht zwischen penna blanca, purada,
larga, miscrada (dies letzte Wort kommt CV 1154 vor).
s Auch im Altspanischen haben wir natürlich pena und pena vera,
S. z. B. Fita 7. 640. 1251. 1378.
^ Heute ist pelle das einzige Wort; span. pellejo.
■ Peliteiro CV 927.
170 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
beziehung aller Stellen aus den Liederbüchern ein interessanter
Modebericht zusammenstellen.
Für unseren Zweck genügt es, zweierlei zu fixieren.
1. Penna vetra, d. h. die zwiefarbigen Felle ^ eines äufserst
kleinen und darum kostbaren, dem Hermelin und Nörz verwandten
osteuropäischen Nagetierchens — es sei miistela luireola^ oder nicht — ,
so geschätzt sie auch waren, zählten nicht zu den pannos reaes,
d. h. sie blieben so wenig wie Grauwerk, Zobel und selbst Her-
melin für Könige und Fürsten durch ein Sondergesetz reserviert,
sondern wurden als Futter und Verbrämung von Mänteln und
Kapuzen aller Art ohne andre Beschränkung als der vom Geld-
beutel des Käufers gesteckten in den Handel gegeben. Das Lieder-
buch selbst liefert Beweise dafür.
Der alfonsinische Spielraann Pedr'Amigo de Sevilha be-
klagt sich einmal, er sei bei der Verteilung von panos und penas
veiras zu kurz gekommen (CV 690).
Est6vam da Guarda, der spottlustige Kanzler des Königs
Denis, verhöhnt einen zum Edelmann beförderten Bauern, der, um
seine Glatze zu verdecken, sich eine ungeheure, mit petia veira
ausgestattete Kopfbekleidung [caparoii) zugelegt hatte (CV 927).
Uebrigens wird der Flaumpelz hier ausdrücklich nohre genannt.3
Derselbe Dichter erzählt ein andermal vom Verkaufe ge-
brauchter pannos und penfias veiras durch einen Makler (CV 904).
2. Benutzt aber wurden die pennas varias auch von Königen,
wie unsre Tenzone zeigt. Diesmal fiel es freilich dem dichtenden
Alfons nicht ein, sich, wie in dem Gedankenaustausch mit Vasco
Gil, mit dem Beispiel eines andern Herrschers zu decken. Sonst
hätte er abermals auf einen König von Portugal hinweisen können:
Sancho I., der in seinem Testament seine einlas, escarlatas und
penas varias seiner Tochter D. Sancha vermacht.^
Bei muradal an den berühmten Pafs der Sierra Morena zu
denken, der so manches Kriegsheer gesehen hat, liegt durchaus
1 Die Uebersetzung „bunt" ist die beste, wo es sich um andre Tiere
als das pelzliefernde Mäuschen handelt (Hund, Stute, Skorpion), oder gar um
Menschenhaar. — Die eine der Farben war weifs, die andre kaum immer
die gleiche, bald rötlich, bald grau, bald schwarz. — Unzutreffend sind jeden-
falls die Erklärungen der hispanischen Berichterstatter: (Sanchez -Janer: vera
= muy hlanca; Cueto: blanca o baya; Braga: alvo alveiro). Sie stammen
alle aus einer Stelle im Werke des Erzpriesters, wo man liest: El axenus
de fuera mas negro es que caldera \ Es de dentro muy hlanco nias que la
pennavera (Str. 7). — In Str. 640 bedeutet der Satz: La penna tiene blanco
et prieto, pero todos son conejos „es giebt weifse, aber auch dunkle Ka-
ninchen".
2 Londrasinha als Bezeichnung eines Pelzes bezieht sich natürlich auf
eine kleine Otter-Art und hat nichts mit London zu thun.
3 Man vergleiche noch CV 990.
♦ Mon. Lus. IV. Escrit. III 260.
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. 171
kein Grund vor. Man lasse dem Wort seine ursprüngliche appel-
lative Bedeutung.
So abgetragen, in des Dichters übertreibender Redeweise für
den Müllhaufen reif, war das Stück, dafs es nur einem gemeinen
Soldaten überantwortet werden konnte. Wenigstens glaube ich,
wie ich schon früher dargethan,i dafs wir einen peoii unter coteife
zu verstehen haben. Diesen Namen versuche ich jetzt — da ein
Suffix -eife -efe nicht vorkommt 2 ■ — aus dem Arabischen herzu-
leiten, wo kateif ein langes Schwert bedeutet ijatus ensis; fernem
longinn et laiiwi). Mit dem maurischen Ausstattungsstück, dem der
coteife besagten Falles die Benennung verdankte,^ ging dieselbe
vermuthch wieder verloren. Sie kommt nur bei Alfons X. vor* und
einigen seiner Getreuen ,& wenn wir ein fragwürdiges Spottgedicht
aufser acht lassen oder zu des Königs Hab und Gut rechnen, das
derselben Gedichtgruppe angehört wie unser Pena-veira-L\td.
Damit sind wir zur Hauptfrage gekommen, um derentwillen
ich dasselbe aus seinem Zusammenhang gelöst und neben die zwei
Streitgedichte gestellt habe, die Alfons X. zugesprochen werden
müssen: wer nämlich ist der König, dem jene Gedichtgruppe an-
gehört? 6 Alfons X.? oder Alfons IX.? Hat nur der ital. Kopist
in der Ueberschrift El Rey don affonso [de Castella e'\ de leon die
eingeklammerten Worte ausgelassen?" Es scheint wenig glaublich,
da gerade die dichtenden Könige sowohl den Kardinal Bembo als
Angelo Colocci besonders interessiert haben. Steckt also ein Fehler
im Autornamen, so wird er aus der Vorlage stammen, von der
wir nichts wissen, als dafs sie sich anscheinend in einem argen
Zustand befand. So lange die Urheberschaft des Weisen nicht
1 Randgl. I Z. 158. 168. 169 sowie S. 71 — 72. — Tritt der coteife meist
als Fufssoldat und wie ein Gemeiner auf, so scheint Alfons X. die Gattimg
doch einmal (CV 74) in Stutzer -Kleidung vorzuführen (mit arminhos} und
orpeladosl). Ein andermal tragen sie ein Wams aus Kattun {perponto de
algodo7i) und Hosen aus Zwillich {calgas de branqueta) (CV 62). Langbärtig
sind sie auch. Oder ist orpelados etwa eine kastilische Form von horri-
pilatos ?
2 Tabefe = „Tachtel" weifs ich nicht zu erklären. — Die Schreibart
coitefe kommt nur einmal vor (CB 464). Vermutlich hat durch Verschreiben
das i seinen Platz gewechselt.
^ Solche Uebertragung eines Sachnamens auf die Person , der sie als
Characteristicum dient, kommt oft genug vor. Ich erinnere nur an jaque, den
jackentragenden Soldaten, und gidta, Tresse, das Spottwort für den modernen
poitug. Polizeisoldaten. — Ein Versuch, coteife wie golfim {Cron.Alf. c. 75
p. 59) aus der Schachterminologie herzuholen, ist mir mifslungen.
* CV 62. 74. CM 22 u. 194.
5 Rui Queimado CV 994; Coelho CV 1024.
6 Ind. 456—466.
' Unmittelbar folgen, wie der Leser weifs, eine fromme und mehrere
profane Dichtungen Alfons' X. (467 — 496), denen die Ueberschrift El Rey don
affonso de Castela e de Leon vorangeht. — Wiederholung von Namen als
Ueberschrift ist aber sehr häufig. — Auch Alfons XL ist ausdrücklich als
Herrscher beider Reiche bezeichnet (607).
172 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
mit hinreichender Klarheit nachgewiesen ist, wird man immer wieder
versuchen müssen, im Rey de Leon den Grofsvater, Alfons IX.,
zu erkennen.! Gelungen ist mir bis jetzt weder das eine noch
das andre. Der Majordoraus D. Rodrigo (CB 464), Milia Fer-
nand es aus der Familie der Pertigueiros de Santiago (460) und
die Anwesenheit des Königs in Guar da (456) bringen vielleicht
die Lösung des Rätsels.2
Mancherlei scheint auf Alfons X. hinzuweisen. In einem der
Gedichte ist von andalusischen Städten in einer Weise die Rede,
als gehörten sie zum Reiche des Dichtenden. ^ So aber konnte
der Leonese unmöglich von Sevilla, Lebrija und Alcala* reden.
Das gilt auch von dem auf die Olivenwälder von Eixarafe und
die alcarias hinweisenden Spottlied. ^
Was unsre Tenzone betrifft, so ist ihre Aehnlichkeit mit den
beiden bereits besprochenen recht grofs, sachlich wie formell ; '' von
allen übrigen Streitgedichten weicht sie hingegen ab, was Gegen-
stand und Einkleidung betrifft. Dazu kommt, dafs von Krieg die
Rede ist. Was wir sonst an Kriegsliedern'' besitzen, stammt aber
aus den andalusischen Feldzügen Ferdinands III. und seines Sohnes
Alfons und ist entweder Werk des letzteren^ oder das seiner
Grofsen. Wie ich in den nachfolgenden Glossen zeige, möchte
ich dieselben in den Aufstand der sechziger Jahre verlegen — in
eine Zeit also, in welcher Alfons X. noch, heiter und siegesfroh
sowohl als Gesetzgeber und Eroberer, als auch als Vater und Re-
gent, zum Dichten aufgelegt sein mochte.
1 Nimmt man Herkunft der betreffenden Lieder aus dem Besitze eines
peninsularen Sammlers an, so ist ist die Bezeichnung de Leon für Alfons X.
in hohem Grade unwahrscheinlich. Und selbst gesetzt, sie stammten aus pro-
venzallschem Gebiet, bliebe sie befremdend. Fremde Troubadous haben ihn
dann und wann schlichtweg Rey de Leon genannt, doch nur wo das Metrum
solche Verkürzung der Titulatur erheischte, wie z. B. in der Tornada des poly-
glotten Sirventes-Descordo {Randgl. VIII), oder auch 7 reys cuy es Leos (Guiraut
Riquier bei Mild 217). lieblicher ist jedoch: reys dels Castellds — Reys
Castellds — reys de Castela N'Anfos — reys N'Anfos Castelds cui Leos es
— Rei de Leon qu'es senhors de Castelas — el hon rey de Castela N'Anfos
que rey es de Leo und ähnliches mehr.
- Geographische Namen allein können den Ausschlag nicht geben. Doch
sei bemerkt, dafs ein Val de Canas (CB 464) zum Gebiet von Palencia ge-
hört und dafs Campos (ib.) auch von Alfons X. erwähnt wird (CV 65).
s CB 466. S. darüber CA Kap. VI, Biogr. XIV,
* Alcala la Real, oder de Benzaide.
5 CB 462. Vgl. z. B. Cron. Gen. p. 399 (bei Schirrmacher I p. 411): ca
en el sii Axaraf hauia iien este dia den mil alcarias.
6 Alle drei bestehen aus 2x2 Strophen in Zehnsilbnern; und allen
dreien fehlen die üblichen Schlufskadenzen , in denen der Sieger wie der Be-
siegte das Facit zu ziehen pflegt. — Was die Zeilenzahl betrifft, stimmt
CB 357 nur zu CB 385; in der Reimbindung (ababccb zu abbacca)
nicht genau.
' Kriegslieder nur in dem Sinne, dafs sie sich auf Kriegszeit und Krieger
beziehen.
8 S. Randgl. V und VI.
RANDGLOSSEN ZUM ALTPOKT. LIEDERBUCH. I73
Gut wäre es, wenn wir wüfsten, wer der Garcia Perez ist,
der sich in so familiärer Weise an seinen Gebieter wendet — ob
auch mit etwas mehr Zurückhaltung als Charinho und Vasco Gil.
Er redet den König zu Anfang nicht direkt an, sondern überläfst
es ihm, ob er in eigner Person antworten oder einen Dritten damit
beauftragen will, seine Entgegnung in Reime zu bringen. 1 Als
solchen Dritten schlägt er aber — wenn ich ihn recht verstehe —
einen seiner Genossen vor: Gon^alo Martins, als einen, der
nicht übel gewillt schien, sich am Pelzscherze zu beteiligen. Einen
Garcia Perez, der zu dem Leonesen in engeren Beziehungen ge-
standen hätte, kenne ich nicht. Hingegen einen, der zu Alfons' X.
Vasallen gehörte: jenen Schwager des Dichters und Admirals
Charinho, der 1282 als MeirinJio Gallizien verwaltete, während
seine Frau die Veste Zamora den Umtrieben der aufrührerischen
Infanten gegenüber nicht zu verteidigen vermochte.'- Woher jedoch
die Sicherheit nehmen, dafs er und der Dichter ein und dieselbe
Person sind?
Auch von Gon^alo Martins vermag ich nichts auszusagen. 3
Ich weifs nur, dafs in dem im Liederbuch CB unmittelbar fol-
genden Gedicht ein D. Gonyalo angeredet wird.^ Und zwar wird
er auch dort vom König vorteilhaft geschildert als aposto e fre-
moso cavaleiro . . . de iodas cotisas comprido . . . e apost' e hen talhado.
Gleichzeitig wird auf sein Talent angespielt, mit ungeheurem
Schwerte sogar Feder- und Pelzwerk [pena) zu durchschneiden.^
Ferner auf seine Anwesenheit in Andalusien — lauter Einzeln-
heiten, die uns zu statten kämen, wenn das Gedicht als ganzes
nicht gar so dunkel wäre.
Unter den Dichtern kommt Garcia Perez sonst nicht wieder
vor; Gonc^alo Martins überhaupt nicht. Dafs es jedoch einen
Poeten dieses Namens gegeben hat, lehrt eine portugiesische Ur-
kunde.ö Er führte sogar den Ehrentitel trobador de Santarem.
Seine Tochter Maria Perez stand in intimen Beziehungen zu dem
vornehmen Troubadour Joäo Velho de Pedragaes, der 1280 — 82
als Gesandter des Königs von Portugal am aragonesischen Hofe
weilte, um die Heirat mit der jungen D. Isabel zu pactieren.'^
Ueber die Schicksale des Trobador de Santarem und seinen etwaigen
^ Portugiesische Beispiele solcher Meinungsäufserung sind nicht bekannt.
Nur die provenzalischen Fälle, in denen N^ At de Mons und Guirant Riquier
im Namen Alfons' X. das Wort ergriffen haben.
2 Cron. Alf. c. 76; Randgl. I 22 und 45.
^ In den Adelsbüchern kommen zu viele gleichen Namens vor, als dafs
sich Verläfsliches hätte auskundschaften lassen.
* CJB 466 Don Gongalo, J'ots queredes ir d' aqui para Sevilha.
* Schade dafs jenes grofse Schwert nicht als coteife bezeichnet wird!
^ Vgl. Revista Lusitana V 136.
' Aires de Sä, Frey Gongalo Velho, Lisb. 1898 p. 57. 123 und 47. —
Ein Enkel des Paares wurde 1295 legitimiert; ein Sohn kam später an die
Reihe (1300).
174 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS, RANDGLOSSEN.
Aufenthalt in der Nähe Alfons' X. wissen wir nichts. Dafs aber
der von König Alfons verlachte schmucke Ritter D. Gon<;alo sich
auch als Dichter im satirischen Fache hervorthat, darf man viel-
leicht aus der Behauptung schliefsen:
a quenquer que cometestes
sempre mal o escarnistes.^
' Cometer wie escarnir beziehen sich im Liederbuch der Regel nach
auf spottende Dichter.
Carolina Michaelis de Vasconcellos.
Der Prosaroman Ysaye le Triste.
EINLEITUNG.
Der Roman „Ysaye le Triste" ist uns, soweit bekannt ist, in
zwei Handschriften überliefert. Die eine beiindet sich auf der
Herzoglich Gothaischen Bibliothek in Gotha als No. 688, die
andere auf der Grofsherzoglich Hessischen Bibliothek in Darmstadt
als No. 2524. Erstere sei hier kurz mit G, letztere mit D be-
zeichnet.
G besteht aus einem 491 Blätter enthaltenden, mit schönen
kräftigen Farbenbildern gezierten Bande, dessen Deckel mit grünem
Sammet überzogen ist. Die Schrift ist ungleich und an vielen
Stellen stark verblafst. Der Inhalt ist durch Herausreifsen einzelner
Blätter unvollständig überliefert. So fehlen die §§ i — 3, die Hälfte
von § 20, die §§ io8 — iii, die zweite Hälfte von § 457, die erste
Hälfte von § 458 und § 582. Aufserdem fehlen die Zusätze zu
den §§ 17, 102 und 216. Die §§ 4, 9, 13 sind mit roten Ueber-
schriften versehen, die Anfänge der anderen §§ werden nur durch
rote oder blaue Anfangsbuchstaben gekennzeichnet. Die Ueber-
schrift zu § 4 lautet: Co7nmant Fseut la Royne accoucha a lantree
dun boys de Ysaye le Triste loquel fut baptise et tiourry dun ar mitte,
zu § 9: Conimant fees vetioient de nuyt ou dorme lenfant et luy bail-
loient norriture sublillement dont ier mitte fut moult effraye et esmer-
veille, zu § 13: Commant lermitte arriva au pied de la verte forest
ou il trouva lune des dames et tost luy monstra le Heu ou il demeuroit.
Aufserdem befindet sich auf dem ersten Blatt ein Wappen, das
bei Jacobs und Ukert „Beiträge zur älteren Litteratur oder Merk-
würdigkeiten der Herzoglich öffentlichen Bibliothek zu Gotha",
Band III, i, näher beschrieben ist.
D umfafst 361 Blätter, ist in Leder gebunden und mit einem
Wappen versehen, das die Farben blau und gelb enthält. Als
Schreiber nennt sich Sire Amoury de Noyelle adonc a Douay. Mai
1449. Die Schrift ist gleichmäfsig, der Text vollständig. An
Illustrationen sind nur vier schlechte Federzeichnungen vorhanden.
Neben diesen Handschriften sind noch zwei Drucke zu er-
wähnen, die 1522 in Paris bei Galliot du Pre und bei Bonfons
und Philippe le Noir erschienen sind. Ueber diese Drucke haben
gehandelt John Dunlop in der „History of fiction" 18 10, deutsch
von Liebrecht 1842 und die Herausgeber der „Histoire des Romans"
176 ZEIDLER,
1776, Mai. Aufyerdem finden sich kleinere Notizen hierüber bei
Grässe „Die grofsen Sagenkreise des Mittelalters"', bei Schmidt in
den „Wiener Jahrbüchern" 1825 Teil XXIX und bei Rosenkranz
im „Handbuch der allgemeinen Geschichte der Litteratur". Die
soeben erwähnten Drucke werden hier aufser Acht gelassen, da
sie den Handschriften gegenüber nur eine Verkürzung und Ab-
änderung des Inhalts bedeuten.
Ueber den Inhalt der Handschriften ist meines Wissens nur
einmal gehandelt worden und zwar durch die Herausgeber der
oben erwähnten „Beiträge u. s. w.", durch Jacobs und Ukert. Die
Autoren haben ihren Betrachtungen nur die Hs, G zu Grunde ge-
legt, da ihnen D noch nicht bekannt war. Sie beschreiben die
Handschrift sehr genau, geben den Inhalt ziemlich ausführlich,
wenn auch mit einigen Fehlern {la fontaine au Jacant statt Jayant,
Agrenam statt Agravain, Gatmes statt Gaunes , De Fräs le Maloit
statt Desraes le Maloit) bis § 36 an und drucken dann die Erleb-
nisse Marcs und Troncs im Feengarten (§§ 514 — 516) und ein
Rondeau diplomatisch ab. Im übrigen haben sie sehr geringe
Mühe auf „diesen weitschweiftigen Roman" verwandt, sonst dürften
sie nicht am Ende ihrer Abhandlung schreiben: „Von dem, was
dann weiter folgt, haben wir uns vergebens bemüht, aus der fast
ganz unleserlichen und noch überdies halb verblafsten Schrift einen
zusammenhängenden Sinn zu entziffern. Nur die vier Endzeilen
der letzten Seite glauben wir so lesen zu müssen: en itievioire les
fais u. s. w." Bei sorgfältigem Durchlesen des Romans wäre es
ihnen auch nicht möglich gewesen, das Wort chresiien, das sich
hundertfach in der Abkürzung xxpiii findet, für die Zahl XXVII
zu halten.
Der Roman „Ysaye le Triste" gehört dem Cyklus der Arthur-
romane an. Anknüpfend an die glorreiche Zeit, da König Arthur
in Carduel (Wales) seinen Hof hielt, da die Ritter der Tafelrunde
auszogen, den heiligen Graal zu suchen und Abenteuer zu be-
stehen, führt uns der Verfasser des „Ysaye le Triste" die Thaten
der Nachkommen dieser Helden vor Augen. Noch leben bei Be-
ginn des Romans der greise König Arthur von Logres, die tapferen
Recken der Tafelrunde Tristan, Lancelot, Hector des mares, Lucan
le boutillier, Bohort de Gaunes, Blaienor und Blioberis de Gaunes,
Perceval, Brandalis, Lambeguet, Gaheriet; ferner Mordred, Pala-
mede le mecogneu, Marc von Cornouailles nebst Gattin Yseut und
deren Kammerfrau Bongyen (Nachahmung von Brangien, die mit
Gouvernail das Königreich Leonois beherrscht). Aber auch der
Toten: Meliadus, Merhn wird gedacht. Die Königreiche und be-
rühmten Oertlichkeiten werden vorteilhaft in den Roman hinein-
geflochten, so die Königreiche Logres, Leonois, Cornouailles, Nor-
galles, Orcanie, die Hafenstadt Louvrezep, die Stadt Sarras (aus
dem Grand Saint Graal), die Joyeuse Garde, der langjährige Auf-
enthaltsort Yseuts und die letzte Ruhestätte Lancelots du lac.
Schliefslich bleiben nicht unerwähnt die Wälder: le Morois, Dar-
DER PROSAROMAN YSAYE LE TRISTE. l"]"]
nantes und Gaste Forest. Aufser diesen, durch die Arthurromane
verbürgten Namen erwähnt der Verfasser noch Herbe le renomme,
der von Tristan zum Ritter geschlagen wird, den Riesen Pincenart
le juif, der von Tristan getötet wird, Hector d'Orcanie, der die
Rolle des Brehus als Verfolger des chevreuil übernommen hat, den
König Marsiadus von Norgalles, Bohort le picquart, Herrn von
Guis, Marc le roux, einen gewissen Macon le brun de Cornouailles'
und Craventor de l'outrageux passage. Schliefslich führt er noch
einen König Yrion ein, der zur Zeit Arthurs über Blamir und
Miradir herrscht.
Aus dieser, durch die Arthurromane verbürgten und nicht ver-
bürgten Generation schafit der Verfasser ein neues Geschlecht.
Ysage le Triste ist der Sohn Tristans und Yseuts, Brandor der
des Brandeiis, le besgue de la halte röche der des Lambeguet,
Menet le mccogneu der des Palamede, Festion le blond und Gera-
fil le blond sind die Söhne Gaheriets, der sot sage ist der Sohn
Blaienors, Oriant le grieu der Hectors von Orcanie, Harpan du
gue parfond der Herbes le renomme, Hergault (Hergo) der Bohorts
le picquart, Miriol der Pincenarts. Die Söhne Macons le brun
sind le brun de l'engarde, Macon l'oconge (?) und le vacquier de
l'esclaire, die Neffen Craventors sind Argus und Octes. Anknüpfend
an die Oertlichkeiten nennt der Verfasser folgende Personen: la
douleureuse und le desorreill6 de la Joyeuse Garde, und die dame
du chastel de Belle Garde mit ihren sieben Söhnen, von denen
vier später eine Rolle spielen: Atrides, Fidiger, Dispront und
Gavain.
Dieses zweite Geschlecht zeugt dann ein drittes, so dafs wir
auch die Heldenthaten der Enkel Tristans, Macons und so weiter
im Romane dargestellt finden.
Diese Nachkommen aus der Zeit Arthurs mit ihren, nach dem
Muster der Arthurromane verwirrt dargestellten Abenteuern ver-
leihen dem „Ysaye le Triste" das Gepräge eines Romans der
Tafelrunde, und es vermögen daran nicht die anderen gewichtigen
Bestandteile des Romans, die den verschiedenartigsten Litteratur-
gattungen entnommen sind, zu rütteln.
Hiermit ist die Frage berührt, welchen Vorlagen die aufser-
halb der Arthursage stehenden Personen und Ereignisse des Romans
entnommen sind. Nun, die folgenden Ausführungen w^erden darauf
Antwort geben.
Als wichtigste Vorlage unseres Romans kommen aufser der
Arthursage die Chansons de geste in Betracht. Die Tötung des
Neffen Yrions (§ 295), die Scene, in welcher Ysaye den Pförtner
gegen einen Pfeiler wirft, dafs diesem die Augen aus dem Kopfe
fliegen (§ 165) und die Ermordung des Pförtners (§ 493) sind Züge,
die den Chansons de geste entlehnt sind. Die Erzählung von den
vergifteten Birnen (§ 476) ist eine Nachahmung derjenigen von den
vergifteten Aepfeln in Parise la Duchesce, die Tötung der Köche
{§ 30Ö) eine Nachahmung aus der Chanson „Aliscans". Der Name
Zeitschr. f. rom. Phil. XXV. 12
178 ZEIDLEK,
Oriant stammt aus dem „Schwanenritter", Ysore von Spanien aus
„Anseis de Carthage". Diejenige Chanson aber, weiche dem Ver-
fasser des „Ysaye le Triste" den reichsten Stoff geliefert hat, ist
die Chanson „Huon de Bordeaux".
Dem Einflüsse dieses Werkes mufs man es zuschreiben, dafs
statt der in den Arthurromanen üblichen Einfälle der Sachsen die
der Sarazenen getreten sind. Um seine Quelle dem Leser nicht
zu verraten, giebt der Verfasser den Sarazenenführern ganz unbe-
kannte oder mehr allgemeine Namen, so: der Admiral von Persien,
der rote Löwe von Nubien, der Tartar von Cartaire, der König
der fremden Wüsten, der König der eisernen Brücke, die vierzehn
Riesen von den bitteren Gewässern, die Könige von Mekka, Afrika,
Creta, Carthago, Ungarn und andere. Nur in dem Namen Ori-
monde ist eine direkte Entlehnung aus „Huon" zu erkennen. Ori-
monde ist die Esclarmonde aus „Huon de Bordeaux". Im „Ysaye"
wie im „Huon" ist die Vertreterin der beiden Namen eine Tochter
des persischen Admirals, in beiden Erzählungen wird sie von
leidenschaftlicher Liebe zu einem vernehmen, christlichen Ritter
ergriffen. Ihre Liebe wird von diesem verschmäht und erst er-
widert, nachdem sie Christin geworden ist. Für die Abweisung,
die sie zuerst erfährt, rächt sie sich, indem sie Huon ins Gefängnis
werfen und Marc hinterlistig überfallen läfst.
Als ein weiterer und wichtigerer Einflufs, den der „Huon de
Bordeaux" auf den Verfasser des „Ysaye" ausgeübt hat, ist die
Einführung der Feeen und besonders des Elfenkönigs Oberen an-
zusehen. Vom Anfang bis zum Ende des Romans begegnet uns
dieser Zwerg unter dem Namen Tronc (lat, truncus), wahrschein-
lich wegen seines kleinen und verkrüppelten Wuchses so genannt,
ohne dafs wir in ihm den verkappten Oberon vermuten. Höchstens
könnte man durch zwei Andeutungen, die sich in den §§516 und
560 finden, zu der Ansicht kommen, dafs in der Person Troncs
der alte Oberon verborgen sei. Diese Andeutungen sind enthalten
in einer Mitteilung der Fee Oriande an Marc, dafs Tronc der
Sohn Julius Caesars und der Fee Morgue sei, und in der Aeufse-
rung Troncs Marc gegenüber, dafs er in Monmur geboren sein
soll. Erst am Schlüsse unseres Romans bekommen wir volle Klar-
heit darüber, dafs wir in dem schlauen Pagen Ysayes den Elfen-
könig Oberon vor uns gehabt haben.
Als dritter, nicht gerade wesentlicher Einflufs des „Huon" ist
der zu erwähnen, den die drei Personen im „Huon", der römische
Kaiser Neron, die Fee Murgalle und der Riese Orgueil mit seinen
zwei kupfernen Rittern auf den Verfasser des „Ysaye" ausgeübt
und ihn zu den wunderlichen Geschichten in den §§ 560 — 61,
574 — 78, 554 — 55 veranlafst haben.
Eine weitere Vorlage für unseren Roman dürfte in der Chante-
fable „Aucassin und Nicolette" zu erblicken sein. Es handelt sich
hierbei um die Person der Nichte des Königs Yrion, Marthe,
welche genau wie Nicolette die Frauenkleidung mit der Männer-
DER PKOSAROMAN YSAYE LE TRISTE. IJQ
kleidung vertauscht (der Zug, dafs sie ihr Gesicht mit Kräutern
dunkel färbt, um besser als Mann zu erscheinen, fehlt zwar), dann
eine Harfe zur Hand nimmt und als Spielmann das Land durch-r
streift und den Gefahren des Meeres trotzt, nur um ihren Geliebten
wiederzufinden.
Von Romanen aus anderen Sagenkreisen haben der „Eracles"
des Gautier d'Arras, der „Florimont" und der „Eneas" die Namen
Parides (-us), Edor (persisch :=: Blume) und die Scene mit dem
Pfeilschufs (§ 422) dem Verfasser des „Ysaye" geliefert.
Es erübrigt nun noch, einen Blick auf die in den Hand-
schriften enthaltenen Gedichte zu lenken. Wie schon Jacobs und
Ukert erwähnen, finden sich in den Hss. mehrere Gedichte, die
man mit dem Namen „lay" bezeichnen kann. Es sind dies die lays
accordants, deren viele sich schon im Prosa -Tristan finden und
auf welche nicht weiter eingegangen zu werden braucht.
Wichtig aber ist, festzustellen, was in den von Jacobs und
Ukert erwähnten 17, resp. 15 Blätter füllenden „lays" enthalten ist.
Das erstere Gedicht ist eine Nachahmung des allbeliebten
Rosenromans von Guillaume de Lorris und dessen Fortsetzer Jehan
de Meung. Das Versmafs, die paarweise gereimten Achtsilber, ist
vollständig gewahrt, desgleichen auch die Allegorie, wenngleich im
„Ysaye" einige neue Gestalten auftreten (vgl. § 363). Eine Probe
aus dem „Ysaye" sei hier gegeben.
Au Corps m'entra sans lendre pel;
trop m'en deul, mais point n'en appel.
Beau parlers, ly gens, ly gentieux,
je croy qu'il n'en est plus de tieulx,
estoit droittement par del'es
et tenoit sa main a son les
en disant: Dame, vos amis
en cest propre lieu a mis
moy pour monstrer a vo corps bei.
qui n'est point de taint de corbel,
que nient ceux sont en paradix
qu'aiment et qu'amerent jadis.
Depuis bien garde m'en donnay,
mes tantost tout ly pardonnay.
Schliefslich ist noch zu erwähnen, dafs sich der Verfasser des
„Ysaye" durch die Schilderung des vergier im Rosenroman veran-
lafst gefühlt haben mufs, ebenfalls einen solchen vergier (§§ 514 — 16)
zu beschreiben, was ihm dann auch gut gelungen ist.
Das auf den 15 Blättern enthaltene Gedicht ist eine wenig
getreue Nachahmung der „Vceux du paon". Während das eigent-
liche Versmafs der „Voeux du paon", der Alexandriner, durch den
ganzen Roman des J. de Longuyon hindurchgeht, sind in unserer
Darstellung nur die ersten zwölf Verse in dieser Versform ge-
schrieben. Die übrigen Verse sind völlig ungleich, und hin und
12*
l8o ZEIDLEK,
wieder taucht ein rondeau auf. Auch der ehrwürdige Pfau ist
nicht mehr vorhanden, sondern durch eine Rohrdommel ersetzt,
und die sogenannten „neuf preux" (Christen, Heiden, Juden) kehren
wieder in Liebespaaren und deren Dienerinnen: Marc, Hergault,
Henry de Lyon — Orimonde, Sardine, Englentine — Alyor, Es-
clade, Parianne.
Es bleibt nun noch übrig, die Frage nach dem Autor und
der Abfassungszeit des Romans zu beantworten. Ueber den Ver-
fasser wird im „Ysaye" nichts erwähnt. Es heifst immer in den
Handschriften: or dist le conte, wer aber diesen confe verfafst hat,
wird nicht verraten. Aus den in den Hss. enthaltenen Wappen
habe ich auch nichts Belangreiches für die Person des Verfassers
ermitteln können und mufs so die Frage über den Autor unbe-
antwortet lassen. Hinsichtlich der Abfassungszeit glaube ich eine
genauere Zeit als Dunlop und Grässe feststellen zu können. Dun-
lop versetzt den Roman in das Ende des XIV. oder den Anfang
des XV. Jahrhunderts, Grässe in das XV. Jahrhundert. Ich glaube,
der Roman gehört noch dem XIV, Jahrhundert an. Das XV. dürfte
vies (lat. vetus, vgl. Viesroche §417) nicht mehr gebraucht haben, und
für das Vorhandensein der Rotruenge (§ 558) noch im XV. Jahr-
hundert müfste erst der Beweis gebracht werden.
Inhalt.
[i. Tristan von Leonois ist der Neffe des Königs Marc von
Cornouailles, Yseut die Gemahlin Marcs.
2. Marc verläfst eines Tages Tintagel und begiebt sich nach
einem elf Meilen von Tintagel gelegenen Schlofs. Die Abwesen-
heit des Königs benutzt Yseut, um Tristan herbeizurufen. Tristan
bleibt eine Nacht bei ihr. Bald darauf wird Yseut schwanger.
3. Als die Zeit der Entbindung herannaht, verläfst die Königin
mit ihrer Kammerfrau Bongyen ihr Schlofs und begiebt sich in
den benachbarten Wald, le Morois genannt. (Marc wohnt zur Zeit
bei l'estrange passage einem Tournier bei.)] ^
4. Yseut und Bongyen lassen sich an der fontaine au jayant
nieder. Da erscheint Lucan le boutillier, der auf Befragen der
Damen erklärt, er wolle Marc bestrafen, weil dieser Tristan auf
verräterische Weise tödlich verwundet habe. Yseut sinkt bei dieser
Nachricht ohnmächtig zu Boden.
5. Lucan le boutillier reitet davon. Als Yseut wieder zum
Bewufstsein kommt, schreit sie laut auf und schenkt um die neunte
Stunde einem Knaben das Leben. Der Knabe hält in seiner
linken Hand ein Schwert aus Fleisch und But. Yseut läfst einen
in der Nähe wohnenden Einsiedler herbeiholen und beichtet diesem
alle ihre Sünden, die sie in einem dreifsig Blätter starken Buche
aufgezeichnet hat.
» [] fehlt in G.
DER PROSAROMAN YSAYE LE TRISTE. l8l
6. Der Einsiedler macht zunächst Yseut heftige Vorwürfe,
giebt ihr aber mit dem Zeichen des Kreuzes Absolution, da er
aus dem Buche ersieht, dafs nur der Zaubertrank die Schuld an
allem habe.
7. Der Einsiedler will nun den Knaben taufen. Er will ihm
den Namen Justice geben, da der Knabe ein Schwert mit auf die
Welt gebracht habe. Yseut aber bittet ihn, dem Knaben einen
Namen zu geben, der sowohl an sie als an Tristan erinnere. Da
giebt der Einsiedler dem Knaben den Namen Ysaye le triste und
tauft ihn mit dem Wasser der Quelle. — Nach fünfzehn Tagen
ruft Tristan die Geliebte an sein Sterbebett. Sie eilt zu ihm, und
als sie ihn bereits tot vorfindet, bricht sie tot an seiner Seite
nieder.
8. Lancelot hört von dem Verrat Marcs und fällt mit 6000
Mann in Cornouailles ein. In seiner Begleitung befinden sich
Bohort de Gaunes, Hector des Mares, Perceval de Gaunes, Gaheriet
und andere.
g. Eines Nachts vernimmt der Einsiedler, unter dessen Obhut
sich nun Ysaye le triste befindet, einen schönen Gesang und sieht,
wie vier weifs gekleidete Feeen in sein Haus eintreten, das Kind
nehmen, es baden und ihm Nahrung geben. Der Einsiedler will
seine Cousine, die die Amme Ysayes ist, wecken; die schläft jedoch
zu fest. Da nun die Feeen alle Abende wieder erscheinen und
immer dieselben Handlungen mit dem Kinde vollziehen, fafst der
Einsiedler endlich Mut, die Damen anzureden.
10. Er fragt sie und erfährt von ihnen, dafs sie den Knaben
ernährten, weil die Amme dazu nicht imstande sei.
11. Die eine der Feeen erzählt ihm ferner, wie Tristan und
Yseut ums Leben gekommen sind. Sie wisse das von Merlin,
dessen Seele im Walde Darnantes in Grofs-Britannien sich befinde,
wo sie unter einem schönen Baume auf Befehl der Dame vom
See eingeschlossen sei.
12. Merlin habe ihnen dort von den gröfsten Rittern der
Welt erzählt und Tristan als den hervorragendsten geschildert.
Dieser habe mit Yseut einen Sohn gezeugt, der sich bei Sarban
befinde. Hier erschrickt der Einsiedler, als er seinen Namen hört.
Schliefslich sagt ihm die Fee noch, dafs sie den Knaben mit der
Milch der Ciarisse, der Gemahlin des Königs Caradoc, ernährten.
13. Eine zweite Fee befiehlt ihm, die Amme im Stich zu
lassen und mit dem Kinde sich nach einem Kreuze zu begeben,
das sich am Ende des Waldes befinde. Der schlafenden Amme
steckt sie einen goldenen Ring an den Finger. Dieser Ring vaidt
un tresor. Hierauf nehmen sie den Einsiedler Sarban nebst Ysaye
mit und verschwinden bei dem Geschrei eines Hahnes in der Nähe
einer Einsiedelei. Der Einsiedler findet das Kreuz und sieht am
Meeresufer ein Schiflf, das für vier Tage Lebensmittel enthält. Am
Kreuze läfst er sich nieder, wie die Fee es ihm befohlen hatte.
14. Die Amme, welche in der Einsiedelei allein zurückgeblieben
l82 ZEIDLER,
ist, bemerkt zu ihrem Entsetzen, dafs Ysaye verschwunden ist. Sie
sucht ihn, und als sie ihn nicht findet, setzt sie sich weinend auf
die Schwelle der Hausthür. Hier bemerkt sie den Ring und sieht
in dem Steine desselben das Bild Ysages. Ein vorbeireitender
Ritter erkundigt sich nach ihrem Schmerze und erfährt von ihr,
was sich zugetragen hat. Sie bittet den Ritter, Sarban zu verfolgen
und ihr das Kind zurückzubringen.
15. Der Ritter, Namens Agravain, macht sich auf und findet
Sarban mit dem Kinde am Fufse des Kreuzes. Er verlangt das
Kind, Sarban aber weigert sich, es auszuliefern. Da bindet Agra-
vain sein Pferd an einen Baum und versetzt Sarban mit einem
Baumzweig einen wuchtigen Hieb. Ysaye stöfst hierbei einen der-
artigen Schrei aus, dafs das Rofs des Ritters sich losreifst und
Agravain so gezwungen ist, Sarban zu verlassen und das Pferd
wieder einzufangen.
16. Sarban nimmt den Zweig in der Hoffnung, dafs Ysaye
ihn später einmal damit rächen werde. Da beginnt das jNIeer zu
steigen, der Einsiedler mufs das Schiff besteigen und wird drei
Tage und drei Nächte auf dem Meere herumgetrieben.
17. Am Morgen des vierten Tages kommt er an einen Felsen.
Dort trifft er eine der Feeen wieder, die ihm befiehlt, in den
Wald zu gehen. Im Walde begegnet er den vier Feeen insgesamt,
wie sie sich in einer Quelle die Hände waschen. Er redet sie an,
erhält aber keine Antwort. Er geht weiter und trifft einen Zwerg,
la plus laide creature du monde. Von diesem wird er in ein Haus
geführt, das die Feeen erbaut hatten. Nun verlangt der Zwerg
das Kind, Sarban giebt es ihm aber nicht. Es entspinnt sich ein
Streit, der erst durch die Feen geschlichtet wird. Diese erklären
nun auch Sarban, dafs er, Ysaye und der Zwerg künftig zusammen-
leben müfsten. [In diesem Hause bleiben die drei so lange, bis
Ysaye 3 1/2 J^hr alt ist.] ^
18. Eines Tages meldet ein Ritter dem König Arthur in
Carduel (Galles), ein Kind sei geboren, welches ihn (den Ritter)
später einmal töten werde. Dies habe ihm eine weise Frau gesagt.
19. Das Kind, das jetzt erst ein Jahr alt sei, sei der Sohn
Tristans von Leonois. Auch werde noch sein Bruder, Craventor
de l'outrageux passage, von dem Sohne Tristans getötet werden.
Der Ritter heifst Nabel de l'outrageux passage. Als der König
den Ritter angehört hat, sagt er, er glaube nichts von all dem,
denn Tristan habe keinen Sohn gehabt.
20. [Eines Morgens begeben sich der Zwerg, Namens Tronc,
und Ysaye in den Wald und begegnen einem Ritter in Begleitung
zweier Damen. Der Ritter spottet über Troncs Häfslichkeit und
fragt, wer der hübsche Knabe sei. Da sagt Tronc, das werde er
noch erfahren.] 2 Ueber diese Antwort erzürnt, ergreift der Ritter
' [ ] ist Zusatz der Hs. D.
2 [ ] fehlt in Hs. G.
DER PROSAROMAN YSAYE LE TRISTE. 183
den Zwerg und zerdrückt ihn fafst. Da holt Ysaye den Baum-
zweig Agravains (§ i6) herbei und schlägt den Ritter derart damit
auf den Kopf, dafs diesem das Blut vom Kopfe strömt. Gefragt,
weshalb er das gethan habe, erwidert er dem Ritter; pour ce que
hl faisois crier ?non verlet.
21. Der Ritter freut sich über Ysaye, umarmt ihn und reitet
davon. Von einem anderen Ritter, Mordrec, erfährt Tronc den
Namen des vorigen. Es war Agravain. Als Mordrec davongehen
will, sagt ihm Tronc, der nie lügende Merlin habe ihm erzählt,
Mordrec werde seinen Vater umbringen, und der beste Ritter
werde so durch den schlechtesten ums Leben kommen. Wütend
will sich nun Mordrec auf Tronc stürzen, dieser aber flüchtet in
den dichtesten Teil des Waldes, wohin der Ritter ihm nicht zu
folgen vermag.
22. Ein halbes Jahr nachher begeben sich Sarban, Tronc und
Ysaye in den Wald Darnantes, um das Grab Merlins aufzusuchen.
Sie suchen, aber finden es nicht. Da hören sie auf einmal Merlin
aus dem Grabe heraus stöhnen. Sie gehen zu ihm und finden,
dafs sein Grab vollständig bewachsen ist. Tronc fragt Merlin, was
ihm fehle, worauf Merlin antwortet, er möchte etwas über Arthur,
den er erzogen habe und der jetzt tot sei, erfahren.
2;^. Merlin fragt Ysaye, wer er, seine Eltern, Grofs- und Ur-
grofseltern seien. Ysaye, der die Frage nicht versteht, lacht darüber
und sagt: „Gesegnet seist du, mein Freund, und verflucht seien
meine Feinde, denn ich hasse sie."
24. Hierauf fragt Merlin Ysage, was er gern sein möchte.
„Ein Adler." Ob er aber lieber laboureiir oder chevalier werden
möchte. „Chevalier.^^ Da sagt ihm Merlin, er werde einmal von
Lancelot du lac zum Ritter geschlagen werden.
25. Als Ysaye fünfzehn Jahre alt ist, eröffnet er dem Ein-
siedler den Wunsch, sich von Lancelot zum Ritter schlagen zu
lassen. Sarban und Tronc reden ihm ab, geben aber doch seinen
Bitten nach und machen sich auf den Weg. Sie durchschreiten
die verde forest, den Wald Darnantes, eine prairie und gelangen
schliefslich in die gaste forest. Beim Eintritt in diesen Wald er-
klärt Tronc seinen Begleitern, dafs infolge eines Brudermordes,
den Dimustra an Dedalus le vis (beide Söhne des Königs Sehen
von Grofs-Britannien) verübte, der Wald als gaste forest bezeichnet
werde. Sie treffen ein Häuschen an, aus welchem eine Stimme
ihnen zuruft, sie möchten für Lancelot, der hier begraben sei, ein
Gebet verrichten. Sie gehen zum Grabe, heben einen grofsen
Stein ab und erblicken ein Skelett in einem bleiernen Kasten.
Die Nacht verbringen sie in der Kapelle. Am folgenden Morgen,
nach der Messe, erfüllt der Einsiedler Ysayes Bitte, indem er Ysaye
mit dem rechten Arme Lancelots den Ritterschlag erteilt. Diese
Ceremonie begleitet er mit einer Rede, worin er Ysaye ritterliche
Pflichten mitteilt.
26. Nach dieser Feierlichkeit erscheinen die vier Feeen wieder
184 ZEIDLER,
und Überreichen Ysaye ein Pferd, ein Schwert, einen Schild und
einen Helm. Tronc, Ysaye und der Einsiedler kehren hierauf in
ihre Klause zurück.
27. Das Pferd Ysayes erhält die gröfsten Freiheiten. Es läuft
den ganzen Tag im Walde herum, kehrt aber des Abends pünkt-
lich zurück. Eines Tages befinden sich die drei Gefährten an
dem puits de l'aventure und vernehmen ein lautes Geschrei. Sie
gehen dem Geschrei nach und treffen einen valet, der ihnen unter
Thränen berichtet, dafs sein Herr, Herbe le renomme, von einem
Pferde getötet sei, als er ihm habe den Sattel umschnallen wollen.
Sein Herr sein ein berühmter Ritter gewesen, der von Tristan zum
Ritter geschlagen sei. Ysaye verspricht nun dem Knappen, dem
Sohne Herbes, eine Entschädigung zu teil werden zu lassen.
28. Eines Tages bittet Ysaye den Einsiedler, ihn das Fechten
zu lehren. Sie fechten zuerst mit Schwertern, dann mit Baum-
zweigen. In beiden Fechtarten zeigt sich Ysaye überlegen.
29. Ysaye, der zum Manne herangereift ist, reitet eines Tages
mit Tronc in den Wald. Hier wird er von einem Ritter, Harpan
du gue parfond, angehalten und gefragt, wo der Ritter wohne,
dessen Pferd seinen Vater getötet habe. Ysaye giebt sich als den
betreffenden Ritter zu erkennen und bietet Harpan Sühne an.
Dieser schlägt sie aus und es kommt zum Kampf.
30. Harpan wird getötet. Ysaye und Tronc kehren in ihre
Klause zurück und finden den Einsiedler tot vor. Harpan hatte
ihm den Kopf abgeschnitten. Sie begraben den Einsiedler in der
Kapelle und verlassen ihren langjährigen Aufenthaltsort. Sie kommen
vor ein schönes Schlofs und klopfen an. Eine Dame antwortet
ihnen, sie werde keinem Ritter Eintritt in ihr Schlofs gewähren,
aufser demjenigen, der sie an einem Ritter rächen werde.
31. Dieser letztere Ritter, Namens Desrayes le rnaloit, habe
den Leichnam Lancelots aus diesem Schlosse geraubt und in die
gaste forest geschleppt. Der Ritter sei dann in der folgenden Nacht
wiedergekommen und habe ihre Eltern getötet, die Knechte und
Mägde verstümmelt. Sie selbst habe ein Ohr dabei verloren.
Dieses Schlofs heifse die Joyeuse Garde und sie la douloureuse de
la Joyeuse Garde. Desraes wohne auf dem chastel redoute am
Ende des Waldes.
;ifZ. Ysaye verspricht der Dame, sie an dem Ritter rächen zu
wollen, und begiebt sich zu diesem Zwecke mit Tronc nach dem
chastel redoute. Durch einen Knappen läfst er Desraes zum Kampfe
herausfordern.
33. Nach einiger Zeit erscheint der Ritter mit seinen fünf
Söhnen auf dem Plan.
34. Ysaye überwindet alle sechs Ritter und läfst sie lebend
auf einem Wagen nach der Joyeuse Garde fahren. Die Namen
der Ritter sind: Desraes, Vester, Duon, Thom, Perlus le roux de
la verte montagne und Bruneil.
35. Auf Wunsch der douloureuse de la J. G. schneidet Ysaye
DER PROSAROMAN YSAYE LE TRISTE. 185
den Rittern die Fäuste und Füfse ab und läfst ihnen so für ihre
Grausamkeit Gerechtigkeit widerfahren. Die Nacht verbringt Ysaye
im Schlosse, Tronc wacht über die Waffen, und das Pferd Ysayes
läuft frei herum.
36. Am anderen Morgen sieht Ysaye, wie die douloureuse
und eine andere Dame die Herzen der sechs Ritter essen. Auf
Ysayes Frage, weshalb sie das thäten, erklären sie, sie thäten es,
um sich besser an ihren Feinden zu rächen. Hierauf tritt der
achtzehnjährige Bruder der douloureuse ein und dankt Ysaye. Er
besitzt nur ein Ohr — das andere hatte ihm Desraes abge-
schnitten — und heifst daher le desoreüle de la Joyeuse Garde.
Ysaye schlägt ihn am folgenden Morgen zum Ritter.
37. Die Erzählung wendet sich zur Amme Ysayes.
38. Die Amme, Bise, begiebt sich nach Tintagel zu einem
Goldschmied, um sich nach dem Werte des Ringes zu erkundigen.
Sie erfährt von dem Goldschmied, dafs der Ring einen tresor wert
sei. Neugierig, woher der Ring stammt, bittet er Bise, ihm dies
zu sagen, und erfährt so die Geschichte von der P:ntführung Ysayes
durch Sarban. Er will den Ring kaufen, da aber Bise nicht ein-
willigt, bittet er sie, in einem halben Jahre wieder zu kommen.
Bise begiebt sich hierauf nach Loisemont zu ihrem Vater Clabant,
einem ribault. Dieser läfst sich die Geschichte Ysayes ruhig er-
zählen und sagt ihr dann, Sarban habe den Knaben zu ihrer Tante
getragen, woselbst er sehr gut gepflegt werde.
3g. Ysaye und Tronc begegnen auf ihrem Marsche einem
valet, der ihnen erzählt, dafs man seit dem Tode Arthurs seines
Lebens nicht mehr sicher sei, da jeder Ritter jetzt selber den
Herrscher spielen wolle. Auf ihrem Wege würden sie das Schlofs
Menets le mecogneu, des Sohnes Palamedes le mecogneu, antreffen.
Dieser Ritter sei sehr grausam und lasse von seiner cousiume nur
ab, wenn ihn jemand besiege. Ysaye beschliefst, den Kampf gegen
Menet aufzunehmen. Er reitet nach dem Schlosse und läfst durch
eine Zwergin, die unter einem Baume sitzt, den Ritter herausrufen.
Diese bediente sich hierbei eines Klingelzuges, der von dem Baume
aus nach dem Schlosse führte. Der Ritter erscheint sofort. Es
kommt zum blutigen Kampfe, in welchem Menet vom Pferde ge-
worfen wird und mit gebrochenem Arm in sein Schlofs getragen
werden mufs.
40. Tronc benachrichtigt nun den Pförtner von dem Unglück
des Schlofsherrn. (Das Pferd Menets schenkt er einem vorbei-
gehenden Armen.) Dieser läfst nun JNIenet auf einer Bahre ins
Schlofs tragen. Menet selbst lädt Ysaye ein, in dem Schlosse,
welches ihm jetzt gehöre, zu übernachten. Ysaye folgt der Ein-
ladung. Tronc aber, der sich auch mit ins Schlofs begeben will,
\vird die Thür vor der Nase geschlossen.
41. Im Schlosse angekommen, wundert sich Ysaye, dafs Tronc
nicht bei ihm ist. Er bittet deshalb den Pförtner, Tronc zu suchen.
Dieser fürchtet sich vor Tronc, und so mufs ein anderer den Zwerg
l86 ZEIDLER,
suchen. Tronc wird bald darauf vor seinen Herrn geführt. Alle
Bewohner des Schlosses sind über Troncs Häfslichkeit entsetzt,
und Menet fragt Ysaye, Tronc mache ihm wohl mehr Schande als
Ehre. Ysaye aber nimmt Tronc in Schutz. Ysaye wird nun von
Menet nach seinem Namen gefragt, worauf Ysaye ihm ausweicht
und ihn bittet, er möge ihm am folgenden Tage die vier Wege,
die vom Schlosse abführen, erklären.
42. Menet klärt Ysaye sofort darüber auf. Die vier Wege
seien der rote, schwarze, grüne, weifse. Der rote Weg sei der
Weg der Schlacht oder des Blutes. Diesen halte Paumart le ver-
meil mit sechzig Rittern besetzt. Jeder Ritter, der an seinem
Schlosse vorbeikomme, müsse mit ihm fechten. Wird er besiegt,
so ist er Paumarts Gefangener, siegt er aber, so darf er auf Pau-
marts Schlofs jede andere coustume einführen. Der schwarze
Weg, so fährt Menet fort, sei der des Todes. Er führe nach dem
chastel de l'engarde, welches sich im Besitze eines Sohnes des
Macon le brun de Cornouailles befinde. Dieser habe die üble
Gewohnheit, Ritter sowohl wie Damen gefangen zu nehmen. Die
Ritter werfe er in den Kerker, die Damen aber gebrauche er.
Sollte sich eine Dame sträuben, so würde sie ebenfalls einge-
kerkert, oftmals sogar verbrannt.
43. Ysaye ist über diese Grausamkeit erregt. Ueber den
grünen Weg erfährt Ysaye von Menet, er führe nach einer grünen
Wiese. Dort hielten sich zwölf Feeen auf, die jeden Wanderer
fortschleppten, und man wisse nicht, was aus diesem werde. Der
weifse Weg sei vollständig ungefährlich.
44. Auf Ysayes Frage, woher diese coustumes stammen, erzählt
Menet: Drei Jahre nach dem Tode Arthurs veranstalten Ramant
le prince de Galles und der roi des cent Chevaliers ein Turnier.
Nach dem Feste kehrten alle Ritter heim, zwanzig jedoch blieben
bei Ramant. Als sie eines Mittags bei der Tafel safsen, trat dessen
Schwester mit einem limosin auf silberner Platte herein und sagte,
derjenige von den Rittern, der den besten Plan habe, solle den
limosin bekommen, demjenigen aber, der die kühnste That voll-
bringe, wolle sie ihre Liebe schenken. Da gelobt Marc le roux,
er wolle dem König Bohort le picquart, le sire de Guis, die Krone
entreifsen. Die übrigen Ritter an der Tafel waren Vettern Bohorts
und versprachen ihm, ihn in diesem Kampfe zu unterstützen. Als
es aber nachher zum Kampf kam, übten die Vettern Verrat. Bo-
hort wurde besiegt. Marc schlug ihm den Kopf ab, verwüstete
das Land und baute in der Nähe sein Schlofs Clermoustier auf.
Als der Sohn Macons le brun von diesem Verrat der Vettern hörte,
beschlofs er, nicht mehr die Pflichten eines Ritters erfüllen zu
wollen. Auch Paumart beschlofs dasselbe.
45. Am folgenden Morgen schlagen Ysaye und Tronc den
roten Weg ein. Sie sehen vier Häuser am Wege liegen. Kaum
sind sie bis hierher gelangt, als vierzig Reiter auf sie losstürzen
und von Ysaye Waffen und Pferd verlangen.
DER PROSAROMAN YSAYE LE TRISTE. 187
46. Ysaye weigert sich. Die Ritter stürzen auf ihn los, müssen
sich aber vor den wuchtigen Hieben Ysayes wieder zurückziehen.
47. Als Paumart seine Leute fliehen sieht, rüstet er sich selbst
und stürzt auf Ysaye los, wird aber von Ysaye aus dem Sattel
geworfen.
48. In dem darauf folgenden Schwerterkampf ergeht es Pau-
mart nicht besser. Er wird besiegt und erklärt Ysaye, er könne
mit ihm und seinem Schlosse machen, was ihm beliebe. Ysaye
und Tronc gehen nun zunächst mit Paumart ins Schlofs.
49. Hier bittet Ysaye Paumart, er möchte seine Hand in die
seines Knappen legen. Paumart weigert sich zuerst, da er Tronc
für einen Teufel hält, bald aber thut er es auf Zureden Ysayes.
50. Nun sagt ihm Ysaye, er solle für die doulce dame ein
Kloster bauen und siebzehn Mönche hineinsetzen. Dann würde
Christus ihm seine bösen Thaten verzeihen. (Die Zahl 17 wählt
Ysaye zum Andenken an 1 7 tote Ritter, von denen 1 2 durch Pau-
mart, 5 durch Ysaye getötet sind.)
51. Paumart dankt Ysaye und läfst das Kloster bauen. „Es
führt noch heute den Namen chastel de l'aumosne." Nun reiten
Tronc und Ysaye weiter und kommen zu einem Schlosse, vor
welchem vier scheinbar schlafende larrons liegen, die unter dem
Rufe: vassmix a la belle dame vous es/es prins entfliehen. Ysaye
tritt in den Schlofshof ein. Dort hört und sieht er niemand. Kaum
aber hat er sein Pferd in den Stall gebracht, als mehrere Ritter
über ihn herfallen und ihn gefangen nehmen. Tronc wird vor
den Schlofsherrn geführt. Dieser wundert sich über Tioncs Häfs-
lichkeit, findet ihn aber sehr spafshaft und nennt ihm auch seinen
Namen: le hrtm de Vengarde. Den Namen Ysayes aber erfährt er
von Tronc nicht. Im Laufe des Gesprächs erhält Tronc auch die
Erlaubnis, in Begleitung des Kerkermeisters seinen Herrn besuchen
zu dürfen. Beide begeben sich zu Ysaye. Kaum hat aber der
Kerkermeister die Thür geöflfnet, als ihn Ysaye schon ergreift und
ihm den Kopf abschlägt.
52. Tronc bittet nun Ysaye, ihm in kurzer Zeit in den Saal
zu folgen. Tronc geht in den Saal und läfst alle Ritter hercin-
treten. Kaum aber sind sie hier versammelt, so erscheint Ysaye
bis an die Zähne bewaffnet,
53. Ysaye hält nun vor den Rittern eine Rede, in welcher
er sie auffordert, von ihren Gräuelthaten abzulassen und lieber ein
Gott wohlgefälliges Leben zu führen. Le Brun spottet darüber.
54. Ysaye wird wütend und erschlägt alle 34 im Saal be-
findlichen Ritter. Tronc steckt das Schlofs in Brand.
55. Ysaye kehrt hierauf in das chastel de l'aumosne zurück,
freut sich über Pauraert und die siebzehn Mönche und drückt
dann noch den Wunsch aus, die douloureuse de la Joyeuse Garde
und Menet le mecogneu mögen in Zukunft hier ihren Wohnsitz
aufschlagen.
56. Während Ysage mit den Mönchen redet, erscheint eine
l88 ZEIDLER,
Dame zu Pferde und fragt nach Ysaye. Sie ist von der Witwe
eines reichen Ritters, die sieben Kinder hat, abgeschickt worden,
um Ysage zu bitten, sie gegen die Belästigungen eines Ritters,
Craventor de i'outrageux passage, der sie wegen ihres Reichtums
und ihrer Schönheit begehre, zu schützen. Die Dame wohnt auf
dem chastel de belle garde. Ysaye fragt, woher die Dame ihn
kenne. Da antwortet die Dame, man kenne sein Schwert Justice,
seinen Zwerg, sein Pferd und nenne ihn überall den chevalier de
grace. Ysaye verspricht zu helfen.
57. Die Amme Bise pflegt Driant, das Kind ihres Onkels,
sehr gut, weil sie es für Ysaye hält. Eines Tages erblickt sie in
dem Steine des Ringes nicht mehr das Bild eines Knaben, sondern
das eines Ritters. Da erinnert sie sich zufällig der Mahnung des
Goldschmiedes, sie möchte in einem' Jahre wiederkommen. Sofort
bricht sie mit Driant auf, und sie erfahren von dem Goldschmiede,
dafs der Knabe zum Ritter herangereift sei, er trage einen ^^-«1!
blanc a l'espee vermeüle. Diesen solle sie aufsuchen. Bise und
Driant machen sich nun auf den Weg und erkundigen sich überall,
ob jemand den Ritter mit dem weifsen Schild gesehen habe.
58. Die Dame (§ 56), Ysaye und Tronc brechen vom chastel
de l'aumosne auf und kehren am Abend bei Qva^vsxforestier, Gartus
de la forest aux lyons, ein. Daselbst werden sie gut bewirtet.
Während des Essens erzählt ihnen der Wirt, dafs bei ihm noch
zwei Ritter übernachteten. Diese wollten am nächsten Tage nach
dem chastel de l'aumosne aufbrechen, um den Tod ihres Bruders
zu rächen. Diese Ritter hiefsen Macon I'oconge (?) und le vacquier
de l'esclaire und seien Brüder des brun de l'engarde. Y'saye bittet
nun den Wirt, die Ritter am folgenden Morgen nicht fortzulassen,
da er ihnen noch etwas zu sagen habe. Hierauf gehen alle zu
Bett. Am folgenden Morgen sind die beiden Brüder schon zur
Abreise fertig, als der Wirt sie darauf aufmerksam macht, dafs im
Erdgeschofs ein Ritter logiere, der sie zu sprechen wünsche. So-
fort vermuten sie in diesem Ritter den Mörder ihres Bruders. Sie
klopfen an die Thür und als ihnen nicht geöffnet wird, schlagen
sie die Thür ein. Da aber tritt ihnen Ysaye, der vollständig ge-
wappnet ist, entgegen.
59. Die Brüder fragen nun Ysaye, ob er etwas von dem
Mörder ihres Bruders wisse. Ruhig erklärt ihnen Ysaye, dafs er
ihn getötet habe. Nun stürzen sich die Brüder wie wahnsinnig
auf Ysaye, werden aber schon nach kurzem Kampfe getötet.
60. Als die Wirtsleute und die Dame die Leichen sehen, sind
sie entsetzt. Ysage aber beruhigt sie, indem er sie über den Vor-
gang aufklärt. Hierauf reiten Ysaye, Tronc und die Dame weiter
bis zum Abend. Da sie kein Wirtshaus finden, wohl aber in einem
Gehölz ein Feuer erblicken, schicken sie Tronc ab, um zu sehen,
was das Feuer bedeute.
§ 38: in einem halben Jahre.
DER PROSAROMAN YSAYE LE TRISTE. 189
61. Tronc sieht, wie vier Schurken ein gewaltiges Feuer an-
gezündet haben, und ruft Ysaye herbei. Bei dessen Ankunft ent-
fliehen sie. Nun reiten die drei Gefährten weiter, bis sie nach
Cannes kommen. Dort zeigt ihnen eine gute alte Frau ein
Wirtshaus.
62. Sie klopfen an die Thür des Hauses. Ein Mädchen
öffnet, erschrickt aber beim Anblick Troncs und ruft den Wirt.
Dieser sieht Tronc auch und erklärt, ihnen kein Nachtquartier
geben zu können. Da Ysaye sieht, dafs er Troncs wegen kein
Unterkommen finden kann, so setzt er Tronc hinter sich aufs
Pferd und verdeckt ihn mit seinem Schild. Dann reitet er nach
einem anderen Gasthaus und erhält ohne weiteres Quartier.
63. Während Tronc auf dem Pferde bleibt, begeben sich
Ysaye und die Dame in das Speisezimmer. Der Wirt safs mit
seiner Frau und seinen beiden Kindern (12 und 11 Jahre alt) be-
reits an der Tafel. Als Ysaye und die Dame sich niedergelassen
haben, verbietet die Mutter den Knidern, das Beste vom Tische
zu nehmen. Da befiehlt ihnen der Vater, der der INIeinung ist,
dafs er die Kinder ernähre, die Mutter zu prügeln. Dies führen
die Kinder sofort aus. Ysaye, hierüber erzürnt, hält dem Vater
eine Rede über Kindererziehung. Da aber der Vater nicht ver-
stehen will, so bricht Ysaye mit den Worten ab: car Favengle na
que faire de chandelle et le sours na que faire de sermon. Der Wirt
heifst Damas de Cannes. Nach dieser aufregenden Scene gehen
alle zu Bett. Am folgenden Morgen brechen die drei Reisenden
auf und treffen unterwegs einen varlet, der ihnen folgendes erzählt:
In dem Hause des Damas hätten sich um Mitternacht die Kinder
geschlagen und wären dabei aus dem Fenster gestürzt. Der Vater
sei aufgestanden und habe seine Frau getötet, da diese die Ivinder
nicht genügend bewacht habe. Ihn selbst aber hätte man ins Ge-
fängnis geworfen und werde ihn nun hängen.
64. Nachdem sie den valet verlassen haben, kommen sie nach
einem Schlofs, aus welchem ein Ritter, Bisart le navarois, heraus-
tritt und Ysaye zum Zweikampf herausfordert. Bisart wird besiegt.
Beim Abschied bittet er Ysaye, er möge seinen Sohn, Duma le
mordreur, zum Ritter schlagen. Ysaye will diesen Wunsch erfüllen.
65. Allmählich nähern sich die drei Gefährten dem chastel
de la belle garde. Sie kommen an einen Flufs, auf dessen jen-
seitigem Ufer sich das Schlofs befindet. Ysaye und die Dame
besteigen einen kleinen Kahn, während Tronc auf dem Rücken
des Pferdes Ysayes über den Flufs gelangt.
66. Die Besitzerin des Schlosses begrüfst vom Fenster aus
die Ankommenden, steigt dann die Treppe herunter und öffnet
die Thür. Ysaye wird nun von allen wegen seiner Schönheit be-
wundert, aber auch Tronc wegen seiner Häfslichkeit angestaunt.
Erregte nun Tronc schon bei den Menschen Anstofs wegen seiner
häfslichen Figur, so war dies noch vielmehr bei den Hunden des
igO ZEIDLER,
Schlosses der Fall. Diese hätten ihn sicher totgebissen, wenn er
sich nicht auf den Rücken des Pferdes geschwungen hätte.
67. Die Dame des Schlosses und Ysaye beraten nun, was sie
gegen Craventor thun sollen. Ysaye sagt ihr, er wolle gegen alle
Mannen Craventors käropfen. In dieser Absicht beschliefst er,
Tronc mit einer Herausforderung an den feindlichen Ritter abzu-
schicken.
68. Die Dame wundert sich, dafs Ysaye sich Troncs in so
wichtigen Angelegen bediene. Da entgegnet Ysaye: Force vaull
plus Sans sens, viais sens est hott sans force; cai- je le vous prouveray.
Marsiadus, der König von Norgalles, war in einen Krieg mit Ysayes
Grofsvater, Meliadus von Leonois, verwickelt. Der letztere hatte
nur halb so viel Truppen als Marsiadus.
69. Trotzdem siegte Meliadus durch die Schlauheit eines
Krüppels, dem zwei Glieder fehlten und der fünf Jahre hindurch
krank gewesen war.
70. Tronc begiebt sich nach dem Schlosse Craventors und
bittet dort um Einlafs. Da Craventor gerade schläft, mufs Tronc
warten, bis Craventor ihn vorläfst.
71. Vor Craventor geführt, erklärt Tronc, er komme im x\uf-
trage der Dame von Belle Garde und eines tapferen Ritters, der
es sich zur Aufgabe gemacht habe, alle Bedrängten zu schützen,
und fordere ihn auf, von seinen Liebesanträgen abzulassen, da die
Dame sich doch nicht, besonders nicht mit ihm, verheiraten werde.
72. Craventor erwidert, er werde die Dame nie in Ruhe
lassen und lieber mit dem Ritter kämpfen. Sollte der Ritter be-
siegt werden, so verlange er folgende Geiseln: die Dame, die
sieben Kinder, Marcadigeil (Bruder der Dame), Duridron (Onkel
d. D.), Dromedia (Schwester d. D.), Alise (Kammerfrau), Tradition
(Vater d. D.), Sollte er besiegt werden, so werde er eine gleiche
Anzahl von Geiseln stellen.
73. Tronc überbringt Ysaye die Antwort Craventors und teilt
dann diesem die Namen der Geiseln mit, die die Dame verlange.
Es sind dies: Nabel (Bruder des Cr.), Vidira de Castrange, Ariste
de Fluyr, Heipas le bleu (Onkel des Cr.) und drei cotisüis germains.
74. Craventor ist bei dieser Nachricht sehr betrübt, da diese
Geiseln seine besten Ritter sind. Dann sagt er Tronc, dafs er am
nächsten Tage zum Kampfe bereit sei.
75. Nach dieser Unterredung führt Craventor seine Geiseln
nach dem Schlosse de Belle Garde, und sonderbarer Weise fragt
ihn nun die Dame, was er mit ihren Geiseln zu thun gedenke,
worauf Craventor erwidert, er werde sie und ihre Kinder ver-
brennen, die anderen Geiseln hängen lassen.
76. Am folgenden Morgen rüstet sich Ysäye zum Kampfe.
Als ihn ein Ritter Craventors erblickt, wendet sich dieser an Tronc
mit der Frage, ob jener der chevalier chetif sei, der gegen seinen
Herrn kämpfen wolle. Tronc weist ihn ob dieser Beleidigung zu-
recht und sagt ihm, dafs sein Herr der berühmte Ritter Ysaye le
DER PROSAROMAN YSAYE LE TRISTE. IQI
Triste, der Sohn Tristans, sei. Da bricht der Ritter in Thränen
aus und sagt, jetzt sehe er, dafs es für Craventor keine Rettung
mehr gäbe.
77. Der Kampf beginnt, und Ysaye siegt.
78. Craventor und seine Geiseln werden vor die Dame des
Schlosses geführt. Diese läfst sofort ein grofses Fest feiern und
donna a Ysaye son corps et ses biens a sa voloJite.
79. Im Schlosse wendet sich Ysaye an den Ritter, dem Tronc
den Namen Ysayes mitgeteilt hatte — es war Senecques le bleu —
und bittet ihn, Stillschweigen über seinen Namen und seine Person
zu beobachten. Senecques verspricht dies.
80. Nichts desto weniger geht Senecques in der Nacht zu
Craventor, teilt diesem den Namen Ysayes mit und erbietet sich,
im Verein mit Craventor Ysaye im Bette zu ermorden. Craventor
ist mit diesem Plane einverstanden, und beide schleichen nach
Ysayes Schlafzimmer. Senecques klopft an und bittet Tronc zu
öffnen, da er seinem Herrn die traurige Botschaft zu übermitteln
habe, dafs Craventor gestorben sei. Tronc entgegnet ihm, sein
Herr schlafe jetzt, er möge später wiederkommen.
81. Craventor und Senecques entfernen sich. Tronc weckt
seinen Herrn und bittet ihn sich hinter die Thür zu stellen.
Darauf kommen Craventor und Senecques wieder, Tronc öffnet,
sie finden das Bett leer vor. Tronc erklärt ihnen nun, sein Herr
sei in jenem Zimmer, dessen Thür sie geöffnet sähen. Sofort be-
geben sie sich dorthin, Tronc eilt ihnen nach und schliefst sie ein.
82. Ysaye tritt nun aus seinem Versteck hervor, läfst die
Thür des anderen Zimmers öffnen und schlägt den Verrätern das
Haupt ab.
83. Ysaye schlägt nun noch den übrigen Geiseln Craventors
die Köpfe ab und läfst sie von Tronc in einen Sack werfen.
84. Tronc schleppt diesen Sack nach dem Schlosse Craventors
und überreicht ihn den dort versammelten Rittern. Dann entfernt
er sich schleunigst. Ysaye will nun vom chastel de Belle Garde
aufbrechen. Da fragt ihn die Dame, wie sie ihm danken könne.
Ysaye befiehlt ihr, für die Toten eine Messe lesen zu lassen.
Aufserdem solle sie vier von ihren Söhnen zu Rittern, drei zu
Geistlichen heranbilden lassen. Auch solle sie wieder einen Gatten
nehmen, der sie gegen die Angriffe der Freunde Craventors
schützen könne.
85. Während Ysaye mit der Dame redet, erscheint ein Knappe
und bittet Ysaye, er möge sein Versprechen einlösen und ihn zum
Ritter schlagen. Er heifse Duma le Mordreur und sei der Sohn
Bisarts le Navarois. Um Ysaye ein Zeichen seiner Tapferkeit zu
geben, brüstet er sich damit, dafs er bereits zwölf Menschen aus
geringfügigem Grunde getötet habe. Ysaye rät ihm, erst die Ge-
sinnung zu ändern und zu seinem Vater zurückzukehren. Doch
bleibt Duma noch eine Nacht hier. Als er am folgenden Morgen
Ysayes Frage, ob er sich eines besseren besonnen habe, mit nein
192 ZEIDLER,
beantwortet, befiehlt ihm Ysaye, sein Plaupt zu beugen. Anstatt
des Ritterschlages versetzt ihm Ysaye den Todesstreich.
86. Kurze Zeit hierauf tritt eine Frau mit einem jungen
Manne ein und erkundigt sich nach einem Ritter, der ihr Sohn
sei und der ihr vor neunzehn Jahren im Morois in Cornouailles
geraubt sei. Es ist Bise mit Driant.
87. Sie erzählt ferner, wie Sarban aus Loisemont und sie den
Knaben erzogen hätten, wie der Knabe geraubt sei, und erzählt
auch die Geschichte mit dem Ringe. Da fragt Ysaye, wie der
Knabe geheifsen habe, worauf sie erwidert: Ysaye le Triste.
88. Als Bise ausgesprochen hat, erscheint eine Fee, giebt
Ysaye einen neuen Schild, nimmt der Amme den Ring von dem
Finger und verschwindet wieder. Erstaunt fragt Ysaye Tronc, was
das bedeute. Da erzählt ihm Tronc, die Fee sei dieselbe, welche
der Amme den Ring an den Finger gesteckt habe. Sie habe ihn
wieder zurückgeholt, weil die Amme den wiedergefunden habe,
den sie gesucht habe. Ysaye küfst nun seine Amme und begrüfst
auch seinen frere de layt. Bise wird von der Dame des Schlosses
reichlich mit Kleidern beschenkt.
8g. Ysaye vertraut nun seine Amme dem Schutze der Dame
an. Driant äufsert den Wunsch, zum Ritter geschlagen zu werden.
Ysaye weist ihn darauf hin, dafs er erst Heldenthaten vollbringen
müsse, ist aber bereit, ihm das Waffenhandwerk beizubringen.
QO. Ysaye, Driant und Tronc nehmen hierauf Abschied. Unter-
wegs treffen sie einen valet, der einen Wagen mit Lebensmitteln
mit sich führt. Ysaye fragt ihn, wohin er wolle. „Zum Chevalier
sot sage du chastel mal assi's" ist die Antwort des valel. Neugierig,
weshalb dieser Ritter den wunderbaren Namen sol sage führe, bittet
Ysaye den Knappen, ihm diesen Ritter zu schildern.
gi. Der valel erzählt hierauf: In diesem Lande lebte ein
Ritter Blaienor, ein Bruder des Blioberis de Cannes. Blaienor war
mit der Tochter des Königs von Norgalles verheiratet und zeugte
mit dieser einen Sohn.. Letzterer wurde der gelehrteste Mann
dieses Landes, so dafs viele Leute Rat bei ihm holten. Eines
Tages erschien auch ein Fräulein bei ihm, Ciaire la plus belle mit
Namen. Zu dieser fafste der clerc, wie er genannt wurde, eine
unaussprechliche Liebesneigung und bat um ihre Hand. Sie war
nicht abgeneigt, doch zog sie es vor, zuerst ihre sechs Brüder um
Rat zu fragen.
gz. Die Brüder wünschten ihr aber eher den Tod als diese
Heirat. Als der clerc davon Kunde erhielt, wurde er vor Zorn
wahnsinnig. Von da ab nannten ihn die Leute den sot sage. Von
dem Unglücke dieses Königssohnes erfuhren Bohort de Cannes
und Hector des Mares und eilten herbei, um die sechs Brüder
zu strafen. Sie töteten die Brüder, und nun stand dem sol sage
kein Hindernis mehr im Wege, Ciaire zu heiraten. Der soi sage
wurde wieder gesund, gab sich aber von nun an dem Ritterhand-
werke hin. Jedoch habe er eine eigentümliche Fechtweise. Er
DER PROSAROMAN YSAYE LE TRISTE. I93
fechte nur mit Baumzweigen. Denjenigen, den er besiegt, nimmt
er mit auf sein Schlofs mal assis (wegen der Niedermetzlung der
sechs Brüder Claires so genannt) und beschäftige ihn dort, den-
jenigen aber, der ihn besiegt, schlage er zum Ritter. Ysaye fafst
nun sofort den Plan, Driant in diesem Kampfe zu erproben. Ysaye,
Driant und Tronc reiten nun nach dem Schlosse. Da begegnen
ihnen drei Ritter, die ihnen erzählen, dafs der sot sage früher
die Angewohnheit gehabt habe, die Besiegten zu seinen Dienern
zu machen.
93. Jetzt befolge er einen Rat Claires, alle schönen Frauen
im Umkreise von einer Meile um sein Schlofs einfangen zu lassen,
um sie dann zu verbannen. Diesen Rat hatte Ciaire dem soi sage
aus dem Grunde gegeben, weil sie es nicht dulden wollte, Frauen
von ihrer Schönheit in ihrer Nähe zu haben.
94. Die Ritter verabschieden sich, und Ysaye erfährt von dem
valet, der noch bei ihm ist, die Namen der drei Ritter. Der erste
sei Brandor, der Sohn des Brandalis, eines Ritters der Tafelrunde.
Der zweite sei der Sohn Lambeguets, der Palamedes le mecogneu
besiegt habe, als dieser die Königin Yseut vom Hofe Marcs ent-
führen wollte. Man nenne ihn le besge de la hatilte röche. Der
dritte sei Festion le blond, der Sohn Gaheriets. Als Ysaye dies
vernommen hat, schickt er Tronc zum sot sage und läfst ihn zum
Kampfe herausfordern. Tronc trifft den sot sage mit Ciaire an.
Ciaire erschrickt bei Troncs Erscheinen. Der sot sage nimmt die
Forderung Ysayes an. Unterdessen lehrt Ysaye Driant fechten.
95. Bald darauf findet der Kampf statt. Der sot sage und
Driant sind mit Baumzweigen bewaffnet. Driant erhält zwei wuchtige
Hiebe auf den Helm, so dafs er den Kampf aufgeben will.
96. Da Driant sich sehr feige benimmt, fragt ihn der sot sage,
woher er stamme, worauf Driant erwidert: aus Loisemont bei Tin-
tagel in Cornouailles. Darauf fragt der sot sage, ob nicht sein
Begleiter (Ysaye) vielleicht den Kampf gegen ihn aufnehmen wolle,
wenn er zu feige sei. Da antwortet Driant, dafs sein Begleiter
dies sehr gern thun, er aber lieber 15 Tage barfufs gehen würde.
97. Ysaye schneidet zunächst für sich einen Zweig ab von
4 1/2 Fufs Länge und einer Dicke von 3 Fäusten. Dann tritt er in
den Kampf ein. Der Kampf ist für Ysaye schwer, doch gelingt
es ihm bald, dem sot sage einen Hieb zu versetzen, dafs dieser
ohnmächtig vom Pferde stürzt und 12 Zähne verliert.
98. Als der Besiegte wieder zur Besinnung kommt, lobt er
Ysayes Stärke. Ysaye will aber davon nichts wissen und schreibt
seinen Sieg der Unterstützung des p^re gloMeux z;u.
99. Nun befiehlt Ysaye dem sot sage folgendes. Er solle ihm
huldigen, seine Geliebte solle verbannt werden, an dem Todestage
der sechs Brüder (le lendemain de la Trinite) solle er für alle, die
durch seine follie umgekommen sind, beten und beten lassen, und
das Schlofs solle fortan den Namen chastel revertiz führen. Den
gefangenen Rittern schenkt er die Freiheit.
Zeitechr. t rom. Phil. XXV. I^
194 ZEIDLER,
lOO. Am folgenden Tage bricht Ysaye mit Driant und Tronc
auf, ohne dem soi sage seinen Namen zu nennen.
lOi. Auf ihrem Wege kommen sie nach Louvrezep, einem
Meereshafen. Dort wird Tronc von einem vakl angeredet. Dieser
wünscht Troncs Herrn zu sprechen, von dem man sage, er habe
Paumart besiegt und das rote Schlofs eingenommen. Tronc ruft
Ysaye herbei.
102. Als Ysaye herankommt, überreicht ihm der valei einen
Brief, welchen Marthe, la niece au roy Yrion de Blamir, ihm sende.
Ysaye läfst den Brief von Tronc vorlesen, \cest la fille Htistin lern-
pereur de Gresse qui est freies Yrmi?\ i
103. In diesem Briefe teilt Marthe Ysaye mit, dafs sie ihn
unsterblich liebe, obwohl sie ihn noch nie gesehen habe. Sie
träume von ihm, sie mache chansons seinetwegen, sie sei liebes-
krank. Er möge kommen und sie von ihrer Krankheit heilen. Von
ihm hänge es ab, ob sie am Leben bleibe oder sterbe. Am
Schlüsse bittet sie, Ysaye möge ihr durch den valet Nachricht zuteil
werden lassen.
104. Nachdem Ysaye den Inhalt vernommen hat, seufzt er
tief und bittet den valet, einstweilen bei ihm zu bleiben. Dann
werde er ihm Antwort geben. Darauf begeben sich die vier Ge-
fährten zu einem reichen Bürger, um dort zu logieren. Bei diesem
erkundigt sich Ysaye, auf welchem Wege er nach Sollenoys ge-
langen könne. Darauf erwidert ihm der Bürger, er müsse einen
halben Tag lang über das Meer fahren, dann komme er zu einer
Burg, die von gens d\irines belagert würde. Auf Ysayes Frage,
was dort vorgefallen sei, erzählt der Bürger folgendes:
105. Eine Anzahl junger Leute seiner Stadt hätten in der
Maizeit einmal sich den Scherz erlaubt, ein der Burg gehöriges
Schiff zu kapern. Dies war ihnen aber nicht gelungen, wohl aber
hätten sie es sich gefallen lassen müssen, dafs 25 ihrer Leute ge-
fangen und gehängt wurden. Am Schlüsse seiner Erzählung bittet
er Ysaye, er möge seinen Landsleuten helfen, die Burg einzu-
nehmen.
106. Ysaye entgegnet ihm hierauf, er könne nur die Partei
der Burgleute ergreifen, da diese im Rechte seien. Nun wendet
sich Ysaye an Tronc und beauftragt ihn, einen Brief an Marthe
zu verfassen. Diesen Brief übergeben sie dem valet. Am folgenden
Tage besteigen sie ein Schiff und fahren nach der Burg.
107. Nachdem sie ans Land gestiegen sind, entlassen sie den
valet. Da dieser aber für seine Herrin noch ein Geschenk wünscht,
geben sie ihm auf Troncs Rat Driant mit. Driant und der valet
entfernen sich, Tronc aber begiebt sich in das Hauptzelt der Be-
lagerer und verlangt den Führer zu sprechen.
[108. Bald erscheint auch Ysaye und läfst sich von dem
Führer die Ursache des Krieges darstellen. Da diese Erzählung
^ [] Zusatz von D.
DER PROSAROMAN YSAYE LE TRISTE. 195
genau den Thatsachen, die ihm der Bürger mitgeteilt hat, ent-
spricht, sagt er, die Belagerten seien im Recht, und er werde ihnen
helfen. Tronc und Ysaye verlassen unbehelligt das Hauptzelt und
begeben sich nach der Burg, woselbst ihnen, allerdings erst nach
Ablegung der Waffen, Eintritt gewährt wird.
109. Ysage bemerkt lauter abgemagerte Leute und erfährt
von diesen, dafs bereits alle Lebensmittel, ja sogar alle Katzen,
Llunde, Pferde und biestes aufgegessen seien. Ysaye weint, als er
dies hört, und bittet Gott, den Armen zu helfen.
iio. Ferner erfährt er, dafs bereits Kinder geschlachtet, ge-
kocht und gegessen seien.
111. Ysaye, der ermüdet ist , legt sich zur Ruhe, während
Tronc das Pferd bewacht, damit es nicht auch noch aufgezehrt
werde. Um Mitternacht weckt Tronc seinen Herrn, da er bemerkt
hat, wie die Belagerer am Gestade Lebensmittel aus den Schiffen
holten. Sie verlassen beide die Stadt.] 1 Ysaye legt sich in einen
Hinterhalt, während Tronc den Befehl erhält, aufzupassen en quel
point ceulx de Post esioient.
112. Kaum hatte sich Ysaye in den Hinterhalt gelegt, als
Tronc die Nachricht bringt, die Feinde seien eingeschlafen und
nur 50 Mann hielten Wache; ferner kämen vom Gestade her sechs
Wagen mit Lebensmitteln, die nur durch 20 Mann geschützt seien.
Ysaye sprengt sofort aus seinem Versteck hervor und stürzt sich
auf die Bedeckung der Fouragewagen. P> tötet zunächst den
Führer, dann stürzt er sich auf die andern. Sein Pferd ist ihm
im Kampfe behülflich dadurch, dafs es furchtbare Fufstritte austeilt.
113. Während Ysaye gegen die Bedeckung kämpft, geht Tronc
zu den Trofsknechten und erzählt ihnen, es seien 100 vor Llunger
wahnsinnig gewordene IMänner aus der Burg entflohen, die nun
alles, was ihnen entgegentritt, niederhauen. Jener Ritter, der gegen
ihre Bedeckung kämpfe, sei auch einer von den Wahnsinnigen,
Schleunigst verlassen nun die Trofsknechte die charettes, Tronc
aber holt Leute aus der Burg herbei, die die Wagen in die
Stadt ziehen,
114. Nachdem Ysaye die Bedeckung niedergemetzelt hat, eilt
er nach der Burg. Schon aber folgen ihm neue Feinde. Vor der
Burg entspinnt sich nun ein mörderischer Kampf.
115. Tronc, der in der Burg ist, erinnert sich, dafs sein Herr
derjenige ist, der draufsen gegen eine Uebermacht von Feinden
kämpft. Er bittet die Fallthür herunter zu lassen, damit sein Herr
eintreten könne, dann aber die Thür schleunigst wieder zu heben.
116. Die Einwohner der Burg erfüllen seinen Wunsch. Ysaye
weicht nach der Fallbrücke zurück. Als Ysaye gerettet ist, wird
die Thür gehoben. Dabei fallen 8 von den nachdringenden
Feinden in den Graben, 16 aber werden gefangen genommen.
1 [] fehlt in G.
13*
igÖ ZElDLER,
Nach dieser Anstrengung lassen sich die Bewohner der Burg die
erbeuteten Lebensmittel gut schmecken.
117. Ysaye hält während der Nacht am Thore Wache. Am
nächsten Morgen sieht er zwei Ritter kommen, die ihn auffordern,
die Gefangenen herauszugeben. Sollte er dies nicht thun, so
würden sie die Burg angreifen. Ysaye läfst sich durch diese
Drohung nicht einschüchtern, sondern erwidert ihnen, falls ihre
Führer bis zum nächsten Tage nicht Frieden geschlossen haben
sollten, würde er allen Gefangenen die Köpfe abschlagen. Et avant
ce je suis prest de moy mtistrer corps a corps contre les plus hardis.
118. Um ihnen auch ein Beispiel seiner Kraft zugeben, geht
er zum Thor hinaus und schlägt dem einen der beiden einen Arm
ab. Entsetzt fliehen die Boten davon.
iig. Bei ihrem maistre angekommen, erzählen sie, dafs der
Ritter, den Gott den Feinden geschickt habe, kein Mensch, sondern
eine Art fotihhe de tempeie sei. Er sei in der Nacht ganz allein
aus der Burg gezogen, habe 45 Mann der ihrigen getötet und ihnen
6 Wagen mit Lebensmitteln abgenommen. Aufserdem habe er noch
viele Gefangene in der Burg.
1 20. Dann zählen sie die Bedingungen auf, die Ysaye ihnen
gestellt habe. Da treten zwei Boten ein, die über das Meer ge-
kommen waren, um dem soiiverain de ceulx lesquelz estoieni dos einen
Brief zu übermitteln.
121. Sie sagen dem hailly von Louvresep, sie seien gekommen,
um den berühmten Ritter zu suchen, der Paumart u. s. w. besiegt
habe. Sie hätten den Auftrag, ihm die Krone des Königreiches
Logres anzubieten. Sie erkundigen sich, ob er vielleicht unter
ihnen sei.
122. Als der hailly dies vernimmt, beschliefst er, sich Ysaye
zu untewerfen. Sofort treten 500 Mann barfüfsig und barhäuptig
den Weg zur Burg an.
123. Sie fallen vor Ysaye nieder und bitten um Verzeihung
für ihre oulirages. Ysaye erwidert ihnen, er sei garnicht derjenige,
den sie suchten. Er sei ein pauvre chevalier.
124. Die Bürger entgegnen ihm darauf, sie wüfsten wohl,
wen sie vor sich haben, und bitten nun um Freigabe der Ge-
fangenen, sie wollten dagegen auch die gestellten Bedingungen
eingehen.
125. Ysaye giebt nun die Gefangenen frei, die Städter ziehen
ab. Er bleibt noch acht Tage in der Burg, um seine Wunden
verheilen zu lassen. Dann bricht er mit Tronc auf.
126. Driant und der valet der Marthe kommen an dem Schlosse
Vadans de Drangor vorbei, dessen Besitzer die Gewohnheit hatte,
jeden bewaffneten Mann anzufallen.
127. Als Driant den Ritter auf sich zukommen sieht, wirft er
vor Angst die Waffen fort.
128. Vadan läfst nun Driant unbehelligt durch sein Gebiet
ziehen. Nach vier Tagen erreichen Driant und der valet das König-
DER PROSAROMAN YSAYE LE TRISTE. igy
reich Miradir. Der vakt verschafft nun zunächst dem Driant ein
gutes Logis bei einem reichen Bürger, welcher mit Marthe gut be-
freundet ist. Dann begiebt er sich zu Marthe, erzählt ihr, wie er
Ysaye gefunden hat, giebt ihr den Brief und erzählt ihr, dafs Ysaye
seinen Bruder Driant vorausgeschickt habe.
129. Hierauf schildert er Ysaye näher.
130. Als Marthe den Brief gelesen hat, fällt sie in Ohnmacht.
Als sie wieder zu sieht kommt, ruft sie laut: Tres doiiLx amy, vencz,
vcnez, voiis perderez voire amye.
131. Sie steckt den Brief in ihren Busen und begiebt sich
zu Driant. Sie umarmt und küfst ihn heftig. Dann bittet sie ihn,
fortan im Schlosse zu wohnen. Mais bie?i saichez qiie oncqiies ne
ftist teile feste qtie Frion luy feist quant il fut venu a la court.
132. Nach einiger Zeit erscheint Yrion in Marthes Kammer
und findet sie, wie sie ein Schriftstück abfafst. Sie ist so sehr in
ihre Arbeit vertieft, dafs sie ihren Onkel garnicht bemerkt, dann
aber jäh erschrickt, als er ihr das Schriftstück fortnimmt. Yrion
liest es durch und lacht darüber.
133. Das Schriftstück ist eine cJuvison, in welcher Marthe
Ysaye als die Blume der Ritterschaft verherrlicht.
134. Der König liest die chanson zwei- bis dreimal durch und
erkundigt sich dann bei Marthe, wer der Ritter sei, den sie liebe.
Da antwortet sie ihm, sie kenne ihn selbst noch nicht, und bittet
ihren Onkel, ein Turnier zu veranstalten. Dann würde er ihn
schon sehen. Yrion verspricht ihr, das Turnier bald zu ver-
anstalten.
135. Yrion teilt nun seine Absicht Driant mit. Da sagt ihm
Driant, es gäbe keinen tüchtigeren Ritter als Ysaye. Er selbst
habe einmal gesehen, wie Ysaye dem sot sage einen so gewaltigen
Hieb versetzte, dafs dieser ohnmächtig zusammenbrach. Nun ist
Yrion aufs höchste gespannt, wie dieser Ritter wohl aussehen mag.
Er schickt sofort Herolde ab und läfst als besten Preis im Tournier
ein Pferd und 40 besaiis d'argent aussetzen.
136. Ysaye kommen zum Schlosse des Va{u)dan de Drangor,
villette siir la vier. Ysaye wird von Vadan angegriffen, siegt jedoch.
Ysaye erkundigt sich nun nach dem Namen des Gegners. Dieser
nennt seinen Namen und erzählt Ysaye, dafs er ein Kind bei sich
habe, das man Vorphelin de Guis nenne. Dieses Kind habe er
gegen einen Ritter zu schützen, der auf dem zwei Meilen ent-
fernten Schlosse Clermoustier wohne und dem Kinde nach dem
Leben trachte.
137. Ysaye erkundigt sich nun, woher dieses Kind stamme.
Da erzählt ihm Vadan, das Kind sei der Sohn Bohorts le piquart,
sire de Guis, und führt nun dieselbe Geschichte an, die wir schon
aus § 44 kennen. Er habe nach dem Tode Bohorts das Kind zu
sich genommen. Ysaye verspricht ihm nun, den Tod Bohorts an
Marc le roux zu rächen.
138. Ysaye, Tronc und Vadan betreten das Schlofs. Der
ig8 ZEIDLER,
Knabe öffnet ihnen. Ysaye küfst ihn. Am folgenden Morgen er-
kundigt er sich bei dem Knaben nach dessen Alter und erfährt
von ihm, dafs er 15 Jahr alt ist. Im Verlaufe des Gespräches
bittet der Knabe Ysaye, seinen Vater an Marc le roux zu rächen.
Ysaye befiehlt nun Vadan , sich sofort mit seinen 40 Rittern zu
rüsten und in einen Hinterhalt zu legen. Auch der Knabe solle
sich rüsten.
139. Ysaye und Tronc reiten nun nach Clermoustier.
140. Tronc will sich zu Marc le roux begeben, wird aber
von dessen Rittern angehalten und gefragt, wer ihn sende. Da
antwortet ihnen Tronc: le maislre des chastieux. car ü les chastie
(Tune verge qtiil porte a la resun de espee. Die Ritter sagen ihm,
solch thörichtes Geschwätz hätten sie seit Arthurs Tode noch nicht
gehört, er möge seinen Herrn selbst kommen lassen.
141. Ysaye erscheint und fordert sämtliche Ritter auf, sich
zu bewaffnen und in einem grofsen Saal zusammenzutreten, wo-
selbst er ihnen dann seine Mission mitteilen werde.
142. Sobald die Ritter versammelt sind, erklärt ihnen Ysaye,
dafs er gekommen sei, den Tod Bohorts le picart zu rächen. Da
verhöhnt Marc Ysaye, indem er ihn einen qiiesterez (lat. castratus)
nennt. Wütend hierüber zieht Ysaye sein Schwert und haut auf
die Ritter ein. Die Mannen Marcs hören die wuchtigen Hiebe im
Saale und eilen ihrem Hen-n zu Hilfe.
143. Tronc verläfst das Schlofs, um Hilfe zu holen. Er wird
verfolgt, rettet sich aber dadurch, dafs er in einen in der Nähe
des Schlosses fliefsenden Flufs springt. Vorher jedoch war es ihm
noch gelungen, das Haus eines Bürgers in Brand zu stecken.
144. Beim Anblick des Feuers geraten die Bürger sowohl
als auch die ]\Iannen Marcs in Bestürzung. Diese Bestürzung be-
nutzt der hartbedrängte Ysaye, um zu entfliehen. Da aber trifft
Vadan mit seinen 40 Rittern ein, besiegt die Ritter und nimmt die
reichsten Bürger gefangen. Am folgenden Morgen läfst Ysaye, an
dessen Seite sich das enfant de Guts befindet, die gefangenen
Bürger, 40 an der Zahl, vor sich treten.
145/6. Auf einem Stuhle stehend, hält nun Tronc eine ge-
waltige Rede darüber, dafs Gott mit seinem Herrn und Vadan
gewesen sei und die Feinde wegen ihrer Grausamkeit vernichtet
habe. Sein Herr verlange Sühne.
147. Die Bürger ziehen sich zu einer Beratung zurück und
beschliefsen auf Anraten des Siasaries, jede Forderung der Sieger
zu erfüllen.
148. Nach der Beratung teilen sie Ysaye ihren Entschlufs
mit. Da befiehlt ihnen Tronc, sie sollen das enfant le Gttts, Her-
gault le blond, als König von Clermoustier anerkennen.
14g. Ysaye schlägt nun Hergault zum Ritter. Hergault ver-
anstaltet ein Fest. Während dieses Festes werden nun noch Sia-
saries und Josue, ein Sohn des Garlus de la forest aux lyons, von
Ysaye zu Rittern geschlagen.
DER PROSAROMAN YSAYE LE TRISTE. IQg
150. Auf den Wunsch IMarthes hin begeben sich der valct
und Driant nach der Hauptstrafse von Miradir, um von einem
dort befindlichen Zelte aus die Ankunft Ysayes zu erwarten. Auf
dem Wege nach dem Zelte zeigt Driant wieder seine grofse Feig-
heit, so dafs der valet zu ihm sagt: Si vous fussiez im aiitre Je
deisse qiie vous feussiez ou erragies oii coiiart on que vous eussiez la
vene beslournee.
151. Nachdem sie eine Zeitlang im Zelte verweilt haben,
kommt ein Trupp Reiter vorbei. Nach wiederholten Aufforderungen
seitens des valet begiebt sich Driant zu dem Führer des Trupps
und erfährt von diesem, dafs in kurzer Zeit ihm ein Ritter folgen
werde, der sehr berühmt sei und einen escu blanc a lespee vermeille
trage. Da sagt ihm Driant, dafs dieser Ritter sein Bruder sei, und
bittet den Ritter, er möchte seinem Bruder mitteilen, dafs er (Driant)
wieder nach Cornouailles gehen werde pour ce que je scay hieii que
Sil nie trouvoit que mener 7ne vouldroit au iournoy.
152. Der Ritter lacht über die Feigheit Driants, bittet ihn
aber, seinem Bruder einen Grufs vom Ritter Hergault zu über-
mitteln. Dann erzählt er (Hergault), wie er seine Güter durch
Ysaye wiedererlangt habe. Dieses hört auch der valet und macht
sich eiligst auf, Marthe diese Nachricht zu überbringen. Driant
aber ferit cheval des esperons par teile mauiere quil fut un au avant
que Ysaye le vist.
153. In kurzer Zeit sind die Ritter des ganzen Königreiches
zum Turnier eingetroffen. Marthe, die noch immer nichts von
Ysaye hört, läfst in allen Zelten nach dem Ritter mit dem cscu
blajic a lespee vermeille fragen. Da ihr Bote ihr aber mitteilt, dafs
Ysaye noch nicht da sei, fällt sie in Ohnmacht.
154. In diesem Zustande findet sie Yrion. Als sie wieder zu
sich kommt, erklärt sie auf ihres Onkels Frage, was ihr fehle, sie
wolle nichts wieder essen, bevor sie nicht ihren Geliebten gesehen
habe. Sie wolle lieber sterben, als den Zustand, in dem sie sich
jetzt befinde, länger ertragen.
155. Yrion sucht IMarthe zu beruhigen. Da ihm das aber
nicht gelingt, geht er zu seinem Ratgeber Henry und erzählt diesem
von Marthes Kummer. Da rät Henry, der König solle alle Ritter
aus den Zelten treten lassen. Dann würde er sehen, welcher von
den Rittern einen solchen Schild trage.
156. Von Marthes Kummer und dem Anlasse dazu erfahren
bald alle Ritter, aber niemand hat den Ritter mit dem escu blatte
a lespee vertiieille gesehen. Nur einen Ritter mit einem escu blatte
(aber ohne rotes Schwert) hatte man bemerkt.
157. Yrion folgt nun dem Rate Henrys und läfst sämtliche
Ritter an seinem Palaste vorüberreiten. Marthe und er betrachten
von den Fenstern aus die Ritter. Da bemerken sie einen, dessen
Schild genau wie derjenige Ysayes aussieht. Es hatte nämlich der
in § 156 erwähnte Ritter Paumart d'Arbise, de la marche de Logres,
200 ZEIDLER,
sire de Perrorentin , auf seinen escu blaue ein rotes Schwert
malen lassen.
158. Marthe ist sehr erfreut bei dem Anblicke des Ritters,
da sie ihn für Ysaye hält. Sie holt ein rotseidenes Herz und giebt
es ihrer Kammerfrau mit der Bestimmung, es dem Ritter zu über-
reichen und ihm zu sagen, er möchte in der Nacht zu ihr kommen.
15Q. Yrion veranstaltet ein grofses disner, an welchem 400 diics,
contes, Chevaliers und eine grofse Anzahl Damen teilnehmen. Mais
saichez qtie Marthe fiit la plus belle et la plus joyeuse de toutes.
160. Während des Essens tritt ein Zwerg, ohne Hut und
ohne Schuhe, wohl aber mit einem grofsen Stock versehen, in den
Saal und verlangt Marthe zu sprechen. Der Portier führt ihn zu
jNIarthe. Ueber seine Häfslichkeit staunen alle Festteilnehmer, car
trop estoit hideux.
161. Der Zwerg überglebt Marthe einen Brief Ysayes. Marthe
eikennt sofort in dem Zwerge den Pagen Ysayes. Sie befiehlt nun
einem valet, Tronc in ein besonderes Zimmer zu führen und ihn
dort gut zu bewirten.
162. Nach dem Essen geht Marthe in ihr Zimmer und liest
den Brief.
163. Hierin teilt Ysaye ihr mit, dafs er am Abend als armer
Ritter, ohne Waffen und zu Fufs, in Miradir eintreffen werde.
164. Als Marthe den Brief gelesen hat, singt sie vor Freude
und umarmt Tronc. Da erscheint der Ritter Paumart, der seinen
Schild geändert hatte (§ 157). Seine Fälschung wird von Tronc
sofort aufgedeckt, denn Tronc weifs, dafs der Vater Paumarts,
Patrides du chastel noir, und sein Grofsvater, Hector le bleu, nur
einen escti blatte getragen haben. Er sagt dem Paumart: Et si
voiis fusies fils de bontie inere si porlez ses armes demain au tournoy .
ceries vous noseries. Ueber diese Abfertigung ist der Ritter wütend,
aber Marthe verabschiedet ihn mit folgenden Worten: Allez vous
en et pensez en vous purger de cesie besoigtte . car sil est ainsi mort
avez desservie. Beschämt zieht der Ritter von dannen. Aber auch
Tronc verläfst Marthe, um Ysaye herbeizuholen. Er findet seinen
Herrn noch an derselben Stelle schlafend, an welcher er ihn ver-
lassen hat.
165. Tronc weckt Ysage, Ysage geht nun zu Fufs nach
Blamir (Miradir), während Tronc zu Pferde folgt. Er findet den
Palast Yrions verschlossen und ruft den Pförtner. Dieser aber will
Ysaye wegen dessen schlechter Kleidung nicht einlassen und schimpft
ihn ribault escrimelle. Wütend hierüber ergreift Ysaye den Portier,
dreht ihn mehrmals im Kreise herum und wirft ihn dann mit
solcher Wucht gegen einen Pfeiler, dafs ihm Augen und Hirn aus
dem Kopfe fliegen. Als das Yrion erfährt, läfst er Ysaye vor sich
kommen und fragt ihn nach seinem Namen. Ysaye aber entgegnet
ihm barsch, er sei nur gekommen, um an dem Turnier teilzunehmen.
Seinen Namen aber werde er nicht nennen.
166. Marthe kommt hinzu. Sie vermutet in dem ribault ihxQn
DER PROSAROMAN YSAYE LE TRISTE. 20I
Geliebten und bittet den König um Gnade für ihn. Der König
gewährt Ysaye Gnade.
167. Marthe läfst nun Ysaye in ihr Zimmer kommen und
fragt ihn nach seinem Namen. Je suis le voirc Ysaye. Als sie
dieses hört, küfst sie Ysaye, und beide vergiefsen Thränen der
Freude. Hier tritt ein escuyer ein mit der Meldung, der König
bitte Marthe und Ysaye, sich zum Turnier zu begeben. Alle Ritter
seien schon zum Kampfe bereit.
168. Es seien aufser den ihrigen etwa 800 Ritter aus Lothringen,
Brabant, Burgund, Deutschland, Gales und der Lombardei erschienen.
i6g. Marthe, die zunächst ein Waffenstück Ysayes sehen will,
schickt eine ihrer Dienerinnen zum König mit der Bitte, das Turnier
erst am folgenden Tage stattfinden zu lassen. Darauf solle sie zu
den einzelnen Zelten gehen und fragen , ob ein Ritter zu einem
I^anzenkampf bereit sei. Die Dienerin führt den Befehl Marthes
aus und meldet dann, dafs ein Ritter Yreult de l'isle estrange zum
Kampfe bereit sei.
170. Yreult erscheint bald darauf und fordert Ysaye mit den
Worten: Je vous dejfie.
171. In dem darauf folgenden Zweikampfe siegt Ysaye. Er
wirft Yreult vom Pferde und beendet damit den Kampf. Er ver-
läfst den Kampfplatz und wird von allen Leuten ob seiner That
angestaunt.
172. Yreult wird in sein Zelt geträgen. Von seinen Leuten
gefragt, qui fiiouvoit a fin teile jousie, schildert Yreult den Kampf
und sagt, er sähe seine Niederlage nicht als eine Schmach , sondern
als eine Ehre an.
173. Ysaye und Tronc werden von einem Bürger eingeladen,
bei ihm zu logieren. Dieser hat von dem Zweikampfe bereits ge-
hört, weifs aber nicht, dafs sein Gast der Sieger ist. Erst von
seinem Nachbar wird er darauf aufmerksam gemacht.
174. Vom Turnier zurückgekehrt, erkundigt sich Marthe bei
ihrer Kammerfrau, welchen Weg der Sieger eingeschlagen habe.
Da diese ihre Frage nicht beantworten kann, weint Marthe heftig,
indem sie dabei ausruft: aniy puisqtie je tay perdu je vetd estre perdu.
175. Während Marthe sich in Klagen ergeht, erscheint der
bourgeois, bei welchem Ysaye und Tronc wohnen, und meldet ihr,
dafs in seinem Hause ein Ritter logiere, der in dem Zweikampfe
gesiegt habe.
176. Marthe dankt dem Bürger und sagt ihm, sie werde in
der Nacht vor seinem Hause erscheinen. Als der Bürger sie ver-
lassen hat, läfst sie ihren pallefroy satteln und begiebt sich zu
Ysaye. Tronc öffnet die Hausthür und führt INIarthe zu Ysaye.
Ysaye entschuldigt sich, Marthe verlassen zu haben. Die entfernt
gelegene Wohnung habe er nur deshalb bezogen, damit ihre Freund-
schaft nicht entdeckt werde. Marthe verzeiht Ysaye und sagt: Je
le vous pardonne, mais je vous prie, faites estaindre celle torche.
\11. Dann legen sie sich zu Bett, Das Resultat ihrer Liebe
202 ZEIDLER,
ist, wie wir später sehen werden, ein Knabe, Marc l'essilliet. Am
folgenden Morgen begeben sich Ysaye, als Ritter gekleidet, und
IMarthe, als Knappe verkleidet, nach dem Palaste Yrions. Tronc
folgt später. Kaum sind sie hier angekommen, so erscheint Yrion
und bittet Marthe, sich zum Turnier zu begeben.
178. Ysaye begiebt sich zum Kampfplatz und trifft mit Her-
gault zusammen.
17g. Das Turnier beginnt. Marthe schaut von einem escha fault
aus dem Kampfe zu. Als sie Ysaye und Hergault erblickt, ruft
sie vor Freude aus: Regardez, comment ils feront.
180. Ysaye vollführt Heldenthaten, Hergault kämpft an sei-
ner Seite.
181. Ysaye besiegt Bizon mit seinen drei Knappen. Er ver-
setzt ihnen solche Hiebe, dafs sie nicht wufsten, ob es Tag oder
Nacht war.
182. Bizon wird mit entblöfstem Haupte durch Tronc zu
Marthe geführt. Diese harte Strafe traf ihn, weil er, trotzdem dafs
er besiegt war, Ysaye noch einmal hinterlistig überfallen hatte.
183. Hierauf kämpft Ysaye mit Samuel l'Allemant und Dacras
le Provenchois.
184. Ysaye besiegt beide und erregt dadurch grofse Be-
wunderung.
185. Alles weicht vor ihm zurück. Tabart von Coulogne,
der Widerstand zu leisten versucht, erhält von Ysaye einen der-
artigen Hieb, dafs ihm die Augen aus dem Kopfe fliegen.
186. Während des Turniers pflegte Ysaye die Pferde der be-
siegten Ritter Marthe zuzuführen. Am Abend des Turniers zählt
Marthe 28 solcher Trophäen.
187. Nach dem Turnier begeben sich die Ritter in ihre Zelte.
Die Toten, 12 an der Zahl, werden begraben.
i88. Ysaye und Tronc begeben sich zu Marthe, die sie herz-
lich empfängt.
i8g. Sie giebt ihnen reichlich zu essen, verläfst dann aber
Ysaye, da der König nach ihr verlangt hat.
igo. Nachdem Ysaye gegessen hat, legt er sich in Marthes
Bett. Tronc begiebt sich in ein benachbartes Zimmer. Kurze Zeit
hierauf erscheint Marthe und legt sich zu Ysaye.
igi. Während der ganzen Nacht hören Ysaye und Marthe
Tronc im Nebenzimmer heftig weinen. Als IMarthe sich am fol-
genden Morgen nach seinem Schmerze erkundigen will, nimmt
Tronc seinen Herrn zu sich und erzählt ihm folgendes:
ig 2. Die Feeen, die ihm die Ueberwachung Ysayes anver-
traut hätten, hätten ihm auch befohlen, darauf zu achten, dafs
Ysaye sich mit keinem Weibe einlasse. Diesen Befehl habe er
ungeachtet gelassen, und deshalb hätten ihn die Feeen in der vor-
hergehenden Nacht mit Stöcken gezüchtigt. Daher tel doeiil.
ig3. Als Ysaye dies vernimmt, beschliefst er das Land inner-
DER PROSAROMAN YSAYE LE TRISTR. 203
halb dreier Tage zu verlassen. Diesen Entschlufs teilt er Marthe
mit, die aber nicht recht daran glauben will.
194. Ysaye begiebt sich hierauf zur Messe, woselbst er von
allen Rittern bewundert wird. Nach der Messe fragt Yrion Ysaye
nach dessen Namen. Ysaye aber weicht ihm aus.
195. Ysaye begiebt sich zum disner. Als er den Saal betritt,
erstaunt alles über seine Schönheit.
ig6. Während des Essens bringt Tronc eine Schüssel in den
Saal und reicht sie Hergault. Dieser bietet sie seiner Nachbarin,
der dame de Fragoire, an, die diese aber mit der Bemerkung
zurückweist, sie könne die Speise nicht essen, die der häfsliche
Page gebracht habe. Kurze Zeit hierauf erscheint Tronc wieder
mit einem hairon in der blofsen Hand und überreicht diesen Ysaye.
Er trug den hairon in der blofsen Hand, weil ihm der Koch keine
Schüssel hatte geben wollen. Als nun der Koch gar sieht, dafs
Tronc den hairon dem besten Ritter, Ysaye, in dieser Art über-
reicht, steigert sich seine Wut aufs höchste, und er beschliefst,
Tronc ins Feuer zu werfen.
197. Als Tronc in der Küche erscheint, will ihn der Koch
ergreifen. Tronc aber entschlüpft, nimmt einen Kessel mit sie-
dendem Wasser und wirft ihn dem Koch an den Kopf. Der Koch
heult laut und läuft hinter Tronc her, der inzwischen aber schon
bei Ysaye Schutz gefunden hat. Als Yrion diesen Zwischenfall
erfährt, lacht er herzlich.
198. Nicht lange Zeit hierauf erscheinen zwei Damen, die
Herzogin von Caradan und die Tochter des Herzogs von Ostrisse,
und überreichen Ysaye den Preis des Turniers: ein Pferd, das mit
Silber beschlagen ist und einen Elfenbeinsattel trägt.
199. Ysaye dankt für die Ehre, die ihm zu teil wird, sagt
aber, der Preis gebühre seinem Herrn, Hergault, der alle die
wuchtigen Hiebe ausgeteilt habe.
200. Erst auf Hergaults Bitten nimmt Ysaye den Preis an,
bemerkt aber dabei: ce ne fuge pas, che fu dieux.
201. Hierauf erhebt sich Yrion, lobt Ysaye und führt seine
Heldenthaten aus früherer Zeit an. Darauf wird noch ein zweiter
Preis an Samuel l'Allemant verteilt.
202. Nach dem Essen tritt eine schwarz gekleidete Dame ein
und überreicht Ysaye ein Brief, der von dem gaiant du hault hurt
aus der forest noire (Grofs- Britannien) herrührt.
203. In diesem Briefe fordert der Riese Ysaye höhnisch auf,
er möge zu ihm kommen und versuchen, die coutumes, welche er
eingeführt habe, abzuschaffen.
204. Ysaye fragt nun die Dame nach ihrem Namen und er-
fährt von ihr, dafs sie Ciaire, die verbannte Gemahlin des sot
sage sei.
205. Ysaye giebt ihr den Bescheid, er werde ihr bald eine
Antwort an den Riesen mitgeben.
206. Yrion fragt Marthe, ob sie sich näher mit Ysaye ein-
204 ZEIDLER,
gelassen und ob Ysaye ihr ein Versprechen gegeben habe. Den
ersten Teil der Frage bejaht Marthe, aber hinsichtlich des zweiten
Teils bittet sie ihren Onkel, persönlich mit Ysaye Rücksprache zu
nehmen. Yrion thut dies, und Ysaye verspricht ihm, alle seine
Wünsche zu erfüllen, sobald er seine Reise vollendet haben werde.
207. Tronc schreibt im Auftrage Ysayes einen Brief an den
Riesen und übergiebt ihn der Ciaire.
208. Ysaye nimmt am folgenden Tage Abschied von Marthe,
da er, wie er sagt, eine secrete besoigne auszuführen habe. Sie bittet
ihn, bald zurückzukehren. Dann bricht Ysaye mit Tronc und Her-
gault auf.
209. Unterwegs treffen sie einen Ritter mit ausgerenkter
Schulter, Namens Oriant li grieux, Sohn Hectors von Orcanie und
Vetter des Königs von Orcanie. Dieser war aus Arragonne ge-
kommen und war soeben von einem wilden Pferde zu Boden ge-
worfen worden. Tronc setzt ihn nun auf Ysayes Pferd. Nach
einem langen INIarsche erreichen sie Clermoustier. Hier erfährt
Hergault von seinem fermier folgendes:
210. Während Hergaults Abwesenheit sei der Onkel Marcs le
rou.K in das Gebiet Hergaults eingefallen und habe in 15 Tagen
50 Leute getötet. Erst durch einen Ritter, der einen vergoldeten
Schild mit einem halben Löwen getragen habe, sei der Onkel
Marcs besiegt worden.
211. Sofort wird Oriant als der Besieger des Feindes erkannt
und sehr geehrt. Die Leute aus der Stadt begrüfsten ihn: benoisie
soit celle qui te porta et henoist sot'es In.
212. Hergault begleitet Ysaye, Tronc und Oriant bis zur
„Burg", woselbst man vor Ysaye Kleider ausbreitete, über welche
er gezwungen war zu gehen. Hier nimmt Ysaye Abschied von
Hergault.
213. Ciaire, welche über das Meer gefahren ist und sich jetzt
in Logres befindet, trifft auf ihrem Wege zu dem Riesen einen
Ritter Ostentins li navarois, bei welchem sie übernachtet. Sie er-
zählt diesem, dafs sie von Ysaye komme, welcher in den nächsten
Tagen nach dem chastel du hatdt hurt kommen werde. Da sagt
ihr Ostentin, dafs er ebenfalls Ysaye suche, um an ihm den Tod
seines Bruders Dumas le mordreur zu rächen.
214. Ciaire bittet nun Ostentin, den Brief Ysayes zu dem
Riesen zu tragen, da sie sich vor der viaulvaise coustume fürchte.
215. Am folgenden Morgen begiebt sich Ostentin zu dem
Riesen, Namens INIiriol, und giebt ihm den Brief.
2 1 6. Hierin schreibt Ysaye, dafs er gedenke, ihn (IMiriol) mit
Gottes Hilfe zu besiegen. \^Et jay pendu mon seel esrn'pt a Blainir
lan VI^ et XIIII (6 1 4) estamps de Grasce ei ou ?nois de ma)'.] 1
217. Als Miriol den Brief gelesen hat, lacht er höhnisch.
218. Ysaye, Oriant und Tronc fahren zu Schiff nach der
' [] Zusatz in D,
DER PROSAROMAN YSAYE LE TRISTE. 205
Bretagne. Dort erblicken sie einen grofsen Wald. Ysaye erfährt
auf sein Befragen von den Schiffsleuten, dafs in diesem Walde
der stärkste Ritter hause. Ysaye läfst hierauf ans Land fahren, er
und Oriant steigen aus, während Tronc zurückbleibt, um die See-
leute am Weiterfahren zu hindern. Ysaye und Oriant reiten in
den Wald hinein und legen sich ermüdet unter einen Baum. Kaum
haben sie sich gelegt, so werden sie durch grofsen Lärm geweckt
und Ysaye sieht, wie ein berittener Mann ein chevreul verfolgt
und tötet.
219. Ysaye und Oriant reiten nun diesem merkwürdigen Ritter
die ganze Nacht hindurch nach. Da sie ihn aber nicht erreichen
können, legen sie sich unter eine Tanne. Da aber kommt der
Reiter wieder und verfolgt einen Wolf, der ein anderes Tier in
seinem Maule hat.
220. Sie reiten ihm wieder nach, verirren sich aber in der
Dunkelheit. Am hellen Morgen kommen sie an einen Felsen.
Hier finden sie zu essen und zu trinken. An einem Baume er-
blicken sie 20 Schilde, darunter einen, der auf goldenem Grunde
mit einem halben Löwen bemalt war. Diesen Schild erkennt Oriant
als denjenigen seines Vaters und glaubt, dafs sein Vater von dem
hier wohnenden Ritter getötet sei.
221. Während sich Ysaye und Oriant in Betrachtungen er-
gehen, kommt Tronc herbeigelaufen mit dem Rufe helas. Ihm
folgte der chevalier de la forest. Dieser stürzt sich zunächst auf
Oriant und schlägt diesen mit einem Hiebe nieder. Schwerer wird
ihm der Kampf mit Ysaye. Beide Recken teilen gewaltige Hiebe
aus, bis sie eine halbe Stunde lang bewufstlos liegen bleiben.
222. Der Kampf entbrennt von neuem, schliefslich aber müssen
sie wegen allzugrofser Erschöpfung vom Kampfe ablassen.
223. Tronc holt Moos und Blätter und heilt die Wunden
Ysayes in zv.-ei Tagen mit Wein. Nach dem Kampfe giebt sich
der Chevalier de la forest zu erkennen. Er heifst Hector d'Orcanie.
Er habe, so erzählt er, mit seiner ersten Frau einen Sohn gezeugt.
Dieser sei aber zwei Jahre nach der Verheiratung mit der zweiten
Frau ausgewandert. Er habe sich darauf aufgemacht, seinen Sohn
wieder zu finden.
224. Ein Jahr lang sei er gewandert, dann sei er in diesen
Wald gekommen und habe mit einem Einsiedler lange Jahre zu-
sammengelebt. Jetzt sei der Einsiedler aber gestorben.
225. Hier fällt Oriant seinem Vater um den Hals und erzählt
ihm dann, wie es ihm ergangen ist. Seine Stiefmutter habe ihn
töten wollen, man habe ihn dann aber an Kaufleute von Argesille
verkauft. Von hier sei er zum Könige von belle marine geflohen,
sei von da wieder aufgebrochen und habe seine Stiefmutter, die
sich wieder verheiratet habe, wiedergesehen. Da dankt der Vater
Oriants Gott, küfst seinen Sohn und fällt ihm infolge des Blut-
verlustes tot in die Arme.
226. Ysaye und Oriant beschliefsen nun, Hector in einem
2o6 ZEIDLER,
Kloster zu begraben, und schicken Tronc behufs näherer Erkun-
digung ab. Tronc wird von einem Ritter nach einem Kloster ge-
wiesen. Dann meldet er das Resultat seiner Erkundigung seinem
Herrn. Sie legen nun den Leichnam auf ein Pferd und reiten
nach dem Kloster. Auf dem Wege hierhin wirft Ysaye, der sehr
geschwächt ist, den Ritter, dem Tronc begegnet war und der Ysaye
herausforderte, vom Pferde.
227. Im Kloster angekommen, lassen sie vigiles sprechen.
Am folgenden Morgen, nach der Messe, begraben sie Hector.
Tronc mufs nun sämtliche Schilde, die Hector besessen hat, im
Kloster aufhängen. Zu seinem grofsen Erstaunen gewahrt Ysaye
unter den Mönchen seinen frere de lail Driant, welcher vor Scham
gar nicht zu sprechen wagt.
228. Ysaye erfährt von ihm, dafs seine Mutter Bise auf dem
chastel de belle garde wohne und die Frau eines reichen Ritters
geworden sei. Dieu en soit loe, sagt Ysaye.
22g. Ysaye, Oriant und Tronc verlassen das Kloster, reiten
an einem Schlofs vorbei und gelangen in einen Wald. Hier stofsen
sie auf einen Trupp Reiter. Den Führer desselben, den König
Estrahier de Sorlyon, läfst Ysaye durch Tronc zu einem Lanzen-
kampfe herausfordern.
230. Estrahier nimmt die Herausforderung an.
231. Ysaye besiegt nun 11 Ritter. Unter diesen befinden sich
Estrahier, Ysas le roux, Cadra, der Bruder Estrahiers, Vrinant,
Moraint, sire du blanc isle.
232. Ysaye besiegt Eduart, fils au conte de Noirhantonne
(Northhampton). Oriant besiegt Romart du rouge isle, Alixandre
le sage, Blanchandin des angles. Die besiegten Ritter begeben
sich nun zu Fufs (die Pferde hatte ihnen Tronc abgenommen)
nach dem Kloster, in welchem sich Driant befindet, und erfahren
hier, dafs am vorhergehenden Tage zwei Ritter und ein Zwerg
einen Toten in dem Kloster begraben hätten.
2Tf}^. Bald darauf erblicken Romart und Moraint ihre Schilde
an der Wand und erkennen sofort in dem toten Ritter Hector
d'Orcanie. Sie beschliefsen nun, Ysaye und Oriant sofort nach-
zureiten.
234. In kurzer Zeit erreichen sie Ysaye, Oriant und Tronc,
und Estrahier erkundigt sich bei Oriant, ob er der Sohn Hectors
sei. Auf Oriants Frage, weshalb er dieses zu wissen wünsche, er-
klärt ihm Estrahier, er habe ihn schon drei Monate lang gesucht,
um ihm die Krone von Orcanie anzubieten.
235. Ysaye und Tronc verabschieden sich von Oriant und
Estrahier. Estrahier krönt hierauf Oriant und erkundigt sich bei
ihm, wer der tapfere Ritter gewesen sei. Oriant zählt nun Ysayes
Thaien auf, wodurch Estrahier vollständig über den Begleiter
Oriants unterrichtet ist.
236. Ysaye und Tronc gelangen nach Sarras und übernachten
hier. Während des Abendessens fragt der Wirt, bei welchem Ysaye
DER PROSAROMAN YSAYE LE TRISTE. 207
Übernachtet, ob sie vielleicht von einem Ritter gehört hätten, der
gegen den Riesen Miriol, den Sohn Pincenarts le juif, kämpfen
wolle. Ysaye erwidert ihm, dieser Ritter werde in zwei Tagen
ankommen.
237. Am folgenden Morgen reitet Ysaye weiter. Als er an
den Flufs, der bei Sarras vorbeifliefst, gelangt, bittet er einen
Schiffer, das Pferd, auf welchem sein Page sitze, zum König Yrion
zu bringen und der Nichte des Königs einen Grufs von dem Ritter
zu übermitteln, der den Sieg im Turnier zwischen Miradir und
Blamir davongetragen habe. Hierauf reitet er weiter und erblickt
ein Schlofs, das auf einem Felsen liegt und von Wasser umflossen
ist. Am Rande des Wassers sieht er die Leichen zweier Frauen.
Er erschrickt darüber und weifs nicht, was er denken soll.
238. Von einem valet erfährt er, dafs der in dem Schlosse
wohnende Riese die Frauen getötet habe. Dieses wäre seine cou-
iunie. Der Riese besitze die Kraft von zehn Männern.
239. Der vaJef erzählt weiter. Als einmal der König Estrahier
mit dem duc de Bretagne habe Krieg führen wollen, habe es ihm
an Geld gefehlt. Da habe ihm der Riese 3000 Stück esierlings
geliehen. Hierfür habe er das Schlofs von Estrahier erhalten. Die
coiisiume habe er von seinem Vater, dem Juden Pincenart, dem
Tristan von Leonois den Garaus gemacht habe. Kaum hat der
Knappe dies erzählt, da erscheint der Riese und ruft Ysaye zu:
De/endez vons, varlet.
240. Es kommt zum Kampf. Der Riese unterliegt, und Ysaye
schneidet ihm den Kopf ab. Den Kopf trägt Ysaye nach dem
Schlosse und befiehlt den Leuten, denselben im ganzen Lande
herumzutragen und den Frauen mitzuteilen, dafs sie jetzt ruhig
das Land passieren könnten. Ysaye und Tronc reiten weiter und
gelangen nach einem Schlosse, welches den Brüdern Argus und
Octes gehörte. Diese waren Söhne der Venisse, einer Schweser
Craventors de l'outrageux passage. Von dem Siege Ysayes über
]Miroul hat Venisse bereits gehört und ist deshalb sehr erfreut,
einen solchen tapferen Ritter beherbergen zu können.
241. Nachdem Ysaye seine Waffen abgelegt hat, entblöfst
einer der Brüder Ysayes Schild, der in Zeug eingehüllt ist, und
erkennt sofort in Ysaye den Mörder ihres Onkels. Diese Ent-
deckung teilt er seiner IMutter mit. Während die Brüder die Ab-
sicht haben, Ysaye zu ermorden, rät die IMutter, Ysaye in der
Nacht gefangen zu nehmen und dann in den Kerker zu werfen,
den Schild Ysayes aber als Siegeszeichen über der Thür des
Schlosses aufzuhängen.
242. Diesen Vorschlag nehmen die Brüder an. Sie überfallen
Ysaye und kerkern ihn sowohl als Tronc ein.
243. Ysaye kann sich nicht erklären, wie es möglich gewesen
ist, ihn einzukerkern.
244. Als Marthe eines Tages mit ihrem Onkel zusammen ist,
wird ihr unwohl. Ihr Oheim verläfst sie und befiehlt ihr, sich zu
208 ZEIDLER,
Bett zu legen. In Gegenwart ihrer Damen beklagt sie sich nun
darüber, dafs Ysaye schon 8'/2 Monate von ihr fort sei. Dann
fällt sie in Ohnmacht.
245. Yrion sitzt in seinem Zimmer. Da verdunkelt sich die
Sonne und eine Stimme ruft zwei- bis dreimal ganz laut: Lenfant
est tie qiii ja nara peur. Yrion erschrickt und fragt seine Weisen,
was dieser Ruf zu bedeuten habe.
246. Da tritt ein Fräulein in sein Zimmer und sagt ihm:
Sire Roy, votre niepce Marthe est accoiichee dutt enfant.
247. Yrion geht in Marthes Kammer und als er von einem
Fräulein hört, dafs der Knabe von dem Ritter au blanc escu a lepee
ver7neille stammt, ist er im höchsten Grade erfreut.
248. Da erscheint der Schiffer aus Sarras (§ 237) und über-
reicht Yrion das Pferd. Der König ist sehr erfreut und schenkt
dem SchilTer vier besans d'or und ein Pferd.
249. Hierauf tritt ein Ritter Yrions, Namens Marc, ein und
bittet um die Ehre, den Knaben erziehen zu dürfen. Diese Bitte
wird ihm gewährt. Nach ihm wird der Knabe Marc genannt.
250. Ysaye klagt Tronc sein Leid im Kerker. Tronc aber
tröstet ihn und hofft, noch Mittel und Wege zu ihrer Befreiung
zu finden.
251. Ein Diener bringt ihnen Wasser und Brot und ver-
höhnt sie.
252. Argus erscheint nun an der Kerkerthür und fordert
Ysaye auf, gegen die beiden Brüder zu kämpfen. Würde er siegen,
so sollte ihm die Freiheit zu teil werden, im andern Falle der
Tod. Ysaye fleht nun Gott um Hilfe an. Er tritt in den Saal,
und da er sehr geschwächt ist, bittet er um Speise und Trank,
erhält aber nichts.
253. Ysaye verläfst den Saal und besteigt sein Pferd. Er
bittet Tronc, hinter ihm aufs Pferd zu steigen und ihn während
des Kampfes zu halten.
254. Ein Ritter kommt herbei und fragt Ysaye, ob er krank
sei. Ysaye erzählt ihm nun, wie er gefangen genommen und wie
er behandelt worden ist.
255. Wütend eilt der Ritter in den Saal, wirft den Brüdern
ihre Feigheit vor und erbietet sich, für Ysaye zu kämpfen. Er
zieht sein Schwert und schlägt Argus zu Boden.
256. Octes stürzt nun auf den fremden Ritter. Auch Argus
rafft sich wieder auf, erhält aber einen Hieb in die Brust bis auf
die Leber. Der fremde Ritter schlägt dann Octes den Kopf ab.
Als die Mutter ihre beiden Söhne tot liegen sieht, heult sie laut.
Der Ritter aber packt sie bei den Haaren und bedroht sie mit
dem Tode. Hierauf verkündet der Ritter seinen Erfolg Ysaye und
giebt sich diesem als Yreult de l'isle estrange zu erkennen (§ i6g).
257. Ysaye, Yreult und Tronc begeben sich in das Schlofs.
Auf Ysayes Frage, was er mit Venisse, dem Kerkermeister u. s. w.
thun solle, erwidert Tronc, man solle sie einkerkern.
DER PROSAKOMAN YSAYE LE TRISTE. 20g
258. Dieser Vorschlag findet Beifall und wird von Yreult aus-
geführt. Dann wird Ysaye gepflegt.
259. Vier Wochen nach dieser Affaire erscheint Ciaire, die
verbannte Gattin des soi sage. Vor Ysaye geführt, bereut sie alle
ihre Thaten und bittet diesen, ihr zu gestatten, zum soi sage zurück-
kehren zu dürfen. Ysaye erlaubt ihr dies und giebt ihr einen
Brief mit. Ciaire kehrt nun zu ihrem Gatten zurück, der sich
sehr über Ysayes Brief freut.
260. Marthe beklagt sich über Ysayes Fernbleiben. Sie weint
und schreibt einen lay.
Lied 2. Je vueil faire iin joly lay
pour lamour de mon amy
Lj-ray querant si jay tant vye,
261. Marthe liest ihr Gedicht laut vor. Dann nimmt sie ihren
Sohn, küfst ihn, sagt ihm, sie müsse ihn jetzt verlassen und nennt
ihn [Alarc] essiliet. Darauf rüstet sie sich zur Reise und verläfst
in später Stunde den Palast Yrions. Sie reitet zu einem Bürger
und erhält Einlafs.
262. Auf die Frage der hourgeoise, weshalb sie in so später
Stunde komme, antwortet sie, sie habe mit ihrem Onkel einen
Streit gehabt.
263. Die Flucht Marthes wird sofort bemerkt, und es werden
Reiter zu ihrer Verfolgung ausgeschickt.
264. Eines Tages verlassen Ysaye und Yreult ihren neuen
Wohnsitz, um in den Wald zu reiten. Tronc wird zur Bewachung
des Schlosses zurückgelassen. Kaum haben sich Ysaye und Yreult
entfernt, als zwei Ritter vor dem Schlosse erscheinen und nach
Argus und Octes verlangen. Die beiden Ritter heifsen Ardant
d'Acre und Perceval le noir. Tronc sagt ihnen, er öffne ihnen
nicht, sie möchten vielmehr den beiden Rittern nachreiten, die
soeben das Schlofs verlassen hätten.
265. Sie reiten nun Ysaye und Yreult nach und fordern sie
zum Kampfe heraus. Ysaye tötet Perceval, Yreult kämpft gegen.
Ardant.
266. Der Kampf zwischen Yreult und Ardant bleibt unent-
schieden. Auf Ysayes Vorschlag hin geben sie den Kampf auf.
Yreult ist ganz erschöpft und mufs zwei Jahre warten, um seine
Wunden zu heilen.
267. Nach geraumer Zeit verläfst Marthe das Haus des Bür-
gers in der Kleidung eines escuyer. Bei Blamir begegnet sie einem
Ritter, der sich mit ihr in ein Gespräch einläfst. Auf seine Fragen
erklärt sie ihm, dafs sie nach Clermoustier zum Ritter Hergault
wolle, den sie aus dem Turnier zwischen Miradir und Blamir kenne.
Da sagt ihr der Ritter, diesem Turnier habe auch ein tüchtiger
Ritter beigewohnt, der einen silbernen Schild mit rotem Schwerte
getragen habe.
Zeitsckr. £. rom. Phü. XXV, 1^
210 ZEIDLER,
268. Als der Ritter ihren Geliebten erwähnt, weint Marthe,
und als er nach dem Grunde ihres Weinens fragt, sagt sie, ihres
toten Vaters wegen. Dann fragt der Ritter sie nach ihrem Stande.
Jongleur, war Marthes Antwort. So reiten sie bis Clermoustier.
Der Ritter Ostentin de lisle, ein guter Freund Hergaults, findet
diesen bei Tisch. Auf Hergos Frage, ob er allein gekommen sei,
sagt er, er sei in Begleitung eines meneslrel gekommen. Dieser
(Marthe) wird geholt und spielt so schön auf seiner Harfe, dafs
alle Ritter und Damen im Saale vergessen zu speisen. Das Lied,
welches Marthe dazu singt, handelt von einem Mädchen, das ihren
Geliebten Ysaye le tristre sucht.
269. Hergo fragt nun, wer das schöne Gedicht verfafst habe,
worauf Marthe ihm erwidert: Marthe, die Nichte des Königs Yrion,
auf ihren Freund Ysaye le triste. Hergo bittet nun den menesirel,
bei ihm zu bleiben. Er aber erwidert, sein Weg führe zum König
Estrahier von Sorlion, der nach ihm verlangt habe. Reich be-
schenkt verläfst der meneslrel am folgenden Morgen Clermoustier
und kommt zur „Burg". Hier bleibt er drei Monate, dann fährt
er auf einem Schiff nach Sorlion. Als der Schiffsherr Geld von
ihm verlangt, nimt er seine Harfe und singt:
Lied 3. Je sui en mer pour querre
Celly que voel amer.
270. Solchen schönen Gesang haben die Schiffer noch nie
gehört. Das Schiff fährt ab. Unterwegs erhebt sich ein Sturm,
der meneslrel wird ohnmächtig. Die Schiffer beschliefsen, ihn zu
plündern und ins Meer zu werfen. Sie entkleiden ihn und ent-
decken, dafs sie es mit einer Frau zu thun haben. Als Marthe
sieht, dafs sie erkannt ist, stöfst sie mit dem Kopf gegen die
Schiffswand, so dafs ihr das Blut aus der Nase strömt. Die
Schiffer geben ihr nun die Kleider zurück. Auf die Frage des
Schiffsherrn, weshalb sie die Kleider gewechselt habe, erklärt sie,
sie werde es ihm später erzählen. Unterdessen ist das Schiff in
la haulte Bretagne angekommen.
271. Nun erzählt Marthe auf Verlangen des Schiffsherrn, sie
heifse Betris und habe früher einmal eine gefährliche Krankheit
gehabt. Infolge dieser Krankheit sei sie gezwungen worden, Manns-
kleider zu tragen.
272. Der Schiffsherr ist sehr ärgerlich und sagt Marthe, wenn
er gewufst hätte, dafs sie eine solche Krankheit besessen hätte, so
hätte er sie nicht aufs Schiff genommen. Marthe verläfst nun das
Schiff samt ihrem Pferde und reitet singend in den Wald. Sie
freut sich, dafs sie entschlüpft ist.
Lied 4. Refrain: II ne men cault de meschief.
273. Als sie ihre chanson beendet hat, erscheint ein Ritter
und lädt sie, die immer noch als meneslrel verkleidet ist, ein, bei
ihm zu bleiben, um ihn und seine dame zu unterhallen. Marthe
DER PROSAROMAN YS \YE LE TRISTE. 211
willigt ein. Sie kommen eti la tente, wo sich die schönste Dame
der Welt befindet. Ihr singt Marthe eine Chansonette vor:
Lied 5. Jayme che que doy amer.
274. Die Dame findet Gefallen an dem menestrel und bittet
ihn, drei Wochen bei ihr zu bleiben. Nach acht Tagen gesteht
sie ihm ihre Liebe. Der menestrel Marthe geht darauf ein: ta
volonte soit la ?)iyenne, und erzählt der Dame, er stamme aus Blamir.
Sein Vater sei Kaufmann in Clermont in Barcaire. Er habe drei
Brüder, die über t^t^ Jahre alt seien. Er selbst sei 30 Jahre alt.
Das glaubt aber die Dame Sänne nicht, weil der menestrel keinen
Bart hat. Infolge dieser Lüge wird der metiestrel entlassen. Marthe
reitet nun weiter. Am Ende des Waldes angekommen, erblickt
sie ein Schlofs. Sie zieht nun ihr Frauenkleid an und reitet nach
dem Schlofs. Dort erblickt sie einen Ritter, es ist Ysaye, und ruft
ihm zu. Ysaye, der sie nicht bemerkt, geht vom Fenster fort.
Tronc fragt Ysaye, ob er öffnen soll, eine Jongieresse begehre Ein-
tritt. Ysaye erlaubt dies. Tronc führt sie zu Yreult, der noch
immer krank ist. Sie erhebt ihre Harfe und singt einen lay.
Lied 6.
In diesem klagt sie über ihren treulosen Geliebten, der sie ge-
schändet und verlassen habe. Je suis riche femme a pooir.
275. Ysaye ist über den lay erstaunt. Auf seine Frage, von
wem das Lied stamme, antwortet Marthe, sie habe es von der
Nichte Yrions gehört, die jetzt ausgezogen sei, um ihren Geliebten
zu suchen. Marthe erkennt Ysaye nicht, wohl aber Tronc und
fragt diesen, warum er nicht mehr bei seinem Herrn sei. Tronc
antwortet, sein Herr sei in St. Jacques en GaHsse gewesen und sei
jetzt zum König Estrahier von Sorlion aufgebrochen. Tronc belügt
Marthe, da er sie erkannt hat, denn er hat Grund zur Lüge et
hien le scavez selong che que le livre le devise chy devant. (§ 191).
276. Tronc erzählt ihr weiter, er sei seinem Herrn nicht ge-
folgt, weil er einen kranken Ritter zu pflegen habe. Dann bittet
er Marthe, sie möge zum König von Sorlion gehen. Dort werde
sie gut aufgenommen, da sie mit ihrer Harfe die Tochter des
Königs, die dieser wegen ihrer Schönheit gefangen halte, er-
freuen könne.
277. Tronc giebt Marthe zu essen. Als sie sich schlafen ge-
legt hat, fragt Ysaye Tronc, wer diese jongleresse sei. Die Tochter
eines Schneiders des Königs Yrion. Ysaye beauftragt nun Tronc,
ihr zu sagen, sie möchte ihm sofort Nachricht bringen, wenn sie
etwas von Marthe erfahre. Am folgenden Morgen bricht Marthe
auf und erreicht in der Nacht das Schlofs Ardants d'Acre, erhält
aber keinen Eintritt.
278. Sie reitet noch mehrere Tage hindurch, bis sie nach
Sorlion gelangt. Hier erhält sie von Estrahier die Erlaubnis, ihre
neuen lays und chansons vortragen zu dürfen. Während des
Essens singt sie: Ein Mädchen sucht ihren Geliebten.
Lied 7. Refrain: Mais certes je ne pourroye.
14*
2 12 ZEIDLEK,
279. Der König fragt sie nach dem Verfasser des Gedichtes.
Warthe, die Nichte des Königs Yrion, habe den lay gedichtet um
ihres Geliebten Ysaye le triste willen. Marthe erkundigt sich nun
beim König, ob Ysaye, den sie zu sprechen wünsche, nicht bei
ihm weile. Als Estrahier ihre Frage verneint, bittet sie ihn, sie
so lange Zeit in Sorlion zu bewirten, bis er ankomme. Estrahier
gestattet ihr dies gern, bittet INIarthe aber, seiner Tochter Gesell-
schaft zu leisten. Von vier Rittern und der Schwester des Königs,
der Königin von Schottland, begleitet, wird Marthe in den Turm
geführt.
280. Die Königin stellt nun ihrer Nichte Yvoire Marthe als
die schönste Sängerin der Welt vor. Yvoire bedankt sich. Die
Königin verläfst hierauf die Zelle. Marthe giebt sich Yvoire gegen-
über als Chrestienne aus. Marthe singt:
Lied 8. Jay par raaintes fois chante
plus aise que je ne soye.
281 — 5. Marthe und Yvoire klagen einander ihr Leid. Beide
lieben unglücklich, und Marthe sagt: plus aime oti fort, plus est
071 sot.
286. Alle, die aufserhalb des Kerkers die Worte Marthes
hören, sind über ihre Klugheit erstaunt.
287. Als Ardant d'Acre noch krank zu Bett liegt, erscheint
sein Cousin germain Elias und läfst sich den Kampf Ardants und
Percevals mit Ysaye und Yreult erzählen. Darauf entfernt er sich,
ohne ein Wort zu sagen.
288. Er holt eine Anzahl Armbrust- und Bogenschützen her-
bei und zieht gegen Ysayes Schlofs, das sich inzwischen um drei
Insassen vermehrt hat, denn Ysaye hatte drei ribaults aufgenommen.
28g. Ysaye, Tronc und die drei ribaults verteidigen das
Schlofs. Wegen ihrer Tapferkeit schlägt Ysaye die drei ribaults
zu Rittern.
290. Nun machen die ribaults einen Ausfall. Sie dringen
siegreich vor, bis schliefslich der eine von ihnen getötet und ein
zweiter schwer verwundet wird. Da eilt Ysaye ihnen zu Hilfe und
schlägt die Feinde zurück. Nur mit grofser Mühe entflieht Elias.
291. Elias eilt zu Ardant und teilt diesem den Verlauf des
Kampfes mit. Da erklärt ihm Ardant, an seiner Niederlage sei
nur der Zwerg Ysayes Schuld. Dieser trage auch die Schuld an
Percevals Tode, da er ihm geraten habe, gegen Ysaye zu kämpfen.
292. Am folgenden Morgen macht sich Elias wieder auf den
Weg nach dem Schlosse Ysayes, dieses Mal aber als armer INIann
gekleidet. Kurz vor dem Schlosse bindet er sein Pferd an einen
Baum und geht nach dem Schlosse. Hier wirft er sich zur Erde
und fängt an, laut zu klagen. Tronc geht zu ihm und fragt ihn,
was ihm fehle. Da sagt ihm Elias, seine Frau liege in der Nähe
und gebäre gerade ein Kind, Tronc möge mitkommen und sie
holen. Tronc geht nun mit Elias. Sobald sie aber aufser Sicht
DER PROSAROMAN YSAYE LE TRISTE. 213
des Schlosses sind, nimmt Elias den Zwerg unter den Arm, be-
steigt sein Pferd und reitet zu Ardant.
293. Ysaye bemerkt bald das Fehlen Troncs.
294. Zwei Tage lang klagt er über seinen Pagen. Dann ver-
traut er sein Schlofs der Obhut des immer noch kranken Yreult
und der zwei rihaulis an und macht sich auf, Tronc zu suchen.
295. Marc wächst auf. Er wird ein übermütiger Junge. In
der Küche zerbricht er die Töpfe und schüttet die Speisen aus.
Einen Neffen des Königs wirft er in einen Brunnen. Um ihn an
weiteren Ausschreitungen zu hindern, läfst ihn Yrion in einem
Turm einsperren.
296. Dieses hilft aber nichts. Denn als ihn Yrion einmal
besuchen will, wirft er ihm einen Topf mit Wasser auf den Kopf.
Er wird nun in ein Zimmer gebracht, das nach der Strafse ge-
legen ist. Hier aber wirft er seine Kleider auf die Strafse, so dafs
man ihn oft ganz nackt antrifft. Nun wird Marc in einen anderen
Turm gebracht, wo er 14 Jahre bleibt.
297. Ein Jahr ist es her, seitdem Ysaye sein Schlofs verlassen
hat. In vollständig heruntergekommenem und blödsinnigem Zu-
stande an einem Brunnen in der lande verte sitzend, findet ihn ein
Ritter Barut le breton. Dieser fragt Ysaye, ob er wisse, wie die
sechs Ritter hiefsen, die soeben vorbeigezogen seien, worauf Ysaye
erwidert, der Ritter solle ihm lieber ein Stück Brot geben. Ein
anderer Ritter, Condely d'Arbise, erscheint und kämpft mit Barut.
Nach dem Kampfe erfährt Barut von Condely die Namen der
soeben erwähnten sechs Ritter: Hergault, le desorreill6 de la Joy.
Garde, Menet le mecogneu, Paumart le vermeil, le sot sage, Titus
de l'ombre (cousin germain a Hergo).
298. Barut erfährt weiter, dafs diese sechs Ritter von Yrion
ausgeschickt seien, um Ysaye le triste zu suchen, und dafs sie in
nächster Woche nach Blamir zurückkehren würden, um über ihren
Erfolg zu berichten.
299. Eines Tages vernehmen die ribaults aus den Kerkern
des Schlosses Klagen. Schnell erkundigen sie sich bei Yreult und
erfahren, dafs diese Leute Ysaye haben meuchlings ermorden wollen.
Da öffnen die ribaults die Kerkerthüren und schlagen den Ge-
fangenen die Köpfe ab.
300. Estrahier veranstaltet ein gTofses Fest und lädt viele
Ritter dazu ein. Unter diesen befindet sich auch Barut. Barut
begiebt sich in Begleitung Ysayes nach Sorlion. Am ersten Abend
ihrer Reise kehren sie bei Yreult ein.
301. Yreult erzählt nun Barut, wie Ysaye und er in den
Besitz des Schlosses gekommen sind. Da Ysaye während des Ge-
spräches sich komisch gebärdet, fragt Yreult Barut, was für einen
Narren er mit sich führe, und lacht über Ysaye.
302. Ysaye verbringt die Nacht auf dem Hofe.
303. Ysayes Pferd erkennt seinen Herrn wieder. Es wiehert
und versucht die Thür des Stalles aufzubrechen. Als ein Stall-
214 ZEIDLER, DER PROSAKOMAX YSAYE LE TRISTE,
knecht [rihault) am folgenden Morgen die Thür öfinet, ergreift
das Pferd die Flucht.
304. Der ribault will nun das Pferd wieder einfangen, kehrt
aber unverrichteter Sache wieder zurück. Er verhehlt die Flucht
des Pferdes einen Monat hindurch dem Yreult, dann aber erzählt
er ihm davon, worüber Yreult sehr ärgerlich ist.
305. Barut und Ysaye kommen in Sorlion an, woselbst Ysaye
wegen seiner zerlumpten Kleidung von den Kindern geneckt wird.
Am Hofe Estrahiers finden Turniere statt. Am dritten Tage nach
der Ankunft Baruts findet eine quintaine statt. Dem Sieger wird
ein Pferd als Preis versprochen. Kein Ritter bringt das Waflfen-
kunststück fertig. Da bittet Ysaye seinen Herrn Barut, sich an
dem Wettbewerb beteiligen zu dürfen. Ysaye erhält die Erlaubnis
und übertrißt alle Ritter. Da fragt ihn der König nach seinem
Namen. Jehan nenne man ihn, sagt Ysaye. Obwohl der König
ihn für sot hält, gestattet er ihm doch, an der Tafel teilzunehmen.
Hier wird er der Yvoire und Marthe vorgestellt. Marthe erkennt
ihn aber nicht.
306. Eines Tages findet der Küchenmeister Ysaye schlafend
in der Küche. Wütend hierüber verbrennt er Ysaye den Bart.
Ysaye aber ergreift ihn und wirft ihn samt drei anderen Köchen
ins Feuer. Als der König von dieser That Ysayes hört, ist er zu-
nächst sehr erregt. Nachdem er aber den Sachverhalt gehört hat,
lobt er Ysaye. Seit dieser Affaire wagte es niemand, Ysaye irgend
welches Leid zuzufügen.
307. Hergault kehrt mit seinen Genossen nach Blamir zurück
und erstattet dem König Yrion Bericht über seine erfolglose Reise.
Vor Gram wird nun Yrion 17 Jahre lang krank.
308. Yrion ist alt und schwach. Er läfst Marc zu sich kommen.
Ein Ritter, der Marc holen soll, giebt diesem gute Ratschläge:
Amy, il faut que soyez dauire condition que vous navez este et que
vous soyez humble, de honnayre, patient aux pauvres, cruel aux ennemys,
honnorez cetilx qui sont a honnorer, a7nez vos a^nj'S, alkz vohntiers a
leglise u. s. w.
309. Marc erscheint vor Yrion. Vous ine demandez, que vous
fault il?
310. Yrion übergiebt ihm nun die Verwaltung des König-
reiches. Marc verspricht ihm, ein tüchtiger Mann zu werden. Die
erste That ist nun, ein Turnier zu veranstalten. Er schickt zu
diesem Zwecke sechs Boten aus, welche in Armuse, Murtoire, Dor-
malie, Sorlion, Bretaigne und AUemaigne die Ritter zum Turnier
einladen.
(Fortsetzung folgt.)
Zeidler.
Stades sur la poesie burlesque franyaise de la Renaissance,
(Suite.)
Attaques personnelles.
Si la poesie burlesque an veut surtout aux femmes, eile
n'epargne pas pour cela les hommes. Je ne parle pas ici des
pieces composees contre le sexe fort, appartenant en propre ä la
Satire; nous retrouvons la une sorte de reaction ou de veugeance
des femmes ou de ceux qui en entreprirent la defense.^ La poesie
1 Cette Sorte de reaction commence au XVIe siecle. Mademoiselle de
Romieu (Paris, 1581) composa son „brief discours sur l'excellence de la
femme", se proposant de demontrer comment eile „surpasse celle de rhomme".
Elle a recours pour sa these ä la Bible, ä la vierge Camille, h Semiramis et
aux Amazones meme et n'oublie pas non plus ,,de Phrine le courage notable".
Les femmes l'ont empörte sur les hommes en toutes les epoques, mais c'est
surtout en Italic, oii elles brillent d'une vive lumiere:
„Si ritale vouloit les siennes estaler
Si brave ne seroit qui s'osast esgaler."
Au conimencement du XVII^ siecle, Isaac de Ryer, si cette piece appar-
tient bien ä lui (cfr. Le temps perdu et les gayetes, Paris, 1624), composa une
Response aux espines du ?iiariage (probablement Celles de Jean Philippe Variu,
Paris, 1604), Oll il se demande ce que l'homme deviendrait, sans le mariagc.
C'est la femme, qui donne la naissance ä l'homme et c'est par le mariage
que celui-ci devient ,, subtil et caut". Le mariage a aussi le merite de dompter
les caracleres les plus fiers et rien ne saurait egaler le bonheur de celui qui
possede une femme de bien. Si parfois il arrive que la femme enfreint les lois
de la fidelite, c'est que le mari manque, le premier, ä ses devoirs. Mme Lie-
bault, repondant ä ce qu'il parait aux stances de Desportes, envisage la
question sous un autre point de vue. Elle combat le mariage, la source dit-
elle de toutes les miseres de la femme, ce qui ne devait pas trop flatter
l'amour-propre de son mari.
Enfin Regnard, dans sa poesie sur le tnariage, entreprit la defense de
cette Institution, se tenant dans un juste milieu sans outrer les louänges du
beau sexe et donnant aux maris ces conseils remplis de bon sens:
,,Pour etre heureux epoux, soyez toujours amant;
Que bien plus que le sacrement,
L'amour ä jamais vous unisse;
Et pour faire durer le plaisir entre vous,
Que ce soit l'amant qui jouisse
De tout ce qu'on doit ä l'epoux."
Plus tard, dans les pieces de Gacon (oeuvres, Cologne, 1696), on (rouve une
Satire contre les maris, oü l'auteur pretend s'opposer ä son adversaire, Boileau,
et ä ce qu'il ecrivit contre le beau sexe.
226 P. Toi.no,
burlesquc s'en prend plutot a certains hommes, qiii sc Irouvcnt
dans des conditions particulieres, aux p6dants, aux courtisans,i
aux ivrognes, aux bouflfons, et aux poetes eux-memes. De la une
foule d'epigrammes enjou^es, de descriptions plaisantes et d'epi-
taphes souvent tres cyniques.
1 Je laisse de c6t6 la poesie pedantesque, formant un genre ä part, oii
l'inspiration italienne me parait evidente, Pour ce qui est des courtisans, on
composa contre eux de v^ritables satires, oü l'imitation italienne n'y a presque
rien ä voir bien qu'on ait combattu cette engeance, dans la Peninsule, avec
beaucoup d'acharnement. On peut voir, entre autres choses, ce qu'en dit
Pandolfo Collenuccio, dans son Specchio d' Esopo, le Cammelli, dans ses vers,
l'Aretin, dans sa Cortigiana et le Caporali dans sa Corte. Je rappelle, en
passant, l'ode de Ronsard (26e du III livre), les sonnets de Joachim du Bellay
adress^s ä Ronsard, ä Bizet, ä Belleau et ä tous ses amis vivant ä la cour,
la description de ce gentilhomme, qui
„. . . fait de l'amoureux, mais c'est corame je croy
Pour couvrir le soup9on de quelque plus grand vice",
aussi bien que les Regrets, oü Du Bellay combat ces vieux singes „contre-
faisant les Rois". N'oublions pas non plus son foete courtisan, le courtisan
retire de Jean de la Taille, les satires de Vauquelin de la Fresnaye, dont
l'imitation italienne a ete etudiee par M"" Joseph Viauey, (cfr. Revue des Uni-
versiles du midi, 1895 P- 3^6 — 400) et toutes les pieces dirigees contre les
mignons, depuis \isle des Herniaphrodites, due ä la plume d'Artus Thomas
sieur d'Embry, jusqu'au reciieil general du Cabinet du roy de France (ed. 1581)»
renfermant les indignitez de la Cour, les blasons de la Court, les contre-
veritez de la Cour, piece dirigee contre le marechal d'Ancre, le catechisme
des courtisans etc. Jean de la Jessee (CEuvres, An vers, 1583) dedia lui aussi
plusieurs compositions en vers ä ce sujet, imitant de pies Du Bellay et
Agrippa d'Aubigne, dans ses Tragiques, aussi bien que dans les Aventures
du baron de Faeneste, fait sentir aux courtisans ses griffes de lion.
Au commencement du XVIIe siecle, ce genre de satire parait acquerir
une force nouvelle. On n'a qu'ä ouvrir le Cabinet satirique pour voir ce
que Sigognes, Berthelot et les autres ont ecrit lä-dessus. Rappeions aussi
les satires du sieur Annibal de l'Ortigue contre les cours de l'Europe. Le
cadet Angoulevent, s'en prend, ä son tour, ä un courtisan, qui lui a vole
l'amour de Margot et Dulorens, toujours ä la meme epoque, assaille les petits
tyrans, vivant ä la campagne, dont les liberalites „sont des coups de baston".
Les mignons de la Cour qui fönt „trafic de la cajolerie" ne sont pas raoins
en butte ä son ressentiment. Personne ne saurait faire sa fortune au Louvre,
sans suivre toute sorte de vices et il en exclue :
„Qui n'est poudre, musque, qui n'est pront au devis
Qui ä gauche ou ä droite ne donne des advis,
Qui n'aide ä tost mourir ä la France mourante;
Qui ne S9ait comme on met un pucelage en vente."
Theophile Viaud, dans sa requeste au roi, se moque des genlilhommes, qui
lui tournerent le dos, au moment oü il tomba en disgrace de son prince.
Plusieurs de ces pieces parurent, pour des raisons tixs faciles ä com-
prendre, sous le volle de l'anonyme. Teile est, par exemple, celle portant
la titre du Corbeau de la Cour, un corbeau se parant des plumes arrachees
au peuple, le Tableau des ambitieux de la Cour, trace „du pinceau de la
verite par maistre Guillaume ä. son retour de l'autre monde", ce qui serait
arrive cn 1622. Le Parnasse des poetes satyriques renferme aussi plusieurs
pieces touchant ce sujet, au nombre desquelles il faut faire une place ä part aux
visions d'Aristarque, d'une violence extreme, aux visiotts de la Cour en suite
de Celles d' Aristarque et ä Y Ambition d'un courtisan. On peut consulter
aussi Vespadoti satyrique du sieur d'Esternod, le „discours des abus de la
POESIE BURLKSQUE FRAN^AISE DE LA. RENAISSANCE. 21"]
Pour les epitaphes burlesques en Italic, je n'ai qu'a renvoyer
le lecteur ä Celle du Machiavel sur la mort de Pierre Soderin, et
avant lui aux sonnets du Pistoiai et ä ceux de la plupart de ses
contemporains. Le Lasca nous fait voir les muses pleurant en
grec, en latin et en vulgaire, la mort de Ser Fruosino „il fior
d' ogni pedante": il se raoque entre autres de Giovanbattista Gelli,
qui, de son vivant:
,,Fu tenuta filosofo morale,
Da quei che fanno i beccafichi lessi,
d'Alfonso de' Pazzi:
„il quäle
Vivendo non fu uomo, ne animale,
Or morto non si sa quel ch' ei si sia",
de Tasso menuisier, du Certaldo, d'un certain messer Fantini, de
Visino Merciaio, qui
„Malö per burla e mori da dovero"
et de beaucoup d'autres. Dans la seconde moitie du seizieme
siede, Curzio da MarignoUe^ parait se distinguer dans ce genre
et tout le monde rappelle l'epitaphe suivante, qu'il dedia a Raf-
faello Navesi:
„II le degli spioni e marioli
Qui giace morto, che per testamento
Lasciö di far la spia a' soi figliuoli."
En France les testaments et les epitaphes burlesques sont ä l'ordre
du jour. Nous avons tout d'abord ceux de Marot, ensuite Pierre
le Loyer Angevin se moque de la mort d'un certain Janicot, et
Motin, Sigognes et toute la joyeuse bände des contemporains de
Regnier composent a l'envi une foule de plaisanteries de ce genre.
Je cite au hasard le testament dhin veröle du a la plurae de Si-
France" du sieur Auvray et ses „visions de Polidor en la citc de Nisance"
(cfr. Le banquet des Muses, Rouen, 1623). Enfin Courval Sonnet, dans son
Gentilhomme (cfr. Les exercices de ce temps), s'en prend ä ceux qui ä la cour
ont appris ä „ilatter, mentir, dissimuler", n'ayant pour toute science que l'art de
„Guerir la gale ä quelque chien courant."
Isaac du Ryer dans son Temps perdu, chanta, les louanges et les raaux de
la cour, se proposant de demontrer ce que l'on y trouve de bon et de mauvais,
mais sa conclusion est toutefois pessimiste. II faut s'avreter i\ ce point, c'est-ä-
dire ä la fin de la Fronde, pour retrouver, dans ce genre de satire, quelque
chose de vraiment original, correspondant aux sentiments de l'epoque. On
entendra ensuite encore des plaintes plus ou moins vives contre la cour, ne
sachant pas assez priser les beaux esprits, mais ce seront des epanchements
des ecrivains mediocres ronges par l'envie, auxquels il est interdit de con-
templer de pres la majeste de Louis XIV^ et la splendeur de sa cour.
Moliere, Boileau, Racine, tous les esprits distingues du XVIIe siecle, savent
dt^sormais que c'est au Louvre qu'ils recevront le prix du ä leur genie et les
marquis ridicules devront courber leur tete, devant le plus grand poete co-
mique de la France.
» 6d. Renier, 79, 83, 84, 85, etc.
2 Disp. CLXIII de la Scelta di curiositä letteraria,.
2l8 P. TOLDO,
gognes, la po6sie sur le trespas d'une des plus fatneuses macqtierelles
de la cour, oii Motin peut donner libre essor ä. sa licence de lan-
gage et le iestament d'ime jetme couriisane d'un auteur anonyme,
se trouvant au milieu d'autres compositions semblables. Ensuite
dans le Cabinet satirique (6d. Gaud-Paris, 1859 — 60), on voit pa-
raitre Vepitaphe de Caboche excelletü portefaix inseree dans les satires
bastardes du Cadet Angoulevent (Paris, 161 5), suivie par d'autres
podsies sur ce theme lugubre; rappelons enfin le tombeau d^ Angou-
levent du sieur Auvray, renfermant des inspirations tirees de Rabe-
lais et oü il est question d'un maquereux de la pire espece. Le
tombeau de Marion, du mcme auteur, commence:
„Cy gist pleine d'infection,
La maquerelle Marion."
L'epitaphe cynique, oü l'on rit aux eclats sur un tombeau encore
beant, n'a rien qui puisse nous Interessen II suffit d'en constater
l'existence.
Enfin, pour exciter les rires, les contemporains de Regnier
et ses imitateurs, nous presentent une foule de combats burlesques.
Outre celui bien connu de Bergerac contre un singe, je rappelle
le Combat de Regnier et de Berthelot, par un anonyme, ceux
des courtisans, des Ursine et des Perrette, dont nous venons de
parier et le graiid et perilleux combat de quatre courtisans dö ä la
plume d'un anonyme, qui fait descendre du ciel le dieu Mars,
pour sdparer ces „gentils hermaphrodites", Parfois ces combats
ne sont que des allegories tres froides, Teile est, par exemple,
Celle que 1 on composa en prose, au commencement du XVIP siecle,
sur „le grand et fameux combat sur la place de la poitrine, avec
le general Rhuma, le colonel Brouillard, le capitaine Vent Coulis,
le comte de Catharre et le marquis de Fluxion".
Dans ces lüttes plus ou moins plaisantes, les poetes, les
ivrognes, les courtisans et les femmes perdues s'injurient, en em-
pruntant le langage des halles, viennent aux mains, se battent,
s'egratignent et la vulgarit6 triomphe, trainant les Muses dans
la boue.
On s'amusait aussi en Italic ä d'autres plaisanteries d'un goüt
plus ou moins douteux. Les poetes etalaient, avec une gaiete evi-
demment simulee, leur mauvais equipage, ou tournaient en ridicule
celui de leurs confreres ou adversaires. Fort souvent l'exposition
de ces miseres avait pour but d'emouvoir le coäur de leurs Mdcenes,
ä la sourde oreille, car les poetes en general et surtout les bur-
lesques, tächent, a cette epoque, soit en Italie soit en France (peut-
etre aussi dans tous les pays du monde), de tirer tout le profit
possible de leur muse et vivent dans les cours des princes, dans
un 6tat de domesticite, plus ou moins mortifiante. En laissant de
c6t6 les personnages illustres, tels que l'Arioste, obliges de ronger
le frein et de servir, lä oü leur esprit aurait du les faire dominer,
et pour nous tenir seulement aux poetes burlesques, rappelons le
POESIE BURLESQUE FRAN^AISE DE LA RENAISSANCE. 2 IQ
Bellincioni, Matteo Franco, Luigi Pulci, Antonio Cammelli attaches
ä Ludovic le More, ä Laurent le Magnifique, ä la maison d'Este
etc. et laissant percer, dans leurs vers, le d6pit et la rancune contre
l'ingratitude de leurs seigneurs et contre les orgueilleux courtisans,
les regardant du haut de leur grandeur. Et tous ces poetes
n'oublient pas de nous exposer aussi leurs petites miseres. Tantot
ils se plaignent de ne recevoir pas les presents promis depuis
longtemps, tantot de devoir courir de ville en ville, employes a
des charges, qu'ils croient fort au-dessous de leurs merites et plus
souvent encore ils fönt voir leurs haillons et le manteau tombant en
pieces. C'est surtout le manteau, la partie principale et la plus
voyante de leur habillement, qui les interesse au plus haut d6gre.
Je rappelle, entre autres, ces vers celebres du Burchiello:
,,Io porto indosso un cosi stran mantello,
Che mai Barbier v' affileria rasoio
E servirebbe per iscotitoio
Si ch' io sto invoho come un fegatello."
Et le poete continue en nous faisant voir:
„Le calze, e '1 gonnellino, e '1 giubberello
(qui) han piü buchi ch' un vaglio, o colatoio."
Une plainte sur le meme sujet se trouve repet6e dans les vers du
Bellincioni 1, du Bramante, du Pistoia-, du Strazzola^ etc. et ces
plaintes se rapportent aussi a d'autres parties de leur habillement,
aux bas troues et aux hauts-de-chausse en desordre. Ces poetes
courtisans se plaignent aussi de leurs chevaux ridicules,"* qualifies
du titre de „vecchie rozze".
Les poetes burlesques de la France n'oublient pas non plus
de chanter les manteaux troues et toutes les miseres de leur vie,
raais c'est plutot la misere des courtisans, cachee sous l'apparence
de la splendeur, qu'ils livrent au ridicule. On n'a qu'ä ouvrir lo
Cabinet satirique. On y voit la „Satire sur le manteau d'un cour-
tisan", manteau qui a change de forme et de couleur, qui vit la
prison et la faim et qui peut conter les aventures heroi'ques de
son maitre et surtout „les coups de baston" qu'il
„A recus et non pas donnez."
Ce pauvre manteau est dans un etat pitoyable, mais:
„Une chose le reconforte,
C'est que jamais on ne le porte
Aux batailles ny aux dangers."
Le meme Sigognes nous fait la description du „pourpoint" d'un
autre courtisan, pourpoint ronge par toute sorte d'insectes:
i Editon cilee p. XIII.
2 cfr. edition des ceuvres du Cammelli par Cappelli et Ferrari, Livorno,
1884 P- J08 sqq.
3 cfr. art. de V. Rossi: Giorn. Stör, della lett. ital. XXVI p. 35.
* ed. du Cammelli citee p. 118 sqq.
220 r. TOi.no,
„Picces sur pi^ces on y boutte
Tant de fois qu'on peut estre en doiitte
S'il reste rien du vieux pourpoint.
Ainsi la nef Pegasienne,
Bien que changee ä l'ancienne,
A la forme, qui ne meurt pas."
Et ici encore le pourpoint donne occasion k l'auteur de se moquer
de la lächetc „la couarde froidure" du courtisan:
,,Si tu avois outre ta bave,
Pourpoint quelque chose de brave
Pour t'appeler au lieu d'honneur.
On lairroit arri^re les larraes,
Mais ton caquet ce sont tes armes,
Ne plus ne moins qu'ä ton seigneur."
Des vers, on le voit, qui pour la forme de mcme que pour le
sens sont encore plus mesquins, que les pieces d'habillement, dont
il est question. Et la satire burlesque des habits continue. On
lit ensuite et toujours dans le meme recueil, une ode composee
par le sieur de Bouteroue „sur le haut de chausse d'un courtisan",
oü il fait mention du „manteau vieil" celebre par son confrere.
Ce haut de chausse appartenant ä un petit hobereau de Beausse,
etait jadis une couverture destinee ä couvrir les änes et les mulets,
et il faut reconnaitre, ajoute le poete, qu'en passant sur le corps
du courtisan, il n'a pas chang6 de destinee. Au travers de
toutes les transformations possibles, tantöt jupe, tantöt manteau, le
drap est arriv6 ä n'en pouvoir plus et il attend desormais un repos
honorable :
,,Haut de chausse, vieil et malade
Mange de graisse et de pelade,
Donner un conseil je te veux.
Tu es pele comme ton maistre,
Comme luy pour ne point paroistre
Porte une coiffe de cheveux."
Et la conclusion ne pourrait etre plus fade. Apres les manteaux,
les pourpoints et les hauts de chausse, on a la „Satire sur le
chapeau d'un courtisan" due ä la plume d'un anonyme, celle „sur
les bas de soye d'un autre courtisan" par le sieur de la Ronce,
qui est aussi l'auteur d'une autre „satyre sur l'espöe d'un courtisan"
et le sieur Berthelot compose ä son tour „l'inventaire d'un cour-
tisan" arrete pour des dettes criardes.
Que l'on ajoute ce que le cadet d'Angoulevent dans ses
Saures Bastardes (Paris, 1615) chante de „la metamorphose d'une
robbe et juppe de satin blanc", devenue „toute barbue ä longs
filets".
On se raoquait aussi des defauts personnels. On chanta en
Italie et en France des paüvres sires, transformes en squelettes,
POESIE BURLESQUa FKAN^AISE DE LA RENAISSANCE. 22 1
des bossus, des estropies et pis encore.i Mais la partie du
Corps, qui l'emporte dans ce genre de plaisanteries, c'est le nez,
que les poetes d'Italie celebrerent depuis las debuts de leur litte-
rature jusqu'au Guadagnoli, an plein XIX^ siecle. Le Dolce chante,
par exemple, les rD6rites de cet ornement de notre figure at le
Burchiello (ed. cit6e, p. 122) en decrit un
„di buona razza, e ben compiuto
Spugnoso e rosso assai piü ch' un riibino,
E '1 mosto, che va giü nel pellicino
A tutte 1' altre vene da tributo."
En France, que je Sache, le prämier qui s'an occupe c'est Godard,
suivi au siecle suivant par le sieur Auvray (Rouen, 1623). Ce nez,
dont parle Auvray, peut servir a toute chose, savoir en hiver
d'6cran, en et6 de parasol et ä, d'autres usages plus intimes.
Naturellement les louanges du nez permettent des equivoques
licencieuses et la description des narines et d'autres details est
on ne pourrait plus degoütante.
L'occasion de cette plaisanterie est due ä l'amour d'une jeune
fille pour un homme doue d'un nez formidable et recele peut-
elre une vengeance:
„11 n'est pas toujours verkable
Que cliacun ayme son semblable,
Puis qu'on void d'un contraire sort
La plus camarde de la rue
Estre amoureuse devenue
D'un grand nez ä. double ressort."
Parmi les compositions poetiques sur le nez, je rappelle celle due
ä la plume de Jacques Gorlier „escuyer de la Grand Court" et
auteur du Juvenal Frati^ois {Paris, 1624). Dans cet ouvrage mel6
de prose et de vers, Gorlier nous conte comment il avait un ami
intime „dont l'humeur me revenoit fort", s'amusant ä tenir bonne
table et ä y convier un „bouffon" äge de soixante ans, tres ridi-
cule, grand buveur at par consequent doue d'un nez gros, bossu
et rouge. Cet excellent ami du poete ä la fin du diner, apr^s
avoir enivr6 le bonhomme, s'amusait a lui jouer le tour le plus
plaisant du monde (au dire de Gorlier), c'est-ä-dire il „se jettoit
sur ceste trongue enluminee et la pini^oit avec tant de violence,
que le sang en decouloit dahs un verre copieux qu'il tenoit ä la
main" ce qui faisait „pämer de rire" tOute la societe. Le sieur
Gorlier, inspir6 par cette aventure, composa une „fantaisie" sur ca
nez extraordinaire et cette fantasie n'est qu'une sorte de capitolo,
qui lui permet d'enfiler un grand nombre de vers de ce genre:
* Pour ces horreurs physiques je renvoie au Berni, au Franco, au Bel-
lincioni et pour la France aux recueils citds et surtout aux oeuvres des con-
temporaiiis de Regnier.
222 P. TOLDO,
„O nez plus rouge qu'ecarlate,
Nez qiii plus qu'un Soleil eclate,
Nez de pourpre getulien,
Nez fait d'un rayon de planete,
Plus monstrueux qu'une comete,
Et qu'un faUot aerien . . ."
et ce nez est rapproch6 des rubis, des marbres u couleurs variees,
de r^corce des arbres, de la croüte du pain et honore des titres
les plus illustres. Autour de ce nez le poete cr6e une legende.
Comme la vendange de la derniere ann6e a et6 fort peu satis-
faisante, les buveurs se rendent dans l'Inde y visiter Bacchus, et le
supplier de venir ä leur secours. Bacchus console ses fideles en
leur assurant qu'ils trouveront ä Paris un nez merveilleux, re-
celant une source intarissable de vin. De meme que Pantagruel,
Panurge, frere Jean et les autres personnages de la 16gende de
Rabelais, nos buveurs se rendent, en pelerinage, ä la recherche
de ce nez transforra6 en dive boideiUe. Ils trouvent son malheu-
reux possesseur ä Paris, devant l'ile du Palais; s'approchent de
lui, remplis de rev^rence, en chantent les louanges et en tirent,
apr^s beaucoup de ceremonies, une source merveilleuse d'un vin,
on ne pourrait plus exquis. Rien de plus fade que cette plaisan-
terie, malgr6 toul le fatras mythologique et une certaine 6l6gance
de forme.
Aventures fächeuses.
Relativement aux moyens de transport, nos ancetres ne voya-
geaient pas moins que nous; l'Italien de la Renaissance etait sur-
tout infatigable, mais lorsque, apres les ennuis et les craintes d'une
route malais6e et dangereuse, ils arrivaient au lieu de leur desti-
nation, crott6s jusqu'ä la ceinture, harasses de fatigue et de faim,
ils ne voyaient pas paraitre l'entree confortable et splendide de
nos hoteis modernes. 11 fallait se contenter, le plus souvent, d'une
„osteria", oü l'on soupait mal, oü l'on dormait pis encore, si l'on
ne pref6rait avoir recours a l'hospitalite de quelque eure, chiche,
malpropre, dont la maison et les lits rec61aient dejä des hotes
constants et fort peu agr^ables.
Bien avant le Berni, dans les sonnets, par exemple, de Cene
de la Chitarra d'Arezzo (6d. cit6e), on entend d6jä de ces plaintes
et l'on en trouve des traces chez Antoine Pulci,' auquel on sert
pour souper, une vieille poule, depassant en resistance le cuir.
Ces plaintes se renouvellent chez le Burchiello,'- chantant le mau-
vais gite et la mauvaise table et chez Bernard Bellincioni,^ qui adresse
lä-dessüs une 6pitre en vers ä son maitre Laurent de Medicis:
1 cfr. Raccolla di rime antiche toscane, vol. III p. 301.
2 Sonetti del Burchiello, del Bellincioni etc., 6d. de Londres, 1757 p. 91.
115, 116.
^ ed. Roinagnoli son. 138. I41. 90.
POESIE BURLESQUE FRANCAISE DE LA RENAISSANCE. 223
„Questo, Signor, ti fo in una osteria,
Anzi mi par piü presto uno spedale;
Ell' e la penitentia al naturale
E 1' ostiero e fratel de la pazia,"
Mais c'est lä un fou, qui connait fort bien ses interets et qui ex-
ploite, on ne pourrait mieux, les malheureux, qui tombent sous
ses griffes. Notre poete est oblig6 d'avaler un certain vin „che a
non ne ber non po' far male"; il essaye la resistance de ses dents
contre un pain, que la moisissure a orn6 d'une barbe venerable
et pour surcroit de malheurs, il doit se coucher dans une chambre
ouverte a tous les vents
„Che '1 tetto mi par Argo da cent' occlii."
II arrive, uue autre fois, ä notre Bellincioni de loger chez un
pretre, dont il peint la generosite, dans un vers tres expressif:
„La sua casa e un mar! quando vi piove."
Un camarade du Bellincioni, messer Matteo Franco,i s'adressant
au merue Laurent le Magnifique, lui expose des aventures, qui
rappellent de pres celles qui vont inspirer sous peu la muse en-
jou6e du Berni. Notre Franco, apr^s un malheureux voyage, de-
vient l'hote d'un „Piovano", qui le löge dans sa „pieve strana, e
maledetta" le faisant coucher au milieu de:
„Pulci, pidocchi, cimici e forfecchie"
et excusez du peu. D^cidement les eures en veulent ä messer
Franco, car un autre „piovano", apres un diner capable d'öter
l'app^tit aux plus affam6s, lui offre un lit oü:
,,v' eran denlro schiere
Di certi cimicion come monete,
E tutta notte attesi a far comete."
Ces troupes de punaises, seront transformees par le Berni, dans
les armees que Xerxes envoie contre la Grece. II n'y a qu'une
simple amplification.
Dans un troisicme sonnet, toujours adresse a Laurent de
M^dicis, et toujours sur le meme sujet, Matteo Franco rencherit
sur les details d'un mauvais souper:
„Timido aceto avemmo, et olio ardito,
Insalata, anzi sciocca, passa, e dura:
Pan che facea salnitro per le mura,
Vin vecchio, tondo, quadro e rimbambito."
Son camarade Louis Pulci a des descriptions pareilles, Celle, par
exemple, d'un diner, ou un paysan transforme, pour l'occasion, en
domestique, trebuche et renverse les plats- sur les convies et les
^ Sonetti di Matteo Franco e di Luigi Pulci, ed. Rossi, 1759 p. 83.
84. 92.
^ 6d. cit^e p. 142.
2 24 P- TOLDO,
descriptions de nuits malhcureuses et de diners ridicules se multi-
plient sous la plurne de tous ces joyeux confreres. Voici le Pisloia,'
chantant, de meme que le Franco :
„De 1' insalata mal condila liai lasso
£ pan piloso piü dur che un sasso:
Filava el vin per la paura forte."
et qui est oblige de passer ä son tour, une fort mauvaise nuit:
In certi linzoletti di saccone"
aussi propres que la nappe:
„Una tovaglia lavata col grasso
Che mostrava la mensa per le poi-te."
L'Aretin, tout en vivant dans un milieu plus splendide et ne par-
tageant pas les miseres de ses confreres en Apollon, dut cepen-
dant connaitre les mauvaises tables, comme il connaissait, sans
doute, les mauvaises compagnies. Au moins on est port6 ä le
croire, en lisant la description qu'il fait dans sa Coriigiana (V. 15)
d'une certaine salle ä manger, oü „si mangia sopra una tovaglia
di piü colori che non e il grembiale dei dipintori". Dans les
vers du Strazzola, nous entendons r6peter la description d'une nuit
pass6e au milieu de toute sorte d'insectes.2 Ce sujet est toujours
le meme avec plus ou moins de details. Tout le monde connait
le capitolo celebre du Berni sur l'aventure, qui lui 6tait arrivcie a
Povigliano, oü le cur6 du village avait voulu le loger, coüte que
coüte, chez lui. Ce eure est une sorte de p6dant, qui introduit
le poete, dans sa maison, a travers les orties et les epines, qui
l'entourent. Le diner se compose d'un potage fort noir et d'un
goüt douteux, d'un vin aigre et la vaisselle est en harmonie avec
le contenu. Le verre, par exemple, sue de honte et ne peut se
tenir debout, et le lit n'est pas certainement meilleur. Ses draps
sont blancs, comme le fond d'une marmite:
„Parevan cotti ia broda di fagiiioli"
et peupl^s des hötes bien connus, livrant une bataille formidable
au malheureux, qui ose se coucher. De meme que les matelots,
qui s'echauffent , en agitant leurs bras, notre Berni passe la nuit,
dans un mouvement continuel, se souffletant pour chasser et tuer
ses terribles ennemis, caress6 de temps en temps des alles des
chauves-souris, volant librement dans cette chambre.
Mattio Francesi d6die, ä son tour, un capitolo d la Mala nolte,
oü il coucha dans une miserable auberge apres avoir soupe d'une
couple d'oeufs sans sei. Le Mauro, en faisant la description de
son voyage a Rome, n'oublie pas non plus les ennuis que son äste
^ ed. Renier pref. XX son. in; cd. Cappelli- Ferrari p. 80. 93.
2 cfr. l'article de Mr V. Rossi dans le Giorn. Stör, della lett. it. XXVI
pag- 39-
POESIE BURLESQUE FRAN^AISE DE LA RENAISSANCE. 2 25
lui cause et plus tard l'Abati, dans son Viaggio, repetera les deux
memes motifs, le souper compose „di sposo gallo" et d'une poule
quo Tage a rendue venerable et le lit, oü il attend, avec impa-
tience, la pointe du jour
In nero letto a ritrovar 1' aurora."
II n'y a, ä cette epoque, que messer Francesco Coppetta, qui
chante les louanges de „1' Osteria", mais il sait bien qu'il soutient
par lä un paradoxe, non moins evident que les lodi de la fi^vre,
de la pestilence etc. formant les delices des autres poetes de son
temps. II arrive en outre que, dans ces cabarets, on rencontre des
pedants et des fächeux, lorsque le fächeux ne vous rend pas visite
chez vous, ou ä l'Eglise. C'est lä une Inspiration tiree d'Horace,
mais le fächeux Italien se confond, le plus souvent, avec ce pedant,
auquel les poetes et les prosateurs de la Peninsule avaient d6di6
une litl6rature tout entiere.
Dans la poesie fran^aise, on rencontre, ä tout moment, les
Sujets inspirateurs des poetes burlesques de l'Italie et R6gnier est le
premier, que je sache, ä s'y essayer. Dans sa dixieme satire, il
nous expose comment sa mauvaise etoile le fit tomber sous les grififes
d'un fächeux et ce fächeux s'empare de lui, comme une araignee
de sa proie, le mene ä sa maison, l'oblige de partager son diner
et lui fait si bonne chere, que le malheureux poete est force de
prendre la poudre d'escampette. L'inspiration tiree du Berni est
ici 6vidente. Mais sa fuite le fait tomber de fievre en chaud mal,
car, dans la satire suivante, on le voit dans une chambre sale,
sombre et remplie de toute sorte d'ordures.
Dans le Cubinet satyrique, que nous connaissons d6jä, les con-
temporains de Regnier, savoir Sigognes, Motin, Berthelot, Maynard,
s'amusent fort souvent ä des descriptions pareilles, mais sans
aucune originalite. Voici, par exemple, ce que chante, ä ce pro-
pos, le sieur de Sigognes, r6unissant la mauvaise table et le mauvais
gite, Selon le type commun ä tous ces r6cits:
,,Entre la puce et la punaise
Sans chaire ny sans tabouret
Je suis ici mal ä mon aise
Dessus le lict d'un cabaret.
Reduit sans besoin de diette
A faire un malheureux repas
De deux oeufs en une omelette
Et neanmoins il est jour gras . . ."
Du Lorens, d'apres Regnier, repete la description d'un repas de
p6dants, oü
,,Durant tout le souper on ne fit autre cliose
Que dispuler, crier",
et dont la malproprete est teile que les mets les plus exquis ne
peuvent exciter l'appetit de notre auteur. Ailleurs (voyez Tricotet,
Zeitschr. f. roro. Phil. XXV. ic
2 26 P. TOLDO,
Varietes bibliographiques p. 290) il a le malheur de rencontrer un
fächeux, dont il ne sait comment se debarasser et il se trouve par
lä dans une autre Situation identique ä celle de R6gmer. Un
autre fächeux se prdsentera ensuite ä, Angoulevent, qui aura beau-
coup de peine ä se tirer d'aifaire. Cet inconnu s'approche de notre
cadet, tandis qua celui-ci contemplait le spectacle de Paris, ä la
tombee de la nuit: il l'oblige de se rendre dans un fort vilain
logis et d'admirer, coüte que coüte, une collection vraiment extra-
ordinaire, mais dont Rabelais avait ddjä. donne le modele:
„Pour le premier article une aulne d'arc en ciel, . . .
Une dragme des fleurs de Jeanne la pucelle,
Le busque de Lays, quatre plumes de l'aisle
Du petit Cupidon"
et avec cela „les pleurs" de Marc Antoine „enchass6es en de i'or",
l'orteil de Grandgousier, de l'eau du deluge „p6trifiee", des che-
veux de Morgan te,
„Un peu de la sueur d'Alexaudre le Grand"
et un corumentaire de l'Aretin, compose par un napolitain.
Dans le Paniasse des poHes saiyriques par le sieur Tli6ophile
(1625), on lit une autre composition dans le m^me goüt, les
Regreis faits siir un fascheux logis et qui commencent par une
Sorte de priere, r^petee dans le cours de la piece et assez com-
mune, a ce genre de compositions:
„Delivre moy seigneur de ce triste sejour
De ce fascheux logis oü j'oi crier sans cesse,
Les maistres, les valets, les hostes et l'hostesse . . ."
Th6ophile se plait, en outre, ä la description de toutes les hor-
reurs de cet hötel; il nous repr^sente l'escalier, oü Ton trebuche
ä chaque pas, le grenier qui lui sert de chambre ä coucher, et 011
il trouve „la troupe affamee" des souris. Dans ce grenier on est
expose au vent, ä la pluie et ä. la fumee et le lit est en rapport
direct avec la propret^ de la chambre:
„Delivre moy seigneur de tous les mendians
Qui sont dedans le lict, comme poux et punaises
Puces et autres gens tant galoux que galoises."
Courval- Sonnet dans ses Exercices de ce temps imite directement
Rcignier, en exposant ses aventures avec un fächeux:
„Attentif ä la messe un jour ä saint Eustiiche
Un jeune cavalier releve de pannache,
La botte blanche en jambe, et la gaulle en la main,
D'un curedent de roze entretenant sa fain,
Me vit devotieux, ä genoux en prieres."
L'aventure de R6gnier se repete, dans ses moindres d6tails. Le
fächeux tire de sa poche un sonnet, dont il mt^nace le malheureux
Courval et ce qu'il y a d'assez original, c'est l'etrange confusion
POESIE BURLESQUE FRANQAISE DE LA RENAISSANCE. 227
des Oeuvres et des mots de cet importun, confondant „camal6on"
avec „pantaleons" et chantant:
„qu'Ovide en sa metempsicose
Desment, Pitagoras en sa Metamorphose."
Avec Sarazin nous nous retrouvons de nouveau dans im fort
mauvais gite. Le poete est log6 „ä. une hötellerie" qui rappelle
de pres celle de Theophile:
„Saisi d'un deplaisir extreme,
En revant j'attens le malin,
Dans un lit oü le sommeil mcme
Pourroit bien perdre son laiin.
Toute la nature sommeille;
Mais non, j'ai tort, je m'apper^ois
Que dans ce beau lit oü je veille
Les puces veillent avec moi . . ."
Saint-Amaiit, u son tour, dans son Mauvais logement, nous decrit,
avec beaucoup de verve, comment il passa une nuit blanche:
„Gisle dans un chien de grabat,
Sur im infame lict de plume,
Entre deux draps teints d'apostume
Oü la vermine me combat . . ."
Quelques efforts qu'il fasse, il ne peut fermer un oeil de toute la
nuit; il voit sur sa tete voler les chauves-souris, il se croit entoure
de lutins et entend autour de lui des bruits Stranges. Les souris
courent übrement dans sa chambre, les cousins le piquent „d'une
fureur extresme" et il doit soutenir un veritable combat:
„L'un sur ma main donne en sang-sue;
L'autre sur ma trogne se rue,
Me rendant presque tout meseau
Je les poursuy, je les attrape,
Et Sans m'epargner le museau
Pour les y tuer je me frape."
Ainsi que le Berni, dont l'imitation est evidente, il compte les
heures de son martyr, en entendant tous les coups du la cloche,
tächant, d'eviter la vilaine couverture, qui s'oifre ä ses baisers et
se tournant de tous les cötes „comme un oyson a la broche".
Vers la meme epoque ce Billault, mieux connü sous le nom
de maitre Adam menuisier de Nevers, dont nous avons fait la
connaissance tout ä l'heure, decrit, dans un sonnet, les horreurs de
sa chambre, oü les draps „sont blancs comme 6bene" et oü la
salete le ronge de tous les cötes. La comparaison de l'ebene
passe comme on voit des dents aux draps de lit.
Sarrasin lui aussi avait eu le malheur de rencontrer un fächeux
et c'est Strange qu'il le rencontre, tout justement comme Courval,
sinon dans une eglise au moins tout pr^s d'elle:
15*
228 P. TOLDO,
„L'autre jour assez tard et suivant ma paresse
Je sortois de chez moy pour aller ä la messe."
Celui qui l'arrete est un marquis, qui )e force, nouvelle renconlre
avec ses d^vanciers, d'ecouter une composition en vers, qu'il d6-
clare d'avance, ainsi qu'Oronte du Misanthrope, on ne pourrait
plus charmante:
„Je Tai d6jä monstree ä plusieurs beaux esprits
Et nul, sans me flater, n'en parle avec mespris."
Sarrasin, de meme que ses pr6decesseurs, ne dit mot et profite de
la premifere occasion, pour se sauver.
Mais le maitre k tous, avant Moliere dans la peinture des
fächeux, est sans doute Scarron, qui dans sa satire adressde au
marechal d'Albret, nous ofire une foule de varietes de cette nom-
breuse famille, en embrassant les deux sexes. II y a les fächeux,
qui jouissent de l'estime publique et qu'on est force d'6couter avec
ddf^rence; il y a le fächeux dont:
,,Tout ce qu'il dit est pointe d'epigrammes",
d'autres, qui vous accablent de cer^monies:
,,Je vis un jour deux hommes de la sorte
S'estocader en s'offrant une porte,
Sans qu'aucun d'eux eut jamais le dernier,
Et leur conflit fut d'un quart d'heure entier",
d'autres encore, qui courtisent toutes les dames et qui se croient
irresistibles, les „diseurs de rien", ceux qui fönt de longues visites,
ceux qui chantent, ceux qui recitent leurs vers, ceux qui vous con-
tent, ä tout propos, de vieilles historiettes ä faire dorinir debout
et enfin les parasites, les mauvais plaisants, les admirateurs impor-
tuns et les amis de tout le monde. C'est ä cette derniere classe
qu'appartient :
„Le franc bourgeois, qui fait l'homme de cour,
Et quand il est chez les gens de la ville
Qui dit tout sec, Turenne, Longueville
(Se gardant bien de douner du monsieur) . . ."
Le fächeux et le repas ennuyeux ne forment sotivent qu'une meine
chose, car on rencontre aussi:
„... (L')importun qui tous les jours vous pvie
D'aller chez lui prendre un mdchant repas,
Et le fait tel qu'on n'y retourne pas."
Les pr6cieuses, les vieilles pecheresses, devenues b6guines, ont un
rang ä part et le poete burlesque pr^cede, par lä, le plus c61ebre
des auteurs comiques de la France. Et ce n'est pas seulement
dans cette composition que Scarron s'en prend ä l'engeance des
importuns. Dans une epitre ä monsieur d'Elbene, il lui conte
comment il a du endurer les discours ennuyeux d'un membre de
POESIE BÜRLESQUE FRAN^AISE DE LA RENAISSANCE. 229
la nombreuse famille des fächeux. Celui, qui vient de lui rendrc
visite, se declare poete burlesque et lie d'amiti6 avec tous les
ecrivains en renom de son 6poque:
„CoUetet m'a fait boire avecque Furetiere.
J'ai fume quelquefois avecque Saint-Amant."
On comprend qu'au moment oü Boileau prenait la plume pour
traiter ces differents sujets, ce genre 6tait dejä vieux et n'aurait su
presenter aucune originalit6, si ce n'est dans la forme.
A suivre.
R TOLDO.
II Piccinino.
(Fortsetzung; s. Ztschr. XXIV, 329.)
V.
Veni colomba speciösa mea
Che, al eterno, madre fusti eletta;
Refugium est qui confident in ea;
Del tuo Alessandro, madre, i preghi
accepta,
Regine et concubine, laudante ea,
A te ricorro regina perfetta:
Aperiens os meum qui nuntiare.
2.
Prego che scaldi il debole intelelto
O dolce madre, non mi abbandonare
Ch' io possa dir dell' imperio perfetto
Che Sigismondo re fassi chiamare:
Re di Buemmia imperadore e detlo
Del populo Roman sanza fallare
E come a Lucha face arannamento
Quel sacro impero e giusto reggi-
mento.
3-
In questo canto ancor vo' che si
spande^
De' Venetiani 1' armata lucente,
De' Genovesi la sconfitta grande
E del guasto che a Lucha die il pos-
sente^
E della giente dello imperadore
Come contra di lor mostrar valore.
I Venetiani si fenno un' armata
La quäl mandorno in nel porto Pisano,
A* Genovesi si fu poi dirizzata
Ardendo lä rincirca monte e piano
E i Genovesi si fen radunata
Per volerli cacciar se de^ potranno
E un' armata fenno in pochi die
Di dieci navi e quindici galee,
5.
I Venetian, siccome mio dir suona,
Venti galee e molto bene in punto;
Nessuna nave^ ne trista ne buona.
Ma una galeäzza' lor raggiunlo
Da i Fiorentini fu con gente buona,
Experta in mare e poi '1 valor con-
giunto,
Con senno e con destrezza, a me mi
pare
Che 'n tutto lä mal non puö capitare.
6.
I Genovesi d' animo gentile
I Venetiani andarono a trovare
1 Nel Ms. 1661 manca questo canto come pure parte del seguente fino
all' Ott. 85.
2 Spande. Reminiscenza Dantesca (Inf.; 26; 3).
^ II possente : il popolo Fiorentino.
* A, cioe, contro.
s De: forse sta per dessi.
^ Sott.: era.
' Galeazza: nave maggiore della galea, di forma lunga e piatta.
IL PICCININO.
23^
In nel porto Pisan, tenendo a vile
Tutta r armata loro, e capitale
Non ne facea quella gente virile.
I Venetian col senno, che piü vale
Che la superbia, stretti si serraro;
Addosso a Genovesi si cacciaro.
7-
I Genovesi erano in nuove sette,
Qui sei galee e colä n' eran diece '
Che de' nimici lor mai si credette
Che a trovar 1' andasser, come fece.
Quelle de' Venetiani streite streite
II venio in nelle vele feria bresce,^
Sieche co' remi era lor forza andare
Che '1 venlo dava all' uno all' altro
pace.
8.
Parbino (?) era silocco, e poco stanle
E Marinaccio e poi un po' Provenza
Un po' di ponenlin lanlo che avante
I Genovesi sanza resistenza
Co' Venetian s' abbocca, poco stanle
Levante fu con tulla sua possenza ;
De' Venetian le vele gonfiaro
Quelle de' Genovesi allor giii cascaro.
9-
Nove galee de' Genovesi prima
Co' Venetian si furo ritrovate;
Or qui di morli furo la rovina :
Pali di ferro e le lance gillale
E le balestre che son di piü stima
Dell' una parle all' altra caricate.
Oh quanli morti vedeausi cascare,
Sani e feriti per mar trabuccare.^
10.
Alle braccia si pigliano i baroni,
Ognun sua parte assai ben difendea
Come se fusseno orsi ovver lionl,
E coUe vele piene ne venia
La galeazza e suo armali campioni ;
Air ammiraglio* questa si feria
De' Genovesi, e non valse difesa
Che presa 1' ebbe senz' altra conlesa.
II.
De' Genovesi sei galee venian
Drieto a queste nove, fermamcnle;
Vedendo il capitan menarne via,
Ver' Genova si voltan preslamente;
Le nove furon prese, in fede mia,
Salvo che una che v' era il possente
Mariän da Piombin che via s' andoe
E per forza de' remi elli scampoe.
12.
E Otto prese ne furo a lal tenore
E fuvi preso il magno capitano
Di Spinola Francesco, di valore;
Che fuggite non fusser per certano
Quelle galee e che se di buon cuore
Ognun ferito avesse, com' io spiano.
Per certo i Venetiani presi eran tutli
La dove i Genovesi für distrutti.^
13-
A Vinegia lornar con gran vittoria,
Del preso capitano e d' altra giente
E della rotla grande fer memoria
Davanti al duce^ et a lull' altra giente,
E imprigionato fu, come la storia
Dice, Francesco Spinola valente.
Lassiam costoro e vovi ritornare
Di Lucha e dell' imperio vo' contare.
14.
Picciola Lucha, ben ti puoi gloriare
Che '1 mondo tutlo ismosso hai per
certano :
II duca di Milan per le aiutare,
Senesi e Genovesi, e poi il sovrano
^ Diece, per dieci.
2 Bresce. Se il poeta intende dir brescia (piccolo spiro di venlo fresco),
costruisci: II venio brescia feria nelle vele quelle de' Veneziani etc.
3 Trabuccare = traboccare, cioe, precipitare dalle barche nel mare.
* All' ammiraglio : conlro la nave ammiraglia.
^ Costruisci: Se quelle galee per certo non fossero fnggite, e se ognuno
avesse ferito di cuore, i Veneziani sarebbero stall presi dove i Genovesi
furon distrutti.
^ Duce, per doge. Era doge Francesco Foscari.
'■32
A. PELLEGRINI,
Imperador te viene a governare
Umile e raansueto dolce e piano
Con principi e baron di virtii degni,
Considerate ben suoi altri segni.
Fu ricevuto con gran riverenza
In Lucha bella, nobile cittade;
L' onor ch' egli ebbe, dir io nol potrei
Poich^ invano non lo scriverei.
Di Maggio i"u appunto a trentun giorno
Nel mille quattrocento trendadue
Clie in Lucha entrö 1' imperador
adorno.i
üh quanla festa tra i Lucchesi fue
Vedendo quell' imperio si giocondo
E principi dirieto a due a due
E poi baron marchesi e cavalieri,
Donzelle, conti, ragazzi e scudieri.^
l6.
D' ogni beltä adorno e sua persona,
Excellente, gentil viene e costante,
Prudente, forte, siccome il dir suona,
Giusto, magnificente e temperante
Quanto mal fusse imperio di corona,
Consiglio, onore avea con virtii tante,
Altiero, umile, sobrio et astinente
E forte, in bello spirto e intelligente;
17-
E dolce e cauto egli era in sua sen-
tenza,
Fede, speranza avea con caritade,
Liberale era, il giuro in mia credenza,
E ben pareva degna maestade.
Tvovossi allor Gonfalonier maggiore
Nicoiao Streghi nobil cittadino,
E con molti Lucchesi, sanza errore,
Fuor della porta entrarono in Camino
Andar^ in contra dello imperadore;
Con riverenza ginocchioni e inchino
Lo riceverono e poi si inviaro
E drento la cittä 1' accompagnaro.
19-
E festa e allegressa e i grand' onori
Che fer Lucchesi^ all' Imperador caro
Tutli vestiti di vari colori,
Di lana e seta quando in Lucha entraro !
Cherici e preti deUa porta fuori
E molte arliquie sante si portaro
E cantando coUavoce: „Clementissime
„Veni regle Buemie potentissime."
20.
E riposati furono al palagio,
A tutti suo baron fu dato stanza
Che riposare si poterno ad agio,
E per la terra chi canta e chi danza
Per amor dell' imperio a tale agio.
Pochi di ste, vi giuro in mia leänza,^
1 Sigismondo re de' Romani.
2 Tolgo dal Morelli (Ricordi cit. I pg. 103): „Lo imperadore venne a
,,Lucca a di ... di ... con 800 cavagU Ungheri. (Numero di cavagli et ba-
„roni che venneno in Italia etc.) La persona dello 'mperadore con 12 mila ca-
„vagli — . II Re di Polonia con 12 m. cavagli e 1000 arcieri. II Sig. Pippo
,,da Fiorenza (Filippo Spano degli Scolari) fatto Capitano Generale et dandogli
„il detto imperadore 20 m. cavagli — . Lamoretto Turco in persona con
„12 miglia cavagli — . Mess. Marsilio da Ferrara, fatto per detto imperadore
,,Duca di Padova, et di Trevigi, et dagli 12 m. cavagli — . Mess. Brunoro
„dalla Scala, fatlo per lo 'mperadore Conte di Verona, con X m. cavagli — .
„El Doge de li Veneziani al suo servigio con 5 m. cavagli — . El Conte
,,Orano della Magna, con 5 mila cavagli — . Andrea de Parma, fatto per
,,lo 'mperadore Capitano Generale, con XX m. fanti — . Fagino Cane, fatto
,,per lo 'mperadore Vicario, et Doge della gente, con 5 m. cavagli — . Cate-
„lani siano armati a posta di detto Imperatore, corpi di quaranta di Gahe — .
,,Sommano in tutto cavagli 94 ni. et fanti 20 m. e corpi 40 galee. — Don-
zelle: plur. di donzello, Ragazzi: intendi, servi giovanissimi.
^ Sott.: per.
* Sott. : r articolo ü
^ L' imperatore venne in Lucca 1' ultimo di Maggio e vi rimase 16 giorni
(Vedi op. cit. di A. Pellegrini).
IL PICCININO.
233
Che '1 franco Niccolö da Tolentino
jNIandato fu dal comun Fiorentino
21.
A dare il guasto ai poveri Lucchesi ; ^
Ma poco guadagnaro, in fede mia:
Per la pianura si furon distesi
Siccome giente piena di resia'^
Ardendo ed abbruciando que' paesi,
Segando il grano la lor fantaria.
Egli era un grosso campo senza falle:
Uomini d' arme sei miglia a cavallo,
22.
De' fanti a pie ben mille Cinquecento.
Quando la gente dello imperadore
Send tal cosa, con grande ardimento
Si armaron tutti con allegro cuore:
Ben Cinquecento furon, com' io sento;
Matico^ conte e '1 lor conducitore.
E in neir arme costui forte e fiero;
Armato tucto poi montö a destriero.
23-
Lo imperador chiamö '1 guerrier va-
lente :
„Io ti comando che niun prigione*
„Meni di quella dispietata giente,
,,Tagliati sian sanza remissione
„Chi alla corona mia non e ubbidiente."
Rispuose il conte Matico . . . . :
,, Santa corona, tale affar mi place
,,E di tal cosa non sarö fallace."
24.
Fuor della porta usci '1 baron sicuro,
Lo imperador a caval fu montato
Et alquanti baron 1' accompagnaro;
Per veder la battaglia, fuor fu andato,
E i cittadin ässai su per lo muro^
Con balestra ognuno e bene armato
Se bisognasse, i cittadin sovrani;
Or ecco il conte Matico alle mani.
25-
Matico conte gentile e gagliardo
Alla battaglia entrö sanza dimoro,
Ne mica fe' come vile e muzardo®
Che colla lancia abhalte du' di loro;
Poscia la spada trasse sanza tardo,
E la sua giente per cotal tenore
Ben seguiva, ciascun prode e valente,
Ferendo sempre sanza dir mai niente.
26.
II capitan veggendo tai sembianti
Di que' Todeschi'^ il feroce assalire,
Con ben mille cavalli si fue avanti
Ferendo con ismisurato ardire:
Tollentin, sempre gridar tutti quanti,
E que' Tedeschi ferian sanza mire
Sopra de' Fiorentin, con ardimento
Ferendo e dando lor mortal tormento.
27.
Sanza fidare 1' un 1' altro di niente
Cominciö tal battaglia, com' io intendo,
A destra et a sinistra fortemente,
E r una parte e 1' altra vien ferendo.
A i Fiorentini non valeva niente,
S' eran feriti, dire: „A te m' arrendo",
Che que' Tedeschi niente intendeano
Sieche a merce niun non ne prendeano.
28.
Que' Buemi feriano di buona voglia
Con mr.sse, dardi, lance e chi con
spade
1 Niccolö da Tolentino arrivö 1' 8 Giugno del 1431 — . Di questo assalto,
leggi 1' op. cit. di A. Pellegrini.
2 Resia, per eresia.
3 L' autore chiama sempre questo personaggio, di cui si ha anche me-
moria in Pietro Rossi (R. I. S. ; XX; 42) e nel Cavalcanti (op. cit.; I; 489), il
conte Matico o Maticho. Forse era quel conte Matillo de Tollomitz (dice
S. Bongi: in una sua pubblicaz. per nozze A. D' Ancona) che apparisce con
altri signovi del seguito di Sigismondo nel diploma rilasciato al Marchese
di Mantova, il 6 Maggio 1432. Lunig, C. D. vol. i. 1376.
■* Sott.: disse.
3 Sott.: andarono.
ß Muzardo = musardo: sta per ozioso,
' Sott.: e.
234
A. PELLEGRINI,
Facendo a i Fiorentin portar gran
doglia ;
Di segar lasciar le gente brade'
II gran perche tremavan come foglia,
Di loro scampo non vedeano strade,
E que' Tedeschi al ferir avizzati
Parean sopra di lor cani arrabbiati.
29.
La battaglia era grande e perigliosa
Oue' dell' imperio e '1 campo Fioren-
tino,
Niccolö Tollentin non trova posa
Veggendo la sua giente venir meno,
Giente Tedesca vede valorosa
Che della morte niente temeno;
Poi prestamente la lancia abbassava,
Sopra i Tedeschi a ferir se n' andava.
30.
Vedendo ognun siccome il capitano
Era entrato di fresco alla battaglia,
Ognun feria come guerrier sovrano
Sopra i Tedeschi ch' eran di gran
vaglia;
A que' Tedeschi il populo Lucano'^
Fu grand' ajuto, se Cristo mi vaglia;
Con le balestre davan gran tormento
A quel da Tolentin, siccome io sento.
31-
Or chi vedesse quel gentil barone
Matico conte alla battaglia experto!
E nel Star parea proprio un dragone
Ardito, forte e di grandezza certo,
Veracemente pareva un lione.
Col brande, e sempre lo teneva erto,
Un valoroso paladin feria
De' Fiorentini: il capo si partia,
32.
E morto cadde de! caval di botto;
E poi a quel feria un altro appresso:
Ferillo in sulla spalla, il baron dotto,
D' un grieve colpo senz' altro interesso
Che morto il giita a terra tutto ;
Un altro feri poi e tanto in grosso
^Quante arme avea indosso li divise
E del destrieri in terra morto il mise.
33-
Ahi! quanto d'arme fu'l baron robusto
Non e 'n nel mondo lingua- che '1 con-
tasse.
Render fa 1' alma allo Padre Celeste
Che con la spada un suo colpo toc-
casse.
Volgendosi aspro, valoroso e destro,
Ceito pareva che vampo menasse.
E la sua giente il* segue con ardire
E i buon Lucan ne fanno assai morire.
34-
E quel da ToUetin veggendo tale
Fortezza in que' Tedeschi e ne' Lu-
chani,
Diceva: ,,Io giuro al re celestiale
„Che questa giente son peggio che cani
,,E mai tal giente vidi io si besüale
„Non curar lo morir, e chi alle mani
,,Viene, nissun di lor puö far ragione
,,D' esser li morto, e non d' esser pri-
gione,
3S-
,,Onde torniamo addietro." Si dicea
Alla sua giente, e poi si abbandona
In ver' Firenze quanto piü potea,
E la sua giente drieto lui si sprona.
E cosi bella giente si partea
E giurava alla madre corona :
„In quel di Lucha mai non veroe,
„Questa e la prima e mai ritorneroe."
36.
Drieto ai Fiorentini sperona forte,
Matico, nobil valoroso conte:
Ben lo seguia sua giente per tal sorte
E i buon Lucchesi per vendicar 1' onte,
Molti di lor mettendo a crudel morte.
II sole andava giä sotto del monte
Onde i fuggenti via lassono gire
E 'n verso la cittä volsen redire.
* Brade: viene dal provenzale Braidis e vale, impetuoso, focoso.
2 Si sott, il verbo. ^ Leggi: che quante etc.
'^ Jl = lo. Si riferisce a Matico.
IL PICCININO.
235
37-
Alla citt<\ ritornato il barone
Co' suoi Todeschi e col popiil Luchano,
Davanti all' impetier fii ginocchiato
Et egli 11 benedisse con sua mano.
Vedute avea le prove del campione,
In sulla spalla a quel baron sovrano
Die della mano, disse: lo di prometto
Per San di vos che sei un ben valletto.
38.
Riposati piü giorni, a parlar prese
L' imperadore e disse: „lo vorrei
„Che voi mandaste sanza piü contese
,,Per quelli i quali voi chiamate giudei,
„Fate che vegnan qui a me palese
„Isti qui sunt nisi giura Dei."
Mandate fu per lor senz' altro dire
E für davanti a lor fatti venire.
39.
Essendo avaiili a lui quc' giudei trisli,
Lo imperador cominciava a parlare:
„Voi si dicesli in passione Crhrisii,
„Che solo Cesar ha sopra voi a fare,
„Da che' voi siete sotto i miei conquisti
„Mille ducati fate di portare."
Älatico conte chiamö sanza lena ^
E dice: facias ibi bastalena.^
40.
Un girel tondo fe'; poi comandoe
A que' Giudei che qui entro entrasse.
Mille ducali apportati vi fue
Prima che di quel giro uom si gi-ollasse.
Contesiöne^ assai vi si fe' sue,
E für convinti, e mostra che pagasse
!Mille ducati oltre piü di cento
De' quali al conte feron donamento.
41.
„Voi si diceste, dicea lo imperiero,
„In passione del buon signor Yhesü
„Nisi Cezarem habemus Regie Altiero
„Cezare sum, saper ben lo de'* tu,
,,Torto nissun vi faccio a dir lo vero."
Ciascun di que' Giudei umile fu,
Lo imperier del servizio ringraziaro
E poscia a lor magion si ritornaro.
42.
Poscia r imperador lettere scrisse
A Siena a tutte le lancie spezzate
Et al prefetto che per lui venisse,
Che si trovava a Siena in veritade
Detto prefetto, perche '1 papa misse
II campo alle sue terre onde levate
Le furon tutte, e Vetralla la prima,
Sutri e Civitavecchia che 6 di stima.
43-
Onde quel gentiluom detto prefetto,
A Siena con sua giente fu ridutto
E bene in punto, signor vi prometto,
Con dugento corsier a suo condutto
E piü corsieri assai che io non metto
E dugento uomini d' arme di lui sotto
Che ciascedun un paladin parea;
Argento, robbe e denar assai avea.
44-
Della persona sua gentile e magno
Ben somigliava schiatta reale
E di fortezza non avea compagno,
Del sangue di David ^ generale;
Coli' imperio credette far guadagno
Tutte sue terre per lui conquistare,^
E da Siena si mosse quel barone
E insieme gir con lui il conte Antone
45-
Dalla Pergala, dico, il baron forte ;
Da Napoli quel Carletto garzone
Con venti lance segui per tal sorte;
Questo gentile e pregiato barone
Avei sua giente bene gagliärda;
1 Sanza lena: subito.
2 Bastalena: a tutto potere.
3 Contesiöne, forse sta per'conlesa.
* De' per devi.
^ Sott.: era.
^ Intendi: conquistando etc.
236
A. PELLEGRTNl,
Ancho vi fu un altro campiöne
Che dalle .... Antonello h chiamato,
Soldato de' Senesi sempre stato.
46.
Di ver' Firenze, pel passo serrare,
Mossesi Niccolö da Tolentino,
Accattabriga^ fuvi sanza cercare,
Che era in nell' arme come un paladino,
E Charapel vi venne, a non cianciare,
Bartolomeo da Gualdo, guerrier fino.
Nicoletto mostrossi a tal convegno
Col comun di Fiorenza avea isdegno.^
47-
Quest' era forte in nel terren Pisano,
Che dumiglia cavalli e piü v' avea
Quel Micheletto di valor sovrano.
AI conte Anton da Pisa si scrivea:
Che ciaschedun possa andar salvo e
sano
A Milano o dovunque li piacea,
Che per sua giente e lui ciascun sia
gito
Salvo e sicur sanz' essere impedito.
48.
Credette il conte tal cosa per vera
Che abbia quistion col comun Fioren-
tino;
Sieche di tratta lettere scriveva
AI Colonese* nobil paladino,
Che Lodovico chiamar si faceva,
E un altro chiamato Arisimino^,
Ch' € da Trivisi, 11^ signor Ardiccione,
(Che 'n quel di Lucha era ciascun ba-
rone)
49-
Che armati sian ciascun con sua bri-
gata,
E quince fu dalla Pergola il conte,
Fuvi il prefetto con sua giente armata,
Carletto con le forze tanto pronte,
Della lance spezzate la masnata.
E come i Fiorentin, sono a lor fronte
Da Tolentin Niccolö capitano,
Accattabriga e Carapel sovrano.
50.
Eravi ancor dal canto Fiorentino
Nicolö da San Pietro, quel barone;
(Del Duca di Milano fu campion fino)
Ad una rotta rimase prigione;
Di quaresima fu, siccome io stimo,
E d' esta rotta non ne fo mensione;
Picciola fu, ma pur sanza conteso,
Niccolö da San Piero vi fu preso.
51-
I Fiorentin di prigion lo cavaron
A Petition d' un Pisano Gambacorta ;
Con cento lance quel guerrier sol-
daron ;
Fiero^ battagliator, et honor porta.
Di contra, armati, costor s'accamparon.
La ducal giente di ciö si conforta :
„Se voi venite noi 11 vinceremo
„E senza fallo noi li rompiremo
52.
,,Che Micheletto e in gran divizione
,,Col comun di Fiorenza, certamente
„Contra di noi el non farä difensione,
„E questo mi ha promesso lealmente."
A Lodovico quel gentil barone
E signor Ardiccion fu di presente;
Con tutta la brigada entrö 'n caraino,
Dirieto poi lo segui Arismino.
53-
Chi di ver' Lucha e chi di verso Siena
Tutti trovarsi armati la brigata,
E '1 conte Antonio colla faccia strena,^
^ Nome proprio. Vedi, Finzi (op. cit.).
2 Leggi: perche col comun etc.
3 Di Lodovico Colonna, vedi il Cavalc. (op. cit.; I; 208).
* Intend.: E a un altro etc. — Di Arismino, vedi il Cavalc. (op. cit.;
vol. cit.; pg. cit.) e il Finzi (op. cit.).
* Intend.: E al signor etc.
« Sott.: fu.
' Strena: forse strenua. Nel Cavalc. (op. cit.; vol. cit.; pg. 106): strenui
e bellicosi viri.
IL PICCININO.
237
Di quel di Pisa, intendi mia pensata,
Cogli altri capitani essendo a cena
Con sua loquentia sempve isbardel-
lata;!
„Siam tutti armati, dicea, 'n sul mattino,
„E assalteremo il campo Fiorentino."
54.
Ognun consiglia quivi il suo parere;
II prefelto dicea: „Egli h buon detto."
E '1 Colonnese per farli piacere,
Ch6 quel consiglio avea buon eflfetto,
Dicea: „Ordinon con senno e con
sapere."
E similraente diceva Carletto:
Da Trivis, Arsirnin: non furia, dice,
„Se sopra lor volete eser felice."
55-
E stretti a cerchio e tenendosi a mano
Firmaron sopradetto parlamento.
II conte Antonio da Pisa, quel sovrano.
In Marti rientrö la sera drento,
Mettere in punto fe' ciascun villano
Colla balestva e con lor fornimento;
Di fuori, i capitani an comandato
Che innanti giorno sia ciascun armato.
56.
Giä non dormia quel franco capitano
Da Tolentin Niccolö, con ardire;
Una ne pensa il bue, una il villano. -
Tutta la giente sanza sofferire^
Faceva armare perche sapea certano
Come i nimici il vengano assalire
Ch^ spie secrete ha dal contrario canto,
Sieche di lovo afFar sa tutto quanto.
57-
Poi il cancellieri di subito appellava;
A Micheletto dicea che scrivesse
E di tutto 1' aiTar si 1' avvisava
Che 'n punto con su giente si mettesse,
E la mattina, quando s' appicciava
La gran baltaglia, per ala fendesse:
„Se in tal maniera fai, äremo honore
,,E agli avversari darem pena e dolore,
58.
„So che va, la volpe vecchia, plana."
Di tutto il fatto Micheletto avisa,
Onde il comanda a sua giente sovrana
Che siano in punto sanz' altra divisa,
Armati e schierati in sulla plana
Di qua dall' Arno del terren di Pisa.
In sul mattino 1' un' e 1' altra gente
Erano armati tutti virilmente.
59.
Ben gloriava Marte Dio sovrano
Veggendo tanti armati a tale armare
E tutti eran del populo Cristiano
Non per Gerusalemme conquistare
A trarla fuor delle mani del Soldano,
Ma per la fede santa disertare.*
L' Inferno ne faceva gran letitia
Che vi aspcttavano anime a divitia.
60.
Tutti li Dei con Marte furon tosto
Accompagnarlo per udir tal arte,
Mercurio, Giove e Vener senza sosto,
Minerva con Nettuno e Pluto parle
Vedendo il Ciel al suo voler disposto.
Tra tutti gli altri Dei godeva Marte
Vedendo tal battaglia con disire.
E tanti siri si presso allo martire.
61.
Lodovico Colonna, quel saputo,^
Dicea cosi: ,,0 cavalier sovrani,
„Per esser ciaschedun di noi temuto
,, Schiere quattro con du' capitani
„Ognun sia® e fia piü ritenuto'
1 Ishardellata, per grandissima.
2 Altro antico e simile proverbio e: Una ne peiisa il ghiotto e un^ altra
il tavernaio.
3 Sofferire. Nel senso di aspettare.
* Disertare : dal lat. deserere.
^ Saputo: dicesi di colui che presuine di sapere. Ma e mal usato nel
senso di persona che sa il conto suo.
® Sott: guida.
' E sarä piü forte.
238
A. PELLEGRINI,
,,I1 campo nostro e siatene certani."
Cotale affare a tutti si piacea,
Che si facesser le schiere ognun dicen.
62.
II conte Anton da Pisa fu il piimaio,i
La prima schiera e '1 compagno Car-
leUo;2
Quel Della Perjjola graziöse e gajo
La seconda guido lui e '1 Prefetto
(De' nimici non curano un denaio);
La terza schiera di virlü ricetto
Lodovico Colonna e suo brigante-*
La sua compagnia, le lance spezzate.
63-
La quarta schera il Sig Ardiccione,
Con essü lui da Trevisi Arismino.
In ogni schiera v' avea mille baroni
Che ciischediin pareva un paladino
E in ogni schiera dugento pedoni
Co! conle Anton da Pisa baron fino.
Mariigiani, Palaresi, con lui andoe;
Di quesli mai verun 1' abbandonoe.
64.
Da Tolentin Niccolö capitano
Le schiere fatte avea che* dubitava.
Niccolö da San Piero, quel sovrano,
La prima, ^ e Accatabriga il secondava^
Con r altra schiera fu in quel verde
piano,
E Carapello la terza guidava;
La quarta conducea, s' el dir non
mente,
Da Tolentin quel Niccolö possente.
65.
Avea con seco una gran pedonaglia
DcUa quäl non mi curo raccontare.
Sopra li arcioni schierati in battaglia
Li lor nimici stavano' aspettare
Che sapeano tutta la lor assembraglia
E come den venir li per trovare,
E li Ducheschi 1' afTar non sapeano
Ma sproveduti trovar li credeano.
66.
II conte Anton con que'Martigiani suoi
In vcrso suoi nimici sc n' andaro
E r allre schiere seguitavan poi,
I nimici schierati vi trovaro,
II conle Anton dicea: ,,0 Martigian,
a noi.
Ferian sopra di lor sanza riparo
E assaltarli con gran vigoria
Gridando, Duca Duca, tuttavia.
67.
E sopra Niccolö con mal talento,
Ch' e da San Pietro, quäl' io vi contai,
Feritte forte il baron d' ardimento.
Alaninconioso e con superbia assai,
(Che d' ira tutto si rodeva drento)
,,Si provveduto trovar non pensai",
Dice in tra se; e poi giidava forte:
„Ferite su; alla morte, alla morte."
68.
Ben lo seguia lutla la sua brigata,
Ognun piii fiero che Hon e serpeute,
E la sua lancia il buon conte abbas-
sava :
Primo che scontra abbatte di presente.
La lancia in cento pezzi fu fiaccala.
Trasse la spada poi arditamente
E sopra a Carapello un colpo dava
Che in piana terra per forza il mandava.
69.
Di tal virtü lassö quel capo gire
Che falli poco a togUerli la vita.
La gente sua vendendol si ferire,
II seguitavan come gente ardita.
I Mastigiani a pie, con buon volere,
A chi cadeva toglievano la vita
1 Primaio: primo. Dante (Inf.; V; i): Cosi discesi del ccrchio primaio.
"^ Int.; a guidare la prima schiera furono etc.
•^ Brigante: Soldato a piedi. Sott.: guido.
•* Che: delle quali.
^ Sott.: guidava.
^ Int.: e Accatabriga che lo secondava etc.
' Sott.: ad.
IL PICCININO.
239
E de' pedoni facevan tal macello
Ch' era una scuritä pur a vedello.
70.
E Caiapello allor rimase preso
Con mollri altri baron per tal tinore.
E vedendosi allor cotanto offeso
Da Tolentin, il gentil feritore,
E per avere la sua genta difcso,
Nella baltaglia entrö con gran romore
Con Cattabriga e con le sue masnale
In sulla veste le lance abbassate.^
71-
Addosso al conte si mise a ferire,
Siecht molli di lor ne scavalcaro.
Allotta cominciarono a fiiggire
E '1 conte li sgridava a tal riparo:
„Voltate, non v'incresca il sofferire." -
Allotta futrava in nello stormo^ amaro
Dalla Pergola il conte graziöse
E '1 prefetto da Vico graziöso.
72.
Ahi quante prove fe' quel giovinetto
Ch' h d' Agnolo dalla Pergola figliolo!
Primo che scontra, fe' dell' erba letto;
Ruppe la lancia e poi nel folto stuolo
Oltre si caccia; e quel gentil pre-
fetto,
Come sparvier in sulla quaglia, duolo * ;
Prima che lancia rompa sua persona
Si abbatte quattro, come n^io dir suona.
73-
Ma niente valeva lo ferire,
Che da San Pietro Nicolö valente
Di quei del Duca assai facea morire;
Data era via a quel baion possente
In ogni luoco pel suo grand' ardire,
E Carletto il seguia, s' el dir non
mente.
Allotta alla battaglia entrö su poi
Lodovico Colonna; e tutti i suoi
74-
Entrar con lui, quelle lance spezzate,
Arismin dietro a lor con Ardiccione
Sopra i nimici coUe lance restate;
Lodovico Colonna pro barone
La sua possanza moströ 'n veritade.
La lancia abbassa il valente campione
Ad un; con tal virtii lo feri forte
Che '1 cacciö del destrieri e dielli morte.
75.
Quelle lance spezzate ognun seconda
Ferendo tutte con grand' arroganza.
II Colonnese, cid gran forza abonda,
Trasse la sua spada (rotta la sua lanza);^
La prima schiera passa e la seconda.
Dinanzi ognun li fugge per dottanza,
E quel da Tolentin vede sua giente
Fuggir: meravigliosi fortemente
76.
E dimandiiva a suoi: ,,Chi e costui
,,Che si soletto la mia gente caccia?"
E tosto li rispondeva un de' sui:
,,Li huomini come rape fende e
schiaccia;
„Credo che il diavol sia e non altrui"."
E chi pur puö, a suo scampo procaccia
Di fuggir quar.to puö per que' sentieri.
E i nostri li seguivan volentieri
Or chi vedesse Jacopo valente
Che e di Siena e Boldruin da Soragno,
Polo, Alibrando, cavalier possente,
E Pierin Turco di possanza magno,
Da Cimasola, se '1 mio dir non mente;
Bartolomeo e Piero suo conpagno
Che de' Visconti si faceva dire,
Tutti ferian con valofoso ardire.
78.
Delle lance spezzate eran costoro
Abbattendo i nimici e scavalcando
^ Sott.: avendo.
2 Sofferire: sopportare. Cavalc. (op. cit. ; I; 129).
ä Stormo: adunanza di uomini per combattere, dice il Diz.
* Sott.: portava.
^ Lanza, per lancia. Sott. : Essendo stata.
^ .£■ non altrui = e non altri.
240
A. PELLEGRINI,
E pigliando prigioni assai di loro.
II conte Antonio li venia consumando
E Ardiccion facea macel di loro;
E Arlsimin sua forza dimoslrando
II prefelto feria, sanza intervallo,
Carletto rimontato era a cavallo.
79.
Isconfitto era quel da Tolentino :
Fuggendo, se ne va per la campagna.
Ed eccoti venire il paladino
Micheletto con sua brigata magna,
E dumiglia cavalli a suo domino,
Addosso a, que' Tedeschi con gran
vaglia.
Per Costa in furia 1' ebbero assallati
Che i nostri furo in tutto impaurati.
80.
Eran vcnuti si copertarnente
Che i ducheschi giammai non 1' avvi-
saro^,
Micheletto feria francamente
E la sua gente fresca a tal riparo.
E assai n' abbatte, s' el mio dir non
mente,
E '1 campo molto ben riconquistaro,
E que' fuggenti ch' eran missi in caccia
Ripreser cuore e seguitar la traccia:
81.
Sopra i ducheschi ognun feriva forte,
Mostrando sua possanza valorosa.
II Pisan conte vedendo il partito
Che la sua gente non trovava posa,
Che ognun sarebbe volentier fuggilo,
Li rinfrancava con mente gioiosa:
„Se sostenete, vincitor saremo
,,E questo Micheletto romperemo.
82.
„lo so chi e' sono; e di questo vi
fido2,
,,E' non son genti usati da battaglia.
„Son tanto vili che udendo uno strido
,,Fuggiran piü che non fa sparvier
quaglia." ^
Poi verso lor con disdegnoso grido:
„Alla morte alla morte esta canaglia",
E poi tra lor entrö con gran fierezza
Ferendo con israisurata asprezza,
83.
Lodovico Colonna si distese
Tra quella gente con gran vigoria
Tagliando loro ogni armadura e arnese.
Per terra manda quanli ne giungia:
Quel dalla Pergola, cavalier cortese,
Feria con la sua franca baronia;
II signor Ardicion mostra sua possa
Et Arismin con la sua giente grossa.
84.
Ben dimostrava sua bramosa voglia
II valoroso da Vico prefetto
Facendo lor portar gran pena e doglia,
Tanto feria ben, quel giovinetto.
Contra di lui non vale arme una foglia,
E similmente faceva Carletto:
Ciascun feria si gagliardamente
Facendo de' nimici assai dolente.
85.
Quel da Siena, da Soragno Boldrino
£ Pierin, Turco, e quel Polo Ali-
brando
Ben facea de' nimici il suo dimino;
Quel Pietro Matto vien li consumando,
La sua possanza mostra Cavagnino
Abbaltendo i nimici e scavalcando.
Dair altra parte mica non dormia
Quel Micheletto pien di gagliardia.
86.
E colla spada fiere il guerrier dnido
Di punta a un, siecht li passa il fianco.
Et un altro feri d' un colpo crudo
Che gh tagliö la testa e braccio manco;
E quel da Tolentin can sommo studo*
Mostrava sua possanza, il baron franco.
1 Awisaro. Qui e nel seuso di scorgere.
'^ Vi fido: vi dö fede.
^ Intenderei: Fuggiran piü veloci di una quaglia alla vista di uno
sparviero.
* Studo, per studio.
IL PICCININO.
241
Accattabriga la lancia abbassava
E nello stormo furioso entrava
87.
E con Boldrin si fu ferito insieme
Si smisuratamente, che amendue
A terra giron e 1' un 1' altro insieme;
Raro si bella battaglia mai fue;
Micheletto un feri, che sangue gerne 1
Giü per lo petto, tale il colpo fue
E älo^ malamente inaverato.
La battaglia era slretta in ogni lato.
88.
Stava in sul campo ardito combattendo,
Pill che iion fa un velenoso drago,
Quel conte Anton da Pisa, com' io
intendo :
Del sangue de' nimici facea lago.
Ognun, sua parte, venia difendendo.
D' aver vittoria ognun sarebbe vago ;
E quando il vespro era su alto al
mondo,
Allotta la battaglia era in gran pondo^:
89.
Da ogni parte assai ve ne moria.
Pure i Ducheschi aveano il peggiore
Bontä di Micheletto quella da . . .,
Che gli era prima il Duca vincitore
Se Micheletto uon li soccoria
Con la sua fresca giente in tal furore ;
Gagliardamente ciascun di lor fiede
E, come ardito, 1' un 1' altro richiede.
90.
Mai si vidde si bella baronia
Cosi dell' una come dell' altra giente.
Lodovico Colonna a un che feria
Corassa e usbergo non valse niente,
Disteso mono cadde in suUa via
E Micheletto fu di ciö dolente
E poi piü ollre con la lancia bassa
Arditameute fra i nemici passa.
91.
Feriva forte con ardita cera*,
Fendendo va Ih presso ogni lato:
II conte Anton trovö alla primiera^
Nel mezzo dello stormo era cacciato;
Ripresel Lodovico a tal maniera:
,,L' orgoglio tuo abbasserä lo stato
„Del Duca di Milan cui tu vuo' bene.
,,E noi sarem disfatti per tal mene."
92.
II conte vede che diceva il vero.
Pien di dolor, udendo tal parlare,
Missesi sopra di quel popul fiero.
A molti si la fe' cara gostare:
Giammai fu Iion giovine altiero
Che si potesse a costui somigliare,
E d' ira e di fatica assai sudava
E di danno e di vergogna; dubitava
93-
Se ognuno avesse si ben ferito
AI campo, come fe' il conte Pisano,
O quel prefetto, o quel Carletto ardito,
Quelle lance spezzate, ognun sovrano,
E '1 Colonnese di valor fiorito,
Ardiccione, Arismino, ognun sovrano.
Ma 1' altra giente non potea durare
Contra que' freschi ch' ebbeno arrivare.
94-
E Micheletto addosso lor broccando^
E quel da Tolentin buon cavalieri.
E dirieto lor venia seguitando
Nicolö da San Piero, buon guerrieri;
Accattabriga veniva spronando,
E tutti quanti gli altri soldanieri^
E con la forza di lor gente molta
Misser per forza que' ducheschi in
volta^
95-
E Micheletto sopra lor feria
E colla lancia a un passava il petto
1 Gerne, per versa. ^ E dlo: e lo ha.
^ Int.: era giä vicina la sera, quando la battaglia era al suo colmo.
* Cera, per volto.
^ Alla primiera = dapprima. Sott.: che.
^ Leggi: andava broccando. Broccare, significa spronare.
' Soldanieri; z\i\\, soldatieri. Leggi Cavalc. (op. cit.; vol. cit.; 174 -Nota.
^ In volta = in fuga.
Zeitschr. f rom. Phil. XXV. 16
242
A. PELLEGRINI,
E morlo V abbatt^ sopra la via
E sopra lor feria con gran dispetto:
A ogni luoco egii era dato via.
Assai sostenne di vero ' il prefetto :
E '1 conte Anton e '1 gentil Colonnese
Contra i nimici ster sempre a difese,
96.
Ma niente valeva la lor contesa
Che la lor gente tutta in fuga andava,
E que' de' Fiorentin alla dislesa
La ducal gente sempre seguitava,
AI conte Anton di ciö forte li prese,
E '1 Colonnese a lui si rivoltava:
Verso di Marti spronar fortemente
Veggendo fuggir via tutta la lor gente.
97-
E Micheletto siegue li sconfitti
Duclieschi: uccide con grande iniqui-
tade;
E que' pedon di Marti si perfetti
Tutli eran misi al taglio delle spade
Si che le dure voci degli afflitti
Faceano un tuono accesso di pietade.
Combattendo incalciando e scavalcando,
E di molti prigion givan pigliando.
98.
Di Marti fino alle porte cacciaro
La ducal gente con grievi martiri^,
Pill di trecento prigion si pigliaro.
A sella vote v' e molti destrieri.
Quanto vendesti lor tuo saper caro,
O Micheletto, a' Ducheschi guerrieri:
Gran quantitä di morti e di feriti
E di gagliardi gentili e arditi.
99.
E riposarsi in Marti quella sera
Con grande afifanno la duchescha genle.
Ai Fiorentin fu noto siccome era
II campo rotto del duca possente:
Le campane suonaro alla primiera,
Su 'n ogni torre il fuoco' di presente
Perch^ lo veggan tutte lor castella
Che mai non ebben la miglior novella.
100.
Tu si vedevi '1 fuoco a San Jiuliano
Perche da Lucha bene si scorgia,
E simil, Monte Chiaro e Mon Sommano,
Pistoja, Prato coUa Scarparia,
Simil Pescia col Borgo a Buggiano
E Volterra, per la fede mia.
Tu vedevi fuoco al monte Saminiato,
Barga, Valdriana e in ogni lato.
lOI.
Di tal cosa ben puoi far baldoria,
Firenze, e a Micheletto render gratia
Che t' ha scampato, come dice mia
storia.
Di ringraziarlo non ti veder satia
Che mai di te non era piii memoria
Per la virtü che in lui tanto si spatia;
A luce* t' ha renduta un tal afFare
Ne con laudo di tale operare.
102.
Tempo non era di tutta penitentia
O maladetto Giugno primo die;
O Diavol com' hai tu tanta potentia
Che ab eterno ricordo ne üe^?
O maladetta Stella e tua influentia
Che il Duca di Milano percoso ha sie",
E molte profetie tu hai mancate
Che «i dovea disfar quella cittade.
103.
Anco ne vivo in bella e gloriosa
Speranza ancor di vederti punita
De' tradimenti e della brutta cosa
Che voi usaste, o falsi sodomita.
Le nove piaghe alla croce famosa
Di cotal atto a chi piii puö si muta,
Orribil visio tua natura prende
O quanto per quest'atto Dio s'ofFende!
' Di vero, cioe, invero.
2 Martlri. Reminisc. Dantesca.
^ Sott.: accendono.
* A luce: in rinomanza.
^ Fie, forse per, fia e quindi, sia.
•^ Sie, forse per, cosie (come dice ancora il basso popolo) e quindi, cosi.
IL PICCININO.
H3
104.
La spada di lassü non taglia in fretta,
II tuo buon Dante testimon si rende.
Quel Gesü Cristo, giustitia perfetta,
Unicuique vera tribuendo,
Secondo 1' opre tue, malvagia setta,
Non si ritardi che per tempo essendo
A te non paja, e tu o dolce Iddio
Provede, eterno padre giusto e pio.
105.
In sono stanco e tutto pien d' aftanno,
Perö mi voglio alquanto riposare.
E voi vi poserete col buon anno.
E poi dirö nell' altro mio cantare
Come r iraperio a Siena con affanno
Andö, e anco vi vorrö narrare
Del Piccinin la rotta ismisurata
Che in Voltolina a Venetiani ha data.
Finito quinto canto.
(Continua.)
A. Pellegrini.
16*
Franz. caillou ] lat. coc/aca (vgl. Rom. XXIX, 438 fr.). — Über
Laut- und Bedeutungswandel (vgl. Rom. xxix, 583 f.).
„Lautgesetze" werden uns nicht unter Donner und Blitz ver-
kündigt; mögen sie uns bei dem Aufsuchen von VVortgleichungen
noch so gebieterisch vor Augen stehen, wir selbst haben sie erst
aus Wortgleichungen abgezogen, zu denen wir auf primitive Weise
gelangt sind. Diese allgemein befahrene Bahn habe ich nicht ver-
lassen als ich Rom. Etym. II, 1 3 ß. der Art und Menge lautlicher
und begrifflicher Übereinstimmungen eine unmittelbare Beweiskraft
beimafs; und wer mir ,.soit par pusillanimit6, soit par principe"
hier nicht zu folgen vermag, den bitte ich wenigstens zu sagen
welche wesentlich andere Beurteilung des von mir dem lat. Cochlea
untergeordneten romanischen Stoffes überhaupt möglich wäre.
Welche „wesentlich" andere; denn dafs im Einzelnen genug zu
ergänzen, zu tilgen, zu berichtigen ist, das habe ich teils von
vornherein zugestanden, teils ergibt es sich ohne Weiteres aus der
skizzenhaften Form die ich gewählt habe. Ich will nun eine ganz
kleine Partie meiner Darlegung — nämlich die auf welche A. Thomas
mit dem Finger hingewiesen hat, in die Musterform umgiefsen,
mufs mich aber dabei auf die mir augenblicklich zur Verfügung
stehenden Thatsachen beschränken, obwohl mir keineswegs entgeht
dafs Manches noch gröfserer Aufklärung bedürftig ist.
Wenn wir die dunkle oder strittige Herkunft eines Wortes ins
Licht setzen wollen, so werden wir uns zunächst nach Wörtern
umschauen die mit ihm in einem handgreiflichen Zusammenhang
stehen; an das Axiomatische reichen wir hier freilich bei Weitem
nicht heran. Niemand bezweifelt dafs in caillou derselbe Stamm
enthalten ist wie in call, chail, -lle, ohne dafs sich die Unmöglich-
keit des Gegenteils erweisen liefse. Ebenso sicher erscheint mir
dafs das norm. pik. cayeux, cailleu „Miesmuschel" kein anderes
Wort ist als das franz. caillou, alt und mdl. auch cailleu; nur sage
ich nicht dafs ich diese Meinung „pour rien au monde" aufgeben
würde — für gute Gründe ist sie zu haben. Solange solche nicht
vorgebracht worden sind, halte ich daran fest dafs für call eine
Herleitung nicht angenommen werden darf die nicht auch für
caillou und für cayeux pafst. Endlich ist die dritte Entsprechung
im Auge zu behalten, nämlich die zwischen franz. caillou, prov.
calhau und port. calhao (von Raynouard, Diez, Littr6, Körting merk-
FRANZ. CAILLOU ( LAT. COCLACA. 245
würdigerweise calhäo geschrieben). Von dem zweiten Wort ver-
mutet Diez, ohne triftigen Grund, dafs es entlehnt sei, von dem
dritten behauptet er es, ohne Angabe eines Grundes.
Ich bespreche zuerst Meyer -Lübkes Gleichung chail, caillou \
gall. *kall/o, *kalljov- \ kymr. caill „Hode", Plur. ceüliau (Ztschr. XIX,
q6 f.). Über das Besondere dafs die Singular- und die Plural-
form ohne Unterschied des Sinnes im Romanischen fortleben, geht
Meyer -Lübke hinweg. Auch das was er über „Stein" } „Hode"
bemerkt, hatte meine Bedenken nach dieser Seite hin nicht zer-
streut; jetzt allerdings könnte ich ihm zu Hülfe kommen, nachdem
ich gefunden habe dafs deutsches Stciii, dän. sieen (vgl. schwed.
pungstett), engl, sione, kymr. careg, ir. doch, gael. dach neben der
Bed. „Stein" auch die: „Hode" besitzen. Dieses doch gehört, nach
Stokes-Bezzenberger, zusammen mit kymr. caill zu *kal „hart sein",
auf das Andere caillou ohne Weiteres zurückgeführt haben. Es fragt
sich wohin kymr. cellt und calleslr, cyllestr (bret. kaillaslr) „Feuerstein"
zu stellen sind, welche man ebenfalls als keltische Verwandte von
caillou angesprochen hat. Es bleibt aber bei der von Meyer - Lübke
gefundenen Deutung der französischen Wörter eine Schwierigkeit
über die ich durchaus nicht hinwegzukommen vermag. Darf man
in kymr. ceilliau ein gall. *kalljov- sehen? Allerdings entspricht
kymr. -au (alt -ou, später -eti) einem gall. *-av-es, -ov-es (vgl. Lu-
goves), aber das ist die Pluralendung von w-Stämmen. Sie hat sich
wie andere Pluralendungen im Kymrischen und im Brittischen über-
haupt weit über die Grenzen ihres ursprünglichen Gebietes aus-
gegossen. Vielfach hat sich daneben noch die oder eine ältere
Endung erhalten, z. B. [llygad) llygaid und llygadau; (Jlo) lloi und
lloau; {ffoi'ch \ lat. furca) ffyrch und fforchau, oder es haben sich
beide Endungen miteinander verschmolzen, z. B. {cloch \ mlat. clocca)
clych und dychau; {satii { lat. satictus) saint und seintiaw, am Deut-
lichsten ist das ersichtlich in dem dreifachen (/)') fai, teiau, tyau.
Innerhalb des sekundären -0?^- Gebietes hat wiederum ein unter
bestimmten Bedingungen entstandenes -i-au um sich gegriffen.
Wenn nun auch diese brittischen Analogiebildungen nicht nur, zu-
folge den Schwankungen und Abweichungen, in die jüngste Zeit
herab, sondern teilweise, zufolge den Übereinstimmungen, in frühe
Zeit hinaufreichen, so dürfte es doch sehr kühn sein sie schon
dem Gallischen zuzusprechen. Ob alte Zeugnisse für ceilliau bei-
zubringen sind, bezweifle ich; der Plural war und ist wohl von
diesem Worte nicht gar zu gebräuchlich, man sagt häufiger: y ddwy
gaill (bret. aim daou gell). Sodann aber möchte ich die Frage
aufwerfen ob nicht ceilliau ein ebensolcher Plural ist wie seintiau,
mit andern Worten auf einen Sing, "^call zurückgeht. S. Evans führt
unter „testicle" an: caill und ceillen. Das letztere ist eine Singu-
lativform, welche einen Plural caill voraussetzt ; vgl. z. B. dal „Blatt",
Plur. dail „Laub", davon wieder deileyi „Blatt" (daneben dalen, Plur.
daletiau). Gleichbedeutend mit ceilleii ist eirineji, das aus eiritt
„Hoden" („Pflaumen") abgeleitet ist. Das pluralische caill mag
246 H. SCHÜCHARDT,
durch das daneben aufkommende reilliau in die Singularbedeutung
gedrängt worden sein. Ganz ebenso ist deigr „Thräne" eigentlich
Plural zu dem gleichbed. dagr (daher singularisiert: deigryn), in
dieser Funktion aber durch dagr au [deigr aii) ersetzt; so sagt der
Nordkymre saint („Heilige") für den Sing, sant, u. s. w. Kymr. '^call,
caill, so erklärt, stimmt zu bret. kall, kell, nur dafs dieses männlich,
jenes weiblich ist (vgl. der, die Hode), und demnach müssen wir
wohl für das Gallische *kall-o (*l;all-cl), nicht *kall-jo ansetzen. Die
zweite Form hat in dem gall. calliomarcus „Huflattich" keine feste
Stütze; in dem ersten Teil dieser Zusammensetzung kann nur ein
Wort stecken das „Huf" oder „Fufs" bedeutet (vgl. eqiä ungula,
Rosshuf, pas-d^äne oder sabot de cheval, colt's foot, kymr. carn yr
ebol, bret. pao-marc'h, iroad-marc^h). Das Bretonische kennt noch
kaldi „Hode" { *kai-ko. Das altir. caullach weist auf einen /^-Stamm
zurück. Schliefslich wird durch die getrennte Verbreitung von
caillou, calhao die Wahrscheinlichkeit keltischen Ursprungs noch
gemindert, die nach der Zahl der sichern Ergebnisse sowie nach
gewissen allgemeinen Erwägungen für ein romanisches Wort über-
haupt keine allzugrofse ist. Wie anders als diese Gleichung
zwischen caillou und ceilliau wirkt auf uns die ein welche Meyer-
Lübke selbst unmittelbar nach dem hier erörterten Artikel bringt,
zwischen lad. (obwald.) carmun „Wiesel" und einem aus dem
Deutschen und Litauischen nur erschlossenen gall. *karmdn-. Die
Keltizität dieses Wortes scheint mir, wenn ich das bei dieser Ge-
legenheit erwähnen darf, durch das inschriftliche Carmo Adnami Hb.
erwiesen, das ich bei Holder angeführt finde (auch die Römer
kennen Miistela als Männernamen), und überdies vermute ich *kar-
mön- sowohl in kymr. carhvni m. „Hermelin" [-\-lhvm „nackt"?)
als in bret. kaerel w. „Wiesel", das durch die Analogie des franz.
beieile nur beeinflufst sein würde; denn die Ähnlichkeit beider
Wörter ist zu grofs um als eine ganz zufällige zu gelten, ander-
seits entspricht dem bret. kaer „schön" nicht kymr. car*, sondern
cadr „stark".
Gegen calculus \ chail, woran Thomas festhält, habe ich an sich
Nichts einzuwenden. Ein vulgärlat. cauculus ist allerdings seit ver-
hältnismäfsig früher Zeit und häufig belegt; darf man aber mit
Meyer -Lübke annehmen dafs dadurch auf dem ganzen Gebiete
ein *caclus ausgeschlossen wäre? Über das Verhältnis von caillou
zu chail schweigt jedoch Thomas. Das schon von Littr6 bean-
standete Suffix -avus wird im Dict. g6n. wieder aufgewärmt und
von Meyer- Lübke neuerdings abgethan. Indessen hätte er nicht
sagen sollen „dafs prov. -ati, afr. -oti, -0, -eu sich nur unter -avu,
-au vereinigen lassen"; er hdit fau, fou, fo, feu \fagus vergessen.
V. Henry Lex. etym. du breton moderne S. 50 ist geneigt die
lateinische und die keltische Herleitung von caillou miteinander zu
verknüpfen, wobei sich im Romanischen Urverwandtes (kelt. "^kal-eto-
„hart", lat. callum; kelt. *kal-ko- „Hode", lat. calculus) wieder zu-
sammengefunden hätte. Dafür dafs die Grundbedeutung von caillou
FRANZ. CAILLOÜ { LAT. COCLACA. 247
die des Harten sei, wird angeführt „que sur toute la cote caillou
signifie , rocher'". Es kann sich ja mit caillou ebenso verhalten
wie m\\. pierrc \petra\ aber die Sprache kann auch umgekehrt vom
Kleineren zum Gröfseren vorgeschritten sein, wie ja die lat. Dichter
süex im Sinne von „Felsen" gebrauchen. Von der Endung in
caillou redet Henry nicht.
Wenn diese etymologischen Versuche der Form caillou nicht
Herr werden, so berücksichtigen sie cailleu „Miesmuschel" nicht
einmal. Man könnte nun sagen: indem ich von vornherein Beides
zusammenstelle, gelte mir die Ähnlichkeit zwischen den beiden
Dingen als eine ganz augenfällige, und ich dürfe demnach einen
besondern Beweis für die Entwickelung „Kiesel" } „Muschel" nicht
verlangen. Ich bin kürzlich auf dem Gerolle eines Flusses hin
und her gewandert, und habe mich davon überzeugt dafs die
Steine zwar die mannichfaltigsten Gestalten zwischen Kugel und
Scheibe aufweisen, zum gröfseren Teile aber doch solche welche
denen der verbreitetsten Muscheln mehr oder weniger ähneln. Da-
bei suchte ich mich in den Vorsteilungskreis einfacherer Menschen
zu versetzen , und ich begriff es dafs man die Steine nach den
Muscheln mit denen sie die Wiege teilen, benannte, das Unorga-
nische nach dem Organischen, das doch zunächst Aufmerksamkeit
und Teilnahme erregte. Kurz, die Auffassung der Kiesel als
falscher oder todter Muscheln, oder geradezu als versteinerter,
dünkt mich natürlich. Hingegen vermag ich mir die der Muscheln
als Kiesel nicht zu vergegenwärtigen, und man wird sich dafür
auch nicht auf die Bezeichnung einer gewissen Schnecke als Buc-
cinum lapillus „Steinchen" berufen. Eher auf die eines platten
Kuchens als galette im Franz., das man allgemein (so auch im
Dict. gen.) von galet „(platter) Kiesel" ableitet; doch wenn auch
dieses wieder auf das gleichbedeutende altfranz. gal zurückgeht,
so ist damit die Fortpflanzung von galet zu galette noch nicht
crsviesen — auch bleibt zu ermitteln woher gal kommt. 1 Wenn
^ Ich will nur darauf aufmerksam machen dafs Italien aufser galletta
„Schiffszwieback" auch ein galletto mit einer verwandten Bedeutung kennt.
Tosk. galletti sind nach Fanfani „certi sgonfiotti di pasta alquanto dolce . . .
fritti in padella" (sie heifsen auch coccoli; vgl. Rom. Etym. II, 24). Piem.
galet erklärt Zalli als ,,specie di schiacciata, che si fa in forma d' un gallo,
o d' un fantoccio, quando si cuoce il pane, per darla ai fanciuUi, galetta,
focaccio, libum, popanum, galette". Dies erinnert wiederum au südfranz. gau
de pasto ,,coq en päte que l'on fait cuire au four pour donner ä un enfant"
(Mistral). Hingegen läfst sich ein Zusammenhang von bearn. galhet ,,Brod"
(von Weizen, Roggen, Mais), galhou „Stück Brod" mit galh, galhou ,,Hahn"
schwer annehmen. Andere Wörter der Gestalt galletto, -a weisen mit gröfserer
oder geringerer Bestimmtheit auf galla „Gallapfel" hin. Insbesondere das von
den franz. Wbb. verzeichnete galet „Netzboje", welche Bedeutung das Dict.
g6n. als erweiterte technologische von ,, Kiesel" fafst. Der Ausdruck ist süd-
französisch; an der Küste von Cette bedeutet galtet die „Korkboje" für das
kleine Gangui (Zugnetz) — in Ostspanien heifst die , .Korkboje" für den
Palangre (Angelschnur) galt (vgl. kat. galt „Wasserblase", arag. hervir d gallos,
ital. gallare, galleggiare, dare a galla). Ich halte es nicht einmal für ganz-
248 H. SCHUCHARDT,
t's sich darum handelte Zeugnisse für das Umgekehrte, die Be-
nennung des Kiesels nach einem organischen Gebilde, vorzu-
bringen, so würde die Herkunft des span. gtaja „Kiesel" von gtäja
„Kichererbse" (Ztschr, XXIII, 195) ein nicht anzufechtendes sein.
Noch näher läge lat. silex „Kiesel", siliqiia „Fruchthülse", kirchensl.
skotika „Muschel", skala „Fels" (Brugraann Vergl. Gramm. 2 I, 855).
Doch bedürfen solche vorgeschichtlichen ßedeutungsübergänge selbst
des fremden Lichtes mehr als dafs sie Licht zu spenden geeignet
wären. Ich kann mich wohl mit der Anführung eines einzigen Be-
leges für „Muschel" } „Kiesel" begnügen; denn er ist nicht nur an
sich einwandsfrei , er deckt sich auch lautlich mit den in Unter-
suchung stehenden Wortforraen, und schliefst somit schon die
Lösung der ganzen Aufgabe in sich. Ich darf mir nicht das Ver-
dienst beimessen diesen Zusammenhang entdeckt zu haben; aber
ich bin auch nicht im Stande zu sagen wem es gebührt — ich
W'cifs nur so viel dafs Mistral zu südfranz. caiau das lat. cochlnx,
gr. xäy^Xrj^ stellt, von denen aber die lat. Wortform nicht belegbar
ist. Wie sich xoyxfj, xoy/vXiov im Lat. ganz eingebürgert
haben, so zwar nicht y.6%Xoc, (für *%6yy-loi:\ vgl. xoyy-v-Xrj),
das nur als Fremdwort bei Plinius vorkommt {cochloe PI.), aber doch
die uns hier insbesondere angehenden:
xoyXiag ] cochlea „Schnecke". Cochleae „lapides marini vel flu-
minales" (Cael. Aur.); vgl. auch
De -Vit zu einer Stelle des
Martyr. Rom.
xa/A?^^ „Schnecke"; Suidas xöyXa^, x(xyXrj§ {xäyXi^),
sagt: 8i6og C,ojv(fiov rivog, xcryla^ (so im Vat. 4 der
wie er xoy?Aöiov deutet Schol.Theokr. VI, 12), daneben
a.\s: sidog C,cov^iov\*caclacu neugr. auch xoyXccÖi „Flufs-
) südfrz. cacaraii „Schnecke", oder Meereskiesel" } coclacae
mdl.-frz. caiUeii „Muschel". „lapides ex flumine rotundi
ad cochlearum similitudinem"
(Paul. Diac.) } prov. ca/hau, franz.
caillou „Kiesel".
Das Verhältnis dieser Formen zueinander ist ganz klar und schliefst
die Annahme einer Verwandtschaft von xcryXr]^ sei es mit dem
lieh ausgeschlossen dafs irgend ein Zusammenhang zwischen galla und altfranz.
^al besteht; man erwäge südfranz. ^«/o „Gallapfel" imd „Spielkügelchen" (woran
sich vielleicht die Verben galeja „im Siebe hin und her schütteln", „Kiesel hin
und her bewegen", mdl. -franz. galer, gaelter ,, Steine u. A. rollen") anschliessen.
Auch im Slawischen haben wir diese Bedeutungsentwickelung: serb. galica,
slow, galka „Gallapfel", tschech. hdlka,, Gallapfel", „Kugel", „Spielkügelchen"
{haluska ,, Knödel"), poln. galka „Kugel", „Spielkügelchen", rulhen. galka
,, Kugel", russ. galka „bunte Glaskugel" (vielleicht ist von dieser Seite her im
Anlaut beeinflufst russ. galjka „Kiesel", das ich für griech. yaki^, neu yaXixag
„Feuerstein", yaXlxi „Kiesel" halte). Man vergleiche noch sard. (log.) Idd-
dara, Idddera ,, Gallapfel", laddia, laddiera „Kiesel" (doch will ich nicht
verhehlen dafs P. RoUa im See. saggio di un voc. etim. sardo S. 78 laddija
aus *lapidicula erklärt), und gewisse Fortsetzungen von Cochlea.
FRANZ. CAILLOU \ LAT. COCLACA. 249
gleichbedeutenden yj(Xi^, sei es mit Hage/ aus. Das Griechische
kennt in der Ableitung nicht blofs -äx-, sondern auch -äx-; so
haben wir z. B. mit « d-vvva^ „Thunfischchen", xXtfia^ „Leiter",
mit ä Xcißga^ „Meerwolf" (von XdßQog „gierig"), ßr6{xg:a£ „prah-
lerisch" (von öTO//(jcoc „Prahlerei"). Dem Xid-aB,, -äxog „Steinchen"
steht gegenüber das gleichbedeutende dor. ipärpag, -äxoc. Bei
manchen Wörtern sind wir über die Messung nicht unterrichtet
oder durch die Wörterbücher in unzuverlässiger Weise. An xo^Xäx-,
xayläx- jedoch ist nicht zu zweifeln, da das a dem jon. att. i]
von xäyXrjx- entspricht; vgl. iQr/^,-)jxog = iga^, Uga^, -äxog.
Wie der Wechsel von a und 0 im Stamme zu erklären ist, bleibt
für die Hauptfrage ohne Belang. Vielleicht wirkte xaXyj] „Purpur-
schnecke" ein {xoyXog, xoyyvXi] bedeuten dasselbe); vielleicht
xayXä^eiv „plätschern". Jedesfalls brachte man dies Verb mit
xäyX?]§ in Zusammenhang: to xif/a xayXäCtL sei so viel wie
(ftQOf/evov esil zovg xccyXy/xag ipoffEi xcd rfyjzl. Es findet sich
auch mit o, und Legrand verzeichnet gerade xoyXitX^m als die
eigentliche volkstümliche Form im Neugriechischen. Im Roma-
nischen setzt sich Cochlea mit beiden Bedeutungen fort; aus den
Rom, Etym. wiederhole ich hier andeutungsweise:
„Schnecke", „Muschel": „Kiesel", „Stein":
3. er OS, crosa, cros.
bürg, creuge de riveire
„Flufsmuschel" (Rolland
Faune pop. 111, 219),
4. cocle, cocula, cogolo.
7. coque, cuco, coch, cucc.
9. chioccola, chiocqiulo.
14. ciocchele, cionghele.
Gal. croyo, coyo „Kiesel", dessen wechselnder Anlaut Verdacht er-
regt, läfst sich doch mit der cochka-Qxwi^'^z vorderhand nicht ver-
einigen. Und ist es nun zu kühn wenn ich dieser Doppelkette
das Glied:
I. coghia, caj, cail, chail, -He
einfüge? Das a für 0 kann ja zunächst aus xäyXfj§ auf Cochlea
übertragen sein; es kann aber auch aus andern Wörtern stammen
die begriiTlich mit Cochlea assoziiert worden sind. Der thatsächliche
Wechsel zwischen a und 0 liegt in so viel andern synonymen Wort-
formen gleichen Ursprungs vor:
I. coghia, caj.
3. crosa, crasa.
4. {cochlea „Schildkröte" Stal. cägado, cdculi.
Silv,) cocla, cocora,
5. croga, craco, claque.
7. coca, caco.
7-
cocogne,
coucossoun,
cogue/le.
i6.
cocal,
17-
cocoille.
5-
aiclun,
250 II. SCHUCHARDT,
Besonders allerdings in unbetonter Silbe:
cacagnd.
cacasson.
caquelle.
cacaJ.
cagoulho (daher franz. cagoidlle).
j) I. 5. cuclun, caclun.
7. cticun, cacone.
Man vergleiche noch cogula — cagoule, coucouhicho — cacalucho, cos-
colha — cascoUia, coscahel — cascabel, cosco — casco, escougassa —
cscagassa, escorcoiUa — escarcaia u. s. w. „Oq en croira ce qu'on
voudra". Aber wird denn in andern Fällen, mag auch über das
einfliefsende Wort noch gröfsere Unsicherheit bestehen, die Ver-
tretung des 0 durch a in Zweifel gezogen? Etwa in lociista \ .^la-
ciista, torhiga \ tariuga?. Ich habe schon gesagt dafs auch der
welcher die Phonetik als alleinige Herrin anerkennt, nicht sicher
davor ist „qu'il ne seme las ruines sur sa route". Das Dict. gen.
haut mit einem kräftigen Hieb die eine Torte in drei ganz ver-
schiedene Torten auseinander: tourtc könne nicht von lat. törlus
d. h. lorius zu lorquere herkommen, und der Ursprung von tarle sei
unbekannt. Aber toria lebt ja fort in südfranz. iorto (= iorco) — kymr.
iort, bret. torz beweisen weder für 0, noch für g, für letzteres
neap. iörtano, kal. iörtd7iii „Bretzel" { lorttila; die Verschiedenheit
zwischen offenem und geschlossenem Vokal pflegt bei gleicher Be-
deutung nicht als Anzeichen verschiedenen Ursprungs aufgefafst zu
werden, selbst wenn noch keine passende Erklärung dafür vorliegt.
Für tprta \ tgr/a weifs ich keine; man entschliefst sich schwer dazu
an *tprrere zu denken, das verschiedenen romanischen Formen zu
Grunde zu liegen scheint, aber noch schwerer einen Einflufs von
iiiriur anzunehmen, das ja nicht in dem Sinne von „Taube"
schlechtweg vorkommt (vgl. südfranz. coidoumb, coulomnho „tauben-
förmiger oder mit einem Taubenbild versehener Kuchen", ital.
colojnbina „taubenförmiges Osterbackwerk") ; auch die „pätes de
tourtres" helfen hier nicht weiter. INIit einiger Sicherheit läfst sich
hingegen behaupten dafs tarie aus einer Verschmelzung von torta
mit tariarwn „Weinstein" hervorgegangen ist. Die Herleitung dieses
Wortes vom arab. durdl „Bodensatz von Milch, Öl, Wein" ist in
jeder Beziehung unwahrscheinlich; wohl aber haben die Araber es
ihrerseits von den Südeuropäern entlehnt: farilr. Wie immer es
zu deuten ist, es dürfte nicht aus alchemistischen Kreisen stammen,
sondern ein altes volkstümliches sein, das sich in die Gelehrten-
stuben geflüchtet hat. Es wird gleich dem faeaila {rftxhj, öfftxXtf},
das von ihm abgelöst worden ist, in einem weiteren Sinne gegolten
haben, wie ja auch das span.-arab. iartar (tartaq) bei Simonet mit
den Bedd. „Ölhefe" und „Weinhefe" verzeichnet ist. Das südfranz.
ratiso vereinigt mit den Bedd. „Weinhefe", „Weinstein" auch die:
„Scharre" (franz. graiin), und diese letzte, vermute ich, hat auch
FRANZ. CAILLOU { LAT. COCLACA. 25 I
dem tartarum geeignet. Die Scharre, d. h. der innere Belag des
Kochgefäfses, die angebackene Kruste der Speise ist nicht immer
etwas Verächtliches oder Verachtetes; sie bildet öfters das Deli-
kateste der Speise, die daher in der metallenen oder thönernen
Form aufgetragen wird. Der Teil gibt dann leicht den Namen
fürs Ganze ab; vgl. altit. crosta für crostata, franz. gratin (un ex-
cellent gratin, un gratin de pommes de terre). Und so hat sich
denn zunächst aus ioriula -\- tariaro ein iartara entwickelt, welches
so viel war wie „Scbarrtorte", d. h. Torte mit guter Kruste (in ge-
wissen Gegenden Thüringens bezeichnet Scharrplaiz allerdings den
letzten, aus zusammengescharrten Teigresten gebackenen Kuchen).
Ital. tariara ist nach Tommaseo- Bellini eine „torta, fatta di pappa,
mandorle e zucchero"; nach Fanfani kommt das Wort in den
Luxusgesetzen des 13. und 14. Jhrhs. oft vor und lebt heute noch
im Gebiete von Arezzo. Cherubini erklärt mail. täriera, Idrtara,
tartarin als „torta cotta in tegame con tegghia sopra, e composta
di latte, zucchero ed uova insieme dibattuti" (ähnlich Monti); Zalli
piem. iarlra als „vivanda fatta con latte, ova dibattute, ed aromi,
il tutto rappreso col fuoco a modo di pasta tenera"; Malaspina
parm. tarira als „torta fatta con latte, uova dibattute, mandorle e
zucchero". Man setzt die tariara dem lattarolo der Marken, der
rosada Venedigs gleich. Das ältere Französisch kennt noch die
Form tarire (Littre gibt Beispiele aus dem 14. und 16. Jhrh.); indem
sich dies wiederum mit iourte mischte, entstand entweder tarte
oder (lim.) iourtro. Torta ist demnach die Stammform an die sich
die übrigen anlehnten und begrifflich anglichen; dafs mit diesen
Abarten oder Unterarten der torta bezeichnet w-urden, ergiebt sich
aus dem Nebeneinandergebrauch: „turtas quas appellant tartas"
(DG.; Piacenza 1402), „torte/h'ne a modo di tartare" — „la torta,
la tartara, la /ör/ar^//«" (Tommaseo- Bellini), „iartrons, tourteau^''
(Godefroy). Die Form mit 0 hat sich gelegentlich auch die ur-
sprüngliche Bedeutung der Form mit a beigelegt: bask. tortika
„Bodensatz", „innerer Belag von Koch- und andern Gefäfsen"
(span. tortica „Törtchen").
*Caclacu für *caclaca bedarf keiner ausführlichen Begründung;
xäxh]$, ist männlich wie auch xoyJJac, und es mochten tapis, süex,
saxum einwirken. Thatsächlich sind die auf Cochlea zurückgehenden
romanischen Wörter für „Stein" fast alle männlich, doch steht z. B.
neben chail noch chaille.
*CacIagu für *caclacu habe ich angesetzt um nicht in Wider-
streit mit franz. -ai \ -ac \ -acu zu geraten. Es ist aber dieser Über-
gang mitten zwischen -(ijeu J -neu \ -ogu \ -ocu (lieu) und -teu { -fgu
\ -§€11 [Grieu) sehr auffallend, und man hat ihn in der That, aber
mit zu gewaltsamen JNIitteln, aus der Welt zu schaffen gesucht.
Das g in *caclagu liefse sich aus Dissimilation erklären; aber auch
Anderes ist möglich, es kann sich damit verhalten wüe mit dem g
von ital. lago, für das freilich selbst noch keine befriedigende Deu-
tung vorliegt. Doch stimmt dazu das südfranz. lau, und zu diesem
252 H. SCHUCHARDT,
wieder cacaraii, calhau; mit altfranz. lai verträgt sich hingegen
caillou nicht.
Thomas gibt die IMöglichkeit von *caclacu, *cadagu zu; nur
durfte er jenes nicht auf Rechnung einer „confusion entre les mots
grecs xöyjMs, et xc'r/Xt]^" setzen — das sind ja mundartliche
Formen eines und desselben Wortes, es handelt sich blofs um
dorischen oder jonisch-attischen Vokal. Wenn er dann meint dafs
*caclagu ein — ihm zufolge unmögliches — „deplacement d'accent"
erfahren haben müfste um zu raillou zu werden, so nimmt er offen-
bar das coclacae von Forcellini und De -Vit in gutem Glauben hin,
und so könnte ich denn mit besserer Begründung ihn dessen be-
schuldigen wessen er mich beschuldigt, nämlich: „de faire trop
bon marche de la phon^tique".
Ich jedoch halte mich weit entfernt von solchen Verallge-
meinerungen, nicht sowohl weil man den Personen, sondern weil
man der Wissenschaft selbst damit zu nahe tritt. Und bei dieser
Gelegenheit möchte ich einem IMifsverständis vorbeugen. Wenn
man in meiner gegenwärtigen und in meiner früheren Auslassung
über den Artikel von Thomas etwas von Unmut spüren sollte, so
verwechsele man doch einen Oberton nicht mit dem Grundton.
Ein Urteil das sich in einer bestimmten Frage einem andern aus-
führlich begründeten gegenüberstellt, sollte, falls es einem flüchtigen
Eindruck entsprungen ist, überhaupt nicht aufs Papier gebracht
werden; falls es auf durchdachten Gründen beruht, nicht ohne
deren Angabe oder doch Andeutung. Wird anders verfahren,
so besteht im Allgemeinen die Gefahr dafs Behauptetes sich als
Bewiesenes verbreitet, und für den Urheber des ersten Urteils die
Verlegenheit dafs er in Unkenntnis dessen was gegen ihn vorliegt,
sich weder zu verteidigen vermag, noch sich zurückzuziehen Anlafs
hat. Statt dafs die Verhandlung sich bis zu irgend einem Aus-
gleich stetig fortsetzt, wird sie plötzlich gesperrt. Ich hatte mich
auf G. Paris' ablehnende Äufserung über sage \ sapidus (Rom.
XXVIII, 165) bezogen und sehe nun dafs sie in einer etwas
andern Form erfolgt ist als mir vorschwebte. Er würde die Frage
gern erörtern, nur fehle es ihm gerade an Zeit dazu. In der
Sache wird dadurch Nichts geändert; ich befand mich über seine
Meinung um so mehr im Unklaren als die Bemerkung dafs man
seit Diez sage auf *sapius zurückführe, nicht richtig ist. Jetzt hat
er in seiner Besprechung von H. Bergers „Die Lehnwörter . . . ."
(Journ. des Sav. Mai- Juni 1900) S. 26 diese Frage wiederum be-
rührt, allerdings nur mit leisem Fingerdruck. Er ist zu keiner
festen Ansicht gelangt; aber das Diezsche aus nesapius abgezogene
*sapius hat er aufgegeben und setzt eine Form sapius „du latin
des clercs" an, deren Erklärung ungewifs und die „dans la pro-
nonciation des clercs" zu sabiiis geworden sei. Den Anteil der
Geistlichen an der Bildung und Weiterbildung des Wortes vermag
ich mir nicht recht vorzustellen; die Hauptsache aber bleibt doch
dafs *sabms nur aus einem dreisilbigen *sapius hätte hervorgehen
ÜBER LAUT- UND BEDEUTUNGSWANDEL. 253
können (ein zweisilbiges hätte franz. sache* ergeben), ein solches
jedoch, wie ich gezeigt habe, für eine späte Zeit ganz unannehm-
bar ist. Ich werde geduldig darauf warten dafs mein verehrter
Freund oder sonst Jemand meine Gründe für sapidus \ sage einer
sorgfältigen Prüfung würdige, und ich bitte auch die Andern so lange
zu warten ehe sie meine Aufstellung verwerfen. Wenn G. Paris an
jener Stelle der Romania von den Seiten meiner Abhandlung sagt
dafs sie „instruisent et suggeretil"' und das zweite Wort im Drucke
hervorhebt, so versichere ich dafs mir die Absicht der Suggestion
durchaus fern gelegen hat, und ich glaube auch thatsächlich keine
Handhabe für eine etwaige Anti- Suggestion geboten zu haben.
*
Die Beleuchtung in der A. Thomas meine „Romanischen Etymo-
logieen" gezeigt hat, stammt aus einer Lichtquelle über deren Natur
er selbst uns im Dunkeln läfst (s. Ztschr. XXIV, 592 ff.). Inzwischen
hat G. Paris, mit dem, wie ich vermute, Thomas hier übereinstimmt,
einen kurzen Bericht über E. Wechsslers Schrift: „Giebt es Laut-
gesetze?" veröffentlicht (Rom. XXIX, 583 f), und durch diesen fühle
ich mich dazu angeregt im Interesse meines Falles jenes Feld der
Prinzipien nun mit einem Blick aus der Militärperspektive zu um-
spannen das ich oft genug durchpflügt habe um mich vor der
Erneuerung solcher Arbeit zu scheuen. In Bezug auf das Einzelne
in Wechsslers Arbeit weicht meine .Ansicht von der Parisschen
kaum ab; der Grund- und Aufbau aber fordert meinen Wider-
spruch heraus. Das Verhällnis zwischen der Praxis und der feier-
Hch verkündigten Lehre, welches W'echssler an die Spitze stellt, hat
er nicht richtig erfafst: jene ist dieser voraufgegangen — wiederum
genüge das Beispiel von Ascolis „Saggi ladini" — , diese ist nur
ein Versuch jene zu kodifizieren; durch die Aufnahme von so
vielem Abgethanen und Seitwärtsliegenden büfst die Erörterung der
noch lebendigen oder wieder belebten Streitfrage sehr an Schärfe
ein; diese ist zudem aus der deduktiven Sphäre in die induktive
verpflanzt und auf ein enges Gebiet eingeschränkt, und damit läfst
sich schliefslich die Absolutheit des Titels nicht vereinigen. Aber
auch an sich genommen macht uns derselbe zu schaffen. „Gibt
es Lautgesetze?" gehört zu den Existenzialfragen, und diese haben
den allgemeinen Sinn: „ist etwas in der Vorstellung Vorhandenes
auch in W'irklichkeit vorhanden?". Die beiden Arten des Vor-
handenseins scheiden sich deutlich z. B. in der Frage: „gibt es
Centauren?", in der unsrigen fiiefsen sie ineinander über. Ich
vermute, der Verfasser hat mit der Titelfrage besagen wollen: „ver-
dient das was als Lautgesetze gilt [ihm selbst gelten durchaus nicht
alle Lautveränderungen als solche], diese Bezeichnung?"; dann
wenigstens w^ürde das letzte Wort der Schrift dazu stimmen: „In
diesem Sinn können wir nach wie vor von ,Lautgeselzen' sprechen."
Der betreftende Sinn ergibt sich aus einer bestimmten Definition
des Wortes „Gesetz". Aber der Ausdruck „Lautgesetze" bleibt
254 H. SCHUCHARDT,
mehrdeutig: Wechssler selbst gibt zu dafs die zunächst darunter
zu verstehenden empirischen Gesetze durch kausale zu ersetzen
seien; es sind andere Lautgesetze denkbar als die der Laut-
geschichte, und die Entstehung des Ausdrucks — nach Wechssler
ist es eine Abkürzung aus „Wohllautsgesetz" — macht uns ihn
nicht annehmbarer. So viel also stellen wir fest dafs hier ein
Streit um Worte vorliegt, und die steten Mifsverständnisse über
die man sich beklagt, sind die fast notwendige Folge der Freiheit
die sich Jeder nimmt ein Wort so oder so zu deuten, einen Be-
griff" so oder so zu bezeichnen. Auch in den Äufserungen von
G. Paris über die W'echsslersche Schrift ist das terminologische
Element nicht reinlich ausgeschieden, obwohl er selbst alle Ein-
wendungen von der einen Seite auf ein INlifsverständnis zurück-
führt. Die Lösung: „il y a des lois phon6tiques, et ces lois, comme
telles, ne souffrent pas d'exception" betrachtet er „comme tellement
evidente qu'il suffit de l'enoncer pour qu'elle s'impose". Der Um-
stand dafs sie sich eben nicht Allen aufgedrängt hat, spricht schon
genügend für ihre Nicht- evidenz, diese ergibt sich aber direkt aus
der Möglichkeit ihrer verschiedenen Interpretierung. G. Paris sagt:
„il faut prendre ici le raot de lois dans un sens particulier et
restreint"; und wem will man es verbieten die „derogations que
Ton constate dans toute langue aux lois qui regissent les
mutations phonetiques" mit dem Namen „exceptions" zu belegen?
W. Wundt Völkerpsychologie (1900) I, i, 350 sagt dafs bei den
empirischen Gesetzen, zu denen die „Lautgesetze" zu zählen seien,
„von einer ausnahmslosen Geltung unter keinen Umständen die
Rede sein könne". Wenn G. Paris meint dafs die „d6rogations"
deshalb nicht als „exceptions" zu gelten hätten weil — er hebt
dies in der Schrift hervor — „elles n'ont jamais un caractere pho-
netique", so liegt hier ein Zirkelschlufs zu Grunde; er betrachtet
die phonetischen Derogationen nicht als solche, sondern als Laut-
gesetze die sich mit den andern Lautgesetzen kreuzen. Noch unsicherer
ist der Standpunkt Wechsslers; indem er die „Lautgesetzlichkeit",
die „Ausnahmslosigkeit" nur gewissen Lautveränderungen zugesteht,
andern nicht, werden ohne Weiteres diese Prädikate auch für die
ersteren aufgehoben oder doch in Frage gestellt. Die Erwägung
dessen was „charactere phonetique" ist, führt uns übrigens aus den
Worten in die Dinge; es handelt sich hier um den Ursprung der
Lautwandlungen. Insofern ich mir sie innerhalb des Gesprochenen,
wie innerhalb . der Sprechenden allmählich sich ausbreitend vor-
stelle, sollte ich auf die Zustimmung von G. Paris rechnen dürfen.
Denn er denkt über Mundartenbegrenzung im Wesentlichen wie
ich; und mit Recht hat Wechssler den innigen Zusammenhang
dieses Problems mit dem andern anerkannt, daher auch dessen
freilich schon dem Ausmafs nach unzureichende Behandlung in die
des letzteren eingeschaltet. Ferner räumt G. Paris ein dafs die
Lautgesetze niemals unter zwei gleichen Bedingungen wirken; und
wenn er endlich sie nur als das Ergebnis von Konstatierungen
ÜBER LAUT- UND BEDEUTUNGSWANDEL. 255
innerhalb der Vergangenheit bezeichnet und sie zu Anwendungen
auf Zukünftiges für ungeeignet erklärt, so denkt er vielleicht auch
an den Gegensatz zwischen den vollendeten Thatsachen und den
voraufgegangenen Entwickelungen. Wie sich zu alledem das Fest-
halten an jener starren Formel schickt, vermag ich nicht zu be-
greifen. Schliefslich meint G. Paris: „nier qu'il en existe [Laut-
gesetze] ce serait admettre dans une evolution naturelle des faits
fortuits, c'est-ä-dire des effets sans cause, ce qui est absurde".
Damit sind wir wieder mitten im Wortstreit drin. Läugne ich die
Existenz von Lautgesetzen oder der Lautgesetze (was auch nicht
ganz dasselbe ist — Wechssler spricht etwas allzukurz von „Geg-
nern der Lautgesetze")? Gewifs nicht die jener kausalen Gesetze
um die es sich im Zusammenhang der angeführten Worte streng
genommen nur handeln könnte. Offenbar aber bezieht sich G. Paris
auf ihre bunten Wirkungen und die erkenne ich als That-
sachen an, spreche ihnen aber den Charakter von Gesetzen ab.
Gerade weil mir alle Lautgeschichte von unbedingter Gesetzmäfsig-
keit durch waltet erscheint, wehre ich mich gegen eine Ausdrucks-
weise welche die Gesetzmäfsigkeit auf gewisse an die Oberfläche
tretenden Erscheinungen beschränkt oder doch in ihnen gesteigert
sein läfst. Von jener Gesetzmäfsigkeit darf man sagen dafs sie
evident ist; denn sie bildet einen Teil derjenigen Gesetzmäfsigkeit
der alles Geschehen unterworfen ist. Auch anderswo gibt es für
die wissenschaftliche Erkenntnis kein Gesetzloses, keinen Zufall,
keine Ausnahme; wollte man, mit irgend welchen Ausdeutungen,
dergleichen anderswo finden, so würde man es sicher auch in der
Lautgeschichte finden können. Die Betonung der absoluten Gesetz-
mäfsigkeit des Lautwandels mochte — freilich nicht in der be-
liebten Formulierung — gewissen Aufstellungen und Verfahrungs-
weisen früherer Zeiten gegenüber berechtigt sein, heute kann sie
keinen andern Sinn und Zweik mehr haben als die Gesetzmäfsig-
keit auf andern Gebieten zweifelhaft erscheinen zu lassen, beson-
ders auf dem des Bedeutungswandels. W. Wundt Völkerpsycho-
logie I, II, 432 nennt es auffallend dafs manche Sprachforscher
hier von einer ähnlichen Gesetzmäfsigkeit wie auf dem Gebiete
des Lautwandels Nichts wissen wollen, und ebend. S. 437 stellt er
die Forderung auf „dafs der Bedeutungswandel, ebenso wie der
Lautwandel, überall einer strengen Gesetzmäfsigkeit unterworfen
sei, deren Erkenntnis nur in vielen Fällen durch die Konkurrenz
mannigfacher Ursachen verschiedenen Ursprungs erschwert ist".
Bei jeder etymologischen Untersuchung sind Lautwandel und Be-
deutungswandel miteinander in Einklang zu bringen; unkritisch ver-
fährt wer den einen über den andern vernachlässigt. Wird den
„Lautgesetzen" das alleinige Bestimmungsrecht zuerkannt, dann ver-
einfacht sich allerdings unsere Arbeit in handwerksmäfsiger Weise.
Wir brauchen uns z. B. über die Herkunft von aller nicht mehr
den Kopf zu zerbrechen; wie trouver auf ^tropare zurückgehen
256 NACHTRAG ZU ZEITSCHR. XXV 94 — lOQ.
mufs, SO aller auf ^alare (zu alatus) oder *allare (zu allatus, wie
span. port. legislar zu legislado).
(Zu Rom. XXX, 154.)
Ich hatte gemeint dafs die Gründe mit denen ich meine
romanischen Etymologieen stütze, berücksichtigt zu werden ver-
dienen. A. Thomas ist nicht dieser Ansicht. Der Beschuldigung
des Dogmatismus widerspricht er nicht, er bestätigt sie: „la science
a parl6 par la bouche de M. Gaston Paris ... je ne crois pas
qu'il y ait Heu ä revision". Von nun an sollen also die wissen-
schaftlichen Fragen ex cathedra entschieden werden.
H. SCHUCHARDT.
Nachtrag zu Zeitschr. XXV 94—109.
Zu der Aufzählung der Handschriften der Prosaauflösung auf S. ICI
füge ich hinzu, dafs die ehemals Pannier gehörige Handschrift sich jetzt aui
der Nalionalbibliothek in Paris befindet als Nouv. acq. fr. 4083, 15. Jahr-
hundert, und wirklich unsern Text enthält; desgleichen gehört auch die Hand-
schrift aus Besan^on (Nr. 588, 16. Jahrhundert) hierher, sodafs sich die Zahl
der Handschriften auf 23 beläuft.
Die ebenfalls S. lOi nach Stengel erwähnte Handschrift Oxford Douce 337
enthält dagegen nicht unsre Prosa, wenn auch einen Text verwandten Inhalts.
Ebensowenig hat die ebenda zitierte Handschrift Oxford Laud 622 (662 ist
Druckfehler bei Stengel) zu unserem Text unmittelbare Beziehung; über
die darin enthaltene (und mir noch aus 6 andern Handschriften bekannte)
Battle of Jerusalem des Adam Davy vgl. Ward, Catalogue of romances I 187
bis 188.
Ob ein in der Handschrift 2426 aus Cheltenham enthaltenes Libro della
destruccion de Jerusalem in diesen Zusammenhang gehört, vermag ich leider
nicht anzugeben.
Weiter möchte ich noch auf die Berner Handschrift 537 hinweisen, die
aus dem 14. Jahrhundert stammend einen deutschen Text von der Zerstörung
Jerusalems enthält. Zwar ist der Anfang nicht erhalten, doch stimmen die
ersten vorhandenen Worte (sie sind gedruckt in Herrn. Hagen, Catalogus
codicum Bernensium (biblioiheca Bongarsiana), Bernae 1875, S. 448) so genau
zu dem entsprechenden Stück des provenzalischen Textes (Revue des langues
romanes XXXII 582), dafs ich glaube, darin eine deutsche Uebersetzung der
allfranzösischen Prosa vermuten zu dürfen.
An Drucken des Prosaromans sind zu den S. 101 — 102 zilieiteu noch die
in Brunei, Manuel du libraire, 5. Aufl. t. V Sp. 1185 — 1188 aufgeführten
II Ausgaben zuzufügen, die die Destruction als Fortsetziing zu einer Vie de
Jesus-Chiist enthalten. Ebenda Sp. 1188 findet sich auch ein provenzalischer
Druck erwähnt.
Walther Suchier.
£tudes sur la poesie burlesque fraii9aise de la Eenaissance.
(Suite.)
Les paradoxes.
Les pieces, que nous allons examiner, ne soiit pas toutes, ä.
vrai dire, des paradoxes, seien l'acception commune de ce mot,
mais elles renferment toutes une exag^ration evidente, qu'on ne
saurait definir autreraent. On sait que le paradoxe n'etait pas in-
connu ä l'antiquite classique; nous verrons souvent les poetes bur-
lesques citer, avec complaisance, leurs ancetres grecs ou latins et
parfois en exag6rer le nombre et le caractere. Toutefois c'est sur-
tout en Italic que ce genre litt6raire cröt d'une vigoureuse poussee
et l'on aurait beaucoup de peine je ne dis pas ä analyser, mais
seulement ä citer toutes les composilions, dans ce goüt. Louer
tout ce qui paraissait le moins digne de louange, ou blämer ce
que tout le monde croyait digne de respect et meme de reverence,
r6veler l'esprit souple du sophiste dans la demonstration de l'absurde,
rompre en visiere ä la verite et au bon sens, se moquer de toute
chose, des miseres de la vie aussi bien que des malheurs les plus
affreux, et les plus dignes de compassion voilä les«elements con-
stitutifs de ce genre. 11 y a sans doute beaucoup de legeretc
morale dans ces plaisanteries, mais il ne faut pas oublier que le
rire, ce remede pröne par Rabelais, aide ä supporter les douleurs,
qui nous accablent et il ne faut oublier non plus, que sous le voile
de la fac6tie et de l'extravagance, on rencontre parfois, je ne dis
pas fort souvent, quelques verites assez profondes.
Le paradoxe fleurit en Italic surtout au XVP siecle et le Berni
est toujours lä au premier rang. Nous l'entendons chanter la pesti-
lence, cette Epidemie, qui ravageait de son temps le midi de
l'Europe et k laquelle il d^die deux capitoU, ce qui constitue un
v6ritable tour de force. La premiere argumentation, en faveur de
sa these, c'est ä peu pres la meme que le Manzoni met dans la
bouche de Dom Abbondio:
,, Prima che porta via tutti i furfanti
Gli strugge, e vi fa buche, e squarci drento,
Come si fa delP oche 1' Ognissanti."
Et le Berni continue, en 6num6rant tous les bienfaits de cette
ben^diction du ciel. Les eglises, par exemple, se vident et l'on
peut s'y promener ä son aise, ce qui devait constituer un bon-
Zeiuchr. f. rom. Phil. XXV.
258 P. TOIDO,
heur, fort ^nigraatique pour im (^crivain, dont Ic sentiment religieux
etait plus que douteux, les lois perdent leur force (etrange bien,
pour l'ennemi de tout „furfante"!), on peut se passer de tout tra-
vail et vivre a son aise, sans compter que c'est lä le temps pro-
pice, pour attraper une bonne Charge, ou un h6ritage. Ces deux
Capiioli pourraient s'appeler l'hymne de regoisme, si l'on n'avait
tort de prendre au s6rieux, ce qui a 6t6 compose, dans un but
tout ä fait plaisant.
II y a moins de paradoxe, ou pour mieux dire le paradoxe se
transforme simplement en exag6ration, dans les louanges outrees
que le poete Italien adresse aux peches, aux chardons, au jeu de
la „primiera" etc., mais le paradoxe r^apparait dans ce qu'il chante
d'un certain pot intime et dans son apologie de la dette, de
l'aiguille et de la pive. La. oü le sujet manque, en lui-meme, d'in-
spiration comique, ou en retrouve tres facilement dans robscenit6.
On voit les choses les plus innocentes se preter, sous la plume
de ces ccrivains, ä des allusions et ä des transformations pria-
pesques, et ici de meme que dans les „canti carnascialeschi" il
faut toujours demeler l'c^quivoque, ce qui ne presente d'ailleurs
pas trop de difficult6. L'equivoque et l'obscenite constituent donc
les elements les plus communs des capüoU. Les contemporains et
les disciples du Benii ench^rissent sur ses defauts. Voici, parmi
les plus connus, Giovanni della Casa, qui exalte, entre autres,
les merites de la slizza et qui declare qu'il n'y a rien de mieux
que d'etre toujours fäch6. II chante aussi les louanges du Four,
sujet qui se prete aux equivoques les plus effrontees. Varchi
loue les peches, les oeufs durs, le fenouil etc., le Mauro exalte la
feve, le deshonneur, le lit et le mensonge, chant6 aussi par Vincent
Martelli, Mofea fait l'apologie de l'excomunication, le Dolce du
crachat, des cloches et de la soif, Louis Tansillo trouve qu'il n'y
a rien de mieux que la teinture des cheveux et de la barbe,
rAr(^tin d6die des vers a la fievre quarte, Messer Bino au verre,
l'Allori (Bronzino) ä la galere et au tapage, et plus tard Sansovino
chantera les bottes et Mathieu Franzesi reviendra sur le sujet de
la goutte traitd par Ferrari et exaltera aussi la pauvret6, les cure-
dents, la toux et les marrons. On peut rappeler aussi ce que l'on
^crivit du fuseau, de la balance, des oignons etc. mais ce n'est
pas dans mes intentions de pousser trop loin une teile recherche.
Je n'ai qu'a renvoyer le lecteur aux recueils les plus connus, savoir
ä celui de Broedelet (1726 Usecht al Reno), de Van -der Bet
(Leida, 1824) et ä un autre^ qui d6montre la grande popularit6
de ce genre en langue vulgaire et en latin, en prose et en poesie
dans l'Europe tout enti^re. II faut toutefois faire une place distincte
ä Anton Francesco Grazzini, plus connu sous le nom de Lasca.2
^ Voyez le r^cueil „dissertationum ludricarum et amoenitatum scriptores
varij. Lugduni Batav. 1638, apud Franc. Hegerum et Hackium.
^ Kime burlesche ediz. Verzone, Florence 1882.
POESIE BURLESQUE FKAN^AISE DE LA RENAISSANCE. 25g
On voit qu'il composait ses CapUoli, quelquefois, au moius, sur
commande et qu'il choisissait tout expres des sujets arides, pour
avoir plus de m6rite a an faire ressortir le cöte plaisant. En louant
les sabots, il 6crit, par exemple, ä M. Lorenzo Scala:
„Voi m' avete pregato ch' io componga
Sopra un soggetto secco e senza risa,
Lorenzo mio; Dio voglic. ch' io m' apponga,"
Cette composition du Lasca iious presente une autre source du
burlesque. Pour demontrer la versatilite de leur esprit, ces poetes
combattent eux-memes bien souvent ce qu'ils viennent de louer et
ils jouent, par la, en meme temps le röle d'accusateurs et celui de
defenseurs d'un certain sujet. C'est le triomphe du sophisme. Le
Varchi, par exemple, qui a chant6, comme nous venons de voir,
les ru6rites innombrables des oeufs durs, ecrit aussi un capiiolo
contre son sujet „contro all' uova sode", Tansillo loue les aulx et
les bläme ensuite; et le Lasca fait suivre ä la louange des sabots,
le bläme de ces sabots memes. En outre, apr^s avoir celebre les
plaisirs de la chasse, toujours avec la meme force de conviction,
il 6crit „In disonor della Caccia" et „la lode del pensiero" est
suivie par le sujet contraire „contro il pensiero". II combat aussi,
toujours pour d6montrer cette facilite d'avocat, pouvant ddmontrer
le pour et le contre d'un meme sujet, ce que d'autres poetes bur-
lesques avaient c616br6 avant lui.
Messer Giovanni della Casa s'en etait pris ä ce nom de Jean,
qui formait son desespoir et notre Lasca chante le meme nom,
mais pour le louer:
„Giovanni e proprio un nome da signore,
Da re, da papa: e buon per 1' universo,
Quand' un Giovanni sarä imperadore."
Matlio Francesi avait celebre les gants et le Lasca ecrit a INI. Pan-
dolfo Martelli „in dispregio de' Guanti"
„Voi mi fareste far quistion con Ciano,
Messer Pandolfo mio caro e gentile,
S' a biasimare i guanti metto mano.
Paiono a molti un portar signorile,
Ma io son della vostra opin'ione,
Che sieno una cosaccia brutta e vile."
et ainsi il continue pour plus de cent vers, Plusieurs poetes
s'etaient inspires ä la fidelite du chien et le Lasca compose un
autre capiiolo „In dispregio de' Cani" et il loue les barbes, proba-
blement pour la seule raison de demontrer le contraire de ce que
les autres, le Ferrari par exemple, avaient soutenu. Parfois, malgre
ce desir de la nouveaute, ces poetes burlesques se rencontrent
dans les memes sujets. Lasca chante ä peu pres ce que M. Bino
avait dejä c61ebre dans son „Bicchiere", lorsqu'il envoie „certi vetri"
a une dame inconnue. II exalte les chätaignes qu'Andrea Lori
17*
200 P. TOLDO,
venait de cclebrer et le Mauro avait dejä. parle avant lui des plaisirs
de la chasse, Les sujets des capitoU du Lasca appartiennent
d'ailleurs presque toujours au meme type et ils gardent, pour
cela, la meme physionomie. Outre les sujets indiques, il chante
la Saucisse aussi bien que Mattio Francesi, les bains de l'Arne et
ici il y a meme du serieux, le jeu de la „Palla al calcio" et celui
du „Magiio", les melons, les petits pois, les 6pinards, le „TafFe-
ruglio", les tourtes, les „Pesceduovi", le plaisir de s'asseoir, les
cornes, la soupe, qui avait inspir6 aussi Domenichi et le d6pit oü il
rappelle la Stizza du Della Casa, etc. 11 n'oublie pas non plus
ce sujet rendu si c61ebre par Erasme de Rotterdam, dans son
capiiolo „in lode della Pazzia", et il en dedie un autre ä „Nannina
Zinzera cortigiana", oü le burlesque est remplac6, par ce culte ä
la beaute physique et ä Tamour des courtisanes, auquel notre auteur
sacrifiait aussi bien que les autres poetes de son temps. Matteo
Francesi avait compos6 un capüolo „contro lo sberettare" et le
Lasca dans ses „ottave", revient sur le meme sujet „contro alle
sberrettate*'. Les sujets du burlesque ne sont donc rien moins
que nombreux et lorsqu'un sujet a ete mis ä la mode par un ecri-
vain celebre, les autres sont pousses ä s'y essayer a leur tour.
Au milieu des tous ces poetes, Ortensio Lando, prosateur de
beaucoup de merite, ne saurait etre oubli6 non plus; ses paradoxes
devinrent une source inepuisables pour tous les bateleurs parisiens,
debitant de meme que Bruscambille des prologues fac(itieux, sur
les th6ätres populaires, ou tächant par lä d'exciter la curiosit6 de
ceux qui achetaient leurs remedes 6tonnants. Je n'ai qu'ä ren-
voyer aux ,,paradossi cioe sententie fuori del comun parere" de
l'ecrivain Italien. On y trouvera plusiers sujets qu'on lit aussi chez
Bruscambille et chez ses confreres aussi bien que dans les prologues
du theälre de Larivey. Rappeions, au milieu de ces bizzai-rie du
Lando, les 61oges de la pauvrete, de la laideur des hommes et des
femmes, de l'ignorance, du manque de domestiques, de l'exil, de
la prison, de la guerre, de „1' ignobiiita", de la femme deshonnete,
de la famine, de la lächete, des pleurs, de la mort, des blessures,
de l'ivrognerie, de la cecite, de la folie etc., tout cela mel6 ä des
critiques burlesques contre des 6crivains celebres, savoir: Boccace
Ciceron, Aristote. Giovanfrancesco Ferrari, ce po^te du burlesque,
que nous avons eu dejä l'occasion de citer, parait s'inspirer fort
souvent a son compatriote. II se moque de meme que lui de
Ciceron et d'Aristote, en employant, ä peu pres, les memes argu-
mentations et il chante ä son tour et de la meme maniere la laideur
des femmes, la folie, le bonhear de vivre sans domestiques, les
pleurs, la c^cit6, la prison, l'ignorance et les „Fuoruscili"i.
Voilä le fonds constitutif de ce genre de plaisanterles italiennes,
que je vais examiner, dans la litterature fran^aise, en les divisant.
^ Je suis, pour les Paradossi du Lando, l'edition de Venise de 1544 et
pour le Ferrari celle de 1570.
POESIE P.URLrSQUE FRAN^AISE DK LA RENAISSANCE. 201
Selon leurs caracteres diflförents, en chäpitres bien distincts. Une di-
vision rigoureuse n'est pas d'ailleurs possible, car les snjets les plus
Stranges et les plus disparates vont se presenter ä nos yeux.
Contre l'Honneur.
Amadis Jamyn, le rival de Ronsard, le poete courtisan de
Catherine de Medicis, de Charles IX et d'Henri III, est bien connu
pour cette sorte de capUoIo qu"il composa contre riionneiir et qui
n'est, comme on le sait depuis longtemps, qu'une imitation de
ceux du Mauro. II faut pour bien saisir le sens et le caractere
de cette imitation rappeler ä notre souvenir la piece de l'^crivain
Italien, laquelle en certains endroits cesse d'etre seulement plai-
sante, pour acquerir une veritable importance satirique,
Maure en s'adressant „al prior di Jesi" lui dit que la nature
a fait toute chose avec beaucoup d'ä-propos et que ce sont les
homraes, qui l'ont corrompue, faute de la bien comprendre et a
cause de leurs vices. L'auteur sait d'ailleurs qu'on va l'accuser de folie
et d'extravagance parce qu'il bläme ce que tout le raonde honore,
mais loin de se laisser imposer par l'avis d'autrui, il declare
que s'il 6tait pape ou empereur, la prämiere chose qu'il ferait, ce
serait de chasser ou d'excommunier cette sorte de maladie de
l'honneur, qui empoisonne tous les plaisirs de l'humanite. Selon
1er Partisans de cette divinite rien n'est aussi beau que le travail
et aucune mort n'est plus glorieuse que celle qu'on regoit sur les
champs de bataille. II en est de meme de l'honneur en matiere
d'amour; c'est lui qui nous d6fend tout plaisir, de sorte que le
poete est reduit au point qu'il porte envie aux chiens et aux chats,
qui ne se soucient guere de ce fantome invisible et impalpable.
Les Chevaliers n'ont que ce mot ä, la bouche et ä cause de lui,
ils sont toujours prets ä se passer l'epee au travers du corps, c'est
pour cela qu'on n'entend parier que de duels et de meurtres.
Enfin l'honneur est pis que la Jalousie et que l'esclavage mcme
et il s'apprete de le servir sur la table de son ami cuisine, dit-il,
comme il faut. Dans ün autre capitolo, Mauro ^ revient ä la Charge.
L'honneur, ajoute-t-il cause presque tous les maux du mariage,
nous empeche de nous habiller et de nous d6shabiller a notre
aise, et ce qui pis est c'est lä la source des guerres, des divisions
des peuples, de la famine et de toute sorte de miseres.
Le debut de Jamyn peut indiquer le caractere de cette imi-
tation, car il s'agit bien entendu d'une imitation et non pas d'une
traduction plus ou moins fidele.
II y a meme une certaine petite originalite de details, surtout
dans la conclusion, mais tous les points principaux, que nous
venons d'indiquer, se retrouvent aussi chez le poete franyais:
^ Voyez CEuvres poetiques de Amadis Jamyn avec sa vie par Colletet
et une introduction par Brunei, Paris, 1879, 2 vol. et l'^dition de Paris, 1575.
202 P- TOLDO,
„Je ne me plains d'Amour, de ma Foy, ny de vous
Je me plains de l'honneur qui nous aveugle tous,
De l'Honneur vieil Tyran qui commande le monde,
Faisant que dessus luy toute chose se fonde ;
Et si c'est un nom vain sans profit ny plaisir
Qui met empeschement en l'amoureux desir,
Nom qui cause aujourd'huy les querelles douteuses
Qui seul pipe au besoin les pucelles honteuses."
II faut en convenir: la forme n'indique aucun progres sur Toriginal,
qui n'a pas, ä son tour beaucoup de valeur. L'idee de l'Honneur
faisant obstacle a l'amour est r6p6t6e sous toutes les formcs pos-
sibles. Jamyn resume toutefois d'une manicre heureuse le long
discours de son pr6d6cesseur, par une maxime philosophique, bien
connue aux anciens:
,,Et suivant la Natura on ne peut s'6garer"
et les sentiments de l'instinct naturel sont mis en contraste avec
ceux de la loi humaine. Quelqüefois il traduit presque a la lettre
et, dans ce cas, le texte italien n'y gagne pas trop:
„Ce fantosme importun nous presse les talons,
II nous empoigne au flanc par tout oü nous allons,
II couche dans nos licts, et, sorcier redoutable,
A disner, ä souper, s'assied h nostre table:
II marche sur nos pies, sans jamais estre las.
Et semble qu'ä toute heure il devance nos pas."
,,Ovunque per lo mondo il pie ti mena,
Questo importuno honor ti e sempre al fianco,
Teco sen viene al letto, al pranzo, e a cena,
E mai di seguitarti non e stanco,
Anzi par che '1 tuo passo ognor avanzi,
Sforza 1' arbitrio di natura franco."
Aussi dans la comparaison entre la goutte et la fievre la Jalousie
et l'honneur, lä traduction est litterale, mais eile ne vaut point l'ori-
ginal italien.
Jamyn a surtout le tort de n'envisager la plaisanterie italienne
que sous un point de vue plus borne et il laisse de cote ce que
le Mauro avait dit ä propos de l'honneur, qui nous pousse ä
mourir meme pour une sottise ce qui constitue la partie so/ide et
serieuse de sa plaisanterie:
,,E dicon, che '1 morir di lancia e hello,
O di colpo di stocco, o d' archibugio,
Come Fabricio, Cesare, e Marcello.
E c' haver ne la schiena un gran pertugio,
O nella pancia d' una colobrina,
Ti fa gir a le stelle senza indugio.
O quanto piu mi par cosa divina,
Star riposatamente in quel mio letto,
E giacer da la sera a la mattina!"
POESIE BUKLESQUE FRAN^AISE DE LA RENAISSANCE. 263
Est-cc que Jamyn craignait blosser les sentiments guerriers de la
France de son temps, en s'inspirant, ici encore au poete Italien?
J'ai fait preceder la plaisanterie de Jamyn, parce qu'elle est la
seule avec celle de Regnier qui soit connue et c'est la seule aussi
ou le sujet italien parait developpe le plus. Mais avant Jamyn
le capitolo du Mauro avait et6 connu et imit6 en France et plus
a la lettre encore que Jamyn ne le fit ensuite. Un opuscule publie
a Lyon (De Tournes, 1547) renferme les eloges ou hlasons de la
Goutte et de la Quarte, dont le sujet, comme nous venons de le
demontrer est puis6 a l'ltalie et une troisieme piece en vers, qui
porte le titre: Blason dcclamaioire au deshonneur de Vhonneur, qui
est bien celui du Mauro: In dishonor delV honore.
Rien ne pourrait faire supposer que Jamyn eüt connu cette
composition: les deux auteurs fran<;ais ont dö puiser directement
leur Inspiration au capitolo italien et ils ont procede aussi d'une
maniere assez difförente. II faut toutefois convenir que l'imitation
de Jamyn l'emporte de beaucoup sur celle de son confrere de
Lyon. Celui-ci n'ecrit que pour demontrer qu'on peut se moquer
de toute chose et il a le tort de le dire:
,,Poetisant d'Honneur ce grand Chimerc,
N'ayant corps, n'estre, et de qui la misere
A ce jourd'hui tant les mondains moleste:
Et le blasmant, devant tous je proteste,
Que je le fais pour monstrer qu'en doutance
Tout mettre on peult, fors divine science."
L'auteur craint evidemment qu'on ne l'accuse d'immoralite et Ton
voit qu'il se donne l'air, avec beaucoup de sans-gene de createur
de ce beau sujet. Apres avoir ddclare avec Mauro que l'Honneur
n'est que vanite:
„Ne consistant en rien fors qu'en parole"
et qu'on ne sait quelle est sa couleur, l'anonyme invite Pegase ä
sortir de I'Olympe pour le corabattre, et ce souvenir mythologique
ajoute encore ä la froideur de sa plaisanterie. D'ailleurs cette
invocation est tout ce qu'il y a d'original, avec le souvenir d'Eve
et d'Adam, jouissant librement de leurs amours, dans le Paradis
terrestre, pensee qui lui est sugger6e 6videmment par ce que le
Mauro avuit dit de Tage de l'innocence. Mais ce que Jamyn laissera
en partie de cote, c'est-ä-dire les maux que l'Honneur cause a l'hu-
manite, abstraction faite de l'Amour, nous le retrouvons entierement
dans le blason, oü l'on se moque de ceux qui mettent leur gloire
a mourir „de Hacquebuse ou lance". La plaisanterie tourne ä l'ob-
scenit^ lorsque l'anonyme fran^ais, en s'61oignant du texte italien,
recherche oü les femmes ont plac6 cette divinite, mais dans la
conclusion il revient ä Mauro en imitant de pr^s quelques vers
que le poete italien avait inser^s dans son deuxieme capitolo.
L'auteur italien d6clare que s'il medit de l'Honneur ce n'est pas
qu'il ne le craigne:
264 P- TOT.DO,
„Vi giuro a Dio, ch' io non lio pelo addosso
Che non s' arricci quand' esso mi tocca . , ."
et le pocte fran(,-.ais:
„Quoy que ce soit tant la finesse et ruse
De cest Honneur me fait craindre et m'amuse
Que toutesfois qu'il vient au devant moy,
Tremble de peur et suis en tel esmoy
Que tous plaisirs je laisse pour le suyvre
Aymant plus tost mourir, que sans luy vivre."
Cest la une declaration bien plus complete que Celle de son de-
vancier Italien, qui est loin de declarer si franchement d'en suivre
toujours les lois.
Theophile Viaud, a son tour, revient, apres les deux ecrivains
fran(;ais, sur ce siijet (cfr. ed. Jannet 1856). Dans une satire d'un
caractere gdneral, oü il peint toutes les folies de l'humanil^, il
n'oublie pas Celle de s'exposer aux dangers, pour le vain plaisir
de la gloire:
,,Cestuy-cy veut poursuivre un vain tiltre de vent,
Qui pour nous maintenir nous perd le plus souvent,
II s'attache ä l'honneur, suit ce destin severe
Qu'une sötte costume ignoramment revere.
De sa condition je prise le bonheur,
Et trouve qu'il fait bien de mourir pour l'honneur."
Rappeions aussi la VP satire de Regnier, successeur immediat du
Mauro et de Jamyn et ce qu'Antoine de Baif chante lä-dessus, en
s'adressant ä une dame:
„Maudit soit l'honneur qui vous couste
La parte de tant de plaisir!
Le vain bruit d'un vent vous degouste
Du bien que vous pourriez choisir."
Theodore Agrippa d'Aubigne, dans ses Tragiques, en parlant des
ISIiseres de la France (ed. elz. p. 67) s'en prend, assez longuement
a ce faux honneur, mais sous un autre point de vue, car l'honneur
qu'il combat est celui qui est la cause de tant de duels et de
tant de meurtres et il rappelle par la une des argumentations les
plus serieuses du Mauro. Le sieur de la Valletrye (Paris, Vallet,
1602) d6dia ä son tour dix-huit sonnets „au faux honneur des
dames". C'etait envisager le capiloh du Maviro, d'une maniere
encore plus born6e.
Le sieur de la Valletrie ddbute en considerant lui aussi l'hon-
neur, comme un vain fantome, auquel sa belle a tort d'ajouter foi:
„Madame que l'Honneur empesche de bien faire
Et de cueillir le fruict du monde le plus doux,
Apprenez en ces vers ä rabbatre les coups
Dont il assault l'amour et le pense defaire.
POESIE BURLESQUE FRAN^AISE DR LA RENAISSANCE. 265
Voiis y verrez comment aymer n'est point forfaire,
Comment l'Honneur n'est rien qu'un faux bruit parmy vous,
En qui vostre Esprit croit pour n'estre pas resous
Non plus qu'un coeur de femme en quelque bon affaire . . ."
II continue en expliquant que l'honneur ne pr6tend que le secret
et qu'il est sauf lorsque personne ne sait ce qui se passe. C'cst
la leyon de Tartuffe:
„Le reproche d'Honneur pour les sottes fut faict
Qui ne peuvent cacher un amoureux effect,
On qui ne peuvent pas s'empecher de le dire:
Et non pour celle-lä qui ä cachettes rit
Et qui cueille h propos les fruicts qu'elle desire,
Car l'Honneur ne se perd que per faute d'esprit."
Ailleui's il s'en prend encore ä ce „demon" qui remplit l'esprit de
sa maitresse et dont eile devra se repentir, lorsque la jeunesse
l'aura quitt6e pour toujours. C'est le vieil argument des poetes
latins: Jouissons tant que la jeunesse nous sourit:
„Car l'Honneur vous repaist d'une raison cornue,
Afin que la vieillesse k votre front venue,
On vous haysse autant qu'on vous porte d'amour."
S'approchant du texte italien, le sieur de la Valletrye, considere
tous les maux, dont cet Honneur est la cause:
„Que ta naissance fut aux hommes malheureuse
Toy qui du nom d'Honneur indignement te sers!
Car tout ce qu'il advient de bon-heur tu le perds
Par le pouvoir acquis ä ta loy rigoureuse;
Par toy le jour fut fait une nuict tcuebreuse,
Par toy la liberte fut mise dans les fers,
Les Paradis d'amour devindrent des enfers
Et l'eau fut refusee ä la soif amoureuse."
INIais il s'en eloigne bientot pour rechercher celui qui a ete l'in-
venteur de ce nom fatal. Ce dut etre quelque mari avocat, vivant
au tribunal et craignant que son absence ne lui füt fatale; ce
furent les femmes laides, voulant se venger des joies, qui leur
sont defendues. Enfin apres avoir 6puise tous les arguraents pos-
sibles, il conclue que si sa belle l'aimait vraiment, eile ne se sou-
cierait guere de ce vain spectre „cet Idole d'Erreur" (c'est le mot
du Mauro) parce que:
« „Un amour mediocre est subject ä la peur,
Mais un amour ardent n'en fut jamais en peine"
et c'est lä la seule argumentation qui ait quelque valeur.
Un autre poete, d'un m^rite bien plus distingue et qui n'est
guere connu, bien qu'il soit digne d'int6resser les savants, Du Lorens
dans ses Premieres satires (i^'^^ du 2"^^ livre, Paris, 1876, Librairie
266 p. Toi.no,
des Bibliophiles) en s'adressant a la Reine et dans un but, qu'on
verra bientot assez interess6, revient ä la charge. Mais chez lui
le paradoxe se tient dans des bornes r61ativement raisonnables.
II est d'accord, par exemple, avec le Maure en ce qu'il I'appelle
„un fantastic idole" et qu'il plaint tant de sang repandu, pour ce
fantome insaisissable, mais il en comprend aussi la valeur morale
et cette aspiration ä la gloire, qui fait rever Dom Quichotte, et
qui chante dans le coeur du soldat:
„C'est un subjcct qui est, et jamais ne se voit,
La chymere pour qui Dom Guichote rcsvoit . . .
C'est ce que chacun croit, et peut estre qui n'est,
Qui en comparaison passe tout interest
De bource et de plaisir: un fantastic idole,
Qui en leur pauvrete las pauvres gens console
D'un doux imaginer: au milieu du malheur
Vous les oyez crier: „Nous sommes gens d'lionncur!"
C'est la splendeur qui fait reluire les familles,
C'est cette belle fleur que Ton recherche aux filles."
Mais avec cela il cause aussi bien des troubles et ici toujours avec
une certaine originalit6, il passe ä envisager les differents aspects
de cet honneur, Selon les passions des hommes. Pour les maris
on comprend facilement en quoi il consiste; pour les femmes ce
n'est en g6n6ral que le culte de leur beaut6, pour l'avare il est
renferm6 dans son coflfre, pour l'amoureux ce n'est que la con-
quete de celle qu'il aime. Quant au „Chevalier fran9ais" il
„le pose en certain point:
Qui des moins insolens la conscience point:
Si de la moindre injure ils ont quelque scrupule,
Ny les edicts du Roy, ny du Pape la bule
Les pourront empescher d'en demander raison."
Enfin :
„Chacun court ä l'honneur, mais par chemins divers"
et l'hypocrite s'en pique plus que les autres, car son affectation d'une
vertu, qui lui fait d^faut, n'est, ä tout prendre, qu'un culte qu'il
rcnd ä cette divinite invisible. Pour le poete l'honneur doit etre
rendu tout d'abord ä Dieu, ensuite au Roi et il le lui rendrait,
avec plus d'elan, s'il ne devait lutter contre la misere, qui le
serre de pres:
„Si j'avois seulement la benediction
De vostre Majeste, Princesse liberale,
Ou qu'on vescut de cliant, comme fait la cigale,
Ma foy, je chanterois ä la belle saison;
Mais j'ay l'esprit brouille du soing de ma maison,
De payer une rente au terme qu'elle expire,
Ce qui fait qu'i\ toute heure, il n'y a pas faim de rire."
POESIE BURLESQUE FRAX^AISE DE LA RENAISSANCE. 267
On voit que pour notre poete rhonneiu ne consiste pas seuleraent
a ecrire de beaux vers, mais aussi a en tirer quelque profit.i
Esternod dans son Espadon satyriqiie (cfr. Ted. de Colognc,
1680) s'ecrie ä son tour que
„L'honneur ce n'est que vent, ce n'est que fumce
Que ne gist qu'aux effets d'un peu de renommce"
et le Chevalier de rHermite (cfr. Meslanges de Poesies hero'iques
et burlesques, Paris, Loyson, 1650) ne manque pas d'en vouloir
Uli aussi ä cette fausse divinite, qui empeche ä sa belle de lui
d^montrer ses tendres scntiments a son 6gard:
„Le cliarme de l'honneur est un charme imparfait
Qui doit lier ta langue et non pas ton envie! . . ."
Enfin il fallait bien qu'il y eüt au milieu de tant de blasons in-
jurieux contre ce pauvre honneur, quelqu'un qui en prit la defense
et en efifet apres tant de critiques, nous voyons un contemporain de
Ronsard, Jacques Pelletier qui en chante „la louange" en 1581.
Cet 6loge est pris au s6rieux et n'a rien ä voir avec le burlesque,
qui nous occupe, dans ce moment. Mais, disons-le, en passant, la
defense ne vaut guere l'accusation.
Apologie de quelques d6fauts d'ordre moral
et des miseres de la vie.
Du Bellay exalte la medisance:
„Parce qu'en mesdisant on dit le verite"
et il suit partant jusqu'ä un certain point le procede contraire de
celui du IMauro, le defenseur du mensonge. Et le mensonge trouva
lui aussi, quelque temps apres et en prose son apologiste frangais,
qui sut donner ä une inspiration generale empruntee evidemment
ä son confrere d'ltalie, un aspect plus varie et un developpement
plus considerable. Si, selon l'opinion des philosophes dit l'ano-
nyme, les choses les plus estimables, sont Celles, qui apportent le
plus d'utilite a l'homme, rien ne devrait etre mis au dessus du men-
songe. „Tous les Chaldeens, Egyptiens, Grecs et Romains, re-
cognoissans que la verite estoit par trop foible pour retenir la
populace en bride, ont forgd des religions d'une infinit6 de men-
songes, ont faict un Jupin avec un foudre ä trois poinctes, Neptune
avec un trident, Cupidon avec des sagettes . . Numa Pompilius
donna un plus ferme establissement ä ces lois et ä sa grandeur . . .
avec Egerie . . Autant en fit INlinos en Crete, Solon ä Athenes,
Licurgue, Zoroastre, Mahomet . . Les chefs de guerre et les
1 Dans les satires de Du Lorens (La VII« de l'ed. du Bibliophile, 1876)
Älacctte s'ecrie, en s'adressant ä une jeune fille, qu'elle veut corrompre:
,,Quittez ce point d'honneur, qui les esprits empeche"
mais ici il n'est pas queslion d'au paradoxe ou d'une plaisanterie, bien que
l'inspiration soit toujours la meme.
2 68 r. TOI DO,
financiers en leurs fonctions en ont grand besoin, les juges en l'ad-
ministration de leürs charges etre." 11 en est de meme des avocats,
qui Sans voüer la v6rit6 ne sauraient plus comment s'y prendre
pour la defense de leurs clients, des marchands qui doivent y
avoir recours pour debiter leurs marchandises et des amoureux,
qui vivent dans un mensonge continuel. Pour ce qui est des
courtisans ils „seroient tenus pour vrais marjoles et pescheurs d'es-
crevices, s'ils ne pratiquoient ce beau role, auquel par maniere de
commentaire, ils joignent la dissimulation, sa cousine germaine en
ligne directe et colaterale". Et quoi dire des m6decins, des maris,
et des femmes? Et il conclue non sans une pointe de malice „si
la vörite n'a point besoin de l'eloquence, i! faut bien par necessit6
que l'61oquence serve au mensonge, autrement eile seroit inutile".
L'inspiration italienne parait evidente lorsqu'on lit l'^loge de
la verite qui suit imm6diatement c'est ä dire cette demonstration
du contraire, ä laquelle ont recours si souvent les auteurs bur-
lesques de la Peninsule.
La Pauvrete trouva ä son tour en France deux avocats plus
ou moins convaincus, comme eile en avait trouve un en Italic,
en Messer Mathieu Francesi . . Remy Belleau et Jean Godard en
entreprirent la defense, en employant, ä. peu pres, les memes argu-
mentations, mais sans se montrer trop enthousiastes de la loger
chez eux. Godard, par exemple, soutient, de meme que Francesi,
qu'elle
„est honneste et vertueuse
Car eile fuit tousjours les festins et banquets . , ."
et que nous avons lä par consdquent l'ennemie naturelle de tous
les vices et surtout de l'orgueil:
„II n'y a rien qui soit sous la cape des cieux
Qui se monstre plus doux, plus humble et gracieux."
Elle se moque des reves ambitieux, airae le travail, se contente
de fort peu de chose, mais malgre tout cela, le poete, en veritable
ingrat, ose ajouter:
„Quant ä mont respect, Vierge, je te supplie
De lascher un petit ta chaine qui me lie
Et me Serie trop fort."
Je ne sais jusqu'ä quel point l'Allori, et G. F. Ferrari qui chan-
terent les d61ices de la Galea 6taient convaincus des m^rites reels
de leur sujet. Toujours est-il qu'ils trouverent ä. leur tour un imi-
tateur au delä des Alpes, en Jean de la Jessee (Premieres oeuvres
fran^aises, Anvers, 1583), l'ami de Ronsard, de Belleau et de Du
Bellay. Jean de la Jess6e suivit de pres la mode d'Italie en
chantant ensuite le contraire de ce qu'il venait de louer, mais il y
eut en cela, outre que l'esprit d'imitation, des raisons tout ä fait
personnelles. Peut-etre etait-il plus convaincu du bläme que des
louanges et fort repenti meme de ces derni^res.
POESIE BURLESQUE FRAN9AISE DE LA RENAISSANCE. 269
Le Ferrari, dans son capitolo „In lode della prigione", oü l'in-
spiration du Lando me parait Evidente, d^clare qu'il n'y a rien de
plus beau, a son avis, qua de vivre dans un lieu, oü Ton n'a pas
de voleurs a redouter, oü Ton est ä l'abri des guerres, des impöts,
des domestiques et des vices. N'est-ce pas une marque de de-
förence l'escorte de soldats qui vous suit partout et l'histoire n'est
pas la avec Regolus, pour vous assurer que les heros peuvent bien
y vivre et y mourir? L'Allori, a son tour, dedia ä la Galea un
veritable pelit poeme, mais entre l'acception de prison et de Galea,
il y a des differences assez sensibles. Lequel de ces deux modales
a 6t6 suivi par De la Jess6e?
Je ne suis a meme de pouvoir le d6terminer. Rien de plus
evident que cet air de famille qui unit ces quatre pieces: le poete
fian(,-ais loue par exemple, de meme que ses devanciers, la prison
parce qu'on y vit en parfaite sürete et parce qu'on y acquiert
maintes vertus, savoir l'humilite et la sobri6te. Tous les trois
tombent aussi d'accord dans le tableau qu'ils nous offrent des
ennuis de la vie libre, en faisant par la ressortir la paix et la
douceur du contraire et ils n'oublient pas non plus l'honneur du
cortege des gardes. Le capitolo de La Jessee ne manque pas d'un
certain merite litt^raire et renferme aussi des idees assez originales.
11 commence par poser une question:
,,Si les biens et joyeaus, es maisons recellez,
Sont beaucoup moins communs et de plus chere garde
Que ceus que le vulgaire es Boutiques regarde . . .
Qui ne croira je vous suplie . . .
Qu'il vaut mieus estre en asseurance
Dans une close demeurance,
Que vivre au large et n'estre piis?"
La terre elle-meme n'est apres tout qu'une prison; l'äme, qui nous
rapproche de la divinit^, est renferm^e dans le corps et quoi qu'on
dise contre la prison, eile ne cesse d'avoir:
„... este dans ce monde
Le sejour des herautz de Dieu :
Et qu'encor son filz, Dieu luy-mesme,
Esgal i\ son Pere supresme
N'ait eu patience en ce lieu."
La Grece et Rome virent souvent leurs heros, les plus celebres,
renfermes entre les murs etroits d'un cachot (et ici le souvenir du
Lando et du Ferrari me parait plus que probable); le dieu Mars
lui-meme y demeura quelque temps et d'ailleurs:
„L'adversite n'esbranle un homme geneieus;
Le servage, les cepz, les chaisnes, les menottes,
Font seulement frayeur ä ces personnes sottes,
Pleines de lachet^, voire d'un cceur peuieus."
Voilä. une pens6e serieuse une pens6e d'Horace, qui vient se meler
fort ä propos, ä la plaisanterie du sujet.
270 P. TOLDO,
Dans la Conlreprison il y a un Souvenir direct de l'ltalie
lorsque la poete rappelle:
„Les scingues (stinche) de Florence et les cachots de Monce"
et le burlesque ici nous presente un aspect assez curieux en ce que
La Jess6e, apres avoir chante la prison, dut en 6prouver la rigueur.
C'etait un tour de la destinee. Ce n'est pas, s'6crie La Jessde un
Heu fait pour les hommes, aimant, de leur nature meme, la libert6
et en laissant de cöte toute plaisanterie, il ajoute:
„Voyla pourquoy, si j'en sors desormais,
Je ne veus point y retourner jamais,
Fuyant, blamant, sa löge et ses retraittes;
Et franchissant le Guichet je criray
Adieu paniers, les vendanges sont faittes."
Les injustices des gens de robe et les miseres des plaideurs avaient
inspir6 a leur tour et fort souvent la muse satirique, comique et
burlesque des poetes des deux nations, mais personne, avant Jean
Passerat, n'avait songe de rechercher la divinUe des pr och. C'est lä
ce que l'ecrivain frangais fait avec beaucoup d'adresse. De meine
que les mysteres sacres, remarque-t-il, on traite les proces:
,,En toute reverence et grande ceremonie
Pour rendre leur venue aux mortels incertaine
Les Dieux les viennent voir ayant des pieds de laiae,
Les procfes au venir marchent si doucemeat
Qu'ils ne sont entendus pour le commencement,
Puis d'un son esclatant leur presence est connue,
Les Dieux et les Proces sont voilez d'une nue."
On sait comment les divinites se querellaient entre elles du temps
du siege de Troie. 11 en est de meme des avocats, qui s'injurient
au barreau, paraissant meme devoir venir aux mains:
„Et au sortir de lä, ils s'en vont boire ensemble."
Les Dieux vendent leur aide aux mortels a un prix parfois tres
elevd ; il faut les supplier longtemps, les adorer dans leurs temples
et songer toujours ä eux:
,, Avant que par proces soit riebe une partie
II se faut coucber tard, et se lever matin ...
Remarquer un logis, assieger une porte,
Garder que par derriere un conseiller ne sorte,
S'accoster de son clerc, caresser un valet . . ."
Enfin les proces fönt, de meme que la divinite, des miracles 6cla-
tants. On voit, par exemple, les boiteux marcher, pouss6s par
le besoin de ne pas manquer une audience et
„comme les luts d'Orphee ou d'Amphion
Leur occulte cabale attire metairies
Villages et chasteaux, rentes et seigneuries."
Ils partagent aussi de la nature divine dans l'incomprcnsibilite de
leur langage, souvent plus obscur que celui des oracles et si Ton
POESIE BURLESQUE FRAN9AISI': DE LA RENAISSANCE, 27 I
fait aux Dieux des sacrifices coüteux, il va sans dire que dans les
proces cette sorte de sacrifices sont ä l'ordre du jour:
„Jupiter courroce d'un don va s'appaisant:
Un rigoureux proces s'adoucit d'un present."
Enfin les proces peuplent, aussi bien que la divinite, le raonde
tout entier et dominent enticrement ceux qui les suivent. Dans
un sonnet notre Passerat revient sur le meme sujet, en rapprochant
les femmes des proces, parce que, entre autres choses,
„Tous deux par beaux presens se rendent favorables, . , .
Tous deux sans rien donner prennent ä toutes mains."
La plaisanterie est donc doublee de satire et, le poete, qui avait
du se plaindre de la justice de son temps, visait ici cvidemment
ti une Sorte de vengeance,
Un autre poete, que nous connaissons dejä, Annibal de
I'Ortigue (Paris, 1617) entreprit les louanges d'un sujet, qui avait
int^resse le Berni, dont le capitolo „in lode del debito" etait au
nombre de ses pieces burlesques les plus connues. Ici encore pas
d'imitation litt^rale, mais plutöt cot air de famille que nous venons
de constater pour d'autres composilions pareilles. La Felicilc du
debtenr debute par determiner la superiorite que celui-ci gardc
vis'ä-vis de ses cr^anciers, forces de le traiter avec beaucoup d'tigaid
et d'en m6nager l'amiti^. Le d6biteur d6montre en outre une
intelligence vive, un esprit doue de ressources:
„C'est avoir le courage brave
L'esprit et l'^loquence grave,
Avoir methode et entregent
De Irouver toujours de l'argent
Pour entretenir la marmite"
et il n'y a rien en cela de honteux car mcme les plus grands rois
sont souvent Forces d'emprunter ä tout le monde. II arrive quel-
quefois que le d6biteur est poursuivi par la police, mais s'il connait
bien son metier, il saura l'^viter, quitte la nuit ä se moquer „du
sergent", soit qu'il se tienne ä la fenetre, soit qu'il sorte pour
„visiter la taverne". D'autres argumentations sont communes au
sujet de la prison. Si la garde veille ä la porte du debiteur, c'est
qu'on le traite en prince, si on le mene en prison, il y trouve
beaucoup d'amis, qui le rei^oivent, les bras ouverts; si on l'habille
en vert, c'est la la couleur des conquerants. Enfin quoi qu'il
arrive, il est toujours plus ä son aise que ses creanciers, de sorte
qu'il conclue que:
„C'est une cliose tres bonne
Debvoir et ne payer personne."
Vers la meme 6poque, en 16 ig, Vital Bedene avait rev6!6 ä ses
lecteurs „le secret de ne payer jamais", mais ici sous l'apparence
de la plaisanterie se cache un but satirique. Le po^te en veut aux
nobles bouffis d'orgueil, qui ne remplissent point leurs engagemcnts
272 P. TOLDO,
et il y a de petites seines, rappelant de pr^s Celle eiitre Don Juan
et monsieur Dimanche, dans la com6die celebre de Moliere.
En 1 6 1 6 parurent a Paris les Opuscuks frangoises des Hotmans,
contenant l'eloge de l'avarice et le bläme de l'amitie composes en
prose par Antoine Hotman sous le titre de Paradoxes. Plus tard,
en 1634, le sieur de la Giraudiere, dans ses joyeux epigrammes,
clianta „l'apologie du pendu", sujet, qui appartient bien ä lui et
qui malgrd son apparence d'enjöuement est, on ne pourrait plus,
lugubre. Le burlesque se fonde ici sur l'observation que comme
il n'y a rien de beau dans l'univers, qui ne soit pendu, l'horame
qui finit de la sorte est superieur, de beaucoup, ä tous les autres.
Voici le discours du personnage en question, qui chante lui-meme
sa prosopopee:
„Passant je te supplie areste,
Et si tu trouves deshoneste
D'estre ainsi pendu par le col,
Au gibet avec un licol
Je t'apprendrois que la potence
N'est que pour les gens d'importance , . ."
Et en effet il n'a pas de peine ä demontier que tous les corps
Celestes sont pendus dans l'espace, que les fruits pendent des
arbres et que bien des personnages illustres ont du endurer ce
genre de supplice, y compris le Sauveur, allusion cette derniere
fort irrev6rencieuse, dans la bouche d'un croyant.
Ce genre de plaisanteries continua pendant tout le dix-sep-
tieme siecle et nous en retrouvons aussi quelques exemples au
siecle suivant. Je rappeile, entre autres, l'eloge de la Paresse, dedie
a un moine et attribu6 ä Voltaire (1728) qui commence: „La
paresse est une volonte constante et deterrainde de ne rien faire;
c'est le quietisme de la raison humaine; c'est le silence du desir;
c'est le sommeil du malheureux decourage; c'est le grand preser-
vatif de tous les maux au moral, comme au physique". Enfin la
paresse est une sorte de niraväna. La conclusion n'est pas moins
paradoxale et a l'air d'une d6monstration g6ometrique „l'homme
est n6 dans un cercle dont la Paresse habite le centre et dont l'in-
quietude cherche ä briser la circonference". Ce sont lä les derniers
6chos de ce genre d'inspiration burlesque n6e en vers finissant en
prose et renfermant parfois des pr6teniions satiriques.
L'apologie des maladies.
„Je ne suis pas de ceux, qui d'un vers triomphant
Deguisent une mouche en forme d'Elephant;
Et qui de leurs cerveaux couchent ä toute reste
Pour louer la folie, ou pour louer la peste."
Malgrd cette d^claration, oü Du Bellay a l'air d'en vouloir au
Berni, au Lasca, ä Scribane de Verone, et ä la grande famille
des burlesques d'Ilalie, il n'cntreprend pas moins l'eloge de la
POESIE BURLESQÜE FRAN^AISE DE LA RENAISSANCE. 273
surditd, eloge qu'il adresse a son maitre Ronsard frappe de cette
maladie.i C'est merae par les vers cites que cette apologie com-
mence, car le poete a bien l'apparence de prendre fort au serieux
son sujet, peut-^tre pour une pensee delicate ä l'^gard de l'illustre
malade. Au fonds cependant le paradoxe domine et avec lui le
burlesque. Dans cette longue enumeration des avantages que la
surdite apporte, il suit d'ailleurs le meme procede de ses devan-
ciers d'Italie. II s'agit de prendre le contre-pied de l'opinion
generale et de ne regarder qu'un cote de la medaille. Pour tout
le monde la surdite est la source d'une foule de desagrements;
eile nous ravit le plaisir de la causerie intime, eile nous d6fend
les douces harmonies, eile nous expose a bien des dangers, enfin
eile nous rend parfois meme ridicules. Du Bellay regarde de
l'autre cöte et decouvre le paradis terrestre. Le sourd, dit-il, est:
„ . . . prive de sentir maintefois
L'ennuy d'un faulx accord, une mauvaise voix,
Un fascheux Instrument, un bruit, une tempeste,
Une cloche, une forge, un rompement de teste,
Le bruit d'une charette et la doulce chanson
D'un asne, qui se plaint en effroyable son."
Tout cela n'est pas moins vrai et l'on pourrait appliquer le meme
raisonnement ä tous les sens, qui nous mettent en rapport avec
les choses exterieures. Le sourd continue-t-il est libre des discours
ennuyeux, des amours, qui causent notre perdition, du röle de
conseiller des princes; enfin Ronsard pourra tirer son profit de
ce que les ignorants appellent un malheur, pour se d6dier, dans
cette solitude de l'esprit, aux vers, qui le rendront immortel. Tout
cela est dit avec beaucoup de verve et de delicatesse: malheu-
reusement dans la conclusion le mauvais goüt du temps l'emporte,
et le poete nous offre un grand tableau allegorique, oü la surditd
se presente toute fiere devant le lecteur, entouree d'autres per-
sonnifications, la Melancolie, l'Etude et l'Ame imaginative. C'est
en vain que j'ai cherche parmi les compositions burlesques des
po^tes de la P^ninsule, ce sujet inspirateur de Du Bellay; il se
peut que mes recherches n'aient pas ete heureuses, mais il se
peut aussi et c'est lä ce qui me parait le plus probable, que Du
Bellay n'ait tire de ses devanciers Italiens que Tinspiration du
genre. Nous avons aifaire a un ecrivain, qui n'a pas besoin de
bequilles, pour marcher.
II n'en est pas de meme de l'auteur du „blason en l'honneur
de la Goutte"2 cite tout ä l'heure et qui parait redevable ä messer
jMatteo Francesi de quelque chose de plus qu'une simple Inspi-
ration. Au moins est-on port6 ä le croire en voyant que les
deux pieces ont des rapports intimes, meme dans les details. Ce
^ cfr. ühymne de la surdite.
^ Blason etc. Lyon, Tournes, 1547.
Zeitechr. £ rom. Phil. XXV. ig
274 P- TOLDO,
sujet avait inspir^ aussi la muse du Ferrari * et en France il eut
assez de vogue. L'auteur anonyme nous expose, de mcme que
Francesi, comment la goutte reyoit partout des honneurs; le
goutteux n'a qu'ä. se presenter dans une maison, pour que tout
le monde le prie de s'asseoir, lui donnant la place la plus com-
inode. Los deux ecrivains exaltent de meme le plaisir qu'elle nous
cause, en nous permettant la plus grande tranquillite de l'esprit
et du Corps et s'accordent a d6clarer:
„Qu'en Goutte n'a ne mal ne maladie"
car le pharmacien ne saurait y trouver aucun remede:
„Hör per uscir di queste catapecchie
Et provar che la Gotta non e male
A questo si consideri, e si specchie,
Che non ne tien ricetta lo speciale . . ."
Tous les deux trouvent enfin que la goutte a une origine divine,
mais ici le pocte fran^ais ne se contente pas de nous dire
„ch' eir 6 sorella dell' amore
D' otio, di vino, et di lascivie nato"
mais en s'inspirant de „Lucien en ce beau dialogue" il en re-
cherche les origines encore de plus loin. Dans la conclusion, le
poete fran^ais s'eloigne tout a fait de l'italien, car il se plait ä un
jeu de raots d'un goüt fort douteux et presque incomprehensible:
„Fin des goustz goustes de la Goutte,
Qui, quand en degouttant degoutte,
De gouste un trop meilleur gouster,
Que goutte ou vin me fait gouster."
Motin (cfr. QEuvres ined. etc. Paris, Cabinet du Bibliophile, 1883)
d6dia ä son tour quelques sonnets a ce sujet et il se plait aussi
bien que son devancier ä des jeux de mots, d'un sens toutefois
bien plus clair. En effet en s'adressant au sieur de la Roche,
il dit: , ^ , , <
„.. . la Goutte a monstre en luy a ceste lois
L'effect de la vertu qu'on dict qu'elle a en eile.
Elle a perce la Roche et a faict sortir d'elle
Ce brave Chevalier si beau et si courtois.
Par sa vertu la Goutte a la Roche amoUie
A la Roche anim^e, a la Roche polie
(Miracle!) et en a faict pour eile un bei amant."
Et le reste des sonnets est toujours dans le meme goüt.
^ Dans sa piece (ed. de Venise, 1570) sur la rogna Ferrari declare que
la nature a donne les ongles ä Thomrae tout expres pour ce bei exercice, pour
„coltivarla" ; pour ce qui est de la goutte il ajoute qu'elle est l'enne.Tiie de
la paresse et en general de toute sorte de vices et nous pr^serve de tous les
raaux. A la nature
,, Contra ogni mal per medicina darla
A 1' huom le piacque."
Ce sont lä des id^es qu'on trouve aussi chez les autres auteurs, qui se sont
Interesses ä ce sujet si peu poetique.
POESIE BURLESQÜE FRAN^AISE DE LA RENAISSANCE. 275
La Goutte inspira encore d'autres poctes. Sarasin eiitre autres
(QLuvres, Rouen, 1658) a une „Belade de la misere des Gouteux",
Oll il chante le contraire de ses d^vanciers. C'est l'inspiration bur-
lesque du conire, que nous venons de constater chez ses pre-
d6cesseurs d'Italie. Et cette id^e d'opposition parait 6vidente, dans
ces vers oü il rappelle ceux qui en ont chante les louanges:
„Maint autheur antique et recent,
Bien instruit en toute doctrine,
Soustient que la Goute descend
De copulation divine."
Plus tard dans une composition anonyme en prose (Paris, 1654),
on celebra „les graces, droits, privileges et faculte de ceux qui
sont enclins d'avoir les gouttes, tirez des Fermes et Archives des
protomiserables". Le d6but suffit pour faire comprendre le caractere
de cette piece: „II est ordonne et permis de grace speciale par les
maitres.de l'Archiconfrerie des Goutteux: premierement, malgre tous
les envieux, que celuy qui a les gouttes peut en tout temps, äge
et Saison porter un bäton et le peut choisir tel et de tel bois que
bon luy semblera . . . secondement il a permission irrevocable d'aller
tout bellement et ä son aise sans jamais se häter, ny courir . . .
Tiercement . . . luy est permis s'appuyer sur les bras et 6paules de
sa femme, serviteur ou servante" et ainsi de suite. L'auteur con-
tinue en nous representant „les sept stations des gouttes et indul-
gences ä gagner sans aller ä Rome" savoir la Station ä l'orteil,
l'autre aux chevilles, la troisieme aux genoux etc. et le tout est fini
par la „Recepte tres-utile pour les gouttes" compos6e de „patientis
lachrymarum guttas viginti, spccierum clamoris et juvamenti anna
zij. electuarii silentiae ziropus cum siropo patientiae probatae".
Dans le recueil cite, on trouve aussi le „blason de la Quarte",
qui pour le titre rappelle l'eloge de la „Quartana" du ä la plume
de Pierre Aretin; mais l'auteur anonyme cite, lui-meme, ses sources,
en remontant ä l'antiquite, sans exclure, pour cela, les modernes:
„Je veux aussi h. l'exemple notable
Des plus S9avans modernes et antiques,
Canonizer par raisons autentiques
La Quarte, icy l'engin exercitant.
Car Phavorin jadis en feit autant;
Puis Menapie, Encomiaste exquis,
En dit maints loz; et duquel ay enquis
Maints argumens pour former sa louange,"
Ce n'est pas la peine de s'arreter longtemps sur ce blason d6pour\u
de tout merite litteraire. La Quarte nous donne une „douce
langueur", nous permet le repos, tandis que tout le monde tra-
vaille, nous rend int6ressants et ne nous ennuie que pendant peu
d'instants.
^ CEuvres, Paris, 1617.
18*
276 P. TOLDO,
Au commencement du XVIP siecle, l'Ortigue proven^al essaya,
ä son tour un sujet, qui avait jadis inspire l'italien Ferrari. C'est
ä peu pres par les memes argumentations que les deux ecrivains
tächent d'exalter le delice des galleux et il va Sans dire que c'est
lä une these qui se prete beaucoup au paradoxe et aux plaisan-
teries grossieres. La gale nous protcge de beaucoup de maux,
eile nous donne une occupation agr^able, s'etait 6crie le Ferrari
et l'Ortigue:
„C'est un merveilleux delice,
C'est une agreable lice,
C'est un esbat gracieux
Plus grand qui soit sous les cieux
Que d'estre atteint de la galle,
Nulle volupt^ n'esgalle
Celle d'un galleux parfaict"
et tout ce grand bonheur est cause par
„La demangeaison genülle
(qui) Le contraint ä tout moment
De se gratter doucement."
L'Eglise pour punir les pecheurs n'aurait qu'ä, defendre le plaisir
de se gratter; ce serait lä un moyen bien sür pour les ramener
ä la vertu. D'ailleurs cette maladie a des vertus therapeutiques;
celui qui en est atteint peut marcher, la tele haute et sür de sa
sante, au milieu d'une foule d'autres maux; c'est lä une sorte de
cuirasse qui nous prolege et qui nous rend presque invulnerables.
Entre la gale et l'amour il y a aussi des rapports intimes et cela
doit suffire afin que les esprits delicats ne se detournent pas d'elle:
,,Car la galle et les amours,
Se fönt cognoistre toujours,
Tous les deux ont des delices
Des geisnes et des supplices
Qui ne se peuvent cacher,"
Meme l'^timologie de galle que l'auteur tire du mot galant en
indique le merite:
„Un prince en ce siecle icy
Porte le tiltre des Galles"
et ses rapports intimes avec les plaisirs de Venus sont aussi une
autre marque de son importance. La deesse de la beaute n'a su
s'en passer. Enfin les pauvres qui en sont atteints exploitent la
compassion des gens riches, pour qui bien d'autres mis^res n'ex-
citent aucun interet:
„La galle est la calamite,
Qui faict bouillir leur marmite . . .
Ces estropiez et boiteux,
Ces yvrognes raarmiteux,
Ces charlatans pleins de vice,
Font souvent par artifice,
POESIE BURLESQUE FRAN^ATSE DE LA RENAISSANCE. 277
Voir leurs membres escorchez,
Comme de lepre touchez."
Les rapports entre cette maladie et les plaisirs de V^nus, nous
permettent d'aborder un autre sujet, qui joue, dans la litterature
italienne, une rö!e assez important, sous le nom de mal francese.
Dans le Recueil de poesies fran(;aises des XV'^ et XVP siccles,! on
lit le Triumphe de trh hnulte dame VeroUe et le sieur d'Esternod
dans son Espadon satyrique, s'en occupe ä son tour, mais pour
s'en plaindre vivement. 11 se plaint surtout de ce que la nature
epargne aux chiens ce cruel malheur. Les betes ont toute sorte
de Privileges, y compris celui de ne payer jamais leurs amours:
„IIs n'y payent pas un douzain:
Nous autres donnons la pistole
'. Et n'en avons que la veröle,
Souventesfois pour nostre gain."
Ce qu'il y a, dans cette composition, d'assez plaisant, c'est le
langage pedantesque du medecin, un veritable Diafoyrus, dictant
cette ordonnance:
,,Ad refrigendum sa poictrine,
Carpet de la therebantine
Pour toller l'inflamation:
Et si intus est quelque ulcere,
D'une seringue on pourra faire
Per saepius l'iniection.
Ergo vale, eher filiole
Je vais chez pharmocopole."
Rappeions encore une composition due ä la plurae de Jean Dant
Albigeois (Paris, 1621) „en l'honneur de la calvitie". Dans son
epitre au lecteur, notre dcrivain rappelle l'oraison grecque, que
Synesias avait compose sur ce sujet, mais les argumentations en
faveur de sa th^se, se bornent a bien peu de chose et peuvent se
r^sumer dans cette consideration que les cheveux sont „la plus con-
temptible des choses" parce que le poil distingue les animaux des
hommes. Et c'6tait lä un sujet, qui sous le nom de „pelatina" avait
inspire aussi les auteurs burlesques d'Italie et surtout le Ferrari.
On voit que l'apologie des maladies trouva en France un sol
moins propice que dans la P6ninsule. Le nombre des com-
positions sur ce sujet est quelque peu borne: la peste n'eut pas
par exemple son poete fran(;ais et exception faite pour l'hymne
de l'ami de Ronsard, elles m6ritent ä peine qu'on les cite.
1 cfr. 6d. Montaiglon, i vol.
A suivre.
P. TOLDO.
Kandglossen zum altportugiesischen Liederbuch.
V. Ein Seemann möcht' ich werden,
ein Kaufmann möcht' ich sein!
Diesmal will ich mich eines von Abschreibern und Heraus-
gebern recht stiefväterlich behandelten Gedichtes i unseres könig-
lichen Troubadours annehmen, nur um es textkritisch herzustellen,
soweit das ohne Einblick in CB möglich ist ,2 und um kurz anzu-
deuten, was ich mir beim Lesen desselben denke. Was die Ein-
kleidung betrifft, so steht es unter den cantigas de escarnh' e mal-
dtzer einzig da, denn Alfons X. spricht zwar in der ersten Person,
doch augenscheinlich im Namen und aus der Seele eines andern,
dessen vielleicht zufällig vernommene Selbstbekenntnisse ihn ergötzt
haben mochten. Auch was Gedankengehalt, Wortreichtum und
anmutende Beweglichkeit des Rhythmus betrifft, gehört es zu den
besten seiner realistischen Scherzgedichte.
Wie man sieht, besteht es aus 4x13 Zeilen, Sepienarios, unter-
mischt mit Zweisilbnern, an 2. und 4. Stelle. Jedes der beiden
Strophenpaare unterscheidet sich durch den Reim. Dieser aber
ist unmittelbar gebunden, was dem Liede einen frischen volks-
mäfsigen Ton verleiht. Zwei weibliche Reimworte wechseln mit
einem männlichen: -anto -ort -inha in Str. 1 und 2; -ado -ar -eiro
in 3 und 4. Am Schlüsse aller Strophen kehren die damit als
Ausgangspunkt oder Thema des Gedichts gekennzeichneten giftigen
Skorpione wieder; nicht als Kehrreim, doch kehrreimartig.3 — Wei-
tere Lieder nach gleichem Schema
7277 72777777
aabbaabbccbbc
sind mir nicht bekannt.
^ Man werfe einen Blick in Braga's metrisch wie sprachlich völlig niifs-
glückten Abdruck. — Gut sind daran nur einige aus Monaci's Note heriiber-
genommene Treffer.
2 Warum C. de Lollis nicht CV mit CB collationiert hat, ehe er seine
Studie veröffentlichte, ist mir unklar.
3 Das wäre, nach der im CA von mir befolgten Charakterisierung: Can-
tiga de meestria: 4X13 — Septenarios e Binar ios nos versos 2 e b de cada
estrophe — Coplas dobras: aabbaabbccbbc — Rimas breves e longas:
-anto -on -inha nas estrophe s \ e 1; -ado -ar -eiro nas estrophes 3 ^ 4>
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. 279
(25-)
Non me posso pagar tanto
do canto
das aves, nen de seu son,
nen damor, nen d' am[b]i9on,
5 nen d'armas — ca ei espanto
por quanto
mui [mui] perigosas son —
come d' un bon galeon
que m-alongu' e muit' aginlia
10 d' este demo da Campinha
u OS alacräes son.
Ca dentro no cora^on
senti d' eles a espinha!
E juro, par Dens lo santo,
15 que manto
non tragerei nen granhon,
nen terrei d' amor razon,
nen d' armas — porque quebranto
e chanto
20 ven d' elas ced' a sazon —
mais tragerei iin dormon,
e irei pela marinha,
vendend' azeit' e farinha;
e fugirei do pon9on
25 do alacran, ca eu non
mi sei outra meezinha.
Nem de lan9ar a tav(o)lado
pagado
non s5o, se Deus m' ampar,
30 oimais, nen de bafordar.
O andar de nout(e) armado,
sen grado
o faijo et o roldar!
Ca mais me pago do mar
35 que de seer cavaleiro,
ca eu foi ja marinheiro,
e quero-m' oimais giiardar
do alacran encontrar
que me foi [picar] primeiro.
40 E direi-vus un recado:
pecado
ja mais me pod' enganar
que me fa^a ja falar
en armas, ca non m' ^ dado.
45 DSado
28o CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
m' e de ar en razöar,
pois las non ei de provar.
Ante quer' andar sinlheiro
e ir come mercadeiro
50 algüa terra buscar
u me non possan culpar
alacran negro nen veiro. (Ind. 467 = CV 63.)
2 tanto — 3 dues — 4 rfa miqo — 8 leo ; statt höo, das vor dem Sub-
stantiv zu bon werden mufs. Sowohl bei Monaci als auch bei Braga figuriert
im Namenverzeichnis D. Beno Galeon\ — 11 hues ala tra£S son. Daraus
wurde bei meinen Vorgängern: hu e mala traesson (fraigon) — 18 ^ biäco —
20 ne — 22 marinha — 23 tiedenda zeue effartna. Braga druckt a ceb\
als handelte es sich um Talg. Ob er aceb' schreiben wollte und an azevre
= acibar dachte? Die Form ohne r existiert jedoch nicht. Dafs übrigens
Talg und Aloe an Bedeutung dem Mehl gleichstehende Handelsartikel sein
könnten, wird Niemand behaupten. — 24 effuguey do pago — 25 alarram.
Passo do alazäo pafst weder in den Zusammenhang, noch in den Reim. —
26 fhy — ouq{u)a — 27 Entweder ist nem zu streichen, oder tavlado zu
setzen (wie auch in CV 955). — 29 sfco — 30 adeo, woraus ich nichts zu
machen weifs. Ersatz zu schaffen, wie ich versucht habe, ist leicht. A dia
für de dia, im Gegensatz zu de noute der 31. Zeile, pafst nicht ins Versmafs
und ist unportugiesisch. Doch welche Lesart bietet CB.'' — 33 grad offago
Z a rolda — 35 ffer caualPo — 36 I. Sg., wie unzählige andre Male. —
38 — 39 do alacra e co'nar, woraus Braga coronar macht. Es scheint in Z. 39
ein zweisilbiges Zeitwort zu fehlen: picar, ferir, chagar, oder sinnverwandtes.
Culpar wie in Z. 51 wäre auch zu brauchen. Ich wähle picar, im Gedanken
an die weiter unten angeführten Sprichwörter. Paläographisch läge jedoch
tornar näher als encontrar. Dann müfste man Konstruktion und Sinn ganz
verschieden fassen und in Z. 39 anders ergänzen. Etwa:
e quero trC oimais guardar
do alacrajt, e tornar
[ö] que [eil] ine foi primeiro
im Hinblick auf die vorausgegangene Zeile ca eu foi ja marinheiro — 42 ia
ia mei. Hier steckt offenbar noch ein Irrtum. Die erste Hälfte der Schlufs-
strophe befriedigt nicht, doch ziehe ich vor, an den überlieferten Buchstaben
festzuhalten. — 44 dad — 46 da ad me deas en rrazonar — 48 qanday —
49 com — culpa a lacra negro ne iieys.
Unkriegerisch gesinnt, hat einer der Unterthanen des Königs
von Leon und Kastilien — das Lied selbst bezeichnet ihn als
einen Ritter — widerwillig Felddienste gethan, wozu Rang und
Gesetz ihn vermutlich zwangen. Nach dem Meere sehnt er sich,
nach einer frischen Seebrise, einer guten Galeone, oder einer hurtig
segelnden Drotnone, auf der er seine Waaren von Hafen zu Hafen
fahren kann. Weder Vogelsang noch Liebeslust, weder Ehrgeiz (?)
noch Kampf, weder die Tracht des hoffähigen Kriegers (Mantel
und wallendes Haar, bzw. Vollbart?) 1 noch Ritterspiele verlocken
ihn. Uns unbekannte Ereignisse haben den in ihm schlummernden
Hanseatengeist geweckt — ca eu ja fui marinheiro! Vor allem
aber haben körperliche und seelische Schmerzen den Wunsch nach
1 Granhon, grenhoji, grinhon bezeichnen aport. meist üppigen Bart-
wuchs (CV 62. 74, CM 85. 293); doch auch das Haupthaar (CV305:
granhdes). — Nach CV 62 vi un coteiffe de muy gran granhon scheint es
sich mehr um Kriegs- als um Hoftracht zu handeln.
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. 2ÖI
Freiheit und Einsamkeit gezeitigt — ante quer atidar sinlheiro. Näm-
lich der Bifs giftiger Scorpione und giftiger Stachelzungen, denn
alacran ist doppelsinnig, wie die Klage zeigt, sie hätten ihn tili to
the core of his heart verwundet. ^
Wann und wo? Während einer der andalusischen Unter-
nehmungen und vermutlich in den sechziger Jahren, wie die
übrigen Kriegsgesänge, in denen König Alfons die Schwächen
seiner Vasallen lachend geifselt,^ wenn anders die Campinha die
heifse Niederung des Guadalquivir ist, welcher dieser Name eignet.^
Und wer ist der so unhcldenhafte Held, den er an den Pranger
stellt? Einer jener sentimentalen Gallizier, denen man so oft nach-
sagt, dafs sie, als Schweizer der Halbinsel, vom Heimweh nach
Meer und Gebirge {so'idade, saudade) oder der morrinha gallega,
einfachem Landleben, der gaita de /olles, der rniünheira und dem
melancholischen alalala gepackt werden, nicht blofs in den kasti-
lischen Einöden, sondern überall wohin das Schicksal sie führt? ^
Wie gefürchtet alle Arten Scorpione auf der Halbinsel waren
und sind , zeigen zur Genüge die Sprichwörter : Si te pica el alacran,
llama al cura y sacrista?i — Si te pica el alacran, ires dias comeräs
pan — Qiiien de alacran estd picado, la sofnbra le espanta. Für be-
sonders giftig gilt der schwarze, o lacran da unha ?iegra (span. de
tina negrd)fi Gewifs ist es derselbe, den König Alfons negro nennt.
Veiro {varius) hingegen mag eine scheckige, vielleicht auch die
blafs rötliche Species sein, die, soviel ich weifs, heute die aller-
verbreitetste ist." Von beiden besitze ich Exemplare (4 — 5 cm),
die bei Moncorvo für mich gefangen wurden — in derselben
Gegend also, wo der böhmische Freiherr Leo von Rozmital seiner
Zeit, mit den Augen der Frucht, Scorpione grofs wie Jagdhunde
entdeckt hat." Dafs ihr Stich tötet oder wahnsinnig macht, ist
1 Nachweisen kann ich A/acnut als aicunha von bestimmten Personen
freilich nicht.
2 S. Randglosse VI.
^ La Campina hiefs bekanntlich die den Mauren entrissene Provinz,
welche Cordova, Baena, Ecija und Lucena umfafste. — ■ Edrisi, Ed. Leyden,
p. 174. — Sie wird im 13. Jh. oft erwähnt. Von Alfons X. mit Bezug auf
seine andahisischen Feldzüge in den CM z. B. 215, 9. 11.
* Im 14. Jh. war dieser Ruf schon traditionell. — Aus der Chronik
Alfons' XI. stammt der Satz: Los de Galicia era?t omes de montanas que
avian n?u_}' grave de los sacar de la tierra. Freilich folgt der Zusatz a menos
de les dar algo (Cron. Alf. XI CXIII). Für gewinnsüchtig gilt der Gallizier
noch heute.
^ In Portugal steht neben alacräo noch alacral, alacrau, alacrae, alacrä
lacran, lacral und lacrau (Minho) nebst lacraia (Tras-os-Montes, wegen lacaio,
lacaia}). — Braga scheint das volkstümliche Wort nicht zu kennen. — In
seinem Glossar steht alacrd = tecido antigo; dazu kann nur die Farben-
bezeichnung negro ou veiro ihn veranlafst haben. — Ueber die Etymologie
s. Dozy (oder auch Körting 344).
^ Ich glaube, dafs die rötliche die gewöhnliche mittelländische Art ist
{scorpio enropaeiis); die schwarze aber eine afrikanische [scorpio tunetanus
oder maurus).
' Bibl. Litt. Ver. Stutt. VII p. 77 u. 179 (oder Libros de A^ttano VIII 83)
In circumjacentibus ?nontibus magna est copia serpentum, scorpiofzum et la-
282 CAROLINA MICHAKIIS DE VASCONCELLOS,
ein Dogma. Und wo nach mindestens achttägigen peinigenden
Schmerzen Heilung eintritt, glaubt das Volk an ein Wunder; ein
klein wenig auch an die Kraft des angewandten azeite d' alacran'^
(port. unteira de alacräes) oder der scorzonera hispanica.-
Das von Alfons für eine Art SegellastschifF angewendete grie-
chische Wort dornion ist auf der Halbinsel, wie überall, nur im
Mittelalter üblich gewesen. Aus gallizisch-port. Quellen kann ich
sogar kein andres Beispiel anzuführen. Doch hat Lissabon gewifs
mehr als das einzige Mal, von dem ich weifs, einen dromo7i (oder
eine dronuinda = rahd. dragmimd, trogmunt) in seinen herrlichen
Hafen einlaufen sehen. 3
Nachtrag. Während die im Herbst 1899 niedergeschriebenen
obigen Seiten in Strafsburg ruhten, erschien in Italien ein Aufsatz,
in dem C. de LoUis sich mit dem hübscheu Seemannsliede befafst.4
Den Inhalt beurteilt er ganz anders als ich. Er glaubt Alfons X.
in seinem eigenen Namen ernst und gramerfüllt reden zu hören.
Und zwar gegen Ende seines reichen ruhelosen Lebens, als der
kastilische König den bekannten schmerzlichen Prosabrief nach
Afrika sandte, bei seinem alten Feind Abu-Jusuf Mitgefühl und
Hülfe suchte und ihm die Krone als Pfand anbot. Ja, der das
Grundmotiv unsres Gedichtes bildende Wunsch, das Meer zu be-
fahren, giebt in des Italieners Augen sogar der sich an den echten
Prosabrief anlehnenden melancholischen Ich -Romanze
lo sali de la mi tierra
para ir a Dios servir
gröfsere Authentizität, weil in ihren letzten Worten aus des Mon-
archen Munde die gleiche Absicht tönt, wie weiland Apollonius
auf hohem Meer zu enden
a se morir en las ondas
o las venturas buscar.
certarum. . . . Scorpiones sunt cants venatorii mediocris fnagnitudine, tergo
variato et picto, quales nullus unquam nostrurti conspexit.
1 Similia simüihus und 7iomen omen. — Ich denke an die Lanze Achills
und au die portugiesischen Sprichwörter; ä mordedura de cäo, pello de cäo —
ciirar a ferida de cäo com pello de cäo.
2 Escorzonera von scorpione abzuleiten soll leider nicht angehen? Man
soll bei cortice stehen bleiben (Körting 2924)? Jedenfalls aber hat das Volk
die beiden Worte und Dinge im obigen Sinne in Beziehung zu einander ge-
bracht und sieht in der scorzonera hispanica eine Anti-Scorpion -Wurzel. —
Käst, escorzon, nebst pathologisch daraus gebildetem escuerzo, kat. escorso
«cwrfö (vid. Tirant, cap. 85 p.282), ^oxX..escorgäo, ital, jco/sfl«^ giftige Kröte.
3 Im J. II 84, bei einem vergeblichen Angriff der Almohaden. — S. Herc.
II 462 nach R. de Diceto {hnagines Historiarum, apud Twisten, Hist. Angl.
Script, p. 624). — Ueber (5(JO;Wtoi', mlat. dromon (Isid. Etym. XIX l, 14),
altfrz. dromon, span. durtnon dromon {Gran Conq. IV c. 32), port. dormon
vgl. Du Gange s.v. dromones; den altspan. Alex. 1862; Diez Et. ^6^; Kör-
ting 2703. — Cand. de Figueiredo betont dromon, als wäre der griech. Accent
mafsgebend, zu Unrecht, wie unsre cantiga zeigt.
* Stud. Fil. Rom. vol. VIII 380— 386. Ich erhielt das bezügliche Heft 22
im Juli 1900,
RANDGLOSSEN Zt'M ALTPORT. LIEDERBUCH. 283
Darauf erwidre ich einerseits, dafs wir von Alfons X. kein die
Romanzenform des XV. und XVI. Jlis. treu vorbildendes Gedicht
kennen und überhaupt nur ein kurzes span. Vessfragment; ^ dafs aus
dem XIII. und XIV. Jh. keine Romanze vorhanden ist; dafs nichts
die geschickt den Ton der Klageroraanzen nachahmende Schöpfung '-
als altertümlich ausweist, weder die Sprache noch Glossen, noch
Nachahmungen, noch Citate; dafs Alonso de Fuentes, der erste,
der sie 1550 mitteilte, wahrscheinlich ihr Verfasser ist, sich der
Romanzenform bemächtigend, um in archaischer Sprache diese wie
andre poetische Geschichtsepisoden frei umzugestalten. 3
Andrerseits vermag ich an den abenteuerlichen Wunsch nach
einsamem Seefahren von Seiten des 60jährigen kummervollen
Monarchen nicht recht zu glauben. Jedenfalls nicht daran, dafs
der von Kindern, Freunden und Vasallen verlassene, dessen Ausruf
nunca assi foi vendudo
rey don Sancho en Portugal
wir bereits kennen, in einem so frischen Gedicht in kunstvollen
und leichtfüfsigen Strophen seine geheimsten Gedanken preis-
gegeben hätte. Und wenn schon — nimmermehr konnten sie
dahin zielen, in einem Lastschiff an der Küste als Oel- und Mehl-
händler entlang zu segeln: vendend'' azeW e farinha! Nimmermehr
konnte damals der Verfasser von Marienliedern der Liebe, dem
Ehrgeiz, Waffenspiel und Kriegsdienst (langweiliges Postenstehen
bei Nacht miteinbegriffen) entsagen.*
Ich bleibe dabei, das Gedicht als ein im Namen eines Andern
voller Ironie gesprochenes Scherzgedicht aufzufassen — eines Ca-
valeiro, dem thatsächlich die giftigen Scorpione der andalusischen
Campinha und, infolge seines wenig mannhaften Benehmens dabei,
auch die giftigen Zungen der Genossen^ wehe gethan und den
Kriegsdienst verleitet hatten.
Was den Text betrifft, so freue ich mich der Uebereinstimmung
in unserer kritischen Bearbeitung, bemerke aber, dafs leider in
diesem Falle die Einsicht in CB zur Textverbesserung nicht eben
viel beigetragen hat.6 In folgenden Einzelnheiten scheint mir
Lollis das richtige getroffen zu haben.
Er setzt alacrd, wie Z. 38 und 52, und PI. alacraes, wie Z. 11
» Cfr. Grundrifs IIb 181, 3. — G. Baist (§ 41 und 55) erwähnt die Ro-
manze nicht.
'^ Sie hebt wie alle Klageromanzen des XV. und XVI. Jhs. mit /-Asso-
nanzen an, geht dann aber zu d über.
3 In der betreffenden Romanze sind die Ereignisse des Jahres 1274 mit
den späteren vom Jahre 1282 gemischt.
* Ell ja fiii {foi) marinheiro hätte Alfons zur Not sagen können, an
Sevilla, an seine Route von Alicante nach Tunis (1257) und an die Flucht
von Valencia nach Tarragona {1274) denkend.
^ Darauf weist das ailpar = ,, anklagend schädigen" der letzten
Strophe hin.
^ Z. ^0 a de 0 bleibt ungelöst.
284 CAROLINA MICFTAELIS DE VASCONCELLOS,
bietet; mit Recht, da diese Formen noch im XVI. Jh. zu belegen
sind.i Mir schien es gerathen, angesichts der verderbten Lesart
alarram für alarrari (CV Z. 25) und der im Spanischen seit dem
XIV. Jh. litterarisch vorwiegenden, falls nicht alleingültigen Form
alacran'^, diese, mit dem PI. alacräes zu setzen, in Z. 11. 38. 52
aber Fehlen des Til anzunehmen, und alacrar (CB Z. 25) für alacral'^,
wie eine der port. Nebenformen lautet, als Variante zu verzeichnen.
Natürlich ohne damit die Existenz von alacrd zu leugnen.'*
In Z. g scheint mir alongue 7nuyt' agynha echter, wenn auch
nicht besser als alougu' e m. a.; desgleichen in Z. 20 /oda sazoti,
angesichts der Schreibart töda im CB. —
Meiner Auslegung gebe ich in einer Reihe von Fällen den
Vorzug. Z. 4 amicon für amizade ist mir nie vorgekommen und eine
höchst unwahrscheinliche Bildung, da keine andre f aufweist. Sämt-
liche altport. Ableitungen gehen auf die Vorform ajiu'z'tatc zurück:
amistar-se amisianga amisloso, in schlechter Orthographie für amiztar-
se amizlanga amiztoso.
In Z. 7 unterläfst es Lollis, die fehlende Silbe zu ergänzen,
es sei durch Wiederholung von muy oder durch Setzung von muyto.
Z. 10. Aus ca7}ipinha den Eigennamen herauszulesen ist ihm
nicht eingefallen. — Gegen este demo da campinha ist absolut nichts
einzuwenden. Die Wendung ist echt portugiesisch. Ein Adjektiv
in demoda zu suchen erlaubt este nicht.
Z. 19. 22. 24 und oft. Wozu der Accent auf / und a? Er
entspricht der Aussprache durchaus nicht.
Z. 24. Ponton hat mit pungäo «< piinctione nichts zu thun und
bedeutet keineswegs „Stich oder Griff mit den stachligen Fang-
scheren". Es ist vielmehr potione, mit eingefügtem Nasal wie im
span. pofigona, und bedeutet Gift von Nattern, Schlangen, Drachen,
Scorpionen, Spinnen und andern Tieren, im Gegensatz zu herba
herbula „Pflanzengift". ^ Man vergleiche im geistlichen Liederbuch
des Königs Gedicht No. 189. Darin lautet der Refrain:
Ben pode Sancta Maria
guarir de toda po^on
pois madi' e do que trillou
o basilisqu' e o dragon.
Und in der vierten Strophe heifst es ca 0 po(on saliotc d' ela d. i.
aus einem verwundeten Ungetüm {bescha), dem Drachen, von dem
die Ueberschrift erzählt: Esia e dun ome que ya a Santa Maria de
Salas et achou uti dragon na carreira et maio-o et el ficou gofo do
pogon et pois saou-o Santa Maria. In einem andern Liede (CM
1 S. Elegiada Canto XVI Str. 21 (ed. 1785 bietet alacrae).
2 Cf. Canc. de Baena No. 203, 7 Peor muerde que alacran und Celestina,
ed. Foulche-Delbosc p. 29.
3 S. Mendes Pinto, Peregriiiagoes c. 161.
* Die Grundform mit auslautendem b bietet das Morisko-Gedicht A. 275 :
alacrdbes y gusanos „Grabwürmer".
s Cf. Rev. Lus. I 298.
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. 285
225, 9) ist von Spinnen die Rede {aqtul po^on tan lixoso). Wie man
sieht, war das Wort doppelgeschlechtig, männlich vielleicht weil
das Volk darin ein Augmentativ eines vermeintlichen po^o erblickte.
Heute ist pogäo weiblich und benennt den Arzneitrank, Pigo'nha
aber — ursprünglich „Vergiftungsmittel" — ist Verbalsubstantiv
von pegonhar, span. pozojlar pofizomr <i poü'ottareA Vgl. altportug.
pogoeyito für pogoento im Josafat 42 und enpogdado CM 189, 3.
Z. 26. Es ist Ihi = „ihm" und nicht /h' y zu lesen, da kein
Rückweis auf pcgoti [fiella piiniura, wie Lollis annimmt) darin
stecken kann.
Z. 27. Die alte, eigentlich kastilische, doch auch in Gallizien
und Portugal übliche Form für „Gerüst", die später mit der Sache
nicht verloren ging, wohl aber auf „Theatergerüst" und „Schaffot"
übertragen ward, ist dreisilbiges tavlado, bzw. iablado tatilado. Die
üblichen Wendungen sind langar (seil, pedras) a tavlado (span. laiizar
ä iabtado), ferir tablado (Alex. 1799), britar 0 tavlado (vgl. CV 955)
(span. laiizar el tablado). Heute sagt man in Portugal mit Bezug
auf Spielhäuser tavolagem, tavoleiro, tavolado.
Z. 31. W'arum noite statt nouie, da der Diphthong ou sich in
beiden Liederbüchern findet?
Z. 31 und 33. O andar . . . e 0 roldar scheint mir nach wie
vor sinnentsprechender.
Z. 36. In der alten Sprache ist die Scheidung \ on ftii i. Sg.
und foi 3. Sg. noch nicht durchgeführt. In Z. 3g liefs auch Lollis
ruhig _/o2' für i.Sg. bestehen.
Z. 41 — 43. S. oben. Ich verstehe: Der Teufel [pccado, ohne
Artikel wie de?uo) wird mich nimmer wieder verleiten [ja 7uais me
pod' enganar), von Waffen zu reden {que rne faga ja falar en ar?nas),
denn mir ist das nicht gegeben [ca non m e dado). Ueberflüssig
ist es für mich darüber zu disputieren (Döado vi e de ar in razdar),
da ich mich ihrer nicht länger zu bedienen haben werde [pois las
7ion ei a pi'ovar). Statt falar läse man gern pegar.
Z. 45. Doado, neben enddado von doti, ursprünglich immer mit
nasaler Resonanz. Vgl. z. B. CV 131, 15. 237, 14. 570, 15. 1165, 21.
1187, 8 — wenn das Til auch bisweilen über dem a steht.
Z. 48. Sinlheiro senlheiro << singularius kommt in der Bedeu-
tung singelo „einfach" im Altport, nicht vor. Der Sinn ist hier,
wie stets, „einsam und allein"; später in abgeleitetem Sinne: „ab-
gesondert, sonderbar". CV 454, 2. 771, 1. 772, 7. 887, 2. 990, 3.
992, 11 [soa sinlheyra). 1002, 8. 1099, 6. 1169, 18.
VI. Kriegslieder.
Genetes. — No7i ven al mayo!
Unter Einbeziehung einiger andrer, mehr oder weniger groll-
getränkter Spöttereien auf Ereignisse der andalusischen Grenzkriege
^ Cf. gall. visonha neben visäo <C visione.
286 CAROLIXA MICHAELIS DE VASCOxVCELLOS,
aus der Zeit Alfons' X. hat mein Vorgänger ^ sowohl das kriege-
rische JMailied, welches an den mittelalterlichen Brauch anknüpft,
am I. Mai Heerschau über die für den Sommerfeldzug gegen den
Plrbfeind verfügbaren Truppen abzuhalten,- als auch die meiser-
hafte Schlachtschilderung förderlichst untersucht, in welcher der
auf seinem Berberrofs anstürmende Geriete und der furchtgelähmte
Coteife einander gegenüber gestellt sind. Und an seinem End-
ergebnis ist nicht zu rütteln. Die Cantiga, welche mit dem Prä-
ludium anhebt:
O genete,
pois remete
seu alfaraz corredor,
eslremece
e esmorece
o coteife con pavor —
sie betrifft einen Sieg der Mauren über die Christen zur Sommer-
zeit im Flufsgebiet des Guadalquivir.3 Und das temperamentvolle
Sirventes, dessen hübscher Kehrreim dieser Mitteilung zum Neben-
titel dient, ist keineswegs auf einen einzigen Verräter gemünzt,
sondern der Zornausbruch eines kastilisch-leonesischen Fürsten
gegen eine ganze Reihe lässiger, abtrünniger und selbstsüchtiger
Vasallen oder Verbündeter, die ihn im Kriege verlassen haben.*
Der besiegte Monarch des ersten Gedichtes wie der schmählich
im Stich gelassene des andern, der in wildgewordenem Humor
sein eignes Mifsgeschick verlacht, ist kein andrer als Alfons X.
— d. h. der Verfasser des Salve Rainha, womit die als Werk eines
Rey de Castella e de Leon bezeichnete Gedichtgruppe anhebt,
in welcher die beiden Lieder enthalten sind.
Wenn ich trotzdem darauf zurückkomme, so mag zur Ent-
schuldigung dienen, dafs es Cesare de LoUis weder geglückt ist,
die Ereignisse und die Zeit noch den Ort genauer herauszuschälen,
auf welche die Gedichte sich beziehen, noch auch sämtliche Einzel-
Anspielungen darin ausreichend zu erklären. Dunkelheiten über-
genug sind übrig geblieben, um immer von neuem zur Forschung,
teils im Liederbuch selbst, teils in den historischen Quellenschriften
1 Stud. Fil. Rom. IV 44 — 56.
2 Die Einberufung (0 chamamento, el llamaftiiento) geschah viel früher,
oft im Februar. Die Monate März und April dienten zur Vorbereitung.
3 Stud. Fil. Rom. IV 51: ... coi Alori combatte ripetutamente Alfonso X,
e ad una delle tante battaglie che accaddero pub riportarsi la descrhione
della ca7it:'j/[ ... il teatro delle guerre tra Alfonso X ed i Mori fu quasi
sempre il suolo d' Andalusia che il Guadalquivir attraversa per lungo tratto
del suo corso. — Näheres über den Kampfplatz folgt weiter unten. — Die
Möglichkeit, dafs es sich um Alfons VIII. und die Sclilacht von Alarcos
handeln könnte, war vorher (46 — 47) erörtert und mit stichhaltigen Gründen
zurückgewiesen worden. Auch die andre, Alfons IX. und der Sieg von Las
Navas sei im Spiel. — Von Alfons XI. ist nicht die Rede.
* ^f'^S'^ ^' ^^ principe cotitro la defezione dei suoi vassalli 0 dei suoi
alleati (49) . . . potrebbe alludere ai tradimenti e alle diserzioni di molti suoi
sudditi (51).
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT, LIEDERBUCH. 287
aufzureizen. Beim Vergleich der Lieder unter einander und durch
Studien der Prosawerke des 13. und 14. Jhs. fällt dann bald hier-
hin, bald dorthin ein Lichtstrahl und verhilft zu sachlicher Aus-
deutung von Formeln, Begriffen, Anspielungen. Als solchen Licht-
blick betrachte ich die Einsicht, dafs eine in mehreren der ein-
schlägigen Gedichte enthaltene Vocabel ein unauffälliger, von dem
ital. Gelehrten nicht beachteter Wegweiser zur Bestimmung der
Entstehungs-Gelegenheit und -Zeit ist. Ich meine das Wort Geiiete.
Auch ziehe ich noch andre Kriegslieder von Vasallen in Be-
tracht, natürlich nicht ohne zu versuchen, sie textkritisch herzu-
stellen, so arg verderbt auch einige darunter sind.
De Lollis hatte ausführlicher die vier Gedichte des Königs
behandelt (CV 69. 74. 77. 79 = I — IV); nebenbei zwei von Pero
Gomes Barroso (CV 1055. 1056 — VII— VIII); eines von Gil
Perez Conde (CB 1520 = XU); ganz flüchtig noch ein Stück
von Affonso Mendes de Besteiros (CB 1558 = IX). Ich füge
ein weiteres Liederpaar von Barroso hinzu (CV 1053 und 1054
= VI— VII), sowie etliche von Gil Perez (1516—18. 1522—24).
Als Anhang betrachte ich dann ein paar nur indirekt damit zu-
sammenhängende Kriegsgesänge von diesem sogenannten „Grafen"
wie auch von Besteiros (1525. 1526. 1530 — 32 und 1559). —
Das aller Wahrscheinlichkeit nach in dieselbe Zeit gehörige Lied
vom Seemann ward in der vorausgehenden Randglosse schon be-
sprochen.
A. Die Gedichte
26 — 29 von Alfons X., Roy de Castella e de Leon.
I.
(26.)
Don foan, quand' ogan(o) aqui chegou,
primeirament' e viu volta a guerra,
tan gran sabor ouve d' ir a sa terra
que logu' enton por adail filhou
5 seu cora9on; e el fex-lhi leixar
— po'-lo mais toste da guerra longar —
prez e esfor90, e passou a serra.
En esto fez com' [om]e de bon sen
en filhar adail que conhocia
10 que estes passos maos ben sabia,
e el guardo[u]-o logu' enton muy ben
d' eles e fez-li de destro leixar
lealdad' e de seestro lidar
[e levou - o a Portugal (?) sa via !]
15 O adail € muy gran sabedor
que o guiou por aquela carreira,
porque [o] fez desviär da fronteira
e en tal guerra leixar seu senhor.
28 8 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
E direi-vus al que Ihi fez leixar:
20 ben que podia fazer, por ficar,
fe'-lo poer alen a Talaveira. —
Muilo foy ledo, se Deus me perdon,
quando se viu d' aqueles passos fora
que vus ja dix', e diss' en essa ora:
25 „Par Deus, adail, muit' ei gran razon
de sempre vus mia fazenda leixar;
ca non me moverei d' äste logar;
e ja mais nunca cuidei passar Lora!
E ao demo vou acomendar
. 30 prez d' este mund(o) e armas e lidar,
ca ben 6 jogo de que omen chora." (CV 69.)
CV: I ffoäo. Diese dreisilbige Form für fulano, die häufig vorkommt,
ist an dieser Stelle unannehmbar, doch liegt kein Grund vor, sie statt in
zweisilbiges foan, in Joan oder gar in Joäo umzuwandeln. "Weiteres im CA.
Man möchte föan betonen. — 2 uolta e guerra — 4 logueio — 7 esforco —
8 fez — boo. Vor dem Subst. ist die apokopierte Form die gebräuchliche,
was uns zwingt, eine Silbe einzuschieben. Statt otn (wegen der Wiederholung
ausgefallen) könnte es auch o sein: fez o come de hon sen — 9 <?« —
13 seestro leixar lidar — 16 peni qla — 17 desguiar; ein mir unbekanntes
AVort, wogegen desviar oft vorkommt, z.B. CV 1803. — 18 send" — 19 uos
— 20 peda — 21 (? feze 0 — calaueyra — 27 moua deste legasfeia —
30 lidax — 31 ^a nö, was mir widersinnig vorkommt. Wer dem Kriegs-
handwerk Lebewohl sagt, kann nicht äufsern, dasselbe sei ein Spiel, das dei:^
Mensch nicht beweine.
Heuer in Z. i zeigt, dafs unser Gedicht, wie alles Gallizisch-
Portugiesische, bald nach dem Ereignis gedichtet worden ist.
Wenn nicht im Feldlager selbst, so im Winterquartier nach Be-
endigung der Carapagne. — Zu volta a guerra= „den Krieg er-
öffnet" vgl. man Espejo III 5, 17: la batalla es vuelta und siendo la
hatalla vuelta'. „sobald der Kampf sich entsponnen hat"; „sobald
man handgemein geworden war". — Adail (altspan. adalil, neuspan.
adalid) (4) war der offizielle, aus dem Arabischen übernommene
Name des Wegführers bei Einfällen in Feindesland. Er rangierte
gleich nach dem eigentlichen Heerführer oder cabdiello, wie man
aus den Gesetzen des Espejo ersieht (III 8, 3 — 6 u. q), und war
natürlich ein Leichtberittener.' — Die Serra (7) ist aller Wahr-
scheinlichkeit nach dieselbe, welche der Held des folgenden Stücks
überschritt. Möglich dafs es sich sogar um die gleiche Persön-
lichkeit handelt, die auch in No. VIII Zielscheibe des Spottes ist
und zufälligerweise den Namen . Joan führte.
In der fehlenden Zeile 14 vermute ich eine Ortsangabe, wie
am Schlüsse der übrigen drei Stanzen. Ist der verhöhnte Feigling
wirklich der, welchen Affonso Mendes de Besteiros auslacht, so
darf man Portugal einfügen. Das Reimwort tnufste in -ia enden.
Vgl. Herculano IV 246.
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. 289
Ir sa via ist eine im Liederbuch an die hundert Mal gebrauchte
Formel für „sich auf den Weg machen", „auf- und davongehen",
„ausreifsen".
Habe ich recht mit obiger Annahme, so dürfen wir an
Talaveira Ja Real bei Badajoz denken. — Mit calaveira (Hispanis-
mus für port. caveira „Totenkopf"?) weifs ich hier nichts anzufangen. ^
Und der Ort Calavei-a (Murcia) würde uns in ein von Granada,
dem Guadalquivir und der Campina allzu weit entferntes Gebiet
führen. — Carreira (16) ist im Liederbuch wie in den zeitgenössischen
Prosatexten das für „Landstrafse, Heerstrafse" gebrauchte Wort.
Lora del Rio (28) liegt nordwärts von Sevilla.
(27.) II.
O genete
pois remete
seu alfaraz conedor
estremece
5 e esmorece
o coteife con pavor.
Vi coteifes orpelados
cstar muy mal espantados,
e genetes trosquiados
IG corrian-nos arredor,
e . . . . mal aficados
perdian a [sa] color.
Vi coteifes de gran brio
eno meio do estio
15 estar tremendo sen frio
ant' OS mouros d' Azamor.
Enchia-se d' eles rio
qu'Auguadalquivir mayor.
Vi eu de coteifes azes
20 con azes
mais ca rapazes,
e ouveron tal pavor
que OS seus panos d' arrazes (?)
tornaron d' outra color.
25 Vi coteifes con arrainhos,
conhocedores de vinhos
e rapazes dos martinhos,
que non tragian . , . . or
sairon aos mesquinhos
30 .... todo o peor.
1 Als Hispanismus wäre es im Gallizischen nicht unerhört. Wir finden
color amena arena u. a. m.
Zeitschr. f. rom. Phil. XXV.
19
2gO CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
Vi coteifes e cochSes
con muy [mais] longos granhSes
que as barvas dos cabröes,
ao son do atambor
35 OS deitavan dos ar^Ses
ant' OS pees do seu senhor. (CV 74.)
Das bemerkenswerte Gedicht ist leider verstümmelt, besonders in den
Miltelstrophen ; rettungslos, wenn nicht das Studium von CB Aufklärung bringt.
— Braga hat im Raten das Mögliche gethan: doch wer möchte dafür einstehen,
dafs ihm all und jede Lösung geglückt ist? — Aus den Buchstaben Monaci's
weifs ich für Z. i8 — 20 und 26 — 28 nichts Befriedigendes herauszulesen. —
4 estre mete — 6 conpanor — 7 coteyses — \\ e qnhätios — 13 Vcoteiffos
degranho — 15 fo^ 16 dizamor — 17 — 18 chiasfe delies rro q augua
dilgiuir — 20 — 22 coes iguazes auis prores ea rrapazes eou cd rafä uerö —
23 da naizs — 25 coteiffos — 26 conhogeddis de vyos — 27 rrapazos —
28 rragiä seno sairo — 29 x ferzo tedo 0 peor — 31 cochees
Die ersten sechs Zeilen, so gewandt und hurtig sie auch,
volkstümlichen Ganges, einherschreiten und so klar ihr Sinn ist,
erregen dennoch verschiedene Bedenken. Sie weichen in ungewöhn-
licher Weise von den nachfolgenden ab, nicht was den Rhythmus,
wohl aber was Zahl und Anordnung der Zeilen und Reimbildung
betrifft. 1 Haben wir sie als selbständiges, fragmentarisch erhaltenes
Lied zu betrachten? 2 Als Anfangsstrophe? Dann würden ihr in-
folge schlechter Ueberlieferung zweimal sieben Silben am Ende
fehlen? Als blofses Präludium (Thema oder Motto) zu der nach-
folgenden Schilderung, mit deren Strophen sie sowohl den Gegen-
stand wie den Reim -or gemein hat? Oder, wie ich annehme,
als Kehrreim, der vorangestellt ward, wie immer in den Cantigas
de Maria"} Dann fehlt, wenigstens in der einen ital. Abschrift,
jede Andeutung der Wiederholung am Ende der Strophen.^
33733 7
Diese in sechs Reihen aabccb aufzulösen (und nicht in vier,
wie Braga merkwürdigerweise gethan hat), ist Pflicht,* da auf jene
1 Rhythmisch haben wir sie als eine Nachahmung provenz. Vorbilder zu
betrachten, wie ich anderwärts zeige (vgl. Handgl. III S. 158 Anm. 2 und
Cancioneiro da Ajuda). Doch auch im portug. Liederbuch ist sie kein Unicum.
Parallelstücke, wenn auch mit Abweichungen, sind: CB 244: Leotioreta fin
roseta — Bela sobre toda fror oder Senhor genta fni tormenta — Voss' ainor
de giiisa tat und CB 1555 : Lop' Anaya non se vaya — Ca senhor se s' ora
vay. Vgl. auch CM 300, wo Verse wie E onrada — Et amada — A fez
tanto que sen par — E pregada — E loada — Et serd quand' el durar
nur ein Teilstück der Strophen bilden. Aehnlich ist auch CB 470.
2 Monaci bezeichnet sie als No. 74, legt aber Vi coteifes die gleiche
Nummer bei.
*** * ** **
8 Das Schema wäre in diesem Falle: aaababCCBDDB (Septenarios).
^ CB 244 und 1555 sind wie lauter Siebensilbner geschrieben. Vgl.
Bartsch, Chrestom. Prov. 73. In CV 74 sind die Zeilen wie Prosa (oder
Musiktexte) gedruckt. — Auch Lollis (45 Anm. i) stellt die in Kurzzeilen zer-
legte Lesart natürlich als die allein annehmbare hin und verficht sie gegen
Braga, dessen Text sonst übrigens nur im Worte estremente fehlerhaft ist. —
Wie Lollis den ganzen Rest der Canzone liest und deutet, teilt er nicht mit.
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. 29 1
Weise zwar Binnenreime 1 gewonnen werden, aber kein Endreim
(a b e b).
Zu verstehen hat man: „Wenn der Genete sein feuriges Rofs
zum Angriff spornt, so erzittert und erbleicht der hasenherzige
Coteife".
Ueber Genete siehe weiter unten. — Ueber Coteife, in dem ich
vergebens neben vielem andern einen Stamm- oder Völkernamen
gesucht habe, ist Randglosse I und IV zu vergleichen.
Ob orpelados (7), als Hispanismus, im Sinne von horripilados
(mod. port. arrepiados) aufzufassen ist? Oder ob der Autor, wie
aus den Worten arfnhihos und pa7mos d' arrazes durchzublicken
scheint, die moralisch als villoes gezeichneten und mit dem herab-
würdigenden Schmähtitel cochdes bedachten Coteifes als luxuös aus-
gestattete Weich- oder Lüstlinge (atiripellatos) charakterisieren will?
Bei panos d' arrazes an flandrische Wirkereien aus Ar ras im mo-
dernen Sinne zu denken, geht freilich kaum an. Dafs der König
ihnen gelegentlich seinen Pelzmantel bestimmte, wissen wir bereits.
Jedenfalls sind sie hier Berittene, und nicht Fufssoldaten, wie in
andern alfonsinischen Gedichten.'-
Lollis liest mit Braga (statt corriam): e getietes trosquiados co-
briam-nos a redor und denkt an Schaaren niedergemetzelter und
altem Brauch gemäfs im Tode geschorener Christen.3 Damit wird,
meiner Ansicht nach, das ganze Schlachtbild gefälscht. Abgesehen
davon dafs es durch nichts erwiesen und an und für sich höchst
unwahrscheinlich ist, dafs man am Leichnam massenweise im
Kampfe Gefallener die meinethalben abergläubische, aber fromme
Prozedur vornahm, die zur Einsargung der ruhig in ihrem Bette
Verschiedenen gehörte,^ sind die genetes trosquiados nicht tote und
besiegte Christen, sondern lebendige und siegreich das Feld be-
hauptende Berber, die den Feind umzingelten. Kurzgeschoren im
Gegensatz zu den langhaarigen und langbärtigen coteifes, deren
granhdes uns schon bekannt sind.^
^ Binnenreim haben wir z. B. in CB 468b.
2 Um dem Mangel an Kriegspferden, über den er zu klagen hatte, ab-
zuhelfen, sprach Alfons X. alle Gutsbesitzer der Provinz Estremadura sowie
die von ihnen abhängigen Müller, Gärtner und Bauern von der Abgabe der
martiniega und fonsadera frei, falls sie Pferd und Waffen hielten: e por
esto que fuese tenudo d^ ir servir a la frontera cada que el Rey le llamase
stn le dar el Rey otra cosa nitig'una por los tres Tneses del servicio {Cron.
Alf. c. 12 und Fuero Real IV 19, 3). — Wie diese Gattung Berittener aus
der Westprovinz benannt wurde, habe ich nicht ausfindig machen können,
noch auch, welcher Art ihre Bewaffnung war.
ä Oder denkt er an Mauren? Darüber bin ich mir nicht klar. Vgl.
Studj /\6, Anm. i. Sie lautet: morti. — Si usava trosquiar (tosar) i morti.
* Dem Sterbenden, ehe er die letzte Wegzehrung erhält (oder, wenn das
nicht angeht, dem schon Gestorbenen) Haupthaar und Bart zu stutzen, ist
noch heute frommer Brauch. — Und die Textstelle, welche im Elucidario
angeführt wird, bedeutet kaum etwas Anderes. — Eine entehrende Strafe für
Verrat scheint das Scheeren Lebender zeitweise gewesen zu sein, doch wohl
nur in Begleitung der Ahndimg an Leib und Leben (Herculano IV 328).
^ Alfons X. zeichnet freilich nicht nur die andalusischen Mauren als
19*
292 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
Sind es diese, die, unsicher im Sattel sitzend {?}ial aficados),
die Farbe wechseln, so darf man in Z. Q ein Schmähwort vermuten.
(Nicht granhäos oder granhdcs, denn wir brauchen ein zweisilbiges
Wort.) Aber das ist eben die Frage. Weiter unten sind es ihre
Kleider oder Satteldecken [parios), die von Blut, Schweifs oder
Schmutz einen neuen unschönen Farbenüberzug erhalten.
Der Zeile ig fehlt der Reim, wenn man de granhon stehen
läfst.i — Ein Flufs, der durch Blut und Leichen angewachsener
ist als der Guadalquivir, kann nicht dieser selbst sein. — Die
volksetymologische Umformung von Guad- zu -Auguaiif) ist so be-
kannt, dafs ich keine Belegstellen anführe, um die Echtheit der
Lesart zu begründen.
(28.) III.
O que foi passar a serra
e non quis servir a terra
e ora entra na guerra
^•que faroneja?
5 Pols el agora tan muito erra
jmaldito seja!
O que levou os dinheiros
e non troux' os cavaleiros,
^e por non ir nos primeiros
IG que faroneja?
Pols (que) veo con os postumeiros
imaldito seja!
O que filhou gran soldada
e nunca fez cavalgada
15 ih por non ir a GrSada
que faroneja?
Se e ricome(n) ou a mesnada
jmaldito seja!
O que meteu na taleiga
20 pouc' aver e muita meiga
ii^ por non entrar na Veiga
que faroneja?
Pois chus mol e que manteiga,
imaldito seja! (CV 77.)
1 ffuir — 3 <?« tranta — 90 — \0 fareneia — II pois q ueo cd
nos — 12 mal dico — 15 graada — 16 faraneia — 17 amesuada — 19 wa
ta leiga — 20 muyto — 23 ehus nio le q mantey qa
Unter dem Gebirge, das der Ausreifser überschreitet, werden
wir in einem Gedichte, das die Veiga nennt, die Montanas de Gra-
mouros barvudcs. Er benutzt dieselbe Bezeichnung mit Bezug auf die 1275
frisch aus Afrika herübergekommenen Heerschaaren des Abu-Yu9uf.
^ Aus der Abbreviatur W'o konnte leicht hö entstehen.
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. 293
nada zu verstehen haben. — Servir a terra bedeutet: für vom
König gewährten Länderbesitz Kriegsdienste leisten. S. u. VI 6. —
Braga und Lollis schreiben sntrauta. Ein Zeitwort entrautar ist mir
unbekannt. Für e7itrant' a guerra, wie ich früher schrieb, habe ich
keine Belege finden können. — Ueber faronejar (von faron farol)
im Sinne von „fackeln" und „wittern" vgl. Fragvmitos Elymologicos
No. XL. Es liegt kein Grund vor, die viermal wiederholte Form
mit r durch das unbekannte /aw«.?;'^;' (von favoniol) zu ersetzen. —
Dem säumigen und feigen Vasallen, der mit seinen Rittern zu spät
eintrifft und es auch dann so einzurichten versteht, dafs er an
keinem Ritt in Feindesland teilnimmt, wirft der König Fackelei
und Flunkerei vor.
Cavalgada (14) als ein Teil der hueste bedeutet corrediira en
tierra de los eriemigos, rohando-la e ialando-la. Vgl. Espejo III 71.
Aver (oder ter) mesnada (17) oder ser mestiadero bedeutet „zur
königl. Haus- oder Leibgarde gehören". Vgl. Espejo de todos los
derechos III 13, 6: 7nesnaderos soft dichos por es las razones: la una
porqtie son vasallos del rey e recihen su bienfecJio senaladamiente e viveti
con el en su casa mas que otros cavalleros del regno; la oira porqtie
deven guardar su ciierpo del rey de dia y de noche.
Ueber taleiga (19) im alten Sinne von „Proviant, ]Mundvorrat"
vgl. las cosas que trazen para governarse a ellos e a sus bestias
{Espejo III 8, 5 u. 8). — Meiga (= maglca) hier wohl im Sinne von
artimanha = „Flunkerei, Listelei"?
Von der Textgestaltung, wie ich sie vor Jahren in der Rev.
Lus. 111 164 versucht habe, entfernt sich diese in Einzelheiten. Ich
habe versucht, der Lebendigkeit des Dichtenden gerecht zu werden.
(29.) IV.
Quen da guerra levöu cavaleiros
e a sa terra foy guardar dinheiros
non ven al mayo!
Quen da guerra se foy con maldade
5 [e] a sa terra foi comprar erdade
non ven al mayo!
O que da guerra se foy con nemiga,
pero non veo quand' e preitesia,
non ven al mayo!
10 O que tragia o pano de linho,
pero non veo polo sam-martinho,
non ven al mayo!
O que tragia o pendon .... i^o
e vende de seu o vi^o
15 non ven al mayo!
O que tragia o pendon sen oito
e a sa genta non dava pan coito
non ven al mayo!
294 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
O que tragia o pendon sen sete
20 e cinta ancha e muy gran topete
non ven al niayo!
O que tragia o pendon sen tenda,
per quant' agora sei de sa fazenda,
non ven al niayo!
25 O que se foy comendo (dos) marlinhos
e a sa terra fcy bever dos vinhos
non ven al mayo!
O que con medo fugiu da frontcira,
pero tragia pendon sen caldeira,
30 non ven al mayo!
O que roubou (?) os mouros malditos
e a sa terra foy roubar cabritos
non ven al mayo!
O que da guerra se foy con espanto
35 e a sa terra ar foy armar manto
non ven al mayo!
O que da guerra se foy con gran medo,
contra sa terra espargendo vedo,
non ven al mayo!
40 O que tragia pendon de cadar^o,
macar non veo en mes de mar^o,
non ven al mayo!
O que da guerra foy por recaudo,
macar en Burgos fez pintar escudo,
45 non ven al mayo! (CV 79.)
Siehe CB p. 57, wo das Gedicht von Strophe 7 au zu lesen ist. Ver-
gleicht man beide Texte, so scheint es, als ob die in Monaci's Besitz über-
gegangene Handschrift nicht eben viel zur Klärung beitragen würde. Fast alle
Fehlschreibungen finden sich auch dort. Vielleicht läfst sich wenigstens Str. 5
herstellen? — Was ich, von der Orthographie abgesehen, geändert habe, ist
folgendes: "L.Y de — 3 neu al meyo — /\ de — 5 compar — -j de — tiemi
ga — 8 ueo — II uelo — 13 aus anqo e ue dede sen pedra ouigo wage ich
nichts zu machen — 23 desfa — 24 cd medo — 26 los uyös — 26 maldcos —
35 mäco — 40 gadarco — 41 tuacar — xieo — marco
In Z. I. 4. 7 empfiehlt sich da guerra statt de guerra, um so
mehr da wir es in Str. 12. 13. 15 wiederfinden. Im dritten Di-
stichon ersetzt Braga nemiga „Unfriede, Zwist" durch nemigo, und
e preitesia durch d preito sigo, wohl weil er an dem unvollkommnen
Reim Anstofs nahm. Und Lollis schliefst sich ihm an.i Ebenso
Menendez y Pelayo.2 Preitesia, käst, pleitesia = „Vereinbarung, an-
beraumter Zeitpunkt" ist jedoch ein gutes altes vielgebrauchtes Wort,-*
^ Er knüpft au nemigo eine Interpretation, die natürlich hinfällig ist.
Vgl. Studj 48 und 52.
^ Antologia III 39.
3 Vgl. CV 466, 7; P. M. H. Script. 264. — Cron. Alf. X: p. 34a tro-
jiese pleitesia; 44'^. dl firm ö su pleitesia; 59^^ comenz6-le con ttiuchas plei-
te sias; Espejo III 5, 17 otra pleytesia non puede aver senon vencer.
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. 295
genau wie nemiga;^ und Assonanz gerade in Gedichten mit volks-
mäfsigen Zweizeilern ist durchaus nichts Unerhörtes.^
Str. 5. Vielleicht en quigol Ich kenne das Wort nur im Sinne
von Thürangel [dobradiga) aus CB 427. Doch liefse es sich denken,
dafs es auch einen Stützpunkt (im Gürtel? oder am Sattel?) d. h.
einen oigonzo für den pendon bezeichnet habe, in dem ein Wenden
und Drehen der Fahne möglich war. Für die zweite Zeile würde
ausgezeichnet da sua taleiga 0 vigo passen. Doch erlaubt der Buch-
stabe solche Konjektur nicht. San Pedro'i für Juni oder Sommerernte?
Str. 6. Pendon sen oito und in der folgenden Strophe pejidon sen
sete heifst, denke ich; ohne jene acht oder sieben Ritter, die der
Ricome je nach der Höhe des algo, das er empfing, zu stellen
verpflichtet war. Wenigstens wird häufig berichtet, wie im Kriege
dieser oder jener mit einem pendon con siete Caballeros ausge-
schickt ward. 3
Str. 7. Auch in CV 75 spottet König Alfons über die breiten
Gürtel -Schärpen der Mode -Gecken: einlas strgadas muy anchas.
Str. g. Bei den in allen Cantigas häufigen Wiederholungen
gleichartiger Formeln wäre con inedo nicht zu verwundern. Dann
aber bleibt man im Unklaren über die Marlinhos. Im Hinblick
auf CV 74, wo der Reim vinhos : ?nartifthos wiederkehrt, und ohne
Zweifel an INIartinsgänse (bzw. Enten) und Most zu denken ist,
scheint mir comendo und martinhos vorzuziehen.*
Str. 12. Besonders lange und weite spanische Rad-Mäntel
scheinen eine Neuerung gewesen zu sein; und zwar schlug man
schon damals, wie heute, den einen Zipfel über die Schulter, eine
Bewegung, die den König realistisch an den Ochsen gemahnt, der
mit dem Schwanz vornüber nach Fliegen schlägt (CV 75 co!n as
pontas dos manios transtornados — en qiie semelhan bois das aferradas
— quattdo as moscas os veen coitarf).
Str. 13. Vedo, worin man ein Verbalsubst. von vedar „verbieten"
(also „Verbot") wittern könnte, pafst nicht recht in den Text.
Sachlich wäre „Verrat" besser zu brauchen, doch ist tredo (= ira-
hitus, in aktivem Sinne) bis jetzt nicht nachgewiesen. Eine allzu
einschneidende Veränderung aber wäre es, con gran cedo = „in
grofser Frühe" und als Reim dazu espargendo medo anzusetzen.
Str. 15. Recaudo erklärt der gelehrte Italiener durch per paura
(Studj 49 n. 3). — IMit Rücksicht auf die Verwendung von rccabdo,
recabdar, recabdador in den Chroniken und in den Gesetzbüchern
denke ich an Eintreiben von Proviant und Geldern.^ Freilich ist
1 CV1046, 7; Espejo II 3, i.
2 CV 376. 878. 879. 884. 885. 886. 887. 889 etc.
3 Cron. Alf. c. 56.
* Gänse und Enten bilden heute nicht mehr den Maitinsbraten. Auch das
Sprichwort weifs nur vom frisch geschlachteten Schwein: Cada porco tem seii
S. Älartinho und vom jungen Moste: Dia de S. Alartinho prova 0 teu vinho.
— Was denlien sich die Verteidiger von murtinhos unter diesem Worte.'' —
Mortadella ist eine Wurstsorte.
5 Cron. p. 9. 52; Espejo II 14, 3; 13, l; 16, 5; III 2, i.
296 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
die durch den Reim gesicherte Form mit betontem u schwer er-
klärlich. Begreiflicher wäre ein analogisches Part. perf. recahudo.
Recabido soll vorkommen; port. recahedo ist orthograph. Variante für
recabdo, und also recäbedo zu betonen. Ob man an willkürliche
Accentverschiebung oder an Reim fürs Auge denken darf? Beides
kommt vor, ob auch höchst selten.'
Wie ich das Gedicht zu deuten versuche, ergiebt sich aus
dem Fortgang dieses Artikels.
Auf den in No. III verwünschten Rico-ovie, der gefackelt hat
und erst dann voll Kriegslust und mit grofsem Pomp und kom-
pleter Ausrüstung im Lager eintrifft, als die Friedensschalmei ertönt,
sind drei Gedichte des Pero Gomes Barroso gemünzt. Da ich
die Biographie dieses Troubadours schon geschrieben habe,2 sei
nur kurz verzeichnet, dafs der portug. Edelmann noch in den
Tagen Sancho's II. nach Kastilien übersiedelte, bei der Einnahme
von Sevilla nicht nur mitkämpfte, sondern sich auszeichnete, sich
in Toledo vermählte und zu den Vertrauenspersonen des Königs
gehörte.3 Es ist daher wahrscheinlich, dafs er am Kampf gegen
die Ginetcs, wie überhaupt an allen Feldzügen Alfons' X., teil-
genommen hat. Noch vor 1284 war einer seiner Enkel Gebieter
von Xodar und Burgherr von Alcala de Benc^aide, por el rey
D. AlfonsoA
(30.) V.
Sei (eu) un ricome, — se Deus mi perdon! —
que traj' alferez e trage pendon,
e con tod' est' — assi mi venha ben! —
non pod' el rey saber per nulha ren
5 quando se vay, nen sabe quando ven.
El trage tenda e trage manjar
e sa cozinha u faz seu jantar,
e con tod' esto, — se mi venha ben! —
non pod' el rey saber per nulha ren
10 quando se vay, nen sabe quando ven.
Trage repost' e trage escan^an
e trage 9aquiteiro que Ihi da pan,
e con tod' esto — se mi venha ben ! —
non pod' el rei saber per nulha sen
15 quando se vay, nen sabe quando ven. (CV 1053.)
3 can — \ no — 6 E trage — 7 coziä — 9 nulo a ren — 11 scangä
— 12 caqi teyro. Ob man e gaquiteiro trax ändern darf?
' Weiter unten finden wir z. B. Campos und Badalhoce gereimt.
2 Canc. da Ajuda Bd. II, Teil III, Biogr. XXI.
3 Cr an. c. 51.
* P. M. H,: Script. 213 und 305.
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. 297
(31.) VI.
Un ricome que og' eu sei
que ua gueira non foy aqui,
ven muy sanliud(o) e diz assi
como vus agora direi:
5 diz que ten terra quäl pediu
mais porque a nunca serviu,
ä muy gran querela del rey.
El veo, sc Deus mi perdon,
des que [el] viu que era paz
10 jben Ihi venha se ben [o] faz!
pero mostra el tal razon :
diz que ten terra quäl pediu,
mais porque a nunca serviu,
contr' el rey anda muy felon. —
15 Pero na guerra non fez ben
nen mal — que non quis i vlir,
con coita d' el rey non servir
pero mostra el ua ren:
diz que ten terra quäl pediu,
20 mais porque a nunca serviu,
al rey quer muy gran mal per en.
Sanhudo ven contra el rey ja,
ca u foy mester non chegou;
e mais de mil vezes jurou
25 que da terra non sairä,
Diz que ten terra quäl pediu,
mais porque nunca a serviu,
al rey quer muy gran mal por en. (CV 1054.)
5 pcdin — 6 feruyii — 8 ueo — 12 pedi'n — 15 5 fez ben — 16 uijr
— 11 CO — 18 huä — 24 iiiron — 25 trra — 26 tirä
Zu servir a terra vgl. oben III, 2 und CM 234:
D. Rodrigo,
que tiinn' aquela terra
ca ricome era del Rey,
et que con seus cavaleiros
11' a auia de seruir.
Im übrigen bedarf das ironische Liedchen keiner Erklärung. Der
Vasall heuchelt Zorn gegen den König — weil er selber pflicht-
vergessen gegen den Treueid gefrevelt hat und eigentlich den
Strafen verfallen wäre, mit denen der Espejo und das Fiiero Real
den Verräter bedrohen, der sich nicht zur hueste oder cavalgada
pünktlich einfindet.
298 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
(32.) VII.
Chegou aqiii don foäo
e veo muy ben guisado,
pero non veo no mayo.
Por non chegar endöado,
5 demos-lhi nos üa maya
das que fezemos no mayo!
Per bSa f^, ben guisado
chegou aqui don foao,
pero non veo no mayo.
10 Mais por non chegar en vao,
demos-lhi nos üa maya
das que fezemos no mayo!
Porque veo ben guisado
con tenda e con reposte,
15 pero non veo no mayo,
nen veo a pindecoste,
demos-lhi nos Ga maya
das que fezemos no mayo!
Püis traz reposte e tenda
20 en que se tenha [a] vi^o,
pero non veo no mayo
[nen veo fazer servi^o,
demos Ihi nos üa maya]
das que fezemos no mayo. (CV 1055.)
I foam — hier aber brauchen wir die dreisilbige Form — 2 eueo —
3 ueo ao — 4 e?idoado — 5 nos — 6 malyo — 7 hoTi — 8 foä — 9 tieo —
10 tiao — 13 ueo — grisado — 15 7teo eno — 16 ueo — 17 huä — 19 tras
r. o tenda — 20 tenhauigo — 21 ueo — 22—23 fehlen in der Vorlage.
Dafs Barr OSO dem König sekundiert und sich unmittelbar an
Lied No. I anlehnt, kann Niemand verkennen. Doch wählte er
eine neue Liedform. Mit einer Tanzweise wurde der Spätling im
Feldlager bewillkommnet. Ob sie sich im Takte der traditionellen,
um den Maibaum gesungenen Verse bewegt? Und worin sonst
mag die Alaya der alfonsinischen Fechter bestanden haben? 1
Wenn es sich übrigens nicht um einen nur einmal realisierten,
sondern um einen alljährlich wiederholten Akt handelt, sollte man
im Refrain faZ€?nos statt fezemos erwarten. — Das übliche Wort
für Pfingsten war damals cinqiicsma {Optisc. Leg. II 41) und ist
heute Espirito Santo.
^ Mit Maibräuchen und Mailiedern beschäftige ich mich in Randglosse
XXVIII.
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. 299
(33-) VIII.
Meu senhor, direi-vus ora
pela carreira de Mora
— u vos ja pousastes fora
e con vosco os de Touro —
5 [em]pero que alguen cbora,
tragu' eu o our' e o mouro!
Pero non vus custou nada
mia ida nen mia tornada,
grad' a Deus, con mia espada
10 e con meu cavalo louro
ben da vila de Gräada
tragu' eu o cur' e o mouro!
Meu senhor jque vus semelha
de que xe vosc' aparelha
15 e vus anda na orelha,
rogindo come abesouro?
[De] Roy Gomes de Telha
tragu' eu o our' e o mouro ! (CV 1056.)
^ ea ^0 — 9 gradades — II graada — 13 Men — \\ do qxeiio fcani
■pelha — 18 traio oure 0 mouro.
Ob König Alfons der Angeredete ist, ob der auf eigne Faust
unternommene Ritt nach Granada, von dem der Sprecher Gold
und Gefangene heimbrachte, in dieselbe Zeit fällt, wie die übrigen
Stücke, und was es mit Möra und Touro auf sich hat,i vermag
ich nicht mit Sicherheit anzugeben. Ebenso wenig, an welche den
König maikäferartig um die Ohren surrenden Gerüchte zu denken
ist.2 — Roy Gomes de Telha ist ein Portugiese, dessen Tochter
dem Enkel Alfonso's, König Denis von Portugal, seinen Lieblings-
sohn D. Aftbnso Sanches geschenkt hat. Doch das kann erst zwischen
1280 und 1290 geschehen sein.^
Wie Gomes Barroso in die Spöttereien des Königs über den
aus kluger Berechnung zu spät eingetroffenen Rico-Jwmem und
Mesttadero einstimmte, so ein andrer portugiesischer Edelmann —
der gleichfalls an den Feldzügen Ferdinands und seines Sohnes
teilnahm — in die Lachsalven über den Hasenfufs, der. Reifsaus
nehmend, über die Gebirgspässe hinfort und weiter, in nordöst-
licher Richtung bis nach Portugal galoppierte. — Nach den INIit-
teilungen des Affonso Men des de Besteiros* überwältigte ihn
dieselbe jähe Panik, in welche der Anblick der Genetes die Schlacht-
1 Es giebt ein Mora zwischen Toledo und Orgaz.
2 Os besouros säo agoureiros. — Leite de Vasconcellos § 274.
3 P. M. H. Script. Tit. 31, 10; 36 und 57. Brandäo in Mon. Lus. XVII
c. 2 verficht eine andre Meinung.
"* S. über ihn Canc. da Ajuda Biogr. LV.
300 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
reihen der Coteifes versetzte. Sein realistisches Spottlied, in dem
er in den gleichen Kerb haut wie König Alfons, zeichnet sich wie
No. II durch grofse Lebendigkeit aus, gerade als hätte der unge-
stüme Anprall der Wüstensöhne auch sein Blut in Wallung ge-
bracht.
(34.) IX.
Don foäo que eu sei
que ä pre9o de livao,
vedes que fez ena guerra
— d' aquesto söo certSo:
5 sol que [el] viu os genetes,
come boi que fer tavSo
sacudiu-s'e revolveu-se,
al^ou rab' e foi sa via
a Portugal.
10 Don foao que eu sei
que a pre90 de ligeiro,
vedes que fez ena guerra,
— d' aquesto son verdadeiro:
sol que viu os genetes,
15 cöme bezerro tenreiro
sacudiu-s' e revolveu-se,
al^ou rab' e foi sa via
a Portugal.
Don foäo que eu sei
20 que ä prez de liveldade,
vedes que fez ena guerra
— sabede-o por verdade:
sol que viu os genetes,
come cao que sal da grade
25 sacudiu-s'e revolveu-se,
al9ou rab' e foi sa via
a Portugal. (CB 1558.)
I foao — 2 preco — 3 gueira — 4 soo certano — 8 AI cou —
II preco — 12 gueira — 15 bezeiro tenireyro — 16 Cacoudusfi — 21 na-
gueira — 24 tä
Der Einfall, den flüchtigen Edelmann nicht nur mit drei An-
gehörigen des Tierreichs zu vergleichen, die nicht vornehmster
Gattung sind — Ochs, Kalb und Hund — , sondern ihn selbst wie
ihresgleichen zu schildern; die dreifache Beteurung seines unzweifel-
haften Leichtsinns; die Geringschätzung, die aus jedem Worte
Worte spricht; die Richtung nach Portugal — alles zusammen ver-
anlafst mich, an einen Portugiesen zu denken, der thatsächlich an
andalusischen Unternehmungen teilgenommen hat.^ Als Unter-
1 Script. 284.
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. 3OI
Scheidungszeichen führte er einen Tiernamen, der überall auf
etwas ungeschlachten Uebermut gedeutet wird. In der Heimat —
vor 1245 — hatte er sich eines unritterUchen, ihn infamierenden
Aktes schuldig gemacht, um dessentwillen er aufser Landes ging.
Ueberdies war er mit einem Dichter von Kriegsliedern verwandt.
Es ist der in den Adelsbüchern verzeichnete* D. Joäo Pires de
Vasconcellos.2 Sein Zuname Tenreiro = Viiellius dürfte sogar
in die Mittelstrophe unauffällig hineingeheimnist sein. — Dafs er
der Vater des Troubadours Rodrigu' Eannes de Vasconcellos
ist, verdient erwähnt zu werden.
Auch Gil Perez Conde, der dritte Troubadour, der sich an
des Königs Feldzug, als Ritter wie als Dichter, beteiligte, war ein
Portugiese: Schwager des Troubadours Joäo Soares Coelho, auf
dessen htterarische Beziehungen zu Alfons X. ich schon mehrfach
Bezug genommen habe, und Schwager des übel beleumundeten
Joäo Pires de Vasconcellos, von dem soeben die Rede war; ver-
wandt auch mit Rodrigo Gomes de Telha, dem von Pero Gomes
Barroso im Granada -Liede erwähnten Landsmannes
In einer seiner Spöttereien — denn er war ein überaus lustiger
und dabei saubrer Spötter — fällt der Ausspruch:
* Canc. da Aj'uda Biogr. LV Anm. 12.
2 P. M. H.: Script, '^ij. — Zur Blutrache gezwungen, wegen des an
einem Verwandten verübten Totschlags, forderte er den Feind zum Zweikampf,
und zwar in seinem eignen Namen und angeblich im Namen eines Vetters [seu
segtindo coirmäo Ayras Eannes de Freitas), der ihn thatsächlich begleitete.
Als sich hernach herausstellte, dafs die Forderung nur in seinem Namen er-
gangen war, verklagten die Brüder des an seiner Ehre Gefährdeten ihn beim
König. Bei keinem der Termine, welche Sancho II. anberaumte, erschien JoSo
Pires und ward deshalb in contuvtaciam verurteilt, so ungern der Herrscher
sich auch dazu entschlofs.
2 Ueber das Verwandtschaftsverhältnis klärt die folgende Uebersicht auf:
Soeir Veegas Coelho
Joäo Soares Coelho Jlnes Soares Coelho j Maria Soares Coelho
\ Gil Perez Feyiöo jjoäo Pires de Vasconcellos
Martini Gil j Maria Gil Teresa Gil | | Per' Eannes Rodrigu' Eannes
1 Ruy Pay Per' Eannes j IdeVascon- de Vascon-
Ide Valla- de Vascon- | j cellos cellos
I dares cellos I / Teresa Gil Trovador
(Pay Rodrigues
|Aldon9a Rodrigues de Telha.
Von Teresa Gil heist es, sie sei fnolher de inao prego gewesen. Das Ver-
hältnis zu ihrem leiblichen Vetter konnte natürlich kirchlich nicht gesegnet
werden. — Pay Rodrigues beging irgend eine Missethat: e foy morto por
j'ustifa. — Der Name Martin Gil kommt unter Urkunden Allbns' X. und
Sancho's IV, oftmals vor — ohne dafs es bei seiner Häufigkeit möglich wäre,
Näheres festzustellen.
302 CAROLINA MICHAELIS DE VASCOXCELLOS,
porque falei de Portugal
onde mi sSo natural.^
In einer andern,^ die ihn deutlichst als viesjiadero del rey charakte-
risiert,3 bezieht er sich auf Zeiten zurück — vor 1252, d. h. vor
der Krönung des Kastilianers — wo er noch nicht dessen Vasall
war. Im Jahre 1269 wählte Alfons X. ihn unter die 33 Ritters-
leute, denen er den Alcazar von Baeza anvertraute und zur Be-
siedlung die Tierras de Xarafe nebst der Torre de Gil de OlUe
anwies, unter der üblichen Verpflichtung mit Pferd und Waffen
stets zur Verteidigung des Gebietes bereit zu sein. 4 Ebendort, in
der ansehnlichen Stellung eines Ju7-ado por el Rey finden wir ihn
dann noch 1273.'» Die Klagen über Undank und Vergefslichkeit
des Königs fielen daher vermutlich vor 126g: in die dem anda-
lusischen Aufstand und dem Vertrag von Alcala de Ben-Zaide
(1265) folgende Waffenruhe.
Dies alles unter der Voraussetzung, dafs der einzige Gil Perez,
den ich in den Tagen Alfons' X. ausfindig gemacht habe,^ und der
einzige, der in den alten Adelsbüchern vorkommt," unter einander
und mit dem einzigen identisch sind, dem wir im Liederbuch be-
gegnen, hier aber mit Anhängung des Necknamens CofideJ^
Von den nachfolgenden Kriegsgedichten scheint das erste und
zweite während des Krieges, das dritte zwischen zwei Feldzügen,
die übrigen aber nach dem Kriege verfafst zu sein. Subjektive
Aeufserungen sind XI und XV; XIX und XXI sind auf Andre ge-
münzt und im Namen Andrer gesprochen, wie das Seemannslied.
i CB 1526.
2 CB 1532.
2 Mit Bezug auf die beträclitliche Zahl portug. Adliger, die sich im
Bürgerkriege von 1245 — 48 als Anhänger des entthronten Sancho nach Kasti-
lien begeben hatten, giebt es mehrere päpstliche Bullen, in denen Innocenz III.
die Heimatlosen dem Wohlwollen und der Fürsorge Alfons' X. empfiehlt.
Mo?t. Lus. XV c. 17 (a. 1254). — Wie Gil Perez dürften daher auch D. Vasco
Gil und Pero Gomes Barroso zur Leibgarde des Königs gehört haben.
* Argote, Nobl. And. II c. 9.
* Ib. c. 14.
^ Ib. c. 9. 10. 12. 14. — Die Antolinez de Baeza sollen von ihm ab-
stammen. Die Unterschrift eines Don Domingos Perez, el Cuende tragen
Urkunden aus der Zeit Alfons' X. und seines Sohnes (vom J. 1269 und 1295;
Opiisc. Leg. II 201 und 202).
■' P. M. H. : Script. 161 und 319 wird er flüchtigst genannt, um seiner
Allianz und Nachkommen willen und, wie gewöhnlich, nicht ohne allerhand
Schreiber -Malefizien an seinem Namen.
® So nachgestellt kann Conde nur ein Uebername sein. — Ein wirklicher
Graf jenes Namens müfste bekannter sein. — ■ Die Heraldiker bezeichnen ihren
Gil Perez mit der Alcunha Feyiöo (= phaseolus, mod. port. feijäo), die sehr
wohl Erbgut von seinem Vater her sein könnte. Ich vermute nämlich in ihm
den Sohn eines Pero Gil, der mit dem Zusatz Feyoo auftritt (in einzelnen Ab-
schriften des Livro Velho verderbt zu Feyo, Feijo, Feijoo und Freixo). —
Vielleicht steckt er im Königsliede CB 460, wo der Name Pero Gil und
feijoo in ein und derselben Zeile vorkommen, ob auch in mir unklarem Zu-
sammenhange.
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH, 303
(35.) X.
Pois conta el rey en todas sas fronteiras
qaie nen en vilas nen en carrciras
que non cömian galinhas na guerra,
— ■ ca diz que dizen as veedeiras
5 que serä perdimento da terra,
Aconsel[har] vus-[ei] eu, cavaleiros:
mandan comer[vus] vacas e carneiros,
mais non cömian galinhas na guerra;
ca diz que dizen os aguireiros
10 que serä perdimento da terra.
Cömian porcos frescos e toucinhos,
cabritos, cacha^' e ansatinhos,
mais non cömian galinhas na guerra,
ca diz que dizen os [ajdevinhos
15 qvie serä perdimento da terra. (Cß 1518.)
2 caireyas — 3 cliomä (für comha) — 3. 8 u. 13 giieira — 5 teira —
6 Acögelho — 7 Mädä — 10 tira — II ro}icitih9 — 12 Cubrico — aus-
sar'io — 14 deuynhos — 15 tirä
Die Anspielungen auf etwaige Verordnungen über das ja?itar
der verschiedenen Stände in Kriegszeiten, sowie auf den Aber-
glauben, die Henne übertrage Feigheit auf den Esser,i und mög-
licherweise noch auf andre astrologische Usancen, gehören zu dem
umfangreichen Fonds von Einzelnheiten, die ich nicht zu erläutern
vermag.
(35-) XI.
Quite-mi-a mi meu senhor
e de-m' un bon fiador
por mia soldada;
e irei eu, se el for;
5 na cavalgada;
De-mi-o, que por el perdi!
e un bon penhor aqui
por mia soldada;
e irei eu, se el for,
20 na cavalgada!
Sospeita-m' el, e el eu;
mais entregue-m' un Juden
^ Um gallinha ist ein Hasenherz; desgleichen um galliiiha-choca.
Ueber einige auf die Henne bezügliche volkstümliche Sitten s. Leite de
Yasconcellos, TraJigöes § 286. — Ueber die Foros, welche zur Zahlung von
Hennen verpflichteten, s. Eine. 11"].
304 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
por mia soldada;
e sc el for, irei eu
15 na cavalgada!
E se non . . . ficar-m' ei eu
na mia pousada. (CB 1522.)
3 promha
Ein Gegenstück zu den Klagen des Königs gegen die Rkos-
omes, wie wir solches in der Chronik in den Repliken der aus-
ständischen Grofsen auf die Vorwürfe des Königs besitzen. —
Unzulängliche und säumige Zahlung der dineros bildete natürlich
einen Hauptpunkt ihrer Unzufriedenheit. — Ueber Mangel an Geld
klagt Alfonsi — den man beschuldigte, gegen Fremde allzu ver-
schwenderisch zu sein 2 — in einem seiner Marienlieder, mit direkter
Beziehung auf die andalusischen Unternehmungen:
onde foi liüa vegada
qua sacara mui grand' oste,
et OS qua o seu guardavan
non II' acorreron tan toste,
nen er achaua dynneiros
muitos en a sa reposte
per que manteer podesse
muito a guerra aos mouros . . .
mais depois ben a un ano
fez oste sobre Graada. (CM 348.)
Von jüdischen Finanzbeamten — recahdadores de las renias del
j-ey — wird in der Chronik oft gesprochen. ^
(36.) XII.
Quen nunca sal da pousada
pera ir en cavalgada
e quitan come mesnada
del rey ou da don Fernando,
5 ay Deus ^aquesta soldada
se Ih' a dan por aguilhando?
Quen non ten aqui cavalo,
nen alhur, nen quer comprä'-lo,
e quitan come vassallo
10 del rey ou de don Fernando,
ay Deus, pois mandan quitä'-Io
<;se Ih' a' dan por aguilhando?
Quen nunca troux' escudeiro
nen comprou armas d' armeiro,
^ Cron. cap. 72.
^ Ib. cap. 24.
3 Z. B. cap. 71 von D. Zag de la Malea.
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. 305
15 quitau come cavaleiro
del rey ou de don Fernando,
ay deus, <;tanto bon dinheiro,
se Ih' o dan por aguilhando? (CB 1520.)
3 Eqiiytain — 10 e dö — II tna da — 1 8 aguylando
Sicher vor 1275, dem Todesjahr des Thronfolgers D, Fer-
nando De-La-Cerda, gedichtet; doch kaum vor 1268, seinem Hoch-
zeitsjahr, da der 1256 Geborene damals das 14. Lebensjahr noch
nicht erreicht hatte. Vielleicht auf einen der ■^■^ Herdados de
Baeza, der seiner Verpflichtung nicht nachkam.
(37.) XIII.
Non troux' estes cavaleiros aqui
este ricome mmca na guerra
que ora trage. Son d' outra terra,
ca ja [en eles] eu mentes meti.
5 Nen seus nomes, non os conhosco,
ca Ihis dissera: „bon dia vosco",
mais nenhun [d' eles] eu non conhoci.
Nen estas armas, eu nunca Ih' as vi
trager na guerra, [nen] estes sinaes
10 que ora trage; nen trouxe taes
nosco na guerra quand' el rey foy i,
nen outras. Porque as ar faria?
e non quae'-las ante tragia?
E ja sobr' esto con muitos departi.
15 Nen el enton non parecia assi
na guerra cordo como parece,
ca nen cavalgada nen sandece
nunca fezeron en que el non foss' i.
E as lazeiras por que passava,
20 andand[o] alö, tan pouco dava
por elas come se nunca foss' i.
Nen custa, nimca a receava,
nen perda, nen med' alä u andava.
Nunca de tal ome falar oi! (CB 1516.)
2 nä gneira — 3 teira — 5 uuines — 9 destes — IG caes — II uosco
— 13 Seno qua elal — il und 16 gueira — como — 17 caualcada ne e7t
sandige — 1 8 fasse — 21 fosse
Ironie auf einen, dessen Wappenschild man im Kriege nirgends
glänzen sah, während er es im Frieden zur Schau trägt, mutig
thut und Geld verschwendet, nachdem er zuvor über Not und
Mangel gejammert hat. — B071 dia vosco war eine der Grufsformeln
jener Zeit; s, CM 235.
Zeitschr. f. rom. Phil. XXV.
20
3o6 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
(38.) XIV.
Tantas niinguas achaii a don foan
que ja Ih' as nunca cobrar poderan,
pero que Ihi de todas, cartas dan!
Ca Ihi viron ena guerra perder
5 armas, cavalos. Verdad' e, de pran,
que ja esto nunca el pod' aver.
Mais com(o) ou quen e o que poderd
cobrd'-las minguas que Ih' achan que ä,
preguntad', e quenquer vo'-lo dirä
10 como perdeu na guerra que passou,
corp' e amigos. Verdad' e que ja
non pod' aver el; assi se parou.
As sas minguas maas son de pagar;
mais quen Ih' as poderia ja cobrar?
15 non vo'-las quere mais longi contar
se non da guerra como perdeu i
senhor, parentes. Verdad' e que dar
non Ihi poden estes, nen ssi nen ssi. (CB 1517.)
4 gueira — 6 ia el esto — 10 nagueira — 15 ^^ niays — 16 gueira
— 18 esta — Ist diese Lesart richtig, so mufs man in der vorangehenden
Zeile senhor parenta lesen.
Auf Einen, der unmäfsigen Schadenersatz für im Kriege er-
littene Verluste beanspruchte. — Ob es carlas de mingiia gegeben
hat? — Die Gesetze über die erechas finden sich im Espejo III
7, II und 12.
(39-) XV.
Os vossos meus maravedis, senhor,
que eu non öuvi — que servi melhor
ou tan ben come outr' a que os dan —
<:ei OS d' aver enquant' eu vivo for?
5 ou ä mia mort? ou quando mi-os daran?
A vossa mia soldada, senhor rei,
que eu servi e servi(o) e servirei
com' outro quenquer a que a dan ben,
^ei a d' aver enquant' a viver ei
10 ou a mia mort'P ou que nii faran en?
Os vossos meus dinheiros, senhor, non
pud' eil aver, pero servidos son,
come outros que os an de servir,
^•ei os d' aver mentr' eu viver'? ou pon
15 mi-os a mia mort'? ou a que os von pedir?
Ca passou temp' e trastempados son;
ouve azedia (?), e quero-m' ^n partir. (CB 1524.)
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. 307
I O OS — ?«z7. Die Varianten in Str. 2 und 3 zeigen, dafs wir ?neus
zu lesen liaben. — 7 serue, doch lautet die archaische Form durchgängig
servio (servho) — 15 qiic = guen, wie in Z. 3 und 8. ^ — • 16 Otme auedia —
vielleicht arrelia}
Im Geiste von No. XL — Trastempado für „verjährt" ver-
zeichnet S. Rosa de Viterbo.
(40.) XVI.
Mentr' esta giierra foy, assi
m' aveo que sempre guari
per p6 de cavalo; mais oy-
mais non sei que seja de mi
5 se non guarir' per p6 de boy!
Quantos perigo(o)s i passei,
per pe de caval' escapei
que non prix i cajon ; mais oy-
mais non sei eu que mi farei
IG se non guarir' per p6 de boy!
Per valer mais e por aver
conselh' oüvi de guarecer
per pe de cavalo; mais oy-
mais non sei que mi [ei] a fazer
15 se non guarir' per pe de boy!
Lavrar, Iaz(e)rar, viver, e oy-
mais guarir [ei] per pe de boy ! (CB 1523.)
I gueira — ■ 3 — 4 ■per perde caualo Mays oy — 16 ^ uyuer oy inays
Scherz des nach geleistetem Kriegsdienst mit Ackerland —
statt mit Gold — belohnten Ritters, der nun Fortune machen
wird, nicht hoch zu Rofs, sondern dank dem ochsenbespannten
Pfluge.
Anhang.
Affonso Mendes de Besteiros.
(41.) XVII.
Ja Ihi nunca pediran
o castel' a don foan,
ca non tiinha el de pan . . .
se non quanto queria!
5 E foy o vender, de pran, . . .
con minguas que avia.
Por que Ih' ides culpa p3er
[por el fiuza] non teer?
ca non tiinha que comer . . .
20*
308 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
lo se non quanto queria!
E foy o enton vender . . .
con minguas que avia!
Travan-lhi muy sen razon
a ome de tal corafon.
15 En fronteira de Leon
diz con que o terria?
E foy o vender enton . . .
con minguas que avia!
Dizen que Ih' a el mais val
20 esto que diz, ca non ä al.
En cabo de Portugal
diz con que o terria?
E vendeo - [o] enton mal . . .
con minguas que avia. (CB 1559.)
3 tunha — 7 — 8 foer culpa no teer — I4 coracon — \(> co aque na
teiria — 19 Dire — 12. co quo teiria
Es ist zweifelhaft, ob es in unsern Liederkreis gehört und
überhaupt an den Hof Alfons' X., der bekanntlich um Algarve's
willen vor 1253 mit Portugal in einem Streit lag, bei welchem
auch die erst später geregelten portugiesich-leonesischen Grenz-
fragen aufgerollt wurden? 1 Oder handelt es sich um eines der im
Bruderkampf Alfons' III. gegen Sancho IL von Verrätern verkauften
Schlösser? Oder etwa um die Grenzfestung Alva, die im J. 1236
vom portug. Gouverneur einem kastilischen Infanten D. Alfonso über-
antwortet wurde, in welchem Herculano^ den Herrn von Molina,
d. h. den Bruder, und nicht den Sohn Ferdinand's, vermutet?
Ueber die g7-a7i mengna que oviera de viandas, senaladamie7ite
de pan beklagten sich alle Auslieferer; so z, B. Vasco Perez de
Meyra, als er 1333 Gibraltar nicht zu halten vermochte.^ — Con
minguas que havia auch CV 1003.
Gil Perez Conde.
(42.) XVIII.
Non 6 amor en cas del rei,
ca o non pod' om' i achar
aa cea nen ao jantar.
A estas oras o busquei
5 nas pousadas dos privados;
preguntei a seus prelados
por amor — e non-no achei!
» Mon. Lus. XV I4.
2 Herc. II 347. — Cf. Mon. Lus. XIV c. 16.
3 Cron. Alf. X c. 107 und 113.
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. 309
Teen que o non sab' el rei
que amor aqui non chegou,
10 que tant' ogano del levou
e non vco; nen o busquei
nas tendas dos infan^öes
e enas das cria^oes
e dizen todos: non[-no] sei!
15 Perdud' e (o) amor con el rei
porque nunca en oste ven,
pero [que] xe d' el algo ten.
Direi-vus eu u o busquei:
anU' estes freires tenipreiros,
20 ca ja OS espitaleiros
por amor non preguntarei. (CB 1525.)
I de Rey — 3 cea — 8 Teen — II ueno — 13^ '''^-^ '^9 '■^^ criagoes
— 19 Ante st es
Vgl. CV 455. — Unter los de criazon versteht man gemein-
hin die niederen Bedienstelen des Königshauses. S. Espcjo 1 13, 9
und 15, 12.
(43.) XIX.
Quen me podia defender
se non Deus d' un pelejador?
porque me faz departidor
e diz-mi ao que ei dizer:
5 „dizedes neicidade".
Tod' esto Ih' ei eu a sofrer.
Ay Deus! del me guardade
aqui ena pousada!
E tan louco que tal med' ei
10 que me sacarä de meu sen
e que verremos a mais en.
Ante [eu] me Ihi calarei,
ca se mal contecesse
— de que me lli' eu ben guardarei —
15 que Ih' (eu) esto non sofresse
dar-m-ia gi'an punhada.
Quand' ora diz que me ferrä
porque falei em Portugal
onde mi sSo natural,
20 se me por esto ferirä,
oge foss' eu ferido
porque perdesse medo ja
e fosse d' el partido
toda esta andada!
3IO CAROLINA MICHAELIS Du VASCONCELLOS,
25 Morto sera quen m' ajudar',
ca el de tal cora^on e,
quer de cavalo, quer de p6,
ca se querrä migo matar.
E eu Ihi fogiria,
30 mais ei raedo de m' acaljar.
E calfado seria:
trag' a besta canssada!
Se melhor quiser emparar
mia fazenda, terria
35 per i peyor parada.
Se o mal' eu, se me matar',
de quäl [xe] quer seria
de Ventura minguada! (CB 1526.)
5 neciidade — 7 Eay — 9 7ni dey — 1 1 veiremo — 17 feim —
19 Oudemison nafal — 23 ^ — 27 ^ — q — 28 qira — 29 ^ ia eu —
30 fnacalcar — 31 Eacalcars/em ia — 34 teiria — 36 matou — 38 nügnada
Ob im Ernst oder im Scherz, aus der im Gedicht künd-
gegebenen wahren oder erheuchelten Furcht vor einem Raufbold,
der durch seine groben Reden und Drohungen, den Dichter zu
Thätlichkeiten hinzureifsen und Unmhen im Lager zu stiften
trachtet, scheint mir Rücksicht auf gewisse Kriegsgesetze des Espejo
zu sprechen. In diesem Falle hätte poiisada die Bedeutung „Feld-
lager" {Espejo I 102; III 6, 6. 7). Und unter dem departidor könnte
man sich den mit der Teilung von Beute beauftragten Caudillo
denken. Sonst dürfte es auch „Schwätzer" bedeuten. INIan denke
an den von Alfons X. mit einem Hieb bedachten Friedensstörer:
0 que da guerra foy con tiemiga.^
(44-) XX.
Un ome sei eu de muy bon logar
que filha setnpr(e) u anda e aqui
alg' a quen quer e non perde per i ;
ant' anda muy mais vi9oso por en
5 pero Ih' o nos non teemos por ben
\os que 0 sabemos de hon logar\
Eu vus direi d' el de que logar 6:
de muy melhor logar que infan9on
uen ca ricome, se muy poucos non ;
IG [mais] travan-lhi por algo que filhou
a seus amigos. A todos pesou
OS que sabemos de que logar e.
^ III 8, 4: Que pena deve aver qui desonrase 0 firiese 0 matase a otro
en hueste 0 en cavalgada.
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. 3 I I
De melhor logar non pode seer
ome do mundo se non for [el] rei
15 de todo'-los logares que Ih'eu sei.
Por cn dizen que nunca mais valrrd
ome que filha sempr' e que non da
[_de melhor logar non pode seer"].
Ante cuido que sempre decera
20 d' onra e de bondade [e] d' aver. (CB 1531.)
2 aqni — 3 pode — II ea — 1 6 ualira — 20 Doutra
Wer mag der ungrofsmütige Fürst sein, der zwar nimmt, aber
nicht giebt? Offenbar ein Königssohn. Vielleicht Fernando De-
La-Corda vor 1275? Sancho IV.? oder einer der Brüder Alfons' X.?
(45.) XXI.
Ben sabedes, senhor rei,
des que fuy vosso vassalo
que sempre vus aguardei,
quer a pee, quer de cavalo,
5 sen Voss' aver e sen dSa.
Mais atanto vus errei:
Non foy vosc(o) en ora boa!
E en tena de Campou'
vus servi e en Olmedo.
10 Assi fiz en Badalhou'
e outrossi en Toledo
quaud' i filhastes coroa.
Mais atanto me mengou:
Non fuy vosc(o) en ora b3a!
15 Festes muy ben aguardado
de min sempre u (vos) andastes
e nunca foy escusado,
nen vos nunca me escusastes
de servir per mia pessSa.
20 Mais atanto foy errado:
Non fuy vusco en ora böa! (CB 1532.)
3 HOS agaiardey — \ Q — q — 5 nossau^ — dona — 6 erey — 7 hoa
— 8 cäpou — 9 Vos — oliucdo — 10 ebadalhou — 12 coroä — 13 megou
— 14 und 21 boä — 19 pesoä — 20 May ecanto foy eirado
Das vus der sechsten Zeile ist natürlich ethischer Dativ. —
Welcher besondern Verdienste sich dieser Mesnadero der guarda del
rey rühmen konnte, die er in den genannten Städten geleistet hat,
das wissen die Götter. — Olmedo statt Olivedo {m statt m) verlangt
das Versmafs. Kurios ist der unreine, die Worte willkürlich ver-
drehende Reim Campoti und Badalhou (das übrigens in den alten
Texten immer Badalloce geschrieben wird).
312 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
Ist die blofse Lektüre dieser Gedichte schon lehrreich, so
trägt zur Klärung des ersten Sirventes
Non ven al Mayo
die Zusammenstellung einiger Prosastellen aus den Königschroniken
noch wesentliches bei. Ihr Gegenstand sind Ricoso?}ies, die sich von
ihrem Herrscher aus mehr oder weniger schwer wiegenden Gründen
oder Vorwänden abwandten, ihre dmeros — maravedis — soldadas
entgegennahmen, aber statt damit pflichtgemäfs für Pferde, Waffen
und Proviant \ypendon y calderd) zu sorgen und mit der gebührenden
Zahl von Rittern und Mannen pünktlich am vereinbarten Tag ins
Feld zu rücken, es sei zur Verteigigung oder zum Angriff, entweder
fein ruhig zu Hanse blieben, ihre Güter verwaltend und neue dazu
kaufend, oder schlecht gerüstet, mit wenig Reisigen am verein-
barten Orte eintrafen; oder aber vor Beendigung des Feldzuges, es
sei nach Ablauf der drei Pflichtmonate, oder noch früher, unter er-
fundenen Beschwerden in ihre Herdade zurückkehrten, wenn sie nicht
auf eigne Faust selbstherrlich einen Ritt in Feindes Land unter-
nahmen, Ländereien und Beute zu erwerben. Natürlich gehört
Säumigkeit und momentaner Abfall treuloser, eigensüchtiger oder
wirklich geschädigter und klageberechtigter Vasallen und Verbün-
deter nicht zu den Ereignissen, die nur Alfons X. zustiefsen. Die
ganze hispanische Geschichte, so lange die Staatenbildung unab-
geschlossen war und der Kampf gegen den Moslem dauerte, ist
reich an Bürgerkrieg, Empörung, Vaterlandswechsel [desnaturacöes),
Pakt bald der Könige, bald seiner Vasallen, mit den Mauren. Von
diesem Standpunkt aus konnten nicht allein Vorfahren des Ge-
lehrten, wie Alfons VIIL (auf den C. de Lollis Bezug nimmt) und
Alfons IX., sondern ganz besonders seine Nachfolger wie Sancho IV.,
Ferdinand IV. und Alfons XI. Klage führen, gleich der, welche
Jener in Versen zu äufsern für gut befand, gemischt mit Hohn
und Spott über Feiglinge, Geldgierige, Pflichtvergessene, oder an
friedlichem Wohlleben mehr Gefallen als am Kriegsdienst findende
Höflinge, — Besonders aus der Regierungszeit Alfons' XI. sind
vom Chronisten Fälle gebucht worden, welche indirekt unsere Ge-
dichtgruppe beleuchten.
1. Bei der Unternehmung gegen Gibraltar äufsert dieser König
einmal:
, . . que si los otros ricos omes del regno quisieren ir con el que ploguiera
a el mucho dende, et que assaz feciera el mucho por ello, dando les sus
dineros con que podieran venir ... et que pues non venieron.i
2. Et el Rey estando en este lugar de la Faente Ovejuna venieron
mandaderos de D. Gonzalo de Aguilar sobre Hbramiento de algunos dineros
que menguaban ä D. Gonzalo de la tierra que tenia del Rey; et Fernan
Gonzalez, hermano deste D. Gonzalo vivia en casa del Rey, ca se criara en
la SU merced. Et este Fernan Gonzalez dixo al Rey que toviese por bien
1 Cron. Alf. XI, c. CXIII p. 247b.
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. 313
de sesegar ä D. Gonzalo en el su servicio, ca el sabia por cierto que
D. Gonzalo traia fablas con el Rey de Granada para lo servir, et deservir
al Rey de Castiella.i
3. Vom Alcalden der Veste Gibraltar, Vasco Perez de Meyra
heifst es:
. . . avia tomado los dineros que el Rey le posiera pära retenencia et baste-
cimiento del logar* et com pro dellos heredades; et tenia el castiello des-
bastecido.
4. Oder mit Bezug auf D. Juan Alfonso de Haro, den da-
maligen Herrn von Cameros:
. . . le avia fecho tan grand yerro en tomar los sus dineros e non gelos ir a
servir, et roharle Id tierra . . . Quando el Rey fue a tomar a Olvera et
otrosi quando a Teba et quando fue a Gibraltar, aquel D. Juan Alfonso
tomö los libramientos et los dineros del Rey para le ir servir et non fue
alla.s
5. Ein gewissenhafterer Vasall, D. Pero Fernandez de Castro,
kommt, statt mit 100, mit nur 20 Berittenen {ptnes de bestias) aus
Gallizien und erklärt, er könne aus so weiter Ferne nicht pünkt-
lich all seine Mannen stellen, um so weniger als er auch die ent-
sprechenden Gelder nicht erhalten (bzw. nicht angenommen) habe:
. . . quanto mas que el non avia tomado dineros ningunos del libramiento
que el Rey le feciera ... et que si el esperara a los traer (== los de Galicia)
consigo desde que elles ovieran rescebidos los dineros quel Rey le daba de
libramiento, que fuera tan tardiosa la su venida que non compliera al su
servicio del Rey.*
So könnte man Dutzende von Aufzeichnungen zusammentragen,
in denen tojnar dvieios — poner dineros — comprar heredades —
rohar la tierra — dar libramiento — qtiitar — quitar debdas —
dar qnito wieder und immer w-ieder kehren, dazu auch fazer salva
por Jion ir d la frontera,^ sowie Berufung auf die grau mingiia,^^ an
der Fulano und Sicrajio litt, wenn es sich um Auslieferung oder
Verkauf von seiner Obhut anvertrauten Burgen und Städten an den
Feind handelt — Stellen, deren typische Redewendungen unwill-
kürlich an die spöttischen Ausrufe Alfons' X. erinnern:
Quen da guerra levou cavaleiros
e a sa terra foi guardar dinheiros
non ven al mayo!
Quen da guerra foi con maldade
e a sa terra foi comprar erdade
non ven al mayo.
1 Cron. Alf. XI, c. CXIII.
2 Ib. c. V p. 239 hogar; cf. p. 248.
3 Ib. p. 263 a.
* Ib. p. 246.
5 Z. B. p. 260.
• Ib. p. 239.
314 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
Andrerseits aber machen sie auch Varnhagens Gedanken wenig-
stens begreiflich, die Kriegslieder im vatikanischen Liederbuch be-
zögen sich auf die Campagnen Alfons' XL; und der als Verfasser
genannte Rey de Casiella e de Leon sei kein andrer als eben der
Sieger von Tarifa. 1
Gehen wir zu Alfons X. zurück, so mufs mit Bedauern zu-
nächst festgestellt werden, dafs die Berichterstattung über die von
ihm unternommenen Kriege eine wenig eingehende ist.2 Es gab
darin eben kein Las Navas und kein Tarifa. Nur ein kleines Alarcos.
Alle vier Expeditionen gegen die Mauren — eine in jedem De-
zennium — verliefen ohne bedeutende Gebietserweiterung: 3 die
Erwerbung von Niebla und Xerez, die Eroberung von Algarve, der
Zug nach Tunis in den 50er Jahren war von Wert; weniger in
den 6oern der Einfall in die Ebene von Granada und Unterdrückung
des andalusischen Aufstandes; in den yoern die Verteidigung gegen
Abu-Ju(;uf während seiner Abwesenheit; in den 8oern noch einmal
ein Zug in die Veiga und Pakt mit dem Mauren gegen seinen
Sohn und seine Vasallen.
Gerade über den Abfall der Granden, welche durch die an
alten Vorrechten rüttelnde neue Gesetzgebung und durch des
Königs Beziehungen zum Ausland erbittert waren, finden sich hin-
gegen in der späten und ganz unzulänghchen Chronik Aussagen
die Menge. Die Sucht der Ricosojues , für möglichst geringe
Leistungen mit möglichst viel dineros^ und herdades belohnt zu
werden, ist einer der Grundtöne der Fehden, die der König von
1270 bis 1274, während der Vorbereitung zu seiner Fahrt um die
Kaiserkrone mit seinem Bruder Philipp und den rebellischen, dem
König von Granada anhängenden Granden diplomatisch auszu-
fechten hatte. ^
E pues que el Infante e los ricos omes ovieron cobrado estos dineros
quel Rey les mundo dar, partieron les a sus vasallos 6 ayuntaron las mas
gentes que pudieron aver de caballeros; e con aquellos dineros guisaronse
de armas e de caballos e andaban por la tierra rauchos dellos e tomaron
viandas en muchos lugares que las non devian tomar, muy desmesurada-
raiente e facian muy grand daiio en la tierra. E luego enviaron sus man-
' Novas Paginas p. 378. — Cancioneirrnho 15g — 161. — Provards 17.
2 Die Cronica de Al/onso X ward, wie die der Nachfolger, dem Anschein
nach, erst zwischen 1327 und 1350 vom Geheimkanzler Alfons' XI., Fernan
Sanchez de Tovar, ausgeführt.
3 In den Annalen und Chroniken heifst es von ihm nur: e despues que
fue rey gaiio el reyno de Niebla e Xerez e otros castiellos muchos en la
frontera {Esp. Sagr. XXIII 379).
* Dineros nannte man die Summen, welche der Monarch von den für
diesen Zweck von den Unterthanen erhobenen servicios an seine Vasallen ab-
zuliefern hatte. — Vgl. Cron. Alf. c. 21; Cro7i. Fernando IV c. 20; CV 503
dinheiros Que Ik' 0 demo leva nos cavaleiros.
^ Das altportug. Adelsbuch berichtet, es hätten sich damals 17 Ricos-
homes dem mächtigen D. Nuno Gon9alves de Lara angeschlossen. — P. M. H.:
Script. 263.
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH, 315
daderos al rey de Granada e al ley Abu Yuzaf de Marruecos e otrosi en-
viaron cartas al rey de Portugal para le mover que ficiese guerra a Castilla.^
In allen Botschaften, die an den Infanten, an die Laras,
Haros, Castros, Cameros u.a.m. gesendet werden, um sie zum
Gehorsam zu bewegen und von ihrem Unrecht zu überzeugen,
klingt es als Kehrreim wieder:
E bien sabedes que sus vasallos erades e sus dineros aviedes tomado
para le ir servir, do el mandase . . . e non lo fecistes.
E ademas, faciendo vos el Rey estas mercedes e estas honras, e dan-
dovos los dineros de las sus rentas e seyendo su vasallo e tomando vos
del otra cuantia grande de dineros de las suas rentas para le ir servir do
el mandase, e enviandovos decir que avia menester vuestro servicio en la
guerra de los moros, e que fuesedes estar con el infante don Fernando su
fijo, non lo quesistes facer.-
Seyendo vasallo del Rey e teniendo del dineros posistes plcito e
postura con el rey de Granada.^
E ademas vos sabedes que el Rey, estando en Murcia vos enviö
decir de comrno los moros facian guerra e que pues aviades tomado sus
dineros, que vos mandaba e rogaba que fuesedes estar en aquella guerra
con el infante don Fernando su fijo e vos non lo quesistes facer . . . mas
vos os desaforades que levades los caballos e las armas que comprastes de
los sus dineros que vos el diö con que le sirviesedes e vos ides deservir
le con ello.''
Das Motiv wiederholte sich, als das Zerwürfnis mit seinem
Sohne ihm mehr als die Hälfte seiner Grofsen entfremdete. Aber
es hat sich ohne Zweifel schon viel früher geltend gemacht.' Schon
1254 sagte sich z. B. der Herr von Biscaya, der Sohn des Cabe(^a-
Brava, von Alfons los und schlofs sich an den Aragonesen an.^
Und um 1255 — es sei nach der Eroberung von Xerez, oder
in dem wenig bekannten Zwist mit Alfons III. von Portugal betrefls
der algarvischen Eroberungen — fand einer der Hofdichter An-
lafs, tadelnde Worte über die faulen und feigen Nichtsthuer, die
Schmeichler und Bittsteller zu äufsern, die gute Bissen am eignen
Herd der Heldenaufgabe vorziehen, Burgen, Städte und Reiche
zu erobern:
Reis N'Anfos, ja 'Is crois marritz
non crezatz
ni 'Is feignenz alegoratz
quar amon dins lor maizos
1 Crou. Alf. X cap.XXI (17b).
2 Cap. 29. An D. Felipe.
3 Cap. 30. An D. Nuno.
* Cap. 31. An D. Lope Diaz. — Und so fort, besonders noch in cap. 36
und 52.
* S. u. Randglosse IX.
3l6 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
mais bos vis e bos morseus
qu' ab afan penre casteus
ciutatz ni reings, ni faire faitz prezans
tan lor es cars legors e pretz soans.^
Und sie sollten nicht besonders berechtigt gewesen sein, als
es, nach den Gesetzesreformen der 50 Jahre, unter den Vasallen
dumpf grollte und gährte? als die mehrjährige Unterdrückung des
andalusischen Aufstandes ihre Treue und Anhänglichkeit auf die
Probe stellte?
Wie die Ammenlieder, die Balteira- und Kreuzzugs -Lieder
{Randglosse VII), die Joan-Fernandes- Spöttereien, fallen, meines
Erachtens, sämtliche Kriegslieder in ein und denselben gedrängten
Zeitraum, der die Dauer eines Krieges umfafst, ob auch nach Ab-
schlufs desselben bei Hofe das Vorgefallene naturgemäfs noch ein-
mal rekapituliert, von Neuem belacht, bespöttelt und an den Pranger
gestellt wurde.
In mehreren der mitgeteilten Reimereien ist von Granada
die Rede, Verschiedne Male hören wir von einem Feigling, der
sich aus der Veiga hinter die Berge gerettet hat. Auch wird des
öftern an die fronteira erinnert. Eines der Gedichte mufs, wie
wir sahen, unbedingt vor 1274 abgefafst worden sein. Wir werden
also auf die Ereignisse von 1261 — 65 hingewiesen. Dazu pafst
die Verlegung der Schlachtschilderung in das Stromgebiet des
Guadalquivir. Desgleichen die früher behandelte einschlägige La-
mentation des in der Camp in a durch Skorpione gepeinigten un-
kriegerischen Seefahrers und Handelsmannes. Vor allem aber die
Erwähnung der Genetes, sowohl in der Schlachtschilderung des
zweiten Liedes als in der von Besteiros mit so viel Humor skiz-
zierten Fluchtscene. Am Feldzug von 1275 — 76 nahm Alfons per-
sönlich nicht teil. Ebenso wenig am nächsten der Sommer 1277
und 78. 1280 standen nur des Emirs Söhne den Christen gegen-
über. Als Abu-Yuguf aber zum vierten und fünften Mal über
Meer kam (1282 — 83 und 1285), trat er nicht als Feind auf,
sondern als Bundesgenosse des Königs selber, der ihn herbei-
gerufen hatte, gegen Sohn und Reich.2
Bei derartig positiven Beweisen kann ich die psychologische
Motivierung, nach 1275 habe der enttäuschte Monarchs keinen
1 Bonifacio Calvo: En loc de verjans floritz. — Milä 200. — Mario
Pelaez No. XV.
2 Ueber den ersten Einfall s. Schirrmacher I 577; über den zweiten
5^7 — 99; über den dritten 604; über den vierten und fünften 623 — 29.
ä Der ihm abgedrungene Verzicht auf die Kaiserkrone und den Titel
Rey dos Romäos; die Niederlage des tapfren D. Nuno Gon9alves de Lara
bei Ecija; die des aragonesischen Infanten und Erzbischofs D. Sancho bei
Torre del Campo; die Siege des Abu-Yu9uf unter Vernichtung von 18000
Christen; der Tod des Thronfolgers Ferdinand; die Strafe, die er mediante justüia
an seinem leiblichen ehrgeizigen Bruder D. Fadrique und an D. Ximen Rodri-
guez de los Cameros verhängen raufste, wir wissen nicht warum; die Partei-
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH, 317
Drang mehr verspürt, Weltliches zu dichten, als überflüssige Wieder-
holung unterdrücken.!
Ich komme zu den Genetes,
Die gesamten Grenzlande von Cadix und Xerez bis Murcia,
insonderheit die Städte Arcos, Medina-Sidonia, Lebrija, Niebla,
Lorca, Algeciras, Sanlucar, Rota, INIurcia, empörten sich gegen die
Vorherrschaft der Christen, den 1245 auf 20 Jahre beschworenen
Frieden brechend. Der König von Granada Ibn-El-Ahmar, der
bedeutendste der tributpflichtigen maurischen Bundesfreunde Al-
fons' X., auf dessen Hülfe gerechnet wurde, schürte im Geheimen
den Aufruhr. Ueber den Verlauf desselben gehen die Historiker
rasch hinfort.2 Nach verheerenden Einfällen in die Vega mit Schar-
mützeln und einem Haupttreffen, endete er, dank der Unterstützung
dreier Walis, mit der Rückeroberung aller abtrünnigen Gebiete
und einem neuen Friedensvertrag zwischen Kastilien und Granada.
Immerhin verzeichnen die christlichen wie arabischen Quellen die
Thatsache, welche der Hauptaktion ein eigenartiges Gepräge ver-
leiht, ihr und dem Vertrag den Namen gab und für unsre Be-
urteilung der Kriegsgedichte von besonderer Wichtigkeit ist. Der
Emir von Marocco Abu-Yuyuf schickte dem als Haupt der hispa-
nischen Mauren anerkannten Beherrscher von Granada afrikanische
Hülfstruppen von solcher Güte, dafs sich die Schreckensnachricht
verbreitete, er selber nahe, und es drohe eine neue Ueberflutung
Spaniens mit Berberstämmen. ^ Kern der Truppen bildeten, unter
dem schieläugigen {tuerto) Emir Ibn-Idrisi, 300 oder 1000, nach
arabischen Quellen sogar 3000 Zenetes, ein Nomadenstamm, zu dem
die Beni-JNIerines gehörten.-* Seit der grofsen Schlacht gegen den
nähme und Flucht seiner Gemahlin D. Violante mit den jungen Lacerdas,
seinen Enkelkindern, weil Sancho der Zweitgeborne sich, im Bewufstsein seines
Rechts, die gefährdete Krone vor der Zeit gewaltsam anmafste; infolge davon
Auseinandersetzungen und Krieg mit Frankreich und Aragon ; und schlielslich
die Empörung des Thronforderers und seiner Anhänger — das sind die
Schicksalsschläge, die den hoffnungsreich nach Belcaire Ausgezogenen während
seiner Abwesenheit und nach der Heimkehr (1275) trafen.
1 Eine Bemerkung Alfons' X. in den RIarienliedern (CM 215) über das
zweimalige Kommen des Emir von Marroco glaube ich dahin deuten zu
müssen, dafs sie nach 1278, aber vor 1282 geschrieben wurde:
quando passou Aboyu^af
non da passada primeira
mas da outra, et fez dano
grande d' aquella passada . . .
Vgl. Schirrmacher I 597 — 606.
'^ Cron. Alf. cap. 12 — 16. — Schirrmacher I 490 — 96. — Gerade die
Feldzüge der sechziger Jahre überspringt Lollis, wo er eine Uebersicht über
die Kriegsunternehmungen Alfons' X. giebt (p. 50 — 51).
3 Herculano III 75 berichtet, wie eindringhch das Gerücht und wie tief-
wurzelnd die Furcht war, Abu-Yu9uf werde in eigner Person den Religions-
krieg leiten.
* Dozy nennt sie la grande tribu ou plutöt la grande nation herbere
des Zeiieta ä laquelle appartenaient les Merinides.
3l8 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
Miramamolin waren solche Wüstensöhne nicht wieder in Spanien
gesehen worden. * Daher boten sie den im ganzen wenig kriegs-
lustigen Unterthanen Alfons' X. einen völlig ungewohnten Anblick. "-
Die Sinnesänderung des Königs von Granada erkennend, rückt
Alfons vor Alcalä de Ben-Zaide, findet die umliegenden Gefilde
aber bereits von den Mauren verwüstet. Dort entspinnt sich eine
blutige Schlacht, 3 in der Ibn-El-Ahmar mit den Genetes Sieger
bleibt oder wenigstens dem Feind schwere Verluste beibringt und
das Feld behauptet.^
Con esta nueva saliö Aben Alahmar de Granada y corrio y talö los
campos de Alcald de Aben-Zaide. El rey Alfonso saliö con su hueste y se
encontraron a la vista de aquella ciudad. La pelea fue sangrienta y los
Caballeros zenetes que acompaSaban al rey Aben Alahmar le dieron este
dia la honra del campo. Fue esta batalla de Alcalä de Aben Zaide en ei
ano de 660.^
Nicht der Guadalquivir, sondern der Zuflufs Guadajoz ist also
der Flufs, dessen Wasser von Leichen gestaut und blutigrot ge-
färbt wurden.f^
Dafs der Genete des Gedichtes auf seinem blitzschnellen Voll-
blutrenner, leicht mit Lanze und Schild bewaffnet, bartlos und
kurzgeschorenen Haupthaars, als Vertreter des fremden afrikani-
schen Maurenstammes und nicht als beliebiger Leichtberittner auf-
tritt, scheint mir fraglos. Ebenso dafs nur der erste lähmende
Eindruck verdiente, festgehalten zu werden. Wir alle werden dabei
' Ueber die Mitwirkung der Zenetes in der Schlacht bei Alarcos siehe
Conde III c. 14 und 17; über las Navas ebenda c. 18 und 19. — Dozy drückt
sich nicht so genau wie gewöhnlich aus, wo er behauptet, der arabische
Chronist gebe das Jahr 1263 als das ihres allerersten Komnaens an.
2 Cron. Alf. c. 13: E segund lo que se falld e7i escripto dicen que estos
fueron los primer os caballeros jinetes que pasaron aquen la ?nar despues
que el Miramamolin fue vencido. — Vgl. Schirrmacher I 493. — In den
Anal. Januetis. p. 248 zum J. 1264 heilst es (bei Schirrmacher) auxiliantibus
Sarracenos Barbaris et aliis Sarracenis de Garbo et Barbaria.
3 Eine Schlacht, nach der Definition Alfons' X. — d. h. eme batalla,
keine hloke facienda oder äd — , da er selber, ein König, auf dem Kampf-
platz zugegen war. — Vgl. Espejo III 5, 19.
* Schirrmacher I 499 schildert den Ausgang wie folgt: „Die Christen
erlitten die schwersten Einbufsen, erwehrten sich aber der Ungläubigen auf
das kräftigste, erschlugen 3000 Ritter und noch mehr Fufstruppen und rühmten
sich sogar des Siegs . . ."
^ So berichtet der nicht immer durchaus unzuverlässige Conde IV c. 7. —
Das Datum der Schlacht giebt er freihch ungenau an. Nicht 1262, wie er
behauptet, auch nicht 1263, wie der spanische Chronist angiebt, sondern
1264, wie der von Dozy und Schirrmacher benutzte arabische Anonymus aus-
einandersetzt (und schon Argote de Molina II c. 50 festgestellt hatte), kam es
zu jenem Haupttreffen. Vor Februar 1263 war Niebla eingenommen {Memorial
I 202); Cadix im September; der Vertrag wurde 1265 abgeschlossen; im
Frühjahr fand der Abfall der Walis statt, der eine Folge der Machtsteigerung
der Zenetes ist.
^ Schirrmacher verlegt die Schlacht ziemlich unbestimmt in die Region
zwischen Cordova und Sevilla.
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. 31g
an den ergreifenden Schrecken der tapfren Buren vor den Lanzen
der sie bei Elandslagte überwältigenden englischen Ulanen schmerz-
lich erinnert. Die Permanenz der Genetes in Andalusien datiert
von jenem Sommer 1264. Dank ihren Triumphen wurden sie von
Ibn-el-Ahmar derart bevorzugt, dafs andre tapfre Stämme, die seit
Jahrzehnten eine hervorragende Rolle in Andalusien gespielt hatten
(wie die Beni-Ischkalyula, von denen wir später hören werden, 1
zunächst aber nur zu wissen brauchen, dafs sie als Walis die
Städte Malaga, Guadix und Gomares regierten), sich zurückgesetzt
glaubten und abtrünnig zu Alfons übergingen — so, ohne es zu
wollen, den Friedensabschlufs beschleunigend. Bei dem grofsen
Feldzug des Abu-Yu^uf vom J. 1275 gehörten Zenetes zu den
Heerführern. 2 Als später Alfons X. mit dem Thronfolger von
neuem in die Vega einfiel, brach bei einem kecken Angriff Sancho's
eine starke Kolonne INIauren aus der Stadt — die Chronik spricht
von 50000! — iambien genetes como andalucesß Nach abermals
vier Jahren zieht der neue Emir Ibn-Yakub mit 12000 Genetes
über Meer.^ Weitere Angaben wären überflüssig. Was ich be-
weisen wollte, dafs der Chronist den urspünglichen Wert des
Wortes kannte, und ebenso der ältere Dichter der Marienlieder
und unsrer Kriegsgesänge, ist bewiesen.^ Die Uebertragung von
Zenete Geneie Gitiele auf jeden nach Art dieser Nomaden mit kurzem
Steigbügel, also gebeugten Knies, auf einem kleinen, aber guten
Renner reitenden Mauren und Hispanier, sowie jogar la gineta^
die adjektivische Verwendung in lan^a gineta, espada gineta, sella
geiieta, adarga genetüy cavallo ginete vollzog sich im Laufe des
14. Jhs. und verdrängte allmälich, als ihre Zeit um war, die Er-
innerung an die echten Träger des Namens.
Die Herleitung des weiteren Begriffs aus dem engeren'' — wie
Engelmann und Dozy sie vor mir befürwortet haben — liefse sich,
so weit ich sehe, nur durch Nachweis des Wortes geneie in latei-
nischen Schriften vor 1195, d.h. vor dem ersten Bekanntwerden der
Zenetes, gefährden."» Die Form mit e, wie unsre Lieder sie
1 In Randglosse VII und VIII.
2 Cron. Alf. c. 61 und 62.
3 Cron. Alf. p. 59. — Schirrmacher 604.
* Cron. Sancho c. II. — Schirrmacher 633.
5 Ein arabischer Geschichtsschreiber sagt mit Bezug auf die damalige
Regeneration des nordafrikanischen Islam: „Nach dem Sturz der Almohaden
wäre Andalusien bald unterlegen ohne das Eingreifen der göttlichen Vor-
sehung, die den ginetischen Volksstämmen Begeisterung für den heiligen
Krieg einflöfste."
ö So schon im Poetna de Alfonso XI Str. 400 : tomauan escudo e laitga
— la giiieta yuan jogando. — In Katalonien, Aragon, bediente man sich
des abgeleiteten genetia. Muntaner spricht wiederholt von ho?nens a cauall
alforrats a la gettetia del regne de Valencia, z. B. c. 156 und 158.
' Lollis denlit sich den Vorgang umgekehrt, wenn er versichert, geneie
habe zuerst eine specie di cavallo leggiero und später den cavallegere benannt.
8 Keine der bei Du Gange angeführten Belegstellen geht über das
14. Jh. zurück.
320 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
bieten,! ist die ältre. Genetes für Zenetes, mit j für z, wie in gerafa
girafa aus zerafa, ist ein echt gallizischer Zug.2
*
Haben wir aber das Genete-Lied ins Jahr der Schlacht bei
Alcalä de Ben Zaide zu verlegen, so fällt auch das Mai - Sirventes
wahrscheinlich in die Zeit des andalusischen Aufstandes {1263,
bzw. 1261 — 65), gleichviel ob es im ersten, zweiten oder dritten
Jahr des vielfach gefährdeten, im ganzen aber glorreichen Feld-
zuges und wirklich bei Gelegenheit einer der Frühsommer-Paraden
gedichtet ward, unter Rückerinnerung an die Ausreifser des Vor-
jahres. Die Momente, in denen Alfons die glänzendsten WafFen-
erfolge seiner Regierungszeit errang, sind die denkbar passendsten
für all seine kriegsdichterischen Inspirationen. Selbst dafs eine
Niederlage, die er zum grofsen Teil der Säumigkeit, Untüchtigkeit
und Uneinigkeit seiner Vasallen zuschreiben mufste, seine INIuse
anregte, gallig- lustige Satiren zeitigend, ist vom psychologischen
Standpunkt aus sehr wahrscheinlich — um so mehr als die Ver-
luste auf beiden Seiten erheblich waren und Mauren wie Christen
sich als Sieger betrachteten.
Der Ansicht des italienischen Gelehrten, der König beschäftige
sich nicht nur mit einer langen Reihe von Verrätern, sondern auch
mit zeitlich und sachlich weit auseinanderliegenden Ereignissen,
die z. T. dem schlimmen letzten Dezennium seiner Regierung an-
gehören, kann ich, was die zweite Hälfte betrifft, nicht beipflichten.
In einem der Zweizeiler soll der eigne Sohn und Nachfolger ge-
zeichnet sein, der als Bravo doch erst seit 1275, d. h. als Erb-
infant, dem man sein Recht bestritt, und nach 1281 als offner
Rebell gegen den alternden Vater auftrat, den die Partei der
Jugend für schwachsinnig ausgab. 3 Ein andres Zeilenpaar soll auf
den Infanten D. Juan gemünzt sein, der sich zu jenen schlug, oder
auf D. Felipe, den Rebellenführer. Wieder ein andrer auf D. En-
rique, dessen Widersetzlichkeit von 1259 datiert und der seither
aufser Landes blieb. O que da guerra se foi con nemigo (wie
Lollis fälschlich statt nemiga „Feindseligkeit" liest) soll einer der
mit dem Emir von Granada verbündeten Barone sein, u. s. w. Ich
denke, vom bitterernsten Abfall der Söhne und Brüder hätte der
tiefgebeugte Sechziger in anderm Tone gesprochen.
Ueberhaupt scheint mir das Bestreben unausführbar, die ein-
zelnen getroffenen Persönlichkeiten festzustellen. Ich begnüge mich
mit der allgemeinen Erkenntnis, dafs es sich um Momentaufnahmen
1 Alfons bedient sich ihrer noch in einem Spottgedicht, das von der
Rauferei einer soldadeira mit einem Geriete berichtet (CV 78).
2 Neuerdings hat L. Eguilaz y Yanguas die früher von Diez vorge-
schlagene Ableitung vom griech. yi\ur7jr)jg wieder aufgefrischt {Homenaje a
Menendez y Pelayo II 132), doch ohne Anführung von Gründen.
^ Dafs die für Landankauf vielgebrauchte Wendung comprar erdade
(s. oben) sich auf Sancho's Thronanspruch bezieht, wird Niemand ein-
leuchten.
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. 32 1
handelt und dafs das erste und zweite Distichon selbstsüchtige
und habsüchtige Barone, das dritte einen fehdelustigen Raufbold, ^
das vierte und siebente prunkliebende Stutzer,^ das fünfte, sechste,
achte, zehnte nur auf ihren eignen Vorteil bedachte Knicker, das
neunte einen zu üppigem Wohlleben hinneigendem Friedensfreund,
das zwölfte und fünfzehnte eitle Fanten treffen.
1 Vgl. die Lieder des Gil Perez Conde.
^ Vgl. die Lieder des Lopa Diaz und besonders den descordo auf einen
mit giildnem Bettgestell in den Krieg ziehenden Edeln (CV 693).
Carolina Michaelis de Vasconcellos.
Zeitschr. f. rom. Phil. XXV.
Zur französisclien Syntax.
(Vgl. Ztschr. XXIII, 491 ff.)
IX.
Stellung des attributiven Adjektivs.*
Seit der Herr Herausgeber dieser Zeitschrift mit einer Treff-
sicherheit, die nach Gebühr zu würdigen der Umstand mir ver-
bietet, dafs diese Zeilen in einer von ihm geleiteten Zeitschrift er-
scheinen, für das französische Verfahren in Voran- und Nachstellung
des attributiven Adjektivs die psychologische Radix dahin formuliert
hat, dafs das vorangestellte Adjektiv affektisch attribuiert, das
nachgestellte logisch distinguiert, erschien mir dieses schwierige,
ja, nach der Zahl und Unzulänglichkeit der gemachten Lösungs-
versuche zu urteilen, wohl schwierigste Problem der französischen
Syntax in so befriedigender Weise gelöst, dafs ich trotz wiederholter
Wahrnehmung mifsverständlicher Auffassung des Wortes „afifektisch",
die dazu hätte anreizen können, eine Neubesprechung dieses Gegen-
standes als das letzte ansah, wozu ich mich bei meinen infolge allzu-
beschränkter Zeit und Kraft leider nur bescheidenen Bemühungen
um Klärung syntaktischer Fragen entschliefsen würde — um so
mehr, als es mir begreiflicherweise ebensosehr widerstrebte, für
eine von mir als unbedingt zutreffend angesehene, von manchen
aber befehdete Auffassung in der von ihrem Urheber selbst ge-
leiteten Zeitschrift als Vorkämpfer oder wenigstens als Verfechter
aufzutreten, wie, aus einem so äufserlichen Grunde die mir lieb ge-
wordene Publikationsstätte für meine Hervorbringungen beschaulich-
nachdenklicher Mufsestunden mit einer anderen zu vertauschen.
Von diesem lange Jahre hindurch festgehaltenen Standpunkte
einer vorsätzlichen Passivität abzugehen, dazu ward mir eine im
Archiv für das Studium d. n. Spr. und Lit. CllI, p. 442 ff. veröffent-
lichte Besprechung von Th. Schöningh's „Stellung des attributiven
Adjektivs im Französischen" Anlafs, die den aus Literaturblatt f.
gerra. u. rom. Philol. 1893 No. 4 u. 5 bezüglich der beregten Frage
schon bekannten Herrn Dr. Carl Bück zum Verfasser hat und in
der es heifst: „Das Werkchen" (das von Th. Schöningh) „kenn-
^ Abkürzungen: Cion. Diss. = Joseph Cron, Die Stellung des attri-
butiven Adjektivs im Altfranzösisclien, Slrafsburger Dissertation 1891. —
Gr. = G. Gröber, Grundrifs der romanischen Philologie I, Strafsburg 1888.
ZUR FRANZÖSISCHEN SYNTAX. 323
zeichnet deutlich die rückläufige Bewegung, in die die Forschung
im Gegensatz zu dem einige Zeit mafsgebenden Resultat von Cron's
Dissertation „Die Stellung des attrib. Adj. im Altfranz." (Strafsburg
i8gi) heute glücklicherweise getreten ist." Herr Bück versäumt es,
sich über die Art der vermeintlichen „rückläufigen Bewegung", ins-
besondere über die Quellen seiner vorgeblichen Kenntnis von ihrem
Vorhandensein eingehender zu äufsern. Aber selbst wenn die Zahl
der neuerdings auf den Plan getretenen Anfechter des Gröber-
Cronschen Stellungsprinzips gröfser sein sollte, als ich auf Grund
(vielleicht unzulänglicher) Verfolgung der Publikationen darüber an-
zunehmen geneigt bin, so erscheint es mir mehr als zweifelhaft, ob
er darum schon berechtigt ist, von einer „rückläufigen Bewegung"
in der Beurteilung dieser Frage zu sprechen, wozu doch nicht
blofs ein quantitatives, sondern auch ein qualitatives Ueberwiegen
der zu der Behandlungs- und Beurteilungsweise der „guten alten
Zeit" (der Ausdruck ist nicht von Herrn B. gebraucht) zurück-
lenkenden gegnerischen Stimmen nötig wäre, kurz, über deren
Vorhandensein oder nicht Vorhandensein doch nur auf Grund eines
reichlichen statistischen Materials entschieden werden könnte. Bis
zu dessen Vorlegung kann ich für meine Person nur erklären, dafs
ich weder etwas wahrgenommen habe, was sich berechtigtermafsen
als „rückläufige Bewegung", die doch einen Gegensatz zu einem
früheren Verhalten der Fachgenossen gegenüber dem Gröber-Cron-
schen Prinzip darstellen müfste, bezeichnen liefse, noch auch selbst
jemals das Bedürfnis oder den Wunsch nach Ersatz jenes Prinzips
durch ein neu aufzustellendes empfunden habe.
Doch angenommen auch, es wäre Grund oder Berechtigung
vorhanden, von rückläufiger Bewegung in der Frage der Stellung
des adnominalen Adjektivs im Französischen zu sprechen, so kann
ich doch nicht umhin, über das „glücklicherweise" mit dem H, B.
es für gut befunden hat die Constatierung jener rückläufigen Be-
wegung zu begleiten, ein gewisses Befremden zu äufsern. Und
zwar stützt sich dasselbe nicht darauf, dafs ich persönlich, wovon
ich lieber gar nicht reden will, eine solche Wandlung, wenn sie
wirklich nachweisbar wäre, durchaus nicht als ein „Glück" ansehen
würde — da H. B. nun einmal die Sache unter diesen neuen
Gesichtspunkt des Glücks und Unglücks statt des für wissenschaft-
liche Fragen doch wohl empfehlenswerteren alten der Richtigkeit
und Unrichtigkeit zu bringen beliebt hat — sondern vielmehr
darauf, dafs, wenn ich die Frage aufwerfe, inwieweit die bessere
Einsicht in den Sachverhalt, über die H. B., wenigstens nach seinen
Darlegungen zu urteilen, etwa verfügt, ein solches Werturteil über
eine unter allen Umständen auf umsichtiger Prüfung und gründ-
lichster Ueberiegung beruhende (wenn auch von seiner eignen ab-
weichende) INIeinung rechtfertigt, die Antwort mir dahin lauten
zu müssen scheint, dafs die geradezu spielende Art, mit der H. B.
den Nachweis für die Unzulänglichkeit des alten, auf die psycho-
logischen Grundlagen der Gedankenäufserung zurückgreifenden
21*
324 TH. KALEPKY,
Prinzips erbringen und die von ihm vorgeblich wahrgenommene
Tendenz nach Voranstellung des Adjektivs im modernen Französisch
einfach auf eine „in der Entwickelung begriffene Umwälzung der
französischen Betonungsverhältnisse" (!) zurückführen zu können, ja
— angesichts des „glücklicherweise" — zu dürfen meint, auch
durch den einschränkenden Zusatz (S. 446) keine hinreichende Ent-
schuldigung findet, dafs er aus Raummangel darauf verzichten müsse,
die Lösung seiner Aufgabe („Verhältnis von Wortstellung und Be-
tonung") an jener Stelle ausführlich zu geben. Denn wenn H. B.
sich dort „mit einigen grundlegenden Gesichtspunkten 1 und weg-
leitenden Bemerkungen begnügen" wollte, so durfte er sich m. E.
auch des wertenden „glücklicherweise" vor der Hand nicht be-
dienen — wenigstens dann nicht, wenn er sich nicht dem Ver-
dacht aussetzen wollte, dafs er an die so schwierige Frage der
Adjektivstellung selbst mehr „affektisch attribuierend" als „logisch
distinguierend" herangetreten sei.
Ist mir nun eine Auseinandersetzung mit den neuen Auf-
stellungen H. B.'s, zu der ich um so mehr Lust hätte, als es schon
jetzt meine Ueberzeugung ist, dafs wenn thatsächlich eine „Um-
wälzung der französischen Betonungsverhältnisse in der Entwickelung
begriffen ist", die zahlreichen Fälle der Voranstellung des Adjektivs
dabei kaum, wie H. B. meint, als Wirkung sondern eher als Ur-
sache mitbeteiligt sind — durch seine Verweisung auf eine erst
später von ihm zu gebende vollständige Veröffentlichung seines
Beweismaterials für jetzt abgeschnitten, so will ich doch den durch
seine Aeufserungen gegebenen Anlafs zu einigen Bemerkungen teils
erläuternden teils ergänzenden Inhalts über die beregte Frage nicht
unbenutzt lassen.
Die überaus kurzen und knappen Formeln, die der Herr
Herausgeber in seinem Grundrifs S. 2 14 ff. zur Veranschaulichung
seines Satzes von der Bedeutung der psychologischen Radix syn-
taktischer Erscheinungen darbietet, verhalten sich — das scheint
mir ein nahe liegender Vergleich — zu dem komphzierten, schwer-
fälligen, das Gedächtnis belastenden Regelwerk der landläufigen
Grammatiken wie Hauptschlüssel, deren einer sämtliche Schlösser
eines Gebäudes zu öffnen vermag, zu umfangreichen, gewichtigen,
für jedes Schlofs einen besonderen Schlüssel bietenden Schlüssel-
bunden, die ihrem Besitzer nicht nur durch Umfang und Gewicht,
sondern vor allem dadurch lästig werden, dafs sie ihn zu mühe-
vollem Heraussuchen des jedes Mal passenden Schlüssels nötigen.
Wie nun aber ein guter Hauptschlüssel nicht nur zu seiner Her-
stellung viel Kunst und Sorgsamkeit erfordert, da eine geringfügige
Ungenauigkeit, ein kleiner Vorsprung, eine unrichtige Biegung sich
1) Kann ein Gesichtspunkt einen Grund legen? Findet überhaupt ein
Gesichtspunkt bei einer Grundlegung irgend welche Verwendung, hat er mit
Grundlegung etwas zu thun? — "Was heifst also „grundlegender Gesichts-
punkt" ? ?
ZUR FRANZÖSISCHEN SYNTAX. 325
sofort störend bemerkbar machen würde, sondern zugleich wegen
des Fehlens der sogenannten Führung, eine vorsichtige, geschickte
Handhabung verlangt, so wird man auch von dem Benutzer jener
kunstvollst und sorgsamst aufgestellten Formeln erwarten dürfen,
dafs er es seinerseits an dem rechten Bemühen, ihren Sinn in allen
Teilen richtig und genau zu erfassen, und bei ihrer Anwendung
nach diesem Sinne behutsam zu verfahren, nicht fehlen lasse.
Dieser Erwartung nun scheinen mir diejenigen, die, wie z. B. Herr
Bück meinen, dafs die von dem Herrn Herausgeber und nach ihm
von Herrn Cron aufgestellte Behauptung, Voranstellung des Adjektivs
bekunde affektische Attribuierung, nicht überall zuträfe, insofern
nicht gerecht zu werden, als sie in der Deutung und Verwendung
des Wortes „affektisch" nicht die erforderliche Vorsicht und Be-
dachtsamkeit beweisen. Wenn ich ihre gelegentlich erhobenen Ein-
wände recht verstehe, gehen sie von der Meinung aus, dafs jemand
der im Affekt oder mit Empfindung spricht, wenn anders das
Gröber-Cronsche Prinzip richtig sei, Adjektiva nur in Voranstellung
gebrauchen dürfe. Wenigstens erkläre ich mir so die INIühe, die
sie auf Bossuet's bekanntes O nuit disastreiise! d nuit effroyable!
verwenden — als ob eine auf Hervorbringung möglichst grofser
affektischer Wirkung abzielende Kanzel- oder Leichenrede, was
einem so gewiegten Redner wie Bossuet am wenigsten verborgen
sein konnte, jene Wirkung nicht um so sicherer erreichte, je mehr
dabei seitens des Sprechenden der Schein der Ruhe, der Selbst-
beherrschung inmitten des allgemeinen Schmerzes gewahrt wird,
als ob nicht gerade öftere Exklamationen von der Art eines O de-
sastreuse nuit, 6 effroyable mal in einer Leichenrede das sicherste
Mittel wären, einmal durch ihre ermüdende, abstumpfende Ein-
förmigkeit, sodann besonders durch Erzeugung des Gefühls bei
den Zuhörern, der Redner lege es darauf an, sie zu rühren, zu
erschüttern, die Wirkung der Rede gleich Null werden zu lassen.
Wer wüfste nicht, dafs das erste Erfordernis für die durch-
schlagende Wirkung eines guten „Witzes" darin besteht, dafs der
ihn zum besten Gebende auch nicht durch eine Miene verrät, dafs
er selber von der Trefflichkeit und Wirksamkeit desselben durch-
drungen ist; und so läfst sich auch für eine Rede, die auf Er-
schütterung der Hörer abzielt, das entsprechende Gesetz aufstellen,
dafs dieser Zweck um so vollkommener erreicht wird, je ruhiger,
unerregter der Redner seinen Hörern gegenüberzutreten weifs,
oder je mehr er wenigstens den Schein einer solchen Haltung zu
wahren versteht. 1 Andrerseits sehe ich eine ungerechtfertigte oder
mifsverständliche Deutung des Wortes „aftektisch" in unserer Formel
auch darin, wenn man bei Voranstellung eines Adjektivs das Vor-
liegen affektischer Attribuierung darum nicht anerkennen will, weil
1 Ein weiteres für die Erklärung der Nachstellung der Adjektive de-
sastreuse und effroyable in Betracht zu ziehendes Moment wird an einer
späteren Stelle dieser Abhandlung zur Sprache gebracht werden.
326 TH. KALEPKY,
sich weder in der Situation noch in dem Gegenstande der Rede
etwas nachweisen lasse, was die Annahme affektischen Seelen-
zustandes beim Sprechenden rechtfertige. Denn, um es noch ein-
mal zu sagen, nicht darauf kommt es an, in welchem Seelen-
zustande an und für sich der Redende während der Zeit seiner
Rede sich befindet, sondern vielmehr nur darauf, wie er der be-
stimmten Vorstellungsverbindung, die er im einzelnen Falle mittels
Adjektivs und Substantivs ausdrückt, in dem Moment ihrer Apper-
ception gegenübersteht, ob er, etwa wie der Botaniker bei der Be-
stimmung einer Pflanze, nach feststehendem Schema erst die Frage
stellt, welcher Gattung das Seiende angehöre, sodann welcher Art
innerhalb dieser Gattung es zuzuweisen sei — nach Gröber-Cron-
scher Bezeichnung „logisch-distinguierend" — oder ob ihm da
plötzlich, fast a tempo, zweierlei Bestandteile in dem vor seinem
Geiste aufgetauchten Vorstellungsganzen entgegentreten, ein ad-
jektivischer und ein substantivischer, von denen nun gerade der
adjektivische es ist, der den gröfsten Eindruck auf ihn macht, sein
Interesse, seine Teilnahme fesselt, vielleicht allerhand Empfindungen,
wie Wohlgefallen, Billigung, Anerkennung, Bewunderung oder Mifs-
fallen, Mifsbilligung, Geringschätzung, Verachtung u. s. w erregt, der
überhaupt innerhalb des von seinem leiblichen oder geistigen Auge
angeschauten Zusammengesetzten das für ihn im Vordergrunde
stehende, das für ihn hervorstechende, oder wesentliche, hauptsäch-
liche, kardinale, das die Vorstellung beherrschende Element, sagen
wir also „die Vorstellungsdominante" ^ bildet. Wenn man „aflfektisch
attribuierend" in diesem etwas erweiterten Sinne fafst, wozu der
Gegensatz zu „logisch distinguierend" nicht weniger als die ge-
samten Gr. 2 14 f. gemachten Ausführungen über den Unterschied
affektischer und verstandesmäfsiger Rede berechtigen, dann wird
man schwerlich in irgend einem Falle auf ernstliche Schwierigkeit
bei dem Versuche stofsen, die Voranstellung eines Adjektivs aus
dem Gröber-Cronschen Prinzip zu erklären; ja es wird auch ge-
wisser spezialisierender Sonderaufstellungen, die immerhin eine
Durchbrechung jenes Prinzips bedeuten, nicht mehr bedürfen, wie
z. B. derjenigen {s. Cron Diss. i8f. u. This, Ztschr. f. frz. Spr. u. Lit.
XVI, 112 ff.), dafs „bei aus dem Satzzusammenhang erhellendem
besonderen Nebensinn des Substantivs das seinen Sinn behaltende
1 Mit dieser „Vorstellungs-" oder, wie man ebensogut sagen könnte,
„Apperceptionsdominanle" ist keinenfalls zu verwechseln die „Mitteilungs-
oder rhetorische Dominante", wenn darunter der unterscheidende, gegensätzliclie
Teil der Rede verstanden wird, derjenige, den der Sprechende der Auf-
merksamkeit des Hörers besonders eindringlich empfiehlt. Dieser Teil der
Rede erhält einmal den logischen (Cron , Dissert. 86) oder expiratorischen
(Gr. 591) Accent (Tonstärke), während die Vorstellungsdominante durch den
chromatischen Accent (Tonhöhe) gekennzeichnet wird, sodann ist für ihn die
Frage der Voran- oder Nachstellung des Adjektivs belanglos, da man z. B.
langiie frangaise ebensowohl in Gegenüberstellung zu langue anglaise wie
zu litter ature frangaise oder grande maison gegenüber petite maison
wie gegenüber grand j ardin sagt.
ZUR FRANZÖSISCHEN SYNTAX. 327
Adjektiv seine Stelle wechseln mufs", z. B. äge rtioyen mittleres
Lebensalter, moyen{-) äge Mittelalter u. s. w. Doch darüber später.
Vor der Hand scheint eine auf Wissenschaftlichkeit Anspruch
erhebende Erörterung der Stellung von Adjektiv und Substantiv zu
einander der Beantwortung einer anderen Frage nicht länger aus
dem Wege gehen zu dürfen, nämlich der Frage nach dem Unter-
schiede zwischen diesen beiden nominalen Wortgruppen. Es sei
dabei zunächst an den, Bd. XX, 282 f, dieser Zeitschr. erbrachten
Nachweis erinnert, dafs die weitverbreitete Meinung, Adjektiva
bezeichneten Eigenschaften, Substantiva dagegen Dinge, irrig ist;
dafs vielmehr Eigenschaften immer nur durch Substantiva benannt
werden können, dafs die sogenannten Adjektiva hingegen, im
Französischen, stets Träger von Eigenschaften bezeichnen, z. B.
avidiie: Gierigkeit (Gier) avide: mit Gier Behafteter, Träger dieser
Eigenschaft. Damit sind wir jedoch der Beantwortung der Frage
nach dem Unterschiede zwischen Adjektiven und Substantiven noch
um keinen Schritt näher gerückt, und nicht gerade ermutigend für
die Lösung dieser Aufgabe klingt das, was Herr A. Tobler darüber
an der Spitze seiner bekannten Abhandlung „Adjektiv in Substantiv-
funktion-' (Verm. Beitr. II, 160 f.) sagt, nämlich: „Es stellt sich als
völlig unausführbar dar, eine Scheidung zwischen Substantiven und
Adjektiven als zwischen zwei Wortarten zu vollziehen, einzig noch
möglich von zweierlei Funktion innerhalb der Rede zu sprechen:
giebt es Wörter, die wir uns schwer anders als in substantivischer
Funktion vorkommend denken können und demgemäfs als wirkliche,
eigentliche Substantiva zu bezeichnen geneigt sein werden — obschon
auch bei diesen eine Verwendung in der sogenannten Apposition
eine gewisse Schwierigkeit bereitet — so finden sich unter den zu-
nächst zu adjektivischer Funktion bestimmt scheinenden Wörtern
kaum welche, die nicht auch in der einen oder der anderen Weise
substantivischer Verwendung 1 fähig werden könnten." Schon bei
anderer Gelegenheit (XX, 282, Anm. 3 dieser Ztschr.) habe ich mir
erlaubt darauf hinzuweisen, dafs das Endergebnis dieser Darlegung
lediglich negativ ist: Ein Unterschied zwischen beiden als zwischen
zwei Wortarten wird von vornherein in Abrede gestellt, die sodann
als einzig bezeichnete Möglichkeit von einem Funktionsunterschiede
zu sprechen wird — mit Recht — durch den Zwischensatz „ob-
schon u. s. w." aufgehoben. Woraus dann nur die eine Schlufs-
folgerung zu ziehen möglich: Ein Unterschied zwischen Adjektiv
und Substantiv existiert nicht, oder ist wenigstens nicht feststellbar."
— Dieser Meinung vermag ich mich nicht völlig anzuschliefsen.
Wenn Adjektiva und Substantiva auch übereinstimmende Funktion
haben und nur eine Wortart bilden, so läfst sich doch innerhalb der-
selben eine Scheidung vornehmen nämlich auf Grund der Frage nach
der Vollständigkeit oder Unvollständigkeit der Kennzeichnung, die
1 Hätten hier übrigens die Termini „substantivische, adjektivische Funktion"
nicht einer Definition bedurft?
328 TH. KALEPKY,
mittels dieser Wörter von den durch sie bezeichneten Seienden ge-
geben wird. Und zwar kann man sagen: Das Adjektiv berück-
sichtigt immer nur eine Seite des zu bezeichnenden Seienden, es
beruht auf partieller Subsumption desselben, das Substantiv be-
rücksichtigt das Seiende in seiner Ganzheit, die ihm zu Grunde
liegende Subsumption ist eine totale — wenigstens subjektiv. Das
heifst: Der sich eines Adjektivs Bedienende ist sich dessen bewufst,
dafs er nur einen Teil dessen, was ihm zur Kennzeichnung vor-
liegt, ausdrückt, dafs er andere, ja keineswegs unwichtige Teile
desselben aus dem Spiele läfst, er weifs, dafs seine Bezeichnung
eine unvollständige, unzulängliche unselbständige, und darum
nur in engstem Anschlufs an eine andere („substantivische"), sei es
schon vorher genannte und dem Geiste noch vorschwebende, oder
unmittelbar darauf zu nennende, zulässig ist. Der sich eines sogen.
Substantivs Bedienende hingegen charakterisiert das Seiende in seiner
Ganzheit, giebt von ihm ein in sich abgerundetes Bild, eine selb-
ständige, geschlossene Vorstellung, reiht es einer der wohl-
bekannten Gruppen von Seienden ein, die man mit dem Worte
Gattungen (Stoffe) zu bezeichnen pflegt. 1 Seinen greifbarsten Aus-
druck findet dieser Unterschied darin, dafs jedes echte ursprüng-
liche Substantiv nur ein Geschlecht, wenigstens in einer Be-
deutung nur eines hat, das Adjektiv deren zwei — oder, um
andere Sprachen als das Französische mit einzubegreifen — deren
so viele hat, als es bei den Substantiven „Geschlechter" giebt.
Das hat eben seinen Grund darin, dafs die JNIerkmale einer Sub-
stantivvorstellung für die Geschlechtsbestimmung immer ausreichen,
die Unzulänglichkeit, Unvollständigkeit der adjektivischen jedoch
zur Bereitstellung zweier oder — in manchen Sprachen — dreier,
die verschiedenen Geschlechter der möglichen Träger der betr.
Eigenschaft berücksichtigenden Vorstellungs- und Wortformen zwingt.
Als leicht anwendbares Mittel zur Unterscheidung von Adjektiven
und Substantiven läfst sich nach dem Vorstehenden dieses an die
1 In der „Bekanntheil" dieser Gattungen (Stoffe) ist auch der Grund
dafür zu suchen, dafs der sogenannte Teilartikel vor Substantiven immer den
bestimmten Artikel (vgl. Gr. 216: ,,der Redende weist mit dem bestimmten
Artikel lediglich auf Gekanntes hin.") enthält: ce sont des soldats {c'est du pain)
= von den (dem) — ja jedem bekannten — Soldaten (Brote). Auch vor einem
dem Substantiv vorangestellten Adjektiv fand sich (schon früher) de mit dem
bestimmten Artikel dann, wenn beide zusammen einen einheitlichen, und darum
auch allgemein bekannten, schon vorrätigen Begriff bezeichneten: des jeunes
gens, du bon sens. Seit dem 31. Juli 1900 ist iDekanntlich durch Yerlügung
des französischen Unterrichts-Ministers die Verwendung des bestimmten Artikels
beim ,, Teilartikel" auf alle Verbindungen von Adjektiven und Substantiven
ausgedehnt, was als Zeichen dafür gelten kann, dafs im Laufe der Zeiten eine
Bereicherung des sprachlichen Begriffsinventars stattgefunden hat in dem Sinne,
dafs alle durch Adj. und Subst. ausgedrückten .Spielarten der Gattungsbegriffe,
von denen die meisten früher erst im Augenblick der Nennung denkend her-
gestellt, vollzogen werden mufsten, nunmehr als sämtlichen Sprachangehörigen
bekannt, geläufig gelten: des beaux soldats; fiüher nur, oder doch meistens
nur: de beaux soldats.
ZUR FRANZÖSISCHEN SYNTAX. 329
Hand geben, dafs ein Adjektiv immer da als vorliegend anzusehen
ist, wo der Sprechende zur Geschlechtsbestimmung eines ausdrück-
lich beigefügten oder aus dem Zusammenhange der Rede zu
entnehmenden Substantivs bedarf, ein Substantiv hingegen, wo das
betr. Wort durch sich allein schon die geschlechtlich bestimmte
Vorstellung eines Seienden erweckt.
Nun hat die Sprache aus einem praktischen Bedürfnisse heraus
die überaus zweckmäfsige Einrichtung geschaffen, dafs — einmal —
jedes sogenannte Adjektiv seinen Begriffsinhalt durch Hinzunahme
der Merkmale des Begriffs eines ihm nahestehenden oder sagen wir:
mit ihm oft verbunden auftretenden Substantivs so weit bereichern
kann (unter entsprechender Verengung seines Begriffsumfangs), dafs
die durch es (das Adjektiv) nunmehr erweckte Vorstellung nicht
blofs die eines männlichen oder weiblichen Trägers der betr. Eigen-
schaft ist, sondern vielmehr diejenige jener Substantivvorsteüung
als des Trägers dieser Eigenschaft (vgl. droite in la ligne droite, und
in la droite allein). Und andrerseits, dafs auch jeder Substantiv-
begriff durch Ausscheidung aller nicht unbedingt wesentlichen Merk-
male seinen Begriffsinhalt so weit verringern (und damit seinen
Begriffsumfang erweitern) kann, dafs er seine geschlechtliche Be-
stimmtheit zugleich mit der Zugehörigkeit zu einer Gattung, ver-
möge deren er vorher eine selbständige Vorstellung war, verliert
und sich nunmehr als unselbständige, als Teilvorstellung einer
anderen (substantivischen) anschliefst, (vgl. z. B. auteur allein und
in der Verbindung femme auteur) — kurz die Einrichtung, deren
einen Teil man längst als Substantivierung des Adjektivs zu bezeichnen
gewohnt ist, und deren anderen man ohne weiteres mit dem Aus-
druck „Adjektivierung von Substantiven" wird bezeichnen dürfen.
Was ist nun nach dem im Vorstehenden festgestellten Ver-
hältnis zwischen Adjektiv- und Substantivbegriffen für die Frage
der Stellung von Adjektiven und Substantiven zu einander zu er-
warten? Mir scheint einmal dieses, dafs überall, wo sich dem Geiste
des Sprechenden in einem Vorstellungskomplexe ein Substantiv-
und ein Adjektivbegriff vereinigt darbieten, der Substantivbegriff ver-
möge seines reicheren Inhalts und seiner geschlechtlichen Bestimmt-
heit sich als der dominierende und darum — wenigstens in einer
Sprache, die solche Voranstellung des Substantivs kennt — bei
der Benennung die erste Stelle einnehmende immer dann erweisen
wird, wenn die Betrachtungs- und Darstellungsweise des Sprechenden
eine rein sachliche, objektive, nüchterne, überlegende, verstandes-
mäfsige, oder, wie der Hen' Herausgeber dies. Ztschr. in seiner kurzen
Formel es ausdrückt, eine „logisch distinguierende" ist. Andrerseits
dieses, dafs die Adjektivvorstellung beim Zusammenschlufs mit einer
substantivischen, also einer ihr an Inhalt und Bestimmtheit über-
legenen, sich aus ihrem natürlichen Rangverhältnis der Unter-
ordnung, der Gefolgschaft, der Hörigkeit zu der Stellung einer
Dominante nicht anders wird emporheben können als dadurch,
dafs sie die dem Bewufstsein sich in erster Linie aufdrängende, das-
330 TH. KALEPKY,
selbe vor andern erfüllende wird, also nur unter der Einwirkung
irgend eines Impulses, eines aufserhalb des rein begrifflichen Denkens
liegenden Antriebes, d. h. bei einem psychischen Akte, wie ihn
der Herr Herausgeber meines Erachtens in aller Kürze sehr hübsch
und anschaulich mit dem Worte „affektische Attribuierung" kenn-
zeichnet, worin man „affektisch", entsprechend der oben (S. 326)
vorgenommenen Erweiterung seines Sinnes, bei ausführlicherer Er-
örterung etwa mit „gefühl- oder teilnahmvoll, innerlich interessiert,
lebhaft, auf subjektiver Erfassung des betr. Vorstellungselements
beruhend" wird erläutern und umschreiben dürfen. Dafs, wie
statistisch längst festgestellt, am allermeisten die Adjektiva bon,
mativais, mkhant, gratid, vasle, haut, long, gros, petii, coiirt, beau,
joli, vilain, sot, jetine, vietix und ähnliche von dieser subjektiv im-
pulsiven oder affektischen Attribuierung betroffen werden, das ist,
abgesehen von der Indiskutabilität der durch sie bezeichneten
Werte (vgl. Gr. 124) z. T. auch darauf zurückzuführen, dafs die
all diesen Adjektiven zu Grunde liegenden Eigenschaften, die aller-
elementarstcn, primitivsten, die eigentlich „kindlichen" Eigenschaften
sind, ich meine solche, welche der Mensch auf der frühesten Stufe
seiner geistigen Entwickelung kennen und gebrauchen lernt, also
zu einer Zeit, in der er, rein sachlicher, objektiver, verstandes-
mäfsiger Betrachtung der Dinge noch unfähig, die ihn umgebende
Welt nur nach ihrer Einwirkung auf sein Empfinden, nach dem
Anteil, den sein Gefühlsleben an ihr nimmt, berücksichtigt und
beurteilt, in der ihm — um von „schön" und „häfslich ganz zu
schweigen — „grofb" noch gleichbedeutend mit „imposant", „re-
spektabel", „respekteinflöfsend"; „klein" mit „niedlich", „freundliche
Teilnahme, Wohlwollen erregend" (vgl. das engl, liitle im Gegen-
satz zu small) ist, was sich in deutlichster Weise in der chroma-
tischen Tonverschiedenheit bekundet, mit der er diese Wörter
ausspricht, nämlich „grofs" mit einer um eine, manchmal wohl gar
um zwei Oktaven tieferen Stimme als „klein" u. s. w. Wenn man
nun berücksichtigt, dafs im Verkehr mit Kindern auch die Er-
wachsenen wieder zu Kindern werden, dafs also kindliche Auf-
fassungsweise den Erwachsenen nicht nur aus der eigenen Kinderzeit
anhaftet, sondern bei ihnen auch später durch die Kinder immer
wieder Nahrung empfängt, so wird man die Voranstellung der ge-
nannten Adjektiva ein für alle Mal auf „affektische Attribuierung"
auch dann zurückzuführen berechtigt sein, wenn nachweislich oft
genug, z. B. in Sätzen wie: // hahiie wie grande inaison — II y a
im gr and j ardin derrüre la maison u. s. w. der Sprechende ebenso-
wenig wie der Hörer auch nur die leiseste Spur eines Affekts in
sich wahrzunehmen vermag. Sie folgen dann eben einer sprach-
lichen Gewohnheit, deren letzte Wurzeln in der Einwirkung affek-
tischer Auffassung auf die Ausdrucksweise liegen, deren psycho-
logische Radix „affektische Attribuierung" ist und bleibt.
Aber noch ein zweites scheint sich mir aus der vorangeschickten
Darlegung des Unterschiedes zwischen Substantiv und Adjektiv zu
ZUR FRANZÖSISCHEN SYNTAX. 33I
ergeben. Die Frage nämlich, ob es denn auch gerechtfertigt ist,
— da doch beide Wortgruppen sich nicht in ihrem Wesen, sondern
nur quantitativ oder graduell von einander unterscheiden, — bei
der Erörterung ihrer Stellung zu einander ausschliefslich vom Adjektiv
auszugehen. Wird denn das Substantiv von der Stellungsverschieden-
heit innerlich gar nicht berührt, macht es für seine Geltung gar
nichts aus, ob es vor oder hinter dem Adjektiv steht? Läfst sich
vom Substantiv aus nicht vielleicht auch eine, vielleicht gar eine
noch bessere Lösung des Problems der Stellung von Adjektiv und
Substantiv zu einander geben? Oder, eine dritte IMöglichkeit,
könnten nicht beide gleichzeitig und gleichmäfsig an der Sache
beteiligt sein, so nämlich, dafs ein bestimmtes Verhältnis des einen
Begriffs zum anderen durch die eine, und ein bestimmtes anderes
Verhältnis beider, durch die andere Stellung ausgedrückt würde?
Man wird schon jetzt diesen Fragen eine gewisse Berechtigung
nicht absprechen wollen. Und man wird noch weniger dazu ge-
neigt sein, wenn man erfährt, dafs, und von wem bereits eine In-
angriffnahme des Problems von dieser Seite her vorliegt. Kein
Geringerer nämlich als Herr A. Tobler hat schon vor mehr als
30 Jahren in der Zeitschrift für Völkerps}'ch. u. Sprachwissenschaft
VI, 167 ff. folgende in Bezug auf Klarheit und Anschaulichkeit
geradezu meisterhafte Darstellung des Einflusses gegeben, den die
Stellung von Substantiv und Adjektiv zu einander auf ihre begriff-
liche Geltung ausübt: „Zwei Vorstellungen, sagt er, die eines Gegen-
standes und die einer Eigenschaft treten im Falle der Voranstellung
wie in dem der Nachstellung in Verbindung unter sich. Tritt die
Vorstellung der Eigenschaft zuerst ins Bewufstsein, so wird ihr mehr
Freiheit, eine geringere Bestimmtheit ihrer Elemente zukommen als
im umgekehrten Falle, kein Element ist ausgeschlossen, keines tritt
in den Vordergrund; mit ihrem Eintreten erwacht aber zugleich
der Drang nach der Vorstellung des Gegenstandes, mit der sie
sich verbinde, da sie an sich einen befriedigenden Inhalt nicht
bietet; diese zweite Vorstellung nun nimmt unter ihre Bestandteile
jene bereits ins Bewuftsein getretenen mit auf und zwar in innigster
Einverleibung und erfährt dadurch vielfach wesentliche Modifikationen,
indem ihre Elemente den bereits ins Bewufstsein getretenen sich
anbequemen müssen. Unverträgliches, das sich darunter befinden
sollte, ausgeschlossen, alles gleichsam in dem Lichte angeschaut
wird, das von der ersten Vorstellung ausstrahlt. Wenn gesagt wird
un mechant vaisseati, so tritt zuerst die sehr wenig bestimmte Vor-
stellung des Untauglichen, Nichtsnutzigen, Mangelhaftigen ins Be-
wufstsein, und die nachfolgende Vorstellung des Schiffs wird nun
jedenfalls von den Elementen, die sie sonst umfafst, einige auf-
geben, das Schiff wird nun das rasch und sicher tragende, das
saubere, das schlanke, leichte nicht mehr sein." Es folgt die Er-
wähnung der Fälle mit preiendu und soi-disatü. Dann heifst es
weiter (S. 168): „Ist die Vorstellung vom Gegenstande zuerst im
Bewufstsein, so fällt einmal jenes Drängen nach der zweiten meistens
332 TH. KALEPKY,
weg, da die erste eher ein befriedigender Inhalt ist; diese ent-
faltet die ganze Fülle ihrer Elemente ungehemmt, und tritt nun
die zweite hinzu, so gesellt sich zu dem bereits Vorhandenen
etwas Neues, doch nichts, was nicht in mehr äufserlicher Weise
die erste Vorstellung bestimmte, nichts, was das eigentliche Wesen
derselben umgestaltend ergriffe; des vers mechants sind etwas, dem
niemand den Namen vers streitig machen kann, während de 7m-
chafits vers etwas sind, was man vers gar nicht nennen sollte. Um-
gekehrt werden im Falle der Nachstellung des Adjektivs von den
Elementen der Eigenschaftsvorstellung einige in den Hintergrund
treten und nur diejenigen übrig bleiben, welche sich mit denen
der Gegenstandsvorstellung vertragen. Der mechani niusicien ist
möglicherweise ein guter Mensch aber ein schlechter, d. h. kaum
ein Musikant; des viusicicn mechant Recht auf den Namen eines
IMusikanten kann ich nicht anfechten, wenn ich selbst ihn ohne
Einschränkung so nenne; ich werde also 7necha7tt jetzt anders
nehmen, es ist nicht mehr „das, was billigen Anforderungen nicht
entspricht", sondern enger „das, was gewissen besonderen An-
forderungen nicht entspricht, die noch übrig bleiben, nachdem
den an den Musikanten gestellten genügt ist", z. B. denen nicht,
welchen der Vater oder Mensch im Verkehr oder der Christ nach-
kommen soll, also vielleicht „hart" oder „boshaft" oder „böse"." —
Ich habe diese Darlegung unverkürzt hierhersetzen zu sollen ge-
glaubt, einmal weil sie wenigen bekannt und auch nicht vielen
leicht zugänglich sein dürfte, sodann, weil sie eine durch An-
schaulichkeit ausgezeichnete Erläuterung des für unseren Gegenstand
wichtigen Satzes ist, dafs wenn ein Seiendes durch ein Substantiv
und ein Adjektiv, ganz gleich in welcher Reihenfolge, bezeichnet
wird, die Bedeutung des zweiten Wortes immer unter dem Einflufse
derjenigen des ersten steht, ein Umstand, der sich natürlich für
den bestimmungs- und merkmalsreicheren Substantivbegriff empfind-
licher fühlbar machen mufs, als für den merkmalsärmeren und
darum anpassungsfähigeren Adjektivbegriff. Zwar kann Herr Cron
(vgl. Diss. S. 9) bei aller Berechtigung, die er der citierten Dar-
legung für die ihr beigegebenen Beispiele zugesteht, das Bedenken
nicht unterdrücken^ dafs diese Beispiele „einartig und spezifisch"
seien, worauf er seinen Zweifeln in der Frage Ausdruck giebt: „Wie
könnten Verbindungen wie: un jeime homine , U7ie vaste prairie, une
haute maiso7t u. s. w. auch nur teilweise Aufhebung oder sonstige
Veränderung am Substantivbegriff zum Zwecke haben, so dafs ein
anderer Name dafür das eigentlich Gedachte erst richtig darstellen
würde?" Darauf ist zu erwidern,' dafs die Angebrachtheit einer
Namensänderung von Herrn A. Tobler auch nur für das Adjektiv
r7iecha7it (bei dessen Voranstellung) in Erwägung gezogen worden
ist, und dafs, was die „teilweise Aufhebung oder sonstige Ver-
änderung am Substantivbegriff" anlangt, eine solche zweifellos in
den von Herrn Cron objicierten Verbindungen erweisbar ist. Man
vergleiche z. B. jeuTie ho77ime mit ho77ime jeune. Ist die durch das
ZUR FRANZÖSISCHEN SYNTAX. 333
erstere erweckte Vorstellung nicht erheblich verschieden von der
des letzteren? Entbehrt der Begriff komme in jeime komme nicht
durchaus der Merkmale der (körperlichen und geistigen) Aus-
gewachsenheit, Reife, einer gewissen Massigkeit, Breite, Knochen-
festigkeit (urj vom Barte zu schweigen) einerseits, und des ruhigen
Ernstes, der Gesetztheit, Ausgeprägtheit der Gesichtszüge andrer-
seits, die wir unter dem Begriffe komme mitzudenken gewohnt sind?
Ist es wohl ein Zufall, dafs die deutsche und englische Sprache
neben „junger Mann (Mensch)" „youiig ?iian'* noch die besonderen
Wörter „Jüngling" „yoiiik^^ für das im Französischen ausschliefslich
durch ,,jeune komme'-'' Bezeichnete geschaffen haben? Ist diese
Zwiefachheit der Benennung im Deutschen und Englischen nicht
vielmehr ein gewisses Anzeichen für die Empfindung, dafs in der
That „ein anderer Name dafür das eigentlich Gedachte erst richtig
darstellen würde"? Und nun komme jeune'i — «Une nuü, cependant,
dans im reve prospire, Un komme jeuiie, avec un soiirire d'ami, Se
peticha lendrement sur vion front e^idormi, Afetiibrassa, prtt ma mam,
ei dit: Je suis Ion pire» so heifst es zu Beginn der dritten Strophe
in einem von E. Legouv6 seinem allzufrüh verstorbenen Vater ge-
widmeten (in den Soixante ans de sonvetnrs abgedruckten) Gedichte.
Nicht die mit Unrecht so beliebte „dichterische Licenz" oder „un-
gewöhnliche poetische Wortstellung" ist hier im Spiele, sondern
un komtne jetme ist die einzig angemessene, ja die einzig mögliche
Wiedergabe dessen, was hier dem Dichter vorschwebt. Als „Mann"
zeigt das Traumbild ihm seinen Vater, mit allen in diesem Begriffe
liegenden Merkmalen, und, weit davon entfernt, ihm eines derselben
zu rauben, fügt hier vielmehr dasyV««^ nur noch ein in dem Schema-
tismus des Begriffs komtne nicht vorgesehenes, hinzu, nämlich dies,
dafs der Geschaute unterhalb der als INIitte des Menschenlebens
bezeichneten Altersgrenze steht.
Ich sehe daher in der vorhin ausführlich vorgeführten Aus-
einandersetzung Herrn A. Toblers eine vollkommen zutreffende
Kennzeichnung des Sachverhalts — freilich eine zu ausschliefslich
auf den Hörer Bedacht nehmende.^ Denn für den Hörer „treten"
in der That „im Falle der Voranstellung wie in dem der Nach-
stellung zwei Vorstellungen in Verbindung unter sich u. s. w."
Anders jedoch für den Sprechenden. Der fügt nicht zu einer
Substantivvorstellung eine adjektivische u. s. w., vielmehr sieht er
vor seinem geistigen Auge ein mit einer ganzen Reihe von Merk-
malen behaftetes Ding, Sache, Person, sagen wir mit dem abstrak-
testen Ausdruck: ein „Seiendes", von dem er seinem Hörer eine
Vorstellung übermitteln möchte. Da ist nun, wenigstens innerhalb
der französischen Sprachgemeinschaft, zweierlei möglich. Entweder:
1 Uebrigens behauptet (vgl. S. 169) Herr A. T. selbst nicht, ia seinen
Ausführungen, die er gelegentlich einer Besprechung der französischen Gram-
matiken von Schmitz und Holder macht, alles für die Stellung von Substantiv
und Adjektiv zu einander in Betracht Kommende gesagt, den Gegenstand er-
schöpft zu haben.
334 TH. KALEPKY,
er geht mit der bewufsten Absicht, jenem ein möglichst genaues,
adäquates, geordnetes Begriffsbild zu geben, ans Werk, prüft und
sichtet und gruppiert die vorgefundenen Merkmale in der Weise,
dafs er erstens eine Anzahl derselben zu einem Gattungsbegriff
zusammenfafst, unter den er das Seiende subsumiert, sodann von
den übrigbleibenden das oder die markantesten, ihm für seinen
Mitteilungszweck am wichtigsten erscheinenden auswählt und auf
es (oder sie) sei es einen oder mehrere Artbegriffe, die sich jenem
Gattungsbegriff (unter sich koordiniert) unterordnen, gründet, sei
es (vorausgesetzt wieder, dafs es mehrere sind) sie (subordinierend)
unter einen Artbegriff, dann Unterartbegriff, Unterunterartbegriff
u. s, w. fafst. Diese Begriffe zählt er in der gefundenen Reihen-
folge seinem Hörer her, in der auf stillschweigende Uebereinkunft
gegründeten, die Voraussetzung, gleichsam die metaphysische Grund-
lage aller sprachlichen Mitteilung bildenden Annahme, dafs dieser
die ihm genannten Begriffe als einem Seienden inhärierend auf-
fassen und aus ihnen — jener Reihenfolge entsprechend — sich
eine Gesamtvorstellung konstruieren werde, die ein zwar abstraktes,
schemenhaftes, aber doch begrißlich genaues Abbild seiner (des
Sprechenden) konkreten, anschaulichen sei. Ein solches Verfahren
seitens des Sprechenden, bei dem dieser sich seinem Gegen-
stande gegenüber gleichsam souverän, aktiv, willens- und wahlfrei
verhält, ist dasjenige, welches der Herr Herausgeber dieser Ztschr.
in seiner Formel „logisch distinguierend" nennt. Doch nicht immer
darf der Sprechende sich eines solchen rühmen. Der Mensch
ist nicht von hause aus, nicht in erster Linie ein begrifflich,
logisch geschulter Denker, Forscher, Erkenner, Sachdarsteller; er
ist impressionabel , Eindrücken nachgebend, er beherrscht nicht
immer seine Vorstellungen, wird vielmehr oft genug von diesen
beherrscht. Da sinkt er denn gegenüber dem, was seinem Geiste
vorschwebt, oft zu einer mehr oder weniger passiven Rolle, zum
mehr oder weniger willenlosen Werkzeug seiner Eindrücke, zum
Spielball seiner eigenen Vorstellungen und der durch sie erregten
Empfindungen hinab, statt zu treiben, wird er getrieben, etwa wie
der Dichter im Augenblick der Inspiration, der, sich selbst ein
Wunder, nicht zu sagen vermag, woher ihm kommt, ihm zuströmt,
was sein INIund verkündet, seine Feder niederschreibt; oder wie der
sonst so staatsmännisch kluge, seiner selbst so sichere Alphons in
Goethes „Torquato Tasso", der am Schlüsse seiner Lobpreisung
Ariostscher Dichtkunst vor seinen fürstlichen Zuhörern ausrufen
mufs (I, 4): „Vergebt, wenn ich mich selbst begeistert fühle. Wie
ein Verzückter weder Zeit noch Ort, Noch was ich sage, wohl
bedenken kann." Wer seinem INlitteilungsstoffe oder auch nur
einer einzelnen Vorstellung, die vor ihm auftaucht, so gegenübersteht,
der vergifst leicht, was er der Logik, dem begrifflichen Erkennen
schuldig, der sprudelt, dem Augenblicksimpulse folgend, nicht-
reflektierend heraus, was ihm gerade den Geist erfüllt, nennt die
Begriffe, die sich ihm als einziges Hülfsmittel, Werkzeug sprach-
ZUR FRANZÖSISCHEN SYNTAX. 335
lieber Ueberlieferung für seine Vorstellungen darbieten, nicht nach
ihrer logischen Rangordnung, sondern wahllos, in der Reihenfolge,
wie sie sich ihm aufdrängen. Von einem Schiffe, das nichts taugt,
von einem Musiker, der nichts kann, will er sprechen und flugs
ist ein niechant vaisseäu, mechant miisicie^i heraus, weil das Unwertige
es ist, was für ihn an seinem Vorstellungsbilde im Vordergrunde
steht. Von einem Jüngling gedenkt er zu erzählen und unwillkür-
lich schiebt sich ihm vor den Begriff „Mensch", „Mann", der doch
für die sachliche Kennzeichnung des geistig Geschauten der wich-
tigste wäre, der Begriff des Jugendlichen, des noch Unfertigen,
Ungereiften aber doch zugleich Anmutigen, Einnehmenden und darum
sein seelisches Interesse Erregenden — \xx\^jeune ho7nme kommt's aus
seinem Munde. „Der blaue Himmel ruhet über uns" sagt Leonore
im Torquato Tasso I, i, des Frühlings Herrlichkeit schildernd, le
bleu ciel wäre es im Französischen geworden, da nicht der über ihnen
ruhende Himmel, sondern dessen Bläue es ist, was „ihr Herz er-
füllt" und sie zu solcher Aeusserung drängt. „Affektisch attribuierend"
hat der Herr Herausg. ein solches Verfahren genannt, und wer
so spricht, der ist fürwahr, „afficiert", seelisch beeinflufst, durch-
drungen, manchmal gar fortgerissen von der Lebhaftigkeit, mit der
etwas, was doch in rein begrifflicher Hinsicht nur einen unter-
geordneten Teil seiner Vorstellung bildet, von ihm erschaut, erfafst
wird, so dafs es ihm zum beherrschenden Mittelpunkt seiner Vor-
stellung wird. So ist's denn auch wohl begreiflich, dafs wer in der
Alpengegend, am Rheine wohnt: Hautes Alpes, Basses Alpes, Haut
Rhin, Bas Rhin sagt, denn was dominierend im Vordergrunde seiner
Vorstellung steht, ist das „hoch" und das „niedrig", wogegen „Alpen"
und „Rhein" gleichsam nur abrundender, vervollständigender Zusatz
sind. Der Geograph von Fach dagegen, der als wissenschaftlicher
Forscher an die Sache heranträte, der würde sicher erst, logisch
distinguierend, das Ding mit Namen nennen: le Rhin und dann
was diesen bestimmten Wasserlauf, diese ihm vorliegende Flufs-
strecke von anderen, für die der Name le Rhin, gleichfalls gilt
(sebstverständlich, denn sie sind alle Teile eines und desselben,
wenn auch nicht unmittelbar als solches zu erkennenden Ganzen)
unterscheidet, die Eigentümlichkeit der höheren Lage, nicht zwar
mit dem inexakten, unwissenschaftlichen haut, sondern mit dem
sachlich angemesseneren und auch gelehrter klingenden supcrieur.^
Oder, um noch einen der Fälle zu nehmen, in denen Herr Cron,
und z. T. in Ueberinstimmung mit ihm Herr This (Ztschr. f. frz. Spr.
u. Lit. XVI, 1 1 2 ff'.) nicht mehr affektische Attribuierung als Ursache
der Adjektiv -Voranstellung anzusetzen wagen, sondern diese auf
„aus dem Satzzusammenhang erhellenden besonderen Nebensinn
* Es bedarf hoffentlich der ausdrücklichen Bemerkung nicht, dafs das zu
allen diesen Beispielen erläuternd Gesagte nicht etwaige psychische Vorgänge
aller derer, die heutzutage solche längst erstarrten, geprägten Verbindungen
gebrauchen, sondern vielmehr nur den Seelenzustand dessen (oder derer)
schildern soll, der (oder die) jene Ausdrücke zuerst brauchte(n), sie prägte(n).
336 TH. KALEPKY,
des Substantivs" (Cron Diss. S. 19) zurückführen: das Mittelalter,
le moyen äge. Man könnte sich mit der Annahme wörtlicher Ueber-
setzung des vorgefundenen lateinischen Terminus medium aevtim
begnügen wollen. Aber was zwang zu einer solchen wörtlichen
Uebertragung, oder was hinderte, medium aevum durch äge moyen
wiederzugeben? Auch Herr Cron führt moyen äge in dieser Wort-
stellung nicht auf medium aevum, sondern darauf zurück, dafs „äge
moyen schon das mittlere Lebensalter (des Menschen) als ienne
propre bezeichnet" und „dafs die adjektivischen und substantivischen
Sachbezeichnungen nicht in gleicher Stellung verschiedenen Wort-
sinn reflektieren können." Und schliefslich macht er für die Vor-
anstellung noch geltend, dafs hier „bei der Unterscheidung dreier
Zeitalter (alte, mittlere, neuere Zeit) inoyen die Stelle einnehme, die
die Rangzahl second beanspruchen würde." Dabei ist nur nicht
recht ersichtlich, wie sich aus den S. 17 unter i. und 2. aufgestellten
Grundsätzen ergeben soll, dafs der Rangzahl second nur Vor-
anstellung zukomme — sagt man ja doch ganz gut le chapitre
second, acte second u. dergl. — sowie, dafs „adjektivische und sub-
stantivische Sachbezeichungen nicht in gleicher Stellung verschiedenen
Wortsinn reflektieren können" sollen, da doch z. B. U7i peiit komme
ebensowohl „ein Mann von kleiner Gestalt", als auch „ein un-
bedeutender Mann" heifst.i
Ich glaube nun, dafs in moyen äge wiederum nur ein Fall un-
reflektierter, impulsiver Vorstellungswiedergabe vorliegt. Weder für
das Altertum noch für die Neuzeit hat die wissenschaftliche Termino-
logie die Substantivbezeichnung äge acceptiert. Für das erstere
findet sich vieux äges wenigstens bei Dichtern (z. B. bei Molihe),
für die letztere wohl überhaupt nicht, eine Ablehnung, die nicht
gerade zu Gunsten der Angemessenheit dieses Wortes für die Be-
zeichnung von Geschichtsepochen spricht. Und man mufs der
Sprache vollkommen recht geben. Keine Vergleichung kann wohl
^ Dafs die angeführten Begründungsversuche nicht mehr recht zu der
Lehre von dem affektischen Charakter des vorangestellten Adjektivs stimmen,
ist Herrn Cron denn aucli nicht entgangen. Das ergiebt sich klar aus dem
Schlufswort des zweiten „die Stellung des Adjektivs im Neuf/anzösischen"
betitelten Kapitels seiner Dissertation, wo er S. 21 seine Uebereinstimmung
mit der Formulierung des Herrn Herausgebers auf deren einen Teil be-
schränkt, dafs „das neufranzösische nachgestellte Adjektiv verstandesmäfsig,
logisch distinguiert, unterscheidet, kennzeichnet, begrifflich bestimmt und nur
dies zu thun bezweckt." Von dem vorangestellten Adjektiv sagt er, dafs es
„jede andere Bestimmung, zu der das Adjektiv beim Substantiv dienen kann
oder soll, erfüllt: entweder eine Eigenschüft affekterregend einer substantivischen
Benennung attribuiert, subjektiv oder objektiv (d. h. der allgemeinen Auffassung
entsprechend) zuerkennt, oder aber — ein die Lehre von der Wortzusammen-
setzung eigentlich angehender Fall — solche Bestimmungen angiebt, die nach-
gestellt begrifflich unverbindbar oder widersinnig wären (altfranzösisch moine
noir), und nur vorangestellt den übertragenen Sinn eines Substantivs {moyen
äge) oder eines Adjektivs {noir moine) erkennen lassen." Die Frage, ob man
sich für die Voranstellung mit dem kontradiktorischen „nicht logisch distin-
guierend" statt des konträren „affektisch attribuierend" genügen lassen soll,
scheint mir in der That erwägenswert (vgl. den folgenden Artikel X).
ZUR FRANZÖSISCHEN SYNTAX. 337
hinkender sein als die der Stufen des Menschenlebens mit Abschnitten
der Weltgeschichte. Wie hat denn aber dieses Wort trotzdem in den
terminus technicus zur Bezeichnung des Mittelalters eindringen können?
— Augenscheinlich weil hier der adjektivische Begriff des Mittleren
das „ein und alles" war, weil er in der Vorstellung des Gegen-
standes derartig prävalierte, präponderierte, dominierte, dafs Jeder
halbwegs dem lateinischen aevum entsprechende Substantivbegriff
zum Abschlufs, zur Vervollständigung gut genug war, „passieren"
konnte. Mit moyeyi war alles gesagt, um die Frage der Berechtigung
des äge fiel es niemand ein sich zu kümmern, dem den Ausdruck
Schaffenden, den doch wohl medium aevum leitete, anscheinend
nicht, und allen ihn Nachsprechenden sicherlich erst recht nicht.
Hätte äge an erster Stelle gestanden, hätte die dadurch erweckte
Vorstellung „die ganze Fülle ihrer Elemente ungehemmt entfalten"
können (vgl. S. 332), dann wäre man sicher bald des Unangemessenen
der Bezeichnung, der Verkehrtheit der Metapher, auf der sie be-
ruht, ihrer Ungeeignetheit zu einem wissenschaftlichen Terminus
gewahr geworden und hätte sie durch eine bessere ersetzt. Als
„zweite Vorstellung" jedoch, die alle „bei der ersten bereits ins
Bewufstsein getretenen Bestandteile und zwar in innigster Ein-
verleibung mit aufnimmt, und dadurch wesentliche Modifikationen
erfährt, indem ihre Elemente den bereits ins Bewufstsein getretenen
sich anbequemen müssen. Unverträgliches, das sich darunter be-
finden sollte, ausgeschlossen, alles gleichsam in dem Lichte
angeschaut wird, das von der ersten Vorstellung aus-
strahlt" (vgl. S. 331, man mufs in der That sagen, wenn diese
Stelle von Herrn A. T. mit spezieller Rücksicht auf die uns be-
schäftigende Wortverbindung niedergeschrieben wäre, hätte sie den
bei ihr vorliegenden Sachverhalt gar nicht treffender formulieren
können) — als Bezeichnung der zweiten Vorstellung jedoch hat
man bisher, und mag man fernerhin aus den angeführten Gründen
das äge ruhig hingehen lassen.
Nachdem vorstehend an einer Reihe typischer Beispiele ein-
gehend dargelegt worden, wie sowohl Herrn A. Toblers, die Wirkung
auf den Hörer berücksichtigende, Feststellung des Begriffsverhält-
nisses, als auch die von dem Herrn Herausgeber im Hinblick auf die
psychologische Radix vorgenommene Scheidung der Fälle — jede in
ihrer Art — sich wohl bewähren, mag zum Schlüsse — zur Be-
friedigung eines mehr ästhetischen Bedürfnisses, einer Art wissen-
schaftlichen Schönheitssinnes — der Versuch gestattet sein, beide Er-
klärungsweisen in einer Formel zu vereinigen, sie gleichsam in einer
höheren Einheit zusammenzufassen und zu sagen: „Von zweien (oder
mehreren) an einem Seienden sich darbietenden Begriffen erhält
bei ihrer Nennung die erste (oder jeweilig frühere) Stelle der
Dominantbegriff". Eine solche Formel liefse zwar an Einfach-
heit nichts zu wünschen übrig — „verblüffend einfach" könnte
man sie scherzhaft nennen — aber sie wäre andrerseits auch so
abstrakt, schemenhaft, ja, für jeden, der nicht schon instinktive
Zeitschr. t rom. Pbü. XXV. 22
338 TH. KALEPKY,
Beherrschung der Materie mitbringt, so nichtssagend, dafs ihr als
Erläuterung entweder jene S. 331 citierten Darlegungen Herrn
A. Toblers oder eine sich auf des Herrn Herausgebers Scheidung
stützende Spezifizierung beigegeben werden müfste, etwa in der
Fassung, dafs bei logisch -distinguierendem Verfahren begreiflicher-
weise sich der merkmal- oder inhalireichere, zugleich die Gattung
des Seienden kennzeichnende Substantivbegriff als Dominante er-
weise, bei affektischer, impulsiver Wiedergabe des Vorgestellten
jedoch der Adjektivbegriff, es sei denn dafs, wie z. B. bei ces
giietix chinois (neben ces gueux de Chinots) im Munde eines erregt
sprechenden Chinakämpfers, das Substantiv fühlbarer Ausdruck der
Wertung, das Adjektiv dagegen nur sachlich determinierend ist,
wie denn der Herr Herausgeber auch nicht affektischen Seelen-
zustand schlechthin, sondern ausdrücklich dies als Bedingung für
Voranstellung des Adjektivs angiebt, dafs das letztere selbst affektisch
attribuiere, d. h. eine affektisch erfafste Eigenheit des Dinges
wiedergebe. Dafs andrerseits auch ein an und für sich affektisches
Adjektiv bei (wirklicher oder fingierter) logisch dlstinguierender
Rede dem Substantiv (als Benennung des Dominantbegriffs) den
Vorrang lassen kann, haben wir schon oben an dem mit Vorliebe
gegen des Herrn Herausgebers Lehre ins Feld geführten Citat aus
Bossuet: O nuii desasireusel 0 nuit effroyalle! gesehen und vor der
Hand (vgl. S. 325) damit gerechtfertigt, dafs Exklamationen von der
Art wie: 0 desastreuse nuit! 0 effroyahle nuit! in einer Leichenrede
auf eine halbwegs gebildete, feinfühlige Zuhörerschaft durch das
ihnen anhaftende Rührselig -Marktschreierische abstofsend wirken
müfsten und eines so ausgezeichneten Redners wie Bossuet durch-
aus unwürdig wären.i Hier bleibt noch nachzutragen, dafs aufser-
dem das Citat in der angegebenen Form unvollständig und sinn-
widrig ist, sofern nämlich der Redner gar nicht seinem Gefühle
über das Unheilvolle und Schreckliche einer bestimmten Nacht
Luft machen, sondern an die Nacht erinnern, die Nacht seinen
Zuhörern ins Gedächtnis rufen will — unheilvoll und schrecklich
nennt er sie nebenher — in welcher plötzlich die erschütternde
[1 Der Herr Verf. gestattet mir, an dieser Stelle darauf aufmerksam zu
machen, dafs mit -eux (Begriff: Fülle) und -able (BegiifT: Disposition zu) ge-
bildete Adjectiva, als Elativa, naturgemäfs die Stellung der Superlative von
Satzgliedform {le plus . .) erhaken, deren nächste Begriffsverwandte sie sind,
also hinter dem Substantiv. Durch Wortbildungsmitlei {le plus, -eux,
-able) wird hier die affektische (subjektive) Altribuierung zu erkennen gegeben,
die sonst durch die Stellung des Adjektivs zum Bewufstsein gebracht werden
mufs. Werden daher Adjektive auf -eux, -able vor das Substantiv gesetzt, so
wirken sie, ähnlich wie der mit le plus gebildete Superlativ vor dem Sub-
stantiv, zwiefach, abundativ, und sind im gegebenen Falle geschmacklos; —
im gewissen Falle nicht. Wo dieser und jener Fall eintritt, ist nur aus dem
Satz- oder Gedankenganzen zu ersehen, die die empirische Grammatik gänzlich
in der Sj'ntax aufser Acht zu lassen pflegt, weil sie die lateinische Syntax für
Fragen der AVortstellung bis auf den heutigen Tag in dem Mafse ignoriert
hat, dafs kein Gymnasiallehrer dem Lateinschüler über Wortstellungen eine
Auskunft zu geben vermag. Hrg.]
ZUR FRANZÖSISCHEN SYNTAX. 339
Kunde von dem Tode der Prinzessin erscholl. Die Stelle heifst
vollständig: O nuit desasireuse! ö nidt effroyable! oü retefttit tout ä
coup comme un eclat de tonner re cette etonnante nouvelle: Madame se
meurt, Madame est morie. Die Nacht, jene Nacht — das ist die
Dominante seiner Vorstellung und darum steht nuit „zu Recht"
und durchaus gemäfs unserer Formel an erster Stelle.
X.
Konträre oder kontradiktorische Gegensätze?
Im Laufe der den Inhalt des vorhergehenden Artikels bildenden
Untersuchungen hat sich uns gelegentlich (vgl. S. 336 Anm.) die
Frage aufgedrängt, ob es statt der vom Herrn Herausgeber vor-
genommenen konträren Gegenübersetzung: „affektisch attribuierend"
und „logisch distinguierend", nicht rätlicher, vielleicht pädagogisch
zweckmäfsiger wäre, der meines Wissens heute allgemein anerkannten
Charakterisierung der einen Seite als „logisch distinguierend" ein
kontradiktorisches „nicht logisch distinguierend" für die andere
Seite gegenüberzustellen. Damit wären die von einzelnen gegen die
Kennzeichnung aller Fälle der Voranstellung des Adjektivs als
, .affektisch attribuierender" erhobenen Einwendungen erledigt, und
auch völlige Uebereinstimmung zwischen der allgemeinen Formel
des Herrn Herausgebers und den Ergebnissen der Spezialunter-
suchung Herrn Crons hergestellt.
„Das ist aber doch eine allzubequeme Art, sachlichen Schwierig-
keiten aus dem Wege zu gehen, statt sie durch unermüdliches
Forschen aus dem Wege zu räumen" dürfte gegenüber diesem
Vorschlage eingewandt werden. Ich erwidere darauf, dafs sich
doch mancherlei, sowohl praktische Ergebnisse, thatsächliche Fest-
stellungen als auch theoretische Erwägungen, zu Gunsten eines
solchen Verfahrens geltend machen lassen.
Bezüglich zweier sehr wichtigen dilemmatischen Ausdrucksfälle
liegen ganz selbständig — unabhängig sowohl von einander als
von der hier angeregten Theorie — gefundene Formulierungen
kondradiktorischer Art statt der früher üblichen konträren vor. So
kleidet der Herr Herausgeber Gr. I, 214 seine Auffassung von dem
Wesen des Subjonctifs in die Form „Er ist immer nur eines Sinnes:
Gegensatz des Indikativs. Wird in diesem Sein und Ge-
schehen als mit dem äufseren oder inneren Sinne wahrgenommenes
bezeichnet, so im Subjonctif das nicht wahrgenommene, das nur
im Geiste des Redenden vorhandene, das nur vorgestellte Sein
und Geschehen." Und ebenso ergab sich mir seiner Zeit (vgl.
diese Zeitschr. XVIU, 498 ff.) bei einer eingehenden Untersuchung
des Unterschiedes zwischen Imparfait und Passe defini als einzig
mögliche, haltbare Formulierung für das Wesen des erstgenannten
Tempus die, dafs ihm das abgehe, was für das Pass6 d6fini charak-
teristisch ist, nämlich „das Moment des Vollzuges", (d. h. die Vor-
stellung eines Seins oder Geschehens als eines sich zu einem Ganzen,
340 TH. KALEPKY, ZUR FRANZÖSISCHEN SYNTAX.
Abgeschlossenen, Fertigen vollziehenden, eines sich von einem An-
fange über eine Mitte bis zu einem Ende hin erstreckenden) so
dafs, wenn man für dieses Moment die graphische Kürzung m,
für Imparfait /, und für Pass6 d^fini P setzt, das Ergebnis sich
auf die Formel bringen läfst: I = P — ?«.
Selbstverständlich ist meine Meinung nicht die, aus der blofsen
Thatsache, dafs der Unterschied des Subjonctifs vom Indicatif und
der des Imparfaits vom Passe defini nur kontradiktorisch zu fassen
sei, dürfe ohne weiteres gefolgert werden, dafs diese Art der
Formulierung nun für alle dilemmatischen Redeweisen am Platze
oder gar einzig berechtigt sei. Die beiden hier erwähnten Fälle
sollten vielmehr nur als Anhalts-, als Ausgangspunkte für die Er-
örterung der Frage dienen, ob nicht kontradiktorische Gegen-
sätzlichkeit in Fällen, wo sich zur Bezeichnung gewisser Vorstellungs-
verhältnisse eine Zwiefachheit der Ausdrucksweise darbietet, im
Wesen der Sache begründet sei. Und dafür, dafs dieses der Fall,
scheint mir auch die Erwägung zu sprechen, dafs sich bei der
schier unerfafslichen Fülle und Mannigfaltigkeit der Vorstellungs-
und Denkkomplexe, mit denen menschliche Rede es zu thun hat, für
jeden Fall dilemmatischer Ausdrucksmöglichkeit, sei es in Syntax
oder in Stilistik, neben vielen leicht zu bestimmenden, zv/eifellos
der einen oder der anderen Kategorie zugehörigen, auch immer
eine Anzahl solcher Fälle — man könnte sie indifferente, neutrale
oder mediale nennen — finden wird, in denen es selbst dem
schärfsten und geschultesten Denken schwer fallen möchte, eine
sachlich ausreichend begründete Entscheidung bezüglich ihrer Zu-
gehörigkeit zu treffen, in denen daher ein schlichteres Denkvermögen,
ja selbst der doch sonst so sicher führende sprachliche Instinkt,
das Sprachgefühl, sich in ähnlicher Ratlosigkeit wie der Esel des
Buridan befinden müfste — wenn ihm für den sprachlichen Aus-
druck nur die Wahl zwischen konträr Entgegengesetztem gegeben
wäre. Ist indes die Bedeutung, der Sinn der einen Redeweise
klar, scharf, leicht erkennbar ausgeprägt, der anderen aber die
ganze Fülle der Nuancen, Schattierungen, Abstufungen mit zu-
gewiesen, die den Uebergang zu einem konträren Gegenteil bilden,
dann ist dem Sprechenden seine Aufgabe wesentlich erleichtert,
dann ist deren Lösung auch dem einfältigeren Verstände möglich,
denn was dann nicht offenkundig die für die Anwendung der einen
Sprachform erforderlichen Merkmale trägt, die dieser beigegebenen
Bedingungen handgreiflich erfüllt, das fällt ohne weiteres der anderen
anheim, also — mit Anwendung auf die Frage der Stellung von
Adjektiv und Substantiv zu einander: „Nur ausgeprägt logisch
distinguierend gebraucht, folgt das Adjektiv seinem Substantiv, in
jedem anderen Falle geht es ihm voran" oder nach S. 337 „Das
Adjektiv geht dem Substantiv voran, aufser wo der Begriff des
letzteren deutlich als Dominantbegriff empfunden wird."
THEODOR KALEPKY.
/
VERMISCHTES.
I. Zur Lautlehre.
Die betonten Hiatusvokale im Vulgärlatein.
Wie so vieles andere, so verdanken wir IMeyer-Lübke auch
die erste eingehende Untersuchung über die betonten Hiatusvokale:
warum sagt das Vulgärlateinische mea, aber m^us, grua, dies?
Mit der Frage hat sich Meyer-Lübke mehrfach, zuletzt Rom. Gram.
I 232 ffg. beschäftigt. Seine Ausführungen, die ich im Einzelnen
als bekannt voraussetzen mufs, lassen sich in folgende Sätze zu-
sammenfassen: Die Volkssprache behandelt diese Vokale nicht nach
ihrer Quantität, sondern lediglich nach ihrem Klang, resp. nach
dem Klange des zweiten tonlosen Vokals (Dissimilation). Die
Regel ist: altes /, u bleiben; altes e wird zu § vor folgendem i,
zu e vor folgendem a (nach S. 233 auch vor folgendem ti); altes
0 wird zu 0 vor folgendem u, zu p bezw. ^ vor folgendem a, i,
somit: dies, fcii, m^i, mea, S9US, soa, coi. Schon früh traten
Störungen ein: dem Plur. m^i folgte der Sing, m^us, dem Sing.
$9 US der Plur. S9i. — Hierzu einige Bemerkungen: Reicht das
Gesetz in die Zeit zurück, wo 1 und 1, ü und ö noch nicht in e, 0
zusammengefallen waren, so begreift man nicht, warum, während
altes 1 als i sich erhielt (dies = <//),! nicht auch altes ü als u
blieb (süa = sua, nicht soa). Fällt das Gesetz dagegen in eine
spätere Zeit, so erwartet man de es (/ = e) wie soa. Ist d^us durch
den Plur. d^i bedingt, wie m^us durch m^i? Eo (== ego) mit 9
erklärt sich nur unter der Voraussetzung, dafs 0 anders wirkte als u
(vgl. meum). Endlich scheint der Wandel von tuum zu t9um
anderer Art zu sein als der von meum zu meum: warum nicht
toüm? Mögen indessen diese Ausstellungen berechtigt sein oder
nicht, so sei es mir gestattet, auf eine andere Erklärung hin-
zuweisen. Dieselbe fufst auf einer wohlbekannten Thatsache, der
jedoch Meyer-Lübke für die Erkenntnis der in Frage stehenden
Lautvorgänge keine Bedeutung beilegt.
Im Vulgärlatein verschmolz der Tonvokal mit unmittelbar
folgendem i oder u zum Diphthong, meus, mei, de'us; dagegen
^ Hätte nach Meyer - Lübke's Auffassung nicht auch tria zu tria
werden müssen?
342 VERMISCHTES. I. ZUR LAUTLEHRE.
wurden Vokalfolgen wie betonter Vokal -J- a oder e, m6a,
mcae, diem in der Vulgärsprache nicht zu einer Silbe, da sie
romanisch noch heute deren zwei ausmachen (vgl. die Ausführungen
Gröbers, Archiv f, lat. Lexic, I221). Die Regel über das Verhalten
der betonten Hiatvokale in der Vulgärsprache möchte ich nun
folgendermafsen formulieren: In den diphthongischen Gruppen eu,
ei, U.S.W, behielt der Tonvokal die ursprüngliche Quantität deus,
meus, mei (daher altfrz. aprov. viieus, mit Brechung des e). In
den zweisilbigen Lautgruppen wurden dagegen die betonten Vokale
gedehnt, mea, dlem, grüa. Die Qualität des nachtonigen Vokals
spielt also nur insofern mit, als dieselbe das Verschmelzen zum
Diphthongen begünstigt oder verhindert. In der Hauptsache ist für
das Verhalten der betonten Vokale auch hier die lat. Quantität
mafsgebend. Die Frage, warum in mea, diem der Tonvokal ge-
dehnt wurde, läfst sich dahin beantworten, dafs diese Dehnung in
dem unbewufsten Bestreben erfolgte, die beiden Vokale, die nicht
zum Diphthongen zusammenfliefsen sollten, scharf auseinander zu
halten und denselben ihre Selbständigkeit zu wahren. Dieser Zweck
wurde am besten durch ein verlangsamtes Aussprechen der Vokale
erreicht. Anderseits konnte die Kürze des Tonvokals in meus
der diphthongischen Aussprache nur förderlich sein, eine Dehnung
derselben wäre zweckwidrig gewesen. ^ Dieser Lautwandel mufs
in der Volkssprache älter sein als das Zusammenfallen von 1 und e,
von ü und 0: das etymologisch kurze i von dies wurde, zu i ge-
dehnt, romanisch / gesprochen, desgleichen das e von mea e, das
gedehnte u von grüa w.2
Ist diese Erklärung richtig, so sprach man einst tüa, süa,
düas, tria. Während afrz. troie (statt trie) unter dem Einflufs von trois
steht, kann sich der älteste Lautstand in it. aprov. altspan. port. tiia.
^ Vereinzeltes zweisilbiges aspan. masc. mio, mios (Arch. f. lat. Lexic.
3, 531) steht vielleicht unter dem Einflufs des Femininums. — Eu, meu, deus
ist portugiesische Sonderentwicklung (s. Grundrifs I 719).
[2 Die Erklärung der Erscheinung aus einem Zwecke läfst sich, wie mir
der Herr Verf. anzumerken gestattet, vielleicht durch eine andere ersetzen, die
der Verschiedenheit des artikulatorischen Verhaltens des betonten Vokals zu
nachfolgenden Vokalen Rechnung trägt. Sie besteht darin, dafs mit dem-
selben Luft Strom von einem mit schwebender Zunge artikulierten Vokal
(f ?> 9 ?• ^) sich wohl zu Vokalextremen (/ u) übergehen läfst, bei denen die
Zunge die gröfseren Verengerungen des Mundkanals unter dem Hochton (dem
verstärkten Luftstrom) wie von selbst herbeiführt. Bei der umgekehrten Vokal-
folge (wie in den lat. Fällen i — e, i — a, u — e, ti — a) dagegen drängt der dem
Extrcmvokal mitgeteilte Hochton die Zunge zur extremsten Verengung des
Mundkanals, über die hinaus sie nur noch Reibgeräusche (wie j, v) erzeugen
helfen kann, sodafs dem Sprechenden nur die Möglichkeit bleibt, entweder
das dem Vokalextrem gemäfse Reibgeräusch {i—j oder u — v) laut werden,
oder, unter Stimmabsatz, Hiat eintreten zu lassen. Die Alternative besteht
nicht bei 6 — e, 6 — a oder / — a, ds. o e nicht Vokalextreme sind. Jene Vokal-
folgen begegnen daher in Mundarten oft genug als Diphthonge. Wurden die
betonten Vokale in solcher Folge aber, wie sonst in offener Silbe in lat.
Volkssprache, lang, so war ihre Vereinigung mit dem folgenden Vokal zum
Diphthongen ausgeschlossen, Hrg,]
A. HORNING, DIE BETONT. HIATUS VOKALE IM VULGÄRLAT. 343
sua, rät. dua, it. due, port. duas erhalten haben. Doch hat sich
das u möglicherweise erst im Hiat aus p entwickelt (so D' Ovidio,
Grundrifs I517), so wie in it. prov. sp. port. mia i aus älterem^
hervorgegangen ist.i Afrz. ioe wäre durch das Mascul. toimi be-
einflufst; indessen ist zu beachten, dafs das Altfranzösische auch siie
kennt, z.B. Münchener Brut 2851, und dafs im Nord-Lothringisch-
Wallonischen ü -\- a mx Hiat zu owf wird; ist dieser Wandel alt,
so kann souue in der Eulalia auf süa beruhen.'^ — Da fui, cui
immer diphthongische Gebilde waren, so fallen sie nicht unter die
oben aufgestellte Lautregel über die Dehnung des Tonvokals; es
mag deshalb hier dahingestellt bleiben, ob das xi etymologisch lang
ist und auch im Vulgärlatein lang gesprochen wurde (rätisches Mi
verlangt dann eine besondere Erklärung, mit der sich die rätische
Specialgrammatik zu befassen hat), oder ob der Wandel von ü zu
ü sich erst einzelsprachlich unter dem Einflufs des i vollzog (ähnlich
etwa wie totti zu tüü wurde), eine Lautveränderung, die das Rätische
nicht mitgemacht haben würde. Eine Sondererklärung verlangt
gleichfalls das diphthongische toum, sei es dafs das 0 durch
Dissimilation entstand, sei es dafs altes sovos, tovos (s. F. Solmsen,
Studien zur lateinischen Lautgeschichte, Strafsburg 1894, S. 141)
in demselben weiter lebt.
Aus dem was über it. tua, siia gesagt wurde, erhellt, dafs sich
für die aufgestellte Lautregel ein strenger Beweis nach jeder Richtung
hin nicht erbringen läfst. Die gegebene Erklärung mufs für sich
selbst sprechen, indem sie Licht in eine dunkle Frage bringt. Doch
sollen noch einige Einzelheiten kurz erörtert werden. Nach INIeyer-
Lübke hat das vulgärlateinische grüa (frz. g7-He) das lange u vom
Nominativ grüs bezogen, eine Ansicht, welche der neben grus
allbezeugte Nomin. gruis und rumän, neuprov. ital. grue (auch
Boerio giebt grue neben grua) als unwahrscheinlich erscheinen
lassen. Der Hiatus, den das Volkslatein einst durch Dehnung des
Tonvokals zu mildern suchte, wurde in späterer Zeit in vielen
romanischen Mundarten als störend empfunden und auf die ver-
schiedenste Weise beseitigt: das Italienische kennt nach Tommaseo
grtiga und gruva, das Neuproven(;alische nach INIistral gruio, agriö,
agnioue', nach Romania 2g, 354 gehört auch sp. grulla hierhin.
Ebenso wird port. grou zu verstehen sein: angesichts der andern
romanischen Formen des Wortes ist es wenig glaubhaft, dafs das-
selbe altes grüem wiedergibt: es wird vielmehr aus gruve, mit
hiattilgendem v, entstanden sein, das zu grime und mit Dissimilation
zu gj-ot{[e) wurde (vgl. besonders nprov. agruoue). — Frz. pücelle
erklärt Gröber, Arch. f. 1. Lexic. 4, 450 mit Recht aus püel'cellus,
1 Vielleicht entwickelte sich i zuerst in altbezeugtem lat. mius, da der
Diphthong iu sich bequemer aussprechen läfst als eu.
- Grofse Vorsicht ist bei der Beurteilung der rätischen Formen tüa,
tües geboten (s. Gärtner, Rät. Gram. S. 99), da in Enneberg ü auch aus d
entsteht, tüa sich demnach aus tone entwickelt haben kann. Dasselbe gilt
von den Vertretern von duas in der Dauphine, dyüe, dyüe (s. A. Devaux, La
langue vulgaire du Dauphine Septentrional, S. 369).
344 VERMISCHTES. II. ZUR WORTGESCHICHTE.
püellus, indem er ausdrücklich hervorhebt, dafs die Länge des u
wie in gruem durch den Hiat bedingt sei. Ich lege mir die
Form so zurecht, dafs zunächst in altem, zweisilbigen puer der
betonte Hiatvokal zu ü gedehnt wurde; in poella der Appendix
Probi- ist o in ursprünglich vortoniger Silbe gerechtfertigt. Dafs lat.
puer (aus povero) etymologisch begründetes ü hatte, zeigt Solmsen,
1. c. S. 146. — Auch frz. tr Helle setzt ein vulgäres trüa (s. Georges)
voraus; zu dem ursprünglichen ü in dem Worte vergleiche man
gleichfalls Solmsen, S. 163. — Es läfst sich die Frage aufwerfen,
ob rütum (rütare = frz. ruer) neben rütum und strügere ihr u
nicht von rüam, strüam u. ä. bezogen haben. 1 — Wenn wie Meyer-
Lübke annimmt, it. lue auf vulg. boem statt böem beruht, so
entspricht g (= gedehntem ö aus 0) der aufgestellten Regel. —
Nach Meyer-Lübke sagte das Vulgärlatein nicht via, sondern vea,
mit etymologischem e, resp. 1 wie in mea. Fraglich ist mir, ob
man sich dabei beruhigen kann. Es bleibt auffällig, dafs auf
weitem Gebiete i erst wieder aus e entstanden sein soll: man be-
achte sp. via neben sea (siam), in der Dauphine vi neben seyo
(siam), s. Devaux S. 164, im Friaulischen vie, auch trie, neben vie,
mes (mea), s. Meyer-Lübke, RGr. II iio; in Freiburg steht maya =
mea (RGr. II 112) kein vaya zur Seite.2 Das von Varro als vulgär
überlieferte veha war vielleicht dialektlateinisch oder bäurisch ge-
sprochenes Schriftlatein [e = z). Falls via (aus via) in der Volks-
sprache das Ursprüngliche sein sollte, liefse sich frz. voie aus früh-
gebildetem inviare erklären, oder aus viam in proclitischer Stellung,
wo 7 berechtigt war; oder dasselbe kann unter dem Einflufs von
schriftlateinischem via entstanden sein.
A. HORNING.
II. Zur Wortgeschichte.
Ecclesia.
Soviel ich sehe, wird jetzt allgemein angenommen dafs überall
die volkstümliche Aussprache von ecclesia ein offenes e in der Ton-
silbe gezeigt habe. Die Bedenken die sich in Bezug hierauf bei
mir regen, vermag ich vorderhand kaum anders als in Fragen aus-
zudrücken. Hatte das griechische ij, als sich ixxXfjOia im christ-
lichen Sinn über die romanischen Gebiete zu verbreiten begann,
noch den Wert von /? Oder wandelte sich e zu f im fremden
Munde um? Ist das i von ec(c)lisia in den merowingischen Ur-
1 Nach Seelmann, Aussprache des Lateinischen, S. 90, braucht Plautus
clüeat (von cluere).
"^ Vi'f sagt man schon in der Umgegend von Beifort und in den süd-
lichsten romanischen Ortschaften auf Elsafs-Lothringischem Gebiete; das sicher
volkstümliche Wort bezeichnet in Montreux-Vieux, in Delemont in der Nord-
schweiz einen Feldweg (chemin d'exploitation, de defrichement), im Proven9.
einen Pfad, im Italienischen die Strafsc einer Stadt; es fällt demnach in der
Bedeutung nicht mit caminus zusammen.
H. SCHUCHARDT, FRANZ. GLAIVE. FRANZ. BOÜÄE \ MHD. BOÜCHEN. 345
künden des 7. Jhrhs., sowie auch in älteren Handschriften und in
einer Inschrift von Vienne aus der ]Mitte des 6. Jhrhs. anders zu
deuten als in den Ravennaer Urkunden des 6. Jhrhs., und anders
als das i von a'/eri, dihet, fidt, ri'ge u. s. w. in denselben merowin-
gischen Urkunden? Wie lassen sich friaul. glisie neben glesie, alt-
span. igh'sia neben iglesia, bearn. glisie, glise, gligi neben gleise,
bask. eliza (cispyr.) neben eleiza, elechia (transpyr.), bret. iliz neben
kymr. eglwys erklären? Blofs über zwei Punkte traue ich mich
schon jetzt mich bestimmter zu äufsern. G. Paris in seinem Aufsatz
Les plus anciens mots d'emprunt du frangais S. 24 nimmt an dass
ecclesia wirklich gesprochen worden sei; aber wenn die Dichter in
Zeiten da schon längst der Unterschied zwischen Länge und Kürze
der offenen Tonvokale ins Schwanken gekommen war, hie und da
so mafsen, so haben sie eben aus der Vokalqualität die Vokal-
quantität analogisch erschlossen. Es würde schwer sein einen
Grund für die Verkürzung des betonten e in ecclesia ausfindig zu
machen, und warum hätte denn dieses e für e zn e werden müssen,
statt sich dem von tnenus, perum, vecem zuzugesellen? Zweitens
kann kymr. eghvys nur auf eclesia bezogen werden, ebenso wie
h'ivyst nur 2xS. bestia. Meyer-Lübke Zeitschr. für celt. Phil. 1,474 fr.
legt ihnen ecl§sia, bfstia zu Grunde, aber daraus würden sich eg/ais*,
baisi* ergeben haben, wie aus cofivfniio, t^rtia : cyfaint, tairih.
Zwischen maceria und magivyr besteht allerdings eine Kluft; ich
möchte sie aber eher von jener Seite als von dieser aus über-
brücken, das heifst, ich möchte ein '^maceria ansetzen.
Die romanischen Formen von ecclesia harren noch einer ab-
schliefsenden Untersuchung.
H. SCHUCHARDT.
Franz. glaive.
Ascoli Arch. glott. it. X 272 hat darin mit Recht eine Ver-
mischung von lat. gladio und gall. * cMdibo (liefse sich nicht auch
an ein *cladibo denken?) erblickt. Auch in der lateinischen Über-
lieferung scheinen sich Spuren davon erhalten zu haben; Th. Birt
Der Hiatus bei Plautus und die lateinische Aspiration bis zum
X. Jhd. n. Chr. (IMarburg 1901) S. 27g verzeichnet aus Hand-
schriften und Glossaren: claiidius, glavdiiis, glavus, gaudio, gaii =
gladius, gladio und bezieht hierauf, freilich mit anderer Deutung,
die romanischen Formen glaive, glavi.
H. SCHUCHARDT.
Franz. houee \ mhd. houclien.
Die drei holl. Wörter boei „Fessel", boei „Boje", baak „Boje"
pflegt man nicht der Bedeutung, sondern dem Laut nach etymo-
logisch zu ordnen, nämlich für die beiden ersten einen gemeinsamen
346 VERMISCHTES. II. ZL'R WORTGESCHICHTE.
Ursprung anzunehmen, für das dritte einen andern. Indessen geht
das eine der beiden boei auf altfrz. boü, huie \ lat. boja zurück, das
andere auf franz. boiiee. Nun hat man zwar auch das letzte Wort
an boja angeknüpft (so noch bei Körting'-); aber das Dict. g6n.
weist mit Recht diese Herleitung zurück. Es beruft sich auf die
Phonetik; doch auch die Bedeutung spricht dagegen. Denn wenn
selbst norm, boie (so bei Littre) und altfranz. boie (so bei Diez, Scheler,
Bos u. s. w. — nicht bei Godefroy) wirklich im Sinne von bouee
vorkommen sollten, so würden sie ebensowenig auf boja zu beziehen
sein. Der Name der Boje kann ja leicht auf das Bojeseil über-
tragen werden, wie das bei franz. gaviieau ({ südfranz. gavithi, ital.
gavüello) wirklich geschehen ist (s. die zweite Bed. bei Sachs), wohl
auch bei franz. orin (die erste Bed. aus älterer Zeit belegt, s. Dict.
gen. — Span. port. ormque hat die zweite), möglicherweise endlich
bei franz. drome („origine inconnue" sagt das Dict. g6n.; es ist |
deutsch Drohn, Trum, Triimm [engl. thriim(b)\, welches sich z. T.
mit deutschem Drahjn, Tram, Dranim vermischt hat), obwohl hier
die erste Bed. selbst nicht nachweisbar ist; unwahrscheinlich ist
die Benennung der Boje nach dem Tau, das sich ja nicht wesent-
lich von andern Tauen unterscheiden kann. Das was bei dieser
Einrichtung hervorsticht, ist nicht dafs ein Ding an ein anderes
gefesselt ist, sondern dafs es dessen Ort anzeigt. Das holl. baak
bedeutet in der That eigentlich „Zeichen"; man hat es längst zu
altfries. bdceji, alts. bocan, ags. beacen, engl, beacon, altn. bdkn, ahd.
bouhhan, mhd. bauchen gestellt. Auf dieses bauchen, auch wenn es
nur in der allgemeinen Bedeutung „Zeichen" vorkäme, müsste man
das franz. bouee, von der romanischen Endung abgesehen, zurück-
führen. Aber das Alemannische kennt das Wort noch heutzutage
in der Bed. von bouee. Ich setze die betreffenden Stellen aus dem
Schweizerischen Idiotikon IV, 964 und 972 her:
Fauche^ m.: Boje, Zeichenholz, Ankerzeichen Bodensee.
Böche^ (auch P-) n. TnSteckb., Böchel m. TnErm.: i. Boje,
schwimmendes Holz am Ende eines in den See gesenkten Netzes
oder einer „Setzschnur" mit eingekerbtem oder eingebranntem
Eigentumszeichen TnUntersee (Fischerspr.). — 2. Merkzeichen
übh. Th.
böche'^: die Fischreusen im See durch Angel aufsuchen, wobei
der Fischer nur an gewissen Merkzeichen am Ufer sich orientieren
kann, wo er vorher die zsgebundenen Reusen ins Wasser gesenkt
hat TnSteckb.
Dafs das Wort nicht blofs auf der Thurgauer oder überhaupt auf
der Schweizer Seite vorkommt, und noch in anderer Form, ersehe
ich aus C. B. Klunzinger Bodenseefische, deren Pflege und Fang
(Stuttgart 1892), wo z. B. S. 143 von Haupt- oder Tragbauchen und
Schwebebauchen oder Bäuchle (Langenargen), S. 163 von Bauchen
oder Bäuchle, Bochel die Rede ist. Bei Schmeller treffe ich dies
Bauchen nicht an; indessen halte ich es doch nicht für unmöglich
dafs es auch an den bayerischen Seeen bekannt ist. Der Chiemseer
H. SCHUCHARDT, FKANZ. BRETELLE, BRETELLlfeRE. 347
Fischerraeister Gg. Rauch gebraucht in der Allg. Fischerei-Zeitung
XXI (i8g6), 100 den Ausdruck Beuchen allerdings in Bezug auf
die Netze des Bodensees, aber ohne dessen örtliche Geltung hervor-
zuheben; nur setzt er zuerst in Klammern dazu: „auch Schiüimmer
genannt". Und ebend. XXII, 428 in einer Beschreibung von
Netzen am Comcr See sagt er ebenfalls Beuchett, zuerst Schzuimmcr
[Beuchen).
Span, boya, port. boia, ital. boia, boa, engl, biioy, deutsch Boje
stammen aus dem Holländischen. Holl. baak (w.) oder niederd.
Bake erscheint im Südfranz, als bago, mit Anlehnung an das gleich-
lautende Wort für „Ring".
H. SCHUCHARDr.
Franz. hretelle, hretclliere.
Das Dict. gen. hat unter breteUe'. 2. „filet pour prendre les
chiens de mer" und führt gleich darauf bretelliire als Synonym an.
Das ist unrichtig. BreteUe bedeutet den „chien de mer" selbst,
und zwar nicht etwa den Seehund (Sachs erklärt breteUe als „Netz
zum Seehundfang"), sondern den Hunds- oder Katzenhai. Nach
Duhamel I, 11, 115 ist dieser Name neben breite in der Normandie
gebräuchhch; ich vermute dafs damit die beiden Fische, der kleine
und der grofse Hundshai (scyllium stellare und canicula = squalus
catulus und canicula L.) unterschieden werden, welche sonst petite
und grande roussette heifsen.^ Als gaskognisch finde ich hierfür
breto. Es versteht sich von selbst dafs an einen Zusammenhang
mit breteUe „Tragriemen" nicht zu denken ist, von dem ich übrigens
meine dafs es { ahd. brittU ,.Zügel" ist, also die Angabe: „origine
inconnue" nicht verdient. Brette bedeutet eigentlich „Bretonin", und
vielleicht ist das Tier so genannt worden weil es an den Küsten
der Bretagne besonders häufig vorkam. Es kann aber der Name
selbst keltisch sein, wie ja auch die Engländer dem Katzenhai u. A.
den Namen morgay, vwrgray \ kymr. vwrgi geben. Der Kymre
sagt aber auch ci brych = engl, spotted dogfish, holl. gespikJielde haai,
deutsch gefleckter Hai; synonym diesem brych (w. brcch) ist brith
(w. braith), bret. briz, und das könnte, vermittelst eines Mifsverstehens
und Mifshörens, sich in brette erhalten haben.
H. SCHUCHARDT.
^ Dieser gleichsam offizielle Name des betreiFenden Tieres ist im Dict.
gen. nicht gebucht; auch nicht der nächst häufige ctiat de mer (cliat marin),
nur etilen marin finde ich auch mit diesem Sinne angegeben: ,,phoque, requin
et squale; roussette". Wer nicht weifs was roussette ist, und sich aus dem
Dict. gen, darüber unterrichtet, wird erfahren dafs roussette ein Fledermausart
ist. Aufserdem ist roussette hier als Birnenart angegeben. Es sind gerade
diejenigen Bedeutungen berücksichtigt worden die weggelassen werden durften
(es handelt sich ja um eine tropische Fledermaus!), und diejenige weggelassen
die berüclcsichtigt werden mufste. Die im Dict. gen. getroffene Auswahl ist
mir in so manchen Fällen unverständlich,
348 VERMISCHTES. II. ZUR WORTGESCHICHTE.
Franz. xüie „Scholle".
Das Dict. g^n. erklärt pHe: „poisson plat, dit aussi carrelet^^.
Ganz abgesehen davon dafs carrelel strenggenommen die junge
plie bezeichnet, genügt diese Erklärung nicht. Es ist wahr dafs
in den Benennungen der Fische grofse Verwirrung herrscht, aber
eben deshalb war ein solches Wörterbuch verpflichtet so viel wie
möglich Ordnung zu machen. Plie ist zuvörderst ein Gattungs-
name, entsprechend unserem „Scholle" (so gibt das Dict. gen. den
flet und die limande als zum „genre plie" gehörig an) ; der französische
wie der deutsche Name gilt dann insbesondere für einen Fisch
dieser Gattung und pflegt da wo es auf Genauigkeit ankommt, mit
einem Zusatz versehen zu werden: plie franche „gemeine Scholle"
(auch „Maischolle"). So ganz richtig bei Sachs, der auch den
wissenschaftlichen Ausdruck „pleuronectes platessa" hinzufügt. Das
Dict. gen. durfte auf die lateinische Terminologie hier und über-
haupt nicht verzichten. Der flet „Flunder" (pleuronectes flesus L.)
heifst zuweilen plie vaseuse. Scholle und Flunder sind sich so
ähnlich dafs man sich nicht wundern kann wenn der Name jener,
die im Mittelländischen Meer kaum vorkommt, hier auf diesen
übertragen wrrd. Das Dict. gen. sagt bezüglich der Etymologie
von plie: „pour plis, plus anciennement ple'is, plais (cf. l'angl. plaice),
d'origine inconnue." Stillschweigend wird hier die allgemein an-
genommene Herleitung vom lat. platessa abgelehnt; warum? Dieses
Wort das sich in dem plasse, plisse, plaise französischer Mundarten,
sowie im holl. pladijs, deutschen Platteis(e) oder -eisse unverkennbar
erhalten hat, begegnet uns auch im Süden wieder als gask. platusso
(daher das in den Wörterbüchern der Schriftsprache verzeichnete
platuse, plateiiseT), -^oxi. patriiga^, gz\. pratucha, platucha, s^düL\, platija,
platuja, kat. plattissa; vgl. serb. (nach Krisch) plattisa „Seezunge"
(solea vulgaris = pleuronectes solea L.), platiisica „Lammszunge"
(eucitharus linguatula = pleuronectes linguatula L.). Abgesehen
von dem Wechsel der Endung, die im späten und spätesten
Latein als -issa, -isa, -esia, -usa erscheint (man vergleiche siz. pianiissa,
dessen Stamm sich im langued. plmto'- wiederfindet), springt die
doppelte Form des Stammes: plat- und platt- in die Augen. Da
für jene ein so altes Zeugnis vorliegt, wird man geneigt sein diese
für die daraus entstandene zu halten, und somit auch das un-
zweifelhaft damit in Verbindung stehende romanische Adjektiv *platto
auf ein *platus zurückzuführen, welches dem gr. jiXarvg entspräche
^ A. A. Baldiique da Silva Estado actual das pescas em Portugal
S. XII. 44. 45 bietet patetjga im Sinne von „Flunder"; sollte das nicht ein
dreimaliger Druckfehler iüx patruga sein? S. 507 sagt er: „patruaa, peixe da
forma do redovalho [lies ,,rodovalho"; es ist der Steinbutt], mas mais branco
e menos saboroso".
2 Nach Rolland ist dies „platessa limanda", aber nach Carus ist es
„pleuronectes flesus", und bei ihm fehlt die Limande unter den Mittelmeer-
fischen, während La Blanchere allerdings ihr Vorkommen im Mittelmeere
erwähnt.
FRANZ. TURBOT \ (d. DOKNliUlT). ISCHL j INSULA? 349
(das von demselben Stamm gebildete jiXädavov, -ävt] lebt meiner
Meinung nach in friaul. plddi7ie u. s. w. fort). Indessen liefse sich
für die Verdoppelung des / schwer eine Ursache ausfindig machen
(etwa der Einflufs eines nordischen flai-1), und so möge denn
eine andere Vermutung hier geäufsert werden. Nicht *plaius,
sondern *plaitios ist die Grundform, und daraus entweder in früher
Zeit (wie in lat. vüla, wenn es zu gr. Ixva, Irta gehört) oder in
späterer (wie in qtiattor, flattere, ^futtere) *plaltus entstanden. In
*/j/a/uissa hingegen wäre das n als vortoniges spurlos geschwunden,
wie in span. badajo, hoder. Ob der ütläta^ der Alexandriner
den Flunder bezeichnet hat, wissen wir nicht. Wohl aber gilt
dieser den Kelten als „Plattfisch" schlechtweg: ir. leaihög, kymr.
lledan, lleden, Plur. lled-au zu ir. lealhan, kymr. llydan, Uedan, bret.
ledan „breit"; wenn wir auch hier neben Formen mit -/- andere
mit -It- haben, so handelt es sich um einen ganz verschiedenen
Stamm: kymr. Uylhi-eii zum Flur. Uyth-i, bret. liz-etm, Plur. liz-ed
zu kymr. ilylh „platt".
H. SCHUCHAKDT.
Franz. turhot [ (d. Dornbutt).
Das Dict. g6n. bemerkt, zu turhot: „origine incertaine", doch
sei die Herkunft von lat. tiirbo nicht unmöglich, wenngleich die
Endung unerklärt bleibe. Das norm, iurhillon neben turbotm, „junger
Steinbutt" könnte dieser Vermutung eine kleine Stütze geben, wenn
hier nicht eine Verwechselung mit torpille, ttirpille „Rochen" im
Spiele wäre. Das etymologische Räthsel ist leicht zu lösen. Der
rhombus maximus (pleuronectes m. L.) wird nach den Knochen-
höckern benannt mit denen er besetzt ist, so in Süditalien rombo
petroso, so in Südfrankreich romb clavela, so in Deutschland Steinbutt,
Dornbutt; vgl. Dornhai, Dornroche (ital. razza petrosa oder spinosa,
südfranz. clavelado). Turbot ist nichts Anderes als Dornbutt, engl.
thornbut, nur dafs eine skandinavische Form vorausgesetzt werden
mufs, mit tör7i- (schwed.), torn- (dän.). Ob eine solche in älterer
Zeit vorkommt, weifs ich nicht, jedenfalls heifst die Steinbutte heute
pigghvarf, pighvar, worin aber ebenfalls ein Wort für „Dorn"
„Stachel" steckt: schwed. pigg, dän. pig.
H. SCHUCHAKDT.
Isclil \ Insula?
Vor Jahren kam es einmal in Ischl wie eine plötzliche Er-
leuchtung über mich dafs Isc/it nichts Anderes sei als Ischia nach
Ascolis Deutung. Den Vorsatz wenigstens dieser romanischen
Etymologie mich ganz im Stillen zu erfreuen gab ich auf als ich
G. Grassos von Kärtchen begleitete „Ad uno articolo glottologico
dal sen. prof. Ascoli illustrazione geografica" (Rendiconti del R. Ist.
350 VERMISCHTES. II. ZUR WORTGESCHICHTE.
Lombardo ser. II, vol. XXXll [1899], 640 ff.) gelesen hatte. Zunächst
berührte sie sich allerdings in mir mit einem ganz allgemeinen
Interesse. Die Ortsnamenforschung, die ja schon viele und schöne
Früchte gezeitigt hat, fufst immer noch nicht genug auf dem Sach-
lichen. Wenn auch dieses oft durch jene erschlossen wird, wenn uns
z. B. Aunay einen ehemaligen Erlenhain oder Aurillac einen ehe-
maligen Besitzer Aurelius bezeugt, so benötigen wir doch ebenso
oft zum richtigen Verständnis des Namens die Kenntnis der ört-
lichen Umstände. Manchmal steht das Grundwort selbst nicht fest,
manchmal wenigstens seine Bedeutung nicht. Besonders unter den
Bezeichnungen für den nach Lage, Art, Bewachsung verschiedenen
Boden finden sich viele welche einen unbestimmten, schwankenden,
verblafsten Sinn haben; man halte nur einmal wegen solcher
deutschen Ausdrücke wie Au, Anger, Brühl, Gelände, Halde, Heide
u. s. w. Umfrage, und nicht blofs unter den Schulkindern, und man
wird sehr voneinander abweichende und sehr unsichere Antworten
erhalten, ja, mancher wird nur dem Bewohner einer gewissen
Gegend, mancher nur dem Dichter, mancher nur dem Fachmann
bekannt sein. Damit hat nun die Ortsnamenforschung zu rechnen.
Vor einiger Zeit beschäftigte ich mich mit dem span. nava (Ztschr.
XXIII, 182 ff.); die mit dem Gattungsnamen, der Herkunft nach,
zu verbindende Vorstellung schien mir in neuerer Zeit verdunkelt,
aber auch durch die zahlreichen Ortsnamen nicht in gleicher Weise
vertreten zu sein. Ich konnte mich nur auf dürftige, oberfiächhche
geographische Angaben stützen: Pläne und Profile wären nötig
gewesen um mich erkennen zu lassen, iimerhalb welcher begriff-
lichen Grenzen überhaupt dieser Name verwendet worden ist
und ob sich dabei die Verschiedenheit der Gegenden geltend
gemacht hat. Auch die Frage wäre dann eher zu beantworten
gewesen ob nicht in manchen Fällen der Ortsname, statt unmittel-
bar auf dem Gattungsnamen zu beruhen, einem älteren Ortsnamen
nachgebildet wurde. Zu jenen als Ortsnamen sich festigenden
Gattungsnamen welche sowohl der etymologischen Mitbewerber-
schaft als des eigenen schillernden Sinnes wegen besondere Be-
achtung verdienen, gehört insula im Romanischen. Ich habe es
hier nicht mit der Übertragung auf Ähnliches doch Getrenntes
(wie „Häuserinsel") zu thun, sondern mit einem die allmähliche
Veränderung der Sache selbst begleitenden Vorschreiten des Wort-
gebrauches. Ein Flufs der sich anfänglich in Krümmungen dahin-
windet, durchschneidet bei starkem Anwuchs eine Landzunge; es
entsteht eine Insel oder Sandbank; das Altwasser versandet, trocknet
dann allmählich aus; die Insel wächst schliefslich an der andern
Seite fest, verrät aber auch noch später ihren alluvialen Ursprung,
kennzeichnet sich durch die Bewachsung. Dieser Naturvorgang
spiegelt sich ab in der Geschichte der beiden Wörter welche im
Deutschen erst spät durch das Lehnwort Insel verdrängt worden
sind, nämlich Au und Werder (vgl. auch niederd. Holm). Ich be-
schränke mich darauf die Bedeutungen anzuführen welche das
ISCHL j INSULA? 351
Schweizerische Idiotikon für das jetzt nicht mehr appellative Au
verzeichnet: „i. Insel, Halbinsel ... 2. Gelände an einem
Gewässer, wasserreiche Ebene an einem See, auch überhaupt
sumpfige Wiese ... 3. Landstrich längs einem Bache oder Flusse,
zugeschwemmtes Grienland, meist mit Gebüsch und Gras be-
wachsen, etwa zu Weide dienend ... 4. das Gesträuch selber"
[es geht vorher: „Dornstauden oder Erlenstauden aus der Au"].
Dabei wird auf a//c2s Agnus = in der Au „sumpfige Gegend am
Inn" verwiesen. Schweiz. Ei, Eie (wohl eine Nebenform zu Au)
hat fast den gleichen BegrifFsumfang (s. ebend. I, 18). Aber auch
Schweiz. Isel kommt in solch allgemeinerem Sinne vor (s. ebend.
I, 346): „Iselgouiv hiefs vormals das Berner Seeland, als von Ge-
wässern überall umgeben" — ^Waide und isel, die gelegen sind
zwüschent dem Gelengen [Flufs Glenner] und der stat ze Inlanz'
1344 ILANZ." INIan übersehe nicht den romanischen Charakter von
Ilanz. In entsprechender \^^eise verhält es sich mit insula und
seiner Sonderform iscla; nur wird uns leider, bei der Erwähnung
der letzteren, gern die nähere Auskunft über ihre Verwendung vor-
enthalten. So begnügt sich V. de Bartholomaeis in seinem „Spoglio
del Codex diplomaticus cavensis" (Arch. glott. it. XV) S. 345 damit
das sehr häufige Vorkommen von iscia (auch isclilella', ist dies
das Ischitella in der Capitanata?) festzustellen. Ital. isola dient
auch zur Bezeichnung der niedern und zeitweiligen, d. h. neu
entstehenden und leicht vom Wasser bedeckten Inseln, was ich
nur deshalb bemerke weil dafür an verschiedenen Orten besondere
Ausdrücke bestehen, wie bonello, in der Lombardei und Venezien
mezan, zu Cremona balouiteen, zu Mantua baloiin. C. Avolio
Suppl. all' Arch. glott. it. VI, 86 gibt die Bed.: „isola tra due
fiumi o nel greto dello stesso fiume" für das mir sonst nicht be-
kannte siz. isca an. G. di Giovanni (bei Traina) bemerkt: „isole
chiamano in alcune parti i terreni alluvionali presso al fiume Pla-
tani, aventi per lo piü la forma di promontorio." Aus Repetlis
Wörterbuch führt S. Pieri Suppl. all' Arch. glott. it. V, 150 an:
„Molte piagge o greti anticamente investiti e circondati dalla bifor-
cazione d'un fiume o dalla confluenza di due corsi d'acqua diversi,
ebbero il nome d' iso/a." Im Südfranzösischen bedeutet — um
nicht die Stelle aus DC. zu wiederholen — INIistral zufolge isc/o,
das in der Rhönemundart auch noch den ursprünglichen Sinn hat:
„alluvion, greve, terrain plat couvert de buissons et d'arbrisseaux
qui se trouve le long des rivieres." Engad. isla wird im Pallioppi-
schen Wörterbuch auch mit der Bed. „Gebüsch am Ufer, am
Wasser" angegeben, und dazu als Eigenname gestellt: Islas „Gegend
am Inn bei Celerina" ; Truoch d' Islas „Feldweg unter Cresta (bei
Celerina), gegen den Inn zu". Auch das südsard. isca scheint sich
auf den Pflanzenwuchs selbst beziehen zu können; V. Porru hat
wenigstens: „isca, cannedu, isca de canna, ca7inHu^\ Grasso, dessen
Untersuchung sich auf die Namen im Gebiete des samnitischen
Apennins beschränkt, kommt zu dieser allgemeineren Bestimmung
352 VERMISCHTES. II. ZUR WORTGESCHICHTE.
von ischia, isca: „un terreno sabbioso ed umido, dovuto special-
mente all' azione delle correnti Üuviali" (S. 645). Für das Iscia
Vencziens, das von C. Battista in einem auf der dritten italienischen
Geographenversainmiung gehaltenen Vortrag „Intorno ad una rac-
colta di termini locali attinenti a fenomeni fisici od antropogeogra-
fici" (ich kenne ihn nur aus Grassos Anführung) behandelt worden
ist, wird die Bedeutung angegeben: „terreno sabbioso fluviale messo
a coltura di recente" (ebend. S. 646). Wenn nun aber ischia, isca
sich sehr häufig auf ein zwischen zwei zusammenstofsenden Flüssen
gelegenes Gebiet bezieht (ebend. S. 644), so läfst sich doch die
Frage nicht unterdrücken ob hier nicht sowohl das geologische als
das rein geographische Moment mafsgebend war, ob man nicht
die Halbinsel als Insel ansah, was sich mit gr. vtjöog, arah. gezJra/i
(vgl. Algeciras) u. s. w. belegen liefse; wird doch umgekehrt mit
inieramnus, Literamna nicht blofs das zwischen zwei zusammen-
stofsenden Flüssen, sondern auch das zwischen zwei Fiufsarmen,
also innerhalb eines Flusses gelegene Gebiet bezeichnet. Was
Iscla als rom. Ortsnaraenform anlangt, so ist es sowohl in öst-
licher wie in nördlicher Richtung auf das vorarlbergische Ischgl
bis an die Grenzen der jetzigen Romania vorgeschoben. Im
Pallioppischen Wörterbuch wird aus Campell (16. Jhrh.) entnommen:
„Von Sclamischot (im Kreis Reraüs) den Inn weiter hinab, aber
auf dessen linkem Ufer, folgen las Isclas.^^ Und in Südtirol gibt
es aufser dem schon von Ascoli erwähnten Ischia (am Ostufer des
Sees von Caldonazzo) noch andere Orte dieses Namens, wie aus
Chr. Schneller Tirol. Namenforschung (i8go) S. 84 zu ersehen:
„Ischia, urk. Iscla, Hiscla, Yscla, Isclella, oft vorkommender Name
für Lagen an Flüssen (Inseln, Auen) mit allerlei Beifügungen, von
lat. itisula."
Wegen der Orte Ischgl und Ischl, die auf einst romanischem
Gebiete liegen, bin ich meine Kollegen E. Richter und A. Meli
und durch Th. Gärtner u. A. den Altmeister Schneller um geo-
graphische und urkundliche Auskunft angegangen. Nun sehe ich
zwar im letzten Augenblick dafs schon A. Kubier Die suffix-haltigen
romanischen Flurnamen Graubündens I (1894), 27 diese beiden
Namen zu Ischia und zu bündn. Isla (Ruaun, Levg., Trins u. s. w.),
welches „seltener Insel als Au d. h. Land am Wasser" bedeute,
sowie Islas (Silvapl., Scanfs u. s. w.), Eigslas (Bergün), Eislas
(FiHs.), Igsles (Zutz) gestellt hat (vgl. Isella^ S. 53); denke aber
doch dafs das was ich gesagt habe und noch sagen werde, da-
durch nicht ganz überflüfsig gemacht wird. Ischgl das schon im
14. Jahrh. als Iscla seu Augea (= Au) vorkommt, liegt staft'elförmig
auf einem vorspringenden Hügel zwischen den im spitzen Winkel
sich treffenden Trisanna und Fimberbach (Paznaunerthal). Wenn
* Hierzu aus dem Wöiterbuch der Pallioppi: „Isella Feldgegend ob
Celerina, an der Ausmündung der Schlatainschlucht. Isellas Maiensäss und
Ebene am Inn, östlich der Au,"
ISCHL I INSULA. FRANZ. PERMAINE. 353
die Sage meldet dafs dort eiast ein See gewesen sei, so wird das
wohl nur die geologische Thatsache ausdrücken dafs der Boden
auf dem Ischgl gegründet worden ist, eine Schotterterrasse bildet.
Ischgl heifsen auch zwei von einander entlegene Bauernhöfe in
Lajen (zwischen der Eisack und dem Grednerbach). Bei dem
oberöstreichischen Ischl ist die Herleitung von insula nicht ohne
alles Bedenken, wenn auch wahrscheinlich. Die Lage zwischen
der Traun und dem einmündenden Ischlbach entspricht. Aber
wenn wir nun annehmen wollten dafs der letztere nach dem An-
siedlungsort benannt worden sei, wie sich ja das von vielen Ge-
wässern nachweisen läfst, so stellt sich dem die Thatsache ent-
gegen dafs die Ischl, als Iscala u. ä., Jahrhunderte früher als der
Ort erwähnt wird, dieser erst im 12., jene schon im 8. Allein der
Name „Insel" den so manche Orte tragen, haftete wohl meistens
schon vor ihrer Entstehung an dem Boden, und am Wahrschein-
lichsten ist das bei Ischl; denn die beiden Wasser treffen sich nicht
in einem spitzen Winkel, sondern in einem Kreisbogen, sie schliefsen
eine mehr als halbkreisförmige Halbinsel ein — oberhalb findet
sich in der That eine gewisse Einschnürung. Kleinere Flüsse
werden gewifs an der INIündung in den gröfseren benannt und
vielfach nach irgend welchen Umständen der Mündung selbst; so
konnte die Ischl den Namen der von ihr bespülten Au erhalten,
während sie höher hinauf, wie noch heutzutage, den allgemeinen
Ache führen mochte. Es käme darauf an bestätigende Analogieen
zu sammeln, vor Allem von insula als Bachnamen — einen Flufs
Isclero führt schon Ascoli an, da haben wir es allerdings mit einer
Ableitung zu thun. Ein zweiter Punkt bereitet weniger Schwierigkeit.
Es wird der Name Ischl den Römern von den Kelten streitig ge-
macht; Holder Altcelt. Sprachsch. II, 77 zählt unter *Isc-ara die
Hisscar in Belgien, die Ischer im Elsafs und unsere Ischl auf. Aber
zwischen Iscala und Iscara ist doch ein Unterschied; und selbst
bezüglich der ersten beiden Flüsse ist mir die Herkunft von einer
Weiterbildung des keltischen Isca, welches ja unzweifelhaft z. B. im
Saargau als Isch fortlebt, nicht sicher.
H. SCHUCHARDT.
Franz. permaine.
G. Paris sagt Rom. XXIX, 615 dafs ich seine Einwendungen
gegen permain\permag7iam Rom. XXVIII, 635 als „non avenues"
betrachtet habe. Das ist nicht der Fall; sie sind mir nur ent-
gangen. Aber wenn sich auch die Förstersche Herleitung nicht
stützen lassen sollte, so sehe ich doch auch keine Gründe die zu
Gunsten von permagnam sprächen. Ich messe in dieser kleinen
Streitfrage der Erklärung von parmain (Baustein) einiges Gewicht
bei; doch mein Wunsch — .... petimusque vicissim — nach
näherer Auskunft ist nicht befriedigt worden. Ich bemerke jetzt
Zeiuchr. f. rom. Phü. XXV. 23
354 VERMISCHTES. II. ZUR WORTGESCHICHTE.
noch dafs auch für die alte Zeit ein ^Pannamis neben Parmensis
nicht durchaus unwahrscheinlich ist; findet sich doch der Wechsel
zwischen beiden Endungen sogar nach -n : Inleramnanus : Interam-
tiejisis, Senanus : Sene?ists. Ja es könnte vielleicht in parmigiano
Parmetisis -\- ^Parmanus stecken, wie in mo7iligiano tiionlensis -{- woji-
^"""•^- H. SCHUCHARDT.
Ital. saia, saio, frz. saie.
Schon Diez hatte Wb. I 280 fragend die Vermutung ausge-
sprochen, dafs ital. saia aus saga ein Lehnwort wie er meinte aus
dem Provenzalischen sei, sich über die anderen Formen aber nicht
näher geäufsert. Gröber dann mit Entschiedenheit betont, dafs ein
Wandel von sag- zu sai- in Spanien und Italien nicht möglich sei,
vielmehr die ihn scheinbar aufweisenden Formen als Lehnwörter
aus dem Französischen aufzufassen seien, s. Arch. lat. Lex. V 456.
Das ist gewifs richtig und wichtig, dagegen bedürfen die zwei
Formen ital. saia und saio und auch frz. saie noch einer sorgfälti-
geren Untersuchung mit Bezug auf die Bedeutung, wodurch die
Angaben von Diez, Gröber und dem Dict. gen. eine kleine Be-
richtigung erfahren.
Das französische Wort, um mit diesem zu beginnen, hat zwei
Bedeutungen: 'manteau d'iitofFe grossiere' und 'ctoffe crois6e tres
16gere, toute de laine, servant surtout ä faire des doublures'. Dazu
sayon 'sorte de casaque ouverte que portaient les paysans, les sol-
dats', also deutlich eine Ableitung von saie I, und sayette 'petite
serge de soie ou de laine', ebenso deutlich zu saie II gehörig. —
Die beiden Bedeutungen finden sich im Italienischen wieder, aber
zugleich mit verschiedener Form des Wortes: saio ist ein 'weites
grobes Wams', saia 'dünnes und leichtes, nicht gerade feines
Wollenzeug', dann auch hier saieita 'dünner Sarsch' (Rigutini-
BuUe). Span, sayo, saya, portug. saio, saia dagegen entsprechen
beide saie I.
Ich glaube nun nicht, dafs saie I, II identisch sind, halte
vielmehr saie II für eine Parallelform von soie, lat. seta. Der Ge-
danke ist, was ital. saia betrifft, nicht neu, vielmehr hat schon
U. A. Canello ganz richtig erklärt saia 'seta, una specie di stoffa,
novell. 88 gli calzö brune calze di saia ovvero di seta' (Arch. glott.
III 386). Allerdings kann man einwenden, dafs an dieser letzteren
Stelle saia einen anderen Stoff bezeichnen kann als das heutige
saia oder frz. saie. Allein auch dieser Einwand ist nicht stich-
haltig. Dafs serge, sarge von lat. serica stammt, ursprünglich also
ebenfalls einen Seidenstoff bezeichnet, ist unbestreitbar, und der
als Futter verwendete Stoff, den man hier zu Lande 'Sarsch' nennt,
ist zwar ein wollener oder baumwollener, zeichnet sich aber durch
seinen seidenartigen Glanz vor dem eigentlichen wollenen oder
baumwollenen aus, so dafs es sofort verständlich ist, dafs er mit
W. MEYER-LÜBKE, ITAL. SAiA, SAIO, FRZ. SAlE. 355
einem Namen belegt wird, der ursprünglich seidenem eignete.
Dazu kommt ferner, dafs die Ableitung sayeite auch wieder auf
'Seide' weist. Der umgekehrte Weg der Bedeutungsentwickelung
scheint mir sachlich unmöglich, denn Mantelstoffe sind keine Futter-
stoffe. Dazu kommt ein Weiteres. Das Wesentliche, Eigenartige
der saie ist im Mittelalter die schwarze Farbe gewesen, und zwar
in solchem Grade, dafs Adenet geradezu den Vergleich wagen
konnte un drap noir com saie (Berte 37), ein Vergleich, der Scheler
(Anm. zu der Stelle) und gewifs vielen andern nicht ganz verständ-
lich war, da man daraus allein doch nicht wohl schliefsen durfte,
dafs die saie überhaupt 'schwarz' gewesen sei, der aber sofort das
Befremdliche verliert, wenn man damit Barb. u. M. I 345, 2298
zusammenhält, wo ein Geistlicher sagt mais por ce, se vest noires
saies Et il vesleni /es robes vaires, Ne lor desplaise nies affaires, welche
Stelle mir A. Tobler auf meine Frage nach der genauen Bedeutung
jenes Vergleiches freundlichst nachwies. Der Stoff saie aber kann
zwar schwarz sein, ist es aber nur ausnahmsweise, so dafs also
auch nicht Gleichheit der Farbe die Bedeutungsverschiebung er-
klären konnte.
Man würde also in einem französischen Homonymenverzeichnis
saie I 'Mantel' von lat. saga, saie II 'Art Stoff' von lat. seta an-
zusetzen haben. ^y^ Meyer -Lübke.
Ital. uscio, frz. Imis.
In den 'Forschungen zur romanischen Philologie, Festgabe
für H. Suchier' S. 596 schreibt C. Voretzsch '■qstium^ ueis, uis, us^
und bemerkt in der Fufsnote 2 dazu 'so und nicht psiium, wie
schon W. Foerster mit speziellem Hinweis auf die provenzalischen
Formen in Rom. Stud. III 181 gethan hat'. Allerdings hat Foerster
a. a. O. das gethan und er hat sich auch Zs. lU 500 ähnlich ge-
äufsert: 'Schwierig ist die Entwicklung des lateinischen ostitim in
den einzelnen Sprachen zu erklären. Wenn wegen lat. ös, öris ein
ösiiiim sich annehmen läfst, so sind ital. uscio, altlomb, usso, altspan.
uzo, tirol. US, churw. üs, is, wal. tqä nach unserer Regel {ö -\-i =
u-{-i) zu erklären . . . Damit möchte man ohne weiteres frz. uis,
sogar US (im Reime mit sus Perciv. III S. 34), prov. uis (reimt mit
periuis), us (: p/us, desus) erklären. Allein daneben findet man
prov. die Nebenform ueis, also dsiium, was für frz. täs ebenso aus-
reicht.'
Es braucht nicht besonders bemerkt zu werden, dafs dieses
ostitim für alle anderen Sprachen nicht pafst und dafs frz. uis nichts
entscheiden kann, wie Foerster selber andeutet. Schwer ins Ge-
wicht würden die östlichen Formen fallen, die Horning Zs. XIV 377
für östium anführt: 'lothr. öh', metz. oh', lütt, ü)^, während ustium
hier üh' ergeben hätte'. Aber ich kann mich nicht überzeugen,
dafs Hornings Auffassung zwingend sei.
23*
356 VERMISCHTES. II. ZUR WORTGESCHICHTE.
Ich beginne mit der Lütücher Form. Hier haben wir (Zs.
IX 485) küt aus cocla, üy aus hodie, üy aus ocuhi, foy aus folia,
höh' aus coxa, sodann frü aus fructu. Man sieht also, dafs oi und
ijI unter üi zusammenfallen aufser vor .s' {H) und j', wo scheinbar
die Diphthongierung des 0 ganz unterbleibt (koK , foy) oder wo
das «-Element des ü sich mit dem y verbindet. Die Verschieden-
heit zwischen foy und üy, die zunächst auffällt, mufs in der ver-
schiedenen Stellung des / ihren Grund haben. Während wort-
schliefsendes primäres i {uy aus hodie) und aus / entstandenes den
Wandel von üi zu ni bewirkten, hatte intervokalisches y aus /' wie
//' zunächst die Absorbierung des /, dann Kürzung und Wandel
von « zu 0 zur Folge. Wenn nun uy^ aus 7iis nicht mit koh' aus
coxa geht, so entspricht das zwar völlig dem Unterschiede zwischen
uy und foy, wenn aber dies tiy erst aus üi entstanden ist, so kann
auch uh' auf üis zurückgehen, und wir können also so wenig als
im Centralfranzösischen eine Entscheidung zwischen den zwei
Grundlagen *ustium oder ostium treffen.
Auch mit den Metzer Formen verhält es sich ähnlich. Bei
C. This, Mundart von Falkenberg S. 92 findet man köK aus coxa
neben oK aus ostia, öy aus oculu neben frjy aus folia, endlich ozdü
zu hodie, irüy von iroia. Hier scheint mir nun 0 vollends ausge-
schlossen zu sein. Die Reihe ueis > ues > ös > öh dürfte die ein-
zige für köh' mögliche sein, dann kann aber oh' nur auf üis '^ uis
>• US beruhen.
Was endlich öh' statt üh' in den von Horning behandelten
Grenzdialekten betrifft, so mufs ich trotz Hornings Einspruch an
meiner alten Erklärung festhalten: da ptäida daselbst über pi'ite zu
pöte, jüslis zu dzöt, *hukka zu hos, siictiat zu s'ös wird (Grenzdialekte
§ 117), d.h. also gedecktes i'c sich in 'ö wandelt, so liegt nichts
im Wege, auch *?/^ aus tisiia zu 'üK werden zu lassen. Gewifs
sind die Grundlagen verschieden, wie H. bemerkt, aber im Laufe
der Entwickelung können die Wörter eine gleiche Gestalt ange-
nommen haben.
Die Sache liegt also so, dafs sich in Ermangelung eines
zweiten ähnlich gebauten Wortes nicht mit Sicherheit sagen läfst,
wie üstium sich hier entwickelt habe, dafs aber die Verschiedenheit
des Vokals in seinen Vertretern und in denen von coxa ein ostium
aussschliefst oder doch sehr wenig wahrscheinlich macht.
Andere zweifelhafte oder gar 0 verlangende nordfranzösische
Formen sind mir nicht bekannt, denn wenn z. B. Niederländer
namur. i'is unter 0 einreiht (Zs. XXIV 27), so zeigt ein Blick auf
§ 53 (S. 252) seiner Arbeit, dafs es ebenso gut unter ü Platz
fände.
Was nun prov. ueis betrifft, so lehrt Mistrals Tresor, den zwar
Foerster noch nicht heranziehen konnte, den Voretzsch aber, wo
er sich schon zu den vielen andern (auch zu Suchier, Afrz. Gr.
§ 24, 3), die seither das Wort stets als üstium ansetzten, in Gegen-
satz stellte, hätte einsehen müssen, dafs die heutige Sprache von
W. MEYER-LÜBKE, ITAL. USCIO, FRZ. HUIS. 357
einer solchen Form nichts weifs; so bleibt nur die alte und wiederum
ist in ihr, wie schon Foerster andeutete, durch Reime nur uis, us
gesichert, für ueis giebt Raynourd einen einzigen Beleg, der gegen
so viele andere sicherere, von Rumänien bis Spanien reichende
nicht ins Gewicht fallen kann, auch von Gröber Arch. lat. lex.
VI 14g schon beanstandet worden ist.
Führen also die romanischen Sprachen auf üstium, so bedarf
das u statt ö nun noch der Rechtfertigung von Seiten des Latei-
nischen, wenn anders man ihm einige Sicherheit geben will. Dafs
man nicht einen Umlaut in der Zeit, wo o und ^ qualitativ zu-
sammengefallen sind, zu sehen hat, lehren ohne weiteres die Ver-
treter von angtistia: ital. angoscia, frz. angoisse, prov. angueissa, span.
congoja, und damit erledigt sich die Erklärung, die man aus Foer-
sters Bemerkungen Zs. III 500 herauslesen könnte. Aber auch
Parodis Versuch, für das Lateinische einen Umlaut d — i>« — /
nachzuweisen (Studi di filologia classica I 438) ist wenig wahr-
scheinlich und von dem Verf. selber nur als 'molto probabile' be-
zeichnet: Warum viixd favdnius nicht zn favüm'us'^'^
Die Rechtfertigung ist vielmehr in ganz anderer Richtung zu
suchen. Neben ostium steht, wie schon oft betont wurde, belegtes
austia (vgl. in neuerer Zeit Havet, Mem. soc. lingu. IV 234, Thur-
neysen, Zs. vergl. Sprachf. XXVIII 157, J. Schmidt, Pluralbildungen
d. indog. Neutra 407, i, F. Stolz, Lat. Gramm. 164, Lindsay, Die
lat. Sprache 300). So sonderbar es nun auf den ersten BHck
scheinen mag, dem Paare ostium austiuni noch ein drittes Glied
üsiiiim beizufügen, so hat doch diese Dreiheit ihre vollständige
Entsprechung in rodiis raudus rudus und in fwgae JiUgae nauga-
toriae. Damit könnte man sich nun w'ohl vom romanistischen
Standpunkte aus beruhigen, doch mag noch ein Wort über das
gegenseitige Verhältnis der drei Vokale erlaubt sein.
Dafs in ostitim austium ein indogermanischer Ablaut vorliegt,
hat J. Schmidt a. a. O. durch Hinweis auf skr. öshtha-s 'Lippe',
preufs. austüi 'INIund', die das alte ati enthalten, gesichert. Neben
0 steht als Ablautstufe von au auch ü (vgl. /raus früstra), und so
hat Kretschmer Zs. vergl. Sprachf. XXXI 453 nugae zu erklären vor-
geschlagen. Das ist auch bei üstium und bei rudus möglich. Da-
neben ist noch eine andere Erklärung zu erwägen, die die ange-
deutete nicht ausschliefst, '^cb^vi f raus ^ndL^X. ^\c\y sed f rüde (CLL.
1 198, 64, wo also die Präposition betont und nachtoniges au wie
immer zu ü geschwächt ist {claudere: includere u. s. w.). So mochte
1 Foersters Anmerkung zum Karrenritter v. 12 ist mir wohl bekannt.
Wenn aber alle sicheren Formen auf g weisen, so darf man um einer ein-
zigen , verderbten Stelle willen (um faün zu lesen, müfste man ein anderes
einsilbiges Wort streichen) keine Grundform konstruieren, sondern wird logischer-
weise sagen müssen , da ein afrz. faün nicht überliefert ist, da der Vertreter
von favonium nach Mafsgabe der anderen überlieferten Formen im Altfranzö-
sischen fa{v)oin lauten müfste, so mufs hier irgend ein anderes Wort vor-
liegen. [Vgl. jetzt Mussafia Wiener Sitzber. 143, 11, S. 9 f. Korrekturnote.]
358 VERMISCHTES. II. ZUR WORTGESCHICHTE.
ZU einer gewissen Zeit neben austium ein in üstio, de üstio, ex üstto,
per üstium u. s. w. stehen, und da das Wort naturgemäfs oft mit
Präpositionen verbunden wird, mochte die präpositionale ?7-Form
auch an Stelle der au- bezw. ö-Form treten, besonders wenn unter
bestimmten noch zu ermittelnden Bedingungen eine solche ^^-Form
auch sonst bestand.
Sei dem wie ihm wolle, neben raudus rodus rudus, naugae
nogae nugae kann ein *ustmm zu austium ostiuni nicht überraschen
und die aus dem Romanischen erschlossene Gestalt pafst vollständig
in den Rahmen des überlieferten Lateinischen hinein. Die ältesten
Belege von ustiarius scheinen allerdings kaum vor das Jahr 500
zu fallen, s. Schuchardt Vok. I 126.
W. Meyer -LüBKE.
BESPRECHUNGEN.
Teutsch 11. Popea, Lehrbuch der rumänischen Sprache zumSchul-
und Selbstunterricht. Kronstadt 1897.
An einem guten Lehrbuche der rum. Sprache fehlte es uns seither, die
Grammatiken von Cionca, Wechsler, Leist sind nur Notbehelfe. Umsomehr
freuen wir uns, dafs ein deutscher und ein rumänischer Gymnasiallehrer sich
zusammengethan und uns ein Lehrbuch beschert haben, das ohne Zweifel das
beste der existierenden, für Deutsche bestimmten Lehrbücher ist. Die Verfasser
zeigen sich vertraut mit den Grundsätzen der neueren Methode, und in der Hand
eines einigermafsen geschickten Lehrers wird das Buch sicher zum mündlichen
und schriftlichen Gebrauch des Rumänischen führen. Dagegen zum Selbstimterricht
ist das Buch seiner ganzen Veranlagung nach ungeeignet. Da die Verfasser zu
Verbesserungsverschlägen auffordern, möchte ich mir folgende Bemerkungen
gestatten: "Warum soll man deutsche Schüler mit etymologischer Orthographie
quälen, da doch in Rumänien selbst die gemäfsigt phonetische bereits die Ober-
hand gewonnen hat? d, e, i für denselben Laut, (/neben z, a neben e etc. sind
doch unnötiger Ballast. Die Regeln über die Betonung sind bei weitem nicht
ausreichend, wie soll aus ihnen der Schüler erkennen, wo z. B. bei ariete,
epure, berhece, purece der Accent liegt? Wäre es da nicht besser als allge-
meine Regel aufzustellen, dafs der Accent auf der vorletzten Silbe liegt, und
dafs alle Abweichungen durch den Gravis oder fetteren Druck, wie das bei
den Vorübungen geschehen ist, bezeichnet werden. Mindestens müfste doch
im Glossare hierfür etwas gethan werden; denn ich weifs aus Erfahrung, dafs
gerade der Accent dem Deutschen viel Schwierigkeit macht. Da eine gute
Volkssprache geboten werden soll, hätten Fremdwörter wie gigante, periculos,
zelos etc. wegbleiben sollen. S. 10 wird gesagt, dafs e im Anlaut wie le ge-
sprochen wird, dann müssen aber Wörter wie vezurä viezurä geschrieben
werden, sunt, suntem zu schreiben, halte ich für falsch, es heifst allgemein
sint, shitetn. 8,27 topor heifst doch Beil, nicht Hammer. S. 54 nicht s^se,
septe, sondern sase, ^apte sind die grofswalachischen Formen. S. 55 tina (o)
copila, dafür nur 0 copila. S. 82 sie^J ist nicht gut, es mufs sie^T. heifsen.
S. 102 Die Bezeichnungen adunand als Gerundium, S. 105 lucrator als Mittel-
wort der Gegenwart, lucrat als Mittelwort der Vergangenheit und gleich
darauf dieselbe Form als Supinum sind für den Schüler verwirrend. Diese
schematische Nachahmung des Lateinischen sollte in einem praktischen Lehr-
buche vermieden werden. S. 123 neben dedeain hätte als Impf, doch auch
das sehr häufige dam angeführt werden sollen, auch sehe ich nicht ein, warum
360 BESPRECHUNGEN. PH, AUG. BECKER,
nicht die Vokative masc. auf e, und fem, auf o weder S. 41, noch S. 136 er-
wähnt werden. S. 147 morfnent „Grab" von tnor „sterbe" abzuleiten ist volks-
etymologisch. Andere Kleinigkeiten übergehe ich, Druckfehler bemerkte ich
wenige (S. 157 orolegiü, S. 165 cumperatiil). Was aber unbedingt geändert
werden mufs, ist die beim Verbum willkürlich eingeführte Fragestellung: S. 63
am arat „ich habe gepflügt", arat-am „habe ich gepflügt?"; voiü täce „ich
werde schweigen", tace-voTu „werde ich schweigen?". Auf diese Weise wird
der Schüler systematisch zu einem groben stilistischen Fehler angeleitet, auf
den er als Deutscher gar zu leicht von selbst verfällt, es hätte im Gegenteil
gesagt werden sollen, dafs sowohl arat-a7n wie am arat beide affirmativ sind.
Nicht durch die Stellung, sondern durch den musikalischen Accent wird die
Frage angezeigt. Ich zweifle nicht, dafs das gute Lehrbuch sich in den Neu-
auflagen allmählich zu einem vortrefflichen gestalten wird, und wünsche ihm
deshalb die weiteste Verbreitung.
G. Weigand.
Faul Rvmge, Die Lieder und Melodien der Geifsler des Jahres
1349 nach der Aufzeichnung Hugos von Reutlingen, nebst
einer Abhandlung über die italienischen Geifslerlieder von
H. Schneegans und einem Beitrage zur Geschichte der deutschen
und niederländischen Geifsler von H. Pfannensehmid. Leipzig,
Breitkopf und Härtel. 1900.
Das Interesse an der Gesangskunst des Mittelalters hat P. Runge ver-
anlafst aus der Chronik Hugos von Reutlingen die Stelle über die Geifsler-
fahrt von 1349 samt den noch nicht veröffentlichten Melodien abermals in
Druck zu geben, um auch an ihnen seine Theorie über die rythmische Lesung
der mittelalterlichen Monodien zu prüfen. Ein Urteil darüber steht mir nicht
zu. Auch auf Pfannenschmids Beitrag mufs ich mir versagen einzugehen, ob-
wohl er in vielen Punkten zum Widerspruch reizt: namentlich scheint mir
die Annahme einer einheitlichen centralen Oberleitung und planmäfsigen Orga-
nisation der Bewegung sowie die Voraussetzung einer von Anfang an bewufsten
antilvirchlichen Tendenz der Flagellanten anfechtbar. Ich halte mich an das
Philologische.
Was an deutschen Geifslerliedern auf uns gekommen ist, zerfällt in zwei
Kategorien. Einesteils sind es fromme Lieder allgemeiner Art, nicht ver-
schieden von anderen geistlichen Dichtungen der Zeit; bei diesen ist es frag-
lich, ob sie speziell für die Geifsler gedichtet und gesetzt wurden. Unbe-
streitbares Eigengiit der Brüderschaft ist hingegen der rituelle Gesang, wenn
ich so reden darf, der zur Geifselimg angestimmt wurde (vgl. p. 36 — 40. 169
— 170); im wesentlichen sind es nach einer kurzen Einleitung drei Leise
(der dritte mit einem kleinen Anhang), nach welchen jeweils ein Kniefall statt-
fand und ein vierter Leis Jesus ward gelapt mit gallen abgesungen wurde. —
[Den lateinischen Marienieich, den Hugo von Reutlingen am Schlufs seines
Berichtes eingetragen hat, berechtigt uns nichts als ein Lied des Flagellanten
anzuschauen (vgl. p. 42. 177); es ergiebt sich keineswegs aus dem Zusammen-
hang, und wenn Maria aufgefordert wird ihren Sohn zu bitten, ne demergat
RUNGE, DIE LIEDER U. MELODIEN DER GEISSLER ETC.
361
sed abstergat frorsus labern criminum, so zielt das nicht auf die Pest (labes),
sondern heifst; Christus möge uns von der Befleckung {labes) der Sünde
reinigen.]
Dem rituellen Geifselgesang entspricht das wallonische Lied der Pariser
Hs, Bibl. nat. fr, 2598, das Leroux de Lincy früher mitgeteilt und Pf. p. 179 ss.
neu collationiert und abgeteilt abdruckt. Ich spreche von einem Liede,
weil mir die Zusammengehörigkeit der beiden, als zwei Gedichte behandelten
Stücke unverkennbar dünkt. Es sind im Ganzen 17 achtzeilige Achtsilber-
strophen der Reimform üb ab üb ab (d.h. mit zwei Reimen verschiedenen Ge-
schlechts in kreuzweiser Abfolge). An drei Stellen kehrt die gleiche Einlage,
eine paarweis gereimte Vierzeile (aaßß) wieder, welche nichts anderes ist
als die Uebersetzung der letzten vier Verse des deutschen Refrain -Leises
yesus ward gelapt tnü gallen. Die Wallonen haben also diese sakramen-
teilen Worte, welche die Stelle der Genuflexionen bezeichnen, wenigstens zum
Teil übernommen; und hier finden wir die durch die Einheitlichkeit der
Reimform angedeutete Einheit des Liedes aufs klarste bestätigt; denn nach
der dritten Wiederholung heifst es deutlich: Relevons nous la tierce fie. Das
wallonische Geifslerlied ersetzt demnach die zur Geifselprocedur vorgetragenen
Leise, und, von jener wörtlich entlehnten Vierzeile abgesehen, stellt sie sich
dar als eine selbständige Neudichtung in achtzeiliger Strophe, d. h. nach eigener
Melodie. Es springt in die Augen, dafs dem Uebersetzer vor allem daran
lag, den einmal in Uebung gekommenen Ritus der Geifselprocedur zu wahren;
was Inhalt und Form betriff't, verfuhr er nach freier Eingebung.
Seiner geschichtlichen Bedeutung wegen möge das Gedicht hier folgen
mit den Verbesserungen, die Sinn und Vcrsmafs gebieten. Ich nehme dabei
eine gröfsere Umstellung vor, indem ich die 6. Strophe zur 10. mache, weil
sie mir als Aufforderung zum zweiten Kniefall vor die zweite Aufforderung
zum Aufstehen (Str. 11) zu gehören scheint; zur irrigen Verlegung der Strophe
dürfte der inhaltliche Anklang an Str. 5 (aisil et fiel) den Anlafs gegeben
haben. Auf diese Weise erhalten wir folgenden Aufbau des Liedes: Str. i
Anrufung. 2 — 5 (vier Strophen) erste Geifselung und erster Kniefall; 6 erstes
Erheben, Refraijt. 7 — 10 (vier Strophen) zweite Geifselung und zweiter Knie-
fall; II zweites Erheben, Refrain. 12 — 16 (fünf Strophen) dritte Geifselung
und dritter Kniefall; Refrain; drittes Erheben mit Gebet.
En commen^ant no penitance,
Soit la vierge et la trinitez
Et tont en parfaicte puissance
Des cieulx li hauz divins secrez.
Sire dieu, croissiez vo venjance,
Les fruiz des ventres respitez;
Car este a en grant balance
Longtemps toute crestientez.
Or avant, entre nous tuit frere,
Batons nos charoingnes bien fort,
En remembrant la grant misere
De dieu et sa piteuse mort,
Qui fut prints de la gent amere
Et vendus et trahis ä tort,
Et batu sa char vierge et clere.
Ou nom de ce, batons plus fort.
Varia lectio: 1,1 commencent. 2 trinit^. 4 le haut divin secret. 6 fnus.
ventrez. 8 cresient^.
\Ö2
BESPRECHUNGEN. PH. AUG. BECKER,
O Maria, vierge royne,
O temple de virginitd,
O glorieuse char divine,
Depriez pour crestient6.
Vo filz nous a monstrc le signe
De croix par la mortalite:
Rapaisiez-lo, dame engeline,
Et prenez no penance en gre
4-
O roy des roys, char precieuse,
Dieux peres, filz, sains esperis,
Vo sainctisme char glorieuse
Fut pendue en croix par Juifz,
Et lä fut grief et douloureuse;
Car de vo saint sanc beneis
Fut la croix vermeille et hideuse.
Loons Dieu et batons nos pis.
Et en la douce remembrance
De ce que tu feus abeuvrez
Avec le crueux cop de lance
D'aisil, o fiel fut destrampez,
Alons ä genoulx par penance,
Loons dieu, voz bras estandez,
Et, en l'amour de sa souffrance,
Cheons jus en croix ä tous lez.
6 (7).
Or relevons de bon couraige
Et devers le ciel regardons.
Que de mort soudaine et de rage
Dieu nous estint (?), coulpes batons;
Et pour trestout humain lignaige,
Biaux sires dieux, vous deprions
Qu'il aä part au pelerinaige,
S'il vous piaist qu'aumosne facions.
yhesus, par tes trois dignes noms,
Fay nous de noz pechiez pardons ;
jfhesus, par tes ctnq rouges playes
De mort soudaine nous delayes.
7 (8).
Or rebatons no char vilaine,
Que dieulx saulve crestiente
Et deffcnde de mort soudaine.
Et si pensons ä la grieft^'
De la grief mort dieu souveraine,
Que, piez croisiez, chief encline
Et bras tenduz, ot en croix peine
Avec la playe du coste.
8 (9).
O royaulx vierge corps Marie,
Dame, tu fus ä son trespas.
Tu fus dolente et esmarrie,
Quant ses nerfs de piez et de bras
Ve'is rompre, sa char transie
Et sa face encliner en bas,
Terre crola et fut brisie.
Souleil faillit, mort suscitas.
9 (10).
Par ceste mort, vray dieu de gloire,
Nous meis ä salvacion.
Or nous garnissiez de victoire
Contre toute temptacion.
Le sathan est de grant memoire,
Et nous de foible opinion,
Se nous pourroit retraire encoire
Dieux, se nous n'avions pardon.
10 (6).
Helas, qui n'a en remembrance
Les seingnies dieu en escript
Auxquelles n'ot vin ne pitance.
3, 5 Vostre. 5. 6 Christus hat uns das Zeichen des Kreuzes gezeigt
(d. h. ein Warnungszeichen gegeben) durch die herrschende Sterblichkeit.
8 nostre. — 4, 3 Vostre. 3 — 6 Subjekt ist vo char. 7 C. du s. s. b. —
5, 3 de la 1. — 6, 7 ait fehlt. Und für die ganze Menschheit, o Gott, bitten
■wir Dich, dafs sie teil habe an den Verdiensten unserer Wallfahrt; das soll
unser Almosen sein. — 7. 7 et en croix penez. — 8, 3 Je suis dolente . . .
Diese Lesart wäre nur annehmbar, wenn man annähme, unser Lied sei für
Frauen bestimmt, was nach 11,7. 8 nicht denkbar ist. 6 E. s. f. e sur son
bras. 7 T. c. pierre f. b. Vermutlich nach Matth. 27, 51 trotz des Versmafses.
Vgl. im deutschen : Dt erd erUdemt, zercliehent die staine, Runge p. 40. —
10, 3 A. note v. n. p.
RUNGE, DIE LIEUER U. MELODIEN DER GEISSLER ETC.
363
Mais fiel avec aisil confit?
Qui n'y pence, il fait ignorance;
Or tous ä genoulx sans respit,
Recheons en croix sans bobance
Pour dieu qu'en croix expiravit.
Or nous relevons. Qu'ä Dieu place
qua no penance puist valoir.
Batons nos piz, batons no face,
Tendons nos bras de grant vouloir.
Dieux qui nous a fait, nous parface
El nous doint des cieulx le manoir.
Et gart tous ceulx qu'en ceste place
En piti6 nous viennent veoir.
*
Jhesus, par tes trois dignes noms,
Fay nous de noz pechiez pardons ;
Jhesus, par tes cinq rouges playes.
De mort soudaine nous delayes.
Ave regina pure et gente,
Tres haulte ave maris Stella;
Ave precieuse jovante,
La nuee oü dieux s'essconsa.
Ave saincte glorieuse ente,
Ave tu plena gracia;
Faictes finir, rose excellente,
Le mortuaire qui or(es) va.
13.
O createur et creature
Qui oncques ne fustes creez,
DefTendez nous degrief morsure,
Sire dieux, et nous asrenez (?).
Hee, doulce royaulx vierge pure,
Priez que pour nous soit pitez.
O peuple, laissiez l'euvre obscure
De pechie, si vous araendez.
14.
Nous te prions, vierge louee,
En ceste penance faisant,
Pour toute creature nee;
Et requiers ton pere et enfant
Que ceste mort soit destournee,
Et sainct esperit voist regnant
En noz cuers par humble pensee;
Car d'ayde avons mestier grant.
15.
Se ne fust la vierge Marie,
Le siecle fust pie^a perdus.
Batons nos chars plaines d'envie,
Batons pour orgueil plus et plus,
Pour paresse et pour gloutonnie,
Et pour ire qui het vertus;
Pour avarice et lecherie
Et pour tous pechiez deceüs.
16.
En demoustrant signifiance
Que tous nous convendra morir
Et en terre en tres witance
No pecheresse char pourrir,
En fin de nostre penitance
Nous fault ä genoulz revenir;
Tous mourrons, c'est la remembrance
Qui nous fait tierce fois cheir.
*
Jhesus, par tes trois dignes noms,
Fay nous de noz pechiez pardons ;
Jhesus, par tes cinq rouges playes,
£>e mort soudaine nous delayes.
II, I plaise. 3 nos. 5 preface. 7 encore. — Die Refrain -Vierzeile ist
nur durch die ersten Worte angedeutet, worauf drei leere Zeilen folgen. Viel-
leicht hat der Schreiber in seiner "\^orlage den zum Nachtragen der übrigen
Zeilen freigelassenen Raum vorgefunden, und ihn als Anfang eines zweiten
Gedichts verstanden. — 12,4 Lune o. d. s'e. — 13, i. 2 O creeresse de crea-
ture Qui oncques ne fustes cree. Diese Lesart ist weder metrisch noch dog-
matisch annehmbar; die vSilbenzahl des ersten, der Reim des zweiten Verses
sowie der Zusammenhang, der Gott als Subjekt verlangt, gestatten nicht an
Maria zu denken, der nie etwas wie Vorweltlichkeit zugeschrieben worden
ist. 7 Au peuple. — 14,5 Que est mortaire. 7 ms. 'Et. — 15,4 B. d'orgueil
p. e. p. — 16, 5 Vielleicht: En la ßn de no p.
364 BESPRECHUNGEN. PH. AUG. BECKER,
17-
Relevons nous la tierce fie, Et chantons k la departie
Et loons dieu ä nuz genoulx. „Grace dieu", car eile est en nous.
Jointes mains lenons l'escourgie, Prions pour l'umaine lignie.
Cremons dieu, aions les cuers doux, Baisons la terre; levons nous.
17, I R. n. 1. t. fois. 3 escourgiee.
Von Italien nahm die Geifslerbewegung ihren Ausgang. Schon 1261
drang sie über die Alpen, tauchte dann 1296 sporadisch auf; doch erst 1349
rief die nahende Pest jenen überwältigenden Ausbruch der Bufsslimmung her-
vor, der Deutschland mit Schwärmen von Gcifselbrüdern überschwemmte. Die
späteren Züge richteten sich dabei nach dem Vorbilde des ersten. Wie dieser
dauerten sie 331/2 Tage zum Andenlcen an das Erdenwallen des Heilands;
vermutlich stammte der vom Himmel gefallene Brief, den die Geifsler allent-
halben vorlasen, und vielleicht auch ein Teil ihrer Lieder von der ersten
Bufsfahrt her.^ Es entsteht nun die Frage, ob sich darüber hinaus ein Zu-
sammenhang zwischen den deutschen Geifslerliedern und den italienischen
Landen erweisen läfst; denn die Blüte der Laudenpoesie steht mit den Brüder-
schaften der discipliitati in enger Beziehung.
In Italien ist der religiöse Laiengesang, die Lau da, nicht erst mit den
Geifslerumzügen aufgekommen , und er bewies in lyrischer wie dramatischer
Form eine überreiche Fruchtbarkeit und Gestaltungskraft. Während die Be-
wegung in Deutschland den Charakter einer plötzlich ausgebrochenen Epidemie
annahm, bildeten eben die italienischen Laien Verbindungen geordnete, stabile
Genossenschaften. Insofern nun Italien den Anstofs zu der ganzen Bewegung
gab, mag man zugestehen, dafs dem Laiengesang von dort ein neuer Impuls
zu teil ward; die direkte Abhängigkeit der deutscheu Geifslerlieder von den
italienischen Lauden wird man aber mit Schneegans verneinen müssen. Denn
ich glaube nicht, dafs man für Deutschland nach 1250 eine religiöse Lyrik
(im Anschlufs an die lateinische) in Abrede stellen wollte; wir werden daher
kein Bedenken tragen, die erste Kategorie der GeifslerHeder (ein Wallfahrts-,
ein Marien- und ein Weihuachlslied) als einheimische Erzeugnisse anzusprechen,
da ihre metrische Form nicht auf ein welsches Vorbild deutet und der Inhalt
in seiner Allgemeinheit keinen Anhaltspunkt für den Entlehnungsnachweis
bietet. Beim spezifischen Geifslergesang kommt in Betracht, dafs die italie-
nischen Lauden durchwegs rein religiöser Natur sind; sie kennen die rituellen
Momente (Aufforderung jetzt kräftiger zu schlagen, jetzt niederzufallen, jetzt
aufzustehen u. s. w.) nicht. Ueberhaupt scheint sich der strenge Ritus der
Geifselprocedur erst im Norden der Alpen ausgebildet zu haben (vgl. zur
Zahl der Tage Mon. Germ. hist. SS. XVIII, 241. XIX, 196).
Soll ich zu Seh. anziehender Skizze einige Einzelheiten anmerken, so
würde ich p. 67 Str. 4 La carne stivtula tucto hora verstehen: Der Stachel
des Fleisches (cf. 2 Cor. 12, 7) reizt uns beständig zur Sünde. — P. 69 Die
zwei ersten Verse sind in drei zu zerlegen. Setzen wir als Reimschema aaab
1 Vgl. H. Haupt in Realencykl. f. prot. Theol." VI, 436, 35. Wie ich ver-
nehme, beabsichtigt H. jenen Zusammenhang in der Zschr. f. Kirchengeschichte
des näheren darzulegen.
VORETZSCH, EPISCHE STUDIEN. 365
(b = -entia) an, so sind nicht nur p. 69b, sondern auch 70a — b die auf -ore
endenden Vierzeilen als Interpolation zu verwerfen, was mit dem Sinne wohl
verträglich ist. — P. 78 In soUemnitate Christi 1,5 lies: Dice che in im mo-
me7iio e in ogni lato, d. h. der natürliche Verstand sagt mir, dafs Gott jeder-
zeit allgegenwärtig ist; seine Gegenwart im Sakrament {qiiesto) ist also wider-
o^^^'^^i'^l^- PH. Aug. Becker.
Carl Voretzsch, Epische Studien. Beiträge zur Geschichte der franzö-
sischen Heldensage und Heldendichtung. I. Heft. Die Composition des Huon
de Bordeaux nebst kritischen Bemerkungen über Begriff und Bedeutung der
Sage. Halle, Max Niemeyer, 1900. — XV + 420 Seiten. 10 Mark.
I.
Die Tage der Karolingerherrschaft, glorreich oder trübe, bilden im
wesentlichen das Heldenzeitalter der altfranzösischen Epik: Heldenlieder
kennen wir aber erst mit dem letzten Viertel des elften, und in reicherer
Fülle aus dem 12. und 13. Jahrhundert. Für die Zwischenzeit fehlen nicht
nur die Denkmäler, sondern auch unzweideutige Zeugnisse. Bei diesem That-
bestand ist es keine einfache historische Aufgabe, die Kluft zwischen Helden-
zeit und Heldensang zu überbrücken, sondern in erster Linie Sache der
Theorie und mithin der Methode. Der Forscher, der sich diesen Pro-
blemen zuwendet, wird daher allen Anlafs zu principieller Auseinandersetzung
haben imd darf sich von vornherein auf principiellen Widerspruch , d. h. auf
grundsätzlich verschiedene Deutung und Schätzung der Thatsachen unter An-
rufung allgemeiner Erwägimgen gefafst machen. Nicht minder klar ist es,
dafs sich die einschlägigen Theorien nicht auf aprioristischen Vernunftgründen
aufbauen lassen, sondern an der Hand gewissenhafter Einzcluntersuchungen
zu gewinnen sind. Am Einzelfall soll die Theorie sich ausbilden, berichtigen
und erweitern, und ihre consequente Ausdehnung auf weitere Fälle soll ihre
Stichhaltigkeit erweisen. So bedeutet jeder methodisch geführte Vorstofs in
das vielgestaltige Forschungsgebiet einen Schritt nach dem Ziel der Erkenntnis.
Und auch dem Andersdenkenden ist er ein Gewinn; denn nichts hindert ihn,
die gehobenen Schätze in seinem Sinne zu verwerten. Ueberhaupt giebt es
aber — nach der folgerichtigen Durchführung eines Princips — keine lehr-
reichere Geistesübung noch eine reinere ästhetische Freude, als wenn man
fremde Denkmotive verstehen und würdigen lernt und sie in ihrer frucht-
bringenden Ausgestaltung verfolgt. Von diesem Gesichtspunkte aus will ich
versuchen Voretzschens Theorie in ihrer Entwicklung zu begreifen.
Gleich bei seinem ersten Versuch auf dem Gebiet des altfranzösischen
Epos hat sich Voretzsch von der verlockenden Aufgabe €\xvqx histoire poetiqtie
Ogiers das schwierigste, aber auch lohnendste Stück ausgesucht, der Herkunft
und ältesten Entwicklung der Sage nachzuforschen. Dabei wurde er sich klar,
dafs von der Geschichte auszugehen sei, dafs man aber nicht mehr auf deren
Rechnung schreiben dürfe, als sich in ihr findet; was darüber hinausgeht, sei
Zusatz der Sage, resp. der Dichtung. Das Bestreben die verbindenden Mittel-
glieder zwischen Geschichte und Epos aufzudecken führte ihn dann dazu, eine
Reihe zu verschiedenen Zeiten entstandener Lieder anzusetzen, von denen die
366 BESPRECHUNGEN. PH. AUG. BECKER,
ältesten bereits im 9. Jahrhundert vorhanden sein mochten; diese hätten sich
bei aller sagenhaften und dichterischen Ausschmückung noch enger an die
Geschichte angeschlossen, neue Erfindungen hätten sich daran gereiht, und die
ersten Lieder durch successive Metamorphosen unter den Händen jüngerer
Ueberarbeiter eine immer unursprünglichere Verkleidung erhalten, — So er-
scheinen die Hauptphasen der Entwicklungsgeschichte des StofTes durch
Dichtungen markiert; doch mag die Vorbereitung des Heldenepos in den
ersten Jahrhunderten unter wechselndem Wirken von Sage und Dichtung
und unter gegenseitiger Beeinflufsung beider vor sich gegangen sein, indem
bald unter dem frischen Eindruck des Ereignisses ein Lied entstand, nicht
selten aber die Sage erst geraume Zeit im Stillen schuf, bevor ein Dichter
kam, den schon nicht mehr rein geschichtlichen Stoff aufzugreifen und neu
zu gestalten; nur lasse sich der Anteil der Dichtung und Sage nicht mehr
im einzelnen feststellen.^
Einen Schritt weiter führt uns die Tübinger Antrittsrede vom Jahre 1894.
Auch hier wird noch der enge Zusammenhang mit Personen und Ereignissen
der Geschichte als für den Ursprung der französischen Heldensage charakte-
ristisch festgehalten, auch wo die Beziehungen zur Geschichte weniger klar
durchscheinen und Elemente anderen Ursprungs das historische übervx'uchern
imd verdunkeln. „Der Gegenstand unserer Heldensage ist derchaus historisch,
so historisch, dafs man mit Recht ihren Inhalt als Geschichte der fränkischen
Herrscher und Helden im Lichte der Sage und Poesie bezeichnen darf." Aber
das Interesse des Festredners wendet sich vom Heldenepos als Litteratur-
gattung ab und kehrt sich entschieden der Heldensage zu, jener dem Helden-
epos zu Grunde liegenden Ueberlieferung, die wir im wahren Sinne des Wortes
als Sage, als mündliche Erzählung von Mund zu Mund bezeichnen
dürfen. Diese Sage ist nicht identisch mit dem Inhalt der Heldenepen ; denn
nur die ältesten Lieder halten sich streng an den Inhalt der mündlichen
Ueberlieferung, die jüngeren lassen an Stelle der legendarischen Treue die
frei schaltende Phantasie, die subjektive Willkür des Dichters treten; auch
hat nicht jedes Heldenepos auch wirklich eine Sage zur Vorauzsetzung. Die
Sage nun entsteht und entwickelt sich überall unter den gleichen Bedingungen ;
sie bildet sich unbewufst. Zu einer Zeit, wo die Erzählung von Mund zu
Mund fast die alleinige Form der Ueberlieferung ist, mufs die Geschichte
ganz von selbst zur Sage werden. Die Weiterbildung der Sage geschieht
dann mit allgemeinen ethischen und poetischen Motiven ; so gelangt sie stufen-
weise zu den uns überlieferten Gestaltungen. Aufgabe des Forschenden, der
eine Gesamtdarstellung der französischen Heldensage anstrebt, ist es demnach
die geschichtliche Grundlage der Sagen blofszulegen , aus der Vergleichung
der verschiedenen Ueberlieferungen ihre älteste erreichbare Gestalt heraus-
schälen und ihre weiteren Wandlungen und Schicksale in der mündlichen
und schriftlichen Ueberlieferung zu begleiten.*
^ Ueber die Sage von Ogier dem Dänen und die Entstehung der
Chevalerie Ogier. Ein Beitrag zur Entwicklung des altfranzösischen Helden-
epos von Carl Voretzsch. Pfalle 1891. P. i. lO. 119 — 122. 26. — Man be-
achte, dafs auch die Ogieranekdote des Mönchs von Sankt-Gallen als Wieder-
gabe eines Liedes verfochten wird.
''■ Die französische Heldensage Akademische Antrittsvorlesung, gehalten
am 25. Januar 1894 von Dr. Carl Voretzsch, ao. Prof. d. rom. Phil. a. d. Univ.
VORETZSCH, EPISCHE STUDIEN. 367
Von nun an steht der 'Begriff der Heldensage' im Brennpunkt des
Interesses. Wir sind vollberechtigt neben und statt Liedern mündliche Ueber-
lieferung in ungebundener Rede anzunehmen: diese These vertritt der Aufsatz
über das Merowingerepos , dessen Schlufsergebnis ist, dafs die Gründe für
epische Provenienz der chronistischen Berichte über die Merowinger nicht so
stichhaltig sind als gemeinhin angenommen wird. Nur in einem Falle, beim
Faroliede, dürfe mit Sicherheit ein Epos als Grundlage vorausgesetzt werden;
sonst ergebe sich meist die Wahrscheinlichkeit, dafs wir es mit blofsen Sagen
in prosaischer Form zu thun haben. Auch theoretisch verficht der Verfasser
die Existenzfähigkeit der Sage, und, angesichts des Widerspruchs, der laut
wurde, wird ihre Begriffsbestimmung schcärfer dahin gefafst: die Sage sei nicht
einfach identisch mit mündlicher Ueberlieferung historischer Begebnisse, sondern
es sei die besondere Gestaltung, welche die Erinnerung an die Ereignisse im
Gedächtnis und in der Phantasie des Volks annimmt. Diese heftet sich
nämlich mit Vorliebe an Fakta von stark persönlichem Interesse oder schmückt
auch einfache Fakta spontan mit dem Reiz des Persönlichen aus, indem sie
die Beweggründe der Handlungen sowie die Einzelheiten selbständig erfindet,
oder aus verwandten Erzählungen und Begebnissen hinzufügt. Auf diese
Weise entfernt sich die Sage je länger je mehr von der geschichtlichen Wahr-
heit, und wird den populären Dichtungsgattungen des Märchens, der Novelle
oder des Schwankes immer ähnlicher und gewinnt deren zähe Lebenskraft,
da sie hinfort an das gleiche Interesse appelliert wie diese, nicht mehr an
das historische allein. Warum sollte nun die an besondere Namen geknüpfte
Sage nicht so gut wie das Märchen in ungebundener Rede umgehen und sich
erhalten können, zumal als Lokalsage, Familiensage, u. s. w. ?^
Diese Auffassung der Sage bildet auch den leitenden Gedanken der
neuen Schrift, mit der uns der Tübinger Gelehrte eine weitere Vorarbeit zur
geplanten Geschichte der französischen Heldensage darbietet. Die Sage bleibt
'die in der mündlichen Ueberlieferung sich vollziehende Umgestaltung der
historischen Ereignisse und Personen'; die Bewertung des historischen Elements
als Ausgangspunkt der epischen Sagenbildung erfährt indessen eine bedeut-
same, doch nicht unerwartete Modifikation. Wir haben zwar Sagen, heifst es,
die in allen wesentlichen Teilen schon im geschichtlichen Ereignis vorgebildet
sind; anderwärts aber sehen wir fertige Erzählungen auf historische Persönlich-
keiten übertragen, und dieses sozusagen prähistorische Element kann zwar von
Haus aus wieder historisch sein, erweist sich aber in vielen Fällen als
märchenhaft, auch mythisch, d. h. im wesentlichen der Phantasie entsprungen.
Doch auch bei historisch fundierten Sagen darf man den historischen Gehalt
nicht übei schätzen. Was ist denn, genau genommen, an der Handlung des
Rolandliedes noch viel historisch aufser dem Namen Karl und Roland und
dem nackten Faktum , dafs dieser mit einem Teil von Karls Heer vernichtet
Tübingen. Heidelberg 1894. P. 9. 11. 5. 7. 8. 14. 15. 16. 28. — Epische
Studien p. 2 wird die Aufgabe der Geschichte der Heldensage zutreffender
dahin formuliert: die sekundären Elemente von den primären scheiden und
auf diese die Vorgeschichte der überlieferten Epik aufbauen.
1 Das Merowingerepos und die französische Heldensage von Carl Voretzsch.
(Philologische Studien. Festgabe für Eduard Sievers.) Halle 1896, P. 56.
105. 62. 58, 59. 60.
368 BESPRECHUNGEN. PH. AUG. BECKER,
wurde? Kein einziger Zug aus dem ganzen Kampfgemälde entspricht dem
wirklichen Hergang. Es handelt sich eben nicht um das Festhalten der
historischen Einzelheiten, sondern des simplen Faktums oder des Haupthelden
oder beider zusummcn. Es findet also zunächst eine Vereinfachung der histo-
rischen Vorgänge statt, dann aber eine Ausschmückung des verbliebenen
Restes mit Elementen anderer Herkunft, älteren Sagen oder Neuschöpfungen
der Phantasie. — Nichtsdestoweniger bleiben die historischen Personen und
Ereignisse, an welche sich die anderen Elemente ankrystallisiert haben, die
festen Punkte in der Entwicklung, weil die andern Elemente ihrer Herkunft
nach unsicher, in ihrer weiteren Entwicklung nicht recht greifbar sind.
Das notwendige Bindeglied zwischen dem historischen Ereignis und der
dasselbe behandelnden Chanson de geste ist die Sage; ein anderes bietet sich
nicht dar. "Wesentlich für die Sage ist, dafs sie sich an bestimmte Personen,
Ereignisse oder Oertlichkeiten knüpft. Es handelt sich aber nicht mehr um
reine historische Ueberlieferung sondern um gegenseitige Durchdringung von
historischen und phantastischen Elementen; das Charakteristische der Sage
liegt eben darin, dafs Wahres und Erdichtetes, Historisches und Märchen-
haftes auch Mythisches neben einander liegt und aufs innigste mit einander
verwachsen ist. "Wie weit aber die Sage in loserer, wie weit sie in festerer
Form übermittelt wird, wie weit wir ihr ausgeführte Darstellung oder nur
skizzenhafte Ueberlieferung zuschreiben dürfen, das sind rein technische Fragen,
zu denen sich etwa folgendes sagen läfst: Handelt es sich um ein jüngst ge-
schehenes Faktum, so wird die von Mund zu Mund gehende Ueberlieferung
sehr mannigfaltig sein , nach Zeit und Ort wechseln. Aber allmählich wird
eine gewisse Cousolidierung eintreten, wie immer wenn man den gleichen Vor-
gang öfter erzählt, gewisse Einzelheiten setzen sich fest, die Sage bekommt
eine festere Form, die natürlich immer noch der Variation fähig ist, weil sie
beständig der Einwirkung der populären Phantasie unterliegt, aber die Grund-
züge doch immer bewahrt.
Wir können solchen Prosasagen ohne Bedenken eine gröfsere Ausführ-
lichkeit zugestehen; allein auch so unterscheiden sie sich wesentlich von der
epischen Dichtung. In der Sage sehen wir nämlich die allgemeine, von
der Allgemeinheit kontrolierte Auffassung und Phantasie wirk-
sam, die epische Dichtung hingegen können wir uns kaum anders als in den
Händen von Berufsdichtern denken, welche litterarisch höher gebildet sind
als die Träger der blofsen Volksüberlieferungen, und welche der individuellen,
selbständigen, bewufsten, ja willkürlichen Gestaltungskraft zum Ausdruck ver-
helfen. Um die Entwicklung der alten Originalepen zu begreifen, wird ein
Stadium postuliert, wo die Einwirkung populärer Anschauungen
ungehemmt stattfinden konnte, und das ist weder im individuell ge-
stalteten Epos, noch im Volkslied, sondern in aller Breite und Freiheit nur
in der formell ungebundenen Prosasage möglich.^
Die Heldensage erscheint demgemäfs als die primitivste Art der Fort-
überlieferung heldenhafter Ereignisse; für sie sind bei allen Völkern und zu allen
Zeiten die Bedingungen gegeben, sofern die erforderlichen Helden und Helden-
thaten nicht fehlen. Die Heldensage bildet die Grundlage, den Boden, aus
^ Epische Studien VI. VII. 26. 27.
2 Epische Studien p. 28. 4. 44. 23. 28. 30. 47. VI. 30. 47.
VORETZSCH, EPISCHE STUDIEN. 369
dem die epische Dichtung spriefst. Sie bereitet den dürren historischen Stoff
für die Dichtung, und ist die l^ürzere, kunstlosere Form, aus welcher der
Dichter mit individueller Kunst das Epos gestaltet, und erscheint somit als
Vorstufe für das Epos als Gattung. Aber auch im einzelnen Fall verbindet
sie die epische Dichtung mit dem historischen Ereignis überall da, wo eine
andere Entstehung sich nicht wahrscheinlich machen läfit; denn, als die ein-
fachere und natürlichere Kuustform, ist sie die gegebene Erklärung, so lange
eine anders geartete Entwicklung keine besondere Begründung findet. 1
Soweit die theoretischen Auslassungen des Verfassers.
Ich habe versucht, sie möglichst sinngemäfs und, soweit es anging, auch
wortgetreu zusammenzufassen. Auf eine Diskussion gehe ich nicht ein , kann
aber nicht umhin den springenden Punkt zu bezeichnen, an dem sich meines
Erachtens die entgegenstehenden Ansichten stofsen müssen, und wo es schwer-
lich einen Ausgleich oder eine Verständigung geben dürfte. Nicht darum
handelt es sich, ob es Sagen gibt, sondern wie die Sage waltet, und in
dieser Hinsicht fallen diejenigen Bemerkungen ins Gewicht, die von einer un-
bewufsten und notwendigen Entstehung und Entwicklung der Sage unter stets
gleichen Bedingungen, von einem ungehemmten Einwirken allgemeiner Auf-
fassungen und Anschauungen sprechen. Voretzschens Absicht läuft, kurz ge-
sagt, darauf hinaus, der 'Thätigkeit des Individuums', wie sie beim Dichten
zu Tage tritt, die 'gemeinsame Arbeit der Menge' entgegenzusetzen. Der
Theorie zu liebe wird ein Stadium konstruiert, in welchem nicht die psycho-
logischen Gesetze unseres individuellen geistigen Erzeugens wirksam sind,
sondern die gesetzmäfsig, naturnotwendig verlaufende Psychologie der un-
bcwufstea Masse, force mysterieuse et äbsolue. Für diese Auffassung der
Sage verlangen wir die Rechtfertigung; der einfache Nachweis von Sagen ge-
nügt uns nicht.
Und noch ein Einspruch läfst sich nicht unterdrücken. In der theo-
retischen Auseinandersetzungen wie in den gewählten Beispielen scheint mir
Voretzsch zwei Dinge zusammenzubringen, die aus einander zu halten sind,
historische Anekdoten und Wandersagen einerseits, und epische, zu Epen
verwendbare Sagen andererseits. Pipins Löwenkampf ist keine epische Sage,
nie wird und nie kann ein Heldenlied daraus erwachsen. Wohl lassen sich
Anekdoten der Art in Epen einflechten, doch nur unter der Voraussetzung,
dafs bereits eine Epik besteht. Von einem wahren Epos hingegen, sagen wir
vom RolandsUede, läfst sich keine Heldensage abstrahieren, die jene Eigen-
schaften besäfse, welche dem Märchen seine Festigkeit und zähe Lebensdauer
sichert. Wollen wir den Beitrag der Ueberlieferung nicht auf die nakte That-
sache beschränken, dafs Karls Nachhut unter Roland beim Pyrenäenübergang
vernichtet wurde, — und in diesem Falle stünden wir vor einer geschicht-
lichen Erinnerung, und nicht vor einer Sage: — so ist eine Erzählung von
der Roncevauxschlacht nur als ausgeführte Erzählung zu denken,^ mit all ihren
1 Epische Studien p. 28. 4. 44. 23. 28. 30. 47. VI 30. 47.
[* Der Verf. des Huonbuchs hat meiner Auffassung von Entstehung und
Entwicklung der altfrz. nationalen Heldendichtung und vom Verhältnis von
Sage, Zeitgedicht und Epos zu einander in meinem Aufsatz über das Haager
Fragment in Herrig's Archiv 1890 und im Grundr. d. Rom. Phil. II i, 446
ein eignes Kapitel, S. 12 — 30, mit „eingehenderen Betrachtungen" gewidmet,
die eine Widerlegung zu bezwecken scheinen, ohne dafs die Punkte, in denen
Zeitschr. f. rom. Phil. XXV. 24
370 BESPRECHUNGEN. PH. AUG. BECKER.
historisch sein sollenden Einzelheiten vorgetragen, was unbedingt eine littera-
risch gefestigte Form voraussetzt, sei es nun Heldendichtung oder eine auf
gleicher Höhe stehende, und mithin von hervorragend begabten Individuen
gepflegte Er2ählungskunst.
Doch verweilen wir uns zu lange bei den allgemeineren Fragen; es ist
Zeit dem eigentlichen Gegenstand des Buches, der Untersuchung über Huon
von Bordeaux, naheziitreten.
n.
Das Epos Huon de Bordeaux gilt ziemlich allgemein als eine mit mythisch
zauberhaften Elementen durchsetzte Umdichtung eines von Haus aus historischen
Liedes, dessen Urgehalt die tölliche Verwundung eines Sohnes Karls des
Kahlen durch einen gewissen Albuin bildete, aber auf den Sohn des histo-
rischen Seguin von Bordeaux übertragen. Eine ältere Gestalt dieser Dich-
tung ohne das phantastische Element erkannte man im Turiner Prolog des
Lothringerepos.
Voretzsch gelangt zu beträchtlich abweichenden Ergebnissen.
Zuerst geht er mit der historischen Grundlage unseres Heldenliedes
energisch zu Gericht. Die Uebereinstimmung zwischen dem unglückseligen
Vorfall von 864 und der ersten Episode des Huo7i de Bordeaux (Auflauern
im "Walde, Hieb über Kopf und Brust, "Wegnehmen des Pferdes) sind so all-
gemeiner Natur, so sehr in den Sitten der Zeit gegeben, dafs sich mit ihnen
kein genetischer Zusammenhang erweisen läfst. Da nun der Albuin der epischen
Ueberliefevung ebenso unbekannt ist als der Huon der Geschichte, versagen alle
Fäden, mit denen man Geschichte und Dichtung unter einander verknüpfen
wollte. Den Ausschlag giebt aber der Umstand, dafs die Carlot-episode des
Huon eine off"enbare Entlehnung aus Ogier ist mit Zügen aus dem Couronne-
ment. Kein unbefangener Beurteiler wird leugnen, dafs dies die Wahr-
scheinlichkeit, dafs wir es mit einer „selbwachsenen" Sage zu thuu haben, stark
herabmindert.
"Welches sind nun die Quellen der Pluonsage?
Voretzsch erkennt deren zwei. Von der einen, dem Urhuon oder
Huons Verbannung, gewinnt er das Bild, indem er aus unserer Chanson
alle jüngeren Elemente, wie Carlot-Episode und die zahlreichen Entlehnungen
aus der höfischen Poesie und Volksepik, entfernt. Dadurch erhält er nämlich
eine Verschiedenheit der Meinung bestünde, genau bezeichnet oder discutier-
bare Gegengründe beigebracht würden. Denn „Sage" steht auch für mich
zwischen dem geschichtlichen Ereignis und seiner dichterischen, epischen Be-
arbeitung. Nur dünkt dem Verf., im Gegensatz zu mir, epische Bearbeitung
der Sage viel später, Jahrhunderte nach dem historischen Vorgang, noch
möglich, z. B. beim Rolandslied, ohne dafs aber der einheitliche Grundgedanke
und die .Stimmung desselben, Archaismen der Auffassung der Dinge darin
u. a. zu erklären versucht würden. Denn Erklärung können Einwendungen auf
S. 14 f. nicht heifsen wie: „"Wärme der Anteilnahme . . . weist ,,doch" nicht
notwendig auf Selbsterlebtes zurück; das rein Thatsächliche, mitsamt der topo-
graphischen Schilderung und den übrigen Archaismen ,,kann" sich eine Zeit-
lang auf ,, andere" Weise erhalten und überliefert haben" u. dergl. Die An-
sicht von der späteren Entstehung des altfrz. Epos hängt bei dem Verf. mit
der bestrittenen Auffassung von dem „Farolied" als einem Epos des 9. Jhs.
zusammen, in dem ich ein historisches Lied erkenne. Ich habe diese Ansicht
aufs neue in dem Gedenkbuch für Prof. A. D'Ancona begründet, das in diesem
Jahre erscheinen soll und worauf ich den Leser verweise. Hrsg.]
VORETZSCH, EPISCHE STUDIEN. 37 1
einen Rahmen, der sich mit dem Auszug des Turiner Prologs in Einklang
bringen läfst: Der Sohn eines Herzogs wird wegen eines Todschlags verbannt,
findet in der Fremde die Liebe einer Frau und kehrt vermutlich mit ihr zurück
und versöhnt sich mit dem Kaiser. Das wäre in der Hauptsache eine 'Braut-
fahrtsage' nach dem Childerich — oder Floovanttypus, ohne jedes mythisch-
phantastische Element und mit einem einzigen historischen Zug, dem Namen
Seguins von Bordeaux. — Die andere Quelle, Huons Brautfahrt, ist gleich-
falls eine 'Brautsage', aber fränkisch-heidnischen Ursprungs. Ihre Grundlage
ist die Alberichsage mit Zügen aus Chlodowechs, Theuderichs I., Theudeberts I.,
Theuderichs II. Leben; sie erseheint in einen deutschen und einen französischen
Ast gespalten, wozu ein dritter, neustrisch-austrasischer kommt; aus ihr ist die
Ortnitsage, die Hugosage und die Sage vom Merowing Alberich bei Hugo von
Toul hervorgewachsen; zahlreiche Fäden verbinden sie aufs innigste mit der
Hug- und Wolfdietrichsage, der Hugosage der Karlsreise, u. s. w. u. s. w. Mit
bewundernswerter Sicherheit bewegt sich der Verfasser durch die "Wirrnisse
dieses Labyrinths und weifs überall den leitenden Faden vorzuweisen. Ob er
aber nicht etwa statt des Ariadnefadens ein Arachnegespinnst aufgegriffen hat?
Ohne mich vom Boden der greifbaren Thatsachen so weit hinweg zu
wagen, möchte ich die Resultate der bisherigen Forschung in Hinsicht der
Ueberlieferung und Vorgeschichte unseres Liedes zusammenfassen und mit
einigen kritischen Bemerkungen begleiten.
I. Die Ueberlieferung des Huo7i de Bordeaux.
Für sich allein, ohne Fortsetzungen, liegt uns das Huonepos nur in der
einen Hs. von Tours vor, die Guessard und Grandmaison für ihre Ausgabe
(Anciens poetes de la France V.) benutzten. Sie ist eine Spielmannsabschrift
des 13. Jahrhunderts, wie die Bettelstrophe p. 148 mit ihren, die Interpolation
verratenden Zwölfsilbern bekundet.
Die übrigen Abschriften unseres Liedes sind von Fortsetzungen begleitet,
und zwar haben wir deren zwei zu unterscheiden, beide aus dem 13. Jahr-
hundert.
Die kürzere, nur durch die Pariser Hs. B. N. 22555 saec. XV. über-
liefert, wird man am besten Huon, roi de f6erie, nennen. (Ausgabe von
H. Schäfer, Ausg. u. Abh. XC, 81 — 92). Nach Ablauf der dreijährigen Frist
zieht Huon ins Feenland, um Auberons Erbe zu übernehmen; er befolgt genau
die frühere Strafse, erlebt in Dunostre das Nachspiel des Riesenabenteuers und
eilt schliefslich nach Bordeaux, um Gereaume von seinem Bedränger, einem
Bruder Giboarts von Viesmes, zu befreien. Es springt in die Augen, dafs
der Nachdichter einfach das Schema des Stammgediclits nachahmt, und hierin
erblicke ich einen zwingenden Grund , diese 960 Verse (im ganzen !) als ein
einheitliches Produkt anzusehen.
Die ausführlichere Fortsetzung, Huon et ses descendants, meist
nach den einzelnen Teilen: Esclarmonde, Clarisette et Floretit, Yde et Olive,
Croissant, benannt, berichtet von vier Generationen: von einer neuen Fehde
mit dem Kaiser wegen seines Neffen Raoul von Vienne, der in sündhafter
Liebe zu Esclarmonde entbrennt, und von Huons wunderbarer Meerfahrt bis
zum Magnetberg und zum Baum der ewigen Jugend, — von Clarisettens Irr-
fahrten, bis sie an Florent von Aragon einen treuen Liebhaber findet wie
Nicolette an Aucassin, — von Ydain, die vor ihrem eigenen Vater fliehen
mufs, als Knappe in den Dienst König Ottos von Rom tritt und dessen
24*
372 I5ESPKECHUNGEN. PH. AUG. BECKER.
Tochter Olive heiratet, — von Croissant endlich, der sein ganzes Erbe ver-
schenkt, aber einen neuen Schatz findet.
Das also erweiterte Huonlied liegt uns in seiner ursprüglichen Zehn-
silberfassung in der Turmer Hs. L II I4 vom Jahre 1311 vor (hg. v. M Schweigel,
Ausg. u. Abh. LXXXIII, 93 — i66a); ferner diente es dem Verfasser der
Alexandrinerversion (Hs. Paris B. N. 145 1, vgl. Ausg. u. Abh. XC) und dem
der Prosaauflösung von 1454, (Drucke 15 13 u. ö. vgl. Voretzsch p. 375— 402).
Der Kompilator der Turiner Hs. hat dem erweiterten Gedicht aufserdem
eine Vorgeschichte (Auberon ed. A. Graf, Halle 1878) und neue Anhängsel
(Ausg. u. Abh. LXXXIII, 166 a— 173 und Fricke, Marb. Diss. 1891) angefügt.
Unter diesen Zuthaten fällt eine freie Nacherzählung des Riesenkampfs vor
Dunoitre auf, die beweist, dafs dem Kompilator auch die ersterwähnte,
kürzere Fortsetzung bekannt geworden ist, doch bltibt es fraglich, ob sie ihm
auch schrifilich vorlag.^
Endlich versuchte noch Jean des Prez im 14. Jahrhundert eine Weiter-
dichtung (s. Romania XXIX, 209 u. 3), und der Prosaroman (Ausg. v. 1545)
erwähnt ein livre des chronicques, in dem Croissanls weitere Eroberungen
erzählt wurden (Ausg. u. Abh, LXXXIII § 227).
Von unserem Heldeuliede sind demnach drei Abschriften in Zehnsilbern
(IIss. Tours, Paris 22555, Turin), eine in Zwölfsilbern (Hs. Paris 1451) und
Prosaroman erhalten; aufserdem steht der Verlust von drei Hss. des 13. Jahr-
hunderts fest, nemlich der Originalfassung, der Vorlage von Paris 22555 und
der gemeinsamen Vorlage der drei jüngeren Fassungen (Turin, Paris 1451.
Prosa). Ueber das Verhältnis dieser Hss. unter sich sind wir nicht unter-
richtet; doch läfst sich vermuten, dafs die Textgestaltung, abgesehen selbst-
redend von den Freiheilen, die sich der Alexandriner- und Prosaüberarbeiter
gestalteten, keine grofsen Divergenzen aufweist.
An ausländischen Bearbeitungen besitzen wir Fragmente einer nieder-
ländischen Reimübertragung vom Ende des 14. Jahrhundert, die mit dem
Stoff so frei umgeht, dafs man sie genealogisch nicht einreihen kann; ferner
haben wir ein niederländisches Volksbuch in Prosa, das sich enger an sein
französisches Vorbild hält, und eine englische Uebersetzung des franz. Prosa-
romans, die 1540 erschien.
Ein interessantes Problem knüpft sich an das niederländische Volksbuch.
Hier heifst nämlich Huons treuer Begleiter nicht Gereaume, sondern Aleaume,
und dieser Umstand gewinnt dadurch an Bedeutung, dafs auch Alberich
von Troisfontaines zwei Brüder Seguins von Bordeaux kennt, Alelmus und
Ancherus. Unser Huon erwähnt gleichfalls zwei Brüder des verstorbenen
Herzogs, beide sind ins heilige Land gekommen, der eine, Oedon, hat ab-
geschworen, der andere, Guinemer, ist mit seiner Tochter in Dunostre ein-
geschlossen. Bevor er vom Glauben abfiel, hiefs der erstere nach unserem
Liede Guillaume:
Guillaumes fu dedens France apeles. (p. 116.)
Der Dichter hat offenbar die Vorstellung, dafs Abtrünnige ihren Taufnamen
1 Hingegen möchte ich für die Alexandrinerversion die Kenntnis der
ersten Fortsetzung nicht als erwiesen anerkennen, da der Wunsch der Riesen
ihren Bruder Agrapart noch vor Huons Abfahrt aus Babylon zu rächen, für
jeden frei erzählenden Dichter sich fast von selbst bot. S. Ausg. u. Abh.
XC, 93 s.
VORETZSCH, EPISCHE STUDIEN. 373
ablegen, nur läfbt er seinen Renegaten einen andern chiisllichen Namen
wählen, wie überhaupt seine sarazenischen Personennamen, Gaudisse, Esclar-
monde, u. s. w. nicht sehr türkisch klingen. — Dieser Vers ist auffälligerweise
bisher unbeachtet geblieben. Nun fragt es sich doch : Ist Guillaume nur eine
unberechtigte Lesung der Hs. von Tours? bietet etwa die Turiner oder
Pariser 22555 Aleaume? oder sollen wir für die Vorstufe der Hs. von Tours
oder meinetwegen auch für eine verlorene Handschriftengruppe die Lesung
Aleaume ansetzen, ohne im übrigen eine abweichende Gestaltung des Gedichts
anzunehmen? Diese Auffassung wird durch die grofse Uebereinstimmung
zwischen dem niederländischen Volksbuch und unserer Huon-Dichtung und
insbesondere durch die Beobachtung begünstigt, dafs der Niederländer die
Verwandtschaft mit Seguin eben von unserem Oedon- Guillaume auf seinen
Aleaume - Gereaume übertragen hat. Leider verschweigt das Volksbuch den
Namen des anderen Bruders, so dafs Alberich mit seinem Ancherus allein
dasteht; ich mufs es dem Urteil anderer Forscher überlassen, ob sie auf diesen
Namen weitere Schlüsse aufbauen mögen.i
n. Die Vorgeschichte des Huon de Bordeaux.
Drei Momente kommen in Betracht: die durch den Turiner Prolog der
Lothringergeste bezeugte Vorstufe des Huon, die historische Grundlage unseres
Liedes und die Sagengestalt Auberons.
Die Turiner Lothringerhs. enthält bekanntlich in ihrem Prolog An-
spielungen, die auf eine verschollene Vorstufe der Huondichtung bezogen
werden. Es ist die gleiche Hs. LH 14, die auch den erweiterten Huofi ent-
hält. Die erste Frage dürfte die nach dem mutmafslichen Verfasser des Prologs
sein. Meines Erachtens spricht vieles dafür, dafs ihn derselbe Kompilator
verfafst hat, dem wir auch die letzten Erweiterungen des Huon verdanken.
Hier wie dort finden wir die charakteristische Vorliebe für lyrische Caesuren
(neben EHsionscaesuren) und jene ausschweifende Phantasie, die im Atiberon
Judas Makkabäus, Julius Caesar, die Fee Morgue, den h. Georg und Auberon,
im Prolog Vespasian, den hg. Severin, die zwölftausend Jungfrauen, den h.
Bertin, den Herzog Seguin von Bordeaux und die ganze Lothringergeste zu-
sammenwirft.
Fragen wir nun nach dem Inhalt des Prologs, so hören wir, dafs Pierre,
der Sohn des h. Severin, durch seine Pnmkliebe und Freigebigkeit in solche
Geldverlegenheit geriet, dafs er Lothringen, sein Erbteil, einem Kaufmann
Namens Henri verpfänden mufste. Damals — etvva zu Vespasians Zeit —
gab es nämlich in Bordeaux einen Herzog Seguin; dessen Sohn Huon hatte
das Unglück im königlichen Palast zu Paris einen Grafen zu erschlagen und
mufste nach der Lombardei fliehen, wo er in den Dienst Guinemers, des
Sohnes des h. Bertin, trat. Hier lernte er ein Mädchen kennen, das ihm
seine Liebe schenkte und einen Sohn gebar. Als er später durch Gift umkam,
floh Henri, sein unehelicher Sohn, nach Äletz und begann dort in den Spiel-
höhlen ein so einträgliches Wuchergeschäft, dafs er schliefslich das ganze
Herzogtum in Pfand nehmen konnte und den Herzog von Dijon um die Hand
seiner Tochter angehen durfte, u. s. f. — Man beachte wohl, dafs der Prolog-
' Voretzsch möchte p. 117 auch den vassael Alsamus der niederländischen
Reimübersetzung mit Aleaume gleichsetzen. Der Zusammenhang macht es
mir nicht wahrscheinlich.
374 DESPKliCHUNGEN. PH. AUG. BECKER,
dichter nicht erzählt, zu Karls des Grofsen Zeit sei Huon, der Sohn Seguins
von Bordeaux, wegen eines Todschlags flüchtig geworden, sondern er fingiert
viele Jahrhunderte früher einen andern Herzog von Bordeaux, Namens Seguin
wie der spätere, und gibt auch diesem einen Sohn Namens Huon.
Welche Garantie haben wir nun dafür, dafs der Prologschreiber den
Zug des Todschlags und der Flucht einem verlorenen Huonliede entnahm.-'
Etwa die Person des Verfassers? Oder der Zusammenhang, in dem er uns
diese Nachricht auftischt? Oder dürfen wir etwa ihm, der so lustig fabelt,
soviel Erfindungsgabe nicht zuschreiben? Oder pafst etwa das fragliche Huon-
lied in die gemeinhin angenommene Entwicklungsgeschichte der Sage? Impo-
nierte aber unserem Epenkompilator das seither verschollene Lied so sehr,
wer erklärt uns da, warum er es von seiner Sammelhandschrift ausschlofs?
Oder wird man man die Namen Seguin, Huon, Guinemer als Beweis an-
führen? Gilt es nämlich nur anzugeben, woher der Prologschreiber diese
Namen entlehnte, so ist die Verlegenheit gering: er kennt ja unser HuonUed
und hält es sich zur Abschrift bereit.
Für mich besteht kein Zweifel, dafs der ganze Prolog fröhliche Faselei
des unbekannten Kompilators der Turiner Hs. ist, und dafs er sich seine Arbeit
recht bequem machte, indem er den Huon de Bordeaux piagierte. Wer den
Prolog im Zusammenhang liest und sich Rechenschaft darüber giebt, dafs sein
Verfasser nicht Ereignisse aus der epischen Heldenzeit berichtet, sondern —
wie das 14. Jahrhundert es liebte — die graue Vorzeit mit Namen und
Anekdoten ausstaffiert: der wird meines Erachtens nicht anders urteilen können.
Denn man bedenke, dafs Dichter oder Chronisten, die solche prähistorischen
Annalen aushecken, mit nichtssagenden Namen wie Henri, Pierre, Tierri allein
nicht auskommen; sie müssen auch Namen mit historischen Klang unterlaufen
lassen, und da läfst sich nicht leugnen, dafs ein Seuwin de Bourdeloit oder
s. Seurin und gar ein s. Bertin qui etabli les foires de Troies, de Bar et de
Lagni den Leser recht vertrauenerweckend ansprechen.
Und solche Faseleien eines späten Kompilators mutet man uns zu, als
die einzig echte epische Ueberlieferung azusehen!
Ueber die historische Grundlage der Huonsage habe ich nach Voretzschens
zulrefiender Kritik wenig mehr zu bemerken. Bekanntlich überfiel Karl, der
Sohn Karls des Kahlen, in jugendlichem Uebermut seinen Genossen Albuin,
um seinen Mut auf die Probe zu stellen, als dieser spät Abends von der
Jagd heimritt; Albuin wehrte sich und brachte seinem Gegner eine lebens-
gefährliche Verletzung bei; als er seinen Mifsgriff merkte, entzog er sich durch
rasche Flucht der Sühne. Ich kann mir nicht vorstellen, dafs ein derartiger
Vorfall, dem absolut nichts episches innewohnt, Gegenstand einer Sage oder
eines Liedes geworden sein sollte, das Jahrhunderte überdauerte. Mafsgebend
ist mir indessen die unleugbare Abhängigkeit unseres Liedes von der zweiten
Ogier - Branche ; alle wesentlichen Elemente verdankt der Huondichter seinem
Vorgänger.
Als historischer Rest bleibt somit der Name Seguins von Bordeaux.
Dafs dieser Name sich in der Erinnerung erhielt, könnte man damit erklären,
dafs Bordeaux seine einstmalige Bedeutung durch die Normannen gänzlich
verlor und erst sich wieder anfing zu heben, seit das Land an England ge-
kommen war. Forschte man nun nach der früheren Glanzzeit — und man
gedenke hier der Worte unseres Dichters; En vostre tere vi jou ja roiaute
VORETZSCH, EPISCHE STUDIEN. 375
(P-93)' — so fand man zur Karolingerzeit selbständige Grafen, darunter eben
die Sigwine. Ihrer wird man in Bordeaux gar häufig gedacht haben. ^
Auberons Zwerggestalt endlich, deren germanische Herkimft Niemand
mehr bezweifelt, ist offenbar mit der Huondichtung in den karolingischen
Sagenkreis eingedrungen. Da ich keinen Anlafs finde, ein älteres Huonlied
anzusetzen, erkenne ich das Verdienst, die epische Ueberliefenuig der Fran-
zosen mit dieser Gestalt bereichert zu haben, dem Dichter unseres Huon de
Bordeaux zu. Der älteren französischen Volksauffassung und dem echten
Nationalepos war solcher Märchenzauber von Haus aus fremd, erst die höfische
Dichtung weckte den Sinn dafür; auf französischem Boden werden wir dem-
entsprechend in Auberon kein altüberliefertes Sagengut erblicken dürfen, son-
dern jungen, wohl nicht litterarisch, sondern durch den Volksmund ver-
mittelten Import. Die Vertrautheit mit den deutschen Elfengestalten wird
man am ehesten in den nordostfranzösischen Grenzgebieten, aus denen unser
Dichter stammt, voraussetzen dürfen. Zum Beweis möchte ich allerdings
weder die Fabeleien Hugos von Toul über Clodios Sohn Alberich heran-
ziehen, denn trotz der ihm nachgesagten Zauberkunst erblicke ich in diesem
Alberich nur einen von Hugo erfundenen Eponymos; noch möchte ich mich
auf die von Hugo angeführten und auch später bezeugten Ortsbezeichnungen
berufen, weil es sich wahrscheinlich um jüngere Umdeutungen ursprünglich
anders gemeinter Benennungen handelt.
Auch will es mir scheinen , dafs unserem Dichter keine fertige Alberich-
sage zukam, sondern nur die Figur des Zwergen, während er die Fabel aus
eigenen Stücken erfand und die Handlung selber zurechtlegte. Ich schliefse
das nicht allein aus dem, was er über Auberons Ursprung vorträgt, sondern
aus der Verlegenheit, in der er sich dem zaubergewaltigen Schutzgeist gegen-
über befindet; er weifs nichts Rechtes mit ihm anzufangen, die Handlung
verliefe ganz glatt auch ohne ihn, erst zum Schlufs wird er als deus ex
machina benötigt. Daraus ergiebt sich, dafs ich unseren Huon auch für das
Vorbild des Ortnit halte; und es wäre das nicht der einzige Fall, dafs ein
deutscher Spielmann einen französischen Stoff nicht nach dem Wortlaut, son-
dern nach ungefährer Kunde aufgriff und nach Mafsgabe seiner Befähigung
bearbeitete.
Eine Vorgeschichte als Epos erkenne ich demnach der Huondichtung
nicht zu, sondern sehe auch hier die souveiäue Schöpfung des Dichters, der
mit unscheinbaren Elementen, aber in intimer Anlehnung an die hochent-
wiclcelte Erzählungskunst seiner Zeit die französische, und mit ihr die Welt-
litteratur um neue Sagenstoffe und bleibende Gestalten bereicherte. Und diese
Auffassung glaube ich deshalb verfechten zu müssen, weil sonst die Wand-
lungen der französischen Heldendichtung, die wir im 12. und 13. Jahrhundert
verfolgen, sich schon zwischen dem 7. und 11. vollzogen haben müfsten.
1 Im J. 10 10 ward auch ein Siguin Bischof von Bordeaux, wie 1085 ein
Ursio Bischof von Beauvais.
Ph, Aug. Becker.
376 BESPKECHUNGKN. B. WIESE,
Giomale Storico della Letteratura Italiana. Anno XVIII, Vol. XXXVI,
fasc. 3; Anno XIX, Vol. XXXVII, fasc. i. Supplemente No. 3. 1900.
Vol. XXXVI, fasc. 3.
B. Cotroni, // „contrasto di Toniti e Bighignol" e diie ecloghe macche-
rötliche di Teoßlo Folengo. Cotronei bringt hier den in der letzten Zeit oft
erwähnten, aus zwei Teilen bestehenden Kontrast, von dem zwei alte Ausgaben
vorhanden sind, die eine undatiert, die andere von 1549, nach ersterer zum
Abdruck. Da der erste Teil sich auch in zwei Handschriften erhalten hat,
von welchen die eine sicher älter ist als die benutzte Ausgabe, so hätten auch
diese herangezogen werden sollen. "Warum es nicht gesehen ist, verschweigt
der Herausgeber. Die Einleitung, welche viel Beiwerk in Anmerkimgcn ent-
hält, das für ihre Zwecke lästiger Ballast ist, will nachweisen, dafs der Kon-
trast Teofilo Folengo bei der Abfassung seiner 6. und 7. Ekloge als Vorlage
gedient hat. Die Möglichkeit einer solchen Benutzung ist nicht ausgeschlossen,
doch kann ich die verhältnismäfsig geringen und wenig charakterischen Ueber-
einstimmungen zwischen Kontrast und Eklogen nicht für so deutliche Beweise
erachten, wie Verf. es thut, der seine Argumentation noch durch die weiter
ausgeführte Thatsache zu stützen sucht, dafs Folengo auch sonst eifrig aus
der Volksdichtung schöpfte. Wenn er aber in Anm. 1 S. 313 unter Zanigne
Tonellam diese Ekloge verstehen zu können glaubt, so kann ich ihm darin
nicht folgen. 92 zählt se tu nur eine Silbe, wie Cotronei selbst 221 gesehen
hat, 96 kann acatti bleiben. 119 lies on vietii. 211 hat Novati mit seiner
Korrektur das Richtige getroffen ; der Vers wird dadurch aber auch völlig klar :
„a mi non azulera' tu quesfo ancinello"
bedeutet: „Mir wirst du diesen Haken {ancinello ist uncinello) nicht anheften",
d.h., mir wirst du das nicht aufbinden. Zu azolar vgl. Mussafia, Bei-
trag S. 31.
A. Luzio-R. Renier, La coltura e le relazioni letterarie di Isabella
D'Este Gonzaga. 3. — Gruppe lonibardo. Vi si discorre di: Corte letteraria
del Moro; B. Bellinctoni ; Gaspare Visconti [Apollinare Palmengo). — Ga-
leotto del Carretto. — Paolo Giovio. — M. Girolamo Vida. — Benedetto
Lampridio {Teoßlo da Caravaggio). — Giason del Maino. — Veronica Gam-
bara. Unter den hier zusammengestellten Nachrichten, worunter sich manches
bisher Unbekannte befindet, sind wohl die wichtigsten die über Giovio und
Vida. Ersterer wurde von Federigo Gonzaga 1523 zum Bürger von Mantua
gemacht, und der Bürgerbrief wird hier abgedruckt.
G. Marpillero, Werther, Ortis e il Leopardi. In dem lesenswerten
Aulsatze werden eine ganze Reihe Stellen aus Ortis und Werther mit solchen
Leopardis in seinen Gedichten und Prosaschriften zusammengestellt, um ihre
grofse Uebereinstimmung zu zeigen. Besonders klar tritt die Einwirkung des
Werlher auf die Gittestra hervor.
VARIET A :
L. Fabris, Di un copione della „Ricciarda" di Ugo Foscolo con note
e correzioni autografe. Auf der städtischen Bibliothek in Bassano hat sich
die Abschrift der Ricciarda mit eigenbändigen Bemerkimgen Foscolos ge-
funden, nach welcher das Stück in Bologna 181 3 zum ersten Mal aufgeführt
wurde. Nach eingehender Beschreibung des Manuscriptes, aus dem auch die
jedenfalls von Foscolo selbst veifafsten Anweisungen zur Inscenierung abge-
druckt werden, giebt Fabris in Gegenüberstellung die Varianten zwischen
GIORNALE STORICO VOL. XXXVI. 377
dieser Abschrift und der ersten, von Foscolo selbst besorgten Ausgabe des
Stückes London 1820.
RASSEGNA BIBLIOGRAFICA:
Mandonnet, Siger de Brabant et P Averro'isme latin au XI 11^ siede
(Cipolla, interessanter Artikel). — Spingarn, A history of literary criticism
in the renaissance (Gentile, im allgemeinen anerkennend). — Belloni, //
Seicento (Cosmo, anerkennend mit berechtigten Ausstellungen).
BOLLETTINO BIBLIOGRAFICO :
Turri, Dizionario storico matiuale della letteratura italiana compilato
ad uso delle persone colte e delle scuole. Bonazzi, II Condaghe di S. Pietro
di Silki, testo btgudorese inedito dei secoli XI — XIII. Marchesi, Bartolo-
tneo della Fönte. Porena, La poetica alfieriana della tragedia. Bindoni,
La topografia del romanzo „I protnessi sposi". Parte seconda: IJ esilio.
Manzoni, / promessi sposi. Ediz. illustrata da Gaetano Previati, curata
nel testo da Alfonso Cerquetti, preceduta da cenni biograßci di Ltica Beltrami.
ANNUNZI ANALITICI, PUBBLICAZIONI NUZIALI.
COMUNICAZIONI ED APPUNTI:
G. Bertoni, Appendice aW articolo „Sttidj e ricerche siii trovatori
tninori di Genova". Vgl. Ztschr. XXV S. I2I — 123. Hier folgen einige Zu-
sätze und Besserungen. L. G. P61issier, La mort d' Alfter i et M. d'Ansse
de Villoison druckt den Brief ab, den der Hellenist d'Ansse de Villoison nach
Alfieris Tode an die Gräfin von Albany schrieb.
CRONACA:
Periodici, kurze Mitteilungen, neuerschienene Bücher, kurze Todesnach-
richten über Federico Gilbert De Winckels, L. Hervieux, Alexander Budinsky
und Giovanni Nicolussi.
Vol. XXXVn, fasc. I.
G. Boffito, ü eresia di Matteo Palmieri „ciliadin fiorentino". In
einem einleitenden Kapitel giebt Boffito eine kurze Aufzählung und Beschrei-
bung der sechs Handschriften, welche Palmieris Cittä di Vita ganz oder teil-
weise enthalten, und spricht dann über den der platonischen Philosophie ent-
lehnten Titel un(J den Inhalt des Werkes, den er durch den Abdruck von
Bruchstücken von sechs Briefen Giulio Libris an Baccio Valori aus dem Jahre
1601 erläutert. Hierauf geht er zu seinem eigentlichen Thema über und weist
durch reichliche Citate aus dem "Werke nach, dafs Palmieri weder dem Aria-
nismus noch der Lehre des Pythagoras von der Seelenwanderung huldigte,
dafs er aber die Irrlehre des Origenes von der Präexistenz der Seele verfocht.
Ueber das Schicksal Palmieris nach seinem Tode läfst sich nichts mit Sicher-
heit ermitteln. Wahrscheinlich ist es jedoch, dafs die Leiche wieder aus-
gegraben und entweder verbrannt oder in ungeweihter Erde beigesetzt wurde.
S. 3 Anm. 5 hätten Morpurgos Manoscritti della R. Biblioteca Riccardiana
S. 196 — 197 angezogen werden sollen.
VARIET'A:
J. Camus, La premiere version fran^aise de VEnfer de Dante. Notes
et observations. Dieser vorzügHche Aufsatz bringt endgiltige Klarheit über die
Entstehungszeit und die Nationalität des Verfassers der französischen Ueber-
setzung von Dante's Hölle in der Turiner Handschrift L, III, 17. Zunächst
wird mit unumstöfslicher Sicherheit festgestellt, dafs der italienische Text der
378 HESPRECHNÜEN. B, WIESE,
Handschrift aus ilcm Drucke Venedig 18. November 1491 stammt. Bestimmte
Beobachtungen führen ferner darauf, dafs der Abschreiber kein Italiener sein
konnte, und dafs er schon im 16. Jahrhundert schrieb. Die französische Ueber-
setzuug ist erst nach dem italienischen Text von mindestens vier Händen ein-
getragen. Beim Abschreiben sind in die Uebersetzung zahlreiche Aenderunyen
eingeführt, die sogar ganze Verse und Terzinen betreffen, und die anfänglich
sehr sorgfähig angeführt wurden, so dafs man ihre Eintragung kaum bemerkt,
später aber, als die Handschrift doch nicht mehr zu einem Widmungsexemplar
benutzt werden konnte, sehr nachlässig übergeschrieben wurden. Die Ueber-
setzung war ursprünglich nach dem Text von 1491 gefertigt, vor ihrer Ein-
tragung in die turincr Handschrift ist sie aber an einigen Stellen unter Zu-
ziehung einer Ausgabe des 16. Jahrhunderts, wie Camus sehr wahrscheinlich
macht, der Ausgabe, 23. Januar 1529, überarbeitet. Manchmal hat der Ueber-
setzer auch Landinos Kommentar zu Zusätzen benutzt, und hier und dort hat
er Eignes hinzugethan. Er war sicher Franzose, und die Sprache der Ueber-
setzung weist bestimmt nach Berry, wie am Wortschatz und an lautlichen
Erscheinungen nachgewiesen wird. Die Abschreiber verläugnen jedoch ihre
Herkunft aus dem Süden Frankreichs nicht, und auch die vor und nach der
Abschrift eingeführten Aenderungen zeigen keine Spur des Dialektes von Berry,
rühren also nicht vom Uebersetzer her. Darf man aus der Technik des Vers-
baus einen Schlufs ziehen, so ist der Verfasser der Uebersetzung ein Schüler
Jean Le Maires. Die Wahl des Alexandriners beweist übrigens auch, dafs
die Uebersetzung erst aus dem 16. Jahrhundert stammt. Der Name des
Uebersetzers läfst sich ebenso wenig feststellen, wie der Weg, auf dem die
Handschrift nach Turin gekommen ist. Nur eine ansprechende Vermutung
bleibt es, dafs sie einmal im Besitze Clement Marots gewesen ist.
F. Cavicchi, Una Vendetta deW Eqiiicola druckt eine schamlose Satire
Equicolas gegen Tebaldeo ab, die 1521 geschrieben ist, also acht Jahre nach
dem berüchtigten Streite beider Gelehrter am Hofe von Mantua, und fügt zwei
Epigramme Blosios gegen ihn hinzu.
RASSEGNA BIBLIOGRAFICA:
Ebner, Beitrag zu einer Geschichte der dramatische?i Einheiten in
Italien. Heft XV der Milnchener Beiträge zur rofnanischen und englischen
Philologie (Galletti). — Concari, // Settecento (Bertana, mit manchen be-
gründenden Ausstellungen). — Zacchetti, La fama di Dante in Italia nel
secolo XVIII, Appimfi (Bertana, zeigt, dafs das Buch in Eile zusammen-
gestoppelt ist).
BOLLETTINO BIBLIOGRAFICO :
Chiappelli, Le dicerie volgari di ser Matteo de" Libri da Bologna
pubhlicate secondo una redazione pistoiese. Runge, Die Lieder und Melodien
der Geijsler des Jahres 1349 nach den Aufzeichnungen Hugos -von Reut-
lingen, nebst Abhandlungen von Heinrich Schneegans und Heino Pfannen-
schmid. Passerini, La vita nova di Dante Alighieri novatnente annotata.
Canevazzi, La vita nuova di Dante Alighieri con prefazione e note. Ro-
mizi, Lodovico Ariosto, U Orlando für io so con note. Morellini, Matteo
Bandello novellatore lombardo. Studi. Rossi, Un letterato e mercante fio-
rentino del secolo XVI, Filippo Sassetti. Paquier, L'Humanisme et la Re-
forme. — Jerome Aleandre de sa naissance ä la fin de son sejour ä Britides
(1480 — 1529). Paoli, La scuola di Galileo nella storia della filosofia.
GIORNALE STORICO VOL. XXXVII ; SUPPLEMENTO NO. 3. 379
Parte I: Occasione a qtcesta puhblicaäone . Kotliaserski, II dolore tnoii-
diale alla fine del secolo scorso e al principio del nostro.
ANNUNZI ANALITICI, PUBBLICAZIONI NUZIALI.
COMUNICAZIONI ED APPUNTI:
U. Cessi, La „Filena" di G. A. Caccia. Nach einigen Bemerkungen
über Caccias Erbusto, der mit Recht gegen Carducci als ein Vorläufer des
Aminta und Pastor Fido verteidigt wird, giebt Cessi eine Inhaltsangabe der
Filena und definiert das Stück, dem das bukolische Gewand nur rein äufser-
lich umgehängt ist, als eine für das vornehme Publikum geschriebene Komödie
im Stile der gebildeten Lustspiele der Rozzi, worin eine moralische und
satirische Absicht nicht fehlt.
CRONACA:
Periodic!, kurze Mitteilungen, neuerschienene Bücher, Nachruf für
Antonio Lubin.
Supplemente No. 3. 1900.
Abd-El-Kader Salza, Francesco Coppetta dei Beccuti, poeta per 11-
gino del secolo XVI.
Die Grundlage zu dieser breit angelegten Monographie bildet die 1751
erschienene, recht gute und nützliche Ausgabe der Gedichte Coppettas von
Cavallucci. Des Verfassers Augenmerk richtet sich darauf, einerseits die bio-
graphischen Notizen zu vervollständigen und auch zu bessern, wo es not thut,
andrerseits die Gedichte nach ihrer Zusammengehörigkeit zu ordnen, was
Cavallucci aufser Acht liefs, und ihren Wert innerhalb der dichterischen Er-
zeugnisse des 16. Jahrhunderts festzulegen. An die Biographie des Dichters
schliefst sich eine umständliche Darstellung der politischen und littera-
rischen Zustände in Perugia in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts an,
in welcher die Nachrichten über die Akademie, der Coppetta angehörte, das
meiste Interesse beanspruchen. Der gröfste Teil der Abhandlung ist der Be-
sprechung des Canzoniere gewidmet, dessen Gedichte in verschiedene Gruppen
zerlegt werden, die sich freilich doch nicht immer so rein und klar scheiden
lassen, wie Verfasser möchte. Seine Analysen kann man meistens gelten
lassen, nur hat er doch den Fehler nicht ganz zu vermeiden gewufst, seinen
Schützling in helleres Licht zu rücken als er es verdient, wenn er ihn z. B.
,S. 81 mit Theokrit vergleicht, und wenn er seine Nachahmung Petrarcas zu
sehr zu beschränken sucht. Entschieden anderer Ansicht als Salza bin ich
aber über die Art der Liebe des Dichters zu seinem ,, Alessi" (Francesco
Bigazzini). Von platonischer Liebe kann garnicht die Rede sein. Der Affekt
war bestimmt ein sinnlicher, unnatürlicher, nur fragt es sich, ob er seine Be-
friedigung erlangte — letzteres glaube ich nicht. Wie will Salza den Sinn
des Verses
„Pur n' avrä sempre tnolle il viso, e chino",
der sich auf die Liebe bezieht, anders erklären, als dafs der Dichter Grund
hatte, sich seiner Neigung zu schämen ? Braucht man sich einer rein idealen,
platonischen Liebe zu schämen? Empfanden ferner alle bevorzugten Neben-
buhler, die Coppetta zu haben zugesteht, auch nur platonische Liebe, und
kann man bei einer solchen von Nebenbuhlern reden ? Gerade die Beteurung
des Dichters von der Reinheit seiner Liebe (S. 80) beweist mir aber das
Gegenteil; man liest die Begierde zwischen den Zeilen, die nur zurückgehalten
380 BESPRECHUNGEN. W. MEYER -LÜBKE,
wird, weil der Gegenstand, auf den sie sich richtet, sich nicht zu ihrer Be-
friedi{,ning hergeben will. Mit Recht weist aber Saiza die Identificierung
Coppettas mit Grappa, dein Verfasser von im Jahre 1545 zugleich mit einem
„Comento" gedruckten „Cicalamenti" ab. Die politische Kanzonc Coppettas,
die S. 94 ff. besprochen wird, schätzt Salza zu hoch ein. Das ganze Gedicht
ist inhaltlich eine Nachbildung der Canzone Italia im'a Petrarcas, was Salza
unbegreiflicherweise garnicht gesehen hat. Der Vers: „Non vi stringe pietä
del hei Paese". bei dem er auf Purg. VI 116 verweist, ist doch direkt aus Pe-
trarca genommen: „Di che nulla pietä par che vi stringa". Auch der Vers:
„Ne r Italico luine al tntlo e spento" erinnert vielmehr an Petrarcas:
,,Che V antiquo valore
Ne /' italici cor non e ancor morto"
als an
,,0 d' Italia smarrita, e cieca schiera."
Und ohne Mühe könnte man im einzelnen noch eine ganze Reihe Entlehnungen
aus derselben Canzone nachweisen. Auch das Sonett S. 103 ist reiner Ab-
glanz petrarkischer Dichtung. Die Darstellung der Zeit in dem Capitolo
„Tempo" (S, 116) als geflügelter Greis auf Krücken mufs auch typisch ge-
wesen sein. Ich erinnere an die Abbildung zum Trionfo del Tempo Petrarcas,
die ich in der Italienischen Litteraturgeschichte S. 142 veröffentlicht habe.
Manche Ausführungen des Aufsatzes, die nicht streng zum Thema ge-
hören, hätten in Anmerkungen gebracht werden sollen, z. B. die S. 85 ff. über
Loblieder auf Frauen oder S. 136 ff. über die Bearbeitung der Fabel von Amor
und Psyche, wo doch überdies einfach auf De Marias Arbeit (Bologna 1899)
zu verweisen war u. s. w. Im Anhange werden einige Dokumente und einige
unedierte Gedichte abgedruckt, darunter die Terzinen über die Zeit, die wohl
einen Teil einer allegorischen Vorstellung bildeten, und eine Bibliographie der
Gedichte Coppettas in Drucken und Handschriften. S. 6 Anm. I lies Berar-
dino statt Baldino, S, 13 Anm. 4 lies II, C.
Berthold Wiese,
Romania. No, 115, Juillet 1900.
O. Densusianu, Sur l'alte'ration du c latin devant e, i dans les
langues romanes. Nachdem Verf. gezeigt hat, dafs was Mohl, Introduction
ä la Chronologie du latin vulgaire 289 — 307 über die in Frage stehende Er-
scheinung geäufsert hat, ganz haltlos ist, beruft er sich zur Stütze der An-
nahme, dafs bis ins VI. Jh. unserer Zeitrechnung c vor e, i noch rein explosiv
gewesen sei, auf rum. chinga aus clinga {cingula), auf *stiticilla für scintilla,
auf Cicaro bei Petronius statt cicero und auf *cucuta. Ich kann allerdings
nur dem ersten und letzten "Worte Wert beilegen. Eine Umstellung von
scintilla zu stincilla ist bei jeder Aussprache des c möglich, namentlich da
es sich bei ihr doch offenbar um Einflufs der Diminutiva auf -cellus -cella
handelt. Eher hätte bei Anlafs dieses Wortes untersucht werden können,
ob aus dem Mangel des e- in span. centella etwas zu schliefsen sei. Dafs
der Name Cicaro mit ital. cecine 'Schwan', siz. cicire^(iu 'kleiner Schwan',
cictu 'ein bischen' und cicer zusammenhänge, ist auf keine Weise als sicher
auszugeben und mir wenigstens ganz unverständlich, wie cecine 'enferme l'idee
de petitesse'.
ROMANIA NO. HO. 38 I
Ramoun Menendes Pidal, Etimologias espanolas, l. asp. abdega,
pg. adega von apotheca, freilich nicht, wie der Verf. meint, jünger, sondern
älter als die a-Iosen Formen; 2. accujtrar 'das Land bebauen' zu culter;
3. aledano 'angrenzend' aus *adlataneus; 4. altozano, früher antozano be-
deutet ursprünglich 'Vorhof', ist also aus a7ite uzano zu dem nur im Cid be-
legten uzo entstanden; 5. amelga 'Ackerbeet zwischen zwei Furchen' von
'^gemellicus, schwierig wegen e statt ie und wegen der Nebenform etnbelga,
die sich weder mit dem durch die Nachbarschaft des r oder durch franzö-
sischen Einflufs erklärlichen b in cambariella bei Berceo noch mit balumba
neben baliima vergleichen läfst, da in letzterem die w?-Form die jüngere ist,
s. Schicksale des lat. Neutr. S. 77; 6. armatoste 'Gestell': arma toste; 7. azo-
mar 'hetzen' von ad-summare; 8. azugar 'hetzen' von suso; 9. basiira
'Kehricht': *versura; 10. hodigo 'Hochzeitbrod': votivus; 11. breva 'Art
Feige': btfera; 12. camella 'Joch', auch gamella, wieder von gemellus, aber
wieder auffällig im Tonvokal, und nicht minder im Anlaut, für den ein Präfix
ca- angenommen wird; 13. cerrojo 'Riegel' von veruclu. So schon Rom.
Gramm. II S. 468; 14. ast. cebiella \o\\ fibella, aus welchem Anlasse weitere
Beispiele von c statt /" gegeben werden, Beispiele, deren jedes mir einer be-
sonderen Erklärung bedürftig scheint, daher ich für unser Wort die Zs. XII 559
gegebene Andeutung festhalten möchte; 15. asiur. co/ondra 'Stütze der Dach-
traufe' von *colufnnita, span. corofidel, ein Ausdruck der Buchdruckerei, von
*columnitella, das Du Gange als cohimpdellum bringt, morphologisch aufiällig,
jedenfalls nicht zu trennen von npr. courounda couroundeii und vielleicht
auch nicht von dem coronda, das untermischt mit mancherlei jedenfalls ganz
anders gearteten, Zs. XXI 550 aus italienischen Mundarten belegt ist; 16. col-
lazo 'Knecht' von coUatio; 17. columbrar 'von weitem sehen' zu columen;
18. corambre von coramen, so schon Lat. Neutr. S. 77; 19. 1?« cuclillas
'niedergekauert' zv,\i.accoccolarsi\x.%.v{.; 20. chichon 'Beule', cicion 'Fieber',
jenes von accesstone, dieses von abscessione; 21. chisme 'Wanze'; 22. chtste
'Scherz' von scucztumQ); 23. escabechar 'marinieren' escam vectare; 24. en-
ridar 'hetzen' von irritare mit cpenlhetischem «; 25. escamocho 'Ueber-
bleibsel vom Essen', escamondar 'die Bäume putzen', escamujar 'den Oel-
baum stutzen' zeigen lat. esca im ersten Teile; 26. escaramujo und majuela
'Hagebutte', scaria mulleus (weshalb nicht esquiramujal), bezw. mulleola;
27. escorrozo 'ärgerliche Sache' zu frz. couroux; 28. escosa 'Frau, die nicht
mehr stillen kann': excursa; 2(). escripia 'Seitenstangen des Wagens': scirpea;
30. escudir 'einheimsen': excutere; 31. anav. estrago, astur, estragal 'pieza
de entrada ä la casa donde se recogen los aperos de la labranza' wie afr.
estres von exterae, ein extraticum voraussetzend, mir morphologisch bedenk-
lich, daher mindestens eine Einmischung von ostracum [lastrigo u. s. w. nach
Miklosichs und G.Meyers Deutung, s. Analecta Graecensia S. 3); 32. estro-
paj'o 'Wischlappen' zu stuppa; 33. z.%i. forgaxa 'Hobelspan' z\x fabrica;
34. gachas 'Brei' coactus 1^); 35. golfin 'Spitzbube', aspan. /b/^ «/«, dazu
golfo in derselben Bedeutung; 36. grieve aspan. belegt; 37. grulla und
pulla aus grua, pua über gruya, puya und zwar als Andalusismen ; 38. ho-
jaldre ' Blätterteig '/o/zai'^'/z'i-; 39. zxiA.. jalear 'hetzen' von der Interjektion hala,
andal. ya/a; 40. zwA. jamelgo 'hungrig' famelicus; \\. jilguero, pmtacilgo
'Stieglitz': pinctus sericus, bezw. sericarius, nicht ohne lautliche Schwierig-
keiten; 42. arag. lecina 'Eiche' von ilicuia; 43. loro, portg. louro 'gelblich';
382 BESPRECHUNGEN. E. FR.EYMOND, W. MEYER -LÜBKE, G. G.,
laurus; 44. manteca zu manto, was begrifflich anginge, aber was ist das
Suffix?; 45. mielga 'Furche', bieldo 'Worfel', beide von gemellica, ersteres
zweifellos, letzteres bedenklich; 46. mostrengo 'herrenloses Gut' mit Nebrija
zu mesta 'jährliche Versammlung der Heerdebesitzer', begrifflich nicht recht
verständlich; 47. asp. nemigaja 'nichts' aus necmicacula, wohl besser ne{c)mi-
calia; 48. orondo 'schwülstig', orö«(/aJö 'wellenförmig gelockt' zu awra 'Luft';
i^(). par dioz, Euphemismus für /ar Dios; ^0. pejiguera 'Flöhkraut', 'persi-
caria'; 51. peldano aus pedalaneus, lautlich und morphologisch nicht recht
einleuchtend, vielleicht eher peditaneus wie tneldar aus meditar', 52. astur.
pulgar 'Kartoffeln schälen' von purgare ; 53. aspan. recadia 'Rückfall' aus
recadi{v)a, vgl. dazu A. Tobler, Sitzber. d. Berl. Akad. 1896, 858; 54. aspan.
recel 'Art Leinwand', radiarius Q); 55. aspan. recorro, Postverbale zu re-
correr; 56. remate, ursprünglich 'remo muy grande de flores de mano que
sirve para colocarse en las puntas de los altares', also von ramus; 57. aspan.
reniedir aus redtmere; 58. roano 'rotschimmelig', aspan., aportg. raudano
von ravidus; 59. arrag. rogo, aruego 'rot' von raucus, begrifflich und laut-
lich bedenklich, da c nach au sonst bleibt; 60. rucio von roscidus;
61. satiguijuela, sanguja 'Blutegel', dieses aus sanguisuga über *sansuga,
jenes aus sanguisugela (?); 62. astur, senerdd 'Heimweh' von sefiero aus
singularius; 63. seroj'a 'dürres Laub', seruenda 'Spätherbst' aus ^serucla,
bezw. serotinus; 64. aspan. seija 'Sitz' von sedüia; 65. tanado 'gegerbt' zu
afr. tan; 66. aspan. tienlla 'Strick' *tenula{?); 67. tolondro 'Beule' von
torus mit Suffix -ondo; 68. trajinare von "^transaginare, aber wohl nicht
tra\7is\ sondern trasainar mit s zu /; 67. trechar 'Fische einsalzen' von
tractare; 69. vedegambre 'Niefswurz' aus medicamen; 70. velicomen 'Be-
grüfsungstrank ', deutsch. Ursprungs; 71. verija von verilia; 72. astur, xajia
'Fee, Quellengöttiu' diana; 71. aspan. enguedat nicht aequitate (Zs. XIX 277),
sondern von yengo aus genticus. W. Meyer - LÜBKE.
F. L o t , Le roi Hoel de Kerahes, Ohes le vieil barhe, les „chemins
d'Ahes" et la ville de Carhaix. Hoel, Herr von Kerahes = Carhaix, ist
bekanntlich in Tristantexten der Vater der Isolde mit den weifsen Händen;
Ohes, Herr von Carahes, erzählt im Roman d'Aiquin von seiner lOO Jahre
zuvor verstorbenen, übrigens nicht mit Namen genannten Gattin, sie habe die
grofse Strafse von Carahes nach Paris erbaut,^ was zu der noch heute lebenden
bretonischen Ueberlieferung pafst, nach welcher einer steinalten Frau, Ahes,
grofse Bauten und Strafscnanlagen zugeschrieben werden; von ihrem Glauben,
nicht sterben zu müssen, wird sie durch den Anblick eines auf der Strafse
liegenden toten Vogels abgebracht. Lot versucht den Zusammenhang zwischen
den Namen Hoel, Ohes, Ahes und Carhaix, bretonisch Ker-Ahes, ausfindig
zu machen. Aelteres Ohes oder Hoes (beide im Aiquin) wurde zu Hoel um-
geformt, sei es dafs jene Formen als Nominative angesehen wurden oder durch
Angleichung an den Namen Hoel, den im X. Jahrh. ein bekannter Graf von
Nantes trug. Ohes, Herr von Carhaix, sei von ker (Stadt, Schlofs)* -\-Ohes
(der älteren Form für Carhaix) herzuleiten; später wurde Ker ohes~^ Kerahes
und als Stadt der Ahes aufgefafst. Diese Umdeutung müsse relativ früh er-
folgt sein, da die Ah^ssage nicht bretonischer, sondern orientalischer Herkunft
s. dazu Romania XXIX S. 610.
s. dagegen J. Loth ibid. 604 und F. Lot's Entgegnung ibid. 605 f.
ROMANIA NO. 115. 383
sei, und Aehnliches sich im Leben des Buddha, dsgl. in Barlaam und Joasaph
vorfinde.^ Carhaix hiefs ursprünglich Vorgium (s. Peutingertafel) und wurde
lange mit Vorgatiium'^ identificiert, das nach Ptolemaeus die Hauptstadt der
Osismü war. Lot verteidigt diese Identificierung Longnon gegenüber, der
das Gebiet der Osismü nur auf einen schmalen Landstreifen im Norden an
der Meeresküste beschränkt wissen wollte, Vorgium von Vorganium trennte
und Vorganium einem kleinen Ort Coz-Casiell-Ac'k gleichstellte. Wie andere
Städtenamen Aremoricas verloren gingen und durch die entsprechenden Völker-
namen ersetzt wurden, so mufste nach Lot der Name Vorgium dem Namen
Osismü Platz machen; den Städtenamen Osismü hätten die einwandernden
Bretonen vorgefunden, und Caer-Ohes (das spätere Carhaix) sei nichts Anderes
als die bretonische Umschreibung von civitas Osismiorum.^ Als die Osismü
nicht mehr existierten, habe der Name Carohes den Anlafs dazu gegeben,
einen Herrn Ohes zu erfinden, nach dem Carohes benannt worden sei. Un-
klar bleibe die Verbindung mit der Ahessage, die im Aiquin unvolkstümlich
sei. Lot ist eher dafür, dafs diese Verbindung älter sei, als dafs der Verf.
des Aiquin sie wegen der Namenähnlichkeit vorgenommen habe;* der Dichter
werde zwei von einander unabhängige Motive (i. Ohes, Herr von Carhaix,
2. Ahes, Gründerin von Carhaix (?)) zusammengebracht haben. Jedenfalls
haben Ohes und Carhaix ursprünglich mit der Artur- und Tristansage nichts
zu tbun; Hoel sei allerdings unter bretonischem Einflufs in die Tristansage
gelangt, aber zugleich mit einer Sage, die von der Artursage unabhängig sei.
Das sei ein neues Argument für die Heterogenesis der Tristansagenelemente.
Lots nicht gerade durchsichtig geschriebene Abhandlung beruht auf gelehrten
Studien und enthält u. A. Auseinandersetzungen über das Alter und die
Grenzen der Bistümer in der Bretagne. E. Frevmond.
P. Toynbee, Benvenido da Iniola and the Iliad and Odyssey, zeigt,
dafs Benevenuto in der Lage war für seinen Kommentar zur Divina commedia
die duixli Petrarca und Boccaccio geförderte lat. Homerübersetzung des
Leontius in einzelnen Teilen oder durch den Verkehr mit jenen seinen
Freunden an den 28 Stellen zu benutzen, wo er aus Homer citiert, während
er selbst nicht griechisch verstand. G. G.
MELANGES. G. P., La legende de la vieille Ahes. Im Anschlufs
an Lots Abhandlung (s. oben S. 382 f ) geht G.Paris auf diese Sage ein, die
nicht ohne weiteres orientalischen Ursprungs sei. Als Ahes die Notwendig-
keit des Todes erfahrt, verzichtet sie darauf, eine von ihr begonnene Strafsen-
anlage und andere Arbeiten zu vollenden; die Sage dient also zur Erklärung
des unfertigen Zustands einer Strafse und setzt sich aus drei heterogenen Ele-
menten zusammen: i. Riesige Anlagen, namentlich Strafsenbauten werden
einer Frau zugeschrieben. Dies nur in Gallien nachweisbare Motiv wird
aufser Ahes auch Brunehaut, Houdiotte und Anderen beigelegt, und diese
verschiedenen Namen vertreten kaum, wie der Verf. früher meinte, Rom als
Person aufgefafst, sondern ent\veder den Namen einer gallischen Göttin oder
^ s. dazu G. Paris ibid. 416 ff.
2 Diese Form ist inkorrekt; s. ibid. 609 Anm. 3.
3 Korrekter wäre Caer ■\- Osisnüi oder vielmehr Caer -\-Osismos; s. ibid.
604 und 608. Diese Umschreibung weist J. Loth ibid. 605 aus lautüchen
Gründen zurück.
*■ Etwas anders spricht sich darüber G. Paris ibid. 420 aus.
384 BESPRECHUNGEN. E. FREYMONO, G. G., W. MEYER-LÜBKE,
vielleicht die durch orientalische Erzählungen bekannte Semiramis. Ahes oder
älteres Ohes ist decomponiert aus Kerahes bezw. Kerohes (Stadt der Ah^s
oder der Oh^s), zumal in Kerah&s mehrere Römerstmfsen zusammentrafen.
2. Ein aufser<;;ewöhnlich alter Mensch, der plötzlich über die Kürze des
menschlichen Lebens aufgeklärt wird, verzichtet auf die Fertigstellimg eines
Baues. Dieser Zug findet sich, und zwar auf Methusalem übertragen, in ver-
schiedenen altfranzösischen Texten, nicht aber in den jüdischen oder arabischen
Erzählungen, die an biblische Figuren anknüpfen; trotzdem ist er jüdischer
oder arabischer Herkunft. Das dritte Motiv vom Auffinden des toten Vogels
ist nur in der Bretagne anzutreffen, und zwar in Verbindung mit Ah^s oder
einer anderen Frau. Die drei Sagenelemente erscheinen schön im XII. Jahrb.
vereinigt (vgl. Aiquin). E. Freymond.
Eug. Ritter, Une pretendue mention de V Archant arlesien. Suchier
(Narbonnais II Einl. S. 83) verlegte das Archant in einem Testamente vom
Jahr 1422, das er mit dem Arcant der Chanson de geste von Aliscans identi-
ficierte, in die Nähe von Arles. R. zeigt, dafs jenes Archant = Archamp
im D^p. Haute Savoie Hegt, also mit dem epischen Arcant nichts zu thun hat.
Ch. Bonnier, Un nouveau temoignage sur la chanson de Basin.
Nachweis einer neuen Anspielung auf die nur aus fremden Bearbeitungen
imd Erwähnungen von Basins Streichen bekannte Chanson in Brisebarres
ungedrucktem Restor du paen.
G. P., Labaustre. So liest G. P. im Roman d'Escoufle V. 1728, ent-
sprechend dem von P. Meyer vermuteten alebastres, welche Form sich jedoch
nicht in den Reim fügt. Da man aus Alabaster auch Kamine und Tisch-
platten herstellt, ist gegen seine Verwendung für den Fufsboden eines Damen-
zimmers, wie an jener Stelle, kaum etwas einzuwenden, und die Verwechselung
von Alabaster und Marmor ist gewöhnlich, auch naheliegend genug (das
Academie -Wörterbuch in der i. Aufl. definierte Albatre sogar noch durch
espece de tnarbre), um den Ausdruck 1. c. an Stelle von marbre erklärlich zu
finden. Ein besonders harter Alabaster wurde früher am Monmartre ge-
brochen. G. G.
G. Paris, osteries als Stoff'bezeichnung wird zutreffend auf ahd. ostar
zurückgeführt. W. Meyer -Lübke.
COMPTES RENDUS. Mohl, Les origities romanes. Etudes sur le
lexique du latin vit'gaire (A. Thomas); Schuchardt, Romanische Etymo-
logien II (A. Thomas; s. Ztschr. 25, 244); Len6, Les substantifs postverbaiix
dans la langue frang. (G. P.);"R. Tobler, Die altprov. Version der „Disticha
Catonis" \^.M..); Vidal et Jeanroy, Comptes consulaires d'Albi (P.M.);
Bartoli, Ueber eine Studienreise zur Erforschung des Altromanischen Dal-
matiens (M. Roques); Henry, Lexique etymolog, des termes les plus usuels
du breton moderjie (A.Thomas). — Correspondance: Brief von G. Mohl
in Betreff der Besprechung seines Buches durch M. Roques in Romania XXIX,
Avril und Antwort von M. Roques.
CHRONIQUE. Personalnachrichten. — Litterarische Nachrichten. —
Kurze Besprechungen neuer Schriften und Bücher. G. G.
Berichtigung.
S. 248 Z. 10 v. u. lies galeter.
!ßtudes sur la poesie burlesque franyaise de la Eenaissance.
(Suite.)
Apologie des animaux.i
On pourrait sc croire a la presence d'une societe protccLrice
des animaux a la lecture de tous ces poetes burlesques animes,
au moins en apparence, d'une affection si vive pour toute Sorte de
betes et pleurant, ä chaudes lannes, leur ti6pas. Mais ne nous
laissons pas imposer par ces louanges et par ces sanglots. Bien
souvent il s'agit d'animaux, dont le merite principal, consiste, pour
nos 6crivains, ä former des mets exquis et n'oublions pas non
plus que nous venons de voir les tendres apologistes des betes se
moquer des tombeaux des hommes.
Parmi les modeles les plus anciens de ce genre, rappelons le
moineau celebre de Catulle, auquel s'inspira Marot chantant le
passereau de la jeune Maupas. Rappeions aussi la petite com-
position de Lucien sur une mouche, qui devint la source des
plaisanteries de Scribane de Verone et de la muscae laus de
L. B, Alberti. A l'epoque de la Renaissance, ce genre est a la
mode dans toute la Peninsule: le Berni, le Lasca, le Ferrari en
raffolent et y dddient les meilleures inspirations de leur muse bur-
lesque.
Voici l'eloge des Ghiozzi, des Anguille du ßerni de meme que
le desespoir de Nardino pour la perte d'un epervier; rappelons
aussi un livre de poesies latines de Scaliger sur la mort du petit
chien Adamas, l'apologie du sanglier et de la puce du Dolce,
Celle des Peducci du Varchi, l'autre du cousin de l'Allori ainsi que
l'hymne a l'äne de messer Busini. Le Dolce celebra en outre le
tr^pas d'une chouette et il suffit de citer cette piece pour faire
comprendre comment le burlesque n'est, dans ce cas, que le re-
sultat d'une parodie. Imiter les plaintes du P6trarque pour la mort
de madonna Laura, lorsqu'il est question de celle d'un chat, d'un
chien ou d'une chouette, voila ce qui paraissait le plus beau tour
joue aux poetes amoureux et mdlancoliques:
1 cfr. Francisci Scribanii Veroiiejisis Muscae principaius, dans le recueil
eile: Dissertationum ludicrarum et amoenitatum scriptores varij Lugduni Bor-
tav. 1638, apud Franc. Hegeruni et Hackium. Pour la muscae laus de L, B.
Alberti voyez op.volgari, Firenze (1847. V. p. 374). En 1519 Celio Calca-
gnini c61ebra la puce, Philippe Melancton la fourmi, G. Cf§sar Scaliger l'oie et
ainsi de suite (recueil cite).
Zeitschr. f. rom. Phil. XXV. 25
386 P. TOLDO,
„Gentile augello, che dal mondo errante
Partendo nella tua piü verde etade,
Hai '1 viver mio d' ogni ben privo, e casso ;
Dalle sempre beate alme contrade,
La dove 1' alme semplicette, e sante,
Drizzan, deposto il terren peso, il passo,
Ascolta quel ch'assai vicino al sasso,
Che tien rinchiusa la tua bella spoglia,
Del partir tuo la notte e '1 di si lagna."
La mort d'une chouette est chant6e aussi par le Firenzuola, mais
les animaux, qui fönt r6pandre le plus de larmes, ce sont surtout
les domestiques, savoir les chiens, les chats et les moineaux.
Ce qua Coppetta chanta pour la perte de sa chatte peut
servir de modele a ce genre. Ici encore le budesque nait du
contraste avec le genre s^rieux. Le poete appelle la chatte „Dolce
del inio cor chiave" et interrompt son recit pour pousser des helas
pitoyables et pour s'ecrier „Oh! troppa aspra Ventura", „Ahi dura
rimembrai^za". La parodie des pdtrarquistes est evidente, surtout,
dans ce passage:
,,Miser, mentre per casa gli occhi giro,
La veggio, e dico, qui prima s' assise,
Ecco ov' ella sorrise,
Ecco ov' ella scherzando il pie mi morse,
Qui sempre tenne in me le luci fise,
Qui ste pensosa, e dopo un gran sospiro,
Rivoltatasi in giro,
Tutta lieta ver me subito corse,
E la sua man mi porse,
Quivi saltando poi dal braccio al seno
D' honesti baci piano,
Le dicea infin, tu sei la mia speranza . . ."
Et le pocte conclue pour s'en prendre de meme que les poetes
lyriques de Tamour, ä Jupiter et aux 6toiles de ce coup cruel
dont il a et6 frapp6.
Rappeions, pour cette sorte de Zoologie badine, ce que le
Lasca chante sur la mort d'un chien de „M. Pandolfo de' Pucci"
en c^lebrant:
„Le cortesi maniere,
Gli atti degni e sovrani
D' un cane, imperador degli allri caui,
E la crudele, aspra sua morte ancora,
La quäl pensando, tiitto m' addolora."
Dans une „canzone a ballo", il exalte de meme un cheval „l'Am-
braino", qui eut, de son vivant, l'esprit, qui manquait ä son maitre,
et il d^die plusieurs madrigaux ä un hibou, son compagnon in-
s^parable, que la mort venait de lui ravir. II chante aussi
POESIE BURLESQUE FRAN^AISE DE LA RENAISSANCE. 387
,,del gi-illo insieme
La lieta vita e la felice morte"
la cigale, une mule et dans une sorte de parodie p^traquesque, il
loue la beaute de sa chatte:
„Chi di veder desia
Quanto gatta esser puö mai destra e bella,
Venga a veder la mia,
Che CO i vaghi occhi suoi chiari e lucenti
Fa via sparire e dileguar la noia, etc."
Cette veine burlesque continua dans les siecles suivants et Joseph
Baretti coraposait ä la fin du XVIIP siede ses „lagrime in morte
d'un gatto".
En France, Ronsard, au debut du XVP siecle, essaya presque
le premier ce genre, dans son apologie du freslon, qui commence
par cette Intonation ä. l'apparence h6ro'ique devenue obligatoire
en Itahe, lorsqu'on c616brait les choses les plus ridicules:
,,Qui ne te chanteroit, Freslon
De qui le piquant aiguillon,
Releva l'asne de Silene . . ."
Antoine de Ba'if compose, ä la meme epoque, Vepüaphe cfun petit
chien, un toutoii pas trop joli a la verite, mais qui avait le bonheur
incoraparable de dormir entre les bras d'une belle femme. Remy
Belleau se presente, ä son tour, avec une v6ritable exposition de
toute sorte de betes et de meme que les anciens poetes des besliaires,
il d^crit les m6rites plus ou moins imaginaires de VHuisire, de
VEscargot, du Coral et du Ver liiisani. Pour se former une idee
de. ces compositions, il suffit de lire ce qu'il dit de la Tortue'.
„ . . . Sus donc, Muse, qu'on s'evertue
A bien chanter une tortue,
L'esmail et le compartiment
De son mobile bastiment."
La tortue a des qualites therapeutiques vraiment raerveilleuses :
„Ne guarist-il pas la morsure
D'aspics noiraux, de sa charnure.
Et le pipeur aveuglement
De tout magique enchantement?
Son sang esclaircist le nuage
Des yeux et polist le visage,
Son sang vermeillonne le teint
De fievre ou de langueur esteint . . ."
11 ne faut pas en vouloir a notre poete de ces theories scienti-
fiques, qui sont bien celles de son epoque. Si Ton ouvre, au
hasard, le poeme de la creation de Dubartas, on trouvera des re-
medes bien plus exlraordinaires, les herbes qui fönt tomber les
fers des chevaux, arretent le sang et fönt rentrer les entrailles meme
dans le corps des blesses. Avec tous ces rem^des ce qu'il y a
25*
388 P. TOLDO,
de plus 6tonnant c'est qu'on püt, ä cette epoque souffrir et mourir.
Mais l'escargot a aussi une autre vertu, d'un genre fort raoral.
En portant modestement sa maisonnette sur ses epaules, eile veut
apprendre aux mortels qu'il faut surtout ici-bas borner nos d6sirs.
C'est ce que le Giusti chantera ensuite de sa Chiocciola.
Dans r6dition des oeuvres de Claude de Pontoux gentiihomme
Chalonnais, docteur en m6decine (Lyon, 1579), assez hon con-
naisseur de l'italien, car il composa dans cette langue comme nous
venons de l'indiquer un sonnet contre une vieille fard6e, on trouve
Velegie sii}' la mort d'un cochoti Jiomme Grongnel, un cochon per-
sonnifiant la beaut6, la gräce et l'intelligence. Ici le burlesque
ressort du .contraste entre la bassesse du sujet et la qualit6 des
louanges; c'est toujours le meme procede des auteurs des Capiioli,
invoquant les Muses et Apollon lui-meme, pour chanter un chardon
ou une paire de bottes.
Tout le monde connait l'^pigramme de Du Bellay, tiree pro-
bablement de l'italien, sur la mort d'un chien:
„Latrai a' ladri, ed agli amanti tacqui,
Cosi a Messere ed a Madonna piacqui"
et qu'il traduisit aussi en latin:
„Latratu fures excepi; mutus amantes.
Sic placui Domino; sie placui Dominae." '
Ce fut lä. la source d'une foule de plaisanterie, roulant sur la
möme donnee.
Vauquelin, entre autres, imita ce joli Epigramme:
„D'abois les larrons je chassoy,
Aux amants je faisoy carresse:
A mon maistre ainsi je plaisoy
Ainsi plaisoy-je ä ma maislresse."
Olivier de Magny exalta, a son tour, dans ses Gaydez, en s'adres-
sant „aux nymphes de Heuze", le petit chien mignard de sa dame,
et dans cette poesie, on ressent l'inspiration de CatuUe et son
„lugete Veneres Cupidinesque" :
„Son petit Mignard qu'elle aime
Cent fois plus que son cceur mesme,
Ce mignonnet qui la suit,
Ce mignonnet qui s'enfuit
Soubz la cotte de la belle
Quand douceraent je l'apelle,
Ores mes doigts retastant,
Ores en le mignotant
1 cfr. Menagiaiia ^d. 1715, III vol. p. 268. Voyez aussi Scipione Ammi-
rato, opuscoli II vol. p. 171, qui en parle comme d'une chose tout-ä-fait ita-
lienne et en cite plusieurs imilalions fran^aises.
POESIE BURLESQUE FRAN^AISE DE LA RENAISSANCE. 389
D'une flateuse caresse,
Ou d'une voix piperesse,
Or siflant estroitement
Comme une huystre en se fermant."
Du Bellay se plaignit aussi de le mort d'un chat et ici encore
l'inspiration italienne me parait plus que probable.
Ce n'est pas, s'^crie le poete, qui je sois fäch6 pour avoir
perdu de l'argent: c'est que je viens de perdre ce qui formait la
consolation de ma vie „mon bien, mon plaisir, mos amours". Oui,
ce que j'ai perdu:
„C'est Belaud mon petit chat gris,
Belaud, qui fut paravanture
Le plus bei ceuvre que nature
Feit onc en matiere de chats;
C'estoit Belaud la mort aux rats,
Belaud, dont la beautd fut teile
Qu'elle est digne d'estre immortelle."
Son chat n'^tait pas de ce gris vulgaire, qui est propre aux chats
de France,
„Mais tel qu'ä Rome ou le void estre,
Couvert d'un poil gris argentin,
Ras et poly comme un satin,
Couche par onde sur l'eschine
Et blanc dessous comme une ermine."
Apres avoir loue la prunelle et la „barbelette argent6e" de son
mignon, le poete s'^crie que si sa INIuse etait capable d'exprimer,
comme il faut, les sentiments de son äme, Belaud vivrait:
„tant que sur terre
Les chats aux ratz feront la guerre."
Jean Passerat (ed. Lemerre, 1880) chanta, ä son tour, la mort d'une
linoite, la mort d'un moineau, et Celle d'un petit chien\ Pierre de
Brach (Les poemes, Bordeaux, 1576) d6dia une longue composition
ä un canarin; Guillaume des Autelz (Lyon, 1556) nous fait part
du raalheur arrive a Flora, petite chienne qui s'est rompu une
patte et dont il pleure ensuite la mort prematuree. Antoine de
Cotel c61ebre les cigales (6d. Paris, 1587) „accortes secretaires de
(son) fidele amour" et Gabriel Bounin dans son Alectriomachie ou
joutle des Coqs (Paris, 1586) exalte la gloire du roi du poulailler,
Le coq represente, dit-il, ä la fois la force et la g^nerosite. II est
splendide „en son plumeux capot" et son cri redoutable fait fuir le
roi des forets. II salue l'aurore, predit le mauvais temps, „augure
le cas advenir", combat les animaux nuisibles et veille sur les
faibles, enfin c'est un modele acheve des qualites les meilleures
qu'on puisse souhaiter ä un valeureux soldat. C'est, ä peu pres, ä
la meme 6poque, c'est-ä-dire en 1579, que l'aventure bien connue
de la puce qui avait os6 mordre le sein de Madame Des Roches,
donna lieu ä une sorte de d^fi entre les esprits les plus illustres
390 P. TOLDO,
conveniis ^'i Poitiers pour „les grands jours". On clianta celte puce
en franvais, en italien, en espagnol, en latin et en grec; et on
la celöbra aussi en prose dans un dloge de la puce, qui rappelle
de pr6s la composition des capiloli. Rappeions les noms glorieux
de CCS Champions de la puce, Pasquier, Brisson, Cisse, Claude Binet
etc. et les vers Italiens, oii l'on ne respecte pas trop les lois de la
prosodie:
„Donna gentil, del cui candido petto
Cupido essendo preso, fu costretto
Pigliar la sembianza d{ pulce audace (sie)."
Rapin, ennuye de toutes ces louanges d'un animal, qui pour ctre
petit n'est pas certainement un bijou, composa La cotilrc-puce, oü
11 fait remarquer que cet insecte a pris, sous la plume de tant de
poetes, les proportions d'un 616phant, et il ajoute:
,,J'aymerois mieux chanter le poux
Qui s'engendre et se paist de nous,
Plus amy de nostre nature.
Je dirois la punaise aussi,
Et le morpion racoursi,
Qui s'attache ä nostre substance."
Parmi les autres compositions de ce teraps, je rappelle, en passant,
Vepüaphe du chien de madmne Vazet, suivi du ravissemeiit du chien
tnesme par amour, pieces po6tiques du sieur de la Vallettrye
(ceuvres, Paris, 1602), et l'epitaphe d'un chien, ainsi que les louanges
d'une puce, contenues dans les Muses gaillardes.
L'äne a 6t6 c61ebr6 si souvent en vers et en prose depuis
Apulee, qu'on perdrait sa peine ä vouloir rechercher l'origine di-
recte des Estrenes de Vasne dues ä la plume de Fonteny (Paris,
1590). L'auteur se vante toutefois de „fayonner un discours nou-
veau" a l'occasion de la nouvelle annee:
„afin qu'on voye
Que je n'ayme ä suivre une voie
Ou un sentier qui soit trac6
De ce qu'on y auroit passe."
Au Heu d'un sentier il s'agissait d'une route large et parcourue
par une foule d'6crivains, mais le bon Fonteny n'a pas Fair de
s'en douter. 11 c61ebre donc „le los de l'asne":
,,Pour ses vertus et merveilles
Ce mien asne ä, longues oreilles",
ne saurait etre assez loue. II est humble, gaillard, dispos, prudent,
propre. II personnifie la patience et la sobri6t6 et il n'y a pas
d'^poque oü la patience m6rite le plus d'etre c616br6e que celle-ci
de guerres et de miseres oii l'on voit:
„les gouffres de canons
Vomir un enfer de ruines
öur nous et les villes voisines."
POESIE BURLESQUE FRAN^ATSE DE LA RENAISSANCE. 39 1
D'aillenrs le roi des rois n'honora-t-il pas cet animal et ne le
mit-il pas, par consequent, au dessus de tous les autres, en entrant
sur son dos ä Jerusalem? Et l'histoire ancienne n'est-elle pas rem-
plie de sa gloire?
„Sanson ävecque la maschoire
D'un asne mort eut la victoire
Sur les Philistins, qu'il occit
Et quantit6 d'eau en sortit
Pour desalterer son annee."
Et si l'on etudie la mythologie, on voit Sylene chevauchant cette
bete et
„Mydas (qui) pour luy estre moleste
Sentit la vengeance Celeste."
Ce fut ä cause d'un äne que Saül devint roi, un äne indiqua la
victoire ä Auguste et Philippe de Macedoine assure que cet animal
Charge d'or peut empörter toute forteresse. Enfin:
„Qui a tant fait estimer Piaute
Sinon l'asne, qui Aristote?
Apulee, Palladien,
Caton, Columelle, Aeltan?
Et entre nous Henry Corneille?
Le Corps de l'äne a aussi des vertus th6rapeutiques. Les dames
de Rome lavaient leur visage de son lait; le sang qui jaillit de
ses oreilles gueril la fievre:
„Aux affligez de la vessie
Ses reins donnent allegement,
Pour le mal caduc mesmement
Son foye cuit est un remede . . .
Son suif remedie aux lepreux."
L'äne est le roi des astrologues, car en baissant les oreilles, il
indique que la pluie va tomber et lorsqu'il est mort sa peau sert
ä, faire des tambours, qui menent les soldats ä la victoire. En
1620, on composa Yastie riiaiit, sorte d'apologie en prose due ä la
plume du „disciple de Philostrate" et appartenant au genre de
ces nombreux prologues, qu'on dcbitait sur les tbeätres de la foire.
Ici toutefois il s'agit de quelque chose de plus etendu et la
raention qu'on fait d'Apulee en indique l'inspiration directe.
Dans XEspadon saiyn'que du sieur D'Esterod, on lit la mort
d'un perroquet, que le chat mangea. On peut se former une id6e
de la tres froide exag6ration de ce genre en lisant le debut de
cette piece:
,,Laissez-moy je suis en colere
Si l'on avoit tue mon pere,
Je n'en serois pas plus fache."
Ce perroquet avait le mdrite par „son baragoüin et sa souplesse"
de charmer la dame qui l'aimait et le chat, qui en causa la mort,
est damnd aux furies des Enfers:
392 P. TOLDO,
„Chat Gannelon, que tu ne mange
Taupe, Bellette, ny souris,
Qui ne t'estrangle, l'ayant pris;
Oue le Choucas, l'hibou, la Choue
Tire tes yeux hors de la joue, etc."
Le sieur Annibal de L'Ortigne, dans ?>e?, po^mes divers (Paris, 1617),
n'oublia pas la mort de Floreniin peiit chien pele, et l'epitaphe de
Matou le plus illustre des chais. IVIaynard (ed. 1613) ncus presente,
ä son tour, peu de temps avant le sieur de l'Ortigue, la Prosopopee
d^un chien et la Plainte sur la mort d'une chatte. Plus tard le Che-
valier de THermite (6d. 1650) a ses podsies compos6es ä la louange
de Richelieu, de Mazarin et de tous les princes de France, mele
sa plainte sur la mort de Fasjie du houlanger d'Essone, qui se noj'a
le soir in dimayiche gras, 1646, date memorable, ä ce qu'il parait
et bien digne, pour ce grand sujet, de parvenir jusqu'ä nous. Saint
Evr^mond chanta, lui aussi, la perte d'un passereau, celui de Ma-
dame Mazarin, toujours sur la trace bien connue de Catulle et il
r6p6ta aussi l'epitaphe du chien qui savait distinguer les voleurs
des amants. Ce Colin que Boileau et Moli^re devaient fl^trir dans
leurs satires trouva, ä son töur, assez de larmes pour pleurer Tity,
le chien mignon de mademoiselle d'Orleans, enfin au milieu de la
foule de toutes ces compositions, rappelons l'^loge du chat Gviset,
enleve ä l'amour du pere Commire j^suite. Nous avons häte la
course, sans nous arreter en route, car tous ces miaulements et
tous ces aboiements n'offrent rien d'intdressant. C'est un genre
dont on peut faire mention en passant, seulement parce qu'il a
reprdsente ä une certaine dpoque une forme litt^raire quelconque,
mais ce serait de la peine inutile d'y rechercher la beaut6 et la
valeur artistique. Tout ce qu'il y a de mieux c'est l'imitation du
passer de Catulle.
II faut toutefois que nous fassions mention ä part de deux
compositions du XVIP siecle, touchant ce sujet d'une maniere
quelque peu differente des pr6c6dentes.
L'une est un recueil de poesies, portant pour titre divers in-
sectes (Paris, Duval, 1645), l'autre se compose des „Regrets face-
tieux et plaisantes harangues funebres du sieur Thomassin sur la
mort de divers animaux". Dans l'epitre au lecteur qui precede la
premiere de ces compositions, l'auteur anonyme veut demontrer
l'antiquite du sujet, qu'il a entrepris de d^velopper. „Cette sorte
de pieces folastres, qui traittent, ou l'eloge, ou l'histoire de quelques
animaux bien que jusqu'ä present inconnue ä nos poetes, est toutes-
fois assez commune parray les latins, comme nous en fönt foy le
Perroquet de State, le Passerau de Catulle, la Puce de Calcagnin,
le Pou de Pucius, le chat de Flore, le Grillet de Certalde, la
INlouche de Lucian, la Formy de Melancton, la Sauterelle de Vi-
lichius, l'Aigle d'Ulinus". II va sans dire que l'auteur ajoute qu'il
n'a suivi de pres ni les anciens, ni les modernes: son seul inspi-
rateur, est le po^te des Gdorgiques. La Puce, dont il est question,
POESIE BURLESQÜE FRAN(J:AISE DE LA RENAISSANCE, 393
datis la premiere de ces pi^ces, est surprise, de merae que Celle
de Mad"^ Des Roches, sur le sein d'une belle femme, cette Ama-
rante, k laquelle notre auteur anonyme dedie des vers passionnes.
Le poete est l'heureux chasseur de si redoutable gibier et au
moment oü il va ecraser l'audacieux animal qui a tache de rouge
l'ivoire du sein de sa belle, celle-ci en prend la defense et en
exalte les merites:
,,Chaque chose vivante icy bas s'entretient
De Celle qui succede k l'ordre qu'elle y tient,
La plante se nourrist de l'humeur de la terre,
Elle mesme en son flanc la beste la resseire,
L'homme de celle-cy fait l'object de sa faim,
La puce se repaist du plus pur sang humain."
On voit que le debut de cette plaidoirie est fort solennel et le
reste qui suit garde le meme caractere. La dame loue l'agilite et
la vigueur de cet insecte, parce que ce sont lä des signes certains
de „sa divinite"; le manteau de la puce est un crepe de deuil et
ses instincts demontrent sa sup^riorite sur l'homme. Le d6bat entre
les deux amants aboutit ä une tendre idylle, a laquelle la puce
a le m6rite d'avoir contribu6 pour sa part. La vue d'un moucheron
suggere ensuitc ä l'auteur des reflexions touchant la courte dur6e
de la vie humaine; un papillon que sa compagne, sa „colombelle"
vient de saisir au vol, lui sert de prdtexte pour en 6tudier Torigine
divine, ce qu'il fait dans un style surcharge de formes etranges et
avec toute 1 affeterie d'un arcadien. La belle Amarante parait aussi
dans l'eloge de la fourmi, oü le poete c61ebre l'activite, la force,
l'intelligence de cet insecte et cette composition est suivie par
\ Epitaphe de la fortny enterree par ses compagnes, oü, entre autres
choses, il s'ecrie:
„Cy gist un animal, sans raison raisonnable,
Politique sans Prince, astrologue sans yeux,
Sans sexe et sans amour fecond et sociale,
Pesant en sa jeunesse, aisl^ quand il est vieux."
Le Grillet le surprend, au milieu du silence de la nuit, il en est
tout d'abord fäch6, mais ensuite il lui vient ä l'esprit que cet
animal possede des vertus merveilleuses, dont il entreticnt Ama-
rante . „Cet animal apres sa mort,
A l'efFect de la cantaride,
Plaisante, mais rare vertu,
En rougis, mon coeur lä, S9ais-tu?"
Mais il se repent tout de suite d'une pareille döclaration, qui
pourrait le compromettre aux yeux de celle qu'il aime et il s'em-
presse d'ajouter:
„Ouy, ma sceur, moy-mesme ä mon tour,
Un mesme dedaing me possede,
Comme toy j'abhorre en araour
L'usage de ce faux remede,"
394 P- TOLDO,
Enfin poiir öter tout soup(^on, il ddclare que ses grillets brillent
dans les beaux yeiix d'Amarante. Dans le Ver ä soie et dans
VAbei/h; l'auteur sc plait ä la description de l'induslrie de ces ani-
maux et ici le burlesque est laissd entierement de c6t6, pour faire
place ä la poesie didascalique.
Voyons maintenant les „Regrets facetieux et plaisantes haran-
gues funebres du siciir Thomassin, sur la mort de divers animaux,
ouvrage trcs utile pour passer le teraps et resveiller les esprits
melancoliques, avec plusieurs chansons joviales et comiques le tout
dddie aii sieur Gautier Garguillc," i
Dans ce travail de longue haieine, le sieur Thomassin s'est
born6, en bonne partie, ä traduire l'oeuvre d'Ortensio Lando „Ser-
inoni funebri di vari autori nella morte di diversi animali" (ed.
de Venise, Giolito de Ferrari, 1548). II suffit de lire le titre des
harangues:
„Harangue de M. Pusseau sur la mort d'un pou de haute gresse.
Sermone di frate Puccio nella morte di un suo pidocchio.
Harangue de M. Ciboulle sur la mort de son asne nommd Travaillin,
Sermone di frate Cipolla nella morte del suo Asino detto Travaglino.
Harangue de Bertolas, sur la mort de son cheval nommö Passemont.
Sermone di Bertolaccio nella morte del suo cavaUo detto Passamonte.
Harangue de Beurchel sur la mort de son chien nomm6 Lionce.
Sermone del Burchiello nella morte d' un cane detto Lionzo.
Harangue de Cimaroste sur la mort d'un singe.
Sermone del Cimarosto nella morte d' un simione.
Harangue du eure Arlot, sur la mort de sa chouette.
Sermone del piovano Arlotto nella morte della sua civetta.
Harangue du sire Bertacol, sur la mort de son Agasse, ou Pie.
Sermone di ser Bertaccolone nella morte d' una Gaza.
Harangue de madame Fleur, sur la mort de son chat Mirouart.
Sermone di monna Fiore nella morte d' un gatto,
Harangue de Catos Bergamasque sur la mort d'un plongeon.
Sermone di Catosso nella morte d'un Mergone.
Harangue de dame Tesse sur la mort d'un coq.
Sermone di monna Tessa nella morte d' un gallo.
Harangue de dame Pauline borgnesse, sur la mort d'un grillon.
Sermone di monna Checca nella morte d' un grillo."
11 y a quelques diff6rences dans l'ordre des harangues et parfois
aussi dans les noms, en outre le sieur Thomassin fait preceder
chaque discours par un Avant-jeu,- que je n'ai su retrouver dans
les editions des Se7-moni funehri. Est-ce que ces avant-jeux appar-
tiendraient en propre ä l'ecrivain fran^ais? Je n'oserais l'assurer;
il se peut que tout cela se trouve si ce n'est dans l'ouvrage italien,
dont nous parlons, au moins dans d'autres livres parus, ä cette
6poque, dans la P6ninsule. La production burlesque italienne a
Je ne connais d'autre edition que celle de Ronen, Ferrand, 1632.
POESIE BÜRLESQUE FKAN^AISE DE LA RENAISSANCE. 395
ete, dans ce genre de plaisanteries, tres föconde et roeuvre du
Laudo, elle-meme, doit etre consid^ree, comme un simple recueil.
11 faut que j'ajoute que les harangues du sieur Thomassin sont
precdd^es par deux sonnets, le premier de l'auteur et l'autre d'un
de ses amis; dans tous les deux on veut demontrer que ces face-
ties renferment un sens de haute moralite et que le burlesque
Cache la satire. Evidemment il y a par ci et par lä quelques
allusions aux travers et aux vices de l'humanit^, mais dans son en-
semble le burlesque a toujours le dessus et l'ceuvre du sieur Tho-
massin peut se d6finir, ainsi que le Lando definissait la sienne: un
„piacevole et faceto librettino".
Je transcrirai l'avant-jeu du Pou, pour que le lecteur puisse se
former une idee de la partie de cette oeuvre, dont je ne connais
point la source directe.
„Ces petites vermines que nature a creez comme par despit,
QU ne s^achant ce qu'elle faisoit, ne sont pas pourtant si viles et
miserables que Ton pourroit bien penser, la viande dont elles se
nourrissent est delicate et royale, le lieu oü elles naissent et vivent
est bon et chaut et si elles fönt via courte, elles la fönt d'autant
meilleure et sont les bienvenues par tout, comme Celles que Ton
tient eher, que l'on frotte, que Ton caresse, que Ton met entre
la chair et la chcmise; elles ont conge de se jouer comme petits
oysillons, dans les beaux rets d'or que leur tendent les Damoiselles
de la Cour." Ici l'^crivain suit ce joli animal, dont il chante les
louanges, dans les p^regrinations qu'il fait sur le corps de ces de-
moiselles de la Cour, dont la toilette intime n'etait pas, si l'on en
juge d'apres ce qüe le sieur Thomassin en dit, trop soignee. C'est
lä une per6grination non moins indecente que l'insecte, dont il est
question. Rappeions plutöt un Souvenir de Ronsard chez notre
auteur. Si j'etais puce, dit-il:
„Toute la nuict, un beau sein je mordroy,
Mais puis aprös le manier voudroy,
Que rechanger en homme je me pusse."
Et le sieur Thomassin continue, toujours dans le meme goüt, en
exposant une enigme que certains pecheurs auraient proposee ä
Homere, touchant ce beau sujet. Le discours qui suit sur le pou
n'est qu'une traduction litt6rale de celui du Laudo. II suffit d'un
comparer les d^buts:
,,Je vous ay ici assemblez mes ,,Io vi ho qua ragunati Padri niiei
peres et bons amis, pour vous faire Reverendi per farvi udire le singolari
ouyr les singulieres vertus, d'un mien virtü d' un mio pidocchio; ma come
pou; mais comment le pourray-je faire posso io perö farlo da si profondo
estant saisi d'un si profond creve- cordoglio ingombrato et di niuna forte
coeur et n'estant dou6 des ornemens eloquentia instrutto?
d'eloquence?
M'en estant all6 h vespres la veille Essendo ito al vespro la vigilia
de Sainct Silvestre, comme se com- di san Gerbone, come s'incominciö il
396 P. TOLDO,
mcn^a le Magnificat, je me levay tont Magnificat, ritto mi levai, et ecco cbe
droit, et voicy sur mon bras, je vois in sul braccio manco veggo caminar
cheminer ceste petite creature, d'un questa Creaturina con un passo lento
pas lent et grave, tellement qu'il sem- et grave, che pareva a vederlo 1' ab-
bloit ä le voir que ce fiist le reve- bäte di Clugni."
rend de Cristangrogne."
Ce second morceau peut donner aussi une id6e de tous les
changements que l'ecrivain fran^ais a cru se permettre et ce que
je dis pour la premiere de ces harangues doit se r6p6ter pour
toutes les autres. Outre les avant-jeux, le sieur Thomassin a ajoute
aussi quelques pieces po^tiques, un sonnet sur l'äne portant „le
simulacre de la deesse Isis" et une epigramme sur les m^rites sin-
guliers du coq, avec des Souvenirs de Juvenal:
„Plus elles goustent ce plaisir,
Plus s'embrase leur chaut desir,
Et sont plustost lasses que saoules,
Un seul coq fournit bien dix poules:
Dix hommes ne pourroient pas
Servir la femme en un repas,"
II y a aussi la note suivante „(dans cette harangue) tu noteras,
lecteur, ce que le mot de Gallo, qui signifie Coq en Toscan, a
mcilleure grace en cet endroit que le mot Frangois, ä cause des
rencontres des vieux mots grecs, comme le docte Guillaume Po,
afferme que cette diction coq est des restes de l'ancienne et primi-
tive langue que parloient les vieux Gaulois, du temps de Jules
C6sar".
Les Regrets sont suivis par „L' Apologie ou defense de Hor-
tense Lande surnomm6 le Tranquille, pour l'autheur de ces face-
tieuses harangues en laquelle il discourt de plusieurs doctes et
excellens personnages, qui n'ont desdaign6 d'escrire d'un sujet bas,
et non moins doux qu'utile". Cette apologie oü l'inspiration tir6e
de l'auteur Italien n'est avouee qu'en partie, commence par con-
stater que ce n'est pas seulement Hortense Lande qui s'est d6di6
ä ce genre littdraire, a l'apparence si frivole. Sinese de Cirene
avait jadis loue la calvitie, Dion les perruques, Homere les rats et
les grenouilles, Virgile les abeilles, Glaucus l'injustice, Favorin la
fievre Lucien les mouches et les „escornifleurs", Apul6e l'äne et
Efren^ sirien avait combattu le rire. Que l'on ajoute ce que Marcion
et Di ocle avaient ecrit sur la rave, les louanges de l'orge mondde par
Hippocrate, les deux volumes sur les lettrcs de 1 aiphabet par
Messale, l'eloge des oignons de Pithagore, celui des choux cabus
par Caton, l'autre sur les choux pommez de Crisippe, et d'autres
compositions grecques et latines plus ou moins imaginaires sur des
Sujets de la meme portee. C'etait donc naturel que Lando suivit
un chemin tracc par des 6crivains si illustres, d'autant plus que
les autres genres litt^raires sont d^sormais epuises et qu'en 6crivant
des choses, touchant la religion, il aurait 6t6 accus6 d'heresie.
POESIE BURLESQUE FRAN^AISE DE LA RENAISSANCE. 397
Dans les prologues facetieux en prose on trouve aussi au milieu
des paradoxes les plus Stranges des eloges des animaux. Je rap-
pelle, entre autres, celui du Pourceati, du Recueil des pilces du icmps
OH divertisseme7it curicux (La Haye, 1685) du ä la plume, comme
nous venons de le dire de Guillet Gorgeu (Bertrand Hardouin de
Saint Jacques). Le pourceau dit l'auteur „est la noblesse raesme,
puisqu'il est habill^ de soye depuis la tete jusqu'aux pieds". II tire
son origine du roi Porsenne ou de la famille Portia de Rome et
c'est lui qui a donne naissance ä l'agriculture, en montrant de
quelle maniere on peut labourer le sol. Le raisonnement de
Guillet Gorgeu et de ses confreres est, dans cette matiere, tou-
jours dans le goüt de ceux d'Ortensio Lando et de son ecole.
Le sujet que l'on exalte doit etre plat, ou bizarre; ainsi le public
pourra admirer la maniere, dont le plaideur se tirera d'aftaire. C'est
pour cela, que les animaux les plus ignobles ont et6 chant6s le plus.
APOLOGIES BURLESQUES.
L'ortie, le cabas, le bonnet et le tabac.
Le sieur Annibal de l'Ortigue provenc^al (Paris, 1617), pouss6
ä cela 6videmment par son nom, entreprit Tapologie de cette
plante si ddtest6e. II faut reconnaitre que c'est la un sujet offrant
plusieurs difficulteö, mais notre poete se tire d'affaire, sans trop de
peine, lui donnant des origines mythiques et des qualil6s th^ra-
peutiques. C'est lä une m6thode bien commune aux auteurs bur-
lesques. II parait que quelqu'un avait medit de celte plante, de sorte
que cet hymne n'est, a son tour, qu'une de ces defenses, dont
nous connaissons deja maint exemple. L'Ortie fut jadis une ber-
gere „aussi chaste que belle", a qui la chastete r6ussit cependant
fatale, car eile dut se transformer en plante, pour se soustraire
aux poursuites des amoureux. Aujourd'hui encore eile repousse
les indiscrets qui osent s'en approcher, mais en bergere bien-
faisante eile r^pand aussi ses gräces sur l'humanite souifrante:
„Qui pourroit raconter la vertu, la bonte
Que l'ortie a puise de la divinite
Soit pour estre antidote au fatal lusquiame,
Au serpent, au dragon, ä tout crapaut infame,
A guerir les poulmons, et la ratte et le flanc
L'astme, la pleuresie, ou retenir le sang,
La morsure des chiens que la rage possede:
A la fi^vre, ä la goutte, estre le vray remede.
Elle guerit aussi la rougeure des yeux,
La tumeur, la cangrene, et mal contagieux
Et retire le fer hors de plaies mortelles.
Sa racine guerit les froides escrouelles . . ."
L'ortie pr6occupe tellement notre poete qu'il lui d6die aussi
un sonnet, toujours dans le goüt de cette pi^ce.
398 P. TOLDO,
Le sieur Auvray, dans ses louanges de Vescnel/e, nous offre un
sujet, qui n'est pas sans avoir quelque rapport avec le verre, dont
nous venons d'entendre les louanges. ^ Son debut est fort solennel:
„Qui löge l'amour dans son ame
Souspire l'amoureuse flame,
Qui voudra d'un ton spandeen
Le cothurne Sophocleen
Faire haut retentir et bruire
Roidisse les nerfs de sa lire
Et que par ses nombreuses loix
II trace les gestes des roix,
Qui est guerrier, guerrier entonne
Le sang, le mort, Mars et Bellonne.
Pour moy d'un autre air agite
Je chanteray la dignite
De l'escuelle large et prüfende ..."
II se propose partant d'en celebrer l'origine illustre, les splendeurs,
les vertus et pr6rogatives et de meme que Ronsard, dans son
61oge du verre, il trouve que son escuelle ressemble au ciel pour
sa forme:
„Escuelle convexe et concave
Faite sur le patron des cieux",
mais la plaisanterie ici est pouss6e plus loin, car la comparaison
continue, de la maniere la plus bizarre:
„Car tous ces orbes radieux
Oü reluisent tant de chandelles
Ne sont qu'une pile d'escuelles
L'une dans l'autre s'enchassant . . ."
Du ciel le poete revient sur la terre, pour nous conter comment
Adam, chass6 du Paradis terrestre, dut avoir recours a la prämiere
6cuelle. Les patriarches la portaient a leur ceinture, Diogene la
considerait comme son bien unique et dans les royaumes d'Apollon
c'est le seul souvejiir de la terre que les poetes puissent y re-
trouver. D'ailleurs c'est lä le seul bien de l'homme vertueux. Les
tr^sors du monde ne sont pas pour lui; ils doivent servir de r6-
compense aux flatteurs, aux maquereaux et a ces petits „Cham-
pignons d'un jour, qui fönt tant de bruit d la cour", la main sur
le pommeau de leur 6p6e et l'air bravache.
1 Voy. un article de Mr Cian dans le Giorn. Stör, della lett. ital. {XVII
p. 342 Gioviana) oü il cite un capitolo sur la Cainpana contenant ces vers,
qui rcnferment une allusion Evidente ä un autre capitolo sur la Scodella, que
je n'ai su retrouver nulle patt:
(Les poetes burlesques) „Parlan de 1' orinal, del ravanello,
Delle ricotte, della gelatina,
Insin della scudella e del pestello."
POESIE BURLESQUE FRAN^AISE DE LA RENAISSANCE. 3Q9
O vous tous, s'ecrie-t-il, qui vivez aujourd'hui au milieu des
splendeurs, pensez, que rien ne saurait etre plus variable qua
la fortune ; venez donc adorer l'ecuelle, qui repr6sente la con-
solation des afflig6s! Accourez de toute part 6 vous plaideurs
Sans le sou, 6 vous courtisans qu'on vient de mettre ä la porte,
vous poetes, banqueroutiers, courtisanes que l'äge a fän^es, era-
pressez-vous de rendre hommage ä, 1'
„Escuelle l'unique esperance
De tous les gueux qui sont en France."
On voit que le plan de cette composition est assez large, et que
la plaisanterie s'eleve parfois ä une sorte de satire melee a la
Philosophie melancolique de la vie. Cette ecuelle represente bien
le douloureux retour de la grandeur, la vieillesse qui avance et
la fortune nous tournant le dos. Au fonds du tableau parait la
figure sombre du tyran Denis, tombe du haut de sa grandeur et
ne possedant, apres le royaume perdu, qu'une mist^rable 6cuelle,
DU une compassion melee de m6pris jette parfois un morceau
de pain.
Guillot Gorgeu, c'est-ä-dire Bertand Harduin de Saint Jacques,
dans ses prologues faciitieux, essaya lui aussi ce sujet. Son apo-
logie est en prose et rep^te a peu pres les argumentations de son
pred6cesseur.
„Jupiter, dit-il entre autres choses, dedans quoy goüteroit-il
le nectar et l'ambroisie s'il n'y avoit point d'6cuelle? Junon s'en
sert de parasol, Mercure de nacelle lorsqu'il va pecher des huitres
sur les rochers de Cancale. L'or et l'argent sont sujets au larcin,
notre 6cuelle de bois passe en assurance ä travers les monts Py-
r^ndes, ne craignans les fripons ny les bandouliers. Les sergens
n'ont aucun pouvoir sur eile, et quelque salsie qu'ils fassent dans
la maison de son maitre, eile en est toujours dispensee."
Le sieur d'Auvray ne se borna pas ä c616brer l'ecuelle. II
chanta aussi le bonnet, nous transportant dans le domaine de la
fantaisie la plus bouffonne, oü l'inspiration rabelaisienne parait
Evidente.
II suffit de citer ce jeu de mots, dans le goüt de ceux du
eure de Mendon:
„Beau bonnet le plus honorable
Que bonnetier qui bonnet a
Jamals bonnetant bonneta."
Ce bonnet a la qualit6 de pouvoir prendre les forines les plus
vari^es et de servir a maints emplois:
„Tantost 11 estoit ä plein fond,
Tantost en cercle, en demy rond
Puls en carr^, puis en ovale,
Puis en forme piramidale,
Ses bords retroussez de Irois doigts
Faisoient une escuelle de bois,
400 P. TOLDO,
Puis quand on relevoit son feste
C'estoit un past6 de requeste,
On le faisoit en cervelats,
Ou en chaperon d'avocat,
En calotte, en bonnet i\ prestre,
En mortier ä piler salpestre,
En pain de sucre, en entonnoir,
En brayette; en vis de pressoir
En capuchon, en coqueluche . . ."
et arretons-nous ici car autrement nous le verrions servir ä des
usages bien plus intimes et subir des metamorphoses bien plus
etrangcs. INIais ce bonnet avait des qualit6s encore plus mer-
veilleuses. Lorsque son maitre revenait a la maison entre deux
vins, ce qui lui arrivait assez souvent, a ce qu'il parait, 11 n'avait
qu'ä se couvrir de ce bonnet fidele pour voir disparailre aussitut
son malaise:
,,Puis au glou glou d'une bouteille,
A l'ombre d'une ^paisse treille,
Entre les tasses et les pots,
Les cerises, les abricots,
Les cervelats et les salades,
Tu charmois ses esprits malades."
Ce bonnet avait aussi des qualit6s thdrapeutiques. II faisait, par
exemple, cesser les douleurs de l'accouchement et cette vertu lui
venait directement d'Esculape, auquel il avait appartenu, dans le
temps jadis. 11 avait donc vu les 6poques les plus 61oign6es de
nous, il avait assistd ä l'enfance de l'humanite, au siege de Troie,
ä l'expedition des Argonautes et l'imagination d^bordante du poete
entoure ce petit sujet de Souvenirs legendaires et le fait servir de
pretexte ä toute sorte de digressions.
En 1626 (6d. de Paris) un anonyme c616bra la SehoinoJoxie
ou la louange du calas, sujet qui a quelques lapports avec ceux
que nous venons de voir. II s'agit du cabas d'ün moine, nomme
frere Jean, ainsi que le h6ros de Rabelais, mais c'est un moine
pacifique, aimant la bonne table et les cadeaux des fideles:
„La dedans il met mille drogues,
Ici du haran, lä des drogues,
La du beure, icy des boudins,
Du noir ä noircir, des espices,
Des Champignons, des escrevisses"
et ce n'est lä que la moindre partie des choses que ce cabas mer-
veilleux recele dans son sein et que l'on ne s'etonne pas trop dö
ce qu'un simple cabas ä une capacite si extraordinaire :
„II est ä la mer comparable
Que la multitude innombrable
Des eaux qui viennent de deliors,
Que la descente des rivieres,
POESIE BURLESQUE FRAN9A.ISE DE LA REJJAISSANCE. 4OI
Que les torrents aux vagues fieres
Ne fönt point sortir de ses bords."
Si parfois le cabas est vide, il n'en est pas moins utile, car, en
cas de pluie, il abrite la tete du moine et s'il fait chaud, il n'y
a pas d'ombrelle meilleure contre les rayons du soleil, enfin s'il
fait du vent frere Jean s'en moque, prot6g^ par ce bonnet im-
provise et s'il doit demenager, le cabas lui sert, pour transporter
tous ses eflfets. Et ce n'est pas seulement au moine que le cabas
rend de si grands Services:
„II seit aux abeilles de ruche,
II sert de giste h. la guenuche,
Les poules y pondoient leurs oeufs,
Sept chatons y fit une chatte,
Le chien en fait son lict de natte."
L'apologie du tabac du sieur de la Garenne (Grenoble, 1657)
nous transporte dans un milieu plus moderne. II y a bien entendu
des Souvenirs de la m^thode suivie par les anciens poetes du bur-
lesque; on loue, par exemple, les vertus medicales de cette feuille
pr^cieuse, faisant disparaitre la goutte et le chancre et il y aussi
des bizarreries d'autre genre, Colomb qui decouvre le Nouveau
Monde fumant sa pipe, le grand Henri remportant ses victoires ä
l'aide de ce narcotique, mais eile renferme toutefois quelque chose
de nouveau et de vrai, lä oü le poete peint le fumeur plong6
dans une sorte de reverie et oubliant les miseres de la vie reelle:
„Ayant la pipe en main, la s^avante fumee
Qui sort de la dedans,
Inspire cent desseins et d'Estat et d'armee . . .
N'as-tu Jamals resve le coude sur la table,
Et la pipe h la main?
Tout ce que nous pensons nous semble indubitable
Cet appas delectable
Nous empesclie d'avoir soucj' du lendemain."
La gourmandise des poetes burlesques.
Rabelais, dont l'influence a ete si sensible en France pendant
tout le XVII" siecle, avait recommande ä ses disciples de faire
bonne chere et de boire frais et il va sans dire que ceux-ci tout
poetes et pauvres qu'ils etaient, firent de leur mieux pour lui ob6ir.
En gen^ral nous les voyons ä table, la trogne rouge, le verre haut,
chantant et riant aux 6clats; le verre est chant6, sur tous les
tons, et c'est bien entendu pour en celebrer le contenu, plutot que
l'eclat cristallin. On connait le Discours du verre de Ronsard.
Le verre, par sa forme et par sa splendeur, lui rappeile
,,Le rond, le creux et la couleur du ciel."
Zeitschr. f. rom. Phil. XXV. 26
402 P- TOLDO,
II n'oublic pas non plus qu'on lui attribue la vertu de se briser,
si Ton y met du poison:
„Qui aimes mieux en pi^ces t'en aller
Qu'ä ton seigneur la poison receler",
mais, dans sa pens6e, le contenant finit par se confondre avec le
contenu et le verre re^oit les louanges qui sont ducs plutöt au vin:
„Toy compagnon de Venus la joyeuse,
Toy qui guäris la tristesse espineuse,
. . . toy qui nous changes, toy
Qui fais au soir d'un crocheteur un roy."
C'6tait lä un sujet qui avait intdresse en Italie maint poete, le Tan-
sillo par exemple et messer Bino, qui dans son hicchiere, celebre
lui aussi le verre sur toutes les autres tasses. II n'y a ä mon
avis d'autre point de contact direct.
Jean Godard, vers la meme 6poque, fit l'apologie du Flascon,
parent tres proche du verre, et dont la moindre vertu n'est pas
Celle de rdchaufFer la muse.
„Le vin qui coule au col d'un flascon qui gargouille" excite
la fantaisie bien plus que l'eau jaillissant sous le pied de P6gase.
Un autre poete de la P16iade, Remy Belleau, devait revenir
sur ce sujet. 1 Dans son Hymne ä la Coupe de crystal, l'allure est
solennelle, et peut se rapprocher de plusieurs ddbuts de poesies
burlesques d'Italie:
,,Chante qui voudra les faveurs,
Les mignardises, les douceurs,
Les souspirs, les plaintes cruelles
Quant ä moy je ne chanteray
Que ceste coupe crystalline,
Qui pleine de la douce humeur
Du Dieu qui nous met en fureur,
Me va rechauffant la poitrine."
Lui aussi oublie, corame on le voit, le cristal pour le vin et lui
aussi exalte le verre sur toutes les autres coupes:
„Les vases d'or ne me sont rien,
Ny le bronze corinthien,
Ny tous les 6maux de Fayence;
J'aime trop mieux dedans la main
Voir jusqu'aux bords ce verre plein,
Que tous les sceptres de France . . ."
Un troisi^me poete le sieur Auvray chante a son tour, et ä une
certaine distance de temps, ce verre prdcieux, qui renferme la joie
et la jeunesse. Sa poesie s'approche, pour la forme, d'une com-
position du Lasca, car le poete italien, aussi bien que le fran^ais,
1 cfr. edition Paris, 1867.
2 cfr. 6diton de Ronen, 1623.
POESIE BURLESQUE FRAN^AISE DE LA RENAISSANCE. 403
nous presente ce sujet, sous la forme d'un chant de carnaval. ]\Iais
le Lasca dans son chant „degli spccchiai" laisse de cöte los verres
pour nous entretenir des miroirs, de sorte que la ressemblance est
tout ä fait flottante et incertaine. On ne saurait en effet con-
siderer comme un point de ressemblance, l'i^quivoque obscene, qui
anime egalement les deux pieces. C'est la un des caracteres
g6neraux de toute po6sie burlesque. Les verriers du sieur Auvray,
se presentent aux buveurs, par un d6but, qui tout en rappelant
les verriers de la noble Italie se rapproche bien plus de l'oeuvre
de Rabelais que de celle du poete italien:
„Vous ennemis mortels de la melancholie
Venerables beuveurs aux fronts enluminez,
Embrassez les verriers de la noble Italie,
Car ils fönt des pinceaux ä vous peindre le nez."
Ici encore le verre et le vin se confondent. C'est le verre qui
inspire les poetes car
„ . . . beaucoup trouvent plus de fureurs prophetiques,
Au verre de Bacchus, qu'au trepie d'ApoUon"
et il inspire aussi „les mariages, les pleiges, les marchez, et les
transactions" et les hommes sans lui ne seraient que des sauvages.
Le vin en adoucit les moeurs, noie les soucis, acquitte les dettes,
ou au moins les fait oublier, r6vele les pens6es secretes, pousse ä
la cordialite. Ici l'auteur a bien l'air de s'apercevoir qu'il fait
fausse route et qu'on pourra l'accuser de chanter le vin au lieu du
verre, mais il s'en tire sans fa^on, en d6clarant que le verre re-
prdsente le vin, aussi bien que le lierre repr6sente Bacchus. Les
vers acquierent un certain brillant de forme:
„0 gentil joly verre, 6 joly gentil verre,
Joly verre gentil, gentil verre joly"
et l'auteur s'elance de comparaison en comparaison; on a beau
louer la musique de quel que ce soit instrument, le guerrier a
beau vanter les exploits de ses armes, le berger son chalumeau,
le chicaneur sa plume et l'enfant sa poup6e, le verre qu'il leve
surpasse toute chose. Le paradoxe, on le voit, consiste dans l'exa-
g^ration. Ici les verriers entrent dans certains details de leur
mutier, ce qui leur permet d'exposer une aventure galante, dont
ils ont de bonnes raisons, pour se repentir ensuite.
Saint Amant, quatrieme en date, chanta lui aussi le verre, ou
pour mieux dire la verrerie et s'il ne parle pas ici tout expres de
la liqueur que la coupe ch6rie est destinee ä renfermer, c'est qu'il
avait d6jä d6di6 les inspirations les plus ardentes de sa muse
alterte, ä toute sorte de boissons. D'ailleurs meme ici il parle de
„l'ardeur" que
^ „mon arae advoue
Pour ce vase oii rit ce nectar."
Saint Amant d6dia un hymne ä la Debauche; c'dtait pousser son
enthousiasme un peu trop loin et sa passion bien connue pour la
26*
404 P- TOLDO,
liqueur de Bacchus, ne lui fit pas oublier celle de la ddesse Po-
mone. En s'adressant au comte de Brionne, il c61ebre le cidre
ayant l'air pour le moment de d^daigner toute autre boisson:
„Que le jus delicat des pommes
Surpasse le jus des raisins . . .
Je ne me puis lasser d'en boire;
Ma soif renaist en s'y noyant;
Du muscat je pers la memoire,
Et mon oeil est combl6 de gloire
De la voir ainsi flamboyant."
Nous avons entendu les poetes d'Italie chanter plusieurs sortes de
fruits. „La poesia de la frutta" pendant quelque temps appartint
en propre ä la poesie descriptive;! c'est ensuite que le burlesque
s'en mela et le burlesque ici consiste pr6cis6iiient, dans l'exage-
ration des louanges.
Le Burchiello2 envoie des fruits et en chante les louanges:
le Berni exalte les peches, comme il avait chante les ghiozzi, les
anguille et les cardi, c'est ä dire en vdritable gourmet. Le Molza
se fit l'apologiste des figues; Andrea Lori des pommes et des
marrons et INIatteo Franco avait dejä celebre la salade et la ma-
niere dont il l'assaisonnait. Le Molza revint plus tard sur le
meme sujet; le Ferrari chante la saucisse, la tourte et d'autres
gloutonneries et il n'oublie pas les artichauts; enfin tout poete
burlesque de la P6ninsule avait son plat cheri et son fruit pref6r6.
En France le fruit le plus celebre est sans deute le Melon.
Jacques Bereau^ en exalte l'origine divine et les m^rites excep-
tionnels :
„Tu passes tout autre fruit
Que la terre nous produit
En grande bonte; tu passes
En beaute l'or, tu surpasses
En friandise et douceur
Sucre et miel, et en odeiir
Le bausme, le musc et l'ambre."
Bereau, de mome que ses confreres du burlesque, recherche dans
le fruit dont il pröne les qualites, une action th6rapeutique plus
ou moins merveilleuse. Le melon, si on veut lui en croire, rend
la vue aux aveugles et en outre:
Le visage tu polis;
Tu detrempes et molis
Le venire dur; ta racine
De propice medecine
^ Voyez dans le Giorn. stör, della cett. ital. XIX p. 55 un article de
Mr Novati „Le poesie sulla natura delle Frutta e i canterini del comune di
Firenze". Voyez aussi Giorn. c\\.h XVIII p. 336 sqq. et XXI p. 479.
2 M. citee de Londres p. iio.
8 cfr. 6d. du Cabinet du bibliophile, 1885.
POESIE BURLESQUE FRAN^AISE DE LA RENAISSANCE. 405
Sert pour le vomissement;
Ta feuille est allegement
De la cuisante blesseure;
Tu es contre la morsure
Des chiens plein d'utilite."
Enfin meme dans les signes exterieurs, le melon parle une sorte
de langage figure.
L'Ortigue revint sur ce sujet, sans lui donner aucune forme
nouvelle; Brebeuf (Poesies etc., Paris, 1658) le prit plus au serieux,
se mettant directement en scene:
,. Quelle odeur sens-je en cette chambre?
Quel doux parfum de musc et d'ambre
Me vient le ceiveau resjouir?"
Et le poete est aux anges lorsqu'il retrouve „dans un panier rempli
de vert" ce fruit d^licieux. D'ailleurs lui aussi, de meme que
Bereau et l'Ortigue, s'extasie devant les dessins mysterieux de
sa peau:
„La natura
Par une admirable structure,
A voulu graver k l'entour
Mille plaisans chiffres d'amour"
et il en recherche aussi les vertus cach^es et les origines divines.
Un anonyme, au debut du XVIP siecle,i cel(^bra la salade de
m^me que ses pr6decesseurs Italiens, seulement il a l'air de prendre
plus au s6rieux son sujet. J'appartiens, s'6crie-t-il, ä l'^cole de
Pythagore; je hals ceux qui se nourrissent de victimes sanglantes:
„Le coeur sans mentir me fait mal
A toutes les fois que je pense
Que la panse d'un animal
Entre dedans une autre panse"
et ici il nous decrit tous les mets que le regne v6getal nous offre.
11 invite partant son lecteur a se proraener avec lui, a la cam-
pagne, pour y rechercher ce qu'il faut pour la composition de sa
salade modele:
„Sans aller plus loing que chez toy,
Donnons-nous vme promenade,
Nous trouveröns assez de quoy
Pour composer une salade.
Desia desia rit ä mes yeux
Cette plantureuse laictüe
Qui d'un pourpre au sang precieux
Est ä. la Romaine vestue . . ."
et la laitue est suivie par une foule d'autres herbes, dont j'dpargne
au lecteur l'^numeration. II suffit de rappeler que dans sa salade
entrent, de meme qu'en Pi6mont et en certaines parties du midi
' La salade bibl. Mazarine, Paris.
406 P. TOLDO,
de la France „le pourpier, le persil, rozeille ronde, la violette"
et qu'il se moque des Italiens qui mangent le cresson, tandis que
de nos jours ou n'en mange presque pas en Italic, et que tout
le monde sait l'usage qu'on en fait en France. 11 rit aussi de ce
que les Italiens emploient d'autres herbes, inconnues au delä des
Alpes, pour la composition de la salade:
„Les Italiens sont jolis,
Qui mangent et mesme h. Florence,
La feuille de ces pisse-en-lis
Dont nous ne tenons conte en France"
ce qui demontre, entre autres choses, que l'auteur anonyme avait
une certaine connaissance de la cuisine italienne et qu'il avait
probablement voyag6 dans la Peninsule, ce qui, outre au goüt
pour la salade, lui avait donne celui du burlesque.
Apres les fruits de la terre voyons ceux de l'industrie humaine.
Et voici tout d'abord le fromage que les v6g6tariens, eux-memes,
ne dedaignent point. 'Le, fromage dit L'Ortigue (1617) dans une
piece, qui porte precisement ce titre, vaut beaucoup mieux que le
nectar de l'Olympe. Le lait est la nourriture la plus saine et la
plus simple, qu'on puisse desirer; Jupiter lui doit la conservation
de sa vie, aussi bien que les plus simples mortels. Quant au fro-
mage, s'il n'avait d'autre vertu que celle d'ctre agreable ä la
deesse des amours, il m6riterait bien l'estime de tout le monde.
Mais ses merites sont bien plus nombreux, sa saveur delicieuse
I'emporte sur toute sorte de mets et ici le poete passe a l'enume-
ration des fromages les plus connus de l'Italie et de la France.
Saint Amant revint sur ce sujet. C'est dans une sorte d'hymne
bacchique, au milieu de ses compagnons de d6bauche, que la
muse l'inspire ici comme ä l'ordinaire:
„Assis sur le bord d'un chantier
Avec des gens de mon mestier,
C'est-ä-dire avec une trouppe
Qui ne jure que par la couppe
Je m'escrie, en laschant un rot!
Beny soit l'excellent Bilot!
II nous a dou6 d'un fromage
A qui Ton doit bien rendre hommage,
O Dieu! quel manger precieux!
Quel goust rare et delicieux . . .
A genoux enfans debauchez,
Chers confidents de mes pechez
Suz! qu'ä plein gosier on s'ecrie
Beny soit le terroir de Brie ! ..."
Apres s'etre ecrie qu'il n'y a aucun fromage qui puisse se rap-
procher de celui de Brie, il reprend le vieux sujet de l'origine
divine de ce qu'il loue, qui doit etre forme:
„De la quintessence du lait
Qu'on tira d'Io transformee"
POESIE BURLESQUE FRAN^AISE DE LA RENAISSANCE. 407
et de sa valeur en m^decine, car surtout, pendant la pestilence,
rien ne saurait l'egaler comme pr6servatif. Malgre cette repetition
du meme motif burlesque, il y dans cette composition beaucoup
d'entrain et de verve. Ses compagnons s'en donnent a cceur joie
et le poete regrette de voir disparaitre devant lui, ce qui inspire
sa muse et charme son palais.
Le fromage devint pour Saint Amant un sujet favori. Apres
celui de Brie, il chanta le fromage de Cantal:
„Ce poison qu'en bonte Ton peut dire ineffable,
Ce repaire moisi de mottes et de vers,
Oü dans Cent trous gluans, bleus, rougeastres et vers
La pointe du couteau mille veines evente
Qu'au poids de Celles d'or on devroit mettre en vente!"
Son admiration pour le fromage ne lui empeche pas d'ailleurs de
reconnaitre les ra6rites non moins eclatants du jambon qu'il loue
dans une lougue epitre adressee au baron de Melay, lequel venait
de lui en envoyer un aux formes gigantesques:
„Ce mont de cViair, ce prodige de lard."
Mais avec le jambon il n'oublie pas un troisieme fromage le
Roquefort et le vin dont il Tarrose abondamment. Le jambon
lui est apport6 par un valet Suisse, dont il reproduit l'etrange
franc^ais et le poete se plait ensuite ä nous decrire comment fut
cuit ce mets delicieux, qui distingue les chretiens des juifs, comment
on le servit et l'enthousiasme de ses compagnons de debauche:
„Et l'echo mesme, au grand mot de jambon,
De tous costez redisoit: bon, bon, bon."
Varchi avait chante en Italie le pour et le conire des oeufs, et
il avait fait allusion aussi a l'ceuf de Päques. Jacques de Fonteny
celebra, ä son tour, ce sujet (16 16) mais d'une manicre indepen-
dante du modele italien. 11 commence par une invocation mytho-
logique en pleine reigle:
„Je vous invoque 6 Dioscures"
n6s d'un oeuf, de meme que les divinites les plus bienfaisantes des
religions de l'antiquit^ et il continue en parlant de la science
„oocospique", car
„jadis les mages
De l'oeuf tiraient leurs presages."
De sa valeur contre les sortil^ges et les esprits des tenebres et du
domaine des legendes passant a celui de la r6alit6, il en exalte
tnore solito la valeur m6dicale et surtout son importance dans la
toilette :
„En medccine il est requis
Comme nutritif et exquis,
Bien cordial, et il sustente
Le malade, qu'il alimente
Sans lui causer opression„"
408 P, TOLDO,
Pour prouver que sa d^monstration s'appuie enti^rement sur les
r^sultats de la science, il ajoute que:
Les Selenites fönt des ceufs
Et les hommes qui naissent d'eux
Sont plus fortz ayant cinq ann^es , . .
Que nous aux virilles journ^es."
Sur la terre il ajoute que l'oeuf repr6sente le principe de toute
chose et de la lune revenant que les Romains commenyaient tou-
jours „ab ovo" leurs banquets: l'ceuf justifie l'expression de „porter
le poullet" car il sert a ecrire en cachette, enfin il n'y a presque
rien oü il ne soit, on ne pourrait plus utile.
L'anonynae enthousiaste de la salade se serait, sans doute, scan-
dalise en entendant les hommages qu'un autre anonyme rendait
vers la meme epoque ä ValloyauA Cet apologiste de la viande
commence par rappeler certaines pieces badines, qui ont prec6de
la sienne:
„Si Roüillard s'est esbattu
Sur le renom d'un festu
Qu'un miserable asne mange:
Si Pasquier en la louange
De la puce de Poictiers
A du bruit en nos quartiers;
Louant l'alloyau j'espere
La faveur autant prospere,
Voire plus: car le subiect
Est plus noble, moins abiect."
II est prouve par des documents que le poete connait fort bien
qu'Hercule ne mangeait que du boeuf et precis6ment cette partie
du bceuf dont il chante les m^rites:
„Aux geants membrus et forts
Aux athletes grands de corps,
Les chairs grosses et charnues
Plaisent mieux que les menues:
Les poussins, les pigeonneaux,
Les bisets, les estourneaux,
Les moineaux, les allouettes,
Sont pour les marionnettes
Pour les petits marjolets
Pour les petits hommelets
Qui n'osent paroistre en rue,
Tant ils ont peur de la grue."
Enfin l'auteur se declare partisan de cette cuisine qu'on appelle-
rait de nos jours anglaise, composee surtout de viande bien nutri-
tive et il combat, non sans une pointe de serieux, Tabus des sauces
et de tout ce qui cause „les cruditez indigestes". L'alloyau est
Bibl. citee.
POESIE BÜRLESQÜE FRAN9AISE DE LA RENAISSANCE. 4O9
exquis quelle que soit la maniere qu'on l'apprete. Meme sa fumee
a cette vertu nutritive si importante pour notre poete, qui rappeile
ä ce propos le d6bat si connu et dont avaient parle Rabelais et
Bonaventure des Periers, entre un pauvre homme mangeant son
pain assaisonne au parfum de la fum6e du roti et le rötisseur qui
voulait se faire payer, On sait que la question fut d6cidee de la
Sorte: on ordonna au pauvre homme de payer la fum6e par le
son de son argent.
Les divinites sup6rieures ne pouvaient s'apaiser que par des
sacrifices d'immenses rötis et ici l'auteur passe ä la description de
la maniere dont on doit cuire I'alloyau, tourn6 par une main in-
telligente. La conclusion est tres appropriee au sujet:
„L'amy que j'aime d'amour
Avoit dict qu'ä mon retour
J'en trouverois un en broche,
L'heure du souper approche,
Je ra'en vais voir s'il est cuit,
Adieu, bon soir, bonne nuit."
Ce Chevalier de l'Hermite, dont nous avons fait dejä la connais-
sance, au milieu de ses flatteries adressdes a tous les puissants de
la cour, paya lui aussi son tribut a la mode du temps, en celöbrant
la cassole de monsieur de Quttaut preseniee ä la reine. C'est une bien
pauvre chose que cette louange d'un mets, delayee dans une longue
composition fade et ennuyeuse. Cette cassole a maintes vertus;
son parfum d^licieux eveille l'app^tit, mais son merite principal est
celui d'exciter la soif. Et la soif fait boire du vin, le vin donne
de la vigueur et du courage, de sorte:
„(qu') Elle est cause de la victoire
Que nous eusmes devant Rocroy
Et de tant d'autres que je croy
Qu'on n'eüt pas empörte sans boire."
On ne saurait etre plus fade et c'est ainsi que l'hymne ä la cassole
finit dans celui du vin. Et le vin n'est pas seulement celebre en
po6sie. Une foule d'imitateurs de Rabelais, d'autres s'inspirant aux
modeles classiques, en exaltent les merites, sous toutes les formes
possibles. Je rappeile ici une piece presque inconnue „le bragar-
dissime et joyeux testament de la bifere" imprime en 161 1 et
d6di6 „aux magnanimes biberons pour les festes de Caresme-
prenant".! Le titre revele assez clairement le but de l'auteur ano-
nyme. Cette composition en prose appartient au groupe littcraire
se rapportant au Caresme-pretiant; la biere vaincue par le vin de-
clare de baisser les armes devant lui.
„C'est trop, dit la biere, c'est trop rogner en ce monde, faisant
languir les humains, il est temps, il est temps que je meure, sans
regretter mon trespas, la necessite le requiert, que je cedde ma
1 Bibl. Mazarine.
4IO P. TOLDO, POESIE BURLESQUE FRAN^AISE.
place a Bacchus. Je suis mondaine, et comme mondaine faut
mourir." Des pens^es de r6volte contre la puissance du Dieu de
la vigne, se presentent ä l'esprit de la boisson mourante, mais
eile finit par reconnaitre ses torts et que sa mort est bien merit^e:
„Helas! je recognois bien que j'ay cause beaucoup de troubles
dans la France, veu que tel estoit vigoureux et magnanime, qui
n'est plus rien qu'un poltron". Le testament dicte avec une so-
lennite comique est con(^u en ces termes: „Priraum notifico omnibus
singulisque lenonibus et posteritati, que ä cause de appropinqua-
tione mortis je laisse au temps ses pouvoirs et ses authoritez, au
Soleil sa course de l'orient ä l'occident, et du midi au septentrion,
aux affamez et a ceux qui ont le ventre cousu comme la mar-
mite des cordeliers, mes biens et facultez pour dompter patiem-
ment leurs appetits: aux Allemans, Flamans, Anglois et Hollandois,
les souspirs, les pleurs, et les lamentations ä mes valets; ä. ces
pauvres gastebleds de la tristesse abondamment, une forme de
desespoir quant et quant d'estre ä jamais tres-capables macque-
reaux: aux chandelliers et regrattiers de la ville un morceau de
melancolie sur le coeur, broy6 dans un bary de moustarde: k ceux
qui m'ont trop caressez des chaudepisses ä foison et des flux de
ventre ä grand nombre. Je laisse et resine aussi par ces presentes
ä. Bacchus la domination de mon Empire ..." A la mort de
madame la Biere, tous les buveurs sacres ä, Bacchus fönt retentir
leur joie et ils applaudissent le conqu^reur de Finde qui fait retour
en France. Vive, s'dcrie le poete „ton bon visage, visage beau,
visage rubicon, visage que j'honore comme les entrailles d'un pot
de vin, visage plus vermeil que la rose, plus precieux que le dia-
mant, plus majestueux que toute la biere du monde".
On etait bien plus dans le vrai, dans ces louanges prodigu6es
ä la bonne table que dans tous les paradoxes pr6cedents et les
ecrivains burlesques, chantant la liqueur de Bacchus, les saucisses,
les jambons et les fruits exquis demontrent un enthousiasme, qui
n'est pas toujours d'emprunt, et bien souvent ils poussent des h61as,
pour tous ces biens dont ils sont, en pauvres poetes, si souvent
priv6s.
A suivre.
P. ToLDO.
Ueber Lope de Vega's El Castigo sin Venganza.
Von der grofsen Zahl Schauspiele Lope de Vega's die auf
uns gekommen sind, glänzt, unter vielen ganz vorzüglichen, die
Tragödie El Castigo sin Venganza als ein wahres Meisterstück. Da-
neben knüpft sich ein Interesse eigener Art an den Umstand, dafs
sie nach nur einmaliger Aufführung in Madrid, von der Bühne
verschwand. Lope teilt uns selbst dieses mit in dem Prologo zu
der Ausgabe von Barcelona, 1634.1
Ueber die Gründe, welche veranlafsten diese Tragödie von
der Bühne zurückzuziehen, wirft Schack die Frage auf: „Sollte die
Vorstellung des Stücks vielleicht inhibiert worden sein, weil man
darin Beziehungen auf das Ende des Don Carlos fand? "2 Gayangos
behauptet, mit Lista und Hartzenbusch, dieses wäre wirklich der
Grund der Unterdrückung des Stücks gewesen, wozu Ticknor be-
merkt: „I do not know on what grounds he says it, and it does
not seem probable". 3
Auch Schaeffer verhält sich entschieden ablehnend und er-
neuert dabei eine Vermutung Ticknor's: „Das Verbot ist deshalb
wahrscheinlich in dem Umstände zu suchen, dafs man es — im
Interesse des Decorums fürstlicher Personen — für unstatthaft hielt,
die bekanntermafsen wahre, zwischen 1277 und 1280 in Ferrara
vorgefallene Begebenheit dem Volke auf dem Theater vorzuführen".^
Ihm scheint sich auch Toldo anzuschliefsen (Ztschr. XXII S, 350 IT.).
' Der Prolog ist wie folgt: Senor lector, esta Tragedia se hizo en la
Corte solo un dia, por causas que a V. m. le importan poco. Dejö entonces
tantos deseosos de verla, que les he querido satisfazer con imprimirla. Su
historia estuvo escrita en lengua Latina, Francesa, Alemana, Toscana y Castel-
lana: esto fue prosa, agora sale en verso; V. m. la lea por mia, porque no
es impresa en Sevilla, cuyos libreros, atendiendo a la ganancia, barajan los
nombres de los Poetas, y a unos dan sietes y a otros sotas, que hay hombres,
que por dinero no reparän en el honor ageno, que a vueltas de sus mal im-
pressos libros, venden y compran: advirtiendo, que esta escrita al estylo
Espanol, no por la antiguedad Griega y severidad Latina, huyendo de las
sombras, nuncios y coros, porque el gusto puede mudar los preceptos, como
el uso los trajes y el tiempo las costumbres. Obras Sueltas, Bd. VIII S. 384.
2 Geschichte der drmnatischen Literatur und Kunst in Spanien, Bd. II
S. 321, Anmerkung.
2 History of Spanish Literature, Bd. II S. 269, Anmerkung.
* Schaeffer, Geschichte des spanischen Nationaldramas , Bd. I S. 89.
Ticknor, History of Spanish Literature, Bd. II, S. 268.
412 H. A. RENNERT,
Man wird indessen auch diese Erklärung kaum gelten lassen. Das
Stück Lope's wie es uns vorliegt, ist von der dem Spanier selbst-
verständlichen monarchischen Gesinnung durchtränkt; es enthält
nichts, das die in dieser Richtung bekanntlich durchaus nicht ängst-
liche spanische Censur beanstandet haben würde, auch wenn die
Fabel in den Häusern von Castilien oder Aragon gespielt hätte,
statt in dem fern liegenden Ferrara.
So lange aber das „Verbot" unerklärt bleibt, wird sich immer
wieder die Neigung geltend machen, in ihm das Anzeichen eines
Gerüchtes zu erkennen, das zwischen der Andeutung einer uner-
laubten Liebe des Don Carlos zur Königin bei Brantome^ und
dem ausgebildeten Roman Saint R6als in der Mitte stünde. Um
so mehr als ja Lope die ursprüngliche Fassung in dem Druck
(Barcelona, 1634, dann Madrid, 1635 im 21. Bd. der Comedtas)
geläutert haben könnte. Schon deshalb erschien eine Vergleichung
der erhaltenen Originalhandschrift erwünscht.
Auch hat dieses Schauspiel ein erhöhtes Interesse für uns
durch den weitern Umstand, dafs es den Gegenstand von Lord
B)Ton's Gedicht Parisina bildet.^ Lope's Quelle war unstreitig
die bekannte Novelle Bandello's,^ wie aber Schaeffer zutreffend be-
merkt: „Wie roh sind diese Materialien, aus welchen Lope sein
ebenso tiefsinnig gedachtes, als von göttlichem Dichterfeuer durch-
glühtes Meisterwerk geschaffen hat."*
Vortreffliche Analysen dieses Stücks findet man bei Schack^
und Schaeffer, Auch Ticknor widmet einige Seiten zur Erörterung
dieses Schauspiels, und was er darüber berichtet, ist allerdings
von nicht geringem Interesse, da er die Originalhandschrift Lope's
besafs. Ich will beiläufig bemerken, dafs diese Handschrift nicht
mit den übrigen Handschriften und Büchern des Ticknor in den
Gewahrsam der öffentlichen Bibliothek zu Boston überging, und
den wiederholten Nachfragen meinerseits wurde immer die Ant-
^ Vies des Grands Capitaines, ed. Buchon, Paris, 1848, S. 126.
2 Ticknor, Bd. II S. 267 sagt ferner, der tragische Vorfall ereignete sich
in 1405; wohl ein Irrtum, da er wirklich am 21. Mai 1425 stattfand. Siehe
Solerti, Ugo e Parisina, in Atx Nuova Antologia für den 15. Juni und I.Juli
1893; ^°*i Toldo, 1. c. Ein Artikel von Würzbach, Lord Byron'' s Parisina
und ihre Vorgängerinnen, in den JEttglischen Studien, Bd. XXV S. 458, be-
schäftigt sich auch mit dem Lope'schen Stück, wovon die Hs., wie Herr Würz-
bach uns mitteilt, ,,in dem Besitz Lord Ticknor's zu Boston ist". Auffällig
auch, dafs Barrera, Nueva Biogr. S. 458 sagen sollte: „el autögrafo [de El
Castigo sin Ve7tganzd\ en Boston guarda el distinguido hispanista Mster
Josie Ticknor".
^ La Prima Parte de le Novelle del Bandello. In Lucca, per Vincenzio
Busdrago, 1554, e di nuovo in Londra, per S. Harding. MDCCXL. S. 280:
„II Marchese Nicolö Terzo da Este trouato il figluolo con la Matrigna in
ädulterio, ä tutti dui in un medesimo giorno fa tagliar il capo in Ferrara".
Novella XLIV, S. 289.
* Geschichte des Spanischen Nationaldramas, Bd. I S. 88.
^ 1. c. Bd. II S. 321 ff. Vgl. Barrera, Nueva Biografia, in den Obras
de Lope de Vega, Madrid, 1890, Bd. I SS. 434, 458 flf.
UEBER LOPE DE VEGA's EL CASTIGO SIN VENGANZA. 413
wort, dafs das Manuscript nicht in der Bibliothek sei. Es befindet
sich aber jetzt dort, wo es das Zeichen D. 174. 19 führt, und ein
Brief der Tochter Ticknor's, welcher vorne angeklebt, giebt an,
weshalb die Uebergabe sich so lang verzögerte. Es war nun mit
der Absicht auszufinden, welche Veränderungen Lope in dem ur-
sprünglichen Schauspiel gemacht, dafs ich die Handschrift unlängst
untersuchte. Mit dem Ausdruck „ursprüngliches Schauspiel" will
ich nur das Stück bezeichnen in der Gestalt, wie es zum erstenmal
aufgeführt wurde. Laut des Ticknor'schen Berichts erwartete ich
ganz erhebliche Abweichungen von den gedruckten Ausgaben zu
finden, welche Abweichungen, wie ich hoff'te, vielleicht ein neues
Licht über die Ursache des Zurückziehens unserer Tragödie von
der Madrider Bühne verbreiten möchte. Allein hier gewährte eine
sorgfältige Prüfung des Autographs eine völlige Enttäuschung,
wenigstens was das Verbot das Schauspiel, aufführen zu lassen be-
trißl, denn Lope liefs das Stück drucken fast wie er es ursprüng-
lich geschrieben. Dies allein scheint genügend die Hypothesen
von Schack und Schaeffer hinfällig zu machen, und wir werden
endlich zu einer sehr einfachen Lösung der Frage gedrängt.
Das Verbot, das man zuerst nur vermutet, dann als feststehende
Thatsache angenommen hat, hat nie existiert; die erteilte Er-
laubnis zur Aufführung ist nie aufgehoben worden. Warum das
Stück nur einmal gespielt ward, ob der Autor verkrachte, oder
Lope sich mit ihm verzankte, oder das Publikum, das so viele
schlechte Stücke seines Lieblings bejubelt hatte, ihm einmal ein
gutes durchfallen liefs; kurz es war irgend eine jener im Theater-
leben so häufigen Ursachen, aus welchen ein Schauspiel liegen
bleibt, gleichgültig für die Nachwelt, catisas qiie a V. m. le importan
poco, wie Lope selbst dem Leser und Litterarhistoriker zu sagen
die Freundlichkeit hat. Uebrigens ist es klar, dafs ein Aufführungs-
verbot auch ein Druckverbot gewesen wäre.
El Casttgo sin Venganza wurde vollendet in Madrid am
I. August 1631, „when Lope was nearly sixty-nine years old, and
yet there are few of his dramas, in the class to which it belongs,
that are more marked with poetical vigor, and in none is the
versification more light and various. It was not licensed for re-
presentation 1 tili the gth of May, 1632, — apparently from the
known unwillingness of the court to have persons of rank, like
the Duke of Ferrara, brought upon the stage in a light so odious
In 1634 Lope printed it with more than common care,
at Barcelona, dedicating it to his great patron, the Duke of Sessa,
etc and the next year, immediately after his death, it ap-
peared again, without the Dedication, in the twenty-first volume of
^ Diese Erlaubnis, welche sicli unten auf der letzten Seite der Hs. be-
findet, ist wie folgt: Este tragico suceso del Duque de Ferrara, esta escrito
con verdad i con el deuido decoro a su persona i las introducidas, es exem-
plar i raro caso. Puede representarse. Madrid 9 de Mayo 1632. Pedro de
Vargas Machuca.
414 H. A. RENNERT,
his plays, prepared anew by himself for the press, but published
by his daughter Feliciana".^
Die Rollenbesetzung, wie sie in der Handschrift angegeben,
ist wie folgt:
El Duque de Fcrrara Autor.
El Conde Federico Arias.
Albano.
Rutilio.
Floro.
Luzindo.
El Marques Gonzaga Salas.
Casandra Autora.
Aurora Ber^a.
Lucrezia Geronima.
Batin Salinas.
Cinlia Ma de Ceballos.
Febo y Ricardo.
Ticknor berichtet „El Casligo sin Venganza was brought out
by the Company of Figueroa, the most successful of the pcriod".
Dieses ist, sehr wahrscheinlich, ein Irrtum, da ich keinen von den
oben angegebenen Namen von Schauspielern oder Schauspielerinnen
in der Truppe des Figueroa finde, so wie sie von Cotarelo2 ver-
zeichnet ist. Das Stück wurde zweifellos aufgeführt von der Truppe
des Manuel Vallejo,3 „einer der fünf Begründer der Cofradia de la
Novena, und einer der berühmtesten seiner Zunft, obgleich seine
Gestalt nicht die geeignetste für die Bühne sein mochte". Dieser
war gewifs der Autor, welcher in unserem Verzeichnis angegeben
ist, und die Aidora war seine Gemahlin, die berühmte Maria de
Riquelme, „ein Muster der Schönheit, der Tugend und des künst-
lerischen Talents". Sie starb in 1656; Vallejo war ihr in 1644
vorausgegangen. Cotarelo teilt ein Verzeichnis der Compagnie
Vallejo's mit, wie sie sich am 26. April 1631 zusammenstellte.* Es
enthält alle die Namen der oben angegebenen Rollenbesetzung:
Damian Arias de Penalver,^ „einer der gefeiertsten Schauspieler
seiner Zeit"; Pedro Garcia Salinas, „sehr berühmter Gracioso'', und
seine Gemahlin Jeronima de Valcäzar {Gradosa); Maria de Ceballos,«
1 1. c. Bd. II S. 268.
2 Tirso de MoUna, Investigacio7tes bio-hibliograßcas. por Emilio Cota-
relo y Mori. Madrid, 1893, S. 203.
^ Cotarelo, 1. c. S. 218.
"* Ibid. S. 220.
ß Ein Damian Arias de Penafiel wird auch angeführt als ein Mitglied
der Truppe des Figueroa, im Juli 1631. Es ist wahrscheinlich dieselbe Person.
Cotarelo, 1. c. S. 206.
^ Ueber diese Schauspielerin siehe Lope de Vega, Loz Guzmaites de
Toral, ed. Restori, Halle, 1899, S. X. In der Rollenbesetzung dieses Stücks
kommt auch eine Bernarda vor, welche Restori mit Recht mit Bernarda Ra-
mirez de Robles identificiert. Cotarelo, 1. c. S. 206.
ÜEBER LOPE DE VEGA's EL CASTIGO SIN VENGANZA, 4 15
Francesco de Salas, und eine gewisse Bernarda Teloy und deren
Tochter Bernarda Gamarra.
Von den verschiedenen Ausgaben von El Casttgo sin Venganza
sind mir nur diejenigen von Madrid 1635 1 und die in den Obras
Sueltas, Bd. VIII gedruckte, zu Gesicht gekommen. Die erste Aus-
gabe, wie oben erwähnt, erschien 1634 in Barcelona als eine Suelta.
Dieses erhellt aus der Angabe des Herausgebers der Obras Sueltas,
welcher berichtet: „De esta Tragedia no conocemos otra edicion
que la de Barcelona hecha en MDCXXXIV por Pedro de Cabal-
leria, ni otro exemplar, qUe uno que se conserva en la escogida
Libreria San Phelipe el Real de esta Corte en I tom. en 4. de
escritos miscellaneos." S. xi. Professor Restori"^ erwähnt auch eine
sticUa von unserer comedia in der Bibl. Palatina zu Parma: „Siielia
di 27 fogli numerati, s. 1. n. a. Manca la copertina e perciö non
posso dire se e la suella barcellonese del 1634; ad ogni modo e
una edizione molto antica." Eine sorgfältige Vergleichung des
Autographs [A) mit dem Madrider Druck von 1635 (J/.) und der
Version in den Obras Sueltas [S.) zeigt, dafs die letztere Ausgabe,
im grofsen und ganzen, eine ziemlich gute ist: sie fufst, wie wir
gesehen, auf dem Barceloneser Druck von 1634, doch ist die
Orthographie durchaus modernisiert.
Auf den folgenden Seiten teile ich die Varianten des Auto-
graphs mit. Der Vergleich ist mit dem Text der Obras Sueltas
gemacht. Wo eine Lesart verzeichnet ist ohne irgendwelche Be-
merkung, so bedeutet das, dafs sie von Lope ursprüngUch ge-
schrieben, aber wieder gestrichen worden ist. Zum Teil sind die
annullierten Verse so vollkommen ausgemerzt, dafs sie ganz un-
leserlich sind.
Verse :
58. estorba, so M.
92. viene su excelen^ia ansi.
98. ha passado. M. ha gastado.
103. tiniendo por caso.
109 que persuadiJo.
118. mal ... de .. andar ansi.
133 und 136 in M. sollte stehen Febo, nicht Fed., %ind 133 gehört dem
Herzog.
140. A. M. dexe.
148. A. M. aunque los dores.
158. echa en el vulgo.
'i-'JZ folgt 171 und ist dann ausgestrichen.
207. A. S. mas oyera; M. oyela.
209. Ric. tan presto.
"^ In der Veitite y una Parte Verdadera de las Comedias del Fenix de
Espana Frei Lope Felix de Vega Carpio. Madrid, 1635.
2 Una Collezione di Commedie di Lope de Vega Carpio. Livorno,
1891, S. II.
4l6 H. A. RENNERT,
237. A. M. grande.
240. A. M. fatigado.
243, A. M. deste. Ein Vers fehlt zwischen 243 und 244 in M. und S.
A. giebt ihn: puro cristal sonoro y frio.
253. de pesares Ueno.
277. A. M. y fehlt -vor apenas.
282. habiendose de 1.
292. no ay r.
296. A. S. al mas a. ; M, el m. a.
301. M. o fehlt vor muda.
328. Der Vers ist unvollständig in S. A. = M. A. hat einfach die
Anweisung: Estos Sälen.
356. A. falta; M. S. falda.
407. dadme mil vezes los b. mil vezes ist durchstrichen.
408. senor Conde Federico.
409. A. dexaldes; M. dexadles; S. dejarles.
416. A. si eres ta, vuesamerzed.
431. A. entie criadas. criadas durchstrichen.
443. De mi muger lo preguntas.
445. A. M. treta; S. tienta.
498 — 501. Senora dadme balor
dadme bida
que no acierto a responderos
me lurbar en tanto fabor.
501. A. M. turbarme.
508. A. M. destos.
549. Cas.] Culpa teneys de mi pena.
636. me has penetrado mis ojos.
644. M. S. pese a 1. ; A. pescia las 1.
704, A. M. ay.
806. A. M. porque ya llegan.
807. In A. M. folgt die Bühnen- Direktion: Entren con etc.
837. A. M. oy; S. yo.
851. A. M. responderos.
925. In der Bühnen- Direktion hat A. queden; Lope gebraucht die re-
flexive Form nicht.
941. A. \x mordelle; M. y morderle.
947. Nach diesem Vers haben A. M.:
dame gana de reyr
si voy en algim entierro.
949. A. el candelero; M. = S.
Aclo segundo.
1000. que de un desprezio senor.
1027. A. mira y lava; M. = S.
1098. que el C. tu esposo faera.
1133. descuidado.
11 34. A. si no; M. = S.
I138. A. ni lexos; M. = S.
UEBER LOPE DE VEGA'S EL CASTIGO SIN VENGANZA, 4 I 7
11 84. assi lo dama que al.
11 85. A. tienpla; 3/. = S.
1239. A. M. voy a hablar.
1266. A. M. en que jardin.
1277. A. un alma.
1286 — 1288. Vier Verse sind hier durchstrichen und die, welche jetzt in
dem Text stehen, befitide?t sich rechter Hand eingeschaltet.
1 3 1 4 — 1317- Dieselbe Bemerkung gilt für diese Verse.
1333 — 1336. Folg. Verse sind durchstrichen und die im Texte eingeschrieben!:
naze Conde de porque tu padre
conmigo se aya cassado
con que juzgas la accion
perdida al primero parto.
1354. Der Vers, welcher vertilgt, ist unleserlich.
1360. Ursprünglich folgte hier 1635, ^«''« z«'^'' Verse, welche unleserlich
sind, dann: roto el freno
1412. que amor a ninguno ha dado.
1442. A. M. desas.
1465. A. Belerofonte.
1467. M. del mundo.
1472. Hier folgt ein Vers, welcher vertilgt ist.
1482. Ursprünglich folgten hier 1489 — 1492.
1493. Nach diesem Vers sind fünf Zeilen durchstrichen und fast un-
leserlich :
piensa que 1 . . . . matando
bäte las alas
con cuya sopla engaiiado
enciende se le queman
con que cayendo en el canpo.
1539- que los sentidos ynlorma.
1541. estos turbados yntenlos; die zwei letzten Wörter vertilgt.
1545. No suelen mouer los vienlos.
T551. por una parte ymagino.
1552. M. que soi lo que; A. = S.
I553' po"" otra el cielo responde.
1577 — 1580. Die Verse waren ursprünglich:
Si se ha de llamar errores
el ymaginar la offensa.
1590. Bühneyt- Anweisung: Aurora entra.
1604. A. tu eres poderoso, Amor; ursprünglich waren die Verse:
porque te llaman Amor
poderoso si ni honor
ni vida en ti se repara.
1608. con la tristeza ist durchstrichen, und que me solia querer sub-
stituiert.
1615. quiero dar zelos, und zelos durchstrichen.
1623. Nach diesem Vers sind die folgenden siebzehn durchstrichen ufid
schwer leserlich:
Zeitschr. f. rom. PhU. XXV. -_
27
4 I 8 H. A. RENNERT,
en que mis ojos te vieron
y la libertad te dieron [dicron ist durchstrichen und per-
que hasta que al punto tenian (?) [dieron eingesetzt,
a tii clara luz pareze
la noche de mis agrabios
que en la rosa de tus labios
pues que (?) no saben mirar
y si miran nunca ven
cosa que parezca bien
ni que los pueden lograr
a tu clara luz pareze
la noche de mis agrabios
que en las rosas de tus labios
entre perlas amaneze.
desde que de Mantua vine
hize con poca Ventura
eleccion de tu hermosura, etc.
1639. pues nunca s. s. s.
1643 — 50. Diese Verse waren ursprünglich:
que mala fortuna ha sido
fue
sino que mi amor te de
causa para tanto oluido.
Mas si mi pena te cansa
sera remedio el partirme
que contra desden tan firme
sola en ausencia descansa.
i666r A. S. senora, a tan gran f.
1684. Ninguna cosa dize 7.
1685. Conde, sera p. al p.
1706. Bühnen- Anweisung : Vayase el Duque.
1757. Si un gallo desea ganar.
1759. ronpe las.
1766. basta que tanta.
1774. A. dese Aranzel,
1787. pues a entender (?) te probocas.
1832. Ursprünglich standen diese Verse:
pero el callar es hablar,
pues que mas atreuimiento
que callando?
pues de aquella turbacion
tanta maldad (?) me ha dado
tanta ynquietud y aficion
que traygo (?) determinado
dar lugar a su traycion
maldad tan fiera
me consuela ay desdichada!
que no sere quando el quiera
la postrera enamorada, etc.
UEBER LOPE DE VEGA'S EL CASTIGO SIN VEMGANZA. 419
1836. M. satisface, Druckfehler.
184Ö. muchas y otras.
1847, los .... menos (?) culpa ha sido; M. algunos; A. = S.
1850. pero como en cosa ygual.
1856. resuelta.
1866. Nach diesem Vers hat A.: ... esta la mano . . . en las mias, dajin:
Fed.] conozes.
1873. Fed.] no tengo,
1883. tanto . . . (?) amor presumio
fundado.
1888. qua lo que por la causa tenia.
1891. que Hipocrates y.
1966. M. mil malas; A. = S.
1985. A. muchas exenplo me dieion; Jlf. = S. Folgende zwei Verse sind
durchstrichen :
si remedio puede haber
es huir de ver y hablar.
1997. A. o me dare rauerte aqui; M. = .S.
201 1. ay de entranbos.
2016. AI. matarme; A. = S.
2019. A. M. tente honor. Die Bühnen- Anweisung -von AI.: Entrandose
cada UDO por su parte ist Jiicht in A. Auf der nächsten Seite der
Hs., aber gänzlich durchstrichen, steht {nach V. 2024) :
Cas.] Conde, tu seras mi muerte.
Fed.] Y aunque muerto estoy tal
que me alegro con perderte
que sea el alma ynmortal
por no dexar de quererte.
Laus deo et M. V.
Fin de la 2. Jornada.
Acto Tercero.
2035. tan rai vida.
2062. dos iguales (?) caraarines.
2063. el tocador de Cassandra.
2077. en el desprecio . . . desden.
2084. M. que a los b. r. ; A. = S.
2092. victorioso y ynbencible
que del Romano Pastor
los enemigos reprime.
2106. es sin remedio y dizen
que es la fama que ....
permite (?) que resu9iten
las vidas de los que mueren
en el tumulo Fenizes
Dile, que etc. (F. 2111).
2108. M. felices; S. phenices.
21 15. Hierauf folgt: quando los hijos le quitan
al Tigre los cazadores.
27*
420 H. A. RENNERT,
2120. A. M. Aquiles.
2137. Apenas de Mantua vio; dieser Vers ist durchstrichen und El Duque
vio eingesetzt — -welche Worte wieder durchstrichen sind und in
verschiedener Hand steht: de Mantua vyo.
2168. A. si fehlt; M. = S.
2195 — q6. A. ya no me acuerdo de ti
inuenciones? Dios me guarde, etc., so M.
2214. A. M. oxinegra.
2220. A. clines; M. S. criues.
2223. Vino mirandole con el fieno.
2227 — 29. no hauia un grano
dixo al Albeytar
. . . . y macho desde agora.
2251. A. Aparte.
2261. A. M. p. en perdiendote yo.
2265. A. a fehlt.
2280. Fe.] miran.
2294. M. quien viene ver a sus q. p.; A. = S.
23 TO. principe perfeto.
2315. y me miro triunfante; M. = S.
2328. A. S. tan bien; M. tambien.
2339- que tiene quien le deffienda.
2370. A. M. destas.
2372. Diesem Vers folgte:
una gata Romanesca
muger con sacrifi9io y ofrendas.
2403. A. M. que es gran coronista dellas.
2443. A. Camaldula; S. M. Camandula.
2458. quien al bien publice mira.
2463. yo soy un onbre.
2466. desseo que les des.
2475. A. M. que yo le d6 m.
2480 — 86 sind in der Hs. unterstrichen.
2509. quando verdades me digas.
2512. Nach diesem Vers stand in A: para que en efeto.
2515. A. M. Bersabe.
2521. Hier folgt, fast unleserlich:
q aunque cosa rara
que despues que te matara
en tu (.'') balor pud . . . a
engendrarte
para boluer a matarte
quantas vezes te engendrara.
2523. A. 5. te; M. me.
2534. A. S. la; M. lo.
2565. A. S. le; M. lo,
2573- Nach diesem Verse hatte A. ursprünglich:
como ... tu primo cases.
UEBER LOPE DE VEGA's EL CASTIGO SIN VENGANZA. 42 I
2577. A. No siendo su sangre Aurora; M. = S.
2580. A. M. SU sangre.
2583. A. muchos anos ha difunta; S. = M.
2587. A. estubistes.
2619. A. llame; M. llaman.
2642. A. diesem Vers folgt:
No he tenido memoria!, dann durchstrichen.
2673. A. que espero mas, que porfio,
2675. A. M. entendimiento.
2690. Folgt in A. die Bühnen-Anweisung: Vase el Duque. Die zwei fol-
genden Verse gehören Cassandra an, nicht Aurora, wie in M.
2703. In A. folgt:
hombre en el mundo
que tan mal pago me diera
casar
despues de haber obligado.
2774. A. y que a Mantua os vays, Senora, S. = M. Zuerst stand: y que
OS vays a Mantua.
2776. A, llebeys.
2831. A. S. no mas que; M. no mas de.
2834. A. yo; S. M. ya.
2837. Solo ha de ser un castigo (solo vertilgt)
sin venganza y sin que aya
publicidad en mi afrenta
que se doble la infamia
quien es publico castiga, etc. ( V. 2849).
2842. A. S. dando la j. santa; M. donde la j. s.
2877. Drei Verse folgen, die tnir unleserlich sind.
2908. A. S. acobardas; M. acobarda.
2914. A. se parte; S. 31. se parta.
2920. In A. stehen diese Verse, alle durchstrichen:
Ferrara
se conjuran contra mi
dos personas que se . . . .
obligaciones
arrogancia
que estaua
ymaginar
dixo la fama.
2935. A. facilmente; S. = M.
2936. Folgende Verse sind durchstrichen:
atarle
cubri el cuerpo que no quise
que tu has venido y es mas justo
hazer de ti comienza
para que nadie lo sepa, etc.
Alle Verse sind durchstrichen bis 2945.
422
H. A. RENNEKT,
2948. A. M. 7^ fehlt.
2968. A. ya con la punta la passa; M. con la punta de la espada.
2969. A. M. execute mi justicia.
2981. A. M. matalde.
2987. Die Anweisung ist einfach: Salga el Conde.
2991. A. M. matalde.
2991. Die nächsten fünf Verse sind durchstrichen und dann auf der
letzten Seite — 7iach dem Ende des Stücks — wieder aufgeschrieben.
Die ersten zwei Verse, welche durchstrichen, sind identisch mit
2993 — 94 des gedruckten Textes:
En el tribunal de Dios
traydor, te dieran la causa;
Aurora, quäl quieres mas
ser Duque de Ferrara [fol. 16^]
o yr a Mantua con Carlos?
Au[rora]. estoy senor tan turbada
qua no se lo que responda.
Ba[tin]. di que si, que no es sin causa
todo lo que ves Aurora.
Au[rora]. senor desde aqui a manana
te dare respuesta.
t Salga el Marques.
Ma[rques]. Ya
queda muerto cl Conde. | Du[que] basta
pago la maldad que hizo
por heredarme. | Ba[tin] aqui acaba
Senado aquella tragedia
del Castigo sin Venganza
que siendo en Ytalia asombro
oy es exemplo en Espana.
Laus deo et M. V.
En Madrid prim" de Agosto de 1631.
Frey Lope Felix de Vega Carpio.
Auf dem folgenden mid letzten Blatt der Hs. stehen die weiteren
Verse, alle in der Schrift Lope's, und mit Ausnahme der ersten
fünf, alle durchstrichen.
En el tribunal de Dios
Traydor te diran la causa
tu Aurora con este exemplo
parte con Carlos a Mantra
que el te mereze y yo gusto.
Au[rora]. Estoy senor tan turbada, etc. bis auf
t Salga el Marques.
Ya
queda muerto el Conde, Du[que]. En tanta
desdicha aun quieren los ojos
verle muerte con Cassandra. f Descubrales.
Mar[ques]. buelbe a mirar el castigo
UEBER LOPE DE VEGA'S EL CASTIGO SIN VENGANZA. 423
sin Venganza. Du[que]. No es tomarla'
el castigar la justicia
balor scbra y llanto falta
pago la maldad.
Hier hört die Hand Lopes plötzlich auf.
Man kann wohl sagen, dafs wenige der Schauspiele Lope de
Vega's so gewaltig und ergreifend sind; auch in der Charakteristik
und in der Durchführung der Handlung ist El Castigo sin Vengmiza
ganz vortrefflich. Das Stück verdient besser bekannt zu werden,
und da Herr Menendez y Pelayo, der gelehrte Herausgeber der
prachtvollen Edition der Madrider Academie, sagt „die Stadt Boston
ist fern von hier", so ist zu hoffen, er möge sich dieser Ver-
gleichung mit dem Autograph bedienen für seine neue Ausgabe
von El Castigo sin Venganza.
^ Rechter Hand steht hier, auch von Lope geschrieben: tente aguarda;
und neben dem nächsten Vers: marques porque para berle. I?n folgenden
Vers ist balor durchstrichen und llanto davor gesetzt, und dann das Wort
llanto, 'welches folgt, durchstrichen, und balor darüber geschrieben.
Hqgo Albert Rennert.
Zur Syntax des rumänisclieii Possessiv-Pronomens 3. Person.
1. Die Frage ob säu und //// im Rumänischen promiscue ge-
braucht werden oder nicht, beschäftigt die Grammatiker, seit-
dem man überhaupt angefangen hat, die rumänische Sprache
wissenschaftlich zu untersuchen. Das nationale Moment hat ein
wenig mitgespielt: in ihrem Wunsch, die Zugehörigkeit zum Latei-
nischen möglichst klar hervortreten zu lassen, sahen die rumänischen
Grammatiker manchmal verwandtschaftliche Beziehungen, wo that-
sächlich von historischer Kontinuität nicht die Rede ist. Hierzu
gehört nun auch die These, dafs der Gebrauch von säu (sa u. s. w.)
und lut {ei u. s. w.i) nach dem Muster von sutis und eins erfolge,
womit aber eine grofse Anzahl der neurumänischen und der gröfsere
Teil der altrumänischen Beispiele im Widerspruch stehen. Hierauf
machte schon Diez (III S. 73) aufmerksam und ausführlicher ]\Ieyer-
Lübke (III § 73). Es läfst sich vielmehr nachweisen, dafs der Ge-
brauch der beiden Possessiva nach latein. Muster erst in neuerer
Zeit aufkam, und dafs er deshalb nicht durchgreifen konnte, weil
er dem Geist der Sprache zuwider war.
2. Im Rumänischen richtet sich nämlich der Gebrauch der
beiden Possessiva nicht danach, ob sie sich auf ein Subjekt
innerhalb oder aufserhalb des Satzes beziehen, sondern
nach dem Begriffsinhalt ihres Beziehungswortes. Zum Aus-
druck des engsten Besitzverhältnisses dient säu, das posses-
sive Adjektiv; lui hingegen (ursprünglich reiner pronominaler
Dativ, taiäl lui =:^ la rei fille"^) drückt alle weiteren Beziehungen
des Begriffswortes zum regierenden Worte aus; es hat eine viel
gröfsere Begriffssphäre und kann in allen Punkten für säu
eintreten, aber nicht beliebig von ihm ersetzt werden. Dieser
Unterschied, der in keiner der Schwestersprachen zu so prägnantem
Ausdruck kommt, ist schon in den lateinischen Verhältnissen be-
gründet.
3. Denn während dem meus tuus nur in affektischer Rede
ego und tu gegenüber stehen, haben illius und eius ein gleich-
toniges nie, is neben sich, suus aber gar nichts. Also:
^ Ueber die Pluralia vgl. unten S. 443.
2 Vgl. ML. III § 42.
ZUR SYNTAX DES RUM. POSSESSIV-PRONOMENS 3. PERS. 425
meus Ullis Ulms eins sinis
III!
ego tu nie is
affektisch.
Als die spätere Latinität einerseits die Differenzierung von
nie und is vernachlässigte, daher die beiden Genetive ziemlich
gleichwertig verwendete, andrerseits ille als Personalpronomen der
3. Person verallgemeinerte, gab es für dieses zunächst immer
noch demonstrative Pronomen zwei possessive Ausdrucksweisen:
eine starke, demonstrative: filius Ulms (eins) = dieses, und
eine schwache, allgemein possessive: stius. Für dieses Zu-
sammenfallen der Pronomina der 3. Person spricht auch die That-
sache, dafs sibi als possessiver Dativ nicht nur reflexiv für suus,
sondern auch für eüis, und als Direktivobjekt statt tili, also über-
haupt als stehende Form für die 3. Person gebraucht wird. Belege
sind bei Venantius Fortunatus und in anderen spät- und mittel-
lateinischen Texten häufig: z, B. Ven, Fort. IV 15. 10 hntc sibi
palma place t sed tibi poeiia manet. V v 144 plaudere voce sibi. IX 10
cotiiurattis stitn sibi pollicitus, vgl. Fr. Leo's Sammlung Aut. Ant. IV
S. 413. Widukind Corv. 30 liberaliter cum coepit habere ac postremo
despotisata sibi filia nomine Gerberga affinitate parlier cum amicitia
iunxil eum sibi. Doc. priv. I 31. 41 ttnim sibi scriptum. Es ist
also nun:
7neus tuus suus illius {eius)
ego tu ille.
Der dynamische Unterschied zwischen ille und suus ist
gröfser als der zwischen ille und illius. Dieses Verhältnis kehrt
sich aber um, sobald ille seinen demonstrativen Charakter einbüfst
und mit ego tu gleichwertig neben meus tuus suus steht. Nun ist
illius überzählig und bewahrt seinen stärkeren Ton; es verdrängt
eius, und sein Begriff geht bei dem allgemeinen Verluste des Gene-
tivs auf den Dativ über, so dafs in illui das Respektivobjekt und
das Direktivobjekt formell zusammenfallen. ^ Im Plural geht infolge
dessen die analogische Entwickung vor sich, wenn auch nicht
formell, so doch begrifflich: Respektiv- und Direktivobjekt werden
in eine Form vereinigt, hier aber nicht auf den Dativ, sondern
auf den Genetiv, weil Ulis auf dem westlichen lui-Gehieie mit
illos, auf dem östlichen mit Uli (Nom. PI.) lautlich zusammentrifft,
daher diese Form für das Pronomen, welches den stärksten Ton
tragen soll, weniger geeignet ist als das für sich stehende illoriun.
Die Uebertragung erfolgt in umgekehrter Richtung als im Singular:
silluius — suus killorum — sui
^ illui ' Ulis
ille Uli.
1 Vgl. ML. III § 41, 45, 40, 55.
426 ELISli RICHIEK,
Da das pluralische Direktivobjekt (illis) nur eine Form für Fem.
und INIasc. kennt, so begreift es sich, dafs es dieses Verhältnis
auch in den neuen Casus überträgt, und so ist es vielleicht mit
diesem Vorgang in Verbindung zu bringen, dafs illarum auch als
Respektivobjekt aufser Gebrauch kam. Singular Genetiv und Dativ
sind schon früher lautlich zusammengerückt; im Plural blieben sie
getrennt. So verschwand illnius ganz vor ilhii^ während illis als
unbetojiter Dativ vertreten bleibt.
4. Hiermit ist das Gebiet von illui weit über das von stius
hinausgewachsen, und dem entspricht die Verteilung der Rollen
im Rumänischen, das bei seiner Vorliebe für den Dativ ihn auch
beim Pronomen unversehrt erhalten hat.' Die Verwendung von smi
und lui ist diese:
San drückt nur das reine Besitzverhältnis aus und steht in
erster Linie bei Verwandtschaftsbezeichnungen und bei Aus-
drücken für die Körperteile;2 es vertritt stets den subjek-
tiven Genetiv und findet sich nur bei Wörtern, deren begriff-
licher Inhalt als ein wirklicher konkreter oder abstrakter
Besitz aufgefafst werden kann. Es steht daher bei Begriffen wie:
bogätate Reichtum, impäräpe, scaunul Thron, ca%ä Haus, ale sah die
Seinen, sfäntul der Heilige, Hristosul der Gesalbte (Seh. 19. 7),
prepodohnicii die Heiligen, alesii die Erwählten, sämtlich Gottes;
desgleichen dracii in der Bedeutung Teufel, Dämon, während es
in der Bedeutung Feind, sowie sfdntid = der Schutzheilige auch
mit lui vorkommt. — tovara^ Gefährte, osta^ Feind, prietettü Freund,
wie die Vervvandtschaftsnamen ; — in vritnia sa (Ps. i. 3 bei Seh.,
Psalter 1586, Gaster 1*5, Dosoft.) zu seiner Zeit, seinerzeit, timptil
Zeit; mutare und apustd, nämlich soarelui Sonnenlauf, -Untergang
(Seh. 18. 6, 103. 19); — s/än{ia Heiligkeit, dedevärul Wahrheit,
slava Höhe, maniä Wut, jelaniä Unglück, necuräfmie Unreinheit,
marule Herrlichkeit; auch als Höflichkeitsform: iioi 0 am vhidul dumi-
sale (Gaster I 75. 20) wir haben es seiner Gnaden verkauft; am
onore de a vorbire cti Mariea sa (Alexi 280) habe ich die Ehre mit
Ew. Herrlichkeit zu reden. — lege Gesetz, giuraiul Eid, frumsefe
Schönheit, säe Durst (Seh. 103. \i),cärarile sale (Seh. 17, 46) ihre
(Masc. PI.) Wege, zece cuvintele sale (Intr. Crest. C. B. II 100. 11) seine
10 Gebote; — bolovani (Seh. 77. 58) Götzen, idolilor sai (Dosoft.
Via^a sfäntilor 21. 28) ihrer (Masc. PI.) Götzenbilder; — faptele
Thaten, päcatele Sünden, gresalele Fehler; — sufletul Seele, etate
Alter, soarte Loos. — Von der Vorliebe für sau bei Verwandt-
schaftsnamen zeugen die Kurzformen tatsä mäsä Vater Mutter.
5. Ltii dagegen steht, gemäfs seinen alten Funktionen:
a) als Dativ des Zieles (Zweckes) bei den Nomina agentis,
in denen der Verbalbegriff noch lebhaft gefühlt wird: urmas Nach-
folger, agnäorm Hilfe (Helfer), izbavitorni Erlöser, ucenicl Schüler,
speziell die Jünger (aber dede ucenicilor sat moldauisch, C. B. II
1 Vgl. ML. III §§ 41. 368.
ä Vgl. Philipide, Gramatica elementare SS. 70, 239.
ZUR SYNTAX DES RUM. POSSESSlV-rKOXOMENS 3. PERS. 427
106. 18, 107. 3) etc. Hier ist genau genommen lui Direktiv- be-
ziehungsweise Passivobjekt zum Substantiv, bei dem es steht, im
Anfang gewifs stark gefühlt. Vgl. hierzu die lateinischen Rede-
wendungen Jmc veniio (Terenz), quid tibi haue curatio (Plautus), iter
Italiam (Livius), reditus Romam, dotnum itio (Cicero), iutor liheris,
i?nperalor Romanis, in denen allen der Verbalbegriff noch voll em-
pfunden wird, wie eben das Vorhandensein eines Passiv- (Direktiv-)
Objekts beweist. Aehnliches in den romanischen Sprachen: die
substantivierten Infinitive mit ihren Passivobjekten im Italienischen,
Spanischen, Altfranzösischen, im Neufranzösischen Ausdrücke wie
la sortie du iheälre u. s. w.
b) zur Bezeichnung des Respektivobjekts zur Anzeige
der Verwendung für, der Beziehung auf. Nepartea lui = zwm.
Unglück für ihn, zu seinem Unglück; /;/ privinfa ei (Marianü, Nunta
505. 13) mit Rücksicht auf sie (die Hochzeitstafel), rücksichlich
ihrer, diesbezüglich; ireha lui zur Arbeit (Mühsal) für ihn, zu seiner
Plage; in pregiurul et in ihrem Umkreis, im Kreise um sie, und
so bei adverbialen Ausdrücken aus Substantiven, wonach die Ad-
verbien anlalogisch konstruiert werden. Vgl. ML. III § 39. Ferner
bei Wörtern wie mcepuiul Anfang, moartea Tod, via^a Leben (gegen
via^ä sa bei moldauischen Autoren, z. B. C. B. II 468. 2Q, und bei
modernen Schriftstellern, bei denen auch mörtea sa zu finden ist),
und in gleicher Bedeutung: aimii Jahre, dilele Tage (Seh. 77. 33),
frängeri (Seh. 59, 4), perirea Untergang, uciderea Tod (Vor. 42. 12),
vgl. hierzu: fiiiidu lui iubi^i (Yor. X 9, ebenso die Belgrader und die
Bukarester Bibel mit prileaiiiii) da sie seine Freunde (wörtlich seine
Geliebten) waren; — mormint Grab, locuitila Behausung und ähn-
liche Wörter, sofern nicht der veräufserliche Besitz zum Ausdruck
kommen soll, sondern der Aufenthaltsort: locuinfa n (Basme
9. 16), // line stib coriul lui ca pre tin membru aP fajniliei sah
(Alexandri, Cal. 66 — 67) er hielt ihn in seinem Zelte wie ein Mit-
glied seiner Familie; pre podoaba ei (Moxa 346. 28) nach ihrer Art,
c) als objektiver Genetiv: z.B. laudele lui ij^os,. S. 10. 164)
das Lob Gottes, d. i. das Lob, das Gott gezollt wird (im Seh.
passim), lauda el (nämlich Diieanil, Belgrader Bibel 1648), dorulü el
(Doine S. 31, LXV 8, 10) Sehnsucht nach \^x, fice acasta intru po-
mena ei (Matth. 26. 13) sie that es zu ihrem Gedächtnis (zur Er-
innerung an sie) u. s. w.
d) als partitiver Genetiv: z.'Q. parka lut = pars sui (gegen
pariea sa = sein Anteil, sein ihm gebührendes Teil), zn lipsa lui
= in Ermanglung seiner = in seiner Abwesenheit, despre oniul p
parfile lui (Alexi 227) über den Menschen und seine Körperteile,
de casa ^i par(ile et (230) über das Haus und seine Teile, »;«//«'
lorü viele von ihnen, adunarea und gloata Versammlung, sfatul lorü
Ratsversammlung.
e) es ist das betonte Possessiv im Gegensatz zu sau^
1 Vgl. oben S. 425.
428 ELISE RICHTER,
und steht in emphatischer Rede statt sau (so auch Tiktin,
Gram. II 49. i): ati e^it din cämdrä a/drä, ^i au j/iers' la cämära hü
(Gaster II 68. 34) er ging aus der Kammer und trat in seine eigene,
Car« nu voesce cä ji al(ii sä äibä parte de veselia Im (MarianO) wer
nicht will, dafs auch andere an seiner eigenen Freude teil haben,
Draga mi-i fata säracä || Ea ai mänä et se 'mbracä (bei INIarianü
N., 253) mein Liebchen ist ein armes Mädchen, sie kleidet (figür-
lich für ernährt) sich selbst = mit eigener Hand. In dem Hoch-
zeitsliede S. 581. 6 bei Marianü heifst es:
— sä viergä fiecare
Cänd acuvia este 'n siare
La a Im casä
Ce-i de Dumnedeü ali^ä.
Sä mergä care-^i la casa sa etc.
Dafs jeder, wenn er nun in der Lage ist, in sein eigenes Haus
trete, welches von Gott ausgewählt ist, dafs jeder in sein Haus
gehe. Basme XIX wird geschildert, wie den armen Negoie das
Unglück verfügt; ausschliefsliche Verwendung von lui: de venea apa
mare, aräturile lui le ineca (206. 9) kam ein Hochwasser, so über-
schwemmte es gerade seine Aecker; de bätea piatra holdele, apöi pe
ale Im le amesteca cu pämentulü (11) fiel ein Hagel auf die Saaten,
dann machte er gerade seine dem Erdboden gleich; ha läcuste,
ba potopu, ba töte rekle numai pe capulü lui cadeä (15) ob Heuschrecken,
ob Sindflut, alles Ungemach fiel nur gerade auf sein Haupt u. s. w.
Basme 120. 8: ^i fititindü ochii in ochü et (seine) Augen in die ihren
heftend, vgl. dazu Basme v. Creanga (Gaster II 34g. 12 — 15),
Megl: Möinista ao tn'mfsi si lui f§ta (VI. Megl. 62. 14) morgens
hat er auch seine Tochter geschickt; la lux ff^" • • • ^^^ l^f ^^^l^
(59. 5) seine eigene Tochter . . . aber die andere. Vota lui = Sein
Wille, nämlich Gottes, in den biblischen Schriften sehr häufig;
mit feinem Sprachgefühle hat der Verfasser des Scheyanu dies zu
einer Reihe stilistischer Schönheiten verwertet, die anderen Ueber-
setzer der Psalmen folgen ihm: „Sein" im Gegensatz zu den
Menschen; kiema^i nwnele lui (Seh. 104. i) ruft Seinen Namen; ^i
spuserä ceriurele dereptate lui (49. 6) die Himmel verkündeten Seine
Gerechtigkeit; vrätutea lui Seine Macht (passim, speziell 45. 4, gegen
7: dede glasul säu Susul der Höchste liefs seine Stimme ertönen,
wo natürlich der ganze Accent auf Susul liegt). Inträmu in fsatele
lui, inkinämu-nä in locu io stätu7'ä picoarele lui (131. 7) ^^'^'^ wollen
in Seine Wohnung treten, wir wollen uns vor dem Orte verneigen,
wo Seine Füfse standen; vgl. noch 150. i — 2, 131. 15 — 18, 117.
I — 4 u. s. w., wo gröfsere Reihen von Beispielen. Caraile lui Sein
Weg, lege lui (Dosoft.), nece se aflä miinciuri in rostulü lui (Vor. 150. i)
in Seinem Angesichte findet sich keine Lüge, cmne nu alle talle ^i
alle hü suntu (Cantemir 126. 16) da sie ja nicht dein sind, sondern
Sein. Hingegen säu von Gott zum Ausdrucke des von ihm Ge-
schaffenen, in seiner Macht Stehenden: die schon envähnten sfäntul,
Hristosul, cuvintele etc., dann noch arcul säu Sein (Regen-) Bogen
ZUR SYNTAX DES RUM. POSSESSIV-PRONOMENS 3. PERS. 429
und stets oatnenii sai Seine Menschen (ausgenommen bei Coresi,
Deuteron., Gaster I 16. 43, vgl. unten S. 441), die dadurch so recht
als Sein Eigentum, Seine Geschöpfe gekennzeichnet werden.
6. Für einzelne Wörter ergiebt sich ein verschiedener
Gebrauch von lui und säu, je nach der verschiedenen,
wenigstens nuancierten Bedeutung, die ihnen gegeben werden
kann: sfatul sau = sein Rat (vgl. hinirti ?n7i(ähpciutie sfahirihr
sali (Prosa -Odyssee, Gaster II 82. 26) durch die Weisheit seiner
Ratschläge; sfatul lor = ihre Versammlung {ayoQo), serhil
[robii, slugif) sai = seine Sklaven, ^erbn Im seine Diener;
na^tirea hiz = seine Geburt, dagegen na^ lere sa: au e^iiü diniru
nähtet e-sa (Begräbnisformel, Gaster I 184. 7) er ist aus seiner Werde-
zeit, aus seinem Leben gegangen ;i kä easie diu ostrovul Satnos de
Harter ea sa {== Herkunft, Gaster I 143. 8) denn er ist aus der
Stadt S. gebürtig;^ hi locul hü = an seiner Stelle = anstatt
seiner (übertragener Sinn), aber: m ceasul acela, nime diiiire noi
nu-fi ar fi dat locul seil nici rnäcar pe im tron (Alecsandri, Primbl. 4)
in dieser Stunde hätte keiner unter uns seinen Platz hergegeben,
nicht einmal für einen Thron = seinen wirklichen Platz. Oder:
Caracterisiica: . . . care va fi aci la locul stu (Hasdeu, C. B. II 185. i)
die Charakteristik, welche hier an ihrem Platze sein wird; in urma
lui auf jemandes Spur, nachfolgend: promwiele conjunctiv are
locul seü fixat parte viaintea verbuhü parte in urma hü (Tiktin,
Gram. II 115. 28) das unbetonte Pronomen hat seinen Platz teils
vor teils nach dem Verb; aber urma sa die eigene Spur: ohi-
ceiul vechiü a läsat urniele sah in unele construc^ium (Tiktin
II 116. 7) der alte Gebrauch hat in einigen Konstruktionen seine
Spuren hinterlassen. Rodul säu = seine Frucht wird in Bezug
auf den Baum gesagt, rodul lui in Bezug auf den Menschen, dem
die Frucht als Ertrag des Baumes, oder figürlich als Ertrag seiner
Arbeit zufällt; apele lorü ihre Gewässer (Seh. 104. 29), nämlich der
Menschen, und so die ganze in den Versen 29 — 38 aufgezählte
Reihe ; hotarele Grenzen, fara Erde, ceta(ile Städte, vinile Weinberge,
smokinele Feigen etc., wo kein persönlicher veräufserlicher Besitz
gemeint ist, sondern das im allgemeinen den Menschen zufallende
irdische Gut, das ihm mifsraten oder Vorteil bringen kann.
7. Zu all diesen ererbten Funktionen tritt nun in leicht be-
greiflicher Weiterentwicklung sekundär die Verwendung von lui
in rein possessivem Sinne, so dafs es statt säu gewissermafsen
in beschränkter, abgeblafster Bedeutung gesetzt wird, auch
wo gar keine Begriffsnüancierung beabsichtigt ist. Diese Wandlung
ist vor der Zeit der ältesten erhaltenen Schriftdenkmäler vollzogen,
daher Beispiele aus allen Perioden zahllos. Ein bezeichnender
Schreibfehler findet sich bei Moxa 369. 17: Zinoml, tatälü säu Leontü
statt: Zinonü, Vater des Leontü. Hasdeu verweist darauf: seu m
^ Gaster übersetzt: Heu de naissance (II 480).
2 In Gaster's Glossar nicht berücksichtigt.
430 ELISE RICHTER,
loc de Uli (C. B. I 425). Es liegt also ein doi^pclter Irrtum vor,
indem statt des proklitischen hii (Artikel !) das enklitische sau gesetzt
wurde; dies konnte leicht geschehen, wenn säti und /ui nach. /a/ä/ü
gleichwertig waren. 1
8. Aber säti verschmilzt viel enger mit seinem Beziehungs-
worte als Im; es verdrängt häufig den Artikel, bei Verwandtschafts-
namen im Singular ersetzt es ihn geradezu. 2 Denn taiä-säu, ma-sä
u. s. w. sind nichts anderes als „der Vater" u. s. w.; soll das Pos-
sessivverhältnis im geringsten betont werden, so tritt /ui ein, z.B.:
fäcendu-l-se rnilä de nenorocirile lui, li fägadui cä va vorbi fiului ei
de densulü. Cum veni fiulü sau u. s. w. (Basme 123. 28) Da sie mit
seinem Unglück Rlitleid hatte, versprach sie ihm, mit ihrem Sohn
von ihm zu reden. Als der Sohn kam. — Im Märchen wird der
Mensch gewöhnlich nur nach einer Seite hin charakterisiert, der
eine ist nur Vater, der andere schlechtweg Sohn. So im deutschen
Märchen, wo „ein Vater" „einen Sohn" hat, die im Verlaufe der
Geschichte nur noch der Vater, der Sohn heifsen; nicht anders
im Rumänischen. Tatä-säu ist eine Worteinheit, wird auch oft grofs
geschrieben, wie ein Eigenname (Basme 18. 12, g. 27 u. s. w.). In
der Pildä von Golescü „Prietenul cel adeväral" der wahre Freund
(Gaster II 255 — 56) sind die handelnden Personen tatä-säu, prietenü-
säu und fiiolü-säu : ^i intorklndü-sä m apoio spuse tatine säu. Tatä-
säu äi dice u. s. w. (256. 5) Zurückkehrend sagte er es dem Vater.
Der Vater sagte. Atutici parmtele däscoperi priele7iului säu iucareia
ce a facut ca sä tncerce pä prieteni fiiolui säu; ^i ijice catre fiiol säu
(12) u. s. w. da entdeckte der Vater dem Freunde den Scherz, den
er gemacht hat, um die Freunde des Sohnes zu erproben, und er
sagte dem Sohne. Se vidi wipotrivi tatä-seü, se mai codi; dara
fiiä-sa ilu birui cu rugäciimile (Basme 15. 7) der Vater widersetzte
sich sehr, zögerte lange; aber die Tochter überwand ihn durch
Bitten. Also seu bezieht sich innerhalb desselben Satzes auf ver-
schiedene Personen und zwar auf ihr gegenseitiges Ver-
hältnis. Ebenso arom.: frate s°u (Arom. S. 258. 3, 4) und die
nicht pleonastisch zu fassenden Formen nf sa lui (S. 242. 7) seine
Mutter; nf sa a h°sil°idui (242. 21, 248. 21) die Mutter des Königs,
es handelt sich blofs um diese Mutter, also ist an eine gegensätz-
liche Betonung nicht zu denken; doninu su a agrului {22\. 17) der
Herr des Ackers; domnu su a eapel'ci (226. 2:^ der Herr der Stute,
oder megl.: kon stet§ a vioai" iso v°mpiru diu kos iimdi si v§ skuns
^i ao m°nkö ^i vium" sa (VI. Megl. 64. 5) als sie (die Mutter des
jungen Mädchens, das der Werwolf gefressen hat) bei der Mühle
stand, kam der Werwolf aus dem Korbe, wo er sich versteckt hatte,
und frafs auch die JNIutter; vgl. auch daselbst 70. 22?- Hier be-
/ ^ Vgl. Philipide, Gram. El. 239.
2 Vgl. ital. /a viia casa gegen inia madre und i miei genitori, sowie das
Obwald.
^ Weigand läfst in der Uebersetzung Artikel und Possessiv in bezeich-
nender Weise wechseln.
ZUR SYNTAX DES RUM. POSSESSIV-PRONOMENS 3. PERS. 43 I
steht natürlich gar keine Absicht, das possessive Verhältnis fort-
während zum Ausdruck zu bringen. Prietenü sau, donmu su u. s. w.
sind gleichwertig mit prietenul, donimil. Auch im Volksliede steht
viumä-sa für die Mutter:
^i mamä-sa ei dke
fz mamä-sa ii totu dice
^i mamä-sa ii (/tce
Le! inceiü, mcetü fiica mea!
(bei Marianü, R, 487) Und die Mutter sagt ihr, und die
Mutter sagt ihr alles u. s. w. sachte, sachte, meine Tochter. Oder:
Pentru-acea va läsa
fiulü pre tatälu-sett
st pre frate-scü
si pre mumä-sa
^i pre sorä-sa
^i se va lipi de tmierea-sa
{Jertaciune bei Marianü, N., 57 6 ^ 21) darum wird er Vater und
Mutter verlassen u. s. w, und dem Weibe anhangen. 1 In den Doine
ist Verwendung der Verwandtschaftsnamen ohne Possessiv häu-
figer, ebenso in den Cintece moldovene^ti und im J. R.: zi tu
lu gospodqr ke i porc (R. Jb. I 134. 13) sage deinem Herrn, dafs er
ein Schwein ist; isoße Va dqt pines (140. 2 — 3) der Vater gab ihm
Geld; de rusire n a poiiä aralq se lu ömiri, se nu mes aw kqsg l<Ptre
mul'tr (152. 5) vor Scham konnten sie sich vor den Männern nicht
zeigen, sie gingen nach Hause zu ihren Frauen. Arom. seltener:
lat" nu aved, m° sa aveä (Arom, S. 240. i) einen Vater hatte er
nicht, eine Mutter hatte er.
9. Hatte nun aber die Sprache neben der Reihe ?}iihi tibi
sibi in ererbt gleicher Funktion die Reihe mihi tibi illui mit so
aufserordentlich erweiterter Begriffssphäre des letzteren, so wäre
es erstaunlich, wenn die i. und 2. Person diese Funktions-
erweiterung nicht nachgeahmt hätten, um so mehr als sie
über die gleichen grammatischen Mittel von vornherein verfügten,
und thatsächlich finden wir im Altrumänischen eine kleine Reihe
von Beispeilen, die den Beweis geben, dafs sie sie nachgeahmt
haben. Die meisten von ihnen stehen im Scheyanu, der ja auch
die reichlichste Gelgenheit dazu bot: giudefu mie ^i pärä mie (9. 5)
Judicium meum et causam meam; Domnul vrätuie mie f/ scäpare
mie f/ izbävitoriu mie, . . . agiutoriu mie . . ., scut mie ^i cornu späseniei
viele (17. 3) Herr meine Kraft und meine Zuflucht und mein Er-
löser, . . . meine Hilfe . . ., mein Schild und Füllhorn meiner Erlösung ;
1 An diese rumäuischen Verhältnisse erinnert manche mittellateinische
Stelle mit ihrer Häufung von Possessiven, z. B. Hecuba ergo narravit ....
quae gesta fuerant .... pro disponsioneni filie suae Priamo viro suo et
Alexandri filio suo. Alexander vero dixit patri suo u. s. w. (Historia Daretis
Frigii 198); Jordanes: mortuoque Athalarico mater sua Theodahadum con-
suhrimivi suum regni siii participein faciens 48.13 u. s. w.
432 ELISE RICHTER,
man beachte das hohe Pathos, mit dem der Psalm einsetzt und den
Wechsel zu ine bei späsetüa, das auch lieber mit sa auftritt. Vgl.
allerdings sängele lui Hs. pre spaseme noao (C. B. II 123. 17); agiu-
iorlu viie (21. 12, 29. ll, 34. 2); inväfäturä mi'e (1x8.97. 99 u. 143)
meditatio mea. Fu Domnul rädicätoriu mie (17. 19) der mich auf-
gerichtet hat, in ne-färä-mente mie (21. 3) in meiner Gedanken-
losigkeit (= ad insipientiam mihi), tu e^li fugire mie de scärbi
(31. 7) du bist meine Zuflucht vor Kümmernissen, mvarto^are mie
^i fugire mie e^ti tu (70. 3) meine Stärke und meine Zuflucht;
vieserere mie ^i scäpare mie, agiutoriu mie ^i izhavitoriu mie (143. 2)
mein Erbarmen und meine Zuflucht, meine Hilfe und meine Er-
lösung; agiuioriülü mieu e^ii ^i scapaire mie (90. 2, bei Coresi agiu-
ioriülü mie u. s. w.) ; desusü pus ai upuväinia //i? (90. 9) altissimum
posuisti refugium tuum; agnitoriu f/ scut noao easie (32. 20); agiu-
toriu mie (34.2, 58. 18, 21.12, mit noao 45.12, 61.9), scut mie
(30. 5), feritor'iu ?nie (58. 18) susceptor meus, deul noao scäpare p
silä (45. 2) refugium et virtus. Hierzu kann man auch setzen nu
lua sufietul mie (140. 8), das Bianü zu mieu ergänzt. In anderen
Schriften: Siliöanu voao credinnciosulu fratele (Vor. 164. 1 1) S., euer
gläubiger Bruder; in der Bukarester Bibel celu credhiciosü voao f rate,
celora ce vorü face pomena mie (C. B. II 155. 10) die mein Gedächtnis
feiern werden; singele mieu de lege noao (107. 4); doarä mi s' arä
deskide okii mie (150. 8) vielleicht werden sich mir meine Augen
öffnen; sa fii domnä mie (153. 14); eu sämtu . . . botezatä in numele
mie Sfänta Vineri (147. ii) ich bin auf meinen Namen S.V. getauft
(Ha.^deu teilt mi-e). Hingegen ist dotnnul mie agiutoriu (Seh. 117. 7),
wie an der Stellung des fnie ersichtlich, ein elliptischer Satz, tnie
also betonter Dativ des Zieles in possessivem Sinn (vgl. unten
§ 13. V), ebenso Dottinul laste mie agiutoriu (Gaster I 229. 9), cire
noao Domnu laste (Seh. ll. 5), etwa wie curäfi lui stricäciune (Matth.
8. 3) er heilte ihm den Aussatz. Die Stelle pizmasil miel ziserä
reale mie (Dos., Prosaversion d. Ps. 40. 5, Gaster I 248) läfst nicht
erkennen, ob hier reines Direktivobjekt vorliegt oder objektiver
Genetiv (§ 5c), da es rein sprachlich ebenso gut bedeuten könnte:
„sie sagten mir Böses" als auch „Böses wider (für) mich". Seh.
und Coresi: dracii miei diserä reu mie, wie cei ce ceru reu mie (70. 20)
die mein Unheil suchen.
Es sind nicht viele Beispiele, alle für Possessiv als Respektiv-
objektiv oder für emphatisches Possessiv (§ 5 e), fast alle aus der
ersten Periode der Schriftsprache, dann schwinden sie ganz. Eine
letzte Spur einer Differenzierung nach dem Muster von sau und
lui sind die Formen tatä-mieu, sorä-ta wie mit seu, während rnieu,
tau sonst artikuliertes Substantiv haben wie luL
10. Ueberblickt man theoretisch das Rüstzeug des Rumä-
nischen an possessiven Ausdrücken, so wäre die naheliegendste
Erklärung für den Schwund von mie p'e als Possessiva die, dafs
die ausdrucksvolle Redeweise des betonten Possessivs verdrängt
worden wäre durch die noch ausdrucksvollere mit pleonastischem
Zur SYNTAX des RUM. POSSESSIV-PRONOMENS 3. PEKS. 433
unbetontem Dativ die, zwar prägnant, aber doch etwas schwer-
fällig, ihrerseits dem einfachen unbetonten Dativ Platz machte.
Der Gedanke liegt um so näher, als der Gebrauch der Possessiva
der 3. Person durch Eindringen des unbetonten Dativs vom Beginn
des 17. Jahrhunderts bis zum 19. in der Volkssprache um mehr
als die Hälfte herabgedrückt worden ist. Es wäre leicht begreif-
lich, dafs die i. und 2. Person gerade in einer emphatischen Aus-
drucksweise vorangehen, so dafs wir für sie zu Beginn der Schrift-
sprache einen fast abgelaufenen Prozefs vor uns hätten, während
bei der 3. Person die Wandlung sich vor unseren Augen vollzieht,!
durch Einflufs der Schriftsprache aber und deren gröfsere Kon-
servativität nicht zum Abschlufs gelangt, vielmehr auf halbem Wege
erstarrt. Hiergegen sprechen nun aber die im 16. Jahrhundert vor-
handenen Verhältnisse, wenn man eine auch nur beiläufige Statistik
aufstellt, die allerdings mühselig und dadurch schwierig ist, dafs
die inhaltliche Verschiedenheit der Dokumente die Bevorzugung
bald der einen, bald der anderen Person mit sich bringt. Um das
schon so vereinzelte Auftreten von mie u. s. w. als Possessiv zu
rechtfertigen, müfste der pleon astische resp. der einfache un-
betonte Dativ in der i. und 2. Person schon unendlich häu-
figer sein, als thatsächlich der Fall ist. In Wahrheit ist der un-
betonte Dativ in der i. und 2. Person gar nicht erheblich häufiger
als in der 3., und was noch wichtiger ist, er tritt überhaupt erst
zu Ende des 16. Jahrhunderts etwas häufiger auf.
II. Auch der Ableitung des einfachen unbetonten
Dativs aus dem pleonastischen stellt sich nicht nur die
Schwierigkeit entgegen, dafs beide fast gleich häufig auftreten, der
einfache eher öfter als der pleonastische. Dies könnte ein Ueber-
gangsstadium andeuten und bei der Unbeholfenheit der ersten
Autoren keinen bindenden Schlufs auf die gesprochene Sprache
gestatten. Thatsächlich ist der pleonastische Dativ beim Pos-
^ Die ältesten, nicht zahlreichen Beispiele, in denen unbetonter Dativ
und Possessiv zugleich auftreten, sind: Beim Objekt: Matth.: lua-^-vor plata
lor (6. 2) sie werden sich ihren Lohn nehmen; a-^L Ina vesmintele lui (24. 18)
sich sein Kleid zu nehmen; zece fete ce-si luarä lumanarile lor (25. l) zehn
Jungfrauen, welche sich ihre Lampen nahmen; sa-si ea cruce lui (16. 24) dafs
er sich sein Kreuz nehme; nu ve grijire^i sufletele voastre (6. 25) bekümmert
eure Seelen nicht; va tncepe a ^i bäte sotä-lui {24. 49) er wird anfangen, seine
Mitsklaven zu schlagen. Vor.: irivratosati-va tnremile voaslre {l^^. I, ähn-
lich 132.6) stärkt eure Seelen; si ti spala päcatele tale (41. lo) wasche dir
deine Sünden ab; ^i-^i lega picioarele sale (27. 4) und sie binden ihm seine
Füfse. Moxa: le puse lege lor (346. 36) er gab ihnen ihre Gesetze. Le-
gen da Dumnicei: cela ce nu-s va lasa lucrtil sau (C. B. II 47. 15) der nicht
seine Arbeit lassen wird. — Beim Subjekt: era le lor ochil tngreoea ll (Mnith.
26. 43) die Augen waren ihnen schwer; sä le fie lor direpta ocina ^i moste
lor si nepotilor lor (Doc. V, C. B. I 28. 5) dafs es ihr rechtmäfsiges Erbteil
und Gut sei und das ihrer Nachkommen (ähnlich Doc. XXIV, ebd. 136. 9); sä
le fie lor satul . . . lui ci feiorilor lui (Dor. XXV 145. 7) dafs es ihr Dorf
sei, ... seines und das seiner Kinder; lorü le era via^a (Moxa 355. 20).
Zeitschr. f. rom. Phil. XXV. 28
434 ELISE RICHTER,
sessiv jetzt ziemlich aufser Gebrauch; wenn er vorkommt, so findet
er sich beim Direktivobjekt (//«-a daiü mie).
Ein gewichtigerer Einwand ist der, dafs beide Typen des un-
betonten Dativs schon im Lateinischen zu finden sind. Aus-
gangspunkt ist mihi est im Sinne von habeo. Diese Wendung be-
zeichnet im klassischen Latein nicht den dauernden, sondern den
zufälligen Besitz, esse kann also durch ein Verb des Zukommens,
Zufallens ersetzt werden. Es giebt dementsprechend viele Fälle,
in denen nicht klar geschieden werden kann, ob der Dativ noch
beim Verb oder schon beim Substantiv steht, d. i.; ob er der Casus
der Person ist, auf die die Handlung zielt (Direktivobjekt),
oder der Casus der Person, auf die die Handlung wirkt, ohne
auf sie zu zielen (Dativus ethicus oder energicus oder sonst wie
benannt): Aen. 8. i6o: tum mihi prima genas vesiihat flore; Lucrez
I 924: simul incussit suavein mi 171 pecius amorem\ Properz II 5. 21:
nee tibi periuro scindam de corpore vestem (nicht ganz rein, da
tibi eine Apposition hat); Liv. 44. 3.8: quae res accendii iis animos.
Bei späteren Autoren: Venantius Fortun. I 7. g: ut loca milla
negent, quo tibi fesia sonent', V 5. 132: qiii Christo adquirit quod
sibi munus erit? Friedr. Leo (Monum. Germ. A. A. IV S. 413)
zählt dies unter die Fälle, ' wo sibi statt Uli steht; durch die pos-
sessive Bedeutung ist der Wechsel noch leichter erklärt. VI 2 : hos
sibi participes per pia vota facit. Gesta Theoderici regis
203. 15: aliquanios sibi satellites assumii. Fredegar: 106. 33:
copulans Waldetradam sibi uxorem = sich zum Weibe oder zu
seinem Weibe verbindend; 95. 18: si tibi potuero Francos pla-
care = deine oder für dich; 150: tmiversas sibi subditas gentes.
Daneben sind schon im klassischen Latein Fälle, in denen un-
zweifelhaft mihi den Possessiv ausdrückt. Den Uebergang machen
vielleicht die Sätze, in denen zum BegrifFswort ein Prädikat tritt,
so dafs est die Copula zwischen Subjekt und Prädikat wird und
mihi allein steht: Bucolic. 7. 9: caper tibi salvos et haedi\ Tibull.
2. 5. 121: tibi sint intonsi, Phoebe, capilli', 2. 7. 4: mollis sit mihi
somtius; Ca tu 11. 64. 330: quae tibi ... mcntem perfundat. Oder das
Begriffswort ist in prädikative Stellung gedrängt: haec mihi sunt
divitiae (Gesta Theod. reg. 208). Mit anderen Verben: olli dura
quies oculos et ferreus urget somntis Verg. X 745; 0 mihi tum
quam molliter ossa quicscant Buc. X 33; flet sibi de?nenles tarn va-
luisse manus Tib. 1 10. 56; non tibi barba nitet, 7ion tibi culta
fö»2öj/ I 4. 4 u. s. w. Aus späteren Autoren: Eugippius (V. Sev.):
cuius habitatores unicum sibi remedium fore crcdiderunt, ut 8. 7;
reddi sibi unicum filium precabatur incolumem 10. 32; ad ... .
augmentum salvatoris mihi dona proficiajit g. 37. Caesar von
Arelate: tmusquisque sibi vi tarn aeteriiam sicut in corpore suo in
saeculo isto egit vel 7neruit, ita rccepturus erit in Uta die iudicii, boni
bona et mali mala 211. Martin v. Bracara: Domno beatissimo
ac mihi desideratttissimo in Christo fratri l. i. Vulgata: cogita-
bant mala mihi (Ps. 40. 5). Ausonius: tertius horu7n 7fiihi non
ZUR SYNTAX DES RUM. POSSESSIV-PRONOMENS 3. PERS. 435
magister (Commemor. professor. 9). Jordanes bist. Rom.: qua
felicitate sibi Totila comperta 51. 16; qiwd tentiis mihi est Spi-
ritus 53. 8; Hist. Get.: nee ... cognoscent ex vicina loca sibi vintim
negotiaiites 127. Q. Venant. Fortun. III 17 dum tamen alta peto
resonet mihi in aure Gallus gesta beata viri] IV 143 patuit quatti
sit tibi celsa potestas; IX 10 coniiiratus sum sibi pollicitus', V. Mart.
IV 677 hinc tibi Brinta fluens iter est; I 34 7ion praetexta mihi
rutilai toga\ II 410 lectio nunc resonans sibi^ ?iunc oratio currens
(bald ertönt sein Lesen, bald fliefst sein Gebet dahin). Leg es:
Formulae Andecavenses 5. 26 domno mihi illo necnon et coniux sua
itla; Form. Visigothicae 579. 6 Dominis sanctis ... et post deum nobis
fortissimis patronis. Marculf 73. 35 Deo sibi teste. Fredegar 79. l
ut ipswn sibi adoptarent in filium\ 131. 19 saeva Uli fuit contra per-
sonas iniquitas; 250 testatus fui tibi; 96. 18 ut melius Constantinopole
mihi argentum mercaret; 96. 43 Theudorus credetarius sibi puer (auch
96. 19); 85. 22 ff. si imperatur effectus fuero, tu mihi eris agusta . . .
si soror mea tibi agusta . . . scias inter me et Antunia placuisse, si ego
ejficior imperatur, ipsa sit mihi agusta. Gesta Theoderici (ex
Aimonio hausta) 211. 3 iiatumque puerum sibi adoptant in filium;
210.34 "videt ab uinbilico sibi procedere arborem. Widukind aus
Corvey: peytes meliores vero nobis unctio et diadema sit (26); quid
si de isto pulvere siniun tibi impleo (v. 1.: tibi sinwn) (5); Thiadricum
unguni sibi in regem (9); se tibi non do?ninutn sed amicum demandat (9).
Schreiben Innocenz' III. 1202: quem Jh. Chr. domi7ius noster vicarium
sibi subsliluit (Doc. priv. I 6). Abtretungsakt des Grafen Celü 1265:
servata et retetita sibi proprietate (Doc. priv. I 2. 80).
12. Nun zeigt aber auch das Lateinische mitunter eine pleo-
nastische Verwendung des Dativs: mea mihi ancillas (Rudens
712); tuos tibi servos tuo arbitratu serviat (Bacch. 992); suas sibi
segetes (Cic. Verres III 69); panem autopyron de suo sibi (Petron. 66);
cum sua sibi natione (Minutius Felix). Nach Landgraf kommt diese
Form seit dem Ende des 2. Jh. häufiger vor; es ist mir nicht ge-
glückt mehr als einen einzigen Beleg in mittellateinischen Autoren
zu finden: domno mihi iocali meo illo (Form. Andecavenses 4. 23).
Bei dem Mangel an älteren rumänischen oder lateinischen
Denkmälern aus Rumänien können wir nicht beurteilen, inwieweit
das Rumänische selbständig vorgeht oder ererbtes Gut bewahrt.
Der übereinstimmende, wenn auch quantitativ verschiedene Ge-
brauch des unbetonten Dativs in allen Sprachen läfst auf Erbgut
schliefsen. In diesem Falle lagen alle bisher erwähnten Formen
nebeneinander, und jeder Autor traf nach eigenem Belieben seine
Auswahl.
13. Mit dem Reichtum des unkultivierten Idioms, das noch
keine einheitliche Prägung zu litterarischem Gebrauch erfahren hat,
verfügt nämlich das Rumänische um das Jahr 1600I über nicht
weniger als XI verschiedene Typen, im ganzen 18 Möglich-
* Die später auftretenden Formen sind in [ ] gesetzt.
28*
436 ELISE RICHTER,
keiten, das Possessivverhältnis für die 3. Person auszudrücken; für
die I. und 2. Person sind einige Einschränkungen zu machen, vgl.
§ g. Sie sind:
Einfache Formen.
I. sau.
i) a) mit unartikuliertem Substantiv:
domnu-säu, iaiä-säu, fraiesu (Megl.), istr. seT koV ihre Pferde.
2) b) mit artikuliertem Subsantiv:
sfäntul sau (Seh. 104. 42), glasul sau (Vor. 43. 5), pämäniul va
da hasna sa (Levit. 4, C. B. I 6) die Erde wird ihre Frucht geben,
fiul sau (Moxa 350. 31), imäerea sä, urekile sah (Seh. 57. 5), gresa-
lele sah (Seh. 67. 22), sufletulü sau (Vor. 162. 1).
[In den Basme passim; arom. elfrate s''u (Arom. S. 258. i).]
[3) c) mit 0:
Da feminine Beispiele grundsätzlich ausgeschlossen bleiben
müssen, nur ein einziges Mal: Oammt a sai (Seh. 14g. 4), wo es
aber ein Schreibfehler sein könnte. Coresi hat an derselben Stelle
Oamini sai, vgl. hierzu das S. 42g Gesagte. Bacmeisters Ansicht
(R. Jb. IV 71. 22), dafs die zu a lui analogisch gebildete Form
a seil allgemein rumänisch gewesen sein könnte, ist auch bei
ihm nur auf dies eine Beispiel aus der Litteratur gestützt.
[Gewöhnlich ist a bei seu hingegen im IR.: a i§le dou su7°r
(R. Jb. I 130. 11) deine beiden Schwestern; vot "sie amel' (128. 15)
ihr seid die meinigen; und so auch: ke vor m§re saki diu ase osir
(150. i) dafs jeder seinen Esel mitbringen wird; ase fili (Rom.
XXI 253. n).]]
4) d) mit al:
scauntd sfäntu al sau (Seh. 46. g); hogatate a sa (48. 7); milä
a sa (105. 45); cu al säu prefu (Vor. 105. 10) mit seinem Werte.
\cu al säu närav (Cond. uvae 64) durch seine (schlechte) Ge-
wohnheit.]
n. lui.
5) a) einfach:
perirea lui. luna nu va da lumina ei (Matth. 24. 2 g) der Mond
wird sein Licht nicht geben.
[IR.: la lui mqia (R. Jb. I 128. 17) zu seiner Mutter.]
In der alten Sprache mufs das Substantiv vor lui nicht artiku-
liert sein: rane loru (Seh. 63. 8) ihre Wunden; jiedereptale lor (72. 7);
dereptate lui (104. 45); aglulorlu lor (77. 35).
6) b) mit a:
locul sfäntu a lui (Seh. 23. 3); numele sfäntu a lui (104. 3) sein
heiliger Name; unu hoiarinü a lui (Moxa 366. 8) einer seiner
Grofsen, vgl. Hasdeu (C. B. I 424), wo viele Fälle von a nach
Masc. verzeichnet sind, a aber als fem, Artikel und die ganze
Wendung als unregelmäfsig bezeichnet wird.
[Im Arom. die weitaus geläufigste Form: sur^rile a Vei (Arom.
S. 242. 7. 6); fratele a n'ou (258. 3. 4) mein Bruder; di p^razVi a
ZUR SYNTAX DES RUM. POSSESSIV-PRONOMENS 3. FERS. 437
/"/ (220, 2. 5) von deinem Gelde; trä stiapsiUe a lui (Rumun. Unter-
suchungen XVIII 4) wegen seiner Sünden.]
7) c) mit al:
cu al lor aivänifi (Doc. XV, C. B. I 88. lo) mit ihrem Wort;
unü fecorü alü micii (INIoxa 368. 34); alii ei saiu (C. B. I 127. 3) sein
Dorf; cu ai lor ochi (INIatth. 20. 34) mit ihren Augen; dupre al lui
lucru (Gaster I 44. 14) nach seiner Arbeit; a ei plinire (Corbea, Ps.
4g. 1 1 bei Bianu) ihre Fülle.
III. Unbetonter Dativ als Vertreter des Possessiv-Pro-
nomens.
8. a) Enklitisch (eventuell proklitisch) am gramma-
tischen Wort oder am Verb.
Meistens reflexiv:
jö-f pe Moldovenul ino^ia (C. R. I 5g. 2) dafs der Moldauer
sein Gut behalte; se-ti tnnqi capiilii (Vor. 30. 14) dafs du dir das
Haupt scherst; ciinre esci ce ^i osändesci soptltt (130. 3) wer bist du,
dafs du deinen Bruder tadelst; elü §ü ucise un /rate (Moxa 352,1g)
er tötete einen seiner Brüder; Ce ^1-au blestemat pärinlil (C. B. II
324. 2g) die ihre Eltern verflucht haben; aiimce si e^i dimomilü
(Dosoft., Via^a Sf. 2g. b. 21) da verliefs sie ihr Dämon, vgl. Lacea
in R. Jb. V g2, der ^i in diesen und ähnlichen Fällen für bedeu-
tungslos hält.
[IR.: tu mi ai opinisile Iqt (R. Jb. I 142. 5) du hast mir die
Opanken genommen; OlWal.: tii inirarä oile tu agru (OlWal. I 7)
meine Schafe brachen in den Acker; 711 am dzonile tu xeane (XIII 4)
mein Schatz ist in der Fremde.]
Nicht reflexiv:
tt'au avut puiere sä-i plätesca capul (C. B. I 52. 8) sie hatten
nicht die Macht, sein Leben loszukaufen; deaca-i vaztira Rumleanii
viatä porceascä (Moxa 35g. g) als die Römer sein schweinisches
Leben sahen; cä-i cuno^tea i?i stcale (Moxa 366. 16) Leontie erkannte
in den Sternen seiner Tochter; taiali-i capul (C. B. II 155. 3) schnei-
det ihm den Kopf ab.
\ti-a venitü iubitulü la pörta (Volkslied bei Marianü N. 4g i. 3)
dein Geliebter ist an deine Thüre gekommen; Mgl.: ioit-ts s°m tei°
(VI. Mgl. 72. 12) ich bin deine Tante; s" ts-o ard" dr°zaua (75. g)
dafs es dir den Stiel verbrenne; Arom.: ku tra?iddfila ts tu ?n"n°
(Arom. S. 74. 47. 8) mit der Rose in deiner Hand.]
g) b) Enklitisch am Substantiv.
Das Substantiv bleibt meistens unartikuliert.
lucrarä-mi (Seh. 17. 45) mein Wirken; muiare-^T. (Moxa 3g4. 17);
locü-p. (404. 18); la moarte-^i (373. 15); Ewa grijea harbatului-si
(347.1g) E. diente ihrem Manne; beim Plural: gonitorii-mi (ßch.
30. 16) meine Verfolger; sotii-si (Moxa 361. 5), vgl. Hasdeu S. 425.
\inemä-fi (Dos. g. 107); aquestuti {== acestü-ti) va fire invetia-
toriu (Alexi i8g) dieser wird dein Lehrer sein; pentru /a(a-ii albi-
§oarä (Cintece Mold. 126. 3) für dein weifses Gesicht; maica-ti la
gherghef cosea (13. 17) deine Mutter stickte am Rahmen;
43^ ELISE RICHIEK,
frutK^ä verde de pe Ollü
Diu anulii opiü-(}eci-^i-optü
Mu/ft voinicl sdngele-^1 varsä
(Soldatenlied bei Maiianu, Inmorm. 31. 29) Grünes Laub am Olt,
im Jahre (18)88 vergossen viele Helden ihr Blut;
Sini^oru-i suspma
ochi^orii-i läcrima
(Doine S. 488. 14) ihr junger Busen seufzt, ihre Aeuglein weinen;
mdhi^d-rm S/tcla, groapa sä le sapu (Cond. uvae 150) dafs ich meiner
Base, der Koten l\übe, das Grab graben werde; fncele nii Ridiche
(146) meine Töchter, die Rettiche. Im DR. nach Tiktin (Gram. II
S. 49) jetzt nur noch in bestimmten Lokutionen: parie-vii meiner-
seits, iviprejuru-i im Kreise um ihn; nach den oben gegebenen
Beispielen aber ist diese Bemerkung wohl auf die Schriftsprache ein-
zuschränken. Arom.: s" b''tieadz° fumeaVa ts (Arom. S. 281, 129. 16)
deine Familie soll leben; la gnv° /' (S. 250, 123, i) nach seiner
Höhle; tru falsa n' ?ne b°s'^ (S. 16, 13. 10), also Dativ und Accu-
sativ: er küfste mich mir auf die Wange; moarleq ku okPi ni vidziH
(S. 28, 2T,. 5) ich sah den Tod mit meinen Augen; gura ts easte
arhidtirik° (S. 30, 27. 8) dein INIund ist ein Schwälbchen. Im OlWal.
die häufigste Form (vgl. Weigand, OlWal. S. 78).]
10) c) Unabhängig:
tn viiafa ^ie (Seh. 131. 13); Ca lacov ale^e ^ie domnul ^i Israilü
in dostoinicie p'e (134. 4) quoniam lacob elegit sibi Dominus, Israel
in possessionem sibi; pasäre aflä pe casä (83. 4) der Vogel findet
sein Nest.
11) IV. Unbetonter Dativ als Dativ des Zieles mit dem
Verbum existentiae, also der echte Vertreter von mihi est:
mi e foame ich habe Hunger; // e dorul du hast Sehnsucht;
agiutoriu im' fit (Dos., Prosaversion der Ps. 26.9, Gaster I 248);
sa fi fie milä dumniiale (C. B. 1 173. 4) dafs deine Herrlichkeit Er-
barmen habe; sä fie lid sänätate p' ertäcnme päcatelor (C. B. II 155. 18)
ihm werde Gesundheit und Erlassung der Sünden; päcatu liii laste
(Vor. 131. 3).
[de la eine i(t esle vicafa (1777, Gaster II iii. 19) von wem
hast du dein Leben; IR.: mie / milf (R. Jb. I S. 146. 9); //// a fost
fome (144. 6).]
12) V. Betonter Dativ des Zieles (Zweckes) als Ver-
treter des Possessivs:
do?nmil mie easle agtutoilu (Seh. passim); läe lui urichia (Matth.
26.51) schneidet ihm das Ohr ab; legafi lui tnänile si picoarele
(Matth. 22. 13) bindet ihm Hände und Füfse.
[Viski Janos 1697: jeu szemt czie Dumnedzeu puternik (49. 17,
bei Bianu XLIII) ich bin dein mächtiger Herrgott.]
13) VI. Ersatz des Possessivs durch de + Accusativ
des Personale:
In der ganzen altrumänischen Zeit ist de statt Genetiv selten,
auch mit einem Substantiv: De peu laudu gräire (Seh. 55. 11) ich
ZUR SYNTAX DES RUM. POSSESSIV-PRONOMENS 3. PERS. 439
lobe das Wort Gottes; p7-e mijlocü de särbatoare ta (73. 4) in medio
solemnitatis tuae; pre ?nijlocü de pämäntii (73. 12); vale de plängere
(83. 7) Thal der Thränen, das schon nicht mehr ganz hergehört;
casa de Domtiul (122. g, bei Coresi do7nntdui) das Haus Gottes; in
locu de päre (Seh. 19. 4) sicut escam panis; cei ce era de Pavelu
(Vor. 26. 7) die Anhänger des P.; ce e de Pavelu (68. 10, Belgrader
Bibel = lucrulü lui Pavelu) die Angelegenheit P.'s. Mit dem Pro-
nomen kommt es fast gar nicht vor; wenn es steht, so ist es
prädikativ: ce e de voi (Vor. 62. 14, Belgr, Bibel: lucrul vostru,
Bukarester Bibel: eile ce sindu de voi) eure Angelegenheit; moartä
laste de sihwe (120.6, Belgr. Bibel: moarla i vitru leas, Bukar.
Bibel: rnoartea laste la sinesi) dabei (von ihm her) ist der Tod.
Hierzu kommen Fälle, wo de -{- Kcc. den objektiven Genetiv
ausdrückt: temutllor de tlre (Seh. 30. 20, bei Coresi: frlco^llorti de
tlre) die sich vor dir fürchten; Jrico^li de tlne vädtc-me (Seh. 118, 74);
temutllor de numele tau (60. 6); pre mijlocü de tlne, Eghypte (134. 9)
in medio tui; ferice de bärhatu ce-i este de tlre agiutorlulu (83, 6,
Coresi: agiutorlulu de tine) glücklicher Mann, der deine Hilfe hat
= dem von dir aus Hilfe kommt [OlWal.: de tine n^easte dar (OW.
IV 10)], wo überall die Entstehung der Wendung noch klar zu
Tage liegt: von dir her, von dir.
14) VII. Substantiv + Possessiv im Nominativ vertreten
den possessiven Genetiv:
m trupul maica-sa (Moxa 357. 20) im Leibe seiner Mutter,
vgl. Hasdeu, C. B. I S. 425.
\sa lau capü fratre meu (Doine 495, 106) dafs ich das Haupt
meines Bruders nehme; auch mä-^i findet sich als Genetiv; in den
Maro^- Dialekten ist diese Form die gewöhnliche, vgl. Weigand,
R. Jb. IV 292.]
Gelegentlich steht das Substantiv im Genetiv: ^i-le puse Tulie
mäscäric coconilorii-fi (Moxa 356. 34) TuUius machte ihn zum Possen-
reifser seiner Kinder.
[Corbea, Ps. 114. 5 rugei-ml glasü (Bianü LIIl) die Stimme
meiner Bitte.]
Pleonastische Formen.
15) VIII. Betonter und unbetonter Dativ (doppelter Dativ
des Zieles):
sa le fie lor direpta ocind (C. B. I 28. 5) dafs es ihr recht-
mäfsiges Erbe sei; lui i fti rnoartea ca unü somnü (Moxa 362. 14)
sein Tod war (ihm wurde ein Tod zu teil) wie ein Schlaf; hierzu
vergleicht sich: sä-l fie prietinü fecorului (Moxa 366. 8) dafs er ein
Freund des Kindes sei; sä nu pofte^ti vecinului-täu nece muiare-i
tiece fata-i (C. B. II 101.8) dafs du nicht begehrst deines Nächsten
Weib noch seine Magd; hingegen scheint mir: ^i-i fu milä lui
Dumnezeu (Moxa 375. 5) ihm wurde Gottes Gnade zu teil, gegen
Hasdeu's Deutung (S. 422, §54) kein doppeltes Dativ-Pronomen,
da hii zu Dumnezeu gehört (statt Dumnezeului).
440 ELISE RICHTER,
[Arom.: dtitnnidz()ii lui s° l' l'ä hana (Arom. S. 84, 55. 2) Gott
nehme ihm sein Leben.]
16) IX. Possessiv und betonter Dativ:
furile ca4ura mie in firuitil mieu (Seh. 15. 6) die Diebe fielen
mir in mein Gebiet.
17) X. Possessiv und unbetonter Dativ,
a) enklitisch am Verb:
lasä-{i-se pacaide iale (Matlh. 8. 2) deine Sünden werden dir
erlassen; a-^i lasa inuieare lui (Matth. ig. 3) sein Weib zu ver-
lassen; doarä t'sprasi-^i vre giunii caraire sa (Seh. 118. g, eines der
sehr seltenen Beispiele für unbetonten Dativ der 3. Pers. im Seh.)
wird etwa der Jüngling seinen Weg bessern?; pasäre aflä-^u ei casä
(Coresi 83. 4) der Vogel findet sein Nest; ein ni-i kapul nostru
(C. B. II 122. 14) er ist unser Haupt; acesta-sl ucise pre miimä-sa
(Moxa 35g, 7) dieser tötete seine Mutter; puse-p tnämrule sah
(Vor. g8. 4) er legte seine Hände.
b) enklitisch am Possessiv:
pre irupiil sm-sü (C. B. II 228, 12) über ihren Körper; in viatä
hm/i (Coresi 131. 13); m dostoinicie Iw'.sfi (134. 4).
[Ja boala niia-vn (Dos. 6. 24) in meiner Krankheit.]
18) XI. Betonter Dativ -j- de der näheren Bestimmung,
des Zweckes:
cäce c'au fost lui de mo^ie (Doc. XIX, C. B. I 113. 3) welche
ihm gehört haben als sein Gut; ca sä-i hie lui säte de mosie (i 13. 5)
dafs ihm das Dorf als sein Gut gehöre, also betonter und unbe-
tonter Dativ und de. Dies sind ra. W. die einzigen Belege.
ig) XII. Possessiver Genetiv -f säu in der Bedeutung des
Artikels:!
nur bei Moxa: läsä tinperafia frotine-säu lui Alexandru si fiu-säu
lui Kostatitinü (3g I. 22) er liefs die Herrschaft dem Bruder des A.
und Sohn des K. (=^ des Konstantins seinem Sohn).
Hierzu kommt noch bei Dosofteiu:
[20) XIII. Doppelter unbetonter Dativ:
carile t aü ia7iuiu-(i poruncile toale (7. 20) die, welche alle deine
Befehle gehalten haben; cä mi-al cercatu-ml inema 'n rhidul (16. g)
du hast meine Seele umgarnt, also einer proklitisch, einer enklitisch.]
Als einzelne Fälle seien er^vähnt: cadura spre cerbiclea lu Pa-
velu (Vor. 2-^. 14, ebenso in der Belgr. Bibel, in der Bukar.: cadhidü
pre grumäzu lui pavelu) also: sie fielen um den Hals des P.; ca
pre 0 maicä a lui (Moxa 373. 12) wie seine Mutter, das sich dem
ital. una siia vioglie vergleicht. 2 [Aehnlich: ca un lata ce-^i sunt
(Creanga, Gaster II 34g. 2g) als dein Vater.] Endlich: 7me mi-e
viila (Gaster I 52. 24); s^i se carä de la Dumfiedeu viäncare sie (Seh.
103. 21) und sie verlangen von Gott ihre Speise.
^ Vgl. oben S. 430 f.
2 Vgl. ML. III § 76.
ZUR SYNTAX DES RUM. POSSESSIV-PRONOMENS 3. PERS. 44 I
14. Von diesen Formen sind noch 15 lebend, nämlich 1), 2),
4) — g), 11) — 17). Zieht man die andern romanischen Sprachen
zum Vergleiche heran, so steht selbst das formenreiche Altfranzö-
sische hinter dem Rumänischen zurück, denn es verfügt nur über
sieben possessive Ausdrucksweisen, Italienisch und Spanisch -Portu-
giesisch nur über je fünf.' Es darf aber nicht übersehen werden,
dafs diese mannigfachen Formen nicht etwa wie jetzt im Rumä-
nischen oder wie in den anderen alten und neuen Sprachen eine
stilistische Abwechslung ermöglichten, indem sie in einem und dem-
selben Schriftstücke neben einander gebraucht wurden. Vielmehr
finden sie sich in den verschiedensten Mischungsverhältnissen zwar
zu der gleichen Zeit, aber nicht bei den gleichen Autoren, der
eine verwendet blofs die einen, der andere wieder andere.
Coresi (in den Evangelien) setzt fast ausschliefslich /ui,
im Matthäus findet sich nur 3 mal unbetonter Dativ, und 5 mal sau,
und zwar nur bei /a/ä und mtwia,'^ in den bei Gaster I enthal-
tenen Proben kein einziges Mal. Ebenso verwendet Greceanu in
der Bukarester Bibel 1688 (in den bei Sbiera (Cod. Vor.) und bei
Gaster I enthaltenen Stücken!) ausschliefslich ////. In den Psalmen
hingegen gehen Coresi und Scheyanu im engsten Einklang.
Scheyanu: in der grofsen Mehrzahl der Fälle einfaches lui
und sau, selten mit a oder al, etwa dreimal unbetonter Dativ, ein-
mal pleonastisch.
Voroneteanu: die verschiedenen Typen von //// und sau,
unbetonter Dativ, der sichtlich bei der 2. Pers. bevorzugt ist: 54mal
Possessiv gegen 12 mal unbetonter Dativ, während bei der 3. Pers.
das Verhältnis = 84 : 13 ist. Einige Male kommt unbetonter
Dativ -\- Possessiv vor.
Michael Moxa bedient sich fast aller aufgezählten Formen;
jedoch wendet er sau nur bei Personalbezeichnungen an , ausge-
nommen einmal: facu Dumnezeu omul cu manä lui . . . prc kipul
obrazuhii sau, st-l puse u. s. w. (346. 18) Gott schuf den Menschen
mit seiner Hand nach der Form seines Angesichtes und stellte
ihn . . ., wo vielleicht der Schreiber -^i (fB) wegen des nachfol-
genden si-l ausgelassen hatte, und säu späterer Zusatz ist. Ein
1 Altfrz. : i) betontes Possessiv, 2) unbetontes Possessiv, 3) possessiver
Dativ (mit a), 4) Obliquus, 5) unbetonter Dativ (in viel geringerer Ausdeh-
nung), 6) pleonastisches Possessiv 4- Dativ, 7) Genetiv (mit de), wovon fünf
Typen erhalten sind; 2) 3) (selten), 5) 6) 7). Italien, Spanien, Portugal:
1) Possessiv, 2) unbetonter Dativ, im Portug. in weit ausgedehnterem Mafse
als in den übrigen westlichen Sprachen; vgl. übrigens Calderon, Alcalde de
Zalamea: ann 110 le vean la calva (I 511); yo le hallare la disciilpa (III 694);
3) pleonastisches Possessiv, italienisch mit a (Dativ) oder mit Genetiv (ge-
schwunden), spanisch und portug. mit de (Genetiv); 4) Genetiv: ital. la casa
dl lui, span. la de el, portug. a de eile; 5) pleonastisches Possessiv 4- Äßö^'r^
(geschwunden), vgl. ML. III § 371, Tobler II 79.
* tätdiie-säti (II 22), mumaniei sale (XIV lO), tata-säu sau mutnä-sa
(XV 4), tatalü lui sau tnuftta-sa (XV 5).
442 ELISE RICHTER,
Freund pleonastischer Ausdrucksweisei hat er sämtliche pleonastische
Verbindungen angewendet; auch der einfache unbetonte Dativ findet
sich bei ihm zum ersten Male häufiger.
Dosofteiu setzt in seiner gereimten Version der Psalmen fast
ausschliefslich den unbetonten Dativ statt des Possessivs; seine
Sprache hat dadurch etwas Verkünsteltes, Einförmiges, wovon die
Prosaversion vorteilhaft absticht. Er gestattet sich noch eine wei-
tere Freiheit, indem er den unbetonten Dativ nach Belieben
auch beim eingeleiteten Objekt verwendet: diu bra(e-(i (8. 4)
in deinen Annen; cii sfinia-p fa{ä (15. 38); ^ip dise cälrä sbigä
{Via|a Sf. 118. 25) und er sagte seinem Diener; si'-mi ausi p de sus-
pimcri (Gaster I 242. i) und er hörte mein Seufzen. So auch noch
Corbea: inhatnte fcfei-fl (Bianü LI 2) vor dein Angesicht; ca sä-^i
timhlti in cale (LH 18) dafs ich auf deinem Wege wandle; in spur-
cata-fi faptä (L 40) durt:h deine schmutzige That. Und auch beim
Objekt, das dem Satze vorausgestellt ist: mila, sä-fi arate (46. 2f)
dafs er sein Mitleid zeige; pizma^ii sä-mi cäiäe (53. 33) dafs ich
meine Feinde sehe.
Ueberall wird noch das Herumtappen und -tasten der Autoren
bemerkbar, die keine fertige Sprache vorfinden und bald mehr
bald weniger auf Stelzen gehen. Was speziell das Verhältnis von
lui und sau anbelangt, so ist es:
lui : sau im; bei Personalbezeichnungen: lui : sau
100 : 47 Scheyanu
100 : 60 Voron, 3 : 7
Moxa 18 : 70
Von den Dokumenten in C. B.
kommen nur in Betracht:
I
0
No. IX
0
5
4-
0
„ XI
4
I
0
0
„ XV
„ XXV
, Bd. I, aus der Walachei
2
0
I
I
„ XXIX
I
I
„ XXX
2
0
„ VIII
4
0
75
50
C. B. . aus der Moldau
100
81
Texte des II. Bds. worunter P. :
von diesen speziell:
25
31
I :
8
Predigt (1600)
3
0
13
22
Cugetäri in öra mor^ii
0
5
13
0
Cal. Maicei D. la Jad.
4
IG
20
4
Sfta Vinere
17
3
6
4
5
8
2
I
Costin (1670)
T^ , 1 , £, V , Moldauische Texte
Dascalul (1650) etc. v
^ bei Gaster
Lreanga
I
I
3
3
7
9
20
25
Cantemir
8
33
1 Vgl. Hafdeu, C. B. I4i3ff.
ZUR SYNTAX DES RUM. POSSESSIV-PRONOMENS 3. PERS. 443
74 : 14 Basme (Ispirescu) 23 : 54
100 : 89 Moderne Autoren (Alecsandri, Negruzzi,
Xenopol, Sion, Bässeanii, Ollanescu,
Alexandrescu, Ghika, Eminescu, Bo-
lintineanu etc.) i : 59
speziell bei den zwei grofsen Moldauern:
50 : 50 Alecsandri
5 : 18 Negruzzi.
Ein bestimmtes Resultat läfst sich, wie ersichtlich, aus diesen
Vergleichen nicht ziehen, besonders bemerkenswert ist das Schwanken
der einzelnen Texte aus Mähaciu. Alles in allem ist säti in mol-
dauischen Texten häufiger zu finden als in walachischen, und
in Anbetracht der führenden Rolle, die die Moldau wiederholt im
geistigen Leben der Rumänen spielte, ist es vielleicht daher zu
erklären, dafs der Gebrauch von sau in der modernen Schrift-
sprache so sehr zugenommen hat, während er in der Volkssprache
ständig abnahm. Hier ist nämlich, im DR. fast wie in den andern
Dialekten, siitis beinahe ganz auf die Verwendung bei Personal-
bezeichnungen beschränkt worden; im Arom. hat es sich aus-
schliefslich nach diesen erhalten. Auch Philipide konstatiert,
dafs sicus in dem Mafse abnehme, als die Sprache volkstümlicher
werde. In dieser Beschränkung gilt auch der Ausspruch Manliu's,i
dafs der Gebrauch von suus im Vergleich zum Altrumänischen ab-
genommen habe, während er in der Schriftsprache im ganzen
eher zugenommen hat.
16. Die Verhältniszahl von lui : sau würde allerdings bei
modernen Texten mehr zu Gunsten von //// ausfallen, wenn nicht
der Plural bei einer solchen Zählung prinzipiell ausgeschlossen
bleiben müfste, da er seine eigenen Wege gegangen ist. Wäh-
rend im Allrumänischen die Vertreter von suus mit ilhruni nach
denselben Grundsätzen wechseln, die oben für den Singular kon-
statiert worden sind, verwendet die neuere Sprache nur lor. Diese
Erscheinung dürfte durch das Zusammenwirken verschiedener Um-
stände zu erklären sein: vor allem ist plurales Possessiv immer
seltner als singulares, weil ein Abhängigkeitsverhältnis von mehreren
Wesen seltner besprochen wird; speziell für die Volkssprache wäre
zu erwägen, dafs suus eben nur bei Personalbezeichnungen in Ge-
brauch bleibt und dafs bei diesen noch besonders Besitzer im
Plural weit seltner vorkommen als im Singular. Sollte aber der
Plural betont werden, so mufste ja lor gewählt werden; ja, wenn
er überhaupt nur zu klarem Ausdruck kommen sollte, konnte suus
nicht genügen. Für die Schriftsprache andrerseits käme seit Be-
ginn dieses Jahrhunderts bewufste Nachahmung des Französischen
und Italienischen dazu, was Wendungen wie bogaiul lor pamint
(Negruzzi) ihr reicher Boden, de vechia lor vitejie (Bälcescu) von
ihrem alten Heldentume, zu beweisen scheinen. Uebrigens ist
1 Gram. Istor. S. \i
444 ELISE RICHTER,
die Thatsache, dafs der possessive Ausdruck für den Plural nicht
parallel geht mit dem für den Singular, auch im Afrz.-Prov. nach-
weisbar, wo possessiver Obliquus im Singular gewöhnlich, im Plural
selten oder nie steht. ^
Aus all' den oben gemachten Verglcichungen ergiebt sich,
dafs die Variationen im Gebrauch der beiden Pronomina zuletzt
unter die stilistischen Eigentümlichkeiten der einzelnen
Autoren zu zählen sind. Wenn Coresi im Evangelium blofs lui
anwendet, so wollte er damit vielleicht einen besonders volkstüm-
lichen Ton treflfen, im Gegensatz zum Psalter, in dem die pathe-
tische Differenzierung sehr wohl angebracht war, und in dem er
mit dem Scheyanu so vollkommen übereinstimmt, dafs es scheint,
er habe diesen mit geringfügigen Aenderungen^ in seine Bibel-
übersetzung eingefügt; dafs er aber seiner Sprache eine gewisse
Gewalt angethan hat, beweist das Unterdrücken von smc auch bei
Personalbezeichnungen, worin eine ganz individuelle Eigenheit
von ihm zu sehen ist. Der Bearbeiter der Bukarester Bibel hielt
sich dann, wie es scheint, strenger an ihn als der der Belgrader,^
Eine gewisse Freiheit zeigt sich auch in den Dokumenten und
in allen oben erwähnten Schriften, indem der eine Autor ganz nach
Belieben eine andere Verhältniszift'er erzielt als der andere. Durch-
aus individuell ist auch die Abwechslung aus ästhetischen
Gründen, die bald mehr bald weniger regelmäfsig angewendet
wird, z.B. bei Alecsandri: ochil lui mari si mtelige^iti, narile-sale
largi ^i irandafiUi, picioareh lui sub{ire p nervoase, coada lui pleioasa,
neaslemperiil seu selbaiec si toi odatä Handera lui siib mäna omuhii
sint probe vederaie de sdngele arabesc ce curge m vinele lui (Calat. 105)
seine grofsen und intelligenten Augen, seine weiten rosenroten
Nasenlöcher, seine dünnen nervigen Füfse, sein zottiger Schwanz,
seine wilde Unruhe und zugleich seine Sanftmut unter der Hand
des Mannes sind wahrhafte Beweise des arabischen Blutes, das in
seinen Adern läuft. Cdnd se gdndea la rusifiea ce remäsese asuprä
numelui seu in casa pdrintilor et (Basme 124. 6) wenn sie sich der
Schmach erinnerte, die in ihrem Vaterhause an ihrem Namen
haftete. Andere Autoren verwenden so lange dasselbe Pronomen,
bis sie der Sinn zu einer Aenderung zwingt, z. B. Golescü, Bilde,
Alexius, oder Omir, Prosaübersetzung der Odyssee (Gaster II).
17. Innerhalb der einzelnen Dialekte lassen sich prinzi-
pielle Unterschiede nicht finden, wohl aber quantitative,
1 Vgl. ML. III § 42.
2 Dies würde erklären, dafs einerseits Coresi's Psalter Spuren von Rhota-
cismus aufweist, im Gegensatz zu seinen anderen Stücken, andrerseits dafs
diese mehrere stilistische Eigenheiten haben , die sich im Psalter Coresi -
Scheyanu nicht finden, z. B. Verwendung des Fut. exact, oder asyndetischer
Perfekta für Partizipialkonstruktion + Perfekt, ferner die moderne Stellung des
tonlosen Objektspronomen vor dem Verb {sa se veselesca dafs er sich erfreue)
gegen die altertümlichere im Seh.: iä veseleasca-se etc.
8 Ueber das Abhängigkeitsverhältnis der Bibeln vgl. Gaster I S. xxxi.
ZUR SYNTAX DES RUM. POSS'dSSlV-PRONOMKNS 3. PJiRS. 445
im Gebrauch der beliebtesten Formen. Im ganzen rumänischen
Sprachgebiete haben lui (resp. a lui) und der unbetonte Dativ
das Uebergewicht, und zwar so, dafs beide in ziemlich gleich-
mäfsiger Verteilung im DR. auftreten, von den Dialekten aber ent-
weder a lui (Arom., Megl., IR.) oder der unbetonte Dativ
(Ol Wal., Marosdialekte) bevorzugt wird.
Dies einmütige Vorgehen der Mundarten einerseits,
andrerseits die individuelle Verschiedenheit bei den ein-
zelnen Autoren lassen slavischen Einflufs als ausgeschlossen
erscheinen. Das Altbulgarische ist reich an Pronominalformen, ver-
wendet (wie es bei flüchtiger Beobachtung scheint) svoi und ego
ziemlich entsprechend den lat. siius und eins, es könnte also keine
Verarmung des Vokabulars herbeiführen; wenn slavischer Einflufs
überhaupt zu konstatieren ist, so könnte allenfalls die Bildung ai
sai-^i (Vor. 26. 2) erwähnt werden, die dem altbulgarischen siwi
temu (bei Leskien) nachgebildet scheint.
18. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts festigt sich all-
gemach der Sprachgebrauch und seit dem 18. Jahrhundert finden
wir ihn in der Anwendung der verschiedenen pronominalen Aus-
drücke so, wie er ziemlich unverändert bis in die neue Zeit dauert
— bis zum Auftauchen der ejus-Th.coxie.
Proklamiert wurde sie, wie es scheint, zum ersten Male 1826 *
von Joannis Alexi in seiner Grammatica dacoromana sive vala-
chica. Ganz auf der lateinischen Grammatik fufsend, bezeichnet
er säu als Reflexivpronomen (intorquelöri) und erledigt es mit f'B
zusammen (S, 188 — 89) durch die Erklärung: pronomen reciprocum
adhibetiir qiiando reqiniur ut actio ex parte agentis seti actionem ponentis
intelligatur. Während Diez diesen Satz kennt und ungläubig citiert,2
scheint er im Rumänischen selbst zunächst weder praktisch noch
auch irgendwie theoretisch nachweisbaren Einflufs ausgeübt zu haben.
In den Grammatiken von Clemens, Eliade, Pumnul, in Cipariu's
Elemente, bei Popovici Barcianu findet sich keine Anspielung
darauf; nicht einmal der lateintolle Laurian sagt etwas darüber,
und er, der sogar ein rumänisches Fem. pl. laruin -< illariivi auf-
zustellen wagte — „rt ut 0, in reticetur" u. s. w., ihm löst sich die
ganze historische Grammatik in eine orthographische Frage auf — ,
er hätte sich diese Aehnlichkeit gewifs nicht entgehen lassen. Auch
stilistisch ist kein Unterschied zu bemerken bis zu den Arbeiten
der letzten Zeit, und auch in diesen finden sich bekanntlich in
grofser Zahl „Verstöfse gegen die Regel", resp. Rücksichtnahme
auf den Sprachgebrauch. Erst Cipariu wirft 1877 neuerdings die
Frage auf, ob sau anders als auf das Subjekt des Satzes bezogen
werden könne, und verneint sie mit der Begründung, dafs für
' Im Lexicon de la Buda 1825 findet sich keine Erwähnung; frühere
Grammatiken waren mir nicht zugänglich.
* III S. 73, I. Auflage unverändert gleich den späteren.
446 ELISE RICHTER,
säu dieselben Regeln gelten müfsten als für se, „von dem es
stanamt".! Wie widerwillig aber die Sprache diesem Verdikte gegen-
über steht, beweist nichts deutlicher als der Lehrsatz, der einen
Verstofs gegen sich selbst enthält: „De aci tirmeza, cä seu se con-
corda eil sustaniivulu propriu ori in ce casii se fie, dar refereniia lui
e tötu deuna la subieciulu propuseiiunei sale"' (daraus folgt, dafs seu
mit dem Beziehungsworte in was immer für einem Falle überein-
stimmt, jedoch bezieht es sich immer auf das Subjekt seines Satzes).
Da nun refereuti'a Subjekt des Satzes ist, propusetiunei sich aber
auf das aufserhalb des Satzes stehende seu bezieht, hätte er nach
seiner eigenen Lehre lui statt sale setzen müssen. Da aber der
Satz und das Wort, das in ihm steht, das sein Subjekt ausmacht,
im innersten Zusammenhang und Abhängigkeitsverhältnis zu ein-
ander stehen, ist sau in diesem Falle der passendere, sprach-
gerechtere Ausdruck gewesen und deswegen hat ihn Cipariu —
vielleicht unwillkürlich — gesetzt.
Tiktin, in seiner Grammatik (1895), hält zwar auch an der
Rücksicht auf das Subjekt fest, durchbricht aber diese Regel selbst
durch zwei Konstatierungen: 1) alälurea cu säü se mtrebuinfezä ^i
pron. pers. lui, ei, prin care adeseäori se ji pöte precisa mal bine per-
sona proprietariului (L Etymologia § 177) neben j«// wird auch das
Personalpronomen ha ei gebraucht, durch das man häufig die
Person des Besitzers deutlicher ausdrücken kann. 2) In deosebi se
aplicä incontra regulei d) säü sa in unire directä cu cuvinte nearticu-
late, b) lui, ei cänd este a se accentua possessivul (IL Sintaxa § 390).
Insbesondere werden gegen die Regel angewendet: a) säü sa in
direkter Verbindung mit unartikulierten Worten; b) lui ei, wenn
das Possessiv betont werden soll.
Philipide endlich (Gram. El. 1897) geht wieder davon ab
und erklärt beide Pronomina für völlig gleichwertig.
Benutzte Werke und Abkürzungen.
Vasile Alecsandri, O primblare la munti si Borsec.
— — Caletorie in Africa.
Basmele Romänilor (Ispirescu).
Bianu, Psallirea Scheiana = Seh.
Gaster, Matthäus -Evangelium (Arch. glott. XIT) = Matth.
— Chrestomathie Roumaine = Gaster.
— Condemnalio uvae (Z. III).
Dosofteiu, Psaltirea (Bianü) ;= Dos.
— für Corbea, Viski Janos = Bianü.
Hasdeu, Cuvente din Bäträni = C. B.
Jarnik, Doine.
MarianS J. F., Nunta la Roman li = N.
— Inmormintarea la Romänii.
^ Grammatica limbei Rom. II, sintetica, S. 180 — 181.
ZUR SYNTAX DES RUM. POSSESSIV-PRONOMENS 3. PERS. 447
Säineanu, Istoria filologiei Romänä.
Sbiera, Codicele Voroneteanu = Vor.
Sevastos E. D. O., Cintece Moldovenesli.
Weigand, Die Aromunen = Arom.
— Vlacho-Meglen = VI. Megl.
— Nouvelles recherclics sur le Rouman d'Istrie
(Romania XXI).
— Die Olympo -Walachen = Ol Wal.
— Jahresbericht des Instituts für Rumän. Sprache
I— VI = R. Jb.
Mi kl o sich, Rumunische Untersuchungen (Denkschriften der
A. d. W. Wien XXXII).
Sion, Operele princepului Cantemir.
1825. I.exiconul de la Buda.
1826. Joannis Alexi, Grammatica dacoromana sive valachica.
1836. Andreas Clemens, Die Walachische Sprache.
1840. A. Trebon. Laurian, Tentamen criticum in origincm, derivationem
et formam linguae Romanae.
1841. J. Eliade, Paralelismu intre dialectele Romanu si italianu.
1854. Cipariu, Elemente de limba R.
1858. Sabbas Popovici Barcianu, Theoret. -praktische Grammatik der
Rum. Sprache.
1864. Aron Pumnul, Grammatik der Rum. Sprache.
1870. Cipariu, Gramatec'a limbei Romanae I.
1877. - _ _ _ IL
1894. Manliu, Gramatica istorica.
1895. Tiktiu, Gramatica romänä
— Studien zur Rom. Philologie,
— Stellung der tonlosen Pronomina (Z. IX).
1897. Philipide, Gramatica elementarä.
Wechsler Th., Rumänisch -Deutsche Elementar -Grammatik.
Leskien, Handbuch des Allbulgarischen.
Diez, Grammatik der Rom. Sprachen III, 1842.
Meyer-Lübke, Grammatik der Romauischen Sprachen IL III = ML.
— Litteraturblatt (1886, Cod. Vor.).
Mussafia, Deutsche Litteraturzeitung 1882 (Coresi).
Tobler, Vermischte Beiträge IL
Schuchardt, Slavo- Deutsches und Slavo- Italienisches.
Henke, Rumänien, Land und Leute.
Gaster, Rumänische Litteraturgeschichte (Gr. Gr.).
Caspari, Kirchenhistorische Anecdota:
Pirmin.^
Caesar von Arelate.
1 Enthält keine Beispiele für sibi.
448 ELISE RICHTER, ZUR SYNTAX DES RUM. POSS.-PRON. 3. PERS.
Martin v. Bracara's Schrift de correctione rusticoriim
Anonymi RavenatisCosmographia.i
Monumenta Germaniae historica.
Neue Folge.
Auetores antiquissimi I.
Landolfus.^ Paulus, historia Rom.i
Eugippius, Vita Severini,
Scriptores rerum Merovingicarum:
I. Gregor v. Tours.^
II. Fredegar. Historia Daretis Frigii de origine Franc.' Gesta
Theodorici regis.
Auetores antiquissimi IV.
Venantius Fortunatus.
Auetores antiquissimi V.
Jordanes. Ausonius.
Leges:
II. I, 2. Capitularia regum francorum.
5. Additamenta ad capitularia regum francorum.
V. Formulae Andecavenses. Formulae Visigothicae. IMarculf.»
Alle Folge.
III. Widukind Corveiens. Annales S. Germani Paris.' Ercliem-
pert, Historia Langob.'
Documente privitöre la istoria Romänilor I i. 2. II i. 2.
Landgraf H., Der Dativus ethicus (Arch. f. Lat. Lex. VIII).
DR. = Dacorumänisch. IR. = Istrorumäniseh. OW. = Olympowalachiseli.
Arom. = Aromunisch. Megl. = Meglen.
' Enthält keine Beispiele für sibi.
Elise Richter.
Bemerkungen zu einer Gescliichte der französischen
Heldensage.
Von Carl Voretzsch, der sich an der Erforschung des fran-
zösischen Heldenepos schon mehrfach in hervorragender Weise be-
teiligt hat, liegt seit kurzem ein stattlicher Band vor, der über
Komposition und Quellen des „Huon von Bordeaux" handelt. Der
Verfasser eröfl'net damit eine Sammlung, die er „Epische Studien:
Beiträge zur Geschichte der frz. Heldensage und Heldendichtung"
betitelt hat. Sein letztes Ziel ist eine „Geschichte der frz. Helden-
sage", oder, da nach seiner Anschauung die Ependichter ihren
Stoff vornehmlich aus der Sage geschöpft haben, eine „Stoff-
geschichte des frz. Heldenepos". Das Programm dieses Werkes
hat er schon in der Tübinger Antrittsvorlesung vom Jahr 1894
entworfen. Nun gedenkt er durch ausführliche Untersuchungen
lehrreicher Einzelprobleme die geplante Gesamtdarstellung vorzu-
bereiten. Diesem Zweck sollen die „Epischen Studien" dienen.
Angesichts der hohen und schönen Aufgabe, die sich der Verfasser
gestellt hat, dürfte jetzt die Gelegenheit sein, eine Reihe Fragen
zur Sprache zu bringen, die im Rahmen einer „Geschichte der
frz. Heldensage" berücksichtigt zu werden verdienen. Voretzsch
hat, wie er ausdrücklich bemerkt, eine j.StofTgeschichte" im Auge;
darauf will er seine Aufgabe beschränken. Will man aber fest-
stellen, was jeder Dichter aus seinem Stoffe gemacht, warum er
eben diesen und keinen andern gewählt und warum er denselben
so oder so abgeändert hat, dann läfst sich die Frage nach dem
Thema des Dichters nicht umgehen. Bei der Bestimmung seines
Themas pflegt sich jeder Künstler gemeiniglich nach seinem Publi-
kum zu richten. Manche Gelehrte haben auf diese und andere
Dinge, die von entscheidender Wichtigkeit sind, bisher weniger
geachtet. Deshalb sollen diese Fragen hier im Zusammenhang
besprochen werden. Teilweise habe ich darüber schon gehandelt
in Vollmöllers Jahresbericht, wo ich in dem Abschnitt „Germa-
nisches in der altfranzösischen Dichtung i8gi — 96" über die
älteren Arbeiten des Verfassers referiert habe. Auf diesen Aufsatz
(Vollmöller IV. Bd., 2. Teil, S. 416 — 26) sei hier von vornherein
verwiesen.
I. Am lebhaftesten erörtert wurde in den letzten Jahren die
Frage nach den Quellen der Ependichter. Haben wir als
ZeiUchr. t rom. Pbil. XXV. 29
450 E. WECHSSLER,
Zwischenglied zwischen den geschichtlichen Ereignissen und den
Epen lyrisch -epische Lieder anzusetzen, oder Sagen d. h. Volks-
überlieferungen, oder die Berichte der Historiographen? Dazu sind
neuerdings zwei weitere Anschauungen vermittelnder Natur ge-
kommen. Voretzsch widmet vorzugsweise diesen letzteren einen
einleitenden Teil seines Buches, betitelt „Kritische Bemerkungen
über Begriff und Bedeutung der Sage".
a) Einige der grofsen Heldenepen bei Indern, Griechen, Ger-
manen, Franzosen, Finnen und Karakirgisen, erwiesen sich, als
man ihre Komposition genauer prüfte, zum Teil aus kleineren
ursprünglich selbständigen Dichtungen zusammengestellt. Hier steht
am Anfang Friedrich August Wolfs berühmte Homerkritik. Zuerst
Lachmann machte daraus ein System, als er die Methode Wolfs
an Nibelungen und Ilias durchführte und die ursprünglichen Einzel-
lieder im Wortlaut wiederherzustellen versuchte. Von Lachmann
stammt die sogenannte „Liedertheorie". Sie wurde von G. Paris
auf die altfrz. Epen angewendet und bis heute mit Entschieden-
heit vertreten: cantilenae, chants lyrico-epiques, chanis cotileviporains,
als eine Art Romanzen gedacht, bildeten nach ihm die notwendige
Vorstufe der Epen. Ich habe schon in Vollmöllers Jahresbericht
(S. 421) darauf hingewiesen, dafs der Gedanke, Epen aus lyrischen
Liedern hervorgehen zu lassen, in einer bestimmten ästhetischen
Doktrin wurzelt. Es war im letzten Grunde Herders Lehre von
der Priorität der Lyrik, i
b) Zuerst bei den Germanisten regte sich der Widerspruch
gegen die Liedertheorie. Zwar erkannte man die Fälle an, wo
sich einzelne Kompositionsteile in der That als ursprünglich selb-
ständige Dichtungen erweisen liefsen. Aber man sträubte sich
gegen die dogmatische Durchführung dieses Gedankens. Zwischen
den ältesten Gedichten überhaupt und dem geschichtlichen Er-
eignis setzte man als Mittelglied mündliche Volksüberlieferungen
ein, die „Sage" im engeren Sinn des Wortes. 2 Unter anderen
vertrat auch Uhland diesen Standpunkt. Schon früher gab A. W.
Schlegel seine klassische Begriffsbestimmung der Sage, in seiner
berühmten Recension der altdeutschen Wälder der Brüder Grimm,
vom Jahre 18 15. Er sagte hier: 3 „Die ältesten Heldenlieder
haben fast immer eine geschichtliche Grundlage oder wenigstens
Veranlassung, und diese war aus der Sage geschöpft. Unter der
Sage verstehen wir das Andenken merkwürdiger Begebenheiten,
wie es sich von einem Geschlecht und zuweilen von einem Volk
zum andern fortpflanzt. . . . Vorliebe oder Abneigung, dann der
dem menschlichen Geist besonders in der ersten Frische der Ein-
^ Vgl. Herders „Lyra" (Terpsichore 2. Teil) in Suphan-Redlich XXVII
(Poet. Werke III), Berlin 1881, S. 179. Bezeichnenderweise eröffnet L. Gautier
seine ^fepopees fr. mit dieser These (1 2, S. 4 — 5).
'^ Ueber den verschiedenen Wortsinn der „Sage" vgl. mein Referat im
Jahresbericht S. 4 1 7.
3 ed. Böcking XII, S. 387.
BEMERKUNGEN ZU EINER GESCHICHTE DER FRZ. HELDENSAGE. 45 I
bildungskraft inwohnende Hang zum Wunderbaren, brachten Ueber-
treibungen hervor, und die Ruhmbegierde fafste sie willig auf.
Wer hätte nicht gern vernommen, wer hätte bezweifehi mögen,
dafs das kriegerische Volk, zu dem er gehörte, von einem über-
natürlichen Heldengeschlecht abstamme? . . . Aus obigen Umständen
erhellet, wie die Sage, noch ehe sie dichterisch behandelt wurde,
schon in gewissem Grade den Forderungen der Poesie entsprach,
so dafs der Dichter nur kühnlich in derselben Richtung fortzugehn
brauchte." Bei den Romanisten wies nach Uhland P. Meyer nach-
drücklich auf die Bedeutung der Sage für die Entstehung des
Heldenepos hin. Doch blieb bis heute die Liedertheorie hier in
ungeschwächtem Ansehen, obwohl H. Suchier und mit besonderem
Nachdruck auch Voretzsch die Berechtigung dieser Lehre ange-
zweifelt hatten. Da ist es denn von Interesse, dafs Voretzsch
im vorliegenden Bande zeigt, wie G. Paris sowohl als L. Gautier
früher neben den Liedern auch die t7-adition orale = legetide als
Quelle der Ependichter angenommen haben (S. 3 — 11).
c) Diesen beiden Theorieen hat es, wenigstens in ihrer älteren
Formulierung, nicht zum Vorteil gereicht, dafs sie mehr auf dem
Boden kunstphilosophischer Lehren als aus der Praxis des Litterar-
historikers erwachsen waren. Wolfs und seiner Nachfolger Lieder-
theorie stützte sich, wie bemerkt, auf die Ueberzeugung vom
höheren Alter der Lyrik. Die Brüder Grimm und die meisten
Romantiker, so auch Ludwig Uhland, standen der Lehre Schellings
nahe, dafs die Poesie in ihrer Entwicklung vom unbewufsten
Schaffen ausgehe und erst später bewufst erzeugt werde. Auch
Hegels Konzeption des objektiven Volksgeistes wirkte mafsgebend
ein. Die Hegeische Schule, so Fr. Th. Vischer, trug den Satz vor,
dafs die älteste Poesie, Sage, Märchen und INIythus, nicht von In-
dividualitäten, sondern vom Volksgeist selber unbewufst geschaffen
sei. Schliefslich machte sich eine Zeitlang der Einflufs von Stein-
thals Völkerpsychologie geltend. Man schrieb der Sage sogar eine
Art Selbstthätigkeit zu, indem man vom „Walten der Sage" und
ähnlichem sprach. Auch Voretzsch hat sich, wohl unter der Ein-
wirkung Uhlands, wenigstens im Ausdruck von solchen Vorstellungen
nicht ganz frei gehalten; in meinem Referat (S. 417 — 418) habe
ich meine Einwendungen dagegen geltend gemacht. Es wäre ein
wichtiger Beitrag zur Geschichte der neueren Philologie, wenn man
diesen Einflüssen metaphysischer Spekulation auf die Litteratur-
geschichte im einzelnen nachgehen wollte. Gemeinsam war allen
diesen Anschauungen, gleichviel ob sie sich an Schelling, Hegel
oder Steinthal anlehnten, und ob sie sich in der Liedertheorie
oder in der Sagentheorie bemerklich machten, der eine grund-
sätzliche Irrtum, dafs man der künstlerischen Individualität, durch
die allein ein ästhetisch Wertvolles erzeugt wird, ihren Platz be-
stritt. Zuerst hat kein geringerer als A. W. Schlegel seine Stimme
dagegen erhoben. Er schrieb: 1 „Die Sage und volksmäfsige Dich-
1 ed. Böcking XII, S. 385,
29*
452 E. WECHSSLER,
tung war allerdings das Gesamteigentum der Zeiten und Völker,
aber nicht eben so ihre gemeinsame Hervorbringung. Was man
an Zeitaltern und Völkern rühmt, löset sich immer bei näherer Be-
trachtung in die Eigenschaften und Handlungen einzelner Menschen
auf; und soll man hiebei der Anhäufung und Wiederholung des
Gemeinen, oder dem seltenen Auftreten des Aufserordentlichen
den gröfsten Einflufs zuschreiben? . . . Die Steine sind nicht der
Thurm: diesen schuf der Entwurf des Baumeisters." Trotz diesen
klaren und deutlichen Ausführungen Schlegels drang die Vorstellung
von einem „unbewufst schaffenden Volksdichter" in viele litterar-
historische Darstellungen auch der neueren Zeit ein. Ich habe
meinerseits zu zeigen versucht (Vollmöller IV, 2, S. 418), dafs die
Sage zwar Eigentum des Volks, aber das Werk dichterisch be-
gabter Persönlichkeiten innerhalb desselben ist.
Aus dem begreiilichen Widerstreben gegen Voraussetzungen
wie die geschilderten glaube ich es verstehen zu können, dafs
Ph. Aug. Becker die Lieder sowohl als die Sagen rundweg ab-
lehnte und geschriebene Geschichtswerke als einzige Quellen der
Dichter annahm. Er gelangte zu diesem Schlufs in seiner Recension
des Ogier von Voretzsch (LgrPh 1895, Sp. 40Q), wo er folgender-
mafsen schrieb: „Für mich besteht kein Zweifel — aber ich hege
nur geringe Hofifnung, mit meiner Ansicht ohne schweren Kampf
durchzudringen — dafs der epische Ogier . . . eine verhältnismäfsig
junge Schöpfung ist, . . . Der Dichter, der dieses Epos verfafste,
entnahm seinen Stoff weder einem älteren Liede oder einer Reihe
von Liedern, noch einer fertigen Sage, sondern er schuf seinen
Heldentypus und dessen abenteuerliche Geschichte mit schöpfe-
rischer Dichterkraft. Des Dichters Quellen waren einerseits irgend
welche karolingischen Annalen . . ., anderseits das Sagenmaterial,
das sich um den heiligen Othgerius von Meaux angesammelt hatte."
Geschichtswerke und Legenden waren nach Becker auch die Quellen
für die Wiihelmsepen: eine vorepische „Sage" von Wilhelm dem
Heiligen läugnet er geradezu (Wilhelm der Heilige S. 66 ff.). —
Freilich ist es kaum möglich, mit dieser Erklärung die Thatsache
zu vereinigen, dafs in den Epen das Historische ebenso spärlich
wie entstellt enthalten ist. So hat denn Becker in seinen neuesten
Arbeiten diese These wesentlich eingeschränkt. Sie wird aber für
die Geschichte unseres Problems stets von Interesse bleiben als
eine Reaktion gegen die Form, in der die Lieder- und die Sagen-
theorie bisher wiederholt aufgetreten sind,
d) Eine vermittelnde und nicht dogmatisch verallgemeinernde
Ansicht stammt von Gustav Gröber. Voretzsch bespricht sie
S. 12 — 30. Auch nach Gröber sind vor den Epen kürzere Dich-
tungen entstanden, die „Zeitgedichte". Diese wurden aber nicht
etwa von den Epikern als Quellen benützt, sondern die beiden
Gattungen blieben von einander unabhängig. Das älteste Zeit-
gedicht, von dem wir wissen, ist das sog. Farolied, das älteste
Denkmal der Epik das Haager Fragment. Als ein Drittes kommt
^
/S'
BEMERKUNGEN ZU EINER GESCHICHTE DER FRZ. HELDENSAGE. 453
mündliche Ueberlieferung in Betracht, die sowohl von den Epikern
als von den Chronisten als Quelle benützt worden ist. Voretzsch
erklärt sich mit dieser Anschauung in der Hauptsache einverstanden,
nur dafs er die für das Zeitgedicht vorgebrachten Belege anzweifelt
und der Sage eine gröfsere Bedeutung zuerkennen möchte, als dies
Gröber thut.
e) Als eine Weiterbildung der Gröberschen Gedanken stellt
sich die Ansicht dar, die Fr. Ed. Schneegans neuerdings vorge-
schlagen hat. Auch er erkennt die Volkssage nicht als hauptsäch-
liche Quelle der Epen an. Um dies zu beweisen, nimmt er an,
die ältesten Epen seien immer kurz nach den geschichtlichen Vor-
gängen entstanden, als eine annähernd treue Geschichtserzählung.
Dagegen waren die Volkssagen von Anfang an reich an mythischen,
märchenhaften und novellistischen Elementen. Dieser Unterschied
beruhte darauf, dafs die Epen aristokratische Standespoesie, die
Sagen der Besitz der untern sozialen Schichten gew-esen seien.
Erst als die Epen von oben nach unten ausgebreitet wurden,
wurden auch sie mit den phantastischen Stoffen der Volkssage
durchsetzt. — Was hier über den exklusiv aristokratischen Charakter
der Epik gesagt wird, ist gewifs richtig, das übrige aber zeigt
sich als Hypothese, die den Thatsachen nicht entspricht. Voretzsch
weist (S. 31 — 47) nach, dafs schon die ältesten Epen, von denen
wir wissen, von der geschichtlichen Wahrheit weit entfernt sind
und der phantastischen Elemente so wenig wie die Sagen ent-
behren. —
So sehr die INIeinungen über die Quellen der Ependichter
heute auseinandergehen, scheint doch eine baldige Verständigung
nicht ausgeschlossen. Voretzsch seinerseits ist bereit, auch andere
Möglichkeiten im einzelnen Falle anzuerkennen. Eine einzige Aus-
nahme werfe eine sonst noch so einleuchtende Theorie über den
Haufen. Wogegen er ankämpft, das sind die „aprioristischen"
Lehren. Und man wird ihm hier kaum widersprechen können.
Die Dichter pflegen ihre Stoffe zu nehmen, wo und wie sie die-
selben finden. Theorieen von allgemeiner Beweiskraft für die
Quellen irgend einer weitverzweigten Gattung lassen sich meines
Erachtens überhaupt nicht aufstellen.
Ich habe hier die allgemeinen Richtlinien der Entwicklung
der frz. Heldensage darzustellen versucht, so wie sie der Verfasser,
wofern ich ihn recht verstanden habe, im Sinne hat. Zur Erläu-
terung sei nur bemerkt, dafs die fetten Striche den häufigsten Weg
der Entwicklung anzeigen, die unterbrochenen Striche andere als
möglich nachgewiesene Beziehungen. Allgemein angenommen wird
heute eine Scheidung der Epen nach sogenannten Stamm- oder
Originalepen und abgeleiteten oder litterarischen Epen. Jene setzen
keine ältere epische Bearbeitung ihres Stoffes voraus, diese aber
sind erst nach dem Cluster fertiger Werke desselben oder ähnlichen
Inhalts geschaffen. Die Quellenfrage in unserem Sinne gilt daher
überhaupt nur für die Dichtungen der ersten Art. Ich möchte
454 E- WECHSSLER,
die Namen „primäre" und „sekundäre" Epen vorschlagen, da diese
Bezeichnungen durchaus unzweideutig sind. „Originalepen", d. h.
Werke in der ursprünglichen Fassung, sind uns aus älterer Zeit
überhaupt keine überliefert. „Stammepen" drückt nicht den Gegen-
satz gegen die sekundären Epen aus, sondern nur den zu den
später hinzugefügten Teilen eines Zyklus.
In die Sage werden erfahrungsgemäfs allerlei phantastische
Elemente aufgenommen, teils Altüberliefertes, teils Zeitgeschicht-
liches. Manches stammt aus heidnischen Mythen; diese Motive
wurden aber schwerlich ihres religiösen Charakters wegen einver-
leibt, sondern um ihres ästhetischen Wertes willen. i Die mythischen,
märchenhaften, novellistischen, schwankhaften oder zeitgeschicht-
lichen Bestandteile machen manchmal das Ganze einer Sage aus,
so dafs nur der Name des geschichtlichen Helden bleibt. Oft
wurden auch ältere Sagen fertig auf jüngere historische Personen
übertragen. Diese mannigfachen Quellen bleiben auch dem Ge-
schichtschreiber nicht durchaus fremd; doch benützt er vorzugs-
weise schriftliche Quellen, ältere Geschichtswerke, kanonische
Schriften, Heiligenlegenden und klassische oder mittelalterliche
Profanlitteratur. Und allerlei Zeitgeschichtliches wird auch vom
Historiographen verwendet.
Die primären Epen scheiden sich in zwei Gruppen: solche
mit einfacher und solche mit mehrfacher Handlung (die sich
technisch zu einander verhalten wie Novelle und Roman). Von
der ersten Art sind z. B. einige von Voretzsch losgelöste „Branchen"
des Ogierepos, von der zweiten ist das Rolandslied. G. Paris hat
die Artusromane, wo derselbe Unterschied vorliegt, in episodische
und biographische eingeteilt. Dieselben Namen empfehlen sich
vielleicht auch hier. Und ich möchte vermuten, dafs die epi-
sodischen Epen den mit der Sage vertrauten Hörern in Einem
Stück vorgetragen, die gröfseren dagegen in Vortragsabschnitte
zerlegt worden sind (darüber siehe unten). Das wechselnde Be-
dürfnis scheint zu den beiden Gattungen geführt zu haben, die
sich nur in der poetischen Technik unterschieden, jedenfalls von
Beginn an neben einander existierten. Diese episodischen Epen
sind übrigens, wie ich oben andeutete, die realen Ausgangspunkte
der Liedertheorie gewesen.
Bei den sekundären Epen haben wir selbständige Neubearbei-
tungen zu trennen von blofsen Kompilationen, worin die über-
nommenen Werke nur äufserlich einander angepafst werden. Huon
einerseits und Ogier andererseits sind von Voretzsch als Muster
dieser beiden Arten aufgezeigt worden.
Zuletzt sind auf der Tabelle die Nachbildungen in jüngeren
Zeitaltern eingezeichnet. Bojardo und Ariost, auch Victor Hugo
wären hier als Beispiele anzuführen. Es sind die manchmal soge-
1 Vgl. meinen Exkurs ,, Keltische Mythen in keltischer Heldensage und
Legende", Gralsage S. 136 — 138.
BEMERKUNGEN ZU EINER GESCHICHTE DER FRZ. HELDENSAGE, 455
nannten „Kunstepen" im engeren Sinne des Worts, d. h. Erneue-
rungen innerhalb jüngerer Kulturverhältnisse, aus denen der Dichter
seine Hörer mit Absicht in die früheren zurückversetzt.
2. Aufmerksamer als man es bisher that, hat Voretzsch die
Komposition des Huon betrachtet. Er kommt, im Anschlufs an
Sarans Ergebnisse in seiner Abhandlung über den Wigalois, zu
dem bemerkenswerten Resultat (S. 151), dafs der Dichter des Huon
die fünfteilige Kompositionstechnik der Artusromane sorgfältig nach-
geahmt hat. Im alten Heldenepos herrschte das Nacheinander:
eine Episode löste die andere ab, ob auch die Teile lose ausein-
anderfielen. Im ältesten Arlusroman wird noch dieselbe Kom-
position geübt: so in den früheren Tristanromanen und im Lan-
zelet des Ulrich von Zatzikoven. Nach Saran (Paul und Braunes
Beiträge XXI, S. 290 ff.) hat besonders Crestien die Technik des
Nebeneinander ausgebildet: durch Einschachtelung wurden die ein-
zelnen Handlungen zu einer unlösbaren Einheit zusammengefügt.
3. Nach Voretzsch hat der Huondichter in der Hauptsache
zwei ältere Werke in einander verarbeitet, den „Urhuon" und
den „Urhugo". Im ersteren, von dem uns ein Auszug in der
Turiner Lothringerhs. erhalten ist, wurde die Mordthat eines Grofsen
am Pariser Hof, seine Verbannung und Heirat mit einer ausländi-
schen Königstochter erzählt. Das letztere Werk war eine ursprüng-
lich fränkische Brautfahrtsage, deren Held mit Hülfe seines elbischen
Vaters Alberich ein Ungeheuer erschlägt und eine Prinzessin zur
Frau gewinnt. Diese fränkische Sage liegt andererseits auch dem
deutschen Ortnit zu Grunde. Der Huondichter benützte sie in
Form eines Epos. Es überrascht, dafs G. Paris, in einem gleich-
zeitig erschienenen Aufsatz, 1 hier eine Sage annimmt. Voretzsch
bemerkt darüber in einem Nachtrag: „Wir scheinen die Rollen ge-
tauscht zu haben".
Aufser diesen beiden Hauptquellen macht Voretzsch wahr-
scheinlich, dafs der Huondichter eine lange Reihe beliebter Helden-
epen und ebenso die wichtigsten Artusromane gekannt und stofflich
benützt habe.2 Hier wird der Leser wohl im Ganzen, nicht aber
in allen Einzelfällen zustimmen. Wertvoll erscheint mir unter
anderem der Nachweis, dafs die Gestalt Auberons manche Züge
aus den bretonischen Feensagen empfangen habe. In der That
war zur Zeit des Huondichters in Frankreich die germanische
Mythologie nicht mehr lebendig. Da war es nur natürlich, dafs
man sich Alberich nach Art keltischer Mythenfiguren vorstellte.
Ich hatte kürzlich die Vermutung geäufsert, dafs an Auberon viel-
leicht nur noch der Name germanisch sei.^ Uebrigens zeigt der
französische Auberon merkwürdige Uebereinstimmungen mit Merlin.
Ueber den engin am Thor von Duonostre, die beiden Kupfer-
1 Romania 1900, S. 209 — 218.
2 S. 410 ist eine Filiationstabelle der benützten Werke beigegeben.
3 Vollmöllers Jahresbericht IV, 2, S. 384.
456 E. WECHSSLER,
männer, die beständig mit ihren Keulen losschlagen, giebt Voretzsch
einen längeren Exkurs (S. 132 — 138). Er nimmt Benützung des
Lancelot, Ivain und ursprünglichen Wigalois an. Dort findet sich
aber nirgends das Motiv dieser Kupfermänner. Dagegen im Prosa-
lancelot wird die Burg Dolereuse Guarde von drei Kupferriesen
bewacht. Der erste steht auf dem inneren Thor und fällt herab,
sobald Lancelot die INIehrzahl der ihm unten entgegenstehenden
zwanzig Ritter besiegt hat; doch triiTt das Ungeheuer nicht Lancelot,
sondern einen dieser Ritter. Hernach, als Lancelot, um die Be-
wohner der Burg zu erlösen, das letzte uud schwerste Abenteuer
besteht und in die drei Gelasse eines tiefen Kellers eindringt, wird
ihm vor der Thüre des zweiten Gelasses der Eintritt durch zwei
beständig losschlagende Kupfermänner gewehrt; doch tritt er un-
verletzt ein. Im letzten Gelafs überreicht ihm eine kupferne Jung-
frau einen Schlüssel. 1 Ich will nicht behaupten, dafs diese Branche
des Prosalancelot vom Huondichter benützt worden sei. Jedenfalls
aber hat er die zwei schlagenden Kupfermänner aus keinem der
von Voretzsch angezogenen Romane entnommen, sondern in irgend
einem andern Artusroman vorgefunden. Ich erinnere mich, diesem
Motiv noch öfter begegnet zu sein.
Voretzsch betont mit Grund, dafs das erhaltene Huonepos
trotz der vielen stofflichen Entlehnungen nicht eine Kompilation,
sondern eine gut komponierte Neuschöpfung sei (S. 53 ff.). Doch
sind der inneren Widersprüche mehr als er anzunehmen geneigt
ist. Als die lüsterne Esclarmonde zu Huon in den Kerker tritt
und ihre Wünsche sofort befriedigen möchte, weigert er sich aufs
schroffste und wird erst durch mehrtägigen Hunger dahin gebracht,
der Heidin die Ehe zu versprechen. Auf der Meerfahrt dagegen
vollzieht Huon die Ehe mit der noch ungetauften Heidin, trotz
Auberons strengem Verbot; Esclarmonde erinnert ihn umsonst
daran, ringt flehend die Hände und rauft sich das Haar. Hernach
in der Abtei unweit Bordeaux schläft Huon in einem andern
Zimmer, um an diesem heiligen Ort nichts Unerlaubtes zu begehen
(Guessard S. 175, 202, 270). — Ferner am Ende des Gedichts,
nachdem er unter vielen Gefahren sein angestammtes Herzogtum
Gascogne wieder erlangt hat, wird er von Auberon zum Nachfolger
in seinem Feenreich ernannt und mufs versprechen, in drei Jahren
dahin aufzubrechen. An diesen und andern Widersprüchen er-
kennen wir, dafs der Huondichter das Thema des alten Huon-
gedichtes verschoben hat. Der gläubige Heidenbekehrer des Helden-
epos wird ihm zum INIinnediener und abenteuerlustigen Ritter. Und
dem Herzogtum, um dessen Besitz sich die Handlung des alten
Epos gedreht hat, zieht Huon hier das fabelhafte Zauberreich im
Orient vor. Voretzsch meint daher, eine „leitende Idee fehle ganz"
und der Dichter habe nur die Absicht zu unterhalten (S. "jt, ff.).
Ich kann dieser Ansicht nicht beistimmen. Der Huondichter behält
1 Ich zitiere nach meinen Excerpten aus ff. 344 : fol. 215 d ff. und fol. 225 c ff.
BEMERKUNGEN ZU EINER GESCHICHTE DER FRZ. HELDENSAGE. 457
wenigstens sein eigenes Thema fest im Auge und führt es sorgfältig
durch. Nur dafs im Urhuon ein Thema verschiedener Art gegeben
war. Beide haben sich dann gekreuzt, ohne dafs der Dichter und
seine Hörer daran Anstofs genommen hätten. Diese Themata will
ich versuchen näher festzustellen. Vorher aber bleibt zu erwägen,
an welches Publikum die Ependichter der älteren Zeit sich ge-
wendet haben.
4. In Frankreich entwickelte sich eine Laienbildung zuerst
an den Höfen des feudalen Adels, am Hof des Königs als höchsten
Lehnsherrn wie an denen der unmittelbaren und mittelbaren Kron-
vassallen, der Herzöge, Grafen und Freiherrn. Die Feudalität,i
getragen von den ursprünglich fränkischen Adelsgeschlechtern, hatte
sich im lo. Jh. zu solcher Macht erhoben, dafs die Kirche wirt-
schaftlich schwer geschädigt und auch als Kulturfaktor in ihrer
beherrschenden Stellung eingeschränkt wurde. Neben den Bischof-
städten und Abteien als den älteren Kulturzentren gedieh an den
feudalen Höfen eine eigentümliche Bildung, die sich von der
geistlichen mehr und mehr unabhängig machte. Courtoisie nannte
man später diese älteste Laienbildung der neueren Zeit. Es war
eine Weltanschauung und Lebensauffassung von ganz unkirchlicher
und im Grunde auch unchristlicher Art. Laienrechtspflege und
Kriegswesen bildeten die feste Grundlage. Auf dem Lehenrecht
beruhte alle staatliche und gesellschaftliche Ordnung. Seine Kennt-
nis und Wahrung war die vornehmste Aufgabe der feudalen Ge-
sellschaft. Durch beständige Kriege sicherte und erweiterte man
seinen Besitz. Tapferkeit und Gewandtheit in der Führung der
Waffen waren darum der zweite unveräufserliche Bestandteil feu-
daler Bildung. Das Lehenrecht war von Natur privatrechtlich, es
betraf Beziehungen von Person zu Person. Auf persönliche Tüchtig-
keit war demnach alles begründet, nur sie versprach Schutz und
Sicherheit.
In den Kreisen dieses Feudaladels wurden die französischen
Heldenepen zuerst gedichtet und vorgetragen. Es war eine aus-
schliefslich aristokratische, eine Feudalpoesie. Der Kirche war
sie wenig genehm: umsonst versuchte man die Epen durch Le-
genden wie den Leodegar und Alexius zu verdrängen. Auch
waren viele Bistümer und Abteien von Laien, Angehörigen der
Feudalität, besetzt. Diese Kreise mögen an der Entstehung
der Gattung wesentlich beteiligt gewesen sein.^ Erst später ge-
langte feudale Bildung und feudale Poesie auch in die Städte,
auch hier zunächst nur zu den borgeois, den Patriziern. Klein-
bürger und Bauern hatten im Zeitalter der Feudalität dringendere
Sorgen, als ästhetische Genüsse zu pflegen. Die Vilains werden
vom Ependichter überhaupt nicht erwähnt oder aber mit Schimpf
1 Man pflegt statt von Feudalität vom Rittertum zu sprechen, trifft
damit aber nur die militärische Grundlage der feudalen Gesellschaft.
2 Vgl. den kriegerischen Erzbischof Turpin Ina Rolandslied.
458 E. WECIISSLER,
und Spott bedacht.i Der Hochadel und teilweise die hohe Geist-
lichkeit, hernach die Patrizier, dies war das Publikum, für das
der Ependichter wirkte. Erst in der Zeit des Niedergangs, als
andere poetische Gattungen an den Höfen in Mode kamen, trugen
die Spielleute die „zersungenen" Epen auch ins niedere Volk.
5. Weltanschauung und Lebensauffassung des Feudal-
adels bildeten demgemäfs das Thema des französischen Epos.
Nach Lehenrecht werden alle menschlichen Verhältnisse beurteilt
und geschildert. Die lehenrechtliche Terminologie wird der Grund-
stock der neuen Dichtersprache. Nicht sittliche, sondern rechtliche
Konflikte sind es, die von den Epikern geschildert werden; ähn-
lich wie in der Ilias und im Nibelungenlied. Oftmals mifsverstehen
wir eines dieser Epen, wenn wir von der Rechtsfrage absehen.
Ist das Recht verletzt, so können nur Krieg und Zweikampf
die Ehre des Verletzten wiederherstellen. So sind Mord und Tot-
schlag das häufigste Motiv der Ependichter geworden.
Und wie alle Rechtsordnung sich in persönliche Verpflich-
tungen auflöste, so finden wir in den Epen alles Geschehen aus
Liebe und Hafs, Neigung und Widerwillen Einzelner erklärt. Durch
diese seine Natur war das Lehenrecht weit entfernt, den Dichter
vor undankbare Aufgaben zu stellen, im Gegenteil bot es ihm die
reichste Fülle poetischer Konflikte.
In Wirklichkeit brachte, wie man weifs, das Zeitalter der Feu-
dalität oftmals heillose Anarchie. Alles Recht war auf ein persön-
liches Treuverhältnis zwischen Senior und Vassall begründet. Darum
war Treue die Kardinal tugend der feudalen Gesellschaft, Verrat
= Felonie das Kardinalverbrechen .2 Dichterische Gestaltungskraft
konnte sich keine lohnenderen Motive wünschen. Und die feu-
dalen Herren konnten und wollten nichts anderes lieber gepriesen
hören als die Vassallentreue, und nichts so gebrandmarkt wie den
Verrat am Herrn. Nicht blofs zur Unterhaltung hielten und be-
lohnten sie den Dichter an ihrem Hofe. Der lehrhafte Zweck
mochte manchem Fürsten das allein wesentliche sein, und dies
umsomehr da die Bande persönlicher Treue im Leben so oft ge-
brochen wurden. Eine unverkennbare didaktische Tendenz wohnt
der ganzen feudalen Epik inne. So materiell die Wirklichkeit, so
ideell war die Dichtung.
Aus diesen Voraussetzungen begreift sich jede Zeile und jedes
Wort des Rolandslieds. Auf der einen Seite verrät Ganelon aus
Hafs gegen seinen Stiefsohn Roland und um Geld seine Mit-
vassallen und mittelbar den kaiserlichen Herrn an den Feind; auf
der andern weigert sich Roland als Führer der Nachhut, als er
schwer bedrängt ist, in sein Hom zu stofsen und dadurch das
Hauptheer herbeizurufen, für dessen ungehinderten Abzug er Sorge
zu tragen hat. Pur sun seigmir deit hum suffrir destreiz e endurer
1 Vgl. die lesenswerte Studie von Josef Falk in den Melanges de philo-
logie romane dedies ä Carl Wahlund. Mäcon 1896, S. 109 — 122.
8 Vgl. L. Gautier, Epop^es I^, S. 27.
BEMERKUNGEN ZU EINER GESCHICHTE DER FRZ. HELDENSAGE. 45g
e grafiz calz e granz freiz; sin deit hum perdre e del quir e del peilA
Diese Worte Rolands sind das Motto des ganzen Gedichts. Und
die Verurteilung und Hinrichtung des Verräters, deren ausführ-
liche Schilderung uns heute befremdet, wurde von den damaligen
Hörern mit besonderer Befriedigung vernommen.
Anders ist die rechtliche Lage des Kaisers in der Mehrzahl
der Vassallenepen. Im Girart von Roussillon und Girart von Vienne
— beide Dichtungen behandeln dasselbe Thema — gerät der
Kaiser gegen seinen Vassalien dadurch ins Unrecht, dafs er sich
mit einer Frau vermählt, die jenen liebt. Daraus folgt in beiden
Werken grofses Unheil für Herrn und Vassall. Girart verliert da-
durch ein ihm zugesichertes Land. Im Girart von Vienne wird der
Konflikt noch verschärft. Als nämlich der Held zum Symbol der
Huldigung des Kaisers Fufs küssen will, veranlafst ihn die Kaiserin
durch eine Täuschung, den ihrigen zu küssen, und rühmt sich
hernach dieser Beschimpfung.
Im Raol von Cambrai beginnt der Konflikt damit, dafs Ludwig
dem nachgebornen Raol, Sohn des Grafen von Cambrai, seine
angestammte Grafschaft entzieht, also die Erblichkeit des Lehens
antastet. Später entzieht er, um Raol zu entschädigen, den vier
Söhnen des Grafen Herbert von Vermandois ihr Lehen. Ein jahre-
langer erbitterter Kampf um dieses Lehen ist die Folge. In dessen
Verlauf verliert Raol das Leben.
Ein Rechtsstreit bildete auch das Thema des von Voretzsch
erschlossenen Urhuon. Die zwei jungen Söhne des vor sieben
Jahren verstorbenen Herzogs Sewin von Gascogne haben es durch
Unkenntnis die ganze Zeit über versäumt, bei einem der Hof-
feste Kaiser Karls zu huldigen, gleich ihrem Vater bei Tisch
Vassallendienst zu leisten und sich im Besitz des kaiserlichen Lehens
Gascogne bestätigen zu lassen. So hat Amauri, der selbst nach
dem Königtum trachtet, leichtes Spiel, die pflichtvergessenen Vas-
salien bei Karl und dem soeben zum Thronfolger bestimmten
Carlot der beabsichtigten Untreue zu beschuldigen. Die beiden
hätten ihr Lehen sofort verwirkt, wenn nicht Nales den Kaiser
gebeten hätte, die beiden erst gütlich durch Gesandte an ihre
Vassallenpflicht erinnern zu lassen. Es geschieht, und die Brüder
erklären sich sofort bereit, dem Lehensherrn durch den schuldigen
Fufskufs zu huldigen. Auf dem Wege überfällt Carlot die Unge-
rüsteten, verwundet Gerart den jüngeren und fällt durch Huon,
der ihn nicht erkennt. Die Brüder gelangen nach Paris. Huon
erzählt den Ueberfall und wird vom Kaiser seines Schutzes ver-
sichert. Amauri bringt Carlots Leiche und behauptet, Huon habe
diesen wissentlich getötet. Huon bestreitet es. Der gerichtliche
Zweikampf entscheidet zu seinen Gunsten. Aber niemand hat das
Geständnis des sterbenden Amauri gehört. Daher zweifelt Karl
an der Richtigkeit des Gottesurteils und verbannt Huon für immer
^ ed. Gautier v. lOio und 11 17.
460 E. WECHSSLER,
aus Frankreich. Doch mildert er, auf das Einschreiten der Pers,
dieses Urteil dahin ab, dafs Huon eine unmögliche Aufgabe er-
füllen soll: komme er ohne die Beweise der vollbrachten That
wieder, solle er ohne Prozefs gehängt werden. Der jüngere Bruder
Gerart erhält das väterliche Lehen und verheiratet sich standes-
gemäfs. Er glaubt den Bruder tot und sich im festen Besitz der
Herrschaft, als dieser nach der glücklichen Lösung der Aufgabe
wiederkehrt. Fest entschlossen, auf das Herzogtum nicht freiwillig
zu verzichten, weifs er dem arglosen Huon die Beweise der That
zu rauben, setzt ihn gefangen, tötet seine Begleiter und erhebt
beim Kaiser Klage, der Verbannte sei entgegen dem Verbot heim-
gekehrt. Huons Leben ist verwirkt. Er erbietet sich zum gericht-
lichen Kampf gegen Gerart und dessen Schwiegervater Gibouart
gemeinsam. Mit seinem Sieg über diese und deren Tod und Ge-
ständnis schlofs das alte Huonepos. Im erhaltenen Gedicht ist
vom Dichter statt des Gottesurteils das zeitgeschichtliche Motiv
der Perskammer eingesetzt. Huon hatte sich bereit erklärt, seinem
Bruder die Hälfte des Herzogtums zu überlassen: dies scheint ein
alter, charakteristischer Zug. Neu angefügt ist schliefslich Auberons
Dazwischenkunft.
Dies war das Thema des alten feudalen Gedichts. Die Hand-
lung bewegte sich darin um den Besitz des Herzogtums Gascogne,
erst zwischen Karl und den Herzogssöhnen, dann unter diesen
selbst. Um sein Erbe antreten zu können, vollbringt Huon das
grofse Wagnis im Ausland; um es zu behalten, wagt Gerart Ehre
und Leben. Einen Umschlag im Charakter des letzteren vermag
ich nicht zu finden, wie Voretzsch (S. 75) annimmt. Dafs um ein
Herzogtum auch dem Bruder die Treue gebrochen wird, konnte
den damaligen Hörern nicht auffallen. Karl ferner tritt nicht, wie
Voretzsch meint, „alles Recht mit Füfsen", sondern ist formell in
seinem Recht, wie auch die Pers anerkennen.
Dieses juristische Thema hat auch der Dichter des erhaltenen
Huon beibehalten, ja sogar die Perskammer und ihre Sitzung noch
hinzugefügt. Andererseits aber wollte er seinen Helden nach Art
der modischen Minne- und Abenteuerromane schildern und prägte
damit dem Ganzen ein neues Thema auf. Sein Werk gehört im
Grunde nicht mehr zur Gattung der feudalen Epen, sondern zu
den modernen Minneromanen. Den Höhepunkt der Handlung
innerhalb des neuen Themas bildet die Verletzung des Keusch-
heitsgebots und der Seesturm. Die Liebenden werden getrennt
und wahren einander auch in schwerer Gefahr die Treue. Esclar-
monde schützt gegen einen aufgedrungenen Gatten ein Gelübde
vor, und Huon verzichtet gern auf den Besitz der schönen Prinzessin,
die sich im Schachspiel freiwillig von ihm hat schlagen lassen.
Das Mifsverhältnis des alten und des neuen Themas wird von
den Hörern so wenig wie vom Dichter gefühlt worden sein. Dieses
Erzeugnis der Spätzeit sollte weniger durch anregenden Gedanken-
gehalt als durch bunte Fülle des Stoifs fesseln. Und dieses Ziel
BEMERKUNGEN ZU EINER GESCHICHTE DER FRZ. HELDENSAGE. 46 I
wurde am leichtesten erreicht, indem man zugleich den alten und
den neuen Geschmack befriedigte.
6, Aelter als der Lehenverband war der Familienverband,
die parente^ Er reicht noch in die germanische Zeit zurück. Ihm
und seiner Macht ist es zuzuschreiben, dafs die Lehen, die ur-
sprünglich mit dem Tode des Belehnten erloschen, früh erblich
wurden. Die Familieninteressen konnten sich seitdem innerhalb
der Feudalität mehr und mehr geltend machen. Diese Entwick-
lung zeigt sich besonders in den Vassallenepen, wie dem Lothringer-
epos, wo die Bordelois und Loherenc sich in Blutfehde gegen-
überstehen. Ja die Ependichter versuchten, später fast sämtliche
Personen einer Dichtung zu zwei feindlichen Geschlechtern zu-
sammenzufassen. So läfst insbesondere der Huondichter seinen
Helden überall mit Verwandten aller Art, Oheimen und Cousinen,
unerwartet zusammentreffen: ein wesentliches Merkmal der jüngeren
Epen, wie Voretzsch richtig bemerkt. Schliefslich versuchten die
Urheber der grofsen Zyklen auch die Personen mehrerer Epen
unter einander in Verwandtschaft zu bringen. Drei grofse Familien
waren schliefslich das Ergebnis: die königliche, die der treuen
und die der verräterischen Vassallen. Sogar in Artusromanen, im
Prosatristan und Prosalancelot machte sich dieses Bestreben geltend.
Es hatte seinen realen Grund in der überragenden politischen Be-
deutung, welche einige grofse Fürstengeschlechter in Frankreich
erlangt hatten. •
7. Die älteren Epen zeigen meist eine eifrige Parteinahme
für dieses oder jenes Fürstenhaus. Es lag in der Natur der Dinge,
dafs der Ependichter, der an einem feudalen Hofe dichtete, dessen
politisch-dynastische Interessen offen oder verhüllt vertrat.
Vorliebe und Mifsgunst der einzelnen Hofdichter erscheinen stets
so deutlich, dafs wir an der bestimmten Absicht nicht zweifeln
können. Im Rolandsliede und andern Werken der sogenannten
Königsgeste werden die Angehörigen des Karolingerhauses auf
Kosten seiner Feinde verherrlicht. Hier werden die Pflichten des
Vasallen gegen den höchsten Lehensherrn betont. Umgekehrt
werden in den Vassallenepen die Mitglieder der herzoglichen und
gräflichen Familien als musterhafte Helden gepriesen und die
Könige, der grofse Karl nicht ausgenommen, als schwach und
haltlos, oft sogar als ungerecht und böswillig geschildert. Wir
hören hier beständig von den Pflichten des Herrn gegen seine
Vassallen und von Kränkungen der letzteren. So erkläre ich mir
z. B. das Charakterbild Ludwigs im Krönungsepos. Wenn Kaiser
Karl , und mehr noch sein Sohn Carlot, im Ogier und ähnlich im
Huon so schlechtes Licht erhalten, möchte ich nicht mit Voretzsch
(S. 75 — 76) irgend welche ästhetische Kritik üben. Es ist beidemal
eine Invektive des Vassallendichters Sfeffen das Köniffshaus. Mancher
1 Jacques Flach hat das Lehenwesen auf die j)a;v;z^t?' zurückführen wollen,
damit aber keine Zustimmung gefunden.
462 E. WECHSSLER,
schroffe Widerspruch mit der Geschichte, den man bisher dem
„Walten der Sage" zuzuschreiben geneigt war, dürfte sich auf
diesem Wege aufhellen lassen. Die alte Einteilung in die drei
Gesten findet hier eine innere Begründung. Wenigstens bei den
älteren Epen wird uns die Frage cui bono? immer wesentlich fördern.
Uebrigens schrieb A. W. Schlegel • vor langen Jahren: „Wir sind
so weit entfernt, alle Abweichungen der Sage blofs den Umwand-
lungen der blindlings wirkenden Zeit beizumessen, dafs wir viel-
mehr in nicht wenigen die absichtlichen Erfindungen einzelner
Dichter sehen, welche dem Ahnenstolze dieses oder jenes Fürsten,
oder seinen Ansprüchen auf erweiterte Herrschaft schmeicheln
wollten. Wir glauben sogar die politischen Zwecke zu erraten, zu
deren Behuf manche Heldendichtungen, wo nicht zuerst ersonnen,
so doch erneuert und in Umlauf gebracht worden sind.*'
8. Wir erhalten damit ein wertvolles Kriterium für Ort und
Zeit der Abfassung eines Epos. Die ursprünglichen Redaktionen
der älteren Epen sind meines Wissens in keinem einzigen Fall
sprachlich unverändert überUefert. So läfst sich hier aus sprach-
lichen und metrischen Kriterien nichts Sicheres gewinnen. Der
Fürsten hof aber, nach dem die politisch -dynastischen Interessen
einer Dichtung weisen, wird in jedem Falle als der Ort ernstlich
in Frage zu ziehen sein, w-o dieselbe gedichtet und zuerst vorge-
tragen wurde (unbeschadet ihrer späteren Verbreitung). Und da
ergiebt sich* uns, wenn wir die erhaltenen Werke überblicken, eine
gewisse Anzahl feudaler Höfe, die wiederholt in Betracht kommen.
Nächst Paris sind es vorzugsweise südfranzösische Fürstenhöfe (Nar-
bonne. Orange, Bordeaux, Blaia (Blaivies), Vienne und andere.
Was ferner die Abfassungszeit betrifft, so dürften sich öfter Ueber-
einstimmungen zeitgenössischer politischer Konstellationen mit den
Situationen der Epen ergeben.
G. Gröber ist geneigt, manche Werke der Königsgeste, wie
das Rolandslied, zeitlich möglichst nahe an die geschichtlichen
Personen und Ereignisse zu rücken: 2 nur zur Zeit der staatlichen
Blüte,3 nicht während des Niedergangs des Karolingerreichs können
nach ihm die älteren Epen entstanden sein. Ich möchte die
Richtigkeit dieser Begründung bezweifeln.^ Die Geschichte aller
Völker lehrt uns, dafs die beschaulichen Künste,^ so auch die
Poesie, selten gleichzeitig mit grofsen staatlichen und kriegerischen
Thaten gedeihen, vielmehr im besondern politische Dichtungen
1 ed. Böcking XII, 387.
* Frz. Literaturgeschichte S. 453.
[^ Bei mir steht von staatlicher Blüte nichts. Hrsg.]
[* Die folgenden Ausführungen stimmen zu meiner Kenntnis der Lage
Frankreichs in der Zeit vom 9. — 12. Jh. so wenig, dafs ich dem Verfasser
in seiner Konstruktion nicht folgen kann. Hrsg]
[^ Ich spreche auch nicht von beschaulichen Künsten und von Gleich-
zeitigkeit, sondern von gevk^issen Stimmungen des Volkes, die mir Voraus-
setzung für eine nalioualpatriolische Heldendichlung zu sein scheinen. Hrsg.]
BEMERKUNGEN ZU EINER GESCHICHTE DER FRZ. HELDENSAGE. 463
diesen als ihr Nachklang folgen oder aber neuen Aufschwung vorbe-
reiten. Gerade die Regierungszeit der französischen Karolinger und
ältesten Kapetinger kann, wie mir scheint, Veranlassung gegeben
haben, nach rückwärts zu blicken auf die ruhmreiche Vergangen-
heit und aus den Leistungen der Vorfahren Mut und Trost für
die Gegenwart zu schöpfen. Frankreich seit Karl dem Kahlen
bis vor Philipp Augusts zielbewufster und erfolgreicher Regierung
war von der JMachtfülle eines Pipin, Karl und Ludwig so weit
entfernt, und stand gegen das kaiserliche Deutschland so sehr
zurück, dafs die dichterische Verherrlichung des weltbeherrschenden
Kaiser Karl der Ausdruck politischer Wünsche und Hoffnungen
genannt werden kann. In der Schlacht bei Bouvines mafsen sich
zum ersten Male die Franzosen siegreich mit den kaiserlichen
Deutschen. Der Traum begann Wirklichkeit zu werden. Kurz
zuvor war die alte Karlssage für die mafsgebenden Kreise zur
blofsen Unterhaltungslitteratur geworden.
g. Die Frage nach der ursprünglichen Heimat der einzelnen
Epen ist unlösbar verknüpft mit der alten Streitfrage, ob es aufser
den wenigen überlieferten Epen in provenzalischer Sprache eine
umfangreichere provenzalische Epik gegeben habe, ob z. B. die
Wilhelmsepen zuerst provenzalisch abgefafst gewesen seien. Eine
grofse Anzahl gerade der wertvollsten Dichtungen würden dann
dem Süden angehören. Für die Beantwortung dieses Problems
hat uns Franz Saran kürzlich einen beachtenswerten Fingerzeig
gegeben. ' Er schlägt vor, in das Mittelalter den Begriff der
„Gattungssprache" einzuführen. So seien in Griechenland für die
einzelnen poetischen Gattungen bestimmte Mundarten üblich ge-
worden, nachdem hervorragende Dichter diese Mundarten zu
Kunstsprachen für bestimmte Gattungen ausgebildet hatten. Es
ist eine bekannte Thatsache, dafs der attische Tragiker dorische
Chorlieder dichtete und in seine Tragödien einlegte. Die Misch-
sprache Homers war noch im alexandrinischen Zeitalter die Sprache
des Epos schlechthin. Eine solche poetische Gattungssprache gab
es im Mittelalter auf der Pyrenäenhalbinsel. Alfonso X. von Spanien
beteiligte sich eifrig an der kastilianischen Litteratur; nur für seine
Lyrik, die weltliche wie die geistliche, bediente er sich des Galizisch-
Portugiesischen, das von einer zahlreichen Dichterschule für diese
Gattung ausgebildet worden war.
Sollte Aehnliches auch in Frankreich der Fall gewesen sein?
Die bekannte Bemerkung des Ramon Vidal, das Französische sei
für Romane und Pastourellen, das Provenzalische für Minnelieder
und Sirventese besser geeignet, scheint solche Verhältnisse voraus-
zusetzen. Vom Provenzalischen jedenfalls steht es fest, dafs es
für Minnesinger aus italischem, katalanischem und auch nordfran-
zösischem Sprachgebiet die anfangs allein mögliche Gattungssprache
gewesen ist. Schon Wilhelm IX. von Poitou, der älteste Trouba-
^ Germanischer Jahresbeiicht 1899, S. 79.
464 E. WßCHSSLER,
dour, dessen Werke uns zu einem Teil übediefert sind, bediente
sich nicht des Poitevinischen oder einer andern nördlichen Mund-
art, sondern der bereits damals ausgebildeten provenzalischen
Dichtersprache auf limousinischer Grundlage. Andererseits war
das Französische die Gattungssprache des Epos. Wir sehen dies
besonders an den französischen Epen in Oberitalien. Ob auch
südfranzösische Dichter sich im Epos des Französischen bedient
haben, bliebe noch zu untersuchen. Die Existenz so vieler fran-
zösischer Heldenepen, worin südliche Helden und südliche Herrscher-
familien gefeiert werden, wäre damit kein Problem mehr.
Heldenepos und Minnesang waren höfische 1 Gattungen. Das
gebildete Publikum, für welches dieselben bestimmt waren, mochte
ohnedies beide Kultursprachen Frankreichs beherrschen. So boten
sich dem sprachlichen Verständnis keinerlei Schwierigkeiten. Die
französischen Epen, gleichviel wo entstanden, waren im Norden
und Süden gleich willkommen. Von der Beliebtheit der Epik im
Süden zeugen uns die zahlreichen Anspielungen der Troubadours,
auf die man längst aufmerksam geworden ist. Umgekehrt wurden
provenzalische Minnesinger an nordfranzösischen und dem eng-
lischen Hofe aufgenommen, und besangen dort die Fürstinnen in
provenzalischer Sprache. Erst im letzten Drittel des 12. Jhs. be-
gann man den Minnesang in französischer Sprache zu pflegen.
Und im 13. Jh., als sich infolge der Albigenserkriege das Ueber-
gewicht des Nordens über den Süden mehr und mehr geltend
machte, wurde die provenzalische Kultursprache allmählig zurück-
gedrängt.
Damit wird uns ein merkwürdiger Zusammenhang zwischen
Heldenepos und Minnesang klar. Es mufs auffallen, dafs dieselben
Kulturzentren die Heimat wertvoller Epen und hervorragender
Minnelieder gewesen sind. In Narbonne, dem Brennpunkt der
Aimeri-Epen, wurde die Vizgräfin Ermengard von Peter Rogier
und andern Troubadours besungen. In Blaia, von dessen Grafen-
haus die Geste de Blaivies handelt ,2 lebte Jaufre Rudel, der Held
der schönsten Troubadournovelle. Graf Ra'imbaut von Orange
stammte aus derselben Grafschaft, deren Namen Wilhelm der Hei-
lige trug. Auch Toulouse, Bordeaux, Vienne und andere Höfe
wären hier zu nennen, nach denen sowohl frz. Epen wie proven-
zalische Lieder weisen.
Aber auch ein innerer Zusammenhang zwischen Heldenepos
und Minnesang wird sich uns ergeben, wenn wir erwägen, dafs
diesen beiden Gattungen feudaler Hofpoesie dieselbe Tendenz ge-
meinsam ist. Wie immer man sonst über das Wesen des Minne-
* Man hat sich gewöhnt, Minnesang und Minneroman als , .höfische Dich-
tung" dem sogenannten „Volksepos" gegenüberzustellen. Dieses aber ist feu-
dale Ilofpoesie nicht minder als jene beiden Gattungen. Besser würde man
thun, dieselben als Minnepoesie zu bezeichnen, da der Frauendienst ihr gemein-
sames Merkmal ausmacht. Vgl. meine Gralsage S. 52 ff.
^ Vgl. G. Paris, Revue historique LIII, 1893, S. 226 Anm,
BEMERKUNGEN ZU EINER GESCHICHTE DER FRZ. HELDENSAGE. 465
sangs denken mag, eine panegyrische und politisch -dynastische
Spitze läfst sich dieser Verehrung fürstlicher Damen kaum ab-
sprechen. Vertrat der Sirventesdichter in politischen Liedern die
Sache seines Herrn, so feierte der Minnesinger die Vorzüge der
Herrin. Meist vereinigte der Troubadour in sich diese doppelte
Aufgabe. Ja, einige der bedeutendsten wagten es sogar, beide
Themen in demselben Liede zu verbinden.
Heldenepos und Minnesang unterschieden sich, wie mir scheint,
vor allem darin, dafs das Epos mit seinem kriegerisch -politischen
Inhalt vorzugsweise für Männer, das Minnelied mit seiner Liebes-
psychologie zunächst für feingebildete Frauen bestimmt war. In
Südfrankreich, wo das römische Erbrecht nicht durch das germa-
nische verdrängt worden war, konnten Frauen das ererbte Lehen
antreten und selbständig regieren. So war hier die rechtliche
Stellung der weiblichen Angehörigen des Hochadels wesenthch
anders als im Norden. Damit stimmt merkwürdig überein die ver-
schiedene Auffassung und Würdigung der Frau im Epos einerseits
und im Minneüed andererseits. Doch darf nicht unerwähnt bleiben,
dafs die aus dem Süden stammenden Epen hierin dem Minnesang
näher stehen. Im alten Rolandslied, das sicher im Norden verfafst
ist, tritt überhaupt keine Frau innerhalb der Handlung hervor;
Rolands Braut Alda ist erst später aus einem andern Epos ein-
geschoben worden. Dagegen sind Elissent und Bertha im Girart
von Roussillon, und ähnlich Guibourc in Aliscans mit sichtlicher
Vorliebe geschildert. Insbesondere in Girarts Verhältnis zu seiner
Herrin und früheren Braut, der Kaiserin Elissent, glaube ich eine
Art Vorahnung des späteren Frauendienstes zu finden.
Sollte sich diese Annahme einer epischen und einer lyrischen
Gattungssprache Frankreichs bei näherer Prüfung bewähren, so
stünden altfranzösische und altprovenzaUsche Litteratur nicht mehr
in scharfer Trennung neben einander. Wie Frankreichs mittel-
alterliche Kultur überhaupt, würde sich uns auch seine Poesie als
geschichtliche Einheit erweisen. 1 Und die Gelehrten hätten Recht,
welche sich gewöhnt haben, die Geschichte der französischen und
der provenzalischen Litteratur im Zusammenhang zu behandeln.
10. Wer aber waren die Verfasser der älteren Heldenepen,
von Roland, Isembart und Gormund, Krönungsepos, Aliscans?
Oder, um die Frage genauer zu formulieren, was war ihr Bil-
dungsstand und wie ihre gesellschaftliche Stellung?
Haben wir uns, mit Gröber,- Krieger als die Verfasser zu
^ Die drei hauptsächlichen poetischen Gattungen ira mittelalterhchen
Frankreich, die rings in die Nachbarländer hinausdrangen, sind Heldenepos,
Minnesang und Älinueroman. Nordfrankreich ist die Heimat der ersten Gattung,
der Süden die der zweiten; und wieder im Norden entstand aus einer Ueber-
tragung der Minne auf die feudalen Ritter die dritte. Ich habe diese Ent-
wicklung darzulegen versucht in meiner Gralsage S. 49 — 53.
^ Frz. Litgesch. S. 456. [Bei mir steht von „einfachen Soldaten" nichts.
Hrsg.]
Zeitschr. f. rom. Phil. XXV. 7q
466 E. WECHSSLER,
denken, einfache Soldaten, die als Augenzeugen das Miterlebte
schilderten, gleich Werimbert, dem Gewährsmann des Mönchs von
St. Gallen? So wären es also Dilettanten, nicht Berufsdichter ge-
wesen. Aber vermochten solche die hochentwickelte Technik, die
uns schon in den ältesten Werken begegnet, ohne weiteres zu
handhaben oder gar zu schaffen? Die künstlerischen Kenntnisse,
die zur Abfassung auch eines mittelmäfsigen Epos nötig waren,
können nur durch berufsmäfsige Tradition und schulmäfsige Mit-
teilung ausgebildet und bewahrt worden sein. Diesen Kriegsleuten,
welche Gröber i im Sinne hat, möchte ich, mit Voretzsch, nicht
die Schaffung von Epen, wohl aber die Pflege der Sage vorzugs-
weise zuschreiben.
Oder haben wir uns unter den Verfassern die vielbesprochenen
Spielleute zu denken, hisln'ones — jog/eors, Leute, die vom Vortrage
von Dichtung und Musik und allerlei Schnurrpfeifereien lebten und
wandernd die Höfe, Städte und das platte Land durchzogen?
Dem widerspricht die durchaus ernsthafte, auf Recht und Sitte
gerichtete Lebensauffassung, mit der die Dichter in älterer Zeit
ihrem Thema gegenüberstehen. Dem widerspricht die feierliche
Würde des Vortrags, das freimütige, oft kühne Urteil über hoch-
stehende Personen, die sichere Beherrschung der standesgemäfsen
Lebensformen, und nicht zuletzt der feine künstlerische Geschmack.
Die Ependichter haben wir unter den Gebildetsten ihrer Zeit, unter
den geistigen Wortführern zu suchen, nicht aber unter fahrenden
Leuten und armen „Tellerleckern". Der Bildungsstand und die
gesellschaftliche Stellung, die sich in den Epen der besseren Dichter
offenbaren, weisen nicht auf die Strafse, sondern auf die kulturellen
Brennpunkte.
Sollen wir daher mit L. Gautier 2 kurzweg der es als die Ur-
heber der Heldenepen vermuten, Dichter wie die des Leodegar
und des Alexius? Gerade diese Beispiele Gautiers zeigen uns
deutlich den unüberbrückbaren Gegensatz zwischen kirchlichen
Legenden und feudalen Epen. Dort wird die kirchliche Welt-
anschauung, und als ihr Hauptteil die Askese gepredigt. Hier
dagegen schäumt der Wille zum Leben, wellliche Thatkraft und
Thatendrang. Und, wenn ich nicht irre, wollte die Kirche gerade
die Weltlust, die hier gedeiht, durch ihre Legendenlitteratur be-
kämpfen. Von kirchlichem Leben und aufrichtiger Weltentsagung
[' Bei mir heifst es 1. c: „Also in den Reihen von Kriegern . .. wird
das frz. Heldengedicht seinen Ursprung gehabt haben und grofs geworden
sein". Und Henigs Arch. 1. c. S. 321: „Und da für das geringste litterarische
Erzeugnis, auch für das sog. Volkslied, ein wenn auch noch so geringer Grad
sprachlichen Bewufstseins und litterarischen Verstandes erforderlich ist, werden
diese Eigenschaften auch den ersten dichtenden Bewunderern Karls d. Gr. . . .
(unter den Franzosen) . . . nicht abgesprochen werden können". Dafs es dich-
terisch befähigte Krieger unter den Kämpfern der Karolingerzeit gab, zeigt
uns das rhythmische lat. Zeilgedicbt im Volkston des Kriegers Angilbert auf
die Schlacht von Fontenoy vom Jahre 841 (s. Grundrifs II l, 168). Hrsg.]
2 Epopees IP, S. 40 — 45.
BEMERKUNGEN ZU EINER GESCHICHTE DER FRZ. HELDENSAGE, 467
vermag ich in der französischen Epik wenig zu finden. In den
verschiedenen Moniages sehe ich im Gegenteil einen Protest gegen
die mönchische Zumutung, sich einen Helden wie Wilhelm in der
Klause eingesperrt zu denken.
Wohl aber besafsen die Ependichter ohne Zweifel geistliche
Bildung: in diesem Sinn also waren sie clerc.^ Sie hatten sich
die höchste mögliche Bildungsstufe erworben, die eben nur von
der Kirche bezogen werden konnte; oder, in die heutige Sprache
übersetzt, sie besafsen „akademische Bildung".'^ So erkläre ich
mir den ausgesprochen christlichen Charakter der frz. Epik und
die z. B. im Rolandslied unläugbare Benutzung heiliger Schriften,
wie der Bibel insbesondere. Ein clerc war überdies jener Turoldus,
der am Rolandslied als Redaktor oder Verfasser beteiligt ist.» Clerc
nennt sich ausdrücklich Bertrant von Bar sur Aube. Suchier be-
merkt dazu: „Dafs er ein Kleriker gewesen ist, würde ohne seine
bestimmte Angabe niemand vermuten".* Auch der Verfasser des
Lothringerepos befafs nach F. Lot „uue certaine vistniction" .^
Aber die frz. Epiker waren weit entfernt, ihre geistliche Bil-
dung in den Dienst der Kirche zu stellen und etwa Legenden
wie den Alexius zu verfassen. Vielmehr wurzelten sie mit all ihren
Anschauungen in dem Leben der feudalen Höfe, wo Rechtspflege,
Krieg und Jagd das Ziel und die Aufgaben des Mannes dar-
stellten, und christlicher Glaubenseifer sich ausschliefslich in den
Fehden mit den Mohamedanern Spaniens und den germanischen
Wikingern bethätigte. In diesem Kreise, als Mitglieder der maisniee,
müssen sie gelebt und gedichtet haben. Grofsenteils auch mögen
sie, wie Bertrant, dem Adel von Geburt angehört haben, wenigstens
dem niedern Adel, als Söhne eines Kastellans oder Vavassors.
Oder aber errangen sie sich ähnlich einem Bernhard von Venta-
dorn trotz unfreier Abkunft durch Begabung und Leistungen die
Hoffähigkeit. Sie safsen mit zu Gericht im Rate der Vassallen,
und zogen mit dem Fürsten zur Fehde und auf die Jagd. So
nennt sich Raimbert von Paris, Redaktor des Ogierepos, einen
Edelmann,6 So wird auch Taillefer, der bei Hastings dem Nor-
mannenheer voranritt und aus dem Rolandsliede sang, nohle vassal
genannt.''
Jetzt erinnern wir uns ähnlicher Gestalten aus dem deutschen
Heldenepos, Volkers im Nibelungenlied und Horands in der Gudrun.
Damit werden wir unmittelbar auf das gemein germanische Amt
des skop zurückgeführt, des hochangesehenen Hofdichters, den
^ Hertz, Spielmannsbuch 2 8,4.
2 Auch Fr. Kauffmann erschliefst für das Hildebrandslied einen vor-
nehmen und geistlich gebildeten Verfasser, Sieversband S. 178.
3 Suchier, Frz. Litgesch. S. 25.
* Frz. Litgesch. S. 28. 55.
5 Rom. XXVni, 1899, S. 279. Vergl. auch Aimeri ed, Demaison
S, Lxxvni,
^ Gautier, Epopdes 11^, S. 46.
' Freymond, Jongleurs et M^nestrels S. 13 — 14.
30*
468 E. WECHSSLER,
schon Hertz 1 als Vorläufer der mittelalterlichen Dichter bezeichnet
hat. Das frz. Epos wird heute allgemein als christliche Fortsetzung
verlorener fränkischer Epen aufgefafst. So trat auch der frz. Epiker
an die Stelle des fränkischen skop. Nur dafs er sich von diesem
durch seine christliche Schulbildung unterschied. Seine soziale
Stellung war dieselbe. Ein besonderer Name scheint für ihn nicht
üblich geworden zu sein. Vermutlich nannte man ihn kurzweg
clerc, oder aber begriff man ihn unter die übrigen Vassalien am
Hofe mit ein? (Vielleicht auch hiefs er chanVeorT) So konnte es
geschehen, dafs ihn die Kirche mit dem Namen der litterarischen
Zwischenhändler, der histriones, bezeichnete. Erst in Südfrankreich
und zunächst nur für den Minnesänger kam eine Bezeichnung auf,
durch die auch äufserlich der Dichter vom Spielmann geschieden
wurde: es war der Name trohador, der früh nach dem Norden
kam und dort weitere Ausdehnung erhalten zu haben scheint.
Nach Bildung, Lebensstellung und Leistungen weitab von den
Epikern der feudalen Hofgesellschaft standen die Spielleute. Sie
lebten vom Vortrag und der Verbreitung dieser Epen und anderer
Dichtungen. Als Zwischenhändler übernahmen sie die Aufgabe,
die heute dem Buchdrucker und Buchhändler zukommt. Zwei
Gruppen lassen sich unter ihnen erkennen, die aber nicht scharf
geschieden waren. Manche waren an einem Fürstenhofe dauernd
angestellt; sie hiefsen menestrel, Bedienstete. Diese bethätigten
sich teilweise auch als Dichter, suchten es also den andern nach-
zuthun. Sie bedienten sich dabei der überlieferten Technik und
der zahlreich vorhandenen INIuster. Bekannte poetische Vertreter
dieses Standes sind Estrumen, der menestrel cortois des Admirals
Gaudisse, und Pinchonnet im Cleomades, auch Daurel in Daurel
und Beton. Die berühmtesten menestrel, von denen wir w'issen,
sind Jean Bodel aus Arras und Baudouin und Jean aus Conde,
ferner Adenet der Spielmannskönig. Auch der Huondichter gehört
zu ihnen: er hat im Estrumen ein Bild seines Standes gezeichnet,
wobei er freilich weniger der Wirklichkeit als seinen Wünschen
gefolgt sein wird. Aus dem Nibelungenlied sind Werbel und
Swemmel, die Hofspielleute König Etzels, hier zu nennen. Diese
menestrel pflegten die Poesie, soweit sie sich daran beteiligten,
mehr nur des Gelderwerbs wegen und als Unterhaltungslitteratur.
Um hohe didaktische Ziele oder die kluge Vertretung politisch-
dynastischer Zwecke war es ihnen kaum mehr zu thun. Sie ver-
hielten sich zu den Nachfolgern des skop wie heute der Journalist
zum Dichter.
Gesellschaftlich tiefer als der Hofspielmann stand der Fahrende,
jogleor schlechthin. Er mufste seinen Unterhalt suchen, wie er ihn
fand, und wenn nötig auch das Gewerbe des Possenreifsers aus-
üben. Selten trat er als Dichter auf; wenn es geschah, travestie-
rend oder parodierend. Derbe Komik war sein liebstes Thema.
^ Spielmauubbucli''^ S. 2. Dort weitere Litteratur.
BEMERKUNGEN ZU EINER GESCHICHTE DER FRZ. HELDENSAGE. 46g
Auch der menestrel mufste, wenn sein Herr starb oder ihn
entliefs, sein Brot anderwärts suchen. Der Estrumen im Huon
gerät in diese Lage. Eine feste Grenze zwischen dem ansässigen
und dem fahrenden Spielmann bestand nicht. So wurden denn
auch die Namen bald promiscue gebraucht. Auch diesen wechseln-
den Sprachgebrauch beobachten wir im Huon.
Sobald ein Epos in die Hände der Spielleute geraten war,
konnten Entstellungen im mündlichen Vortrag nicht ausbleiben.
Und als an den Feudalhöfen Minnesang und Minneroman in Mode
kamen und die alte Epik allmählig aus den mafsgebenden Adels-
kreisen verdrängt wurde, war der Verderbnis Thür und Thor ge-
öffnet. Erst wurden die stolzen Werke den Patriziern der Städte,
dann den Kleinbürgern und schliefslich den vilains jeder Art aus-
geliefert. Wir können an manchem Epos verfolgen, wie es „zer-
sungen", d. h. erweitert oder verstümmelt wurde. Für den gedank-
lichen Gehalt war in den unteren Schichten keinerlei Verständnis
mehr, ebenso wenig für die künstlerischen Ausdrucksmittel. Das
rein stolf liehe Interesse blieb übrig. Je mehr das Adelsepos „Volks-
epos" wurde, Gemeingut der niederen Volkskreise, desto mehr
wurde es entstellt. Am Anfang hatten grofse dichterische Persön-
lichkeiten gestanden, am Ende nahm die Menge das wertvolle Gut
in Besitz. Von oben nach unten, von engen Zentren ins Weite
ging der Weg, den die Heldenepen nahmen. Es ist der erfahrungs-
mäfsige Gang aller Kulturentwicklung.
11. Wann aber traten französische Hofdichter an Stelle der
fränkischen skopasl Mit andern Worten, in welche Zeit ist der
Anfang des französischen Heldenepos zu setzen? Wie wir sahen,
war dieses nach Wesen und Entstehung höfische Dichtung. So
können wir um den Zeitpunkt nicht verlegen sein. Erst als das
Galloromanische anstatt des Fränkischen Hofsprache geworden war,
kann ein romanisches Heldenepos gedichtet worden sein. Wann
die fränkischen Eroberer ihre germanische Sprache aufgegeben
haben, darüber fehlen meines Wissens eingehende Untersuchungen.
Karl der Grofse und sein Hof sprachen als Austrasier Fränkisch;
und wohl noch Ludwig der Fromme. Die Strafsburger Eide 842
zeigen die neustrischen Franken bereits romanisiert. Nach allge-
meiner Ansicht vollzog sich dieser durch Zweisprachigkeit der
Franken vorbereitete Sprachentausch unter Karl dem Kahlen. Mit
der Trennung von den ausschliefslich germanischen Landesteilen
wurde das Galloromanische allgemeine Landes-, auch Hofsprache;
ähnlich wie seit den Ereignissen des Jahres 1866 das Deutschtum
in Oesterreich- Ungarn in seinem Besitzstand bedroht wird. Ich
treffe also mit Hermann Suchier zusammen, der den Beginn des
frz. Heldenepos erst ins neunte Jh. verlegt, nicht aber ins achte
oder gar ins sechste, wie andere Gelehrte wollen.
12. Warum hat sich auf deutschem Boden kein Epos von
den Karolingern entwickelt? Diese Frage, obzwar sie nur akade-
470 E. WECHSSLER,
mischet Art ist, fordert immer wieder zur Prüfung heraus. ' Einige
Karlssagen und vielleicht auch Gedichte waren vorhanden. Der
bekannte Mönch von St. Gallen und einige andere Zeugnisse be-
rechtigen uns zu dieser Annahme.'- Es bestand jedenfalls einmal
ein Gedicht in allhochdeutscher Sprache über Karls Anrücken gegen
das von Desiderius und Otker verteidigte Pavia. Auch Voretzsch
räumt das ein.^ Aber eine eigentliche Epik von Karl oder über-
haupt aus diesem Zeitraum, etwa über Widukind, von dem franzö-
sische Dichter so viel erzählten, kam in Deutschland nicht zur
Reife. Hier beschränkte sich das epische Gut auch noch später
auf eine Heldensage und Heldendichtung aus dem Zeitalter der
Völkerwanderung. Walther und Hildegund, Hagen und Siegfried,
Dietrich von Bern und der Hunnenkönig Etzel blieben die Helden
auch der deutschen Epik des 12. Jahrhunderts.
Wenn die Kämpfe im Zeitalter der Karolinger zu einem
deutschen Heldenepos nicht geführt haben, so möchte ich den
Grund nicht etwa in der politischen Gegnerschaft der Alemannen,
Baiern und Sachsen gegen Karl den Grofsen erblicken. Wie Etzel
hätte der Kaiser Karl auch als Feind ins deutsche Epos gelangen
können. Mir scheint die Ursache vielmehr in den allgemeinen
Bildungsverhältnissen Deutschlands zu liegen. In der ahd. Sprach-
periode — das zeigt uns besonders deutlich Keiles Literatur-
geschichte — gab es in Deutschland thatsächlich nur eine latei-
nisch-kirchliche Bildung und Litteratur. Noch fehlte eine von der
Kirche unabhängige Laienbildung, es fehlte eine deutsche Kunst-
und Kultursprache. Ja die Kirche beherrschte das geistige Leben
so unumschränkt, dafs sogar die vorhandenen alten Epen, die
W^erke der alten skopas aus dem Zeitalter der Völkerwanderung
von den mafsgebenden Bildungsstätten ausgeschlossen und einigen
abseits liegenden Höfen überlassen blieben. Dort, in der Hand
ungebildeter Dichter, wurden jene Epen vielfach entstellt und ver-
wirrt. Nur vereinzelt taucht diese poetische Gattung in der latei-
nischen Litteratur auf: es ist der Waliharius manufortis und das
uns bezeugte lateinische Nibelungengedicht.
Erst im Laufe des 12. Jh. gelangte die Laienbildung der fran-
zösischen Feudalität auch nach Deutschland herüber. Jetzt erst
machten sich die Hofkreise von der kirchlichen Bevormundung
frei. Aber als ein deutscher Fürst das Rolandslied übertragen liefs,
da arbeitete der Uebersetzer das feudale Epos sorgfältig im kirch-
lichen Sinne um. Und nur langsam wich die Kirche aus ihrer
beherrschenden Stellung. Erst unter Friedrich Barbarossa brach
französische Bildung und Gesittung unaufhaltsam herein. Jetzt erst
war auch für die einheimischen Epen die Zeit der Wiederher-
stellung gekommen. Aber an den höfisch verjüngten Werken blieben
1 Gröber, Frz. Litgesch. S. 456.
2 Bemheim, Prenfs. Jahrbücher LXXXI (1895, 3. Bd.) S. 345— 358.
3 Ogier S. 29.
BEMERKUNGEN ZU EINER GESCHICHTE DER FRZ. HELDENSAGE, 47 I
die Spuren langer Vernachlässigung untilgbar haften. In den weit-
aus meisten Fällen zogen es statt dessen die deutschen Hof-
kreise vor, sich fertige Epen und Romane aus Frankreich über-
tragen zu lassen.
13. Die Epen wurden, wenn sie gröfseren Umfang hatten, in
Vortragsabschnitte geteilt und abschnittweise vorgetragen.! In
mehreren Werken, so im Huon (Guessard S. ^^, 148 und 164)
werden die Pausen ausdrücklich angemerkt. Mit der Disposition
des Ganzen brauchten sich diese Rhapsodieen nicht zu decken.
Im Huon wenigstens scheinen die Einschnitte absichtlich mitten in
die Erzählung verlegt worden zu sein. So wurde die Spannung
der Hörer besser wach erhalten.
Aus der Gewohnheit dieser Einteilung für den Vortrag erklärt
sich, wie mir scheint, ein eigentümlicher Stilgebrauch des Helden-
epos. Voretzsch (S. 77) macht darauf aufmerksam, dafs im Huon
oft eine Erzählung mit denselben oder ähnlichen Worten wieder-
holt werde, so der Ueberfall und Tod des Carlot. Aber diese
Wiederholung, die nicht weniger als drei Textseiten einnimmt, be-
findet sich unmittelbar nach dem ersten Vortragsabschnitt (Guessard
S. ^^). Der Dichter fand es geraten, zu Beginn der zweiten
Rhapsodie, nachdem er die Hörer um Ruhe gebeten hatte, das
entscheidende Ereignis, mit dessen Erzählung er Tags zuvor ab-
geschlossen hatte, nochmals und zwar durch Huon selber vortragen
zu lassen. Aehnliche Fälle finden sich öfter. Dieser Brauch der
Wiederholungen ergab sich aus der Art und Weise des Vortrags.
Auf diese knappen Bemerkungen will ich mich an dieser Stelle
beschränken. Sie wurden, wie ich oben vorausschickte, veranlafst
und angeregt durch die von Carl Voretzsch begonnenen „Epischen
Studien", als eine Sammlung von Vorarbeiten zu einer Geschichte
der französischen Heldensage. Meine Absicht war, das was ich
hier darzulegen versucht habe, zur Diskussion zu stellen. Später
denke ich einen oder den andern Punkt ausführlicher zu begründen.
* Ueber Vortragsabschnitte bei Crestien vgl. meine Gralsage S. 159 — 161.
Eduard Wechssler.
Der Prosaroman Ysaye le Triste,
(Fortsetzung; s. S. 175 ff.)
311. Eines Tages erscheint Ardant d'Acre vor Ysayes Schlofs
und fordert Yreult heraus, um den Kampf, der damals durch Ysaye
geschlichtet wurde, zur Entscheidung zu bringen.
312. Der Kampf beginnt und bleibt lange Zeit unentschieden.
Da erscheint Ysayes Pferd und beifst Ardant in die Hüfte. Um
vom Pferde nicht wieder belästigt zu werden, setzen sie den Kampf
auf dem Schlofshofe fort. Hier siegt Yreult und schlägt Ardant
das Haupt ab. Diesen Erfolg läfst Yreult auf dem Schlosse Ardants
melden. Unter Klagen holen die Knappen Ardants den Leichnam.
313. Es ist Himmelfahrt. Eine grofse Anzahl Ritter und
Damen sind in Blamir versammelt.
314. Es findet ein grofsartiges Turnier statt. Marc tötet
seinen Vetter, den König von Agimal, er spaltet Condely d'Arbise,
dem Gouverneur von Louvresep, den Schädel und wirft Estrahier
aus dem Sattel.
315. Da ruft Estrahier: Tuez h faulx Chevalier. Sofort ist
Marc von allen Seiten umringt.
316. Marc verteidigt sich tapfer. Nach langem Kampfe giebt
Estrahier sich Marc gegenüber zu erkennen.
317. Estrahier verzichtet jetzt, weiter mit Marc zu kämpfen.
318. Auf einem anderen Teile des Kampfplatzes befinden sich
Hergault, Menet und andere.
3 IQ. Hierhin wendet sich nun Marc und stöfst auf Berangier
de haulte forest, den er nach kurzem Kampfe tötet.
320. Marc ficht wie wahnsinnig. Alles weicht vor der Wucht
seiner Hiebe zurück.
321. Da erscheint Estrahier wieder und versetzt Marc einen
wuchtigen Hieb. Marc kann diesen nicht erwidern, er fällt schwer
verletzt vom Pferde. Estrahier glaubt, dafs Marc dieses absicht-
lich thut, und erklärt sich als besiegt, indem er Marc sein Pferd
überreicht.
322. Alle Damen sind darin einig, dafs Estrahier ein tapferer
Ritter ist, dafs aber Marc die Ehre des Tages gebührt.
■^2^. Am folgenden Morgen, als alle Ritter wieder auf dem
Kampfplatze sind, meldet eine Dame einen Ritter an, der mit
mehreren Rittern fechten wolle. Der Ritter erscheint und kämpft
zuerst gegen Marc, dem er den Schild spaltet.
DER PROSAROMAN YSAYE LE TRISTE. 473
324. Dann besiegt er nach einander Menet, Alexander de
Gales, Desraes de l'ombre. Da der Ritter nun keinen Gegner
mehr findet, reitet er schnell zur Stadt zurück.
325. Die Königin von Logres und der König von Irland ver-
teilen Preise an Estrahier und Hergault. Hierauf bittet Marc
Estrahier, er möge ihn zum Ritter schlagen.
326. Estrahier will Hergault diese Ehre übertragen.
327. Auf die Bitte Yrions hin schlägt nun Estrahier Marc
zum Ritter. Dann kommt das Gespräch auf den fremden Ritter.
Niemand hat ihn erkannt. Da sagt Hergault, der fremde Ritter
werde nach dem Essen wieder erscheinen.
328. Nach dem Essen erscheint die Dame mit dem Ritter
wieder. Marc kämpft gegen ihn und wirft ihn aus dem Sattel.
Der fremde Ritter wird nun entwaffnet und man erkennt zum
gröfsten Erstaunen in ihm Hergault. Am folgenden Tage rüsten
sich die Ritter zur Heimkehr.
329. Tronc wird von Elias streng gefangen gehalten. Er
sinnt über seine Flucht nach und kommt nach 15 Tagen auf die
Idee, sich tot zu stellen.
330. Ein anderer Gefangener, der bei ihm war, ruft den
Kerkermeister und meldet ihm, daft Tronc tot sei. Elias läfst nun
Tronc herausholen und auf den Hof legen. Sobald nun Tronc
sich unbeobachtet fühlt, begiebt er sich nach dem Kerker zurück,
befreit den anderen Gefangenen und flieht.
331. Seine Flucht wird von Elias bemerkt. Tronc wird ver-
folgt, aber niemand kann ihn einholen. Eine halbe Stunde vor
dem Schlosse Ysayes begegnet Tronc einem Ritter, den Ysayes
Pferd übel zugerichtet hat. Diesen Ritter verhöhnt er. Vor dem
Schlosse findet er das Pferd. Er geht zu Yreult, erzählt diesem
seine Abenteuer und erkundigt sich dann nach Ysaye.
332. Yreult erzählt nun, dafs Ysaye aufgebrochen sei, um
Tronc zu suchen, aber noch nicht zurückgekehrt sei. Da sagt ihm
Tronc, er wisse, dafs Ysaye sich in Sorlion befinde. Yseult solle
sich nach Sorlion aufmachen. Wenn er dann Ysaye gefunden
habe, solle er ihm einen mit Kraut eingeriebenen Ring an den
zweiten Finger der rechten Hand stecken. Dann werde Ysaye
gesunden. Yreult will dies thun.
;^;^^. Marc wird vom Volke sehr geliebt, von den Grofsen
des Reiches aber gehafst. Diese, namentlich Bertrand de Vignes,
Ferrand d'Orme, Florent de Lyon und Bernard d'Yvoire, stiften
eine Verschwörung gegen Marc an.
334. Bernard d'Yvoire macht den Vorschlag, JNIarcs Ehrgeiz
anzustacheln und ihn zu Ysaac le lombart zu senden. Dieser be-
sitze ein Zimmer, worin niemand zu schlafen wage und aus welchem
noch niemand heil herausgekommen sei.
335. Marc, der nichts Böses ahnt, führt ihren Vorschlag aus.
Er begiebt sich in das erwähnte Zimmer, schliefst sich ein, zündet
Kerzen an und fängt an zu essen und zu trinken. Da auf einmal
474 ZEIDLER,
wird der Tisch umgeworfen, ein grofses Geräusch geht durch das
Zimmer, der Tisch richtet sich wieder auf, fällt wieder um und
die Kerzen erlöschen.
336. Am folgenden Morgen geht Marc wieder in das Zimmer.
Es passiert ihm dasselbe, er weifs nicht, wie ihm geschieht, und
wird wahnsinnig.
337. Marc wird fortgeführt. Yrion ist sehr erstaunt, dafs ein
solch starker Mann wie Marc nicht allen Gefahren Widerstand
leisten kann.
338. Vier Monate dauert es, ehe Marc sich von seinem
Schrecken erholt. Er will nun wieder in das Zimmer gehen, aber
Yrion rät ihm ab und läfst einen reltgieux Annas holen.
339. Der Geistliche und Marc begeben sich in ein besonderes
Zimmer.
340. Marc beichtet ihm seine Sünden und erhält Absolution.
341. Am Abend desselben Tages begiebt sich nun Marc voll-
ständig gerüstet wieder in das Haus Isaacs. Der Teufel erscheint
und befiehlt Marc, sich zu entfernen. Da stürzt Marc auf ihn los.
Er entflieht, steckt aber zuvor noch das Haus in Brand.
342. Als Marc am Hofe Yrions alles erzählt, was ihm passiert
ist, sind alle Zuhörer höchst erstaunt.
343. Es ist Johanniszeit. Da trifft am Hofe Yrions die Nach-
richt ein, 28 Könige seien gelandet, um Yrion und sein Volk zu
bekämpfen. Unter diesen befänden sich Esprohan, admiral de Perse,
Pharaon (son fils), le rouge lyon (son nepveu, roi de nubye), le
roi d'Ascalle, le roi de Seville, die Könige von Honguerie, Espaigne,
Arragon, Bougie, Cartage.
344. Yrion und vier Ritter verkleiden sich als Boten, um sich
zum Admiral zu begeben. In der Nähe des Hafens treffen sie
zwölf Männer und Frauen, die ihnen sagen, dafs 1000 Sarazenen
in der Nähe sind. Bald darauf stofsen sie auch auf Sarazenen,
die ihnen mit dem Ruf: Hola, cheitfs, rendez-vous entgegeneilen.
345. Yrion teilt diesen nun mit, dafs sie Boten des Königs
Yrion von Blarair seien und den Admiral zu sprechen wünschten.
Sie werden zu diesem geführt und fragen ihn, aus welchem Grunde
er das Land verwüste. Da erklärt ihnen der Admiral, er sei ge-
kommen, alle diejenigen auszurotten, die nicht zu Mahomet, Jupiter,
Tervagant und ApoUon schwören wollten. Seine Götter seien aus
Gold, die der Christen nur gemalte Bilder. Die Christen könnten
lange warten, ehe ihre Götter einmal zu ihnen sprächen. Da sagt
Yrion, das habe Gott durch seine Apostel gethan, die alles auf-
geschrieben hätten, wie sich die Christen zu verhalten haben.
346. Da sagt der Admiral, man könne alles Mögliche auf-
schreiben, und erwidert Yrion, er glaube an das Geschriebene nicht
und wolle deshalb diejenigen, die daran glauben, ausrotten.
347. Yrion schlägt nun einen viermonatlichen Waffenstillstand
vor. In dieser Zeit solle eine Kommission von je zwölf Geistlichen
beider Religionen entscheiden, welche Religion die bessere sei.
DER PROSAROMAN Y5AYE LE TRISTE. 475
Die bessere Religion solle dann von beiden Parteien angenommen
werden. Mit diesem Vorschlag ist der Admiral einverstanden.
348. Hergo, der von dem Einfalle der Sarazenen gehört hat,
ist inzwischen mit 15 000 Mann in Blamir eingetroffen. — Der
Admiral erfährt, dafs Marc der tapferste Mann von ganz Blamir
ist. Er ist deshalb neugierig, ihn kennen zu lernen.
349. Von Marc erfährt auch Orimonde, die Tochter des Ad-
mirals. Sie sagt, sie werde nicht eher froh werden, bevor sie Marc
nicht gesehen habe. Sie schickt deshalb einen Boten mit einem
Brief zu Marc.
350. Der Bote trifft Marc bei Tisch an und überreicht ihm
den Brief, den sich Marc von Hergault vorlesen läfst.
351. Orimonde bittet Marc, ihren tres chere amy, er möge zu
ihr kommen, sie liebe ihn unsterblich.
352. Marc antwortet dem Boten, er werde sofort kommen.
Er schenkt dem Boten vier marcs und ein Pferd. Marc ist er-
staunt, dafs Orimonde die Sprache von Blamir (Englisch) kenne.
Yrion erklärt ihm darauf, sie sei im Alter von 12 — 18 Jahren an
seinem Hofe durch Marthe unterrichtet worden. Der Bote meldet
nun seinen Erfolg der schönen Orimonde und sagt ihr, Marc sehe
aus, als ob er eher Menschen fressen, als ein Weib lieben könne.
Dadurch wird aber Orimondes Liebe nicht beeinträchtigt. Kurz
darauf lassen sich zwei Ritter beim Admiral anmelden, die in der
Absicht gekommen sind, einen Zweikampf mit den Sarazenen zu
bestehen. Von ihrem Vater erfährt nun Orimonde, dafs Marc und
Hergault die beiden Recken sind. Sofort eilt sie hinaus, dem
Kampfe beizuwohnen.
353. Auf dem Kampfplatz wird sie von Marc begrüfst. Sie
dankt ihm und reicht ihm ihren Aermel mit den Worten: Portez
pour lamour de moy ma manche au boiit de voire lafice.
354. Darauf beginnt der Kampf. Marc tötet Mador, roi de
la haulte marche, und wirft Jonatas, roi d'Yvorie, vom Pferde.
355. Dann bohrt Marc dem Bruder des Königs von Spanien,
Ysor6, das Herz aus dem Leibe und führt das Pferd desselben der
Orimonde zu, die es dankbar annimmt. Hergault tötet Lucan, roi
d'Aigremoire, und Tules, roi de la Marche.
356. Als nun Marc noch den „roten Löwen", den König von
Nubien, tötet, verbietet der Admiral den Kampf. Nun überreicht
Marc seinen Schild und seine Lanze der Orimonde. Als ihr Vater
diese Waffenstücke später bei ihr bemerkt und sie nach der Her-
kunft derselben fragt, antwortet sie: pere, le bon Chevalier le m'a
envqye.
357. Nach dem Turnier treffen Marc und Orimonde zusammen,
und Orimonde fragt Marc, ob er ihr amy werden wolle. Da sagt
ihr Marc, wenn sie Christin werden würde, wolle er gern ihren
Wunsch erfüllen. Er liebe sie sehr, aber die Liebe zu seinem Gott
sei doch gröfser als diejenige, die er zu ihr gefafst habe.
476 ZEIDLER,
358. Als Orimonde dieses hört, ist sie so wütend, dafs sie
kein Wort hervorbringen kann. Marc und Hergault reisen ab.
35g. Yreult begiebt sich nach Sorlion und findet Ysaye auf
dem Schlofshofe. Er sieht gerade, wie Ysaye einen Hund füttert,
geht auf ihn zu und fragt ihn nach seinem Namen. „Maistre Jehan"
sagt Ysaye und legt sich neben seinen Hund auf die Erde, ohne
sich weiter um Yreult zu kümmern.
360. Yreult richtet nun noch einige Fragen an Ysaye und
ist über dessen verwirrte Antworten sehr erstaunt.
361. Yreult weint über Ysaye. Dieser aber stöfst ihn von
sich mit dem Bemerken, er solle nicht so zärtlich sein. Da zeigt
ihm Yreult den erwähnten Ring, und da Ysaye diesen gern haben
möchte, setzt er ihm denselben auf den zweiten Finger der rechten
Hand. Dann reibt er den Ring mit einem Kraut ein. Ysaye ist
geheilt. Als er nun erkennt, in welchem Zustande er früher ge-
wesen ist, fängt er an zu weinen. Yreult aber tröstet ihn, und
beide brechen auf. Marthe hat aber den Namen Ysayes von Yreult
gehört, und ihre Vermutung wird noch von einem Knappen be-
kräftigt, der gehört hat, wie Yreult den Blödsinnigen mit Ysaye le
triste angeredet hat.
362. Marthe schreibt nun sofort einen Brief an Ysaye und
schickt einen Boten damit ab. Der Knappe trifft Ysaye und Yreult
in einem hostel und überreicht den Brief Marthes. Da meldet die
Wirtin, dafs ein Zwerg angekommen sei, der ein teuflisches Aus-
sehen habe, und ist aufs höchste erstaunt, als Ysaye ihr sagt, dafs
dieser Zwerg sein Page sei.
363. Da tritt Tronc ein. Ysaye küfst ihn und redet ihn mit
loyal amy an, worüber der Wirt lacht. Darauf bittet Ysaye Tronc,
den Brief Marthes ihm vorzulesen. Tronc thut dies und liest:
Marthe bittet Gott, der Adam und Eva schuf, er möge sie, die
Unglückliche, schützen. Sie klagt über ihren Freund, den sie
immer geliebt habe und um den sie jetzt in Trauer lebe. Sie hat
einen grofsen Traum gehabt. Jeunesse sei zu ihr gekommen, mit
ihr Doulx regard, der ihr Herz mit cordes d'alyer (Eisbeerbaum)
fesselte. Zu ihrer Linken stellte sich Loyaut6 und schiefst einen
Pfeil auf sie ab, der ihr ins Herz dringt, ohne die Haut zu ver-
letzen. Loyaute sagt ihr, ihr Freund habe sie geschickt, um ihr
zu zeigen, dafs durchaus nicht diejenigen im Paradiese sind, die
da lieben und geliebt haben. Dann tröstet sie Marthe:
Sen ceur, sen Corps, sen veul a mis
a vous parfaictement servir.
Darauf erscheint Beau Maintieng, ein schöner Mann mit hellen Augen,
weifsen Zähnen u. s. w. Er kniet vor Marthe nieder und sagt kein
Wort. Sie will ihn erheben, er sträubt sich und sie setzt sich neben
ihn zur Erde. Zu ihm redet sie nun von Frauen, die kein Unglück
gelernt haben, und sagt:
maudis soit qui telz fames prise.
DER PROSAROMAN YSAYE LE TRISTE. 477
Der Liebesgott und ihr Freund haben Beau Maintieng geschickt.
Jetzt thut letzterer seinen Mund auf und redet ihr viel von der
Liebe vor. Da denkt Marthe an ihren Freund und erzählt Beau
Maintieng, dafs sie ihres Freundes wegen Gedichte verfafst, das
Meer überschritten und viel Unglück erduldet habe. Da erscheint
der Freund selbst und Marthe macht ihm heftige Vorwürfe. Auf
ihren Wanderungen seien ihr Yre, Tristesse und Dampnage begegnet
und hätten ihr Unglück zugefügt. Ein escuyer, Despoir, habe sich
zu den dreien gesellt, und mit diesen habe sie sich aufgemacht,
um ihn zu suchen. Yre habe ihr vorgeworfen, dafs sie einen
Mann liebe, der sie hasse, Tristesse habe ihr gesagt, sie solle
weinen, denn sie habe ihr Unglück selbst verschuldet. Als das
Tristesse gesagt habe, sei es ihr schwarz vor den Augen geworden.
Da sei zu ihrer Pein Merencoly mit ihren loo Armen erschienen.
Sie habe sich nun an Desesperance gewandt. Diese aber habe
ihr gesagt, sie sei zum Martyrium geboren, und ihr den Rat ge-
geben, sich zu ertränken. Sie habe diesen Rat befolgen wollen,
da sei ein Ritter Corapaignie erschienen und habe sie getröstet.
Sie sei nun mit Compaignie gegangen. Als sie an einer vertrock-
neten Wiese vorbeigekommen seien, sei ein altes hageres Weib
Malheurete gekommen und habe ihnen ihre Not geklagt und von
ihrer Schwester Paou\Tete und ihrer Mutter Diserte gesprochen.
Da sei aber auch Reconfort erschienen und habe sie getröstet:
On doit porter durs maulx et fors
Pour mettre peine a ravoir
Son amy, car mieulx vault qu'avoir.
Auf einem anderen Wege sei ihr eine reiche Frau begegnet, die
das Vermögen von loo Königen besafs. Diese habe sie um Al-
mosen angesprochen, habe aber keine Antwort bekommen. Von
einer zweiten Dame, die in Gold und Silber gekleidet war, sei sie
auch zurückgewiesen w^orden, ebenso von einem ihr folgenden
Ritter, der ihr erklärt, die erste Dame sei Richesse, die zweite
Avarice gewesen. Er sei der Sohn der letzteren und heifse Orgeul.
Arme bekämen von ihnen nichts, nur Bischöfe und Grafen.
Va ten a un hospital rendre.
Pauvrete habe sie nun in ein Hospital geführt und zwar zum König
Estrahier von Sorlion. Am Schlufs des Gedichtes bittet sie nun
Ysaye, er möge nach Sorlion kommen und sie holen.
364. Ysaye und Yreult sind über das Gedicht sehr erstaunt
und können sich nicht erklären, wie ehi Weib solche Worte schreiben
kann. Da sagt ihnen Tronc, das habe die Liebe fertig gebracht,
die gröfser sei als der engien eines Mannes. Dann bittet er Ysaye,
Marthe holen zu dürfen, bittet aber auch Ysaye, Marthe nicht bei
sich zu behalten, da er sonst ihn verlassen müsse.
365. Tronc geht zu Estrahier, der über Troncs häfsliches
Aussehen sich sehr wundert und ihn ihn nach seinem Stande fragt.
Da sagt Tronc, er sei minist i\l und sänge so schön, dafs alle
478 ZEIDLER,
Damen, die ihn hörten, ihn küfsten. Der König lacht darüber
und führt Tronc zu den Damen. Als Marthe Tronc sieht, ist sie
sehr erfreunt. Nun fragt Tronc den König, ob er Yvoire küssen
dürfe. Der König gestattet es ihm. Da sagt Yvoire, sie werde
wahnsinnig, wenn der Zwerg dies thun werde.
366. Da sagt Tronc, er werde nun die schönste unter den
Damen aussuchen. Er wählt Marthe, und indem er zu ihr
sagt: voire paix est faite, küfst er sie 100 Mal. Dann fragt er
Marthe, ob sie mit ihm gehen wolle, worauf sie bereitwilligst ein-
geht. Tronc holt nun Ysaye und Yreult, eilt ihnen voraus und
meldet dem König, dafs zwei Ritter kommen werden, um Marthe
zu holen.
367. Die beiden Ritter erscheinen gerüstet. Ysaye setzt Marthe
aufs Pferd und bricht auf. Estrahier ist wütend auf Tronc, und
Yvoire weint, ihre Freundin verlieren zu müssen.
368. Estrahier verfolgt nun mit 60 Rittern Ysaye, Yreult und
Tronc. Es kommt zu einem erbitterten Kampf. Ysaye tötet Ranon
d'Inde und Durant du noir bal.
36g. Am Abend flieht Estrahier mit seinen Leuten. Ysaye
tötet auf der Flucht noch den Neffen des Königs von Schottland,
Setas d'isle noire.
370. Nach dem Kampfe fragt Ysaye den König, wie ihm zu
Mute sei, worauf dieser ihm entgegnet, es sei ihm schon manches
Mal besser gewesen. Da drückt ihm Ysaye sein Mitgefühl aus.
371. Ysaye und Yreult bieten nun dem König ihre Begleitung
bis zur Stadt an, die der König gern annimmt.
372. An der Stadtgrenze angekommen, bedankt sich Estrahier
und sagt, er habe noch nie solche cour totste angetroffen wie die-
jenige, die ihm Ysaye habe zu teil werden lassen. Nur einmal
habe ihn ein Ritter Marc, der nepveu (?) des Königs Yrion, so
ehrenvoll behandelt und ihm den ersten Preis im Turnier von
Blamir und IMiradir durch seine courtoisie verschafft. Ysaye und
Yreult entfernen sich. Estrahier kehrt in seinen Palast zurück, wo
er auf die Frage nach seinem Befinden erwidert: Jay este en letir
volunte de estre occis ou tion.
373. Estrahier erzählt nun den Hergang des Kampfes und
übermittelt auch den Grufs des fol (Ysaye). Im Laufe der Unter-
redung klärt es sich auf, dafs man es mit Ysaye le triste und
Marthe zu thun gehabt hat.
374. Ysaye, Yreult, Tronc und Marthe reiten nun die ganze
Nacht hindurch, betreten die forest lande und kommen vor das
Schlofs Baruts le breton, woselbst sie Unterkunft finden.
375. Barut bewirtet sie und erfährt von ihnen, dafs sie vom
Hofe Estrahiers kommen. Er fragt sie nun, ob dort noch der
Narr sei, der ihm sehr viel Spafs gemacht habe, worauf Yreult
ihm erwidert, der Narr sei fort. Die vier Reisebegleiter schlafen
nun eine Zeitlang, dann reiten sie weiter.
376. Kaum haben sie das Schlofs verlassen, als ein Knappe
DER PROSAROMAN YSAYE LE TRISTE. 479
erscheint, der von einem Ritter des Königreichs Blamir abgesandt
ist, um aus dem Schlosse Lebensmittel zu holen. Kurze Zeit
hierauf erscheint der Ritter selbst. Er ist wütend darüber, dafs
Barut am Anfang des Waldes ein Kreuz hat errichten lassen mit
der Warnung, dafs jeder Ritter, der den Wald betrete, sein Pferd
verliere.
377. Er fordert deshalb Barut zum Kampfe heraus. Nach
kurzem Kampfe wird Barut besiegt.
378. Der Ritter erblickt nun Tronc und erkundigt sich nach
Ysaye. Zu Ysaye geführt, küfst er dessen Fufs und giebt sich als
Hergault zu erkennen. Auch grüfst er Marthe. Dann erklärt er
Ysaye, er befinde sich auf dem Wege nach Sorlion, um Estrahier
zur Hilfe gegen die Sarazenen herbeizuholen, die bei Lardmois in
Blamir eingefallen seien.
37Q. Bestürzt über diese Nachricht, beschliefst Ysaye, dem
König Yrion sofort zu Hilfe zu eilen.
380. Tronc aber rät Ysaye, zunächst noch einige befreundete
Ritter herbeizuholen. Er selbst will die Mission übernehmen und
folgende Ritter angehen: le desoreille de la Joyeuse Garde, Menet
le mecogneu, Paumart le vermeil, Garlus de la forest aux lyons,
die vier Söhne der dame de belle garde, le sot sage, Brandor de
Gaunes, Festion le blond, Dryamont du hault hurt und Oriant le
grieu d'Orcanie.
381. Ysaye, Yreult, Marthe und Tronc verabschieden sich
von Hergault und reiten nach Ysayes Schlofs, woselbst sie von
den ribaults freudig empfangen werden.
382. Orimonde bittet Marc wiederum zu sich und fragt ihn
abermals, ob er ihr amy werden wolle. Da Marc ihr aber wieder
erklärt, er werde dies nur unter der Bedingung thun, dafs sie
Christin werde, verläfst sie das Zimmer und bittet Marc, einst-
weilen noch zu bleiben.
383. Sie begiebt sich nun zu sechs Rittern: Cansdor, Mour-
driant, Granault d'Inde, Nabigor de Betanie, Satur de Berlieu, le
roy d'Inde, und bittet diese, Marc in einem Thale aufzulauern und
zu töten, wozu sich diese gern bereit erklären. Darauf begiebt sie
sich wieder zu ]Marc und erklärt ihm, sie werde ihre Religion nicht
ändern. Marc, der sofort ahnt, dafs Orimonde etwas gegen ihn
im Schilde führt, bedroht sie mit dem Tode, falls ihm von ihrer
Seite etwas zu Leide geschehe.
384. Marc entfernt sich und erreicht in der Nacht ein Thal.
Hier stürzen sich sechs Ritter auf ihn. Auf seine Frage, von wem
sie abgesandt seien, antworten sie ihm, sie kämen im Auftrage
Orimondes. Der Kampf ist ein sehr erbitterter. Marc tötet zu-
nächst Granault.
385. Hierauf fallen noch drei Sarazenen unter den Hieben
Marcs. Mourdriant und Cansdor leben noch. Cansdor macht nun
Mourdriant den Vorschlag, sich zu ergeben, worauf aber Mourdriant
antwortet: Myeulx vaull mourir a ho?ineur que vivre a ho?ile.
480 ZEIDLER,
386. Marc hört sie sprechen und ist über die loyaulle Mour-
driants sehr erfreut.
387. Als Mourdriant sich nun ihm gegenüber zum Kampfe
aufstellt, weigert sich Marc, mit ihm zu kämpfen, und bittet die
beiden Brüder, vom Kampfe abzulassen, der Orimonde aber die
Häupter der Gefallenen zu überreichen. Dieses Anerbieten weist
Mourdriant zurück und es kommt wieder zum Kampf.
388. Marc spaltet Cansdor, der entfliehen will, den Schädel,
Mourdriant aber bittet er nochmals, den Kampf aufzugeben, da es
ihm schmerzlich sein würde, einen Ritter von der loyaulle Mour-
driants getötet zu haben.
389. Da erklärt Mourdriant, er sei der gefährlichste Gegner
des Christengottes und nehme von keinem Christen Gnade an.
Da reifst ihm Marc den Helm herunter und schlägt ihm den Kopf
ab. Dann reitet er nach Blamir. Hier schwört er Orimonde
Rache.
390. Am folgenden Tage tritt der Admiral in Orimondes
Zimmer und berichtet ihr, was in der Nacht sich zugetragen hat.
Da erscheint Marc und erklärt dem Admiral, dafs Orimonde ihn
habe ermorden lassen wollen. Sie möge sich in acht nehmen, er
würde ihr den Kopf abschlagen. Dann entfernt er sich wieder.
Auf ihres Vaters Frage, was sich zugetragen habe, erklärt sie ihm
alles, was sie zu dem Schritte, Marc zu ermorden, geführt hat.
Um nun der Rache Marcs zu entgehen, macht sie ihrem Vater
den Vorschlag, sie auf einem Schlosse zu verbergen und sie an
der Tafel durch ein anderes Mädchen zu ersetzen, die aber die-
selbe Kleidung wie Orimonde tragen solle. Mit diesem Vorschlage
ist der Admiral einverstanden.
391. Als Ysaye und Marthe wieder glücklich vereint sind,
fordert Yreult Ysaye eines Tages auf, sich ein wenig aufserhalb
des Schlosses zu belustigen. Sie verlassen das Schlofs. Marthe,
die die beiden von einem Fenster aus beobachtet, sieht, wie
200 Ritter sich Ysaye und Yreult nähern. Da sie für Ysayes
Leben fürchtet, läfst sie sich von den ribaults rüsten und eilt
Ysaye zu Hülfe.
392. Ysaye glaubt Feinde vor sich zu haben, wird aber bald
eines besseren belehrt, denn Paumart, Menet und le desoreüU treten
auf ihn zu und erklären ihm, dafs sie sich auf dem Wege nach
Blamir befinden, um Yrion Hilfe zu bringen. Da erscheint INIarthe
und kämpft mit Paumart. Ysaye beruhigt Marthe. Nun reiten
Ysaye, Yreult, Marthe und die 200 Ritter nach dem Schlosse.
Am folgenden Tage erscheinen noch 1000 Ritter.
393. Tronc hatte seinen Auftrag gut ausgeführt. Er konnte
leider noch nicht zu Ysaye zurückkehren, da er sich noch des
Auftrags an Oriant von Orcanie entledigen mufste.
394. Hergault kommt zu Estrahier und teilt ihm sein An-
liegen mit. Estrahier hat wenig Lust, Yrion zu helfen, da Ysaye
zwei seiner besten Ritter getötet habe. Er ist schliefslich aber
DER PROSAROMAN YSAYE LE TRISTE. 48 1
bereit, an dem Kampfe gegen die Sarazenen teilzunehmen, da ihm
Marc, der Sohn Ysayes, einstmals grofse courtoisie bewiesen habe.
Hierauf kehrt Hergault nach Blamir zurück, wo er Yrion und Marc
sehr pensifs antrifft.
395. Hergault erzählt nun den Erfolg seiner Reise, dafs er
Ysaye und Marthe getroffen habe und dafs Estrahier mit vielen
Truppen eintreffen werde. Darüber ist Yrion sehr erfreut. Marc
aber bleibt pensif. Da nimmt Hergault Marc zur Seite und fragt
ihn nach dem Grunde seiner Traurigkeit, Unter dem Siegel der
Verschwiegenheit erzählt ihm nun Marc, dafs er die Absicht habe,
Orimonde zu ermorden. Er wolle noch am selbigen Tage nach
dem Lager des Admirals aufbrechen. Hergault bietet ihm hierzu
seine Hilfe an.
396. Sie reiten drei Tage und drei Nächte. Von einem Sara-
zenen erfahren sie, dafs Orimonde sich nicht mehr bei ihrem Vater,
sondern in einem einsamen Turm in der Nähe des sarazenischen
Lagers befinde. Hergault schlägt nun vor umzukehren, aber Marc
will zuvor noch dem Admiral einen Streich spielen. Sie reiten
also beide nach dem Palaste des Admirals und finden diesen
gerade an der Tafel. Zur Seite des Admirals erblickt Marc ein
Mädchen, das genau so gekleidet ist wie Orimonde. Er hält sie
für Orimonde, geht auf sie los und spaltet ihr den Schädel. Da
springen alle Sarazenen auf I\Iarc los, der sich wie ein Rasender
verteidigt.
397. Marc kämpft bis in die Dunkelheit hinein. Da erst ge-
lingt es ihm und Hergault zu entfliehen. Der Admiral, der in
Todesangst geschwebt hat, befiehlt nun sofort 3000 Mann aufzu-
brechen, alle Klöster zu verbrennen, alle Christen zu töten und
Marc tot oder lebendig einzuliefern. Die 3000 Sarazenen machen
sich sofort zur Verfolgung Marcs auf und nehmen 500 brennende
Kerzen mit.
398. Marc und Hergault erblicken bald die Lichter und er-
kennen ihre Feinde. Marc ist entschlossen, den Sarazenen Wider-
stand zu leisten, aber Hergault rät ihm, weiter zu reiten. Da treffen
sie zwei Ritter, welche sie in der Dunkelheit für Sarazenen halten.
Der eine wird verwundet und stirbt, ohne den Stich gespürt zu
haben. Der andere wird vom Pferd geworfen und giebt sich als
ein christlicher Ritter zu erkennen, der ausgezogen sei, pour scavoir
Vestat de Marc.
399. Der tote Ritter heifst Guillaume de belle isle, der lebende
Henry de Lyon. Henry klärt nun den Irrtum betreffs der Er-
mordung Orimondes auf, worauf Marc erklärt, er wolle niemand
mehr töten. Wenn er dies verspreche, fährt Henry fort, so werde
er Marc und Hergault zu Orimonde führen, die in der Nähe sich
in einem Turm befinde. Marc verspricht, Orimonde nicht töten zu
wollen, und wird nun samt Hergault von Henry nach dem Turm
geführt. Hier angekommen, ruft Henry der Orimonde auf sara-
zenisch einige Worte zu.
Zeitschr. f. rom. Phil. XXV. jl
482 ZEIDLER,
400. Er erzählt ihr, die sich an einem Fenster befindet, dafs
Marc die falsche Orimonde getötet, ;^2 Sarazenen erschlagen und
den Admiral selbst verwundet habe. Er (Henry) sei nun gekommen,
um mit zwei Rittern sie <^egen etwaige Angriffe IMarcs zu schützen.
Sie möge schnell öffnen, denn Marc sei schon in der Nähe. Ori-
monde läfst öffnen, die drei Ritter treten ein und geben sich nun
als liergault, Henry und Marc, der den Sarazenen vielen Schaden
zugefügt habe, zu erkennen. Als die in dem Turm befindlichen
Sarazenen den Namen Marcs hören, springen sie aus den Fenstern.
Diejenigen, die nicht zu entkommen vermögen, werden von Henry
und Hergault getötet. Marc tritt nun vor Orimonde und sagt ihr,
ihr Ende sei gekommen. Orimonde antwortet ihm, sie habe den
Tod verdient. Da fühlt Marc Mitleid und schenkt ihr das Leben.
Orimonde erzählt ihm nun, weshalb sie ihn habe töten wollen. Sie
habe jedes Zeichen der Erinnerung an ihn verwischen wollen, so
sehr habe sie ihn geliebt. Nachher habe sie aber ihren Plan be-
reut und den Wunsch gehabt, Christin zu werden. Als Marc dieses
hört, ist er sehr erfreut und verspricht ihr, sie zu heiraten. Am
folgenden Morgen erscheinen die Sarazenen. Sie erblicken die
Leichen und erfahren von einem an der Erde liegenden halbtoten
Glaubensgenossen, dafs Marc und zwei andere Christen sich im Turm
befinden. Dies melden sie dem Admiral, der sofort 20000 Mann
zur Belagerung des Turmes abschickt.
401. König Yrion erfährt bald von dem Herannahen des sara-
zenischen Heeres und von der Belagerung des Turmes, Er reitet
mit 4000 Reitern den Feinden entgegen. Da melden ihm vier
Ritter, dafs der König Estrahier mit 4000 Mann erschienen und
bereits in den Kampf mit den Sarazenen verwickelt sei.
402. Nach kurzer Zeit stufst Yrion auf 500 Sarazenen. Die
Feinde werden zurückgeschlagen, Yrion selbst tötet den Anführer
derselben, Guille d'Ofage.
403. Y'rion eilt Estrahier zu Hilfe. Es entbrennt ein furcht-
barer Kampf. Yrion und Estrahier werden schliefslich besiegt und
sie nebst 2500 ihrer Leute gefangen ins Land der Sarazenen
(Spanien) geführt.
404. Während die Sarazenen um den Turm, jetzt nur noch
4000 Mann stark, die gröfsten Anstrengungen machen, sich des
Turmes zu bemächtigen, verleben die Insassen desselben fröhliche
Tage. In der Gesellschaft Orimondes befinden sich Englentine,
eine Nichte des Admirals, Sardine, die Tochter des Königs von
Spanien, und drei Dienerinnen. Während nun Marc sich in Ori-
monde verliebte, fafsten Hergo zu Englentine und Henry zu Sar-
dine grofse Zuneigung.
405. Im Kriegsrat erklärt der Admiral, er wolle die Ge-
fangenen ins Exil schicken, Marc und seine Genossen zu Tode
martern und seine Tochter verbrennen lassen. Sein Heer wolle
er in drei Teile zerlegen. Der erste Teil solle die Stadt Blamir,
DER PROSAROMAN YSAYE LE TRISTE. 483
der zweite die Umgebung von Blamir und der dritte Teil solle
den Turm angreifen.
406. Hierauf erklärt Castor de Castille, dafs man unmöglich
das Heer in drei Teile zerlegen könne. Das Heer sei zu sehr
geschwächt und von den 18 Königen, die ins Feld gezogen seien,
lebten nur noch sieben. Die übrigen seien von Marc getötet. Es
werde so leicht niemand das Kommando gegen Marc übernehmen,
denn dieser sei allein looo Mann wert. Er mache den Vorschlag,
zusammen zu halten und das Land Stück für Stück dem Feinde
abzunehmen.
407. Dieser Vorschlag wird angenommen und zunächst der
Kampf gegen den Turm beschlossen. Wer als Erster in den Turm
eindringe, solle ein Königreicli bekommen.
408. Als der König von Schottland von dem Tode seines
Neffen Setas erfährt, beruft er Fagon, den König von Irland,
Darigas, Grafen von Holland, und Hosegant, den Grafen von Ze-
lande, zu sich und berät mit ihnen, wie sie den Tod des Setas
rächen könnten.
409. Hvsegant übernimmt es, den Tod seines Bruders zu
rächen. Mit 40 Rittern, unter ihnen der König von Schottland,
Fagon und Darigas, bricht er zunächst nach Sorlion auf, um den
Namen des Mörders zu erfahren. Yvoire nennt ihm den Namen:
Ysaye le triste und bittet ihn, ihre Freundin Chrestienne (Marthe)
zurückzubringen. Die Ritter verlassen Sorlion und kommen in die
lande forest, wo sie einen verwundeten Ritter ohne Pferd antreffen.
Von diesem erfahren sie, dafs Barut ihn besiegt und des Pferdes
beraubt habe. Sofort bcgiebt sich der conte de Zelande in den
Wald, um gegen Barut zu kämpfen. Er fordert Barut heraus, wird
aber besiegt. Barut will ihm das Haupt abschlagen, wenn er ihm
nicht den Grund angebe, der ihn veranlafst habe, in den Wald
einzudringen. Da erzählt ihm Flosegant, er belinde sich auf dem
Wege zu Ysaye le triste, um gegen diesen zu kämpfen. Sofort
giebt sich Barut, der Freund Ysayes, als dessen Feind aus und
erfährt nun von Hosegant, dafs dieser mit 40 Rittern aus Schott-
land herbeigeeilt sei, um den Tod seines Bruders Setas an Y'saye
zu rächen. Barut erklärt sich bereit, an dem Kampfe g^tgo-w Ysaye
teilzunehmen und lädt die 40 Ritter ein, auf seinem Schlosse zu
verweilen,
410. Die 40 Ritter, welche am Rande des Waldes gewartet
haben, reiten nun in den Wald, um event. Hosegant Hilfe zu
bringen. Als der König von Schottland seinen Neffen ohne
Helm erblickt, stürzt er auf Barut. Flosegant jedoch beruhigt ihn,
indem er ihm erklärt, Barut sei auch ein Feind Ysayes. Nun reiten
die 40 Ritter weiter und erreichen nach zwei Tagen das Schlofs
Ysayes.
411. Sobald die Schotten den Wald verlassen haben, reitet
Barut zu Yreult und Marthe, da er weifs, dafs Ysaye nach Blamir
aufgebrochen ist. Yreult erblickt ihn vom Fenster aus, hält ihn
31*
484 ZEIDLER,
aber für einen Feind und eilt ihm gewappnet entgegen. Es kommt
zum Kampf. Barut wird aus dem Sattel geworfen. Erst nach dem
Kampfe erkennt Yreult Barut und drückt ihm sein Bedauern aus.
Nun erzählt Barut, dafs er eine wichtige Nachricht bringe. Sie
begeben sich aufs Schlofs, wo Marthe Barut mit einem Kufs
begrüfst.
412. Barut erzählt nun von dem Plane der Schotten und
erklärt sich bereit, Yreult im Kampfe gegen dieselben zu unter-
stützen. Auch die beiden ribatilis , die den Tag über nur mit
Würfeln spielen, erklären sich freudig zum Kampfe bereit.
413. Marthe bittet nun Yreult, die Rüstung Ysayes anzulegen,
dann würdeii die Eeinde eingeschüchtert, die ribmilis aber ermutigt
werden. Yreult aber weigert sich, indem er sagt, wenn er falle,
sei Ysaye blamiert.
414. Nun bittet ihn auch Barut, die Rüstung Ysayes anzu-
legen. Schliefslich erklärt sich Yreult dazu bereit, heftet aber drei
Eberzähne an den Schild Ysayes, so dafs Ysayes Ruhm niemals
geschmälert werden könne, wenn er (Yreult) unterliege.
415. Auf Ysayes Schlofs erscheinen nun auch ein Ritter Edor
und eine Dame Gaudine. Edor ist derjenige Ritter, den Barut
kurz vorher besiegt hat. Sie sind gekommen, um Ysaye zu bitten,
den Mann der Gaudine, der ein Sohn der Dame de belle garde
sei, aus der Gewalt von vier Riesen zu befreien. Marthe bedauert,
dafs Ysaye nicht helfen kann, da er nach Blamir in den Krieg
gezogen ist, bittet aber Edor und Gaudine, auf dem Schlosse zu
bleiben.
416. Plötzlich erblickt Desraes, der eine ribauU, die Feinde.
Yreult und die ribau/ls rüsten sich. Nun bietet sich auch Edor
zum Kampfe an.
417. Hosegant erscheint vor dem Schlosse und ruft den Portier.
Barut fragt ihn, was er begehre, worauf Hosegant erwidert, er er-
bitte die Hilfe des Schlofsherrn gegen den König von Viesroche,
der ihn nebst 40 Rittern aus dem Lande vertrieben habe.
418. Nun erklärt Barut, dafs Hosegant alles gelogen habe,
und ruft ihm zu, er solle sich mit seinen 40 Gefährten zum Kampfe
gegen fünf im Schlosse befindliche Ritter rüsten. Yreult bittet nun
Marthe und Gaudine, während des Kampfes einen Korb aus dem
Fenster herabzulassen, um die Rüstungen der besiegten Ritter
darin in Empfang nehmen zu können.
41g. Der Kampf beginnt. Die Feinde werden bis auf acht
Mann vernichtet, die Rüstungen derselben in den Korb gelegt,
den die beiden Frauen hochziehen, leeren und wieder herablassen.
Während des Kampfes wird Yreult vom König von Schottland ver-
wundet. Der König aber büfst dafür ein Auge ein.
420. Schliefslich werden noch die letzten acht Schotten be-
siegt und nach dem Korbe geschickt.
421. Die gefangenen Feinde werden ins Schlofs gebracht.
Die fünf Insassen des Schlosses hatten nur wenige Verluste zu be-
DER PROSAROMAN YSAYE LE TRISTE. 485
klagen. Der ribault Oultrageux hatte einen Arm gebrochen und
Edor war am Fufse verwundet worden. Desraes aber war gefallen.
422. Drei Tage nach der Einnahme des Turms seitens Marc
sieht letzterer, wie ein Pfeil durch ein Fenster in den Saal des
Turmes fliegt. Marc nimmt den Pfeil und erblickt einen daran
hängenden Brief, den er der Orimonde überreicht.
423. In diesem Briefe teilt Clarus de Trigan der Orimonde
mit, dafs Yrion und Estrahier geschlagen und gefangen nach Spanien
geschickt seien, und dafs am nächsten Tage der Turm angegriffen
werde. Wenn sie aus der Gewalt INIarcs fliehen wolle, sei er be-
reit, sie zu retten. Sie solle ihm nur Antwort durch den Pfeil zu
teil werden lassen, den sie in der Richtung nach den Sümpfen
hin abschiefsen müsse.
424. Orimonde erklärt nun Marc, sie werde nicht von ihm
weichen, lieber die Nachricht von der Gefangennahme Yrions und
Estrahiers und von dem künftigen Angriffe auf den Turm sind alle
Insassen des Turmes aufgebracht. Man rät hin und her, was zu
thun sei. Da erfafst eine der Dienerinnen, Alyor, die Situation.
Sie erscheint mit einer gerösteten Rohrdommel {buior) auf silberner
Plattei m Saal und hebt an zu reden.
Zur Zeit Alexanders legte man Pfauengelübde ab. Alexander
war der berühmteste Held seiner Zeit, jetzt ist Marc der bedeu-
tendste. Er mufs dem Beispiele Alexanders gemäfs ebenfalls ein
solches Gelübde ablegen, jedoch mufs ein häor hier den Pfau ver-
treten. Marc antwortet hierauf, die Ehre, den ersten Schwur zu
leisten, gebühre Hergault, dem Sieger in dem Turnier zwischen
Blamir und Miradir. Er habe gesehen, wie Hergault sechs Schwerter
zerbrochen und vier Grafen getötet habe. Auch er sei beinahe
durch einen Schwertstreich Hergaults ums Leben gekommen. Her-
gault entgegnet nun Marc, zwischen Marc und ihm gebe es keinen
Vergleich. Marc sei soiiverain in allen Schlachten und Turnieren.
Wenn aber Marc nicht zuerst sein Gelübde ablegen wolle, so müsse
es Henry thun. Sein Ruhm werde gepriesen:
Ell puille et en calabre, en piusse, en rommenie
Et en trestous pays de sy en ermenye.
Henry aber weigert sich. Da sich die drei Helden streiten, bittet
Alyor Orimonde, Marc zu veranlassen, als erster das Gelübde ab-
zulegen. Orimonde bittet nun Marc, worauf dieser sagt:
Vouer convient
quant me souvient
que amye ay.
Dann gelobt er bei der Rohrdommel, er werde nach der Mahlzeit
in das Zelt des Admirals sich begeben, um dessen Pferd zu holen.
Den Admiral selbst will er töten. In einem Buche lesend, will er
den Weg nach dem Zelte antreten. Den Bruder Orimondes will
er gefangen vor Orimonde führen. Zum Schlufs singt er folgendes
Rondeau :
486 ZEIDLER,
Pour exauchier chevalerye
Voray ce veu cy accomplir:
Laissier vocl toutte gallerye
Pour exauchier chevalerye.
Et qui ne peut plourer, se rie
Payens feray de deul remplir
Pour escauchier chevalerye.
Dieses Gelübde gefällt allen. Nun bittet Alyor Oriraonde, gleich
ihrem Freunde ein Gelübde abzulegen. Da gelobt Orimonde, sie
werde sich taufen lassen, wenn die Christen siegen. In der Schlacht
will sie zu Marc gehen und ihm eine Lanze reichen. Ihrem Vater
und ihren Verwandten will sie sagen, dafs deren Ende gekommen
sei. Dann will sie in den Turm, ce joly chasiel, zurückkehren und
auf die Sarazenen schiefsen. Sie schhefst mit einem Rondeau:
Visaiges bien enlumines,
Assis sups Corps en tout parfait,
Visaiges bien sera mines
Et vous plus lexaminres.
Tondis dira par dit par fait
Visaiges bien enlumines
Assis sups Corps en tout parfait.
Sobald sie geendet hat, bedauern alle, dafs sie sich dem Tode
aussetzen will.
Nun wendet sich Alyor an Hcrgault. Er gelobt, er will in
das Zelt des Admirals sich zu Fufs begeben und erklären, dafs
!Marc Orimonde, er ILnglentine und Henry de Lyon [ville ancienne)
Sardine heiraten werden. Dann will er aus dem Stalle des Ad-
mirals Pferd holen, darauf einen prince mit der Lanze durch-
bohren. Dann will er zurückkehren. Zum Schlufs singt er auch
ein Rondeau:
Vouer peut hardiement ,
Homs qua loial amie.
Cieux quamours tient liement
Vouer peut hardiement.
Faire et dire nen doit mie
Vouer peut hardiement
Homs qui a loial amie.
Alyor geht nun zu Englentine. Diese singt
Plaisance honeste
a si mon cueur surprins.
Darauf gelobt sie, sich taufen lassen und in den Tod gehen zu
wollen. Die Lanze, die Hergault fortwirft, will sie aufheben. Zum
Admiral will sie gehen, dort eine Nacht verbringen, für Hergault
beten und dann mit ihm zurückkehren. Wenn Hergault fallen
sollte, will sie sich selbst töten.
Alyor geht nun zu Henry. Er gelobt, ohne Schwert und
Lanze, nur mit einem baston de pommier bewaffnet, sich auf die
DER PROSAROMAN YSAYE LE TRISTE. 487
Feinde zu stürzen, dem Admiral das Pferd abzunehmen und \vieder
zurückzukehren. Dann singt er:
Nulz hons ne scet quil a vaillant
Se il naime oii il na ame,
Et sil avoit ceur bieii vaillant
Nulz hons ne scet quil a vaillant.
Pour anier povre sont vaillant
Et sy en sont riebe clame.
Nulz hons ne scet quil a vaillant
Sil naime ou il na ame.
Aylor wendet sich an Sardine. Diese singt:
Vrayc amour fuit par sa puissance
Ce que nature ne peult faire.
Darauf gelobt sie, ihrem Freunde während des Kampfes den Stock
abzunehmen und ihm dafür ein Schwert zu reichen, mit welchem
er die Feinde vor sich her treiben kann, wie ein Wolf die Schafe.
Zu ihrem Vater will sie gehen und ihm erklären, dafs sie von
ihrem Glauben ablasse. Dann singt sie:
Amours men ceur aves ataint
De secre honneur et noblesse.
Le vis en ay palle et taint,
Amours men ceur aves ataint.
Mais moult souefment me destraint
Dont ce chante, cest sans tristesse.
Amours men ceur aves ataint
De secre honneur et noblesse.
Nachdem nun alle ihr Gelübde abgelegt haben, sagt Marc, sie
würden vereint die Heiden besiegen.
Nun ergreifen die drei Dienerinnen die Rohrdommel und
überreichen sie Henry, indem sie dabei singen:
Cieulx doit bien loyer recepvoir
Qui loyaument bonne amours sert.
Par vous on le peult recepvoir,
Et pour ce dy sans decepvoir:
Bon ouvrier bon loyer desert,
Cieulx doit bien loyer recepvoir.
Marc umarmt nun die drei Dienerinnen und alle sind in ge-
hobener Stimmung.
425. Nach dieser Feierlichkeit, zur Mittagszeit erklärt Marc,
sein Gelübde erfüllen zu wollen. Er schreibt einen Brief an den
Admiral. Henry heftet den Brief an den Pfeil und schiefst diesen
ab. Atir de Dorban findet ihn und trägt ihn zum Admiral.
426. In dem Briefe teilt Marc dem Admiral mit, er werde
kommen, um dessen Pferd zu holen. Wer ihn daran hindern
werde, sei ein Kind des Todes. Henry und Hergault beabsich-
488 ZEIDLER,
tigten, dasselbe zu thun, das er im Schilde führe. Die Sarazenen
möchten sich rüsten, um ihn zu empfangen.
427. Der Admiral lacht über die Kühnheit Marcs, befiehlt
aber, das Thor des Lagers mit 20000 INIann zu besetzen und
Marc bei seinem Eintritt gefangen zu nehmen. Marc sieht die
Vorbereitungen der Feinde und singt vor Freude,
428. Die drei Helden hüllen sich in Seide. Marc und Her-
gault nehmen Axt und Schwert, Henry einen Baumzweig. Den
Damen befehlen sie, ihnen zu folgen. Die Dienerinnen sollten den
Turm bewachen und ihnen helfen, es sei ja arlillerie de tonte maniere
vorhanden.
429. Nun verlassen sie den Turm. Marc stürzt sich auf das
Gros der Feinde, Hergault nach dem Zelte des Admirals hin und
Henry gegen die ouvriers.
430. Marc stöfst zunächst auf 200 Mann unter Führung des
Maradus du blanc port. Diese fliehen beim Anblick Marcs. Der
Führer wird gefangen zu Orimonde geschickt. Nun wird Marc
von den Marschällen Saphur und Atir und deren Truppen ange-
griffen. ]\Iarc kämpft tapfer mit der Axt, und als er diese verliert,
mit dem Schwerte. Schliefslich gelingt es ihm, sich durch die
Feinde hindurchzuschlagen und den Marstall des Admirals zu
erreichen.
431. Als der Admiral die Gefahr, die ihm durch Marc droht,
erkennt, ermuntert er seinen Sohn Pharaon, den schönsten Mann
aus 40 Königreichen, zur Rettung der sarazenischen Ehre den
Kampf gegen Marc aufzunehmen. Sofort reitet Pharaon in Be-
gleitung der Könige von Seville und Bougie Marc entgegen.
432. Marc und Pharaon begegnen sich im Stalle. Sie geben
sich zu erkennen und verabreden einen regelrechten Zweikampf,
der zwischen den Zelten und dem Turm stattfinden soll. Dem
Sieger solle das Pferd des Admirals als Preis zufallen. Der Zwei-
kampf findet statt. Orimonde sieht, was vor sich geht, sieht ihren
Bruder im Kampfe mit Marc. Sie hält aber ihr Gelübde, Marc
die Lanze zu bringen.
433. Der Zweikampf entscheidet sich zu Ungunsten Pharaons.
Schwer verwundet wird Pharaon vom Kampfplatze getragen. Da
erscheint Orimonde und überreicht Marc die versprochene Lanze.
Dem Marquis von Hudoye, der den Versuch macht, Orimonde zu
rauben, spaltet Marc den Schädel. Da kehrt Orimonde unbehelligt
nach dem Turm zurück, wo die drei Dienerinnen Alyor, Parianne
und Esclade gerade damit beschäftigt sind, die Rohrdommel mit
köstlichen Steinen zu schmücken.
434. Hergault gelangt zum Zelte des Admirals, das der König
von Seville mit 1000 Mann besetzt hält. Da der König Hergault
den Eintritt verweigert, versetzt ihm dieser einen so wuchtigen
Hieb, dafs das Pferd scheut und in die Sümpfe rennt. Die Be-
deckung eilt sofort nach, um den König vor einem Unfall zu
schützen. So gelangt Hergault unbehelligt zum Admiral, der gerade
DER PROSAROMAN YSAYE LE TRISTE. 489
mit dem König von Morianne spielt. Hergault verhöhnt nun den
Admiral, indem er ihm sagt, er hätte den Christen eine grofse
Freude durch sein Erscheinen bereitet, denn er habe ihnen schöne
Frauen mitgebracht. Der Admiral solle sich schämen zu spielen,
während sein Sohn kämpfe. Wenn er nicht unbewaffnet wäre,
würde er (Hergault) ihn erschlagen. Da ruft der Admiral um
Hilfe, und Hergault ist in kurzer Zeit von allen Seiten umringt.
Hergault wäre sicher getötet worden, wenn nicht die Saracenen
bei der Ankunft des verwundeten Pharaon vom Kampfe abge-
lassen hätten.
435. Hergault begiebt sich nun nach dem Stalle, um das
Pferd des Admirals zu holen. Er nimmt aber das Pferd Pharaons,
da er Henry die Ehre lassen will, das Pferd des Admirals in Besitz
zu nehmen. Darauf reitet er nach dem Turm zurück, wo ihn
Englentine erwartet.
436. Da Hergault hört, dafs Marc noch nicht zurückgekehrt
ist, eilt er ihm zu Hilfe. Hierbei stöfst er zunächst auf die Truppen
des Königs von Carthago. Er besiegt den König selbst, worauf
dessen Truppen den Kampfplatz verlassen, car cestoit Ja coustume.
Dann reitet er zu Marc, dessen Mut durch die Anwesenheit Her-
gaults noch bedeutend vermehrt wird.
437. Englentine bemerkt, wie Hergault im Kampfe seine Lanze
verliert. Sie eilt zu ihm, hebt die Lanze auf, geht dann zu ihrem
Oheim, dem Admiral, und macht ihm Vorwürfe darüber, dafs er
seine Tochter nicht gut habe bewachen lassen. Diese, sowie Sar-
dine und sie, seien von Christen beschützt worden. Sie seien
infolge dessen ebenfalls Christen geworden und hätten den Ent-
schlufs gefafst, ihre Beschützer zu heiraten.
438. Sie erzählt ihm ferner, dafs Hergault den König von
Carthago getötet habe. Bei dieser Nachricht wird der Admiral
wütend, denn dieser König hatte die meisten Truppen herbei-
geführt, und er erklärt der Englentine, dafs in drei Tagen der
Tod des Königs gerächt sein werde. Englentine sieht nun dem
Kampfe zu, und Hergault ist sehr erfreut, dafs seine Geliebte ihr
Gelübde gehalten hat.
(Schlufs folgt.)
J. Zeidlek.
VERMISCHTES.
Zur Wortgeschichte.
Lat. torta, tartarum
(zu Ztschr. XXIV, 250 f.).
Im Südfranzösischen sind aufser lorco noch lourtihado, iourtihoun
mit iorto synonym, und sie gehen doch auch zweifellos auf torquere
zurück. Wir müssen eine frühe Scheidung von torius „gewunden",
(tortum „Unrecht") und toria annehmen. E. Seelmann Die Aus-
sprache des Lateins S. 92 zählt unter die durch das Romanische
bestätigten oder neu erschlossenen Wortformen mit langem 0 vor r
-}- Kons, auch lörta; aber das Romanische beweist nur für ein
lat. iprla, der Römer braucht nicht durchaus törta, er kann auch
iorta gesprochen haben, und, handelte es sich nur um Einwirkung
der folgenden Konsonantenverbindung, so würde diese sich auch
in torltis geltend gemacht haben. Wir kommen also über die An-
nahme einer Worteinmischung nicht hinweg. Von torrere wäre
nun^ wohl neben toslus ein *lprtus denkbar; nur läfst sich ein
solches nicht mit Sicherheit aus den romanischen Formen port.
esiurrar, span. esiurar, turrar, südital. atiurrare, -i (attiirrere bei
Mcyer-Lübke Gr. I § 220 ist ein Druckfehler) erschliefsen, da die
Möglichkeit besteht dafs sich u in unbetonter Silbe entwickelt hat
und dann in die betonte {aütwrii) eingedrungen ist.
Ich brauchte nicht blofs zu vermuthen dafs tartarum ein altes
Wort im Lateinischen ist; es ist belegt, wenigstens in einer Ab-
leitung. Pelagonius sagt in seiner Ars veterinaria § 260: „lino di-
ligenter /<7r/ö;'a// constringes"; vgl. dazu die Anmerkung von INL Ihm
(Ausgabe von 1892). Obwohl dies Wort längst in den lateinischen
Wörterbüchern steht, ist es wie es scheint allen Romanisten die
des romanischen Wortes gedenken, bis auf das Dict. g6n. herab,
^ ^ ° ■ H. SCHUCHARDT.
KdXvfifici, xoXvf^ßäv, (?) xaXcog im Romanischen.
hn Altgriechischen bedeutet xa?A\U(m „Hülle", „Tjcdeckung",
und auch schon insbesondere eine solche des Kopfes, wenigstens
H. scHUCtJAKDT, xdXvfifia, xoXv[ißäv,i^) xdXco^ IM ROM. 491
bei Frauen; für das Neugriechische gibt Legrand neben „voile"
an: „bonnet", „calotte". Es stimmt demnach im Sinn zu dem
stammgleichen xaXvjixQa, das schon im Altgriechischen so viel ist
wie „Haube", „Kapuze", in lateinischen Glossan als „calesira, genus
mitrae" erscheint und vielleicht im franz. calotte (mundartl. und alt
auch caletie; das spät belegte cale dürfte daraus abgezogen sein)
ital. cal(l)otta, ven. rom. galota fortlebt. 1 In der lateinischen Litteratur
taucht das Wort nur einmal auf, nämlich bei Martianus Capella:
„ipsa vero tecto capite lacteo quodam calymmate praenitebat." Wenn
von Oppian xd?.h\U(ia für eine bestimmte Netzart gesagt wird, über
die wir nicht weiter unterrichtet sind, so liegt wohl schon hier die
engere Bedeutung von „Haube" oder „Kapuze" zu Grunde. Diese
Vermutung stützt sich gegenseitig mit der andern dafs xdXvfifia im
span. calima und dem daher entlehnten port. calimba erhalten ist.
Hierunter scheint nämlich ursprünglich der Sack eines mit Flügeln
versehenen Zugnetzes, und zwar der (span.) Jäbega, (port.) Chävega
verstanden worden zu sein. Eine derartige Bezeichnung hat durch-
aus nichts Befremdendes; ich erinnere vor Allem an das cogölo im
Nordwesten der Adria, welches (eig. „Kapuze") den Sack eines
Zugnetzes, zum Teil auch dieses in seiner Gänze bezeichnet. Im
Portugiesischen nun bezieht sich calimba wenigstens heutzutage nur
auf den hintersten, cngstmaschigen Teil des Sackes der Chävega;
der zunächst davor liegende heifst contra- calimba. Eine ent-
sprechende Benennung für den hintersten Teil der in Andalusien
und JMurcien gebräuchlichen Jäbega ist capirote (eig. „Kappe",
„Kapuze"). Für meine Annahme dafs der Name calimba von dem
ganzen Sack auf dessen hintersten Teil übertragen worden ist,
darf ich mich auf andere Fälle berufen wo ein und derselbe Name
bald diese bald jene Verwendung hat; so ist port. coröa der Sack
der Chävega, span. corona der Sack des Boliche von Alicante, der
zweithinterste Sackteil des gewöhnlichen Boliche sowie der anda-
lusischen Jäbega, der hinterste Sackteil der Jäbega von Valencia,
sowie des katalanischen Bou, ital. corona der hinterste Sackteil der
Sciabica von Portoferrajo, so port. copo der Sack der Chävega,
span. copo der des Sedal, franz. conp (nach Duhamel I, 11, 148^. 154*^)
der des grofsen Boulier wie des Gangui, span. copo der hinterste
Sackteil des katalanischen Bou, und Labernia erklärt das kat. cop:
„la part mes espessa del filat y tambe tot lo filat". ]\Iit port.
calime „Belauf des Schiffes" (vielleicht = calibre) hat port. calimba
Nichts zu thun ; woher sein b stammt, ist nicht mit Sicherheit fest-
1 Die aus lautlichen Gründen schon von Littie beanstandete Heileituug
aus calautica wird von Körting in der zweiten Ausgabe bevorzugt; man könnte
sie allerdings durch Hinweis auf spanisch- oder afrikanisch -arabische Wörter
wie kallautah, kalütah mit der Bed. „Kapuze", „Barett" o. ä. (Simonet S. 76)
stützen (bei Rigutini-Bulle lese ich: „cal/otta, eigentlicli rothes Käppchen [der
Morgenländer]"). Die am ernsteren Orte S. 77 erwähnten demselben Sprachkreis
angehörigen Wörter qalmün, qalinihiati, galm{inah „Kapuze" gehen möglicher-
weise auf }cä).v[.ina zurück.
492 VERMISCHTES. ZUR WORTGESCHICHTE.
zustellen, vielleicht aus dem später zu erwähnenden span. Verb
calumbar, vielleicht aus irgend einem der port Wörter afrikanischen
Ursprungs wie calinibe, cachünbo, cacimba. Ohne b finde ich ge-
schrieben port. calimeira, worunter das kleine Fahrzeug zu ver-
stehen ist welches die Calimba oder, allgemeiner gesagt, den Sack
der Chävega begleitet. Ganz im gleichen Sinne braucht der Spanier
caltma; ich halte es aber für angezeigt die Worte von Sariez II, 23
selbst wiederzugeben: ,,se dice Caltma, 6 ponerse ä caliina [in dieser
Verbindung scheint calima noch die ursprüngliche Geltung zu haben]
el barco de la Enviada, quando se coloca detras de la Xavega
qua esta calada, y por medio de una cuerda sostiene el copo
Ueno 6 muy cargado de peces ayudando ä sacar la red". Die
Enviada ist ein kleines Fahrzeug welches die gefangenen Fische
von den Fischerbooten ans Land bringt; III, 136 sagt Sanez von
der Enviada der Jäbega: „algunas ocasiones sirve de Calima'^ aber
der Unterschied zwischen Enviada und Calima ist mir nicht klar,
auch die portugiesische Enviadeira ist, der Beschreibung zufolge,
nichts Anderes als die Calimeira. Das span. calima hat eine zweite
Bedeutung; es bezeichnet das oder die Korkstücke die an der
Oberleine über der Sacköffnung des Boliche oder der Jäbega an-
gebracht sind; wo drei derselben vorhanden sind, heifst das
mittlere, gröfste calimote (auch kat. calimot bei Labernia). Der Über-
gang „Sack" } „Korkkrone der Sacköffnung" entbehrt ebenfalls der
Analogieen nicht. Der Sack wird im Französischen u. A. manche
genannt, südfrz. mancho, ?7iargo („la Margue, Manche ou Poche"
Duh. I, II, 152=^); aber das Wort gilt in Südfrankreich auch für die
Öffnung des Sackes: „la Margue ou Gorge de la manche" (Duh.
I, 11,153^; vgl. I, 11,146=*. I5I^ 156^), und anderseits bezeichnet
wieder gorge die betreffende Korkkrone beim grofsen Gangui
(P. Gourret Les pecheries et les poissons de la Mediterran6e S. 132).
Von einer dritten Bedeutung des span. calima spreche ich deshalb
zuletzt weil sie den Ausgangspunkt für Entwickelungen in den
verwandten Sprachen bildet. Calima ist nämlich auch die rosen-
kranzartige Schnur von Korkstücken (einem Dutzend, mehr oder
weniger) welche dem Boliche oder der Jäbega als Boje dient und
die auch sospesa heifst; s. Sanez I, 204 (dazu Taf. XXIII, i, H und
3, K), 401 (dazu Taf. LIV, i). Diese Boje kann kaum nach den
Schwimmern über der Sacköffnung benannt worden sein; denn
sie besitzt zwar eine allgemeine Ähnlichkeit mit ihnen, übt aber
eine ganz andere Funktion aus. Da sie an einer Leine die von
dem Ring hinter dem Sack ausgeht, befestigt ist, so steht sie
gerade über der Calimba, deutet an wo diese ist und hat offenbar
daher ihren Namen.
Ich habe oben (S. 346) dargethan wie die Benennung der
Boje auf die Bojenleine übergeht. Siz. caloma bedeutet „Bojen-
leine"; da IMortillaro hinzusetzt „per la pesca di varie sorti di
pesci, e principalmente delle sarde", so wird vor Allem an die
Menaida (siz. minaitd) zu denken sein, und in der That wird bei
H. SCHUCHARDT, xdXvf/fia, xoXv^ßäiK (?) xaXcog im rom. 493
Targioni Tozzetti I, l, 394 die calomma ausdrücklich für die Menaida
von Neapel erwähnt. Die Menaida oder wie sie anderswo heifsen
mag, ist ein von der Jäbega durchaus abweichendes Netz, eine
stehende Wand, die nicht eine Boje, sondern mehrere in gröfseren
Zwischenräumen über ihr angebrachte (die nicht mit den Schwimmern
der Oberleine zu verwechseln sind) erfordert. Wenn bei Traina
siz. calumeddi erklärt wird als „piccole corde attaccate ai lati della
tratta'S so kann ich, da, dem Namen zum Trotz, die sizilischc
Tratta kein Zug-, sondern ein Stellnetz ist, nur an zwei Endbojen-
leinen denken. Das bedarf aber, da Tratta und Menaida das-
selbe sind (wie bei Targioni Tozzetti I, i, 6 1 2 ausdrücklich für Catania
angegeben ist), noch weiterer Aufklärung. An dieser Stelle, weil
ich keine bessere weifs, erwähne ich den Ausdruck caloma, mit
welchem nach Safiez II, 201 bei der eigenthümlichen Angelfischerei
„Canetas" in den Salzseen wie dem von Valencia die Leine vom
Rohr bis zum Kork bezeichnet wird (mit cala vom Kork bis zum
Angelhaken); er mufs aus Süditalien stammen, als katalanischen
finde ich ihn nirgends angegeben. Aus Süditalien ist jedenfalls
der Ausdruck für Netzbojenleine (franz. enard) in Südfrankreich
eingeführt worden: coulonmo, oder wie Gourret schreibt, colottie oder
coulotne, der sie nicht nur beim Sardinal (S. 198), sondern auch
bei der Thonnaire Flottante (S. 209) erwähnt. Dies Wort ist
übrigens auch nach seinem Heimatland zurückgekehrt; die Bojen-
leine (für Netze und Palangers) heifst, wie ich aus Mitteilungen
ersehe die ich Herrn P. Wilski verdanke, neugr. xaXovf/a. Ebenso
dalm.-serb. koluma oder kaluma (Zore S. 352). In dieser Bedeutung
fehlt das Wort dem Akademischen Wörterbuch; doch ist es hier
in einer andern verzeichnet welche derselben Quelle (S. 368) ent-
nommen ist: „drei zusammengebundene und mit Gras aufgeputzte
Reusen". Wahrscheinlich vermittelt hier der Name der Reusen-
bojenleine. Dieser findet sich nämlich im Ital. als caluma, ,,funi-
cella fatta d'erba, a cui s'attacca la nassa per gettarla in mare"
(Tommaseo-Bellini). Nicht die Bojenleine des Palangers, sondern
die Angelgrundleine selbst ist die bei Targioni Tozzetti I, i, 178 für
Livorno genannte cahana: „ogni coffa contiene circa metri 500 di
Caluma, ogni Caluma porta 150 a 200 ami'-''. Und weiter be-
deutet siz. caloma „fune annessa alla freccia da pescare, forse:
ganza'^ (Traina). Was das sein soll, dessen bin ich nicht ganz
sicher; ich vermute es ist damit der Strick der Traffinera gemeint
welche auf Thun- und Schwertfische geworfen wird. (Erzherzog
Ludwig Salvator) Die Liparischen Inseln VIII, 128 sagt davon:
„Die Stange bleibt in der Hand, und man läfst nun den starken
Strick laufen, der an der Schlinge des Eisens befestigt war, bis
der Fisch ermüdet ist und man ihn dann langsam zum Boote
heranzieht" (s. Fig. 13 auf der Tafel nach S. 124). Der Name
traffinera ist mir sonst nur, bei Traina begegnet, der ihn auch aus
einer besondern Quelle schöpfte, und zwar mit der Erklärung
„strumento da pigliar delfini: delfiniera". Das Geräte, welches, in
494 VERMISCHTES. ZUR WORTGESCHICHTE.
ähnlicher Form auch anderswo, so im Norden der Adria bekannt
ist (A. Iva entsinnt sich aus Rovigno der Bezeichnung caloma für
den Strick, nicht an der Harpune, sondern an der Fischgabel),
scheint was die südlichen Striche anlangt hauptsächlich in der Meer-
enge von Messina gebraucht zu werden, und zwar gegen Schwert-
fische; Duhamel I, iii, 14 bemerkt dazu: „Ce dard est attache
une corde, longue de 120 brasses, que le Maitre Pecheur file,
jusqu' a ce que le poisson soit affoibli par la perte de son sang"
(vgl. auch M. Lindeman in Brehms Thierleben '^ VIII, 84). Wie die
Menaida an den Bojenleinen ins Wasser gelassen (siz. muddari li
calomi „cominciar a tuffar le reti nell' acqua"), und durch deren
Verkürzung oder Verlängerung höher oder tiefer gestellt wird, so
wird der Fisch an der Harpunenleine fortgelassen, und auch
durch zeitweiliges Anziehen ermüdet, was man beim Angeln „drillen"
nennt. So heifst es im Kalabrischen von Reggio (also an der
Meerenge von Messina): dari caloma, „parlando di pesca, e la
corda che si lascia a mare al pesce giä preso, onde stancarlo",
und dann übertragen: „parlando d'aflfari, raenar le cose per le
lunghe, dare speranze, o belle promesse" (Morisani). Ebenso siz.
dari caloma, „frapporre ostacoli con ciarle e perditempi: menar a
lungo, badare" (Traina); aber im Anhang führt Traina eine ganz
andere Geltung an: „dar retta", und als die eigentliche: „raoUare
le funi dclle reti". Neap. dare calovmia ist nach Rocco so viel
wie „dar la briglia sul colio" und der erste Beleg den er aus
Cuorvo (Anfang des 18. Jhrs.) dafür gibt, läfst die Harpunen-
fischerei noch deutlich durchblicken; es wird ein Füllen ermüdet:
„Lo pollitro .... I A lo quäle se dace la calomma | Azzö che
sfuria quanto pote e hole | Pe nzi che la stracquezza lo sdellomma |
E gliire corrianno chiü non pole". In den übrigen Stellen die er
anführt, hat die Wendung durch^ius übertragenen Sinn, aber einen
etwas andern in der ältesten, aus dem Pentamerone entnommenen:
„Te da pasto e calomma, j Te da viento a la vela" (es wird das
Benehmen eines Schmeichlers geschildert) als in der Paganos:
„Dammo tiempo a lo tiempo; | Dammo a chisse calomma", und
wiederum weicht davon die Färbung in der Palombas ab: „te piace
darele calomma | Ed ajute li cane a la sagliuta". Plier ist das
„die Zügel schiefsen lassen" kaum verschieden von „antreiben",
„hetzen". Und so erklärt es sich dafs d' Ambra als Bedeutung
von calomma — allerdings nur mit der Anführung aus Cuorvo —
— angibt: „incitamento", „sprone", „invito"; dafs er aber als
eigentliche Bedeutung voransetzt: „caldo", „caldezza", das beruht
auf seiner falschen Gleichsetzung von calomma mit calimma. Rocco
leitet das dare calomma nicht sowohl aus der Fischersprache, als
aus der Schiffersprache ab; aber weder bei ihm noch in den
andern neapelschen Wörterbüchern ist calomma aufserhalb jener
Redensart belegt. In der That aber mufs das Wort in Süditalien
auch ein herabzulassendes Schiffstau bezeichnet haben oder noch
bezeichnen, und zwar zunächst wohl bei Schiffern die zugleich
H. SCHUCHARDT, Xü/ivflfia, XoXvfißcW, (?) xdXcOQ IM ROM. 495
Fischer waren. Wie es mit kal. (Reggio) „ca/omc7, fune, canape,
corda" steht weifs ich nicht zu sagen. Bei S. Mele L' ellenismo
nei dialetti della Calabria Media (Monteleone 1891) S. 12 finde
ich: „aver la ca/oma vuol dire avere ii budello grosso quanto una
gomena". Entlehnt ist gen. calümma „fune per discendere" als
Seemannsausdruck (bei Olivieri, nicht bei Casaccia). Ebenso süd-
franz. cala(ti)vw „cäbleau, cable servant a remorquer", wofür Mistral
auf neap. calonia, verweist. Sehr auffällig ist dafs das siz. caloma
auch in den Kreis ländlicher Beschäftigung eingedrungen ist; es
bezeichnet das Zugseil des Ochsenwagens, und cahaneri heifst der
welcher das erste Ochsenpaar führt.
Von diesem cabmia oder caloma der italienischen Mundarten
ist ein Verb cahimare (veraltet calo7nare) abgeleitet, welches schon
seit älterer Zeit der Litteratursprache und nicht blofs als streng
seemännischer Kunstausdruck angehört. Pantera L' armata navale
(16 14) erklärt es: „lasciar lunga la gomena o quäl si voglia altra
fune in mare". Etwas genauer Pique in seinem Dizionario di
marina (1878): „mollare, allentare ed anche fare sconere la gomena
o qualunque altra fune in mare, filandola poco a poco." Schon
Ariosto aber hatte das Wort gebraucht: „e caluma la gomona"
(O. f. XIX, 53). Zur Zeit Oudins (1660) wenigstens kannte auch
das Spanische caloma}- „lascher la gumene ou autre cordagc, filer".
Aus dem cahanare eines Taues hat sich dann das cahimare von
Etwas an einem Tau entwickelt; gen. calilmmd ist nach Olivieri
„calare, il far calare checchessia" mit der notwendigen Ergänzung
bei Casaccia: „abbassare per mezzo d' una fune un qualche oggetto".
Nicht vergessen ist die ursprüngliche Beziehung auf das Netz bei
Traina: cahimari „mollare, allentare ed anche far correre, tirare
da im luogo all' altro un cavo, una rete, una barca a poco a poco"
und bei Boerio: calumar le corde 0 le gomene „allentarle, ed anche
tirare da un luogo all' altro un cavo, una rete, una barca". Vom
Netz ist bei Petrocchi nicht die Rede, nur von Tau und Barke.
Zambaldi gibt K\x cahanare auch an: „detto di bandiera, abbassarla"
(Sp. 223 A). Schliefslich wird das Verb, reflexiv, auch auf den
Menschen angewendet: cahimarsi „lasciarsi correre dall' aUo in
basso hmgo una fune tenendovisi aggrappati colle mani o coi
piedi a fine di moderare la velocitä della caduta" (Pique). Daran
schliefst sich eng das in Venezien übliche cahanarsc drio a uno
„Einem (oder vielleicht häufiger: Einer) nachschleichen". Hingegen
fällt in die Sphäre der Fischerei, freilich calomma in dem hier
nicht belegten Sinne von „Angelschnur" voraussehend, neap. acca-
lommare „lasciare andare 1' amo e 1' esca per prendere il pesce",
bei Rocco mit einer Stelle aus Lorenzi belegt. 1 Dann im über-
tragenen Sinn: „mit Köder fangen", „ködern" [accalotnmarese „sich
1 Am Ende meiner Untersuchung nehme ich wahr — wie mir Ähnliches
schon öfters geschehen ist — dafs auf das von mir aufgespürte Grundwort
xäXv^ilxa „Netz" schon von Rocco verwiesen wird.
496 VERMISCHTES. ZUR WORTGESCHICHTE.
k(Jdorn lassen"). In den beiden hierfür beigebrachten Stellen
nimmt d' Ambra irrigerweise — und zwar anscheinend indem er
de Ritis, der mir nicht zur Hand ist, folgt — die Bed. „in-
ciLare", „porre in brio" an und zwar als Grundbedeutung: „dar
calore", „rinfocolare". Bei Andreoii liest man dann: „accahunmare,
riscaldare, incalorire" und weiter Nichts. Auch siz. cahimari be-
deutet „ködern" im ü. S.; calumarisi oder accalumarisi erklärt Traina
mit „sotto mettersi", das scheint auf den an der Harpuncnleine er-
müdeten Fisch zurückzugehen. Bedeutungen die von den ur-
sprünglichen sehr entfernt liegen, verzeichnet Kosovitz für die
Triester IVIundart: „accoccolare [wohl wie im Folgenden für „accoc-
care"], calumare; met. appiccare; calumar piigiii — e simili —
applicare, appoggiare, assestare, inzeppare, lasciar andare pugni,
ecc." (dazu calmnada „accoccolamento, accoccolata, accoccolatura").
Dem Triester spricht offenbar der dalmatische Serbe nach wenn
er sagt: kalumaj mu dvije [)esti (Akad. Wtb.) „versetz ihm zwei
Fäuste"; lialumati \\2i\. sonst, zu Ragusa wenigstens, den eigentlichen
Sinn „nach und nach (ein Seil, eine Kette u. dgl.) ins Meer lassen",
auf der Insel Giiippana (nicht sehr weit von Ragusa) braucht man
es in Bezug auf das nasse Netz das seiner ganzen Länge nach
von Hand zu Hand gereicht wird um zum Trocknen aufgehängt
zu werden (Zore S. 335). Auch in Südfrankreich hat sich das
Verb begrifflich auf eigentümliche Weise entwickelt: coulouma „pre-
cipiter, jeter de haut en bas, jeter pele-mele, verser"; se coulouma
„se precipiter"; „nai coidoumat iin pouet (G, Zerbin), j'en ai vide un
pot". — Von diesem Verb sind wieder, ohne Suffix, Substantive
abgeleitet. Boerio bucht als Ausdruck der Schiffersprache: caloma
„rallentamento, e dicesi del corso della barca, specialmente per
discesa". In allgemeinerer Verwendung steht calunio „la quantitä
o lunghezza di una gomena o d' altra fune uscita da bordo; quindi
il calumo di una catena o di una gomena e il tralto di questa
gomena compreso tra 1' ancora e 1' occhio di prua" (Pique). Daher
türk. kalttna ,, Haufen zusammengerollter Ankertaue".
Ich denke, die Verzweigung dieser Formen vmd Bedeutungen
ist eine so klare und sichere dafs sie, auch wenn man kleine Laut-
ungesetzlichkeiten entdecken sollte, keinem Widerspruch begegnen
wird. Wenn ich hier nun doch nicht abschliefse, so veranlafst
mich dazu der Umstand dafs die Erkenntnis woher ein Wort kommt,
erst durch die Erkenntnis wie es daher kommt, wirklichen Wert
erhält, und dafs wiederum die Wanderung selbst interessanter ist
als die Rastj^uiikte. Kein Wort aber legt seinen Weg zurück ohne
von andern Wörtern beeinflufst zu sein; jedes hat seine Helfer
oder Hemmer. Mistral setzt zu coulouma das griech. xoXvfißäv in
Kl jnmern; und in der That, wenn es auch nicht selbst ein direkter
Abkömmling von ihm ist, so ist es doch in der Bedeutung durch
einen Abkömmling von ihm beeinflufst worden, der bis heute in
Asturien lebt: calumhar oder da das Verb nur reflexiv vorzukommen
scheint, caluinbase „untertauchen" (Tolhausen hat calumbarse in sein
H. SCEIUCHARDT, xäXvflfia, XOXvilßäv,Q) xäXcOi IM ROM. 497
spanisches Wörterbuch aufgenommen). Anderseits verrät coiüowna
auch eine gewisse begriffliche Einwirkung seitens des Verbs coula.
Eine solche liegt aber noch deutlicher vor bei cahimare seitens
Ciliare. Jenes ist seinem eigentlichen Sinne nach fast ganz mit
diesem synonym; zum Teil auch im übertragenen Sinn, so kann
man ven. calarse und cahanarse drio a iino ohne Unterschied sagen.
Im Sprachgefühl, zum Mindesten in dem der Lexikographen ist calu-
mare eine Ableitung von calare; Zambaldi setzt zwischen beide ein
Substantiv *calume. Nun, wir haben zwar nicht cahime*, aber doch
ein caluina und wenn dieses auch nicht von calare stammt, so ist
es doch, indem es vor Allem ein herabgelassenes Seil oder Leine
bezeichnet, nicht unabhängig von ihm geblieben. Und wenn end-
lich bei calitma = calima irn weiten Umfang die ursprüngliche
Bedeutung verloren gegangen und durch die von „Seil" verdrängt
worden ist, so mag das mit auf Rechnung von andern Wörtern
für „Seil" kommen welche gleichen Anlaut zeigen ; span. port. cala
„Zugseil bei verschiedenen Zugnetzen" (daher calöti, caläo „Spreiz-
knüppel"), (span.) „Saumleine bei gewissen andern", „der Teil der
Angelschnur bei der Canetasnscherei der zwischen dem Kork und
dem Angelhaken liegt" (s. oben S. 493), port. calahre „Kabeltau",
calahrete „Zugleine eines gewissen Zugnetzes", calabrote „dünnes
Ankertau", span. calabrote dass., „Wurfankertau", „Greling", „Fang-
leine zum Fischen" (Tolh.) tarent. caläri „funicelle di pelo di capra
e becco attaccate alle reti della sciabica". Ich halte es nicht
für unmöglich dafs hierbei irgendwie das griechische xäXcoz „Seil"
im Spiele ist, bemerke aber dafs cala wie es im Romanischen mit
andern Bedeutungen (z. B. „Netzlegung", „Netzzug") sicherlich ein
Postverbale von calare ist, so es auch mit den angegebenen sein
wird. Port, (span.) calabre kann nichts Andres sein als prov.
calabre \ xaraßoXri', es muls also diesem Worte die Bedeutung
„Kabel" eig. „zum Niederreissen bestimmtes Tau" sich angeheftet
haben auch ohne dafs wie bei altfranz. caable eine formale Ver-
mischung mit ^capulufii eintrat.
In Italien und zwar im nördlichen gibt es ein Verb calu?jiare
(= span. columbrar) „beschauen" u. s. w., welches mit dem eben
besprochenen Nichts gemein hat als die Lautform und auch räum-
lich sich wohl nur in Venedig mit ihm berührt. Wohl aber besitzt
das Spanische aufser dem schon erwähnten calomar = ital. cahimare
noch ein Verb andern Ursprungs das ihm lautlich angeglichen
worden ist. Port, celeuma \ xEXivfia bedeutet „Geschrei oder Ge-
sang der Matrosen bei der Arbeit", davon das Verb celeu?/iar; da-
für {salofna), salomear, span, [saloma), salomar „gritar el contramaestre
6 guardian diciendo varias retahilas, para que al responder ä ellas,
tiren todos ä un tiempo del cabo que tienen en la mano". Indem
das langsam angezogene Tau die Vorstellung des langsam nach-
gelassenem erweckte, entstand die span. Nebenform calomar, viel-
leicht eigentlich eine katalanische (Labernia verzeichnet sie).
Nachtr. Eine Reise in Süditalien hat mir über Manches hier
Zeitschr. f. rom. Phü. XXV. 32
4g8 VERMISCHTES. ZUR WORTGESCHICHTE.
Berührte weitere Aufklärung verschafTt. Für jetzt bemerke ich nur
dafs das siz. cahnned<H kaum die Stricke der grofsen Endbojen bei
der Tratta bedeuten kann; wahrscheinlich haben wir an ein Synonym
von nattiräli, natiirakddi zu denken, das heifst an die horizontal
verlaufenden Enden der Netzstücke, die zu deren Verbindung dienen.
In Trapani benannte mir ein Fischer die Einfassungsleinen der
Netze mit calovii, wofür zu Palermo und anderswo breini gesagt
wird, ein Wort, das aber seinerseits an gewissen Orten den Sinn
von caloini und auch von Zugseilen hat. p^ Schuciiardt
Franz. guideau.
Richtig stellt Thomas Essais de philologie frangaise S. 314 ff.
engl, kiddle zu franz. guideau; zweifelhaft ist es ob jenes von diesem
herkommt; abzulehnen ist die Herleitung dieses vom deutschen
Kitlel. Ein noch fleifsigeres Herumblättern in deutsch-fremdsprach-
lichen Wörterbüchern, wie denen von Mozin- Peschier, Sachs,
Valentini, Tolhausen u. s. w. oder dem Deutschen Wörterbuch,
nämlich dem Grimmschen würde Thomas auf das Wort Kadel
(dessen sich z. B. Luther bedient hat) mit den Nebenformen Keidel,
Riedel geführt haben, welches den Sack in der Mitte eines Zug-
netzes (Wate) bezeichnet. Im Kurischen und im Frischen Haff
aber ist der Keiüel, Keäel, Kiedel (von den drei für dort angegebenen
Formen wird wohl nur die letzte volkstümlich sein) ein Zugnetz
ohne Flügel, das sich also als Sack und zwar als sehr langen, im
Hinterteil, wie die Reusen, mit einer Einkehle versehenen darstellt;
das Litauische hat das Wort in der Form Jdüdelis entlehnt. Das
D. Wtb. bringt an einer andern Stelle, auf die an der ersteren kein
Bezug genommen wird, mhd. (westmitteld.) kudel, im Sinne von
„Reuse" „Bunge" oder „Fischbehälter"; die Form ist eine nieder-
deutsche, die sich als mnd. bei Schiller-Lübben in einem ent-
sprechenden Sinne und bei Graff aus einem nicht weiter bezeichneten
alten nd. Glossar = „gurgustium" (man denke an dessen mittel-
lateinische Bedeutung) findet. Dieses kudel würde freilich im Nhd.
Kullel* zu lauten haben, wie das in demselben Glossar vorkommende
cudele „sepia" Kuilelfisch ist (vgl. engl, cutlle für altes und mund-
artliches cudele, aidle, coodle u. ä.). Aber bei der Dunkelheit die
noch über der Herkunft von Keutel schwebt, habe ich doch ge-
glaubt auf dies sinn- und lautähnliche Wort hinweisen zu dürfen.
Wegen der Bedeutung die ich bei Mozin-Peschier u. A. für Keutel
angegeben finde: „Recht oder Platz zum Fischen" verweise ich auf
bolus gleich unten. ^^ Schuchardt.
Franz. 'bccuf, vaclw (Fischerspr.).
Im Griechischen bedeutet ßöXog das Auswerfen des Netzes,
den Zug mit dem Netze, die Menge der bei einem Zuge gefangenen
H. SCHUCHARDT, FRANZ. GUIDEAU; FRANZ. BOeUF, VACHE. 499
Fische und endlich das Netz selbst. Das lat. hohis dürfte alle diese
Bedeutungen gehabt haben, wenn auch nur eine davon in der
Litteratur belegt ist. Wenigstens sind sie dem Mittellatein und
dem Romanischen nicht fremd. In den teils lateinischen teils
italienischen zu verschiedenen Zeiten von 1356 bis 1529 abgefafsten
Statuten von Gaeta, lesen wir, zufolge den Auszügen die Targioni
Tozzetti I, 1,379 ff. gegeben hat: nullus patronus retiarum possit
auferre bolum alteri patrono retiarum qui esset ante eum — pisces
quos ceperit in holo predicto — illi patrono seu sciabeche cuius
est bolwn predictum — si aliquis patronus haberet primum bolum
— liceat tunc ipsi secundo ponere volwn suum — poneret bolum
usque ad quatuor saulas \_saule heifsen die Stücke aus denen die
Zugleinen bestehen, heute je gegen 80 Meter lang] — dimictere
bolum et redire et cedere locum illi qui esset ante eum u. s. w.; quelli
che hanno il volo primo — sia suo il volo — se .... dice: io
voglio questo volo ; s' intenda suo questo volo — il volo sia alle
Eigne, alla Tesa — perda tutte le vola a dietro, ciö e la Tesa,
il Molo e le Piaggie a dietro, ma non la Piaggia et le Eigne u. s. w.
Also das Wort bezeichnet den Netzwurf oder auch das Recht da-
rauf, den Platz dafür. Ebenso ist kat. bol: i) Netzwurf (span.
„echar un 3ö/"), und zwar handelt es sich dabei um die Jäbega,
ein Zugnetz mit Sack und Flügeln; 2) Ort des Netzwurfes „el pa-
rage ä proposito en que se reda y sobre que echan suertes los
patrones, para saber quäl debe empezar primero en el bol 6 boles,
que tienen sus nombres propios con que se distingue la variacion
que localmente hay entre unos y otros" Sanez I, 260 f.). Zu Ali-
cante aber heifst, wie a. a. O. bemerkt wird, die Jabega selbst hol.,
und so zu Valencia der Boliche oder Arte Real, ein der Jäbega
nahe verwandtes Netz. Im Südfranzösischen lautet das Wort je
nach den Mundarten bol, bau, von, auch bau (ebenso bau neben
bou, bol ' bolus „Siegelerdc") und bedeutet 1) Netzwurf, 2) Ort des
Netzwurfes, 3) Fischbeute eines Fahrzeugs. Es wird aber 4) früher
auch für ein bestimmtes Netz und zwar für das (grofse) Gangui
gegolten haben; Azais bemerkt dafs man hauptsächlich bei der
Fischerei mit ihm den Ausdruck bol brauche: a lou bol, a fach uu
bei bol, a Ines lou bol en terroX) Dieses Netz und sein Name bou
fanden etwa am Ende des 1 7. Jahrhunderts in Katalonien Eingang.
Sanez I, 306 f. bezeichnet das als eine unbeglaubigte Überlieferung
die man von irgend einem alten Fischer zu Barcelona vernommen
habe; ebenso wenig Vertrauen flöfst ihm eine handschriftliche Notiz
ein derzufolge der Bou 17 19 von der französischen Küste ge-
kommen sei; und w-enn er selbst in Katalonien gehört hatte dafs
vor 40 oder 50 Jahren (der erste Band von Sanez erschien 1791)
ein gewisser Conil den Bou dort eingeführt habe, so widerlegt er
das mit Urkunden von 1726 und 1736, in denen schon des Netzes
1 Ich darf nicht verschweigen dafs Duhamel I, n, 148*. 151b. 159a vom
bol oder bou bei der Aissaugue, dem Bregin und der Tartane spricht.
32*
500 VERMISCHTES. ZCR WORTGESCHICHTE.
Erwähnung geschieht. Er zeigt im Folgenden die Möghchkeit dafs
der I)OU aus dem Ganguil sich an Ort und Stelle entwickelt habe,
will aber schliefslich die Frage des Ursprungs nicht entscheiden.
Ganguil und Bou sind nämlich nahe verwandt; in Katalonien
werden, oder wurden zur Zeit von Safxez, die beiden Namen aus-
einandergehalten, in Südfrankreich wird das zweite Netz als eine
Unterart des ersten [grand gangiü) benannt, und auch in einer
Entscheidung des Obergerichtshofs von Valencia von 1736 ist die
Rede von der „pesquera del Ganguil, 6 por otro nombre el Bou",
Für mich gibt der Name hou den Ausschlag. Derselbe hätte in
Katalonien hol lauten sollen; aber hou befestigte sich indem es sich
an hou „Ochs" anklammerte. So wurde dann bou auch als Netz-
name im Spanischen mit hiicy wiedergegeben (insbesondere in
Andalusien). Den Namen des Netzes pflegt auch das zugehörige
Fahrzeug zu tragen; da aber hier zwei Fahrzeuge und zwar ganz
gleichbeschaffene das Netz bedienten, so heifst es bous, hueyes oder
parella de bous, pai-eja de hucycs oder kurzweg parella, pareja (die
bueyes oder parejas kommen schon in einer königlichen Verordnung
von 1726 für Barcelona vor).i Dieser Sprachgebrauch ging dann
ins Südfranzüsische über: dafs in dem betreffenden Sinn aller-
dings nicht belegbare bou wurde durch biou oder huou (zu Nizza
übrigens bou) verdrängt. Vor Allem als Bezeichnung des Fahr-
zeugs, aber w-ohl nicht ausschliefslich, wie man aus Mistral ent-
nehmen könnte: „bateau de peche .... sert a trainer dans la
mer le filet nomme gängui".'^ Gourret überschreibt den bezüglichen
Abschnitt: „Boeuf ou Grand Gangui"; er sagt: „les boeufs ne peuvent
ßtre trainds" (S. 1 40) und spricht vom „filet boeuf" und den „bateaux
boeufs". Duhamel I, ll, 154'' betitelt den § 5: „De la peche au
Gangui, dite du Bceuf; des Boeufs', ou aux Bäsufs". Wenn nun
Gourret auch sagt: „bette" oder „moure de pouar [es sind dies
Arten von Fahrzeugen] servant a la peche des boeufs" (S. 138. 140),
so kann man bei boeufs nicht gut an die Fahrzeuge denken, aber
noch weniger ans Netz (es müfste heifsen ati boeuf), — die Be-
Bedeutung des Wortes ist ganz verwaschen. Duhamel gibt an
der angeführten Stelle, wohl als Erster, die Erklärung: „on a
compare les deux bateaux qui trainent de concert un meme filet,
ä une paire de Boeufs qui sont atteles ä une voiture". Er legt
weiter kein Gewicht auf diese Vermutung, die von Andern, wie
Sanez, Mistral, Gourret mit gröfserer Bestimmtheit wiederholt worden
ist; und sie dürfte in der That unhaltbar sein. Ob wohl irgend
einem Istrianer oder Dalmatiner bei dem alltäglichen Anblick der
paarweise die Coccia ziehenden Bragozzi der Chioggioten der Ge-
danke an ein Ochsenpaar gekommen ist? Nicht die Vorstellung
^ Targioni Tozzetii I, 11, 465 Anm. erwähnt die ,,Arte de parejas del
Bou", als „portata in Ispagna e in Portogallo"; aus letzterem Land vermag
ich die entsprechende Benennung nicht nachzuweisen.
'^ Nach Tolhauscn würde auch das Spanische betonen gdngidl — aber
es betont ganguil.
H. SCHUCHARDT, OSTITAL. TOGNA; ITAL. VOLANTINO ETC. 5OI
hat das Wort hervorgerufen, sondern das Wort die Vorstellung,
und der „Ochs" hat schliefslich eine „Kuh" nach sich gezogen.
Die vache sagt Gourret S. 150 „est un filet de meme espece qua
le boeuf, mais plus petit; au üeu d'etre remorque par deux bateaux,
il ne Test que par un seul". Bei Mistral findet sich unter d. W.
vaco: „faire la vaco, se dit d'une tartane qui traine un filet de
peche, par Opposition ä faire Ion biiou, qui se dit de deux tartanes
qui trainent un filet de conserve". Hie und da ist der „Ochs" zu
einem „Büffel" geworden: „la pesca chiamata di conserva a coppia,
o a Buffala^'' (Genua 1776), „di pescare . . . di conserva, a coppia
o a bti/ala"' (Livorno, 1767) bei Targioni Tozzetti I, i, 63. 195. In
Katalonien heifst ein kleinerer Bou botiet und bolivä (Sanez I, 390);
im letzteren Namen hat sich wohl boliche eingemischt. Auch der
Name eines in Sizilien gewöhnlichen Fahrzeugs, einer Art schwer-
fälliger Tartane, bovo (s. F. Lafitte et J. Servonnet Le Golfe de
Gabes en 1888 S. 877 ff. PI. IX), das allerdings nicht unmittelbar
dem Fischfang dient, ist offenbar nur ein italianisiertes bou.
Ich bemerke noch dafs der Name fisca, wie jedes der drei
spitzdreieckigen Netzteile heifst welche oben und unten von der Öff-
nung des Sackes vom Bou mit der Spitze nach hinten gehen (Sanez
1,209. 326 f.), nicht katalanisch ist, sondern aus dem Südfranzö-
sischen stammt. Allerdings heifst beim Boeuf jener Teil guiroun,
aber bei der Thonnaire bedeutet yfjcö, flisco (== ßisco, fisclo „Fetzen")
das unten angesetzte Stück alten Netzes.
Wenn im Französischen der nur auf einer Seite bezeichnete
Würfel bceiif \iG\{'i\. oder hiefs (gewöhnlicher _/(7r?>/f/), so könnte man
auch an bolus „Wurf des Würfels" {ßo?ÜQ bedeutet dieses und, spät,
auch den Würfel) denken ; aber es fehlt an nachweisbaren Zwischen-
S^^^^^^n. j^_ SCHUCHARDT.
Ostital. togna; ital. volantino (Fischerspr.).
In Dalmazien, zu Fiume, zu Triest, zu Venedig und zu Tarent
(wahrscheinlich auch in den zwischenliegenden Seestädten) bedeutet
iogna die einfache aus Hanf oder Pferdehaar angefertigte Angel-
leine mit einem oder mehreren Angelhaken; die Verschiedenheiten
die sie sei es an den einzelnen Orten, sei es — und diese nur
sind wesentliche — mit Hinsicht auf die zu fangenden Fische
aufweist kommen hier nicht in Betracht. Die Hauptsache ist dafs
eigentlich die aus der Hand geworfene Leine darunter verstanden
wird; zu Venedig und Triest allerdings, den Wörterbüchern von
Boerio und Kosovitz zufolge, nicht nur diese, sondern auch die
Legangel (filaccione). Das Wort stammt aus dem Griechischen,
wo ajrsTOinä, XiiXoiHa {^xaQXäzog A. 6 Bv^. setzt zu letzterem:
Ix roxi Uerm ro (utitco) die Angelleine bedeutet. Und zwar
nicht die an der Rute befestigte, welche OQiiidi, aQfiiÖi {oQfud)
heifst. Wenn N. Apostolides La peche en Grece S. 56 sagt, die
502 VERMISCHTES. ZUR AVORTGESCHICHTE.
bei dem Fang des Wrackfisches zuerst geworfene und dann mit
Stein und Boje im Wasser gelassene Angelleine führe den Namen
djtsTOVid, so soll dies offenbar nicht bedeuten dafs dieser Name
hierauf beschränkt sei. So wird, nach Mitteilung des Herrn P. Wilski,
auch die Hauptleine des Palangers {jcagaydöi) genannt. Den An-
fang des griechischen Wortes liefsen die Italiener abfallen; sie
dachten an Togna \ An/onta. Die Entlehnung ist alt. Schon im
lateinischen Teil des Libro rosso von Tarrent (15. Jhrh.?) findet
sich /ogna Targioni Tozzetti I, ii, 75. 78. Boerio citiert iogna aus
einer der Satiren Varotaris, die 1671 im Druck erschienen.
Für das abgegebene Wort hat Griechenland von Italien ein
entsprechendes eingetauscht und es ebenfalls recht unkenntlich ge-
macht. Als synonym mit fdjjrerovid verzeichnen nämlich die
Wörterbücher ßoXra; den feineren Unterschied, welcher sicherlich
besteht, kann ich vorderhand nicht angeben. Apostolides erwähnt
das Wort nicht; aufser oQfiidt und djrszovid nur noch y.ad-iTi).
G. Meyer Neugriech. Stud. IV, ig stellt ßölra „Angelschnur" ohne
Weiteres mit ßoXxa „Umhergehen", „Geschützsalve" (aus Legrand;
dieser übersetzt allerdings ßöXra mit „bordee"; aber unter „bordee"
sagt er: „route d'un vaisseau qui louvoie" .... ßölra, also =
„Schlag", „Gang") zusammen; aber ich glaube, es würde ihm nicht
möglich gewesen sein, die erste Bedeutung des griechischen Wortes
mit seinen andern oder irgend einer des ital. vo/ia, sei es selbst
mit Heranziehung aller Mundarten, zu vermitteln, und auch meine
Phantasie reicht dazu nicht aus. Es liegt hier einer der nicht
ganz seltenen Fälle vor in denen wir, um den Ursprung eines Wortes
zu entdecken, zuerst nicht den Laut, sondern die Bedeutung ins
Auge fassen müssen. BöXra ist ungriechisch und kann kaum aus
einer andern Sprache entlehnt sein als einer romanischen. Nun
gibt es aber nur ein Wort gleicher oder ähnlicher Bedeutung im
Romanischen: ital. volaniino, siz. hulantinii, südsard. bolentmu, siz. lipar.
vulintinu, span. bolantin, val. volanti „Angelschnur", d. h. gewisse
Arten derselben (ausführlichste Beschreibung der spanischen bei
Sanez I, 261 — 275). Ich vermute dafs dieses Wort ein Deminutiv
von ital. span. volanie (jetzt ital. volano) „Federball" ist. Bei Targioni
Tozzetti 1, II, II, unter der Fischerei von Calabria citeriore, heifst es:
„nel Volantino e una penna bianca o una branca (osso?) di Seppia",
und es wird hinzugefügt dafs traina gleichbedeutend mit volaniino
ist. In dem Werke des Erzherzogs Ludwig Salvator Die Liparischen
Inseln VllI, 126 finde ich: „Die Trajna ist eine mit einer weifsen
Feder versehene Angel. . . . Ähnlich derselben, nur stärker, ist die
Lenza der Tunnacchi . . . als Köder hängt man neben die Feder
eine gesalzene Branca di Polpo" (s. dazu Fig. 6 und 4 auf der
Taf. nach S. 124; auch die Neufundländer Thunfischdoppelangel
bei Duhamel I, i Taf. II, Fig. 2 ist gefiedert); die beiden daselbst
beschriebenen und abgebildeten Vulintinu sind ohne Federn, Wenn
jenes griechische Wort durch Anlehnung an ein italienisches eine
Silbe verlor, so konnte auch für volantino mifsverständlich ^voltino
H. SCHUCHARTD, SPAN. CAZAKEIE, PORT. CA^ARETE. 503
gesagt und daraus ein volta abgezogen werden. Damit gebe ich
aber die Herleitung keineswegs als sichere; ich meine nur dafs man
zwischen zwei Unwahrscheinlichkeiten die geringere zu wählen habe.
H. SCHUCHARDT.
Span, cazarete, port. cciQcirete (Fischerspr.).
Dieses Wort welches einen bestimmten Teil bald des Flügels
bald des Sackes bei verschiedenen Zugnetzen mit Sack bedeutet,
habe ich Rom. Etym. II, 175 mit span. cazar in Zusammenhang ge-
bracht; ich halte das jetzt für unrichtig. Zu Neapel heifst nämlich
ein Teil des Flügels der Sciabica casielleito, und zwar der zwischen
dem realiello (vorn) und mappitello (hinten) (Targioni Tozzetti I,
I, 392) und entspricht dem span. cazarete zwischen reclaro und
sardinal beim Boliche, zwischen cazai-ete claro und sardhwl beim
Bou, zwischen raigal und a?-canela beim Sedal und der andalu-
sischen Jäbega, zwischen regal und colls bei der Jabega von Va-
lencia (Sanez I, 203. 278. 311. 11,213. V, 286. 365. 368), dem
port. cagarete zwischen regalo und alcanela bei den Artes de arra-
star (Baldaque da Silva S. 243). Offenbar übersetzt castelletto das
cazaj-eie des Ostens, welches auf arab. qasr, ital. casscro, span. al-
cdzar, port. alcägai', -er, -ere zurückgeht.
Nachtr. Inzwischen habe ich in Sizilien und Kalabrien caza-
riiiti u. ä. für entsprechende Netzteile erfragt. Die romanische
Terminologie der Zugnetze soll später im Zusammenhang erläutert
werden.
H. SCHLCHARDT.
Frz. Glaisc, voges. hrosscy.
Die Besprechung dieser beiden Wörter bildet eine Ergänzung
zu meinen Untersuchungen über die Schicksale von lat. ty im Fran-
zösischen; ein paar andere nachträgliche Bemerkungen finden sich
Literaturblatt 21, 336.
Glaise.
Ueber das Wort habe ich mich bisher nicht geäufsert, weil
ich der Ansicht bin, dafs dasselbe nicht lateinischen, sondern kel-
tischen Ursprungs ist, und weil es sogar zweifelhaft ist, ob das te
von gliteus etymologischem keltischen // entspricht. Da indessen
in dem dem Dictionnaire General beigegebenen Traite de la for-
mation de la langue, § 406, glatse als Beleg für den Lautwandel
von lat. ty '^ z aufgeführt ist, so scheint es geboten, auf die Frage
näher einzugehen.
Schuchardt hat Ztschr. 23, 196 gezeigt, dafs frz. lie, südfrz. ligo
mit Thurneysen, Keltoromanisches S. 66, auf ein galloromanisches
504 VERMISCHTES. ZUR WORTGESCHICHTE.
liga zurückzuführen sei und dafs dasselbe, mit Suffix -id (it)-
weitergebildet, in Oberitalien als *ligida oder *lidiga fortlebt;
als Grundbedeutung wird , schlammiger Niederschlag aus dem
Wasser', auch , feiner Flufssand*, ,Hefe', »Bodensatz* im Allgemeinen
nachgewiesen. Ich bin der Ansicht, dafs sowohl frz. lise (enliscr)
als auch glise, glaise auf dasselbe kellische Substrat zurückgehen.
Die Gleichung lise = lie stützt sich auf Folgendes:
a) Jaubert (Supplement) giebt, User pour l'inusite her, pres
lises ,couverts de limon', lie aber mit der Bedeutung ,dep6t Hmo-
neux'. Man vergleiche damit bei Mistral prov. liso f. ,dep6t de
terre fine ou de sable fin laisse par l'eau d'une riviere*, linso ,liraon,
vase* und anderseits enligar ,couvrir de vase, de limon', zu ligo
,vase'.
b) lise ,lie de vin' in Lüttich (s. Grandgagnage und Bulletin
de la Societ6 liegeoise de Littdrat. Wallonne, 2. Ser. Bd. 16), in Namur
lige ,levure, ferment' ist augenscheinlich dasselbe Wort wie frz. lie.
c) Das Dictionnaire Bearnais von Lespy und Raymond ver-
zeichnet lis^ m. Sorte de substance blanchätre sur les viandes even-
t6es, 6cume blanche sur le vin qui commence ä tourner. Durch
die Vergleichung mit Ho, s. f. espece d'6cume blanche qui se re-
marque sur le vin qui est sur le point de tourner (bei Vayssier,
Dictionnaire de l'Aveyron, Rodez 1879), wird die Identität beider
Wörter evident. Zur Ableitung mit dem männlichen Suffix -ellus
in lis-^ vergleiche man Haches (= Hages) masc. plur. ,lie de vin',
bei Labourasse, Glossaire de la Meuse.
Der j--Laut lüfst sich auf folgende Weise erklären : Ansprechend
ist Thurneysens Annahme (1. c. IP v. lai), lleis ,Lied' hänge mit
ir. laid zusammen, in dem das d als interdentale Spirans gesprochen
worden wäre ; in dem romanischen lais wäre keltisches d (oder ///)
durch j wiedergegeben worden. Ich nehme an, dafs in ähnlicher
Weise in ligida, ligda das als ö gesprochene d zu s wurde.
Auch Meyer-Lübke erklärt Rom. Giam. II 28 das z von biez, guez
aus germanischem ö.
Folgende Gründe sprechen für die Gleichung glaise, glise =
lise (letzteres wird im Dictionnaire General als ,meme mot que
glaise^ bezeichnet).
i) in glaise und glise liegt derselbe Wechsel von e und / vor
wie in lie und verwandten Bildungen wie nordital. ledga, leda, lea
(s. Schuchardt 1. c).
2) lise kommt mit derselben Bedeutung wie glise vor, so in
Lalanne's Dictionnaire du Poitoir als Adjektiv: terre lize ,argile,
terre grasse'. Im Dictionn. Gener. wird zu einer Stelle des Roman
de Thebes lise als Variante für glise bezeichnet.
3) In Erto (vgl. Ztschr. 16, 329) bedeutet leda Kreide, was zu
gliteus ,de creda', gliteus ,cretaceus' bei Du Gange pafst. Auch
die Kreide ist ein Niederschlag aus dem Wasser, Lehm, feuchter
Thon mit Sand vermengt.
4) In nprov. greso, greo ,tartre, Sediment' erblicke ich das-
A. HORNING, FRZ. GLAISE, VOGES. BROSSEY. 505
selbe Wort wie glaise. Wandel von / zu r kommt z. B. in Mentone
vor. Jaubert hat neben glene f. ,collection d'epis ramasses en gla-
nant' auch grenee s. f. ,poignee d'epis ramasses a la suite des
moissonneurs'. Boucoiran, Dictionnaire des Idiomes Meridionaux,
giebt greso ,lie, d6pöt, crasse, tartre'. Es sind dieselben Bedeu-
tungen, die für liga festgestellt sind.
5) Du Gange v. glis verzeichnet nach Johan de Janua glis,
glidis ,muifa panis vel vini'. Dieses glis läfst sich von den oben
unter c) erwähten Jise, lio ,espece d'ecume blanche sur la viande,
le vin' nicht trennen.
Etwas Sicheres über das Verhältnis der Formen mit g {glise)
zu denen ohne g [/ist) vermag ich freilich nicht mitzuteilen. Ich
mufs mich damit begnügen , die Frage aufzuwerfen, ob nicht litiga
durch Metathese zu glitia werden konnte. Man wird mir aber
zugeben müssen, dafs das etwa auf die angegebene Weise ent-
standene // des keltischen Wortes etwas ganz anderes ist als z. B.
die Laute // in einem lateinischen Worte wie capitium. INIöglich
ist aber auch, dafs in gliteus te die interdentale Spirans wieder-
giebt. Mit einem Worte, gioise kann nicht als Beleg für die Be-
handlung von lat. /?' verwendet werden. Läge /y !> ^ zu Grunde,
so müfste übrigens wallonisches lise in Lüttich lr/_ lauten, nicht lise.
Lat. glaesum , Bernstein', das gleichfalls hierher zu gehören scheint,
zeigt s, nicht //.
Neben verwandten Formen mit -/-, lita^, nita, niid, die
Schuchardt von *lig(i)ta herleitet, giebt es solche mit anlau-
tendem gl, die m. E. auf dieselbe Grundform zurückgehen: in
Gueyras g klier ,lieu oü il y a de l'argile', in den Alpen das Ad-
jektiv glel, glello, bei Laianne das Adjektiv gliel, glieilc ,(pain) sans
levain', bei Du Gange s. v. glotonus glele ,sordes, spurcitia' (vgl.
noch bei Godefroy glaie ,boue').
JBrossey f.
Dies Wort, das ,charretee de fumiee' bedeutet, wurde von mir
im Herbst igoo in Waldersbach und Saales gehört, zwei Ortschaften
der Vogesen, welche in meinen Ostfranzösischen Grenzdialekten
mit d^i und d'^ bezeichnet sind. Dasselbe ist eine Weiterbildung
des in denselben Orten gebräuchlichen drp birotium, einem zwei-
räderigen Wagen um Mist zu fahren; der öro hat eine Deichsel in
der Mitte, während die suräl ,charrette' ein zweiräderiger Wagen
mit Sielen (brancards) ist. Der Infin. brossi ,Mist fahren*, den ich
Ztschr. 18, 234 nach Adam und Thiriat citierte, ist dagegen in
Waldersbach und Saales unbekannt. Unser Wort, dessen Etymon
gesichert ist (es ist auch rätisch und bearnesisch, vgl. 1. c; über
südostfranz. b§rosse birotia^ s. Ztschr. 24, 552) setzt altlothring.
1 Dafs auch das deutsche Letten hierher gehört, dafür giebt Island, lepja
fem. (s. Kluge's Wörterbuch) einen deutlichen Fingerzeig.
2 Herr H. Urtel machte mich darauf aufmerksam, dafs in dem Lexique
Patois-Fran^ais von J. Thevenin (Patois de Vaudioux, Jura) sich weitere
5o6 VERMISCHTES. ZUR WORTGESCHICHTE.
*beroz mit scharfem z, resp. s voraus; eine Ableitung von *beroiz
hätte zu brohey (= frz. beroisice), nicht zu h-ossey geführt. Die
Endung -ey entspricht afrz, -iie und begegnet nur in Particip. von
Verben auf -ier, während -ata sich zu -ay entwickelte.
A. HORNING.
Ändare, aller.
1. Laut und Bedeutung dieses Verbums sind nun, wie mir
scheint, so genügend erörtert worden, dafs es wohl gestattet ist,
ohne weitere Begründung eine neue Konjektur zur Diskussion zu
stellen.
2. Neben vecfo kann eine Neubildung vehi/o so gut vermutet
werden, wie neben ac/o agito existiert. am[bi)vehitare ergäbe andarc.
3. Fr. T. Cooper citiert in seinem Werke „Word Formation
in the Roman Sermo Plebeius" p. 242 u. f. eine grofse Anzahl von
Verbalableitungen auf -inare; es seien erwähnt: muginare, aginare,
lucinare. Ein nicht belegtes amvehinare ergäbe amnare.
4. ambi- (nach beiden, dann: nach allen Seiten) findet sich
z. B. noch in ambUges, ampJector, aynputo, anquiro. In ampiito >>
frz. eyiter hat es im Sprachbewufstsein seine Bedeutung als Prä-
position verloren wie in frz. coudre das con.
5. veho heifst nach Freund: mit dem Körper, zu Wagen, Pferde,
Schiffe u. dgl. tragen, fahren, führen. Im Passiv wird das Verbum
für alle Arten des sich Bewegens gebraucht, advehdo ergäbe aller.
Was den Bedeutungswandel anbetrifft, verweise ich auf das rumän.
se duce, se aduce , gehen' und das deutsche ,fahr wohl', ,ein fah-
render Schüler'.
6. Das Ergebnis dieser Auffassung wäre also:
vehi
ad-
I
advehulare amvehinare amvehitare
I I I
aller amnar, anar andare.
J. Ulrich.
Altengad. ctqnt^.
In dem von mir edierten altoberengadinischen Drama Susanna
(Frauenfeld 1888) heifst es vv. 1401 — 02:
Belege für das Wort finden: S. 12 barrosse s. f. ridelle; S. 24 d}baroussi ,6ter
les ridelles de la voiture'; S. 24 embaroussi ,niellre les ridelles ä la voiture';
S. 95 (Supplement): barroticha s. f. ,le contenu des ridelles'.
J. ULRICH, ANDARE, ALLER; A. ENGAD. CUPITZ ETC. 507
Alg ais ctipiiz 'lg vaia davaimtz,
Chüels d' chiativiergias et inanzoegnias sim planus.
vv. 1431 — 32:
Aint VI 'g mnond ais cupitz 'lg ctiors,
chia nun s' scegm'a oier co 'Is sigmiors.
In einem Briefe, den Georg Jenatsch an die Gemeinde Sent im
Unterengadin schreibt (E. Haffter, Urkundenbuch, Chur 1892, p. 122)
heifst es:
Dalg letnps nus crajajvans da essar ünqualchiosa schi as tschan-
tschaiva per otra vya, mu haviand cupetz pnivo chia da nus n's
vessa mm pudaitis ilnguoita et chia sitivains dapeiider da oters prin-
cips schi sttivaitis müder la Chianzun.
Es geht aus den Stellen hervor, dafs cupitz ein Wort der Be-
kräftigung ist; ich glaube nicht fehl zu greifen, wenn ich darin
cum pectore = veramente sehe, ohne indessen mich entscheiden zu
wollen, ob es sich um cutn pectus oder cum pectu + adv. s handelt;
das letztere ist wahrscheinlicher.
J. Ulrich.
Engad. j)ad\mer
(in reflexiver Bedeutung) vergleicht Pallioppi mit frz. badiner (!).
Das Wort bedeutet ,sich gedulden'. Wem das rumänische Wort
pätima, allerdings in der Bedeutung , Leidenschaft, Wut', bekannt
ist, wird nicht daran zweifeln, dafs das von Cihac vorgeschlagene
Etymon jiaih/jfia auch für das engad. Wort pafst. Was die Be-
deutungsentwicklung anbetrifft, mag an it. soffereiiza = pazienza,
Schweizerdeutsch ,sich leiden' = , Geduld haben' erinnert werden.
J. Ulrich.
BESPRECHUNGEN.
Romania. No. ii6, Octobre 1900.
A. Longnon, Un vestige de Pepopee merovingienne. La chanson de
l'abbe Dagobert nennt der Verfasser eine dem Floovant an die Seite gestellte
chansin de geste aus der Merovingerzeit, die er in dem Liber de conipositione
castri Ambaziae, vor I154 (gedruckt in Chroniques des contes d' Anjou p. p.
Marchegay und Salmon), bezeugt erkennt. Ihr sei eine Cantilena voraus-
gegangen, der zufolge, abweichend von den geschichtlichen Nachrichten,
Dagobert IL der Heilige, den der Hausmeicr Grimoald in ein Kloster brachte,
um seinen Sohn Childebert an seiner Stelle zum König zu machen, im Kloster
verblieben, als Abt desselben gestorben wäre und seinen Oheim Chlodwig II.
in einem Kampfe gegen Kaiser Justinian mit 50000 Mann unterstützt hätte.
Das sieht aber auch einer Klosterlegende nicht unähnlich. L, verwendet bei
seiner Demonstration das von mir Grundrifs II i, 449 für epische Ueber-
lieftrung geltend gemachte, von der erbwörtlichen Form historischer Personen-
namen hergenommene Arg\iment. Doch zeigt nur die Schreibung Grimodus
für Grimoaldus in dem Liber de conipositione solche erbwörthche Form (vgl.
dazu übrigens Grimol im Polyptychon Irminonis). Dagegen erscheint der
Name Dagoberlus, der Daubert, Dobert erbwörtlich lauten konnte, aber, durch
Vermittelung von Dagibert , französisch Daibert (Name eines Bischofs zu
Bourges bei Riclier im Ausgang des IG. Jhs.) lautete, in jenem Text in der
Chronistenschreibung, und den Namen Childebert mit der Schreibung des Liber
Eduardus zu vermitteln, ist L. nicht gelungen. Der Beweis für das neue
Merowingerepos scheint mir daher nicht erbracht zu sein.
E. Galtier, Byzantina. Gelehrter Nachweis von orientalischen Par-
allelen zu altfr. Erzählungsstoffen, besonders zu Marienwundern und zu Heiligen-
legenden, die aus dem Orient eingeführt zu sein scheinen.
P. Meyer, Le psautier de Lambert le Begue. Lambert, der Stifter
der Beguinen (f 1177), wird als Uebersetzer der Apostelgeschichte und der
paulinischen Briefe in seiner, der lütticher Mundart, in einer neuen, zu vier
anonymen hinzutretenden PIs. seiner frz. Psalmenübersetzung, Brit. Mus. Add.
21 114, die M. eingehend beschreibt, in Umschriften zu einem Bild von ihm
bezeichnet, auf dem L. sich als Verfasser der Psalmenübersetzung nicht nur,
sondern auch als Erfinder einer ingeniösen Kalendertafel (immerwährender
Kalender) nennt, die auch andere Hss. seiner Psalmcnbearbeitung enthalten.
In ihre 28 Längs- und 19 Querfelder (für den 28jährigen Sonnen- und den
19 jährigen Mond-Cyclus) sind 35 einzelne Buchstaben oder Konsonant und
ROMANIA NO. II 6. 509
Vokal in mehrfacher Wiederholung eingeschrieben, deren Sinn und Zweck
M. aus einem in den Hss. ebenfalls überlieferten Osterkalender ermittelt, in
dem die 35 Tage, auf die Ostern fallen kann, mit eben denselben 35 Buch-
staben oder Buchstabengruppen bezeichnet sind. Sie setzen zwei Hexameter
und einige Fiifse eines dritten zusammen, in denen sich Lambert wiederum als
Erfinder seines Kalenders nennt. Der Kalent'er beginnt in der ersten der
28 Längsfelder mit dem Jahre 1140, in der zweiten mit dem Jahre Ii68u.s. f.;
er wird daher zwischen 1140 und 1168 entworfen sein. M. teilt noch zwei
Gebete an Christus in Versen aus der Hs. mit und fügt noch eine Bemerlcung
betr. eine Lambert beigelegte Schrift Antigraphiim bei. G. G,
C. Salvioni, A Proposlto di anils zeigt, dafs der Konsonantenwechsel
-CO, -ci im Italienischen in viel weiterem Umfange besteht, als man bisher
wufsle, und giebt zahlreiche Beispiele von der Umgestaltung der Singularform
nach der Pluralform bei diesen Typen sowohl wie bei manchen andern. Die
Frage, in wie weit die heutigen c/- Formen erst analogisch seien, wird nur
gestreift, sie scheint mir wichtiger zu sein, als der Verfas-scr wohl annimmt.
Die Vermutung, dafs span. lo7nbriz ebenfalls ein Plural sei, möchte ich mit
gröfserer Bestimmtheit aussprechen. Ich glaube, dafs wie nan'cae -\- s ein nariz
hervorgerufen hat (Rom. Gr. IL S. 457), so lombrici -\- s zm. lombrizes geworden
einen Sing, lomhriz bekommen habe, halte übrigens dalür, dafs auch die 2-
Formen von formicae (Rom. Gr. IL S. 23) sich ähnlich erklären. Den Vokativ
lumbrice, den Salv. heranzieht, würde ich als ungebräuchlich freilich aus-
schalten. Alb. l\'vris ist weder mit -ici noch -ice vereinbar, auch in v aus
mb mehr als auffällig. Ein Anhang behandelt liiporticu 'Hopfen' aus lupo-
urt'ica. W. Meyer -LÜBKE.
MELANGES. P. Toynbee, Tartar cloths (Inferno 17, 14—17). T.
weist die tartarischen Gewebe, von denen Dante an jener Stelle einen Ver-
gleich hernimmt, im 13. — 14. Jh. als allgemein bekannt und geschätzt nach.
A. Longnon, Les deux CoquiUart, stellt an der Hand von Dokumenten
fest, dafs der ältere der beiden von G. Paris erkannten Guillaume CoquUlart,
der Uebersetzer von Joseplras' Antiquilates judaicae, des übermütigen Rheimser
Dichters und Kanonikus' der Notredame-Kirche zu Rheims Vater war, und
dafs der Name Guillaume CoquiUart unter den Beamten von Rheims bis Ende
des 16. Jhs. wiederholt anzutreffen ist. G. G.
Oliver M. Johnston, Development of latvi e inio e in Tiiscan mente
and mento forms nimmt an, dafs -mento von mente beeinflusst sei, dieses
sein e von den Endungen betonter Formen von dimenticare, rammentare,
mentovare u. s. w. bekommen habe.
R. J. Cuerva, Acudia, angeblich die Bezeichnung des Leuchtkäfers wird
als einfaches Mifsvcrständnis der 3. Sing. Imperf. von acudir erwiesen.
Ch. Joret, Norm, ecare 'ausser sich bringen' zu anord. skyarr 'furcht-
sam', engl, to scare. W. Meyer -LÜBKE.
COMPTES RENDUS. Forschungen zur romanischen Philologie; Fest-
gabe für Suchier (G. P. ; A. Thomas); Brückner, Char acter ist ik der ger-
manischen Elemente im ItaUe7nschen (Cipriani); Le Bestiaire de Philippe de
Thaiin p. p. Walberg (G. P.); Le Chevalier ä Vepee ed. by Armstrong
(G. F.); Juan Manuel, El libro de los enxiemplos del cofide Lucanor. Text
aus dem Nachlasse von H. Knust, hcrausg. von Birch-Hirschfeld (Maria
5IO BESPRECFTÜNGRN. R.WIESE,
Goyri); Note de Mr. ATohl mit Bemerkungen dazu von M. Roques. G.G.
J. Loth, Le nom de Carhaix. F.Lots Erklärungen der Namen Carhatx <^
Caer-Ohes und Ohes <^ Osismii oder Osismios seien unzulässig; Orte des
Namens Carhaix gebe es übrigens viele, und dieser Name sei sicher der
gleiche wie Carhays in Com wall; die Formen Caerahes, Kerahes seien
etymologische Erklärungsversuche. In einer Replik sucht F. Eot die ge-
machlcn Einwände zu entkräften und äufsert die Vermutung, dafs die Ah^s-
sage im grofsen Forst von Broceliande entstanden sei. E. Freymond.
PERIODIQUES. Studj di filologia romanza, vol. 8 (fasc. 18-20; P.M.).
— Zeitschrift für romanische Philologie XXIII, 2 — 3 (G. P.) — Zeitschrift für
franz. Sprache u. Literatur, Bd. XIX — XXI (Jeanroy). — Bulletin historique
et philologique, ann^e igQÖ — 1898 (P. M.). — Bulletin de la Society des anciens
textes 1899. — Sechster Jahresbericht des Instituts für rumaenische Sprache
hrsg. von G. Weigand (M. Roques).
CliRONIQUE. Nekrologe (S. Berger; Petit de Julleville; Gust. Meyer).
— Personalnachrichten. — Litterarische Nachrichten. — Kurze Besprechungen
neuer Bücher. — Errata. G. G.
Giornale Stoi'ico della Letteratura Italiana. Anno XIX, Vol. XXXVII,
fasc. 2 — 3.
A. Luzio - R. Renier, La coltura e le relozjojti letterarte di Isabella
d'' Este Gonzaga. 4. — Gruppo venelo. Vi si discorre di: Pietro Beinho
{Paolo Canale) — Gio. Francesco e Carlo Valier — Trifon Gabriele — Giro-
lamo Avogadro — Gio. Aurelio Atigiirelli — Niccolo Liburnio — Marcan-
tonio Plaminio — Marino Becichemo — Antonio de" Conti {Pietro Lazzaroni)
— Giangiogio Trissino — Francesco Chiericati — Antonio Vinciguerra —
Tommaso Giannotti. Von manchen neuen Nachrichten interessieren besonders
diejenigen, welche Ergänzungen zu Morsolins Trissinobiographie bieten.
V. Rossi, Per la cronologia e il testo dei dialoghi „De poetis itostro-
nun temporum" di Lilio Gregorio Giraldi. Die scharfsinnige Untersuchung
stellt vermittelst genauer Untersuchung der in den beiden Gesprächen Giraldis
gegebenen geschichtlichen Anhaltspunkte fest, dafs der erste Dialog, der ur-
sprünglich dem Kardinal Rangone gewidmet werden sollte, zwischen 15 15
und Ende März 15 16 geschrieben wurde, dafs dann aber zu verschiedenen
Zeiten und an den verschiedensten Stellen Zusätze eingefügt wurden. Der
zweite Dialog entstand zwischen August 1548 und Mai 1549 und erhielt nach
Mitte 1550 gleichfalls noch Zusätze. Selbst nachdem die beiden Dialoge 1551
im Druck erschienen waren, verfafste Giraldi noch weitere Zusätze, die dann
von Giambattista Giraldi in die Basler Ausgabe (1580 erschienen) aufgenommen
wurden. Rossis Untersuchung ist von grofser Wichtigkeit, weil sie zeigt, mit
welcher Vorsicht man die Dialoge für chronologische Forschungen zu be-
nutzen hat.
C. Salvioni, Letter e di Tommaso Grossi e di altri amici a Carlo Porta
e del Porta a vari amici. Salvioni bereitet bekanntlich eine Ausgabe der
Dialektdichtungen Portas vor. Bei seinen vorbereitenden Studien hat er nament-
lich im Archive der Familie Porta eine Menge wertvollen Materials vorge-
GIORNALE STORICO VOL. XXXVII. 5 1 1
funden, das er als Vorfrucht seiner Arbeit veröft'entlicht. Unter den mitge-
teilten Briefen sind besonders einige von Grossi interessant, so gleich der
erste, der eine köstliche Schilderung einer Fahrt von Mailand aufs Land nach
Treviglio enthält. Die Briefe entscheiden aber auch mehrfach in zweifelhaften
Fällen die Frage nach dem Verfasser von Gedichten im mailänder Dialekt
und lassen Einblicke in die litterarischen Verhältnisse der Zeit thun. Eine
Fülle erklärender Bemerkungen zeigen , wie der Herausgeber die gehobenen
Schätze zu nutzen versteht. S. 290 halte ich das e Visconti (vgl. Anm. i) für
eine dritte Schrift, die Grossi aufser Portas Gedichten und Manzonis Parodie
geschickt zu haben wünscht.
VARIETA:
E. Bertana, Pro e contro i romanzi nel seffecento stellt eine Anzahl
Notizen zusammen, um zu zeigen, welche Ansichten im achtzehnten Jahr-
hundert in Italien über den Wert der Romane herrschten. Während die einen
sie verdammten, darunter Chiari, bevor er selber welche schrieb, verteidigten
die andern sie als ein vorzügliches Bildungsmittel, so Costantini, Gozzi, Alber-
gati und andere.
RASSEGNA BIBLIOGRAFICA :
Sabatier, Fratris Francisci Bartholi de Assisio Tractatus de Indul-
gentia S. Alariae de Portiuncula; Faloci Pulignani, Gli storici di S. Fran-
cesco; Van Ortroy, La legende de S. Frangois d'Ass/se dite „Legenda
trium socionim"; Derselbe, Traite des miracles de S. Frangois d'Assise
par le B. Tho7nas de Cela?io; Derselbe, yiilien de Spire biographe de
S. Frangois d'Assise ; Winocchi, La ,, Legenda trium sociorum" ; D'Alen^on,
Legenda brevis Sancti Francisci nunc pri7num edita; Derselbe, Epistola
Sancti Francisci ad Ministrum Generaiem in sua forma authentica nunc
primutn edita; Derselbe, De legenda Sancti Francisci a fr. jfuliano de
Spira conscripta (Della Giovanna, mit bekannter Sachkenntnis). — Murray
Peabody Brush, The Lsopo Laurenziano, edited with notes and an intro-
duction treating of the interrelalion of Italian fable collections (Rostagno,
mit dankenswerter Nachvergleichung). — Bacci, Vita di Benvenuto Cellini,
testo critico con iiitroduzione e note storiche (Vossler). — Bartoli, Fiilvio
Testi autore di prose e poesie politiche e delle Filippiche ; M a s s a n o , La
Tita di Fulvio Testi (Belloni, gerechte Verurteilung beider Bücher, besonders
des zweiten Machwerkes). — Bonola, Carteggio fra Alessandro Alanzoni
e Antonio Rostnini raccolto e annotato (Bellezza).
BOELETTINO BIBLIOGRAFICO:
P. Eduardus Alinconiensis, Sacrum commercium beati Francisci
cum domina Paupertate. Cassi, Dell' Influenza delV ascetismo medievale
sulla Urica amorosa del „dolce stil nuovo". Arte scienza e fede ai giorni
di Dante. Federn, Dante. Rizzacasa, La concubina -di Titone antico
nel canto LX del Purgatorio. Zacchetti, Briciole dantesche. Des Bran-
des, Les faceties de Pogge Florentin. S a 1 z a , Facezie di Lodovico Carbone.
Di Lorenzo, Sul „De partu Virginis" di Jacopo Sannazaro. Digiacomo,
La vita e le opere di Antonio Beccadelli soprannominato il Panormita.
Burckhardt, La civiltä del Rinascimefito in Italia, nuova edizione. Sy-
monds, // rinascimento in Ltalia. U era dei tiranni. Kraus, Ge-
schichte der christlichen Kunst. Bd. IL. Teil II. Renaissance und Neu-
512 BESPRECHUNGEN. R. WIESE,
zeit. Don ad Olli, Di uito sconosciuto poetna eretico della seconda jnetä
del Cinquecento. Provenzal, / rijorniatori della bella letteralura italiana:
Enstachio Manfredi, Giampietro Zanotti, Fernando Antojtio Ghedini, Fran-
cesco Maria Zanotti. Studio di storia letteraria holognese nel sec. XVI II.
Marchcsi, / rnmanzi delP abate Chiari. Anzoletti, Maria Gaetana
Agnesi. D'Ancona e Bacci, Manuale della letteratura italiana. Vol. IV.
Nuova edizione interamente rifatta. Ostermann, La poesia dialettale in
Friuli. Renard, La methode scientißque de Vhistoire litteraire. Croce,
Ten fondamcntali di un' Estetica come scienza delV espressione e linguistica
generale.
ANKUNZI ANALITICI, PUBBLICAZIONI NUZIALI.
COMUNICAZIONI ED APPUNTI:
V. Cian, Un codice del „De Principatu" di Mario Salonioni. In Er-
gänzung zu seinem Aufsatze „Un trattatista del ,, Principe" a tempo di
N. Machiavelli" (vgl. Lbl. für germ. u. rom. Phil. XXII Sp. 17) beschreibt Cian
hier eine ihm inzwischen bekannt gewordene prachtvoll ausgeführte Hand-
schrift des „De Principatu", jedenfalls das Widmungsexemplar an Leo X.
Unter anderem stellt er dabei fest, daCs die Abweichungen des pariser Druckes
von der Handschrift nur formaler Natur sind, dafs also seine Vermutung
einer redaktionellen Aenderung an einigen Stellen nicht zutrifft. G. Agnelli,
// cuore di Vincenzo Monti. Das Herz Montis wird jetzt auf der städtischen
Bibliothek in Ferrara aufbewahrt. Agnelli giebt eine kurze Darstellung, wie
es dorthin gelangt ist.
CRONACA:
Periodici, kurze Mitteilungen, neuerschienene Bücher, Nachruf für Gio-
vanni Andrea Scartazzini.
Berthold Wiese.
^tudes sur la poesie burlesque fran9aise de la Eenaissance.
(Fin.)
Description burlesque des villes.
C'est lä un genre d'un caractere assez plaisant et qui donna
ä la litterature des deux pays, l'Italie et la France, des pieces de
quelque valeur litt^raire. Rappeions, dans la foule, Antoine Pucci,i
qui en plein XIV^ siecle, dedia ä la description du Mercato Vecchio
de Florence un petit tableau de genre. II y a la la dame des Halles,
vendant ä la criee sa marchandise et se prenant de paroles, avec ses
compagnes. On y voit aussi le mendiant etalant ses plaies et ses
miseres, les joueurs venant aux mains, les badauds, chantant au
soleil et les filous faisant leur peche dans les poches des sots:
„Donne di mal affare, uomini vani
Malandrin vi son, zanajuoli e goffi
E tignosi e scabbiosi accaltapani."
Et le march6 devient de plus en plus anime; on y vend de la
viande, des pigeons, des lapins, on se presse, on se bouscule, on
crie, on fait du tapage:
„Qui v' ha chi vende taglieri e scodelle,
Chi vende liscio, ed evvi il calzajuolo,
Chi vende calze e cappelline belle."
Le Pistoia2 d6crit, ä son tour, les lieux qu'il visite, et surlout les
femmes, sans ^pargner celles de Florence:
„Chi vede loro il petto, il viso e '1 mento
Paion vesciche secche senza vento."
Louis Pulci nous a laiss6 ses Souvenirs personnels de Milan, de
Naples et de Venise^ et le Burchiello* s'en prend ä cette der-
niere ville:
„Non son tanti babbion nel Mantovano,
Nö salci, ne ranocchi in Ferrarese,
Ne tante barbe in Ungheria paese,
N6 tanta poveraglia e in Milano . . .
Quant' k in Vinegia zazzere, e cammini."
* cfr. Raccolta di rime antiche toscane. Vol. III p. 305.
* ed. Renier p. 16 sqq. 174. 193.
3 ed. Rossi 1758 SoneUi di Matteo Franco e di Luigi Pulci p. 85, 93,
8. 6. 87. 94.
* 6d. cit6e p. 90 sqq.
Zeitschr. f. rom. Phil. XXV. 33
514 P. TOLDO,
Essayant tous les genres du burlesque, le Berni sut peindre
aussi avec beaucoup de verve les lieux oü il vivait. II chanta
partant les „fanghi immortali" de V6rone, ce dont il eut l'air de
se repentir ensuite. II n'oublia non plus de d^dier plusieurs vers
a une certaine „badia" dont:
,,ogni stanza e canlina,
Camera, sala, tinello, e spedale,
Ma sopra hitto stalla naturale."
Le Mauro dans son voyage de Rome et le Dolce dans sa lettre
a „messer Daniello Buonriccio" decrivent les lieux qu'ils visitent,
toujours de maniere ä en faire ressortir le c6t6 burlesque. Dans
le capitolo de l'Orsilago „sopra il buon esser di Livorno":
„Letto di febbri e nido di moria"
on ne fait certainement pas l'apologie de cette ville, qu'on gratifie
des titres de „cloaca o puzzolente avello". Les habitants ont,
si Ton veut lui en croire, toute sorte de vices:
„Qui la bravura stä, qui 1' odio aperto,
Qui con la fraude 1' avarizia regna,
Qui le fatiche altrui stan senza merto.
Qui porta Bacco, e Venere 1' insegna,
Qui la bilancia sotto sopra h volta,
Qui non e cosa di notizia degna."
Ferrare n'6chappa non plus ä la m6disance des poetes satiriques
et au XV^ siecle, on s'amusait ä la tourner en ridicule.^
Toujours ä la meme epoque, on a une description de la cittä
di Corfu d'un auteur incertain, oü cette ile est, on ne pourrait plus
maltraitee surtout ä cause de l'ignorance de ses habitants. La
description est assez soignee, dans r6numeration des choses notables
et il n'y a rien de burlesque dans ce que le poete chante de la
misere des paysans de cette region jadis si florissante. Dans un
autre capiiolo, un poete anonyme se rejouit de „la partenza da
Roma", ä cause de l'air vicie et Rome avec ses ruines inspire
nombre d'auteurs burlesques, satiriques et serieux; au nombre de
ces derniers on ne saurait oublier le Castiglione.
Giulio Strozzi compose ä son tour un capitolo sur la ville de
Varsavie, qui est representde comme une sorte de purgatoire ou
mieux d'enfer. Les Polonais sont peints en brigands, qui devalisent
les voyageurs et pour ce qui est de la proprete des rues:
„II naso non so piü dove ficcarlo,
E son le strade cosi scliife, e lorde,
Che ne sento il fetore a raccontarlo."
En France ce genre crut bientot d'une vigoureuse poussee et sut
garder, dans son ensemble, une physionomie assez originale. C'est
^ cfr. ce qu'en dit M. Ludovic Frati dans le Giern. Stör, della lett. ital.
IX vol.
POESIE BURLESQUE FRAN^AISE DE LA RENAISSANCE. 515
ä Joachim du Bellay l'honneur de l'avoir initid.i Dans son s6jour
forc6 en Italic, loin de cette France, qu'il ch^rissait si fort et du
cercle joyaux et bruyant d'amis, oü 11 tronait jadis ä c6t6 de
Ronsard, notre poete se crut dans une condition semblable ä celle
d'Ovide au milieu des barbares. Ces d^combres d'une grandeur
passee peut-etre pour toujours, cette d^solation des rues, 011 la
victoire passait jadis sur son char triorophal, cette cour luxueuse
du Pontife si peu en harmonie, avec le caractere primitif du
christianisme, tout cela assombri par l'eloignement de sa patrie, in-
spirait ä Du Bellay les regrets les plus cuisants.
Dans le sonnet du Castiglione, que nous venons de citer, le
poete s'ecrie, entre autres choses:
,,Colossi, archj, teatii, opre divine,
Tr'ionfal pompe, gloriose e liete,
In poco cener pur converse siete,
E fatte al vulgo vil favola alfine."
C'est lä le motif dominant de Du Bellay, mais il ne faut pas
oublier la difference des sentiments des deux auteurs, Tun regar-
dant avec douleur sa patrie ravag6e par les 6trangers, l'autre,
etranger lui-meme, et indifferent au sort d'une nation qu'il me-
prisait du fonds de son äme. Les Regreis ont donc un caractere
surtout m6lancolique: ce sont les Tristia de Du Bellay, mais on
y trouve aussi des pages inspir6es ä la muse satirique et burlesque.
La corruption du clerge le frappe d'etonnement. „L'ambition, la
haine, la feintise" dominent les prelats, dit-il, et il connait assez
bien les vices meme les plus secrets des cardinaux devant qui il
doit se courber, s'il parle, avec malignit6 de „cet Ascagne" quo le
Cardinal Caraffe „aymoit plus que ses yeux".
Mais le poete franyais se fait bientöt ä cette vie libertine et
alors la satire cesse et cede sa place ä une sorte de lyrisme bur-
lesque. C'est au milieu des fetes et des amours faciles que les
heures de cet exil, pas trop malheureux apres tout, s'ecoulent assez
rapidement pour notre poete. 11 ne craint que la transformation de
sa „barbe franc^oise en barbe italienne", allusion evidente au „mal
qui fait peler" et auquel il regrette que les franc^ais aient donn6
leur nom. Et ici le burlesque commence. Ces cardinaux paraissent
les maitres du monde, mais il suffit que le pape soit indispose,
pour que leur visage s'altere et il les voit:
„pallir lors que sa Sainctete
Crache dans un bassin, et d'un visage blanc
Cautement espier s'il y a point de sang,
Puis d'un petit soubriz feindre une seuret^."
Le conclave auquel il assiste, lui offire un autre spectacle Strange:
1 Sur l'influence italienne dans l'ceuvre de Joachim du Bellay cfr.
H. Chamard dans les memoires de Vuniversite de Lille (VIII. 24) et ce qu'en
dit J. Vianey dans la Revue de Vhist. de la F.rance VIII pp. 151 sq.
33*
5l6 P. TOLDO,
„II fait bon voir (Paschal) un conclave serr6,
Et l'une chambre ä l'autre cgalement voisine
D'antichambre servir, de salle et de cuisine
En un petit recoing de dix pieds en carr6:
II fait bon voir autour le palais emmur^,
Et brigiier \h dedans ceste troupe divine,
L'un par ambition, l'autre par bonne mine,
Et par despit de Tun, estre l'autre adore;
II fait bon voir dehors toute la ville en armes,
Crier le Pape est fait, donner de faulx alarmes,
Saccager un palais: mais plus que tout cela
Fait bon voir, qui de l'un, qui de l'autre se vante
Qui met pour cestui-cy, qui met pour ceslui-lä
Et pour moins d'un escu dix cardinaux en vente."
Et cette succession d'un pontife a l'autre et cette rivalit6 des car-
dinaux sont souvent souillees des crimes:
„Heureux qui peult long temps sans danger de poison
Jouir d'un chapeau rouge ou des clefs de Sainct Pierre!"
Le spectacle de la ville n'est pas seulement douloureux pour les
anciennes ruines. Rome se presente aux yeux de notre poete
apres les horreurs du sac celebre. Partout de la rnisere, partout
des cris de detresse:
„On ne void que soldats, et morrions en teste . . .
Et Rome tous les jours n'attend qu'un autre sac."
Malgr6 tout cela, le peuple s'interesse encore ä la politique, comme
du temps, oü il dominait l'univers:
„Ici le vil faquin discourt des faicts du monde"
et il a vite oublie ses miseres lorsque l'occasion se presente de
s'amuser, dans l'inconscience tranquille de l'avenir. Du Bellay lui-
meme est entraine par le carnaval, qui fremit dans les rues et
passe sous les arcs de triomphe destines desormais ä. contempler
celui de la folie humaine:
„AUons baller en masque, allons nous pourmener,
Allons voir Alarc Antoine, ou Zany bouffonner,
Avec son magnifique ä la venitienne . . .
Voyons d'oeufz parfumez un orage gresler
Et la fusee ardente siffler menu par l'air,"
Le poete assiste aussi ä la chasse aux taureaux, courtise les pr6-
lats les plus en credit, fait „l'habile homme", visite „d'huis en huis
la Marthe ou la Victoire" et lorsqu'il löge le diable dans sa bourse,
il sait retrouver le quartier des juifs. D'ailleurs dans deux sonnets,
qui ont cette forme caracteristique empruntde au Berni, de ne
former qu'une longue periode, dont le sens reste suspendu jusqu'au
dernier vers, le poete peint de main de maitre la vie de Rome
et Celle qu'il mene. Dans le premier, adresse ä Morel, il dit que
„tout le bien qu'en trois ans a Rome j'ay appris" consiste ä sa-
POESIE BURLESQUE FRAN^AISE DE LA RENAISSANCE. 517
voir courtiser les cr6anciers, ä cacher sa pensee comme sa pire
ennemie et a vivre avec tout le monde. Dans l'autre encore plus
connu et qui commence:
„Marcher d'un grave pas, et d'un grave sourci"
il d6crit la prudence et la gravitd des gentilshommes de la cour
de Rome, aussi bien qua leurs c6remonies et leur pauvretd cachde
avec fierte. Du Bellay s'amuse encore ä contempler la toilette
des courtisanes de la ville eternelle; il les voit „aller de nuict en
masque" et on peut dire qu'elles Interessent autant et plus encore
que les „süperbes ruines". Pour lui „de V6nus la grand' bände
lascive" dresse „de tous costez mil appas amoureux" et ce qu'il
dit de la Curia ne Tempeche point de s'adresser aux cardinaux
avec cette humilitd quelque peu rampante, dont il avait appris le
secret, dit-il, a l'ombre du Colis^e. Les noms glorieux des anciens
romains appliques ä, leurs descendants lui suggerent des consid6-
rations d'ordre varie:
„II me fache d'ou'ir
Nommer une Thais du nom d'une Lucrece"
et ce qui le fache encore davantage c'est de voir les cardi-
naux et les pontifes issus des familles les plus vulgaires. On voit,
s'6crie-t-il :
„... trainer apres luy im long orgueil romain
Celui, de qui le pere a l'ampoulle en la main
Et l'aiguillon au poing se courbe ä la charrue."
Ici, de meme qu'en d'autres consid6rations de cette nature, on
est Obligo d'avouer que notre po^te n'a pas le sentiment de la
modernit6: au milieu des villes etrangeres et d'une civilisation, qui
brille encore d'une vive splendeur, il reste toujours le bon Angevin
aux id6es simples, parlant le langage de sa patrie et dedaignant
toute comparaison entre la vie et les mceurs de l'Italie et celles
de la France:
„Ce n'est le lleuve Thusque au süperbe rivage,
Ce n'est l'air des Latins, ny le mont Palatin,
Qui ores (mon Ronsard) me fait parier latin,
Changeant ä l'estranger mon naturel langage."
De Rome il passe aux autres villes et aux autres peuples de la
Peninsule. II a une page affectueuse dediee a Urbin, mais c'est
lä seulement qu'il ne se plaint pas de l'Italie. Partout ailleurs il
ne trouve que des sujets ridicules ou dignes de m6pris. Dans les
vers qu'il adresse ä Magny, Du Bellay se moque des personnages
de la r6publique v^nitienne, qu'il gratifie du titre de „co'ions
magnifiques" et il regarde d'un air goguenard:
„Leur Saint Marc, leur Palais, leur Realte, leur port,
Leurs changes, leiu-s profits, leur banque et leurs trafiques."
Mais ce qui excite surtout sa veine moqueuse:
„C'est quand ces vieux coquz vont espouser la mer,
Dont ilz sont les maris et le Türe l'adultere."
5 1 8 P. TOLDO,
Dans un autre sonnet oü, (de mcme que l'Alamanni dans une de
ses satires), il peint le caract^re des regicns italiennes, aussi bien que
celui des difif^rentes nations, „l'usuriere avarice" du Florentin, la
folie du Sienois, „la rare verit6" du Genois, „la trop caute raalice"
du Venitien, „la vanite" du Napolitain, et la „poltronnerie" du Ro-
main ne sont pas epargnees. Mais il n'eparque pas non plus, il
faut en convenir, „l'Anglois mutin, le traistre Bourguignon, l'indiscret
Fran^ois, le supcrbe Espagnol et l'yvrongne Thudesque". Dans la
nouvelle manüre de faire son profit des leitres, il s'en prend ä ses
compatriotes, qui n'ont de l'admiration que pour ce qui vient de
ritalie. Le poete fran^ais qui veut parcourir une brillante carriere,
doit tout d'abord visiter la Peninsule:
„Car c'est de lä que vient la fine marchandise,
Qu'en beant on admire, et que si hault on prise."
II parlera, avec connaissance de cause, de Rome, de Pavie, de
Venise, il louera ä tout propos les 6trangers et mdprisera sa patrie
revenant :
„Italien aussi
De gestes, et d'habits, de port et de langage."
Enfin chez Du Bellay la satire l'emporte souvent sur le burlesque,
mais le burlesque y a aussi sa part.
Le cadet Angoulevent dans ses saiyres Bastardes et autres deuvres
folastres (Paris, 1615) dedie deux sonnets a Venise, qu'on peut
rapprocher de celui de Du Bellay. Dans le premier il raille les
„magnifiques", mal „troussez et vestus" et il peint, sous un mau-
vais jour, les moeurs des patriciennes de la Republique. Dans
l'autre la methode de la Suspension du sens jusqu'au dernier vers,
revele la source directe italienne:
„S'entremesler en rond dedans une Moresque,
Ouir quelque Zani, faire mille discours,
Voir messer Julio trompe de ses amours,
Et pour une Signore aimer une fantesque.
Aller voir 1' Angela ou la belle Tudesque,
Et pour se bien monter chevaucher le velours,
Pratiquer les caquez et dans les carrefours
Chanter quelque sonnet ou quelque Romanesque,
Follastrer toute nuict dedans une gondole,
Et pour donner martel manquer de sa parole,
Apprendre les sifflets et les signes cognus,
Remarquer l'Aretin et le mettre en pratique
Et bref entretenir l'une et l'autre Venus,
Voilä les passetemps que prend le Magnifique,"
On est bien loin, on le voit, soit pour la forme, soit pour la
pens6e des satires de Du Bellay et malgre l'allusion ä la gondole
et aux Zanni, Venise ne parait pas aux yeux du lecteur.
POESIE BURLESQUE FRAN^AISE DE LA RENAISSANCE. 5 IQ
Vers la meme epoque (Paris, 1617), le sieur Annibal de
L'Ortigue, proveiK^al, peignait les differentes cours, qu'il venait
de visiter. II chante partant la cour de France et Celles d'Espagne,
d'Angleterre, de Flandre, de Savoie, de Toscane et de Rome en
de petits tableaux quelque peu monotones. A Rome il soupire
la France, d'autant plus qu'il n'a su se frayer un chemin ä, la
fortune :
„Je suis saoul de voir Rome, il est temps que j'en sorte
II y a quatorze mois que je crouppis dedans,
On clierit plus icy les humeurs des Pedans,
Des Prestres et des Clers, que de ceux de ma sorte."
II ne manque pas de faire la comparaison, devenue d6sormais
obligatoire, entre la grandeur passee de la r^publique roraaine et
sa misere presente. II voit au milieu des ruines la jeunesse se
promener „les yeux fichez contre une Jalousie" transform6s en
„Adonis", mais c'est avec les sentiments d'un bon catholique qu'il
prend part aux fetes religieuses, dont la magnificence parait l'eblouir.
Rome est surtout presente ä l'esprit de tous ces poetes
voyageurs. Dans les varietes hibliographiqiies publiees par Edouard
Tricotel (Paris, 1863), on trouve vingt-quatre sonnets de Grevin
sur Rome, dont l'inspiration est toujours la meme:
„C'est Rome qui fut grande en pompe et majest6,
Et ores n'est plus rien qu'une ville destruite."
Sur les ruines de l'empire des C6sars, on a eleve le tröne des
pontifes „changeant le temporel en spiritualite" ; mais le nouvel
6tat, dit-il, a lui aussi sa base 6branl6e et menace de s'ecrouler
d'un moment ä l'autre.
On trouve chez d'autres poetes des allusions aux pays qu'ils
visitent, mais c'est seulement au XVIP siecle que l'on voit ce genre
de Satire se transformer en v6ritable po6sie burlesque. Le maitre
dans ce genre est ce Saint Amant, qui dans ses compositions
s'inspira toujours plus ou moins directeraent ä. l'Italie, et chez lui
il ne s'agit plus de quelques sonnets ou d'autres petites pieces
poetiques de courte haieine. Sa Rome ridicuh est un v6ritable petit
po^me, de meme que ce qu'il 6crivit sur Albion. A la fin de sa
Rome ridicide, Saint Amant cite le distique d'Erasme:
„Roma, vale, vidi: satis est vidisse: revertas
Cum leno, meretrix, scurra, cinaedus ero."
et la pi^ce latine in Romam du Scaliger, qui commence:
„Spurcum cadaver pristinae venustatis."
Malgr6 ces exemples, il n'y a rien toutefois de s6rieux dans ce
que le poete fran^ais 6crit sur l'ancienne maitresse de l'Univers.
II se moque de ses legendes, de son Tibre oii
,,le moindre poisson
A peine a la mouvement libre"
520 P. TOLDO,
et qu'il pourrait malgr6 sa „bedaine" sauter „ä cloche-pied". II
rit aussi du Colisee
„Execrable reste des Gollis
Nid de lezards et d'escargots"
et le seul monument, qui lui paraisse digne de quelque louange
c'est celui de Pasquin. Ailleurs, dans un sonnet, il se plaint de ce
qu'il fait lourd ä Rome, en 6t6, ce qui n'est pas convenable ä son
naturel de buveur.
Son poeme sur Albion', il le composa ä Londres en 1644, a
r6poque oü Charles I luttait dejä contre son peuple, Le poete,
en bon royaliste, cdtique „ces malignes Testes-rondes" et „Messieurs
les parlementaires", mais sa critique est fade de meme que tout
le reste de la composition, qui parait faite sur commande et cer-
taineraent sans aucun enthousiasme. C'est seulement en 6voqüant
le Souvenir de Jeanne d'Arc que Saint Amant parait s'animer,
mais c'est pour retomber ensuite dans ses plaisanteries monotones
ou de mauvais goüt. II critique le th6ätre anglais et les femmes
anglaises. Cel!es-ci passent leur temps, d'apres sa description, en
sacrifiant ä Bacchus dans les temples de la döesse de l'Amour.
Pour ce qui est de leur toilette et de leur propretd, il assure que
„leur charbon de terre, Put bien moins qu'elles ne fönt". Quant
au climat:
„La nue y fait un amas
D'objets tristes et funebres:
Je n'y mange qu'en tenebres
Et n'y bois que des frimas."
Ce qui le choque surtout c'est la rudesse anglaise:
„On n'y marche dans les villes
Que sur des cailloux pointus;
On n'y voit que pas tortus
Et que morgues inciviles.
La, pour le haut du pav6,
L'un est attaint et greve
Par le clioc d'un coude rogue
Et l'autre avec un french-dogue
Est entrepris et brave."
Rien n'est, ä son avis, aussi grossier que l'abord des anglais et il
n'y a rien de plus detestable que leur cuisine. L'auteur conclue
par les louanges de la royaute, se ddclarant pret ä la servir:
„Ou de la plume, ou du glaive"
pourvu de n'en etre pas oublie, ce qui fait comprendre dans quel
but desint6ress6, il composait ces vers. Ensuite, dans deux sonnets,
il nous conte comment on l'a vole ä, Londres
,,Pour avoir pris trop de liqueur"
ce qui ne l'empeche pas de critiquer, de nouveau, le beau sexe
de ce pays „entach6, Du vice de l'yvrognerie". Enfm meme les
POESIE BURLESQUE FRAN^AISE DE LA RENAISSANCE. 52 1
barbiers de l'Angleterre augmentent sa mauvaise humeur. Dans
son Barberot, il nous decrit un de ces personnages, qui emploie
pour Serviette „un vieux haillon de mouchoir" et qui
,.A fait pour laver ma trongne,
D'un pot de chambre un bassin."
La description de „la puante savonnette" et du „musc de son
haieine" aussi bien que la perte de ses moustaches completent ce
tableau assez vif et d'un realisme outr6.
Un autre tableau, de ville, mais cette fois il ne s'agit plus
d'un pays etranger, nous est present6 par Scarron, dans son sonnet
sur Paris, oü il parle de l'amas confus de maisons, des rues
crottees, des fiUes perdues, des voleurs de nuit et de l'embarras
et du bruit des voitures et des chevaux. Sarazin, s'adressant
au comte de Fiesque, eloigne de la cour, entreprend de meme la
description de son „Paris sans pair, mesme en d6pit de Rome".
La France a täche fort souvent, mais toujours en vain, de corriger
cet enfant tres beau mais aussi fort gät6, qui joue gros jeu, passe
la nuit en
„Infames lieux, tavernes et brelans"
et ne se soucie que de s'amuser: mais le poete, de meme que la
mere France, lui pardonne ses ^quip6es et le regarde d'un oeil
attendri.
C'est vers cette epoque que la description burlesque des
villes, atteignit le periode le plus 61ev6 de sa vogue. Berthaud
public en 1653 „la ville de Paris en vers burlesques, contenant
les Galanteries du Palais, la chicane des plaideurs, les filouteries
du Pont-neuf, l'eloquence des harangeres de la Halle, l'adresse
des servantes qui ferrent la muUe, l'inventaire de la Friperie, le
haut Stile des secretaires de St. Innocent et plusieurs choses de
cette nature". Cette prämiere partie est suivie d'une autre due ä
Colletet et non moins burlesque, oü il s'agit des tracas de Paris
et plus exactement de la Foire Saint Laurent (Scarron avait deja
compose sa Foire de St. Germain), II y decrit: „Les marionnettes.
Les subtilitez du Pont-neuf. Le d6part des coches. L'intrigue
des servantes. Le pain de Gouesse. L'affetterie des bourgeoises
de Paris. Le vin d'Espagne. Les mauvais lieux qu'on fait sauter.
Les crieurs d'eau-de-vie. Les Aveugles. Les Gobelins. Les
Etrennes". II y avait lä de quoi all6cher la curiosit6 du public
d'autant plus que l'auteur avait l'air de servir de cicerone ä un
6tranger et de l'exposer ä. plusieurs aventures. II y a certaine-
ment aujourd'hui un certain plaisir ä. parcourir ces pages, qui
nous fönt vivre ä Paris en plein dix-septieme siecle et la vari6t6
des types et des spectacles qui se presentent ä nos yeux est tres
interessante et en meme temps instructive. Ce Pont-neuf, de nos
jours si tranquille, 6tait alors le rendez-vous de la fihuterie pari-
sienne et de toute l'engeance de Tabarin. On y voyait toute sorte
522 P. TOLDO,
de charlatans, de filous, de marchands „d'onguents et d'emplätre"
d'arracheurs de dents:
„Des fripiers, libraires, pedans,
Des chanteurs de chansons nouvelles,
D'entremetteurs de damoiselles,
De coupe-bourse, d'argoliers,
De maitres de sales metiers,
D'operateurs et de chimiques,
Et de medecins spagiriques,
De fins joueurs de gobelets,
De ceux qui rendent des poulets"
et cette foule si etrange et si variee entoure le pauvre ^tranger
lui oflfrant ä grands cris ses marchandises et ses Services. Le dia-
logue de tous ces gens est rempli d'une verve endiablde. II y
a un gascon qui parle son patois, lin suisse ä l'accent ridicule,
des filous qui ont l'oeil au guet et de lä on passe au palais oü,
entre autres choses, l'on entend la plaidoirie de la femme d'un
armurier qui veut etre demari6e. La raison fort vulgaire de ce
divorce ou la retrouve dans tous les recueils de contes plaisar.ts
de r^poque et dans les farces du moyen äge. Arretons-nous avec
notre 6tranger a la buvette du Palais, oü l'on 6coute les chi-
caneurs et oü l'on assiste ä leur repas. En sortant de lä, nous
nous trouvons au milieu des embarras de Paris „un sabat dia-
bolique" dans la fange, ä l'heure caract6ristique du midi. Un tel
est renvers6 par terre et se trouve:
„Couche tout plat dans un ruisseau,
Sa perruque estoit barbouillee
Toute sale et tonte monillee:
Enfin Jamals enfarine
Ne s'estoit veu plus estonne,
Quand il consideroit ses bottes
II les voyoit pleines de crottes:
II avoit perdu son chapeau,
II, avoit traine son manteau
Par un des bouts dedans la fange."
On entend les cochers se prendre de paroles et venir aux mains,
tandis qu'un 6crivain public compose, pour un de ses clients, une
lettre amoureuse en haut style, oü il dit ä la belle que le feu de
ses yeux, a allume l'interieur de son microcosme et lui donne une
adresse assez compliqude, rappelant celle de Figaro, dans le Barbier
de Seville. La servante „qui ferre la mule", c'est ä dire qui fait
danser l'anse du panier est d'un comique achevd et est suivie par
le vendeur d'images, qui possede si on veut lui ajouter foi, bien
plus de tresors que la pinacotheque la plus riebe d'Italie. II de-
clare qu'il peut vendre d peu d'argent les tableaux:
„de Carivage
De Titian et du Garage
POESIE BURLESQUE FRAN^AISE DE LA RENAISSANCE. 523
J'ai des pieces de Tintöret,
Du Parmaisan, d'Albert Duret
J'ai la Danae de Farnese
Deux grands desseins de Veronesse"
et ainsi de suite de Michel-Ange, du Raphael et les chefs-d'ceuvre
de toute nation. On entend aux halles les cris desordonn^s des
marchands des deux sexes et la rue de la Huchette, que le poete
nous fait parcourir, n'est qu'un reduit de voleurs et de prostitu6es.
C'est la un coin caract6ristique du vieux Paris, maintcnant disparu.
Dans la seconde partie de ce Paris burlesque, publice par
Colletet en 1658, il y a evidemment Tinten tion de continuer l'oeuvre
de Berthaud, mais comme le nouvel 6crivain croit que le champ
de la description de la ville en elle-meme avait d;te suffisamment
exploit6 par son pr6decesseur, il se borne ä la repr6sentation de
certains 6pisodes, qui doivent ä son avis compl6ter le tableau de
Berthaud. Nous assistons, avec Colletet, au theätre des marionettes
et l'on voit que la passion pour Guigyiol et sa lign(^e n'etait pas
moins vive alors que de nos jours. La fuite d'un prisonnier, une
querelle dans un cabaret, un ivrogne qui nous condoie et d'autres
scenes pareilles sont peintes avec vivacit6 et naturel. Le depart
d'un Omnibus de cette 6poque n'est pas moins interessant. Cette
efiroyable machine:
„Oü grands fusils sont attachez,
Estuits des chapeaux accochez,
Panniers et cordes qui brandillent,
Chables et cordes qui pendillent"
menace, ä tout raoment, l'incolumite des voyageurs, dont les types
difi'6rents egayent notre poete. Bref, tous les incidents, qui peuvent
avoir lieu dans une grande ville, sont ici reproduits, comme dans
les faits divers d'un de nos journaux, vols, meurtres, aventures
galantes tout passe sous les yeux de la foule, qui s'arrete un
moment, regarde, demande et continue sa marche poussee par le
travail ou par le plaisir. (^'a et la on trouve quelques traits sati-
riques contre le luxe ridicule de la bourgeoisie, contre l'exagd-
ration de la mode et la vue des desordres d'une maison de d6-
bauche suggere aussi ä notre ecrivain des consideralions morales.
Enfin, comme dans le fond de tableau, entoure de ses gardes,
r^v^r^ de tout le monde, on voit passer le roi, pour qui le poete
d6pense largement tous les adjectifs les plus choisis de son voca-
bulaire.
Une troisieme composition sur Paris est celle qui porte pour
titre la chronique scatidaletise ou Paris ridicule de C. Le Petit (Co-
logne, 1668). Ici l'auteur menace d'ecraser la grande ville, sous
le faix du ridicule. Je veux, dit-il, „par une bonne satire, Estriller
Paris ä plaisir", et sa „muse berneuse" commence par se moquer
du Louvre, ce qui lui permet de parier de la cour et des courti-
sans „ces attrapeurs de pensions", pour qui le poete ne demontre
524 P« TOLDO,
6viderament aucune simpathie. L'Hotel de Bourgogne, ce thdätre si
cclebre se transforme, sous la plume de Le Petit en „bordcl public
royalisd": tous les monuments, palais, rues, places subissent ce
proces de degradation, qui finit par fatiguer le lecteur. En parlant
du palais Mazarin, il dit, par exemple:
„La maison est assez jolie
Et la cage vaut bien l'oiseau,
Que le voisinage en est beau
II me semble estre en Italic:
II me chagrine seulement
Que derriere celle d' Armand
Elle soit de cette maniere:
Mais je ne m'estomaque de rien
S'il est log6 sur le derriere
N'est ce pas un Italien?"
Le Villery ou gibet lui suggere des reflexions fort differentes de
Celles qu'un philanthrope pourrait faire de nos jours sur un tel
sujet. On voit, dit-il, en regardant cette machine, avec complai-
sance, qu'on rendait jadis justice et il se plaint de ce qu'elle ne
fonctionne plus comme auparavant. C'est dommage qu'il n'ait pu
admirer la Guillotine, qui comme chante le Giusti:
„Fa la testa a dieci mila
Messi in fila."
Devant le cimetiere de Saint Innocent il s'6crie que
„Toutes les testes sans cervelle
Ne sont pas dedans ce lieu cy."
Le Pont-neuf re^oit de nouveau le titre de „nid de filous" et lui
suggere une autre epigramme, non moins facile a retrouver
„ . . . il passe de plus grosses bestes
Par dessus . . . que par dessous."
Ni le Cheval de bronze, ni la Seine ne trouvent aucune mis6ri-
corde chez notre ecrivain. Cette derniere
„ . . . on (la) met ä sec avec un seau"
et pour ce qui est de la Justice il se borne ä la peindre les yeux
couverts d'un bandeau. L'hotel-Dieu de Paris ne devait pas etre
a cette epoque trop conforme aux exigeances de l'hygiene, si le
po^te en sort aussitot et s'ecrie:
„Que de pouilleux et de canaille:
Mais qu'il y put, sortons d'icy
Mon grand nez ne sent rien qui vaille".
Malgr6 cette malignit6 apparente, on n'a pas trop de peine ä d6-
couvrir que Le Petit aime sa ville aussi bien que tout autre
Parisien. Du haut de Notre Dame son regard embrasse, avec une
Sorte de volupt6, rimmensit6 de Paris qui s'6tend sous ses yeux et
1 s'6crie avec complaisance :
POESIE BURLESQUE FRANi^AISE DE LA RENAISSANCE. 525
„Rome, Londres, Naples, Madrid
Cologne, Gand, Vailladolid,
Le grand Ca'ire, et Constantinople,
Pres de liiy moindres que des bourgs
Danseroient en champ de sinople
Dans le moindre de ses Fauxbourgs."
Pour lui, comme pour ses prddecesseurs, comme plus tard pour
Boileau, les emharras de Paris, offrent un champ tres riebe a l'ob-
servation, Que „d'attirail et de meslee!" A tout moment on est
heurt6 et l'on est expose au danger d'elre 6crase:
,,De tout costez on me dit garre
Et je ne S9ay duquel tourner
Dans cet horrible tintamarre
On n'entendroit pas Dieu tonner.
Que d'embaras et que de crottes!
Je suis pris comme en im clapied,
O que de cavaliers h. pied
Faute de chevaux et de bottes! . . ."
Un cocher lui d^chire son habit, la boue l'^clabousse et dans un
moment de d6pit il rappelle l'dtimologie de Lutece, mais c'est
pour s'6crier ensuite que:
„Le plus fameux heros n'ont eu
Qua des naissances tres obscures."
Notre poete en avait dvidemment aux professeurs de son epoque,
car c'est avec une aigreur qui n'est pas deguis6e, qu'il parle de
rUniversite, une sorte „d'arche de N06":
„Quelle estrange enciclopedie
De gueux ä ceinturons pendans,
Que de cuistres et de pedans
Que de rossignols d'Arcadie,
Que de grimaux espoussettez,
Que de philosopbes crottez!
Que de discours ä teste verte.
Je crois qu'en despit du destin
La Sorbonne ä couclie ouverte;
Tous les asnes parlent latin."
L'auteur conclue son long discours s'excusant de ce qu'il n'a
dit que la moindre partie des maux de sa ville „sans parier du
mal fran^ois", mais on n'a pas de peine ä s'apercevoir qu'avant
de quitter son sujet il donne encore, avec complaisante, un coup
d'oeil ä la splendeur du Louvre et au mouvement fievreux de sa
chere ville.
Cette descriptiön de Paris est suivie par Celle d'autres pays,
qui ne diiTerent guere entr'elles. En 1666, on imprima la Ville
d'' Amsterdam en vers burlesques sehn la visiie de six jours d'une
semaiTte, c'est-ä-dire tous les jours ä, l'exception du dimanche par
526 P. TOLDO,
Pierre le Jolle (cd. d'Amsterdam). Ce petit poeme est prec6d6
d'une epitre adressce „ä tres-vilains, tres sales, tres lourds, tres
mal-propres et tres-ignorants messieurs les boüeurs et cureurs des
canaux d'Amsterdam", oü Ton dit, entre autres choses que „l'ouvrage
estant sans politesse, ä qui l'eusse-je pu mieux aproprier qu'a
vous vcnerables Salopes?". Une autre pr^face en vers expose aux
lecteurs, comment s'6tant endormi la Muse l'^veilla brusquement
par un „beau soufflet" en lui disant:
„Fagotte moy une semaine
Qui ne contienne que six jours."
Aid6 alors par cette muse la „muse du bon Pantagruel" — et
l'oeuvre de Rabelais se presente ä tout moment ä l'esprit de notre
poete — il nous promene au travers de la ville, et nous visitons
avec lui les instituts de bienfaisance, la maison des fous, les prisons,
les differents quartiers y compris celui des juifs, le port, oü l'on
voit les navires venant de l'Inde ou sur le point de partir etc.
La description est fort minutieuse et ne manque point d'une cer-
taine importance historique. La course en traineau, les patins, les
bonnes qui lavent la maison tous les samedis, enfin les details
caracteristiques de la vie hollandaise ne sont point neglig6s, mais
le c6t6 burlesque du poeme ne vaut pas grand' chose et on peut
croire que le brouillard du pays a refroidi l'esprit fran^ais de
notre poete.
Pour en finir avec ce genre littdraire, rappelons en passant
La vüle de Lyon en vers burlesques par monsieur P, B. (Lyon, 1693)
et ce monsieur P. ß. n'est que l'^diteur meme Pierre Bouchard,
qui s'interesse surtout de nous citer les livres qui ont cours a
son 6poque.
Si le burlesque italien a pu avoir quelque influence en France
dans les debuts de ce genre, il faut reconnaitre qu'ensuite cette
influence ä diminu6. Ces petits poemes descriptifs des villes
appartiennent en propre aux auteurs plaisants de cette epoque et
ont un caractere tout ä fait populaire.
Les Enigmes. Pele-mele.
Les 6nigmes forment une sorte de plaisanterie, tres ä la modo
dans l'Italie de la Renaissance. Leur apparence est assez souvent
obscene et le fonds de la plaisanterie consiste precisement, dans
cette apparence contrastant avec le sens innocent, qu'on explique
ensuite. Je rappeile, au nombre de ces poetes d'enigmes Madonna
Dafne, le Dini, le Grazzini, le Bembo, le Doni, le Parabosco et
le Strapärola,! mais celui, qui l'emporte sur tous les autres, surtout
1 La litt^rature populaire italienne, fran^aise, espagnole, allemande raffo-
lait de ces recueils. Voyez ce qu'en disent Mf Pitre dans ses „Indovinelli,
dubbi, scioglilingua del popolo siciliano" Torino, 1897 ^^ Baldassar Castiglione
de meme que le Bargagli en parlant des conversalions de l'epoque, cfr. aussi
POESIE BURLESQUE FRAN^AISE DE LA RENAISSANCE. 527
lorsqu'il s'agit de forger iine devinette ayant un aspect libertin
c'est le Risoluto. Dans sa „Dichiarazione" i! nous veut bien per-
suader qu'il ne s'agit que des choses les plus simples et les plus
honnetes, mais la lecture de ces sonnets, qui formait jadis le
Charme de societ6s assez choisies, ne saurait se repdter de nos
jours devant personne. En France las 6nigmes ne sont pas moins
nombreux qu'en Italie. On en trouve en vers et en prose dans
une foule de recueils et je rappelle, en passant, a deux epoques
difförentes , Celles du cadet Angoulevent et de Desmarets. Le
premier se platt ä cacher „Sotto 11 velame delli versi strani" le
sein d'une dame, „les grains d'une grenade, la mesche d'une bougie
de cire blanche, le verre, une cheminee, une chaire, le feu et le
chapeau" sans s'amuser aux quiproquo obscenes. II n'en est pas
de meme du cadet Angoulevent, digne 61 ^ve du Resoluto et des
devinettes renferm6es par exemple dans le cahinei satirique (une
cloche, une femme qui pile, le cordonnier, le luth).
Le reste des sujets dont nous allons nous occuper ne saurait
etre classifie que d'une maniere indeterminee. Remy Belleau, par
exemple, apres avoir combattu les cloches de meme que TAlIori,
chante un hymne au sifflet et ici, au moins pour le theme, il me
parait assez original.
Le sifflet a, tout d'abord, pour lui le grand merite d'indiquer
ofi Ton vend la liqueur de Bacchus, dont il fait, a ce qu'il parait
beaucoup de compte:
,,Quand par ton bruit sans bouclion l'on entend
Aussi soudain oü le bon vin se vend."
Mais ce sifflet a encore une foule d'autres vertus pr^cieuses. Le coq,
corame un sifflet, reveille tout le monde et aunonce que le moment
est arriv6 pour le travail:
„Les chiens courans s'animent au sifllei"
il indique l'attention, l'ordre, la vie et avec un peu de fantaisie
on comprend, sans trop de peine, combien de m6rites on peut
decouvrir en lui. Ce qu'il y a de bien meritoire dans notre poete,
outre une certaine spontan6ite de forme et un sens de moderation
qui lui empeche de tomber dans les exagerations ridicules des
autres poetes, c'est la decence du langage et de la pens^e. Lors-
qü'on sort degoüte de la lecture de certains capiloli d'Italie, ou
des recueils obscenes du temps tel que les Muses gaillardes, on
peut respirer ä son aise, en lisant ces bluettes legeres de notre
auteur, qui sait se passer de cette plaisanterie orduriere si facile
ä inventer et que seulement une certaine vulgarite d'esprit peut
retrouver agreable.
Giuseppe Rua: Le piacevoli notti dello Straparola, Roma, 1898, p. 128 sqq.
M. Clan dans les Motti üied. e sconosciuti di P. Beviho, Venezia, 1888, passim,
et Guerrini dans son etude sur Croce, Bologna, 1879, p. 408.
^ cfr. recueil cit6 : Sonetti del Burchiello, delBellincioni etc., Londres, 1715.
528 P. TOLDO,
Un autre poete, Pierre l'Eguillard exalte les Barhes rousses
(Paris, 1576) et il chante bien entendu les barbes rousses ä pr6-
ference des barbes noires ou des blondes, parce qu'il sait de se
mettre par lä. en contradiction 6vidente avec l'avis de tout le
monde. Son proc6d6 est d'ailleurs, on ne pourrait plus simple.
II suffit pour lui de d6montrer l'importance du rouge, comme
Couleur, pour en tirer la cons^quence que cette couleur doit
donner aux barbes une supenorit6 absolue et incontestable. Si
au lieu du rouge, il avait choisi le bleu du ciel et de la mer, il
aurait pu tirer la conclusion que le c61ebre Barbe -Bleu 6tait joli,
comme un ange.
Adam fut fait de terre rouge, David fut „rousseau", d'autres
personnages illustres eurent cette couleur et le savant aide le
poete pour ajouter une foule de postilles en latin ä l'appui de
ce qu'il avance. D'ailleurs il a des argumentations de cette force:
„Je m'esbahi pourquoy l'on injurie
Celuy qui a barbe rouge au menton . . .
C'est ä grand tort qu'il est ainsi gäbe;
Car pour porter poil de rouge teinture,
II ne l'a pas surprins ni desrobe."
Enfin quoi de plus utile et de plus c61ebre que le vin rouge
p6tillant dans les verres et auquel les poetes de tout le monde
ont d6die leurs vers les plus vifs? Et la lumiere du soleil,
vivifiant la nature n'est-elle pas rouge aussi bien que la rose la
reine des fleurs et le lion le roi des animaux? L'aigle meme a
son plumage quelque peu rougeätre et parmi les fruits ceux qui
sont le plus app6tissants, savoir la cerise, la framboise, la peche ont
ä peu pres cette couleur. Bref, c'est li la couleur de la barbe du
divin Sauveur, c'est la la couleur qui anime la joue de la vierge.
Jean Godard c61ebre un sujet, qui avait d6jä interess6 Mathieu
Francesi et chante l'utilit^ des gants. Son d^veloppement Tem-
perte de beaucoup sur celui de son pr6decesseur, mais l'enum^-
ration des types diflferents de gants et les Souvenirs de ceux par-
fum6s de Rome peut bien faire supposer que la pi6ce italienne
lui 6tait bien connue.
V6nus s'6tant piqu6e fit coudre aux Graces
„un cuir ä la fa^on
De ses mains . . .
Depuis les puissans roys s'en servirent ainsi,
Et puis toute leur court, puis tout le peuple aussi."
Le sujet permet ä. l'auteur de chanter la beaut6 de la main et de
faire 1 enumi^ration des gants a la mode de son temps. Outre les
gants de Vendome et ceux parfum^s, dont nous venons de parier:
„D'autres il y en a, bien richement brodes
De soye ou de fil d'or, ä l'eguille et au dds
En petit entrelas et mignarde peinture."
POESIE BÜRLESQUE FKAN^AISE DE LA RENAISSANCE. 529
Sansovino avait chante les bottes. Isaac du Ryer celebre, dans
son Temps per du (1624), les bottes ä ratismonier, qui ont le merite
de garder notre sant6, de nous prot^ger contra la boue et de
donner une belle taille aux personnes meme les plus petites. Tou-
jours au ddbut du XVIP siecle, ces sujets fades et depourvus de
tout int6ret occupent nombre de recueils burlesques. Un anonyme
chante le Rien, un autre Quelque chose, s'opposant au premier, par
de justes raisons:
„iin rieft ne se peut concevoir,
Toucher, flairer, gouster, ny entendre, ny voir:
Quelque chose se voit, se con^oit, s'oit, se touche
Se flaire par le nez, se gouste par la bouche
Quelque chose se trouve en ce monde en tous lieux
Son essence se voit en l'eau, l'air, terre et cieux"
et en effet celui qui allait ä la recherche du rien finit par re-
trouver quelque chose,
Un troisieme ^crivain, qui se cache sous le pseudonyme de
Franciloque entreprit bien plus tard l'apologie d'un sujet de la
meme famille. Son Eloge de Car en prose est „dedi6 ä la langue
fran^aise" et compos6 „ä l'usage des personnes qui se servent de
car et qui s'interessent aux beaut6 de la langue" (Paris, 1731).
Le sujet est bien vite explique. „Cherchez, dit l'auteur, tant qu'il
vous plaira, vous ne trouverez jamais de mot qui ait 6t6 re^u avec
une approbation si generale et aussi constante que Car l'a 6t6".
Glissons rapidement sur ces extravagances. Le Chevalier de
l'Hermite, ce courtisan bien connu de Richelieu, d^dia plusieurs
vers aux pendans d'oreilles des femmes
„Et la nature cependans
Ne leur a donne des oreilles
Que pour y mettre des pendans
Comme du vin dans des bouteilles."
Un anonyme, on voit que les anonymes abondent parce que ces
pieces ne valaient pas la peine qu'on en ddclarät la paternite, entre-
prit l'61oge de la harre, qu'on peut lire dans un tres rare recueil
conserv6 ä la Mazarine. Dans le debut on dit que pour louer ce
sujet il faudrait „la trompette de Ferrare" et Ton voit que l'Italie
est presque toujours präsente ä. l'esprit de ces ecrivains. Quoi de
plus beau, lorsqu'on a bien barre sa porte, que de pouvoir dormir
tranquillement? Une barre ou cadenas assure nos coffres, notre
argent aussi bien que nos secrets. Les Chevaliers se glorifient de
rompre „leur bois en la barriere"
„Les barricades de renom
Contre l'authorit^ royale
Malgre la barre humble et loyale
Ont d'elle encore pris leur nom."
Et ici le poete, en suivant maint modele, commence ä rechercher
les origines de sa barre qu'il trouve, bien entendu, dans la mytho-
Zeitschr. f. rom. Phil. XXV. 34
530 P. TOLDO,
logie. La barre fut de memc que Tortie et tant d'autres choses,
que noiis venons de voir, une nymphe ä la beaut6 incomparable.
Mais cette nimphe 6tait dedaigneuse et avec un aulre souvenir
de l'Arioste, le poete nous parle de l'amour qui
„. . . a deux traicts au carquois,
L'un est d'or ä poincte acerbe,
L'autre de plomb d'inegal choiz,
Celuy d'or les coeurs s^ait attraire,
Celuy de plomb fait le contraire,
L'un aymer l'autre fait hayr."
Mais les dieux de l'Olympe n'auraient su endurer tant de rigueur
dans une divinit6 si modeste et ils s'empressent partant de la punir.
Ainsi la Barre:
„Qui ne tint conte des amans,
Vit transformer en forteresse
Tous ses humains lineamens,"
C'est pour cela que meme aujourd'hui eile repousse les voleurs
de tout genre. Dans la conclusion, notre auteur parait s'inspirer
encore de ce que l'Arioste disant dans sa dedicace:
„Ne che poco io vi dia da imputar sono,
Se quanto posso dar, tutti vi dono."
Mon eher Mortier, dit l'Anonyme, en s'adressant ä l'ami auquel
il a dedie sa piece
„Regarde ä la volonte bonne,
Et non pas k ce que je donne,
Je donne tout ce que je puis."
Les amours du compas et de la regle et ceux du soleil et de Vombre
par Desmarets (voy. ed. Paris, 1640) n'appartiennent pas entiere-
ment au genre que nous avons examine jusqu'ici, mais s'il n'y a
pas le paradoxe, il y a certainement ce qui plus est l'absurde et
l'extravagance pouss6 jusqu'au d6lire.
La scie et le compas sont issus du cerveau de Perdrix, neveu
de Dedale:
„La Scie en forme d'arc, d'un cry continuel,
D'un naturel entrant et mordant et cruel,
Monstroit un rang de dents, long suplice des arbres,
Et capable d'ouvrir le cceur mesme des marbres.
Son frere le Compas fut pourveu seulement
De jambes et de teste et marcha justement,
Tournant de tous costez par ordre et par mesure,
Et toujours de ses pas tra^ant quelque figure."
Quant ä la regle, eile marche droit, le port grave et repr^sente
l'equite. Comme le compas et la regle visent au meme but, rien
de plus naturel qu'ils se prennent d'amour Tun pour l'autre. II y
a toutefois une difficult^, car la regle nde, comme eile dit des
baisers du soleil et de l'ombre, declare ne savoir quoi faire:
„D'un amant qui n'auroit que les pieds et la teste."
POESIE BUKLRSQUE FRAN^AISU DE LA RENAISSANCE. 53 I
Mais ce sont des caprices de jeune fille qu'on rangera bientöt ä,
la raison. Le compas lui assure, avec tonte la modestie possible,
que malgr6 son apparence, il est ä meme de la rendre mere de
beaucoup d'enfants. Elle enfantera surtout une fille illustre „la
belle architecture", qui rendra son nom celebre dans tout l'univers.
La regle a toujours l'air de s'en douter mais:
„Le compas aussi tost sur un pied se dressa,
Et de l'autre en tournant un grand cercle lra9a,
La Regle en fut ravie, et soudain se vint mettre
Dans le milieu du cercle et fit le diametre.
Son amant l'embrassa, l'ayant ä sa raercy,
Tantost l'elargissant et tantost raccourcy:
Et l'on vid naistre alors de leurs doctes postures
Triangles et quarrez et mille autres figures."
En plein XVIIP siecle un anonyme se fait l'apologiste de la
livree, dans un volume „imprim6 en Europe, aux depens des la-
quais" (1745). „Le petit ouvrage, dit l'auteur, qu'on donne au
public doit sa naissance moins a l'envie de relever le domestique
ä ses yeux qu'a la dispute de quelques personnes qui soutenoient
qu'il n'y avoit plus de matiere sur laquelle on n'eüt 6crit." Et en
effet ces personnes n'avaient pas tous les torts car les merites
des valets avaient 6te deja ctil^bres en Italie par Muzio, poete du
XVP siecle, dans sa satire, portant pour titre „il poco conto che
si fa dei servi".
Cette piece n'est pas tout a fait paradoxale; on y passe en
revue les merites des classes sociales införieures, les h^ro'ismes de
Spartacus et de ses camarades, l'affection sincere envers leurs
maitres d'autres valets d'une epoque plus r^cente et l'esprit philo-
sophique du siecle des Encyclopedistes se fait jour au travers de
la plaisanterie.
On voit que la po6sie burlesque eut en France, une vie assez
r(isistante mais le p^riode le plus elev6 de sa gloire ne d^passe
pas la premiere moitie du XVIP siecle. Lorsqu'on arrive ä chanter
le Rien, quelque chose ou d'autres sottises pareilles il faut avouer
que l'epuisement de la verve plaisante a d6ja commence. Meme le
rire le plus fou, s'il pretend au titre d'oeuvre artistique, doit avoir
pour point de d6part une cause rationelle, fond6e sur l'observation
des faits reels et du cöt6 plaisant de la vie humaine. C'est seule-
ment, ä cette condition, que le burlesque peut avoir une place
honorable ä cöte de la satire.
Cette revue, toute rapide qu'elle est, doit suffire pour nous
faire comprendre que la po^sie burlesque en France ne se re-
commande pas a la critique par des oeuvres d'un merite fort dis-
tingu6. II y a assez de varietd dans les genres mais il y a aussi
beaucoup de monotonie et d'uniformite de m^thode et le style
de ces pieces est en general d'une faiblesse extreme. En d'autres
fonnes, la litterature burlesque de la France a donne des chefs-
34*
532 P. TOLDO, POESIE BURLESQUE FRAN^AISE.
d'ccuvre et Rabelais suffit ponr la gloire du genre. Mais son
6cole a 6t6 malheureuse; eile a pris trop A la lettre le conseil
de rire joyeuseruent et bruyamment de toute chose, sans songer
qua le maitre avait recommand6 aussi de tirer du rire la sub-
stantique tnoelle.
Cependant pour la critique il n'y a pas d'oeuvre litteraire qui
n'ait son prix et celle dont nous venons de nous occuper nous
aide, pour sa part, ä r6tude des moeurs et nous apprend ä quoi
s'amusaient nos peres de la Renaissance. Et il ne faut oublier non
plus que pour la plupart de ces ecrivains le burlesque 6tait une
Sorte de passe-teraps, auquel ils n'attribuaient fort souvent aucune
importance artistique. Ces sonnets, ces hymnes, ecrits ä la häte,
pour le plaisir d'un moment, ne portent quelquefois pas meme le
nom de leurs auteurs, bluettes l<^geres et vite oubli^es, faisant le
charme de la fin d'un repas ou d'une heure de loisir.
R ToLDO.
Kandglossen zum altportugiesisclien Liederbuch.
VII. Eine Jerusalempilgerin und andre Kreuzfahrer.
Auch mit dem Hauptgegenstand dieser Untersuchung hat Lollis
sich beschäftigen müssen, i weil der widerspruchsvolle Monarch in
einer seiner realistischen Reimereien den Frauennamen Balteira
angebracht hat. Desgleichen hat er einen Blick auf gegen zwanzig
Ultramar-Lieder verschiedner Zeitgenossen geworfen, weil Bal-
teira in einem derselben als Kreuzfahrerin {cruzada) bezeichnet
ist: lauter schnöde Spott- und Schmähgedichte, in denen INIagnaten,
Troubadours und Spielleute sich um die Wette daran ergötzen,
Anklagen und Verleumdungen bald gegen jene Söldnerin der Liebe
zu schleudern, in unverhülltester oder in umschriebner Weise —
palndinamenie ou per palavras aiherias que ajan doiis entendimentos'- — ;
bald gegen ihren Kumpan Pero d'Ambroa; bald gegen andre
wirklich oder angeblich ins heilige Land gezogene Hispanier beider-
lei Geschlechts.
Dabei ist der Forscher zu der Ueberzeugung gekommen, dafs
Maria Balteira's Blütezeit — ihr momento dt gloria, der Zeitpunkt
also auch für das um sie aufgeführte vielscenige Schmähtournier —
dicht vor und dicht nach 126g fällt. Der Kreuzzug, von dem sie
heimgekehrt sein soll — noch kein hochbejahrtes, doch ein bereits
verblühendes und darum zu Spott und Hohn herausforderndes
Weib — mufs daher der letzte Ludwigs des Heiligen oder die
mifsglückte, ihm als Vorspiel vorangegangene peninsulare Expedition
des Aragonesen D. Jaime gewesen sein , weil es die einzigen aus
den Tagen Alfons' X. sind, an dessen Hofe alle Beteiligten nach
weisbar gelebt haben. Das iväre nach Abschlufs seiner gesetz-
geberischen Thätigkeit. Um die harten Strafandrohungen, mit
welchen in den Siete Parlidas die Verfasser von Pamphleten in
Prosa oder Vers bedroht sind (VII, g, 3 — 4 und 20 — 21), und um
die Bestimmungen im Espejo und Fiiero Real (IV, 3, 2) über cazorrias
und palabras villanas, feas, desaguisadas hätte sich also Alfons X.
und die ganze sich um ihn schaarende Dichtergemeinde keinen
Pfifferling gekümmert. Eine INlöglichkeit, die ich nicht bestreite.
1 Stud. Fil. JRofn. IV 31—36 und 56—58.
2 Auch altportugiesisch bis ins 15. Jh. hinein war die entsprechende
Formel paadinho ou per palavras cobertas im Gebrauch, wie aus den Orde-
nagöes Alfonsinas zu ersehen ist.
534 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
Eine neuerdings zu Tage gekommene Originalurkunde zeigt
nun aber, dafs die mit dem Zunamen Balteira versehene, ^ ge-
wöhnlich Maria Balteira genannte^ Söldnerin {Soldadeird) das
Kreuz bereits im Jahre 1257 genommen hatte.
A. Martinez Salazar, ein gelehrter Gallizier, der es sich zur
Aufgabe gemacht hat, in den reichen Archiven seines engeren
Vaterlandes den Spuren der gallizisch- portugiesischen Troubadours,
sowie der von ihnen besungenen Personen nachzugehen, und der
uns bereits einige Früchte dieser Thätigkeit bieten konnte,^ fand
unter den Papieren des alten und ansehnlichen Cisterzienscrklosters
Sobrado einen die Balteira betreffenden Vertrag. Der unbestreit-
bare Wert desselben bestimmte ihn, den Text wortgetreu abzu-
drucken und denselben zu interpretieren.*
Dafs Balteira nur ein Deck-, Neck- oder Kampfname ist,
die Trägerin desselben aber eigentlich Maria Perez hiefs, hatte
sich aus dem Vergleich einiger Lieder & für jeden sorgsamen Leser
bereits ergeben. Jetzt erfährt man, dafs diese Maria Perez ein
Anrecht auf den Adelstitel doyia hatte, der ihr übrigens einmal
von Pero d' Ambro a beigelegt wird.^ Nicht ohne Staunen, so
belesen man auch in hispanischen Adels- und Liederbüchern, Ur-
kunden und Gesetzen des 13. Jhs. und so vertraut man dadurch
mit dem Bas-fonds mittelalterlich barbarischer Sitten geworden
sein mag.
D. Maria Perez, aus einer der gallizischen Ortschaften Gui-
maranes — falls ich den Namen des Vaters D. Pedro Joham
de Guimaranes richtig verstehe — , Tochter einer D. Azenda
Pelaez'' — wiederum wenn ich die Abbreviatur da vor dem Namen
richtig löse — veräufserte im J. 1257 (bzw. 1295) ein Latifundium
[herdade), das ihr mütterliches Erbteil ausgemacht zu haben scheint,
an das Kloster Sobrado, dessen damaliger Abt übrigens gleichfalls
ein P6rez war.
Als Zahlung erhält sie aus den Mitteln des Klosters und des
dazu gehörigen Landgutes Granja de Carvalho Torto (im Thale
Aranga bei Betanzos) 230 sofort zu zahlende Solidos. Aufserdem
1 CV64. 1129; CB 1506. 1509.
2 CV 982. 1070. U97. 1203.
3 Jograes Gallegos in Rev. Grit. I 232 — 234. — Los Monjes de Galicia
en la Edad- Media ib. 345.
* La Edad- Media en Galicia: Una Gallega celebre en el siglo XL LI
in Rev. Grit. II 298 — 304.
5 CV U97 und 1176 nebst CB 1504 und 1546.
^ CV 1131. — In CV 1196 haben wir die Bezeichnung senhor vermut-
lich auf die Freundin D'Ambroa's zu beziehen. Siehe unten S. 549 Anm. i.
' Ob der Name wirklich, wie man annimmt, eine Modifikation von
Lsolde ist? Die Adelsbiicher bieten Asenda, Azenda, Osertda, Ousenda,
Ausenda. — Eine D. Ousenda Pacs hatte im Einverständnis mit ihrer Tochter
D. Froilhe Perez, ein Menschenalter zuvor, in Portugal das Kloster Macieira-
Däo mit Schenkungen bedacht, Identität mit der ^lutter der Balteira läfst
sich nur vermuten, da der Name des Mannes in der von S. Rosa de Viterbo
im Eluc. s. v. familias ausgeschriebenen Urkunde nicht erwähnt wird.
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. 535
haben die Mönche in ihr Haus zu Armea oder Armeä,' dem ab-
getretenen Gute, auf dem sie zu leben fortfuhr, stets vor Ablauf
des Jahres, bedeutende Leistungen an Kleidern, Pelzwerk, Schuh-
zeug und an Mundvorrat zu liefern: Getreide (Weizen, Gerste,
Hirse); Fleisch- und IMilchtiere (zwei Mastschweine, zwei Hammel,
fünf Ziegen); Gemüse, Obst, Butter, Käse und Wein. In den
Sommermonaten wöchentlich ein grofses Mafs saurer Milch ; in der
Fastenzeit Fisch und Sardinen, Vegetabilien und Honig, und zwar
in gleichen Mengen, wie sie den Klosterbrüdern zukamen. Zu
Ostern, Weihnachten und im Karneval noch einen besonders guten
Trunk. Ferner verpflichteten sich die Mönche, sie im Kloster zu
beerdigen und ihr das Totenamt wie jedem der externen Zu-
gehörigen zu bestellen.
Als Entgelt für den ihr gewährten Ordensschutz hat D. Maria
Perez Linnen für das Refektorium zu spinnen: jährlich ein Tisch-
tuch [mafitel), acht Ellen lang und fünf Ellen breit, natürlich aus
dem ihr gelieferten Flachs, Sie schuldet überdies noch andre weib-
liche Dienstleistungen: devedes fazer servigo ao mosteiro fiebnenie assim
como familiaria et amiga. Welcher Art diese Dienste waren, weifs
der Herausgeber nicht. Wohl aber dafs ein Jahrhundert später
(1347) der Merino Mayor de Galicia diese traditionelle Klausel,
zu deren Erfüllung Frauen mehrere Tage hinter einander in der
Granja de Carvalho Torto zurückgehalten zu werden pflegten, als
fuero malo e deshonesto verbot.
Es folgt dann eine Formel, welche für uns besonders wichtig
ist, weil durch sie die Identität gerade dieser D. Maria Perez mit
der Söldnerin des Liederbuches aufser Frage gestellt wird, trotz-
dem der Beiname Balteira^ nicht darin steht. Sie lautet: ei ela e
cruzada. Genau wie im 1176. Liede des vatikanischen Buches.
Doch bedeutet diese Wendung keinesweg^^sie sei bereits als
Kreuzfahrerin in Palästina gewesen, sonderet nur: sie habe ein
Gelübde abgelegt, dorthin zu gehen; zur öffentlichen Feststellung
dieses Entschlusses aber habe sie auf der Schulter das rote Kreuz 3
getragen und füge deshalb in amtlichen Schriftstücken ihrem Namen
die betreffende Aussage hinzu. Verwirklicht sie ihren Entschlufs,
nimmt sie am Kreuzzug teil — se for na cruzada — , so haben ihr
die INlönche 200 Solidos auszuzahlen. Geht sie aber nicht, und
' Beide Formen kommen in Gallizien vor. In dem alten Schriftstück
aber fehlen natürlich die Accente. — Im Liederbuch haben wir den alfon-
sinischen Spielmann Pero d'Armea: CV 669-681. 809—812. 1134.
^ Balteira kann i) die Frau eines nach seinem Gürtlerhandwerk be-
nannten Balteiro bezeichnen, (Von einem Sohn der Balteira ist CV 1197
die Rede; von einem Manne niemals.) Im 14. Jh. gab es Familien dieses
Namens, der noch heute in Gallizien gebräuchlich ist. Doch ist das bei
Dona Maria Perez nicht eben wahrscheinlich. Oder 2) eine aus Balteira ge-
bürtige. Im Distrikt Coruna allein giebt es deren drei. Aber auch 3) eine
Gürtelträgerin. Im Westen, wo individuelle Uebernamen eine alte nationale
Einrichtung sind, dürfte diese Deutung die wahrscheinlichere sein.
3 Vgl. Herc. II 239.
536 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
hat aus diesem Grunde Gelder zu zahlen — Reu- oder Bufsgeld?
vielleicht Reisegeld für eine Stellvertreterin? — so erhält sie die-
selben aus der Granja nebst zehn Soldos als Zuschufs zur Aus-
rüstung. ^
Aus den Gedichten ergiebt sich, dafs es sich um das Heilige
Land handelt. Dafs sonst auch an die südspanische Moraria
oder an Algarve allen de la mar gedacht werden könnte, liegt
auf der Hand. Jeder Feldzug gegen den Islam wurde als Kreuz-
zug betrachtet, gepredigt und in päpstlichen Bullen mit Indul-
genzen belohnt.^
Der gallizische Herausgeber nimmt an (offenbar unter dem
Eindruck der trefflichen italienischen Studie), unsre im J. 1257 als
Cruzada bezeichnete D. Maria Perez habe schon vorher beabsichtigt,
am ersten Kreuzzuge Ludwigs des Heiligen teilzunehmen — das
wäre vor 124813 — , sei jedoch erst zwanzig Jahre später dazu ge-
kommen, ihr Gelöbnis zu erfüllen, und zwar indem sie sich dem
schon oben erwähnten Zuge anschlofs, den der Aragonese D. Jaime
mit peninsularen Mannen und kastilischer Unterstützung unternahm.
In Begleitung ihres damaligen Genossen, des Spielmanns Pero de
Ambroa, sei sie 1269 thatsächlich aufgebrochen.* Während dieser
Hasenfufs sich aber, aus Furcht vor Meer- und Kriegsgefahr, in
Montpellier versteckt hielt, ^ sei die kühne Söldnerin und Ordens-
schwester mit einem Teil der Flotte wirklich in die Levante ge-
kommen.
Nach ihrer und Pero d'Ambroa's Rückkehr wäre die Kreuz-
fahrerin von neuem ein Spielzeug für die Leidenschaften und
Schmähsucht der Höflinge geworden — so mufs man folgern, da
auch in den Augen von Martinez Salazar sämtliche Balteira- und
Ultramar -Lieder aus dem Jahre 1269, oder aus den unmittelbar
folgenden stammen.
Er nimmt ferner an, aufser dem Namen Balteira habe die
berühmteste unter den Hetären vom Hofe Alfons' X. auch noch
den Namen Marinha, mit dem mir undurchsichtigen — mög-
licherweise in seiner zweiten Hälfte verderbten, wahrscheinlich aber
unsaubren — Zusatz Mejouchi geführt." Eine dieses Zeichens wird
1 Die Stelle ist nicht ganz klar: et se ela non for ena cruzada et ficar
et ouuer aa dar dineyros darenlos da Grania, en prezo de sua uestidura, et
dajuda da grajtna X soldos. Vielleicht bedeutet en prezo de ,,von den für
ihre Kleidung ausgesetzten Summen"?
2 Vgl. Schirrmacher 288 und 296, Esp. Sagr. XXIII 400 und Herc. II
339 und 393, um einige Beispiele von hunderten anzuführen.
3 Seit 1244 wurde geworben und gerüstet. Schon 1239 hatte Thibaut
von Navarra einen Kreuzzug geplant; 1251 fafste auch Ferdinand der Heilige
den Gedanken ins Auge, den Glaubensfeind statt auf spanischem Boden im
Orient zu belcämpfen.
* Dafs jegliche direkte Anspielung auf eine gemeinsame Reise beider
fehlt, sei gleich hier bemerkt.
* CV 1004 und U93.
^ Eher könnte man auf den Gedanken kommen, Balteira sei auch die
Maria Leve der Lieder CB 1504. 1546 und 1548. Doch dürften sich gleiche
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. 537
nämlich von dem neidisch -eifersüchtigen Pedro Amigo bei Pero
d'Ambroa verklagt, sie habe des letzteren fatales Reise -Geheimnis
ausposaunt.' Um dasselbe aber kann, wie Salazar bemerkt, nur
dessen eigenste amiga e companheira gewufst haben.
Ueberdies glaubt er, mehrere von ihm entdeckte Urkunden
über Verkäufe und Schenkungen an das Kloster S. INIaria de INIon-
fero, die in den Jahren 1261 (err. 1361), 1263, 1280, 1281 und
1285 von einer Maria Perez ausgingen (einmal in Gemeinschaft
mit ihrem Bruder INIartim Perez), auf Balteira beziehen und ihr
daher bedeutenden Grundbesitz auch in Puente-de-Ume und Be-
tanzos zusprechen zu müssen.
Diese Identifizierung der Beschenkerin oder Beschenkerinnen
des Klosters Monfero mit der familiär e amiga des Klosters So-
brado sowie die dadurch bedingte Verlängerung ihres Lebens bis
1285 darf ich füglich als unwahrscheinlich bei Seite lassen, weil
der Name aufserordentlich trivial ist, 2 die Dokumente von 1261 —
1285 aber ihre Maria Perez niemals als Tochter des D. Pedro Joham
de Guimaranes und der D. Azenda Pelaez, noch als Balteira, noch
als cruzada kennzeichnen. Qiiod gratis asserilur, gratis negatiir.
Die Möglichkeit, eine Kreuzfahrerin, die mit „Verzeihung" [per-
don oder indulgencias) beladen vom heiligen Lande heimgekehrt sei,
und als Ordensschwester mit geregeltem Hauswesen im gallizischen
Armea wohnte, habe trotzdem ihr Liebesleben am kastilischen Hofe
fortgesetzt ,3 möchte ich bestreiten, wenn auch nicht allzu ent-
schieden. Den Grund, welcher zur Beseitigung einer selbständigen
Marinha INIejouchi geführt hat, halte ich nicht für stichfest, die
Sache aber für zu unwesentlich, um sie zu erörtern. Gegen
zweierlei erhebe ich Einwendungen: gegen die Verlegung der
Balteira -Lieder und aller übrigen Ultramar -Gedichte in das Jahr
126g. Und ebenso gegen ihre Verherrlichung als rühmenswerte
Patriotin. Von dieser sei hier zuerst die Rede.
i) Die Freude über seinen Fund hat den Entdecker nämlich
verleitet, aus dem Opfer mittelalterlicher Schmähsucht und Fleisch-
lichkeit eine Heldin zu machen ; dieselbe freigebig mit schmückenden
Beiworten wie fermosissima, animosa, valiente auszustatten und zu
den Höhen emporzuschnellen, zu denen Sage und Poesie die durch
ihr tras:isches Geschick und echte Mannesliebe verklärte Gestalt
Begebnisse und Charakterzüge bei mehreren desselben Berufes wiederholt
haben.
1 cviie?.
* Jüngsthin hat Ayres de Sa (in seiner trefflichen historischen Mono-
graphie über den Entdecker der Acoren, Frey Gon9alo Velho, Lisb. 1898)
in Balteira eine andre Maria Perez erkennen wollen — Tochter des Gon9alo
Martins dicto trobador de Santarem, von dem in Randglosse III die Rede war.
Eine Dame also, die mit dem adligen Troubadour Joao Velho de Pedragaes
ein Liebesverhältnis hatte, welchem der im J. 1310 legitimierte Joäo Eannes
Velho entstammt (p. 51 und 123; Doc. XXXI).
3 CV 1070 zeigt sie anf a forta del rey. In CV 1195 wird Burgos
genannt.
538 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
einer Ines de Castro, oder gutgemeinter Lokalpatriotismus die wackre
Verteidigerin von Coruiia (1589) D. Mayor Fernandez Pita er-
hoben haben.
Auf dies Gebiet vermag ich ihm nicht zu folgen. Auch
schöpfe ich aus dem besonders durch Kontrastwirkungen, kuriosen,
im Grunde jedoch trocken -sachlichen Dokument durchaus keine
erbaulich frommen Eindrücke {severas y ptedosas). Vielmehr ge-
mahnt mich alles, was ich von Maria Perez Balteira weifs, an
zwei andre litterarisch berühmte oder berüchtigte soldadeiras muUi-
vagas. Erstens an die von Dichtern und Biographen beachtete Pro-
venzalin Guillelraa Monja aus Alais, die mit dem provenzalischen
Troubadour Gaucelm Faidilz um 1200 nach Outramar pilgerte,^
nachdem derselbe sie zu seiner Frau gemacht hatte, von andern
Kunstgenossen (wie Elias d'Uisel^ und dem JMönch von INIontau-
don3) weidlichst darob verlacht. Zweitens an das maurische Spiel-
weib, mit dem der abenteuerliche Garci Fernandez de Jerena vor
1385 sein Geschick verknüpfte. ^ Davon dafs die Balteira, wie jene
beiden, selber Spielweibskünste geübt hätte, wissen wir freilich
nichts, wie uns überhaupt jeder Beweis dafür fehlt, dafs soldadeira,
im Portugiesischen gleichwie im Provenzalischen, den aus dem
häufigen Zusammengehen beider Berufsarten erklärlichen Nebensinn
von joglaresa und cantatriz gehabt hat.^ In einem Atem werden
joculairix und soldataria freilich auch auf der Halbinsel genannt.
So z. B. in den interessanten Palast -Verordnungen des Eroberers
von Valencia (Tarragona 1239), die indirekt der könighch portu-
giesischen Hausordnung vom Jahre 1258 zu Grunde liegen mögen.
In den ersteren heifst es: Itein statuimus quod nos nee aliquis
alius homo nee domina demus aliquid alieui joculatori vel joeulatriei
stve solidatarice sive militi salvatje; sed nos vel alius nobilis possü
eligere et habere ac dueere secum unum joeulatorevi et dare sihi quod
voluerit. . . . Jkm statuimus quod malus joculator nee joculatrix nee
soldataria presentes vel ftituri nee illa quce olini fuerit soldataria
sedeajit ad mensam mililis nee dominoe alicujus nee ad gausape eorun-
dem, nee jaceant eu?n aliqua dojJiinarum in uno loeo vel in una domo
nee osculentur aliquem eorundemß
1 Bei Mahn , in Biogr. VII und LXXVI heifst es : e pres per rnolher
una soudadeira que nienet ab si lonctemps per cortz; que auia twm gui-
Ihelma monia ; fort fo bella et ensenhada et esdeuenc si grossa e grassa
com era el. — Dagegen wird im Canc. H. berichtet (Stud. Fil. Rom. XIV
504 s ) : Gaucelm faiditz si anet outramar e si menet dompna guillelma moni'a
q^era soa moiller et era estada soudadeira. — Faiditz lebte 1190 — 1240.
Der Kreuzzug, zu dem er auszog, wird der vierte gewesen sein. — Die Heirat
war 1199 bereits vollzogen.
2 Stud. Fil. Rom. 1. c. No. 158.
3 Ib. No. 160. — Cf. Philippsohn X 6.
* Canc. Baena No. 555 — 566.
^ Nur von einer gallizischen Sängerin [cantatriz) Mayor Perez 1228 hat
sich bis jetzt die Spur gefunden. vS. Rev. Grit. 374 — 5. — Die Bezeichnung
cantatrix Smx joculatrix scheint üblich gewesen zu sein. S. Mild, Trov. idi n. 2.
8 Ib. p. 263.
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. 539
In der späteren hingegen sind die Paragraphen über die
Spielleute und Troubadours — die ich schon mehrfach benutzt
habe — von denen über die weiblichen Freudenhringer getrennt.
Soldadeiras tiom atidem em casa del Rey . . . e se vierem soldadeiras
a casa del Rey, nom estem hi senom per tres di'as e se Ihes el Rey
qmser dar algo de-lho; senom vaäo-se.^
Dazu kommt ein andres Dekret vom Jahre 1261, aus dem er-
hellt, dafs manche Söldnerin reizvoll und gebildet genug war, um
zur Hoftafel zu Gaste befohlen zu werden, während ihre jüngere
Gehü'.fin [mancebd) einen untergeordneten sozialen Rang einnahm:
e se soldadeira for ro?iuydada nom leue comsigo juanceha, 7iem oiitro
hörnern hu for el Rey?- Die vermutlich zwischen beiden liegende
Bestimmung Ferdinand's 111. oder Alfons' X. ist mir unbekannt.
Auch aus den Adelsbüchern ergiebt sich, dafs einzelne ihres
Standes aus der Masse hervorragten.-* Was in den Liederbüchern
in Dutzenden von Schmähliedern von ihnen berichtet wird, giebt
von ihrer Bildung und Sitte keinen vorteilhaften Begritf. Dem Worte
selbst begegnet man nicht häufig.^ Ob wir es mit soldado oder
mit soldada zu verknüpfen haben, ist nicht ganz leicht zu sagen.5
Soldatenliebchen bedeutet es jedenfalls in den gereimten Ein-
lagen der Historia Troyana, wo Briseis bei der Trennung von
Troilus ausruft:
ca nunca yo en tal manera
cuyde ir a la albergada,
ca una vil soldadera
seria assas desonrada
de yr asy beuir en hueste
como yre yo, mesquina!^
Und auch die Balteira finden wir zeitweise im Feldlager an der
Maurengrenze (die sie mehrfach überschritten zu haben scheint),
gleichwie eine andere Soldadeira, die sich mit den Armbrust-
schützen des Königs zu messen und den feindlichen Gen et es zu
raufen liebte."
2) Der Plan zur Orientfahrt, falls man dieselbe nicht als Ver-
gnügungs-, sondern als Kreuz- und Bufsfahrt auffassen will, steht
1 P. M. H.: Leges p. 199 (§ li).
2 Ib. p. 207.
3 P. M. H.: Script, 321, wo von der Heirat einer Soldadeira Crara
Vicente mit einem Adligen die Rede ist.
" CV1068. 1109. 1203. 67 (wo soldideyra, das I.ollis stehen läfst,
ein offenbarer Fehler ist). CV 1162 zeigt uns die soldadeira Marinha Crespo
im Königsschlofs; CV 1165 eine andere INIarinha Lopes im Palast des Herrn
von Biscaia, D. Lopo Diaz.
^ Im Canc. sind soldo und soldada für Sold sehr häufig. Soldado kommt
nicht vor. Doch ist soldadeira keine selbständige Ableitung, weder von dem
einen noch von dem andern, sondern, wie die span., kat., prov. Formen zeigen,
als fertiges Wort aus dem Mittellat. übernommen worden. — Vgl. Herculano
IV 422.
8 Revue Hisp. V p. 72.
' CV78.
540 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
ZU dem Pakt mit dem Kloster, für den man bei einer büfsenden
Magdalena die INIotive doch nicht weitab zu suchen braucht, wahr-
scheinlich in enger Beziehung. Die Klostergemeinschaft dürfte nur
auf Grund des Kreuz -Gelöbnisses und Preisgabe ihres Vermögens
gewährt worden sein. Beide fallen aber aller Wahrscheinlichkeit
nach in eine Zeit, wo die Soldadeira ihre Rolle in den ver-
schiedenen Hof- und Feldlagern für ausgespielt zu halten und
sich nach Ruhe auf dem mütterlichen Erbgute unter dem Schutze
frommer Mönche zu sehnen Grund hatte. Wozu sonst der Ge-
danke an Tod und Begräbnis? Wozu die Leistung an Naturalien
und an Kleidern, sowie an Flachs für ihren Haushalt zu Armea,
falls sie dort nicht zu wohnen und zu spinnen gedachte? Wozu
die Ausbedingung der anderweitigen persönlichen Dienste ihrer-
seits? Diese Erwägung aber macht auch den Aufschub des Ver-
sprechens bis 1269 ebenso unwahrscheinlich wie relative Jugend
bei und nach der Erfüllung desselben, oder gar Fortführung des
alten Lebenswandels. Nach Aussage von Freund und Feind war
ja die Gallizierin, als man sie in Versen zu verspotten begann,
schon recht lange Zeit und an recht vielen Orten in Andalusien,
Kastilien, Leon, Aragonien und Navarra ihrem Erwerbe nachge-
gangen, all überall Unehre [desofiras) einheimsend. Selbst im
Maurenlande, wie ich schon andeutete, wo auch ihr Glaube schad-
haft geworden zu sein scheint. ^
3) Die Behauptung, Balteira habe sich 1269 auf der Flotte
des Königs von Aragonien eingeschifft, stützt sich erstens auf das
schon besprochene Wort cruzada, zweitens auf die Nennung des
Hafenplatzes Acre (für Acca Accon, nach der franz. Form Samt-Jean
d'Acre) in einem Ambroa-Liede,2 drittens auf die des südfranz.
Montpellier in zwei anderen.3 Auch die Erwähnung von Marseille
in einem der Ultramar- Lieder * (das freilich weder zur Balteira
noch zu Pero d'Ambroa in Beziehung steht) wird als Bestätigung
angesehen.
Mancherlei spricht thatsächlich zu Gunsten dieser Auffassung,
das leugne ich nicht. Unter allen im 13. Jh. geplanten oder ver-
wirklichten Kreuzzügen war der von D. Jairae unternommene auf der
Halbinsel der populärste. War er doch von Jaime's eigenem Sohn
— dem Erzbischof von Toledo (D. Sancho) — gepredigt worden!
Hatten doch provenzaliche und katalanische Troubadours des
Helden Eifer gespornt !& Und waren es doch nur peninsulare
1 Dabei sei an die stereotypen Romanzendrohungen erinnert: mora
(bzw. viord) ine quiero tornar allende la moreria, die, im Munde sowohl der
D. Urraca und D. Lambra, als auch des Conde Claros oder des ver-
liebten Companero, ungefähr dasselbe bedeuten wie das norddeutsche: „s'ist
zum katholisch werden".
2 CV 1057. •'' CV 1066 und U95. * CB 143.
5 Guillem de Cerveira in dem Sirventes: Si tot letra no say (Mila 368);
Guillem de Mur: D' un sirventes far me sia Dieus guitz (ib. 374); Olivier
el Templario: Estat aurai lonctemps en pessamen (ib. 380-
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. 54 1
Krieger, die sich diesmal, nach verschiedenen mifsglückten Ver-
suchen (123g, 1244, 125 1), wirklich auf den Weg ins Gelobte Land
machten: darunter 300 Magnaten, wie z.B. D. Juan Nunez de Lara
mit 800 Mannen.i Selbst Alfons X. hatte 100 Tempelritter abge-
sandt, und zwar unter dem Grofsmeister Pay Peres Correa, so dafs
auch Portugal indirekt mitbeteiligt war. In 30 Langschiffen und
einigen Galeeren brach man am 4. September 126g von Barcelona
auf. Mit dem König gingen zwei seiner Bastarde: Fernan Sanchez
und Pedro Fernandez. Der Sturm aber packte die Flotte unweit
von Mallorca und zwang einen Teil der Fahrzeuge zur Umkehr
und Landung an der französischen Küste, bei Aigues-Mortes. Von
da aus machte En Jaime den Ritt nach dem nahen Montpellier,
seiner Geburtsstadt — eine Einzelheit, die LoUis nicht anführt.
Bei einem neuen Ausfahrtsversuch stürmte es abermals 17 Tage
lang. Auf Bitten des Volkes stand nun der König von seinem
Vorhaben ab. Der Rest der Flotte unter Fernan Sanchez hatte
jedoch die Fahrt fortgesetzt und war in Acca eingelaufen. Laut
Wilken kam Pedro Fernandez nach Ptolemais.^ Freilich ohne
etwas auszurichten. Nach vergeblichem Harren auf den obersten
Kriegsherrn wurde die Rückfahrt angetreten, wobei in Sizilien an-
gelaufen ward. Karl von Anjou schlug bei dieser Gelegenheit
Fernan Sanchez zum Ritter, was den schon heftigen Hafs des
Bruders aufs höchste steigerte.
Wohl möglich, dafs ein so gründlich mifsglückter Kreuzzug
Stoff zu Spöttereien hergab, wie auch dafs mancher, der sich's in
Südfrankreich lange wohl sein liefs, nachher prahlte, er sei in Acca
gewesen, dann aber über die Ereignisse nicht Rede zu stehen
wufste und in seiner Not Lügenmärchen erfand. Besonders CB 143
und CV 1195 passen ausgezeichnet hierher.
Sogar der von Lollis nicht verwertete Hinweis auf die Tar-
taren und den Grofs-Khan im Ambroa-Liede CV 1108 liefse sich
mit Montpellier und Acre als Indicium anführen, da D. Jaime ge-
rade durch Botschaften des angeblich zum Christentum bekehrten
Tartarenfürsten (1266) und des Michael Paleologos (1268) zu seiner
Unternehmung gereizt worden war.
Hinzugefügt sei, dafs, als Ludwig der Heilige und Thibaut V.
von Navarra im nächsten Jahre ihren Zug unternahmen, viele Kata-
lanen sich ihnen anschlössen, und zwar in Aigues-Mortes. Nach-
weislich z. T. dieselben, die 126g unverrichteter Sache umgekehrt
waren und somit ihr Gelübde nicht erfüllt hatten , wie z. B. D. Juan
Nuiiez de Lara. Sie teilten dann naturgemäfs alle Schicksale der
letzten, nach Tunis gerichteten Kreuzfahrerflotte.
4) In den Balteira- Liedern selbst fehlt jedoch jeder Hinweis
auf die Ereignisse der Jahre 126g und 1270. Ueberhaupt fällt
darin kein Wort, das auf Krieg deutete. Sonst läge es aufser-
1 Cron. Alf. X c. 30 und 34.
2 Bd. VII 2, p. 530— 586.
542 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
ordentlich viel näher, uns die Alfons X. persönlich bekannte Galli-
zierin im J. 1257 als seine Fahrtgenossin auf jenem Zuge nach Tunis
gegen P>l-Mustansir-billäh ^ vorzustellen, den der König selbst als
criizada bezeichnet hat.2
Wie die Sache liegt, ist es jedoch wahrscheinlicher, es handle
sich, statt um einen der sieben Kreuzzüge oder eine Expedition
nach Afrika, um eine der siebenzig mal sieben Fahrten frommer
Pilger aus dem Abendland, die sich im Mittelalter vor, wäh-
rend und nach den Kreuzzügen, unabhängig davon, nach dem
heiligen Grabe ergossen.3 Dem widerspricht keineswegs das im
Liede angewandte Wort cruzada, noch die im Klosterpakt fal-
lenden Formeln et ela e cruzada — et se for na cruzada. Ver-
schiedene Einzelzüge sprechen sogar für diese Auslegung. Joam
Baveca nennt z. B. des Genossen Pero d'Ambroa Orientfahrt aus-
drücklich eine W' allfahrt (;w//o;7ö)^ nach dem Jordanflufs und stellt
sie auf eine Stufe mit der zweiten, von eben demselben Spielmann
gleich kühn geplanten und gleich feige unterbrochenen Pilgerreise
nach S. Maria de Rocamador.^ Als palmeiro charakterisiert ihn
auch Pedro Amigo.** Desgleichen bezieht sich alles, was Martim
Soares dem Soeir' Eannes als Quintessenz des von ihm ver-
breiteten lügnerischen Reiseberichtes vorhält, auf eine derartige nur
fromme Unternehmung^ Auch dieser fingierte Jerusalemfahrer wird
als Pilgrim bezeichnet. Blofs dafür fehlt mir zunächst der sichere
Beleg , dafs cruzada, wie ich voraussetze, auch auf blofse Pilgerreisen
angewendet worden ist (und cruzado oder cruce stgnatus) auf blofse
Wallfahrer). Die Anwendung des Wortes im Balteira -Dokument
von 1257 und im Testament des Königs D. Denis vom J. 12Q9
kann nicht dafür gelten, obschon in beiden Fällen ein bestimmter
Kreuzzug, so viel ich weifs, nicht in Sicht war.
Wie man es mit der ursprünglichen Unterscheidung zwischen
Romfahrer [romeu) und Palmenbringer [pahfieiro) längst nicht mehr
genau nahm, sondern beide Bezeichnungen, besonders aber romeu,
auf jeglichen Wallfahrer anwandte, gleichviel ob er nach der Tiber-
stadt, nach Jerusalem s oder nach Santiago,ö nach Rocamadorio
^ Ueber diesen wenig bezeugten Kreiizzug s. Schirrmacher I 483 — 484
und dazu 441 und 477. Er wurde seit 1255 geplant,
2 In der Urkunde, in welcher Alfons bei einem 1260 geplanten neuen
Zug nach Afrika den Gallizier D. Juan Garcia de Villamayor zu seinem Ad-
rairal und „Adelantado mayor de la mar" ernennt, benutzt er die Redewendung:
por gran sabor qua avemos de levar adelante et fecho de la cruzada daliende
el mar a servicio de Dios e exaltation de la christiandad (Memorial Hist.
I p. 16).
3 Im 8. Jh. zählt man ihrer 6; im 9.: 12; im 10.: 16; im II.: 117. Und
auch im 12. und 13. waren sie aufserordentlich zahlreich.
* CV1066.
s Des in altportug. Urkunden oftmals erwähnten Wallfahrtsortes gedenken
die Verfasser von CV 689 und CB 115.
6 CV U95. ■f CB 143. « CM 33. 46. 383.
9 CM 26. 175. 218. 268. 278; CV 455.
Jo CM 8. 22. 147. 158. 267. 331. 343. 373.
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. 543
oder Montserrati einen frommen Bufsgang antrat, so bediente man
sich der beiden Ausdrücke, und sogar des noch unbestimmteren
pelegrin (CV1013)2 auch dann ohne Bedenken, wenn man vom
wirklichen Kreuzfahrer sprach, der an den heiligen Stätten nicht
nur beten und büfsen, sondern hauptsächlich an Schlachten gegen
die Ungläubigen teilzunehmen gewillt war.3 Umgekehrt aber ver-
wertete man cruzar-se, filhar a cruz^ in Fällen, wo es sich aus-
schliefslich um Bufsübungen und Samariterdienste in Hospitälern
in Kriegs- oder Friedenszeit handelte.^ — Die in Portugal meist
gebrauchten Redewendungen ir aalem 7tiar (CV 1057), passar alem-
mar (ib.), andar sobre mar (CV 1004), ir a Ultramar (1057. 1195)
lassen beide Deutungen zu, und noch eine dritte: „nach Afrika
ziehen", in den Kampf gegen die Ungläubigen dort.6 Manchmal
freilich auch als ihr Freund und Bundesgenosse, wie 1200 Sancho
von Navarra, 125g die Infanten D. Enrique (Arrigo) und D. Fadrique.
Als büfsende Teilnehmerin an einer Pilgerfahrt, als dienst-
eifrige barmherzige Schwester etwa im internationalen Hospital zu
Acca, wo D. Sancha, eine Tochter Don Jaime's, bis an ihr Ende
fromme Werke verrichtete,'' würde man sich die reuige Soldadeira
und familiär e amiga do coiivento de Sobrado gern vorstellen, und
wäre es auch nur für eng begrenzte Jahresfrist.
Dafs auch die Pilgerschiffe, seit 1191 Acca in die Flände der
Christen gekommen, besonders aber sobald es zum Sitze des Jo-
hanniter-Ordens geworden war, meisthin an diesem uralten Ver-
bindungspunkte zwischen Europa und Asien landeten, ist aus der
mittelalterlichen Reiselitteratur hinlänglich bekannt, Romeros (bzw.
Romeus) de Acre war sogar eine übliche Bezeichnung für die Pilger
geworden.* Dafür dafs die hispanischen Troubadours um so ele-
mentare Thatsachen wufsten, könnte ich als Beweis einige Marien-
ieder des Königs anführen.'' Sollte, wie in CB 143, ganz im All-
1 CM 52.
2 CV 1013. — Pelegrin, Peregrin, Pele7tgrin ward in Kastilien zu-
nächst Uebername, dann B"amilienname. — Desgleichen in Portugal und Aragon
Romeu. — Vgl. Script. 163. 178; ib. 28. 287.
3 CV U18. * CV U99.
^ Ib. und 1198. Natürlich war crucesignatus auch jeder, der für das
christliche Spanien ins Feld zog. Das Kreuz gegen die Sarrazenen liefs in
der uns beschäftigenden Frist Gregor IX. (1236), Klemens IV. (1263) und
Innocenz V. (1276) predigen. Vgl. Herculano II 339, Schirrmacher 494, 579.
® Beispiele weiter unten. Ein Unterschied zwischen Alem-mar und
Ultramar ist nicht vorhanden. Beide haben zuerst Afrika und Asien,
später auch Amerika bezeichnet. Mit Bezug auf die Mauren in Afrika ist
jedoch häufiger ale'm-fnar {allende la mar) angewendet worden, besonders
seit nach der Eroberung von Ceuta die betreffende Formel in den Titel der
portugiesischen Könige überging. — Alfons X. spricht noch des öftern von
mouros de Ultramar (CM 401).
^ S. Don Juan Manual, Tratado sobre las Arnias in Bibl. Aut. Esp.
III P- 259 sq.
8 Esp. Sagr. XXIII 406. — Der König von Acca hatte übrigens 1234
seinen Weg nach Santiago über Toledo genommen (ib. 400).
8 CM 33. 46. 383 etc.
544 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
gemeinen irgend ein östlicher Miltelmeerhafen {e?fi aUm-mar) im
Gegensatz zu einem westlichen {aquem) angeführt werden, so verfiel
man unwillkürlich auf jenen als den bekanntesten Namen. Unnütz
wäre es auch, daran zu erinnern, dafs von den eigentlichen Kreuz-
fahrerflotten nicht blofs die hispanische 1269 dort Anker geworfen
hat, sondern z. B, auch 1228 diejenige Kaiser Friedrichs.
Es bliebe somit nur Montpellier als Stütze für die Auffassung
des italienischen Gelehrten übrig. Doch höchstens für die Ambroa-
Fahrt, da, wie ich schon sagte, auch nicht eine Phrase fällt,
welche auf eine gemeinschaftliche Expedition Balteira's mit dem
Spielmann schliefsen liefse. — Dieser selbst scheint zweimal nach
Südfrankreich gekommen zu sein, zu Wasser und zu Lande. Doch
auch hier ist zu bemerken, dafs Mompisler Mompesler Momperle. in
portugiesisch -gallizischen Liedern und Urkunden an und für sich
die meistgenannte südfranzösische Stadt war, da Kaufleute, Aerzte
und Theologen in regem Verkehr mit ihr standen.* Es beweist
darum nicht viel mehr als die Erwähnung Acca's. Etwas Anderes
wäre es, stände Aigues-Mortes im Gedichte.
5) Selbst dafür dafs Maria Balteira ihr Gelübde gehalten hat,
fehlt der Beweis. Nur als cruce signata kennen wir sie. Und nur
von ihrer Absicht oder von der Dringlichkeit, eine weite Fahrt (tan
longa carreira) anzutreten, spricht Pedr' Amigo in dem, auch
nach der Ansicht von LoUis und Salazar, vor der Fahrt entstandenen
Lied CV 1107. Auf Schwanken ihrerseits läfst es schliefsen, dafs
sie vorher als echte Gallizierin ein Orakel befragte. Die Antwort
des Dichters: „zum Fortgehen seien die Vogelzeichen gut, doch
rate er nicht, wiederzukehren", konnte kaum derber ausfallen. Ihres
Bleibens war eben nicht mehr im kastilischen Hoflager. Das nach
der Fahrt entstandene Spottlied CV 1176 aber läfst mindestens
zwiefache Auslegung zu. Dafs Pero da Ponte sich mit seinen
Erörterungen an einen Dritten wendet, ohne denselben zu nennen
(was gegen allen Brauch wäre), leuchtet mir nicht ein. Etwa an
den Abt des Klosters, dem Maria Perez sich verpflichtet hatte?
oder an Pero d'Ambroa? Ich fasse daher in Z. i :
Maria Perez a vossa cruzada
den Frauennamen als übliche Anrede, setze danach ein Komma
und verstehe: „Maria Perez, Eure Kreuzfahrerin, d. h. die von
Euch an Eurer Statt ausgesandte und von Euch besoldete, ist so
beladen mit Ablafs heimgekehrt, dafs . . ." Die Möglichkeit, dafs
eine Stellvertreterin gesendet werden würde, hatten ja schon die
Mönche von Sobrado ins Auge gefafst: Et se ela non for . . . i
ficar . . . e ouuer a dar dinheiros . . P-
1 P. M. H.: Leges I 193; CV 1073. HIB; CB 1577; CM 63. 123. 256.
271. 318.
* Nachträglich sehe ich, dafs ich mich diesmal an Braga's Textgestaltung
gehalten habe. Bei Monaci steht nossa. In diesem Falle spräche also Pero
da Ponte zu den Kumpanen und erzählte ihnen von der Heimkehr der mit
Ablafs -Bullen beladenen Pilgerin. — Dafs die datierbaren Gedichte dieses
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. 545
Ein historisches Beispiel für die Zulässigkeit solcher (im Süden
auf allen Gebieten beliebten) Stellung einer Ersatzperson auch bei
Kreuzfahrer- und Pilger -Gelübden ist bekannt. Ich erinnere an
König Denis, der 129g bestimmte, nach seinem Tode solle ein
ehrenwerter Ritter nach Palästina gehen und dort an seiner Statt
zwei Jahre lang dem Heiland dienen: 1
„Item mando que um cavaleiro, que seja homem de boa vida e de ver-
gon9a, que va por mi a terra santa d' Ultramar e que estee hi dous annos
compridos, servindo a Deus por miuha alma, se a cruzada for^ ... E
mando que estas tres mil libras dem-nas meus testamenteiros a Joäo Simhom,
meu meirinho-mor, se quiser e poder ali ir por mi; seiiao, de-nas a outro que
o fa9a ben e lealmente. Item mando a quem estee em Roma duas quaren-
tenas e ande todalas esta9oes por minha alma, mil libras".'
Hier bin auch ich der Ansicht, dafs der König, des guten
Glaubens, man würde das heilige Grab zurückerobern, an Kriegs-
dienste in einem wirklichen Kreuzzug gedacht hat.
Die Vermutung, die weiter oben genannte Marinha könne
Balteira's Stellvertreterin gewesen sein, spreche ich zögernd aus.
Ihr Name kommt jedenfalls ausschhefslich mit Rücksicht auf Am-
broa's angebliche Orientfahrt in der schon erwähnten Schmäherei
CV 1199 vor. Sonst niemals.
6) Wann aber? Pilgerschiffe begleiteten sicherlich die kleine
Kreuzfahreiflotte von 1269 und die gröfsere von 1270, wie meist-
hin die abendländischen Geschwader (z. B. 1248). In diesem Falle
wäre Balteira wirklich von spätestens 1257 bis 1269 eine cruzada
geblieben, d. h. eine durch freiwilliges Gelübde zur Pilger -Kreuz-
fahrt verpflichtete.
Für die auf sie gemünzten Lieder unabhängig von der Kreuz-
fahrt ein Datum zu finden, ist schwer.
Ein einziger historischer Name kommt vor, schliefst aber leider
keine genaue Zeitangabe in sich: Fi-d-escalhola, in dem schon von
Cesare de LoUis als difficoUissimo gekennzeichneten Liede CB 1509.
Was es mit dem Verhältnis der Balteira zu den maurischen
Recken dieses Namens — den Betii-Escaliola {Escaliula — Ischka-
lyida — Aschkalyold) — für eine Bewandtnis hat,* welcher dieses
Spielmanns die Zeit von 1236 bis 52 umfassen, sei auch hier in Erinnerung
gebracht.
1 Hist. Gen., Provas I lOi; Mon. Lus. XVII c. 51 und 52 nebst App.,
doch mit Abweichungen im Text und einigen (uumafsgeblichen) Erörterungen.
2 Diese Wendung ist nicht mit der im Balteira -Dokument gebrauchten
Formel identisch.
ä Ob sein Wille erfüllt ward oder nicht, ist für unsern Zweck gleich-
gültig. Ich weifs nur, dafs ein gewisser Ayres Martins — escriväo da puri-
dade del Rey D. Denis e seu vice-changarel — auf dem Wege nach Jeru-
salem begraben liegt. — Mon. Lus. XVI c. 51.
* Auch im Adelsbuch wird der hybride, im andalusischen Feldlager
Ferdinand's und seines Nachfolgers übliche Name benutzt {Script. 270). Die
arabischen Geschichtsschreiber bedienen sich natürlich der Form Beni [Bani)-
Escaliula. V. Conde IV c. 7 und 13. — Dafs Argote irrtümlich einmal Esca-
Zeitschr. f. rom. Phil. XXV. 25
546 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
Volksstammes oder dieser Adelsfamilie, in Ernst oder Scherz (als
Familienoberhaupt?), den Titel Patriarch verdiente und wie der
Kalif von Bagdad päpstliche Gewalt zu binden und zu lösen be-
safs,* nächst der Befugnis, diese Gewalt auf andre zu übertragen,
das wird sich schwer feststellen lassen. Mit meinen Hülfsmitteln
ist es unmöglich. Aber über ihre geschichtliche Rolle geben die
arabischen Quellen Aufschlufs. Das Wenige, was ich weifs, zeigt,
dafs ihre Blütezeit die Dezennien von 1245 — 1265 umfafst. Drei
Brüder, Abu Muharaed Abdala, Abul Hasan, Abu Ishac (vielleicht
Söhne des Alten oder Patriarchen?), beherrschten als Walis des
Muhamed Ibn-El-Ahmar von Granada die Provinzen Malaga, Guadix
und Gomares. Als Vasallen des seit 1246 mit den Christen ver-
bündeten Granadensers standen sie zuerst diesem Fürsten im anda-
lusischen Aufstand bei. Sobald er jedoch, in Hoffnung auf Abu Yuyuf
von Marroco, zu den Aufständischen übertrat, und als nach dem
Siege bei Alcala de Ben Zaide die neuen Zenetes, die Beni-Escaliola
in seiner Gunst verdrängten, stellten diese sich auf Seiten des
Kastilianers, wie wir bereits wissen. Von einem turnierartigen
Kampfe, in dem die Mauren sich in den Tagen Ferdinands des
Heiligen — bei ihrer ersten Annäherung an den siegreichen Er-
oberer von Andalusien — mit seinen besten Ricos-homes mafsen,
habe ich in der nächsten Randglosse zu erzählen.
In dieselben Tage weist die Bezugnahme auf Jaen^ und Xeres^
in einem Balteira- Gedichte, d.h. also in die Jahre 1245 — 46 (bzw.
1254). — Und deshalb vermute ich, dafs die unternehmungslustige
Gallizierin im J. 1257 bereits auf mindestens elf Jahre, wahrschein-
lich aber auf eine viel längere Frist lustigen Treibens in Hof- und
Feldlager zurückblickte und desselben wohl müde sein konnte.
*
Ich lasse nun eine summarische Uebersicht folgen zuerst über
die Balteira -lA&der, dann über die Caniigas de Ultramar, nebst
einigen Nachrichten über alte peninsulare Jerusalem -Fahrer. Nur
nola (vielleicht für Escanola't) , ein ander Mal Escalolla (p. 80) schreibt, sei
nebenher bemerkt. — Schirrmacher benutzt Ibn Ashküülah (389), Shekilüla
(597), Chekilola (696).
^ Conde IV c. 7. — Später (1294) brach Uneinigkeit unter ihnen aus
(ib. C.13).
2 Cf. Herc. H 512. — Aschbach 212. — Vgl. CV 967. 429. U48 und
CB 1509. 1552.
ä Es bleibt freiUch zweifelhaft, ob es sich um die berühmte Stadt dieses
Namens handelt, die 1252 (oder 1254) in die Hände der Christen fiel, nach-
her jedoch im andalusischen Aufstand zurückerobert werden mufste {Cron. Alf.
c. 4; CM 345 und 205). Denn auch die minder berühmten Orte Xeres
de Sadornin, Xeres de Badalhouce mufsten erobert werden. — Und
auch bei der Einnahme z. B. von Sadornin spielte Alfons X. noch als Infant
eine hervorragende Rolle, so dafs zeitlich dieser Sieg sogar noch besser zu
meiner Berechnung pafst. Vgl. Script. 266: \_Alvar Pirez de Castro'] foi com
o iffante dorn Affonso que depois foi rey de Castella em tempo del rrey dorn
Fernando em Eixarez de Sadornim hu lidou cofn el rrey Aveuchqui e com
outros res. — Ueber Eixares de Badalhouce vgl. ib. S. 155. 284. 369.
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERHUCH. 547
wenige Probestücke drucke ich diesmal ab, um dem freundlichen
Leser nicht den Geschmack zu verderben.
I. Balteira-Lieder: CV 64 von Alfons X.; 982 von Pero
Garcia Burgales; 1070 von Johan Baveca; 1129 und 1131 von
Pero d'Ambroa; von eben demselben CB 1574; CV 1176 von
Pero da Ponte; 1196. 1197. 1203 von Pedr' Amigo; CB 1504
von Fernan Velho; 1509 von Pedr' Amigo und Vaasco Peres
Pardal; 1506 nur von letzterem. Zu diesen (sämtlich von de
Lollis verwerteten) käme noch CB 1546 von Johan Vaasques
und 1513 von Pero Mafaldo. Und vielleicht noch 471 bis von
Alfons X.
CV 64. König Alfons hat Balteira eine Holzlieferung als Ge-
schenk anweisen lassen. Anscheinend zum Häuserbau, da von
Treppen {eicaleiras) und Balken [gatal:) die Rede ist. — Schen-
kungen von gutem Bauholz wurden auch im 13. Jh., dem Anschein
nach, hoch veranschlagt. Im ersten Testament des Sancho Capello
vermacht der König den Dominikanern zu Santarem: de f?iea madeira
de Ulixbona et de aliis nieis locis quanta inde eis fuerit necessaria.
Vgl. CV 1081 und 1159, die sich gegenseitig vervollständigen.
CV 982. Balteira ist eine ungläubige, gotteslästerliche und
abergläubische Würfelspielerin. — Damit ist sie als zur iafuraria
gehörig gekennzeichnet. Man vergleiche in CV 1129 die Hin-
weise auf das Ansehen, das sie im Maurenlande geniefst; in
CB 1509 die Spöttereien über die vom Patriarchen von Mecca an
sie übertragene Ermächtigung zu „ächten" und „entächten"!
oder zu „verdammen" und „entdammen". Dazu CB 1504
nebst CV 1131 und 1197 über ihre frommen Anwandlungen und
deren unlautre Veranlassung und Folge. Ich erinnere an Part.
VII 28: De los que demiestan a Dios (vgl. CM 238, dessen Ueber-
schrift irrtümlich über 291 steht), sowie an das Ordenamienio de
las Tafurerias, das Magister Roldan im Auftrag Alfons' X. aus-
arbeitete.2 Darin heifst es: fiz este lihro .... por que se viede el
descreer e se escusen las viuertes e las peleas e las tafurerias. E
tobo por bien el rey, como sabidor e entendiendo todos los bienes, que
oviesen cada uno pena e escarniierito de descreer. Kap. I handelt: De
los que descreen en Dios.
CV 1070. Vor des Königs Thür [ant'' a porta del rey) hat
Balteira den Joham Baveca geschmäht, weil er selber eine Alte
schmähte. Doch wohl eben unsre Balteira? — Andere Alternnde,
gleicher Gattung, kommen freilich auch vor: z. B. Urraca Lopes
1 Der in esco7niingar und soltar steckende Doppelsinn verlangt eine
treffendere Uebersetzung.
2 S. Opusculos Legales 1836, Bd. II 216 — 231. — Vgl. Ord. Äff. V. 2,
wo es heifst: qualquer que arrenegar, descrer, ou fesar de Deos ou de sua
sa?ita fe ... pague 10 criizados. Noch im 16. Jh. war descrer für ,, lästern"
und „fluchen" der volksübliche Ausdruck. Sehr beliebt war descrer dos Caste-
Ihanos und descreio de meti avo torto — da minha avü toria — - de meu pae
torto u. a. m.
35*
548 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
1122; Marinha Sabugal 1123. Vgl. CB 1509. — Die Erwähnung
der Grenzmark {fronteira), hier wie in CV 1203, versetzt uns in
die Zeit der andalusischen Eroberungen.
CV 1129, Wer Balteira rächen will an allen denen, welche
ihr auf Erden — in Leon, Kastilien, Aragon, Navarra und im
Maurenlande — Unehre angethan haben, der soll nicht bei ihm
(Pedr'Amigo) beginnen, sintemal er gerade in sie vernarrt sei {que
ando por ela sandeti).
CV 1131. Die „Dame", die er (Pero d'Ambroa)' besingt, ist
in einen Scholaren verliebt. Was sie en cas del rey gewonnen hat
und was er selber ihr gegeben, das zerrinnt jetzt unter den Händen
ihres Klerikers. Darob freut sich Ambroa. — Denn ist sie erst
arm, so ist die gewitzte Alte nur noch zur Kupplerin tauglich
(J>ara akayotar\
CV 1176. Die aus Ultramar mit „Ablafsbriefen" {perdom) 2 be-
laden heimgekehrte cruzada wird bestohlen. Ihr Koffer irnaela). hat
kein Schlofs (vgl. CV 1100). — Die Wortspiele bedürfen keiner
Erklärung.
CV 1196. Pero d'Ambroa und Pedr' Amigo teilen sich
kameradschaftlich in Balteira's Gunst. — Ihr Name wird nicht ge-
nannt, doch bezeugen andre Schmähgedichte ihre Beziehungen zu
den beiden Spielleuten.
CV 1197. Pedr' Amigo, der Augur, sagt aus Vogelflug und
Niesen wahr, dafs Balteira zwar gehen, doch nicht wiederkehren
solle. Ihres escolar wird abermals gedacht. Dazu auch ihres Sohnes.
CV 1203. Spott auf einen von der andalusischen Grenzmark
(ila fro7iieird) gekommenen Pedro Ordonez, weil er eindringlich
nach Balteira gefragt hat.
CB 1504. Balteira hat gebeichtet und sich der Kirche, d. h.
einem Kleriker, in die Arme geworfen, um den Dämon los zu
sein, der sie bislang geplagt hat. Nur ihrem Kleriker wird sie
nunmehr dienen; nur ihrem Kleriker Almosen geben.
CB 1506. Balteira soll beim König verklagt werden, weil die
Waare, die sie verkauft, nicht vollwertig ist.
CB 1509. Woher hat Balteira die Macht, zu exkommunizieren,
d. h. die Leute zu gottverlafsnen Sündern zu machen? Schon vor
der Zeit König Ferdinands besafs sie dieselbe, vermochte jedoch
nicht zu absolvieren (doppelsinniges soltar == lösen und los-
lassen). Der Patriarch Fidescalhola hat ihr diese Macht übertragen:
darum ist es ihm in Jaen und Xeres schlecht ergangen. Nun und
nimmer will der Dichter glauben, die von Gott seinem Stellvertreter
in Rom verliehene Macht könne Balteira aus Mecca zugekommen
sein.3 Uebrigens kümmere sie selber sich weder um Mecca noch
^ Pero, oder Pero Garcia d'Ambroa behandle ich im CA Kap. VI,
Biogr. 38.
^ Perdon war das nationale und populäre Wort im indulgentia = Ah-
lafs und Ablafsbrief. — S. Herculano II 339 u. 393; Cron. Alf. XI p. 309.
^ Hier steht Mecca, als die bekanntere Stätte, für Bagdad. Wenig-
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT, LIEDERBUCH. 549
um Rom. — In der Formel este poder ante tempo del rey | don Fer-
nayidö ja IM viron aver steckt gewifslich, wie De LoUis vermutete,
eine beabsichtigte Uebertreibung. — Vor Ferdinand regierte in
Kastilien Enrique I. 1214 — 1217. In Leon seit 1188 und bis 1230
Alfons IX. — Jedenfalls fehlt uns jede weitere Aussage über ihren
Wandel und Handel vor 1230, oder gar vor 12 14!
CB 1513. Klagen über die üblen Folgen, die der Umgang
mit ]\Iaria Perez für den Dichter gehabt hat.
CB 1546. Spott auf Habgier und Käuflichkeit der alten Vor-
gängerin der Celestina.
CB 1574. Zweideutiges Spiel mit dem Worte tü'ar. Balteira
hat ihre Künste mit denen der königl. hallistarios an der andalu-
sischen Grenze gemessen.
CB 471*^. Bericht des Königs Alfons über einen Streit zwischen
Ambroa und einer ihm Zürnenden, die sich rühmt, niemals be-
leidigt worden zu sein, ohne sich gerächt zu haben. Ihr Name
wurde wahrscheinlich in der fehlenden Anfangszeile genannt. Der
König tritt für Ambroa ein. Als dessen Partnerinnen kennen wir
nur Balteira und Marinha.
II. Ultramar-Lieder: CV 1004* von D. Gon^al' Eannes
do Vinhal; 1057* Pero Gomes Barroso; 1066* Joham Ba-
veca; 1118 Affons' Eannes do Cotom (vgl. 1116); 1130* Pero
d'Ambroa; 1195*. 1198 1199 i Pedr' Amigo; 1013 Joham Soa-
res Coelho; CB 143 Martim Soares. Dazu noch CV 67 von
Alfons X. und die zeitlich und sachlich aus dem bisher erwähnten
Dichterkreis heraustretenden Lieder CV 906 und 907 von Este-
vam da Guarda. Die meisten sind Scherzlieder [joguetes). Die
mit einem Sternchen bezeichneten beziehen sich auf Ambroa. Im
Folgenden andre ich die Ordnung aus sachlichen Gründen.
CV 1118. Cotom verspottet drei Jerusalemfahrer, von denen
einer den Namen Paay Rengel führt, weil sie durch Gottes Milde
und eigne Klugheit einem grofsen Blutbade im heiligen Lande
entronnen sind. Immer und überall sind sie angekommen, nach-
dem die Gefahr vorüber war: einen Posttag zu spät. Wo? das ist
die Frage. In den angeführten Ortschaften mufs der Witz stecken,
der sonst nirgends zu spüren ist. Sie heifsen Alcor, Blandiz,
Tamariz, Mormoion, vier Landungsstellen; Josaffas, Ultra-
mar, Belleem, als Schlachtorte. Ueber die letzten drei ist nicht
zu streiten. Sie sind gemeinverständlich. Wohl aber über die
erstgenannten.
Im Glauben, Blandiz stehe für Blandis Brafidis (afrz. Brandis)
und sei Brindisi [BrundisiJwi) , d. h. der italienische Hafenplatz,
von welchem die Jerusalempilger zum gröfsten Teile ihre Fahrt
stens war es sonst Sitte zu behaupten, der Kalif von Bagdad (Baldac) sei
unter den Mauren was unter den Christen der Papst. Cf. Cron. Alf. XI p. 214.
1 Dafs der Verfasser dieser Lieder anderwärts, im CV 1197 und 1203,
die Balteira verhöhnt hat, ward in Uebersicht I gezeigt. Möglich, dafs auch
in 1196 Pero da Ponte auf sie als auf die Herrin D'Ainbroa's anspielt.
550 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
gemeinsam anzutreten pflegten, tnde versus Terram Saticlam commu-
niter navigalur, vermutete und suchte ich, etwas verwundert über
die Kenntnisse des gallizischen Spielmanns, * auch in den übrigen
Namen weitere Ilafenplätze des JMittelmeers, welche von Orient-
flotten nachweislich berührt worden sind, und befragte zu diesem
Zwecke alte Chronisten und Geographen, freundlichst unterstützt
von einer Berliner Gelehrten 2 und dem gründlichsten europäischen
Kenner der Kreuzzüge.
In dem durch den Reim (auf senhor maior) gesicherten Alcdr
läfst sich das von Herrn Prof, Dr. R. Röhricht vorgeschlagene Alghör
oder Gor, wie die Chronisten und Araber das ganze tiefe Jordan-
thal benennen, unter keinen Umständen erkennen, da es kein
Hafenplatz ist. Eher noch das afrikanische Ahoi oder AIcoll,
zwischen Bugia und Bona, woselbst z. B. Peter III. von Aragon
im J. 1282 landete, bevor er zum Angriff auf Sizilien schritt. Doch
hatte es für die eigentlichen Kreuzfahrer geringe Bedeutung.
Tamariz (in der Vorlage Taniaris) erinnert zwar an Tamyras,
den Dahr-ed-Damur, der durch Volksetymologie zum flumen anioris
in den Pilgerberichten des 12. und 13. Jhs. geworden war. Aber
doch sehr obenhin, da der Accent ein andrer ist. Auch war
TafiVQaq gleichfalls kein Hafenplatz, wo Schiffe hätten anlegen
können.
Für Mormoion sind nicht einmal solche phantasievolle Identi-
fizierungen auf den blofsen Gleichklang hin möglich.
Als Prof. Röhricht dann meine negativen Resultate bestätigte,
hinzufügend, dafs in Josaphat {Jotapatd) und zu Bethleheyn über-
haupt keine Schlachten stattgefunden haben, gab ich meinen Ge-
danken eine ganz andre Richtung. Den Notbehelf verschmähend,
die Namen seien arg verschrieben oder gar erfunden, unternahm
ich es zu ergründen, ob Spott und Scherz gerade darin zu finden
sei, dafs die Stationen der angeblichen Orientfahrt auf heimatlichem
Boden, in nächster Nähe, situiert und jedem Hörer wohlbekannt
waren. Dafs die angeblichen Siege in lächerlich vaguer Weise nach
Ultramar, an so weltbekannte Stätten wie Josaphat und Beileen
verlegt wurden, würde damit im Einklang stehen. Die Pilger
1 In einer Tenzone, in der Cotom sich seines Wertes als Kriegsmann
rühmt, ruft ihm der friedlich gesinnte Pero da Ponte etwas zu, das mit ci;^ J^
leon (CV 556) endet. Dafs wir dabei an Richard Löwenherz und den dritten
Kreuzzug (I190) zu denken haben, ist höchst unwahrscheinlich. Wenigstens
nur in dem Sinne, dafs der Name des Helden sprichwörtlich geworden war und
von Da Ponte spöttisch auf Cotom angewendet wurde. Vgl. CA Biogr. XXXV.
2 Fräulein Bertha von der Lage, Verfasserin musterhafter Studien über
die Genesius- Legende (Berlin 1898 und 1899). Vgl. Romania XXVIII, 158
und 646.
3 Noch viel weniger Cairo, wie Braga angegeben hatte {Canc. Vat. Rest.
p. XLIII), oder gar das jedem Hispanier vertraute Algharb Algarve.
* Es steht im Reime zu diz und Blandiz. Diz ist unabänderlich. Im
Hinblick auf die absolute Reinheit der Reime im Canc. und auch weil span.
Ortschaften häufiger auf -iz als auf -Is ausgehen, mufs man Tamariz setzen.
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. 55 1
hatten eben geflunkert, und schwächlich geflunkert, gleichwie
Soeir' Eannes, auf den einer der Zeitgenossen des Cotom ein
Lied gemünzt hat (s. u. CB 143); und der Partner der Balteira,
Pero d'Ambroa, von dessen Lügenmärchen verschiedene Trouba-
dours zu erzählen wufsten (CV 1066. 1057. 1130. 1195. U99). Sie
alle waren ruhig im Lande geblieben, in irgend einem Winkel
versteckt (woraus nicht mit Notwendigkeit folgt, dafs sie sich auch
redlich genährt hätten); oder sie hatten eine kleine Landreise
unternommen.!
Und da finde ich denn auch wirklich Alcor, Morynojon sowie
Tamariz. — Blandiz allein habe ich bis jetzt nicht entdeckt.2 Alcor,
früher Vill-Alba de Akor, heute 6". Cecilia de Alcor, liegt unweit von
Palencia, und Mortnojon [Torre de M.) ebenda: beide in alten
Zeiten bedeutender als heute.-^ Auch ein Tamariz giebt es in nur
mäfsiger Entfernung, in den berühmten Tierras de Campos A
Warum diese Wahl? Cotom war ein Gallizier und residierte
am Hofe des kastilischen Monarchen, dem er übrigens auch als
lidador ins Feldlager folgte.'^ Palencia war daher oftmals sein
Aufenthaltsort. Er selber sagt ausdrücklich:
As mias joinadas vedes quaes son,
e meus amigos, meted' i femen^a:
de Castr' a Burgos, e end' a Palen9a,
e de Palen9a sair-mi a Carrion,
e end' a Castro etc.^
Aufserdem klingen die gewählten Namen an Orientalisches an.
Dafs sie alle durchaus binnenländische Ortschaften sind, sollte
vielleicht zur Erhöhung des Humors beitragen?
Die Zeit, wo Cotom zu Palencia auf der Bank der Spötter
gesessen haben kann, ist, wie gesagt, die Ferdinands des Heiligen.
Kaum noch die allererste Regierungszeit des Nachfolgers: sein
dichterischer Nachlafs ging, als der unweise Gelehrte noch profane
1 Wir hätten da vielleicht das muntere, gewissenlose Pilger- und Dichter-
Kleeblatt schon beisammen: Paay Rengel, Pero d'Ambroa und
Sueir' Eannes?
2 Ebensowenig Ablandiz. — Nur Brandariz — lat. Branderitiuin {Esp.
Sagr. XX, 6i) — (Pontevedra und Coruna). Das gäbe einen prächtigen Reim
zu Tamariz. Es wäre bei der Abschrift für Colocci die Abbreviatur für ar
ausgefallen: Brand'^iz. Auch würde es ins Versmafs passen, falls wir die nicht
unbedingt notwendige Präp. a streichen und lesen: De como non entraron
Brandariz (statt ablandiz). — Mit dem Gedanken, hier handle es sich um
den Hafenplatz Brundisium, und die hispanischen Pilger seien bis dorthin
gelangt, kann ich mich nicht befreunden. Er pafst weder zu meiner Auf-
fassung, noch (mit seinem End-j) in den Reim.
3 Alcor wurde z. B. 1217 im Kampfe des Grafen Alvaro gegen Hein-
rich I. von Alfonso Teiles verteidigt. Rod. Toi. IX c. 3. — Mortnojon spielt
in den Romanzen vom Grafen Fernan Gonzalez eine Rolle. S. Wolf-Pelayo
No. 17: Buen Conde Fernan Gonzalez.
* Andre gleichnamige Städtchen bei Valladolid und in Gallizien (Coruna).
5 CV556.
6 Ib. 555.
552 CAROLINA MICHAELIS DR VASCONCELLOS,
Lieder verfafste, in die Hand des Pero da Ponte über, der schon
vorher die Höhe seiner litterariscben Laufbahn erreicht hatte
(1236 — 1252).! Noch unter Ferdinand können aber sowohl die
Sevillastreiter Vinhal und Barroso, als auch die vom Tartaren-
einfall redenden und Joäo Fernandes verlachenden Troubadours
Coelho und Martim Soares, sowie Pedr* Amigo, Baveca,
d'Arabroa, Soeir' Eannes sich wohl zu Palencia mit Cotom
und Da Ponte getroffen haben,
CV 1013. Der ebengenannte Joäo Fernandes ist eine viel ver-
lachte Persönlichkeit, wegen schlechten Wuchses (als corcundd) und
maurenähnlichen Aussehens, vielleicht wirklich als Sprosse einer
Mischehe. Unter andern auch von Cotom (CV 1149) und Martim
Soares (CV 975. 978) und dem vielgewanderten portugiesischen
Joäo Soares Coelho. Die Tartareu haben Europa in Schrecken
gesetzt; selbst der Maure greift zum Kreuz: Johati Fernandez 0
mouro cruzado.- Wahrscheinlich in dem, gleich nach dem Falle
Jerusalems, geplanten und vorbereiteten Zuge Ludwigs von Frank-
reich, der auch im Südwesten einigen Wiederhall fand. Benutzte
doch der portugiesische Thronforderer Alfons IIL diese Gelegen-
heit, um sich von Boulogne über Paris unauffällig nach Lissabon
einzuschiffen — nachdem er sich durch päpstliche Bulle zur Teil-
nahme am Kreuzzuge und dann zur Bekämpfung des Islam in
Spanien, unter gleichen Indulgenzen wie die Orientfahrer, hatte
auffordern lassen — um schliefslich Bürgerkrieg im eignen Lande
zu entfachen und dem Bruder Krone und Land abzunehmen.3
CV 1198. Pedr' Amigo spottet des Pero d'Ambroa, weil der-
selbe mit Joham Baveca eine Tenzone gedichtet hat, dabei aber
nicht regelrecht bei der Stange [razofi) geblieben ist. Der Streit
drehte sich um das heilige Land, mit dem beide gut Bescheid zu
wissen behauptet haben, und ferner um den Grofs-Khan. Aus
dem Wortlaut geht nicht deutlich hervor, ob es sich um zwei oder
drei verschiedene Streitgedichte handelt, oder, wie der Haupt-
gedanke wahrscheinlich macht, nur um eines. Das Lied CB 1574
kann nicht gemeint sein. Auch CV 1066, von dem nur eine
Strophe Baveca's übrig ist, sieht nicht wie ein Tenzonenfragment
aus. Mit Baveca hatte Pedr' Amigo übrigens ein stilgerechtes
Partimen verfafst (CV 826). Er dichtete noch 1274 (CB 1550).
Der Hinweis auf den Grofs-Khan kann die Ereignisse von 1241,
aber auch die von 1266 — 69 betreffen.
CV 1066. In der soeben erwähnten Strophe ward Ambroa von
Baveca beschuldigt, auf seiner angeblichen Wallfahrt nach dem
Jordanflusse in Montpellier sitzen geblieben zu sein. Auf einer
1 S. CV 572—578 und vgl. CA Kap. VI, Biogr. XXXV.
2 Vgl. CB 1543, wo Ruy Gomes de Briteiros spottet: jfohan Fernandez
quer guerrear.
3 Vgl. Herc. III, 392.
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCr^. 553
andern Romaria soll der offenbar zu weiten Spielraannsreisen wenig
angelegte Genosse blofs bis zum Puy de Roland gekommen sein.i
CV 1195. Hier verlacht der Verfasser der 1198. Caniiga de
escarnho, und zwar zu Burgos, die von Baveca gerügten Auf-
schneidereien des falschen Palmeiro. Es heifst abermals, Ambroa
habe ruhig in Montpellier Standquartier gehalten, so viele Zeit,
als ein Pilger zur Jerusalemfahrt zu brauchen pflegt. Die Anfangs-
zeile lautet bei Monaci und Braga: Qtun mi-ora quisesse criizar.
Ich schlage vor, quen durch se zu ersetzen und in quisesse i. Sg.
zu suchen: „Wenn ich das Kreuzzeichen anlegen wollte".
CV 1199. Vorgebend, er glaube an Ambroa's Behauptungen,
höhnt Pedr' Amigo, indem er noch einmal dasselbe Thema an-
schlägt, und zwar einer Soldadeiia gegenüber: Ambroa beschuldige
dieselbe, d. h. die uns bekannte INIarinha, die Märe verbreitet zu
haben, er sei gar nicht in Ultramar gewesen. Sie solle sich vor
ihm hüten. Zweierlei sei bezeugt: dafs er in goca de uen das
Kreuz genommen habe — filhou a cruz pera Jerusalem; und
zweitens dafs er müde und matt wie ein echter Pilgrim heim-
gekehrt sei — come rovieii qiie ven cansado. — Aus dem ange-
gebenen Ortsnamen weifs ich leider nichts zu machen. Für das
portug. Sacavem kenne ich die archaische Vorform nicht. Auch
liegt es viel zu abseits von dem Wege, auf den die Liedergruppe
uns weist. An Zocodover ist nicht zu denken, da der Reim in
-in gesichert ist. Ob etwa goca de gee?i der Marktplatz von Jaen
ist? Die Zeile würde Zweisilbigkeit des Namens vertragen:
Pero d'Ambro(a) en ^oca de Geen.
CV 1130. Es ist Ambroa's Antwort auf Pedr' Amigo's Necke-
reien. Offenbar erst nach einer Spanne Zeit. Er gedenkt des
Spottes des andern auf ihn quando vin d' Ultramar, hält also
seine Aussagen über die Jerusalemfahrt aufrecht. Dann erinnert
er an eigne ältere Spottverse über den Kameraden, als dieser sich
einmal in frommer Anwandlung in eine Einsiedelei zurückgezogen
hatte (CV 1128). Nachdem er zuerst gedroht hat, lenkt er be-
gütigend ein. Auf diese Weise schlug er vielleicht noch zwei
andre Angreifer aus dem Felde, die zu hoch standen, als dafs er
ihnen direkt entgegen treten konnte. Ich meine die Sevillastreiter
und Günstlinge Alfons' X.: D. Gon^al' Eannes do Vinhal und
Pero Gomes Barroso.
CV 1004. Der erste der beiden, über dessen datierbare Ge-
dichte aus dem Jahre 125g ich anderwärts Rechenschaft abgelegt
habe,2 scherzt, unter Bezugnahme auf CV 1066. 1199. 1198. 1195
und ähnliche verlorene Stücke, indem er sagt:
Pero d'Arabroa, sempr(e) 01 cantar
que nunca vos andastes sobre mar.
1 Sein Ziel wird S. Maria de Rocamador gewesen sein.
2 CA Kap. III, Biogr. 39,
554 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
Auch seine Furchtlosigkeit auf dem Meere sei eine vielbesungene
Sache. Gröblich schmähend fügt er dann hinzu: ein Meerungetüm
{ca(on == Hausen, oder Scheeren- und Stachel-Hummer =
lobaganto) müsse sein Vater gewesen sein.i
CV 1057. Der zweite sagt kurzweg: „Ich meinerseits habe
Euch nichts von Uebermeer noch von Acre vorgesungen, aus dem
höchst einfachen Grunde, weil Ihr niemals dort gewesen seid:
qiie nunca vos passastes al^m-mar.
CB 143 (= CA 395). Gleiche, berechtigte oder verleumde-
rische Vorwürfe, wie man sie am kastilischen Hofe gegen Pero d'Am-
broa erhob, wurden auch gegen den Ritter Sueir' Eannes geschleu-
dert, anscheinend in Portugal, jedenfalls von Portugiesen. Und
zwar von INIartim Soares, der um 1241 als Bekrittler des Mauren
Joäo Fernandes (s. oben) und ungefähr um dieselbe Zeit oder
früher als Ankläger des Ruy Gomes de Briteiros (CB 144 =
CA 398),2 sowie im Verkehr mit Cotom (CV 966) auftritt. Um
seiner Beziehungen zu den Brüdern Pero Velho und Paay Soares
de Taveiroos willen haben wir ihn zur den ältesten vor-alfonsi-
nischen Troubadours zu schlagen, von denen Lieder überliefert sind.
Eingedenk des Sprichworts: Wenn einer eine Reise thut,
so kann er was erzählen, auf portugiesisch: De longas vias,
longas mentiras, das ein andrer zum Ausgangspunkt einiger Spott-
verse gemacht hat (CV 979), schilt er den Soeir' Eannes einen
Aufschneider.3 Eine Reihe geographischer Namen, diesmal aus Por-
tugal, Spanien, Südfrankreich und von jenseits des Meeres, werden
in buntem Gemisch so durcheinander gerüttelt, dafs ein völlig
sinnloses Itinerario entsteht. Zu Santarem am Tejo, Loule im Al-
garve, Coira (= Coria) und Galisteu im span. Estremadura, Mar-
seille, Rocamador, Acre kommen noch drei schwer zu bestimmende
Ortschaften.4 Die nach Spanien versetzten Türken des Kaisers
und der vom Sultan dem christlichen Pilger erteilte Ablafs [perdon)
vervollständigen das Quiproquo. Wer unter dem Kaiser Alfons X.
suchen und das Gedicht daraufhin zwischen 1257 und 75 setzen
wollte, könnte sich daher irren. Sicher scheint die Identität des
Cavalleiro-chufador Soeir' Eannes mit dem gleichnamigen Cavalleiro-
' Das erste Wort ist, nach Ausweis der Wörterbücher, noch heute ein
rohes Schimpfwort. — Als alcunha kommt es trotzdem, oder gerade darum,
auch vor, und zwar fiir den hochadligen Vater der D. Maria Ayres de For-
nellos. P.M. II.: Script, i-jb.
2 Vgl. Randglosse XVII.
3 Zu chufador chufa chufar vgl. CV 1032. 1195. U05. U54.
* Ein Bclfurado liegt bei Leiria; ein berühmteres (auch Bilfurado ge-
schrieben, z.B. Crow. Tvr«. /f^ Kap. XIV) bei Burgos; heute Belorado, früher
Torre de Belforado, lat. Turris belli foraminis. — Rod. Toi. IX Kap. 8. —
Nogueirol kann das portug. Nogueirö (Minho) oder das gallizische Noguei-
roa sein. — Aus den Buchstaben pom ror tes weifs ich nichts herzurichten.
Momperler und Momorjon fallen mir wieder ein, doch ohne Nutzen.
Einen östlichen Mittelmeerhafen darin zu suchen — um Sinn in den Unsinn
zu bringen — wäre ein überflüssiges Beginnen.
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. 555
trovador, der von Verschiedenen aus dem Kreise der Balteira-
Schmäher als untauglicher Poet verlacht worden war. Da Pero da
Ponte, Cotom und Martim Soares darunter sind, d. h. lauter alte
Poeten, ist es, auch von diesem Punkte aus betrachtet, wahr-
scheinlich, dafs die Beziehungen Alfons' X. zu Maria Perez ganz
in den Anfang seiner Regierung, oder in seine Infantenzeit fallen. 1
Das sind die durchweg seichten Reimereien, die sich mittel-
bar oder unmittelbar auf Kreuzzüge und fromme Orientfahrten
beziehen. Andre giebt es nicht. Auch nicht auf den Kampf
gegen die Andersgläubigen in der Halbinsel, wenn wir die Lob-
lieder Da Ponte's auf den Eroberer von Sevilla, den von Valencia,
sowie Teil' Affonso und Lopo Diaz, abziehen. Kein frommes Dank-
gebet. Kein Aufgebot. Kein enthusiastischer Schlachtgesang. Keine
Siegerhymne. Kein Lobspruch. Keine kraftvolle Rüge. Keine Spur
überhaupt von jenem kriegerischen Rittersinn, der den schönsten
Abschnitt des Mittelalters bezeichnet; kein Anklang an die lange
Reihe markiger und gefälliger provenzalischer Kreuzlieder, die ein
Jahrhundert hindurch (von 1187 bis 1270) nicht ohne Einflufs auf
jene Weltbewegung erschallten.
Nur lockre und anrüchige Schmählieder oder unschuldige
Scherzchen. Dabei aber stets eine Fülle von Anspielungen auf
Thatsächliches — jenes Streben nach Wahrem, Wirklichem, Natür-
lichem, nach photographisch treuer Nachbildung, das der ganzen
portugiesischen Litteratur bis in ihr JNIeisterwerk hinein das Gepräge
giebt. Wären nicht die Wald- und Wiesenduft atmenden, in ihier
Schlichtheit so ansprechenden Tanz- und Sangesweisen der gallizisch-
portugiesischen Mädchenlieder — es fände sich kaum Jemand, der
die Beschäftigung mit dieser Troubadour-Dichtung nicht auf halbem
Wege ermüdet liegen liefse.
Als vervollständigende Illustration füge ich der Liederauslese
die wenigen auf Palästina bezüglichen Stellen aus den Adelsbüchern
hinzu, die ich mir angemerkt habe. Sie betreffen Büfser, was
nicht sagen will, dafs diese nicht auch das Schwert geschwungen
hätten. Der erste in der portugiesischen Geschichte, der zur Sühne
schwerer Schuld das Kreuz ergriff, ist Fernan Perez, der Graf von
^ In CV 083 wird im Orient ein Meister gesucht, der für einen Fernam
Diaz ein künstliches Auge herzustellen verstünde. No. 906. 907 und 1037
beziehen sich, dem Anschein nach, auf einen Handelsmann, wozu ich bemerke,
dafs mit der Levante (oder mit Flandern) Handelsgeschäfte betreibende portu-
giesische Kaufherren ipso facto Rilterrechte hatten. Vgl. Herc. IV 318. —
Ir aUm-mar wird in den betreffenden Schriftstücken mit transtnarinare
wiedergegeben. In No. 1116 ist von einem Arzt in der Tracht von Mont-
pellier die Rede, dessen Doktorhut als cafello iV Ultramar bezeichnet wird.
Wo sonst noch alen und aquen vorkommt (wie z. B. CV 234. 319. 907.
069. 1141), bezieht sich letzteres auf den Aufenthaltsort des Redenden und
ersteres auf die Fremde im Allgemeinen.
556 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
Trava und Trastämar — o meUior hörnern d' Espanha que rrey non
fosse — was man mit allermächtigst zu übersetzen hat. Seine
Verbindung mit D. Theresa, der Wittwe Heinrichs von Burgund,
ist bekannt. Im Kampfe gegen Affonso Henriques 1128 bei Val de
Vez unterlegen, mufste er Portugal für immer meiden und ging
in pasnitenti'a peccaiorum, corde contrictu et humiliato espiritu nach
Jerusalem.' Was über seine Thaten dort, bei etwaiger Teilnahme
am zweiten Kreuzzug, verlautet, ist mir unbekannt.
Das Kloster, dessen Schutzempfohlene die Kreuzträgerin Bal-
teira war, dankt übrigens seine Entstehung mittelbar diesem galli-
zischen Magnaten. Romanhaft wird berichtet, er habe die Königin
seinem Bruder D. Bermudo Pires Podestade abspenstig gemacht,
worauf dieser sich mit der leiblichen Tochter der Königin (Theresa
Henriques) vermählte — eine als blutschänderisch betrachtete Ver-
bindung, die er durch Gründung des Klosters Sobrado sühnte.^
Den Don Gon^alo Mendes de Sousa, einen entarteten Enkel
des guten Grafen D. Mendo, trieb eine schlimmere Gewaltthat an
der eigenen Schwester — auf die ich in Randglosse XVI Bezug zu
nehmen habe — noch in den wirren und wilden Tagen des Sancho
Capello zur Bufsfahrt.^ In seiner Begleitung befanden sich ein
gewisser P'ernam Lopes, der Brudersohn der in CA 142 und 143-1
gefeierten Guiomar Affonso Gata, und D. Gonc^alo Gomes de Bri-
teiros, der Bruder des ehrgeizigen Ruy, der seinerseits für Frauen-
raub Genugthuung zu geben hatte. Er ward übrigens während
der Fahrt im Schiffe erschlagen.'^
D. Affonso de Portugal, der Grofsmeister der Hospitaliter, von
dem in Randglosse II die Rede war, und der Grofsprior desselben
Ordens D. Frei Alvaro Gon^alves de Pereira, der Vater des Nunal-
vares (1312),^' der von Rhodos aus Türken und Syrer bekämpfte,
gehören indirekt auch hierher. Bei allen übrigen hat aUm-mar
die Bedeutund Nord -Afrika.''
Es bleibt wahr, dafs in den Zeiten der Reconqtästa, selbst von
den mifsvergnügten Ricoshomes sich nur der eine und der andre
nach Jerusalem hin verirrte.*
1 P. M. H. : Script. 255 und 268: E o comde cuydou logo a ser tnorto,
e fez Ihe preyto e menagem que nunica emtrasse ein Portugall, e desalli
foysse pera Ultramar. Cf. Herc. und Schäfer.
^ Ib. 255: E por este fecado foy feito o moesteiro de Sobrado. — Do-
kumente über das Kloster, in dem Bermudo als Älönch sein Leben beschlofs
(Herculano I 299), benutzte und erwähnt J. P. Ribeiro in den Diss. Chron.
und Gama Barros in seiner Historia da Administragäo II 77 und oft.
3 Ib. 192. 292. 369.
* Ib. 155 und 369.
5 Ib. 184.
« Ib. 190.
^ Z. B. bei Fernan Gutterez, von dem es (p. 267) heilst: aalem-mar foy
muy boo, e na terra foy niuy vifoso e de fnuy boa vida; beim Infanten D. Juan,
Sancho's IV. aufrührerischem Bruder (p. 212); und bei dessen Bannerträger
Ruy Guterrez de Sandoval.
^ Schirrmacher I 676.
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. 557
Noch einmal das Ergebnis meiner Untersuchung: die gallizisch-
portugiesischen Ultramar -Lieder lassen sich keineswegs insgesamt
auf die Ereignisse von 1269 (bzw. 1266 — 1270) beziehen. Mehrere
entstanden wenn nicht vor 1236 (wie CV 1118), doch bald nach
1241; vielleicht bei der nach dem Falle von Jerusalem entstandenen
Kreuzzugsbewegung (CV 1013). Für Baltcira steht das Datum 1257
als Abschlufs ihrer Laufbahn im Hof- und Feldlager der kastilischen
Monarchen fest; 1246 (Jaen) als Zeit ihrer Erfolge ebenda. —
Dadurch werden auch für ihren Kumpan Pero d'Ambroa die gleichen
Zeitbestimmungen die wahrscheinlicheren,! Eher als um einen der
sieben oder acht Hauptkreuzzüge handelt es sich bei ihrer vielleicht
nur geplanten Fahrt um eine der kleineren Unternehmungen Al-
fons' X.; wahrscheinlich jedoch um einen der ungezählten Pilger-
züge des 13. Jh., die ja, da Jerusalem das vermutliche Ziel ist,
auch nicht ohne Kriegsnot und -gefahr zu denken sind.
Ist das richtig, so dichtete Alfons der Weise sein Balteira-
Lied als Infant, und nicht als König — eine nicht unwichtige
Entscheidung, die ich jedoch hier noch keineswegs als gesichert
anzusehen bitte.2
Anhang.
(46.) Pedr' Amigo.
CV U97.
Maria Balteira que se queiia
ir ja d' aqui veo-me prejuntar
se sabia ja -que d' aguyraria,
ca non podia mais aqui andar
5 E dixi-lh' eu logu' enton: ,, Quant' eu sey:
Maria Perez, eu vo'-lo direy."
E diss' ela logu' i que mi-o gracia.
E dix' eu: ,,pois vus ides vossa via
^•a quen leixades o voss' escolar?
IG ou vosso filh'? e vossa companhia ."^ "
„Diss' ela por en vus mand' eu catar
que vejadas nos aguiros que ei
com' eu poss' ir ; e mais vus en direi ;
a meos d' esto sol non moveria."
15 E dixi Ih' eu: „^Cada que vus deitades
que esturmados soedes d' aver?"
E diss' ela: „Dous ei; ben-o sabiädes
e un ei quando [me] guero mover;
1 Der von LoUis aufgestellte Satz: tutti i componimenti che volgono
intorno ad una dt qiieste vittiftie della tna/edicoiza poetica debbono restrin-
gersi intorno alla stessa data, aprossimativatnente findet hier, doch natürlich
nicht auf alle Ultramar - Lieder, ihre Anwendung.
2 Vgl. CA Kap. VI Biogr. XXXV.
558 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
mais este non sei eu ben deparlir."
20 E dix'eu: „Com deus ben podedes ir;
mais un manda sol que [vus] morades."
E dixi-lh'eu: „Pois aguiro catades,
das aves vus ar conven a saber
vos que tan longa carreira filhades."
25 Diss' ela: „Esso vus quer' eu dizer
Ei ferynelha sempr' ao sair."
E dixi-lh' eu: „Ben podedes vos ir
con ferivelha; meis nunca tornades."
2 ueome — 1^ da gtiytariu — 9 aque leixades ou ofseschola — 10 cd
panhJa — 13 coiner — 17 deO — 20 cö deo be poderiades hir — id fery-
nelha — 28 feri uelha.
Es bleibt unentschieden, wie der wahrsagerische Vogel heifst und an
welche Gattung wir zu denken haben. Cornelha würde beide Male den Vers
um eine Silbe zu kurz machen und leise Aenderungen erscheischen: in Z. 26
etwa sempr\e\, in Z. 28: viais nunca \yos\ tornades.
(47.) Fernam Velho.
CB 1504.
Maria Perez se maenfestou
[e]n outro dia, ca por pexa der
se sentiu e log' a Nostro Senhor
prometeu polo mal en que andou
5 que tevess' un clerig' a seu poder
polos pecados que Ihi faz fazer
o demo con que x' ela sempr' andou.
Maenfestou - se, ca diz que s' achöu
pecador muit', e por en rogador
IG foi log' a deus; ea teve por melhor
de guardar a el ca o que aguardou;
a mentre viva diz que quer teer
un clerigo con que se defender
possa do demo que sempre guardou.
15 E pois que que ben seus pecados catou
de sa mort[e] ouv' ela gran pavor
e d' esmolnar ouv' ela gran sabor;
e logu'enton un clerigo filhou
e deu-lh'a cama en que sol jazer
20 e diz que o terra mentre viver',
en esta e que o por Deus filhou.
E pois que s' este preito come90u
antr' eles ambous ouve grand' amor;
[com' ouve] sempr[a]o demo maior
25 ata que se Balieira confessou;
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. 559
mais pois que viu o clerigo caer
antr' eles ambos, ouv' i a perder
o demo desque s' ela confessou.
2 Noutro dia — 4 pormeteu — endou — 12 teer — 16 Dt'ssa nior
touuela grä fauor — 18 cllgo — 20 teira — Z\ E esta fara todo p ds
filhou — 22 coinegon — 23 Antrela senpro d. m. — 25 derigo
(48.) Vasco Perez Pardal und Pedi'Amigo.
CB 1509.
Pedr* Amigo, quero de vos saber
ua cousa que vus ora direi.
E[u] venho vus preguntar, porque sei
que saberedes recado dizer,
5 de Balteira que vej' aqui andar
e vejo-lhi muitos escomungar
dizede: ^"quen Ihi deu end' o poder?
Vaasco Perez, quanl' eu aprendcr
pudi d' esto, ben vo'-lo contarei.
10 Este poder ante tempo del rei
Don Fernando ja Ihi viron aver.
Mais non avia poder de soltar,
mais foi pois o patriarca buscar
Fi-d'-Escalhola que Ihi fez fazer.
15 Pedr' Amigo, sei ra' eu esto mui ben
que Balteira nunca ome soltou
e vi-lh' eu muitos que escomungou
que Ihi peitaron grand' algo per en
que OS soltass'; e direi -vus eu al:
20 Fi-d'-Escalhola non a poder tal
per que solt' ergo os que por seus ten.
Vaasco Perez, ben de Meca ven
este poder, e poi'-lo outorgou
o patriarca, des i mal levou
25 sobre si quanto se fez en Jaen
e en Eixares u se fez muito mal,
e por6n met en escomunhon quäl
xi quer meter, e quäl quer saca en.
Pedr^ Amigo, esto vus creo eu
30 que o poder que Deu en Roma deu
que o Balteira tal de Meca ten.
Vaasco Perez, ach' eu Meca sen
poder e o que Dens en Roma deu
diz Balteira que todo non e ren.
2 Hunha — 5 ueidq — 12 Wiederholt — \t^ hu — 18 peycaro —
12 Per q sol tergo se9 p'' so q te — 32 V. P. aceu
560 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS, RANDGLOSSEN.
(49.) Joan Baveca.
CV 1066.
Perö d'AmbrSa prometcu de pran
que fosse lomeu de Santa Maria
e acabou assi sa romaria
com' acabou a do frume Jordan:
5 ca entonce ata Mompylher chegou
e ora per Ron^avales passou
e tornou-sc do poio de RolJau.
I promeseii — 2 scä — 5 ^'^ inonpylier
(50.) Affonso do Cotom.
CV 1U8.
Paay Rengel e outros dous romeus
de gran Ventura, non vistes mayor
guare^eram ora loado a Deus
que non morreron por Nostro Senhor
5 an üa lide que foy en Josafas:
a lide foy com' oj' e como cras
prenderan eles terra no Alcor.
E ben-nos quuis Deus de morte guardar
Paay Rengel e outros dous enton
10 d' üa lide que foy en Ultramar,
que non chegaran aquela sazou.
E vedes ora por quanto ficou:
que o dia que s' a lide juntou
prenderan eles port' a Mormoion.
15 De como non entraron a Blandiz
(per que poderan na lide seer)
ca OS quis Deus de morte guarecer
per com' agora Paay Rengel diz.
E guareceron de morte por en
20 que quand' a lide foy en Beleen
aportaron eles en Tamariz.
3 guaregarä — 8 ^ ben uos — 9 paey — 10 Decomo — 17 des —
18 pae rregX — 20 etn relletn — 21 tamaris.
Carolina Michaelis de Vasconcellos.
Pejorative Bedeutungsentwicklung im Französisclien.
Mit Berücksichtigung allgemeiner Fragen der
Semasiologie.
ERSTER TEIL.
Einleitung.
I. Bibliographie.
I. Wörterbücher. Aufser den bekannten gröfsern Wörter-
büchern (Du Gange, Diez, La Curne de Sainte-Palaye,
Godefroy, Körting, Littr6, Sachs-Villatte, Hatzfeld Dar-
mesteter & Thomas (citiert als Dict. gen. = Dictionnaire g6n6ral)
benutzte ich bei der Abfassung der vorliegenden Arbeit besonders:
Christian Wilhelm Kritzinger, Neues französisch- deutsches
Sprichwörterbuch. Leipzig und Budissin 1743. (Sehr reich-
haltig für die derbe Volkssprache und Obscönes.)
Ch.-L. Livet, Lexique de la langue de Moliere, comparee ä
Celle des 6crivains de son temps. 3 Bände. Paris 1895 — 1897.
Villatte, Parisismen. 5. Auflage. Berlin 1899.
Weitere gelegentlich herbeigezogene Wörterbücher und andere
philologische Hülfsmittel werden an ihrer Stelle genannt werden.
Meine Beispielsammlung entstammt zum gröfsten Teile dem
ausgezeichneten Wörterbuche von Hatzfeld Darmesteter & Thomas.
Dasselbe eignet sich durch seine Bedeutungsklassifikationen ganz
besonders als Ausgangspunkt semasiologischer Untersuchungen. Ich
habe es systematisch durchgesehen und alle mir auffallenden Bei-
spiele pejorativer Bedeutungsentwicklung notiert. Manche ent-
stammen der Lektüre, andere mündlicher Quelle und eine nicht
unbedeutende Anzahl (vor allem die meisten Parallelbeispiele aus
andern Sprachen) der Verarbeitung semasiologischer Litteratur. In
letzterem Falle ist die Quelle angegeben, sobald es sich um aus-
führlicher besprochene Beispiele oder um ganze Gruppen solcher
handelt. Nur im Altfranzösischen vorkommende Wörter habe ich
nicht prinzipiell ausgeschlossen; es ergab sich aber bei der Zu-
grundelegung des Dictionnaire general von selbst eine mehr nur
gelegentliche Berücksichtigung derselben.
Prinzipiell habe ich dagegen alle diejenigen Beispiele unter-
drückt, die nicht etymologisch gesichert dastehen. Wer in der
Semasiologie auf etymologisch unsicherer Basis baut, fälscht seine
Zeitschr. f. rom. Phil. XXV. 36
562 K. JABERG,
Resultate. Die unanfechtbaren Beispiele von Bedeutungswandel sind
so zahlreich, dafs man nicht zu bestrittenen seine Zuflucht zu nehmen
braucht, wenn es sich um die Aufstellung von Kategorien handelt.
In der Erklärung der Fakta bleibt des Hypothetischen genug.
Kritiklosigkeit in der Auswahl der Beispiele ist einer der
Hauptmängel von Lehmanns Buch über den Bedeutungswandel
im Französischen. So sind von seinen ersten 1 2 Beispielen (S. 1 1 f.)
5 von vorneherein zu streichen (cmbifoin, cäielle, biche, tmerillon,
bleme). Von den 70 Beispielen, die S. 10 1 — 107 unter Metonymie
aufgezählt werden, ist ein volles Fünftel etymologisch unsicher.
Vollends verwerflich ist es, zweifelhafte Beispiele auf ebenso zweifel-
hafte zu stützen, wie dies S. 103 für blond geschieht, zu dem bleme
als Analogie genannt wird.
Soweit nicht ausdrücklich etwas anderes bemerkt ist, gebe ich
die Bedeutungsdefinitionen des Dictionnaire general wieder, und
zwar im allgemeinen in französischer Sprache. Eine Beurteilung
der Fremdsprache vom Standpunkte der eigenen führt oft zu Mifs-
verständnissen, besonders was den Bedeutungsumfang betrifft. Den-
noch habe ich mich der Kürze halber (besonders in der Einleitung,
wo es oft nur auf die Andeutung eines Bedeutungswandels an-
kommt) hie und da der Uebersetzung bedient. Es liegt dann ge-
wöhnlich Sachs zu Grunde.
Die Abkürzungen sind diejenigen des Dictionnaire general
oder des Sachs'schen Wörterbuches.
2. Werke allgemein semasiologischen Inhalts. Ich
zähle die hieher gehörigen Arbeiten in chronologischer Reihenfolge
auf, um zugleich eine Uebersicht über die Geschichte der Semasio-
logie zu geben. Aufser Lazar .'^aineanu, Incercare asupra se-
masiologiei limbei romäne. Bucuresti 1887 und Van Helten, Over
de facloren van de begripswijsingen der worden. Groningen 1894,
die mir nicht zugänglich waren, glaube ich kein wichtigeres Werk
übergangen zu haben.
Bibliographische Angaben findet man bei
Lehmann, Bedeutungswandel im Französischen S. i ff.
C. Müller, Ztschr. f. d. deutschen Unterricht III, S. 307 ff".
Schröder, Zur griechischen Bedeutungslehre S. 3 ff.
Thomas, Blätter f. d. Gymn.-Schulwesen XXX, 705 ff., XXXII, i ff.
Paul, Prinzipien^ S. 67.
1832. Manno, Giuseppe, Della fortuna delle parole libri due.
Milano 1832.
1839. Reisig, K., Vorlesungen über lateinische Sprachwissenschaft,
hgg. mit Anmerkungen von F. Haase. II. Tl.: Semasiologie
S. 286 — 307. Leipzig 1839. Neu abgedruckt mit Anmer-
kungen von Heerdegen in der Neuausgabe der Reisigschen
Vorlesungen, s. unten 1890.
1851. Trench, On the study of words. London 1851. 25. Auf-
lage 1896.
PEJORATIVE BEDEUTUNGSENTWICKLUNG IM FRANZÖS. 563
1860. L. Tobler, Versuch eines Systems der Etymologie. Mit
besonderer Berücksichtigung der Völkerpsychologie (Ztschr.
f, Völkerpsych. u. Sprachwissensch. I, 34g — 387).
Vgl. die Kritik von Heerdegen, Grundzüge (1890)
S. 78 — 84 und Hecht (1888) S. 6— 12 und 95 — 98.
1868. M. Br6al, Les id6es latentes du langage. Paris 1868. Neu
hgg. in den M61anges de Mythologie et de Linguistique
S. 295 — 322. Paris 1877.
(1874. Haase, Friedrich, Vorlesungen über lateinische Sprach-
schaft. Hgg. nach seinem Tode von F. A. Eckstein. Bd. I.
Leipzig 1874.
Vgl. die Kritik von Pleerdegen, Ueber Ziele und Methode
der lat. Semasiologie 1878, S. loff., Grundzüge S. 48ff.)
1875. F. Heerdegen, Ueber Umfang und Gliederung der Sprach-
wissenschaft im Allgemeinen und der lateinischen Grammatik
insbesondere. Versuch einer systematischen Einleitung zur
lat. Semasiologie. Erlangen 1875 (i. Heft der Untersuchungen
zur lat. Semasiologie).
1875. Whitney, VV. D., Life and Growth of Language. London
1875.
(Ich benutzte die in der Bibliotheque internationale,
Paris 1892 als 14. Band erschienene Uebersetzung: La
vie du langage.)
1877. Breal, M., De la forme et de la fonction des mots. (Me-
langes de Mythologie et de Linguistique. Paris 1877 S. 243
— 266.)
1878. Heerdegen, F., Ueber Ziele und Methode der lat. Semasio-
logie. Erlangen 1878. (2. Heft der Untersuchungen zur lat.
Semasiologie.)
1880. Paul, Hermann, Prinzipien der Sprachgeschichte. Halle
1880. (Ich habe die 3. Auflage benutzt, s. 1898.)
1880. Littrc, Pathologie verbale. (Etudes et Glanures S. i — 68.
Paris 1880. Abgedruckt in M6moires et documents scolaires
publ. par le Musee p6dagogique, fasc. 45. Paris 1888. Sonder-
abdruck: Comment les mots changent de sens. Paris 1888.)
1883. Breal, M., Les lois intellectuelles du langage. Fragment
de s6mantique. (In Annuaire de l'association pour l'encou-
ragement des 6tudes grecques en France XVII (1883)
S. 132 — 142.)
1883. Lehmann, Heimbert, Ueber den Bedeutungswandel im
Französischen. Diss. Göttingen 1883. Vollständig erschien
Lehmanns Arbeit
1884 unter dem Titel „Der Bedeutungswandel im Französischen".
Erlangen 1884.
1884. Rosenstein, Alfred, Die psychologischen Bedingungen
des Bedeutungswechsels der Wörter. Leipziger Diss. Danzig
1884.
36*
564 K. JABERG,
1885. Wegener, Ph., Untersuchungen über die Grundfragen des
Sprachlebens. Halle 1885.
(1886. Paul, Prmzipien. 2. Auflage. Halle 1886.)
1886. Darmesteter, Arsene, La vie des mots. Paris 1886. (Ich
benutzte die 5. unverändert abgedruckte Auflage von 1892.)
1887. G. Paris, Ausführliche Besprechung des Werkes von Darme-
steter im Journal des Savants 1887 S. 65 — 77, 149 — 158,
241 — 249.
1887. IM. Breal, Besprechung desselben Werkes in der Revue
des deux mondes 1887, Bd. 82, S. 187 ff. unter dem Titel
„L'histoire des mots". (In etwas gekürzter Form wieder ab-
gedruckt in Sdmantique S. ^o^ — 339-)
1888. Hecht, Max, Griechische Bedeutungslehre, eine i.\ufgabe
der klassischen Philologie. Leipzig 1888.
Vgl. dazu Jahrb. f. Phil. u. Päd. 1888 2. Abtlg. Anhang
I — 13 als Erwiderung auf eine Kritik von Zacher.
Vgl. Heys Kritik, Semas. Studien S. 98 — 193 (1892).
1890. Heerdegen, F., Lateinische Semasiologie. Berlin, Calvary
1890. II. Bd. der Neuausgabe von Reisigs Vorlesungen durch
Hagen, Heerdegen, Schmalz und Landgraf. S. 39 — 154 ist
ganz neu und trägt den Titel: Grundzüge der lateinischen
Bedeutungslehre. (Von mir citiert als Heerd. Grdz.)
1890. Franz, Gerh., Ueber den Bedeutungswandel lateinischer
Wörter im Französischen. Progr. d. Wettiner Gymn. Dres-
den 1890.
1891. V. d. Gabelentz, Georg, Die Sprachwissenschaft, ihre Auf-
gaben, Methoden und bisherigen Ergebnisse. Leipzig 1891.
Vgl. besonders S. 40 ff., 189 ff., 221 ff., 319 ff.
1892. Hey, Oskar, Semasiologische Studien. (Fleckeisens Jahrb.
f. klass. Philol., Supplementband XVIII S. S3— 212. Vgl. be-
sonders S. 83 — 121: Allgemeiner Teil.)
1893. Schröder, Fr., Zur griechischen Bedeutungslehre. Progr.
Gebweiler 1893.
1893. Morgenroth, K., Zum Bedeutungswandel im Französischen
I. (Ztschr. f. frz. Spr. u. Litt. XV S. 1 — 23.)
1894. Thomas, R., Ueber die Möglichkeiten des Bedeutungs-
wechsels I. (Blätter für das Gymnasialschulwcsen Bd. XXX
S. 705 — 732. Fortsetzg. s. 1896.)
1894. Schmidt, Karl, Die Gründe des Bedeutungswandels. Progr.
des königl. Realgymnasiums. Berlin 1894.
Vgl. die ausführlichen Besprechungen von Pley, Archiv
f. lat. Lexikogr. u. Gramm. IX, 200 — 230, Morgenroth,
Ztschr. f. frz. Spr. u. Litt. XVII, 17 — 27.
1894. Pley, O., Die Semasiologie, RückbHck und Ausblick. Archiv
f. lat. Lexikogr. u. Gramm. IX, 193 — 230.
1895. Stöcklein, Johann, Untersuchungen zur Bedeutungslehre.
Progr. des Gymnas. Dillingen 1S95. (1897 in München als
Dissertation erschienen.)
PEJORATIVE BEDEUTUNGSRNTWICKLUNG IM FRANZÖS. 565
i8g6, Thomas, R., Ueber die Möglichkeiten des Bedeutungs-
wechsels IL (Bl. f d. Gymn.-Sch. XXXII, 1—27).
1897. Br6al, M., Essai de S^raantiqüe. Paris 1897. (Die bereits
genannten Artikel desselben Verfassers sind in wenig ver-
änderter Form in dieses Buch übergegangen.)
(1898. Paul, H., Prinzipien der Sprachgeschichte. 3. Auflage.
Halle 1898.)
1898. Stöcklein, Joh., Bedeutungswandel der Wörter, seine Ent-
stehung und Entwicklung. Ein Versuch. München, Lin-
dauer 1898.
igoo. Morgenroth, K., Zum Bedeutungswandel im Französischen
IL (Ztschr. f. frz. Spr. u. Litt. XXII, 39 — 55.)
1900. Wundt, W., Völkerpsychologie. Bd. I. Die Sprache. Leip-
zig 1900. 2. Teil S. 420 — 583 (Bedeutungswandel).
1900. Erdmann, Karl Otto, Die Bedeutung des Wortes. Leip-
zig 1900.
3, Spezielle Abhandlungen.
1859 u. 1860. Wackernagel, Deutsche Apellativnamen. (Ger-
mania IV u. V.)
1861. Lazarus, IM., Verdichten des Denkens in der Geschichte.
(Ztschr. f. Völkerpsych. u. Spr, II, 54 — 62.)
1866. Tobler, L., Aesthetisches und Ethisches im Sprachgebrauch.
(Ztschr. f. Völkerpsych. u. Spr. VI, 385 — 428.)
1872. Sachse, Ueber Wechsel und Wandel der Wortbedeutungen
im Deutschen. (Herrigs Archiv f. d. Studium d. neuern Spr.
u. Litt. I, 431 — 462.)
1876. Darmesteter, A., Sur quelques bizarres transformations de
sens dans certains mots. (Revue philosophique II, 1876,
S. 519 — 522. Abgedruckt in Darmesteter, Reiiques scienti-
fiques. Paris 1890, II, 88 — 91.)
1889. Müller, Carl, Ueber den Bedeutungswandel der Worte.
(Ztschr. f. d. deutschen Unterricht III, 307 — 332.)
1890. Thomsen, E., Ueber die Bedeutungsentwicklung der Scheide-
wörter des Französischen. Diss. Kiel 1890.
1892. Schneider, Engelbert, Semasiologische Beiträge. I. Progr.
des Gymn. Mainz 1892, (Ausdruck der Gefühle.)
1894. Tobler, A., Verblümter Ausdruck und Wortspiel in alt-
französischer Rede. (Vermischte Beiträge zur französischen
Grammatik II, 192 — 240. Leipzig 1894.)
1894. Stöcklein, J., Zusammenhang zwischen Sprache und Volks-
charakter. (Blätter f. d. Gymn.-Schulwesen XXX, 335 — 356.)
1896. Erdmann, Karl, Vorstellungswert und Gefühlswert der
Worte. (Beilage zur Allg. Zeitung 1896 N°^ 222 und 2 2 7,.
Etwas verändert abgedruckt in dem oben genannten Buche.)
1899. Bökemann, Walter, Französischer Euphemismus. Diss.
Berlin iSqq.
566 K. JABERG,
1899. Cuers, H. , Bildung und Bedeutungswandel französischer
Infinitive. Progr. Frankfurt 1899, bes. S. XXX— XXXXII.
1900. Münch, Wilhelm, Sprache und Ethik. (Ztschr. f. d. deut-
schen Unterricht XIV, 53 — 76.)
Speziell die pejorative Bedeutungsentwicklung behandeln:
1865. Müller, Eduard, Ein pessimistischer Zug in der Entwick-
lung der Wortbedeutungen. (Zur englischen Etymologie.
Coethen 1865 S. 23 — 35.)
1893. Bechstein, Reinhold, Ein pessimistischer Zug in der Ent-
wickelung der Wortbedeutungen. {Pfeiffers Germania VII,
330 — 354-)
1898. Nitzsche, Max, Ueber Qualitätsverschlechterung französi-
scher Wörter und Redensarten. Diss. Leipzig 1898.
Vgl. die Besprechung von Dittrich, Ztschr. f. frz. Spr. u.
Litt. XXI, 153 — 160.
Von den auf der vorigen und auf dieser Seite angeführten
Autoren handeln ausführlicher von der Bedeutungsverschlimmerung:
L. Tobler, Sachse, C.Müller und W. Münch. INIan vergleiche
ferner Trench S. 73ff., Manno und Littr6 (Pathologie verbale)
passim, Lehmann S. 40 — 59, Darmesteter (Vie des mots) S. loi
— 103, 105 — 108, Franz S. 17 — 19, Schmidt besonders S. loff.,
S. 39 ff., Br^al (Semantique) S. iioff., Wundt S. 445 — 449 (Wert-
beurteilung) S. 528 — 536 (Gefühlswirkungen beim Bedeutungswandel).
Auch sonst ist die Bedeutungsverschlimmerung häufig bemerkt
worden, und es werden beiläufig da und dort ein paar Beispiele
gegeben. Thukydides III, 82 klagt über die Verkehrung der
sittlichen Begriffe infolge der Schrecken des peloponnesischen
Krieges. An ihn anschliefsend wettert J. G. Radlof (Teutschkund-
liche Forschungen und Erheiterungen für Gebildete. II. Berlin 1826
S. 177 — 181 Umkehrung der Begriffe infolge staatischer Umwäl-
zungen) über Verblassung und Verschlimmerung ethischer Begriffe
in dem Deutschen seiner Zeit. Er citiert auch Plato und Sallust.
Die aus letzterem angeführte Stelle entstammt Catilina LII (Rede
Cato's). Von älteren Erwähnungen der Bedeutungsverschlimmerung
nenne ich noch:
Cicero, De off. I, 37 (hostis) und Epistolae ad fam. IX, 22 (Ob-
scoena).
Aulus Gellius, Noctes Atticae XII, 9.
E. Pasquier, Recherches 1. VIII c. 19.
Leonhard Meister, Bey träge zur Geschichte der teutschen
Spr. u. Nationallitt. I. Tl. London 1777 (auch Heidelberg 1780)
druckt S. 270 — 272 die Bemerkungen von v. Gemmingen
(Briefe nebst andern poetischen und prosaischen Stücken.
Frankfurt u. Leipzig 1753) ab. Ebendort wird auf Schubarts
Teutsche Chronik 3. Jahrg., S. 567 (1776) verwiesen.
Stosch, Besondere Veränderung der ehemaligen Bedeutung
einiger deutscher Wörter (Berlinische INIonatsschrift, hgg. v.
Gedike und Biester, Jahrg. 1783, Bd. II S. 85 — 92, 184 — 192).
PEJORATIVE BEDEUTUNGSENTWICKLUNG IM FRANZÖS. 567
Nach obigen Angaben sind die Litteraturnachweise von
C. Müller, Ztschr. f. d. deutschen Unterricht III, 3 1 3 ff. und Dittrich,
Ztschr. f. fr. Spr. u. Litt. XXI, 153 zu präcisieren. Den Namen
Nemeitz (C.Müller S. 313) finde ich weder in dem angegebenen
noch in dem folgenden Jahrg. der Berl. Monatsschrift, v. Gem-
mingen, Schubart, Hillmer (Bemerkungen und Vorschläge zur
Berichtigung der deutschen Sprache 1793), O. Kares (Poesie und
Moral im Sprachschatz. Essen 1882) und der Artikel der Kölner
Zeitung No. 1046 (6. Nov. 1898), die alle von Dittrich a. a. O. S. 153
genannt werden, waren mir nicht zugänglich.
II. Besprechung der neuern semasiologischen Litteratur.
Vor drei Jahren erschien Max Nitzsches Dissertation über
Qualitätsverschlechterung französischer Wörter und Redensarten.
Es bedarf einer Rechtfertigung, wenn ich nach so kurzem Zwischen-
raum eine Neubearbeitung desselben Themas veröffentliche. Zwei
Gründe bewegen mich dazu: Erstens hatte ich die Sammlung meines
Beispielmaterials zum gröfsten Teil beendet, als Nitzsche's Disser-
tation erschien. Mein Material ist in manchen Dingen von dem-
jenigen Nitzsche's verschieden. Zweitens weicht meine Betrachtungs-
weise bedeutend von derjenigen meines Vorgängers ab.
Dittrich wirft Nitzsche in seiner Kritik (Ztschr. f. frz. Spr. u.
Litt. XXI, 159) ungenügende Kenntnis der semasiologischen
Litteratur vor. In der That hat sich Nitzsche darauf beschränkt,
die bei Morgenroth, Ztschr. f. frz. Spr. u. Litt. XV, i ff. angeführten
Werke zu Rate zu ziehen. So sind ihm die tüchtigen Arbeiten
der klassischen Philologie entgangen. Lehmann kennt er nur
durch seine Dissertation. Die im darauffolgenden Jahre erschienene
vollständige Arbeit herbeizuziehen, die er bei Morgenroth citiert
fand, hielt er nicht für notwendig. Infolgedessen blieb ihm der
Abschnitt über die Bedeutungsverschlechterung, einer der besten
in Lehmanns Buch, unbekannt. Daher die von Dittrich a. a. O.
S. 154 konstatierten Lücken, daher die Behauptung, eine gruppen-
weise Anordnung der Beispiele pejorativer Bedeutungsentwicklung
existiere noch nicht.
Nitzsche's Nachlässigkeit ist um so mehr zu tadeln, als die
semasiologische Litteratur bis jetzt eine verhältnismäfsig geringe
Ausdehnung erreicht hat. Mit jeder neuen Arbeit ist aber ein
kleiner Fortschritt zu verzeichnen. Deshalb haben für die roma-
nische Philologie auch diejenigen Werke Bedeutung, die nicht
speziell auf ihrem Boden entstanden sind.
Mit der nachfolgenden Besprechung der neuern semasiologi-
schen Litteratur verfolge ich einerseits den Zweck, den Romanisten
auch mit dem auf andern Gebieten Erschienenen bekannt zu machen, i
Andrerseits ist es mir darum zu thun, meinen Vorgängern gegen-
^ Gemäfs der von Dittrich a. a. O. S. 159 aufgestellten Forderung einer
Centralisation der semasiologischen Forschung.
568 K. JABERG,
Über Stellung zu nehmen. Ich beschränke mich dabei im Wesent-
lichen auf die von Morgenroth a. a. O. nicht erwähnten Arbeiten. —
Man hat sich bei der Betrachtung eines einzelnen Bedeutungs-
wandels folgende Fragen gestellt:
i) Welches ist das logische Verhältnis zwischen der
neuen und der alten Bedeutung?
2) Wie hat sich der Bedeutungswandel vollzogen?
3) Warum ist er eingetreten?
Zur Erläuterung wähle ich ein Wort, dessen neue Bedeutung
nicht in den allgemeinen Sprachgebrauch gedrungen, dessen Ent-
wicklung aber gerade deshalb durchsichtiger ist.
remlde „Heilmittel" wird nach Darmesteter, Vie des mots S. 166
(vgl. auch den Dict. gen.) hie und da in der Bedeutung „Klystier"
verwendet. Die Beantwortung der obigen Fragen ergiebt Fol-
gendes :
i) „Heilmittel" ist ein allgemeinerer Begriff als „Klystier".
„Klystier" besitzt einen reichern Vorstellungsinhalt als „Heilmittel".
Die Bedeutungsveränderung besteht also in einer Verengung des
Umfangs mit gleichzeitiger Bereicherung des Inhalts der
Bedeutung.
2) Die Vorstellung „Klystier" tritt ins Bewufstsein und ver-
langt eine Benennung. Da lave?nent als unpassend erscheint, gilt
es, ein neues Wort zu finden. Mit der Vorstellung „Klystier"
associiert sich wegen der Gemeinsamkeit des Vorstellungselementes
„Heilung" die Vorstellung „Heilmittel". Infolgedessen wird das
mit letzterer associierte Wort [remMe] auf erstere übertragen. So-
weit, was den Sprechenden betrifft. In dem Hörenden tritt
zunächst die Vorstellung „Heilmittel" ins Bewufstsein. Die Situation
aber veranlafst ihn, die von dem Sprechenden vollzogene Association
in umgekehrter Richtung zu wiederholen. So gelangt auch er dazu,
das Wort remede mit der Vorstellung „Klystier" zu verbinden.^
Die Bedeutungsveränderung ist die Folge einer bewufsten Ueber-
tragung auf Grund eines Associationsprocesses.
3) „Klystier" hat die ihm zukommende Benennung lavement
nicht erhalten, weil dieses Wort die mit ihm associierte, ästhetisch
unangenehme Vorstellung zu unmittelbar ins Bewufstsein rief. Grund
der Wahl eines neuen Wortes ist somit das Schamgefühl.
Warum die Association gerade auf reniMe führte und nicht irgend
einen andern unter den möglichen Wegen einschlug, ist bei dem
vorliegenden Beispiele kaum zu sagen. In andern Fällen mag die
historische Interpretation Auskunft geben.
Je nachdem nun die erste oder die beiden andern der oben
angeführten Fragen im Vorder gründe des Interesses stehen, er-
kermen wir in der semasiologischen Litteratur zwei Betrachtungs-
weisen:
^ Wie die individuell vollzogene Bedeutungsveränderimg in den allge-
meinen Sprachgebrauch dringt, soll später gezeigt werden.
PEJORATIVE BEDEUTUNGSENTVVICKLUNG IM FRANZÖS. 569
1. Logische Betrachtungsweise.
2. Psychologisch-historische Betrachtungsweise.
Da die Frage nach den dem Bedeutungswandel zu Grunde
liegenden psychologischen (und sprachlichen) Vorgängen eng mit
der Frage nach seinen Gründen zusammenhängt, sind meist beide
gemeinsam behandelt worden. Eine Trennung ist deshalb auch
für die nachfolgende Besprechung nicht ratsam.
I. Logische Betrachtungsweise.
Der Hauptvertreter der logischen Betrachtungsweise ist Fer-
dinand Heerdegen, der in seinen „Untersuchungen zur latei-
nischen Semasiologie" mit allem Nachdruck die Semasiologie als
philologisch - historische Disciplin gefordert und ihr im
I.Hefte ihre Stelle innerhalb der Grammatik angewiesen hat. S. 47
fafit er seine Resultate folgendermafsen zusammen:
Der gesamte grammatische Stoff zerfällt in:
I. Lehre vom Wort für sich oder Wortlehre.
1. Formenlehre des Wortes für sich, d. i. Etymologie
(worunter auch I^aut- und Wortbildungslehre mit inbe-
griffen).
2. Funktionslehre des Wortes für sich — Semasio-
logie.
IL Lehre vom Wort als Glied des Satzes oder kurzweg
Satzlehre.
1. Formenlehre des Wortes im Satze — Flexionslehre.
2. Funktionslehre des Wortes im Satze — Syntax.
Die Existenz von Uebergängen oder Verbindungen bestreitet
Heerdegen nicht. Man darf der Behauptung zustimmen, dafs dies
an der Wissenschaftlichkeit seiner Einteilung nichts ändere. ^
Das 2. Heft der Untersuchungen bespricht die allgemeinen
Prinzipien des Bedeutungswandels, das 3. giebt ein lexikalisches
Beispiel.
Die Resultate der Untersuchungen werden in den „Grund-
zügen der lateinischen Bedeutunglehre" zusammengefafst.
Heerdegen anerkennt drei Prinzipien des Bedeutungswechsels:
I. Determination. (Spezialisierung, Bedeutungsverengerung.)
11. Translation.2 (Bedeutungsübertragung.)
III. Substitution. (Bedeutungsverallgemeinerung.)
Musterbeispiele:
I. hostis Fremder — Feind. 3 Vgl. poison Trank — Gifttrank.4
II. fingere bilden (kneten) — dichten.''' Vgl. hroiiiller mischen,
trüben — entzweien.
^ Vgl. dazu auch Grundzüge S. 41 ff. (1890).
"^ Den im 2. Hefte der Untersuchungen (S. 30) eingeführten Ausdruck
Association verläfst Heerdegen aus praktischen Gründen.
* Heerdegen, Grundzüge S. 56.
* Wobei ich die spätere Verallgemeinerung Gifttrank ^ Gift aufser acht lasse.
^ Heerdegen a. a. O. S. 45 und 58.
570 K. JABERG,
IIL dicere. Die absterbende allgemeine Bedeutung von orare (das
sich von „sprechen" zu „bitten" spezialisierte) wird von dicere
aufgenommen, das ursprünglich ein geistiges Zeigen oder
Weisen bedeutete (vgl. griech. öwüvvvai).'^ Vgl. iiager, das,
ursprünglich = naviguer, die Bedeutung des verschwindenden
notier (= natare) übernimmt.-
Die Substitution „darf nicht prinzipiell mit den beiden andern
auf eine Linie gestellt werden; die Geltung, die ihr zukommt, läfst
sich nicht als eine regelmäfsige, sondern nur als eine subsidiäre
bezeichnen" (Grdz. S. 93). Sie ist nicht unabhängig, sondern
bedingt durch den Bedeutungswechsel eines andern Wortes. Nur
äufserlich ist sie der Determination entgegengesetzt, indem sie
vom Speziellen zum Allgemeinen führt; von der Translation unter-
scheidet sie sich dadurch, dafs ein Uebergang in eine andere
Sphäre nicht stattfindet.^ So gelangt Heerdegen dazu, die beiden
ersten Prinzipien als unabhängigen oder freien Bedeutungs-
wandel dem abhängigen oder bedingten Bedeutungswandel
(Substitution) gegenüberzustellen. „Noch ein weiteres, sei es
unabhängiges und selbständiges, sei es subsidiäres Prinzip aufser
den drei genannten glauben wir nicht annehmen zu dürfen" be-
merkt er ausdrücklich S. 95 der Grundzüge.
Die bisher besprochenen Erscheinungen fafst Heerdegen als
realen Bedeutungswandel zusammen und stellt diesen dem
formalen oder modalen Bedeutungswandel* gegenüber, der
nicht die Wurzelbedeutung als solche trifft, „sondern nur die INIo-
dalilät, in welcher diese Wurzelbedeutung auftritt", also die Suffixe.
Den formalen Bedeutungswandel weist er der Wortbildungslehre
zu. Ich habe mich in der vorliegenden Arbeit auf den realen
Bedeutungswandel beschränkt, trotzdem mir auch der modale dem
Gebiete der Semasiologie anzugehören scheint.^
H. Paul** bedient sich, abgesehen von einigen Andeutungen,
S. 92 ff. wie Heerdegen ausschlicfslich der logischen Betrachtungs-
weise. Er unterscheidet:
I. Spezialisierung der Bedeutung durch Verengung des
Umfangs und Bereicherung des Inhalts. List' Klug-
heit — ruse. Vgl. poison Trank — Gifttrank.
II. Beschränkung auf einen Teil des Vorstellungs-
haltes, die also eine Erweiterung des Umfanges be-
dingt, fertigt zur Fahrt bereit — bereit. Vgl. dame Frau
von edler Abkunft — Frau.
1 Heerdegen a. a. O. S. 90 ff. Vgl. auch das 3. Heft der Untersuchungen,
Erlangen 1881 (Lexikalisches Beispiel).
^ Darmesteter, Vie des mots S. 137.
3 Zu dieser merkwürdig einseitigen Auffassung der Bedeutungsverallge-
meinerung s. unten S. 572.
* Untersuchungen H S. 38 ff. Grundzüge S. 117 ff.
* Vgl. unten S. 594 ff.
* Prinzipien der Sprachgeschichte ^ IV. Kap. S. 67 ff.
' Paul a. a. O. S. 80. s a, a. O. S, 83.
PEJORATIVE BEDEUTUNGSENTWICKLUNG IM FRANZÖS. 57 I
III. Uebertragung auf das räumlich, zeitlich oder kausal
mit dem Grundbegriff Verknüpfte, erschrecken^, eigent-
lich „aufspringen". Vgl. craindre von tremere.
Heerdegen hatte sich S. 60 ff. der Grundzüge gegen Pauls un-
bestimmte Definition der II. Hauptart des Bedeutungswandels ge-
wendet, die in der 2. Auflage der Prinzipien lautete: „Beschränkung
auf einen Teil des ursprünglichen Inhaltes, womit sich aber zu-
gleich in der Regel Bereicherung nach einer andern Seite hin
verbindet", wozu Beispiele bildlichen Ausdrucks (Metaphern) ge-
geben wurden. In der 3. Auflage nahm Paul die von Heerdegen
geforderte präcisere Passung auf. Man hat den Eindruck, er sei
dadurch in Verlegenheit geraten, wo er nun die Metapher unter-
bringen solle. In der That erhält sie eine künstlich konstruierte
Zwischenstellung zwischen I und II, die in folgender Weise be-
gründet wird: In Fuchs"^ = fuchsrotes Pferd hat wie bei II eine
Beschränkung auf einen Teil des Vorstellungsinhaltes von Fuchs =
vulpes stattgefunden (vulpes — Tier von fuchsroter Farbe), zugleich
aber eine Verengung des Umfangs wie bei I (nicht Tier von fuchs-
roter Farbe überhaupt, sondern Pferd von fuchsroter Farbe).
Die Darstellung ist deshalb eine künstliche, weil in Wirklichkeit die
Bedeutung „Tier von fuchsroter Farbe" gar nicht existiert hat.
Von Verengung und Erweiterung, scheint mir, kann man nur
sprechen, wenn die beiden verglichenen Begriffe der gleichen Be-
griffssphäre angehören. Dies ist bei den Bedeutungen von Fuchs
nicht der Fall. Dieselben stehen nicht im Verhältnis der Ueber-
oder Unterordnung wie Trank — Gift trank und Frau von
edler Abkunft — Frau, sondern im Verhältnis der Nebenord-
nung wie tremere — craindre.3
Ich möchte mich daher, wenn es auf eine rein logische Ein-
teilung ankommt, derjenigen von Thomas (Bl. f. d. Gymn.-Sch.
XXX S. 720 zusammengefafst) anschliefsen:
I. Bedeutungswandel innerhalb derselben Begriffs-
sphäre.
a) Vom genus zur species — Spezialisierung (Determi-
nation, Verengerung). Vgl. poisott.
b) Von der species zum genus — Generalisierung (Ver-
allgemeinerung). Vgl. dame.
II. Bedeutungswandel durch Uebergang in eine andere
Begriffssphäre.
a) Durch rein gedankliche Vermittlung der Begriffe — Me-
tapher. Vgl. brouiller.
b) Durch Vermittlung auf Grund sachlichen Zusammenhangs
— Metonymie. Vgl. craindre.
1 Paul, Prinzipien S. 90.
» a. a. O. S. 86.
ä Vgl. Thomas, Bl. f. d. Gymn.-Sch. XXX S. 721. Davon abweichend
Hey, Rückblick und Ausblick S. 195.
572 K. JARERG,
„Metapher" und „Metonymie" sind um der Bequemlichkeit
und Kürze willen aus der traditionellen Rhetorik herübergenommene
Ausdrücke, die, wie man sieht, bei Thomas eine neue Bedeutung
erhalten.
Lehmanns Einteilung beruht im Wesentlichen auf den oben
genannten Grundformen des Bedeutungswandels. Die Inkonse-
quenzen, die er sich bei der Einordnung seiner Beispiele zu
Schulden kommen läfst, beweisen, wie schwierig die Anwendung
eines rein logischen Systems ist.
In dem „Conditions logiques" betitelten Kapitel seines Buches
gelangt Darmestett-r, lange vor Thomas, zu denselben Resultaten
wie dieser:
1. Synecdoque: Restrictions de sens. S. 54 ff.
2. Synecdoque: Extensions de sens. S. 60 ff.
3. Mdtaphore. S. 63 ff.
4. Metonymie. S. 62 f.
Eine praktische Zusammenstellung von Beispielen, die sich
auf eine logische Klassifikation stützen würde, müfste wohl neben
Verengerung und Erweiterung eine dritte Kategorie aufstellen, die
beide vereinigt, um diejenigen Beispiele unterzubringen, bei denen
successive Verengerung und Erweiterung stattgefunden hat. Bei-
spiel: mar Schal, nach dem Dict. g^n.
lO Anciennt. Domestique charge du soin des chevaux.
20 Officier qui a soin des chevaux.
30 Officier de cavalerie.
40 P. ext. Nom donne ä divers officiers gen6raux.
Wir konstatieren hier zunächst eine Verengerung, dann eine Er-
weiterung und hierauf mehrere parallele Verengerungen. (Die Be-
zeichnung Par extension wendet der Dict. gen. in wenig präciser
Weise an.) Das Resultat ist eine Verschiebung der Bedeutung.i
Ich möchte dafür die Bezeichnung „Transformation" vorschlagen,
um eine Verwechslung mit dem bei der psychologischen Betrach-
tungsweise verwendeten Terminus „Verschiebung" zu vermeiden.
Das System von Heerdegen bedarf in einem Punkte, den ich
bisher übergangen habe, noch der Erörterung. Alle Nachfolger
Heerdegens stimmen darin überein, dafs sie neben die bedingte
Bedeutungserweiterung (s. oben S. 570) eine unabhängige stellen.
Besonders Pley (Semasiologische Studien S. 92) thut überzeugend
dar, dafs es nicht nur neben der bedingten auch eine unab-
hängige BedeutungserM'eiterung, sondern auch neben der
freien eine bedingte Determination gebe. Beispiele für die
letztere bietet die häufig besprochene Erscheinung der Bedeutungs-
differenzierung. Für die erstere (die unabhängige Bedeutungs-
erweiterung) nennt Hey virius Mannhaftigkeit — Vortrefflichkeit
^ Vgl. V. d. Gabelentz, Die Sprachwissenschaft S. 230: ,,Die Verschie-
bung wird in der Regel nach Raupenart durch abwechselnde Streckung und
Zusammenziehung vor sich gehen."
PEJORATIVE BEDEUTUNGSENTWICKLUNG IM FRANZÖS. 573
in jeder Beziehung. Weitere Beispiele bei Schröder, Zur griech.
Bedeutungslehre S. 4 und Darmester, Vie des mots S. 6i. Charak-
teristische Beispiele für das Französische: panier, Brotkorb — Korb,
honcher, marchand de viande de bouc — marchand de n'importe
quelle viande.
Die Bemerkung Heys ist zweifellos richtig; allein er hätte bei-
fügen können, dafs der Unterschied zwischen freiem und bedingtem
Bedeutungswandel bei einer logischen Klassifikation gar nicht in
Betracht kommt. Heerdegen macht sich einer Inkonsequenz schul-
dig, indem er in einem Falle die Kausalität als Einteilungsgrund
verwendet, während sich seine Einteilung im übrigen nur auf das
logische Verhältnis zwischen alter und neuer Bedeutung stützt. —
Der logischen Betrachtungsweise haftet ein Grundfehler an:
Sie zwingt der Sprache einen ihrem Wesen fremden Mafsstab auf.
Von ihrem Standpunkte aus können wir wohl eine Veränderung
nachträglich beurteilen, nicht sie erklären. Daher kommt es, dafs
ihre Vertreter instinktiv andere, dem Wesen des Bedeutungswandels
angemessenere Gesichtspunkte herbeiziehen (vgl. das eben zu Heer-
degen und oben S. 572 zu Lehmann Bemerkte) oder dafs sie künst-
lich konstruieren (vgl. oben S. 57i).i
2. Psychologisch-historische Betrachtungsweise.
Heerdegen definiert S. 44 der Grundzüge die Aufgabe der
Semasiologie in folgender Weise: „Aufgabe dieser Disciplin ist es,
die in der Entwickelung der einzelnen Wortbedeutungen herrschen-
den Analogieen "-^ festzustellen", und genauer S. 71 f.:
„I. Bestimmung des gesamten, konzentrischen, bez. successiven
Verhältnisses der Wortbedeutungen. ^
2. Bestimmung des Zeitpunktes, wann, und der Umstände, unter
denen die neue Wortbedeutung aufkam.
3. Bestimmung des Zeitpunktes und der Umstände des even-
tuellen Absterbens einer altern Bedeutung."
Sollte aber damit die Aufgabe der Semasiologie erschöpft sein?
Sollte sie beschränkt bleiben auf die blofse Feststellung von Daten
und äufserlichen Analogieen? Dann wäre sie eine recht enge Dis-
ciplin und hätte vor der wissenschaftlichen Lexikographie,
welche die Bedeutungen eines Wortes in historisch -genetischer
Reihenfolge giebt, nur wenig voraus.
Heerdegens Prinzipien liefern uns wohl praktische Schachteln
mit Fächern und Unterabteilungen, deren Nutzen für eine über-
sichtliche Einordnung der Beispiele nicht zu verkennen ist; allein
1 Man lese über die Nachteile einer logischen Klassifikation die treff-
lichen Bemerkungen von Wundt, Völkerpsychologie I, 2, 444 f.
^ Unter Analogieen versteht er dabei, wie aus dem Vorhergehenden zu
ersehen ist, die äufserlichen Formen des Bedeutungswandels.
3 Vgl Darmesteter, Vie des mots S. 73 ff'.: Modifications complexes:
Rayonnement, Eachainement.
574 K- JABERG,
von den psychischen Vorgängen, die zum Bedeutungswandel
führen, und von ihren Gründen erfahren wir nichts. Das innerste
Wesen des Bedeutungswandels, der Zusammenhang mit der geistigen
Entwicklung des Menschen, bleibt unberührt. In diesen einzu-
dringen gestattet uns nur die historisch-psychologische Be-
trachtungsweise, die an Stelle der formalen Analogien des
psychischen Geschehens und Analogien des Kausal-
zusammenhanges setzt.
In scharfem Gegensatz zu Heerdegen stehen die in dei'
„Griechischen Bedeutungslehre" (1888) niedergelegten Ansichten
von Hecht. Ich nenne ihn hier an erster Stelle, indem ich die
von Morgenroth ' besprochenen Arbeiten seiner Vorgänger über-
gehe. Er scheint übrigens Darmesteter und Rosenstein ebenso-
wenig wie Paul und Heerdegen gekannt zu haben. Seine Arbeit
ist deshalb durchaus selbständig, aber in manchen Punkten etwas
einseitig. Als Verdienst mufs ihm angerechnet werden, dafs er
die psychologisch -historische Betrachtungsweise in den Vorder-
grund des Interesses gerückt hat. Nachfolger und Kritiker 2 hätten
dies ausdrücklicher hervorheben dürfen, um so mehr als der Ein-
flufs Hechts sich in ihren Schriften deutlich geltend macht. Heer-
degen nennt das Buch „eine trotz mancher Mängel verdienstliche
und zeitgemäfse Schrift".
Den Kritikern Hechts ist meistenteils beizustimmen. Er läfst
sich da und dort unbegreifliche Widersprüche und Einseitigkeiten
zu Schulden kommen. Hier zwei Beispiele: S. 41 sagt er, die Ent-
wicklung der Dialekte lasse die Bedeutungen unberührt (!). Dazu
eine Fufsnote, die erklärt, wie dialektisch verschiedene Bedeutungen
entstehen können, und zum Schlüsse die Bemerkung, das Ende
werde lehren, ob und wie weit mundartliche Verschiedenheiten der
Bedeutung vorhanden seien. S, 18 wird die paradoxale Behauptung
aufgestellt, die modernen Sprachen seien zu semasiologischer Unter-
suchung ungeeignet.
Trotzdem bleibt der Grundgedanke des Buches richtig (ganz
abgesehen von manchen anregenden Ideen im Einzelnen), und dies
ist doch wohl das Wesentlichste. „Gesetzliches seelisches Ge-
schehn in der Bedeutungsentwicklung wirksam zu zeigen",
sagt Hecht S. 63, „ist die letzte Aufgabe der Bedeutungs-
ehre." Und genauer S. 72:
I. Nachweis des Zusammenhangs zwischen
a) Kulturfortschritt,
b) Fortschritt der Naturbeobachtung
einerseits und der Bedeutungsentwicklung andrer-
seits
1 Vgl. Ztschr. f. frz. Spr. u. Litt. XV S. I ff.
2 Hey, Semasiologische Studien (1892) S. 100 ff., Schröder, Griech. Be-
deutungslehre (1893) passim, Stöcklein, Untersuchungen zur lat. Bedeutungs-
lehie (1897) ^- 12 ff.
PEJORATIVE BEDEUTÜNGSENTWICKLUNG IM FRANZÖS. 575
2. Darlegung des psychischen Geschehens bei
a) dem momentanen Schöpfungsakt,
b) der allmählichen Begriffsumbildung andrerseits.
Beispiele, a) Für den Zusammenhang zwischen Kul-
turfortschritt und Bedeutungsentwicklung (S. 52). Aus dem
Gebiete der Baukunst:
xäXi^ Kalk (alte Bedeutung: Kies, kleine Bruchsteinf.-).
xovia Kalk, Mörtel (alte Bedeutg.: Staub).
ytgai'oq Hebemaschine (alte Bedeutg.: Kranich).
Vgl. agrafe anciennt. crochet — archit. „morceau de fer ou de
bronce qni sert a relier ensemble deux pierres" (Klammer,
Krampe).!
aiguiUe Nadel — Dachstuhlsäule. 1
micre Anker — archit. „piece de fer placee a l'extr^mite d'un
chainage pour maintenir l'ecartement des murs".i
Es genügt, einen Blick in ein technologisches Wörterbuch zu
werfen, um sich zu überzeugen, welche Unmasse von Bedeutungs-
änderungen (besonders Determhiationen und Metaphern) durch die
Kulturentvvicklung veranlafst wird.
b) Für den Zusammenhang zwischen Fortschritt in
der Naturbeobachtung und Bedeutungsentwicklung. Hecht
S.59f-:
Xöfpoq Nacken — Hügel.
(mx^^^ Rückgrat — Bergrücken.
X0|M/^ Haar — Laub.
Vgl. 7na?}ielo7i Brustwarze — sommet arrondi d'une colline, d'une
montagne.
crete Kamm eines Hahnes — Kamm eines Berges.
quenouille Spindel — tige de certaines plantes.
Sehr instruktiv für die volkstümliche Naturbeobachtung sind
die dialektischen Ptlanzennamen. Für iierre finden wir z. B. im
nordwesthchen Frankreich den Typus broiit (Verbalsubstantiv von
brouter, eigentlich = pousse verte, vgl. Godefroy, Suppl. unter brost,
Dict. g(in. unter broui), in der Schweiz und den angrenzenden
Teilen Frankreichs den Typus ierrestrem, in den nördlichen Vogesen
und dem südlichen Belgien Verbalsubstantiva von ramper.-
Die „fortschreitende Kultur und die immer neue Erscheinungen
offenbarende Natur" geben nur den Anstofs zum Bedeutungs-
wandel: Indem sie dem Geiste neue Vorstellungen zuführen, rufen
sie das Bedürfnis nach ihrer Benennung hervor. Die schaffende
Kraft aber ist die Seele. Somit ist die Psychologie die
wahre Grundlage der Bedeutungslehre (a. a. O S. 63).
1 s. Dict. gen., Viollet-le-Duc, Dictionnaire de rArchitecture fran^aise
du Xle au XVIe si^cle t. I und Röliiig, Dictionnaire teclinologique fran^ais-
allemand-anglais. Wiesbaden 1887.
^ Gillieron, Material zum Atlas linguistique de la France, dessen
Veröffentlichung in nächster Zeit beginnen wird (Vorlesungsnotizen). Man
vergleiche auch Rolland, Eug, , Flore populaire, Paris 1896 ff.
576 K. JABERG,
Nachdem Hecht (a. a. O. S. 64) dargethan, dafs auch beim Be-
deutungswechsel infolge rein äufserlicher, willkürlicher Umgestaltung
der Dinge [xvvt?] Hundsfellmütze — Helm) ps}'chisches Geschehen
mitwirkt, unterscheidet er zwei Arten der seelischen Bethätigung
(a.a.O. S. 65 — 71):
1. Entstehung einer neuen Bedeutung durch den psy-
chischen Akt der Vorstellungsverbindung:
xeXr/g Renner — Schnellschiff (Yacht). Vgl. broiiiller mischen,
trüben — entzweien.
II. Entstehung einer neuen Bedeutung durch all-
mähliche Umbildung der Vorstellungen:
aQi:.rri bei Homer Vorzüglichkeit und Tüchtigkeit im allgemeinen
— bei Hesiod Tugend in entschieden moralischem Sinne.
rgaymÖia Bocksopfergesang — Tragödie (mit einer Reihe von
Zwischenstufen).
Vgl. outrage afrz. was über das gewöhnliche Mafs hinausgeht,
sowohl nach der guten als auch nach der schlechten Seite
— nfrz. Schimpf.
roman Werk in romanischer Sprache — Roman. 1
Eine weitere Einteilung giebt Hecht nicht. Er beschränkt sich
auf den Hinweis, dafs bei der Feststellung der Gesetze für I. das
logisch verschieden geartete Verhältnis zwischen der Vorstellung der
alten und der Vorstellung der neuen Bedeutung mafsgebend sei.
Hiezu zwei Bemerkungen: i. Jeder Bedeutungswandel beruht
doch wohl auf einer Vorstellungsverbindung. Als Merkmal von I.
ist diese Erscheinung daher ungeeignet. Besser spricht Hecht in
den darauffolgenden Erläuterungen (S. 66) von einer Repro-
duktion der alten Vorstellung durch die neue. „Wenn xih/g
neben Renner auch Yacht bedeutet, so konnte z. B. die Bedeutung
Yacht nur dadurch zu stände kommen, dafs ein über das Meer
hineilendes Schnellschiff die Vorstellung des Renners in Erinnerung
brachte." Charakteristika von I. und II. bleiben somit: Psychischer
Akt — allmähliche Umbildung.
2. Es ist nicht einzusehen, warum bei einer streng psycho-
logischen Behandlung des Bedeutungswandels logische Ge-
sichtspunkte für die Feststellung der Gesetze für I. mafsgebend
sein sollen.
Auf einem Mifsverständnis beruht es, wenn Hey (Semasiol.
Studien S. 100) seinem Vorgänger eine Vermengung der beiden
oben S. 574 f. genannten Gesichtspunkte (Aeufsere Anlässe des Be-
deutungswandels — Psychisches Geschehen beim Bedeutungswandel)
vorwirft und die Herbeiziehung stofflicher Quellen eine glückliche
Inkonsequenz nennt. Das Mifsverständnis kommt daher, dafs Hey
den eben unter 2. kritisierten Hinweis Hechts auch auf II. bezieht,
worüber der Verfasser srar nichts Näheres bemerkt.
> Zwischenstufen s. G. Paris, Journal des Savants 1887, S. 246 f., Voelker,
Ztsclir. f. rom. Phil. X, 485 ff., dazu G. Paris, Romania XVI, 157.
PEJORATIVE BEDEUTÜNGSENTWICKLUNG IM FRANZÖS. 577
Die i8g2 in Fleckeisens Jahrbüchern f. klass. Phil. (S. 84 — 212)
veröffentlichten „Semasiologischen Studien" von O. Hey schliefsen
sich unmittelbar an Hechts Buch an. Den Hauptteil bildet eine
eingehende Besprechung der Bedeutungsdifferenzierung im Latei-
nischen. Uns interessiert hier vor allem die Einleitung. Von einer
Kritik der Heerdegen'schen Prinzipien ausgehend gelangt Hey zu
dem Schlüsse: Die Kategorien der möglichen Formen sind
zu ersetzen durch die Kategorien der möglichen Gründe
des Bedeutungswandels (a.a.O. S. 95). Für die Aufstellung
solcher Kategorien ergeben sich folgende drei Hauptgesichtspunkte
(a.a.O. S. loi f.):
I. Bedeutungswandel infolge einer allmählichen, in seinen ein-
zelnen Stadien nicht ins Bcwufstsein tretenden Umbildung eines
Objekts, resp. Um- oder Ausbildung eines Begriffes (Ob-
jektes der innern geistigen Welt), wobei die Seele aktiv gar nicht
beteiligt ist. Beispiele: rgayrodia Bocksopfergesang — Tragödie.
aQtrrj Tüchtigkeit — Tugend. Vgl. roman Werk in romanischer
Sprache — Roman, outrage was über das gewöhnliche Mafs hinaus-
geht — Schimpf.
II. Bedeutungswandel ohne alle Beziehung auf Veränderungen
der objektiven Welt, in einem (bewufsten oder unbewufsten) Akt
der Seele bestehend, welcher ein Wort auf einen ihm bisher
fremden, neuen Begriff bezieht. Beispiel: valetudo Befinden —
Krankheit. Vgl. poison Trank — Gifttrank 1 (vgl. reniMe oben
S. 568).
III. Zusammenwirken des subjektiven und des objek-
tiven Elements, indem Natur und Kultur dem menschlichen
Bewufstsein die Objekte (der äufsern sowie der innern Welt) auf-
drängen, die Onomatothesie derselben aber unter Benutzung des
vorhandenen Sprachmaterials durch einen kombinatorischen Akt der
Seele erfolgt. Beispiele: Xöfpoq Nacken — Hügel, fingere bilden
(kneten) — erdichten. Vgl. viameloji Brustwarze — sommet arrondi
d'une colline, d'une montagne, brouiUer trüben, mischen — ent-
zweien.
Bei I. wird die Sichtung des Materials nach stofflichen,
bei II. nach rein psychologischen, bei III. nach empirisch-
psychologischen (individuellen, philologischen) Ana-
logien zu geschehen haben. Die Beobachtung des objektiven
Einflusses auf die Bedeutungsänderung liefert (kultur)historische,
die Beobachtung des subjektiven Einflusses psychologische That-
sachen. Die Mifslichkeit seiner Prinzipien für den praktischen Ge-
brauch sieht Hey wohl ein (die Feststellung der Gründe ist oft
unmöglich); er hält sie aber gleichwohl für bestimmend für die
1 Ich gebe ein dem lateinischen Hey's analoges französisches Beispiel,
ohne damit weder für das eine noch für das andere eine Entstehung durch
einen Akt der Seele (im Sinne Hey's) verbürgen zu wollen. Vgl. Heerdegen,
Grdz. S. 106 und Stöcklein, Untersuchungen zur Bedeutungslehre S. 6.
Zeitschr. f. rom. Phil. XXV. -j,!
578 K. J ABERG,
Gesichtspunkte, unter denen das empirische Detail zu behandehi
ist. Vor der Bekanntschaft mit diesem ist eine weitere Disposition
des Gebietes verfrüht. Dieselbe wird eine durch den Charakter
des empirischen Materials bedingte Modifikation der
Idealform sein, die uns in den oben angeführten Prinzipien
vorliegt.
Hey's Gesichtspunkte sind dieselben, von denen, wenn auch
in etwas veränderter Form, die Erörterungen von Schröder,
Griechische Bedeutungslehre (1893) und von Thomas, Ueber die
Möglichkeiten des Bedeutungswandels II. (Bl. f. d. Gymn.-Sch. XXXII,
193 — 219) ausgehen. Im Archiv f. lat. Le.xikogr, u. Gramm. IX, 196
fafst Hey selbst seine Kategorien I und III zusammen als den auf
objektiven Thatsachen ^ beruhenden Bedeutungswechsel und
stellt ihn dem auf subjektiven Thatsachen beruhenden gegen-
über. So gelangt er zu den beiden Hauptarten, die schon Darme-
steter, Vie des mots^ unterschieden hatte:
I. Changements historiques, dus ä des causes objectives, ex-
terieures a l'esprit.
II. Modifications psychologiques, dues ä des causes subjectives,
intimes (s. a. a. O. S. 90).
Dabei fafst allerdings Darmesteter die zweite Hauptart in einem
weiteren Sinne als Hey, soviel aus den angeführten Beispielen zu
ersehen ist. —
Giebt es überhaupt einen Bedeutungswandel infolge spontaner
Geistesthätigkeit, ohne alle Beziehung zu den Veränderungen der
objektiven Welt? Hey antwortet mit ja, wie aus den obigen Aus-
führungen zu ersehen ist, und er rechnet dazu unter anderem den
Euphemismus. Zu den beiden von Hecht (s. oben S. 574) unter-
schiedenen Momenten der Kultur und der Natur kommt nach
ihm ein drittes, das psychische Moment. Dasselbe ist, sagt er,
nicht qualitativ, sondern nur quantitativ von philologischer Be-
deutung (d. h. charakteristisch für eine einzelne Sprache), da die
Vorbedingungen für alle Sprachen dieselben sind.
Hecht dagegen leugnet (a. a. O. S. 63 Anmerkung) ausdrück-
lich die Existenz eines rein psychischen Bedeutungswandels.'-* „Denn
auch in rein geistiger Sphäre bei Wörtern von religiöser, sittlicher,
psychologischer Bedeutung bewegt der Geist den Begriff in seinem
Entwicklungsgange nicht mit unabhängiger Selbstbestimmung, son-
dern unter dem Einflufs von Anregungen und Anlässen der ver-
schiedensten Art weiter." Ich stiinme Hecht und Morgenroth bei,
1 Dabei wird etwas ungeschickt, wie mir scheint, dem auf rein objek-
tiven Verhältnissen beruhenden Bedeutungswandel gegenüber, III. als durch
„Milthätigkeit des Sprachvermögens zu stände gebracht" definiert. Das Sprach-
vermögen ist bei jedem Bedeutungswandel thätig.
''' Chapitre III (S. 88 — 113): Actions psychologiques.
^ Der gleichen Ansicht ist Morgenroth, Ztschr. f. frz. Spr. u. Litt. XV,
S. 2 fF., besonders S. 4 fF. Zu derselben Frage vgl. Wundt, Völkerpsychologie
I, 2, 441 in Hey's Sinn.
PEJORATIVE BEDKÜTUNGSENTWICKLUNG IM FRANZÖS. 579
insofern sie behaupten , dafs der psychische Zustand eines Volkes
nicht unabhängig sei von der Natur, von den speziellen Lebens-
bedingungen, kurz von den mannigfaltigsten äufsern Verhältnissen,
dafs infolge dessen auch der scheinbar rein psychische Be-
deutungswandes historisch beeinflufst sei.
Indem Hey zugesteht, dafs das psychologische Moment quan-
titativ von philologischer Bedeutung sei, giebt er indirekt seine
Abhängigkeit von äufsern Bedingungen zu. So wird man den
Euphemismus in höheren Ständen ausgebildeter finden als in nie-
drigeren. Tugendhafte Flandlungen, sagt Morgenroth,' müssen
erst erscheinen, bevor Wort und Begriff Tugend entstehen können.
Die Entwicklung des Begriffes Ktinst (um das von Wundt, Völker-
psychologie I, 2, S. 441 genannte Beispiel zu nehmen) begleitet eine
lange, historische Evolution.
Allein wenn wir, wie in der vorliegenden Arbeit, eine praktische
Klassifikation der Beispiele des Bedeutungswandels anstreben, dann
dürfen wir nicht mit dem unbestimmten Begriffe der Bedingungen
arbeiten, der uns immer weiter und weiter ins Allgemeine führt;
sondern wir müssen nach dem Grunde der ersten Verwendung
eines Wortes in einem von dem ursprünglichen abweichenden Sinne
fragen. Als solcher werden sich in dem einen Falle bestimmte,
historische Verhältnisse {romati) ergeben, in dem andern psycho-
logische Vorgänge {poison, vgl. reiiüde oben S. 568), nicht unab-
hängig von historischen Verhältnissen, aber nur indirekt durch
sie bedingt. —
Die Programmarbeit von Schröder, Zur griechischen Be-
deutungslehre (1893) enthält, wenn auch die konsequente Durch-
führung eines Systems fehlt, manchen sehr anregenden Gedanken.
Besonders nachahmenswert ist das Bestreben, bei der Erklärung
der semasiologischen Vorgänge auf die natürhchen Bedingungen,
das Leben der Wörter im Sprachzusammenhange, zurückzugehen
und die Spuren der ersten occasionellen Bedeutungsänderung auf-
zusuchen. Dadurch wird Schröder veranlafst, vor allem den Stand-
punkt des Hörers von dem Standpunkte des Sprechers zu
trennen. Dieser Unterschied ist gewifs für die Erklärung des Be-
deutungswandels von grofser Wichtigkeit. Als Haupteinteilungs-
grund aber scheint er mir ungeeignet. Was Schröder den un-
merklichen, auf veränderter Auffassung beruhenden Be-
deutungswechsel (l.)2 nennt, geht keineswegs immer vom Hören-
den aus. Schröder deutet dies gelegentlich (a, a. O. S. 8) selbst
an, wenn er zu TQaymöia (vgl. romati) und ähnlichen Beispielen
bemerkt, dieselben gehören genau genommen eigentlich nicht hie-
her, da sie nicht auf einem Mifsverständnis des Hörenden, sondern
auf einer allerdings unbewufsten Neuerung des Redenden be-
1 a. a. O. S. 5.
2 Gegensatz: Bedeutungsveränderungen, die vom S pr eche n
den ausgehen (IL).
37*
580 K. J ABERG,
lullten. Ich erinnere an die Entwicklung ethischer Begriffe (vom
Verfasser ebenfalls hieher gezählt), derexi Bedeutungsäiiderui.g in
der vertiefenden Reflexion des Sprechenden ebensosehr ihren Grund
hat, als in der veränderten Auffassung des Hörenden. Beispiel:
aQttrj. Vgl. oulrage; humble, humilis im Lateinischen tadelnd ge-
braucht, wird unter dem Einflufs der christlichen Anschauungen
zu einer lobenswerten Eigenschaft. Unmerklichkeit und ver-
änderte Auffassung durch den Hörenden sind somit zwei
Eigenschaften, die sich nicht decken. Die eine oder die andere
ist bei einer konsequenten Einteilung zu streichen.
Die erste eingehende Klassifikation der Ursachen des Be-
deutungswandels auf Grund eines ausgedehnten Beispielmaterials
aus verschiedenen Sprachen lieferte 1894 Karl Schmidt in der
Programmarbeit „Die Gründe des Bedeutungswandels". Dazu
schrieben eingehende Besprechungen O. Hey, Archiv f. lat. Lex. u.
Gramm. IX, 200 — 230 und Morgenroth, Ztschr. f. frz. Spr. u. Litt.
XVII 2, 17 — 27. Während der erstere die Klassifikation von Schmidt
fast ohne Widerspruch annimmt und sich auf eine Kritik der latei-
nischen Beispiele beschränkt, wendet sich der letztere hauptsäch-
lich gegen die Einteilung. Gewifs sind die meisten von Morgen-
roth erhobenen Einwände begründet. Er hätte aber doch Schmidts
Verdienst hervorheben dürfen, das unbestreitbar darin besteht, dafs
er zum ersten Male eine gröfsere Anzahl von Bedeutungsänderungen
nach ihren Gründen zu ordnen gesucht hat. Vor ihm war dies
nur andeutungsweise geschehen. Morgenroths eigene Unter-
suchung,! wichtiger als alle vorhergehenden, setzt sich nicht eine
Klassifikation zum Ziele, sondern eine möglichst vollständige Zu-
sammenstellung. Daher die allgemeineren Titel: A. Die psycho-
physiologischen, B. Die Kulturbedingen des Bedeutungswandels.
Schmidt hat mit der Masse der Beispiele mehr erreicht, als mit
theoretischen Erörterungen möglich gewesen wäre. Es ist aber
nicht aufser Acht zu lassen, dafs bei eingehender Untersuchung
manche Beispiele gestrichen, viele anders eingeordnet werden
müssen. In derselben Weise, wie dies Hey für die lateinischen
Beispiele gethan, .wären auch die Beispiele aus andern Sprachen
kritisch nachzuprüfen. Schmidt ist da und dort in der Benutzung
der semasiologischen Litteratur, der sein Material zum gröfsten
Teile entstammt, etwas zu wenig vorsichtig gewesen. Wünsch-
bar wären häufigere Quellenangaben zur Erleichterung des Nach-
prüfens.
Thomas, Ueber die Möghchkeiten des Bedeutungswandels IL
(vgl. oben S. 578) 1896 führt den Bedeutungswandel im Wesent-
lichen auf dieselben Gründe zurück wie Schmidt, vertieft aber ihre
Betrachtung und fafst sie nach allgemeineren Gesichtspunkten zu-
sammen. Eine eingehende Erörterung des Verhältnisses, in dem
die vorliegende Arbeit zu den Untersuchungen von Schmidt und
1 Ztschr. f. frz. Spr. u. Litt. XV, 8 ff.
PEJORATIVE BEDEUTUNGSENTWICKLUNG IM FRANZÖS. 58 1
Thomas steht, würde zu weit führen. Wie viel ich ihnen zu danken
habe, wird sich aus dem zweiten speziellen Teile von selbst er-
geben. Um eine Vergleichung mit Thomas zu erleichtern, gebe
ich die Zusammenstellung der Resultate seiner Untersuchung!
wieder :
I. Die Bedeutung ändert sich, indem der mit dem
Worte bezeichnete Begriff in sich eine Veränderung
erleidet. Vgl. outrage, roman (vgl. oben S. 576).
IL Die Bedeutung ändert sich durch das Bedürfnis
einer neuen Bezeichnung
i) für einen neuen Begriff. Vgl. jnamelofi (s. oben S. 575),
2) für einen bereits bekannten und benannten Begriff, dessen
Bezeichnung abkommt (Substitution). Grund des Wechsels
der Bezeichnung:
a) Streben nach Kürze und Vereinfachung. Vgl. palais für
palai's de justice.
b) Streben nach Deutlichkeit und Kraft. Vgl. assommer
totschlagen — langweilen.
c) Streben nach Vermeidung des einem Gefühle Anstöfsigen.
Vgl. poison (vgl. remlde oben S. 568).
III. Die Bedeutung ändert sich durch veränderte Auf-
fassung der Wörter (Umdeutung) infolge ihres Zu-
sammenlebens in der Sprache.
i) Beeinflussung durch irgendwie nahestehende Wortindivi-
duen, vermittelt
a) rein lautlich — volksetymologisch. Vgl. miniature (im
17. Jahrh. auch hie und da mignature geschrieben),
wird aus peinture au minium — peinture tres fine unter
Einflufs von migjiard (Darmesteter, Vie des mots S. 131).
b) lautlich begrifflich — etymologisch. Vgl. Orient, erhält
seine Bedeutung „Glanz einer Perle" von dem Adjektiv
oriental {perles orietiiales). Vgl. Darmesteter, a.a.O. S. 129.
c) rein begrifflich — synonymisch, adversativ. Vgl. con-
venir, das im Altfranzösischen absolute und moralische
Notwendigkeit bezeichnet, beschränkt sich auf letztere,
während erstere von falloir übernommen wird (vgl.
Darmesteter, a.a.O. S. 134).
2) Beeinflussung durch den syntaktischen Zusammenhang, be-
sonders durch die Phrase. Vgl. rien etwas — nichts,
unter dem Einflufs der häufigen Verbindung mit der Ne-
gation (Darmesteter, a. a. O. S. 124).
Etwas abseits von den bisher Genannten steht Stöcklein,
Untersuchungen zur lateinischen Bedeutungslehre 1895 und Be-
deutungswandel der Wörter 1898, letzteres Werkchen populärer ge-
1 Die Gesichtspunkte von Schmidt findet man in RIorgenroths Kritik
zusammengefafst.
582 K. JAHERG,
fafst. Beide enthalten über Aufgabe und Methode der Semasio-
logie sehr viel Beherzigenswertes. Stöcklein weist besonders auf
die Wichtigkeit des Satzzusammenhangs und der veränderten Auf-
fassung des Hörenden hin. Nach ihm hat der Semasiologe vor
allem nach Uebergangsbedeutungen zu forschen. Seine Beispiele
sind sehr instruktiv.
Charakteristisch ist besonders folgende Stelle (Untersuchungen
S. 28): „Unser Grundsatz mufs sein: ein einziger Fall, genau unter-
sucht, so dafs man bei demselben wirklich erkennt, auf welchem
Wege und auf welche Weise das Wort seine Bedeutung wechselte,
ist ein gröfserer Gewinn als ein ganzes Buch voll schöner Theorien,
womit jedoch kein einziger Bedeutungswechsel befriedigend erklärt
ist, oder umgekehrt: als eine Unmasse von Beispielen des Be-
deutungswandels, die man aber fast ebenso gut auch im Lexikon
findet. Dieses wie jenes Verfahren ist unrichtig." Der Verfasser
vergifst dabei, dafs man ebensowenig von einem Beispiel auf eine
Regel, als von einem Experiment auf ein physikalisches Gesetz
schliefsen kann, und dafs eine Thatsache, die bei der Vergleichung
mehrerer Beispiele in die Augen springt, im einzelnen Fall oft
unerklärt bleibt, auch wenn man ihn noch so genau untersucht.
Damit soll die W^arnung, die in Obigem enthalten ist, nicht aus
dem Winde geschlagen sein: IMan verlasse sich in der Semasio-
logie nicht auf leichtsinniges Konstruieren und gerate nicht ins
Allgemeine.
Von Stöcklein entlehne ich den Ausdruck Adäquation. Er
versteht darunter die Angleichung der Bedeutung eines Wortes an
die Vorstellungen, die bei der Anwendung auf bestimmte Gegen-
stände, Handlungen u. s. f. geweckt werden. Durch Adäquation
erklärt sich z. B. nach Stöcklein das Verblassen der Vorstellung
des Ziehens in Stiefel anziehen, Hosen anziehen und das Hervor-
treten der ursprünglichen Nebenvorstellung des Bekleidens, so dafs
man nun auch sagen kann eine Weste ajiziehen, einen Kragen an-
ziehen u. s. f. Sehr deulich ist die Adäquation auch bei den in die
Sprache aufgenommenen Metaphern. Sie ist vollendet, sobald das
Wort die ursprüngliche Vorstellung nicht mehr wachruft (vgl. che-
valet). Aehnlich in den Klassen- resp. Berufssprachen (vgl. corroyer
afrz. bereiten, heute besonders gerben). Es ist bequem, für diese
Erscheinung, auf die Darmesteter^ schon 1876 hingewiesen hat,
einen technischen Ausdruck zu besitzen.
Morgenroth, Zum Bedeutungswandel im Französischen II.2
1 Reliques scientifiques 11, 88 — 91, s. oben S. 565.
2 Man vergleiche auch Morgenroths ersten, wertvollen Artikel, Ztschr. f.
frz. Spr. u. Litt. XV 1, l — 23. Ich verzichte auf eine Besprechung desselben,
da er leicht zugänglich ist und ich nur in Einzelheiten Einwände zu erheben
hätte. Nebenbei bemerkt sei, dafs die Beispiele für den Trieb zur Gruppen-
bildung (2) mit Ausnahme einiger weniger, die ich dem Differenzierungstriebe
zuschreiben würde, doch wohl identisch sind mit den Beispielen für die Ent-
faltung des Bewufstseins nach einer bestimmten Ordnung (4). — Inhalt des
PEJORATIVE BEDEÜTUNGSENTWICKLUNG IM FRANZÖS. 583
(Ztschr. f. frz. Spr. u. Litt. XXII, 39 — 55) teilt, ähnlich wie R. Thomas,
die Gründe des Bedeutungswandels in drei Kategorien (a. a. O.
S. 39 f.).
I. Einwirkung der Aufsenwelt und der historischen
Vorgänge.
IL Intellektuelle, ethische und ästhetische Bedürfnisse.
III. Die durch die Vorstellungen selbst bedingten Vor-
gänge.
1. Verschmelzung von Vorstellungsgruppen, rien etwas —
nichts.
2. Beeinflussung einer Vorstellungsgruppe durch eine andere.
Orient, beeinflufst durch oriental.
3. Vergessen von Vorstellungen, die im Bewufstsein Hem-
mungen erleiden. Wichtigster Fall: Vergessen der ur-
sprünglichen Bedeutung infolge häufiger Verbindung eines
Wortes mit andern Vorstellungen, tele aus testa.
Nachdem Morgenroth die IIL Klasse etwas näher besprochen
hat,i stellt er sich die Aufgabe, „die Arten des Bedeutungswandels,
nämlich die Erweiterung und Verengerung der einzelnen Vor-
stellungsgruppen sowie die Begriffs- und Wortverschiebungen im
Zusammenhalte mit ihren Ursachen einer eingehenden Prüfung zu
unterziehen" (a.a.O. S. 42). Er unterscheidet:
A. Erweiterung und Verengerung der einzelnen Vor-
stellungsgruppen, panier Brotkorb — Korb. poiso7i Trank
— Gifttrank.
B. Verschiebung der Wörter, der Begriffszeichen, auf
andere Begriffe und der Begriffe auf andere Wörter.
I. Verschiebung eines Begriffes auf ein anderes Wort (Sub-
stitution), fille, ersetzt durch jeune fille, caput durch testa
u. s. f.
IL Verschiebung eines Wortes auf einen andern Begriff, liher-
tin Freigeist — celui qui a des moeurs d6r6glees. grisette
grauer Stoff — Grisette. grue Kranich — Krahn u. s. f.
Eine ausführliche Untereinteilung erfährt nur B IL In der-
selben liegt der Schwerpunkt der Abhandlung. Ich mufs mich auf
eine Kritik der Haupteinteilung beschränken.
A. wird folgendermafsen erläutert: „Erweiterungen und Ver-
engungen der einzelnen Vorstellungsgruppen, aus denen die Be-
griffe entstehen, vollziehen sich im allgemeinen mit unmerkbarer
Langsamkeit und folgen der geschichtlichen Entwicklung, aus der
Artikels: l. Besprechung der bis 1892 erschienenen wichtigeren semasio-
logischen Arbeiten (Heerdegen und Hecht ausgenommen), 2. Stellungnahme zu
gewissen prinzipiellen Fragen (vgl. oben S. 579), 3. möglichst vollständige Dar-
stellung der psycho -physiologischen und kulturellen Bedingungen des Bedeu-
tungswandels.
1 Warum die beiden ersten Klassen ,, keiner weiteren Erklärung be-
dürfen", sehe ich nicht ein.
584 K. J ABERG,
sie ZU erklären sind" (a. a. O. S. 42). Nach Morgenroths eigener
These 1 ist jeder Bedeutungswandel durch geschichtliche Entwick-
lung zu erklären. Wir sehen also darin nichts für A. besonders
Charakteristisches. Es bleiben als Hauptmerkmale: i. Verschiebungen
innerhalb der Vorstellungsgruppen, 2. Unmerkbare Langsamkeit
dieser Vorgänge. Dieser allgemeineren Definition (die A. mit I.
bei Thoraas, s. oben S. 581, identifizieren würde) legt Morgenroth
eine, wie mir scheint, für das Wesen des Bedeutungswandels neben-
sächliche Beschränkung auf, indem er die Verschiebungen inner-
halb der Vorstellungsgruppen auf Erweiterung und Verengung re-
duziert. Infolgedessen gerät S. 44 die Erscheinung, dafs oft eine
Bezeichnung für einen Begriff auf eine damit verknüpfte Neben-
vorstellung übergeht und sie so zum selbständigen Begriff" erhebt
{vgl. über tut), '^- in die Gesellschaft von ganz disparaten Beispielen
(Stoffe, nach dem Herkunftsort bezeichnet; Personen nach dem
Stoffe, mit dem sie bekleidet sind u. s. f.).
B I. charakterisiert sich dadurch, dafs alte Begriffe neu
benannt werden.3 Man erwartet also, dafs B II. diejenigen Fälle
umfasse, in denen neue Begriffe benannt werden. Dies trifft
im allgemeinen auch zu, wie aus den Beispielen zu ersehen ist,
wird aber nicht ausdrücklich gesagt. Die Ueberschriften „Ver-
schiebung eines Begriffes auf ein anderes Wort" (B I.) und „Ver-
schiebung eines Wortes auf einen andern Begriff" (B II.) scheinen
mir unglücklich gewählt; denn bei B I. haben wir es ebenso gut
wie bei B II. mit Verschiebung eines Wortes auf einen andern Be-
griff zu thun, wenn wir die Bedeutungsänderung konsequent vom
Gesichtspunkte des Wortes aus beurteilen. Man vergleiche die
beiden Beispiele bou!e Kugel — populär Kopf (B I. S. 44); mamelon
Brustwarze — Hügclkuppe. Sie unterscheiden sich nur dadurch,
dafs der zweite Begriff bei B I. alt, bei B IL neu ist. Allein richtig
scheint mir somit:
B I. Verschiebung eines Wortes auf einen andern, be-
reits benannten Begriff [boule).
B IL Verschiebung eines Wortes auf einen andern, noch
nicht benannten Begriff {jnamelon).
Wollte Morgenroth mit seiner Ausdrucksweise der Schwierig-
keit aus dem Wege gehen, im einzelnen Falle zu entscheiden, ob
^ „So scheint es demnach besonders wichtig, die Entwickelung der
grofsen Kreise menschlichen Interesses: „Religion, Sitte, Recht, Staat, Künste,
Wissenschaften, Gewerbe, Handel, Ackerbau, Spiel und Krieg" zu verfolgen,
um durch dieselben die Wandlungen der Wortbedeutiuigen zu erklären. Dies
mufs als eigentliche Aufgabe der Bedeutungslehre erfafst werden, welcher
gegenüber alle übrigen in den Hintergrund treten" (Ztschr. f. frz. Spr. u. Litt.
XV, 22).
^ Die Beispiele Vandale, cresus, celadon nehme ich aus, da sie auf be-
wufster Uebertragung beruhen. Dagegen sind Ubertin analog die Beispiele
für Alter — Herrschaft, Vorrang; Jugend — Unterwürfigkeit, Dienstbarkeit.
^ stimmt also, wie auch die Verglcichung der von Morgenroth aufge-
zählten Gründe ergiebt, mit II, 2 bei Thomas überein (s. oben S. 581).
PEJORATIVE BEDEUTUNGSENTWICKLUNG IM FRANZÖS. 585
der Begriff, um den es sich handelt, bereits einen Namen besafs
oder nicht? —
Man ist etwas überrascht, in dem zweiten Artikel von IMorgen-
roth eine psychologische Klassifikation zu finden, nachdem er im
ersten (S. 2 f.) festgestellt hat: Eine sogenannte psychologische
Klassifizierung der Bedeutungsentwickelungen nach äufseren und
inneren Associationen könnte nur einen sehr geringen Wert haben,
„weil der psychische Mechanismus allein nichts erklärt und die
sprachlichen Associationen im Dienste des Willens stehen, welcher
im einzelnen Falle immer diejenige erfafst, welche den gröfsten
Gefühlswert für das Bewufstsein besitzt". Löst sich der Wider-
spruch darin, dafs Morgenroth in einem dritten Artikel systematisch
an die Ztschr. f. frz. Spr. u. Litt, XXII •, 55 formulierten und in seinen
Arbeiten oft berührten Fragen heranzutreten gedenkt, in deren Be-
antwortung ihm die eigentliche Aufgabe der Bedeutungslehre {vgl.
oben S. 584 Anm. i) zu bestehen scheint?
Im Einzelnen wäre da und dort mehr philologische Kritik
wünschenswert. (Ich greife aufs Geratewohl heraus S. 46: das Suffix
^ace, -asse ist von -acea, nicht -aceus abzuleiten; crevasse, culasse,
rosace sind nicht pejorativ afficiert; S. 47: die Etymologie von sortir
steht keineswegs fest; poek (poile) hiefs zunächt heizbares Zimmer,
dann Ofen, nicht umgekehrt etc.) Besonders die von Lehmann
übernommenen Beispiele sollten nachgeprüft werden.
Die letzte und eingehendste Besprechung der psychologischen
Bedingungen des Bedeutungswandels finden wir bei Wundt, Völker-
psychologie I, 2, 420 — 583 (VIII. Kap.: Bedeutungswandel). S. 487
— 567 giebt der Verfasser eine Klassifikation auf rein psycho-
logischer Grundlage. Er unterscheidet zunächst:
A. den correlativen Bedeutungswandel,
B. den selbständigen Bedeutungswandel. ^
Der erstere charakterisiert sich dadurch, dafs mit den Be-
deutungsveränderungen Lautveränderungen in Wechsel-
beziehung stehen. Dazu giebt Wundt S. 422 — 425 ausschliefs-
lich Beispiele von Bedeutungsdifferenzierung. Es geht aber aus
Späterem (besonders S. 485 f) hervor, dafs er auch die Bedeutungs-
veränderungen hieherzählt, die mit der Wortbildung verbunden sind.
Der selbständige Bedeutungswandel wird S. 426 definiert:
„Unter selbständigem oder eigentlichem Bedeutungswandel ver-
stehen wir alle diejenigen Bedeutungsänderungen, die unabhängig
von etwaigen Lautänderungen vermöge einer in den ur-
sprünglichen Eigenschaften der Begriffe begründeten
Entwicklung erfolgen."
Wundt geht nur auf den selbständigen Bedeutungswandel
näher ein, schliefst aber die correlativen Bedeutungsänderungen
nicht konsequent aus.2 Der erstere zerfällt in:
1 Aehnlich Heerdegen: formaler und realer Bedeutungswandel (vgl.
oben S. 570).
2 Vgl. a. a. O. S. 543, S. 546 ff,, S. 562 f., auch sonst gelegentlich.
586 K. J ABERG,
I. den regulären Bedeutungswandel,
II. den singulären Bedeutungswandel.
Typische Beispiele:
I. peciinia Viehherde — Geld. Mit dem Uebergang des Tausch-
verkehrs in den Geldverkehr ging der Name des wichtigsten
Tauschobjektes auf das an seine Stelle tretende gemünzte
Geld über. Der alte und der neue Begriff sind in dem
Merkmal, auf das es ankommt (Verwendung als Tauschmittel),
identisch (a.a.O. S. 431).
Vgl. pliime Vogelfeder — Stahlfeder, infolge der Ver-
wendung zum Schreiben (a. a. O. S. 498).
II. Mercurius Götterbote — schnellster Planet.
moneta Münzstätte nach dem in der Nähe befindlichen Tempel
der Juno Moneta in Rom (a. a. O. S. 430).
Vgl. coquehiche Art capuchon — Epidemischer Husten,
wegen dessen man sich den Kopf mit einer coqueluche
bedeckte (Dict, g6n.).
grhe Streik, nach der Place de la Greve in Paris, wo sich
die Arbeitslosen zu versammeln pflegten.
Folgendes sind nach S. 426 — 432 die Merkmale der beiden
Hauptarten des Bedeutungswandels:
I. geht auf allgemeingültige Gesetze der Begriffsentwicklung
zurück, II. beruht auf ganz individuellen oder mindestens nach
dem Umfang ihrer Verbreitung sehr beschränkten Motiven. 1 (Vgl.
S. 486: Die Veränderungen des regulären Bedeutungswandels
sind die hauptsächlichsten Hülfsmittel der allgemeinen Begriffs-
entwicklung, während der singulare mehr in einzelnen Fällen
und für besondere Begriffsgebiete ergänzend eingreift.)
I. ist ein Bedeutungswechsel. Die neue Bedeutug erscheint
als eine aus der alten hervorgewachsene. II. ist eine Bedeutungs-
übertragung. Die neue Bedeutung erscheint als eine der alten
äufserlich aufgepflanzte.
Bei I. ist der Vorgang allmählich und stetig, bei II. ist
er plötzlich. Der Augenblick der Entstehung läfst sich zuweilen
direkt nachweisen.
I. weist auf mehrmalige, II. auf einmalige Entstehung be-
stimmter Motive (womit nicht notwendigerweise ein Einzelner der
Urheber der Begriffsübertragung ist. Vgl. ?}ioneta). Der Vorgang
hat bei I. den Charakter einer Triebhandlung, bei II. denjenigen
einer willkürlichen Handlung.
I. ist die Geschichte eines Begriffs, II. in erster Linie Ge-
schichte eines Wortes.
Ergänzen wir dazu noch aus S. 581 f.: Bei I. sind die Asso-
ciationen in der Regel simultane, bei IL successive, oft erst
1 Was a.a.O. S. 428 beigefügt wird: eine in den ursprünglichen Eigen-
schaften der Begriffe begründete Entwicklung lasse sich beim singulären Be-
deutungswandel nicht nachweisen, steht mit der oben S. 585 citierten De-
finition des selbständigen Bedeutungswandels im Widerspruch.
PEJORATIVE BEDEUTUNGSENTWICKLUNG IM FRANZÖS. 587
durch „Reflexion" entstandene; und zum Schlüsse aus der speziellen
Besprechung von
I.: Wesentliches Kriterium des regulären Bedeutungswandels
ist, „dafs er alle jenen Veränderungen der Wortbedeutungen in
sich schliefst, welche durch die innerhalb einer Sprachgemeinschaft
allgemein gültig auftretenden allmählichen Veränderungen der Apper-
ception erfolgen" (a, a. O. S. 487). Von
IL: Der singulare Bedeutungswandel ist in der Regel ebenso
gut motiviert wie irgend eine Erscheinung des regulären Bedeu-
tungswandels: „und als der einzige Unterschied bleibt der zurück,
dafs die Ursachen, die ihn bestimmen, einem in dieser Combination
nur einmal vorhanden gewesenen Zusammenflufs von Bedingungen
ihren Ursprung verdanken". Die dabei wirkenden Associationen
gehen nicht aus den innerhalb einer bestimmten Gemeinschaft all-
gemein gültigen Bedingungen der Apperception , sondern aus indi-
viduell beschränkten hervor (a. a. O. S. 542).
Man wird ohne M-eiteres zugeben, dafs die Unterscheidung
eine im Wesen des Bedeutungswandels tief begründete ist: Der
reguläre Bedeutungswandel stellt uns die Aktion der Gesamtheit,
der singulare die Wirkung des Einzelnen auf die Gesamtheit dar.
Zugleich treten aber auch die Schwierigkeiten zu Tage: Zwischen
Collectiv- und Individualwirkung giebt es eine Menge Zwischen-
glieder; wo ist die Grenze zu ziehen? Die Schwierigkeit der Ein-
ordnung erscheint bei der geringen Anzahl und der sorgfältigen
Auswahl der Beispiele von Wundt natürlich kleiner als sie in Wirk-
lichkeit ist; gleichwohl läfst sie sich schon nach diesen beurteilen. 1
Untereinteüung:
I, Regulärer Bedeutungswandel (S. 487 — 541).
1. Assimilativer Bedeutungswandel. Durch Assimilation,
d. h. eine zwischen Eindrucks- und Erinnerungselementen
des gleichen Sinnesgebietes sich abspielende Association.
pieds d'un fauteuil, pieds d'une chaise, pieds d'une table
u. s. f. tete aus testa, Topf, Scherbe. (Von früher ange-
führten Beispielen vgl. markhal, roman, ouif-age, humble)
2. Complicativer Bedeutungswandel. Durch Compli-
cation, die in einer Association von Empfindungselementen
verschiedener Sinnesgebiete besteht, acutum und grave in
der Anwendung auf Töne, craindre aus tremere (vgl.
brouiller).
3. Gefühlswirkungen. piUre zu Fufs — armselig, merci
Lohn — Gnade.
^ Wundt selbst weist übrigens mehrmals auf Uebergänge hin. S. 499
Anmerkg. : Die verwickeitere und darum mehr dem Sicgulären sich nähernde
Beschaffenheit ... S. 521 und S. sayf., S. 558, S. 562: Mangel einer scharfen
Grenze zwischen Complicationen und willkürlich erfimdenen bildlichen Be-
zeichnungen. S. 544: Die Namengebung durch singulare Associationen spielt
in das Gebiet des correlativen Bedeutungswandels über.
588 K. JABERG,
4. Associative Verdichtungen, rieji etwas — nichts (syn-
taktische Association), poison Trank — Gifttrank (Ver-
wendungsassociation).
Gefühlswirkung und associative Verdichtungen treten als mit-
wirkende Faktoren auch bei andern Arten des Bedeutungswan-
dels auf.
11, Singulärer Bedeutungswandel (S. 541 — 567).
1. Namengebung nach singulären Associationen, les
luneites Brille, eigentlich „die Möndcheii".
2. Singulare Naraenübertragungen. 7«ö«fAi s. oben S. 586.
Chauvin (Verallgemeinerung eines Eigennamens).
3. Aufgenommene und einverleibte Metaphern, chc-
valet eigentlich Pferdchen. *
Hier einige Beispiele zu der oben S. 587 3. Alinea aufge-
stellten Behauptung:
S. 502 wird als Beispiel des assimilativen Bedeutungswandels
mit wechselnder dominierender Vorstellung Ute genannt: Gefäfs —
Schädel — Kopf (analog dem deutschen Kopf, das ursprünglich
ein Trinkgefäfs bezeichnete). Im „Volksdialekt" habe sich eine
An Ersatz für die verloren gegangene Beziehung des Schädels zur
Schale in bonle (eigentlich Blase) gebildet,2 Man bemerke zunächst,
dafs sich Wundt durch die Etymologie von boule (lat. htilla =
Blase) zu der irrtümlichen Annahme verleiten läfst, der Bedeutungs-
übergang sei hier wie bei testa durch die dominierende Vorstellung
des Hohlen vermittelt worden. Frz. botde hat aber nie etwas anderes
bedeutet als Kugel. Leitend ist also die Vorstellung der Form. 3
Der komische Effekt besteht, wenn ich mich nicht irre, darin, dafs
man sich den Kopf losgetrennt vom Körper vorstellt.-* Sicher ist,
dafs ein komischer Effekt mit dem Worte erzielt wird. Man ersetzt
wissentlich tele durch houle. Deutet dies aber nicht auf singulären
Ursprung hin und läfst für die Verdrängung von chief durch teste
Aehnliches vermuten ?& — Ist der Umstand, dafs die Vogelfeder
zum Schreiben benutzt wurde, nicht ebenso zufällig wie derjenige,
dafs der Beryll zur Correktion der Fehler weitsichtiger Augen
^ Leider niiifs ich von einer Würdigung der psychologischen Grundlage
obiger Einteilung, in Wundts Darstellung des Wesentlichsten, hier absehen,
da ich mit den Resultaten der Psychologie nicht genügend vertraut bin. Beim
Beginne der vorliegenden Arbeit ging ich von rein philologischen Gesichts-
punkten aus; erst im weitern Verlaufe drängte sich mir die Ueberzeugung auf,
dafs die Betrachtung psychologisch vertieft werden müsse. Es hing von äufsern
Umständen ab, dafs ich das Versäumte nur unvollständig nachholen konnte.
2 Darmesteter, Vie des mots S. 164: „La langue populaire aujourd'hui
remplace de nouveau tete, devenu trop abstrait, par boule.''''
^ Als Schulknaben verwendeten wir ähnlich Kürbis. Vgl. auch die fran-
zösischen Argotausdrücke calebasse, coloquinte, poire, couatche, citronnade
(citron), ciboulot und ciboiilotte {ciboule), pomme, halte (Schwob u. Guieysse,
Etüde sur l'argot fran^ais in M^moires de la soc. de linguistique de Paris
VII, 50).
Vgl. il a perdu la boule.
^ Vgl. auch das deutsche Schädel grob = Kopf.
PEJORATIVE BEDEUTUNGSENTWICKLUNG IM FRANZÖS. 589
diente ?i Und ist es deshalb gerechtfertigt, den Bedeutungsüber-
gang Vogelfeder — Schreibfeder regulär, den Bedeutungsübergang
Beryll — Brille (noch im 14. Jahrh. der hnl) singulär zu nennen?^
Oft sind wir verwundert, eine Bedeutungsänderung von ganz
singulärem Charakter in verschiedenen Sprachen wiederzufinden.
Zu der Namengebung nach singulären Associationen zählt Wundt
(a. a. O. S. 545) „zahlreiche Ausdrücke wie der Kelch, die Krone,
die Kätzchen der Blüthen u. s. f., die aus der wissenschaftlichen
Kunstsprache zum Theil in den allgemeinen Sprachgebrauch über-
gegangen sind". Für Kätzchen triff: letztere Bemerkung sicher
nicht zu; denn wir finden nicht nur im Englischen catkin (neben
Cdt-tail) und im Französischen chaton, sondern auch entsprechende
Ausdrücke in französischen {inimi, miton u. s. f.) und in deutschen
Dialekten.'' Wird man also nicht zu der Annahme gezwungen,
dafs die Association zwischen Kätzchen und Blütenkätzchen min-
destens ebenso nahe lag, wie z. B. diejenige zwischen Hut und
Fingerhut (Wundt a.a.O. S 492 zum regulären Bedeutungswandel)?
Dem Franzosen, der Fingerhut zum ersten ]\Iale hört, macht das
Wort gewifs einen höchst pittoresken Eindruck. Für den Deutschen
erscheinen in diesem Falle ursprüngliche und übertragene Bedeu-
tung als unmittelbar kennzeichnende; wer versichert uns aber, dafs
bei der Namengebung nicht Reflexion im Spiele war?
III. Besprechung der Dissertation von M. Nitzsclie.
In den folgenden Erörterungen lasse ich wie im Vorhergehen-
den bei Seite, was sich bei der Besprechung meines Materials von
selbst ergeben wird.
I. Ungenügende Quellenangabe.
Nicht nur der schwächste, sondern auch der unselbständigste
Teil von Nitzsches Arbeit ist seine Einleitung. Wo dieselbe nicht
zum Widerspruch herausfordert,* entstammen ihre Gedanken fremder
Quelle. Zu S. 4 s. Darmesteter, Vie des mots S. 69 ff., Whitney
S. 20 ff., zu S. 5 s. Wegener, Grundfragen des Sprachleben S. 47 ff.,
Morgenroth I, S. 2 und S. 20. —
Man vermifst besonders die Angabe, woher die einzelnen Bei-
spiele stammen. Meistens beruhen sie wohl auf dem Sachs'schen
Wörterbuche und dem dazugehörigen Supplemente. Den Diction-
naire gen^ral hat der Verfasser nicht benutzt. Wie nützlich er
1 Vorausgesetzt, dafs diese Vermutung richtig ist.
2 Wundt, a. a. O. S. 498 und 544.
^ Vgl. Grimm, Wörterbuch unter Kätzchen. In meiner heimatlichen
Mundart (Bern) sagt man Büssi (= Kätzclien). Der Bedeutungsübergang ist
so vollständig, dafs Ä'/.fj/=: Kätzchen und ^z/j^z = Blutenkätzchen als zwei
verschiedene Wörter empfunden werden. Chaizli, das meine Mundart eben-
falls kennt, ist in der Bedeutimg Blutenkätzchen nicht gebräuchlich und würde
als hübsches humoristisches Bild erscheinen.
* Ich werde im zweiten Teile der vorliegenden Arbeit hierauf zurück-
kommen.
590 K. JABRRG,
ihm hätte sein können, ist aus der Kritik von Diltrich zu ersehen,
der seine Richtigstellungen im Einzelnen fast ausschliefslich auf
diesen gründet. Zu S. 44 wären Darmesteter, Vie des mots S. 166
und Littr6, Etudes et Glanures S. 22 zu nennen.
2. Mangelhafte Umgrenzung des Stoffes.
a. Vollständigkeit der Beispiele. Dittrich nennt in der
oben erwähnten Kritik (Ztschr. f. frz. Spr. XXI 2, 154) die Beispiel-
sammlung reichhaltig und die Lücken verhältnismäfsig wenig be-
deutend. Bezüglich der unter den historischen Faktoren aufge-
zählten Beispiele mag man diesem Urteile zustimmen, obgleich auch
hier manches beizufügen sein wird.i Auffallend ist dagegen, dafs
eine ganze Anzahl von abstrakten Begriffen fehlen, deren Ent-
wicklung doch ganz besonders interessant ist, z. B. ouirage {putra-
geux), cautUe [cauieleux), apprel {appreti), artifice {artificiel, arlificieux),
appareni [apparejice), tnignard, elegant, palhos, pose, precüux, affecter,
affcclation, allerer, hautain, süffisant {siiffisance), pretenlion [prelen-
tleux) u. s. w. Man wird unten im zweiten Teile dieser Arbeit
weitere gleichartige Beispiele finden. Hängt dieser Mangel mit
der eigentümlichen Unterscheidung zwischen (historischer) Be-
deutungshebung und -Senkung einerseits, (psychologischer)
Qualitätshebung und -Senkung (resp. Verschlechterung) andrer-
seits zusammen? 2
b. Sichtung der Beispiele nach ihrer Herkunft. Es ist
eine bekannte Thatsache, dafs uns ein encyclopädisches Wörter-
buch wie das Sachs'sche genau genommen nicht den Wortschatz
einer einzigen Sprachgenossenschaft giebt, sondern denjenigen einer
Anzahl von geographisch oder kulturell gesonderten Sprachcentren,
die einen gemeinsamen Sprachfonds besitzen, sich aber in manchen
Dingen unterscheiden. Neben den Unterschieden im Wortschatz
sind Unterschiede in den Bedeutungen, ganz besonders in der
eigentümlichen Gefühlsfärbung der Wörter bemerkenswert. Letztere
ist aber in einer Arbeit über Qualitätsveränderungen von grofser
Wichtigkeit. Es mufs also, wenn man sich nicht auf ein Wörterbuch
stützt, das selbst schon eine Auswahl getroffen hat, der Anwen-
dungskreis eines Wortes möglichst genau umschrieben werden.
Dies thut Nitzsche nicht immer mit der nötigen Gewissenhaftigkeit.
Er begnügt sich meist damit, die Abkürzungen von Sachs wieder-
zugeben, die für eine semasiologische Untersuchung häufig nicht
genügend sind. Man findet bei Nitzsche Seiten ,3 wo Provinzialis-
men, Argotismen und allgemein französische Wörter ebenso bunt
durcheinander stehen wie bei Sachs. Ueber Argotismen ist schwer
zu urteilen, wenn man sie nicht in ihren Anv/endungen gehört
^ Ich halte für unnötig, hier zu wiederholen, was Dittrich a. a. O. S. 154
über die ungenügende Ausnutzung der Quellen gesagt hat. Die von ihm an-
geführten Beispiele könnten vermehrt werden. Vgl. oben S. 567.
2 Nitzsche S. 10, wozu ausführlicher unten, zweiter Teil.
3 Vgl. S. 14, 29, 44.
PEJORATIVE BEDEUTUNGSENTWICKLUNG IM FRANZÖS. 59 1
hat.' Auf Argotwörterbücher (solche h'egen den Parisismen von
Villatte und z. T. auch dem Supplement von Sachs zu Grunde)
kann man sich nicht verlassen. Dieselben mischen fast alle kritik-
los Argot, Volkssprache und Neologismus.
Zu ganz falschen Auffassungen wird man durch summarische
Aufzählungen verleitet. So mufs man nach dem, was Nitzsche
S. 1 5 sagt, annehmen , die Wörter 7iase, f}-ichii, chtibes, choiißiqiieur ,
choumaque, schloffer, schnopps, schpiler seien in der niedern Sprache
allgemein verbreitet. Man sieht, dafs es sich um Wörter handelt,
wie man sie überall an der deutsch -französischen Sprachgrenze
findet, 2 deren fremder Ursprung aber deutlich empfunden wird.
Der Gebildete, dem es um Reinlialtung der Sprache zu thun ist,
bedient sich ihrer nicht. Es ist begreiflich, dafs sie für ihn infolge
dessen einen verächtlichen Beigeschmack haben. — Eine genaue
Wiedergabe dessen, was Sachs sagt, hätte uns bereits besser unter-
richtet. 7iase, frichli, chtibes werden als selten, choumaque als Pro-
vinzialismus (Bourgogne) bezeichnet, choumaque kenne ich aus der
französischen Schweiz, frichti findet man in der Revue des patois
galloromans I, 205 in der Bedeutung „festin" in einem Text aus
Essarts-Iez-Sezanne (Canton d'Esternay, Marne), mit der Anmerkung,
in Athis (Orne) bedeute das Wort „toute viande en ragoüt". Die-
selbe Bedeutung findet man im Wallonischen (mündliche Quelle).-^
Das Wort dürfte, wie schtiapps, in familiärer Sprache ziemlich all-
gemein verbreitet sein. Zu 7!ase s. Godefroy. In der Gegend von
Liege ^ „gros nez" (mündliche Quelle), aller schloff' in den Ar-
dennen = schlafen gehen. Larchey, Nouveau suppl6ment du dic-
tionnaire d'argot, Paris 1889 citiert aus Zola (ohne genaue Angabe):
J'ai file, je suis alle schlofftr un brin. Aehnlichen Ursprungs sind
sicher auch die übrigen Beispiele, die ich nur in Argotwörter-
büchern gefunden habe.
c. Scheidung zwischen Bedeutung und Verwendung
(usueller und occasioneller Bedeutung). 4 Ist auch der Unter-
schied zwischen usueller und occasioneller Bedeutung oft fliefsend
(Nitzsche S. 4 und S. 54) und bleibt die Feststellung der Grenze
häufig mehr oder weniger dem subjektiven Ermessen anheimgestellt,
so müssen wir doch in einer Untersuchung von der Art der vor-
liegenden eine Erwägung immer im Auge behalten: Occasionelle
Bedeutungen sind wohl charakteristisch für ein gewisses eng be-
grenztes Sprachstadium, nicht aber für die Sprachentwicklung. Sie
sind nur Versuche, die Sprache umzugestalten; ob diese Ver-
1 Allgemein läfst sich nur sagen, dafs ein Argotismus gewöhnlich eo ipso
einen ungünstigen Gefühlswert besitzt.
2 Vgl. z. B. Zimmerli, Die deutsch -französische Sprachgrenze in der
Schweiz, I.Teil, Sprachgrenze im Jura S. 6 f., S. 13 f., S. 34 f.
* Vgl. auch A. Darmesteter, De la creation actuelle de mots nouveaux
dans la langue fian9aise. Paris 1877 S. 259.
* Dazu vergleiche man: Paul S. 68 ff., Heerdegen, Grundzüge S. 96 ff.,
besonders S. 108 ff., Hey, Semasiologifche Studien S. 105 ff. Am klarsten und
schärfsten hat Paul den Unterschied definiert.
592 K. JABERG,
suche gelingen oder nicht, ist aber von grofser Bedeutung. Nach
der Lektüre von Bükemann i ist man z. B. geneigt, dem Euphemis-
mus einen viel gröfsern Einflufs auf die Spraclie beizumessen, als
ihm in Wirklichkeit zukommt. Bei näherem Studium wird man er-
staunt sein, zu konstatieren, dafs verhältnismäfsig wenig zu dauern-
dem Sprachgut wird. Um die Bedeutung gewisser Erscheinungen
für die Umgestaltung des Sprachganzen beurteilen zu können,
müssen wir somit Occasionelles so viel als möglich ausscheiden.
Damit soll keineswegs gesagt sein, occasionelle Bedeutungs-
änderuDgen dürften nicht angeführt werden; ich möchte im Gegen-
teil an einem Beispiele zeigen, dafs sie von grofsem Nutzen sein
können. Allein dann müssen sie ausdrücklich als occasionell be-
zeichnet werden. Sie dienen nicht zur Feststellung des Ein-
flusses einer Erscheinung auf die Umgestaltung der Sprache,
sondern zu ihrer Erklärung. Dazu sind sie in vielen Fällen sogar
geeigneter als usuell gewordene Aenderungen, denn hier ertappen
wir die Sprache auf frischer That, wir sehen in ihren Mechanismus
hinein.
conlroiivcr heifst nach dem Dict. g6n. „inventer mensongere-
ment" (vgl. dort und bei Littre Beispiele aus Klassikern. Heute
ist das Wort selten). Im Altfranzösischen finden wir es mit der
Bedeutung ersinnen, erfinden. Aeltestes Beispiel:
^o controverent baron franc,
Por ^o que fut de buone feit,
de Chelperin feissent rei.
St. Leger 52, Romania I S. 306 Ed. G.Paris.
Dazu die Anmerkung: conirouver signifie „imaginer, avoir l'idee".
Uebersetzung obiger Stelle: „Les barons francs eurent l'idee de
faire roi Chilp6ric, parce qu'il etait de bonne foi." Weitere Bei-
spiele s. Godefroy II, 283. Die heutige Bedeutung finden wir im
13. Jahrhundert (s. Godef. II, 284 Roman de la Rose und IX, 188
Rutebeuf. Andere Beispiele bei Littre). Wir haben somit den Be-
deutungsübergang erfinden — erlügen zu erklären. Derselbe er-
scheint uns ganz natürlich, wenn wir an gewisse Verwendungen
des heutigen inve?iter'^ denken. Vgl. Dict. gen. unter der De-
finition 3^ „imaginer une chose qu'on donne comme reelle" (gegen-
über 1^ creer qqch. de nouveau; 2^ imaginer (quelque id6e)): Quelle
histoire mvenits-\ous lä? Une pareille chose ne s'mven/e pas. Littr6
umschreibt mit supposer, controuver die Beispiele: Elle me l'a
dit; c'est un fait constant; je v^invenle rien, moi (Lesage). Tu dis
qu'en un complot j'ai voulu t'engager? Fourbe! ?«z.'^«/^ donc mieux,
si tu veux te venger (Legouv6). — Cela ne s'invetite pas als Bei-
spiel zu etre controuv6. Ganz analog hatte das altfranzösische
controver in gewissem Zusammenhange eine schlimme Bedeutung.
1 Französischer Euphemismus, s. oben S. 565.
2 Vgl. die occasionellen Bedeutungen der entsprechenden deutscheu
Wörter erfinden, ersinnen.
PEJORATIVE REDEUTÜNGSENTWICKLUNG IM FRANZÖS. 593
Dieselbe trat nach und nach in den Vordergrund des Bewufstseins,
während die alte, allgemeine Bedeutung erlosch. — Es bleibt zu
erklären, warum die schlimme Seite von erfinden besonders hervor-
trat. Auch hier mag uns i?ivetiier den Weg weisen. Man sagt lieber
rücksichtsvoll il a mvetite cela als il a menti, oder vous inventez
cette histoire statt cette histoire est fausse, trotzdem man im Grunde
findet, die Ausdrücke mentir, faux etc. wären die richtigeren. Ent-
sprechend, müssen wir annehmen, wurde conlrover gebraucht. Der
Eindruck, den die Verwendungen ohne euphemistische Absicht im
Bewufstsein hinterliefsen , wurde durch Verwendungen mit euphe-
mistischer Absicht verstärkt und trug den Sieg davon. In ähn-
licher Weise liefse sich die occasionelle Bedeutung von invefiiion
der altfranzösisch usuell gewordenen von engin (vgl. auch engig7iiei)
gegenüberstellen.
Im Sprachbewufstsein des Franzosen existiert aber die Sonder-
bedeutung invenier = erlügen nicht, mag sie auch das zerlegende
Denken des Sprachforschers feststellen. Es wäre also falsch, inventer
als ein Beispiel pejorativer Bedeutungsentwicklung zu nennen.
In der Zulassung occasioneller Beispiele geht Nitzsche ent-
schieden zu weit; besonders ist zu tadeln, dafs sie nur ausnahmsweise
als solche gekennzeichnet werden. S. 42 heifst es: „Für das harte
und mifstönende voler gibt es gar manche beschönigende Synonyma:
deiourner, deroher, soulever p. [= populaire] = entwenden.
s'accomoder de qc. = sich etwas zu Gemüte führen.
sapproprier qc. = sich etwas aneignen.
siibtiliser qc. ^ i. etwas verfeinern, verdünnen;
2. etwas stiebitzen.
escatnoier qc. = etwas bei Seite schaffen."
Zunächst sehe ich nicht ein, warum derobcr in diese Gesellschaft
kommt. Eine Qualitätsverschlechterung hat das Wort meines Wissens
nicht erlitten. Das älteste von Godefroy und Dict. gen. genannte
Beispiel lautet: Por qu'aves vos ces moines si desreubes, Aiol 1445.
derober besitzt hier die heute veraltete Bedeutung depouiller. Die
übrigen Beispiele prüfen wir nach dem von Paul (den ja auch
Nitzsche S. 4 in dieser Frage citiert) S. 70 angegebenen Kriterium:
„Dafür [dafs eine abgeleitete Bedeutung wirklich usuell geworden
ist] giebt es ein sicheres Kriterium, nämlich dafs ein Wort occa-
sionell gebraucht in dem betreffenden abgeleiteten Sinne verstanden
werden kann ohne Zuhülfenahme der Grundbedeutung; d. h. ohne
dafs dem Sprechenden oder Hörenden dabei die Grundbedeutung
zum Bewufstsein kommt." Es ergiebt sich: Mit saccomoder de qqch.
will man einen komischen Effekt erzielen , ebenso mit sapproprier
qqch. Während aber s^accoinoder ohne Zuhülfenahme der Grund-
bedeutung nicht verstanden werden kann, mag dies bei sapproprier
zweifelhaft sein, soulever gehört dem Argot an, ist also höchstens
als sekundär -usuell zu bezeichnen. 1 Ohne weitere Angaben dürfen
' Dafs übrigens die ursprüngliche Bedeutung noch deutlich empfunden
wird, zeigt das Wortspiel im Lied von der 150 Kilo schweren Frau:
Zeitschr. f. rom. Phü. XXV. 38
594 K. JABERG,
also nur ditourner,^ suhiiliser, escamoier angeführt werden, sapproprier
mit Reserve.
Speziell für den Euphemismus steht uns ein weiteres Kriterium
zur Verfügung: So lange wir das Bewufstsein haben, mit dem
neuen Worte einen Anstofs erregenden Ausdruck zu vermeiden, ist
ersteres nicht usuell geworden. Es soll nicht verschwiegen werden,
dafs trotz der Anwendung der genannten Kriterien manches zweifel-
haft bleibt.
Nitzsche gerät besonders im zweiten Teile seiner Arbeit immer
mehr auf das Gebiet der occasionellen Bedeutungen. S. 32 inter-
essieren uns direkt nur diejenigen Wörter, die „dauernd einen
komischen Anstrich erhalten" haben, anders ausgedrückt: die nicht
ausgesprochen werden können, ohne eine komische Wirkung zu
erzielen : coiigrahiler, s'ijnhiher, s^ingurgiler, progeniiiire, elucubraiion,
adolesceni, mirifique, idoine, ptidibotid, casiel, vehicule.'^ Unter den
übrig bleibenden [utoribond, similiiude, cUmence, iurpilude, taciturni)
wird moribond sicher nie, similihide, cUmence, iacitiirne sehr selten
mit komischer Nuance gebraucht. TnrpUiide wendet man über-
treibend hie und da im Spasse an.
In dem Kapitel Ironie heifst es S. 49 zum Schlüsse: „Endlich
ist die Ironie im Stande, ein Wort für sich, losgelöst aus dem Zu-
sammenhange, pejorativ zu qualifizieren; dann wird indessen die
Ironie vom Sprachbewufstsein nicht mehr empfunden." Das sind
eben gerade die Beispiele, die wir suchen.
d. Wortbildung und Bedeutungswandel. 3 Man mag
sich darüber streiten, ob die Bedeutungsänderungen, die mit der
Bildung eines Wortes zusammenhängen, in der Wortbildungslehre
oder in der Semasiologie zu behandeln seien. Jedenfalls aber mufs
man auf den Unterschied aufmerksam machen, der zwischen zwei
Beispielen wie subtiliser qqcJi. (== etwas geschickt entwenden) und
atitipaiher qqn. (= jemanden verabscheuen)^ besteht. Das erstere
hiefs ursprünglich „r6duire en particules deli6es, par l'action du
feu"; letzteres hat nie eine andere Bedeutung noch andere Nuance
„Quand j' pens', nom d'un cliien,
Qu' tout 9a m'appartient,
J' m' dis: Achill', -chill', -chille,
T' fais pas d' bil', bil', bile,
Cett' fetnm' pas d' danger
Qu'on va t' la soul' ver."
1 Besser mit „unterschlagen" als mit „entwenden" zu übersetzen. Eigent-
lich „bei Seite schaffen" (von ungetreuen Beamten), also in sehr beschränk-
tem Sinne.
2 Wozu noch zu bemerken ist, dafs in s'imbiler {=^ trinken) die komische
Wirkung eher von dem Bilde herrührt als von der Wortform und dafs castel
zu den Archaismen der folgenden Seite gehört, s'ingurgiter wirkt als medi-
nischer Ausdruck komisch. In pudibond ist der Begriff dem Spotte ausgesetzt.
3 Ich lehne mich hier wieder an die Kritik von Diltrich a. a. O. S. 155
an (vgl. oben S. 590), kürze daher ab.
* Nitzsche S. 29. Ob antipather, algebriser und adjectiver wirklich
existieren oder ob es vereinzelt gebliebene Neubildungen seien, lasse ich da-
hingestellt. Nachweisen kann ich sie nicht.
PEJORATIVE BEDEUTÜNGSENTWICKLUNG IM FRANZÖS. 595
gehabt als die gegenwärtige. Der komische Effekt beruht auf der
Art der Wortbildung. Eine Qualitätsverschlechterung können wir
nur im Vergleiche mit aniipalhte konstatieren. Häufig ist die Er-
scheinung, dafs die Bedeutung eines abgeleiteten Wortes einer
pejorativen Verwendung des Grundwortes entspricht. So finden
wir bei Nitzsche S. 2g algebriser (selten, = sich zu gelehrt aus-
drücken), dessen Bedeutung durch die metaphorische Verwendung
von algt'bre (c'est de Xalglbre pour nous = das ist uns unver-
ständlich) erklärlich wird. Die von Nitzsche angeführten Wort-
bildungen sind nicht sehr zahlreich: jinffei- (S. 14), Jeaii-bele, Jean-
fesse, Jea7i-Jea7i (S. 17, dazu Dittrich a. a. O. S. 155), meurt-de-faim,
va-nu-pieds, sans-le-sou (es wäre wirklich merkwürdig, wenn die
letztgenannten eine andere als eine verächtliche Bedeutung hätten),
paiUart (S. 26, zu letzterem Dittrich a. a. O. S. 155),' adjecliver qqn.
(S. 2g = jemanden beleidigen, pop.), momeiitaiice, horizontale (Be-
deutungswechsel mit der substantivischen Verwendung eingetreten,
vgl. Dittrich a. a. O. S. 44), bau vivant, viveur, noceur (S. 44), die
Flüche (S. 45 f.), Heu commun, honune noiiveau (ß. ^2), pot-ati-feu (in
adjektivischer Verwendung). Nimmt man aber prinzipiell derartige
Beispiele auf, dann mufs dies in viel ausgedehnterem Mafse ge-
schehen. Zu S. 29 wären ungezählte komische Wortbildungen zu
ergänzen, vgl. barbifier, cocufier, sei^neurtfier, tartufier, abracadabrant,
dhiaioire, e?igendrer (= mit einem Schwiegersohn versehen), majoresse
(Frau Major), moyeiidgeux, pbnnitif, principicule, Adjektiva auf -i'ssme
etc., die man im Dict. gen. nachschlagen möge. Es müfsten auch
die Bildungen mit pejorativen oder oft pejorativ gebrauchten Suf-
fixen und Präfixen genannt werden: 2
-ard {bdtai'd, penard, pleurard, ietard etc.).
-aille, -aiJler [coquinaiUe, frocaille, prelraiUe — disptitailler, ecri-
vaiUer, repe tailler etc.).
-asse, -asser [blondasse, fadasse; hommasse, paperasse', rapetasser,
trainasser etc.).
-dtre {belldtre, doucedtre, genlilldtre etc.).
-aud {rusiaud, salaud, sourdaud etc.).
-erie (Juiverie, moinerie', poltronnerie, singerie, crierie, mangerie,
tuerie etc.).
-eur, -euse {raisomieur, rimeur; marcheiise, raccrocheuse etc.).
vie- [mecontent, mecreatit, medire, mefaire etc.).
Nicht zu vergessen wären die Ableitungen von Eigennamen {ber-
qtiinade, capucinade, escobarder, jeremiade etc.), Zusammensetzungen
in der Art von meiirt-de-faim [patte-peu, pince-maille, tire-ligne etc.)
u. s. f. u. s. f.
Obige Beispiele sind eine kleine Auswahl derjenigen, die ich
aus dem Dict. gen. notiert habe. Zieht man erst volkstümliche
* S. 20 auch cabotin, dessen Ursprung der Dict. gen. als unsicher be-
zeichnet, dessen Nuance aber gewifs nie eine andere gewesen ist als heute.
* Ich beschränke mich auf die Andeutung der gewöhnlichsten.
38*
59 6 K. J ABERG,
Sprache und Argot herbei, so wächst der Stoff um das Doppelte
und Dreifache, wie ein Blick in die Parisismen von Villatte zeigt.
Ich werde mich im Folgenden auf den selbständigen (s. oben
S, 585) Bedeutungswandel beschränken, da ich glaube, dafs die
pejorative Wortbildung einer eigenen, eingehenden Untersuchung
bedarf.
e. Redensarten und Bedeutungswandel.^ Nur wenige
der von Nitzsche angeführten Redensarten haben wirklich einen
Bedcutngswandel erlitten. Ich rechne dazu besonders die Höflich-
keitsformeln S. 50 f., die sich infolge der Uebertreibung abgeschwächt
haben. In den meisten übrigen Fällen ist die schlimme Bedeutung
mit der ersten Bildung der Redensart gegeben. // a um pointe'^
hat nie etwas anderes bedeutet als „er hat ein Spitzgen" (wie
Kritzinger übersetzt), il est e7itre deux vins"^ nie etwas anderes als
„er ist nicht mehr ganz nüchtern" u. s. f. Es ist völkerpsychologisch
sehr interessant, zu beobachten, wie ein gegebener Gedanke um-
schrieben wird und wie sich diese Umschreibung in der Sprache
verfestigt. Für die Qualitätsverschlimmerung aber, scheint mir,
haben solche Redensarten nur insofern Bedeutung, als bei ihrer
Bildung oft dieselben Motive thätig sind wie beim Bedeutungs-
wandel in pejorativer Richtung, als also letzterer durch sie er-
klärt werden kann. Dann müfsten aber auch Sprichw^örter, Volks-
lieder, überhaupt alle Aeufserungen volkstümlicher Denkw-eise be-
rücksichtigt werden» — Es ist bei Redensarten noch schwieriger
als bei einzelnen Wörtern , zwischen dem, was occasionell geblieben,
und dem, was usuell geworden, zu unterscheiden. Zieht man die
Grenzen so weit wie Nitzsche, dann müssen die Beispiele ungleich
zahlreicher sein als bei ihm. Welche Ausdehnung die vorliegende
Arbeit nehmen müfste, möge ein Beispiel zeigen. Ich stelle, aus-
schHefslich nach dem Wörterbuche von Kritzinger (s. oben S. 561),
die halb euphemistischen, halb ironischen Redensarten zusammen,
welche auf das Prügeln Bezug haben:
avoir soji C07?ipte.
passer sous la main de qqn.
passer sous la patte de qqtt.
inettre la patte sur qqn.
frotter qqn. en diable et deini.
il en a eu d'une veniie.
accomoder de tout point.
accomoder tout de röti.
en donner tout du long de l'aune ä qqn.
fnesurer les cotes ä qqn. (Dict. g6n. unter cöte: mesurer, chatouiller,
rempre les cotes ä qqn).
donner de rhutle de cotret ä qqn. (Dict. gen. : huile de cotret, coups
de bäton).
1 Vgl. Dittrich a. a. S. S. 155.
2 Nitzsche S. 40.
PEJORATIVE BEDEUTCJNGSENTWICKLUNG IM FRANZÖS, 597
rafraichir les epaules avec un ivenlail ä qumze pointes ä qqn.
rabattre les coutures ä qqn. (Dict. gen.: auch haitre qqn. ä plate
couture).
trousser la jaquette ä qqn. (vgl. Dict. gen. unter jaqiiette).
bien secouer la jaquette ä qqn. (auch secouer qqn.) (vgl. Dict. gen.:
secouer les piices ä qqn).
donner ä qqn. sa Provision de bois (vgl. Dict. g6n.: donner ä qqn.
une volee de bois vert, charger qqn. de bois) {il a eu tine bo7ine
Provision de bois poiir son hiver),
ajuster qqn. ä double carillon (Dict. gen. veraltet: ajuster qqn. de
ton les piices).
donner des chausses ä qqn.
/rotier les oreilles ä qqn. (Dict. gen. unter froiter).
graisser la peau ä qqn.
nettoyer les habits de qqn. sans vergettes.
se jeter sur la friperie de qqn. (Dict. g6n, unter friperie).
il a vu des anges violets.
il ny va pas de morte main (vgl. mehrere ähnliche Beispiele Dict.
gen. unter main I, 4^: La ?naitt servant ä frapper).
donner l' aller et le venir ä qqn., einem auf beide Backen Maul-
schellen geben (vgl. Dict. gen.: donner V aller et le retou?').
charger qqn. d^ appoitttement.
pocher au beurre noir (Dict. gen. unter pocher und beurre, vgl. auch
tretnper une soupe ä qqn.).
Man vergleiche die INIetaphern:
böuchonner qqn.
epousseter qqn.
etriller qqn.
gourmer qqn.
gouspiller qqn. (s. H.-D.-Th. unter houspiller).
iorcher qqn.
Das Material ist damit gewifs noch nicht erschöpft. Vgl. z. B. Ler-
mina et Leveque, Dictionnaire thematique fran^ais-argot, Paris 1897
unter battre). — Nitzsche nennt S. 48 : accomoder, ajuster qqn. de
toutes pihes.
3. Einseitigkeit der Behandlungs weise.
Bei Nitzsche heifst es S. 13 unter dem Titel „Der nationale
und Stammesgegensatz": „Sehr bezeichnend tritt dieser bereits in
der Benennung der Ausländer hervor; etrange (extraneus) früher =
Ausländer, Fremder, wird zu: sonderbar, seltsam, entsprechend dem
italienischen strano.''^ 1 Die Frage, welcher Art der Vorgang der
1 Die Entwicklung von strano ist weitergeschritten zu der Bedeutung
„ruvido, di maniere scortesi, che usa stranezze" (Rigutini e Fanfani, Vocabo-
lario della lingua parlata), was gesagt werden sollte, sobald man das Italienische
zum Vergleiche herbeizieht. (S, über das Wort auch Ztschr. f. Völkerpsychol.
598 K. J ABERG,
Bedeutugsveränderung war, läfst Nitzsche unberührt. Zwei Er-
klärungen sind möglich. Entweder haben wir es mit einer Be-
deutungsverschiebung zu thun:i An das Wort eträtige (= fremd)
knüpfte sich in gewissem Zusammenhange (ohne Absicht des
Sprechenden) die Nebenvorstellung des Sonderbaren, die nach und
nach zur Hauptvorstellung wurde.2 Oder: Man brauchte itraftge
euphemistisch für sonderbar {vgl. occasionell un homme si?igulier,
ein merkwürdiger Mensch, in schlechter Bedeutung (Betonung!).
Beispiele für das Englische s. E. INIüller, Zur englischen Etymologie
S. 33), worauf Adäquation erfolgte. —
Im ersten Falle bleibt der Grund zu suchen, warum gerade
die Nebenvorstellung „sonderbar" zur Hauptvorstellung wurde. Man
mag ihn mit Nitzsche im nationalen Gegensatze sehen, wenn man
nicht vorzieht, das Beispiel einer allgemeineren Erscheinung unter-
zuordnen: der Abneigung gegen alles, was vom Gewöhnlichen ab-
weicht. — Im zweiten Falle bewog Rücksicht gegenüber den
Schwächen des Nächsten, für den Begriff „sonderbar" einen mil-
deren Ausdruck zu wählen, wobei man auf eirange geriet. Es
können aber auch beide Vorgänge mit einander gewirkt haben;
denn eine usuelle Bedeutung ist das Produkt einer Anzahl von
occasionellen : Trotz der Verschiedenheit der Motive kann der
Effekt derselbe sein.^ Für die Einordnung wird mafsgebend sein,
welches Motiv man für das wichtigere hält. Unter Umständen
wird dasselbe Beispiel doppelt und mehrmals genannt werden
müssen.
Der Verlust der alten Bedeutung von eirange ist wohl dem
Einfiufs der abgeleiteten Form äranger zuzuschreiben, die der
Dict. g6n. im 14. Jahrhundert belegt, während eirafige in ursprüng-
licher Bedeutung noch lange nachher vorkommt (s. Godef.).
Unter den Beispielen , die Nitzsche S. 1 3 f. auf eirange folgen
läfst, fallen in den Kreis unserer Betrachtung: Anglais famil. ::=
hartherziger Gläubiger *; Americain (Neologisme) = Bauernfänger;
ludesqiie = urdeutsch, plump; tculonique „hat aufserhalb der histo-
rischen Verbindungen wie ordre leiäonique, hanse teulonigue den An-
VI, 424). — Die französische Bedeutung ,, sonderbar" ist nicht vom Substantiv
„Ausländer, Fremder", sondern vom Adjektiv „ausländisch, fremd" abzuleiten,
das bei Godefroy unter estraigne in zahlreichen Beispielen vertreten ist.
1 So nenne ich kurz die Erscheinungen, die Thomas unter I zusammen-
fafst (s. oben S. 581). Nach Wundts Einteilung gehört das Beispiel dem assi-
milativen Bedeutungswandel an (s. oben S. 587) und zwar der Unterart mit
wechselnder dominierender Vorstellung (Wundt, Völkerpsych, I, 2 S. 493 ff.).
^ Vgl. oben S. 592 f. inventer und controuver.
^ Ob die eine oder andere Erklärung vorgezogen werde, eines dürfen
wir wohl mit Sicherheit behaupten: Es besteht für das Volksbewufstsein eine
Verwandtschaft zwischen den Begriffen ,, fremd" und „sonderbar".
* Pasquier (s. nächste Seite Anm. 3) erklärt Anglois durch ,,creancier
fächeux", „auquel il [le peuple] ne tombe soudain en l'entendement", ähnlich
spätere Wörterbücher. Cotgrave: „a creditor that pretends he hath much
money owing, which is never like to be paid hira".
PEJORATIVE BEDEÜTUNGSENTWICKLUNG IM FRANZÖS. 59g
strich des Geringschätzigen oder Komischen"; „bei gerinanique läfst
sich dieselbe Neigung konstatieren, nur weniger stark als bei teu-
ionique"; „Polo7iais = domestique de maison publique" u. s. f.i
Warum ändert Anglais seine Bedeutung? — Der Begriff „hart-
herziger Gläubiger" verlangt eine Benennung; man sucht einen
neuen und anschaulichen Ausdruck. Als solcher bietet sich infolge
irgend einer Association das Wort Anglais. Die Veranlassung zum
Bedeutungswechsel bot also das Streben nach Anschaulich-
keit und Neuheit des Ausdruckes und nicht der nationale
Gegensatz. Wir fragen aber mit Nitzsche weiter: Warum hat
man zu der Bezeichnung des Begriffes „hartherziger Gläubiger" ge-
rade Attglais und nicht ein beliebiges anderes Wort gewählt, anders
ausgedrückt: Warum schlug die Association gerade diese und nicht
irgend eine andere Richtung ein? Offenbar weil sich gewisse Neben-
vorstellungen, im vorliegenden Falle diejenige der Hartherzigkeit
in Geldsachen, an den Begriff Engländer knüpften und im gegebe-
nen Augenblicke im Vordergrunde des Interesses standen. Der-
artige NebenvorstcUungen beruhen entweder auf thatsächlichen Ver-
hältnissen, vielleicht ganz zufälliger Art, 2 oder auf einem nationalen
Gegensatz, der dazu führt, dem fremden Volke böswillig schlimme
Eigenschaften unterzuschieben oder die vorhandenen hervorzuheben.
Ob das eine oder das andere bei Anglais zutrifft, kann nur eine
kulturhistorische Untersuchung entscheiden. 3
Bei andern Beispielen, die Nitzsche in dem besprochenen
Kapitel nennt, scheint mir aber sicher, dafs von einem nationalen
Gegensatze nicht die Rede sein kann. Wie sollte ein solcher
z. B. zwischen Chinesen und Franzosen entstanden sein? Als
„w^underlicher Kauz" [Chinois] erscheint der Chinese auch dem
ihm günstig Gesinnten. Mag sich auch bei gascon (= wind-
beutelig, prahlerisch) in der Hervorhebung der schlimmen Eigen-
schaft ein gewisser Stammesgegensatz geltend machen, so ist doch
nicht zu vergessen, dafs objektive Thatsachen zu Grunde liegen.
Nach denselben Gesichtspunkten sind die übrigen Beispiele und
diejenigen der drei folgenden Kapitel zu beurteilen. Es ergiebt
sich also zunächst:
^ Die oben S. 590 f. aufgestellte Forderung gilt natürlich auch hier. Arne-
ricain und Polonais sollten als Argotwörter sehr beschränkten Gebrauches ge-
kennzeichnet werden.
^ So gewifs bei Americain (vgl. vol ä l'americaine) und Polonais iu den
obigen Bedeutungen, überhaupt bei vielen verallgemeinerten Eigennamen des
Argots.
3 Geschichtliche Erklärung durch die langen Kriege mit England und
die durch die Verträge herbeigeführten Geldslreitigkeiten. Vgl. Estienne Pas-
quier, Recherches de la France, VIII chap. 7 und 27. Die von ihm citierten
Beispiele aus Guillaume Cretin und Clement Marot reproduzieren die meisten
gröfsern Wörterbücher (ich habe Cotgrave, Furetiere, Richelet, Menage und
Trevoux nachgesehen. Nur letzterer hat das Wort nicht) bis auf Littre, Gode-
froy und Dict. gen. Das Wort scheint aus der Volkssprache geschwunden
zu sein.
600 K. JARERG,
i) Nitzsche fragt nicht: Warum hat ein Wort seine Bedeutung
geändert? sondern nur: Warum hat es sie in pejorativer Richtung
geändert?
2) Das Motiv des Gegensatzes ist zur Erklärung des pejora-
tiven Bedeutungswandels zu eng.
Es bleiben oben die drei Adjektiva titdesque, teutonique, germa-
niqtieA Hier fallen die Antworten auf die unter i) formulierten
Fragen in eine zusammen: Es verbinden sich mit den Begriffen
„germanisch", „teutonisch" etc. gewisse Nebenvorstellungen, die von
den Anschauungen des Franzosen über seine Nachbarn abhängig
sind. Diese Anschauungen (darin stimme ich mit Nitzsche über-
ein) sind im vorliegenden Falle ungünstige; daher die pejorative
Bedeutungsentwicklung.
INIir kommt es in diesem Augenblicke darauf an, dafs der
Vorgang der Bedeutungsänderung nicht derselbe ist wie bei Anglai's.
Dort fand eine Uebertragung des Wortes auf einen andern Begriff,
hier eine Verschiebung innerhalb der Vorstellungsgruppen statt.
Es folgt:
3) Nitzsche vermischt in ihrem Wesen verschiedene Arten des
Bedeutungswandels.
Ein weiteres Beispiel bietet hiefür der dritte Abschnitt seines
ersten Kapitels, in dem die Degradierung der Fremdwörter be-
sprochen wird. Das Charakteristische ist dabei, dafs sich ungünstige
Nebenvorstellungen, resp. Gefühle nicht mit dem bezeichneten Be-
griffe (wie bei germamque etc.), sondern nur mit dem Worte
associieren. Dies kann dann zur Folge haben, dafs das Wort
auf niedrigere Qualitäten desselben Begriffs herabsinkt [häbler nicht
mehr sprechen, sondern prahlerisch sprechen). Die betreffenden
Beispiele sind also, was den Vorgang der Verschlimmerung be-
trifft, den im V. Kapitel (Aesthetische Anschauungen) 2 von Nitzsche
aufgezählten analog.
Schlufsfolgerungen.
Die vorliegende Arbeit soll zum Verständnis nicht nur der
Bedeutungsverschltmmerung, sondern desBedeutu ngswandels über-
haupt einen Beitrag liefern. Ich frage deshalb:
1. Warum hat sich die Bedeutung eines Wortes über-
haupt verändert? (Anders ausgedrückt: Welches war
der erste Anlafs zum Bedeutungswandel?)
2. Warum hat sie sich in pejorativer und nicht in
anderer Richtung verändert? (oder: Welche Umstände
haben die Richtung des Bedeutungswandels be-
stimmt?)
^ Warum nennt Nitzsche Teuton nicht? Deutschfeindliche Zeitungen
verwenden dasselbe mit Vorliebe. In der französischen Schweiz wird es als
Schimpfwort für Deutschschweizer gebraucht, ungefähr wie in der deutschen
Schweiz Schwab (Schwabe) gegenüber dem Reiclisdeutschen.
^ Einige Beispiele daraus s. oben S. 594.
PEJORATIVE BEDEUTUNGSENTWICKLUNG IM FRZ. 6oi
Die Voranstellung der zweiten Frage würde dazu führen,
psychologisch vollständig verschiedene Beispiele in derselben Kate-
gorie unterzubringen (vgl. oben S. 598 ff.).
Als methodische Grundsätze ergeben sich aus der Besprechung
der Dissertation von Nitzsche:
1. Die Beispiele sind nach ihrer Herkunft und nach
ihrer Verbreitung zu kennzeichnen (vgl. oben S. 590 f.).
2. Occasionelle Bedeutungen dürfen nur unter aus-
drücklichem Hinweis auf ihren Charakter zur Er-
klärung herbeigezogen werden (vgl. oben S. 5gifif.).
3. Wortbildung und Redensarten sind von der Be-
trachtung auszuschliefsen (vgl, oben S. 594 ff.).
4. Der Complexität der Erscheinungen ist durch mehr-
fache Anführung desselben Beispieles Rechnung zu
tragen (vgl. oben S. 598).
Dazu wiederhole ich, was oben S. 561 f. begründet wurde:
5. Etymologisch Unsicheres mufs von der Betrachtung
ausgeschlossen werden.
(Fortsetzung folgt.)
K, Jaberg.
Oskisch dat, ital. da, sard, dae.
Einer der wenigen von F. Mohl unter dem Titel 'Les origines
romanes, etudes sur le lexique du latin vulgaire' zusammengestellten
etymologischen Aufsätze, die wenigstens beim ersten Lesen den
Eindruck machen, dafs sie einen richtigen Kern enthalten könnten,
ist der über de und da, S. 38 — 47. Die Ansicht des Verf, ist nach
seinen eigenen Worten S. 42 die folgende: 'II existe dans le latin
vulgaire d'ltalie une preposition da ou da qui fait concurrence ä
de, qui n'est pas encore r6pandue dans toute la p^ninsule lors de
la colonisation de la Dacie, c'est-a-dire au 11^ s., mais dont l'exis-
tence locale doit etre tres ancienne, puisqu'ua de ses d6riv6s ad-
verbiaux, egalement tres ancien selon toute apparence, se retrouve
dans le latin de Sardaigne et que da ou da lui meme a p(^netre
dans la plus ancienne province apres la Sardaigne, c'est-ä-dire en
Espagne.'
Bei näherem Zusehen erweist sich dieses schöne Gebäude aber
als Trugbild.
Die Form da findet sich im Oskischen als Präfix und mit -/
versehen als Präposition. Die Messung des a ist unbekannt, Mohl
spricht sich im Gegensatz zu allen Früheren für Kürze aus; da
aber etymologisch sich beides rechtfertigen läfst, so mufs der Streit
als müfsig betrachtet werden, wenn nicht neue Funde eine Mög-
lichkeit der Entscheidung geben. Für die Frage nach dem Ver-
hältnis zu ital. da bleibt es sich ohnehin gleich. Was den Auslaut
von dai und die romanischen Formen der Präposition da betrifft,
so schreibt Mohl S. 46 'la dentale survit encore aujourd'hui dans
le rh6tique dai, dad Gärtner Rätorom. Gramm. § 100, ce qui d'apres
nous est aussi regulier que possible, puisque, en regle generale,
-/ final se maintient en rhetique dans les monosyllabes, cf. dat 'il
donne', stat ou stet 'il se tient' en regard de conta ou venda etc.
Nous nous croyons donc en droit de fixer dat pour le latin d'ltalie
comme pour l'osque, en admettant que t final subsiste en mono-
syllabe au moins jusqu'au IIP siecle en Italic, puisque la g6n6rali-
sation de dat a cote de dl dans l'Italie centrale et septentrionale,
puis de lä dans la Rh6tie meridional et central, est post^rieure,
comme nous l'avons dit, ä la colonisation de la Dacie.'
OSKISCH DAT, ITAL. DA, SARD. DAE. 603
Ich sehe davon ab, dafs man die Präp. dat nicht sowohl mit
den Verben dat, stat als vielmehr mit den Konjunktionen et, aut
vergleichen müfste, in welchem Falle man zu anderen Resultaten
käme; wichtiger ist, dafs Gärtner eine Form dat weder an der
herangezogenen Stelle noch sonstwo anführt, dafs eine solche Form
überhaupt nicht besteht, sondern nur da, vor Vokalen dad. Aller-
dings weist ital. da auf konsonantischen Auslaut, da es überall
Dehnung des folgenden Wortes verlangt: da-m-vie aber di me, ob
aber -/ oder -d abgefallen sei, läfst sich nicht sagen.
Formell ist also ein Zusammenhang von osk. dat und ital. da
möglich. Was die Verwendung betrifft, so zeigen uns die vier Be-
lege auf der Tabula Bantina vollkommenste Uebereinslimmung mit
lat. de, nicht aber die eigenartige Färbung von ital. da. Sie lauten
dat se7ia\teis\ tanginud maimas de senaiiis se7itentia inaxinias par-
carneis pertmmini tes periniere
hafiest meddis dat castrid hahehit magistratiis de fundo
dat eizasc idic tangineis deicum de eis id senieniiae dicere
pis dat eizac egmad min\f\ qtiis de ea re niimis jiiret.
ddvaid
Also die Bedeutung pafst ganz und gar nicht. Freilich sagt Mohl
S. 47 : 'quant a la difference semantique introduite ... entre dl et
dat, il n'y a rien de plus natural ni de plus commun dans nos
langues. II suffit de rappeler le frane^ais chaise a cöte de chaire,
plier ä cöte de ployer. On remarquera d'ailleurs que la conser-
vation et la differenciation semantique des doublets de et dat s'im-
posait particuHerement dans l'Italie du Sud oü precisement l'ablatif
6tait rest6 beaucoup plus longtemps que dans le centre et le nord
un cas nettement distinct et caracterise. II n'est du reste nulle-
ment exclu que la conscience populaire ait par la suite analyse
dat, da en de ad, d'ad^ Von diesen drei Sätzen ist der erste nicht
zu widerlegen: er zeigt, dafs der Verf. in seinen Sprachstudien
sehr an der Oberfläche geblieben ist, und kann keinen, der den
Dingen auf den Grund geht, befriedigen. Der zweite widerspricht
den Thatsachen, der dritte ist ein verdecktes Zugeständnis an die
alte Erklärung, hätte jedenfalls eine Berechtigung nur dann, wenn
wir a allmählich in das Gebiet von da eingreifen sehen würden,
was nicht der Fall ist.
Wenn ich nun zum Romanischen selber übergehe, so mufs
ich zunächst gestehen, dafs mich das über aspan. da Gesagte höch-
lich überrascht hat. Weder Diez noch Cuervo kennen eine solche
Präposition; im Cid kommt sie nicht vor, das kann ich mit ab-
soluter Sicherheit sagen; in Berceos Heiligenlegenden, im Alexander,
im AppoUonio, bei Juan Ruiz ebenfalls nicht; für die Prosa kann
ich nicht so sicher einstehen, jedenfalls wäre die Form sehr ver-
einzelt. Auch Gorra giebt sie nicht in seinem Buche 'Lingua e
6o4 W. MEYER -LÜBKE,
lettcratura Spagnuola delle origini', und wenn sie in dem Glossar
von Kellers Altspanischem Lesebuche verzeichnet ist, so findet sie
sich doch nur einmal in der ganzen Sammlung und zwar im
Mistero de los tres magos. Ich vermute daher, dafs Mohl, der
auch anderswo eine oberflächliche Kenntnis dieses Textes zeigt,
sie daher hat. Also in der ganzen grofsen altspanischen Litteratur
trifft man da nur ein einziges Mal in einem Texte, der auch sonst
direkt fehlerhafte Ueberlieferung zeigt. Mufs da nicht gesunde
Kritik dieses da als Schreibfehler für de bezeichnen?!
Ich komme nun zum wichtigsten Punkt, um dessentwillen ich
überhaupt auf die ganze Sache eingehe, auf asard. dave, dava,
nsard. dae. Mohl sieht darin ein osk. *da/et, das sich zu dat ver-
halte wie lat. postihi zu post, interihi zu inter. Die lautliche Frage
hätte nun freilich eine etwas sorgfältigere Behandlung verlangt,
denn da trifolium zu trovozu wird, so ist es nicht ohne weiteres
verständlich, dafs dae auf *dafei zurückgehe. Allerdings sagt Mohl,
nachdem er lat. *d'ebi, osk. *dafei konstruiert hat, im Latein des
oskischen Landes habe dahl oder dab'e bestanden, scheint also eine
Kreuzung von *dafet und *deb7 anzunehmen. Wenn er sodann
*debe neben *debi aus -bei ansetzt, so ist das, trotz der scheinbaren
Erklärungsandeutungen S. 45 Anm. 9, eine der üblichen Willkür-
lichkeiten, mit der der Leser über die Schwierigkeiten hinweg-
getäuscht wird. Ueber die Form daba heifst es S. 47: 'Delius Sard,
Dial. 4 n. 2 prüfend avoir releve la forme daba dans une Charte du
XIIP s. qu'il ne cite pas d'ailleurs. En rdalit^ cette forme daba,
meme si son existence et sa primordialit6 6taient demontr6es,
ne ferait que compliquer les choses.' Die Verdächtigung, die gegen
Delius in diesem Satze ausgesprochen wird, ist durchaus ungerecht-
fertigt, wie wir gleich sehen werden; sie ist aber zugleich ein neuer
Beweis für die Leichtfertigkeit, mit der der Verf. zu Werke geht.
Mit Bezug auf die Verwendung von asard. dave ist nur noch die
Bemerkung S. 41 hervorzuheben: 'Le vieux sarde dave conserve donc
un caractere quelque peu adverbial, beaucoup plus effac6 dejä,
semble-t-il, en italien . . . C'est lä un point qui m^ritait d'etre
mis en lumiere, car il nous conduira, je pense, ä la v6ritable 6tymo-
logie de cette forme bizarre.'
Die Zahl der altsardischen Texte ist glücklicherweise grofs
genug, dafs man, um die Verwendung des Wortes festzustellen,
nicht auf Kombinationen oder auf Schlüsse ex silentio angewiesen
ist. Ich gebe das Material, so weit es nötig ist, vollständig.
Was zu allererst auffällt, ist, dafs neben dabe und daba auch
abe, aba vorkommt, und es wird sich vor allem auch darum handeln,
das Verhältnis von abe zu dabe festzustellen. Um darüber Klarheit
zu bekommen, soll abe nicht für sich betrachtet, sondern die
Reihenfolge der Urkunden zu Grunde gelegt werden.
Der älteste, in griechischen Lettern geschriebene, von Wescher
und Blancard in der Bibliotheque de l'öcole des chartes Bd. 35,
OSKISCH DAT, ITAL. DA, SARD. DAE. 605
S. 236 f. veröffentlichte Text, nach O. Schultz-Gora Zs. XVIII 149
zwischen 1089 und 1103 verfafst, enthält folgende Belege:
1 ) aha :
6 aqua et tera aratoria ki apo ab' apa mia 'die ich von meiner
Grofsmutter habe'.
97 apaia ajiathema aba patre e filiu e spiritu saiitii e de satila
Maria e de dodeki aposlohis 'er habe den Fluch vom Vater' u. s. \v.
2) daba:
17 es se kastiku sa semita daba Pradi e daba Boduri e daba
Siti (mir nicht ganz verständlich).
93 ki Vati kastikari isla deleganzia e fagere kajitii narat isla
ka}-ia, siat benediiiu daba deus e dabas sania Maria 'wer sie beob-
achten wird, diese Verordnung, und thun, was in ihr gesagt wird,
sei gesegnet von Gott' u. s. w.
Die folgende von Levy Riv. fil. rom. I 148 abgedruckte giebt
leider weder das eine noch das andere Wort, um so viel aus-
giebiger ist der Condaghe von S. Pietro di Silki (hg. von G. Bo-
nazzi 1900), dessen ungewöhnliche sprachliche Bedeutung ich bald
anderswo eingehend werde darthun können. Die Urkunden sind
nicht im einzelnen datiert, doch stammt er zum gröfsten Teile aus
dem Jahre 1150; erst bei Nr. 347 beginnt eine neue ausdrücklich
vom Jahre 11 80 datierte Sammlung, die bis über die Witte des
XIII. Jh. reicht, vgl. die diesbezüglichen Ausführungen des Heraus-
gebers S. XLIV. Die weitaus häufigere Form ist
ave'. venit termeii ... ave sa peira d'essu kastrii 10; bc7iit termen
d'essu saltu ave valliclu de Vonora 1 1 ; furait Petra Tecas a Nnastasia de
Funtana ave domo dessu thiu Z^\ jiidicaru7iili a jura ave latus de fiios
de Maria de Kerki 31; ego armailu tot tu su tnunisteru ave novii 40;
avendeviindela levata ave Cotronianu 43; posit a scu. Petru de Silki
donna Porosa de Thori a Justa Papis cun partho7ie sua ave Murusos
50; es termen dessu saltu: ave sa foke de Jomianu assu bruncu dessu
ferru clesu; avinde iottuve s'atha assa terra rubia . . . avutde tottuve
mare isca sa foke 61 ('von da längs des Meeres bis zu der Mün-
dung); ave sa foke a der et tu ad ivi 63; ave cattdu te vinkeran 82;
judicaru7iimi a destimonios ca los aviamus parthitos in co li kertava ave
sa vinkitura dessu patre 82; ave sca. fulia lis deron ad tottas III ki
venderon I boe e II vaccas , ed ave scu. Petru I cavallu domatu e
I fargala e II sollos de pannu 87; latus de fuste de Gogonave sa
domo d' Enene 91; ave termen d'agitu de Seuni 96; sa terre de For-
killos ave IIa de scu. Petru 137; ave conke vetmi ad esserinke donna
139; su latus pari ave via alva 140; es termen dessu saltu: ave su
motiticlu dessu f er ulariu affundu dess" elike 145; ave cande torrat assu
monticlu dessu ferulariu 1 45 ; ego desindelis IUI vaccas ave scu. Petru
e II ave sca. fulia 172; - ave termen dessa terra de Gosanline Regi-
tanu 173; termen dessa terra, ave suna parte sa de donnu Comita
donnikellu e dave s'altera muru tottuve, part ave sa de donnu Comita
de Laccon 180; essa mea ki vi avea av' innanti 186; termenes dessu
6o6 W. MEYER -LÜBKE,
saliu: ave sii cucuihu dess'iscala d^ Orthola, avunde parthimiis de pare
cun SOS de Thori 187; su rivu ki falat ave Teclata IQO; andmidoH
ave ter7tteji m termen 202, 203; termen: assa de sca. Maria de Thergti
ave s'una parle e dave s" altera essa de sca. Maria de Gennor 221;
ave SU Murake isca badu de ßumen 290; am su ki vi aveat ave inanti
scu. hnhiricu 2gg; omnia casa kanta naral ave susu 352; ave ko
viderun bene ke la sanait deus 356; leitende assa de Gennaro Gam-
bella ave iosso et ave susu tenende assa de filios de Gibilesu et dave
ambas sas aller as partes ave monte in mo7ile 358; in ko est descriltu
cuke ave susu 359, 367, 376; ave murake de corvos falat rivu mortu
ad su kercu arcalu de flumen minore 430; inco essit sa h?ilha derecla
isca SU termen ave jnanca paris 434.
Damit sind nicht alle Beispiele, aber alle Typen erwähnt; ave
termen in Urmen oder ave bei Grenzangaben kommt noch einige
Male vor. Auch avi?ide und avimde begegnen mehrmals, ferner
aveslara 205, 347 'von jetzt an', endlich ist noch ave secus zu
neniien :
posil a scu. Pelru Pelru Tarlasu lerras teilende assa domo d^Iste-
fane Leite, ave sccus 5 2 ; s^orlu ki est ave secus dessa costa de Gosan-
line de Carbone 181; ego deili ave sccus dessa domo sua 239; in sa
Corte de Parente ki est ave secus de muristere 306; et collat totuve
muru ad ave secus dessa domu de Maria Pirastru 385.
Wenn die Bedeutung von dem Herausgeber ganz richtig als
accanlo angegeben ist, so macht die Deutung doch etwelche Schwierig-
keit. Heute ist nur noch a insegus 'in dietro' gebräuchlich, aus
den Statuten von Sassari notiert P.E. Guarnerio Arch. Glott. XIIII 123
in secus, a insegus, ad secus, ad assecus 'in seguito'. Aus dem Latei-
nischen ist sccus im Sinne von 'neben' bekannt: aedificia quae sunt
juncla ex utraque parte secus viain Fabretti Inscr. 21 1, 533, vgl.
Georges; also im Sinne von secundum oder auch, wenn man v/ill,
im Sinne des asard. ave secus; wenn nun nicht das einfache secus
genügt, sondern ave hinzutritt, so scheint das Verhältnis dasselbe
zu sein wie das zwischen ital. accanlo und d^ accanlo, d. h. es liegt
die doppelte Ausdrucksweise des Ruhepunktes und des Anfangs-
punktes vor.
Neben diesem so häufigen ave ist dave wesentlich seltener.
Drei Beispiele, in denen ave und dave neben einander stehen, sind
schon angeführt worden, Nr. 180, 221, 358. Sonst findet sich noch
venit tertnen dave badu de previleru 5; stmt lermenes dessu saitu:
dave SU gulbare assu castru 62; Elias Falke dav Ardar 69; e dave
susu 290; parthirunilu dave sa ßmlana de mottle de kerketu 309»
issos levarun dave serra nioke 209; termen . . . dave sa malta de
Gureiu 311; dave sa fiku 312; tenende assa de Niscoli de Carvia, dave
oinnia parte 359; termen ... dave flumen collat totluve pus tnuric 378;
dave badu de previleru 379; issa vinia ki fuit sucla sa villa de Tur-
thevi dave sa de Ganti?ie Murmuri in iosso et dave sa de Pelru de
Serra in susu 421 und so noch einige weitere Beispiele, auch dave
OSKISCH UAT, ITAL. DA, SARD. DAE. 607
iermen m termen 402, 410 u. s. \v. Dann dave tando innanti 408;
dave innanti: te?iende assa kt vi aveat dave itmatiti scii. Petru 353;
dave iianti de iudike 3Q7; dave co\ et dave co baricait sii annale, hennit
Petru de kerkii 358; davinde: davinde girat toctue sa via 422 u. s. w.
Es sind dies die einzigen mir bekannten Texte, die ave neben
dave zeigen. In den Statuten von Sassari ist mir nur daiv)e be-
gegnet und auch Guarnerio hat keine andere Form hervorgehoben.
Aus einer bei Spano Ortografia Sarda II 89 ff. gedruckten Urkunde
hebe ich hervor : lehandti assoltura daha su donii min, apat anathema
daba pater et filio et scu. ispii., daha XII apolos., IUI evattglislas,
XVI propthas, XXII II senior es et daba CCCXV IUI scos. patres; ähn-
hch findet sich daba in den nämlichen Formeln S. 90 und 9 1 und
bei Tola S. 154, Nr. 8. Für die Verwendung mögen endhch noch
einige Beispiele aus den eben genannten Statuten (nach Guarnerios
Ausgabe Arch. Glott. XIV i, citiert nach Nummern der Urkunde)
Platz finden:
vois Messer N. electu potestate assu regirtientti dessa terra de Sas-
sari dave SU altu Cumone de Jtnna I ; pactos factos inter issu Ctimone
de Jenna dave suna parte et issu cumone de Sassari dave sattera i ;
tottu custas cosas narratas dave supra 4 ; et dave inde innanti in su
offititi no7i se lasset 4 ; dave conto innanti sos capitulos dessu ciimone se
iscrivan in duos libros 5; a^es levare dave dinaris XII fina a Sal-
dos III 2; si alcunu aet over act aver dave como itmanti cosa over
possessione alcuna ad pesione over feu dave su cumone de Sassari 2 l ;
cussos qui veng7iant dave nanti dessa potestate 24; infra tres meses dave
SU die dessa apprcsentatione 1 7 ; dave parte dessa potestate 18 u. s. w.
Aus diesen Beispielen geht zunächst klar hervor, dafs das Alt-
sardische je eine Präposition ave ava, bezvv. dave davä besafs, und
zwar so, dafs die ö-Form die kalaritanische ist, vgl. dazu O. Schultz-
Gora Zs. XVIII 151, wogegen die ^-Form Logoduro angehört. Da
es nun nicht den Lautneigungen des Südsardischen entspricht, be-
stehende Vokale in solcher Stellung dem Tonvokal anzugleichen,
paragogisches a bei a im Stamme dagegen durchaus üblich ist, so
ist eine Herleitung von einem erst konstruierten *dabei ebenso un-
wahrscheinlich, wie sich die von ab durch Form und Verwendung
geradezu aufdrängt, so aufdrängt, dafs ich bei den ersten Beispielen
an einen Latinismus gedacht habe. Man braucht aber nur die
Menge der Belege, die verhältnismäfsige Mannigfaltigkeit der For-
meln und den ganzen Stil der Urkunden anzusehen, um von einer
solchen Annahme sofort abzukommen. Ferner sieht man, dafs
dieses (d)ave durchaus präpositioneil ist, nicht die Spur einer ad-
verbiellen Verwendung trägt, aber allerdings wie andere Prä-
positionen zu Adverbien treten kann. Es ist eine vöUige Ver-
kennung des Sprachgebrauches, wenn Mohl S. 41 meint, in dave
atte runde, dave supra, dave inde in susu, dave inde in iosso sei dave
adverbiell , wo ja doch attertmde, supra u. s. w. Adverbien sind.
Uebrigens würde es sich auch nicht um eine Eigentümlichkeit des
6o8 W. MEYER -LÜßKE,
Sardischen handeln, da das Italienische in den meisten Fällen
ebenfalls da anwenden würde. Damit fällt auch diese Stütze des
Gebäudes.
Was das Verhältnis von ave und dave betrifft, so geben uns
die Texte einen bemerkenswerten Fingerzeig: dave ist jünger als
ave, dieses also ist ab, jenes kaum, wie man allerdings gerade aus
einigen der ältesten Belege schliefsen könnte, nach et u. dgl. als
Produkt falscher Trennung entstanden, vielmehr in seinem Anlaut
an das sinnverwandte de angeglichen, wie ja auch altsardisches
se^e 'ohne' durch das gegensätzliche kon zu kene umgestaltet worden
ist. Im ganzen sind dave und de übrigens scharf geschieden.
Somit ist für ab ein sicherer Vertreter auch im Romanischen
nachgewiesen, als es prov. ab, afr. avuec ist, die Körting gewifs
mit Unrecht in der zweiten Auflage seines Wörterbuches von ab
statt apud herleitet. Das zu widerlegen würde ebenso sehr vom
Wege abführen wie der Nachweis, dafs ein Nachschlagvokal auch
im Altsard ischen ganz in der Ordnung ist {Mohl bezweifelt das)
und mufs anderer Gelegenheit aufgespart werden. Dagegen erhebt
sich noch die weitere Frage, ob sard. dave mit ital. da ebenso-
wenig einen Zusammenhang habe wie rum. dela, das sich mit ihm
ja auch nur bis zu einem gewissen Grade begrifflich, aber nicht
formell deckt, oder ob die Elemente dieselben, da also aus ab
entstanden sei, mit dem d von di. Dafs an eine zusammengesetzte
Präposition de ab wie ab atite u. s. w. aus begrifflichen Gründen
nicht zu denken ist, habe ich Rom. Gr. III S. 164 schon bemerkt.
Zur Stütze der Herleitung von da aus ab könnte eine aus
Pistoja stammende vom 20. September 716 datierte Urkunde dienen,
die Troya Storia d' Italia IV 3, 253 ff. abdruckt. Ich gebe die in
Betracht kommenden Stellen
2 \Scrtpsi ego\ Taciiald notar. rogaius ei petiiiis ad Füibert clirico
filio quondam F\ilimari qui pre\tium accepii ad Galduald . . .
10 suam poriionem de mulino et terra supra gora sunt av ipso vcl
ad q\iio7i\d\ani\ genilore ejus Filimari fuet.
\1 ab omni homine dtfetisare.
24 ego Falco relegioso rogatus ad Filiperiu vendituris manu \inecP[
testis suscripsi.
und ebenso bei den andern Zeugenaussagen.
Kann man in dem bis in die späteste Zeit hinein üblichen
ab der Urkundensprache Latinismus sehen, so ist das gegenüber
dem av des vorliegenden Textes schwer möglich und die ver-
schiedenen ad F. u. s. w, stellen ein lautliches äff- dar, das ebenso-
wohl aus adf- wie aus abf- entstanden sein kann. Ungefähr um
dieselbe Zeit tritt übrigens auch da auf, vgl. S. 343 A. 724 duodeci
forina olive que novi ex coniparatione?7i da Gualistolo advinel', S. 386
A. 724 et nunquatti ego Romuald vel quolivet hojno ipso cotiquisito
?neo da ipso Saticto loco subtragi aut 7nolcsiari presumat. Beispiele für
da aus dem Codex Cavensis stellt jetzt de Bartolomeis Arch. Glott,
OSKISCH DAT, ITAL. DA, SARD. DAE. 609
XV 274 zusammen; im Codex Diplomaticus Paduvanus ed, Gloria
finden sich die frühesten erst reichlich zweihundert Jahre später,
so S. 58 A. 950 non longne da campo, haccepit ego praedicto . . . da
/i? 58; da puzio que diciiiir Virignale 62; da terminiis que est in
capite de arzere Mazagino 63 u. s. w. Wenn ich trotzdem in jenem
a, ab auch nicht einmal insoweit den Vorgänger von da sehen
möchte, dafs man etwa je nach seinen Bedeutungen da auf de ad
oder aber auf d^ib zurückführen könnte, so veranlafst mich dazu
der Umstand, dafs mit a, ab gleichbedeutend auch de gebraucht
wird, vgl. t?t loco qui dicihir Salicto de i-ivo qui descendit de nionte
Benedkii et iisqiie fluvhim Sangrum et de alio latere a rivo Sonolo
qui vergit de Castello Ursi et nsqtce in )iostrum fluvium Sangrum
Troya S. 106 A. 709 oder 724; pussedente vero de uno capite ipso
Agresto et de alio capite tenente Predicerno S. 428 A. 726. Auch
longe de ist eine schon bei Vegetius vorkommende Form und dafs
dem Sprachbewufstsein des X. Jahrh. da mehr mit de als mit ab
verwandt schien, scheint mir hervorzugehen aus missas cantare facere
de sacerdotes Cod. Päd. 59.
Die bisher übliche Annahme, dafs ab durch de verdrängt
worden ist, scheint mir durch die Urkundensprache des Festlandes
also nicht erschüttert zu werden und so bleibt für da die bis-
herige Erklärung so lange zu Rechte bestehen, bis nachgewiesen
ist, dafs eine andere die Funktion der Präposition, namentlich also
ihre doch aufser in Nordostitalien fast überall scharf abgegrenzte
Stellung zu di noch besser erklärt.
Schliefslich noch ein Wort zu dem provenzalischen da, für
welches Levy im Provenzalischen Supplement -Wörterbuch einige Be-
lege bringt. Sie zerfallen in zwei Klassen. Die Mehrzahl (4) zeigen
da bei Ortsnamen. Das hat schon C. Chabaneau, auf den Levy hin-
weist, ganz richtig beurteilt. Er macht nämlich darauf aufmerksam,
dafs in der Urkundensammlung von Conques neben de, del bei Orts-
namen da, dal stehe: la vias dal Roig, dal Orador u. s. w., und
schreibt dazu: 'L'adjonction de la pr6position a aux noms de Heu,
comme si eile en faisait partie integrante, est extremement fr^quente
des les plus hauts temps. ... A la question: Comraent se nomme ce
bourg, ce village? on vous r6pondra volontiers: il s'appelle ä Villars,
ä Liissas etc. La combinaison de cette raeme pr6position a avec de,
quant celle ci vient ä prec6der, a donn6 naissance a da'' (Rev.
lang. rom. XVII 276 Anm.).
Das letzte Beispiel Levys lautet da genolhos. Hier handelt es sich
darum, dafs die adverbielle Ausdrucksweise a genolhos als Ganzes
gefafst mit dem modalen de verbunden wird. Man vergleiche dazu
Mistral Tresor I 26 d''ä pld, k pied; d^ä geinous, a genoux; d'ä
pauto, ä quatre pattes; d'ä pas, pas ä pas; teni d'ä ment, guetter;
d'ä flour, ä fleur; d'ä plan, horizontalement; d'äplat, de plat; d'ä
front, de front; d'ä foun, a fond; d'ä nue, cette nuit; d'ä pro, du
cote de la proue; d'ä poupo, ä la poupe; d'äjouve, dans la jeunesse;
Zeitschr. f. rom. Phil XXV. ^g
6lO W. MEYER -LÜBKE, OSKISCH DAT, ITAL. DA, SARD. DAE.
d'ä viel, 6tant vieux. Diese Beispiele zeigen zur Gegnüge, wie die
Form entstanden ist, und dafs man auch in diesem Falle noch
nicht wohl von einer Präposition da sprechen kann, sondern eher,
wenn man nicht wie Mistral schreiben will, das a mit dem fol-
genden Worte verbinden müfste. — Für das Neuprovenzalische
giebt Mistral da als delphinatisch und nizzardisch an. Mit Bezug
auf jenes vermag ich nichts zu sagen, den Gebrauch in Nizza ver-
zeichnen Sardou und Calvino in ihrer Grammaire de l'idiome ni^ois
io8 — III. Man ersieht daraus, dafs in der Anwendung von da
und de eine grofse Verwirrung herrscht, so dafs man in dem da
wohl einen schlecht verstandenen Italianismus zu sehen hat.
W. Meyer -LüBKE.
VERMISCHTES.
Zur Wortgeschichte.
Frz. scieur de long.
Dafs der scieur de long etwas 'Langes' säge, wird zwar auch
vom Dictionnaire general gelehrt und ist auf den ersten Blick
sprachlich und sachlich begründet, erweist sich aber bei näherem
Zusehen als sachlich und sprachlich nicht haltbar.
Die Baumstämme werden entweder der Quere nach zu Klötzen
oder der Länge nach zu Brettern zersägt. Das Wesentliche dabei
ist offenbar die Form des Zersägten, nicht die Art und Weise, wie
der Baumstamm hingelegt wird; man wird nicht den Auftrag geben,
den Stamm so oder so hinzulegen, sondern Bretter oder Klötze
zu sägen, wie denn auch der deutsche Ausdruck 'Brettschneider,
Brettsäger' ist. Ist also schon darum long kaum identisch mit dem
Adjektivum longus, so weisen östliche Formen vollends nach einer
ganz anderen Richtung. Godefroy verzeichnet lahon, laon, leon,
lavon, lovon aus östlichen Texten. Und dazu passen nun lothr.
lovon bei Haillant, Dictionnaire phonetique et 6tym. 'madrier assez
6pais servant notamment aux reduits de porcs, aux chevaux d'usine,
etc. etc. Doubz, H'^ Saone lovon, lavon Dartois, qui donne les
formes lahon, laofi, lan d'une ordonnance de Franche-Comte, et les
tire du sanscrit lava 'coupe', lü 'couper'; Jura lavon, hon, laon,
lovon', v.-fr. lavojt 'planche'. M. Beauquier v° lavon cit. l'ord. de
Besan^on 1659 ^^"^ ^t en tire le scieur de long et non de lotig\
Auch Contejean verzeichnet für Besannen lavoji 'planche', Tissot
für Fourgs laon 'planche d'une moyenne epaisseur'. Weiter ver-
mag ich das Wort nicht nachzuweisen, weder die lyonesischen
Wörterbücher von Nizier de Puitspelu und Onofrio noch das für
Morvan von De Chambure kennen es.
An dem schon von Beauquier ausgesprochenen Zusammenhang
mit long ist bei der Uebereinstimmung der Bedeutung zu zweifeln
nicht möglich. Zwar sollte man nach flan, iaon gespr. tä, paon
gespr. pä eigentlich lä erwarten, aber es handelt sich ja offenbar
um ein östliches Dialektwort. Ich hatte denn auch diesen Zu-
sammenhang Rom. Gramm. I 300, 497 schon ausgesprochen, dann
aber weitere Vermutugen daran geknüpft, die ich heute, wo ich
39*
6 1 2 VERMISCHTES. ZUR WORTGESCHICHTE.
die älteren Formen kenne, nicht mehr aufrecht erhalten kann.
Auszugehen ist offenbar von ladön und dies weist auf deutsches
ladm, das allerdings nur mittelhochdeutsch belegt ist, aber, obwohl
bisher nirgends eine Anknüpfung gefunden zu sein scheint, doch
eben älter sein mufs und ahd. *iado voraussetzt.
Gillieron verzeichnet für Vionnaz lä 'planche'. Da frz. flau
hier l)d entspricht, so ist dieses lä entweder ein ganz anderes
Wort oder zu einer anderen Zeit übernommen.
W. Meyek-Lübke.
Voges. lur, burgund. lövre.
In den Beiträgen zur Romanischen Philologie (P'estgabe für
G. Gröber), Halle 189g, hat Behrens S. 15g lur, lovre , Spinnstube'
auf opera zurückgeführt. Aus folgenden Gründen halte ich an
lucubrum fest (vgl. Zeitschrift 18, 221):
1) Behrens hat gezeigt, dafs montbel. ovre, nprov. obro u. a.
den rohen, nicht gehechelten Hanf oder Flachs bezeichnet. Dafs
man indessen das Wort auch als Benennung für den gesponnenen
Hanf gebraucht habe, ist nicht nachgewiesen.
2) Da in den Vogesen 0 zu z'oe, resp. // wird, so ist nach B.
der Tonvokal von lur durch den Vokal endungsbetonter Formen
gleichen Stammes beeinflufst worden, z. B. durch den Pflanzen-
namen lovroite (= veillotte), louriau ,colchique d'automne'. Doch
so liegt die Sache nicht. In dem als Materialiensammlung brauch-
baren und zuverlässigen Buche von S. Simon, Grammaire du Patois^
du Canton de la Poutroye (Schnierlach) [in meinen Ostfrz. Grenz-
dialekten mit (?io bezeichnet], Paris, Caron igoo ist S. 255 und oft
der Ausdruck weire oder wei d'üve verzeichnet, der nach S. buch-
stäblich so viel wie ,guere d^oeuvre'' bedeutet; derselbe ist schon
ähnlich Ostfrz. Grenzdial. § 79 gedeutet, wo neben üv vorkommen-
des iöev das Etymon opera sicher stellt; operare giebt dagegen
owvr§ (phonet. ÖZÜ&-), i.^. dfowcere, dfoivcerrai (ib. S. 54); auf S. 87
wird dj'owvcere, df owvcerrai geschrieben, auf S. igg oivvridje (ouvrage)
und owvrhye (ouvrier). Wenn üv opera und owvr§ operare ist,
so kann lourre (ib. S. 163, Z. 2; Simon bezeichnet den Vokal u mit
oUf also phonet. = lur"^) unmöglich opera sein, dies müfste luv
oder loiü[v)re lauten. Haillant verzeichnet in seinem Wörterbuche
der Mundart von Urimenil lot7r s. f. ,veillee'; opera würde in der
Mundart (Haillant giebt das Wort nicht) loev lauten (0 = toe)'. aus
opera -f- ari um wird dort ovrey, ovrcr (ouvrier, ouviiere): in den
endungsbetonten Wortformen wird demnach lat. 0 zu 0, nicht zu n,
folglich kann auch hier loiir (ph. lur^ nicht mit opera zusammen-
^ Seltsamerweise ist für Simon dieses Patois ein patois ,wallon' statt
,vosgien'.
^ Es sei daran erinnert, dafs freies 6 (lucubrum) in den Vogesen zu
u wird.
A. HORNING, VOGES. LUR, BURGUND. LÖVRE. 613
hängen. — Zu demselben Ergebnis führen die Rev. de Philol.
frang. et de litterature XIV, 64 fifg. mitgeteilten Formen aus Doubs
und Jura: neben lövr .veill^e' kommen lavrd und lavrotte (Pflanzen-
name), die beiden letzten mit betontem Schlufsvokale vor: dagegen
ouvrt jouvrier', dje Vouvri ,jour ouvrier*: d wird zu ü in ü (oeuf),
zu eu in reue (roue), neu, f. neuve (neuf). — Da der Ausdruck ale
ä Vovre (Berner Jura), 7ial§ § lur (Vogesen) sehr häufig ist, so ist
Beeinflussung durch endungsbetonte Formen von vornherein un-
wahrscheinlich ; man vergleiche bei H. Urtel, Beiträge zur Kenntnis
des Neuchäteller Patois, Darmstadt, 1897 (im Glossar), Vövr [ö =
bet. 0) mit lüvrcy [ü = tonloses 0).
3) Was den angeblich agglutinierten Artikel betriffl;, so ist
auffällig, dafs lur und dessen Ableitungen in den Vogesen und
der Franche-Comt^ nie ohne / auftreten, während umgekehrt die
sicher auf opera beruhenden Wortformen nie den agglutinierten
Artikel zeigen (man vergleiche z. B. bei Zimmerli, Die deutsch-
französische Sprachgrenze in der Schweiz III, Tabelle III v. ope-
rarium). Dagegen tritt ein Wort wie über , Euter' sowohl in den
Vogesen und der Franche-Comt6 wie im Rätoromanischen bald
mit bald ohne / auf. — Das von Behrens aus der Meuse bei-
gebrachte , suffigierte' otivreuil, ouvro m. ,ecraignes, veillee' (vgl.
afrz. ovreor im Erec) ist m. E. ein ganz anderes, etwa nfrz. ouvroir
entsprechendes Wort.
4) Behrens deutet an, dafs das Etymon lucubrum auf laut-
liche Bedenken stofse. Da er damit weder den Ausfall des c noch
die Zusammenziehung des dreisilbigen Wortes zu einem zweisilbigen
meinen kann (securus wird in Lothringen zu yür, satullus zu
j?^), so bleibt nur eine Schwierigkeit, und zwar dieselbe, die auch
dem Behrens'schen Etymon anhaftet: statt lur erwartet man nämlich,
gleichviel ob es auf lucubrum oder auf opera zurückgeht, in
den Vogesen luv (vgl. oben üv opera und Ostfranz. Grenzdialekte
§ 183). Die Abweichung erkläre ich folgendermafsen: in lucubrum
diphthongierte 1/ (= 0) zu 6u, worauf b {v) sehr früh mit dem
labialen Vokal ?^ verschmolz, wie in lothr. />«;■(<') pauperem; ;■ hielt
sich natürlich, da es nur in dem Nexus vr, und zwar erst ver-
hältnismäfsig spät, abfiel. Opera wurde dagegen zu (rwzi), z'cev, üv
gleichwie col9bra zu colyoev, colüv. auch in endungsbetonten
Formen giebt op'r- ovr-; nur in la Poutroye kommt neben schwer
auszusprechendem owvr- leichteres owr vor, Behrens erklärt die
Entwicklung von opera zu lur statt luv überhaupt nicht.
5) Männliches Genus, das ich zweimal in den Vogesen und
einmal in der Franche-Comte aufgezeichnet habe (s. Ostfrz. Grenz-
dialekte, Gloss.), spricht für das Vorhandensein von lucubrum
neben lucubra. Aus einer andern gedruckten Quelle vermag ich
freilich das männliche Genus nicht nachzuweisen.^
1 In den Vogesen ist von lur ein Verbum lurie gebildet worden. Dafs
dasselbe einst Jourillier oder louriier (-icare) gelautet habe, beweist die von
Haillant mitgeteilte 3. s. luri{e).
6 14 VERMISCHTES. ZUR WOKTGESCHICHTE.
Ich schliefse mit der Bemerkung, dafs m. E. vmser Wort nicht
blofs im Osten des französischen Sprachgebietes vorkommt: vgl.
das Ztschr. 22, 487 über poitev. loiivres Gesagte und die Literatur-
blatt f. Germ. u. Rom. Philo!. 21, 336 gegebene Erklärung des von
G. Dottin, Glossaire des Parlers du Bas-Maine, verzeichneten lägrZ
,petite lumiere*, lügrone ,travailler sans voir clair' = lucubrum
+ onem; vgl. bei Du Gange lucubrum ,modicus ignis' vel ,mo-
dicum lumen'; lügro beweist aufserdem, dafs das erste u in lucu-
brum lang war, was gegenüber lat. löcerna nicht selbstverständ-
1^^^ ^^t- A. HORNING.
Afrz. lieuce, nfrz. esse.
In seinen Essais de Philologie fran^. S. 293/95 leitet A. Thomas
afrz. heuce, eusse, pik. euche, nfrz. esse ,cheville de fer destinee ä
empecher la roue de sortir de l'essieu' von ahd. helza (davon
afrz. keuf, it. elsa) ,garde de l'ep^e' ab. Ztschr. 22, 560 ist bereits
darauf hingewiesen worden, dafs das 0 der ostfranzösischen Formen,
dauph. ouftfo, franc.-comt. once, lothr. ossaite nicht ohne Schwierig-
keit auf eu (aus e -\- vokalisiertem /) zurückgeführt werden könne,
für das 0 des proven9. ouölze, olze, ocho aber eine solche Herkunft
ausgeschlossen sei. Dazu kommt, dafs prov. ouolze, olze, poitev.
leuze (s. Laianne, Diction. du Patois du Poitou) und lede [d = z)
mit sanftem j-Laute auf ein Proparoxytonon mit intervokalischem c
hinweisen, wogegen in helza sich nur ein scharfer j-Laut hätte
entwickeln können (vgl. faucille und ä.). Endlich wird ein Pro-
paroxytonon mit dem Ausgange -cem auch durch das e des prov,
olze gefordert, welches das a von helza nicht wiedergeben kann;
hätte es aber neben helza ein männliches heiz gegeben (das
prov. Wort wird als masculin. und feminin, bezeichnet), so würde
dasselbe prov. olz, nicht olze lauten. Das richtige Etymon scheint
mir lat. ob ex (objex) zu sein, dessen Bedeutung , Querriegel,
Hemmnis' (nach Forcellini = it. sbarro, serrame, ostacolo) vortreff-
lich pafst. Ov'cem (aus obicem), dessen 0 gedeckt war, giebt am
getreuesten lothr. osse f. wieder (bei Labourasse, Patois de la Meuse
und Haillant, Dictionnaire Vosgien, v. ossotte) und nam. hoiice
(s. Grandgagnage, Dictionn. Etyraol., S. 307). Oiice (nach Vokali-
sierung des v aus ov'ce entstanden) wurde francisch-pikard. zu euce;
cfr. auch altwall, ö^r^^, bei Thomas S. 295, A. 2). Das 0 wird dem-
nach in ouce geschlossen gewesen sein. Die Quantität des lat. 0
in obex ist zweifelhaft, da die metrische Länge öbiice nichts be-
weist. Die übrigen Formen bieten in lautlicher Beziehung manches
Unklare, ohne dafs dadurch m. E. das Etymon selbst in Frage ge-
stellt würde: so ouecereg bei Thomas S. 294 (vgl. wall, whse bei
Grandgagn.) und vor allem prov. olze, ouolze, ocho. Wenn thatsäch-
lich / gesprochen wird, so kann ich nur die Frage aufwerfen, ob
dasselbe aus (o)u entstehen konnte ähnlich wie al aus au; oder
A. HORNING, AFRZ. HEUCE, NFRZ. ESSE. 615
ob man in dem / den agglutinierten Artikel sehen soll (vgl. poitev.
lenze), der vom Anlaut in den Inlaut gezogen worden wäre? Auch
ocho ist dunkel, wie überhaupt die Entwicklung von nprov. eh.
Oungo, otice, wohl mit sekundärer Nasalierung, erinnert an deutsch.
Lünze ,esse d'essieu', mit dem es etymologisch kaum zusammen-
hängen dürfte: Für das Proven^alische wird männliches und weib-
liches Geschlecht angegeben, was sich daraus erklärt, dafs obex
lat. communis war. Mit Ausnahme von langued. hocho und nam.
houce (wird h gesprochen?) zeigen die modernen Mundarten keine
Spur des h, auch die lothringischen nicht, welche sonst h, insbe-
sondere das deutsche, festzuhalten pflegen: daher kann dem h in
afrz. hcuce kein etymologischer Wert zugesprochen werden.
Meyer- Lübke hat bereits Ztschr. f. die Österreich. Gymnasien
i8gi, S. 773 lothr. tis auf obex zurückgeführt; ö'i_, us (letzteres
mir nur aus einem INletzer Kalender bekannt) ist übrigens aus-
schliefslich metzisch und bietet gleichfalls eine lautliche Schwierig-
keit, da y, s aus i -[- s zu entstehen pflegt. In den Vogesen ist
ossatte üblich, eine Form, die ich für Saales und Waldersbach (in
meinen Ostfranz. Grenzdialekten mit d^' d^^ bezeichnet) festgestellt
habe; vgl. auch Haillant s. v. ossotte. » Horntnc
Ficätum, fecätum j ßcötum + Jiepäte?
In das Labyrinth der romanischen Wortformen für „Leber"
hat G. Paris mit hell und ruhig brennender Fackel hineingeleuchtet,
in alle Gänge, in alle Falten, in die Falten der Falten. Der Er-
folg konnte nicht ausbleiben; er hat ovxcozöv als Ausgangspunkt
festgestellt. Dieselbe Entdeckung war zu gleicher Zeit von Meyer-
Lübke gemacht und kurz vorher, ohne weitere Ausführung, ver-
öff'entlicht worden. Der Wert von Paris' Untersuchungen bleibt
bestehen; wir etymologisieren ja nicht mehr in dem Sinne wie wir
die Lösung eines Rätsels, einer Charade suchen, es schwebt uns
als letztes Ziel immer eine kontinuierliche Wortgeschichte vor. Der
richtig erfafste Ariadnefaden ist nun aber in eine etwas andere
Windung zu legen als dies von G. Paris geschehen ist. Das erklärt
sich daraus dafs uns Allen es sich nur um das Problem zu handeln
schien: „wie ist es möglich gewesen dafs in ficätum der Akzent auf
die drittletzte Silbe verpflanzt wurde?", dafs aber dieser Vorgang
selbst von Niemandem, wenn nicht von Gröber, in Zweifel gezogen
worden ist. Ich selbst habe, ohne mich je gründlich mit dieser
Wortgruppe beschäftigt zu haben, bis in die jüngste Zeit die Ver-
mutung gehegt und mündlich, ja, wenn ich mich nicht täusche,
auch im Drucke geäufsert, dafs ficätum, fecätum unter dem Einflufs
von hepäte aus ficätum entstanden sei. Dabei fühlte ich mich in-
dessen keineswegs beruhigt; es fehlte mir an irgend einer bestäti-
genden Analogie, ich hätte mich denn auf gewisse örtliche spanische
6l6 VERMISCHTES. ZUR WORTGESCHICHTE.
Betonungen von Latinismen berufen müssen oder auf die bei uns
bis vor Kurzem noch herrschende des fremden Ortsnamens Grd-
tiada, die ich einst in Granada selbst aus dem Munde eines deut-
schen Dichters vernahm. Ihr Ursprung ist mir übrigens, mit Hin-
blick auf Granat, Granate und die zahlreichen romanischen Namen
auf -ata, -ada, selbst überaus rätselhaft; ihre Verbreitung ist ohne
Zweifel auf den Flügeln des Operntitels: „Das Nachtlager von
Granada" erfolgt. Ein Wort das in Stamm und Endung so latei-
nisches Gepräge trug wie ficätum, war zu fest verankert um sich
durch irgend einen Magnet aus der Lage bringen zu lassen; nicht
durch hepäte und noch weniger durch sycotuni, geschweige denn in
drei verschiedenen Richtungen. Gerade die Entdeckung der höchst
merkwürdigen Form ficotum und die Erkenntnis dals das e von
fecätum dem y von sycotum entspreche, drängten dazu in ficätum
das Endglied einer Reihe von Veränderungen zu erblicken. Diese
Auffassung hat L. Havet gegen G. Paris ausgesprochen, und sie ist
von diesem in der letzten Anmerkung zu seiner Abhandlung mit-
geteilt worden, als „peut-etre pref6rable", was, unter den bezüg-
lichen Umständen, eine thatsächliche Beipflichtung bedeutet. Havet
hat gewifs auch dariii Recht dafs er in dem zweiten Vers des
Vespa eine Interpolation vermutet, nicht darin dafs er für fecaium
Einmischung von faex annimmt. Meyer-Lübke spricht sich in seiner
seither erschienenen „Einführung" S. 141 wesentlich im gleichen
Sinne aus. Secotum habe sich mit ficus vermischt: „in schwächster
Weise in fecatum, etwas stärker in ficätum, am stärksten in ficätum!'''.
Wie aber ist nun -otum zu -atum geworden? Meyer-Lübke gibt
hierüber keine Auskunft. Havet sagt: „Ce ficotum, qui presentait
une terminaison inusitee, a 6t6 accommod6 d'une part ^xv ficätum,
de l'autre en ficrlum'-^. Wir brauchen nicht zu erörtern ob -atum
eine gewöhnliche Endung ist; jedenfalls hat in ficätum, fecatum die
Analogie gewirkt, und es fragt sich nur welche Wörter dabei in
Betracht kommen können. Ich weifs nur eines welches wirklich
nahe liegt: hepar, hepätis. Vielleicht meint man, ich könne mich
von der oben erwähnten Ansicht nicht trennen und wünsche sie
in die sichere Deutung von ficätum usw. einzuschmuggeln; so möge
man denn mit irgend einer andern Erklärung des -atum heraus-
rücken. Die Fortsetzungen von sycotum müssen in der allgemeinen
Bed. „Leber" längere Zeit neben den alten Wörtern jecur und hepar
gebraucht worden sein, vor Allem neben dem letzteren, von dem
ja im Romanischen noch Spuren vorhanden sind. Warum diese
Wörter dem gastronomischen Eindringling erlegen sind, darüber
wären Untersuchungen oder doch Erwägungen anzustellen. Das
Ende eines Wortes und das Aufkommen eines gleichbedeutenden
bedingen sich einander.
H. SCHÜCHARDT.
BESPRECHUNGEN.
Genelin, Dr. P., Germanische Bestand theile des rätoromanischen
(surselvischen) Wortschatzes. Innsbruck, Wagner, 1900 (S.-A. aus
d. Progr. d. Oberrealschule in I. f. d. Studienjahr 1899 — 1900). 41 S. Gr.-8.
Diese Arbeit verdient eine eingehendere Besprechung. Seitdem ich in
der Rät. Gramm, den Fremdwörlerbestand der rät. Mundarten durch eine Bei-
spielsammlung beleuchtet hatte, ist nur der slawische Anteil am Ostende des
Gebietes in ausgiebiger Weise weiter erforscht worden (Schuchardt, Stre-
kelj). Nun baut am Westende Genelin weiter, indem er uns eine mehr als
700 Wörter zählende Sammlung germanischer Bestandteile des surselvischen
Wortschatzes darbietet und bespricht. Er ist selbst aus dem oberen Vorder-
rheinthal (Dissentis) gebürtig, also sachkundig.
Vollständig ist die Sammlung nicht; aber ein gewisses, erreichbares
Mals von Vollständigkeit hat dem Vf. doch vorgeschwebt, wie man aus seiner
Bemerkung (S. 15) schliefsen darf, dafs die deutschen Bestandteile des sursel-
vischen Wortschatzes im Vergleich mit den Erbwörtern gering an Zahl seien.
Wir würden daher gerne erfahren, warum einige Fremdwörter aus der Heimat
des Vfs. übergangen sind, die doch schon als bestehend nachgewiesen oder
doch angeführt waren. In Ascclis Arch. glott. I finde ich drei solche ver-
schmähte Wörter deutscher Abkunft, in der Rät. Gramm, dreifsig (§21 unge-
rechnet), in Asc. Arch. VII 563 — 573 vierzehn — doch diese Arbeit Ascolis
ist dem Vf. entgangen — ; agien (eigen) ist nur in der Wörtersammlung aus-
geblieben, S. 8 steht es. Bei Carigiet begegnet uns eine Unzahl fremder
Wörter, die ohne Zweifel aus dem Deutschen genommen sind, wie accisa,
ancher, bagascha, cassier, centrum, concurrettt, currascha, lecziun, luster,
nianierli, mar7nel, marsch, repuhlicaner, Salpeter, stufß, termin, darunter nur
selten eines, das, wie lot, oberst, schüdcrot, schnappar, schneller, nicht schon
im Deutschen ein Fremdwort ist. Der Vf. weist stillschweigend, aber augen-
scheinlich und mit Recht alle blofs papierenen Wörter zurück. Nun gehört
gewifs manches der von ihm übergangenen Fremwörter (wenigstens derer bei
Carigiet) nur der Büchersprache an; darüber würden wir aber gerade von ihm
gern ein bestimmtes, ausdrückliches Urteil hören. Unter den von mir nach
eigener Anhörung aufgezeichneten, aber noch nicht veröffentlichten sursel-
vischen Wörtern vermisse ich bei GeneHn nur noch zehn, denen ich deutsche
Herkunft zuspreche; sie sind (nach der Schreibung des Vfs. wiedergegeben):
ampla Lampe, coh Koch, fad fade, geschmacklos, fieter Unterfutter, scurzanir
6l8 BESPRECHUNGEN. TH. GÄRTNER,
verkürzen, ir a spaz und spaziar spazieren, tozzel Dutzend, trttffel Kartoffel,
trumpf Trumpf (coh, fad und trumpf nicht bei Carigiet).
Der Vf. verfügte nicht über die nötigen Accentbuchstaben, um eine
Lautschrift anzuwenden, und schrieb daher ungefähr wie Carigiet, aber ohne,
wie dieser, durch den Gebrauch eines langen s (f) die Unterscheidung zwischen
5 und z, st und st, sp und sp zu ermöglichen. Die Leseregeln, durch die er
sich darüber hinweghilft (S. i6), genügen nicht ganz; denn das seh in giavi-
schar, obschon auf ein deutsches seh (wünschen) zurückgeführt, ist doch i,
ferner das seh in riseha, wenn auch von deutschem s vor einem Vokal stam-
mend (Reuse), doch s (Car.), auch barsehar (z) stimmt nicht mit des Vfs.
Ableitung von dem Stamme brast. Ueber die Aussprache von sp, st niufs
man vom alemannischen Standpunkt aus entscheiden: asp [s), rispli [s). In
fiechti, laehergnar, tarlaehar und traehter ist / mit eh geschrieben, sonst
mit h (das im Anlaut h gilt). Die Bezeichnung der Tonstelle wäre bei manchen
Wörtern erwünscht, z. B. bei arzue, happet. LIingegen weifs ich nicht, warum
in dem Diphthong uo, der S. i6 richtig als uf beschrieben wird, öfters das
o mit einem Accent versehen ist, z. B. S. 20 budb, buot. Selten wider-
sprechen meine Aufzeichnungen den Worlformen des Vfs. soweit, dafs ich
das Vorhandensein von Nebenformen annehmen mufs: für gibubs Kopfkohl,
das er von Kabis ableitet, habe ich in Dissentis bagi'i^s gehört (Car. baguo
ohne -j dürfte ein Druckfehler sein), in Oberhalbstein dyibös, in .Samaden
dyibüks.
Dafs der Vf. einige Seiten dem Lautwandel seiner Fremdwörter widmet,
nehmen wir dankbar hin; wir entnehmen daraus, dafs er sich, bevor er ans
Etymologisieren ging, klar gemacht hat, was für surselv. Laute den deutschen
Lauten entsprechen können. Er hat auch ganz wohl erkannt, dafs es bei
diesen Entsprechungen oft darauf ankommt, in welche Zeit die Entlehnung
fällt (so in den Punkten 24, 28 und 30, die vom deutschen h, w und seh
handeln). An einigen Stellen vermifst man diese Rücksicht auf die Entleh-
nungszeit. Seine Scheidung von offenem und geschlossenem deutschem a, o, e
verstehe ich nicht. Das a in Bahre, Rahmen, schaffen nennt er offen, das in
wahr. Rahm, Wappen geschlossen, und daraus erklärt er, dafs das a im Sur-
selvischen dort a, hier 0 gegeben hat. Offenes o findet er in Hof, Bogen,
ahd. bozo, geschlossenes in grob, schofel, Bock, offenes e in Breche, Wedel,
eigen u. s. w. Es scheinen hier Rückschlüsse aus den surselv. Lauten auf
die der deutschen Quellwörter vorzuliegen; doch Entlehnungszeit und Laul-
umgebung müssen auch hier die Erklärung bringen helfen, warum deutsches
a, o, e bald durch a, 0, e, bald durch o, u, a wiedergegeben werden. Das h
in Draht, Kohle ist nur ein Schreiberschnörkel, darf also bei lautlichen Be-
trachlungen nicht in Rechnung kommen (Punkt 24); oder nimmt der Vf. an,
dafs man das geschriebene Wort Kohle schlecht gelesen und dann in
eotgel romanisiert habe? Zur Zeit des Lautwandels tg {(■/) = k hat man
Kohle nicht mit h geschrieben.
Die Seiten 12 — 15 enthalten lesenswerte Bemerkungen über die Ursachen
der Entlehnung und über die Verteihmg der Lehnwörter auf die verschiedenen
Begriffsgebiete (Einrichtung, Landwirtschaft, Handwerk u. s. w.).
Nun zu den etymologischen Deulimgen. Der Vf. hat nicht einfach die
vor ihm schon als Fremdwörter gedeuteten surselv. Wörter gesammelt, sondern
GENELIN, GERMAN. BESTANDTIIEILE DES RÄTOR. WORTSCHATZES. 6 IQ
viele neue Deutungen aufgestellt, alte verworfen und nicht wenige Wörter
hinzugefügt, die vorher noch nicht erklärt waren, zum Teil solche, die ohne
die Kenntnis des Alemannischen nicht erklärbar sind. Für diesen Beilrag
zur Etymologie des Surselvischen , der grofsenteils auch den anderen bünd-
nerischen Mundarten zu gute kommt, sind wir dem Vf. besonders dankbar.
Einen kleinen Teil seiner Deutungen halte ich allerdings für unannehmbar,
für unwahrscheinlich oder für nicht richtig ausgeführt:
angasi Unbequemlichkeit, von mhd. angest; dagegen spricht der Auslaut
und die Nebenform malengasi (Car.).
angubrt gierig = in + Gierde; vgl. ital. ingordo (Dz. I gordo), worauf schon
Pallioppi 386 verweist.
hallucar, -üca, wackeln, (Car.) rappeln = wackeln; eher wäre an einen Zu-
sammenhang mit ballar zu denken, oder mit ital. balocco oder mit o.-eng.
barloc einfältig, barlocca Quaste.
handiera Kriegsfahne, von Band; doch unmittelbar vom Ital., nicht vom
Deutschen.
bardeigl Vorspann = vor + goth. tilon; viel wahrscheinlicher ist Pallioppis
Ableitung von ahd. brittil.
hargada ausgelassene Leute, von Burg; es ist doch, wie die o.-eng. Form
brajeda lehrt, mit dem ital. brigata identisch, nicht mit frz. bourgade,
wenn auch im Surselv. ein etymologisch gleiches brigada mit anderer
Bedtg. daneben vorkommt.
bargir weinen = alem. brieggen; dagegen spricht die dem Vf. bekannte
weite Verbreitung des Wortes.
barsar braten, vom germ. bras; gut, aber das ahd. bratan hat damit nichts
zu thun.
bar schar brennen, vom germ. brast; die stammbetonte Form briza läfst das
nicht zu.
befiar verhöhnen = pfeifen; s. Dz. I beffa.
bissacca Strohsack = Bettsack; der Anfang des Wortes wird weder Bett-,
noch bassus (Car.) sein, sondern bis- (Dz. I bisaccia), und das ganze
Wort bedeutet zunächst Sack (ital. auch bisacca), weshalb man für Stroh-
sack bisdka-strom sagt und schreibt.
bizochels Nocken =: weifse Nocken; z aus sn, das ist schwer zu glauben.
blutta Glatze = Blöfse, botta Schneeball , vom ahd. bozo ; aus s, 2 wird
nicht t, es müssen also alte Formen mit unverschobenem t zu Grunde
liegen.
biiörsa = Börse; warum vom Deutschen.''
cherli = Kerl; der Vf. meint gewifs das alem. Dem. Kerli.
colraba = Kohlrübe; selbstverständlich nur der erste Teil des Wortes.
cojiif Hanf, vom ahd. hanaf; ich sehe keinen Grund, das Wort für entlehnt
zu halten.
curdar fallen = mhd. hurten; der Vf. hat offenbar Asc. Arch. I 59 (Note)
übersehen.
cuzzar, quozza, dauern == goth, wisan; das ist doch zuviel verlangt.
dartge Trichter, dratg Sieb und trachter Trichter werden auf das deutsche
(mundartliche) Trachter bezogen, das dritte offenbar mit Recht. Hin-
gegen kommt dartge (wie das deutsche Wort) vom mlat. tractarius, dertgui
020 BESPRECHUNGEN. TH. GÄRTNER,
(Car.) „hölzerner Trichter (besonders in der Sennerei)" und dartyji „grofser
hölzerner Trichter", wie ich vor 20 Jahren aufgezeichnet habe, vom lat.
traiectorium (o.-eng. trachuoir Fafstrichter Fall.); die Volksetymologie
hat im Oberländischen die Wörter wahrscheinlich, wie Carigiet thut, auf
dirigere, directus umgedeutet. Ganz abseits steht dratg Sieb, „weites
Sieb" (Car.); man findet entsprechende Formen anderer rät. Mundarten
in der Rät. Gramm, und füge hinzu: o.-eng, dreg (PalL), Pinzolo (Judi-
carien) dray, drazär, Nonsberg zdras, zdrazdr. Buchenstein drats, vgl.
auch lo drago bei W. v. Zingerle hier oben XXIV 391. Ich habe einstens
dreschen für das Quellwort gehalten, möchte aber jetzt fragen, ob nicht
ein -radiäre das Sieben (Reitern) der Drescher bedeuten könnte.
ditg lange = dick; s. Asc. Arch. VII 522 (Note).
durchiar rülpsen = drücken; ist nicht wahrscheinlicher als Carigiets Ab-
leitung von ructare.
dutg Bächlein, Wasserrinne = alem. Tich; warum nicht ductus.-"
fazzalet Taschentuch, von Fetzen; augenscheinlich liegt das ital. fazzoletto
zu Grunde, aber wohl nicht ohne Vermittlung des alem. Fatzelet.
fueila Feilspäne, vom Deutschen; gut, aber wo das deutsche fil steckt, lehrt
erst die o.-eng., anders suffixierte Form fugliüm (Fall.).
galeida Milchkübel = ahd. gelte; eher ahd. gellida (Schade).
garantir gewährleisten, vom ahd. werento; offenbar vom deutschen garan-
tieren.
honzeli freundlich = holdselig; besser pafst alem. handelig (Asc. Arch.
VII 571) und am besten alem. *hanzlich (s. Staub imd Tobler: imhanz-
lieh intractabilis).
läpp = Laffe; man sagt ja auch Läpp im Deutschen.
letsch Webemasche = Litze, lontscha = Lanze; warum sollten das nicht
Erbwörter sein.-*
maha = Menge; unverständlicher Lautwandel.
■malrecli unredlich, von redlich; doch wohl von rechtlich (s. S. 30 recli).
tnaluns = Mehlpaunzen; soll das so verkürzt sein.'' Nach Fallioppi sagen
in Graubünden auch die Deutschen Maluns.
7nede = Bergmähde; scheint kein Fremdwort zu sein (met-arium?).
nul = neu; novellus, wie Carigiet erkannt hat.
nuv Knopf = Knauf; es ist = nodos, es heifst ja auch Knoten.
palander = Faulenzer; vgl, ital. palante und lomb. baiander (Schneller iio).
piez Lappen = mhd. vetze; s. Dz. I pezza.
raghignar, ragogna = röcheln; nicht wahrscheinlich.
rieven, pl. rovens =Rain; auch grd. rönf pafst nicht ganz zu dem Worte,
und das nur zur bair. Form, die doch kaum bis ins Vorderrheinthal ge-
kommen sein wird.
ronsch = ranzig; auch o,-eng. raiintsch und grd. dardnts fügen sich mit
ihrem breiten Zischlaute nicht dem deutschen Wort, wohl aber dem lat.
ranci(d)us.
schirar erlahmen, verdorren, vom Germ.; s. Mussafia, Beitr. asirä.
schlavidrar = schlürfen; vgl. tirolisch schlawaderer (Schneller 277).
schliusa Schlitten, vom Deutschen; s. Schneller 239.
GENELIN, GERMAN. BESTANDTHEILE DES RÄTOR. WORTSCHATZES. 62 I
(schuebel:) zuVperins Schwefelhölzchen, von zolfanello; das surselv. Wort
kann dem ital. nur nachgebildet sein.
schueun, haver seh. in der Arbeit tüchtig sein =: Schwung; die Laute ent-
sprechen besser dem Worte Schwang.
scötga = Schotte (bei d. Käsebereitung); doch unmittelbar = excocta.
sgagia Häher, vom aleni. gaagen; da das Wort weit nach S. und O. hin
verbreitet ist, kann es nicht wohl von einem alem. lautmalenden Zeitwort
kommen (s. Rät. Gramm. S. 15, dazu: Nonsberg dydza, Pinzolo gdzci).
sgarsar scharren = ahd. scerran; die beiden stimmhaften ^ passen nicht
dazu.
sitfar = schiefsen ; vielmehr von sagitta (Car.).
sparun Sprung, Spreize, (Car.) Sporn, sparunar anspornen, spreizen, vom
ahd. sprunc, sporn Sporn (Vorrichtung, den Packstrick gespannt zu er-
halten), vom mhd. spor. Jene zwei Wörter sind unmittelbar, oder viel-
leicht mittelbar dem deutschen Worte entsprossen, das jetzt Sporn heifst;
und wenn zu der Bedtg. Spreize, spreizen ein anderes deutsches Wort
verhelfen hat, so wird es schwerlich Sprung sein. Spora aber geht auf
Spule zurück; denn die Vorrichtung, die es bezeichnet und die der Vf.
Sporn nennt, heifst in Tirol Strickspule (fehlt bei Schöpf). Die sursel-
viscbe Form spora und die Form spdra, die ich in Pinzolo imd in Cagnö
(Nonsberg^ gehört habe, noch mehr die Form spiier, die Schneller als
nonsbergisch anführt (S. 253), könnte freilich auf Sporn hinleiten (zumal
nach Schneller ein Haken in der Vorrichtung mit einem Sporn Aehn-
lichkeit hat). Aber schon in Oberhalbstein sagt man spu/f. o.-eng. spogla,
u.-eng. spola, in Vigo di F. spölo. in Forni-Avoltri (Carnien) spuelo.
spia Späher, vom mhd. spehen; gcwifs vom Ital., und woher es das Ital.
hat, ist für das Surselvische gleichgiltig.
Slrubidu verkrüppelt, von schrauben; wohl nur eine Volksetymologie: Cari-
giet schreibt struppiau, und hierin erkennt man leicht das deutsche Wort
struppiert, ital. stroppiato. Im O.-Eng. steht das Particip nicht so ver-
einzelt da, wir dürfen daher vielleicht auch im surselv. struhiau {-pp-)
ein Erb wort sehen.
tarlachar belächeln = zer -f- lachen; zer- pafst dem Sinne nach nicht gut,
tar- dürfte gut lateinisch sein (vgl. tarmetter u. a.).
tat Grofsvater = pron. poss. + goth. atta; ein Kinderwort, das auch bei
Deutschen (Schöpf) und Slawen vorkommt, wo ein blofses t- kein pron.
vorstellen kann.
teia Scheide, von Ziehe; Form und Bedtg. weisen bestimmt auf theca.
{tet:) tezla Täfelchen hänge mit Zitze zusammen; das glaube ich nicht.
tiglier Teller = mhd. teller; gewifs unmittelbar aus dem ital. tagliere.
tschabernäc wüstes Gelage = Zaubernacht; Schabernack liegt doch viel
näher.
tscheiver Fastnacht = Zauber; wenn es schon auf eine Täuschung hinaus-
soll, so hätten wir das lat. decipere, aber da auch scheiver vorkommt
und im Surselvischen -cipere mit ebrium reimt, könnte auch ein exebrium
in Betracht gezogen werden.
ugau Vormund = ahd. fogat; die lat. und die ital. Form passen besser.
Vera Ring = mhd. wiere; s. Mussafia Beitr. vera^.
62 2 BESPRECHUNGEN. TH. GÄRTNER,
zugliar einwickeln = zuo + hulla; da müfste doch zuerst ein deutsches zu-
hüUen als gangbares Wort nachgewiesen werden.
Einige Druckfehler sind stehen geblieben, besonders in surselvischen
Wörtern. S. 9, Z. 20 v. u. \\t%munglar, 19 cuchiar, 16 carschun, S. Ii, Z. 7
V. o. gughetg, S. 13, Z. II V. u. giavischar, S. 23, Z. 19 v. u. savetscha (oder
giebt es eine Nebenform zavetscha}), S. 29, Z. 7 v. o. ofniar, Z. 12 y.u.ßuc,
S. 33, Z. 7 V. o. schnedrina, S. 35, Z. 13 v. o. squüschar, S 37, Z. II v. o.
tarlachar, S. 38, Z. I v. o. langobard. (statt lomb.). Ferner ist die zweite
Zeile des Artikels staigl denn Artikel stagia anzuhängen, und S. 33 mufs Ina
Artikel schuber irgend etwas ausgefallen sein.
Theodor Gärtner.
Huonder, Josef, Der Vokalismus der Mundart von Disentis. (Diss.,
Freiburg in d. Schw.). Erlangen 1900, 140 S. 8. (Sonderabdruck, aus Voll-
möllers Rom. Forsch. XI 431 fF.).
Diese Arbeit hat einen zweifachen Wert; als Sprachbericht und als
sprachgeschichtliche Forschung. Der Vf. erweist sich nach beiden Seiten hin
als recht wohl befähigt. Er ist nämlich aus Dissentis gebürtig, mit der Gabe
sprachlicher Beobachtung ausgerüstet und mit den heutigen Anschauungen
über Sprachentwicklung gut bekannt. Seine Abhandlung wird neben den
Arbeiten Ascolis (Arch. glott. I u. VII) jedermann mit Nutzen zu Rate ziehen,
der sich mit den obwäldischen Mundarten befafst.
Wertvoll ist vor allem die selbständige und von der schulmäfsigen
Schriftsprache unabhängige Schreibung der Laute des Volksdialektes. H. be-
klagt mit Recht, dafs man mir 1880 „gerade in Diss. statt der volkstümlichen
Aussprache zum Teil mehr oder weniger künstliche, schriftsprachliche Formen
angegeben" habe. Ich habe das damals natürlich selbst recht bald bemerkt
und auf verschiedene Weise zu bekämpfen gesucht, aber nicht immer mit
vollem Erfolg. Die infolge dieser Schwierigkeit etwas bunten Aufzeichnungen
in Diss. mufste ich dann bei der Abfassung meiner Rät. Gramm hie und da
erst berichtigen, so z, B. die Betonung des Diphth. iu in den Wörtern aut
-itum, -utum, in den Wortformen für focum, longum u. a. Und dreimal ist
mir ein hl in die Rät. Gramm, hineingeschlüpft (zwei Fälle führt H. an, der
dritte ist S. 139). Aber H. betont auch in den Fremdwörtern auf -tun (ora-
tionem, passionem) das i; das habe ich nie gehört, das müfste eine neue laut-
analogische Erscheinung sein. Diesen Zweifel auszusprechen berechtigt mich
H. selbst, indem er S. 6 (des Sonderabdruckes) zwischen dyu und dyiu, nyu
und nylu zu schwanken gesteht: „In Somvix tritt i überall scharf hervor . . .,
für Diss. konnte ich mir kein sicheres Urteil bilden". Und ähnlich sagt er
einige Zeilen weiter über dye und dyie: „Das Richtige dürfte hier is sein".
Mit 3 bezeichnet H. „den flüchtigen, undeutlich artikulierten Laut, der unbe-
tontes e und a vertritt. ... Es ist nicht überall genau derselbe Laut. Gärtner
schreibt in der Regel a, dann f und selbst (?. Ich habe mir nicht zugetraut,
stets genau das Richtige angeben zu können". Die Schwierigkeit, unbetonte
Vokale richtig zu schreiben, ist bekannt; auch habe ich die unbetonten a jener
Mundart in meinen Aufzeichnungen sehr oft mit a bezeichnet, erst in der
HUONDER, DER VOKALISMUS DER MUNDART VON DISENTIS. 623
Rät. Gramm, setzte ich schlechtweg a, wo ich zwischen a und n geschwankt
hatte, und f, wo die Aufzeichnungen bald f, bald a aufwiesen. Daneben gab
es eine Menge unzweifelhafter f. Zweierlei flüchtige Vokale hätte H. vielleicht
doch unterscheiden können; mit » und 9 dargestellt, würden sie das Lesen
erleichtert, und sie würden H. auch verhindert haben, zu behaupten (S. 92),
dafs aufserhalb der Tonsilbe nur 3 Vokale vorkämen. Etwas unbequem für
den Leser sind auch die Zeichen (T, f , V für die bekannten Quetschlaute.
Ich will hier nicht davon sprechen , dafs das nicht einfache Laute sind und
daher besser mit je zwei Zeichen wiedergegeben würde; auch will ich keines-
wegs in Abrede stellen, dafs die zwei tschechischen Zeichen d" , f mit ihrem
tschechischen Lautwert für unsere Mundart vollkommen zutreffen — ich finde in
meinen Aufzeichnungen aus Diss. geradezu die Bemerkung: „ty = tschech. i^'".
Aber im Tschechischen ist das Häkchen an d, t sozusagen angewachsen (eigene
Accentbuchstaben), während die losen Häkchen hier stören, indem sie die
Wörter zerreifsen und für Apostrophe oder für neumodische Gänsefüfschen
gehalten werden können.
Wieviel Neues über Aussprache, Wortschatz und Sprachgebrauch H.
gelegentlich vorbringt, läfst sich hier nicht aufzählen. Ich möchte nur bei-
spielsweise bemerken, dafs H. mehr als 50 von Genelin nicht verzeichnete
Fremdwörter aus dem Deutschen anführt, die Ableitungen ungerechnet.
Der eigentliche Gegenstand der Abhandlung, der Wandel, den die Vokale
in der Mundart durchgemacht haben, ist gründlich und ausführlich dargelegt.
Der Leser wird zuweilen durch Einzelheiten, durch gleichlaufende Erschei-
nungen, die zur Beleuchtung dienen, ab und zu auch durch eine knappe, blofs
andeutende Schlufsfolgerung aufgehalten, gewinnt aber immer wieder den
Faden des Gedankenganges. Der Vf. weifs im allgemeinen recht wohl zu
unterscheiden, was er als bestimmt hinstellen kann, und wo er sich mit Ver-
mutungen und blofsen Möglichkeiten bescheiden mufs.
Von den benachbarten Mundarten zieht H. mit gutem Grunde am öftesten
die des Tavetsches (Vorderrheinquelle) heran, dann die von Medels (Mittel-
rhein) und endlich die einiger Orte, die auf der anderen Seite von Diss. hegen,
also weiter unten im Vorderrheingebiet, am Hinterrhein, auch im Inngebiet,
aber hier, wie es scheint, nicht nach eigener Anhörung. Nach den Merk-
malen der Tavetscher Mundart, sagt er S. 15, ,,geht Tavetsch (Medels) in
vielen Punkten mit dem Engadin und mit anderen bündnerischen Mundarten,
während das übrige Obwäldische meist auf einer älteren Stufe stehen geblieben
ist. Es ist also im offenen Thale durch den innigen Kontakt der Gemeinden
unter sich die Entwicklung aufgehalten worden, oder es hat hier eine stärkere
Besiedelung durch fremde Elemente stattgefunden". Die erste dieser zwei
Möglichkeiten leuchtet mir nicht ein. Die allgemein rät. Palatalisierung von
ca, ga z. B. ist sogar in der friaulischen Ebene ungestört durchgeführt. Man
mufs also für das Vorderrheinthal von Ems aufwärts wohl „fremde Elemente"
anrufen, um die auffällige Erscheinung zu erklären, dafs da so viele ca, ga (in
Ems gegen 80%) nicht palatalisiert erscheinen. Ich glaube auch nicht, dafs
da blofs ,,die Entwicklung aufgehalten", sondern dafs sie rückgängig gemacht
worden ist. Man sieht dies, wie ich in der Rät. Gramm. (S. 68) gesagt, aber
vielleicht nicht klar genug ausgeführt habe, an der Ueberentäufserung, die in
der Emser Form kimüi] vorliegt. Timone heifst nämlich in jener Gegend (von
624 BESPRECHUNGEN. TH. GARINKK,
Diss. abwärts und ein Stück am Hinterrhein hinauf) ungefähr tynmün, t'^imün;
da temonem nicht in kimüi] umspringen Icann, mufs diese P'orm aus tyamü')]
oder f'/imüt] hervorgegangen sein. Das kann, meine ich, nur bei einem
Volke passieren, das sein tya, dya (== lat. ca, ga) gegen das vornehmere
oder versländlichere, kurz fremde ka, ga eintauscht. Wie kimiD], ist auch
ragis (Wurzel) zu beurteilen. Die Wiederherstellung des ca, ga ist gerade
im Rheingebiet nicht so wunderlich. Da ist nämlich die Palatalisierung vor
unbetontem a nicht ganz durchgeführt (z. B. bei calcaneum, calcina, catena,
gallina, bucca, soviel ich weifs, nur im Bergünischen, bei dominica überall,
bei anderen Wörtern in verschiedenen Teilen des Gebietes), daher hat man
in Diss. nebeneinander työnn und kirii^l (Dem.), in Andecr tyat, tyats (Präs.)
und katdr,, katsdr, in Schweiningen dyat und gatt^l (Dem.), styolt (Präs.)
und skalddr, iyardyf (Last) nnd kdrdyg (lädt), kardyer, tydtse (Jagd) und
kätsf (jagt), kai'ser, im Tavetsch tyavdi (Pferd) und kavdla (vielleicht impor-
tiert) u. s. w. Am meisten unbetonte ka, ga hat Ems und Trins (auch bei
furca, spica, basilica), schwerlich alle alt.
Weil die Palatalisierung des unbetonten ca, ga im Rheingebiet ein
steckengebliebener Lautwandel ist, scheint mir H. nicht recht zu thim, indem
er tyafnin und tyatnindda wegen des palatalen Anlautes für importiert hält.
Berücksichtigt man die Bedeutung, so könnte man allenfalls annehmen, dafs
tyani'in von Kaminfegern aus dem Innthal eingeführt wäre; aber tyamindda
imd tyarifl (Made, Geizhals)? Auch über das bekannte tochen, entochen (bis)
fällt H. ohne hinreiclienden Grund das Urteil: „Das Wort dürfte importiert
sein", weil das -qua der ,, alten Schreibung antroqua" lautgesetzwidrig und
das gleichbedeutende ßn noch in erstarrten Resten erhalten sei. Zunächst
verweise ich auf Ascolis Erklärung (Arch. glott. VII 526 — 8), die H. anderswo
(S. 77) selbst anzieht; dann möchte ich noch folgendes hinzufügen. Antroqua
ist nicht einfach die alle Schreibung zu nennen : es ist die Wortform oder
Schreibung der beiden Gabriel, und ich wüfste sie nur noch aus Caminada
(1690) zu belegen, der überhaupt einfach die Schriftsprache und Schreibung
von Gabriels Neuem Testament anwendet. Man könnte meinen, das -qua
habe -ka bedeutet; aber „a Trouckua jeu sund vargau vi" (bis ich vorüber-
gegangen bin) in der Predigt L. Gabriels (Decurtins, Rät. Gramm. I, l, S. 66)
schliefst die Auslegung aus. Auch antrocca ist nicht häufig; ich finde es in
späteren Uebersetzungen des N. T., bei De Casutt (1731), der die Sprache
der Bibelübersetzung nachzuahmen sucht, und in La giuvantegna dilg Joh.
Barandun, scrit ilg dialect da Feldis (Cuera 1864), also in einer oberländischen
Gegend, wo man schon 1601 antocka, 161 8 anlocca schrieb. Wahrscheinlich
sind alle jüngeren antrocca gekünstelt, vielleicht schon 1665 bei dem Kapu-
ziner Da Salö, der einmal entrocchen, sonst entocchen hat, und 1674 bei Alig
(auch kath.), der antrocca, antrochen, entrocca, aber auch eutocca und entoc' igl
cuolm schreibt. Die gewöhnlichen Formen im rheinischen Schrifttum sind
antocca, antoccan, im 18. Jh. (auch schon im Muossament 1654) entocca, eu-
tochen. Wenn eine Form importiert wäre, so könnte es nur die mit inter
sein; die mit intus, oder wie H. (S. 47) meint, die um das r verkürzte Form
ist gänzlich unanfechtbar. Dafs daneben^« bestand, ist nicht auffällig; in
Greden hat man als gleichwertig nebeneinander fiti und ^kiti (= in hoc in?).
Ein dritter Fall, wo H. eine Wortform seiner Mundart ohne ausreichenden
HUONDEK, DEK VOKALISMÜS DER MUNDART VON DISENTIS. 625
Grund für unecht hält, ist der, dafs ev diöus durch „Wiedereinführung der
lat. Form" erklärt. Mir sclieint aber, dafs gerade in der Gegend von Diss.
die Nominativform ohne künstliche Beihilfe erhalten ist (vgl. Rät. Gramm.
S. 75 f.). Dem Gegensatz diöus — tn^s (mens) steht der Gegensatz franz. dieu
— mien zur Seite.
Huonder geht Rätseln nicht gern aus dem Wege; man findet deshalb
in seiner Arbeit eine Menge schwieriger Punkte besprochen. Einige Wort-
deutungen sind sehr beachtenswert, z. B. die von cuzzar, zim (S. 83), detg (S. 47),
besonders die nach meiner Meinung endgiltige Auslegung von scheiver (S. 65);
dratg (Sieb) hat er mit radiäre zusammengebracht, wie gleichzeitig ich in der
Besprechung der Arbeit Genelins (s. oben S. 499). Die Ableitung des Wortes
tadlar, tatlar von attentulare will ihm nicht gefallen (S. 55); meinen Vorschlag
(tacitulare, Grundrifs I 468) scheint er übersehen zu haben. Zu peda weifs
Genelin ein wahrscheinlicheres Etymon als H. (S. 37). Eine besondere Vor-
liebe hat H. für ac, atque: er sucht es in usche (S. 94) und quei (S. 34), ital.
cosi und quello, drittens auch in a, lat. et; hier nur deshalb, weil dieses a
zuweilen nicht a, sondern wie ein volles a lautet (S. 37). Das sind Fehlgriffe,
wie er wohl selbst schon einsehen wird. Den breiten Zischlaut in tschentar
(ven. sentar) schreibt er zweifelnd dem Präfix ex- zu (S. 36); aber dieses Präfix
pafst dem Sinne nach nicht (vgl. scorcarsi). Das v- in väi = ai (habeo) sei
den Formen vein (i. P. PI.), vevel (Impf.) entnommen (S. 25); aber warum sagt
man denn nicht auch vas} Es kommt offenbar vom Pron. ieu, dessen -u vor
ai ein hiatustilgendes v abgiebt. Perpeten (S. 92) hätte H. lieber, wie Ascoli
(Arch. glott. VII 504), zu pursepen, pierten (S. 98) stellen sollen; hingegen
kann die Pluralform logens mit diesem -en wohl keine Beziehung haben. Die
Entwicklung von -tudine + a zu -detgna findet H. (S. 65) „nur dann lautlich
möglich, wenn 911 f in = incugine"; in der That gehen alle mir bekannten rät.
Wortformen für Ambofs auf incugine, incujine zurück, sehr deutlich auch das
ven. itjküzine in Portugruaro.
Die Endung -el der l. Person der Verba leitet er nach Ascoli von der
regelrechten I.Person der Verbalstämme auf Kons. -{- 1 ab (S. 20). Dagegen
sprechen aber folgende Umstände. Erstens befindet sich unter diesen Verben
— ich kenne ihrer 40 — kein einziges, dessen i. P. Sing, von besonderer
Häufigkeit wäre. Dann scheint mir der Vergleich munglar — maunghel =
brancar — brauuchel oder ristlar — rastel = ristar — restel doch zu uneben,
um eine solche Analogie zu veranlassen. Drittens sitzt das -el gerade im
Imperfectum, wo der Stammauslaut der Verba gar keine Rolle spielt, beson-
ders fest, wie H. in der Note lehrt und eine Hs. aus dem Anfange des 18. Jhs.
(Decurtins, Rät. Chrest. I, l, S. 73) zeigt. Zu der Herleitung des -el aus
illum hingegen stimmt sehr gut, was uns H. in derselben Note über den Ge-
brauch der unerweiterten Form der l. P. Sing, berichtet; wir sehen da, wie
dieses Scheinobjekt (als allzu laut schreiende Tautologie) in solchen Fällen
wegbleibt, in denen das wirkliche Objekt unmittelbar darauffolgt. Ich halte
daher aufrecht, was ich in der Rät. Gramm. S. 109 f. gesagt habe. Man erlaube
mir nur, zwei störende Versehen zu berichtigen, die sich dort finden. Erstens
ist auf S. 110 immer Obwäldisch und Niedwäldisch gesezt, während ich Cadi
und Foppa meinte. Zweitens heifst habet im Tavetsch 0, nicht a (so auch
S. 150 zu verbessern); man kann also nicht sagen, dafs im Tavetsch schlecht-
Zeitschr. t rom. Phil, XXV. aq
626 BESPRECHUNGEN. TH. GÄRTNER,
weg die 3. P. Sing, {pörta, 0) auch als l. P. gilt, sondern vielmehr: man hat
aus der 2. P. (pörtas, as), bei den regelmäfsigen Verben zugleich aus der
3. P. (porta), eine I. P. gewonnen, die sich nun besser anschlofs. Man
brauchte zu dem Ende nur das für die 2. P. charakteristische -s wegzulassen
{pörta, a). Im Präsens der regelmäfsigen Verben hat die Ungleichsilbigkeit
der 3 Personen (port, pörtas, pqrta) zu der Neubildung Anstofs gegeben,
im Imperfectum aller Verba die Gleichheit der i. und 3. Person {piirtdva,
erd). Nicht unmöglich wäre es übrigens, dafs p^rtfl an einem Orte aufge-
kommen wäre, wo man es vorher schon mit p^rta versucht hätte.
Schliefslich noch eine harte Nufs, die H. vornimmt: das bekannte bia
(viel). Zu den Schwierigkeiten, die schon Ascoli selbst in der Ableitung
aus plerus gesehen hatte (Arch. glott. I lOl f.), trägt H. noch eine aus der
Tavetscher Form entspringende herbei und denkt, wenn auch ohne Zuver-
sicht, an ein Etymon bell-art. Der erste Teil würde begrifflich durch frz.
beaucoup gestützt, den zweiten entnimmt er einer Redensart, worin art mit
part synonymisch verbunden ist und nach ihm von hereditäre stammt (ich
möchte es lieber = arte setzen). Meinen Erklärungsversuch (Rät. Gramm.
S. 80) übergeht er, hält ihn also wohl für noch weniger passend. Aber man
erwäge doch i) vor allem, was für ein betonter Vokal zu Grunde gelegt
werden mufs, damit alle, oder doch die meisten mundartlichen Formen ohne
Zwang erklärlich sind, 2) was für eine Lautgruppe davor gestanden haben
mufs, dafs sie bald zu bdy, hy, bi, bald zu bl erleichtert werden konnte, und
3) was für ein Redeteil das gewesen sein mufs, dafs es früher, zum Teil jetzt
noch der adjektivischen Flexion widerstrebt und einstens eine Mehrzahl auf
-a bildete (Rät. Gramm. § 102). Diese Erwägungen haben mich auf den be-
kannten ital. Ausdruck un migliajo geführt. Unu milliariu, in der Bedeutung
geschwächt, mufste auch lautlich vereinfacht werden und konnte umbilliariu
oder gleich um(b)liariu ergeben, dann auf syntaktischem oder auf lautlichem
Wege bliariu (bljair). Die ganze Konsonantengruppe zeigt noch das bergü-
nische bly'er und das heinzenbergische bly^, das 1 hat man am Vorderrhein,
im Schamserthal, im Bergeil und im obersten Innthal fallen lassen, das j in
Ems, im Domleschg, am Oberhalbsteiner Rhein, im Innthal von Zernez ab-
wärts und im Münsterthal, in einzelnen Orten des Rheingebietes ist I und j
verloren. Der betonte Vokal stimmt in den meisten der von mir aus 37 Orten
Graubündens gesammelten 18 verschiedenen Formen zu -iarium. Zu den
paar Orten, wo der Vokal erst durch Proklise des Wortes oder durch ana-
logische Anlehnung an den Nachbardialekt erklärt werden kann, gehört Dis-
sentis; aber im Tavetsch, wo sich das Obwäldische ungestört entwickelt bat,
sagt man lautgerecht bi^. — Nachträglich verweise ich noch auf ven. mier.
Eine Arbeit, auf die so viel Fleifs und Nachdenken gewendet ist, ver-
diente auch die gröfste Sorgfalt bei der Drucklegung. Von Druckfehlern hat
man darin glücklicherweise nicht viel zu leiden, es handelt sich nur um
Kleinigkeiten. Von § 52 springt es gleich auf § 55 (S. 100), und dann kommt
noch ein § 55 (S. 104). In den Zusätzen beruft sich H. im Sonderabdruck
auf die Seiten der anderen Ausgabe, so dafs der Leser des Soaderabdruckes
die Zahlen immer um 426 vermindern mufs. Endlich bezieht sich H. (S. 38, 58)
auf einen „Index", der aber leider nicht beigegeben ist. Ein Index hätte ihm
manche wiederholte Begriffsangabe erspart. Hoffentlich bearbeitet Dr. Huonder
CANDRIAN, DER DIALEKT VON BIVIO-STALLA. 627
bald den Konsonantismus und trägt dann den Index nach; dadurch würde er
Carigiets Wörterbuch in dankenswerther Weise ergänzen und berichtigen.
Theodor Gärtner.
Candrian, J. P., Der Dialekt von Bivio-Stalla. (Diss., Zürich). Halle a.S.
1900, 72 S. 8. (Dahinter i Blatt: Vita, Berichtigungen).
Ein Bericht über die interessante Mundart von Stalla (an der Quelle
des Oberhalbsleiner Rheines) ist uns sehr willkommen, und wir danken Ulrich
dafür, dafs er einen jungen Gelehrten dahin ausgesandt hat, der zu einer
solchen Aufgabe befähigt war. Ich habe zwar selbst im J. 1880 in Schwei-
ningen mit einem Stallner eine kleine Aufnahme gemacht, aber ich hatte bis
jetzt immer das bange Gefühl, dafs sie nicht verläfslich genug sein möchte,
da sie nur mit einem einzigen Manne vorgenommen wurde, und zwar mit dem
Manne, der, wie er sagte, der einzige ansässige Katholik in Stalla war. Mit
dieser Sonderstellung, so mufste ich fürchten, hängt vielleicht auch eine Be-
sonderheit in der Abstammung und in der Sprechweise zusammen. Nun
haben wir die erwünschte Kontrolle. Candrian mag sich an den hundert
und etlichen Wörtern aus Stalla, die meine Rät. Gramm, enthält, ein Vorbild
genommen haben, aber er schreibt die Laute seiner mehr als 700 Wörter und
seiner vielen Flexionsformen ganz selbständig und mit vollkommen ausreichen-
der Genauigkeit. Die einfachen Laute und die festeren Verbände wie ts,
ty u. s. w. sind in zwei Tafeln zusammengestellt (S. 4 f.). Mit s, i bezeichnet
er Zischlaute, die nicht so breit sind wie s, z, mit n, t die palatalisierten n, 1.
Das ist zwar nicht ganz consequent gegenüber ts, t§, ty, dy u. s. w. ; dass T
nicht, wie das polnische (weiche) 1, nur ein palatales 1 ist, sondern wie dy
mit einem y endigt, wird C. sofort bemerken, wenn er sich einmal von einem
Polen oder Russen ein ,, weiches" 1 zwischen Vokalen vorsprechen läfst, und
überdies bezeichnet das l dort, wo es gebräuchlich ist (im Polnischen), gerade
das harte 1. Jedoch ich verstehe seine Zeichen und nehme weiter keinen An-
stofs an ihnen, sondern entschliefse mich leicht dazu, sie hier, um den Leser
nicht durch zweierlei Lautzeichen zu verwirren, gleichfalls anzuwenden.
Auch die unbedeutendsten Unterschiede zwischen unseren Aufzeich-
nungen sind der Anführung wert. Bald läfst der eine, bald der andere von
uns einen Gleitlaut als selbstverständlich weg. Candrian schreibt füertya,
büersa, antier; ich hielt es für selbstverständlich, dafs man beim Uebergange
von u, i zum r durch ein flüchtiges dumpfes e komme, und schrieb Ür, tr.
C. schreibt plan, mdna (führt), ich setzte in meinen Aufzeichnungen ein kleines
i nach a; in der Rät. Gramm, liefs ich es weg (bdhi S. 166 soll batiy heifsen).
C. hat küa, mür, tyamiza, vielleicht nur weil er im Augenblick unbewufst
voraussetzte, dafs vor Vokalen und stimmhaften Konsonanten der betonte
Vokal lang ausgesprochen werde, während ich die Länge anmerkte. Er schreibt
or (aurum) und or (foris), ich beide lang (was auch zu kör passt). So wird
auch hier (viel) in bler zu verbessern sein; ich schwankte zwischen Mer und
blcr, wie C. zwischen rer und rer schwankt. Vor f, v schreibt C. n (unfdnt,
anviern), vielleicht nur weil er da die Aussprache m für selbstverständlich
hielt; wenigstens habe ich diese Wörter mit m geschrieben. Ueber die
40*
628 BESPRECHUNGEN. TH. GÄRTNER,
dumpfen unbetonten Vokale bin ich mir 1880 nicht recht klar geworden; C.
unterscheidet zwei, ä und e, und wird recht haben. Nur wundert es mich,
dafs er das auslautende -a als ein reines a darstellt; mein Stallner hat es
merklich verdumpft. Ein objektiver Unterschied liegt gewifs bei den Zisch-
lauten vor. C. unterscheidet von s, z, wie gesagt, ein minder breites §, z
(neben anderen Konsonanten, z. B. §f, t^, dz), er hatte sogar Mühe, zwischen
di und dy zu unterscheiden, während ich nur s, z hörte und nie im Zweifel
war, ob ich dz oder dy schreiben sollte. Es ist daher üendyer, tdfidyer wohl
verhört. Was ich von dem ue in jenem Worte halten soll, weifs ich nicht;
ich denke, für ungere ist doch gewifs ündzer die richtige Form. Hiatus-
tilgende V und y (z) habe ich öfter gefunden als C: süvel, uviT, üpeia, -veia,
bei C; süeT, uil, spea, vea. Andere Verschiedenheiten scheinen durch den
Kampf hervorgerufen zu sein, den die Mundart dieser kleinen Gemeinde mit
den Nachbardialekten zu bestehen hat. Mein Stallner hielt es mehr mit dem
(kath.) Oberhalbstein, indem er zanül, zaler, furmila, nief sagte, während
sich dzanül, dzaler, furtnia, nüt bei C. ans Bergellische anlehnt; allerdings
steht es umgekehrt bei üga, C. üva. Für digitus habe ich det (ohne n wie
in Schweiningen und im U.-Bergell), C. däint (wie im O.-Eng.), für tepidus
ich tief (ohst. t'if), C. tievi (schams.). C. hat die italianisierten Formen kuli^el,
segont und k(')sa (neben kqisa) bekommen, mein Stallner, Lehrer an der italie-
nischen Schule zu Stalla, wufste diese Italianismen zu meiden und gab mir
die Formen kunt^el, sagönt und das bergellische galürj (neben köisä). Auch
die ital.-berg. Ordinalia von sextus aiifwärts hat er mir nicht vorgebracht
(Rät. Gramm. S. 199). Wenn ich nun noch vermelde, dafs meinen Formen
ist (es und habes), kariöser (Part, kunasta) und ^tet (Sommer) bei C. ist,
kunöser und aütet gegenübersteht, so habe ich alles aufgezählt, worin wir in
der Wiedergabe der ungefähr 300 Wörter und Verbalformen, die wir beide
erfragt haben, von einander abweichen — gewiss ein günstiges Zeugnis für
beide Aufnahmen. Die Wörtersammlung bei C. (S. 63 — 72) hat daher einen
grofsen Wert; man möchte sie nur noch reicher sehen, und ich gebe deshalb
unten einen Beitrag dazu.
Candrian hat, wie wir sehen, eine gute Eignung und Schulung in prak-
tischer Lautkunde mitgebracht, und zwei Hilfen sind ihm noch in den Schofs
gefallen: er ist ein Oberländer und hat eine Stallner Handschrift aus der Mitte
des 17. Jhs. benutzen können. Als ein Vorzug ist noch die übersichtliche
Einteilung der Arbeit zu nennen.
Die Lautlehre (S. 7 — 37) hat allerdings einige Schwächen, groXsenteils
dadurch hervorgerufen, dass C. fremde Wörter wie dbiter, amik, dndyel,
dyenitürs, dyüditsi, dyü^t, früt, galdida, gü^t, kandya, kapir, ködäs, kuriüs,
natura, natürel, pat, prufiter, separer, tseder, vltsi oft unter die Erbwörter
mischt und sich von ihnen irreführen lässt, obwohl er andere entlehnte Wörter
erkennt und sie demgemäss behandelt. Eine unrichtige Ableitung stellt er
auf für fatsüT (Taschentuch), dyanter (ientare), dyüvdya (Jovia), mazdüra
(miscit-ura, nicht mixtura), paüty^ (Weidegras) und für obl. tsavrd (separare,
nicht ex-). C. verfolgt ganz gut die Einwirkung eines u in der Endsilbe auf
den Vokal der Tonsilbe und erklärt sich die „lingua-Resultate"(!) aller rät.
Dialekte durch diesen Einfluss; aber für v^eva glaubt er ein lat. vedua vor-
aussetzen zu müssen (S. 13). Ich weifs nicht, ob er vdieva oder veeva er-
CANDRIAN, DER DIALEKT VON BIVIO-STALLA. 629
wartet hätte; aber aie und l'e kommen, wenn ich nicht irre, sonst in der
Mundart nicht vor, es konnte daher leicht das geläufige ce dafür eindringen.
Dass tantum, quantum, cantum (wenn das ein Erbwort ist: vgl. kant, nicht
tyant, in Schweiningen) ihr -antu in -aunt und dann wieder in -ant ver-
wandelt hätten, wäre möglich; aber es ist doch kaum glaublich, dafs sie alle
Wörter auf -anta, -ante, -antia, -anca ,,nach sich gezogen hätten", während
-ande, -ando, -anno, -amno, -anea 0 bekommen haben. Für -ent, -end {-aint,
-end) stellt C. keine solche Theorie auf. So steht in diesem Abschnitte neben
vielem Guten auch Zweifelhaftes, Unvollkommenes und Irriges. Zweimal
wendet er sich gegen die Rät. Gramm., das eine Mal mit Recht. Ich hatte
nämlich (S. 34) unter die Beispiele für Ueberentäufserung auch Wörter mit
f aus au (al) gestellt, wie sie Stalla, Süs und das O.-Bergell darbieten. C.
ist nun im stände, auf die Hs. aus dem 17. Jh. und auf die Aussprache eines
benachbarten Dörfchens gestützt, zu zeigen, dafs in Stalla au — ä — ^ eine
regelmäfsige Entwicklung ist (S. 22) . Aufser den f aus au (al) sind auch die
f aus a vor r und n, als regelrecht, in jener Stelle der Rät. Gramm, wegzu-
lassen. Der zweite Widerstreit ist folgender (S. 9): „Gärtner möchte die Aus-
nahme [dafs in Stalla und im O.-Eng. das a vor einfachem m a ge-
blieben ist] dem ital. Einflüsse zuschreiben; diese Ausnahme kann aber ebenso
gut eine Lautentwicklung sein, die das Stall., das O.-Eng. und das Berg, mit
der Lombardei gemein haben". Freilich haben die genannten Mundarten, und
eben gerade sie, diese „Lautentwicklung", d. h. die Erhaltung des lat. a vor
einfachem m, mit der anstofsenden, vom Bergeil nicht einmal durch einen
Pafs getrennten Lombardei gemein, und darum sagte ich (Rät. Gramm. S. 38)
und wiederhole ich: ,,Es liegt nahe, diese Ausnahme dem ital. Einflüsse zu-
zuschreiben".
Die Flexion ist recht fleifsig erforscht und, so weit ich es beurteilen
kann, richtig dargestellt (S. 37 — 56). Das füty^ in tyeza-füty^ würde ich nicht
einen ,, alten Genitiv" nennen (S. 37); foci müfste doch fäs lauten. Unter
den Grundzahlen ist tsatdnta 70 ausgeblieben (S. 39) , unter den Formen von
habere (S. 53) die 3, P. Sing. 0. Alleinstehendes unus, wie in an hever cena
(sc. schoppa), verdient nicht den Namen Artikel (S. 45); C. hätte daher kurz
sagen können: Der Artikel heifst ün, üna. Das Anwachsen des Pron. pers.
an die 2. Pers. Sing, uud an die i. Pers. Plur. scheint eine ganz junge Er-
scheinung zu sein. Mir hat man 1880 für die i. P. Plur. nur Formen ohne
-dza angegeben: purtdn, dän, puddn, nin, aber isents (sumus), ferner für die
die 2. P. Sing, pgrtds, Idsas und pelest, venest, aber nur ist, dest, fest, post,
vest, sest — wohlgemerkt: immer -st, noch nicht -ht , wie C. hat. Dass aus
-st bald -st werden mufs, ist begreiflich, weil die Verbindung st innerhalb
eines Wortes dort sonst nicht besteht. Gibt die Hs. aus dem 17. Jh. keinen
weiteren Aufschluss? Warum hat uns C. nicht eine Zeile aus ihr mitgeteilt.''
Hoffentlich gibt er sie ganz heraus.
Die wenigen Druckfehler stören nicht; aber was „-Ttu" S. 14, Z. 6
heifsen soll, bringe ich nicht heraus.
Nun mein Beitrag zur Wörtersammlung (in C.s Schreibung):
dlber m. Baum areder Pflug batüda Schlag hity nicht
anavos zurück aviol Biene ^^^7, Bock hrmt m. Brust
aijgudl nur bap Vater bigudyent ungern btitilga Flasche
630
BESPRECHUNGEN. E. KOSCHWITZ,
bittrer küssen
dab^t adv. schnell
<fa?waVdenn(Frages.)
davos, -za, letzter
dikl^r Fingerhut
dret'f^, -a, recht
dyidyüü nüchtern
dyo, dyosüt unten
dyüdyiner, \ ,
, .. , ' \ fasten
dyudycen, ]
diüsta adv. gerade
emda Woche
er auch
?r m. Feld
^rpit m. Egge
fällte to Sichel
färer (kath.) Pfarrer
farerla (k.) Pfarrei
farfdla Schmetter-
ling
jfazöela Bohne
feha f. Felsen
fets f. Sense
fila Tochter
filer spinnen
firid^el Spinnrad
füerm m. Backofen
furt'/eta Efsgabel
fümer rauchen
gdta weibl. Katze
g^rbradyer,
g^rbret'/ gärben
göta Nagel
grandla Getreide
gras, -sa, fett
grondetsa Gröfse
gudyent gern
gu^rs, -sa, schielend
güya Nadel
insäe oben
kalken Ferse
kalt^ena Kalk
klave Scheune
kle m. Klee
kot Hahn
kraj> Stein
kre'^ta Kamm
küert f. Hof
kuer brüten
kullets Hals
hunvazeh Nachbar
küra wann
kuzer, Part, kuzta,
nähen
Idrds Lärchenbaum
legreia Freude
listes einerlei
lüfidazdi Montag
maler fressen
mdma Mutter
ntdndra Herde
mardi Dienstag
marenda Vesper-
brod
markuldi Mittwoch
7nörder, Part. TJtgrs
beissen
tnot Hügel
nimidzer, Part.
munts, melken
na nein
nievel m. Nest
nüersa Schaf
oka Gans
ösa jetzt
pälma Handfläche
pfl f. Haut
pen Tanne
peha Ofen
p^rder, Part, pers,
verlieren
pet'/en Kamm
piler, pely, nehmen
pitSen klein
pldnta Fufssohle
pläi^a Hobel
pläta dafüty Herd
plul, Y'l.ph'a's, Laus
prer (kath.) Priester
prümavdira Früh-
ling
radönt, -da, rund
ragaler schenken
raVs Wurzel
razdyer, resty.sägeTL
reva Rübe
rezdya Säge
rity, -a, reich
ruger, rok, bitten
rumdnts, -a, räto-
romanisch
salip Heuschrecke
sedyel m. Roggen
solty Furche
scezüra oben
sulet, -a, allein
skuüer zuhören
Ümarviler, smarveT,
wundern
itdla Wirtschafts-
gebäude
^tarnüm Streu
ütram Stroh
Styürdümna
Finsternis
^vflt, -a, rasch
tdtia Leinwand
tdiser, Part, tasfa,
weben
tendzer, färben
tot(i,ha gleichgiltig
tretsa geflochtener
Packstrick
trit, -da, häfslich
troty Fufssteig
tsuper, tsop, ver-
bergen
tudesty, -a, deutsch
tydi]a Hündin
tyürdm Leder
tyürer hüten
tsartyer, ts^rty,
suchen
uers m. Bär
usia so
tivel ra. Bach
üvlr m. Euter
verm Wurm
vüts Eltern
zur über
zt'indzer, Part.
ZMw^sfa.anjochen
Theodor Gärtner.
Eugen Herzog, Materialien zu einer neuproven9alischen Syntax.
Separatabdruck aus dem XXV. Jahresberichte der K. K. Staats - Unterreal-
schule im V. Bezirke von Wien. Wien 1900. 8". 23 S.
Das Proven9alische, das gegenwärtig in der alten Provincia gesprochen
oder geschrieben wird, ist auch abgesehen von seiner lautlichen Gestalt ver-
schiedener Art Am reinsten, urwüchsigsten, aber doch nicht unvermischt mit
namentlich vulgären französischen Elementen erscheint es im Munde der Pro-
ven9alen, die, abgelegene Ortschaften bewohnend und am zähesten an alter
E. HERZOG, MATERIALIEN ZU EINER NPROV. SYNTAX. 63 I
Eigenart festhaltend, sich im Hause und Verkehre ausschliefslich des ein-
heimischen Idioms bedienen, und die das Französische entweder überhaupt nie
gekannt oder doch nach der Schulzeit wieder völlig verlernt haben. Diesen
zunächst stehen diejenigen proven^alischen Landbewohner, denen die heimische
Mundart zwar ebenfalls das natürlichste Ausdrucksmittel ist, die aber, um eine
höhere, allerdings nicht vorhandene Bildung zu zeigen, wenigstens im Verkehr
lieber jenes aus französischen und proven^alischen Elementen zusammengesetzte
Kauderwelsch sprechen, das in der Felibrelitteratur zu komischen Wirkungen
verwendet immer häufiger auftritt. Noch mehr wiegt das Französische vor bei
den unteren und mittleren Volksklassen der Städtebewohner, die das Proven-
9alische als ein zu verachtendes Platt betrachten, und daher durchaus fran-
zösisch sprechen oder sprechen wollen, in dieses Französische aber in Aus-
sprache, Syntax und Wortschatz eine sehr reiche Dosis der alteinheimischen
Sprache übernehmen. Unter den höheren, litterarisch gebildeten Volksklassen
der Provence, die im mündlichen und schriftlichen Verkehre sich ausschliefs-
lich des Französischen zu bedienen pflegen, mufs man wieder unter denen
unterscheiden, die in ihrer Kindheit und Jugend das einheimische Idiom
fliefsend zu beherrschen gelernt haben, ihm aber durch ihre rein französische
Erziehung mehr oder minder entfremdet sind, und die ihm dann entweder
fremd bleiben, oder — und das ist der Fall bei den meisten Felibres — wieder
aus lokalpatriolischen Gründen näher treten und eine höhere, litterarische Aus-
bildung geben wollen. In dem Französisch dieser Gattung von Proven^alen
bleiben nur noch leichtere lautliche und lexikalische Einwirkungen aus der
Volkssprache übrig, die den viel verspotteten sog. südlichen acent ausmachen.
Es giebt endlich auch recht viele Proven^alen, die der alteinheimischen Sprache
völlig fern stehen und die unter Umständen ein reineres, von lokalen Ein-
flüssen unabhängigeres Französisch sprechen, als manche hochgelehrte Pariser,
die dem Pariser Platt des Volkes allzu viele Concessionen machen. Dafs
von diesen entwurzelten Proven9alen manche durch ihre Unkenntnis der Sprache
ihrer Väter sich zu einer höheren Menschenklasse erhoben dünken, sei als
Kuriosum nur beiläufig erwähnt. Natürlich gilt, was eben für die sprach-
lichen Verhältnisse der Provence gesagt wurde, mutatis mutandis auch für
den übrigen Süden Frankreichs.
Herzog hat es in seiner Broschüre nur mit dem Kunst- oder Schrift-
proven^alisch der Felibres zu thun; er benutzt ausschliefslich einige Werke
Roumanille's {Oubreto en Proso und e?t Vers), Mistral's {Mireio, Nerto,
Pouemo döu Rose, Testo d'ase), Gras' {Roinancero) und daneben merkwür-
digerweise die von Montel und Lambert hg, Chants populaires du Langue-
doc, also Texte eines andern Mundartengebietes. Das ursprünglichere Pro-
ven^alisch der Illitteraten, das man nur auf mündlichem Wege oder mittelbar
aus den Schriften der Felibres kennen lernen kann, die die Volkssprache un-
verfälscht wiederzugeben suchen, bleibt bei H. unbeachtet. Doch finden sich
auch in dem gewöhnlichen Schriftproven^alisch der Felibres noch genügend
syntaktische Eigenheiten der Vollissprache bewahrt, und mit Recht bemerkt H.
(S. 22), dafs meine Behauptung ,,la syntaxe des Fdlibres ne difi"ere pas beau-
coup de Celle du fran^ais litteraire" nicht allzu wörtlich zu verstehen ist. Nur
das Notwendigste und Auffälligste dieser syntaktischen Abweichungen konnte
ich in meiner Gramm, d. l. langiie des Felibres aufnehmen, deren Inhalt von
632 BESPRECHUNGEN. E. KOSCHWITZ,
H. gewissenh.ift verwertet ist. Manches hätte er für seine Beobachtungen dem
Mistral'schen Tresor entnehmen können, den er, wenigstens systematisch,
nicht ausgenutzt hat. In ihm lionnte er z. B. auch die Erklärung für den
ihm § 40 unklar gebliebenen Artikel in : Quau de la säuvi noun pren. De
la vierge noun se souven finden; es handelt sich um die Salbei, die nach
einer Legende Maria auf der Flucht nach Aegypten verbarg. S. Tres. s. v.
säuvi. Savi6 de Fourviero's Grammaire et Guide de la Conversation pro-
■vengale (Marseille, P. Ruat, 54 rue Paradis) ist ihm offenbar unbekannt ge-
blieben. Er hätte auch diesem Elementarwerk manche Anregung und manche
Ergänzung entnehmen können. So zu seinen §§ 9 — 12, wo die bei Xav. de
Fourvifere p. 61 f. zu findenden Angaben fehlen, dafs das unbestimmte 7nan
auch durch die 2. Sgl. ausgedrückt werden kann (Beisp. Es uno causo que
sentes e que la pos pas dire = c'est une chose que l'on ne peut exprimer
u. dgl.), und dafs neben Von namentlich von Dichtern auch gern 07t gebraucht
wird. Zu seinem § 43 hätte ihm Xav. de Fourv. p. 44 2») eine willkommene
Ergänzung gegeben. Die Bemerkung Xav. de F.'s p. 39 3"): L'adjectif «Vw,
pluriel de un, uno, a parfois le sens de quauque, mit einem auch von H. § 6
citierten Beispiel hätte ihn wahrscheinlich an seiner Gleichsetzung dieses üni
und des wienerischen a {a fimbve u. s. w.) stutzig gemacht. Das in § 41 ver-
mifste dire d'o hätte er bei Xav. de F. p. 136, und auch im Tres. s. v. o
finden können. U. s. w. In zweifellosen Irrtum ist H. trotz der Nichtbeachtung
dieser Hilfsmittel nur selten verfallen. So § 18, wo er a passa tems (= habet
*passatum tempus) einem frz. au temps passe (prov. au tems passa) gleich-
setzt; oder wenn er § 52 bei veni = sagen, das immer ein Dativpronomen,
ein coume acb u. ä. bei sich verlangt (= deutschem in beschränktem Umfange
gebräuchlichen: er kam 7nir so und so), die Ellipse eines Verbums sagen
nahe legt. In einigen andern Fällen ist die Deutung H.'s wenigstens anfecht-
bar. Die moustacho, bouco und bouquetto (= Unter- und Oberlippe) hätte
er in § 2 unter die zweiteiligen Gegenstände aufnehmen sollen ; Constructionen
wie die in § 13 citierten sind auch im Nfrz. keineswegs unerhört; § 45 u. sonst
ist eme = ^ zu deuten und zu übersetzen, und dann bedarf es hier keines PI.
des Verbums xaxa ovvsoiv; das lis ei (es) § 49 = sie sind es, ist eben doch
verschieden von dem vorausgehenden es . . eli = sie sind es; in dem dis un
is autre § 54 vermag ich nichts Unlogisches zu sehen, wenn auch die pro-
ven^alische Auffassung nicht der französischen entspricht; auch in dem § 66
citierten Beispiele läfst sich si = frz. si (rheinländ. doch) auffassen; doch ist
die Verwendung von si überhaupt genauer zu umschreiben. — Für diese
schwächern Stellen entschädigt H. durch scharfsinnige Erörterungen, wie die
einleuchtende Erklärung von 7i'en (§ 102), und die allerdings noch nicht völlig
überzeugende Ableitung von is <C in illos in § 53. Auch die übrigen Beob-
achtungen H.'s bringen wertvolle Ergänzungen für die neuprov. Syntax und
legen von der Veranlagung des Verf.s für derartige Untersuchungen ein gutes
Zeugnis ab.
Am Schlufs seiner Arbeit, die sich nur ausnahmsweise in das noch un-
angebaute Feld der altprov. Syntax hineinwagt, bringt der Verf. ein paar all-
gemeine Betrachtungen. Die Punkte aber, die er dort anführt {§ 4, 6, 9, 12),
und die das Proven^alische vom Französischen entfernen und mit den süd-
romanischen Sprachen vereinigen sollen, lassen sich als solche nicht aner-
E. HERZOG, MATERIALIEN ZU EINER NPROV. SYNTAX. 633
kennen; sie finden sämtlich im Altfranzös. ihre Seitenstücke; von Erscheinungen,
die speziell dem Südfranzös. angehören, ist mir nur die in § 102 geschilderte
aus andern romanischen Sprachen unbekannt. Die meisten der bei den Fe-
libres vorgefundenen Eigentümlichkeiten haben einmal auch auf nordfranzö-
sischem Boden bestanden und sind entweder schon im Altfranzös., oder erst
im Mittel- und Neufranzös. geschwunden, oder gegenwärtig nur noch in den
nordfranzös. A^'olksmundarten erhalten. Es liegen die Dinge auf syntaktischem
Gebiete demnach genau wie auf dem lautlichen : das gegenwärtige Proven^a-
lische enthält unverändert oder in der Entwicklung begriffen eine Fülle älterer
französischer Spracherscheinungen und kann deshalb auch auf diesem Gebiete,
da diese Spracherscheinungen von den Proven^alen in ihrer Bedeutung klar
begriffen und empfunden werden, der historischen Grammatik des Franzö-
sischen treffliche Dienste leisten. Dafs ein feiner ausgeführtes Studium der
neuproven^alischen Syntax auch für das der altproven9alischen und der histo-
rischen Syntax des Südens Frankreichs eine Notwendigkeit ist, und dafs eine
ausgearbeitete historische Syntax des Provenzalischen wieder der des Franzö-
sischen und der übrigen romanischen Sprachen von wesentlichem Nutzen ist,
bedarf keiner Ausführung. Es kann darum nur mit Freuden begrüfst werden,
wenn H. , wie er andeutet, auf dem eingeschlagenen Wege fortfahren und
seine Untersuchungen auf ältere Zeiten und weitere südliche Mundartgebiete
ausdehnen will.
E. KOSCHWITZ.
Ott, Andre G. (de Zürich), Etüde sur les coulers en vieux fran^ais.
Paris, Bouillon 1899, in-S, XII + 186 p.
Le sujet de ce travail est fort interessant, les mat^riaux reunis sont
riches et disposes selon tin plan bien con^u. L'auteur examine le sort des
termes de couleurs latins en vieux fran9ais, leur disparition, leur conservation
avec ou sans changement de signification. Pour chaque couleur M. O. etudie
I) ce qui appartient h la tradition latinc, 2) ce qui revient ä la creation ro-
mane, qu'elle soit A) basee sur la tradition ou B) non basee sur la tradition;
ce qui est du, ou bien a) ä un changement de sens, ou b) ä un emprunt ä
une autre langue. De plus, l'auteur distingue, pour chaque vocable, entre
a) son emploi au propre et ß) son emploi au figur^.
II n'y a rien ä objecter contre cette disposition. Mais il faut dire que
le travail de M. Ott n'est pas d'une lecture tout ä fait agr^able ou facile.
L'ex^cution typographique en est tellement peu pratique qu'on a de la peine
ä s'y retrouver; en outre, le livre fourmille de fautes d'impression et de lapsus
de toute sorte; certains exemples sont attribu^s ä des textes fautifs, pour
d'autres la provenance n'est pas indiquee, etc. Evidemment de telles erreurs
peuvent se glisser dans toute publication, mais ici la correction laisse vrai-
ment trop ä desirer,
Comme il a dejä 6t6 rendu compte de cette etude dans trois revues scienti-
fiques, ä ma connaissance,* je n'indiquerai ici que quelques details qui n'ont
1 Mo^en Age 1900, p. 408 ss. (Am. Salmon), Romania XXIX, 477 s.
(G. Paris), Herr. Archiv CV, 1/2, p. 191 ss. (A. Tobler).
634 BESPRECHUNGEN. EM. WAHLBERG,
pas 6te relev^s par ces savants critiques ou auxquels j'ai encore quelque chose
ä ajouter,
P. 3. L'auteui oublie, en parlant des d6rives de albus, albun, qui est
au moins dans un des textes d^pouillcs: l' albun de Voef Lapid. de Cam-
bridge 844. — P. 6. M. Ott croit qua dans la locution targe florie, florie
signifie plutöt „blanche" que „peinte ä fleurs" ; il a certainement tort, cf. p. ex.
Vit les escus qui erent paint a flour Auberi 1 80, 24, escus poins a flors
Elie II 72 {E vait ferir Makaire sor sott escu a or Que les flors et les pieres
contre val en estoit Aiol 904Ö, Et vait ferir son oncle par grant vigor, Que
de l'escu li trenche le maistre flour ibid. 3378). — Aine florie „blanche d'in-
nocence, pure" ; c'est plutot „couronnee de fleurs" : En eles nianoit courtoisie
Et humilitez la florie. Est dont florie humilitezP Oil; et les flour s de li tez
Que eil qui en Paradis sont Des fleurs de li lor chapiaus fönt Cleomades
2729 — 34 (cf. aussi En paradis coronnee et florie Aym. de Narbonne 135, cit6
par M. O.). — P. 7. Dans les deux pvemiers exemples cit6s, Uanc ne signifie
guere „de couleur blanche brillante", mais uniquement „brillant, luissant"; ni
Durendal ni les osberc n'dtaient blancs, dans l'acception moderne du mot.
II en est sans doute de meme de I'exemple suivant : La crigne qui fu Man-
chete, cite ä la p. 14; les cheveux d'une jeune touse ne sont pourtant pas
,,gentiment blancs". — P. 28. Nergoier ne signifie pas que „apparaitre noir",
mais aussi bien ,,s'assombrir, pälir" (comme nerir, nercir): D'ire et de mau-
talant nercie Ren. (Martin) XI, 2515. — P. 30, A propos de mor, morel, re-
marquez destrier morandin Auberi 182, i (manque dans Godefroy), form6
covamQ f er randin. — P. 35. Chenu, „gris brillant" (,,blanc"). II y a dans le
Rom. d'Alix. un exemple fort curieux de ce mot, Quant uoit par le ventalle
les blons caveus ceniis 311, 13, avec lequel on peut comparer la crigne blan-
chete, mentionn6e ci-dessus. — P. 40. Bis, „gris sombre, gris brun", semble
quelquefois avoir le sens de „sombre" tout seul: Vait ferir si grant cop en
l'escji d'asur bis R. d'Alix. 114,3. "5. i^- — P. 46. Si Hart ne signifie que
„gris" (clair ou fonce) , comment expliquer cet exemple, fourni par M, Ott
lui-mSme: Le Hart ros en destre enmeine Th^bes 4478, Gaydon 5126? II
n'est pourtant pas probable que ros ait ici le sens figur6 de „laid" (cf. p. 106
— 107). — P. 58 l'auteur confond escolorir et escolurgier, confusion d'autant
plus ^tonnante que le verbe esculurst se rapporte ä li piez d'icels. — P. 60, 3).
Teint ,,ayant perdu ses couleurs, pale". Cette traduction est beaucoup trop
restreinte, cf. Dou bran qui ert soilliez et tains Cleomades 909, Dou soleil
fu noir eis et tains J. de Conde XXXV, 241; dans ce dernier exemple nous
voyons deux mots qui generalement signifient „päle", employes pour dösigner
un teint häle. II fallait indiquer le chemin que to«;<;tinctum a parcouru
pour aboutir ä la signification „päle". Pourquoi, du reste, l'auteur ne cite-t-il
que le participe pass6 du verbe teindrel — P. 62. Dans la Chirurgie de
Mr H, de Mondeville on trouve quelques exemples de l'adjectif /«^^r«^ (fem.):
bloies ou noires ou fusques 3005 (de meme 1058, 1733, voyez le Glossaire);
cette forme est evidemment un latlnisme (le texte en question est traduit du
latin). — P. 76. Ayant consacre ailleurs^ une etude speciale aux vocables blou,
blau, bloi, je me bornerai ici ä dire qu'il n'est pas possible de separer blou
1 Dans un recueil d'etudes romanes qui va paraitre en Suede.
OTT, ETÜDE SÜR LES COULEURS EN VIEUX FRAN^AIS. 635
et blau, pas plus que pou et pau, fou et faii, clou et clau; les formes en au
sont propres ä l'extreme Nord. II n'est pas permis non plus de nier que
bloi ait pu signifier „bleu". — P. 78 M. Ott cite un exemple oü, selon lui,
hloi, s. m., signifiait „couleur jaune brillant" : Dons culurs a, 7nais ke un poi
Teint a cristal e teint a bloi Lapid. de Marb. 593 — 4. Le texte latin de
Marbode nous montre cependant qu'il ne s'agit pas de la couleur jaune mais
de la bleue:
Huic bina dantur species, totidemque colores.
Cristallo similem Germania mittere fertur
Cseruleo tBmen infectum rutiloque colore
{Marbodi liber lapidum seii de gemmis, ed. Beckmann, Göttingen 1799, p. 56);
en outre la le^on — restituee — de Pannier n'est pas bien assuree; le ms. A
porte foie : bloe, B, fou : blou (voy. les variantes). — M. O. cite, pp. 85 et 129,
comme termes de couleur cur in et grenat: L'une est granate, altre citrine
Lapid. de Marb. 343; il aurait donc du admettre aussi, parmi les mots signi-
fiant ,,bleu", l'adjectif qui suit immediatement dans le passage allegue: {U altre)
evage ibid. 344 (et 353). Le texte latin a:
Nam sunt granati, sunt citrini venetique
{Marbod, 6d. Beckmann, p. 36). — P. 86 safrene; dessafrene (manque dans
Godefroy) se trouve aussi dans un des textes examines par M. O., Rom. u.
Past. I, 47, 21 {guimple dessafrenee). — P. 91. L'auteur ne croit pas que
pers puisse jamais signifier „bleu azur^", comme le veut Godefroy; ce doit
pourtant etre lä sa signification dans l'exemple suivant, — bien que le mot y
soit pris, pour ainsi dire, moitie au figure, — Le temps n^y est pers ne Der-
meil, Toiisj'ours y fait obscur et noir Romvart 625, 5. — P. 105. Rovcl, nom
d'un des fils de Renart (Ren., ed. Martin, I, 1605 etc.), meiitait d'etre men-
tionne. — P. 121 Maus vers, mons floris, mons roses Carite CCXXXIII, 2;
je pense, avec l'editeur du texte et Godefroy, que rose' a. ici le sens de „cou-
vert de roses", plutot que „couleur de rose, rose", comme le veut M. O.
{flori naturellement = ,,couvert de fleurs", non „blanc"). — P. 127. A propos
de affoue „rouge comme le feu" on peut aussi citer fuin, fo'in, avec la meme
signification, p. ex. Best, de Phil, de Thaun 2985 [Chalcedoines ki est fuin . . .).
— P. 140. Je doute que esmeraude soit, ä proprement parier, un terrae de
couleur dans l'exemple allegue par l'auteur. Et esmeraude est de color Lapid.
de Berne 1142. Pour ma part j'y vois tout simplemeut le substantif esme-
raude; le traducteur rend plutot gaucbement le latin:
Crassum quippe virens similis solet esse smaragdo
{Marbod, ed. Beckmann, p. 83, v. 684). — P. 154, 1. 8 l'auteur cite Aiol 9843;
il faut lire 9845.
Quant ä l'appendice sur beau et laid, on peut differer d'avis avec
l'auteur sur le droit de figurer ici de certains mots allegues, comme l'on
pourrait desirer y trouver d'autres, qui ont ete omis, p. ex. seignori{l) : al
cors signori (voy. Godefroy); mais il est naturellement impossjble de tracer
ici une limite absolue.
Malgre ces restrictions, je tiens ä le dire en terminant, le travail de
M. Ott est tres meritoire et rendra de grand Services.
Em. Walberg.
636 BESPRECHUNGEN. H. SCHNEEGANS.
Studi glottologici italiani diretti da Giacomo de Gregorio. Volume
priino. Torino. Casa editiice Ermanno Loescher 1899.
Den bei weitem gröfsten Teil des Bandes (p, l — 202) nimmt eine Arbeit
de Gregorios ein „Contributi alla Etimologia e Lessicografia romanza con
{speciale considerazione ai vernacoli siciliani". Der Zweck dieser nach dem
Plane von Körtings Lateinisch -romanischem Wörterbuch geordneter lexico-
graphischer Beiträge ist, wie wir aus dem Vorwort sehen, ein doppelter.
Erstens untersucht de Gregorio die Etymologie romanischer Wörter, die ihm
fraglich erscheint, andererseits registriert er speziell sizilianische und nament-
lich Wörter aus der sog. lombardischen Kolonie Siziliens San Fratello, deren
entsprechende italienische Formen oder lateinische Etyma angegeben werden.
Dieser doppelte Zweck verleiht der ganzen Arbeit das Aussehen eines un-
fertigen Konglomerats verschiedenartigster Bruchstücke, die nur durch die
alphabetische Anordnung äufserlich zusammengehalten werden. Dem eigent-
lichen Lexikon werden zwei Note preliminari vorausgeschickt, von denen
aber nur die erste im engeren Zusammenhang zu dem Folgenden steht. Sie
polemisiert gegen die nach de Gregorios Meinung in den bisherigen etymo-
logischen Arbeiten zu sehr hervortretende Neigung deutsche Etyma für
romanische Wörter zu suchen, welche, wie er p. 1 1 sagt, „piii che da altro,
nasce dalla deferenza verso ü grande fondatore degli studi comparati neo-
latini" und manchmal so weit gehe, dafs (p. 14) „in tali raffronti spesso
V italiano, il francese e lo spagnuolo acquistano tutta la semhianza di dia-
letti tedeschi". Das ist doch eine recht gewagte Uebertreibung und wir fragen
uns, ob sehr Viele an die „spassionata ricerca" glauben werden, welche de
Gregorio seiner eigenen Forschungsweise im Vergleich zu der der Anderen
nachrühmt. Während diese Vorbemerkung gewissermafsen anzudeuten scheint,
dafs de Gregorio in seinen etymologischen Untersuchungen sich vor diesem
vermeintlichen Fehler das deutsche Element zu sehr zu betonen, nach Kräften
zu hüten vornimmt, steht die andere nur in sehr losem Zusammenhang zum
Folgenden und behandelt die Frage, wie ital. -gli- sich zu ch verhält, d. h.
wie das lat. cl sich im Inlaut regelmäfsig entwickelt. De Gregorio bekämpft
die Ansicht Meyer-Lübkes, dafs die verschiedene Entwickelung von cl teils
zu gli, teils zu ch auf die nach- oder vortonige Stellung zurückzuführen sei,
will im allgemeinen von einer Erklärung durch Lehnwörter nichts wissen und
teilt auch Ascolis Meinung nicht, dafs es sich um eine doppelte Entwickelung
nach dem Typus macula > macla > magla oder macula > mac''la {con
il gruppo c'l 7neno fusd) > macchia handle. Nach ihm müsse man die Ent-
wickelung zu gghj, die ja im Anlaut und im Inlaut vorkäme (z. B. neghittoso)
als die gewöhnliche ansehen. Das mouillierte /, welches mir im Suffix vor-
käme, sei auf Suffixwechsel zurückzuführen, der nur in einigen der bekannten
Doppelformen veglio -vecchio u. s. w. eine Folge französischen Einflusses sei.
Dieser Suffixwechsel sei relativ neueren Datums und reiche nicht bis in die
vulgärlateinische Zeit zurück. Damit ist unseres Erachtens die Schwierigkeit
noch nicht gehoben. Denn wir müssen immer noch fragen, woher denn dieses
Suffix -glio kommt.
Nach diesen einleitenden Erörterungen, von denen die zweite in Hinsicht
auf das Folgende vielleicht andeuten soll, dafs de Gregorio der Analogie in
STUDI GLOTTOLOGICI ITALIANI DIRETTI DA DE GREGORIO. 637
seinen etymologischen Untersuchungen gröfseren Spiehaum gewähren will,
folgt das eigentliche Lexikon. In der Behandlung der mundartlichen Wörter
ist de Gregorio recht ungleich. Einerseits führt er sizilianische Wörter an,
deren Etymologie so sehr auf der Hand liegt, dafs sie ohne irgend welchen
Schaden hätten ausgelassen werden können: expandere ^ spanniri, falx
|> fauci, fei "^ feli, fenum '^ fet7U, filaneum '^ ßlagnu, finctum ]>•
fintu, habere ^ awVz', rat Alexis "^ ?nedicu, monachus ^ wo«a<:w, natare
^ natart, noster ^ nostru, palus ^ palu, peitasus "^ pirtusu, pila ^
Jiila, serenus > sirinu, stabile > stabtili, transire ]>■ trasirt. Unnötig
ist auch zu bemerken, dafs siz. annoju ein anderes Etymon verlangt als
damnaticum, das datnmaiu giebt (p. 78). Das sieht doch jeder. — Umge-
kehrt hätte de Greg, an anderen Stellen die Etymologien, die er anführt, mehr
begründen müssen. Aus lautlichen Gründen haben wir Mühe ihm ohne wei-
teres zu glauben, dafs sfr. braunk von congrus kommt, sir. ßsgiu von
focilis, sfincm von fungia, piazz. lustrina von doctrina, sie. cutmnig-
ghiari von convolere (hier wegen des gghj aus mouilliertem l). Ungenau
ist es auch linniri von lens und lehbru voa lepus abgeleitet anzuführen.
Da hätte wenigstens der Casus obliquus angegeben werden müssen. Aber
auch so ist bei linniri von lindinem das n zu r zu erklären, n'^ r kommt
siz. nur selten vor (cf. modanu ^ modaru ganz vereinzelt).
Sachliche Erklärungen dürften nicht fehlen bei criatu = servo <^ crea-
tum — ein „Erschaffener" ist doch nicht sofort ein „zum Dienen Erschaffener",
d. h. ein Diener — und bei straf alario = estremametite brutto von extra +
fallarius; falla, wovon es abgeleitet wird, ist doch = Betrug. Wie reimt
sich das zusammen? Fraglich erscheint mir bei sfacciddata, Ohrfeige, die
Erklärung des -dda- aus analogischem Einflufs von mascidda Wange. Wäre
nicht eher -idda das Diminutivsuffix: s ■\- fac -\- illa = sfaccidda? Wir haben
auch sonst gerade bei Körperteilen häufig das Diminutiv: nasiddu, vucidda,
fruntiddu. Bei joja = joca, orum hätte ich lauthche Bedenken. Es ist
nicht richtig zu sagen, dafs "ca» zu ja wird. Hätte de Greg, meine Abhand-
lung über das Sizilianische zu Rate gezogen, ^ so hätte er sehen können, dafs
zwischen ^C» vor dem Ton und nach dem Ton unterschieden werden mufs;
neben curpiari (culpicari), cammiari (comicare), scurtiari (scorticare),
priari (precare) hatten wir lattuca, tartuca, ficatu ebenso wie vor u: locu,
p>ocu, focu, jocu, dien, sucu u. s. w. Das einzige puttia (änoQ-iqxif) macht die
Regel nicht hinfällig, da es griechisches Lehnwort ist. gaudia als Etymon
von j'oj'a {allegrezza) ist nicht ohne weiteres abzuweisen, g •\- a, 0, u wird
im Anlaut in den Alundarten von Messina, Milazzo, Aci, Noto, Siracusa,
Casteltermini, Erice >/ {ci.j'addu, j'addinedda, j'anga, jabbari, jaleri, j'ustu).
Ferner wird dj"^j {ci. sedia^j^a, podium ]>>^ö/m, radium ^ ro;« mit
plur. raj'a). So wagen wir de Greg, auch bezüglich dieser sicula zu wider-
sprechen trotz der Unfehlbarkeit, die er sich selber auf diesem Gebiete nach-
rühmt (cf. p. 240: „Colla sicurezza che ci viefie dalV essere testitnoni co?n-
pete7ttissimi pei fenomeni siciliani, dichiariamo . . ,"),
' Er übergeht sie aber systematisch. In der bibliographischen Ueber-
sicht findet sie sich nicht einmal erwähnt neben Avolio, Gioeni, Traina, Roc-
cella und de Greg.'s eigenen Arbeiten.
638 BESPRECHUNGEN. H. SCHNEEGANS,
Auch bezüglich des allgemeinromanischen Teils hätten wir gar manche
Bedenken. Seiner „nota preliminare" getreu hat de Greg, einen wahren
horror vor Ableitungen aus dem Deutschen. Ob er aber immer das Richtige
trifft.'' Der Versuch bottare von lat. battere statt vom deutschen button
abzuleiten kommt mir wegen a ^ o, wegen des Accenlwechsels und der
Aenderung der Konjugaiionsendung ebenso gewagt als unnötig vor, da button
den Anforderimgen genügt. Ungerechtfertigt kommt mir bezüglich de falco
de Greg.'s Polemik gegen Diez und Körting vor, die das Wort vom deutschen
falgan (berauben) ableiteten, während er es von de-}- falco (von falx) ableiten
möchte. "Wie ist die Ideenassoziation zu erklären? De Greg.'s Ableitung yar
alto (halten), von facere halitum Atem schöpfen, erscheint mir gesucht
gegenüber der gewöhnlichen Ableitung vom deutschen halt. Am abenteuer-
lichsten erscheint mir aber sein Versuch die Wortsippe rubare, roba, robe u. s.w.
statt von germ. rauba rubon, von robur ableiten zu wollen. Er kann
keinen Zusainmenhang zwischen diesen Wörtern und dem Begriff ,,rauben"
finden. Freilich, heutzutage nicht auf den ersten Blick bei robe, roba, doch
wohl aber bei rubare; und auch bei den andern liegt der Begriff des Zu-
sammengeraubten = Besitz von Kleidungsstücken, Hausgerät u. s. w. gewifs
viel näher als „rubor = vigore, forza, e fercib verosimilmente cid che da
vigore, sussistenza". —
Das Bestreben alles Nichtlateinische möglichst auszusondern führt de
Greg, meines Erachtens auch bei mina, tnine zu einem recht sonderbaren Ein-
fall. Um diese Wörter nicht von kelt. mein (rohes Metall) abzuleiten, denkt
er an minari (drohen). Und warum? Man staune: „// significato che hanno
queste voci non e tanto quelle di fosso 0 cava, dove si estraggono metalli
quanto quello di cavo in cui si mette della sostanza esplodente, che
possa da un momento all' altrofarsi scoppiare, Sembra bene dun-
que che una certa relazione ideologica con minari possa essere constatata!"
Auch das frz. mine die Miene „= ciera, atteggiamento pub certo aver de-
notato in origine solo la ciera minacciosa" !
Auch lautliche Bedenken können wir bei einigen von de Greg.'s Ab-
leitungen nicht unterdrücken. Wenn er danger von damnaticum und nicht
von dominarium resp. damnarium ableitet, so fragen wir uns, wo denn
das r bleibt. Von malevapidus läfst de Greg, nialvaggio, mauvais kommen.
Aber vapidus = guasto (vapidum vinum = vino guasto) hätte wie
iQ^iä\xm "^ tiede, szi^iAxxm'^ sade, auch vade geben müssen. Freilich
macht de Greg, ohne weiteres wz^iAns'^ vapius, nach szY>i{6.)\i.s'^ saggio.
Aber Schuchardts sapius ist fraglich. Auch an andare hat sich de Greg,
gewagt. Und er ist so überzeugt, das Richtige gefunden zu haben, dafs er
p. 40 verkündigt: „Senibra che questa etimologia sia tanto sicura da non
richiedere delle prove". Das wäre allerdings bequem! Aber auch diese
Ableitung von antedare scheint gewagt. Selbst wenn man von lautlichen
Bedenken absähe und sich nicht von Formen wie ante-tennae>-äntennae,
antetestari >• antestari, die de Greg, anführt, überzeugen liefse, raüfste
man fragen, wo denn das Verb antedare in der Bedeutung ?«if«^rsi avanti,
condursi avanti = andare sich belegt findet. Ein ,, Vorangeben, Vorgeben"
ist doch von „gehen" sehr weit entfernt. So können wir de Greg, nicht
STUDI GLOTTOLOGICI ITALIANI DIRETTI DA DE GREGORIO. 639
folgen, wenn er sagt: ,,Cos\ nessun dubbio rnggiotievole sembra potersi piii
concepire sulla vera origine di andare".
Auf de Greg.'s Contributi, die wohl einer recht peinlichen Durchsicht
noch bedürfen, folgen zwei kleinere Arbeiten. Sabbadini's Saggio di topo-
nomastica deW isola deW Elba zählt nach einander Elba's Ortsnamen vor-
romanischer, lateinischer und nachromanischer Herkunft auf und versucht
einige etymologisch zu deuten. Den Schlafs bilden Erwägungen über die
Verwendbarkeit der Ortsnamen zur Erklärung historischer Vorgänge auf der
Insel. La Via's Vocalismo del dialetto gallo üalico di Nicosia in Sicilia
ist nichts mehr als eine mehr oder weniger geordnete Materialiensammlung,
welche die sprachlichen Erscheinungen nicht einmal zu erklären versucht.
Um nur wenige Beispiele anzuführen, wie erklärt V., dafs Suffix ario -a ein-
mal diru ^mpairu), ein andermal -jeru, resp. -jeri {argentjere) und -dru
(caudararu) oder jä {bondonja) giebt? Haben wir es mit lautlichen Vorgängen,
mit Suffixvertauschungen oder Lehnwörtern zu thun ? Wie erklärt er, dafs f
einerseits zu /<? wird, anderseits f bleibt? Wie erklärt er, dafs e teils als e
bleibt, teils ei oder i wird? Das Kapitel über den unbetonten Vokalismus
operiert stets mit „di regola, spesso, non di rado, per lo piii" und ist in-
folge dessen auch weit entfernt wissenschaftlichen Ansprüchen zu genügen.
Es wäre zu wünschen, dafs de Via, der seine Arbeit fortzusetzen verspricht,
den Stoff noch einmal von vorne gründlich durcharbeitete, sonst dürfte sie
kaum mehr Wert als den einer mehr oder minder zuverlässigen Materialien-
sammlung erhalten.
Den Schlufs des Bandes bildet — von zwei Recensionen, die mit Roma-
nischem nichts zu thun haben, sehen wir ab — ein Artikel de Greg.'s, welcher
sich mit Ascoli's Deutung der dialektischen Wendungen va chiama, va e
chiama, va a chiama (Arch. glott. XIV punt. 3a 1898 pp. 453 — 68) be-
schäftigt. Ascoli hatte behauptet, dafs man es bei denselben nicht mit einem
apokopierten Infinitiv zu thun habe, sondern im toscanischen Gebiet mit einem
Imperativ, im sizilianischen mit einem Indikativ, und dafs die Partikel in der
Imperativischen Wendung weder ad noch et, sondern atque = ac, das sich aus
dem Lateinischen hier erhalten habe, wiederspiegle. Zunächst bestreitet de Greg,
mit Entschiedenheit, dafs im Sizilianischen die indikativische Konstruktion
ohne Partikel allein vorkomme. Und damit hat er recht. Solche Typen wie
„va fatti scriviri = va a farti scrivere" sind im Sizilianischen sehr häufig.
Die Partikel, sagt er, kommt aber in der indikativischen Wendung vor, wenn
sie auch manchmal nur noch aus der Verdoppelung des Anlauts des zweiten
Verbs vernehmbar ist: vaju abaciu = vaju bbacciu. Von dieser Konstruktion
trennt sich die imperativische, indem hier die Partikel — nach de Greg. — nie-
mals nach dem Verbum des Gehens vorkommt, z. B. va vasa = va a haciare
im Gegensatz zu va bbacciu. Hinsichtlich des Ursprungs der Partüiel hegt de
Greg, auch einige Zweifel. Mit Recht sagt er, dafs, wenn die Partikel im
Altsizilianischen stets e ist, im Neusizil. zwischen a und e wechselt, man not-
gedrungen die Partikel a für jüngeren Datums halten müsse als e. Wie wäre
aber nun zu erklären, dafs ac gleichsam in der älteren Zeit latent geblieben
und erst später wieder zum Vorschein gekommen wäre? So zweifelt denn
de Greg, an der Richtigkeit der Ascoli'schen Deutung a = ac und glaubt,
640 BESPRECHUNGEN. H. SCHNEEGANS.
dafs eher a aus Analogie zu litterarisclien Formen wie va a chiamare und
Vermischung dieser Konstruktion mit va e ckiama entstanden sei. Freilich
verhehlt er sich nicht, daCs man zuerst die alten Texte auf das Vorhandensein
von Formen mit a genauer untersuchen und auch die einzelnen sizilianischen
Mundarten, die teils a teils e bevorzugen, auf die lokale Verteilung der
sprachlichen Erscheinungen hin genauer prüfen müfste. So hat denn de Greg. 's
Untersuchung bis jetzt erst den Weit einer interessanten Hypothese, die es
aber wohl verdiente weiter verfolgt zu werden.
Heinrich Schneegans.
Der Prosaroman Ysaye le Triste.
(Schlufs; s. S. 472 ff.)
439. Henry stöfst zunächst auf den König von Castilien, der
ihn für sot hält, weil er es wagt, mit einem Baumzweige sich auf
die Feinde zu stürzen. Aber Henry versetzt ihm einen derartigen
Hieb, dafs er tot zur Erde fällt. Der Zweig bricht dabei entzwei,
Henry aber holt von dem hourdis (Lattenwerk) einen neuen Zweig
und eilt damit Marc und Hergault zu Hilfe. ^-.
440. Hergault erhält vom Admiral, der sich jetzt auch an
dem Kampfe beteiligt, einen Schufs in die Brust, der Admiral aber
wird von Henry zu Boden geschlagen und seines Pferdes beraubt.
Sardine bringt nun Henry ein Schwert, so dafs dieser sich jetzt
besser am Kampfe beteiligen kann. Dann geht sie zu ihrem Vater,
der sie verflucht und der ihr gegenüber seinem Unwillen Luft
macht, dafs Marc, Hergault und Henry ein Heer von 40000 Mann
geschlagen haben.
441. Den drei Helden stürzen sich nun Pharaon, die Könige
von Ungarn, Spanien, Morianne und belle inarine mit ihren Leuten
entgegen. Marc erhält einen gewaltigen Hieb von Pharaon, so
dafs er in Verzweiflung gerät und wie ein Rasender alles nieder-
schlägt. An einem Quell wäscht er sich vom Blute rein und stürzt
sich wieder in den Kampf.
442. Henry hat unterdessen den König von Spanien, Her-
gault den König von Ungarn und Bucaure du Cedre gefangen
genommen. Allmählich wird es dunkel, die Helden wollen sich
nach dem Turm begeben. Da begegnet Marc noch einmal Pha-
raon, besiegt ihn, setzt ihn auf sein Pferd und bringt ihn nach
dem Turm. Orimonde und Sardine empfangen die Helden und
die Gefangenen mit Kerzen. Englentine kehrt mit Hergault aus
der Schlacht zurück. Die drei Dienerinnen heilen nun die Wunden
der drei Helden sowie der Gefangenen, wobei sie auch die Pfeil-
spitze aus Hergaults Brust ziehen. Pharaon und Orimonde, Sar-
dine und der König von Spanien umarmen sich. Dann wird
gegessen und getrunken.
443. Es tritt eine Ruhepause von vier Tagen ein. Da bittet
Pharaon um Freilassung der Gefangenen. Marc schenkt ihnen die
Freiheit, verlangt aber, dafs die Gefangenen alle Tage wieder im
Turm erscheinen. Als nun Pharaon seinem Vater erzählt, wie gut
Zeitschr. f. rom. Phil. XXV. 4I
642 ZEIDLER,
sie von Marc behandelt worden sind, sagt dieser: Ils sout courtoys
et hardys.
444. Der Admiral hält nun einen Rat, wie er sich des Turmes
bemächtigen könne. Da rät ihm Pharaon, Yrion und Estrahier
freizugeben, dann würde Marc vielleicht den Turm verlassen.
445. Der Admiral findet diesen Vorschlag angemessen und
sendet Pharaon, den König von Saterne, und den Fürsten Derboxi
zu Marc. Die Gesandten treffen Marc beim Mahle an, als Sar-
dine die chanson singt:
Amours bien doibt servir . . .
446. Pharaon geht mit Marc in ein besonderes Zimmer und
macht diesem den Vorschlag, den Turm und die Damen gegen
Yrion und Estrahier nebst deren Leuten auszutauschen. Marc ist
damit einverstanden und teilt den Vorschlag den Damen mit. Da
fangen diese an heftig zu weinen, so dafs schliefsiich Marc Pharaon
erklärt, er werde sich nie von den Damen trennen, worauf Esclade
freudig singt:
Amours soyez en 110 Heu
Ou no querelle est perdue.
447. Dieser Entschlufs wird dem Admiral mitgeteilt. Da er
jedoch einstweilen nichts gegen Marc unternehmen kann, schliefst
er einen Waffenstillstand auf ein Jahr. Ueber diese Nachricht er-
freut, singt Orimonde:
Vraye esperance nous fait vivre en soullas
Si demenons noz vies en bonne joye.
448. Ein Bote erscheint und meldet, dafs Ysaye mit 14000
Mann in acht Tagen eintreffen werde, worauf Englentine ihrer
Freude wieder durch einen Gesang Ausdruck giebt. Dann erscheint
Rostran mit seinen beiden Söhnen Titus und Ryon du vielz bourg
und stellt sich als der Besitzer des Turmes vor. Marc lädt ihn
und seine Söhne ein, bei ihm zu bleiben. Alyor singt:
Dieu et amouis fonderent ceste tour.
44g. Pharaon, der wieder als Gesandter erschienen war, um
den Waffenstillstand abzuschliefsen, verläfst nun den Turm. Pa-
rianne singt:
Amours de vous me doy plaindre
Car amy ne puis recouvrer.
450. Rostran und seine Söhne fühlen sich in der neuen Ge-
sellschaft bald wohl und Rostran fafst Zuneigung zu Esclade,
Ryon zu Alyor und Titus zu Parianne.
451. Pharaon berichtet über den Erfolg seiner Unterhand-
lungen und teilt dann mit, dafs Ysaye mit 14000 Mann heran-
rücke. Als der Admiral dies vernimmt, gewährt er Marc nur einen
Waffenstillsand von drei Monaten. Ein Schriftstück hierüber wird
vom Kriegsrat unterzeichnet. Pharaon trägt die Urkunde zu Marc,
der über den Treubruch des Admirals sehr erregt ist und erklärt,
DER PROSAROMAN YSAYE LE TRISTE. 643
er werde Pharaon und die fünf Gefangenen nicht eher freigeben,
bevor nicht Yrion und Estrahier freigegeben seien.
452. Der Admiral läfst durch seine Schreiber Briefe abfassen,
um folgende Könige zu Hilfe zu rufen: die 14 geants des ameres
yauves, den geant de Fargur, die Könige von Crete, Sydne, Ragire,
Gripere, Affrique, des estranges desertz, Frontoirre, le tartar de
cartaire, du pont de fer, den König von Mecques u. s. w. Lucanor
de Cedre geht mit den Briefen ab. Ein Bote wird auch zu Jonathas
d'Ivoire geschickt, um diesen aufzufordern, die Gefangenen, vor
allem Yrion und Estrahier, bis St. Jehan zurückzubringen.
453. Aber auch Marc schickt Titus mit Briefen ab, um die
Grafen des Königreichs Blamir-Miradir aufzufordern, bis zum Mag-
dalenentage a leslour des esquarrez zu erscheinen.
454. Eines Tages erklärt Marc seinen Gefährten, er wolle
seinem Vater, den er noch nie gesehen habe, entgegenreiten. Er
bittet Rostran, Ryon und Henry, ihn zu begleiten, Hergo dagegen
zu bleiben, um den Turm und die Damen zu bewachen.
455. Tronc geht von belle garde nach Orcanye. Er findet
Oriant, der ihn sofort erkennt und küfst, auf dessen Schlofs Restenir
in Gegenwart einer grofsen Versammlung von Kriegern. Er trägt
Oriant den Wunsch Ysayes, Oriant möchte bis zum 20. August in
Blamir sein, vor und erhält von diesem das Versprechen, Ysaye
thatkräflig zu unterstützen. Zum Schlüsse sagt ihm Tronc, wenn
er bald aufbreche, könne er Ysaye noch in Legierfil treffen.
456. Tronc bittet dann noch Oriant, Ysaye mitzuteilen, dafs
er sich zu Marthe nach dem Schlosse Ysayes, das früher dem
Argus gehört habe, begeben wolle. Dann bricht er auf. Oriant
versammelt nun in kurzer Zeit 3000 Mann und eilt damit Ysaye
zu Hilfe.
457. Nach der Schlacht bei Admenal (§§ 401/3) wurden die
gefangenen Christen nach Spanien geführt. Während der Fahrt
erhob sich ein Sturm. Die Schiffsleute, die der Meinung waren,
dafs der Christengott ihnen das Unwetter bereitet habe, beschlossen,
die Gefangenen ins Meer zu werfen. [Bevor sie aber ihre Absicht
ausführen konnten, legte sich der Sturm, und die Flotte landete
in Udaie, eine Meile von Legierfil gelegen. Hier blieben sie fünf
Wochen.
458. Ysaye war mit seinen Truppen (392) von seinem Schlosse
aufgebrochen und nach Dinagu gelangt, wo er bei einem Bürger
Englier Quartier nahm. Von diesem erfuhr er von der Gefangen-
nahme Yrions und Estrahiers, von dem Sturm bei Legierfil und
von den Thaten Marcs. Ferner erzählt ihm Englier, dafs der Herr
der Stadt Yreult heifse, der jetzt aber mit einem tapferen Ritter,
Ysaye, auf Abenteuer ausgezogen sei. Der Auszug Yreults sei
für die Stadt verhängnisvoll geworden, denn sieben Brüder, die
ihren Wohnsitz auf dem zwei Meilen entfernt liegenden chastel
fort hätten, suchten nun fortwährend die Stadt mit Plünderungen
heim. Diese Brüder hiefsen Buchier, Drugant, Atirait, Clamir, Ali-
41*
644 ZEIDLER,
part, Nacidur, Athiamas, Dirigail le borgne. Buchier sei der Herr
von chastel fort assis und sei mit Yreults Schwester verheiratet.] '
Während Englier Ysaye dieses erzählt, erscheint ein Knappe und
verlangt im Auftrage Buchiers ein Streitrofs und die Tochter Engliers.
Aufserdem fragt er den Wirt, woher die fremden Ritter gekommen
seien, worauf Englier ihm erwidert, er möge den maistre derselben,
den er vor sich sehe, selbst fragen. In barschem Tone fragt nun
der Knappe Ysaye: Vassal, dont esies vous?, worauf Ysaye als Ant-
wort ihm einen Hieb versetzt, der den Knappen getötet hätte, wenn
dieser nicht bepanzert gewesen wäre. Ysaye sagt ihm dann, Buchier
bekäme Engliers Tochter und das Streitrofs nicht, wohl aber sei
er bereit am nächsten Tage Buchier das Streitrofs abzunehmen.
Da verläfst der Knappe Ysaye und Englier und meldet seinem
Herrn, was Ysaye gesagt hat.
45Q. Englier rät nun Ysaye, er solle zu seiner Bedeckung
einige Ritter mitnehmen, die er (Englier) nach einem in der Nähe
des Kampfplatzes gelegenen Schlofs führen wolle, denn Buchier
werde ihn mitten im Kampfe durch seine Leute überfallen lassen.
Da befiehlt Ysaye, Menet, Paumart, le d6soreill6, le sot sage, les
trois de belle garde, Garlus, Brandor, Festion und 50 andere Ritter
sollten unter Führung Engliers sich nach dem benachbarten Schlosse
begeben.
460. Als der valet Sardou seinem Herrn die Antwort Ysayes
überbringt, befiehlt dieser sofort dem maistre des embusquements,
Poraldus, mit 1000 Mann während des Kampfes aus dem Hinter-
halte hervorzubrechen.
461. Bei Anbruch des folgendes Tages begiebt sich Englier
mit den 60 Rittern nach dem genannten Schlosse, während Ysaye
allein zum Kampfplatz reitet. Hier erwarten ihn bereits die sieben
Brüder.
462. Ysaye tötet zuerst Narcidur, darauf Drugant, dann Ali-
part u. s. w. Als er aber im Begriff ist, Buchier anzugreifen, sprengen
die Feinde aus dem Hinterhalte hervor. Zu gleicher Zeit erscheinen
aber auch Ysayes Getreue. Es kommt zu einem blutigen Kampf,
der mit der Niederlage und Flucht der Feinde endet. Buchier
tötet noch, während er flieht, Brandor de Gaunes, wird aber selbst
von Dryamont erschlagen. Vor dem Schlosse trifft Ysaye die
Gattin Buchiers weinend an und bittet sie um Verzeihung wegen
der Niedermetzlung Buchiers. Esclaire, so heifst die Schwester
Yreults, gewährt ihm Verzeihung und ist dann sehr erfreut, von
Ysaye etwas über Yreult zu erfahren. Ysaye tröstet dann noch
Esclaire und giebt ihr einen anderen Gatten in dem Ritter Dis-
pront, der dadurch Herr von Dinagu wird.
463. Ysaye beschliefst nun gegen die bei Legierfil befindliche
sarazenische Flotte unter Jonathas zu kämpfen. Er befiehlt sämt-
liche Schiffe von Dinagu und der isle estrange bis zum Mittwoch
1 [] fehlt in G.
DER PROSAROMAN YSAYE LE TRISTE. 645
ZU rüsten, Aufserdem befiehlt er sämtlichen Rittern und valets,
sich am Mittwoch beim chastel fort assis zum Aufbruch gegen die
Sarazenen einzufinden.
464. Englier, den Ysaye zum Ritter geschlagen hatte, fährt
am Dienstag nach Legierfil und kündigt dem Jonathas die Ankunft
Ysayes, des Vaters Marcs, mit einer grofsen Flotte an, worüber
Jonathas in grofse Unruhe gerät und sofort den Befehl zum Rüsten
giebt. Während der ganzen Nacht vom Dienstag zum Mittwoch
rüsten die Sarazenen. Als Englier seine Mission erfüllt hat, fährt
er nach Dinagu zurück, wo Ysaye über Engliers Mut sehr er-
freut ist.
465. Am INIittwoch Morgen sind alle Ritter vor dem chastel
fort assis versammelt. Ysaye nimmt Abschied von Esclaire und
befiehlt Englier das Land zu hüten.
466. Da erscheint Oriant mit 3000 Mann. Ysaye umarmt ihn
und läfst sich von ihm erzählen, wie es ihm seit seiner Trennung
ergangen ist. Nach der Mahlzeit besteigen die Mannschaften die
Schiffe und segeln ab. Die Pferde bleiben in Dinagu.
467. Auf der Fahrt macht Ysaye den Vorschlag, die Sara-
zenen von zwei Seiten anzugreifen. Er will mit looo Mann auf
der einen, Oriant und Dispront sollen mit 8000 Mann auf der
anderen Seite den Angriff unternehmen.
468. Es kommt zur Seeschlacht. Alle Sarazenen werden ge-
tötet, oder sie ertrinken. Ysaye verliert 500 Mann, darunter Garlus
und Driamont. Hierauf landen die Schiffe. Nun machen sich die
Christen daran, die Gefangenen zu suchen. Vergeblich suchen sie
in der Stadt danach, bis Dispront auf den Gedanken kommt, die
Gefangenen könnten in dem eine halbe Meile entfernten Schlofs
Constant JoUye, das der sire de Caradan gegen den sire du lisle
estrange hatte erbauen lassen, untergebracht sein. Auf seinen Rat
hin werden sofort er, Menet, le desoreill6, le sot sage nach Con-
stant Jollye geschickt.
46g. Bei der Ankunft der Ritter ergeben sich die 100 Wächter.
Yrion und Estrahier werden sofort erkannt und nebst allen übrigen
Gefangenen befreit. Der ganze Trupp geht nun nach Legierfil,
wo man die Ankunft der Gefangenen freudig begrüfst. Nachdem
man gegenseitig die Erlebnisse ausgetauscht hat, begiebt man sich
zu Bett.
470. Als Ysaye in seinem Zimmer liegt, hört er Klagen aus
einem anderen Zimmer. Er begiebt sich in dieses und hört, wie
Dispront und dessen Bruder Gavain den Tod ihres Bruders Fidiger,
der in der Schlacht gefallen ist, beklagen. Ysaye fragt nun Dis-
pront, der ein Sohn der dame du chastel de belle garde ist, was
aus den sieben Söhnen geworden sei. Da sagt ihm Dispront, drei
seien Geistliche, vier Ritter geworden. Von den vier Rittern be-
fanden sich er und Gavain noch in Ysayes Heer, Fidiger sei ge-
tötet und Atrides werde von den vier Riesen du hault mur gefangen
gehalten. Dieser werde alsbald dem Tode preisgegeben sein, wenn
646 ZEIDLER,
man ihn nicht innerhalb 40 Tagen befreien würde. Als Ysaye dies
hört, verspricht er den Brüdern, den Kampf gegen die Riesen zu
unternehmen und Atrides zu befreien.
471. Den gefangenen sarazenischen Wächtern schenkt Ysaye
die Freiheit. Dann verabschiedet er sich von Dispront, befiehlt
ihm aber noch, Tronc sofort nachzusenden, wenn er ankomme,
und macht sich mit seinen Leuten auf den Weg nach Blamir.
472. Tronc war von Oriant zu Yreult und INIarthe gegangen.
Hier erfährt er von dem Ueberfall durch die Schotten. Als Yreult,
Barut und die ribaults nicht wissen, was sie mit den 17 Gefangenen
anfangen sollen, schlägt Tronc vor, die Gefangenen zu vereidigen
und sie ihm zur Unterstützung Ysayes mitzugeben. Mit diesem
Vorschlag sind alle einverstanden. Dann erfährt Tronc auch noch
den Grund, der Edor und Gaudine zu Ysaye geführt hat. Der
Aufbruch Troncs wird auf den folgenden Tag nach dem Mittag-
essen festgesetzt. Als Kuriosum wird noch erwähnt, dafs Tronc
so viel afs, als vier Männer vertilgen konnten.
473. Am folgenden Tage, zur festgesetzten Zeit, bricht Tronc
mit den 17 Schotten, die er zuvor bewaffnet hat, auf nach Dinagu.
Beim Abschied bittet ihn Marthe, er möge für ein baldiges Zu-
standekommen der Hochzeit mit Ysaye sorgen.
474. Unterwegs begegnet Tronc zwei Damen, die ihn zuerst
für einen Teufel halten und fliehen wollen, bei seinem Zurufe:
Dieu vous vetiille aber Zutrauen zu ihm fassen und ihm unter
Thränen berichten, dafs soeben sechs Ritter vier ihrer Begleiter
gefangen genommen hätten. In diesem Lande sei wieder die alte
Unordnung eingerissen, seitdem Ysaye sich nicht habe wieder sehen
lassen. Bis de Cornouaille, der Sohn Marchants, und BoiTart le
navarois hätten es sich zum Grundsatze gemacht, jeden zu töten
oder gefangen zu nehmen, der den Namen Ysayes ausspreche.
Tronc und die Schotten machen sich nun sofort zur Verfolgung
der sechs Ritter auf. Tronc geht zunächst allein in den Wald.
Hier trifft er einen Mann, der Obst auf einem Wagen hat und
dieses nach dem Schlosse des Argus fahren will. Tronc, welcher
etwas Verräterisches wittert, will sich das Obst näher ansehen. Da
schreit der Mann laut auf und es erscheinen sechs Ritter, um dem
Manne zu helfen. Gleichzeitig aber erscheinen auch die Schotten,
die sofort vier der Ritter töten und zwei entwaffnen. Tronc nimmt
nun noch dem Obstfahrer einen Brief ab, den dieser zuvor in seine
Haare gesteckt hatte. Dieser Brief ist an Marthe gerichtet.
475. In diesem Briefe schreibt Elias du mont, Ysaye und
dessen Leute seien von Sarazenen getötet worden. Er sende ihr
sechs Ritter, die sie nach Blamir zurückgeleiten sollten.
476. Tronc fordert nun von dem Manne die Wahrheit. Da
erzählt dieser, er sei von Elias beauftragt worden, die vergifteten
Birnen zu Marthe zu fahren. Die Birnen hätten, genossen, die
Wirkung, dafs ein Mann sterbe, eine Frau aber sich in Elias ver-
liebe. Hätte Marthe also von den Birnen gegessen, so wäre es
DER PROSAROMAN YSAYE LE TRISTE. 647
für die sechs Ritter ein Leichtes gewesen, sie zu entführen. Das
sollte die Rache des Elias für die Niederlage sein, die er durch
Ysaye erlitten. Tronc läfst nun die beiden noch lebenden Ver-
räter, die Bastardbrüder des Elias sind, töten, ebenso den Obst-
fahrer Grohier, der Tronc während dessen Gefangenschaft bei
Elias viel Böses zugefügt hatte. Die vier befreiten Ritter schickt
Tronc zu Marthe, damit sie ihr die Absicht des Elias mitteilen.
Die Köpfe der Verräter wirft Tronc auf den Karren, fährt diesen
zu in der Nähe befindlichen Köhlern und wirft den Wagen nebst
Ladung ins Feuer. Die Nacht verbringt Tronc mit den Schotten
in Tempieu.
477. Am folgenden Morgen brechen die Ritter auf und be-
gegnen einem Ritter auf schneeweifsem und einer Dame auf
schwarzem Pferde. Diesen folgt ein Knappe.
478. Von diesem erfährt Tronc, dafs jeder Ritter, der den
Herrn des valet besiege, die Dame zur Frau bekomme. Kaum
haben Edor, Bruymart de Rapemont, le conte de Saine, le prince
de medes und Athas de toute röche dies erfahren, als sie sich
dem Ritter zum Kampfe anbieten. Der Ritter läfst sich in den
Kampf ein und besiegt sämtliche Gegner. Dann verläfst er mit
seiner Dame die Schotten. Kaum haben sich die beiden entfernt,
so erscheint die Witwe Ardants d'Acre und erkundigt sich nach
dem Ritter auf dem schwarzen Pferde. Ihr folgen vier Ritter, die
sie zur Ermordung des vorigen Ritters gedungen hatte, weil dieser
ihre Liebe verschmäht hatte. Während sie mit den Schotten redet,
erscheint der Ritter auf dem schwarzen Pferde wieder, tötet die
vier Gegner und schlägt auf Troncs Rat der Witwe Ardants das
Haupt ab.
47 Q. Tronc und die Schotten kommen nun nach Dinagu und
kehren bei Englier ein. Nachdem nun Tronc alles erzählt hat,
was sich zugetragen, äufsert er den Wunsch, zu Yreults Schwester
geführt zu werden, da er dieser Nachrichten über ihren Bruder
zukommen lassen wolle. Englier begiebt sich nun auf den Weg
nach chastel fort assis. Kaum sind sie ein Stück Weges gegangen,
als sie von vier Rittern angefallen werden. Nach harten Kämpfen
werden diese von Englier besiegt und ihr Führer, Dirigal le borgne,
gesteht, dafs er habe Englier ermorden wollen, weil ihm drei
Knappen desselben mitgeteilt hätten, dafs Englier an dem Tode
seiner sieben cousins germains die Hauptschuld trage. Englier und
Tronc begeben sich nun in Begleitung Dirigals und dessen Dame
Orcane zu Yreults Schwester. Hier wird Tronc als Freund Yreults
und Ysayes vorgestellt. Er erzählt nun, dafs Yreult selbst habe
kommen wollen, um dem Treiben der sieben Brüder ein Ende zu
bereiten, aber in der Meinung, Ysaye werde dies thun, geblieben
sei. Dirigal wird nun beauftragt, zu Yreult zu gehen und ihm mit-
zuteilen, wie es jetzt in Dinagu und chastel fort assis hergehe.
Orcane wird als Geisel auf dem chastel behalten. Am folgenden
Tage gehen Englier und Tronc nach Dinagu zurück, von wo Tronc
648 ZEIDLER,
und die Schotten, mit Ausnahme von Edor, Hosegant, Sannir und
dem seigneur d'Ardic, die zur Erholung bei Engh'er bleiben, die
Weiterreise nach Legierfil antreten. Hier angekommen, erfahren
sie von dem Gouverneur Gensir, dafs Ysaye nach der tour des
esquarrez aufgebrochen ist.
480. Als die 100 sarazenischen Wächter zum Admiral kommen
und ihm von der Niederlage bei Legierfil berichten, wird er wütend
und sagt, Ysaye habe den Waffenstillstand gebrochen. Aber Pha-
raon beruhigt seinen Vater, indem er ihm klar legt, dafs Ysaje
von dem Waffenstillstand nichts hat wissen können.
481. Als Ysaye mit seinem Heere in die Nähe von Blamir
gelangt, teilt er seine Truppen. Oriant, Yrion und Estrahier be-
geben sich mit ihren Leuten nach Miradir, Ysaye geht mit seinen
Leuten nach dem Turm. Ysaye reitet seinen Leuten voraus und
stöfst auf Marc und dessen Gefährten. Da sich Vater und Sohn
nicht kennen, fordern sie sich zum Kampfe heraus. Sie kämpfen
so lange, bis die Mattigkeit sie zwingt, vom Kampfe abzulassen.
482. Nach Wiederaufnahme des Kampfes schlägt Ysaye Marc
das Schwert aus der Hand und fordert ihn auf, sich zu ergeben.
Marc weigert sich und bedauert, seinem Geschlechte grofse Schande
bereitet zu haben. Auch einer seiner Begleiter klagt über das
Unglück Marcs, indem er sagt: peu do7meur aura voire pere de vous
qtiajil vous le trouverez.
483. Aus diesen Worten erkennt Ysaye in seinem Gegner
seinen Sohn. Er läfst Yrion herbeiholen und umarmt dann Marc,
der vor Erregung in Ohnmacht fällt.
484. Alle anwesenden Ritter weinen vor Freude. Auf Rostrans
Rat ziehen nun Yrion, Ysaye und Marc nebst ihren Leuten in
die Nähe einer Stadt Namens val douce und schlagen hier ihre
Zelte auf.
485. Die Ritter tauschen nun gegenseitig ihre Erlebnisse aus,
wobei Marc seinen Vater über das Zustandekommen des Waffen-
stillstandes und über die Mafsregeln, die er zum Schutze gegen
die Sarazenen getroffen hat, unterrichtet.
486. Tronc begegnet auf dem Wege nach dem Turm zwei
Rittern, welche soeben in einem Kampfe gegen zehn Ritter vier
Begleiter verloren hatten. Sie erklären auf Troncs Befragen, sie
seien Schotten und seien ausgeschickt, um ihren König zu suchen,
der vor neun Wochen sein Land verlassen habe, um den Tod
seines Neffen Setas de ville noir zu rächen.
487. Der eine der beiden Ritter ist der conte de Barfair, der
andere der sire de Piadil. Der König von Schottland erkennt sie,
er schämt sich, dafs er gefangen genommen worden ist, und fällt
in Ohnmacht, worüber die anderen Gefangenen in Thränen aus-
brechen.
488. Tronc erzählt nun den beiden Rittern, was dem König
und seinem Gefolge zugestofsen ist, und erklärt ihnen, dafs er die
Schotten zu Ysaye führen wolle. Dann macht er den Rittern den
DER PROSAROMAN YSAYE LE TRISTE. 649
Vorschlag, die Ritter, die die vier Schotten getötet haben, zu ver-
folgen.
489. Die Schotten reiten unter Troncs Führung in den Wald
und finden vier Ritter (sechs von den zehn waren im Kampfe ge-
fallen) und zwei Damen an einer Quelle sitzend und einen Leich-
nam waschend. Die vier Ritter rüsten sich sofort zum Kampfe.
Da bittet sie Tronc, den fremden Rittern ihre Namen zu sagen.
Auf Wunsch der Damen erklären sie nun, sie seien unter Führung
Nertigants zum König Yrion aufgebrochen. Unterwegs seien ihnen
sechs Ritter begegnet, die sie für Sarazenen gehalten und bekämpft
hätten. Die Leiche, die sie vor sich sähen, sei die Nertigants,
des Neffen Yrions. Die Damen seien die Nichten Yrions und
zwar sei die eine die Tochter des Herrn von Esclamal, die andere
die des Toran du bruy. Als die Schotten hören, dafs sie einen
Neffen Yrions getötet haben, fangen sie an zu weinen und nehmen
ihren Helm zur Ehrung des Toten ab.
490. Es folgt nun die Versöhnung der Schotten mit den
Damen und deren Rittern. Tronc schlägt vor, die Toten mit
Ausnahme Nertigants zu bestatten, den Leichnam Nertigants aber
auf einem Maultiere nach Blamir zu schaffen, um ihn dort zu be-
graben. Diese Ehrung sollten die vier am Leben gebliebenen
Freunde des Toten: le conte de bei apparant, Segent, Acardes
d'Escamal, Veraine de Toran diesem erweisen. Dem Grafen von
Barfair und dem Herrn von Piadil befiehlt Tronc, nach Schottland
zurückzukehren, um über den Erfolg ihrer Reise Bericht zu er-
statten. Während Tronc über dieses mit den Schotten verhandelt,
erscheinen sechs escuyers, von denen der eine, Namens Bruhur de
Rolich, Tronc^^mitteilt, dafs Yrion, Ysaye u. s. w. sich in der Nähe
von val doulce befinden.
491. Nachdem die drei Toten bestattet sind, bricht man auf.
Edor, der aus Dinagu kommt, gesellt sich zu den Rittern. Nach
einem eintägigen Marsche gelangt man nach val doulce. Hier er-
fährt Tronc, dafs Ysaye auf dem Schlosse wohnt. Er geht zu
seinem Herrn, der mit den anderen Rittern gerade zu Abend speist.
492. Ysaye ist über Troncs Auskunft sehr erfreut, aber Marc
springt von seinem Platze auf und stürzt sich auf Tronc. Er will
ihn gegen einen Pfeiler werfen, wird aber von Ysaye daran ge-
hindert. Nur mit Mühe gelingt es den Rittern, Tronc aus den
Händen Marcs zu befreien und in ein Nebenzimmer zu bringen.
Nach der Ursache seines Zornes befragt, erklärt Marc, der Zwerg
sei jener Teufel, der ihm im Hause Ysaacs le lombard so viel
Böses gethan habe. Ysaye klärt nun Marc über den Irrtum auf,
worauf Marc sagt, er habe schon viel von Tronc gehört, habe sich
diesen aber nicht unter der laide creahire vorstellen können.
493. Als Tronc in das Schlofs eingetreten war, hatte er den
Pförtner, der ihm nicht öffnen wollte, erschlagen. Als der Herr
des Schlosses, Furiant du glay, davon erfährt, läfst er Tronc vor
sich kommen. Er ist anfangs sehr erbofst, verzeiht aber Tronc,
650 ZEIDLER,
als dieser ihm erzählt, in welcher Weise der Pförtner ihn be-
schimpft hat.
494. Tronc mufs nun Ysaye berichten, woher die Ritter
stammen, die er herbeigeführt hat. Er erzählt darauf ausführlich
von dem Verrate der Schotten und deren Gefangennahme.
495. Ysaye verzeiht ihnen und läfst sie gut bewirten. Nun
erscheint Edor und überreicht Ysaye den Brief der vier geants
du hault mur, Faradon, Taridan, Garpisel, Porigan, in welchem
diese Ysaye auffordern, Atrides zu befreien, da sie diesen sonst dem
Tode überliefern würden.
496. Ysaye erklärt Edor, er werde ihm am nächsten Tage
Antwort geben.
497. Die beiden Nichten Yrions werden nun den Rittern vor-
gestellt, dann zu der Herrin des Schlosses geführt. Nach dem
Abendessen geht man schlafen. Tronc se coticha stir les pieds du
licl son maisire.
498. Am folgenden Morgen bittet Tronc seinen Herrn, den
König von Schottland mit 5000 Mann zu entlassen, damit dieser
sein Land gegen den marquis de Harbrai und und prince de
Candric schützen könne.
499. Ysaye gewährt diese Bitte und giebt dem König noch
Paumart, Menet, den marquis de Barasonne, den prince de Jar-
pine, Gamaisse (mufs wohl Gavain heifsen) de belle garde und
Festion le blond zur Unterstützung mit.
500. Hierauf erscheint Marc und bittet seinen Vater, ihm zu
gestatten, gegen die vier Riesen du hault mur zu kämpfen und
Atrides zu befreien.
501. Ysaye rät ihm, zunächst die Schlacht mit den Sarazenen
abzuwarten. Marc aber besteht auf seiner Bitte, die ihm Ysaye
schliefslich unter der Bedingung gewährt, dafs er Tronc als Be-
gleiter mitnähme. Aber auch davon will Marc nichts wissen.
502. Erst nach langem Zureden entschliefst sich Marc dazu,
sich des Rates Troncs zu bedienen. Tronc verspricht Marc, ein
amy loyal zu sein, wogegen Marc ihm verspricht, stets seinem Rate
zu folgen.
503. Noch an demselben Tage nach dem Mittagessen brechen
Marc und Tronc auf. Bald darauf verabschiedet sich auch der
König von Schottland mit seinem Heere, und Yrion verläfst eben-
falls mit seinen Leuten val doulce. Das Heer Yrions war in fünf
baptailles eingeteilt. Die erste, bestehend aus 3000 ]\Iann, führten
Carduc le gallois und Paridus du camp ferme, die zweite unter
Führung Henrys de Lyon bestand aus 2000 Mann, die dritte
unter Oriant und Estrahier aus 5000, die vierte unter Ysaye aus
6000 und die letzte unter Yrion aus 6000 Mann. Edor wird mit
Briefen an Englier und Marthe abgeschickt.
504. Das LIeer Yrions schlägt den Weg nach dem Turme
ein. Ein Bote wird vorausgeschickt, um Hergault die Ankunft des
Heeres mitzuteilen. Hergault eilt nach Empfang dieser Nachricht
DER PROSAKOMAN YSAYE LE TRISTE. 65 1
dem Heere entgegen und stöfst zunächst auf Paridus, der ihn für
einen Sarazenen hält und ihn angreift. Hergault schlägt Paridus
nieder, wird dann von Carduc erkannt und zu Ysaye geführt, der
sich sehr über ihn freut. Es erfolgt nun der Einzug in Blamir.
505. Nach zwei Tagen verabschieden sich die Bundesgenossen
mit dem Versprechen, am Magdalenentage, an welchem der Waffen-
stillstand sein Ende erreicht, wieder zu erscheinen. Dispront geht
mit seinen Leuten nach dem chastel fort assis. Bei Ysaye, der
seinen Wohnsitz auf dem chastel de la röche ague hat, bleiben
Oriant, Hergault, le desorreille de la joyeuse garde, le sot sage,
le besgue de la haulte röche, Ferandas de Dinagu, Elundus du
hault hurt und Mardiast de la Forest.
50Ö. Als der Admiral von der Ankunft Ysayes hört, sendet
er die Könige von Seviüe und INIorianne zu Ysaye und läfst fragen,
ob dieser den Waffenstillstand gebrochen habe. Ysaye erklärt den
Gesandten, dafs er von dem Waffenstillstände nichts gewufst habe.
Beim Abschiede erklärt er dann noch dem König von Seville, der
sich ihm gegenüber sehr hochmütig benommen hatte, er werde in
der Schlacht zuerst an ihm seine Rache ausüben.
507. Henry und Hergault begeben sich in den Turm und
überreichen Orimonde einen Brief Marcs.
508. In diesem Briefe, der am lo. August aus val doulce
abgeschickt war, teilt Marc seiner Braut mit, dafs er sie auf einige
Zeit verlassen müsse, um gegen die vier Riesen du hault mur zu
kämpfen. Dem Briefe hatte er einen Ring beigefügt mit der Bitte,
Orimonde solle ihm loyalle bleiben.
509. Als Orimonde den Inhalt vernommen hat, fällt sie in
Ohnmacht. Als sie die Besinnung wieder erlangt hat, sagt sie,
sie habe aus Liebe zu INIarc Eltern und Religion im Stiche ge-
lassen und werde nun so schnöde verraten. Auch regt sich bei
ihr die Eifersucht, denn Marc werde wegen seiner Schönheit von
anderen Mädchen auch geliebt werden. Hergault aber beruhigt
sie und sagt ihr, Marcs Vater sei in Blamir angekommen und
werde am nächsten Tage sie aus dem Turme abholen. Ueber
diese Nachricht ist Orimonde sehr erfreut. Am folgenden Tage
erscheint auch Ysaye mit Gefolge und Spielleuten und wird jubelnd
empfangen. Als der Admiral dies vernimmt, schwört er, er werde
seine Tochter derartig ermorden, dafs man noch lOOO Jahre da-
von reden solle.
510. Ysaye erklärt Orimonde, er sei gekommen, um sie an
Stelle seines Sohnes zu beschützen, Ysaye schenkt ihr ein tlünd-
chen, das Tronc von Esclaire erhalten hatte. IMan lebt nun in
Blamir herrlich und in Freuden. Orimonde verläfst ab und zu
den Turm, um Yrions Tochter Dramide und die beiden Nichten,
die sich nebst Dramide auf dem chastel de fort pas befinden, zu
besuchen.
511. Marc überschreitet das Meer bei Blanchoye. In einem
Walde erhält er plötzlich zwei Pfeilschüsse von einem Manne, der
652 ZEIDLER,
vollständig entkleidet auf einem Baume sitzt. Dieser Mann steigt
von dem Baume herunter und erklärt Marc, er werde von sieben
Männern gefangen gehalten, die auf das Geheifs von 12 Rittern
des chastel es luitons jeden Wanderer gefangen nähmen, entklei-
deten und auf einen Baum schickten, damit er auf die Vorüber-
gehenden aufpasse. Er sei erst am vorhergehenden Tage gefangen
genommen worden. Auf näheres Befragen erklärt der Mann, er
heifse Gerafil le blond und suche schon seit 20 Jahren seinen
Bruder Festion le blond, der bei Ysaye in Blamir sei. Marc eilt
nun, nachdem Tronc den Feinden bereits grofsen Schrecken be-
reitet hat, nach einem Graben, findet die sieben Männer und tötet
vier derselben. Die drei übrigen entkommen und melden den
zwölf Rittern die That INIarcs.
512. Marc tötet nun die Ritter, wie auch die drei Knappen,
mit Ausnahme von Parides, dem Sohne des brun de Cornouailles,
den Ysaye auf dem Schlosse de l'engarde tötete. Dieser erklärt
Marc, sie hätten sich unter Führung Torudonts l'ocogne (?), des
Sohnes Macons, zusammengethan und Ysaye zum Trotze ihre
coustume eingeführt. Marc tötet nun auch noch Parides und läfst
die Köpfe der Toten an einem Baume aufhängen.
513. Marc übergiebt nun das Schlofs in die Hände Gerafils.
Alle Ritter und sonstige Bewohner der Umgegend müssen Marc
und dem neuen Herrn huldigen. Nach zwei Tagen brechen Marc
und Tronc auf. Beim Abschiede erklärt Marc dem Gerafil, dafs
Festion le blond sich jetzt in Schottland befinde und bittet ihn,
er möge, falls er nach Blamir komme, Ysaye, Yrion und Orimonde
von dem Ritter grüfsen, auf dessen rotem Schilde drei silberne
Löwen gezeichnet seien.
514. Nach drei Tagen gelangen Marc und Tronc in die
gaste forest. Hier erblickt Tronc einen schönen Baum und erzählt
Marc, dafs unter demselben Merlin begraben liege. Unter diesen
Baum dürfe sich kein Mensch stellen, so wünschten es die vier
Feeen. Nach dieser Erklärung Troncs wandern sie weiter und
gelangen zu der Kapelle, in welcher sich Driant befindet und die
Gebeine Hectors d'Orcanie begraben sind. Marc und Tronc ver-
bringen die Nacht in der Kapelle. Am folgenden Morgen reiten
sie weiter.
515. Auf Marcs Wunsch erzählt nun Tronc die Geschichte
Driants und Ysayes. Auf diese Weise vertreiben sie sich die
Langweile, die ihnen der einsame Weg bereiten mufste. Plötzlich
gelangen sie in einen wunderschönen Obstgarten, der sich in
einem Thale befindet. In diesem Garten erblicken sie ein Bett
aus Elfenbein, auf welchem die Geschichte Lancelots und der
Dame vom See geschrieben stand. Auf einer Tafel sehen sie
dann die Geschichte Alexanders des Grofsen, Julius Caesars, Per-
cevals, Ivains, Gavains, Lucans, Tristans, Yreults und Ysayes ver-
zeichnet. Nachdem sie diese gelesen haben, gehen sie weiter und
gelangen an eine Quelle, die von prächtigen Steinen, diamant,
DER PROSAROMAN YSAYE LE TRISTE. 653
jaspes, cassidoine, topas, escarboncle und esmeraude eingefafst ist.
Auf diesen Steinen stand die Geschichte des jüdischen Volks bis
zu den Propheten. Auch waren die Bilder der letzteren darauf
vorhanden. Mitten in der Quelle befand sich ein Apfelbaum mit
der Aufschrift: Wer einen Apfel ifst, mufs sterben. Marc liest die
Inschrift, greift aber dennoch nach den Früchten, Tronc warnt
ihn, Marc hört aber nicht. Er verliert das Gleichgewicht und
stürzt bis an den Hals in die Quelle. Trotz der gröfsten An-
strengungen gelingt es ihm nicht, sich aus der üblen Lage zu be-
freien. Da nahen mit Gesang eine Anzahl Feeen heran und
schlagen Tronc.
516. Sie erklären nun Marc und Tronc, beide hätten ihr
Leben verwirkt, da sie bewafTnet in den Obstgarten eingetreten
seien, wenn sie sich aber ergäben, sei ihnen das Leben gesichert,
Marc und Tronc folgen dem Rate der Damen, Darauf wird Marc
aus dem Wasser gezogen, seiner Rüstung entledigt und in das
Bett des Obstgartens gelegt. Eine Fee, Oriande, setzt sich zu
ihm. Von seinem Lager aus sieht INIarc, wie Tronc von den Feeen
viel Ehre erwiesen wird, und er erfährt auf seine Frage von Oriande,
dafs Tronc der Sohn Julius Caesars und ihrer ersten Fee Morghe
sei und dafs er in dem Bette des Obstgartens geboren sei. Er
sei von Jugend auf sehr häfsHch gewesen und sei deshalb von
seiner Mutter, die sich nach der Insel Carfan begeben habe, im
Stich gelassen worden. Sie erklärt ihm ferner, dafs Tronc einmal
der schönste Prinz, jedoch unter Beibehalt seiner Kleinheit, werden
würde, wenn ein Ritter an seinem Hochzeitstage, der auch der
seiner Eltern sein müsse, ihn befreie. Als Marc das vernommen
hat, küfst er Oriande und bittet um ihre Liebe. Sie aber erklärt
ihm, sie könne nur dem Ritter ihre Liebe verheifsen, der sie an
dem Zwergen Dariades^ räche. Dieser halte die schöne Orphee,
welche sie mit Armidas verheiraten wollte, gefangen. Marc ver-
spricht ihr nun, Orphee zu befreien. Oriande bietet ihm nun eine
Rüstung an, durch welche kein Hieb hindurchdringe, die aber
Marc zurückweist. Nun giebt sie ihm einige Edelsteine, Dann
bricht Marc mit Tronc auf. Oriande aber bittet Tronc, Marc bald
wieder zurückzuführen.
517. Marc und Tronc begegnen zwei Rittern, die ihnen er-
zählen, sie kämen von einem Schlosse, auf welchem ihre Schwestern
gefangen gehalten würden. Sie seien in der Nacht aus diesem
Schlosse geflohen. Der Besitzer des Schlosses, Namens TrafFart,
habe die Gewohnheit, alle Frauen, die er gefangen nähme, zu ge-
brauchen. Dieser Ritter habe noch zwei Brüder. Der eine, Trandail,
nehme allen Rittern Pferd und Rüstung ab, der andere, Eriodus
oder Yridus, jegliches Hab und Gut, das ihm gefällt. Als Marc
dies gehört hat, beschliefst er, zunächst gegen Yridus zu ziehen.
518. Marc und Tronc gelangen aber zunächst zu Trandail,
1 auch Driadet genannt.
654 ZEIDLER,
der in fiere villo wohnt. Vor dessen Schlosse begegnen ihnen acht
Ritter Trandails, die Marc besiegt und deren Leichen Tronc an
einem Baume vor dem Schlosse aufhängt. Dann fordert Marc
Trandail selbst zum Kampfe heraus. Dieser läfst das Burgthor
fallen und 200 Ritter auf Marc losstürzen. Marc besiegt diese
und läfst Trandail selbst aufhängen. Dann tröstet er die schöne
Witwe des Schlofsherrn und läfst die Bürger von fiere ville schwören,
von der coustume Trandails abzulassen. Bei seinem Abschiede
erklärt er ihnen, er werde ihnen bald einen neuen Herrn senden.
519. Am Abend desselben Tages noch gelangen Marc und
Tronc vor rade porte, wo sie sich bei einem Manne Murgant nach
dem Schlosse der Stadt erkundigen. Murgant fragt Marc, ob er
von fiere ville komme, worauf Marc die Frage bejaht und ihm er-
zählt, es habe in der Stadt ein Kampf stattgefunden, an dem er
sich aber nicht beteiligt habe. Er befinde sich auf einer Pilger-
fahrt. Da warnt ihn Murgant, nach rade porte zu gehtn, und
schildert die coustume des Yridus. Dann sagt er ihm noch, dafs
alle Bürger der Stadt über Yridus entrüstet seien und dafs es für
Marc ein Leichtes sein werde, die maulvaise coustume zu be-
seitigen. Marc reitet nun nach dem Schlosse und trifft Yridus mit
seiner schönen Frau unter einem Baume sitzend an. Er fordert
Yridus zum Kampfe heraus. Es entspinnt sich ein furchtbarer
Kampf zwischen Marc und Yridus nebst dessen Rittern. Marc ist
in Gefahr. Da erscheint Murgant mit meheren Leuten. Nun werden
die Feinde besiegt und getötet. Marc tröstet die Gattin, die selbst
mit der coustume unzufrieden gewesen ist. Darauf erscheinen die
Bürger von rade porte und auch die von fiere ville und danken
Marc für seine That, worauf Marc den ersteren auch einen neuen
Herrn verspricht. Murgant erhält wegen seiner Tapferkeit den
Ritterschlag. Am folgenden Morgen will Marc allein nach forte
ville reiten, um auch den dritten der Brüder zu strafen.
520. Als die Bürgerschaft von torte ville von dem Siege
Marcs erfährt, ist sie sehr erfreut, Traffart aber flieht zu seinem
Onkel Estamus le roux, dem König du chastel du hault pont.
521. Nach der Flucht ihres Gemahls begiebt sich die Gattin
Trafiärts, eine Schwester Driamonts, mit ihrem Sohne Droardin
nach rade porte. Sie berichtet Marc über die Flucht ihres Gatten,
dann huldigt sie nebst den Bürgern, die ihr gefolgt waren, Marc.
Dieser setzt nun sie und Droardin als Regenten von torte ville
ein und befiehlt ihnen, sich an den einstweiligen Statthalter von
rade porte, Murgant, zu wenden, falls Traffart wieder erscheinen solle.
522. Marc und Tronc brechen von rade porte auf und be-
gegnen in Begleitung seiner Dame dem Ritter, der vor acht Tagen
gegen die Schotten gekämpft hatte (§ 477). Der Knappe des
Ritters fordert im Auftrage seines Herrn Marc zum Kampfe heraus
und verspricht ihm die Dame als Preis, wenn es ihm gelänge, den
Ritter zu besiegen. Marc kämpft nun gegen den Ritter und be-
siegt ihn nach langem Kampfe. Der Ritter bietet nun die Dame
DER PKOSAROMAN YSAYE LE TRISTE. 655
Marc an. Dann nennt er seinen Namen. Er heifst Tristan sans
joye und stammt aus Leonois. Er ist der Sohn Tangarins l'esprouv^.
Dann erklärt er Marc, er kämpfe nacli dem Vorbilde Arthurs und
Tristans für seine Cousine Aufrose, die dame du duc de Fragore.
In diesem Kampfe für seine dame sei er erst einmal zu Boden
geschlagen worden und zwar von Yreult, alle anderen Ritter habe
er besiegt. Jetzt aber habe ihn Marc besiegt, dem er nun seinem
Versprechen gemäfs die Dame abtreten müsse. Als er ausgesprochen
hat, macht Tronc den Vorschlag, die Aufrose dem Yreult zur
Frau zu geben, da Marc doch nicht zwei Frauen heiraten könne,
Tristan aber mit der Witwe des Yridus in rade porte, Organe, zu
verheiraten. Mit diesem Vorschlage ist Marc einverstanden. Tristan
reitet nun mit Aufrose nach rade porte, heiratet Organe, begleitet
dann Aufrose zu Yreult und erzählt hier Marthe und Yreult von
den letzten Abenteuern Ysayes und von der Verheiratung Esclaires,
der Schwester Yreults mit Dispront.
523. Marc und Tronc gelangen allmählich nach dem chastel
des haults murs, wo sie zwei Riesen Faragon und Taridan vor
dem Schlosse sitzend antreffen. Faragon wirft mit einem Apfel
das Pferd Marcs tot, dann stürzt er auf Marc und zersplittert mit
einem Keulenhieb dessen Schild in 100 Teile. Er ergreift hierauf
Marc und will ihn ins Schlofs tragen. Da schlägt ihm Taridan
mit einem Hiebe, der auf Marc gezielt war, den Arm ab, so dafs
Marc zur Erde fällt. Marc springt sofort auf und sticht Taridan
nieder. Faragon tritt nun Marc so heftig vor die Brust, dafs dieser
ohnmächtig zusammenbricht, und hätte ihn sicher getötet, wenn
ihm nicht Tronc einen Hieb auf den wunden Arm versetzt hätte.
Als der Riese Troncs Hieb erhält, schreit er laut auf. Sofort eilen
die beiden anderen Riesen Garpisel und Porigan aus dem Schlosse
herbei, um Faragon zu helfen. Nach langem Kampfe tötet Marc
die drei Riesen, er selbst aber ist schwer verwundet. Tronc be-
freit nun die Gefangenen und findet unter ihnen auch Atrides.
Marc wird nun in ein Bett gelegt und von Ridus und Peronne
(Frau) gepflegt. Die Leichen der vier Riesen hängt Tronc am
Eingang in das Schlofs auf.
524. Nach kurzer Zeit erscheinen vier Knappen, die von den
Riesen ausgeschickt waren, und erblicken die Leichen ihrer Herren.
Sie betreten, nichts Gutes ahnend, den Schlofshof und werden
hier getötet. Ihre Leichen werden ebenfalls vor dem Schlosse
aufgehängt. Am folgenden Morgen erscheint eine grofse Anzahl
Leute vor dem Schlosse und wundert sich über das, was sich
ereignet hat. Auch Traffart war herbeigeeilt. Er entfernte sich
aber bald wieder, sobald er erfuhr, dafs Marc die Heldenthat
vollbracht hatte. Marc selbst fühlt sich bald wieder wohl. Atrides
wird zum Herrn des Schlosses gemacht.
525. Die Leute der Umgegend müssen nun dem Atrides
huldigen. Marc und Tronc bleiben noch zehn Tage auf dem
Schlosse. In dieser Zeit gewinnt Marc das Herz der Gencienne,
656 ZEIDLER,
der Tochter des Kastelans von Vertonne, die er aus der Gewalt
der Riesen befreit hatte. Das Verhältnis beider blieb nicht ohne
Folgen.
526. Ysaye, der sich in röche ague befindet, hat folgenden
Traum. Mitten in Blamir ist eine Quelle, aus welcher ein Bächlein
fliefst. In der Quelle steht ein Baum, auf welchem viel Vögel
sitzen und ihren Gesang erschallen lassen. Am Rande der Quelle
sitzen zwei Adler, von denen der eine krank ist. Der kranke
Adler versucht zu trinken und fällt tot in die Quelle hinein. Da
trocknet das Wasser ein und alle Vögel fliegen fort. Nach kurzer
Zeit führt sie ein anderer Adler zurück. Als dieser den toten
Adler sieht, fällt er ohnmächtig am Rande der Quelle nieder.
Die Vögel singen nicht. Es erscheinen plötzlich mehrere Drachen
und entführen ein Turteltäubchen. Eine Lerche, die dies sieht,
stirbt. Das Täubchen wird bald darauf wieder zurückgeführt,
der ohnmächtige Adler lebt wieder auf, die Quelle füllt sich wieder
und die Vögel stimmen ihren munteren Gesang wieder an. Da
erwacht Ysaye. Erschrocken über den Traum, bekreuzt er sich
und geht zum Abt von S. Andrieu. Dieser deutet ihm am fol-
genden Tage den Traum. Die Quelle ist Yrion, Baum und Vögel
sind Volk und Ritter, die sich über Yrion freuen. Der kranke
Adler ist Oriant. Yrion wird ihn auffordern, mit ihm zu gehen.
Da wird Oriant sterben. Die Vögel, das Volk also, werden über
seinen Tod trauern und die Leute Oriants werden das Land ver-
lassen. Dispront wird sie zurückführen. Die tourterelle, die seufzt
und sich in der Quelle spiegelt, ist Marthe, die dragons sind
Räuber, die Marthe entführen. Die Lerche ist die Tochter Yrions,
Dramille. Marc wird Marthe zurückführen. Yrion wird in abon-
dance sein, Ysaye, der Adler, welcher neben dem kranken Adler
sitzt, wird sich freuen, ebenso das Volk.
527. Eines Tages meldet Gerafil in reche ague, dafs Marc
die Ritter des Schlosses es luitons besiegt habe. Ein anderer Bote
meldet, dafs Marc die drei Brüder Trandail, Yridus und Traffart
besiegt habe. Ueber diese Nachrichten ist man sehr erfreut. Da
wird Oriant plötzlich krank. Ysaye wacht an seinem Bette. Als
ihn Ysaye eines Morgens verläfst, um die Messe zu hören, erhebt
sich Oriant aus seinem Bette und kleidet sich trotz der Warnungen
der Aerzte an. Als darauf Ysaye zurückkehrt, stirbt Oriant. Er
wird begraben, seine Leute verlassen Blamir, werden aber von
Dispront zurückgeführt.
528. Marc und Tronc beschliefsen nun, gegen Estamus und
Traffart, die ihnen nach dem Leben trachteten, zu Felde zu ziehen.
Vor seiner Abreise aber übergiebt er Atrides drei Briefe. Damit
solle er zu Marthe gehen und ihr einen der Briefe übergeben. Er
solle von dort aus auch seine Gattin Gaudine abholen. Die andern
Briefe solle er Edor übergeben, damit dieser sie an Ysaye und
Orimonde befördern könne. Dann spricht er noch den Wunsch
aus, Atrides möchte bis zum Magdalentage mit möglichst vielen
DER PROSAROMAN YSAYE LE TRISTE. 657
Leuten in Blamir erscheinen, um Yrion in dem Kampfe gegen die
Sarazenen zu unterstützen,
529. Dann bricht er mit Tronc auf, aber nicht ohne von
Gencienne herzlichen Abschied genommen zu haben. Atrides und
Ridart (Ridus?) begleiten ihn.
530. Nach langem Marsche erreichen die vier Gefährden das
Schlofs des Estamus, das chastel du hault pont. Hier dankt Marc
seinen Begleitern, bittet sie aber umzukehren, da er allein gegen
Estamus und dessen 52 Ritter kämpfen wolle. Atrides und Ridart
kehren nun um. Kaum aber haben sie Marc verlassen, als sich
acht Ritter auf sie stürzen. Nach einem harten Kampfe sind beide
Parteien erschöpft, und der Anführer der acht Ritter giebt sich
nun als der Kastelan von Vertonne zu erkennen. Er erklärt dann
dem Atrides, dafs er sich bei dem Ritter bedanken wolle, der seine
Tochter aus der Gefangenschaft befreit habe. Da sagt ihm Atrides,
dafs Marc sich jetzt vor dem Schlosse du hault pont befinde, wo
er gegen den König Estamus le roux kämpfen wolle. Als dies
der Kastelan erfährt, beschliefst er, Marc sofort zur Hilfe zu eilen.
Er legt sich deshalb mit seinen Leuten nebst Atrides und Ridart
in ein Gebüsch in der Nähe des chastel du hault pont, um Marc
in der Gefahr Hilfe bringen zu können.
531. Als Estamus Marc und Tronc herannahen sieht, verläfst
er mit einem Teil seiner Leute sein Schlofs und sprengt Marc ent-
gegen. Es kommt zum Kampf. INIarc durchbohrt Estamus und
besiegt dessen Ritter, Da fällt ihm Traffart mit 24 Mann in den
Rücken, IVIarc gerät nun in grofse Bedrängnis. Da eilt ihm der
Kastelan von Vertonne mit seinen Leuten zu Hilfe. Die Feinde
werden besiegt und sämtlich getötet. Die Sieger dringen nun in
das Schlofs und töten alle Insassen mit Ausnahme von zehn Damen,
die dafür bestimmt sind, die Gattinnen der Ritter des Kastelans
sowie Ridarts zu werden. Ridart heiratet z. B. die Gattin des
Estamus. Nachdem nun Marc noch den Kastelan zum Herrn des
Schlosses gemacht hat, bricht er in der Frühe des anderen Tages
mit Tronc auf.
532. Marc und Tronc reiten mehrere Tage. Plötzlich ge-
langen sie nach einem prächtigen Schlosse, vor welchem viele
schöne Mädchen tanzen. Marc geht an diese heran. Die Mädchen
wollen ihn nun ergreifen, aber kaum haben sie ihn berührt, als
sie sofort verschwinden. Marc ist hierüber erstaunt, Tronc aber
erklärt ihm, er wäre sicher verloren gewesen, wenn ihn nicht die
Zauberkraft der Steine, die ihm Oriande gegeben habe, gerettet
hätte. Hierauf reiten die beiden weiter bis zum nächsten Schlofs.
Vor diesem sitzen sechs Ritter, die Marc zum Kampfe heraus-
fordern. Sie erklären Marc, sie seien sechs Brüder (der älteste
heifse Bratois) und hätten die Gewohnheit, jeden Ritter, der an
ihrem Schlosse vorbeikomme, anzugreifen und gefangen zu nehmen.
533. Schon ihr Vater habe diese Sitte geübt. Er sei von
Tristan bekämpft worden. Nach seinem Tode hätten sie die
Zeitschr. f. rom. PhU. XXV. ^2
658 ZEIDLER,
coustume weiterhin aufrecht erhalten Ysaye zum Trotze, der viele
ihres Stammes vernichtet habe. Marc besiegt nun die sechs Brüder,
verliert aber in diesem Kampfe zwei Zähne. Dann befreit er die
Gefangenen und macht einen derselben, Moragan l'estroit, zum
Herrn des Schlosses, das den Namen chastel sans pitie führte.
Als die Kunde von Marcs Siege in die Umgegend gelangt, eilt
eine grofse Anzahl von Rittern herbei, um ihm zu huldigen, viele
aber schliefsen aus Furcht vor ihm die Thore. INIarc bleibt nun
sieben Tage auf dem chastel sans pitie, dann bricht er mit
Tronc auf.
534. Sie gelangen nach einem Schlosse, in dessen Inneres
man nur gelangen kann, wenn man drei Brücken überschreitet,
die von einem Riesen, einem Löwen und einem Drachen behütet
werden. Das Schlofs gehört dem Ritter Privalius le jaloux.
535. Marc erklärt Tronc, er wolle aus Liebe zu der Gattin
des Privalius in das Schlofs eindringen. Er bittet Tronc, ihm nicht
zu folgen, worauf Tronc ihm erklärt, wohin Marc gehe, werde auch
er gehen.
536. Marc ruft nun dem Portier zu, er solle öffnen. Ein
Ritter begehre Einlafs, der die Absicht habe, dem Herrn des
Schlosses die Gattin zu rauben. Diese Worte vernehmen Privalius
und dessen Gattin, die an einem der oberen Fenster sitzen. Nach
kurzer Zeit wird die Zugbrücke herunter gelassen, und ein ge-
waltiger Riese tritt Marc entgegen. Marc stürzt sich auf ihn, be-
siegt ihn und wirft ihn in den mit Wasser gefüllten Graben, in
welchem der Riese ertrinkt.
537. Auf Troncs Rat zerschneidet Marc die Ketten der Zug-
brücke. Nachdem er sein Pferd geholt hat, reitet er nach der
zweiten Brücke. Auf Privalius' Befehl wird auch diese herunter
gelassen. Da stürzt aus einem engen Gange ein Löwe auf Marc.
Marc gerät in die gröfste Bestürzung. Erst nach schwerem Kampfe
gelingt es ihm, den Löwen so schwer zu verletzen, dafs er ihn in
den Graben werfen kann. Nach dieser zweiten That will Marc
auch noch die dritte vollbringen. Aber Tronc rät ihm, erst eine
Nacht zu ruhen. Marc ist damit einverstanden. Kühn wie er ist,
bittet er Privalius um Speise. Er erhält diese auch, ebenso erhält
sein Pferd Futter. Den Lebensmitteln liegt auch ein Brief bei.
538. In diesem Briefe wünscht Privalius, der in dem Helden
den Chevalier essiliet wohl erkannt hat, Marc eine ruhige Nacht.
53g. Am folgenden Morgen reitet Marc nach der eisernen
Brücke und verlangt Einlafs. Der Portier ruft zunächst Privalius,
der den Wunsch geäufsert hatte, dem Kampfe mit dem serpent
zuzusehen. Sobald der Schlofsherr, seine Gattin und mehrere
andere Personen an den Fenstern erschienen sind, läfst der Portier
die eiserne Brücke fallen.
540. Beim Anblick des Drachen bittet Marc Gott um Hilfe.
Der Drache hat die Gröfse eines Bären, hat kurze Hinterfüfse,
kurze Ohren, Flügel ohne Federn und einen starken Fischschwanz.
DER PROSAROMAN YSAYE LE TRISTE. 65g
Marc wird von dem Schwänze umwickelt und von den Krallen
zerkratzt. Doch gelingt es ihm, dem Drachen seinen Helm in den
Rachen zu drängen und sein Schwert in die Brust zu bohren, wo-
durch der Drache getötet wird. Als Privalius diese That gesehen
hat, begrüfst er Marc und stellt diesem seine Gattin vor. Tronc
führt darauf das Pferd Marcs in den Stall und reinigt das Schwert
von dem Gifte.
541. Als die Gattin Marc kennen gelernt hat, fragt sie ihn,
woher ihm die Kraft gekommen sei. Marc erwidert: von Gott
und von der Liebe. Daran zweifelt aber die Dame und denkt,
Tronc habe Marc geholfen.
542. Marc zieht nun seine Rüstung aus und giebt sich drei
Tage der Ruhe hin, um seine Wunden heilen zu lassen.
543. Während dieser Zeit fassen Marc und die Gattin des
Privalius Zuneigung zu einander. Um nun ungeniert mit Marc
verkehren zu können, greift die Gattin zu folgender List. Sie er-
klärt ihrem Gatten, sie habe gehört, Marc werde alle Schlösser des
Landes erobern und auf diese Weise auch Privalius sich unterthan
machen. Sie werde ihm dann auch gehorsam sein müssen. Ehe
sie aber einem solchen herumziehenden Ritter Gehorsam leiste,
ziehe sie es vor, verbrannt zu werden. Er solle mit seinen Rittern
beraten, was sie zur Vernichtung des Ritters thun könnten.
544. Privalius antwortet ihr, er werde die gröfsten Leute der
Stadt auf dem Schlosse zusammenrufen. Da erklärt die Dame, in
diesem Falle werde Marc Argwohn schöpfen, und rät ihm, er möge
selbst in die Stadt gehen. Dieser Rat gefällt Privalius sehr.
545. Nach dem Mittagessen begiebt sich Privalius in die Stadt.
Die Dame geht nun zu Marc, der in seinem Zimmer sich zur Ruhe
gelegt hat, und giebt ihm die zärtlichsten Beweise ihrer Liebe.
Tronc und die Kammerfrau unterhalten sich während dessen in
demselben Zimmer.
546. Privalius kehrt bald wieder zurück und findet das Zimmer
verschlossen. Auf sein Klopfen hin öffnet seine Gattin, Yrienne,
und erklärt ihm auf seine Frage, warum sie die Thür verriegelt
habe, sie habe dies aus Angst vor Tronc gethan. Dann erklärt
ihr Privalius das Resultat seiner Unterhandlung mit den Bürgern.
Sie hätten ihm ihre Hilfe verweigert, weil sie die Angst der Yrienne
nicht verständen. Als Yrienne dies vernimmt, ist sie sehr zufrieden,
nur bittet sie Privahus, er möge dann selbst einmal mit Marc
sprechen, um ihn näher kennen zu lernen.
547. Privalius fragt nun Marc, wann er aufzubrechen gedenke,
worauf dieser ihm erwidert, er werde am folgenden, am dritten
Tage aufbrechen. Dies meldet Privalius seiner Gattin, worüber
diese sehr betrübt ist. Am folgenden Morgen, nach der Messe,
sitzen Privalius, Yrienne, Marc und Tronc in einem Zimmer zu-
sammen. Bei dieser Gelegenheit sieht Tronc Yrienne näher an.
Das erregt die Eifersucht des Privalius. Tronc aber beruhigt ihn
bald, indem er ihm sagt, die Dame könne keine Zuneigung zu
42*
660 ZEIDLER,
ihm fassen, denn er sei so häfslich, dafs man nicht wisse, welcher
Tiergattung er angehöre.
548. Nach diesem Zwischenfall unterhält Tronc die Gesell-
schaft auf das beste.
54Q. Kurz vor seinem Aufbruch denkt Marc daran, dafs er
Privalius und den Bürgern seiner Gewohnheit gemäfs den Eid ab-
nehmen mufs, von ihrer coustume abzulassen. Er setzt Privalius
davon in Kenntnis und bittet ihn, ihm zu folgen. Privalius reitet
mit Marc ab. Kaum aber haben beide das Schlofs verlassen, als
Privalius Marc zum Kampfe herausfordert, indem er ihm erklärt,
er werde sich nicht seines Besitztums berauben lassen.
550. Es kommt zum Kampf und Marc erschlägt vor den
Augen Yriennes den Gatten. Einige Knappen des Privalius stürzen
nun auf INIarc, aber der inzwischen herbeigeeilte commun der Stadt
trennt die Streitenden.
551. Tronc steigt nun auf einen Stein und fragt die Bürger,
ob sie niemals wieder Riesen, Löwen und Drachen anschaffen
würden, worauf diese antworten, sie hätten selbst schon lange ge-
wünscht, dafs dieser Unsitte ein Ende bereitet werden möchte.
Darauf erklärt Tronc, das Schlofs, das bis jetzt le chastel du pont
de douleur geheifsen habe, solle in Zukunft den Namen chastel
du pont honnore führen. Auf den Wunsch der Bürger werden
nun Yrienne und ihr Sohn Frangarin als Verwalter des chastel du
pont honnor6 eingesetzt. Marc tröstet nun Yrienne und bleibt
noch zwei Tage bei ihr. Dann bricht er auf.
552. Marc und Tronc reiten durch viele schöne Städte hin-
durch. Plötzlich gelangen sie an einen Felsen, der mit Türmen
besetzt ist. Hier hält der Zwerg Driadet die schöne Orphee ge-
fangen, wie Tronc seinem Herrn erzählt. Um die Liebe der Fee
Oriande zu erlangen, mufs Marc Driadet besiegen.
553. Marc und Tronc begeben sich in eine benachbarte
Stadt. Sie gehen hier zu Marbel sans pouvoir. Dieser — er ist
bailly des Driadet — erzählt ihnen, dafs Driadet auf seinem mont
redoubte noch einen Verräter Bargon beherberge. Tronc schickt
nun Marbel, der nebenbei gesagt ein Vetter Hergaults ist, zu Driadet
und läfst diesen zum Zweikampfe mit einem Ritter herausfordern.
554. Marc und Tronc reiten den mont redoubte hinauf.
Plötzlich werden sie mit Pfeilschüssen und Steinwürfen empfangen.
Marc ruft nun den fils putain heraus. Driadet und Bargon er-
scheinen. Tronc tötet Bargon. Marc aber hat mit Driadet einen
schweren Kampf zu bestehen. Es gelingt ihm nicht, sich Driadets
zu bemächtigen, da dieser in seiner Gewandtheit jedem Hiebe
ausweicht und sich unter dem Bauche des Pferdes versteckt. Wohl
aber bringt Driadet Marc über 100 Wunden bei.
555. Erst nach langem Kampfe wird der Zwerg getötet.
556. Die Knappen Diiadets, die nach dem Tode ihres Herrn
sich auf Marc stürzen, werden bald durch Marc selbst und Marbel,
der mit seinen Leuten herbeigeeilt ist, gelötet. Hierauf begrüfst
DER PKOSAROMAN YSAYE LE TRISTE. 66 1
Marc die Orphee. Er macht dann Marbel zum Herrn von mont
redoubte und äufsert den Wunsch, Orphee solle Marbel heiraten.
Diese aber erklärt ihm, sie dürfe sich nicht ohne die Einwilligung
Oriandes verheiraten. Nachdem nun Orphee, die auf allen Musik-
instrumenten spielen kann, ihren Errettern auf einer Harfe einige
Lieder zu Besten gegeben hat, legt man sich zur Ruhe.
557. Am folgenden Morgen zeigt Orphee grofse Zuneigung
zu Marc, die dieser aber nicht erwidert. Um nun seine Gegen-
liebe zu erlangen, mischt sie Kräuter in seine Speisen. Sie hat
aber keinen Erfolg damit. Nun raubt sie ihm den Gürtel, in
welchem sich die Edelsteine Oriandes befinden, und giebt ihm
den ihrigen. Von nun an ist Marc vollständig in Orphee verliebt.
Zunächst tauft er den Berg mont ame. Er fühlt sich sehr wohl
in Orphees Armen, so dafs er Tronc in grober Weise zurecht
weist, als dieser ihn am vierten Tage an den Aufbruch erinnert.
Tronc ist über Marcs Benehmen sehr erstaunt und kann sich das-
selbe nicht erklären. Plötzlich bemerkt er den falschen Gürtel.
Er bittet nun Orphee, Marc den geraubten Gürtel zurückzugeben.
Marc habe ihn von Oriande erhalten und müsse ihn wieder ab-
liefern, damit Oriande sehen könne, was Marc gethan habe. Als
Ersatz für den Gürtel werde er einen Trunk brauen, der dieselbe
Wirkung auf Marc ausüben werde, wie der Gürtel Orphees.
558. Orphee will nun aus dem Gürtel Marcs sehen, was
dieser gethan hat. Sie begiebt sich in ihre Kammer und legt den
Gürtel in ihren forgier. Das bemerkt Tronc durch einen Spiegel.
In der Nacht klopft er an Orphees Thür, erhält Einlafs, setzt sich
zu ihr aufs Bett und schläfert sie mittels einer rotruenge ein.
Nun vertauscht er Orphees Gürtel mit dem Marcs, geht in Marcs
Kammer, legt dort den Gürtel Oriandes nieder und geht dann
zu Bett.
559. Am folgenden Morgen weckt Tronc seinen Herrn und
mahnt zum Aufbruch, indem er sagt, sie seien schon zehn Wochen
hier. Marc, der seinen Verstand wieder erlangt hat, fragt nun
Tronc, weshalb sie sich so lange hier aufgehalten hätten. Tronc,
der Orphee nicht verraten will, sagt, daran habe Driadet Schuld.
Dieser habe gewollt, dafs die Schönheit des Ortes und seine Macht
gründlich bekannt würden. Dazu gehörten aber zehn Wochen. Als
dies Marc vernimmt, beschliefst er, sofort aufzubrechen. Er nimmt
Abschied von Marbel und Orphee, die den Verrat Troncs erkennt
und heftig weint.
560. Unterwegs erzählt Tronc, auf welche Weise Orphee Marc
getäuscht hat. Während sie sich darüber unterhalten, gelangen sie
zu einer Ruine, Mont mur. Diese Ruine, so erzählt Tronc, sei
von seinen Vorfahren, die später nach Rom gewandert seien, be-
wohnt gewesen. Man habe ihm auch erzählt, er sei hier geboren.
Nach mehreren Tagen begegnen ihnen zwei Ritter, die von Blut
überströmt und ihrer Waffen beraubt sind. Diese erzählen Marc,
sie seien im Walde von 20 häfslichen Zwergen überfallen und
662 ZEIDLER,
wären sicher getötet worden, wenn ihnen nicht ein Ritter und
dessen Dame das Leben geschenkt hätten. Zum Schlufs warnen
sie Marc, den Wald zu betreten.
561. INIarc erkundigt sich nun bei Tronc, ob dieser den Wald
kenne. Tronc erwidert ihm, der Wald sei die forest aux dames.
In diesem Walde habe einstmals eine Fee mit einem Ritter ge-
wohnt. Da sei Kaiser Noiron de Romme gekommen, als er einen
Zug nach Galles unternahm, habe sich in die Fee verliebt und
den Ritter getötet. Ein Jahr sei er bei der Fee geblieben, sei
aber während dieser Zeit öfter in eine benachbarte Stadt gegangen
und habe dort die schönen Frauen gebraucht. Dies habe die Fee
erfahren und ihren Gott gebeten, alle Kinder dieser Frauen, die
Noiron mit diesen gezeugt habe, zu derartigen häfslichen Geschöpfen
zu machen, -wie es der Sohn ihrer Herrin Morghe, Tronc, sei, nur
solle der Herr des Schlosses davon befreit sein. Ihr Gebet sei in
Erfüllung gegangen. Während Tronc seinem Herrn diese Ge-
schichte erzählt, sind sie bereits in den Wald eingedrungen. Plötz-
lich erscheint eine Anzahl von Zwergen, die sich auf INlarc stürzen
und ihn bis an den Ausgang des Waldes schleifen, aber auf Befehl
ihres Herrn von Marc ablassen und sich wieder in den Wald
zurückziehen. Marc ist über diese Schande, die ihm widerfahren
ist, sehr erregt und fragt Tronc, weshalb dieser ihn in den Wald
geführt habe. Tronc erwidert ihm, er habe dies gethan, weil er
sich für die Prügel, die er von den Feeen im Feeengarten be-
kommen habe, habe rächen wollen. Wütend will sich nun Marc
auf Tronc stürzen. Dieser entflieht, erscheint aber bald wieder
und bittet Marc um Verzeihung, indem er ihm erklärt, er habe
Marc nur die Sehenswürdigkeiten von Britannien zeigen wollen.
Marc aber will nichts wieder von Tronc v.'issen und zieht allein
seine Strafse weiter.
562. Nach vier Tagen kommt Marc nach belle röche, einer
Stadt, deren Bürger mit ihrem Herrn Hurgault und dessen Bruder
Lyonnel de mur grant in Zwist liegen. Marc bietet den Bürgern
seine Hilfe an, worauf man ihn zum Thore herein läfst.
563. Es kommt alsbald zu erbitterten Kämpfen zwischen beiden
Parteien. Marc ficht tapfer, trotzdem bleibt der Kampf unent-
schieden, wohl aber wird ihm die Hülle von seinem Schild ge-
schlagen und er infolge dessen erkannt. Bei einem zweiten Kampfe
verwundet Marc den Lyonnel schwer und schlägt die Feinde in die
Flucht. Da Marc den Feinden grofse Verluste beigebracht hat,
ziehen diese es vor, einen Waffenstillstand abzuschliefsen. Hurgault
erzählt nun seiner Gattin von dem tapferen Helden mit dem Schild,
der mit drei silbernen Löwen geziert sei. Als diese dies hört, er-
kennt sie sofort den chevalier essiliet. Sie ist eine Schwester des
Toridus, eines der Ritter vom chastel es luitons, die Marc getötet
hat. Um nun den Tod ihres Bruders an Marc zu rächen, rät sie
ihrem Gatten, Marc zu einem Zweikampf herauszufordern. Die
Bürger von belle röche würden dann die Stadt verlassen, um dem
DER PROSAROMAN YSAYE LE TRISTE. 663
Zweikampfe beizuwohnen. Diesen Moment solle Hurgault benutzen.
Er solle seine Ritter abschicken, damit diese die Stadt anzündeten.
Wenn dann die Bürger ihre Stadt in Flammen sähen, würden sie
Marc im Stich lassen, und so würde es für Hurgault ein Leichtes
sein, den Gegner gefangen nehmen zu können. Dieser Rat gefällt
Hurgault. Er schickt einen Boten mit einem Briefe an Marc ab
und läfst diesen herausfordern,
564. Nach drei Tagen findet der Zweikampf statt. Hurgault
wird zwar verwundet, aber sein Plan gelingt. Als die Städter ihre
Stadt brennen sehen, rufen sie: tray und verlassen eiligst den
Kampfplatz. Marc, der nun allein ist, wird von den Mannen
Hurgaults überwältigt und ins Gefängnis geworfen. Hurgault be-
schliefst nun, Marc dem Hungertode preiszugeben. Im Kerker
bedauert Marc sehr, Tronc nicht bei sich gehabt zu haben.
565. Elias will sich abermals an Ysaye rächen und zwar da-
durch, dafs er Marthe wieder in seine Gewalt zu bringen versucht.
Er befiehlt dreien seiner Ritter, nach dem Schlosse Ysayes aufzu-
brechen. Einer derselben solle Frauenkleidung tragen. Dieser ver-
kleidete Ritter solle vor dem Schlosse Ysayes vor seinen Begleitern
fliehen und durch das Wort 77iercy die Hilfe Baruts und Yreults
anrufen. Dann würden diese beiden ihm zu Hilfe kommen, sie
würden auch die Verfolger des verkleideten Ritters zu bestrafen
versuchen und ihnen nacheilen. Im Walde sollten dann mehrere
seiner Ritter Barut und Yreult überfallen, ihnen die Rüstungen
ausziehen und diese den Verfolgern der „Dame" übergeben. Mit
den Rüstungen Baruts und Yreults bekleidet, sollten diese beiden
sich zu Marthe begeben, die sie ohne Argwohn für Barut und
Yreult halten würde, und sie ihm gefangen zuführen.
566. Der Plan gelingt. Barut und Yreult werden gefangen
genommen und die beiden Ritter des Elias werden von Marthe
empfangen. Als Oultrageux die Situation erkennt, flieht er. Marthe
wird mifshandelt und fortgeschleppt. Yreult und Barut werden an
einen Baum gebunden, das Schlofs wird den Flammen übergeben.
567. Elias will Marthe verbrennen lassen, aber auf den Rat
eines Ritters hin läfst er Marthe in ein finsteres Gefängnis werfen.
568. Während seiner Krankheit in röche ague wird Ysaye
von Orimonde gepflegt. Auf seinen Wunsch hin lassen sich Ori-
monde und ihre Gefährtinnen taufen.
56g. Oultrageux befreit Barut und Yreult, nachdem er die
Wächter derselben, einen Ritter nnd einen garc^on, erschlagen hat.
570. Barut, Yreult und Oultrageux reiten nun nach röche
ague, um Ysaye von dem Verrate des Elias in Kenntnis zu setzen.
Hergault empfängt sie und bittet Yreult, Ysayes Krankheit nicht
durch böse Nachrichten zu verschlimmern. Trotzdem geht Yreult
zu Ysaye, der infolge der Erregung über das Geschehene an allen
Gliedern gelähmt wird. Als die Kunde von der Gefangennahme
Marthes in Blamir laut wird, machen sich sofort 30 Ritter auf, sie
zu befreien. In röche ague folgt nun ein Unglück aufs andere.
664 ZEIDLKR,
Yrion verfällt in eine schwere Krankheit und seine Tochter Dramille
stirbt infolge all des Unglücks. Auch trifft die Nachricht ein, die
Sarazenen hätten Blamir angreifen wollen, seien aber durch Pharaon
davon abgehalten worden.
571. Tronc war Marc gefolgt. Er kommt nach dem Schlosse
Hurgaults, bittet um Einlafs und erzählt, er heifse Dorin, stamme
aus Griechenland und diene schon seit hundert Jahren den be-
rühmtesten Rittern wie Menet, Paumart, sot sage u. s. w. Ysaye
hingegen habe er stets gehafst und jetzt befinde er sich auf der
Flucht vor dem Ritter, dessen roter Schild mit drei silbernen Löwen
geziert sei. Hurgault erklärt ihm, dieser Ritter werde hier ge-
fangen gehalten, und läfst Tronc ein. Tronc erklärt ihm, er wolle
ihm gern dienen, doch möchte Hurgault bei ihm von dem Amte
eines Thürschliefsers absehen, dieses könne er wegen seiner Schwäche
nicht verwalten. Als Hurgault dies hört, ist er sehr erfreut, da er
vor einem Verrate Troncs gesichert ist. Tronc wird nun als Bote
benutzt und wird schon am nächsten Tage zu Lyonel mit der
Botschaft gesandt, Lyonel solle am folgenden Tage bei Hurgault
erscheinen, um der Hinrichtung Marcs beizuwohnen. Tronc führt
den Befehl getreu aus und erhält von Lyonel die Antwort, dafs
dieser der Einladung folgen werde. Diese Antwort teilt er aber
Hurgault nicht mit, sondern sagt ihm, Lyonel bitte ihn, mit seinen
Leuten nach Garafan zu kommen, um dem sire de Garafan gegen
den sire du chastel noble Hilfe zu leisten. Hurgault bricht sofort
mit seinen Leuten auf. Am Abend desselben Tages verläfst der
Portier das Schlofs, um sich ein wenig im Freien zu ergötzen, und
vertraut Tronc die Aufsicht über das Schlofs an,
572. Sobald der Portier das Schlofs verlassen hat, schliefst
Tronc das Thor und befreit Marc aus seiner Zelle. Marc ist sehr
über die Anwesenheit Troncs erstaunt, wird aber bald von diesem
über die Sachlage aufgeklärt. Da klopft der Portier. Tronc erklärt
ihm, die Herrin des Schlosses habe den Thorschlüssel abgezogen,
und bittet ihn, er möge zu Hurgault laufen und diesem mitteilen,
Lyonel komme am nächsten Tage hier an. Dies thut der Portier.
573. Tronc stellt nun Marc der Herrin des Schlosses vor,
indem er ihr sagt, er bringe einen Gefangenen, der zu wenig zu
essen und zu trinken bekommen habe. Marc wirft nun alle In-
sassen des Schlosses, vier Ritter und zwei chambrieres, in den
Schlofsgraben. Nur die Herrin verschont er. Tronc ruft nun die
Städter von belle röche ins Schlofs. Hierauf erscheint Lyonel mit
zehn Rittern, dann Hurgault mit seinen Rittern. Sämtliche Ritter
werden von Marc und den Städtern gefangen genommen. Um
die Ehre der beiden Brüder zu retten, fordert Marc sie zum
Kampfe gegen sich auf. Marc tötet sie in diesem Kampfe, darauf
auch die 20 Ritter Hurgaults, die nach der Niederlage ihres Herrn
sich auf Marc gestürzt hatten. Als die Herrin des Schlosses ihren
Gatten fallen sieht, stürzt sie sich aus dem Fenster in die Tiefe
und stirbt. Tronc fordert nun die Bewohner von noble chastel
DER PKOSAROMAN YSAYE LE TRISTE. 665
und die Leute Lyoneis auf, dem Herrn von belle röche, Marc
l'essilliet, dem Sohne Ysayes le triste, den Huldigungseid zu leisten,
was die Städter einem solchen Ritter von renomme gegenüber thun.
Darauf brechen Marc und Tronc auf. Sie sind noch zehn journees
von Blamir entfernt.
574. Marc begegnet vier Rittern, die er nach kurzem Kampfe
besiegt. Der eine der Besiegten bittet nun Marc, ihm bei der
Eroberung des chastel envieux behilflich zu sein. Dieses Schlofs
werde schon seit looo Jahren von Murgalle, der Witwe des Riesen
Cherimonts, bewohnt. Es sei eigentlich von der Fee Claromme
aus Liebe zum König Amision von Karthago erbaut worden. Als
dieser auf einer Jagd getötet worden sei, habe Claromme das
Schlofs verlassen, um sich der vier Kinder desselben zu erbarmen.
Sofort habe Murgalle das Schlofs in Besitz genommen und ihr
Gatte habe die vier Kinder Amisions der Fee geraubt. Cherimont
sei nachher im Kampfe gegen die Römer gefallen. Murgalle sei
dadurch verwitwet worden und habe es sich nun zur Gewohnheit
gemacht, junge Mädchen zu rauben. Zum Schutze ihres Schlosses
habe sie fünf aufeinander folgende Thore angebracht. Das erste
werde von vier, das zweite von acht, das dritte von sechzehn, das
vierte von zwanzig Rittern und das fünfte von zwei kupfernen
Männern bewacht. Sein Bruder habe den Kampf gegen die Ritter
aufgenommen, sei aber bei der Einnahme des zweiten Thores ge-
tötet worden. Der Ritter bittet nun Marc, mit ihm zusammen den
Tod seines Bruders zu rächen.
575. Marc erklärt dem Ritter, er werde den Kampf allein
unternehmen.
576. Tronc erklärt nun Marc, er selbst sei 200 Jahre lang
von Murgalle gefangen gehalten worden, und bittet jetzt zum ersten
Male Marc, tapfer zu kämpfen. Wenn Marc besiegt werde, sei es
auch um ihn geschehen. Marc und Tronc reiten in die forest es
aventures und kommen in die Stadt bise pierre. Der Wirt, bei
welchem Marc wohnt, holt auf dessen Verlangen den tapfersten
Ritter der Stadt, Escaufer le galois, der nun Marc von den
coustumes der alten Murgalle erzählt. Während der Erzählung
Escaufers verzieht Marc keine Ivliene, worauf jener ihm sagt, Marc
werde die Eroberung des Schlosses gelingen. Toul en est en Dieu,
sagt IMarc.
577. Am folgenden Morgen nach der Messe geleitet der
Wirt Marc bis an das Schlofs Murgalles. Marc tötet nun die vier
Ritter des ersten Thores. Darauf verlangt er, dafs das zweite Thor
geöflfnet wird, worauf ihm geantwortet wird, er solle noch einen
Tag warten. Nun übersteigen Tronc und Marc die Mauer und
gelangen in ein Zimmer, in welchem die zwanzig Ritter des vierten
Thores gerade am Essen sind. Als diese, die unbewaffnet sind,
Tronc und Marc erblicken, entfliehen sie. Marc aber eilt ihnen
nach und erschlägt sie. Nun ruft Murgalle den sechzehn Rittern
des dritten Thores zu, .sich auf die Eindringlinge zu stürzen. Diese
666 ZEIDLER,
aber sowohl als die des zweiten Thores ergreifen die Flucht. Nun
öffnet sich auch das fünfte Thor. Vor dem Zaubergürtel Marcs
aber verschwinden die Kupfergestalten. Murgalle wird nun ver-
brannt und Escaufer zum Herrn des chastel envieux gemacht. Die
vier Töchter Amisions werden befreit.
578. Marc bleibt bis nach Ostern auf dem chastel envieux.
Dann bricht er nebst Tronc und den vier Damen auf, um nach
dem Feeengarten zu reiten. Vor seinem Abschied aber bittet er
Escaufer, am Magdalentage in Blamir zu sein.
57g. Marc und seine Begleiter gelangen nach dem Feeen-
garten, der jetzt noch prächtiger ist als vor einem halben Jahre.
In der Nähe der Quelle erblicken sie Oriande in Purpur gekleidet
und einen Olivenzweig in der Hand haltend. Die Feeen singen
und erweisen Marc und Tronc viel Ehre. Oriande führt nun die
vier Damen ihrer Mutter Claronne wieder zu. Marc erzählt dann,
wie treu ihm Tronc gedient hat.
580. Oriande schenkt nun Marc ihre Liebe. Im Verlaufe der
Unterhaltung erklärt Oriande, Orphee dürfe den Feeengarten nicht
wieder betreten. Auf Marcs Frage, weshalb Orphee diese harte
Strafe treffe, erklärt sie, Marc werde es später noch erfahren. Am
folgenden Tage brechen Marc und Tronc auf.
581. Die 30 Ritter vom Hofe Yrions (§ 570) gelangen vor
das Schlofs des Elias und erfahren hier, dafs Elias mit seinen
Rittern und Marthe sein Schlofs verlassen hat. [Elias hatte mit
seinen Rittern beraten, was mit Marthe gethan werden solle. Er
selbst hatte vorgeschlagen, Marthe sollte seinen Sohn Ardinet hei-
raten. Sollte sie sich weigern, so sollte sie verbrannt werden.
Paumart aber, jener Ritter, der während des Turniers bei Blamir
seinen Schild geändert hatte (§ 157), hatte vorgeschlagen, Marthe
zu verbannen. Dieser Vorschlag hatte Beifall gefunden. 60 Ritter
unter Führung Ardinets hatten den Vorschlag Paumarts ausgeführt
und hatten Marthe mit verbundenen Augen nach dem chastel de
tort mont entführt. In der Begleitung dieses Trupps befanden sich
Elias selbst nebst Tochter und Nichte.] '
582. Marc und Tronc stofsen zufällig in einem Walde auf
diesen Trupp. Sie erblicken die drei Damen, von denen zwei
fröhlich sind, die dritte aber betrübt erscheint. In der letzteren
erkennt Tronc Marthe. Marc kämpft nun gegen die Feinde, ihm
kommen die 30 Ritter aus Blamir unter Führung Hergaults zu
Hilfe. Nach kurzem Kampfe werden die Feinde besiegt und bis
auf vier Mann getötet. Diese sowie die beiden Damen werden
gefangen genommen, Marthe wird befreit.
583. Marc küfst nun seine Mutter auf das herzlichste. Sodann
erzählt Hergault Marc von dem Unglück, das über Yrion, Ysaye,
überhaupt über ganz Blamir hereingebrochen ist, und bittet ihn,
möglichst bald nach Blamir zu gehen. Marc aber erklärt ihm, er
1 [] fehlt in G.
DER PROSAROMAN YSAYE LE TRISTE. 66/
müsse zunächst noch den Verräter Elias bestrafen. Man bricht
hierauf mit den gefangenen Damen und Rittern auf und gelangt zu-
nächst nach grant port, wo Menet die Ankommenden gut aufnimmt.
Dann wird der Marsch über das chastel d'esclaire, chastel maleoit,
oultrageux passage, chastel navarois und chastel d'Acre fortgesetzt.
Im chastel de tort mont gelingt es Marc, sich des Verräters Elias
nebst zwölf Rittern zu bemächtigen. Tronc schneidet Elias Ohren,
Nase und Finger und nach einigen Tagen noch das Haupt ab.
Die Habe des Elias wird auf Karren geschafft, sein Schlofs ver-
brannt und Barut zum Herrn des Landes gemacht. Marc und sein
Gefolge gelangen nun nach Sorlion, Estrahier schliefst sich mit
3000 Älann ihnen an und folgt ihnen nach Blamir. Yvoire schliefst
sich Marthe an. Der König von Schottland, der seine Feinde be-
siegt hat, und Edic de Logres und Marane folgen ihnen mit
6000 Mann nach.
584. Marc und seine Leute überschreiten das Meer bei
Legierfil und gelangen nach röche ague, wo Ysaye aus Freude
über die Ankunft der Seinigen gesund wird.
585. Tronc meldet darauf Yrion die Ankunft der Freunde,
worauf auch dieser wieder gesund wird.
586. Alle Ankömmlinge statten dann am folgenden Morgen
Yrion ihren Besuch ab.
587. Der Magdalenentag ist bald herangerückt. Es erscheinen
zur Verstärkung der Christen noch Marbel le picquart, Escauffer
und Tristan sans joye mit 6000 Mann. Aber auch die Sarazenen
haben Unterstützung bekommen, darunter den Riesen von Fargur.
Nun ist die Zeit des Waffenstillstandes vorüber.
588. Die erste Heldenthat vollbringt Tronc. Er verfafst einen
Brief an den Riesen und begiebt sich damit in das feindliche
Lager. In diesem Briefe läfst er Orimonde ihre Liebe zu dem
Riesen erklären und diesen bitten, sie zu befreien. Sie befinde
sich in dem Turm des esquarrez.
58g. Der Riese begiebt sich mit Tronc in den Turm. Der
nichts Böses ahnende Riese tritt zur Thür hinein und wird von
Tronc zwischen den Thüren zerquetscht. Die Leiche bindet Tronc
auf zwei Pferde und führt sie auf das Schlachtfeld. Bei der Nach-
richt von dem Tode des Riesen geraten die Sarazenen in grofse
Bestürzung.
590. Es kommt nun zu einer regelrechten Schlacht, in welcher
die Christen siegen. Von Tristan sans joye wird erwähnt, er habe
in diesen Tagen zum ersten Male Freude gezeigt und zwar als
Tronc den Riesen tötete. Von diesem Tage an habe man ihn
Tristan le joyeulx geheifsen. Acht Tage nach der Sarazenenschlacht
erklärt Ysaye, er habe bis jetzt noch nicht Zeit zur Verheiratung
gehabt. Er werde aber am nächsten Tage Marthe heimführen.
Zu dieser Feierlichkeit lädt er alle ihm befreundeten Ritter ein.
59 1. Dem Beispiele Ysayes folgen aber noch Marc, Hergault,
Henry de Lyon und Rostrant. So findet denn am folgenden Tage
668 ZEIDLER, DER PROSAROMAN YSAYE LE TRISTE.
eine Massenhochzeit statt. Ysaye, der 48 Jahre alt ist, heiratet
die 35jährige Marthe, Marc, der 20 Jahre alt ist, Orimonde, Her-
gault: Englentine, Henry de Lyon: Sardine und Rostran: Asclede.
592, Als Tronc schläft, erscheint Oriande mit drei Feeen,
Sie weckt Tronc und läfst Ysaye und Marc holen. Dann führt
sie Tronc in ein besonderes Zimmer, entkleidet ihn und führt
ihn als den schönsten Prinzen der Welt wieder heraus. Tronc
hat nur seine kleine Gestalt behalten, sonst ist alles Häfsliche an
ihm verschwunden. Troncs Verwandlung in den schönsten Prinzen
war dadurch bedingt gewesen, wie Oriande Marc gegenüber im
Feeengarten geäufsert hatte, dafs eine Doppelhochzeit von Vater
und Sohn an einem Tage stattfinden müfste. Solch eine Hochzeit
hatte an diesem Tage stattgefunden. Da Tronc nicht weifs, ob er
schon getauft ist, läfst er den Taufakt durch den Bischoft Aubert
vornehmen, der ihm nun den Namen Aubron giebt.
593. Eines Tages giebt Aubron Ysaye ein Hörn und sagt
ihm, er solle in dieses Hörn stofsen, sobald er seiner bedürfe. Er
solle dies aber nur in dringenden Fällen thun. Dann verschwindet
er, um dem Befehle der Feeen gemäfs sein Leben im Feeengarten
zuzubringen. Marc bleibt in röche ague, Ysaye in Blamir, zu
dessen König Ysaye an seinem Hochzeitstage durch Yrion gekrönt
worden ist. Marc wird Vater von drei Kindern. Die Tochter des
Kastelans von Vertonne wird von zwei Söhnen: Ardure und Durant
und die Witwe des Privalius von einer Tochter Yrienne entbunden.
Ysaye und Marc vollbringen noch viele Heldenthaten. Sie ziehen
in entfernte Länder und führen dort Ordnung und Sitte ein. Von
ihren Thaten sprach man noch lange nach ihrem Tode. Mais les
gens mirent plus letir entente a mectre e7i memoire les fais du roy
Clovis, le pre?nier roy de France chrestpien, de ses baptailles et de ses
enfatis qui adotic regnoient.
Ainsi fine le romant.
J. Zeidler.
Eandglossen zum altportugiesischeu Liederbuch.
Anhang zu VII.
A.
(51.) El Rey Don Affouso de Castelhi e de Leon.
CV 64.
Joan Rodriguiz foy desinar a Balteira
sa midida per que colha sa madeira
e disse: ,,Se ben queredes fazer,
de tal midida a devedes a colher,
5 e non meor per nulha maneira".
E disse: „Esta e a madeira certeira,
e demais non -na dey eii a vos si[n]llieira ;
e pois que [a] sen compasso ei de meter,
atan longa deve tod' a seer
10 per' antr' as pernas da [ejscaleira",
A Mayor Motum dey ja outra tamanha
e foy-a ela collier logo sen sanha;
e Mari-Ayras feze-o logo outro tal
e Alvela que andou en Portugal
15 e ja x'a(s) colheron na montanha.
E diss': „Esta e a midida d' Espanha,
ca non de Lombardia nen d' Alamanha;
e porque 6 grossa non vos seja mal,
ca delgada pera gata (?) ren non val,
20 e d' esto muy mais sey eu ca Bondanha".
I halteura — 5 »i^or — iiiilhamanä — 6 cceyra — 7 aiios silheira —
8 ademef — lO perä t>as — 12 h'go — 13 ^ chari ayra? — 18 g'^sfa —
20 cdbonda nha
I Desinar <^designai' = bezeichnen? Oder dar} — 6 Th. Braga
schreibt: inteira, doch ist paläographisch c^teira (mit Verwechslung von c und /
und dem verschobenen Abkürzungszeichen) das näher liegende. — 10 Der-
selbe bietet pera as traspernas. — II Cotiini, wie Braga schreibt, kommt
im CV allerdings häufig vor (411. 555. 1111. 066), doch ziehe ich vor, den
Namen unangetastet zu lassen. — 13 Seine Lesart e charryar-as feze-o logo
outro tal, mit dem unwahrscheinlichen Gallizismus charryar, ändert am Buch-
staben mehr als die meiue und ist wegeu des Fürworts 0 unverständlich. Mir
670 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
scheint es natürlicher wie in Z. 1 1 und 14 so in der 13. den Namen einer Bal-
teira- Genossin zu vermuten. — 19 Ob gata Bezeichnung eines bestimmten
Balkens ist? Braga setzt taiita. — 20 Nach dem Komparativ mais ca, im
Reim zu Espanha, Alamanha, ist ein Eigenname zu erwarten. Das hat auch
Braga erkannt. Unter seinem cabond Anha weifs ich mir jedoch nichts zu
denken.
Von den prosodischen Fragen sehe ich hier ab.
(52.) Pero Garcia, Burgales.
CV 982.
Maria Balteira, per qua jogades
OS dados, pois a eles descreedes?
Oas novas vus direy que sabiades:
con quantos vus conhecen vus pevdedes,
5 ca vus direy que Ihis OU90 dizer
que vos non devedes a descreer
pois dona sodes e jogar queredes.
E se vus d' aquesto non castigades,
nulh' ome non sey con que ben estedes
10 pero muita(s) bSa(s) maneira(s) ajades,
pois (ja) d' aquesto tan gran prazer avedes
de descreerdes. E direi-vus al:
se vo'-lo oi'r' terra vo'-lo a mal
bon-om(e), e nunca con el jogaredes.
15 E nunca vos, dona, per mi creades,
per este descreer que vos fazedes
se en gran vergonha pois non entrades;
algiia vez con tal ome terredes (.'')
ca sonharedes, se Deus mi perdon
20 [on] :
per sonho mui gran vergon9(a) averedes.
I rogades — 3 hunhas — 18 alguan — matredes — 20 Fehlt.
3 Braga setzt irrtümlich sabedes und unterscheidet nicht zwischen vus
und vos. — II LäCst man yor d' aquesto stehen, wie Braga thut, so erübrigt
eine Silbe. Statt /a könnten wir auch aqu oder tan streichen: pois ja d' esto
tan gran prazer avedes oder pois ja d' aquesto grau prazer avedes. —
18 Welches ist das paläographisch und sachlich am besten passende Zeit-
wort? entraredes} marredes (Fut. von mäer <^ maner, die Nacht ver-
bringen, nächtigen, schlafen)? Oder con tal o meteredesl Braga setzt
tnanteredes, das weder dem Versmafs, noch dem Sinn, noch der Grammatik
genügt.
Descreer hat Doppelsinn: nicht glauben und gotteslästerliche
oder gottleugnende Aeufserungen thun. Auf die erst im Jahre 1276
erlassenen Strafbeslimmungen für die Spiel- und Trinkhäuser (tafurerias), d. h.
auf Meister Rolands Ordenamiejito . . . per que se viede el descreer . . . habe
ich bereits hingewiesen. Jugar los dados und descreer gehen darin beständig
als unzertrennliche Laster neben einander her. S. besonders Ley I. Vom
Würfelspiel ist noch in zwei andern Schmäh-Reimereien die Rede, CV 966
und U81.
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. 67 I
(53') Joan Baveca.
CV 1070.
Par Deus, amigos, gran torto tomey
e de logar onde m' eu non cuidey.
Estand' alhi ant' a porta del rey,
preguntando por novas da fronteira,
5 por fla velha que eu deostei
deostou-m' ora Maria Balteira.
Veed' ora se me devo queixar
d' este preito? ca non pode provar
que me lh(e) o'isse nulh' omen chamar
10 se non seu nome, per niilha maneira;
e pela velha que foy deostar,
deostou-m' ora Maria Balteira.
Muito vus deve de sobervi' atal
pesar, amigos, e direi-vus al:
15 sey muy ben que [se] Ih' [e]sta ben sal,
todos iremos per üa carreira;
ca porque dixo d' üa velha mal,
deostou-m' ora Maria Balteira.
4 nonas — 5 doeftey — 9 chaniy — 1 1 epelo — 1 3 und 1 5 uos —
14 ein gas — 16 rremos per huä c. — 17 duä
5 Braga läfst die moderne Form doestey unangetastet und fügt sie sogar
in Z. 6 ein. Ich halte sie für Versehen später Abschreiber, angesichts der
guten alten Form von dehonestare in Z. 6. ii. 13. 18. — Z. 8 — 9. Ich ver-
stehe: ca non pode per nulha maneira provar nulh' omen que 7ne ih' oisse
chamar se non seu nome. „Niemand kann beweisen, dafs ich sie anders als
bei ihrem Namen genannt habe", d. h. wahrscheinlich mit einer der grob-
gemeinen, auch mit veiha anhebenden Formeln, die in den Schmähliedern
für die Dirnen der Tafureria so häufig fallen. — Das aus chamy abgezogene
und von Braga an die Spitze der 10. Zeile gestellte Adverb y stört das Vers-
mafs. — II Ptla für pola (so Braga), wie so oft; foy i. Sg. — 15. Die
beiden fehlenden Silben ersetzt Braga nicht.
(54.) Pero d'Ambroa.
CV 1129.
O que Balteira ora quer vingar
das desonras que no muudo prendeu,
se ben fezer, non dev' a come^ar
en mi que ando por ela sandeu,
5 mais come9' ant' en reino de Leon
u pres desonras de quantos i son
que Ih' as desonras non queren peitar.
Ca [en] Castela foy-a desonrar
muito mal-ome que non entendeu
10 o que fazia, nen soube catar
quan muii' a dona per esto perdeu;
672 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
e quen a vinga fezer con razon,
d' estes la vingue; ca en sa prison
and' eu e d' ela non m' ei d' emparar.
15 E OS mouros pense de os matar,
ca de todos gran desonra colheu
no corpo, ca non en outro logar;
e outra tal desonra recebeu
dos mays que ä no reino d' Aragon ;
20 e d' este'-la vingu' el, ca de min non,
pois ä sabor de Ihi vingan^a dar.
5 covie canteu reyno de leon — 7 desonuas — % Ca castela foya de-
sonrrar — n^ — \% e outo tal — 20 edestela uinga el
Th. Braga schreibt in Z. 5 mays coin^ e cante, ergänzt in Z. 8 niclit die
fehlende Silbe, läfst in Z. 1 1 muila dona stehen, vergifst in Z. 14 das Binde-
wort e, behält in Z. 18 outro tal bei und erkennt in den Buchstaben edestela
(Z. 20) das navarresische Estela [e d' Estela vinga el!).
(55.) CVU31.
Se eu no mundo fiz algun cantar
como faz ome con coita d' amor
e por estar melhor con sa senhor,
acho-m' d[n] mal e quero m' en quitar,
5 ca üa dona que sempre loci
en mens cantares e por que trobei,
anda morrendo por un [ejscolar.
Mais eu me matei que fui come^ar
[con] dona atan velha [e] sabedor,
10 pero conorto-m'ei [e] gran sabor
de que a veerei cedo pobr' andar,
ca o que guaanhou en cas del rey
andand' i pedind', e o que Ih' eu dey,
todo Ih'-o faz o clerigo peitar.
15 Mais quen Ihi cuida nunca ren a dar
assi s' ach' en com[e] eu ou peyor!
e poi'-la velha puta pobre for
non -na querrä pois nulh' ome catar
e serä d' ela comp vus direy:
20 demo lev' a guar[i]da que Ih' eu sey,
ergo se guarir' per alcayotar.
4 achome mal — 9 dona ata uelha sabedor — \0 ^0 conhortomey qin
sabor — 14 der ig o — 15 q — 16 afsy sacheu comeu — 17 pura — 18 tiona
qrra poys nullome catar — 19 coinoio — 21 alcayota rya
Th. Braga läfst acho tue mal stehen, schreibt ohne Grund e quero - m' eu
quytar (4), setzt porque (6), läfst scolar (7) stehen, ergänzt nicht das fehlende
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. 673
C071 (9), e (9 und 10), schreibt que statt quen (15), com' eii (16), gnarda (20),
das keinen Sinn giebt und das Metrum fälscht. — In Z. 1 1 haben wir veerei
zu zwei Silben zu konti^ahieren.
(56.) Pero da Ponte.
CV U76,
Maria Perez, a vossa (?) cruzada
quando veo da terra d' Ultramar,
assy veo de perdon caiTegada
que se non podia con el(e) merger;
5 mais furtan-lh' o, cada u vay mSer
e do perdon ja non Ihi ficou nada!
E o perdon e cousa mui pre^ada
e que se devia muit' a guardar,
mais ela non d maeta ferrada
10 en que o guarde, nen a pod' aver,
ca pois o cadead' en foy perder
sempr' a maeta andou descadeada.
Tal maeta jcomo serä guardada
pois (que) rapazes albergan no logar
15 que non aj' a seer mui trastornada?
ca [n]o logar u eles an poder
non a perdon que se possa asconder,
assi sahen trastornar a pousada.
E outra cousa vus quero dizer:
20 atal perdon ben se dev' a perder
ca muito foy cousa mal guaanhada.
I nossa — 2 ueo — tirä — 3 ueo — 4 elem erger — 5 fuitan — •
maer — II cadeadeu — 12 defcadeada — l? ^ lifi}' (aus Z. 18 vorweg-
genommen — 20 perdonf>enfse deu' a (d)e perder — 21 gaada
Bei Braga liest man veo (2 und 3), cadead (ll), descadeada (12), con
eV emerger (4). Diese Lesart, nur ohne das Apostroph, wäre natürlich an-
nehmbar, wenn das Metrum es zuliefse, doch ist podia dreisilbig; auch kommt
häufiger nierger als emerger für aufrichten vor. Erger würde noch besser
passen. — Magiier statt maer in Z. 5 ist sinnlos: dtvya . . . aguardar (8) nicht
zulässig, da nach dem Hülfszeitwort dever stets a folgt, ebensowenig poys que
(14), aja seer (15), assy (17), a tal se dever a de perder (20), ganhada (21).
(57.) Pedr' Amigo.
CV 1196.
Pero d'Ambroa, tal senhor avedes
que non sei quen se d' ela non pagasse!
E ajudei-vus eu como sabedes
[asse]
5 escontra ela mui de b3a mente.
E diss'ela: ,,fazede-me Ih' en mente,
e inda oje vos migo jaredes
Zeitschr. f. rom. PhiL XXV.
43
674 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
Por seu amor, ca x' anda tan coitado
que se vos oje migo non jouverdes,
10 serä sandeu, e se o non fezerdes
non se terra de vos por ajudado
mais enmentade-me Ihi üa vegada
e marrey eu vosqu' en vossa pousada
e o cativo perderä cuidado.
15 E ja que Ihi vos amor demostrades,
semelh' ora que Ihi sodes amigo ;
jazede logo aquesta noite (co)migo
e des-i pois cras, u quer que o vejades,
dizede-lhi que comigo albergastes
20 por seu amor, e que me Ih' enmentastes,
e non tenha que o pouc' ajudades !
3 auideyuo — 7 ainda — \o fäzerdes — II auidado — 12 hMä —
21 qo pouca qo pouca uidades
Bei Braga hoa (5), ainda (4), jazedes (7), fazerdes (lO), morarey (13),
commigo (17), Ihe (19).
(46.) CVU97.
Maria Balteira, que se queria
ir ja d' aqui, veo-me preguntar
se sabia ja -que d' aguiraria
ca non podia mais aqui andar.
5 E dixi-lh' eu logu' enton: „quanf eu sey,
Maria Perez, eu vo'-lo direy,"
E diss' ela logu' i que mi-o gracia.
E dix' eu: „Pois vus ides vossa via,
iz. quen leixades o voss' escolar
10 ou vosso filh' e vossa companhia?"
„Poren [diss' ela] vus mand' eu catar
que vejades nos aguiros que ei
com' eu poss' ir; e mais vus en direi
a meos d' esto sol non moveria,"
15 E dixi-lh' eu: „^Cada que vus deitades
que esturnudos soedes d' aver?"
E diss' ela: „Dous ei, ben-no sabiädes,
e un ei quando [me] quero raover,
mais este non sei eu ben departir."
20 E dix' eu: „Con dous ben podedes ir
mais un manda que sol [vus] non movades."
E dixi-lh' eu: „Pois aguiro catades,
das aves vus ar conven a saber,
vos que tan longa carreira filhades."
25 Diss' ela: „Esso vus quer' eu dizer:
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT, LIEDERBUCH. 675
ei ferynelha sempr' ao sair."
E dixi-Lh' eu: ,ßen podedes vos ir
con ferivelha; mais nunca tornades!"
2 ueome — "^ da guytaria — 9 ouojseschola — 13 comer — 17 de^
— ieno — 20 de<^ — poderiades — 21 nianda sol g nö mouades —
26 ferynelha
Th. Braga hititij'aqui statt jague = etwas (3), fügt nicht das fehlende
dt'ss' ela in Z. II, noch ?/ie in Z. 18 ein; beläfst com' er, obgleich Monaci com' or
(13) vorgeschlagen halte, setzt tnenos (14), poderiades (20) und sol que (21).
In Z. 9 wäre aqui vielleicht richtiger als a qtien. — Mit dem Yogt\ fery-
nelha ferivelha gedenlvc ich mich später zu beschäftigen.
(58.) CV1203.
Pe(d)ro Ordonhez, torp' e desembrado
vej' eu un ome que ven da fronteira
e pregunta por Maria Balteira!
Per' Ordonhez, e semelha guisado
5 d' aquest' ome que tal pregunta faz,
Per' Ordonhez, de semelhar rapaz
ou algun ome de pouco recado?
Pero Ordonhez, torpe, enganado
mi semelha e fora da craveira
10 quen pregunta por üa soldadeira
e non pregunta por al mais guisado.
E Per' Ordon[h]ez, mui cheo de mal
mi semelha e torp' est' om' atal,
Per[o] Ordonhez, que m' d preguntado.
15 E Per' Ordonhez non preguntaria
por esto se algüa ren valesse
aquest' ome e se o ben conhocesse
Per' Ordonhez fez mui gran bavequia.
Aquest' ome que tal pregunta fez,
20 Per' Ordonhez, se foss' algüa vez
per -torpe, fora dereito seria.
I Pedro '(r)donez corpe defenbrardo — d eu — 8 corpe — 9 caueyra —
10 aque — huTi — 12 cheö — 13 eco' peftomatal — 15 E por donoubiz —
17 orrie — 18 batieqia — 19 dardonhiz — 2\ pr corpe
Das Gedicht ist schwer verständlich. — Ob desembrado (i) ■<^ dissi/nu-
lado ist? ob craveira oder carreira (9) zu lesen ist? ■ — • Da viermal corpe
steht und torpe besser in den Sinn pafst als corpo, nehme ich an, die Ab-
schreiber hätten wieder einmal c und t verwechselt, — Per' Ordonhez — der
Angeredete, dessen Name neimmal in den Text geschoben wird — ist offenbar
der gemeine Mann, dessen verdächtige Neugier verlacht wird,
Braga liest corpo (l. 9. 21 und corp' 13); Ordoiies, Ordonhes, Ordonhes;
semelh' ar (b); fora de caveyra (9); a quen (lo); cheo (12); alguä (16 u. 20);
ben e queria (18); por corpo föra, dereyto (21).
43*
676 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
(47.) Fernam Velho.
CB 1504.
Maria Perez se maenfestou
noutro dia, ca por [gran] pecador
se sentiu e log' a Nostro Senhor
prometeu, polo mal en que andou,
5 que tevess' un clerig' a seu poder.
Polos pecados que Ihi faz fazer
o demo con que x' ela sempr' andou,
Maenfestou -se, ca diz que s' achou
pecador muit', e por en rogador
10 foi log' a Deus; ca teve por melhor
de guardar a el ca o qu' aguardou.
E mentre viva diz que quer teer
un clerigo con que se defender
possa do demo que sempre guardou.
15 E pois que ben seus pecados catou,
de sa [morte] ouv' ela gran pavor
e d' esmolnar ouv' ela gran sabor;
e logu' enton un clerigo iilhou
e deu-lh' a cama en que sol jazer
20 e diz que o terra, mentre viver',
e est' afan todo por Deus filhou!
E pois que s' este preito come^ou,
antr' eles ambos ouve grand' amor ;
antr' ela sempr' [e] o demo maior
25 ata que se Balteira confessou.
Mais pois que vio o clerigo caer
antr' eles ambos, ouv' i a perder
o demo desque s' ela confessou.
2 Vgl. p. 558. — 4 pormeteu — endou — 12 teer — 20 teira — z\ E
esta fara todo Vgl. p. 558. — 22 comegon — 24 Die Hypothese auf p. 558
trifl't vielleicht das Richtige. — 26 derigo — 27 ou uya
Maenfestar = beichten z.B. CB 1500.
(59.) Vaasco Perez Pardal,
CB 1506.
De quäl engäno prendemos
aqui, non sab' el Rey parte
como leva quant' avemos
de nos Balteira per arte;
ca x' e mui mal - engano
se Ih' alguen non da conselho
o que ten c . . . mercado,
se Ihi por el dan folhelho.
RANDGLOSSEN ZL'M ALTPOKT. LTF.DKRBUCH. 677
Balteira como vus digo
10 nos engana tod' est' ano
e non ä mesura sigo;
mais, par deus, en malengano
non seria per-giiisada
cousa, se el Rey quisesse,
15 de molher c . . . nen nada
vender se o non ouvesse.
E somos mal enganados
todos d' esta merchandia
e nunca imos vingados;
20 mais mande Sancta Maria
que prenda i mal-joguete
o d' Ambroa que a f..,
e ela porque promete
c..., poi'-lo dar non pode.
7 collo — 12 Mays par fe sen malengano — 13 teiria — 20 sea
Maria ~ iz O danbroa
(48.) Vaasco Perez Pardal und Pedr'Amigo.
CB 1509.
„Pedr' Amigo, quero de vos saber
üa cousa que vus ora direy.
E venho-vus preguntar, porque sey
que saberedes recado dizer,
5 de Balteira que vej' aqui andar
e vejo-lhi muitos escomungar
dizede: ^-quen Ihi deu end' o poder?"
,, Vaasco Perez, quant' eu aprender
püdi d' esto, ben vo'-lo contarey.
10 Este poder ante tempo del Rey
don Fernando ja Ihi viron aver
mais non avia poder de soltar.
Mais foi pois o fatriarca buscar
Fi-d' -Escalhola que Ih' o fez fazer."
15 „Pedr' Amigo, sei-m'eu esto mui ben
que Balteira nunca ome soltou,
e vi-lh' eu muitos que escomungou
que Lhi peitaron grand' algo por en
que OS soltass'; e direy -vus eu al:
20 Fi-d' -Escalhola non ä poder tal
per que soll' ergo seus presos que ten."
,, Vaasco Perez, ben de Meca ven
este poder e poi'-lo outorgou
o patriarca, des i mal-levou
678 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
25 sobre si quanto se fez en Jaen
e en Eixares, u se fez muito mal,
e por en met' en escoraunhon quäl
xi quer meter e quäl -quer saca en."
„Pedr^ Amigo, esto vus non creo eu
30 que o poder que Deus en Roma deu,
que o Balteira lal de Meca ten."
„ Vaasco Perez, ach' eu Meca sen
poder; e o que Deus en Roma deu
diz Balteira que todo non e ren."
2 Hunha — \t, hu patriarcha — 14 Ihi — 18 peycaron — 21 Per
q sol tergo seo pr J9 q te Die Hypothese auf S. 559 os qtie por seus ten
scheint mir weniger glücklich. — 32 axeu
(60.) Pero Mafaldo.
CB 1513.
Maria Perez, and' eu mui coitado
por vos, de pran, mais ca por outra ren;
e vos cuidades que ei de vos ben
que eu non ei de vos, mau-pecado;
5 ca mi fazedes vos en guisa tal
ben, mia senhor, que depois e meu mal,
e de tal ben non soo eu pagado!
D' aver de vos ben, and' eu alongado,
pero punhades vos en mi-o fazer
10 quanto podedes a vosso poder;
de mais fostes ogau' a meu mandado
por mi fazerdes [gran] ben e amor
e con tal ben quäl eu enton, senhor,
öuvi de vos, mal-dia fui eu nado.
15 En üa noite u tive chegado,
diss' enton com' agora vus direi:
„bon-grad' a Deus, ca ja agora averei
o ben por que andava en cuidado."
E vos enton guisastes-mi-o assi
20 que mi valvera muito mais a mi
jazer mort[o] ou seer enforcado!
E se muil' aquesto mi-a de durar
vosco, senhor, devia-ra' a matar
ant' ou seer ao dem' encomendado!
13 qualheu — 15 huä noyte 0 tiue
RANDGLOSSIiN ZUM ALTPORT, LIEDERBUCH. 679
(61.) Joan Vaasquez.
CB 1546.
O que veer quiser, ay cavaleiro,
Maria Perez, leve algun dinheiro!
Se non, non poderä i adubar prol!
Quen-na veer quiser ao seräo,
5 Maria Perez, lev' algu' en sa mäo!
Se non, non poderä i adubar prol!
Tod' ome que a ir queira veer suso
Maria Perez, lev' algo de Juso
Se non, non poderä i adubar prol!
6 poderia — 8 uiso
(62.) Pero d'Ambroa.
CB 1574.
Os beesteiros d' aquesta fronteira,
pero que cuidan que tiran muy ben,
quero-lhis eu conselhar üa ren
que non tiren con Maria Balteira,
5 ca todos quantos ali tira[ro]n
todos se d' ela con mal partiron:
assi e sabedor e [€] arteira.
Tirou [og'] ela con un beesteiro
d' estes del Rey que saben ben tirar;
10 primeira vez polo escaentar
leixou - se i logo perder un dinheiro,
e des i outr', e pois, esqueentado,
tirou con el e ä d' el[e] levado
quanto tragia dentro do bragueiro.
15 Os beesteiros dos dous carreirSes
tir[ar]an con ela e pose sinal;
nen os outros que tiravan muy mal
atiraran a dous dos pipeöes
e foron tirand(o) e bevendo vinho:
20 o beesteiro com' era mininho
non catou quando s' achou nos colhöes.
3 hnna — 4 tiran — 5 tirarn — 8 cuTi — \o e p'mä uez polo escäe
cantar — II .i. d? — 12 edefy outre pofes qentado — 13 couel eadel leuado
— 14 teno brgueyro — 15 das dous q<^reyrees — 16 tirancon ela — x"] ny —
18 ecirararatn adous d, p. — 19 obeuendo do vyö — 20 comora — 21 uos
{63.) El Rey Don Affonso de Castella el de Leon.
CB 471 bis.
[Maria Balteira estä assanhada]
porque Ihi rogava que perdSasse
68o CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
Pero d' Ambroa, que o non matasse
nen fosse contra el desmesiirada ;
5 E diss' ela: „Por Deus non me roguedes,
ca direi vos de min o que i entendo:
Se üa vez assanhar me fazedes
saberedes quaes peras eu vendo.
Ca rogades cousa des[a]guisada
10 e non sei eu quen vo'-lo outrogasse
de perd[3]ar quen-nos mal deostasse
com' el fez a min, stando en sa pousada.
E pois vejo que me non conhocedes,
de min atanto vos irei dizendo:
15 Se üa vez assanhar me fazedes,
[saberedes quaes peras eu vendo].
E se m' eu quisesse seer viltada
ben acharia quen xe me viltasse,
mais se m'eu taes non escarmentasse
20 cedo meu preito non seeria nada.
E en sa prol nunca me vos faledes!
ca se eu soubesse morrer ardendo,
Se üa vez assanhar me fazedes
[saberedes quaes peras eu vendo].
25 E por esto 6 grande a mia nomeada
ca non foy tal que, se migo falhasse
que en eu muy ben non-[no] castigasse,
ca sempre fui temuda e dultada.
E rogo-vos que me non affiquedes
30 d' aquesto mais. Ide-m' assi sofrendo:
Se üa vez assanhar me fazedes,
saberedes quaes peras eu vendo."
I Fehlt. — 2 perdoasse — 9 Ca rogads cousa desguisada. Man könnte
auch ergänzen : ca me rogades cotisa desguisada — II perdar que no mal
deestaffe — 12 estando — 15 "^ sanhar — ig f erneu und seinen —
22 fnoirer — 23 mef fazedes — 28 ceuinda — 30 foffrido
B.
(64.) D. Gon9al'Eannes deVinhal.
CV 1004.
Pero d' Ambroa, sempr' oi cantar
que nunca vos andastes sobre mar
que med' ouvessedes üa sazon,
e que avedes tan gran corazon
5 que tanto dades que bon tempo fa^a
ben como mao nen como bSa^a,
nen dades ren por tormenta do mar.
RANDGLOSSEN ZUM ALTPORT. LIEDERBUCH. 68 1
E des i ja pola nave quebrar
aqui non dades vos ren polo mar
10 come OS outros que i van enton;
por en teen que tamanho perdon
non avedes come os que na frota
van e se deitan con medo na sota
sol que entenden tormenta do mar!
15 E nunca o'imos d' outr' ome falar
que non temesse mal-tempo do mar;
e por 6n cuidan quantos aqui son
que vossa madre con algun ca^on
vus fez sen falha, ou con lobaganto ;
20 e todos esto cuidamos por quanto
non dades ren por tormenta do mar!
2 gue me douuefsedes mina sazon — 6 boanga — 1 1 pore tee (q)
tamhäo pdon — 18 co(l)
Th. Braga schreibt n'kUa sazon, doch ist neila dreisilbig wie nenhuma
3); boanga (6); tormentas (7); C07n' (?' (10); tee (\\).
(65.) Pero Barr OSO.
CV 1057.
Pero d'Ambroa, se Dens mi perdon,
non vus trobei da terra d' Ultramar,
vedes por que: ca non achei razon
porque vus d' ela podesse trobar,
5 pois i non fostes; mais trobar -vus ei
de muitas cousas que vus eu direi,
do que vus non sab[er]edes guardar.
Se Deus mi valha, vedes por que non
vus trobei d' Acre nen d' esse logar:
10 porque non viron quantos aqui son
que nunca vos passastes alen-mar;
e da terra u non fostes, non sei
como vus trobe; mais saber-vus-ei
as manhas que vos avedes, contar.
7 sabedes — 8 des — 9 «ö trobei dacri — 12 tirä — 13 trobei
Th. Braga liefs die Fehler des Schreibers unberichtigt.
(49') Joan Baveca.
CV 1066.
Perö d'AmbrSa prometeu, de pran,
que fosse romeu de Santa Maria,
e acabou assi sa romaria
com' acabou a do frume Jordan;
682 CAROLINA MICHAELIS DE VASCONCELLOS,
5 ca enton ata Mompilher chegou
e ora per Ron^avales passou
e tornou-se do Poio de Roldan.
I promeseu — ^ ta entonge ata monpylier — 6 rogauales
Th. Braga schreibt : y?M/w<? (4).
(50.) Affonso do Cotom.
CV1U8.
Paay Rengel e outros dous romeus
de gran Ventura — non vistes mayor —
guare^eron, ora loado a Deus,
que non morreron por Nostro Senhor
5 en üa lide que foy en Josaffas:
(a lide foy com' og' e como cras)
prenderan eles terra no Alcor.
E ben-nos quis Deus de morte guardar
— Paay Rengel e outros dous enton —
10 d' üa lide que foy en Ultramar
que non chegaron aquela sazon,
e vedes ora por quanto ficou
que o dia que s' a lide juntou
prenderan eles port' a Mormoion.
15 De como non entraron a Blandiz
per que poderan na lide seer,
ca OS quis Deus de morte guarecer
per com' agora Paay Rengel diz.
E guareceron de morte por 6n
20 que quand' a lide foy en Beleen
aportaron eles en Tamariz.
3 guaregarä — 6 como ie como cras — 8 uos — 9 paey — II che-
garä — 13^ fsa 1 5 Decomo — 17 des — 1 8 pae — 20 rellem —
21 apoHaro tamaris
Bei Braga liest man: Rangel (l. 9. 18); louvado Deus (3); Bellem {20).
(66.) Pero d' Ambro a.
CV 1130.
Querri' agora fazer un cantar,
se eu podesse, tal a Pedr' Amigo
que se non perdess' el por 6n comigo
nen eu con el; pero non poss' achar
5 tal razon en que Ih' o possa fazer
que me non aja con el de perder
e el comigo, des que Ih' eu trobar'.
RANDGLOSSEN ZUM ALTPÜKT. LIEDERBUCH. 683
Ca ja outra vez quando foy entrar
ena ermida velha Pedr' Amigo,
10 trobei-lh' end' eu e perdeu-s' el comigo
e eu con el quando vin d' Ultramar;
mais ora ja, pois m' el foy cometer,
outra razon Ihi cuid' eu a mover
de que aja dous tamanho pesar.
15 Ca se acha per u ra' escatimar
non vus e el contra mi Pedr' Amigo
e per aquesto perder-s' ä comigo
e eu con el, ca poi'-l' eu come9ar',
tal escatima Ihi cuid' eu dizer
20 que se mil anos no mund' el viver'
que ja sempr' aja de que se vingar.
h
5 equelho — 15 Case aca pumefcatimar — 16 peoraintgo — IC) escotimar
(67.) Pedr'Amigo.
CV 1195.
Se mi-ora quisesse cruzar,
ben assi poderia ir
ben como foy a Ultramar
Pero d' Ambröa Dens servir:
5 morar tanto quanl' el morou
na melhor rua que achou
e dizer „venho d' Ultramar".
E tal vila foy el buscar
de que mmca quiso sair
10 ata que pode ben osmar
que podia ir e vür
outr' omen de Iherusalen;
e poss' eu ir, se andar' ben,
u el foy tod' aquest' osmar.
15 E poss' en Mompilher morar
ben com' el fez, por nos mentir
e ante que cheg' ao mar
tornar-me poss* e departir
com' el depart' en como Deus
20 pres mort' en poder dos Judeus
e enas tormentas do mar.
E se m' eu quiser enganar
Deus! ben o poss' aqui cumprir
en Burgos, ca se preguntar'
25 per novas, ben-nas posso oir
tan ben come el en Mompilher
e dize'-las pois a quenquer
que me por novas preguntar'.
684 CAROLINA MICIIAlil-IS DU VASCONCELLOS,
E pois end' as novas souber
30 tan ben poss' eu, se mi quiser,
come un gran palmeiro chufar.
I Quen mhora — 4 danbroä — II uij'r — 15 eposfeu monpirller
16 como — i^ de partencouro dl — 25 nonas
Braga läfst die Schreibfehler unberichtigt.
(68.) CV U98.
Joan Baveca e Pero d' AmbrSa
come^aron [a] fazer sa ten9on
e sayron-se logo da razon
Joan Baveca e Pero d' Ambröa
5 e porque x' a non souberon seguir
nunca quedaron pois en departir
Joan Baveca e Pero d' Ambröa.
Joan Baveca e Pero d' Ambröa
ar foron outra razon come^ar
10 sobre que ouveron a pelejar
Joan Baveca e Pero d' Ambröa:
sobre la terra de Iherusalen
que dizian que sabian muy ben
Joan Baveca e Pero d' Ambröa.
15 Joan Baveca e Pero d' Ambröa
ar departiron logo no Gran-Can
e pelejaron sobr' esto, de pran,
Joan Baveca e Pero d' Ambröa,
dizend' „ora verremos quis quäl e",
20 e leixei eu assi, per böa fe,
Joan Baveca e Pero d' Ambröa.
4 bauec
4. 7 danhroa — 2 coinegaron fazer — tengou — 3 sayrouste
(69.) CV U99.
Marinha Mejouchi, Pero d' Ambröa
diz el que tu o fuisti pregöar
que nunca foy na terra d' Ultramar,
mais non fezisti come molher böa,
5 ca Marinha Mejouchi si e si
Pero d' Ambröa sei eu ca foi i
mais queseste-lhi tu mal assacar.
Marinha Mejouchi, sen nulha falha,
Pero d' Ambröa en ^oca - de - ven
10 filhou a cruz pera Iherusalen
e depois d' aquesto, se Dens mi valha,
RANDGLOSSEN ZUM ALTPÜRT. LIEDERBUCH. 685
Marinha Mejouchi, come romeu
que ven cansado, e tal o vi end' eu,
tornar; e dizes que non tornou en!
15 Marinha Mejouchi, muitas vegadas
Pero d'Ambröa achou-te en mal; (?)
mais se te colhe en logar atal
com' an das tu assi pelas pousadas,
Marinha Mejouchi, ä mui gran sazon,
20 Pero d' Ambroa, se t' achar' enton,
gran med' ei que ti querrd fazer mal.
1 danbroa — 2 pregoar — 4 hoa — 6 Ihy — 7 querestelhy —
8 seu - — 16 ^ö danbioä acheu den tnal
CB 1552 steht im Anhang zu Randglosse III. — CB 143 im CA.
(70.) Joau Soares Coelho.
CV 1013.
Joan Fernandez, o mund' e torvado
e, de pran, cuidamos que quer für;
veemo'-lo emperador levantado
contra Roma e Tartaros viir;
5 e ar veemos aqui don pedir
Joan Fernandez, o Mouro cruzado.
E sempre esto foy profetizado
por dez e cinco (?) sinaes da fin,
seer o mundo assi com' 6 mizcrado,
10 e ar torna-s' o mouro pelegrin,
Joan Fernandez, creed' est' a mi
que s3o ome ben leterado.
E se non foss' o Antechristo nado,
non averria esto que aven,
15 nen fia[va] o senlior no malado,
nen-no malado no [seu] senhor reu;
nen ar iiüa a Iherusalen
Joan Fernandez, mouro bauti9ado.
2 ßj'' — 4 ^iff" — ^ ^(/r d9 ceri qo sinaes dafßn — 9 como —
12 soo — 13 antexpo — \<^ ßar — 18 «5 bautigado
Auf Wunsch einiger Leser bringe ich, statt der fünf bisher abgedruckten
Proben (No. 51 — 55 auf S. 557 — 560), nun doch alle Balteira-Schmähgedichte
und die Ultramar-Scherzc. An den wiederholten Texten habe ich noch ein
wenig nachgebessert.
Carolina Michaelis de Vasconcellos.
II Piccinino.
(Fortsetzung; s. Ztschr. XXV, 230.)
VI.
Vergine madre di virtü costante
Cum desponsata Yuseph tu fuisti
Esso Juseph stava cogitante
Quando quel buon Jesu figlio accepisti,
L' an gel t' apparve in visiöne avante:
„Noli timere, quod cogitavisti?
,Accipere Maria conjuge tua
„Ch' e deir eterno Dio volontä sua.
2.
„Pariet autem filium e fia chiamato
„Jesu con trinitä, vera uniöne."
Poiche '1 superno re del cielo ^ nato,
Tu si lo desti in braccio a Simeöne
Nel bei presepio, com' era ordinato,
Poi tel rend^ dicendo quel vecchione:
„Questo coltel passerä 1' anima tua
„Per 1' aspra passiöne e morte sua."
3-
Vergine, a te ricorro cbfe 'n te spero
Perche ritorni in me 1' usato ingegno
Del tuo alexandro, sommo refrigero,
Di trovar nuove rime mi fa degno
Della partenza contar dell' impero,
Come con Micheletto fe' convegno
E come Micheletto poi si stese
A dare il guasto al populo Luchese.
4-
Se vi lassai in nell' altro cantare
Michelecto a vittoria incoronato
Del Comun di Firenze il festeggiare,
Or voglio all' imperier esser tornato
Che ciö sentendo, per se riparare,
Per Michelecto tosto ebbe mandato
E con parole belle si lo ismosse
Che per lui si venne, come o si fosse
5.
Di tale accordio non ne so niente,
Pur Michelecto a Lucha fu arrivato.
Quel magno imperador, chiaro e pos-
sente,
S' e del popul di Lucha accomiatato;
E tutta sua brigata similmente
Fuor della porta tosto fu inviato.
Con Michelecto si si ritrovoe
E in verso Siena si 1' accompagnoe;
6.
E del terren Pisan ebbono a uscire
E di Volterra vider la fortezza;
L' imperio cominciö subito a dire:
„Quella cittä che ha tanta adornezza,
„Che risiede si ben, com' si fa dire?
„Volterra, monsignor, e sua vaghezza
„Non si potrebbon per rima cantare
,,E di fortezza in Italia non ha pare.
7.
,,Ma d' allegrezza e privo cotal loco
„Ch^ sottoposti son, sanza fallare,
,,Da' Fiorentini, onde ch' a poco a poco
„Si vengon d' ogni ben a consumare
„E chi di servitü suol portar giogo
„Non puö quella citlä mai bene stare,
„Unde che poveretti male stanno;
„Speran per ver Corona uscir d' af-
fanno."
8.
L' imperador cotai parole notava
Discretamente, e poscia rispondeva:
IL PICCININO.
687
„Se la fortima non m' andera^ grava,
„Di libertä ancor porterö uliva."
E di tal cosa fare immaginava:
AI fiume^ di Volterra in sulla riva
Furon armati e quelli oltre passaron
Et a San Gemignano egli arrivaron.
9-
Detto si fu che quel nobil castello
Veramente [era] suo patrimoniato,
Scriven le carte del tuo padre hello.
Lo imperador di ciö ha sospirato
Perche non e possente a tal cimbello
Che 1' oste prestamente are' fermato
E mai partito sare' sua persona
Ch^ tornata 1' avrebbe alla Corona.
10.
Pur verso Siena sempre camminavan,
Lassar lo voglio e vovi ritornare
Alli Senesi; quando ciö sapevan,
A popul la campana fer sonare
E general consiglio radunavan
E messer Pietro sanza stare,
Ch' h de' maggior Christofan d'Andrea,
Et al palagio ciascun presto correa.
II.
Messer Pier Martinasso s' e inviato
E Salvestro di Duccio con Pasquino,
Messer Paccineghi Nino e Fortunato,
Pietro col Stragicola e '1 Massaino,
E Schia Balanti vien dall' altro lato
Et Urban Giovannelli a tal latino,
Anton di Guelfo e quel dalla Chassaia
Riccardo Saracin con mente gaia,
12.
E Guaspar di Vittorio con grand'anzio^
Giunse a palagio, e poi del Gharga
Nanni,
Tutto in un punto fuvi quel del
Grauebio
Et al palagio furon con affanni
Perche sonö '1 portiaro* a tale istansio
Di mezzogiorno, ch' eran giä piii anni
Che a tale ora non avea sonato:
In breve fu '1 consiglio radunato.
13-
Quivi erano i Signor co' lor bendoni
Che del cappuccio pendon ver' le gote
E portan que' segnali, e le ragioni
Di ciö non so; per tanto le mie note
Di cotal cosa non spando sermoni,
Ma so ben chavignone a tondi a rote^
Mezzo vermiglio lo e e mezzo giallo,
Li giudei portau senza verun fallo.
14.
Credo che sia sol per isvariare
E voler dagli altri esser cognosciuto,
Questo per 1' ansianatico^ onorare:
Essendo in conciestor, com' ho saputo,
Una proposta si fece spianare
Acciö che sia ciascuno attenduto'
E dell' imperio contasi il venire,
Se d' acceltarlo o da lassarlo gire.
15-
Chi consigliava: non con gran romore,
,, Perche faremmo al Padre dispiacere",
E chi diceva: „si, per lo migliore,
,,Se noi vogliam cou lui la pace avere".
II partito fu messo a tal sentore:
Che de' v' enlrasse, non si puö ottenere
La prima volta, e '1 secondo partito
Viusesi che v' entrasse com' ho udito.
16.
Allegramente quel popul sovrano,
Vinto il Consiglio, e di palagio sceso;
Le campane sonar feron tostano
Et a caval montar sanza conteso,
E coi Signori innanti, per certano,
Verso 1' imperio quel popul fu sceso
E brevemente le chiavi portaro
Della cittä, e '1 ver vi conto chiaro.
^ Se la fortuna 7ni arriderä.
2 II fiume Era.
3 Anzio, cioe: anzia.
* Portiaro, per portiere.
^ Queste parole sono sottosegnate nel Ms. 942.
^ Ansianatico = anzianato; cioe il corpo degli anziani.
^ Attenduto, cio^: avvisato.
688
A. PELLEGRINI,
17.
E preti e frati con arlique^ e croce
AI sacro imperio ognuno se n' invia
Cantando „ozanna" con pietosa voce,
Tanto che giunti furono a Rozia;
Lo imperador con quel popul veloce
Fersi gran festa, per la fede mia,
E poi le chiavi all' imperier donaro
E la cittä, ch' e sua, 1' appresentaro.
18.
Molto li ringvaziö 1' imperadore
E 'n verso la cittä furo avviati
Et allogglarlo della porta fuore
Santo Agostino, e quine son fermati
Un^ palassotto e quine con honore
Lo imperio fu e i baroni ismontati,
E 1' altro giorno visitö il palasso:
Di sua venuta fersi gran sollasso,
19.
Quando cognobber sua benignitade
Quel venerabil populo Senese
Vedendo in lui si grande umilitade,
E come perdonö tutte le ofFese
Del padre suo e le cose passate
Di tucto ciö si fe' carte palese;
La fedeltä li die grande e minore
E confermarlo in tutto lor signore.
Stando a Siena il sagro Imperadore
Le spese si son fatte, s' io non erro,
Dal populo Senese di valore
Et ogni di si dan, com' io disserro,
Cento ducati al suo ispendilore
E di una cosa giä non prendette zero
Ch^ da palagio la sua propria mensa
Vizitata era d' ogni sua dispensa.
21.
Stava r imperio a Siena con gran festa
Perch^ si vede da lor molto araare,
E '1 popul fiorentin fa gran tempesta
Delle castella lor gran disertare;
L' imperador a sua gente rubesta
Le scorte de' Senesi accompagnare
Faceva spesso ove bisogua aitarsi
E co' nimici piii volte urtarsi.
22.
E si vi giuro a Dio padre divino
Che sempre ritornar con grand' onore ;
E trovarsi con quel da Tolentino,
Che gli assaltö, et ebben la peggiore,
A Castel selvo ove il paladino
Malico conle moströ suo valore
E di prigion menö una partita
Con sua todesca giente forte e ardita.
23-
In questo tempo il folle traditore,
Che Pietrasanta si facea chiamare,
Figliuol di Tede, intendi mio tenore,
Era da Pescia e faceäsi appellare
Da Pietrasanta; quel gran cianciatore
Alcuna volta Luchese nomare
Ancor si feva^, per la gola mente
Che mai ne fu ne lui ne sua giente.
24.
Honore assai a Siena riceveo;
Conestabil fu facto per bontade
Di me scrictor e poco honor mi feo;
Una fortezza bella in veritade
A guardia e trenta paghe concedeo
A sua persona e le prestanse date.
A guardia il mandar a Monte castello
Di sopra a Broilo che d' e un bei
gioiello,
25-
Di lungi a Siena, siccome mi pare,
Di cinque miglia quel castel* ben posto;
Giunto coslui non vi vuol troppo stare;
Co' Fiorentini accordato fu tosto.
Un suo fratel, che si facea chiamare
Jacopo da Sanese, el fu proposto
A' Fiorentin^ parlarc, et, accordato,
In nclle lor niaui il castello ha dato.
1 Arlique, per reliqie.
2 Sott.: a.
3 Feva, per faceva.
* Sott.: h.
^ Sott.: per.
IL PICCININO.
689
26.
E a Firenze costor Si se n' andaro,
Toccar denari e cento paghe fero;
Fiorentini al castello ordinäre
Di quattrocento fanti, a dire il vero,
Fino alle porte di Siena rubbaro
Di molta robba e non avean pensiero,
Poiche fatta la preda ognun fuggia
Et a Mote Castel si riducia.
27.
AI populo senese fe' gran danno
Questo Castel, ma '1 sacro imperadore
V andö ad oste^ per trarli d' affanno,
Ma gik di quel castel non ebbe onore;
Presene un altro, e non con molto danno,
De' Fiorenlin, come dice 1' altore:
Lucignanel faceasi chiamare,
Misselo a sacco e fecelo spianare.
28.
A Siena torna sanza dimorare
Quel sagro imperio con tutta sua gente
E tende sua persona a riposare ;
In questo il paladin tutto valente,
Che Michelecto si facea chiamare,
Sopra i Luchesi, se '1 mio dir non
niente,
Sopra i Luchesi questo cavalcava
Per dare il guasto a tutta la lor biava'^.
29.
Dicerto ancor Micheletto sapeva,
Perch^ 1' imperio aveva accompagnato,
Che nella terra gente non v' aveva
Se non da piedi alcun pover soldato;
Un suo concetto in nel suo cor faceva:
La cittä intorno avere assediato
Ch^ femina nfe uomo possa uscire
Che non convenga alle mie man venire.
30.
Era di Luglio quando il feroce Orso
Arrabbiato con suo guerrier sovrani,
Con tre miglia cavalli e piü fer corso
Per dare il guasto ai poveri Lucani,
Ma e' ne ricevette crudel morso
Da i cittadin valorosi et humani
E dal Conte pisan dal Ponte d' Era^
Che a Lucha giunse dinarti la sera.
31.
La sera innanti giunse il baron saggio
E r altro di poi venne Micheletto,
Eravi Stefanon col chiar vizaggio
Con sessanta cavalli sanza difetto;
Tanto tien Micheletto suo viaggio
Con la sua baronia, '1 baron perfetto,
Ch' a Sant'Anna in Piagge fii arrivato,
II guasto dando al grano in ogni lato,
32.
E seco avea trecento guastatori
E mille fanti a pie tutti leggieri
Sanz' arme indosso come corridori
E di molt' altri armati a tal mestieri;
Con lancie lunghe i primi feritori,
Targoni appresso e connestabil fieri
E balestrier sotto al Targon venieno,
E i guastator 1' ufficio lor facieno.
33-
In questa cittä venne a salutare
Capo de' guastator, Caramigosta,
Per volere i Luchesi meritare
De' gran servigi avuti sanza sosta,
E Petrasanta il volse secondare
Tagliando il miglio per piano e per
Costa,
E Micheletto con sua gente armata
Stava in sul fiume, la franca brigata.
34.
Veggendo ciö, quel Pisan conte ardito
II popul fece armar con gran furore,
Di porta San Donato si fu uscilo;
Ben la seguia quel popul di valore,
Armato ben ognun per tal partito,
E Stefanone armato venia fuore,
E '1 conte, come capitan pregiato,
In verso il fiume* il populo ha gui-
dato.
* Intendi: vi andö cotrö come nemico.
2 Biava: leggi, biada.
ä Niccolö da Pontedera.
* II fiume Serchio.
Zeitschr, f. rom. Phil. XXV.
4 +
bgo
A. PELLEGRINI,
35-
Sempre a vantaggio il conte lo giiidava,
Un argin ^ che comincia all' Imperiale
E fine al fiume 1' argine durava:
II popul tutto in SU quell' argiu sale
E le balestre ciascun caricava,
E co' targoni quel popul reale
Con lande lunghe, ronchon bolognesi,
Contra i nimici arditi stanno attesi.
36.
Armati tutti ben di gran vantaggio
Que' cittadin valenti e poderosi
Verso i nimici tenseno- il viaggio,
E Micheletto e suoi non für nascosi:
Ver' lor venia con allegro visaggio
E 'n sul Serchio affroutarsi coraggiosi
E 1' uno all' altro mostrava suo ardire,
Ma que'Lucchesi facean gran ferire.
37-
Con verrectoni spesso salutando,
Li lor nimici fanuo risentire,
E tal fere^ con lance e tal con brando,
Ciascun sua possa* mostra, a non
mentire;
I buon Lucchesi li vanno incalciando
E Micheletto allor s' ebbe a scoprire;
Ver' lor venian con allegro cuore
Ognun pensava d' esser vincitore
38.
Sopra i Lucchesi, siccome valenti,
Di lor facendo dannaggio^ spietato
E raolti de' Lucchesi fer dolenti
Si crudel fu 1' assalto a tal mercato;
Ferian tra lor que' nimici caldenti:
Ver' della terra i Lucchesi han voltato.
Niccolö da San Piero li seguiva
(Morti e feriti assai cader faciva)
39-
Fine alle porte con gran
Facendo de' Lucchesi gran dannaggio;
II valoroso e nobil conte Antone
Addolorato stava in nel coraggio,
In sulla strada allor si attraversone,
Quel valoroso conte, per vantaggio
Del popul ch6 non fusse tutto preso;
Quivi fermossi di dolore acceso,
40.
E si giurava a Dio, quel Padre Santo,
Che mai si partirä di su quel piano
Che vedrä'n salvo luogo tutto quanto
II valoroso populo Lucano.
Con lancia arrestata^ giunse in tanto.
l^iccolö da San Pietro, quel sovrano:
„Che farai, conte, vorrai pur morire?"
Rispose il conte: ,,Io tel farö sentire".
41-
Colla spada in man valente e ardito
Sopra di lor si mette francamente;
Lo scampo fu di quel popul ardito
La persona del conte solamente.
Una cosa era quivi a tal partito
Della quäl forte dubitava niente:
N6 dubitava che agguato vi fusse,
E come mastra' volpe si ridusse
42.
In verso il Serchio con la sua brigata;
II conte verso la cittä tornava.
In verso de' Lucchesi fiso guata,
Poi altamente in ver' di lor parlava:
,,Andar piii non si vuole all' impassata
„Drento alla terra"; poi con lor tor-
nava
Dicendo loro: ,,I1 troppo grande ardire
„Vi ha fatto oggi presso che perire."
43-
Per fino a mezza notte si posaro
Que' cittadin col conte di podere*;
A mezza notte poi si si levaro
E für col conte per voler sapere
Come vi fusse per pigliar riparo,
1 Sott.: esiste.
2 Tenseno, per tennero.
3 fere o fiere ferisce, da fierere, desinenza antiquata.
* Possa, Sostant.
^ Dannaggio, per danno.
^ Arrestata: messa in resta.
' Mastra. Contraz. di maestra.
^ Di f ödere ; ciofe, che avea potenza.
IL PICCININO.
691
E '1 conte disse che sanza temere
La porta in Selci tosto sia smurata,
Che 'n ver' Firenze va sua propria strata,
44.
Perche daranno il guaslo da quel lato:
„E noi r assalterem copertamente."
Cosi fu fatto com' ebbe ordinato
E fussi misso' in punto tutta genta;
Suo sforzo fece il populo pregiato
Armati - tutti, se '1 cantar non mente ;
E come fu iscbiarato il mattino
E Micheletto fe' il detto Camino
45-
E '1 guasto die 'n fine in sulle porte
E '1 conte avendo tale affar veduto,
Col populo usci fuor per cotal sorle
Per vendicare il danno ricevuto;
Assaglinuo^ valentemente e forte
Quel Micheletto di valor compiuto
E per Costa via 1' hanno assaltato,
E Micheletto s' h maravigliato.
46.
Vedendosi condutto a tal Zimbello*
Non ebbe mai tal duol alla sua vita,
A sua gente gridava, il baron belle:
„Ferite forte o mia brigata ardita",
E punse il suo destrier forte et isnello
E tra' Lucchesi entiö per tal partita.
Un uomo d' arme in nel petto feria
Per tal virlü, che 1' usbergo partia
47-
E ogni sopravesla gli ebbe rotto
E malamente si 1' innaverava
E del destrier fu caduto di botto
Perche '1 destrier di retro si scosciava
Ed ei fu risalito in pie di botto,
Alla tagliente spada man cacciava:
„Lucha Lucha, gridava chiaro ex-
perlo,
„Oggi Sarai, Micheletto, diserto."
48.
Or quine ritto fu sanza dimoro
II valoroso conte alla primiera,
Arditamente si misse fra loro
E feritte un baron di tal maniera
Che del caval cascö per tal tinoro;
A quel uom d' arme suo con buona
cera
Li presentö '1 cavallo prestamente.
Su vi sali quell' uom d'arme valente.
49.
Fra San Bernardo e Lucha la cittade
Era lo stormo del popul gagliardo,
Ferir di lance chiavarine^ e spade
Feriva il popul, non come codardo,
Abbattendone assai per quelle strade,
E '1 conte Anton, piü her che Leöpardo,
Feriva forte, quel paladin hello,
Di quella gente facendo macello,
50.
E non trovava a sua possa riparo
Tanl' era ismisurata sua forlezza,
E '1 populo vedean lor valor raro
Mostrando sopra lor la gran franchezza,
Tanto che indreto alquanto rincularo
Li lor nimici, e lor con gran fierezza
Li seguitavan come gente ardita
Et a molii di lor togliean la vita.
51.
II conte dilungar non si volea
Dal populo perch' era tutto a piede,
Ma con pian passo i nimici seguia
E que' di Micheletto ben richiede
E Micheletto in se grand' ira avea;
Volse il deslrieri in verso il conte, fiede^
Colla sua gente in verso il conte dolto
Sieche pedone' il fe' cader di botto.
52.
II popul tutto allotta ebbe paüra
Che il valoroso conte non sia morto;
^ Misso, per messa.
* Sott : essendosi.
3 AssagUmio, cioe: assalirono.
* Zimbello: allre volte dice, ciinbello.
^ Chiavarine, o cl)iaverine; e un' arme.
^ Fiede, per fende.
' Intendi: siecht, esseudo a piedi lo fece etc.
44*
692
A. PELLEGRINI,
Addosso agli inimici sanza cura
Si misse allotta quel populo accorto
E mettean lor persoue alla Ventura
Vedendo il conte a si malvagio porto,
E '] conte in piede era giä risalito;
Ben si difende quel barone ardito.
53-
I buon Luccbesi feron sua difesa,
Altramente sare'i preso e legato
II nobil conte, tant' era 1' ofFesa
Di Micbeletto fiero e dispietato.
Quel populo feriva alla distesa
Tanto che il conte a caval fu montato.
Oh quanto fe' d' arme quel guerriere
(Ch' era una gran meraviglia a vedere)
54-
Verso i nimici con la lancia bassa!
Un colpo dona a un con tal podesla
Gittollo^ in terra e tutto lo fracassa;
Poi secondava un altro sanza resta,
Giä non sembrava la sua forza lassa,
Com' un torso il mandava alla cam-
pestra
E '1 terzo abbatte e '1 quarto non si
finse,
Fuor deir arcion a suo dispetto il
pinse.
55-
Con alta voce „Duca" allor gridava;
Ben lo seguia il populo Lucano,
Con lor balestra assai ne naverava
E Micheletto, quel baron sovrano,
Vedendo come il popul danneggiava
La sua brigata, e morti assai in sul
piano,
In>maginava in fra s6 stesso 1' affare.
In tanto un balestrieri a disserrare
56.
.... dieci nuce un grosso verrettone
D' una balestra, Badessa vocata,
La testa d' un cavallo e poi 1' arcione
E le piastre d' acciaro e la corsata
Fuor dreto il ferro trapassone
E per colui fu 1' ultima giornata:
AI lato a Micheletto cadde morto.
Vedendo ciö quel capitano accorto,
57-
Fra sä medesmo si facea consiglio:
„A volere star qui son troppo matto
„E questo popul m' ha messo al pe-
riglio;
„Di cavalli e di gente m' ha disfatto
,,Unde me stesso di ciö mi ripiglio^
,,D' esser venuto qui per questo tratto
„Perche costoro son dispietata gente
,,E guadagnar io non ci posso niente,
58.
„Unde a me questa cosa gosta cara;
,,Doppi vantaggi han contra me costoro
,,E non intendo piü voler tal gara;
,,Li miei caval son morti, e che ristoro
„N' avrö da i Fiorentin per tal ri-
para?"
Con tal cogitazion sanza dimoro
Fece le trombe a ricolta sonare
E in ver' Firenze prese a caminare.
59-
E col populo il conte segui drieto
Un poco e poscia volse suo destrieri
E 'n verso la cittä col popul lieto.
E Micheletto segue suoi sentieri;
Drento di s6 diceva piano e quieto,
Quel valoroso e nobil cavalieri:
„Contra i Lucchesi mai piü voglio
andare
,,Per lor terre giammai dannificare,*
60.
,,Ogni volta ce u' ho una picchiata
,,Che Jesu Christo per loro arme
prende*
„Unde ch' io fermo in me questa pen-
sata,
ficare.
1 Sare', per sarebbe.
^ Leggi: che lo gettö etc.
^ Mi ripiglio: mi rimprovero.
* Dannificare. Dali' aggetivo lat. dainnificus ha coniato il verbo danni-
* Prende. Intenderei, prende parte.
IL PICCININO.
693
„Che mai per me quella cittä si offende
„Ma sempre mai per me fia riguardata.
„Veggio che '1 volto Santo la difende,
„Ch' egli hanno la ragione, perö Dio
„La vuol campar d' ogni tormento rio."
61.
In ver' Firenze costui se n' andoe
E '1 populo Lucchese drento entrato
Con quel valente conte che dett' 6e;
D'inde^ a parecchi di, ch' e riposato,
II conte poi a Milan se n' andoe.
Vogliol^ lassare e sarö ritornato
AI sagro imperator, maestä pia,
Ch' egli ebbe da Firenze imbasceria.
62.
I Fiorentin mandaro un messaggieri
AI sagro imperio, come tu udirai,
E dielli libertä a tal raestieri
Che sanza pace non ritorni mai,
„E ciö che fai con quel sagro impe-
rieri
„Avrem per fermo e rato^ quel che
fai."
E giimto a Siena quest' imbasciatore
Si fu davanti al sagro imperadore.
63.
Sud sermon porge dolce umile e lieve
Che suo saluto mai non ebbe pareggio
Con le parole sue tardate e grieve:
„Saluti Dio imperio e tuo baronaggio,
„Di cui messaggio son dirolti brieve*
„Collo aspetto sereno chiar visaggio;
„Del popul fioretin son messaggiero,
„Per pace manda a voi giusto impe-
riero."
64.
E se r ebbe incantato prestamente
E di secreto insieme si parlaro,
Poi co' Senesi parlö francamente
L' imperador, e breve s' accordaro;
Di ciö che fa non contrastare^ niente;
Poi a' Lucchesi quell' imperier caro
Iscrisse come accordati ci avea
Co' Fiorentini come a lui piacea.
65.
E tosto feron montare a cavallo
Due cittadin sanza troppo indugiare:
Messer Ceccardo fu 1' un, sanza fallo,
Nicoiao Burlamacchi, a non cianciare,
Fu r altro cittadin a cotal ballo;
E '1 general consiglio sanza stare
Comandö lor che sanza stare niente
In fine a Siena vadan di presente:
66.
„E si direte all' Imperier sovrano
,,Che quando fu in questa nostra terra
,,Noi li dicemmo che noi eravamo
„Co' genovesi in legha et che la guerra
„Prese per noi quel popul sovrano:
,,L' altro, che ci ha levato la gran
guerra
,,Da dosso il franco Piccinin glorioso
„Di Milan duca® signor valoroso.
67.
,,E non dobbiam per lo certo
„E sanza lor non possiam tal cagione
,, Firmare, e ciö sapete per lo certo
„Che sarebbe atto di gran tradigione
,,E non sarebbe render degno merto,
,,Rendendo mal per ben non e ragione,
,Provvedete per voi come vi pare;
,, Nostra promessa non vogliam mancare.
68.
,, Imperador magno fiero e giocondo
,Non esser di tal cosa disdegnato
„Perche ciö non farem per tutto il
mondo,
,,Mai mancar si vuol la fede in niun lato
„E chi la raanca giä piü volte al fondo
,,Se ne son giti che non han pensato
„Dell' avenire e tengon mal Camino:
„Ognun si chiama poi tristo e tapino.
1 Inde. Voc. lat. — Intenderei; di li a etc.
* Vogliol, cioe : lo voglio.
3 Rato, cio^: ratificato.
* Dante (I, 3, 45): Dicerolti molto breve.
5 Contrastare. Leggi, contrastano.
8 Sottintendi: capitano del Duca di Milano etc.
694
A. PELLEGRINI,
69.
„Ma chi mantien la cosa patteggiata
„L' alto Dio sempre difende suo seggio,
„Siecht signor di ciö non far pensata
„Che avanti sosterremo di star peggio
„Che mai la nostra fede sia mancata.
„Non provedete piü a nostro remeggio^
„Provedete per voi come vi pare
„E noi lassate pure in pace stare."
70.
L' imbasciatori ognuno fu chiamato
E breve a Siena egli ebbono arrivare,
Davanti all' imperier ciascun fu andato;
Messer Ceccardo, senza dimorare,
Con reverentia 1' ebbe salutato:
„Quel gloiiöso Iddio, che non ha pare
„Salvi e mantenga in istato giocondo
„II franco imperador nostro Gismondo",
71.
E poi contava tutta 1' imbasciata.
Lo imperador quando tal cosa udiva
La faccia sua moströ tutta turbata,
Poi a sua gente presto si volgeva:
„Questa Lucana gente e rubellata
„Dal mio volere, et io per lor faceva
„Piü che per me e ciö ben lo sa Iddio,
„Et or non voglion far ciö che voglio,
72.
,,Ma anco li pagherö di tal mercato."
Messer Ceccardo quando 1' ascoltava:
„Santa corona in ciö non si' adirato,
„Cotal novella a noi tutti aggrava;
„Niuno Luchese mai fu chiamato
„Traditor (e cosi ver' lui parlava)
„E nostra faraa vogliam mantenere,
„Ciö non dobbiate avere a dispiacere.
73-
Li congregati baron e donzelli,^
Principi, cavalier di grand' affare,
E de' Senesi v' eran ancor con elli,
Udendo de' Luchesi il bei parlare
Molto lor piacquer que' sermoni belli.
Poi queir imbasciador di grand' affare
Fursi partiti, al palagio n' andaron
Et a' signor di Siena si parlaron.
74.
Com' ebbono con lor parlaraentato,
II general consiglio s' adunava
E la proposta quäl' io v' ho contato
Del sacro imperio quine si contava.
Della gran fedeltä maravigliato
Ciascun si era e molto commendava
Que' buon Luchesi per popul valente
E poi preser consiglio prestamente
75-
Di non voler la pace, ma volere
Far come fece il populo Lucano;
E tal consiglio s' ebbe ad ottenere
E quando fu all' imperier certano,
Di cotal cosa fugli a dispiacere,
E a que' Fiorentini a mano a mano
Ch' eran ambasciator quivi venuti
Acchumiatati funno e dipartuti.
76.
Poi nostri imbasciador non dimorando^,
Avendo fatta tale operatione
Avanti all' Imperier für, poco stände,
E chieserli chumiato in ginocchione
La lor cittä a lui raccomandando
E dipartirsi sanza responsione;
Ma pur per lor bontä non ebbe
effetto
De' Fiorenlin il lor falso concetto.
77-
O duca di Milan ben puoi star chiaro
Del populo Lucan che faccia tanto ;
L' effetto n' hai veduto a tal riparo,
E veramente ti puoi tu dar vanto
D' aver piii bei gioiello, o signor raro,
Che sia nel mondo, e la ragion di tanto
Ti assegnerö qui ritta di presente:
Di terre esser signore non e niente;
1 Remeggio. ]fe proprio delle ali degli uccelli. Qui forse il poeta 1' usa
metaforicamente.
2 Donzelli. Nome che si solea dare al giovane aspirante a divenir cava-
liere: il vocab. deriva da domnizellus della barbara latinitä.
3 Dimorando, per indugiando.
IL PICCININO.
695
78.
Avere il cuor dell' uomo e con fer-
mezza:
Questo e ricco gioiello e ben fornito.
Sempre mi stia in nel cuor tal dol-
cezza.
Vedendo in tal virtü di se vestito,
II populo Lucan di somma altezza,
Per fame^ ne' per guerra isminuito
Mai si trovö di fede e lealtade
Quel popul pien d' infinita bontade.
79-
Messer Ceccardo a Luclia ebbe arri-
vare.
Or ritorniamo al sagro imperadore
Che non petendo sua volontä fare
Di quella pace ch' io dissi il tinore,
Prese partito volersene andare
Verso di Roma per lo suo migliore.
Dal populo di Siena^ accburaiatato
Et a sua gente poi ha comandato
80.
Ch' ognun s' invii, ch^: ,,a Roma vo'
passare
„Poiche i Luchesi gente valorosa
„Non m' han voluto a nuUa contentare
„Et hanno rotto mia impresa gioiosa,
„Per tutto ciö io non vo' tralassare
„L' impresa mia cotanto gratiösa
„D' andare a Roma a prender la corona,
„O rimanervi morta mia persona."
81.
Egli era acceso d' ira e di dolore ;
Tutta sua gente fece tosto armare,
Poi comandava lor sanza romore
Che il cariaggio si faccia avviare,
Poi ver' porta roffana con furore
Prese la maiestate a cavalcare
E la sua giente drieto la seguia
E verso Roma si presen la via.
82.
Lassiam costoro e si torni al Picciuino
II quäl lassai in Voltolina andare,
Quince portossi come un paladino
Com' e usanza sua persona fare
E la sua gente per cotal latino
Ben seguitaron suo buono operare.
De' Ventian quasi tutta lor gente
In Voltolina stava francamente:
83.
Quattro miglia caval, come il dir suona,
E da sei miglia fanti si trovava
De' Venetiani tutta lor gente buona.
Questi il paese lombardo guastava,
Per tutto ardendo, come il mio dir
suona ;
E capitan di questi si trovava
Messer Giorgio Cornerio Venetiano,
Taddeo Marchese e Talian Furliano.
84.
Ben si trovava in questa compagnia
Da Martenengo Cesar, buon guerrieri,
E Lippo Topo, per la fede mia,
Con le lancie spezzate arditi e fieri;
Daniel Sarasin di Lubonia,
Messer Carlusso il gentil cavalieri,
II Grasso da Vinegia et Antonello
Christofano dalla Motta, baron belle.
85-
E '1 Piccinin tutta via cavalcava.
Per la valle altro orso fu entrato.
E contra i suoi baron si rivoltava
E comandö che ognun sia tosto armato
Se alcuna cosa al loro armar mancava
Di tutto punto ognun fussi acconciato.
Quando i nimici viddon tal compagna
Armar si corse la brigata magna.
86.
Messer Giorgio Corner, per tal sermoni,
Alla sua gente fece comandare
Che cavalier caporali e pedoni
Ogmm dovesse a sue schiere tornare
Sotto lor capitan, que' pro' baroni,
E cinque schiere fenno, a non cianciare,
Sanza la pedonaglia che Pigliardo
Capitan de' pedoni 6 sanza tardo.
87.
E li villan rimaseno alla guardia,
Serrar la valle con fiero rimiro.
II Piccinin con sua gente gagliarda
^ Leggi: Ne' per fame ne' etc. - Sott.: si e.
696
A. PELLEGRINI, IL PICCININO.
Fece tre schiere e poi 'n ver' lor ne
giro
Et assalitte, ch6 niente ritarda,
Facendo lor portar grieve martiro,
E quei del Piccinin, sanza alcun fallo,
Non furon du' miglia uomini a cavallo.
88.
Mille pedoni avea quel guerrier drudo
Tutti per ala fra '1 monte e '1 terreno;
Ogni pedono e dispietato e crudo.
Spiegaronsi i pennon con gran veleno,
Chi palmeggiava lancia con suo scudo
E '1 Piccinin com' uom di valor pieno
Verse que' Venetian con 1' asta bassa
Isprona il suo cavallo e tra lor passa.
89.
La lancia ruppe al primo che scontrone,
Poi con la spada, non come codardo,
Di rieto a lui ciascuno suo barone
Ben lo seguiva senza alcun ritardo
Ferendo ognun siccome pro' campione,
Ardito ognun valoroso e gagliardo.
Neil' altro canlo dirö la battaglia;
Christo vi guardi d' ogni ria travaglia.
Finito lo sesto canto.
(Continua.)
A. Pellegrini.
Deux details du Bestiaire de Philippe de Thaun.
I. La source des vers 2977 — 3004.
Dans mon edition du Bestiaire de Philippe de Thaun, je nie
suis a dessein abstenu de faire des recherches sur les sources du
poeme de Philippe. Sans compter une courte esquisse de l'histoire
du Physiologus (p. xxiv — xxxi), dont le Bestiaire n'est en somme
qu'une traduction, je me suis borne, — en attendant l'^tude
annoncee par M. Andre Beaunier sur les sources des bestiaires
fran9ais du moyen äge, — ä renvoyer ä l'article de M. Max
Fr. Mann, Der Physiologus des Philipp von Thaibi und seine Quellen,
AngliaVII, IX, et ne cite, dans mes notes, les autres r^dactions
du Physiologus que lä oü elles peuvent rendre Service pour l'^ta-
blissement du texte de Philippe (voy. mon Avant-propos). Qu'il
me soit pourtant permis de dire ici quelques mots sur un passage
de ce texte, lequel aurait eu besoin d'une note explicative — que
je n'etais cependant pas ä m^me de fournir a l'epoque oü je publiais
mon livre.
Dans les vers 2977 — 3004 Philippe traite, a la suite de l'article
sur l'A'imant, des douze pierres precieuses ornant les fondements
de la Jerusalem Celeste (l'Apocalypse XXI, 19 — 20). Philippe in-
dique, en des termes tres brefs, la signification mystique de chacune
de ces pierres, mais ne dit rien ni des qualites medicales attribudes
dans les plus anciens lapidaires ä ces pierres, comme ä un grand
nombre d'autres, ni des propridtes morales que leur assignent les
lapidaires post6rieurs, d'esprit chretien.
C'est M. Gaston Paris ^ qui a le premier appele l'attention sur
les vers suivants de Philippe:
, . Si alt lire de Lapidaire
Ki est [ja] estrait de gramaire (3007 — 8),
par lesquels le poete renvoie ä une traduction fran^aise du lapi-
daire ant6rieure ä l'epoque oü il ecrivait (vers 11 30), et qui, selon
l'avis de M. Paris, vraisemblablement n'6tait autre que le premier
des lapidaires franc^ais publi6s par feu L. Pannier^. Cette sup-
position est rendue encore plus probable par une comparaison
* Notice preliminaire sur les Lapidaires de Pannier, p. vii s.
2 Bibliotheque de VEcole des Hautes Etudes, fasc, 52.
698 E. WALBERG,
des vv. 3005 — 6 et 3031 — 2 de notre Bestiaire avec les vv. 25 — 6
et 859 — 60 du Lapidaire en question. Les voici:
Best. Lapid.
Ki plus volt saveir de cez pieres, , . Ke fu de nature de pieies,
[De] lur vertuz e lur manieres . . De lor vertuz, de lur maneires.
Del ciel la rusee receivent, La rosee del ciel receivent
De cele enpreignent [e cunceivent].' E de ce les pieres cunceivent.
IMais, comme le remarque M.Mann, Anglia IX, 421, ce lapi-
daire ne donne pas d'interpretation all^gorique des pierres, et
aussi dans les autres lapidaires elles sont traitees d'une tout autre
fa(,:on. Les Physiologi latins n'en disent rien, et, d'ailleurs, la
maniere d'interpreter est, dans le passage dont il s'agit, toute dif-
förente de celle du Physiologus et des autres chapitres du Bes-
tiaire.2
Je crois maintenant avoir trouv6 la source oü Philippe a pris
le sujet de cette digression. Entre les vers 3004 et 3005 sont
places, dans le ms. de Londres, — le seul qui nous ait transmis
cette partie du texte, — seize vers octosyllabiques latins, que j'ai
imprimes ä la page cxii de mon Introduction. Eh bien, en par-
courant, il y a peu de temps, le Marbodi Liber Lapidum seu de
Gemmi's ... ühistrahis a Johanne Beckmanno, Gottingge 1799, j'ai re-
trouv6 (p. 136 — 7) ces vers, qui forment ici la fin d'un petit poeme
de seize strophes, intitul6 par Beckmann Marbodi Redotiensis Epi-
scopi Prosa, et traitant des douze pierres de l'Apocalypse.
Pannier raentionne cette prose"^ mais n'en cite que les deux
Premiers vers. Bien qu'elle ne porte aucune rubrique, Pannier in-
clinait ä croire que Beckmann avait eu raison en l'attribuant ä
Msrbode. „II ne serait pas impossible que dans ses demieres
annees Marbode, pour faire oublier l'impiete de son premier lapi-
daire, se füt mis ä composer ww^ prose selon les id^es de rEglise."4
Le manuscrit qui contient la prose en question est le ms. A
de Pannier, Bibl. Nat. lat. 14470, ancien Saint-Victor 310. Elle y
occupe presque tout le feuillet 36.5 Avant Beckmann, eile avait
6te publice par A. Beaugendre dans son livre Hildeberti et Marbodi
Opera, Paris 1708 (in-folio), et en realit6 Beckmann semble s'etre
contente de r^imprimer le texte de Beaugendre. Beckmann s6pare
quelquefois le v et le j de Vu et de \i et r6sout l'abr^viation &"
= et, ce que n'avait pas pas fait Beaugendre; outre cela, la seule
difKrence entre les deux textes consiste en ce que le dernier mot
^ La le^oti visiblement corrompue de l'unique ms. de Londres, De cele e.,
de cel veient, a ^t6 corrigce par moi ä l'aide du Lapid. (voy. mes notes).
2 Cf. Maun, Anglia VII, 428.
^ L. c, p. 219 s.
* Pannier, l. c.
* II y en a une autre copie dans le ms. de Bruxelles 2834, voy. Pannier,
l. c, p. 220. — Selon Pannier, ibid., cette prose aurait dix-sept versets ; dans
tous les cas eile n'en a que seize dans le manuscrit de la Bibl. Nat.
DEÜX DETAILS DU BESTIAIRE DE PHILIPPE DE THAUN.
699
de la Strophe 14 se lit chez Beaugendre poterit, chez Beckmann,
peterit. La ms. porte poterit.
M. le professeur C. Wahlund, dont tout le monde connait
l'intarissable bonte, a eu l'obligeance de faire pour moi une nou-
velle copie de cette piece, laquelle differe par plusieurs menus
details des 6ditions mentionn6es. J'imprime ci-dessous, Tun a cöte
de l'autre, la prose latine et le texte de Philippe de Thaun. Pour
las dernieres strophes, non traduites par Philippe (cf. ci-dessus), je
place aussi les deux versions latines en face l'une de l'autre.
Le ms. lat. 14470 ecrivant le plus souvent e pour ce. [ae), je
resous toujours l'abr^viation p par pre. Je ne releve pas, dans les
variantes, les cas ovi Beckmann imprime ce [ce) pour e, y pour i.
I. Cives celestis patrie, [fol. 36 r"] (2977. Duze pieres at en cest munt
Regi regum concinite, Ki mult grant demustra[isun unt];
Qui est supremus opifex Ne larai brievement ne die
Civitatis uranice, De chascune que signefie:)
In cuius ssdificio
Consistit liec fundatio.
IL Jaspis coloris viridi
Prefert virorem fidei,
Que in perfectis omnibus
Numquam marcessit penitus,
Cuius forti presidio
Resistitur diabolo.
III. Saphirus habet speciem
Celesti trono similem,
Designat cor simplicium
Spe certa prestolantium
Quorum vita et moribus
[Refulget et virtutibus].
IV. Pallensque calcedonius
Ignis habet effigiem,
Subrutilat ia publice,
Fulgorem dat in nubilo:
Virlutem fert fidelium
Occulte famulantium.
V. Smaragdus virens nimium 2987. Esmaragde demustre fei
Dat lumen oleaginu[m]: Que [li] crestiens at en sei;
Est fides integerrima
Ad omne bonum patula,
Que numquam seit deficere
A pietatis opere.
I, 3 B{eckmann) supremus est — 11, \ B colore
III, 2 B ihrono — 6 ajoute au crayon, probablement par Beaugendre,
"V, 2 B oleaginum, sans remarque.
>i. Jaspe rüge demustre amur,
[L]a verte, fei, blanche, dulcur;
2983. Saphires mustre ki fei at
Que ensemble od De regnerat;
2985. Chalcedoines ki est fiün
Mustre qu'od De serum veisin;
700
E. WALBERG,
VI. Sardonix constat tricolor:
Homo fertur interior
Quem denigrat humilitas,
In quo albescit castitas;
Ad honestatis cumulum
Rubet quoque martirium.
VII. Sardius est puniceus;
Cuius color sanguineus
Decus ostentat martirum
Rite agonizantium.
Sextus est in catalogo,
Crucis seret misterio.
2989. Sardonix mustre chastee
Entre sainz [e] humilit^;
2991. Sardius mustre [la] dolur
Qu'el niunt ourent pur De amur;
2993. Crisolite, [vie] Celeste
[Qu'avrunt aprof] vie terestre;
2995. Beriz demustre espurgement
Que Saint pronuncierent a gent;
VIII. Auricolor chrisolitus
Scintillat velut clibanus:
Pretendit mores hominum
Perfecte sapientie;
Qui septiformis gratiae
Sacro splendescit jubare.
IX. Berillus est limphaticus,
Ut sol in aqua limpidus:
Figurat vota mentium
Ingenio sagatio;
Quid magis übet misticum
Summe quietis ocium?
X. Topacius quo carior [fol. 36 V''] 2997. Topacius nus signefie
Eo est preciosior; La corune de sainte vie;
Nitore extat criseo
Aspectu et sethereo :
Contemplative solidum
Vite prestat officium.
XI. Crysoprassus purpureum
Imitatur concilium;
Est intertinctus aureis
Miscello quödam guttulis;
Hoc est perfecta Caritas
Quam nuUa sternit feritas.
XII. Jacinctus est ceruleus,
Nitore medioximus,
2999. Crisopassus mustre luier
Que 11 Saint ume avrunt mult chier ;
3001. iacinctus mustre luur
Que li Saint unt del creatur;
VII, 6 B h^ret
2993 ^^- ^'^^ — 2994 Ms. Qui ourent out v. t.
IX, 4 Corr. sagatium; B sagacium, sans remarque aucune. — 5 -^ Quod
6 B ostium (f. otium)
X, I Corr, rarior \B)
XI, 2 concilium pour conchylium
DEUX DETAILS DU BESTIAIRE DE PHILIPPE DE THAUN.
701
Cuius decora facies
Mutatur ut temperies:
Vitam signat angelicam
Discretione preditam.
XIII. Ametistus precipuus
Decore violatius
Flammam emittit auream
Nitellasque purpureas:
Pretendit cor humilium
Christo commorientium.
XIV. Hü preciosi lapides
Carnales signant homines,
Colorum et varietas
Virtutum multiplicitas.
Quicumque his floruerit
Concivis esse poterit.
XV. Hiserusalem pacifera
Hsec tibi sunt fundamina.
Felix Deo et proxima
Que te daretur anima.
Custos tuarum turrium
Non dormit in perpetuum.
XVI. Concede nobis, agye
Rex civitatis celicse,
Post cursum vite labilis
Consorcium in superis!
Inter sanctorum agmina
Cantemus tibi cantica.
Amen.
3003. Amatistus mustre, 90 qui,
Le martire que Deus sufri;
L (roiige) Hie preciosi lapides
Carnales sign(ific)ant homines,
(tio/'r) Colorum et varietas
Virtutum multiplicitas.
[Et is] qui his floruerit
Concius esse poterit.
Z (no/r) Jerusalem pacifera
Hec tua sunt fundamina.
Felix et imo proxima
Que te raeretur anima.
Custos tuorum turrium
Non dormit in perpetuum.
L (noir) Concede nobis, agie
Rex civitatis celice,
Post metam [vite] labilis
Consortium cum superis!
Amen.
XIII, 2 £ violaceus — 3 Corr. Flammas e. aureas — 4 Ufte jnain
moderne a chatige V'x et /'e du mot nitellas en o ei u; B notulasque —
6 Ms. Xpo [B Christo)
XIV, 5 B His quicumque — dB peterit; L: Ici j'avais mis en note:
Corr, contentusr' Le ms. lat. 14470 nous offre evideniment la bonne lefo?t.
XV, I Ms. Herim — 4 Ici L. a la bonne legon.
XVI, 3 Le ms. L a jure — 5 — 6 Pour ces lignes, cf. les deux vers
suivants, qui, dans tous les trois ?nss. de Philippe, forment la fin du pro-
logue latin precedant le texte fran^ais:
Et cum sanctorum gloria
Decantemus AUeluia!
{Voy. Best., p. cm).
On voit que le texte fran^ais, bien que n'etant pas une tra-
duction littdrale de la prose latine, — on sait ce qu'etaient les
traductions de cette 6poque, — la suit pourtant assez pres pour
justifier ma supposition que nous avons en effet ici la source uti-
702 E. WALBERG,
lis6e par Philippe de Thaun. Ce n'est que dans l'interpretation
symbolique de la Chrysoprase que le „traducteur" s'ecarte tout ä
fait de l'original latin.i
L'hypothese de M. Mann, savoir que les rubriques, ou cer-
taines des rubriques, seraient emprunt6es ä d'autres ouvrages, est
donc confirm6e pour une d'elles, et je ne serais pas 6tonne qu'elle
se monträt juste pour quelques autres encore. Mais il n'en rdsulte
pas que ces rubriques aient ete introduites par des copistes post6-
rieurs.2 Ainsi, pour ce qui est du cas qui nous interesse ici
sp^cialement, les choses ont du se passer de la maniere suivante:
Philippe a eu devant les yeux un manuscrit contenant, tout comme
le ms. lat. 14470, outre le lapidaire de Marbode, la prose latine
imprimde ci-dessus — et qui pourrait bien aussi, en efFet, etre
l'oeuvre de cet ^v^que (cf. plus haut); le poete en a traduit la
plus grande partie et a ins6r6 tel que! le petit ^pilogue, peut-elre
avec l'intention, jamais realisee, de le traduire plus tard, ou tout
simplement pour s'en servir pour rubrique.
2. La lacune entre les vv. 2890 et 2891.
Dans ma note sur le v. 2890 du Bestiaire, j'ai essaye d'ex-
pliquer l'origine de la lacune qui se trouve apres ce vers dans le
ms. de Londres (Bibl. Cott. Nero A. V), le seul qui contienne ce
passage. Voici la teneur de la note:
2980. Apr^s ce vers, le dernier du verso du feuillet 78, il y a 6videm-
ment une lacune. Wright fait cette lemarque: „A leaf appears to be
wanling." En examinant de pres le ms., on voit que le feuillet 79 n'appar-
tient ni au cahier precedent, composd de dix feuillets, — tandis que la plu-
part en a huit, — ni au suivant, le dernier, composd de quatre feuillets: il a
feie coUe au feuillet precedent, de maniere que les initiales ont ete cachees.
A präsent il est presque arrache; on voit encore des traces d'encre noire et
de couleur et de petits morceaux de parchemin sur le verso du feuillet 78.
II n'y a certainement pas eu de feuillet entre ces deux, au moins depuis
que le ms. a 6te relie. Les choses se sont sans doute pass^es ainsi: en
^crivant les derniers mots du feuillet 78, le scribc etait arrivd ä quelques
lignes du bas d'une page ou d'un feuilltt du manuscrit qu'il copiait, et, en
passont ä un nouveau cahier, il a oublie les lignes qui restaient (^ la
lacune actuelle) et il a commence avec les premieres lignes de la page sui-
vante de son original. Le fait que le feuillet 79 est materiellement isol6,
s'explique le plus facilement par la supposition que le copiste econome
* Comme on l'aura remarqufe, la rime est negligde dans les versets I,
IV, VIII; sont-ils fautifs pour cela? En tous cas je ne vois gu^re comment
les restituer {sapientium au Heu de sapientie VIII, 3?). Dans les strophes IX
et XIII la correction est tr^s facile (voy. les variantes).
2 Voy. l'introduction du Bestiaire, le chapilre iniitule Rubriques la-
tine s, p. XCVlI.
DEÜX DETAILS DU BESTIAIRE DE PHILIPPE DE THAUN. 703
(ou bien le relieur, ou un aulre) aura enleve le feuillet correspondant, reste
blanc ä la fin du dernier cahier, le texte n'occupant que quarante
et un feuillets (cf. l'Introduction, p. l). . . .
C'est lä. un lapsus ennuyeux; le texte occupe evidemment
quarante -deux feuillets (ff. 41 — 82, voy. p. i). Au premier abord
tout mon raisonnement parait s'6crouler par ce seul fait; il n'en
est cependant pas ainsi. Je crois encore que le dernier cahier
etait ä l'origine compose de six feuillets, dont le dernier a et6
enleve. Le fait que le Best, comprend le nornbre pair de quarante-
deux feuillets, malgre le feuillet isole (f. 79), s'explique par une
note que j'avais prise en examinant le ms., mais dont je ne me
suis malheureusement pas aperc^u en ecrivant les lignes citees
ci-dessus: le Best, ne commence pas un nouveau cahier; le Compiit
finit au recto du cinquieme feuillet d'un cahier; suivent ensuite
deux pages blanches, au verso du sixieme feuillet des fragments
d'un calendrier (?) latin (voy. Mall, Comp., p. 2), enfin, au recto
du septieme (f. 41), le Best, commence. Le dernier feuillet (f. 83,'
le quatrieme du dernier cahier) est rest6 blanc.
M. G. F. Warner, conservateur adjoint des mss. au Musee Bri-
tannique, a eu Tobligeance de verifier, sur raa priere, l'exactitude
de ces donnees. En outre, il a bien voulu me communiquer, sur
le f. 79, la remarque suivante: „The quires on which the ßestiarius
is contained are as follows: I ff. 35 — 44; II 45 — 52; III 53 — 60;
IV 61 — 68; V 6g — 78; VI f. 79 is a detached leaf; it is im-
possible to say with certainty to which quire it originally belonged;
but there seems to be a fragment of a leaf between ff. 68 and 69.
Is it possible that this was originally a complete leaf forming the
other half of the sheet to which f 79 belonged, and Coming im-
mediately after f. 78 (there is a set-off in red on the verso-side
of the fragment, which appears to come from an initial on f. 79)?
And that, when the volurae was rebound, this sheet, instead of
continuing to form a quire by itself, was bound up as the out-
side sheet of quire V? — VII ff. 80 sqq. (blank leaf after f. 82):
4 leaves."
Cette hypothese parait d'abord s6duisante; cependant j'ai
peine ä y croire. Comme je Tai dit dans la suite de la note precitee,
des raisons internes indiquent que les vers qui manquent n'ont
contenu que le debut de l'article Adamas. S'il y a vraiment
eu un feuillet entre les ff. 68 et 69, et que le fragment mentionne
par M. W. ne soit pas qu'un bout du f. 79 meme, coll6, on s'en
souvient, au cahier pr6cedent — c'est lä, si j'ai bonne memoire,
l'idee que je m'en 6tais faite en 1897 — je croirais plutöt que
ce feuillet 6tait blanc (et qu'il aurait du prendre place a la fin
1 En realile ce feuillet n'est pas numerote; c'est le suivant, oü commence
la Vita S. Tho^ncB, qui, dans le ms., porte le numero 83 (communication de
M. G. F. Warner).
704 E. WALBERG, DEUX DETAILS DU BESTIAXRE DE PH. DE THAUN.
du dernier cahier); cela expliquerait en effet pourquoi Ton a en-
lev6 ce feuillet, tout en laissant lä l'avant-dernier, — actuellement
le demier, — restd blanc, lui aussi. II faut pourtant avouer qua
ce serait une erreur tout a fait singuliere du relieur qua da faire
entrer ce feuillet blanc entre ff. 68 et 6g; d'un autre c6t6, on
ne voit pas pourquoi l'avant-dernier cahier (VI) n'aurait compris
que deux feuillets. Pour ma part, je persiste ä croire qu'il n'y a
jamais eu de feuillet entre 78 et 7g; l'explication qua j'ai donn^e
dans la note du v. 2 8go me parait encore la plus vraisemblable.
Emmanuel Walbekg.
Zusammenfassendes lo im Spanischen,
Vorliegende Untersuchung ist veranlafst durch Toblers Aus-
führungen in den VB II 185 ff. und besonders durch den Wider-
spruch, in den sich dieser Gelehrte mit den spanischen Gramma-
tikern stellt, indem er in manchen Fällen bei der Substantivierung
eines Adjektivs durch el oder io eine gewisse Unsicherheit des
Sprachgebrauchs erkennen, Ausdrücke mit el Ausdrücken mit lo
der Bedeutung nach gleichgeartet ansehen will, während diese
einen Unterschied im Sinn machen, den sie durch verschiedent-
liche Benennungen klarzumachen streben. Da mir nun eine Ent-
scheidung der Frage ohne eine detaillierte Uebersicht über die
recht mannigfaltigen Gebrauchsarten der /^-Konstruktion nicht mög-
lich schien, diese Konstruktion aber als eine in den romanischen
Sprachen einzig dastehende neutrale Ausdrucksweise besondere Be-
achtung zu verdienen scheint, gebe ich zunächst im folgenden eine
möglichst vollständige Aufzählung ihrer Spielarten, wobei ich mich
nicht scheuen durfte, manches allgemein Bekannte und Erwähnte,
und manches, das so bekannt ist, dafs es nirgends erwähnt wird,
zu berühren.
1) Zunächst findet sich lo sehr häufig bei Partizipien; die Be-
deutung ist sehr klar; es fafst mit dem /-Partizip dasjenige zu-
sammen, auf das eine Handlung gerichtet ist, mit dem «/-Partizip
dasjenige, von dem sie ausgeht: amando al Criador ama ä lo creado
VB 42, contar lo ocurrido PJ 192; la innovacion .. reine .. como
companera de lo existente VB 46, lo restante del ejercito arrogante
Pr I 398, pagar lo restante PJ 221. Es behält dabei die verbale
Konstruktion: (^Que quereis que hiciera contra lo mandado en un sc-
ore to dcl gobier no constitucional? FO 87, por lo dicho en veras y por
lo dicho en chanza VB 47. — 2) Derartige Ausdrücke finden sich
gänzlich gleichgestellt mit adjektivischen: distaficia tnedia de lo sofiado
d lo real y de lo vivo ä lo pintado PJ 1 7 2 , es incontes table mejor lo
pasado que lo presente VB 50. Was die letzteren Ausdrücke anbe-
trifft, so kann man wohl in presente nur mehr ein Adjektiv sehen
wie auch in lo futuro, lo venidero\ lo pasado hat zwei Bedeutungen,
es ist entweder gleich dem lo ocurrido in dem 2, Beispiel von 1):
No sc acuerde Vd. de lo pasado FO 145, oder es ist etwa gleich
dem Relativsatz in cubramos con tupido velo lo que pertenece al doininio
del pasado. Aus letzterem Beispiel wird der Unterschied zwischen
Zeitschr. f. rom. Phil. XXV. 45
7o6 EUGEN HERZOG,
lo p. und el p. ganz klar; el p. ist ein bestimmt abgegrenzter Be-
griff; lo p. das was in den Umfang dieses Begriffes hineingehört
ohne Rücksicht auf eine Begrenzung; doch darüber und über lo
porvenir weiter unten. — 3j Wie also !o mit Partizip dasjenige an-
giebt, von dem die Handlung — passiv oder aktiv — ausgesagt
wird, so giebt lo mit dem Adjektiv dasjenige an, dem die Eigen-
schaft zukommt und das man nicht näher bezeichnen will oder
kann, als indem man diese seine Eigenschaft angiebt: apartar lo
falso de lo verdadero HE 1 1 , por el campo buscabafi etitre lo rojo lo
verde Pr I 624 (= Gongora S. 289), siendo Principe majestuoso En
lo galan y arrogante En lo bizarr 0 y airoso ]\lira de Mesc. (MPr
S. 88), amante de lo cläsico FO 104, esa pasion por lo grande y lo
sublime C 163, el amor de lo infinito y de lo eterno PJ 82. Dabei
bleibt die dem Adjektiv eigentümliche Konstruktion gewahrt: su-
pritne lo al hecho esirano DJT I l 2. — 4) Steht dabei in der Art
des sogenannten partitiven Genitivs ein Gesamtbegrifi", so bezeichnet
das mit lo eingeleitete Adjektiv jenen Teil desselben, für den die
betreffende Eigenschaft ausgesagt werden kann, ohne Rücksicht auf
sein Quantum und die Begrenzung gegen andere Teile: Eso que
ania V. es la esencia, el aroma, lo ?nds piiro de su alma PJ 173,
obramos una Irans ftisiön y mezcla de lo mds sutil de nuestra sangre
PJ 97; der Gesamtbegriff kann durch einem Satz ausgedrückt sein:
los anos roban al espij-ilu lo mas hermoso que este posie C 9 1 , sus
flores, de lo mds comi'm que hay por aqui PJ 27. — 5) Oder als
selbstverständlich unterdrückt werden: mi 'trotisseau' . . sea de lo mas
rico VB 75. — 6) Die Teilung ist häufig eine örtliche: entre lo
espeso de las pefias VS III 923, la habitacion .. estaba en lo mas in-
ferior de la casa FO 70, co7)io piedra que se desprende de lo alio del
ie7nplo PJ 97, lo mas räpido del declive FO 3, en lo mds bajo de la
calle FO 3, en lo profundo de aquel aniro FO 8, predicaba desde lo
alio de una niesa FO 135, su fuga d lo interior de la alcoba PJ 188. —
7) Oder wenigstens einem örthchen Bild entnommen: . . lo (den
Seufzer) ai'rancaba de lo profundo de sus entrahas DQ I 17, cömo
penetrar en lo intimo del corazön PJ 17, Yo me aflijo en lo i7iterior
de mi alma PJ 75, No penetremos en lo sagrado de estos cläsicos y pairo-
tiiles secreios FO 100. — 8) Die Teilung ist zeitlich: habia pasado
lo mas precioso de mis anos C 71, pero pasaremos lo rigor oso del in-
verno VB 107, en lo mas callado de la noche FO 67, en lo mas flo-
rido de su edad Gracian (Wgg. S, 53). — 9) Auch der Gesamt-
begriff, von dem ein örtlicher oder zeitlicher Teil genommen wird,
bleibt unausgedrückt oder ist nur unklar vorhanden (vgl. 5): la
escalera, que estaba en lo profundo (des Hauses) FO 33, habitamos
lo bajo (des Hauses) que cae al j ardin VB 16, eyi lo alto (des Schranks)
U7i övalo con el escudo de la casa FO 125, me hizo volver al lugar y
e7itrar por lo mas concurrido y cint7-ico (der Stadt) PJ 84, ya el agudo
filo resplandecia en lo alto FO 14; La forma e7i 'eno' era la mds
usual en lo antiguo (etwa: des Sprachlebens) Cu 36, en viajes, cada
dia que se pierde, prepara para lo sucesivo un remordimiejito VB 220. —
ZUSAMMENFASSENDES LO IM SPANISCHEN. 707
10) Wenn auch das mit lo Herausgehobene im sonstigen unbe-
stimmt ist, so kann doch die Identität mit etwas Bestimmtem prä-
dikativ hervorgehoben werden : lo viejor de la procesion es la covniiva
que teneinos organizada FO 161, lo 77iejor es callarme PJ gi; hallo
lo mäs razonable buscar .. PJ 198, ^ciiäl es lo grande y lo hello que
no se haya ridiculizado? VB 56; Ausdrücke wie lo mala, {lo cierto,
lo plausible) es que .., esto es lo grafide; ferner .. me pareciö (näml.
Elias) lo mas raro del mundo FO 169, lo mos ridiculo es un marido
celoso VB 83. — 11) Wie aus den letzten beiden Beispielen hervor-
geht, köimen sich die in Frage stehenden Ausdrücke auch auf
Personen beziehen; das hat nicht das mindeste Auffälhge, da eben
gesagt werden soll, dafs das mit einer bestimmten Eigenschaft ver-
sehene Seiende nicht aus allen Personen, sondern überhaupt aus
allem Seienden ausgehoben werden möge. Aber selbst wenn von
allem Anfang nur Personen in Frage kommen können, kann die
Konstruktion gewählt werden, wenn eben nicht das Augenmerk
auf die Einzelindividuen, sondern auf die durch die gemeinsame
Eigenschaft zusammengehaltene Gesamtheit gerichtet werden soll:
Junta a el estabufi el alcalde, el cura y lo mas notable de Ateca FO 45;
alli se enconiraba lo mejor de nuestra sociedad C 83; und (vgl. 5)
nuestros conipaneros no solo 710 eran gentes de clase, si7io que perte7ie-
cian ä lo 77ias vulgär VB li;^^. —
12) Statt dafs (wie in 4 ff.) ein bestimmter Teil durch lo mit
Artikel hervorgehoben wird, kann auch eine Seite des Seienden
hiedurch hervorgehoben werden. Die Eigenschaft kommt zwar dem
ganzen Seienden zu, aber in dem Zusammenhang kommt es nur
auf diese eine Eigenschaft desselben an, abgesehen von den andern.
Der mit de eingeleitete Ausdruck ist nun etwa ein possessiver,
aber eine scharfe Grenze gegen die andere Kategorie ist schon
dadurch nicht möglich, dafs auch hier oft die possessive Auffassung
möglich ist (vgl. besonders das 3. Beispiel von 4 oder te7iia tma
pasion tan pro7iunciada por iodo lo hello de la naiuraleza y del arte
C 160 sowohl gleich 'was in der Natur und Kunst schön ist' als
= 'was an Natur und Kunst Schönes ist'). Unzweideutig ist aber
die in Frage stehende Auffassung an folgenden Beispielen: a) ab-
strakte Gesamtbegriffe: la fealdad y lo cÖ77iico y 7nise7-ahle de la acciön
se au77ie7itaban PJ 153, 7tada 77iuesira 7nas lo 7nezquino y lo ace7-bo del
sentir que . . VB 24, reflexio7iö e7i lo iniprudente de se7nejante conducta
FO 41, . . se reia de lo cÖ77iico del r ecuer do PJ 142, atraer ä nadie
con lo dulce de sus miradas PJ 43; b) konkrete GesamtbegrifFe: Su
hla7icura, lo afilado de los dedos, lo sonrosado, pulido y h7-illante de
las unas de 7iäcar, todo era para volver loco ä cualquier ho77ibre PJ 122,
Tenia la escuela todo lo so77ibrio del co7ive7ito, si/i te7ier . . su dulce paz
FO 53> para que reluciese lo blaue 0 y sonrosado del hien tor7ieado cuerpo
PJ 174, co7itrasta7tdo co7i lo desapacible del rostro FO 131; c) ganz
selten wird der Gesamtausdruck statt durch eine «/^ -Verbindung
durchs Possessivum ausgedrückt; ein Beispiel Cu 47 I. — 13) Wenn
eine Seite an einem Seienden besonders hervorgehoben wird, so
45*
7o8 EUGEN HERZOG,
geschieht es oft mit dem Nebengedanken, dafs sie sehr oder mehr,
als man es erwartet, daran hervortritt; so war es schon bei einigen
der in 12 erwähnten Beispiele und so ist es besonders an den
folgenden ersichtlich: pero V. sabe bien lo firme de mi resoluciön
PJ 19, la autentica i?ias patente de lo esparcido y conocido de este cuen-
tecüo CC VI, la cantidad de fresas fue asombrosa para lo teviprano
de la estaciön PJ 40, ä pesar de lo avanzado de la noche PJ 199 (ob-
wohl die Nacht schon sehr vorgerückt war, . .) und besonders
eigentümlich ä lo fdcil del tienipo no hay conquista dificil Pr I 23
(da der Zeit alles sehr leicht ist, giebt es für sie nicht . .). —
14) Die in 12 f. erwähnte Konstruktion kann natürlich auch da
eintreten, wo dies Seiende, von dem die Seite hervorgehoben wird,
nicht als . ein mit de eingeleiteter Ausdruck danebenseht, sei es
a) dafs dasselbe überhaupt nicht zum klaren Bewufstsein kommt:
no puedo conocerlos por lo oscuro Mo El Par. II 13; sei es b) dafs es
irgendwie anders im Satz untergebracht ist. Hieher gehören Bei-
spiele wie un colcJwn, qtie ett lo siitil parecia colcha DQ I 16, oder
Pr I 637, wo von einem Pferd gesagt wird: E71 fin, en lo veloz,
viento, Rayo efi fin en lo emi?ie}ite, Era por lo blatico ci'sne, Por lo
sangriento era sierpe etc. Diese Konstruktion findet sich haupt-
sächlich nach Präpositionen. Nun giebt es aber eine andere Kon-
struktion, deren Ausgangspunkt hier nicht zu untersuchen ist, aber
jedenfalls ein wesentlich anderer ist, wobei die Eigenschaft nach
Präpositionen nicht durch ein Substantiv, sondern durch ein Ad-
jektiv, im Kasus und Numerus auf den Träger bezogen, ausge-
drückt wird, es ist dieselbe, von der Tobler VB II 182 if. spricht,
also um ein dort gegebenes Beispiel anzuführen: Por muy hermosa
y ?}iuy vana ^Serä ?nas que una villafia Con malas manos y püs?
In diesem Fall könnte es nun, wenn man Schönheit und Eitelkeit
als eine aus der Gesamtheit der Eigenschaften hervorgehobene Seite
ansieht, heifsen: por lo hermoso, por lo vano. Nun ist aber ein
Bedeutungsunterschied vorhanden. Indem die /^-Konstruktion die
Seite eines Seienden, u. zw. die Seite als ein Teil aufgefafst, hervor-
hebt, so setzt sie das Bestehen einer solchen von vornherein als
gegeben, als selbstverständlich fest; nicht so die rein adjektivische
Konstruktion; der oben angeführte Satz hätte auch Sinn, wenn
die betreffende weibliche Person nach der Meinung des Sprechenden
nicht schön und nicht eitel gewesen wäre; in der Form por lo h.,
lo V. hätte er dann keinen Sinn.i Es verhält sich dann aber die
eine Form zur andern genau so wie tienen las ranias pendüntes zu
tienen ramas pendte?ites {y^%g § 16, Sa), wovon ersteres nur von
Gegenständen ausgesagt werden kann, denen selbstverständlich
Zweige zukommen. Indem nun aber für das Sprachgefühl por lo
hermoso gewissermafsen als artikulierte Form zu por hermosa trat,
^ Noch deutlicher ist der Unterschied in folgendem von Tobler a. a. O.
gegebenen Beispiel: loa d su dama de hermosa; dies kann man sagen, ob
die Dame nun wirklich schön war oder nicht; de lo hermoso könnte man
offenbar nur im ersten Falle sagen.
ZUSAMMENFASSENDES LO IM SPANISCHEN. 70g
das ursprüngliche Verhältnis aber, hermoso nähere Bestimmung zu
h, längst für dasselbe verdunkelt war, so entwickelte sich die Misch-
konstruktion: por lo hermosa. Das ist nun auch die gewöhnliche
Konstruktion, und ich habe die andere, d. i. por lo hermoso in Be-
ziehung auf einen weiblichen oder pluralischen Gesamtbegriff, der
nicht als präpositionaler ä^^- Ausdruck unmittelbar dabei stände,
nirgends gefunden. Dafs sie aber nicht unmöglich ist, bezeugt
der Grammatiker Bello (974), der zu dem Beispiel Mendoza's:
Muchos hay que en lo insolentes Fundan solo el ser vahhites aus-
drücklich sagt: 'Pudo haberse dicho, si lo permitiese la riraa, lo
insolcnie\ ]\Ian sagt also männlich: Ya que no me qiiisieras por lo
lindo, me amaras por lo magnäniino Isla 428, weiblich tina sopa que
por lo flaca y aguada parecia de seminario FO 207 '; andere Bei-
spiele bei Tobler a. a. O. Man sieht also, dafs, obgleich ich vom
selben Punkt ausgehe wie Tobler, doch diese Erscheinung anders
auffasse oder wenigstens anders erkläre als dieser. Nach meiner
Ansicht ist por lo hermoso die einzig berechtigte, por lo hermosa
erst durch analogische Einwirkung von por hermosa entstandene
Konstruktion; T. hält gerade diese für die naturgemäfse — wenn
auch auffällige — , der neutrale Artikel trete „mit Fug und Recht"
zu dem mit dem Substantiv übereinstimmenden Adjektiv; „denn
seine demonstrative oder determinative Kraft gilt ja nicht dem
Seienden, dessen Wesen oder Eigenschaft jenes Substantiv oder
Adjektiv angiebt, sondern dem notwendig geschlechtslosen That-
bestand, dafs das Seiende dieses oder jenes ist, diese oder jene
Eigenschaft hat, oder dem geschlechtslosen Mafse, in welchem eine
Eigenschaft hier oder da auftritt". Wir werden sehen, dafs der
Artikel eines geschlechtslosen Thatbestandes gar nicht lo, sondern
el ist, aber abgesehen davon, wäre dem so, so wäre zu erwarten,
dafs das Adjektiv auch in den 12 und 13 erwähnten Beispielen die
Uebereinstimmung zeige: */ö comica de la acciön, *lo pulidas de las
unas; eine Konstruktion, die einfach deshalb entfällt, weil hier
scheinbar ähnliche Konstruktionen mit artikellosem Adjektiv nicht
zur Seite stehen. Wenn ein Gesamtbegriff mit de nicht unmittelbar
daneben steht, scheint zwar die in Frage stehende Konstruktion
auch nicht-präposizionale Fälle ergriffen zu haben: ^A'^o decias que
era la sehorita F. deliciosamenie coqueta, seducioramente caprichosa?
jToma lo coqueta y toma lo caprichosa, y vtielve por otra! VB 85. —
15) Freilich konnte sich nun die Tobler'sche Auffassung von der
Sache entwickeln und man konnte in einem Satz wie dem oben
aus Isla zitierten: 'wenn du mich schon nicht wegen der sanften
Seite meines Charakters liebtest, so wirst du mich wegen der grofs-
mütigen lieben' auch so auslegen: 'wenn du mich nicht liebtest,
weil ich sanftmütig bin, so wirst du mich lieben, weil ich grofs-
mütig bin'; eine derartige Auffassung ist wohl auch die in: Mi
padre no quiere que me fnuestrt en publico hasta que pasme por lo bien
1 Beachte die Accentuierung des übermäfsigen Grades (wie in 13).
7IO EUGEN HERZOG,
plattlado PJ 75, sirz'a pnra lo peguefio y domestico PJ 195. Es ist
klar, dafs, wenn diese Konstruktion so aufgefafst wurde, auch Sub-
stantiva zum lo treten können. Beispiele giebf Be Q74; in dem
ersten 'Todo ftie grande en aquel principe, lo rcy, lo capiimi, lo santo''
zeigt sich noch deutlich die Bedeutung des lo als Angabe einer
aus dem Gesamtwesen isolierten Seite; ebenso in dem aus Salvä.
beigebrachten Beispiel; dagegen bedeutet in dem zweiten: '&' el
poeta se eine ä la verdad ^de que le sirve lo poeia?' lo poeia den
Umstand, dafs er Dichter ist; noch deutlicher das dritte: Zagala,
no bien fingida, Basta, basta lo zagala. Oder Con lo Caniqui (mit
dem Umstand, dafs ich C. bin, dafs ich diesen Namen angenommen
habe) me he hecho lienzo casero Mo El desd. I g; ,iNo se te olvida
el amor, y se te olvida lo herviana? (der Umstand, dafs ich Schwester
bin, oder dafs es eine Schwester ist) Mo El Par. II 4. —
16) Wie nun das eigentliche Eigenschaftswort (dasjenige, das
wirklich eine Eigenschaft bezeichnet, l'adjectif qualificatif) mit lo ein
Seiendes bezeichnet, das die Eigenschaft trägt, so bezeichnet jenes
blofs die Stellung zu anderm Seienden angebende Adjektiv, wenn
lo vorausgesetzt wird, dasjenige Seiende, das eben die Stellung
einnimmt, ohne weitere Rücksicht auf seine sonstige Beschaffenheit.
Hieher gehören also Ausdrücke wie: assentando cada dicho y sen-
tencia en su lugar, de manera que . . lo uno a lo otro se llame HE 1 66 ;
parte de la Mediana consiste en razon; y parte en esperiencia; para
lo primero es menester el entendii7iiento ; para lo otro, la memoria
HE 220 (vgl. 10), ferner lo mismo, lo proprio, lo opuesto, lo contrario
(un hombre que es en iodo lo opuesto de ella; hizo lo contrario de lo
que le dijo su mujer); lo solo, lo tinico; lo regulär {utt segundo mas
de lo regulär basta d concluir la paciencia de un auditorio FO 92);
el alma . . se encoje porque pierde lo principal de sa grandeza (vgl. 4) ;
ninguna idea mala en lo material (vgl. 5) ; en lo ultimo del prado viö
gente (vgl. 6) ; estär en lo ultimo (in den letzten Zügen sein, vgl. 8, 9).
Ferner lo suyo, lo ajeno; lo tal, lo cual; hacer todo lo posible por
[para) . .; lo mucho, lo poco, lo mas, lo mejtos, eigentlich Adverbien,
die aber auch sonst als Adjektiva dienen [Pudiendo bastar lo menos
(Ipor que he de empenar lo mds? Mo El 1. D. D. I 13). — 17) Dafs
aus vielen derartigen mit lo versehenen Adjektiven mit oder ohne
Präposition sich adverbielle Redewendungen entwickelt haben, ist
eine Sache für sich, die ausführliches Studium verdiente; ich er-
wähne nur hier einige charakteristische Typen. Zu 1: lo bastante,
lo suficiente', zu 3: jurar por lo mas sagrado; aquello iba por lo serio;
en lo jiisto dice el cielo que obedezca el esclavo d su senor; decir por
lo bajo; .. me tiraro?i de lo fino\ le rinö de lo lindo; lo mejor que
supo', lo mas presto que pudiere; lo mejor posible; zu 6: d lo lejos'^,
una cenefa que hiciera el papel . . en todo lo largo del sahn (FO 1 6) ;
zu 8: en lo sucesivo; zu 16: lo mismo 'ebenso', por lo mismo, por lo
^ Da lejos auch als Adjektiv gebraucht werden kann, u. zw. nicht nur
als prädikatives (Be 423), so hat die Verbindung wohl nichts Auffälliges.
ZUSAMMENFASSENDES LO IM SPANISCHEN. 7 1 1
tanto 'deshalb', por lo cual 'weshalb'; ine complazco en ser tan agra-
decido con el por lo poco conto por lo mucho (PJ 24); por lo comtln
{regulär, gener al), d lo ultimo, ä lo su7no, por lo contrario (HE 21.
33. 46 etc.), por lo tnenos, d lo menos (woneben al menos, wie es
scheint jüngeren Datums; eine Kurzform?), lo ?nas u. s. w. Beson-
ders aber ist bemerkenswert die Angabe der Art und Weise
mittelst d: Va caminatido d lo sordo Mira de Mesc. (MPr S. go),
vestidas d lo rt'istico PJ 41, una criatura viuy d lo natural PJ 186,
D. Pio, d lo viejo, ?ne llama nina VB 9; und nun sogar auf Sub-
stantiva ausgedehnt: vesiido d lo letrado DQ II 44 (ein andres Bei-
spiel aus DQ Wigg 45), axiomas d lo Saticho Panza J. y Ruf, 5,
disponer de las hijas d lo cabo de escuadra Ha La Vis. Ili 4, vive d
lo lab r leg 0 Ha J. d. 1. V. I 5; mi tio .. nie desposa con el mar d lo
Dux de Venecia Ha La Vis. I 9; daneben auch die in Frankreich
übliche Ausdrucksweise mit hinzugedachtem stierte o. ä.: educado d
la rtistica PJ 51, d la llatia DQ II 38, una cortesia d la francesa
CC 16. —
18) In 2 war von lo pasado und lo presente die Rede. Auf
die Zukunft bezüglich sagt man lo porvenir. HE 6 1 finde ich noch
geschrieben la certidumbre con que los enfermos dezian lo por venir.
Dennoch ist es mir fraglich, ob wir in dieser Ausdrucksweise wirk-
lich zu erblicken hätten: 'das für's Kommen', 'das zum Kommen'
oder ob nur eine Analogie zu lo pasado, lo presente vorliegt. —
19) Sonst finden sich nämlich von präpositionalen Ausdrücken nur
solche mit de nach lo\ und zwar de meist in der ursprünglichen
Bedeutung 'in betreff von', also lo de A. = 'das was A. betrifft',
'das was mit A. in Zusammenhang steht', konversationsdeutsch 'das
mit A.': lo del linaje importa poco DQ I 25, Pero dejando en el lo de
la valentia vengamos d lo de per der el juicio DQ I 26, Cuando les pro-
puse lo de la procesion FO 169; dijo que aquel 7iino habia de ser
fraile, gran letrado y estupendo predicador . . en cuanto d fraile, lo
fui tanto co7no el que mas; lo de gran letrado . . se verificö cumplida-
mente; y en lo de ser estupendo predicador, no hubo mas que desear
Isla 74 b. lo fafst zusammen und zwar mit Ausschlufs des andern,
was nicht in das Gebiet des abhängigen Begriffes gehört, wie letz-
teres Beispiel deutlich zeigt; daraus erklärt sich en lo de = en
cuanto d: en lo de la alteza del linaje no corre parejas con las Orianas
DQ II 32; adivinaha todo lo pasado y lo presente; pero en lo de por
venir no se daba tnana DQ II 27. Ganz in gleichem Sinn wie lo
wird auch aquello, eso und esto angewendet: si algo se me acuerda,
es aquello del ^Sobajada' DQ I 30, eso de gobernarlos bien no hay
para que encargdrmelo DQ II 33, Eso de hacer el pueblo las leyes es
lo ?nds mostruoso que cabe FO 25; vgl. noch comenzö por aquello de
^aprehenderunt Septem mulier es viruvi unum''; encajö despues lo de 'filii
tui de . .' Isla 74b; höchst instruktiv ferner ist FO 89: empezar con
aquello de 'su pequenez en presencia de tantos grandes hombres', y lo
'escogido e ilustrado del auditorio\ siguiendo despues lo de 'su con-
fusion . . in Verbindung mit 12, was zeigt, wie intensiv das Gefühl
1 I 2 EUGEN HERZOG,
ist, dafs nach lo nur ein Adjektiv direkt folgen kann. — Seltener
finden wir de in einer andern Bedeutung; nur eine Abart der
vorigen Konstruktion ist lo de mit einem ZeitbegrifF, bedeutend
dasjenige was sich in dem bezeichneten Zeitabschnitt zuträgt: lo
de aquello siglo pasado, lo de ayer (Be 971); Amparo liest einen Brief
und ruft aus: Lo de sictnpre; que nada ha podido averiguar (das
was er immer schreibt) Ind IV 3. Sonst habe ich an Beispielen
nur gefunden: Me aplicas el irozo de Lamartine, poetico y brillante
como todo lo de aquel privilegiado talento . ., per 0 f also VB 51; siempre
estd sintiendo lo de todos JyR 48; ferner lo demas das übrige. —
20) Wie statt des Partizips und Adjektivs, wenn der Sprach-
vorrat nicht ausreicht, ein Relativsatz zum Substantiv tritt, so kann
er auch zu lo treten. Im folgenden werden derartige den einzelnen
Nummern entsprechende Relativsätze vorgeführt: zu 1: hards lo que
debes DQ I 18, coniprendiö lo que el infeliz habia pasado FO 190,
leyö lo que sigue VB 171; zu 2 : tiene potencias para conocer todas
ires differencias de tiempo, memoria para lo pasado, sentidos para lo
presente, ymaginacion para lo que estd por venir HE 61; zu 3:
Tenga Vd. en mi la confianza que se tiene en lo que ha de salvar
FO 117, mas de lo justo y de lo que se dehia d la buena ve-
cindad DQ II 27, creer sencillo lo que es trivial, gracioso lo que
es pueril, sublime lo gigantesco, energico lo tenebroso y enigmä-
tico Mn. Disc. prel. 57; zu 12: una mano ruda .. demuestra noble-
mente ese imperio ; pero en lo que tiene de mäs violento y mecänico
PJ 42, para aborrecer las mundanas en lo que tienen de aborrecibles
PJ 56; zu 13: Para hacer compre7ider lo que Clara encontrö de ter-
rible en la determinacion FO 124; zu 16: dar a cada tino lo que es
suyo MPr 96; zu 10: esto es lo que constituye la pura y firme fe de
carbonero VB 165, la opi7iion no es lo que es, sino lo que entiende el
pueblo Mo El 1. D. D. III 2, lo que necesitas es un hombre de buenas
prendas Trueba, Buenav. IL — 21) Doch kann statt lo auch un-
logischerweise das Geschlecht des prädizierten Substantivs erscheinen:
la naturaleza es la que haze al mochacho habil para aprejider HE 16,
(fsabes tt'i si la verdad seria la que dijo don Diejo? Mo El 1. D. D. III 6,
El alejamietito de mi marido fue el que engendrö el mio VB 259, vgl.
Be 806. 807. — 22) Das Verb des Nebensatzes kann gespart werden,
wenn es dem des Hauptsatzes gleich ist: acabarä Vd. por hacer lo
que SU canario VB 215, ä lo que el, solamente se arrojara Satanäs
DJT I IV I, por nitigwia senti lo que por ella DJT I ll 3, femer las
palabras sott ä las cosas lo que el lecho de Procruste VB 58, wo ein
Teil des Vergleiches unlogischerweise gespart wird. Ich erwähne
dies nur deshalb hier, weil ich es in Bello's sonst so ausführlicher
Grammatik nicht finde. — 23) Das lo que hat aufserdem eine für
unser Gefühl wesentlich verschiedene Bedeutung, es entspricht dem
lateinischen quid in indirekten Fragesätzen: No sabia ya lo que era
amor PJ 129, Por aqui conocerds lo que son lös hombres Isla 431a, sin
conocimienio de lo que es tnundo Mn El si I 4, conjiirote, fantasma 6
lo que eres, que .. DQ II 48, herido de lo que llarnan amor PJ 83;
ZUSAMMENFASSENDES LO IM SPANISCHEN. "J 1 3
aber man sieht bei näherem Zuschauen, dafs es unmöglich ist
diese Beispiele von den in 20 behandelten zu trennen. Dasjenige
was auf die Frage q»e es ainor zur Antwort käme, fafst eben das
lo zusammen: das die Liebe Charakterisierende, das in ihren Be-
reich Fallende, ebenso wie das auf ^que pasa? Antwortende zu-
sammengefafst wird in ver, saher lo qiie pasa, das auf ^qiie debes?
Antwortende in dem ersten dort angeführten Beispiel. Nur unsere
am Lateinischen geschulte — man möchte sagen: verschulte —
syntaktische Auffassung macht den Unterschied zwischen Relativ-
und Interrogativsatz; in Wirklichkeit liegt eben in beiden Fällen
beides vor. — 24) Schon im Lateinischen wurde pronominales
Subjekt mit substantivischem Prädikatsbegriff übereingestimmt: ea
causa belli fuit. Ebenso noch im Spanischen, vgl. Wigg §58,4:
^Ese es el valor, Tenor io, de que blasotias? ^Esa es la proverbial
osadia . .? DJT I iv g; ähnlich nun wenn das Subjekt relativ ist
und durch lo zusammengefalst wird: Estdn los oyentes escuchando U7i
sermon . . embelesados . . con el garbo de las acciones, con lo sonoro
de la voz, con la que llaman elevacion del estilo Isla 105b; und sogar
El que de kjos nos parecia un castillo, era una mofiiana escarpada
(Be 967), vgl. Wgg § 20, 5. — 25) lo que ähnlich wie id quod be-
zieht sich auf einen ganzen Satz: non he tettido un leve dolor de
cabeza y lo que trias es ni el mas minimo qucbradero de ella Isla 524^»
dies erklärt sich leicht; man könnte etwa sagen: lo que mas es es
que . .; — 26) lo que dient zur relativen Anknüpfung in Fällen
wie: Teniale por veci'no cn la mesa lo que le hahia permiiido observar . .
VB 256, ofreciö d la madre asistirla, d lo que esia no se piido 7iegar
J. y Ruf. 38 und in noch stärkeren Fällen; erklärt sich daraus, dafs
el que und el cual ziemlich gleichbedeutend ist; so dafs auch lo que
für früher beliebteres lo cual (16; vgl. Be 1075) eintreten konnte;
wir werden jedenfalls nicht fehlgehen, wenn wir in diesen An-
knüpfungen mit lo cual und el cual Latinismen sehen (Be 347); —
27) Wie lo de mit Ausschlufs des andern zusammenfafst (19), so
auch lo que; besonders deutlich in der Redensart: por lo que
hace ä . .: por lo que hace d ml espiritu, terminaron para el las espa?i-
siones C 73. Ebenso kann die Formel lo que es X die Bedeutung
annehmen: das was unter den Begriff X fällt, nicht aber anderes,
oder: gerade das was unter X fällt: lo que es u?ia bitena felpa,
merecida se la tiene Ha J. d. 1. V. I 6; lo que es su voz, se ha quedado
deniro ebd. i. Dadurch dafs nun ein Gegensatz fühlbar wird und
man an ein nicht-X denkt, für das das im Hauptsatz Gesagte nicht
anwendbar ist, tritt die Auffassung hervor: 'was X betrifft' . .: lo
que es auxiliarte, lo haria yo de muy buena gana ebd. 3 ; no puede
ser esta tioche; pero lo que es inaTiana, d hablo, 6 me corto la le?igua
FO 95; Anoche ine dijo los 7iombres de los huespedes d quienes habi'a
yo de servir . ./ pero lo que es d usied no le vientö Ha. La coja I i
(beachte die Attraktion der Präpositionalkonstruktion). — 28) Da
lo (sowie auch el) sich meist enklitisch an ein folgendes Wort an-
lehnen, so ist es begreiflich, dafs man lo que ähnlich wie lo cual
714 EUGEN HERZOG,
(19) als eine Einheit fafste (vgl. ML. III § 632); man fafste eben
in einem Fall wie dar d cada uno lo que es suyo statt lo als Ob-
jekt, que es stiyo als Determinativ zu /o, das ganze /o que es suyo
als Objekt; und nun zerfiel das wieder in ein scheinbares Subjekt
lo que und ein Prädikat es suyo. Nun ist es klar, dafs bei einer
solchen Auffassung eine ursprünglich zum Relativum gehörige Prä-
position nicht dazwischen, sondern davor tritt (vgl. Wgg § 32, I2c);
el per7iil y el vino er an de lo que no habia en aqueJla tierra Trueba
HC 67 (aus diesem Beispiel ersieht man, dafs Wiggers' Fassung zu
eng ist). No sabes de lo que soy capaz FO 230; verstärkendes todo
tritt dementsprechend zu lo que'. para que sepas de todo lo que es capaz
J. y Ruf. 24. Ist nun ein derartiger Satz Subjekt eines andern,
dessen Prädikat ein mit Kopula verbundenes Substantiv ist, so er-
hält auch dieses gern die betreffende Präposition. Wir haben die
Formel: das, bei dem A handelt, ist B; wobei A handelt, Vertreter
eines beliebigen Prädikats, bei Vertreter einer beliebigen Präposition
sei; spanisch sagt man: bei was A handelt, ist B. Indem sich diese
Ausdrucksweise mit der andern: A handelt bei B kreuzt, entsteht
bei was A handelt, ist bei B: De lo que tu eres victima es de nn
delirio PJ 116; eji lo que duerme . . es en el campo DQ II 19. Von
einer Sparung einer Präposition, wie Wgg will, kann in diesem
Beispiel keine Rede sein (§ 32, I2d); von einer Attraktion mag
man sprechen, wenn man Lust hat (Wgg § 58, 8). —
29) Nun ist das Augenmerk auf eine 13 analoge Erscheinung
zu lenken; das Objekt kann eine unbestimmte Mengenbezeichnung
sein: poco, niiicho, tanto. Da nun mucho sufriö neben gelegentlich
intransitiv gebrauchtem sufriö steht, entwickelt sich das Gefühl,
dafs es sich nicht um ein Objekt, sondern um einen Umstand des
Grades handelt; dasselbe gilt von dem fragenden 'was', das be-
sonders rhetorischer Weise angewendet wird, wo man viel, wenig
oder nichts zur Antwort erwartet (Be 1148, Wgg § i}^, 8a), und
ebenso von relativem lo que: Es imposihle espresar lo que sufriö
FO 134; indem dann ein jmiradl, ein 1^ sabes? oder ähnliches im
Sinn behalten werden, entstehen elliptische Fragen oder Ausrufe
wie: jlo que el vulgo miente! DJT I II 2, ^Lo que el entenderd de
comedias, cuando dice . .? Mn. la C. N, 1 5 (vgl. Be 1164). In ähn-
licher Weise kann lo que eine örtliche, zeitliche Strecke oder eine
Geschwindigkeit angeben: No mir es lo que has andado, sino lo que
falta que andar CG 158; ^Pensdis que cesard Mi pasion . .? No; lo
que yo vivird Ha Am. d. Ter. III 2 (vgl. 22) ; d todo lo que su galope
pudo se saliö DQ II 37. — 30) Dafs es sich um ein Objekt handelt,
wird schliefslich ganz vergessen, /0 que ist Bezeichnung des Grades:
mir ad lo que os estimo Mo El Par. III 7, entonces comprendi lo que tu
me amabas C 69, es increible lo que aquellas criaturas yne molestan
Mn. La C. N. II i, Quien no vee y conosce lo que estos diffieren entre
si HE 28, lo que . . debe dejarie es su bendicion . . por lo que la,
mereces 'da du sie so gar verdienst' (ironisch) J. y Ruf. 24, nicht
einfach lo que = weil, wie Fesenmair erläutert; y fue tanto lo que
ZUSAMMENFASSENDES LO IM SPANISCHEN. 715
el pasior la aborreciö . . que por no vcrla se qiiisö atiseriiar de aguelia
ti'erra DQ I 20, Por no verla llorar — [tanto es lo que me aflige! —
me haria acerrirtio enemigo de las lagrimas VB 186, vgl. Be 976. —
31) In den meisten der bisher besprochenen Fälle handelt es sich
um einen besonders hohen oder niedrigen Grad; aber an und für
sich liegt das nicht im Wesen der Konstruktion, wie das von
Bello 977 angeführte Beispiel zeigt: Bien cuadra un don Tomas . .
Caballero lo que es bucno, rico lo que basta, mozo lo que alegra', dies
tritt besonders ein, wenn zwei Grade miteinander verglichen werden:
este primer paseo fue tan lindo d A. que debiö prolongarlo ?uas de lo
que primitivameute habia pensado C 153, pintar las cosas, no conio son,
srno tnds bellas de lo que sott PJ 5, esia novela, que ha tenido un exito
muy superior ä lo que el autor podia imaginarse PJ 3, Las jnanos
er an . . mds bellas que lo que D. Luis habia dicho en siis cartas PJ 122,
. . OS harä conocer inejor los sentimienios de C. que lo que el misnio
autor pudiese hacerlo Vß 10 1; schliefslich findet sich die Konstruktion
auch dort ein, wo der Vergleich nicht in Bezug auf den Grad
stattfindet: Antes de lo que yo pensaba, . . me decidiö mi padre d que
montase en L. PJ 83. —
32) Nun ist eine kleine Untersuchung geboten über die Fälle,
wo — zunächst ganz äufserlich gesprochen — zwischen dem lo
und dem Relativsatz ein Adjektiv der Mengenbezeichnung steht.
Hier fällt zunächst ein wichtiger Unterschied auf: nuestro entendi-
miento no engorda con lo mucho que en poco tiempo leemos, sino de
lo que poco a poco va eniendiendo y rumiando HE 13; hier ist offen-
bar gemeint: 'unser Geist bereichert sich nicht damit, was wir in
kurzer Zeit lesen, und dies ist viel oder kann viel sein', mucho
scheint hier zu einem substantivierten Begriff (dem Relativsatz) zu
treten, wie es zu einem Substantiv treten würde; vergleichen wir
damit: los melancholicos ahundan siempre de mucha agtca y saliva en
la boca . . cosa que se echa de ver claramente, considerando lo mucho
que escupen HE 171, hier heifst es nicht, indem wir betrachten, was
sie ausspucken, und zwar ist das viel, sondern lo mucho entspricht
ganz einem Ausdruck wie 'die grofse Menge' und qtie escupen ist
dazu ausführender Relativsatz, ähnlich la prueba mayor de lo mucho
que me quiere Mn El si II 7; noch deutlicher wird der Unter-
schied, wenn wir vergleichen guidndose por lo poco que sabia positi-
vamente y por lo que su buen sentido le suge^-ia FO 157 — er liefs
sich leiten von dem, was er wufste — das war allerdings nur
wenig — und vivo espantado De lo poco que has gozado Gusto de
de juegos y damas Mira de Mesc. (MPr S. 76) — erschreckt von
dem geringen Mafse. Aber auch hier ist eine strenge Scheidung
unmöglich; so sind beide Auffassungen möglich in hizo ostentacio7i . .
de lo mucho que habia aprendido en la escuela Isla 80 b. Und gerade
von solchen Fällen ist ofi'enbar auszugehen; lo mticho entspricht hier
genau dem Gebrauch in 16, und der que-Satz ist näher bestimmen-
der Relativsatz!; und nur durch die verschiedene Betonung, die
^ Wie etwa in lo primero que me inculcö mi madre fue . . VB 138;
7l6 EUGEN HERZOG,
auf der Quantitätsbezeichnüng Hegt, wird sie in dem einen Fall
fast zu einer adjektivischen Bestimmung des Relativsatzes i herab-
gedrückt, also das Verhältnis von determinans und determinatum
umgekehrt, im zweiten Fall wird der Ausdruck beinahe gleich einem
'der Umstand, dafs es viel, wenig ist . .'. Ferner ist darauf auf-
merksam zu machen, dafs wie niucho und lo que (29 — 31) auch
lo miicho que die Wandlung vom Objekt zum Umstand des Grades
durchmachen kann (vgl. obiges Beispiel aus Mira de Mescua). —
33) Es hat also diese Konstruktion mit der in 20 ff. behandelten
im Grund nichts zu thun. Wohl aber konnte sich die Gewohnheit
ausbilden, ein in den Relativsatz gehöriges Adverb, wenn es stark
betont war, zwischen lo und qiie einzuschieben. Es ist vollständig
berechtigt (16): tin diiro 6 dos es lo mds que se atraviesa PJ 87, lo
menos que Vd. puede hacer pat'a sus amigos seria de esc7'ibirles Rothw.-
INIont. Gr. S. 60, lo mds que mi padre me 7-etendrä . . sera todo este
nies PJ 78 (mit der 20 berührten Verschiebung von Objekt zu Zeit-
dauerbestimmung). Andrerseits vollständig berechtigt (20): Que es
lo que mas ie ha agradado MPr U 948, esto es lo que importa menos
Pr II 325, und (28): de lo que mas la Duquesa se admiraba era que . .
DQ II 34) '^^ ^0 que mds me aflijo, ftie que . . Mo El Par. III i. Und
nun aber, indem bei dieser letzteren etwa ein */ö mas de que se
admiraba .., das seine Analogien in 32 findet, störend einwirkt,
gelangt man zu Konstruktionen wie: de lo menos que el se ocupa es
de la muchacha FO 171, en lo menos que piensan es en los sanios y en
Dies FO 16 1.2 Die anziehende Kraft des lo auf derartige Ad-
verbien zeigt sich sehr hübsch in dem Beispiel: lo que menos debo ä
usled es el dinero, lo mas es una inclinacion finisima .. Isla 626b;
lo mas und lo menos sind eben häufig gebrauchte Formeln, und
diese Wortstellung findet sich demnach in Fällen, wo eine andere
berechtigt wäre. —
34) Wie das lo que dazu dient einen Grad bei Verben anzu-
zeigen, so kann es auch einen solchen bei prädikativen Adjektiven
anzeigen; im altern Spanischen sagte man, wie Bello 980 zeigt:
todos los que la loaban no decian la mitad de lo que ella era hermosa
(Amadis) und verwandte Beispiele aus Lope de Vega und Tirso
de Molina. Nun ist es natürlich das Adjektiv, auf dem der Haupt-
ton liegt; es hat also die Tendenz vor den Satz gestellt zu werden;
Konstruktionen, wie die Wgg § 55d erwähnte, namentlich aber die
in 14 erörterte, haben vorbildlich gewirkt; da auch dort auf der
Betonung des Grades ein hohes Gewicht liegen kann, kommt sie
esa hoj'a de higuera — lo solo que trajo del Paraiso el que le perdiö
J. y Ruf. 34; lo ünico que se es . . CC 37,
^ Oder auch eventuell eines Partizips: Arno d Dios, no sohre todas las
cosas, sino sohre lo poco conocj'do que desdeno . .? PJ 32.
2 Uebrigens hätte aus der Konstruktion */ö mas de que . . diese: de lo
mas que entstehen können , ohne dafs die eigentlich richtige de lo que mas . .
daneben bestand, wie sehr schön das Beispiel de la mayor riqueza etc. Wgg
§ 59, 8 zeigt.
ZUSAMMENFASSENDES LO IM SPANISCHEN. 717
besonders entgegen. In der That ein Beispiel wie das dort aus
FO 207 gegebene konnte auch heifsen: por lo que era flaca . .
parecia', das -\-por lo flaca . . parecia . . ergiebt por lo flaca que era.
Wir gelangen also zu der von Bello 976. 977 besprochenen, von
Tobler a. a. O. und ML. III § 8 mit Beispielen reichlich belegten
Erscheinung. Dafs aber die Entwickelung wirklich so war, ergiebt
sich daraus, dafs 34 sicherlich jünger ist als 14 und schwerlich
über das 18. Jahrh. zurückreicht. Einige neue Beispiele werden
immerhin willkommen sein. No estaba D. Ltns todo lo segiiro . .
que debiera estar PJ 153, ^Coniprende Vd. lo horripilatite que es esto
para una andaluza . .? VB i;^"} , no sabe usted lo asustada que estoy
Mn El si III II, No sabe Vd. lo incotnodadas que nos tiene este caba-
llerito FO 266, . . Y lo atrasada que ?ne coge, que yo 110 se que hubiera
sido de tu pobre madre . . Mn. El si II 2, ine hablö de su caridad, . . de lo
covipasiva y buena que era para todo el mundo PJ 29, Te haräs cargo
de lo subida de pimto que estaria nuestra ctin'ostdad . . \3 27, sin ser
visto por lo af anados que estaban en el juego PJ 199; schliefslich ge-
schieht diese Vorwegnahme auch dann, wenn der Grad sich auf
ein Adverb oder eine adverbiale Redensart bezieht: serd por lo
cömodamente que se viaja VB 57, vgl. Bello 981.
Wir sehen also, dafs lo in erster Linie vor Ausdrücken steht,
die gewöhnlich dazu dienen, Seiendes näher nach Eigenschaft,
Stellung zu anderem gleichartigen oder ungleichartigen Seienden,
von ihm oder an ihm ausgeübter Thätigkeit zu determinieren: Ad-
jektiva oder damit gleichwertige Wort- und Satzkategorien: Parti-
zipien, präpositionale Ausdrücke, Relativsätze; nennen wir all dies
Determinativa. lo mit dem Determinativum bezeichnet in erster
Linie das Wesen oder die Wesen, dem dies Determinativum zu-
kommt, und von dem man sonst nichts weiter aussagen will oder
kann', nichts über Zahl und Geschlecht, nichts über konkret oder
abstrakt, nicht ob leblos oder lebend; in zweiter Linie die durch
das Determinativum bestimmte Seite eines Wesens, indem diese
gewissermafsen als ein Teil desselben vorgestellt wird. Der Sinn
des lo ist dabei ein zusammenfassender (so schon ML. a. a. O.), was
sich darin zeigt, dafs verstärkendes todo fast in allen Fällen dazu-
treten kann. Es fafst also das, dem das Determinativum zukommt,
zusammen und stellt es sogar häufig in einen gewissen Gegensatz
zu dem, dem dasselbe nicht zukommt: vgl. etwa den Unterschied
zwischen lo cierto es que . . und cierto es que . . und 19. 27.
Lo ist die proklitisch entwickelte Form von illud, wie el von
1 Nicht kann — in den meisten Fällen; nicht will — vgl. etwa 10. 11.
Aufserdem, wie es scheint, besonders gern in der Vollcssprache; hieher rechne
ich das von ML. III § 68 zitierte Beispiel, wo Sancho Panza sagt: si no le
(die Magenstörung) reparo con dos tragos de lo anejo 'zwei Schluck von dem,
was alt ist', oder wenn etwa andalusische Stierkämpfer in Madrid bei Begeg-
nung eines hübschen Mädchen zu sagen pflegen: / Bendito sea lo biieno!
Trueba, Buen. IV.
7l8 EUGEN HERZOG,
ille, la von illa. Auch diese treten vor präposizionalen Ausdrücken
und Relativsätzen auf, werden aber in diesem Fall nicht Artikel
genannt, el und la treten vor das Substantiv, um es als bereits
Bekanntes zu bezeichnen. In diesem Sinn v/ird lo nie gebraucht.
el und la bezeichnen aber auch den an einem Gegenstand selbst-
verständlich vorhandenen Teil, und fassen allgemein die Wesen
zusammen, von denen die Aussage gilt, el hombre es mortal', nament-
lich steht el in dieser Verwendung vor Determinativen, um den
Menschen zu bezeichnen, dem es zukommt: el bueno . . Insofern
ist der Gebrauch von lo analog (vgl. 14). Trotz dieses zusammen-
fassenden Gebrauches von el und la handelt es sich doch immer
um bestimmte mit Namen nennbare Seiende, und steht es vor
einem Determinativum, so wissen wir doch immer, dafs es sich um
einzelne Menschen, zum mindesten um einzelne Seiende handelt;
lo läfst vollständig im Unklaren, ob es einzelne Seiende sind oder
ein gemeinsames (dem lo bueno steht infolgedessen kein un bueno
und kein los btienos entgegen wie dem el hombre ein un hombre,
ein los hombres). Zwischen el hombre und el bueno einerseits, el -\-
präpositionaler Ausdruck, el que . . andrerseits besteht immerhin
der Unterschied, dafs im ersten Fall dasjenige, auf das sich el be-
zieht, thatsächlich ausgedrückt ist (denn hmio heifst 'guter Mensch'
nicht nur in Verbindung mit el), im andern aber aus dem Zu-
sammenhang oder Sinn zu ergänzen ist, so dafs man mit Recht
hier zwischen Artikel und Pronomen demonstr. unterscheiden darf.
Die Scheidung fällt weg bei den drei Gebrauchskategorien des lo.
Ob man nach dem Erörterten das lo in lo bueno als Artikel an-
sehen will, mag dahinstehen; jedenfalls geht es nicht an, lo bueno
von lo de Cid und lo que debes zu trennen.
Lo ist substantivierend und neutral in dem eben erörterten
Sinn, es ist aber nicht substantivierend oder neutral schlechtweg.
Zu Begriffen, die keine determinative Natur haben, kann es nicht
treten; man sagt deshalb el bien, el cömo [lo primero era ser libres,
el cötno era negocio para despues Quintana), el porque de las cosas,
enire el <ilo>'> y el <s.que» puede inkrvenir un predicado Be 978, el que
(Beii4Q), el ta7ito 'die bestimmte Summe', deshalb por el tanto
'zum selben Preis', weil lanto in tanto cuesta als Adverb, jedenfalls
nicht als Adjektiv gefühlt wird. So wird der Infinitiv mit el sub-
stantiviert (Be 361), trotzdem Infinitive deutlich neutral sind (Be 294);
und so wird schliefslich ein ganzer Satz mit el substantiviert: creo,
que es lo natural . . el que corte aquellas relaciones VB 73, habia de-
mostrado el cömo puede la aberracion del genio elaborar coji las flores
del talento VB 230 (Be 326, Wgg § 16, 2; § 55, 4i).i
Nach dem Vorliegenden ist es ziemlich begreiflich, wenn spa-
nische Grammatiker sich darauf steifen, in dem lo ein Substantiv
1 Widersprechend im Anfang von Ccrv. Novele Casam. engan.: d lo si
estoy en esta tierra, 6 no . . el verme en ella, le responde; dieser Ausdrucli
ist mit einigen in 19 vorgebrachten ganz analog; auch mag vielleicht vor-
schweben ä lo preguntado si . . oder d lo que preguntas, si ...
ZUSAMMENFASSENDES LO IM SPANISCHEN. 7 IQ
ZU erkennen; wohl nicht etwa weil lo in manchen Fällen einem
las cosas gleichbedeutend ist, nicht auch weil es etwa schon selb-
ständig einen Sinn hätte, sondern deshalb weil erst lo die ganze
Verbindung zum Substantiv macht, also thatsächlich der Träger der
substantivischen Idee ist, lo hermoso zu hermoso sich ungefähr so
verhält wie cosa hermosa zu hermosa; vergleichen wir die Ausdrucks-
weisen, von denen auszugehen ist und die alle in älterer Zeit nach-
weisbar sind: (1) lo dicho, (16) lo mio, (19) lo de Pedro, (20) lo qiie
haces mit den konstruierten lateinischen Vorlagen: tllud dictum, illud
vieum, illud de Petro, illud quid facis, so gewährt es wirklich den
Anschein, als ob hier nicht z7/?«/ zum Determinativum, sondern das
Determinativum ursprünglich zu illud getreten sei, wie das ja gewifs
thatsächlich in den schon bei Cicero begegnenden Beispielen illud
extremum Plane. 65, illud iuum Caccina 64, illud Catonis u. ä. der
Fall ist, welche Zusammenstellungen allerdings noch nicht den fürs
Spanische charakteristischen Sinn haben.
Sehen wir uns nun kurz die Fälle an, wo el vor neutralem
Adjektiv erscheint, so zeigt es sich, dafs sie durchwegs nicht in
die besprochenen Kategorien passen. i In den meisten Fällen ist
ein wirkliches Substantiv gedanklich vorhanden, wird aber ver-
schwiegen, sei es dafs die Sprache kein passendes Wort dafür hat,
sei es dafs es dem Sprechenden auszudrücken unnötig scheint oder
nicht gleich einfällt, frio in el frio, vacio in el vacio waren Sub-
slantiva bereits, bevor der Artikel dazu tritt, sie bedeuten 'kalte
Temperatur', 'leerer Raum'; hace frio ist der Gegensatz zu hace
calor; man sagt im vacio VB 80, el horrido vacio Ha Los am. i8a;
ähnlich heifst el ittfiniio der unendliche Raum, die Unendlichkeit,
vgl. el amor de tni padre y el recuerdo de mi madre . . er an la piedrn
angular que nie unia al infinito C 77 (vgl. dagegen das Beispiel
PJ 82 in 3); el fisico 'die physische Konstitution' ist der Gegen-
satz zu el alma: esta h.uella se marca no solo en el fisico sino eu el
alma C 1 1 . el sonrosado, el male sind die rosige, die bleiche Ge-
sichtsfarbe in el sonrosado y la frescura de la tez son Jioy ree?npla-
zados por el palido male de los anos C 11 (vgl. dazu das Beispiel 12 b) ;
el esterior und el interior de la habitacion sind der äufsere, innere
Teil der Wohnung (noch besser 'das Interieur'), lo interior de la
habitacioji das was sich innen befindet {el interior de la habilacioti
tenia indtidable}ne?ite cierlo encanto FO 7 1 und dazu 6); ähnlich el
estremo 'das Ende, das Extrem', ridiculo ist 'Lächerlichkeit', süd-
deutsch 'Blamage' (eine Frau sagt VB 67: no pietiso . . ponerme en
ridiculo, nicht ridiculo) und an derselben Stelle ta7i poco cuidado del
ridiculo (vgl. frz. le . ., im ridicule) ; so ist an der von Tobler zitierten
^ Also — vielleicht mit Ausnahme des in 17 erwähnten al nietios —
nicht von einer Verwischung oder Unsicherheit des Sprachgebrauches nicht
die Rede sein kann. Dies ist also das Resultat der Untersuchung, die ich
nicht aus Lust zum Widerspruch geführt habe — dazu sind die Meinungen
Toblers viel zu vorsichtig und zweifelnd vorgebracht — , sondern weil eben
dieser zweifelnde Ton des Meisters zu erneuter Nachforschung geradezu auf-
zufordern schien.
720 E. HERZOG, ZUSAMMENFASSENDES I.O IM SPAN.
Stelle esa vergonzosa co7idescendencia para el escatidoloso que es ä nuesiro
juicio el pecado capiial de la alta sociedad viadrilena: el escandoloso
wohl nichts anderes als die Chronique scandaleuse, der Tritsch-
tratsch, wenn es nicht gar 'der anstofserregende Mensch' ist, wie
in PJ 1 49 : no hay nada iati malo corno el esamdalo y . . ä los escanda-
losos es menester arrojarlos al mar con una piedra de molino atada al
pescuezo. por lo contrario (17) steht zu gewöhnlichem per el contrario
wie 'das Gegenteilige' zum 'Gegenteil'; el pasado heifst die 'ver-
gangene Zeit', 'Vergangenheit', el peinado 'das frisierte Haar', 'die
Frisur'; dagegen lo bien calzado nie agrada das gut Angezogene =
wenn man etwas gut angezogen hat, JMo El 1. D. D. I 8.
Die Art und Weise schliefslich, wie el sublime, el necesario zu
fassen sind, zeigt Cuervo in seinen Anmerkungen zu Bello S. 35.
Man gebraucht el sublime, el patäico in der Rhetorik, el superßuo,
el necesario in der Nationalökonomie, el desnudo, el anliguo in der
Aesthetik als termini technici und könnte ebenso gut etwa in der
Ethik von el honesta sprechen ; d. h. es sind philosophische Begriffe,
bei denen von dem Träger der Eigenschaft abgesehen werden soll,
Abstraktionen, durch die Eigenschaften vom Seienden als etwas für
sich Seiendes hingestellt werden, mit dem die Theorie der be-
treffenden Wissenschaften zu operieren hat. Dafs thatsächlich necesario
und sublime darin als Substantiva gefühlt werden, zeigt Be 277,
welcher angiebt, man könne sagen: el mero necesario und lo mera-
viente necesario, el verdadero sublime und lo verdaderainente sublime.
Einschränkende Adjektiva können wohl schwerlich zur Konstruktion
lo -f- Adjektiv treten.
Dafs an vielen Stellen etwa el pasado sowohl wie lo pasado, el
sublime nicht minder als lo sublime gesagt werden könne, ohne dafs
sich eine merkliche Differenz des Gesamtsinns einstellt, soll damit
nicht geleugnet werden. Zu behaupten aber, dafs die Ausdrücke
an und für sich dasselbe besagen, wäre nach meiner Ansicht ebenso
verfehlt, wie aus dem Umstand, dafs moderne französische Schrift-
steller das Imparfait oft dort gebrauchen, wo wir Passe d6fini er-
warten, zu folgern, dafs beide Zeiten Gleiches bedeuten oder be-
deuten können.
Abkürzungen.
Caballero: VB =; Coleccion de autores espanoles (Brockhaus) 32; CC
= Coleccion 40; J. y Ruf. = Fesenmair's spanische Bibliothek 7; Valera:
PJ = Pepita Jimeneziä. Madrid 1892; Calderon: VS, Pr, MPr = Lavida
es sueno, El principe constante, El mägico prodigioso nach Krenkel's Ausgabe
I, II; Moratin (Mn), Moreto (Mo), Hartzenbusch (Ha) nach Akt und
Szene; Zorilla's Don Juan Tenorio (DJT), Breton de los Herreros' La
independencia (Ind.) nach Akt und Szene; Galdos: FO :=: Coleccion 31;
C = Carlos por ***. Paris, Medina, 1868; Cervantes' Don Qiiijote (DQ)
nach Buch und Kapitel; Huarte: HE = E.\araen de ingeniös*. Amsterdam,
Ravestein, 1662; Trueba: HC = Coleccion 10; La buenaventura nach Ka-
piteln; Isla: Biblioteca XV.
Be = Bello, Gramätica de la lengua castellana . . Cuarta ediciön hecha , .
de D. Rufino Cuervo. Paris 1892. Cu = Cuervo's Notas dazu.
Wgg = Wiggers, Grammatik der Spanischen Sprache 2. Leipzig, Brock-
haus, 1884. ,, TT
^ Eugen Hekzog.
Notes on JEsopic Fable Literature in Spain and Portugal
During the Middle Ages.
On approaching any theme connected with the history o
^sopic Fable Literature in the Middle Ages it is natural to turn
first of all to M. Leopold Hervieux's colossal publication on Les
Fahiilisles Laiitis^. Confining our attention in the present article
to manuscript sources, let us see what are the Statements that
M. Hervieux makes concerning manuscripts in Spanish and Portu-
guese libraries.
The first point to be noted in this connection is that M. Her-
vieux himself confesses to an almost complete ignorance of the
manuscripts to be found in the libraries in question. In his first
edition he makes the Statement 2 that he has not visited the Spanish
libraries, and contents himself with citing a Single manuscript of
the collection of Walter of England from Haenel's well-known cata-
logue"*. In his second edition he cites three manuscripts*, all in
Madrid libraries, from which fact it may be inferred that he had
vn the meanwhile paid a visit to the Spanish capital.
' Leopold Hervieux, Les Fahulistes Latins depuis le siede iV Auguste
j'usqu'ä la Fin du Mayen Age:
Tome I. Phedre et ses Ancietis Imitateurs Directs et Indirects. Paris:
librairie de Firmin-Didot et Cie., 56 Rue Jacob, 1884. 8vo, VIII and 729 pp.
Tome II. Phedre et ses Anciens Imitateurs Directs et Indirects. Paris:
librairie de Firmin-Didot et Cie., 56 Rue Jacob, 1884. 8vo, II and 852 pp.
Tome III. Avianus et ses Anciens Imitateurs. Paris: librairie de
Firmin-Didot et Cie., 56 Rue Jacob, 1894. 8vo, III and 530 pp.
Tome IV. Eudes de Cheriton et ses Derives. Paris: librairie de Firmin-
Didot et Cie., 56 Rue Jacob, 1896. 8vo, VIII and 482 pp.
Tome V. Jean de Capoue et ses Derives. Paris: librairie de Firmin-
Didot et Cie., 56 Rue Jacob, 1899. 8vo, VI and 787 pp.
Tome I. Phedre et ses Anciens Imitateurs Directs et Indirects. Deux-
ieme edition, entierement refondue. Paris: librairie de Firmin-Didot et Cie.,
56 Rue Jacob, 1893. 8^°' ^^^ ^"^ 834 pp.
Tome II. Phedre et ses Anciens Imitateurs Directs et Indirects. Deux-
ieme edition, entierement refondue. Paris: librairie de Firmin-Didot et Cie.,
56 Rue Jacob, 1894. 8vo, II and 808 pp.
2 See Vol. I, p. 532.
ä Catalogi Librorutn Manuscriptorum Qui in Bibliothecis GallicB, Hei-
veticB, Belgii, Britannice M., HispanicE, Lusitania: Asservantur, nunc primum
editi a D. Gustavo Haenel. Lipsise: sumtibus I. C. Hinrichs, 1830. 4to, XII pp.
and 1240 cols.
* See Vol. I, pp. 583—585.
Zeitschr. f. rom. Phil. XXV. 46
722 GEORGE C. KEIDEL,
But even so, his lack of attention to this part of his field is
remarkable, as Dr. Haenel', whom he himself cites, gives no less
than seven manuscripts which he had found in Spanish and Por-
tuguese libraries, only one of which is mentioned by M. Hervieux
even in his second edition. But more of this presently.
Let US now turn to look at the question from a more general
point of view. M. Hervieux cites in all some three hundred and
thirty-four manuscripts, of which only three are from the libraries
of Spain and Portugal, and yet these libraries probably contain in
round numbers a hundred thousand manuscripts, or about one-
tenth of all the Mediaeval manuscripts extant^. One would, there-
fore, expect to find thirty manuscripts in these libraries instead of
three if the proportion of fable manuscripts was approximately the
same for Spanish and Portuguese collections as for those of other
countries. Or let us change our point of view slightly and say
that whereas I\I. Hervieux cites some fifty-six manucripts of the
Bibliotheque Nationale at Paris with its collection of say one hundred
thousand manuscripts, for Spain and Portugal with collections
aggregating the same figure he knows of only three. Here, then,
we have a proportion of nearly twenty to one, instead of the ten
to one which we had in the first instance.
This State of afifairs will be found upon a closer examination
to be no mere accident, but to be due to two very important
facts; namely, first that the ^sopic Fable was never a favorite
form of literature in the Iberic peninsula, and seco7id that there is
a very general ignorance among scholars as to the manuscript
treasures to be found in Spanish and Portuguese libraries.
The first great period of literature on the peninsula closes
with the invasion of the Moors in 7 1 1 A. D., and our evidence
concerning the ^sopic Fable in Spain and Portugal during this
early time is of the very scantiest.
The first point to be noticed is the fact that the Greeks from
time immemorial had establishd certain trading-posts in Iberia,
which gradually grew up to be towns, and where there must cer-
tainly have existed some knowledge of the iEsopic Fable in its
Greek form. However this may be, one thing at least appears to
be assured, namely that no direct evidence concerning such a
knowledge has come down to our day.
Very aimilar Statements are no doubt true for the succeeding
Carthaginian and Roman periods, and we have nothing definite to
engage our attention until we come to the early centuries of our
era to which reference is made in a doubly-erroneous Statement to
be found in Amador de los Rios, which reads as follows^:
^ See the accounts given of the various libraries in Minerva, Jahrbuch
der Gelehrten Welt, herausgegeben von Dr. K.. Trübner und Dr. F. Mentz.
Achter Jahrgang: 1898 — 1899. Strafsburg: Verlag von Karl J. Triibner, 1899.
i2mo, XXIV and Ii44pp.
2 Historia Critica de la Literatura Espanola, por Don Jos6 Amador
NOTES ON ^SOPIC FABLE LITERATURE. 723
Sea 6 no el frigio Esopo el Lokman de los arabes, es para
nosotros evidente que la poesia griega recibiö de la India la forma
simbolica desemejante si no contraria ä la unidad y perfecta ar-
monia de la idea y su manifestacion exterior, caräcter principal y
base de la literatura helenica. Aceptola al senorearse de Grecia
la romana; y docto en el conocimiento de los historiadores y poetas
que florecieron en aqiiel privilegiado suelo, cultivola primero el
espanol Hijino, y algo adelante el celebrado Pedro, . . .
Unfortunately for Amador de los Rios' patriotic claim of
priority over Phaedrus, it turns out upon investigation that accord-
ing to Suetonius there lived about the time of our era a certain
Latin gramrnarian named Caius Julius Hyginus, who possibly was
born in Spain and who was placed by Augustus at the head of the
Palatino Library. Only fragments of his works remain and there
is no evidence to show that any of them contained ^sopic Fables.
Another writer named Hyginus Gromaticus, who probably flourished
in the second Century, was possibly the author of the well-known
Liher Fabularum among other things, but this work deals only with
mythological legends^.
The next matter to engage our attention in Coming down the
centuries are the Statements found in the writings of the celebrated
St. Isidor of Seville. This well-known Spanish author was born at
Carthagena about 570 A. D., and died at Seville in 636. In his
Origines, Bk. i, chap. XXXIX, we find the foUowing Statements'-:
Has [fabulas] primus invenisse traditur Alcmon Crotoniensis:
appellanturque yEsopicae, quod is apud Phrygas in hac re polluit.
Sunt autem fabulae aut ^Esopicae aut Libysticse. /EsopiccB sunt,
cum animalia muta inter se sermocinasse finguntur, vel quae animam
non habent, ut urbes, arbores, montes, petrae, flumina. Lihysticcz
autem, dum hominum cum bestiis, aut bestiarum cum hominibus
fmgitur vocis esse comercium.
From these quotations, and the few stray fables which he cites,
it would appear that St. Isidor was acquainted with ^sopic Fable
Literatura, but just how much knowledge of them this would imply
both in his own case and in that of his fellow-countrymen it would
be hazardous to attempt to estimate.
I think we may, however, safely assume that, whatever the
knowledge of Pha;drus and the Greek fabulists may have been in
de los Rios. Tome III. Madrid: imprenta de Jose Rodriguez, Factor, nüm. 9,
1863. 8vo, VIII and 703 pp. See p. 471.
* Dictionary of Greek and Roman Biography and Mythology, edited
by William Smith. Vol. II. London: . . . John Murray, Albemarle Street,
1849. 8vo, VIII and I2i9pp. See pp. 534 — 536.
2 Corpus Gramniaticorum Latinorum Veter utn; collegit, auxit, recensuit
ac potiorum lectionis varietatem adiecit Fridericus Lindemannus, sociorum opera
adiutus. Tomus III. Isidori Hispaletisis Episcopi Etymologiaruni Libros XX.
Conti?iens. Lipsise: sumptibus B. G. Teubneri et F. Claudii, 1833. 4to> XII
and 702 pp. See pp. 65 — 66.
46*
724 GEORGE C. KEIDEL,
ihe Iberic peninsula, the widely-disseminated collection of Avianus
which was composed in the fourth Century of our era must by
this time have found its way into Spain. Indeed the very earliest
definite slatement as to a manuscripi containing ^sopic Fahles
which WC have is one concerning Avianus in the ninth Century.
This falls within the second great period of Spanish literature at
a time when the Moorish invasion had nearly obliterated Spanish
literature and pressed the unconquered remnant of the people
almost into the Atlantic Ocean.
Dr. Rudolf Beer in his work on Spanish libraries ' cites a
passage from Alvarus, Vita Beati Eulogii, which states that Eulogius
of Cordova made a journey in the year 848 to sundry monasteries.
In that of San Zacharias at the foot of the Pyrenees he was kindly
received, and the Abbot Odoarius presented him with a number
of manuscripts among them "Avieni fabulas metricas", which manu-
scripts it is recorded he failhfully carried back to Cordova for the
use of his fellow-monks. This scanty notice indicates that San
Zacharias must have had a manuscript of Avianus before 848 A. D.,
as the abbot would hardly give away his original, but probably
only a copy; and that the monastery at Cordova had one after
848 A. D. Dr. H. Draheim in his Bericht über die Litteratiir zu
Phaedrus und Avianus für die Jahre 1892 — 1894 also cites this
manuscript 2 after M. Manitius^,
After this date of 848 A. D. we come to a long blank period
in the history of ^sopic Fable Literature in Spain and Portugal
ending for us finally about the year 1225 A. D., which is the date
claimed by Amador de los Rios for MS. iio of the Biblioteca
Nacional at Madrid 4. But here again our Spanish author appears
to have made several grievous errors, for M. Hervieux^ describes
this same manuscript at length and assigns it to the fifteenth cen-
* Handschrtftenschätze Spaniens; Bericht über eine im Auftrage der
kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in den Jahren 1886 — 1888 durch-
geführte Forschungsreise. Von Dr. Rudolf Beer, Amanuensis der k. k. Hof-
bibliothek. See VI. Abhandlung in Sitzungsberichte der Philosophisch- Histor-
ischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Hundertvier-
undzwänzigster Band. Wien: in Commission bei F. Tempsky, 1891. 8vo, 80 pp.
See pp. 19 — 20. Conlinued in succeeding volumes down to Vol. 131, 1894.
Also published separately under the date 1894; references are given to the
last-named form.
2 Jahresbericht über die Fortschritte der Classischen Alterthumswissen-
schaft; begründet von Conrad Bursian, herausgegeben von Iwan v. Müller.
Vierundachtzigster Band: Dreiundzwanzigster Jahrgang 1895. Zweite Ab-
theilung: Lateinische Klassiker. Berlin: Verlag von S. Calvary & Co., Luisen-
strafse 31, NW., 1896. 8vo, IV and 310 pp. See p. 248.
3 Rheinisches Museum für Philologie, herausgegeben von Otto Ribbeck
und Franz Buecheler. Neue Folge: Sieben und Vierzigster Band, Ergänzungs-
heft. Philologisches aus Alten Bibliothekskatalogen (bis 1300); zusammen-
gestellt von M. Manitius. Frankfurt am Main: J. D. Sauerländer's Verlag,
1892, 8vo, VIII and 152 pp. See p. 112.
* Op. cit., Vol. III, p. 472.
5 Op. cit., Vol. I, 2d. ed., p. 584.
NOTES ON ^SOPIC FABLE LITERATURE. 725
tury, instead of two centuries earlier. Furthermore Amador de
los Rios was completely in the dark as to the nature of the col-
lection before him, and calls it merely Horiuhis from a word
occurring in the prologue, INI. Hervieux, however, very properly
describes it as one of the numerous manuscripts containing the
Latin collection of Walter of England.
This ends what may perhaps most fittingly be called the
legendary history of the vEsopic Fable in Spain and Portugal, and
brings us down to the fourteenth Century when authentic records
in this special field for the first time become available. We now
come to a series of manuscripts, which will be taken up in chrono-
logical Order.
I. Walter of England: Madrid, Bibl. Nac, Aa. 163
(ab. 1350).
Of the various documents that go back to the fourteenth
Century probably the oldest is a manuscript of the fahles of Walter
of England, which was first mentioned by Haenel in his well-
known work already citedi;
Madrid, Biblioteca del Rey, Aa. 163. ^sopi fabulse; membr. 4.
M. Hervieux refers to this manuscript and Haenel's catalogue
in his first edition^, and states that the fahles are attributed by
the author of the accompanying commentary to a certain Garicius,
which is only one of a host of names given by various authorities
as that of the author of the Walter of England collection, Whence
he may have dcrived his Information on this point it is impossible
for me to say, as Haenel assuredly gives no hint of all this, and
M. Hervieux himself says on the same page that he has not visited
the Spanish libraries.
In his second edition^ M. Hervieux gives quite a lengthy
description of this manuscript, which seems to be the result of a
personal inspection. Here we are told that the manuscript con-
sists of forty-one folios in a Gothic band of the fourteenth Century,
the scribe apparently being unfamiliar with the Latin language.
The first twenty-five folios contain the epigrams of Prosper Aqui-
tanicus, a Christian writer of the fifth Century, after which come
the fahles of Walter of England, sixty-two in number with the
heading in a somewhat later hand Garicii prologus, while at the
end we find Explicü liber Esopi,
2. Jayme Domenech, Resumen Historiale (ab. 1380).
We will next turn our attention to Catalan literature in order
to consider the Claims of the Dominican Jayme Domenech, Inquisitor
of Mallorca. Towards the close of the fourteenth Century when
1 See col. 965.
2 Op. cit.. Vol. I, p. 532.
3 Op. cit.. Vol. I, 2d. ed., pp. 583—584.
726 GEORGE C. KEIDEL,
Pedro IV of Aragon was patronizing historians and their works he
instigated Jayme Domenech to undertake the translation of the
Speculum Historiale of Vincentius Bellovacensis into Catalan. M. Morel-
Fatio in his Kaialanische LUteratur'^, and Dr. Otto Denk in his
history of Catalan literature2 both make Statements to the effect
that Jayme Domenech did not actually translate his original, but
merely paraphrased it. As the Catalan work is inaccessible to me
I am unfortunately unable to decide whether its author omitted
the Short coUection of ^sopic Fables found in his original, or not.
It seems worth while, at all events, to record these facts in the
present investigation. Two references to manuscripts of this literary
monument which have been found by me are as foUows:
Dr. Beer, op. cit., p. 78, cites Villanueva, Viaje, tom. XVIII,
pp. 212 — 266, as giving in his description of the now dispersed
Biblioteca del Carmen Descalzo of Barcelona the following entry:
(8) Jaime Domenech, Compendio historial. s. XV [L. 326].
Again on p. 5 2 2 the same authority quotes from Villanueva,
Viaje, tom. IV, pp. 132 ff., in describing the now dispersed Biblio-
teca del Real Convento de Predicadores at Valencia as containing:
(10) Jaime Domenec, Historias desde el principio del mundo.
3. Vincentius Bellovacensis, Specula Historiale et
Doctri7iale (1381).
The next point along the line is a mention of a manuscript
of the Speculum Historiale, intended also perhaps to include the
Speculum Doctrinale, of Vincentius Bellovacensis in the will of Gon-
zalo Perez of Pontevedra in the year 1381. Cf. Dr. Beer, op. cit.,
p. 409.
4, Vincentius Bellovacensis, Speculum Historiale (1410).
The private library of King Martin II of Aragon at Barcelona
contained at his death in 14 10 a manuscript of the Specuhwi Histo-
riale of Vincentius Bellovacensis. Cf. Dr. Beer, op. cit., p. 97.
5. Vincentius Bellovacensis, Speculum Historiale (ab. 1450).
To the fifteenth Century is assigned by Dr. Haenel, op. cit.,
col. 958, a manuscript in six folio volumes containing the Speculum
Historiale of Vincentius Bellovacensis, which was found by him in
the Bibl, S. Lorenzo del Escorial in 1822.
' See pp. 70 — 128 in Grundrifs der Romanischen Philologie; heraus-
gegeben von Gustav Gröber. II. Band, 2. Abteilung. Strafsburg: Karl J.
Trübner, 1897. ^^'o» VIII and 496 pp. See p. 115.
2 Einführung in die Geschichte der Altcatalanischen Litteratur von
deren Anfängen bis zum 18. Jahrhundert. Mit vielen Proben, bibliographisch-
kritischen Noten und einem Glossar. Von Dr. V. M. Otto Denk, corresp. Mit-
glied der Kgl. Academie der Buenas Lletras in Barcelona. München: Druck
und Verlag der Älünchner Handelsdruckerei (Verlagsanstalt M. Poessl), 1893.
8vo, XXXVIII and 5iOpp. See p. 36.
NOTES ON ^SOPIC FABLE LITER ATÜRE, 727
6. Vincentius Bellovacensis, Speculum Historiale (ab. 1450).
Dr. Haenel, op. cit., col. looi, also mentions a manuscript of
the Speculum Historiale of Vincentius Bellovacensis in two volumes
as being preserved in the public library of Valencia, which we
may tentatively assign to the fifteenth Century.
7. Vincentius Bellovacensis, Specula Historiale et
Doctriftale (ab. 1450).
Dr. Haenel also, op. cit., col. 1035, mentions "Vincentii Bello-
vacensis specula maxima, de differente tempo, marca, ordern e
caracter; membr. fol.", as being preserved in 1823 in the Biblio-
teca Real da Corte at Lisbon under the numbers A. 5. i — 7.
Perhaps a printed edition is here denoted.
8. jEsopus Latine (ab, 1450).
Dr. Haenel, op. cit., col. 1002, mentions an j^sopus Latine, an
octavo parchment manuscript numbered 185 in the public library
of Valencia. No date is assigned, and so we may put down the
fifteenth Century as most probable. On such slight data it is im-
possible to say which of the many Latin collections the manuscript
in question contains, and we can only venture to surmise od
general principles that it is the widely disseminated work of Walter
of England.
Q. Walter of England: Madrid, Bibl. Nac. iio (ab. 1450).
M. Hervieux in his second edition, Vol. I, p. 584, describes
this as a paper manuscript of quarto size with one hundred and
twenty folios in a band of the fifteenth Century. It contains two
works, the first a religious poem occupying eighty folios, and the
second the well-known collection of Walter of England, breaking
off in the middle of the fifty-eighth fable, but having a subscription
in an old band which shows that the few leaves missing at the
end were lost very early.
10. Quesopete en Latin (1460).
Dr. Beer, op. cit., pp. 116 — 117, reports that in the inventory
made in 1460 at the death of the celebrated statesman and scholar
D. Alvar Garcia de Santa Maria of Burgos there occurs the following
curious entry:
(16) Otro librete que es quesopete en papel en latin cobierto
de prieto.
Here again we may on general principles surmise that we have
a manuscript of Walter of England, and we can be certain that
it was not a printed book as the earliest edition of yEsopic Fahles
in any language was not issued from the press until the following
year. As for the unusual form "quesopete" I find a note by
M. A. Morel-Fatio, HIsopo Castillan, in Romania, Vol. XXIII (1894),
728 GEORGE C. KEIDEL,
p. 563, in explanation of the title Isopete historiado, which reads
as follows:
Ce diminutif, venu de France, 6tait volontiers prononc6 Guiso-
pete par le peuple castillan (cf. Don Quichotte, part. I, eh. 25).
The description "quesopete an papel en latin" which we have
here would, therefore, indicate an acquaintance of some sort with
the Old-French ysopets, whose particular character it is impossible
to determine.
II. Ysopet de Laxaga (bef. 146 1).
Dr. Beer, op. cit., pp. 397 — 398, makes certain Statements con-
cerning the private hbrary of Carlos III of Navarre formerly at
Pamplona, quoting from Liciniano Säez, Dimostracion histörica del
verdadero valor de todas las mo7iedas que corrian en Castilla durante
el reynado del Senor Don Enrique 111., etc., Madrid, 1796, p. 372.
The passage which interests us reads as follows:
El Rey Don Carlos III de Navarra no fue mduos amante de
libros que Don Alonso el Sabio, y para satisfacer su deseo, compro
diferentes librerias,.y entre ellas la de los Padres Dominicos de
Estella, y la de su Cambarlen Mosen Pierres de Laxaga. El numero
de Codices de que se componian algunas de estas librerias no
Consta. De la de su Cambarlen se sabe se reducia ä (i) . . . .;
(4) Item un Romanz Isopet; . . .
Five manuscripts in all are mentioned in this list, and as
they all seem to be French works and the pure Old-French form
Isopet offers an additional support, we may safely infer that we
have here another manuscript of an Old-French Ysopet, presumably
again of that of Marie de France.
As King Carlos III of Navarre died in 1461, and as we are
informed that he bought the library of his Chamberlain Mosen
Pierres de Laxaga, it follows that the manuscript in question must
have been in the possession of the latter some time before 1461.
An investigation into the Chamberlain's biography might perhaps
give ground for further conjectures.
12. Ysopet de Viane (1461).
In 1461 D. Carlos de Aragon, Principe de Viana, died and
we have had preserved to us an Imje7itario de los bienes del Principe
de Viana made in that year and including the Contents of his
private library at Barcelona. Dr. Beer, op. cit., pp. 85 — 88, gives
an extract from this document, under which on p. 86 we find the
interesting entry:
(60) Item Isop en frances.
As far as I know no attempt has been made to identify this
manuscript, though the bare fact of its formerly having existed has
been mentioned several times. On general grounds it seems likely
that this was a manuscript of the Ysopet of Marie de France, and
it is quite possible that a little careful investigation in the proper
NOTES ON ^SOPIC FABLE LITERATURE. 729
quarter would throw more light on this missing manuscript, as well
as on the various others which have been noted as having formed
part of certain Spanish libraries now dispersed.
13. Walter of England: Academia de la Historia, 45 (1476).
We return once more to M. Hervieux's descriptions of manu-
scripts in the Madrid libraries and note that in his second edition,
Vol. I, pp. 584 — 585, he mentions a manuscript of Walter of
England in the library of the Academia de la Historia, 45. It is
a quarto manuscript containing the usual text in an Italian band
with the subscription:
Bononie G. Monet. Scripsit 1476.
A note at the bottom of fo iro reads:
Collegii Soc. Jesu d. Jgnatii, Pollentini.
The history of this manuscript is, therefore, quite adequately
known, which has not been the case for any of those hitherto
mentioned.
14. jEsopus eti Griego (1497).
Dr. Beer, op. dt., pp. 420 — 424, gives us certain information
concerning the Biblioteca Universitaria of Salamanca. The Uni-
versity of Salamanca was founded by Alfonso el Sabio in 1254,
and its library is considered to be the oldest university library in
Spain '. In 1497 D. Alonso Ortiz, a Canon of Toledo, presented
the library with six hundred volumes of Greek and Latin authors
probably including both printed and manuscript copies. Dr. Beer
quotes from La Fuente's catalogue^, and among other entries we
find the foUowing:
(4) Aesopus, obras en griego.
From the history of the library we would infer that this was
a manuscript Coming from the collection of D. Alonso Ortiz, but
its earlier history and the character of its Contents remain con-
jectural.
Dr. Haenel, op. cit., col. 976, complains that he was not per-
mitted to visit this Hbrary, and hence we find no detailed list of
its manuscripts in his work. One more point which may be noted
in this connection is that if this is in reality a manuscript, and
not a printed book, it is to be added to the list of Greek manu-
scripts given by August Hausrath in his Unter stichimgeii zur Über-
lieferung der Äsopischen Fabeln"^.
^ See Dr. Beer, op. cit., pp. 420 — 421.
* Josd La Fuente, Vicente y Urbina, Catdlogo de los Libros Manuscritos
que se Conservan en la Biblioteca de la Universidad de Salamanca, formado
y publicado de orden del Senor Rector de la raisma. Salamanca, 1855. 8vo,
75 pp. {Non vidimus.)
3 See pp. 245 — 312 of the Jahrbücher für Classische Philologie, heraus-
gegeben von Alfred Fleckeisen. Einundzwanzigster Supplementband. Leipzig:
Druck und A^'erlag von B. G. Teubner, 1894. ^^'"> ^^ ^""^ 616 pp. plus map.
See p. 312.
730 GEORGE C. KEIDEL, NOTES ON ^SOPIC FABLE LITERATÜRE.
15. Isopete en Romance (ab. 1500).
M. Morel -Fatio in the article already cited, p. 575, refers to
the Meviorias de la Real Academia de la Historia, t. VI, p. 45g, re-
marking in this connection:
Enfin, on aimerait aussi savoir si les deux exemplaires d'un
"Isopete en romance" qui figurent dans le catalogue de la biblio-
theque d'Isabelle la Catholique repr^sentent le texte de Saragosse:
cela est probable mais non prouve.
While this surraise is probably entirely justified, it is also
possible that Mediseval manuscripts are in this case meant.
16, Libro de los Gatos.
This is the best known of all the Mediaeva! Spanish fable
collections, but an attempt to obtain any Information concerning
the manuscripts was completely baffled by the frequently recurring
Asi en el cödice in the footnotes of Pascual de Gayangos' well-known
editioni. M. Hervieux gives quite an account of the collection2,
but says nothing of any manuscript of this translation of the fahles
of Odo of Sherington^,
As no systematic account of the ^sopic Fable manuscripts
in Spanish and Portuguese libraries has hitherto been published,
it is hoped that the above list of bibliographical references to the
special field under consideration may form the starting-point some
day for further and more thoroughgoing investigations on the part
of some Scholar who makes a specialty of Spanish literature.
^ See pp. 543 — 560 in Biblioteca de Antares Espaholes desde la For-
macion del Lenguaje hasta Nuestras Dias. [Tomo LI.] Escritores en Prosa
Anteriores al Siglo XV, recogidos e ilustrados por Don Pascual de Gayangos.
Madrid: M. Rivadeneyra, impresor, editor, Calla de la Madera 8, 1860. 8vo,
XXII and 607 pp.
2 Op.cit., Vol. IV, pp. 106— 109.
3 Cf. also Hermann Knust, Das Libro de los Gatos, pp. I — 42 and
119 — 141 in Jahrbuch für Romanische und Englische Literatur; unter be-
sonderer Mitwirkung von Ferdinand Wolf und Adolf Ebert, herausgegeben
von Dr. Ludwig Lemcke. Sechster Band. Leipzig: F. A. Brockhaus, 1865.
See p. 125.
George C. Keidel.
VERMISCHTES.
I. Zur Lautlehre.
Zum Uebergang von intervokalischem t zw d
im Vulgärlatein.
Hierüber hat Schuchardt Vokalism. des Vulgärl. I p. 126 und
III p. 64 und nur ganz kurz Meyer-Lübke im Grdr. d. Roman. Phil.
I p. 363 gehandelt; letzterer hat andere Beispiele als Schuchardt
nicht gebracht. Von den Schuchardtschen Beispielen übergehe ich
die den Handschriften entlehnten, weil sie entweder zu unsicher
sind oder in zu späte Zeit fallen, und prüfe nur die inschriftlichen.
Die älteste, Donada — aus Pompei angeblich herstammend — , ist
wohl zu streichen; denn C. I. L. IV ist sie nicht aufgeführt und
Schuchardt selbst p. 1 1 A. 2 erklärt „um von den Phantasieen
Garucci's über pompej. Graffiiti zu schweigen". Auf Badaus (Grut.
535, 6) gebe ich nichts, weil es ein Fremdwort ist; ebenso wenig
auf Charidis (Grut. 611, 5), da der Genitiv auf -idis analogisch nach
Wörtern wie Laidis etc. gebildet sein kann. Ebenso wenig gehört
Primidius hierher; denn die Bildung ist dieselbe wie in Sextidia
C. I. L. IX 2134, Odavidius C. I. L. IX 2412 etc. Auch idem braucht
nicht aus item entstanden zu sein; denn in idem hat sich im Latein
die Bedeutung „ebenfalls, ebenso" nicht minder entwickelt: Cicero
philosophus idemque oraler.'^ Es blieben dann von allen Beispielen
nur dodatiotiis (Or. 1175, jetzt C. I. L. VI 14672) und imudavit (jetzt
C. I. L. II 462 aus Emerita in Lusitania). Zu letzterem bemerkt der
Herausgeber „imudavit rustice scriptum est pro imttiiifavit" und be-
züglich des ersteren ist im C. I. L VI die Verbesserung gemacht
do{fi)ati Ollis. Aber warum? Der Text dieser Inschrift weist so vul-
gäres Latein auf — z. B. opter für propter, devevet für debebit, bo-
luerit, amnegaverit für abnegaverit — , dafs wir auch diese Form ihr
zutrauen können.
Ich ziehe nun noch folgende inschriftliche Beispiele hieher:
I. Epicadus. C. I. L. IV S. I n. CX liest der Herausgeber
Lucreli Epic„adi" und fügt A. 5 noch hinzu „sie lego", und ebenda
n. LXXXIII, wo M. Lucreti Epica. gegeben wird, bemerkt er: „Hoc
loco et fortasse n. CX Epicadi nomen agnoscendum esse mihi vi-
1 Margaridae für margaritae} cf. Schuchardt III p. 64. Aber es gab
ja nach Pape ^aQyaQiöiiq neben ^UQyaQizyjq.
-JIZ VERMISCHTES. ZUR GRAMMATIK.
detur". Wir hätten damit ein ziemlich sicheres Beispiel aus Pompei
und zugleich aus dem I. Jahrhundert der Kaiserzeit. Ich erwähne
als hieher gehörig noch C. Obinius C. l, Epicadiis (C. I. L. X 5081
aus Atina) und den noch älteren Epicad[iis) Pop{iUi) L. s. imp.
Caesar. T. Statil. cos. (a. u. c. 728) aus Capua (C. I. L. X 3790). Die
urbane Form sehen wir noch in us M. I. Epicatus C. I. L V
8378 und Aurelius Epicatius C. I. L. III g20. Epicatus halte ich für
entstanden aus Apkalus — vgl. Ennius neben Annius — bezw. api-
catus', vgl. L. Apkalus C. I. L. X 8042 (15), P. Apicalus C. I. L. VI
12 126 etc. — Apkata hiefs die Frau des Seian — .
2. Amhadus{a). Das in Spanien so häufig vorkommende
c. Avihatusia) — i Q Amhati neben g Amhalne im C. I. L II — weist
den Uebergang von / : d dreimal auf. C. I. L II 570g (Leon) Am-
badus Palari, ebenda n. 2Qog (Villafranca de Oca) Vakria Ambadae
hb. und ebenda n. 2go8 (Villafranca de Oca) Corneliae Ambadae.
3. Extricadus. C. I. L. III 3620 (Pannonia Inferior bei Aquin-
cum im heutigen Koväcsi) steht: Praesetik et Extrkado cos., die
Inschrift fällt in das J. 217 p. C. Die gewöhnliche Form Extri-
catus (urspr. Particip von extrkare) findet sich C. I. L. VIII 6547
und sonst.
4. Gavadius. Während bei Fabretti (Raff.) p. 624 und 206
eine Gavatia coniunx erwähnt wird, begegnet uns C. I. L. VI 24299^
Alfia Q. f. Veti Gavadi. Ich halte den Namen für weitergebildet
aus dem n. g. Gavius. Steht die bei H. S. Or. n. 5g37 aus Ger-
manien erwähnte Gottheit Alaironis Gavadiabus zu diesem Namen
etwa in Verbindung? C. I. L. XII i2go (Gallia Narbonensis Vasio)
findet sich eine Gavxatia Q. l. Attka.
5. Am ata. C. I. L. VI 26552 Äthenia Amada; eine Parallele
dazu wird von Schuchardt III p. 64 aus Le Blant J. Chr. de la
Gaule 576a citiert — die Inschrift befindet sich in Sivaux. — . Nach
Le Blant „eile se rattache . . . ä l'ouest de la Gaule et appartient
au VP siecle". Amata ist ein häufiges c, z. B. Lollia Amata C. I. L.
VI 23517 und sonst. Vgl. auch Bramb. n. 805 et Amadiae Sev[erae).
6. Novadus cf. C. I. L. IX 881 Novado (zweimal) — die In-
schrift stammt aus Luceria — neben Novatus, so z. B. C. I. L. IX
4885 L. Flavius Novatiis.
7. Altius I Corradi f. i\^/^^r C.I. L. XII 3437 neben Curat i,
so z. B. C. I. L. VII 1270. Nachträglich ezwähne ich noch Veki6.us
C. L L. Xll 3g84, Benennung nach der Truppengattung accensi velati.
A. Zimmermann.
lieber /-Epenthese im Italischen bezw. im Vulgärlatein.
V. Planta — Osk.-umbr. Gr. I p. i6gf. — nimmt nach dem
Vorgang von Thumeysen z-Epenthese für das Italische an, freilich
nur für -ui-, das im Uritalischen schon zu -iu- geworden sei.
Stolz — H. Gr. I § 285 — hat sich dagegen ausgesprochen, und
auch sonst scheint diese Hypothese wenig Anklang gefunden zu
A. ZIMMERMANN, UEBER I-EPENTHESE IM ITAL. BEZW. VULGLAT. 733
haben. Nun haben meme auf dem Gebiete der römischen Eigen-
namen sich bewegenden Studien mich genötigt zu der Frage eben-
falls Stellung zu nehmen, und ich bin dabei zu der Ansicht ge-
langt, dafs für das Italische /-Epenthese anzunehmen sei. Das
— bei dieser Ansicht doch befremdliche — fast völlige Fehlen
der Epenthese im Schriftlatein erkläre ich mir mit v. Planta durch
Ausgleichung. Denn ebenso wie v. Planta umbrischem savUu gegen-
über lat. saevio dadurch erklärt, dafs, da das Paradigma ursprüng-
lich saivo, savis, savit, saivimus etc. lauten mufste, durch Angleichung
an die «/-Formen die ß- Formen auch ai angenommen hätten,
ebenso ist auch die Möglichkeit nicht abzuweisen, dafs bei sailio,
caipio etc. die Angleichung aus irgend welchem Grunde nach den
ö-Formen hin sich vollzogen habe. Diese IMöglicbkeit wird nun
der Gewifsheit um so näher kommen, je mehr es uns gelingt Bei-
spiele zu liefern, in denen diese Ausgleichung noch nicht endgültig
zu Stande gekommen ist, wo wir also noch Epenthese neben Nicht-
Epenthese haben. Und solche Beispiele sind, sofern sie überhaupt
zu liefern sind, gerade die Eigennamen zu liefern im stände. Denn
in ihnen erhält sich erstens altes Sprachgut, was sonst schon
der Gleichmacherei der Sprache erlegen ist, noch recht lange, und
zweitens bringen sie nicht selten Formen aus den Dialekten
bezw, aus der Vulgärsprache, die mis aus diesen heute nicht
mehr bekannt sind. Ich werde darum meine Beispiele den Eigen-
namen entnehmen, und zwar nach den beiden soeben angegebenen
Gesichtspunkten geschieden.
A. I. Ailius — cf. fasti Cap. — bezw. Aelhis neben AUius.
In der Aufstellung der Liste der magistratus eponymi — cf. C. I.
L. 12 — sagt Alommsen mit Bezug auf die gens Allia: ,,Allii — ita
tabb. Capit., Aelii auctores et fasti minores", und Unger hat in den
Fleckeisenschen Jahrb. 1891 p. 476 nachgewiesen, dafs die gens
Allia und Aelia identisch sind. „Der Name Ailius Aelius ist — nach
Unger — aus Ailius hervorgegangen, und während ein Teil des
Geschlechts noch 557 u. c. an der altern Orthographie festhielt,
richtete sich der andere bereits 582 nach der neuen Aussprache."
Damit haben wir fürs Latein ein unbedingt sicheres und sehr altes
Beispiel für z- Epenthese, und ich nehme darum keinen Anstand
Aemilius, Aenius, Baihius, Caedius, Caepius, Laeliics, Maecius, Maelius,
Maesius etc. neben Ainulius, Annius, Babiiis, Cadius, Capitis, Lalius,
Maecius, Mallius, Masius etc. ebenso zu erklären.
2. Craislios — cf. C. I. L. XIV 31 10 Tirri Craisli Tir. f. auf
einer alten Inschrift von Praeneste — . Nach m. A. gleich Crdssilios,
einer Weiterbildung zu Crassillus bezw. Crassilla, vgl. z. B. C. I. L. X
7697 Sulpiciae Cf. Crassillae und Antillus C. I. L. XII 2817 neben
Antilius C. I. L. X 4925. Etwa hierher auch L. Aiirelius Crailus C. I.
L. VIII 8418? Es wäre dann Crailus aus *Craislus bezw. * Crassillus
entstanden. Für den Uebergang von Craislus zu Crailus vgl. Folius
neben Foslius. Heifst es doch im C. I. L. P p. 324 „Foslii tab.
Capp., Folii auctores.
734 VERMISCHTES. ZUR GRAMMATIK.
3. Gnaivos (C. I. L. I 30), o^. gnaivs (v. Planta II n. 119 III 3),
osk. cnaives (v. Planta II n. 173), osk. cnaivies (v. Planta II n. 172),
Gnaevus (Dosith. VII 384. i), Gnaeus (z. B. C. I. L. VI 26803 Gnaeus
Siaiius) etc. Die Urform des Namens scheint Gnavos zu sein —
vgl. CLL. VI 4712 1. Gnaus und ibid. 2641 Cornelius P. f.
Navos — und Gnaivos (aus *Gnavws) den Sohn des Gnavos zu be-
deuten. Der Stamm ist in diesem Namen wohl derselbe wie in
{g)naevos „Kennzeichen" (vgl. gnä-vus der ausgezeichnete), und es
würde das praen. Gnae{v)us zum n. g. {G)naevius, urspr. [G)navius
sich verhalten wie die Appellativa naevus zu naevius. In Naevius
bezw. naevius wäre dann das geschwundene i nach Analogie wieder
eingesetzt.
4. Osk. Caive ■ — vgl. v. Planta II n. 177'"^ — , Caesaris Gaei
C. I. L. VI 29569 — die Nachstellung des Praenomen ebenso wie
bei Symphoro Lticio Valerio C. I. L. VI 26732 und ähnlich — . Aehn-
lich Diogenes Gaius C. I. L. VI 2742 — , Caeus Haneli f. Bramb.
n. 1233 neben gewöhnlichem n. g. Gavius, praen. Gaius. Der Name
geht offenbar auf ein urspr. gävos (St, gäv- sich freuen) zurück. Vgl.
C. gl. 11 581, 14 Gaviis „servus rusticus", C. I. L, I 10Q7 bezw. VI
28389 Variana C. f. Gava und VI 21452 Q. Avonio Q. l. Gavolo,
V 837 C. Vettius C. f. Gavolus. Die dem Gaius genau entsprechende
Pränominalforra — ebenfalls ohne Epenthese ■ — Gnaius neben
Gnaeus haben wir noch bei Bramb. n. 1701 Gnaius Vindonius Messor.
Gnäius : Gnaeus = Gäius : Gaeus.
B. 5. Fiatvae C. f. Procillae C. I. L. XV 7458 (saec. I med. vel
exeuntis), Flaivius Fuliqus C. I. L. VIII 5763, Ulpia Flaiva C. I. L. VI
29279 neben gewöhnlichem Flavia, Flavius.
6. Silia Ilaira C. I. L, VI 26574 neben Hilaria — z. B. C. I. L.
VI 8600 — .
7. Flaemica Patdina C. I. L. V 421 aus dem n. g. Flaniia — cf.
C. I. L. V 1 208 M. Flarni — epenthetisch gebildet mit der für Ober-
italien charakteristischen Gentilendung -icus(a). Siehe C. I. L.Vp. 44.
8. P. Graiti C. I. L. XV 4746 für Graiii bezw. Graitii. Cf.
L. Graiti C. I. L. XV 7243.
9. C. I. L. XII 5686 (159) steht unter k^: of Calvi, unter k:
of Cailvi', die Schreibung an dieser Stelle CAjL VI ist, scheint mir,
für den lautlichen Uebergang recht belehrend.
10. Heheiti sunt C. I. L. XV 5925 für Helveti.
11. P Meseini C. I. L. XV 5342 neben P. Messeni C. I. L. XV
15341^ und sonst.
12. C. Ruitliano Hermeti C. I. L. VI 25640, aber VI 25641
C. Ruiiliano C. f. Sabiniano.
13. Laicinii) C. I. L. II 4970, 258c (aus Olisipo) neben Laciiii
ebendaselbst unter b (aus Tarraco). Dazu bemerkt der Heraus-
geber: „Composui, quanquam non certus eiusdem figuli esse."
Nicht unerwähnt lassen darf ich Painiscus auf der altertüm-
lichen Pränestiner Inschrift C. I. L. XIV 4098, cf. Conway § 291
für nctvicxoq. A. Zimmermann.
A. ZIMMERMANN, LESEFRÜCHTE AUS ROM. INSCHRIFTEN. 735
Lesefrüchte aus dem Bereiche der römischen Inschriften,
den Romanisten zur Beurteilung vorgelegt.
Zu C. I. L. XV 6754 Omo bone fa bonom bemerkt der Heraus-
geber „faic)". Aber wer wird die kleine Form fac noch in Ab-
kürzung bringen! Wahrscheinlicher ist, dafs wir in fa hier schon
die romanisch -italienische Imperativform haben. C. I. L. IV 68g
liest man entsprechend faimt = faciunt, vgl. ixz. fönt u. s. w. Da-
neben mögen so = sum C. I. L. XV 7181 und posso = possum im
Corp. gloss. lat, V 469, 4 (saec. X, Excerpta ex glossis AA) nicht un-
erwähnt bleiben.
C. I. L. XV p. 792 bespricht Dressel die zu Namen von Pferden
bezw. Wagenlenkern hinzugefügte Bemerkung „va'^. Cf. XV 6258
Aquo va, XV 6259 Gallio va, XV 6260 Claphyrinine va, X 8072 (20)
va Clauce, X 805 3 (lo) Anicete va, X 805 3 (134) Menester va,
IV 2150^'^'^ Caslrensis va, Atiicete va, VII 1273 Hierax va, Olympae
vä, Antiloce va. Er verwirft die übliche Erklärung va als va{le) und
nimmt mit mehr Recht va[cie) an. Aber sollte hier nicht auch
schon die romanisch-italienische Imperativform va vorliegen! Vade
unverkürzt finden wir hierbei nirgends.
C. I. L. XV 5464*^ PrimogXem (Genitiv), daneben ibid. "^ Prmo-
gen{t); XII 1751 Vvidauscia Etianielis für Enangelis, ihr Mann civis
Lugdun(ensis), sie also wohl eine Gallierin; Terensus für Tereniius
C. I. L. VIII 9927 und Geronsia XII 2116t neben Geroniia z.B.
X 2383. Hierher auch hortorum Sallussianorum XV 7250? C. I. L.
VIII 9 114 Kaletizotns für Cahndionis , cf. z.B. XII 1667. CLL.
VI 25283 Acmaszonä und ibid. 26788 Acma'S.onti {^) = dx(iäC,ovxi.
C. I. L. XII 5 III heifst es nach dem Text: L. Salivto Anchiah
l. Optato Axibiaiiiol) . . . ÄMbta C. /.; nun steht allerdings am Schlufs
der Inschrift C. Alb{w) Nigellioni: aber dieser Schlufs ist, wie seine
Formulierung beweist, nachträglich angefügt. Wir haben darum
keinen Grund obige Formen in Albiano bezw. Albia zu ändern.
In dem Corp. gloss. emend. von Goetze s. v. werden caiiadaio)-,
cauculatio, caiiculus, caiiculat, cauculosus neben calcidaior, calculus, cal-
culat, calailosus erwähnt, die sich in Glossenhss. seit der Mitte des
8. Jhs. vorfinden.
Ist eine Entsprechung im Romanischen für die Schreibung te
für e in Aguiensi C. I. L. XII 4527, HernAQtionis XII 5064, {Nar)-
bon\Qns{is) XII 4437 ^'^'^•?
C. I. L. XV 1118'' (paulo ante a. 120) Nupos Cn. Domiti Tro-
phimi iservus), aber iiiS^ N'epöiis Cn. Do?n. Trophimi. Da der Name
einem Soldaten angehört, so kann er doch vielleicht einem Manne
gallischer Abstammung gehört haben, der durch Verkauf nach
Rom kam, aber seine Sprachweise, d. h. die seinem Lande eigen-
tümliche, beibehalten hatte.
C. I. L. XV 7252 collegii mani, VI 14672 in tarn inana clade,
Eph. Ep. VIII n. 152 Paelinus und Paelina, C. I. L. XV 7786 Sallusii
Paeliniani [derselbe X (6769)] neben magni, magna, Paelignus (0),
730 VERMISCHTES. ZUR GRAMMATIK.
Paelignianus beweisen wohl, dafs n hier als n zu fassen. Für gn
erscheint nn in sinnu = Signum C. I. L. IX 2893.
Zum Schlüsse füge ich hier noch die Schreibungen Y/piys
jF/orys C. I. L. VI 29367, 0 inater musera VI 27227 und mz'ses =
menses VI 30581 an.
A. Zimmermann.
Zur Behandlung von Ci und Ti
(vgl. Ztschr. 24, 545).
Als weitere Beweise für die Ztschr. 24, 545 vorgetragene An-
sicht, dafs in sogenannten halbgelehrten Wörtern a und /?' im
Romanischen unterschiedslos als z erscheinen können, mögen noch
folgende provenzalische Beispiele dienen. In Mistral's Tresor finden
sich: Maurise (phon. -ize), Saini-Maurise (so heifsen auch zahlreiche
Ortschaften) neben Maurice, Maurici. Nach Forcellini-De Vit's
Onomastikon ist Mauricius die richtige Form (Mauritius ist nur
einmal inschriftlich bezeugt); — neben Dalmaci Dalmatius wird
Seilt Dahnazi (also wohl phon. -dzi) ,nom de Heu de l'AvejTon'
erwähnt; — s. v. Suplice steht neben Suplici Sulpicius (nach
Georges Wörterbuch nur mit ci) auch Suplesi, Soumplesi, Soiunplisi
{s = z)\ letzteres auch als Name einer Ortschaft; — s. v. Eouni-
faci (das Onomastikon giebt die Endung -acius und -atius) wird
Bounifay erwähnt, das sich nur aus einer Vorstufe *Bounifazi er-
klärt {Fazy ist neben Fassy belegt). Bonifay verhält sich zu Boni-
fazi wie Gervai Gervasius zu Gervasi, wie Blai zu Blasi Blasius.
In dem Essai sur le Patois d'H6r6mence (Valais), Paris 1899,
verzeichnet Lavallaz S. 144 vizyo vitium und vizyü vitiosus. Dafs
dies halbgelehrte Bildungen sind, ergiebt die Vergleichung mit
reizö (raison), pereizu (paresseux). In Appel's Provenzalischer Chresto-
mathie findet sich der Reim visi : servisi. Mistral v. vice giebt ein
limous. vise (phon, vize). Es ist demnach wahrscheinlich, dafs das
von Cloetta Roraania 22, 198 aus dem Katharinenleben mitgeteilte
vize (: sacrifize) als vize aufzufassen ist (daneben sacrifici : Jusiici :
vici, aber auch sacrifise : prise).
Das Ztschr. 24, 546 aus espari erschlossene aprov. espasi
spatium wird bestätigt durch nprov. espasi, Inf. espasia neben
espaci, espacia, espaga.
Aufser ressacia , sättigen' und ressaciant giebt Mistral rassasia
rassasiani. Dafs dies eine halbgelehrte Bildung ist, erhellt aus ge-
lehrtem it. sp. saziare, saciar und süditalienisch, halbgelehrten sazziare
(s. Ztschr. 24, 545). Halbgelehrt ist auch afr. assasier, rassasier,
worauf a statt ai^ und silbenbildendes / (nfr.y^ rassasie) hinweist.
Für das richtige Verständnis der lautlichen Entwicklung des
Suffixes -itia sind die Formen von Wert, die Mistral s. v. maligo
^ Lautgerechtes asaisier findet sich Sermo de Sapientia 283, 17.
A. HORNING, ZUR BEHANDLUNG VON Cl UND Tt. 737
giebt, nämlich malici, inaleso, inalecio. Wenn frz. -esse, prov. -esso
halbgelehrt ist, wie Rleyer-Lübke meint, so ist auffällig, dafs neben
gelehrtem maligo, malici halbgelehrtes *malesso fehlt, während an-
geblich volkstümliches mahso bezeugt ist. Malecio (ebenso avarecio,
s. Mistral s. v. avaricia) lehrt abermals, wenn anders es noch eines
solchen Beweises bedarf, dafs i ^ e (also auch ei, oi in richoise u. ä.)
sehr wohl in halbgelehrten Wörtern vorkommen kann. Für mich
sind auch nprov. beleso, beliso (Schönheit) und bouneso (Güte) halb-
gelehrt; die Endung -o beweist dagegen nichts; vgl. oben maligo
neben malici.
In frz. z/z'^i (Schraube' erkennt Meyer-Lübke den Plural vites,
für mich ist es viteum. Entscheidend ist die Frage, ob eine Ab-
leitung von viz <C. vites visser mit scharfem j lauten könne. Auf-
schlufs geben die afr. Weiterbildungen von viez vetus und sez satis.
Das von viez vetus gebildete fem. viese und zahlreiche andere Ab-
leitungen bei Godefroy, viese, vieserie, viesete, viesier zeigen s, nicht
SS, und dies wird durch die heuligen Mundarten bestätigt (s. Gode-
froy und bei Corblet, Gloss. du Pat. Pic, viesier ,fripier', vieserie
,vieillerie, friperie'). Dem gegenüber kommen die Eigennamen
Vieusseu, Vieler, Vissier, die nach Godefroy von viez abgeleitet sind
(die beiden letzten scheinen besonders zweifelhaft), nicht ernstlich
in Betracht. — Das Altfranzösische kennt auch ein von satis ab-
geleitetes assase , reich', zu dem W. Förster, Wilhelmsleben V. looi
ausdrücklich bemerkt, dafs es stimmhaftes s, nicht ss habe; zwei
Handschriften Florimonts geben assade, und d kann nur stimm-
haftes s vertreten (Belege für assaser, auch für rassaser finden sich
bei Bartsch, Langue et Litter. fr. Gloss.). — Eine dritte Bildung
mit etymologischem fs wäre afr. qi/euz ,Wetzstein', wenn es von
(petra) cotis käme; allein dies ist durch pik. queiuhe, eine neuer-
dings auch bei Ledieu, Patois de D6muin, bestätigte Form, unbe-
dingt ausgeschlossen (vgl. oben pik. vieserie zu viez): queuche ist
augenscheinlich cotea und ist so wichtig, dafs es geradezu den
Ausgangspunkt für die Untersuchung über intervokalisches nach-
toniges // bildet. — Demnach entbehrt die Annahme, von viz =
vites könne eine Ableitung visser mit ss gebildet werden, der
lautlichen Stütze. Dagegen beruht nprov. visa (neben vissa) auf
vites, wie das nprov. Subst. viie lehrt.
1 Männliches Genus habe ich für miy^ .Schraube' auch in den Vogesen,
und zwar in La Baroche (gehört zu der von mir mit E bezeichneten Gruppe)
festgestellt; unerklärt ist der Anlaut w (vgl. bei Littre vuisse aus dem 14. Jahrh.).
In den Ortschaften der Gruppe D sagt man ausschliefslich l( viss wie im
Französischen. — Ein pik. *vis vermag ich nicht nachzuweisen. Möglicher-
weise war im Pikardiscben nur vitem, nicht viteum in Gebrauch.
A. HORNING.
Zeitschr. f. rom. Phil. XXV.
47
738 VERMISCHTES. ZUR WORTGESCHICHTE.
II. Zur Wortgeschiclite.
Sp. lelo.
Für sp. lelo , einfältig, dumm' empfiehlt Diez nach Larramendi
Herkunft von bask. lela oder leloa ,ohne Salz* und verweist auf
Mahn's Etymologische Untersuchungen S. 58. Was Mahn giebt, sind
im Wesentlichen Vermutungen, die für mich nichts Ueberzeugendes
haben; da ich dieselben nicht direkt zu widerlegen vermag, so
gehe ich hier nicht weiter auf dieselben ein.
Lelo, f. lela ' ist m. E. ein Naturausdruck (diesen terminus tech-
nicus braucht Diez wiederholt). Zur Stütze dieser Ansicht führe
ich an: prov. (s. Mistral) lala s. m. ,nigaud, imbecile'; — voges.
lala s. m. ,idiot, toqu6, demi-aliene' (bei X. Thiriat, La Vallee de
Cleurie, Remiremont i86q, S. 437). Die Existenz von lala habe
ich selbst in La Baroche festgestellt (einer Ortschaft, die zu der
von mir mit E bezeichneten Gruppe der Vogesen gehört): es wird
dort auch von Frauen gesagt, überhaupt von Leuten, die stunden-
lang stumpfsinnig vor sich hinstarren und dabei kaum ein Wort
sprechen. Auf meine Bitte hat Herr Referendar Milz aus Strafs-
bürg auf einer Wanderung durch die Vogesen weitere Erkundi-
gungen über das Wort eingezogen. Ein Franzose aus der Um-
gegend von St.-Di6 teilte ihm mit, dafs man bei St.-Die in dem
oben bezeichneten Sinne tm lolo, une lolotie sage, in Sainte-Marie-
aux-Mines im Ober-Elsafs tm und une lala; von einem Herrn, der
längere Zeit in Schirmeck (in meinen Ostfranz. Grenzdialekten mit
ci bezeichnet) als Lehrer thätig war, erfuhr Herr Milz, dafs auch
daselbst lala bekannt sei. Roussey, in seinem Glossaire de Bour-
nois, verzeichnet lälo , Jean-Claude', d. h. ein Dummkopf; denn,
wie Puitspelu, Dictionnaire du Patois Lyonnais, s. v. Liaudo be-
merkt, ist U7i Claude soviel wie ,un niais, un nigaud'.
Die Bildung verstehe ich so, dafs man einen Schwachkopf
(Tolhausen übersetzt sp. lelo mit , duselig, wie alte Leute') als eine
Person auffafste, die nur unartikulierte Laute, la, la, le, lo hervor-
bringen könne. In diesem Zusammenhange mag noch it. lellare
erwähnt werden, das nach Tommaseo eine voce fam. di suono imit.
ist und ,andar lento nel risolversi e nel operare' bedeutet. Dazu
kommt deutsch Lalle: einer meiner Schüler hörte in Württemberg
die Worte: der X. ist ein Lalle (also ein Schwachkopf), seine Frau
hat die Hosen an! Auch deutsches Lali will einer meiner CoUegen
gehört haben; ich erinnere noch an deutsches Lulatsch, Lellatsch,
Lullalsch, das allerdings in einem etwas verschiedenen Sinn von
einem ungelenken Menschen gesagt wird, der nicht recht weifs,
was er mit seinen Gliedern anfangen soll.
Bildungen mit gleicher Bedeutung, aber anderm Konsonanten
liegen vor in: baba"^ s. m. niais, simple d'esprit, bei Ledieu, Patois
1 Ist das "Wort in der That nur Adjektiv, wie die Lexika angeben?
Kann es prädikativ gebraucht werden?
'■^ vgl. Diez EW. I v. babbeo. Nono[t), -Ite ,uiais>' giebt Laianne, Gloss.
Poitev.
A. HORNING, SP. LELO. SP. EMPESADOR. 739
de Demuin, und Corblet, Patois Picard; nach einer Mitteilung von
befreundeter Seite wird auch in Paris baba in demselben Sinne
gebraucht; die Angabe in Sachs' Supplement: baba ebahi {= ver-
blüfft) ist mir daher einigermafsen verdächtig; Dottin, Glossaire du
Bas-Maine, giebt babarie ,femme lente et ennuyeuse'. Dann gaga
in Sachs' Supplem. , stockdumm, blödsinnig'; nach einer Mitteilung
aus Paris, auch von altersschwachen Leuten: c'est un gaga; auch
sei ein hiervon abgeleitetes Verbum üblich, (il est en train de) se
gagaifier; parier gaga bedeutet nach Corblet's Patois Picard parier
comme les enfants. Nach Herrn Milz sagt man in Neufchäteau
(Vogesen) und auch bei Schirmeck un zozo, une zozotte , Schwach-
kopf'; ich selbst hörte aus dem Munde einer Frau aus Belmont
(d^ in meinen Grenzdialekten) soso (s halbscharf) ; es ist dies wohl
frz. sot, aber die Verdoppelung ist beachtenswert.
Der Einwand, dafs in den meisten Belegen zweimal derselbe
Vokal gesprochen werde, während dies in sp. lelo nicht der Fall
sei, wird durch den Hinweis auf prov. lalo, lälo in Bournois und
deutsch Lalle entkräftet. ^ Hokning
Sp. empesador.
Das Wort bezeichnet nach Tolhausen, der die Definition der
Akademie genau wiedergiebt, , einen Weberbesen aus den Wurzel-
fasern einer Schilfgattung zum Glattmachen der Aufzugskette beim
Weben', oder, wie Seckendorf sagt, ,ein Büschel Schilf, womit die
Aufzugskette bestrichen wird'; das womit sie bestrichen wird,
ist eine Art Leim, den man franz. c/ias nennt. Im Bas-Maine ent-
spricht dem empesador die parwer f. ,brosse en chiendent ou en
bruyere dont se servent les tisserands pour 6tendre la colle sur
les pieces d'etoflfe au metier'; dazu ein Verbum pare ,coller (une
piece de toile que l'on passe ä la colle avec la ,paroire')': s. Dottin,
Glossaire des Parlers du Bas-Maine. Empesador ist eine Bildung
wie frz. pulverisateur, condensateur und kommt von dem Ztschr.
2 2, 94 besprochenen lat. impensa ,Zuthat, Ingredienzen', wovon
afr. empoise, nfr. empois. Ein sp. *evipesa mit der Bedeutung ,Leim'
vermag ich nicht nachzuweisen, aber dessen Existenz wird durch
empesador vorausgesetzt.
Lat. impensa hat sich auch in der Metzer Mundart erhalten
in dem Worte äputz f. (Romania 5, 196) ,gaude, herbe dont on se
sert pour durcir la toile d'un lit, de maniere ä ce que la plume
ne passe pas ä travers'. Wenn das Wort in irgend einem Zu-
sammenhange mit picem stände, so würde nach lothring. Laut-
gesetz h an Stelle von z stehen.
Neben impensa ist in Georges Wortformen auch impensu
(Abi. zu impensus) bezeugt; von letzterem kommt frz. empois, das
demnach nicht als Postverbal zu frz. empeser aufzufassen ist.
A. HoRNING.
47*
740 VERMISCHTES. ZUR WORTGESCHICHTE.
Sp. pg. rozar.
In dem Worte, das .abweiden, ausjäten', auch ,an etwas hin-
streifen' bedeutet, sieht Diez EW. II ^ ein Frequentativ von rosus
(zu r ödere), also rosare. Dagegen spricht das z, das nicht für
lat. s stehen kann, und ein mundartlich französisches, aus dem
Bas-Gätinais mehrfach bezeugtes rosser, das m. E. mit dem sp.
Worte identisch ist: man vergleiche Cledat's Revue de philologie
et de litt^rat. franc^aise 7, 23. 42. 128: rosser v. act. ,brouter enti^re-
ment l'herbe des pres'; drosser (aus derosser, cfr. dronger aus de-
ronger) ,tondre; mes boeufs ont drosse completement le pr6';
arrosser ,tondre en broutant, un bceuf arrosse un champ'. Man
denkt an ruptiare, aber auch rütiare kommt in Frage: man
beachte folgende Stelle aus Plinius, die bei Forcellini-De Vit s. v,
ruo citiert ist: alia (animalia) rostri aduncitate carpunt, alia latitu-
dine ruunt (rupfen, abweiden): aus dieser Bedeutung von ruo
läfst sich die des sp. rozar ,an etwas hinstreifen' besser ableiten
als aus ruptiare. — Ob rositare, an das Diez gleichfalls dachte,
sp. zu rozar mit z werden konnte, lasse ich dahingestellt; jeden-
falls erklärt es rosser nicht. ^ Hokning
Provenz. äesco, poitevin. daicJie.
Neben dem Masc. discus ist ein Neutrum discum, auch
disculum nicht nur bei Isidor, sondern auch in einigen andern
alten Glossarien überliefert: s. Georges Wortformen s. v. discus.
Disca lebt fort in prov. desco f. ,corbeille d'eclisse', auch bezeugt
bei Du Gange v. desca: Occitanis desco est corbis (interessant ist die
Angabe: desca ,hostiae conservatae particula'). Lalanne, Dictionn.
Poitevin, hat datc/ie s. f. ,corbeille dans laquelle les paysans serrent
leurs coiffes'.
Das Sassarische besitzt a/yju , Schüssel' (logud. az'sku), wo das
a sich aus dem weiblichen Artikel sa disku, s'adisku erklärt; vgl.
Archiv, glott. it. 14, 387; das Südsardinische besitzt diskua, diskuedda.
INIeyer-Lübke und Salvioni erklären die seltsamen Formen aus einer
Kreuzung von discus und scutella (s. Ztschr. 2}y, 471. 510). Ein-
facher erscheint die Annahme, das Sardinische habe discu und
disca besessen und die fraglichen Formen seien aus einer Con-
tamination beider hervorgegangen. ^ Hokning.
Rätorom. magliar.
Im Rätoromanischen, auch im Waldensischen (vgl. Archiv, glott.
II, 370 ma/ja) braucht man das Verbum ,dei bruti e degli uomini
che mangino come bruti'. Ascoli will Archiv, glott. i, 66 dasselbe
auf mandulare, mandiculare zurückführen. Obgleich diese Er-
A. HORNING, SP. PG. ROZAR, PROV. DESCO, POIT. DAICHE ETC. 74 1
klärung auf lautliche Schwierigkeiten stöfst, so möchte ich dieselbe
nicht als verfehlt bezeichnen, um so weniger als auch französische
Mundarten zwei in ihrer Form verschiedene Verba mit der Be-
deutung , essen' und , fressen' kennen, die beide auf manducare
zurückgehen werden. Ledieu, Patois de D6muin, giebt mainger
, manger' und megiiier , manger gloutonnement*; in der Meuse sagt
man mizi , manger', aber mouni , manger gloutonnement, se dit sur-
tout des animaux' (vgl. Revue des Pat. Gallo-Rom. 2, 100 Z. i,
102 Z. 15).
Es soll hier nur auf die Möglichkeit einer andern Eiklärung
hingewiesen werden. Der Scholiast zu Juvenal 2, 16 giebt ein Wort
magulum ,Maul' (s. Georges Lexik.), das nach G. Meyer, Indo-
germanische Forschungen 3, 68 vulgärlateinisch war; dasselbe lebe
in gemeinneugriechischem fidyovXov ,Wange' fort; das Byzanti-
nische kenne xaxcoficiyovXoi^ .untere Kinnlade', von Tieren gesagt;
z. B. sei övov xarcofidyovXov die vulgäre Wiedergabe von ovov
ypdß-og. Auf dieses magulum läfst sich unschwer magliar , fressen'
zurückführen; magulum ist nach G. Meyer ein gut lateinisches
Wort, das sich zu mala , Kinnlade, Wange' verhalte wie re-
pägulum zu pälus, pälum. ^ Horning.
Faluppa im Romanischen.
(Nachtrag zu Ztschr. 21, 192 ffg.)
Zunächst sei auf die dankenswerten Ergänzungen zu faluppa
> \i.frappa aufmerksam gemacht, die Nigra Archiv, glott. it. 14, 365
giebt: für faluppa wird die Bedeutung surculus, die das latei-
nische Glossar neben quisquilias und paleas anführt, nachgewiesen,
und zwar in der dreifachen Yoxm. fr oppa ,verga', _/>a//(Z ,sarmento'
und flappa ,verga con foglie': die Identität des letzten Wortes mit
it. frappa ,fogliame, in termine di pittura' fällt sofort ins Auge;
gleichzeitig wird die Berechtigung der Annahme des Lautwandels
/> r erwiesen. Dann wird flapar ,percuotere con verga' belegt,
und damit für unser Wort die Bedeutung , schlagen' auch auf ita-
lienischem Boden festgestellt: dafs xX. frappare und ixz. f rapper das-
selbe Wort sind, darf nunmehr als ausgemacht gelten (dafs noch
andere Wege zur Bedeutungsentwicklung faluppare >■ .schlagen'
führen, ist 1. c. S. 195 gezeigt). Auf Grund des piemont. flappa
,bozzolo imperfetto' mufs des Weiteren die Annahme einer Syn-
kope des ßi in der ersten Silbe als berechtigt anerkannt werden.
Moden, vlüp ,sarmento' endlich lehrt, dafs die Umbildung des f
zu V nicht auf die Wortgruppe beschränkt ist, die die Bedeutung
, Hülle, einhüllen' entwickelt hat (vgl. übrigens friaul. val-, volope
1 Centralitalienisches /ra^2«a Arch. glott. it. 15, 343, das wahrscheinlich
farragine ist, bietet einen ähnlichen Fall von Synkope.
742 VERMISCHTES. ZUR WORTGESCHICHTE.
jbozzolo' neben falope, I.e. 8.193). Wenn Meyer-Lübke im Jahres-
bericht über die Fortschritte der Rom. Philol. V i 107 unter den
Voraussetzungen, welche die Gleichung faluppa '^ frappa unwahr-
scheinlich machen sollen, auch die Umgestaltung von faluppa zu
falappa nennt, so übersieht er, dafs falappa dreimal von mir
belegt ist, es sich mithin um eine Thatsache (deren Erklärung für
meine Zwecke zunächst gleichgiltig ist),' nicht um eine Voraus-
setzung handelt. Für die Annahme, dafs frappa in Norditalien
aus falappa entstanden sei, die Meyer-Lübke gleichfalls für unwahr-
scheinlich hält, nehme ich vielmehr auf Grund des von Nigra und
mir beigebrachten Materials einen ziemlich hohen Grad von Wahr-
scheinlichkeit in Anspruch. — Arch. gl. it. 15, 283 hat Nigra noch
falbalä, dtsch. Falbel aus falappola gedeutet.
Faluppare lebt in kaum veränderter Gestalt in einem in fran-
zösischen Älundarten weit verbreiteten Worte fort: Dottin, Glossaire
du Bas-Maine, giebt fläope und (mit üblichem Wandel von / zu y)
fyaope ,battre, frapper avec un morceau de bois' (mot noble); dazu
ein Substantiv flaopee f. ,grele de coups, raclee'. Die Laute -do
entsprechen in jener Mundart etymologischem a -}- u, vgl. auf S. LXI
äo ,autre', cäo ,chaud', faose , fauch er', sdo ,sauf'; sonst giebt äo
nur noch Suffix -ellus wieder: flaope ist also *flauppare. Da-
neben erscheint ein Substan. fldop(e) ,redingote, soutane*, in Haut-
Maine ßöpe ,tout vetement long et large' (vgl. Ztschr. 22, 484), das
eine andere Bedeutung des Grundwortes, nämlich , Hülle' bewahrt
und die Erklärung des Verbums bestätigt. — Martelliere, Glossaire
du Vendomois, giebt in derselben Bedeutung flöher (aber im Perche
sage man flöper) ; Corblet, Glossaire du Patois Picard , verzeichnet
ßober, floper ,blesser, battre, souffleter'. Der Wechsel zwischen p
und b wird bei der Annahme verständlich, dafs flaoper aus Nord-
italien herübergenommen, also eigentlich Lehnwort sei.
Auch an der Gleichung faluppa > frz. felpe, feupe, fripe halte
ich fest: einige neue Zwischenglieder lassen sich jetzt der hierher-
gehörigen Wortgruppe einfügen. Aus Dottins Glossaire du Bas-
Maine entnehme ich defilop[e) ,drap effile', Verb, defilope ,effilocher':
die vorausgesetzte dreisilbige Grundform (vgl. defeUppre bei Gode-
froy wnA feleprie \iQ.\ Littre)^ gewinnt damit an Wahrscheinlichkeit,
Die Einmischung eines i (effilocher kann eingewirkt haben) wird
man als Thatsache hinnehmen. Dottin giebt auch ein bis jetzt
unbelegtes flipe ,effilocheS eflipe ,effiler, effilocher', von dem man
fripe nicht wird trennen wollen. Erwähnt sei noch, dafs neben
foep, fcepi u. s. w. die Mundarten des Bas-]\Iaine B.nc\i fyoepi, fyepiir)
(aus floepi, flepi, vgl. pik. flepes) kennen. Endlich erinnert die Be-
deutung ,fl6trir, faner, sicher en parlant des fleurs', die fyepi be-
sitzt, an friaul. flapp, venez. fiapo ,vizzo, fiaccido, appassito'. —
Während flcepe ein /{e)lQ!pe voraussetzt (vgl. frz. env{e)loppe), beruht
^ Einleitung §111 giebt Meyer-Lübke zwei Fälle von Angleichung des
Tonvokals an tonlose Vokale an.
^ Vgl. auch fenoupe Ztschr. 22, 484 v. foupir.
A. HORNING, FALUPPA IM ROM. SP. MARICA. 743
foupii- zvl{ /o/{e)p, vgl. lyones. invorpä ,envelopper* (im Lyonesischen
wird / vor Labial zu r) und besonders altgenues. invulpao, vtilpao,
Arch. glott. it. 15, 65.
Die nunmehr für faluppa nachgewiesene Bedeutung ,verga'
ermöglicht es, der Grundbedeutung des Wortes vielleicht etwas
näher zu kommen, deren Feststellung bei dieser weitverzweigten
und vieldeutigen Sippe besonders wichtig ist. Nimmt man an,
dafs faluppa ein Synonym von surculus war, mit dem es glossiert
wird, so ist folgende Entwicklungsreihe denkbar:
Reis, Gerte, Schlag mit der Gerte; — Reis mit Blättern, it.
fogliame in pittura, Zacke, Franse; — Setzreis, Setzling, die, ehe
sie Wurzel fassen, schlaff herabhängen, daher schlaff, welk, Lappen,
vgl. engl, flap .breites, lose herabhängendes Ding', piem. flapa
,orecchia larga e piatta'; — der Begriff" ,welk, schlaff' führte zu
,bozzoIo imperfetto'; die Frage, ob die Bedeutung , Hülle, ein-
hüllen' sich von bozzolo aus entwickelte, darf vielleicht deshalb be-
jaht werden, weil vüuppaie, envelopper ursprünglich weniger das Ein-
wickeln im Allgemeinen als das Verstrickt-, Umgarnt-, Umsponnen-
sein, und zwar in malam partem bezeichnet, wozu noch die von
Tommaseo s. v. disviluppare gebrachten Dantestellen zu vergleichen
sind; — aus dem Begriff" des bozzolo iinperfeüo ging einerseits,
vielleicht unter der Einwirkung von fallo ,mancamento', der des
Leeren, Nichtigen, Täuschenden (Betrug, List, Beschwatzen) her-
vor, anderseits der eines Gewirres (ungeordneter Haufe, Gemenge).
A. HoRNING.
Sp. tnarica.
Ztschr. 22, 487 wurde frz. maraud auf mas, marera , männ-
lich' zurückgeführt. M. E. lassen sich aus demselben Substrat fol-
gende spanische und portugiesische Wörter deuten:
marica m. ,el hombre afeminado y de poco animo e esfuerzo';
nach Tolhausen bezeichnet es auch den dünnen, hochaufgeschossenen,
holzigen Spargel; nach dem Dictionnaire Espagnol-Franc^ais von
Nuiiez de Taboado, Paris 1833 ,asperge mince, sans substance'; —
maricon m. ,el hombre afeminado e cobarde'. Nach Seckendorf
bezeichnet das Wort in Lima zweideutige Mannspersonen, die bald
als Mann bald als Weib gekleidet sind und förmliche, anerkannte
Liebhaber unter dem männlichen Geschlechte haben; — port. mari-
cäo m. (nach Michaelis) ,Weichling, Schwächling, Feigling'.
Da marica , hombre afeminado' mit Marica dem Deminutivum
von Maria unmöglich identisch sein kann, so führen Sinn und
Form auf marem: dem spanischen Suffix -ico, -ica wird zwar ge-
wöhnlich nur deminutive Bedeutung zugeschrieben. Aber ein Suffix,
welches das Männliche als klein, gering bezeichnet, mufs eine
pejorative Färbung annehmen, und diese ungünstige Bedeutung
wird durch die Verwendung der weiblichen Form des Suffixes bis
zum Verächtlichen gesteigert. Bekannt ist, dafs das fem. -icca
744 VERMISCHTES. ZUR WORTGESCHICHTE.
im Französischen bevorzugt wird, s. Ztschr. 19, 173, und zwar
keineswegs blofs als Deminutiv. In La Baroche in den Vogesen
wird Colic {Nicolas -{-xccz) als augmentativ gebraucht, gro CoHc,
und diese meine an Ort und Stelle gemachte Beobachtung wird
von S. Simon, Grammaire du Patois du Canton de la Poutroye,
Paris, Caron IQOO, bestätigt, der S. 178 sagt ,Colic semble plutot
un augmentatif ' ; -üon in maricon entspricht der beliebten franzö-
sischen Endung -ichon, die gleichfalls pejorativ gebraucht wird,
vgl. 1. c. hounichon, diminutif un peu ironique de bon\ marüa und
maricon lehren, dafs das Spanische beide Suffixe in derselben Weise
verwendet wie das Französische.
Marica , holziger, aufgeschossener Spargel* ist aus derselben
Anschauung zu verstehen, aus der frz. itiaraud ,s'applique aux ani-
raaux qui' s'engraissent difficilement' (s. Ztschr. 22, 487) hervor-
gegangen ist. Für den Landmann ist das männliche, nicht castrierte
Tier, das kein Fleisch ansetzt, zur Aufzucht und Mast nicht ge-
eignet. In diesem Sinn ward der aufgeschossene, gleichsam fleisch-
lose Spargel marica genannt. Da der Spargel Hermaphrodit ist,
d. h. die Organe beider Geschlechter auf demselben Stengel ver-
einigt und nicht wie beim Hanf getrennt sind, so gab die Ent-
wicklung der Pflanze selbst keine unmittelbare Veranlassung zu
jener Bezeichnung. ^_ Horning.
It. indugia.
Die Annahme (vgl. Ztschr. 24, 550), dafs indugia (gleichwie
paJaxio, juixio u. s. w.) eine sogenannte halbgelehrte Wortform sei,
deren INIerkmal eben der Laut z >> ty, cy ist, wird durch folgende
Beobachtung erhärtet: Altgenuesische Texte (vgl. Parodi, Studi li-
guri, Arch. glott. it. XV, 1 ffg., 64 ffg.) schreiben induxia, endusiar,
ebenso iuexio, zuixio^, iustixia, mondixia, pegrixia (S. 34), prexio,
prexiar, auch paraxiu, wobei auf ein alttoskanisches Pariascio (von
Parlamente beeinflufst) hingewiesen wird: es wird demnach in diesen
Wörtern vor a, 0, u nicht x, sondern konsequent xi geschrieben.
Dagegen wird in den Wörtern, die man als acht volkstümliche
Bildungen betrachten darf, auch vor a, 0 einfach x geschrieben:
acaxonar, aprivaxarse, poxom, raxovi, brixa, debrixar, frexao, for-
naxa, u. s. w. Ocixiom (S. 33 neben ordinaciom nnd perdiciom), voxia
,fama' S. 16 Z. 6 v.u., be?iixium S. 5 (neben gelehrtem benissiiim und
goarixom, norixom, staxom (S. 5)) sind augenscheinlich gleichfalls
halbgelehrte Bildungen; dies gilt auch von Venexia; dagegen wird
dessaxiao (S. 57) ,disagiato' und messaxio ,disagio' S. 68 Lehnwort
aus dem Französischen sein. Mit dem Sprachgebrauche des Alt-
genuesischen stimmt derjenige der andern norditalienischen Texte
' "Wenn Parodi S. 5 sagt ,iuexio, zuixio su ztiexe piuttosto che da
*juditium', so darf man heute wohl diese beiden Erklärungsversuche als
mifslungen betrachten.
A. HORNING, IT. INDUGIA. G. DE GREGORIO, IT. OLTA. 745
Überein: man vergleiche in meiner Schrift zur Geschichte des Lat. C
S. II 3/ 121, insbesondere auf S. 114. 117 die Belege für induxia,
induxiar. Zu indugia indutiae (altlat. mdiitia ist belegt) vergleiche
man dovizia divitiae. Das, wie es scheint, im Altnorditalienischen
unbekannte indugio ist vielleicht erst Postverbal zu indugiare. Be-
kannt ist, dafs jenes sekundäre i überhaupt im Romanischen das
Kennzeichen einer nicht rein volkstümlichen Bildungsweise ist.
A. HoRNING.
It. otta.
E noto r uso di questa voce nella lingua antica. Ma, sebbene
Rigutini e Fanfani non la registrino nel Dizion. della lingua parlata,
essa e pure nel toscano. Tomraaseo e Bellini, Diz. della ling. it.
Vol. III 693, reca: "(9//a s. f. lo stesso che Ora. Vive nel pop. tose.
Quasi contratto dal dim, di Ora, sebbene non abbia senso dim. :
come non 1' hanno Pretfo da Furo e Orecchio e Ginocchio e tanti
altri." Molti poi sono i modi avverbiali e proverbiali dipendenti
da oüa: a helP otta, ad otta, a grande otta, a pazz otta, a queW oite,
fuor d^ otta, iji poca d'' otta, og?ii otta, otta cattotta, otta fu, otta per
vicenda.
Anche in altri dialetti italiani otta deve avere dei riflessi. Ma
noi ora ci contentiamo di rilevare che, sebbene la voce abbia nel
siciliano un uso alquanto limitato, se non incerto, trova posto nel
Vocabolarietto etc. del Traina i^'oita s. e avv. ora"), e nel Vocab.
della l. pari, in Piazza etc. del Roccella,
Non si tratta dunque di una voce poetica. E, se il significato
e r assonanza conduce la raente a 'ora', un tentativo di spiegar
la voce come un allötropo di quest' altra, sembra addirittura sba-
gliato, sia perche 1' allotropia qui non avrebbe ragione di essere,
a causa della identitä del significato, sia perche non si potrebbe
intuire quäle voce in -otta abbia potuto esercitare tanta forza ana-
logica.
Neil* ^z". Wörterb. etc. Fr. Diez registra otta, tra le voci del
terreno italiano, e anche i composti allotta, talotta, moltotta, notando
che una derivazione da hora, che avrebbe dato *oda, non sia
accettabile. Secondo lui e possibile che la voce scaturisca dal got,
uht (solo all' abl.) "rechte zeit, ■x.aiQÖq,, ahd. uohta frühzeit, altn.
otta die zeit der drei ersten tagesstunden". Da un modo pro-
verbiale *d' otta potrebbe poi, secondo lo stesso autore, esserne
venuta un' altra voce italiana, dotta, a cui pur conviene il signi-
ficato di y.aiQoq.
II Gandino tentö una etimologia, che certamente fa onore
al suo ingegno, quando si provo di dimostrare [Riv. di fil. ed istruz.
classica, Giugno 1881) che otta derivi da quota della locuzione
quota hora est? Da quota sarebbe pria nato cotta, e in seguito otta,
quando il popolo avrä interpretato cotta per che otta.
746 VERMISCHTES. ZUR WORTGESCHICHTE.
Tale etimologla ebbe un certo favore da G. Paris {Rom. X 626),
che la riputo "probable sinon certaine"; e pare che oggidi sia la
piü invalsa (cfr. Körting Lat. rom. W. N. 7688 2^ ed.).
Perö essa presenta delle difficoltä non lievi. Infatti, sorprende,
in primo luogo, lo scomparimento di hora, che invece, logica-
mente, deve credersi la voce piü importante nella locuzione " quoia
hora est?" Sorprende la derivazione da una voce, solo usata in fräse
interrogativa. Sembra piü che ingegnosa, stentata, la spiegazione
del distacco del qu iniziale, posto che il toscano non dice mai
coiita, corgano per che onta, che organo. Infine resta strano il rad-
doppiamento di /, tanto piü che nessuno dei riflessi romanzi di
quola (pr. cota, fr. cole coterie, sp. pg. cota) lo presenta. Ed e cio
tanto strano, che per ispiegare tiitto da toius si e dovuto lasciar
totus e prendere tottus.
Per questo riguardo, sembrerebbe piü accettabile 1' etimo pro-
posto da Canello (AGI III 350), che credette la voce derivata da
volta, riferendosi principalmente a talottä == talvolta. Ma il gruppo
// non da direttamente // nel toscano, e perde / nel sicilano [voia).
Inoltre e improbabile che dal composto taloita si sia svolto oita,
perche anche nella lingua antica abbiamo pure delle frasi o dei
composti, che distolgono da quella etimologia. Cosi non si puö
vedere "volta" in di buon otta e in allotta, pur usato da Dante per
'allora' ("Tu vuoi saper mi disse quegli allotta" Inf. V 53). —
Secondo noi in questo, come in altri casi simili, occorre anzi-
tutto lasciarsi guidare dalle piü ovvie e naturali leggi della fonetica,
pria di appigliarsi ai mezzi piü ingegnosi. E, fortunatamente, la
base additata a tutta prima dalla fonetica, *octa per octava o
per octans, trova appunto una splendida conferma nei dati storici
sul modo di dividere le ore usato dai Romani. Costoro nei tempi
antichi (e la lingua e sempre ligia alle antiche costumanze) divi-
devano il giorno in 8 periodi: 4 per il giorno (cioe 7nane dal
sorgere del sole fino a tre ore dopo; ad ?nertdtem dalla terza ora
a mezzogiorno; de meridie dal mezzogiorno alla nona o decima
ora; suprema [tempestas diei) da questa al tramonto) e 4 per la
notte {prima, secimda, icriia e quarta vigilia). E chiamavano octans,
Vitruv., r ottava parte, ciascuno degli otto periodi del tempo cosi
diviso.
Questa voce dovcva il piü spesso essere usata a forma di
nominativo, come nella domanda qtiota octans?, che ora e?; sieche
pote bene produrre otta. Ma, in ogni caso, noi saremo bene auto-
rizzati, secondo ci sembra, anche ad ammettere *octa tal quäle
per octans, ed avremo senz' altro superata ogni difficoltä.
GiACOMO De Gregokio.
Siz. mattanza.
Non e registrato da Traina; ma e termine notissimo nelle
tonnare siciliane, e si usa principalmente per significare la "ucci-
G. DE GREGORIO, SIZ. MATTANZA. IT. BAZZA ETC. 747
sione dei tonni pescati"; la quäle uccisione, per il modo come si
pratica, per mezzo di fiocine e ganci speciali, nell' atto della pesca,
e divenuta tutt' uno colla pesca stessa. Nel giornale di Palermo
V Ora del 3 Giugno igoi vi e un telegramma da Favignana, che
dice: "I congressisti della pesca restarono entusiasti della
grossa matlanza di ottocento tonni, avvenuta stamane". Come si
vede, la voce viene ad avere senso non dissimile a quello dell' it.
matto, mattare, fr. maier etc., giä attribuiti (Kört. 5992 2^ ed.) al
pers. Schach mät 'der König ist tot'. Ma il sie. mattanza eviden-
temente appartiene all' etimo lat. mactare, da cui *mactantia,
rivelando come infondata, o discutibile, la supposizione che il
prov. sp. ptg. matar [matador etc.) possa derivare da *maditare,
meglio che da mactare (Kört. 5783 2^ ed.), e come non accetta-
bile la idea di una possibile derivazione di matar dal got. maitan.
GiACOMo De Gregorio.
It. hazsa, sp. haza, cat. hasa.
Queste voci, assieme all' it. hazzica, da cui il vb, bazzicare,
erano da Diez {Et. W. 47) attribuite al "seltne(n) mhd. bazze ge-
winn". Nella i^ ed. del suo Lat.-rom. Wörierb. N. 1097 il Körting
ripeteva quella etimologia; ma nella 2^ ed. al N. 1291 scriveva:
"pers. bazze, Gewinn". Forse il "pers." e errore di stampa; ma
a ogni modo, tutti sanno che i Persi hanno avuto quasi nessuna
relazione cogl' Italiani e gli Spagnuoli, e che il lessico persiano
abbonda di voci tolte in prestito dall' arabo. Appunto araba e la
derivazione delle nostre voci, e la etimologia tedesca deve assolu-
tamente ripudiarsi, perche 1' ar. bazza "rapuit, spoliavit" risponde
ad ogni esigenza, ed e voce comunissima, mentre la voce tedesca
^ '■^'■^* GiACOMo De Gregorio.
Siz. hazzariotu.
11 sie. bazzariotu 'chi guadagna disonestamente col traffico',
definito da Traina (Vocabolarietto etc.) per "rigattiere, rivendugliuolo,
monopolista", non considerato ne da Gioeni [Etimol. sicil.), ne da
Avolio {Introd. etc.) evidentemente ci sembra sia derivato da bazar
mercato. Se questa voce sia di origine persiana (Kört. 1290), o
piü propriamente araba, lasciamo di discutere. Solo ci sembra
opportuna una avvertenza morfologica suUa voce siciliana; ed e
questa, che essa e formata col suffisso otu, iotu, che si trova p. es.
in massari-otu, vicari-otu, jifinar-otu, chian-iotu etc. (da massaria,
vicaria, jmnaru, Chiana). E prendiamo 1' occasione per avvertire
che tale suffisso, di origine greca, non e considerato ne da Diez
ne da W. Meyer -Lübke, e che perö costituisce una specialitä del
^^^^^^^"°- GiACOMO De Gregorio,
BESPRECHUNGEN.
Delignieres Emile, Nouvelles Recherches sur le lieu d'origine de
Raoul de Houdenc, Trouvere du Xllle Siede, precMees d'un aper^u
sommaire sur le mouvement litteraire en France k partir du X'5 siede.
Etüde presentee ä l'Academie d'Amiens dans la Seance du 9 F6vrier 1900
par M. Em. Del., Membre Correspondant. Amiens, Impr. Yvert et Tellier,
190I. 8«, 38 S.
Das Interesse für die mittelalterliche Geschichte und Litteratur der
engeren Heimat gewinnt in den Provinzen Frankreichs zusehends an Boden,
und das wachsende Verständnis breiterer Schichten des gebildeten Publikums
für die unmittelbaren Ergebnisse gelehrter Forschung veranlafst wohl öfters
auch Fernerstehende sich mitzubeteiligen. Auf einem Gebiete, das noch lange
nicht überall abgesucht ist, mag es dann gelegentlich selbst einem minder ge-
übten Auge gelingen, einen Fund zu machen, der die Wissenschaft bereichert,
wenngleich manchmal, was der sorglose Finder für ein wertvolles Erz hielt,
sich als taubes Gestein herausstellen wird. Landschaftliche Gesellschaften mit
gelehrten Zielen haben schon recht Erhebliches für die Erforschung der Ge-
schichte ihrer Gegend geleistet, und selbst wo sich das eine oder andere ihrer
^Mitglieder über die Tragweite irgend einer Entdeckung zu lebhafte Vor-
stellungen macht, ist die Arbeit nicht ganz vergeblich gewesen, weil sie zu-
gleich eine Steigerung des Interesses für die Sache bedeutet und vielleicht den
Keim zu künftiger Frucht in sich trägt.
Von diesem Standpunkte aus wird die obgenannte Schrift beurteilt werden
müssen, wenn man den guten Absichten ihres Verfassers gerecht werden will.
Aus regionalem Patriotismus sucht Herr Delignieres (Abbeville, Dep. Somme)
die Heimat Raouls im alten Gau Vimeu wie vor vier Jahren L. Vuilhorgne
mit unzureichenden Gründen im Beauvaisis.^ Ein Fortschritt gegenüber V.,
dessen Schrift — soweit dies bei den verschiedenen Absichten beider Ver-
fasser möglich war — hier mit hineingearbeitet erscheint, ist nur insofern zu be-
merken, als D. ein ganz neues Argument in den Streit um die Heimat Raouls
bringt, ein angebliches Dokument zu Gunsten von Hodenc-en -Vimeu (Ge-
meinde Tours-en-Vimeu bei Moyenneville, vier Stunden von Abbeville) in der
ehemaligen Grafschaft Ponthieu. Da dies die einzige bisher gefundene ur-
1 L. Vuilhorgne, Un trouvere picard des Xlle et Xllle siecles: Raoul
de Houdenc, sa vie et ses ceuvres (1170 — 1226). Beauvais, Impr. D. Pere,
1896. 80, 45 S. (S.-A. aus den Memoires de la Societe academique de l'Oise
XVI, 2. Teil, S. 487 — 526). Vgl. darüber meine Anzeige Romania XXVII
318 ff.
DELIGNIERES, RECHERCHES SUR RAOÜL DE HOUDENC. 749
kundliche Nachricht über unseren Dichter wäre, müssen wir etwss näher darauf
eingehen.
In den handschrifthch nachgelassenen „Rhnhiiscences d'un vieillard"'^
des Nicolas- Anselme Collenot (1732 — 18 15), weiland Bibliothekar seiner Vater-
stadt Abbeville, fand D. vor einiger Zeit unter dem Kapitel „Anecdote"
S. 321 eine merkwürdige Stelle, die ich im Wesentlichen hier unverändert
nach S. 33 f. seiner Schrift wiedergebe, weil diese selbst schwer zu beschaffen
sein dürfte. ,, Collenot y rapporte que le hasard lui a fait decouvrir un de
nos plus anciens auteurs ne, dit-il, en Ponthieu au XI I^ siede ; en 1762,
un uieiix eure de Hodant,"^ en Vimeu, lui remit, comme les aya>it trouves
dans iin coffret ancien encastre et scelle dans la viuraille de Veglise, des
vieilles „paticartes". Ces pieces, au sowvenir de l'auteur du manuscrit
[Collenot), etaient relatives ä V erection, confirinatiojt des souverains, et do-
tations de divers seigneurs, et aussi des especes d'obituaires et cueilloirs.
Collenot donne copie de Vun d'eux pris au hasard et congu en ces ter^nes:
„Obit pour Raoul de Houdan (sie), gettti conteur, pour quoi rend si drach
prost ä cheans, six blancs, trois ceufs et deux fouaches, affecte sur ?nanoir,
gardin, courtis faisant le cuing del plache."" Dies hatte die Aufmerksam-
keit Collenots erregt, und (obgleich dieser damals den Namen des Dichters
noch nicht gekannt zu haben scheint) . . . il avait taute fois, ä tout hasard, pris
copie textuelle du document, ohne jedoch weitere Nachforschungen zu pflegen.
Später stiefs er (Collenot) zufällig in der Romanbibliothek von Lenglet Du-
fresnoy^ auf den Namen Raouls und erinnerte sich, ihn in dem Obituaire der
Kirche zu Houdenl (sie) gelesen zu haben. Die von Dufresnoy mitgeteilte
Meinung, dafs man ihn für einen Picarden halte, bestärkte Collenot in dem
Glauben, es handle sich hier um eine und dieselbe Persönlichkeit. „Le nom
de Raoul etait metitionne par le compilateur {Lenglet Dufresnoy) comme
etant un auteur du XU« siede, dont la patrie lui etait inconnue, ajoutant
toutefois qu'on le croyait picard. Cette assertion de Lenglet, bien qu'un peu
vague, mais rapprochee du document que Collenot avait trouve et quHl avait
transcrit quelque temps auparavant, ne paraissait pour lui {Collenot) laisser
aucun doute sur la naissance de ce trouvere dans le Vimeu. Cette indication
si precise de Collenot qui donne meme la date de la decouverte du document,
et enfin et surtout la transcription textuelle du passage le plus interessant,
apportent assurement un dement nouveau et significatif dans la question
d'origine" (S. 34) „On ne saurait vraiment supposer que cet homme
{Collenot) ait, sans interet, ou mü par un sentiment exagere de patriotisme
local, imagine, compose ainsi de toutes pieces un documeftt, qu'il ait fait
une histoire de pure fantaisie et inventee ä plaisir, alors qu'il declare avoir
transcrit lui-meme, textuelleinent, le passage dont il donne copie! Et, enfin.
^ Jetzt im Archiv der ,,Sociele d'Emulation d'Abbeville", als deren
Ehrenpräsident er ein Vorgänger des Herrn Delignieres ist; vgl. dessen
Schrift S. 32.
■■* Der Wechsel in der Schreibung bei D. (auch „Houdan") beruht wohl
auf einer Unachtsamkeit; im amtlichen Postlexikon erscheint die ursprüngliche
Form ,,Hodenc".
3 Geb. 1674 zu Beauvais, f 1755. Das hier gemeinte Werk ist wohl
das zweibändige ,,De l'usage des romans", 1734 erschienen; es scheint (nach
dem Fehler ,Rom. des Isles' zu schliefsen) auf Borel's Tresor (1655) zu fufsen.
750 BESPRECHUNGEN. M. FRIED WAGNER,
la certitude de Vexistence de ce document probaiit paralt d'autant plus grande
que l'extrait ci-dessus vient confirmer Vorig ine picarde, bien averee, de
Raoul de Houdenc" (S. 34 — 35). Obgleich ich an eine Mystifikation durch
CoUenot nicht recht glaubte, hielt ich doch die Möglichkeit nicht für ausge-
schlossen, vielmehr für sehr naheliegend, dafs ein Gedächtnis- oder Lesefehler
dahinterstecke, oder dafs Collenot die Notiz von der Stiftung einer Seelenmesse
in der Kirche zu Hodenc-en-Vimeu erst nachträglich mit dem Namen unseres
Dichters (und zwar durch dessen Zunamen veranlafst) in Verbindung gebracht
habe. Um diesen Zweifel zu beseitigen, bat ich Herrn Delignieres um eine
getreue, ungekürzte Abschrift der ganzen Stelle bei Collenot, und so erlangte
ich Kenntnis von einigen Nebenumständen, die eine Fälschung durch C. fast
für ausgeschlossen erscheinen lassen. Um diesen Punkt, auf den man sich
vielleicht wieder oft berufen wird, gleich von Anfang an klar zu stellen, glaube
ich am besten zu thun, wenn ich die wesentlichen Stellen in extenso gebe.
Collenot schreibt S. 321 seiner Reminiscenzen wörtlich: „Le concours fortuit
de divers hazards nCa fait decouvrir un de nos plus anciefts auteurs ne en
Ponthieu au 12« Siede. En 1762 un vieux eure ou chapelain de Hoden (sie)
en Vimeu (car il y avait une chapelle en cette paroisse) vint nie trouver
pour lui dechiffrer de vieilles pancartes trouvees en raccommodant dans la
muraille de l'Eglise dans un vieux coffre insere dans la muraille et scelle
par une pierre qui en bouchoit et Ventree et la vue ; ayant mal aux yeux,
je lui dis de me laisser le tout et que je le Urals et emargerais de son con-
tenu chaque piece. Travaillant avec Dojn Caffian et par dessus, Benedict ins
charges par leur congregation et par le gouvernement du travail pour
Vhistoire de Picardie, je les priai de Tn'ayder, ce qu'ils firent avec beaucoup
de grace ; ces pieces, si je m'en souviens bien, n'etaient qtie V erection, con-
firmation des souveraijis et dotations de divers seigneurs et des especes d'obi-
tuaires et ceuilloir (sie).
Par hazard j'en ai copie un article congu en ces termes — Obit pour
Raoul de Houdan (sie) genti conteur pour quoi Rend (ou peut-etre
plutöt Ren6) Sidrach (ou Sidrait comme nom) prost a cheans, six
blancs, trois ceufs et deux fouaches, affectes sur manoir, gardin,
courtis faisant le cuing del plache.
Le singulier obit pour un gentil conteur piqua alors ma curiosite et
pour en faire part ä Mr. Douville, lequel apres en avoir pris, ou lecture
ou note, m^aura remis le papier.
Je ne sais ericore par quel hazard il y a quelque teinps qu'ayant
rassemble divers papiers inutiles pour brüler, eile (d. i. die Kopie) füt re-
trouvee, je l'ai alors excepte (sie) du feu et Vai machinalement gardee.
II y a environ un mois que prie de ranger une bibliotheque, en atten-
dant que les ge?is de peine apporiassent le resiant des volumes, je pris par
hazard pour lire un volume de la bibliotheque des r Omans. Juste^neJit je
tombe sur Raoul de Houdan (sie) auteur du 12« siede, dit le Redadeur,
dont la patrie est inconnue et ces expressions: on le croit Picard. II est
auteur du roman des alles .... Raoul a aussi fait un Poeme ou fabliau
intitule la voye ou le Songe d'enfer. Faucher (sie) dit qu'il cite dans ce
po^me plusieurs taverniers vivans de son temps etc. . . ." Daun folgt ein
Auszug aus dem , Roman des Ailes' bis zur 7. Feder des Flügels der Cour-
DELIGNIERES, RECHERCHES SUR RAOUL DE HOUDENC. 75 1
toisie. Eine Schlufsfolgerung, etwa dafs jetzt also die Heimat Raouls ge-
sichert wäre u. dgl., findet sich nicht; das erschien Collenot wohl selbstver-
ständlich, aufser jedem Zweifel. Nun folgt noch die Widmung dieses Fundes
an die Societe d'Emulation zu Abbeville (gegründet 1797): „Heureux si ä
mon äge la societe a ce recit poiir agreable ; heureux dis-je si ma memoire
feut tenir Heu de vray talent et consoler du defaut d'une scavante imagi-
nation." Das alles zeugt von naivem Charakter und verdient wohl Glauben.
Collenot hat die „Scharteken" mit Hilfe schriftkundiger Männer entziffert; er
nennt das Jahr und zwei Namen von Zeugen und genofs allem Anschein nach
das Vertrauen des Pfarrers von Houdenc, der mit dem Funde nichts anzu-
fangen wufste und zu ihm kam. Als Altertumsforscher mochte er wohl damals
in seiner Heimat einen Ruf haben. Leider wird nicht gesagt, was aus dem
Original geworden ist. Die Angabe von Lesevarianten aber ist ein Beweis
dafür, dafs Collenot sich bemüht hat, das Richtige herauszubringen. Man
mufs also doch wohl an die Existenz eines solchen Dokuments glauben. Leider
aber ist damit nicht viel gewonnen. Die Hauptsache ist verschwiegen: das
Alter der Urkunde! Die Schreibung ,Houdan' könnte von Collenot her-
rühren, der den Ort und seine in gebildeten Kreisen übliche Aussprache
kannte; dafs er auch für die modern scheinende Schreibung einiger Wörter
verantwortlich sei, glaube ich aber nicht, weil es ihm dann ja nicht die ge-
ringste Schwierigkeit gemacht hätte, auch die übrigen vom Patois ins Schrift-
französische zu übertragen. Ist aber die Kopie genau, wie ich glauben
möchte, weil sie eben mundartlich und teilweise sinnlos ist,i so kann man dem
Original kein sehr hohes Alter zuerkennen. Für diese Ansicht spricht noch
manches. Einmal scheint das Dokument nicht auf Pergament, sondern Papier
geschrieben gewesen zu sein, vgl. die Stelle, welche Mr. Douville betrifft.
Collenot wird ihm wohl das Original gezeigt haben, da er doch seine Meinung
darüber hören wollte. Der Ausdruck ,,w'aura retnis le papier" kann sich
doch nur auf das seither nicht mehr aufgefundene Original, an das er sich
eben nicht mehr erinnerte, kaum aber auf die Kopie bezogen haben, denn
diese besafs er ja sicher; er bewahrte sie von 1762 bis mindestens 1797 auf,
da in diesem Jahr erst die „Societe" gegründet wurde und er das (ihr ge-
widmete) Manuskript seiner ,,Reminiscences" erst zur Zeit ihres Bestandes
verfafste. Obwohl der Gebrauch von Papier an und für sich nicht unbedingt
gegen das XIII. Jhdt. spräche, ist er doch erst später, kaum vor Mitte des
XIV. Jhdts., so allgemein verbreitet gewesen, dafs man es für Urkunden oder
Aufzeichnungen urkundlichen Charakters in abgelegenen Dorfkirchen ver-
wendete. Dann bietet vielleicht auch die Geldwährung eine Handhabe:
Littre (vgl. blanc, No. 10) führt die ältesten Beispiele davon aus dem XIV.
(Oresme) und XV. Jhdt. (Charles d'Orleans, Ph. Commines) an. Trotz der
frühen Belege (J. 1198, 1205) bei Ducange (s, v, blancus) tritt der blanc als
offic. Münze wohl doch erst unter Philipp VI. von Valois auf; seine eigentliche
Zeit ist Mitte des XIV. bis Mitte des XVI. Jhdts., vgl. Leblanc, Traite hist. des
Monnoyes de France S. 206, 213, 266, 319, 327; de Saulcy, Rec. des docum.
relatifs ä l'hist. des monnaies I, 242b, 444; Blanchet, Nouv. Manuel de numis-
matique du m. äge I, 151 u. a. Aber noch Laf. Fabl. IX, 3. Die Form des
^ Ich vermute die Lesung: pour quoi R. S, presta cheans six blancs.
752 BESPRECHUNGEN. M. FRIEDWAGNER,
Verbs affecter weist gleichTalls auf kein höheres Alter als das XV. Jhdt. hin.
Schliefslich möglicherweise ein paläographischer Anhaltspunkt: CoUenot weifs
nicht, ob er SidracÄ oder Sidraz'i' lesen soll, welche Verwechslung mir im all-
gemeinen vor dem XV. oder XVI. Jhdt. nicht leicht möglich scheint. Viel-
leicht findet jemand ein weiteres oder zuverlässigeres Kriterium heraus.
Ich glaube also an die Existenz des (gefälschten?) Dokuments, setze
es all i,r aus obigen Gründen nicht früher als ins XV. oder XVI. Jhdt. Dafs
die Stifti lg ungefähr in die Zeit von Raouls Tod (vor 1234)1 hinaufreiche
— und nur dann wäre sie ein Beweis für persönliche Beziehungen dieses
Dichters zu jenem Orte — scheint mir recht unwahrscheinlich. Die Zeit-
genossen Raouls allein, und wohl auch nur die in seiner wirklichen Heimat
ansässigen, konnten einer Verwechselung seines Geburtsortes mit einem anderen
unter den vielen Orten des Namens Houdenc entgehen, weil man in kleinen
Dörfern und Städtchen eben alle Leute, die dort zu Hause sind, kennt. Schon
gegen Ende des XIII. Jhdts. bewiese die Errichtung einer solchen Stiftung
nichts mehr. Es wird also wohl ein lokalpatriotisch gesinnter, vermögender
und dabei etwas lilteraturkundiger^ Einwohner von Houdenc -en-Vimeu von
unserem Dichter gehört und ihn — gleich Vuilhorgne und Deligni^res — für
seine engere Heimat in Anspruch genommen haben. Das mag im XVI. oder
XVIII, Jhdt., der Zeit des geistigen Aufschwungs oder der Fälschungen, ge-
schehen sein. 3 Die Echtheit des von Delignieres entdeckten Dokuments be-
wiese also ebensowenig die picardische Herkunft Raouls, wie etwa die Er-
richtung eines Denkmals zu Bozen für Walther von der Vogelweide dessen
tirolische Abstammung aufser Frage stellt. Wenn schon Raoul das bei fran-
9ois seiner Werke, das ihm niemand abspricht, erst nach Ablegung einer
mundartlichen (picardischen) Muttersprache erworben hätte, was ja schliefslich
nicht unmöglich wäre, so käme doch meines Erachtens eher der Gau Vexin
als Heimat in Betracht denn Vimeu.
Bisher haben alle, welche an Raoul's picardische Herkunft glauben, sich
auf V. 630 der Voie de Paradis: ,Dame, je sui de Picardie' berufen, und
Delignieres findet in dem Zusammentreffen des aufgefundenen Dokuments mit
der genannten Stelle die unzweifelhafte, wenn auch, nach ihm, nicht erst not-
wendige Bestätigung dafür. Denn schon längst schien ihm die Sache sicher:
La question paraissait donc epuisee, tranchee en dernier ressort et ä l'hon-
neiir de notre contree, denn Gelehrte von der Bedeutung P. Paris', Scheler's
und Michelant's u. a. hatten sich in diesem Sinne ausgesprochen. Mais voici
que tout dernierement (Romania XXVII, 318 — 320) un docteur autrichien
M. Friedwagner a . . . prete?tdu contrairement ä l'opinion mianime de tous
ceux qui s'etaient occupes avatit lui de notre trouvere, que la Voye de
1 Vgl. meine Ausgabe des Meraugis S. LXiti.
2 Vielleicht aus GeofTroy's de Tory im J. 1529 zu Paris erschienenem
Werke: Le champ fleury, wo Raoul erwähnt wird. Auch Borel, Tresor (1655)
und Henry Estitnne, Trait6 de la pröcellence du langage fran9ois (Paris, 1579),
S. 154 sprechen von ihm. Bald nachher (1581) Fauchet, Recueil S. 96, und
CEuvres II, 557b (1610).
3 Für jene Zeit ist diese Art der Erinnerung durch eine kirchliche Stif-
tung das, was heute ein Standbild ist. Und Abbeville war ein litterarisches
Centrum. Der Besitzer der Herrschaft Houdenc war 1506 und mehrmals
Maire von Abbeville, vgl. Delign. S, 23, A. I.
DELIGNIERES, RECHt.RCHES SUR KAOUL DE IIOUDENC. 75^
Paradis ne serait pas son ceuvre, et qtie des lors la declaration d^origine de
Picardie ne s'appliquerait pas ä lui! C'etait saper par sa base Vassertion
tout entiere. II est vrai que l'auteur autrichien, tout en presentant cette
affirtnation qu'il n^est pas, dit-il, difficile de prouver, n^apporte pas cette
preuve, au moins dans Varticle precite .... il afßrme et voilä tout . . . .;
la preuve qu'il regarde comme facile ä faire .... wt? Vest peut-etre pas
pour lui-meme autant qu'il le laisse croire etc. (S. 27 f.). Und zum Schlufs
(S. 30): Laissons donc M. Fr. ä ses affirmations, elles ne sauraient ebratiler
fiotre conviction. Ich könnte darauf antworten, dafs ja doch bereits eine ganze
Litteratur über diese Frage existiert, und eine ausführliche Erörterung an der
genannten Stelle nicht am Platze war; in meiner Meraugis-Ausgabe S. LVili,
A. 2 und S. LXiv, die ja im gleichen Heft der Romania eingehend besprochen
wurde und daher Herrn Delignieres nicht unbekannt sein konnte, wären aber
einige sehr wesentliche Punkte, die mich zu jener Ansicht veranlafst, zu finden
gewesen. Da ich erst im dritten Bande meiner Raoul-Ausgabe (die auch
den Songe de Paradis enthalten wird) auf diesen Gegenstand zurückkommen
werde und es vielleicht auch nicht immer gut ist, über ungerechtfertigte An-
griffe zü schweigen, selbst in Fällen, wo das Material und somit die Wahr-
heit allen zugänglich ist, so will ich hier auf die Sache näher eingehen.
Seit W. V. Zingerle (i88o) die ersten leisen Zweifel an der Echtheit des
Gedichts von der Himmelsreise vorgebracht hat.i sind wiederholt Versuche
gemacht worden, diese Zweifel zu beschwichtigen,* In der neuesten Zeit noch
hat sich Kaluza,^ wenn auch reserviert, eher für die Echtheit ausgesprochen,
und selbst Zingerle ist seit der Kritik an Börner (1888, Literaturbl., Sp. 26)
etwas schwankender geworden;* dagegen hat Suchier (Literaturbl. i88r, Sp. 64
und neuestens in seiner Gesch. der frz. Litteratur, Leipzig u. Wien, 1900, S. 209)
die Verfasserschaft unseres Dichters bestimmt in Abrede gestellt, auch ich
habe mich (Meraugis S. LViil, A. 2) gegen die Möglichkeit eines Zweifels an der
Unechtheit ausgesprochen, und W. Förster (Z. f. frz. Spr. u. Litt. XX^, 104) hat
mir zugestimmt. Folgende Gründe scheinen mir die Unechtheit des Songe
(oder Voie) de Paradis zu erweisen:
i) Das Gedicht ist in drei Hss. (Brüssel Bibl. Roy. 941 1 — 26, Paris
1 Ueber R. de H. und seine Werke, Erlangen, Diss., S. 4I ff.
^ Vgl. Börner, R. de H., Leipzig, Diss., 1884, S. iiif. ; Zenker, Ueber
die Echtheit zweier dem R. de H. zugeschriebener Werke, Erlangen, 1889,
S. 12. Abbehusen S. 91 neigt sich der Ansicht v. Zingerle's, Malmstedt S. 2
eher jener von Börner zu, obgleich beide kein neues Argument beibringen
konnten (vgl. die ausführlichen Titel Meraugis S. vui).
2 In „Beiträge zur roman. Phil., Festgabe für G. Gröber", Halle, 1899,
S.-A. S. 5, A. 2.
* Im , .Kritischen Jahresbericht" I, 428 ff. hält er die Echtheit des S. de P.
für „möglich, obwohl nicht für sehr wahrscheinlich". Ich kann hier nicht
alle Meinungen erwähnen; nur soviel sei bemerkt, dafs P. Meyer, Rom.
XXI, 414 dieses Gedicht ebensowenig unter den echten Werken Raoul's an-
führt wie G. Paris Hist. litt. XXX, 45 f., dafs letzterer aber in seinen Be-
sprechungen Rom. X, 319 (Zingerle) und XIV, 174 (Börner) keine bestimmte
Entscheidung trifft, und in seiner Litteratiue fran^aise au moyen äge, 2. Aufl.
§ 156 (1890) beide Träume unserem Raoul zuschreibt. In der Rec. von
Kaluza's Schrift (Rom. XXIX, II7 — II 8) berührt er diesen Punkt nicht, weil
keine Veranlassung dazu vorlag. Gröber, Grundrifs II, i. Abth. S. 694, ist
für die Echtheit des S. de P.
Zeitschr. f. rom. Phil. XX Y. a8
754 BESPRECHUNGEN. M. FRIED WAGNER,
Bibl, Nat. fr. 837, Turin Naz. L, V, 32) überliefert; in der Brüsseler steht es
allein, in den beiden andern unmittelbar hinter dem Songe d'Enfer unseres
Raoul. In Vers 969 (Edit. Scheler, Trouv. Beiges II, 234) des S. de P. redet
nun Gott den Dichter mit seinem Namen an: er heifst in der Brüsseler aber
Mikiel, nur in den beiden andern Raoul. Sonst ist der Verfasser nirgends
mehr genannt. Was halte den Schreiber der Br.-Hs. veranlassen sollen, den
Namen zu ändern? Für die Pariser und Turiner Hs. aber lag ein Grund
dafür vor: der Name des Dichters im vorausgehenden und ähnlichen Stück
wurde einfach auch aufs zweite bezogen. Auf keinen Fall ist also der Name
, Raoul' für den Verfasser des S. de P. sicher.
2) Wenn mit Börner (S. 114) und wohl auch mit Zenker (S. 4 — 5) der
Schlufs des S. de P. (von V. 1030 an) sich auf beide Gedichte beziehen soll,
diese also ein einheitliches Ganze ausmachten, wie ist es zu erklären, dafs
von achl^ Hss. nur zwei (aus derselben Familie) den S. de P. folgen lassen,
alle übrigen aber nur den angeblich unvollständigen, abgerissenen ersten Teil
(S. d'E.) enthalten? — Der angeblich gemeinsame Schlufs umfafst 338 Verse,
der eigentliche S. de P. 1030, der Höllentraum im ganzen nur 678; ist die
abgesonderte Ueberlieferung eines ,, Bruchstückes" in so vielen Hss., ist eine
solche Zerreifsung denkbar, wenn ursprünglich jene feste Verbindung bestand,
wie sie nach den Versen S. d'E. 679 — 682 und S. de P. I — 2 (Edit. Scheler)
in zwei Hss. erscheint? Dafs man beide, wenn sie einmal verbunden waren,
trennte, ist unmöglich; sehr leicht einzusehen aber ist es hingegen, dafs man
sie nachträglich wegen ihrer Aehnlichkeit verband, ohne auf die Verfasser-
schaft Rücksicht zu nehmen. ^
3) In allen Dichtungen' Raoul's von Houdenc nennt sich der Verfasser
naindestens zweimal: immer am Schlufs, vgl. Mer. 5934, 5938, S. d'E. 677,
Rom. des Eies 644 (Veng. Rag. 6170 Ed. Hippeau), dann am Anfang: Mer. 17,
R.Eies 57 (V. Rag. 12*), oder in der Mitte: Mer. 4334, S. d'E. 412 (V.Rag. 3352);
warum geschieht dies nicht auch im S. de P. ? Warum giebt Raoul ferner dem
S. d'E. einen so vollständigen Abschlufs, der dazu noch dem Ende der übrigen
Dichtungen gleicht, wenn es eigentlich nur der erste Teil (1/3) eines Ganzen
war? —
1 Der S. d'E. ist in zehn Hss. erhalten, von denen Paris Nat. 25433
und Ashburnham den Schlufs nicht mehr oder nicht ganz haben, so dafs
vielleicht (?) auch der S. de P. in deren Vorlage gefolgt sein könnte.
2 Weder Huon de Mery, noch Fauchet (er benützte das JNIs. 1593, das
den S. de P. nicht hat), noch endlich Lenglois Dufiesnoy wissen etwas von
einem Gedichte ,S. de P.' von Raoul. Wer zuerst die Identität ausgesprochen
hat, weifs ich augenblicklich nicht; ich vermute Jubinal; für Scheler steht sie
bereits fest (S. xviii).
3 Auch die Vengeance Raguidel halte ich für echt; ich habe die Gründe
dafür schon in einem Vortrag des Wiener neuphil. Vereins am 20. Dez. 1895
(vgl. Bericht in der Z. f. d. öst. Gymnasien XL VII, 1886, S. 480) gegeben;
aber Meraugis S. LXVi, A. 2 hielt ich absichtlich noch mit dem Urteil zurück,
wenn es auch herauszulesen war. Kaluza konnte dies leicht entgehen. Die
Vornahme eines älteren, unvollendeten Gedichtes durch Raoul de H. halte
ich für möglich. Die Ausgabe der V. Rag. wird darüber ausführlicher handeln.
* Ich vermute wenigstens, dafs V. 10 — 12 der V.Rag. ursprünglich ge-
lautet haben: Mais ja de prince qu'il i ait Ne vos tenra (Hs. tenrai) en cest
plait conte Raous qui (Hs. Issi 9) la matiere conte.
DELIGNIERES, RECüERCHES SUR RAOUL DE HOUDENC. 755
4) Die Verse -»Ci fine li Songes d^Enfer: Dieus tn'en gart este et yver !
Apres orrez de Paradis ; Dieus nous i niaint et noz atntsli. (679 — 82 Edit.
Schaler), welche auf ein zweites ähnliches Gedicht hindeuten sollen, fehlen in
allen Hss. bis auf Paris Nat. 837 und Turin Naz. L, v, 32, wo eben der
S. de P. auch unmittelbar folgt. Sie sind also unecht, ^ d. h. als Verbindungs-
zeilen von einem Schreiber interpoliert oder wohl gar von dem Dichter des
Himmelstraums selbst angefügt, wenn man an ein Segeln unter falscher Flagge
denkt (der Name Mikiel könnte dann natürlich nicht als ursprünglich gelten).
Jedenfalls aber haben diese Schlufsverse aufser Spiel zu bleiben.
5) Die Sprache des S. de P. ist die eines fast zwanglos in seiner Mund-
art schreibenden Picarden, während Raoul von Houdenc im umfangreichen
Meraugis (5938 Verse), im S. d'E. und Rom. des Eies ein fast ganz reines
Francisch {bei fra77gois) schreibt; die wenigen mundartlichen Züge (Mer. 2225
röche : brocke ist auch aufserhalb der Picardie zu treffen; Eies 267 suivie :
cuirie{e) steht ohne weiteres Beispiel; einigemale -j : -z im S. d'E. begründet
noch kein dialektisches Merkmal) weisen mehr auf die Nähe der Normandie
als der Picardie hin.* Bei den nachsiehenden picardischen Merkmalen des
S. de P. ist vor allem das numerische Verhältnis der mit Rücksicht auf den
geringen Umfang (1368 Verse) ziemlich zahlreich zu nennenden Belegstellen zu
beachten. Vgl. mi (frz. nioi) : demi 395, 883, : vi 509, : ami 535; ti (frz. toi)
: menti 123, 751; lie (frz. liee) : rie 213 (Hs. Tur. die), compaingnie : irie 479,
: mesnie 1131; haskie \ forsenerie II51; aringnie : vilenie 275; htii{s)diues :
piues ']'/() (bei Godefroy Reime des ersten Wortes mit liue = Heue etc.),
plentiu {leu) : soutiu {ieu) 1121; fus [insiis) : fus (föcus) 1157, vaut (voluit) :
ckaut 183; dann wohl auch douches \A\Azt.s) -.bouches 373, riche : serviche
265, fache (facies) : sacke (sapiam) 199; weniger charakteristisch, aber doch
in der Picardie am häufigsten zu treffen wären noch aus (illos) : caus (calidus)
955, dann Futurformen wie avcra, prendera, meteront, isteront u. a. Bei
diesen Belegen, die nur aus den Reimen genommen wurden, stimmen alle
drei Hss. überein. Dafs daneben auch moi, toi (je einmal), eus (illos) ge-
braucht wird, kann nicht überraschen. — Andere dialektische Eigentümlich-
keiten des Laut- oder Formenwandels, der Metrik u. s. w. hier anzuführen,
ist nicht notwendig. Von den bei Zingerle, Diss. S. 42 angeführten zwölf
Punkten hat Zenker (S. 6 — 8) Punkt i, 3, 4, 5, 6, 8, 9, 11 gar nicht oder
nur teilweise zu entkräften vermocht. Kann man sich also vorstellen, dafs
mitten in einem Gedichte (denn die Zusammengehörigkeit beider Songes wird
immer betont) plötzlich dialektische Eigenheiten, von denen bisher kaum eine
Spur zu bemerken war, in solcher Anzahl zum Vorschein kommen können,
ohne dafs der Dichter gewechselt hat oder doch eine besondere (hier aber
nicht auffindbare) Veranlassung dafür vorlag? — Dieser Punkt allein schon
genügt mir, die Echtheit des S. de P. zu bestreittn.
1 Schon Zingerle hat gewarnt, diesen Versen zuviel Gewicht beizulegen,
vgl. LiteraturbL 1888, Sp. 25, A. i. Dafs der S. d'E. mit Vers 678 schliefst,
habe ich in der , .Festschrift zum VIH. Neuphilologeutage" (Wien, Brau-
müller, 1898), hgg. von J. Schipper, S. 237 auf Grund sämtlicher Hss. nachzu-
weisen versucht.
* Zenker, S. 11, findet aber, dafs zwischen dem S. d'E. und dem S. de P.
sprachliche Unterschiede nicht nachzuweisen seien, und dafs beide Dichtungen
Eigentümlichkeiten des picard, Dialekts aufwiesen.
756 BESPRECHUNGEN. M. FRIEDWAGNER,
6) Die metrische Uebereinstimmung beider Gedichte (Songes) ist keine
so grofse, wie Zenker S. 9 fF. glauben macht. Er weist auf die von Frey-
mond, Z. f. rom. Phil. VI, l, 177 gefundenen Verhältnisse der einzelnen Arten
des reichen Reimes in beiden Gedichten hin und findet (S. 10) darin ein „ge-
wichtiges Moment für die Identität der Verfasser". Ich kann nun in dem
Perzentsalze der reichen Reime wohl ein im allgemeinen wichtiges, aber zu
so minutiösen Folgerungen, wie sie z.B. Kaluza (S.-A. S. 10 f.') daraus ab-
leitet, doch nicht berechtigendes Mittel sehen , ein unentbehrliches Hilfsrailtel
zwar bei ähnlichen Untersuchungen, aber kein Präcisions- Instrument. Das
hat Freymond (S. 184) selbst schon angedeutet. Stellt man sich aber trotz-
dem auf Zenkers Standpunkt, so giebt gerade der Perzentsatz ihm unrecht.*
Man vgl. die Tabelle (Zenker S. 9, Freymond S. 177): '- '— I ~, II — ,
S. de P. 19 26
III -^, IV -^, V 'X VI Z, S 59, A 5, p 6 c 13^ ^ M. Also wenn
175 20.5 12 5 55 9 5 7 34
man von der Summe (S und D) absieht, weil sie den Unterschied im einzelnen
ausgleicht und das Charakteristische verwischt, ^ so bestehlt in sechs Fällen
von neun (nämlich II, III, IV, V, A, C) keine Uebereinstimmung, sondern
ein merklicher Unterschied. Freilich weicht auch Mer. und R. Eies von ein-
ander in ähnlicher Weise ab; dann aber darf man eben aus diesen nume-
rischen Verhältnissen keine so weitgehenden Schlüsse ziehen. Ich würde also
sagen: der Gebrauch des Reims spricht nicht gegen die Identität der Ver-
fasser, kann aber auch nicht als Beweis dafür gelten.
7) Der Inhalt beider Gedichte (nach Börner: beider Teile des Gedichts)
ist einander diametral entgegengesetzt. Der Verfasser des S. d'E. ist ein aus-
gelassener, witziger, derber Spötter (vgl. Vers 592, besonders aber 4775.:
Apres orent im autre mes Qu'il tindrent a bon et a fres: Vieilles putai?is
aplaqueresses, Qui ont teus crevaces qu'asnesses .... Allerdings steht diese
Stelle nur in Paris 837 und Turin, aber zugleich, wenn auch etwas verändert, in
Paris 2168, die einer anderen Familie angehört; vgl. ferner das übrige Höllen-
mahl von Vers 439 an, wo Raoul nicht viel anständiger ist). Der Dichter
des Himmelstraumes ist nicht nur wegen der Kenntnis der theologischen
Litteratur, sondern auch wegen des Predigertones, der gegen Schlufs recht
langweilig wird, ein Geistlicher (Mönch.''), unser Raoul dagegen ein wan-
dernder Geselle, der sich wenig ums Jenseits kümmert und allem Anschein
nach mit dem Teufel auf keinem schlimmeren Fufse steht als mit den Thür-
hütern der Reichen (S. d'E. 372). Der S. d'E. ist eine blofse Satire ohne
jeden didaktischen Zweck, der S. de P. ein moralisches Lehrgedicht; jenes soll
unterhalten, dieses die Sünder bekehren. Das hat Börner nicht widerlegt,
auch beziehe ich das Wort songes (Vers 1031, S. de P., Mais pour che gue
j'ai tant songie. De dire songes (in allen Hss.) prenc co?igie, Si dirai fine
^ Festschrift für G. Gröber.
2 Freymond Z. f. roni. Phil. VI, 184: ,Noch mehr bequeme Reime als im
S. d'E. finden sich im S. de P., welches Gedicht, wie es uns vorliegt, nach
Zingerle dem R. de H. abzusprechen ist.' Fr. weist auch auf die Verschieden-
heit zwischen Meraugis und die allegorischen Dichtungen hin.
8 Ich kann mir nicht vorstellen , dafs man damals beim Dichten ge-
rechnet haben soll.
DELIGNIERES, RECHERCHES SUR RAOÜL DE HOUDENC. 757
verite) nicht auf beide , Gedichte', sondern es heifst hier „Träumereien, fictions,
niensonges" (wie 1028). Und endlich S. d'E. 673 {Et eis conte fauf si a point
Qu^ apres ce n'en diroie point Devant qiie de songier reviegne) deute ich
anders als Börner (S. in) und Zenker (S. 4): es wird hier nicht gesagt, dafs
der Dichter nochmals (wie es S. de P. 1135 f. geschieht) von der Hölle sprechen
will, sondern dire heifst hier soviel als nfr. conter, composer, inventer (vgl.
Meraugis 12, 14), mit einem Worte , dichten'. Raoul will also nichts mehr
dichten {conte . . ne diroie point), ehe er vom Traum erwacht ist, er will keine
visionäre Dichtung mehr schreiben, sondern ins wirkliche Leben zurück-
kommen. Das ist das Gegenteil von dem, was man immer herausgelesen hat:
nicht Ankündigung des S. de P., sondern Ablehnung weiterer Visionen! —
8) Die Aehnlichkeit des Stils ergiebt sich einmal aus der Gleichheit des
Gegenstandes, dann wohl aus dem bewufsten Streben nach Angleichung seitens
des Verfassers vom S. de P. Das Gedicht vom HöUentraum machte Aufsehen,
wie die vielen Hss. zeigen; den ärgerlichen Eindruck abzuschwächen, machte
sich vielleicht einer aus dem meist angegriffenen Stande (Mönch.'') daran, eine
Fortsetzung zu dichten. Vielleicht stammen die Verbindungsverse (S. d'E.
679 — 82) sogar von ihm selbst her. Eine Art Nachahmung des Höllentrauras
zeigt die Hs. Paris, Nat. fr. 12603: Ch'est du lai d'infier: Ahay, ahay, ie sui
•venus, Salus vous mande Belgibus Et lupiter et Apolins. Ie vieng d'infier
le droit chemin, Nouveles vous en sai conter etc., und Paris, Nat. Ms. fr. 105 1,
worüber in meiner Ausgabe das Nähere gesagt werden wird. Auf weitere
Details kann ich hier nicht eingehen.
Das sind die Hauptgründe, die mich veranlassen, den Songe de Paradis
mit Entschiedenheit als unecht (d. h. nicht von Raoul de Houdenc herrührend)
zu erklären. Es genügt nicht, an einzelnen von ihnen zu mäkeln; wer die
Echtheit des Gedichtes beweisen will, mufs einmal sie alle zusammen wider-
legen, dann aber noch positive Beweise für seine Ansicht bringen. Herrn
Delignieres freilich Averde ich nicht überzeugt haben.
Auf den übrigen Inhalt seiner Schrift gehe ich lieber nicht ein. Wer
sie gelesen, wird meine Diskretion anerkennen. Wohl aber werde ich dem-
nächst auf den Stammbaum der Meraugis -Handschriften zurückkommen.
;m. Friedwagner.
Wiese, Dr. Leo, Die Sprache der Dialoge des Papstes Gregor. Mit
einem Anhang: Sermo de sapieniia und Moralium in Job (ragraenta. (Von
der philosophischen Fakultät in Bonn preisgekrönt.) Halle, Max Niemeyer,
1900. 194 SS.
Die Bearbeitung der Sprache der Dial. Gr. ist ein längst gefühltes Be-
dürfnis. Wiese hat die Aufgabe trefflich gelöst, und sein Buch zeichnet sich
durch Genauigkeit, <jrründlichkeit und gute Kenntnis des Altfrz. aus. Es
begegnet zwar manche anfechtbare Erklärung, aber selten Unrichtiges. Aus
dem einen oder andern Grund erwähnt seien folgende Punkte: § 6 mal, car
gehören nicht in eine Reihe mit estat, vat, sondern verdanken ihr a andern
Ursachen. — §2lb. In e^ifezons (65,12) natürlich nicht a zvi e mit Ausfall
eines Konsonanten, auch nicht einfach Einflufs von enfes, wie Wilmotte will;
758 BESPRECHUNGEN. D.BEHRENS,
sondern dire]<te Weiterbildung aus dem Nominativ mit Nominativ -Verwendung;
es ist also richtiger Nom, Sg. , während der Acc. sg. enfanzon 34, 21, der
Acc. plur. enfanzo7is 47, 7 lautet; das ist zwar nun recht merkwürdig, aber
durch das von Mussafia entdeckte enfetes — enfantet (Zur Kritik und Inter-
pretation roman. Texte IV, 6 n. i) aufser Zweifel. — § 23. Warum hal[i)egre
halbgelehrt? — § 39^1. Man kann wohl sagen, dafs i \n fenir durch Dissimi-
lation aufgegeben sei, aber was soll bedeuten: / «durch Dissimilation erhalten
in ßneir}» — § 45. culchat gehört in § 50; ML. I 125. — § 49b. Vor ge-
decktem Nasal scheinen 0 und g zusammengefallen zu sein. Warum dann in
repunre, repus eher ein ü sehen als in somunre, somunte (§443)? — § 5' nuid
aus 7iudi, sehr interessanter Rest, wenn die Deutung richtig ist. — § 57, 57a
a für ai: traroient, traroit, trast, wohl erklärlich, da a in vielen Formen des
Verbs ursprünglich lautgesetzlich sein mufste. In inaement liegt nicht a,
sondern ae für ai vor, was ja auch sonst in dem Text begegnet [maimernent
mit Haplologie) ; lärme begegnet auch sonst. — § 60. In salit u. s. w. ist die
Mouillierung nicht unbezeichnet geblieben, sondern den Formen kommt über-
haupt etymologisch keine zu. — § 65. Weder in venin noch in cha'ine ist das
n an dem i schuld; ersteres Wort hat Suffixtausch, im zweiten fällt e des
Diphthongs im Hiatus, vgl. chair. — §7i'i. duel keineswegs phonetische
Schreibung für duelh, sondern bekanntlich postverbale Bildung. — § 96. Warum
receutes, häute u. s. w., aber criute} Wo derartige Formen im Vers begegnen,
haben sie immer Diphthong. Wir haben vermutlich erhaltenes hdbitus, de-
bitus u. s. w. vor uns, wobei allerdings neue Maskul. auf dem Fem. aufgebaut
wurden, da sonst keine paroxytonen Partiz. perf. vorhanden sind. Also liuz
(vgl. § 105 a, 3). — § 105 b. Die Begründung der Wahrscheinlichkeit der Aus-
sprache alue ist sehr schwach.
Das Schlufsresultat Wiese's, wonach er die Dialoge von Lüttich weg
und nach Orval weist, steht auf sehr schwachen Füfsen. Doch brauche ich
darüber kein Wort zu verlieren, da über diesen Teil der Arbeit bereits der
ausgezeichnete Kenner des Wallonischen, Wilmotte, das Urteil gefällt hat
(Z. f. frz. Spr. XXII 2, 186 ff.), der auch in endgiltiger Weise das Denkmal
lokalisiert hat (Festgabe für Suchier S. 74). — Auch das bei der Vergleichung
der Moralia mit den Dialogen gefundene Resultat Wiese's, dafs erstere jünger
seien, scheint mir fraglich; den Perfekten auf ont und der Form metissiens
steht beispielsweise der Umstand entgegen, dafs nur Hiob neben astoit noch
ere kennt. Auch wären wohl noch mehr Unterschiede in der Sprache der
Denkmäler aufzufinden gewesen; so die Formen ooite, enfooite u. s. w. in Hiob,
während die Dialoge nur toloit kennen; aqua in den Dialogen nur aigne, in
Hiob häufiger aiwe. „ tt
^ Eugen Herzog.
Publications of the Modern Language Association of America,
edited by James W. Briglit.
Bd. XII (1897), ^ew series, vol. V.
F. J. Mathew, King Ponthus and the Fair Sidone [Ms. Digby 187,
Bodleian Library. Editio princeps, with facsimile]. S. I — 150. In der Ein-
leitung handelt der Herausgeber über den dem englischen Ponthus zu Grunde
PUBLICATIONS OF THE MODERN LANGUAGE ASSOC. OF AMERICA. 75g
ligenden französischen Text aus dem zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts
(Brit. Museum Royal 15, E. VI), dessen Verhältnis zu Hörn und Rimel er in
einiger Ausführlichkeit darlegt.
R. E. Neil Dodge, Spenser's Imitation front Ariosto. S. 15 1 — 204.
Vf. untersucht methodischer und gründlicher, als es bis dahin geschehen war,
den Einflufs des Orlando furioso auf Spenser's Faery Queen, soweit es sich
dabei um spezifische Nachahmungen und direkte Entlehnungen des englischen
Dichters handelt.
Hugo A. Rennert, Some utipnblished poems of Fertian Perez de
Guzman. S. 251 — 298. Es werden 31 religiöse Dichtungen Perez de Guz-
man's nach drei Handschriften der Nationalbibliothek zum ersten Mal ver-
öffentlicht. Der Herausgeber macht es wahrscheinlich, dafs der Dichter nicht,
wie bislang nach Ticknor allgemein angenommen wurde, um das Jahr 1400,
sondern etwa ein Vierteljahrhundert früher das Licht der Welt erblickte.
H. A. Todd, Gaston Paris: Rotnance philologiste and me?nber of the
French Academy. S. 341 — 354.
Homer Smith, Pastoral influence in the English Dratna. S. 355 —
460. Das zweite, „Sources of the English Pastoral Drama" überschriebene,
Kapitel der Abhandlung enthält, wie Vf. selbst bemerkt, Neues nicht.
Xni (1898). New series, vol. VI.
John E. Matzke, The question of free and checked vowels in Gallic
populär latin. S. I — 41. Matzke's interessante und wertvolle Studie hat durch
den Herausgeber dieser Zeitschrift (Bd. XXIV, S. 159) eine Besprechung ge-
funden, auf die hier verwiesen sei. "Was die einsilbigen Wörter angeht, so
bemerkt M. : „The principle regulating their development is stated by Behrens
in the third edition of Schwan's Grammatik § 33". Ich sage au der be-
treffenden Stelle nur, dafs der Vokal vor einfachem wortauslautenden Kon-
sonanten gedeckt ist, wenn das betreffende Wort in Pausa oder vor konsonan-
tisch anlautendem Worte steht, frei, wenn dasselbe vor vokalisch anlautendem
Worte sich befindet: /r^^Kons. Pausa^ ^/-^.j Vokal. Was die Diphthongierung
der in Frage stehenden Vokale angeht, so habe ich es (§ 35) unentschieden
gelassen, ob dieselbe ausschliefslich ihren Grund hat in der Verallgemeinerung
solcher Formen, die sich bei vokalischem Anlaut des folgenden Wortes ein-
stellen mufsten oder allgemein in einer durch die Einsilbigkeit der betreffenden
Wörter bedingten stärkeren Artikulation. Zu Einzelheiten hier noch ein paar
Bemerkungen: S. 19 ist ostju — huis kein einwandfreies Beispiel für die
Entwickelung von 0 vor stj. Vgl. jetzt W. Meyer -Lübke in dieser Zeitschr.
XXV, 3 S. 355 — 358. Dafs nice auf n^scius zurückgeht, scheint mir wegen
des unerklärten auslautenden e nicht hinreichend sicher, um darauf eine Laut-
regel gründen zu können. — S. 22. Dafs puis z.vS. potjo zurückgeht, ist wegen
provenz. posc zweifelhaft. Für auf lotiii zurückgehendes lois wäre ein altfranz.
Beleg am Platze gewesen. Lat. ardesja ist nicht hinreichend fräh bezeugt,
um als Etymon von franz. ardoise gelten zu können. Dafs rui auf rogju
zurückgeht, halte ich nicht für wahrscheinlich, jedenfalls durfte es nicht vom
Vf. als feststehende Thatsache registriert werden. Matire stellt wegen des
erhaltenen intervokalen t nicht die Erbworteutwickelung von maf^ria dar.
Dafs proche auf ^proprnc zurückgeht, halte ich nicht für ausgemacht. Vgl.
760 BESPRECHUNGEN. D. BEHRENS,
Mussafia Romania XVIII, 546. S. 27 travail sollte nicht mehr auf trabac'lu
zurückgeführt werden. S. 30. Dafür dafs altfranz. viegne die orga-nische
Weiterentwickelung von vfma darstellt und ie nicht vielmehr aus dem In-
dikativ des Präsens eingedrungen ist , bleibt der Nachweis zu fuhren.
S. 32. Dafs die im Französischen mundartlich bezeugte Entwickelung von
n^bula über n^ula zu nieule derjenigen von parabula nher paraula zu farole
parallel ging, läfst sich nicht ohne weiteres annehmen. 'Neben ßebi/e und
indebile fl(bile und ind^bile anzusetzen, ist man auf Grund der in einigen
Handschriften vorkommenden Formen fieble endiehle allein nicht berechtigt.
S. 34. Dafs der Ausfall des Pänultimavokals in Proparoxytonis vor a der
Ultima früher erfolgte als vor u, vermag ich in Anbetracht der zahlreichen
Fälle, die dieser Regel sich nicht fügen, nicht für so sicher zu halten, als es
M. unter Hinweis auf Neumann's Ausführungen in dieser Zeitschrift thut.
S. 38 und sonst wird für resne das nicht erwiesene und, wie mir scheint,
schwer erweisbare Etymon resina angesetzt. S. 40 hätte ich für soude aus
subitus einen altfrz. Beleg gewünscht, da Godefroy einen solchen nicht giebt,
vielmehr nur soude = subita kennt.
Mary Augusta Scott, Elizabethan translations from the Italian:
the titles of such worhs now flrst collected and arranged, with annotations.
5. 42 — 154. Diese Fortsetzung der Jahrgang 1896 der Publicationsb-igonneTien
Studie (s. Zeitschr. XXI, 303) betrifft Werke aus den Gebieten der Religion
und Theologie, der Wissenschaft und Künste, sowie solche grammatischen,
lexikalischen und paroemologischen Inhalts.
Kenneth McKenzie, A Sonnet ascribed to Chiaro Davanzati and
its place in fable literature. S. 205 — 220, Die wiederholt herausgegebene
italienische Version der Fabel von der Krähe, die sich mit fremden Federn
schmückt, Di penne di paone e d' altre assai, wird nach der Vatikanischen
Hs. 3793 mit einigen Aenderungen nochmals zum Abdruck gebracht und mit
einem ausführlichen sprachlichen und litterarischen Kommentar versehen, worin
die Dichtung mit Wahrscheinlichkeit dem Florentiner Chiaro Davanzati zu-
gewiesen und die Stellung derselben in der Fabellitteratur erörtert wird.
Elizabeth Woodbridge, Boccaccio^ s Defense of Poetry ; as con-
tained in the fourteenth bock of the De Genealogia Deorum. S. 333 — 364.
Resume der Theorie B.'s über die Dichtkunst mit einer sich anschliefsenden
kurzen historischen Betrachtung, bei der im besonderen Sidney's Defense of
Poetry zum Vergleich herangezogen wird.
J. Douglas Bruce, De Ortu Waluua7iii : A Arthurian romance now
first edited front the Cottonian Ms. Faustina B. VI, of the British Musetim.
.S. 365 — 456. Die sorgfältige Ausgabe des in einer Handschrift des 14 Jahr-
hunderts überlieferten lateinischen Romans „Von Gawains Herkunft" hat bei
der Kritik allgemeine Anerkennung gefunden. Vgl. G. Gröber in dieser Zeit-
schrift XXII, S. 570, H. Suchier Lit. Centralblatt 1898 Sp. 980, G. Paris
Romania XXVIII, S. 165 f.
E. Kölbing, Ein Beitrag zur Kritik der Romanischen Sagas. S. 543
— 559. K. giebt eine Inhaltsangabe der Stockholmer Hs. Cod. Holm, membr.
6, 40 unter Hinzufügung bibliographischer Notizen zu den einzelnen in der-
selben enthaltenen Stücken, teilt das Ergebnis einer Vergleichung der von ihm
in seinen Riddarasögur abgedruckten Text© mit der erwähnten Hs. mit und
PUBLICATIONS OF THE MODERN LANGUAGE ASSOC. OF AMERICA. 7ÖI
handelt im Anschlufs hieran über einige nndere in derselben Hs. enthaltene
Texte, wobei es ihm, wie er einleitend bemerkt, nicht allein darum zu thun
war, neues textkritisches Material beizubringen, sondern auch die Grundsätze
zu berühren, die nach seiner Auffassung für die Herstellung kritischer Aus-
gaben derartiger Texte mafsgebend sein müssen.
Bd. XIV (1899). New series, vol. VII.
Killis Campbell, A Study of the Romance of the Seven Sages
with special 7-efereiice to the Middle English Versions. S. I — 107. Vf. richtet,
wie schon der Titel seiner Studie erkennen läfst, sein Hauptaugenmerk auf
die mittelenglischen Versionen des Denkmals. Er macht es wahrscheinlich,
dafs dieselben .•-ämtUch auf die gleiche Quelle, eine gereimte englische Dichtung,
zurückgehen, die ihrerseits die Uebersetzung einer zur Gruppe A gehörigen
franz. Hs. darstellt. In dem ersten, the earlier history of the romance be-
titelten, Abschnitt hat sich C. zum grofsen Teil darauf beschränkt, über ältere
auf den betreffenden Gegenstand bezügliche Untersuchungen zu referieren.
P. B. M a r c o u , Are French poets poeticalP
J. D. M. Ford, Luis de Leon, the Spanish Poet, Humanist, and Mystic.
S. 267 — 278. Vf. dieser kurzer» Skizze beschäftigt sich mit dem Leben und
den Werken des spanischen Autors, über den er eine Monographie vorbereitet
und von dessen lyrischen Dichtungen er eine neue, vollständig Ausgabe in
Aussicht stellt.
A. S. Napier, A hitherto unnoticed Middle English 7nanuscript of the
Seven Sages. S. 459 — 464. Mitteilungen über eine auf der Bodleianischen
Bibliothek befindliche im nordenglischen Dialekt geschriebene Pergamenthand-
schrift aus der Mitte des 14. Jahrhunderts (Ms. Rawl. Poet. 175. New Cata-
logue 14667), die Campbell (s. oben) entgangen war, die aber mit der von
ihm benutzte.! Hs. C (Cotton Galha E. ix) wörtlich übereinzustimmen scheint.
N. druckt 128 Verse der Hs. in extenso ab und giebt für zwei andere Parlieen
derselben die Varianten von C an.
Mary Augusta Scott, Elizahethan translation from the Italian:
the titles of such -works now first collected and arranged, ivit annotations.
S. 465 — 571. Die in der vorliegenden Fortsetzung aufgeführten Werke be-
treffen: Voyages and Discovery, History and Politics, Manners and Morals,
Italian and Latin Publications in England.
Bd. XV (1900), I.
S. 17 — 73. H. A. Todd, La vie de Sainte Catherine d' Alexandrie, as
contained in the Paris mamiscript La Clayette. Veröffentlichung des Textes
ohne grammatischen und litterarhistorischen Kommentar.
1. S. 121 — 180. W. H. Schofield, The lays of GraeJent and Lanval.
and the story of Wayland. Marie's Lanval und das aller Wahrscheinlich-
keit nach auf dem Kontinent entstandene anonyme Lai von Graelent stellen
verschiedene Versionen derselben Erzählung dar, deren Grundthema auf ge-
nuin keltischer Tradition nachweislich beruht. Am treuesten hat Marie de
France die Grundgestalt der Sage überliefert. Zwar erscheinen einzelne Motive
der ursprünglichen Sage mit Rücksicht auf die veränderten Sitten und An-
schauungen der höfischen Gesellschaft des 12. Jahrhunderts in ihrer Dichtung
762 BERICHTIGUNGEN.
unterdrückt oder geändert, aber Beimischung fremder Sagenelementc enthält
dieselbe, wenn auch der Schauplatz an Arthurs Hof verlegt ist, nicht. Das
Lai von Graelent hat einige altertümliche Züge, die in Lanval fehlen, gewahrt.
Was dasselbe aber hauptsächlich charakterisiert, ist die abweichende, unter
dem Einflufs der Wielandsage veränderte Darstellung der Begegnungsscene
des Helden mit der Fee. Durch normannische Vermittelung war der aus der
norwegischen V^lundarkwipa und der späten mittelhochdeutschen Dichtung
Herzog Friedrich von Schwaben bekannte ursprünglich niederdeutsche Sagen-
typus, wonach Wieland als Träger der vSchwanjungfrau - Sage erscheint, den
Bretonen und Franzosen bekannt geworden. Die Verknüpfung mit der Lanval-
sage wurde durch die altfranzös. Namensform G{u)alant (Wieland) veranlafst,
die eine Identifizierung Wielands mit dem berühmten bretonischen König des
5. Jahrhunderts Graalen (Graelen) Mor zur Folge hatte. Von den späteren
Behandlungen der Lanvalsage hat Schofield namentlich Thomas Chestre's
niittelengl. Gedicht des 15. Jahrhunderts untersucht und dessen Verhältnis zu
Marie's Lanval und zu Graelent dargelegt. Man wird den Ergebnissen der
mit Besonnenheit und Umsicht geführten Untersuchungen des Verfassers fast
durchweg zustimmen dürfen. S. 123 und S. 125 vermisse ich einen Hinweis
auf Alton's Ausgabe des Anse'is von Karthago und auf die Ausführungen des
Herausgebers S. 473 ff. In der Anmerkung S. 157 f. konnte auch Fr. Bangert's
in den Ausg. u. Abh. aus d. Geb. der rom. Philol. XXXIV erschienene Ab-
handlung Die Tiere im. altfranzösischen Epos erwähnt werden, in der reiches
einschlägiges Material mitgeteilt ist.
3. S. 326 — 414. J.Douglas Bruce, Vita Meriadoci: An Arthurian
Romaiice now first edited from the Cottoniati MS. Faustina B. VI. of the
British Museum. Das hier zum ersten Mal veröffentlichte Denkmal ist in
derselben Handschrift überliefert wie der lat. Prosaroman De Ortu Waluuanii
und rührt, wie Darslellungsweise, Inhalt und .Sprache erkennen lassen, von
dem gleichen Verfasser her. Der Herausgeber hat dem lat. Text eine aus-
führliche Inhaltsanalyse beigegeben und ist in der Einleitung den Beziehungen
desselben zu anderen mittelalterlichen Denkmälern nachgegangen.
D, Behrens.
Berichtigungen zu SS. 633 — 5.
S. 633, Z. 23 Couleurs; Z. 36 L'execution; S. 634, Z. 9 estort; Z. 16
luisant; Z. 29 R. d'Ali.x 113,3; Z. 42 Me H. de Mondeville; Z. 43 2005;
Note I Dans Uppsatser i Romansk Filologi tillägnade Prof. P. A. Geijer
de7i 9 April 1901; S. 635, Z. 8 binse; Z. 19 und 38 Marbode; Z. 46 de grands
Services.
Da der Ref. den ihm von der Druckerei zugesandten Probedruck nicht
erhalten hat, und der Artikel ohne sein Imprimatur gedruckt werden mufste,
ist er für diese Fehler nicht verantwortlich. E. W.
Sachregister.
Aesopus, über lateinische, franzö-
sische, griechische Hss. des Aes. in
spanischen Bibliotheken 727 — 30.
Affonso Mendes de Besteiros,
portugiesischer Troubadour 299 —
301. 307 f.
AlfonsX. vonKastilien, über
einige Tenzonen des portugiesischen
Liederbuches, in denen er als Dich-
ter auftritt 130 — 174. 278 — 321.
Schmählied auf die ,,soldadeira"
Balteira 532 — 60.
Ariosto, Pio Rajna, Le fonti dell'
Orlando Furioso 2^ edizione (Re-
cens.) 114 f.
Bedeutungswandel (über) 253 — 6.
Pejorative Bedeutungsentv/icklung
im Französischen 561 — 601. (Biblio-
graphie 562 — 7. Besprechung der
neuern semasiologischen Litteratur:
logische Betrachtungsweise 569 — 73.
psychologisch - historische Betrach-
timgsweise 573 — 89. Besprechung
der Dissertation von M. Nitzsche :
über Qualitätsverschlechterung fran-
zösischer Wörter und Redensarten
589 — 600. Schlufsfolgerungen 600 f.
Burleske Poesie Frankreichs in
der Renaissancezeit s. Renaissance.
Chanson de Geste s. Französisch,
Litteraturgeschichte.
Chile, Anibal Echeverria y Reyes,
Voces usadas en Chile (Recens.)
117 f.
Coppetta (Francesco), Abd-El-Kader
Saiza, Francesco Coppetta dei Bec-
cuti, poeta perugino del secolo XVI
(Recens.) 379 f. Einflufs Petrarcas
auf Coppetta 380.
Fabeldichtung, Notes on Aesopic
Fable Literature in Spain and Por-
tugal during the Middle Ages (über
Handschriften in span. Bibliotheken
und alten Inventaren) 721 — 30.
Französisch. Lautlehre: s. Vi-
lard de Honnecourt. 0/ und
Mi im lothring. und lütt, Dialekt 356.
Zur Behandlung von ci und ti 736 f. ;
zur Behandlung der lateia. einsilbi-
gen Wörter 759.
Formenlehre : eiifezoiis , enfamott
(Dial. Greg.) 757 f.
Syntax: zur Stellung des attributiven
Adjektivs 322 — 340.
Litter aturgeschichichte: Der Prosa-
roman Ysaye le Triste. Quellen,
Abfassungszeit 175 — 80. Inhalt 180
— 214. 472 — 89. 643 — 68. Carl Vo-
retzsch. Epische Studien ... I. Heft.
Die Composition des Huon de Bor-
deaux nebst kritischen Bemerkungen
über Begriff und Bedeutung der Sage
(Recens.) 365—75. Bemerkungen zu
einer Geschichte der französischen
Heldensage (Quellen des altfranzö-
sischen Epos: Lieder- und Sagen-
theorie; „Zeitgedichte"; „primäre"
und ,, sekundäre" Epen. „episo-
dische" und ,, biographische" Epen;
Die Chanson de geste im Lichte
des Feudalrechtes und politisch-
dynastischer Interessen; Ependich-
ter. Entstehungszeit der Epen) 449
— 71. A. Longnon, un vestige de
l'epopee merovingienne (Rec.) 508.
deux details du Bestiaire de Phi-
lippe de Thaiui (Quelle zu v. 2977
— 3004, über die Lücke zwischen
v. 2890 und 2891) 702 — 4. De-
lignieres, Nouvelles recherches sur
le Heu originaire de Raoul de Hou-
denc, trouvere du 13. s. (Recens.)
(über die Echtheit des Songe de
Paradis) 748 — 57; L.Wiese, die
Sprache der Dialoge des Pabstes
Gregor (Recens.) 757 f.
Wortgeschichte : Pejorative Bedeu-
tungsentwickelung s. Bedeutungs-
wandel. — Ott, Etüde sur les cou-
leurs en vieux fran9ais (Recens.)
633 — 5. 762 (Berichtigungen).
Garcia Perez, nimmt an einer Ten-
zone mit Alfons von Kastilien teil
173-
"64
SACHREGISTER.
Geifslerlieder, Paul Runge, die
Lieder und Melodien der Geifsler
des Jahres 1349 nach den Aufzeich-
nungen Hugos von Reutlingen nebst
einer Abhandlung über die italie-
nischen Geifslerlieder von H. Schnee-
gans und einem Beitrag zur Ge-
schichte der deutschen und nieder-
ländischen Geifsler von H. Pfannen-
schmid (Recens.) 360 — 5. Wallo-
nisches GeiCslerlied 361 — 4.
Gil Perez Conde, portugiesischer
Troubadour 301 — 7. 308 — 11.
Gou^alo Martins, in einer Ten-
zone des portugiesischen Lieder-
buches erwähnt 173.
Gregor, über die Dialoge G.'s s.
Französisch, Litteraturgeschichte.
Guilhem von Bergadan, über
seine Schmähgedichte 157 f.
Guillelma Monja, zieht mit Gau-
celm Faidiz ins Heilige Land 538.
Huon de Bordeaux. Voretzsch,
Epische Studien. I. die Composition
des H. de B. (Recens.) 365 — 75.
Italienisch. Lautlehre M.Formen-
lehre: cl im Inlaut 636. siz. ^ +
a, o, u'^j, dj'^j 637, ty cy'^z
{in halbgelehrten Wörtern) 744.
Suffix -otii, -iotu im Sizilianischen
747-
Syntax: dialekt. Z'a chiama , va e
chiama, va a chiama 639.
Litteraturgeschichte : über italienische
Geifslerlieder 360 — 5.
Jayme Domenech, über zwei Hss.
seiner Uebersetzung des Speculum
historiale von Vincenz von Beau-
v:iis 725 f.
JoSo Soares Coelho, portugie-
sischer Troubadour 301.
Kreuzzugslieder, Portugiesische
K. aus dem altportugiesischen Lie-
derbuch s. Liederbuch.
Liederbuch, Randglossen zum alt-
portugiesischen L. 129 — 74. 278 —
321. Lieder auf Maria Perez Bal-
teira und „Ultramar-Lieder" 532 —
560. 669—85 Nachtrag (Texte der
Balteira- und Ultramar-Lieder).
Lope de Vega, über L. de V.' El
Castigo sin Venganza 41 1 — 423.
Varianten des Autographs 415 — 23.
Marbod, über eine M. zugeschrie-
bene lateinische Prosa, Quelle einer
Stelle des Bestiaire von Philippe de
Thaun 698 — 702.
Maria Per ez (Dona), genannt Maria
Balteira, aus Galizien, als ,,cru-
zada" in Kreuzfahrerliedern des alt-
portugiesischen Liederbuches er-
wähnt 533 — 60.
Mathilde, Gemahlin Wilhelms des
Eroberers; über eine mögliche An-
spielung auf sie, Karlsreise v. 430
— III.
Ortsnamen forsch ung (Zur), Ischl
} insula 349 f.
Pay Gomes Charinho, nimmt an
einer Tenzone mit Alfons von Kasti-
lien teil 149 ff.
Pero Gomes Barroso, portugie-
sischer Troubadour 296 — 9.
Petrarca s. Coppetta.
Philippe de Thaun, Bestiaire s.
Französisch, Litteraturgeschichte.
Piccinino Niccolö, das Epos „//
Piccinifio" von Alessandro Streghi
(Fortsetzung) 5. Gesang 230 — 43.
6. Gesang 686 — 96.
Pilgerfahrten, über P. nach dem
Heiligen Lande 542 — 46. auf Pa-
lästina und Pilgerfahrten bezügliche
Stellen aus portugiesischen Adels-
büchern 555 f.
Portugiesisch. Litteraturgeschichte:
Randglossen zum altportugiesischen
Liederbuch s. Liederbuch. — Zur
Fabellitteratur in Portugal s. Fabel-
dichtung.
Provenzalisch. Lautlehre: Zur
Behandlung von ci und ti 736 f.
Syntax: Herzog, Materialien zu einer
neuprov. Syntax (Recens.) 629 — 33.
RaouldeHoudenc s. Französisch,
Litteraturgeschichte.
Rätoromanisch. Laut- u. Formen-
lehre: Huonder, der Vocalismus der
Mundart von Disentis (Recens.) 622
— 627. V in väi = ai (habeo) in
Disentis, aus -u von ieu vor ai ent-
standen 625; zu -tudine + a =
-detgna 625; -el der i. Pers. der
Verba 625 f.
Dialekte: Genelin, Germanische Be-
standteile des rätoromanischen (sur-
selvischen) Wortschatzes (Recens.)
616 — 22. zur Palatalisierung von
ca, ga im Rhein gebiet 623 f. Can-
drian. Der Dialekt von Bivio-Stalla
(Recens.) 627 — 30.
Renaissance, Etudes sur la poesie
burlesque fran^aise de la Ren. 71 —
93. 215 — 29. 257 — 77. 385—410.
513 — 32. (L'amour et les femmes
72 — 93. Attaques personnelles 214
— 22. Aventures fächeuses 222 — 9.
Les paradoxes: contre l'honneur.
Apologie de quelques defauts d'ordre
moral et des miseres de la vie
STELLEN REGISTER
765
257 — 77. Apolügies burlesques:
L'ortie, le cabas, le bonnet et le
tabac, la gourmandise 397 — 410.
Description burlesque des villes 513
— 26. Les enigmes, Varia 526 — 32.
Roger d'Argenteuil, Bible en
fran^ois von R. d'A. 100 Anm.
Roger von Toeni, normannischer
Baron des il.Jahrh.s; Urbild des
Schwanritlers I ff. 30 — 44.
Romanisch. Wortgeschichte: Zur
Bedeutungsentwiclvelung von fa-
luppa 743.
Rumänisch. G. Alexici, Texte din
literatura poporana rominä (Recens.)
116 f. Teulsch u. Popea, Lehrbuch
der rumänischen Sprache zum Schul-
und Selbstimterricht (Recens.) 359 i".
Syntax: Zur Syntax des rumänischen
Possessiv-Pronomens 3. Person. Ge-
braucli von sau und lui 424 — 48.
Wortgeschichte : Zu Rudows Rumä-
nischen Wörtern Ztschr. Bd. XIX
und XXII 112 f.
Schwanritler, Der historische
Schwanritter. Entstehung der Sage
1—44.
Schwankinder, Das Älärchen von
den Schwankindern im Dolopaihos
8 — II, in der Chronik des Klosters
Brogne 1 1 f.
Spanisch. Diccionario de la lengua
Caslellana por la real Academia
Espanola 13a ed. (Recens.) 119 f.
Syntax: Zusammenfassendes lo im
Spanischen. Gebrauch von lo und
el 705 — 20.
Litteraturgeschichte : Zur Fabeldich-
tung in Spanien s. Fabelaichtung.
Thomassin, burlesker Dichter des
17. Jahrh.s, bearbeitet die ,,Sermoui
funebri di vari autori nella morte di
diversi animaii'' des Ortensio Laudi
392 f.
Trobadors (genuesische), Nachträge
zu G. Bertoui , Studi e ricerche sui
trovatori minori di Genova (Giorn.
Slor. della Lett. Ital. XXXVI fasc.
1—2) 121— 3.
Vaasco Gil (Don), nimmt mit Al-
fonso von Kastilieu an einer Ten-
zone teil 132 — 45.
Venjan ce Nostre Seigneur, über
das altfranzösische Gedicht von der
Zersiörung Jerusalems (La Venjance
Nostre Seigneur) (Schlufs; s. Ztschr.
XXIV, 161 ff.) 94—109. Die Quellen
94 — 100. Prosaauflösung 100 — 103.
Anhang zum kritischen Text 104 — 9.
Nachtrag 256.
Vilard deHonnecourt, über die
Sprache des Skizzenbuches von V.
de H. 45 — 70; Text des Skizzen-
buches 48 — 53; Sprachliches, An-
merkungen, Glossar 53 — 70.
Vincenlius von Beauvais, Hand-
schriften der Specula in Spanischen
Bibliotheken 726 f.
Vulgärlatein. Lautlehre: Die be-
tonten Hiatusvokale im Vulgärlatein
341 — 4. rodus — raudus — rudus
357 f. Zum Uebergang von inter-
vokalischem t zm. d im. Vulgärlatein
(inschriftliche Belege in Schuchardt's
Vokal, des Vulgärlat. und weitere
Beispiele) 731 f. Ueber ?-Epenihese
im Italischen bezw. im Vulgärlatein
732 — 4. Lesefrüchte aus dem Be-
reiche der römischen Inschriften {-i-
für -g-, j für ti, z für di, sz, S für
C; ati- für al-; ie für e; Niepos
neben Nepotis; nn, n im gn. Varia)
733 f-
For7netilehre: Inschriftliche Belege für
Imp. fa, va; faunt, so, posso 735.
Walther Anglicus, über Ätadrider
Hss. seiner Fabelsammlung 725. 727.
729-
Ysaye le Triste, Der Prosaroman
Y. le T. s. Französisch, Litteratur-
geschichte.
FranzoslsGli.
Zur Karlsreise v. 118, 164, 196, 231,
238, 322, 381, 384, 430, 508, 675,
732 — 1X0— 2; Adenet, Berte v. 37
— 355; Karrenritter v. 12 — 357
Anm.; Cleomades v. 909, 2729 — 34
— 634; Rom. d'Alix. 311, 13. 113,3.
115, II — 634; Thebes v. 4478,
Gaydon v. 5126 — 634; J. de Conde
XXXV, 241 — 634; Lapid. de
Stellen register.
Marb. v. 343, 593 f. — 635; Rom-
vart 625, 5 — 635; Carite ccxxxiii,
2 — 635; Bern. Lapid. v. 1142 —
635 ; zu Raoul de Houdenc's Songe
d'Enfer v. 679 — 82 — 755 ff. ; Songe
de Paradis v. 630, 1031 — 75 2 f.
756 f.
ItalieniscH.
Zu „Contrasto di Tonin e Birghignol"
376.
766
WORTREGISTER.
Lateinlscli.
ab 602—10.
austium 357.
bolus 499 f.
*caclacu 248.
*caclagu 251.
calculus 246.
callum 246 f.
Cicaro 380.
cnaives (osk.) 734.
Cochlea 248.
coclaca 244 ff.
dat (osk.) 602 — IG.
discus, discum 740.
ecclesia 344 f.
faluppa 741 f.
favonius 357-
ficatum 615.
fraus \ ^
frustra j •^-"
*gavos 734.
glaesura 504.
(g)naevos 734.
*grua 343.
impensa 739.
insula 349 ff.
maceria 345.
mas 743 f.
magulum 741.
naevus 734.
naugae, nogae
357 f-
nugatoriae 357 f-
obex 614 f.
octans 746.
ostium 355—8.
platessa 348.
*plaluos 349.
*platus 348.
rodiis, raudus, ru-
dus 357 f.
*stincilla 380.
sycotum 615 f.
tartarum 1 „<,
torta J 498-
*ustiura 357 f.
Italieniscli.
abe, aba (asard.)
604 f.
a-i'/X^ (sassar.) 740.
andare 506. 638.
atturrare (südit,)
490.
ave (asard.) 605 f.
aviude, avimde
(asard.) 606.
balotin(mant.)35i.
W^o r t r
baloutten (crem.)
35f-
bazza 747.
bazzariotu (sie.)
747-
bazzica 747.
boia, boa 347.
bonello (lomb.)
351- .
bovo (siz.) 500.
bremi (palerm.)
498.
bue 344.
caldri (tarent.)
497-
caloma (siz. neap.)
493 f; 495-
calombina 250.
calotta 49 t.
caluma 493.
calumare 495 f.
calumeddi (siz.)
498.
cassero 503.
castelletto (neap.)
503-
coronda 381.
crosta 251.
da 602 — IG.
dae (nsard.)
602 — IG.
dave, dava (asard.)
602 — IG.
diskua, diskuedda
(ssard.) 740.
erta, all' erta 1 1 3.
fiapo (ven.) 742.
fragina (mitteilt.)
741 Anm.
frappare 741 f.
gallare \^ 247
gallegiare j Anm.
galletta, -o 247
Anm.
galota (ven. rom.)
491.
gavitello 346.
gruga, gruva 343.
indugia 744 f.
invulpao (agenues.)
743-
isca (siz. sard.)
35'-
Iscia (ven.) 35 1.
isola 351.
joja (siz.) 637.
iuexio (agenues.)
744 Anm,
e g i s t e r.
läddara, läddera
(sard.) 248 Anm.
laddia, laddiöra
(sard.) 248 Anm.
lago 251.
lellare 738.
lirta (a la) (asiz.)
"3-
mappitello (neap.)
503-
mattanza (siz.)
746 f.
mezan (ven.) 351.
naturali, natura-
leddi (siz.) 498.
otta 745 f.
razza petrosa 349.
realiello (neap.)
503-
rombo petroso
(südit.) 349.
saia, saio 354 f.
saietta 354.
saziare 736.
sazziare (südit.)
736.
scorzone 282
Anm. 2.
sfacciddata (siz.)
637-
tartara 251.
tartera, tartara
(mail.) 251.
tartarin (mail.) 251.
tartra (piem. parm.)
251.
togna (ostit.)
501—3-
törtano (neap.)250.
töitanu (kal.) 250.
tortellina 25 1.
traffinera 493.
uscio 355—8.
volantino 5GI — 3.
vulpao (agenues.)
743-
zuixio (agenues.)
744 Anm.
Französiscli.
albun (afr.) 634.
alerte 113.
aller 506.
assase (afr.) 737.
Spuez (metz.) 739.
baba (pic.) 738 f.
babane (Maine)
739.
bis 634.
blanc I
blau I ,
bloi r34-
blou )
bceuf 498 — 501.
boie, buie (afr.)
346.
bouee 345 f.
bretelle, bretelliere
347-
brossey (vog.)
505 f.
caillou 244 — 53.
calotte 491.
cayeux, cailleu
(norm, pic.) 244.
chail 244 ff. 251.
chenu 634.
coup 491.
daiche (poit.) 740.
drome 346.
empois 739.
enfezons 757.
enliser 504.
esse 614 f.
euge (pic.) 64 f.
faose (Maine) 742.
farinet 5GI.
felpe 742.
fläope (Maine) 742.
flipe (Maine) 742.
flope (Maine) 742.
floper, flober (pic.)
742.
flori (afr.) 634.
fyaope (Maine) 742.
gaga 739.
gal (afr.) 248 Anm.
galer, gaeker (mdl.-
fr.) 248 Anm.
galet 1 247
galette j u. Anm.
gaviteau 346.
glaise 503—5.
glaive 345.
gratin 251.
guideau 498.
heuce (afr.) 614 f.
houce (nam.) 614.
huis 355—8.
jagiis adj. 68.
jarce (afr.) 125.
Ladres, Lazaron
IIG Anm.
lala (vog.) 738.
laon, laben (ostfr.)
611 f.
WORTREGISTER.
767
leuze (poit.) 614.
lie 503 f.
lige (nam.) 504.
lise (afr.) 504.
lolo, lolotte (vog.)
738-
long (in scieur de
long) 61 1 f.
louvres (poit.) 614.
lovre (bürg.)
612 — 4.
lügrö (Maine) 614.
lur (voges.) 612 — 4.
manche 492.
mizi (Meuse) 741.
morandin 634.
mouni (Meuse) 741.
ner^oier (afr.) 634.
nice 759.
nuid (afr.) 758.
oeche (awall.) 614.
oh" (metz.) 355 f.
oh- (lothr.) 355 f.
orin 346.
ossattc (lothr.) 614.
owvre (voges.) 612.
permaine 353 f.
pers 635.
pleisse, plisse,
plaise 348.
plie 348.
poupee 66 f.
proche 759 f.
pucelle 343 f.
puis 759.
queuche (pic.) 737.
queuz (afr.) 737.
rassasier 736.
resne 760.
rosser (gätin.) 74O.
roussette 347.
ruer 344.
rui 759.
saie 354 f.
sayette 354.
sayon 354.
soso (voges.) 739.
souue (afr.) (Eulalia)
343-
tacre (afr.) 125.
tarle 250.
tartre (mittelfr.)
251-
tartron 251.
teint 634.
tourte 250.
tourteau 251.
tristre (afr.) 125.
troie (afr.) 342.
truelle 344.
turbillon (norm.)
349-
turbot 349.
turbotin (norm.)
349-
US (lothr.) 615.
üv (voges.) 612.
ÜZ (lütt.) 355 f.
vache 498 — 501.
viesier (afr. u.
npic.) 737.
vis 737-
voie 344.
wix (voges.) 737.
zozo, zozotle
(voges.) 739.
Proveazaliscli.
agriö, agruoue
inpr.) 343.
anar 506.
bago (npr.) 347.
bau 499.
beleso I
beliso Y''^'-
bol, bou 499.
buou 500.
bulo (gase.) 347.
cacarau 248. 251.
calabre 497.
cala(u)mo 495-
calhau 244. 248.
251-
clavelado 349.
coulouma 496.
couloumb, cou-
loumbo (npr.)
250.
coulourao 493.
courounda, cou-
roundeu (npr.)
381.
da 609 f.
desco 740.
enligar (npr.) 504.
espasi \ , \"if.
espasia y V •) I i>
fisco, flisco 501.
galhet, -ou (beain.)
247 Anm.
gallet 247 Anm.
galo 248 Anm.
gau de pasto (npr.)
247 Anm.
gaviteu 346.
gleise (bearn.) 345.
glisie, glise, gligi
(bearn.) 345.
greso (npr.) 504 f.
gruio (npr.) 343.
isclo (npr.) 351.
lalo (npr.) 737.
lau (npr.) 251.
%o 503-
lise (bearn.) 504.
liio (npr.) 504.
malici, maleso
(npr.) 737.
mancho, margo
492.
matar 747.
obro (npr.) 612.
ocho I r.
ouölze, olzej '^'
platusso (gase.)
348.
rauso 250.
romb clavela 349.
torco 490.
torto 250. 490.
tounihado \
tourlihoun j 4J •
tourtro (lim) 251.
ueis 355 fF.
uis, US 355 ff.
vaco 501.
Visa (npr.) 737.
von 499.
rranco-moveiizaliscli.
berosse 505 u.
Anm.
dyüe, dyüe (delph.)
'343 Anm. 2.
invorpä (lyon.) 743.
0UU90 (delph.)
614.
vi^ (delph.) 344.
vizyo ( (wall.)
vizyu / 736.
Spaiiscli.
adalid (nspan.) 288,
adalil (aspan.) 288.
alcäzar 503.
alerto I13.
amelga 381.
arcanela 503.
baza 747.
bieldo 382.
bolantiu 502.
boya 347.
buey 500.
cala 497.
calima 491 f.
caloma 493.
calumbase (astur.)
496.
camella 381.
cazarete 503.
cebiella (astur.)
381.
colondra (aslur.)
381.
copo 491.
Corona 491.
empesador 739.
enguedat (aspan.)
382.
escorzon (käst.)
282 Anm.
esti^agal (astur.)
38f.
estrago (anav.) 381.
esturar, turrar 490.
gall (ostspan.) 247
Anm.
geneta gineta 319.
gruUa 343.
guija 248.
iglesia \^ (aspan.)
iglisia I 345.
lelo 738 f.
lombriz 509.
manteca 382.
marica 743 f.
maricon 743 f.
matar ']\'].
mielga 382.
mio, mios (aspan.)
342 Anm.
nemigaja (aspan.)
382.
orinquel 346.
peldano 382.
plalija 348.
platuja 348.
pon^ona 284
recadia (aspan.)
382.
reclaro 503.
rogo, arrogo (arrag.)
382.
rozar 740.
saciar 736.
salomar 497.
sayo, saya 354.
tortica 251.
trajinare 382.
via 344.
Katalaniscli.
basa 747.
bol 499-
bolivet ( ,
bouet i -*
calimot 492.
cop 491.
escorsö 282
Anm. 2.
768
WORTREGISTER.
escur90 282
Anm. 2.
gall 247 Anni.
plaUissa 348.
PorlngiesiscL
adail 288.
alacral, alacrau
281 Anm. 5.
alacrae, alacra 281
Anm. 5.
alcä9ar 503.
alcanela 503.
boia 347.
ca9areie 503.
caia 497.
calabre, calabrote,
-ete 497.
calhao 244.
calimba 491.
calimeira 492.
cavalrjada 293.
celeuma 497 f.
clerigon 141 f.
copo 491.
coroa 491.
coteife 1 7 1 .
dormon 282.
enpo9oado 285.
escor9ao 282
Anm.
esUirrar 490.
faronejar 293.
Genetes 317 ff.
gfou 343.
jantar 150 ff.
lacral, lacraii 281
Anm. 5.
lacran 281 Anm. 5
maricao 743.
matar 747.
meiga 293.
orinque 346.
palru9a 348.
pe9onha 285.
penna veira 170.
po9ao 285.
po9oemo (altport.)
285.
pon9on 284.
regalo 503.
rozar 740.
saio, saia 354.
senlheira ( „
sinlheiro [ -''
soldadeira 538.
tabefe 171.
taleiga 293.
tavlado 285.
trageitador 142.
RätoroDianiscL
ampla 617.
angasi 619.
anguört 619.
ballucar 619.
baudi^ra 619.
bardeigl
bargada
bargir (surseiv.)
barsar ( 619.
barschar
befiar
bia 626.
bisacca |
bizochels ((surseiv.)
blutta j 619.
buörsa '
carmun (surseiv.)
246.
cherli (surseiv.)
619.
coh 617.
coliaba (surseiv.)
619.
conif (surseiv.) 619.
cupilz (alteug.)
506 f.
ciirdar (surseiv.)
619.
dad 602 f.
dartge (surseiv.)
619 f.
dious(Disent.) 625.
durchiarl (surseiv.)
dutg ( 620.
entocben 624.
fad (surseiv.) 6i 7.
fazzalfet (surs.) 620.
fieler (surs.) 617.
Happ (friaul.) 742.
fueila 1
galeida [(surs.) 620.
garantir J
g?rl («-'•) 34S.
honzeli (surs.) 620.
Ischia (südtir.) 352.
isla (eng.) 351.
letsch (surs.) 620.
magliar 740 f.
maha (surs.) 620.
malrecli (surs.) 620.
maluns]
mede ( , , ,
/ (surs.) 620.
nui ^ '
nuv )
padimer (eng.) 507.
palander (surs.)
620.
piez (surs.) 620.
plädine (friaul.)
349-
raghignar, ragogna
(surs.) 620.
rieven (surs.) 620.
ronscli (surs.) 620.
schirar 1 ,
, , , • , I (surs.)
schlavidrar > v
, ,. 620.
schliusa )
schuebel
schuen
I (surs.)
■ 621.
scotga J
scurzanir (surs.)
6.7.
sgagia j
sgari-ar \ , . ,
?. /(surs.) 621,
sittar I '' '
sparun'
spaziar 618.
spia (surs.) 621.
spora (surs.) 621.
Strubiäu (surs.) 621.
tarlachar (surs.)
621.
tat I
teia I , , ,
tezla («"'■s-)62i.
tiglier )
tozzel 618.
truffel 618.
trumpf 618.
tschabernäc (surs.)
62r.
tscheiver (surs.)
621.
tüa, tiies 343 Anm.
t;(amin (Disent.)
624.
ugau (surs.) 621.
Vera (surs.) 621.
vie (friaul.) 344.
zugliar (surs.) 622.
Ruinäniscli.
arsin 112.
corban 112 f.
pälirna ^O"].
Germaniscli.
Au 350 f.
baak (holl.) 346.
bäcen (altfries.)
346.
bäkn (anord.)
b6acen (ags.)
beacon (engl.)
bocan (alts.)
b5che](schw.)
böchen(schw.)
Boje 347.
346.
bouchen (mhd.)
34Sff.
bouhhan (ahd.) 346.
britlil (ahd.) 347.
buoy (engl.) 347.
cutile (engl.) 498.
Dornbult 349.
Ei, Eie (schvifeiz.)
351-
helza (ahd.) 614 f.
Isel (schw.) 351.
keitel 498.
keutel 498.
kiedel 498.
kiddle (engl.) 498.
kudel (mhd.) 498.
laden (mhd.) 6l2.
Lalle 738.
lej?ja (Island.) 505
Anm.
Letten 505 Anm.
Liliatsch, LuUatsch
morgay, morgray
(engl.) 347.
panche" (schvreiz.)
346.
pig (dän.) 349.
pigg (schwed.) 349.
pigghvart (skand.)
349-
pladijs (holl.) 348.
Platteis(e) 348.
Keltiscl,
carlwm (kymr.)
246.
caill, ceilliau
(kymr.) 2455.
cellt, callestr, cyl-
lestr (kymr.) 245.
ci brych (kymr.)
347-
eglwys (kymr.) 345.
iliz (bret.) 345.
Isca 353.
kacrel (bret.) 246.
*kal-eto- 246 f.
*kal-ko- 246 f.
*karm5n- (gall.)
246.
leathög (ir.) 349.
Icdan (bret.) 349.
lledan, Heden
(kymr.) 349.
llydan, lledan
(kymr.) 349.
llyth (kymr.) 349.
llythi-en (kymr.)
349-
WORTREGISTER.
liz-enn (bret.)
349.
morgi (kymr.)
347-
tort (kymr.) 250.
torz (bret.) 250.
Basüscli.
eleiza, elechia
(transp>T.) 345.
eliza (cispyr.) 345.
lela, leloa 738.
tortika 251.
Griecliiscli.
ccTiSTOViä 501.
ßokoq 498 f.
ßö'/.xa 502.
icad^exrj (neugr.)
502^.
xalovixa (neugr.)
,493-
xakvßixa 490 — 8.
xäXwQ 490 — 8.
xo?.v/j.ßäv (?)
490 — 8.
OQiiiSi (ngr.) 501 f.
TcäO^rjfia 507.
nsxovia 501.
VerscMefleiie Spraclen,
bazza (arab.) 447.
galica (serb.)|
\
48.
Anm.
galjka (russ
galka (russ.'
galka (poln.) )
galmünah (arab.)
491 Anm.
hdlka (tschech.)
248 Anm.
769
kalema (türk.) 496.
kallantah (arab.)
491 Anm.
kalütah (arab.)
491 Anm.
platusa (serb.) 348.
qalmün (arab.)
491 Anm.
qualmünah (arab.)
491 Anm.
qasr (arab.) 503.
skolüca (kircnen-
slav.) 248.
Druck von Ehrhardt Karras. Halle a. S.
n
PC
3
Z5
Bd. 25
Zeitschrift für romanische
Philologie
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