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Full text of "Zeitschrift für Säugetierkunde : im Auftrage der Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde e.V"

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| Zeitschrift für Saugetierkunde 


Im Auftrage der 


Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde 
e.V. 


herausgegeben von 


Dr. Hermann Pohle, Berlin 


Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde. 


5. Band 


386 + IV Seiten Text und 38 Tafeln. 
(Mit 237 Abbildungen.) 


Berlin 1930 
In Kommission bei Dr. W. Stichel, Leipzig 


Es sind erschienen: 


Heft 1: pg. 1—64. N 7. 8.1930 
Heft 2:. pg. 65-104, tab. I-XIV . . 2 22 222 02930 
Heft 3/4: pg. 105—240, tab. XV— XIX . . . . ... 10.11.1930 
Heft 5: pg. 241—304, tab. XX—XXXIL . | 99.12, 1930 
Heft 6: pg. 305—376, tab. XXXIV—XXXVII. . 

ar pg. I—IV | ; | 10. 6.1981 
Register: pg. 377—386 ; 


Druck von Reinhold Berger, Lucka (Bez. Leipzig) 


Inhalt des fünften Bandes. 


I. Deutsche Gesellschaft für Säugetierkunde e.V. 


1 


een. 


on 


K. OHNESORGE, Niederschrift der 3. Hauptversammlung . . 
K. OHNESORGE, Niederschrift der wissenschattl. Sitzungen . 
K. OHNESORGE, Niederschriften der Besichtigungen . . .. 
H. POHLE, Geschäftsbericht für die Jahre 1928 und 1929 . 
Eingänge für die Bücherei 

Satzung der Gesellschaft 

Vorstand und Beirat für 1930 

Mitgliederverzeichnis . 


IH. Referate. 


r. 
2. 


M. KLEMM, SSOLOWJEW’S Grundlagen der Jagdkunde un 
K. ECKSTEIN, Aus dem Jugendleben des Fischotters . . . » 


II. Originalarbeiten. 


15 


SP ww! 


1? 
8. 
9. 


S. J. OGNEFF, Übersicht der russischen Kleinkatzen . 


. M. HILZHEIMER, Das Königsberger Quagga 


M. K. SEREBRENNIKOV, Album einiger eurasiatischer Säugetiere 
R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Raubtiere . 


. H. ENDERLEIN, Die Fauna der wendischen Burg „Poztupimi* 
. A.J. ARGYROPULO, Beiträge zur Kenntnis der Murinae BAIRD III 


W.HERMAN, Das milchführende Hohlraumsystem des ee 
J. AHARONI, Die Säugetiere Palästinas 
H. M. JETTMAR, Biologische Beobachtungen a einige N eekiene 


IV. Notizen. 


je 


8. 
2. 


J. VOSSELER, Tod des Hamburger Sirenenpaares . 


2. A. MERTENS, Zur Nahrung des Bibers . 5 
8. R. J. CALINESCU, Von einigen Säugetieren Rumäniens ; 
4. 
5 
6 
7. 


E. LÜTTSCHWAGER, Penisknochen mit ee Schrotkorn 


. M. KLEMM, Ein Photo vom Zobeli.. x: 
.G. REINBERGER, Bastard von Hund nd Wolt in Freier Na: 


D. MÜLLER, Fehlen des ersten Unterkieferprämolaren beim Reh 
J. VOSSELER, Berichte über den Tod zweier Zebras . 
R.J. CALINESCT, Schakale in Rumänien . 


V. Anhang. 


” 
2. 


Index der Personennamen . 
Index der Tiernamen 


III 


105 
241 
304 
3l4 
327 
844 


362 
364 
364 
367 
367 
367 
369 
371 
375 


377 
382 


IV 


In diesem Bande neu beschriebene Säugetierformen: 


Carnivore. 
1..Felis ornata issikulensis OGNEFF  ,. .. 20. en neo 


Druckfiehlerberichtigung. 
Es muß heißen: 


pg. 92, Zeile 14 statt: Fig. 4. 
Fig. 3. 
pg. 216, Tableau. Unter Thalassarctos wurde versehentlich die „Rad. od. uln. 
Volarflexion“ geschwärzt. Sie muß weiß sein. Es wurde für das 
Tableau ein Deckblatt zum Aufkleben nachgeliefert. Soweit es 
nicht in die Hände unserer Bezieher gelangt ist, bitten wir, 
es beim Herausgeber anzufordern. 
pg. 333. An den zweiten Absatz muß der erste auf pg. 334 direkt angeschlossen 
werden, so daß es heißt: 
In den Symbolae physicae beschreiben und bilden H.u.E. einen 
Schakal aus dem Libanon unter dem Namen Canis syriacus ab. Während 
des Krieges hatte ich als türkischer Regierungs-Zoologe Gelegenheit, 
diese gute Art in allen Teilen des Libanon und Antilibanon zu studieren. 
Ihr character essentialis ist: „C. vulpis statura, rostro obtuso, auriculis 
pedibusque brevibus; colore supra cano-fulvus capite pedibusque fulvis, 
subtus albus margine flavicante, oris margine gulaque candidis, auriculis 
extus fulvis, intus albis, cauda parum pilost fulva, nec albo terminata“. 
Wie in vielen anderen Ländern des Orients treiben sich auch hier 
verwilderte herrenlose Hunde, sogen. Pariahunde, in der Nähe der Städte 
und Dörfer einzeln oder — zur Brunstzeit — zu Dutzenden umher ... 


— 


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Zeitschrift fur Säugetierkünde 


Im Auftrage der 


Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde 
| e.V. 


herausgegeben von 


Dr. Hermann Pohle, Berlin 
Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde. 


5. Band | 7. 8. 1930 1. Heft 


64 Seiten Text. 
(Die Tafeln I—IV erscheinen mit dem 2. Heft). 


Berlin 1930 
In Kommission bei Dr. W. Stichel, Leipzig | 


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Zeitschrift für Säugetierkunde. 
Band 5. 7. 8. 1930. Heft 1. 


I. Deutsche Gesellschaft für Säugetierkunde. 


1.) Niederschrift der 3. Hauptversammlung. 


A. Anwesenheitsliste. 

Vorstand: L. HECK sen. (Berlin), M. HILZHEIMER (Berlin), K. OHNE- 
SORGE (Berlin). 

Mitglieder: H. FRIEDENTHAL (Berlin), L. HECK jun. (Berlin), D. HERZOG 
(Gießen), M. MEISSNER (Königsberg), E. MERZ (Berlin), 
E. MoHR (Hamburg), D. MÜLLER (Berlin), ZOOLOGISCHES 
MUSEUM HAMBURG (R. LOHMANN), H. RÜMMLER (Ber- 
lin, A. SOKOoLOWsKkY (Hamburg, M. WESTENHÖFER 
(Berlin), L. ZUKOWSKY (Hamburg), zusammen 15 Mitglieder. 


Gäste: BARKOWSKI (Hamburg), CAstEn (Hamburg), DARRIBA (Ham- 
burg), DEGNER (Hamburg), FÜLLEBORN (Hamburg), GRIPP 
(Hamburg), HERRMANN (Hamburg), FRL. HUMPERDINCK 
(Berlin, KIKUTH (Hamburg), KnABE (Hamburg), KUHL 
(Hamburg), LERNAU (Hamburg), MAYER (Hamburg), MENDEL 
(Hamburg), FR. OHNESORGE (Berlin), PAnIınG (Hamburg), 
PETERS (Hamburg), PFEFFER (Hamburg), REH (Hamburg), 
REICHENOW (Hamburg), SALOW (Hamburg), SCHLOTTAU 
(Hamburg), VITSCHAU (Hamburg), VOGEL (Hamburg), VOGEL- 
SANG (Montevideo), WEISE (Hamburg), WINKELHAGEN 
(Hamburg) und drei weitere, zusammen 30 Gäste. 

Insgesamt: 45 Teilnehmer. 

Vorsitz: Herr M. HILZHEIMER. Niederschrift: Herr K. OHNESORGE. 

Ort: Hamburg. Zeit: 2.—5. Mai 1929. 


B. Tagesordnung: 
a) Donnerstag, 2. Mai 1929, 16 Uhr 15 Min. Eröffnung der 3. Hauptver- 
sammlung und Führung durch Hagenbecks Tierpark in Stellingen. 
Vor dem Haupteingang dieses Institutes begrüßte Herr HILz- 
HEIMER im Namen des verhinderten Vorsitzenden DÖDERLEIN 
etwa 40 Teilnehmer und den Ehrenvorsitzenden Herrn HECK sen. 
1 


b) Freitag, 


Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


und eröffnete die dritte Hauptversammlung. Darauf führte Herr 
ZUKOWSKY im Auftrage der Firma HAGENBECK die Teil- 
nehmer durch den Tierpark und zeigte ihnen den reichen Tier- 
bestand. Die Teilnehmer wurden sodann im Restaurant des Tier- 
parks in liebenswürdigster Weise vom Haus Hagenbeck bewirtet. 
Herr CARLO HAGENBECK jun. hieß die Gäste willkommen; 
Herr HILZHEIMER dankte im Namen der Gesellschaft. 

3. Mai 1929, 9 Uhr. Geschäftssitzung im Hörsaal des Zoolo- 
logischen Staatsinstituts und Museums, Steintorwall. Niederschrift 
siehe pg. 3, sub C. 

.. Einleitung. 

. Genehmigung des Protokolls der letzten Hauptversammlung. 
. Geschäftsbericht. 

. Kassenbericht. 

. Festsetzung des Beitrages für 1923. 

. Festsetzung von Ort und Zeit der nächsten Hauptversammlung. 
7. Verschiedenes. 


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ec) —, —, 10 Uhr. Wissenschaftliche Sitzung ebenda. Niederschrift siehe 


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pg. 5, sub D. 
8. Herr D. MÜLLER: Über die Psychologie des Steinmarders. 
9. Herr M. HILZHEIMER: Die tierischen Bauopfer des Tem- 
pels von Sichem. 
10. Herr A. SOKOLOWSKY: Haut und Haare der Säugetiere 
in biologischer Beziehung, 
11. Herr H. RÜMMLER: Über zwei bemerkenswerte Zahn- 
anomalien beim Pferde. 
13 Uhr 15. Gemeinsames Mittagessen im Restaurant Klosterburg, 
Glockengießerwall. Es nahmen etwa 15 Personen teil. 
15 Uhr 30. Führung durch den Hamburger Zoologischen Garten. 
Die Teilnehmer trafen sich am Eingange, wo der Direktor, Herr 
BUNGARTZ, die Führung übernahm. Besonders gefiel das Haus 
mit den deutschen Vögeln. Gleichzeitig wurde die Ausstellung: 
„Tier und Mensch in Afrika“, von Herrn UMLAUFF zusammen- 
gestellt, besichtigt. Herr HECK sen. dankte Herrn BUNGARTZ 
im Namen der Gesellschaft. 
18 Uhr 30. Hafenrundfahrt. Vom Zoologischen Garten begaben 
sich eine Anzahl der Teilnehmer nach den Landungsbrücken 
St. Pauli, von wo aus um 18,45 Uhr eine Hafenrundfahrt auf 
einer besonders gemieteten Barkasse gemacht wurde. Hierbei gab 


Niederschrift der 3. Hauptversammlung. 3 


Herr PETERS bereitwilligst die eingehendsten sachkundigen Er- 
klärungen. Ein gemütliches Zusammensein im Restaurant Jalant 
schloß den Tag. 

g) Sonnabend, 4. Mai 1929, 6 Uhr 30. Besichtigung des Fischmarktes und 
des Altonaer Museums. Etwa 20 Teilnehmer trafen sich am Ein- 
gange der St. Pauli-Fischhalle und wurden von Herrn N. 
PETERS durch den Hamburger und Altonaer Fischmarkt geführt. 
Anschließend besuchte man das Altonaer Museum, in dem Herr 
Prof. Dr. LEHMANN führte. 


h) —, —, 11 Uhr. Besichtigung der Säugetiersammlung des Hamburger 
Zoologischen Museums. Führer: Herr N. PETERS. 

i) —, —, 13 Uhr. Gemeinsames Mittagessen im Restaurant Klosterburg, 
Glockengießerwall. Es nahmen etwa 15 Personen teil. 

k) —, —, 14 Uhr. Fortsetzung der wissenschaftlichen Sitzung im Institut 


für Schiffs- und Tropenkrankheiten, Bei den St. Pauli-Landungs- 

brücken. Niederschrift siehe pg. 5, sub E, 

12. Herr L. HECK jun.: Säugetiere des Ngorongoro-Kraters. 

13. Herr H. FRIEDENTHAL: Menschenaffen und Menschenrassen 
in ihrer serologischen und körperlichen Ähnlichkeit. 

14. Herr VOGELSANG: Die geographische Verbreitung der tie- 
rischen Parasiten. 

15. Herr M. WESTENHÖFER: Die hintere Fußwurzel von 
Mensch und Gorilla. 

16. Herr K. SPREHN: Interessante Parasitenfunde bei farm- 
gezüchteten Pelztieren Deutschlands im Vergleich zu ameri- 
kanischen Pelztieren. 

17. Schlußworte. 

l) Sonntag, 5. Mai 1929, Gemeinsamer Ausflug nach Helgoland oder Wil- 
sede. Dieser Ausflug fand wegen Mangels an Beteiligung nicht 
statt. 


C. Niederschrift der Geschäftssitzung am 3. 5. 1929. 
Anwesend: 8 Mitglieder und 2 Gäste, zusammen 10 Personen. 
ad. 1. Herr HILZHEIMER eröffnet die Sitzung 915 Uhr. Er gedenkt 
zunächst des verstorbenen Mitgliedes, des Anatomen ÜHRISTELLER, den die 
Anwesenden durch Erheben von ihren Sitzen ehren, und dankt dann dem 
Direktor des Zoologischen Museums in Hamburg, Herrn LOHMANN, herzlich 
für die erwiesene Gastfreundschaft. Herr LOHMANN spricht der Gesellschaft 


seine Glückwünsche aus und wünscht einen erfolgreichen Ablauf der Tagung. 
1*F 


4 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Er bedauert, daß Herr DÖDERLEIN nicht anwesend sei, und wünscht Herrn 
POHLE baldige Genesung. 

Herr HILZHEIMER teilt mit, daß der Geschäftsführer, Herr POHLE, 
durch eine Rippenfellentzündung am Erscheinen verhindert sei und daß er 
Herrn H. RÜMMLER mit seiner Vertretung beauftragt habe. Er stellt fest, 
daß sich gegen diese Vertretung kein Widerspruch erhebt. 

Herr RÜMMLER verliest die von den Herren DÖDERLEIN und STANG 
eingegangenen Begrüßungsschreiben, ebenso die Telegramme der Herren 
POHLE und SPREHN. Auf Vorschlag des Herrn HILZHEIMER wird die 
Absendung eines Begrüßungstelegramms an Herrn DÖDERLEIN beschlossen. 


ad. 2. Das Protokoll ist zur Zeit im Druck; die Genehmigung wird 
daher auf die nächste Hauptversammlung verschoben. 


ad 3. Herr RÜMMLER verliest den Geschäftsbericht für das Jahr 1928. 
Er ist in dem auf pag. 18 dieses Bandes abgedruckten enthalten. Diskussion 
zu diesem Bericht findet nicht statt. 


ad 4. Herr RÜMMLER verliest den vorläufigen Kassenbericht des ge- 
schäftlich verhinderten Kassenwartes, Herrn MOSLER. Einwendungen werden 
gegen den Bericht nicht erhoben. 


ad 5. Der Vorstand schlägt vor, die Beiträge zu belassen, wie sie sind. 
Da aber mit diesen Beiträgen die Zeitschrift sich nicht so aufbauen läßt, 
wie es erwünscht wäre, schlägt er weiter vor, die Mitglieder um einen ein- 
maligen freiwilligen Beitrag in Höhe von 10.— M. zu bitten. Die Vor- 
schläge werden zum Beschluß erhoben. 


ad 6. Bezüglich des Zeitpunktes der Hauptversammlung für 1930, als 
deren Ort bereits von der vorjährigen Hauptversammlung Leipzig bestimmt 
wurde, wird die Anregung gegeben, daß sie Anfang August stattfinden solle. 


ed 7. a) Herr RÜMMLER verliest einen Brief des Herrn VAN DEN 
BRINK (Utrecht) an Herrn POHLE, worin der Wunsch ausgesprochen 
wird, es solle unter Aufsicht der deutschen Säugetiergesellschaft eine Liste 
der paläarktischen Säugetiere geschaffen werden. Herr RÜMMLER erklärt, 
Herr POHLE sei bereit, diese Anregung in die Tat umzusetzen. Herr HECK 
sen. regt an, zunächst eine genaue Liste deutscher Säugetiere aufzustellen 
und diese in der Zeitschrift der Gesellschaft zu veröffentlichen. Nach langer 
Aussprache wird ein Vorschlag des Herrn HILZHEIMER, diese Anregung 
Herrn POHLE bekannt zu geben und auf einer späteren Sitzung zur Sprache 
zu bringen, angenommen. 

b) Herr HERZOG regt an, daß die Gesellschaft mit den Herausgebern 
größerer Säugetierwerke (Max Weber, Othenio Abel) in Verbindung trete, 


Niederschrift der 3. Hauptversammlung. 5 


um eine Ermäßigung des Preises ihrer Werke für Mitglieder der Gesell- 
schaft in Vorschlag zu bringen. 

c) Herr PFEFFER schlägt vor, mit der amerikanischen Säugetiergesell- 
schaft in Verbindung zu treten, ob sie nicht in ihrer Zeitschrift wie früher 
eingehende Referate bringen wolle. 

Schluß der Geschäftssitzung: 1005 Uhr. 


D. Niederschrift der wissenschaftlichen Sitzung. 1. Teil. 

Anfang: 1015 Uhr. 

ad 8. Herr D. MÜLLER hält seinen angekündigten Vortrag: „Zur 
Psychologie des Steinmarders“, der später erscheinen wird. An der Aus- 
sprache beteiligen sich die Herren FRIEDENTHAL, HECK sen, HERZOG 
und D. MÜLLER. 

ad 9. Herr HECK sen. übernimmt den Vorsitz und erteilt Herrn 
HILZHEIMER das Wort zu seinem angekündigten Vortrag: „Die tierischen 
Bauopfer des Tempels zu Sichem“, der auf pg. i25 des vierten Bandes 
unserer Zeitschrift abgedruckt wurde. An der Ausprache beteiligen sich die 
Herren FRIEDENTHAL, HECK sen. und MEISSNER. 

ad 10. Nachdem Herr HILZHEIMER den Vorsitz wieder übernommen 
hat, hält Herr SOKOLOWSKY seinen angekündigten Vortrag: „Haut und 
Haare der Säugetiere in biologischer Beziehung“. Ein Referat ist nicht ein- 
gegangen, Diskussion findet nicht statt. 

ad 11. Sodann hält Herr RÜMMLER seinen angekündigten Vortrag: 
„Über zwei bemerkenswerte Zahnanomalien beim Pferde“. Der Vortrag wird 
in diesem Bande unserer Zeitschrift abgedruckt werden. In der Aussprache 
vertritt Herr WESTENHÖFER die Meinung, daß der Oberkiefer des an 
zweiter Stelle genannten Pferdes ursprünglich normal war und sekundär 
dadurch verändert wurde, daß die Schneidezähne des Unterkiefers sich 
senkrecht stellten und dann auf die oberen Schneidezähne stießen und da- 
durch ein Abbiegen des Oberkiefers bedingten. Außerdem sprechen die Herren 
HILZHEIMER, HECK sen. und Frl. MoHR. 

Schluß: 1315 Uhr. 


E. Niederschrift der wissenschaftlichen Sitzung. 2. Teil. 
Anfang: 1415 Uhr. 


ad 12. Herr HECK jun. spricht unter Vorführung eines Tierfilms über 
„Säugetiere des Ngorongorokraters“. 


Es ist dies ein interessantes Tierreservat, ein Kraterkessel von etwa 1600 m 
Höhe, mit höheren Randbergen, die mit Urwald bestanden sind, von etwa 14—20 km 


6 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Durchmesser, eine freie Grasfläche fast ohne Baumbestand, in der Mitte ein See, der 
im Sommer fast austrocknet. Die Randberge bilden eine Grenze für die Steppen- 
tiere und diejenigen, die nicht klettern können; so die Gnus, die nicht durch den 
Urwald können und bei denen Inzucht eintritt; die Zahl dieser Tiere schwankt, 
da die Rinderpest oft verheerend wirkt. Beobachtet wurden viele Gazellenarten 
(Thomsongazelle, Grantgazelle, hier mit weit auseinander stehenden Hörnern, 
Petersgazelle); Elenantilopen waren erst in letzter Zeit eingewandert; ferner Büffel 
— es wurde ein etwa dreijähriger Büffel gefunden, der von Löwen zerrissen war —; 
Nashörner, die ihre Hörner an den Lehmwänden abwetzen — Waldnashörner haben 
längere Hörner, da sie diese hier nicht so abnutzen — Nilpferde, die sehr heim- 
lich waren und im Gegensatz zum Nashorn recht gut sehen können, Zebras, 
Giraffen; Raubzeug wird durch den Urwald nicht abgehalten: Löwen, Servale, 
gefleekte Hyänen; letztere streiften am frühen Morgen umher, um frisch gesetzte 
Gnus zu erwischen, da junge Gnus, die ein bis zwei Stunden alt sind, nicht mehr 
gefangen werden können. Der Vortragende schilderte auch die Fangmethoden ein- 
zelner Tiere, der Giraffen, des Nashorns, der Gnus, die vom Pferde aus gefangen 
werden können, während dies bei Kuhantilopen nicht möglich ist. Der Film gab 
eine ausgezeichnete Anschauung von der Landschaft und den Tieren, besonders 
in ihrer Bewegung. 

ad 13. Sodann spricht Herr FRIEDENTHAL über: „Menschenaffen und 
Menschenrassen in ihrer serologischen und körperlichen Ähnlichkeit“. Ein 
Referat ist nicht eingegangen. Diskussion findet nicht statt. 

ad 14. Fällt aus, 

ad 15. Herr WESTENHÖFER spricht über: „Die hintere Fußwurzel 
von Mensch und Gorilla“. Der Vortrag wurde in Band 4 unserer Zeitschrift, 
pg. 186. abgedruckt. Aussprache findet nicht statt. 

ad 16. Der Vortragende hat telegraphisch sein Nichterscheinen infolge 
dringender Arbeiten mitgeteilt. | 

ad 17. Herr HILZHEIMER schließt die Sitzung mit Worten des Dankes 
an die Teilnehmer, den Ortsausschuß, die Verwaltungen der Institute und 


an die Herren POHLE und RÜMMLER. 


u 


Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 7L 


2.) Niederschriften der wissenschaftlichen Sitzungen. 
Von K. OHNESORGE, Berlin. 


A. Januarsitzung. 
Montag, 28. Januar 1929, im Hörsaal 2 des Museums für Naturkunde, 
Berlin N 4, Invalidenstraße 43. 


Anwesend: die Mitglieder BAIER, BITTNER, EISENTRAUT, FECHNER, 
HARTIG, HECK jun., HILZHEIMER, KLINGHARDT, Lips, 
Most, D. MÜLLER, NACHTSHEIM, Frl. CH. NEUMANN, 
OÖ. NEUMANN, NÖLLER, ÖHNESORGE, POHLE, RUGE, 
RÜMMLER, SCHÖNBERG, SCHWARZ, STRAUCH, WOKER, 
ZIMMER, sowie 10 Gäste. 
Vorsitz: HILZHEIMER. Niederschrift: OHNESORGE. 
Tagesordnung: 1. Geschäftliche Mitteilungen. 
2. Herr MosT: Einiges über Geruchsleistungen der Hunde. 
3. Kleinere Mitteilungen. 
4. Literatur. 

ad 1. Herr HILZHEIMER gedenkt in warmen Worten des verstorbenen 
Direktors des Zoologischen Gartens in Breslau, GRABOWSKI, und des ver- 
storbenen pathologischen Anatomen CHRISTELLER. Die Anwesenden erheben 
sich zu Ehren der Toten. 

Herr POHLE berichtet, daß die Zahl der Mitglieder 223 betrage, und 
verliest die schriftlichen Grüße des Herrn SPATZ aus Dakar an die Säuge- 
tiergesellschaft. Herr HILZHEIMER dankt hierfür im Namen der Gesellschaft. 

ad 2. Herr MosT hält seinen angekündigten Vortrag. Er besprach die 
verschiedenen Versuche mit Polizeihunden, weist auf die Fehlerquellen hin 
kommt zu dem Schluß, daß eine Spurenreinheit der Hunde auf fremder Spur 
nicht nachgewiesen sei. 

An der Aussprache beteiligen sich die Herren ZIMMER, Heck, 
SCHWARZ, MÜLLER, BITTNER und NÖLLER. 

ad 3 und ad 4 fallen aus. 


B. Februarsitzung. 
Montag, 25. Februar 1929, im Hörsaal 2 des Museums für Naturkunde, 
Berlin N 4, Invalidenstraße 43. 
Anwesend: die Mitglieder ARENDSEE, BITTNER, BOETHKE, A. BRASS, 
E. BRAss, ECKSTEIN, FICK, FISCHER, GLAESER, HÄRTA, 


8 Zeitschrit für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


HARTIG, HECK jun, HILZHEIMER, M. KocH, LEMM, 
Lıps, MErZ, D. MÜLLER, 0. NEUMANN, ÖHNESORGE, 
PETERS, POHLE, RIEMER, V. RIESENTHAL, RUGE, 
RÜMMLER, E. SCHNEIDER, SCHÖNBERG, SCHWARZ, 
STAESCHE, STEINMETZ, STRAUCH, VALLENTIN, VIRCHOW, 
WESTENHÖFER, ZEHLE, ZIMMERMANN, sowie Herr 
SCHNURRE als Vertreter der Berliner Stadtbibliothek und 
36 Gäste. 

Vorsitz: HILZHEIMER. Niederschrift: OHNESORGE. 

Tagesordnung: 1. Geschäftliche Mitteilungen. 

2. Herr LuTZ HEcK: Vorführung des auf der Tierfang- 
expedition des Berliner Zoologischen Gartens in Deutsch- 
ostafrika aufgenommenen Tierfilms. 

3. Kleinere Mitteilungen. 

4. Literatur. 


ad 1. Herr POHLE berichtet, daß sich die Mitgliederzahl um 2 ver- 
mehrt habe. 


ad 2. Herr HECK jun. hält seinen angekündigten Lichtbildervortrag. 

Der von dem Redner selbst aufgenommene und erklärte Tierfilm gibt ein 
außerordentlich anschauliches Bild der afrikanischen Landschaft und ihres Tier- 
lebens, insbesondere ein seltenes Anschauungsmaterial der Bewegungsweisen vieler 
Tiere, wie der Giraffen, Zebras, Gnus, Hyänen, Warzenschweine, Kaffernbüffel, 
Nashörner, Strauße u. a., sowie von der Fangmethode bei Giraffen, Zebras und 
Nashörnern. Die Bilder zeigen auch die Schwierigkeiten, mit welchen der Fänger 
zu tun hat, und lassen erkennen, welches Maß von Ausdauer, Mut und Umsicht 
von ihm verlangt wird. Auf der Tierfangexpedition wurden 60 Stück Säugetiere 
in 18 Arten erbeutet, nämlich Springhase (Pedetes caffer), Stachelschwein (Hystrix 
cristata), Massaigenette (Genetta felina), Suaheligenette (Genetta pardina suahelica 
MTSCH.), Löwe (Felis leo L.) Gepard (Acinony& guttatus HERM.), Honigdachs 
Mellivora ratel SPARRM.), Doppelnashorn (Diceros bicornis L.), Nilpferd (Hippo- 
potamus amphibius L.‘, Böhms Zebra (Equus quagga böhmi M'TSCH.), Massaigiraffe 
(Giraffa capensis tippelskirchi MTSCH.), Weißbartgnu (Oonnochaetes taurinus albo- 
jubatus THOMAS), Grants Gazelle (Gazella granti BROOK), Ostafrikanische Haus- 
ziegen, Olivgrüne Meerkatze (Cercopithecus leucampyx kibonotensis LÖNNBERG), 
Stuhlmanns Diadem-Meerkatze (Cercopithecus leucampyx stuhlmanni MTSCH.), 
Massaipavian (Papio cynocephalus lestes HELLER). 

Herr HILZHEIMER dankt dem Vortragenden im Namen der Gesell- 
schaft und betont den biologischen und ökologischen Wert dieses Films; 
Herr POHLE dankt im Namen des Museums für das wertvolle Material, das 
Herr HECK dem Museum gestiftet hat. 

An der Aussprache beteiligen sich die Herren BITTNER, NEUMANN 


und HILZHEIMER. Herr BITTNER weist auf den eigenartigen von der 


Niederschriften der wissenschaftlichen Sitzungen. Q 


Vorderhand ausgehenden und vom Hals dirigierten Paßschritt und Paßgalopp 
der Giraifen hin, den der Film gut erkennen läßt. Auch bei anderen Steppen- 
tieren sei die Vorderhand stark ausgebildet. Herr HECK jun. weist darauf 
hin, daß die starke Entwickelung der Vorderhand möglicherweise mit der 
Wendigkeit der betreffenden Tiere zusammenhinge. 

ad 3 und ad 4 fallen aus. 


C. Märzsitzung. 
Montag, 25. März 1929, im Hörsaal 2 des Museums für Naturkunde, 
Berlin N 4, Invalidenstraße 43. 


Anwesend: die Mitglieder ARENDSEE, BAIER, BITTNER, A. BRAss, 
DIETRICH, FECHNER, GOMANSKY, HAHN, HARTIG, HECK 
jun, KLINGHARDT, KNOTTNERUS- MEYER, LIPs, D. 
MÜLLER, ÖHNESORGE, PETERS, SCHWARZ, STEINMETZ, 
sowie 8 Gäste. 
Vorsitz: HECK sen. Niederschrift: OHNESORGE. 
Tagesordnung: 1. Geschäftliche Mitteilungen. 
2. Herr SCHÖNBERG: Über den mikroskopischen Bau der 
Elefantenhaut. 
3. Herr BITTNER: Beobachtungen bei der erfolgreichen 
Behandlung eines fußkranken Elefanten. 
4. Herr BITTNER: Vorweisung der fertigen Eihäute vom 
Elefanten. 
5. Kleinere Mitteilungen. 
6. Verschiedenes. 
ad 1. In Vertretung des erkrankten Geschäftsführers berichtet Herr 
RÜMMLER, daß die Mitgliederzahl 222 betrage. 
ad 2. Herr SCHÖNBERG hält seinen angekündigten Vortrag. Auffallend 
an der Elefantenhaut ist einmal die riesige Entwickelung des stratum cor- 
neum, demgegenüber die anderen Zellschichten zurücktreten, und dann der 
Mangel an Schweiß- und Talgdrüsen und an Nervenendigungen in der Ober- 
haut. Das Pigment entsteht im stratum germinativum und bildet auf der 
Kuppe der Papilien richtige Pigmentsäulen. Die Haut ist auch arm an fein 
verästelten Blutgefäden, so daß bei Verletzungen keine Heilhyperämie ent- 
stehen kann. Nervenendigungen finden sich dagegen am unteren Ende des 
Rüssels, weniger am übrigen Rüssel. 
Bei der Aussprache hebt Herr HECK jun. hervor, daß Nashörner beim 
Rennen naß werden; Herr HECK sen. weist darauf hin, daß beim Nil- 
pferd neben den Haaren selbständig tubulüse Drüsen ausmünden, die ein 


10 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


schleimiges, weinroten Farbstoff enthaltendes Sekret liefern, das zur Sage 
Anlaß gab, daß das Nilpferd Blut schwitze. Auffallend sei, daß die Ele- 
fanten trotz des negativen histologischen Befundes ein starkes Empfindungs- 
vermögen der Haut zeigten (Sandbewerfen, Befächeln mit Zweigen). Wenn 
die dicke Hornhaut des Elefanten durchschnitten würde, so heile sie nicht 
mehr zu, da die steifen Ränder aneinander vorbeirutschten. — Herr DIETRICH 
bemerkt, daß die Haut des Mammuts zwar dieselben mikroskopischen Ver- 
hältnisse wie die Elefantenhaut aufwies, daß das stratum corneum aber 
sehr dünn war, da das Wollhaar stark entwickelt gewesen sei; Schweiß- und 
Talgdrüsen fehlten ebenfalls. Herr BITTNER gibt an, daß das Sekret der 
Talgdrüsen bei Büffeln und auch Büffelmilch und Butter schneeweiß seien, 
daß dagegen das Sekret der Talgdrüsen von Rindern gelblich und dem- 
entsprechend auch die Kuhmilch und Butter gelblich seien. Auch der Hund 
habe wenige, aber unerhört große Schweißdrüsen; man sehe aber keine 
Flüssigkeit, weil der Schweiß im Haarbalg vergase. 


ad 3. Herr BITTNER hält seinen angekündigten Vortrag über die Fuß- 
behandlung eines Elefanten, der dem König von Bulgarien gehörte. Es han- 
delte sich um einen Eiterabszeß im linken Hinterfuß, der erst, nachdem es 
gelungen war, den Elefanten am Rüssel zu fesseln, durch Öffnung und Be- 
handlung geheilt werden konnte. 


In der Aussprache weist Herr HECK jun. darauf bin, daß auch bei 
wilden Nashörnern Vereiterungen des Fußpolsters gefunden worden sind, 
wohl infolge Verletzungen am Felsboden. Auch die im Berliner Zoo früher 
gehaltene afrikanische Elefantenkuh Mary hatte sich infolge eines Risses 


zwischen zwei Hufen eine Infektion zugezogen, die zu einer Vereiterung 


führte, an der sie auch einging. Bei der Behandlung der Mary habe sich 
auch gezeigt, daß sie in der Lage war, mit dem Vorderfuß auszuschlagen. — 
Herr ARENDSEE bemerkt, daß die Hufe der im Berliner Zoo gehaltenen 
Elefanten ausgeschnitten und mit Holzteer eingeschmiert würden, wenn fau- 
liges Horn an den Hufen festgestellt würde. 

ad 4. Herr BITTNER trägt seine Beobachtungen vor, die er an der 
Eihaut gemacht hat, die er aus dem Berliner Zoo bei der Geburt des in- 
dischen Elefantenjungen Kalifa bekommen hatte. | 


ad 5 und ad 6 fallen wegen der vorgeschrittenen Zeit aus. 


D. Aprilsitzung. 


Fiel aus wegen der am 2.—5. Mai stattfindenden 3. Hauptversammlung. 


a einrii 


Niederschriften der wissenschaftlichen Sitzungen. Bi 


E. Maisitzung. 
Montag, 13. Mai 1929 im Großen Hörsaal des Zoologischen Instituts, 
Berlin N 4, Invalidenstraße 43, 
in Gemeinschaft mit der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft. 
Anwesend: die Mitglieder BAIER, BITTNER, E. Brass, FECHNER, 
GLAESER, GOMANSKY, HARTIG, HAVESTADT, HECK jun., 
HEINROTH, HERZOG, HILZHEIMER, KLINGHARDT, KÜHNE- 
MANN, LOHDE, D. MÜLLER, NÖLLER, ÖHNESORGE, RIEMER, 
v. RIESENTHAL, RÜMMLER, SACHTLEBEN, Frl. E. SCHNEI- 
DER, SCHWARZ, SEITZ, STEINMETZ, STRAUCH, VALLEN- 
TIN, sowie 65 Mitglieder der D. O. G. und Gäste. 

Vorsitz: HEINROTH. Niederschrift: OHNESORGE. 

Tagesordnung: 1. Herr HAVESTADT: Durch Abessinien zum Rudolfsee. 


ad 1. Herr HEINROTH eröffnet die Sitzung und erteilt Herrn HAvE- 
STADT das Wort zu einem durch gute Lichtbilder illustrierten Vortrag 
über seine beiden Tierfang-Reisen, die er im Dienste der Firma RUHE, 
Alfeld, durch Abessinien unternommen hat. Er gibt zunächst einen kurzen 
Überblick über die von ihm durchreisten Landschaften — Steppe, Gebirge, 
Urwald. Hierauf erzählt er ausführlicher von den beobachteten Tieren, vor 
allem von den Säugetieren und Vögeln, und auch vom Leben der Bevölkerung. 

In der Diskussion sprechen Herr O. NEUMANN u. a. 


F. Junisitzung. 
Montag, 24. Juni 1929, im Hörsaal 2 des Museums für Naturkunde, 
Berlin N 4, Invalidenstr. 43. 

Anwesend: die Mitglieder BAIER, A. BRASS, DIETRICH, FICK, FRIEDEN- 
THAL, HAHN, HARTIG, HEcK sen., L. HECK jun., HERZOG, 
HILZHEIMER, KLINGHARDT, Frl. LEHMANN, RUGE, 
RÜMMLER, SPATZ, SCHWARZ, STREHLKE, Fr. THORMANN, 
sowie 2 Gäste. 

Vorsitz: HILZHEIMER. Niederschrift: RÜMMLER. 

Tagesordnung: 1. Herr KLINGHARDT: Vergleichende Untersuchungen über 

das Gehirnrelief und Gehirn verschiedener Raubtiere., 
ad 1. Der Vortragende führte zunächst ganz kurz aus, daß die Höhlenhyäne 
der gefleckten Hyäne (Hynena crocotta) am nächsten stehe, wie es auch die meisten 

Forscher annehmen. — Gelegentlich wird in der Literatur angegeben, daß die 

Schädel der Höhlenhyäne die der gefleckten an Größe übertreffen. Nach Ansicht 

des Vortragenden, der ein sehr umfangreiches Material durchgesehen hat, läßt sich 


dies aber nicht aufrechterhalten. — Es wurden dann Gehirne und Gehirnkapsel- 
Ausgüsse beider Hyänenarten besprochen. Ausgehend von der leicht auffindbaren 


19) Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


sylvischen Furche, wurden die Hauptfurchen besprochen, die die sylvische über- 
lagern. Die besondere Konstanz der „übersylvischen Furche‘‘ wurde hervorgehoben. 
An der Basis des Schädels wurde die Lage und Bedeutung des ‚„Türkensattels‘“ 
erläutert. — Es lassen sich bei gleich großen Schädeln nicht nur die Hauptfurchen, 
sondern auch die Nebenfurchen zur Deckung bringen. Daraus ergibt sich, daß 
sich das verwickelte Gehirnrelief der Höhlenhyäne vom Diluvium bis zur Gegen- 
wart nicht verändert hat. — Nach denselben Gesichtspunkten wurden die Ge- 
hirne und Gehirnreliefe des rezenten und fossilen Löwen, vom Höhlen- und re- 
zenten Wolf und Hund besprochen. — Auch aus diesen Untersuchungen ergab 
sich, daß sich das Gehirnrelief seit der Eiszeit gar nicht oder nur sehr wenig ge- 
ändert hat. — Nur in wenig Fällen kann vom Relief auf die Funktion geschlossen 
werden, beim Riechlobus ist dies z. B. möglich. 

An der Diskussion beteiligten sich die Herren FICK und HILZHEIMER. 


6. Julisitzurg. H. Augustsitzung. 


Fielen auf Vorstandsbeschluß aus. 


J. Septembersitzung. 
Montag, 23. September 1929, im Hörsaal 2 des Museums für Naturkunde, 
Berlin N 4, Invalidenstraße 43. | 

Anwesend: die Mitglieder A. BRAss, FECHNER, GOMANSKY, HAHN 
HANSEN, HÄRTA, HARTIG, HECK sen., L. HECK jun, HERZOG 
HEYMONS, HILZHEIMER, KÜHNEMANN, LEMM, MERZ 
D. MÜLLER, OÖHNESORGE, POHLE, RIEMER, RÜMMLER 
SCHENK, SPATZ, STEINMETZ, STREHLKE, STRAUCH 
VIRCHOW, WOKER, sowie 45 Gäste. 


Vorsitz: HILZHEIMER. Niederschrift: OHNESORGE. 


Tagesordnung: 1. Geschäftliche Mitteilungen. 
2. Herr PAUL SPATZ: Am Senegal und in Mauretanien. 
3. Kleinere Mitteilungen. 
4. Literatur. 

ad 1. Herr HILZHEIMER übermittelt die Grüße des Vorsitzenden der 
Gesellschaft, Herrn DÖDERLEIN, an die Gesellschaft. 

Herr POHLE berichtet, daß die Zahl der Mitglieder 250 betrage und 
daß das Mitgliederalbum durch Frau M. KOCH fertig gestellt sei. Er be- 
richtet ferner über die letzte Sitzung der Wisentgesellschaft und teilt mit, 
daß das Zuchtbuch für Wisente so schnell wie möglich gedruckt werden solle. 

Herr HECK jun. macht ergänzende Bemerkungen über die Wisenttagung. 

Herr HILZHEIMER teilt mit, daß Herr BITTNER an den Folgen einer 
Sektionsvergiftung gestorben sei und gedenkt in warmen Worten des Ver- 
storbenen. Die Anwesenden erheben sich zu Ehren des Toten von ihren Plätzen. 


Niederschriften der wissenschaftlichen Sitzungen. 3 


ad 2. Herr SPATZ hält hierauf seinen angekündigten Vortrag über 
seine beiden Reisen aus den Jahren 1928 und 1929 nach dem Senegal und 


Mauretanien. 

Auf der ersten bediente er sich eines Segelbootes (Piroge), auf der zweiten 
eines Fordautos. Der Lichtbildervortrag gibt ein anschauliches Bild der Land- 
schaft, Bevölkerung und Tierwelt des Senegalgebietes und des südlichen Maure- 
taniens. Interessant sind die Bilder der dort gehaltenen Haustiere, wie Esel (mit 
stark ausgeprägtem Aalstrich), Reitdromedare, Tragochsen, Ziegen und Schafe 
(kurzhaarig mit langen Strippen als Glöckchen und flach vom Kopf weggedrehtem 
Horn). An wilden Säugetieren zeigte Herr Spatz Bilder von Pavianen, diein Herden 
von 200—300 Stück vorkommen, Akaziensamen fressen, aber auch in die Mais- 
und Hirsepflanzungen einfallen. Wird ein Tier erlegt, so bellen die Männchen 
und kreischen die Weibchen; die starken Männchen suchen die toten oder ver- 
wundeten Mitglieder der Herde wegzuschleppen. Bisher war unbekannt, daß die 
alten Männchen von Pupio sphinx einen großen Mantel bekommen. Auch ein 
Husarenaffe wurde überlistet und erlegt; es sind dies Erdaffen, die bei Gefahr die 
Bäume verlassen und mit solcher Geschwindigkeit flüchten, daß sie selbst im 
Auto nicht einzuholen waren. Ferner gelang es, Gazellen, Warzenschweine (dort 
zahlreich, auch am hellen Tage herumbummelnd, nicht scheu, von hervorragendem 
Wildpret), Servale, die besonders den Perlhühnern nachstellen, zu erlegen. Da- 
gegen wurden Löwen nur auf der ersten Reise am Ufer des Senegal beobachtet, 
es glückte aber nicht, einen von ihnen zu erlegen, doch kommen sie bis in die 
Nähe der Ansiedlungen. Ein Junges der gefleckten Hyäne war noch ungefleckt, 
dunkel gefärbt; die Flecken treten plötzlich auf. Interessant war die nächtliche 
Jagd auf Schakale im Auto, die aus dem Lichtkegel des Autos nicht herausgehen, 
wohl aber tun dies die Affen. Ein Frosch wurde gefangen, der eine Fledermaus 
von 30—40 cm Flügelspannung auswürgte, die er wohl am Wasser geschnappt 
hatte. Ein besonderer Erfolg der zweiten Reise war die Erbeutung eines Kroko- 
dils (Zwergform des Nilkrokodils von 2,32 m Länge) im Calulasee bei Mbout. 
Ein von SPATZ mitgebrachter, heller Gepard ist dem von RÜPPEL aus dem 
Sudan mitgebrachten Geparden ähnlich. 


An der Aussprache beteiligten sich die Herren HEcK sen., HECK jun., 
HILZHEIMER, POHLE, der auch auf die Bedeutung des von Herrn SPATZ 
dem Museum gelieferten wissenschaftlichen Materials hinweist. 

ad 3 und ad 4 fallen wegen vorgerückter Zeit aus. 


K. Oktobersitzung. 
Montag, 18. November 1929, im Hörsaal 2 des Museums für Naturkunds, 
Berlin N. 4, Invalidenstraße 43, 

Anwesend: die Mitglieder BAIER, EISENTRAUT, FECHNER, FICK, HAHN, 
HARTIG,HERZOG,HILZHEIMER,KLINGHARDT,Fr.M.KochH, 
Frl. LEHMANN, Lips, D. MÜLLER, OHNESORGE, Fr. CH. 
POHLE, H. POHLE, RÜMMLER, Frl. SCHENK, SCHÖN- 
BERG, SPATZ, STRAUCH, STREHLKE, sowie 6 Gäste. 


14 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Vorsitz: HILZHEIMER. Niederschrift: OHNESORGE. 
Tagesordnung: 1. Geschäftliche Mitteilungen. 
2. Herr EISENTRAUT: Referat über den Winterschlaf der 
Haselmaus. 
3. Herr HILZHEIMER: Vorlage eines Zahnes von Elephas 
pachyganalis SCHRÖDER. 
4. Herr POHLE: Bemerkungen über die Tegernseer Luchse. 
5. Verschiedenes. 
6. Literatur. 

ad. 1. Herr HILZHEIMER gratuliert im Namen der Gesellschaft Herrn 
POHLE zu seiner Eheschließung. 

Herr POHLE dankt für diesen Glückwunsch und berichtet, daß die 
Zahl der Mitglieder 251 betrage. 

ad 2. Herr EISENTRAUT hält seinen angekündigten Vortrag, der in 
dieser Zeitschrift 4, pg. 213—239 erschienen ist. 

An der Aussprache beteiligen sich die Herren MAYER, MÜLLER, LIPS, 
POHLE, HERZOG und Graf ZEDTWITZ. 

ad 3. Herr HILZHEIMER führt aus, daß ein Elefantenzahn mit weit 
auseinander gerückten Lamellen in den Rixdorfer Sanden, ein ähnlicher bei 
Prenzlau gefunden worden sei und daß SCHRÖDER diesen Zahn einem Zle- 
phas pachyganalis zugeschrieben habe, wobei aber nicht klar erkennbar sei, 
ob SCHRÖDER eine neue Unterart aufstellen oder nur einen Einzelzahn be- 
schreiben wollte. Es sei bedenklich, auf einen einzigen Zahn eine neue 
Unterart zu gründen, da solche Zähne oft schwer zu deuten seien; es wäre 
eine dankbare Aufgabe, die Variationsbreite der Zähne des indischen Ele- 
fanten vom paläontologisch-phylogenetischen Standpunkte aus zu untersuchen 
und auf einer solchen Grundlage die Zähne der fossilen Elefanten zu unter- 
suchen. 

In der Aussprache weist Herr POHLE darauf hin, daß die Durch- 
führung dieser Anregung schwer sei, da sich in deutschen Museen nur wenig 
Material von indischen Elefanten befinde. 

ad 4. Herr POHLE berichtet, daß sich im Heimatmuseum zu Rottach 
am Tegernsee 2 eigenartig präparierte Luchsschädel befänden, die bereits 
1921 von V. LENGERKEN beschrieben worden seien, daß sich ein Schädel- 
fragment im Berliner Museum von Schweinfurth aus Oberbayern geschenkt 
befinde, das den in diesen Köpfen befindlichen Schädelfragmenten entspreche, 
und daß 6 solcher Köpfe an dem sogenannten Bärenhaus in Enterbach noch 
vorhanden seien. Alle diese Köpfe seien der Rest von 60 Köpfen, die nach 
Angaben von KOBEL vor 1850 an dem Haus am Wiem in Kreuth ange- 


Niederschriften der wissenschaftlichen Sitzungen. 15 


bracht gewesen seien. Von diesen seien nur 10 der besten bei einem Haus- 
tausch nach Enterbach gebracht worden, während man die übrigen vergrub, 
Von diesen zehn befinden sich heute noch sechs dort, zwei im Heimatmuseum 
in Rottach; einer sei an einen Privatmann in Rottach gelangt. Der Vor- 
tragende nimmt an, daß der im Berliner Zoologischen Museum befindliche 
der zehnte sei. Da nur sehr wenig Reste oberbayerischer Luchse erhalten 
seien, wäre es sehr zu wünschen, daß auch die letzten sechs aus Enterbach 
und ein dabei hängender Bär in ein Museum gelangten. 
ad 5 und ad 6 lag nichts vor. 


L. Novembersitzung. 
Montag, 2. Dezember 1929, im Hörsaal 2 des Museums für Naturkunde, 
Berlin N 4, Invalidenstraße 43. 

Anwesend: die Mitglieder BERGER, BOETHKE, DIETRICH, FECHNER, 
GLAESER, HARTIG, HECK sen., KLINGHARDT, KRONACHER, 
KÜHNEMANN, Frl. LEHMANN, LIPs, MERZ, NÖLLER, 
PETERS, Fr. CH. POHLE, H. POHLE, RÜMMLER, RUGE, 
Frl. SCHENK, SPATZ, STANG, STEINMETZ, STRAUCH, 
STREHLKE, Fr. THORMANN, ZEHLE, sowie 43 Gäste. 

Vorsitz: STANG. Niederschrift: RÜMMLER. 

Tagesordnung: 1. Geschäftliche Mitteilungen. 

2. Herr WEBER: Als Pelztierjäger in Feuerland. 
3. Literatur. 
4, Verschiedenes. 

ad 1. Herr POHLE berichtet über Veränderungen und Zunahme des 
Mitgliederbestandes. 

ad 2. Herr WEBER hält den angekündigten Vortrag, über den er 
selbst wie folgt referiert: 

Als einer der Überlebenden des kleinen Kreuzers „Dresden“ vom Spee- 
Geschwader hatte ich nach meiner Rettung auf die altbekannte Robinsoninsel 
‚Juan Fernandez durch eine fünfjährige Internierung auf der Insel Quiriguina Ge- 
legenheit, umfangreichere Natur- und Tierstudien zu machen. Besonders inter- 
essierten mich Beobachtungen über die Fischottern. Nach Kriegsschluß zog ich 
nach einem kurzen Besuch in Deutschland als Pelzjäger ins Feuerland. An etwa 
1500 Fischottern, die ich erbeutete, habe ich noch viele Beobachtungen anstellen 
können. Ich unterschied die beiden, dort dicht nebeneinander lebenden, sich be- 
sonders in der Größe unterscheidenden Otternarten: an der offenen Ozeanküste 
u dunkleren, kleineren, gewandteren Insel- oder Spielotter und den in den 
inneren, jedoch ebenfalls salzigen Gewässern lebenden, sehr viel größeren Fluß- 


otter. Noch eine andere Art, die die Chilenen mit huillines bezeichnen, mit gold- 
gelber Unterwolle traf ich hauptsächlich auf der Insel Chiloe an. Sie lebt in tief 


16 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


eingeschnittenen Regenströmen, Lagunen sowie Gletscherseen und wird auch sehr 
groß. In der Gefangenschaft werden die Fischottern bei richtiger Behandlung sehr 
schnell zahm, selbst als ältere Tiere gefangene konnte ich nach 14 Tagen frei 
umherlaufen lassen. Mit Tieren, die nicht gefressen werden können, schließen sie 
auch Freundschaft. 

Ferner traf ich auf Seelöwen, See-Elefanten, Wale, Delphine und Sumpfbiber. 
Verschiedentlich hatte ich auch Begegnungen mit den im Aussterben begriffenen 
Alakaluf- und Yaganindianern. 

Der Vortrag wurde durch zahlreiche Lichtbilder erläutert. 

In der anschließenden sehr lebhaften Aussprache kommen einige augen- 
scheinlich irrtümlich verstandene Angaben des Vortragenden zur Erörterung 
und werden im Laufe der Diskussion erledigt, an der sich vornehmlich die 
Herren HECK sen., POHLE, WESTENHÖFER und der Vortragende beteiligen. 

ad 3 und ad 4 fallen wegen vorgeschrittener Zeit aus. 


M. Dezembersitzung. 
Montag, 16. Dezember 1929, im Hörsaal 2 des Museums für Naturkunde, 
Berlin N 4, Invalidenstraße 43. 
Anwesend: die Mitglieder FICK, GLAESER, HAHN, HEcK sen., HECK jun., 
HILZHEIMER, KAHMANN, Frl. LEHMANN, LIPS, OHNE- 
SORGE, Fr. CH. POHLE, H. POHLE, RÜMMLER, Frl. SCHENK, 
SPATZ, STEINMETZ, STREHLKE, VIRCHOW,WESTENHÖFER, 
sowie 4 Gäste. 
Vorsitz: HILZHEIMER. Niederschrift: OHNESORGE. 
Tagesordnung: 1. Geschäftliche Mitteilungen. 
2. Herr LIPS: Über die Handwurzel und ihren Zusammen- 
hang mit den Bewegungsarten arktoider Raubtiere. 
3. Literatur, 
4. Verschiedenes. 


ad 1. Herr POHLE berichtet, daß die Zahl der Mitglieder um 2 ge- 
stiegen sei und gibt die Beschlüsse des Vorstandes bekannt, wonach bei der 
nächsten Hauptversammlung beantragt werden soll, daß der jährliche Mit- 
gliedsbeitrag vom nächsten Jahr an für Einzelpersonen, Institute und An- 
stalten 15 Mark, für Personengemeinschaften 30 Mark, für Studenten auf 
ihren Antrag 8 Mark und für Oesterreicher auf Antrag 5 Mark betragen 
solle, daß die Einzelbeiträge durch die einmalige Zahlung von 300 Mark 
abgelöst werden können, daß Anverwandte von Mitgliedern einen Beitrag 
von 5 Mark zu zahlen haben (ohne Zeitschriftlieferung) und daß ein okli- 
gatorischer Gästebeitrag von 0,50 Mark erhoben werden solle. Diese Vor- 
schläge finden die Billigung der Versammlung. 


Niederschriften der wissenschaftl. Sitzungen u. Besichtigungen. 17 


ad 2. Herr LIPS hält hierauf seinen angekündigten Vortrag, der in 
dieser Zeitschrift erscheinen wird. 

An der Aussprache beteiligen sich die Herren HECK jun, VIRCHOW 
und FICK. 

ad 3 und ad 4 fallen wegen der vorgeschrittenen Zeit aus, 


3.) Niederschriften der Besichtigungen etc. 


A. Besichtigung des Berliner Zoologischen Gartens. 


Montag, 22. Juli 1929, 16 Uhr 30. 

Herr HECK sen. führt die etwa 50 Teilnehmer zunächst zum Elefanten- 
haus, wo das hier geborene Junge des indischen Elefanten besichtigt wurde, 
und dann über Nagetierbau, Afferhaus, Antilopengehege, Raubtierhaus und 
Altes Vogelhaus zum Einhufergehege. 

Anschließend fand eine Nachsitzung in der Waldschänke des Zoos statt, 
bei der Herr ECKSTEIN Herrn HEcK den Dank der Gesellschaft für die 
wohlgelungene Führung aussprach. 


18 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


4,) Geschäftsbericht für die Jahre 1928 und 1929. 
Von HERMANN POHLE (Berlin). 

Ein Geschäftsbericht soll nicht nur einen Überblick über die Geschäfte 
der Gesellschaft geben, er soll zugleich die Geschichte der Gesellschaft inner- 
halb des bestimmten Zeitabschnittes darstellen, aus ihm muß man erkennen, 
ob die Gesellschaft vorwärtsschreitet oder rückwärts. Er darf daher nicht 
nur die statistischen Angaben über Höhe und Veränderungen des Mitglieder- 
und Kassenstandes enthalten, sondern muß über alle Tätigkeiten und Er- 
lebnisse der Gesellschaft berichten. 

Die Mitgliederzahl ist in den zwei Jahren ziemlich gleichmäßig ge- 
stiegen, allerdings im ersten schneller als im zweiten. Anlaß zu plötzlichen 
Veränderungen gaben nur die Heckfeier, bei der eine größere Anzahl von 
Mitgliedern geworben werden konnte, und die Jahreswenden, hier zurück- 
führbar auf die zu diesen Zeitpunkten fühlbar werdenden, aber schon während 
des Jahres getätigten Austrittee In Zahlen ergibt sich folgendes. Wir 
traten in das Jahr 1928 ein mit 206 Mitgliedern. Neu aufgenommen wurden 
45 im Jahre 1928, 26 im Jahre 1929; es schieden 1928 aus 1 durch Tod, 
13 durch Austritt und 4 durch Ausschluß, zusammen 18; 1929 waren es 
3 durch Tod, 7 durch Austritt und 2 durch Ausschluß, zusammen 12. Die 
Ausschlüsse fanden stets statt wegen dauernder Nichtbezahlung des Beitrags. 
Nach den genannten Zahlen ergibt sich der Mitgliederstand am 1. 1. 1930 
als 206 +45 + 26 — 18 —12 — 247. Durch Tod verloren wir die Herren 
Prof. Dr. H. BITTNER (Berlin), Dr. E. CHRISTELLER (Berlin), Direktor 
F. GRABOWSKI (Breslau) und PAUL SARASIN (Basel), außerdem den Be- 
sitzer der Firma J. Neumann, Neudamm, der Kommerzienrat JULIUS NEU- 
MANN (Neudamm). Wir werden ihnen allen ein ehrenvolles Andenken be- 
wahren. 

Neben den Hauptversammlungen fanden in jedem der beiden Jahre neun 
wissenschaftliche Sitzungen statt, in denen neben den verschiedensten kleineren 
Mitteilungen zusammen 18 größere Vorträge gehalten wurden. Alle tagten 
im Hörsaal des Geologisch-Paläontologischen Instituts der Universität Berlin. 
Der Inhalt der Vorträge war den verschiedensten Teilen der Säugetierkunde 
‘entnommen. Die Maisitzung 1928 wurde zu einer Festsitzung zur Feier 
der 40jährigen Amtstätigkeit des Geheimrat Prof. Dr. L. HECK aus- 
gebaut; dieser wurde dabei zum Ehrenvorsitzenden der Gesellschaft ernannt 


Geschäftsbericht für die Jahre 1928 und 1929. 19 


(siehe Niederschrift in 4, p. 13). Der Besuch war besser als in den Jahren 
zuvor; es waren immer über 20, im Höchstfall i15 und im Durchschnitt 
50 Personen (25 Mitglieder und 25 Gäste) anwesend. Auch der Besuch 
der Hauptversammlungen hat sich gesteigert. Auf der ersten (Dresden 1927) 
waren 23 Teilnehmer, auf der zweiten (Frankfurt a. M. 1928) 33, auf der 
dritten (Hamburg 1929) 45. Über den Verlauf dieser siehe die ausführlichen 
Niederschriften. Außer diesen Sitzungen wurden 2 Besichtigungen des Berliner 
Zoologischen Gartens und ein Ausflug nach Eberswalde unternommen, ferner 
wurden unsere Mitglieder vier mal zu Sitzungen anderer Gesellschaften 
offiziell eingeladen. Der Vorstand der Gesellschaft hielt 1928 3 Sitzungen 
und 2 kurze Besprechungen, 1929 nur 2 Sitzungen ab. 

Von unserer Zeitschrift erschien 1927 zunächst das 2. Heft des 2. Bandes 
im Umfange von 3 Bogen. Dann kam der dritte Band ungeteilt als Fest- 
schrift für LUDWIG HEcK 20 Bogen stark heraus. Das 3. Heft des 
2. Bandes erschien dann aus finanziellen Gründen erst 1929 (41/, Bogen). 
Vom Band 4 an sollten jährlich 6 Hefte von je 4 Bogen Umfang erscheinen, 
1929 kamen aber nur die drei ersten; die drei weiteren mußten wieder aus 
Ersparnisgründen in ein Heft!) zusammengezogen werden. Die ersten beiden 
Hefte des 2. Bandes erschienen ohne Umschlag; die weiteren wurden mit 
einer Hülle aus gelbem Leinenkarton versehen, die auch in Zukunft bei- 
behalten werden soll. 

Die Arbeiten der Geschäftsstelle haben sich in den beiden Jahren gegen 
früher erheblich vermehrt. Die Zahl der ein- und ausgehenden Postsachen 
außer den Drucksachen dürfte in jedem Jahr über 700 betragen haben. 
Wegen der auf den beiden ersten Hauptversammlungen beschlossenen Satzungs- 
änderungen mußten wir die Zustimmung aller Mitglieder einholen, was uns 
auch schließlich gelang, so daß dann die Änderung am 11. 10. 1929 rechts- 
kräftig wurde. Die Bibliothek nahm weiter zu. Sie umfaßte am 31. 12. 1929 
248 Einzelarbeiten und 18 Zeitschriften. Von diesen erhalten wir 1 durch 
Mitgliedschaft, 8 durch Tausch und 7 als Geschenk. Leider wirkte auf 
alle Arbeiten der Geschäftsstelle im Jahre 1929 verzögend die schwere Er- 
krankung des Geschäftsführers, derzufolge er gezwungen wurde, über sechs 
Monate dem Dienst fernzubleiben. Die dadurch erzeugte Stauung seiner 
Arbeiten wirkte sich auch noch 1930 aus; sie dürfte aber in diesem Jahre 
überwunden werden. 

Über die Gestaltung unser Kassenverhältnisse in den Geschäftsjahren 
1928 und 1929 gibt unser Schatzmeister, Herr BE. MOSLER, folgende Bilanz: 


1) Dieses Heft ist am 10. 2. 1930 in Stärke von 41/, Bogen erschienen, 
2* 


20 


Zeitschrift für Säugetierkunde Bd. 5, 1930. 


Einnahmen. 


. Mitgliederbeiträge und Umlagen 


Ausgaben. 


. Kosten der Hauptversammlungen 


a) für 1928 3393.24 a) 1928 . 153.75 
b) für 1929 3418.02 b)SLI2IE 80.— 
. Einnahmen aus der Zeitschrift . Kosten der Wissenschaftl. Sitzungen 
a) für 1928 380.40 a) 1928 . 118.35 
b) für 1929 480.30 b)ALI2I 84.— 
. Spenden . Ausgaben für die Zeitschrift 
a) Heckspende . 1860.— a) Heft 2, 2 1393.45 
4. Dahrlehn Dr. MOSLER b) Heft 2, 3 1141.50 
a) für 1928 1600.— c) Band 3 . 3662.75 
b)2ur21929 .  1700.— d) Heft 4, 1 1258.35 
5. Zinsen aus dem Bankkonto e) Heft 4, 3 982.— 
a) für 1928 20.25 f) Heft 4, 3 574.16 
b)turel 27a 340 4. Büroausgaben 
6. Saldo per 31. 12. 1927 a) 1928 . 519.70 
a) Postscheckkonto . 168.15 b) 1929 . i 150.35 
b) Bankkonto . 126.50 5. Ausgaben für die Bücherei 
VEmanSTS a) 1928 . 45.50 
b)1929 36.55 
6. Gerichtskosten 
a) 1929 7) 2 Dee 32.30 
7. Rückzahlung der Darlehen 
Dr. MOSLER 
a) 1928 . A 1600.— 
b) 19329 a RI 1200.— 
\ 8. Bankunkosten 
a), LY2S Eee, 3.45 
b) 19291... Dre 1.30 
9. Saldo per 31. 12. 1929 
a) Postscheckkonto 70.80 
b) Bankkonto 42.— 112.80 


Gesamteinnahme RM. 13150.25 Gesamtausgabe RM. 13150.26 
Zum Schluß ist es mir eine angenehme Pflicht, namens des Vorstandes 
allen denen, die in den vergangenen Jahren die Gesellschaft unterstützt 
haben, sei es durch Übernahme bestimmter Arbeiten, durch Anregungen, 
Spenden oder durch Werbung von Mitgliedern, den herzlichsten Dank aus- 
zusprechen und sie zu bitten, sich auch in Zukunft für die Gesellschaft zu 
betätigen. Insbesondere bitten wir, bei der Versendung von Separaten auch 
die Deutsche Gesellschaft für Säugetierkunde zu bedenken. 


Eingänge für die Bücherei. 21 


5.) Eingänge für die Bücherei. 


Die Notiz in Klammern zeigt den Geber und das Eingangsdatum an. 


169. ALLEN, H. 


170. — 


A. Einzelwerke. 
Description of two new species of bats, Nycetinomus europs 
and N. orthotis. — Proceedings of the United States National 
Museum 12, pg. 635—640, 1890. — (Tausch 2. 7. 29.) 
Description of a new species of bat, Atalapha semota. — Pro- 
ceedings of the United States National Museum 13, pg. 173 
bis 175, 1890. — (Tausch 2. 7. 29.) 


171. ANTONIUS, O0. Beobachtungen an Einhufern in Schönbrunn. IV. Afrika- 


172. — 


173. — 


nische Esel. — Der Zoologische Garten 1, pg. 289—296. 1929. 
— (Autor 14. 2. 29.) 

Zwei alte Wisent- und Urbilder aus der Wiener Staatsgalerie. 
— Berichte der Internat. Ges. zur Erhaltung des Wisents 3, 
pg. 87, 2 tab., 1929. — (POHLE 23. 2. 29.) 

Bemerkungen über einige Tiere der Weidholz-Importe 1927 
und 1928. — Der Zoologische Garten 1, pg. 369—390, 1929. 
— (Autor 30. 5. 29.) 


174. ARGYROPULO, A. J., Beiträge zur Kenntnis der Murinae BAIRD L, I. — 


175. — 


176. a. 


179. _ 


Zeitschrift für Säugetierkunde 4, pg. 144—156, 1929. — 
(Eigenverlag 24. 9. 29.) 

Sur une localite nouvelle du Nyetalus siculus Palumbo (Chi- 
roptera) dans ’URSS (russisch). — Annuaire du Muse Zoo- 
logique del’Acad. des Sciences de ’URSS (russisch) 30, 1929, 
pg. 131—132. — (Autor 15. 11. 29.) 

Materiaux sur l’6tude du genre Rattus FITZINGER 1867 
(russisch). — Mitteilungen der Kurse für Angewandte Zoologie 
u. Pflanzenpathologie 4, 1928, pg. 68—87. — (Autor 15.11. 29.) 
Tableaux pour determination des rats du genre Rattus FITZIN- 
GER de la faune de ’URSS (russisch). — (Autor 15. 11. 29.) 
Sur une sous-espece nouvelle de Micromys minutus PALL. 
(Mammalia, Rodentia) provenant de la Chine Centrale (eng- 
lisch und russisch). — Comptes Rendus de l’Academie des 
Sciences de ’URSS 1929, pg. 253—255. — (Autor 15. 11. 29.) 
Sur la position syst&matique du rat du Turkestan (Rattus 
turkestanicus SAT.) (russisch). — Comptes Rendus de l’Academie 
des Sciences de ’URSS 1928, pg. 465—466. — (Autor 15. 11. 29.) 


180. de BEAUX, O. Riabilitazione del termine „taeniopus, HEUGLIN“ per l’asino 


selvatico somalo. — Bollettino dei Musei di Zoologia e Ana- 
tomia comparata della R. Universita di Genova 8, 27, pg. 1 
bis 13, 1928. — (Autor 11. 1. 29.) 


22 


Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


181. de BEAUX, O. Risultati Zoologiei della Missione inviata dalla R. Societä 


182. 


183. 


184. 


185. 


186. 


187. 


Geographica Italiana per l’esplorazione dell’oasi di Giarabub 
(1926—1927). — Annali del Museo Civico di Storia Naturale 
di Genova 53, pg. 1-38, 1928. — (Autor 11. 1. 29.) 
Conserviamo alle Alpi il loro orso. — Il Caceiatore Trentino 
7, 89, 5, pg. 1929. — (Autor 1. 3. 29.) 

Ricerche faunistiche nelle isole italiane del ’Egeo, Mammiferi. 
— Archivio Zoologico Italiano 13, pg. 1—24, 1 tab., 1929. — 
(Autor 13. 4. 29.) 


Wieseljagd auf eine Smaragdeidechse. — Zeitschrift für Säuge- 
tierkunde 2, pg. 199—200, 1929. — (Eigenverlag 10. 12. 29.) 
Retifica, descrizioni e deduzioni sul genere ÜOynopithecus Is. 
Geoffr. — Bollettino dei Musei di Zoologia e Anatomia com- 
parata della R. Universita di Genova 9, pg. 1—35, 1929. — 
(Autor 29. 7. 29.) 

Mammiferi raccolti dal Museo Regionale di Storia Naturale 
in Trento durante l’anno 1928 (VI-VID). — Revista della 
Societä pergli Studi Trentini 10, 18pg., 1929. — (Autor 24. 10.29.) 
Eptesicus nilssoni KAYSERLING e BLASIUS (borealis NILS- 
SON) in Italia. — Revista della Societä pergli Studi Trentini 
10, 3, 5 pg., 1929. — (Autor 25. 11. 29.) 


188. BLUNTSCHLI, H. Ein eigenartiges an Prosimierbefunde erinnerndes 


189. 


190. 


19. 


192. 


193. 


194. 


195. 


196. 


— und 


Nagelverhalten am Fuß von platyrrhinen Affen. — Wilhelm 
Roux’ Archiv für Entwicklungsmechanik der Organismen 118, 
3, pg. 1—10, 1929. — (Autor 28. 9. 29.) 


Die Kaumuskulatur der Menschenaffen (nach Untersuchungen 
beim Orang). — Anatomischer Anzeiger 67, Ergänzungsheft, 
pg. 199 - 208, 1929. — (Autor 28. 9. 29.) 

SCHREIBER, H. Über die Kaumuskulatur. — Die Fort- 
schritte der Zahnheilkunde 5, pg. 1—32, 1929. — (Autor 28.9. 29.) 


BRANDES, G. Die Bedeutung des Orang-Kehlsackes. — Zeitschrift für 


Säugetierkunde 4, pg. 81—83, 1929. — (Eigenverlag 27. 8. 29.) 


BREHMBUCH, DAS. — Verlag der Brehmgesellschaft, 143 pg., 1929. — 


(Brehm Verlag Berlin, 27. 2. 29.) 


CHAPPELLIER, A. Essais sur l’alimentation du Campagnol des champs 


DEMMEL, M. 


(Arvicola arvalis PALLAS). — Revue d’Histoire naturelle ap- 
pliquee 9, 67, 15 pg., 1928. — (Deutsche Ornithologische Ge- 
sellschaft 16. 12. 29.) 

Die Zuchtschäden bei den Pelztieren. Verwerfen, Auffressen 
und Verschleppen der Welpen, Milchmangel der Muttertiere. 
— Die Pelztierzucht 5, pg. 21—31, 1929. — (Autor 2. 8. 29.) 


DIETRICH, W.O. Über Rekonstruktionen fossiler Säugetiere. — Zeitschrift 


ERHARD, H. 


für Säugetierkunde 2, pg. 177—186, 1929. — (Eigenverlag 3.6.29.) 


Abnorm gefärbte Maulwürfe. — Zeitschrift für Säugetier- 
kunde 4, pg. 47—48, 1929. — (Eigenverlag 15. 7. 29.) 


198. 


199. 


200. 


201. 


202. 


203. 


204. 


205. 


206. 


207. 


208. 


209. 


210. 


211. 


Eingänge für die Bücherei. 23 


PICK, RB. Über die Körpermaße und den Kehlsack eines erwachsenen 


Orangs. — Zeitschrift für Säugetierkunde 4, pg. 65—80, 5 tab., 
1929. — (Eigenverlag 27. 8. 29.) 

FREUDENBERG, W. Ein Schimpansenbild aus dem Mittelalter. — Zeit- 
schrift für Säugetierkunde 4, pg. 64, 1 tab., 1929. — (Eigen- 
verlag 9. 9. 29.) 

GROEBEN, G. VON DER, Grundsätze der planmäßigen Wisentzüchtung. 


Zweiter Teil: Kreuzungszucht. — Berichte der Internat. Ges. 
zur Erhaltung des Wisents 3, pg. 78—86, 1929. — (POHLE 
23. 2. 29.) 


HEINRICH, G. Über Sylvaemus sylvaticus L. und flavicollis MELCHIOR. 
— Zeitschrift für Säugetierkunde 2, pg. 186—194, 1929. — 
(Eigenverlag 1. 6. 29.) 

HELLER, F. Beiträge zur fossilen Mikrofauna der Steinkirche bei Scharz- 
feld am Harz. — Mitteilungen über Höhlen- und Karstfor- 
schung, 2 pg., 1929. — (Autor 13. 4. 29.) 

HILZHEIMER, M. Einige Reste tierischer Bauopfer aus Sichem. — Zeit- 
schrift für Säugetierkunde 4, pg. 126—125, 1929. — (Eigen- 
verlag 27. 8. 29.) 


HOLLISTER, N. Some Effects of Environment and Habit on captive Lions. 
— Proceedings of the United States National Museum 53, 
pg. 177—193, 4 tab., 1917. — (Tausch 2. 7. 29.) 


KIRCHER, A. Zur Struktur der männlichen Geschlechtsorgane von Pferd 
und Rind. — Zeitschrift für Säugetierkunde 4, pg. 90—121, 
4 tab., 1929. — (Eigenverlag 27. 8. 29.) 


KOCH, W. Ein Fall von Selbstheilung einer komplizierten Knochenfraktur 
beim Wisent. — Berichte der. Internat. Ges. zur Erhaltung des 
Wisents 3, pg. 88—89, 1 tab., 1929. — (POHLE 23. 2. 29.) 

— Alluviale Wisentfunde aus Oberbayern und Oberösterreich. — 
Berichte der Internat. Ges. zur Erhaltung des Wisents 3, pg. 
83—89, 1929. — (POHLE 23. 2. 29.) 

KRONACHER, C., HENKELS, P., SCHÄPER, W. und KLIESCH, J. Ein 
experimenteller Beitrag zum Voronoffschen Verfahren der Trans- 
plantation männlicher Keimdrüsen. — Zeitschrift für Tier- 
züchtung und Züchtungsbiologie 16, pg. 209—231, 1929. — 
(Autor 4. 12. 29.) 


KRUMBIEGEL, I. Säugetierkenntnisse im ältesten China. — Zeitschrift für 

Säugetierkunde 2, pg. 198, 1929. — (Eigenverlag 10. 12. 29.) 
== Literarischer Nachtrag zum Begattungsakt des Bibers. — Zeit- 

schrift für Säugetierkunde 4, pg. 33—85, 1929. — (Eigen- 
verlag 15. 7. 29.) 

KUIPER, K. Über periodischen Farbenwechsel bei Seiurus finnlaysoni. — 
Zeitschrift für Säugetierkunde 2, pg. 174—176, 1 tab., 1929. — 
(Eigenverlag 1. 6. 29.) 

JACOBI, A. Melanismus von (ricetus cricetus. — Zeitschrift für Säugetier- 
kunde 2, pg. 199, 1929. — (Eigenverlag 10. 12. 29.) 


24 


212 


213 


217. 


218 


219. 


220. 


221 


222 


223 


224. 


225. 


. LONSKY, F. 


Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Zur Anatomie des Darmrohres und des Urogenitalsystemes 
von Hyrax. — Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaft, 
37, pg. 579—652, 1 tab., 1902. — (Prof. Dr. KRUMBACH 
13. 4. 29.) 


. MERTENS, R. Die Affensammlung der Zweiten Deutschen Zentral-Afrika- 


MOHR, E. 


. MÖLLER, K. 


Expedition. — Zeitschrift für Säugetierkunde 4, pg. 129—141, 
1929. — (Eigenverlag 24. 9. 29.) 

Ein weißer Kanadabiber (Castor canadensis KUHL.). — Natur 
und Museum 59, pg. 423, 1929. — (Autor 7. 12. 29.) 

Zwei neue Palmenroller von den Kleinen Sunda-Inseln. — 
Zoologischer Anzeiger 84, pg. 333—836, 1929. — (Autor 7. 12.29.) 
Bemerkungen über die Säugetiere der Inseln Lombok, Bum- 
bawa und Flores. — Der Zoologische Garten 2, pg. 23—29, 
1929. — (Autor 7. 12. 29.) 

Liste der von der Zweiten Deutschen Zentral-Afrika-Expedition 
mitgebrachten Klippschliefer (Hyracoidea). — Senckenbergiana 
11, pg. 119-122, 1929. — (Autor 7. 12. 29.) 

Der Gartenschläfer (Eliomys quercinus L.) in Gefangenschaft. 
— Zeitschrift für Säugetierkunde 2, pg. 144—148, 1929. — 
(Eigenverlag 10. 12. 29.) 

Meine beiden Ziesel (Citellus citellus L.). — Der Zoologische 
Garten 1, pg. 307—313, 1929. — (Autor 11. 2. 29.) 
Rötelmäuse (Evotomys glareolus SCHREB.) in Gefangenschaft. 
— Zeitschrift für Säugetierkunde 4, pg. 49—53, 1tab., 1929. — 
(Eigenverlag 16. 7. 29.) 

Drei Fälle von Polydactylie beim Rinde. — Zeitschrift für 
Säugetierkunde 3, pg. 155—174, 1929. — (Eigenverlag 1. 6. 29.) 


. MÜNZESHEIMER, F. Untersuchungen über die funktionelle Norm nebst 


einer Methode ihrer Auswertung in der prothetischen Zahn- 
heilkunde. — Correspondenzblatt für Zahnärzte, Heft 3, pg. 
1—31, 1 tab., 1929. — (Autor 5. 4. 29.) 


. NAUNDORFF, E. Die Ohrenfledermaus als Hausgenosse. — Zeitschrift für 


Säugetierkunde 2, pg. 195—196, 1929. — (Eigenverlag 10. 12. 29.) 
Der Siebenschläfer als Hausgenosse. — Zeitschrift für Säuge- 
tierkunde 4, pg. 54—56, 1 tab., 1929. — (Eigenverlag 15. 7. 29.) 
Der Dachs als Hausgenosse. — Zeitschrift für Säugetierkunde 
4, pg. 122—124, 1929. — (Eigenverlag 27. 8. 29.) 


226. NEUMANN, C. W. DBrehms Leben. Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. 


227 


228 


LUDWIG HECK. — Brehm Verlag, Berlin, 78 pg., 1929. — 
(POHLE 27. 2. 29.) 


. OGNEW, S.I. und HEPTNER, V.G. Mammals of the Middle Kopet-Dagh 


. POHLE, H. 


mountains and the adjacent plain (Russian Turkestan) (russisch). 
— Arbeiten des wissenschaftlichen Forschungsinstitutes für 
Zoologie 3, pg. 46—172. 1929. — (Autor 30. 10. 29.) 

Ein weiterer alluvialer Wisentfund aus der Mark. — Berichte 
der Internat. Ges. zur Erhaltung des Wisents 3, pg. 96, 1929. — 
(Autor 23. 2. 29.) 


229. 


230. 


231. 


232. 


288. 


234, 


235. 


236. 


238. 


239. 


240. 


241. 


242. 


243. 


244. 


Eingänge für die Bücherei. 25 


POHLE, H. WILHELM LECHE’s Schriften. — Zeitschrift für Säugetier- 
kunde 2, pg. 149—155, 1 tab., 1929. — (Eigenverlag 10. 12. 29.) 

RAITSITS, E. Die Aussetzung der Budapester Wisente in Visegrad. — Be- 
richte der Internat. Ges. zur Erhaltung des Wisents 3, pg. 93 
bis 95, 1929. — (POHLE 22. 2. 29.) 


ROSTAFINSKI, J. Li’elevage des animaux domestiques en Pologne. — War- 
schau, 24 pg., 1929. — (Autor 14. 9. 29.) 
_ PRAWOCHENSKI, R. und POKLEWSKI-KOZIELL, Z. L’ele- 
vage des animaux domestiques en Pologne. — Warschau, .45 
pg-, 1929. — (Autor 14. 9. 29.) 


SCHLOTT, M. Ein Nachtschreck. Aus dem Leben der heimischen Fleder- 
mäuse. — Illustrierte Zeitung Leipzig Nr. 4393, pg. 760 und 
770, 1929. — (Autor 3. 6. 29.) 
_ Ergebnisse zoologischer Forschung im Malapanegebiete und im 
übrigen Oberschlesien (1928/29). — Der Oberschlesier, August- 
heft, pg. 1—7, 1929. — (Autor 13. 9. 29.) 


SEREBRENNIKOV, M. Review of Beavers of the Palearctic Region (Castor, 
Rodentia). — Comptes Rendus de l’Academie des Sciences de 
’URSS. pg. 271—276, 1929. — (Autor 26. 8. 29.) 
— Ein Flatterhörnchen aus dem Kirgisengebiet. — Zeitschrift für 
Säugetierkunde 4, pg. 142—143, 1 tab., 1929. — (Eigenverlag 
24. 9. 29.) 


. STICHEL, W. Einige Bemerkungen über Lutreolina crassicaudata DESM. — 


Zeitschrift für Säugetierkunde 4, pg. 57—63, 1929. — Eigen- 
verlag 15. 7. 29.) 

_ Angewandte Zoologie und Pelztierzucht. — Verhandlungen 
des 10. Internationalen Zoologen-Kongresses, Budapest, 2, pg. 
1245—1248, 1929. — (Autor 7. 9. 29.) 


SUNIER, A. L. J., C. KERBERT. — Zeitschrift für Säugetierkunde 2, pg. 197, 
1 tab., 1929. — (Eigenverlag 1. 6. 29.) 


TRUE, W. F. Description of a new spezies of deer, Carincus clavatus, from 
Central America. — Proceedings of United States National 
Museum 27, pg. 417—424, 1888. — (Tausch 28. 5. 29.) 


TUROV, S. S. Beitrag zur Kenntnis der Fauna des kaukasischen Natur- 
aufbewahrungsstaatsgebiets. — Arbeiten der Nordkaukasischen 
Association wissenschaftlicher Institute 44, 2, 40 pg., 1929. — 
(Autor 22. 1. 29.) 


WAHLSTRÖM, A. Beiträge zur Biologie von COrocidura leucodon (HERM.) 
— Zeitschrift für Säugetierkunde 4, pg. 157— 185, 1 tab., 1929. — 
(Eigenverlag 24. 9. 29.) 


WESTENHÖFER, M. Der ‚„Hangelreflex‘“ des Gibbons. — Zeitschrift für 
Säugetierkunde 2, pg. 201, 1929. — (Eigenverlag 1. 6. 29.) 
= Die hintere Fußwurzel von Mensch und Gorilla. — Zeitschrift 
für Säugetierkunde 4, pg. 186—192, 2 tab., 1929. — (Eigen- 
verlag 24. 9. 29.) 


26 


Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


245. WESTENHÖFER, M. Zur Morphogenese der Anuren. — Sitzungsberichte der 


246. 


Ges. naturforschender Freunde zu Berlin, pg. 81—95, 1929. — 
(Autor 22. 19. 29.) 

— Die Stellung des menschlichen Beckens in der Wirbeltierreihe 
— Archiv für Frauenkunde und Konstitutionsforschung 15, 
pg. 215—261, 1929. — (Autor 22. 10. 29.) 


247. WORTMANN, J. L. On some hitherto unrecognized reptilian characters in 


248. 


D 


the Skull of the Insectivora and other Mammals. — Proceed- 
ings of the United States National Museum 57, pg. 1—52, 
1920. — (Tausch 2. 7. 29.) 

ZIMMER, C. Über zwei Bilder des ADAMS’schen Mammuts. — Zeitschrift 
für Säugetierkunde 4, pg. 84—89, 2 tab., 1929. — (Eigenverlag 
9.2.9229) 


B. Zeitschriften. 


. Annalen des Naturhistorischen Hofmuseums in Wien. (Tausch.) 
. Arbeiten der Reichszentrale für Pelztier- und Rauchwaren-Forschung. (Tausch.) 
. Berichte der Internationalen Gesellschaft zur Erhaltung des Wisents. (Mit- 


gliedschaft.) 


. Bulletins of the United States National Museum [nur Säugetiere betreffende 


Arbeiten]. (Tausch.) 


. Hagenbeck’s illustrierte Tier- und Menschenschau. (©. Hagenbeck’s Tierpark.) 
. Mitteilungen der Gesellschaft für Säugetierkunde. (Eigenverlag.) 


-- der Königl. Naturwissenschaftlichen Institute in Sofia. (Tausch.) 
— der Reichszentrale für Pelztier- u. Rauchwaren-Forschung. (Tausch.) 
— aus dem Frankfurter Zoo. (Stadt Frankfurt a. M.) 

— aus dem Zoologischen Garten in Halle. (Stadt Halle.) 


. Die Pelztierzucht. (Tausch.) 
. Proceedings of the United States National Museum [nur Säugetiere betreffende 


Arbeiten]. (Tausch.) 


. Die Reichskarte. (Reichsamt für Länderaufnahme.) 

. Travaux de la Societe Bulgare des Sciences Naturelles. (Tausch.) 

. Verzeichnis der Neuerwerbungen der Berliner Stadtbibliothek. (Stadt Berlin.) 
. Zeitschrift für Säugetierkunde. (Eigenverlag.) 


= des Vereins für Deutsche Schäferhunde. (Verein für Deutsche 
Schäferhunde.) 


. Zuchtbuch für Silber-, Blau- und Weiß-Füchse. (Reichszentrale für Pelztiere 


und Rauchwarenforschung.) 


Satzung der Gesellschaft. DT 


6.) Satzung der Gesellschaft. 


Abschnitt 1. Allgemeines. 


$ 1. Name. 
Der Verein führt den Namen: Deutsche Gesellschaft für Säugetierkunde e.V. 
Er ist unter Nr. 4802 in das Vereinsregister des Amtsgerichts Berlin-Mitte, Ab- 
teilung 167, eingetragen. 


$ 2. Zweck. 

Zweck des Vereins ist die Förderung der Säugetierkunde nach allen Rich- 
tungen und durch alle Mittel, insbesondere durch gegenseitigen Austausch der 
gesammelten Erfahrungen und Beobachtungen in regelmäßig abzuhaltenden Ver- 
sammlungen und durch Herausgabe der „Zeitschrift für Säugetierkunde*. 


83. Sitz. 
Sitz des Vereins ist Berlin. 


$ 4. Geschäftsjahr. 
Das Geschäftsjahr des Vereins ist das Kalenderjahr. 


Abschnit 2. Mitglieder. 


$ 5. Erwerb der Mitgliedschaft. 

Mitglied der Gesellschaft kann jede Person, Personengemeinschaft und jede 
Anstalt werden. Der Erwerb der Mitgliedschaft wird eingeleitet durch Anmeldung 
bei einem der Vorstandsmitglieder. Über die Aufnahme entscheidet allein der 
Vorstand. 


$ 6. Verlust der Mitgliedschaft. 
Verlust der Mitgliedschaft tritt ein: 
a) durch Tod des Mitgliedes, 
b) durch Austrittserklärung beim Geschäftsführer, 
ec) durch Ausschluß. 

Der Ausschluß kann vom Vorstande ausgesprochen werden, einmal, wenn das 
Mitglied bei Einziehung des Beitrages durch Nachnahme die Zahlung verweigert 
und dann, wenn das Mitglied den Bestrebungen des Vereins zuwiderhandelt. In 
dem ersten Fall ist der Vorstandsbeschluß endgültig, im anderen steht dem Be- 
treffenden das Recht der Beschwerde bei der Hauptversammlung zu, deren Be- 
schluß endgültig ist. 

Jedes Mitglied bleibt der Gesellschaft mit seinem Beitrage für das folgende 
Jahr verpflichtet, wenn die Austrittserklärung nicht spätestens am 1. Dezember 
eingeht. 


$ 7. Rechte und Pflichten der Mitglieder. 

Die Mitglieder haben das Recht, an allen Veranstaltungen der Gesellschaft 
teilzunehmen. Sie haben in allen Mitgliederversammlungen Sitz und Stimme und 
erhalten die Vereinszeitschrift ohne besondere Bezahlung. Sie haben die Pflicht, 
den Verein und seine Ziele zu fördern und die Satzungen einzuhalten. Ferner 


28 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


haben sie einen stets von der Hauptversammlung für das nächste Jahr festzu- 
setzenden Beitrag im März eines jeden Jahres zu entrichten. Er kann auch in 
zwei Halbjahrsraten gezahlt werden. Wird der Jahresbeitrag oder die erste Rate 
nicht spätestens im Mai eingezahlt, so wird er auf Kosten des Mitgliedes durch 
Nachnahme erhoben. 


$ 8. Besondere Mitglieder. 
Der Vorstand hat das Recht, korrespondierende und Ehrenmitglieder zu er- 
nennen. Sie sind von der Beitragspflicht entbunden. Die Ehrenmitglieder haben 
dieselben Rechte wie die anderen Mitglieder. 


Abschnitt 3. Leitung des Vereins. 


$ 9. Vorstand. 
Vorstand im Sinne des B.G.B. ist der Geschäftsführer. 


$ 10. Erweiterter Vorstand. 

Die Leitung der Gesellschaft liegt in den Händen des erweiterten Vorstandes. 
Dieser besteht aus drei Vorsitzenden, einem Geschäftsführer, einem Schriftführer, 
einem Schatzmeister und einem Beisitzer. Vier Mitglieder des erweiterten Vor- 
standes müssen Fachzoologen, zwei davon Säugetierspezialisten sein. Einer der 
Vorsitzenden muß seinen Wohnsitz außerhalb Berlins haben Die Mitglieder des 
erweiterten Vorstandes vertreten sich im Behinderungsfalle in der oben an- 
gegebenen Reihenfolge. 


$ 11. Wahl des Vorstandes. 

Die Wahl des Vorstandes geschieht alle 2 Jahre in der Hauptversammlung 
nach Stimmenmetrheit der anwesenden Mitglieder schriftlich und geheim. Beim 
Ausscheiden eines Mitgliedes des erweiterten Vorstandes während der Wahlzeit 
ist dieser berechtigt, sich durch Zuwahl selbst zu ergänzen. Der 1. Vorsitzende 
ist nach Ablauf seiner Wahlzeit für die nächste Wahlzeit nicht wieder wählbar, 
die beiden anderen Vorsitzenden nicht wieder in ihr Amt. 


$ 12. Rechte und Pflichten des Vorstandes. 

Der 1. Vorsitzende vertritt die Gesellschaft nach innen. Die anderen Vor- 
sitzenden sind seine berufenen Vertreter. Der Geschäftsführer vertritt im Ein- 
vernehmen mit den übrigen Vorstandsmitgliedern die Gesellschaft nach außen und 
erledigt die laufenden Geschäfte, insbesondere ist er der Herausgeber der Vereins- 
zeitschrift. Der Schriftführer hat über jede Versammlung und Sitzung der Ge- 
sellschaft, sowie über jede Vorstandssitzung eine Niederschrift herzustellen, die 
nach Genehmigung durch die betreffende oder nächste gleichartige Versammlung 
von ihm und dem Vorsitzenden der Versammlung zu vollziehen ist. Der Schatz- 
meister zieht die Beiträge ein, führt die Kasse und verwaltet das Vermögen der 
Gesellschaft. 


$ 13. Beirat. 

Zur Unterstützung des Vorstandes wählt jede zweite Hauptversammlung 
durch Zuruf einen Beirat von 21 Mitgliedern, von denen höchstens 12 in Berlin 
wohnen dürfen. Die Beiratsmitglieder gelten als Vertrauenspersonen der Gesell- 
schaft und sind daher in allen wichtigen Fragen zu Rate zu ziehen. 


Satzung der Gesellschaft. 29 


Abschnitt 4. Mitgliederversammlungen. 


s$ 14. Hauptversammlung. 

Alljährlich findet eine Hauptversammlung statt, welche mindestens 14 Tage 
vorher den Mitgliedern bekannt zu machen ist. Auf jeder Hauptversammlung 
hat der Vorstand über die Verwaltung seines Amtes Bericht zu erstatten. Jede 
Hauptversammlung bestimmt den Ort der nächsten. 


$ 15. Mitgliederversammlung. 
Mitgliederversammlungen können vom Vorstande nach Bedarf einberufen 
werden. Er muß eine solche einberufen, wenn mindestens der 4. Teil der Mit- 
glieder es schriftlich unter Angabe zu besprechender Angelegenheiten verlangt, 
und zwar innerhalb der auf den Eingang des Antrages folgenden 4 Wochen. Eine 
solche Versammlung ist jedem Mitglied mindestens 14 Tage vorher mitzuteilen. 


$ 16. Sitzungen. 
Allmonatlich findet in Berlin eine wissenschaftliche Sitzung statt. Der Vor- 
stand hat das Recht, diese Sitzungen während der Sommermonate (Juli—September) 
ausfallen zu lassen. 


$ 17. Allgemeine Bestimmungen. 

Der erweiterte Vorstand bestimmt Zeit, Ort und Tagesordnung jeder Ver- 
sammlung. Er ist verpflichtet, Anträge, die von mindestens 6 Mitgliedern ein- 
gebracht werden, auf die Tagesordnung der gewünschten Versammlung zu setzen, 
wenn sie rechtzeitig, d. h. 4 Wochen vorher, beim Geschäftsführer eingehen. Die 
Beschlüsse werden, soweit nicht durch diese Satzung anders bestimmt, stets mit 
einfacher Stimmenmehrheit gefaßt. Die Einladung zu den Versammlungen erfolgt 
durch Postkarte oder Brief. 


Abschnitt 5. Besondere Bestimmungen. 


$ 135  Satzungsänderung. 

Satzungsänderungen können nur auf Hauptversammlungen beschlossen werden, 
wenn sie auf der mitgeteilten Tagesordnung gestanden haben Beschlüsse von 
Satzungsänderungen bedürfen einer Mehrheit von ®/, der erschienenen und !/, der 
vorhandenen Mitglieder, doch kann von der Erfüllung der letzten Bedingung ab- 
gesehen werden, wenn die Satzungsänderung von zwei aufeinander folgenden 
Hauptversammlungrn beschlossen wurde. 


$ 19. Auflösung. 

Die Auflösung der Gesellschaft kann nurin einer zu diesem Zweck besonders 
einberufenen Mitgliederversammlung beschlossen werden. Zur Gültigkeit des Be- 
schlusses ist die Zustimmung von ?/, der vorhandenen Mitglieder der Gesellschaft 
erforderlich. Die Abstimmung der nicht erschienenen Mitglieder hat schriftlich 
zu erfolgen. Im Falle der Auflösung fällt das Vereinsvermögen an die Säugetier- 
abteilung des Zoologischen Museums der Universität Berlin. 


13. März 1926. 


Berli Se Terre 
Fa #670ktober 1929, 


30 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


7.) Vorstand und Beirat für 1930. 


Die Wahl findet erst auf der Hauptversammlung am 7. 8. 1930 statt. Bis 
dahin bleiben Vorstand und Aufsichtsrat des Vorjahres im Amt (siehe pg. 26 des 
vierten Bandes unserer Zeitschrift). 


8.) Mitgliederverzeichnis. 


Stand vom 31. 3. 1930. 
(Die Zahlen vor den Namen sind die Mitgliedsnummern. Alle Zoologischen Gärten 
stehen unter „Garten‘‘ alle Museen unter ‚Museum‘, alle Institute unter „Institut“, 
alle Stellen unter ‚Stelle‘.) 


A. Korrespondierende Mitglieder. 
156 INTERNATIONALE GESELLSCHAFT ZUR ERHALTUNG DES WISENTS, 
Frankfurt a. M., Zoologischer Garten. 


B. Ordentliche Mitglieder. 
16 ABEL, Prof. Dr. OTHENIO, Wien XIII, Jenullgasse 2. 
2939 ABEL, Dr. WOLGANG, Wien XIII, Jenullgasse 2. 
155 ADAMETZ, Hofrat Prof. Dr., Wien, Hochschule für Bodenkultur. 
210 AHARONI, BATSCHEBA, Berlin N. W. 21, Essenerstr. 21. 
44 AHL, Dr. ERNST, Berlin N. 4, Invalidenstr. 43. 
165 AICHEL, Prof. Dr. OTTO, Kiel, Anthropologisches Institut. 
226 ALLEN, GL. M. Cambridge, Museum of Comparative Zoology (U. S. A.). 
250 AMON, RUDOLF, Wien, Schwarzspanierstr. 15. 
229 ARENDSEE, Dr., Berlin, Schillstr. 10. 
65 ARNDT, Dr. WALTHER, Berlin N. 4, Invalidenstr. 43. 
63 ANTONIUS, Direktor Dr. OTTO, Wien XIII, Schönbrunn, Tiergarten. 


295 BAHRDT, HANS-JOACHIM, Greifswald, Grimmerstr. 72. 

252 BAIER, WALTHER, Hannover, Tierärztl. Hochschule, Miesburgerdamm. 
271 BALSAC, Dr. HEIM de, Paris 6, 104 rue de Rennes (Frankreich). 

185 BEAUX, Prof. Dr. OSCAR de, Genua, Via Brig-Liguria 9 (Italien). 

140 BENICK, LUDWIG, Lübeck, Seydlitzstr. 19. 

231 BLUNTSCHLI, Prof. Dr. HANS, Frankfurt a. M., Holbeinstr. 31. 

293 BODENHEIMER, Prof. FRITZ, Jerusalem, Hebrew University (Palästina). 
64 BÖKER, Prof. Dr. HANS, Freiburg i. B., Jacobistr. 58. 

267 BOETHKE, PAUL, Berlin W. 30, Luitpoldstr. 11. 

58 BOETTICHER, Dr. HANS von, Coburg, Hinterm Glockenberg 1b. 

90 BRANDES, Prof. Dr. GUSTAV, Dresden-A., Tiergartenstr. 1. 

151 BRASS, Dr. AUGUST, Berlin S. W. 68, Friedrichstr. 55. 

114 BRASS, Konsul EMIL, Berlin W., Goltzstr. 21. 

35 BRESSLAU, Prof. Dr. ERNST, Köln a. Rh., Stapelhaus. 


Mitgliederverzeichnis. Sl 


223 BRINK, F. H. van den, Utrecht, Dillenburgstraat 19 (Holland). 
60 BROHMER, Dr. PAUL, Kiel, Karlstr. 38. 
108 BROMAN, Prof. Dr. IVAR, Lund, Rosenvillan (Schweden). 


257 CALINESCU, RAUL, Bukarest I, Str. Academici 14 (Rumänien). 
223 COOLIDGE, HAROLD, Boston, Berkeley Str. 203 (U. S. A.). 


216 DICE, RB. LEE, Ann Arbor, Michigan, University (U. S.A.). 

261 DIETRICH, Dr. WILHELM, Berlin N. 4, Invalidenstr. 43. 

11 DÖDERLEIN, Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. LUDWIG, München, Herzogstr. 64. 
69 DRAHN, Prof. Dr. FRITZ, Görlitz, Lindenweg 2. 

83 DUNGERN, ADOLF Frhr. von, Berlin-Grunewald, Paulsbornerstr. 2. 

28 DUERST, Prof. Dr. ULRICH, Bern, Neubrückerstr. 10 (Schweiz). 


8 ECKSTEIN, Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. KARL, Eberswalde. 
274 EGGELING, Prof. Dr. HEINRICH von, Breslau 16, Markt 6. 
209 EHIK, Dr. JULIUS, Budapest S0, Nationalmuseum (Ungarn). 
171 EISENTRAUT, Dr. MARTIN, Berlin N. 4, Invalidenstr. 48. 


58 FECHNER, ERNST, Berlin-Reinickendorf-Ost, Schönholzer Weg 9. 

22 FICK, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. RUDOLF, Berlin N. W. 23, Brückenallee 3. 

26 FISCHER, Prof. Dr. EUGEN, Berlin-Dahlem, Ihnestr. 22. 

199 FREUDENBERG, Prof. Dr. WILHELM, Schlierbach bei Heidelberg, Woltfs- 
brunnerweg 82. 

147 FRIEDENTHAL, Prof. Dr. HANS, Berlin C., Dorotheenstr. 13, 

116 FRITSCHE, KARL, Naturalienhandlung, Bremerhaven. 


125 GANDERT, Dr. OTTO-FRIEDRICH, Görlitz, Blumenstr. 29a. 

273 ZOOLOGISCHER GARTEN BERLIN, Berlin W. 62, Budapesterstr. 

17 ZOOLOGISCHER GARTEN KÖLN, Köln-Riehl. 

276 ZOOLOGISCHER GARTEN LEIPZIG, Leipzig. 

277 GEBBING, Dr., Leipzig, Zoologischer Garten. 

238 GERBER, ROBERT, Leipzig N 24, Leostr. 2. 

236 GESELLSCHAFT, NATURFORSCHENDE, Görlitz. 

191 GEYR VON SCHWEPPENBURG, Prof. Dr. HANS Freiherr, Hann.-Münden, 
Forstakademie. 

118 GIESELER, Dr. WILHELM, Tübingen, Lustnauer Allee 52. 

195 GIFFEN, Prof. Dr. ALBERT van, Groningen, Poststraat 6 (Holland). 

246 GLAESER, FRIEDRICH, Berlin N. 4, Invalidenstr. 48. 

83 GRIMPE, Dr. GEORG, Leipzig, Talstr. 33. 

1558 GROEBEN, GOERD von der, Wiese bei Reichenbach, Ostpr. 


98 HAGENBECK, HEINRICH, Stellingen bei Hamburg. 

99 HAGENBECK, LORENZ, Lockstedt bei Hamburg. 

269 HAHN, HERBERT, Berlin-Treptow, Defreggerstr. 1a. 

264 HALL, E,, Berkeley (Californien), Museum of Vertebrate Zoology (U. S. A.). 

101 HALLER VON HALLERSTEIN, Prof. Dr. VIKTOR Graf, Berlin NW., 
Luisenstr. 56. 

18 HANSEN, Geh. Reg.Rat Prof. Dr., Berlin-Zehlendorf, Sven-Hedinstr, 32. 

135 HARNISCH, Dr. O., Köln a. Rh., Stapelhaus. 


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Zoibschriib Für Buugshisrkunde, Bd, B, 1080, 


HARTA, BDITI, Berlin B, W, 29, Midieinstr, 44, 

IHAWTIG, OAKH LUDWIG, Berlin N, W,, Altonnorstbr, 19, 
HAUONKOORNE, Direktor Dr, VRIEDRION, Köln-Ktichl, Zoologischer Gnrten, 
HAVEHTADT, Dr, JOSEPIL, Niodorhwveorbook, Pont Bohnevordingen in Hann, 
PIIEIRIEIGIEH, Dir, GBEIEHATED, Tübingen, Zoologischen Instituk der Univornibit. 
IKOK, Direktor HEINZ, Munechon-Ianlsohing, Niorpmrle, 

IKOK, Geh, Hofrat Proß Dr, LUDWIG, Berlin W, 62, Zoologischer Gurten, 
HNINOK, Dr, LUTZ, Berlin W, 0%, Zoologischer Garten, 

IEINKOTIL, Dr, OBKANL, Borlin W. 62, Ayunmum, 

IENZOG, DIWTIEIOH, Gislon, Gosbhentn, BO, 

INN, Prof, Dr, KIOHARD, Borlın N, 4, Invalidenatr, Ab, 

NILZIISIMIER, Divolktor Dr, MAX, Bin.»Ohnrlobtenburg, Onnnbrückerstr, 17 
NOFFMANN, Dr, IK, 1, Basel, Albunanlage 97 (Nohweiz), 

HOLTZINAII, Oldenburg/Old,, Holbangerstr, A, 


JAUON, rolf, Dr, ARNOLD, Divsonden, Zwinger, 

JAHNTII, Dr, ALFRED, Iln.Behönsborg, L,andahutoratn, 87, 

INHTITUT, ANATOMINOHEN der "Wisriesblichen Hochschule, Berlin N. W.6, 
lnsonale, Dh, 

INHIITUT G BPNZIERDERTIRRZUONT, Doanin-Nolaon, ul,Bolnelkn LO (Polen). 
INHMTITUT 6 TIERZUOHT an der Mieorirablishen Hochschule Berlin N. W. 6, 
lulippabe, Ih 

INH, GEOLOGINOTL-PALAONTOLOGINOHEN — der Univornibit, Ber 
hin N, 4, Invalklenabe, All, 

INSTITUT, VWTERINAK-ANATOMISOHEN — der Univornibib Gioben, Wranlk 
lurborsbenkbe Ih, 

JUNK, Dr, WILIERBLM, Iorlın, W, 15, Nichninchentr, 04, 


KAHMANN, IINRMANN, Horlim-Hlowliba, Wlinoenabn, 5, 

KATTINGUR, Dr, UIMIL, Nürnberg, Heimmgnrbonwog TO, 

KINN, IHaron GIZA von, Godalla bei Ihudapenb (Unenen), 

KLINGHARDT, Proß Div WRANZ, Bpandauı, Mroihoib ih 

KOOH, MARIN, Borlıin N, Y4, Prinz Nmodrmoh KarlStr, B, 

KoOdl, De, WALTER, München, Neuhnunernbn, DE, 

KOLLHENK, Dr, GOTTERIND, Bin-Dahlem, Kaiser Wilhelm Inab, I, Biologie, 
KOLLUNK, Dr, OTTO, Wien 1, Burerine 7, 

KONMON, Genelluchaltb der Naturfreunde, Dbubbganb, Ilisoratn, 5, 

Koll, Dev KONRAD, Nuokow, Miävrlk, Nohweis, Wrisesonerntn, DO, 
KRAUSNSI, WALTER, Leipaie N 99, Nikolamatır, W8/84, 

KRUTZOL NIKOLAUS, Ihnlapent, Nlelama ub Id (Ungarn), 

KRUlTzlk, ALO, Greitfawald u PP, Biamarokatn, 5, 

KRINSONN, Do RUDOLM, Bin. Wilmersdont, Meoklenburgische Str, 8b, 
KRONAUOMUR, Pro, De, U, Berlin Nd, Invalldanatr, dY, 

KRUMBINGNL, De INGO, Gvellawald 4 P, Zoolog, Inst, der Universität, 
KÜNUNWMANN, ARNOLD, Beriim»-Neukölln, Mainsorstr, 8, 

KUIDPER, Divaktor Di, KOUNRAD, Wobterdam, Zoologischer Garten (Holland). 
KUMMURLOWE, HANS, beipsig O1, Olschontumstn, O6 

NUNVZN, Du ROMAN, Lwow, ul Ujejalktogo I (Volen), 


198 


Mitgliederverzeichnis. 33 


LEISEWITZ, Prof. Dr. WILHELM, München, Wolfrathshauserstr. 17. 
LEITHNER, Dr. OTTO Frhr. von, Paris 16a, Boulevard Seeshof 45 (Frankreich). 
LEMM, RICHARD, Bin.-Niederschönhausen, Lindenstr. 35b. 

LIPS, Dr. RUDOLF, Berlin N. 113, Stahlheimerstr. 25. 

LÖNNBERG, Prof. Dr. EINAR, Stockholm 50, Naturhistor. Museum (Schweden). 
LOEWE, J. R., Potsdam, Kronprinzenstr. 24/25. 

LUCHS, Oberstleutnant a. D. FRIEDRICH, Leipzig, Ipa. 
LUÜTTSCHWAGER, Dr. HANS, Danzig, Kollathstr. 7. 


MAIR, Dr. RUDOLF, Berlin NW. 6, Luisenstr. 56. 

MAMPE, CARL MAMPE A.-G., Berlin SW. 11, Halleschestr. 17. 
MANGOLD, Prof. Dr. ERNST, Berlin N. 4, Invalidenstr. 42. 
MATSCHIE, Frau FRANZISKA, Bln.-Friedenau, Stubenrauchstr. 48 
MAYR, Dr. ERNST, Berlin N. 4, Invalidenstr. 43. 

MEISE, EVA, Dresden-Loschwitz, Wuttkestr. 1. 

MEISENHEIMER, Prof. Dr. JOHANNES, Leipzig C 1, Talstr. 33. 
MEER, HERMAN TER, Leipzig-Connewitz, Kochstr. 111. 
MEISSNER, Direktor MAX, Berlin SW. 61, Wilmsstr. 17. 
MEIXNER, Dr. JOSEF, Graz III, Universitätsplatz 2. 

MENDEL, JOSEPH, Bln.-Wilmersdorf, Berlinerstr. 15. 

MERTENS, Prof. Dr. AUGUST, Magdeburg, Domplatz 5. 
MERTENS, Dr. ROBERT, Frankfurt a. M., Viktoriaallee 7. 

MERZ, ERICH, Frohnau, Fürstendamm 15. 

MEYN, Dr. ADOLF, Leipzig © 1, Linnöstr. 11. 

MOHR, ERNA, Ahrensburg (Holstein), Hamburgerstr. 28. 
MOLLISON, Prof Dr., München, Neuhauserstr. 51. 

MOSLER, Dr. EDUARD, Schwanenwerder, Post Wannsee. 

MOST, KONRAD, Bln.-Wilmersdorf, Gerdauenerstr. 9. 

MÜLLER, DETLEY, Berlin W 62, Burggrafenstr. 18. 

MÜLLER, Dr. FERDINAND, Erkner bei Berlin, Am Rund 8. 
MÜLLER, Dr. RICHARD J., Königsberg (Pr.), Zoologischer Garten. 
MÜNZESHEIMER, Dr. FRITZ, Bln.-Charlottenburg, Grolmanstr. 32/33. 
MUSEUM für Natur-, Handels- und Völkerkunde, Bremen. 
MUSEUM, ZOOLOGISCHES — in Hamburg, Steintorwall. 
MUSEUM, PROVINZIAL —, Hannover. 

MUSEUM, TRING —. Herts (England). 

MUSEUM, RIJKS — VAN NATUURLIJKE HISTORIE, Leiden (Holland). 
MUSEUM, Naturhistorisches- (Oddriat Porzrodmezy Muzeum Wlkp.) Poznan, 
Gajowa 5 (Polen). 

NACHTSHEIM, Prof. Dr. HANS, Berlin-Dahlem, Schorlemerallee. 
NEUMANN, JULIUS, Neudamm. 

NEUMANN, Prof. OSCAR, Bln.-Charlottenburg, Wilmersdorferstr. 74. 
NEUMANN-KLEINPAUL, Prof. Dr., Berlin NW. 6, Luisenstr, 56. 
NÖLLER, Prof. Dr. WILHELM, Berlin NW. 6, Luisenstr. 56. 


OHNESORGE, Landgerichtsdirektor KURT, Bln.-Grunewald, Reinerzstr, 3. 
OGNEFF, Prof. SERGIUS J., Moskau, Zoologisches Museum der 1. Univer- 
sität (U. 8. S. R.). 


3 


34 


230 
245 
268 


Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


PAX, Prof. Dr. F., Breslau 10, Am Wäldchen 12. 

PELTZER, Direktor CARL, Hannover-Linden, Deisterstr. 81. 
PETERS, Dr. HERMANN, Kiel, Kunostr. 6. 

PETERS, Dr. NIKOLAUS, Hamburg, Steintorwall. 

PETZSCH, HANS. Pesterwitz, An der Winzerei 4. 

POHLE, CHARLOTTE, Berlin N 113, Kuglerstr. 127. 

POHLE, Dr. HERMANN, Berlin N. 4, Invalidenstr. 43. 
POMPECKJ, Geh. Bergrat Prof. Dr. JOSEF FELIX, Berlin N. 4, Invaliden- 
straße 43. 

PRELL, Prof. Dr. H., Tharandt, Forschungsstelle für Pelztierkunde. 
PRIEMEL, Direktor Dr. KURT, Frankfurt a. M., Hölderlinstr. 14. 
PROELL, Prof. Dr. FRIEDRICH, Greifswald, Fischstr. 12. 

PROTZ, HANS, Berlin N. 4, Invalidenstr. 43. 


RAITSITS, Prof. Dr. EMIL, Budapest, Rotrenbilla u. 23/25 (Ungarn). 
REICHLING, Direktor Dr. HERMANN, Münster, Westfalen, Tuckesburg. 
REINBERGER, GUSTAV, Lyck, Ostpreußen, Königin-Luise-Platz 6. 
REINWALD, Prof. EDWIN, Tallium (Reval). Toornkooli 1/2 (Estland). 
REMANE, Dr. ADOLF, Kiel, Zoologisches Institut. 

RHUMBLER, Prof. Dr. LUDWIG, Hann.-Münden, Ueckerhagenerstr. 73. 
RICHTER, WILLY, Berlin N. 4, Invalidenstr. 43. 

RIEMER, Fabrikbesitzer JULIUS, Berlin-Tempelhof, Berlinerstr. 163. 
RIESENTHAL, Oberst EBERHARD von, Berlin-Waidmannslust, Waid- 
mannstr. 102, 

ROEDER, ULRICH, Leipzig C. 1, Färberstr. 12. 

ROSTAFINSKI, Prof. Dr. JAN von, Warschau, Hoca 74 (Polen). 

RUGE, OTTO, Berlin-Karlshorst, Sadowastr. 1. 

RUHE, HERMANN, Alfeld-Leine. 

RÜMMLER, HANS, Berlin SW. 61, Lankwitzstr. 5. 


SACHTLEBEN, Dr. HANS, Berlin-Dahlem, Biologische Reichsanstalt für 
Land- und Forstwirtschaft. | 
SAMMLUNG, ZOOLOGISCHE — des bayrischen Staates, München, Neu- 
hauserstraße 51. 

SARASIN, Direktor Dr. FRITZ, Basel, Spitalstr. 22 (Schweiz). 

SCHENK, CHARLOTTE, Berlin N. 4, Invalidenstr. 43. 

SCHERPING, ULRICH, Berlin-Lankwitz, Schulstr. 6. 

SCHLÜTER, Dr. SCHLÜTER & Dr. MASS, Halle a. S. 

SCHMIDT, Dr. FRITZ, Halle a. S. 

SCHMIDT, Dr. FRITZ, Moskauer Zoofarm, Station Puschkino, Nordbahn, 
Pestler 22 (U.S.S.R.). 

SCHMIDTGEN, Prof. Dr. OTTO, Mainz, Naturhistor. Museum. 
SCHNEIDER, ELFRIEDE, Berlin W. 62, Zool. Garten. 

SCHNEIDER, Dr. KARL MAX, Leipzig, Zool. Garten. 

SCHOMBURGK, HANS, Frankfurt a. M., Friedbergerlandstr. 

SCHÖNBERG, Dr. FRITZ, Berlin NO. 18, Kniprodsstr. 122. 

SCHÖPS, Dr. PAUL, Leipzig, Nikolaistr. 23—32. 

SCHRÖDER, Dr. OLAW, Kiel, Zoologisches Museum. 


Mitgliederverzeichnis. 35 


10 SCHUBOTZ, Prof. Dr. HERMANN, Berlin NW., Friedrich Wilhelmstr. 8. 


211 


SCHWANGART, Prof. Dr. FRIEDRICH, Kötschenbroda, Carolstr. 8, 
SCHWARZ, Dr. ERNST, Berlin N. 4, Inyalidenstr. 43. 

SCHWERIN, WOLDEMAR Graf von, Bohrau, Kr. Oels. 

SCHWIDETZKY, Stadtrat GEORG, Leipzig-Oetzsch, Mittelstr. 4. 

SEITZ, KARL, Berlin W. 62, Aquarium. 

SIEWERT, Forstreferendar HORST, Dieblitztal bei Puppen, Bez. Allenstein. 
SOKOLOWSKY, Dr. ALEXANDER, Hamburg-Eimsbüttel, Lappenbergsallee 10. 
SOERGEL, Prof. Dr. WOLFGANG, Breslau, Schuhbrücke 38/39. 

SPATZ, PAUL, Berlin W. 62, Keithstr. 6. 

SPÖTTEL, Privatdozent Dr. WALTER, Halle a. S., Landwehrstr. 7. 
SPREHN, Dr. CURT, Leipzig, Linnestr. 11. 

STADTBIBLIOTHEK, BERLINER, Berlin C. 2, Breitestr. 37. 

STAESCHE, Dr. KARL, Berlin N. 4, Invalidenstr. 44. 

STANG, Prof. Dr. VALENTIN, Berlin NW. 6, Luisenstr. 56. 

STEIN, GEORG, Reipzig, Frankfurt a. O. Land. 

STEINMETZ, Dr. H., Charlottenburg, Tegelerweg 183. 

STELLE, STAATLICHE — für Naturdenkmalpflege in Preußen, Bln.-Schöne- 
berg, Grunewaldstr. 6/7. 

STICHEL, Dr. WOLFGANG, Leipzig, Königsstr. 20. 

STOETZNER-LUND, VICTOR, Berlin-Pankow, Breitestr. 

STRASSEN, Prof. Dr. OTTO zur, Frankfurt a. M., Cronstettenstr. 19. 
STRAUCH, Prof. Dr. CURT, Berlin NW. 6, Luisenplatz 9. 

STREHLKE, Oberstleutnant FRITZ, Berlin W. 50, Ansbacherstr. 26. 
STRÖSE, Geh. Reg.-Rat Dr. AUGUST, Bin.-Zehlendorf Wsb., Ahornstr. 21. 
SUNIER, Dr. ARMAND LOUIS JEAN, Amsterdam, Zoologischer Garten 
(Holland). 

SZCERKOWSKIT, Direktor KASIMIR, Posen, Zoolog. Garten (Polen), 
THÄTER, Direktor Dr. KARL, Nürnberg, Zoologischer Garten, 
THORMANN, CHARLOTTE, Berlin-Karlshorst, Sadowastr. 1. 

TOLDT jun., Hofrat Prof, Dr. KARL, Innsbruck, Müllerstr. 30, 

TRATZ, Direktor Dr. EDUARD PAUL, Salzburg, Augustinergasse 14. 
TUROV, Prof. SERGIUS, Wladikawkas, Markusstr. 20 (U.8.8,R.). 


UMLAUFF, JOHANNES, Hamburg, Eckernförderstr. 85. 


VALLENTIN, Dr. ERNST, Berlin W. 30, Luitpoldstr. 34. 
VERSLUYS, Prof. Dr. JAN, Wien 19, Grinzingerallee 18. 
VIRCHOW, Geh. Reg-Rat Prof. Dr. HANS, Berlin-Charlottenburg, 'Knese- 


beckstraße 78/79. 
VOGEL, Geh, Hofrat Prof. Dr. LEONHARD, München NO 6, Veterinärstr, 6, 


WEBER, Prof. Dr. MAX, Eerbeek (Holland). 

WEIDHOLZ, ALFRED, Wien 9, Liechtensteinstr. 3. 

WEIGELT, Prof. Dr. JOHANNES, Halle a. S., Wettinerstr, 37, 
WENDNAGEL, Direktor ADOLF, Basel, Zoologischer Garten (Schweiz). 
WENDRINER, Dr. LUTZ, Berlin NO. 55, Prenzlauerallee 218, 


WESTENHÖFER, Prof. Dr. MAX, z. Z. Chile, 
5*F 


Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


WETTSTEIN, Dr. OTTO, Wien 1, Burgring 7. 
WIESEL, Dr. LUDWIG, Hundeluft, Kr, Zerbst/Anhalt. 


WINOGRADOW, B. S., Petersburg, Zool. Mus. der Akad. d. Wiss. {U.S.S.R.). 


WOKER, Medizinalrat Dr. A. F., Berlin W. 62, Bayreutherstr. 3. 
WOLFF, Dr. BRUNO, Neuzelle, Kr. Guben. 

WOLFF, Prof. Dr. MAX, Eberswalde, Moltkestr. 19. 
WOLFGRAMM, DIETRICH, Berlin W. 35, Steglitzerstr. 47. 
WÜST, Prof. Dr. EWALD, Kiel, Schwanenweg 20 a, 


ZEDTWITZ, Dr. FRANZ XAVER Graf, Berlin W. 62, Zoologischer Garten. 


ZEHLE, ERNST, Berlin-Charlottenburg 4, Schlüterstr. 60, 

ZIMMER, Prof. Dr. CARL, Berlin N. 4, Invalidenstr. 43. 
ZIMMERMANN, KLAUS, Berlin-Grunewald, Kunostr. 57. 
ZIMMERMANN, RUDOLF, Dresden-A., Marienstr. 32. 

ZUKOWSKY, LUDWIG, Stellingen, Bez. Hamburg, Hagenbecks Tierpark. 
ZUNKER, Dr. MARTIN, Berlin-Grunewald, Kühler Weg 2. 


Die Mitglieder werden gebeten, den Geschäftsführer auf falsche oder un- 
genaue Angaben aufmerksam zu machen, sowie Adressenänderungen sofort mit- 


zuteilen. 


ll. Referate. 


1.) SSOLOWwJEW’s Grundlagen der Jagdkunde. 
Von Dr. M. KLEMM (Potsdam). 


Das Werk von SSOLOWJEW („Grundlagen der Jagdkunde“. Von 
Prof. Dr. D. K. SSOLOWJEW. Systematischer Leitfaden über das russische Jagd- 
wesen. Fünf Bände mit zahlreichen Abbildungen. Leningrad-Moskau 1922—1929), 
dem Leiter der Hochschule für Jagdkunde und Professor für Jagdkunde am Forst- 
institut in Leningrad, ist zur Zeit in seiner Vielseitigkeit das größte und um- 
fassendste, das über die russische Jagdkunde überhaupt erschienen ist. 
Das große Sammelwerk ist mehr als Lehr- und Handbuch geschrieben und 
umfaßt in sehr konzentrierter Form eigentlich alles, was für einen Jäger 
wissenswert ist. Aber der Verfasser hat sein Werk nicht nur für den Jagdlieb- 
haber geschrieben. Das kann auch nicht von ihm erwartet werden, zumal es doch 
in Rußland etwa 2 Millionen Menschen gibt, die in der Jagd ihre einzige Existenz- 
möglichkeit haben. Vielmehr wendet sich das Buch an denjenigen, der die Jagd 
in ihrer großen volkswirtschaftlichen Bedeutung als angewandte Wissenschaft zu 
erfassen bestrebt ist. Es ist unmöglich, in dieser kurzen Besprechung alles her- 
vorzuheben, was von Wichtigkeit ist. Ich muß mich daher auf einen kurzen Über- 
blick über den Inhalt des vorliegenden Werkes beschränken. 

Der I. Band (S. 1—160, 1922) enthält die Beschreibung des Jagdwesens und 
seine Beziehung zur Menschheit und menschlichen Wirtschaft, die Geschichte des 
Jagdwesens und die Entwicklung der Jagd in Rußland. Er enthält weiterhin die 
Beschreibung der jagdbaren Tiere, ihre Systematik, Lebensweise und geographische 
Verbreitung, ihre wirtschaftliche Bedeutung und die Maßnahmen zur Bekämpfung 
von Raubzeug. 

Der II. Band (S. 165—324, 1922) umfaßt die Beschreibung der Jagdwaffen 
vom Pfeil und Bogen bis zu den modernsten Jagdgewehren, eine Schilderung 
über die Geschichte und den Stand der Waffenproduktion in Rußland und eine 
Beschreibung der Tierfangmethoden. Dabei sind die verschiedenen Fangvorrich- 
tungen der Völkerstämme Rußlands beschrieben. 

Der III. Band (S. 325—580, 1925) ist der Jagdwirtschaft, der Wildpflege 
und der Jagd selbst gewidmet. Hier werden technische Fragen der Organisation 
und Führung der Jagdwirtschaft, Wildschutzgebiete, Pelztier-, Hirsch-, (Maralen- 
zucht) Fasanen-, Rebhühner-, Haselhühner-, Wildenten- und Hasenzucht besprochen. 
Bei der Besprechung der Jagdwirtschaft ist die Bedeutnng der einzelnen geogra- 
phischen Gebiete besonders hervorgehoben worden. 


38 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Der IV. Band (S. 581—900, 1926) umfaßt die Ethnographie der Jägervölker 
des asiatischen und europäischen Rußlands; Jagdrecht und Jägervereinigungen 
der Jägervölker, Jagdgesetzkunde und Wirtschaftslehre der Jagd. Dabei sei be- 
merkt, daß von etwa 2 Millionen Jagdausübenden nur 250000 einen Jagdschein 
besitzen, d. h. auf 12 Inhaber von Jagdscheinen durchschnittlich 88 „Wilderer“ 
entfallen, die keinem Jagdverband angehören und außer Kontrolle stehen. Aller- 
dings kann man diese letzteren nicht schlechthin als Wilddiebe ansehen. Hierher 
gehören, wenn man sämtliche „wilden“ Jäger nach der wirtschaftlichen Bedeutung 
des Jagdgewerbes für ihre Existenz zusammenfaßt, zahlreiche Unzivilisierte, die 
nur durch Hebung des allgemeinen Kulturstandes organisiert werden können. 
Strenge Strafen und polizeiliche Kontrolle sind hier zwecklos. Neben dieser 
Gruppe der Berufsjäger, deren Existenz allein durch die Jagdbeute bestritten 
wird, gibt es noch die Gruppe der Jäger, bei denen die Jagd nicht das einzige 
Mittel zur Bestreitung der Existenz ist, diejenigen, die ihrer Jagdleidenschaft 
nachgehen, aber so mittellos sind, daß sie den geringen Betrag für einen Jagd- 
schein nicht erstehen können; vom weidmännischen Standpunkt gesehen, handelt 
es sich bei diesen meist nicht um geringwertige Jäger. Schließlich gibt es noch 
eine dritte Gruppe, die der „zivilisierten“ Jagdliebhaber. Zu dieser Kategorie 
rechnen die gefährlichsten Wildfeinde, jene Halbzivilisierten — meist Industrie- 
arbeiter und Stadtbewolhner — die teils aus Habgier und Gewinnsucht, teils aus 
aus einem gewissen Sport erbarmungslos alles Wild, das ihnen vor die Flinte 
kommt, abschießen. Berechtigterweise werden diese am schärfsten verfolgt und 
bestraft. Im Vergleich zur Vorkriegszeit werden jetzt auch eine größere Zahl 
wegen Wilddieberei strafrechtlich verfolgt. 


Der Übergang der primitiven Jägervölker zur Viehzucht oder zum Ackerbau 
ist immer mit einer schonungslosen Vernichtung der Wildbestände der Umgebung 
der Kulturentwicklung verbunden. Viel später, auf höherer Kulturstufe, wird das 
Wild geschützt, ja sogar eingeführt und gezüchtet. Dieser Übergang von der 
Jagd zur Landwirtschaft hat in vielen Gebieten Rußlands eine starke Abnahme 
des Wildbestandes zur Folge gehabt. In Deutschland, dessen Fläche nur den 
40. Teil derjenigen Rußlands ausmacht und dessen Bevölkerungsdichte 16 mal 
stärker als die Rußlands ist, entfallen durchschnittlich 1 kg Wildfleisch als Jagd- 
beute auf 1 ha, in Rußland dagegen nur S0—90 gr. 


Der große Bedarf an Jagdwaffen in Rußland ist zu ersehen aus der Tat- 
sache, daß vor dem Kriege etwa 150000 Gewehre je Jahr aus dem Auslande ein- 
geführt wurden. Heute decken die russischen Fabriken diesen Bedarf mit etwa 
70000 Stück je Jahr, d. h. also nur einen Teil des wachsenden Bedarfs. Dazu 
kommt noch, daß Krieg und Revolution zur Vernichtung eines nicht unbeträcht- 
lichen Teiles von Jagdwaffen geführt haben. Infolge der Schwierigkeit, die er- 
forderlichen Waffen und Munition zu beschaffen, nahm in der Folgezeit fast überall 
der Wildbestand zu. Noch heute haben in einzelnen Gebieten über 25 °/, der Jäger 
überhaupt keine Feuerwaffen. Sehr Charakteristisches für das russische Jagdwesen 
ergibt sich aus dem Vergleich der wirtschaftlichen Stellung der Jagd für die drei 
verschiedenen Jägergruppen. Die Jägervölker — etwa 250000 Jäger — besitzen 
die reichhaltigste und komplizierteste Jagdausrüstung. Das primitivste Jagd- 
inventar besitzt die Gruppe, — umfassend 1250000 Jäger — wo die Jagd als 


M. KLEMM, SSOLOWJEW’s Grundlagen der Jagdkunde. 39 


Nebengewerbe betrieben wird. Dazwischen steht der Inventarwert der Gruppe 
von Jägern, die die Jagd aus Sport oder Liebhaberei betreiben. 

Der Gesamtreinertrag aller drei Gruppen beträgt etwa 50 Millionen Rubel 
je Jahr, wobei rund 10 Millionen Rubel an Steuern auf die dritte Gruppe ent- 
fallen. Die allgemeine wirtschaftliche Lage der Jagd in Rußland stellt sich etwa 
wie folgt dar: 


1. Wildwert — Rauchwaren . . . . 95000000 Rubel 
2. Gewinn durch Vertilgung von Beubesug . 10.000 000 n 
3. Direkte Staatseinnahme . . . . 2... 12000000 ei 
4. Jagdwaffen und andere en 2 02..9000.000 ® 
5. Jagdinventar . . =2222.9,000:000 „ 
6. Durch Umsatz von ern. aus a Jagd 50 000 000 a 


182 000 000 Rubel 
ca. 365 000 000 dtsch. RM. 


Die Jagd hat in Rußland eine große wirtschaftliche Bedeutung für etwa 
8000000 Menschen (Jägerfamilien und Jagdwaffenfabrikarbeiter). Nach statisti- 
schen Angaben wurden u. a. in Rußland 10000 Bären, 30000 Wölfe, 250 000 
Füchse (außer Blau- und Silberfüchsen), 7000 Luchse, 60 Tiger, 15 Millionen 
Eichhörnchen, 16 Millionen Hasen, 20000 Moschustiere, 25000 Wildschweine, 
200 Rothirsche, 70000 Elche und 200000 Rehe je Jahr erlegt. 

Der V. Band (S. 907—1012, 1929) des vorliegenden Werkes umfaßt ein- 
gehende Kapitel über die wissenschaftliche Tätigkeit auf dem Gebiete des Jagd- 
wesens, pädagogische Arbeit, Literatur, Versuchs- und Musterwirtschaiten, Jagd 
auf Seetiere, Jagd im Auslande und ein umfangreiches Verzeichnis jagdkundlicher 
Literatur. 


40 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


2.) Aus dem Jugendleben des Fischotters. 
Von KARL ECKSTEIN (Eberswalde). 
Mit drei Abbildungen auf Tafel I). 


Es war am 31. Juli 1911, als im Zoologischen Institut der Forstakademie 
zu Eberswalde ein Mann erschien und drei junge Fischottern, die 
beim Mähen einer Wiese gefunden worden waren, zum Kaufe anbot. Bald 
war man handelseinig. Die für je zwei Mark erstandenen Tierchen brachte 
ich nach Hause, freudig begrüßt von meiner Kollihündin Nora, bei der, wie 
ich bereits aus Erfahrung wußte, die mütterlichen Instinkte merkwürdig stark 
ausgeprägt sind. Hatte sie sich doch schon um junge Katzen, Kaninchen, 
Hühner eifrig bemüht, sie beschnuppert und beleckt; liebevolle Annäherungen, 
welche von den Katzen und Hühnern leider falsch verstanden wurden, da 
letztere sich fürchteten und bei ersteren die angeborene sprichwörtliche 
Feindschaft zum Hunde in bekannter Art zum Ausdruck kam. Dagegen ist 
Nora nie zu bewegen, ein totes Tier anzufassen, sie beschnuppert es lange, 
aber sie bringt es nie, während sie im übrigen gut apportiert. 

Kaum sah sie also die kleinen dunkelkaffeebraunen Tierchen, als sie 
— mit Zeichen der lebhaftesten Freude — die hilflosen Dinger eifrig, doch 
sanft mit der Schnauze hin und her drehte, herumwälzte, leckte und sich 
schließlich niederlegte, um sie mütterlich zu betreuen. Damit wurde uns die 
große Sorge um die tadellose Reinhaltung und die Pflege der Kleinen, vor 
allem auch die Erwärmung derselben, abgenommen. 

Aus der Gummihaube einer Pipette ward ein Saugpfropfen gemacht, 
und bald nahmen die kleinen Raubtiere aus der Flasche gerne die etwas 
mit Wasser verdünnte Kuhmilch. Vom dritten Tage ab fiel die Zugabe von 
Wasser weg. 

Die Hundehütte auf der geräumigen Veranda, von der Treppenstufen 
in den Garten führen, ward zum Lager für die ÖOttern und ihre Pflege- 
mutter, an deren Bauch die kleinen, grauäugigen, einfarbig braunen Ottern 
vergeblich suchten. Wenn sie aus der Flasche tranken, lagen sie entweder 
auf dem Bauche mit nach hinten ausgestreckten, dicht an den Schwanz ge- 
legten Hinterbeinen, deren Sohle flach nach oben kehrend, oder auf dem 
Rücken, die Hinterbeine ebenfalls ausgestreckt. Von oben sah man, wenn 


1) Abdruck nach: Aus der Natur 8, pg. 21—28, 1912. Für die Abdruck- 
erlaubnis und die Überlassung der Klischees möchte ich auch hier der Firma 
Quelle & Meyer, Leipzig, herzlichen Dank sagen. 


K. ECKSTEIN, Aus dem Jugendleben des Fischotters. 41 


die Tiere so auf dem Bauche lagen, den Rücken des Körpers und die 
Sohle der hinterwärts gestreckten Hinterbeine. Waren sie beim Trinken 
eingeschlafen, dann hielten sie die Vorderbeine angezogen, genau so wie ein 
Kind mit hochgehobenen Armen in der Wiege schläft. Beim Unterschlüpfen 
unter ein Bein des Hundes wurde die Kraftentfaltung durch kreisförmiges 
Schlagen des Schwanzes gefördert. 


Am 2. August, kurz nachdem sie zusammen eine Tasse Milch aus der 
Flasche getrunken hatten, wurden sie gewogen: 593, 620, 630 g war das 
Körpergewicht. Ihre Länge von der Schnauze bis zur Schwanzspitze betrug 
bei allen bereits 40 cm. Inzwischen war festgestellt worden, daß oben und 
unten bei allen die Eckzähne bereits durchgebrochen waren. Die Backen- 
zähne zu untersuchen, war, ohne die Tierchen zu quälen, nicht möglich; 
die Schneidezähne fehlten. 


Am 4. August fiel es auf, daß der eine Otter die Flasche nicht gerne 
annahm und nur sehr wenig trank. Sollte er bei der Hündin etwas gefunden 
haben? Schon drei Tage vorher war aus den Warzen derselben beim Drücken 
ein Tröpfehen Milch ausgetreten. Tatsächlich entwickelten sich die Milch- 
drüsen der Pflegerin, und der treue Hund nahm uns auch noch einen Teil 
der Arbeit des Fütterns ab (Abb. 1). Der 6. August war ein Unglückstag, 
Vormittags 1i Uhr waren die Ottern aus der Hundehütte gekrochen, das 
Männchen und eines der beiden Weibchen hatten die Treppe gefunden und 
waren 3 m hoch heruntergestürzt. Man brachte sie mir in das Zimmer, 
Das Weibchen war gesund und bei dem schweren Fall unbeschädigt davon- 
gekommen; es wurde sofort zum Hund gebracht. Das Männchen schien dem 
Verenden nahe, es schrie mit offenstehendem Maul; die Augen waren ge- 
schlossen, die vier Beine ausgestreckt. Kurze Zeit hielt ich es in der Hand; 
kaum hatte ich es auf den Tisch gelegt, als minutenlanger Starrkrampf 
eintrat. Die Beine waren unbeweglich, Es wurde in einen kleinen Korb 
gelegt, der auf meinem Tische stand. In einem unbewachten Augenblick 
eilte der Hund herbei, riß die Decke herunter, aber erschreckt durch die 
herabfallenden Bücher und Manuskripte hielt er inne, sonst wäre das un- 
glückliche Geschöpf nochmals gestürzt. Nachdem die Krampferscheinungen 
vorüber waren, setzte das Schreien wieder ein; allmählich beruhigte sich der 
Patient und verfiel in Schlaf. 


Das Maul war immer noch nicht geschlossen, und Versuche ihm Milch 
einzuflößen scheiterten, weil das Tier nicht schluckte. Über Nacht wurde 
es mit einem Termophor im Körbchen warm gebettet. Und in der Tat 
wurde die Nacht wider alles Erwarten gut überstanden. (An dem geöffneten 


42 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Maul konnte der Durchbruch der oberen äußeren Schneidezähne, sowie ein 
großer Backenzahn, wahrscheinlich der obere Reißzahn, festgestellt werden.) 

Die beiden gesunden Weibchen liefen zum ersten Male am 10. August 
auf der Veranda umher. Das kranke Männchen hatte sich in diesen vier 
Tagen ziemlich erholt, doch fiel es noch, wenn es zu laufen versuchte, auf 
die Seite, und sein Kopf flog beständig wackelnd hin und her. Der nächste 
Tag brachte ihm neues Weh. Beim Füttern fiel es durch Unachtsamkeit 
des Fütternden zur Erde und war infolgedessen wieder schwächer und matter. 
Während die beiden Weibchen in diesen Tagen ständig zugenommen hatten, 
war das kranke Tier merklieh zurückgegangen. Am 12. August maß es 40, 
die Weibchen 41 und 43 cm, das Körpergewicht betrug 677, 622 und 502 8. 
Das Männchen hatte also seit dem Sturz 91 g an Körpergewicht verloren. 

Bisher hatte niemals eine freiwillige Harn- oder Kotentleerung statt- 
gefunden; zum Harnen wurden die Tierchen durch das Lecken des Hundes 
gereizt. Die Kotentleerung erfolgte, sobald er beim Lecken mit der Nase 
kräftig über den Bauch hinfuhr. Der Kot, den die Ottern vom Augenblick 
an, da sie umherlaufen, selbständig ausstoßen, ist grüngelb, dünn, nicht ein- 
heitlich breiig, sondern besteht aus einem Gerinnsel, leicht weichen, etwas 
länglichen Stückchen, die einen kleinen lockeren Fladen bilden; gleichzeitig 
mit dem Kot wird stets reichlich Harn entleert, in dem sich die kleinen 
Kotstückchen mehr oder minder verteilen. Nie wurde das Nest — die Hunde- 
hütte — beschmutzt, zur Verrichtung der Notdurft vielmehr stets ein be- 
sonderes Plätzchen — leider mit Vorliebe die Wand des Hauses — auf- 
gesucht, und mit geradeaus gestrecktem Schwanz wurden Kot und Harn 
entleert. 

Der Pelz der Tierchen ist gleichmäßig braun, nur der Ohrenrand weißlich, 
auch das Kinn, die Kehle und die Kopfseiten vom Mundwinkel bis zu den Ohren 
zeigen einen weißlichen Schimmer. Durch den gleichmäßig kurzhaarigen, glatten 
Pelz treten die Grannenhaare deutlich hervor. Beide Geschlechter lassen sich an 
einer besonderen Färbung der Lippen unterscheiden. Diese fallen beim Märnchen 
(22. Aug. 1911) durch ihre gelbe Färbung auf, sie sind nach etwa acht Tagen 
(27. Aug.) leuchtend ockergelb; doch verlor sich später diese Farbe wieder und 
wurde bis zum 1. Nov. 1911 bis zur Undeutlichkeit schwächer. 

Ein weiterer Unterschied der Geschlechter meiner Tierchen besteht in der 
Form des Kopfes. Jener der beiden Weibchen ist eiförmig, oben abgeplattet, 
während das Männchen eine auffallend ansteigende Stirn, überhaupt einen höheren 
gewölbteren Kopf besitzt. Sollte dies von dem Falle herrühren? Wenn es sich 
auch täglich mehr und mehr erholte, so waren die Lähmungserscheinungen, Ver- 


sagen des rechten Vorderbeines, Taumeln, Purzeln, Umfallen auf die rechte Seite, 
noch sehr störend. 


Die zutraulichen Geschöpfe folgen mir nach, wie junge Hunde es tun; 


K. ECKSTEIN, Aus dem Jugendleben des Fischotters. 43 


gehe ich etwas rascher, so setzen sie sich in Trab, das Männchen schlägt 
einen Linksgalopp an. Später galoppieren alle drei, wenn sie mir durch 
das Zimmer über den Flur in die Küche folgen oder dem Hund im Garten 
nacheilen, in den sie vorsichtig im Korb oder auf dem Arm getragen wurden. 
Am 22. August beginnen sie zu spielen, sowohl miteinander, wie mit fremden 
Gegenständen, einem starken Bindfaden, einem Gummischlauch, einem kleinen 
Stock, sie fangen nun an, einander in die Ohren zu beißen, zerren sich; 
ebenso spielt seit einiger Zeit (5. Sept.) der Hund sehr lebhaft mit ihnen, 
sowohl im Zwinger wie auf dem Rasen, er nimmt ihren ganzen Kopf ins 
Maul und schleppt sie so umher, rennt weg, die kleine Gesellschaft nach 
Kräften ihm nach, sie klettern auf ihm herum, beißen seine Ohren — sie 
gehen im Garten auch schon ihre eigenen Wege. Vorgeworfene Schlüssel, 
silberne Teelöffel u. dgl. schleppen sie weg. 


Inzwischen war es längst notwendig geworden, etwa 12 qm der Veranda 
als Zwinger für sie abzugrenzen, zumal des Schmutzes wegen; die gefähr- 
liche, nach dem Garten hinunterführende Treppe war längst verwahrt, und 
doch hatte ein Weibchen am 17. August sich zu ihr durchgearbeitet und 
war heruntergefallen, infolgedessen es ab und zu etwas lahmte; und am 
4. September ereilte alle drei nochmals dasselbe Geschick — glücklicherweise 
ohne daß sie ernstlich Schaden nahmen. Das Klettervermögen der Öttern 
ist außerordentlich; an Maschendraht laufen sie ohne jede Schwierigkeit 
hinauf, die horizontalen Latten, welche ihren Tummelplatz abgrenzten, boten 
ihnen die beste Gelegenheit zum Überklettern des Zaunes. Einmal erreichten 
sie mit Hilfe eines Stuhles das nach der Veranda führende Fenster, an dessen 
Scheiben pochend sie laut schreiend Einlaß begehrten. Schließlich mußte, 
da kein Zaun für die lebhaften, intelligenten Tiere hoch genug war, der 
ganze Zwinger mit Maschendraht überdacht werden, 


Die Stimme der kleinen Ottern war während der ersten zwei bis drei 
Wochen ein piepsender Laut, eigentlich kaum zu unterscheiden von dem 
ganz junger Hühnchen. Später wurde sie zu einem langgezogenen Meckern 
dem Schreien eines ganz jungen Ziegenlammes täuschend ähnlich, Nachdem 
die Ottern aber der Hundemilch sowie der Flasche entwöhnt waren und sich 
um die in Milch geweichten Semmelbrocken balgten und bissen, hatten sich 
die ehemals so weichen Töne in ein gellendes, keifendes, krächzendes knurrig 
zänkisches Kreischen umgewandelt, dem aber doch noch, wenn sie nach Futter 
riefen, die Meckertöne beigemischt waren. 


Die Zahnentwicklung wurde am 27. August wieder untersucht. Beim Männchen 
ist der äußerste obere Schneidezahn völlig durchgebrochen, beim einen Weibchen 
zeigt er sich eben, beim anderen ist noch nichts davon wahrzunehmen. Unten 


44 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1980. 


wie oben besitzen alle zwei Backenzähne. — Am 5. September sind vier der oberen 
Schneidezähne des größeren Weibchens durchgebrochen, die mittleren oberen da- 
gegen immer noch nicht. — Am 9. September brechen bei allen auch die unteren 
äußersten Schneidezähnchen durch, sei es links oder rechts. — Am 24. September 
sind bei allen die unteren vier Schneidezähne durchgebrochen. Daraus ergibt sich 
in Formeln ausgedrückt folgende Zahnentwicklung: 

Backen-, Eck-, Schneide-, Eck-, Backenzähne 


2. August > - = 5 - — 
7. August — E = B = = 
27. August E > 5 == 5 — < 
5. September = —_— e 
9. September - DZ 2 
24. September = eo. = 


Das Füttern mit der Flasche ging recht gut. Neben der Nahrung, die 
ihnen die Pflegemutter gab, nahmen sie täglich mehr und mehr Milch. Hatte 
man sie auf die Knie genommen, so hielten sie den Flaschenhals mit den 
kleinen, Schwimmhäute tragenden Vorderpfötchen genau so umspannt, wie 
ein Kind seine Flasche hält (Abb. 2 u. 3). Oft waren sie so gierig, daß sie 
sich in den Gummipfropfen verbissen und diesen von der Flasche abzerrten 
unter knurrigem, ärgerlich klingendem Schreien. Auffallend war, daß sie 
ihn stets so weit wie möglich in das Maul nahmen, so daß er mindestens 
bis zum Gaumensegel ragte. Gerne nahmen sie die Flasche auch in der 
Rückenlage. Ganz genau kannten sie dieselbe. Stellte man etwa die gefüllte 
Flasche an den Boden, so stürzten sie darauf los, suchten kletternd den 
Lutscher zu erreichen, wobei die Flasche natürlich umfiel. Einer trug endlich 
den Sieg davon, indem er — froh, die nahrungspendende Quelle gefunden 
zu haben — sie fest umfassend und eifrig saugend mit ihr am Boden lag. 

Während wir auf der Veranda speisten, trieb sich die ganze Gesellschaft 
unter dem Tisch umher. Butter schleckte das größere Weibchen (5. Sept.) 
vom Brot; sie nahmen Fleisch und Kartoffeln aus der Hand (12. Sept.) und 
aus einem Teller; das Männchen leckte zuerst Milch aus einem Teller 
(12. Sept... Am folgenden Tage fraßen alle drei in der Küche, wohin sie 
dem Hund mit Vorliebe durch die Zimmer folgten, Kartoffeln; am 14. Sept. 
verzehrten sie einen Frosch, den ich an sie verteilte. Das verächtliche Be- 
nehmen des Hundes während dieser Mahlzeit war interessant zu beobachten; 
fütterte man mit Fleisch, so wurde er neidisch. Vom 17. September ab 


K. ECKSTEIN, Aus dem Jugendleben des Fischotters. 45 


wurden die Ottern täglich dreimal gefüttert; sie bekamen zuerst noch die 
Flasche, später Milch und eingeweichte Semmeln. Der Konsum stieg sehr, 
täglich ein Liter Milch und vier Semmeln; waren sie hungrig, so bissen sie 
nach dem Finger. Im Oktober verzehrien sie täglich je zehn Semmeln, 
welche in zwei Liter Milch eingebrockt waren. Daneben bekamen sie selten 
Fische (Rotfedern, kleine Bleie, Plötzen). Einen Krebs, den ich ihnen lebend 
gab, fraß das Männchen am Schwanze beginnend auf der Stelle auf. Regen- 
würmer, die während des Aufenthalts im Garten ausgegraben und ihnen 
vorgehalten wurden, nahmen sie gerne. Beim Füttern wurde ihr schwaches 
Sehvermögen und der unentwickelte Geruchsinn festgestellt, denn sie waren 
nicht imstande, einen am Boden sich krümmenden Wurm oder einen ihnen 
vorgeworfenen Fisch sofort zu finden oder durch den Geruch wahrzunehmen. 
Vielleicht drückt dieser Satz nicht das Richtige aus. Vielmehr wurde lediglich 
ihr Unvermögen, in der Luft Beute zu wittern festgestellt; wohl imstande, 
im Wasser ihre Beute zu suchen, fehlte ihnen eine durch Vererbung über- 
kommene Fähigkeit, sie auf dem Lande, wenn sie ruhig lag, wahrzunehmen; 
dagegen sprangen, kletterten, schnappten sie eifrig nach vorgehaltenen Lecker- 
bissen, nach dem an einer Schnur geschleiften Fisch oder Frosch. 

Unter pfeifendem Knurren wurde die Nahrung mit Hast verschlungen; 
Neid gegen die Geschwister kam dabei deutlich zum Ausdruck, mit Vorliebe 
wurde die Beute in ein Versteck geschleppt und am liebsten unter oder 
hinter der Hundehütte im Verborgenen verzehrt. Anfang September ging 
die Milchproduktion des Hundes zurück, Die Schwellungen der Drüsen 
nahmen ab, aber immer noch suchten und fanden die Ottern wenigstens etwas, 
Seit dem 7. Oktober kamen sie mit der Pflegemutter täglich nur einmal auf 
kurze Zeit zum Spielen zusammen. Die gegenseitige Zuneigung auf beiden 
Seiten war groß. Selbst gegen Ende Oktober hatten sie das Gesäuge des 
Hundes noch nicht vergessen; auf den Hinterbeinen aufgerichtet, wußten sie 
die Zitzen der stehenden Hündin zu erreichen; diese aber, ihrer Unfähigkeit 
sich bewußt und die scharfen Zähne spürend und fürchtend, vereitelte die 
emsigen Bestrebungen ihrer Pflegekinder. 


Die Anwesenheit fließenden Wassers, auch wenn sie es nicht 
sehen konnten, empfanden sie sofort. Durch meinen Garten zieht ein schmaler, 
nur , m breiter, tief eingeschnittener Graben, über den die Wege mit 
breiten Bohlenbrücken führen. Folgten die Ottern in lebhaften Sprüngen 
dem Hund, hier am Wasser machten sie sicher Halt und suchten schnuppernd 
umher. 


Inzwischen waren die Ottern gut gediehen, wie am besten folgende Zahlen 
zeigen: 


46 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Gewicht. Körperlänge. 
Q = ö S Q 6) 
2. August 630 g 620 g 593 g 40 cm 40 cm 40 cm 
12:02,5 SL 622 „ 502 „ 43 lee er 40 -, 
DU 920 „ 848 „ 588 „ 47 nalen dB. 
5. September 1086 „, KONG 746 „ 
9. R 10837, 1056 „ 836 „ 
12. Oktober 2000 „ 1860 „, 1470 „ 
1. November 2460 „ 2425 „ 1950 „ 


Man beachte, wie das Männchen infolge des Sturzes entkräftet wurde, dann 
langsam, später sehr rasch das Verlorene einholte und vom 5.—9. September so- 
gar rascher zunahm als seine Genossen. 

Diese Gewichte wurden an den gesättigten Tieren festgestellt, da es bei ihrer 
großen Lebhaftigkeit nur dann möglich war, sie in einem Leinensäckchen auf die 
Wage zu bringen. Am 17. September 1911 wurden sie unter großer Mühe nüchtern 
und hungrig gewogen und dabei die Zahlen 1058, 940, 790 festgestellt. Nimmt 
man an, daß sie zu der darauffolgenden Mahlzeit 1/, ihrer Tagesration (2 1 Milch 
12 Semmeln im Gewicht von 2100 g) = 700 g verzehrt hatten und verteilt dies 
entsprechend dem seitherigen Körpergewicht mit 265, 245, 190 g auf die einzelnen 
Tiere, so ergibt dies für den 17. September ein Gewicht von 1323, 1185 und 980 g, 
welche Zahlen sich sehr gut in die obige Zusammenstellung einreihen. 

Wenige Tage nach Beginn der Pflege hatte man den Ottern Wasser 
angeboten, aber sie mieden es. Am 28. August, also im Alter von etwa 
8—10 Wochen, gingen sie freiwillig in eine große Schüssel mit etwas 
angewärmtem Brunnenwasser. Leider konnte in dem engen Becken ihre 
Geschicklichkeit im Schwimmen nicht zutage treten. Stets fuhren sie sofort 
mit dem Kopf unter das Wasser, und völlig durchnäßt entstiegen sie dem- 
selben. Seitdem tranken sie sehr viel Wasser, dasselbe leckend wie eine 
Katze oder ein Hund, doch mit auffallend wagerechter Haltung des Kopfes. 

Hatten sich die Tiere sattgefressen, so legten sie sich zum Schlafen 
nieder; einzeln nahmen sie dabei eine Seitenlage ein mit auffallend starker 
Einknickung des Halses in der Kopfbeuge. Lagen die drei Jungen zusammen, 
so schliefen sie in beliebiger Stellung auf- und nebeneinanderliegend; nach 
dem Saugen am Hund entschliefen sie meist in der charakteristischen 
Rückenlage. 

Am 26. August waren sie im Zimmer, als eine Geige angestrichen 
wurde; sie setzten sich davor und heulten. Gegen die Töne des Klaviers 
waren sie gleichgültig. Schlüsselrasseln versetzte sie in furchtbaren Schreck, 
wie sinnlos eilten sie einem Versteck zu (5. Sept.). 

Die Zutraulichkeit der Ottern war groß, sie folgten dem Menschen 
gerne, lieber freilich dem Hund. Je größer sie aber wurden, um so mehr 
nahm von einem gewissen Alter an diese Zutraulichkeit wieder ab. Es ist 


K. ECKSTEIN, Aus dem Jugendleben des Fischotters. AT, 


eine bekannte Tatsache, daß Tiere sich an den Menschen gewöhnen, wenn 
sie allein sind, und zutraulich und zahm werden — Ottern sind schon öfter so 
zahm geworden, daß sie dem Menschen folgten wie ein Hund — aber ebenso 
bekannt ist es, daß, wenn man zwei oder drei Tiere zusammenhält, diese 
sich gegenseitig beeinflussen und deshalb die Zähmung mißlingt. Die Ottern 
wurden bissig; und sehr empfindlich waren die tiefen Wunden, die sie mit 
den spitzigen Eckzähnen schlugen. Wochenlang empfand ich Schmerzen im 
Zeigefinger, indem ich eine äußerlich kaum sichtbare Bißwunde davon trug. 
Riöwunden sind fein wie ein Messerschnitt, aber mit rauhen Rändern und 
meist stark blutend. 

Der Pelz meiner Ottern erschien schön glatt glänzend, und alle Be- 
kannten, welche kamen, um Nora mit ihren Ottern zu sehen, schätzten ihn 
bereits als kostbares Pelzwerk. Trotz dieser Glätte aber fing die Unterwolle 
an, filzig zu werden, wohl infolge der ungenügenden Schwimmgelegenheit. 

Die Schwierigkeit der Reinhaltung und der Wasserversorgung, die 
verhältnismäßig hohen Kosten der Unterhaltung, dazu die Unmöglichkeit 
mich so mit den Ottern zu beschäftigen, wie es die Pflege der Tiere er- 
heischte, zwangen mich, sie abzugeben. Hagenbeck nahm sie am 1. Nov. 1911 
nach Stellingen. 


Erklärung der Tafel I. 


Abb. 1. Der Otter nimmt in der Rückenlage die Flasche. 
Abb. 2. Der Otter in der Bauchlage aus der Flasche trinkend. 
Abb. 3. Die jungen Ottern an der Kollihündin saugend. 


Originalarbeiten. 


1.) Übersicht der russischen Kleinkatzen. 
Von S. J. OGNEFF (Moskau). 


Hierzu 10 Abbildungen auf den Tafeln II bis IV. 


A. Einleitung. 


Die Systematik der russischen Katzen der Gattung Felis ist bis zur Zeit nur 
ungenügend und fragmentarisch erforscht und niemals einer Revision unterworfen 
worden. Es scheint mir rechtzeitig und interessant, eine systematisch-zoogeogra- 
phische Übersicht dieser Tiere zu geben. Beim Studium des Materials für vor- 
liegende Arbeit sind von mir die zahlreichen Sammlungen des Zool. Museums der 
Akademie der Wissenschaften in Petersburg, des Zoologischen Museums der Mos- 
kauer Universität, sowie meiner eigenen Sammlung sorgfältig untersucht worden. 


Die Arbeit gliedert sich wie folgt: 


Seite 

A. Einleitung . . a AS Eu: 
B. Die Gattung Felis RN [0] 
a) Gattungsdiagnose . . . . 49 

b) Bestimmungstabelle. . . . 50 FE. 
C. Die Art Felis silvestris. . . . 52 
a) Felis silvestris caucasicus . . 52 

b) Felis silvestris siwestris . . 53 6. 
c) Systematische Notizen. . . 54 
d) Geographische Verbreitung . 55 

D. Die Art Kehs ornata > .....:59 MH. 
a) Systematische Notizen. . . 59 
b) Geographische Verbreitung . 60 
c) Helis ornata caudata 2 . .:61 
d) Felis ornata murgabensis . . 65 
e) Felis ornata shawiana . . . 66 

f) Felis ornata matschiei . -. . 67 J). 


g) Felis ornata issikulensis . . 67 


Die Untergattung Prionailurus . 


a) Diagnose. 

b) F. (Pr.) ul mmicrobis 
Die Untergattung Chaus . 
a) Diagnose 

b) F. (Ch.) chaus hate 

Die Gattung Eremaelurus 

a) Diagnose 

b) Erem. thinobius 

Die Gattung Otocolobus 

a) Diagnose 

b) Systematische NOtieen 

c) Geographische Verbreitung 
d) Otocolobus manul manul 

e) Otoc. manul ferrugineus 
Tafelerklärung. . . .. 


8 


Seite 
70 
70 
zal 
13 
7) 
74 
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76 
Le 
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79 
80 


83 
84 
85 


S. J. OGNEFF, Übersicht der russischen Kleinkatzen. 49 


B. Gattung Felis LINNAEUS (1758). 
a) Gattungsdiagnose. 


1758. Felis CAROLUS LINNAEUS, Systema Naturae, Ed. X, pg. 41. 

1795. Catus JODOO. LEOP. FRISCH, Das Natursystem der vierfüß. Tiere. Glogau, 
Tab. 1°. — FITZINGER,L., Wiss.-populäre Naturgeschichte der Säugetiere, 
I, 1855, pg. 265—279. 

1858. Catolyne N. SEVERTZOW, Notice sur la classification multiseriale des 


Carnivores. — Revue et Magasin de Zoologie 10, Paris, pg. 385 (subgenus; 
typischer Vertreter: Feiis catus). 


Diagnose. Relativ kleine Katzen, die sich durch variierende Fell 
färbung auszeichnen. Das Muster besteht aus dunklen Streifen und Flecken. 
Der ungefähr halbkörperlange Schwanz trägt gewöhnlich ein dunkles qauer- 
liegendes Ringmuster. Der niedrig oder mittelhoch gestellte Körper ist relativ 
lang. Die Ohren sind mittellang, dreieckig, an den Rändern von Haaren 
gleicher Länge, die keine Pinsel bilden, bedeckt. — Mähne und Backenbart 
fehlen. — Die Kralien sind scharf, seitlich zusammengedrückt und völlig 
zurückziehbar. — Die Pupille ist vertikal-elliptisch. 


Schädel ziemlich kurz, in der Gegend der Schädelkapsel ausgebreitet, 
in seinem vorderen Teil {zwischen den Reißzähnen) ziemlich zusammen- 
gedrückt. — Stirnfläche leicht gewölbt, in der Mitte mit einer sehr schwachen 
Längssenkung. 

= Die Augenhöhlen sind oval, der frontalen Schädelfläche gegenüber schräg 

gestellt. Der untere Rand der Augenhöhle hat eine scharf ausgedrückte Ver- 
dieckung des vorderen Randes. Ein zugespitzter Fortsatz des os jugale zieht 
sich nach innen und reicht bis zum ersten Drittel des Floramen lacrymale. 
Der ganze untere Augenhöhlenrand, den der Oberkiefer und das os jJugale 
bilden, ragt nach vorn hervor, einen scharf erkennbaren Winkel beim obersten 
Außenrande des Foramen infraorbitale bedingend. — Die Höhe des unteren 
Augenhöhlenrandes, in senkrechter Linie gemessen, die über Foramen infra- 
orbitale geht, übertrifft kaum die Hälfte der Interorbitalbreite. — Das Foramen 
anteorbitale ist lang gezogen, schräg gestellt (mit starker Neigung nach 
innen); sein Durchmesser übertrifft um 1'/,mal die Breite des Knochens 
zwischen der Öffnung selbst und der Augenhöhle. 


Der Stirn-Jochbogenfortsatz ist breit, oben unregelmäßig abgerundet. 
Die Breite zwischen den Vorderrändern der Nasenknochen übertrifit kaum 
2/, der Schädelkapselbreite hinter den Processus postorbitales. — Die größte 
Länge der nasalis (die vorderen Seitenfortsätze mit gerechnet) beträgt bei- 
nahe ?®/, der Schädelbreite vor den Processus mastoidei. 
- 


50 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Der harte Gaumen ist verkürzt: seine Breite ist der Länge beinahe 


gleich. 
Der hintere Gaumenausschnitt besitzt einen mittleren Fortsatz, der durch 
die Ränder der Gaumennaht gebildet wird. — Die Form des Praesphenoi- 


deum variiert; manches Mal ist es gleichmäßig breit, manchmal mit einer 
rechteckigen oder rhombenförmigen maximalen Erweiterung im mittleren 


Teil. — Der Raum zwischen den Außenrändern der Alveolen der Reiß- 
zähne ist merkbar kleiner als der halbe Abstand der Spitzen des Processus 
postorbitales. 


Die Bullae osseae sind mäßig groß und gut entwickelt. Ihre Vorder- 
kammern sind relativ klein. Der Rand der Vorderkammern reicht bei weitem 
nicht bis zum hinteren Fortsatz des Kiefergelenks. Die die vordere und 
hintere Gehörkammer abgrenzende Linie beginnt am Floramen siylo-mastoi- 
deum und endigt gewöhnlich hinter dem Foramen tubiae Eustachiae. Die 
Bullae stehen eng nebeneinander, die kleinste Breite zwischen ihnen steht 
der Breite der F'ossa mesopterygoides um !/, bis !/, nach. Foramen jugu- 
lare (lacerum »posterius) klein und gereckt. — Die Breite des äußeren Ge- 
hörganges übertrifft die der oberen Reißzahnalveole um '/,—!/,. 

Das Processus coronoideus ist nach oben hin merkbar verengt. Die 
Größe des FProcessus condyloideus ist bedeutend. Die Quermessung dieses 
Fortsatzes macht ungefähr */, der Länge aller Backenzähne einer Hälfte 
des Unterkiefers aus. Praemolares sind im Oberkiefer immer vorhanden. Die 
oberen Reißzähne sind groß: Die Höhe des Reißzahnes macht ungefähr °/, 
der ganzen oberen Backenzahnreihe aus. Die Entfernung des oberen Reiß- 
zahnhinterrandes vom Vorderrande des P? ist annähernd der Längsmessung 
des P? gleich. Bei Gattung Lynx macht diese Entfernung 1/, der Länge 
des P? aus. Infolgedessen scheint der Sectorius (zusammen mit P?) stark 
nach vorn gerückt. Der fünfte Höcker an der vorderen äußeren Ecke dieses 
Zahnes fehlt ganz. Der innere Teil des oberen Praemolaren ist gut ent- 
wickelt. Die Zahnformel: I 3/3; C 1/1; Pm 3/2; M 1/1 = 30. 

Typus der Gattung Felis catus L. 

Geographische Verbreitung der Gattung. Die Vertreter der 
Gattung sind in den nördlichen, den gemäßigten und den tropischen Teilen 
der alten Welt weit verbreitet. 


b) Bestimmungstabelle der russischen Katzen der Gattung felıs. 
I. Färbung beinahe eintönig. Das reduzierte Muster ist nur in Gestalt 
von Streifen an den Backen, undeutlichen Streifen und ab und zu ver- 
schwommenen Flecken am Körper und Ringen am Schwanze erhalten. 


S. J. OGNEFF, Übersicht der russischen Kleinkatzen. 51 


Grannenhaare unterscheiden sich vom Wollhaar durch größere Härte und 
Länge. — Der Körper ist auf relativ hohe Füße gestellt. — Die Ohren 
tragen an den Enden merkbare Pinsel. 

Die äußere (maximale) Länge der nasalia übertrifft die Länge vom 
hinteren Rande des Fooramen incisivum bis zum Seitenteil des hinteren Aus- 
schnittes des harten Gaumens, oder ist ihr gleich. — Die Entfernung vom 
vorderen Rande des Foramen infraorbitale bis zu den vorderen Wänden 
der Alveolen der oberen Mittelschneidezähne ist dem größten Durchmesser 
der Augenhöhle annähernd gleich. 

1. Das Fell ist kurzhaarig, hart; Flecken und verschwommene Streifen- 
muster sind, wenn auch schwach, so immerhin ziemlich deutlich 
ausgedrückt. 

Sommerfell von CUhaus chaus chaus SCHREB. 

2. Fell bedeutend langhaariger, dichter und etwas weicher. Das Muster 
im Grundkolorit des Felles ist gar nicht vorhanden. 

Winterfell von Chaus chaus chaus SCHREB. 

II. Färbung mit gut ausgedrückten Flecken und Streifen. Die Grannen- 
haare unterscheiden sich bei der Berührung nicht so stark von den weichen 
Wollhaaren. — Der Körper ist auf ziemlich kurze oder mäßig lange Beine 
gestellt. Die Ohren weisen keine merkbaren Pinsel an den Spitzen auf. 

Die äußere (maximale) Länge der Nasalia ist kleiner als der Abstand 
des hinteren Randes des Fooramen incisivum vom hinteren Seiten-Ausschnitte 
des harten Gaumens. Die Entfernung vom Vorderrande des Flooramen infra- 
orbitale bis zur vorderen Alveolenwand der oberen mittleren Schneidezähne 
ist bedeutend kleiner als die maximale Größe des Augenhöhlendiameters. 

3. Auf der Rückseite der Ohren je ein greller, gut sichtbarer weiß- 

licher Fleck. Quer über den Hals vier bis fünf rostrote Streifen. — 
Ein Muster von rostrot-ockergelben Flecken geht über die blaß- 
grau-rahmfarbene Grundfärbung des Felles. 
Die Breite der Nasalia am Vorderrande ist der Hälfte der Schädel- 
kapselbreite hinter den Processus postorbitales annähernd gleich. 
Prionailurus euptilura microtis MILNE-EDW., 

4, An der Rückseite der Ohren ist kein sichtbarer weißlicher Fleck 
vorhanden. — Es fehlen die vier rostroten Querstreifen am Halse, 
Über den Grundton des Felles, der nach Färbung und deren Leb- 
haftigkeit variiert, ist ein Flecken- oder Streifenmuster verteilt, 
das merklich dunkler ist als die Grundfärbung des Felles. 

a. Das Praesphenoid ist an seiner Basis breit und gewöhnlich im 


mittleren und vorderen Teil bedeutend erweitert. Die Hinterränder 
4*F 


92 


1905. 


1914. 
1914. 


1915. 


Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


der Nasalia stehen nach hinten mehr vor, als die Nasenauswüchse 
der Kieferknochen (diese Knochenteile sind nur bei wenigen 
Exemplaren in der gleichen horizontalen Höhe gelegen). Äußere 
Ohrenöffnungen sind unbedeutend (SG im Mittel 6,6 mm, bei 
99 6,8 mm). 

Ein sich längs dem Rückgrat ziehendes Muster besteht aus 
zwei schwarzen Streifen. Vom Rückgrat zu den Seiten ziehen 
sich 8—12 dunkle Querstreifen, welche sich manchmal in eine 
Reihe Flecken verwandeln. Allgemeiner Farbenton des Felles 
ist dunkel-gelblich-gran. 

Felis silvestris silvestris SCHREB. in zwei Unterarten. 


ß) Das Praesphenoid ist schmal und weist im mittleren oder 
vorderen Teil eine rechteckige oder rhombenförmige Erwei- 
terung auf. Die Hinterränder der Nasalia ragen nach hinten 
nicht so weit vor, wie die Nasenauswüchse der Kieferknochen 
(oder, was seltener vorkommt, sind mit ihnen auf einem Niveau 
gelegen). Die äußeren Gehöröffnungen sind größer als bei der 
Waldkatze: der maximale Durchmesser jedes Gehörganges be- 
trägt 7,3—8,3 mm. 

Längs des Rückens ein Muster kleiner rundlicher Flecken; vom 
Nacken angefangen bis zur Schwanzbasis sind von letzteren an- 
nähernd 18 Reihenangedeutet. Am Rücken und an den Seiten 
ein Muster rundlicher Flecken. — Der Grundton des Felles 
variiert von einem blaß-weißlich-grauen mit Beimischung von 
strohfarbenem bis zu verschiedenen Schattierungen des rahm- 
gelblichen und sogar grauen Tones. 

Felis ornata GRAY in fünf Unterarten. 


C. Die Art Felis silvestris SCHREB. 
a) Felis silvesiris caucasicus (1905) Kaukasische Wildkatze. 


Felis catus caucasicus K. A. SATUNIN, Die Säugetiere des Talyschgebietes 
und der Mugansteppe. — Mitteilungen des Kaukasischen Mus. 2, pg. 154. 

Felis catus N. J. DINNIK, Tiere des Kaukasus, 2, pg. 498. 

Felis silvestris caucasicus K. A. SATUNIN. Conspectus Mammalium Imperii 
Rossicae. pg. 164. 

Felis silvestris caucasicus K. A. SATUNIN. Mammalia Caucasica 1, pg. 345. 


Typischer Fundort: Borjom. In K. A. SATUNIN’s Arbeit (1915) 


fehlt die genaue Bezeichnung, aus weicher Gegend das typische Exemplar 
stammt, das zur Feststellung der Unterart diente. Weil letztere auf Grund 


S. J. OGNEFF, Übersicht der russischen Kleinkatzen. 53 


kraniologischen Materials beschrieben worden ist, und der Autor in benannter 
Arbeit nur Maße von Individuen aus Borjom anführt, halte ich es für das 
Richtigste, diese Gegend für die terra typica der geographischen Rasse zu 
halten. 

Diagnose: Das Praesphenoideum ist an seiner Basis breit und gewöhn- 
lich in seinem mittleren und vorderen Teil bedeutend erweitert. Die Hinter- 
ränder der Nasalia treten nach hinten weiter hervor, ais die Nasenfortsätze 
der Kieferknochen (nur bei wenigen Exemplaren sind sie annähernd auf 
einer Höhe). Die äußeren Gehöröffnungen sind unbedeutend; das maximale 
Diameter einer jeden von ihnen: bei GC beträgt 5,2—7,3 (M. 6,6), bei 99 
6,2—7,1 (M. 6,8). 

Größte Schädelläinge SS _ 97—109,8 (M. 106,2), 99 92,5—98,9; 
Condylobasale Sohädellänge SG 89,8—102 (M. 99,1); QQ 85—91; Joch- 
bogenbreite SS 69—77,9 (M. 75,1); 09 64,8—72; größte Schädelbreite 
SG 43,2—48,6 (M. 46,4); OO 40,8-—-46,2; Schädelkapsellänge SC 51,3 
bis 61,1 (M. 57,3); 09 51,6—55; Längsdiameter der Augenhöhle JG 
29,9—32,1 (M. 30,7); 99 29,31; Länge der bullae osseae SS 21,2—24,1 
(M. 23); 09 19,8— 21,7; Breite der bullae osseae SG 15—16,3 (M.15,7); 
009 14,9—15,1; Länge der oberen Zahnreihe 33 30—34,7 (M. 33,1), 
09 28,9—32,3. 

Allgemeiner Farbenton des Felles ist schmutzig trüb-gelblich-grau; an 
den Seiten ist das Kolorit etwas heller und unbedeutend grauer; die Bauch- 
gegend ist gräulich-ocker-gelblich. Am oberen Kopf- und Halsteil sind vier 
schwarze Streifen zu sehen, längs dem Rückgrat ein klar gezeichnetes 
aus zwei Schwarzen Streifen bestehendes Muster. Vom Rückgrat den Seiten- 
teilen des Rückens zu ziehen sich 8—12 dunkle Querstreifen, welche sich 
manchmal in eine Reihe Flecken verwandeln. Buschiger Schwanz mit 5—7 
schwarzen Querstreifen; sein Ende schwarz. Am Halse und in den Weichen 
sind ganz weiße Flecken nicht selten. Pupille schmal, spaltförmig. Stark ge- 
krümmte Krallen gelb-weißlich. 

Körperlänge mit Kopf 67—75 cm (SC), 60—62 cm (99), Schwanz 
31—32 (SC), 29—29,5 (99) nach N. J. DINNIK. Messungen der Exem- 
plare meiner Sammlung: Nr. 538 © 16. XII. 1923. Umgegend von Wladi- 
kawkas. Körperlänge (L) 63, Schwanz (C) 33, Hinterpfote (pl) 14; Ohr (a) 
6,6 cm; Nr. 537 © 26. XII. 1923. Ibidem L. 53; C. 34,3; pl. 13; a. 6,7 cm. 


b) Felis sılvestrs SCHREBER (1777). 


1777. Felis {Catus) silvestris JOH. CHR. SCHREBER, Naturgeschichte der Säuge- 
thiere 3, pg. 397. 


54 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


1811—1831. Felis catus P. PALLAS, Zoographia Rosso-Asiatica, pg. 25. 

1856. Felis catus ferus K. F. KESSLER, Einiges über die Verbreitung der Wild- 
katze in Rußland. Mittheilungen der Naturwissenschaft („Westnik Ist- 
teatw. Nauk“), Nr. 15, pg. 475—473; (L. S. [L. P. SABANEEF] „Dikaja 
Koschka“ (wilde Katze). Priroda i ochota (Natur und Jagd) 3, 1878, 
pg. 229—235. 


Typischer Fundort: Deutschland. 

Diagnose: Der im Kaukasus einheimischen Art äußerst nahe, unter- 
scheidet sich nur durch etwas kleineren Schädel, dessen Condylobasallänge 
86—96 mm (JG), Jochbogenbreite 67—74 mm (CC); 60,6 (9); maxi- 
male Breite 42—45,2 (SC); 38,5 (SC) ausmachten. Die relativ kurze 
Schädelkapsel ist beachtenswert; ihre Länge beträgt bei SG 47,3—53,2, 
bei Q 46. Bullae osseae sind etwas feiner. Ihre Länge bei SO 21,1—21,3, 
bei Q 19,8; Breite bei SS 15—15,1, bei Q 14. Die obere Zahnreihe ist 
kürzer: ihre Länge = 28-32 (SC), 29 (9) und die Zähne sind etwas 
schwächer. 

In der Färbung sind keine Unterschiedlichkeiten zu beobachten. Die 
Maße sind etwas kleiner. Körperlänge JS ad (aus Deutschland nach 
G. S. MILLER) 54,5 cm, Schwanz 31, Hinterpfote 13,5, Ohr 6,3 cm. 


c) Systematische Notizen. 


Die oben beschriebenen europäischen und kaukasischen Wildkatzen stehen 
nach ihren systematischen Merkmalen einander äußerst nahe). 

Diese Unterarten nach Serien vergleichend, konnte ich keine Abweichungen 
bemerken: K. A. SATUNIN, welchem zum Zwecke der Untersuchung viele 
Felle der kaukasischen Unterart zur Verfügung standen und nur drei Exem- 
plare von F. silvestris silwestris SCHREB., berichtet (in litter.) „dieses 
Material und zahlreiche Abbildungen der europäischen Wildkatze mit den 
kaukasischen Exemplaren vergleichend, entdeckte ich einen Unterschied — 
daß bei letzten die Seitenstreifen überhaupt viel schwächer ausgedrückt 
und manchmal kaum zu merken sind. 

Ein sorgfältiges Studium des Materials zeigte mir Variationen des von 
SATUNIN genannten Merkmals. Ich war verwundert, gar keine Farbenunter- 
schiede unter den der Betrachtung unterzogenen Unterarten zu finden. Von 
einigen kraniologischen Merkmalen, von denen oben gesprochen wurde, ab- 
gesehen, finde ich unter diesen Formen gar keine stabilen Differenzmerkmale. 

Im Jahre 1904 beschrieb K. A. SATUNIN?) seinem Denken nach eine 


) N. J. DINNIK (1914) lehnt ab, sie zu unterscheiden. 
®2) K. A. SATUNIN: The black Wild Cat of Transcaucasia. — Proceed. Zool. 
Soc. London. 1904, vol. II, p. 162. 


S. J. OGNEFF, Übersicht der russischen Kleinkatzen. 55 


besondere Art des kaukasischen schwarzen Katers (Typ aus d. Gouyv. Elisa- 
betpol), die er Felis daemon nannte, 

Die Existenz irgend einer schwarzen Wildkatze in Kaukasus’ Grenzen 
ist schon lange bekannt. So erwähnt HOCHENACKER (1837) eine Katze 
„Felis cato affınus nigra“, welche bei der Kolonie Helenendorf (bei Elisabet- 
pol) sehr selten sei und im Gebirge des kleinen Kaukasus, bei Schamchor, 
Schuscha und am Karabach auch vorkomme. — K. A. SATUNIN bemühte 
sich als erster die Frage zu lösen, die er sich bestimmt gestellt hatte, ob 
diese schwarze Katze eine besondere Form oder nur eine melanistische Ab- 
eration der Wildkatze vorstelle. Es ist ja gut bekannt, daß Melanisten unter 
den Katzen keine Seltenheit sind. 

Nach Durchmustern des im Zoologischen Museum der Academie der 
Wissenschaften aufbewahrten Materials, kommt der Verfasser zu der be- 
stimmten Folgerung, daß F'elis daemon eine besondere Art vorstellt. Ver- 
mutlich brachten SATUNIN die zweifellosen kraniologischen Unterschiede, 
die dem schwarzen Kater im Vergleich zu Felis silvestris eigen sind, in 
bedeutendem Maße zu dieser Behauptung. Sorgfältige Untersuchungen dieser 
Unterschiede nach dem Sammlungsmaterial brachten mich zur positiven Fol- 
gerung, daß nach den kraniologischen Merkmalen Felis daemon von der 
Hauskatze nicht zu unterscheiden sei, deren schwarze Form er auch bildet. 
Die Tatsache, daß die vorhandenen Exemplare von Felis daemon (Samnl., 
d. Zool. Mus. der Acad. der Wissensch.) schwarze Exemplare der Haus- 
katzen vorstellen, schließt natürlich die Möglichkeit des Auffindens einer 
gleichen melanistischen Rasse auch unter den wilden Individuen nicht aus. 
Prof. N. A. SMIRNOFF (1922) ist geneigt, die beschriebene Form, auf 
Grund einer Durchsicht der im Kaukasischen Museum aufbewahrten Felle, 
als eine melanistische der F'elis silvestris anzusehen. Nur bei einem Exemplar 
aus Guir (Transkaukasien) vermerkt er in den äußeren Merkmalen eine Bei- 
mischung von Hauskatzenblut, | 

Jedenfalls stellt das ziemlich beständige Vorhandensein der ganz schwar- 
zen Form der Felis catus im Kaukasus (und wahrscheinlich der F'. solvestris) 
zweifellos ein allgemein-biologisches Interesse vor. Es ist bekannt, daß Me- 
lanisten manchmal angedeutet geographisch begrenzt sind, 


d) Geographische Verbreitung. 

Unsere Nachrichten über die Verbreitung der Wildkatze in den Grenzen 
des Europäischen Rußlands sind zweifellos fragmentarisch und leiden an 
Mangel von Material. 

Die ersten Nachrichten über die Verbreitung von Felis silvestris in 


56 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Rußland finden wir im Buche von GEORGY (Geographisch - physikalische 
Beschr. d. russischen Reichs 3, 1800). Nach der Meinung dieses Verfassers 
ist die Wildkatze in Polen, in den südwestlichen Gouvernements, im Nowo- 
rossijsk-Gebiet, am Dnjestr, im Kaukasus und im Nittel-Ural (Baschkirien 
zu treffen. Den aufgezählten Angaben widerspricht die Angabe von PALLAS 
welcher in seiner „Zoographia“, die Existenz der Wildkatze im ganzen 
Rußland abspricht. Nach PALLAS kommt dieses Raubtier nur in den Wäl- 
dern der Vorgebirge des Kaukasus bis zum Flusse Kuma vor, wobei auch 
hier obdachlose, verwilderte Exemplare zu treffen sind. 

Diese Ansichten des großen Naturforschers wurden bald widerlegt. So 
wird in der Beschreibung Kurlands von DERSCHAU und KEISERLING 1805 
von einer selten dort vorkommenden Wildkatze gesprochen. BRINKEN (1828) 
behauptet, daß letztere in der Bjeloweschskaja Puschtscha, Gouv. Grodno, 
verbreitet war, obgleich nach EICHWALD’s (1830) Angaben die Wildkatze 
aus diesem mächtigen Waldmassive ganz verschwunden sein soll. Die sich 
auf die gegebene Frage beziehende Literatur analysierend, kam der Aka- 
demiker J. F. BRANDT (1853) zum Glauben an eine früher viel weitere 
Verbreitung der Wildkatze bis zu den zentralen Gouvernements des Euro- 
päischen Rußlands und vielleicht bis zum Ural. Dieser Folgerung schließt 
sich auch Prof. K. F. KESSLER (1856, 1858) an. Letzterer erwähnt fol- 
gende Fundorte des beschriebenen Raubtieres; bei Radziwilow in Wolhynien, 
Gouv. Kiew; bei Stawitsch in Podolien, im Ujizki-Kreis. Nach G. BELKE 
(1857) ist es zu treffen: Im Radomysl-Kreis, Gouv. Kiew; in den Gouv. 


Polozk, Ljublin, Kowno, Grodno und Mogilew. In der im Jahre 1854 von 


der Kaiserlichen Russischen Geographischen Gesellschaft herausgegebenen 
„Selskaja Ljetopis“ sind folgende Fundorte erwähnt: Kreis Slonim, Gouv. 
Grodno; Kreis Welish, Gouv. Witebsk; Kreis Ponewjesh, Gouv. Kowno. 
SABANEEFF berichtet (1878): „Es ist mehr als wahrscheinlich, daß die 
Wildkatze keine besondere Seltenheit im Polesje vorstellt, und daß das Gouv. 
Minsk bis zur Zeit als Zentrum der Verbreitung dieses Tieres in West- 
Rußland dient“. 

Von den neuen Autoren schreibt M. CHARLEMAGNE (1920), daß Mitte 
des vorigen Jahrhunderts einzelne Exemplare im Gouv. Kiew, Wolhynien 
und Podolien erbeutet worden sind. Ein Fall in den 90er Jahren ist be- 
kannt, wo ein ganzer Wurf in Podolien erbeutet wurde. Jetzt ist die Wild- 
katze in den Wäldern Wolhyniens, in den Plawni (breiten an Flüssen und 
Deltas liegenden, vom Schilf bewachsenen Flächen; der Kreise Odessa und 
Tiraspol, Gouv. Cherson sehr selten. Nach TATSCHANOWSKI (1877) ist im 
Warschauer Museum eine ausgestopfte Katze aufbewahrt, welche 1850 bei 


S. J. OGNEFF, Übersicht der russischen Kleinkatzen. 57 


Kamenez-Podolsk erbeutet wurde; in der Galyzien-Grenzzone zu treffen. — 
Nach A. A. BRAUNER (1923—1923) ist die Wildkatze in den Waldmassiven 
des nördlichen und zentralen Bessarabiens und im Unterlaufe des Dnjestr 
zu treffen. In den Sammlungen des Zoologischen Museums der Academie der 
Wissenschaften finden sich Exemplare aus der Umgegend von Tiraspol, aus 
den Plawni des Dnjestr (von Prof. BRAUNER). Von Prof. W. CHRANE- 
WITSCH (1925) wurde sie für den Kamenez-Podolski-Kreis vermerkt. Nach 
A. A. MIGULIN’s (1928) Angaben sind die Wildkatzen in den Dnjestr 
Plawni nicht mehr so selten. Der Autor notiert einige neue Funde dieser 
Raubtiere im genannten Rayon. — In den baltischen Provinzen ist nach 
K. GREVE (1909) die Wildkatze zur Zeit nicht zu treffen. 

Bezüglich der mittleren Gouvernements des Europäischen Rußlands exi- 
stierten einige alte Hinweise, z. B. für Gouv. Kaluga (ASMUSS 1857) für 
Nord-Rußland (Bjeloserski-Kr., Gouv. Nowgorod; Wyschegorski-Kr., Gouv. 
Olonez; Schenkurski-Kr., Gouv. Archangelsk („Selskaja Ljetopis“, 1854); 
für Süd-Rußland besitzen wir B. POSNANSKT’s Zeugnisse (1878), nach dessen 
Aussagen eine große grau-gelbe Katze mit schwarzen Streifen, die der Größe 
nach einen aiten grauen Hasen übertraf, Ende August 1871 im Schipow- 
Walde des Pawlowski-Kreises, Gouv. Woronesch erbeutet worden ist. Leicht 
möglich ist es aber auch, daß sich alle diese Hinweise auf verwilderte Haus- 
katzen beziehen. 

Bis zur Zeit ist die Frage noch immer nicht endgültig gelöst worden, 
ob die Wildkatze am Ural einheimisch sei oder es dort jemals war. L.P. 
SABANEEFF schrieb 1872, daß letztere bestimmt am Ural bei Slatoust zu 
treffen sei, von wo sie manchmal in die Wälder der Kasslinskaja Datscha 
einkehrt. In einer späteren Arbeit jedoch (Wirbeltiere des mittleren Urals, 
1874) ist dieses Raubtier von ihm nicht erwähnt. Im Jahre 1878 berichtet 
er endlich von einer Aussage bekannter Gewerbe-Jäger, welche ihm erzählten, 
daß im südlichen Teil des Urals, bei Jekaterinburg, einmal eine Katze er- 
schossen wurde, die größer als eine Hauskatze war, mit einem dicken ge- 
streiften Schwanz, und daß solche Katzen von Zeit zu Zeit am Ural, bei 
Slatoust, zu treffen seien. „Weiter gegen Norden“ fügt er hinzu, „habe 
ich nirgends von einer Wildkatze sprechen gehört, habe aber Grund zu ver- 
muten, daß letztere ebenfalls im Solikamsk-Kreise anzutreffen ist.“ Davon 
spricht in der „Selskaja Ljetopis* Herr WOLEGOW, der viele Angaben 
über Tiere des Urals für die „Russische Fauna“, von H. SIMASCHKO heraus- 
gegeben, lieferte. 

In den allerletzten Jahren erhielt Frl. NATALIE M. DUKELSKI, die 
im Sommer des Jahres 1926 in der Umgegend von Miasski Sawod am Ural 


58 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


exkursierte, negative Antworten auf ihre Fragen über Verbreitung der Wild- 
katze im besagten Distrikt. 


In Betreff der kaukasischen Rasse verfügen wir über bedeutend aus- 
führlichere Nachrichten, als über die europäische Unterart. Nach N. J. DINNIK 
(1914) ist sie überall, wo Wald vorhanden ist, zu treffen. Im Stawropol- 
Gouvernement und Kuban-Gebiet hält sie sich nicht nur im Gebirge und 
Vorgebirge auf, sondern auch in der Ebene. So haust sie am Terek im Be- 
zirk von Kisljar, an Stellen, wo es am Flusse wachsenden Wald gibt. Auch 
in Daghestan kommt sie vor, besonders im Chasaw-Jurt Bezirk. Nach N. J. 
DINNIK hält sich die Wildkatze in diesem Gebiet in bedeutsamer Anzahl 
am Flusse Sulak auf, ebenso in den Bergen des Temir-Chan-Schura, Kataigo- 
Tabassaran, Gunib, Andy und anderer Kreise. In der Umgegend von De- 
schlagar, wo DINNIK oft zu jagen Gelegenheit hatte, gibt es sehr viel 
Wildkatzen und sie leben hier, von der Meeresküste angefangen, beinahe 
überall. 


„Am südlichen Abhange des Hauptberggrates“ berichtet K. A. SATUNIN 
(1915) „ist die \WVildkatze überall sehr gewöhnlich, von der westlichen 
Waldgrenze an bis zu den Wäldern des Schemacha-Kreises, Gouv. Baku. 
Diese Katzen sind überall im Tschernoworski-Gouv. sehr zahlreich, ebenso 
im Suchum-Bezirk, Gouv. Kutais und im Batum-Bezirk; besonders in Ad- 
sharien und Schawschetien. Ferner werden sie in allen Wäldern der Gouv. 
Tiflis, im Sakatalski-Bezirk, im Nuchinski und im westlichen Teil des 
Schemacha-Kreises getroffen. Im Gebirge des kleinen Kaukasus ist die Wild- 
katze in den Grenzen des Borjom-Gutes besonders zahlreich und wurde ebenso 
im Kreise Borgalinski und Sangesursky gefunden und ist wahrscheinlich 
auch in allen anderen Wäldern des gebirgigen Teils des Elisabetpolkreises 
zu treffen“. 


„In den reinen Nadelwäldern des Karsski - Gebietes (Ardagan-Bezirk) 
habe ich die Wildkatze nicht vorgefunden und auch nichts von ihr gehört, 
welcher Umstand natürlich eine Möglichkeit ihres Auffindens hier noch nicht 
ausschließt“. 


In vertikaler Richtung hält sich diese Katze bis 6000 ° über der Meeres- 
fläche, nahe von der Grenze des Waldwuchses auf. Also kann die unbegrenzte 
Verbreitung der Wildkatze in dem Kaukasus-Gebiete mit wenigen Worten 
bestimmt werden: Sie ist in allen Bergwäldern und dem größten Teil der 
waldigen Ebenen des Gebietes, Talysch und vielleicht die reinen Nadelhölzer 
der Karsski-Anhöhe ausgeschlossen, einheimisch. 


S. J. OGNEFF, Übersicht der russischen Kleinkatzen. 59 


D. Die Art Fe/is ornata GRAY. 
a) Systematische Notizen. 

Es scheint mir am rationellsten zn sein, F'elis ornata GRAY als Hauptart 
der Steppenkatzen anzusehen und von dieser Form aus andere Unterarten zu 
gruppieren. Ohne Zweifel stimmen die Merkmale von f. ornata GRAY 
(= servalina JARDINE) in vielem mit der Gruppe caudata GRAY überein 
und die Vereinigung der beiden in einer Art erscheint nicht nur vom syste- 
matischen, sondern auch vom geographischen Standpunkte ganz natürlich. 
Zu solch einem Schlusse war A. BIRULA (1912) ebenfalls geneigt, nur 
brachte er mit F. ornata (außer F. caudata und shawiana) auch F. pal- 
Ida zusammen. Letztere, wie unlängst Prof. E. LÖNNBERG (1925) be- 
wiesen hatte, besitzt einige Merkmale, die zur Aufstellung einer besonderen 
Untergattung Podiaelurus für sie berechtigen. 

Wenn die Feststellung einer allgemeinen conspecies der Steppenkatzen 
keine besonderen Schwierigkeiten vorstellt, so gestaltet sich die Frage über 
das Differenzieren der Unterarten besonders kompliziert. Leider besaß ich 
nur ungenügendes kraniologisches Material als Grundlage der Erforschung, von 
welchem man zu keinen positiven Schlüssen gelangen konnte. Der Beschrei- 
bung der Unterarten, deren Bestimmung auf Farbenunterschieden beruht, 
etwas vorgreifend, führe ich hier einige sich andeutenden kraniologischen 
Eigenheiten der geographischen Rassen an: 

1. Exemplare F. ornata caudata GRAY aus der typischen Ortschaft 
(Perowski-Kreis, Ustj-Urt) zeichnen sich durch große Schädelmaße (allgemeine 
Länge bis 112 mm), und nicht sehr große Vorderkammern der bullae osseae aus, 
welcher Umstand sich durch starke Wölbung der hinteren bullae-Abteile 
kompensiert. 

Zwischen den Schädeln F. o. caudata GRAY und F. 0. matschiei 
ZUKOWSKI gibt es meiner Ansicht nach gar keine Unterschiede, 

2. F. ornata murgabensis ZUKOWSKY (aus Tachta-Basar am Murgab 
und Repetek) charakterisiert sich durch sehr große bullae osseae mit starker 
Entwicklung ihrer Vorderkammern. 

3. Die Schädel von F. o. shawiana BLANFORD und F". o. issikku- 
lensis subsp. nov. stehen in ihren Ausmaßen der letzten der zwei vorher- 
beschriebenen Formen nach, 

4. Der Schädel von F. ornata ornata GRAY (aus Kirman) zeichnet 
sich durch relativ unbedeutende Größe, stark geblähte bullae osseae (beson- 
ders im Abteil der hinteren Kammern), einer vorn sehr breiten fossa meso- 
pterygoidea aus. Der untersuchte Schädel eines JS sen. steht letzterem bei 
F. 0. murgabensis an Größe bedeutend nach. 


60 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


b) Geographische Verbreitung. 

Infolge mangelhafter Beobachtungen fällt es ziemlich schwer, genaue 
Grenzen der Verbreitung dieser Art festzustellen. Bis vor kurzem blieb die 
Frage, wie weit nach Westen die angegebene Grenze geht, ganz unaufgeklärt. 
Ein hervorragendes Interesse bieten die bei Kirgisen erstandenen drei Katzen- 
Fellchen, welche nach den Aussagen letzterer im Winter 1923—1924 bei 
Dshambai (am linken Wolgaufer, im Süden des Gouv. Astrachan) erbeutet 
worden waren. W. A. ÜHLEBNIKOFF war so liebenswürdig, diese Katzen- 
felle mir zur Durchsicht zu schicken. Literarische Angaben in den Arbeiten 
alter Autoren zeugen von bedeutend nach Osten gelegenen Fundorten, im 
Vergleich zu den obengenannten. 

So ist, nach J. F. BRANDT’s (1852) Angaben, diese Katze im Mugo- 
dschar-Gebirge und auf der Hochebene im Ustj-Urt zu treffen; für die letzte 
Gegend wurde sie schon von EVERSMANN angezeigt (1850). In der Sammlung 
des Zoologischen Museums der Akademie der Wissenschaften befindet sich ein 
Exemplar vom Ustj-Urt, das 1878 von M. N, BOGDANOFF geschenkt wurde. 
Weiter nach Osten ist sie bei Perowsk zu finden (N. A. SEVERTZOW, 
Samml. des Zool. Mus. d. Acad. d. Wissenschaften). Nach N. A. ZARUDNY’s 
Angaben (1915) ist sie im Tale der Tschu und Syr-Darja sehr gemein, 
im Tschirtschik-Tal keine Seltenheit und an der Amu-Darja sehr gewöhn- 
lich. A. M. NIKCLSKI vermerkt sie am Unterlaufe der Ili als sehr 
gewöhnlich. In der Sammlung des Zool. Mus. d. Acad. d. Wissenschaften 
befinden sich Exemplare vom Berggrate Talass-Alatau. L. ZUKOWSKY (1914) 
nennt diese Art für das zum Osten von Balchasch liegende Land, d. h. wahr- 
scheinlich für das Semiretschje (Siebenstromland). In seiner ausgezeichneten 
Monographie über Dshetysu (Semiretschje, Siebenstromland) bezeichnet W.N. 
SCHNITNIKOFF (1925) die Steppenkatze für diese Ortschaft als sehr ge- 
wöhnlich. Nach N. A. SEWERTZOFF’s Angaben (1873) ist sie am Karatau, 
am westlichen Tjanj-Schanj, am Aryss, Keless, Tschirtschik-Oberlauf mit 
Nebenflüssen, am Unterlaufe der Syr-Darja, von der Aryss-Mündung bis zum 
Aralsee, im Syra-Delta zu finden. Ferner hält sie sich auf: In der Umgegend 
von Chodshent, im Sarewschan-Tal, in der Steppe zwischen diesem Flusse 
und der Syr-Darja. In vertikaler Richtung ist sie in der Zone von 600° 
bis 1000 einheimisch. REGEL fand sie (Sammlg. des Zool. Mus. d. Acad. 
d. Wiss.) im östlichen Buchara. In Transkaspien ist sie stark verbreitet. Nach 
RADDE und WALTER (1889) ist sie am Tedschen und Murgab ganz ge- 
wöhnlich. S. J. BILKJEWITSCH (1918) vermerkt diese Art für die Gegend 
von Kopet-Dag (Gaudan, Chainilau, Suljukli) und für die Sandgegend von 
Karakum. Sie kommt am Bolschoi Balchan vor (Exemplar der Sammlung 


S. J. OGNEFF, Übersicht der russischen Kleinkatzen. 61 


des Museums zu Stawropol). N. SMIRNOFF (1922) erwähnt folgende Fund- 
orte in Transkaspien: Umgegend von Serachsa, Geok-Tepe; im Krasnowodsk- 
Kreise, an der Grenze von Persien. Westlicher ist genannte Art im Urmia- 
Rayon, in der Umgegend der Stadt Ardebil zu trefien. Es ist interessant, 
daß N. A. SMIRNOW ein Katzenfell eines wahrscheinlichen Mischlings von 
Felis caudata und F. catus von den Bankowski-Erzgruben erwähnt, worin 
der Verfasser noch eine Bestätigung von K. A. SATURNIN’s Meinung über 
das Vorhandensein der Steppenkatze in der Steppen-Fauna des östlichen 
Transkaukasiens ersieht. Außerhalb Rußlands Grenzen kommt diese Katze 
vor: in Mesopotamien, in der Kirman-Provinz Persiens, im nördlichen Af- 
ghanistan am Balo-Murgab (THOMAS, 1889), und bei Maimene (SCULLY, 
1887). In Afghanistan ist sie wahrscheinlich genügend stark verbreitet, ob- 
gleich keine realen Angaben über diese Frage vorliegen. In Sind-Sagar, Pendshab, 
ist sie bestimmt einheimisch und geht von dort tief nach Indien bis Nagpur, 
obgleich gegen Süden vom Flusse Narbad sie schon selten vorkommt; gegen 
Nord-Ost scheint sie das Ganges-Tal nicht zu überschreiten. Im östlichen 
Turkestan ist diese Art für Kaschgar und Jarkend (BLANFORD, 1579) 
vermerkt. Auch im Bassin des Flusses Tarim, gegen Osten bis Chami, Lob-Nor 
und in der Sandgegend von Kun-Tag ist sie zu treffen. 

Auf der ganzen von uns bezeichneten umfangreichen Fläche kommen 
mehrere Unterarten der Steppen-Katze vor. Im Ustj-Urt, in der am Aralsee 
liegenden Gegend und im Syr-Darja-Gebiet ist F\. 0. caudata GRAY ver- 
breitet. Wahrscheinlich kommt letztere auch in Semiretschje (Siebenstrom- 
land) vor, falls F. o. schnitnikowi BIRULA (F. macrothriz ZUKOWSKY) 
sich nicht als eine besondere Unterart erweist. Im östlichen Turkestan finden 
wir F. o. shawiana BLANFORD in der Murgab, Tedshen, Repetek-Gegend 
und wahrscheinlich auch in der nordwestlichen Ecke Afghanistans F. 0. mur- 
gabensis ZUKOWSKY, am Kopet-Dag, anliegenden Steppen und am Bolschoi 
Balchan F. o. matschiei ZUKOWSKY, in Mesopotamien F'. o. nesterovi 
BIRULA, in Südpersien, Afghanistan und in den genannten Gegenden In- 
diens f. ornata ornata GRAY. Welche Form sich in der nordwestlichen 
Ecke Persiens (bei Ardebil) aufhält, halte ich vorläufig für nicht aufgeklärt. 


c) felıs ornata caudata GRAY (1874). 


1841. Felis servalina J. F. BRANDT, Note sur une espöce de chat nouvelle p. 
la faune de la Russie. — Bullet. Scient. phys.-mathem. de l’Academie Imper. 
de St. Petersbourg 9, pg. 34—37 (Non EFelis servalina WILL. JARDINE, 
1834). Auct. cit., Zoologischer Anhang an A. LEEMANN’s Reise nach 
Buchara und Samarkand“, 1852, pz. 300; N. A. SEVERTZOW „Verti- 
kale und horizontale Einteilung der Tiere Turkestans*, 1873, pg. 61. 


62 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


1874. Chaus caudatus J. E. GRAY, On the Steppe-Cat of Bokhara. — Proceed. Zool. 
Society of London, part. I, pg. 31—33. 

1914. Felis caudata griseoflava L. ZUKOWSKY, Über zwei neue Formen von Felis 
caudata. — Archiv für Naturgeschichte, Abt. A, Ht. 9, pg. 9. 

Typischer Fundort: Der westliche, am Aralsee gelegene Teil des 

Syr-Darja-Gebietes, welches unter dem Namen Dshany-Darja bekannt ist; 

nicht aus Buchara oder Kokand (Fergana), wie J. E. GRAY behauptet (Siehe 

ebenfalls: A. BIRULA, L’Annuaire du Mus. Zool. de l’Acad&mie Imp. de 

St. Petersbourg, XVII, 1912, pg. 226). 


Diagnose: Praephenoideum schmal mit einer rechteckigen oder rhomben- 
förmigen Erweiterung im vorderen oder mittleren Teil. Die Hinterränder 
der nasalia treten nach hinten nicht soweit hervor, wie die Nasenauswüchse 
der Kieferknochen (oder, was selten vorkommt, sind mit letzteren auf einer 
Höhe gelegen). Die äußeren Gehöröffnungen sind größer als bei der Wild- 
katze: größter Diameter einer jeden Gehörgangöffnung 7,3 —8,3. 

Größte Schädellänge: SS 93—112,3; Q 90,3; Condylobasale Schädel- 
länge SS 87,9—103,2; Jochbogenbreite SS 67—82,3, Q 66; größte 
Schädelbreite SG 41,8—47, Q 42,8; Schädelkapselläinge SG 46,7—55,7, 
o 43,5; Längsdiameter der Augenhöhle SG 29,1—33, © 29,1; Länge der 
bullae osseae SQ 21,1— 24,2; © 21,3; Länge der oberen Zahnreihe SG 
30,1—36,1; Q 32. 

Allgemeiner Farbenton des Felles ist blaß rahmfarben-gelblich (Sommer- 
fell mehr grau), Seitenfärbung ist reiner und heller: Kinn, Hals Brust und 
ein Teil der Bauchgegend sind weiß mit rahmfarbener Schattierung und mit 
mehr oder weniger deutlich hervortretender dunkler Scheckung, besonders 
in der Bauchgegend. Stirn und Scheitel sind von dichtliegenden und einander 
berührenden bräunlichen Flecken besprenkelt. Im Nacken vier schwärzliche 
längsliegende Streifchen. Über dem Rücken eine Anzahl kleiner grau-bräun- 
lich-schwarzer Flecken zerstreut. Differenzierte Längsstreifen sind auf dem 
Rückgrat nicht zu beobachten. Vom Nacken bis zur Schwanzbasis sind ihrer 
ungefähr 18 Reihen angedeutet. Der buschige Schwanz hat 6—8 schwarze 
Querstreifen: sein Ende ist schwarz. Pupille schmal, spaltförmig. Die stark ge- 
krümmten Krallen sind gelb-weißlich. Messungen eines erwachsenen © (im 
Fleisch) aus dem Perowski-Kreise: Körperlänge 632 mm, Schwanzlänge 330, 
Pfote ca. 133; Ohr ca. 50 mm. 


Systematische Notizen. — Zu Anfang der systematischen Über- 
sichtt muß ich zuerst das große Interesse vermerken, welches die Katzen 
aus der Umgegend von Dshembai, Gouv. Astrachan vorstellen (siehe weiter). 
Diese F', o. subsp. sind nach ihrem Kolorit bedeutend dunkler, als letztere 


S. J. OGNEFF, Übersicht der russischen Kleinkatzen. 63 


aus Syr-Darja. Der allgemeine Farbenton des Felles der Astrachan-Exemplare 
ist ziemlich lebhaft schmutzig grau-rahmfarben. Die Sprenkelung ist mit ver- 
schiedener Deutlichkeit ausgedrückt. Der Rücken einer Katze ist von deutlich 
bezeichneten rundlichen schwarz-bräunlichen Flecken bedeckt. In der Mitte 
des unteren Rückenteiles gruppieren sich die, ihrer Form nach mehr gezo- 
genen Flecken in drei Reihen als schwach angedeuteter Streifen. Bei einem 
anderen lebhafter gefärbten Exemplar sind 2—3 Rückenstreifen, die sich am 
Rücken entlang ziehen und stellenweise unterbrochen werden, klar angedeutet. 
Die Scheckung ist besonders lebhaft und grell; die Flecken selbst sind 
schwarz. Eine dritte Katze weist eine sehr verwischte verlaufende Scheckung 
auf, dagegen sind aber die deutlich hervortretenden Rückgratstreifen sehr 
gut bezeichnet. Die Scheckung der Bauchseite variiert. Allgemeine Färbung 
dieser Gegend ist schmutzig rahmgelb-gelbrot, dem Tone nach light pinkish 
cinnamon nahe, aber mit Beimischung einer grauen Schattierung und einiger 
gelblicher Töne. 

L. ZUKOWSKY beschrieb im Jahre 1914 eine besondere Unterart Felis 
caudata griseoflava. Für diese Katze, welche der Autor eine Tschurasse 
nennt, wird als typischer Wohnort die Gegend zwischen dem westlichen Ufer 
des Sees Balchany und dem Flusse Tschu bezeichnet. Außerdem wohnt sie 
nach ZUKOWSKY am Terskey-Alatau, am Flusse Tschu, vom See Issyk-Kulj 
an und ebenso in der Nähe von Naryn. Ich bezweifle das Auffinden dieser 
Rasse in der Nähe von Issyk-Kulj; Die von mir untersuchten Exemplare 
aus Issyk-Kulj wiesen charakteristische Unterschiede von den übrigen 
Formen auf. 

Nach L. ZUKOWSKY’s Angaben charakterisiert sich F. 0. griseoflava: 
1. durch blaß-gelbe Färbung, 2. relativ dunkleres Kolorit der Kopffärbung, 
3. breiter auseinandergestellte Rückenflecken (sie bilden von der Schwanz- 
basis bis zum Nacken 14 Reihen), 4. durch kaum merkbare Seitenscheckung. 

Ich hatte die Möglichkeit, gute Serien von Katzen aus den typischen 
Wohnorten benannter Rasse benachbarter Distrikte zu durchmustern. Auf 
Grund dieser Forschungen komme ich zum Schlusse, daß die Lebhaftigkeit 
des allgemeinen Farbentones dieser Katzen stark variiert, von relativ sehr 
blassen, bis zu gesättigteren Tönen. Ebenso veränderlich ist auch die Kopf- 
färbung. Die Anzahl der Rückenfleckenreihen schwankt zwischen 14—20; 
Seitenscheckung ist in systematischer Hinsicht ebenfalls ein sehr unzuver- 
lässiges und unbeständiges Merkmal. 

Also muß F'. o. griseoflava ZUKOWSKY infolge der als zufällig und 
äußerst unbeständig bezeichneten Merkmale zu den Synonymen der F\ o. 
caudata gezählt werden. 


64 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 4, 1929. 


Gegen Osten vom See Balchasch, d.h. wahrscheinlich aus Semiretschje ') 
beschrieb ZUKOWSKY eine besondere Unterart F'. caudata longipilis, welche 
Benennung bald in F\, o. macrothrix umgeändert wurde, weil die Art- 
benennung longipilis ein nomen preoccupatum (für Tiger) vorstelit. 
Nach des Autors Schilderung unterscheidet sich diese Katze: 1. durch be- 
deutende Größe; 2. buschiges langes Fell; 5. buschigen Schwanz; 4. gräu- 
lichen Grundton des Felles; 5. mehr verschwommene und weit voneinander 
stehende Flecken, die über Seiten und Rücken zerstreut sind; 6. dunklere 
Kopffärbung (alle diese Angaben sind im Vergleiche zu F'. o. griseoflava, 
d. h. F. 0. caudata GRAY gegeben). 


Leider habe ich beinahe gar keine Exemplare der Steppenkatzen aus 
Semiretschje gesehen. In der Sammlung des Zoologischen Museum der Mos- 
kauer Universität befindet sich ein ausgestopftes Exemplar dieser Katze (von 
S. WERESCHTSCHAGIN) mit dem Vermerk „Semiretschje“. Nach den Farben- 
merkmalen dieses Tieres finde ich keinen Unterschied von denen aus Syr- 
Darja. In der Sammlung des Zool. Mus. der Academie der Wissenschaften 
ist ein Fellchen einer Katze aus dem Kopal-Kreise (von W. N. SCHNITNIKOFF) 
aufbewahrt. Dieses Exemplar diente als Original für A. A. BIRULA’s (1914) 
Beschreibung einer besonderen Morpha F. caudata morpha Schnitnikowi. 


A. BIRULA charakterisiert den allgemeinen Farbenton dieser Katze als 
stahlgrau. Er ist in der Tat grau mit leichter Beimischung einer, dunklen, 
leicht violetten Schattierung (Ton zwischen mouse-gray und quaker-drab); 
Halsflecken haben mittlere Farbe zwischen deep mouse-gray und deep quaker- 
drab. Dabei sind die Fiecken groß und verschwommen (besonders an den 
Seiten). Im ganzen sind vom Schwanze bis zum Nacken 15—14 Flecken- 
reihen, wie bei macrothrix, vorhanden. Das Fell ist dicht und buschig (zweifellos 
Winterfeli!), der Schwanz buschig. Allgemeiner Ton der Kopffärbung ist ein- 
tönig-grau mit Andeutung einer charakteristischen, sehr schwachen rötlich- 
bräunlichen Beimischung, welche der grauen Schattierung ein nicht ganz reines 
Aussehen verleiht. Der ganze Kopf, außer der weißen Umrandung der Lippen 
und des Kinnes, ist derartig gefärbt; die Umrandung der Augen tritt durch 
ihr hübsches Weiß hervor, das an den inneren Teilen dieser Umrandungen 
besonders breit ist (ein für macrothrixz charakteristisches Merkmal). Ohren 
einfürmig grau. Am Rücken ein unregelmäßiges Muster relativ großer Flecken 
mit deutlichen Umrissen, welche an den grau-weißlichen Seiten schwach 
hervortreten. Wollhaar, blaß-grau (Mittelton zwischen pale mouse-gray und 


1) Vielleicht in dessen Wüsten- oder Ebenen-Teil? Terra typica ist ganz un- 
bestimmt bezeichnet. 


©) 


Buchdruckerei 
REINHOLD BERGER 
Lucka (Bez. Leipzig) 


®) 


Zeitschrift für Säugetierkunde : 


Im Auftrage der 


- Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde 
e. V. 


herausgegeben von 


Dr. Hermann Pohle, Berlin 
Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde. 


5. Band 30. 8. 1930 
Be: 40 Seiten Text und Tafel I—XIV. 


Berlin 1930 
In Kommission bei Dr. W. Stichel, Leipzig 


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Zeitschrift für Säugetierkunde. 
Band 5. 30. 8. 1930. Heft 2. 


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light mouse-gray); an den Spitzen der Wollhaare eine Beimischung eines 
rötlich-rahmgelben Kolorits. Mitten unter ähnlichen Haaren der sehr üppigen 
'Wollhaare gibt es ziemlich viel Grannenhaare, die schwarze Spitzen besitzen. 
In der Gegend der verschwommenen Flecken ist eine zweifellose Dominanz 
dieser schwarzen Haare zu beobachten. 

Nach einer ganzen Reihe von Merkmalen haben FF. o. schnitnikowi 
und F. o. macrothriz sehr viel Gemeinschaftliches: bedeutende Ausmaße, 
buschiges Winterfell, Charakter der Scheckung. Es ist leicht möglich, daß 
ein größeres Material eine bedeutende Ortsrasse für Semiretschje festzustellen 
ermöglichen wird. In dem Falle wird morpha schnitnikowi sich als eine zu- 
fällige Abweichung in der Richtung eines allgemeinen scharfen Grauwerdens 
des Felles erweisen. Das Vorhandensein des obenerwähnten, im Zoologischen 
Museum der 1. Moskauer Universität aufbewahrten, ausgestopften Exemplars, 
welches keine Eigenheiten der noch rätselhaften Rasse besitzt, ruft an dieser 
Folgerung Zweifel hervor. 


a) Felis ornata murgabensis ZUKOWSKY (1914) Steppenkatze von Murgab. 
1914. Fıelis (Felis) murgabensis L. ZUKOWSKY, Drei neue Katzenrassen aus West- 
asien, Archiv für Naturgeschichte 1914, Abt. A, H. 19, pg. 127. 

Typischer Fundort: Tachta-Basar (Pendshe) Transkaspisches Gebiet. 

Diagnose: Diese Art ist F. o. caudata sehr ähnlich, unterscheidet 
sich aber durch feinere Scheckung, wobei die Flecken weiter voneinander 
gestellt sind als bei der Steppenkatze von Syr-Darja. Der allgemeine Farben- 
ton des Sommerfellrückens ist fahl weißlich-grau mit rahmgelb-strohfarbener 
Beimischung, des Winterfelles gelbrot-strohfarben-gelblich. 


Systematische Notizen. Es stand mir ein zu geringes kraniolo- 
gisches Material zur Verfügung, als daß ich nach ihm über die systema- 
tischen Unterschiede der F. 0. murgabensis von F. o. caudata urteilen 
könnte. Einige vorläufige Mitteilungen sind von mir oben angeführt worden. 

Nach dem Charakter des relativ feinen und undichten Musters stellt 
F. 0. murgabensis eine Übergangs-Unterart zu F. o. shawiana vor. Die 
einzigen ziemlich gut sichtbaren Unterschiede, welche festzustellen gelang, 
bestehen in einem schmutzigeren (mit Beimischung von grau) Kolorit des 
Winterfelles bei F'. 0. murgabensis und in größerer Schwanzlänge. Dieses 
letzte Merkmal tritt zwar beim Vergleiche der Felle auch gut hervor, seine 


- 


(9) 


66 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Berechnung ist aber erschwert, weil bei zubereiteten Fellen die tatsächlichen 
Maße, welche den Schwanz des eben erlegten Individuums charakterisieren, 
immerhin bedeutende Veränderungen erlitten haben. Für eine genügend deut- 
liche Diagnose fehlt uns Material, dessen Sammlung zur Erklärung der 
Murzab-Unteraärt höchst erwünscht wäre. 

Geographische Verbreitung. ZUKOWSKY beschrieb seine neue 
Form aus der Umgegend von Tachta-Bazar (am Murgab). Ich hatte Ge- 
legenheit, Katzen dieser Form aus der Umgegend von Merv, BRepetek 
Schirabad und dem östlichen Buchara zu sehen. Auf diese Weise müssen 
wir annehmen, daß das Verbreitungsareal des F. o. murgabensis die südöst- 
liche Ecke Transkaspiens, einen bedeutenden Teil von Buchara und wahr- 
scheinlich auch den Nordwesten Afghanistans umfaßt. 

Zu bemerken ist noch, daß L. ZUKOWSKY eine besondere Artbenennung 
der Katze vom Typ F. caudata gab, die seinerzeit von SCULLY (Annals 
and Magazine of Natural History 20, 1887, pg. 379) aus Maimene am Sang- 
Alak im Nordwesten Afghanistans beschrieben war. Auf Grund der kurz- 
gefaßten, von SCULLY berichteten Angaben betreffs Färbung und Ausmaße 
dieser Katze, hält ZUKOWSKY es für möglich (l. ec. Archiv für Natur- 
geschichte, Abt. A, H. 10, 1914, pg. 139) letzterer eine besondere Benennung 
Felis maimanach zu geben. Nach ZUKOWSKY’s Aussagen zeichnet sich 
diese Katze durch sehr bedeutende Körpermaße aus (75,1 cm); der Schwanz 
ist im Verhältnis zum großen Körper nicht lang (33,2 cm); Färbung er- 
innert am meisten an F'. o. matschiei,. 

Zweifellos ist zum genauen Urteil über die taxonomische Lage dieser 
Form ergänzendes Sammlungsmaterial durchaus notwendig. 


e) Felis ornata shawiana BLANF. (1878). 
1879. Felis shawiana W. T. BLANFORD, Scientific Results of the Second. 
Jarkend Mission, Mammalia, pg. 17. 


Typischer Fundort: Umgegend von Jarkend. 

Diagnose: Unterscheidet sich von F'. o. caudata durch: 1. etwas mehr 
blasse und reine (ohne grauen 'l'on) rahmgelb-rostgelbliche Färbung des 
Winterfelles (Mittel zwischen warm light buff und pinkish buff); 2. gewöhn- 
lich durch schmalere, blasse trübgraue Basen der Wollhaare; 3. durch breit 
gestellte relativ kleine schwarze Flecken (auf Seiten und Bauch läuft eine 
undeutliche Scheckung aus); 4. durch einen kurzen, 6—8 Querringe tragenden 
Schwanz. 

Das Sommerfell ist härter, weniger dicht, trüber und weißlicher als- das 
Winterfell; die Scheckung tritt nicht so deutlich hervor. Die Unterseite ist 
schmutzig-weißlich mit röstlichem Anhauch. 


S. J. OGNEFF, Übersicht der russischen Kleinkatzen, 67 


Systematische Notizen. Diese Katze, die zweifellos F. 0. murgaben- 
sis sehr nahe steht, unterscheidet sich von letzterer durch kürzeren Schwanz 
und durch mehr rostliche Farbe des allgemeinen Fellkolorits. Sie ist in den 
Serien, beim Vergleiche der Exemplare, von F! 0. caudata leicht zu unter- 
scheiden. 

Geographische Verbreitung. Umfaßt den Osten Turkestans von 
Kaschgar und Jarkend bis Chami und Kum-Tag, d. h. das ganze Bassin 
des Tarim. Im südlichen Teil dieses immensen Gebietes ist sie im Bassin der 
Nia-Darja und Aschi-Darja (bei der Oase Tschira) von M. W. PEWZOW’s 
Expedition gefunden worden (Exemplar in der Sammlung des zoolog. Museums 
der Akademie der Wissenschaften). Vielleicht können Übergangsindividuen 
zu dieser Katze im südöstlichen Teile des Semiretschje gefunden werden. 


f) Felis ornata matschiei ZUKOWSKY (1914). 
1914. Felis matschiei L. ZUKOWSKY, Drei neue Katzenrassen aus Westasien, 
Archiv für Naturgeschichte 1914, Abt. A. H. 10 pg. 130. 

Typischer Fundort: 110 km südlich von Geok-tepe. 

Diagnose: Unterscheidet sich von F. o. caudata GRAY durch fol- 
gende Merkmale: 1. Das Fleckenmuster ist beinahe nicht ausgedrückt, 2. läßt 
sich ein scharfes Dunkel- und Schwarzwerden des Rückens beobachten; 
3. Pfoten ohne Streifen, 4. Kopf ohne Scheckung. 

Systematische Notizen. Stellt anscheinend eine gut differenzierte 
geographische Form vor. 

Geographische Verbreitung. Wahrscheinlich auch in der süd- 
westlichen Ecke des Transkaspischen Gebietes zu finden bis zum Kopet-Dag- 
Gebirge vordringend. In der Sammlung des Zoologischen Museums der Aka- 
demie der Wissenschaften sah ich zwei von S. J. RILKJEWITSCH erbeutete 
Exemplare aus dem Tschuli-Bergpaß. 


g) Felis ornata issikulensis subsp. nov. 

Abbildungen: Tafel II, Abb. 1—3. 

Typischer Fundort: Nord-westliche Küste des Issykkulj Sees. 

Typus: S Nr. 4965 der Sammlung des Zoolog. Mus. d. Mosk. Univ. 
vom 26. XI. 1918. — Cotypus: O Nr. 555 der Sammlung von S. J. OGNEFF 
vom XI. 1926, 20 Werst südlich von der Ansiedlung Rybatschje, südwest- 
liche Küste des Sees Issykkulj; OSAROWSKI. 

Diagnose: Ist von F. 0. caudata durch bedeutend dunkleres Winterfell 
zu unterscheiden. Allgemeine Färbung trüb, schmutzig grau mit rahmgelber 
Schattierung. Sie variiert zwischen drab und hair brown. Längs dem Rück- 


68 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


grate ziehen sich 2—3 Längsstreifen, die sich aus einer Reihe lebhafter, 
enggestellter, schwarzbrauner, gezogener Flecken zusammenfügen. Vom Rück- 
grat den Seiten zu ein Muster runder braun-schwärzlicher Flecken. Die Rück- 
seiten der Ohren dunkel grau-rahmgelb-bräunlich (hair - brown - buff -brown). 
Die Spitzen der ÖOhrenrückseiten sind dunkel-braun, bräunlich-schwarz den 
Rändern zu mit schwach ausgedrückten schwarzen Haarpinseln. (Die Ohren- 
rückseiten anderer Unterarten von F". ornata sind relativ fahl, grau, rahm- 
gelb, manchmal mit einer weißlichen Schattierung, ohne scharfes Dunkel- 
werden der Endteile an der Rückseite eines jeden Ohres). 

Maße des J: Körperlänge 544; Schwanzlänge 297,6; Hinterpfote 
133; Ohr 58 mm. Entsprechende Maße des Q 510, 221, 111, 64. 

Der Schädel ist etwas kleiner als bei F. ornata caudata. Größte 
Schädellänge J 99,2 (Q 86,2); Condylobasallänge S 92,2 (Q 80); Joch- 
bogenbreite 3 69,1 (9 64,8); größte Schädelbreite 9 45,5 (Q 49); Schädel- 
kapsellänge S 50 (9 44,6); Längsdiameter der Augenhöhle S 28,9 (9 28,6); 
bnllae osseae Länge S 23 (9 19); Länge der oberen Zahnreihe JS 30 
(9 28). 

Ergänzungs-Beschreibung: Der Rücken des Männchens (Nr.4965) 
ist trübe, schmutzig-grau, mit relativ sichtbar ausgedrückter rahmfarbener 
Schattierung; Weibchen Nr. 555 ist dunkler und grauer gefärbt. Vorderer 
Nasenteil und die Lippengegend ist weiß mit leichter rahmgelber Schattie- 
rung; ein schmaler Ring ums Auge trägt dieselbe Farbe. Vom inneren 
Augenwinkel zieht der Nase zu je ein schmaler rostbrauner Streifen, welcher 
beim Auge selbst eine schwärzlichere Basis hat. Unter dem Auge, auf der 
rahmgelbgräulichen Grundfärbung der Backen mit weißlicher Schattierung 
sind zwei beinahe parallele Streifchen bräunlich-schwärzlicher Farbe zu be- 
obachten. Von den hinteren Winkeln der unteren, zum Halse gehenden 
Streifen ist von jeder Seite ein kaum merkbares fahles rahmfarben-ockergelbes 
Streifchen angedeutet, welches auf der Mitte des weißlich-rahmgelben Grund- 
tones des Halses eine Unterbrechung aufweist. Der Scheitel ist lebhaft 
schmutzig-grau mit rahmfarbener Schattierung. Über ihm sind wenig 
zahlreiche feine bräunlich-schwarze rundliche Flecken zerstreut. In der Nacken- 
gegend gehen diese Flecken in vier Streifen über, die allmählich in dem 
Grundtone des unteren Halsteiles verschwimmen. Am Rücken vom Grat den 
Seiten zu ist ein Muster von deutlichen bräunlich-schwärzlichen Flecken zu 
sehen, die 12—18 undeutlich erkennbare Reihen bilden. Beim Weibchen ist 
eine Tendenz zum Verlaufen der Seitenflecken in nicht vollständig differen- 
zierte, sich vom Rücken den Seiten zu ziehende Streifen angedeutet. Die 
Wollhaare sind relativ dunkel, schmutzig-grau (mouse-gray), oben grau- 


S. J. OGNEFF, Übersicht der russischen Kleinkatzen. 69 


bräunlich (hair-brown). — An den vorderen Extremitäten findet sich ein 
deutlich gezeichnetes Muster schwarz-bräunlicher Querstreifen. Ebensolche 
Querstreifen sind an Hüften und Schienbeinen gut ausgedrückt. -— Die 
Unterseite des Männchens hat einen hübschen rostlich-rahmgelben Farbenton 
(nahe pinkish-buff). An der Brustmitte sind schwach bezeichnete rundliche 
bräunlich-graue Flecken. Die Unterseite des Weibchens ist etwas blasser und 
grauer, die Scheckung deutlicher ausgedrückt. 


Systematische Notizen. — f". o. issikulensis ist von F'. 0. macro- 
thrix (siehe pg. 64) gut zu unterscheiden (bei einem Vergleich mit der von 
ZUKOWSKY gegebenen Beschreibung). So spricht genannter Autor von einem 
allgemeinen grau-gelblichen Tone der Rückenfärbung bei F. 0. macrothrix. 
Die Rückseiten der Ohren dieser Katze sind weißlich (augenfälliger Unter- 
schied von F'. 0. issikulensis). An den Körperseiten ist die Scheckung bei F', o. m. 
so sehr verwischt, daß sie beinahe nicht zu merken ist (bei unseren Indi- 
viduen ist die Seitenscheckung ganz deutlich ausgedrückt). Endlich ist F'. 
o. macrothrix ein relativ großer Vertreter der betrachteten Gruppe. (Nach 
ZUKOWSKY’s Angaben beträgt die Schädellänge bei F. 0. m. 103 (92), 
Basallänge 86 (77); Jochbogenbreite 70 (64) mm. | 


Unsere neue Unterart ist I". kozlovi ziemlich nahe, die vonK. A.SATUNIN 
im Jahre 1905 aus der Oase Ljuktschjun (östliche Ausläufe des Tjanj- 
Schanj) beschrieben wurde. Diese Katze ist anscheinend ebenfalls der Gruppe 
F. ornata einzureihen. Von F'. o. issıkulensis ist sie leicht durch folgende 
Merkmale zu unterscheiden: 


1. Der Nackenmittelteil von Felis kozlovi ist so dieht mit schwarzen 
Flecken bedeckt, daß er beinahe ganz schwarz scheint. 


2. Am Oberteil des inneren Ohrrandes befindet sich ein rostbrauner 
Fleck. Ein greller röstlich-gelber Streifen umfaßt die Ohrränder (beide Merk- 
male fehlen gänzlich bei F'. o. issikulensis). 

3. Über die Rückenmitte zieht sich bis zur Schwanzbasis bei ". kozlovi 
ein rost-bräunlicher Streifen. 


4. Quer über die Kehle läuft ein rost-bräunlicher Streifen (vereint die 
vorderen Ränder der anteorbitalen Streifen). Bei F. o. :issikulensis ist 
letzterer kaum angedeutet und in der Mitte unterbrochen. 


5. Der zweite schwarzbräunliche Querstreifen trennt den weißen Hals 
von der gelblich-weißen Brust. Bei F\. o. issikulensis fehlt er ganz. 

6. Obere Pfotenteile sind bei F. kozlovi grell rötlich-gelb mit bräun- 
licher Scheckung (bei F. o. issikulensis sind die entsprechenden Teile ein- 
farbig blaß-rahmgelb-grauweißlich). 


79 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


E. Untergattung Prionailurus SEVERTZOW (1858). 


1858. Prionailurus N. SEVERTZOW, Notice sur la classification multiseriale 
des Carnivores. — Revue et Magazine de Zoologie 10, Paris pg. 387. 

1868— 1874. Felis A.MILNE-EDWARDS, Recherches pour servir a l’histoire natu- 
relle des Mammiferes 1, pg. 221. 

1898— 1899. Oncoides (nec SEVERTZOW) E. TROUESSART, Catalogus Mamma- 
lium 1, pg. 357—-360 (partim\. 

1909. Oncoides. K. A. SATUNIN, Zur Systematik der Familie Felidae. — Mitteilun- 
gen des Kaukasischen Museums 4, pg. 225 (nec apud SEVERTZOW). 

1917. Prionailurus (genus) R. POCOCK, The Classification of existing Felidae. 
— Annals and Magaz. of Natur. History 20, pg. 338. 

1925. Prionailurus (subgenus) E. LÖNNBERG, Notes on some Cats. — Arkiv för 
Zoologi 18, Nr. 2, pg. 11. 


a) Diagnose. 

Äußere Merkmale: Katzen mittlerer Größe oder kleine, die sich 
durch unregelmäßig geflecktes Muster abzeichnen. Der Schwanz weist mehr 
oder weniger differenzierte Querstreifen (Ringe) auf. Körper relativ lang, 
auf niedrige oder mittellange Beine gestellt. Von der Nase zur Stirn zieht 
sich über dem Auge von jeder Seite ein grell hervortretendes weißliches 
Streifchen (sehr charakteristisches Merkmal). — Die kurzen abgerundeten 
Ohren zeichnen sich durch die für diese Unterart typischen großen weißen 
Flecken aus. Die Ohren haben keine Pinsel. — Pupille senkrecht elliptisch. 
— Mähne und Backenbart sind nicht vorhanden. Der Schwanz macht an- 
nähernd die Hälfte der Körperlänge aus. Krallen sehr spitz, seitlich zusammen- 
gedrückt, völlig zurückziehbar. 


Schädel: Der Sch. ist stark in die Länge gezogen, mit verlängerter 
und ziemlich verengter Gehirnkapsel. — Die oval gezogenen Augenhöhlen 
sind kleiner als bei Katzen der Untergattung Felis. Breite zwischen den 
Vorderrändern der Nasalia ist ungefähr halb so groß, wie die Breite der 
Schädelkapsel hinter den processus postorbitales. Diese selbst sind dünner 
und kürzer, als bei Vertretern der Untergattung Felis. — Der harte Gau- 
men ist etwas mehr verlängert als bei Felis. Daher steht die Gaumenbreite 
um annähernd 1/,—!/, der Länge desselben nach. Praesphenoideum sehr 
schmal, mit kaum angedeuteten Seitenvorsprüngen. 

Es sind hier nur diejenigen kraniologischen Merkmale angezeigt, welche 
mit denen der Grundgattung Felis nicht übereinstimmen. 

Die Entfernung zwischen den äußeren Alveolarrändern der Reißzähne 
macht ungefähr °/, der Breite zwischen den Enden des processus postorbi- 
tales aus. — Die Fossa mesopterygoidea ist bedeutend schmäler als bei Felis. 


S. J. OGNEFF, Übersicht der russischen Kleinkatzen. 7et 


Typus der Untergattung: Felis pardochrous GRAY (= benga- 
lensis KERR). 


b) Felis (Prionailurus) euptilura microtis MILNE-EDW. (1868—1874). 
1862. Felis undata G.RADDE, Reisen im Süden von Ost-Sibirien 1, pg. 106—113. 
1868—1874. Felis microtis A. MILNE-EDWARDS, Recherches pour servir A 

l’histoire natur. des Mammiferes 1, pg. 221. 
1904. Oncoides bengalensis raddei. E. L. TROUESSART, Catalogus Mammalium, 
Supplement, pg. 271. 
1909. Oncoides euptilura microtis. K. A. SATUNIN, „Amurskij lessnoj Kot“. 
(Waldkater vom Amur) Ochotnitschij Westnik, pg. 148—150. 

Abbildungen: Tafeln II und III, Abb. 4—6. 

Typischer Fundort: Pekings Umgebung. 

Diagnose: Mit den für die Untergattung charakteristischen kraniolo- 
gischen Merkmalen. Größte Schädelläinge SS 93,6— 110; © ca. 91; Con- 
dylobasalläinge SG 92,8-—-102; © ca. 85; Jochbogenbreite SG 62,9— 74; 
größte Schädelbreite 42,9—47,6, Q 39; Schädelkapsellänge SS 52,9—59,2; 
Q ea. 55; Längsdiameter der Augenhöhle SG 25,3—27; Q 22,2; bullae 
osseae GG 23—24,7; Q 20; obere Zahnreihenlänge JG 31—32,2; Q 23 mm. 

Der allgemeine Farbenton des Felles variiert von blaßgrau-rahmgelb 
bis zum trüben graubraun, manchmal mit rostroter Schattierung. An den 
Seiten wird die Färbung heller, dank einer blassen weißlich-ockergelben Bei- 
mischung. Über den Körper sind oval gezogene rostbraun-ockergelbe Flecken 
zerstreut, welche bald deutlich zu unterscheiden, bald verschwommen sind. 
Längs dem Rückgrate sind drei mehr oder weniger deutlich ausgedrückte 
lebhaft-bräunlich bis schwarzbraune Längsstreifen angedeutet. Quer über die 
Halsgegend treten vier bis fünf rostbraune Streifen grell hervor. Der Bauch 
ist mit trüb-rostbraunen Flecken bedeckt. Der buschige rostbraune Schwanz 
mit rahmgelb-grauer Beimischung trägt sieben schwach angedeutete grau rost- 
rote Querringe, welche bei einigen Exemplaren beinahe nicht zu merken sind. 

Verschiedene Autoren geben folgende Größenmaße an: Allgemeine Körper- 
länge inkl Schwanz 1400 mm; Schwanz allein 440 (BAIKOFF 1915). 
Länge (wahrscheinlich mit Schwanz) 1090 mm (ARSENJEFF 1926); Körper- 
länge 750 mm, Schwanzlänge 380 mm (PRZEWALSKI 1870). Die Aus- 
maße eines alten Katers meiner Sammlung (Nr. 3052) nach Messungen des 
Felles: Allgemeine Körperlänge ca. 900 mm; Schwanz (ohne Endhaare) 
350; derselbe mit Endhaaren 375 mm. 

Systematische Notizen. Der Lebhaftigkeit seines Tones nach vari- 
iert der Kater vom Amur nicht besonders. Von der Unterart F'. euptilura 
euptilura unterscheidet er sich durch: 1. trüberes verwischtes Muster; 2. we- 


7) Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


niger grelles Farbenkolorit des Felles; 3. weniger deutliches Schwanzmuster 
(bei den typischen euptilura sind die Schwanzringe scharf bezeichnet); 
4. rostlich ockergelbe Färbung der Bauchflecken (bei euptilura sind sie 
schwarz, oft mit einer bräunlichen Schattierung); 5. sind die Ohren des 
Katers vom Amur kürzer als bei der typischen Form, deren Ohren ein 
besser sichtbares, von sehr schwarzen Rändern eingefaßtes, weißes Muster 
aufweisen. 


Im Jahre 1922 beschrieb T. MORI (Annals and Magazine of Natural 
History 9, 10, pg. 609—610) nach einem Fell (ohne Schädel) eine neue 
Katzenart Felis manschurica, die er bei Mukden erbeutetee Nach MORTs 
Aussagen steht diese Katze der euptilura am nächsten, unterscheidet sich 
von ihr nur durch: 1. weißlich-grauen Grundton des Felles mit weißlichem 
Wollhaar; 2.zwei große dunkelbräunliche Schulterstreifen; 3. langen buschigen 
quergeringelten Schwanz. Es fällt schwer, über die taxonomische Lage der 
Mukdenkatze nach einem unvollkommenen Exemplar zu urteilen. Sollten 
einmal die Schädel ähnlicher Exemplare untersucht werden, könnten viel- 
leicht Vertreter einer gut abgezeichneten Art sich entpuppen, was, die 
eigenartigen Sonderheiten der Färbung in Betracht ziehend, sehr wahr- 
scheinlich wäre. 


Geographische Verbreitung. Nach A. MILNE-EDWARDS’ Aus- 
sagen soll das typische Exemplar im Gebirge unweit von Peking erbeutet 
worden sein. Dieser Autor spricht ebenfalls von der Verbreitung dieser 


Katzen in der Mongolei. — RADDE (1862) erwähnt ein sechzig Werst 
unterhalb der Seja-Mündung bei der Staniza Konstantinovskaja erbeutetes 
Exemplar. — Im Ussyri-Bassin ist die Katze, nach N. M. PRZEWALSKTs 


Angaben (1870) ziemlich selten, dagegen sehr gewöhnlich an der Küste des 
japanischen Meeres zwischen dem Possjeta-Meerbusen und dem St. Olga-Hafen. 
In der Sammlung des Zool. Mus. d. Acad. d. Wiss. sind Exemplare aus dem 
Süden des Ussuri-Gebietes vorhanden (von F. F. BUSSE), aus der Umgegend 
von Blagoweschtschensk am Amur und ebenso das obenerwähnte Exemplar 
von Dr. G. J. RADDE. — Nach W. K. ARSENJEV’s (1926) neuen Angaben 
ist sie überall im Ussuri-Gebiet verbreitet, besonders häufig aber bei Wladi- 
wostok und auf der Russischen Insel zu treffen. N. A. BAIKOY (1915) ver- 
merkt sie für die Girin-Provinz der Mandschurei. In der Sammlung des Zoo- 
logischen Museums der Akademie der Wissenschaften untersuchte ich das 
Fellchen dieser Form, welches von P. J. SCHMIDT in Wön-San (Gönsan) 
in Korea gekauft worden war. 


S. J. OGNEFF, Übersicht der russischen Kleinkatzen. 13 


F. Untergattung Chaus GRAY (1843). 


1792. Lynx R. KERR., The animal Kingdom 1, pg. 41 (partim !) 

1843. Chaus L. GRAY, List of the specimens of Mammalia in the British Mu- 
seum, pg. 44—45. 

1858. Catolynz (subgen.) N. SEVERTZOW, Notice sur la classification multi- 
seriale des Carnivores.— Revue et Magasin de Zoologie 10, pg. 387 (partim!). 


a) Diagnose. 
Äußere Merkmale: Katzen mittlerer Größe, die sich durch beinahe ein- 
tönige Färbung mit reduziertem Muster auszeichnen, welches sich nur in Gestalt 
von Streifen an den Backen, undeutlichen Streifen und manchmal verschwom- 


menen Flecken am Körper und Schwanzringen erhalten hat. — Der Körper 
ist auf relativ hohe Beine gestellt. — Die Ohren sind ziemlich lang, drei- 
eckig, ausgebreitet, und tragen kleine Pinsel an den Enden. — Die Pupillen 


haben die Form einer schmalen, leicht ovalen Spalte bei Tageslicht, und 
sind breiter, aber immer merkbar oval in der Nacht. Mähne und Backenbart 
fehlen. — Die Schwanzlänge ist etwa gleich einem Drittel der Körperlänge. — 
Die Krallen sind sehr scharf, seitlich zusammengedrückt, völlig zurückziehbar. 

Schädel: Der Schädel ist länglich, die Gehirnkapsel relativ mehr ver- 
engt als bei der Gattung Felis. — Der Nasenteil des Schädels ist mehr 
ausgereckt, als bei Felis (siehe unten). — Die Augenhöhlen sind merkbar 
lang gezogen und nach vorn hin mehr verengt als bei den Vertretern der 
Gattung Fels. Zum Schädelschilde sind die Augenhöhlen unter schrägen 
Winkeln gestellt. 

Hier werden nur die Merkmale der Untergattung Chaus angeführt, 
die sie von der Gattung Felis deutlich unterscheiden. Die übrigen für die 
Gattung Felis aufgezählten diagnostischen Merkmale stimmen mit denen des 
Sumpfluchses überein. — Das ausgereckte for. anteorbitale ist schräg gestellt 
(mit einer Neigung nach innen). Sein Diameter ist annähernd so groß wie 
die Breite des Knochens zwischen der Öffnung selbst und der Augenhöhle. 

Die größte Länge der Nasalia (ihre vorderen Seitenvorsprünge mit- 
gerechnet) macht ®/, der Schädelbreite vor den processus mastoidei aus. 
Die äußere (größte) Länge der Nasalia überragt die im Seitenteil gemessene 
Länge vom Hinterrande des foramen incisivum bis zum hinteren Ausschnitt 
des harten Gaumens oder ist letzterer gleich (bei Felis ist dieses Verhältnis 
umgekehrt). Der harte Gaumen ist relativ verlängert; seine Breite steht der 
Länge ungefähr um '/,—!/, nach. 

Die Basis des Praesphenoideum hat ziemlich regelmäßige parallele Um- 
risse der Seitenwände und sein vorderer Abschnitt ist zu einer rundlichen 
Figur erweitert. — Die Linie, welche die vordere Gehörkammer von der 


74 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


hinteren abgrenzt, zieht sich vom foramen - stylomastoideum gewöhnlich zum 
inneren Rande des foramen tubae Eustachiae. Die Breite des äußeren Gehör- 
ganges steht manchmal ein wenig der der Alveole des oberen Reißzahnes 
nach, ist ihr manchmal gleich oder übertrifft sie um 1/, —!],. 

Der Processus coronoideus ist nach oben hin weniger verengt, als bei 
Vertretern der Gattung Felis. 

Zahnformel: J 3/3; C’1/1: P 3.2; Mil 20 

Typus der Untergattung: Felis chaus GÜLD. 


b) Felis (Chaus) chaus chaus GÜLDENST. (1776). 


1776. Chaus A. J. GUELDENSTAEDT, Chaus, Animal Feli affine desceriptum. — 
Novi Commentarii Academiae Scientiar. Imperialis Petropolit. 20 (1775), 
pg. 483—500. 

1778. Felis Chaus J. Chr. SCHREBER, Naturg. der Säugetiere 3, pg. 414. 

1811. Felis catolyne P. PALLAS, Zoographia Rosso-Asiatica, pg. 23—25. 

1870. Chaus catolynx LEOP. JOS. FITZINGER, Revision der zur natürlichen Fa- 
milie der Katzen (Felis) gehörigen Formen. — Sitzungsbericht der Mathem. 
Naturw. Classe der Kais. Akademie der Wissensch. Wien 60, Abt. 1, 
pg. 15%. : 

1894. Lynx chaus K. GREVE, Die geographische Verbreitung der Baubtiere. 
— Noya acta der Kais. Leop. Carol. Deutsch. Akademie 63, I, pg. 82. 

1915. Catolynx chaus chaus K. A. SATUNIN, Mammalia Caucasica, pg. 369. 

Abbildung: Tafel IV, Abb. 8—10. 

Typischer Fundort: Ciskaukasien, Küste des Kaspischen Meeres 
(Russi. enim partiter ac Tataris et Tschircassis ad maris Caspii littora, 
quae animalis huius patria“ ... GUELDENSTAEDT, 1. c. p. 484). 

Diagnose: Einem nicht großen Luchs ähnliche Katze, auf hohen Beinen 
mit schwarzen Pinseln an den Ohrspitzen. Lange Grannenhaare relativ hart, 
unterscheiden sich scharf von dem weichen und dichten Wollhaar. Schwanz 
annähernd gleich einem Drittel der Körperlänge. Färbung beinahe einfarbig 
grau bis bräunlich mit rostlicher Schattierung im Winterfell und mehr blaß- 
gräulich bis rahmfarben im Sommerfell. Undeutliche Flecken nur bei den 
inneren Extremitätenbasen. Im Sommerfell ist manchmal ein sehr verwaschenes, 
schwach sichtbares Streifenmuster des Rückens zu beobachten. Schwanz hat 
drei schwarze Querstreifen und ein schwarzes Ende. 

Die Fortsätze der intermaxillaria und frontalia sind kurz und berühren 
einander bei weitem nicht. Nasalia verengen sich ziemlich schroff nach hinten 
in Form eines spitzen Winkels. 

Größte Schädelläinge SG 121—132 mm, 99 106,8— 119,9; Condylo- 
basale Schädellänge SG 103,2—119,2; 99 98,2—110,2; Jochbogenbreite 
g3c 80-88; 09 68,3—72; größte Schädelbreite SS 49—53,1; 99 


S. J. OGNEFF, Übersicht der russischen Kleinkatzen. 75 


43,5—47,5; Schädelkapselläinge 53 58,2—63; 900 53,3—60,9; Längs- 
diameter der Augenhöhle SS 32,8—34,1; 00 30—31,8; bullae osseae 
Länge SG 23,6—25,9; 909 21,1—25; bullae osseae Breite SG 16,3—18; 
009 15,1—17,5; obere Zahnreihenlänge SS 39—42,5; OO 34,7—38,7 mm. 

Körperlänge (nach Exemplaren im Fleisch): 720—750 (SC), 630 (0); 
Schwanzlänge 250—290 (SG) 250 (9); Hinterpfote 149—158 (SG); 
Ohrlänge 73—85 (SG); 73 (9). | 

Geographische Verbreitung. Der Sumpfluchs ist im südöstlichen 
Teile unseres Landes ziemlich stark verbreitet. Als einen der nördlichsten 
Wohnorte kann man den südlichen Teil des Gouv. Astrachan bezeichnen. 
N. A. SMIRNOW (1922) erwähnt einen am Dorfe Laganj (Gouyv. Astrachan) 
erbeuteten Kater und W. A. CHLEBNIKOW (1924) spricht davon, daß er 
in den Grenzen dieses Gouvernements vorkommt und nicht zahlreich ist. — 
Ich hatte Gelegenheit, das Fellchen eines in der Umgegend der Eisenbahn- 
station Dossang (ungefähr 65 km nördlich von Astrachan) erbeuteten und 
im Museum zu Astrachan aufbewahrten Exemplares zu untersuchen. 

In Ciskaukasien ist er stellenweise am Terek gewöhnlich, im Kreis 
Kisljar und am Flusse Sulak. In meiner Sammlung besitze ich Exemplare 
aus Malaja Areschowka und ebenfalls aus der Umgend der Staniza Alexan- 
drijskaja (Unterlauf des Terek). Bei Petrowsk ist er nicht selten. Leider 
besitzen wir keine litterarischen Angaben über die Verbreitung des Chaus 
im westlichen Ciskaukasien. M. N. BOGDANOW (1873) erwähnt das Vor- 
handensein dieser Art im Tal des Flusses Kubanj. Es ist zu vermuten, daß 
er im Schilf des genannten Flusses keine Seltenheit vorstellt. 

Der Sumpfluchs dringt in Transkaukasien durch die tiefliegenden Fluß- 
täler der Kura und Araxa weit in die Landenge hinein, aber seine Ver- 
breitung begrenzt sich auf die Niederung. Als sein wesentlichster Wohnort 
am Flusse Kura ist die Nähe von Karajas bekannt. Im Süden des Ost- 
Kaukasus ist er sehr gewöhnlich. Am Flusse Arax ist er bis zum Anfang 
des Migrin-Bergpasses verbreitet. K. A. SATUNIN meldet: „Im Jahre 1894 
erschoß ich einen sehr großen Sumpfluchs im Schilf am Araxaufer, in der 
Nähe des Mindshewanski-Postens, traf sie aber weiter nach Westen nicht 
mehr. Am Fuße des Ararat, in der Gegend Aralych, erzählte man mir, daß 
Sumpfluchse im Schilf am Flusse Karasu vorkommen, ich konnte aber keine 
tatsächliche Bestätigung dieser Behauptung erlangen.“ 

In vertikaler Richtung ist sein Aufenthalt bei Deschlagar (1500‘) im 
Kaukasus (N, J. DINNIK, 1914) vermerkt worden. Weiter nach Osten kommt 
er im Ustj-Urt vor (J. F. BRANDT, 1852), im Syr-Darja-Tale und am 
Tschirtschik (N. A. SARUDNY, 1915). Für Ost-Buchara ist er vermerkt 


176 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


(Insel Dorkat, Fluß Pjandsh, Samml. des Zool. Mus. der Akademie der Wissen- 
schaften). In Transkaspien am Tedshen sehr gewöhnlich, am Mittellaufe des 
Murgab in der Merv-Oase und ebenso an den Flüssen Atrek, Sumbar und 
Tschandyr. Außerdem ist besagte Art in Egypten, Kleinasien, Palästina, 
Mesopotamien, Persien, Afganistan und Indien verbreitet. 


G. Gattung Eremaelurus OGNEV (1927). 


1927. Eremaelurus S. J. OGNEV. — Annuaire du Mus. Zool. de l’Acad. des 
sciences de St. Petersburg 27, pg. 356—862. 


a) Diagnose. 

Äußere Merkmale: Relativ kleine Katzen, die sich durch eintönige 
blaß-gräuliche rahm-ockergelbe Färbung auszeichnen. — Körper auf ziemlich 
niedrige Beine gestellt. — Am Schwanzende drei schwärzliche, undeutliche 
Ringe, von welchem einer das Ende selbst einnimmt, 

Ohren ganz groß, dreieckig zugespitzt. Keine Pinsel an den Enden. 
Von den Ohren den Backen zu zieht sich ein gut bezeichneter Backenbart. 
Schwanz annähernd der halben Körperlänge gleich oder um ein weniges 
länger. — Pupille rund. — Krallen lang und dick, schwach gekrümmt, fast 
flach, wahrscheinlich nur zur Hälfte oder gar nicht zurückziehbar. 

Schädel mehr abgekürzt und abgerundet als bei Felis, aber nicht so 
stark wie bei ÖOtocolobus. — Stirnfläche leicht gewölbt, ohne Längsein- 
senkung in der Mitte. — Sehr große oval gezogene Augenhöhlen, die unter 
schrägen Winkeln zur frontalen Schädelfläche gestellt sind. Der untere 
Vorderrand der Augenhöhle hat keine Verdiekung. Ein spitzer Fortsatz zieht 
sich vom os jugale nach innen und reicht bis zum ersten Drittel des foramen 
lacrymale. Der vordere Untergrund der Augenhöhle wird vom Kieferknochen 
und os jugale gebildet, ist vorn abgeplattet, ohne merkbaren Winkel beim 
oberen Außenrande des foramen infraorbitale. Die Höhe des unteren Augen- 
höhlenrandes, in senkrechter Linie gemessen, die über foramen infraorbitale 
geht, übertrifft kaum die Hälfte der Interorbitalbreite. Das For. anteorbitale 
ist oval-gezogen und schräg gestellt (mit starker Neigung nach innen), sein 
Diameter ist ein und einhalbmal größer als die Breite des Knochens zwischen 
der Öffnung selbst und der Augenhöhle. 

Der Nasenfortsatz des Kieferknochens ist nicht breit und verengt sich 
winkelförmig nach oben hin. Die Breite zwischen den Vorderrändern der 
Nasalia beträgt weniger als !/, der Schädelkapselbreite hinter den processus 
postorbitales. Die größte Länge der nasalia (ihre vorderen Seitenvorsprünge 
mitgerechnet) übertrifft um ein kleines die halbe Schädelbreite am processus 


S. J. OGNEFF, Übersicht der russischen Kleinkatzen. 7 


mastoidei. Der harte Gaumen ist verkürzt: seine Breite ist annähernd der 
Gaumenlänge gleich. 

Der hintere Gaumenausschnitt ist gleichmäßig ohne durch die Ränder 
der Gaumennaht gebildete Rückvorsprünge. Das Praesphenoideum ist schmal 
und trägt im vordereu Drittel zwei, mit ihren Enden nach vorn gerichtete, 
symmetrische, flügelartige Nebenteile. Bullae osseae sehr groß; ihr Längs- 
diameter übertrifft den Querdiameter der Augenhöhle (bei der Gattung Felis 
steht dieser Längsdiameter merkbar dem Querdiameter der Augenhöhle nach). 

Die vorderen Kammern der bullae sind relativ sehr groß; der Vorder- 
rand der Kammer ragt über den hinteren Fortsatz des Kiefergelenks merk- 
bar nach vorn hervor. Die Linie, welche die vordere und hintere Gehör- 
kammer abgrenzt, geht schräg, beim foramen stylo-mastoideum beginnend 
und sich bis zum äußeren Rande vom foramen tubae Eustachiae fortsetzend. 
Die Bullae stehen sehr gedrängt; die kleinste Entfernung zwischen ihnen 
ist einer Hälfte (oder etwas mehr als 1/,) der Breite von fossa mesoptery- 
goidea gleich. 

Das Foramen jugulare (lacerum posterius) ist klein und gezogen. Längs- 
diameter des äußeren Gehörganges ist 21/, mal größer, als der Diameter der 
Alveole des oberen Reißzahnes. 

Der Processus corunoideus des Unterkiefers ist nach oben hin merklich 
verengt. Die Größe des Processus condyloideus ist ziemlich bedeutend. Die 
Querausdehnung dieses Fortsatzes macht annähernd ?/, der Länge aller Backen- 
zähne der einen Kieferhälfte aus. 

Im Oberkiefer sind die ersten Praemolaren vorhanden. Obere Reißzähne 
groß: Höhe des Reißzahnes gleicht annähernd oder übertrifft unbedeutend 
®/, der Länge der ganzen oberen Backenzahnreihe. Der fünfte Höcker an 
der vorderen Außenecke dieses Zahnes fehlt, sein innerer Talon ist gut 
entwickelt. 

Zahnformel: I 3/3; C 1/1; P 3/2; Mı/1 = (30). 

Typus der Gattung: Eremaelurus thinobius OGNEYV. 


b) Eremaelurus thinobius OGNEV (1927). 
1927. Eremaelurus thinobius S. J. OGNEV, A new genus and species ot Cat 
from the Transcaspian region. — Annuaire du Mus. Zool. de l’Academie 
des Sciences de St. Petersbourg 27, pg. 356—362. 
Typischer Fundort: Repetek, Transkaspisches Gebiet (Typus und 
Cotypus in der Sammlung von S. J. OGNEY). 
Diagnose: Im Schädelbau sind die besonders großen bullae osseae 
sehr charakteristisch. Die sehr großen Vorderkammern der letzteren treten 


18 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


merklich von den hinteren Auswüchsen des Kiefergelenkes hervor. Längs- 
diameter der bullae übertrifft den Querdiameter der Augenhöhle. Knochige 
Gehörtrommeln sehr eng gestellt: ihre kleinste Entfernung ist annähernd 
einer Hälfte der Breite der Nasenöffnung gleich oder übertrifft sie um ein 
kleines. Längsdiameter des äußeren Gehörganges ist um 2 mal größer 
als die Alveole des oberen Reißzahnes. Praesphenoideum schmal, trägt im 
Vorderdrittel zwei symmetrische, nach vorn gerichtete, flügelartige Auswüchse. 
Oberer sectorius mit gut entwickelten inneren Partien. 


Größte Schädellänge 95,7 (C), 87,1 (9); Condylobasallänge 90 (GC), 
82,3 (©); Jochbogenbreite 72,1 (CS), 65,6 (Q); Interorbitalbreite 20,1 (J'), 
18 (9); größte Schädelbreite 45,9 (J), 44 (Q); bullae osseae Länge 28 (JQ}), 
25,1 (9); bullae osseae Breite 17,7 (9), 16,5 (Q); größter Diameter des 
äußeren Gehörganges 10,4 (JS), 10,3 (9); Länge der oberen Zahnreihe 
30,1 (9), 27,2 (9). 

Allgemeiner Ton der Rückenfärbung blaß-gräulich mit deutlicher rahm- 
ockergelber Beimischung und schwarzem Anhauche, welcher am mittleren 
Rückenteil besonders deutlich hervortritt. Unterseite weiß mit leichter ocker- 
gelber Beimischung, besonders in der Weichengegend und am Halse. Der 
allgemeine Farbenton wird von gar keinen Flecken und Streifen unterbrochen. 
Am Schwanzende drei undeutliche schwarze Ringe, von denen einer die 
äußerste Spitze bedeckt. Krallen weiß, wenig gebogen, fast platt und dick. 
Wahrscheinlich nicht zurückziehbar oder halb zurückziehbar. Pupille rund, 
Iris bernstein-gelb. 


Allgemeine Körperlänge mit Schwanz im Fleisch Q 750 mm. Schwanz 
allein 290 mm; Schulterhöhe 260 mm. Messungen nach trockenem Fell JG: 
Körper und Kopflänge 530 mm, Schwanz mit Endhaaren 260 mm; Hinter- 
pfote ohne Krallen 57. Genaue Ohrmessungen zu bekommen ist unmöglich, 
aber es ist deutlich zu sehen, daß das Ohr 1!/, mal länger als bei F. sül- 
vestris ist. 


H. Gattung Otoco/odbus BRANET (1841). 


1874. Felis PALLAS, Acta Academiae Petropolit. 1, pg. 278—291. 

1841. (1842) Felis (Otocolobus) J. F.BRANDT, Observations sur le Manoul. — Bullet. 
Scient., publi& par l’Academie Imp. de St. Petersb. 9, pg. 37—39. 

1858. Otocolobus N. SEVERTZOW, Notice sur la classification multiseriale des 
Carnivores. — Revue et Magasin de Zoologie 10, pg. 386. — R. POCOCK, 
Proceed. of the Zool. Society of London 19, pg. 299 - 396. 

1904. (1905) Trichaelurus K. SATUNIN, Annuaire de Mus. Zool. de l’Acad de 
St. Petersbourg ®, pg. 495 und folgende. 


S. J. OGNEFF, Übersicht der russischen Kleinkatzen. 79 


1913. Otocolobus A. BIRULA, Zur Synonymik Otocolobus manul. — Annuaire du 
Mus. Zool. de l’Academie de Sciences 18, pg. LVIII. — Über die Rassen 
Otocolobus manul. — Ibidem 21, 1916, pg. 130—162. 


a) Diagnose. 

Äußere Merkmale: Relativ kleine Katzen, die sich durch ganz 
eigenartige Muster ihres langen und dichten Felles auszeichnen. Am Kopfe 
ist dieses Muster durch schwarze Scheckung ausgedrückt, am Rücken (be- 
sonders in der hinteren Hälfte) durch eine Reihe oft gut sichtbarer Quer- 
streifen. Der Schwanz trägt dunkles Ringelmuster. 

Körper plump, auf ziemlich niedrigen Extremitäten. Ohren sehr kurz und 
breit, oben ganz abgerundet. Pupille rund. Gut merkbarer kleiner, an den 
Ohren anfangender Backenbart. Schwanz beinahe die Hälfte der Körperlänge. 
Krallen sehr scharf, seitlich zusammengedrückt, gänzlich zurückziehbar. — 
Nach der Stellung der sehr großen, gerade nach vorn gerichteten Augen 
unterscheidet sich die Physiognomie des Manul scharf von anderen Katzen- 
arten. 

Schädel: Der Schädel ist breit, kurz, rundlich, in der Interorbital- 
gegend stark gewölbt. Die Stirnfiäche tritt stark hervor und trägt keine 
Längssenkung in der Mitte. Die Augenhöhlen sind schwach gezogen, fast 
rund, scheinen in der Frontallläche wie teleskopisch gestellt zu sein. Der 
untere Vorderrand der Augenhöhle ist zusammengedrückt, ohne eine Ver- 
dickung des Vorderrandes zu bilden. Vom os jugale geht nach innen ein 
langer säbelartig gekrümmter Fortsatz, welcher hinter den Innenrand des 
foramen lacrymale langt. Der ganze innere Augenhöhlenrand, den der Kiefer- 
knochen und das os jugale bilden, ist vorn ziemlich platt und hoch. Seine 
Höhe, in senkrechter Linie gemessen, die über das for. infraorbitale geht, 
ist der Interorbitalbreite beinahe gleich. 

Das for. anteorbitale ist rundlich, fast senkrecht gestellt (mit schwacher 
Neigung nach innen); sein Diameter übertrifft nicht die Breite des Knochens 
zwischen dieser Öffnung selbst und der Augenhöhle. Der Nasenfortsatz des 
maxillare ist nicht breit, winkelförmig nach oben zu verengt. Die Breite 
zwischen Vorderrändern der nasalia macht annähernd /, der Schädelkapsel- 
breite hinter den processus postorbitales aus. Größte Länge der nasalia (ihre 
vorderen Seitenvorsprünge mitgerechnet) steht der Hälfte der Schädelbreite 
vor den processus mastoidei bedeutend nach. 

Der harte Gaumen ist stark verkürzt: seine Breite überragt unbedeu- 
tend die Länge. Dem hinteren Gaumenausschnitt fehlt der von den Rändern 
der Gaumennaht gebildete Vorsprung. Das Praesphenoideum ist schmal und 
bildet in der Mitte eine rhombenförmige Erweiterung. Die Entfernung zwischen 


80 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


den äußeren Alveolarändern der Reißzähne macht annähernd die Hälfte der 
Breite zwischen den Enden der processus postorbitales aus. 

Die Bullae osseae sind groß. Ihre Vorderkammern sind bedeutend. Der 
Rand einer jeden Kammer ragt nach vorn über die hinteren Fortsätze des 
Kiefergelenks, hervor. Die die vordere und hintere Gehörkammer trennende 
Linie verläuft schräg, hinter dem for. stylo-mastoideum beginnend und sich bis 
zur Haupt-Nackennaht fortsetzend. Die Hinterkammer bildet einen schräg 
nach vorn hervortretenden Winkel. Die Bullae stehen nicht so gedrängt, 
wie bei der Gattung Feis. Die kleinste Entfernung zwischen ihnen ist an- 
nähernd der Breite der fossae mesopterygoidea gleich. Das foramen jugulare 
(lacerum posterius) ist klein und leicht gezogen. Die Breite des äußeren Gehör- 
ganges ist ungefähr doppelt so groß wie die der Alveole des oberen Reiß- 
zahnes. Der Processus coronoideus verschmälert sich nach oben nur sehr 
unbedeutend. Die Größe des processus condyloideus ist bedeutend. Die Breite 
dieses Fortsatzes ist ungefähr gleich */, der Länge einer Unterkiefer-Backen- 
zahnreihe. Im Oberkiefer fehlen gewöhnlich die ersten praemolares. Die 
oberen Reißzähne sind groß; die Höhe des Reißzahnes macht ungefähr 
|, der ganzen Oberkiefer-Backenzahnreihe aus. Der fünfte Höcker auf 
der vorderen Außenecke dieses Zahnes fehlt, sein innerer Talon ist rudi- 
mentär. 

Zahnformel: J'3/3; C 1/1; P 2/2; M 11 —2(23). 

Typus der Gattung: Felis manul PALL. 


b) Systematische Notizen. 


In A. BIRULA’s!) ausgezeichneter Arbeit wird die Frage über die Wechsel- 
beziehungen der Manulformen auf Grund triftiger Beweise entschieden: die 
Identität O. m. mongolicus SATUN. mit der Grundform und die Stellung von 
OÖ. m. nigripectus HODGSON nicht als Art, sondern als Unterart. Infolge- 
dessen will ich mich mit der Erörterung dieser Fragen nicht beschäftigen. 
Weiter unten gebe ich noch die Bescheibung einer neuen Unterart von 
manul aus Transkaspien: OÖ. manul ferrugineus. Auf diese Weise sind 
zur Zeit drei gut differenzierte Unterarten dieser Katze bekannt. 

Dagegen habe ich die Absicht, hier einiges über die Stellung von manul 
im System der F'elidae mitzuteilen. 

Im Jahre 1907 war Mr. POCOCK geneigt, Otocolobus womöglich für 
eine aberrante Form der Katzengruppe silvestris und ocreata zu halten. Im 


ı) A. BIRULA, Sur la position de 1’Ofocolobus manul (PALLAS) dans le 
systeme dela famille Felidae. — Annuaire du Mus. Zool. de l’acad. Imp. des sciences 
21, 1916, Petrograd. 


S. J. OGNEFF, Übersicht der russischen Kleinkatzen. 81 


Jahre 1917 stellt er Otocelobus zwischen die Gattungen Felis und Lyn«. 
Dabei findet er folgende Ähnlichkeitsmerkmale mit der letzten Art: rund- 
liche Pupille, schmales os praemaxillare, schwache Entwicklung der oberen 
Backenzähne u. a. Mir will es scheinen, daß E. LÖNNBERG (1925) voll- 
ständig recht hatte, manul für einen Vertreter einer gut unterschiedenen 
Gattung zu halten und einige, anderen Katzengattungen eigene Ähnlich- 
keiten als Konvergenzerscheinungen zu betrachten. 

A. BIRULA (1916), der verschiedene Gattungsmerkmale von Otocolobus 
feststellte, erscheint der Schluß notwendig, diese Gattung, im Sinne des 
lebhaften Ausdruckes spezifischer Katzenmerkmale, für progressiv zu halten. 
So vermerken wir bei Manul: 1. Verkürzung und Abrundung des Schädels: 
2. Konzentration des Zahnsystems in den Mundwinkeln, was durch starke 
Entwicklung der sectoria ausgedrückt ist; 3. Verschwinden der vorderen 
praemolares; 4. Vergrößerung der Jochbogenbreite, welcher Umstand einer 
größeren Menge von musculus temporalis Raum bietet; 5. Vortreten der 
bullae auditoriae vor die processus postglenoidei — eine Sonderheit, die 
sonst nur Pardofelis marmorata MARTIN eigen ist. Nach ihrer ihrem 
Wesen nach sehr originellen Färbung bleibt Manul eine typische Katze, 

In K. A. SATUNIN’s nicht veröffentlichten Schriften finde ich einige 
Sätze, welche als eine Zusammenfassung allgemeinen Charakters für alle hier 
ausgesprochenen Erwägungen dienen können: „Wir können den Tiger für 
eine typische Katze halten, Manul dagegen sehe ich als eine äußerste Ent- 
wicklung des Katzentypus an, welche in der übermäßigen Abrundung und 
der Kürze seines Schädels, seiner Augengröße u. a. ausgedrückt ist. Darum 
stelle ich Manul an das eine und den Geparden an das andere Ende der 
Reihe der von mir beschriebenen Katzen, weil letzterem schon einige charak- 
teristische Merkmale dieser Familie fehlen.“ 


ce) Geographische Verbreitung. 

Es fällt zur Zeit sehr schwer, die westliche Verbreitungsgrenze des 
Manul mit Genauigkeit feststellen zu Können. 

Nach W. A. CHLEBNIKOW’s (1925) Angaben, ist ein Exemplar dieser 
Katze im Steppengebiet des Gouv. Astrachan (ohne genaues Datum) erbeutet 
worden. Dieses Exemplar wurde Prof. M. A. MENZBIER von CHLEBNIKOW 
zugeschickt und ich hatte die Möglichkeit, das Fell dieser Katze bei letz- 
terem zu besichtigen. Prof. EYERSMANN (1850), die Angabe PALLAS’ über 
die Verbreitung des Manul am Uralgebirge!) analysierend, schrieb seiner Zeit 


1) „Intra fines Imperi eirca australia uralensis jugi promontoria“ etc. (Zoo- 
graphia, 1811—1831, pg. 20). 
6 


82 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1980. 


folgendes: „Ist, wie PALLAS meldet, im Ural-Vorgebirge, diesseits der Linie 
nicht zu trefien, wie wahrscheinlich auch südlicher in den gebirgigen Steppen, 
welche für Ausläufe des Uralberggrates gehalten werden.“ L. P. SABANEEW 
(1872) dagegen nennt Manul bestimmt für Baschkirien und gerade für Kreis 
Schadrin, von 56° nördlicher Breite angefangen. In einer späteren Arbeit 
(1874) erwähnt er diese Katze nicht. 

Mit voller Sicherheit ist zu behaupten, daß Manul nur bedeutend süd- 
licher zu treffen ist. So weist N. A. ZARUDNY (1915) auf sein Auffinden 
im Tschu-Tal und im Gebirge des Nordostens des Syr-Darja-Gebiets. In 
Transkaspien und in Transkaukasien ist eine gut differenzierte rotgelbe 
Unterart des Manul zu treffen (OÖ. m. ferrugineus OGNEV). 

Vor kurzem bekam ich von A. B. SCHELKOWNIKOW Schädel und Fell 
eines solchen Manul. Die Katze ist am Berggrate Sarai-Bulag erbeutet wor- 
den, welcher das Arax-Tal von Norden auf der Strecke vom Dorfe Bejuk- 
Wesy bis zum Dorfe Sadarak, ungefähr fünfzig Werst zum Süden von Eri- 
wanj, umgrenzt. Die Gegend, wo dieser Manul erbeutet wurde, weist keine 
Menschenansiedlungen auf. Nach Erzählungen der Jäger sind ebensolche Katzen 
in dieser Gegend zweimal im Jahre 1921 gesehen worden. Das Vorkommen 
des rotgelben Manul in Transkaukasien hat ein außerordentliches Interesse. 

RADDE und WALTER (1889) erwähnen bei Geok-Tepe und Seraclıs 
am Tedshen erlegte Exemplare. Diese Autoren berichten von der Verbreitung 
des Manul in der Sandwüste am Murgab. N. A. ZARUDNY (1890) waren Fälle 
des Erbeutens von Manul bei Baba-Durmas und Artyk (zum Osten von 
Askhabad) bekannt. P. WARENZOW (siehe SATUNIN, 1905) vermerkt 
ihn für die Gegend Bolschie Balchany. Nach S. J. BJELKJEWITSCH’s 
Aussagen (1918) ist sie nur einmal im Passe des Berges Duschak erbeutet 
worden. — Im letzten Jahre (Winter 1926/7) wurden zwei Exemplare ins 
Museum in Askhabad eingeliefert (eins vom Berge Missanew, das andere vom 
Berge Duschak). 

Eine genaue Erörterung der Frage, ob die in der Gebirgsgegend Kopet- 
Dag einheimischen Manul denen in der ebenen Sandwüste z. B. bei der 
Station Baba-Durmas oder Artyk wohnenden identisch sind, ist zweifellos 
äußerst erwünscht. Diese Frage kann aber nur bei Vorhandensein von ge- 
nügendem Sammlungsmaterial mit Bestimmtheit beantwortet werden. Leider 
besitze ich keine Angaben über die Verbreitung dieser Art in südlichen 
Teilen Turkestans. Im Semiretschje, nach W. N. SCHNITNIKOW’s (1925) 
Behauptung, ist sie im gebirgigen Teil nicht selten, obgleich sie nirgends 
als gewöhnlich genannt werden kann. In der Gebirgsgegend Turkestans 
steigt sie nach N. A. SEVERTZOW (1873) bis 3000 —4000', 


S. J. OGNEFF, Übersicht der russischen Kleinkatzen. 83 


Weiter in nord-östlicher Richtung treffen wir Manul (O. manul manul) 
im Altaigebirge an den Flüssen Argunj und Tschu (GEBLER). Nach 
A. J. TUGARINOW (1916) hält er sich in den öden steinigen Bergen des 
Kemtschik-Oberlaufes, linken Nebenflusses des Enissei, auf. An den südlichen 
Abhängen des Berggrates Tunnu-Olla ist er viel zahlreicher; am Mittellaufe 
des Kemtschik kommt er selten vor. J. N. SCHUCHOW (1925) nennt ihn 
für das Urjanchai-Gebiet, TUGARINOW’s Nachrichten vom zahlreichen’ Vor- 
kommen des Manul im südlichen Vorgebirge des Tannu-Ola und im Ober- 
laufe des Kemtschik bestätigend. 


Nach RADDE (1862) ist er an den nördlichen Abhängen der Sayanen, 
am Mittellaufe der Oka, Irkut und im Soyotenlande nicht zu treffen; da- 
gegen kommt er im Urjanchai-Gebiet und beim See Kossogol vor. Östlicher 
ist er beim See Tarey-Nor, in der Aginski-Steppe und am Flusse Onon 
nicht selten. Nach Zeugnissen der Birar-Tungusen kommt er im Öberlaufe 
der Sungari und bei Dalai-Nor vor. N. F. KASCHTSCHENKO (1910— 1913) 
spricht von Exemplaren aus dem Troizkosawsk-Kreise und der Aginski- 
Steppe — Weiter nach Süden ist er anscheinend in der Mongolei stark 
verbreitet, wo er (nach RADDE, 1862) im nord-östlichen Teil der Gobi- 
Wüste zu treffen ist. 

An den südlichen Abhängen des Himalaja (Ladak, Nepal), im östlichen 
Tibet, in Kam und in den östlichen Teilen des inneren China kommt eine 
angrenzende südliche Unterart OÖ. m. nigripectus HODGSON vor. Die Ver- 
breitung des Manul ist also eine sehr ausgedehnte, aber leider sind die 
westlichen und nördlichen Grenzen seines Wohnens noch nicht genau fest- 
gestellt. 


d) Otocolobus manul manul PALL. (1778). 


1778. Felis manul P. S. PALLAS, Reise durch verschiedene Provinzen des rus- 
sischen Reiches 3, Anhang, pg. 2. 

1841. Felis (Otocolobus) manul F. BRANDT, Observation sur le Manoul. — Bullet. 
Sc. publie par l’Academie Imp. des Scienc. de St. Petersbourg 9, pg. 37. 

1903. Trichaeluruss manul K. SATUNIN, Trichaelurus, eine neue Feliden- 
Gattung. — Annuaire de Mus. Zool. de l’Acad. d. Science de St. Peters- 
bourg 9, pg. 496. 

1905. Trichaelurus manul mongolieus K. SATUNIN, op. cit. pg. 501. (Vom Baikal 
über ganz Mongolien\. 


Typischer Fundort: In der ursprünglichen Beschreibung des Manul 
(1778) gibt PALLAS keine genaue Bezeichnung eines typischen Wohnortes 
an. Über die geographische Verbreitung berichtet der Autor (pg. 2) „Frequens 


in rupestribus, aprieis totius Tatariae Mongoliaeque, desertae“. In Zoographia 
6*F 


84 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Rosso-Asiatica (1811— 1831) sind ebenfalls tatarisch-mongolische Wüsten 
an erster Stelle erwähnt, welche man auch für terra typica der gegebenen 
Art halten muß. 

Diagnose: Charakteristische Schädeleigenheiten dieser Art: Nasalia 
zur Basis hin verengt, ohne in ihrer Mitte eine Verengung zu bilden; prae- 
sphenoideum in der Mitte rhombenförmig erweitert. Allgemeiner Farbenton 
des Felles grau mit deutlicher rahmgelbgrauer Beimischung und einem An- 
hauche schwarzer und weißer Farben. Am unteren Rückenteil sind schwärz- 
liche Querstreifen, entweder sehr schwach ausgedrückt oder gänzlich fehlend. 
Schwanz grau-rahmgelb und auf diesem Grundton sind ca. vier rotgelb-graue 
Querbinden unklar angedeutet. 

Zum Zwecke des Vergleichs führe ich die Diagnose von Otocolobus 
manul nigripectus HODGSON an, einer in Ladak, Nepal im Himalaja und 
im Ost-Tibet verbreiteten Form: — Nasalia der Basis zu erweitert und ab- 
gerundet, Verengung ihrer mittleren Teile gut sichtbar, praesphenoideum im 
medialen Teil schmal, ohne rhombenartige Erweiterungen. Allgemeiner Farben- 
ton des Felles grau-weißlich (mit durchschimmerndem rotgelbem Wollhaar), 
schwarz gesprenkelt, mit schwarzem Rückgratmuster und mit 4—5 Quer- 
streifen derselben Farbe in der unteren Rückengegend. Letztere sind scharf 
und deutlich ausgedrückt. Schwanz aschgrau weißlich mit sechs ringartigen 
schwärzlichen Querbinden. 

Geographische Verbreitung: Siehe die der Gattung. 


e) Otocolodus manul ferrugineus OGNEV (1928). 


1928. Otocolobus manul ferrugineus S. J. OGNEV, On a new form of the steppe 
cat from the Transcaspian region. — Comptes Rendus de l’Academie de 
Science de I!’U.S.S.R., pg. 308—310. 


Abbildung: Tafel III, Abb. 7. 

Typischer Wohnort: Bergmassiv Missanev, Kopet-Dag. 

Typus: 9 Nr. 276 der Sammlung des Museums zu Askhabad vom 12. 
I. 1927. — Cotypen: a) J Nr. 191 der Sammlung des Museums zu Askhabad 
vom Berg Duschak, Kopet-Dag, 25. X. 1926. b) Sammlung d. Zool. Mus. d. 
Akad. der Wissensch. vom Transkaspischen Gebiet, 1926, L. D. MORITZ. 

Diagnose: Nach der Schädelstruktur von der typischen Form nicht 
zu unterscheiden. 

Färbung sehr charakteristisch. Unterscheidet sich von O. manul manul 
PALL. durch: 1. allgemein relativ eintönige rötlich-rotgelbe oder rotgelblich- 
ockergelbe, von Silberhaar leicht überzogene Färbung des Felles. 2. Ein- 
farbig ockergelblichen bis rotgelben Schwanz mit reduziertem Muster dunklerer 


S. J. OGNEFF, Übersicht der russischen Kleinkatzen. 35 


Ringelung. 3. Hellgelbliche bis ockergelbe Unterseite ohne Schwärze oder mit 
einer leichten Schwärze nur an der Brust. 4. Rotgelbes bis ockergelbes, 
nicht trübschwarzes bis bräunliches oder mattbräunliches bis graues Woll- 
haar und Rücken-Grannenhaar-Basen derselben Färbung. 

Geographische Verbreitung: Siehe die der Gattung. 


Tafel Il, Abb. 1. 
Abb. 2. 
Abb. 3, 


Abb. 4. 
Tafel Ill, Abb. 5. 
Abb. 6. 
Abb. 7. 
Tafel IV, Abb. 8. 


Abb. 9. 
Abb. 10. 


J. Tafelerklärung. 


Felis ornata issikulensis subspec. nov. Schädelaufsicht. 

do. do. Schädelbasis, 

do. do. Schädelprofil von links, 
Typus der Unterart. & Nr. 4965 der Sammlung des Zoologischen 
Museums der Moskauer Universität von der Nordwestküste des 
Issikkulsees, 26. 11. 1928. 
Prionailurus euptilura microtus MILNE-EDW, Schädelprofil 


von links. 
do. do. Schädelauifsicht. 
do. do. Schädelbasıs, 


Qg Nr. 3052 Sammlung von S. J. OGNEFF vom Gamonvorgebirge, 
Umgebung von Wladiwostok, 12. 2. 1927. 
Otocolobus manul ferrugineus OGNEV. 
Von Sarai-Bulag, ungefähr 50 Werst südlich vom Eriwan. 
Chaus chaus chaus GÜLDENST. Schädelaufsicht. 

do. do. Schädelbasis. 

do. do. Schädelprofil von links. 
g' von Leukoran, Transkaukasien. 10. 2. 1925. 


S6 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


2.) Das Königsberger Quagoga. 
Von Dr. MAx HILZHEIMER (Berlin). 
Mit drei Abbildungen auf Tafel V. 


Anlaß, mich nochmals mit dem Quagga zu beschäftigen, war einmal, 
daß ich Gelegenheit hatte, ein bisher in der Literatur, abgesehen von einer 
gelegentlichen Diskussionsnotiz, nicht erwähntes, geschweige denn beschriebenes 
oder gar abgebildetes Quagga aus eigener Anschauung kennen zu lernen, 
nämlich das Königsberger. Zweitens kam dazu, daß ich zwecks Beant- 
wortung einiger Fragen, welche Herr Landgerichtsdirektor REINBERGER 
wegen des Quaggas an mich gerichtet hatte, gezwungen war, mich eingehend 
mit der Literatur zu befassen, wobei sich mir einige Dinge aufdrängten, 
die vielleicht zur Klärung einiger noch offener Fragen beitragen können. 

Ich lasse zunächst eine eingehende Beschreibung des Königsberger 
Quaggas folgen, die ich der Freundlichkeit des Herrn Professors Dr. KÖHLER, 
Direktor des Königsberger Museums, verdanke, ebenso wie die auf Tafel V 
stehenden Photographien des Kopfes und des Rückens, während mir die der 
linken Seite freundlichst von Herrn REINBERGER übersandt wurde. Beiden 
Herren für ihre freundliche Unterstützung auch öffentlich zu danken, ist mir 
eine angenehme Pflicht. Herr Dr. ERHARDT hatte die Liebenswürdigkeit, 
mir auf Veranlassung von Herrn Professor Dr. KÖHLER folgende Beschreibung 
zu schicken, die ich wörtlich hier folgen lasse: „Das Quagga des zoologischen 
Museums in Königsberg Pr. wurde 1836 von RUHL in Wiesbaden gekauft. 
Es erhielt die Accessionsnummer AI 1050. Die Farben des Felles sind mehr 
oder weniger stark ausgeblichen. Die Farbbestimmungen wurden vorgenommen 
nach OSTWALD, W., Der Farbkörper, 3. Auflage, Leipzig 19261), doch 
ließen sich nicht alle Farbtöne hiernach genau identifizieren, doch waren 
diese weitaus überwiegend ‚Gelb‘ und ‚Kreß‘. Bei der Beschreibung der 
Farbe geben die lateinische Ziffer die Tafel, die arabische Ziffer den Farbton, 
die in Klammern gesetzten lateinischen Buchstaben den Weißgehalt, die nicht 
eingeklammerten Buchstaben den Schwarzgehalt an. — Zu Ihren Fragen 
ist folgendes zu bemerken: Die Vorder- und Hinterbeine sind bis unten hin 
nicht weiß, vielmehr befindet sich über den Hufen ein dunkler Ring, der 
früher vielleicht schwärzlich gewesen ist. Die Farbe dieses 4 cm breiten 
Ringes ist jetzt: IV, 4 (I—n)i?). Die Region darüber ist III, 3 (e) c®) mit 
einem deutlichen Stich ins Gelblichweiße. — Die Streifen im Gesicht gehen 
nicht bis zur Nase (siehe Photo). Die eigentliche Nasengegend fehlt und 


M. HILZHEIMER, Das Königsberger Quagga. 87 


ist anscheinend durch eine Pferdenase ersetzt worden. Die erhalten gebliebene 
obere Quagganasengegend ist kaum behaart. Die Farbe ist III, 3 i—l) e *) 
mit einem Stich ins Rötliche, Die Farbe der unteren erhaltenen Nasengegend 
ist III, 3 (ce) e. — Das äußere Ohr, das 14 cm lang ist, zeigt ebenfalls kaum 
Behaarung, insbesondere ist die frühere Streifung nicht mehr zu analysieren. 
Die dunklere Farbe ist IV, 4 (p) g°) mit einem Stich ins Ockergelbliche, 
die hellere ist VI,6(c)c°) mit Gelblichweiß. — Die Schwanzquaste ist 
früher wahrscheinlich weißlich, jedenfalls nicht schwarz gewesen. Jetzt ist 
die wohl durch Verschmutzung entstandene Farbe: III, 3 (i) e ’). — Der be- 
sonders in der hinteren Region anscheinend wenig ausgeblichene Aalstrich hat 
die Farbe V, 5 (p)I—n°°), während die dunkle Rückenfarbe V, 5 (p) i—1°) ist“. 

Nach dieser Beschreibung wird es sich darum handeln, die genauere 
Zugehörigkeit des Königsberger Quaggas festzustellen. In der letzten Zu- 
sammenstellung der Tigerpferde von LYDEKKER werden unterschieden Equus 
grevyi OUSTALET mit drei Subspecies, E. guagga GMELIN mit 13 Sub- 
species, E. foai PRAZAK et TROUESSART und E. zebra L. mit zwei Sub- 
species. Von diesen scheiden aus unserer Betrachtung sofort aus FE. zebra 
mit der kennzeichnenden Sattelzeichnung auf der Kruppe, £. grevyi mit den 
zahlreichen parallelen Streifen und den großen breiten Ohren und E. foai, 
das wie auch die beiden vorigen bis zu den Hufen gestreifte Beine und 
Streifen auf dem Schenkel besitzt. Übrig bleiben die Angehörigen der 
E. quagga-Gruppe, bei der sich Vertreter finden, deren Beine bis zu den 
Hufen gestreift sind, neben solchen, bei denen infolge allmählicher Rück- 
bildung der Streifen nicht nur die Beine, sondern auch die hintere Körper- 
hälfte frei von Streifen sind. LYDEKKER gibt hier wohl die Namen und 
die Literatur für die verschiedenen Unterarten an, aber leider nicht Dia- 
gnosen, so daß es bei der bekannten Variabilität der Tigerpferde kaum 
möglich ist, sich einen genauen Begriff zu machen, wie er die einzelnen 
Unterarten trennt, es sei denn, man unterzöge sich dem sehr mühevollen 
Geschäft, aus der angegebenen Literatur selbst die Diagnosen abzuleiten. 
Daß das aber eine sehr unsichere Sache wäre, mögen gleich die folgenden 
Zeilen beweisen. 

GMELIN, der zuerst Equus quagga 1788 in seiner Ausgabe von Linnes 
Systema Naturae beschrieben hat, gibt folgende Diagnose auf Seite 213: 
Quagga 4. E. pedibus solidungulis, supra castaneus, faseiis fuseis, ad latera 
maculatus, pedibus cruribusgue albus. Nach dieser Diagnose ist also E.qguagga 
ein Zebra, das auf braunem Grunde schwarz oder mindestens dunkel ge- 
streift sein soll. Das von LYDEKKER aber als: The True, or Cape Quagga 
(Equus quagga quagga) nach einer Photographie des letzten in London 


Sg Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


lebenden abgebildete ist deutlich ein Tier, das auf dunklem Grunde hell ge- 
streift ist, also gerade umgekehrt, wie es die GMELIN’sche Diagnose ver- 
langt. GMELIN nennt als erste Autorität für seine Beschreibung PENNANT, 
History of Quadrupeds, London 1781. Dort finden wir folgendes: „5. Quacha. 
Le voy. de M. Hop 40 Opeagha LXVI. 297. Massons Travels, in The Phil. 
Trans. Femal Zebra Edw. 223. H.stripped like the former [i. e. E. zebra 
der Verf.] on the head and body but with fewer lines. The flanks spotted, 
the rump plain, the ground color of the head, neck, body and rump a bright 
bay, the belly, thighs and legs white and free from all marks... The Hotten- 
totts also distinguish them from the former by the names Quacha (Anm. 
Journal Historigue 40) and Opeagha.“ Also auch diese Beschreibung schildert 
wieder ein Zebra, das auf bräunlichem Grunde noch dunkler gestreift ist; 
denn die Streifung des Zebra („Stripped like the former“) war als schwarz 
angegeben worden. 

Solche Tiere muß es auch gegeben haben; die von PENNANT zitierte 
Abbildung Tafel 223 bei EDWARDS stellt tatsächlich ein hellbraunes, schwarz 
gestreiftes Zebra vor. Die Streifen reichen von vorn etwa bis zu den 
Weichen. Diese sind bis zum Oberschenkel einschließlich mit flächenartig 
angeordneten schwarzen Flecken geziert. Die Beschreibung, die EDWARDS 
gibt, stimmt genau mit der Zeichnung überein. Und so ist POCOCK voll- 
kommen im Recht, wenn er diese Zeichnung als Typus von Equus quagga 
GMELIN ansieht. PENNANT selbst hatte die Artselbständigkeit des auf 
seiner Tafel 223 abgebildeten Quaggas nicht erkannt, sondern das Tier für 
das Weibchen des auf Tafel 222 abgebildeten Bergzebras gehalten. Die 
Beschreibung und namentlich die Abbildung des Bergzebras ist so vorzüglich 
und entspricht mit der exakt wiedergegebenen Zeichnung so genau dem, 
was wir noch heute als Bergzebra kennen, daß wir annehmen dürfen, daß 
auch die Wiedergabe des Quaggas, das nach einem in der Menagerie des 
Prinzen von Wales lebenden und vom Kap importierten abgebildet ist, nicht 
weniger genau ist, wie sich überhaupt die Abbildungen bei EDWARDS durch 
Zuverlässigkeit auszeichnen. Daß ihm als Bergzebra eine jener Varianten 
mit braunen, nicht schwarzen, Streifen vorgelegen hat, verdient deswegen 
besondere Beachtung, weil dadurch die sowohl im Bild als in der Beschreibung 
des Quaggas ausdrücklich hervorgehobene schwarze Farbe der Streifen be- 
sonders sichergestellt erscheint. 

EDWARDS’ sehr anschauliche Beschreibung lautet nach dem franzö- 
sischem Text: „Pour parler de sa couleur en general & l’exelusion des barres, 
qui sont toutes noires, elle a la t£te, le cou, le dessus du corps et les cuisses 
d’un bai fort clair; le ventre est blanc de m&mes que les jambes et le bout 


M. HILZHEIMER, Das Königsberger Quagga. 809 


de la queue. Elle a aux jointures des jambes des calus, comme on en voit 
aux chevaux; les sabots sont noirätres: les barres sont dispersees sur la 
tete d’une maniere un peu differente du male; la criniere est noire et 
blanche; les oreilles sont rouge clair, et le front tire sur le blanc. Elle a 
plusieurs larges barres autour du cou, vers le dessous duquel elles se retre- 
eissent. Elle a une barre noire le long de l’&pine du dos et d’une partie 
de la queue, et une autre barre a l’opposite de celle-la le long du milieu 
du ventre. Les barres qui sont sur le corps procedent de celle qui est sur 
le dos; il y en a quelques unes qui deviennent fourchues & leurs extr&mites 
sur les cötes du ventre, et d’autres finissent en pointe; il y a entre celles-ci 
quelques taches longuettes, La partie posterieur du corps est tachetee d’une 
maniere moins reguliere et plus confuse,; mais les deux cotes de cet animal 
etaient, comme dans le dernier decrit, marquee tres regulierement. — Le 
bruit que cette femelle faisait &tait fort different de celui de l’äne il ressem- 
blait plütot a l’aboiement confus du matin“. 

PENNANT erkannte, wie gesagt, noch nicht, daß das Bergzebra und 
das Quagga zwei verschiedene Arten waren. Der erste, der beide Arten 
scharf unterschied, war, soweit ich sehen kann, LUDWIG STATIUS MÜLLER, 
welcher die Zoologie in der ersten Auflage von WOLFGANG KNORR’s 
„Deliciae naturae selectae usw.“ bearbeitete. Diese ist nach VOLLMER 
1766/67 gedruckt worden. Dort wird auf Tafel K VIII S. 108 das Berg- 
zebra beschrieben. Die Beschreibung ist gut kenntlich, aber die dazu ge- 
hörige Zeichnung von CHRISTIAN LEINBERGER ist vollständig verfehlt 
und stimmt auch gar nicht mit der Beschreibung überein. So fehlt z. B. 
der Rückenstreifen, und die Mähne ist ungestreift, obwohl die Beschreibung 
beides richtig angibt. Auch fehlt der für das Bergzebra kennzeichnende 
Sattel sowie die Umbiegung der Streifen auf den Schenkeln; ferner bilden 
die Streifen auf der Brust eigenartige Arabesken. Das alles zeigt, dad 
LEINBERGER unmöglich nach einem Vorbild gezeichnet haben kann. Viel- 
leicht hat er auf seinen vielen Reisen irgendwo ein Zebra gesehen und es 
dann für das KNORR’sche Werk aus dem Gedächtnis wiedergegeben. Auf 
jeden Fall lernen wir für die Beurteilung anderer gleichzeitiger Bilder, daß 
die in diesem Fall benutzte Unterschrift „ad nat. pinxit“ nicht immer so 
zu verstehen zu sein braucht, wie wir sie heute verstehen, 

Nach Beschreibung des Bergzebras fährt MÜLLER fort: „Es giebt am 
Kap noch eine andere Art, welche man daselbst Qwakken oder Quacken 
nennt. Selbige ist vom Zebra nur darinnen unterschieden, daß ihre Grund- 
farbe statt schneeweiß hellbraun, die Striche aber dunkelbraun und fast 
schwarz sind. Übrigens aber ist die Zeichnung die nämliche, hingegen sollen 


00 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


die Ohren nicht so lang seyn, desgleichen der Schwanz mehr einem Pferde- 
Schwanz ähnlich seyn. Daher man auch am Cap diese Quacken vor eigent- 
liche Pferde, die Zebra-Thiere aber vor eine Art Esel, die sie Waldesel 
nennen, hält. Wiewohl wir beyde Arten lieber zum Pferde-Geschlecht nehmen“. 

Hieraus geht hervor, daß LUDWIG STATIUS MÜLLER schon 17 Jahre 
vor SPARRMANN, dessen Reisewerk 1784 erschien, Bergzebra und Quagga 
scharf auseinander hielt, also nicht wie ANTONIUS schreibt, SPARRMANN 
der erste war, dem wir die Kenntnis von der Artselbständigkeit beider zu 
verdanken haben. Damit taucht nun die Frage auf, woher kam MÜLLER 
diese genaue Kenntnis der südafrikanischen Tigerpferde? Aus dem EDWARDS 
oder PENNANT kann er sie nicht gewonnen haben. Einmal ist der Name 
„Qwakken oder Quacken“ durchaus ihm eigentümlich, er findet sich in dieser 
Form in den englischen Werken nicht; dann hat er aber auch in der Be- 
schreibung manches Eigentümliche, wie z. B. den „Pferdeschwanz“ und die 
Trennung beider, da ja EDWARDS seine Quagga für die Stute seines Berg- 
zebras hielt. MÜLLER muß also aus anderen uns noch unbekannten vielleicht 
holländischen Quellen geschöpft haben. Die englischen Autoren scheint er 
nicht gekannt zu haben. Diese Kenntnis hat erst der Herausgeber der zweiten 
1778 erschienenen Ausgabe, J. E. L. WALCH, besessen, und zwar nach der 
SEELIGMANN’schen Kompilation mehrerer ausländischer Werke. Ich kenne 
diese nur nach dem Zitat von GRIFFINI, der zuerst auf KNORR hinweist und 
der nach der zweiten, späteren, mir nicht zugänglichen Ausgabe des KNORR- 
schen Werkes von 1778 zitiert. Dort hat der Abschnitt über das Quagga 
noch eine Fortsetzung, die der von mir eingesehenen Ausgabe von 1767 
fehlt. Zunächst steht in der von GRIFFINI benutzten 2. Ausgabe von 1778 
dasselbe wie in der ersten. Dann aber heißt es weiter, wobei der Schlußsatz 
der ersten Ausgabe weggelassen ist: „Eigentlich ist dieser Zebra eine Mittel- 
gattung zwischen einem Pferd und einem Esel. Abbildung vom Zebra finden 
wir in Kolbens Reisebeschr. S. 146, Tab. 3, Fig. 2, und aus dem EDWARDS 
im siebenten Teil des SEELIGMANN’schen Vogelwerks, Tab. 27 u. 28, wo- 
selbst der vorgedachte hellbraune Zebra abgebildet ist, das Männchen so- 
wohl das Weibchen“. Durch diesen Zusatz hebt WALCH die gute und 
richtige Beobachtung MÜLLERS wieder auf. So hat denn auch ANTONIUS, 
dem wohl nur GRIFFINT’s Zitat vorlag, nicht wissen können, daß MÜLLER 
schon vor SPARRMANN den Unterschied beider Zebras genau kannte. 

Da somit MÜLLER nicht aus den englischen Quellen geschöpft hat, 
liefert seine Arbeit einen wichtigen, weil selbständig erhaltenen Beweis für 
die Richtigkeit der genannten englischen Werke, nämlich dafür, daß es in 
Südafrika ein Wildpferd gab, das auf dunklem Grunde noch dunkler gestreift 


M. HILZHEIMER, Das Königsberger Quagga. 01 


war, dessen Streifung nach dem hinteren Körperende undeutlich wird und 
auf den freien Teil der Extremitäten fehlt, das also genau der Beschreibung 
von GMELIN entspricht. Für die ehemalige Existenz eines solchen Tieres 
gibt es noch eine Reihe weiterer Belege. Ich nenne nach den Arbeiten von 
RIDGEWAY und GRIFFINI, die Abbildungen bei DANIELL, CORNWALLIS 
HARRIS und HAMILTON SMITH. Auch das RIEDINGER’sche Quagga (Ab- 
bildung bei GRIFFINI) ist hier zu erwähnen. 

Nun haben wir für die sogenannten Burchellzebras zwei Zeichnungs- 
regeln kennen gelernt. Die eine von RIDGEWAY besagt, daß diese Zebras 
von Norden nach Süden immer mehr Streifen verlieren, so daß die südlichsten 
am wenigsten gestreift sind. Die zweite von ANTONIUS bezieht sich auf 
die Grundfarbe. Er sagt darüber: „Was zunächst die Grundfarbe anbelangt, 
so scheint sie mir innerhalb der Gruppe der bunten Quaggas zwar im all- 
gemeinen in der Richtung zu variieren, daß sie vom Norden des Verbreitungs- 
gebietes nach dem Süden desselben dunkler wird“. Im Verfolg dieser beiden 
Veränderungen müssen wir von auf weißem Grunde voll, d. h. bis zu den 
Hufen gestreiften Zebras von Norden nach Süden schließlich zu solchen 
kommen, die auf dunklem Grunde nur wenig noch dunklere Streifen haben. 
Die extremste Form stellt wohl das typische Eqguus quagga GMELIN dar. 
Ein Tier, das dem letzteren nahe kam, scheint ANTONIUS noch gekannt 
zu haben. Es ist der in der Arbeit von 1928 abgebildete Hengst aus 
Schönbrunn, dessen Grundfarbe als „light ochraceus salmon der Tab. XV in 
RIDGEWAYS Color standards“ beschrieben wird. Von hier bis zu dem bright 
bay in PENNANT’s oder dem bai fort clair in EDWARDS’ Beschreibung 
des Quagga ist nur noch ein kaum merklicher Schritt. Ich möchte hier nach 
ANTONIUS noch einmal ausdrücklich hervorheben, daß dessen Abbildung von 
dieser dunklen Grundfarbe nichts erkennen läßt, daß dort das Tier vielmehr 
den Eindruck macht, als sei es auf weißem Grunde schwarz gestreift. Man 
sieht also, wie selbst gute Photographien in Hinsicht der Farbe täuschen 
können. Noch in anderer Hinsicht ist der Schönbrunner Hengst bemerkens- 
wert. Er hat auf dem Schenkel unterhalb des letzten breiten Streifens, der 
etwa von der Schwanzwurzel über das Hüftgelenk zu den Weichen zieht, 
noch zwei weitere dünnere Streifen und kommt somit dem typischen Burchell- 
zebra GRAY’s sehr nahe bzw. ist mit ihm identisch. Nun habe ich 1912 
zwei Zebras aus dem Museum in Mainz abgebildet, denen die beiden Streifen 
auf dem Oberschenkel fehlen, deren Zeichnung daher mit jenem von der 
Schweifwurzel über das Hüftgelenk zur Weiche ziehenden Streifen aufhört. 
Ich hatte sie, da sie mir die geringste Streifung aller bis dahin bekannten 
Burchellzebras zu haben schienen als Zquus burchelli paucistriatus be- 


02 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


zeichnet. Diese beiden Tiere haben seither eine sehr verschiedene Beurteilung 
erfahren. SCHWARZ sieht in dem einen, meinem Typus, einen Vertreter 
des typischen Zguus burcheli und in dem anderen einen Vertreter des 
echten Quagga, während ANTONIUS in dem letzteren einen Bastard sieht 
zwischen dem echten Burchellzebra und dem Quagga. Ich verstehe nicht 
recht, wie man diese beiden Tiere auseinanderreißen kann. Die geringen 
Unterschiede erklären sich daraus zwanglos, daß das eine kurzhaarig ist, 
das andere längere Haare hat, also ohne Zweifel zwei verschiedene Saison- 
kleider vorliegen. Die vier Mainzer Tigerpferde sind, wie ich damals aus- 
führte, von einem Manne gekauft worden, und zwar von RUHL aus Wies- 
baden. Es ist daher anzunehmen, daß sie aus ungefähr der gleichen Gegend 
stammen. So zeigen uns also die beiden unbestritten echten Quaggas aus 
jener Gegend, wie diese Tiere dort ausgesehen haben. Ich kann unmöglich 
einsehen, worin mein Zebra, Fig. 4, dem darüber abgebildeten echten Quagga, 
Fig. 1a, ähnlicher sein soll als der Typus von Eguus burchelli paucistriatus 
oder warum gar meine Fig. 3 eine Mittelstellung zwischen beiden einnimmt, wo- 
raus doch auf eine Bastardnatur geschlossen werden könnte. Wenn die Zeichnung 
nicht ganz so scharf und klar heraustritt wie bei dem Typus, so liegt das 
lediglich an der Rauhhaarigkeit des Felles. Mit der Deutung eines Tieres 
aus freier Wildbahn als Bastard kann man doch schließlich alles beweisen. 
Man sollte mit einer solchen Deutung äußerst vorsichtig sein, und sie nur 
dann anwenden, wenn sie sich auch wirklich beweisen läßt. Nun ist aber 
das Königsberger Quagga von demselben RUHL aus Wiesbaden erworben 
worden und stammt also wohl auch aus derselben Gegend wie die vier 
Wiesbadener Zebras. Das Fell ist ähnlich rauhhaarig, wie das der Mainzer 
Stute, Fig. 4 meiner Arbeit von 1912, und so hat dieses Tier denn auch 
mit der genannten Mainzer Stute die allergrößte Ähnlichkeit, nur ist der 
letzte Streifen, eben jener, welcher über das Hüftgelenk läuft, etwas 
weniger entwickelt, auch sind wohl die dunklen Streifen am Körper noch 
etwas breiter. Es müßte also hier schon wieder ein Bastard vorliegen, 
und es wäre doch merkwürdig, wenn von den fünf von RUHL importierten 
Tigerpferden zwei Bastarde gewesen wären, wo doch nach allgemeiner An- 
nahme Kreuzungen in freier Wildbahn etwas Außergewöhnliches sind. Die 
Verhältnisse der Zeichnung sind aber nur auf der linken Seite des Königs- 
berger Zebras so deutlich zu sehen, die rechte Seite zeigt sie infolge Aus- 
blassens weniger deutlich, Zwischen dem Equus burchelli paucistriatus, das 
ich, wie gesagt, als das am wenigsten gestreifte Burchellzebra ansehe, und 
dem genannten Quagga bildet aber auch das Königsberger Quagga keinerlei 
Übergang. Auch das Königsberger Quagga erscheint wie alle Burchellzebras 


M. HILZHEIMER, Das Königsberger Quagga. 03 


auf hellem Grunde dunkel gestreift. So ist aber auch die Farbenanordnung 
des echten Quaggas nach der Originalbeschreibung, nur daß bei ihm der 
Grund nicht weiß ist. Es ist auf bräunlichem Grunde schwarz gestreift und 
erscheint somit als das dunkelste der Burchellzebras, also gewissermaßen als 
Abschluß der von ANTONIUS aufgestellten Reihe hinsichtlich Verdunkelung 
des Grundes, 

Dagegen muß es in Südafrika noch eine andere Form pferdeähnlicher 
Zebras gegeben haben, die auf dunklem Grunde hell gestreift erschienen, 
wobei die hellen Streifen lediglich auf der vorderen Körperhälfte etwa von 
der Schulter an sich zeigten. Diesem Typus scheint das letzte lebende Quagga 
angehört zu haben, von dem GRIFFINI eine Photographie der linken und 
RIDGEWAY eine solche der rechten Seite gibt. Diesem Typus haben an- 
scheinend auch das Darmstädter und Münchener Quagga angehört, während 
ich heute geneigt bin, das Frankfurter Quagga zu dem anderen Typus zu 
rechnen. Und wenn meine Vermutung richtig ist, daß wir es bei dem zweiten 
Typus mit einer bestimmten Unterart zu tun haben, so käme ihr der Name 
Equus quagga greyi LYDEKKER zu. Die Vermutung aber, daß hier eine 
geographisch besonders abgegrenzte Unterart vorliegt, gründe ich auf folgende 
Tatsachen. 

1. Die älteren Quaggas, die etwa bis Ende des 18, Jahrhunderts nach 
Europa kamen, waren auf dunklem 1°) Grunde noch dunkler gestreift (KNORR, 
EDWARDS, BUFFON). 

2. Etwa von 1790 an (das Pariser Quagga) treten daneben auch solche 
auf, die als dunkel mit heller Streifung bezeichnet werden müssen, und bei 
denen die Streifung nicht weiter zurückreicht als im höchsten Falle bis ein 
wenig hinter den Widerrist (das letzte in London lebende Quagga). Diese 
letzteren scheinen etwa von 1840 an nur noch allein nach Europa ge- 
bracht zu sein. 

Hieraus scheint mir hervorzugehen, daß zwischen den auf dunklem 
Grunde dunkel gestreiften Quaggas und den dunklen hell gestreiften eine 
geographische Sonderung bestand. Und zwar scheint es go, als ob die letzteren 
mehr nördlich und westlich wohnten. Zu ihnen gehören alle die Quaggas, 
deren Herkunft bekannt ist, nämlich das Leydener Quagga aus Steenbergen 
und das junge Cape-Town Quagga aus Beaufort-West. Ob auch das Baseler 
Quagga aus Silo hierher gehört, wage ich nach der mir allein zur Ver- 
fügung stehenden sehr ungünstigen Abbildung bei RIDGEWAY schräg von 
vorne nicht zu entscheiden. Wichtig scheint mir aber ferner die Beschreibung 
zu sein, die ADOLF FISCHER gibt und die sich auf Südwest bezieht. 
FISCHER hat seine Beschreibung, wie das wohl behauptet worden ist, sicher 


94 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


nicht Büchern entnommen, sondern sie von einheimischen Jägern erhalten, 
zumal ich keine Beschreibung kenne, die sich mit der FISCHER’schen deckt. 
Sie lautet: „Grundfarbe von Hals, Kopf, Brust rötlichbraun, von Bauch, 
Läufen, Schweif weiß. An Kopf und Ohren Bänderung dunkler als die 
Grundfarbe; am Hals verschwommene Bänder, heller als die Grundfarbe. 
Sonst ungestreift. Höhe am Widerrist bis 1,40 m, Länge bis 3 m. Ohren 
und Schweif pferdeähnlich“. Also ein dunkles Tier mit hellen Streifen am 
Halse, das genau der oben gegebenen Beschreibung von Eguus quagga greyi 
entspricht. 

Merkwürdigerweise gibt FISCHER einen gänzlich abweichenden Hotten- 
tottennamen für das Quagga an, nämlich Goachab, was „im Huf hohle Stellen 
haben“ heißen sollen. Sonst ist der Name der Hottentotten für Zebra „Goreb“. 
Die verschiedenen Arten werden dann durch Zusätze unterschieden, also 
Uri goreb — weißes Zebra, d. h. Burchellzebra, ho goreb = buntes Zebra, 
d.h. Bergzebra, und nu goreb — schwarzes Zebra, d.h. Quagga (f. ANTO- 
NIUS). Auch das bedarf noch der Aufklärung. Erwähnt muß auch noch 
werden, daß nach FISCHER der Burenname Quagga schlecht gewählt sei, 
da er den Ruf mehrerer Tigerpferdarten nachahme und so zu Verwechs- 
lungen Anlaß gegeben habe. 

Wenn meine Auffassung richtig ist, daß in Südafrika zwei verschiedene 
dunkle Unterarten von Zebras der Burchellgruppe gelebt haben, so wird es 
auch nicht Wunder nehmen, daß diese nicht immer scharf getrennt sind, 
sondern daß es einzelne Individuen gibt, deren Zustellung Schwierigkeiten 
bereitet. Wir haben es offenbar mit einem jener Formenkreise zu tun, wie 
sie in den letzten Jahrzehnten besonders von ornithologischer Seite bekannt 
gemacht worden sind. Und da sind unter den Säugetieren die Burchellzebras 
einer der am längsten und bestbekannten, der auch Nichtspezialisten leicht 
klar gemacht werden kann, aber trotz aller über ihn veröffentlichten Studien 
noch nicht so ausgewertet ist, wie er es verdiente. 


Pnm mn 0 u 


Anmerkungen: 


I) Ich (der Verf.) habe mich bemüht, hier in den Anmerkungen die Farben 
mit denen des bei den Mammologen gebräuchlicheren „Color Standards and Color 
Nomenclature“ von RIDGEWAY zu identifizieren. Es war mir aber nicht möglich, 
eine völlige Übereinstimmung herbeizuführen; die Identifizierung der folgenden 
Anmerkungen ist nur eine annähernde. 

2) Plate XLV km Blakish Brown (1). 

37, 3% pp Deep: Olive-Buft. 

4.  AXIXpb Tight Drab. 

8,7 ,2 NV SE) Dresden Brown. 


M. HILZHEIMER, Das Königsberger Quagga. 05 


e) Plate LVIII £f Pallid Neutral Gray. 


) „XXX i Isabella Color. 
9) „ XLVIk Fuscous bis Chaetura Drab. 
Dee k Natal Brown. 


10) Als Gegensatz zu weiß. 


Benutzte Literatur: 


ANTONIUS, A., 1928 a. — Quellengeschichte zur ehemaligen Verbreitung und zur 
Ausrottungsgeschichte der Kapländischen Tigerpferde. — Zeitschrift für 
Säugetierkunde 3, pg. 231—252. 

— Ders., 1928 b. — Beobachtungen an Einhufern in Schönbrunn. III. Über Zebras, 
insbesondere das Burchellzebra (Equus quagga burchelli GRAY). — Der 
Zoologische Garten 1, pg. 165—182. 

EDWARDS, G., 1788. — Gleanings of Natural History. — London. 

FISCHER, ADOLF, 1914. — Menschen und Tiere in Deutsch-Südwest. — Stutt- 
gart und Berlin. 

GMELIN, I. F., 1788. — Linnd, Systema Naturae. — Leipzig. 

GRIFFINI, ACHILLE, 1912. — Le Zebre. — Verlag Ulrico Hoepli, Milano 1913. 
HILZHEIMER, MAX, 1912. — Die in Deutschland aufbewahrten Reste des 
Quaggas. — Abhdlgn. Senckenberg. Naturf. Gesellsch. 31, pg. 85—105. 

KNORR, WOLFGANG GEORG, Deliciae naturae selectae usw. 

1. Auflage, Nürnberg 1766/63, besorgt von PH. L. STATIUS MÜLLER. 
2. Auflage, Nürnberg 1778, besorgt von I. E.L. WALCH, 

LYDEKKER, RICHARD, 1915. — Catalogue of the Ungulate Mammals in the 
British Museum 5. — Verlag des British Museum, London. 

MÜLLER, PH. L. STATIUS s. KNORR. 

PENNANT, THOMAS, 1781. — History of Quadrupeds 2. — Verlag B. White, 
London. 

POCOCK, J., 1897. — The Species and Subspecies of Zebras. — Annals and Maga- 
zine of Natural History (6) 20, pg. 33—52. 

RIDGEWAY, WILLIAM, 1909. — Contribution to the Study of the Equidae: 
II. On hitherto unrecorded Specimens of Equus quagga. — Proc. zool. Soc. 
London 1909, pg. 563—586. 

SEELIGMANN, I.M., 1770. — Sammlung verschiedener ausländischer und seltener 

Vögel. — Nürnberg 1770. 

SCHWARZ, ERNST, 1912. — Beiträge zur Kenntnis der Zebras. — Archiv für 
Naturgeschichte 78, A, pg. 34—57. 

VOLLMER, H., 1927. — Allgemeines Lexikon der bildenden Künste 2i. — Verlag 
Seemann & Co., Leipzig. 


05 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


3.) Album einiger osteuropäischer, westsibirischer und 
turkestanischer Säugetiere. 


M. K. SEREBRENNIKOY (Leningrad). 
Mit Abbildungen auf den Tafeln VI—XIV. 


Im Auftrage des Zoologischen Museums der Akademie der Wissen- 
schaften bereiste ich in den Jahren 1926—1929 verschiedene Gegenden 
zur Erforschung der Säugetiere. Während dieser Expeditionen hatte 
ich Gelegenheit, eine große Anzahl Photographien verschiedener Tiere 
nach dem Leben anzufertigen, welche, wie es mir scheint, einiges 
Interesse auch für den Nichtspezialisten besitzen. Da das Photo- 
graphieren von Tieren in der Natur mit großen Schwierigkeiten ver- 
bunden ist und in der europäischen Literatur verhältnismäßig wenig 
Abbildungen nach solchen Aufnahmen, besonders von russischen Arten, 
vorhanden sind, so habe ich mich entschlossen, ein kleines Säugetier- 
Album nebst kurzen biologisch-ökologischen Erläuterungen zu jeder 
Art zu veröffentlichen. 


Canis /upus L. 

In den Kirgisensteppen sind die Wölfe recht gewöhnlich. Sie 
streichen überall auf den Steppen umher, sind aber am häufigsten in 
Schluchten, wo sie vor den Verfolgungen der kirgisischen Jäger am 
sichersten sind. Den Tag über ruhen sie in den Dickichten von. 
Caragana frutescens, Spiraea und mehrjährigen Staudenpflanzen und 
gehen gegen Abend auf Raub aus. In diesen Gegenden nähren sie 
sich zum größten Teil von kleinen Nagern — von Wühl- und Feld- 
mäusen, deren flache Baue sie mühelos mit den Pfoten aufgraben. 
Selten jagen sie am Tage auf Ziesel, welche sie aus dem Hinterhalte 
fangen. Zu wiederholten Malen habe ich den Wechsel der Wölfe aus 
einer Gegend in die andere beobachtet. Während sie sich bei Tage 
in entlegenen und menschenleeren Schluchten aufhalten, begeben sie 
sich des Abends in Gegenden, wo am meisten Mäuse zu finden sind, 
d.h. in die Nachbarschaft von Getreidefeldern. Sobald die Bauern 
nach beendeter Feldarbeit nach Hause fahren, erscheinen die Wölfe, 
um ihrer Jagd auf Wühl- und Feldmäuse obzuliegen. Zur Fortpflanzung 
suchen sie die entlegendsten Schluchten auf, in deren Abhängen sie 
einfache Baue graben. Die kirgisischen Jäger graben diese Baue oft 
ganz mühelos auf, um zu den Jungen zu gelangen. 


M. K. SEREBRENNIKOYV, Album einiger Säugetiere. 07 


Putorius eversmanni LESS. 


Noch vor nicht langer Zeit war Evermanns Iltis in den Kirgisen- 
steppen sehr zahlreich. In den letzten Jahren sind aber die Preise 
für das Pelzwerk sehr gestiegen und als Resultat ist der Iltis in vielen 
Gegenden, wo er früher häufig war, vollständig ausgerottet. Dieser 
kleine Räuber bewohnt hauptsächlich Stellen in der Nachbarschaft von 
Kolonien des Rötlichen Ziesels (Citellus rufescens KEyS. et BLas.) ind 
sein Bau hat die größte Ähnlichkeit mit den Bauen dieser Nager. 
Sein gestreckter, schmiegsamer Körper befähigt ihn im hohen Grade 
zum Durchschlüpfen von engen Erdlöchern und Bauen und er macht 
von dieser Fähigkeit bei seinen Jagden den ausgedehntesten Gebrauch. 
Er nährt sich hauptsächlich von Rötlichen Zieseln und ist der schlimmste 
Feind derselben, da er sie des Nachts in ihren Bauen aufsucht und 
mordet. Am Tage ist er als echtes Nachttier außerhalb des Baues 
kaum zu sehen. Die Photographien Taf. VI, Abb. 1—2, sind von Exem- 
plaren, die ich im Sommer 1923 in Temir in Gefangenschaft hielt, auf- 
genommen worden. 


Erinaceus roumanicus BARR.-HAM. 


Unser südlicher Igel kommt im Gebiete der mittleren Wolga in 
den Wäldern der Waldsteppenzone vor. Kleine, von Steppen umgebene 
Birken- und Espenhaine, sowie gemischte Bestände von Eichen und 
Ahorn mit dichtem, aus verschiedenen Sträuchern bestehenden Unter- 
holze, sind seine beliebtesten Aufenthaltsorte. Er fehlt aber auch nicht 
in der Steppe, im Gestrüpp von Spiraea, Caragana und Amygdalus nana, 
wenn dieselben nicht weit von Wäldern entfernt sind. Sein Lager 
findet man gewöhnlich unter den Wurzeln der Bäume, zuweilen auch 
unter dürrem Reisig. Dieser Igel ist durchaus Nachttier. Als Nahrung 
dienen ihm kleine Säugetiere, Reptilien und Insekten. Er ist äußerst 
vorsichtig. Wenn er überrascht wird, rollt er sich zusammen und liegt 
gewöhnlich lange, ohne einen Versuch zu machen, davonzulaufen und 
ohne sich auch nur zu rühren. Photographiert (Tafel VII, Abb. 3) in 
der Umgebung der -Stadt Busuluk, Gouv. Samara, im Juni 1926. 


Hemiechinus auritus $MEL. 


Der Großohr-Igel ist in den Steppen an der Wolga und in den 
Kirgisensteppen sehr zahlreich. Obgleich er, gleich der vorigen Art, 
vorwiegend Nachttier ist, so kann man ihn doch oft auch am Tage 


seiner Nahrung nachgehen sehen. In den Jahren massenhafter Ver- 
7 


08 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


mehrung kleiner Säugetiere jagt der Igel dieselben bei Tage und bei 
Nacht. Wenn Nagetiere selten sind, so vertilgt er in großer Masse 
Insekten, am meisten, wie es scheint, Käfer. Die Baue dieses Igels 
findet man in der Steppe in Schluchten, an schattigen Stellen, unter 
Grasbüscheln oder im Gebüsch. Wenn dieser Igel sich überrascht 
sieht, so versucht er zuweilen gar nicht sich zusammenzurollen, sondern 
sucht sein Heil in der Flucht. Auf der Photographie 5 ist ein Igel, 
der nach überstandenem Schreck sich eben auseinander rollt, abgebildet; 
ein davoneilender Igel auf Photographie 6 (Tafel VII). 


Hystrix hirsutirostris BR. 


Das Stachelschwein ist in Turkestan weit verbreitet. Es bewohnt 
sowohl gebirgige Gegenden, als auch die ebenen Steppen. In Gebirgen 
wohnt es in Höhlen und in engen Felsklüften, in den Steppen gräbt 
er sich selbst ausgedehnte Baue, die bis zu einer Tiefe von mehreren 
Metern herabreichen. Die Gänge sind stellenweise erweitert, um den 
Bewohnern die Möglichkeit zu geben sich umzukehren. Die Baue 
enthalten einen oder mehrere Wohnräume, je nachdem sie eine oder 
mehrere Familien beherbergen. Neue Baue haben 1 oder 2 Eingänge, 
während ältere immer eine ganze Anzahl besitzen, oft in ziemlicher 
Entfernung voneinander. — Das Stachelschwein ist in Turkestan sehr 
gewöhnlich und wird zu den Schädlingen des Ackerbaues, Weinbaues 
und der Seidenkultur gerechnet. Häufig siedelt es sich in der Nähe 
der Dörfer an und macht im Sommer allnächtlich Ausflüge in die 
Felder, wo es sich vornehmlich an Mais und Melonen gütlich tut. Zur 
Zeit der Traubenreife erscheint es in den Weingärten und richtet dort 
oft großen Schaden an. Im Winter benagt es die Rinde der Maul- 
beerbäume, so daß sie absterben und fügt dadurch der Seidenkultur 
sroßen Schaden zu. Die Photographie (Tafel IX, Abb. 7) ist von einem 
im Zoologischen Garten von Taschkent befindlichen Exemplare im 
Juli 1929 aufgenommen worden. 


Citellus rufescons KEYS et BLAS. 


Die Biologie des Rötlichen Ziesels habe ich in der Waldsteppen- 
zone des Wolga-Gebietes und in den Kirgisensteppen erforscht. In 
den Steppen bewohnt der Ziesel hauptsächlich Gegenden mit Humus- 
boden und Stipa-Vegetation, also größtenteils Flußniederungen oder 
flache Täler zwischen Reihen von Hügeln. In den weiter nördlich 
sich befindlichen Waldsteppen findet man Zieselkolonien am Öftesten 


M. K. SEREBRENNIKOV, Album einiger Säugetiere. 099 


an Rändern von Hainen. Nicht selten habe ich die Ziesel und ihre 
Baue auch inmitten der Haine, welche aus Eichen, Espen und Birken 
bestehen, gefunden. Dieses hübsche Tierchen trägt im Frühjahr und 
Sommer sehr zur Belebung der Steppen bei. Es ist durchaus Tagtier. 
Mit Sonnenaufgang erscheinen die Ziesel vor ihren Bauen und treiben 
sich den ganzen Tag über von Bau zu Bau umher, zwischen der reichen 
Vegetation der Humussteppe. Von Zeit zu Zeit richtet sich der eine 
oder andere von ihnen auf den Hinterbeinen in die Höhe, um sich nach 
einer etwaigen Gefahr umzuschauen, welche er seinen Genossen durch 
laute Pfiffe kundet. In manchen Gegenden statten sie den Getreide- 
feldern Besuche ab, besonders in sehr dürren Sommern. Da sie auf 
diese Weise recht schädlich werden, so versucht die Bevölkerung, sie 
mit allen Mitteln auszurotten. Seit den letzten Jahren werden die 
Felle nach Westeuropa exportiert, zur Anfertigung von Damen- 
mänteln, welche unter dem Namen „Echt-Suslikmantel“ in den Handel 
kommen. Die Aufnahme (Tafel IX, Abb. 8) ist von einem Exemplar 
aus dem Gouv. Samara im Mai 1926. 


Alactaga jaculus PALL. 


In den Wolga- und Kirgisensteppen ist der Pferdespringer gewöhn- 
lich, stellenweise sogar zahlreich. Dieses höchst seltsame Tierchen 
ist ausschließlich Nachttier und zeigt sich nur selten bei Tage. In 
der Abenddämmerung verlassen die Pferdespringer ihre Baue und 
rennen zu ihren Futterplätzen, wo recht viel Zwiebelpflanzen vor- 
handen sind. Sie nähren sich von den Zwiebeln, welche sie mit den 
Zähnen rasch und geschickt aus der Erde herausnagen und lassen 
das Kraut liegen. An Stellen, wo die Pferdespringer ihrer Nahrung 
nachgegangen waren, sieht man zahlreiche von ihnen gegrabene Ver- 
tiefungen und daneben liegen die der Zwiebeln oder Knollen beraubten 
Pflanzen. Im Herbste erscheinen diese Tierchen auch auf Getreide- 
feldern, wo sie die Weizenähren abbeißen und dann der Körner be- 
rauben. Auch Melonen und Wassermelonen nagen sie an und bringen 
dadurch merklichen Schaden. Beim Wechsel benutzen die Pferde- 
springer zumeist Wege und Fußpfade oder sandige Bette trockener 
Bäche. Des Morgens kann man an solchen Stellen mühelos ihre Spuren 
finden und, denselben nachgehend, auch ihre Baue entdecken. 

Interessant ist die Art und Weise, wie der Pferdespringer beim 
Graben des Baues zu Werke geht. Eigentlich gräbt er nur mit den 
vorstehenden Schneidezähnen und reißt mit großer Geschwindigkeit 


100 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


ein Stück Erde nach dem anderen ab. Wenn ihm die aufgehäufte 
Erde lästig wird, schiebt er sie mit den Vorderfüßen unter den Bauch, 
um sie später, wenn sie sich dort in größerer Menge angesammelt 
hat, mit kräftigen Stößen der Hinterfüße weit nach hinten zu schleudern. 
Rasch sich in die Erde vertiefend, kommt er von Zeit zu Zeit an die 
Oberfläche zurück, um die herausgeworfene Erde weiter fortzuschafien. 
Oft kehrt er sich dabei um und stößt die Erde mit der Nase fort, 
wobei er dann die größeren Erdbrocken regelmäßig mit den Zähnen 
und Vorderfüßen zerkleinert. Verschiedene Momente der Herstellung 
des Baues eines Pferdespringers sind auf den Photographien 9—12 
(Tafeln X u. XI) abgebildet. Temir, Juli 1928. 


Scirtopoda telum LICHT. 

Diese kleine, zierliche Springmaus ist in den Kirgisensteppen ver- 
hältnismäßig selten, bildet aber stellenweise richtige Kolonien. In der 
Umgebung von Temir fing ich diese Nager auf Melonen- und Wasser- 
melonenfeldern in Fallen, die ich zwischen den Beeten, wo Spuren 
vorhanden waren, aufstellte. Die Baue findet man gewöhnlich in der 
Nachbarschaft der obengenannten Felder. Die Photographie 13 (Tafel 
XII) ist von einem Exemplare aus der Umgebung von Temir im 
Juni 1928 aufgenommen worden. 


Cricetus cricetus L. 

Der gewöhnliche Hamster ist weit nach Westen und Osten vom 
Uralgebirge verbreitet, ist aber im südlichen Transuralien wohl am 
häufigsten. Hier trifft man ihn buchstäblich überall: in den Hainen 
der Waldsteppe, in der Stipa- und Wermutsteppe, auf Wiesen, an 
Rändern von Seen und Sümpfen im Gebüsch, auf Getreidefeldern und 
sogar in Gemüsegärten und auf Tennen, von wo er nicht selten in 
die Kornscheunen gerät. Seiner Häufigkeit wegen ist er in diesen 
Gegenden einer der wichtigsten Feldschädiger. Die tiefen, gewöhn- 
lich mit mehreren Ausgängen versehenen Baue haben Abzweigungen, 
welche ich im Anfang des Frühjahres mit großen Massen teilweise 
schon verdorbenen Getreides gefüllt fand. Er ist mutig und hat einen 
sehr bösartigen Charakter. Von Raubtieren angegriffen, verteidigt 
er sich bis zum äußersten, oft auch mit Erfolg. Angesichts des 
Menschen läuft er nicht davon, sondern nimmt eine Verteidigungs- 
stellung an und schlägt in schneller Aufeinanderfolge und laut hörbar 
die Zähne zusammen. Dieser Moment ist auf der Photographie 14 
(Tafel XII) abgebildet. Südliches Transuralien, Juni 1927. 


M. K. SEREBRENNIKOV, Album einiger Säugetiere. 101 


Ellobius talpinus PALL. 

Im nördlichen, mit Waldsteppen bedeckten Teile des südlichen 
Transuralienes, wo die Landwirtschaft am meisten entwickelt ist, 
siedelt sich der Mull-Lemming hauptsächlich an Rändern der Birken- 
und Espenhaine an, da er brachliegendes Gelände vorzieht. Auf Feldern 
ist er äußerst selten, da beim Pflügen derselben nicht nur die horizontal 
unter der Oberfläche verlaufenden Gänge, sondern auch die Tierchen 
selbst vernichtet werden. Viel öfter findet man ihn auf Wiesen, und 
zwar auch an Stellen, die im Frühjahr nach der Schneeschmelze von 
Wasser bedeckt werden. Salzhaltige Stellen und Viehweiden, wo der 
Boden fest ist, meidet er durchaus. Im südlichen, mit Steppen be- 
deckten Teile ist er am häufigsten auf alten, längere Zeit brachliegenden 
Feldern zu finden, wobei er diejenigen mit weichem Erdboden vorzieht. 
Augenscheinlich ist es ihm schwer in hartem Boden seine ausgedehnten 
unterirdischen Gallerien anzulegen. 

Das Vorhandensein dieser Nager in irgendeiner Gegend läßt sich 
durch die kleinen Erdhaufen, welche in bestimmten Abständen von- 
einander aus den unterirdischen Gallerien auf die Oberfläche heraus- 
geworfen sind, leicht nachweisen. Je nach der Frische oder Trocken- 
heit dieser Erdhaufen kann man feststellen, ob der Bau bewohnt ist 
oder nicht. 

So viel ich den Mull-Lemming im südlichen Teil Transuraliens 
beobachten konnte, scheint es mir, daß er am energischsten zur Mittags- 
zeit an heißen Sommertagen gräbt. Zu dieser Zeit ist es nicht schwer, 
ihn mit der Flinte zu erlegen, im Augenblicke, wo er die Erde aus 
seinem Bau an die Oberfläche stößt. Die Photographien 15 und 16 
(Tafel XII) sind im mittleren Wolgagebiete im Juni 1926 aufgenommen 
worden. | 

Evotomys rutilus PALL. 

Die Rote Wühlmaus ist in der Waldzone Transuraliens eine überaus 
häufige Erscheinung. Sie wohnt hauptsächlich unter Baumwurzeln 
und Sträuchern, doch klettert sie auch gut, wenigstens an der Rinde 
alter Stämme. Ich habe eine Rote Wühlmaus, deren Nest sich in der 
Höhlung einer alten Weide 1!/, Meter über dem Boden befand, ver- 
schiedene Male beim Klettern beobachtet. Diese Baumhöhlung schien 
auch von einer Spitzmaus bewohnt zu werden, denn ich sah dieselbe 
oftmals am senkrechten Stamme mit großer Gewandtheit hinaufklettern. 
Einmal traf es sich, daß die Wühlmaus gerade im Eingange der Baum- 
höhlung sich mit der Spitzmaus begegnete. Da ein Ausweichen un- 


102 Zeitschift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


möglich war, so setzte die Wühlmaus mit einem energischen Sprunge 
über die Spitzmaus hinweg, lief rasch am Stamme hinunter und ver- 
schwand im Grase. Die Aufnahme 17 (Tafel XIII) ist von einem 
Exemplare aus dem südlichen Transuralien, Mai 1927. 


Microtus gregalis PALL. 


Diese Wühlmaus ist eines der am häufigsten anzutreffenden Nage- 
tiere der Steppen Transuraliens. Die beliebtesten Aufenthaltsorte 
dieser Art (wenigstens im südlichen Transuralien) sind starkbewachsene 
Strecken der Stipa-Steppen. An solchen Orten bilden sie oft große 
Kolonien. Auf Getreidefeldern ist sie auch häufig. In den Getreide- 
garben, sowie in den Haufen ausgetrockneten Strohes bildet diese 
Wühlmaus einen sehr wesentlichen Bestandteil der reichen Nagetier- 
bevölkerung. Auf Wiesen, in Birkenhainen, im Gebüsch inmitten der 
Sümpfe, auf salzhaltigen Strecken, welche Salzseen oder Salzsümpfe 
umsäumen, in Gemüsegärten und auf Tennen in der Nähe mensch- 
licher Behausungen — überall trifft man diesen Nager. Er ist einer 
der wichtigsten Feldschädiger in der Waldsteppenzone. Am schäd- 
lichsten wird er in den Herbst- und Wintermonaten. Zu dieser Zeit 
sammeln sich die Tierchen aus den umliegenden Feldern in Scharen 
in dem in Garben liegenden Getreide. Später nach dem Dreschen 
bewohnen sie das Stroh, wo sie noch genügend Körner finden, um 
bis zum Frühjahr davon leben zu können. Die Photographie 18 (Tafel 
XIV) ist von einem Exemplare aus dem südlichen Transuralien im 
Mai 1927 aufgenommen worden. 


Sylvaemus sylvaticus L. 


Die Waldmaus ist bei uns eins der häufigsten Nagetiere. Sie 
kommt nicht nur in Wäldern, sondern auch in Steppengegenden vor. 
Im Walde kann man ihre Baue unter Baumwurzeln und Baumstümpfen 
finden. Ein am Boden liegender und faulender Baum dient ihr auch 
oft als Obdach. Unter solchen gefallenen Bäumen findet man regel- 
mäßig verschiedene Nager, aber am häufigsten die Waldmaus. In 
den Steppen fand ich sie an den Ufern von Bächen und Seen, im 
Gebüsch. Im Herbst habe ich sie auch in den Getreidegarben ge- 
funden, wohin sie nach der Ernte zusammen mit vielen anderen Nage- 
tieren zum Überwintern kommt. Nachdem das Getreide gedroschen 
ist, bewohnt die Waldmaus bis zum Frühjahr die Strohhaufen. In 
Parks und Obstegärten, wo sich die Waldmaus auch nicht selten an- 


M. K. SEREBRENNIKOV, Album einiger Säugetiere. 103 


siedelt, wird sie durch das Benagen der Obstbäume schädlich. Ich 
habe diese Mäuse verschiedentlich beim Klettern auf Bäumen beobachtet. 
Sie tun das recht geschickt. 


Apodemus agrarius PALL. 


Die Brandmaus ist der gemeinste Nager unserer Gegenden. Im 
südlichen Transuralien kommt sie sowohl in den Birkenhainen wie 
auch in der Steppe vor, ist aber am häufigsten auf Feldern, wo sie 
eine hervorragende Stelle unter den „Mäusen“ einnimmt, über die sich 
der Landwirt beklagt. Über den Charakter des Schadens, welchen 
diese Nager anrichten, erlaube ich mir ein Zitat von E. EVERSMANN ’!) 
anzuführen: „In allen Gegenden, wo Landwirtschaft getrieben wird, 
lebt die Brandmaus in großen Massen und bewohnt vornehmlich die 
Äcker. In manchen Jahren vermehren sie sich bis auf so ungeheure 
Mengen und so schnell, daß es kaum begreiflich scheint, wie das mög- 
lich ist. Das ist auch der Grund zur Sage vom Mäuseregen. Zu Ende 
des Sommers, wenn das Korn reift, kann man die Brandmäuse oft 
beobachten, wie sie aus ihren Bauen hervorkommen und die aus den 
Ähren gefallenen Körner auflesen. Wenn die herabgefallenen Körner 
nicht mehr ausreichen, so greifen sie die Ähren selbst an und im Winter 
richten sie großen Schaden im noch nicht ausgedroschenen Getreide 
an. Oft fressen sie die Ähren ganz leer, so daß nur das Stroh nach- 
bleibt“. 


Sicista nordmanni KEYS. et BLAS. 


Dieser interessante kleine Nager ist hauptsächlich Tagtier. Er 
findet sich am öftesten auf unbebauter Stipa-Steppe mit gut berastem 
Boden. Viel seltener kommt er auf Stellen mit salzhaltigem, mit Wermut 
bewachsenem Boden vor. Seine kleinen Baue befinden sich gewöhn- 
lich in Büscheln von Stipa, zuweilen unter Wermutstanden und sind 
sehr schwer aufzufinden. Auf der Photographie 19 (Tafel XIV) ist 
ein Exemplar von der mittleren Wolgagegend (Juni 1926) abgebildet. 


Lagurus lagurus PALL. 
Der Steppenlemming ist eines der massenhaft und in Scharen 
vorkommenden Steppennagetiere. Periodisch, gewöhnlich in einem 
Zwischenraum von mehreren Jahren, vermehren sich diese Tierchen in 


1) EVERSMANN, E., Die Naturgeschichte der Gegend von Orenburg. II. 1850. 
Kasan (russisch). 


104 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


kolossaler Weise und unternehmen dann gewöhnlich Wanderungen in 
andere Gegenden. Ein russischer Forscher, N. A. ZARUDNY, beschreibt 
einen solchen Umzug auf folgende Weise: „Bei ihren Wanderungen 
zogen die Lemminge in weit zerstreuten Scharen, selten in kleinen, 
geschlossenen Truppen, bis zu 4 Exemplaren zusammen. Die Breite 
der ganzen Kolonne war kaum festzustellen; jedenfalls betrug sie zu- 
weilen nicht weniger als eine Werst. Nur beim Überqueren von 
Flüßchen sammelte sich die ganze Schar, wobei die Tierchen, ehe sie 
ins Wasser zu gehen sich getrauten, eine ganze Weile unschlüssig am 
Ufer hin und her liefen. Die Wanderungen fanden ganz früh des 
Morgens und des Abends statt, wobei sie etwa 3 Stunden vor Sonnen- 
untergang anfingen. Wahrscheinlich wandern die Lemminge auch in 
der Nacht“. Photographie 20 (Tafel XIV) von einem Exemplar aus 
der mittleren Wolgagegend, Juni 1926. 


eitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


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Abb. 3. 
Zu K. ECKSTEIN, Aus dem Jugendleben des Fischotters. 


Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. Tafel II. 


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Abb. 3. 


Abb. 4. 


Zu 8. J. OGNEFF, Übersicht der russischen Kleinkatzen. 


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Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. Tafel III 


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Zu S. J. OGNEFF, Übersicht der russischen Kleinkatzen. 


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Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Zu S. J. OGNEFF, Übersicht der 


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Zu M. K. SEREBRENNIKOW, Album einiger Säugetiere. 


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Abb. 10. Alactaga jaculus PALL. 


Zu M. K. SEREBRENNIKOV, Album einiger Säugetiere. 


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Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1980. 


Abb. 12. Alactaga jaculus PALL. 


. Zu-M. K. SEREBRENNIKOV, Album einiger Säugetiere. 


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Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. Marke axile 


Abb. 14. Cricetus ericetus L. 


Zu M. K. SEREBRENNIKOV, Album einiger Säugetiere. 


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Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. Mare XEH 


Abb. 17. Evotomys rutilus PALL. 
Zu M. K. SEREBRENNIKOV, Album einiger Säugetiere. 


Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. INA Tel EXuBVs 


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Abb. 18. Micerotus (Stenocranius) gregalis PALL. 


Abb. 19. Sieista nordmanni KEYS. et BLAS. 


Abb. 20. Lagurus lagurus PALL. 
Zu M. K. SEREBRENNIKOV, Album einiger Säugetiere. 


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| Zeitschrift fur Säugetierkü nd 


Im Auftrage der 


Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde 
e.V. 


herausgegeben von 


Dr. Hermann Pohle, Berlin 
Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde. 


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5. Band 10. 11. 1930 | Heft 3/4 
== 136 Seiten Text und 5 Tafeln. 


| Berlin 1930 
InKommission bei Dr. W. Stichel, Leipzig 


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Zeitschrift für Säugetierkunde. 
5. Band 10. 11. 1930. Heft 3/4. 


4.) Modifikationen im Zusammenhang von Funktion und 
Gelenkflächenausbildung am Carpalsegment arctoider 
Carnivoren. 


Von RUDOLF LIPS (Berlin). 
Mit 126 Abbildungen im Text und auf den Tafeln XV—XIX. 


Inhalt. Seite 

AyrBinleitung und Problemstellung. . . «© 2 2 2.2 0 2.e.2.2 00 0u..106 
EisBieneHand am allgemeinen . 2. 2... rue teen nen sstlE 
a) Vorbemerkungen . . . NEL ONE N U RO ER RZ 

b) Das Handskelett als Gunses SEE EEE ISO ER TR Eee I 1) 
OmlkeseinzeimensKnochen = u... 0 ee ee nes 14 

3) June Mineral NS ae a ee rn! 

C) Die „Hand“ im speziellen . . . . . al oh ee 


a) Nomenklatur der Ebenen, Ueersuohnnsemethoden a er 
b) Untersuchungsprotokolle: 


1. Canis familiaris L., Canis pus L. . : x =... 220... 187 
I UZTesEnelespua nen nn ekenere 800.102 
DE, Saar RER SE er a a a 
BUS sNanchosE Ba un le Be ee 1 189 
DErlhalassarctos maritimus E.ı. .ı. "VS 0 2. ..202 
VI. Potos flavus SCHREB. . .. . 2.209 

c) Bewegungsvermögen und lonkrerbindung n im a alessnent (Ver- 
sieieh). . . . ß SE NEE Ra RR re 

I. Faktoren ea Bey denbaarten EIS RAE TOR oh Ce ee 214 
II. Bewegungsvermögen und Gelenkverbindung des nen: . 219 
IEPSlper) Westigkeit® im Garpalsegment . . . 2 2.2 .....220 
IV. Betrachtungen über das Handgewölbe . . . » al 
V. Wirkung von Gebrauch und Nichtgebrauch auf die over ln 

Gelenkflächen . . . . ; . 22 


VI. Argumente für die Desktieung des Fiek’schen @bsoizes . . 225 
VII. Zusammenhang von Dorsalflexion und Trittfläcke . . . . 226 
D) Der Einfluß der Ausbildung der Incisura semilunaris ulnae auf Pronation 


Beoksuprmesen der „Hand! . oo ..0n 0 Bela ceniae. 280 
E) Zusammenfassung: Die einzelnen Anpassungen . 2. 2 2 22.22... %35 
REN er | 


6) Tafelerklärung . te 
72 


106 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


A) Einleitung und Problemstellung. 

Die klassische Anatomie, die „Zergliederungskunst“ in des Wortes 
wahrster Bedeutung, mußte mit Ergebnissen rechnen, die genau wie in der 
mikroskopischen Technik den Verhältnissen intra vitam zwar mehr oder 
weniger nahekamen, sie aber nie völlig erreichten. Es ist daher verständ- 
lich, daß die überwiegende Betonung des rein Morphologischen in der ver- 
gleichenden Anatomie nicht selten zu einer gewissen Starrheit führte, ein 
Zustand, den man in abfälliger Redeweise mit dem Namen „Leichenanatomie“ 
belegte. Aber schon um die Mitte des vorigen Jahrhunderts befaßte man 
sich in bewußter Art mit anderen, lebendigeren Grundsätzen in der ver- 
gleichenden Anatomie. Es fand eine Wegtrennung statt. Während sich 
viele vergleichende Anatomen auf Homologienforschung beschränkten, gab es 
auch einige Gelehrte, die sich mehr mit der funktionellen Seite der ver- 
gleichenden Anatomie befaßten (so z. B. A. FICK 1879, HENKE 1863, 
LUCAE 1872, MEYER 1890, NAGNER 1877, TEILO 1899 u. 1900,... 
um einige Namen zu nennen). Auf diesen beiden Straßen, die nebeneinander 
herlaufen, haben sich die Forscher je nach Neigung und Anlage bewegt. 

In neuerer Zeit aber gewinnt der letztere Weg immer mehr an Be- 
deutung, indem man das lebende Tier stärker in den Vordergrund des 
Interesses rückt. Man geht von physiologischen Beobachtungen aus, und 
versucht sie anatomisch zu erklären. Arbeiten u. a. von BERGMANN, 


LEUCKART, HABERLANDT, W. KÜKENTHAL, R. HESSE u. A. DOFLEIN, 


A. v. HALLER etc. zeigen uns, wie das Moment des Physiologischen immer 
tiefer in die Anatomie hineingetragen wurde. So hat die „physiologisch- 
anatomische“ Betrachtungsweise immer mehr an Geltung gewonnen, und es 
wird in der neuesten Zeit die Erforschung von Lebensweise und Körper- 
form in ihrem ursächlichen Verhalten zueinander mit einer Anzahl von Ar- 
beiten über funktionelle Anpassung (H. BÖKER u. a.) ständig fortgesetzt. 

Jedoch hat jede wissenschaftliche Forschungsmethode ihr Aschenbrödel. 
In der „physiologischen Anatomie* — wie ich diese Forschungsrichtung 
nennen möchte — scheint die Gelenkmechanik zu der Rolle eines solchen 
verurteilt zu sein. Betrachtet man das Tier in seinem natürlichen Zusammen- 
hange, eingedenk des Grundprinzipes, daß das Ganze nur durch seine ein- 
zelnen Teile, aber auch jeder von diesen nur durch das Ganze zum vollen, 
klaren Verständnis gebracht wird, so wird dem Gelenk mit eine führende 


Rolle der physiologisch-anatomischen Betrachtungsweise verliehen. Da wir 


weder an starre Beständigkeit noch an plötzliche, sprungweise Änderung 
der Form glauben, erachten wir sie jedenfalls als biegsam und anpassungs- 
fähig. Form und Funktion, — das ist die stillschweigende Voraussetzung 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 107 


unserer Untersuchungen, — hängen für unser Urteil innig zusammen. Sollten 
nun alle adaptiven Umgestaltungen im Tierreich an den Gelenken spurlos 
vorübergehen? Sollten sie nicht vielmehr gerade in ihnen, als der unmittel- 
baren Unterlage jeder Bewegung, ihren ersten Widerhall finden? Die Ant- 
wort kann wohl nicht anders als bejahend gegeben werden (TORNIER 1895). 
Damit gewinnt aber die Gelenkmechanik für die funktionelle Betrachtungs- 
weise hervorragende Bedeutung. 

Die Teile des Skeletts, die wohl am sinnfälligsten Zusammenhänge von 
Form und Funktion und damit auch von Funktion und Gelenkfiächenaus- 
bildung zeigen, sind wohl die Extremitäten, die in erster Linie das Tier 
mit seiner Umgebung verbinden. Ja wir können sogar noch weiter gehen 
und behaupten, daß Hand!) und Fuß in ihren anatomischen Einzelheiten für 
die Anpassungsfähigkeit der Extremitäten eine besondere Rolle spielen; denn 
wir müssen uns vor Augen halten, daß wir es mit den verschiedensten Sub- 
straten zu tun haben, die zunächst auf die Endabschnitte der Extremitäten 
ganz bestimmte Reaktionsmöglichkeiten besitzen. 

Während nun der Fuß sich stets großer Beliebtheit erfreut hat und in 
zelenkmechanischer Beziehung eine Reihe wertvoller Arbeiten hervorgebracht 
hat (z. B. TORNIER 1888 u. 1890, VIRCHOW 1928 u. a.), steht die Hand 
in der vergleichenden Anatomie — speziell der Gelenkmechanik — bis heute 
sehr im Hintergrund. Wohl hat die „Medicin“ den Einblick in die Funk- 
tion der menschlichen Hand bis an die Grenze des Erreichbaren getrieben. 
Über Bewegungen jedoch, die in ihr beim Tier vor sich gehen, existieren 
nur sehr vereinzelte Mitteilungen. Das liegt eben an dem für diesen Teil 
des Organismus beschrittenen Forschungswege früherer Zeiten, alle anato- 
mischen Tatsachen nur durch Zurückgehen auf homologe Zustände bei primi- 
tiveren Wirbeltieren zu erklären (z. B. BAUR 1885, BARDELEBEN 1885 
und 1894, EISLER 1896, GEGENBAUR 1864, STIEDA 1893, WYMAN 
1867 u. a.). Allenfalls werden in manchen Schriften von den Autoren 
Gelenkformen morphologisch erwähnt (z. B. ELLENBERGER 1891, JULITZ 
1909, MARTIN 1919) oder es werden vergleichende Feststellungen gemacht, 
daß also gewisse Gelenkflächen in einer Tiergruppe vorhanden sind oder 
fehlen (Bronn’s Klassen und Ordnungen, LUCAE 1872 u. 1873). Angaben 
über die Bewegungen in den Gelenken, über Eintreten, Aufhören, Verlauf 
und Ergiebigkeit der einzelnen Gelenkbewegungen fehlen mit einer einzigen 
Ausnahme, einer Arbeit von KNIEPKAMP 1926, in der aber das lebende 


1!) In den folgenden Ausführungen wird an Stelle des langen Wortes „Ter- 


minalsegment der Vordergliedmaße“ oft der Ausdruck „Hand“ gebraucht werden. 
73* 


108 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Tier gar nicht berücksichtigt wird, sondern lediglich deskriptiv der anato- 
mische Befund niedergelegt ist. Sieht man von den Werken einzelner Anthro- 
potomen ab, die wohl in mancher Hinsicht als Vorbild dienen können, so 
kann man von einer Vorarbeit im gelenkmechanischen Sinne auf zoologischer 
Seite kaum sprechen (s. Literaturverzeichnis!). 

Mit dieser Arbeit will ich mich bemühen, die Lücke, die durch die 
stiefmütterliche Behandiung der Hand entstanden ist, wenigstens zu einem 
kleinen Teile auszufüllen. 

Es fragte sich nun, geeignete Untersuchungsobjekte zu finden, nach 
Möglichkeit aus einer Tierordnung, die durch den exklusiven Gebrauch der 
Gliedmaßen nach den verschiedensten Richtungen hin sich die verschieden- 
sten adaptiven Umgestaltungen geschaffen hat. Nun sind unter den Carni- 
voren, insbesondere unter der Sektion der Arctoidea gerade solche Tiere 
vertreten, die die einzelnen Anpassungen des Laufens, Kletterns, Grabens und 
Schwimmens in hervorragender Weise zeigen. Aus diesem Grunde wurden 
sie als Untersuchungsobjekte gewählt. Außerdem hat die Beschränkung auf 
den Kreis der Arctoidea den Vorteil, daß infolge der engen Verwandtschaft 
allzugroße äußerliche, morphologische Verschiedenheiten der entsprechenden 
Knochen nicht auftreten können, so daß also lediglich die Modifikationen 
der Gelenkflächen im Zusammenhang mit der Funktion deutlich demonstriert 
werden können. 

Aber nicht nur einer gelenkmechanischen Untersuchung obengenannter 
Typen sollte diese Arbeit dienen. Es kristallisierte sich nämlich bei Bearbei- 
tung dieses Gebietes das Problem heraus, ob denn die knöchernen Bestand- 
teile des Carpalsegmentes der Arctoidea neben den Charakteren der allen 
gemeinsam zukommenden einfachen Lokomotion für die einzelnen Typen spe- 
zifische Charaktere herausgebildet haben, die in den einzelnen Gelenkflächen 
ihre Fixierung finden müßten. Und so soll die vorliegende Arbeit mit dem 
Ziele kulminieren, folgende Frage so weit wie möglich der Lösung nahe 
zu bringen: „Ist esmöglich, mit Hilfe von spezifischen Charak- 
teren die verschiedenen Ausbildungsformen der Raubtier- 
hand (plantigrad, digitigrad, Lauf-, Kletterhände etc.) ana- 
tomisch zu kennzeichnen?* 

Die vorliegender Arbeit zugrunde liegende Untersuchungsmethode ist 
eine rein biologische, d. h. die Beobachtung des lebenden Tieres — wozu 
ich im Berliner Zoologischen Garten ausreichend Gelegenheit hatte — ging 
stets mit der anatomischen Erfassung der verschiedenen Bewegungsvorgänge 
Hand in Hand. Ich ging also von den gegebenen Fortbewegungsarten aus, um dann 
erst am Präparat die Bewegungen nachzumachen und somit die anatomischen 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 109 


(gelenkmechanischen) Unterschiede zu finden. Gewiß konnte ich nicht alle 
Bewegungen, die ein Tier in seinem Leben auszuführen imstande ist, beob- 
achten, — wie z. B. die Grabbewegungen des Dachses, weil er in einem 
steinbedeckten Käfig untergebracht war, — und ich bin daher nicht in der 
glücklichen Lage wie die Mediziner, die ihr Untersuchungsobjekt stets bei 
der „Hand“ — im wahrsten Sinne des Wortes — hatten. Es wurden 
daher viele Photographien benutzt, die die untersuchten Tiere in den ver- 
schiedensten Stellungen zeigten (u. a. KNOTTNERUS-MEYER 1925, BRAESS 
1925). So war es möglich, die Bewegungen, die ich am Tier selbst nicht 
sehen konnte, am Präparat der Lebendbewegung entsprechend mit ziemlicher 
Genauigkeit zu rekonstruieren, so daß die anatomischen Verhältnisse den 
vitalen sehr nahe kamen. Bei dieser Gelegenheit konnte auch untersucht 
werden, inwieweit von der Möglichkeit der Bewegungen, wie sie der Gelenk- 
mechanismus an sich bietet, im Leben Gebrauch gemacht wird. Film und 
Zeitlupe wären mir erwünschte Helfer gewesen; ich mußte sie mir aber 
aus pekuniären Gründen versagen. 

Es liegt in der Natur der Arbeit, daß des öfteren von „Anpassung“ 
gesprochen werden muß. Um von vornherein allem Zweifel die Spitze ab- 
zubrechen, ob diese Frage durch direkte äußere Bewirkung im Sinne von 
LAMARCK oder durch die Kraft der Selektion, wie DARWIN meinte, er- 
folgt ist, betone ich hier bereits ausdrücklich, daß das Problem in dieser 
Fragestellung hierbei gänzlich unerörtert bleiben wird. 

Ferner bemerke ich zum leichteren Verständnis der folgenden Erörte- 
rungen, daß die technischen Ausdrücke, die ich in dieser Arbeit verwenden 
werde, die von HENLE 1855 in die Anatomie eingeführten und allen Ana- 
tomen geläufig sind. Einige von mir kombinierte Begriffe, um mich bei der 
Ortsbezeichnung der beschriebenen Teile der Hand verständlicher zu machen, 
bedürfen jedoch der Erklärung. Ich verwende die Ausdrücke proximal, distal, 
radial, ulnar, dorsal, volar. Der proximale Teil der Hand wird durch die 
Elle und Speiche, der distale durch die Fingerspitzen begrenzt. Die Daumen- 
seite heißt radiale, die Kleinfingerseite ulnare. Gelenkflächen und Knochen- 
teile, die nach den betreffenden Seiten gerichtet sind, heißen proximale, di- 
stale, oder radiale, ulnare Gelenk- bzw. Knochenteile. Wenn ich zwei dieser 
Ortsbezeichnungen durch einen Bindestrich verbinde, so will ich damit an- 
deuten, daß die beiden Begriffe kombiniert gedacht werden müssen. Z. B. soll 
„die distal-ulnare Ecke der Gelenkfläche“ diejenige Ecke der Gelenkfläche 
bezeichnen, die durch den Zusammenfluß ihres distalen und ulnaren Randes 
gebildet wird. Wird eine Ortsbezeichnung mit der anderen durch die Endung 
„o* verbunden, so soll damit einfach die Richtung der Bewegung angegeben 


110 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


werden; heißt es also: „Der Knochen bewegt sich in dorso-volarer Richtung“, 
so bedeutet dies, daß er sich aus der dorsalen Lage volarwärts bewegt. 
Alle übrigen Kombinationen der technischen Begriffe dürften nach obigen 
Erläuterungen ohne Erklärung verständlich sein. Der Vorteil dieser topo- 
graphischen Bezeichnung liegt darin, daß sie nie zu Mißverständnissen An- 
laß geben kann; denn sie ist ganz unabhängig von der wirklichen Stellung 
des Knochens im Raum angewandt. 

Die Arbeit wurde in der Säugetierabteilung des Berliner Zoologischen 
Museums ausgeführt, wo mir Herr Direktor Prof. Dr. ©. ZIMMER einen 
Arbeitsplatz und die Bibliothek zur Verfügung stellte, wofür ich ihm zu 
besonderem Danke verpflichtet bin. Außerdem gedenke ich in aufrichtigster 
Dankbarkeit der in jeder Beziehung bereitwilligsten Unterstützung, die mir 
Herr Prof. Dr. G. TORNIER stets angedeihen ließ. Ferner sage ich hiermit 
Herrn Dr. H. POHLE, Kustos der Säugetierabteilung, meinen herzlichsten 
Dank für das Wohlwollen und die große Bereitwilligkeit, mit der er allen 
meinen Bitten und Wünschen entgegengekommen ist und mir bei der Be- 
schaffung der Muskelpräparate, die für eine solche Arbeit eine zwingende 
Notwendigkeit darstellen, und in sonstigen, meine Arbeit betreffenden Dingen 
mit Rat und Tat zur Seite stand. In gleicher Weise zu besonderem Dank 
verpflichtet bin ich Herrn Geh. Hofrat Prof. Dr. L. HECK, Direktor des Ber- 
liner Zoologischen Gartens, sowie Herrn Geh. Med.-Rat Prof. Dr. R. FICK, 
Direktor des Medicin.-Anatomischen Institutes der Universität Berlin. 

Das Material, das mir zur Verfügung stand, entstammt, soweit es sich 
um Rohskelette und um Spirituspräparate handelt, ausschließlich der Säuge- 
tiersammlung des Zoologischen Museums. Außerdem bekam ich durch die 
Liebenswürdigkeit des Herrn Dr. F. SCHÖNBERG, für die ich auch ihm an 
dieser Stelle meinen herzlichsten Dank ausspreche, frische Hundeextremitäten 
aus dem Anatomischen Institut der Tierärztlichen Hochschule zu Berlin. 

Es wurden lediglich solche Raubtiere untersucht, die als Typen am 
ausgeprägtesten die verschiedenen funktionellen Differenzierungen des Laufens, 
Grabens, Schwimmens und Kletterns zeigen, so 


Canis lupus L. als Lauftyp, 

Meles meles L. als Gräbertyp, 

Potos flavus SCHREB. als Klettertyp, 

Thalassarctos maritimus L. 

Lutra lutra L. 

Ursus arctos L. als Typ, der die drei Differenzierungen des 'Laufens, 
’Kletterns und Schwimmens in gleicher Weise beherrscht. 


als Schwimmertypen, 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 111 


B) „Die Hand‘ im allgemeinen, 


a. Vorbemerkungen. 

Die Extremitäten haben eine doppelte Aufgabe: Den Körper fortzu- 
bewegen und ihn zu tragen, Auch die Vorderextremitäten dienen vorzugs- 
weise der Lokomotion, außerdem enthalten sie aber noch ein agressives Ele- 
ment, das sich namentlich im distalen Abschnitt in vielfältigen funktionellen 
Anpassungen geäußert hat, die dann zu vielseitigen Änderungen der Knochen 
und der Gelenkformen führen mußten. So dienen sie verschiedenen Gebrauchs- 
möglichkeiten, wie Graben, Klettern, Greifen, um einige Fähigkeiten zu 
nennen. Je mehr sie nach diesen Richtungen hin ausgenutzt werden, um so 
mehr entziehen sie sich schließlich der Lokomotions- und Stützfunktion und 
gelangen so schrittweise zu einer Annäherung an das Verhalten der Vorder- 
extremität beim Menschen, die den Vorzug des Universellen in sich birgt. 
Dies hat dazu geführt, dem menschlichen distalen Abschnitt der Vorderglied- 
maße die Bezeichnung „Hand“ zu geben, wobei also lediglich die Funktion 
das Ausschlaggebende war. 

Stellt man sich nun die Aufgabe, ein Organsystem eines Tieres nach 
seinen Verrichtungen hin zu untersuchen, so muß zuerst eine morphologische 
Grundlage für diese geschaffen werden. Da auch nach GEGENBAUR „die 
physiologische Funktion im gewissen Sinne das Organ beherrscht und 
darin das Morphologische dem Physiologischen untergeordnet“ ist, so sei 
die Morphologie des Carpus zuerst behandelt. Da sich die Untersuchungen 
auf die Sektion der Arctoidea, also einen verhältnismäßig kleinen Teil 
im großen Gebiet der Säugetiere, beschränken und aus jeder der vier vor- 
handenen Familien mindestens ein Vertreter infolge charakteristischer Lebens- 
weise gewählt worden ist, so sind von vorn herein große Ähnlichkeiten in 
der Topographie und der Gestalt der Carpalia zu erwarten, zumal, wenn 
man sich die Zusamenhänge dieser Familien stammbaumartig klar macht. 
Nach Untersuchungen von MATTHEW 1909 lassen sich nämlich alle Tiere 
dieser Familien von einer Gruppe von Raubtierahnen, den Miaciden, her- 
leiten, die im proximalen Abschnitte des Carpus noch vier getrennte Knochen 
besaßen. Der Stammbaum sieht für die Arctoidea dann folgendermaßen aus: 


Miacidae 


Mustelidae Ursidae Procyonidae Oanidae 


112 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Vorausgeschickt sei noch, daß sich sämtliche Beschreibungen auf die rechte 
Vorderextremität beziehen, was im folgenden nicht mehr zur Erwähnung 
gelangt. 

b. Das Handskelett als Ganzes. °) 

Das Skelett der pentadaktylen Hand der sechs untersuchten Tiere läßt 
sich in drei größere Abschnitte teilen: 

1. Die Handwurzel, Carpus, die aus zwei Reihen von Knochen zusammen- 
gesetzt ist; 

2. die Mittelhand, Metacarpus, die aus fünf Röhrenknochen besteht, und 

3. die Finger, Digiti ossei, von denen der erste zwei Phalangen trägt, 
die übrigen vier Finger (2.—5.) deren drei besitzen. 

Der Carpus stellt die Verbindung mit dem Unterarm, der Ulna und 
dem Radius her. Da uns hier nur der distale Abschnitt des Unterarmes 
interessiert, folgt seine nähere Beschreibung (s. Abb. 1): 

Die Ulna hat an der Tren- 
nungslinie zwischen der unteren 
Epiphyse und Diaphyse eine kleine 
Gelenkfläche, capitulum ulnae, für 
den Radius; ferner, weiter distal 
gelegen, am ulnaren Rande einen 


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Hay kurzen, zylindrischen, vorspringen- 

N den Fortsatz, Processus styloideus 
157 h ulnae, der am Ende eine Gelenk- 

v fläche besitzt und mit dieser am 


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Os Ulnare und am Os Pisiforme 
artikuliert. Durch das Capitulum 
und den in den Proc. Styl. ulnae 
auslaufenden Teil der Ulna kann 
bei Canis und Meles eine Rinne 
begrenzt werden, in der der Mus- 
culus extensor digitorum lateralis 
gleitet. Bei den übrigen Tieren 
bricht sie entweder vorher ab 
(Potos, Lutra) oder ist gar nicht 
vorhanden (Ursus). 


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Abb. 1. Der distale Teil des Unterarmes 
von Canis in dorsaler Aufsicht. 1:1 nat. Gr. 


2) Zu diesem Abschnitt sind Abbildungen nur von Canis lupus L. und Tha- 
lassartos maritimus L. gewählt worden, da diese Tiere am klarsten die morpho- 
logischen Gegensätze — soweit man von Gegensätzen überhaupt sprechen kann 
— zeigen. 


. R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 113: 


Das uns angehende untere Ende des Radius ist breit und dick. An 
seinem radialen Rande befindet sich ein flach abgerundeter und über den 
unteren Rand des Knochens hervorragender Fortsatz, Processus styloideus 
radi. Am ulnaren Rande trägt er eine mit der Konkavität volarwärts ge- 
richtete Gelenkfläche, Inceisura ulnaris radii, in der das Capitulum ulnae 
spielt. Diese seitlichen Gelenkflächen sind entweder ganz flach (Canis, Meles) 
oder heben sich stärker hervor (Lutra), um bei Ursus und besonders bei 
Potos (vgl. Abb. 95) auf gewaltigen Erhöhungen zu liegen. Die Endfläche des 
Radius, Facies articularis carpea, ist für den Carpus und zwar für das Os 
Radiale et intermedium (bei Oanis auch noch für das Os Ulnare) bestimmt. 
Sie ist stets an der ulnaren Seite breiter als an der radialen, wo sie in eine 
auf die Distalseite des Processus styloideus übergehende ziemlich schmale- 
Fläche ausläuft. Über den Gelenkcharakter soll an dieser Stelle noch nichts 
gesagt werden. Er bildet ja die Hauptuntersuchung im nächsten Teile der 
Arbeit. Das gilt auch für alle übrigen noch zu beschreibenden Knochen. 

Auf der oberen, dorsalen Fläche des Radius lassen sich drei (Üanis, 
Potos, Lutra, Ursus, Meles) tiefe Furchen unterscheiden, in denen von der 
Ineisura ulnaris radii gerechnet, die Endsehnen des Musculus extensor digi- 
torum communis, des Musc. extensor carpi radialis longus et brevis und des 
Muse. abductor longus et extensor brevis pollieis entlang gleiten (vgl. Abb. 1). 

Der Carpus aller untersuchten Tiere setzt sich aus sieben Stamm- 
knochen zusammen, die, in zwei Reihen angeordnet, mit dem Unterarm und. 
der Mittelhand und unter sich artikulieren. Es werden für die einzelnen 
Carpalknochen drei verschiedene Namen verwendet, die ich im folgenden zu-- 
sammenstellen möchte: 


I, II. ET 

1. Os Radiale et inter-- Os Naviculare (4- Os Scapho-Lunare 
medium Lunare 

2. Os Ulnare Os Cuneiforme Cuneiform 

3. Accessorium od. Os Os Pisiforme Pisiform 
Pisiforme 

4. Os Carpale I Os Multangulum majus Trapezium 

5. Os Carpale II Os Multangulum minus Trapezoid 

6. Os Carpale III Os Capitatum Magnum 

7. Os Carpale IV V Os Hamatum Uneiform 


In der ersten Spalte stehen die Namen der vergleichenden Anatomen 
(wie sie von GEGENBAUR eingeführt wurden), in der zweiten Spalte die- 
Namen, wie sie von amerikanischen und englischen Anatomen gebraucht. 
werden. 


114 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Die gegenseitige Lage dieser Knochen zeigt uns Abb. 83, die die rechte 
Vorderextremität von Ursus arctos darstellt. Die proximale Reihe wird 
aus drei Knochen gebildet, dem sehr breiten Os Rad. et intermed., das 
mit der ganzen Gelenkfläche des Radius in Verbindung steht, dem Os 
Ulnare und dem Os Pisiforme, die beide mit der Ulna artikulieren. Die 
distale Reihe enthält die Carpalia I—IV, von denen der größte das an 
der ulnaren Seite gelegene Os Carpale IV -- V ist, das sich mit dem Os 
Ulnare und dem Os Rad. et intermed. verbindet; die Carpalia I—III ge- 
lenken zusammen am Os Rad. et intermed.. Das Os Rad. et intermed. er- 
scheint demnach als der wichtigste Knochen im Carpus. 

Die distale Reihe stellt nun die Verbindung mit den fünf Metacarpalia 
her. Die Metacarpalia IV und V artikulieren mit dem Os Carpale IV V, 
der Metacarpale III mit dem Os Carpale III, der Me. II mit Os Carpale II 
und I und der Mc. I mit Os Carpale I. In dieser beschriebenen Gelenkung 
können nun aber verschiedene Modifikationen stattfinden; da sie im nächsten 
Kapitel ihre genaue Beschreibung erfahren, wird hier nur die Norm angegeben. 


c. Die einzelnen Knochen. 
1. Os Radiale et intermedium, Scapho-Lunare. 

Dieser Carpalknochen liegt an der 
adialen Seite der Hand und artiku- 
liert mit dem Radius und, mit Aus- 
nahme des Os Pisiforme, mit allen 


12 


nahmen: Meles, Lutra; hier nur mit 
Carpalia I—IV). Er ist daher auch der 
größte Knochen des Segmentes. 

Am Os Rad. et intermed. treten 
deutlich zwei Abschnitte hervor, näm- 
lich a) die Hauptmasse des Knochens, 
Corpus Rad. et intermed., von zum 
größten Teil rechteckigem bis rhom- 
5 ö E | boiden Querschnitt für einen auf die 
intermedium in proximaler Ansicht, } : ; 

Die Fac. art rad. ist getont. Proximalseite des Knochens blicken- 

2:1 nat. Gr. den Beschauer. (s. Abb. 2, 3). 


Wenn ich die einzelnen Flächen der Knochen mit geometrischen vergleiche, 
so ist das nicht so zu verstehen, daß diese so bezeichneten Flächen tatsächlich 
genau mit den geometrischen übereinstimmen. Vielmehr sind die Vergleiche stets 
cum grano salis aufzufassen. Wenn sie daher auch oft etwas „hinken‘ werden, so 


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Di 


Abb. 2. Canis lupus L. Os Radiale et 


anderen Knochen des Carpus (Aus- 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 7175 


' kommt doch der Nachteil einer solchen Beschreibung stets dem besseren Ver- 
ständnis zugute. 

| Die volar-radiale Ecke ist b) mit einem mehr (Ursus, Potos, Lutra) 

oder weniger (Canis, Meles) kräftig entwickelten Processus carpi radialis 

versehen (s. Abb. 2—7), der sich in volar-radialer Richtung erstreckt. An der 

radialen Seite des Processus befindet sich häufig ein kleines radiogenes 

Knöchelchen (Praepollex BARDELEBEN). 


Ab.3. Thalassarctos maritimus L. Os Radiale et intermedium, 
proximale Ansicht (oben = dorsal, unten — volar, links = 
radial, rechts — ulnar). 1:1 nat. Gr. 


Am Corpus Radiale et intermed. erkennt man die proximale Ober- 
fläche als die größte und einheitlichste (Abb. 2,3, 7). Diese Facies articularis 
radialis stößt unmittelbar an die Radiusfacette, hat also Gelenkflächencharakter. 
'Sie ist ungefähr rechteckig bis rhomboid, konvex und annähernd zweimal 
so lang wie breit. Der dorsale Rand setzt 'sich deutlich mit einer bestimmten 
Linie von ‘der ‘dorsalen Oberfläche ab (Canis, Zutra, Meles, Ursus) oder 
‚aber geht ohne eine bestimmte Linie in sie über (Potos), so daß die dor- 
sale Oberfläche ebenfalls Gelenkflächencharakter annimmt. Der ulnare Rand 
‘wird durch eine Kante von der ulnaren ‘Oberfläche akgesetzt. Der volare 


sl. Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


‚Rand verläuft bei den Tieren sehr ungleich; sein ulnarer Teil kann sich 
ziemlich weit auf die volare Fläche fortsetzen (Ursus). Niemals trägt der 
Processus carp. rad. eine Gelenkfläche. Die Facies art. rad. verläuft stets 
nur bis zur Basis desselben. 

Die dorsale Oberfläche ist sehr unregelmäßig gestaltet. Man kann 
sie vielleicht mit der Form eines Trapezes vergleichen, deren Basis an der 
proximalen Seite des Knochens liegt. Distalwärts ragen mehr (Ursus) oder 
weniger (Canis, Lutra, Meles, Potos) zwei Höcker hervor, deren Ränder 
die Artikulationshöhlen für die Carpalia IV 4- V und III dorsalwärts ab- 
schließen. Die proximale Begrenzung der Dorsalfläche ist der Rand der Facies 
art. rad., daher leicht gerundet. In diesen Fällen (Canis, Lutra, Meles, 
Ursus) ist die Oberfläche zur Anheftung von Ligamenten angerauht. Bei 
Potos dagegen trägt die Dorsalfläche trotz sonst gleichen Umrisses Gelenk- 
charakter, ist deshalb ganz glatt und geht allmählich in die Fac. art. rad. über. 

Die distale Oberfläche (Abb. 4, 5, 6), dem Umfange nach etwa der 
proximalen entsprechend, ist in sich in mehrere Gelenkflächen gespalten, die 

5 5 alle konkav — und zwar stets der ulnare 

Teil stärker als der radiale — ausgehöhlt 
sind. Wir können im ganzen drei Abteilun- 
gen unterscheiden, die für die vier distalen 
Carpalknochen Gelenkmöglichkeiten darbie- 
ten. Im ulnaren Teil liegt die Fac. art. 
hamati (Abb. 4a, 5a, 6a, 7a), die die Ver- 
bindung mit dem Os Carpale IV — V her- 
stellt, daneben, nach der radialen Seite zu, 
die mittlere Gelenkfläche Fac. art. capitati 
(Abb. 4b, 5b, 6b, 7b) für das Os Carpale 
III und endlich im radialen Teil ein Gelenk- 
flächenabschnitt, Fac. art. medialis (Abb. 4c, 
intermed. in distaler Ansicht (a = Be, 6e), an "dem dieNGEnp Eee n Be 
Fac. art. hamati, b— Fac. art. ca. Jenken. Stets sind die Fac. art. hamati und 
pitati, ce = Fac. art. medialis). die Fac. art. capitati stärker ausgehöhlt 
2:1 nat. Gr. als die Fac. art. medialis. Das ulnar- 

volare Ende der Fac. art. hamati biegt noch entweder mit einer ziemlich 
starken Kante in eine dreieckige (Ursus, Potos) oder halbmondförmige (Canis) 
Artikulationsfläche für das Os Ulnare um, die bei Oanis und Potos sogar ganz 
auf die ulnare Oberfläche des Knochens herumgerückt ist, oder sie bildet. 
gar keine Artikulationsfläche für das Os Ulnare aus (Meles, Lutra). Im Gegen- 
satz zur proximalen Oberfläche des Knochens gehen hier die Gelenkflächen: 


Abb. 4. Canis lupus L. Os Rad. et 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 7117 


auf den Processus Carp. rad. über, lassen aber mehr (Canis) oder weniger 
(Ursus, Potos, Meles, Lutra) die volaren Teile des Processus frei. 

Die volare Oberfläche enthält an ihrer radialen Seite den Processus 
Carp. rad.. Ihre Größe variiert bei den untersuchten Tieren. Sie ist auf ihrer 
ganzen Volarfläche angerauht und enthält auf ihrer ulnaren Seite an ihrer 
Basis eine breite Rinne für die Sehne des Muse, flexor carpi radialis, die 
den größten Teil der ulnaren Seite bedecken kann (Üanis, Meles), jedoch 
bei ZLutra weniger stark ausgebildet ist. Die übrige ulnar von dem Pro- 
cessus gelegene Volarfläche zieht sich in einem breiten rauhen Streifen über 
den Knochen und dient bei Ursus, Potos, Lutra wenigstens im ulnaren 


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Abb. 5. Thalassarctos. Os Rad. et 

intermed., distal (a—=Fac. art.hamati, 

— Fac. art. capitati, ce = Fac. art. 
medialis). 1:1 nat. Gr. 


Teile dieser Ansicht als Fortsetzung der proximalen Gelenkfläche (Fac. art. 
rad.). Deshalb wird ihre obere, proximale Kante entweder durch den unteren 
Rand der proximalen Gelenkfläche dargestellt (Canis, Meles), oder aber sie 
wird vollkommen durch eine glatte abgerundete „Kante“ der Fac. art, rad. 
gebildet (Ursus, Lutra, Potos). Die vorhandenen Tuberositäten dienen zum 
Teil als Ursprungsstellen der Sehnenfasern des Ligamentum carpi trans- 
versale. Bei Ursus und Potos, wo die Sehnenrinne des Musc. flex. carp. rad. 
fehlt, ist der Processus ebenfalls angerauht und dient in diesen Fällen als 
Insertionsstelle desselben Muskels. 


118 Zeitschrit für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Die eigentliche radiale Fläche des Os Rad. et intermed. existiert 
kaum als solche. Sie ist auf eine schmale rauhe Kante reduziert, die auf der 
distalen Seite von der schräg auf sie zulaufenden Fac. art. medialis und 
auf der proximalen Seite von der Fac. art. rad. begrenzt wird. Nach unten, 
also nach der volaren Seite zu, verbreitert sie sich und ihre Ränder verlaufen 


Abb. 6. Canis lupus L. Os Rad. 
et intermedium. (Nach rechts oben 
zeigend: distale Seite, getont, nach 
links unten zeigend: proximale 
Seite, nur die ulnare Kante dieser 
Fläche ist sichtbar). 2:1 nat. Gr. 


volar-distalwärts bezw. volar-proximalwärts, 
und der Processus setzt in seiner vollen Aus- 
dehnung die Radialfläche volarwärts fort. 
Es sind also an der radialen Fläche keine 
eigentlichen Gelenkfacetten festzustellen. Der 
Processus macht einen abgerundeten Ein- 
druck und besitzt meistens im unteren (vo- 
laren) Teile eine von der sonst rauhen Ober- 
fläche abstechende glatte und abgerundete 
Fläche, die für das schon oben erwähnte 
radiogene Knöchelchen bestimmt ist, das als 
eine Verknöcherung in der Sehne des Musc. 
extensor ossis metacarpi pollicis aufgefaßt 
wird. 


Determination: Richtet man die große konvexe (proximale) 
Gelenkfläche auf den Betrachtenden so, daß der Processus nach unten 
zeigt, so erblickt man das Os Radiale et intermedium in seiner natür- 


lichen Lage (Abb. 2). 


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Abb. 7. Thalassarctos. Os Rad. et intermed., ulnar (obere getonte 
Fläche (d) —= proximale Fac. art. radialis, a —= Fac. art. hamatı, 
b=Fac. art. capitati, links der Processus carpi radialis). 1:1 nat. Gr. 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 719 


2. Os Ulnare, Os Cuneiforme 

bildet den ulnaren Abschnitt der proximalen Reihe und kann durch seine 
viereckige, scheibenförmige Gestalt von den anderen Carpalknochen unter- 
schieden werden, wovon allerdings das Os Ulnare von Canis eine Ausnahme 
macht. Es artikuliert mit der Ulna und dem Os Pisiforme auf der proxi- 
malen und mit dem Os Carpale IV — V auf der distalen Seite, außerdem 
findet bei Canis, Ursus und Potos noch eine interecarpale Gelenkung, mit 
dem Os Rad. et intermed. statt. Es stellt eine flache Scheibe dar, deren 
Umriß etwa die Gestalt eines Rechteckes hat, das auf seiner ulnar-volaren 
Seite einen Fortsatz ausgebildet hat, der Höcker- oder sogar Köpfchenform 
(Canis) annehmen kann. 

Die proximale Oberfläche (Abb. 8, 9) ist in ihrer ganzen rechteckigen 
Ausdehnung von zwei konkaven Gelenkflächen in Anspruch genommen, die 
nur dureh einen Wall von der oberen, radialen Seite nach schräg unten 
zur ulnaren Seite von einander getrennt sind. In der oberen Gelenkfläche 
spielt der Processus styloideus ulnae, an die untere, die auf den höcker- 
artigen Fortsatz übergeht, gelenkt das Os Pisiforme. Die obere ist stets 
konkaver als die untere, deren Konkavität äußerst gering ist, aber dafür 
in radial-ulnarer Richtung leichte Konvexität aufweist. 


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Abb. 8. Thalassarctos. Os Ulnare, Abb. 10. Thalassaretos. Os Ulnare, 


proximal. 1:1 nat. Gr. distal, (die untere rechte getonte Fläche 
artikuliert an dasOsRad. et intermed.). 
1:1 nat. Gr. 


Gänzlich modifiziert ist die Proximalfläche des Os Ulnare bei Canis. 
(Abb. 9). Auch hier lassen sich zwei Teile an der ganzen Fläche unter- 
scheiden. Jedoch ist die Gestalt der Proximalfläche im Umriß nicht mehr 


120 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


rechteckig, sondern unregelmäßig viereckig, wobei die Ecken mehr oder we- 
niger gerundet sind. Auch hier verläuft der Wall von radial oben nach 
ulnar unten, ist hier aber nicht so stark ausgeprägt wie bei den übrigen 
Ossa Ulnaria. Das kommt daher, daß die beiden Gelenkflächen nicht mehr 
Eonkav sind, sondern die obere konvexe in einem Winkel an die untere fast 
ebene Fläche stößt. Auch geht die untere Fläche nicht auf den ulnaren Fort- 
satz, der hier Köpfchenform hat, über. Durch die eminente Ausbildung dieses 
Köpfchens wird auch die ganze Gestalt des (anis-Ulnare von der bisher be- 
schriebenen verändert. 

Die ulnare Oberfläche ist äußerst schmal, der scheibenförmigen 
Gestalt des Os Ulnare entsprechend. Sie ist entweder rauh (Ursus, Potos) 
‘oder aber so schmal, daß man von einer Kante sprechen kann (Meles, 
Lutra). In diesem Falle stoßen die proximalen Gelenkflächen und eine schräg 
nach der distalen Seite zu verlaufende Facette zusammen. Denkt man sich 
diese schräg distal verlaufende Facette immer mehr auf die distale Seite des 
Knochens verlagert, so daß sie schließlich ganz senkrecht zur ulnaren Seite 
aufgerichtet ist, so erhält man einen Zustand, wie ihn das Os Ulnare von 
Canis verkörpert. In diesem Falle ist die Facette relativ auch viel größer 
und annähernd kreisförmig. So ist auch die große Ausbildung des Köpfchens 
bei Canıs zu erklären, die ja diese Gelenkfläche auf der distalen Seite trägt. 


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Abb. 9. Canis. Os Ulnare, Abb. 11. Canis. Os Ulnare, 
proximale Ansicht. 2:1 nat. Gr. distale Ansicht. 2:1 nat. Gr. 


Die distale Fläche (Abb. 10, 11) des Os Ulnare trägt eine konkave 
Gelenkfläche für das Os Carpale IV + V. Sie nimmt den größten Teil der 
distalen Ulnarefläche ein. Außerdem tritt an der ulnar-volaren Ecke deutlich der 
ulnare Höcker (Ursus, Lutra, Meles, Potos) oder das Köpfchen (Canis) in 
Erscheinung. Jenes ist bei Ursus und Potos angerauht, bei Meles und Luira 
mit einer dorsal-volar langgestreckten Gelenkfläche versehen, die sich bei 
‚diesen Tieren nicht nur auf den Höcker beschränkt, sondern sich die ulnare 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 1241 


Seite hinaufzieht. Diese Fläche liegt aber zur großen distalen Fläche in einer 
anderen Ebene, und zwar in einer vertikalen distal-proximal verlaufenden. 
Nur bei Canis ist diese Fläche in Verbindung mit der eminenten Ausbildung 
des Höckers zu einem Köpfchen ganz in der distalen Ebene gelegen (Abb. 11). 
Sie artikuliert bei diesen Tieren mit der Basis des Metacarpale V, dauernd (bei 
Canis) oder nur in bestimmten Stellungen der Hand’) (bei Meles, Lutra). 

Die radiale Fläche ist, wie ihre Gegenseite, die ulnare, ebenfalls 
dank der scheibenförmigen Gestalt des Os Ulnare recht schmal. Am volaren 
Rande ist bei Ursus und Potos eine ziemlich flache Gelenkfacette vorhanden, 
die mit dem ulnar-volaren Teil der Fac. art. hamati des Os Rad. et inter- 
med. gelenkt. Bei Üanis erstreckt sie sich ungefähr zwei Drittel über die 
ganze Radialfläche, bei Meles und Lutra ist sie gar nicht vorhanden. 

Die dorsale Fläche ist eben- 
falls schmal. Ihre Ränder sind nur 
nach der proximalen und nach der 
distalen Seite scharf begrenzt. Die 
beiden anderen, radial und ulnar, 
sind gebogen und laufen ohne jede 
scharfe Begrenzung in die beiden 
letztgenannten Seitenflächen über. 
Die Fläche selbst ist leicht konvex 
und für ligamentöse Anheftung 
angerauht. 

Auch die volare Ober- 
fläche des Knochens ist rauh 
mit Kanten, welche die an jenen 
Seiten liegende Gelenkflächen be- 
grenzen. Der Höcker ragt über 
diese Fläche hervor. 

Determination: Wird das Os Ulnare so gerichtet, daß der 
Höcker oder das Köpfchen nach rechts unten zeigt, also die durch 
den Wall geteilten Gelenkflächen dem Beschauer zugewendet sind, so 
ist der Knochen richtig gerichtet. Seine natürliche Lage variiert bei 
den einzelnen Tieren und ist im nächsten Kapitel zu ersehen. 


Abb. 12. Thalassarctos. Os Pisiforme, 
dorsal (a = Fac. art. posterior, b = 
Fac. art. anterior). 1:1 nat. Gr. 


3. Os Pisiforme, Accessorium 
ist neben dem Os Rad. et intermed. der größte Knochen des Carpus, besitzt 
bedeutende Länge und nimmt die hintere untere ulnare Abteilung der Hand- 


®) Siehe darüber das nächste Kapitel S. 95 u. 111. 


122 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


wurzel ein. Man erkennt ihn an seiner länglichen, säulenförmigen Gestalt 
und an seinem geschwollenen, hakenförmigen Ende. Er ist ca. 11/, mal 
so lang als breit. In seiner natürlichen Lage im Carpus liegt sein langer 
Durchmesser in schräger Richtung von dorsal-distal nach volar-proximal. 
Man kann an ihm drei Teile beschreiben: Die Basis, den Schaft und einen Kopf. 


Abb. 13. Thalassarctos. Os Pisiforme, distal, auf der Seite 
liegend, d. h. rechts der Kopf, links die Basis. 1:1 nat. Gr. 


Abb. 14. Thalassarctos. Os Pisiforme, proximal; auf Abb. 15. Canis. Pisi- 
der Seite liegend, also links der Kopf, rechts die Basis. forme, ulnar. 2:1 nat. Gr. 
1:1 nat. Gr. 


Die Basis enthält die Artikulationsfläche für das Os Ulnare (Fac. art. 
anterior) (Abb. 12b, 13) und für den Proc. styl. ulnae (Fac. art. posterior) 
(Abb. 12a, 14). Sie sind beide schmal (Abb. 12). Der lange Durchmesser ver- 
läuft von der radialen nach der ulnaren Seite. Blickt man von oben auf die Basis, 
so erscheinen die beiden Flächen dachgiebelförmig angeordnet, d.h. der First. 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 123 


läuft in Gestalt einer scharfen Kante von radial nach ulnar. Eine Ausnahme 
hiervon macht wieder Canis, dessen Fac. art. posterior zugunsten der Fac. 
art. anterior reduziert worden ist. Somit fällt auch bis zu einem gewissen 
Grade die dachgiebelförmige Gestaltung fort. Die Fac. art. anterior liegt 
hier ganz horizontal, von der sich in einem rechten Winkel die Fac. art. 
posterior nach der proximalen Seite zu abzweigt (Abb. 15). 

Der Schaft ist seitlich, besonders in der Mitte stark komprimiert und 
besitzt daher eine schlanke Gestalt. Im untersten volaren Abschnitt ver- 
breitert sich der Schaft und verdickt sich zu einem geschwollenen Köpfchen. 
Diese Verbreiterung beginnt meist in den ersten Anfängen bereits im mitt- 
leren Teil des Schaftes und erstreckt sich besonders auf die distale (Lutra, 
Potos, Ursus) oder ulnare (Canis, Meles) und die untere Seite. Ursache 
dieser Verbreiterung ist der Ansatz verschiedener Muskeln und Carpal- 
ligamente. So inseriert hier der Muse. flexor carpi ulnaris, und der Musc. ab- 
duetor digiti V nimmt hier seinen Ursprung. Auch entspringen verschiedene 
Sehnenzüge des Muse. flex. digit. longus sublimis an dieser Stelle. Bei Ur- 
sus, Lutra und Canis trägt die volare Seite des Köpfchens eine breite 
Rinne von nur geringer Tiefe, die zur Insertion des Musc. flex. carpi ul- 
naris beiträgt. 

Determination: Wenn die Basis, die ja durch die beiden 
Artikulationsflächen festgelegt ist, aufwärts gestellt wird und dabei die 
ovale Fac. art. posterior an der Basis dem Beschauer zugekehrt ist, 
so zeigt das geschwollene Köpfchen nach unten und der Knochen liegt 
somit in seiner natürlichen Lage. 


Canis. Os Carpale IV-+V 2:1 nat. Gr. 
Abb. 16. Distal. Abb. 18. Radial. Ab. 20. Proximal. 


4. Os Carpale IV+V, Os Hamatum. 


Dieser Knochen liegt am ulnaren Rande der Hand und ragt in dorsaler 
Aufsicht auf die Hand keilförmig in die proximale Carpusreihe hinein. Durch 


seine seitlichen Flächen stellt der Knochen die Verbindung mit dem Os Ul- 
g'* 


124 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


nare und dem Os Rad. et intermed, durch seine distale Fläche die Verbindung 
mit den Basen der Metacarpalia IV und V her. Die distale Knochenseite 
ist stets breiter als die proximale, und die dorsale Oberfläche des Knochens 
hat daher etwa dreieckige Gestalt. Sie ist vollständig rauh. 

Die distale Oberfläche des Knochens (Abb. 16,17) besitzt in ihrer 
ganzen Ausdehnung vollausgebildeten Gelenkcharakter. Sie hat Trapezform und 
ist der dorsale Rand stets länger als der volare (Ausnahme: Potos, wo zwar 
quadratische Form vorherrscht). Von dorsal nach volar ist stets Konkavität 
nachzuweisen. Ein Höcker, der sich an der dorsal-ulnaren Seite befindet, 
ist bei Ursus und Lutra rauh, hat aber bei Meles und Canis Gelenkflächen- 
charakter. Bei Fotos ist er nicht vorhanden. Außerdem ragt ein Fortsatz 
über den volaren Rand der distalen Gelenkfläche, der am größten bei Canis 
ausgebildet ist. Er setzt aber nicht die distale Fläche direkt fort, sondern 


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Abb. 17. Thalassarctos. Abb. 19. Thalassarctos. 


Os Carpale IV 4 V, distal. Os Carpale, IV —+ V, radial. 
1: Ina Gr. 1:1 nat26m 


ist darunter gelegen. Es ist der Hamulus ossis hamati mit starker Tuberosi- 
tät. Hier inseriert der Muse. flexor digiti V brevis und zum Teil die Musc. 
flexores breves profundi. In seiner vollen Ausdehnung kann man ihn in 
radialer Ansicht (Abb. 18, 19) betrachten. Hier schließt er volarwärts die 
radiale Oberfläche, die sehr ungleichmäßig gestaltet ist, ab. Sie ist annähernd 
viereckig, enthält aber nur zum Teil Gelenkflächencharakter. So zieht sich 
ein Gelenkstreifen im oberen Teil der Fläche vom distalen zum proximalen 
Rande. Dieser verbreitert sich an den Rändern und zieht sich ganz an 
ihnen herunter, rahmt gewissermaßen an den proximalen und distalen Rändern 
die radiale Fläche ein (Ursus und Meles). Der Gelenkstreifen kann aber 
auch distalwärts beginnen und, breiter und breiter werdend, proximalwärts 
enden, ohne an den Rändern herabzulaufen (Canis, Potos, Lutra). Diese 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 125 


radiale Gelenkfacette dient der Artikulation mit dem Os Carpale III. An den 
proximalen Rande der Gelenkfläche setzt sich nun in einem Winkel eine 
weitere Fläche direkt an. Sie geht allmählich in die proximale Fläche 
des Knochens (Abb. 20, 21) über. Diese wird hier nicht durch eine in einer 
einheitlichen proximalen Ebene gelegenen Fläche dargestellt. Vielmehr stoßen 
hier zwei Gelenkflächen in einer von dorsal nach volar gebogenen Kante 
zusammen, die genau genommen die ganze proximale Fläche repräsentiert, 
Sie verursacht aber keine Unterbrechung der Gelenkflächen, sondern besitzt 
ebenfalls Gelenkflächencharakter. Während diese nun bei Ursus und Potos 
noch genau die äußerste proximale Grenze des Knochens darstellt, wird die 
nach der radial-proximalen Seite schauende Gelenkfläche bei Meles und Lutra 
mehr nach der proximalen Seite verlagert, mit anderen Worten, der Winkel, 
mit dem die beiden Gelenkflächen zusammenstoßen, ist größer als bei Ursus 
und Potos. Es schaut die Fläche nach proximal-radial. Bei Canis ist der 


Abb. 21. Thalassarctos. Os Carpale Abb. 22. Thalassarctos. Os Carpale 
IV + V, proximal. 1:1 nat. Gr. IV-+-V, ulnar. 1:1 nat. Gr. 


Winkel noch größer, so daß diese Fläche beinahe in die proximale Ebene 
fällt. Die von der Kante nach der anderen Seite verlaufende Gelenkfläche, 
bildet die ulnare Oberfläche des Knochens (Abb. 22). Sie liegt nicht in 
einer zum Beschauer senkrecht verlaufenden Ebene, sondern läuft schräg zur 
proximalen „Fläche“. Sie ist konvex und kann bis zum distalen Rande 
verlaufen (Meles, Potos, Lutra), oder aber es liegt ein von Gelenkflächen 
freier rauher Knochenstreifen zwischen den distalen und ulnaren Gelenkflächen. 


Der Knochen läuft, von welcher Seite man ihn auch betrachtet, stets 
auf der volaren Fläche in den Hamulus ossis hamati aus. Somit ist der 


126 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Knochen volar stets schlanker als dorsal und ebenfalls proximal (durch die 
zusammenstoßenden Gelenkflächen) stets schmaler als distal. 

Determination: Zeigt die einzige konkave (distale) Gelenk- 
fläche nach vorn, die rauhe dreieckige Seitenfläche nach oben und der 
rauhe Hamulus ossis hamati nach unten, so befindet sich das Os Car- 
pale IV + V in seiner natürlichen Lage. 


5. Os Carpale III, Os Capitatum, 
ist im Carpus der Zentralknochen der distalen Reihe und liegt zwischen dem 
Os Hamatum und dem Os Carpale II, über dem Os Rad. et intermed. und 
unter dem Metacarpale III. Man kann ihm zum Zwecke der Beschreibung 
in zwei Teile trennen, eine schlanke vertikale Säule, die auf der einen Seite 
die distale Gelenkfläche trägt und in einen vertikalen stark komprimierten 
Körper, der sich auf der anderen Seite der Säule anschließt. 


Os Carpale III, distal 
Abb. 23. (Caniıs. Abb. 24. Thalassarctos. 
2:1.nat. Gr. 1: 1'nat. GE 


Die distale Fläche (Abb. 23, 24) hat die Gestalt eines schmalen konkaven 
Vierecks, dessen langer Durchmesser in dorsal-volarer Richtung und dessen 
kleiner Durchmesser in radial-ulnarer Richtung liegt. Die Fläche trägt in 
in ihrer ganzen Ausdehnung Gelenkflächencharakter und kann einen breiteren 
dorsalen Rand und einen schmaleren volaren Rand besitzen (Üanis, Meles, 
Lutra). Sie stellt die Artikulation mit dem Metacarpale III her. 

Die dorsale Oberfläche wird nur durch ein viereckiges rauhes Flächen- 
stück, das Obere der „Säule“ angedeutet, an das sich dann stark abwärts 


neigend die proximale Gelenkfläche anschließt. 
Die proximale Seite (Abb. 25) zeigt in deutlichster Weise die Kom- 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 197 


primiertheit des ganzen Knochens. Nur ein Kamm mit gewölbter Gelenk- 
fläche zieht sich entweder mehr schräg von dorsal-ulnar oben nach volar- 
radial unten und läßt dadurch an der dorsal-radialen Ecke der Säule eine 
Gelenkfläche frei, die gegenüber der proximalen Gelenkfläche distalwärts liegt 
und mit einer Biegung in die Radialseite verläuft (Ursus, Potos, Lutra, 
Meles; bei letzteren ist der Zustand am schwächsten ausgebildet), oder aber 
der Kamm liegt genau in dorsal-volarer Richtung (Canis). Der ganze Kamm 
trägt Gelenkflächencharakter und bildet die Artikulation für die Fac. art. 
capitati des Os Rad. et intermed.. 


Os Carpale III, radial 
Abb. 25. Canis. Abb. 26. Thalassarctos. 
2eE nat. Gr. P-M@nat2 Gr 


Die volare Fläche ist entsprechend der dorsalen gebaut, bildet also 
die Basis der Säule. Sie hat eine vollständig rauhe Oberfläche und dient 
der Insertion volarer Carpalligamente und zum Teil dem Ursprung der 
Muse. flexores breves profundi. 

Betrachtet man den Knochen von der radialen Seite (Abb, 25,26), so 
läßt sich sein Umriß ohne weiteres mit einem Halbkreise vergleichen. Der 
Durchmesser des Kreises steht vertikal und wird von der Kante der distalen 
Gelenkfläche gebildet, die nun allerdings nicht in genau gerader Linie verläuft, 
sondern leicht (Ursus, Potos, Lutra) oder aber stark (Canis, Meles) nach 
der Peripherie des Halbkreises gebogen sein kann. An dieser Kante ist im 
dorsalen Teile eine schmale Artikulationsfläche für das Os Carpale II vor- 
handen. Die Peripherie ist bei allen Tieren mit einem breiten Gelenkflächen- 
bande überzogen, das über zwei Drittel des Umfanges einnimmt, und das letzte 
Drittel bleibt nur als rauhe Kante erhalten. Die Mitte dieser Seitenfläche 
ist durch zahlreiche Gefäßlöcher rauh und unregelmäßig ausgehöhlt. 


128 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd, 5, 1930. 


Die ulnare Seitenfläche (Abb. 27, 28) ähnelt im Umriß ganz der ent- 
sprechenden radialen Seite, was sich aus der radial-ulnaren Komprimiertheit 


Os Carpale III, ulnar 
Abb. 27. Canıs. Abb. 28. Thalassarctos. 
2:1 nat. Gr. 1:1 nat. Gr. 


des Knochens ja ohne weiteres ergibt. Auf dieser Seite zieht sich in Form 
eines breiten Streifens, der bei Canis am schmalsten ist, die Gelenkfläche 
für das Os Carpale IV+V entlang. Er bedeckt ein Drittel der ganzen Fläche 
und kann an der distalen Kante einen Gelenkflächensaum ausbilden, der bei 
den untersuchten Tieren verschieden weit nach volar ausgedehnt ist. 


Determination: Zeigt die plattenförmige (distale) Gelenkfläche 
nach vorn und der gebogene „Kamm“ des komprimierten Körpers auf 
den Beschauer, so daß man auf die kleine viereckige rauhe (dorsale) 
Fläche sehen kann, dann befindet sich das Os Carpale III in natür- 
licher Lage. 


6. Os Carpale Il, Os Multangulum minus. 

Es ist der zweite Knochen an der radialen Seite der distalen Reihe. 
Er ist der kleinste Knochen des Carpus. Er stellt die Verbindung mit dem 
Os Rad. et intermed. proximalwärts und 
mit dem Metacarpale II distalwärts her. 
Er hat den Umriß eines Dreiecks, das 
auf der Spitze steht, wenn man es von 
der Frontalseite her betrachtet, und das 


in distal-proximaler Richtung kompri- 
Canis, Os Carpale II. 2:1 nat. Gr. miert ist. 
Abb. 29. Distal. Abb. 32. Proximal. 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 129 


Die distale Fläche (Abb. 29, 30) zeigt denselben Umriß. Sie dient in 
ganzer Ausdehnung der Artikulation mit dem Metacarpale II. An der ul- 
naren Seite hört die Gelenkfiäche nicht wie an der radialen Kante auf, 
sondern ist in der oberen Hälfte nach der ulnaren Seite umgebogen, und 
zwar geschieht der Übergang allmählich, ohne daß eine trennende Kante 
entsteht (Ursus, Potos, Meles, Lutra). Bei Canis dagegen ist zwischen 
distaler und ulnarer Seite eine scharfe Trennung herbeigeführt. Hier findet 
keine ulnare Umbiegung statt. 

Die ulnare Seitenansicht (Abb. 31) ist auf eine schmale Kante redu- 
ziert, die sich im volaren Teile etwas verbreitert. Dies erklärt sich aus der 
Tatsache, daß die distale Gelenkfläche im dorsalen Teile zur ulnaren Seite 
umbiegt. Deshalb kann man erst von einer Fläche im volaren Teile reden, 
die aber frei von Gelenkfläche ist. Nur bei Canis, wo sich die distale 
Gelenkfläche auf die distale Seite beschränkt, können wir eine von dorsal 
nach volar schmale rauhe Fläche konstatieren. 


Thalassarctos, Os Carpale II. 1:1 nat. Gr. 
Abb. 30. Distal. Abb. 31. Ulnar. Abb. 33. Proximal. Abb. 34. Radial. 


Die proximale Oberfläche (Abb. 32, 33) des Knochens ist im Umriß 
genau das Spiegelbild zur distalen. Auch sie trägt vollständig Gelenkflächen- 
charakter, nur daß sie bei Canis konvex, bei allen anderen Tieren konkav ist. 

Die radiale Seite (Abb. 34) hat entsprechend der distal-proximalen Kom- 
pression, eine schmale Gestalt und enthält die Gelenkfläche für das Os Car- 
pale I. Sie füllt entweder die ganze Seite aus (Meles, Lutra) oder sie hat 
die Gestalt einer 7, der übrige Teil der Fläche ist dann rauh. Bei Canis 
liegen besondere Verhältnisse vor. Hier ist die sonst bei den anderen Tieren 
radiale Seite mehr auf der volaren Seite gelegen. Dies erklärt sich aus 
einer im Vergleich zu den anderen Tieren gedrehten Lage des Knochens. 

Die dorsale Oberfläche ist vollständig rauh und viereckig und liegt 
bei Canis in nach radial geneigter Ebene. 


130 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Die volare Fläche bildet eine rauhe Kante und stellt die Spitze des 
Dreieckes dar. 

Determination: Stelit man den dreieckigen Knochen so, daß 
die Spitze des Knochens nach unten und die breitere (radiale) Seiten- 
kante nach rechts zeigt, so ist der Knochen in seiner natürlichen Lage. 


7. Os Carpale I, Os Multangulum majus, 

Es liegt als erster Knochen ganz an der radialen Seite der distalen Reihe 
des Carpus und stellt die Verbindung zwischen dem Os Rad. et intermed. und 
dem Metacarpale I (Pollex) her. Fr 
ist der zweitkleinste Knochen des Car- 
pus. Mit seiner längsten Achse liegt 
er in dorsalradial-ulnarvolarer Rich- 
tung. 

Seine distale Fläche (Abb. 35, 
36) enthält die größte Gelenkfläche 


Canis, Os Carpale I. 2:1 nat. Gr. BS 2 
Abb.35. Distal-ulnar. Abb.38. Proximal. des Knochens. Sie ist halbmondförmig 


(Meles, Lutra, zum Teil auch Canis) 
und kann bei Ursus und Fotos ovale Gestalt annehmen. 


Die ulnare Fläche (Abb. 37) hat eine viereckige Gestalt. Oben 
und rechts, d.h. also dorsal und proximal zieht in Gestalt einer spiegelbild- 
lichen 7 eine Gelenkfläche entlang, die bei Canis verbreitert sein kann und 
etwa schräg nach der proximalen Seite zu verläuft. Der andere Teil der 
Fläche ist konkav und rauh und mit mehreren Gefäßlöchern versehen, 


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Thalassarctos, Os Carpale I. 1:1 nat. Gr. 
Abb. 36. Distal. Abb. 37. Ulnar-distal. Abb. 39. Radial-proximal. 


Die proximale Fläche (Abb. 38, 39) enthält eine dreieckige Gelenk- 
fläche, die volarwärts in einen breiten Wulst, der auch Gelenkflächencharakter 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment aretoider Carnivoren. 131 


trägt, übergeht. Die Spitze des Dreiecks ist dorsal gelegen. Bei Canis atro- 
phiert die Gelenkfläche bis auf eine kleine runde Facette. (Abb. 38). 

Die radiale Fläche ist vollständig rauh. Sie ist in einem großen 
stumpfen Winkel von der proximalen Fläche abgebogen. 

Die volare Ansicht zeigt uns, daß auch dieser Knochen stark kom- 
primiert ist. Sie wird durch einen schmalen Wulst dargestellt. Dieser kann 
zu einem großen Teil mit der proximalen herumlaufenden Gelenkfläche bedeckt 
sein (Ursus, Potos, Lutra, Meles). Nur bei Canis ist er vollständig frei 
von Gelenkfläche. Der distale Rand verbreitert sich und ist scharf durch 
die dort anstoßende breite Distalfläche abgegrenzt. Der Teil, der frei von 
Gelenkfläche ist, zeigt Tuberositäten und dient als Ursprungsstelle des Muse. 
fiexor pollieis brevis und bei Ursus, Potos und Lutra auch noch des Musc. 
abductor pollicis brevis. 

Die dorsale Ansicht zeigt einen schräg nach radial verlaufenden, 
konvexen tuberösen Wulst. 

Determination: Zeigt die halbmondförmige bzw. ovale und 
größte Gelenkfläche nach vorn, und steht der längste Durchmesser 
des Knochens senkrecht, dann befindet sich das Os Carpale I in seiner 
natürlichen Lage. 


Diese Beschreibung der einzelnen Carpalknochen bestätigt uns die in 
der Einleitung dieses Teiles ausgesprochene Vermutung, große Ähnlichkeit 
in der Morphologie und in der Topographie des Carpalsesmentes infolge enger 
Verwandtschaft vorzufinden. Besonders also im äußeren Habitus zeigen sich 
große Übereinstimmungen. Überall fünffingrige Hände, überall sieben Carpal- 
knochen und vielfach auch gestaltliche Übereinstimmung der Knochen. Wo 
sie voneinander abweichen, haben wir es lediglich mit verschiedenen Gelenk- 
flächen zu tun. Damit ist aber keine Änderung der carpalen Elemente im 
Grundbau verbunden, sondern nur in sekundären Charakteren, eben nur in 
den Gelenkflächen, die im nächsten Teile der Arbeit ihre eingehende 
Behandlung erfahren sollen. 


d) Die Muskeln. 


Was nun die Muskeln betrift, so hat außer der Dicke und Länge 
eines Muskels — worauf einzugehen, hier zu weit führen würde — die Art 
und Weise seines Ansatzes auf die Ausgiebigkeit und Schnelligkeit der Be- 
wegungen den größten Einfluß. Es sollen hier nur diejenigen Beachtung 
finden, die direkt am Carpus oder an den Basen der Metacarpalia inserieren. 


132 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Dabei gehen wir von der gebräuchlichen Anschauung aus, die Tätigkeit der 
Muskeln auf die Nähe des Rumpfes als den Ausgangspunkt der Bewegungen 
zu betrachten. In diesem Falle sind also die Carpalia und die Basen der 
Metacarpalia die zu bewegenden Teile. Natürlich kann man auch das Punktum 
fixum in den Carpus selbst verlegen, wobei dann die dort teilweise ent- 
springenden Flexoren der Hand berücksichtigt werden müßten. Da wir uns 
aber im nächsten Kapitel mit den Bewegungen im Carpalsegment auseinander- 
zusetzen haben, so interessieren uns nur die dort inserierenden Muskeln und 


nicht die entspringenden. 


Abb. 40. Extensoren. 


Es sind dies insgesamt sechs Muskeln. 
Sie haben natürlich nicht allein die Aufgabe, 
die Bewegungen der Hand vorzunehmen. Diese 
haben vielmehr die weit stärkeren Muskelbündel, 
deren Sehnen zum Teil in Form von Apo- 
neurosen über den Carpus an die distalen Teile 
der Hand laufen, (Muse. flexor digitorum longus 
sublimis und profundus, Musc. extensor digi- 
torum communis) sondern sie interessieren nur 
als unmittelbare Beuger bzw. Strecker der 
Carpalgelenke, während die übrigen Muskeln 
nur mittelbar an den Bewegungen im Carpus 
beteiligt sind. 

Es sind dies die Extensoren: (s. Abb. 40).*) 


1. Musc. ext. carp. radialis longus Insertion am Metacarpale II 
2. Musc. ext. carp. rad. brevis s a A III 
3. Musc. ext. carp. ulnaris “ 4 n N 
4. Musc. abd. pollicis longus R n 5 I 


und die Flexoren (s. Abb. 41—44!) 
5. Muse. flex. carp. radialis, deren Insertion bei den untersuchten Tieren 
verschieden ist, nämlich 


bei Ursus 
„ Fotos 
„ Zutra 
„ Meles 
„ Canis 


am Os Rad. et intermed. 

am Os Rad. et a (s. Abb. 41) 
am Me I und Mc II (s. Abb. 42) 

am Mc I (s. Abb. 43) 

am Me II und Me III (s. Abb. 44). 


6. Musc. flex. carp. ulnaris Insertion am Os Pisiforme. (Abb. 41—44). 
Hierher könnte man noch den Musc. palmaris longus, aber nur zum Teil, 


4) Die Nummerierung der verschiedenen Muskeln auf den Abbildungen ent- 


spricht der Textnummerierung. 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 133 


zurechnen. Denn während seine Endsehnen allgemein mit den Vaginalliga- 
menten der Metacarpophalangealgelenke verschmelzen, bildet er im Carpal- 
segment radiale und ulnare Aponeurosen, die sich an dem distalen Ende des 
Radius bzw. an den Carpalligamenten befestigen. 


Flexoren. 
Abb. 41. Ursus, Potos. Abb. 42. Lutra. Abb. 43. Meles. Abb. 44. Canis. 


In diesem Carpusabschnitt ist also kein Muskel, den das eine Tier 
besitzt, während er dem anderen fehlt. Obige Muskeln sind allgemein vor- 
handen und inserieren auch an denselben Knochen, Nur die Insertion des 
Muse. flex. carp. radialis variiert bei den einzelnen Tieren. Wir können 
von den Bären bis zum Hund eine Distalwärtswanderung der Insertion fest- 
stellen, deren Zusammenhänge mit den jeweiligen Gelenkflächen uns in einem 
späteren Kapitel noch eingehend beschäftigen wird. Wenn aber die Be- 
wegungsverhältnisse aller dieser Tiere doch sehr verschieden sind, so hat 
dieses mehr in der Gestaltung und der Lagerung der Knochen und vor allem 
der Bildung der Gelenke seinen Grund als in den vorhandenen Muskeln. 

Somit weisen uns sowohl die Knochen selbst als auch die sie bewegenden 
Muskeln auf die Gelenkfläche. Ihr ist der nächste Teil, der Hauptteil der 
Arbeit, im Zusammenhang mit den verschiedenen Funktionen gewidmet. 


C) Die „Hand“ im speziellen. 
a) Nomenclatur der Bewegungen, Untersuchungsmethoden. 
Bevor ich nun dazu übergehe, die Gelenkformen und die in ihnen 
möglichen Bewegungen klarzulegen, ist es notwendig, zunächst einmal im 
Zusammenhang die einzelnen Bewegungen scharf zu charakterisieren und vor 
allen Dingen eine Übereinkunft über eine zweckmäßige Ausgangsstellung 
bei der Hand zu treffen, auf die die übrigen Stellungen bezogen werden 


134 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


können. Ich glaube, mich hier eng an die von R. FICK bei der mensch- 
lichen Hand definierte „Normalstellung“ anlehnen zu können und eine Mittel- 
stellung bei der tierischen Hand zugrunde zu legen, bei der die Längsachsen 
des Unterarmes, der Carpalknochen und der Metacarpalia in ein und der- 
selben Ebene gelegen sind. Aus dieser Mittellage heraus vermag die Hand 
vier Bewegungen auszuführen, von denen je zwei auf demselben Wege, aber 
in umgekehrter Richtung stattfinden, und daher als Einheit aufgefaßt werden 
können. Sie kann erstens Bewegungen in dem Sinne ausführen, daß jeder 
Punkt der Hand einen in einer dorsal-volaren Ebene liegenden Kreisbogen 
beschreibt. Wir nennen daher die Bewegungen der Hand nach dorsal ihre 
Dorsalflexion, und die Bewegungen nach volar ihre Volarflexion. Außer 
diesen reinen Volar-Dorsal-Flexionen können sehr häufig Beugungen und 
Streckungen nach der ulnaren und radialen Seite vorkommen. Wir wollen 
diese Bewegungen, die nach der ulnaren oder radialen Seite abweichen, und 
nicht in der reinen Volar-Dorsal-Flexionsebene verlaufen, ulnare und radiale 
Volar-Dorsal-Flexion nennen. Zweitens kann die Hand nach der ulnaren 
oder radialen Seite abduciert werden, d. h. sie führt Bewegungen in der 
Horizontal- (ulnar-radialen) Ebene aus und zwar so, daß im ersteren Falle 
(Ulnarabduction) die Fingerspitzen der Medianebene des Körpers genähert, 
im zweiten Falle (Radialabduction) von derselben entfernt werden. Man 
spricht in diesem Falle auch von „Randbewegungen“ der Hand. Außerdem 
müssen wir Bewegungen nennen, die als Kombination aller übrigen Exkurse 
möglich sind und um eine distal-proximale Achse stattfinden, wobei jeder 
Punkt der Hand einen Kreisbogen parailel der Transversalebene des Armes 
beschreibt. Unter diesen Umständen können wir von Rotationen (Pro-Supi- 
nation) der Hand sprechen. 

Da diese Gesamtbewegungen niemals durch die Hand als einheitliches 
Organ, sondern durch Kombinationen der Einzelbewegungen ihrer Kompo- 
nenten erzeugt werden, muß eine genaue Untersuchung am freigelegten Ge- 
lenk des Cadavers vorgenommen werden, damit man die Konstruktion des 
Skelettmechanismus erfaßt. Wenn wir also die Bewegungen des Knochen- 
systems als Ganzes beobachtet haben — getreu unserer in der Einleitung 
geforderten Untersuchungsmethode —, dann ist es möglich, die relative Be- 
wegung eines jeden Knochens zu dem nächsten Skeletteil zu untersuchen, 
der mit ihm durch ein Gelenk beweglich verbunden ist, mit anderen Worten: 
es muß eine Analyse der Bewegung der ganzen Hand stattfinden. Wie ein 
Uhrmacher seine Uhr nur dann erst wirklich verstehen kann, wenn er ihre 
einzelnen Teile kennt, so müssen wir eine Zerlegung unseres Skelettmecha- 
nismus vornehmen. Dann erst wird die Art der Funktionierung des lebenden 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 135 


Organismus, verständlich werden und die Erscheinung in ihrer Totalität 
zu erkennen sein. 


Es fragt sich nun, wie die einzelnen Gelenkbewegungen zu erkennen 
sind. Dazu sind im zweiten Teile des Handbuches der Anatomie und Mechanik 
der Gelenke von RUDOLF FICK (1910) mehrere Untersuchungsmethoden ein- 
gehend geschildert worden, und ich will daher im Rahmen dieser Arbeit 
nur kurz darüber referieren, im übrigen muß ich aber auf dieses Kapitel 
des FICK’schen Handbuches verweisen. 

Wenn eine Gelenkbewegung klar gelegt werden soll, so ist es zunächst 
notwendig, sich über die Gelenkflächenform bezw. deren Krümmungsverhältnisse 
zu informieren. Dazu kann man sich genaue Abdrücke der Gelenkflächen in Ton, 
Wachs, Plastin oder Bieidraht oder sogar Gipsabgüsse davon hers'ellen, so daß 
man, ohne das eigentliche Präparat zu zerstören, die Krümmungsverhältnisse der 
Gelenkfläche in jeder Richtung untersuchen kann. Um die geometrische Form zu 
erkennen, schlägt man, wenn es die betreffenden Verhältnisse erlauben, einen 
spitzen Stift in den einen Gelenkkörper, so daß seine Spitze ein wenig über die 
Gelenkfläche hervorragt, und wenn man nun das Gelenk bewegt, so erhält man 
auf der gegenüberliegenden Fläche eine Spur. Durch das Aufsuchen solcher Spur- 
linien läßt sich die geometrische Form und damit der Gelenkcharakter bestimmen. 
Es ist im allgemeinen üblich, die Gelenkflächenformen mit geometrischen Körpern 
zu vergleichen und R. FICK widmet der theoretischen Ableitung der verschiedenen 
Formen viele Kapitel seines Buches. Es ist aber immer ausdrücklich zu betonen, 
daß die Gelenkflächen nie ganz mit solchen geometrischen Formen überein- 
stimmen, sondern stets mehr oder weniger davon abweichen. Es ist aber für die 
Erkennung und für das Verständnis der mechanischen Eigenschaften der 
wirklichen Gelenke von dem größten Wert, wenn man sie mit geometrischen 
Körpern vergleicht, zumal praktisch aus den kleinen Formabweichungen Ände- 
rungen der Bewegung kaum erfolgen, da die Gelenkflächen durch den Knorpel- 
überzug stets deformierbar sind, oder, wie man es genannt hat, eine „trophische 
Plastizität‘ besitzen. Natürlich kommen bei uns auch Gelenkformen vor, die nicht 
mit einer bekannten geometrischen Form verglichen werden können. Wenn man 
diese trotzdem mit geometrischen Körperflächen gleichstellen würde, so könnte 
das nicht ohne erhebliche Verstümmelung der Gelenkflächenform geschehen. Wir 
müssen daher solche Flächen mit R. FICK zu den „Articulationes irregulares“ 
rechnen, und diese Formen werden uns nur durch ihren Mechanismus klar werden. 

Die Gelenke kann man nun nach den allgemein vorkommenden Bewegungen 
der Gelenkflächen gegeneinander in 1. Schleifgelenke, 2. Rollgelenke und 3. Misch- 
gelenke aus Schleifen und Rollen einteilen. Bisher wurden in organischen Ge- 
lenken nur die erste und dritte Art nachgewiesen. Bei der Schleif- oder Gleit- 
bewegung „kommen bei beiden sich bewegenden aneinanderschleifenden Gelenk- 
flächen nacheinander immer verschiedene Punkte der Gelenkflächen miteinander 
in Berührung. Unter der Rollbewegung verstehen wir denjenigen Bewegungsvor- 
gang, den wir am Umfang eines Wagenrades, bei dessen Abrollung am Erdboden 
beobachten. Das Charakteristische ist dabei das, daß beim Rollen in jeder neuen 
Phase der Bewegung im Gegensatz zur Gleitbewegung an beiden Gelenkkörpern 


136 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


andere Stellen miteinander in Berührung kommen, auch wenn der andere Körper 
in Ruhe bleibt.‘ Schließlich können aus Gleiten und Rollen kombinierte Be- 
wegungen stattfinden, wie z. B. „beim Ausrutschen einer im Gang befindlichen 
Wiege oder eines Schaukelpferdes nach vorn oder nach rückwärts“. In der 
Hauptsache kommen bei meinen Untersuchungen Bewegungen in Schleif- oder 
Gleitgelenken vor. 

Wie nun der Mechanismus ergründet werden kann, auf welche Weise Gelenk- 
bewegungen überhaupt erkannt werden können, dazu gibt es mehrere Unter- 
suchungsmethoden. Im allgemeinen lassen sich nach A. FICK (zitiert nach R. FICK) 
„die geometrischen Grundbedingungen für die normalen Bewegungen dahin aus- 
drücken, daß normalerweise in einem Schleifgelenk alle die, aber auch nur die 
Bewegungen ausführbar sind, bei der der eigentliche Gelenkbinnenraum in seiner 
Größe unverändert, also gleich null bleibt, und der Bandapparat bzw. die um- 
gebenden Weichteile nicht über die Elastizitätsgrenze hinausgedehnt werden“. 
Da sich selbstverständlich anatomische Untersuchungen nur am Kadaver vor- 
nehmen lassen, so ist vorher unbedingt die Beobachtung der Bewegungen am 
lebenden Tier unersätzlich; denn selbst das frischeste Material ist für gewisse 
Bewegungsfragen unbrauchbar, da der beim lebenden Tiere bestehende Muskel- 
tonus der Antagonisten bei den Bewegungen stets berücksichtigt werden muß. 
Erst dann kann man die beobachteten Vorgänge am toten Tiere nachmachen. 
Dabei ist es vorteilhaft, sich bestimmte Punkte an den bewegten Knochen zu 
markieren oder sogar mit den beweglichen Knochen ein Stäbchen zu verbinden, 
um die Bewegungen in weit vergrößertem Maße am Endpunkte desselben aufzu- 
zeichnen. Auch ist die Fixierung eines Knochens unerläßlich, damit sich das ent- 
sprechende Glied allein im Gelenk bewegen kann. 

Ferner sind direkte Messungen zu einer Analyse der Gelenkbewegungen 
notwendig, jedoch haben sie nach meiner Meinung nicht den fundamentalen 
Wert, der ihnen so oft bei gelenkmechanischen Untersuchungen beigelegt wird. 
Sie sind doch stets cum grano salis hinzunehmen, da von einer Genauigkeit bei 
den Messungen nie die Rede sein kann; denn es gelingt niemals, an ein und dem- 
selben Teil des Gelenkabschnittes genau dieselben Meßpunkte und genau dieselben 
Richtlinien zu ziehen, wenn man nach einiger Zeit noch einmal mit unbefangenen 
Augen an die Aufgabe herantritt. Deshalb sind alle Messungen nur von sehr 
„biegsamem“ Wert. Trotzdem räume ich aber den Messungen dann einen gewissen 
Wert ein, wenn sie — mit größter Vorsicht — wichtige Schlüsse auf den Be- 
wegungsmechanismus gestatten. 

Auch Photogramme, bzw. Momentphotogramme der Bewegungen selbst sind 
zur Untersuchung der Gelenkstellungen zu benutzen. Eine sehr wertvolle Unter- 
stützung für die Untersuchung von Bewegungen bietet uns die Röntgenmethode, 
der ich mich dank der aufopfernden Bereitwilligkeit des Herrn Prof. Dr. MOSER 
und durch Vermittlung des Herrn Oberstudienrat Dr. H. OTTO der I. G. Farben- 
industrie Aktiengesellschaft (Agfa), wofür beiden Herren an dieser Stelle herz- 
lichst gedankt sei, ausreichend bediente. Bezüglich ihrer näheren Beschreibung 
sei wiederum auf FICK’s Handbuch verwiesen. 

Alle Bewegungen sind nun in erster Linie abhängig von den Achsen, um 
welche die Bewegung geschehen kann. So kommt es schließlich bei den speziellen 
Gelenken auf die Achsenbestimmung an, wovon hier nur eine etwas allgemeinere 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 137 


Methode geschildert sei. Die Bewegungsachse eines Knochens verläuft stets an den 
Stellen, die bei Bewegungen ungefähr stillstehen. Schlägt man hier einen Stift 
ein, so bleibt er, wenn er genau in Achsenrichtung orientiert ist, still stehen und 
dreht sich nur um sich selbst. Falls das Gelenk überhaupt eine feste Achse be- 
sitzt, läßt sich durch permanentes Ausprobieren die Richtung der Achse auf diese 
Weise feststellen. 


Diese Untersuchungsmethoden, die in speziellen Fällen noch ergänzt 
werden können, ergeben, in ihrer Gesamtheit verwendet, ein vollständiges 
Bild der Bewegungsmöglichkeiten. Allerdings — und das muß mit Nach- 
druck betont werden — erhalten wir Resultate, die nicht in allen Fällen 
mit den Bewegungen beim lebenden Tier übereinstimmen; denn manche Be- 
wegung ist wohl „anatomisch“ am Präparat möglich, jedoch beim lebenden 
Tier durch physiologische Gründe (Innervationsgewohnheiten) ausgeschlossen“. 
Deshalb müssen wir stets das lebende Tier beobachten, um die im Leben 
aktiv ausgeführten Bewegungen von dem am Präparat passiv vorgenommenen 
unterscheiden zu könneu. Natürlich bin ich mir bewußt, daß ich nicht alle 
Bewegungen beim lebenden Tier gesehen habe und so meiner Sache sicher 
bin, daß ich eine Grenze zwischen „aktiven“ und „passiven“ Bewegungen 
ziehen kann. Diese Lücke bleibt bestehen. Sie auszufüllen muß die Zeit mit 
sich bringen und Beobachtern überlassen bleiben, die Gelegenheit haben, die 
Tiere auch in der freien Natur nach „gelenkmechanischen Richtlinien“ zu 
sehen. Die Hauptsache aber ist doch wohl, daß das „Handproblem“ über- 
haupt erst einmal in die gelenkmechanische Interessensphäre gerückt 
und dadurch die Aufmerksamkeit der vergleichenden Anatomen erweckt wird. 

Da es schwierig war, an dem mir zur Verfügung stehenden bereits stark 
fixierten Material die Beziehungen besonders der Bänder zu den Bewegungs- 
möglichkeiten in allen Fällen einwandfrei festzustellen — denn die Isolierung 
der Bänder ist nur am frischen Material leicht möglich — so mußte leider 
oft darauf verzichtet werden, wenn nicht Literatur darüber aufklärend Hilfe 
leisten konnte. Mir wurden nur am Hund von KÖHLER 1902, SÜPPEL 
1921 und KNIEPKAMP 1926 Untersuchungen über den Bandapparat be- 
kannt. Dieses nachzuholen muß eben anderen, die in der Erlangung frischen 
Materials glücklicher sind, vorbehalten bleiben. 

Nach Vorausschickung dieses wesentlich Allgemeinen gehe ich nun 
nachfolgend dazu über, die Untersuchungsprotokolle der sechs untersuchten 
Tiere zu detaillieren. 

b) Untersuchungsprotokolle. 
I. Canis familiaris L., Canis /upus L. 
1. Lebensweise. 


Von den Caniden wurden der Wolf und mehrere schmalpfotige Hunde 
02 


138 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


untersucht. Sie gebrauchen ihre Vorderextremitäten und besonders die für 
uns in Frage kommenden distalen Abschnitte in der Hauptsache zum Gehen 
undiLaufen. Gerade in dieser ausschließlichen Lokomotionsart sind Canis lupus 
und mehr oder weniger auch die großen Haushunde sehr ausdauernd. 
So ist es z. B. vom Wolf erwiesen, daß er bei seinen Jagd- und Wander- 
zügen Strecken von 6 bis 10 Meilen in einer einzigen Nacht zurücklegt. 
Neben diesen reinen lokomotorischen Bewegungen müssen wir aber auch noch 
die Tätigkeit des Grabens, oder besser des Scharrens berücksichtigen. Wie 
ja allgemein bekannt ist, können wir bei unseren Hunden — und wahr- 
scheinlich ist dies auch beim Wolf der Fall — eine grabende oder scharrende 
Tätigkeit beobachten, um sich ihre Beute aus dem Erdreich auszugraben 
oder bei Überfluß an Nahrung, diese im Boden zu verbergen. Wenn ich 
Hunde beim Laufen beobachtet habe, so habe ich stets den Eindruck ge- 
habt, als ob die ganze Vorderextremität einem zusammengesetzten Pendel 
ähnelt. Besonders die Hand pendelt in einem Winkel von über 90°, um den 
Unterarm, und zwar nicht in reinen Volar-Dorsal-Flexionen, sondern ich 
konnte stets, wenn ich den Hund von hinten her beobachtete, ein Aus- 
schlagen nach der Medianlinie des Hundekörpers feststellen. Auch beim 
Graben war diese Konvergenzbewegung zur Mediane deutlich zu sehen, die, 
wie mir scheint, ausschließlich zu dieser Betätigung vorhanden ist; denn 
der mit den Händen kräftig weggescharrte Sand fliegt stets unter den Bauch 
des Hundes und häuft sich dort zu einem kleinen Berge an, der dann, wenn 
er dem Hunde zu lästig wird, mit den Hinterextremitäten fortgeschoben 
wird. Bei reinen Volar-Dorsal-Flexionen müßte der Sand in Parallele mit 
der Mediane des Hundes fortfliegen und sich an der linken und rechten Seite 
ansammeln. Dies ist aber nicht der Fall. Auch rechtfertigt sich der Aus- 
druck „Hand“ gewissermaßen schon beim Hund, indem sie nicht nur mecha- 
nische Arbeit zu leisten hat, sondern auch dazu benutzt wird, Knochen fest- 
zuhalten, von denen das Fleisch abgenagt wird. Die Hand wird dabei so 
verwendet, daß die gebeugten Finger auf der einen und das ulnare Carpal- 
kissen (siehe unten) auf der anderen Seite den Knochen umfassen. 


2. Trittkissen. 

Die Trittfläche des Hundes ist relativ klein (Abb. 45). Auf der Ulnar- 
seite der Volarfläche der Handwurzel ist ein für sich stehendes kegelförmiges 
Carpalkissen vorhanden, das unbehaart ist und von dem Os Pisiforme ge- 
stützt wird. Es berührt bei der Fortbewegung nicht den Erdboden und wird 
beim Umklammern von Knochen etc. (siehe oben) benutzt. Außerdem werden 
die Metacarpophalangealgelenke der vier ulnaren Finger mit einem großen, 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment aretoider Carnivoren. 139 


herzförmigen Trittkissen bedeckt, und die Basen der Endphalangen enthalten 
je einen Fingerballen, von denen der des ersten Fingers erheblich kleiner 
ist als die übrigen. 


Abb. 45. Canis lupus L. Trittkissen der rechten Vorder- 
gliedmaße. Etwas verkleinert. (Nach BRANDT 1914). 


3. Gesamtform der Hand. 

Betrachten wir das Terminalsegment der Vordergliedmaße in dorsaler 
Aufsicht, so fällt an ihm seine Schlankheit und beträchtliche Streckung be- 
sonders auf (Abb. 46), beides ja Eigentümlichkeiten, die allen guten Läufern 
gemeinsam sind. Es wirken nämlich Handwurzel und Zwischenhand wie eine 
unmittelbare Verlängerung des Unterarmes. Der Radius artikuliert mit dem 


Os Radiale et intermed. und dem Os Ulnare, die Ulna, die hier ganz — 
g*2 


140 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


immer in dorsaler Aufsicht — hinter dem Radius liegt, nur mit dem Os 
Ulnare und dem Os Pisiforme, dessen Längsachse senkrecht zur Längsachse der 


Ulna steht. 


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Abb. 46. Canis lupus L. Übersichtsbild der „Hand“, 
(dorsale Aufsicht). 1,2:1 nat. Gr. 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 141 


Der Carpus zeigt die für Carnivoren normale Zahl der Knochen, die 
in beinahe rechteckiger Gestalt angeordnet sind. Daran gelenken der Meta- 
carpus mit den Fingern, von denen der erste Finger sehr schwach ent- 
wickelt ist, so daß er den Boden gar nicht mehr erreicht. In der dorsalen 
Aufsicht ist er nur zum Teil sichtbar, Er liegt fast gänzlich unter den 
anderen Fingern. Von diesen sind der dritte und vierte am längsten, un- 
gefähr gleich kräftig und überragen daher den zweiten und fünften Finger 
ein wenig. Die Handachse läuft zwischen dem dritten und vierten Finger 
hindurch, die Hand ist also paraxonisch. 

Das Handskelett des Hundes ist nach der volaren Seite sehr stark ein- 
gerollt, d. h. es ist in proximaler Aufsicht eine starke Bogenbildung der 
einzelnen Knochen vorhanden; daher wird es u.a. erklärlich, daß der erste 
Finger in dorsaler Aufsicht fast gänzlich unter den anderen Fingern ver- 
schwindet. 


4, Articulatio antebrachiocarpea. 

a) Gelenkflächen der Art. antebrachiocarpea (Abb. 47, 48).°) 

An der Articulatio antebrachiocarpea beteiligen sich die Ulna und der 
durch Syndesmose an sie befestigte Radius, ferner die Handwurzelknochen 
Os Radiale et intermed., Os Ulnare und Os Pisiforme. 

@. Radius: Die distale Gelenkfläche des Radius (Abb. 47) bildet zwei 
Teile: 1. Eine eischalenförmige Pfanne, die sich nach der radialen Seite zu 
auf dem Proc. styloideus radii verjüngt, und 2. eine Sattelfläche am volar- 


Abb. 47. Canis lupus L. Profil der proximalen Reihe der Art. 
antebrachiocarpea (rechte Extremität). 2:1 nat. Gr. 


5) Um in den Abbildungen die Gelenkflächen deutlicher von den übrigen 
Knochenflächen hervortreten zu lassen, sind dieselben getönt worden. 


142 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


radialen Teile der oben bezeichneten eischalenförmigen Pfanne. Die „große 
Achse“ in der Konkavität verläuft senkrecht zur Unterarmlängsachse und 
annähernd ulnar-radial. Die Senkrechte auf der großen Querachse ist ganz 
leicht volarwärts geneigt, d. h. also, die Pfanne schaut ein wenig volar- 
wärts, was auch daraus hervorgeht, daß wenigstens der ulnar-dorsale Rand 
der Radiusfläche etwas weiter vorsteht als der volare. — Was nun das 
Sattelgelenk angeht, so steht es entsprechend seiner Lage schräg zur Längs- 
richtung der Speiche. Die große Querachse der eiförmigen Fläche bildet mit 
der Längsrichtung des Sattelrückens einen nach ulnar offenen Winkel, dessen 
Scheitelpunkt ca. 0,5 cm radialauswärts vom Proc. styloideus radii liegt. 
Der Sattelrücken verläuft außerdem nicht in derselben Ebene wie die kon- 
kave Pfanne, sondern schräg von ulnar-proximal nach distal-radial. 


ß. Ulna: Die Ulna (Abb. 47), die mit dem Os Ulnare und dem Os Pisiforme 
artikuliert, besitzt eine für das Os Ulnare konkave, schräg radial-distale 
Fläche, die ganz auf dem Proc. styloideus ulnae liegt und nach schräg innen, 
also radialwärts schaut und außerdem am volar-radialen distalen Ende des 
Griffelfortsatzes eine Fläche, die in allen Richtungen konvex ist, und daher 
einen Gelenkkopf darstellt, Dieser gelenkt mit dem Os Pisiforme. 


y. Os Radiale et intermedium: Die für diesen Gelenkabschnitt 
(Abb. 48) wichtige Fac. art. radialis hebt sich sehr deutlich vom eigent- 
lichen Knochen ab. Ihren dorsalen Rand begrenzt gleichzeitig in einer Wellen- 
form die ”orsale Oberfläche des Knochens, wobei der ulnare Wellenberg be- 
deutend größer ausgebildet ist als der radiale und einen Teil der dorsalen 
Oberfläche einnimmt. Radial biegt dann der Rand der Gelenkfläche in einen 
rechten Winkel um, doch bildet er dabei keine Kante, sondern ist abge- 
rundet. Die Peripherie der Gelenkfläche verläuft nun zunächst in Richtung 
auf den Processus carpi radialis, biegt dann mit einem konvexen Bogen nach 
der volaren Seite des Knochens ab und verläuft längs der volaren Ober- 
fläche auch in Wellenform, aber in entgegengesetzter Richtung wie am dor- 
salen Rande. Wir haben also, streng schematisiert und von den Erhabenheiten 
in der Fläche abgesehen, ein Bild einer Gelenkfläche, das einer liegenden 8 
gleicht, in der man sich die Verbindung vom oberen und unteren Kreis 
fortdenken muß und nur der Umriß erhalten bleibt. Diese in ihren Umrissen 
beschriebene Gelenkfacette weist nun deutlich eine den größeren Teil, an- 
nähernd zwei Drittel der Fac. art. radialis einnehmende Konvexität und am 
radial-volaren Teil der Gelenkfläche ein Sattelgelenk, genau entsprechend 
der Radiusfacette auf. Die große Wölbung ist in der Hauptsache dorsal- 
volar konvex und in ulnar-radialer Richtung nur ganz wenig ebenfalls konvex. 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 143 


0. Os Ulnare. Das Os ulnare (Abb. 48) artikuliert einerseits an das Os Rad. 
et intermed. mit halbmondförmiger Gelenkfläche und außerdem proximalwärts 
an den Radius, die Ulna und das Os Pisiforme. — Im morphologischen Teile 
wurde schon erwähnt, daß das Os Ulnare des Hundes gestaltlich ganz von 


Abb. 48. Canis lupus L. Profil 
der distalen Reihe der Art. ante- 
brachiocarpea. 2:1 nat. Gr. 


dem Os Ulnare der anderen untersuchten Tiere abweicht. Das hängt ledig- 
lich mit der Ausbildung der Gelenkfläche zusammen. So wird zunächst, im 
radialen Teile des Os Ulnare, die Konvexität des Os Rad. et intermel. iu 
denselben Krümmungsintensitäten fortgesetzt. Es ist der Teil, der noch an 
die Radiusfacette gelenkt. Außerdem ist eine Fläche für die Ulna-Artikula- 
tion vorhanden, die sich ulnarwärts im volaren Teile an die obige Gelenk- 
fläche ohne Unterbrechung anschließt. Sie liegt in einem rechten Winkel zu 
derselben und ist leicht dorsal-volar konvex. Am ulnaren Rande des Knochens 
biegt sie distalwärts um und bildet hier eine konkave pfannenförmige Ver- 
tiefung, in die der Proc. styl. ulnae hineingreift. Diese soeben beschriebene 
Artikulationsfläche zeigt nun eine auffallende Inkongruenz mit der Ulna- 
Gelenkfläche. Es erklärt sich dies daraus, daß das Os Ulnare in natürlicher 
Lage auffallend weit von der Ulna entfernt ist und es somit gar nicht zu 
einer innigen Berührung der Artikulationsflächen kommen kann. Diese In- 
kongruenz der Flächen wird aber durch eine diskusartige Bildung der 
zwischen Elle und Speiche gelegenen Gelenklippe ausgeglichen. — Unmittelbar 


144 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


an die für die Ulna-Artikulation bestimmte Fläche schließt sich die Gelenk- 
fläche für das Os Pisiforme an, die annähernd flach und überhalbkreis- 
förmig ist. 


e. Os Pisiforme: Es besitzt eine ganz dem Os Uinare entsprechende 
große, flache Facette (Abb. 48), die ebenfalls im Umriß überhalbkreisförmig 
ist und außerdem proximal-ulnarwärts eine längliche Fläche, die in proximal- 
radial-distalulnarer Richtung leicht konkav ist, und in der der Gelenkkopf 
des Proc. styl. ulnae spielt. 


Wie das Röntgenbild und auch die Präparation zeigte, ist das Os 
Ulnare und das Os Rad. et intermed. sehr dicht aneinandergerückt, (Abb. 46, 
48), ohne einen großen Gelenkspalt offen zu lassen. Im Gegenteil ist 
die Berührung beider Knochen durch die beiderseits zur Mediane hin aus- 
gebildete halbmondförmige Gelenkfläche sehr innig. 


b) Bandverbindungen in der Art. antebrachiocarpea. 


Wie oben schon erwähnt wurde, konnten Banduntersuchungen infolge 
stark fixierten Materials nur sehr mangelhaft durchgeführt werden. Da aber 
beim Hund eingehende Darstellungen des Bandapparates von KÖHLER 1902, 
SÜPPEL 1921 und KNIEPKAMP 1926 vorhanden sind, so sollen sie an 
dieser Stelle zur Vervollständigung unserer gelenkmechanischen Untersuchungen 
mit berücksichtigt werden. 


- Lig. ulno-pisiforme 


7 —=— Lig. ulno-carp. vol. 


Abb. 49. Canis lupus L. Volare Bänder der Art. antebrachiocarpea. 


a) Volare Bänder (Abb. 49). Während beim Menschen die an der 
Elle und Speiche entspringenden Bänder sich über beide Carpalreihen er- 
strecken, gehen sie im Gegensatz dazu beim Hund nur an die erste Carpal- 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 145 


reihe. Uud zwar haben wir bei den volaren Bändern zwei Schichten über- 
einander zu unterscheiden. Zunächst die Ligamentum radio-carpeum vol., 
Lig. carpi trsv. und Lig. collat. radiale, die alle vom Proc. styl. radii ent- 
springen. Während die ersten beiden Ligamente in der Hauptsache in der 


_f/- Lig. rad.-carp. dors. 


Abb. 50. Canis lupus L, Dorsale Bänder der Art. antebrachiocarpea. 


Mitte des Os Rad. et intermed. endigen, und, was sehr wesentlich für unsere 
Untersuchungen ist, das Lig. radio-carpeum einen zur Längsachse des Radius 
fast queren Verlauf hat, gehen „Kantenfasern“ des Lig. carpi trsv. noch 
bis zum Os Pisiforme, und das Lig. collat. rad. endigt sogar ganz an dem 
Proc. carpi radialis. 


Die andere Gruppe von Ligamenten entspringt von der Epiphyse der 
Ulna. Und zwar haben wir ein sehr starkes Band, Lig. ulno-carpeum vol., 
das auch schräg zur volaren Fläche des Os Rad. et intermed. verläuft und 
außerdem ein Lig. ulno-pisiforme, das eine schwache Verbindung der Ulna 
zum Os Pisiforme darstellt. 

Neben diesen Bändern existiert noch das Lig. radiocarpeum interarti- 
culare. Dieses Band, im Querschnitt einen dreieckigen Strang darstellend, 
entspringt an der ulnarvolaren Radiusgelenkflächenkante und endet in einer 
Grube der ulnaren Körperfläche des Os Rad. et intermed. Es hat nach 
KNIEPKAMP die Aufgabe, die Beugung des Carpus gegen den Vorderarm 
zu begrenzen. Außerdem aber hat es für uns Interesse, da es nach PARSONS 
einen Rest einer vollständigen Scheidewand darstellt, die die Art. ante- 
brachiocarpea in eine ulnare und radiale Hälfte teilt, und die uns später 
noch beim Dachs und bei dem Fischotter beschäftigen wird. 


ß) Dorsale Bänder (Abb. 50). Von den dorsalen Bändern sind im 


146 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


ganzen drei bekannt, die aber alle nur das Os Ulnare sichern, während das 
Os Rad. et intermed. dorsal vollkommen frei von Bändern bleibt. 

1. Das Lig. radio-carpeum dors. Es entspringt am distalen, dorsal- 
ulnaren Rande des Radius und verläuft in einem Strang zum Proe. styl. 
ulnae, in einem anderen Bündel zur dorsalen Oberfläche des Os Ulnare. 

2. Das Lig. ceollaterale ulnare breve verläuft am Rande des Carpus 
von der Elle zum Os Ulnare. 

3. Das Lig. intercarpeum trev. dors., das sich als sehr kurze, aber 
kräftige Verbindung von der dorsal-ulnaren Kante des Os Rad. et intermed. 
zum dorsal-radialen Rande des Os Ulnare hinzieht. 


c) Bewegungen in der Art. antebrachiocarpea. 


In der Art. antebrachiocarpea des Hundes sind am Os Rad. et intermed. 
bzw. am Radius zwei Gelenktypen zu konstatieren, über die mir zunächst 
einige allgemeine Bemerkungen gestattet seien, die besonders auch für unsere 
späteren Schlußfolgerungen von großer Bedeutung sein werden. 

Es ist zunächst ein Eigelenk vorhanden, das sich uns im Os Rad. et 
intermed. offenbart und als dorsal-volar sowie ulnar-radial konvex beschrieben 
wurde. In einem solchen Gelenktyp sind zwei Achsen vorhanden, die sich 
senkrecht überkreuzen, aber nicht schneiden, und ferner auf nur einer Seite 
des Gelenkes liegen. Die Entfernung dieser beiden Achsen richtet sich nun 
nach den Krümmungsverhältnissen der Eifläche in der Längs- und Quer- 
richtung. Gehen wir von einem „Idealeigelenkkörper“ aus, wie ihn O. FISCHER 
konstruiert hat, dessen Formen ungefähr in der Mitte zwischen den zwei 
möglichen Eigelenkkörpern liegt, nämlich dem „Spindel“-Körper, der entsteht, 
wenn man einen Kreisbogen um dessen Sehne als Achse rotieren läßt und 
dem „Ringwurst“-Körper, dessen Entstehungsweise uns an anderer Stelle 
noch beschäftigen muß (pg. 152), so liegen die sich überkreuzenden, aber 
nicht schneidenden Achsen in einer bestimmten nach der Krümmung der 
Eifläche sich richtenden gegenseitigen Lage. Denkt man sich nun z.B. die 
vertikale Achse allmählich immer weiter sich von der Fläche entfernen, bis 
schließlich ins Unendliche, so wird die zugehörige Krümmung immer geringer 
werden, bis sie schließlich gleich Null geworden is. Wir haben dann nur 
noch eine Wölbung um die andere, horizontale Achse zu konstatieren, d.h. 
aus dem Eigelenk ist ein Zylindergelenk geworden (Abb. 51, 52). 

Andererseits können aber auch die beiden Eigelenkachsen aufeinander 
zurücken, bis sie sich schließlich in einem Punkt schneiden, d. h. daß die 
Krümmungsverhältnisse in beiden senkrecht aufeinanderstehenden Richtungen 
gleich geworden sind, daß der bei der Eifläche vorhandene Krümmungsunter- 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 147 


4 


schied weggefallen ist. Die Eifläche ist in eine Kugelfläche übergegangen. 
(Siehe Abb. 52, 53). 

Vergleichen wir diese allgemeinen Verhältnisse mit den im Os Rad, et 
intermed. des Hundes vorhandenen, so haben wir in diesem Eigelenk einen 


Abb. 53. Kugelgelenk. 


Eigelenk. 


52. 


Abb. 


Cylindergelenk. 


Abb. 51. 


148 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Zustand, bei dem die vertikale Achse zwar noch nicht ganz unendlich weit 
von der Fläche abgerückt ist, aber immerhin so weit, daß die Krümmung 
der Fläche in ulnar-radialer Richtung äußerst gering ist. Wir haben also 
noch ein Eigelenk vor uns, das aber kurz vor dem Übergang in ein Zylinder- 
gelenk steht. Somit modifizieren sich auch die Bewegungen, die in einem 
Idealeigelenk möglich sind. Sie sind hier zu Gunsten der horizontalen Achse 
verschoben, wie wir unten noch genauer sehen werden. 

Ferner haben wir einen Gelenktyp, der als Sattelgelenk identifiziert 
wurde. Wie schon A. FICK zeigte, besitzt ein Sattelgelenk zwei sich senk- 
recht überkreuzende auf verschiedenen Seiten des Gelenkspaltes gelegene 
Achsen, so daß für die eine Bewegung dasselbe Gelenkende einmal Gelenk- 
kopf, für die andere Gelenkpfanne ist. 

Diese beiden Gelenktypen vereinigt das Os Rad. et intermed. bzw. ent- 
sprechend der distale Abschnitt des Radius. Für die Bewegungen in diesem 
Knochen ist es nun für uns von großer Bedeutung, die Lage der Achsen 
dieser beiden Gelenke zueinander klar zu stellen. Die eine Eigelenkachse 
verläuft genau horizontal (radial-ulnar), während die andere dazu senkrechte 
schon sehr weit von der proximalen Seite des Os. Rad. et intermed, ab- 
gerückt ist. Außerdem haben wir zwei senkrecht sich überkreuzende Achsen 
im Sattelgelenk an der radial-volaren Seite des Os Rad. et intermed., von 
denen die Achse des Sattelrückens ulnardorsal-radialvolar — also genau 
senkrecht wie der Sattelrücken im Radius — die andere senkrecht dazu auf 
verschiedenen Seiten verlaufen. Die Achse der Sattelpfanne (siehe Längs- 
richtung des Sattelrückens im Radius) bildet also in proximaler Aufsicht 
mit der horizontalen Eigelenkachse einen nach ulnar offenen Winkel, dessen 
Schenkel sich aber nicht schneiden, da sie in verschiedenen Ebenen liegen. 
Da das Os Rad. et intermed, bei weitem der größte Knochen der Art. ante- 
brachiocarpea ist, so beherrscht er auch in seinen Bewegungen den ganzen 
Gelenkabsehnitt. Die Bewegungen des Os Ulnare, sowie des Os Pisiforme 
stehen ganz unter seinem Einfluß. Gehen wir von der extremsten Streck- 
stellung aus, so können wir konstatieren, daß sie durchaus der am Anfang 
dieses speziellen Teiles definierten Mittelstellung entspricht, eine Dorsalflexion 
der proximalen Reihe also vollständig ausfällt. In dieser Stellung — die 
beim Hund stets in der Ruhe, beim gewöhnlichen Stehen eingenommen wird — 
werden die dorsalen Ränder der Radiusfacette und die dorsalen Teile des 
Os Rad. et intermed. und des Os Ulnare aneinandergedrückt, während die 
volaren Ränder der artikulierenden Flächen voneinander abgehoben werden. 
Allerdings läßt die Betrachtung der Os Rad. et intermed. Gelenkfläche, die 
nach der Dorsalseite hin weiter überknorpelt ist, den Gedanken aufkommen, 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 149 


daß eine geringe Dorsalbewegung dieses Knochens möglich sei. Bestärkt 
wird man durch das asymmetrische Verhalten der Radiusfläche, deren oberer 
Radiusrand (in der Seitenansicht) dorsalwärts weiter über die Os Rad. et 
intermed. Fläche hinübergreift als volarwärts. Dies trifft aber durchaus 
nicht zu, denn ein solches Verhalten entspricht lediglich der eigentümlichen 
Pfannenbildung des Radius, die ja leicht volarwärts geneigt ist. (S. Seite 142). 
In dem beigefügten Röntgenbilde (Tafel XV, Abb. 115) kommt diese Tatsache 
leider nicht so zum Ausdruck, denn wir haben das Bild eines jungen russischen 
Barsois vor uns, dessen Epiphysenbildungen in dieser Richtung variieren. 
Wolf und große Schäferhunde zeigen diese Dinge besser. Die Ulna tangiert 
in dieser Stellung nur mit dem distalsten Teile ihres Proc. styloideus den 
radialen Teil der fast ebenen Os Pisiforme-Facette; ihre Gelenkflächen stehen 
also in einem rechten Winkel zueinander. 

Tritt nun Beugung des Gelenkes ein, so ist es praktisch, die wirklich 
stattfindende Bewegung in zwei Bewegungsarten zu zerlegen: 1) Volarbeugung, 
2) Radiale Seitenverschiebung im supinatorischen Sinne. Beide Bewegungen 
sind jedoch zum Schluß der Beugung nicht mehr voneinander zu trennen. 
Es kann dann die eine Bewegung nicht ausgeführt werden, ohne daß zugleich 
die andere mehr oder weniger stark eintritt. 

1. Die Volar-Beugung erfolgt um eine radialulnare Achse, die 
entsprechend den Krümmungsverhältnissen der proximalen Carpalia quer durch 
die distale Carpusreihe verläuft. Diese Bewegung ist nur im ersten Teil 
der Beugung als reine Volarflexion möglich. Sie hat in dieser reinen Form 
ein Ende, wenn im Verlauf der Beugung die Sattellächen berührt werden. 
Dann erfolgt 

2. radiale Seitenverschiebung im supinatorischen Sinne. Dies 
läßt sich dadurch erklären, daß wir ja in einem Sattelgelenk zwei einander 
senkrecht sich überkreuzende Achsen haben, die hier einmal von ulnar- 
proximal nach distal-radial, das andere Mal senkrecht dazu (ulnardorsal- 
radialvolar) verlaufen. Bewegungen wären also jeweils getrennt um eine 
dieser beiden Achsen ausführbar. Bei Canis aber werden diese Bewegungen 
kombiniert, da wir ja außerdem noch das Eigelenk berücksichtigen müssen, 
das volarflektorisch einwirkt. Wir erhalten somit die zunächst paradoxe 
Tatsache, daß sich das Os Rad. et intermed. gleichzeitig um mehrere Achsen 
bewegt, die verschiedenen Ebenen angehören. Nach Analogie des Satzes vom 
Parallelogramm der Kräfte läßt sich aber eine Achsenkomposition vornehmen, 
und es resultiert eine Achse, um die eine schraubenförmige Bewegung statt- 
findet. Um diese neue Achse wird die Beugung fortgesetzt und es findet 
außerdem ein Vergleiten längs dieser Achse nach radial statt, das seine 


150 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


a % 


Begrenzung durch das Lig. radio-carpeum interarticulare erfährt. So stellt 
also der eine Teil der Gelenkfläche die Hemmfläche für den anderen dar. 
Sattelgelenk und Eigelenk sind voneinander abhängig. Beugung um eine 
neue Achse und gleichseitige radiale Seitenverschiebung ergeben eine Beugung 
im supinatorischen Sinne, d. h. eine schraubende Bewegung, wie wir diese 
Seitenverschiebung im supinatorischen Sinne auch nennen können. Bei dieser 
Beugung mit gleichzeitigem Vergleiten kippt am Ende der Bewegung das 
Os Rad. et intermed. um die schrägstehende volare Kante der Radiusfacette 
herum, so daß dorsalwärts ziemliches Klaffen des Gelenkspaltes eintritt, was 
uns auch das Röntgenbild (Tafel XV, Abb. 116) sehr deutlich zeigt. 

Die Bewegungen in dem Os Ulnare und dem Os Pisiforme werden, wie 
schon oben erwähnt wurde, vollständig von den Bewegungen des Os Rad. 
et intermed. beeinflußt. Das Os Ulnare dreht sich mit seiner dorsal-volaren 
Konvexität in der mit einer diskusartig verbreiterten Bandmasse versehenen 
entsprechenden Hohlfläche der Ulna. Während das Zentrum der im Anfange 
vorhandenen Volarflexion zwischen Os Rad. et intermed. und Os Ulnare liegt, 
wird es im übrigen Teil der Bewegung unter die Volarkante des Os Rad. 
et intermed. in die Nähe des Proc. carpi rad. verlegt und das Os Ulnare 
folgt der Beugung im supinatorischen Sinne. 

Das Os Pisiforme Gelenk zeigt in der Ausgangsstellung mit dem Proc. 
styl. ulnae einen rechten Winkel und kommt im Laufe der Bewegung immer 
mehr zum Schließen, was nur dadurch erreicht werden kann, daß es die 
Seitenverschiebung mitmacht und bei gleichzeitiger Beugung an der Ulna 
vorbeigezogen wird. 

Intercarpale Bewegungen der Knochen der ersten Reihe unter sich sind 
im äußerst beschränkten Maße möglich. Besonders hervorzuheben ist, daß 
das Gelenk zwischen Os Pisiforme und Os Ulnare, das ja fast ebene Gelenk- 
flächen aufweist, auch nur ganz geringe Verschiebungen zuläßt. Beide Knochen 
werden durch den Bandapparat fest aneinandergepreßt, so daß sich der Zug 
des Musc. flex. carp. ulnaris ohne weiteres auf das Os Ulnare und damit 
auf die erste Carpalreihe fortsetzen kann. 

Es wurde beim Os Rad. et intermed. immer von einer Eigelenkfläche ge- 
sprochen. Wir haben aber nur Bewegungen um die eine radial-ulnare Achse 
konstatieren können. Theoretisch muß aber ein Eigelenk auch Bewegungen 
um die dazu senkrechte, dorsal-volare Achse gestatten, d. h. also Bewegungen 
im ad- bezw. abduktorischen Sinne. Nun verläuft aber diese dorsal-volare 
Achse bei Oanis — wie schon des öfteren hervorgehoben wurde — in ziem- 
licher Entfernung von der Gelenkfläche, d. h. die Krümmung der Fläche ist 
sehr gering, so daß geringe Seitenbewegungen nach der Beschaffenheit der 


R. LIPS, Modifikationen am Oarpalsegment arctoider Carnivoren, 151 


Fläche durchaus möglich sind. Aber das lebende Tier und auch das Präparat 
„eigen solche Bewegungen garnicht. Sie werden durch die Handwurzelbänder 
gehemmt, die ja (s. o.) auf der volaren Seite des Handgelenkes einmal vom 
Radius, das andere Mal von der Ulna nach der ersten Gelenkreihe konver- 
gieren und diese Carpalknochen in abduktorischer Beziehung total fixieren. 
Somit verhält sich das Eigelenk des Os Rad. et intermed. praktisch wie ein 
Zylindergelenk, es führt nur Bewegungen im vorlarflektorischen Sinne aus. 
(Die Flexionen im supinatorischen Sinne werden vom Bandapparat zugelassen, 
da sie ja mehr Rotationen um eine proximo-distale Längsachse gleichen). 
Ein weiteres „Verdienst* der Gelenkbänder ist noch die schon oben kon- 
statierte Ausschaltng der Dorsalflexion der Proximalreihe. 


9. Articulatio intercarpea. 

a) Gelenkflächen der Art. intercarpea (Abb. 56, 57). 

Die proximale Reihe der Carpalia (Os Rad. et intermed. und Os Ulnare) 
wendet der Gelenkspalte ausschließlich konkave Gelenkflächen zu. 

a) Os Rad. et intermed.: Wir haben in diesem Knochen drei 
Flächen, die schon im morphologischen Teile der Arbeit mit Fac. art. media- 
lis, Face. art. capitati, und Fac. art. hamati bezeichnet wurden (Abb. 56). 

Die Fac. art. medialis, für die Ossa Carpalia I und II Artikulation 
bietend, hat ellipsoidförmige Gestalt. Ihr langer Durchmesser verläuft von 


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Abb. 54. (nach R. FICK 1910). Abb. 55, 


ulnardorsal nach radialvolar, ihr kurzer Durchmesser senkrecht dazu. Sie ist 
konkav. Nur der ulnare und zwar im dorsalen Teile des Knochens gelegene 
Rand begrenzt mit einer deutlichen Kante die mittelste Gelenkfläche, die 
Fae. art. capitati. Auch sie ist eine Eifläche, die man als Teilstück einer 


152 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


„Ringwurstfläche“ auffassen kann. Dazu sei erläuternd bemeri« 


zu solchen Eiflächen, wie W. HENKE es vorgeschlagen hat, folsendermaise 
gelangen kann: „Man denke sich einen Kreis (in Abb. 54 schraißert) um 
eine außerhalb desselben aber in seiner Ebene liegenden Achse rotioren, 
dann erhält man einen ringförmigen Körper (eine zu einem Ringe zusammen- 


gelegte Wurst oder einen aufgeblasenen Fahrrad- oder Kraftwag: 
ring)“ (zitiert nach R. FICK). Schneidet man nun aus einer solch 
wurst einen Teil der Oberfläche, die man oval begrenzt hat, herans, so sruält 
man eine Eigelenkfläche, die, wenn man sie von innen her (siehe Pfei) 
richtung in Abb. 55) betrachtet, unserer Fac. art. capitati durchaus ähne'i 
wobei ich auf das mutatis mutandis meiner einleitenden Bemerkungen diexc« 
Teiles nochmals hinweisen möchte (Seite 135). Ihr langer Durchmesser liext 
genau dorsal-volar, ihr kleiner senkrecht dazu (radial-ulnar). Sie ist se 
stark konkav ausgehöhlt. Nur der dorsale Rand verläuft nicht im Sinne der 
Eigelenkkrümmung, sondern hebt sich flach vom übrigen Teile ab. 

Die — nur durch eine Kante getrennt — sich unmittelbar anschließende 
Fac. art. hamati ist ebenfalls eine Eigelenkfläche. Auch sie läßt sich durchaus 
als ein Teil einer „Ringwurstfiäche* anuffassen, wobei sie aber breiter und 


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Abb. 56. COrmis hunus L. Profil 
der proximalen Reihe der Art. 
interearpea. 2:1 nat. Gr. 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 153 


in beiden Richtungen flacher konkav ist als ihre Nachbarfacette. Ihr dorsal- 
volarer langer Durchmesser ist ungefähr ein Drittel kürzer als der der Fac, 
art. capitati. Am volaren Rande geht sie in eine starke Abflachung über, 
die zur Fac. art. hamati-Fläche in schräger distal-proximaler Ebene liegt. 
Sie ist dreieckförmig ausgebildet. Die eine Seite zieht sich radialwärts am 
äußeren Rande der Fac. art. capitati hinauf. Dadurch erhält sie ulnar-radial 
konkaven Charakter. Sie dient, wie wir unten sehen werden, dem Hamulus 
ossis hamati zur Artikulation. Außerdem schaut die ganze Fac. art. hamati 
ein wenig ulnarwärts, der kleine Durchmesser verläuft also proximalulnar- 
distalradial. 


ß. Os Ulnare: Die distale Oberfläche des Os Ulnare enthält zwei 
getrennte Gelenkflächen (Abb. 56), die beide radial einwärts gerichtet sind. 
Die größere von ihnen, die mit dem Os Carpale IV — V artikuliert, schließt 
sich unmittelbar an die Fac. art. hamati mit einem stumpfen, distal offenen 
Winkel an. Sie setzt die dorsalen und volaren Ränder der Hamatifläche fort, 
ist im Umriß halbkugelförmig (Peripherie ulnarwärts), hat aber sonst ähn- 
lichen Eigelenkcharakter wie die Fac. art. hamati. Sie bildet mit ihr eine 
gelenkmechanische Einheit. Zu erwähnen ist noch ein leicht sattelförmiges 
Gebilde im dorsalen Teile dieser Gelenkfläche. 

Die andere Gelenkfläche, die wesentlich kleiner ist, liegt ganz im ulnar- 
volaren Teil des Knochens auf dem Os Ulnare-Köpfehen und hat kreis- 
förmige Gestalt. 


y. Ossa Carpalia: Es sind hier ausschließlich konvexe Flächen vor- 
handen, die in ihrer Gestalt ein vollständiges Abbild der Gelenkflächen der 
Proximalreihe darstellen. 

Die Ossa Carpalia I und II artikulieren gemeinsam in die Fac. art. 
medialis, und zwar liegt das Os Carpale I direkt volar von Os Carpale II. 

Das Os Carpale I besitzt eine oval bis runde Fläche von leicht kon- 
vexer Krümmung, die nur den dorsalen Teil des Os C. I bedeckt. Daran 
schließt sich unmittelbar nach dorsal die dreieckige (Spitze dorsal, Basis 
volar) ebenfails konvexe Gelenkfläche des Os C II, Diese beiden Carpalia 
bilden zusammen ein Ganzes und haben zusammen den entsprechenden ellip- 
soidförmigen Gelenkcharakter. 

Das Os Carpale III gelenkt in die Fac. art. capitati des Os Rad. et 
intermed.. Der an sich stark komprimierte Knochen enthält auf seiner Proximal- 
seite eine der Capitati-Ringwurstfläche entsprechende Gelenkfläche, die sich 
im dorsalen Teile verbreitert und nicht mehr im Sinne der Krümmung 


weiter verläuft, sondern flach nach der proximalen Seite umbiegt. 
10? 


154 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Das Os Carpale IV + V enthält zwei winklig durch eine von dorsal- 
radial- nach volar-ulnar verlaufende schräge Kante aneinanderstoßende Gelenk- 
flächen, die für die Fac. art. hamati im Os Rad. et intermed. und für die 
größere Os Ulnare-Fläche bestimmt sind. Beide Gelenke besitzen denselben 
eiförmigen Charakter wie ihre entsprechenden Flächen. Ebenfalls ist im dor- 
salen Teile der ulnaren Gelenkfläche eine sattelförmige Bildung, ganz der 
des Os Ulnare entsprechend, vorhanden. An der anderen für die Fac. art. 
hamati bestimmte Gelenkfläche ist gewissermaßen als Fortsetzung der Ge- 
lenkfläche ein ziemlich stark ausgeprägter Hamulus ossis hamati vorhanden, 


om 


I 
en 


nn 


Abb. 57. Canis lupus L. Frofil der distalen Reihe der Art. 
intercarpea. (Beachte besonders die subordinierte Lage des 
Os € I. unter. dem Os € IL! 277 nat262 


der in der ganzen proximalen Ansicht Gelenkflächencharakter trägt und in 
die kleine dreieckige Facette, die sich volar von der Fac. art. hamati be- 
findet, artikuliert. 


b) Bandverbindungen der Art. intercarpea. 


a. Volare Bänder (Abb. 58). Von den volaren Bändern interessieren 
uns besonders die Ligg. carpometacarpea ulnaria longa, die vom volaren 
Teile des Os Pisiforme entspringen und zum Metacarpale IV und V ver- 
laufen. Sie bilden die Fortsetzung der Sehne des Musc. flex, carp. ulnaris, 
der an das Os Pisiforme inseriert. So kommt den Bändern die funktionelle 


Aufgabe zu, einerseits den Zug dieses ulnaren Beugemuskels auf den 'Meta- 2 


carpus zu übertragen, andererseits aber auch die Dorsalfiexion des vierten 
und fünften Metacarpale zu verhindern. — Ferner existieren Bandverbin- 
dungen zwischen Os Pisiforme und Os Rad. et intermed, und Os Ulnare 
und Os Rad. et intermed.. 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 755 


8. Dorsale Bänder (Abb. 59). Auf der Handrückenseite existieren 
Bandverbindungen zwischen Os Ulnare und dem Os Carpale IV -I V und 
zwischen dem Os Rad. et intermed. und den Ossa Carpalia II und III, die 
mit dem gemeinsamen Namen Ligg. intercarp. dorsalia bezeichnet werden. 


> Lig. radio-carp. 
interarticulare 


BEL >— — Lig. carpometac. 
ulnaria longa 


Abb.58. Canis lupus L. Volare Bänder der Art. intercarpea. 


c) Bewegungen in der Art. intercarpea. 
Wie in der Art. antebrachiocarpea, so spielt auch hier in der Art. 
intercarpea das Os Rad. et intermed. die Hauptrolle Gerade durch seine 


N au —= Li intercarp. 
N 1 { 
dorsalia 


Lig. earpo-meta- 
carp. dorsalia 


Abb. 59. Canis lupus L. Dorsale Bänder der Art. intercarpea. 


ausgiebige Artikulation mit der zweiten Carpusreihe wird es für die hier 
stattfindenden Bewegungen gangbestimmend. 
Wie es sich herausgestellt hat, läuft die Hauptdrehungsachse genau 


ulnar-radial. Die Bewegungen sind lediglich Volarflexionen. Ausgangspunkt 
10*8 


156 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


der Bewegung ist wieder, wie in der Art. antebrachiocarpea, die „Mittel- 
stellung“, in der die dorsalen Gelenkränder aller beteiligten Carpalknochen 
vollständig schließen. Eine Dorsalflexion ist nicht möglich. Sie wird ver- 
hindert durch die Ligg. carpometacarpea ulnaria longa und zwar in der 
Art. intercarpea indirekt, da die Bänder an die Metacarpalia IV und V 
ansetzen. Eine Verhinderung dieser Mittelhandknochen an der Dorsalflexion 
hat aber auch eine Verhinderung des Os C IV + V an der Dorsalfiexion zur 
Folge. Ferner bildet der dorsale Teil des Os C III mit seiner flachen, pro- 
ximalwärts umgebogenen Gelenkfläche eine Hemmfläche für die Dorsalflexion 
aus. (Vgl. Röntgenaufnahme Tafel XV u. XVI, Abb. 114 u. 115). 

Die in diesem Gelenkabschnitt stattfindenden Bewegungen sind also, wie 
gesagt, nur volarflektorischer Art um eine ulnar-radiale Achse. Diese Flexionen 
sind besonders stark in den drei radialen Carpalknochen (Os CI, OsCLH, 
OsC II. Das Os CIV+V hat im Verhältnis zu seinen benachbarten 
Carpalknochen eine relativ kleinere Excursionsbreite. Es ist dies auch ohne 
weiteres aus der Lage der Gelenkflächen zu erklären. Das Os CIV+V 
besitzt nämlich am volaren Rande eine für die Volarflexion mächtig aus- 
gebildete Hemmfläche, die die Proximalfläche des Hamulus ossis hamati trägt. 
Wenn diese also in Kontakt mit der entsprechenden Facette des Os Rad. et 
intermed. kommt, ist ein weiteres Fortschreiten der Volarflexion des Os C 
IV-+-V unmöglich gemacht. Die anderen Carpalia können dann aber noch 
weiter flektieren, bis die Gelenkspalte am Os C II leicht klafft (siehe Röntgen- 
aufnahme Taf. XVI, Abb. 116) und das kleine Os CI vollständig auf die ellipsoid- 
förmige Fac. art. medialis gerückt ist, was sie in der „Mittelstellung“ nur zum 
Teil tut. Deswegen muß dafür gesorgt sein, daß die sonst eng zusammenhängen- 
den Carpalknochen aneinander entlang gleiten können. So ist es in diesem 
Zusammenhange zu verstehen, daß zwischen den Ossa C III und CIV-+V eine 
Artikulationsfiäche ausgebildet ist, die sich in einem breiten distal-proximalen 
Streifen über den ganzen dorsalen Teil der artikulierenden Flächen zieht, 
und der sich am proximalen Rande sogar noch verbreitert. Diese Gelenk- 
facette, die noch einen Unterstützungspunkt im volaren Teil der artiku- 
lierenden Flächen erhält, gestattet das Vorbeigleiten der Ossa C III und 
CIV-+V. Damit soll nun aber nicht behauptet werden, daß der ulnare Teil 
der Hand weniger gebeugt werden könnte als der radiale. Wie wir im 
nächsten Abschnitt sehen werden, wird dieses „Minus“ an Bewegungen im 
Os CIV-+V durch die Metacarpalia IV und V ausgeglichen. Die übrigen 
Carpalia, wobei ich die Ossa C I und C II, die miteinander eine Artikulations- 
fläche besitzen, vom funktionellen Standpunkte aus als eine Einheit betrachten 
muß, denn sie liegen untereinander und bilden in der Fac. art. medialis eine 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 157 


gelenkmechanische Einheit — haben unter sich keine Artikulationsflächen 
ausgebildet und wirken somit unbeweglich zusammengeschlossen, als ein 
einheitliches System. 

Gänzlich vermißt werden auch ulnare, bzw. radiale Abduktionsbewegungen 
Dies mag zunächst merkwürdig erscheinen, da wir doch eiförmige Gelenk- 
flächen konstatiert haben, und wir aus vorigen Erörterungen wissen, daß in 
solchen Gelenken Bewegungen mindestens um zwei sich senkrecht über- 
kreuzende Achsen stattfinden. Die Eiflächen in diesem Gelenkabschnitt ent- 
sprechen aber zum größten Teil sogenannten Ringwurstflächen. In diesen 
sind kongruent gleitende Bewegungen um die „Erzeugungsachse“* AA durchaus 
möglich. Nun müßte aber auch um die dazu senkrechte Achse A’A’ (siehe 
Abb. 60) eine Bewegung stattfinden können. Das ist aber, wie wir sehen 
werden, nicht möglich; denn — ich zitiere R. FICK — wie man sich am 


Abb. 60. (n. R. FICK 1910). 


besten auf einem Längsschnitt durch das Elementenpaar 
klar macht, (siehe Abb. 60) zeigt „der Durchschnitt acb 
der Eischale der Außenseite der Ringwurst zugewendet, 
eine konkave Höhlung. Würde die hohle Eischale um 
180 Grad um die vertikale Achse A’ A’ herumgedreht, so 
käme ach in die Stellung a’c’b’. Man erkennt auf den 
ersten Blick, daß in diesem Falle ein klaffender Spalt 
zwischen den Elementen eintreten würde, weil die Kon- 
kavität a’c’b’ sich natürlich nicht der ebenfalls konkaven 
Innenseite der Ringwurst anschmiegen kann. Eine In- 
kongruenz der Elemente tritt aber natürlich auch schon 
bei kleinen Drehungen um die vertikale Achse A’A’ auf, 
(nicht erst bei der eben betrachteten Drehung von 180 


A 
Grad) und kann daher auch da nur durch eine beträchtliche (ai en. 


158 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Deformierung des Knorpels einigermaßen ausgeglichen werden.“ Da eine solche, 
beträchtliche Knorpeldeformation in unserem Gelenkabschnitt gar nicht mög- 
lich ist, kann eine Bewegung um eine vertikale Achse also auch nicht statt- 
finden. Dies trifft für die Eifläche an der Radialseite des Os CIV+V und 
an der proximalen Seite des Os C III zu. 

Es wäre aber noch denkbar, daß die eine Einheit bildenden Ossa CI 
und C II Bewegungen um eine vertikale Achse ausführen könnten. Hier 
spricht aber eine ähnliche Überlegung dagegen. Die ellipsoidförmige Fac. 
art. medialis verkörpert uns eine Eifläche, die uns einen ellipsoidförmigen 
Ausschnitt aus einem „spindelförmigen“ Eikörper (siehe Abb. 61) darstellt. 

Die Krümmungsverhältnisse liegen daher einmal dorsal-volar, einmal 
radial-ulnar, nicht wie es bei oberflächlicher Betrachtung scheinen könnte 
im Sinne des Durchmessers des Ellipsoids bzw. senkrecht dazu. 

Auf einem solchen „spindelförmigen“ Körper, der — wie auf Seite 146 
dargestellt — durch Umdrehung eines Kreisabschnittes um die Achse A’ A’ 
entstanden gedacht werden kann, läßt sich eine entsprechend gekrümmte 
„Eischale“ wohl „um die vertikale Achse A’A’ kongruent gleitend verschieben, 
(Abbildung 62) während sie in der Längsrichtung des Vollkörpers, d.h. um 
eine horizontale, senkrecht zur Achse AA stehende Achse nur bei Inanspruch- 
nahme der Knorpeldeformierbarkeit noch einigermaßen gleitend verschoben 
werden kann.“ 

Eine Knorpeldeformierbarkeit ist aber auch hier in den verlangten Aus- 
maßen unmöglich, so daß also nur eine Bewegung um eine ulnar-radiale 
Drehungsachse (AA in Abb. 61, 62) stattfindet. 

Randbewegungen im Sinne der radialen oder ulnaren Abduktion sind 
somit in der Art. intercarpea ausgeschaltet. Es finden einzig und allein nur 
Volarflexionen statt. 

Im Vergleich mit dem Bewegungsumfang der ersten Carpusreihe, ist 
die einzig vorhandene Volarflexion der zweiten Carpusreihe sehr viel geringer. 


6. Articulatio carpometacarpeae. 


a. Gelenkflächen der Art. carpometacarpeae. 
I. Proximale Flächen. (Abb. 63). 


Die vier distalen Flächen der Carpalia sind alle dorsal breiter als volar. 
Dadurch kommt, besonders auf der radialen Seite, wo das Os C I vollständig 
unter dem Os C II liegt, eine starke Gewölbebildung der Hand zustande, 
Die Flächen selbst haben alle keine einfache, gleichmäßig gekrümmte Gestalt. 
Man kann sie demnach mit keinem bekannten Gelenkkörper vergleichen. 
Sie gehören zu den „Art. irregulares“ R. FICK’. 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 159 


a. Os Carpale I: Das Os C I hat eine ungefähr halbmondförmige 
distal-radial-volar gerichtete Gelenkfläche für den ersten Finger. Sie ist 
annähernd sattelförmig gestaltet. Außerdem befindet sich auf der ulnaren 
Seite des Knochens eine ulnar-dorsale Fläche für das Metacarpale II. 


ß. Os CarpaleIl: Dieser Knochen schließt sich unmittelbar mit einer 
dreieckigen Gelenkfläche (Spitze volar) an das Os CI an. Es liegt von allen 
Carpalknochen am weitesten proximal, d.h. seine distale Fläche liegt nicht 
in derselben Ebene wie die übrigen Carpalflächen, sondern tiefer, proximal- 
wärts, Dadurch rückt das hieran artikulierende Metacarpale II in den Carpus 
hinein. In,der Mitte des Os C II zieht sich in dorsal-volarer Richtung eine 
Gelenkleiste hin. Dadurch ist die Fläche nicht nur dorsal-volar konkav, 
sondern’ auch radial-ulnar konkav. 


Abb. 63. Canis lupus L. Profil der proximalen Reihe der 
Art. carpometacarpeae. 2:1 nat. Gr. 


y. Os Carpale III: Das Os C III hat die Gestalt eines unregelmäßigen 
Vierecks.. Es ist dorsal breiter als volar, dorsal-volar konkav, teilweise, 
besonders in der Mitte, aber gleichzeitig konvex. Mit Ausnahme eines ulnar- 
volaren Teiles dient es der Artikulation des Metacarpale III. Besonders 
bemerkenswert sind an dieser Fläche die dorsal-radiale Ecke, die leicht nach 
der”proximalen und die dorsal-ulnare Ecke, die nach der distalen Seite ein- 
gebogen sind. Es sind, wie wir sehen werden, Hemmflächen, dazu da, Be- 
wegungen des Metacarpale III nur in einer Richtung zu gestatten. 


0. Os Carpale IV-+-V bietet mit seiner großen Fläche den Meta- 
carpalia IV-und V Artikulationsgelegenheit. Daher ist seine Gelenkfläche 
bei weitem die größte der distalen Carpalknochen. Auch sie ist volar schmaler 
als dorsal und ist in der Hauptsache dorsal-volar konkav. In der Mitte zieht 


160 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


sich eine Erhebung von dorsal nach volar, die die Begrenzung der beiden 
zusammenstoßenden Metacarpalia IV und V angibt. 

II. Distale Flächen (Abb. 64). 

Die proximalen Flächen an den Basisenden der Metacarpalia sind denen 
der Carpalia ganz analog ausgebildet. 

Besonders hervorzuheben sind die tiefen, keilförmigen Einschnitte der 
Metacarpalia I, II und III. Ferner ist auffallend, daß drei Metacarpalia nicht 
nur mit einem zugehörigen Carpalknochen artikulieren, sondern mit zwei, 
bzw. drei Carpalknochen zugleich, also eine doppelte bzw. dreifache Ein- 
gelenkung im Carpus vorhanden ist. So artikuliert der Mc II in der Haupt- 
sache mit dem Os C II, tangiert aber außerdem an der radialen Seite in 
radialer Front das Os C I, und an der ulnaren Seite in ulnarer Front das 
Os C III. Dadurch ist das Mc II mit seiner proximalen Basisfläche tief in 


Abb. 64. Canis lupus L. Profil der distalen Reihe der Art. carpometacarpeae. 
2:1 nat. Gr. 


den Carpus hineingerückt. Auch die Metacarpalia IV und V haben außer 
ihrer gemeinsamen Gelenkung mit dem Os C IV -- V noch eine weitere 
Verbindung und zwar Mc IV mit dem ulnar-volaren Teile der distalen Os C III- 
Fläche, und das Me V noch mit dem köpfchenförmigen Gebilde des Os Ulnare 
(vgl. hierzu Abb. 46). 

Diese Art der Gelenkung gibt dem Gelenkspalt eine ungeheure Festig- 
keit, außerdem aber dienen einige Flächen dazu, seitliche Bewegungen zu 
verhindern (siehe Teil c). 


b) Bandverbindungen der Art. carpometacarpeae. 

a. Volare Bänder (Abb. 58). Diese sind bereits beim vorigen Gelenk- 
spalt erwähnt worden: Es sind die Ligg. carpometacarpeae, die vom Os 
Pisiforme zu den Basen der Metacarpalia IV und V laufen und dadurch 
auch für den vorigen Gelenkabschnitt Bedeutung haben. 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 161 


$. Dorsale Bänder (Abb. 59). Es sind die Ligg. carpometacarp. dor- 
salia, die einmal vom Os C III zu den Metacarpalia II, III und IV ver- 
laufen, ferner von Os C IV — V zum Mc V einen Bandzug entsenden. 

ec) Bewegungen in der Art. carpometacarpeae. 

In den Handwurzel-Mittelhandgelenken sind nur wenige ausgiebige Be- 
wegungen möglich. Trotz großer unregelmäßiger Gestaltung der Gelenkflächen 
sind nur Bewegungen in einer Richtung ausführbar. In der „Mittelstellung“ 
des Gelenkabschnittes, von der wir wiederum ausgehen können, sind die dor- 
salen Ränder der Carpalia und der Metacarpalia aufeinandergepreßt. Tritt 
jetzt Beugung ein, so heben sich die dorsalen Ränder voneinander ab, und 
die Metacarpalia gleiten nur wenig an den Carpalia entlang. Die Bewegung 
ist lediglich eine Volarflexion um eine radial-ulnare Achse. Jetzt wird uns 
auch die unregelmäßige Gestaltung der Gelenkflächen klarer. Sie haben die 
Aufgabe, nur diese Bewegung zu unterstützen. Die tiefen Furchen in den 
Metacarpalia I, II und III, die alle genau dorsal-volar verlaufen, ferner die 
seitlichen Einbiegungen am Os C III machen diese Volarflexion zu einer 
reinen zwangsläufigen Scharnierbewegung (s. Röntgenaufnahme Tafel XVI, 
Abb, 115, 116). 

Es bedarf jetzt noch eines Blickes auf die Bewegung im Os CO IV— V- 
Gelenk. Im vorigen Abschnitt wurde darauf hingewiesen, daß das OsCIV-- V 
geringere Bewegungsmöglichkeit besitzt als die benachbarten Carpalknochen 
der distalen Reihe. Dies würde also bedeuten, daß das Mc IV 4- V nicht so 
weit gebeugt werden kann wie die übrigen Carpalia. Wir sehen nun aber 
in dem Carpometacarpalgelenk diesen Nachteil in der Bewegung ausgeglichen: 
Wie Messungen ergaben, ist die Exkursionsbreite der Me IV und V um 
ca. 8 Grad größer als die der anderen Metacarpalia. Eine Dorsalflexion 
findet nicht statt. Ebenso fehlen Seitenbewegungen im Sinne der radialen 
oder ulnaren Abduktion. Zur Verhinderung dieser Bewegungen sind die senk- 
recht zur ulnar-radialen Richtung verlaufenden Gelenkflächen am Os C III 
und am Os C ], ferner die auf dem köpfchenförmigen Teil des Os Ulnare 
gelegene, radialwärts schauende Gelenkfläche als Hemmflächen ausgebildet. 

So können wir also die an diesem Gelenkabschnitt vorhandenen Un- 
regelmäßigkeiten der Gelenkfiächen ganz durch den „Mechanismus“ der Art. 
carpometacarpeae erklären. Die gleichzeitige Verwendung von Flächen zu 
Hemm- und Stützfiächen — zu letzteren kann auch noch die bisher funk- 
tionell nicht erwähnte ulnar-volare Fläche am Os C III gerechnet werden — 
und das Ineinandergreifen dieser in die Flächen, die Volarflexion hervor- 
rufen, diese Tatsachen sind es, die ein solches Konglomerat von Unregel- 
mäßigkeit erzeugen. 


162 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


7. Zusammenfassende Übersicht über die Bewegungen. 

Betrachten wir nun zum Schluß die Gesamtbewegungen des Terminal- 
segmentes der Vordergliedmaße, so läßt sich besonders hervorheben, daß 
zwei Gelenkabschnitte (Art. intercarpea, Art. carpometacarpeae) reine Volar- 
flexionen ausführen, also Bewegungen in nur einer Ebene um radial-ulnare 
Drehungsachsen. Nur in der Art. antebrachiocarpea ist noch außer diesen 
ginglymischen Bewegungen eine schraubenförmige Bewegung (im supinato- 
rischen Sinne) am Ende der Volarflexion vorhanden. Die Exkursionsbreiten 
der einzelnen Artikulationen nehmen distalwärts ab, d. h. also in der Art. 
antebrachiocarpea ist sie am größten, wobei sogar starke Klaffung des Ge- 
lenkspaltes eintritt (siehe Röntgenaufnahme Tafel XVI, Abb. 116), in der 
Art. intercarpea wesentlich kleiner und in der Art. carpometacarpeae am 
geringsten. 

Dadurch, daß durch Bänder und Hemmflächen, durch starke Wölbung 
der Hand und doppelte, ja sogar dreifache Gelenkung der einzelnen Knochen 
eine besondere Festigkeit und Stützkraft des ganzen Carpalsegmentes und 
außerdem eine scharniermäßige Zwangsbewegung erreicht ist, ergibt sich 
die Einseitigkeit des Terminalsegmentes des Hundes vollkommen. Aber auch 
die gelegentliche Scharrbewegung, wobei die Erdmassen unter den Bauch 
des Tieres fliegen, findet ihre Erklärung in der schraubenförmigen Bewegung 
des ersten Handgelenkes, die das Terminalsegment der Vordergliedmaße in 
supinatorischem Sinne dreht. Die kolossalen mechanischen Leistungen lassen 
sich also gänzlich aus der anatomischen (gelenkmechanischen) Konstruktion 
ablesen. 

II. Meles meles L. 
1. Lebensweise. 

Der Dachs ist als Typ eines ausgesprochenen Gräbers untersucht worden. 
Bei ihm kommt neben der natürlich bei allen Tieren vorhandenen einfachen 
Lokomotion, die, wie im BREHM behanptet wird, „schleppend“ und „schwer- 
fällig“ erscheint, und deshalb bei schnellstem Lauf kaum fördert, so daß 
ihn bequem „ein guter Fußgänger einholen könne“, noch die grabende Tätig- 
keit vor. Es scheint gerade so, als ob diese meisterhaft beherrschte „Kunst“ 
auf Kosten des Laufens ausgebildet ist. Wie alle grabenden Mammalia be- 
dient er sich beim Graben der Vorderextremitäten, die kurz und plump er- 
scheinen und mit den Endabschnitten des Vorderarmes, den „Händen“, kon- 
vergieren. Besonders letztere bilden mit starken Krallen bewaffnet den eigent- 
lichen „Schaufelapparat“. Da ich leider die Tätigkeit dieses „Apparates“ am 
Tier selbst nicht beobachten konnte — die Tiere im hiesigen Zoologischen Garten 
taten mir den Gefallen nicht, zu graben — so entnehme ich diesbezügliches 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 7163 


aus der Schilderung im BREHM: „Seine Stärke macht es ihm leicht, Höhlen 
auszuscharren, und wie einige andere unterirdisch lebende Tiere ist er im- 
stande, sich in wenigen Minuten vollkommen zu vergraben. Dabei kommen 
ihm seine starken mit tüchtigen Krallen bewaffneten Vorderfüße vortrefflich 
zustatten. Schon nach sehr kurzer Zeit bereitet ihm die aufgegrabene Erde 
Hindernisse; nun aber nimmt er seine Hinterfüße zu Hilfe und wirft mit 
kräftigen Stößen das Erdreich weit hinter sich. Wenn die Aushöhlung weiter 
fortschreitet, schiebt er, gewaltsam sich entgegenstemmend, die Erde mit 
seinem Hinterteil nach rückwärts, und so wird es ihm möglich, auch aus 
der Tiefe sämtliche Erde herauszuschaffen“. 


Obgleich über die Bewegung der Hände an sich nichts gesagt ist, so 
glaube ich jedoch, aus dieser Darstellung eine Übereinstimmung mit der 
Scharrbewegung des Hundes zu konstatieren. Denn der Dachs benutzt auch 
sekundär und alternierend die Hinterbeine zum Wegschaffen der gelockerten 
Erdmassen, ganz ähnlich wie der nur gelegentlich scharrende Hund. Daraus 
entnehme ich, daß auch der Dachs mit seinen Händen die Erde unter seinen 
Bauch schaufelt, zumal er beim Graben der Röhren seines Baues wohl kaum 
so viel Platz haben dürfte, die Erde in der Parallele mit der Mediane seines 
Körpers, oder sogar nach außen hin anzuhäufen. 


Wenn ich den Dachs beim Herumgehen in seinem Käfig beobachtet 
habe, so konnte ich stets, auch bei den langsamsten Bewegungen, ein relativ 
schnelles Beugen der Hände erkennen. Auch wurde die Hand nie in reinen 
Volar-Dorsal-Flexionen, sondern immer nach einwärts bewegt. Da ich, so oft 
ich auch den Dachs beobachtete, niemals andere Bewegungsarten gesehen 
habe, so dürfte diese Bewegungsrichtung auch stets beim Graben in foreier- 
terem Maße ausgeführt werden. 


2. Trittkissen (Abb. 65). 

Auf der Volarseite der Handwurzel ist nur das Os Pisiforme mit einem 
ovalen Kissen bedeckt. Dann folgt über die Handwurzel und die proximalen 
Teile des Metacarpus eine unbehaarte Furche, die bis zu den Metacarpo- 
phalangealkissen reicht. Letzteres legt sich quer über die Metacarpophalangeal- 
gelenke und ist ulnar breiter als radial. Es ist deutlich in drei Teile ge- 
teilt, die durch schmale Furchen aneinandergrenzen und zwar ist das auf 
der radialen Seite gelegeue dreiecksförmig gestaltet, mit der Spitze nach 
der distalen Seite zeigend; das mittlere Kissen ist ebenfalls dreieckig, aber 
mit der Spitze nach der proximalen Seite zu gelegen, und das an der ulnaren 
Seite befindliche Kissen schließlich legt sich rhombenartig an das mittlere 
Kissen an. Eine tiefe Furche trennt diese zusammenhängenden Teilkissen 


164 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


von den Fingerballen, die länglich oval auf je einer Endphalange eines 
Fingers sitzen. 


Abb. 65. Meles meles L. Trittkissen der rechten 
Vordergliedmaße (nach BRANDT 1914). 


3. Gesamtform der Hand (Abb. 66). 

Die „Hand“ ist im Gegensatz zur Canis- „Hand“ nicht eine geradlinige 
Fortsetzung des Unterarmes, sondern die Mittelachse des Unterarmes bildet 
mit der Mittelachse der „Hand“ einen nach der ulnaren Seite zu offenen 
Winkel (Taf. XVII, Abb. 119). Der Radius artikuliert nur mit_dem Os Rad. et 
intermed., und die Elle mit dem Os Ulnare und dem Os Pisiforme. Im übrigen 
sind wieder sieben Carpalknochen vorhanden, die sich proximalwärts halb- 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 165 


kreisförmig, distalwärts gradliniger zusammensetzen. Daran schließen sich die 
fünf Metacarpalia, deren distale Enden einen Halbkreis bilden; der am wei- 
testen distalwärts hervorragende Teil des Bogens wird vom Capitulum des 
Metacarpale III gebildet. Die Handachse läuft zwischen dem dritten und 
vierten Finger hindurch. Die Hand ist also, wie bei Üanis, paraxonisch. 
Besonders auffallend ist die Mächtigkeit der ulnaren Metacarpalia. Der fünfte 
Finger übertrifft an Mächtigkeit bei weitem die anderen, so daß der Daumen 


u 


u 


Abb. 66. Meles meles L. Übersichtsbild über die rechte 
„Hand“ (dorsale Aufsicht). 


am schlanksten erscheint. An den Endphalangen hat die Hand, besonders 
an den vier ulnaren Fingern, ca. 2 cm lange Grabkrallen. 


Eine Bogenbildung der Vola ist gut ausgeprägt. Die Hand gleicht so- 
mit ihrem äußeren Habitus nach einer Schaufel. 


166 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


4. Articulatio antebrachiocarpea. 

Am proximalen Handgelenk sind die beiden Unterarmknochen, Radius 
und Ulna, sowie drei Handwurzelknochen beteiligt. Radius und Ulna nehmen 
direkt an der Gelenkbewegung teil und zwar artikuliert der Radius mit 
dem Os Rad. et intermed., die Ulna mit dem Os Ulnare und: dem Os Pisi- 
forme. 


a) Gelenkflächen der Art. antebrachiocarpea (Abb. 67, 68). 


a. Radius: An der distalen Gelenkfläche des Radius kann man zwei 
Teile unterscheiden. In der Hauptsache besteht sie aus einer in dorsalulnar- 
volarradialer Richtung ausgehöhlten eiförmigen Fläche, woran sich am Über- 
gang der volaren Gelenkflächenkante zum Griffelfortsatz eine sattelförmige 
Gelenkfläche anschließt. Es findet eine scharfe Abgrenzung von Speichen- 
fortsatz und dem übrigen Facettenteil statt. Letzterer enthält in der Haupt- 
sache die starke Konkavität. In der Aufsicht auf die Radiusfläche haben 
wir also ein Bild, als ob wir in die Höhlung einer Eischale sehen würden, 
die an der radialen Seite durch den Speichenfortsatz verlängert ist; und 
zwar befindet sich an der Übergangsstelle in der dorsalen Kante eine tiefe 
Cäsur. 


Die „große Achse“ liegt zur Längsachse der Speiche in einem Winkel 
von ca. 60 Grad und verläuft außerdem nicht horizontal, sondern von dorsal- 
radial nach volarulnar. Eine Senkrechte auf der Mitte der Gelenkpfanne 
(d. h. auf dem langen Durchmesser der Eifläche, auf der sogenannten „großen 
Achse“) errichtet, weicht von der Verlängerung der Unterarmlängsachse 
distalwärts nicht nur nach der Ellenseite, sondern auch volarwärts ab, d.h. 
die Pfanne schaut außer distal-ulnarwärts gleichzeitig auch volarwärts. 


Abb. 67. Meles meles L. Profil der proximalen Reihe der 
Art. antebrachiocarpea. 3,3:1 nat. Gr. 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 167 


Die Längsrichtung des Sattelrückens an der radialvolaren Kante des 
Radius läuft mit der „großen Achse“ des konkaven Anteiles der Radiusfläche 
parallel, bildet also ebenfalls einen Winkel von 60 Grad zur Längsachse 
der Speiche. Ferner ist die Längslinie des Sattelrückens ein Teil einer 
Schrauberlinie. Denkt man sich nämlich ihr radiales Ende weiter fortgeführt, 
so würde sie volarwärts unter dem Speichenfortsatz verschwinden. Es sind 
für diesen Teil der Radiusfacette die Bedingungen für eine Schraubenfläche 
gegeben; denn sie verläuft einmal dorsal-volar schräg, ferner ist sie nach 
distal-radial gebogen und schießlich noch in sich geschwungen. 

ß. Ulna: Sie beteiligt sich an der Art. antebrachiocarpea mit einer 
Fläche, die, einen Gelenkkopf darstellend, ganz am Ende des Grifielfortsatzes 
liegt (Abb. 68). Sie zieht sich von dorsal nach volar stark gebogen herum und 
wird durch eine Gelenkflächencharakter besitzende stumpfe „Schneide“ in eine 
radialwärts schauende und eine volar-ulnarwärts schauende Fläche geteilt. 

y. Os Radiale etintermedium: Dieser Knochen (Abb. 68) zeigt eine 
Fae. art. radialis, die die ganze Proximalseite des Knochens mit Ausnahme des hier 
kleinen Processus carp. rad. bedeckt. Ganz entsprechend der Radiusfacette ist auch 


Abb. 68. Meles meles L. 

Profil der distalen Reihe der 

Art. antebrachiocarpea. 
3,5:1 nat. Gr. 


hier eine Zweiteilung der Fläche wahrzunehmen. Ein großes eiförmiges Ge- 
lenk, dessen Konvexität in dorsal-volarer Richtung so stark ist, daß der 
dorsale Teil dieser Facette ganz auf die dorsale Seite des Knochens über- 
geht, hat den Hauptanteil an der Gesamtfläche. Durch die äußerst starke 
Konvexität erscheint die Dorsalfläche des Knochens wesentlich verlängert. 
Ein Bild über diese starke Wölbung erhält man, wenn man den Knochen 


168 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


in radialer Aufsicht betrachtet. Sie ragt dann keilförmig in die Radiusfacette 
hinein (siehe Röntgenaufnahme Tafel XVI, Abb. 117). Im Gegensatz dazu ist 
die Krümmung in radial-ulnarer Richtung nicht sehr groß. 

Außerdem ist in der radial-volaren Ecke der Eifläche, dort, wo sie mit 
einer herzförmigen Spitze auf dem Processus carp. rad. grenzt, ein Sattel- 
gelenk ausgebildet, das in bezug auf Ausdehnung weit hinter der eiförmigen 
Fläche zurücksteht. 

d. Os Ulnare: Das Os Ulnare (Abb. 68) enthält zwei durch einen Wall 
getrennte Gelenkflächen. Die obere, in die der Proc. styl. ulnae gelenkt, ist der 
Gestalt nach ein Ellipsoid, das konkav ausgehöhlt ist. Die untere ist annähernd 
dreieckig mit der Spitze an der ulnaren Seite und in radialvolar-ulnardor- 
saler Richtung leicht konvex. Diese Fläche ist zur Os Pisiforme-Gelenkung 
bestimmt. 

e. Os Pisiforme: Das Os Pisiforme (Abb. 68) besitzt eine distale, genau 
der unteren Os Ulnare-Fläche entsprechende Fac. art. anterior und eine nach 
proximal-dorsal schauende Fac. art. posterior für den Proc. styl. ulnae, die 
am radialen Ende eng beginnend, sich halbkreisföürmig am ulnaren Rande 
erweitert und konkav ausgehöhlt ist. 

In diesem Gelenkspalt ist das Os Ulnare nur durch Bandmassen an das 
Os Rad. et intermed. befestigt. Gelenkflächen zwischen beiden Knochen sind 
nicht ausgebildet. Beide Knochen bilden miteinander einen distalwärts offenen 
stumpfen Winkel. In der Mitte dieser Art. antebrachiocarpea ist durch die 
gegenseitige Stellung der Knochen ein großer Spalt bedingt, der aber zum 
größten Teil mit einer breiten Bindegewebsmasse ausgefüllt ist (siehe Röntgen- 
aufnahme Taf. XVII, Abb. 118). Da sich diese sowohl an das Os Rad. et 
intermed. als auch an das Os Ulnare festheften, wird der Gelenkspalt der 
Art. antebrachiocarpea in zwei getrennte Kapseln geteilt. 

b) Bewegungen in der Art. antebrachiocarpea. 

Da Dorsalflexion vollständig ausfällt, so ist extremste Streckung erreicht, 
wenn die „Hand“ sich in „Mittelstellung* befindet. Von ihr wollen wir 
wieder ausgehen. Wie schon bemerkt wurde, ist der weitaus größte Teil 
der Fac. art radialis des Os Rad. et intermed. ein Eigelenk, das besonders 
in dorsal-volarer Richtung stark gekrümmt, während die dazu senkrechte 
Krümmung äußerst gering ist, und außerdem ist ein kleiner radial-volarer 
Abschnitt vorhanden, der den Charakter einer Schraubenfläche besitzt. Somit 
sind durch diese beiden verschiedenen Gelenkcharaktere zwei Arten von Be- 
wegungen bedingt, die auf den ganzen Gelenkabschnitt gangbestimmend wirken. 

1. Radiale Volarflexion wird durch den großen eigelenk- 
förmigen Abschnitt bedingt. Die Achse, um die sich das Os Rad. et intermed. 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 7169 


dabei dreht, verläuft genau parallel der „großen Achse“ der Radiusfacette, 
d. h. in dorsalradialer-volarulnarer Richtung durch die distale Carpusreihe. 
Da in der äußersten Streckstellung die dorsalen Gelenkränder des Os Rad. et 
intermed. und des Radius zusammenfallen, und da ferner die Fac, art. radialis 
als der bewegende Teil größer ausgebildet ist, so bleibt bei extremster 
Streckung das volare Ende der proximalen Fläche des Os Rad, et intermed. 
unbedeckt, und der Radius drückt nur auf den dorsalen Teil der Os Rad. et 
intermed.-Gelenkfläche. Dabei liegt der stark gebogene Teil der Os Rad. et 
intermed.-Fläche, der eine so starke Krümmung aufweist, daß man von einem 
„Rücken“ sprechen kann, mit seiner oberen Rückenfläche der Radiusfacette 
an. Nur am dorsalen Rand derselben greift der Griffeifortsatz auf die untere 
Rückenfläche über, so daß der Rücken am radialen Teil durch die Cäsur 
an der Radiusfacette geht. Es läßt sich diese Tatsache auch so darstellen, 
daß die Radiusfacette mit ihrem Proe. styloideus die stark konvexe Os Rad. 
et intermedium-Gelenkfläche am radialen Teile wie eine Klammer umgreift. 
Obgleich nun der Proc. styl. radii volar vom Rücken der Os Rad. et inter- 
medium-Fläche zu liegen kommt, berührt er noch nicht die an seiner Seite 
gelegene Schraubenfläche, sondern läßt noch einen großen Teil der Fae. art. 
radialis frei. Bei der nun eintretenden Beugung findet reine Flexion statt, 
die aber nach der radialen Seite abweicht, infolge der dorsalradial-volarulnaren 
Drehungsachse, soweit bis der Speichenfortsatz die sattelförmige Gelenkfläche 
im Os Rad. et intermed. erreicht. Hervorzuheben ist, daß diese radiale Volar- 
flexion sprunghaft ausgeführt wird. Würde das Os Rad. et intermed, langsam 
am Radius entlanggleiten, so müßte einmal der Zustand eintreten, wo der 
Rücken der Os Rad. et intermed.-Facette auf der Radiusfacette „balanciert“. 
Dies könnte aber nur durch äußerst vorsichtige Flexion erreicht werden, 
sonst kippt der Knochen sofort um diese Rückenkante herum. Da beim 
Graben die Erwägung einer so äußerst langsamen Beugung eo ipso fortfällt 
und beim Gehen des Tieres solche vorsichtigen Bewegungen kaum ausgeführt 
werden dürften — es wurden auch niemals solche langsamen Flexionen be- 
obachtet — so wird ein langsames Hinübergleiten über diese Fläche gar 
nicht möglich sein. Verstärkt wird diese sprunghafte Bewegung dadurch, 
daß der Speichenfortsatz des Radius eine „klammerartige* Umfassung der 
Os Rad. et intermed.-Fläche verursacht. Dadurch ist volarflektorisch eine 
zwangsläufige Bahn geschaffen, die z. B. irgendwelche Drehbewegungen in 
diesem Teil der Facetten ausschließen, obgleich theoretisch in einem Eigelenk 
Bewegungen um andere als die zwei „Hauptachsen“ durchaus möglich sind. 
Auch Randbewegungen im Sinne der radialen und ulnaren Abduktion um 


eine senkrecht zur dorsalradial-volarulnaren Achse des Eigelenkes finden 
If 


170 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


nicht statt, denn wir haben hier, wie wir es bei Canis bereits konstatieren 
konnten, eine so geringe Krümmung, daß die Achse bereits sehr weit von 
der Gelenkfläche abgerückt ist, und somit das Gelenk praktisch wie ein 
Zylindergelenk wirkt und daher nur volarflektorische Bewegungen auszuführen 
vermag. 

Erst wenn der Speichenfortsatz die sattelförmige Gelenkfläche berührt 
und somit auch die Schraubennatur dieser zusammenstoßenden Flächen sich 
auswirken kann, beginnt die zweite Art der Bewegung, eine 2. Bewegung 
im supinatorischen Sinne. Diesen Vorgang kann man so darstellen, 
daß das Os Rad. et intermed. in seiner Sattelfläche um die schräg stehende 
volare Kante der Radiusgelenkfläche herumkippt. Natürlich kann diese Be- 
wegung nur um eine neue Achse erfolgen, die durch Komposition der räumlich 
verschiedenen Teilachsen des Sattelgelenkes konstruiert werden kann. Die 
Folge ist eine schraubenförmige Bewegung im supinatorischen Sinne. 
Am Ende der Gesamtbewegung ragt der größte Teil der Fac. art. radialis 
über den dorsalen Rand der Radiusfacette hinaus, und es kommt der Gelenk- 
spalt auf der dorsalen Seite zum Klaffen (siehe Röntgenaufnahme Tafel XVIII, 
Abb.121). Das Os Ulnare führt durch Übertragung der Bewegungen vom Os Rad. 
et intermed. ganz ähnliche Exkursionen aus. In der „Mittelstellung“ stoßen 
der oberste Rand der radialwärts schauenden Gelenkkapsel des Proc. styl. 
ulnae und der radiale Teil der Ulnare-Fläche zusammen. Bei nun eintretender 
Beugung wird der obere Gelenkkopfrand der Elle abgehoben und das Os Ul- 
nare gleitet um diesen herum, wobei auch der ulnare Teil der Os Ulnare- 
Facette unter Druck gerät. Auch hier kann eine solche Beugung, die ebenfalls. 
um eine dorsalradial-volarulnare Achse erfolgt, nur sprunghaft stattfinden; 
denn der Ellengriffelfortsatz besitzt einen sehr stark gekrümmten Gelenk- 
kopf, der von der ulnaren Seite betrachtet in einen äußerst starken Bogen 
um den Processus herumläuft, so daß man bei ihm fast von einer stumpfen 
„Schneide“ sprechen möchte. Diese teilt ihn in einen radialwärts schauenden 
und einen volarulnarwärts schauenden Gelenkflächenteil.e Bei vorsichtiger 
langsamer Beugung müßte also ein Zustand eintreten, wo diese „Schneide“ 
die Os Ulnare-Fläche allein berührt. Dieses würde uns aber einen äußerst 
labilen Zustand repräsentieren, der niemals durch schnelle Bewegungen er- 
reicht werden kann. Es ist also ganz ähnlich wie in der Radius-Os Rad. 
et intermed.-Artikulation. Da die „Hand“ niemals so fein balancieren kann, 
wird das Os Ulnare mit einer plötzlichen Bewegung um die „Schneide“ 
herumkippen. Hierbei kommt auch die für den Eillenfortsatz bestimmte 
Os Pisiforme-Gelenkfläche, die in der „Mittelstellung* der Hand in einem 
rechten Winkel zu demselben steht, mehr und mehr in Berührung mit dem 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 7171 


Processus. Erst im letzten Teil der Bewegung überhaupt, bei der supina- 
torischen Schraubenbewegung, kommt das Gelenk zwischen Ulna und Os Pisi- 
forme zum Schließen. 


Bewegungen im Os Pisiforme-Os Ulnare-Geienk sind sehr gering, da 
diese Knochen durch den Bandapparat fest aufeinandergepreßt werden. Damit 
wird aber eine Transmission für den Zug des kräftigen Muse. flex. carp. ul- 
naris geschaffen, der an seiner Insertionsstelle am Os Pisiforme eine Band- 
verknöcherung enthält, die bei dem Dachs allein beobachtet wurde. 


5. Articulatio intercarpea. 

Die Artikulation entspricht ganz den allgemeinen Verhältnissen. Es sind 
in diesem Zwischenhandgelenk deutlich zwei Flächensysteme zu unterscheiden: 
1) ein ulnares stark gewölbtes und 2) ein radiales mit sehr flachen Gelenk- 
facetten. 


a) Gelenkflächen der Art. intercarpea (Abb. 69, 70). 


a. Os Rad. et intermed.: An diesem Knochen, der sich mit allen 
vier distalen Carpalknochen verbindet, kann man diese Zweiteilung ebenfalls 
beobachten. Ungefähr in der Mitte seiner distalen Fläche trennt eine Leiste 
zwei in ihrer Zeichnung ganz voneinander verschiedene Gelenkflächensysteme. 


2 
AHSTLD 
EZ 


EZ 


Abb. 69. Meles meles L. Profil der 
proximalen Reihe der Art. intercarpea. 
3,3:1 nat. Gr. 


Radial von der Leiste liegt ein Flächensystem, das zur Hälfte beinahe eben, 
zur Hälfte konkav ist. Die Leiste, die von volarradial schräg nach dorsal- 


ulnar verläuft, liegt in einem Winkel von ca. 70 Grad zur Längsachse des 
11*®2 


1:72 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Knochens. Sie geht nach der radialen Seite in zwei angrenzende Flächen 
über, von denen die konkave volare für das Os C I, die beinahe ebene 
dorsale mitsamt der Leiste für das Os C II und für den dorsalen Teil des 
Os CI bestimmt ist. 

Der ulnar von der Leiste gelegene Anteil der distalen Fläche am Os Rad. 
et intermed. stellt ein zweites durchaus konkaves Flächensystem dar, das 
aus zwei Hohlflächen besteht. Es sind dies die Fac. art. capitati und hamatıi. 
Die erstere ist stark ausgehöhlt und läßt sich durchaus mit einer eiförmigen 
Ringwurstfläche vergleichen. Ferner besitzt sie noch eine von dorsal nach 
volar allmählich zunehmende Krümmung, so daß die Begrenzungslinie eines 
Schnittes, der von dorsal nach volar vollzogen wird, durch diese Gelenkfläche 
eine Spirale darstellt, d.h. also die Krümmung der Fläche nimmt volar- 
wärts zu. Außerdem hat sie Schraubenflächencharakter. Wenn man nämlich 
diese Fläche in entsprechendem Sinne weiterformen würde, so würde sie sich 
nieht nur um eine radial-ulnare Achse spiralig aufdrehen, sondern noch längs 
dieser Achse gleichmäßig fortschreiten, so daß wir einen wendeltreppenähnlich 
gewundenen Körper erhalten. Ein Zeiger, der senkrecht zur Achse an ihr 
befestigt wurde, zeigte mir, daß ein wenn auch geringes Fortschreiten längs 
der Drehungsachse vorhanden ist, wir also in der Tat eine Schraubenfläche 
mit geringer „Ganghöhe“, wie man den Abstand zweier Schraubenwindungen 
zu nennen pflegt, vor uns haben. 

Die Fac. art. hamati ist in ulnar-radialer Richtung etwas breiter als 
die vorige Fläche, teilt aber mit ihr den Charakter einer Ringwurstfläche, 
die zugleich spiralig gekrümmt und ein Teil einer Schraubenfläche mit ge- 
ringer Ganghöhe ist. 

ß. Os Ulnare: Die distale Fläche dieses Knochens schaut radialein- 
wärts (Abb. 69). Sie ist ausgehöhlt und gehört somit zum konkaven Flächensystem 
dieses Gelenkabschnittes.. Am dorsal-ulnaren Rande ist sie ein wenig sattel- 
förmig gebogen. Darunter, am ulnaren Rande des Os Ulnare, zieht sich eine 
fast ebene zungentörmige Gelenkfläche entlang, die im Anfange schmal ist 
und breit nach volar ausläuft. In diese artikuliert in bestimmter Stellung 
der Metacarpale V. 

y. Ossa Carpalia: Auch bei diesen Knochen sind in der proximalen 
Aufsicht zwei Systeme zu erkennen, die aber fest miteinander verbunden 
sind und somit mechanisch als ein einziger Gelenkkörper betrachtet werden 
können (Abb. 70). 

Die Carpalia I und II stellen zusammen das flachere Flächensystem dar 
und bilden genau das Gegenstück zu den Artikulationsflächen am Os Rad. 
et intermed.. In die stärker ausgehöhlte Fläche des Os Rad. et intermed. 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 173 


gelenkt die volare breite, einen zylinderförmigen Wulst enthaltende Fläche 
des Os C I, die dann in den übrigen Teilen dorsalwärts beinahe eben wird. 
Die Gestalt ist dreieckig, mit der Spitze nach dorsal gerichtet. Das Os C II, 
das sich unmittelbar an das Os C I anlegt, kommt auf die fast ebene Fläche 
des Os Rad. et intermed. zu liegen. Es besitzt ebenfalls eine dreieckige Arti- 
kulationsfläche, ist aber im volaren spitzen Teil konkav ausgehöhlt. Dadurch, 
daß die Ossa Carpalia I und II eng zusammenliegen, die Spitze des 03 CI 


Abb. 70. Meles meles L. Profil der distalen Reihe 
der Art. intercarpea. 3,3:1 nat. Gr. 


an der Basis des dreieckförmigen Os C II, bilden sie ein Viereck, das von 
dem volaren zylinderförmigen Wulst des Os C I überragt wird. Dadurch 
gehört auch der ausgehöhlte Teil der volaren Os C II-Fläche zu der Über- 
gangsregion zum Wulst. 


Die Ossa Carpalia III und IV V bilden zusammen das konvexe Flächen- 
system. Die schmale, konvexe Os U III-Eläche verläuft von dorsalulnar nach 
volarradial, steht also in einem Winkel zur dorsal-volaren Längsachse des 
Knochens. Die Gelenkfiäche bedeckt aber nicht nur den proximalen Teil 
des Knochens (wie bei Canis), sondern geht auch auf die radiale Fläche 
über. — Das Os CIV-+-V besitzt zwei Gelenkflächen, die, beide konvex, 
winkelig aufeinander zulaufen, aber nicht in einer Kante zusammenstoßen, 
sondern durch eine Gelenkbrücke verbunden sind. Die größere ulnare Fläche, 
die im dorsal-ulnaren Teil eine leichte Sattelfläche ausgebildet hat, gelenkt 
in die Hohlfläche des Os Ulnare. | 


b) Bewegungen in der Articulatio intercarpea. 

Die Bewegungen in diesem Gelenkabschnitt sind im Vergleich zum 
vorigen äußerst minimal. Dorsalflexion sowie Ab- und Adduktionsbewegungen 
sind ausgeschaltet, Dafür sind wohl charakterisierte neue Bewegungen, für 
die in erster Linie das Gelenksystem maßgebend ist, vorhanden. 

Die Achse, um die Bewegungen ausgeführt werden, läuft von dorsal- 


174 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


radial nach volarulnar. Um diese finden nun aber nicht reine Volarflexionen 
statt, sondern, entsprechend dem Bau des konkaven Flächensystems, schrauben- 
förmige Drehungen. Das Charakteristische einer solchen Bewegung ist der 
Umstand, daß bei Drehungen um eine Achse gleichzeitig ein Fortschreiten 
längs dieser Achse erfolgt. Der Natur des Schraubengelenkes entsprechend 
findet also bei Beugung des Gelenkes eine Parallelverschiebung der Carpalia 
in radialer Richtung statt, bei Streckung in ulnarer. Außerdem existieren 
in diesem Gelenkspalt fast ebene Gelenkflächen, in denen theoretisch in allen 
möglichen Richtungen parallele Verschiebungen miteinander vorgenommen 
werden können. Hier sind sie aber abhängig von dem zylinderförmig ge- 
stalteten Wulst des Os C I, der sich ebenfalls um eine schräge (dorsalradial- 
volarulnare) Achse leicht schraubenförmig bewegt. 

Tritt also Beugung des Gelenkes ein, so werden auch die ebenen Gelenk- 
flächen mitgenommen, die infolge besonders engen Zusammenhalts eine Drehung 
um die Zylinderachse machen. Dadurch muß eine Entfernung der Verschiebe- 
flächen voneinander zustande kommen, und es tritt Klaffen des Gelenkspaltes 
an dieser Stelle ein (siehe Röntgenaufnahme Tafel XVIII, Abb. 121, 122). Da 
der Bewegungsumfang in dieser Art. intercarpea aber nur klein ist, so ist 
der absolute Betrag des Klaffens nicht zu groß. 

Besonders klar werden die Bewegungen in diesem Gelenkspalt, wenn 
man sie sich beim Übergang von der Volarflexion in die Streckstellung 
ansieht. Dann finden Drehungen schraubenförmiger Natur des ganzen Spaltes 
gemeinsam statt, bis die ebenen Flächen der Ossa Carpalia I und II, auf 
denen des Os Rad. et intermed. vollkommen aufliegen. Dann ist die Ausgangs- 
stellung wieder erreicht. 


6. Articulatio carpometacarpeae. 

a) Gelenkflächen der Art. carpometacarpeae (Abb. 71, 72). 

Die vier Carpalia gelenken mit den fünf Metacarpalia in Flächen von 
wechselnden Formen. (Siehe Abb. 71). 

a. Os Carpale I: Das Os Carpale I besitzt eine Fläche für den 
Daumen, die nach radial außen gerichtet ist. Ihre Gestalt ist schmal oval, 
ist aber kein Ellipsoidgelenk, denn im volaren Teil ist die Fläche von radial 
nach ulnar konvex gebogen. Außerdem ist eine kleine Artikulationsfläche 
für das Me II än der oberen ulnaren Seite des Knochens vorhanden. 

ß. Os Carpale II: Das Os Carpale II hat eine breite dreieckige, mit 
der Spitze volarwärts zeigende Fläche für das Mc II und ist dorsal-volar 
konkav und außerdem ulnar-radial konvex. 

y. Os Carpale III: Das Os Carpale III hat eine distale etwas hohle 
Fläche für das Me Ill. 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 175 


0. Os Carpale IV-+V artikuliert mit den Metacarpalia IV und V in 
einer gleichmäßig gekrümmten Fläche, deren dorsaler Rand länger ist als 
der volare. Richtung der Gesamtfläche ist schräg nach ulnar auswärts, 


Abb. 71. Meles meles L. Profil der proximalen Reihe 
der Art. carpometacarpeae. 3,3:1 nat. Gr. 


&. Metacarpalia (Abb. 72). Die proximalen Basisflächen der Mittelhand- 
knochen haben den Ossa Carpalia ganz entsprechende Flächen. — Die Meta- 
carpalia I und II haben außer ihren konvexen Krümmungen noch von dorsal 
nach volar ziemlich tiefe Einschnitte, was besonders gut am Mc I ausgeprägt ist. 
Das Metacarpale V läßt außer seinem gleichmäßig gekrümmten Teil an seinem 
ulnar-volaren Rande einen Wulst proximalwärts hervorspringen, an dem 
sich ulnar-volar ein Gelenkkopf ausgebildet hat, der in bestimmter Stellung 
mit der ulnaren Facette des Os Ulnare gelenkt. 


Abb. 72. Meles meles L. Profil der distalen Reihe der 
Art. carpometacarpeae. 3,3:1 nat. Gr. 


Der ulnare Basisrand des Metacarpale II artikuliert selbständig außer 
mit dem Os C II noch mit dem Os C III, und zwar so, daß der ulnare 
Basisrand an die radiale Seitenfläche des Os C III anstößt. Außerdem 
gelenkt der radial-dorsale Seitenrand mit einer kleinen Fläche am Os C I. 


176 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Dadurch rückt das Mc II ganz in den Carpus hinein, während die anderen 
Metacarpalia alle eine Richtung einhalten. In dorsaler Aufsicht sind sie alle 
halbkreisförmig (aber großer Kreisradius!) angeordnet (siehe Röntgenaufnahme 
Taf. XVII, Abb. 118). 


b) Bewegungen in der Articulatio carpometacarpeae. 

Wieder haben die vorhandenen Bewegungen äußerst geringen Umfang. 
Es sind lediglich Volarflexionen zu konstatieren. Die Metacarpalia I und II 
mit ihren tiefen Einschnitten, ferner das Hereinrücken des zweiten Meta- 
carpale und seine dadurch geschaffene seitliche Verbindung mit den Ossa 
Carpalia I uud II lassen, man kann beinahe sagen, zwangsläufig nur diese 
Bewegung zu. 

Während im ganzen Gelenk Schleifbewegungen um eine annähernd hori- 
zontale Drehungsachse stattfinden, glaube ich im Metacarpale V in den pro- 
ximal vorstehenden Gelenkkopf eine Rollbewegung feststellen zu können. 
Dafür spricht hier folgendes: Die artikulierenden Flächen sind im Meta- 
carpale V konvex und im Os Ulnare fast eben, im volaren Teil sogar auch 
leicht konvex. Es findet keine kongruente Berührung ausgedehnter Flächen- 
stücke statt, sondern es sind nur zwei Punkte der beiden gegeneinander 
bewegten Gelenkflächen in Berührung miteinander. Dies sind aber die charak- 
teristischen Vora’ssetzungen für eine Rollbewegung. 

Wie durch Röntgen des Muskelpräparates festgestellt wurde, berührt der 
Mc V die Os Ulnare-Fiäche in Streckstellung nicht (siehe Röntgenaufnahme 
Taf. XVII, Abb. 118). Erst bei eintretender Volarflexion beginnt der Gelenkwulst 
des Mc V sich auf der sich volarwärts verbreiternden Os Ulnare-Facette abzu- 
rollen. In Beugestellung ist inniger Kontakt vorhanden. Bei jeder Teil- 
bewegung des Mc V kommen also andere Stellen an den beiden Gelenk- 
flächen in Berührung, was bei einer Gleitbewegung nicht der Fall ist. 
Allenfalls besteht die Möglichkeit, daß der Mc V-Gelenkkopf dorsalwärts 
„ausrutscht“. Dann würde eine Mischbewegung aus Schleifen und Rollen 
stattfinden. Letzteres konnte aber nicht einwandfrei — schon infolge allzu 
kleinen Bewegungsumfanges — festgestellt werden. 


7. Zusammenfassende Übersicht über die Bewegungen. 

Die Bewegungen des Terminalsegmentes der Vordergliedmaße finden in 
der Hauptsache um schräge Achsen statt, die mit der Horizontalen einen 
nach radial offenen Winkel bilden. Außerdem sindin der Art. antebrachiocarpea, 
wo die größte Exkursionsbreite vorherrscht, sprunghafte, plötzliche Be- 
wegungen vorhanden, denen im letzten Teil eine schraubenförmige Bewegung 
(im supinatorischen Sinne) folgt. Auch die Artieulatio intercarpea induziert 


R. LIPS, Modificationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 177 


die Volarflexionen um eine schräge Achse im supinatorischen Sinne durch 
Ausbildung von Schraubengelenken. In dieser und in der Art. carpometa- 
carpeae sind die Bewegungsgrenzen sehr klein. 

Dorsalflexionen und radiale bzw. ulnare Abduktionen finden nicht statt. 
Es sind somit ziemlich strenge scharniermäßige Bewegungen körpereinwärts 
festzustellen. 

So läßt sich die „Hand“ durchaus mit einer Schaufel vergleichen, ' die 
durch ulnar kräftig entwickelte und leicht divergierende Finger — letzteres 
hervorgerufen durch halbkreisförmige Anordnung der distalen Carpalflächen 
— und rein scharniermäßige Bewegungen in radialer Volarfiexion verbunden 
mit supinatorischen Drehungen (als Folge der Schraubenflächen) imstande ist, 
Erdmassen unter die Körpermitte zu befördern. Nur diese Bewegungen sind 
ausführbar und werden gleichzeitig, wenn auch sehr unzweckmäßig, in den 
„Dienst“ des Laufens gestellt. 


III. Lutra lutra L. 
1. Lebensweise, 

Die Lebensweise des Fischotters, die keinem anderen Tier der Carnivoren 
auch nur in ähnlicher Form eigen ist, ist die eines ausgesprochenen „Wasser- 
marders“. Er entfernt sich nur gezwungen vom Wasser, und auch dann 
bloß in der Absicht, ein anderes Gewässer aufzusuchen. Er ist als ein 
meisterhafter Schwimmer und Taucher bekannt. Seine Hauptnahrung besteht 
aus Fischen. Der Otter verfolgt sie im Wasser und versteht es, mit seiner 
großen Schwimmkunst seine Beute gewandt zu erjagen. Dabei schwimmt er 
mit an den Leib angezogenen Extremitäten in den graziösesten Schlangen- 
windungen mittels seines langen Schwanzes und der großen Torsionsfähig- 
keit seiner Brust- und Lendenwirbel. Seine Extremitäten werden mehr zum 
Steuern benutzt. Besonders die Vorderläufe gebraucht er dazu; doch beim 
langsamen Schwimmen paddelt er mit seinen Händen, indem er mit aus- 
gebreiteter Schwimmhaut auf das Wasser tritt. Andererseits ist der Fisch- 
otter auch auf dem Lande sehr geschickt. Er ist imstande, weite Strecken 
zurückzulegen, wenn ihn der Nahrungsmangel zur Aufsuchung neuer Jagd- 
reviere zwingt. Bekannt ist weiterhin, mit welcher Geschwindigkeit die Ottern 
auch auf dem Lande ihren Verfolgern entgehen und auf dem schnellsten 
Wege das schützende Wasser zu erreichen suchen. 

Außerdem benutzt er seine „Hand“ zum Festhalten der Beute. Die 
„Hände“ sollen auch zum Graben verwendet werden, denn nach BÖVING, 
PETERSEN und DREYER soll das Tier sich Gänge an den Flußufern graben 
(zitiert nach KAJAYA 1918). 


178 Zeitschrift für Säugetierkunde Bd. 5, 1930. 


Über die Bewegungen der „Hand* waren die Beobachtungen sehr 
schwierig, da die Ottern äußerst flinke Tiere sind und alle Bewegungen mit 
wunderbarer Geschmeidigkeit spielend schnell ausführen. In der Ruhestellung 
zeigt die Dorsalseite des Carpus ulnarwärts und die Flexionen wurden stets, 
wenn auch schwach, nach der Mediane des Körpers zu ausgeführt. Außerdem 
kann die „Hand“ besonders in der Streckstellung, gut ad- und abduziert 
werden, 


2. Trittkissen (Abb. 73). 


Die vorhandenen Trittkissen — auf eine Anwendung der „Hand“ bei 
der Lokomotion auf dem Lande hindeutend — sind gut entwickelt. Die 
Vola ist unbehaart und erstreckt sich radialwärts weiter nach proximal als 


Abb. 73. Lutra hutra L Trittpolster der linken „Hand“ 
(nach BRANDT 1914). 


ulnarwärts. Sie endet ulnarwärts mit einem eminierenden Trittkissen auf dem 
Os Pisiforme. Außer diesem Trittpolster ist auf den Metacarpophalangeal- 
gelenken ein V-fürmiges Kissen vorhanden. Die Begrenzung dieses Trittkissens 
ist proximalwärts genau an der Art. carpometacarpeae, und nur das eminie- 
rende Os Pisiforme-Kissen liegt auf der ulnaren Seite auf der Art. ante- 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 179 


brachiocarpea. Zwischen dem großen V-förmigen Trittkissen und den auf 
den Endphalangen gelegenen ovalen Polstern ist eine breite Furche wahr- 
zunehmen, 


3. Gesamtform der Hand (Abb. 74). 

Die „Hand“ des Otter hat Fächerform. An den kurzen Unterarm 
schließt sich ein breiter viereckiger Carpus mit insgesamt sieben Carpal- 
knochen und daran Metacarpus und die Finger. Der vierte Finger ist der 
längste und außerdem derjenige, welcher die Längsachse des Vorderarmes in 


FIN a ige, 


Pr 


mann 
IN BESSUSSER 


| Abb. 74. Lutra lutra L. Übersichtsbild über 
die rechte „Hand“ (dorsale Aufsicht‘. (nach LUCAE, 1872/73). 


seiner Achse fortsetzt. Die übrigen Finger verkürzen sich nach der „Dau- 
men“-Seite mehr und mehr und besitzen eine ausgesprochene Divergenz. 
Deshalb hat die Schwimmhaut der peripherischen Finger eine größere Spann- 


180 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


weite als an den Capitula der Metacarpalia, wo sie beginnt. Die Endphalangen 
tragen kräftige krumme Krallen. 

Die Hand besitzt nur eine schwache Einrollung. Sie ist flach „brett- 
förmig“ gestaltet und eignet sich daher besonders gut als Steuer- und 
Ruderorgan. 


4. Articulatio antebrachiocarpea. 
a) Gelenkflächender Art. antebrachiocarpea (Abb. 75, 76). 


Es beteiligen sich wiederum Radius und Ulna und außerdem drei Hand- 
wurzelknochen: Os Rad. et intermed., Os Ulnare, Os Pisiforme. Die Ver- 
bindung des Vorderarmes mit dem Carpus vollzieht sich durch zwei ge- 
trennte Gelenkkapseln. Eine starke Bandmasse tritt nämlich aus den Be- 
rührungsrändern von Radius und Ulna heraus und zieht sich zwischen das 
Os Rad. et intermed. und das Os Ulnare. 


a. Radius (Abb. 75): Die distale Epiphyse des Radius enthält eine 
seichte Pfanne von ziemlich runder Gestalt. Die senkrecht aufeinanderstehenden 
horizontalen und vertikalen Durchmesser differieren nur um ca. 0,2 Millimeter 
(der horizontale größer als der vertikale), so daß als Gesamtform eine eiförmige 
Gelenkfläche zu konstatieren ist. Die ganze Facette ist volarwärts geneigt, 
so daß sie nicht nur distal, sondern auch gleichzeitig nach volar schaut. 


Abb. 75. Lutra lutra L. Profil der proximalen Reihe 
der Art. antebrachiocarpea. 3,5:1 nat. Gr. 


£. Ulna (Abb. 75): Sie artikuliert mit dem flach abgeplatteten Proc. 
styl. ulnae auf das Os Ulnare. Die Gelenkfläche liegt auf diesem Griffelfortsatz 
und zwar beginnt sie am äußersten distalen Rande desselben und zieht sich, 
volar-radialwärts gewendet als flacher konvexer Gelenkstreifen hin. Die Fläche 
ist in ihrem nierenförmigen Gesamtbilde nur in volar-radialer Aufsicht zu 
sehen. Von der ulnaren Seite aus erkennt man nur die distaldorsale Begren- 


R. LIPS, Modifikation am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 181 


zung am Ende des Processus. Der dorsale, etwas stärker konvexe Teil artiku- 
liert mit dem Os Ulnare, der viel fiachere volare Teil mit dem Os Pisiforme. 

y. Os Rad. et intermed. (Abb. 76): Der Knochen gleicht in proxi- 
maler Aufsicht einem langgestreckten Viereck mit einem kleinen Processus an 
seiner volar-radialen Ecke. Die Gelenkfläche bedeckt die ganze Knochenfläche, 
doch nicht den Processus. Sie ist in Längsrichtung (radial-ulnar) ein wenig 
schwächer gekrümmt, als in der darauf senkrechten Richtung. Wir haben 
es also mit einer eiförmigen Gelenkfläche zu tun. Was den Krümmungsradius 
in dorsal-volarer Richtung angeht, so ist er relativ groß, d. h. wir haben 
eine recht flache eiförmige Gelenkfläche auf dieser proximalen Knochenseite. 


Abb. 76. ZLutra lutra L. Profil der 
distalen Reihe der Art. antebrachio- 
carpea. 3,3:1 nat. Gr. 


0. Os Ulnare (Abb.76): Seine proximale Fläche wird von zwei Flächen, 
die durch eine kräftige Kante, in der beide Flächen zusammenstoßen, getrennt 
werden, eingenommen. Die obere zur Artikulation des Proc. styl. ulnae die- 
nende Fläche ist auffallend stark dorsal-volar konkav. In ihr spielt der dor- 
sale Teil des Proc. styl. ulnae. 

Ganz im Gegensatz hierzu steht die volare Gelenkfläche des Os Ulnare, 
die zur Artikulation mit dem Os Pisiforme dient. Sie ist in schräger (dorsal- 
ulnar-volarradial) Richtung leicht konvex. 

e Os Pisiforme (Abb.76): Dieser Knochen wendet dorsal-distalwärts 
eine leichte konkave halbmondförmige Fläche zur entsprechenden volaren Os 
Ulnare-Fläche, und schräg ulnarwärts eine zungenförmige annähernd flache 
Facette zum Proc. styl. ulnae. 


b) Bewegungen in der Art. antebrachiocarpea. 


In der „Normalstellung“ der Hand, in der hier bei Zutra die Längs- 
achse des Unterarmes mit der des Metacarpale IV in eine gerade Linie 
fällt, ist die Dorsal-Flexion am Ende. Es ist am Präparat allerdings 


182 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


möglich, das Os Rad, et intermed. noch minimal zu strecken, bis die dor- 
salen Ränder des Radius und des Os Rad. et intermed. sich berühren. In 
diesem Gelenk stoßen ziemlich flache Facetten aufeinander. Außerdem herrscht 
hier eine eiförmige Gelenkartikulation vor, deren Form mindestens dem von 
OÖ. FISCHER dargestellten „idealen Eikörper“ entspricht (siehe Seite 146). 

Hierzu sei noeh allgemein bemerkt, daß in einem „idealen Eigelenk“ 
Bewegungen um beide Hauptachsen, die sich senkrecht überkreuzen, aber 
nicht schneiden, und auf der gleichen Seite des Gelenkspaltes liegen, unter 
gleich starker Inanspruchnahme der Knorpeldeformierbarkeit in beiden Rich- 
tungen möglich sind. „Und zwar ist die Deformierung bei keiner der zwei 
Hauptbewegungen des „Idealeigelenkes“ so stark in Anspruch genommen, 
wie sie es bei dem „Ringwurstkörper“ und dem „spindelförmigen“ Körper 
jeweils in der einen von beiden Richtungen wäre.“ (R. FICK, siehe auch 
Seite 150—152, 157/58 dieser Arbeit). Außer den Bewegungen um diese 
beiden Hauptachsen sind nun auch solche ohne stärkere Gestaltveränderung 
des Knorpels möglich, die um Achsen in allen möglichen einander parallelen 


Abb. 77. Hauptachsenebenen für die Eigelenk- 
bewegungen (nach FICK 1910). 


Ebenen parallel der Tangentialebene an den Mittelpunkt der Eioberfläche 
ausgeführt werden können (siehe Abb. 77). „Kreiselungen* = Drehungen 
um Achsen, die senkrecht auf den Gelenkflächen stehen, sind auch beim 
Idealeigelenk nur unter Klaffen ausführbar. Dies konnte bei ZLutra nicht 
festgestellt werden. Es sind nur die Bewegungen vorhanden, die ein Ide- 
aleigelenkkörper in oben beschriebener Art und Weise zuläßt. 

Die Hauptachsen des Eigelenkes auf dem Os Rad. et intermed. ver- 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 183 


laufen einmal von volarradiai nach dorsalulnar, ein anderes Mal senkrecht 
dazu. Erstere ist die Achse, um welche die Beugung zwischen Hand und 
Vorderarm erfolgt. Wir haben demnach eine ulnare Volarflexion. Um die 
senkrecht zur Flexionsachse verlaufende Hauptachse des Gelenkes finden Ad- 
und Abduktionen statt. Und schließlich können Bewegungen um Achsen statt- 
finden, die parallel zur Tangentialebene an den Mittelpunkt der Eioberfläche 
gelegt werden können (s. o.). Da sie während einer Beugung stets ihre Rich- 
tungen ändern können und um eine andere Achse stattfinden können, so 
können in diesem Gelenk Rotationen ausgeführt werden. 

Im Os Ulnare-Ellengelenk finden die im Os Rad. et intermed,.-Radius- 
gelenk stattfindenden Flexionen und Ad- und Abduktionen Unterstützung. 
Die stark konkave Gelenkfläche kann mit einem Teil einer Zylinderfläche 
verglichen werden. Damit ergeben sich bei geräumiger Gelenkkapsel, wie 
sie hier vorhanden ist, außer den ginglymischen Bewegungen um eine Achse, 
die die Flexionsachse des Os Rad. et intermed.-Gelenk fortsetzt, also volar- 
radial-dorsalulnar, noch Verschiebungen in ad- bzw. abduktorischen Sinne 
längs dieser Achse. 

Die Rotationen, die in der Os Rad. et intermed.-Radiusartikulation 
möglich sind, fallen hier fort. Sie können in der Art. intercarpea kompen- 
siert werden (s. u.). Es liegt durchaus im Bereich der Möglichkeit, daß die 
vorhandene Trennung der Gelenkkapsel in zwei Teile in diesem Abschnitt 
in einem Zusammenhang mit diesen auf beiden Seiten verschieden aus- 
gebildeten Bewegungsmöglichkeiten steht. 

Im Os Ulnare-Os Pisiforme-Gelenk sind die Facetten dicht aufeinander 
gepreßt. Wenn das Os Pisiforme durch den Zug des Muse. flex. carp. ulnaris 
gebeugt wird, nimmt es das Os Uluare mit, so daß keine großen Bewegungen 
stattfinden. 

Das Gelenk zwischen Ulna und Os Pisiforme kommt erst am Ende der 
Beugung zum Schließen; in Streckstellung findet Klaffen des Gelenkes statt. 


5. Articulatio intercarpea. 
a) Gelenkflächen der Art. intercarpea (Abb. 78, 79). 


a. Os Rad. et intermed.: Wieder sind zwei Systeme von Gelenken 
vorhanden: Ein stark konkaves und ein weniger stark ausgehöhltes System. 
Eine Kante, in der Mitte vom Os Rad. et intermed. liegend, trennt beide 
Systeme Die Radialhälfte ist die weniger stark konkave. Hier artikulieren 
die Ossa CI und C II. Wir haben eigentlich wieder zwei Höhlungen, eine 
dorsale mehr zylinderförmige und eine volare beinahe kugelförmige. 

Auf der ulnaren Hälfte sind zwei Hohlflächen für die Ossa C III und 


184 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


CIV-+-V ausgebildet, jedoch ist die Trennungslinie zwischen beiden Facetten 
sehr wenig scharf. Sie sind dorsal-volar konkav und außerdem radial-ulnar 
konkav, die für das Os CIII stärker als für das Os CIV+V. Außerdem 


Abb. 78. Lutra lutra L. Profil 
der proximalen Reihe der Art. 
intercarpea. 3,3:1 nat. Gr. 


ist die Fläche für das Os C III spiralig gekrümmt, d.h. die Krümmung 
nimmt volarwärt. zu, und außerdem auch noch geschraubt. Dasselbe, doch 
im abgeschwächten Maße, gilt für die Os C IV + V-Facette. 

ß. Os Ullinare(Abb. 78): Die distale Fläche ist etwas radial einwärts ge- 
richtet. Sie artikuliert nicht mit dem Os Rad. et intermed. und ist durch ein 
starkes Band von ihm getrennt. Die Fläche, die die distale Seite bis auf einen 


Par el ar] 


volar-ulnaren Processus ganz bedeckt, ist flach ausgehöhlt. Der Processus 
enthält eine volarwärts tropfenförmig sich verbreiternde Gelenkfacette, die 
ähnlich wie bei Meles nur in bestimmten Phasen der Bewegung mit dem 
Metacarpale V artikuliert. 

y. Os CarpaleI: Die proximalen Gelenkflächen aller vier Carpalia 
(Abb. 79) entsprechen den Gelenkfacetten der Proximalreihe. Das Os Carpale I 
hat einen Gelenkkopf, der annähernd kugelförmig im volaren Teile seiner Pro- 
ximalseite ausgebildet ist und im dorsalen Teile ebenfalls eine konvexe Fläche. 


N DER AH: 
HS ERESE 
E/, 5 IH I = 

7 -, „ 


PL. 


Abb. 79. Lutra lutra L. Profil der distalen 
Reihe der Art. intercarpea. 3,5:1 nat. Gr. 


NEE 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 185 


Jedoch liest zwischen beiden eine Furche, die abgerundet ist und ebenfalls 
Gelenkcharakter trägt. Daneben artikuliert 

0. dasOs Carpale II. Es hat eine in dorsal-volarer Richtung konvexe 
Gelenkfläche und zwar hat sie den Anschein einer zylinderförmigen Gelenk- 
fläche. 

e. Das Os Carpale III bildet einen Wulst aus, der Gelenkflächen- 
charakter trägt und dorsal auf der radialen Seite in eine Fläche senkrecht 
zur bisherigen ausläuft. Seine ulnare Fläche ist zu zwei Drittel mit einer 
ebenen Gelenkfacette bedeckt, die an eine entsprechende des 

&. Os Carpale IV+V gelenkt. Das Os CIV+V hat mehr würfel- 
ähnliche Gestalt und enthält proximalwärts zwei ineinander übergehende 
Facetten, die für das Os Rad. et intermed. und das Os Ulnare bestimmt sind, 
Beide können als Teile eines Kugelausschnittes betrachtet werden. 

b) Bewegungen in der Art. intercarpea, 

Wieder fehlt die Dorsalflexion. Äußerste Streckstellung ist die „Mittel- 
stellung“. Von dieser sind nur äußerst geringe Bewegungen ausführbar. 
Ja, es hat den Anschein, daß die vorhandenen minimalen Flexionen nur als 
„Ausgleichbewegungen* aufzufassen sind, die bei Unebenheiten des Bodens 
in Frage kommen. Beim Steuern oder Schwimmen trägt dieser Abschnitt 
mit dazu bei, die Hand brettartig zu versteifen, damit sie als ein Ganzes 
bewegt werden kann. 

Nur die Os Ulnare-Os Carpale IV V-Artikulation läßt relativ viel 
srößere Exkursionen zu, die dank der kugelförmigen Gelenkfacetten Rota- 
tionen zulassen. Hier vollzieht sich also die Kompensation für die im Os Ul- 
nare-Ulna-Gelenk fehlenden Bewegungen. 


6. Articulatio carpometacarpeae. 
c) Gelenkflächen der Art. carpometacarpeae (Abb. 80, 81). 


Die proximalen Basisflächen der Metacarpalia sind den distalen der 
Ossa Carpalia sehr gleichförmig. 

a. Das Os Carpale I besitzt eine halbmondförmige Fläche für den 
ersten Finger. Sie ist distal-radial gerichtet und von dorsal nach volar 
äußerst langgestreckt und in sich etwas geschraubt, d. h. der dorsale Teil 
der Fläche liegt in einer anderen Ebene als der volare Teil. Von einer 
Krümmung ulnar-radialwärts ist sehr wenig zu erkennen. Außerdem hat es 
am ulnar-dorsalen Rande der halbmondförmigen Fläche eine Facette zur 
Artikulation mit der radialen Kante der Basis des Metacarpale II, 

8. Das Os Carpale II hat zur Artikulation mit dem Metacarpale II 
wohl die ausgeprägteste sattelfürmige Fläche, Sie bekleidet den ganzen 

12? 


186 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


dreieckigen Knochen (Basis dorsal, Spitze volar), ist einmal dorsal-volar 
konvex, ein anderes Mal radial-ulnar. Die Krümmungsradien sind beide von 
annähernd gleicher Größe. 


Abb. 80. Lutra lutra L. Profil der proximalen 
Reihe der Art. carpometacarpeae. 8,8:1 nat. Gr. 


y. Das Os Carpale III besitzt eine annähernd viereckige, dorsal- 
volar konkave Fläche für das Metacarpale III. Außerdem ist auch eine leichte 
Krümmung radial-ulnarwärts zu erkennen, die allerdings im dorsalen Ab- 
schnitt der Gelenkfläche in eine leicht konvexe Wölbung übergeht. 

d. Das Os Carpale IV +-V artikuliert mit den Metacarpalia IV und V. 
Es hat eine trapezförmige Fläche im Umriß; es ist dorsal-volar konkav. 
Der ulnare Teil ist mit seinem dorsalen Teile weiter nach distal gebogen 
als der volare Rand, während dies im Radialteile annähernd gleich ist. Im 
übrigen gehen beide Flächen ineinander über. 

&e Das Metacarpale I (Abb. 81) zeigt entsprechend der Os C I- 
Fläche eine halbmondförmige Facetie, die proximal-ulnarwärts zeigt. | 


Abb. 81. Lutra lutra L. Profil der distalen Reihe der 
Art. carpometacarpeae. 3,5:1 nat. Gr. 


C. Die Metacarpale II Fläche hat die ausgeprägteste Sattelform in 
diesem Abschnitt. Sie ist viereckig, volar etwas schmaler als dorsal, in 
ulnar-radialer Richtung stark konkav, so daß eine ziemlich tiefe Rinne 
entsteht und außerdem in dorsal-volarer Richtung schwach konvex. 

n. Das Metacarpale III ist im dorsalen Teil leicht sattelförmig, 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 187 


im volaren Teil dorsal-volar konvex, radial-ulnar sehr schwach konkav, 
fast eben, aber nach der proximal-radialen Seite gewendet. 

3. Metacarpale IV. Die Basisränder der Metacarpalia IV und V 
gelenken zusammen an das Os C IV-+V in sehr gleichmäßig gekrümmten 
Flächen. Das Metacarpale IV, von viereckiger Gestalt, dorsal-volar konvex, 
auch radial-ulnar leicht konkav, hat also eine sattelföürmig angedeutete 
Gelenkfläche. 

ı. Das Metacarpale V läuft von der dorsalen Spitze nach (ventral) 
volar breit konvex aus, bildet also eine ellipsoidförmige gekrümmte Fläche. 

Zu erwähnen ist von allen Metacarpalia gemeinsam, daß ihre Arti- 
kulationsflächen ziemlich weit auf die Dorsalseite der Epiphysen der Meta- 
carpalia, wenn diese genau horizontal gerichtet sind, übergehen. Das Meta- 
carpale II ist etwas in den Carpus eingerückt und gelenkt daher noch 
selbständig mit dem Os C III auf der ulnaren und mit dem Os CI auf der 
radialen Seite. 


b) Bewegungen in der Art. carpometacarpeae. 


Auch in diesem Abschnitt sind nur geringe Bewegungen vorhanden, 
die jedoch an Umfang die der Art. intercarpea übertreffen. 

Die bereits in fixierter Abduktion stehenden Metacarpalia können einmal 
um eine horizontale, leicht von radialdistal nach ulnarproximal geneigte Achse 
flektiert werden, dann aber auch noch ad- bzw. abduziert werden, was als 
Folge unregelmäßiger Sattelflächen zu deuten ist. 

Nur das Grundgelenk des ersten Strahles zeigt Volarfiexion. Durch 
seine Lage ist es schon so fixiert, daß eine Abduktion, wie bei den anderen 
Metacarpalia, fortfallen kann. Da außerdem das Os C I-Gelenk in sich ge- 
schraubt ist, so findet bei der Volarflexion gleichzeitig ein Fortschreiten des 
Metacarpale I um die Beugungsachse statt, was praktisch auf eine Einwärts- 
bewegung nach der Ulnarseite hin herauskommt. 

Außer Volarflexionen ist auch noch eine geringe Dorsalflexion vorhanden. 
Die Metacarpalia können noch über die sogenannte „Mittelstellung“ hinaus- 
gebeugt werden, was damit zusammenhängt, daß die proximalen Basisflächen 
der Metacarpalia auf die Dorsalseite der Knochen übergehen. Auch im 
Röntgenbild (siehe Tafel XIX, Abb. 123) entsteht durch diese Dorsalflexion 
ein stumpfer Winkel mit der Längslinie des Unterarmes und des Carpus. 

Bei der Volarflexion scheint ähnlich wie bei Meles (siehe Seite 176) 
in der letzten Phase der Bewegung das Metacarpale V-Gelenk auch mit der 
tropfenähnlichen Facette des Os Ulnare-Processus zu tangieren, wobei ganz 


ähnlich wie bei Meles Rollbewegungen auftreten dürften. Infolge zu geringer 
12*2 


188 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Ossifizierung des Präparates konnte ein genauer Nachweis dieser Bewegung 
im Röntgenbilde bedauernswerter Weise nicht erbracht werden. 


7. Zusammenfassende Übersicht über die Bewegungen. 


Der Fischotter hat demnach einen flachen „brettartigen“ Carpus, der 
Exkursionen besonders an seiner proximalen Seite, weniger an seiner distalen 
Seite zeigt. In der Articulatio intercarpea sind nur ganz geringe Ausgleich- 
bewegungen vorhanden. Trotzdem findet sich eine reiche Kombination von 
Bewegungsmomenten vor. Es zeigen sich Bewegungen in jeder Richtung. 
Volarflexionen sind in allen drei Artikulationen vorhanden. Dorsalflexion 
dagegen nur in der Articulatio carpometacarpeae; dadurch wird eine Ver- 
längerung der Handfläche bis zur Art. carpometacarpeae und damit eine 
möglichst große volare Oberfläche für das Steuern oder Schwimmen geschaffen. 

Dadurch, daß die Flexionsachsen in der Art. antebrachiocarpea und der 
Art. carpometacarpeae auf der Kleinfingerseite gegeneinander laufen, kommt 
es, daß die Flexionen der Metacarpalia zugleich mit einer Rotation der ersten 
Fingerseite nach der ulnaren Seite verbunden sind. Besonders durch die 
geneigte Achsenlage der Art. antebrachiocarpea, die ja mit der Horizontalen 
einen nach ulnar offenen Winkel bildet, gehen die Volarflexionen ulnarwärts, 
die Extensionen radialwärts. Da nun aber die für die Volarflexion maß- 
gebende resultierende Achse im Carpus mit der Längsachse des Vorderarmes 
annähernd einen rechten Winkel bildet, der Carpus aber durch die °/, Pro- 
nation des Vorderarmes (s. Kap. D.) ulnarwärts zeigend fixiert ist und daher 
einen nach der Mediane des Körpers offenen Winkel bildet, so wird das 
Wasser nach hinten und nach der Mediane des Körpers geschaufelt, gerade 
nach der Seite, nach der es bei einer Bewegung der Hand an sich an 
einem vollständig pronierten Vorderarm nicht möglich wäre. 

Dann sind ulnare bzw. radiale Abduktionen vorhanden, die wieder am 
stärksten in der Art. antebrachiocarpea, aber auch in der Art. carpometa- 
carpeae (mit Ausnahme von Me I, wo Flexionen mit verbundenem Fort- 
schreiten längs der Achse statthaben) ausgebildet sind. Durch die nochmalige 
Spreizung der an sich schon in fixierter Abduktion stehenden Finger wird 
eine breite Ruderfläche geschaffen. 

Auch Rotationen sind ermöglicht, woran besonders stark die radiale 
Kapsel der Art. antebrachiocarpea und als Kompensation das Os Ulnare- 
Os Carpale IV + V-Gelenk auf der ulnaren Seite beteiligt ist. So sehen wir 
eine Hand vor uns, die durch fächerförmige (als Folge fixierter Abduktion) 
Vergrößerung der Oberfläche für das Schaufeln des Wassers besonders 
geeignet ist. Da sie außerdem beim schnellen Schwimmen zum Steuern 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 189 


gebraucht wird, ist eine große Kombinationsmöglichkeit der Bewegungen 
geschaffen. (So erklären sich besonders die Rotationen, die im Carpus vor- 
handen sind.) Aber auch der Lokomotion auf dem Lande werden die Hände 
gerecht. Sie dienen hier als Unterstützungsorgane, indem sie nach beiden 
Seiten den Körper vor einem seitlichen Umfallen bewahren. Hierbei bilden 
die Carpometacarpalgelenke den Scheitelpunkt eines sehr stumpfen dorsalen 
Winkels (s. Röntgenaufnahme Taf. XIX, Abb. 123). Die Bewegungen auf 
festem Substrat müßten an sich durch die ®/, Pronation der Hand erschwert 
sein; hier aber machen sich die vielseitigen Bewegungsmöglichkeiten — be- 
sonders auch die Ausgleichbewegungen in der Art. intercarpea — besonders 
„verdient“, so daß die Vola stets dem Erdboden vollständig anliegt und die 
Finger krampfhaft gegen die Erde gekrallt werden. In diesem Zusammen- 
hange ist es interessant, festzustellen, daß die Phalangealgelenke — im 
Gegensatz zur Art. carpometacarpeae — nur volar flektiert werden können. 
Diese Eigenschaft dürfte sich gut mit dem Gehen auf der Vola als auch 
mit dem Schwimmen, bzw. Steuern (wobei ein Ausweichen der Endphalangen 
dorsalwärts nicht zweckentsprechend wäre, denn die „brettartige* Wirkung 
der Hand würde hierunter leiden) vereinigen lassen. 


IV. Ursus arctos L. 
1, Lebensweise. 


Der braune Bär ist von den arctoiden Raubtieren wohl das vielseitigste 
in seinem Bewegungsvermögen. „Doch sehen seine Bewegungen ungeschickter 
aus, als sie wirklich sind. Er ist ein Paßgänger, bewegt also beim Gehen 
wie beim Traben die Beine der nämlichen Körperseite gleichzeitig, wodurch 
seine Gangweise ungeschlacht schaukelnd und bummelhaft erscheint. Bei be- 
schleunigter Gangart fällt er in einen recht fördernden Galopp, holt mit 
Leichtigkeit einen Menschen ein und entwickelt auch sonst jedenfalls eine 
Raschheit und Gewandtheit, die man ihm kaum zutraut. Bergauf geht sein 
Lauf verhältnismäßig noch schneller als auf der Ebene, weil ihm seine Hinter- 
beine hier trefflich zustatten kommen. Außerdem versteht er vortrefflich zu 
schwimmen und geschickt zu klettern, pflegt jedoch im Alter, wenn er groß 
und schwer geworden ist, nicht mehr Bäume zu besteigen, wenigstens nicht 
astreine, glatte Stämme. Die gewaltige Kraft und die starken harten Nägel 
erleichtern dem Bären das Klettern ungemein, Er vermag selbst an sehr 
steilen Felsenwänden emporzusteigen. Außerdem werden die Hände auch 
beim Graben benutzt“. (Nach BREHM 1922). 

Wir haben demnach im braunen Bären ein Tier vor uns, das die Fähig- 


190 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


keiten des Gehens, Schwimmens und Kletterns in annähernd gleichem Maße 
ausgebildet hat. 

Beobachtet man einen Bären in seinem Käfig, so wirkt sein Benehmen 
geradezu menschlich. Dazu trägt im höchsten Maße die ausgeprägte Viel- 
seitigkeit seiner „Hand“ bei. Wie oft hat man Gelegenheit, zu sehen, wie 
er auf seinen Hinterbeinen sitzend, mit halb supinierten Unterarmen und 
damit auch der Hände um ein Stück Zucker bittet, es dann mit der „Hand“ 
aufhebt, es in seinen Rachen wirft und dann militärisch für diesen Lecker- 
bissen dankt. Oder wenn er in seinem „Waschbecken“ auf dem Rücken 
liegt, und sich mit seinen Händen das erfrischende Naß über Kopf und 
Brust spritzt und sich wäscht. Alle diese Bewegungen ermöglicht ihm be- 
sonders die sehr gut ausgeprägte Pro- und Supinationsfähigkeit des Unter- 
armes. Aber auch die Hand, die „zwangsläufig“ mit diesen Bewegungen ver- 
bunden ist, bewahrt sich eine große Beweglichkeit. Sehr gut konnte ich 
radiale und ulnare Abduktionen der ganzen Hand beobachten. Eine Finger- 
spreizung konnte ich dagegen niemals wahrnehmen. Beim Gehen wird die 
Hand am Schluß der Beugung stets leicht einwärts gedreht. Dies ist schwierig 
festzustellen und ich wurde darauf erst aufmerksam, als ich am anatomischen 
Präparat diese Möglichkeit der Bewegung ausgeprägt fand. Beim Klettern 
hat er die Hände in °/, Pronation und läuft, den Ast seitlich umfassend, 
sehr sicher auf diesem entlang. Wie der Bär sich beim Schwimmen verhält, 
konnte ich leider nicht beobachten, da kein größeres Schwimmbassin für 
ihn zur Verfügung stand. 


2. Trittkissen (Abb, 82). 

Auf der Volarfläche der Hand liegt ein starkes Trittpolster quer über 
den Metacarpophalangealgelenken der Finger, das die Tendenz hat, immer 
breiter zu werden, je näher es der ulnaren Kante der Vola kommt. In sich 
ist es durch kleine Furchen, die die Lage der Finger angeben, in fünf Teile 
geteilt. Auch die Enden jedes Fingers sind mit starken ovalen Polstern ver- 
sehen. Außerdem liegt noch ein starkes, ulnares Carpalkissen auf dem Os 
Pisiforme. Zwischen diesen drei Gruppen von Polstern findet sich starke 
Haarbedeckung. 


3. Gesamtform der Hand (Abb. 83). 


Die Hand ist flach und breit. Radius und Ulna, die nebeneinander 
liegen, sind durch einen großen Antebrachialraum getrennt und ihre distale 
Oberfläche wird durch hervorspringende Capitula an den inneren Rändern 
von Elle und Speiche vergrößert. Der Carpus, der sich hieran ansetzt, ist 


IR. TIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 191 


im ganzen eiförmig gestaltet und wird an den Seiten von den kräftig ent- 
wickelten Processi styloidei des Unterarmes umklammert. Dann folgen fünf 
leicht divergierende starke Finger, von denen jedoch der erste etwas schwächer 


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7 Pisiforme) 


Abb. 82. Ursus arctos L. Trittfläche der 
linken Vorderextremität (nach POCOCK 1914). 


ausgebildet ist als die übrigen und auch etwas höher als diese im Carpus 
entspringt. Alle Finger sind mit kräftigen, nicht allzu krummen Krallen 
ausgerüstet. 


4. Articulatio antebrachiocarpea. 


Die in den gelenkmechanischen Untersuchungen angegebenen Ab- 
bildungen (Abb. 84—87, 90, 91) gehören zu Tihalassarctos maritimus. Es 
können ohne Bedenken diese Abbildungen des Eisbären benutzt werden; 
denn die Bewegungen beider Tiere sind — mit Ausnahme ganz weniger 
Abweichungen (s. Protokoll VI) — sich äußerst ähnlich. Deshalb wurden 
Abbildungen von Ursus arctos nicht angefertigt. 


Abb. 83. Ursus arctos L. Übersichtsbild über die rechte „Hand“. 
(l-+se = Os Rad. et intermed., ce = Os ulnare, p = Os Pisiforme, u = Os Car- 
pale IV + V, m = Os Carpale III, td = Os Carpale II, tz = Os Carpale ]). 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 21093 


a) Gelenkflächen der Art. antebrachiocarpea (Abb. 84, 85). 

@) Radius: Die distale Radiusfläche zeigt zwei Teile, 1. eine eiförmige, 
schwach konkave Gelenkfläche und 2. als Fortsetzung dieser Fläche radial- 
wärts eine bei weitem schmaiere, aber sattelförmige Gelenkfläche auf dem 
Proc. styl. radii. Der Sattel ist hier nicht so ausgeprägt wie beim Hund 
und beim Dachs. 


Abb. 84. Thalassarctos maritimus L. Profil der proximalen Reihe der Art. 
antebrachiocarpea. 0,6 nat. Gr. 


Die „große Achse‘ der distalen Fläche ist quer zur Unterarmlängs- 
achse ulnar-radialwärts gestellt. Da sich der Proc, styl. radii etwas weiter 
distal herabzieht, steht die Achse nicht senkrecht zur Unterarmlängsachse, 
sondern etwas schräg von radialdistal nach ulnarproximal, oder mit anderen 
Worten, die Fläche schaut ein wenig ellenwärts. Die Längsrichtung des 
Rückens der Sattelfläche bildet die Fortsetzung der „großen Achse“. 


ß. Ulna: Sie artikuliert mit dem Os Ulnare und dem Os Pisiforme 
durch ihren mächtig ausgebildeten Processus styloideus. Die Gelenkfläche ist 
ein Gelenkkopf von breiter ovoider Gestalt, der schräg distal-radial-volar- 
wärts gerichtet ist. Die dorsale Fläche des Proc. styl. ist vollkommen frei 
von Gelenkfläche. 

y. OsRadialeetintermedium (Abb. 85): Er ist in proximaler Auf- 
sicht ein mächtiger viereckiger Knochen, an dem am deutlichsten von den unter- 
suchten Tieren ein kräftiger Processus carp. rad. ausgebildet ist. Die Gelenk- 
fläche nimmt den ganzen proximalen Knochenkörper ein, hat daher annähernd 
viereckige Gestalt, jedoch läuit sie im ulnar-volaren Teile in einen breiten 
Vorsprung auf die Vorlarseite des Knochens aus. Die Fläche selbst ist dorsal- 
volar konvex und besitzt im radialen Teile eine andeutungsweise vorhandene 
Sattelfläche, in die der Griifelfortsatz des Radius spielt. Außerdem ist sie 
noch radial-ulnar konvex, besitzt also im größten Teil seiner Fläche eiförmi- 
gen Charakter. 


194 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


d. Os Ulnare: Der zur Längslinie der Hand schräg stehende Knochen 
bildet mit dem Os Rad. et intermed. einen distal offenen Winkel und arti- 
kuliert nur mittels einer relativ kleinen auf der schmalen radialen Knochen- 
seite gelegenen volaren Fläche mit diesem. Auf seiner ulnar-proximalwärts 


RD) Ze Zune 
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I 


Abb. 85. Thalassarctos maritimus L. Profil der 
distalen Reihe der Art. antebrachiocarpea. 0,6 nat. Gr. 


gerichteten Fläche befinden sich zwei durch einen Wall getrennte Artikula- 
tionsflächen. Die dorsale ist ellipsoidförmig und konkav. In ihr spielt der 
Proc. styl. ulnae. Die volare, für das Os Pisiforme bestimmt, ist fast eben 
und nur in sich etwas schraubenförmig gedreht. 

e. Os Pisiforme: Es wendet eine große etwa dreieckige Fläche schräg 
ulnarwärts zum Ellenfortsatz, und eine distal-dorsale zum Os Ulnare. 

Durch das abgebogene Os Ulnare, das nur volar an das Os Rad. et 
intermed. gelenkt, entsteht zwischen Unterarm und proximaler Reihe ein vom 
Knochen freier großer Zwischenraum, der durch Bindegewebsmassen aus- 
gefüllt ist. 


b) Bewegungen in der Art. antebrachiocarpea. 


Ausgangspunkt der Bewegung ist die „Mittelstellung“. Eine Dorsal- 
flexion findet von hier nicht statt, wohl aber Volarflexion um eine ulnar- 
radiale Drehungsachse. Die dorsalen Ränder vom Os Rad. et intermed. und 
vom Radius, die in der Mittelstellung aufeinanderstoßen, heben sich bei ein- 
tretender Beugung mehr und mehr ab. Da die Radiusfacette nur sehr leicht 
ausgehöhlt ist, so gleitet das Os Rad, et intermed. an ihr vorüber und ist 
am Ende der Volarflexion mit seinem Dorsalrande ziemlich weit vom ent- 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 195 


sprechenden Radiusrande entfernt; jedoch möchte ich hier nicht von einem 
direkten Klaffen des Gelenkes sprechen, da man ein „Klaffen“ immer als 
Kippbewegung um eine andere als die typische Achse annimmt. Die viel 
größere Gelenkfläche gleitet an der an Ansdehnung kleineren Radiusfläche 
vorbei. Die sich im radialen Teile, genau in der Mitte des Os Rad. et inter- 
med. befindliche, andeutungsweise vorhandene Sattelfläche hat auf die Volar- 
flexion zunächst keinen Einfluß. Erst wenn die Flexion gleichmäßig so weit 
fortgeschritten ist, daß sich die unteren (volaren) radialen Gelenkränder vom 
Os Rad. et intermed. und vom Radius decken, dann ist am unteren ulnaren 
Rande der Rad. et intermed.-Fläche immer noch ein Gelenkstreifen vorhanden, 
der auf die ulnare Volarseite des Os Rad. et intermed. umbiegt und in 
diesem Teile noch eine weitere Flexion ermöglicht. Dies kann aber nur ge- 
schehen, wenn das Os Rad. et intermed. seitlich und zwar nach der radialen 
Seite zu gleichzeitig verschoben wird. In diesem Moment tritt auch das vor- 
handene Sattelgelenk in Funktion und wir erhalten eine Bewegung im letzten 
Teile der Flexion um eine schräge distalradial-proximalulnare Achse mit 
gleichzeitigem Vergleiten längs dieser Achse, 

Die Bewegung im Os Ulnare schließt sich der im Os Rad. et intermed. 
vollkommen an, was durch eine ellipsoidförmige Fläche, die nach ulnar aus- 
wärts zeigt, ermöglicht wird. Außer der Bewegung im volarflektorischen 
Sinne bietet: das Elementenpaar der Art. antebrachiocarpea die Möglichkeit 
einer radialen bzw. ulnaren Abduktion um eine dorsal-volare Drehungsachse, 
die in den Gelenken des Os Rad. et intermed. als auch im Os Ulnare vor- 
handen ist. Besonders das Os Rad. et intermed.-Geienk wahrt sich dadurch 
den Charakter eines ausgesprochenen Eigelenkes.- 

Im Gelenk zwischen Os Ulnare und Os Pisiforme berühren sich zwei 
fast ebene Gelenkflächen, die in sich ein wenig geschraubt erscheinen. Be- 
wegungen sind so gut wie ausgeschlossen. 

Die Os Pisiforme-Fläche, die zur Artikulation mit dem Proc. styl. ulnae 
bestimmt ist, ist durch ihre ausgehöhlte dreieckförmige Gestaltung imstande, 
die Volarflexionen mit zum Schluß leichter Einwärtsschraubung sowie Ab- 
duktionsbewegungen des ganzen Gelenkabschnittes zu unterstützen. 


5. Articulatio intercarpea. 

a) Gelenkflächen der Art. intercarpea (Abb. 86, 87). 

a. Os Rad. et intermed.: Die distale Fläche dieses Knochens zeigt 
mächtige Flächen für die Ossa Carpalia, Sie enthält einmal ein flacheres 
Gelenksystem, die Fac. art. medialis, die nur im volaren Teile eine kugel- 
förmige Fläche ausgebildet hat, und ein stark ausgehöhltes Gelenksystem, 


196 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1980. 


die mächtigen Fac. art. hamati und capitati. Die Fac. art. capitati enthält 
an ihrem ulnar-volaren Ende eine Artikulationsfacette für das Os Ulnare. 


Abb. 86. Thalassarctos maritimus L. Profil der 
proximalen Reihe der Art. intercarpea. 
0,6 nat. Gr. 


ß. Os Ulnare: Es artikuliert mit seinem unteren radialen Rande an 
die Fac. art. capitati des Os Rad. et intermed., im übrigen ist ein großer 
Spalt zwischen beiden Knochen vorhanden. Die Berührungsfläche mit dem 
Os Carpale IV —- V zeigt carpuseinwärts, also distal-radial; sie ist oval und 
konkav ausgehöhlt. \ 

Ossa Carpalia (Abb. 87): Alle vier Knochen sind in Verbindung mit 
dem Os Rad. et intermed., und wir haben somit ein getreues Abbild der 
Gelenkflächen dieses Knochens. Das fiachere Gelenksystem wird radialwärts 
durch die Ossa Carpalia I und II gebildet. 

y. Das Os Carpale I zeigt dorsal eine leicht konvexe Gelenkfläche, 
die sich im volaren Teile stark verbreitert und wulstförmig nach der volaren 
Seite des Knochens umgebogen ist. Dieser Wulst paßt genau in die an- 
nähernd kugelföürmige Os Rad. et intermed.-Fiäche. Beim Übergang zum 
Wulst ist ein Tal in der sonst eben verlaufenden Fläche zu Konstatieren. 

e. Die Os CarpaleII Fläche schließt sich gewissermaßen als Fort- 
setzung der Os CI-Fläche an. Sie ist leicht dorsal-volar gewölbt und 
am ulnaren Rande schmaler als am radialen. Nach volar zu findet auch, 
wenn auch nicht so ausgeprägt, wie am Os C I, eine wulstförmige Bildung 
der Fläche statt, die einen geringen Anteil an die Hohlfläche im Os Rad. 
et intermed. hat. Zwischen beiden Knochen zieht sich eine breite Gelenk- 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 197 


fläche hin. Es dürften daher hier, obgleich keide Knochen als ein System 
den übrigen Knochen gegenüberstehen, geringfügige Kigenbewegungen mög- 
lich sein. 


Abb. 87. Thalassarctos maritimus L. Profil der 
distalen Reihe der Art. intercarpea. 0,6 nat. Gr. 


c. Das Os Carpale III besitzt einen Gelenkkopf, der zur Längs- 
richtung der distalen Fläche des Knochens in einern Winkel von ca. 40 Grad 
steht. Gelenkcharakter trägt die Frontseite, außerdem aber greift die Gelenk- 
fläche im volaren Teile stark auf die radiale Knochenseite herum und erscheint 
somit volar stark verbreitert. Dorsalwärts verschmälert sich der Gelenkkopf 
und biegt distalwärts um. Auch sorgt eine ebenfalls dorsal-radialwärts um- 
gebogene Fläche für einen guten Verschluß mit dem Os Rad. et intermed.- 
Rande. Der Knochen tangiert also nicht mit seinem stark gewölbten Gelenk- 
kopf das Os Rad. et intermed., sondern legt sich auch noch mit seiner 
radialen Fläche in die Fac. art. capitati hinein. So ist die Mächtigkeit der 
zugehörigen Os Rad. et intermed.-Fläche verständlich. 


n- Das Os Carpale IV-+V hat zwei Artikulationsflächen, für das 
Os Rad. et intermed. und das Os Ulnare. Beide für diese Knochen bestimmten 
Artikulationsflächen stoßen in einer Kante zusammen. Diese Kante ist der 
äußerste proximale Rand des Knochens. In dorsaler Aufsicht liegen die 
beiden Artikulationsflächen in einem Winkel von ca. 7O Grad gegeneinander. 
Sie sind das getreue Abbild ihrer zugehörigen Os Rad, et intermed.- und 
Os Ulnare-Flächen. Hervorzuheben ist, daß die an das Os Rad. et intermed. 
gelenkende Fläche ein Teil einer Schraubenfläche ist. Für sie und die Os Rad. 
et intermed.-Fläche gilt dasselbe wie für die entsprechende Fläche beim Dachs 
auf Seite 172. 


b) Bewegungen in der Art. intercarpea. 


Die Bewegungen, die in diesem Abschnitt vorhanden sind, sind äußerst 
gering. Besonders das ulnare Gelenksystem, zu dem die Ossa C III und 


198 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


CIV-+-V gehören, ist sehr sparsam in seinen Exkursionen. Beweglicher 
ist das radiale Gelenksystem, aus den Ossa Carpalia I und II bestehend. 
Ausgangspunkt der Bewegung ist wieder die äußerste Streckstellung, 
eine Lage, die wiederum unserer definierten Mittelstellung entspricht. Dorsal- 
flexion kann nicht stattfinden, da bereits in dieser Stellung die dorsalen 
Ränder der beteiligten Knochen aufeinandergepreßt sind. Als besondere 
Hemmfläche für die Dorsalflexion läßt sich die dorsal-volar verlaufende obere 
Fläche des Os C III-Gelenkkopfes auffassen. Während bei eintretender 
Beugung im ulnaren Abschnitt nur eine minimale Exkursionsbreite in einer 
Richtung, nämlich Volarflexion, festzustellen war, wobei das Os CIV+V 
durch die Schraubennatur seiner radialen Gelenkfläche ebenfalls, natürlich 
nur ganz gering, die Beugung carpuseinwärts induziert, ist die Exkursions- 
breite im radialen Abschnitt, obgleich an sich gleich groß, auch noch in 
anderer Richtung möglich. Eine Analyse der Bewegungen in diesem Ab- 
schnitt zeigt folgendes: Dadurch, daß wir im volaren Teile der Os C I-Gelenk- 
fläche ein Kugelgelenk haben, bieten sich verschiedene Bewegungsmöglich- 
keiten: 1) im volarflektorischen Sinne. Es sei zunächst bemerkt, daß in 
einem Kugelgelenk Bewegungen um unendlich viele Achsen ausführbar sind. 
Alle diese Achsen schneiden sich aber in einem Punkt, dem Drehpunkt. 
Dieser Drehpunkt liegt hier im Zentrum des Wulstes (Kugel). Außerdem 
befindet sich noch eine fast ebene Gelenkfläche dorsalwärts.. Nun kann eine 
Beugung des Gelenkes eintreten um eine radial-ulnare Achse. Dabei wird 


Abb. 88. Abb. 89. 


die Zunge (Abb. 88) (die fast ebene Gelenkfläche) von ihrer Be- 
rührungsfläche abgehoben. Es tritt Klaffen des Gelenkes ein (Abb. 89). 
2) Drehungsbewegungen. Es ist oben festgestellt worden, daß wir fast 
ebene Gelenkflächen im dorsalen Teile haben. Bei einer Bewegung um 
eine zur Volarfiexion senkrechte Achse im Kugelgelenk wird daher die 
ebene Fläche auf ihrer Os Rad. et intermed.-Fläche verschoben. Da nun 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 199 


die Achse, um die die Bewegung stattfindet, senkrecht zu den beiden einander 
anliegenden Ebenen steht, so finden sogenannte Drehungen statt. Die 
Drehungsachse selbst schneidet nur die gedachte Verlängerung der ebenen 
Flächen. Da nun die Drehungsachse von den ebenen Gelenkflächen entfernt 
ist, so legt jeder Punkt der bewegten Gelenkfläche einen ziemlich großen 
Weg zurück. Die umgebende Gelenkkapsel setzt aber diesen Bewegungen 
ziemlich früh ein Ziel, so daß die Exkursionsbreite in dieser Richtung relativ 
klein ist. 3) Die Kombination von obigen Bewegungen. Diese hat die größte 
Exkursionsbreite. Bei dieser Bewegung kann der mit dem Knochen distal- 
wärts verbundene erste Finger ein wenig eingerollt werden. 

Die Bewegungen des Os C II sind ganz ähnliche wie die oben be- 
schriebenen des Os C I, denn dieser Knochen steht mit dem Os CI in enger 
Verbindung. Die Flexion wird ebenfalls durch allerdings nicht so großes 
Klaffen wie beim Os CI ausgeführt. Drehpunkt ist in diesem Falle die 
untere nach volar umgebogene, spitze, distale Fläche. Außerdem finden Ad- 
und Abduktionsbewegungen statt und zwar, da auch hier ein fast ebener 
Gelenkkörper vorhanden ist, in Form einer Translation, d. h. einer gerad- 
linigen Verschiebung in ulnar-radialer Richtung. 

Festzuhalten ist aber, daß, trotzdem diese Bewegungen konstatiert sind, 
sie in ganz geringen Grenzen stattfinden. (Siehe auch die Röntgenaufnahme, 
Tafel XIX, Abb. 124, das von einem jungen Tiere stammend, nur die 
Ossifikationskerne der einzelnen Carpalia zeigt.) 


6. Articulatio carpometacarpeae. 
a) Gelenkflächen der Art. carpometacarpeae (Abb. 90, 91). 


Die fünf Ossa Metacarpalia stehen miteinander und mit der distalen 
Reihe der Handwurzelknochen in Verbindung, und zwar bildet das Meta- 
carpale I mit dem Os CI ein Gelenk besonderer Art, während die Gelenke 
der Metacarpalia II bis V ein gemeinsames Gelenk bilden, welches mit der 
Art. carpometacarpeae und mit der Art. intercarpea, d. h. den Gelenkspalten 
zwischen den einander zugekehrten seitlichen Gelenkflächen an den Basen 
der Metacarpalia II bis V zusammenhängt. 

Das Os Carpale I zeigt zur Artikulation mit dem Metacarpale I eine 
Sattelfläche. Die Krümmungen am Os C I sind dorsal-volarwärts konkav, 
radial-ulnarwärts konvex, mit Ausnahme des dorsalen Teiles der Fläche, 
Umgekehrt verhalten sich die Krümmungen an der Gelenkfläche des Mc IL 

Die übrigen drei Carpalia geilenken mit den vier Metacarpalia in Flächen, 
die alle in dorsal-volarer Richtung konkav ausgehöhlt sind. 

Das Os Carpale III hat eine distale hohle Fläche für das Mc III. 


200 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Das Os Carpale IV+V nimmt die Basisenden der Metacarpalia IV 
und V auf. Es ist eine ganz glatte Fläche, die, wie die Os C III-Fläche 
ausgehöhlt ist. 


Abb. 90. Thalassarctos maritimus L. Profil der proximalen 
Reihe der Art. carpometacarpeae. 0,6 nat. Gr. 


Die proximalen Basisflächen der Mittelhandknochen sind denen der Ossa 
Carpalia sehr gleichförmig. Sie sind alle in dorsal-volarer Richtung konvex. 
Ausgeprägte Sattelform besitzt diejenige des ersten. Die Fläche des zweiten 
Mittelhandknochens ist dreieckig und fast eben. Außerdem besitzt er auf 
der radialen Seite seiner Basis eine punktförmige Fläche für das Os CI 


Abb. 91. Thalassarctos maritimus L. Profil der distalen Reihe der Art. 
carpometacarpeae. 0,6 nat. Gr. 


und auf der Ulnarseite eine für das Os C III. Die Fläche des dritten 
Metacarpale ist viereckig und dorsal-volar konvex. Die Basisenden der Meta- 
carpalia IV und V bilden zusammen ein einheitliches Gelenk entsprechend 
dem des Os CIV-+-V. Die Metacarpalia II bis V haben außer diesen Gelenk- 
flächen noch intermetacarpale, d. h. zwischen den einander zugekehrten Seiten 
liegende Gelenkflächen. Nur das Me I ist vollständig von den anderen isoliert. 


b) Bewegungen in der Art. carpometacarpeae. 

Das Grundgelenk des ersten Metacarpale gestattet — als ausgesprochenes 
Sattelgelenk — Ak- und Adduktionen, sowie Volarflexion. Die übrigen 
Flächen haben außer der vorherrschenden Konvexität in dorsaler-volarer 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 201 


Riehtung alle die Tendenz gleichzeitiger Höhiung in radial-ulnarer Richtung, 
zumindest in einem Teilabschnitt der Flächen. Es ist daher wohl möglich, 
sie sämtlich als stark modifizierte Sattelgelenkflächen zu bezeichnen; denn 
obgleich die Hauptbewegung durch die Konvexität in der Volarfiexion gegeben 
ist, so können geringe Ab- und Adduktionen am Präparat ausgeführt werden. 
Auch in diesem Abschnitt sind die Bewegungen äußerst gering. 


7. Zusammenfassende Übersicht über die Bewegungen. 


Im Gegensatz zu unseren Beobachtungen zeigen uns die anatomischen 
(gelenkmechanischen) Untersuchungen, eine nicht erwartete geringe Beweglich- 
keit des Carpalsegmentes. 

Die Art. antebrachiocarpea ist ein ausgesprochenes Eigelenk. Es ver- 
mittelt die Hauptbewegungsmöglichkeiten der Hand, so Volarfiexion mit ganz 
zum Schluß der Beugung vorhandener leichter Einwärtsschraubung (als Folge 
des vorhandenen Sattelgelenkes), ferner radiale bzw. ulnare Abduktions- 
bewegungen. Alle diese Bewegungen sind von ausgiebiger Exkursionsbreite, 
ganz im Gegensatz zu den anderen beiden Gelenkabschnitten, wo nur geringe 
Bewegungsmöglichkeiten ausgebildet sind. In der Hauptsache kann in diesen 
die Volarflexion unterstützt werden. Außerdem sind am Os C I und C II 
bestimmte Bewegungen konstatiert worden, die wir mit „Drehungen“ be- 
zeichnen und die mit der Volarflexion kombiniert, eine Einrollung des ersten 
Fingers und auch noch in geringerem Maße des zweiten Fingers zur Folge 
haben. Wenn die Bewegungsbreite der Radialseite der Hand auch — ver- 
glichen mit der Bewegungsbreite der Art. antebrachiocarpea — sehr gering 
ist, so glaube ich, daß sie vorzugsweise beim Klettern angewendet wird, wo 
sich die Hand der Rundung der Stämme anpassen muß. 

Radiale bzw. ulnare Abduktionen sind am Präparat von den beiden 
distalen Gelenkabschnitten in der Art. carpometacarpeae in geringem Maße 
ausführbar. Da sie beim lebenden Tiere nicht vorhanden sind, so kann man 
wohl von einer latenten Fähigkeit, die Finger zu spreizen, reden, und der 
Grund mag fehlerhafte Innervation dieses Abschnittes sein. 

Dadurch also, daß die Hand als Ganzes gutes Bewegungsvermögen 
besitzt (als Folge des Eigelenkes in der Art. antebrachiocarpea), in sich 
aber weniger bestimmte Exkursionen ausführen kann — erwähnt seien 
hierbei die vorhandenen intercarpalen Ausgleichbewegungsmöglichkeiten und 
die fehlende Dorsalflexion im ganzen Carpalsegment (erst in den Metacarpo- 
phalangealgelenken ist eine solche möglich, s. auch Röntgenaufnahme Tafel 
XIX, Abb. 124) — entspricht sie einem ganz indifierenten Werkzeug, das 


nun größtmögliche Unterstützung durch die Unterarmbewegungen erfährt, was 
132% 


202 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


in einem nächsten Kapitel noch zu untersuchen ist. Erst im Zusammenhang 
mit den Unterarmbewegungen wird die so menschlich wirkende Bärenhand 
eine vollständige Klärung erhalten können. Die Hand an sich entspricht 
jedenfalls nicht dem durch die Beobachtung erhaltenen Eindruck eines viel- 
seitigen Bewegungsvermögens; es muß aber betont werden, daß die Hand 
durch die geringe Ausbildung von Bewegungsmöglichkeiten der distalen Ge- 
lenkabschnitte sich der Aufgaben des Laufens, Kletterns und Schwimmens im 
gleich guten Maße entledigt. 


V. Thalassarctos maritimus L. 
1. Lebensweise, 

Auch seine Bewegungen wirken wie die des braunen Bären im ganzen 
plump, sie sind aber im höchsten Grade ausdauernd. Dies zeigt sich zumal 
beim Schwimmen, bei dem der Eisbär seine Meisterschaft an den Tag legt. 
Die Geschwindigkeit, mit der er sich stundenlang gleichmäßig und ohne Be- 
schwerde im Wasser bewegt, schätzt SCORESBY auf 4 bis 5 km in der 
Stunde. Man sah ihn schon 40 Meilen weit von jedem Lande entfernt im 
freien Wasser schwimmen und darf deshalb vermuten, daß er Sunde oder 
Straßen von mehreren hundert Meilen ohne Gefahr zu übersetzen vermag. 
Auch versteht er ausgezeichnet zu tauchen. Man hat beobachtet, daß er 
Lachse aus der See geholt hat und muß nach diesem seine Tauchfähigkeit 
allerdings im höchsten Grade bewundern (BREHM). Daß er oft lange Zeit 
nur auf Fischnahrung angewiesen ist, unterliegt gar keinem Zweifel, und 
es geht hieraus hervor, daß er mit großer Schnelligkeit schwimmen kann. 
Es ist also zu untersuchen, ob bei einem so nahen Verwandten des braunen 
Bären, der sich dem Wasserleben als ausgezeichneter Schwimmer angepaßt 
hat, sich charakteristische anatomische Unterschiede herausgebildet haben, 
zumal er nicht, wie der Fischotter, Schwimmbewegungen mit dem ganzen 
Körper und dem Schwanz ausführen kann. Er muß also in ausgedehnterem 
Maße seine Extremitäten dazu benutzen. Soweit es mir möglich war, den 
Eisbären im Berliner Zvo in seinem eng begrenzten Becken beim Schwimmen 
zu beobachten, habe ich es getan und festgestellt, daß die Vorderextremitäten 
alternierend das Wasser unter die Körpermitte „treten“. Die Bewegung der 
Hand beim Schwimmen zu erkennen, war mir nicht möglich. Aber wenn ich 
den Eisbären beim Auf und Ab seiner sehr beständigen Pendelgänge in 
seinem Käfig betrachtete, so macht er eine ganz auffallend, für ihn charak- 
teristische Handbewegung, die, wie mir scheint, besonders zum Schwimmen 
ausgebildet ist und zwar so intensiv dabei benutzt werden muß, daß er auch 
auf dem Lande beim gewöhnlichen Gehen keine andere Bewegung lokomo- 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 203 


torischer Art machen kann. Diese Bewegung besteht darin, daß er die Hand 
zunächst rein volar flektiert, dann aber sie nicht im umgekehrten Sinne auf 
reinem Extensionswege wieder zurückbewegt, sondern durch Rotation der 
Hand nach einwärts und vorn die Ausgangsstellung erreicht. Daß eine solche 
Bewegung der Hand beim Schwimmen nur nutzbringend sein kann, ist ein- 
leuchtend, wenn man bedenkt, daß er durch eine solche rotierende Rück- 
wärstbewegung zur Ausgangsstellung einen erheblich geringeren Wasser- 
widerstand zu überwinden hat als bei reiner Dorsalflexion. Nur so ist es 
möglich, daß er sich effektiv im Wasser fortbewegen kann und die durch 
Volarflexion der breiten Hand erreichte Beschleunigung durch einfaches 
Strecken der Hand nicht wieder aufhebt. Die Hand kann auch als Ganzes 
leicht abduziert werden. Eine Fingerspreizung findet nicht statt, nur soweit 
wie gewisse Ausgleichbewegungen beim Auftreten auf den Boden erforder- 
lich sind, sind die Finger beweglich. 


2. Trittkissen (Abb. 92). 


Es ist dem von Ursus arctos sehr ähnlich, nur daß das Metacarpo- 
phalangealkissen hier bedeutend schmaler ist. Zwischen den Trittpolstern ist 
starke Behaarung. 


3. Gesamtform der Hand. 


-Der Eisbär hat ein ganz analoges Gesamtbild wie Ursus arctos. Her- 
vorzuheben ist nur, daß infolge größerer Mächtigkeit der einzelnen Knochen 
die Hand kompakter und breiter gestaltet ist und dadurch besonders auch 
als Ruder geeignet ist. 


4. Gelenkmechanische Untersuchungen (s. Abb. 84-87, 90, 91). 


Der Befund dieser Untersuchungen ist ein ähnlicher wie bei Ursus 
arctos. Nur in der Articulatio antebrachiocarpea ist eine Abweichung fest- 
gestellt worden, wie gleich nachfolgend beschrieben werden soll. 

Radius und Os Rad. et intermed. besitzen denselben vollständigeu 
Eigelenkcharakter wie die entsprechenden Ursus arctos-Knochen (Abb. 84,85). 
Jedoch ist hier das Sattelgelenk im radialen Teile der Gelenkflächen weit- 
gehendst reduziert, so daß man höchstens von einem „Anflug“ einer solchen 
Sattelfäche sprechen kann. Funktionell wird es übergangen. Es wirkt nur 
das Eigelenk. 

Ulna und Os Ulnare, Os Pisiforme. Die Ulna hat auf ihrem Pro- 
cessus styloideus einen weit abgerundeteren Gelenkkopf als Ursus arctos. 
Im größten Teile seiner Fläche kommt er der Gestalt einer Kugelkalotte 


sehr nahe. Die zugehörige Os Ulnare-Fläche hat im radialen Teile kugel- 
13* 3 


204 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


förmige Gestalt. Auch die Os Pisiforme-Fläche, in der die Ulna spielt, zeigt 
ein einer Halbkugel ähnliches Krümmungsverhältnis. 

Die Bewegungen in diesem Abschnitt, dem Hauptabschnitt der Gesamt- 
bewegung der Hand, sind hier ganz aus der Gestalt der Gelenkflächen, die 


ulnares Car- 
palkissen (Os 
Pisiforme)., 


Abb. 92. Thalassarctos maritimus L. Trittiläche 
der linken Vorderextremität (nach POCOCK. 1914). 


besonders die für den Eisbären charakteristische Handbewegung hervorrufen, 
zu erklären. Da ein ideales Eigelenk vorhanden ist, das in seinen Bewegungs- 
möglichkeiten nicht wie beim braunen Bären irgendwann durch ein Sattel- 
gelenk beeinflußt wird, so haben wir Bewegungen, die einmal um eine hori- 
zontale, ein anderes Mal um eine vertikale Achse stattfinden können, und 
damit Volärflexion und radiale bzw. ulnare Abduktionen hervorrufen können. 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 205 


Außerdem sind aber, wie bei dem Fischotter bereits auseinandergesetzt 
wurde (s. pg. 182/183), rotierende Bewegungen um fortwährend sich ändernde 
Achsen, die parallel zur Tangentialebene an den Mittelpunkt der Eiober- 
fläche gelegt werden können, möglich. 

Durch die kugelförmige Ausbildung des ulnaren Gelenkabschnittes werden 
Rotationen im ganzen proximalen Gelenkabschnitt ermöglicht. 

Gehen wir wieder von der äußersten Streckstellung, der „Mittelstellung“ 
aus, — Dorsalflexion ist unmöglich — so findet beim Schwimmen und Gehen 
zunächst Volarflexion um eine ulnare Achse statt. Dann aber, bei der Ex- 
tension, finden um wechselnde Achsen Bewegungen statt, die in der Gesamt- 
heit als Rotation bezeichnet werden können. 

Es ist natürlich auch möglich, daß der Eisbär schon beim Beugen 
Rotationen vornehmen kann, er tut es aber nicht aus Gründen, die ihn als 
guten Schwimmer dazu zwingen, effektive Arbeit zu leisten. Eben weil er 
in der Hauptsache Schwimmer ist und sich dabei besonders dieser Bewegung 
bedient, so verwendet er dieselbe Bewegung auch gleichzeitig für seinen 
langsamen und bedächtigen Gang, wobei sie ihm durchaus nicht hinderlich 
ist und durchaus nicht unbehilflich und ungeschickt wirkt. 

In den übrigen Gelenkabschnitten ist eine vollständige Übereinstimmung 
mit denen von Ursus arctos vorhanden (s. Protokoll Nr. IV). 


VI. Potos flavus SCHREB. 
1. Lebensweise. 

Der Wickelbär lebt in den Urwäldern von Mittel- und Südamerika, von 
Mexiko bis Matto Grosso hoch uben in den Bäumen. Seine Lebensweise ist 
eine vollkommen nächtliche. Den Tag verschläft er in hohlen Bäumen, des 
Nachts aber zeigt er sich lebendig und klettert außerordentlich gewandt 
in den hohen Baumkronen umher, seiner Nahrung nachgehend. Dabei leistet 
ihm sein Wickelschwanz vortreffliche Dienste. Er gibt kaum einem 
Affen an Klettergewandtheit etwas nach. Alle seine Bewegungen 
sind äußerst behende und sicher. Seine einwärts gestellten Handvolae ermög- 
lichen ihm, auf Ästen entlang zu klettern und zu laufen, wobei auch beson- 
ders die kräftigen Krallen und die ausgiebige Beugung und Spreizung der 
Finger große Dienste leisten. Er kann sich auch mit den Hinterfüßen oder 
mit dem Wickelschwanz an Ästen und Zweigen festhalten und so gut an 
einen Baum klammern, daß er mit dem Kopfe voran zum Boden hinabzu- 
steigen vermag. Dies tut er aber sehr selten. Auf dem Erdboden hält er 
sich nicht gern auf. Wird er in der Gefangenschaft zu einem Leben auf 
ebener Erde gezwungen, so ist sein Gang sehr ungeschickt. Seine Hände 


206 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


werden dabei so weit nach einwärts gewendet, daß er über seine eigenen 
Hände fallen müßte, wenn er die eine nicht über die andere hinwegheben 
würde. Oft sitzt er auf den Hinterbeinen und frißt wie die Affen mit Hilfe 
der Pfoten; überhaupt trägt er in seinem Benehmen ein merkwürdiges Ge- 
misch von den Sitten der Bären, Hunde und Affen und Schleichkatzen zur 
Schau. (Nach BREHM, JULITZ 1909 und eigenen Beobachtungen.) 


2. Trittkissen (Abb. 93). 


Die einwärts gestellte Vola ist vollständig unbehaart. An den End- 
phalangen befinasn sich fünf langgestreckte Endballen. Ferner ziehen sich 


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Abb. 98. Potos flavus SCHREB. 
Trittpolster der linken „Hand“. 


über die Metacarpophalangealgelenke vier trapezfürmige Trittkissen, die durch 
Furchen getrennt sind und nach der Mitte der Vola konvergieren. In der 
Mitte der Vola befindet sich eine Vertiefung, die distalwärts durch die vier 
Metacarpaltrittkissen und proximalwärts durch zwei große Trittkissen, die 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 207 


genau auf dem Carpus liegen, begrenzt wird. Von diesen beiden Carpalkissen, 
die wiederum durch eine Furche getrennt werden, überwiegt das ulnare das 
radiale an Größe. Außerdem ist — als besondere Anpassung an das Baum- 
leben, wie JULITZ berichtet — in der Mitte der Volarfläche eine Ver- 
tiefung, „die nach Bedarf noch mehr vertieft werden kann durch einen Zug, 
den der Musc. palmaris longus externus auf die Palmaraponeurose ausübt. 
So kann sich die Hand an ihre Unterlage ansaugen*. 


3. Gesamtform der Hand (Abb. 94). 
An einem kurzen Unterarm, dessen Knochen durch einen großen Ante- 
brachialraum getrennt sind (s. Tafel XIX, Abb. 125), befindet sich eine fünf- 


Rn 


EFT = erg 
SE ar 

> 

ar 


£ Ki 


BE 
ZN 
Ban 
Ko A = 
TR SS as Er = 
\ — 


über die „Hand“ (dorsale Ansicht). 


fingrige, mit kräftigen Krallen bewafinete Hand, deren dritter und vierter Finger 
am längsten ausgebildet sind. Besonders fällt die Isoliertheit des Daumens auf, 
der nicht mehr proximal-uluarwärts an die übrigen Finger dicht heran- 


208 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


gerückt ist. Der Carpus enthält die für die Arctoiden charakteristischen 
sieben Knochen. Besonders entwickelt ist das Sesambein am radialen Rande 
des Os Rad. et intermed.. Die Gesamtform des Carpus ist ungefähr eiförmig. 
Das Gewölbe ist flach. 
4. Articulatio antebrachiocarpea. 

a) Gelenkflächen der Art. antebrachiocarpea. (Abb. 95, 96). 

a) Radius: Die distale Epiphyse 
enthält die Gelenkfläche für das Os 
Rad. et intermed. Sie hat die Form 
einer ausgehöhlten Eifläche, die auf 
dem Proc. styl. radii zapfenförmig 
fortgesetzt wird, und somit ist 
gelenkmechanisch ein einheitlicher 
Charakter vorhanden. Die „große 
Achse“ verläuft radialulnar, aber 
nicht senkrecht zur Unterarmlängs- 
achse, da die ganze Fläche etwas 


Abb. 95. Potos flavus SCHREB. Profil 
der proximalen Reihe der Art. ante- 
brachiocarpea. 3,3:1 nat. Gr. 

elleneinwärts gerichtet ist. 


ß) Ulna: Sie hat einen äußerst stark entwickelten Processus styloideus, 
auf dem, nach der radial-distalen Seite gerichtet, ein Gelenkkopf ausgebildet 
ist. Dieser hat dem Verlauf nach große Ähnlichkeit mit dem von Lutra. 
Die Gelenkfläche gelangt am ulnar-distalen Rande auf die Dorsalseite der Ulna. 

Radius und Ulna hängen nur am distalen Ende durch zwei stark er- 
habene Gelenkflächen zusammen, so daß eine große radial-ulnare Breite beider 
Knochen vorhanden ist. 

y. Os Radiale et intermedium: Dieser Knochen erscheint im Ver- 
hältnis zum Os Rad. et intermed. des 
Bären ziemlich in die Breite (radial- 
ulnar) gestreckt (Abb. 96). Seine proxi- 
male Gelenkfläche, die dieganze Proximal- 
fläche des Knochens einnimmt, ist eine 
Eigelenkfläche, stark konvex in dorsal- 
volarer Richtung, schwächer in radial- 
ulnarer Richtung. Waren bisher die 
proximalen und die distalen Gelenk- 
facetten durch eine Knochenfläche ohne 
Gelenktlächencharakter auf der Dorsal- 


> 


Abb. 96. Potos flavus SCHREB. t s 
Profil der distalen Reihe der Art. seite des Knochens getrennt, so sind 


antebrachiocarpea. 3,3:1 nat. Gr. beide Facetten bei Pofos einander so ge- 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 209 


nähert, daß sich zwischen ihnen nur noch ein äußerst feiner Streifen des 
Knochenkörpers hinzieht, 'ja im radialen Teil des Knochens treffen beide 
Facetten sogar direkt zusammen. 

0. Os Ulnare: Es besitzt zwei Gelenkflächen: eine dorsale, schwach 
konkave für die Ulna, eine volare, fast ebene, für das Os Pisiforme, 

&. Os Pisiforme: Es wendet eine entsprechende ebene Fläche an das 
Os Ulnare und eine ulnar-proximalwärts schauende an der ulnaren Seite aus- 
gerundete Gelenkfläche an den Proc. styl. ulnae. 


b) Bewegungen in der Art. antebrachiocarpea. 


Wieder ist im Os Rad. et intermed.-Radiusgelenk ein Eigelenk vor- 
handen. Dieses hat nach Erörterungen voriger Kapitel zwei Hauptdrehungs- 
achsen, die hier einmal von radial nach ulnar, ein anderes Mal senkrecht 
dazu verlaufen. Beide Achsen schneiden sich aber nicht infolge des ver- 
schiedenen Krümmungsradius. Gehen wir also von der Mittelstellung der 
Hand aus, die bei allen bisher untersuchten Tieren der extremsten Streck- 
stellung entspricht, so ist zu konstatieren, daß in dieser Lage die Wickel- 
bärhand eine Mittelstellung einnimmt. Sie kann aus dieser Stellung heraus 
einmal dorsai flektiert werden, bis sich die dorsalen Facettenränder des 
Os Rad. et intermed.-Radiusgelenkes decken (Taf. XIX, Abb. 125). Ferner 
kann sie aus der Mittelstellung heraus volar flektiert werden, bis sich die 
volaren Facettenränder decken. Diese Flexionen werden um eine radial- 
ulnare Hauptachse ausgeführt (Taf. XIX, Abb. 126). 

Die andere Hauptachse in senkrechter Richtung gestattet radiale bzw. 
ulnare Abduktionsbewegungen, die hier besonders groß sind, da die Gelenk- 
fläche des Os Rad, et intermed. in radial-ulnarer Richtung eine große Aus- 
dehnung aufweist. Außerdem lassen sich in diesem Gelenk Drehungen um 
unendlich viele Achsen ausführen, wie sie auf Seite 182 schon ausführlich 
geschildert worden sind. Diese Drehungen können Rotationen sein. Jedoch 
ist dieses hier vorhandene Eigelenk, besonders für sehr gute radiale bzw. 
ulnare Abduktionsbewegungen eingerichtet. Es kann also auch zu den „ide- 
alen‘‘ Eigelenken gerechnet werden. 

Das Os Ulnare-Ellengelenk wird vollkommen von diesen Bewegungen 
im Nachbargelenk beeinflußt. In der Mittelstellung bleibt ein Teil der dor- 
salen Gelenkfläche unbedeckt, was besonders gut am Proc. styl. ulnae zu 
sehen ist. Erst in dorsalflektierter Stellung werden die äußersten Ränder 
aneinandergepreßt. So erklärt sich das Hinübergreifen des Gelenkkopfes auf 
die Dorsalseite des Proc. styl. ulnae. Da eine äußerst schwache Konkavität der 
Os Ulnare-Fläche vorhanden ist, setzt dieser Teii des Gelenkabschnittes den 


210 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


übrigen Bewegungen keinen Widerstand entgegen. Nur stehen die möglichen 
Abduktionsbewegungen zum Nachbargelenk in keinem Verhältnis. Um diese 
im ulnaren Teile ebenfalls recht ausgiebig zu gestalten, findet eine Kompen- 
sation dafür im Os Ulnare-Os C IV — V-Gelenk statt (wie wir es in äbn- 
licher Weise bei Zutra gefunden haben). Daß Rotationen möglich sind, zeigt 
auch das Os Pisiforme-Ellengelenk, das im ulnaren Teile halbkreisförmig 
ausgerundet ist. 


56. Articulatio intercarpea. 


a) Gelenkflächen der Art. intercarpea (Abb. 97, 98). 


a. Os Rad. et intermed.: Dieser Knochen verbindet sich mit den 
vier distalen Carpalia und bildet somit eine feste mechanische Einheit. Für 
das Os C IV —+ V enthält der Knochen eine etwas ulnarwärts gerichtete 
Hohlfläche, die außerdem noch geschraubt erscheint. Die Hohlfläche daneben, 
für das Os C III bestimmt, ist sehr 
stark ausgehöhlt. Dorsalwärts biegen 
die Ränder auf die radiale und ulnare 
Seite um und bilden somit für das Os 
C UI, das entsprechende Flächen be- 
sitzt, Hemmungen, sich über einen ge- 
wissen Grad weiterzubewegen. Für das 
Os C IL ist eine vollkommen ebene, drei- 
eckige Gelenkfläche ansgebildet, deren 

S = Basis an der dorsalen Seite, deren Spitze 
Abb. 97. Potos flavus SCHREB. an der volaren Seite gelegen ist. Da- 
Profil der proximalen Reihe der Art. neben befindet sich die Gelenkfläche für 


intercarpea. 8,3:1 nat. Gr. ee 
Ben ; das Os C I, die in ihrer ganzen Äus- 


dehnung einmal von dorsal nach volar, und einmal von radial nach ulnar 
ausgehöhlt ist und einer Eifläche ähnelt. Beide Gelenkflächen für das Os 
C I und das Os C II gehen ineinander ohne Begrenzung über. 


ß. Os Ulnare: Die distale Fläche ist carpuseinwärts gerichtet und 
bildet mit der ulnaren Randflächke des Os Rad. et intermed. einen 
Winkel, dessen Scheitel in dem Zwischenraum zwischen Os Ulnare und Os 
Rad. et intermed. liegt. Die Fläche selbst ist beinahe quadratisch und in 
distalulnar-proximalradialer Richtung leicht gewölbt. 


y. Ossa Carpalia: Alle vier Knochen sind miteinander verbunden. 
Ihre Gelenkfiächen entsprechen denen des Os Rad. et intermed,, und es ist 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 211 


besonders hervorzuheben, daß sie in ihrer Ausdehnung denen der proximalen 
Knochen fast gleich sind. Nur die ulnar-proximale Fläche des Os CIV-- V 
ist der Os Ulnare-Fläche garnicht entsprechend 

gebaut... Während die Os Ulnare-Fläche so TREE 
hoch wie breit ist, ist diese sehr in die Breite NV 
(radial-ulnar) gestreckt, viereckig und in dieser 
Richtung leicht konvex. Das OsC IV—+V 
schiebt sich wie ein Keil zwischen Os Ul- 


nare und Os Rad. et intermed. (Abb. 94), Abb. 98. Potos ftavus 
SCHREB. Proäl der dista- 


len Reihe der Art. inter- 
carpea. 3,3:1 nat. Gr. 


auf deren ulnarer Seite diese langgestreckte 
Fläche liegt, während auf der radialen Seite 
eine der Fac. art. hamati sehr gleichförmige 
Facette ausgebildet ist. Beide Flächen stoßen in einer scharfen Kanie, 
der Schneide des Keiles, zusammen. 

b) Bewegungen in der Art. intercarpea. 

Bewegungen sind in diesem Gelenkabschnitt äußerst gering. Dazu 
kommt, daß infolge der Kleinheit der artikuliierenden Knochen diese sehr 
schwer festzustellen sind. Sicher ist, daß keine Dorsalfiexion stattfindet und 
Bewegungen besonders abduktorischer Art im Os Ulnare-Os C IV V- 
Gelenk ausgeführt werden können. Im übrigen sind allenfalls Ausgleich- 
bewegungen geringer Exkursionsbreite möglich. 


6. Articulatio carpometacarpeae. 
a) Gelenkflächen der Art. carpometacarpeae (Abb. 99, 100). 


Die distalen Carpalia gelenken mit den fünf Metacarpalia in Flächen, 
die mit einer Ausnahme sattelförmigen Charakter ausgebildet haben. 

Das Os Carpale I hat eine typische Sattelfläche für das Me I nach 
distal-radial-volar gerichtet. Sie ist dorsal-volarwärts konkav, radial -ulnar- 
wärts konvex und zwar hat die konkave Krümmung des Os CI, wie schon 
bloße Betrachtung ergibt, einen kleineren Krümmungshalbmesser als die 
konvexe. Ferner besitzt das Os C I an seiner ulnar-dorsalen Kante eine in- 
folge ihrer Kleinheit beinahe punktförmige Gelenkfläche für das Me 11. 

Das Os Carpale II verbindet sich mit einer dreieckigen Fläche dem 
Me II. Diese ist ebenfalls sattelförmig gekrümmt und zwar radial-ulnarwärts 
konvex, dorsal-volar konkav, das Me II entsprechend umgekehrt. 

Das Os Carpale III besitzt eine distale in dorsal-volarer Richtung 
hohle Fläche für das Me III, das am dorsalen Rande eine leichte sattelför- 
mige Gestalt durch Hinzukommen einer Konvexität in radial-ulnarer Rich- 
tung hat, und an seiner radialen Seite eine schmale Fläche für das Me II. 


212 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Das Os Carpale IV 4 V artikuliert mit den Basisenden des vierten 
und fünften Metacarpale mit einer im Umriß paralleloegrammförmigen Fläche. 
Sie enthält also zwei verschieden zusammenstoßende Artikulationsflächen, die 
aber im Os C IV —- V ohne weiteres ineinander übergehen. Während die 
radiale Hälfte — für das Me IV bestimmt — in der Hauptsache dorsal- 
volar konkav ist, ist die ulnare Hälfte — für das Mc V — ziemlich deut- 
lich sattelförmig und zwar dorsal-volar konkav, radial-ulnar aber konvex. 
Die Richtung der letzten Fläche ist schräg nach ulnar auswärts. 


IE 
4 
Abb. 99. Potos flavus SCHREB. Abb. 100. Potos flavus SCHREB. 
Profil der proximalen Reihe der Profil der distalen Reihe der 
Art. carpometacarpeae. Art. carpometacarpeae. 
3,5 :1 nat. Gr. 3,5 :1 nat. Gr. 


Die Gelenkflächen der Basisenden der Metacarpalia (Abb. 100) sind 
denen der Carpalia durchaus entsprechend gebildet. 

Ausgeprägte Sattelform hat der erste Finger. Dadurch, daß seine Ge- 
lenkfläche nicht mehr genau in der Mitte der Basis des Metacarpale liegt, 
sondern ganz auf die uinare Seite der Basis gerückt und leicht nach ulnar- 
proximal gerichtet ist, ist der erste Finger im Grundgelenk um etwa 20 Grad 
nach auswärts gedreht und steht daher auf seiner Kante, so wie ja auch 
beim Menschen der Daumen beim Auflegen der Hand auf den Tisch in Kanten- 
stellung aufliegt. — Auch die Fläche des Metacarpale Il ist sattelförmig. — 
Die Gelenkfläche des Metacarpale III ist in der Hauptsache dorsal-volar 
konvex und besitzt nur am äußersten dorsalen Rande außer der Konvexität 
eine leichte Höhlung im radial-ulnaren Sinne, also einen sattelförmigen An- 
flug. — Das Metacarpale IV paßt sich ganz der radialen Hälfte des Os 
C IV V an und ist dorsal-volarwärts konvex. — Das Metacarpale V 
dagegen hat deutliche Sattelform. 

Außer diesen Artikulationen finden noch seitliche Verbindungen dieses 
Carpusabschnittes statt. So lehnt sich das Mc II mit einer radialen Seiten- 
fläche an eine entsprechende der ulnaren Seite des Os CO I im dorsalen Ab- 
schnitt dieser Region. Ferner berührt das Mc II mit seiner ulnaren Seiten- 
kante auch noch die entsprechend gebaute radiale Kantenfläche der distalen 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 213 


Os C III-Fläche. So ist das Me II tiefer als alle übrigen Metacarpalia in 
die Handwurzel eingesenkt. 

Ferner artikulieren alle Metacarpalia mit Ausnahme des ersten Fingers 
untereinander, Auffällig ist die vom Me III aus stark divergierende An- 
‘ordnung der Mittelhand. Dazu tragen die nach auswärts orientierten Gelenk- 
flächen der am radialen bzw. ulnaren Rande gelegenen Carpalia bei. So 
bilden die Längsachsen der Metacarpalia I und V mit der Mittellinie der 
Hand distalwärts offene Winkel. 

b) Bewegungen in der Art. carpometacarpeae. 


Da wir in diesem Gelenkabschnitt in der Hauptsache mehr oder minder 
ausgebildete Sattelgelenke konstatiert haben, lassen sich zwei Bewegungs- 
arten nachweisen: radiale und ulnare Abduktionsbewegungen, sowie Volar- 
flexion. 

Diese Bewegungen zeigt am ausgeprägtesten das Gelenk des ersten 
und des fünften Fingers. Gerade in diesen beiden Gelenken ist die Abduk- 
tionsbewegung auffallend groß. Die Volarflexionen sind überall sehr klein 
and sehr schwer nachzuweisen. 


7. Zusammenfassende Übersicht über die Bewegungen, 


Die Articulatio antebrachiocarpea ist ein ideales Eigelenk und zeichnet 
sich deshalb durch großes Bewegungsvermögen aus; sogar Dorsalflexionen 
können ausgeführt werden (Tafel XIX, Abb. 125). Besonders ist sie ge- 
eignet, radiale bzw. ulnare Abduktionen auszuführen, die im ulnaren Teil 
des Gelenkabschnittes nicht so groß sind und daher in der Art. intercarpea 
kompensiert werden. 

Die anderen Gelenkabschnitte treten in ihrem Bewegungsumfang sehr 
stark hinter die Art. antebrachiocarpea zurück. Nur die Metacarpalia und 
von ihnen besonders der erste und der fünfte Finger zeigen ausgeprägtes 
Abduktionsvermögen. 

So haben wir eine Hand vor uns, die besonders große Abduktions- 
bewegungen ermöglicht und daher dem Baumleben gut angepaßt ist. Durch 
das ausgeprägte Sattelgelenk des ersten Fingers, welches ganz der ulnaren 
Seite der Metacarpalbasis liegt und in einem Winkel zur dorsal- volaren 
Richtung gedreht ist, erlangt der erste Finger eine höhere funktionelle Be- 
deutung. Er erscheint somit durch seine Stellung auf die „Kante“ ähnlich 
wie beim Menschen vollständig von den anderen Fingern isoliert. Eine Oppo- 
nenz, die scharf von der Spreizbarkeit zu trennen ist, und die Hand wie bei 
Prosimiern zu einem Greiforgan machen würde, liegt nicht vor (s. darüber 
besonders auch das Kapitel ce II). Doch scheint, wie schon JULITZ berichtet, 


214 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


ein Ersatz dafür in der Ansaugungsfähigkeit der Hand (s. pg. 207) vor- 
handen zu sein. 

Auch ist interessant, festzustellen, daß durch geringere Ausbildung der 
Capitula der Metacarpalia eine ausgiebige Dorsalflexion stark gehemmt und 
in den Fingergelenken gänzlich unterbunden ist. Dieses ergänzt das Ge- 
samtbild der Bewegung des Carpalsegmentes und unterstreicht zugleich die 
außerordentlich gute Adaptivität der Potoshand. Außerdem erinnert ein 
solches Verhalten sehr an die menschliche Hand. 


Zum Schluß dieses Abschnittes sei noch allgemein bemerkt, daß zwischen 
den einzelnen Carpalknochen auch Gelenke vorkommen. Die Bewegungs- 
möglichkeiten sind aber bei allen Typen äußerst gering und schwer klassi- 
fizierbar. Es möge der Hinweis genügen, ihr Vorhandensein zur Ermög- 
lichung von Ausgleichbewegungen gegen Unebenheiten des Substrates zu 
erklären. 


c) Bewegungsvermögen und Gelenkverbindung im Carpalsegment 
(Vergleich). 
I. Faktoren und Bewegungsarten. 


Überblicken wir das Tatsachenmaterial, das im obigen mitgeteilt und 
durch Zeichnungen illustriert und verifiziert ist, so ergibt sich trotz so naher 
Verwandtschaft der untersuchten Tiere ein in den Bewegungen recht diver- 
gierendes Bild. Es dürfte angebracht sein, die Hauptargumente der gelenk- 
mechanischen Untersuchungen sich einmal im Zusammenhange anzusehen und 
sie auch nach bestimmten Gesichtspunkten einer Kritik zu unterziehen, was 
im folgenden geschieht. 

Was die einzelnen in der Einleitung des Teiles C, b (der Untersuchungs- 
protokolle) definierten Bewegungen angeht, so ist zu betonen, daß alle 
hier untersuchten Tiere Vierfüßler sind und sich der Lokomotion auf 
dem jeweiligen Substrat mit Hilfe aller vier Extremitäten fortbewegen. 
Diejenige Extremität wird am klarsten begreiflich sein, die nur einer Ver- 
richtung dient, wie eben der reinen Lokomotion. Es ist aber bereits im 
Laufe der Erörterungen darauf hingewiesen worden, daß das Terminalsegment 
der Vorderextremität sich mehr und mehr der menschlichen „Hand“ dadurch 
nähert, daß immer weitere „aktive“ Faktoren zu dieser einseitigen Funktion 
hinzukommen, so daß ein Tier sich mehrerer Aufgaben mit derselben Ex- 
tremität entledigen kann. Gerade unter unseren Untersuchungsobjekten finden 
wir Typen, die uns zeigen, wie der Organismus das Problem löst, den ein. 
fachsten Fall des Terminalsegmentes der Vordergliedmaße unter Hinzunahme 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 215 


immer weiterer aktiver Faktoren zu einem äußerst komplizierten „Apparat“ 
zu steigern, der fähig ist, mehreren Aufgaben in gleich gut angepaßter Weise 
zu dienen. Dazu muß gleichzeitig erwähnt werden, daß sich die verschiede- 
nen in einer Hand vereinigten funktionellen Möglichkeiten durchaus nicht 
im Wege sind. Sie können ungehindert nebeneinander bestehen. Es kann 
aber auch ein Faktor immer mehr in den Vordergrund treten und schließlich 
auf Kosten der anderen zum dominierenden Faktor werden. In einem solchen 
Falle stören sich die einzelnen Apparate. Eine solche Störung kann aber, 
wie wir sehen werden, durchaus bestehen, da das Tier dann vorzugsweise 
einen anderen „Lebenswandel“* führt. 

Diese allgemeinen Deduktionen führen mich nach den erhaltenen Unter- 
suchungsresultaten zu der Fragestellung, wie die verschiedenen Faktoren im 
Carpalsegment vom Organismus fixiert sind? Eine Antwort läßt sich darauf 
nur geben, wenn diese Faktoren mit den spezifischen Bewegungsarten, die 
bei unseren Untersuchungen gefunden wurden, in Beziehung gesetzt werden, 
Es kommen dabei als verschiedene Faktoren ein Lauffaktor, ein Grabfaktor, 
ein Schwimmfaktor und ein Kletterfaktor und als spezifische Bewegungsarten 
reine Volarflexion, radiale bzw. uinare Volarflexion, radiale bzw. ulnare Ab- 
duktion und Rotationen im supinatorischen bzw. pronatorischen Sinne in 
Betracht. Daß die einzelnen Bewegungsarten überhaupt mit den einzelnen 
Faktoren in Beziehung gesetzt werden können, das zeigen uns bereits die 
Untersuchungsprotokolle, die für jedes Tier charakteristische Bewegungen 
nachgewiesen haben. Da der Typ des Tieres durch seine Lebensweise 
bestimmt ist, so kann festgestellt werden, welche Bewegungsarten jenen 
Tieren gemeinsam, welche spezifisch sind. Da allgemein ein großes Be- 
wegungsvermögen der Art. antebrachiocarpea, bei der sogar teilweise Klaffen 
der artikulierenden Knochen auftritt (Canis, Meles), und ein wesentlich 
geringeres Bewegungsvermögen in den anderen beiden Gelenkabschnitten 
zutrifit, so können wir uns im großen ganzen auf die Tatsachen der Be- 
wegungsarten im ersten Handgelenk, das die führende Excursionsbreite 
besitzt, beschränken. Zeichnen wir uns nun die im ersten Handgelenk aus- 
führbaren Bewegungsgrade in Abhängigkeit von den einzelnen Faktoren auf, 
so lassen sich die für die einzelnen Faktoren spezifischen Bewegungsarten 
ablesen. Es ist hierbei aber selbstverständlich zu betonen, daß eine solche 
tabellarische Darstellung keine Wertcharakteristik sondern lediglich nur eine 
Zugehörigkeitscharakteristik sein kann. 

(Tabelle siehe nächste Seite). 

Wir erhalten durch diese Tabelle Antwort auf die oben gestellte Frage. 

Die einzelnen Faktoren sind, wie wir sehen, mit ziemlicher Prägnanz fest- 


216 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Keine Volar- f Rad. od. uln. Kyasktion Rolatien 


flexion Volarflexion 


Ganis: “.. - Lauffaktor 
Meles . ..  Grabfakter 
TE m EEE, = | Schwimm- 
Ursus e Be | 

Thalassarctos 

HR Kletterfaktor 
— — Sattelgelenk (schraubenförmige Bewegung im ran Sinne, 


zur rad. Volarflexion gehörig). 


gelegt: dem Lauffaktor ist die reine Volarflexion zugeordnet (s. Canis); der 
Grabfaktor wird durch die radiale bzw. ulnare Beugung dargestellt (s. Meles); 
zum Schwimmen gehören die Abduktions- und die Rotationsfaktoren, und 
zwar ist die Rotation quantitativ mehr ausgebildet als die Abduktion; als 
Kletterfaktoren sind ebenfalls Abduktion und Rotation ausgebildet, aber gerade 
im umgekehrten Verhältnis, Abduktion größer als Rotation. Wir erkennen 
aber nicht nur diese Zugehörigkeitscharakteristika aus dieser Tabelle, wir 
sehen auch daraus, welche Anlagen ein Tier zu einer anderen spezifischen 
Lebensweise enthält. So bedeutet die Wellenlinie, die in die Rubrik „seit- 
liche Beugung“ gesetzt ist, eine schraubenförmige (sprich: supinatorische) 
Einwärtsbewegung. Diese steht der radialen Flexion äußerst nahe. Da sie 
u.a. auch beim Dachs recht stark ausgebildet ist, so können wir dieser Be- 
wegungsart eine für das Graben zweckmässige Bedeutung zuschreiben. Das 
würde für unsere Auswertung bedeuten, daß auch der Hund und der braune 
Bär graben, oder zumindestens, da eine seitliche Beugung felılt, scharren 
können. Dieses stimmt durchaus mit den eigenen bzw. von anderen Be- 
obachtern gemachten Befunden überein. Auch sagt uns die Tabelle, daß der 
Fischotter einen Grabfaktor besitzt, was ebenfalls (s. Protokoll pg. 177) 
durchaus zutrifft. 

Alle untersuchten Tiere sind imstande, sich auf festem Substrat tort- 
zubewegen; das müßte also bedeuten, daß alle Tiere einen Lauffaktor auf- 
weisen. Das ist aber nur beim Hund, Bär und Eisbär der Fall, während 
die anderen Tiere ihn entbehren. Da diese aber trotzdem sich auf dem 
Erdboden bewegen können, so müssen wir annehmen, daß bei diesen Tieren 
andere Faktoren dominieren auf Kosten dieses Lauffaktors. Tatsächlich stimmt 
diese Vermutung. So können wir uns den auf Kosten des guten Grabens 
kommenden „schwerfälligen“ Gang des Dachses erklären; der Fischotter, an 
sich ein besserer Läufer als der Dachs, dankt diese Möglichkeit des schnellen 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 247, 


Laufes aber nur dem großen Kombinationsvermögen der „Schwimmfaktoren“, 
und endlich der Wickelbär, der sich nur sehr ungern auf dem Boden bewegt, 
besitzt, wenn man die !/, Pronation des Unterarmes berücksichtigt, überhaupt 
kein Laufvermögen. Die reinen Volarflexionen, die er auszuführen im Stande 
ist, sind hier zu sehr abhängig von der Stellung der Unterarmknochen (was 
in einem besonderen Kapitel noch gewürdigt werden muß) und können daher 
nicht als Ausdruck eines „Lauffaktors“ gelten. Ähnlich ist es mit der Aus- 
bildung der Schwimmfähigkeit. Es weisen nur Fischotter und Eisbär ‘die 
charakteristischen Schwimmfaktoren auf. Es ist aber auch bekannt, daß ein 
Hund recht gut schwimmen kann. Hier aber muß nun scharf geschieden werden 
zwischen Gelegenheitsschwimmern und gewohnheitsmäßigen Schwimmern. Zu 
den ersteren ist also der Hund zu rechnen, während Fischotter und Eisbär 
als gewohnheitsmäßige Schwimmer ganz bestimmte Faktoren ausbilden. 

Unter solchen Gesichtspunkten erscheint uns der braune Bär als ein 
Tier mit einer ganz universellen Hand. Sehen wir in unserer Tabelle nach, 
so hat er jeden Faktor, wenn auch nie bis zur höchsten Vollendung wie 
unsere „Typen“ ausgebildet. Bei ihm hat sich noch keine Funktion spezi- 
fisch lokalisiert. Infolgedessen ist er imstande, mit seiner universellen Hand 
alle möglichen Aufgaben zu erfüllen, ohne daß die einzelnen Bewegungs- 
elemente einander im Wege stehen. 

Da nun die Ursache dieser mehr oder weniger komplizierten Bewegungen 
im Bau der Gelenkflächen begründet ist, die ihre Gestaltung der ererbten 
Muskelinsertion und der Muskelwirkung verdanken, wobei auch die Gebrauchs- 
weise des Gelenkes formbildend mitwirkt, so ist es interessant, zu erfahren, 
wie denn nun die Natur diesen Zusammenhang zwischen Funktion und Gelenk- 
flächenausbildung gelöst hat, wobei wir uns auch wieder in der Hauptsache 
auf das erste Handgelenk beschränken können. 

Beginnen wir mit der Bärenhand, die infolge ihrer Universalität noch 
keine Arbeitsteilung durchgeführt hat, und versuchen wir diese undifferen- 
zierte Hand osteologisch zu begreifen, so erkennen wir im führenden radialen 
Teil des ersten Handabschnittes ein Eigelenk, das, wie auf Seite 146/147 
auseinander gesetzt wurde, durch Verlegung der Achsen einerseits in ein 
Zylindergelenk, andererseits in ein Kugelgelenk übergehen kann. Dieses 
ausgesprochene Eigelenk des Bären kann in die Mitte dieser beiden extremen 
Formen gestellt werden. Dadurch, daß es auch ein Sattelgelenk im radialen 
Teile enthält, das aber durch seine Achsenlagerung nicht das universelle 
Bewegungsvermögen stört und die Bewegungen niemals maßgebend in einer 
Phase beeinflußt, besitzt die Hand die Befähigung, gebeugt und gestreckt 


zu werden, durch Horizontalbewegung radial- und ulnarwärts bewegt und 
142 


218 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


auch einwärts rotiert zu werden. Der Eisbär, der ein ebenso geformtes 
Eigelenk besitzt, hat nur noch andeutungsweise ein Sattelgelenk, das aber 
nicht mehr funktionstüchtig ist. Dadurch kommen weit bessere Rotationen 
in diesem Gelenk zustande Der Wickelbär, der keinen Sattel mehr aus- 
gebildet hat, streckt das sonst ähnliche Eigelenk radio-ulnar in die Breite 
und macht es dadurch besonders fähig, radiale und ulnare Abduktions- 
bewegungen auszuführen. Hinzu kommt hier noch die große abduktorische 
Beweglichkeit der Finger (besonders des ersten und fünften Fingers) infolge 
von Sattelgelenken des dritten Handabschnittes. 


Von diesen ausgesprochenen Eigelenken lassen sich nun tatsächlich 
Tendenzen zu den beiden Extremen, Kugelgelenk und Zylindergelenk, fest- 
stellen. So tendiert das Eigelenk von Lutra zu dem einen Extrem der 
Kugelfläche. Die Achsen dieses Gelenkes kommen sich hier am nächsten. So 
können sehr gute Rotationen, Abduktionen und Flexionen stattfinden, die dem 
Otter eine große Kombinationsmöglichkeit der Hand gestatten. 


Dem anderen Extrem, dem Zylindergelenk, nähern sich sehr stark Canis 
und Meles. Bei ihnen ist die dorso-volare Bewegungsachse fast ins Un- 
endliche gerückt, und es finden durch die Ausbildung eines Sattels im Radial- 
teile des Eigelenkes zwangsläufige, schraubenförmige Einwärtsbewegungen in 
zwangsläufiger Verbindung mit ginglymischen Bewegungen statt. 


Der ulnare Teil des ersten Handgelenkes unterstützt in jedem Falle 
die Bewegungen, die durch das führende Os Rad, et intermed. geschaffen 
wurden. Dies kann bei den Scharnierbewegungen von Üanis sogar soweit 
führen, daß im Gegensatz zu allen anderen Gelenken das Os Ulnare konvex, 
die Elle zur Pfanne wird. Der erste Handabschnitt steht also ganz im 
Dienste der Spezialisierung, um nur eine Funktion auszuführen. 


Zusammenfassend läßt sich also sagen, daß das erste Handgelenk von 
Ursus arctos Universalität, besitzt, indem die Charaktere bestimmter Be- 
wegungen noch nicht fixiert sind, sie sind osteologisch noch „latent*. Es 
lassen sich noch alle Bewegungen ausführen. Aus diesem universellen Gelenk 
entstehen nun poly- und monofunktionelle Gelenke dadurch, daß in diesem 
universellen Gelenk nur wenige (Rotation, Abduktion) oder gar nur eine 
(Flexion) der latenten, osteologisch nicht ausgebildeten Bewegungen vor- 
wiegend oder ausschließlich zur Verwendung kommen und sich nun auch 
osteologisch im Gelenk ausbilden, wobei das Gelenk so verändert wird, daß 
es überhaupt die Befähigung verliert, die vernachlässigten Bewegungen weiter 
auszuführen. Zeichnen wir uns dieses in Form einer gelenkmechanischen 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 219 


Entwicklungsmöglichkeit — wobei ich ausdrücklich warne, diese Dinge etwa 
phylogenetisch aufzufassen — auf, so ergibt sich folgendes Bild: 
Ursus 
universell 


Canis Meles Thalassar.ctos Potos Lutra 
Zylinder-  Kugel- 
Gelenk Gelenk 


Es ist dies also ganz etwas ähnliches, wie z. B. die Tatsachen eines 
omnivoren bzw. poly- oder monophagen Gebisses. Solche Betrachtungen 
können, wenn einmal ein größeres Material bearbeitet ist, durchaus die Brücke 
zu phylogenetischen Problemstellungen schlagen. Zur Zeit läßt sich aber nur 
auf rein gelenkmechanische Erörterungen eingehen. 


II. Bewegungsvermögen und Gelenkverbindung des „Daumens“, 


Einer besonderen Würdigung bedarf der Vergleich des Bewegungs- 
vermögens und der Gelenkverbindung des ersten Fingers. Bei Oanis ist der 
erste Finger infolge seiner Kürze ganz außer Funktion gesetzt, und er führt 
nur noch passive Bewegungen aus. Beim Dachs und bei dem Fischotter 
können nur Volarflexionen ausgeführt werden, die bei Lutra noch durch 
eine leicht schraubenförmige Handeinwärtsbewegung kompliziert ist. Die 
Bären haben ein gut ausgeprägtes Sattelgelenk mit zwei Achsen, die dorsal- 
volar und radial-ulnar verlaufen. Diese Beschaffenheit der Kontaktflächen 
involviert die Möglichkeit einer volarflektorischen und auch einer abdukto- 
rischen Bewegung. Es bleibt aber faktisch (mangelnde Innervation?) bei 
einer Volarflexion um eine radio-ulnare Achse. 

Beim Wickelbären liegen jedoch die Verhältnisse so, daß in seinem 
Sattelgelenk auch außer Volarflexionen Abduktionen ausgeführt werden können. 
Diese als echtes Sattelgelenk anzusehende Gelenkverbindung fordert zu einem 


220 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Vergleich mit der Art. carpometacarpea pollicis des Menschen auf. Es ist 
ja eine bekannte Tatsache, daß der Daumen des Menschen eine sehr mannig- 
faltige Bewegungsmöglichkeit besitzt, und wir wissen, daß dieser erste 
Finger hier erst richtig zum „Daumen“ wird, der den übrigen Fingern ent- 
gegengestellt, opponiert werden kann, und die Hand dadurch zur Greifhand 
macht. Möglich werden diese Bewegungen durch ein Sattelgelenk. Es fragt 
sich also, wie kommt es, daß der Wickelbär, der ebenfalls ein echtes Sattel- 
gelenk ausgebildet hat, die Fähigkeit der Opponenz nicht besitzt? Durch- 
mustern wir eine Anzahl von Präparaten, so erkennen wir, daß das Sattel- 
gelenk des Wickelbären umgekehrt gekrümmt ist wie das des Menschen, 
wobei eine schematische Haltung der Knochen vorausgesetzt sei. Außerdem 
sind die Sattelgelenke anders dimensioniert. Der dorsal-volare Längsdurch- 
messer ist bei Potos bedeutend größer als der 
radial-ulnare (ab) (Abb. 101). Beim Men- 
schen ist es genau umgekehrt (Abb. 102), 
Es erscheint demnach dieser Durchmesser 
um 90 Grad gedreht. Dazu kommt, daß die 
|, dorsal-volare und die radial-ulnare Achse bei 
Ar 40 re, Potos mit diesen Richtungen in Wahrheit 
Potos (a>b). Homo (a<b). einen Winkel von 20 Grad, die des Men- 
schen einen Winkel von 45 Grad bildet; 
mit anderen Worten: Das Potosgelenk würde, um gleiche Krümmungen und 
gleiche Lage der Achsen aufweisen zu können, um 90 04-450 — 20 = 115° 
gedreht werden müssen. Dann würde eine Bewegung um die radial-ulnare 
Achse keine eigentliche Beugung sein, sondern der Daumen würde gegen 
die Handmitte hin bewegt werden, was man als „Opposition“ zu bezeichnen 
pflegt. In dieser Weise vollzieht sich die Gegenstellung des Daumens beim 
Menschen. Das Sattelgelenk des ersten Fingers von Potos läßt dagegen in- 
folge seines geringen Neigungswinkels und der damit verbundenen verschie- 
denen Dimensionierung der Bewegungsachsen nur Beugung und Streckung 
und radiale bzw. ulnare Abduktionen zu. Von einer Opposition kann nicht 
die Rede sein. Es ist aber wohl denkbar, daß ein solches Gelenk durchaus 
am ehesten dazu fähig ist, die Volarflexionen in Oppositionsbewegungen um- 
zuwandeln. 


III. Über „Festigkeit“ im Carpalsegment. 
Denken wir uns den Fall, wo alle Metacarpalia mit den Carpalia in 
gerader Linie liegen und ein jeder Handwurzelknochen nur einen Mittelhand- 
knochen trägt, so stellt diese einfache Artikulation eine sehr lose Verbindung 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment aretoider Carnivoren. 221 


des distalen Carpusabschnittes vor. Je mehr nun eine doppelte oder sogar 
dreifache Gelenkung der Metacarpalia eintritt, desto mehr gewinnt die Hand 
an Festigkeit und Stützkraft. 

Bei unseren untersuchten Tieren ist allgemein eine doppelte Gelenkung 
am Os Carpale IV 4 V durchgeführt, an das der vierte und fünfte Mittel- 
handknochen artikulieren. Außerdem trifft für die hier behandelten Tiere 
eine dreifache Gelenkung des zweiten Metacarpale an die Ossa Carpalia I, 
II und III zu. 

Bei Tieren, die auf eine größere und ausdauernde Schnelligkeit im 
Laufen angewiesen sind, wäre es praktisch, wenn dieser Prozeß des Fester- 
werdens des Carpalsegmentes vervollständigt würde, also noch weitere dop- 
pelte bzw. dreifache Artikulationen stattfänden. Dies wird nun tatsächlich 
bei unserem Läufertyp, dem Hunde, erreicht. Hier finden außer den für die 
untersuchten Tiere allgemein zutreffenden Doppel- bzw. Dreifachartiku- 
lationen noch eine Verbindung des vierten Metacarpale mit den Ossa Car- 
palia III und IV —- V und des fünften Metacarpale mit dem OsCIV-+-V 
und dem Os Ulnare statt, das einen Processus bis an diesen Mittelhand- 
knochen ausgebildet hat. Im letzteren Falle sind sogar zwei verschiedene 
Tatsachen höchst zweckmäßig vereinigt; denn die Os Ulnare-Fläche ist außer- 
dem Hemmfläche für ulnare Abduktionsbewegungen und trägt daher zu den 
ginglymischen Bewegungen der Hunde-Vorderextremität bei. Diese innere 
Festigung im Carpalsegment erklärt daher auch von dieser Seite die Leistung 
des mit einer lokomotorischen Maschine vergleichbaren Hundes. 

Erwähnt sei noch, daß eine ähnliche Artikulation bei Meles und Lutra 
nicht unter dem Gesichtspunkt der Festigkeit betrachtet werden kann, da 
hier die betreffenden Gelenkflächen nur in ganz bestimmten Bewegungs- 
phasen zur Berührung kommen (s. pg. 176 u. 187). Hier haben die kon- 
statierten Rollbewegungen wohl nur hemmenden Charakter. 


IV. Betrachtungen über das „Hand“-Gewölbe. 


Aus den Untersuchungsprotokollen geht hervor, daß die das Carpal- 
segment bildenden Knochen in keinem Falle genau horizontal nebeneinander 
liegen. Stets ist die Handwurzel leicht gewölbt, d. h. volarwärts ausgehöhlt. 
Auch die menschliche Hand zeigt eine leichte Wölbung, die — im Gegen- 
satz zum Fuß — keine Lasten zu stützen hat. Sie wird beim Menschen 
erklärt „als Anpassungserscheinung an die Aufgabe, das Beugesehnenpaket 
mit den Hauptgefäßen und -nerven für die Hand einigermaßen gegen Druck 
bei Verwendung der Hand als Greif- und Abwehrmittel zu schützen“ 
(R. FICK). Die „Hände“ der hier untersuchten Tiere dienen aber alle noch 


222 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


als Stützapparat. Die Quereinrollung der „Hand“ ist also hier anders zu 
erklären. Der Grad des „Hand“-Gewölbes ist bei den untersuchten Tieren 
verschieden. Während die „Hände“ von den Bären, dem Wickelbär und 
dem Fischotter nur eine leichte Wölbung aufweisen, sind sie beim Dachs 
bereits stärker, und beim Hund erreicht sie die größte Ausbildung. 


Es lassen sich diese Tatsachen wieder gut mit den im ersten Kapitel 
dieses Abschnittes aufgestellten einzelnen Faktoren der verschiedenen „Hände“ 
zusammenbringen. In den Fällen, wo eine leichte „Hand“-Wölbung kon- 
statiert wurde, ist eine große Anzahl von Faktoren in der „Hand“ vereinigt; 
sie kommen daher dem Wölbungsgrade der menschlichen „Hand“ sehr nahe, 
während dort, wo eine stärkere Wölbung der „Hand“ ausgebildet ist, nur 
ein Faktor der „Hand“ innewohnt (Canis, Meles). 


Es fragt sich nun, welchen Nutzen hat eigentlich eine solche Einrollung 
der „Hand“? Dabei muß das Gewölbe in Beziehung zu den Beugemuskein 
der „Hand“ gesetzt werden, also in der Hauptsache den vielköpfigen Muskeln 
mit den starken Sehnenpaketen, dem Muse. flex. digitorum sublimis und dem 


Musc. flex. digitorum profundus. Wenn nämlich die „Hand“ — wobei hier 
von der differenzierten Bezeichnung von Plantigrad—Digitigrad abgesehen 
sei — zur Lokomotion auf den Boden gepreßt wird, dann wird die zur 


Hebung der Körperlast benutzte Kraft um so vorteilhafter verwendet werden 
können, je weniger von ihr auf dem Wege zum Stützpunkt verloren geht. 
Es wird dies am vollkommensten dadurch erreicht, daß bei der Flexion der 
„Hand“ die mittleren Metacarpalia und Phalangen besonders fest auf den 
Stützpunkt gepreßt werden; da die seitlichen Finger stets kürzer sind als 
die mittleren, und sie ebenfalls die Stützfläche erreichen müssen, um der 
Hand die Möglichkeit zu nehmen, Seitenschwankungen auszuführen und ihr 
dadurch Kraftverluste zu ersparen, so dürfte schon eine schwache Quer- 
einrollung der „Hand“* dieses ermöglichen. So lassen sich die schwach ge- 
wölbten und vielseitig benutzten „Hände“ des Bären und des Wickelbären 
erklären. | 


Besteht nun der Stützpunkt aus sehr hartem Material, dann genügt 
schon eine geringe Ausdehnung des Stützpunkte, um den für die Muskel- 
kraft notwendigen Widerstand zu liefern. Da dieses geringe Volumen um- 
faßt werden soll, muß die „Hand“ eine starke Quereinrollung ausbilden, was 
dem Zustande von Meles annähernd entspricht. 


Führt schließlich die „Hand“ nur noch reine Flexionen aus (Canis), 
dann kann — da ein Ausweichen des Bodens nicht zu befürchten ist — 
auch die Umklammerungsfläche verkleinert werden. Dies führt zu einer Re- 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 293 


duktion der peripherischen Zehen. Damit erklärt sich außer der starken 
„Hand“-wölbung auch der verkümmerte erste Finger des Hundes, 

Wird nun aber der Stützpunkt aus weniger widerstandsfähigem Material 
gebildet (sehr weichem Boden, Sumpf, Wasser), dann ist ein relativ großes 
Volumen dieses Stützpunktmaterials notwendig, um einen für die Körperlast 
entsprechenden Widerstand zu liefern. Auch ein solches Volumen wird von 
der „Hand“ umfaßt, doch gelingt dies nur durch Abspreizung ihrer Finger, 
wodurch sie aber die Befähigung, eine starke Wölbung auszubilden, verliert. 
So werden auch von diesem Gesichtspunkte die in fixierter Abduktion stehen- 
den Finger und die geringe Wölbung der Luira-,„Hand“ begreiflich. 

Auch das „Handgewölbe“ ist also ein Gesichtspunkt, der bei Bearbei- 
tung größeren Untersuchungsmaterials weitere Ausführungen und Belege für 
obige Gedankengänge bringen dürfte, 


V. Wirkung von Gebrauch und Nichtgebrauch auf die Form 

der Gelenkflächen. 

In seinen „anatomischen Studien an Extremitätengelenken Neugeborener 
und Erwachsener“ hat HÜTER (1862 und 1863) auf Grund seiner Unter- 
suchungen das Gesetz aufgestellt, daß die Teile einer Gelenkfläche, die längere 
Zeit außer Kontakt mit der entsprechenden Fläche des anderen Knochens 
stehen, ihren Gelenkflächencharakter verlieren; die in Berührung bleibenden 
Teile dagegen behalten ihn, auch wenn sie nicht bewegt werden, sondern 
nur unter Druck stehen. Teile, die neu zur Gelenkung oder Berührung 
gelangen, oder die einem stärkerem Druck ausgesetzt sind als früher, er- 
werben den Charakter einer Gelenkfläche neu oder bilden ihn stärker aus. 

Ich glaube nun, für die Richtigkeit obiger Beobachtungen auch durch 
meine Untersuchungen einige Argumente liefern zu können. 

Es ist uns bekannt, daß das Os Carpale I fast über die ganze proxi- 
male Knochenseite eine Gelenkfläche ausgebildet hat (s. Schema Abb. 103 a). 


<—— 0s CI 


2. Abb. 103. 


Nur das Os C I von Canis zeigt neben einer subordinierten Lagerung 
unter dem Os C Il, — was als Folge der starken Gewölbebildung zu deuten 


224 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


ist — eine kolossale Abnahme an Gelenkflächenausdehnung (Schema 
Abb. 103 b). Dieser Knochen ist es ja, der mit dem ersten Finger in un- 
mittelbarer Berührung steht. Dieser ist nun bei Canis nicht mehr aktiv 
tätig. Er ist stark reduziert und gelangt nicht mehr in Berührung mit dem 
Erdboden. Infolgedessen lastet auf diesem Strahl der „Hand“ nicht mehr 
der Druck, der bei den anderen Tieren bei vollständiger Ausbildung des 
ersten Fingers vorhanden ist. Deshalb verödet die intercarpale Os C I-Facette 
und hat nur noch geringe Ausdehnung. Interessant ist ferner hieran, daß 
eine solche Atrophie erst — vom Metacarpus ausgerechnet — im zweiten 
Gelenkabschnitt erfolgt und nicht unmittelbar an der immobilisierten Fläche 
des Metacarpale pollieis. 

Ein anderes Argument bietet uns die distale Seite des Os Ulnare 
Knochens: Außer einer großen Artikulationsfläche für das Os C IV-+V be- 
sitzen CUanis, Meles und Lutra auf einem ulnarwärts vorspringenden Pro- 
cessus Gelenkflächen zur Artikulation mit dem Metacarpale V. Ursus, Thalass- 
arctos und Potos haben dagegen bei Vorhandensein desselben homologen 
Knochenvorsprunges keine Gelenkfläche darauf ausgebildet. Sollte nicht auch 
hier das HÜTER’sche Gesetz Anwendung finden können? 

Es steht fest, daß aus noch unbekannten Ursachen das Metacarpale V 
in keiner Bewegungsphase mehr in Kontakt mit dem Os Ulnare kommt, 
was bei Canis, Meles und Lutra noch der Fall ist. Infolgedessen atro- 
phierten diese Gelenkflächen am Metacarpale V und am Processus des Os 
Ulnare, da sie nicht mehr tangiert werden und daher auch nicht mehr gegen- 
seitigen Druck auszuhalten haben. 

Ferner ist uns bekannt geworden, daß das Os Ulnare von Üanis auf seiner 
proximalen Seite vollständig konvexen Gelenkcharakter — im Gegensatz zu allen 
anderen untersuchten Tieren — besitzt. Aus diesem Grunde erklärt sich die 
beschriebene Inkongruenz der korrespondierenden Flächen des Os Ulnare und 
der Ulna. Weiterhin wurde konstatiert, daß diese Inkongruenz durch eine 
„diskusartige Gelenklippe“ ausgeglichen ist. Auch hier spüren wir das Gesetz 
HÜTER’s: Wäre keine Gelenklippe vorhanden, so würden die bei einem 
Hunde vorhandenen lokomotorischen Leistungen in diesem Abschnitt — dem 
Hauptbewegungsabschnitt — infolge unzweckmäßiger Gestaltung der Gelenk- 
facetten eine Beweglichkeitsbeschränkung erleiden. Da aber hier eine konvexe 
Os Ulnare-Fläche vorhanden ist, die durch ginglymisches Gleiten gerade in 
diesem Gelenkabschnitt beträchtlichen Druck auf die proximale Knochenreihe 
hervorruft, so tritt — und das ist die Anwendung des Gesetzes — an der 
Oberfläche des hyalinen Gelenkknorpels Bindegewebe auf, das als „diskus- 
artige Gelenklippe* Gelenkflächencharakter annimmt, was dem Auge auch 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 225 


durch die glänzende Beschaffenheit der Oberfläche dieses Bindegewebes bei 
frisch seziertem Material kundgetan wird. 


VI. Argumente für die Bestätigung des Fick’schen Gesetzes. 


RUDOLF FICK machte im Jahre 1890, von der Idee seines Onkels 
ausgehend, daß bei den Gelenkbewegungen die Knochen einander an den 
Gelenkenden direkt abschleifen, mechanische Schleifversuche mit zwei Stäben, 
von denen der eine festgestellt war, während an dem anderen zwei genau 
antagonistisch angebrachte Kräfte angriffen. Diese, wie Muskelkräfte wirkend, 
bewegten den freien Stab gelenkartig an dem feststehenden. Dabei fand er 
folgendes, eine Beziehung zwischen Muskelansatz und Gelenkform hersteilende 
Gesetz: „Dasjenige Gelenkende, bei dem die Muskeln nahe am Gelenk an- 
setzen, wird zur Pfanne, dasjenige, an dem sie entfernt angreifen, zum 
Gelenkkopf.“ Diesem Gesetze, das auch (in einer anschließenden Bemerkung) 
der Vererbung beim ontogenetischen Aufbau des Knochens eine gewisse 
formende Wirkung des Gelenkes beimißt, entsprechen die Formen sämtlicher 
Gelenke beim Menschen. Auf die Frage, ob auch im tierischen Körper den 
Muskeln eine modellierende Kraft zukommt, ging er nicht ein. 

Im Laufe dieser Untersuchungen glaube ich Argumente gefunden zu 
haben, die die Wirkung dieses Gesetzes auch im tierischen Organismus be- 
stätigen. Es hängt dies mit der auf Seite 133 dieser Arbeit konstatierten 
Distalwärtswanderung der Insertion des Musc. flex. carp. radialis zusammen, 
Für diese Erwägungen interessiert uns in der Hauptsache die Articulatio 
carpometacarpeae. 

Für alle untersuchten Tiere trifft zu, daß die Metacarpalbasen konkav, 
die Flächen der distalen Carpalia konvex sind. Den Tieren nun, deren Basis- 
flächen der Metacarpalia mit Insertionspunkten versehen sind, also Canis, 
Meles und Luira ist nun auch eine besonders ausgesprochene, ja sogar 
nutenförmige Aushöhlung der proximalen Mittelhandflächen eigen; so 
weisen bei Oanis besonders ausgeprägt das Metacarpale II, etwas weniger 
das Metacarpale III tiefe Einschnitte auf, bei Meles sehr deutlich das Meta- 
carpale I; bei ZLutra ist das Metacarpale II auffallend stark ausgehöhlt. 
Dagegen besitzen die Tiere, bei denen der Radialbeuger am Os Rad. et 
intermed. inseriert, äußerst flach konkave Flächen in der Art. carpometacarpeae; 
Einschnitte sind nicht im entferntesten nachzuweisen. (Vergl. dazu die 
Abbildungen 64, 72, 81, 91 u. 100). 

Es scheint mir somit, daß ein Zusammenhang dieser starken, nuten- 
förmigen Einschnitte mit dem Ansatz des Muse. flex. carp. radialis besteht und 
zwar im Sinne des FICK’schen Gesetzes. Nach diesem Gesetz wird — wie wir 


226 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1980. 


gesehen haben — dasjenige Gelenkende, bei dem die Muskeln nahe am Gelenk 
ansetzen, zur Pfanne, und da, wie es bei den Bären der Fall ist, wo die 
Wirkung des Radialbeugers auf die Metacarpalflächen durch höhere (proximal- 
wärts) Insertion ausgeschaltet ist, die Basisflächen schon schwach ausgehöhlt 
sind, so kann, den schematischen Experimenten R. FICK’s entsprechend, die 
Wirkung dieses Beugers nur eine stärkere Pfannenbildung hervorrufen. Und 
so glaube ich, auf diese Einwirkung die konstatierten stark nutenförmigen 
Einschnitte zurückführen zu können. 

Wir sehen, wie auch von dieser Seite aus neue Bearbeitungsmöglich- 
keiten geschaffen werden. Eine endgültige Begründung dieses Gesichtspunktes 
wird natürlich erst dann gegeben werden können, wenn weiteres (auch em- 
bryonales) Material bearbeitet ist. 


VII. Zusammenhang von Dorsalflexion und Trittfläche. 


Es ist ja eine bekannte Tatsache, daß alle Tiere ihren Stützapparat 
durch lokale Modifikationen des Integumentes dort, wo dieser mit dem Boden 
in Berührung kommt, unter starker Verdickung von Cutis und Subeutis als 
polsterartige Vorsprünge, die sog. Trittpolster, die sich von den behaarten 
Hautabschnitten durch ihre Naektheit abheben, kennzeichnen. An der Vorder- 
extremität müssen wir dreierlei soleher Polster unterscheiden. Ein kleines, 
ulnares Carpalkissen auf dem in die Handvola eminierenden Os Pisiforme, 
dann ein in seiner Ausdehnung und Lage stark variierendes großes Tritt- 
polster, und schließlich fünf vordere kleine Zehenpolster. 

In der folgenden Erörterung beschränke ich mich auf das große mittlere 
Trittpolster. Die Grenzen dieses Trittkissens haben dazu Anlaß gegeben 
die Tiere als „Sohlen-, Zehen- und Spitzengänger“ zu bezeichnen. Versucht 
man aber sich im vorhandenen Schrifttum über die genaue Bezeichnungs- 
weise der Beziehungen der verschiedenen Trittflächen mit dem Skelett eine 
klare Vorstellung zu machen, sc erkennt man, daß bei den einzelnen Autoren 
kein einheitlicher Standpunkt eingenommen wird. Ganz besonders leidet 
hierunter die Auffassung der „Plantigradie“. Während einige Autoren unter 
der „ganzen Sohle“ das Auftreten mit Carpus und Metacarpus verstehen, 
bezeichnen andere als plantigraden Gang den, der mit der gesamten 
Volarfläche der Hand — Finger und Metacarpalia bis zum Beginn des 
Carpus — den Boden berührt. An sich, zur Einführung, ist es ja nicht so 
wesentlich, einen so diminuitiven Unterschied zu machen. Für vergleichend- 
anatomische, insbesondere für gelenkmechanische Untersuchungen erweisen 
sich aber solche großzügigen Unterscheidungen als hemmend. Ich will mich 
daher für eine Bezeichnungsweise festlegen: Ich nenne „plantigrad“ den 


R, LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 227 


Gang, bei dem Carpus, Metacarpus und die Phalangen aut den Boden gesetzt 
werden (Abb. 104); „digitigrad“ denGang, dernur noch mit den Phalangen 
den Körper stützt, bei dem der Metacarpus sich also nicht mehr an der Unter- 
stützung beteiligt (Abb. 108). Zwischen diesen beiden Auffassungen liegen nun 
mehrere Zwischenstufen, die die Tiere auch tatsächlich aufweisen. Gerade an 
den untersuckten Tieren konnte ich feststellen, wie der Zehengänger aus dem 
Sohlengänger entstanden sein muß — wobei ich natürlich nicht behaupte, 
daß sich in der folgenden Darstellung ein Tier aus dem anderen entwickelt 
hat. Eine Entscheidung über die jeweilige Bezeichnungsweise kann in exakter 
Form nur herbeigeführt werden, wenn das äußere Zeichen für die Unter- 
stützung der Extremitäten, die Signalisierung des Stützapparates durch un- 
behaarte, nackte Hautabschnitte, mit herangezogen wird. Es besteht eben 
ein enger Zusammenhang zwischen der Ausbildung dorsaler Gelenkwinkel 
der Komponenten der distalen Extremität und der proximalen Ausdehnung 
des mittleren großen Trittpolsters. 

So verkörpert uns Potos flavus SCHREB. das Bild eines plantigraden 
Gängers: Phalangen, Metacarpus und Carpus liegen annähernd horizontal neben- 
einander, und erst der Unterarm ist, mit dem Carpus einen dorsalen Winkel 


BEI Gm 
w 
Abb. 104. Plantigrad. E 
a r - 
u Abb. 106. — ee 
Abb. 105. Semiplantigrad.. Metacarpo- Abb. 107. Canis. Abb. 108. Digitigrad. 


digitigrad. 
bildend, von der Unterstützungsfläche erhoben (s. Abb. 104 und Röntgen- 
aufnahme Tafel XIX, Abb. 125). 
Das nächste Stadium ist das, wo auch der Carpus vom Boden erhoben 


228 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


wird, oder gelenkmechanisch gesprochen, wo Dorsalflexion in der Art. carpo- 
metacarpeae eintritt. Diesen Zustand stellt Lutra lutra dar (s. Abb. 105 und 
Röntgenaufnahme Tafel XIX, Abb. 123). Zieht man im Röntgenbilde die Längs- 
linien von Phalangen und Metacarpus einerseits, und von Unterarm und Carpus 
andererseits, so schneiden sie sich in der Art. carpometacarpeae und bilden 
somit recht deutlich einen nach dorsal offenen Winkel. Ich will diese Gang- 
art als semiplantigrad bezeichnen. 

Weiterhin werden nun auch die Metacarpalia vom Boden frei gemacht, 
so daß die Metacarpalia und die Phalangen einen dorsalen Winkel bilden. 
Eine solche Lagerung der Skelettknochen will ich mit metacarpo-digiti- 
grad bezeichnen. Sie ist bei Ursus arctos, Thalassarctos maritimus und 
Meles meles ausgebildet (vgl. Abb. 106 und Röntgenaufnahmen Tafel XVII, 
Abb. 120 u. Taf. XIX, Abb. 124). 

Schließlich erhalten wir den Zustand der Digitigradie, wo Dorsal- 
flexion zwischen zweiter und dritter Phalange ausgebildet ist (Abb. 108). Canis 
nimmt diesen Zustand nicht ein. Es ist bei ihm, wie in der Röntgenaufnahme 
Tafel XV, Abb. 114 ersichtlich, Dorsalflexion zwischen Phalange III und 
Metacarpus, wenn auch nicht mehr in so starkem Maße, vorhanden; (s. auch 
Schema Abb. 107) und ferner setzen sich die Phalangen I und II in einem 
annähernd rechten Winkel voneinander ab. Er kann daher — nach obiger 
Forderung — nicht als Zehengänger gelten. Er ist auf bestem Wege, auch 
die Phalange III vollständig vom Boden zu erheben, indem er den Winkel 
zwischen Phalange II und III erheblich vergrößert, und kommt somit allerdings 
von den untersuchten Tiertypen dem Zustande eines Zehengängers am 
nächsten. 

Vollständig erklärt werden diese Zustände erst durch die Lage der 
Polster. Skelett und das große mittlere Trittkissen ergänzen sich gegen- 
seitig. Das große mittlere Trittpolster steht nämlich in unmittelbarer Be- 
ziehung mit dem Auftreten dorsaler Gelenkwinkel. Nur eine zusammen- 
hängende Betrachtung dieser beiden Tatsachen erklärt den jeweiligen Stütz- 
apparat. 

Bei Potos überzieht das Trittkissen den ganzen Carpus. (Abb. 93). 
Bei Lutra geht es nur bis an den Carpus heran (Abb. 73) bei Ursus 
(Abb. 82), Thalassarctos (Abb. 92) und Meles (Abb. 65) überdeckt es das 
Metacarpo-Phalangeal-Gelenk, wobei die Metacarpalienköpfchen in das Polster 
hineinweisen, und bei Canis geht es bis an das Metacarpo-Phalangeal-Gelenk 
heran, so daß sich auch noch zu einem Teil die Metacarpalia an der Unter- 
stützung beteiligen. Canis kann also nach unserer Definition nicht Zehen- 
gänger sein. (Vergleiche hierzu auch die Röntgenaufnahmen Tafel XV—XIX, 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 229 


Abb, 114, 120, 123, 124, 125, wo die Trittkissen als dunkle Schatten sichtbar 
sind. Wenn icn in diesem Zusammenhange einen Zehengänger namhaft 
machen darf, so entspricht dem Zustande eines digitigraden Tieres z. B. das 
Lama. Genauere Untersuchungen fehlen darüber aber noch. 

Bei diesen Feststellungen überraschen uns die Tatsachen, daß in der 
Vorderextremität der Hund noch kein Zehengänger, und auch die Bären 
und der Dachs keine Sohlengänger sind. Gerade der Umstand, daß die Bären 
in der Vorderextremität metacarpo-digitigrad sind, muß besonders 
auffallen, da überall der Bär als Parädebeispiel eines Sohlengängers gilt. 
Es ist also hieraus zu folgern, daß in der Bezeichnung eines Tieres als 
Sohlengänger zwischen Vorder- und Hinterextremität scharf zu unterscheiden 
ist. Für die Vorderextremität sind die Bären jedenfalls keine Sohlengänger. 
Die Erklärung für diesen Umstand, soweit eine solche überhaupt möglich ist, 
dürfte die physiologisch-anatomische Betrachtungsweise liefern. Da eine aus- 
führliche Darstellung dieser Dinge eine zu große Entfernung vom eigentlichen 
Thema bedeuten würde, so möge hier der Hinweis genügen, daß für Vorder- 
und Hinterextremität verschiedene Einflüsse vorhanden sind, daß jede Ex- 
remität auf die nur ihr gestellten Anforderungen antwortet. 

Es ist allen Zoologen geläufig, die Abnahme der oben behandelten großen 
Trittpolster vom Sohlen- zum Zehengänger in Abhängigkeit zur gesteigerten 
Fortbewegungsgeschwindigkeit und der damit zusammenhängenden Ver- 
minderung der Reibungsfläche zu bringen. Nach den hier konstatierten 
Tatsachen dürfte eine solche Betrachtungsweise für die Vorderextremität 
nicht ganz zutreffen. Dann müßte sich der semiplantigrade Otter nur sehr 
langsam auf der Erde fortbewegen können; er zeichnet sich aber, wie bereits 
auf Seite 177 geschildert, durch ziemlich große Geschwindigkeit auch auf 
dem Lande aus. Ferner müßten die Bären und der Dachs sich nach Lage 
und Größe ihrer Trittpolster recht schnell bewegen können, was bei beiden 
nicht zutrifft. 

So kann dies nur den obigen Hinweis verstärken und ferner nur dazu 
beitragen, Vorder- und Hinterextremität nicht gleichen Voraussetzungen zu 
unterwerfen. 


Zum Schluß dieses Kapitels sei noch eine von R. HESSE 1910 an 
Hintergliedmaßen behauptete Tatsache auch im gewissen Sinne an den hier 
untersuchten Raubtiervordergliedmaßen bestätigt. HESSE schildert nämlich 
bei Behandlung der Bewegung mit Hilfe von Hebelgliedmaßen, daß als Folge 
der Aufrichtung der einzelnen Teile des Fußes auch die Stärke der Gelenke 
gesteigert werden muß, „wenn nicht die Festigkeit der Gliedmaßen notleiden 


230 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


soll“. An Stelle des Kugelgelenktypus, der vor allem bei den Gliedmaßen 
der Amphibien und Reptilien vorherrscht, treten Rollgelenke, bei denen der 
Ausschlag der verbundenen Skelettstücke in der Hauptsache auf eine Ebene 
beschränkt und die Möglichkeit seitlicher Beweguugen sehr vermindert ist. 
Ähnliches ist zwischen den beiden in diesen Untersuchungen vorhandenen 
Extremen, also Hund und Wickelbär, zu konstatieren. Den Zustand 
einer Amphibien- bzw. Reptiliengliedmaße nimmt bei uns die „Hand“ von 
Potos ein, die (außer der Plantigradie) sehr große seitliche Bewegungen 
ausführen kann. Den geforderten Typ stellt bei uns der Hund dar, der 
auf dem Wege zur Digitigradie befindlich, im Carpalsegment nur noch Be- 
wegungen „in einer Ebene“ ausführt. 


D. Der Einfluss der Ausbildung der Incisura semilunaris ulnae auf 
Pronation und Supination der „Hand“. 

Obgleich dieses Kapitel außerhalb des Themas dieser Arbeit liegt, sei 
des vollkommeneren Verständnisses der Hand halber kurz auf diese bisher 
noch nicht erschlossenen Tatsachen eingegangen. 

Betrachtet man die Vordergliedmaße im Sinne REULEAUX’s als eine 
„Kinematische Kette“ oder, wie R. FICK dies nennt, als eine „Gelenkkette“ 
(= „eines Systems von mehreren, durch mehrere Gelenke verbundene Glie- 
der“), so kommt man zu der Erkenntnis, daß die bisher behandelten Gelenk- 
bewegungen im Vergleich der anderen „Kettenglieder“ wie Ellenbogengelenk 
und Oberarmgelenk recht gering sind. Unter dem Hinweis, daß die Be- 
wegungen im Carpalsegment zur Summation der Bewegungen der ganzen 
Gliedmaße beitragen und damit das Bewegungsgebiet der Extremität außer- 
ordentlich erweitern und komplizieren, erhält die in dieser Arbeit voll- 
zogene Betrachtungsweise Berechtigung und macht das Eingehen auf das 
unmittelbar an das Carpalsegment anschließende und dieses in seinen Be- 
wegungen beeinflussende Kettenglied des Unterarmes zur Notwendigkeit. 
Wie wir andeutungsweise bereits gesehen haben, trägt der Unterarm durch 
seine Fähigkeit, Pro- und Supinationsbewegungen auszuführen, in ausge- 
dehntem Maße dazu bei, die vielseitige Beweglichkeit des distalen End- 
abschnittes der Vordergliedmaße — eben als ein Gelenkkettenglied — zu 
unterstützen. 

Pronation und Supination sind bekanntlich Bewegungen der Hand um 
ihre Achse und zwar ist in der herabhängenden Stellung des menschlichen 
rechten Armes Supination vorhanden, wenn der Handrücken nach hinten, 
und Pronation, wenn der Handrücken nach vorn gedreht wird. Diese Be- 
wegungen werden nun nicht ausschließlich im Carpalsegment "ausgeführt. 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 231 


Wir konnten allenfalls nur Bewegungen im pro- und supinatorischen Sinne 
feststellen. Die Hauptgelenke für diese Umwendbewegungen sind das proximale 
und distale Ellen-Speichengelenk und das Ellen-Oberarmgelenk. In diesem 
Kapitel will ich mich auf letzteres beschränken. Ich wurde auf diese Unter- 
suchungen durch eine Arbeit von G. TORNIER über das Elienbogengelenk 
aufmerksam. Dort wird an dem Elien-Oberarmgelenk in der Klasse der 
Säugetiere von den Monotremen aufwärts bis zum Menschen phylogenetisch 
der Zusammenhang von Funktion und Formveränderung des Gelenkes nach- 
gewiesen. Die Incisura semilunaris — so wird ausgeführt — bildet während 
der Phylogenese immer mehr eine mediale Facette aus, die schließlich ihr 
Maximum bei den Anthropomorphen und den Menschen erreicht, während 
die ursprünglich laterale Facette mehr und mehr an Größe abnimmt und 
schließlich (beim Menschen) verschwindet. Im Zusammenhang damit wachsen 
auch die funktionellen Möglichkeiten. Mit dem Anwachsen der medialen bzw. 
dem Atrophieren der lateralen Facette wächst auch die Supinationsfähigkeit 
immer mehr, und erreicht ihren Höhepunkt beim Menschen, der nur noch 
durch aktive Muskelkraft den Unterarm in der ursprünglichen Pronations- 
stellung halten kann. 

Ohne mich auf phylogenetische Untersuchungen einzulassen, kann ich 
bei den von mir untersuchten Raubtiertypen ganz ähnliche funktionelle 
Stadien feststellen. Der Hund hat seinen Vorderarm stets in starker Pro- 
nation. Radius und Ulna, die in ihrer ganzen Länge durch ein schmales 
Ligamentum interosseum miteinander verbunden sind, liegen mehr hinter- 
als nebeneinander. Die Ulna-Facette zeigt deutlich zwei Teile, einen lateralen 
und einen medialen Anteil (s. Abb. 109). Bei Meles tritt nun bereits eine 
jeichte Größenzunahme der medialen Facette ein (s. Abb. 110). Bei Lutra 
(Abb. 111) ändert sich der Umfang der medialen Facette nicht und ähnelt daher 
der von Meles. Wohl aber nimmt der laterale Teil der Incisura semilunaris be- 
deutend an Größe ab. Mit Ursus aretos (s. Abb. 112) erhalten wir einen Zu- 
stand, der dem von TORNIER nachgewiesenen beim Menschen sehr nahe- 
kommt; denn die mediale Facette hat unter den untersuchten Tieren ihr 
Maximum erreicht, und die laterale Fläche verschwindet bis auf einen dor- 
salen Rest vollständig. Ganz ähnlich verhält sich die Incisura semilunaris 
von Potos flavus. Mit dieser Formveränderung des Gelenkes ist nun auch 
eine Änderung der Funktion verbunden. Wie schon erwähnt, liegen bei 
Canis die beiden Unterarmknochen hintereinander und ruhen in Pronations- 


stellung auf dem Boden. Bei einer so einseitigen Betätigung der Extremi- 
täten fällt naturgemäß jeder Grund für eine freiere Beweglichkeit des Unter- 
armes fort. Daher besitzen die Supinationsbewegungen, die vorhanden sind, 


laterale 
Facette 


232 


Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


nur ein.n äußerst minimalen Bewegungsumfang. Je mehr nun die mediale 
Facette der Ineisura semilunaris an Größe zunimmt, um so größer wird nun 


Abb. 112. 


mediale 
Facette 


auch die Fähigkeit, den Unterarm zu supinieren. Sie 
steigt über Meles zu Lutra und erreicht ihr Maxi- 
mum bei Ursus und Potos. 

Weiterhin ist zu bemerken, daß nicht alle hier 
behandelten Tiere sich ausschließlich der funktionellen 
Möglichkeiten bedienen. So geben Meles, Lutra und 
Potos mehr und mehr die Pronation auf und erreichen 
nur noch Bruchteile von Graden der Pronation. So 
besitzen Meles und Lutra höchstens noch ®/, Pro- 
nation, während Potos nur noch !/, Pronation aus- 
bilden kann. Diese Zustände sind nun eng mit der 
Gebrauchsfähigkeit der Hand verbunden. Während der 
in vollständiger Pronation befindliche Unterarm von 
Canis die Dorsalseite des Carpus gerade nach vorn 
richtet und die Volarflexionen des Ellenbogengelenkes 
und des Carpalsegmentes um parallele Achsen im Sinne 
einer Gelenkkette verstärkt, tritt durch die Abnahme 
der Pronationsfähigkeit eine Überkreuzung der Achsen 
auf, die über Meles, Lutra bei Potos zu beinahe 
senkrechter Überkreuzung der Achsen führen. Eine 
solche Lagerung der Drehungsachsen hindert natürlich 
stark die Möglichkeit einer schnellen Lokomotion auf 
der Erde. Wenn, wie bei Lutra, diese den Lauffaktor 
hemmende Anordnung der Bewegungsachse nicht durch 
carpale und intercarpale Bewegungskombinationen aus- 
geglichen werden können, führt dies zu schlechten 
Lokomotionen auf dem Erdboden. Tatsächlich sind 
nun auch Dachs und Wickelbär recht schlechte Läufer, 
letzterer kann sich ja nur höchst ungeschickt auf 
dem Erdboden fortbewegen. Diese Tiere helfen sich 
dann, um volle Pronation zu erhalten, dadurch, daß 
sie die Unterarme stark divergieren, so daß sie mit 
„O-Beinen“ den fehlenden Lauffaktor, den sie infolge 
ihrer Lebensweise durchaus entbehren können, aus- 
gleichen. 

Dadurch, daß ÜUrsus arctos sowohl gute Pro- 


nations- wie Supinationsbewegungen auszuführen vermag, zeigt sich außer 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 233 


der hiermit erklärten Vielseitigkeit der Hand, die (s. Untersuchungsprotokoll) 
an sich nicht vorhanden ist, auch der durchaus universelle Charakter der 
Bärenvordergliedmaße gegenüber den spezialisierteren Vordergliedmaßen 
anderer Tiere. 

Weitere Ausführungen, besonders auch über die gleichzeitig mit der 
Veränderung der Ineisura semilunaris ulnae verbundenen Umgestaltung der 
Gelenkfläche des Radiuskopfes, der Fovea capituli radii, müssen einer späteren, 
speziell diese Dinge behandelnden Arbeit vorbehalten bleiben. 

Zum Schluß sei — anhangsweise — auf eine Behauptung von 
M. SCHLOSSER 1890 eingegangen, der im Laufe der Untersuchungen nach- 
gegangen worden war: daß nämlich die relative Höhe des Olecranons der 
Ulna „offenbar von der Organisation der Hand abhinge“. Dies soll nach 
SCHLOSSER auch innerhalb der verschiedenen Säugergruppen mit ent- 
sprechenden Abstufungen ausgebildet sein. U. a. wird angeführt, daß „der 
Bär unter allen Carnivoren die ausgebildetste Hand, folglich auch das nied- 
rigste Olecranon“ besitzt. Abgesehen davon, daß von einer bestausgebildeten 
Hand des Bären unter den Carnivoren nach diesen Untersuchungen nicht 
die Rede sein kann, fragte ich mich, wie es wohl möglich sei, daß ein Ab- 
schnitt der Vordergliedmaße, der durch Bänder sowohl als auch durch Mus- 
keln gar, keine Beziehungen zur Hand aufweist, von der Organisationshöhe 
der Hand abhängig sein soll! Da in der Tat bei der Untersuchung der 
Hände einem schon mit bloßem Auge wahrnehmbare ganz verschiedene rela- 
tive Olecranonhöhe konstatiert werden konnte, so bin ich dem Problem 
näher getreten. 

Wie wir aus den obigen Ausführungen sehen, ist bei den untersuchten 
Raubtieren eine wachsende Supinationsfähigkeit vorhanden. Damit hing, wie 
festgestellt wurde, eine Größenzunahme der medialen Incisura semilunaris 
zusammen. Dorsalwärts dieser Gelenkfläche befindet sich nun das Olecranon; 
das bei den untersuchten Tieren auffallend in seiner Höhe variiert. Dies 
ist natürlich als Folge der dort inserierenden Muskeln zu deuten. Es sind 
dies die wichtigsten Streckmuskeln für den Unterarm, die Triceps-Anconaeus- 
Gruppe. 

Da auch die Anthropologen der Ausbildung des Olecranons zur Be- 
urteilung der Stellung der Hominiden ein besonderes Interesse entgegen- 
bringen, und sogar die These aufstellen, daß ein relativ stark entwickeltes 
Olecranon einen niederen und primitiven, ein schwach entwickeltes aber einen 
höheren Entwicklungszustand darstellt (R. MARTIN 1928), so ging ich diesem 
Zasammenhange nach und stellte Alessungen an den von mir untersuchten 
Tieren nach anthropologischen Vorbilde an. 


152 


234 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Es wurde der Index der Höhe der Olecranonkuppe festgestellt. Dies 

ist ein Quotient, in dessen Zähler die Höhe der Olecranonkuppe, d. h. der 
0 Abstand des höchsten Punkts der Olecranonkuppe 
} 5 von einer Ebene, die senkrecht zur Achse des proxi- 
HM malen Knochenabschnittes von der Spitze des Ole- 
cranonschnabels gefällt wird, (vergl. Abb. 113), multi- 
pliziert mit 100 steht, und im Nenner die physio- 
logische Länge der Ulna, d. h. die geradlinige Ent- 
fernung des tiefsten Punktes derjenigen Kante, die 

auf der Oberfläche des Processus coronoideus entlang 
zieht, bis zum tiefsten Punkt der Gelenkfläche des 
unteren Ulnaköpfchens, ohne Berücksichtigung des 


Proc. styl. ulnae. 
Höhe der Olecranonkuppe X 100 


Physiologische Länge der Ulna 
Drückt man also die Kuppe in Prozenten der physio- 
en In aus, 80 sich an Werte: 


Abb. 113. 


| Te 


Canis \Urs. a Bess Meles Potos Luira 


Kuppe . 


Physiol. Länge . | 20,00 | 16,95 | 24,56 | 8 | 6,90 |" 5,27 
a ine 
| 10,9 | 14,9 | 22 | 14,9 | 25 


| 
3,16 | 1,84 | 3,57 | 1,78 | 0,88 | 1,37 
a Me 


Index 


Die Höhe der Olecranonkuppe unterliegt demnach großen Schwankungen. 
Es ergibt sich hieraus mit Sicherheit, daß auf keinen Fall ein Zusammen- 
hang zwischen Organisationsböhe der Hand und Olecranonhöhe vorhanden 
ist. Die Vermutung SCHLOSSER’s besteht also nicht zu Recht. Wohl aber 
ist doch etwas Positives zu verzeichnen: nämlich die Tatsache, daß das Ole- 
cranon dort am stärksten ausgebildet ist, wo die kräftigsten Streckbewegungen 
ausgeführt werden, um die größten Widerstände zu überwinden. So bei dem 
Otter, der als guter Schwimmer, Gräber und Läufer permanent große 
Widerstände überwinden muß, und beim Dachs, der beim Graben eben- 
falls Streckbewegungen großer Intensität vornehmen muß, um die Erdmassen 
fortzuschaffen. Ferner ist es durchaus einleuchtend, daß das Lauftier, der 
Hund, einen größeren Wert hat als der Bär. Auch die Tatsache, daß der 
Eisbär wiederum einen größeren Wert hat als der braune Bär, bestätigt 
obige Annahme, denn der Eisbär hat ja als vorzüglicher Schwimmer weit 
größere Widerstände zu bewältigen als sein Verwandter. 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 235 


E. Zusammenfassung: Die einzelnen Anpassungen. 


Alle in dieser Arbeit niedergelegten Beobachtungen und Gedanken sind 
letzten Endes Erörterungen über Anpassungserscheinungen. Blicken wir auf 
die vorliegenden Untersuchungen zurück, so erkennen wir jedesmal die 
Richtigkeit eines oft zitierten Satzes, daß sich Bau und Lebensweise, oder 
wie wir auch sagen können, Form und Funktion zueinander wie zwei Seiten 
einer Gleichung verhalten. Man kann keinen Faktor, auch nicht den klein- 
sten verändern, ohne die Gleichung zu stören. Für unser Urteil hängen Form 
und Funktion innig zusammen. Deshalb brauchte die Zweckmäßigkeit der 
gegebenen Form nicht weiter bewiesen zu werden. Es handelt sich eben 
für uns nicht um die Festlegung besonderer Eignung für bestimmte Lebens- 
bedingungen, als vielmehr um einen Versuch, durch vergleichend-funktionelle 
Betrachtungen Einblick in die Zusammenhänge zwischen Form und Funktion zu 
gewinnen und auch zu erfahren, wie der Organismus die ihm zu Gebote stehenden 
Möglichkeiten ausgenutzt hat. Wir sind im Laufe der Arbeit zu Ergebnissen 
gekommen, die uns Antworten auf Fragen gegeben haben, die gar nicht ge- 
stellt worden sind, die uns außerdem eine Fülle von Anregungen für wei- 
tere Arbeiten auf diesem Gebiete gebracht haben, und die uns schließlich 
auch eine als höchstes erstrebenswertes Ziel erscheinende Antwort auf die 
in den einleitenden Bemerkungen gestellte Frage geben: „Ist es möglich, 
mit Hilfe von spezifischen Charakteren die verschiedenen 
Ausbildungsformen der Raubtierhand (plantigrad, digitigrad, 
Laufhand, Kletterhand ete) anatomisch zu charakterisieren?“ Die 
Antwort darauf ist ja schon, wenn auch indirekt im Laufe der Untersuchungen 
gegeben worden. Hier sei zusammenfassend folgendes gesagt: 


1. Der universelle Typ, Ursus arctos L. 


Die Hand des Bären besitzt anatomisch einen universellen Charakter, 
der sich darin äußert, daß vielseitige Bewegungen, besonders in der Articu- 
latio antebrachiocarpea ausgeführt werden können. Es sind alle die hier 
untersuchten Tiere betreffenden Faktoren angedeutet. Diese Latenz der 
Gelenkcharaktere, die sich sogar bis auf die sattelförmige funktionell nicht 
ausgenutzte Gelenkfläche des ersten Fingers erstreckt, wird auch dadurch 
verstärkt, daß Pro- und Supinationsbewegungen des Unterarmes die Hand 
zu einem recht vielseitigen, nicht spezialisierten Werkzeug machen. Die 
erste Dorsalflexion tritt in der Länge der Längshandachse erst in den Meta- 
carpophalangealgelenken ein, so daß der braune Bär metacarpo-digitigrad 
erscheint, | 


15* 2 


236 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


2. Der Gräbertyp, Meles meles L. 


Besonders die mit starken Krallen gerüsteten Finger, die gute Aus- 
prägung des Handgewölbes, intensive sprunghafte Einwärtsbewegungen der 
Articulatio antebrachiocarpea, die verstärkt werden durch Drehungen des 
Sattelgelenkes (Ausdrücke des „Grabfaktors“), und der in °®/, Pronation 
stehende Unterarm machen die Hand für eine grabende Tätigkeit recht 
zweckdienlich. Die Extremität ist metacarpo-digitigrad. 


3. Der Lauftyp, Canıs. 


Der distale Abschnitt der Hundeextremität ist ganz lokomotorische 
Maschine: der feste Zusammenschluß der Carpalia, die bandhemmende Wir- 
kung, Dorsalflexion auszuschalten, die Verzahnung des Carpus und des Meta- 
carpus, die starke Handwölbung, die beginnende Aufrichtung der dritten 
Phalange und die damit verbundene Verlängerung der Hand, die Verkörpe- 
rung des Lauffaktors durch ginglymische Bewegungen des Carpalsegmentes 
(besonders des ersten Handgelenkes, Tendenz der Eifläche zur Zylinder- 
fläche), die als gleichzeitige Anpassung an das Scharren am Schlusse der 
Flexion Drehungen im supinatorischen Sinne vorweisen, der Vorteil, durch ein 
Scharniergelenk Muskelkraft zu sparen, die volle Pronation des Unterarmes, 
um Bewegungen in einer Ebene möglich zu machen, alles dies steigert 
das Carpalsegment zu der Fähigkeit, die ganze Körperleistung in den Dienst 
mechanischer Arbeit zu stellen. 


4, Der Klettertyp, Potos flavus SCHREB. 


Im Gefolge arboricoler Lebensweise hat sich der Kletterfaktor im 
Carpalsegment lokalisiert. Es sind besonders große Abduktionen vorhanden, 
die auch die Finger, besonders den Daumen und den kleinen Finger be- 
herrschen (nur Abduktion!). Weitere Spezitika: '/2 Pronation des Unterarmes 
(als Baumläufer), weites Auseinanderrücken von Radius und Ulna und da- 
mit Verbreiterung des ersten Handgelenkes (zur Ermöglichung von Abduk- 
tiopsbewegungen) flaches Handgewölbe, Ausbildung der Sohlenballen zu Saug- 
näpfen als Haftorgan, kräftige Krallen, vollständige Plantigradie! 


5. Der Schwimmertyp, Lutra lutra L. 


Die Hand zeigt größtmöglichstes Bewegungsvermögen. Ein im ersten 
Handgelenk vorhandenes Eigelenk, das die Tendenz zu einem Kugelgelenk 
besitzt, ferner die in fixierter Abduktion stehenden Finger, die die Schwimm- 
haut spannen und die Sohle umfangreich gestalten, der flache „brettartige“ 
Carpus, der in ®/, Pronation stehende Unterarm, alles dies sind Charaktere 


R. LIPS, Modifikationen am Carpalsegment arctoider Carnivoren. 237 


für die Ausbildung einer fächerförmigen Vorderextremität, die zur Verwendung 
als Steuer und Ruder recht geeignet ist. Die Extremität ist semiplantigrad. 
Thalassarctos hat nicht die ins Auge fallende zweckentsprechende Ruder- 
hand. Da er nicht zu den Gelegenheitsschwimmern zu rechnen ist, ist dies 
ein Zeichen dafür, daß es verschiedene Modifikationen des Schwimmens gibt- 
Charakteristisch bleibt aber das Vorhandensein des „Schwimmfaktors“. 


Natürlich können die hier eruierten Charaktere nur auf Raubtierhände an- 
gewendet werden. Wis weit sie allgemeinen Wert besitzen, muß die Zukunft lehren. 


* * 
%* 


So mögen diese Beobachtungen an lebenden und toten Tieren 
dazu beitragen, klarzustellen, wie sich die anatomische Konstruktion 
aus der Funktion ergibt, die beide den Gewohnheiten und Lebens- 
notwendigkeiten der betreffenden Tiere entsprechen! Möge diese Ar- 
beit aber auch dazu beitragen, daß die Erkenntnis von der Mechanik 
der Organismen weiterhin gefördert und im Verein mit entsprechenden 
ontogenetischen Untersuchungen schließlich auch die Entwicklungs- 
geschichte bereichert wird! 


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G. Tafelerklärung. 
Tafel XV. 
Abb. 114. Canis familiaris L., Röntgenaufnahme des Terminalsegmentes der 
Vorderextremität in Ruhestellung von der radialen Seite. Beachte: 


240 


Abb. 


Ahb. 


Abb. 


Abb. 


Abb. 


Abb. 


Abb. 


Abb. 


Abb. 


Abb. 


Abb. 


Abb. 


115. 


116. 


re 


118. 


119. 


120. 


121. 


122. 


123. 


124. 


125. 


126. 


Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


keine Dorsalflexion im Carpalsegment, geringe Dorsalflexion zwischen 
Metacarpus und den ersten Phalangen. phot. AGFA. 


Tafel XVl. 
Canis familiaris L., Extreme Streckstellung der „Hand“ von der 
Radialseite gesehen. Beachte: keine Dorsalflexion in allen drei Ge- 
lenkabschnitten. | ) 
Canis familiaris L., Die gebeugte „Hand“ von der Radialseite gesehen. 
Beachte: Klaffen der Art. antebrachiocarpea und Klaffen des Os Car- 
pale II. — Die drei getrennten Schatten im Carpus erklären sich 
durch das Klaffen des Os © Il; dadurch werden die Schatten des Os 
© III und besonders des Os C IV 4 V, das die geringste Volarflexion 
aufweist, sichtbar. Vergleiche dazu die Abb. 115, wo in Streckstellung 
tatsächlich nur zwei Carpusreihenschatten sichtbar sind. 
Meles meles L., Extreme Streckstellung im Carpalsegment des Dachses. 
Keine Dorsalflexion im Carpus! 


Tafel XV. 

Meles meies L., Negative Röntgenaufnahme der Vorderextremität in 
dorsaler Aufsicht. Beachte besonders den großen Zwischenraum in der 
Art. antebrachiocarpea, der mit Bindegewebe ausgefüllt ist und daher 
im Bilde dunkel erscheint, ferner, daß sich Metacarpale V und Os Ul- 
nare in dieser Streckstellung nicht berühren. 

Meles meles L., Gesamtform der Vordergliedmaße. Beachte besonders 
den etwas offenen Winkel, der von der „Hand“ und dem Unterarm 
gebildet wird. 

Meles meles L., Vorderextremität von der radialen Seite. Beachte; 
das keilförmige Hineinragen des Os Rad. et intermedium in den Ra- 
dius. Keine Dorsalflexion im Carpalsegment; diese tritt erst in den 
Metacarpophalangealgelenken ein (metacarpo-digitigrad!: phot. AGFA. 


Tafel XVil. 
Meles meles L., Die gebeugte „Hand“ von der Radialseite gesehen. 
Klaffen der Art. antebrachiocarpea. 
Meles meles L., Die gebeugte „Hand“ von der Ulnarseite gesehen. 


Tafel XIX. 
Lutra lutra L., Radiale Seitenansicht einer jungen Fischotterextremität. 
Beachte: Dorsalflexion im Carpalsegment in der Art. carpometacarpeae. 
phot. AGFA. 
Ursus arctos L., Vorderextremität in Ruhestellung eines jungen Tieres. 
Dorsalflexion erst in den Metacarpophalangealgelenken, metacarpo- 
digitigrad. phot. AGFA. 
Potos flavus SCHREB., Hand von der radialen Seite in dorsalflektierter 
Haltung. Dorsalflexion in der Art. antebrachiocarpea (plantigrad). 
Potos flavus SCHREB., Gebeugte „Hand“. 


5, 19: Tafel XV. 
Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. Ta 


Zu R. LIPS, Carpalsegment arctoider Carnivoren. Abb. 114. 


phot. Agfa. 


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Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. Mena DOMAE 


Abb. 115. 


Abb. 116. Abba: 


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Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Abb. 118. 


Zu R. LIPS, Carpalsegment aretoider Carnivoren. 


Tafel XVII. 


219% 


Abb. 


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Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. Natel xXSVIEHT: 


Abb. 121. 


Abb. 122, 


Zu R. LIPS, Carpalsegment arctoider Carnivoren. 


Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. Ratel x 


Abb. 123. 


phot. Agfa. 


Abb. 
124. 


phot. 
Agfa. 


126. 


Abb. 125. 


Abb. 


Zu R. LIPS, Carpalsegment arctoider Carnivoren. 


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Buchdruckerei _ 
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Lucka (Bez. Leipzig) 


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Zeitschrift für Saugetierkunde 


Im Auftrage der 


| Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde 
e.V. 


herausgegeben von 


Dr. Hermann Pohle, Berlin 


Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde. 


5. Band es 22. 12. 1930 Heft 5/6 
135 Seiten Text und 19 Tafeln. 


Berlin 1930 
In Kommission bei Dr. W. Stichel, Leipzig 


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Zeitschrift für Säugetierkunde. 
5. Band 22. 12. 1930. Heft 5. 


5,) Die Fauna derwendischen Burg „Poztupimi‘ (Potsdam) 


Von HANS ENDERLEIN (Ober-Salzbrunn). 
Mit 36 Abbildungen im Text und auf den Tafeln XX—XXXIII. 


Einteilung: Seite 
A. Einleitung (Geschichte, Kultur, Material). . . . 2 2 2 en nn. 241 
BerielersMenschen. 2 u. u ee re 245 
C. Reste der wilden Tiere: 
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D. Reste der Haustiere: 
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A. Einleitung. 

Von 600 kis 1200 n. Chr. saßen die Wenden in der Mark Branden- 
burg, nachdem sie die dortigen Germanen verdrängt hatten. Die Spuren 
dieses auf niedriger Kulturstufe stehenden Volkes lassen sich allerorts nach- 
weisen. Sie sind die Erbauer jener „Burgwälle“, deren Reste noch heute 


entlang der Havel zu finden sind. Kennzeichnend war für die Schaffung 
16 


D42 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


dieser Befestigungen und Wohnsitze die Lage an den schmalsten Stellen der 
Wasserwege, wie z. B. am Medehorn bei Sakrow, an der Glienicker Brücke, 
an der Heilige-Geist-Kirche, am Kiewitt und zahlreichen anderen Plätzen. 

Uns soll hier das alte „Poztupimi“ Gelegenheit geben, an Hand der 
weiter unten zu besprechenden Knochenfunde einen Blick auf die damalige 
Tierwelt und zugleich auf die Kulturstufe jener Zeit zu werfen. Betonen 
muß ich, daß bisher eine Untersuchung der wendischen Haus- und Jagdtier- 
fauna noch nicht vorgenommen ist. Über die geschichtlichen Unterlagen lasse 
ich BESTEHORN (1927) sprechen: 

„Als Burgwall im Havellande soll uns das alte „Poztupimi“ (in 
einer Urkunde Kaiser Otto III. vom Jahre 993 erwähnt) beschäftigen. Er 
ist für die eigentliche Stadt Potsdam insofern bedeutungsvoll, als er der 
Lage und auch seinem Namen nach als die Urzelle der späteren mittelalter- 
lichen und gegenwärtigen Stadt Potsdam zu bezeichnen ist. Dieser Burgwall 
befand sich an der Stelle der heutigen Heilige-Geist-Kirche; die Kirche 
steht inmitten der alten Burganlage. Noch auf einem alten Stadtplan vom 
Jahre 1683 ist diese Stelle als selbständige Insel verzeichnet [siehe die als 
„Magazin“ bezeichnete Stelle auf Abb. 36, Tafel XXXIIIl. Wenige Meter 
vor der heutigen Kirchentür führte eine Brücke zur Burgstraße hinüber. 
Insbesondere wurde die Wallkonstruktion nach der Havelseite hin unter- 
sucht, wobei sich zeigte, daß ein planmäßig längs am Havelufer entlang an- 
gelegter eichener Balkenrost die Unterlage des Walies bildete. An welcher 
Stelle die zum Burgwall gehörige friedliche Siedlung lag, konnte einwand- 
frei bisher nicht nachgewiesen werden. Als sehr wahrscheinlich stellte sich 
jedoch heraus, daß der zu „Poztupimi“ gehörige slavische Skelettgräberplatz 
an der Stelle des heutigen Hauses Brauerstraße 4 gelegen hat. Die fried- 
liche Siedlung zu Poztupimi-Burg wird voraussichtlich auf heutigem Pots- 
damer Stadtgebiet an der Burgstraße nach dem Wasser zu gelegen haben, 
wo auch heute noch die Potsdamer „Burgstraßen-Fischer* wohnen. Ein 
Bohlenweg im Zug der Burgstraße verband die Siedlung mit der Burginsel. 
Der Bohlenweg war noch in der Gegenwart unter der Burgstraße fest- 
stellbar.“ 

Und über das Landschaftsbild: „Da das Klima jener Jahrhunderte un- 
serem Gegenwartsklima im großen und ganzen glich, wird sich das gesamte 
Havelland, auch mit seinen Höhenzügen, mit einem dichten Urwald bedeckt 
haben. Dieses Waldkleid wird nur an den wenigen Stellen gelichtet ge- 
wesen sein, an denen der Slave in leichtem Sandboden Roggen, Hirse, Gerste 
und Flaclıs anbaute, Schwereren Boden konnte er mit seinem hölzernen 
Hakenpflug nicht bestellen. Infolge der ausgedehnten Wälder stand das 


H. ENDERLEIN, Die Fauna der wendischen Burg „Poztupimi“. 243 


Grundwasser höher, weite Niederungen versumpfend.* Soweit zur Geschichte 
und Geographie. 

Im Jahre 1911 unternahm der Potsdamer Magistrat aus eigenen Mitteln 
größere Ausgrabungen an obengenannten Punkten, denen sich weitere Studien 
im Jahre 1921 anschlossen, als das Bollwerk nach der Havel zu neu be- 
festigt werden sollte. Bei beiden Grabungen wurde wertvolles, reichliches 
Material geborgen, das einen Einblick in die Kultur jener Zeit zu nehmen 
gestattet. Die Bestimmung der Artefakte und die Zuteilung zur Wenden- 
kultur wurde von Herrn Dr. BESTEHORN durchgeführt. Die Abbildung 2 
(Tafel XX) zeigt uns Töpfe und Scherben mit typischer wendischer Ver- 
zierung. Ich hebe es als ein Verdienst der Potsdamer Ausgrabungsleitung 
hervor, daß das Augenmerk auch auf die zahlreichen Tierfunde gelenkt 
wurde, die einen hohen wissenschaftlichen Wert darstellen, weil sie uns er- 
kennen lassen, welche wilden Tiere und welche Haustiere vorkamen. Zoolo- 
gisch sehr wichtig ist u. a. der vollkommen erhaltene Wolfsschädel, der 
einzige in der Mark Brandenburg (BESTEHORN 1927). Als bedauerlich ist 
festzustellen, daB mir keine sicheren Berichte vorliegen über den genauen 
Fundort, die Lage in der Kulturschicht usw. Auch sind die Knochen von 
1911 und 1921 nicht auseinander gehalten. Das gesamte Material birgt die 
prähistorische Abteilung des Potsdamer Stadtmuseums. Es wurde mir liebens- 
würdigerweise zur wissenschaftlichen Bearbeitung von Herrn Obermagistrats- 
rat Dr. BESTEHORN übergeben. 

Um das Material kurz zu zeichnen, führe ich folgendes an. Es handelt 
sich fast ausschließlich um Speisereste, also Küchenabfälle, mit allen Merk- 
malen von solchen Knochen. Die Knochen sind zerschlagen und zwar mit 
einer überraschenden Gesetzmäßigkeit. Das Mark stand hoch im Genußwert. 
An Hornzapfen tragenden Schädeln sind diese stets abgeschlagen, der 
Schädel selbst in der Mittelebene gespalten und weiter zerstückelt. Am 
Unterkiefer ist der Gelenkast vom Zahnteil getrennt. Im Gegensatz zu den 
Küchenresten vom Schloßberg (DUERST 1904) fand ich die Alveolen 
nicht seitlich aufgebrochen. Die Gliedmaßenknochen sind stets schräg durch- 
brochen oder median aufgehauen, Teilweise hat die außerordentliche Härte 
das Zerschlagen verhindert, die Spuren sind dann stets wahrzunehmen, wie 
ich an einigen Knochen zeigen werde. Die kleinsten Bruchstücke lieferten 
Rind und Schwein, während die Knochen vom Edelhirsch recht gut erhalten sind. 
Unzerstückelt sind natürlich die Tierreste, die als Speise verschmäht wurden, 
wie wir es von Wolf und Hund annehmen können. Die zu Pfriemen, Flöten, 
Schabern usw. bearbeiteten Tierreste, wozu in erster Linie Geweihteile, Meta- 

16* 


244 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


tarsen und Tibien von Schaf und Ziege dienten, sind in Abbildung 4 (Tafel XXI) 
zusammengestellt. 

Die. Gesamtzahl der von mir untersuchten Knochen beträgt 412. Es 
entfallen auf den Menschen 1, die wilden Tiere 116 und die Haustiere 295. 
Das Verhältnis des gezähmten zum wilden Tier ist demnach 2,52. Tabelle I 


Tabelle I. 
Tierart | Kopf | en: | Summe 
Extrem 
| | | 
I. Wilde Tiere: | 
4 AHlırschi 7 ns ee 32 52 84 
A 2) 12 7 19 
3. Wildschwein. 5 — 5 
4. NUr: '. 1 1 2 
5. Bär: 1 — 1 
6. Dachs . 1 — 1 
7. Fischotter 1 — 1 
8. Wolf) 1 — 1 
9. Biber 1 EN. 1 
10. Bleßhuhn. _ 1 1 
| 116 
II. Haustiere: 
1. Rind 35 112 147 
2. Hausschwein 55 36 91 
8. Schaf und Ziege . Mb. 4 44 48 
Ar Pferd. 2 un. ka. ER TIER 2 5 7 
b.-Hund - 1 1 2 
295 


soll die Zugehörigkeit der Knochen und ihre zahlenmäßige Verteilung vor 
Augen führen. Die aproximative Individuenzahl bei Speiseresten anzugeben 
halte ich für bedenklich, da vielfach wegen der Zerstückelung eine bedeutend 
höhere Zahl herauskommt. Ich habe diese Zahl nur dann angegeben, wenn 
das vorhandene Material dieses Verfahren rechtfertigte und Mehrdeutigkeiten 
nicht zuieß. Die Messungen wurden mit Bandmaß, Tasterzirkel, Schublehre 
und Uhrschublehre ausgeführt. Die Maße habe ich, so oft es angängig war, 
dem von DUERST (1926) herausgegebenen Meßkanon entnommen. Wo ich 


I) Unterkiefer und Oberschädel = 1 gerechnet, da zusammengehörig. 


H. ENDERLEIN, Die Fauna der wendischen Burg „Poztupimi“, 245 


Vergleichsmaße der ältesten Autoren brauchte, mußte ich die von diesen an- 
gegebenen verwenden. 


Anschauungs- und Vergleichsmaterial standen mir im Anatomischen 
Museum der Tierärztlichen Hochschule, in der Geologischen Landesanstalt, 
im Zoologischen Museum der Universität, im Zoologischen Institut der Land- 
wirtschaftlichen Hochschule und im Märkischen Museum, alle zu Berlin, zur 
Verfügung. 

B. Reste der Menschen (Homo sapiens L.). 4 

Es liegt eine linke Fibula, Katalog-Nr. VI 95, vor. Einleitend habe 
ich ausdrücklich die Gesamtheit der Knochen als Küchenabfälle hinzustellen 
versucht. Um so mehr muß uns anfangs in Erstaunen setzen, einen Menschen- 
knochen darunter vorzufinden. Grabstätten fanden sich nicht in unmittelbarer 
Nähe. Ich glaube aber nicht, daß diese Fibula durch Zufall an die Fundstätte 
gelangt ist, sondern daß sie als Werkzeug, und zwar als sogenanntes „Gerbe- 
messer“, den alten Wenden gedient hat. Die Fibula des Menschen ist fast 
dreiseitig mit kraniomedial gerichteter scharfer Kante. Die der Tibia zu- 
gekehrte Fläche ist im mittleren Drittel stark ausgekehit. Der Knochen ist 
von vorn gesehen konkav. Die proximalen und distalen Enden sind „wie 
durch langen Gebrauch abgenutzt“. Eine ähnliche Abnutzung, d.h. bei Tier- 
knochen durch Menschenhand, habe ich bei gegrabenen römischen Funden 
aus Trier gesehen, über die Herr Dr. HILZHEIMER demnächst in einer 
Arbeit berichten wird. Die noch meßbare Länge beträgt 42,5 cm. 


C. Resta der wilden Tiere: » 
1. Bleßhuhn. (Fulica atra L.) 
Ein linker Oberarm. 
2. Biber. (Castor fiber L.) 
Ein Gehirnschädel. 
= ; 


3. Bär. (Ursus arctos L.) 
Ein Eckzahn. 


4. Dachs. (Meles meles L.) 3 
Ein vollständig erhaltener Schädel ohne Unterkiefer. 


5. Fischotter. (Lutra lutra L.) 6: 
Ein Gesichtsschädel. 


246 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


6. Wolf. (Oanis lupus L.) 

Vom Wolf wurden ein gut erhaltener Schädel VI 67a mit dazu ge- 
hörigem Unterkiefer VI 67b gefunden. Ich habe die Untersuchung dieses 
Stückes mit um so größerer Sorgfalt und Ausführlichkeit vorgenommen, da 
bisher noch kein Wolf der Mark Brandenburg wissenschaftlich 
bearbeitet worden ist (s. Abb. 6—11 auf den Tafeln XXII—XXI. 

Mandibula. 

Die Mandibula VI 67b ist in der Unterkieferfuge geleimt. Es fehlen 
der linke Processus angularis und der rechte J,. Der linke Processus coro- 
noideus ist angesplittert; die Bruchstellen sind frisch. Der rechte Eckzahn 
ist zu gut ?/, abgebrochen; der Bruch ist alt. Der Zahnstumpf trägt median 
eine scharfe, mehrzackige Leiste. Dieselbe Zahnverletzung findet sich an 
beiden Eckzähnen des Oberkiefers. Der rechte ist in der Mitte schräg nach 
vorn abgebrochen und zeigt drei nach der Wurzel ziehende Sprünge. Der 
linke Eckzahn ist im oralen Drittel glatt abgebrochen. Wie mir Herr 
Dr. HILZHEIMER mitteilte, finden sich gerade derartige Verletzungen der 
Eckzähne bei Raubtieren, die in Fallen geraten sind und beim Befreiungs- 
versuch oder bei der Abwehr sich die Zähne ausgebissen haben. Ich darf 
daher aus diesem Befund und aus dem gänzlichen Fehlen von Rumpf- und 
Gliedmaßenknochen annehmen, daß VI 67a und b gefangen, der Kopf vom 
Rumpf getrennt wurde, um ihn den Burgwallbewohnern als Trophäe zu zeigen. 
Aus dem guten Erhaltungszustand der Mandibula und des Schädels ist zu 
ersehen, daß Canis lupus als eßbares Wild nicht in Betracht kam, sondern 
nur, wie es auch heute überall geschieht, als Feind des Menschen und seines 
Viehes verfolgt wurde. 

Die Lappen der Ineisivi sind nicht stark abgenutzt. Die Abnutzung 
nimmt von J, nach J, ab, ist also physiologisch. Lingual ist eine feine, quer- 
verlaufende Zeichnung sichtbar, während die labiale Fläche glatt ist. Am 
linken Eckzahn findet sich an der ausgehöhlten Zungenfläche eine 2—4 mm 
breite, 1 mm tiefe Rinne, die vom C! herrührt. Die rechte Backenzahnreihe 
trägt 7, die linke 8 Zähne. Der überzählige Zahn sitzt zwischen Eckzahn 
und erstem Backenzahn und stellt einen Lückenzahn dar. Daß ein Mehr oder 
Minder an Zähnen bei Caniden keine Seltenheit darstellt, beschreibt schon 
HILZHEIMER (1905). Die Abnutzung der Backenzähne ist regelmäßig und 
nicht stark. Aus dem gesamten Befund der Zähne möchte ich das Alter des 
Potsdamer Wolfes höchstens mit etwa 2 12 bis 3 Jahren angeben. 

Eigentümlich für Canis lupus ist das außerordentlich kräftige Gebiß. 
(STUDER 1901, HEILBORN 1905). Die Backenzahnreihen laufen bis zum 
Paraconus des Reißzahnes geradlinig auseinander. Vom Protoconid laufen 


H. ENDERLEIN, Die Fauna der wendischen Burg „Poztupimi®. 247 


sie bis zum Hypoconid zusammen, von hier bis zum letzten Backenzahn nahezu 
parallel. Die größte Breite befindet sich am Protvconid. 

Von der ventralen Fläche betrachtet fällt die außergewöhnliche Massig- 
keit auf. Die Pars molaris des Unterkieferkörpers am Kehlrand stellt den 
stärksten Teil von VI 67b dar, ist in fast ganzer Ausdehnung gleich stark 
und verjüngt sich kaum bis zum Processus angularis. Die größte Dicke an 
der Pars molaris beträgt an mehreren Stellen 1,6 em. Eine Incisura man- 
dibulae ist kaum angedeutet. Die Fossa masseterica ist geräumig und 1,35 cm 
tief. Der Processus condyloideus ist kräftig entwickelt und etwas nach außen, 
hinten und aufwärts gerichtet. Er steht also zur Pars molaris schräg. 
Lateral befinden sich am Processus coronoideus und am Processus angularis 
Leisten und starke Rauhigkeiten für Muskelansätze. Der Processus coronoi=- 
deus ist dünn, in seiner Mitte gegen das Licht gehalten sogar durchschei- 
nend. Der Winkel, den Backenzahnreihe und aufsteigender Ast des Unter- 
kieferkörpers bilden, ist 65° groß. 

Um unseren Unterkiefer mit denen anderer Wolfsstämme vergleichen 
zu können, habe ich, da im Schrifttum wenig Zahlen vorliegen, im Zoolo- 
gischen Museum der Berliner Universität Messungen vorgenommen. 7 Wolfs- 
unterkiefer aus dieser Sammlung gehören zu ausgewachsenen Tieren (der 
kanadische Wolf 818 war jünger) und zeigen an den Zähnen die gleiche 
Abnutzung wie der Potsdamer Wolf. Tabelle Il(pg. 248) gibt also die Vergleich- 
messungen mit folgenden Stücken wieder: 1 aus Rußland, 1 aus Russisch-Lapp- 
land, 1 aus dem ehemaligen Posen, 1 aus Polen, 2 aus Kanada und 2 aus 
Britisch-Kolumbien. Aus der Unterkiefer-Tabelle ist, wie aus der Schädelmaß- 
tafel, ein deutlicher Größenunterschied ersichtlich. An Länge wird VI 67b 
nur von den beiden Kölumbiern übertroffen, die aber trotzdem schlank er- 
scheinen. 

Wenn auch selbst in einzelnen Rudeln große Schwankungen in den 
Maßen auftreten (STUDER 1901) und es daher feststehende Maße für den 
Wolf nicht geben kann, so ist aber doch wohl ohne weiteres zu ersehen, 
daß unser Potsdamer Wolf mehr mit denen aus Posen und Britisch-Kolum- 
bien ala mit den kanadischen verglichen werden kann. 

Oberschädel: 

Es fehlen an VI 67a der linke J!, der rechte Pl, jederseits (rechts 2, 
links 6 cm) ein Stück aus dem Jochbogen, ein Teil des linken Frontale 
und Parietale mit Processus zygomaticus des Frontale, die linke Bulla ossea 
mit Processus jugularis und die Condyli oceipitales. Die Ränder des Foramen 
magnum sind ausgebrochen. Ein Teil des linksseitigen Frontale und Maxillare 
und beide Nasalia, das linke stärker, sind eingedrückt und teilweise los- 


Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


248 


Tabelle II. 


B.ZM.) B.Z.M. BZM. B.Z.M. B.Z.M. B.z.m.|B.Z.M.|B.Z.M. 


Unterkiefermaße von Canis lupus Potsdam | go415 | 22373 | sin | 6602 | sis |ı16ars | 22396 | 22392 
VI 67b Brit. Brit. 
Rußland | Lappld. | Posen | Polen | Canada | Canada Columb.|Columbp. 
1. Länge v. Angul. mand. (Gon. caud.) b. 

Infradentale . s 18,4 17,6 17,6 19,0 15,6 14,3 16,1 18,9 19,4 
2. Länge v. Condylion med. b. Infrad. : 17,45 16,8 16,9 18,8 14,4 13,5 15,7 17,9 18,1 
3. Kaudale Asthöhe (Condylenhöhe) . . 3,6 3,9 3,4 3,9 3,3 2,9 2,9 STE A 
4. Orale Asthöhe (Coronoidhöhe). . . . 7,9 81 7,4 81 6,85 6,0 6,2 BO 25:8 
5. Mittlere Asthöhe . . . . 4,1 3,8 3,1 3,75 3,3 2,9 2,7 3,6 8,7 
6. Unterkieferhöhe h. d. letzt. Beckenzahn 4,1 3,4 3,3 3,9 3,0 2,85 3,1 3,7 3,7 
7. n „ Reißzahn. 3,5 3,1 3,0 3,2 2,6 2,55 2,7 34 3,2 
8. n vaad, n 3,9 2,8 2,8 3,1 2,6 2,0 2 8,3 3,1 
9. A „ 1. Backenzahn.. 2,5 2,5 2,4 2,4 2,0 2,0 2,0 2,6 2,6 
10. h. d. Symphyse. . . 3,15 2,6 2,5 3,0 2,2 1,90 2,0 2,8 2,5 
11. Länge der Symphyse. . . 4,2 4,7 4,1 4,4 3,4 3,3 4,1 4,6 4,6 
12. Breite d. aufst. Astes (letzt. Molar b. 

Gon. caudale), . . PER TER 6,4 6,0 6,1 6,6 5.3 4,5 5,4 6,5 7,0 
13. Condylo- „Coronoidlänge en: 5,9 5,0 5,5 6,8 4,85 4,5 4,7 5,7 5,8 
14. Lge. d. horiz. Astes (hint. Rd, d. letzt. 

Backz. b. Infradentale) . . . . .. 12,4 12,2 11,8 12,8 10,45 10,1 10,8 12,5 12,5 
15. Lge. d. Backenzahnreihe . . A 95 10295 7900| ga 10081100 
16. Längsdurchm. d. Caninalvedle . . . 1,6 1,5 1,6 2,0 1,2 1,5 1,3 1,6 I 
17. Querdurchm. d. x Be 1,15 1,0 Il 1% 0,8 1,1 0,8 lat lat 
18. Länge des zahnlosen Randes. . . . | | 0,8 0,4 10° 7 06° 092 |e 01 0 

u) 
19. „ der Ineisivreihe, innen. . . . 1,95 2,0 1,8 1,9 1,7 1,6 1,6 1,9 1,8 
20. Breite Es d. Eckzahn. . . ei, 3,1 2,5 2,95 3,2 2,65 2,65 2,5 3,1 3,1 
21. a d. Mitte d. Eckz. außen . . 3,3 33 3,0 3,3 2,7 2,75 2,6 3,2 3,15 
22. ee Breite d. Unterkiefers. . . 3,0 2,8 3,0 3,05 2,5 2,6 3,2 3,0 3,1 
23. Breite zwisch. d. Unterkieferwinkeln . 10,0 8,3 9,5 10,6 er 9,0 8,6 10,4 10,0 
24. x R „ Gelenkfortsätzen . . 11,45 10,3 11,1 DIT 9,1 9,3 10,0 11,1 12,0 
25. 1 r „ Coronoidfortsätzen . 10,95 9,6 9,8 10,6 8,3 8,2 8,6 — 9,6 
26. Transvers. Breite d. Gelenkrollen . . 3,45 3,2 2,9 3,6 2,8 2,6 3,0 3,2 3,6 
27. Dicke ; 1,25 1,3 IT 1,3 1,05 1,1 1,0 1,3 1,3 
28. Größte Dicke Ste Mandibelhältte . ser 1,6 1,4 1,35 1,6 1,2 1,4 1,2 1,6 1,6 


*) Aus dem Zoologischen Museum zu Berlin. 


H. ENDERLEIN, Die Fauna der wendischen Burg .„.Poztupimi“. 249 


gesplittert. Sämtliche Verletzungen, außer der am Foramen magnum und der 
des linken Stirnbeins sind bei der Ausgrabung entstanden, da ihre Ränder 
und Flächen im Gegensatz zu dem dunklen Schädel von heller Farbe sind. 
Die Zerstörung am Stirnbein rührt von einem stumpfen Gegenstand her und 
ähnelt der Kopfverletzung unserer durch Schlag betäubten Schlachttiere. 
Beiderseits stellte ich am Reißzahn und der ihm anliegenden Fläche von M! 
Zahnsteinbildung fest, die am rechten P* sehr stark ist und der jahrhunderte- 
langen Lagerung im Erdboden widerstanden hat. Die Ossa parietalia stoßen 
median in einer 83mm hohen, oval 3 und aboval 5 mm breiten, kräftigen Crista sagit- 
talis zusammen, die nach STUDER (1901) beim alten, großen und männlichen Wol£ 
stärker ist. Gegen ein hohes Alter spricht die geringe Abnutzung der Zähne. Esgilt 
für das Alter das beim Unterkiefer darüber Gesagte, Die Schädelnähte sind 
geschlossen. Nach STUDER soll eine niedrige Crista sagittalis auch bei den 
in Gefangenschaft aufgewachsenen Wölfen die Regel sein. Ich konnte das 
im Gegensatz zu HEILBORN (1905) im Zoologischen Museum zu Berlin 
an einigen aus zoologischen Gärten stammenden Schädeln bestätigen. Auch 
WOLFGRAMM (1894) berichtet, daß mit der Abnahme der Größe bei solchen 
Wölfen auch eine Verkümmerung der Muskelhöcker eintrete. Die Crista 
sagittalis teilt sich am Stirnbein und geht, nicht mehr scharfkantig, aber 
noch deutlich nach dem Processus zygomaticus des Os frontale. Das Stirn- 
bein weist median eine deutliche Einsenkung auf, den „Coup de häche“ der 
Franzosen. 

Die Nasenbeine zeigen in ihrer Mitte die den Wölien und Wildhunden 
eigene „Einsattelung“ (STUDER). Sie stehen mit dem Maxillare nur auf eine 
Länge von 1,3 cm in Verbindung. Nach STUDER (1901) ist dieses Ver- 
halten den allergrößten Schwankungen ausgesetzt. Er fand bei zahlreichen 
Wölfen, daß sich Os frontale und Os incisivum sogar berührten, daß Nasen- 
bein mit dem Oberkieferbein also gar nicht in Verbindung stand. Bei 
anderen Tieren ragten die Nasenfortsätze des Os frontale und des Os ineci- 
sivum nur stumpfwinkelig gegeneinander vor, so daß Nasale und Maxillare 
fast in ganzer Länge zusammenstoßen konnten. Die kleinste Entfernung der 
Orbita, an den Oberaugenrändern gemessen, ist 50 mm. HEILBORN (1905) gibt 
merkwürdigerweise eine Schwankung von 17,8 bis 24,5 mm an. Wahr- 
scheinlich hat er die Entfernung der medialen Augenhöhlenwände voneinander 
gemessen. Die Jochbogen beschreiben, wie man aus der Abb. 6 noch sehen 
kann, einen weiten Bogen. Der vordere Augenrand steht schräg zum Stirn- 
bein. STUDER bringt damit „das schräge, schielende Auge, das dem Wolfe 
einen unheimlichen, falschen Ausdruck gibt, gegenüber dem vertrauen- 
erweckenden, ehrlichen Blick des Hundes, dessen Auge mehr nach vorn ge- 


250 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


richtet ist“, in Verbindung. An den Tympanalblasen ist ein „Kiel“ bei dem 
Potsdamer nicht angedeutet. Die Nasenöffnung ist sehr weit. Die Nasen- 
beine sind lateral in eine Spitze ausgezogen, die normalerweise dem Ineisivum 
anliegt. Bei VI 67 a ist die Basilarlänge nicht meßbar, da die dazu nötigen 
Hinterhauptsteile fehlen. 

Sehr kräftig sind die Eck- und Reißzähne. Der Reißzahn wird an Länge 
von keinem der Vergleichswölfe erreicht, an Breite nur von dem russischen 
Wolf Nr. 2 HEILBORN’s um 1 mm übertroffen. Das Os maxillare ist durch 
diese Dicke des Reißzahnes im Bereiche von P, und P, stark ausgebuchtet. 
HEILBORN bezeichnet treffend die Form des harten Gaumens seiner Wölfe 
als „lyraförmig“, welche Benennung für VI 67a ebenfalls zutrifft. 

Mit dem russischen Wolf Nr. 2 (Tabelle III S. 251) stimmt der Potsdamer 
in einigen Maßen auf den Millimeter überein. Wie die von mir gemessenen 
Unterkiefer aus Kanada, so zeigen auch hier die Schädel HEILBORN’s aus 
Labrador die kleinsten Maßzahlen. 


7. Wildschwein. (Sus scrofa L.) 


Als zum Wildschwein gehörig bestimmte ich 5 Funde, 3 Unterkiefer- 
teile, 1 linke Gesichtsschädelhälfte und 1 mächtigen Hauer, die von drei 
Tieren herrühren mögen. Nicht nur die bei oberflächlicher Betrachtung 
geradezu in die Augen springende Größe und Stärke, sondern auch einige 
Maße (Tabelle IV pg. 252) rechtfertigen die Zurechnung zu Sus scrofa antiquus. 
In allen 4 Abbildungen (Tafel XXVII—XXVII, Abb. 22—26) habe ich stets 
Wildschwein und Hausschwein nebeneinander gestellt, um den Unterschied 
auch im Bilde klarzumachen. Das Vorhandensein von nur 3 Individuen zeigt doch, 
daß das Schwarzwild in jener Gegend zur seltenen Beute gehörte. 

Besonders zu erwähnen ist ein Rippenstück (Tafel XX VII, Abb. 24), dessen 
Zugehörigkeit zum Haus- oder Wildschwein nicht feststellbar ist, das einen 
Bruch im proximalen Viertel mit starker Callusbildung aufweist. Der Callus 
hat die oberen und unteren Enden freigelassen, so daß die Art des Bruches, 
Sagittalfraktur, zu erkennen ist. Der Callus ist mit großen Ernährungs- 
löchern versehen. Ein hohes Alter der Fraktur ist aus eben Gesagtem und 
aus der Tatsache, daß der Callus noch nicht geglättet ist, nicht anzunehmen. 
Es ist bemerkenswert, daß selbst der immerhin noch jugendliche Callus die 
Festigkeit besitzt, der jahrhundertelangen Lagerung im Erdreich und den 
einwirkenden Witterungseinflüssen zu widerstehen. 


8. Reh. (Capreolus capreolus L.) 
Vom Reh liegen 19 Knochenstücke vor. Die geringe Zahl von vielleicht 
3—5 Individuen läßt sich leicht aus der geographischen und der damit ver- 


DD m 


10. 
11. 
12. 
13. 
14. 


15. 


16. 


17. 


18. 
19. 


20. 
21. 
22. 
23. 
24. 
25. 
26. 
27. 
28. 
29. 
30. 
31. 


DO mn om 


H. ENDERLEIN, Die Fauna der wendischen Burg „Poztupimi“. 251 


Tabelle III. 


Schädelmaße von Canis lupus 


. Basilarlänge . Re a 
. Basikranialachse (For. magn. bis 


Sphen. Naht). 


. Länge d. Nasalia med. . 


” ” „ lat. 


. Gr. Breite d. r. Nasale . 


Gaumenlänge 


. Gaumenbreite vor m 


a h. d. vord. Pm. 


. Größte Breite des Schädels ın der 


Schläfenregion . i 
Breite über die GSRorOfELunSen 
Jochbogenweite. 

Schläfenenge. 

Breite zwischen d. Orbitalforte. : 
Geringste Breite zw. d. De 
rändern 

ehöhlenlänge v. Be. Ra. A. Tre 
magn. b. z. Wurzel d. Nasenbeine 


Gesichtslänge v. vord. Orbitarand | 


z. Schneidezahnalv. 3 ; 
Schnauzenlänge, Nenn negel Z. 
Schneidezahnalv. 

Höhe des Schädels mit Brlerkieier 
Höhe d. Gesichtsteiles vom Gaumen 
zur Stirnmitte . er 
Breite des ee lhupidreicchs re 
Eiöhe n 

Weite d. For. infraorbit. 

Hiohe/., „ R : 5 
Längsdurchmesser d. Bulla oss. . 
Querdurchmesser „ 
Länge des Reißzahnes 
Breite 


” ” 


22] ” 
Länge der Baer eurähnreihe 


„ der beiden Mol. . 
„ .von P!-M? 


Profillänge 


Potsdam 
VI. 67 a, | 


8,5 
3,0 


7,9 
7,8 

15,0 (0) 
4,5 
6,5 


5,0 
13,2 () 


11,4 


Russ. 2. | Polnisch. | Labrador 
Heilborn | Heilborn | Heilborn 
24,3 22,9 21,4 

6,4 5,8 5,8 
10,5 9,2 8,6 
bde 2,4 | bde 2,0 | bde 2,3 
13,3 12,6 12,0 
8,5 7,6 7,4 

74 (El 
7, 
IT 7,4 6,9 
14,8 13,8 13,0 
4,5 4,6 4,0 
7,8 6,0 5,5 
5,55 43 3,8 
13,8 12,9 11,8 
12,1 11,2 10,0 
13,8 12,7 11,3 
7,3 6,8 6,2 
8,8 8,2 7,75 
7,2 6,4 5,8 
3,5 3,1 2,9 
2,7 2,4 2,3 
2,5 2,5 2,3 
1,3 1,2 1,1 
gl 8,8 8,4 
2,4 2,3 | 2,1 
4,5 4,6 | 4,3 


252 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Tabelle IV. 


e Ä | BÄum- | RÜTI- 
Schädelmase vom |yrsılwsılws2|vı7r5 scaürz| er | MEYER 
Wildschwein Pfahl- 
Ba bauten 
-Oberkiefer: | | 
1. Länge d. Mol. . .1 8353| — ı — — 1 Us 7,7—8,7 
Ze, v. M® vorn. | 4,0 | — — — 4,1 3,8 3,6—5,0 
8. Breite v. M®. . .| 23I| — | — — 2,4 — | 2,2—2,6 
Unterkiefer : | 
4. Höhe d. aufst. Ast. — | 12,9 | 12,6 —_ — 11,8 E 
5. Breite „ 5 n | 
binter Ma. v0. | go — __ —_ 
6. Höhe d. horiz. Ast. 
ee 5,8 5,0 5,0—6,0 
7. Höhe d. horiz. Ast. | 
us Me a Een aan -- — — — — 
8. Länge d. Molaren. | — | 8,5 8,2 — _ 8,0 7,6—8,8 
9. ei | 4,4 _ 4,3 4,3 4,0—5,3 
10. Breite v. M,;, . .| — 1,9 2,0 —_ 1) -— 1,6—2,1 
11. Durchmesser d. Ca- | 
ninalvr 7.0 Ge - Ä _ 2,4 | (1,6—2,6) _ 3,1—3,6 
12. Gr. Länge d. Eck- | | 
zahnes:. ua 0... 2.1, — — | -— 18,9 18,0 E= E= 
13. Länge d, Symphyse | — —_ — Ss) — 7,3—9,6 |11,0—14,5 


bundenen klimatischen Lage erklären, denn an der Stelle des heutigen Pots- 
dam lag damals ein sumpfiges Waldgebiet, das bekanntlich vom Reh ge- 
mieden wird. Kein einziger Knochen ist so erhalten, daß sich die ganze 
Größe messen läßt. Daher sehe ich von der Anfertigung einer Maßliste ab 
und bringe die wenigen Maße im Text. Die Breiten des distalen Endes der 
Humeri CC3 und CC4 betragen 2,7 und 2,5 cm. 

VI 73 ist ein Gehirnschädel mit Rosenstöcken eines starken Bockes. 
Der Umfang des Rosenstockes beträgt 7,5 cm, größte Breite des Hinter- 
hauptes 6 cm, größte Breite der Condylen 3,6 cm, Breite des Basioceipitale 
an den oral vom Condylus gelegenen Höckern 2,5 em. Diese Höcker sind 
bei VI 73 nicht übermäßig stark ausgebildet. 

Herr Professor Dr. BITTNER gab mir die liebenswürdige Anregung, 
die Frage zu prüfen, ob die von mir gemachte Feststellung zur Unterschei- 
dung von Männchen und Weibchen beim Cervus elaphus auch beim Reh 
gilt. Diese Frage ist, um es vorwegzunehmen, zu verneinen. Ich habe zu 
diesem Zweck im Zoologischen Museum der Universität Berlin bei 125 männ- 


H. ENDERLEIN, Die Fauna der wendischen Burg „Poztupimi“. 253 


lichen und weiblichen Schädeln von ausgewachsenen Rehen die Pars basalis 
des Oceipitale untersucht und festgestellt, daß auch beim Weibchen, und 
namentlich beim alten, das Basioceipitale sehr breit und auch breiter und 
stärker als beim Männchen sein kann, was beim Hirsch nie der Fall ist, 
immer vorausgesetzt, daß auch erwachsene Tiere untersucht werden. Der 
oral vom Condylus oceipitalis gelegene Höcker am Basioceipitale bietet dem- 
nach zur Bestimmung des Geschlechts keine Handhabe. Durch die Unter- 
suchungen von SCHUHMACHER (1928) wissen wir, daß bis jetzt nur die 
Unterscheidung von männlichen und weiblichen Mandibulae möglich ist. An 
Stangen untersuchte ich 8, von denen 3 (distale Enden) zu Pfriemen und 
1 (ebenfalls distal) zu einer Flöte verarbeitet sind. Die anderen 4 sind Ab- 
wurfstangen und stammen von schwachen Böcken. 


9. Edelhirsch. (Cervus elaphus L.) 


Vom Hirsch liegt ein reiches und teilweise gut erhaltenes Material vor. 
Die Zahl von 84 Knochen zeigt uns, in welch hohem Maße das Fleisch und 
die Jagd dieses Edelwildes geschätzt wurden. Von Rumpf- und Gliedmaßen- 
knochen habe ich 52 untersucht. Über die 5 Schulterblattreste ist nichts 
zu sagen. Von den 10 Humerusteilen berücksichtige ich fünf in der Tabelle V. 


Tabelle V. 
| i Durchschnitt 
Humerusmasse v. | er hen .. IVindo-| von 6 weibl. 
Cervus elaphus San | EL one A nissa | (©. elaphus 
| | | v. DIERIG 
1. Distale Breite . . | 58 | 65 | 64 | 62168) 61 | 52 44-51 
2. Länge d. Trochl. . | 47 | 5,4 | 5,35 |5,5| 54| 5,2 5,0 4,1—4,7 
3. Höhe „ „ med. | 3,7| 42 | 44 |44|48I| — = E= 
en Be. lat: 2,3| 27|1 — | 2338| 28| — _ — 


Die distale Breite schwankt von 5,3 cm (021) bis 6,5 cm (H1). Trotzdem 
nur die distalen Enden vorliegen, erscheint C21 schmal und schlank, wie 
ein echter Hirschoberarm, H1 dagegen kräftig, breit, plump, fast rinderartig 
(Torfrind) (Tafel XXIII, Abb. 12). Nicht jeder Hirschknochen läßt sich allein 
durch seine Schlankheit vom Rind und namentlich vom kleinen Torfrind unter- 
scheiden. Es wäre beidem Potsdamer Knochennichtsoganzeinfach, Hirschhumeri, 
und namentlich die starken, von Dos taurus brachyceros zu trennen, wenn 
nicht genaue osteologische Unterschiede vorhanden wären, auf die bereits 
DIERIG (1910) in seiner Dissertation aufmerksam gemacht hat, und die 
ich etwas erweitern möchte. 


254 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Bei prähistorischen Humeri spielt das proximale Ende diesbezüglich 
keine Rolle. Das Caput ist in den meisten Fällen mehr oder weniger stark 
beschädigt, die Tubercula, auf die es bei der Unterscheidung von Rind und 
Hirsch mit ankommt, sind meist abgebrochen. Sehr genaue Einzelheiten er- 
geben sich aber bei der Betrachtung der distalen Hälfte. DIERIG betonte 
beim Hirsch die schmale Fossa olecrani, die stark konische Form der Trochlea 
und damit verbunden die Dicke der medialen und die geringe Höhe der lateralen 
Gelenkrollenhälfte. Als weitere wichtige Unterscheidungsmerkmale sind mir 
aufgefallen: 

1. Die Crista epicondyli lateralis, die beim Rind nur angedeutet ist, ist 
bei den Cerviden sehr stark entwickelt und nach vorn etwas um- 
gebogen. Die kranial von ihr gelegene Fläche ist dadurch grubenartig 
eingesenkt. 

2. Die Fossa coronoidea ist beim Hirsch kleiner und erscheint durch eine 
in der Mitte verschieden stark ausgebildete Leiste zweigeteilt. 

3. An der medialen Fläche des distalen Endes befinden sich beim Hirsch 
zwei verschieden tiefe Bandgruben, beim Rind ein starker Höcker. 
Beim Hirsch ist der kaudal von der lateralen Bandgrube gelegene 
Höcker eine scharfe Leiste, beim Rind dagegen hoch und plump. 
Von den 6 Radien (Tabelle VI) sind 5 linke und 1 rechter. C18 und 

VI 83, beides linke, (Abb. 14 c, d, Tafel XXIV) gehören ausgewachsenen Tieren 


Tab Be ME 
Beer, Bi Durchschnitt 
Radiusmaße von AILI | Vindo-| von 7 weibl. 
C18 | V183 
C laph 27481) | ni C. elaphus 
ervus elaphus 1: ) | nıssa DIERIG 
1. Länge median . . 28,0 27,1 27,3 — 23,9— 25,7 
PER. medial 27,1 26,0 26,5 — 23,2— 26,0 
8.  „ lateral. 26,8 25,0 26,2 — — 
4. Prox. Ende, Derdugehn N 5,8 5,6 5,1 E— 4,2—4,8 
De syy. Längsı),, 3,1 3,1 2,8 — — 
6. Dist:7 5° !Quer.e2, 5,3 4,8 4,6 4,6 — 
re „ Längs „ 3,6 3,4 3,3 — — 


an. C 18 ist bedeutend stärker. Beide sind sehr schlank und in ihrer Dia- 
physe stark nach vorn gebogen. Lege ich die Radien mit ihrer kaudalen 
Fläche auf eine ebene Unterlage, so ist der höchste Zwischenraum bei C18 
2,5 cm und bei VI 83 2,4 cm. An der Vorderfläche von C18 befinden 


l) rezent aus dem Märk. Museum. 
®2) in der Quer- und Längsrichtung des Tieres. 


H. ENDERLEIN, Die Fauna der wendischen Burg „Poztupimi“. 255 


sich 5 primitive Einkerbungen, ähnlich wie ich sie bei dem Metatarsus 
Mt3 von Bos taurus longifrons beschreiben werde. 

An Metakarpen habe ich 3, 2 linke und 1 rechten, untersucht. C1 und 
116 (Abb. 14 a,b, Tafel XXIV) sind in ganzer Länge erhalten und gehören 
alten Tieren an. Von C2 fehlt das distale Drittel. 116, von gelblich-weißer 
Farbe ist an Länge und Stärke den anderen etwas überlegen. Aus der 
Tabelle VII ist ersichtlich, daß die Potsdamer Metacarpi an Länge von den 


Tabelle VI. 


| ' Durchschnitt 


Metakarpalmaße von ; e Ip " Schönfeld yon 7 weibl. 
Pervus elanhus Ge a I Nr me (0 elaphus rec. 
2 ‚ subf. DIERIG 
1. Länge medien . . . . | 26,1 | 26,4 | 86 a7 || 23,6295:0 
medial. 2...) 254 | 255 | — |2380 | 270 | 22,7—24,8 
3. m Ateral 2... 125,2 | 25,5 | — Er 27,0 22,8—24,6 
4. Prox. Ende, Querdurchm. | 42 | 42 | 40 | 48 4,6 3,8—8,7 
= 2  TDäne „ 32 | 32 | 238 2 2,6 18-21 
PD, , @ue „ Bl a 4,6 3,4—8,7 
Be Län „ ER u 


subfossilen aus Teplitz und Schönfeld (f. DIERIG 1910) übertroffen werden, 
selbst aber die rezenten von DIERIG überragen. 

Die Becken- und Femurreste sind so spärlich, daß ich ihre genaue Be- 
schreibung übergehe. 

Von Tibiae wurden 13 untersucht. Ganz erhalten ist nur VI 87 
(Abb. 14 e, Tafel XXIV). Zahlreiche Rauhigkeiten und Leisten sprechen 
für ein hohes Alter. VI 87 ist viel weniger schlank als die zur Verfügung 
stehende rezente Tibia A III 2748 aus dem Märkischen Museum; sie ist 
kürzer und ähnelt wiederum mehr einem Schienbein vom Torfrind. Die Zu- 
gehörigkeit zu Üervus elaphus steht aber außer jedem Zweifel. Die Eminentiae 
intercondyloideae stehen bei Üervus schräg und dichter zusammen, während 
sie bei Dos taurus mehr parallel verlaufen. Aus der Tabelle VIII (pg. 256) 
sehen wir, daß unsere Potsdamer Tibiae sogar von rezenten an Länge 
übertroffen werden. 

Von den 2 Calcanei ist wiederum C8 plumper und massiger als C7, 
(Tabelle IX pg. 256.) 

An Kopfknochen einschließlich Geweihteilen liegen 32 vor. 

Von (fesichtsschädelteilen interessiert nur VI 79, eine rechte Gesichts- 
schädelhälfte (Abb. 13, Tafel XXIII). Die Abschnitte vor P 2, hinter M3 
und jenseits der Medianebene sind mit einem stumpfen Gegenstand ausge- 


256 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Tabelle VIIL 


Tıbıamaße von vısz|cıealcıa 
Cervus elaphus 


AII subf. | Durchschnitt 
0383| 2748 |Vindo- Schön] nach 
1) nissa feld |DIERIGs. o. 


a 


1. Größte Länge. . . ss I - | | as en 
2.'Mediale '„ . . ..1018 |, — | — | 32,0 — _ 30,4— 835,5 
3. Laterle „ - . .18905 Il — | — | — | 34,3 — en 29,0— 835,1 
4. Prox. Ende, Querd. . 83 | — — | — ii — — ı _ 
5. Dist Ende, .....154 | .51[4700 457% 192 4,2 | 3,9—4,8 
6. Prox. Ende, Längsd. | 77/801 — | — | 67 — _ | — 
7. Dist. Ende, 5 41 |) 39) 35, 35, | = 
Tabelle IX. 

Maße der Calcanei von Cervus elaphus | 7 C8 
1. Proximaler Längsdurchmesser. . : . 2...” 4,2 4,3 
2. . Querdurchmesser . . . 2 2 2.2. 3,2 3,5 
3. Längsdurchmesser der Diaphyse. . . . 2... 3,2 3,5 
4. Querdurchmesser „ n en 1,4 1,7 


brochen. Die Bruchränder sind unregelmäßig gezackt. Die Zugehörigkeit zum 
Hirsch wird bedingt durch die ihm eigentümliche Einsenkung des Os lacrimale 
und die Form der Zähne. VI 79 gehört einem jüngeren Tier an. P 3 hat zwar 
‚schon gewechselt, und M 3 ist durchgebrochen, die Abnutzung durch Kau- 
tätigkeit hat aber erst begonnen. Die Nähte zwischen Os maxillare, Os lacri- 
male, Os zygomaticum, Os frontale und Os nasale sind noch nicht ver- 
knöchert. Die eben erwähnten Knochenteile sind noch etwas gegeneinander 
verschiebbar. Ich möchte darum das Alter nicht höher als 2'/, bis 3 jährig 
festsetzen. 

Von Gehirnschädelteilen wurden C 4 und C 5 untersucht. C 5 besteht 
aus dem rechten Condylus oceipitalis mit einem Teil der rechten Squama, 
dem Os petrosum und der rechten Pars basalis des Os oceipitale. Das ein- 
zige nehmbare Maß, die größte Breite des Condylus oceipitalis, ist 2,5 cm. 
‚Zu CA (Abb. 16, Tafel XXIV) gehört die Pars basalis des Os oceipitale, der 
linke Processus jugularis, die Squama occipitalis bis zu einer Höhe vonca. 2 cm 
und das Keilbein mit dem Foramen ovale. Seine Maße sind: 


Größte Breite eines Condylus. . . . * . . 25 em 
Größte Breite beider CEondyi. . . ». » ... 81cm 


1) rezent aus dem Märk. Museum. 


H. ENDERLEIN, Die Fauna der wendischen Burg „Poztupimi“. 257 


Größte Breite des Foramen magnum . . . . 3,0 cm 
Kleinste Breite des Foramen magnum (ungefähr 

an der Umbiegung des Condylus) . . . . 23,5 cm 
Höhe des Processus jugularis medial. . . . 5,0 cm 
Höhe’des Foramen magnum '., . . ... ... 35 cm 


Durch vergleichend osteologische Betrachtungen der Potsdamer Hirp- 
schädelreste C 4 und C 5 kann ich dem von DIERIG in seiner bereits er- 
wähnten Dissertation Gesagten wiederum etwas hinzufügen, was von osteo- 
logischer Bedeutung ist, Wert für die Geschlechtsbestimmung und damit 
auch forensischen Wert hat. 

An der ventralen Fläche geht bei Boviden und Cerviden der Condylus 
oceipitalis oral in eine Rinne oder Furche über, an die sich ein Höcker 
oder eine Leiste anschließt, wodurch die übrige Pars basalis des Os ocei- 
pitale vom Condylus scharf getrennt wird. (Abb. 15 u.16, Tafel XXIV.) Dies wird 
zuerst von FICK im Jahre 1904 erwähnt. In diese Rinne greift bei den 
äußersten Beugestellungen des Schädels der Rand der Atlaspfannen. STRECKER 
(f, FICK 1904) bezeichnet diese Rinne daher als Einstellungsfurche, „die 
namentlich bei den mit Stoßhörnern versehenen Säugetieren stark ausgeprägt 
sind“. Abhängig von der Ausbildung der Rinne ist der oral von ihr liegende 
schon erwähnte Höcker. Da dieser Höcker in der anatomischen Namengebung 
nicht berücksichtigt ist, werde ich ihn der Kürze wegen als „Basioceipital- 
höcker* bezeichnen. Dieser Höcker ist am deutlichsten beim Hirsch und 
kann beim erwachsenen Tier zur sicheren Geschlechtsbestimmung dienen. 
An 3 prähistorischen männlichen, 10 rezenten männlichen und 20 rezenten 
weiblichen Schädeln habe ich diese Frage geprüft. Das Material stammte 
teils aus dem Märkischen Museum, teils aus dem Zoologischen Museum der 
Universität Berlin. Aus den beigefügten drei Tabellen (X pg. 258 und XI 
pg. 259) ist ersichtlich, daß für die Frage ob Männchen oder Weibchen 


1. die Breite des Basioceipitale am Basioceipitalhöcker und 
2. die Beschaffenheit des Höckers 


eine Rolle spielen. 

Diese Breite schwankt bei den rezenten Schädeln von 3,92 bis 4,78, 
bei den prähistorischen von 4,5 bis 5,5, bei den rezenten weiblichen Schädeln 
von 3,40 bis 4,17 cm. 

Der Basioccipitalhöcker ist beim Männchen stets sehr hoch und stumpf, 
beim Weibchen dagegen eine Leiste, die scharf und niedrig und bei sehr 
alten Kühen höher wird, dabei aber stets scharf bleibt. (Abb. 15 u.16, Tafel XXIV). 

Außerdem wurden 18 Stangen und Stangenteile ausgegraben. Unter 


diesen befindet sich nur 1 Abwurfstange VI 104 mit dem Kennzeichen einer 
17 


258 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Tabelle X. Männliche Rothirsche, 


Breite des 
Bezeichnung On UBAEHER LEN: Alter oder Endenzahl l) 
am Bassiocci- des Höckers 
pitalhöcker 
C4 Potsdam 4,9 aick und hoch 
M.M.ohneNr.?) 5,1 stark ausgebildet 12 Ender 
MM Ne 5,0 Bun, 5 12 Ender 
MM N 5,5 dick und hoch |st.10 Ender. Rosenumf. 28,4cm 
M.M. AIII2017 4,8 SER, „ 
M.M. A III2010 5,3 scharf u. s. hoch 
M.M. AIII2535 5,05 dick und hoch 
M.M. AILII 1957 4,5 Sr : 
2) abor. ausgezogen 
B.Z.M. 13148 4,70 stumpf und hoch alt 
B.Z.M. 30 816 4,78 5 = 5 ausgewachsen 
B. Z.M. 30 839 4,54 5 „ 4 schwacher 10 Ender 
B.Z.M. 27 059 3,92 7 „  niedr.| Zahnwechsel kaum vollendet 
B.Z.M. o.Nr. 4,7 „ „ hoch | st. 16 Ender. Rosenumf. 25,6 
B. Z.M. .0.Nr. 4,6 hr A s 8 Ender 
B.2.M.; 0.Nr. 4,49 r n a 10 Ender 
B.Z.M. 28 786 5,3 scharf, aber s. hoch 12 Ender 
B. 2. M 70. Nr. 4,82 stumpf und hoch 10 Ender 
B.Z.M. o.Nr. 4,18 5 5 “ 10 Ender 


solchen. Diese gehörte einem Kapitalhirsch an. Die Augensprosse ist außer- 
gewöhnlich kräftig. Der Rosenumfang beträgt 26,2 cm und ist der größte 
des Potsdamer Fundes. Die vollständige Endenzahl ließ sich bei keinem 
Geweih ermitteln. Der alte Wende hat die Kronen, Gabeln und Sprossen 
mit scharfem Instrument abgeschlagen und technisch zu Pfriemen, Flöten, 
Hacken usw. verarbeitet. Es wurden überwiegend junge Hirsche erlegt, so. 
daß auf 3—4 junge erst ein alter kommt. Der Rosenumfang von den übrigen 
gemessenen 6 Stangen schwankt von 12,4 bis 24,8 cm, erreicht also die 
Abwurfstange VI 104 mit 26,2 cm noch nicht. 
Katalog-Nr. VII 921 Rosenumfang = 12,4 cm 


ss Na 5 — 15,4 m 
” 17108 „ = 19,6 cm 
n J 4779 nr — 19,5 cm 
h J ATTT ” —,23,8,cm 
” VI 113 a — 24,8 cm. 


1) Bei Schädeln mit nicht erhaltenem Geweih gebe ich das Alter an, wobei 
mit „ausgewachsen“ die bezeichnet sind, bei denen der Zahnwechsel vollzogen ist 
und die Abkauung bei M 3 nicht weit fortgeschritten ist. „Alt“ sind die Schädel 
mit stark abgekautem Gebiß, namentlich der M 3. 

2) M.M. — Märkisches Museum, B.Z.M. = Zoolog. Museum d. Univ. Berlin. 


H. ENDERLEIN, Die Fauna der wendischen Burg „Poztupimi“. 259 


Tabelle XI. Weibliche Rothirsche, 


Breite am ; 
Nr. Basioccipital- ee ge Approximatives Alter!) 
| Döckee Höckers 
30 212 3,82 scharf und niedrig ausgewachsen 
22 093 3,89 = s a : 
35 597 3,37 | 2, hoch alt 
35 595 3,9 „ R s 2 
35 693 3,01 05 „ „ 5 
35 596 4,17 n 5 = ausgewachsen 
34 051 3,80 = „ niedrig alt 
29 559 3,54 = ».. hoch ausgewachsen 
30 210 3,47 n „ niedrig e 
20 743 3,40 stumpf „ » alt 
30 814 4,09 scharf und hoch R 
10 012 3,68 3 A 5 » 
30 812 3,70 & „ niedrig = 
18 723 3,50 s; = n ausgewachsen 
18 724 3,46 Tee ; 
20 745 3,87 5 ==. hoch sehr alt 
aboral ausgezogen 
34 924 | 3,68 scharf und niedrig | alt 
22 983 | 4.14 h = hoch a 
26 779 3.78 a eniedris ausgewachsen 
25 985 4,04 stumpf u. s. niedrig kaum ausgewachsen 


Die stärkste Rose von der Schloßbergausgrabung gibt DUERST (1904) 
mit 24,5 cm an. 

Zwei mir von Herrn Dr. KIEKEBUSCH, Direktor der Vorgeschichtlichen 
Abteilung des Märkischen Museums, Berlin, freundlichst geliehene basale 
Geweihstücke vom Pennigsberg bei Mittenwalde aus der Wendenzeit haben 
einen Rosenumfang Nr. 2617 5258, cm 

Nr23327 ==27,2 em: 

Ein von mir im Zoologischen Museum Berlin, gemessenes rezentes 
- Geheih (ohne Kat.-Nr., starker 16-Ender) aus der Mark Brandenburg hat 
einen Rosenumfang von 25,6 cm, steht also hinter den prähistorischen Hir- 
schen nicht zurück. 

Ein endgültiges Urteil über die Größe der subfossilen Potsdamer Hirsche 
wage ich nicht zu fällen, dazu gehört ein besseres und reicheres Material. 
Trotzdem glaube ich nicht, wie allgemein angenommen wird, daß der alte 
Hirsch stets größer sein mußte als der heutige. MATSCHIE (1906, 1907) 
hat schon darauf hingewiesen, in welch hohem Maße gerade bei diesem 
Hochwild Größenschwankungen auftreten. Es ist sicher berechtigt, auch für 
den Hirsch den Satz der heutigen Tierzucht aufzustellen: „Das Tier ist ein 


!) Siehe Anmerkung auf pg. 258. Alle Tiere aus B. Z. M. 
17* 


260 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Ergebnis seiner Scholle“, wobei unter Scholle die Summe der Witterungs-, 
Erd- und Haltungsumstände zu verstehen ist. 


10. Ur. (Bos primigenius BOJANUDS.) 

Außer dem an zweiter Stelle zu besprechenden Hornzapfen liegt ein 
linker Astragalus B Pr 2 (Abb. 17a, Tafel XXV) vor, dessen proximales Drittel 
fehlt. Diese Beschädigung ist nicht bei der Ausgrabung entstanden und ist um so 
auffallender, als sonst alle Astragali der anderen Tiere sehr gut erhalten 
sind. BPr2 ist, mit einem rezenten Wisent (Bos bonasus) aus dem 
Dresdener Zoologischen Museum im Zwinger, dessen Gipsabguß im Märkischen 
Museum ist, verglichen, in allen Maßen nur wenige mm größer (Tab. XII). 


Tabelle XII. 


F Wisent Hausrind 

Astragali BPr. 2 | vera) | Poisdam 
Prox. Gel. Querdurchmesser . . — 5,1 4,4 
n „  Längsdurchmesser. . — 4,2 3,75 
Diaph. gr. Breite vorn . . . . 4,95 4,6 4,0 
n; “ „ sahinten m... 4,6 4,4 3,6 
Dist. Gel. Querdurchmesser . . 5,4 5,1 4,4 
" „ Längsdurchmesser .„ . 4,0 3,8 3,4 
Gr; Breite Hateral or... 000, 4,2 4,0 3,6 
medial 0.2 alte. 4,6 4,5 3,9 


” ” 


Die distale Gelenkfläche ist bei B Pr 2 gewölbter als bei dem Dresdener 
Wisent und dem rezenten Hausrind, was auffällig bei der lateralen Gelenk- 
hälfte in Erscheinung tritt. 

Der eingangs erwähnte Hornzapfen (Kat.-Nr. VI 84, Abb. 18, Tafel XXV) 
ist ein linker und bis auf die ca. 3—5 cm lange fehlende Spitze gut erhalten. 
Anihm haftet eine 3—4 Finger breiteZone desStirn- und Hinterhauptbeins. Diese 
Gehirnschädelteile sind soweit erhalten, daß die für den Ur charakteristische 
spitze Winkelung am Oceipitale und Frontale immerhin sichtbar ist (FIEDLER 
1907, LAURER 1913, V. LEITHNER 1927). Vom Stirnbein verläuft lateral- 
wärts an der Mitte der Hornbasis ein Riß, der sich nach der nackenseitigen 
Fläche zu verliert. An der Basis befinden sich ringsum zahlreiche von 
scharfem Messer herrührende Einkerbungen, die erkennen lassen, daß sie 
vorsichtig und mit nicht zu großer Gewalt angebracht sind. Die Alten wußten 
sehr wohl, daß durch rohe Gewalt der Knochen leicht springen kann. Ent- 
weder entstanden diese Kerbe, als die Hornscheide abgelöst wurde, oder man 
versuchte, den Hornzapfen, der als seltene Beute von den Burgwallbewohnern 


H. ENDERLEIN, Die Fauna der wendischen Burg „Poztupimi‘. 261 


als Hausschmuck aufbewahrt wurde, vorsichtig von dem Schädel zu trennen, 
welche Bemühung an der Härte des Materials, wie wir eg auch noch an 
anderer Stelle erfahren werden, scheiterte. 

Daß es zu den Gewohnheiten der Menschen gehört, seltene Beute auf- 
zubewahren, ja sie von Geschlecht zu Geschlecht zu vererben oder anderen 
als Geschenk darzubringen, ist allseits bekannt und kann durch zahlreiche 
Beispiele erhärtet werden. LEITHNER gibt in seiner sorgfältigen Arbeit an, 
daß dem Urschädel aus der Ritterburg in Danzig die Hornzapfen fehlten 
und diese als Beutezeichen aufbewahrt wurden. Auch Herr Dr. HILZHEIMER 
kennt in Köln aus römischen Schichten Schädel, denen die Hornzapfen fehlen, 
Doch könnte gerade dieses letztere den Beobachter zu der Folgerung ver- 
leiten, VI 84 sei gar keine Jagdbeute der Potsdamer, sondern vererbt oder 
durch Schenkung dahin gekommen, wenn nicht das Os tarsi tibiale da wäre. 
Es muß daher angenommen werden, daß der Ur, wenn auch zu den seltenen, 
doch zu den Jagdtieren des Wenden gehörte. 

VI 84 gehört einem alten Tier an. Die Nähte zwischen Os frontale, 
Os oceipitale und Os temporale sind zwar geschlossen, aber noch stellenweise 
sichtbar. Die Länge von 44 cm Bandmaß an der äußeren Wölbung und 
einige Rillen und Knuchenplättchen sprechen für ein gewisses Alter. 
v. LEITHNER zieht auch den Querschnitt des Hornzapfens zur Alters- 
bestimmung heran. Beim jugendlichen Tier sei der Querschnitt rund und 
werde im Alter immer mehr eiförmig. Der kurz ovale Querschnitt von 
VI 84 unterstützt das über das Alter Gesagte. 

Der Hornzapfen sitzt nicht unmittelbar dem Stirnbein auf, sondern ist 
gestielt. Da, wie wir eben sahen, unser Ur ein gewisses Alter besitzt, darf 
dieser Stiel am Hornzapfen nicht als Jugendmerkmal gewertet werden, son- 
dern muß als Geschlechtsmerkmal und zwar als Merkmal einer Kuh Be- 
achtung finden. V. LEITHNER sieht den stärksten Geschlechtsunterschied an 
den Hornzapfen. Diese sind beim Stier nicht nur viel gedrungener und dichter 
und ihre Außenwände viel dicker, sie sind auch von tiefen Rillen durch- 
furcht und ihre Stiele sind mit bis zu 10—15 mm hohen Knochenperlen 
(Rosen) so dicht besetzt, daß die Hornzapfen ungestielt wirken. Bei der Kuh 
sind die Hornzapfen bedeutend lockerer aufgebaut, die Wände dünner und 
von Ernährungslöchern durchsetzt; die Rillen sind nur unbedeutend und die 
Hornstiele nur unvollständig mit Knochenschuppen besetzt. Die Nähte sind 
beim Stier bis zur vollkommenen Unsichtbarkeit geschlossen, bei der Kuh 
zwar geschlossen, jedoch deutlich zu sehen. 

Der Hornzapfen geht unter leichter Drehung nach vorn auswärts und 
aufwärts. 


262 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Über die Bedeutung der Richtung der Hornzapfen als Geschlechts- 
merkmal möchte ich wegen der Wichtigkeit V. LEITHNER (1927, pg. 80) 
zitieren: „Was die Form betrifft, zeigt der Hornzapfen des Stieres eine kon- 
stante Eigenschaft, die ich als charakteristisches Merkmal bezeichnen möchte, — 
die Spitzen der Hornzapfen sind stets nach einwärts gerichtet, d. h. die 
Distanz der Spitzen ist immer kleiner als die Entfernung zwischen den 
Tangenten der Außenkurvatur der Hörner.“ Die Oberfläche des Hornzapfens 
ist teilweise glatt, ja sogar fast glänzend, sonst rauh und mit Ernährungs- 
löchern versehen. An Knochenfurchen finden sich 5 nicht zu tiefe und nicht 
in ganzer Länge des Zapfens verlaufende am Übergang der stirnseitigen 
zur unteren Fläche und 4 ebensolche an der nackenseitigen Fläche. Nur 
wenige, niedrige und nicht zusammenhängende Knochenschuppen ziehen sich 
vom Hornzapfen nach dem Stirnbein, wo sie immer dünner werden. Im 
ganzen macht der Zapfen für einen Ur einen schlanken Eindruck, die Rinde 
ist nicht stark. 


Länge der Außenwölbung . . . . 44 cm (Pj 
Umfang der Stielverdickung (Basis) 25,2 cm 
Horizontaler Durchmesser . . . . 6,4 cm 
Vertikaler Durchmesser. . . . .. 83cm 


Nach LAURER (1913) beträgt der mittlere Hornumfang bei den weib- 
lichen Urschädeln 29 cm, die mittlere Hornlänge an der Außenkurvatur 
56 cm. Wir sehen, daß in jedem Fall VI 84 hinter diesen Durchschnitts- 
maßen zurückbleibt. 

VI 84 stellt somit einwandfrei den linken Hornzapfen einer alten Ur- 
kuh dar. 


D. Reste der Haustiere. 
1. Haushund. (Üanis familiaris L.) 

Vom Haushund kamen nur die Reste eines Tieres zur Untersuchung, 
die aus einem rechten Os femoris (Abb. 3, Tafel XX) und einem Schädel ohne 
Unterkiefer (Abb. 19, 20, 21, Taf. XX VI) bestehen. Beide sind vorzüglich erhalten. 
Dem Schädel fehlen beiderseits die Ineisivi, der Eckzahn und der erste Prae- 
molar. Die in der Tabelle XIII (pg. 263) angegebenen wenigen Maße zeigen uns, 
daß der Länge nach der Oberschenkel zu Canis familiaris intermedius gehören 
kaun. In seinen Breitenmaßen stimmt er mit dem „Hund aus Paulinenaue“ 
überein, den HILZHEIMER (1912) als COanis familiaris intermedius 
WOLDRICH bestimmte. 

Am Schädel VI 93 sind die Zähne stark angekaut. Nach Ussow 
(f. ELLENBERGER-BAUM 1921) verknöchern beim Hund Frontale und Fron- 
tale, Lacrimale und Zygomaticum, Frontale und Parietale mit 7”—10 und 


H. ENDERLEIN, Die Fauna der wendischen Burg „Poztupimi“. 263 


Tabelle XII. 


Torfh. |Typ. KENNE f. i. |» f.m.opt. Hund aus 
Femora von BUÜNIMe7tmost. Murten- | Paulinen- 
Hunden Zu: Durchschn. ANUTS. NE SUR. see aue 

STUDER. | STUD. | STUD. | sTUD. | HILZH. 


Länge medial . . .| 177 | 14,6 — 17,38 119,3—20,2 18,6 
Belaseral . . .| 176 — — — =: ans: 
Prox. E. Längsdurchm. | 2,0 — — — ı L 
» »„» Querdurchm. 4,0 | — — EN un 4,0 
 Dist. E. Längsdurchm. | 3,7 ı — _ m & | a 
» „ Querdurchm. | 3,15 2,6 —_ = = 3,2 
Von der Mitte des Ge- | | 
lenkkopfes bis zum | | 
Trochanter major . | 236 3,1 | — . | er a 
Durchm. der Diaphyse | 1,3 1,1 — | ol s—i: 58 


das Maxillare mit Frontale und Zygomaticum mit 10—15 Jahren. Die ge- 
nannten Knochen sind miteinander sämtlich fest verbunden; die Reste der 
Nähte sind schwach sichtbar. Doch möchte ich den Hund nicht älter als 
zehnjährig schätzen, da mir die Zähne für ein hohes Alter zu wenig ab- 
genutzt erscheinen. 

In der Seitenansicht ist der Hirnschädel in den vorderen zwei Dritteln 
eben (an der Kreuznaht eher konkav) und im aboralen Drittel konvex. Diese 
Einsattelung zieht sich jederseits der Schläfenenge, die nicht stark einge- 
schnürt ist und 1'/; cm hinter dem Processus zygomaticus des Stirnbeins 
liegt. Die Gehirnkapsel ist nicht sehr geräumig und seitlich abgeflacht. Eine 
Crista sagittalis ist nur im aboralen Drittel angedeutet. Der Hinterhaupts- 
höcker ist nicht stark ausgebildet. Das Hinterhauptsdreieck ist breiter 
(6,6 cm) als hoch (3,2 cm). Das Foramen magnum ist queroval, 2,1 cm 
hoch und 1,6 cm breit. Die Bullae osseae gehen nach hinten auseinander 
und sind stumpfkantig. Die Jochbögen sind seitlich zusammengedrückt, wo- 
durch der ganze Schädel schlank erscheint. Die Augenfortsätze des Stirn- 
beins sind kurz und nach unten gerichtet. Jedes Stirnbein ist im Längs- 
und Querdurchmesser schwach vorgewölbt, in der Medianen aber eingesenkt. 
An der Nasenwurzel erfährt das Schädeldach eine starke Einsenkung, die 
in Höhe von P 2 bis zum Ende der Nasalia einem konvexen Verlauf Platz 
macht. Die Nasenöffnung ist geräumig, längsoval. Längsdurchmesser 2,8, 
Querdurchmesser 1,8 cm. Am Reißzahn verschmälert sich der Oberkiefer 
seitlich nach vorn (die schmalste Stelle liegt in der Mitte von P 2), um sich 
bis zum Eckzahn wieder zu verbreitern. Der harte Gaumen ist am breitesten 
am Hinterrand von P4. 


264 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Mit der Basilarlänge von 15,9 cm gehört VI 93 zu den mittelgroßen 
Hunden. Ich darf von vornherein bei der Prüfung der Rassenfrage die so- 
genannten Torfhunde mit einer Basilarlänge von 13,3 bis 13,7 cm einerseits 
und den Canis familiaris leineri mit einer solchen von über 20 cm anderer- 
seits ausschließen. Es kommen nur noch in Betracht: Oanis familiaris ino- 
stranzewi ANUTSCHIN, Oanis f. matris-optimae JEITTELES, Canis familia- 
ris intermedius WOLDRICH und Canis f. putiatini STUDER. 

Wenn bei Hundeschädeln die Maßtafeln auch vorsichtig gelesen werden 
müssen, so sehen wir hier aber doch gewisse Zusammenhänge, die uns die 
Diagnose erleichtern sollen (Tab. XIV). Der an dritter Stelle stehende Canis 
familiaris inostranzewi ANUTSCHIN, zu dem u. a. die Eskimohunde, Neu- 
fundländer, Bernhardiner und Doggen gehören, unterscheidet sich von dem 


Tabelle XIV. 


er Imyp. d.. IC f- [ In 3 Canis 
5 Potsd. f inostr. |WOL-|”“ " |putia- 
chädelmaße R 2 2 
: & vI gg eh Anus, | DE | a m 
i STUD tensee nenaue STUD 
SIEOD. SBTUDIS STUD. HILZH. 
Gr. Länge des Schädels . | 19,1 — — nn 18,9 a 
Basilarlänge . . „, 116,9 13,3bisl, lad 164 | 17,6 16,9 16,9 
13,7 
Basicranialachse . . . . 4,5 ,3,8-4,0 — 4,5 5,2 4,9 4,9 
Basifacialachse. . . . .1 125 .35-9,8 _ 1459 12, ‚4 12,0 12,0 
Nasalalänge . .’. .. 7,3 19,2-5.7 6,6 7,2? 7,3 — 1,2 
Nasalia gr. Breite . . . 1,5 11,3-1,4 2,0 19 1,8 — 57. 
Gaumenlänge . . SEP: 9,7 |74-7,7 9,8 9,2 u 91 
Gaumenbreite vor MI. _ 5,5 18,7-4.2 6,9 4,7 u || — — 
Gr. Breite des Schädels in | 
der Schläfenregion . 5,75| 5,2 5,75 5,8 5,7 6,0 5,7 
Bieite üb. d. Gehöröffnung 6,0 14,6-4,9 6,4 5,6 5,8 5,8 5,9 
Jochbogenweite . . . 10,0 2182-93 2132 — — 10,5 10,3 
Schläfenenge . 3,6 3,3-3,4 — IT 3,9 4,1 3,8 
Breite zwischen d. Orbital- 
foıtsätzen . . 4,9 3,7-4,0 5,85 5,1 5,4 5,1 5,5 
Geringste Breite zwischen 
den Obe augenrändern . 3,5 12,8-3,3 3,9 3,6 3,8 3,9 4,1 
Hirnhöhlenlänge . . . . | 10,0 3-85) -- 10,1 Ä 10,9 9,8 | 10,1 
Gesichtslänge 2.0... 9,8 7,0-7,6 — 8,7 9,9 9,0 9,6 
Höhe des Schädels . . . 5,5 4,7-5,0 5,7 5,5 5,8 — 5,0 
Länge der Backenzahnreihe 6,9 5,2-5,5 6,7 6,5 6,9 6,3 6.5 
Länge des Reißzahns . . 1,8 114-1,5 1,95 1,8527 2:149 1) | 1,8 
Breite „, A 1,0 .0,8-0,9 — 1,0 | 0,9 1,0 — 
Länge des 1. Aolaren ; Ä 1,2 — — _— — 13 — 
Breite „ 1. 0,9 ı — u _ | = 1,6 
Br.:ub.rd, Foram. inf. "orbit. 4,1 n — — = 3,9 _ 
2,1 1,4-1,7 2,0 at 2,0 1,9 — 


Länge der beiden Molaren 


I) ohne Crist. sag. 


H. ENDERLEIN, Die Fauna der wendischen Burg „Poztupimi“. 265 


Potsdamer durch die größere Basilarlänge und Breite in vielen Angaben. 
Ihm sind eine stark entwickelte Scheitelleiste, ein weites, gerundetes Nasen- 
loch und eine starke Einschnürung der Schläfenenge (durch starke Ausbil- 
dung der Sinus frontales bedingt) eigen (STUDER 1901), die ich bei VI 93 
nicht feststellte. Es kann also ©. fam. inostranzewi ausscheiden. 

Auch (©. fam. putiatini weicht erheblich von VI 93 ab, trotzdem die 
Basilarlänge gleich der des Potsdamers ist. Doch ist darauf nicht der Haupt- 
wert zu legen, wie es HILZHEIMER (1912) ausdrücklich betont. ©. putia- 
ini, der nach STUDER (1905) der älteren Steinzeit angehören sollte, — 
seine Zugehörigkeit zum Campignien ist heute erwiesen — „hat ein auffallend 
hohes Hinterhaupt, die Schläfenenge ist schmaler als die geringste Breite 
zwischen den Augenhöhlen. Die Schläfenleisten, hinter denen das Schädeldach 
wulstig aufgetrieben ist, vereinigen sich schon vor der Coronarnaht zu einer 
hohen Crista parietalis s. sagittalis, die in einen starken, nach hinten vor- 
springenden Oceipitalhöcker ausgeht“. Beim Vergleich der Seitenansichten 
des Potsdamer Hundes und des Ü. putiatini in der Abbildung von STUDER 
sind noch wichtige Unterschiede feststellbar. Bei putzatini fällt der Gesichts- 
schädel steiler ab. Die höchste Stelle des Schädels liegt bei putiatinz am 
Schnittpunkt der Medianen mit der Verbindungslinie der Augenfortsätze des 
Stirnbeins, bei VI 93 2,5 em dahinter. Bei putiatın? verläuft von dieser 
höchsten Stelle das Schädeldach fast gradlinig bis zum Hinterhauptshöcker 
schräg abwärts, bei VI 93 ist das Schädeldach bis zur Höhe der Tuba au- 
ditiva eben (sogar schwach konkav, s. o.), um erst im letzten Drittel ab- 
zufallen. Endlich zeigt uns noch die Reduktionstabelle XV, wie weit in fast 
allen Maßen sich ©. putiatini von VI 93 entfernt. 


Reduktionstabelle XV. 


| Hund aus 


Pots- C. fam. |C. f. mat.| C. f. puli- Paller- 
dam | interm. | optimae atıni ae 
\ { | | 
1. Geringste Breite über den 
SERIES oe re 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 
2. Hirnschädellänge. . . . .„ | 23,85 2,80 2,60 2,46 2,51 
= Basieranialachse . . ..©. . 1,28 1,25 1,38 1,19 1,26 
4. Breite des Hinterhaupts . . 1,88 — — 1,56 1,69 
5. Gr. Breite üb. d. Gehöröffnung | 1,77 1,55 1,52 1,45 1,49 
6. Hirnschädelbreite . . . . 1,64 1,61 1,50 1,39 1,54 
deSchläfenenge . ... .... 1,02 1,02 1,21 0,92 1,05 
8. Breite üb. d. Postorb.-Forts. | 1,40 1,41. 2771,84 30 let 


266 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Reduktionstabelle XVl. 


: Hund aus 

Pots- C. fam. 'C. f. mat. Cf. DUbR- Patlinen 
| dam | ınterm. | optımae atını En 

1. Geringste Breite über den | 

Postorbitalfortsätzen . . . 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 
2. Hirmsehädellänge 2 ....0.22.02,,2:03. 51:38 2,02 1,85 1,92 
3. Basicranialachse . . . . .» | 0,91 0,88 | 091. os | 0,96 
4, Breite des Hinterhaupts . . 1,35 En — 1,116 1,29 
5. Gr. Breite üb. d. Gehöröffnung 1,23 1,09 1,08 1,07 | 1,14 
6. Hirnschädelbreite . . . . 17 1,15 1,05 1,03 | Er 
7. Schlafenenge %..0 2 2... 727.01.20,73 0,72 0,72 0,693 | 0,84 


Es bleiben uns zum letzten Vergleich nur noch Ü. fam. intermedius 
WOLDRICH und 0, fam. matris-optimae JEITTELES. Nach dem Vorbilde 
von HILZHEIMER (1912) habe ich zur besseren Unterscheidung die Maße 
auf einige wenige beschränkt, die so leicht innerhalb einer Rasse keine 
wesentliche Veränderung durchmachen, und Reduktionstabellen angefertigt. 
Aus diesen Tabellen (XV und XVI) tritt die Zugehörigkeit von VI 93 klar zu 
Tage. In der Tabelle XV erreicht Ü. fam. intermedius den Potsdamer in allen 
Maßen, was für Tabelle XVI nicht so deutlich in Erscheinung tritt. Hier ist 
eine Verwandtschaft mit ©. fam. matris-optimae vielleicht anzunehmen. In 
Tabelle XVI kommt auch deutlich eine Verwandtschaft des „Hundes aus 
Paulinenaue* zum Ausdruck, den ja HILZHEIMER — wie schon gesagt — 
als C. fam. intermedius bestimmte. Wenn ich aber die Abbildungen seiner 
Arbeit mit VI 93 wiederum vergleiche, so ist der Wendenhund schlanker 
und weniger gedrungen. 

Zum Schluß darf ich noch die Merkmale des Ü. fam. intermedius aus 
STUDER (1901) anführen: „Der Schädel dieser Gruppe zeigt in seiner 
Hirnpartie die Charaktere des U. fam. palustris, die Hirnpartie ist gewölbt, 
die Weite der Parietalregion übertrifft meist die Distanz zwischen dem Rand 
der Gehöröffnungen. Das Hinterhauptsdreieck ist nicht hoch. Die Tympanal- 
blasen sind mit stumpfer Kante versehen, in der Schläfenenge ist der Schädel 
nicht stark eingeschnürt. Eine Sagittalerista ist meist entwickelt, aber niedrig, 
und der Hinterhauptshöcker wenig nach hinten ausgezogen. Die Stirn ist 
stark verbreitert, die Stirnbeine sind median leicht eingesenkt, dagegen oft 
im ganzen stark erhaben; die Jochbogen sind mäßig ausgeweitet, das Gebiß 
nicht stark, die Hirnlänge übertrifft stets die Gesichtslänge“. 

Aus eben Gesagtem geht hervor, daß VI 93 zu Canis famiharis inter- 


H. ENDERLEIN, Die Fauna der wendischen Burg „Poztupimi“, 267 


medius, zur Gruppe der Jagdhunde, gehört. Die Möglichkeit einer Kreuzung 
mit ©. fam. matris-optimae, dem Vorfahren unserer Schäferhunde, ist immer- 
hin vorhanden (vgl. Tab. XVI). 


2. Hausschwein. (Sus scrofa domesticus GRAY). 


Sehr zahlreich sind die Reste des Hausschweines (Abb. 22, 23, 24, 25, 
26, Tafel XXVII—XXVII). Sie stehen mit 91 Stück hinter denen des 
Rindes an erster Stelle und weisen auf die volkswirtschaftliche Bedeutung 
der Schweinezucht in wendischer Zeit. 

Die Feststellung des Alters, also der Zeit der Schlachtung, ist von 
kulturhistorischem Interesse, gibt sie uns doch einen Überblick über eine 
etwa schon vorhandene wahllose oder sachverständige Züchtung des Schweines, 
ist also auch geeignet, zur Frage des geistigen Hoch- oder Tiefstandes un- 
seres Wenden vor tausend Jahren etwas beizutragen. Zur Prüfung dieser 
Frage habe ich bei 31 Kieferresten die Feststellung des Alters versucht. 
Ich sage ausdrücklich versucht, da kein Gebiß vollständig erhalten ist, und 
wir wohl noch nicht genau wissen, wie weit der praehistorische Züchter ver- 
sucht hat, die Spätreife der Schweine herabzusetzen, oder ob er überhaupt 
dieses Bestreben kannte. Von 31 Resten sind: 


3 unter 12 Monaten, 
1 ca. 16 Monate, 

6 ca. 20 Monate, 

21 über 20 Monate alt. 


Aus diesen Zahlen ist ersichtlich, daß man die Schweine vor 9—12 
Monaten sicher nicht schlachtete, damit also schon den Anfang einer ver- 
ständigen Züchtung bewies. Auffallend ist allerdings, daß der Wende die 
meisten Schweine erst recht alt werden ließ, ehe sie auf den Tisch kamen. 

Seit RÜTIMEYER sind zwei Rassen des Hausschweines bekannt, Sus 
scrofa palustris, das kleine Torfschwein, und Sus scrofa domesticus, das 
große Hausschwein. In den ältesten Pfahlbauten überwiegt das Torfschwein 
(RÜTIMEYER 1861) oder ist ausschließlich vorhanden. In späterer Zeit, so 
auch am Schloßberg (DUERST 1904), werden beide angetroffen, das Haus- 
schwein überwiegt an Zahl das kleinere. Und in den Potsdamer Küchen- 
abfällen fehlt es gänzlich. Der Potsdamer Wende züchtete — und zwar in 
großer Zahl — nur das große wildschweinähnliche Hausschwein. 

Die Bestimmung von Sus scrofa domesticus fällt nicht schwer, doch 
können Größe der Kiefer, Form des Schädels, genaues Studium der Mandibular- 
symphyse, paralleler Verlauf der Backenzahnreihen und so weiter hier nicht 
zum Ziele führen, da die Knochen zu sehr zerschlagen sind. Für die Pots- 


268 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


damer Stücke scheinen mir die Verhältnisse an den Zähnen und namentlich 
an den Molaren von größter Bedeutung zu sein. 

Was die Zähne anbelangt, so zitiere ich SCHÜTZ (1868) in seiner 
mustergültigen kleinen Dissertation: 

„Alle Zähne des Torfschweines machen den Eindruck einer großen Ein- 
fachheit, sie sind nicht so zusammengesetzt wie die Zähne von Sus (scrofa) 
ferus oder (Sus) scrofa (domesticus). Die Haupthügel aller Backenzähne treten 
klar und deutlich hervor und sind, wie RÜTIMEYER schon so überaus 
treffend bemerkt hat, durch Zwischenhügel und Zwischenwarzen wenig durch- 
brochen. Dieser einfachen Einrichtung entsprechend ist die Menge der Säul- 
chen an den Seiten der Zähne eine auffallend geringe. Niemals kann man aber 
an den Molaren von Sus palustris irgendeinen zusammengesetzten, vielleicht 
lappigen Bau erkennen, wie dies unser gewöhnliches Hausschwein, selbst ab- 
weichend vom Wildschwein, nachweisen läßt.“ Weiter hält SCHÜTZ die 
außerordentliche Dicke (bis 2 mm) des Schmelzes für ein wichtiges Merkmal 
des Torfschweines. — Die Potsdamer Molaren zeigen alle einen äußerst ver- 
wickelten Bau. Die Haupthügel und zahlreiche Zwischenhügel geben beson- 
ders dem M3 ein zerklüftetes Aussehen. An den Seiten des dritten Molaren 
fallen eine ganze Reihe von kleinen Säulchen auf; ich zählte deren bis zu 10. 

Nur bei VI 76 ist das Lacrimale ganz erhalten. Das Verhältnis der 
der Orbita zugekehrten Begrenzung (1,9 cm) zu der unteren, an das Zygo- 
maticum stoßenden Seite (2,5 cm) ist gleich 0,76. Obere Seite = 4,3 cm. 
Das Tränenbein ist also länger als hoch, worin es sich vom Indischen 
Schwein unterscheidet, dessen Tränenbein höher als lang ist. Die Orbita von 
VI 76, einer linksseitigen Gesichtshälfte, ist klein. Höhe 3,4, Länge 3,6 cm. 
In den Tabellen XVII und XVIII (pg. 269) sind nur die Stücke angeführt, 
bei denen M 3 bereits in Reibung getreten ist. 

An Gliedmaßenknochen wurden untersucht: eine rechte Scapula (die Maße 
sind in Tabelle XIX, pg. 269, angegeben), ein linker Radius eines jungen 
Schweines (nicht gemessen), 2 Humeri, HS 12 (ein linker jugendlicher) und 
HS 11 (ein rechter). Beide sind ganz erhalten. HS 11 ist etwas kräftiger 
und befindet sich in Tab. XX, pg. 269. 

Wir sahen also, daß das vom Wildschwein abstammende große Haus- 
schwein zur Wendenzeit neben Rind an erster Stelle gezüchtet wurde, daß 
diese Zucht schon nach gewissen Regeln betrieben wurde und daß das so- 
genannte Torfschwein in Potsdam zu dieser Zeit bereits verschwunden war. 


3. Pferd. (Equus caballus L.). 
Vom Pferd wurden untersucht 7 Knochen, und zwar: 2 Backenzähne, 
1 Metacarpus, 2 Becken- und 2 Oberschenkelteile, 


H, ENDERLEIN, Die Fauna der wendischen Burg „Poztupimi“. 269 


Tabelle XVII. 


Sus scrofa f. ant. 


Sus scrofa pal. 


; Potsdam RÜTIMEYER RÜTIMEYER 
asıkıeter VI 76 Pfahlbauten Pfahlbauten 
| | aus PIRA aus PIRA 
1. Lacrimale, oberer Rand | 43 — —_ 
7 unterer „ 2,5 — — 
Orbital- „ 1,9 En = 
2. Höhe der Orbita | 3,4 — — 
SP ränse „ a =. a 
4. Höhe des Arc, zyg. | 3,0 — —_ 
5. Molarenreihe . 6.4 7,7—8,7 5,8— 17,35 
6. Länge von M? ; 3,1 3,6 5,0 2,6— 4,0 
7, Breite von M? vorn 1,8 | 2,2—2,6 1,7—2,2 


Tabelle XVIII. 


Sus scrofa | Sus serofa 


Mandibulamaße | 
erus ant.| palustris 
vom Potsdamer HS4 HS2 HS3| HS5 HS13 HS8 RÜTIM. | RÜTIM. 
Hausschwein | | | aus PIRA aus PIRA 
— | 
1. Höhe d. vert. Astes bis | 
zum Gelenk . - 10,0.108| — | — | — | — [12,3—13,3:| 9,5—11,2 
2. Breite des vertik. Astes | | 
h. M, 8,6 761-1 — | — | — — = 
3. Höhe d. hor. Astes in dd. | | | 
Mitte von M, auß. gem. | 35/1 40 361 — | — | — | 4,6—86,0 3 3—4,8 
4. Länge d. Symph. . —|-|1-|-—-| — |72. 90—145| 5,5—8,3 
5. Länge d. Prämol. ohneP, 38513841361 — | — | — | 4,0—4,6 3,2—4,0 
6. Länge der Molaren . 6.065 611 — ı — | — | 7,6—8,8 5,7— 7,9 
BBaänse v!?M;, . . . .« 2,9| 3,1| 29| 34| — | — | 3,8 - 5,3 2,4—4,2 
8. Breite v. M, vorn . . 14| 15) 14|16| — | — | 16-21 1,1-1,7 
9, Durchm. d. Caninalveole | — | 14, 2,0| — | 16 | 1,2| 1,6—3,6 | 0,9— 2,4 
Tabelle XIX. 
| | Subfossiles Wild- Subfossiles Torf- 
schwein aus der schwein aus der 
serulaneln Botsdums Ih weiz (OTTO) | Schweiz (OTTO) 
aus PIRA | aus PIRA 
1. Größte Länge . 19,0 25,7 16,8—18,1 
2. Längsdurchm. d. Pfanne 3,1 3,6 2,5—3,0 
3. Querdurchm. „ „ 1:28 3,2 2,2—2,7 
Tabelle XX. 
| Subfossiles Wild- | Subfossiles Torf- 
Potsdam | schwein vom Starn- |schwein vom Starn- 
nuerusmaße HS ı1 berger See (NAU- | berger See (NAU- 
MANN) aus PIRA | MANN) aus PIRA 
EeGrößte Länge. . . . 19,9 21,0—27,2 19,0—19,2 
2. Größte Breite oben, . 5,2 6,5— 9,0 6,1—6,3 
Sr „unten , 3,9 4,2—5,5 | 3,7—3,9 


270 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


VI 97 und VI 98 sind zwei linke Oberkieferbackenzähne von ziemlich 
gleicher Größe. Die Fältelung ist nicht besonders stark ausgeprägt, erinnert 
also an warmblütige Pferde, wogegen jedoch die relative Größe spricht. Da 
ich nur so wenig Stücke untersuchen konnte und mir zu Vergleichen der 
dazugehörige Schädel fehlt, gehe ich auf nähere Einzelheiten nicht ein und 
messe den Zähnen für die Rassebestimmung keinen Wert bei. 

Von den Beckenknochen eignet sich zur Besprechung nur VI 159, eine 
rechte Darmbeinschaufel mit unvollständigem Acetabulum und einem Teil 
der Rami acetabulares des Sitz- und Schambeins. Die Form des Foramen 


obturatum ist nicht erkennbar. Die Länge des Acetabulum beträgt 5,7 cm.. 


In der Tabelle XXI stehen zum Vergleich die Maße eines rezenten Warm- 


Tabelle XXI. 


Ber B Poted Germanenpferd aus | A III 2665 rezent 

= en Be SH Neukölln Märkisches Museum 

IS RENZE WS (Märk. Museum) großes Warmblut 
1. Länge d. Acetab. . . 5,7 5,8 (?) 7,0 
2. Breite „ a | — 4,8— 5,0 6,0 


blutes und soweit es möglich war, einige Maße des von HILZHEIMER 
(1912) bearbeiteten Germanenpferdes aus der späten Völkerwanderungs- 
zeit, das in der praehistorischen Abteilung des Märkischen Museums aus- 
gestellt ist. Die Spina ischiadica ist gegen die rezenter Pferde stumpf. 
Aus zahlreichen Exostosen (Knochenperlen) lateral von der Crista ischiadica 
schließe ich auf ein hohes Alter. An der medialen Fläche der Darmbein- 
schaufel scheint der Knochen eine einfache Bearbeitung erfahren zu haben. 
Die Längen vom Acetabulum zum Tuber coxae und zum Tuber sacrale sind 
nicht meßbar. 

Von Oberschenkelknochen sind E 1 eine distale rechte und E 2 eine 
proximale rechte Hälfte. Es lassen sich noch Spuren der Nähte nachweisen, 
Da sonst auch E 1 und E 2 einander entsprechen, halte ich es tür wahr- 
scheinlich, daß sie einem Tier angehören. Nur E 1 gestattet, einige Maße 
abzunehmen. Der größte Durchmesser des distalen Endes von E1 ist 9,5, 
die größte Breite der Patellargelenkfläche 3,8 em. Die entsprechenden Maße 
des in Tabelle XXI angeführten rezenten Pferdes sind 10,4 und 4,4 cm. 
Sonst läßt sich an E 1 und E 2 nichts feststellen; Feinheiten, Linien, Gruben 
sind nicht zu beurteilen, da die Knochen durch die Lagerung im Erdreich stark 
verletzt worden sind. Wenn ich nun, um das Verhältnis des Os femoris zum 
Os pelvis darzutun, das Caput femoris von E 2 in das Acetabulum des Beckens 


H. ENDERLEIN, Die Fauna der wendischen Burg „Poztupimi“. Di 


VI 159 bringe, fällt ein Größenunterschied auf. Es ist die Gelenkpfanne 
von VI 159 zur Aufnahme des Kopfes von E 2 zu klein. Aber auch in der 
Form ergeben sich Unterschiede. Das Acrtabulum ist flach, während der 
Kopf von E 2 kugelig ist, also der Gelenkfläche nicht anliegt. 

Es scheint mir daher sehr naheliegend, an das Vorhandensein zweier 
Rassen zu denken. Wegen der geringen Zahl der Stücke und wegen der 
Möglichkeit geschlechtlicher oder sonstiger Unterschiede möchte ich diese 
Frage offen lassen und ihre Beantwortung von weiteren Ausgrabungen und 
sowohl reicherem als auch besserem Material abhängig machen. 

E 6 ist ein linker Metacarpus, der im distalen Drittel zerbrochen ist.. 
Lateral sind die Bruchstellen so aneinanderlegbar, daß die ganze Länge 
meßbar ist. Die helle Farbe der Bruchstellen läßt auf Beschädigung des 
Knochens während der Bergung schließen. Plantar von dem distalen Ende 
bis zur Mitte zeigt E 6 deutlich Brandspuren. Durch Liegen am Feuer 
(hätte er im Feuer gelegen, so würde die Brandspur ringsum verlaufen) er- 
fuhr E 6 eine Verminderung seiner Härte, wodurch beim Spatenstich die: 
Fraktur ermöglicht wurde. E 6 gehört einem erwachsenen Tier an und ist 
recht schlank. Wie aus der Tabelle XXII zu ersehen ist, scheint das zu 


Tabelle XXII. 


Russ. Pony wie in | wie in | Ostpreußen 


Metacarpalmaße von E6 nach Tabelle | Tabells en 
Equus caballus KIESE- XI SET SE- 
WALTER| X WALTER 
1. Gr. Länge nl a 21,4 21,0 20,8 238 26 
3 5 medial . . 21,4 20,7 23,8 
2. Querdurchmesser prox. 4,8 4,5 60 
3. Längsdurchmesser „ 3,2 Ä 3,9 3,6 
4. Querdurchm. d. Diaph. 32 3,5 3,4 
5. Längsdurchm. „ „ 2,5 2,7 2,5 
6. Querdurchmesser distal 5,0 5,0 51 
7. Längsdurchmesser „ 34 | 3,9 | 4,0 
8. Längen-Breiten-Index 1) 14,95 | | 16,83 ; 14,28 


E 6 gehörende Pferd etwas größer zu sein als das Pferd aus dem germa-- 
nischen Reitergrab des Märkischen Museums, steht aber hinter Warmblut 
A III 2665 des Märkischen Museums weit zurück. Den einzigen Anhalts-- 
punkt zur Rassen- und Größenbestimmung bietet in unserem Falle der Meta- 


) nach NEHRING: kleinster Durchmesser mal 100 
Größte Länge 


272 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


carpus, dessen Länge von 21,4 cm der eines russischen Ponys (sogenannten 
Panjepferdchen) mit 21,0 cm ziemlich nahe kommt. Der Nehring’sche 
Längen-Breiten-Index (f. DUERST, 1926) beträgt bei E 6 14,95, der des 
Germanenpferdes 16,83 cm. v. LÜTZOW (1908), der in seiner Dissertation 
zwischen Lauf- und Schrittpferden unterscheidet und diese wieder in dünn-, 
mittel- und diekfüßige Pferde einteilt, gibt folgende Schwankungen für den 
Längen-Breiten-Index an: 


Dünnfüßige Gruppe (untersucht wurden 6 Laufpferde, 
O:'Schrittpferde)n Wer... u.ı0r 2» IE, 148, 


mittelfüßige Gruppe (6 Laufpferde, 4 Sehsitintera 15,5—17,0, 
dickfüßige Gruppe (2 Laufpferde, 9 Schrittpfferde) . 18,1—19,1. 


Es ist hieraus zu ersehen, daß unser Potsdamer Pferd zu den dünn- 
oder schmalfüßigen Pferden zu rechnen ist. Bemerkenswert ist, daß das Pferd 
aus dem Germanengrabe, das, nach der Länge des Metacarpus zu urteilen 
kleiner sein muß als E 6, mit einem Index von 16,83 zu der mittelfüßigen 
Pferdegruppe gehört, was LÜTZOW auch für den kleinen schottischen Pony 
angibt. 


4. Hausschaf. (Ovis aries L.) 


Von Schaf und Ziege wurden von mir 48 Reste untersucht, davon ent- 
fallen auf den Kopf 4, auf Rumpf mit Gliedmaßen 44. Als zu Schaf zugehörig 
habe ich 7 Knochen festgestellt. Nach CORNEVIN und LESBRE (1891) ist 
eine sichere Unterscheidung von Schaf und Ziege nur möglich, wenn ganze 
Schädel, Metacarpen und Metatarsen vorliegen, eine Auffassung, die BÜTZLER 
(1896) in seiner Dissertation erweitert. Wenn genannte Autoren schon für 
ganze Knochen die Unterscheidung für schwierig erachten, so muß dies um 
so mehr für die Schaf- und Ziegenreste aus Ausgrabungen zutreffen, da 
diese Funde, wie es auch in Potsdam der Fall ist, arg zerschlagen sind, 
namentlich, wenn es sich um Speisereste handelt. 

Es ist durchaus möglich, u. a. selbst distale Tibienteile von Schaf und 
Ziege auseinander zu halten, wenn man mit guten Vergleichsstücken lange 
genug arbeitet. Solche Stücke standen mir im Märkischen Museum zur Ver- 
fügung. Natürlich gilt dies nicht für alle Knochen. Auch haben bekanntlich 
Gliedmaßenknochen zur Rassenbestimmung weit weniger Wert als die Schädel 
und Hornzapfen. 

An Gliedmaßenknochen liegen vor: eine rechte proximale Radiushälfte 
S 6 mit unvollständiger Ulna, ein ganzer linker Radius ohne Ulna. Beide 
gehören erwachsenen Tieren an. Bei S5 ist distai die Trennung gerade 


H. ENDERLEIN, Die Fauna der wendischen Burg „Poztupimi“. 273 


noch sichtbar. S 6 ist sehr stark, erinnert mehr an einen Damhirsch und 
ist auch bedeutend länger als S 5. 


Beatles Gelenkbreite. von S6° „Mn. nn nen nt. er 38h 38cm 
„” ”„ ” So REN Er Be RE a RE 2,8 cm 
Längsdurchmesser der prox. und med. Gelenkhälfte von S6. . . . 17cm 
” ” ” e2) „» SıHuS one 1,3 cm 


Umfang der Danhyad am Spatium zwischen Radius und Ulna von S6 5,9 cm 
Pr e F e B: = 2 " „ 85 4,6 cm 
BEBecevenastnumediale 2 000.02... ee era ne. 14,9. cm 
= FE Biateralı u ee. are ran, 14,4 cm 
Von den drei Tibien ist S 2 bis auf einige Abschürfungen am proxi- 
malen Ende in ganzer Länge erhalten. Größte Länge 20,0 cm. Bei den 
Tibiae S2, S3 und S 4 liegen ähnliche Größenunterschiede vor wie bei 
den Radii. 

Distales Ende: Längsdurchmesser von S4 . . . . 19cm 

R BELDIAE. 2t ne 92, lıcm 

„ EBD en es 2lalıcm 

Querdurchmesser „ S4 . ... 24 cm 

® EBD 27cm 

„> SU BIal) of ara mZLSKCIn 

Es finden sich also sowohl bei den Radii wie den Tibiae zwei Größen 
vor, deren Verschiedenheit beachtenswert ist. Ich nehme daher schon hier 
bei der Besprechung der Gliedmaßen das Vorhandensein zweier durch Ge- 
stalt und Körperform sich unterscheidender Schafrassen an, welche Behaup- 
tung ich bei der jetzt folgenden kurzen Untersuchung der Schädelreste be- 
weisen werde, 

S 7 ist das distale Drittel oder Viertel des rechten Hornzapfens eines 
kleinen Schafes. Die mediale Fläche ist konkav. Es ist noch zu ersehen, 
daß der Hornzapfen in seinem Verlauf eine kleine Drehung erfahren hat. 
Er ist löchrig. Jene von einigen Beobachtern beschriebene Schafrasse mit 
ziegenartigen Hörnern kommt wohl nicht in Betracht, dafür erscheinen mir 
die Gliedmaßenknochen zu lang. Der Zapfenrest ähnelt dem, den DUERST 
(1904) am Schloßberg als Torfschaf beschrieben hat. Es ist dabei natürlich 
zu bedenken, daß die Schloßbergansiedlung geschichtlich weiter zurückliegt, 
Vermutlich liegt hier das Produkt einer Kreuzung zwischen Torfschaf oder 
seinen Nachkommen mit dem sogenannten Kupferschaf vor. Es ist aber auch 
nicht ausgeschlossen, daß wir ein Weibchen des an zweiter Stelle zu be- 
sprechenden Schafes vor uns haben. 

S 1 gehört einem starken Tier mit mächtig entwickelten Kopfknochen und 


Hornzapfen (Abb. 28, Tafel XXIX). Das Gehörn ist mit einem scharfen Gegenstand 
18 


274 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


von dem Gehirnschädel abgeschlagen. Der linke Hornzapfen ist genau an der 
Basis, der rechte in 3—6 cm Entfernung von ihr abgebrochen. Beide 
Zapfen sind in der Pfeilnaht gegeneinander etwas beweglich. Der Abstand 
an der Basis beträgt ca. 4,1 cm, Umfang an der Basis 15,8 cm. Der Horn- 
zapfen besitzt eine mediale, fast ebene Fläche und eine halbkreisförmige 
laterale, die mit der medialen aboral fast spitz, oral stumpf, bogentörmig 
zusammentrifit. Aus der Tab. XXIII sind 1. die Größenunterschiede von 


Tabelle XXIII. 


Si Lüscherz KISuzuns 
Hornzapfenmaße von Island | Neolith. |’? "OR Schloß- |Rezent 
; j Pots- mit Haus- 
Ovis aries studeri rezent| Museum | schaf berg | Wales 
dam Bern | DUERST 
| | | 
1. Zwischenhornlinie . . 4.1°(2)1|,.%8,9 3,9 4,4 4,2 5,0 
2. Umfang an der Basis . | 15,8 |140 | 165 16,8 7,5 8,0 
3. Seitl. Durchm. d. Basis 4,2 3,8 4,4 4,3 1,5 1,8 
4. Durchm. von vorn nach 
hinten: eK. well. eo 4,6 | 5,6 5,2 2,60,.21.22,8 


Ovis aries palustris und Ovis aries studeri deutlich herauszulesen, 2. zeigt 
sie, daß unser Potsdamer S 1 zur Gruppe der sogenannten Kupferschafe ge- 
hört, also ein Vertreter von Ovis aries studeri ist. 


5. Hausziege. (Capra hircus L.) 


Von den übrigen 41 Resten von Schaf und Ziege wurden als zur Ziege 
gehörig 7 Knochen erkannt, so daß bei 34 von den 48 Funden die Fest- 
stellung nicht möglich ist. Es liegen vor die Trochlea eines linken Humerus, 
3 distale Tibiaenden, von denen Z 4 einen Pfriem darstellt, und eine distale 
Metatarsushälfte. Es liegen hier keine Größendifferenzen vor, so daß ich eine 
weitere Schilderung übergehen darf. 

Ein genaues Bild von den Potsdamer Ziegenrassen zur Wendenzeit er- 
halten wir erst bei den Untersuchungen von Z 1 und VI 162. 

Z1(Abb. 29, Tafel XXIX) ist ein linker mächtiger Hornzapfen, dem das End- 
drittel fehlt. Die noch meßbare Länge beträgt an der scharfen Kante 16,0 cm, 
Umfang an der Basis 16,7, Durchmesser an der Basis von vorn nach hinten 
7,0, seitlicher Durchmesser an der Basis 3,7 cm. Zahlreiche Knochenrauhig- 
keiten, Rillen und die Dicke und Länge lassen auf männliches Geschlecht 
und hohes Alter schließen. Aus den am Zapfen noch gebliebenen Teilen vom 
Frontale ist deutlich zu sehen, daß er zur Stirn quer gestanden hat. Die 
laterale und mediale Fläche stoßen aboral in einer Rundung, oral in einer 


H. ENDERLEIN, Die Fauna der wendischen Burg „Poztupimi“, 275 


scharfen Kante zusammen. Die scharfe Kante wendet sich in der zweiten 
Hälfte hinterhauptwärts. Sie läuft am Os frontale in einen „Kiel“ aus, der 
am Stirnbein übersteht. Die mediale und noch stärker die laterale Horn- 
zapfenfläche sind vom Stirnbein scharf abgesetzt. Die Zugehörigkeit zu Capra 
prisca domestica ADAMETZ s. Capra hircus strepsiceros AUGST, der 
schraubenhörnigen Ziege, geht aus dem eben Gesagten ohne weiteres hervor. 
Auch ergibt sich eine gewisse Ähnlichkeit mit der männlichen Ziege. von 
Zlota (ADAMRTZ 1928). 

Bei VI 162, einem gut erhaltenen Hirnschädel, sind die Hornzapfen 
vollständig erhalten (Abb. 27, Tafel XXIX). 


FE resmarmdersvorderen Kante sn. ae elnnnns „0. 12,5'em 
limsang an der Basis. : :. . . i U EN 2 N lem 
Durchmesser an der Basis von vorn ah, Hinten. BEE SO ee er Ken 
FBrbellenen)lunchmesser, u. 2.0 el en eek lan, 20cm 
Sehne eines Hornzapfens . . e rise blEäsem 
Abstand beider Hornzapfen an de Be von des kerderen Kante ge- 

messen . . N a ee ee N es HON CIE 
Abstand der od apferlspitzen Be a A A Ra rd 2 N 29 cTE 


Die Zapfen sind sehr schlank, haben eine mediale ebene und eine late- 
rale gewölbte Fläche. Sie sind löchrig und vom Stirnbein kaum abgesetzt. 
In halber Höhe des Zapfens ist an der inneren Fläche eine Eindellung zu 
sehen, die bis zur Spitze verläuft, wodurch die Schlankheit unterstützt wird. 
Die vordere Kante des rechten Hornzapfens ist nach dem inneren Rand der 
linken Orbita, die des linken nach dem inneren Rand der rechten Orbita 
gerichtet und erfährt keine schraubenförmige Drehung. Sie verlaufen nicht 
parallel wie bei der Torfziege, auch sind sie stärker. 

Ich glaube nicht fehlzugehen, VI 182 für ein Weibchen zu halten, 
sehe daher von der Rassenbestimmung ab, da „in Anbetracht des bei Ü. prisca 
vorhandenen scharfen geschlechtlichen Dimorphismus die Hornform und der 
Hornverlauf der weiblichen ©. prisca mit dem der Ü. aegagrus durchaus 
übereinstimmt. Es ist daher im allgemeinen unmöglich — wenigstens so- 
lange wir nicht ganze Schädel der Ü. prisca zur Verfügung haben — 
an einem weihlichen Schädel die Zugehörigkeit zu prisca im Gegensatz zu 
Capra aegagrus zu bestimmen.“ (ADAMETZ 1928.) 


6. Hausrind. (Dos taurus L.) 
Schädel. Mit 147 Resten steht das Rind an erster Stelle. Ich begiune 
mit der Untersuchung des einzigen gut erhaltenen Schädels Kat.-Nr, VI 161. 
Er ist wie alle Funde von 1911 und 1921 aus der Kulturschicht von lelım- 


gelber bis brauner Farbe. 
18* 


276 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Es fehlen die Nasalia, die Incisiva, eine fingerbreite Zone des an die 
Nasalia stoßenden Maxillare auf beiden Seiten. Vom rechten Lacrimale sind 
an das Nasenbein stoßende Teile und die der Orbita zugekehrte Hälfte aus- 
gebrochen, während der in der Orbita gelegene Teil des Lacrimale erhalten 
ist. Dadurch ist die an der Berührungstelle von Frontale, Nasale und Lacri- 
male gebildete Lücke (Dreieck) rechts gar nicht vorhanden und links nur an- 
gedeutet. Die Hornzapfen sind beiderseits abgebrochen. Der rechte ist, wie 
Abb. 30 auf Tafel XXX zeigt, soweit erhalten, daß wenigstens der Umfang an 
der Basis meßbar ist. Außer dem linken Hornzapfen ist die ganze Ecke, gebildet 
von der kaudalen und linken Seitenwand des Hirnschädels, abgeschlagen. Es 
fehlen demnach Teile des nach der Hinterhauptsfläche ziehenden Frontale, 
die Crista temporalis, der Meatus acusticus externus, die Pars petrosa des 
Oceipitale und beide Processus jugulares, außerdem beide Condyli occipitales. 
An der ventralen Fläche des Schädels fehlen ferner Teile des Os pterygoi- 
deum, der Vomer und die Pars palatina des Maxillare 4 cm aboral von P!., 
Von Zähnen sind ausgefallen rechts P!, P?, P® und links P?. 

Für die Altersbestimmung des Schädels sind 1. die Zähne, 2. das Ver- 
halten der Schädelnähte und 3. bei Cavicorniern auch die Beschaffenheit der 
Hornscheiden oder Hornzapfen zu berücksichtigen. Bei VI 161 sind die Mo- 
laren vorhanden und in Reibung getreten. Die Abnutzung ist noch nicht 
weit fortgeschritten. Die Lambdanaht (Sutura occipitoparietalis) ist ver- 
knöchert (?/, bis 5 Jahre, DUERST 1926). Eine knöcherne Verbindung der 
Lambdanaht mit dem Temporale besteht noch nicht (3—9 Jahre). Die 
Suturae palatinomaxillares, die vom 8. Jahre ab verknöchern, sind deutlich 
als solche wahrzunehmen. In der Mitte zwischen aboraler Hälfte des Lacri- 
male und P? sind Rauhigkeiten sichtbar, die einem jugendlichen Tier fehlen 
und bei sehr alten Tieren stärker hervortreten. Die Hornzapfen zeigen die 
für ein erwachsenes Tier vollständige Größe, wenn man diese aus dem Um- 
fang und dem Durchmesser schätzt. Sie sind glatt, zeigen keine der für 
alte Tiere kennzeichnenden Längsfurchen, haben das Aussehen „wurmstichigen 


Holzes“ (RÜTIMEYER 1861). Mithin dürfte der Schädel ein Alter von 3 '/,- 


bis 5 Jahren aufweisen, also ausgewachsen sein. 

Nach der Bestimmung des Alters ist die der Geschlechtszugehörigkeit 
vorzunehmen. Seit dem frühesten Anfang der osteologischen Forschung wurde 
darauf ein großer Wert gelegt. Schon früh erkannte man, daß aus Maß- 
vergleichen logische Schlüsse nur gezogen werden konnten, wenn gleichaltrige, 
und möglichst gleichgeschlechtige Tiere nebeneinander gestellt wurden. Die 
Unterlassung oder gar falsche Bestimmung des Geschlechts kann natürlich 
zur Ziehung falscher Schlüsse verleiten. Es ist nicht Zweck dieser Arbeit, 


H. ENDERLEIN, Die Fauna der wendischen Burg „Poztupimi“. 271 


eine Zusammenfassung sämtlicher Angaben über Geschlechtsbestimmung zu 
geben. Ich möchte nur wegen der außerordentlichen Wichtigkeit die Merk- 
male genau anführen, die den Potsdamer Schädel, um es vorwegzunehmen, 
als weiblichen kennzeichnen. 


Abb. 1. Stirn- und Hinterhauptslinie von VI 161, Potsdam, in Seitenansicht (Bleiband). 


278 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


FIEDLER (1907) gab in seiner Dissertation die Bleibandmethode be- 
kannt, mittels der allein er das Geschlecht feststellte. Genau nach seinen An- 
gaben habe ich die Stirnhinterhauptslinie (Frontooceipitalprofil) vom Foramen 
supraorbitale bis zum Foramen magnum gezeichnet. Wie aus der Abbildung 1 
zu ersehen ist, fällt das Lot 1 vom Höhepunkt des Stirnwulstes auf die 
Gerade MA 9,5 mm von M entfernt, was nach FIEDLER beim männlichen 
Schädel der Fall ist. Doch soll dies mein Urteil nicht erschüttern, gibt doch 
FIEDLER selbst Ausnahmen von der Regel an. HILZHEIMER legt Wert 
auf die Form der Zwischenhornlinie, die bei Kuhschädeln gewellt oder ge- 
wölbt sei, was bei VI 161 der Fall ist, wie die Abbildung zeigt. Ihm wird 
widersprochen von V. LEITHNER (1927), der die gewellte Zwischenhornlinie auch 
beim Stier findet, und von KLIEM (1923), der sie alstypisch für den männlichen 
Kastraten bezeichnet. Dagegen gibt DUERST (1926) in seiner Übersicht über 
die Geschlechtsunterscheidung bei Rind und Büffel für den Stier die gerade, 
für die Kuh die meist gewölbte Zwischenhornlinie an, stimmt also mit HILZ- 
HEIMER überein. Die Form der Augenhöhle ist mehr viereckig als rund 
zu nennen, was mich in der Annahme, VI 161 sei weiblich, nur bestärkt, 
hält doch auch ULMANSKY (f. HILZHEIMER 1923) die rechteckige Orbita 
für ein Merkmal des Kuhschädels. Nach RÜTIMEYER (1861) sind die starke 
Seitwärtsrichtung der Hornstiele und das Hervortreten der Augenhöhlen 
männliche Merkmale. Er wird von GANS (1915) unterstützt. „Die Augen- 
höhlen [gemeint sind Kuhschädel] treten kaum aus den seitlichen Umrissen 
des Schädels hervor“, was für den Potsdamer ebenfalls zutrifft. v. LEITHNER 
sieht in der verschieden starken Ausbildung der Supraorbitalrinnen geschlech- 


liche Unterschiede. LAURER (1913) legt der Ausbildung der Stirn, ihrer 


Länge, der Stirngrube große Bedeutung bei, hält aber vor allem die Horn- 
zapfen für außerordentlich wichtig zur Geschlechtsbestimmung. Was die Aus- 
bildung der Stirn und der Stirngrube anbetrifft, so decken sich seine An- 
gaben mit denen von DUERST vollkommen. Über die Hornzapfen schreibt 
LAURER (p. 9): „Das kurze, dicke Horn des Bullen verjüngt sich eher als 
das lange Horn des Ochsen und der Kuh. Die Bullenhörner haben deshalb 
eine kegelförmige (konische) Gestalt, während die Hörner der Ochsen und 
der Kühe lange eine walzenförmige (zylindrische) Gestalt beibehalten. Der 
Unterschied ist so groß, daß man an fossilen Schädeln, auch wenn deren 
Hornzapfen bereits defekt sind, sehr viel Gewicht darauf legen muß.“ 
LAURER macht in seiner Arbeit mehrere Zahlenangaben zur Feststellung 
des Geschlechts an subfossilen Hausrinderschädeln. Aus seinen Angaben habe 
ich einige Zahlen gezogen und sie in Tabelle XXIV mit dem Potsdamer 
Schädel VI 161 und dem Lossower Nr. i (weiblich) zusammengestellt. Schon 


H. ENDERLEIN, Die Fauna der wendischen Burg „Poztupimi“. 279 


Tabelle XXIV. 


|  Lossower weiblich ch 
Hornzapfen bei | Veto | Rind Nr. 1 eg an a 
Bos taurus longifrons | Potsdam | weiblich 


' HILZHEIM. | LAURER I) | LAURER 


l 


| | 
1. Hornzapfenumfang . 13,5 | 13,0 9—14 18— 22 


| 
2. Stirnbreite. | are 18,4 16—18 19—22 
3. Form der Hörner . . | Krümmung | Krümmung | Krümmung |wenig gebog., 
ı angedeutet | angedeutet | angedeutet | kegelförmig 
4. Zwischenhornlinie vorn | 17,5 1755 een ae 
d. n hinten | — ılayal 


diese wenigen Zahlen lassen das Geschlecht des Potsdamers erkennen. Leider 
gibt LAURER nicht an, welche Zwischenhornlinie er meint. Ich glaube aber, 
daß er seinen Angaben die hintere zugrunde gelegt hat. HITTCHER (1888) 
sah in der Entfernung einer kaudalen Verbindungslinie der beiden M 3 vom 
Choanenrande ein Ochsenmerkmal, wenn diese Entfernung beträchtlich ist. 
Bei VI 161 wird durch eine solche Linie der Choanenrand noch berührt. 
Wenn ich zusammenfasse, kennzeichnen VI 161 als weiblich: die gewellte 
Zwischenhornlinie, die Richtung und Größe der Hornzapfen, die Form der 
Augenhöhle, die Stirngrube, die flachen Supraorbitalrinnen und auch die 
Länge und Breite der Stirn. 

Ich werde im folgenden, nachdem Erhaltungszustand, Alter, Geschlecht 
festliegen, mich der eigentlichen Besprechung von VI 161 widmen, um im 
Anschluß daran die Rassenzugehörigkeit zu prüfen. 

Bei der Betrachtung von vorn erscheint die Stirn unregelmäßig, un- 
symmetrisch, länger als breit und dadurch schmal. Diese Schlankheit ergibt 
sich mit (s. w. u.) aus der Stellung der Orbita und der Schweifung der 
Schläfenkante. Der Abstand von der Medianen bis zur Mitte der Hornzapfen- 
basis beträgt rechts 8,2, links 8,6 cm, von der Medianen bis zur Orbita 
an der Umbiegung des Lacrimale zur Gesichtsseite rechts 7 und links 6,6 cm. 
Ein Stirnwulst ist nur schwach angedeutet. Die Stirnkante (hintere Zwischen- 
hornlinie) steigt von den Hornzapfen leicht an, um sich median einzusenken, 
wodurch die schon erwähnte Wellung entsteht. Zwischen den Supraorbital- 
rinnen ist die Stirn grubenartig eingesenkt, an der tiefsten Stelle 1,3 cm, 
Die Supraorbitalrinnen haben jederseits mehrere Öffnungen, Durchmesser der 
größten rechts 1,0 em, links 0,7 cm. Sie beginnen unvermittelt in einer Ent- 
fernung von rechts 11,1 und links 11,9 cm vom Akrocranium, verlaufen in 


2) LAURER gibt die Art der Zwischenhornlinien nicht an. 


280 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


r. 4 und ]l. 3,5 cm Länge deutlich schräg nach vorn und gehen dann dem 
ÖOrbitalrande parallel nur schwach sichtbar bis zum Lacrimale. Größte Tiefe 
der Supraorbitalrinnen r. 0,4, 1. 0,25 cm. Der Schläfenausschnitt des Fron- 
tale ist schwach geschweift. Dadurch verliert zwar VI 161 nichts von der 
Schlankheit, wirkt aber etwas massiger als das kleine Torfrind. Der Schläfen- 
ausschnitt erscheint nach der Hornzapfenbasis zu stärker ausgezogen, so daß 
die Hornzapfen nicht unmittelbar dem Stirnbein aufsitzen, sondern wie auf 
einer kegelartigen Fortsetzung des Frontale nach den Hörnern zu, also wie 
auf einem Stiel ruhen. Die Hornzapfen sind löchrig. Sie zeigen keine ein- 
zige Längsfurche, soweit aus den Resten ersichtlich ist, und haben das Aus- 
sehen „wurmstichigen Holzes“. Ihre Richtung kann aus dem Verlauf des 
rechten Zapfens noch erraten werden. Wahrscheinlich gingen sie nach hinten 
oben. Der Querschnitt der Hornzapfen ist elliptisch. Die Maße stehen in der 
Tabelle. Die Augenhöhlen sind groß und mehr seitwärts als nach vorn ge- 
richtet. Ihre stirnseitige Bedachung bildet hier die höchste Stelle der Stirn. 
Ein über beide Orbitae gelegter Stab erreicht sonst nirgends die Stirn 
(HILZHEIMER 1923). Von oben betrachtet ist ein Teil der oroventralen Augen- 
höhleninnenwand sichtbar. Die rechte Orbita ist in der unteren Hälfte kreis- 
rund, in der oberen mehr viereckig, die linke ist nur viereckig. Die Ränder 
sind glatt und ohne Knochenvorsprünge und -perlen. Sie ist nicht gestielt. 
Das Tränenbein ist nur 0,6 cm ausgehöhlt. Die nach hinten offene Schläfen- 
grube ist lang und seicht. Trotz der Überdachung durch das Os frontale 
ist von oben gesehen der Jochbogen etwas sichtbar. Die Schläfenkante steigt 
von der Hornzapfenbasis nach vorn an, geht dann horizontal, um schräg 


nach vorn zu dem Winkel, der vom Processus frontalis und Processus tem- 


poralis des Os zygomaticum gebildet wird, zu verlaufen. Dieser Winkel be- 
trägt annähernd 60°. Der Jochbogen geht bis zu seinem Knie horizontal. 
Der weitere Verlauf entzieht sich wegen Fehlens der Ohrhöcker der Be- 
urteilung. Das Tuber maxillare ist raub, flach. Es ist vom Zahnrand 2,2 cm 
entfernt und liegt in der Höhe der kaudalen (aboralen) Hälfte von P® und 
kranialem (oralem) Drittel von M!. Die Stirnfläche ragt nach dem Hinter- 
haupt hinüber, so daß ein Oceipitalwulst vorhanden ist. Maße konnten vom 
Ocecipitale wegen seiner Unvollständigkeit nicht genommen werden. Der 
Oceipitalwinkel ist nahezu ein rechter (Abb. 1). Ventrai fällt sofort die 
Breite des Gaumens auf, bedingt durch die gebogene Backenzahnreihe. Eine 
an die hintere Kante von M? gelegte Tangente berührt den Gaumenbein- 
ausschnitt. Da VI 161 erwachsen ist, fällt die Vermutung, es könne sich um 
ein Jugendmerkmal handeln, da die Entfernung dieser Tangente vom Gaumen- 
beinausschnitt mit dem Alter größer wird. 


H. ENDERLEIN, Die Fauna der wendischen Burg „Poztupimi‘. 281 


Aus all dem eben Gesagten darf es nicht schwer fallen, die Rassen- 
zugehörigkeit von VI 161 festzustellen. Es handelt sich hier zweifellos um 
ein Langstirnrind, Dos taurus longifrons OWEN s. Bos taurus brachyceros 
RÜTIMEYER 

Abgesehen von Größenverhältnissen würde Dos primigenius auch aus 
anderen Gründen hier ausschalten. Gegen Langstirnrind und für zur Fron- 
_ tosusgruppe gehörig sprechen die Hornstiele, doch soll dadurch unser Urteil 
nicht gefährdet werden, ist doch der Lossower Kuhschädel Nr. 1, der von 
HILZHEIMER (1923) bearbeitet, und dessen Maße ich zum Vergleich mit in die 
Tafel XXV (pg. 282/3) aufgenommen habe, ebenfalls Langstirnrind trotz seiner 
Hornstiele. Die Hornstiele allein sollen kein deutliches Frontosuszeichen sein, 
da es früher Langstirnrinder mit gestielten Hornzapfen gegeben hat und 
da es solche sogar noch gibt, wie der von DUERST (1904) abgebildete 
Schädel aus dem Pfahlbau von Walthamstow in England und der rezente 
aus Island zeigen, und da man auch weiß, daß bei jugendlichen Individuen 
die Hornzapfen gestielt sein können. Man kann sogar manchmal sehen, wie 
geradezu die Hornzapfen nach dem Schädel herunterwachsen. RÜTIMEYER 
(1861) lehrte, daß Dos primigenius runde und Dos taurus brachyceros 
eckige Augenhöhlen hätten. ADAMETZ (f. V. LEITHNER 1927) und UL- 
MANSKY (f. derselbe) stellten dies in Zweifel und wurden von V. LEITHNER 
darin unterstützt. Dieser machte die Beobachtung, daß die eckigen und 
größeren Augenhöllen bei den jüngeren, die runden und damit kleineren bei 
den älteren auftreten, und begründet seine Ansicht mit dem Knochenwachs- 
tum. RÜTIMEYER (1861) weist als erster auf die Unebenheit der Stirn von 
Bos taurus brachyceros im Gegensatz zum Ur hin. Bis heutigen Tages gilt, 
daß die Augenbögen des subfossilen Hausrindes über, die des Ur unter der 
Stirnebene liegen. Die Hinterhauptsfläche verläuft bei Dos primigenius 
schräg nach vorn, bildet beim Torfrind einen Winkel bis zu 90°, wie die 
Bleibandbilder der Arbeiten von Y. LEITHNER und FIEDLER deutlich 
zeigen. Wenn ich zum Schluß noch einmal alles zusammenfassen darf, was 
das Urteil Langstirnrind sichert, so brauche ich nur die von HILZHEIMER 
(1928) erwähnten Merkmale anzuführen: „Der Schädel erscheint schlank und 
schmal, die Stirn ist relativ lang [Langstirnrind], so daß sie sich über 50%, 
der Schädellänge erhebt. Die ungestielten Hornzapfen [bei VI 161 gestielt, 
Anm. d. Verf.] sind an ihrer Ansatzstelle vor die hintere Stirngrenze ge- 
rückt; sie bleiben stets kurz und sind stark nach aufwärts gekrümmt. Die 
Schläfengrube erscheint seicht, die Augenhöhlen groß und über die Stirnfläche 
emportretend, der Unterkiefer schwach mit senkrecht aufsteigendem Gelenk- 
ast |s. w. u.], die Stirn zwischen den vortretenden Augenhöhlen eingesenkt.“ 


282 


Tabelle XXV. 


Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Schädelmaße von Rinderschädein 


. Ob. Schädellg v. vord. Punkt d. Zwischen- 


kiefer b. z. Unterrand d. For. magnum 


. Schädellänge v. d. Mitte der Crist. occip. 


b. z. Mitte d. Tangente d. Vorderrandes 
d. Ossa ineisiva . kr tie RSG RES 


. Basilarlänge 
. Stirnlänge v. Hinterrand d. Stirnwulstes 


bis z. hinteren Ende d. Nasenbeine . 


. Stirnlänge v. hinter. Rand d. Hornzapfen- 


basıs b. z. hint. Rand der Orbita 


. Stirnlänge v. vord. Rand d. Hornzapfen- 


basıs bis z. hinteren Rand der ÖOrbita. 


. Stirnlänge von der Mitte der Crist. occip. 


b. z. Mitte d. Verbindungslinie d. beiden 
hint. Orbitaränder . 


. Stirnlänge v. d. Mitte d. Stirnwulstes bis 


zur Mitte d. Verbindungslinie der beiden 
vord. Orbitaränder . 


. Hirnschädel v. d. Mitte. d; se Bandes 


d. Foram. magn. bis z. Mitte d. Verbin- 
dungslinie d. beid. hint. Orbitaränder . 


. Größte Nasenbeinlänge median 

. Hintere Zwischenhornlinie . 

. Vordere 

. Kleinste Breite d. Selen ubed: Schietenkanten 
. Größte Breite d. Stirn üb. d. hint. Rän- 


dern d. Orbitae 


. Breite üb. d. Augenhöhlen a am Unterrande 


d. Lacrimale 


. Größte Breite üb. . Nasenbeinen 
. Breite üb. d. Vorderende d. Lacrimale. 


BF » Wangenhöckern . 


. Größte Länge d. Schläfengrube . . 
. Höhe der Schläfengrube, dort wo der J och- 


bogen nach unten umbiegt. Senkr. 


® Höhe der Schläfengrube senkr. üb. dem 


Parietalhöcker 


. Augenhöhlen, größte Länge 


5 Höhe 


i Tränenbein, größte Länge 


5 Höhe 


Länge der Backenzahnreihe 


1 „ Molaren. außen gemessen 
Be ‚„ Prämolaren ,,, 
Gaumenbreite über Hinterrand von m: 


} I äußeren Alveo- ! Vorderrand von M! 


larrand vom. . x von P! 


. Kleinste Entfernung zwischen den M! . 
. Größte Breite üb. d. Unterrand d. Jochbg. 
. Breite über den äußeren Gehörgängen. . 
. Höhe d. Hinterhauptes vom Oberrand d. 


Foram magn. . 


VT.16l 
Potsdam 


Lossow 
Nr. 1 


HILZH. 


Torfrind weibl. 
HUBNER 
A III 1961 
Märk. Museum 


H. ENDERLEIN, Die Fauna der wendischen Burg „Poztupimi“. 283 


Fortsetzung von Tabelle XXV. 


| vr ie | Lossow | Torfri! nd weibl, 


Schädelmaße von Rinderschädeln | Nr. 1 BEBNTE 
| u HILZH. Mn 

36. Höhe des Hinterhauptes vom Unterrand | | 
— d. Foramen magn. . | _ 14,9 _- 
37. Breite üb. d. Hinterend. d. Schläfengrube | — 11.9 — 
38.  „’Ohrhöckern . | —_ 19.65, | 
39 Umfang des Hornzapfens an der Basis . 213.5 13.0222) 11,5 oO 
40. Länge d. Hornzapf. längs d. hint. Krümmjg. —_ 13,2 
41. Sehne d. Hornzapfens vorn gemessen. . | - | = | 8,2 
42. Entfernung der beiden Hornzapfenspitzen | -- — | 25.0 
43. Vertikaler Durchmesser des Hornzapfens. 4,0 EI 3,3 
44. Horizontaler a i 46 | 3,9 | 3,3 
45. Verhältnis d. Verekalderchm z. Hörzont, | | 

Durchm. d. Hornzapfenbasis !) s 221502121020:79921 1a 


46. Verhältn. d. Stirnlg. z. größten en » |1:0912  1:0,848 | 1:0,959 
47. Verhältnis d. größten Stirnbreite zur ge- | | 


ringsten Stirnbreite').. . er. 28%20,82971.17:.0,826 1721505068 
48. Länge d. Palatin. in der Medianen. . . | 5.9 | — ı 7,0 
49. Länge v. d. Oberrand d. Foram. magn. b. | | 

zum Hinterrande des harten Gaumens. . 18,2 — = 18,1 
50. Länge vom Unterrande des Foram magn. | 

bis zum hinter. Rande des hart. Gaumens —. 21..15,.0, 14,4 
51. Abstand d. Foramina supraobit. voneinand. 110 | —_— | — 


„Hornzapfen vom Aussehen wie wurmstichiges Holz und stark gekrümmter 
Rand des Unterkieferkörpers.* (RÜTIMEYER 1867). 

Schädelteile. Von Schädelresten liegt vor ein Gehirnschädelteil K 1, 
bestehend aus dem rechten Condylus occipitalis, einem Teil der rechten Squama, 
dem rechten Ohrhöcker, einem Teil des Temporale und dem Os petrosum. 
Die geringe Größe und Vergleiche mit Torfrindschädeln aus dem Märkischen 
Museum berechtigen zu der Annahme, daß es sich um das kleine Slavenrind 
handelt. Außerdem wurden gefunden vier Oberkieferreste: K 2 mit dem rechten 
M®? und M®, K4 und VI 78, beides Reste ohne Zähne, und noch 9 Backen- 
zähne aus Unter- und Oberkiefer. 

Hornzapfen. Das reichste Material zur Schädelbeurteilung boten die 
Hornzapfen (Abb. 31, TafelXXXT). Von den 14 Zapfen erfordert der gute Erhal- 
tungszustand von 10 eine genaue Untersuchung. Zum besseren Verständnis teile 
ich nach Größen- und Formunterschieden die Zapfen in drei Gruppen ein, 
was ich auch in der Abbildung 31 berücksichtigt habe. Es gehören zur 

Gruppe I: VI 71, VI 90, VI 96, VI 94, VI 89. (Abb. 31 a—e). 

Gruppe 11: H 2, H 3. (Abb. 311, g). 

Gruppe III: H 4, VI 72, VI88. (Abb. 31 h—k). 

1, Für Nr. 45 gibt RÜTIMEYER die Verhältniszahl 1:1,99, 


AG: 3, = = u 1:0,961 und 
3 5 n 1:0,763 an. 


284 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Gruppe I: Für die Hornzapfen von Gruppe I und III gilt, daß ihnen 
noch einige Stücke des Frontale, Parietale und gelegentlich des Oceipitale 
anhaften. Die Hornzapfen sind porös und in ganzer Ausdehnung mit Er- 
nährungslöchern versehen, „wurmstichig“. Sie sind mehr oder weniger seit- 
lich gerichtet. Gänzlich abweichend ist die Stellung von VI 71. Die Rich- 
tung des Hornzapfens ist fast wie bei einem Schaf- oder Ziegengehörn. Der 
Zapfen geht zuerst seitwärts nach oben und dann nach unten und hinten. 
Es ist wahrscheinlich eine Hornmißbildung, wie solche gewiß in jedem grös- 
seren Bestande gefunden wird. In der Tabelle XXVI habe ich hinter die 


Tabelle XXVL 


1a Vert. Horiz. |Sehne des 
Maße der Hornzapfen Länge d. Wen RR ee 
von Bos taurus gr. Kurv.| Basis Ba PAS: zapfens 
Gr. I VI 71 weibl. rechts’ .;| 15 ®) 11 2,9 3,8 - 
2 VE 90 männl. links | 10,3 11,3 3,8 3,6 6,2 
„ VI 96 weibl. links .| 10,5 (?) 33 2,8 3,2 — 
VI 94 männl. link . — 9,7 2,8 3,4 — 
s vI 89 2 R : — 10,4 — E— = 
Gr. U. H 2 männl. rechts . — 15,5 ®) 4,4 51(9) _— 
n H3 r S 2 = 13,5 4,1 4,5 -— 
Gr. III. VI 72 Kastr. rechts. | 24,5 16,9 | 5,0 (?) 6,1 11,5 
” VI 88 2 links .| 24,5 16,8 — 11,5 
5 H4 R links . . 15,6 3,5 5,0 _ 
Schloßberg-Hornzapfen Nr.495 | 17.0() | 15,3 4,3 5,2 _ |nichtgem. 
” 5 Nr.488 8,9 1a) 2,9 3,8 
abgefl. „ = Nr.489| 17,0 ‘18,0 2,8 4,2 BR 
„n  Walthamstow Brit. Mus. | 15,5 14,8 3,5 9,0 Os 
Bieler See Lattrigen männl... | 23,0 18,0 4,8 6,0 rar 
Parma, STROBEL, PIGORINI 
u. KUHNEMANN. . . .[19,5—28,5114,5—18,5, 4,5—5,6 53—76| „ n 


Katalog-Nr. die Geschlechtsangabe gesetzt. Diese Beurteilung, die vielleicht. 
etwas gewagt erscheinen mag, drängte sich bei der Betrachtung der Formen 
unwillkürlich auf. Rillen, Furchen und Knochenperlen hat kein einziger, 
handelt es sich doch um Jugendliche. Das Jugendstadium ist bei VI 94 am 
besten erkennbar, da die Naht zwischen Parietale und Frontale weit offen 
ist und die genannten Knochen gegeneinander beweglich sind. Für die Ge- 
schlechtsbeurteilung der jugendlichen Hornzapfen kann nur die Form und 
auch ihre Länge in Frage kommen. Denn schon in der Jugend wird die 
Form angedeutet, die der erwachsene Zapfen zeigt. Und so sehe ich, daß 
VI 89, VI 90 und VI 94 relativ kurz sind und schon jetzt die Gedrungen- 
heit erkennen lassen, die für den Stier kennzeichnend ist. Ich möchte auch 
auf LAURER (1913) verweisen, den ich oben erwähnt habe. 

Gruppe II: H2 und H3 sind knapp an der Basis abgeschlagen und. 


H. ENDERLEIN, Die Fauna der wendischen Burg „Poztupimi“. 285 


nur in halber Länge erhalten. Doch genügen diese Bruchstücke zur einwand- 
freien Bestimmung. Es sind zwei rechte Hornzapfen von Stieren der Lang- 
stirngruppe. Wenige Ernährungslöcher, tiefe Furchen und eine besondere 
Dieke sind beachtenswert. Diese Dicke ist bei H 2 so stark, daß die Burg- 
wallbewohner den Zapfen abschlagen mußten, was aus der glatten Fläche 
hervorgeht, während sie sich sonst mit dem Herausbrechen der Zapfen aus 
dem Schädel begnügten. 

GruppellI: (Abb.32, TafelXXXI). Vondenzu dieser letzten Gruppe ge- 
hörenden Hornzapfen sind VI72 und V188 fast vollkommen erhalten und sich auch 
so ähnlich, daß ich sie nicht getrennt voneinander zu besprechen brauche, 
während von H 4 das distale Drittel fehlt und der Hornzapfen auch sonst 
etwas abweicht. Da diese Hornzapfen so eigenartig sind und ich ähnliche 
weder in den mir zugänglichen Berliner Sammlungen noch in den verschie- 
densten wissenschaftlichen Abhandlungen (RÜTIMEYER 1861, HILZHEIMER 
1923, 1926, 1928, KLIEM 1923, HÜBNER 1923, DUERST 1904, WIL- 
KENS 1876, FIEDLER 1907, LAURER 1913, ZENGEL 1910, HITTCHER 
1888, KÜHNEMANN 1919, 1922, GANsS 1915 u.a. m.) gesehen habe, 
möchte ich meine Beobachtungen eingehend schildern. 

Zuerst fallen die beachtenswerte Länge und die außergewöhnliche 
Krümmung auf. Diese kommt dadurch zustande, daß die Spitze des Horn- 
zapfens, der nach hinten und außen und dann nach oben und vorn geht, 
nasenwärts zeigt. Die Zapfen sitzen mit breiter Basis ungestielt dem Stirn- 
bein auf, von welchem sie sich aboral durch eine 3 mm breite und tiefe 
Ernährungsrinne abheben. Die Basis greift weit auf die Gesichtsfläche des 
Os frontale über. Die Entfernung vom hinteren Rand der Schläfenkante des 
Stirnbeins bis zu einer Tangente der Schläfenkante des Stirnbeins bis zum 
oralen Ende der Hornzapfenbasis beträgt 5,8 cm. Bei dem Torfkuhschädel 
A III 1961 des Märkischen Museums beträgt diese Entfernung 4,8 und bei 
dem Potsdamer Schädel VI 161 5 cm. An den Zapfen unterscheide ich eine 
orale (stirnseitige) und eine aborale (nackenseitige) Fläche, die wenigstens 
in der ersten Hälfte oder den stirnseitigen zwei Dritteln unten in einer 
scharfen Kante zusammenstoßen, oben sich in einer Rundung vereinen. Diese 
so entstandene scharfe Kante ist bei H 4 zu einer messerscharfen Leiste 
ausgezogen, die durch eine Einkerbung unterbrochen ist. Durch diese Kante 
ist der Querschnitt, der an der Basis genau oval ist, fast dreieckig oder 
tropfenförmig. Die hintere Fläche ist in der Querrichtung stärker gewölbt 
als die vordere. Diese ist in der Längsrichtung konkav und in der Quer- 
richtung nur mäßig konvex, im proximalen Viertel fast eben und teilweise 
eingesenkt. Auch auf der Rückseite läßt sich eine gewisse Einsenkung fest- 


286 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


stellen, 1 cm von der Basis von oben und unten nach der Mitte zu ver- 
laufend. Diese flachen Stellen sind bei allen dreien aber nur schwach sichtbar, 
Als sehr wichtig stelle ich fest, daß bei keinem der drei Hornzapfen diese 
Einsenkungen oder Verflachungen an der scharfen Kante und der oberen 
runden Berührungsfläche in Erscheinung treten (vgl. weiter unten). Die Ein- 
senkung in der Querrichtung an der Vorderfläche ist leicht erklärbar. Die auf 
der Stirn aufsitzende vordere Fläche der Basis geht nicht sofort nach hinten 
und außen, sondern kriecht sozusagen noch ein Stück am Stirnbein und an 
der Schläfenkante des Frontale entlang nach hinten, um dann erst nach der 
Seite hinauszuragen. An den Hornzapfen sind deutlich tiefe Furchen sicht- 
bar, die bei VI 72 und VI 88 in gleicher Zahl, Ausbildung und Lage vor- 
kommen, 2 oben, 2 oder 3 nach der Kante und 1 auf der hinteren Fläche, 
während die vordere freibleibt. Zwischen den Furchen befinden sich nament- 
lich an der Basis Ernährungslöcher. Trotzdem zeigen die Zapfen nicht das 
Aussehen wurmstichigen Holzes. Sie sind von harter Beschaffenheit, wofür 
auch die Dicke der Wandung spricht. Merkwürdigerweise ist das mittlere 
Drittel der hinteren Fläche sehr glatt. Ich glaube, daß die Veränderung 
gerade an dieser Stelle durch Abschleifung und Druck während der jahr- 
hundertelangen Lagerung im Boden entstanden ist. Knochenperlen an der 
Basis sind zwar vorhanden, nach dem Os frontale zu gehen sie in Knochen- 
leistehen über, zeigen aber keineswegs eine deutliche Rosenbildung wie bei 
alten Tieren. H 4 dagegen trägt reichlich Exostosen an der Basis und an 
der Stirn. Auch sind die Rillen zahlreich, die Stirn-Scheitelnaht an der 
Schläfenkante des Os frontale fast nicht mehr sichtbar, während sie bei 
VI 72 und VI 88 deutlich zu sehen ist. Es gehören also VI 72 und VI 88 
einem zwar erwachsenen aber noch nicht greisen Tier an, während H 4 
sicher sehr alt ist. Was das Geschlecht anbetrifft, so glaube ich Hornzapfen 
von kastrierten männlichen Tieren, also von Ochsen vor mir zu 
haben. Es kann gegen diese Annahme kein Einwand gemacht werden. Gegen 
die Auffassung als Kuh sprechen 1. die gewaltige Länge, 2. die Dicke und 
die tiefen Furchen und Rillen. Außerdem habe ich weder bei subfossilen 
noch bei rezenten Stieren eine solche Länge und Krümmung gesehen. Schreibt 
doch auch LAURER (1913): „Die Ochsenhörner beschreiben im Gegensatz 
zum Bullenhorn einen sehr bedeutenden Bogen, der schon am Grunde deut- 
lich gekrümmt ist.“ Auch möchte ich hier an das bei Beschreibung des 
Schädels VI 161 Gesagte erinnern. Hornzapfen von ähnlicher Länge sind 
bisher nur in den Schweizer Pfahlbauten im Bieler See und in Ober-Italien 
bei Parma (KÜHNEMANN 1919) gefunden worden. In der Tabelle XXVI 
habe ich diese Maße angeführt. Abbildungen und Beschreibungen waren mir 


H. ENDERLEIN, Die Fauna der wendischen Burg „Poztupimi“. DET: 


leider nicht zugänglich. Im übrigen kann diese Frage, ob Stier oder Ochse, 
mit annähernder Sicherheit erst dann entschieden werden, wenn es bei Aus- 
grabungen gelingt, nicht nur Hornzapfen, sondern auch die dazugehörigen 
Schädel zu finden und einer wissenschaftlichen Bearbeitung zuzuführen. 

Am ehesten ähneln, nach der Beschreibung zu urteilen, die Potsdamer 
Hornzapfen den „abgefiachten“ vom Schloßberg bei Burg im Spreewald, die 
DUERST (1904) in seiner Arbeit genau beschreibt und die ihn zur Auf- 
stellung seiner „Stirnjochtheorie* veranlaßten. Leider gewinnt man aus der 
Hornzapfenabbildung in der Schloßberg-Arbeit nicht den Eindruck der Ab- 
flachung, worauf es doch ankommt. Außerdem sind die Schloßbergzapfen be- 
deutend kleiner, sie erreichen (17,0) nicht die Länge der Potsdamer (24,5), 
wogegen ihr Umfang an der Basis größer ist (18,0 gegen 16,9 cm); ihre 
Krümmung ist gering. Während die Potsdamer an der Innenkrümmung den 
Bogen eines Halbkreises und darüber hinaus messen, erreichen die DUERST- 
schen kaum ein Drittel eines Kreisumfanges, Da mir leider trotz meiner 
Bemühungen die DUERST’schen Stücke, die in Kisten verpackt im Keller 
des Museums für Völkerkunde zu Berlin lagern, nicht zur Verfügung standen, 
bin ich nicht in der Lage, Original mit Abbildung zu vergleichen und unter 
Berücksichtigung der Potsdamer Hornzapfen die DUERST'sche Theorie zu 
stützen. 

Unterkiefer. Von 16 untersuchten Unterkiefern ließen sich nur bei 
6 einige Maße abnehmen. Da ich auch bei den gut erhaltenen Ui und U 3 
die ganze Länge nicht messen, d. h. das Infradentale als oralen Ansatz- 
punkt nicht nehmen kann, sehe ich mich gezwungen, eine Längennotmessung 
vorzunehmen, um einen Vergleich mit anderen Rindern zu ermöglichen. Zw 
diesem Zweck wähle ich als oralen Ansatzpunkt den kaudalen Rand des 
Foramen mentale, der scharf ist, so daß der Tasterzirkel bequem angesetzt 
werden kann. Da bei subfossilen Mandibulae die Incisivenreihe fast immer 
abgebrochen, d. h. die größte Länge nicht meßbar ist, dürfte meine vor- 
geschlagene Messung vielleicht zu empfehlen sein, denn es ist bekannt, daß 
die Lage des Foramen mentale bei Tieren gleicher Rasse ziemlich konstant 
ist und der scharfe spitzwinkelige, aborale Rand einen Zweifel, wo der Taster- 
zirkel anzusetzen sei, nicht zuläßt. 

U1 ist eine linke Mandibulahälfte und gut erhalten. Es fehlen nur die 
Ineisivi mit ihren Fächern, P, und P,. Der zweite Ersatzpraemolar beginnt 
gerade durchzubrechen, erreicht jedoch den Margo alveolaris noch nicht. 
Der Milchpraemolar 3 ist an seinen drei Wurzeln deutlich erkennbar. M, 
und M, sind in Reibung, M, ist zwar durchgebrochen, doch nur oral etwas 
angekaut. Da P, und P, mit 2!/, bis 2°/, Jahren wechseln und M, mit 


288 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


21/, Jahren durchbricht, so schätze ich das Alter von U1 auf 2!/, bis 
3 Jahre. Der Unterkieferkörper ist schlank und am Kehlgangsrand stark 
konvex. Eine Ineisura vasorum ist nur schwach angedeutet (Abb. 33a). Der 
Unterkieferast steigt aboral fast senkrecht nach oben, oral zum Processus 
coronoideus schräg aufwärts. Dieser orale Rand des Unterkieferastes ist zwar 
scharf, aber nicht gratartig ausgezogen wie bei U 2 und Dos primigenius. 
Auch steigt er sofort steil schräg aufwärts. Knochenvorsprünge und Muskel- 
leisten sind kaum vorhanden. Die Fossa masseterica ist flach. Ein vom Ende 
des Processus coronoideus gefälltes Lot trifft ungefähr auf die Mitte der 
Gelenkfläche, wogegen bei Dos primigenius der Processus coronoideus s0 
stark nach hinten ausgezogen ist, daß ein solches Lot stets hinter die Gelenk- 
fläche fällt, und zwar bis zu 20mm (V. LEITHNER). In Abbildung33e, Taf. XXXII 
kommt dies bei Dos primigenius nicht gut zum Ausdruck, da der Processus 
coronoideus verletzt ist. Der Winkel, den Körper und aufsteigender Ast 
bilden, beträgt 123°, beim Ur bis 135°. Bemerken möchte ich nur, daß die 
Messungen an U 1 und an 220 x (s. u.) beschränkten Wert haben, da sie 
noch im Wachstum stehenden Tieren angehören. Allerdings ist ein starkes 
Wachstum bei U 1 nicht mehr anzunehmen (Alter bis 2°/, Jahre). Aus 
obigem und dem in der Tabelle XXVIII gemachten Angaben geht die Rassen- 
zugehörigkeit zu Dos taurus longifrons OWEN hervor. Ich bringe diese Be- 
stimmung sogleich, da die Mandibulae U 1, U 2, 220 x, 220 x, und VI 74 
einander gleichen, während U 3, in Abbildung 33 in der Mitte stehend, wie 
wir noch sehen werden, erheblich abweicht. Daher beschreibe ich nur noch 
kurz einige Abweichungen der anderen und bringe die Untersuchung von 
U 3 am Schluß. Diese Ähnlichkeit oder Gleichheit ergibt sich auch, wenn 
man die Unterkiefer genau übereinanderlegt. Sie zeigen dann alle (außer U 3), 
auch die alten Tieren angehörigen VI 74 und 200 x,, die starke Vorwölbung 
ihres Kehlgangsrandes, so daß ich sagen darf, daß es sich diesbezüglich bei 
U 1 und damit auch bei 220 x um ein Rassenmerkmal des kleinen Torf- 
rindes handelt und nicht um ein Jugendmerkmal. 220 x ist jünger als U 1. 
Die Milchzähne P, und P, haben noch nicht gewechselt, M, beginnt gerade 
durchzubrechen, erreicht jedoch den Margo alveolaris noch nicht. Bei U 2, 
220 x, und VI 74 ist der Zahnwechsel vollkommen beendet. Der Abnutzung 
nach zu urteilen gehören sie 5—6 jährigen Tieren an. 

Ich komme nun zur Untersuchung der rechten Unterkieferhälfte U3 (Abb.33b, 
Tafel XXXII). Ihre gesonderte Besprechung versteht sich von selbst. Alter ca. 
5—7 Jahre. Sie ist plumper als die eben untersuchten. Körper und Ast 
sind massig. Ersterer ist am Kehlgangsrand dick, die Ineisura vasorum vor 
dem Angulus mandibulae ist stärker, doch möchte ich wegen des geringen 


H. ENDERLEIN, Die Fauna der wendischen Burg „Poztupimi“. 289 


Materials nicht den Hauptwert darauf legen, da die Frage immer noch offen 
steht, ob die verschieden starke Ausbildung dieses Einschnitts nicht als 
sekundäres Geschlechtsmerkmal anzusprechen sei, was fürs Reh von SCHUH- 
MACHER (1928) festgestellt worden ist. 

Wenn ich jetzt, wie bei den 5 Longifronsunterkiefern, U 3 in gleicher 
Weise auf die anderen lege und darüber noch Dos primigenius, daß sie 
sich nach Möglichkeit decken, so ergeben sich wichtige, grundlegende Unter- 
schiede. Bei U 3 ist der zwischen Incisivi und Praemolares liegende Teil 
des Körpers höher und breiter, erreicht aber Dos primigenius nicht. Bei den 5 
ist die Konvexität am stärksten und nimmt nach Dos primigenius zu ab. 
Die deutlichsten Unterschiede liegen in der Winkelung des Astes zum Körper, 
worauf, wie schon erwähnt, V. LEITHNER (1927) genau eingeht. Auch hier 
steht U 3 in der Mitte. Die oben angeführte Fällung des Lotes vom Pro- 
cessus coronoideus auf die Gelenkfläche zeigt auch hier die Mittelstellung 
von U 3, indem ein solches Lot, das bei dem Potsdamer Longifronsrind auf 
oder sogar vor die Mitte der Gelenkfläche und bei Dos primigenius ca. 20 mm 
dahinter fiel, hier bei U 3 den hinteren Rand der Gelenkfläche berührt, 
Daß auch die Breite der Zahnkrone bei der Unterscheidung und Stellung 
von U 3 eine Rolle spielt, ist deutlich aus der Tabelle XXVII ersichtlich. 


Tabelle XXVII. 


Zahnmaße | M, M5 M, 


Größte Breite der Krone bei: 
1. Bos primigenius, Durchschn. v. Messungen in 


BersGeolrbandes-Anstalt!.'. . .....2...,% 1,8 1,9 1.6 
Ben 3 tprimig: Rd. Potsdam) . .». ..... 0. 1,4 15 13 
2220, 3, (Bongifrons Potsd.) - » » =»... 11 1515 11 


Es ähnelt also U 3 mehr Bos primigenius als dem Torfrind, erreicht jedoch die 
Größe des ersteren auch annähernd nicht. U 3 ist, wie Tabe!le XX VIII (pg. 290). 
angibt, aber auch dem Torfrind zahlenmäßig in seinen Maßen so überlegen, 
daß sekundäre Geschlechtsmerkmale kaum noch in Frage kommen können. 
Es bleibt mithin nur übrig, U 3 dem großen Primigenius-Hausrind zuzu- 
rechnen. Wir werden weiter unten noch sehen, daß das von den Unter- 
kiefern Gesagte auch für die Gliedmaßenknochen gilt. 

Schulterblatt. Es liegen im ganzen 18 Reste vor. Sie sind teilweise 
so zerschlagen, daß ihre Beurteilung nicht möglich ist, Zur näheren Unter- 
suchung ziehe ich die Stücke 1—5 heran, da sich an ihnen einige Maße nehmen 
lassen. Abgesehen von 3, das sicher einem jungen Tier angehörte, zeigen 


sich Größen- und Formunterschiede. Es gehören 2 und 4 und 1 und 5 zu- 
19 


290 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Tabelle XXVII. 


Unterkiefermaße von U1 1220x | \ : Bos 
Bos taurus Jung | Jung N u LIE es 
1. Länge v. F. ment. zur Mitte d. 
Hinterrandes d. Gelenkfläche 27,7 
2. Länge von F. ment. zur Proc. 
coron... . 278 | 
3. Länge von F. ment. z. .. Hinter- | 
18,8 | 24,8 
4. Länge von F. ment. z. . Vorder- 
rand von P,: . 5,0 | 4,8 67:47) — | 538 | 88 
5. Länge v. Hinterzand Y. M, bis 


zur Mitte d. Hinterrandes der 


| — —_ — — |34,7 | 41,4 
Ä -- _ —— — 135,7 | 45,1 

rand von M;. . 17,3 = | 18.1.7163 | —_ ; 

Gelenkfläche. . 11;7 2 = — 11.211273.) 198 
6. Gr. Höhe d. aufst. Astes gem. | 

von d. Einschnürg. d. Unter- 

kieferrandes . . 16,3 — — — 17,2 | 23,0 | 26,0 
7. Br. d. auist. Astes hinter =, 8585| — _- — 7,9 12,5 13,7 
8. Höhe d. Unterkieferastes auf d. 

med. Seite unter d. Hinterrand | } 

von M,. . De es 6,3 | — 6,7 6,0 6,0 | 6,3 ee ! 
9. Dasselbe von  M;. ne N 5,6 | 6,0 5.6 5,2 5,2| 5,3 7,8 { 
10. u AI tige 5,2 5,0 5,1 5,1 4,7| 4,5 6,9 
11. = ee 4,3 | 4,1 4,4 4,6 — | 6,2 | 
12. br N or _ 4,0 4,0 3,8 — | 45 5,9 
13. Vorderranduyon. RB, =. 2.2... Z— — 3,5 — — | 5,9 
14. Länge der Zahnreihe . . . 12,5 — 12,0 — — | — | 161 
15. „ 4. Pm.lat. am Rd. gem. 5,0 — 4,5 — — | 5,7 
16. „ a. Mol.lat. am Rd. gem: 7,5 — 7,8 7,0 7,0128,2.| 10.2 
17. „ von M,. Bar ; 2,6 — 3,3 23 2,4| 3,5 4,4 
18 m vaMg« 24 | 2,8 2,4 2,1 2,3| 2,4 2,8 | 
19 = „- Mı 2,0 2,3 21 1,6 20| 21 2,4 | 
20. r Bas: 2 oe re 2,3 | 2,3 1,9 | 1,8 a 2,1: | 
21. = ES RR OSTEN S — L,R 1,4 1,5 — 1 17 15% 
22. 1 — _ 0,9 _ u — | 
23. Breite a. aufst, Astes 2. .. Aus- | 

schn. zwisch. Proc. coron. u. 

Ge il. ne aha) ea erega 


sammen, die alle zu erwachsenen Tieren gehören. Die Zahlenangaben stehen 
in Tabelle XXIX. Die Erkenntnis der Formunterschiede ergibt sich bei Be- 
trachtung der Gelenkfläche. Für 1 und 5 ist die unregelmäßige Eiform charak- 
teristisch. Bei 1 erfährt sie im kaudalen Drittel eine starke Einschnürung. _ 
Die Gelenkfläche von 5 ist mehr rund als oval und ähnelt am meisten der 
rezenter Scapulae. Wir haben es hier mit Vertretern zweier Rassen zu tun, 
einer kleineren und einer größeren. 


I) sind rechte. 
2) Die angegebene Durchschnittszahl! für Bos. prim. BOJ. erhielt ich durch 
Messung mehrerer Mandibulae der Geolog. Landes-Anstalt zu Berlin. 


H. ENDERLEIN, Die Fauna der wendischen Burg „Poztupimi“, 291 


Tabelle XXIX. 


Scapulamaße von Bos taurus | 1) | 5 | 2!) | 4!) | 3 jung) 
1. Umfang am Hals . . RE | 10,6 | 11,1 - 9,3 | 7,2 
2. Gr. Längs-Durchmesser a: am Hals . 4,4 4,6 _ BiTant 3,0 
3. Kl. Breiten- a) 2,1 2,15) 21,7 1,8 163 
4. Gr. Länge der Gelenkfläche. eg 5,0 4,8 4,1 — — 
5. Gr. Breite ., „ AN = 4,2 4,4 3,7 3,8 3,0 
62 Gr: Tiefe „, = ee ER 1,05 | 0,8 0,8 0,8 0,5 


Oberarm. Es waren mir im ganzen 12 Humeri zugängig. Davon ist 
VI 160 ein rechter, fast vollständig erhalten. H 5 ist ein proximales links- 
seitiges, HA und H 6 sind rechts- und linksseitige distale Endstücke. Die 
übrigen lasse ich, da nicht meßbar, unberücksichtigt. VI 160 ist kurz und 
gedrungen und zierlicher als rezente Humeri. Bei der in der Tabelie an- 
gegebenen doppelten Längenmessung bin ich von genau festliezenden ana- 
tomischen Punkten ausgegangen, Zwei Längenmaße hahe ich gewählt, da der 
Humerus sich jeweilig nach rechts oder links (nach außen) um seine Längs- 


Tabelle XXX. 


Maße der Humeri von Bos tanrus |vzıo» | m5|m4:| Me 
1. Länge vom hakenförm. Forts. d. Tub. majus 

bis zum a) lat. dist. Ende d. Trochl. . . . 27,2 — _ — 
b) med. „ SE 26,7 — — u 

2. Größter Durchmesser der prox. Epiphyse . 5 9,7 81 — 
3. = .dist. SE 7,9 -- 7,4 — 
4. Umfang d. Diaph. a. d. Tuberosit. delt. en 14,5 — 10 = 
5. Kleinster Umfang der ar ar 11,0 _— — _ 
6. Breite der Trochlea. . . EP 6,6 6,5 6,5 
7. Höhe der medialen Trochlea EN E De 4,0 3,9 3,7 
Sn „ lateralen 55 RR 3,0 — | 233 2,6 


achse dreht, was besonders bei den wild lebenden Wiederkäuern, vor allem 
bei Cervus, deutlich in Erscheinung tritt. Wie Tabelle XXX zeigt, sind 
die Humeri unter sich gleich groß, sie stimmen teilweise auf den Millimeter 
genau überein, gehören also der gleichen Rasse an. 

Elle und Speiche. Von den insgesamt gefundenen 16 Radien eignen 
sich zur näheren Untersuchung nur 7. Von diesen fallen R 7, eine proxi- 
male Epiphyse mit teilweise erhaltener Ulna, R 8 und R 1), beides distale 
Endstücke, durch ihre Größe auf. Zahlreiche Knochenrauhigkeiten und gänz- 
liches Verschwinden der Nähte deuten auf ein gewisses Alter. Der Größen- 
unterschied zeigt sich am klarsten bei der Messung der Länge und Breite 


1) sind rechtsseitige Scapulae, 
3) sind rechtsseitige Humeri, 
19* 


292 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


E 


Tabelle XXXI. 


Maße der Radii von Bos taurus |R7|Rın|R2|RsU|R4ı |RBı|R 10 
1. Größte Länge lateral . . . . — | 22,3 — | — | — | 

2. : x medial . ? — | 22,4 —_ - u — _ 

8. " ober GellWäch | 65| 58 | 50-0 

4. Größte Breite , sa. 29 sı sn aa ae 

5. Größt. Durchm. d. prox. Epiph. 7,6 6,4 6,4 | 6,5 66 — — 

6. suudist. 0%, — 5,7 — | — — — = 

7. Längsdurchmesser der Diaphyse — 1,9 171 — — - — 

8. Querdurchmesser $, _— 3,3 311 — — _ — 

9. Größte Länge d. dist. Gel. Fläch. —_ 51|ı — | — — | 54| 54 
10. „.. Breite‘, ),, AUnLR® — 2535| — | — — 3,2 | 4,8 


der proximalen Gelenkfläche (Abb. 34, Tafel XXXII). Von den übrigen ist 
R 1 vollkommen erhalten, sehr schlank, und wird darin von R 2, einem jugend- 
lichen Radius, übertroffen. R3 und R4, proximale Enden, scheinen von 
gleicher Größe und Form wie R 1 zu sein (Tabelle XXXTI). 

An vorliegenden 4 Ulnae (8 wurden ausgegraben) ist leider die größte 
Länge nicht meßbar. Aus der Tabelle XXXII geht hervor, daß sie an 
Größe U L 1 sehr nahe stehen. Leider fehlen Ulnae, die zu den kleinen Radii 


Tabelle XXXII. 


Maße der Ulnae von Bos taurus UL1 UL 2 UL 8 | UL 4®) 
1. Länge der Incis. semil. lateral . . Z— 3,7 3,9 3,4 
Din 2, 5 „ „esmedials v... _ 3,7 3,7 3,9 
8. Breiteiam Proe. ancon... . 2... 6,0 6,2 5,8 5,5 
4. 7 „saQlecranon 2 wre — — — 4,8 


passen. Aber auch ohne sie darf ich das bei der Untersuchung der Scapulae 
über die Größenunterschiede Gesagte hier wiederholen. 
Mittelfußknochen. (Tafel XXI, Abb. 5). Von den 5 Metacarpi sind 
3 rechte und 2 linke vorhanden. Die Größenverhältnisse sind so augen- 
fällig (Tabelle XXIII), daß sich eine Einteilung in drei Gruppen von 
selbst ergibt. MC 1, als einziger Vertreter der ersten Gruppe, ragt 
über die anderen erheblich hervor. Ein Längenunterschied von 2,7—3,2 cm 
kann nicht mehr individuell sein, wenn man auch zugibt, daß in einer Rasse 
oder sogar einer Zucht bisweilen größere Stücke, als die Regel angibt, vor- 
kommen. MC 1 hat sein Wachstum beendet und gehört einem alten Tier. 
Die übrigen 4 sind, abgesehen von einigen Millimetern, gleich lang. Es 
fällt jedoch MC 2 (VI 86), als Vertreter der zweiten Gruppe, durch seine 


1) sind rechtsseitige Radii. 
?®) sind rechte, 


H. ENDERLEIN, Die Fauna der wendischen Burg „Poztupimi“, 293 


Tabelle XXXIII. 


Maße der Metacarpi von Bos taurus | MC1) |vI 86.1) | MC 3 Mo) MC 5 
Mes ınse .......| 200.1 163 | len 
Da a med. 19,0 | 158 Kissen = 
3 „ 5, lat 0% RE 19:00 2..,16:30 315,9 _ E= 
4 55 ” d. prox. Gel. SB 6,0 Ba _ = 
5. me Breite,-;, ,, TREE BR 3,3 — 2,5 = = 
6. Umfang der Diaphyse 5 | 8,7 94 1,3 | 81 8,1 
7. Längsdurchmesser der Diaphyse 2.2 2,3 1,910 21 2,0 
8. Querdurchmesser ,, ; 2,8 3.5.7 [7.24 2,8 2,8 
9. Größte Länge des dist. Gel. 5,8 6,0 4,7 | 5,2 | 5,4 
1 31 2,2 25 98 27 
Tabelle XXXIV. 
Metacarpus | Bos pr Bos taur empseitannne! 
pr. männl. | weibl. 
rohe Bänge . . .... 00.0. _ 20,0 16,3 | 16,7 
BRELN ar... 24,0 19,0 16,8 | 51,9 
BR, e; med. . 19,0 15,8 15,8 
Bw. des prox. Gelenks 9,0 6,0 bu, 40 
5. m eBreite. R 5,0 3,3 |über 3 | 2,5 
6. Umfang der Diaphyse : 14,5 8,7 9,4 7,3 
7. Längsdurchmesser der Diaphyse 3,9 3,2 2,3 | 1,9 
8. Querdurchmesser „, 4,9 2,8 3,5 2,4 
9. Größte Länge des dist. Gelenks — 5,8 6,0 4,7 
Da Beate, .: I 31 2,2 2,5 


Breite auf. Der ganze Knochen ist außerordentlich plump und gedrungen. 
Reiche Knochenvorsprünge und Rauhigkeiten sind durch ein hohes Alter be- 
dingt. Die Rinde ist von außerordentlicher Härte und Dicke. Am proximalen 
Ende, dort wo die Mittelfußbeule den Knochen hervorwölbt, hat man ver- 
sucht, mit scharfem Gegenstand den Knochen anzuspitzen. Der Vollendung 
dieser Arbeit setzte die elfenbeinartige Härte ein Ziel, so daß man anschei- 
nend davon abkam. 

Dieses, der Längenunterschied von MC 2 im Gegensatz zu MC 1, die 
gleich große Länge von MC 2 und den Vertretern der dritten Gruppe, 
MC3, MC4, MC5, die recht schlank und zierlich sind, und ein ein- 
gehendes Studium von ausgestellten Knochen von Bos primigenius und Bos 
longifrons im Märkischen Museum lassen mich folgern, daß die Unterschiede 
zwischen MC 2 und der dritten Gruppe (MC 3, MC d, MC 5) keine Rassen- 
unterschiede, sondern Geschlechtsunterschiede seien. Daß die bedeutende Stärke 
von MC 2 für den Stier spricht, darf uns nicht wundern, erscheint es doch 


1) sind rechte. 


294 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


notwendig, daß der Stier zum Tragen seiner Fleischmasse einer zwar nicht 
größeren Länge, aber um so dickeren Breite seiner Knochen bedarf. Und 
wenn ich die Länge von MC 1 gegenüber den anderen für einen Rassen- 
unterschied halte, so bin ich dazu berechtigt, denn MC 1 steht gerade in 
der Mitte zwischen MC 2 und dem von mir abgebildeten Dos primigenius 
A 19356 des Märkischen Museums. Es kann MC 1 nicht Longifronsrind 
sein, denn ein Längenunterschied von 3 cm gegenüber MC 2 und der dritten 
Gruppe ist — wie schon gesagt — mehr als individuell. Wenn der Meta- 
carpus 3 cm größer ist als gewöhnlich, so müssen Carpus, Radius, Humerus, 
Scapula und die Brustwirbel auch um entsprechende Längen grölier sein, 
was ein Ansteigen der Widerristhöhe sicher um ca. 10—15 cm zur Folge 
hätte. Solche Abweichungen kommen innerhalb einer Rasse wohl kaum vor, 

Daraus geht hervor, daß MC 2 einem Stier, MC3, MC4, MC5 
Kühen der Langstirnrasse angehören, während MC 1 den Metacarpus des 
Priwigenius-Hausrindes darstellt. 

Die gefundenen geringen Zehenknochenreste scheinen eher der primi- 
genius- als der brachyceros-Rasse anzugehören. Die wenigen Maße sind in 
der Tabelle XXXV angegeben. 


Tabelle XXXV. 


Maße der Phalangen von Bos taurus | Phal. I Phal. II 
1:-Mediale Längen ma ze er ne We a ee ee | 5,8 3,2 
2. Laterale $„, ER 5,9 3,0 
3. Längsdurchmesser prox. | 2,5 2,8 
4. Querdurchmesser a CERRE HET Han DE Sl Eee HPALERe 3,0 | 2,9 
5. Größte Länge des distalen Gelenks . . . .. 2,9 3,1 
6. „ Breite „, Mh = de Sa een 18) | 2,5 


Trotz der reichen Zahl von 13 Beckenstücken lohnt ein genaues Ein- 
gehen nicht, da sie keine Messung zulassen. 

Auch bei F 1, einer rechten Oberschenkelbeinhälfte, ist die Rassen- 
bestimmung nicht möglich. Ihre Maße sind: 


Distale Breite... ..::-. 2.0. 22 wa A Sndkem 
Größte Entfernung zwischen tibialer und patellarer Gelenkfläche 11,0 cm 
Höhe des lateralen Condylus '. 2... „u. ee lem 
Höhe des. medialen Condylus  .. ....... a Le ee Ocın 


Schienbein. Untersucht wurden 18 Tibiareste, darunter 4 Enden 
proximale (3r., 11.), 6 distale (4 r., 2 1.); der Rest ist nicht berücksichtigt. 
Ich werde nur die distalen Enden besprechen, deren Maße in die 


H. ENDERLEIN, Die Fauna der wendischen Burg „Poztupimi“. 295 


Tabelle XXXVL 


Maße der Tibiae von | | | | | 
1 1 1 Aı 
Bos taurus Potsd. Ta) | Ta) 22 72) T5)| T6 | T7 


| | 


T8) T9 


I 


a Ra LE Tan 
— 0 3 0564 57.032 82008 05% 


| 
1. Größte Breite des prox. | 
Gelenks . ee] 


2. Größte Breite distl.. — | — ! 
3. Längsdurchmesser dist. | 
am medialen Rand . . | — | — | 


— 202402070 gr 
Tabelle XXXVI aufgenommen sind, um nur den Größenunterschied der 
proximalen Enden zu betonen, der hier um so höher zu werten ist, da 
die heiden kleinen Tibiaköpfe T 1 und T 2 vollkommen ausgewachsen sind; 
keine Spuren von Nähten zeigen, während bei den großen T3 und T4 die Ver- 
bindung zwischen Körper und proximaler Epiphyse weit klafft, der Knochen also 
sich im Wachstum noch befindet (Abb. 35, Tafel XXXII). Da die Naht vorn 
offener ist, sich nach hinten zu verliert, darf ich annehmen, daß die Syn- 
ostosierung kaudal beginnt, langsam nach vorn fortschreitet und an der Crista 
tibiae ihren Abschluß findet. Wir haben auch hier wieder gesehen, daß in 
Potsdam zwei Rassen nebeneinander anzutreffen sind. 

Fußwurzel. Es wurden untersucht 6 Os tarsi tibiale (2 r. und 4 1.) 
und 3 Os tarsi fibulare (2 r. und 11.). Die Tabellen XXXVII und XXXVIII 
zeigen wiederum einen Größenunterschied. 


Tabelle XXXVII. 


Ber GO: ib v. Bos taurus Poted. | 12 | 2,108 4 | 5 | 6 
| | | 
Belersale bängse:  . . 2. 2.022: 5,3 5,3 5,5 5,3 4,9 4,6 
2. Laterale Bar He 5 za 50 
3. Querdurchmesser proximal 3,9 34 | 3,7| 386 3,6 | 8,8 
A r distal . | 38 | 34 | 85 | 35 | 35 | 32 
5. Breite lateral | 30 [29 3830| 30 | 28 | 2,7 
6. ,„ medial esse ssisel Bo 095 | 2,85, 2,65 
\ 
Tabelle XXXVII. 
Maße des Os tarsi füibulare von | 
| 21 AS 3 
Bos taurus Potsdam An) | en | 

ae Tine . 2... 20... | — a oz 
u Breite Inkeral _ | 5,0 so 4,6 
2, Dicke. | 3,7 Be 3,5 


1) sind rechte. 


296 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Tabelle XXXIX. 


Maße der Metatarsi von 


Bos taurus Potsdam | a | a, | uS 
I.NGrößte Bänge a... ar een, | 19,2 | — — 
2. , > lateral | 18,4 | _ — 
3. * Mn nedial ee 18,0 — — 
4. Längsdurchmesser des prox. Endes 3,7 4,2 3,5 
5. Querdurchmesser „ , is 4,1 4,3 3,9 
6..Umfang der Diaphyse , .... 7,9 8,5 7,2 
7. Längsdurchmesser der Diaphyse . 2,2 2,6 2,3 
8. Querdurchmesser $,, 7 . 2,2 2,3 2,1 
9. Längsdurchmesser distal . . . . 2,5 — — 

10. Querdurchmesser 5 ER 4,5 — — 


| 


Mittelfuß. Tabelle XXXIX läßt an den 3 Metatarsen keine wesent- 
lichen Unterschiede erkennen. Mt 3 ist als jugendlicher am kleinsten. An 
ihm ist das Vorhandensein von 4 Kerben an der Seitenfläche von kultur, 
historischem Interesse. Wahrscheinlich hat er als einfacher Meßstock ge- 
dient. Die Zugehörigkeit zu Dos taurus longifrons ergab sich durch den 
Vergleich mit Metatarsen im Märkischen Museum. 


E. Zusammenfassung. 


Ich habe versucht, einen Blick in die Tierwelt vor tausend Jahren zu 
werfen. Man gewinnt daraus ein recht anschauliches Bild von dem Volk, das im 


alten „Poztupimi“ saß. Das Verhältnis der wilden (116 Reste) zu den Haus-. 


tieren (295 Reste) zeigt, daß die Jagd anscheinend eine wirtschaftliche Not- 
wendigkeit war, daß vielleicht auch die Kunst der Wasserjagd verstanden 
wurde (Reste vom Bleßhuhn). Man bekämpfte die großen und die kleinen 
Raubtiere. Die Arbeit des Bibers, dessen Wühl- und Nagekraft als bekannt 
vorauszusetzen ist, mußte die Dämme, den Schutz des Wenden vor dem 
Wasser, untergraben. Es ist für ein Fischervolk, denn ein solches waren 
die Wenden ebenfalls, selbstverständlich, dem Fischotter, dem Feinde ihrer 
Wasserbewohner, nachzustellen. Die Reste des Bären, des Ures, des Wild- 
schweines, des Rehes und Hirsches geben ein Bild von der Mannigfaltigkeit 
des Wildprets. Der von mir beschriebene Wolfsschädel beweist die Gegen- 
wart dieses Raubtieres zur Wendenzeit in der Mark Brandenburg. Das Reh 
ist zwar vorhanden, spielt aber keine große Rolle, was wohl aus der geo- 
graphischen Lage zu erklären ist. 


1) ist ein rechter. 


H. ENDERLEIN, Die Fauna der wendischen Burg ‚„Poztupimi“. 2097 


Eine ungleich größere wirtschaftliche Bedeutung hat der Edelhirsch, 
Man jagte ihn nicht nur, sondern sammelte anscheinend auch die Abwurf- 
stangen, die zu allen möglichen Geräten Verwendung fanden. Der Wende 
kannte die Festigkeit und Elastizität des Hirschknochens,. Sich aus den 
Knochen und Geweihen Haushaltungsgegenstände herzustellen, war lebens- 
notwendig, da das Eisen noch recht selten war. Anläßlich der Bearbeitung 
von (ervus elaphus habe ich Gelegenheit genommen, auf einige osteologische 
Besonderheiten zur Geschlechtsunterscheidung einzugehen. 

An Haustieren besaß der Wende alle die Tiere, die ein Ackerbauer, 
Tierzüchter und Herdenviehhalter braucht. 

Es fehlt nicht der Hund, der schon damals der Freund des Menschen 
war, was die Alten dadurch bewiesen, daß sie ihn nicht verzehrten. Er 
wurde zur Viehbewachung und zur Jagd gebraucht. Es ist möglich, daß 
dieser Hund eine Bastardierung von Jagdhund und Schäferhund darstellt. 
Die Annäherung an Canis familiaris intermedius WOLDRICH ist allerdings 
bedeutend größer, und damit die Ähnlichkeit mit dem „Hund aus Paulinen- 
aue“, als an Uanis fam. matris-optimae JEITTELES, 

Auffallend ist die geringe Zahl der Pferdereste. Die Lebensbedingungen 
waren denkbar schlecht, weit und breit ein großes Sumpfland, und zum 
Ackerbau genügte für den leichten Sandboden der Höhen das Rind voll- 
kommen. Wahrscheinlich fand das Pferd nur als Reittier im Kriegsfall Ver- 
wendung. Die Beschaffenheit der Knochen zeigt, daß die Wenden Hippo- 
phagen waren. 

Von Schaf und Ziege sind mit Sicherheit nur je eine Rasse vertreten, 
Der kleine Hornzajfenrest eines Torfschafes (?) läßt eine Beurteilung nicht 
zu. Die Schafe gehören zur Gruppe der Kupferschafe, die Ziegen zu den 
schraubenhörnigen, zu Capra prisca domestica ADAMETZ. 

Das Schwein sieht mit 91 Resten hinter dem Rind an erster Stelle. 
Die sehr zerstückelten Knochen lassen auf die Schmackhaftigkeit seines Flei- 
sches schließen. Die Untersuchungen ergaben, daB 

1. das Torfschwein zur Wendenzeit in Potsdam nicht vorkam, 
2. die Reste zum großen Hausschwein gehören und 
3. die Zucht mit einem gewissen Verständnis betrieben wurde, 

Das reichste und auch beste Material (außer Hirsch) lieferte das Rind. 
Ich nehme Gelegenheit, der allgemeinen Ansicht entgegenzutreten, daß der 
Siave sich nur eines kleinen, schmächtigen Rindes bediente. Für die Pots- 
damer Wendenzeit stimmt dies nicht. Es liegen neben Dos taurus longi- 
frons OWEN in fast gleicher Anzahl Reste von Dos taurus primigenius 
dem großen Hausrind, vor. Der einwandfreie Nachweis dieser Tatsache ge- 


208 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


lang mir bei der vergleichenden Untersuchung der Mandibulae und Meta- 
carpalia von Dos primigenius, Bos taurus primigenius und Bos taurus 
longifrons s. brachyceros. Die Abbildungen zeigen dies deutlich. Bedeutung 
haben die geschlechtlichen Unterschiede am Metacarpus von Bos taurus 
longifrons. Neben diesen beiden Rassen noch eine dritte aufzustellen, ist 
vorläufig nicht möglich. Ich habe darauf hingewiesen, daß die außerordent- 
lich langen, scharfkantigen Hornzapfen als Ochsenhornzapien zu deuten sind, 
und dafür zahlreiche Belege geführt. Ein Endurteil muß jedoch von weiteren 
Ausgrabungen abhängig gemacht werden. Hoffentlich gelingt es, die dazu- 
gehörigen Schädel einmal mit ans Tageslicht zu fördern. 

Ich darf wohl behaupten, daß dieser erste Versuch, eine Wendenfauna 
zu bestimmen, einen Schritt weiter bedeutet in der Bereicherung unserer 
Kenntnisse der Haustierforschung und der Heimatkunde. 

Zum Schluß ist es mir eine angenehme Pflicht, Herrn Prof. Dr. BITTNER, 
Direktor des Anatomischen Instituts der Tierärztlichen Hochschule zu Berlin, 
Herru Obermagistratsrat Dr. BESTEHORN in Potsdam, Herrn Dr. POHLE, 
Kustos der Säugetierabteilung des Museums für Naturkunde in Berlin 
Herrn Stadtinspektor HOFFMANN in Potsdam und allen denen, die mich 
bei dieser Arbeit unterstützten, für ihre Liebenswürdigkeit zu danken. — 
Vor allem gilt mein Dank Herrn Dr. M. HILZHEIMER, Direktor der natur- 
wissenschaftlichen Abteilung des Märkischen Museums zu Berlin und Privat- 
dozent an der Tierärztlichen Hochschule zu Berlin, für die Anregung zu 
dieser Arbeit, für die zahllose mir zur Verfügung gestellte Literatur und 
die stete Hilfsbereitschaft. 


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[ 


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G. Tafelerklärung. 


Tafel XX. 
Abb. 2. Scherben (a—d) und Gefäße (e, f) mit wendischer Verzierung. 
Abb. 3. Oberschenkelbein des Hundes aus Potsdam. 


Tafel XXI. 
Abb. 4 Zusammenstellung einiger bearbeiteten Knochen- und Geweihteile. 
Abb. 5. Gegenüberstellung von Metacarpi von 
a) Bos primigenius BOJANUS, Nr. AI9356 des Märkischen Museums, 
b) Bos taurus primigenius, MC 1 von Potsdam, 
c) Bos taurus longifrons OWEN Stier, 
d) Bos taurus longifrons OWEN Kuh. 


Tafel XX1. 
Abb. 6. Schädel des Potsdamer Wolfes, Aufsicht. 
Abb. 7. Unterkiefer des Potsdamer Wolfes, ventral. 
Abb. 8. Schädel des Potsdamer Wolfes, Basis. 
Abb. 9. Unterkiefer des Potsdamer Wolfes, dorsal. 


Tafel XXIli. 
Abb. 10. Schädel des Potsdamer Wolfes, von rechts. 
Abb. 11. Unterkiefer des Potsdamer Wolfes, von rechts. 
Abb. 12. Zwei ausgewachsene distale Oberarmenden von Cervus elaphus L. 
Beachtenswert ist der Unterschied in der Größe. 
Abb. 13. Unvollständige rechte Gesichtsschädelhälfte von Üervus elaphus L. von 
Potsdam. 


Tafel XXIV. 
Abb. 14. Gliedmaßenknochen von Cervus elaphus L. von Potsdam. 
a) u. b) Zwei Metacarpi (C 1 und 116). 
c) u. d) Zwei Radien (C 18 und VI 83). 
e) Tibia (VI 87). 
Beachte den Größenunterschied der Radii und die Größe der Tibia. 
Abb. 15. Os occipitale vom rezenten, weiblichen Cervus elaphus L. (Exemplar 
aus dem Märkischen Museum Berlin). 
Abb. 16. Basaler Teil des Os occipitale vom männlichen Cervus elaphus L. von 
Potsdam. 


Tafel XXV. 
Abb. 17. Astragali von Boviden., 
a) Bos primigenius BOJANUS von Potsdam (BPr 2), 
b) Bos banasus L. Gipsabguß nach einem Stück im Dresdener Museum. 
c) Bos taurus L. von Potsdam. 
Abb. 18. Linker Hornzapfen einer Kuh von Bos primigenius BOJ. von Potsdam 
(VI 84). 


Abb. 
Abb. 
Abb. 


Abb. 
Abb. 


Abb. 


Abb. 
Abb. 


Abb. 
Abb. 
Abb. 


Abb. 


Abb. 


Abb. 


Abb. 


Abb. 


Abb. 


Abb. 


19. 
20. 
21. 


22. 
23. 


24. 


25. 
26. 


AT. 
28. 
29. 


80. 


3. 


32. 


33. 


34. 


35. 


36. 


H. ENDERLEIN, Die Fauna der wendischen Burg „Poztupimi“. 303 


Tafel XXVi. 
Schädel des Hundes von Potsdam, Aufsicht. 
Desgl., Basis. 
Desgl., von rechts. 


Tafel XXVIl. 
Gesichtsschädel von links vom Wildschwein (a) und Hausschwein (b). 
Linke Oberkiefer-Backenzahnreihe vom Wildschwein (a) und wildschwein- 
ähnlichen Hausschwein (b;. 
Rippenfraktur vom Hausschwein mit Callusbildung. 


Tafel XXVIll. 
Unterkieferreste in Aufsicht vom Wildschwein (a) und Hausschwein (b). 
Unterkieferreste von rechts vom Wildschwein (a) und Hausschwein (b). 


Tafel XXIX. 
Schädel einer weiblichen Ziege von Potsdam. 
Stirnbein mit Hornzapfen vom Kupferschaf von Potsdam. 
Hornzapfen von der schraubenhörnigen Ziege von Potsdam. 


Tafel XXX. 
Schädel des Potsdamer Longifrons-Rindes VI 161. 


Tafel XXxXl. 
Hornzapfen vom Potsdamer Wendenrind. 
a) — e) Gruppe I. 
f) u. g) Gruppe I. 
h) — k) Gruppe II. 
i) u. k) sind so abgebildet, wie sie am Schädel saßen. 
Die Hornzapfen der dritten Gruppe, weniger stark verkleinert. a) mit 
scharfer Kante; b) und c) zu einem Tier gehörend aber in verschiedener 
Lage aufgenommen: b) von unten, c) von oben. Bei c) kommt die 
scharfe Kante deutlich zum Ausdruck. 


Tafel XXxXll. 
Unterkieferäste in gleicher Verkleinerung 
a) von Bos taurus longifrons OWEN, 
b) von Bos taurus primigenius, 
c) von Bos primigenius BOJ. 
Gegenüberstellung je eines Radius vom Longifrons-Rind und vom pri- 
migenen Hausrind, 
Gegenüberstellung je eines Tibiakopfes vom Longifrons-Rind und vom 
primigenen Hausrind. 


Tafel XXxIl 
Karte von Potsdam im Jahre 1683 nach dem Stich von SUCHODOLEZ. 


304 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


6.) Beiträge zur Kenntnis der Murinae BAIRD. 
Von A. J. ARGYROPULO (Leningrad). 


Ill. Bemerkungen über Mus musculus L., Mus spicilegus Pet. und 
Mus wagneri EV. 


Mit 10 Abbildungen auf Tafel XXXIV. 


Vorliegende Arbeit wurde nach dem Material des Zoologischen Museums 
der Akademie der Wissenschaften von USSR in Leningrad ausgeführt. Dem 
Kustos der Säugetier-Abteilung dieses Museums, Herrn B. S. WINOGRADOW, 
ist Verfasser, wie stets, aufrichtigen Dank für zahlreiche wertvolle Rat- 
schläge und Hinweise schuldig. Vorliegende Bemerkungen bilden die Fort- 
setzung der vom Autor unternommenen Untersuchungen über Morphologie, 
Systematik und geographische Verbreitung von Vertretern der Unterfamilie 
Murinae (s. Zeitschr. f. Säugetierkunde 4, 1929, pg. 144). 


PETENYI hat 1882 aus Ungarn die dort wildlebende Hausmaus be- 
schrieben, indem er dieselbe als selbstständige Art bestimmte, die er Mus 
spicilegus nannte. Seither wurde bis in die Gegenwart, also während fast 
50 Jahren, von verschiedenen Zoologen die Mehrzahl der kleinen europäischen 
und teilweise nordafrikanischen hellbäuchigen Mäuse aus der Mus musculus- 
Gruppe als M. spicilegus bestimmt, zu welcher als geographische Rassen 
8 Formen beschrieben wurden: mogrebinus CABRERA (1911); hispanicus 
MILLER (1909) — Spanien; lusitanicus MILLER (1909) — Portugal; 
heroldi KRAUSSE (1918) und germanicus NOACK (1918) — Deutschland; 
caveciit KRAUSSE (1921) — Sardinien; Iynesi CABR. (1923) und rifensis 
CABR. (1923) — Marokko und hapsaliensis REINWALDT (1927) — Estland. 

Zweifellos haben viele von diesen Formen Existenzberechtigung, jedoch 
nicht als Unterarten von M. spicilegus, sondern von LINNE’s Art musculus, 
da es sich bei näherer Untersuchung zeigt, daß erstere nicht gut von letzterer 
abgetrennt werden kann, sondern blos deren Artsynonym ist. Die Tatsachen, 
auf Grund derer ich diese Behauptung aufstelle, folgen weiter unten. Bevor 
ich zur kritischen Untersuchung und Bewertung der Merkmale von spicilegus 
und musculus übergehe, möchte ich folgende Bemerkungen vorausschicken: 

1. M. musculus musculus L., d. h. eine Form, die vollständig zu 
MILLER’s Diagnose!) passen würde, ist in Rußland nicht aufgefunden 
worden. 

2. Die in Südrußland (Nordkaukasus, Krim und Süd-Ukraine) vor- 
kommende .M. hortulanus NORDM. (Hauptsynonyme: nordmanni KEYS. 


Zeitschrift für Säugetierkunde. 


Band 5. 22. 12. 1930. Heft 6. 


& BLAS. und sergii VALJCH) steht M. spicllegus (typisch aus Ungarn) 
sehr nahe; den zwischen beiden bemerkbaren Unterschieden, nämlich der 
etwas bedeutenderen Körper- und Schädelgröße sowie den Einzelheiten der 
Oberseitenfärbung kann nur Rassenwert beigemessen werden. 

Als Zusammenfassung der in der Literatur vorhandenen Charakteristiken 
von Mus spicilegus PET. und M. musculus L. führe ich nachfolgende 
Diagnosen an, auf Grund derer diese Formen bisher als selbstständige Arten 


galten. 


Mus musculus L. 
(nach G. MILLER)). 
. Länge des Körpers und Kopfes 
75—103 mm (die extremen Zahlen 
aus MILLER’s Arbeit). 


. Länge des Schwanzes gleich der 
Körperlänge, zuweilen kürzer, öfter 
jedoch länger (76— 102 mm). 

. Die Färbung der dunklen Unter- 
seite („the belly dusky greyish“) 
geht allmählich in die Färbung 
der Seiten über. 

. Länge des hinteren Fußes 16,6 
— 19,4. 

. Kondylobasallänge des Schädels 
19,5 — 22,4 mm. 


Mus spicilegus PET. 


. Größe geringer als bei M. mus- 


culus: Länge des Körpers und 
Kopfes selten 90 mm erreichend 
(MILLER, 1. c.). 


. Schwanz kürzer als der Körper, 


Ausnahmen sind sehr selten 
(MILLER, |. c.). 


. Färbung der Unterseite weißlich, 


mit der Färbung der Seiten scharf 
kontrastierend (MILLER, 1. c.). 


. Länge des Fußes 15,4—18 mm 


(MILLER, 1. c.). 


. Kondylobasallänge des Schädels 


19—21,4 mm (MILLER); 19,2 
— 21,9 (REINWALDT)?). 


. Bei spicilegus hat der obere Schneidezahn vor der Spitze eine Grube 
(„subapieal notch“), die weniger entwickelt ist, als bei M. musculus 


(MILLER). 


. Von estländischen Hausmäusen, die E. REINWALDT (l. c, p. 53) als 
spicilegus bestimmt, sagt er: „der letzte obere Backenzahn (weist) immer 
einen wohlentwickelten hinteren Höcker auf und ähnelt dadurch dem Zahn 
der Gattung Rattus“. REINWALDT konnte dieses Merkmal nicht an 
anderen spicilegus nachprüfen und mit typischen (schwedischen) M. mus- 


20 


306 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


culus vergleichen, überträgt es aber auf alle spieilegus, sich dabei auf 
die Zahnabbildungen in den Arbeiten S. MILLER’s (l. c.) und BARRET- 
HAMILTON & MARTIN A. C. HINTON’s®) stützend. 

Um die ganze Relativität und Unbeständigkeit der angeführten Merk- 
male zu zeigen, gebe ich für ein jedes Beispiele, welche dieselben ausschließen 
oder beiden „Arten“ gemeinsam sind. 

Bei der Kritik stütze ich mich absichtlich auf osteuropäisches und 
asiatisches Material*). Zum Verständnis des Nachfolgenden bemerke ich, daß 
trotz der großen Mannigfaltigkeit der russischen Formen von M. musculus 
dieselben miteinander durch viele gut ausgeprägte Übergänge verbunden sind 
und also nur als Unterarten einer und derselben Art angesehen werden 
können (siehe weiter unten ausführlicher). 
1.°) Bei Mäusen vom Unterlauf des Oby schwankt — bei einer Schwanzlänge 

von etwa un der Körperlänge, einer Fußlänge von 16—18 mm und 
hellem (schmutzig ockerfarbenem) Bauch mit verwischter Demarkations- 
linie®) — die Körperlänge erwachsener Stücke von 100 bis 109 mm. 

2. Mus bactrianus BLYTH (Typus aus Kandagar, mein Material aus Kabul 
und Russisch Turkestan) hat bei rein weißem Bauch und sandgelber 
Oberseite eine Schwanzlänge, die gleich Körper und Kopf ist, oder zumeist 
noch größere Länge erreicht. Mäuse aus West-Transkaukasien haben 
einen Schwanz von 80—102 mm Länge (die höchstens 1,15 der Körper- 
länge ausmacht) bei hellem Bauch ohne scharfe Demarkationslinie und 
höchstens 18 mm (gewöhnlich 16,5—17) erreichendem Hinterfuß. 

3. Epw. REINWALDT (l. ce.) beschrieb 1927 nach estländischem Material 
M. spicilegus hapsaliensis (subsp. n.). Es ist eine kleine Form, deren 
Schwanzlänge etwas hinter der Körperlänge zurückbleibt (L. 93—99, 
C. 74—83), deren Hinterfuß eine Länge von 16—18 mm hat, aber mit 
unscharfer Demarkationslinie. „Die Dorsalseite zeigt in der Medianlinie 
keine dunklere Färbung. Sie geht an den Seiten allmählich in eine 
gelblichere Isabella-color über und weiter ebenso allmählich in 
das Grau der Ventralseite“ (von mir gesperrt!). Im gegebenen 
Fall fehlt eins von den hauptsächlichsten Merkmalen von spicilegus: die 
scharfe Grenze zwischen der Seitenfärbung und der weißlichen (nicht 
grauen, wie hier!) Färbung des Bauches. Es ist wahrhaftig schwer 
zu sagen, wodurch der Autor dieser Form sich hat leiten lassen, indem 
er dieselbe zu spicrlegus, statt zu musculus stellte. Vielleicht durch die 
geringere Größe, den kürzeren Schwanz und die etwas hellere Färbung? 
Die Merkmale der Murinae sind sehr relativ; um als Artmerkmale zu 
geiten, müssen sie einerseits sehr scharf sein, andererseits gewisse Schädel- 


J. ARGYROPULO, Beiträge zur Kenntnis der Murinae BAIRD. 307 


merkmale begleiten. Bei den meisten dunkelbäuchigen Mäusen aus dem 
Norden des Europäischen Rußlands und Asiens (subsp. funureus OGN., 
borealis OGN., teilweise iomensis KASTSCH. und einige unbenannte) ist 
die Demarkationslinie nicht scharf und die Färbung des Bauches ver- 
schwimmt mit der Seitenfärbung oft durch einen ganz allmählichen Über- 
gang, während die plastischen Merkmale des Körpers vollständig mit der 
Diagnose MILLER’s für spicilegus übereinstimmen. 

4. Wie aus den oben angeführten Diagnosen ersichtlich ist, hat spieilegus 
einen kürzeren Fuß als musculus, aber die maximalen Längenmaße 
gehen stark auseinander, während die minimalen sich nur um 1,2 mm 
unterscheiden. Bei M. severtzovi KASCHK. (Typus aus Tashkent, eine 
bactrianus BLYTH. nahestehende Form) finden wir bei rein weißem Bauch 
mit sehr scharfer Demarkationslinie eine Fußlänge von 18—19 mm. 

5. Die Kondylobasallänge des Schädels bei leningrader und sibirischen, relativ 
dunkelbäuchigen, aber kurzschwänzigen und kurzfüssigen Mäusen erreicht 
häufig 22—24 mm. 

6. Dieses bei manchen Vertretern der Gattung Mus diagnostischen Wert 
besitzende Merkmal ist keinesfalls absolut; es hängt sowohl vom Alter 
als auch vom Grad der Abnutzung und von der häufigen Monstrosität 
des oberen Schneidezahns ab und fehlt zuweilen. An meinem sehr umfang- 
reichen Material kann nicht einmal die Tendenz zur Vergrößerung oder 
Verkleinerung dieser „subapical notch“ bei irgendwelchen lokalisierten 
Gruppen der Conspecies musculus bemerkt werden. 

7. Nach einer Durchsicht von etwa 250 Schädeln von spicilegus, Mäusen 
der wagneri-Gruppe, dunkelbäuchigen und hellbäuchigen Formen aus dem 
Europäischen und Asiatischen Rußland, manchen Unterarten von M. mus- 
culus aus Westeuropa (subcaeruleus FR., azoricus SCHINZ. u. a.) behaupte 
ich mit Bestimmtheit, das eine Reduktion des letzten Höckers auf M® bei 
allen diesen Mäusen äußerst selten vorkommt, aber dann keineswegs nur 
bei dunkelbäuchigen und langschwänzigen Formen, so daß die Figur in 
der Arbeit G. MILLERS (l. c.), die einen derartigen Bau von M® bei 
M. musculus darstellt, offenbar zufälligen Charakter hat’). (Verhältnis- 
mäßig öfter kommt die Verschmelzung der mittleren Schlinge dieses Zahnes 
mit dem oberen inneren Höcker vor, aber wiederum nicht in Über- 
einstimmung mit den übrigen Merkmalen). 

Oben erwähnte ich mehrfach Übergangsformen zwischen verschiedenen 

Unterarten der Hausmaus im Europäischen Rußland; nun will ich diesen 

Punkt ausführlicher behandeln. Im Norden, hauptsächlich im Leningrader 


Gouvernement, kommt eine kleine, oberseits ziemlich helle Maus vor, deren 
20* 


308 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Fußlänge zwischen 15 und 17,5 mm schwankt, mit weißlichem, zuweilen 
gräulichem oder ockerfarben getöntem Bauch, dessen Färbung öfters un- 
merklich in die Seitenfärbung übergeht; der Schwanz ist in den meisten 
Fällen kürzer als Körper und Kopf zusammen. Diese Form unterscheidet 
sich von der schwedischen (M. musculus musculus) und ich sehe sie einst- 
weilen provisorisch als M. hapsaliensis REINW. an (Typus aus Hapsal in 
Estland)®). Im Norden, im Gouvernement Archangelsk, und auf der Kola- 
Halbinsel bildet diese Form einzelne nationes; eine von ihnen bin ich z. B. 
geneigt, für M. m. borealis OGN. zu halten (Typus aus dem Kreis Kemskij 
des Gouvernements Archangelsk). Weiter nach S und SO in den zentralen 
Gouvernements und im nördlichen Teil der „Tshernozemnaja Polosa“ wird 
die Hausmaus oberseits etwas dunkler und bekommt einen massiveren Schädel; 
durch 8. J. OGNEV wurde sie 1924 als funureus bekannt, steht aber der vorher- 
gehenden Form sehr nahe. Noch südlicher, im Kievschen Gouvernement, 
beginnt eine weißbäuchige Form aufzutreten, die den Namen M. m. hortu- 
lanus NORDM. (= nordmanni KEYS. ET BLAS. und sergiö VALJCH) trägt. 
Typus aus der Krim. Es ist eine kleine Form, im typischen Fall mit weißen 
Enden der Bauchhaare (die auch ganz weiß sein können), scharfer Demar- 
kationslinie, kurzem Schwanz und Fuß. Nach der Schädelform unterscheidet 
sie sich schon in geringen Serien recht scharf von den dunkelbäuchigen 
Mäusen des Nordens durch die Convexität und relative Breite der Schädel- 
kapsel, die den meisten weißbäuchigen und kleinen Formen zukommen. 
Mus hortulanus ist in der ganzen südlichen Ukraine, in Nordkaukasus und 
in der Krim weit verbreitet. In der Richtung nach W wird sie kleiner, 
behält aber die übrigen Merkmale bei, und geht in die serbische und un- 
garische Hausmaus, d. h. M. spicilegus PET. über. 

Ich erwähnte oben, daß etwa vom Kiewer Gouvernement an weiß- 
bäuchige Mäuse vorzukommen beginnen. In der Tat fehlt hier der allmähliche 
Übergang, den wir bei hapsaliensis und funureus bemerken. Unter der all- 
gemeinen Masse dunkelbäuchiger, wenn auch oberseits bereits blasser ge- 
wordenen Mäuse trifft man vereinzelte weißbäuchige Individuen, noch öfter 
aber solche, welche die Merkmale zweier Unterarten in den verschieden- 
artigsten Kombinationen in sich vereinigen. (Über Zwischenformen und 
Mischlinge zwischen sibirischen hellbäuchigen und dunkelbäuchigen Mäusen 
s. meinen Aufsatz „Beiträge zur Kenntnis der Säugetiere von NO-Mongolien“ 
— Ann. Mus. Zool. Acad. Sciences, Leningrad; im Druck.) Noch weiter 
nach S beginnen weißbäuchige Individuen vorzuherrschen; Übergangsformen 
fallen weniger auf, während dunkelbäuchige, vollständig zur Diagnose etwa 
der hapsaliensis passende sogar noch in der Krim und südlichen Ukraine 


J. ARGYROPULO, Beiträge zur Kenntnis der Murinae BAIRD. 309 


angetroffen werden können, wo sie einen sehr geringen Prozentsatz der 
dortigen Formen ausmachen, Dabei bleiben erstere ihrer Lebensweise treu 
(halten sich in der Regel an Wohnräume), während letztere in ihrer Haupt- 
masse in freier Natur leben und nur selten in Häusern vorkommen. (Auf 
Grund eigener Beobachtungen übernehme ich die Behauptung, daß die Mehrzahl 
der Übergangsformen gerade in der Nähe von Wohnräumen anzutreffen ist). 

Je weiter wir aus den Grassteppen des Nordkaukasus und Don in die 
wolga-uralische Halbwüstenzone vordringen, desto mehr verliert M. hortu- 
lanus die braune Färbung der Oberseite, wird heller und geht in die kleine 
von EVERSMANN 1840 von den Kamysh-Samarskie Seen (zwischen den 
Unterläufen der Wolga und des Uralflusses) beschriebene M. wagneri über. 
Von hier ab beginnen also schon nach SO zu jene asiatischen Formen, deren 
Oberseitenfärbung „Wüstenton“ zeigt, zu dominieren, die von vielen Autoren 
unter dem Artnamen „wagneri“ zusammengefaßt wurden. Verfolgen wir 
die weitere Verbreitung von M. wagneri, so sehen wir, daß in der Richtung 
nach Zentralasien diese Form noch in Ustj-urt vorkommt, aber allmählich 
größer wird und hinter dem Aralsee in M. severtzovi KASCHK. übergeht, 
die sich durch längeren Schwanz und Fuß auszeichnet. Letztere Form steht 
schon M. bactrianus BLYTH sehr nahe, von der sie sich vor allem durch 
den kürzeren Schwanz unterscheidet. 

Wir sehen also, daß zwischen bactrianus einerseits und spicılegus 
andererseits eine lange Reihe von Übergängen besteht (die auch .M. wagneri 
enthält) und daß erstere in keinem Fall als besondere Art angesehen werden 
kann, wie das z.B. G. ALLEN in „Murid Rodents from the Asiat. Exp.“ 
1927 tut. 

Aus allem oben Dargelegten ist zu ersehen, wie verschiedenartig die 
innerhalb der Grenzen Rußlands lebenden Hausmäuse sind. Für alle diese 
Rassen aber sind folgende Merkmale der Schädelstruktur charakteristisch: 
Reduktion des inneren Höckers der dritten Schlinge des M! und M? (bei 
einer Körperlänge von nicht über 115 mm); lanzettförmig vorwärts ausgedehnte 
vordere äußere Winkel der Parietalia und stetiges Vorhandensein der fenestra 
praelambdoidea, — Merkmale, welche diese Mäuse von allen europäischen 
und nordasiatischen Vertretern der subf. Murinae unterscheiden und nur 
eine Art, Mus musculus L., ceharakterisieren. Auf Grund der Merkmale 
dieser Rassen allein (d. h. der osteuropäischen und nordasiatischen) kann 
folgende Diagnose der Art (Färbung und morphologische Körpermerkmale) 
vorgeschlagen werden: 1. Die Körperlänge erwachsener Stücke schwankt 
von 70 bis 109 mm. 2. Die Schwanzlänge beträgt 0,5—1,15 der Körper- 
länge (ersteres Verhältnis finden wir bei M. m. raddei KASTSCH., letzteres 


310 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


bei der weiter unten beschriebenen westkaukasischen Unterart). 3. Die 
Färbung des Rückens wechselt von dunkel- und graubraun bis ocker-sand- 
farben. 4. Die Färbung des Bauches wechselt von reinweiß (mit weißem 
Haargrund) bis blaßgelb, schmutziggrau und bräunlich. Demarkationslinie 
bald scharf markiert, bald garnicht erkennbar. 5. Die Länge des Hinter- 
fußes beträgt 14—19,5 mm. 6. Die Kondylobasallänge des Schädels ist 19 
—23 mm. Der Schädelbau ist veränderlich;für die Rassen des europäischen Ruß- 
land kann man dieses aus den Photographien der diesem Aufsatz beigefügten 
Tafel ersehen. 

Wie man sieht, geht die Diagnose von spicilegus ganz in der oben 
angeführten auf und über die Frage der artlichen Übereinstimmung derselben 
mit allen hier aufgeführten Formen hege ich nicht die geringsten Zweifel?). 

Nun müssen wir uns der Charakteristik der typischen M. musculus 
und den Beziehungen der letzteren zu allen hier beschriebenen Rassen zu- 
wenden. Wie ich bereits erwähnte, finden sich in Rußland keine Mäuse mit 
allen Merkmalen von M. musculus musculus (nach G. MILLER). Im nord- 
westlichen Winkel Rußlands, der ihrer terra typica am nächsten liegt, 
lebt eine ganz andere Form; dafür aber fand ich unerwartet beim Studium 
kaukasischer Hausmäuse eine Form, die der typischen am nächsten steht. 
Sie ist groß, ihr Schwanz ist meist länger als der Körper, ihr Fuß 16,5 
—18 mm lang und der Bauch (im typischen Fall} nur wenig heller als die 
Färbung der Körperseiten. Uns interessiert hier vor allem ihre systematische 
Beziehung zu den weißbäuchigen und kleinen südlichen Rassen. Ich kann nach 
einem ausführlichen Studium der kaukasischen Mäuse überhaupt folgende Sätze 
aufstellen ; 

1. M. musculus'®) aus dem westlichen Transkaukasien steht nach allen 
ihren Merkmalen der typischen aus Schweden äußerst nahe, von der sie sich 
hauptsächlich durch Färbung unterscheidet; daher ist es erlaubt, sie nur als 
eine Rasse der ersteren anzusehen. 

2. Bei einer Durchsicht des Materials an kaukasischen Hausmäusen ist 
es nicht schwer, zu bemerken, daß M. musculus aff. azoricus. SCHINZ be- 
ständig mit der weißbäuchigen, ihr übrigens ziemlich nahestehenden M. tata- 
ricus SAT. 1908 (aus Ost-Transkaukasien) verwechselt wird. Nach 
K. A. SATUNIN’s Diagnose zeiehnet sich letztere aus durch Körperlänge 
von 68—85; Schwanzlänge 63 — 84, wobei letzterer oft den Körper über- 
trifft; „... die Färbung der Oberseite des Körpers ist gräulich mit mehr 
oder weniger Beimischung von gelbrot, besonders an den Seiten und Ex- 
tremitäten. Unterseite des Körpers weiß mit durchscheinendem_ schiefer- 
grauem Ton der Haarbasis*. SATUNIN gibt nieht den Fundort der Type 


J. ARGYROPULO, Beiträge zur Kenntnis der Murinae BAIRD. 311 


seiner neuen Unterart an, sondern zählt nur die Orte ihres Vorkommens in 
Transkaukasien auf: die Kreise Dzhevatskij, Lenkoranskij und Shemachinskij 
des Gouvernements Elisavethpol und Süd-Muganj. Er vergleicht seine neue 
Unterart mit Mäusen aus Tiflis und Kohnlety, diese irrtümlicherweise als 
typisch ansehend; gerade an diesen Stellen lebt aber M. m. azoricus. 

3. Die west-transkaukasische M. m. aff. azoricus, eine Form, dieder 
schwedischen musculus sehr nahe steht, ist also durch eine Reihe, 
von Übergängen mit M. tataricus SAT. verbunden, während diese ihrerseits 
ganz unmerklich in die nordkaukasische M. hortulanus NORDM. übergeht 
Ich sehe daher keine Möglichkeit, die typische Rasse von M. museculus L. 
(Typus aus Upsala, Schweden) als selbständige, von hortulanus, spicilegus, 
wagneri und anderen Formen unterscheidbare Art aufzufassen. Meiner Ansicht 
nach gehören alleFormen der Hausmanus (soweit sie nach dem Bau 
des Schädels und der Zähne zur oben angeführten Diagnose passen), die 
innerhalb der Grenzen von Europa, Nord-, Mittel- und Zentral- 
asien vorkommen, zu einer einzigen conspecies, die nach 
den Prioritätsregeln (Mus) musculus LINNAEUS, 1758, genannt 
werden muß. 


Bei den vorhergehenden Auseinandersetzungen über die systematische 
Stellung von M. m. spicilegus machte ich mehrfach Einschränkungen bei der 
Beschreibung von Übergängen zwischen M. m. hortulanus und dunkelbäuchigen 
nördlichen Formen!!). Es handelt sich darum, daß trotz der großen Nähe 
derselben, die sogar eine Kreuzung zuläßt, beim Aneinanderstoßen zweier 
benachbarter Areale weißbäuchiger und dunkelbäuchiger Formen kein voll- 
ständiger gleichmäßiger Übergang zu beobachten ist, sondern gewöhnlich 
einzelne Breitenzonen des Dominierens einer Form über die andere, und 
endlich vollständigen Ersatz einer Rasse durch die andere, aber mit einem 
geringen Prozentsatz der ersteren. 

Eine Erk'ärung dieser Tatsache ist gegenwärtig, wo wir wenig 
experimentell geprüfte Kenntnis der Kreuzung verschiedener Rassen der 
Hausmaus haben, sehr schwer. Indem ich meinerseits die dringende Not- 
wendigkeit einer Lösung dieser Frage auf „genetischem“* Wege anerkenne, 
möchte ich die Aufmerksamkeit auf folgendes lenken. Allbekannt ist die 
leichte Verschleppbarkeit der Hausmaus durch jegliche Transportmittel; 
— ob nicht gerade darin der Grund und die Lösung des uns interessierenden 
Problems zu suchen ist? Wird nicht dadurch bis zu einem gewissen Grad 
die scheinbare Ungleichmäßigkeit der Übergänge zwischen weiß- und dunkel- 
bäuchigen Formen erklärt, daß an den Grenzen der Verbreitungsareale ein- 


312 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd, 5, 1930. 


zelner Rassen sozusagen eine künstliche Vermischung der Formen stattfindet, 
welche das zu beobachtende bunte Bild schafft? 

Ich behalte es mir vor, diese Erklärung einstweilen nur als Hypothese 
hinzustellen, aber es ist mein Wunsch, die Aufmerksamkeit der Zoologen 
gerade auf die Untersuchung dieses Faktors (d. h. auf den Einfluß des 
Menschen auf die Verbreitung der Hausmaus in Kulturländern) bei der 
Lösung der Frage zu lenken. Die Beschreibung neuer Formen ohne ge- 
nügende morphologisch-genetische Beurteilung und ohne Untersuchung ihrer 
Beziehungen zu den Nachbarformen wird eine noch größere Konfusion nach 
sich ziehen, als die, die ohnehin schon durch die Existenz von 50 Synonymen 
von M. musculus (sowohl der Art, wie auch ihrer Unterarten) gegeben ist. 
Leider dauert das Anwachsen dieser fast als Rekord anzusehenden Zahl 
weiter an. Vor 2 Jahren hatten wir z. B. den fast anekdotischen Fall der 
Beschreibung eines wildlebenden Exemplars von M. m. hortulanus NORDM. 
(welches daher reinere Unterartsmerkmale hat) als selbständige Art! (Mus 
sergiü sp. n. B. S. VALJCH, Arb. Charkover Naturf. Gesellsch. L., Lief. 2, 
1927). Dabei diente als Vergleichskriterium bei der Beschreibung die gleiche 
M. hortulanus, nur aus der Nähe menschlicher Behausungen (die also gründ- 
lich durch von Norden eingeschleppte dunkelbäuchige Formen verdorben ist). 

Interessant ist die Herkunft der Hausmaus, die zuerst von LINNE be- 
schrieben worden ist; sie ist überall eng an den Menschen gebunden, kommt 
aber trotzdem in wildem Zustand im gemäßigten und nördlichen Teil von 
Europa fast gar nicht vor (klimatische Bedingungen!). Wahrscheinlich wurzelt 
die Gewohnheit an eine solche Symbiose in ihr sehr tief und es ist möglich, 
daß sie, ebenso wie die Vertreter der Gattung Rattus, sich in Europa erst 
in historischer Zeit verbreitet hat und daß ihre Heimat ebenfalls im tropi- 
schen Asien zu suchen ist. 


Anmerkungen. 

I) Catalogue of the Mammals of Western Europe, 1912. 

0) EDWIN REINWALDT. Beiträge zur Muriden-Fauna Estlands mit Be- 
rücksichtigung der Nachbargebiete. Tartu (Dorpat) 1927. 

3) A History of british Mammals, part XVI—XXI, 1914—21. 

#4) Mir standen ungefähr 1500 Exemplare (Felle mit Schädeln sowie Spiritus- 
exemplare) aus diesen Ländern zur Verfügung, hauptsächlich aus der Sammlung 
des Zool. Mus. in Leningrad. 

5) Die Zahlen entsprechen den Zahlen in den Diagnosen von spicilegus und 
musculus. 

°) Im Nachfolgenden nenne ich die Grenze zwischen der Färbung des Bauches 
und der Seiten der Kürze halber „Demarkationslinie“. 

°”) Es sei bemerkt, daß überhaupt in der Gattung Mus (im hier angenommenen 
Umfang, wenn 2 Untergattungen, Mus s. str. und Leggada GRAY, anerkannt 


J. ARGYROPULO, Beiträge zur Kenntnis der Murinae BAIRD. 313 


werden, während Apodemus und Micromys als selbständige Gattungen gelten). 
Neigung zur starken Verkleinerung von M® (wie auch M,) beobachtet wird. So 
ist bei manchen afrikanischen Formen der Untergattung Mus (bella) M? 6—7 mal 
kleiner als M?’, und an seiner Oberfläche kann nur eine Schlinge erkannt werden. 
In der Sammlung des Zool. Mus. d. Ak. d. Wiss. existiert ein Schädel von M. mus- 
culus aus Transkaukasien, bei dem M°® links ganz fehlt und nicht einmal Spuren 
seiner Alveole bemerkbar sind. 

8) Als Unterart von spicilegus beschrieben. 

9) Im Bau des Skeletts und der Genitalien sind trotz gründlicher Unter- 
suchungen keine prinzipiellen Unterschiede zwischen südlichen und nördlichen 
Unterarten von M. musculus (also spieilegus, wagneri, musculus) gefunden worden. 
Das massive Skelett von M. musculus und die etwas größere Glans penis sind keine 
absoluten Merkmale und ebenso wie die plastischen Körpermerkmale durch Über- 
gänge mit M. spicilegus verbunden. 

10) Ihre Merkmale untersuchend, finde ich keine Unterschiede von der 1845 
von SCHINZ beschriebenen M. azoricus (von den Azoren), welche nach MILLER 
die ganze Mediterrane Region bewohnt und 1926 von OTTO WETTSTEIN für 
Konstantinopel angegeben worden ist. Möglicherweise wird der Vergleich von 
Fellserien von typischen Lokalitäten noch gestatten, eine kaukasische Unterart 
oder andere taxonomische Einheit von M. musculus zu fixieren, auf Grund der 
Literaturangaben allein und der kurzen Beschreibungen kann darüber nicht 
geurteilt werden. 

11) Es muß bemerkt werden, daß fast ganz Europa, Nord- und Zentralasien 
(Indien lasse ich absichtlich beiseite) eine Hausmaus mit vorherrschenden Merk- 
malen von spicilegus (nach G. MILLER) bewohnt, d.h. mit einem Schwanz, der 
kürzer ist als der Körper (bei 90°/, der Gesamtmasse der Mäuse), mit einem 
kleinen Fuß und in der Mehrzahl der Fälle hellem, weder aschgrauem noch ebenso 
wie die Seiten gefärbtem Bauch. Dabei lebt im Norden diese Hausmaus fast aus- 
schließlich in menschlichen Wohnorten, je mehr nach S aber, desto häufiger treffen 
wir sie im Freien an, und es muß beachtet werden, daß mit der Klimaveränderung 
und dem Übergang zum Freileben eine allgemeine Verringerung ihrer Körper- 
maße und Aufhellung des Bauches in ziemlich engem Zusammenhang steht. 


Erklärung der Tafel XXXIY. 
Schädelverschiedener Unterartenvon Mus musculusL. 
Abb. 1. — M. m. wagneri EVERSM. (ehem. Gouv. Tsaritsyn). 
„ 2.3. — M.m. spicilegus PET. (Ungarn). 


„ 4 — M.m. spieilegus PET. (Umg. v. Wien). 

„ 5.6. — M.m. hortulanus NORDM. (Krim). 

„ 7. — M.m. hortulanus NORDM. Übergang zu M. m. funureus (Gouv. Tula). 
» 8. — M. m. funureus OGN. (Kreis Zlatonst des ehem. Gouvern. Ufä). 

» 9. — M. m. funureus OGN. (Kreis Zlatonst des ehem. Gouv. Ufa). 


„ 10. — M. m. coerulescens FR. (Deutschland). 
(Schädel 1—83, 5—8 von erwachsenen, jedoch nicht alten Tieren, Schädel 
4, 9, 10 von sehr alten Tieren). 
Photographien des Verfassers nach Objekten des Zoologischen Museums der 
Akademie der Wissenschaften von USSR. 


314 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


7.) Das milchführende Hohlraumsystems des 


Ziegeneuters, 
Von WLADISLAW HERMAN (Lemberg). 


Mit 13 Abbildungen im Text und auf den Tafeln XXXV—XXXVIL 


Seit vielen Jahrtausenden züchten die Menschen Haustiere, von denen 
die meisten zu den Säugetieren gehören, aber nur wenige dieser Tiere eignen 
sich als Milchspezder für den menschlichen Haushalt. Es sind Rind, Ziege 
nnd Schaf, auch Büffel, Yak, Renntier, Kamel und Pferd als Milchgeber an- 
zusehen. In unseren Gegenden stehen an erster Stelle Kuh und Ziege, 
obschon diese dem Rinde bei weitem nicht gleich gestellt werden kann. 
Seltener wird bei uns auch das Schaf als Milchgeber benutzt. 

Wenn auch die Ziege betreiis Milchgewinnung nie die gleiche Bedeutung 
haben wird wie das Rind, so bietet sie doch diesem gegenüber manche Vor- 
teile: Sie ist vor allem zur Milchgewinnung bei armen Stadtbewohnern und 
Landleuten für den eigenen Gebrauch ausersehen. Ferner ist sie vorzuziehen, 
wenn man einwandfreie Milch für Kranke gewinnen will, besonders in einer 
Gegend, wo keine Milchkontrolle durchführbar ist. Sie soll nämlich, unter 
gleichen Bedingungen, widerstandsfähiger gegen ansteckende Krankheiten, 
besonders gegen die Tuberkulose sein. Die kleinen Ansprüche der Ziege 
ihrem Züchter gegenüber sind ja wohl bekannt. Wenn wir dazu noch die 
große Milchergiebigkeit der Ziege rechnen, so leuchtet es wohl ein, daß dieses 
Tier sich ökonomisch sehr gut bewährt und großen Nutzen bringen kann. 

Bei den wissenschaftlichen Studien wendete sich das größte Interesse | 
der Kuh zu, einerseits als der Hauptgeberin der Milch, andererseits als be- 
deutsames Fleischtier. Die kleinere und unbedeutende Ziege wurde weriger 
beachtet, so daß man in der Literatur nur verhältnismäßig wenige ausführ- 
lichere Angaben über ihren Bau, besonders aber über ihr Euter finden kann. 
Die Studien sind aber derzeit nicht nur von rein theoretischem, sondern auch 
von praktischem Interesse, denn in den Kriegs- und Nachkriegszeiten ist 
die Ziegenzucht bedeutend gestiegen, was mit den wirtschaftlichen Fragen 
der Volksernährung im Zusammenhang steht. Von wissenschaftlichem Interesse 
sind sie deshalb, weil theoretische Fragen von allgemeiner Bedeutung leichter 
an dem kleineren und einfacher gebauten Euter der Ziege studiert werden können. 

Für meine Studien, die ich über den grobanatomischen Bau des milch- 
führenden Hohlraumsystems des Ziegeneuters betrieb, benutzte ich als Material 
Euter, die mir das pathologische Institut der Wiener tierärztlichen Hoch- 
schule freundlichst zur Verfügung stellte. Außerdem gewann ich auch etliche 


W. HERMAN, Das milchführende Hohlraumsystem des Ziegeneuters. 315 


Euter im Schlachthaus, die aber gewöhnlich durch unzweckmäßige Behand- 
lung schon beschädigt waren und sich weniger für meine Zwecke eigneten. 

Jedes Euter wurde zum Zweck der Konservierung im frischen Zustande 
mit 5°/, Karbolsäurelösung durch die Blutgefäße injiziert. Zur Reinigung 
und Konservierung der Milchgänge spülte ich sie drei- bis viermal sorg- 
fältig mit Wasser durch, massierte jedesmal den Inhalt möglichst vollständig 
aus und dann erst beschickte ich sie mit Karbolsäurelösung. Auf diese Art 
ist es mir gelungsn, auch die kleinsten Milchgänge gänzlich vom Sekret zu 
befreien und zu konservieren. So vorbereitete Euter bewahrte ich zum wei- 
teren Studium in 3°/, Karbolsäurelösung auf. 

Das Ziegeneuter befindet sich am kaudalen Teil des Bauches, in der 
Gegend zwischen den Innenflächen der beiden Schenkel Seiner Form nach 
lassen sich drei Eutertypen unterscheiden: 1. die halbkugelige, 2. die ko- 
nische, 3. die abgeflachte (Abb. 1). 


Abb. 1. Die verschie- 
denen Formen des Zie- 


geneuters von der Seite 
gesehen und von vorn. 


a) und d) halbkugeliges 
Euter. 
b) und e) Konisches 
Euter. 
c) und f) Abgeflachte 
Euterform. 


Die erste findet man am häufigsten bei ganz jungen Individuen, die 
noch nicht oder bei der ersten Laktation gemolken werden; die zweite ist 
für alte Ziegen charakteristisch, bei denen die größeren Milchgänge und die 
Zisterne stark ausgedelint sind. Ähnliche Formen wurde auch bei der Kuh 
unter dem Namen des „Ziegeneuters“ beschrieben. Die dritte abgeflachte 
Form des Euters kommt bei verschieden alten Tieren gleich oft vor. 

Die Milchdrüse ist ein Hautgebilde. Sie liegt außerhalb der Bauchwand 
und beim Ablösen bleibt sie an der Haut. Ihre Lage ist derart schräg, daß 
sie von caudal-dorsal nach cranio-ventral gerichtet ist. Dies ist sehr wichtig 
für die allgemeine Kanalisierung der Drüse, weil so der Abiuß der Milch 
dadurch bedeutend erleichtert wird. Die Seitenwände des Euters sind von 


316 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


zwei Bogenlinien begrenzt, die nach vorn zu allmählich divergieren. Das 
vordere und das hintere Ende der Drüse zeigen je zwei Ausbuchtungen, die 
eine Einziehung begrenzen. Die Milchdrüse der Ziege ist aus zwei, gewöhn- 
lich gleich großen Seitenteilen zusammengesetzt, die zwar durch die Blut- 
gefäße kommunizieren, sonst aber durch eine mediane, in sagittaler Richtung 
verlaufende, derbe bindegewebige Scheidewand voneinander getrennt sind. 
Die Zitze befindet sich nicht am ventralsten Punkt des Euters, sondern etwas 
cranial davon und ist latero-ventral gerichtet. Ihre Achse liegt in der Ver- 
längerung der Linie, die man sich von der Mitte des hinteren Randes des 
Euters bis zur Ansatzstelle der Zitze denken kann. Die Bauchfläche des 
Euters ist konkav und weist in der Mitte eine seichte, in ihrem Verlauf 
der Grenze der beiden Seitenteile entsprechende Furche auf. Die Ränder, 
besonders aber der vordere sind schwach gewölbt. Die Außenfläche ist stark 
konvex. In der Mitte weist sie eine Einziehung auf, die nach vorn zu immer 
tiefer wird und zwei gut ausgeprägte Kuppen, die Ansatzstellen der Zitzen, 
voneinander trennt. 

Die Haut des Euters ist dünn und zart. Ihrer Farbe nach paßt sie 
sich der allgemeinen Hautdecke des Organismus an. Bei weißen Ziegen ist 
sie rosa-rot, bei dunklen dunkel gefärbt, manchmal ist das Euter gefleckt. 
Ihre Haare sind ungleichmäßig verteilt und entwickelt. Die längste und 
stärkste Behaarung kann man an der Übergangszone von der Euterhaut in 
die Bauchhaut und in der Mittelfurche zwischen den beiden Kuppen be- 
obachten. Dann werden die Haare immer spärlicher und kürzer, bis zur 
Zitzenbasis. Auf der Zitze, die bis zu ihrem Ende, außer einem klöinen Kreis 
um die Mündung des Strichkanals, eine mäßige Behaarung aufweist, kann 
man beobachten, daß die Haare immer länger werden und ihre größte Länge 
auf dem Scheitel der Zitze erlangen, obwohl sie zugleich an Zahl allmählich 
abnehmen. Auf der rückwärtigen Seite des Euters sind oft zwei in dorso- 
ventraler Richtung verlaufende Hautfalten vorhanden, die besonders gut bei 
alten Ziegen, mit herabhängender Drüse zum Vorschein kommen. Die Haut 
ruht an der ganzen Oberfläche der Drüse auf reichlich entwickeltem Binde- 
gewebe und ist deswegen leicht verschiebbar und abziehbar; auf den Zitzen 
dagegen verwächst sie mit der darauf folgenden Muskelschicht so innig, daß 
die bindegewebige Unterhaut vollkommen verschwindet. Die Zitzenwand ist 
runzelig und weist mehrere, nicht regulär verlaufende Längs- und Quer- 
furchen auf. Dies erlaubt bei stärkerer Füllung der Zitze ihre Ausdehnung, 
die in manchen Fällen ungemein groß sein und zu einer 5—6fachen Ver- 
größerung ihrer Querachse führen kann. Nur im distalen Ende der Zitze 
kommt es nie zu einer solch starken Ausdehnung; die Zitze nimmt daher 


W. HERMAN, Das milchführende Hohlraumsystem des Ziegeneuters. 317 


bei starker Füllung eine nach dem unteren Ende zu stärker ausgezogene 
Spindelform an. Von der Oberfläche beobachtet, weist ein gefülltes Euter 
zwei quer verlaufende Furchen auf: eine an der Ansatzstelle der Zitze, die 
der Grenze zwischen den beiden Zisterneteilen entspricht, die zweite etwas 
höher verlaufend, dicht an der Basis der Kuppe, oder ein wenig kaudal 
davon, die die obere Grenze der Zisterne im Drüsenparenchym andeutet, 
(Abb. 2). Während die untere Furche gewöhnlich stark ausgeprägt und 
deutlich sichtbar ist, ist die obere seicht und öfters kaum bemerkbar. In 
seltenen Fällen kommt noch eine dritte Querfurche auf der Zitze vor, die 
ihren proximalen Teil vom distalen abgrenzt. 

Die Grundlage für die äußere Form der Drüse wird im allgemeinen 
durch das Parenchym gegeben, nur im kaudalen Ende sitzen dem Milch- 
drüsengewebe etwas lateral zwei große Lymphknoten auf, die in besonderen 
Vertiefungen der Drüsensubstanz verborgen sind. Die Drüsenlappen liegen 
aneinander, kaudalwärts geneigt, den Milchgängen so an, wie etwa die Blätter 
eines Baumes vermittels kurzer Stiele auf den Ästen sich befestigen. Sie 
treten bis zur Zisterne, ja sogar bis zum basilaren Teil der Zitze hinüber, 
wo sie noch verstreut vorkommen können, obwohl sie dort schon schwach 
entwickelt sind und oft Merkmale einer hochgradigen Druckatrophie auf- 
weisen. Alle Drüsenlappen sind von Bindegewebe, in dem die ausführenden 
Milchkanäle verlaufen, umhüllt und verbunden. Die Milchgänge durchsetzen 
das Drüsenparenchym in allen Richtungen und bilden, besonders in ihren 
feineren Ästen ein so reich verzweigtes und verästeltes Netzwerk, daß bei 
den Injektionspräparaten, wenn recht dünne Massen verwendet wurden, eine 
Verfärbung des Parenchyms vorgetäuscht werden kann. Auf solche Weise 
kann man auch sehr gut die Grenzen des Drüsengewebes einer Drüsenhälfte 
gegen das der anderen feststellen. 

In meiner Arbeit studierte ich Verlauf, Form und Größe, sowie Lage 
und Volumenverhältnisse der milchführenden Hohlräume des Euters, die 
beiden letzten Faktoren auch in Beziehung zum Drüsenparenchym. 

Zu diesem Zwecke füllte ich das Milchgangsystem mit verschiedenen 
Maßen und zerlegte dann die Drüsen in 5 oder 7,5 mm dicke Platten, 
wobei ich die Schnitte in verschiedener Richtung und zwar: sagittal, 
horizontal und transversal zur langen Körperachse führte. Auf solche Weise 
konnte ich die Lage der Milchgänge im Drüsenparenchym, ihre Dicke 
und ihren Verlauf feststellen. Um mich über die Raumverhältnisse besser zu 
orientieren benutzte ich Ausgüsse mit Gips, Plattenmodelle aus Paraffin 
und Metallcorrosionspräparate, zu deren Herstellung ich die von KARL SKODA 
angegebene, von GUSTAV GÜNTLER stammende Modifikation des Wood- 


318 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


schen Metalls verwendete. Große Dienste, besonders bei der Beobachtung der 
kleinsten Milchgänge, leisteten mir auch photographische und röntgenogra- 
phische Aufnahmen. 

Was den Verlauf der Milchgänge anbelangt, so kann man folgende 
Teile unterscheiden: 1. In den Drüsenläppchen liegende sezernierende Al- 
veolen, die mittels eines Schaltstückes (Halses) in die 2. Endtubuli des 
Läppchens münden. Diese Teile sind in den Injektionspräparaten gewöhnlich 
nicht sichtbar. Nur bei Verwendung sehr dünner Massen kann man die 
Füllung dieser kleinsten Gebilde wenigstens teilweise erzielen. Bei Betrach- 
tung mit Lupe oder Mikroskop sieht man, wie der Endtubulus sich an seinem 
Ende dicho- oder trichotomisch auflöst und in die Alveolen übergeht. Auch 
auf den Seitenwänden des Kanälchens befinden sich einzelne sezernierende 
Alveolen. Mehrere Kanälchensysteme, von entsprechendem Drüsenparenchym 
umgeben, vereinigen sich zu von Bindegewebe umgrenzten Lappen. In der 
Mitte dieser befindet sich je ein (3) Zentralsammelraum, der mittels eines 
kurzen Ausführungsganges in den (4) interlobulären Milchkanal mündet, der 
in der die Lappen trennenden Bindegewebeschicht verläuft. Die interlobu- 
lären Milchkanäle vereinigen sich so zu immer (5) größeren Gängen, daß 
diese sich endlich in der Zahl von nur 7—9 in (6) die Zisterne ergießen, 
Die Zisterne liegt teils vom Drüsenparenchym umgeben im Euter an der 
Basis der Zitze, teils befindet sie sich in der Zitze selbst. An der Grenze 
der beiden Zisternenteile kann man oft einen verschieden stark ausgebildeten 
Wulst finden, der bei der größeren Ausdehnung der Zisterne besonders gut 
zum Vorschein kommt (Abb. 3, Tafel XXXV). Der Zitzenteil der Zisterne 
mündet mittels des verhältnismäßig engen Strichkanals nach außen. Im all- 
gemeinen ist der Verlauf der einzelnen Teile der Milchwege so, daß die 
Milch auch bloß unter der Wirkung der Schwerkraft, immer in der Richtung der 
Zisterne zu und nach außen sich bewegen kann. Dementsprechend haben alle 
Gänge einen möglichst geraden Verlauf und sind daher im rückwärtigen Teil 
der Drüse cranio-ventral, im vorderen Teil caudo-ventral gerichtet. Die vor- 
deren Gänge sind verhältnismäßig spärlich entwickelt, so daß die durch diese 
kommende Milch den allgemeinen Strom nicht beeinträchtigen kann, um so 
weniger als sie an der oberen, gewölbten Seite der Zisterne münden. 

Den Gesetzen der Bewegung der Flüssigkeiten entsprechend, verlaufen 
die größten Kanäle in der tiefsten Lage, d. h. ganz oberflächlich, was noch 
den Vorteil mit sich bringt, daß die Milchabführung durch Druck von Seiten 
des Drüsenparenchyms und der Blutgefäße nicht beeinträchtigt werden kann. 
Die Seitenzweige der größten Milchkanäle verlaufen größtenteils schräg von 
oben nach unten und münden an der dorsalen Fläche in die Hauptgänge ein. 


W. HERMAN, Das milchführende Hohlraumsystem des Ziegeneuters. 319 


Weil die für die Milchleitung am besten geeignete Stelle verhältnis- 
mäßig schmal ist, so müssen die größten Kanäle in zwei Schichten über- 
einander gelagert werden, um während der Laktation die ganze, bereits 
entstandene Milchmenge abzuführen. Dabei wechseln sie in der Lage so ab, 
daß ein in der oberen Schicht gelegener Kanal die Lücke zwischen zwei 
in der unteren Schichte verlaufenden Kanälen überdeckt (Abk. 5, Tafel XXXV). 
Die einzige Ausnahme im Verlauf der Gänge bilden die kleinsten intralobulären 
Hohlräume an der Stelle, wo die Endtubuli von allen Seiten gleichmäßig in 


1234 
Abb. 2. Schema der Verteilung der beiden Gängeschichten im Drüsenparenchym. 
1. Die Milchgänge der tiefen Schicht. 2. Die Milchgänge der ober- 
flächlichen Schicht. 3. Der Drüsenteil der Zisterne. 4. Der Zitzen- 
teil der Zisterne. 5. Das Parenchym. 


den Zentralsammelraum führen, was der Form der Lappen entspricht, die 
sich den Raumverhältnissen zwischen vielen anderen Lappen und Ausführungs- 
gängen anpassen müssen. Deswegen könuen die Lappen blattförmig, kegelig, 
rundlich oder auch von unregelmäßiger Form sein. Dies beeinträchtigt die 
Milchabführung nicht im geringsten, weil der Sekretionsdruck genügt, die 
Flüssigkeit, die sich im Endtubulus sammelt, nach außen zu bewegen). Die 
Endtubuli unterscheiden sich von den übrigen Gängen auch dadurch, daß 
sie oft unter stumpfem Winkel in den intralobulären Hohlraum einmünden, 
während alle anderen Gänge unter einem spitzen Winkel miteinander ver- 
schmelzen. Der Winkel, den die Achsen der Abzweigungen bei der Mündung 
in die Hauptstämme bilden, verursacht die Entstehung von Falten, die eine Art 
von Klappen bilden, die das Lumen der kleineren Kanäle absperren können 
und so den Rückgang der Milch verhindern; doch scheint ihre Wirkung nicht 


!) Auch kann hier die Wirkung der sog. Korbzellen der Alveoli und der in den 
Wänden der Tubuli verlaufenden elastischen Faser nicht unberücksichtigt bleiben. 


320 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


sehr groß zu sein, so daß man sie, beim Nachfüllen der Kanäle mit In- 
jektionsmassen nicht zu berücksichtigen braucht. Die kleine Wirkung der 
in den Milchgängen vorkommenden klappenartigen Falten ist dadurch zu 
erklären, daß sie verhältnismäßig kurz sind und schon bei etwas größerer 
Ausdehnung der Gänge das Lumen offen lassen. Der Ursprung dieser Er- 
scheinung beruht auf der Tatsache, daß die Gänge meistens knapp vor der 
Mündungsstelle stärker convergieren und einen größeren Winkel bilden, als 
ihrer übrigen Längsachse entsprechen würde. 

Die Form der Milchgänge ist keine regelmäßige; sie bilden in ihrem 
Verlauf öfters Ausbuchtungen, um dann zur vorherigen Breite zurückzu- 
kehren. Am häufigsten trifit man keulenartige Auftreibungen der Kanäle, 
die mittels dünnen Halses in den nächst größeren münden, während sie am 
breiten Ende sich dicho- oder trichotomisch verzweigen. Manchmal kommt 
es auch vor, daß die Hohlräume sich fingerartig in mehrere Äste auflösen. 
Besondere Verschiedenheiten weist die Form der kleinen Zweige auf, die 
unmittelbar aus den Lappenhohlräumen die Milch empfangen. Unter ihren 
zahlreichen Formen lassen sich drei Haupttypen unterscheiden, die je nach 
der Gegend der Drüse überwiegen. An der Vorderseite, in der Umgebung 
der Zitze, sind sie kugelig oder rundlich, sehr kurz und kaum verzweigt. 
Die Gänge der Außenseite sind verhältnismäßig stark und weisen nicht viele, 
aber gut entwickelte Seitenäste auf (Abb. 6, Tafel XXXV). In ihrem Verlauf 
weichen sie nicht viel von der Lotlinie ab. Das Gegenteil stellen die der 
Mittelwand zu gerichteten Kanäle dar. Sie sind, obwohl reich an Zahl, schwach 
entwickelt und dünn, ihre Seitenabzweigungen sind schlank und kurz. In ihrem 
Verlauf nähern sie sich mehr der Horizontalebene (Abb. 7, Tafel XXXVI). 

Im leeren Zustande fallen die Wände sämtlicher Milchgänge zusammen, 
so daß sie dann nur als schmale, zur Oberfläche der Drüse parallel ver- 
laufende, kaum sichtbare Spalten erscheinen. Nach der Füllung, sei es durch 
die Milch, sei es durch Injektionsmasse, nehmen sie einen runden oder zur 
Drüsenoberfläche parallelen ovalen Querschnitt an. Dabei treten auch alle 
Besonderheiten ihrer Form zu Tage. Die Wandungen der Milchgänge sind 
sehr dehnbar, so daß es bei der Injektion leicht vorkommen kann, daß man 
sie übermäßig anfüll. Es muß aber immer in Betracht gezogen werden, 
daß auch wechselnde Milchmengen die Kanäle verschieden stark ausbuchten 
können, daß also ihre Weite in physiologischen Grenzen starken Schwan- 
kungen unterliegt. Deswegen habe ich bei meinen Messungen diejenigen 
Werte als Grundlage genommen, welche ich bei Metallcorrosionspräparaten 
erzielte, da in diesem Falle nur von der Entfaltung der Gänge durch das 
frei einfließende Metall, aber von keiner besonderen Dehnung die Rede sein 


W.HERMAN, Das milchführende Hohlraumsystem des Ziegeneuters, 321 


kann. Nach diesen Präparaten berechnete ich, daß die Breite der interlobu- 
lären Sammelgänge ungefähr 0,3—1,2 mm beträgt. Die abführenden Kanäle 
erster Ordnung sind im Durchschnitt 2—4 mm breit; sie vereinigen sich 
dann zu Kanälen von 6—8 mm Durchschnittsweite, welche endlich in die 
größten Gänge übergehen. Diese sind an manchen Stellen mehr als 15 bis 
25 mm breit, obwohl sie sich auch, besonders oft bei der Zisterne, auf den 
Durchmesser von 8 bis i0 mm oder noch stärker verengen. Alle geschilderten 
Breitenstufen kommen nicht in jedem Kanal regelmäßig vor. In dem Vorder- 
teil der Drüse sitzen gewöhnlich die stark entwickelten, kugeligen Sammel- 
gänge der Zisterne unmittelbar auf, ohne Einschaltung irgendwelcher Ver- 
bindungsäste. Die von oben kommende Milch durchläuft nur kleine Sammel- 
röhrchen und ergießt sich in die Zisterne ohne Vermittlung der großen 
Ausführungswege. Nur in den Gängen, die das Sekret von den hinteren Teilen 
der Drüse ableiten, kommen alle vier Größen der Gänge zur Entwicklung, 
obwohl auch hier manchmal Ausnahmen vorhanden sind. Es gelang mir in 
manchen Fällen das Volumen des gesamten milchführenden Hohlraumsystems 
des Ziegeneuters festzustellen. Seine Größe berechnete ich nach der Menge 
der injizierten Masse, oder nach der Zunahme des Volumens des ganzen 
Euters nach der Injektion, gemessen in einem mit Wasser gefüllten Glas- 
zylinder. Die auf solche Weise erzielten Maße sind zwar nicht ganz genau, 
jedoch können sie sehr gute Dienste leisten zur allgemeinen Orientierung 
über diese Verhältnisse. Es ergab sich, daß das leere Euter ein Volumen 
von 780 cm? bis 1975 cm? aufweist, während seine Zisterne und Milchgänge 
im ungedehnten Zustande nach der Füllung mit Metall ungefähr 360 em? 
Füssigkeit fassen könnten. Diese Menge kann aber bei stärkerem Injektions- 
druck bedeutend erhöht werden. 

Die wechselnde Weite der Gänge, ihre Lagen- und Größenbeziehungen 
zum Drüsenparenchym, kann man sehr gut an Querschnitten eines unter 
schwachem Druck injizierten Euters studieren. An solchen Schnitten sieht 
man, daß in den vorderen Drüsenteilen die Milchgänge an der Oberfläche 
des Querschnittes weitaus überwiegen und daß die Hohlräume, besonders in 
der Gegend der Zitzenbasis mehr als 75°/, der gesamten Querschnittober- 
fläche bilden; weiter sieht man, daß die Gänge nach rückwärts (Abk. 8, 
Tafel XXXVI) immer an Größe abnehmen und endlich am Kaudalende des 
Euters nur noch kleine, spärlich verteilte Inseln bilden, die bloß 20°/, oder noch 
weniger der gesamten Fläche ausmachen. An solchen Querschnitten kann auch 
die Verteilung der Gänge im Drüsenparenchym gut beobachtet werden. Da zeigt 
sich auch, daß alle kaudallaufenden größeren Gänge ganz oberflächlich liegen, 


während die tiefer liegenden immer an Größe abnehmen, bis in den dorsalen 
21 


322 Zeitschrit für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Schichten der Drüse nur noch ganz dünne Sammelkanälchen vorkommen, 
wie sie auch in den kaudalen Drüsenteilen zu finden sind. 

Wenn man einen Milchgang von seinem Anfang in den kaudalen Drüsen- 
läppchen bis zum Ende in der Zisterne beobachtet, kann man sich seinen 
Verlauf schematisch als einen schräggestellten, flachen Bogen vorstellen, der 
nach vorne zu immer flacher wird (Abb. 9, Tafel XXXVI), im hinteren Teile 
dagegen sich stärker krümmt und in mehrere Äste auflöst. Dabei gibt er 
kurze Abzweigungen in ventraler und längere, stärker entwickelte in dorsaler 
Richtung, die zwar das klare Bilä der Grundform störend beeinträchtigen, 
ohne es jedoch gänzlich zu verwischen. 

Die Milch, die im Drüsenparenchym gebildet und durch die verschiedenen 
Wege abgeführt wird, sammelt sich während der Melkpausen in der Zisterne. 
Die Zisterne zerfällt, wie bereits gesagt wurde, in zwei Abteilungen, in die 
obere oder Drüsenzisterne und die untere oder Zitzenzisterne (Abb. 10, 
Tafel XXXV]). Der obere Teil der Zisterne liegt bei der Ziege ganz ober- 
flächlich, cranio-ventral am Euter und umfaßt hauptsächlich den ventralen 
Teil der Zitzenbasis. Die Form und Größe der Zisterne ist bei verschiedenen 
Individuen sehr verschieden. Die Größe schwankt zwischen der einer Haselnuß 
und der einer Kindesfaust. Der Form nach kann die Zisterne einheitlich und 
rundlich oder von mehreren Falten und Balken durchquert und mit Ausbuch- 
tungen versehen sein (Abb. 11, Tafel XXXVII). Oft bildet die Zisterne tiefe 
taschenartige, manchmal sich verdoppelnde Buchten, die die eigentlichen Milch- 
gänge vortäuschen können. In mehreren Fällen geht die Zisterne an ihrem 
kaudalen Ende in drei trichterartige oder kuppenförmige Verlängerungen über, 
die dann als eigentliche Mündungsstellen der Milchkanäle angesehen werden 
müssen. In diesem Fall bilden sich gewöhnlich 9 Hauptausführungsgänge aus. 
Außer den großen münden in die Zisterne auch mehrere kleinere Milchgänge 
ein. Die Verteilung der Mündungstellen ist der Verschiedenheit der Formen der 
Zisterne entsprechend auch sehr verschieden. Regelmäßig findet man aber, 
daß die größten Gänge nur von der Rückseite in die Zisterne eintreten. Die 
mittelgroßen Gänge kommen in zwei Gruppen geteilt schräg von oben und 
von vorn; die ganz kleinen dagegen finden ihre Mündungsstellen an der 
ganzen Oberfläche der; Zisterne, obwohl ihre Zahl vorn bei weitem über- 
wiegt (Abb. 12, Tafel XXXVI). 

Die Drüsenzisterne geht cranio-ventral in die Zitzenzisterne über. Der 
Übergang kann ein allmählicher sein oder es bildet sich an der Übergangs- 
zone beider eine Falte, die ihre Grenze stark markiert. Was die Ursache 
der Entstehung dieser Falte anbelangt, glaubt ZIETSCHMANN sie, besonders 
beim Rind, darauf zurückführen zu müssen, daß hier direkt unter der Ober- 


W. HERMAN, Das milchführende Hohlraumsystem des Ziegeneuters. 323 


fläche eine Kranzvene verläuft. Die Form des Zitzenlumens ist gewöhnlich 
einheitlich und ohne jedwede sich besonders abhebende Ausbuchtung; sie kann 
aber großen Veränderungen unterliegen. Im allgemeinen können wir walzen- 
förmige und konische Zitzen unterscheiden (Abb. 13, Tafel XXXVIII). Oft 
kommen Zitzen vor, deren Form am besten als ellipsoidal zu bezeichnen ist. Der 
Durchmesser der Zitze ist gewöhnlich etwas geringer als der Zisterne; manch- 
mal können sie gleich sein. Im ungedehnten Zustande ist das Zitzenlumen 
ungefähr 30—50 mm lang und 8 mm breit. Seine innere Oberfläche ist mit 
längs verlaufenden Furchen und Falten besetzt, die gewöhnlich (wenn auch 
nicht immer) eine Drehung von links und rechts zeigen und im weiteren 
Verlauf auf die innere Fläche der Zisterne und der größten Gänge über- 
gehen. Die Zahl dieser Falten ist nicht regelmäßig; am häufigsten können 
wir in jeder Zitze acht Erhebungen finden. Sie sind nicht verstreichbar, 
werden aber bei starker Dehnung der Zitze viei kleiner und können schließ- 
lich ganz verschwinden. Dem unteren Ende zu flachen sich diese Längs- 
falten immer mehr ab und an ihre Stelle treten kleine, kurze, radiär gelegene 
Fältchen, die die sogenannte Rosette bilden. Die Rosette kommt bei der 
Ziege regelmäßig vor, jedoch ist sie bedeutend schwächer ausgebildet als 
beim Rind. Von der Mitte der Rosette aus führt ein kurzer Strichkanal, 
der die Zitzenwand durchbohrt und an ihrer Spitze mündet. Der Strichkanal 
zeigt eine Länge von 5,3 bis 6,4 mm und einen Durchmesser von 0,8 bis 
2 mm. Seine Wände sind mit mehreren Längsfalten besetzt, die sich am 
besseren Verschluß der Zitze beteiligen. Der Strichkanal kann zylindrischer 
Form sein, oder er ist trichterförmig, gegen die Zitzenzisterne zu erweitert. 
Stets mündet er am Boden einer kleinen rundlichen Vertiefung, die die Zitzen- 
spitze einnimmt. 

Was den histologischen Bau der Wand in den einzelnen Abteilungen 
der Milchwege anbelangt, ist zu erwähnen, daß dieser drei Zonen zu unter- 
scheiden erlaubt: 1. Strichkanal mit kutaner Schleimhaut, 2. Zisterne und 
größere Gänge (mit einer gelblichen Schleimhaut ausgekleidet), die ein mehr- 
schichtiges Epithel aufweisen, 3. kleinere und kleinste Gänge mitsamt den 
Alveolen, die ein einschichtiges Epithel auskleidet. 

Die Zitzenwand besteht aus drei Schichten: 1. Schleimhaut, 2. Gefäß- 
und Muskelschicht, 3. äußere Haut. Alle diese Schichten heben sich sehr 
deutlich voneinander ab. Die Schleimhaut ist mit zweischichtigem Epithel 
ausgekleidet, dessen obere Schicht aus zylindrischen mit länglichen Kernen 
versehenen, dessen untere dagegen aus kleinen, polygonalen, mit rundlichen 
Kernen versehenen Zellen besteht, wobei die untere Lage oft lückenhaft 


und unvollständig sein kann. Unter den beiden Epithellagen befindet sich 
21*F 


324 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


die Schleimhautpropria, die sich durch das Fehlen von muskulösen Elementen 
und durch reichliches Vorkommen von elastischen Fasern von der Mittel- 
schicht deutlich abhebt. Ihre accesorischen Drüsen sind individuell verschieden 
stark entwickelt und gewöhnlich von zahlreichen Lymphzellen umgeben. Die 
Schleimhaut der Zitze erstreckt sich auch auf das Innere der Drüsenzisterne, 
Im Strichkanal geht sie rasch in die von mehrschicktigem Epithel aus- 
gekleidete kutane Schleimhaut über, die sich auch durch ihre weiße Farbe 
von der gelblichen der Zisterne deutlich unterscheidet. Die kutane Schleim- 
haut des Strichkanals verliert sich fast ohne Grenze im äußeren Integument 
der Zitze, von dem sie sich nur durch ein stärkeres Stratum granulosum 
im Epithel, durch das Fehlen von Haaren und Drüsen und den reicheren 
Gehalt von elastischen Fasern in der Propria unterscheidet, wie es schon 
KÄPPELI in Zürich beobachtete. In der Mittelschicht verlaufen mehrere, 
oft ziemlich große Venen und Arterien, die um das Zitzenlumen herum ein 
deutliches Netz bilden. Zwischen den Gefäßen liegen zahlreiche Muskelfasern, 
die drei aufeinander folgende Schichten, eine zirkuläre, eine längsverlaufende 
und eine irreguläre Schicht bilden. Die Haut liegt ohne Subkutis auf den 
Muskeln, was ihre Unverstreichbarkeit und die Derbheit der Zitzenwand 
verursacht. Bei älteren Individuen atrophieren die Muskelfasern sehr stark 
und ihre Funktion wird durch die reichlich vorkommenden elastischen Fasern 
übernommen. Auch ist die Zitzenwand bei den älteren Ziegen dünner wie 
bei den jungen. Der Strichkanal ist regelmäßig von einem feinen, aus 
elastischen Fasern gewobenen Netz umgeben, und an seiner Basis verläuft 
ein zirkulärer Muskel: Sphincter papillae. — Das Epithel der Zisterne geht 
ohne Grenze in das Innere der größeren Gänge über, um endlich in den 
feineren Kanälchen, den Endtubulis und Alveolen, durch einschichtiges 
sezernierendes Epithel ersetzt zu werden, das vom eigentlichen Drüsen- 
gewebe stammt. 

Auch bei männlichen Tieren kommt die Anlage der Milchdrüse vor. 
Sie befindet sich bei den Ziegenböcken an der Rückwand des Hodensackes 
und kann in einzelnen Fällen zu stärkerer Ausbildung gelangen. Dann weist 
sie im verkleinerten Maßstab alle die Merkmale auf, die für die Drüse eines 
weiblichen Tieres charakteristisch sind, nur sind alle Gänge viel weniger 
entwickelt und das eventuell vorhandene Sekret kann natürlich nicht als 
echte Milch bezeichnet werden. 

Die Ergebnisse meiner Studien über das milchführende Hohlraumsystem 
des Ziegeneuters kann ich in nachstehenden Punkten zusammenfassen: 

1. Das Drüsenparenchym ist von den kleinsten Milchgängen gleichmäßig 
durchsetzt. 


W. HERMAN, Das milchführende Hohlraumsystem des Ziegeneuters. 325 


2. Die größten Gänge liegen in der tiefsten (ventralen) Lage. 

3. Die größten Gänge, die in der Zahl von 6 bis 9 (selten mehr) vor- 
handen sind, liegen in zwei Schichten im rückwärtigen (caudalen) Teil der Drüse. 

4. Alle Gänge verlaufen fast geradlinig und führen ihren Inhalt auf 
dem kürzesten Wege zur Mündung. 

5. Der allgemeine Verlauf der Gänge entspricht den Gesetzen der 
Hydrodynamik so, daß die Milch auch ohne Einwirkung anderer Kräfte als 
der Schwerkraft in die Zisterne gelangen kann. 

6. Die Zisterne läßt sich in zwei Teile teilen, in die Drüsenzisterne 
und in die Zitzenzisterne, die in den Strichkanal übergeht. 

7. Die Drüsenzisterne liegt oberflächlich im distalen Endteil der Drüse. 
Sie ist gewöhnlich mit mehreren Ausbuchtungen versehen und geht cranio- 
ventral in die Zitze über. 

8. In die Drüsenzisterne münden die Milchgänge. 

9. Die Zitzenzisterne ist einheitlich; sie kann walzenförmig, konisch 
oder spindelförmig sein. 

10. An der Grenze zwischen den beiden Zisternenteilen kommt gewöhn- 
lich eine Falte vor, die sie voneinander abgrenzt und bei stärkerer Füllung 
der Zisterne stärker vortritt. 


Zum Schluß möchte ich noch dem hochverehrten Herrn Prof. Dr. KARL 
SKODA, dessen Entgegenkommen und Winken ich die Möglichkeit der Durch- 
führung meiner Arbeit verdanke, meinen besten Dank aussprechen. Auch den 
Instituten der Pathologie und Röntgenologie sowie allen Mitarbeitern des 
„Anatomischen Institutes“ der Tierärztlichen Hochschule Wien bin ich für ihre 
Freundlichkeit und ihr Entgegenkommen zur größten Dankbarkeit verpflichtet. 


Bildererklärung. 


Tafel XXXV 

- Abb. 3. Röntgenaufnahme eines injizierten Ziegeneuters. Unten sind die beiden, 
stark ausgedehnten Zitzen sichtbar, oben das kaudale Ende des Drüsen- 
parenchyms. Rechts kommt die schwarz gefärbte Zisterne zum Vor- 
schein, auch sieht man hier die Grenze zwischen dem Zitzen- und Drüsen- 
teil der Zisterne. Links wurden mit dünnflüssiger Masse auch die 
kleinsten Gänge injiziert, um die Verteilung des Parenchyms in einer 
Drüsenhälfte anzudeuten. 

Abb. 4. Die Zisterne eines Ziegeneuters, aufgeschnitten zur Demonstrierung der 
Mündungsstellen der Milchgänge und der Schleimhautfalten, die vom 
Zitzenteil der Zisterne in den Drüsenteil teilweise übergehen. 

Abb 5. Halbschematische Darstellung des Verlaufs der Milchgänge im Drüsen- 
parenchym (Sagittalschnitt). 


326 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Abb. 6. Schema der Verzweigung eines Milchganges. 


Tafel XXXVl. 


Abb. 7. Der Ring an der Grenze der Drüsen- und der Zitzenzisterne, von oben 


gesehen. 


Abb. 8. Der Ausguß des milchführenden Hohlraumsystems des Ziegeneuters von 


der Außenseite. Zur Darstellung der Form und des Verlaufs der vorderen 
und lateralen Sammelkanälchen. 


Abb. 9. Ein Metallausguß der Milchgänge von der medialen Seite gesehen, zur 


Darstellung der medialwärts verlaufenden Sammelkanäle. 


Abb. 10. Querschnitt durch eine Hälfte der Milchdrüse der Ziege, zur Veran- 


schaulichung der Verteilung und der Größe der Milchgänge im Ver- 
hältnis zu Drüsenparenchym. 


Tafel XXXVIl. 


Abb. 11. Die Zisterne im Sagittalschnitt. 
Abb. 12. Querschnitt der Zisterne. 
Abb. 13. Die verschiedenen Zitzenformen. a) und b) zylindrische Zitzen, c) konische 


10. 


ıl. 


Zitze, d) ellipsoidale (spindelförmige) Zitze. Schwarz sind die Grenzen 
der Zitzenwand angedeutet. Im Lumen der Zitzen sieht man die Spuren 
der Längsfalten, wie man sie in den Abgüssen beobachten kann. 


Literatur. 


. BENDA, C., 1893. — Das Verhältnis der Milchdrüsen zu den Hautdrüsen. — 


Zeitschrift für praktische Dermatologie 1. 


. ELLENBERGER, W. und BAUM, H., 1926. — Handbuch der vergleichenden 


Anatomie der Haustiere. (Das Euter). — Auflage 16. A. Hirschwald, Berlin, 
pg. 580. 


. GEGENBAUR, C., 1875. — Zur genaueren Kenntnis der Zitzen der Säugetiere. 


— Morphologische Jahrbücher 1875, pg. 266. 


. KAEPPELI, F., 1918. — Zitzen- und Zisternenverhältnisse der Haussäugetiere. 


— Inaug.- Di Zürich. 


. MARTIN, P., 1915. — Lehrbuch der Anatomie der Haustiere 2. — Stuttgart, 


pg. 456. 


. RICHTER, IRENE, 1928. — Zur Frage über die Struktur der Ausführungs- 


gänge der Milchdrüsen. — Anatomischer Anzeiger. 


. RUBELI, O., 1914. — Ausführungsgänge des Kuheuters. — Verhandlungen 


der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft zu Aarau 2. 


. RIEDERER, TH., 1903. — Über den Bau der Papilla Mammae des Rindes. — 


Inaug.-Diss. Bern. 


. WIRTZ, O., 1913. — Hohlraumsystem der Milchdrüse beim Rind. — Archiv 


für wissenschaftliche und praktische Tierheilkunde 39, pg. 375. 
ZIETSCHMANN, (Zürich), 1910. — DBau und Funktion der Milchdrüse. 
W. GRIMMER: Chemie und Physiologie der Milch. — Verlag P. Parey, 
Berlin. 
ZIMMERMANN, A. — Über „wahre“ und „falsche“ Zitzen. — Österreichische 
Monatsschrift für Tierheilkunde 35, Wien, Nr. 5. 


J. AHARONI, Die Säugetiere Palästinas. 327 


8.) Die Säugetiere Palästinas, 
Von J. AHARONI (Jerusalem). 


Die ganz besondere Stellung, die Palästina in kulturgeschichtlicher Be- 
ziehung einnimmt, veranlaßte neben gewöhnlichen Touristen auch vereinzelte 
Zoologen von Fach oder Amateure, das Land aufzusuchen, Ja, eine aus- 
ländische Gesellschaft sandte sogar einen sehr bedeutenden Tierkenner hier- 
her, der das Land viermal besuchte und seine vortrefilichen Beobachtungen 
in einem prachtvoll ausgestatteten Werke veröffentlichte‘). Seit dem Er- 
scheinen dieses Werkes haben sich aber unsere Kenntnisse von der Fauna 
Palästinas geändert. Gar vieles wurde gründlicher erfaßt, ergänzt und ver- 
vollständigt, neue Tierformen wurden beschrieben, und manche starb in 
unserm Gebiet aus. All dem wird unten Rechnung zu tragen sein. 


Ordnung Affen, Simiae. 


Die Ordnung der Affen war in Palästina wohl nie vertreten. SALO- 
MON bezog (nach Regum 22 und II. Chronieorum IX, 21) diese Tiere aus 
Tarschisch. So heißt es: „Denn die Meerschiffe des Königs, die auf dem 
Meere mit dem Schiffe Hirams fuhren, kamen in dreien Jahren einmal und 
brachten Gold, Silber, Elfenbein, Affen und Pfauen.“ Gemäß der Zusammen- 
stellung dieser drei Tierarten lag aber dieses Tarschisch nicht in Kleinasien, 
sondern eher in Ceylon, wo übrigens diese Tiere indisch noch heutzu- 
tage so heißen, wie sie in der Bibel genannt werden. — Auch von dem 
Gebrauch des arabischen Namens „Nisnas“ in Palästina ist nicht auf das 
Vorkommen von Affen zu schließen, denn dieser Name bezeichnet gleichfalls 
Herpestes ichneumon L. 


Ordrung Paarhufer, Artiodactyla. 
Familie Schweine, Suidae. 


NEHRING gibt Sus scrofa ferus für P. an. Daß hier aber diese Unterart 
nicht vorkommt, weiß ich aus 29jähriger Erfahrung. Ebenso sicher ist es, 
daß das Schwein der Nordsyrischen Wüste eine ganz andere Unterart ist als 
das Schwein vom Süden Beer-Schebas; denn es hat einen ganz anderen 
Schädel. Von der Nordsyrischen Wüste bis zum äußersten Süden Palästinas 
leben zwei, wenn nicht gar drei verschiedene Unterarten von Wildschweinen. 
Solche, die ich aus der Umgebung von Antiochia heimbrachte, sind wieder 
von diesen grundverschieden. 


t, TRISTRAM. 


328 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Familie Rinderartige, Dovidae. 

Heute existiert bei uns nirgends ein wildlebendes Rind. 

Das stattliche Mähnenschaf, Ammotragus lervia (PALL.), lebte noch 
bis vor einem Vierteljahrhundert im Wadi Arabah. Die Beduinen jagten es 
unter dem Namen „el-Kebsch“ („das Schaf“). Als ich vor 29 Jahren nach 
Palästina kam, war es schon äußerst selten. 

Capra beden sinaitica H.-E. tritt noch verhältnismäßig häufig in der 
Umgebung des Toten Meeres auf und verirrt sich sogar manchmal bis zu 
den Gebirgen von Ber-Seba. Doch scheint mir ein Exemplar (9) aus 
letzterer Gegend nicht nur hinsichtlich der Färbung, sondern auch in bezug 
auf die Beschaffenheit der Haare selbst und den Bau der Hörner vom Sinai- 
Steinbock zu differieren. Ich muß aber aus diesen Gebirgen noch mehr 
Exemplare besitzen, um über die Berechtigung einer subspezifischen Ab- 
trennung urteilen zu können. Die Originaldiagnose von HEMPRICH und 
EHRENBERG paßt nur auf den echten Sinai-Steinbock. 

Capra aegagrus GM. ist im eigentlichen Palästina niemals vorgekommen, 
wohl findet sie sich aber, wenn auch sehr spärlich, in den äußersten Aus- 
läufern des Antilibanon, die sich weit in die Nordsyrische Wüste erstrecken. 
Heute geht diese hübsche Wildziege, die Stammart der Hausziege, ihrem 
sichern Untergange entgegen. 

Unser kleines Ländchen bewohnen mehrere sehr interessante Gazellen- 
Arten. Eine ist dunkelgefärbt und entspricht der als Gazella arabica H.-E. 
beschriebenen, die wir als „schwarznasige Gazelle“ füglich bezeichnen können. 
Sie gehört aber einer besonderen Unterart dieser Form an, die BUFFON als 
La Gazelle beschrieben und abgebildet hat. MATSCHIE meinte (in litt.), daß 
La Gazelle BUFFONS und Antilope gazella PALLAS identisch seien. 
Die im Jordantale und am Carmel-Gebirge hausende Form dieser Art 
heißt Gazella merrilli THOS., nach ikrem Entdecker, dem amerikanischen 
Generalkonsul von Jerusalem, so benannt. Sie ist ausgezeichnet durch 
schwarzen Nasenfleck, dunkelgraue Färbung (wie das Reh, das ebensfalls 
die Waldteile des Carmel bewohnte) und an der Spitze fast gar nicht haken- 
förmig gekrümmte Hörner. 

Die roten Gazellen gehen bis jetzt immer unter dem Namen G. dorcas 
L. Ich vermute aber, daß für sie der Name Äevella PALL. angenommen 
werden muß. Wenigstens stimmt die Beschreibung vorzüglich. Die 22 haben 
ganz andere, glatte Hörner als die SG. 

Die Gazelle von Ber-Seba ist der gleichen Unterart zuzuschreiben wie 
die Gazelle, welche die südliche Saron-Ebene bewohnt (Ekron, Gederah usw.), 
nämlich Gazella gazella PALL. mit dem schwarzen Nasenfleck. 


J. AHARONI, Die Säugetiere Palästinas. 329 


Der „Dabi“ ist nach meinem Dafürhalten eine Form von @. leptoceros 
Cuv., der langhörnigen Gazelle. Ihr Gehörn ist ziemlich hoch und schlank, 
wie auch ihr ganzer Körper äußerst schmächtig ist. Färbung ist sehr hell- 
isabellfarben wie der Wüstensand, den sie bewohnt. 


Gazella marica lebt in der syrischen Wüste bis zum Nedjd herunter 
und ist dort eine Vertreterin der Dorcas bzw. der Kevella. 


Während alle diese bisher besprochenen Gazellenarten charakterisiert 
sind durch „cornua in utroque sexu, sinus lacrimales distincti“, besitze ich 
nun eine dunkelgraue oder etwas gelblich-graue Gazelle lebend in fünf 
Exemplaren, von der man fast sagen kann: „Cornua solis in maribus“, denn 
entweder sind die 22 dieser Art völlig hornlos, oder die Hörner sind bei 
ihnen äußerst klein, mehr stummelähnlich und verschrumpelt. Diese Art 
könnte wohl G. subgutturosa GÜLDENST. sein. Nun schreibt aber BLAN- 
FORD, ein sehr vor- und umsichtiger Forscher und genauer Kenner Meso- 
potamiens, woher ich diese Tiere besitze: „It [i. e. @. subgutturosa 
GÜLD.| is unknown in the plains of Mesopotamia“ (Eastern Persia, 
WolsIl, p. 91). 


Sehr problematisch ist für mich noch immer die sehr hell-isabellfarbene 
Gazelle mit schneeweißem Kopfe, denn ich fand diese Weißköpfe in größeren 
Rudeln anderer Gazellen zu allen Jahreszeiten. Sollte es Individuen geben, 
die nach Verlauf des Winters bloß die Weißköpfigkeit behalten, während 
der ganze übrige Körper, der im Winter schneeweiß war (etwa G. marica, 
arab. „rim“), im Sommer hell-isabellfarben wird? 

Unsere Säbel-Antilope gehört einer Rasse an, die als A. beatrix GRAY 
von der Arabia petraea beschrieben worden ist, hat also nichts zu tun mit 
A. leucory& PALL., ist aber A. beisa RÜPP. aus Ost-Nubien und Abessinien 
sehr ähnlich. Diese Antilope tritt noch heute rudelweise auf in ihre Heimat 
um Djof und verbreitet sich von da bis ins Ostjordanland hinein und süd- 
lich bis Arabien. 

Addax nasomaculatus ist vor ungefähr 25 Jahren aus den Grenzen 
Palästinas verschwunden. Die letzten Exemplare von A. bubalis sind aus 
Palästina vor etwa 27 Jahren verschwunden. TRISTRAM hatte also Recht, 
wenn er diese stattliche Antilope in sein vor mehr als 40 Jahren erschienenes 
Verzeichnis aufnahm. 


Familie Hirsche, Üervidae. 


Keine Hirschart bewohnt das heutige Palästina. Alle Angaben über das 
Vorkommen von Capreolus capreolusL. auf diesem oder jenem Gebirge erwiesen 


330 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


sich bei genauer Nachprüfung als irrig und beruhten meistenteils auf Ver- 
wechslung mit @. merrili THOS. Nur im Carmel befanden sich noch Rehe, 
die aber ein paar Jahre vor Ausbruch des Weltkrieges ausstarben. Das letzte 
Exemplar dieser neuen (leider nur in einem Stücke gut erhaltenen) Art be- 
findet sich im Zoologischen Museum der Hebrew University zu Jerusalem. 

Cervus dama mesopotamicus BROOKE lebt noch heute an den Ufern 
des Euphrat. 


Ordnung Unpaarhufer, Perissodactyla. 


Die Fluktuationen der Beduinentruppen während des Krieges im all- 
gemeinen und der Wahabbiten-Horden in den letzten Jahren haben die 
Grenzen der beiden bis zum Ostjordanlande heranreichenden Wildeselarten 
(Asinus hemippus und As. onager) ganz verwischt und die über alle Maßen 
scheuen, freiheitsliebenden Tiere in die zentralsten Teile der Wüste verdrängt. 
Sie treten heute so sporadisch auf, daß viele Beduinenstämme sie während 
der letzten Jahre überhaupt niemals zu Gesicht bekamen. 


Ordnung Klippschliefer, Lamnungia. 


Procavia syriacus H.-E. existiert heute in Palästina bloß in einem 
kleinen Teile der Gebirge von Mar Saba Östlich bis zur Westseite des Toten 
Meeres. Er tritt in zwei Farbphasen auf: 1. mehr oder weniger gelb; 
2. grau. In der Gefangenschaft kann man ihn nur bei äußerster Sorgfalt 
erhalten, aber sehr selten wird ein Exemplar völlig unverletzt ergriffen. 
Fast jeder Wurf in der Gefangenschaft fördert tote Junge (3—6) zur 
Welt. Sein Gebaren erinnert an Hasen sowohl als auch an Wiederkäuer. 
Ich hielt mehr als zwei Dutzend in Gefangenschaft und hatte auch sehr 
viel Gelegenheit, ihn in freier Natur zu beobachten. 

Procavia schmitzi MATSCHIE ist sehr selten und vertritt syriacus am 
Genezareth-See. 


Ordnung Seekühe, Sirenia. 


Der Durchbruch des Suezkanals hat so manchem interessanten Tiere 
das Eindringen vom Indischen Ozean ins Mittelmeer ermöglicht, und so 
finden wir nun Fische, Krebse und viele andere Tierformen, die früher nur 
in ersterem zu Hause waren, auch regelmäßig an unserer Küste. Aber nur 
eines einzigen Falles entsinne ich mich, daß ein Weibchen der Halicore 
hemprichii von Fischern aus Tantura in einer Uferhöhle erschlagen worden 
ist. Es soll ein Junges gesäugt haben. Die Haut erwarb ein reicher Effendi, 
der sich daraus eine Art Bauchwärmer verfertigen ließ, und so ging das 
seltsame Tier auch der Wissenschaft verloren. 


J. AHARONI, Die Säugetiere Palästinas. 331 


Ordnung Wale, Cetacea. 
Drei Arten Delphine treten längs unserer Küste auf, die eine häufiger, 
die andere seltener: Delphinus delphis L., D. mediterraneus LOCHE und 
sehr selten und vereinzelt auch D, algeriensis LOCHE. 


Ordnung Raubtiere, Carnivora. 
Familie Katzen, Felidae. 


Fehs leo L. — Wie bekannt, ist der Löwe Palästinas längst ausgerottet 
worden. Das Jabr festlegen zu wollen, in dem das letzte Exemplar ver- 
schwand, wäre reine Spekulation. Sicher existiert der Löwe noch in Süd- 
persien und in Arabien (Yemen), woher nach TRISTRAM ein Skelett nach 
Damaskus gebracht wurde. LAYARD und sogar noch BLANFORD fanden 
ihn ziemlich zahlreich in Mesopotamien. Als ich vor zwanzig Jahren dieses 
Land bis nach Bagdad absuchte, waren nur noch im Schilfdickicht bei dieser 
Stadt einige Löwen, und ein Paar lebte in Gefangenschaft beim dortigen 
Wali. — Die Behauptung TRISTRAM’s in N. H.B. pg. 117, daß die kurz- 
mähnige Form weniger agressiv sei als die langmähnige, ist aus der Luft 
gegriffen. Daher ist auch seine Meinung, daß unser Löwe kurzmähnig ge- 
wesen sei, haltlos.. Aller Wahrscheinlichkeit nach war er vielmehr lang- 
mähnig, er war also verschieden vom leo guzeratensis, der fast mähnenlosen 
Form Nordostindiens. 

Felis pardus L. — Auch der Leopard kann in Palästina als aus- 
gestorben angesehen werden, wenn auch einzelne Paare noch hier und da 
im Gebirge umherlungern mögen. Vor mehr als zwanzig Jahren wurde noch 
ein Exemplar in Zichron Jakob, im Jahre 1911 eins zwischen Ramallah und 
Emmaus Kubebe erlegt. — HEMPRICH und EHRENBERG nannten unsere 
Art Felis nimr. Sie gaben zwar nur die Dimensionen von 2 Fellen, aber 
die sind so genau und ausführlich, daß meine Untersuchungen an mehr als 
einem Dutzend von Exemplaren mit Skeletten aus der Umgebung von Tibuk 
und nördlich davon ihre vor mehr als 100 Jahren geäußerte Ansicht nur 
bekräftigen können, 

Felis bubastis HEMPR. et EHR. — In ganz Palästina und dem Ost- 
jordanlande. Der glücklich gewählte Speziesname ist eine Anspielung auf 
Hesekiel 30, 17, wo es nach LUTHER heißt: „Dis junge Mannschaft zu 
On und Bubastus sollen durchs Schwert fallen“. Bubastus ist Pe-Bast, ein 
Ort, der eben nach dieser Katze (Bast) benannt wurde. Bast war die Göttin 
der Geburten und des Kindersegens, die im äpyptischen Götterkampf auf 
der Flucht vor Typhon sich in eine Katze verwandelte. Die Göttin von 
Pe-Bast wurde mit einem Katzenkopf dargestellt (Vide PERROT-CHIPIEZ). 


332 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Felis maniculata RÜPPp. — Ebenfalls in ganz Palästina und dem Ost- 


jordanland. Ich konnte dem Vorkommen beider Katzen keine feste Grenze | 


ziehen; beide treten auch in Ägypten auf. 


Recht mannigfaltig sind die Wildkatzen Mesopotamiens, von denen unsere 


Universität eine bedeutende Serie besitzt. Darüber jedoch ausführlich an 
anderer Stelle. 
Lynx pardinus TEMMINCK. — Der Rotluchs ist vielleicht häufiger als 


man annehmen sollte, doch entzieht er sich in den buschreichen Distrikten 


Ostjordaniens leicht dem Blick seiner Verfolger. Sein Fell ist prachtvoll 
getupft und sein Fleisch gilt als Leckerbissen. 

Catolyn& chaus GÜLD. — Der Sumpfluchs ist heutzutage auch am 
Jordan äußerst selten. 

Den Wüstenluchs, Lynx caracal GÜLD., habe ich nie in Palästina ge- 
sehen, wohl aber sehr häufig in Mesopotamien, wo er in zwei Unterarten 
auftritt, von denen die eine die hellohrige Lynx caracal aharonii MATSCH. ist. 

Acinonyz jubatus ERXL. — Der Gepard ist jetzt sehr selten geworden. 
Er wird von unkundigen Beduinen vielfach mit dem Leopard verwechselt. 
Ziemlich häufig ist er noch heute in der südlichen Steppe. An Schnellig- 
keit wetteifert er mit dem Windhund und jeder Gazellen- und Antilopen- 
art, seine Benutzung zur Jagd ist aber jetzt ganz aus der Mode. 


Familie Hyänen, Ayaenidae. 

Hhyaena hyaena L. — Nur die gestreifte Hyäne tritt bei uns auf, und 
zwar in zwei Formen, von denen eine, Hyaena hyaena syriaca MATSCH., 
auf Syrien und Palästina beschränkt ist. Ihr Nutzen als bedeutende Teil- 
nehmerin am Verzehren großer Kadaver ist in einem Lande wie Palästina 
unschätzbar. Doch verdankt sie ihre Existenz in fast ungeschmälertem Maße 
nieht ihrer Nützlichkeit, sondern ihrer nächtlichen Lebensweise, ihren seit 
Generationen bewohnten äußerst gewundenen Gängen in unsern dünn bevölkerten 
Gebirgsketten (von den Hügeln der Ebene zog sie sich längst zurück), und 
dem Aberglauben der Bevölkerung, die von ihr die unglaublichsten Fabeln 
zu erzählen weiß. 


Familie Hunde, Canidae. 


Canis lupus L. — Der Wolf ist bei uns viel seltener als vor dem 
Kriege und durchaus auf das Gebirge beschränkt. Hier leiden von ihm am 
meisten die Kleinviehherden. 

Canis aureus L. — Der Schakal tritt bei uns trotz aller Verfolgungs- 
mittel doch recht zahlreich auf, am häufigsten an dichtbevölkerten Örtlich- 


J. AHARONI, Die Säugetiere Palästinas. 333 


keiten, wohingegen die Wüste fast ängstlich gemieden wird. Tagsüber hält 
er sich rudelweise — wie er auch nachts umherstreift — in umzäunten 
Orangerien und anderen derartigen Umfriedigungen auf, wo Menschen wenig 
Zutritt haben, aber nie in Höhlen. Eigentlich ist er mehr wegen Lyssa zu 
fürchten als wegen des Einbruches in Hühnerställe u. dgl., die man ja schließ- 
lich durch Gitterdraht vor ihm absperren kann. Aber der Nutzen, den er 
durch Verzehren von größeren Kadavern, deren Leichengift Fliegen aller 
Art an Menschen übertragen und deren Leben ebensogut gefährden können, 
und durch das Verzehren von Milliarden von Microtus in der Ebene (bei 
Ekron und anderorts, wo Getreide angebaut wird) bringt, überwiegt den 
Schaden, den er in Weinbergen stiftet, entschieden bei weitem. Man sollte 
also bei seiner absichtlichen Dezimierung rationell verfahren und das Gleich- 
gewicht der Natur nicht stören. 

In den Symbolae physicae (pg. 17) beschreiben und bilden H. u. E. 
einen Schakal aus dem Libanon unter dem Namen Üanis syriacus ab. 

Wie in vielen anderen Ländern des Orients treiben sich auch hier ver- 
wilderte herrenlose Hunde, sogenannte Pariahunde, in der Nähe der Städte 
und Dörfer einzeln oder — zur Brunstzeit — zu Dutzenden umher und 
kommen namentlich des Nachts in die Straßen, um daselbst Nahrung zu 
suchen. Diese Rasse ähnelt ganz dem Pariahund Ägyptens. Ihre schon 
von HEMPRICH und EHRENBERG erwähnte „Familiarität“ gefährdet das 
Leben des Menschen hier viel mehr als die bei weitem größere Anzahl der 
Schakale, denn sehr viele dieser Hunde werden tollwütig. — Außer diesen 
herrenlosen Hunden sieht man hie und da den persischen Windhund, der 
gewöhnlich einen Beduinenschech zur Stadt begleitet. Er ist äußerst schlank, 
hochbeinig und meistens sandfarben wie die Wüstengazellen, an die er sich 
heranschleicht und die er mit Leichtigkeit einholt. Das lange seidenartige 
Haar an Ohren und Bauch, sowie die lange Quaste, die ihm vom Schweif 
herunterhängt, flattern im Laufe und fördern ihn beträchtlich. 

Von einer sehr merkwürdigen echten Wildhund-Rasse besitze ich ein 
schlecht erhaltenes Fell aus Dschöf. Aufmerksam wurde ich auf diese Art 
durch SEETZEN, der im ersten Bande seiner Memoiren pg. 307 also be- 
richtet: „In Dschof gibt es eine Art wilder schwarzer Hunde, welche 
man „Darbün“ nennt. Seine Haut taugt nicht“. Die Art werde ich 
erst bestimmen können, wenn ich wenigstens einen Schädel davon habe. 
Eines habe ich an diesem schwarzen Wüstenhunde eingesehen, daß nicht 
alle Wüstentiere unbedingt isabell- oder sandfarben sein müssen. Ist doch 
der größte aller Wüstenvögel, der männliche Strauß, glänzend schwarz, 
ebenso Oomatibis eremita, wie Corvus umbrinus und eben dieser Wildhund. 


334 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Während des Krieges hatte ich als türkischer Regierungs-Zoologe Gelegen- 
heit, diese gute Art in allen Teilen des Libanon und Antilibanon zu studieren. 
Ihr character essentialis ist: „C. vulpis statura, rostro obtuso, auriculis 
pedibusque brevibus; colore supra cano-fulvus capite pedibusque fulvis, subtus 
albus margine flavicante, oris margine gulaque candidis, auriculis extus fulvis, 
intus albis, cauda parum pilosa fulva, nec albo terminata“. 


Bei der Charakterisierung der Arten unserer Füchse muß man immer 
beachten, daß deren Sommer-, Übergangs- und Winterkleider voneinander 
sehr abweichen. Noch ist es ferner unbestimmt, ob die verschiedenen Seiten- 
färbungen Zeichen einer besonderen Rasse sind. Reine Sommerkleider beweisen 
übrigens mit Sicherheit, daß die süd-palästinensische Unterart des Vulpes nilo- 
ticus in sich sehr variiert. Schädel von Rehoboth- bzw. Gederah-Stücken 
stimmen mit Vulpes vulpecula-Schädeln überein, einen Namen, den H.u.E. 
für den unterägyptischen Fuchs aufstellten, der Vulpes niloticus gewisser- 
maßen vertritt. Hingegen sind Schädel aus Berseba etwas davon verschieden. 
Mit Sicherheit sind bisher drei Arten Füchse unterschieden worden: 


1. Vulwes flavescens GRAY ist bedeutend größer als der folgende und 
ist am ganzen Körper mit hell-gelblichem, feinerem und längerem Haar 
bekleidet. Er bewohnt den Norden des Landes. 


2. Vulmes miloticus GEOFFROY: Bewohnt Zentral- und Süd-Palästina. 
Zugleich mit ihm tritt aber bei uns, wenn auch viel seltener, auf 


3. Vulpes vulpes palaestina THOMAS: „Ein gräulicher Fuchs, viel 
grauer als die rothaarigen Füchse Europas.“ Typus von Ramleh bei Jaffa, 
andere Exemplare vom Libanongebirge. 

Unter den hunderten von Füchsen, die ich während meines 29 jährigen 
Aufenthaltes hier zu sehen Gelegenheit hatte, war keiner so schön und so 
langhaarig wie das Exemplar, das man mir aus El-Kubebe bei Rehoboth 
brachte und das sich wahrscheinlich jetzt im Universitäts-Museum befinden 
wird. Er erinnert an Pracht fast an nordeuropäische Füchse. Sollte es ein 
hierher aus einem anderen Lande versprengtes Stück sein? 


Familie Schleichkatzen, Vierridae. 


Unsere Ginsterkatze (Genetia terraesanctae NEUM.) ist so selten, daß 
ich im Laufe von 29 Jahren nur zwei dieser hübschen Tiere erbeutet habe: 
eines vom Carmel, das andere von Schedschera stammend. 

Unser Ichneumon (Herpestes ichneumon L.) ist vom nordafrikanischen 
nicht bloß durch seine mehr gelblich-braune Farbe (letzteres ist mehr bläu- 
lich-grau), sondern auch in gar mancher osteologischer Beziehung verschieden. 


J. AHARONI, Die Säugetiere Palästinas. 335 


Familie Mustelidae. 


TRISTRAM führt Mustela boccamela BECHSTEIN aus der Umgegend 
des Tabor-Gebirges an. Sollte diese — übrigens recht zweifelhafte — 
Wieselart zu seiner Zeit noch in Palästina gelebt haben? Jetzt haust 
sie hier bestimmt nicht. Oder sollte er M. boccamela gar mit Vormela 
meregusna GÜLD. vermengt haben, den er (trotz seiner Häufigkeit im Ge- 
birge und im Hügelland) nicht erwähnt? Übrigens unterscheidet sich unser 
Tigeriltis, von dem ich zahlreiche lebende und tote Stücke besaß, vom euro- 
päischen ganz erheblich in Größe und Färbung: seine Beine sind nicht nur 
an der Innenseite schwarz, die Kehle ist nicht rostweißlich gefleckt, 
sondern die der Schnauze nähere Hälfte reinweiß, die andere Hälfte voll- 
kommen schwarz wie die ganze Unterseite; die Ohren sind an der Spitze 
nicht rostweißlich, sondern schneeweiß usw. Dieses hübsche Tierchen ist so 
schlank und geschmeidig, daß es allen Windungen einer Schlange im Boden 
mit Leichtigkeit folgt und durch die engsten Ritzen eines Hühnerstalls oder 
Taubenschlags zu deren Insassen gelangt, um in seinem Blutdurst mehr zu 
töten, als es verzehren mag. Aber unschätzbar ist sein Nutzen als Vertilger 
von Ratten und Mäusen aller Art, weshalb ich seinen Schutz aufs wärmste 
empfehlen möchte. In seiner Jagd ist er so eifrig, daß er allzu oft lebend 
erwischt wird. 


JAYAKAR schreibt: „In Palestine the name is applied to Mustela 
boccamela“. Darin ließ er sich von 'TRISTRAM verleiten. Dieser Name be- 
zeichnet aber unsere Vormela peregusna sowohl als Mustela subpalmat« 
(Putorius africanus), von dem der ebengenannte Gelehrte im 2. Bande seiner 
Übersetzung p. 420 (Fußnote) schreibt: „Ibn Ars in Egypt Mustela subpal- 
mata (Putorius africanus), and the same in Palestine, where it is known 
by the Arabic name sammür“. 


Viel seltener und nur im Norden (bei Metullah) tritt der gemeine Iltis 
(Putorius putorius) auf, aber merkwürdigerweise näherte sich nach dem 
Kriege der Steinmarder (Martes foina) den Dörfern und Städten im Ge- 
 birge (Jerusalem, Hebron, Nablus). Auch er gerät häufig in Fallen. Sein 
Fell wird hier ebenso geschätzt wie in Europa. 


Die Fischotter (Zutra lutra seistanica) erkennt man an ihren Spuren 
auf nassem Sande sehr leicht, denn sie ähneln auffallend den Fußspuren 
eines kleinen Kindes. Nirgends häufig bewohnt sie doch ziemlich gleichmäßig 
alle Gewässer, deren Ufer mit schützenden Pflanzen bewachsen sind. Doch 
fand ich sie häufiger als überall bei der Einmündung des Jordans in den 
Genezareth-See und an dessen Ausmündung ebendaher, Im Vergleiche zum 


336 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Euphrat ist sein Vorkommen in Palästina gleich Null. Nur streng durch- 
gehaltener Schutz kann die Art hier erhalten. 

Im Winter des Jahres 1921 haben sich infolge enormer Regengüsse 
zwischen Rischon-le-Zion und dem Nahr Rubin sehr weite Tümpel gebildet, 
und eine Fischotter drang darin bis zu den Orangerien der Kolonien vor. 
Nach Abfluß des Wassers konnte sie mit den Händen ergriffen werden. Ihr 
Fell und Skelett finden sich im landwirtschaftlichen Museum zu Jerusalem. 

Der Dachs der Saron-Ebene muß vorläufig als Meles aff. canescens 
BLANF. gehen, andere Exemplare ähneln sehr M. mediterraneus. Der Dachs 
nimmt sowohl im Gebirge als in der Ebene von Jahr zu Jahr ab. — Aus- 
schließlich im Gebirge, und zwar ziemlich selten, tritt ein völlig schwarzer 
Dachs mit breit-weißem Rücken auf, der mit Melliwora indica große Ähn- 
lichkeit hat. — Je nördlicher man kommt, desto rötlicher werden die Woll- 
haare unseres gemeinen Dachses am Grunde; ihren Höhepunkt erreicht diese 
schöne Färbung bei Stücken aus dem Antilibanon (wovon wir einige in 
unserem Universitäts-Museum besitzen) und Libanon. 


Familie Bären, Ursidae. 


Schon im Jahre 1914 berichtete ich, daß nur der Bär des Antilibanon 
der echte Ursus syriacus H.E.s ist, wenn er auch nicht so weiß ist, wie 
ihn die Abbildung in den Symbolae Physicae zeigt, sondern mehr isabell- 
farben. Der Bär der Libanon ist bedeutend kleiner und mehr braun, auch 
in gar mancher Skelett-Ausmessung von jenem verschieden. Dieser letztere 
wurde von MATSCHIE als Ursus syriacus schmitzi beschrieben. In LEUNIS 
Synopsis wird Ursus syriacus H.-E. mit dem Synonym „Bär des Libanon“ 
gegeben, aber mit Unrecht. 

Zwar führt EHRENBERG seinen Typus aus dem Makmel-Pick im 
Libanon an. („Mons Libanus, qui duo cacumina nivosa gerit, alterum gebel 
Sanin, alterum Makmel vocatum [utrumgue visitavimus] nisi in monte Makmel 
prope vicum Bischerre, ursos nusquam nutrit“) und dessen Färbung war, 
nach der Abbildung in den Symbolae Physicae zu schließen, noch heller als 
„fulvo albus“ oder „fulvescente albus“. Doch schreibt auch er: „Variat 
Ursus syriacus e Syriae incolarum relatione maculis fulvis, interdum fere 
totus brunneus.“ So waren die Verhältnisse vor genau hundert Jahren; heute 
ist aber nach meinen gründlichen, fast dreijährigen Untersuchungen, eine 
Trennung eingetreten, die vielleicht oekologisch irgendwie bedingt ist, vom 
Mimikry-Standpunkt aber gerade verkehrt erscheint. \Während der Kriegszeit 
hatte ich bei ständigem Sitze im Libanon Gelegenheit genug, den Libanon 
und Antilibanon in allen Richtungen zu durchforschen, und da konstatierte 


J. AHARONI, Die Säugetiere Palästinas. 337 


ich, daß der sehr hell-isabellfarbene Bär mit den Dimensionen der Original- 
beschreibung nur das grüne Knieholz des Antilibanon, der braune kleinere 
aber bloß die nackten Schneefelder des Libanon bewohnte. Ich brauche kaum 
zu erwähnen, daß ich von beiden Unterarten Exemplare in der Natur sah 
und vom Libanon noch Stücke besitze. — Heute ist der Bär nicht nur aus 
Palästina verschwunden (von dem Vorkommen bei Baschan und Gileud, aus 
denen NEHRING ihn nach TRISTRAM anführt, ist also gar keine Rede 
mehr), sondern vielleicht auch aus Syrien. 

Voriges Jahr hatte ich auch die gute Chance mich zu überzeugen, daß 
der den Dschebel Abdul-Aziz bewohnende Bär Mesopotamiens keineswegs der 
Ursus syriacus ist, wie so manche Forscher geglaubt haben: Färbung, ver- 
schiedene Gestaltung der Krallen und Eigentümlichkeiten im Skelettbau be- 
rechtigen zweifellos, ihn als besondere Subspezies zu betrachten. 


Ordnung Robben, Pinnipedia. 

Von dieser Ordnung findet sich längs unserer Meeresküste, in einiger 
Entfernung davon, nur der Mönch, Monachus albiventer BODD. Nicht allzu 
selten wird das Tier von Fischern aus Askalon und Jaffa zum Kaufe an- 
geboten. 


Ordnung Nagetiere, Aodentia. 
Tribus Eichhörnchen, Sciuroidea. 


Das syrische Eichhörnchen (Sciurus syriacus H.-E.) bewohnt die be- 
waldeten Striche von Damaskus und dessen Umgebung bis hinunter nach 
Palästina und Transjordanien. — Wegen der Färbung schreibt EHRENBERG: 
„Uraei colore aestate cum femoribus cinereo, hyeme vulpino...* Letzteres 
entspricht der wundervollen Abbildung in den Symbolae Physicae, ersteres 
der Färbung des Felles, welches D. G. SCHUMACHER am 27. Februar 1901 
im mittleren Adschlun erhielt. | 

Spermophilus xanthoprymnus BENNETT. Dieser hübsche Ziesel ist in 
Sand- und Steingegenden Transjordaniens so zahlreich, daß der Boden von 
ihm wabenartig durchwühlt erscheint. Seine Sohlen sind reichlich behaart. 
Vom europäischen Sp. citellus L. unterscheidet sich unsere Art auf den 
ersten Blick durch seine Färbung und die Kürze des Schwanzes, der an 
Länge kaum die des Hinterbeins übertrifft. 


Tribus Schiäfer, Myozxoidea. 


Glis glis L. ist bei uns weniger verbreitet als Zliomys. Dyromys 
nitedula PALLAS ist in der ganzen Steppe, wo nur Gestrüpp auftritt, 


ziemlich zahlreich. — Eliomys melanurus WAGNER, der Löffelbilch, ist 
22 


338 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


das zierlichste Glied der Familie und stellt förmlich ein Eichhörnchen en 
miniature dar. Im Gegensatz zur vorigen Art ist diese eine Ruinenbewoh- 
nerin. Auf die Unterschiede zwischen den Bewohnern des Sinai und denen 
von Moab werde ich später zurückkommen. 


Tribus Springmäuse, Dipodoidea. 

Vier Dipus-Arten: 1. Dipus aegyptius HASSELQUIST, 2. kirtipes 
LICHT, 3. sagitta SCHREBER und 4. schlueteri NEHRING. Sie be 
wohnen die eigentliche Steppe, kommen schon aber vereinzelt auch längs 
der Sanddünen vor. — Jaculus jaculus L. kenne ich nur aus der nordsyrischen 
Wüste. 


Tribus Mäuse, Myoidea. 


Oricetus nigricans BRANDT tritt, wenn auch nicht häufig, im Anti- 
libanon (bei Metullah) auf. Großen Schaden richtet er da wohl nicht an. — 
Etwa dieselben Örtlichkeiten mit ihm teilt in Palästina, als seinem südlichsten 
Domizil, Oricetus auratus WATERH. — Nun bezweifelte aber NEHRING 
die Existenz des Cricetulus phaeus PALL. in Süd-Palästina, weil er ihn 
von daher durch seinen Sammler (BACHER?) nicht zugesandt erhielt. Aber 
ich konnte persönlich TRISTRAM’s Angabe bestätigen, denn eigenhändig er- 
griff ich mehrmals den niedlichen Reishamster auf meinem Gute in Reho- 
both. Einen davon sandte ich OLDFIELD THOMAS nach London. — Auch 
sein Schaden ist äußerst gering, da er nirgends häufig auftritt. 

Nesokia bacheri NEHRING ist bis heute nur aus Ghor es-Safijeh beim 
Toten Meer bekannt. 

Rattus norvegicus ERXL. ist überall zu Hause, wo größere menschliche 
Wohnungen sich befinden. — Mus alexandrinus GEOFFR. (M. tectorum 
SAVI) ist, wie das Synonym besagt, eine echte Dachratte. 

Mus gentilis BRANTS wurde von mir auf gut bebautem Boden in 
Rehoboth entdeckt, wo sie gar nicht selten ist. Ein Exemplar davon sandte 
ich (wegen des ganz unerwarteten Fundortes) an das British Museum. — 
Auch Mus sylvaticus L. findet sich zur Genüge in den Ebenen, ebenso wie 
M. praetextus LICHT, die ich sogar in Rehoboth fand! — Mus bactrianus 
BLYTH vertritt in vielen Dörfern, deren Umgebung steinig und verwahrlost 
ist, Mus musculus L. — Mus variegatus LICHT ist ziemlich selten und 
kommt nur in der südlichen Steppe vor. 

Acomys dimidiatus RÜPP. ist — wenn auch ziemlich selten — fast 
gleichmäßig tibers ganze Land verbreitet, wofern ihm tiefe Felsgänge ge- 
nügenden Schutz gewähren. — Acomys russatus WAGNER findet sich sogar 
in Hauskellern Jerusalems. Das Originalbild bei WAGNER ist zu gelb, das 


J. AHARONI, Die Säugetiere Palästinas. 339 


Schwarz der Stachelspitzen tritt da viel zu wenig hervor; richtiger ist es 
hingegen bei TRISTRAM dargestellt, wo andererseits Eliomys melanurus bei 
weitem nicht so charakteristisch gezeichnet ist wie bei WAGNER, wo der 
Schwanz sehr buschig und die Ohren recht groß sind („Löffelbilch“!). — 
Acomys cahirhinus (wegen des Autors siehe RÜPPELL’s „Säugetiere aus der 
Ordnung der Nager) ist auf die Senke des Toten Meeres beschränkt! Der 
im großangelegten Atlas der Description de l’Egypte unter dem Namen 
„Echemis du Caire“ abgebildete Nager ist laut RÜPPELL’s wunderbarer 
Darstellung (l. ec.) gar keine Stachelmaus, wiewohl alle Autoren ohne Aus- 
nahme — auch TRISTRAM mitinbegrifien — diese Abbildung, AUDOUIN 
blindlings folgend, als die der ebengenannten Stachelmaus deuten. Das ist 
aber nicht der einzige Irrtum des Einander-Nachzitierens, ohne auf das Ori- 
ginal zurückzugreifen. 

Vier Gerbillus (longicaudus NEHRING., taeniurus und pygargus 
WAGNER, melanurus RÜPP.) Ersterer bewohnt die Umgegend von Jaffa, 
G. taeniurus tritt am Carmel-Gebirge und sonstigen hügeligen Gegenden 
auf, wohingegen die dritte Art über die ganze südliche Wüste verbreitet 
ist, wenn sie auch überall absolut nicht häufig ist. Letztere Art bringt 
TRISTRAM ganz richtig als Gerbillus (da deren Schädel hinten abgerundet 
ist, nicht abgestutzt wie bei Meriones), der Original-Beschreiber (RÜPPELL) 
führt sie aber fälschlich als Meriones an. 

Zwei Meriones (tristrami THOS., crassus SUNDEVALL). Beide Arten 
sind sehr häufig in fruchtbarem Gelände der Saron-Ebene. Noch eine Renn- 
mausart ist Dipodillus dasyuroides NEHRING aus dem Gebirge von Moab. 

Die drei Psammomys verbreiten sich folgendermaßen: Ps. obesus 
RÜPPEL ist äußerst zahlreich im ganzen Hügellande des Südens. — Ziemlich 
selten und sporadisch kommt Ps. terrae-sanctae vor: ich konnte bis heute 
nicht deren Grenzen genau fixieren. — Ps. tamaricinus PALL. bewohnt 
den Wadi Arabah vom Süden des Toten Meeres an. 

TRISTRAM führt alle unsere Wühlmäuse unter dem Namen „Arvicola“ 
an, aber fast alle gehören in die Gattung Microtus SELYS. Denn ihr Ohr 
ist so klein, daß es fast im Pelze versteckt erscheint, die Zahl ihrer hinteren 
Plantartuberkel ist nicht 6 sondern 5, die QQ haben bloß vier (nicht 8) 
Zitzen, ihre Augen sind bedeutend kleiner als bei Arvicola, wie auch ihr 
Körper im allgemeinen viel geringere Ausmaße hat. 

Microtus »philistina THOMAS ist der größte Schädling unserer Saaten 
um Ekron (vgl, Liber I. Samuelis, VI, 4—5). Seine eigentliche Vermehrungs- 
zeit ist der Monat März, wo jedes Q durchschnittlich 8 Junge zur Welt 


bringt. — — Microtus syriacus BRANTS (= Arvicola syriacus LICHT.) 
22* 


340 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


bewohnt den Norden Palästinas und breitet sich von da nach Syrien aus. — 
M. guentheri DANFORD et ALSTON ist beim Genezareth-See zuhause, 
und eigentlich mit allen vermischt ist M. arvalis (mit 6 Wülsten an der 
Fußsohle. — M. socialis DESMAREST bewohnt die ganze Wüste von Norden 
bis zum äußersten Süden, M. nwalis MARTINS ist hie und da an der 
Schneegrenze des Hermon zu treffen. Arvicola amphibius L. fand ich ziem- 
lich häufig um Banyas. 

Spalax ehrenbergi NEHRING bewohnt das ganze Kulturland und richtet 
in Pflanzschulen, Gemüsegärten usw. nicht unbeträchtlichen Schaden an. Der 
M° zeigt außer der äußeren Einbuchtung eine innere, oft auch noch eine 
kleine accessorische äußere Einbuchtung des Schmelzes; M, hat an der lin- 
gualen Seite regelmäßig eine 2. (accessorische) Schmelzeinbuchtung. — Die 
unteren Nagezälıne lassen auf ihrer Vorderseite eine zarte Mittelfurche 
(Längsrinne), die oberen unter der Lupe 2 sehr zarte Längsrinnen erkennen. 
— — Schädelmaße von Tieren in mittlerem Alter: Basilarlänge 30—31, 2, 
Totallänge 37—38, 7, Jochbogenbreite 26—27, Breite des Rostrums 7,5 — 7,6, 
vordere Breite der Nasalia 5,2 —5,3, Länge derselben 14—14,3, Diastema 
12—12,3, obere Backenzahnreihe (Alv.) 7,3—7,5, Breite der oberen Nage- 
zähne 3,5, der unteren 3,5, Condylarlänge des Unterkiefers 21,8—22,5, 
größte Breite an den Winkelfortsätzen 23,6 —24,5. — Körperlänge 140 
bis 150 mm. 


Tribus Stachelschweine, Hystricoidea. 


Zwei verschiedene Subspezies von Stachelscheinen bewohnen Palästina: 
Hystrix hürsutirostris aharonii MÜLLER verbreitet sich über das ganze 
Land außer dem Jordantal, wo sie H. h. schmitzi MÜLLER vertritt. 
TRISTRAM irrt, wenn er glaubt, hier AHystrix cristata gefunden zu haben. 


Tribus Hasen, Leporoidea. 


Unsere 5 Hasenarten sind: Lepus niloticus H.-E. (aegyptius GEOFFR.), 
der den ganzen Süden und das Jordantal bewohnt, — Lepus isabellinus 
ÜRETZSCHMAR (= L. aethiopicus H. E.), ein echtes Kind seines heimat- 
lichen Wüstenbodens, der im Südosten Palästinas ebenso sandfarben ist wie 
er selbst, — Lepus sinaiticus H.-E. vom Südende des Toten Meeres und 
von da über die zerklüfteten Teile des Wadi Arabah verbreitet, — 
Lepus syriacus H.-E. von allen bebauten und bewaldeten Gegenden des 
Landes vom äußersten Norden bis zum Süden und — den Hasen des nord- 
östlichen Palästinas, den GRAY Lepus judeae nannte, und von dem TRISTRAM 
glaubte, ihn mit Z. craspedotis BLANFORD identificieren zu können, der das 
östliche Persien bewohnt. Diese Meinung teile auch ich, denn Hasen, die ich 


J. AHARONI, Die Säugetiere Palästinas. 341 


aus Karyatein und noch weiter nordöstlichen Gegenden besitze, stimmen ganz 
genau mit Lepus judeae GRAY überein, der vielleicht nur eine Lokalrasse ist. 

Ich brauche wohl kaum zu betonen, daß Oryctolagus cuniculus L. 
hier nicht wild in der Natur vorgekommen sind. 


Ordnung Flattertiere, Chiroptera. 

Fledermäuse sind bei uns ziemlich zahlreich. Natürlich ist die -Indi- 
viduenzahl der Wüstenbewohnerinnen unter ihnen viel geringer als die der 
in fruchtbarem, wasserreichem Gelände hausenden Arten. Ob dieser Unter- 
schied nur auf die quantitative Verschiedenheit der Nahrung zurückzuführen 
sei, lasse ich vorläufig dahingestellt. So wie die Vögel sind auch die Fleder- 
mäuse nicht alle überall in Palästina heimisch, vielmehr sind gar manche 
unter ihnen nur auf gewisse Örtlichkeiten beschränkt. So bewohnt die 
Abram-Fledermaus (Pipistrellus abramus TEMM.) nur die Umgebung von 
Tiberias, die gleichsattelige Kammnase (Rhinolophus euryale BLAS.) gleich- 
falls die Höhlen, Steinbrüche und steilwandigen Wadis am Genezareth-See, 
ebenso wie die hiesige Repräsentantin des im tropischen Afrika und Süd- 
Asien heimischen Genus Taphozous; denn auch hier ist der Nacktbäuchige 
Grabflatterer (Taphozous nudiventris RÜPPELL) nur im subtropischen Jordan- 
tale zuhause, wo er myriadenweise in den Höhlen und Schluchten am Gene- 
zareth-See aufgescheucht wird. — Noch mehr ans subtropische Palästina 
gebunden ist ihre Verwandte, die graue Klappnase (Rhinopoma microphyl- 
lum GEOFFR.), die hauptsächlich Wadi Zerka Main (das alte Calirrho&) am 
Ostufer des Toten Meeres bewohnt und von da aus sich auch übers Jordantal 
verbreitet. Nur noch eine Art Klappnase ist bekannt (Rhinopoma hard- 
wickii BLYTH), und diese bewohnt Vorder-Indien (südliches Mahratten-Land, 
Caleutta, Allahabad, Agra, Mirzapore) und die malayische Halbinsel. Beiden 
gemeinsam ist aber eine wenn auch reichliche, so doch nur auf die Caudal- 
basis beschränkte Fettablagerung, die ihnen für die kurze Dauer der Über- 
winterung vollauf hinreicht. Diese oekologische Anpassung an die kurze 
Dauer der Hibernation teilt bei uns partial auch Nyctinomus cestonü SAVI, 
der mittelländische Grämler, der hier das ganze Jahr hindurch Höhlen des 
Jordantals bewohnt. Diese Eigenschaft, die sich bei ihm in Palästina äußert, 
wird TRISTRAM unter anderem wohl veranlaßt haben, auch diese Art den 
Emballonuridae zuzuzählen, wiewohl sie sich von letzterer Familie durch 
geschlossene Intermaxillaria, Zahl der Praemolaren, langen Schwanz u.a. 
Merkmale unterscheidet. — Es wäre interessant, Nyctinomus cestonis auch 
in Italien, wo sie außer Ägypten und China ebenfalls zuhause ist, vor der 
Überwinterung zu untersuchen und nachzusehen, ob er nicht dort wie 


342 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


die meisten anderen europäischen Chiropteren im Spätherbst am Rücken 
und um die Lenden und am ganzen Bauche bis gegen die Schwanz- 
wurzel von einer öligen Fettschicht eingewickelt ist, die für eine längere 
Absorbtionsdauer bestimmt wäre. Ich weiß auch nicht, ob in Süd-Italien 
schon Untersuchungen über den möglichen Grad des Anwachsens einer 
Mensenterialdrüse (Chylusdrüse) bei dieser Art während der Hibernation 
angestellt worden sind, welche Drüse oft die für den kleinen Organismus 
der Flattertiere ansehnliche Größe der Niere erreicht und ganz mit 
Chylus gefüllt erscheint, der unzweifelhaft durch Absorbtion des vor dem 
Winterschlafe angehäuften Gekrösefettes und noch mehr der die Lenden- 
gegend umhüllenden Fettschicht herrührt. 


Eine fünfte sehr auffallende Art, die nur die Senke des Toten Meeres 
bewohnt, ist die dreizackige Kammnase (Asellia tridens GEOFFR.), die auch 
Ägypten und Nabien bewohnt. — Auch hier scheint mir die heiße Örtlichkeit 
den äußerst spärlichen Pelz zur Folge zu haben, der von der Inguinal-Gegend 
bis zu inclusive den Oberschenkeln ganz schwindet. 


Sehr interessant ist es, daß die vier Weltteile bewohnende (von Süd- 
Europa über ganz Afrika und ganz Süd-Asien — von Palästina im Westen 
bis nach Japan, den Philippinen und dem Malayischen Archipel im Osten 
über Neu-Guinea naclı Australien hinüber sich verbreitende) im System eine 
eigene Stellung einnehmende Art, die Taschen-Fledermaus (Miniopterus 
schreibersii NATTERER) bei uns nur die steilsten Abhänge des Jordantales 
bezieht. Ob ihre Wohnsitze nur überall annähernd dieselbe Beschaffenheit 
haben wie das Jordantal? Von Comatibis comata zu schließen, könnte eg 
wohl der Fall sein. Ich untersuchte diese Art bei uns auch mehrmals im 
Winter und fand das Synonymon Miniopterus dasythrix, das TEMMINCK, 
WAGNER und SMITH ihr beilegten, völlig unberechtigt, denn ihr Haar ist 
hier nichts weniger als zottig und dicht. 

Gebirgige Gegenden, wie Höhlen um Jerusalem, Bethlehem und Hebron, 
bewohnt bei uns Rhinolophus blasii PETERS; hauptsächlich in solchen, aber 
hie und da auch anderwärts in Palästina vorkommend findet sich Kape7990 
kuhlii NATT., die weißrandige Fledermaus. 


Ausschließlich hügelige Gegenden, mit Ausnahme des Toten Meeres, 
bewohnt das Großohr (Plecotus auritus L.). 


Eine besondere Predilection für den Carmel und dessen nächste Um- 
gebung, die zoogeographisch auch sonst in vieler Beziehung ganz eigenartig 
ist, zeigen: die veränderliche Schwirrmaus (Scotophilus temminckii HOoRS- 
FIELD-GRAY) und die kerbohrige Fledermaus (Vespertilio emarginatus 


J. AHARONI, Die Säugetiere Palästinas. 343 


GEOFFR.). Hingegen ist bei uns überall vertreten die Hufeisennase (Rhino- 
lophus ferrum-equinum L.). 

Bei Banyas fliegt häufig Vespertilio murinus SCHREBER, die TRISTRAM 
nicht anführt. 

Der größte unserer Handflügler und Vertreter der Chiroptera frugiwora 
bei uns ist der Flugfuchs (Roussettus aegyptiacus GEOFFR.) oder der grau- 
braune Flederhund. Die Exemplare Nord-Palästinas unterscheiden sich be- 
trächtlich in Größe von denen Central-Palästinas.. Außerdem streicht diese 
Art innerhalb der Grenzen des Landes, und zwar so, daß sie die kälteste 
Zeit (den Monat Dezember) in der wärmeren Saron-Ebene zubringt, wohin 
sie myriadenweise wandert und an den noch haftenden Früchten des per- 
sischen Flieders ohne jegliche Scheu vor Passanten und Tieren, sogar Katzen, 
sich gütlich tut. Doch witzigt auch den Flugfuchs das wiederholte Schießen, 
besonders wenn es in mondheller Nacht geschieht. Verwundet kreischt er 
laut und beißt wie toll um eich. 


Ordnung Insektenfresser, /nsectivora. 


Wir haben hier 3 Igel. Der am nördlichsten wohnende ist Erinaceus 
europaeus L. Nun ist es mir ein Rätsel, wie sich ein Exemplar bis nach 
Gaza verirrt hat. Seit dem Jahre 1912, wo ich um diese Stadt sammelte, 
sah ich diese Art dort nicht mehr. Es war ein Riesenexemplar von tief 
schwarzbrauner Farbe, aber entschieden nicht Erinaceus roumanicus sacer 
THOMAS. 

Den Süden bewohnt regelmäßig Erinaceus brachydactylus WAGNER 
(der kurzzehige oder kurzstachelige oder langohrige Igel. Nun hat der 
genannte Autor diesen Igel auf E. aethiopicus H.-E. von Dongola bezogen, 
der aber ganz verschieden von dem Palästina-Igel ist. Unser Igel sieht dem 
E. libycus H.E. ähnlich. 

Im Gebirge und an Hügeln lebt Er. roumanicus sacer THOMAS, der 
durch seine braune Färbung dem Er. europaeus fast ähnlich sieht, sich von 
ihm jedoch in vielen anderen Beziehungen unterscheidet. 

Die sieben bei uns lebenden Spitzmäuse sind folgende: 1. Neomys 
fodiens SCHREBER, 2. Ürocidura crassicaudus (Pachyura crassicauda: 
dentibus intermediis 4), 3. Sorex minutus L., 4. 8. tetragonurus HERMANN, 
5. Sorex araneus L. (dentibus intermediis 3). — Letztere ist die bei uns 
seltenste Art, sie tritt auch nur in der Steppe auf. Von kurzem beschrieb 
THOMAS zwei Spitzmäuse aus Palästina: 6. Urocidura russula judaica 
(the white-toothed Shrew of Palestine) aus der Umgebung von Jerusalem 
und 7. Crocidura portali aus Ramleh. | 


344 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


9.) Biologische Beobachtungen über einige Nagetiere 
im südmandschurisch-mongolischen Grenzgebiet. 


Von Dr. H. M. JETTMAR (Harbin). 
Mit 13 Abbildungen im Text und auf der Tafel XXXVIL. 


Im Herbst 1928 brach im Grenzgebiete zwischen der Inneren Mongolei 


und der Südlichen Mandschurei, in der Umgebung der Städte Tungliao und. 


Chendjathun (am Mittellauf des Flusses Liao-ho) die Beulenpest aus. Als 
diese Epidemie bereits im Erlöschen war, wurde ich Ende Oktoker in das 
Pestgebiet entsandt, um dort epidemiologische Studien anzustelleu. Mein 
Aufenthalt in diesem Gebiete dauerte vom 28. Oktober bis zum 16. November 
1928. Ich richtete meine Aufmerksamkeit besonders auf die in dieser Gegend 
frei lebenden Nagetiere, da diese bei der Übertragung der Pest oft eine 
große Rolle spielen können. Leider waren die meisten Arten, wie Renn- 
mäuse, Ziesel und Springhasen, von denen die dortigen Steppen im Sommer 
wimmeln sollen, bereits dem Winterschlafe verfallen. So machte ich haupt- 
sächlich die nicht im Winterschlafe befindlichen Zwerghamster, insbesondere 
den Phodopus bedfordiae THOS., zum Gegenstande meiner Studien. 

Zwischen Tungliao und Chendjathun erstreckt sich weites, ebenes Steppen- 
gebiet, welches in den letzten Jahrzehnten von chinesischen Kolonisten reich 
besiedelt wurde. Während das Tal des Liao-ho im allgemeinen fruchtbar ist, 
und fast allenthalben die Kultivierung des Kaolian (chinesischer Hirse) und 
anderer Bodenprodukte gestattet, erstreckt sich südlich der Eisenbahn, von 
den Talrändern landeinwärts führend, eine sandige Steppe mit zahlreichen 
Dünen und Sandhügeln aus Flugsand, welche nur dann und wann zwischen 
den Hügeln die Bebauung des Bodens gestattet. 

Die Landschaft (Abb. ”—9, Tafel XXX VIII) in diesen Sanddünen ist sehr 
eigenartig: obwohl die vom Winde meist schön gewellten Dünen aus reinstem 
Flugsand selten über 10 Meter hoch sind, imponieren sie doch in der Entfernung 
als Berge, und das dichte Gestrüpp der Weidenruten, welche stellenweise in den 
Niederungen zwischen den Dünen wachsen, täuscht Wälder vor, Zwischen den 
Dünen trifft man häufig auf kleine Wasseransammlungen, welche sich von 
den Sandhügeln aus wie Bergseen ausnehmen. Die Pflanzenwelt dürfte im 
Sommer recht artenreich und stellenweise zwischen den Sandhügeln ziem- 
lich üppig sein. So fand ich in den Nestern und Schlafkammern der dort 


H. M. JETTMAR, Biologische Betrachtungen über einige Nagetiere. 345 


lebenden kleinen Nagetiere Samen, welche zahlreichen Pflanzenarten, haupt- 
sächlich Papilionaceen angehörten. Von Säugetieren traf ich außer zahlreichen 
Hasen und den später noch zu beschreibenden kleinen Nagetieren bisweilen 
Wölfe an, welche in dieser Gegend recht häufig vorkommen sollen, und 
auch am Tage dem Menschen gegenüber wenig Scheu bekundeten. 


Die Sanddünen waren allenthalben von Spuren kleiner Nagetiere durch- 
zogen, welche sich unter Tags, namentlich bei windigem Wetter, im Sande 
wieder zum Teil oder auch ganz verwischten. Dieselben waren jedoch am 
nächsten Morgen, wie ich mich später täglich überzeugen konnte, wieder in 
großer Menge erneuert. Dies läßt darauf schließen, daß diese Nager des 
Nachts in sehr großer Anzahl die Sandsteppen durchwanderten. Diese Spuren 
führten zu zahlreichen Löchern und Höhlen verschiedener Größe und Form, 
von welchen die überwiegende Mehrzahl klein und kurz war und blind 
endigte. Auch die zahlreich vorhandenen, verlassenen und offenen Zieselbauten 
wurden des Nachts von diesen kleinen Nagern aufgesucht. Wie sich später 
ergab, war es fast ausschließlich Phodopus bedfordiae THOS., der hier seine 
Bauten hatte. 


Da ich mir den Fang möglichst vieler wilder Nagetiere zur Aufgabe 
gemacht hatte, unternahm ich täglich Exkursionen nach dem von meinem 
Standquartier in Chendjatien etwa drei Kilometer entfernten Sanddünengebiet, 
Die ersten Novembertage gab es Schneefall und starke Morgenfröste, so daß 
der Sandboden in der Frühe mehrere Handbreit tief gefroren war, aber über 
Mittag stets wieder auftaute. Vom 5. bis 10. November herrschte wärmeres 
Wetter und das Ausgraben der Höhlen konnte ungehindert vor sich gehen. 
Vom 10. November angefangen war es jedoch so kalt, daß der Boden fest 
und tief fror, wodurch jedes weitere Graben sehr erschwert und schließlich 
fast unmöglich gemacht wurde. Die letzte Zeit meines Aufenthaltes beschränkte 
ich mich daher mit ziemlichem Erfolg auf Fallenstellen. 


Im ganzen wurden von mir etwa 30 verlassene Zieselbaue, eine noch 
größere Anzahl teils bewohnter, teils unbewohnter „Sandhamster“-Baue und 
ein bewohnter Bau des gestreiften Zwerghamsters ausgegraben. Ferner wurde 
ein einer Rennmaus angehörender Bau und der Bau eines Springhasen er- 
öffnet. Schließlich wurde in den Sanddünen auch ein langer Gang aus- 
gegraben, der allem Anscheine nach einer Schlange zur dauernden Wohnung 
gedient hatte, denn es wurden an seiner tiefsten Stelle nur zahlreiche 
Schlangenexkremente vorgefunden. 


Bei diesen Ausgrabungen wurden folgende Nagetiere gefangen: 
40 „Sandhamster“ (Phodopus bedfordiae 'THOS.), 


346 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


2 graue Zwerghamster mit schwarzem Rückenstreifen (Cricetulus gri- 
seus fumatus THOS.)'). 

1 schlafender Springhase (Dipus sowerbyi 'T’HOS.). 

Außerdem wurden in den letzten Oktobertagen in den Feldern unter 
den Bündeln der geernteten Hirse sehr zahlreiche Hausmäuse (Mus musculus L.) 
gefunden. 

Die in dieser Gegend häufig vorkommenden Ziesel, von welchen 
im Spätsommer drei erbentet wurden (Üitellus mongolicus ramosus THOS.) 
lagen schon im Winterschlafe. An den Ausgängen der Baue konnten weder 
frische Exkremente noch Fußspuren von Zieseln wahrgenommen werden, 
obwohl meist zahlreiche Zwerghamsterspuren an den Ausgängen der ver- 
lassenen Baue zu sehen waren. Trotz zahlreicher Grabungen gelang es mir 
nicht, eines schlafenden Ziesels habhaft zu werden. Die bewohnten Baue 
hatten offenbar so gut verschlossene Ausgänge, daß sie — zumal unter dem 
Schnee — nicht zu erkennen waren. Abgesehen davon sind in den Steppen 
von allen Zieselbauten überhaupt nur 5°/, bewohnt, was bereits russische 
Pestforscher feststellten. (Erster Allrussischer Pestkongreß, Saratov, 1927.) 

Obwohl es mir also nicht gelang, eines winterschlafenden Ziesels hab- 
haft zu werden, so konnte ich doch häufig am Ausgange und einmal auch 
nahe dem frischen Nest der verlassenen Bauten zahlreiche spezifische Ziesel- 
flöhe (Ceratophyllus mongolicus J. et R.) erbeuten, was darauf schließen läßt, 
daß diese Baue zumindest im Sommer zahlreichen Zieseln zur Wohnung ge- 
dient haben mußten. Meist waren die Zieselflühe am Ausgang der Höhle zu 
finden, und zwar im Sand, während das Innere des Baues frei von Ekto- 
parasiten war. Die Ziesellöhe verhielten sich hier im Winter ebenso wie 
in Transbaikalien !), in der Mongolei und in der Umgebung von Harbin, 
wo ich im Sommer einfach durch Absuchen des Sandes oder lockeren Erd- 
reiches am Ausgange der Zieselhöhle zahlreiche Flöhe erbeuten konnte, ohne 
das Nagetier zu Gesicht zu bekommen. Im Tungliao-er Sanddünengebiet 
waren anfangs November die Flöhe stets — mit einer einzigen Ausnahme — 
innerhalb der ofienen Ziesellöcher etwa eine Handbreite bis höchstens 40 cm 
vom Ausgang entfernt im Sand vergraben; wurde dieser Sand mit den 
Fingern herausgescharrt, so sprangen die Flöhe sofort trotz des herrschenden 
Frostes lebhaft umher. Die Zieselbaue waren zumeist an der Grenze des 
Dünengebietes in der Nähe der Äcker angelegt und aus jedem 10.—20. Loche 


1) Für die Bestimmung dieser Art bin ich Herrn Dr. OTTO KOLLER, Natur- 
historisches Museum, Wien, zu großem Danke verpflichtet. 

2) H.M. JETTMAR, Die Bauten einiger Transbaikalischer Säugetiere. — Zeit- 
schrift f. Säugetierkunde 1, 1926, pg. 13. 


H. M. JETTMAR, Biologische Beobachtungen über einige Nagetiere. 347 


konnten Flöhe erbeutet werden. Die größte aus einem Ausgange gewonnene 
Ausbeute betrug 12 Stück. Die Weibchen waren hier bedeutend zahlreicher 
als die Männchen. Alle alten Nester in den geöffneten Zieselbauten waren 
frei von Ektoparasiten und enthielten nur bisweilen in mäßiger Menge Maden 
von kleinen Fliegen. Die zugehörigen entwickelten kleinen Fliegen traf man 
auch nicht selten an den Ausgängen der Baue an. 

Es gelang mir auch, einen Springhasen (Dipus sowerbyi 'I'HOS.) während 
des Winterschlafes zu erbeuten. Am 7. XI. fand ich bei Chendjatien am nörd- 
lichen Hang einer großen Sanddüne ein kleines halbverschüttetesLoch. Wir gruben 
nach und fanden in der geringen Tiefe von 44 cm unter der Erdoberfläche 
und 140 cm von der Ausgangsöffnung entfernt, eine kleine sackförmige Er- 
weiterung, aus welcher ich einen schlafenden Springhasen herauszog. Die 
Erweiterung, in welcher das schlafende Tier lag, enthielt kein Heu. Das 
Tier lag darin mit seinem Rücken gegen den Ausgang. Es lag im tiefsten 
Schlafe, wie tot und fühlte sich ganz kalt an. Ich legte es in eine Schachtel 
auf den Sand und nach etwa 10 Minuten begann es mit dem Vorderfuß ganz 
schwache Bewegungen zu machen. Nach weiteren zehn Minuten ging ein 
eigenartiges konvulsives Zittern durch den Körper, welches namentlich an 
den Vorderfüßchen deutlich bemerkbar war. Bald darauf war das Tier voll- 
kommen erwacht. — Wir deckten den Bau (Abb. 1) nun vollends auf, wobei sich 
herausstellte, daß die Schlafkammer des Tieres weiter unten in 2?/, m Tiefe 
lag. Sie war mit einer beträchtlichen Menge frischen trockenen Heues an- 
gelegt, wobei das vollkommene Fehlen irgendwelcher Insekten oder ihrer 
Larven ganz besonders auffiel. Es war nicht recht erklärlich, warum das 
Tier hoch oben im Bau in der kleinen Erweiterung, welche keinen einzigen 
Heuhalm enthielt, eingeschlafen war, wo ihm doch eine schöne, tiefgelegene 
Schlafkammer zur Verfügung stand. — Kurz vor der Nische, in welcher 
das schlafende Tier aufgefunden wurde, und hinter welcher eine kleine lockere 
Sandbrücke aufgeworfen war, zweigten zwei weitere Gänge ab, und zwar 
ein ganz kurzer nach aufwärts und ein sehr langer nach abwärts, welcher 
in den Berg führte. Letzterer erreichte die beträchtliche Tiefe von 225 cm 
unter der Erdoberfläche und verjüngte sich am Ende zu einem spitzen Sack- 
gang, aus dem eine schlafende Eidechse herausgezogen wurde. 

Der Springhase(Abb. 10,i1 auf TafelXXX VIII) fühlte sich in der Gefangen- 
schaft (mehrere Monate) dauernd wohl. Zum Unterschied zu den in Urga im Sommer 
gefangenen Springhasen, verlieren seine Ohren auch tagsüber nicht völlig ihren 
Turgor, sondern sind nur bisweilen leicht gefaltet. Des Nachts sind sie stets auf- 
gestellt und straff. Die ganze Nacht läuft das Tier lebhaft in Käfig umher. 
Das Nahrungsbedürfnis ist sehr beträchtlich. Die ersten drei Tage nach dem 


348 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Erwachen aus dem Winterschlafe nahm es überhaupt keine Nahrung auf, 
dann aber fraß es auf einmal bedeutende Mengen von frischem Kohl, Birnen, 
Brot, Hirse und Nüssen. Wenn es gereizt wird, gibt es einen eigentüm- 


Abb. 1. Bau des Springhasen (Dipus sowerbyi THOS.). 
Durchmesser der Gänge etwa 8 cm. Maßstab 1:30. 


lichen halb pfauchenden, halb schnarchenden Ton von sich, den es absatz- 
weise hervorstößt. Er läßt sich ungefähr mit ch-t.. .ch-t. . .ch-t wiedergeben, 

Das Fell des Tierchens ist (30. Dezember) dicht und läßt sich etwa folgender- 
maßen beschreiben: Der Rücken weist sehr zahlreiche, im allgemeinen der Länge 
nach verlaufende schmale Streifen von abwechselnd gelbbrauner und schwarzer 
Farbe auf. Die Flanken sind gelbbraun mit unregelmäßigen weißen Streifen oder 
Flecken untermischt. Die Bauchseite ist mit leuchtend weißen Haaren be- 
deckt, Stirn cremegelb mit feinsten schwarzen Streifen. Um die Augen 
herum unregelmäßiger breiter weißer Haarring. Hinter den Ohren ein feines 
Büschel langer leuchtend weißer Haare. Flecken fuchsroter langer Haare 
am Ansatze des Hinterfußes. Rücken des Schwanzes am Ansatz ziemlich 


H. M. JETTMAR, Biologische Betrachtungen über einige Nagetiere. 349 


kahl, später mit sandgelben kurzen Haaren bedeckt. Schwanzquaste schwarz, 
nur ganz am Ende ein Büschel weißer Haare. Am Rücken sind alle Haare 
am Grunde des Felles grauschwarz und werden dann gegen die Spitzen zu 
gelbbraun. Einige da und dort verteilte lange Haare sind in ihrem ganzen 
Verlauf intensiv schwarz, wodurch die charakteristische Fleckung und Streifen- 
bildung hervorgerufen wird. 

Das Tier, welches sich dauernd wohl befand, wurde am 21. Januar 1929 
mit Chloroform getötet. Seine Maße waren die folgenden (unmittelbar nach 
der Tötung gemessen): 


Gewicht: 109 g. 


Gesamtlänge (Nasenspitze bis zur Spitze der Schwanzhaare) . . . . . 805 mm 
Rumpflänge (Nasenspitze bis Spitze der Haare am Steiß) . . . . . .. 140 mm 
Schwanzlänge (Ansatz am Rumpf bis Spitze der Schwanzhaare). . . . 180 mm 
Nasenspitze bis Krallenspitze bei gestrecktem Tier . . . ni. er 28305mm 
Spannweite der gespannten Vorderpfoten von Kralle zu Kralle 104mm 


Krallen des Hinterfußes: 
Die zweite und vierte Kralle groß, lang, platt, nach abwärts gekrümmt . 8mm 
Die 3. mittlere Kralle ist klein, dünn, nur 4-5 mm lang und leicht nach 

aufwärts gekrümmt. Glatter langer Calcaneus, keine Spur von rudi- 

mentären ersten und fünften Zehen. 


Hinterfuß vom Calcaneus bis zur Krallenspitze . . . 2 2 2 2.02 2...70 mm 
Spannweite der gestreckten Ve DE ee ee ar 29 INE 
Längstes Schurrhaar . . . ee , J90 mm 
Länge der Augenspalte bei Bestnoten Au ee Bl ee a ee 1 0,D, mm 
Eupillenabstand . . . . a ee ae amm 
Nasenlöcher — Spitze der ie ee 2 2 le ea 712mm 


Bei der Sektion des Tieres erwies sich das Herzblut und die Leber 
als hochgradig infiziert mit einer dem Hepatozoon jaculi BALFOUR sehr 
nahestehenden Hepatozoonart. Auch Dartonella bacilliformis konnte in sehr 
geringer Menge im Herzblut nachgewiesen werden. 


Die nördlich von Tungliao gelegenen Steppen beherbergen auch Renn- 
mäuse (Meriones kurauchii MoRI). Im Herbst 1928 wurde von dort ein 
erwachsenes Weibchen in Spiritus dem Harbiner Laboratorium zugestellt, 
gefangen bei Tungliao am 23. August 1928. Der Körper war birnförmig, 
der Nacken kurz, dick, der Kopf länglich mit spitz zulaufender 
Schnauze, der Mund klein, die Ohren rundoval. Die Augen sind ziem- 
lich klein, nicht besonders vorstehend. Die Schnurrhaare etwas länger 
als die ganze Kopflänge (von der Nasenspitze bis zu den Spitzen der 
Ohren). Die vorderen Schnurrhaare sind alle weiß, die hinteren an der 
Basis schwarz. Die Vorderfüße sind kurz und dünn, haben eine Daumen- 
warze und vier schlanke Zehen mit stark gekrümmten 2—2!/, mm langen 


350 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Krallen. Die mittlere Kralle ist am längsten, während die laterale be- 
trächtlich zurücksteht. Die Hinterfüße haben fünf Zehen, wobei die mediane 
und laterale kürzer sind, als die drei ungefähr gleich langen mittleren. Der 
Schwanz ist rund, so lang wie der Körper, an seinem Ansatz und mittlerem 
Verlauf mit dichten etwa 3 mm langen gelben Haaren versehen. Dorsal 
verläuft ein Streifen schwarzer, ebenso langer Haare, der nicht sehr scharf 
hervortritt, da er von gelben Haaren durchsetzt ist. Die Haare werden gegen 
das Ende des Schweifes zu beträchtlich länger (bis gegen 12 mm) und bilden 
eine Art schütterer seitlicher Rute. Der Rücken, die Flanken und die Stirn- 
partien sind gelb, gleichmäßig untermischt mit schwarzen Haaren. Die Bauch- 
seite und die Innenseite der Beine ist weiß. 


Maße: 
Körperlänge . . . 00° a ee ee aD mim 
Schwanz (Basis bis nie = ae a ee a a eelsemm! 
Abstand der Ohren. „ect. 0. un 0. See 50m 
Pupillarabstand . . . . i ee ee Ss mım 
Nasenspitze — Spitze der oheren meist no: 5 #305 9 mm 
Längste Schnurrhaare... ©.=.:.,. 2... We. 2.0 02er 


Um diese Tiere zu studieren, machte ich am 27. Oktober einen Ausflug 
nach Pandjatien, (etwa 30 km nördlich von Tungliao), wo im Herbst dieses 
Jahres die Rennmaus erbeutet wurde. Die Steppen dort sind ziemlich sandig 
(obwohl Sanddünen fehlen) und lassen nur eine recht dürftige Vegetation 
aufkommen; immerhin wird das Land stellenweise bebaut. Die Steppe ist 
von vielen Nagetieren reich besiedelt, da jedoch diese Tiere bereits seit 
einigen Wochen im Winterschlafe lagen, konnte ich kein einziges zu Gesicht 
bekommen. In Pandjatien legte ich den Bau frei, aus welchem die früher 
beschriebene Rennmaus ausgewässert worden war. Auch wurden mehrere 
Baue, welche angeblich sicher Rennmäusen angehörten, ausgegraben und deren 
Skizzen verfertigt. Die Baue waren alle nach einem Schema Anzeleol, einer 
derselben (Abb. 2) sei genauer beschrieben: 


Ausgangsöffnung ohne davor aufgeworfenen Hügel. Im Sande der Aus- 
schlüpfröhre, ganz nahe dem Ausgange wurden 7 Flöhe (5) gefangen, alles 
Ceratophyllusweibchen. Beim weiteren Ausgraben und auch in der ver- 
lassenen Schlafkammer konnte trotz eifrigen Suchens nicht ein einziger Floh 
und auch kein anderer Ektoparasit aufgefunden werden. Die gleichmäßig 
abwärtsführenden Gänge des Baues sind schön gerundet und eher längsoval 
als queroval, 6.5x7.5 cm im Durchschnitt. Die größte Tiefe des Baues war 
in der Schlafkammer mit 95 cm unter der Erdoberfläche erreicht. Die Schlaf- 
kammer hatte 20 cm im Durchmesser und war zum Teil mit altem Heu an- 


H. M. JETTMAR, Biologische Beobachtungen über einige Nagetiere. 351 


gefüllt. Von ihr führte ein kurzer, nur 20 cm langer Sackgang nach auf- 
wärts und endigte blind in einer Tiefe von 81 cn unter dem Steppenboden. 
Der Bau war, wie die meisten der anderen, in der Art einer Schneckenwin- 
dung gedreht. 


Abb. 2. Rennmausbau, ausgegraben am 27. 10. 1928 bei Pandjatien. 
Maßstab 1:30. 


EingrauerHamstermiteinemschwarzenRückenstreifen 
(Oricetulus griseus fumatus THOS.) wurde in der Umgebung von Chend- 
jatien mehrmals angetroffen. Ein Exemplar wurde mir anfangs November 
von einem chinesischen Bauern gleichzeitig mit 30 Hausmäusen gebracht. 
Die Tiere wurden alle unter Kaolianhaufen gefangen. Ein zweiter Hamster 
wurde am 8. November tot auf einer Sanddüne in der Umgebung von Chend- 
jatien aufgefunden. Obgleich das Tier, wie sich bei der Sektion herausstellte, 
schon tagelang tot war, und dieser Tage bereits starker Frost mit heftigem 
Wind herrschte, so konnten doch im Felle des Tieres zwei Flöhe und zwei 
größere Milben gesammelt werden, welche darin lebhaft umherliefen. 

Ein dritter Oricetulus griseus wurde aus seinem Bau, der in unmittel- 
barer Nachbarschaft zahlreicher Baue des Phodopus bedfordiae in einer 


352 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Sanddüne angelegt war, am 2. November ausgegraben (Abb. 3). Der Haupt- 
bau, der‘ sich durchwegs im reinsten Sand befand, war von einigen mehr 


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Abb. 8. Bau des Oricetulus griseus 
fumatus THOS. ausgegrabeninden \ 
Sanddünen bei Chendjatien am ö 

2. 11. 1928. Maßstab 1:30. \ 


oder weniger seichten Sackgängen umgeben. Die Parasiten — einige Dutzend: 
Flöhe und unzählige Milben — waren in der Schlafkammer (WK) und in den 
Gängen in der nächsten Umgebung derselben konzentriert. Die Milben fanden 
sich namentlich zahlreich in einer Nische der Schlafkammer, wo sich mehr 
zersetztes Material befand. Der Bau enthielt drei ziemlich große Vorratskam- 
mern (VK), welche hauptsächlich mit runden Körnern, den Samen einer Steppen- 
ieguninosenart, ausgefüllt waren. Nahe dem Ende des Baues zweigte ein 
ziemlich verschütteter, schwer verfolgbarer Gang in die Tiefe ab, welcher 
zu einer verlassenen Schlafkammer (aWK) führte, die mit altem zersetzten Heu 
ausgefüllt war. In den fauligen platten Heuschichten wurden zwei mumi- 
fizierte Leichen des Üricetulus griseus aufgefunden. Das Tier, offenbar der 
einzige Bewohner der Höhle, sprang aus dem steil nach aufwärts führenden 
Sackgang heraus, und konnte leicht gefangen werden. 

Der kleine eremefarbene „Sandhamster“ (Phodopus bed- 
fordiae TroS.), wurde in den Sanddünen von Tungliao ganz besonders 
häufig angetroffen, und, da die zahlreichen gefangenen Tiere später zu Pest- 


H. M. JETTMAR, Biologische Beobachtungen über einige Nagetiere. 353 


studien dienten, auch am eingehendsten studiert. Diese kleinen, sehr zarten 
Hamsterchen (Abb, 12, 13 auf Tafel XXXVIII) führen ausschließlich ein Nacht- 
leben und verlassen offenbar ihre Höhlen während des Tages nicht?). Auch 
in der Gefangenschaft, welche sie sehr gut überstehen, werden sie erst um 
Mitternacht besonders lebhaft, während sie nach Sonnenaufgang ruhig und 
schläfrig sind. Ihr Nahrungsbedürfnis ist beträchtlich und ihre ungewöhnlich 
großen Backentaschen sind meist gefüllt, auch wenn Nahrung im Überfluß 
im Käfig vorhanden ist. Die prall gefüllten Backentaschen, welche entlang 
des Halses bis über den Schultergürtel nach hinten reichen, machen das 
Tier, namentlich in seiner Nackengegend, ganz unförmig, und erweitern selbst 
den Brustumfang um ein beträchtliches. Wird das Tier ergriffen, so ent- 
ledigt es sich seiner Vorräte, indem es mit den Vorderpfötchen — durch 
Streifen von rückwärts nach vorn — die Samenkörner und allen anderen 
Inhalt aus den Backentaschen herausstreift. 

Diese Hamsterart legt ihre Baue offenbar ausschließlich in reinstem 
Steppensande mit Vorliebe an einem Steillang der Düne an. Es wurden 
über 50 Baue des Phodopus bedfordiae ausgegraben. Der Hauptbau, welcher 
meist von mehreren kleinen Blindgängen umgeben ist, hat fast stets nur 
einen Ausgang. Der Bau verzweigt sich in mehrere Gänge, welche alle blind 
endigen. Wird der Bau ausgegraben, so erscheint nicht selten der Hamster 
irgendwo auf der Oberfläche; er flüchtet demnach bei der Verfolgung in den 
nach aufwärts führenden Blindgang und durchstößt die schmale Sandbrücke 
um den Verfolgern zu entgehen. Da das kleine Tier jedoch ganz ungewöhn- 
lich kurzbeinig und ziemlich plump ist, kann es im Laufe mühelos gefangen 
werden. Der Hauptgang führt zu einer kleinen Erweiterung, welche zumeist 
am Ende des Ganges angelegt ist, und den Schlafraum des Tieres darstellt. 
Er liegt oft recht tief, bis 1 1/, Meter unter der Oberfläche. Diese beträcht- 
liche Tiefe wird meist dadurch erreicht, daß der Hauptgang stets in den 
steilen Abgang hineinführt. Der Bau dieses Hamsters enthält in der Regel 
keine Vorratskammern; nur ausnahmsweise wurden solche angetroffen, welche 
dann mit runden Körnern einer Steppenleguminosenart angefüllt waren. Bis- 
weilen wurden in den Lochgängen an unbewohntem Baue dieser Hamsterart 
überwinternde Kröten angetroffen. 

Das Heu des Lagers enthält fast stets eine beträchtliche Menge von 
Milben *) und auch Flöhen, unter welchen namentlich Neopsylla bidentati- 


®) Die Beobachtungen dieser Hamsterart in der Natur erstrecken sich aus- 
schließlich auf den November. 
4) Die Milben wurden Herrn Dr. H. GRAF VITZTHUM, Berlin, übersandt, 
welchem ich für die Bestimmung der Arten zu großem Danke verpflichtet bin. 
23 


354 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


formis und Frrontospylia jeitmari überwiegen. Mehrere dieser Nester wurden 
in gut verschlossene Blechbüchsen getan und einige Wochen nachher auf 
ihre Ektoparasitenfauna untersucht. So wurde von Nest I außer zahlreichen 
Fliegenlarven und einigen großen Käfern (Scarabaeus) 62 entwickelte Flöhe 
und 40 Milben gesammelt. (Der größte Teil der Milben kam nicht zur 
Untersuchung). Nest Nr. 2 enthielt 7 Flöhe und weit über 200 Milben. 
Aus dem dritten Neste wurden 30 Flöhe und 22 Milben gesammelt. Nest 
Nr. 4 enthielt nur einen Floh und mehrere Dutzende von Milben. Die übrigen 
gesammelten Nester, bei welchen schon während der Inspektion ein beson- 
derer Reichtum an Ektoparasiten koustatiert wurde, wurden zu Pestexperi- 
menten verwendet. Das letzte dieser Nester wurde — nach 80 tägigem Auf- 
enthalte in einem kalten Keller — hervorgenommen und ungefähr die Hälfte 
des Materials auf Ektoparasiten hin untersucht: Es wurden 20 lebende und 
ein toter Floh (Neopsylia), 227 lebende Flohlarven und über 40 verschie- 
dene Milben erbeutet. Wenn man bedenkt, daß diese Baue meist nur von 
einem oder zwei Tieren bewohnt sind, so kann man sich eine Vorstellung 
machen, wie diese Hamster von Ungeziefer geplagt sein müssen. Um so 
mehr nimmt es wunder, daß fast alle gefangenen Tiere, namentlich solche, 
welche aus den Fallen erbeutet wurden, auffallend arm an Ektoparasiten waren. 

Diese Hamsterart wirft im Spätherbst Junge. Wir hatten Gelegenheit, 
einmal in einem Baue zwei etwa drei Wochen alte Junge auszugraben, 
welche zusammen mit der Mutter nahe der Schlafkammer gefangen wurden 
(siehe Abb. 4). Am 8. November wurde in der geringen Tiefe von 50 cm 
ein Sandhamsternest ausgegraben, in welchem vier ganz junge, blinde, noch 
völlig nackte Zwerghamster lagen. Die Tiere lagen im Nest so gut versteckt 
nnd eingehüllt, daß sie erst beim Herausnehmen des Lagers bemerkt wurden. 
Es fiel auf, daß das trockene, rein gehaltene Nest völlig frei von Ektopara- 
siten und Insektenlarven war. Vom Neste zweigten zwei Gänge ab: ein 
kürzerer führte horizontal und ein langer in die Tiefe. In dem kürzeren 
wurde das säugende Hamsterweibchen gefangen. Der lange Gang endigte 
blind in einer Tiefe von 1'/, Metern, ohne ein weiteres Nest zu enthalten. 
Die ganze Länge des Baues vom Ausgange bis zum blinden Ende des langen 
Ganges betrug 2 m 20 cm. Weitere Gänge siehe Abb. 5 und 6. 

Nach dem 15. November, als die tief gefrorene Erde das Graben be- 
reits sehr erschwerte, wurden an den Stellen, an welchen in dem Sand be- 
sonders viele Fußspuren sichtbar waren, größere Blechbüchsen tief in den 


Es handelt sich um 5 Spezies: a) Bulaelaps spec., b) Haemolaelaps spec., c) Euga- 
masus spec., d) Haemogamasus manchuricus VITZTHUM 1929, und e) Anoetus spec. 


H. M. JETTMAR, Biologische Beobachtungen über einige Nagetiere. 355 


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EREN/S Abb. 4. Bau des Phodopus 
1, , bedfordiae THOS. ausge- 
, graben am 30. 10. 1928 bei 
N N Ta Lin; großer Bau, wel- 
; u cher ein erwachsenes Weib- 
1, / N chen und zwei Junge be- 
at ? herbergte. Dieser Bau ent- 
y ’ hält Vorratskammern (VK), 
/ ’ was eine Ausnahme dar- 
/ W. —>r stellt ; sie waren zum Teil 
PIE mit Körnern angefüllt. Ab- 
2 hang etwa 40°. Maßstab 
, 12:30. 


Abb.5. Bau von Phodopus bedfordiae THOS., 
ausgegraben am 30. 10. 1928 bei Ta Lin. 
Ungewöhnliche Anlage: die beiden Sack- 
gänge gehen direkt von der Schlafkammer 
aus; der eine reichte bis dicht unter die 
Erdoberfläche. Abhang der Sanddüne sehr 
steil, etwa 70°. Maßstab 1:30. 


23* 


356 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


/ ’ Abb. 6. Bau des Phodopus bedfordiae THOS., 

4 ausgegraben am 3. 11. 1928 bei Chendjatien 

in einer etwa 100 cm hohen Sanddüne; typische _ 

Anlage; Durchmesser der Gänge etwa 5 cm; 

12.84 G, und G, sind zwei kurze Blindgänge, G, ein 

ae langer, leicht aufwärts führender, knapp unter 
N; der Erdoberfläche mündender Sackgang. 

I Maßstab 1:30. | 


H.M. JETTMAR, Biologische Beobachtungen über einige Nagetiere. 357 


Sand eingegraben. Ihre Öffnung befand sich am Grunde eines künstlich er- 
zeugten Sandtrichters. Als Köder wurde in die Büchse und deren Umgebung 
reichlich Hirse gestreut. Am nächsten Morgen war an allen Fangstellen der 
Sand von zahlreichen Fußspuren durchsetzt und die ganze Hirse weggefressen. 
In den Fallen selbst wurden nicht selten Sandhamster angetroffen. Obwohl 
auf dem Boden der Blechbüchse eine Schicht Watte lag, und reichlich 
Nahrung vorhanden war, so wurden doch mehrere der gefangenen Tiere be- 
reits erfroren aufgefunden. Bei dieser Fangart verdient folgende Beobachtung 
erwähnt zu werden: Als ich nach einem besonders ergebnisreichen Tage die 
Fallen an denselben Stellen wieder aufstellte, konnte ich am nächsten Morgen 
nicht ein einziges Tier erbeuten, obgleich zahlreiche Spuren und das Ver- 
schwinden aller Hirsekörner in der Umgebung der Fallen bewiesen, daß 
diese Örtlichkeit immer noch reichlich von Hamstern besucht war. Ich hatte 
erst wieder eine Ausbeute, als ich die Fallen in ein anderes Gebiet verlegte, 

Etwa 50 der gefangenen Tiere wurden im Laboratorium monatelang 
gehalten und wurden zum größten Teil zu Pestexperimenten verwendet. 
Diese Hamsterart paßt sich dem Gefangenenleben sehr gut an und ist für 
Laboratoriumsversuche sehr geeignet. Zum Unterschied von dem ganz außer- 
ordentlich bissigen und wilden Oricetulus triton DE WINTON und zu Ürice- 
tulus barabensis PALL. ist Phodopus bedfordiae THOS. sehr sanft, beißt 
fast nie, und kann auch, wenn er entkommt, viel leichter gefangen werden, 
als die beiden sehr flinken und energischen anderen Hamsterarten. Außerdem 
ist er ein sehr schlechter Springer. ÜOricetulus griseus ist zwar weniger wild 
und bissig als barabensis und besonders triton, doch macht er auch recht 
gerne von seinen Zähnen Gebrauch und ist wesentlich flinker als Phodopus. 
Ein weiterer Vorteil sind die scheibenförmigen platten und weichen Fuß- 
sohlen, welche ein bequemes Aufspannen auf die Sektionsbretter gestatten. 
Als Nachteil wird das Entleeren der Backentaschen bei jeder Manipulation 
empfunden, wodurch das Operationsgebiet verunreinigt und steriles Arbeiten 
erschwert wird. Außerdem ist das rudimentäre schwer zugängliche Schwänz- 
chen zur Blutentnahme sehr ungeeignet. 

Daß die Tiere namentlich nach Mitternacht ihre Baue verlassen und 
in den Sandsteppen umherwandern, beweist folgende Beobachtung: Am 16. No- 
vember herrschte den ganzen Tag heftiger Sturm, welcher alle Spuren, 
selbst die menschlichen, in den Sanddünen sofort verwehte. Dieser Sturm 
legte sich erst gegen 1 Uhr nachts. Dennoch waren am nächsten Morgen 
die Sanddünen wie gewöhnlich von zahllosen frischen Spuren bedeckt. 

Am 12. Januar wurden zwei von den gefangenen Sandhamstern gleich- 
zeitig mit verschiedenen anderen mandschurischen Cricetulusarten mit Chloro- 


358 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


form getötet und gemessen. Die Beschreibung und die Maße der beiden ge- 
töteten Hamster von Phodopus sind folgende: Bei der Vergleichung dieser 
Sandhamster mit den übrigen Cricetuli (Cricetulus triton, Oric. barabensis, 
Cric. griseus und einer nicht bestimmten Cricetulusart von der nord- 
mandschurisch-mongolischen Grenze) fallen außer dem lichten Fell vor allem 
die breite, kurze, gedrungene Gestalt und die dicken, weichen plattenförmigen 
Pfoten auf, welche auf ihrer Volar- resp. Plantarseite, da sie außerdem hier 
noch mit dichten seidenglänzenden Härchen bedeckt sind, keine Gliederung 
erkennen lassen. Im Winterfell sind Kopf, Nasenspitze, das Maxillar- und 
Mandibulargebiet glänzend weiß. Oberhalb der Augen, unmittelbar vom Oberlid 
beginnend, finden sich zwei sehr charakteristische runde weiße Haarflecke, 
etwa 5 mm im Längen- und 6 mm im Breitendurchmesser. Am Ohreingang 
stehen ebenfalls feine Btischel leuchtend weißer Haare. Sonst ist die Stirn 
und der Nasenrücken mit licht-kaffeebraunen Haaren bedeckt, welche bis 
5 mm vor der Nasenspitze in die weißen Haare der letzteren übergehen. 
Unter den unteren Augenlidern verläuft, vom Nasenrücken ausgehend, in 
horizontaler Richtung nach rückwärts, ein Streifen kaffeebrauner Haare, der 
in der Gegend des unteren Augenlides etwa 3—4 mm breit ist. Dadurch 
erhält der Kopf eine kreuzförmige braune Zeichnung. Die vier bis sechs 
längsten Schnurrhaare beiderseits sind von ihrem Ansatz bis gegen die Mitte 
zu — in seltenen Fällen fast bis zu ihrem Ende — schwarz, während die 
Enden stets leuchtend weiß sind. Alle anderen Schnurrhaare, etwa 50 an 
der Zahl, sind in ihrem ganzen Verlaufe leuchtend weiß. Die unteren Teile 
der Flanken und der Bauch sind hell weiß, nur in der Medianlinie, in der 
Form eines dünnen verwaschenen Streifens, haben die Haare bisweilen einen 
zarten cremegelben Ton. (Die Bauchhaare sind auch am Ansatz weiß und 
nicht aschgrau oder schwarz wie bei den übrigen Hamsterarten). Alle vier 
Beine sind ausschließlich weiß. Der Rücken und der obere Teil der Flanken 
ist kaffeebraun; hier sind die Haare an ihrem Ansatz alle tiefschwarz. Mehr 
medianwärts — von der Stirne bis zum letzten Drittel des Rückens — 
reicht der schwarze Anteil der Haare bis nahe an die Spitze heran, wodurch 
die braunen Haarspitzen das Fell nicht ganz bedecken können und dadurch 
schwarze Streifehen zum Vorschein kommen, 'so daß die zentralen Partien 
einen aschgrauen Farbenton erhalten. Die Steißgegend und das kleine rudi- 
mentäre Schwänzchen, das in den langen, weißen Haaren des Felles ver- 
steckt und schwer meßbar ist, sind leuchtend weiß. Der Übergang des weißen 
Felles in das braune vollzieht sich ziemlich scharf, so daß, wenn das ge- 
tötete Tier platt auf den Bauch gelegt wird, der Rand des Felles von einem 


H. M. JETTMAR, Biologische Beobachtungen über einige Nagetiere. 359 


sehmalen weißen Streifen umrahmt wird, der um das Tier herumgeht, Die 
ovalen Ohrmuscheln sind gegen die Ränder zu fast ganz kahl. 


Maße: 
Pupillarabstand u. ee a era snin: 
Äugenspalt bei Be hiosdenen Anen 7 NE FEN U FOTIE 
Obere Schneidezähne scharfkantig. gerade, die Onleren a gerundet. 
MR ehmeide der oberen Incisivi .. . . . 2 2... 00.2... '6l,mm 
Mundwinkelabstand. . . . . 5 b s GH mm 
Ohrmuschel, an den Maßstab ler an ihrer Dreitesten Selk Om 
e yomsAmsarzebis-zum‘oberen Rande . .» .....:.%... 8 mm 
Längste Schnurrhaare . . EN RN re Zn ante DOK EINM) 
Vorderpfötchen im Querdurchmesser en 8 mm 
5 im l.ängsdurchmesser = mm 
Die Vorderkrallen sind klein, sehr zart, weiß, nur schwach gebogen, sicht: 
barerkleil nicht über . ... : Se a hm 
Abstand der stark gespannten or rofotanspitzen. RS RE ER RN As hen 
Abstand der stark gespannten Hinterpfotenspitzen. . . . . 86 resp. 92 mm 
Totallänge. . . Re sen Seine 2 BDETESN 2 JOR m 
Gewicht von vier en Ticker ee ne AOL ED N 210119°0,.281/8.0..2850% 


. Zm Unterschied von den anderen untersuchten Zwerghamsterarten, bei 
welchen Darionella und Trypanosomainfektion recht häufig vorkommen, er- 
wies sich das Blut von gegen 50 untersuchten Sandhamstern als steril. 

Über die Losung der verschiedenen mandschurischen Hamster- 
arten wurden folgende Beobachtungen gemacht. Es wurden der Reihe nach 
die verschiedenen Arten: 

Phodopus bedfordiae 'T’HOS. 

Cricetulus spec. von der nordmandschurisch-mongolischen Grenze, 
Cricetulus barabensis PALL. und. 

Oricetulus triton DE WINTON 

zu je zweit unter eine große Glasglocke gesetzt; nachdem die Tiere 10 oder 
mehr Exkremente abgesetzt hatten, was stets in wenigen Minuten der Fall 


un 


war, wurden sie wieder weggenommen und die Exkremente ex tempore be- 
schrieben, gemessen und gewogen. Zum Vergleich wurden auch die Exkre- 
mente des Springhasen (Dipus sowerbgi THOS.) in gleicher Weise erhalten 
und gemessen. Es ergaben sich folgende Maße: (Tabelle siehe nächste Seite). 

Die Zeichnungen der Baue wurden alle an Ort und Stelle entworfen. 
Die Maßangaben sind in cm gemacht. Eine Zahl neben dem Zeichen -0- 
gibt die Tiefe der betreffenden Stelle unter der Erdoberfläche an. Das 
Zeichen > gibt die Richtung an, in der der betreffende Gang sich 
senkt. Das Zeichen &———> gibt ebenen Verlauf des Ganges an. WK = 
Schlafkammer, VK — Vorratskammer. 


360 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, i930. 


mm 


Springhase aus 


|„Sandhamster“| Mongolischer |Gestreift. Ham- 


= 
= „ | aus Tungliao [Hamster (San-; ster (Sansin) Be Chendjatien 
en = Phodopus bed- \bese) Oricetulus Oric. barabensis een MR Dipus sowerbgi 
53 fordiae THOS. spec. PALL. er THOS. 
u) mE Ve 
E e unregelmäßig: „wie gedrech- sehr lang, bisw. a Fliegenpup- 
S oval; höckerig deko pre nme hornartige a 
2a | „kartoffelför- En NG nee Spitze \pen Jbiew. horn. 
are: mig“ In en Dattelförmig | aulezsebogen 
Nr. mm mm mm mm mm 
28 3 x 1A 3 xX 2 41, x 1'/a 6 >x 21, 6% x 3% 
2 21 x 1, 3x Tel, ax Ten ol SEN 
3: Bamxıyı) 85x22 | A x), | 66% 2% 9x 31 
4 3 3 ao 250 Ga, 6X 28, 723, 
5 xt Ele x a 4 X 1 | 59: X 2 | Sa X ala 
6 Als X La 2 2a XI) Aa X le ee 14 X 3 
(vielleicht zwei) 
7 RER EN 3x2 4 22 xl DZ DEIA X 28m 
8 7 in BRD au x Ella DB X0B2 61, X 2l,e 
9 3 x. ua), X 2.14 x il Dan, ar Tx 23], 
10 3, x 1a, 9 1a ri ad Ti X 8 
Gesamtgewicht der 10 Exkremente: 
| 0029er | 0056er | 0055 gr | O1il gr | 0802 gr 


Anhang: Aphanipterensammilunsa. 

Die auf den hier beschriebenen Nagetieren und ihren Nestern gefundenen 
Flöhe gehören nach Dr. H. JORDAN, dem ich die Bestimmung meiner ihm 
zugesandten Sammlung verdanke, acht verschiedenen, zum Teil noch un- 
beschriebenen Arten an: 


Name: Fundort: Ä 
1. Ophthalmopsylla kukushkini IOFF Eingang und Inneres verlassener Ziesel- 
1927 baue. Vereinzelt. 
2. Neopsylla bidentatiformis WAG- Eingang von verlassenen Ziesellöchern; 
NER 1893 im Nest und Fell des Sanähamsters 


Phodopus bedfordiae THos. und 
des gestreiften Zwerghamsters Oric, 
griseus fumatus THoS. sehr häufig. 

3. Frontopsylia jettmari JORDAN Am Eingang und im Bau verlassener 

1929 Zieselnester; Nest und Feli vom 
Sandhamster nnd gestreiftem Zwerg- 
hamster. Sehr häufig. 

4—6. Rhadinopsylla, 3 neue Arten Nest und Fell der beiden Zwerg- 
hamster, ziemlich zahlreich; ein- 
mal auch im Innern eines verlassenen 
Zieselbaues gefunden, 


H. M. JETTMAR, Biologische Beobachtungen über einige Nagetiere. 361 


7. Ceratophyllus mongolicus J.&R. Häufig am Eingang von Ziesellöchern; 


var. einmal auch am Eingang eines ver- 
lassenen Rennmaushaues. 
8. Otenophthalmus spec. Einmal im Felle des Sandhamsters 


Phodopus bedfordiae THos. Selten. 


Diese Tabelle zeigt, daß die verschiedenen Floharten in ziemlicher 
Mannigfaltigkeit in den Bauen der einzelnen Nagetiere verteilt sind. Die 
echten Zielflühe: Ceratophyllus mongolicus J. & R. 1911 (var.) wurden 
allerdings nur am Eingang von Zieselbauen und in einem verlassenen Bau, 
der offenbar einer Rennmaus angehörte, angetroffen. Diese Flohart scheint 
allem Anscheine nach auch an den Eingängen der verlassenen Zieselbaue zu 
überwintern. Was die zwei Arten der häufigsten Zwerghamsterflöhe: Neo- 
»sylla bidentatiformis WAGNER 1913 und F'rontopsylla Jettmari JORDAN 
1929 anlangt, so wurden sie sowohl in verlassenen Ziesellöchern als auch 
in den Bauen und im Felle der verschiedenen Zwerghamster angetroffen. Es 
liegt die Annahme nahe, daß der in den Winternächten stets umherwandernde 
Sandhamster Phodopus bedfordiae THos. für die Verbreitung dieser Flöhe 
verantwortlich ist, da er ja häufig die verlassenen großen Baue anderer 
Nagetierarten besucht und dort offenbar meist im Sande des Einganges diese 
Ektoparasiten abgibt oder aufliest. — Die drei Khadinopsylia-Arten endlich 
scheinen typische Bewohner des Nestes und Felles des Sandhamsters zu sein. 
Vereinzelt fanden sie sich auch im Neste des grauen gestreiften Zwerg- 
hamsters und einmal, offenbar durch den Sandhamster verschleppt, im Lager 
eines verlassenen Zieselbaues. 


IV. Notizen. 


1.) Krankheit und Tod des Hamburger Sirenenpaares. 


Beim Abschluß meiner Abhandlung ') über die im Hamburger Zoologischen 
Garten zum erstenmal aufgezogenen und über 12 Jahre lebend erhaltenen Seekühe 
(Trichechus inungwis PELZ.)?) aus dem Amazonenstrom bei Manaos war alles eher 
zu erwarten, als daß das einzigartige Paar trotz seiner vollkommenen Eingewöhnung 
diese Veröffentlichung nicht allzu lange überleben und schließlich, wie so viele 
seiner Vorgänger, ein Opfer menschlicher Unzuverlässigkeit werden sollte. 

Gegen Ende 1924 meldete der mit der Pflege der Seekühs betraute Wärter, 
(daß er bei der täglichen Reinigung des Beckens und seiner Insassen einige etwa mark- 
stückgroße Pusteln auf der Rückenhaut beider Manati beobachtet habe, die wässerige, 
trübe, an einzelnen Stellen rötliche Flüssigkeit enthielten. Bei der Nachprüfung 
wurde dieser Befund bestätigt. Im übrigen benahmen die Tiere sich wie sonst 
und verrieten höchstens durch eine auch bei anderen Gelegenheiten gezeigte Ver- 
minderung der Freßlust, daß nicht alles in Ordnung sei. Nach früheren Be- 
obachtungen konnte man mit einer, wenn auch allmählichen Besserung dieses Zu- 
standes umso eher rechnen, als auch die sorgfältigste Untersuchung keine Anhalts- 
punkte für die Ursache zu liefern vermochte, die Widerstandsfähigkeit der Art 
nach den im Schrifttum bekannt gewordenen und in meiner oben angeführten 
Arbeit aufgez“hlten Fällen eine Selbstheilung umso eher erhoffen ließ, als die 
Tiere gut eingewöhnt waren. Entgegen dieser Zuversicht nahm die Zahl der 
pockenähnlichen, aber keinen entzündlichen Charakter tragenden Erscheinungen 
im Laufe der folgenden Tage und Wochen zu. Die kranken Stellen verloren den 
pigmentierten Teil der Epidermis und eine in die Tiefe, etwa bis zum Rete Malpighi, 
reichende Zersetzung der Epidermialgewebe begleitete den Fortschritt der Er- 
krankung, zu der sich auch ein weiteres Nachlassen des Appetits gesellte. Ab- 
sonderungen von Eiter wurden nicht sicher festgestellt, wohl aber dann und wann 
blutfarbige Flüssigkeit ohne Blutkörperchen in den zerfallenden Geweben; vor 
allem erweckte der nach sorgfältiger Reinigung sich stets wieder neu bildende 
Belag den Eindruck einer Pilz-Infektion oder eines Befalls mit Saprolegnia. Der 


') VOSSELER, L., Pilege und Haltung der Seekühe (Trichechus) nebst Bei- 
trägen zu ihrer Biologie. „Pallasia“, Zeitschrift f. Wirbeltierkunde 2, 1. 4. 1924, 
pg. 58—67, 114—133, 167—180, 213—230, mit 2 Taf. 

?) In der neuesten Auflage von BREHM, 12, pg. 583, ist die Art fälschlich 
als Synonym zu Tr. manatus L. (americanus, latirostris) mit einem über den 
Amazonas und Orinoko sich erstreckenden Verbreitungsgebiet aufgeführt und auch 
in der beigegebenen Abbildung so benannt. 


Notizen. 363 


Umfang der Flecke wie auch ihre Zahl nahmen langsam zu und führten, ohne 
daß sich die Körpermaße in besonders auffallendem Maße verminderten, langsam 
zu einem unerwarteten Ende. Das 9 starb am 28. 11. 1924, das 5’ wenig später 
am 22. 12. 1924. Dieses war in Gefangenschaft 12!/,, jenes 12!/, Jahre alt ge- 
worden. Beide Kadaver erhielt das Hamburger Zoologische Museum. 


Während der Krankheitsdauer wurde fortlaufend versucht, deren Fortschritt 
zur Ermittelung der Ursachen auf verschiedenen Wegen zu verfolgen. Darüber, 
daß die krankhaften Stellen auf der Hautoberfläche nur eine Begleiterscheinung 
eines tiefer sitzenden Leidens darstellte, konnte kein Zweifel herrschen. Die mikro- 
skopische Untersuchung von Präparaten aus den verschiedenen, wohl als putrid 
zu bezeichnenden, meistens grau aussehenden Flecken zeigte regelmäßig außer 
Stäbchenbakterien und losgelösten, mit dunklen Pigmentkörnchen durchsetzten 
Zellhaufen der Oberhaut keine besonders charakteristischen, eine spezifische Haut- 
krankheit verratenden Elemente. Herr Dr. med. vet. KALLERT, Hamburg, hatte 
sich in dankenswertem Entgegenkommen mit einer eingehenden Untersuchung der 
Bestandteile der Zersetzungsprodukte befaßt, nach der er die Überzeugung gewann, 
daß die auch von ihm festgestellten Elemente unter Umständen ebenso gut auf 
der gesunden Haut zu finden seien, und keinesfalls als Todesursache betrachtet 
werden könnten. Als solche bezeichnet er eine schwere Darmentzündung, die er 
bei der Sektion eines der Tiere selbst feststellen konnte. 


Die Gleichartigkeit und Gleichzeitigkeit der Erkrankung beider Sirenen er- 
folgte unter Umständen, die jeden Verdacht eines Diätfehlers ausschlossen. Es 
kennte somit nur ncch an eine Vernachlässigung der Ansprüche der Tiere an die 
Luft- und Wassertemperatur gedacht werden. Aus einer Zusammenstellung der 
Todesursachen früherer Sirenenimporte ergibt sich, daß von den in der oben 
zitierten Arbeit aufgezählten 24 Nummern nicht weniger als 10 auf eine zu große 
und andauernde Abkühlung des Wassers oder der Luft (1. c. pg. 130) zurückgeführt 
werden. Es war nur rätselhaft, wie und wann die lange Jahre hindurch bewährte 
und äußerst einfache Behandlungsart durch einen verhängnisvollen, geradezu kapi- 
talen Verstoß gegen eine der ersten und wichtigsten Lebensbedingungen gefangener 
Sirenen ersetzt worden sein konnte. Als Unheilbringer kam nur der etwas be- 
schränkte, aber sonst diensteifrige Wärter in Frage. Durch Nachforschungen 
wurde ermittelt, daß familiäre Zerwürfnisse ihn aus dem Gleichgewicht gebracht 
und an der ordentlichen Erfüllung seiner Dienstpflichten gehindert, zugleich einem 
ungewohnten Alkoholgenuß in die Arme getrieben hatten. In dieser Verfassung 
schien er wohl einige Male die Vorrichtung zum Mischen von Kalt- und Warm- 
wasser, damit die Herstellung der vorgeschriebenen Temperatur, nicht beachtet 
zu haben. Die Folgen lieferten einen leider teuer erkauften Beleg für die Emp- 
findlichkeit der Seekühe gegen eine längere Einwirkung kühler Temperaturen, 
auch wenn sie durch das täglich geübte Übersprengen und kurze Abwaschen mit 
kaltem Leitungswasser auf das beste abgehärtet zu sein scheinen. 


Einige Versuche zur Heilung (Futterbeigabe von Teichschlamm) oder zur 
Besserung der Hautschwären (essigsaure Tonerde) sowie Erhöhung der Wasser- 
temperatur auf 40°C. blieben, wie vorauszusehen, erfolglos, zumal nicht nur eine 
dauernde Behandlung der Krankheit schon allein durch die Unmöglichkeit einer 
Diagnose und Anwendung innerlich wirkender Heilmittel, weiterhin durch die 


364 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Lebensweise im Wasser nicht durchzuführen war. Ohne helfend und rettend ein- 
greifen zu können, mußten die beiden Patienten ihrem Schicksal überlassen werden. 
Die Hoffnung, daß die so lange bewährte gute Konstitution und die an früher 
eingeführten Exemplaren bisweilen beobachtete, oft erstaunliche Widerstands- 
fähigkeit gegen geradezu unbegreifliche Fehler in der Haltung und Behandlung 
schließlich zu einer natürlichen Selbsthilfe und Ausheilung der erkrankten Organe 
führen könnte, erfüllte sich nicht, und so gestaltete sich in Beziehung auf die 
Sirenologie das Jahr 1924 zu eınem für die Wissenschaft und für die Tier- 
gärtnerei gleichermaßen verhängnisvollen, dessen trüber Abschluß umso schmerz- 
licher war, als er nur auf eine ganz unglaubliche Nachlässigkeit, in letzter Linie 
auf das häusliche Elend einer einzelnen Person, zurückzuführen war, außerdem 
aber einen umso schwerer wiegenden Verlust bedeutete, als wohl in den nächsten 
Dezennien kaum mit einem Zufall oder systematischen Versuch gerechnet werden 
kann, der die Fortsetzung meiner biologischen Beobachtungen zu ermöglichen, 
damit auch weiteres Material zu den von Herrn Dr. DRÄSECKE, hier, begonnenen 
Untersuchungen am Zentralnervensystem zu liefern vermöchte. 

Um die Naturgeschichte der Sirenen als Pflanzenfresser mit der der fleisch- 
fressenden Meeressäugetiere in der Gefangenschaft vergleichen zu können, wandte 
ich mich an den Direktor CH. H. TOWNSEND des New Yorker Aquariums. Diesem 
Institut war es bekanntlich zum erstenmal gelungen, eine Anzahl der am Kap 
Hatteras auf ihren Wanderungen zeitweise häufigen „großen Tümmler': (Tursiops 
tursio FABR.) zu fangen und davon 8 Stück in einem Riesenbecken längere Zeit 
zu pflegen. Die Eingewöhnung bereitete keine Schwierigkeiten; die Tiere gingen 
leicht ans Futter, waren aber stets in Bewegung, kannten keine Ruhepausen 
weder unter Tags noch während der Nacht. Nach einer durch Herrn TOWNSEND 
veranlaßten Mitteilung der Direktorial-Assistentin IDA M. MELLEN hielt das 
andauerndste Stück zwei Jahre aus. Als Ursache des Ablebens wird ein not- 
wendig gewordener Ersatz der anfangs mit reinem Seewasser durchgeführten 
Füllung des Riesenbeckens durch Brackwasser vermutet, das den Tieren nicht zu 


bekommen schien. J. VOSSELER (Hamburg). 


2.) Zur Nahrung des Bibers. 


Der Biber hat seine Speisekarte wiederum erweitert. Nachdem er erst die 
Zuckerrüben und dann die Futterrüben angenommen hat, geht er jetzt auch in 
die Kartoffelfelder, gräbt Knollen aus und trägt sie zum Bau. Als neuestes hat 
er auch in einem Maisfelde die Halme umgeschnitten und die unreifen süßen 


Kolben aufgefressen. Dr. A. MERTENS (Magdeburg). 


3.) Von einigen Säugetieren Rumäniens. 


1.) Sus scrofa L., das Wildschwein ist eine sehr häufige und beinahe kosmo- 
polite Art, welche sich sowohl in unseren geschlossenen Waldmassiven als auch 
in den kleinen Wäldern der Vorsteppe vorfindet; es ist ebenfalls in dem Über- 
schwemmungsgebiete der Donau einschließlich des Deltas anzutreffen; in der 
eigentlichen Steppe fehlt es und in der westlichen Vorsteppe (unteres Mures-Tal)- 
hat man es ausgerottet. 


Notizen. 365 


2.) Cervus elaphus L., der Edelhirsch. Einheimisch : in den Südkarpathen 
ziemlich selten, westlich und östlich des Alt, im Distrikt Prahova fehlt er. In 
den Ostkarpathen kommt er von Sita Buzäulni bis zur tschechoslowakischen 
Grenze überall vor, indem sich sein Verbreitungsgebiet gegen Norden zu bedeutend 
verbreitert. Außerordentlich starke Exemplare finden sich in der: Marmarosch 
(@Eaniaer Gebirge, Revier des Herrn Dr. NEDICI. Angesiedelt: in Wild- 
parks (Sarlota, Banloc, Distrikt Timis), oder frei (Bocsa montana, Resita, Distrikt 
Caras, Svarin, bei Nadrop, Distr. Severin, weiterhin in Sochodor, Sararsin und 
Moneasa, Distrikt Arad). 

3.) Cervus dama L., das Damwild, eine mediterrane Art, welche nach BIELY 
vor dem Jahre 1848 in großer Zahl auf den Gütern des Grafen BRUKENTHAL 
bei Sambäla de Jos, neben Fägäras, kolonisiert war, befindet sich heute bei uns 
nur in den staatlichen Hirschpark von Sarlota (Distrikt Timis); einige Exemplare 
sind auf den Gütern des Grafen KARACSONYI in den Wäldern von Bauloc (Dis- 
trikt Timis), ebenso in Sochodor (Distrikt Arad) und in Balc (Distrikt Bihor). 

4.; Capreolus capreolus L. Das Reh kommt spontan in allen Nadel- und 
Buchenwäldern des Landes vor, in der Dobrudscha auch in den Eichenwäldern. 
In den Eichenwäldern der Crisana und des Banates scheint es ebenfalls autochthon 
zu sein, obwohl es in großem Maßstabe in diesen Gegenden angesiedelt wurde. 
Casa verde bei Timisoara). Angesiedelt in den Wäldern der Vorsteppe der Crisana, 
des Banates und Munteniens (Distrikt Ilfor, bei Bränesti usw.). 

5.) Ovis musimon PALL. Diese Mittelmeerart wurde in Siebenbürgen im 
Jahre 1868 auf dem Gute des Grafen CAROL FORGACS nahe dem Ghimels-Passe 
angesiedelt, wo man es in neuerer Zeit aber wieder ausgerottet hat. Heute gibt 
es noch einige Stücke auf dem Gute des Herrn JOSEF PINCHAS, in der Gemeinde 
Bale (Baioc), Distrikt Bihor. 

6.) Rupicapra rupicapra L. Die Gemse kommt spontan in der alpinen Zone 
von 1800 m aufwärts vor, besonders in den Miassiven Retezatal (etwa 1500 Stück), 
Päaräugul, Fägaras (etwa 3000 Stück), Bucegi, Rodna. In dem westsieben- 
bürgischen Gebirge fehlt sie und aus den übrigen kleinen Massiven der Ost- 
karpathen ist sie verschwunden. 

7.) Lepus europaeus PALL, der Feldhase, findet sich spontan in Rumänien, 
und wird durch zwei Unterarten vertreten, deren Grenzlinie mit dem südöstlichen 
Rande der Karpathen zusammenfällt, und zwar: Lepus europaeus transsylvanicus 
MATSCHIE (= carpathorıum HILZHEIMER) in den Karpathen und in Sieben- 
bürgen, und Lepus europaeus europaeus PALL. in den übrigen Teilen des Landes. 

8.) Ursus arctos alpinus F. CUV., der Bär, spontan in der Nadelwaldzone des 
Banates und der Südkarpathen, in den Ostkarpathen auf engerem Gebiet. Gegen 
den Herbst kommt er auf der Nahrungssuche in geringere Höhen herab, bis zur 
unteren Grenze der Nadelwälder (Tismana, Distrikt Horjin, Brasov, Distrikt Brasov). 

9.} Meles meles meles L., der Dachs, spontan, gemein und unabhängig von 
der Höhe, fehlt nur in der eigentlichen, trockenen Steppe. 

10.) Zutra lutra L., der Fischotter, eine spontane Art, ist in den Tälern 
größerer Flüsse und hauptsächlich im Überschwemmungsgebiete der Donau zu Hause. 

11.) Martes martes martes L., der Edelmarder findet sich spontan und gemein 
in unseren Waldmassiven von der unteren Buchengrenze an. In der Dobrudscha 


366 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


wird er nach Angaben des Herrn N. SEULESCU, Generaljagddirektor, durch die 
Form mit zinnoberrotem Brustfleck: Martes martes latinorum BARRET- 
HAMILTON, vertreten. 


12.) Martes foina foına ERXL. der Steinmarder, spontan, häufig in geringeren 
Höhen, meidet die menschlichen Wohnungen nicht. 


13.) Putorius putorius putorius L. der gemeine Iltis, spontan und gemein im 
ganzen Lande, außer den Steppen der Bäragän, Südbessarabien und der Dobrudscha, 
wo er durch die folgende Art vertreten wird. 


14.) Putortus erversmanni LESS. — hiposideros BECHST. Der Steppeniltis 
ist im Südosten des Landes gemein. 


15.) Vormela peregusna GUELD, der Tigeriltis, spontan, gemein in der 
Dobrudscha. 


16.) Lutreola lutreola L., der Nörz, spontan und gemein, wie der Fischotter, 
aber mit größerem Verbreitungsgebiet, da er dem Einfluß des Menschen weniger 
ausgesetzt ist. 


17.) Mustela erminea aestiva KERR. Das große Wiesel ist in Rumänien ge- 
mein, und von der Höhe wenig abhängig. 


18.) Mustela niwvalis L., das kleine Wiesel, spontan. Diese Art teilt sich in 
Rumänien längs des Südostrandes der Karpathen in eine westliche Unterart (in 
Siebenbürgen und den Karpathen) Mustela niwalis niwvalis L. (= vulgaris ERXL.). 
und eine östliche Unterart (Altreich) = Mustela nivalis boccamela BECHST. (= dom- 
browsküü MATSCHIE). 


19.) Canis lupus lupus L. Der Wolf ist eine häufige Art, besonders im Winter, 
wenn er aus den Gebirgen und aus den Schilfgestrüppen der Donau, wohin er sich 
im Sommer zurückzieht, in die bewohnten Gegenden einfällt. 


20.) Canis aureus L. Der Schakal ist für die rumänische Fauna eine neue 
Erscheinung. Das erste Exemplar wurde im Oktober des Jahres 1929 auf der 
Donauinsel gegenüber Ghidiein (Distrikt Doljin) erlegt. 


21.) Vulpes vulpes L., der Fuchs, eine fast kosmopolite und von der Höhe 
unabhängige Art, wird in Rumänien durch eine mitteleuropäische (häufigere) 
Unterart: Vulpes vulpes erucigera BECHST., und eine südliche Form mit schwarzem 
Bauch, Vulpes vulpes melanogaster BONAPARTE, die weniger häufig in der 
Dobrudscha und an dem Westhange des Westsiebenbürgischen Gebirges und der 
Banater Gebirge vorkommt, vertreten. 


22.) Felis silvestris silvestris SCHREB., die Wildkatze, ist eine gemeine Art, 
die beinahe in allen Wäldern großer und geringerer Höhe vorkommt; manchmal 
findet sie sich auch in den Wäldern der Ebene (Distrikt Ilfoo) und in dem Über- 
schwemmungsgebiete der Donau. 


23.) Lynx lyn«& L., der Luchs, ist eine bei uns immer seltener werdende Art; 
sein Verbreitungsgebiet ist die Nadelwaldzone, und ist dem Bären ziemlich ähn- 
lich; enger auf dem Westhange der Ostkarpathen (Distrikt Nasaud) und breiter 
auf dem Osthange (Bukowina). Häufiger in den Südkarpathen (Bunzenländer-, 

ı Fagaroscher-Gebirge usw. 
Dr. RAUL J. CALINESCU (Bukarest). 


Notizen. 367 


4.) Penisknochen des Fischotters mit eingeheiltem Schrotkorn. 


Im Herbst 1930 erhielt das staatliche Museum für Naturkunde und Vor- 
geschichte in Danzig einen Penisknochen des Fischotters Lutra lutra (L.) 
mit einem eingeheilten Schrotkorn. Geber war Herr RAAP-Rothebude bei Danzig. 
Er hatte das Tier 1923 in Rothebude an der Weichsel mit einer Falle gefangen. 
Nach seiner Angabe, die ich nach Kenntnis der Sachlage nicht anzweifeln konnte, 
handelt es sich bei diesem Tier um dasselbe Stück, das 1915 hier mit Schrot an- 
geschossen wurde, das aber damals entkam. Nach dem Erlegen des Tieres wurden 
in ihm 13 Schrotkörner festgestellt. Das Tier hatte also die Schrotkörner 8 Jahre 
getragen, war gesund und ein kräftiger Rüde geworden. Das Schrotkorn ist im 
Os penis gut eingeheilt, siehe die Abb. auf Tafel XXXVII. Die Knochenmasse 
hat anscheinend das ganze Schrotkorn schon etwas überwachsen, bei dem Heraus- 
präparieren ist dann aber wohl die dünne Oberschicht teilweise entfernt worden, 
so daß nun das Schrotkorn oben frei liegt. Jedenfalls erscheint das gute Einheilen 
des Schrotkorns in dem empfindlichen Geschlechtsglied des Tieres bemerkenswert. 


Dr. Hans LÜTTSCHWAGER (Danzig). 


5.) Ein Photo vom Zobel (Martes zibellina L.). 


Die beigefügte Aufnahme eines Zobels (siehe die Abbildung auf Tafel 
XXXVII) ist mir nach langen, mühevollen Anstrengungen in der sibirischen 
Pelztierfarm am Baikalsee im Jahre 1928 gelungen. Der Zobel lebt heute noch 
wild in den Gebirgs-Urwäldern Sibiriens.. Am häufigsten kommt er im Ssa- 
janschen Gebirge in Sibirien, in Kamtschatka und den Urwäldern der Tarta- 
rischen Gebirgsketten vor. Um einem weiteren Rückgang des Zobels vorzubeugen, 
ist in vielen Gegenden Rußlands bereits seit einer Reihe von Jahren die Zobel- 
jagd verboten. — Hinsichtlich seiner Lebensweise hat er sehr viel Ähnlichkeit 
mit dem Baummarder. Jedoch hält er sich vielmehr als dieser am Boden auf. Seinen 
Bau legt er unter großen Baumwurzeln, zwischen Steinen u. a. m. an. Als 
Nahrung dienen ihm — wie auch dem Marder — Beeren, Zirbelnüsse, die Früchte 
der Eberesche und kleine Tiere. — Am wertvollsten sind die Felle der dunklen 
Zobeltiere. Hierfür wurden schon in Friedenszeiten bis zu 2000 Mark je Stück 
bezahlt. Sie stammen meist vom Witim-Plateau und aus dem Barkusin-Kreis, 
wo der Zobel heute fast ausgestorben ist. Die Zobelfelle aus den Urwäldern der 
sibirischen Tiefebene dagegen sind niedrig im Preis. Die Zobelfelle aus Kamt- 
schatka unterscheiden sich von denen anderer Gegenden durch ihre Größe, 
ihre dichteren und gröberen Haare und ihre hellere Farbe. — Seit einiger Zeit 
werden mit Erfolg Versuche gemacht, Zobeltiere in Pelztierfarmen zu züchten. 
Jedoch befindet sich die Zobelzucht noch in den Anfängen, sodaß man heute noch 
nicht absehen kann, ob sich solche Bemühungen lohnen werden. Auf alle Fälle 
muß abgewartet werden, ob die Qualität der Felle bei der künstlichen Haltung 


der Tiere nicht nachteilig beeinflußt wird. 
Dr. M. KLEMmM (Potsdam). 


6.) Bastarde von Hund und Wolf in freier Natur. 


Ende Juni 1924 zeigten sich an einer Dickung in der Oberförsterei Kullik 
Johannisburger Heide, O. Pr.) 5 junge Raubtiere, die für Jungwölfe gehalten 


368 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


wurden. Ein sofort unternommener Fangversuch glückte bei zweien der Tiere; 
ein drittes wurde versehentlich erschlagen. An einem der nächsten Tage wurden 
die beiden entkommenen Jungen in Gesellschaft ihrer vermutlichen Mutter ange- 
troffen. Ein Junges wurde gefangen, das zweite und die Alte entkamen. 

Bald danach wurde ein höhlenartig erweiterter Dachsbau gefunden, in dem 
die Jungen offenbar zur Welt gekommen waren. Er befand sich in einer Kiefern- 
dickung im dichtesten und vom nächsten Ort entferntesten Teil des Reviers. 
Um ihn herum lagen eine sehr große Menge Knochen von Gänsen, etwa 30 Rehen 
und 30—40 Schafen. 

Die erbeuteten Tiere waren etwa 6 Wochen alt und von verschiedenem 
Aussehen. Das erschlagene Stück war braungrau mit weißlicher Brust und 
weißlichen Zehen, hatte auch Ansatz zu einer schwarzen Maske. Die drei lebend 
gefangenen waren hellgrau, dunkelgrau und fuchsrot, mit im untern Teil weißen 
Beinen. Das entkommene Stück war auch fuchsrot gefärbt. Beide Ohren standen 
nur bei dem gefangenen fuchsroten Stück aufrecht. Das braungraue und das 
hellgraue hatten herabhängende Schlappohren, bei dem dunkelgrauen stand ein 
Ohr aufrecht, während die Spitze des andern geknickt war. Diese Ohrenbildung 
bestand bei den 3 lebend gefangenen und von Hegemeister KÜHL in Zymna 
gepflegten Jungtieren noch Anfang November 1924. Ob sie sich später geändert 
hat — zwei der Tiere sind bis Ende 1924 oder Anfang 1925, das dritte bis 
Anfang 1926 gehalten worden —, habe ich nicht ermitteln können. Wie die 
Ohren des entkommenen fünften Jungen beschaffen waren, ist unbekannt. Daß 
es sich nicht um reinblütige Jungwölfe handeln kann, ergibt sich ohne Weiteres 
aus der Färbung und der Bildung der Ohren. Die Beantwortung der Frage: 
Hunde oder Bastarde von Hund und Wolf, wird dadurch erschwert, daß nur das 
erschlagene Jungtier einer fachwissenschaftlichen Untersuchung durch das Zoolo- 
gische Institut der Universität Königsberg zugeführt worden ist. Es ist dann 
präpariert worden und befindet sich im Zoologischen Museum in Königsberg. 
Die drei lebend gefangenen und längere Zeit gehaltenen Stücke sind dagegen 
leider getötet worden, ohne sie wissenschaftlich nutzbar zu machen, trotzdem 
gerade die Untersuchung dieser in vorgeschrittenerem Alter befindlichen Tiere 
manchen wertvollen Aufschluß hätte geben können. 

Immerhin hält das Zoologische Institut in Königsberg das dort befindliche 
Stück namentlich mit Rücksicht auf seine Schädelbildung für einen Bastard. Dies 
Urteil wird durch die körperlichen und geistigen Eigenschaften der drei lebend 
gefangenen Tiere bestätigt. 

Letztere hatten starke Unterwolle und ein verhältnismäßig kräftiges Gebiß, 
in dem namentlich die Eckzähne durch Größe, kegelförmige Gestalt und scharfe 
Spitzen auffielen. Die Mittelzehen standen eng zusammen und ragten weit über 
die Außenzehen hervor. Die Ausdünstung des Körpers roch sehr scharf. Die 
Tiere bellten niemals, sie winselten und knurrten nur, antworteten auch, als 
einmal Wolfsgeheul nachgeahmt wurde. Anfangs sehr unbeholfen, wurden sie 
mit zunehmendem Alter ungemein gelenkig, sprangen in ihrem Zwinger bis zur 
Decke, balgten sich spielend, oft aber auch im Ernst, wobei sie sich sofort blutig 
bissen. Mit den KÜHLschen Hunden wollten sie gern spielen, doch diese sträubten 
die Haare, wenn die Jungen sich ihnen näherten, und schienen vor ihnen Furcht 
zu haben. Richtig zahm wurden die Jungtiere nicht, sie blieben scheu und bissig, 


Notizen. 369 


wollten auch nicht fressen, wenn jemand dabei stand. Auch das bis Anfang 
1926 gehaltene Stück ließ sich nur von dem Knaben anfassen, der es fütterte 
und pflegte. Aus Pflanzenstoffen bereitetes Futter mochten die Tiere nicht, sie 
verlangten nach Fleisch und zwar waren ihr Lieblingsfraß Hundekadaver, die sie, 
nachdem sie zuerst die Eingeweide herausgerissen und verschlungen hatten, mit 
Haut und Haaren auffraßen. 

Hiernach läßt sich mit einer an Gewißheit streifenden Wahrscheinlichkeit 
annehmen, daß es sich um Bastarde von Hund und Wolf handelt. Dieser An- 
sicht ist auch Geheimrat Professor Dr. HECK, dem ich den Sachverhalt brieflich 
mitgeteilt hatte. 

Liegt nun eine Paarung Wolf und Hündin oder Hund und Wölfin vor? 
Beide Möglichkeiten sind gegeben, denn im Revier hielt sich in der fraglichen 
Zeit sowohl eine verwilderte Hündin als auch eine Wölfin auf. Erstere wurde 
am 5. September 1924 von dem Landwirt PIENKOSS in der Gemeindejagd Hinter- 
Pogobien geschossen, zunächst mit aller Bestimmtheit für eine Wölfin erklärt, 
dann aber auf Grund der Untersuchung des Schädels im Zoologischen Museum 
in Berlin als Hündin erkannt. Letztere wurde am 16. Dezember 1914 vom Ober. 
förster KROLL im Revier Kullik erlegt; daß es sich um eine echte Wölfin 
handelt, wurde bei der Präparation bei OTTO BOCK in Berlin bestätigt. 

Dafür, daß die Wölfin die Mutter der Bastarde war, sprechen folgende Um- 
stände. Am Tage nach der Erbeutung der ersten 3 Blendlinge zeigten sich auf 
den Gestellen — es hatte in der Nacht geregnet — die Spuren dreier Stücke 
Raubwild, eines erwachsenen und zweier jungen. Die Spuren des ersteren ent- 
sprachen denen eines Wolfes: sie waren schnürend, die Mittelzehen waren ge- 
schlossen und standen weit über die Außenzehen hervor. Nach der Erlegung der 
Hündin wurde im Revier ein fuchsrot gefärbter ‚„Jungwolf“ in Gesellschaft zweier 
alter Wölfe gesehen; ein ebenso aussehender befand sich auch am 16. Dezember 
1924 zusammen mit der Wölfin im Treiben. Die Stärke dieses wie jenes stimmte 
mit der der in Gefangenschaft gehaltenen Blendlinge überein. Sichere Beweise 
sind dies natürlich nicht. Die Hündin mag in ihrer Spur auch wolfsähnlich und 
die Ähnlichkeit des im Revier befindlichen Jungwolies mit dem übrig gebliebenen 
Blendling ein Zufall gewesen sein. 

Landgerichtsdirektor REINBERGER (Lyck Ostpreußen). 


7.) Das Fehlen des ersten Unterkieferprämolaren beim Reh — ein 
progressives Merkmal. 


Unter den rund 1000 Rehunterkiefern, die mir in der letzten Zeit — meist zum 
Zwecke der Altersbestimmung — vorlagen, fanden sich 8, bei denen der erste Prä- 
molar beiderseits fehlte. Obwohl dieses Fehlen nur bei solchen Kiefern festgestellt 
wurde, bei deren der Zahnwechsel bereits stattgefunden hatte, handelte es sich 
vermutlich um ein Fehlen von Geburt an, da am Kieferknochen keinerlei Reste 
einer in Abbau begriffenen Alveole zu sehen waren; nur in zwei weiteren Fällen 
fehlte der genannte Zahn nur auf einer, der linken Seite — dort waren aber 
Alveolenreste deutlich erkennbar, so daß an einem Verlust intra vitam nicht zu 
zweifeln wer; diese Fälle bleiben für die nachfolgenden Betrachtungen unberück- 
sichtigt. 

24 


370 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Wenn von einem „Fehlen von Geburt an“ gesprochen wurde, so ist damit 
natürlich an sich nicht gesagt, daß es sich um eine ererbte Bildung handle, 
andrerseits ist aber wenig wahrscheinlich, daß eine intrauterine Hemmungsbildung 
zur Erklärung für den vorliegenden Fall herangezogen werden kann. Denn einmal 
pflegen dergleichen Bildungen sich nicht mit solcher Regelmäßigkeit auf die beiden 
Körperseiten zu erstrecken, zum andern wirken sie sich meist auf einen größeren 
Bereich als gerade nur auf einen Zahn aus; niemals wurde bei dem zahlenmäßig 
doch ziemlich großen Material eine weitergehende Rückbildung des Gebisses 
beobachtet, wohl aber kamen mir zwei Unterkiefer zu Gesicht, die statt der er- 
wähnten Reduktion eine Verlängerung der Backzahnreihe in Gestalt eines, wenn 
ich mich so ausdrücken darf, zweiten 1, Prämolaren aufwiesen. Es ergibt sich also 
für den ersten Vormahlzahn eine Neigung zum Variieren, und zwar, wie ich an- 
nehmen möchte, zum erblich bedingten Variieren. 

Um nun die Ursachen kennen zu lernen, die zu einer derartigen Variation 
mit (überwiegend) reduktiver Tendenz führen konnten, ist es nötig, sich den Kau- 
vorgang des Rehes zu vergegenwärtigen. Es ist eine Erfahrung besonders der 
menschlichen Erblehre, daß der funktionelle Wert der Organe in einem gewissen 
Zusammenhang steht mit ihrer Variationsbreite, und zwar so, daß dann die Neigung 
zum Variieren besonders groß ist, wenn der funktionelle Wert unbedeutend ist. 
Zwei Beispiele aug der menschlichen Anatomie zeigen das: Bei aller sonstigen 
Variation des menschlichen Gebisses ist und bleibt der Härtegrad des Schmelzes 
doch überall wesentlich derselbe. Die Variation des Härtegrades ist so gering (1 bis 
höchstens 2°/,\, daß man diesbezüglich fast von einem „Alles oder Nichts-Gesetz“ 
sprechen könnte. Exakte Untersuchungen hierüber liegen bei Cerviden noch nicht 
vor, einige orientierende Vorversuche scheinen aber auf das Gleiche hinzudeuten!). 
Nun ist ein gleichmäßiger Härtegrad innerhalb einer Spezies etwas durchaus Lebens- 
notwendiges und wohl ohne jeden Zweifel erblich fixiert, Beträchtliche Variation 
finden wir dagegen hinsichtlich der Wirbel- bzw. Rippenzahl (E. FISCHER), mancher‘ 
Muskeln, der Haarfarbe usf., also immer dann, wenn es für die normale Funktion 
„nicht so darauf ankommt“. - 

Der funktionelle Wert der Zähne eines Gebisses ist aber sehr verschieden. 
Beim Reh sind es die hinteren Backenzähne, die den Hauptteil der Kauarbeit ver- 
richten. Unter „hinteren Backenzähnen“ seien hier sinngemäß alle Zähne ver- 
standen, die mit ihrer vollen Oberfläche gegen einen Zahn im anderen Kiefer 
kauen, d. h. alle Zähne mit Ausnahme äes P,- Die Oberkiefer-Backenzahnreihe ist 
etwas kürzer als die des Unterkiefers, und so kommt es, daß der untere erste 
Prämolar nur mit seinem hintersten Teil mit dem vorderen Drittel des P! kor- 
respondiert, mit dem restlichen Teil dagegen freisteht. Das ergibt eine sehr ge- 
ringe Inanspruchnahme des unteren P,. Vollends aber ergibt sich die Richtigkeit 
dieser Ansicht noch daraus, daß im Gegensatz zu allen anderen Zähnen des ge- 
samten Gebisses Abnutzungsspuren bei dem in Rede stehenden Zahne sehr häufig 
erst vom fünften, sechsten Lebensjahre an zu beobachten sind, ja, sogar bei acht- 
bis zehnjährigen, also notorisch alten Individuen, mitunter noch vollständig fehlen. 
Bekannt dürfte ferner sein, daß dieser Zahn bei weitem der kleinste von allen 


!) Vergl. hierzu: W. DIECK, Dtsch. Monatsschrift für Zahnheilkunde 13, 
12, 1895. 


Notizen. 371 


Backenzähnen ist. Man kann also wohl sagen, daß er funktionell nahezu bedeu- 
tungslos ist. — Von hier ist es aber nur ein kleiner Schritt zum „überflüssig“. 
Wenden wir uns der Betrachtung eines anderen Zahnpaares der Cerviden zu, den 
oberen Eckzähnen. Tiefstehende Hirscharten, wie Moschustier und Muntjak, haben 
gewaltige Haken — Kampfwaffen, die wirklich als solehe gebraucht werden und 
die ibnen gute Dienste leisten. Die Rothirschgruppe besitzt die Haken in beiden 
Gechlechtern, wenn auch im Vergleich zu den vorher genannten Arten in rechts 
verkleinertem Zustand. Immerhin sah ich im Berliner Zoologischen Garten ‚strei- 
tende Alttiere, die deutliche Schnappbewegungen gegeneinander machten; das wird 
man beim Reh, dem der obere Eckzahn in weitaus den meisten Fällen fehlt, wohl 
niemals beobachten können. Dagegen hat diese Art in dem gedrungenen, eng ge- 
stellten und langspitzigen „Gehörn“ eine erheblich bessere Kampfwaffe als der 
Rothirsch mit dem weitausgelegten, vielendigen Geweih, das viel mehr zum Schie- 
ben und Drängen, als zur Beibringung von Verletzungen geeignet erscheint. Dem- 
entsprechend finden wir in der jagdlichen Literatur unverhältnismäßig viel mehr 
Berichte von mit dem Tode seines Gegners endenden Paarungskämpfen beim Reh- 
bock, als beim Hirsch — und auch hier ist der „Mörder“ meist ein Hirsch mit 
enggestellten, endenlosen Stangen oder besonders langen und spitzen Augsprossen. 
Beim Reh finden wir obere Eckzähne nur in seltenen Fällen, und zwar, von ganz 
vereinzelten Ausnahmen abgesehen, nur im männlichen Geschlecht, 

Etwas banal ausgedrückt, sind also die oberen Eckzähne des Rehes als tiber- 
flüssig abgeschafft worden, Und, um gleich einen Schritt weiter zu gehen, die ersten 
Unterkieferprämolaren werden die gleiche Entwicklung durchmachen. Entwicklungs- 
geschichtlich stellt sich diese Reduktion demnach als ein progressives Merkmal 
dar, eine Vereinfachung, wie wir sie ganz allgemein als eine der Tendenzen auf- 
fassen müssen, die das Entwicklungsgeschehen regieren. Reduktion des Gebisses 
ist ja in der Säugetierreihe weit verbreitet. (Nagetiere, Wale und andere mehr). 
Sie kann gleichmäßig sich auf das ganze Gebiß erstrecken (Edentaten) oder nur 
einzelne Zähne umfassen. Hier wird der Vorgang meist mit einer Verkleinerung 
der betreffenden Zähne oder Zahngruppen einsetzen, eine Verkleinerung, die aber, 
wie ich glauben möchte, in der Regel nicht zu einer lückenlosen Reihe mit allen 
Übergängen bis zum völligen Schwund führt, sondern nach Erreichung eines ge- 
wissen Stadiums, des der Funktionslosigkeit, gewissermaßen mit einem Sprunge 
völlige Unterdrückung zeitigt. Vielleicht ist es so, daß mit Erreichung dieses 
Stadiums eine, oder eine vermehrte Neigung zur Mutation auftritt, die dann mehr 
oder weniger schnell zu einer endgültigen Beseitigung des betreffenden Zahnpaares 
führt. Für die Eckzähne ist dieser Zustand beim Reh im wesentlichen erreicht; 
die ersten Prämolaren des Unterkiefers, fast schon funktionslos, sind im Anfang 
des eben charakterisierten letzten Stadiums. 

DETLEY MÜLLER (Berlin). 


8.) Berichte über den Tod zweier Zebras. 


Am5.Januar 1926 bemerkte der Inspektor des Zoologischen Gartensin Hamburg 
an unserer etwa 3!/, jährigen Chapman-Zebrastute gegen 17.30 Uhr abends eine Art 
Krampf der Kaumuskeln. Am nächsten Morgen lag das Tier totim Stall und auch der 
Hengst zeigte ein seltsames Verhalten, war schreckhaft, scheu, zeigte taumelnde, 

24* 


372 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


ataktische Bewegungen, gegen Mittag zunehmende Zuckungen der Bauchmuskulatur 
und der Weichen mit entsprechenden Atemstößen. Auch die Schenkelmuskulatur 
zuckte um Mittag unregelmäßig, unwillkürlich. In längeren oder kürzeren Ab- 
ständen knickte das Tier wie von epileptischen Krämpfen oder von Schrecken be- 
fallen zusammen, hielt sich aber auf den Beinen. Das linke Vorderbein wurde gegen 
12 Uhr manchmal hochgehoben, als wäre der Huf verletzt. Die Erscheinungen in 
den Beinen verminderten sich gegen 13.30 Uhr, die Bewegungen der Flanken und 
die Atemstöße dagegen wurden stärker und regelmäßiger. Gegen 14.30 Uhr voll- 
führte das Tier teilweise normale Bewegungen, nahm auch wie vorher wieder Futter 
auf, schien aber nicht mit voller Kraft zu kauen. Das Auge blickte matt und 
interesselos. Der Zustand verschlimmerte sich bis zum Abend, wo das Tier wieder- 
holt sich legte, umschlug und dann plötzlich aufsprang, muß sich aber während 
des Restes der Nacht so weit gebessert haben, daß am 7. Januar morgens jede 
Lebensgefahr behoben schien, der Hengst vor allem wieder mit voller Kraft und 
gutem Appetit kaute und keine Zuckungen mehr erkennen ließ. Seine frühere Zu- 
traulichkeit war noch nicht wieder zurückgekehrt. Nach den Angaben des Hofe 
tierarztes DOCTER gereichte Milch oder Schlempe wurde nicht angenommen, auch 
Wasser kaum berührt. 

Diese rätselhaften Erscheinungen, die mit aller Wahrscheinlichkeit zum Tode 
der Stute geführt hatten, schlossen den zuerst aufgetauchten Verdacht einer Starr- 
krampf-Erkrankung schon wegen des klonischen Charakters der Muskelkrämpfe 
aus und wiesen auf eine akute Vergiftung etwa durch Strychnin hin. Eine Prüfung 
des Futters (Schweizer Bergheu) ergab eine namhafte Beimengung von Herbst- 
zeitlose, und zwar teilweise ganzen Pflanzen mit reifen Samenkapseln. Es mußte 
demnach nachträglich auch eine Vergiftung mit Colchiein in den Bereich der Mög- 
keit gezogen werden, 

Die Sektion der Stute zeigte völlig normale innere Organe, einschließlich Herz 
und Nieren; Magen- und Darminhalt war bis zum Dickdarm reichlich wässerig, 
aber sonst normal, Bei der Sektion waren außer dem Tierarzt die Direktoren der 
medizinischer und veterinärwissenschaftlichen Institute Hamburgs mit ihrem Stab 
zugegen, so daß das Material sowohl anatomisch als auch chemisch und bakterio- 
logisch untersucht werden konnte. Schädel mit Hirn erhielt Prof. Dr. WEYGANDT 
mit der Bitte um Mitteilung etwa am Hirn beobachteter patholögischer Befunde. 
Von den inneren Organen (Herz, Nieren, Darmschlingen mit Inhalt, Magen und 
Blase mit Inhalt, Rückenmark) erhielt das Eppendorfer Krankenhaus größere Teile 
zur eventl. Feststellung der Todesursache, die durch Herrn Direktor Prof. Dr. 
BRAUER zugesagt war, während Geh. Rat. Prof. NEUMANN vom hygienischen 
Institut mit seinen Hilfskräften eine bakteriologische Untersuchung übernahm. Die 
Ergebnisse beider Untersuchungen, sowohl der auf Alkaloide wie Strychnin und 
Colchicin, als auch der auf eine bazilläre Infektion gerichteten, verliefen vollkommen 
ergebnislos. Der Verdacht einer Vergiftung durch Herbstzeitlose erhielt keine Be- 
stätigung, da ja der ganze Antilopenbestand, sowie die übrigen Heufresser und 
besonders Equiden des Gartens (Togoponny, Esel) vom gleichen Futter schon lange 
zuvor gefressen hatten, ohne die geringste Spur von nachteiligen Folgen. Auch 
in der Schweiz selbst eingezogene Erkundigungen bestätigten, daß die Inhaber 
der reich mit Herbstzeitlosen besetzten Wiesen sowohl frisch-grüne Pflanzen, als 
auch das Heu, so sehr dieses mit Samen durchsetzt sein mag, ohne Bedenken an 


Notizen. 373 


ihre Viehbestände einschl. Schafe und Ziegen verfüttern. Persönliche Besichtigung 
der Heuvorräte eines mit über 30 fetten Kühen in den Winter eingehenden Bauern 
in der Nähe von Zürich bestätigten mir das Gesagste. Seine etwas feuchten Wiesen 
bildeten im Herbst ein einziges Blütenmeer von Colchicum, 

Ein in seinen Ursachen und Folgen besser zu übersehender Todasfall ereignete 
“sich bei einem jungen Grant-Zebra, Equus quagga granti WINTON, am 17, 10 
1926. Von dem noch nicht lange eingeführten Paar ließ das Weibchen nach ver- 
hältnismäßig kurzer Anwesenheit im Garten durch geringe Lebhaftigkeit und mattes 
Aussehen eine Erkrankung erkennen, obwohl das Tier gut am Futter und im Fell 
war. Die auffallend bleiche Farbe der Schleimhäute des Mundes verriet eine vor- 
geschrittene Blutarmut. An dem vorhin genannten Datum wurde das Tier tot in 
seinem Stall gefunden, Bei der Besichtigung des Kadavers konnten für die Todes- 
ursache zunächst keinerlei Hinweise beobachtet werden. Der Ernährungszustand 
entsprach dem des gleichalten Hergstes und dem jugendlichen Alter. Die sofort 
vorgenommene Sektion aber förderte im Darmtraktus ein seltsames Bild zu Tage. 
Das ganze Lumen war prall bis zur fast hermetischen Verstopfung auf längere 
Strecken mit Spulwürmern gefüllt, so daß sie literweise dem durch einen Längs- 
sehnitt geöffneten Organ entquollen. Es handelte sich um eine Ascaris-Art von 
durchschnittlich nicht ganz 20 cm Länge und nahezu durchweg gleicher Größe, die 
wahrscheinlich ein Jugendstadium von Ascaris megalocephala L. darstellt. Das Auf- 
treten dieser Art bei Huftieren ist ebenso bekannt wie das Vorkommen massen- 
hafter Ansammlungen in den Eingeweiden der Wirtstiere. Dennoch gewinnt dieser 
Fall dadurch an Interesse, weil die Tiere nur wenige Monate zuvor eingeführt 
waren und das Männchen nach diesbezüglichen Untersuchungen frei von diesen 
Parasiten war. Die eben angeführten Umstände lassen vermuten, daß die Infektion 
schon im Heimatland des Zebras erfolgt ist. 

J. VOSSELER (Hamburg). 


9.) Schakale in Rumänien. 


Am Ende des Monats November des Jahres 1929 ist zumersten Male 
inRumänien ein Schakal (Ounis aureus L.), von mir als solcher bestimmt und 
erkannt, erlegt worden, und zwar auf der Donauinsel bei der Gemeinde Ghidiciu, 
Distrikt Doljiu, Oltenien, gelegentlich einer kleinen, hier abgehaltenen Jagd (siehe die 
Abbild.) Die Leute des Herrn J. J. FLORESCT, des Eigentümer des Schakals (Seaca- 
de-cämp, Distrikt Doljiu) sahen ebenfalls damals noch zwei andere Exemplare, die 
über dieDonau schwammen, undin die Akazienpflanzung 
neben Ghidiciu eintraten. Diese Beobachtung, zusammen mit der 
Tatsache des Gefrierens der Donau im schweren Winter 1929, 
erlauben uns, über die Herkunft und den Ursprung des Schakals in Rumänien 
genaue Schlüsse zu ziehen. Wir hätten den Schakal eher in der Dobrudscha er- 
wartet, wo sich seinem Vordringen kein Hindernis wie die Donau entgegengestellt 
hätte. Dies will natürlich nicht sagen, daß er dort nicht doch vereinzelt vor- 
kommen könnte, um so eher als Prof. Dr. ISCHIRKOFF'') diese Art aus dem 
gegen die Dobrudscha gerichteten Teile Bulgariens vom Stran dgea-Gebirge 
(südlich des Kleinen Balkans) erwähnt. 


1) Bulgarien, Land und Leute, Leipzig 1916. 


374 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1980. 


Wir stellen also Schakale in Rumänien fest, sei es zufällig und vorüber- 
gehend, sei es normal und feststehend, und zwar in der Provinz Oltenien; und 
es darf sicher nicht nur als Zufall betrachtet werden, daß das Museum des 
„Eisernen Tores“ in Turnu-Sererni ein Exemplar von Vormela peregusna GUELD. 
— Mustela sarmatica PALL, mit der Etikette: Piatra-Clozani, Distrikt 
Mehedinti, besitzt. Diese Art fehlt in den übrigen Teilen des Landes und 
in der Dobrudscha erscheint sie wieder. In einer Arbeit?) habe ich die oltemische 
Herkunft dieses Tieres angezweifelt, aber nun rechtfertigt es, zusammen mit dem 


Karte der Umgebung von Ghidiciu, Distrikt Doljiu. 
x Die Stelle, an der der Schakal erlegt wurde. 
xX Die Stelle, an der zwei andere Exemplare gesehen wurden. 
Maßstab : 1:120000. 


Schakale, eine ältere meiner Meinungen ??}, in dem Sinne, daß diese Provinz mehr 
als die übrigen Teile des Landes den mediterranen Einflüssen der Adria ausgesetzt 
ist, während die Dobrudscha den mediterranen Einfluß des Ägäischen-, Marmara- 
und vor allem den pontischen Einfluß des Schwarzen Meeres spürt. 


2) Syst. und Zoogr. Beiträge zur Kenntnis der Musteliden Rumäniens, Trav. 
de l’Inst. de G&ogr. de l’Univ. Cluj, IV, 1930. 

3) Diu urmärile biogeografice ale Per. glaciare in Romänia, Archivele Oltenici, 
Craiova, 1926, 


Notizen. 375 


Obwohl ohne eigenen Schädel (den man beim Abbalgen des Schakals fort- 
warf, und beim Suchen nicht mehr fand), und ohne Angabe des Geschlechtes, ist 
das vom Präparator des Naturhist. Museums in Bukarest (Herrn HOENICKE) 
ausgestopfte Fell gut erhalten und gut aufgestellt, und erlaubt uns eine Be- 
schreibung unter günstigen Bedingungen. 

Allgemeines Aussehen: hundeähnlich, Größe zwischen Wolf und 
Fuchs. Beine wenig hoch, Hals dick, Kopf mit gewölbtem Profil, Schwanz kurz 
(weniger als !/; der Körperlänge von der Schnauzenspitze an). Verhältnis zwischen 
der Länge der Ohren und der Länge des Kopfes von der Schnauzenspitze zum 
Genick wie 3:8 (75 mm : 270 mm). Körperlänge (einschließlich des Kopfes): 980 mm; 
Schwanzlänge (mit Haar): 302 mm; Krallen ziemlich spitz. 

Färbung: rötlich wie Fuchsfell, auf dem Rücken schwärzlich (ähnlich dem 
Wolf und Iltis. Genaueres bei TROUESSART # und MILLERÖ). Der Kopf ist 
von der Farbe des Fuchses im Sommer, die Ohren sind außen einfarbig gelblich, 
innen weißlich; jederseits der Kiefer, oberhalb eines weißlichen Streifens, welcher 
die Lippen begrenzt, befinden sich je zwei schwarze Streifen, nahe dem ersteren 
und parallel mit ihm. Der Hals vorn mit einem deutlichen, weißlichen Kragen 
umgeben, der hinten und an den Seiten von einem schwarzen, sich gegen die Kehle 
zu verlierenden Streifen eingefaßt wird. 

Das unregelmäßige, schwarze, von grauen Haaren unterbrochene Netz auf 
dem Rücken hat ebenfalls die Neigung, sich quer anzuordnen, besonders auf dem 
Vorderrücken. Der kurze Schwanz weist an seiner Endhälfte reiche lange braune, 
an der Spitze schwarze Haare auf. Unterseite gelblich-weißlich. 

Aus dieser kurzen Beschreibung geht hervor, daß unser Exemplar sich etwas 
von der typischen Beschreibung unterscheidet. MILLER (p. 318) stellt fest, daß 
sein Exemplar aus Griechenland „genügend“ mit seinen 5 Exemplaren aus Trebi- 
zond (Klein-Asien) übereinstimmt, und hält es für unklug, es mit einem der balka- 
nischen Namen zu bezeichnen, da er nicht genügend Vergleichsmaterial zur Ver- 
fügung hat. Eines scheint festzustehen: Der Schakal weist irgendwelche, wahr- 
scheinlich individuelle Veränderlichkeit der Färbung auf, welche mit dem Ge- 
schlecht, Alter, Jahreszeit, Nahrung usw. in Zusammenhang steht. 

Dieser Schakal wurde auch auf der Leipziger Internationalen Jagdausstellung 
ausgestellt, und ging nachher in den Besitz des rumänischen nationalen Jagd- 
museums über. 

Der nördlichste aus Europa bekannte Punkt der Verbreitung des Schakals 
war der Distrikt Heves aus dem früheren Ungarn. Als neuer Punkt seiner 
nördlichen Verbreitungsgrenze muß auch die Gemeinde 
Ghidiciu, Distrikt Doljiu, Rumänien, betrachtet werden. 


“) Faune des Mammiferes d’Europe, Berlin 1910, pag. 92. 
5) Catalogue of the Mammals of Western Europe, London (Brit. Mus., Nat. 
Hist.), 1912, pag. 315. 
Dr. RAUL J. CALINESCU (Bukarest). 


RE Se TE EEE RE 


Titel und Register erscheinen mit Heft 1 
des nächsten Jahrganges. 


Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Abb. 3. 


Zu H. ENDERLEIN, Die Fauna der wendischen Burg Poztupimi. 


Tafel XX. 


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Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd, 5, 1930. Marele ex T 


Zu H. ENDERLEIN, Die Fauna der wendischen Burg Poztupimi. 


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Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Tafel XXII. 


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Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. Matele xoXxTV. 


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Zu H. ENDERLEIN, Die Fauna der wendischen Burg Poztupimi. 


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Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


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Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


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Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


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Tafel XXXIII. 


Zeitschrift für Süugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


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Abb. 2. 


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Zu A. J. ARGYROPULO, Beiträge zur Kenntnis der 


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Murinae BAIRD. 


Abb. 7. Abb. 8: Abb..9. Abb. 10. 


Abb. 6. 


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Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Abb. 4. 


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Zu W. HERMAN, Das milchführende Hohlraumsystem des Ziegeneuters. 


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Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. Rate RXOTVEIE 


Zu M. KLEMM, Ein Photo 
vom Zobel. 


Abb. 11. 


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Abb. 13. 


Zu W. HERMAN, Das milchführende Hohlraum- 
system des Ziegeneuters. 


Zu W. LÜTTSCHWAGER, Penisknochen des Fisch- 
otters mit eingeheiltem Schrotkorn. 


Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1980. | Tafel XXXVIII. 


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Abb. 10. 


Abk. 12. 


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| Zu H. M. JETTMAR, Nagetiere im südmandschurisch-mongolischen Grenzgebiet. 


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Buchdruckerei 
REINHOLD BERGER 
Lucka (Bez. Leipzig) 


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V. Anhang. 


1.) Index der Personennamen. 


ADAMETZ 275, 281, 298. 
AHARONI 327. 
ALLEN 309. 
ANTONIUS 90—95. 
ANUTSCHIN 263. 
ARENDSEE 7, 9, 10. 
'_ ARGYROPULO 304. 
ARSENJEFF 71, 72. 
ASMUSS 57. 
AUDOIN 339. 
AUGST 298. 


BACHER 338.- 

. BÄUMLER 298. 

BAIER 7, 9, 11, 13. 

. BAIKOFF 71, 72. 
BARDELEBEN 107, 115, 237. 
BARKOWSKI 1. 
BARRET-HAMILTON 306, 366. 
BAUM 238, 262, 299, 326. 
BAUR 107, 237. 

BELKE 56. 

BENDA 326. 

BERGER 15. 

BERGMANN 106, 237. 
BESTEHORN 241, 243, 298, 299. 
BIELY 365. 
BILKJEWITSCH 60. 

BIRULA 59, 62, 64, 80, 81. 
“ BITTNER 7, 8, 9, 10, 11, 12, 18, 252, 298. 
BLANFORD 61, 330, 331. 
BOCK 9. 

BÖKER 106, 237. - 
BOETHKE 7, 15. 

BÖVING 117, 237. 

" BOGDANOFF: 60, 75 

BRAESS 109, 237. 


BRANDT 56, 69, 75, 139, 164, 178, 237. 


BRASSTAL, I INELZ. 
BRASS, E. 7, 11. 
BRAUER 372. 
BRAUNER 57. 
BREHM 163, 189, 202, 206. 
van den BRINK 4. 
BRINKEN 56. 
BRINKMANN 299. 
BRONN 197, 238. 
BRUKENTHAL 365. 
BUETSCHLI 238. 
BUFFON 3. 


BUNGARTZ 2. 


BUSSE 72. 


CALINESCU 364, 373. 

CASTEN 1. 

CHARLEMAGNE 56. r 
CHLEBNIKOW 69, 75, 81. 
CHRANEWITSCH 57. 
CHRISTELLER 8, 7, 18. 


CORNEVIN 272, 299. 
CORNWALLIS 91. 


DANIELL 91. 
DARRIBA 1 


DARWIN 109. 


DEGERBÖL 299. 
DEGNER 1. 
DERSCHAU 56. 
DIECK 370. 
DIERIG 253£f., 29. 
DIETRICH 9, 10, 11, 15. 
DINNIK 58, 75. 
DOCTER 371. | 
DÖDERLEIN 1, 4, 12. 

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378 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


DOFLEIN 106, 238. 

DRÄSECKE 364. 

DREYER 177, 237. 

DUERST 267, 272, 276, 278, 281, 285, 
287, 299. 

DUKELSKI 57. 


ECKSTEIN 7, 17, 40. 

EDWARDS 88, 90—95. 

EHRENBERG 329, 332, 334, 336, 337. 
EICHWALD 586. 

EISENTRAUT 183, 14. 

EISLER 107, 238. 

ELLENBERGER 107, 238, 262, 299, 326. 
ENDERLEIN 241. 

ERHARDT 886. 

EVERSMANN 60, 81, 103, 309. 


FECHNER 7, 9, 11, 12, 13, 15. 

FICK, A. 136, 148, 238. 

EICK, Br 7,11: 12, 18.16,..17.,.106: 
110, 135, 136, 151, 152, 182, 221, 225, 
226, 230, 238, 257, 299. 

FIEDLER 260, 278, 281, 285, 299. 

FISCHER, A. 93, 94, 95, 146, 182. 

FISCHER, E. 7. 

FLORESCU 373. 

FLOWER 238. 

FORGACS 365. 

FRIEDENTHAL 1, 3, 5, 6, 11. 

FÜLLEBORN 1. 


GANS 278, 285, 299. 
GEBLER 33. 
GEGENBAUER 107, 111, 113, 238, 826. 
GEORGY 56. 

GLAESER 7, 11, 15, 16. 
GMELIN 87, 88, 91, 9. 
GOMANSKY 9, 11, 12. 
GRABOWSKI 7, 18. 
GRAY 62, 91. 

GREVE 57. 

GRIFFINI 90, 91, 93, 95. 
GRIMMER 326. 

GRIPP 1. 
GUELDENSTAEDT 73. 
GÜNTLER 317. 


HABERLANDT 106. 

HÄMPEL 238. 

HÄRTA 7, 12. 

HAGENBECK 2. 

HAGMANN 299. 

HAHN 9, 11, 13, 16. 

v. HALLER 106, 

HANSEN 12. 

HARRIS 91. 

HARTIG 7, 8, 9, 11, 12, 13, 15. 

HAVESTADT 11. 

HEILBORN 246, 249, 250, 299. 

HEINROTH 11. 

HEMPRICH 328, 331, 333. 

HENKE 106, 152, 238. 

HENLE 109, 238. 

HENSELER 299. 

HERMAN 314. 

HERRMAN 1. 

HERZOG 1, 4, 11, 12, 13, 14. 

HESEKIEL 331. 

HESSE 106, 229, 238. 

HEYMONS 12. 

HECK jun. 1, 3,5, 7,.8,,9,M10y.M19} 
13,16 010. 

HECK sen. 1, 2,4, 5, 9, 11, 12, 13, 15, 
16, 17, 18, 19, 110, 237, 369. 

HILZHEIMER 1, 2, 3, 4,5, 6,7,8,11, 12, 
13, 14, 16, 86, 95, 237, 238, 245, 246, 
261, 262, 265, 266, 270,278, 279,280, 281, 
282, 283, 285, 298, 299, 300. 

HINTON 306. 

HITTCHER 279, 285, 300. 

HOCHENACKER 55. 

HOENICKE 375. 

HOFFMANN 298. 

HÜBNER 282, 283, 285, 300. 

HÜTER 223, 238. 

HUMPERDINCK 1. 


IHLE 233. 
ISCHIRKOFF 373. 


JAYAKAR 335. 
JETTMAR 344. 

JORDAN 360. 

JULITZ 107, 206, 207, 238. 


Index der Personennamen. 


KAEPPELI 325, 326. 

KAHMANN 16, 

KAJAVA 177, 238. 

KALLERT 363. 

VAN KAMPEN 238. 
KARACSONYI 365. 
KASCHTSCHENKO 83. 
KEISERLING 56. 

KESSLER 586. 

KIEKEBUSCH 259. 
KIESEWALTER 271, 300. 
KIKUTH 1. 

KLEMM 37, 367. 

KLIEM 278, 285, 300 
ISBENGHARDT 7,9, 11, 18, 15. 
KNABE 1. 

KNIEPKAMP 107, 137, 144, 145, 238. 
KNORR 89, 90, 93, 95. 
KNOTTNERUS-MEYER 9, 109, 238. 
KOBEL 14. 

KOCH 8,12, 13. 

KÖHLER 86, 137, 144, 238. 
KOLBEN 90. 

KOLLER 346. 

KROLL 3869. 

KRONACHER 15. 

KÜCKENTHAL 106. 

KÜHL 3868. 

KÜHNEMANN 11, 12, 15, 285, 286, 300. 
KUHL 1. 


LAMARCK 109. 

LANG 238. 

LAURER 260, 262, 278, 279, 284, 285, 
286, 300. 

LAYARD 381. 

LEHMANN 3, 11, 18, 15, 16. 

LEINBERGER 89. 

v. LEITHNER 260ff., 2781f., 300. 

LEMM 8, 12. 

v. LENGERKEN 14. 

LERNAT 1. 

LESBRE 272, 299. 

LEUCKART 106, 237. 

LEUNIS 336. 

LIPS 7, 8, 9, 18, 14, 15, 16, 17, 105. 

LÖNNBERG 59, 81. 


LOHDE 11. 
LOHMANN 1,3. 


| LUCAE 106, 107, 179, 238. 


LÜUTTSCHWAGER 367. 
v. LÜTZOW 272, 300. 
LUTHER 351. 
LYDEKKER 37, 95. 


MARTIN 107, 233, 239, 326. 


| MATSCHIE 259, 301, 328, 336. 
| MATTHEW 11, 239. 


MAYER 1, 14. 
MEISSNER 1, 5. 
MELLEN 3864. 
MENDEL 1. 
MENZBIER 81. 
MERTENS 364. 

MERZ 1, 8, 12, 15. 
MEYER 106, 239. 
MIGULIN 57. 
MILLER 804, 306, 307, 318. 
MILNE-EDWARDS 72. 
MOHR 1, 5. 

MORI 72. 


' MORITZ 84. 
| MOSER 1886. 


| MOSLER 4, 19, 20. 
| MOST 7. 


MÜBEER, DI 1,25% 879.11. 10° 13; 
14, 375. 


| MÜLLER, L. 89, 90, 95. 


NACHTSHEIM 7. 

NAGNER 106, 239. 

NEDICI 3865. 

NEHRING 271, 30:, 327, 337, 338. 
NEUMANN, CH. 7. 

NEUMANN, J. 18. 


| NEUMANN, 0. 7, 8, 11 


NIERSTRASZ 238. 
NIKOLSKI 60. 
NOACK 301. 
NÖLLER 7, 11, 15. 


OGNEFF 48, 67, 77, 308. 
OHNESORGE1,7,8,9,11,12,13,14,16,17. 
OSAROWSKI 67. 

OSTWALD 886. 


379 


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380 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1950. 


OTTO 136. 
OWEN 239. 


PALLAS 56, 81, 82, 83. 
PANING 1. 

PARSONS 145, 289. 
PENNANT Ss8i#f., 95. 
PERROT-CHIPIEZ 8331. 
PETENYI 804. 
PETERS 1, 3, 8, 9, 15. 
PETERSEN 177. 
PFEFFER 1, 5. 
PIENKOSS 370. 
PINCHAS 365. 

PIRA 301. 

POCOCK 88, 95, 191, 204, 239. 
POHLE, CH. 15, 16. 


POHLE, H. 4, 6, 7, 8, 12, 18, 14, 15, 16, 


18, 110, 298. 
POSNANSKI 37. 
PRZEWALSKI 71, 72. 


RADDE 60, 72, 82, 83. 
REGEL 60. 

REH 1. 

REICHENOW 1. 
REINBERGER 86, 867. 
REINWALDT 305, 306, 312. 
REULEAUX 230. 
RICHTER 326. 
RICKMANN 301. 
RIDGEWAY 91, 93, 95. 
RIEDERER 326. 
RIEDINGER 91. 
RIEMER 8, 11, 12. 

v. RIESENTHAL 8, 11. 
RUBELI 326. 


RÜMMLER 1, 2,4, 5, 6, 7,8, 9, 11, 12, 


13, 15, 16. 
RÜPPELL 339. 


RÜTIMEYER 267, 268, 276. 281, 283, 


285, 301. 

RUGE 7, 8, 11, 15. 
RUHE 11. 

RUHL 86, 92. 


SABANEEFF 56, 57, 82. 
SACHTLEBEN 11. 


| 


SALOMON 327. 
SALOW 1. 
SARASIN 18. 
SARUDNY 75. 


SATUNIN 52, 54, 55, 58, 61, 69, 75, 81, 


82, 310. 
SCHELKOWNIKOW 82. 
SCHENK 12, 13, 15, 16. 
SCHLIESING 301. 
SCHLOSSER 233, 239. 
SCHLOTTAT 1. 

SCHMID 239. 

SCHMIDT 72. 

SCHNEIDER 8, 11. 
SCHNITNIKOFF 60, 64, 82. 
SCHNURRE 8. 
SCHÖNBERG 7, 8, 9, 13, 110. 
SCHRÖDER 14. 
SCHUCHOW 83. 

SCHÜTZ 268, 801. 


SCHUHMACHER 253, 289, 301, 337. 
SCHWARZ 7, 8, 9, 11, 92, 95, 301. 


SCORESBY 202. 
SCULLY 61, 66. 
SEELIGMANN 90, 95. 
SEETZEN 334. 

SEITZ 11. 

SEULESCU 3866. 
SEREBRENNIKOY 96. 
SEVERTZOFF 60, 82. 
SIMASCHKO 357. 
SKODA 318, 325. 
SMIRNOFF 55, 60, 75. 
SMITH 91, 342. 
SOKOLOWSKY 1, 2, 5. 
SPARRMANN 90. 
SPATZ 7, 11, 12, 18, 15, 16. 
SPREHN 3, 4. 
SSOLOWJEW 37. 


| STAECHE 38. 


STAFFE 301. 

STANG 4, 15. 

STEINMETZ 8, 9, 11, 12, 15, 16. 
STIEDA 107, 239. 

STRAUCH 7, 8, 11. 12, 18, 15. 
STRECKER 257. 

STREHLKE 11, 12, 13, 15, 16, 


Index der Personennamen. 


STUDER 246, 247, 249, 263, 265, 266, 301. 
SÜPPEL 137, 144, 239. 


TATSCHANOWSKI 56. 
TEMMINCK 342. 
THILO 106, 239. 
THOMAS 61, 338. 
THORMANN 11, 15. 
TORNIER 107. 110, 231, 239. | 
TOWNSEND 364. 
TRISTRAM 329, 331, 335, 337, 338, 339, | 
340, 341, 348, 
TROUESSART 375. 
TUGARINOW 83. 


ULMANSKY 278, 281. 
UMLAUFF 2. 
USSOW 262. 


VALLENTIN 8, 11. 
VERSLUYS 238. 

VIRCHOW 8, 12, 16, 17, 107, 239. 
VITSCHAT 1. 

VITZTHUM, GRAF 353. 

VOGEL 1. 

VOGELSANG 1, 8. 

VOLLMER 89, 95. 

VOSSELER 362, 371. 


WAGNER 338, 339, 342. 


| WALCH 90, 9. 


WALTER 60, 82. 
WARENZOW 82. 


WEBER 15, 16, 289. 


WEISE 1. 
WERESCHTSCHAGIN 64. 


WESTENHÖFER 1, 3, 5, 6, 8, 16. 


WETTSTEIN 313. 
WIEDERSHEIM 239. 
WILCKENS 285, 301. 
WINKELHAGEN 1. 
WINOGRADOW 304. 
WIRTZ 326. 

WOKER 7, 12. 
WOLDRICH 263. 
WOLEGOW 57. 
WOLFGRAMM 249, 301. 


WYMAN 107, 239. 


ZARUDNY 60, 82, 104. 
ZEDTWITZ, GRAF 14. 
ZEHLE 8, 15. 

ZENGEL 285, 302. 
ZIETSCHMANN 322, 326. 
ZIMMER 7, 110. 
ZIMMERMANN 8, 326. 


38l 


ZUKOWSKY 1, 2, 60, 63, 64, 66, 69. 


2.) Index der Tiernamen. 


Acinony& 13, 81. 

— guftatus 8. 

— jubatus 332. 
Acomys cahirinus 339. 
— dimidiatus 338. 
— russatus 338. 
Addax nasomaculatus 329. 
Alactaga Jaculus 99. 
Antilope beatrix 329. 
— beisa 329. 

— bubalis 329. 

— ensicornis 328. 

— gazella 328. 

— leucoryx 329. 
Apodemus 313. 

— agrarius 108. 
Arvicola 839. 

— amphibius 340. 

— syriacus 839. 
Asellia tridens 342. 
Asinus hemippus 330. 
— onager 330. 


Bartonella bacilliformis 349. 

Bison bonasus 260, 302. 

Bos 10. 

— primigenius 244, 260, 281ff., 302. 

— taurus 13, 244, 255, 260, 275, 302, 
314. 

— — brachyceros 253, 281, 298. 

— — longifrons 255, 279, 281, 288, 293, 
297, 308. 

— — primigenius 297, 302. 

Bubalis 6, 8. 

Bubalus 6, 10. 


Camelus 314. 


Canis 236. 

— aureus 332, 366, 373. 

— familiaris 40, 137, 262 302. 

— — inostranzewi 264, 265. 

— — intermedius 262ff., 297. 

— — leineri 264. 

— — matris-optimae 264 ff., 297. 

— — putiatimi 264ff. 

— lupus 96, 110, 137, 240, 245, 302, 
332, 366. 

— syriacus 344. 

Capra 8, 241, 314. 

— aegagrus 275, 328. 

— hircus 13, 274, 303, 314. 

— — strepsiceros 275. 
prisca domestica 275, 297. 

Capreolus capreolus 241, 251, 296, 329, 
365, 369. 

Castor fiber 241, Zi5, 296, 364. 

Catolyn& 49, 73. 

— chaus 74, 332. 

Catus 49. 

— manul ferrugineus 32. 

— silvestris 53. 

Cercopithecus leucampyx& kibonotensis 8. 

— stuhlmanni 8. 

Cervus dama 365. 

— — mesopotamicus 330. 

— elaphus 241, 253, 296, 302, 365. 

— maral 37. 

— umbrinus 833. 

Ceratophyllus 350. 

— mongolicus 346, 361. 

Chaus 73. 

— catolyna 74. 

— caudatus 62. 

— chaus 48, 51, 74, 85. 


Index der Tiernamen. 383 


Citellus mongolicus ramosus 346. 
— rufescens 97 ff. 

Comatibis comata 342. 

— eremita 333. 

Connochaetes 6, 8. 

— taurinus albojubatus 8. 
Oricetus auratus 338. 

— cricetus 100. 

— nigricans 338. 

Oricetulus 359, 360. 

— barabensis 357 ff. 

— griseus 357. 

— — fumatus 346, 351, 352. 
— phaeus 338. 

— triton 357 ff. 

Orocidura crassieaudus 343. 
— portali 343. 

— russula judaica 343. 
Ctenophthalmus 361. 


Delphinus algeriensis 331. 
— delphis 331. 

.— mediterraneus 331. 
Diceros bicornis 6. 8. 
Dipodillus dasyuroides 339. 
Dipus aegyptius 338. 

— hirtipes 338. 

— sagitta 338. 

— schlueteri 338. 

— sowerbyi 346, 847. 
Dryomys nit-dula 337. 


EBlephas indicus 9, 10, 17. 
— pachyganalis 14. 

-- primigenius 9. 

Eliomys melanurus 337, 339. 
— quercinus 14. 

Ellobius talpinus 100. 
Eguus burchelii 92. 

-—— — paucistriatus 91, 92. 
— caballus 5, 241, 244, 268, 297. 
— foai 87. 

— greyi 37T. 

— quagya 86. 

— — böhmi 3. 

— — burchelli 95. 

— — greyi 93, 9. 


Eguus zebra 87, 88. 
Eremaelurus 6 

— thinobius 48, 77. 
Erinaceus aethiopieus 343 
— brachydactylus 343. 
— europaeus 343. 

— Iybicus 343. 

— roumanicus 97. 

— — sacer 343 
Erythrocebus 13. 
Evotomys 191. 


Felis 12, 48. 
— bengalensis 71. 
— bubastis 331. 
— cato affinus migra 55. 
— catolynx 74. 
— catus 49ff., 60. 
- — caucasicus 52. 
— — ferus 54. 
— caudata 59, 60, 66. 
— — griseoflava 62, 63. 
— — longipilis 64. 
— morpha schnitnikowi 64. 
— chaus ?4. 
— daemon 55. 
— euptilura euptilura Ti, 72. 
— — microtis 48, 71. 
— kozlovi 69. 
,1e0.6,.8,.19, 18, 331. 
— — guzeratensis 331. 
— macrothrixc 61. 
— maniculata 332. 
— manschurica 72. 
— manul 80, 83. 
— maimanach 66. 
— microtis 71. 
-— murgabensis 65. 
— nimr 331. 
— ocreata &. 
— ornata 59, 68, 69. 
— — caudata 42, 59, 61, 64ff. 
— — griseoflava 64. 
— — issikulensis 42, 59, 67, 85. 
— — macrothric 64, 65, 69. 
— — matsehiei 42, 59, 61, 66, 67. 
— — murgabensis 42, 59, 61, 65, 76. 


384 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Felis ornata nesterovi 61. Hyaena hyaena 332. 
— — ornata 59, 61. — — syriaca 332. 

— — schnitnikowi 61, 65. — spelaea 11, 12. 

— — shawiana 42, 61, 65, 66. Hystrix cristata 8, 340. 
— pallida 59. — hirsutirostris 98. 

— pardochrous 71. — — aharoniü 340. 

— serval 13. — — schmitzi 340. 

— servalina 59, 61. 
neo Jaculus jJaculus 338. 


— silvestris 52, 80. Lagurus lagurus 103. 
— — caucasicus 48, 52. Leggada 3183. 
— — silvestris 48, 52, 54, 366. Lepus aegyptius 340. 
— tigris 31. — craspedotis 340. 
— undata 71. — europaeus carpathorum 365. 
Frontopsylla jettmari 354, 360, 361. — — europaeus 365. 
Fulica atra 241, 244, 245, 296. ae transsylvanicus 365. 
— isabellinus 340. 
Gazella 6, 13. — judeae 340, 341. 
— arabica 328. — niloticus 340. 
— dorcas 328. — sinaibieus 340. 
— gazella 329. — syriacus 340. 
— granti 8. Lutra lutra &0, 110, 177, 240, 245, 364. 
— leptoceros 329. Lutreola lutreola 366. 
— marica 329. Lynx 14, 15, 50, 73, 81. 
— merilli 328, 330. I caracal 332. 
— revella 828. | — — aharonii 332. 
— subgutturosa 329. | — chaus 74. 
Genetta felina 8. — Iyna 866. 


—- pardina suahelica 8. 
— terrae-sanctae 334. 


— pardinus 332. 


Gerbillus longicaudus 339. Martes foina 5, 335, 366. 

— melanurus 339. — martes latinorum 366. 

— pygargus 339. — — martes 369. 

— taeniurus 339. — zibellina 367. 

Giraffa tippelskirchi 8. Meles canescens 336. 

Glis glis 837. — mediterraneus 336. 

Gorilla 6. — meles 110, 162, 236, 240, 245, 365. 
Melliwvora indica 336. 

Halicore hemprichii 330. — ratel 8. 

Hemiechinus auritus 97. Meriones crassus 339. 

Hepatozoon jaculi 349. — kurauchi 349. 

Herpestes ichneumon 327, 334. — tristrami 339. 

Hippopotamus 6, 8, 9, 10. Micromys 313. 

Hippotigris 6, 8, 871. Microtus 333. 

Homo 6, 245. — arvalis 340. 

Hyaena 6, 8. — gregalis 102. 


— crocotta 11, 12, 18. — guentheri 340. 


Index der Tiernamen. 385 


Microtus nivalis 340. 


philistina 339. 
socialis 340. 
syriacus 339. 


Miniopterus dasythric 342. 


schreibersii 342. 


Monachus albiventer 337. 
Mus 304. 


alexandrinus 338. 

azoricus 307, 313. 
bactrianus 306, 309, 338, 
gentilis 338. 

hapsaliensis 308. 

hortulanus 304, 309, 311, 312. 
musculus 304, 338, 346. 

— azoricus 310, 311. 

— borealis 307, 308. 

— coerulescens 314. 

— funureus 307, 308, 314. 
— hortulanus 308, 311, 312. 


— musculus 304, 308, 310, 313. 


— nordmanni 308. 
— raddei 309. 

— sergüt 308. 

— spicilegus 313. 
— tomensis 307. 
— wagneri 313. 
nordmanni 304. 
praetextus 338. 
sergii 305, 312. 
severtzovi 307, 309. 
spicilegus 304. 

— hapsaliensis 306. 
subcaeruleus 307. 
sylvaticus 338. 
tataricus 310. 
tectorum 338, 
variegatus 338. 
wagneri 304, 309. 


Mustela boccamela 335. 


dombrowskii 366. 
erminea aestiva 366. 
nivalis 366. 

— boccamela 366. 
— nivalis 366. 
sarmatica 374. 
subpa'mata 335. 


A ee re Er 


Mustela vulgaris 366. 


Nanger 6. 

Neomys 343. 

Neopsylla bidentatiformis 353, 354, 360, 
361. 

Nesokia bacheri 338. 

Nyctinomus cestonii 341. 


Oncoides 70. 

— bengalensis radduü 71. 

— euptilura microtis 71. 
Ophthalmopsylla kukushkini 360. 
Oryetolagus cuniculus 341. 
Otocolobus 76, 78. 

— manul 79, 83. 

— — ferrugineus 48, 80, 84. 
— — manul 48, 83. 

— — mongolicus 8. 

— — nigripectus 80, 83, &. 
Ovis aries 13, 241, 244, 272, 297, 314. 
— — palustris 274. 

— — studeri 274. 

— musimon 365. 

— tragelaphus 328. 


Pachyura crassicauda 343. 

Panthera pardus 331. 

Papio cynocephalus lestes 8. 

— sphinx 13. 

Pardofelis marmorat« 31. 

Pedetes caffer 8. 

Phacochoerus 8, 13. 

Phodopus bedfordiae 344, 345, 351, 352, 
359, 360, 361. 

Pipistrellus abramus 341. 

Plecotus auritus 342. 

Podiaelurus 59. 

Poephagus 314. 

Potos flavus 110, 205, 236, 240. 

Prionaelurus 70. 

— euptilura microtis 48, 51, 71, 85. 

Procavia schmitzi 330. 

— syriacus 330. 

Psammomys obesus 339. 

— terrae-sanctae 339. 

— tamaricinus 339. 

Putorius africanus 335. 


386 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 5, 1930. 


Putorius eversmanni 97, 366. Sus scrofa palustris 267 ff. 
— hiposideros 366. Sylvaemus syWwatieus 102. 


— putorius 335, 366. 
| Taphozous nudiventris 341. 


Rangifer 314. Taurotragus 6. 

Rattus norvegieus 338. Thalassarctos maritimus 110, 202, 240. 

Rhadinopsylla 360, 861. Trichaelurus 78. 

Rhinoceros 9, 10. — manul 83. 

Rhinolophus blasü 342. -- — mongolicus 83. 

— euryale 341. Trichechus americanus 362. 

— ferrum-equinum 342. — imunguis 362. 

Rhinopoma hardwickii 341. -- latirostris 362. 

— microphylium 341. -- manatus 8362. 

— bedfordiae 353, 357. Tursiops tursio 364. 

Rousettus aegyptiacus 348. 

Rupicapra rupicapra 365. Ursus arctos 110, 235, 240, 245. 
— — alpinus 365. 

Scarabaeus 354. — syriacus 336, 337. 

Scirtopoda telum 100. — .- schmitzi 336. 

Sciurus syriacus 337. 

Scotophilus temminckü 342. Vespertilio emarginatus 342. 

Sicista nordmanni 108. — murinus 348. 

Sorex araneus 343. Vesperugo kuhlü 342. 

— minutus 343. Vormela peregusna 335, 366, 374. 

— tetragonurus 343. Vulpes flavescens 334. 

Spalax ehrenbergü 340. — niloticus 334. 

Spermophilus citellus 337. — vulpecula 334. 

— zanthoprymnus 337. \ — vulpes 366. 

Sus scrofa 250. — — crucigera 366. 

— — antiguus 250. — — melanogaster 366. 

— — domesticus 267, 303. — — palaestina 334. 

— — ferus 268, 296, 303, 328. 


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